Schreiben in Projekten
Von der Leistungsbeschreibung bis zum Abschlussbericht
0419
2021
978-3-7398-8111-9
978-3-7398-3111-4
UVK Verlag
Christoph Zahrnt
Schreiben will gelernt sein! Das Erstellen von Texten gehört zu den Tätigkeiten eines jeden Projektmitarbeitenden. Da schreiben im beruflichen Kontext jedoch Tücken mit sich bringen kann, ist eine verständliche, eindeutige und respektvolle Sprache gefragt. Der Autor dieses Buches vermittelt die entsprechenden Kompetenzen zur schriftlichen Kommunikation in Projekten, speziell für Leistungsbeschreibungen. Dabei zeigt er auf, wie Sie situationsgerecht und inhaltlich eindeutig schreiben, wie Sie Schreibprozesse strukturieren und wie Sie Risiken auf personaler Ebene vermeiden. Das Buch dient somit als Ratgeber für Projektleitende und Projektmitarbeitende in internen und externen Projekten sowie Projekten innerhalb einer Unternehmensgruppe.
<?page no="0"?> Schreiben in Projekten von der Leistungsbeschreibung bis zum Abschlussbericht Christoph Zahrnt <?page no="2"?> Christoph Zahrnt Schreiben in Projekten Von der Leistungsbeschreibung bis zum Abschlussbericht UVK Verlag · München <?page no="3"?> Umschlagmotive: © iStockphoto AJ_Watt / iStockphoto LightField- Studios Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.dnb.de> abrufbar. 1..Auflage 2021 © UVK Verlag 2021 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-7398-3111-4 (Print) ISBN 978-3-7398-8111-9 (ePDF) <?page no="4"?> Vorwort Das Schreiben von Texten gehört zu Ihren Tätigkeiten als Mitglied eines Projektteams. Dieses Buch vermittelt Ihnen, wie Sie Ihre Fähigkeiten zur schriftlichen Kommunikation in Projekten verbessern können: Wie Sie möglichst eindeutig und situationsgerecht verständlich schreiben, dabei weniger sachliche und sprachliche Fehler machen und damit insgesamt Missverständnisse und Auseinandersetzungen verringern. Wie Sie sich dank eines strukturierten Prozesses mit dem Schreiben leichter tun und effizienter schreiben. Wie Sie für Ihren Empfänger in ansprechender Weise schreiben und dabei die Risiken vermeiden, die sich auf der personalen Ebene ergeben können. Auch dann kommt es allerdings immer noch auf Ihre Bereitschaft an, sich anzustrengen. 1 Das Gehirn strengt sich nicht gerne an und weicht der Mühe aus, wenn es das kann. Macht ihm etwas Freude, arbeitet es gern. Doch dieser Antrieb liegt beim Schreiben eher fern. Das Buch behandelt nicht nur das Ausformulieren von Texten, sondern den gesamten Schreibprozess: vom Erstellen eines Konzepts über das Ausformulieren bis zu dessen Überarbeiten. Es tut das eingebettet in den gesamten Kommunikationsprozess, also vom Gehirn des Schreibers bis zum Gehirn des Empfängers. 1 Die innere Motivation (die intrinsische) ist beim Schreiben von Texten deutlich geringer als bei einer Rede. Bei dieser geht es dem Sender auch darum, sich auf der Bühne erfolgreich zu präsentieren, und er hat auch die Möglichkeit dazu. Bei einem geschriebenen Text ist die Möglichkeit viel geringer, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken (außer wenn der Schreiber ein Einzelkämpfer ist). <?page no="5"?> 6 Vorwort Das Buch ist kompakt und systematisch abgefasst, also nicht so locker wie Schreibratgeber. Es erzählt nicht Geschichtchen, beispielsweise wie schwer sich Luther mit dem einzelnen Wort getan hat oder Goethe mit der Kürze eines Briefes. Dafür können Sie, wenn Sie Empfehlungen suchen, diese auch finden, und zwar abgerundet dargestellt. Das Buch ist auf Texte für Projekte bis hin zur Leistungsbeschreibung ausgerichtet. Bis Sie zu den speziellen Empfehlungen zu dieser kommen, müssen Sie erst einmal die Grundlagen durcharbeiten. Abb. 1: Der Weg bis zur Leistungsbeschreibung / Spezifikation Ihre Schreibvorhaben werden von den Rahmenbedingungen beeinflusst, in denen Sie arbeiten: von Ihrem Arbeitsplatz, Ihrer Organisation, Ihrer Branche oder Ihrem Berufsfeld, schließlich auch von Ihrem Kulturkreis. Diese Rahmenbedingungen können sich auf die Empfehlungen in diesem Buch auswirken, sie können einige relativieren und einige modifizieren. Ich beschreibe mein früheres Verhalten im Imperfekt, weil ich nicht mehr als Rechtsanwalt tätig bin. Ich arbeite weiterhin als Schreibcoach. Neckargemünd, März 2021 Christoph Zahrnt Pflichten / Aufgaben Insb. Leistungsbeschreibungen erstellen Spezifische Formulierungen Ausformulieren allgemein Vertragsbezogene Dokumente erstellen Überarbeiten Ausformulieren Konzept erstellen Texte in Phasen erstellen Erfolgreich kommunizieren Spezifikation <?page no="6"?> Inhaltsverzeichnis Gender-Hinweis........................................................................................... 11 Begriffe .......................................................................................................... 11 Vertragsbezogene Texte............................................................................. 12 Beispiele ........................................................................................................ 14 Lesen und anwenden .................................................................................. 14 Für Ihren Erfolg: Üben! .............................................................................. 14 1 Der Rahmen, insb. der Kommunikationsprozess .............. 17 1.1 Schreiben innerhalb des Kommunikationsprozesses.................. 18 (a) Die Sachebene ............................................................................ 19 (b) Die personale Ebene.................................................................. 24 (c) Die Rhetorik................................................................................ 29 1.2 Die Phasen des Schreibens von Texten ......................................... 29 1.3 Die Organisation von Schreibvorhaben ........................................ 31 1.4 Schreibblockaden................................................................................ 33 2 Ein Konzept erstellen .................................................................... 35 2.1 Das Konzept für Ihr Schreibvorhaben ........................................... 35 2.2 Das inhaltliche Konzept .................................................................... 37 (a) Erst konzipieren, dann ausformulieren ................................ 38 (b) Der Prozess des Konzipierens ................................................. 39 (c) Ihr Vorgehen beim Konzipieren ............................................. 42 (d) Hilfen für die inhaltliche Arbeit ............................................. 49 (e) Überlegungen zur Gestaltung von Texten ........................... 52 (f) Überprüfen des inhaltlichen Konzepts.................................. 53 3 Texte ausformulieren .................................................................... 55 3.1 Einleitung ............................................................................................. 55 (a) Was sollten Sie für die Zielerreichung berücksichtigen ... 55 (b) Ihr Vorgehen............................................................................... 61 3.2 Allgemeine Empfehlungen zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit.................................................................................. 64 <?page no="7"?> 8 Inhaltsverzeichnis (a) Stellen Sie sich auf Ihren Empfänger(-kreis) ein.................64 (b) Vermeiden Sie sprachliche Unklarheiten..............................67 (c) Formulieren Sie den einzelnen Gedanken vollständig aus .................................................................................................69 (d) Formulieren Sie konkret ...........................................................69 (e) Formulieren Sie eher nicht kurz .............................................71 3.3 Empfehlungen zum gesamten Dokument .....................................74 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit.............................76 (a) Konstruieren Sie Sätze übersichtlich .....................................77 (b) Verwenden Sie Wörter sorgfältig...........................................87 (c) Ersetzen Sie Vollverben nicht durch Substantive/ Adjektive......................................................................................93 (d) Machen Sie Rückbezüge deutlich oder gar nicht ................96 (e) Verwenden Sie Verben bevorzugt im Aktiv.........................99 (f) Lassen Sie Relativsätze Relativsätze bleiben ......................101 (g) Packen Sie Wichtiges nicht in Adjektive ............................101 (h) Beziehen Sie Sätze aufeinander, auch Wörter ...................102 3.5 Schwierige Wörter und Formulierungen.....................................104 (a) Weniger oder mehr von etwas ..............................................105 (b) Weitere schwierige Wörter....................................................106 3.6 Schreiben: Briefe und E-Mails ........................................................107 4 Texte überarbeiten ....................................................................... 111 (a) Sie werden herausgefordert ...................................................111 (b) Ihr Vorgehen .............................................................................113 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte .............................................................................. 123 5.1 Das Konzept für Dokumente in Ihrem Aufgabenbereich ........123 5.2 Allgemeine Empfehlungen zum Ausformulieren ......................127 5.3 Empfehlungen an den Auftragnehmer.........................................134 5.4 Anspruchsgrundlagen richtig formulieren - auch Ausnahmen................................................................................................136 5.5 Pflichten und Aufgaben richtig formulieren...............................138 <?page no="8"?> Inhaltsverzeichnis 9 5.6 Weitere Formulierungen zur Leistungsbeschreibung .............. 143 5.7 Die Spezifikation ausformulieren ................................................. 147 5.8 Formulierungen bei der Vertragsdurchführung ........................ 149 5.9 Insbesondere (Kurz-)Protokolle..................................................... 153 6 Das Angebotsdokument attraktiv gestalten ...................... 157 7 Aufgaben zum Üben.............................................................163 7.1 Übungsaufgaben: Verbessern Sie die Texte ................................ 163 7.2 Aufgaben zu Texten aus der Praxis von Projektleitern ........... 170 8 Vorschläge zur Bearbeitung der Aufgaben ........................ 179 8.1 Übungsaufgaben ............................................................................... 179 8.2 Texte aus der Praxis von Projektleitern ...................................... 187 Anhänge Anhang A.1: Methoden zur Konzepterstellung .................................. 197 Anhang A.2: Das SOPHIST-Regelwerk für Sachtexte ....................... 204 Anhang B: Juristischer Sprachgebrauch............................................... 209 Anhang C: Gendern .................................................................................. 217 Anhang D: Sachtexte richtig gut schreiben......................................... 223 Anhang E: Kommentiertes Literaturverzeichnis ................................ 225 <?page no="10"?> Nutzerhinweise Gender-Hinweis Ich bitte die Leserinnen um Verständnis, dass ich in diesem Sachtext Wörter im generischen Maskulinum nicht gendergemäß ersetze. Ich lasse das sein, weil ich diese Wörter im funktionalen Zusammenhang verwende. Diese beziehen sich oft auf Organisationen, die mitgemeint werden sollen. Weiter muss ich viele Begriffe im Singular verwenden. Gendern würde die Verständlichkeit des Textes stark beeinträchtigen [→ siehe Anhang C, S. 175]. Da ich in diesem Buch alle, die es lesen, durchgängig direkt anspreche, sind Frauen bestimmt gleichrangig gemeint. Begriffe Das „Was“ und das „Wie“ : Das „ Was“ Ihres Textes bezieht sich auf die Informationen, die Sie geben wollen, also auf den Inhalt. Das „ Wie“ bezieht sich darauf, wie Sie die Informationen in einen Text bringen / in einem Text darstellen [→ Kap. 1. S. 17]. „Einfache Texte“ bzw. „Umfangreiche und/ oder schwierige Texte“: Das Buch enthält einen Methodenkasten für Texte, die von einer Terminvereinbarung bis zu einer Leistungsbeschreibung reichen. Üblicherweise steigen dabei die Anforderungen, um das gewünschte Qualitätsniveau zu erreichen. Das wirkt sich auf die Empfehlungen aus: Manche werden wichtiger, manche kommen hinzu. Die Angabe der Textart soll Ihnen zeigen, welche Empfehlungen jeweils üblicherweise relevant sind. Ihre Kommunikationspartner: Sie können Ihren Text an eine Person, aber auch an mehrere richten, bei Projekten an mehrere Mitglieder des Projektteams auf der anderen Seite/ Instanz. Im ersten Fall verwende ich die Bezeichnung „der Empfänger“ oder zur Verdeutlichung „der eine Empfänger“ im Singular. Im zweiten Fall verwende ich je nach der sprachlichen Situation „die Empfänger“ im Plural oder „der Empfänger(-kreis)“. Sie sollen sich bei den mehreren Empfängern nicht auf alle am Projekt beteiligten Personen der anderen Seite/ Instanz ausrichten, sondern nur auf die, die den jeweiligen Text direkt oder indirekt zur Kenntnis nehmen sollen. - Bei umfangreichen und/ oder schwierigen Texten liegt es nahe, dass Sie sich an dem Empfänger(-kreis) ausrichten. <?page no="11"?> 12 Nutzerhinweise Interne, semiexterne und externe Projekte : Projekte können interner oder externer Art sein. Sie können auch semiexterner Art sein, nämlich zwischen zwei juristischen Personen innerhalb einer Unternehmensgruppe oder zwischen kooperierenden Organisationen bestehen; kennzeichnend ist, dass über Konflikte auf einer höheren Ebene entschieden wird. Alle Projektarten bauen auf einem Projektauftrag auf, der auf einer höheren Ebene erteilt wird. Die Dokumente, für deren Erstellung Sie zuständig sein können, gleichen sich weitgehend. Denken Sie an die Leistungsbeschreibung. Bei allen Projektarten sind die Beteiligten an effizienter und effektiver Projektdurchführung interessiert, so auch am effizienten und effektiven Schreiben. Dementsprechend richtet sich dieses Buch an Projektleiter und andere Projektmitarbeiter in allen Projektarten. Der wesentliche Unterschied zwischen den Projektarten liegt zum einen darin, welche Seite/ Instanz die Nachteile aus Reibungen und Schwierigkeiten tragen muss. Dementsprechend drohen Verteilungskämpfe zu Nachteilen. Das gilt besonders für externe Projekte mit einem Festpreis: Der Auftragnehmer trägt den Aufwand, der letztlich nicht durch den Festpreis abgedeckt ist. Zu seinen Lasten geht der Appetit des Kunden beim Essen [IT-Projektmanagement, Kapitel 2.1 ] . Der Auftragnehmer hat auch wesentlich größere Schwierigkeiten, den Mehraufwand erstattet zu bekommen, den der Kunde durch mangelnde Mitwirkung verursacht hat, als andersherum der Kunde. Der kann den Mehraufwand, den der Auftragnehmer ihm durch schlechte Projektdurchführung verursacht hätte, erst einmal einfach von der Vergütung abziehen. Das Buch geht auf alle Projektarten ein; es berücksichtigt besonders die erhöhten Risiken auf der Auftragnehmerseite (schwerpunktmäßig in Kapitel 5). Vertragsbezogene Texte Das Buch enthält im Hinblick auf externe Projekte auch Empfehlungen zu vertragsbezogenen Texten (im Folgenden „Passagen“ genannt). Diese sind durch ein etwas anderes Schriftbild gekennzeichnet (eine andere Schriftart ohne Serifen). Diese beziehen sich auf die Leistungsbeschreibung und auf andere vertragsbezogene Texte, auch auf solche, die während der Projektdurchführung anfallen. Kapitel 1- 4 enthält nur wenige solche Passagen. Diese sind schwerpunktmäßig in Kapitel 5 aufgenommen. <?page no="12"?> Nutzerhinweise 13 Projektleiter : Projektleiter in externen und semiexternen Projekten sollten alle diese Passagen lesen. Wenn Sie Projektleiter bei einem internen Projekt sind, dann lesen Sie diese Passagen so, dass mit „Auftragnehmer“ Ihre „Auftragnehmer-Instanz“ gemeint ist und mit „Kunde“ Ihre Auftraggeber-Instanz. Passen Sie die Empfehlungen ggf. auf Ihre Situation hin an. Wenn Sie als Projektleiter bei einem semiexternen Projekt tätig sind, ist Ihre Seite mit „Auftragnehmer“ bzw. „Kunde“ sowieso zutreffend angesprochen. Erfreulicherweise verlangt das Erstellen von vertragsbezogenen Texten im Wesentlichen nur, dass Sie wie allgemein empfohlen möglichst eindeutig und situationsgerecht verständlich schreiben. Das können Sie auch als Nicht-Jurist tun. Andere Projektmitarbeiter: Lesen Sie die wenigen kurzen Passagen in den Kapiteln 1-4 je nachdem, ob Sie die darin enthaltenen Hinweise interessant finden oder nicht. Sie brauchen sich mit diesen nicht zu befassen. Kapitel 5 enthält lange Passagen dieser Art. Auch wenn Sie weder Leistungsbeschreibungen noch andere vertragsbezogene Dokumente schreiben, so werden Sie doch bei Ihrer Projektarbeit Texte mit spezifischen Formulierungen lesen. Deswegen sollten Sie diese kennen. Also sollten Sie die zusätzlichen Passagen entsprechend Ihren Aufgaben gründlich oder zumindest kursorisch lesen. Viel lesen: Wenn Sie Leistungsbeschreibungen (auch solche für Zusatzaufträge! ) und vertragsbezogene Texte während der Projektdurchführung erstellen, lesen Sie das Kapitel 5 einschließlich der zusätzlichen Passagen. Das empfiehlt sich auch, wenn Sie keine Leistungsbeschreibungen, sondern nur andere vertragsbezogene Texte erstellen. Denn Sie haben auf jeden Fall eine verantwortungsvolle Position im Projekt inne und sollten deswegen auch die Begriffe für Leistungsbeschreibungen kennen. Es mag schon ausreichen, wenn Sie diese Passagen nur kursorisch lesen. Kaum lesen: Wenn Sie kaum mit vertragsbezogenen Dokumenten etwas zu tun haben, dann können Sie dieses Kapitel überspringen. - Wahrscheinlich ist es für Sie auf der Auftragnehmerseite bei externen Projekten nützlich, dieses Kapitel kursorisch zu lesen; denn Sie könnten immer wieder mit solchen Dokumenten in Kontakt kommen. Die zusätzlichen Passagen können Sie überspringen. Bleibt die Mitte: Lesen Sie immerhin das Kapitel 5, wenn auch ohne die zusätzlichen Passagen; denn Sie können immer wieder mit Texten mit spezifischen Formulierungen in Kontakt kommen. Wahrscheinlich ist es für Sie auf der Auftragnehmerseite bei externen Projekten nützlich, auch die zusätzlichen Passagen kursorisch zu lesen. <?page no="13"?> 14 Nutzerhinweise Beispiele Das Buch enthält viele Beispiele, Übungsbeispiele und Aufgaben zum Üben. Die meisten Übungsbeispiele und Aufgaben habe ich aus der Praxis übernommen. Das erklärt, dass einige von diesen krumm sind. Auf diese Weise möchte ich Sie mit Ihrem Alltag konfrontieren. Lesen und anwenden Sie können mit dem zu lesen anfangen, was Sie erst einmal interessiert. Allerdings sollten Sie das Konzept des Buchs kennenlernen. Lesen Sie die ersten zwei Seiten dieser Nutzerhinweise sowie Kapitel 1.2 zu den Phasen. Machen Sie beim ersten Lesen kleine Pausen (nach etwa 15 Minuten) und große (nach etwa einer Stunde) - das empfiehlt die Lernpsychologie. Machen Sie darüber hinaus ganz lange Pausen, damit Sie das bisher Gelesene anwenden können. Sie aktivieren damit Ihr Gedächtnis und festigen dadurch die Speicherung der Empfehlungen in Ihrem Gehirn. Kapitel 3.4 enthält Empfehlungen zum Ausformulieren mit vielen Details. Was jeweils von wesentlicher Bedeutung ist, ist durch ein Ausrufezeichen am Seitenrand gekennzeichnet. Lesen Sie erst einmal nur so viele Details, bis Sie ein Bild von der jeweiligen Empfehlung gewonnen haben. Lesen Sie später mehr, wenn Sie sich mit einer Empfehlung intensiv befassen wollen. Wenden Sie einzelne Empfehlungen bewusst in anstehenden Schreibvorhaben an, beispielsweise: „Jetzt erstelle ich ein schriftliches Konzept für einen Text, auch wenn dieser nur etwa zwei Seiten lang werden wird.“ Oder: „Jetzt bemühe ich mich, in dem anstehenden Text die Sätze kurz zu halten.“ Wenn Sie einige Empfehlungen verinnerlicht haben, sollten Sie einige Ihrer Texte aus ihrer bisherigen Lernphase noch einmal durchgehen: Welche Empfehlungen, die Sie jetzt für wichtig halten, haben Sie noch nicht ausreichend angewendet? Fällt Ihnen etwas auf, was Sie künftig besser machen wollen? - Hoffentlich werden Sie dabei motiviert, dass Sie schon einiges besser als früher gemacht haben. Für Ihren Erfolg: Üben! Üben beim Durcharbeiten: Sie finden ab Kapitel 3.4 kurze „Übungsbeispiele“. Damit Ihre Augen den jeweiligen Verbesserungsvorschlag nicht gleich lesen, werden Sie erst einmal vorgewarnt ! <?page no="14"?> Nutzerhinweise 15 durch die Bezeichnung „Übungsbeispiel“ und ein einleitendes „Nicht: “. So können Sie den Verbesserungsvorschlag erst einmal abdecken. Um Ihnen das zu erleichtern, steht vor diesem jeweils eine Zeile mit „Besser/ Sondern“. Üben danach : Setzen Sie Ihr Üben fort, indem Sie sich immer wieder einmal einen Ihrer Texte vornehmen und noch einmal überarbeiten. Tun Sie das wie in Kapitel 4 empfohlen [→ Kap. 4 (a) Sie werden herausgefordert, S. 111] . Wenn Sie in diesen Texten etwas nicht eindeutig oder nicht leicht verständlich finden, sollten Sie das übungshalber verbessern. Sie können aus Ihren Verbesserungen ableiten, welche Empfehlungen Sie künftig stärker beachten wollen. Lesen Sie zu diesen jeweils noch einmal den diesbezüglichen Abschnitt des Buchs. Sie können zum Üben fremde Texte überarbeiten. Das ist leichter als bei eigenen, weil man bei fremden nicht voreingestellt ist und weil man sich nicht selbst kritisieren muss. [→ Kap. 4 (a) unter „Sie selbst werden gefordert“, S. 111.] Damit Sie konzentriert üben können, enthält Kapitel 7 Aufgaben. Die Übungsaufgaben in Kapitel 7.1 beziehen sich schwerpunktmäßig auf eine der Empfehlungen in diesem Buch; diese können auch weiteren Verbesserungsbedarf enthalten. Die Aufgaben in Kapitel 7.2 enthalten schwerpunktmäßig Situationen, mit denen Projektleiter auf der Auftragnehmerseite in der Praxis konfrontiert werden. Kapitel 8 enthält Vorschläge zur Bearbeitung der Aufgaben. <?page no="16"?> 1 Der Rahmen, insb. der Kommunikationsprozess Sie wollen mit Ihrem Sachtext bei der Anbahnung und der Durchführung von Projekten Erfolg haben. Darüber entscheidet in erster Linie das, was Sie geschrieben haben, also der Inhalt. Es kommt auch darauf an, wie Sie Ihren Inhalt erarbeitet haben und jetzt darstellen, also ob Sie den Text auch gut geschrieben/ abgefasst haben. In diesem Buch geht es im Wesentlichen um das „Wie“. Das „Was“ und das „Wie“ gehören zusammen. Das führt dazu, dass ich manchmal auch auf das „Was“ eingehe. Das „Was“ kann das „Wie“ bestimmen. In diesen Fällen beginne ich mit dem „Was“. Beispiele (1) „Was“: Ich habe als Autor festgelegt, dass ich die einzelnen Empfehlungen zum Ausformulieren in Kapitel 3.4 sehr detailliert abhandele. „Wie“: Weil viele Details zweitrangig sind, stelle ich die Empfehlungen in zwei Stufen dar. (2) Ein Auftragnehmer schreibt ein Angebot anders als eine Warnung an den Kunden, der die erfolgreiche Durchführung des Projekts gefährdet. Abb. 2: Das Verhältnis von „Was“ zu „Wie“ <?page no="17"?> 18 1 Der Rahmen, insb. der Kommunikationsprozess Das „Wie“ kann sich seinerseits auf das „Was“ auswirken. Wenn Sie die Empfehlungen zum „Wie“ befolgen, erleichtern Sie sich den Schreibprozess, sodass Sie sich mehr auf den Inhalt konzentrieren können. 1.1 Schreiben innerhalb des Kommunikationsprozesses Die Erfolgsfaktoren für die Darstellung sind: Inhaltliche Richtigkeit (einschließlich Vollständigkeit) Möglichst hohe Eindeutigkeit Situationsgerechte Verständlichkeit, damit die Empfänger die Informationen auch wie vom Schreiber gewollt zur Kenntnis nehmen können und wollen. Wertschätzende Behandlung der Empfänger, damit diese für die Aufnahme offen sind. Das gilt besonders, wenn der Schreiber die Empfänger zu mehr veranlassen will, als nur den Text zu lesen. Der Schreiber muss beachten, dass der Kommunikationsprozess von Gehirn zu Gehirn reicht. Er muss davon ausgehen, dass der Empfänger die Informationen in dessen Sichtweise wahrnimmt, sozusagen durch dessen innerer Brille - so wie ihm selbst droht, dass er die Informationen durch seine innere Brille sieht. Dabei muss er berücksichtigen, dass sein Text sich an mehrere Empfänger innerhalb des Projekts und dessen Umfeld richten kann. Negativfaktoren Der Schreiber lässt Informationen weg, insbesondere weil er sein Weltwissen für allgemeingültig oder für die Empfänger bekannt hält. Er generalisiert seine Informationen und lässt damit Ausnahmen oder Sonderfälle weg. Er verzerrt/ verfälscht (unbewusst) seine Informationen. Die innere Landkarte steht dafür, dass jeder Mensch seine Sicht auf Fakten, seine Einstellungen und seine Vorannahmen hat, beispielsweise wie Ursache-Wirkung-Prozesse typischerweise ablaufen. Entsprechend droht, dass jeder der Empfänger aus seiner Sicht unvollständige Informationen auf der Grundlage seiner Kenntnisse über den Schreiber und über die behandelte Situation sowie gemäß der eigenen inneren Landkarte ergänzt. Der Schreiber muss also die Negativfaktoren auf seiner Seite so gut wie möglich vermeiden und die auf der Empfängerseite möglichst <?page no="18"?> 1.1 Schreiben innerhalb des Kommunikationsprozesses 19 berücksichtigen. Das bedeutet insbesondere, dass er sachbezogen ausführlich schreiben soll. Das fördert die Eindeutigkeit und tendenziell die Verständlichkeit Zumindest zeigt er dann - unwillentlich - seine persönliche Sicht auf, sodass der Empfänger gewarnt und damit aufgefordert ist nachzufragen. [→ Siehe auch Anhang A.2 (a) Das SOPHIST-REgelwerk, S. 164.] Möglicherweise sind dem Schreiber die Sprache und das Wissen des im Text genannten Empfängers bis hin zu relevanten Teilen von dessen innerer Landkarte bekannt. Der Schreiber soll sich trotz dieser Kenntnisse kaum davon abhalten lassen, möglichst eindeutig und situationsgerecht verständlich zu schreiben. Denn er kann sich über den Empfänger irren. Dieser kann den Text aus seinem Interesse heraus wie ein Dritter verstehen wollen, nämlich wörtlich. Ein Dritter wird den Text plausiblerweise anders, nämlich auf der Basis des Wortlauts durch seine Brille interpretieren. Denken Sie an einen Dritten, der im Falle eines Streits eingeschaltet werden würde. Texte in Projekten sind oft an mehrere Empfänger gerichtet, die den Text lesen (oder zumindest über den Text informiert werden). Der Schreiber kann sich gar nicht auf unterschiedliche Empfänger einstellen. Es bleibt ihm nur die - positive - Alternative, sich auf eine neutrale Menge an Empfängern einzustellen. Weil diese Alternative so positiv ist, sollte der Schreiber diese selbst dann anwenden, wenn er den Text nur an den im Text genannten Empfänger selbst richtet. Er mag seine Kenntnisse über diesen ergänzend einfließen lassen. Der Schreiber kann also weglassen, was im Projekt als Tatsache anerkannt ist. Wenn bei einem externen Projekt die andere Seite später diese Kenntnis bestreitet, geht das allerdings zu seinen Lasten und damit zu Lasten seiner Seite. (a) Die Sachebene Im Folgenden geht es um die Erfolgsfaktoren für das „Wie“ auf dieser Ebene und um die Risikofaktoren. Risikofaktor Sprache: Die Sprache ist ein mäßiges Transportmittel für Informationen, insbesondere für schriftliche. Viele Wörter sind mehrdeutig. 2 2 Eine ausführliche Darstellung enthält Wikipedia unter „Mehrdeutigkeit“. - Übrigens: Der vorstehende Satz ist auf der Ebene der Grammatik mehrdeutig. <?page no="19"?> 20 1 Der Rahmen, insb. der Kommunikationsprozess Beispiele im Buch zu den Stufen der Mehrdeutigkeit Ebene Wörter (lexikalisch): Fußballweltmeisterschaft 2014: „Die deutsche Mannschaft ist in die Geschichte eingegangen.“ Fußballweltmeisterschaft 2018: „Die deutsche Mannschaft ist eingegangen.“ Ebene Grammatik: „Solche Konzepte suchen die Kunden.“ Ebene Semantik: „Das habe ich umsonst gemacht.“ Ebene Pragmatik: Das Wort „austauschen“ hat je nach Zusammenhang verschiedene Bedeutungen: Man kann Telefonnummern austauschen. Man kann Glühbirnen austauschen. Meist dürfte damit gemeint sein, dass die bisher eingesetzte Glühbirne kaputt ist und ersetzt werden soll. Es kann auch darum gehen, dass eine heile durch eine stärkere oder schwächere oder durch eine mit höherer Energieeffizienz ersetzt werden soll. Man kann auch Meinungen austauschen. Aber was ist mit dem Satz gemeint: „Er ist zum Chef gegangen, und sie haben ihre Meinungen ausgetauscht.“ Möglicherweise ist damit ironisch gemeint: Er ist mit seiner Meinung zum Chef gegangen und ist mit dessen Meinung (als Weisung/ Vorgabe) zurückgekommen. Wörter enthalten auch Begleitvorstellungen/ Konnotationen. Diese können assoziativer, emotionaler oder wertender Art sein. 3 Es kommt also darauf an, welche Wörter man verwendet. Beispiele (1) „Nicht freundlich“ ist neutral. „Unfreundlich“ ist negativ. „Es gibt keine Vorgaben.“ Oder: „Vorgaben fehlen.“ Die erste Formulierung stellt nur fest, die zweite bewertet auch den Zustand. (2) „Die Meinung von Herrn X“ oder „die Meinung des Herrn X“. (3) „Kostenkalkulation“ klingt wesentlich solider als „Kostenschätzung“. Die Ebene der Semantik schafft Eindeutigkeit. Diese würde schneller erreicht werden, wenn das Subjekt am Anfang stehen würde. 3 Auch als „Nebenbedeutung“ bezeichnet. In der Rhetorik spielen Konnotationen eine Rolle: Viele Wörter können nach dem Schema eingeordnet werden: gut - böse, stark - schwach, aktiv - passiv. <?page no="20"?> 1.1 Schreiben innerhalb des Kommunikationsprozesses 21 Ironie bedeutet, dass man das Gegenteil von dem sagt, was man meint. 4 Schon mündlich geäußerte Ironie kann zu Missverständnissen führen. Schriftlich geäußerte Ironie wird noch weniger durchschaut. 5 Beispiel Ein Kunde erwartete eine Entschädigung dafür, dass der Auftragnehmer die Leistung verspätet erbracht hatte. Auf dessen schriftliches Angebot hin schrieb er: „Wir danken Ihnen für Ihr großzügiges Angebot! “ Der folgenden Text zeigte dann seine Verärgerung. Humorvolle Formulierungen führen weniger als Ironie zu Missverständnissen. Trotzdem ist auch hier Vorsicht angeraten. Denn Humor kann Lächeln, kann aber auch Belächeln hervorrufen. Richtigkeit (einschließlich Vollständigkeit) : Es ist Ihre Aufgabe, die Informationen inhaltlich richtig (einschließlich vollständig) abzufassen. Inhaltlich richtig: sprachlich und sachlich Es geht um zwei Aspekte, die sich überschneiden. Zum einen geht es darum, ob der Text sprachlich richtig ist: widerspruchsfrei, folgerichtig argumentiert usw. Zum anderen geht es darum, ob die Sachaussagen wirklich bzw. wahr sind. Die Aussage, dass ein afrikanischer Bauer fünfmal weniger als ein deutscher verdient, kann sprachlich als logisch falsch erkannt werden: Einmal weniger ist null. Ob der Bauer ein Fünftel oder ein Viertel verdient, ist hingegen eine Sachfrage. Das Buch gibt Empfehlungen dazu, wie Sie die Richtigkeit in sprachlicher Hinsicht erreichen können. Hinsichtlich der sachlichen Richtigkeit kann das Buch Ihnen den Schreibprozess erleichtern, sodass Sie mehr über Ihre Aussagen nachdenken können [→ Kap. 1 am Anfang, S. 17]. 4 Ironie kann auch die Beziehungsebene betreffen. 5 Mündliche Ironie wird durch Mimik, Gestik und Betonung verdeutlicht. Entsprechend versteht der Empfänger sie weitgehend durch seinen Blickkontakt. <?page no="21"?> 22 1 Der Rahmen, insb. der Kommunikationsprozess „Möglichst eindeutig schreiben“: Die Empfänger sollen an Ihrem Text nichts mehr berechtigterweise herum deuteln können. Vollständigkeit erhöht den Grad an Eindeutigkeit. „Möglichst eindeutig“ formuliere ich in Kontrast zu „situationsgerecht verständlich“. Auch bei der Eindeutigkeit kann es auf die Situation ankommen. Allerdings sollten Sie die Eindeutigkeit nicht so relativierbar behandeln wie die Verständlichkeit. Die Formulierung drückt einen Imperativ aus: „Strengen Sie sich an, um Missverständnissen oder Uminterpretationen entgegenzuwirken! “ - Es gibt Situationen, in denen man allerdings lieber nicht eindeutig schreiben möchte. Sollten Sie Anhaltspunkte für die Sichtweise oder Ausdrucksweise Ihrer Empfänger haben, sollten Sie darauf eingehen. Beispiel dafür, auf die Ausdrucksweise des einen Empfängers einzugehen „Sie beziehen sich auf xxx. Ich verstehe darunter, dass …“ Hilfreich ist es, wenn auch andere Menschen Ihren Text (zumindest im Rahmen des Überarbeitens) kontrollieren. Das kommt allerdings wegen des Aufwands nur beschränkt in Betracht [→ Kap. 4 (a) unter „Sie selbst werden gefordert“, S. 111]. Insbesondere Begriffe einheitlich verwenden : Das ist die wohl wichtigste Maßnahme für die Eindeutigkeit und fördert auch die leichte Verständlichkeit. Bringen Sie Begriffe, die zueinander in Bezug stehen, in eine Struktur, beispielsweise in eine hierarchische oder in eine zeitliche. Beispiel Ein Anbieter von Standardsoftware verwendet die folgenden Begriffe für die Bezeichnung von Programmständen und für den Übergang von einem Programmstand auf den nächsten, beispielsweise „Programmstand X.Y.Z“, wobei X für „Version“, Y für „Release“ und Z für „Built“ steht. Weiterhin: Ein „Update“ führt zu einem neuen Release, ein „Upgrade“ zu einer neuen Version. Das einheitliche Verwenden von Begriffen nutzt in beiden Richtungen: Es vermeidet, dass man für einen Inhalt/ Sachverhalt verschiedene Begriffe verwendet (wie das vorstehende Beispiel zeigt), und andersherum, dass man einen Begriff für verschiedene Inhalte/ Sachverhalte verwendet. <?page no="22"?> 1.1 Schreiben innerhalb des Kommunikationsprozesses 23 Negativbeispiele Verschiedene Begriffe für einen Inhalt: Für die Erstellung einer „Spezifikation“, wie im Vertrag einleitend benannt, wurden danach „Pflichtenheft“, „Feinkonzept“ und „Sollkonzept“ verwendet. Ein Begriff für verschiedene Inhalte: Ein Schreiber verwendete in seinem Text das Wort „Logik“ für Konzept, Grundannahme und Schlussfolgerung. Diese Empfehlung gilt auch für allgemein verwendete Begriffe und für wichtige Wörter unterhalb des Ranges von Begriffen. Mit deren einheitlicher Verwendung erleichtern Sie den Empfängern, sich zu orientieren. Das gilt besonders, wenn Sie auf bereits eingeführte Wörter Bezug nehmen. [→ Zum Vorgehen siehe Kap. 1.3 unter „Festlegen von Begriffen allgemein“, S. 18, sowie Kap. 2.2 (b) unter „Spezifische Begriffe intern festlegen“, S. 41, und unter „Begriffe auch gegenüber den Empfängern festlegen“, S. 42.] Situationsgerecht verständlich schreiben: Verständlichkeit fördert, dass die Empfänger Ihren Text richtig aufnehmen können und sich auch darum bemühen. Die Situation kann verlangen, dass der Text sogar leicht verständlich ist, damit die Empfänger den Text bereitwillig lesen, oder sogar angenehm/ anregend/ ansprechend verständlich, damit sie diesen sogar gerne lesen [→ siehe Anhang D, S. 185] . Der Schreiber soll sich daran ausrichten, auf welchem sachlichen und sprachlichen Niveau die Empfänger den Text überhaupt verstehen können. Darüber hinaus sollte er sich fragen, ob die Empfänger sich auch darum bemühen werden. Diese könnten sich überfordert oder vom Text nicht angesprochen fühlen. Eindeutigkeit kann die Verständlichkeit aber auch wegen der Kompliziertheit oder der Länge einer eindeutigen Aussage beeinträchtigen. Im Zweifelsfall sollten Sie bei Ihren Texten der Eindeutigkeit Vorrang geben. Negativbeispiel Die Datenschutzbestimmungen von Anbietern im Internet sind oft so detailliert und in einer Fachsprache abgefasst, dass wohl niemand diese lesen wird. Viele Anbieter schalten deswegen eine Tabelle vor, mit deren Hilfe der Interessent die Nutzung seiner personenbezogenen Daten für große Bereiche einfach ausschließen kann. Dann braucht er die diesbezüglichen Datenschutzbestimmungen gar nicht mehr zu lesen. <?page no="23"?> 24 1 Der Rahmen, insb. der Kommunikationsprozess Das Streben nach Eindeutigkeit verlängert Ihren Text. Allerdings müssen Sie dieses begrenzen. Sonst wäre sein Inhalt nur noch schwer zu erfassen und würde schlecht verständlich werden. Sie müssen also abwägen, was Sie an allgemeinem und speziellem Wissen bei Ihren Empfängern erwarten dürfen, anders ausgedrückt: Was zu lesen Sie diesen ersparen können. Die wesentlichen Faktoren im Spannungsverhältnis Formulierung Inhalt möglichst situationsgerecht eindeutig verständlich richtig vollständig Spannungsverhältnis fördert Abb. 3: Die wesentlichen Faktoren im Spannungsverhältnis Geschäftliche Erklärungen: Der Schreiber wird etwas geschützt: Maßgeblich ist nicht, wie die andere Seite die Sachinformation subjektiv versteht, sondern wie sie diese durch Auslegung des Textes und durch Heranziehen ergänzender Umstände fairerweise verstehen darf. Also trägt die andere Seite in rechtlicher Hinsicht das Risiko, das sich ergibt, wenn sie die Sachinformation durch ihre - subjektive - Brille sieht. - Das gilt auch für Erklärungen während der Projektdurchführung. [→ Siehe auch Kap. 5.2 unter „Formulieren Sie möglichst eindeutig“, S. 131.] Die Risikoverschiebung führt nicht zu Abstrichen an den Empfehlungen, möglichst eindeutig und situationsgerecht verständlich zu schreiben: Entweder bemüht die andere Seite sich, den Text möglichst objektiv zu verstehen. Je mehr sie das tut, desto erfolgreicher verläuft der Kommunikationsprozess. Wenn die andere Seite sich hingegen nicht um Objektivität bemüht, würde im Streitfall ein Gericht desto eher gegen sie entscheiden. (b) Die personale Ebene Kommunikation von Gehirn zu Gehirn bedeutet auch, dass der Schreiber über die primär relevante Sachinformation hinaus immer drei weitere Informationen übermittelt (auch „Botschaften“ genannt): Seine Beziehung zum Empfänger(-kreis): Was hält er von diesem und wie stehen die beiden aus seiner Sicht zueinander? Appell: Wozu will er den Empfänger(-kreis) veranlassen? Selbstauskunft: Was gibt er von sich kund? <?page no="24"?> 1.1 Schreiben innerhalb des Kommunikationsprozesses 25 Schulz von Thun hat dazu das Kommunikationsquadrat entwickelt. 6 Abb. 4: Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun Die drei personalen Informationen können ausdrücklich formuliert sein, aus den Formulierungen ableitbar sein oder sich aus den Umständen ergeben. Der Interpretationsspielraum wird von Schritt zu Schritt größer [→ siehe auch hier unter „Sie geben auch paraverbale und nonverbale Informationen“, S. 28] . Beispiele für personale Botschaften Wenn Sie Ihre Texte wie empfohlen erstellen, geben Sie schon personale Informationen: „Ich habe mich für Sie angestrengt.“ „Sie sind das wert.“ „Lesen Sie den Umfang, den ich Ihnen vorschlage.“ oder „Sie müssen den Text sowieso lesen.“ „Trotzdem strenge ich mich für Sie an.“ „Sie verdienen diese Hilfe.“ In diesem Buch will ich die Botschaften geben: „Ich bin erkennbar kompetent.“ „Seien Sie klug und befolgen Sie meine Empfehlungen.“ Die personalen Informationen können unterschiedlich stark oder schwach sein. Sie sind bei schriftlicher Kommunikation tendenziell schwächer als bei mündlicher, besonders bei solchen Texten, die auf mehrere Empfänger ausgerichtet sind. Eine personale Information kann der Sachinformation oder einer anderen personalen Information widersprechen. Denken Sie an diesen Risikobereich. 6 Miteinander reden: 1 Störungen und Klärungen: Allgemeine Psychologie der Kommunikation <?page no="25"?> 26 1 Der Rahmen, insb. der Kommunikationsprozess Die folgenden Beispiele sollen Sie sensibilisieren. Die Negativbeispiele sind als Warnungen gedacht. Der Schreiber sollte beim Ausformulieren beachten, welche personalen Informationen er gibt und wie der Empfänger(-kreis) diese vermutlich aufnehmen wird. Dabei sollte er berücksichtigen, ob die Informationen auf ihn persönlich bezogen werden (E-Mail: „Wann können wir die Besprechung endlich durchführen? “) oder auf die Organisation/ Instanz, für die er schreibt. Seine Beziehung zum Empfänger: Was hält er von diesem und wie stehen die beiden aus seiner Sicht zueinander? Beispiele (1) Der Schreiber kann seine Haltung gegenüber dem einen Empfänger darin ausdrücken, wie er diesen anspricht: „Hallo, Herr/ Frau ...“ oder „Guten Tag, Herr/ Frau ...“ oder „Sehr geehrter Herr / Sehr geehrte Frau...“, manchmal sogar „Lieber Herr / Liebe Frau ...“ (2) „Ich erlaube mir, Sie darauf hinzuweisen, dass ...“ Die Formulierung kann höflich gemeint sein. Sie kann aber auch ausdrücken, dass der Schreiber den Empfänger für geistig minderbemittelt hält, weil er diesem sogar eine Selbstverständlichkeit verdeutlichen muss. Hier stellt sich das Thema Gendern [→ Anhang C, S. 217] : Es droht, dass Empfängerinnen sich verletzt fühlen, weil der Schreiber aus deren Sicht nicht ausreichend geschlechtsneutral geschrieben hat? Wenn der Schreiber bereits in Kontakt mit dem einen Empfänger steht, kann er seine Sympathie zeigen, indem er dessen Kommunikationsweise übernimmt, beispielsweise die Art der Anrede und der Grußformel. Appell: Wozu will der Schreiber den Empfänger(-kreis) veranlassen? Denken Sie an die Werbebranche, bei der die Sachinformation sogar in den Hintergrund treten kann. Vertriebsmitarbeiter liebäugeln mit versteckten Appellen. Beispiel „Wir bieten Ihnen die für Ihr Unternehmen optimale Lösung an.“ / „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit der angebotenen Gesamtlösung Ihre Arbeitsabläufe und die Bedürfnisse Ihres Betriebs vollständig abbilden können.“ <?page no="26"?> 1.1 Schreiben innerhalb des Kommunikationsprozesses 27 Die Formulierungen können für den Auftragnehmer rechtlich nachteilig sein [→ Kap. 5.2 unter „Vermeiden Sie starke Wörter“, S. 134]. Selbstauskunft: Was gibt der Schreiber von sich kund? Beispiele (1) „Ich bitte Sie, …“ drückt normale Höflichkeit aus. „Ich fordere Sie auf, …“ drückt die Entschlossenheit aus, sich in dieser Sache vom Empfänger(-kreis) nichts (mehr) gefallen zu lassen. (2) Ein männlicher Schreiber gendert seinen Text - nicht: „Ich halte nichts vom Gendern.“ - etwas: „Ich bin höflich.“ - viel: „Ich bin ein moderner Typ.“ [→ Anhang C, S. 217] Jeder der Empfänger , der den Text liest, tut das entsprechend mit vier Sensoren und nimmt neben der Sachinformation auch die personalen Informationen mit jeweils seinem Gehirn auf: 7 Er wird dabei daran denken, dass der Sender das Sprachrohr der anderen Seite ist. Fehlinterpretationen liegen dementsprechend nahe. Also ist angesichts der Empfindlichkeit von Menschen Vorsicht angesagt. Das gilt insbesondere, wenn mehrere Personen aus dem Empfängerkreis mit jeweils ihren Sensoren den Text lesen. Was hält der Schreiber anscheinend von mir/ uns und wie stehen beide Seiten aus dessen Sicht anscheinend zueinander? Negativbeispiele (1) Der Schreiber hat formuliert: „Ich sehe überhaupt keinen Anlass für Ihr Verhalten.“ / „Ich sehe keinerlei Anlass für Ihr Verhalten.“ Der Empfänger: Wer bin ich, dass der mich so von oben herab behandelt? (2) Der Schreiber hat formuliert: „Nach Durchsicht Ihres Schreibens muss ich leider feststellen, dass der Sachverhalt falsch dargestellt ist.“ Der Empfänger: Ist der allwissend? Bin ich doof? 7 Schulz von Thun spricht von „Ohren“. Etwas in den falschen Hals bekommen. <?page no="27"?> 28 1 Der Rahmen, insb. der Kommunikationsprozess Der Schreiber hätte besser formuliert: „Nach meiner Erinnerung haben Sie den Sachverhalt teilweise falsch dargestellt.“ Oder freundlicher: „Ich habe den Sachverhalt anders in Erinnerung, nämlich wie folgt: …“ Hier besteht das Risiko, dass der Empfänger(-kreis) Kritik an sich überinterpretiert. - Sollte der eine Empfänger den Inhalt des Textes anderen mitteilen, könnte er die Informationen negativ darstellen. Wozu will der Schreiber mich/ uns anscheinend veranlassen? Siehe dazu vorstehend „Beispiele für personale Botschaften“ [→ S. 25] . Selbstauskunft: Was gibt der Schreiber anscheinend von sich kund? Negativbeispiel Bei einem Projektvertrag, bei dem die Einhaltung des Liefertermins unter Vertragsstrafe stand, kam es zu Verzögerungen, weil mehrere Mitarbeiter des Kunden (! ) krank waren. Der Auftragnehmer schrieb: „Heute muss ich Ihnen schreiben, dass die Zeitschiene nicht eingehalten wurde und dass die Ursachen hierfür nicht bei uns liegen, sondern durch Ereignisse in Ihrem Haus bedingt sind. Ich tue dies wirklich allein aus dem Grund, weil ja Absprachen mit rechtlichen Konsequenzen für uns existieren und wir für die derzeitige terminliche Situation nicht die Verantwortung übernehmen können und wollen.“ Der Schreiber offenbart, dass er kein Selbstvertrauen hat. Er drückt zugleich seine Beziehung zum Empfänger aus, dass er diesen als den kleinen König Kunde betrachtet. Sie geben auch paraverbale und nonverbale Informationen : Diese können paraverbal (= über die Stimme) oder nonverbal ausgedrückt werden (= über die sonstige Körpersprache wie Gestik, Mimik usw., auch über Umstände außerhalb der Person). [→ Zu solchen Informationen bei Ironie siehe (a) unter „Ironie“, S. 21.] Solche Informationen vermitteln Sie auch bei schriftlichen Aussagen, wenn auch in geringerem Umfang. Beispiele (1) Sie können Ihre Haltung gegenüber dem Empfänger(-kreis) darin ausdrücken, dass Sie Kritik per E-Mail oder aber per Brief senden. (2) Schreibfehler signalisieren, dass der Schreiber sich für diesen Empfänger(-kreis) keine Mühe gegeben hat. Gute Verständlichkeit signalisiert das Gegenteil. <?page no="28"?> 1.2 Die Phasen des Schreibens von Texten 29 (c) Die Rhetorik Die Rhetorik - primär auf das Reden bezogen - reicht vom Vermeiden von Lampenfieber über das funktional sachgerechte Darstellen der Information bis zum Überzeugen der Empfänger. Der Redner soll das Überzeugen auch durch sein Auftreten fördern. Für schriftliche Texte bedeutet das: auch durch die Darstellung des Textes. Die Grundzüge des funktional sachgerechten Darstellens und des Überzeugens sind Allgemeingut und werden auch in diesem Buch genutzt. Beispielsweise ist es gemäß dem Konzept der drei Phasen für das Erstellen von Texten aufgebaut. Das Buch stellt rhetorische Stilmittel insoweit dar, wie diese der Eindeutigkeit und der Verständlichkeit dienen. Als Schreiber werden Sie einige rhetorische Mittel von alleine nutzen, zum Beispiel bildhafte Formulierungen, in der Rhetorik „Metapher“ genannt: „Die Umsätze sind eingebrochen.“ Oder: „Er ist mit seinem Vorschlag gegen die Wand gefahren.“ Wer mit Hilfe weiterer Mittel überzeugen will, möge sich mit der einschlägigen Literatur beschäftigen. Im Internet finden sich mehr als 200.000 Treffer zur Kombination von „Rhetorik und Tricks“. - Diese Aussage enthält die personalen Botschaften von mir: „Ich halte in Sachtexten nichts davon, den Empfänger manipulieren zu wollen. Lassen Sie das Manipulieren! “ 1.2 Die Phasen des Schreibens von Texten Die einzelnen Phasen: Primär werden Sie an das Ausformulieren denken. Insgesamt entstehen Texte in den Phasen Erarbeiten eines Konzepts, Ausformulieren des Textes und dessen Überarbeiten. Dieses Buch deckt alle Phasen ab. Die Phasen können sich bei umfangreichen und/ oder schwierigen Texten überlappen. Bei Bedarf geht eine Vorbereitungsphase voraus, in der man Material sammelt. Erarbeiten eines Konzepts: Tun Sie das für das Schreibvorhaben sowie für den Inhalt des Textes: Legen Sie fest, wie Sie vorgehen wollen [→ Kapitel 2.1]. Entwerfen Sie dann, was Sie schreiben wollen [→ Kapitel 2.2] . Das gilt erst einmal für das gesamte Schreibvorhaben und bei umfangreichen Konzepten sodann für dessen Teile bis hin zu einzelnen Gedankengängen. <?page no="29"?> 30 1 Der Rahmen, insb. der Kommunikationsprozess Ausformulieren des Textes: Erstellen Sie einen Text, in dem Sie Ihr Konzept in Richtung auf einen möglichst eindeutigen und situationsgerecht verständlichen Text umsetzen [→ Kapitel 3] . Überarbeiten des Textes: Überarbeiten Sie den Text, um das von Ihnen angestrebte Qualitätsniveau zu erreichen. Der Überarbeitungsbedarf und der Überarbeitungsgewinn werden oft unterschätzt. Widmen Sie dieser Phase angemessene Aufmerksamkeit und damit angemessen viel Zeit [→ Kapitel 4] . Wahrscheinlich heißt das: mehr Zeit als bisher. Phasen und Durchgänge: Phasen können mehrere Durchgänge haben. Das hängt auch von Ihren Entscheidungen ab. Phasen und Durchgänge Erstellen des Konzepts • für das Schreibvorhaben • für den Inhalt: Durchgänge zur Detaillierung entsprechend dem Umfang des Themas Ausformulieren • Erstellen eines ersten Entwurfs • Durcharbeiten zu einem überarbeitungsreifen Text (und Rechtschreibkontrolle) Überarbeiten • Den Text durchgehen hinsichtlich von Aufbau und Begriffen • Gründlich durcharbeiten hinsichtlich Richtigkeit (einschließlich Vollständigkeit) und Eindeutigkeit, dabei die Verständlichkeit beachten (und Rechtschreibkontrolle) • Ausdrucken, im Ausdruck überarbeiten und übernehmen (und Rechtschreibkontrolle) und/ oder • Ein Sprachprogramm vorlesen lassen und den Text verbessern Ausformulieren von vertragsbezogenen Texten - soweit das Ihre Aufgabe ist: Sie sollen Ihre Texte wie üblich möglichst eindeutig und situationsgerecht verständlich ausformulieren, als Auftragnehmer darüber hinaus auch vorsichtig. Sie erhalten Formulierungshilfen für den Bereich, in dem Sie vertragsbezogene Texte schreiben [→ Kapitel 5] . <?page no="30"?> 1.3 Die Organisation von Schreibvorhaben 31 1.3 Die Organisation von Schreibvorhaben Allgemeine Vorbereitung: Klären Sie, welche Vorgaben es für Ihr Vorgehen zum Erstellen von Texten innerhalb von Projekten gibt überhaupt in Ihrer Organisation, in Ihrem Aufgabenbereich, im konkreten Projekt zum Benennen und Gliedern von Dokumenten, Verwenden von Begriffen, Abfassen von bestimmten Dokumenten („Textsorten“) wie von Angeboten, Berichten oder Protokollen, Versenden von Dokumenten, Speichern/ Archivieren. Soweit es solche Vorgaben nicht gibt, sollten Sie sich solche im Lauf der Zeit selbst anlegen: Wenn Sie merken, dass Sie einen Punkt unterschiedlich formulieren, wählen Sie die wahrscheinlich passendste Formulierung aus und halten diese in einem Dokument innerhalb eines Ordners „Vorgaben für Texte“ fest. Festlegen von Begriffen allgemein: Die einheitliche Verwendung von Begriffen ist enorm wichtig [→ Kap. 1.1 (a) unter „Begriffe einheitlich verwenden“, S. 22]. Legen Sie für ein Gebiet, in dem Sie öfters arbeiten, die spezifischen Begriffe und auch wichtige Wörter fest, die Sie verwenden wollen (wobei Ihre Organisation häufig genutzte Begriffe festgelegt haben sollte). 8 Das erleichtert Ihnen, diese beim Ausformulieren einheitlich zu verwenden. Dazu gehört auch die Bezeichnung von Akteuren oder Produkttypen. Zeitplan für Schreibvorhaben : Erstellen Sie diesen bei umfangreichen und/ oder schwierigen Schreibvorhaben schon in der Vorbereitungsphase. Welche Zeiten sehen Sie für die drei Phasen vor, und wann muss der Text fertig sein? Welche Risiken können Ihren Zeitplan gefährden? Müssen Sie beispielsweise Kollegen einschalten? 8 Ich verwende das Wort „Begriff“ nicht im philosophischen Sinne, sondern umgangssprachlich für Wörter mit einiger Bedeutung. „Wörter“ sind eher nur für Dokumente in diesem Tätigkeitsbereich wichtig. <?page no="31"?> 32 1 Der Rahmen, insb. der Kommunikationsprozess Bei umfangreichen Schreibvorhaben sollten Sie sich Zeitblöcke reservieren, während derer Sie sich auf diese Aufgabe konzentrieren können. Planen Sie vorsichtshalber Puffer ein. Seien Sie realistisch beim Zeitbedarf. Gut geschriebene Texte brauchen ihre Zeit. Ein wichtiges Angebot verdient es, dass Sie einmal darüber schlafen und es von einem Kollegen Probe lesen lassen. Oft sparen Sie bei umfangreichen Schreibvorhaben Zeit, indem Sie die eingeplante Zeit aufteilen. In den Pausen können Sie Ihre Gedanken strukturieren und überdenken. Vor allem sollten Sie am Ende des Ausformulierens eine Pause einplanen, so dass Sie den Text mit einem gewissen Abstand distanzierter überarbeiten können. Das mag wegen des Stresses, unter dem Sie oft stehen, besonders schwierig sein. Deswegen sollten Sie Ihre umfangreichen Schreibvorhaben besonders umsichtig planen. Mit welchem Hilfsmittel schreiben: Sie werden viel Text diktieren oder über einen Bildschirm eingeben. Je mehr Sie nachdenken müssen, desto eher sollten Sie allerdings mit der Hand schreiben. Neurophysiologen und Linguisten haben festgestellt, dass Menschen am besten denken, wenn sie mit der Hand schreiben. Das hilft besonders beim Erarbeiten von Konzepten. Deswegen gehe ich in dem betreffenden Kapitel vorrangig von Papier und Bleistift aus. [→ Kap. 2.2 (b) unter „Plädoyer für Papier und Bleistift“, S. 43.] Unterstützung durch fremde Textvorlagen: Warum Texte selbst erstellen, wenn doch so viele Vorlagen angeboten werden? Suchen Sie einmal im Internet. Am meisten Hilfen finden Sie für Weihnachtsgrüße. Es gibt auch Sammlungen mit Vorlagen für typische Geschäftsbriefe. Diese können Ihnen helfen, wenn Sie zu einem Thema schreiben müssen, für das Sie kein Wissen haben. Das geht in Ordnung bei Themen, die unproblematisch sind, bei denen Sie nur wissen wollen, welche Punkte Sie behandeln sollen, beispielsweise bei der Bestätigung eines Termins. Wenn Sie aber unter dem Stichwort „Bestätigungen“ sowohl einfache Terminbestätigungen finden als auch Auftragsbestätigungen in der Form von kaufmännischen Bestätigungsschreiben, dann bekommen Sie sozusagen „Ginger Ale“ und „Gin“ unter einem Stichwort angeboten. Nachbereitung: Prüfen Sie vor der bzw. nach der Weiterleitung eines Textes, ob Sie die Richtlinien für Dokumente befolgt haben: Habe Sie das Dokument richtig benannt? <?page no="32"?> 1.4 Schreibblockaden 33 Haben Sie das Dokument richtig abgelegt? Haben Sie alle Zwischenstände und sonstigen Arbeitsdateien, die Sie nicht mehr benötigen, archiviert oder gelöscht? Prüfen Sie, ob Ihr Text Bausteine enthält, die Sie später erneut nutzen können. Legen Sie sich dafür ein Verzeichnis auf Ihrem Laptop und/ oder im Ordner „Vorgaben für Texte“ an. [→ Siehe weitergehend Kap. 2.2 (d) unter „Konzeptvorlagen erarbeiten“, S. 51.] 1.4 Schreibblockaden Das Thema Schreibblockaden ist bei Schreibratgebern beliebt. Gemeint sind meist schwere Schreibblockaden bei Menschen, die etwas Kreatives schreiben wollen. Darum geht es in diesem Buch nicht. Sie können eine momentane Schreibblockade haben: Sie kommen nicht weiter. Dann gehen Sie eine Runde. Reden Sie mit jemandem über Ihr Schreibvorhaben oder zur Not mit sich selbst. - Machen Sie sich dabei Notizen. Beispiel Ich hatte meinen Besprechungsraum so eingerichtet, dass ich um den Tisch „herumtigern“ konnte. Wenn mir dann etwas Nützliches einfiel, rief ich das meiner Sekretärin zu, die das dann notierte. Wenn Sie sich wieder ans Schreiben machen: Seien Sie nicht enttäuscht, wenn Ihre Gedanken nicht so gut strukturiert und Ihre Formulierungen nicht so verständlich sind, wie Sie das erwartet haben. <?page no="34"?> 2 Ein Konzept erstellen Sie benötigen zwei Teile: einen Teil für Ihr Schreibvorhaben, der sich auf den Prozess insgesamt bezieht [→ Kapitel 2.1] , und einen inhaltlichen Teil [→ Kapitel 2.2] . 2.1 Das Konzept für Ihr Schreibvorhaben Legen Sie Leitlinien und einzelne Entscheidungen als Vorgaben für das Konzipieren und für das anschließende Ausformulieren fest. Diese Vorgaben gehören also nicht zum Inhalt des Textes, können aber in diesem aufscheinen. Sie können dafür Fragen 9 stellen, diese beantworten und aus den Antworten die Vorgaben ableiten, beispielsweise welche Empfehlungen Sie wie befolgen wollen. Als Fragen kommen im Wesentlichen in Betracht: • An was für einen Empfänger schreiben Sie? • Welches sprachliche Niveau und welches fachliche sind angemessen? • Ist der Empfänger mit der Angelegenheit vertraut? Welches Vorwissen hat er dazu? Bei mehreren Empfängern: Sind diese gleichartig oder nicht? [→ Kap. 3.2 (a), S. 64] • Wozu schreiben Sie? Was wollen Sie erreichen? • Was sind die Erfolgsfaktoren für den Schreibprozess und welche Risikofaktoren bestehen? • Wie sollten Sie den Empfänger ansprechen? Welchen persönlichen Kontakt haben Sie mit ihm? [→ zur personalen Ebene siehe Kap. 1.1 (b), S. 24] • Wenn es schon Kommunikation in dieser Sache gibt: Wie knüpfen Sie an diese an? Diese Fragen sollten Sie sich beim Überprüfen des Konzepts noch einmal stellen [→ Kap. 2.2 (f) Überprüfen des inhaltlichen Konzepts, S. 53] . 9 Zu den 7 W-Fragen als Methode zum Sammeln siehe Kap. 2.2 (d) [→ S. 33] . <?page no="35"?> 36 2 Ein Konzept erstellen Wird es ein kurzer und/ oder einfacher Text oder aber ein umfangreicher und/ oder schwieriger? Je nachdem greifen verschiedene Empfehlungen ein. Die Einordnung hängt von verschiedenen Faktoren ab. In erster Linie geht es allerdings um Ihre Entscheidung, welche Empfehlungen Sie befolgen und den entsprechenden Aufwand erbringen wollen. Bei einem Schreiben: Fassen Sie das besser als eine E-Mail oder als einen Brief ab? [→ Kap. 3.6 unter „Ein Brief oder eine E-Mail“, S. 110] Wie viele Dokumente schreiben Sie: eines oder zwei oder sogar mehrere? Teile von dem, was Sie schreiben wollen, können zu unterschiedlichen Reaktionen auf der Empfängerseite und damit zu unterschiedlichen Folgen führen. Je weniger die einzelnen Punkte/ Themen, auf die Sie eingehen, zusammenhängen, desto näher liegt es, getrennte Dokumente zu erstellen. Beispiel Ich hatte mit einer Mandantin vier Themen besprochen, die ein Kunde ihr aufgegeben hatte. Ich habe dann vier Texte diktiert und ihr empfohlen, diese als vier E-Mails an ihren Kunden zu schicken. Gerade bei E-Mails kann die Aufteilung nützlich sein im Hinblick darauf, wie der Empfänger diese bearbeitet und gegebenenfalls weiterleitet. Ist Ihnen eine maximale Länge des Textes vorgegeben? Wenn ja, dann nehmen Sie die Warnung ernst: Einen Text stark zu kürzen, führt zu (fast) demselben Aufwand wie den Text neu zu erstellen. Notieren Sie die Vorgaben in einem eigenen Dokument „Konzept zum Schreibvorhaben“. So fordern Sie sich auf, diese im Laufe der weiteren Arbeit zu befolgen oder aber bewusst zu ändern und zu ergänzen. [→ Siehe das vollständige Formular in Kap. 7.2 die Aufgabe Nr. 5. „Einen kurzen Text erstellen“, S. 173.] Projekt XXX Konzept zum Schreibvorhaben o An was für einen Empfänger schreibe ich? Antwort: Folgerung: o Welches sprachliche / fachliche Niveau hat der Empfänger? Antwort: <?page no="36"?> 2.2 Das inhaltliche Konzept 37 Folgerung: o Ist der Empfänger mit der Angelegenheit vertraut? Welches Vorwissen hat er dazu? Antwort: Folgerung: o Bei mehreren Empfängern: Sind diese gleichartig oder nicht? Das Schreibvorhaben besprechen und das inhaltliche Konzept vorbesprechen: Es kann nützlich sein, dass Sie Ihr schriftliches Konzept zum Schreibvorhaben mit jemandem besprechen, insbesondere bei umfangreichen und/ oder schwierigen Schreibvorhaben. Es kann auch nützlich sein, mit jemanden über Ihr geplantes inhaltliches Konzept zu sprechen. Dieses existiert allerdings bisher nur vage in Ihrem Kopf. Sie können also nur eine Vorbesprechung durchführen. Sie sollten diese gut vorbereiten, am besten schriftlich, damit Sie Ihren Gesprächspartner nicht überfordern und dieser sich nicht durch ein aus dessen Sicht oberflächliches Gespräch ausgenutzt fühlt: Thema und Überblick über den Inhalt. Das entspricht einer Vorstufe zum inhaltlichen Konzept. Inhaltliche Punkte, die Sie besprechen wollen. [→ Siehe Kap. 2.2 (f) zum späteren Besprechen des Konzepts, S. 53.] Auftragnehmer können solche Vorgehensweisen in ihren Projektrichtlinien vorsehen, insbesondere für wichtige Dokumente wie Leistungsbeschreibungen. 2.2 Das inhaltliche Konzept Überblick (a) Erst konzipieren, dann ausformulieren (b) Der Prozess des Konzipierens (c) Ihr Vorgehen beim Konzipieren (d) Hilfen für die inhaltliche Arbeit (e) Überlegungen zur Gestaltung von Texten (f) Überprüfen des inhaltlichen Konzepts <?page no="37"?> 38 2 Ein Konzept erstellen Die folgenden Empfehlungen sollen Ihnen helfen, ein inhaltliches Konzept zu erarbeiten und dabei die Grundlagen dafür zu legen, wie Sie beim Ausformulieren den Inhalt gut darstellen können. Insbesondere brauchen Sie für diese Arbeit eine einfache Konzeptsprache. (a) Erst konzipieren, dann ausformulieren Die zentrale, dringende Empfehlung zum Konzipieren lautet: Fangen Sie mit dem Ausformulieren erst an, nachdem Sie ein Konzept erstellt haben, in dem Sie den Inhalt und die Struktur des geplanten Textes erarbeitet haben. - Auch E-Mails erfordern ein Konzept! Dadurch, dass Sie das Konzipieren vom Ausformulieren trennen, erleichtern Sie sich den Einstieg. Dank der Konzentration auf das Konzipieren zwingen Sie sich zum Nachdenken und schaffen somit die Grundlage für einen inhaltlich guten Text. Außerdem machen Sie wahrscheinlich weniger sachliche Fehler. Sie sollten den Inhalt bis hin zu Gedankengängen konzipieren. - Das setzt sich während des Ausformulierens im Kleinen bis hin zu einzelnen Gedanken fort, letztlich sogar bis zu den einzelnen Sätzen. Denken Sie an die Formulierung „einen Satz konstruieren“. Bei kurzen Texten kann ein Durchgang ausreichen. Bei langen und/ oder schwierigen Texten werden Sie mehrere Durchgänge benötigen. Wenn Sie die Struktur im Ganzen für einigermaßen stabil halten, können Sie das Konzipieren in einzelnen großen Abschnitten fortsetzen. Überprüfen Sie dann aber nach jedem großen Abschnitt, ob Sie mögliche Auswirkungen auf andere große Abschnitte abgearbeitet haben. Entsprechendes gilt für das weitere Konzipieren dieser Abschnitte auf der nächstniedrigeren Ebene. Darüber hinaus kommt in Betracht, dass Sie schon mit dem Ausformulieren von solchen Abschnitten anfangen, für die Sie ein einigermaßen stabiles Konzept haben [→ siehe (c) unter „Konzipieren und Ausformulieren überlappen“, S. 47] . … nachdem Sie ein Konzept erstellt haben, und zwar ein schriftliches Konzept: Es kann ausnahmsweise ausreichen, dass Sie das Konzept nur im Kopf bilden. Sobald Ihr Text vermutlich länger als eine Seite werden wird, sollte Ihre Grundeinstellung sein, ein schriftliches Konzept zu erstellen. Legen Sie zu Beginn Ihrer Arbeit ein Blatt Papier vor sich hin und entscheiden dann, ob Sie wirklich auf ein schriftliches Konzept verzichten können. Brauchen Sie nicht wenigstens eine <?page no="38"?> 2.2 Das inhaltliche Konzept 39 schriftliche Gliederung Ihrer Gedanken? [→ siehe hier c) unter „Kurze Konzepte,“ S. 45.] Diese Empfehlung gilt auch dann, wenn Sie schon jetzt am Bildschirm oder auf einem Touchscreen-Tablet arbeiten und den Text später am Bildschirm ausformulieren. (b) Der Prozess des Konzipierens Das Konzipieren ist ein komplexer Prozess aus Inhalte Zusammenbringen, Skizzieren und Strukturieren. 10 Vorrangig Inhalte zusammenbringen: Was wollen Sie an Informationen vermitteln? Wie hängen diese zusammen? Das Zusammenbringen reicht vom Sammeln von Material bis zum inhaltlichen Durcharbeiten der Gedanken vor dem Strukturieren und Skizzieren. Vom Thema dieses Buchs her geht es um den letzten Schritt des Zusammenbringens vor dem Strukturieren und Skizzieren. Wegen des Umfangs dieses Aspekts wird ihm ein eigener Abschnitt (d) gewidmet [→ S. 49] . Vorrangig strukturieren (von der Darstellung her): Für den Aufbau und auch die Verständlichkeit Ihres Textes bietet sich oft folgender allgemeiner Vorschlag zum Strukturieren von Gedankengängen an: Einleitung: Worum geht es? Hauptsache: Kernaussage Weiteres: Einzelheiten zum Thema Abschluss: Zusammenfassung/ Ausblick auf den nächsten Gedankengang In einem Bild beschrieben : Der Herold kommt und kündigt das Thema an. Der König kommt und verkündet die Kernaussage. Das Gefolge kommt und erläutert Einzelheiten. Manchmal läuft noch der Hofnarr hinterher und sagt etwas Kluges dazu. 10 Im einzelnen Satz verschmelzen diese Aspekte. <?page no="39"?> 40 2 Ein Konzept erstellen Beispiel für den Aufbau Projektvertrag interner Projektauftrag 1. Aufgabenstellung 1.1 Ausgangssituation (Problem des Kunden) 1.2 Gegenstand des Angebots (Lösungsansatz, Gesamtpreis) ab 2. Leistungsumfang im Einzelnen, Projektdurchführung, Termine, Einzelpreise bis xx. Schriftform, Gerichtsstand (ggf. ausgelagert in AGB) 1. Aufgabenstellung 1.1 Ausgangssituation (Problem der Auftraggeber- Instanz) 1.2 Gegenstand des Projektauftrags (Lösungsansatz, Gesamtbudget) ab 2. Leistungsumfang im Einzelnen Projektdurchführung, Termine, Budget, bis xx. Eskalationsprozeduren Damit erfüllen Sie die Empfehlung, das Wichtigste an den Anfang zu setzen. Bei den Einzelheiten können Sie sortieren: Zuerst diejenigen, die der Empfänger(-kreis) wissen sollte, dann die übrigen. Sie können diesen Vorschlag auch auf eine größere Einheit als auf einen Gedankengang anwenden. Dann kündigt der Herold die Kernaussage für diesen Abschnitt an, der König verkündet diese. Bei umfangreichen Texten kommt in Betracht, dass der König am Anfang die Kernaussage zum gesamten Text und dann die Kernaussagen zur nächsten Ebene verkündet. - Was Sie bei einer Präsentation tun, können Sie auch hier tun, nämlich die Kernaussagen in einer Grafik darstellen. Dieser kurze Abschnitt ist gemäß diesem allgemeinen Vorschlag strukturiert: Der Herold verkündet das Thema „Allgemeiner Vorschlag zum Strukturieren“. Sodann stellt der König diesen Aufbau dar. Dieser wird vom Gefolge detailliert: Zuerst kommt ein Bild, dann folgen ein Beispiel und zwei Absätze mit Einzelheiten, schließlich dieser Absatz als Anmerkung des Hofnarren. Vorrangig skizzieren : Sie brauchen für das Skizzieren eine Menge an Ausdrucksmöglichkeiten. Sie könnten diese Menge eine Skizziersprache nennen. Üblich ist allerdings die Bezeichnung „Konzeptsprache“. Sie können für die Konzeptsprache alle Mittel verwenden, die Sie für nützlich halten, um Ihre Gedanken auszudrücken. Sie können Stichwörter aufschreiben oder Wörter aneinanderreihen, ohne dabei die Grammatik zu beachten. Sie können einzelne Sätze mehr oder weniger ausformulieren. <?page no="40"?> 2.2 Das inhaltliche Konzept 41 Sie können Stichwörter mit einem Merker versehen, der deren Funktion charakterisiert. Merker Aufzählung 1. - 2. - 3.; außerdem Reihenfolge zunächst - danach - schließlich Gegensatz in Aufzählung aber; andersherum zum einen … zum anderen; entweder - oder Einschränkung allerdings Ausnahme jedoch; außer Besonderheit Beachte (wenn einschränkend: allerdings) Begründung weil; deswegen Ziel damit Zusammenfassung zusammengefasst/ zus. Ein senkrechter Pfeil ↓ kann „entfällt/ erledigt sich“ bedeuten. Steht der Pfeil senkrecht zwischen zwei untereinander geschriebenen Wörtern, heißt das, dass das obere Wort das untere Wort überlagert/ beeinflusst. Ein Pfeil → bedeutet „führt zu“, ein Pfeil ↔ bedeutet „Widerspruch/ Spannungsverhältnis“. „X = f(Y)“ steht für „X hängt ab von Y“. steht für „überschneidet sich“ (mehr oder weniger). Sie können Grafiken entwerfen. Spezifische Begriffe intern festlegen: In Kapitel 1.3 ging es darum, allgemein Begriffe und Begriffsstrukturen für Ihr Arbeitsgebiet festzulegen [→ unter „Festlegen von Begriffen allgemein“, S. 31] . Legen Sie jetzt für den anstehenden Text bei Bedarf zusätzlich spezifische Begriffe und relevante Wörter fest, die Sie verwenden wollen. Beispiel Für dieses Buch habe ich mir unter anderem notiert: „Empfehlung“ (nicht: „Regel“, solange nicht auch alle Einschränkungen ausdrücklich formuliert sind) „Empfänger“ oder aber „Leser“, nämlich wenn es um den Leseprozess geht, nur ausnahmsweise „Adressat“. Nach einiger Zeit kam hinzu: „Kurze und/ oder einfache Texte“ sowie „umfangreiche und/ oder schwierige Texte“ Sie können eine solche Liste im Laufe des Schreibvorhabens ändern einschließlich ergänzen. <?page no="41"?> 42 2 Ein Konzept erstellen Beispiel Ich habe im Laufe der Zeit einen Lernprozess durchgemacht. Nach mehrfachen Änderungen lauten die Qualitätsgrade für das „Wie“ von Texten jetzt: einigermaßen ordentlich, ordentlich, gut, richtig gut geschrieben. Begriffe auch gegenüber dem Empfänger(-kreis) festlegen : Ausgangspunkt ist, dass Sie viele spezifische Begriffe im Text erläutern werden. Wenn Sie bei umfangreichen Texten ein (detailliertes) Stichwortverzeichnis/ Sachregister erstellen wollen, können Sie darin ein Begriffsverzeichnis abbilden: Heben Sie die Begriffe hervor und zeigen damit an, wo diese definiert oder zentral beschrieben werden. - Wenn Sie nur ein Begriffsverzeichnis schaffen wollen, können Sie das Stichwortverzeichnis auf die Begriffe begrenzen. Sie können auch mehr tun, nämlich diese Begriffe von vornherein in einem Glossar definieren und bei deren Verwendung im Text kennzeichnen, dass diese dort zu finden sind. Ein Glossar stört weniger als verstreute Definitionen das tun, und es erleichtert dem Leser, Definitionen zu finden. In einem Glossar können Sie auch Begriffe aufnehmen, die in der Praxis möglicherweise unterschiedlich verstanden werden, auch Begriffe, die ein Teil der Leser möglicherweise nicht versteht. [→ Siehe auch Kap. 3.2 (a) unter „Nicht gleichartige Empfänger“, S. 66.] Mit Verweisen arbeiten: Diese ermöglichen, das Verhältnis einer Stelle des Textes zu einer anderen Stelle zu verdeutlichen, an der das Thema auch angesprochen wird. Verweise können auch dem Leser helfen, über einen plausiblen Einstiegsbegriff das gesuchte Thema zu finden (c) Ihr Vorgehen beim Konzipieren Sie können Ihr Konzeptdokument auf Papier, auf einem Touchscreen- Tablet oder an einem Bildschirm erarbeiten. Das inhaltliche Vorgehen ist bei den drei Medien im Wesentlichen gleich. Es stellen sich also zwei miteinander verknüpfte Fragen: Welchen Einfluss hat das Medium auf das Denken? Welche Effektivität und welche Effizienz hat der Medieneinsatz selbst. <?page no="42"?> 2.2 Das inhaltliche Konzept 43 Hinsichtlich der Effizienz spielt das Medium nur eine geringe Rolle, das gilt selbst bei umfangreichen Texten. Schließlich sind Sie die meiste Zeit dabei, nachzudenken und sich nicht mit dem Medium zu beschäftigen. Auch gleichen sich die Vorteile und Schwächen einigermaßen aus. Sie werden das Textdokument später am Bildschirm entwickeln. Die Antwort richtet sich also sowohl nach der Unterstützung des Mediums auf das Konzipieren selbst als auch auf den Übergang zum Textdokument am Bildschirm. Wenn Sie das Konzeptdokument auf Papier erstellt haben, können Sie nichts automatisiert übernehmen. Wenn Sie das Konzeptdokument am Bildschirm oder auf dem Touchscreen-Tablet erstellt haben, können Sie dieses als Basis Ihres Textdokuments kopieren und in dieser Kopie alles löschen, was nicht Gliederung und nicht schon Text für das Textdokument ist. Plädoyer für Papier und Bleistift: Die Effektivität ist bei diesem Medium am höchsten. Wenn Sie gründlich überlegen müssen, brauchen Sie Notizen in einer Form, dass Sie diese skizzieren und strukturieren und wieder ändern können. Bei Papier ist das einfacher als bei anderen Medien. Sie können mehrere Seiten Papier ausbreiten und von einer Stelle zu einer anderen springen, dann Stellen im Konzept vergleichen oder eine Notiz machen. Vor allem denken Sie besser nach [→ siehe Kap. 1.3 unter „Mit welchem Hilfsmittel schreiben“, S. 32] . Es ist auch psychisch leichter, sich dazu anzuhalten, beim Denken zu bleiben und damit eher alle wesentlichen Gesichtspunkte durchzugehen. Papier hält einen wegen des erforderlichen Medienwechsels besser davon ab, schon mit dem Ausformulieren zu beginnen und damit dem Denken auszuweichen. Man lässt sich auch weniger verleiten, auf eine anscheinend gute Idee hin sich vorzeitig auf einen inhaltlichen Ansatz auszurichten. Beispiel für den Einsatz von Papier Mir hatte es als einem systematisch denkenden Menschen am Anfang gut gefallen, die Phase „Ausformulieren“ streng von der Phase „Überarbeiten“ abzugrenzen. Also fing ich mit dem Ausformulieren an. Später merkte ich, dass sich die Phasen durchaus überlappen können und unter Umständen sogar sollen. Also musste ich die Abgrenzung neu konzipieren, nämlich flexibel. Papier und Bleistift halfen mir, wie der Scan zeigt. - Ich nahm testweise kein Blatt im üblichen Format DIN A4, sondern eines <?page no="43"?> 44 2 Ein Konzept erstellen etwa in der Größe eines Touchscreen-Tablets. Das war etwas zu klein, wie die folgende Skizze zeigt. [→ Jetzt hier in (a), S. 38, und parallel in Kap. 3.1 unter „Eher erst ausformulieren, dann erst überarbeiten“, S. 61.] Abb. 5: Erste Skizze für ein Konzept auf Papier. Vorgehen am Beispiel Papier: Das Vorgehen hängt vom zu erwartenden Umfang des Konzepts ab. Konzepte in mittlerer Länge (= vermutlich zwei Gliederungsebenen): Sie können ein Blatt Papier im Querformat nehmen. Teilen Sie das Blatt in drei Spalten auf, die linke ganz schmal und die mittlere schmal. Schreiben Sie in der mittleren Spalte Ihre Punkte auf, die den roten Faden bilden sollen. Sie können die linke Spalte später für die Nummerierung nutzen. Sie können diese erst einmal auch für Notizen zu Ihrem Vorgehen einsetzen und diese vor der Nummerierung wieder entfernen. Anregung Machen Sie sich eine Vorlage, in der Sie einen Rahmen mit Linien einfügen. <?page no="44"?> 2.2 Das inhaltliche Konzept 45 Unterteilen Sie Ihre Punkte bei Bedarf in Unterpunkte, tun Sie das gleich oder erst später, wenn Sie die Hauptpunkte festgelegt haben. In der rechten Spalte notieren Sie Ihre wichtigen Überlegungen in Ihrer Konzeptsprache. Lassen Sie von vornherein Abstand zwischen den Zeilen, damit Sie in der rechten Spalte Platz für Ergänzungen haben. Konzept für Nummer „Roter-Faden- Punkte“ Stichpunkte / Notizen (am Ende einfügen) (~ mögliche Gliederungspunkte) Abb. 6: Vorlage für das Erstellen von Konzepten in mittlerem Umfang Kurze Konzepte: Es kann ausreichen, dass Sie ein Blatt Papier nehmen und Ihre Stichpunkte aufschreiben, um diese zu gliedern und um nichts zu vergessen. Sie können zusätzlich Notizen machen. Umfangreiche Konzepte: Sie können einige Blatt Papier in einen Ordner heften (also senkrecht). Schreiben Sie auf jede Vorderseite einen der Punkte, die den roten Faden auf der obersten Ebene bilden sollen. Sie können sodann Unterpunkte in der Mitte dieser Seiten oder auf zusätzlichen Seiten eintragen. Lassen Sie vor jedem Punkt/ Unterpunkt links etwas Platz für die spätere Nummerierung. Heben Sie diese Eintragungen deutlich heraus. Sie haben viel Platz, Ihre Überlegungen zu notieren. Bei Bedarf können Sie auf den Rückseiten Einzelheiten und Ergänzungen notieren. Sie können auch zwischendurch etwas auf einem gesonderten Blatt Papier skizzieren und/ oder strukturieren und dann das Blatt wegwerfen, nachdem Sie zu einem Ergebnis gekommen sind und dieses in das Konzeptdokument eingearbeitet haben. Konzept für … [→ Thema oder - später - Gliederungspunkt] Nummer (am Ende einfügen) Roter-Faden-Punkt …… …… Stichpunkte/ Notizen (Rückseite für weitere) …… Roter-Faden-Punkt …… Abb. 7: Vorlage für das Erstellen von umfangreichen Konzepten <?page no="45"?> 46 2 Ein Konzept erstellen Sie können auch der Einfachheit halber auf Material verweisen. Sie können die Blätter umsortieren und/ oder weitere einfügen. Wenn ein Gedanke nicht so recht in die Gliederung passt, Sie diesen aber abhandeln wollen, dann kennzeichnen Sie diesen erst einmal als „Exkurs“. - Sie können den Exkurs an das Ende einer Seite setzen; Sie können diesen auch an den Beginn desjenigen Gliederungspunkts setzen, bei dem Sie sich später auf den Gedanken aufmerksam machen wollen. Es bietet sich kaum an, Sätze bereits auf Papier auszuformulieren, geschweige denn einzelne Gedankengänge. Sie können ein Neben-Textdokument am Bildschirm eröffnen und in diesem Mosaiksteine an Text ausformulieren. Das Neben-Dokument Sie können die Mosaiksteine mit einer aussagekräftigen Bezeichnung versehen, gegebenenfalls auch mit einer Nummer, die Sie im Konzeptdokument vermerken, sodass Sie die Mosaiksteine später bei der Arbeit am Textdokument leicht finden und in dieses kopieren können. Wenn Sie viele Mosaiksteine erwarten, können Sie, sobald Sie eine grobe Gliederung haben, diese in das Neben-Dokument einfügen und die Mosaiksteine dann gemäß dieser ordnen. Von da an müssen Sie die Gliederung parallel im Konzeptdokument und im Neben-Dokument fortschreiben. Sie können dann das Neben-Dokument selbst oder eine Kopie davon als Textdokument nutzen. Sie brauchen erst zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden, ob sich diese Umwandlung wegen vieler Mosaiksteine lohnt. Sie können dann die Gliederung in einem passenden Detaillierungsgrad einfügen. Nummerieren: Legen Sie am Ende eines Durchgangs fest, in welcher Reihenfolge die Punkte/ Unterpunkte den roten Faden bilden sollen. Dementsprechend können Sie diese nummerieren. - Nummerieren Sie auch dann, wenn im künftigen Text Aufzählungszeichen ausreichen, damit Sie die richtige Reihenfolge festlegen (außer wenn diese bereits dem roten Faden entspricht). Formulieren Sie die Punkte/ Unterpunkte in Überschriften um. Tun Sie das gleich oder dann, wenn Sie diese in das elektronische Textdokument übernehmen. <?page no="46"?> 2.2 Das inhaltliche Konzept 47 Überschriften: Drücken Sie deutlich aus, worum es in dem jeweiligen Gliederungspunkt geht. Das unterstützt die Strukturierung. So können Sie im Laufe der weiteren Arbeit am Konzept und dann beim Ausformulieren kontrollieren, ob Ihr roter Faden deutlich wird und ob Sie die einzelnen Gedanken richtig eingeordnet haben. [→ Zum Ausformulieren von Überschriften siehe auch Kap. 3.4 unter „Machen Sie aussagekräftige Überschriften“, S. 77.] Vorgehen am Bildschirm oder auf einem Touchscreen-Tablet: Sie können entsprechende Tabellen anlegen und mit Farben arbeiten. Sie können Stichpunkte zu Text (zu Mosaiksteinen) ausformulieren und diesen wieder ausblenden. Sie können die Punkte und Unterpunkte leicht verschieben und so die Übersichtlichkeit verbessern und den roten Faden von oben nach unten abbilden. Ein Blick in die Vergangenheit Früher habe ich gegebenenfalls die Blätter mit dem Konzept auseinandergeschnitten und neu zusammengeklebt. Bei einem Touchscreen-Tablet haben Sie zusätzlich die Möglichkeit, das, was Sie geschrieben haben, in Text umzuwandeln. Die Frage ist, inwieweit Sie diese Möglichkeit auch nutzen wollen. Ich kann mir schlecht vorstellen, mit einem umfangreichen Konzeptdokument auf einem Touchscreen-Tablet zu arbeiten und dann auf diesem auch noch zusätzliche Skizzen als Hilfe für das Nachdenken zu machen. Bei umfangreichen und/ oder schwierigen Texten kann sich empfehlen, erst einmal mit Papier und Bleistift ein ganz grobes Konzept zu entwickeln, insbesondere wenn es noch um die Suche nach den Inhalten geht [→ (d) unter „Inhalte beschaffen/ sammeln“, S. 49] . Entscheidend für den Einsatz der beiden Medien ist, wie gut Sie sich auf das Nachdenken konzentrieren und Skizzen als Hilfen beim Erarbeiten des Konzepts erstellen können. Konzipieren und ausformulieren überlappen : Je mehr Sie bereits konzipiert haben, desto mehr wird es Sie drängen, mit dem Ausformulieren zu beginnen. Das tut es besonders, wenn Sie bei einem Abschnitt des Konzepts schon die Ebene von Gedankengängen erreicht haben [→ Fortsetzung von (a), S. 38] . Der Übergang geht in Ordnung, wenn Sie erst einmal nur das ausformulieren, wofür Sie bereits ein aus Ihrer Sicht schon einigermaßen stabiles Konzept erstellt haben. So vermeiden Sie, dass Sie später aufgrund der weiteren Arbeiten an anderen Teilen des Konzepts viel be- <?page no="47"?> 48 2 Ein Konzept erstellen reits ausformulierten Text umarbeiten müssen. Sie würden so dennoch nicht die Qualität eines Textes erreichen, die Sie auf der Basis eines sauberen Konzepts erreicht hätten, und Sie würden mehr Aufwand haben. „Einigermaßen stabil“ bezieht sich nicht nur auf den Teil des Konzepts, den Sie ausformulieren wollen, sondern auch auf die Schnittstellen zu den anderen Teilen des Konzepts, die noch im Entstehen sind. Sobald Sie Ihr Konzept für einigermaßen stabil halten, können Sie die Nummerierung im Konzeptdokument − zumindest im stabilen Teil − einfügen und mit dem Ausformulieren beginnen. [→ Siehe vorstehend in (c) unter „Nummerierung“, S. 46.] Wenn Sie schon vor diesem Zeitpunkt ein Textdokument für das Ausformulieren erstellen, bedeutet das, dass Sie noch am Konzept zu arbeiten haben und das Risiko eingehen, später Ihren bereits ausformulierten Text unter Qualitätsverlusten umarbeiten zu müssen. Konzeptdokument und Textdokument: Am Anfang dieses Abschnitts (c) ist dargestellt, wie sich das Medium auf den Übergang auswirkt [→ S. 42] . Beim Einstieg in das Ausformulieren ist zu berücksichtigen, dass Sie am Konzeptdokument weiterarbeiten müssen, bis Sie dieses vollständig erstellt haben. Es geht also darum, wie Sie mit den beiden Dokumenten parallel arbeiten können oder ob Sie das, wenn Sie das wollen, vermeiden können. Konzeptdokument auf Papier erstellt: Die Stichworte und Skizzen für Grafiken und Gedankengänge können Sie nicht übernehmen. Es liegt nahe, die stabilen Teile des Konzeptdokuments stückweise im Textdokument auszuformulieren und dann am Konzeptdokument weiterzuarbeiten. Dabei kann es wieder stabile Teile geben, die Sie dann wieder ausformulieren. Sie können für den Teil, den Sie gerade ausformulieren, zu Ihrem Konzeptdokument zurückkehren, um diesen Teil des Konzeptdokuments zu bearbeiten oder um Auswirkungen auf andere Teile oder weitere Gedanken in dieses einzuarbeiten. Grafiken sollten Sie erst dann ausarbeiten und in das Textdokument übernehmen, wenn diese stabil sind. Bis dahin können Sie für diese Platzhalter einfügen. Konzeptdokument am Bildschirm erstellt: Sie können eine Kopie des Konzeptdokuments als Textdokument erstellen und in dieser alles löschen, was nicht schon Text für das Textdokument ist. Es kann wie <?page no="48"?> 2.2 Das inhaltliche Konzept 49 bei Papier nützlich sein, das Konzeptdokument auch für die Teile, die Sie bereits ausformuliert haben, eine Zeit lang weiterzuführen. Konzeptdokument handschriftlich auf dem Touchscreen-Tablet erstellt: Wenn Sie nur noch mit dem Textdokument arbeiten wollen, haben Sie gegenüber dem Konzeptdokument auf dem Bildschirm noch zusätzlich die Möglichkeit, Teile des handschriftlichen Konzeptdokuments in der Kopie für das Textdokument zu belassen. Sie können im Textdokument auch mit Notizen zum Konzept arbeiten. Konzepte reifen: Sie werden ständig daran denken, dass die Weiterentwicklung des Konzepts an einer Stelle Anpassungsbedarf an einer anderen Stelle verursachen kann. [→ Vgl. Kap. 4 (b) unter „Änderungen verursachen Anpassungsbedarf, S. 117.] Wenn Sie das Konzeptdokument weiterentwickelt haben, also viele Änderungen vorgenommen haben, dann halten Sie inne und gehen noch einmal den gesamten Stand des Konzepts durch. Sie werden Harmonisierungsbedarf entdecken. Überprüfen Sie, ob Restrukturierungsbedarf im Großen besteht. Wenn Sie solchen erst bei der Überprüfung am Ende der Konzeptphase finden, haben Sie noch mehr Aufwand mit der dann erforderlichen Restrukturierung [→ siehe (f) Überprüfen des inhaltlichen Konzepts, S. 53] . Beispiel Das Kapitel 2.2 enthielt ursprünglich das operative Vorgehen mit der Einleitung „Erst konzipieren, dann ausformulieren“. Dann kam dieses und jenes hinzu, besonders die Überlappung von Konzipieren und Ausformulieren [→ siehe das „Beispiel für den Einsatz von Papier“ hier in (c), S. 42] . Das brachte mich dazu, den Komplex in die Abschnitte (a) bis (d) aufzuteilen. - Das hat wirklich Zeit gekostet! (d) Hilfen für die inhaltliche Arbeit Manchmal müssen Sie sich den Inhalt erst mehr oder weniger erarbeiten oder bei umfangreichen Themen zumindest zusammentragen und ordnen. Inhalte beschaffen/ sammeln : Je nach Schreibvorhaben kann das mehr oder weniger umfangreich sein. Das Sammeln kann schon in der Vorbereitungsphase begonnen haben. Wenn Sie sich schon vor dem Beginn des Schreibprozesses Notizen machen, dann schreiben Sie diese so ausführlich auf, dass Sie diese später nachvollziehen können, wenn die derzeitige Situation nicht mehr bestehen wird. <?page no="49"?> 50 2 Ein Konzept erstellen Wenn Sie Material sammeln, auch eigene Gedanken, stellt sich die Aufgabe, dieses zu sortieren. Zu dieser Zeit ist es wahrscheinlich noch zu früh, eine Gesamtstruktur zu erarbeiten, um gemäß dieser sortieren zu können. Erfassen Sie in diesem Fall die einzelnen Themen in einer Mindmap und legen entsprechende Deckblätter/ Trennblätter für das Material an. Bei Bedarf können Sie die Mindmap um eine weitere Stufe ergänzen und das Material feiner sortieren. Sie können die Mindmap dafür nutzen, ein ganz grobes Konzept zu erarbeiten. Für umfangreiche Dokumente können Sie in Ihrer Materialsammlung Platzhalter mit deren Titel und deren Fundstelle einfügen. Methoden zum Erarbeiten von Inhalten: Primär dienen diese Methoden für das Konzipieren. Sie können die Methoden auch dafür einsetzen, Inhalte zu erarbeiten. 7W-Fragen: Diese helfen Ihnen beim Suchen von Informationen und beim Strukturieren: „Wer, wie, wo“ usw. ist der Ansatzpunkt für eine Vielzahl von Fragen. Es kommt nicht wirklich darauf an, dass es 7 Fragen sind. Die Zahl stellt einen Appell an Sie dar, sich um inhaltliche Vollständigkeit zu bemühen. Der einleitende Vorschlag in Kap. 2.1 enthält solche W-Fragen [→ S. 35] . Sie finden im Internet Vorschläge zu solchen Fragelisten unter „7W-Fragen“ plus einem fachlichen Stichwort. Beispiel: 7W-Fragen für eine Aktennotiz zu einer Besprechung Worum ging es? Um was genau? Wer war beteiligt? Wann? Was war der Auslöser? Wozu? Was war das Ergebnis? Mindmapping: Dieses bietet sich sowohl für das Suchen als auch für eine frühe Stufe des Strukturierens an [→ Anhang A.1 (a), S. 197] . Tabellen empfehlen sich, wenn Sie den Zusammenhang zwischen zwei Faktoren mit deren jeweiligen Ausprägungen ermitteln wollen [→ Anhang A.1 (b), S. 199]. Entscheidungstabellen: Diese helfen, komplexe Regeln auszuformulieren [→ Anhang A.1 (c), S. 200]. <?page no="50"?> 2.2 Das inhaltliche Konzept 51 Wirkungsdiagramme: Wenn Sie die möglichen Ursachen für ein Ergebnis / eine Wirkung ermitteln wollen, können Sie mit einem einfachen Wirkungsdiagramm arbeiten [→ Wikipedia unter „Ursache-Wirkung- Diagramm“]. Wenn Sie darüber hinaus komplexe Zusammenhänge ermitteln wollen, bieten sich Wirkungsdiagramme auf der Basis der Systemdynamik an (System Dynamics) an [→ Anhang A.1 (d), S. 202]. Programmablaufpläne: Diese bieten sich an, wenn Sie Regeln mit Verzweigungen und Rückkoppelungen ermitteln und später ausformulieren wollen [→ Anhang A.1 (e), S. 203]. Abläufe beschreiben: Sie können zeitliche Zusammenhänge mit der Hilfe eines Zeitstrahls strukturieren. Denken Sie im Detail nicht nur daran, wie etwas abläuft oder ablaufen wird oder soll, sondern versetzen Sie sich wirklich in den Ablauf hinein. Das erhöht die inhaltliche Richtigkeit, die Eindeutigkeit und die Verständlichkeit. Konzeptvorlagen erarbeiten: Wenn Sie zu einem Thema in Zukunft wahrscheinlich öfters schreiben werden, bietet es sich an, dafür eine Konzeptvorlage zu erarbeiten. Eine frühe Stufe dazu finden Sie im folgenden Vorschlag. [→ Siehe auch vorstehend das Beispiel „7W-Fragen für eine Aktennotiz“, S. 50.] Vorschlag zum Strukturieren von Handlungsproblemen Ausgangssituation allgemein und konkret Problem Ziel Handlungsmöglichkeit(en) deren Bewertung Entscheidungsvorschlag weiteres Vorgehen Beispiel zu meinem Vorgehen Wenn ich damit gerechnet habe, einen Text zu einem Thema in Zukunft mehrfach zu schreiben, habe ich mich erst einmal an einen anderen Schreibtisch gesetzt, habe über die allgemeine Struktur des Themas nachgedacht und dann eine etwas allgemeinere Struktur formuliert, als ich sie im konkreten Fall benötigt habe. Das heißt, dass ich diese um Gesichtspunkte, die im Einzelfall eine Rolle spielen können, und um innere Abhängigkeiten erweitert habe. Das war die erste Fassung einer Konzeptvorlage. <?page no="51"?> 52 2 Ein Konzept erstellen Dann habe ich mich wieder an meinen normalen Schreibtisch gesetzt, die Konzeptvorlage auf den konkreten Sachverhalt ausgerichtet und den Text ausformuliert. Erste Erweiterung meines Vorgehens: Eine Textvorlage erstellen Wenn künftige Texte wahrscheinlich auch noch ziemlich ähnlich werden dürften, habe ich eine Konzeptvorlage in eine Textvorlage umgesetzt. Diese enthielt dann nicht nur Felder für das Einfügen von Variablen, sondern auch alternative Formulierungen. Zweite Erweiterung meines Vorgehens: Konzeptvorlage und Textvorlagen differenzieren Ich habe, ausgerichtet auf die Konzeptvorlage, Texte mit den am häufigsten zu erwartenden Alternativen zu den einzelnen Punkten formuliert. Weniger wichtige Alternativen und Ergänzungen habe ich in zusätzlichen Dokumenten (also in Sammlungen von Textbausteinen zu einzelnen Punkten) aufgenommen und die Konzeptvorlage entsprechend fortgeschrieben. Ein Anwendungsbereich für Sie: Denken Sie an Angebote mit viel Text. (e) Überlegungen zur Gestaltung von Texten Sehen Sie vor, die Struktur auch optisch zu verdeutlichen: Ansatzweise ist das Ihnen schon in (b) empfohlen worden [→ S. 42] . Sie können diese im Text hervorheben, sei es durch Fettdruck, Unterstreichungen oder Einrückungen. [→ Siehe auch Kap. 3.3 am Anfang, S. 74, und Kap. 3.6 Briefe/ Schreiben, S. 107.] Die Struktur leitet Sie dann beim Ausformulieren: Sie stößt Sie immer wieder an zu überprüfen, ob das, was Sie unter einem Gliederungspunkt untergebracht haben oder unterbringen wollen, wirklich dahin gehört. Wenn Sie den Eindruck von zu vielen Zwischenüberschriften im Textdokument haben, können Sie diese optisch herabstufen oder weglassen. Sie sollten diese aber im Konzept vorsehen, um sich stärker an die Frage zu erinnern, ob Ihre Ausführungen wirklich hierhergehören. Planen Sie, Inhalte zu visualisieren: Visualisierungen haben tendenziell den Vorteil, dass die Empfänger die Informationen leichter verstehen und auch eher behalten. Dank Software können Sie einfache Visualisierungen immer leichter erstellen. Wenn Sie Visualisierungen jetzt skizzieren (oder sogar entwerfen), helfen diese Ihnen, Ihre Gedanken vollständig zu entwickeln und zu ordnen. <?page no="52"?> 2.2 Das inhaltliche Konzept 53 Sie können die Aufgabe haben, komplizierte oder sogar komplexe Inhalte darzustellen. Das können Sie in Worten nur linear tun, also Absatz für Absatz. In diesem Fall sind Visualisierungen nahezu unverzichtbar: für Sie, um Ihr Konzept zu verdeutlichen, und für den Leser, um die Zusammenhänge zu verstehen. Beispiele (1) Komplizierter Inhalt: Anbieter von Serviceleistungen bilden gerne Pakete, die unterschiedliche Leistungen beinhalten und diese teilweise in unterschiedlichen Ausprägungen, zum Beispiel hinsichtlich der Servicezeiten. Die Anbieter nennen das gerne „Silber“, „Gold“ und „Platin“. Alles ist in einer Tabelle übersichtlich dargestellt. Dann versuchten einige Anbieter, das „vertragsgerecht“ in Fließtext auszudrücken. Das blieb schwer verständlich. (2) Komplexer Inhalt: Das komplexe Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun kann dank der Grafik leicht verstanden werden; deswegen dürfen die Erläuterungen dazu etwas länger als erforderlich sein und also viele Beispiele enthalten [→ siehe Kap. 1.1 (b) am Anfang, S. 24] . Der Leser kann durch einen Blick auf die Grafik schnell erkennen, wo er sich beim Lesen der Erläuterungen gerade befindet. Planen Sie Beispiele ein: Diese machen Ihre Aussagen anschaulich und damit besser verständlich. Das können, wie in diesem Buch, hervorgehobene Beispiele sein (weil es sich um einen Lerntext handelt) oder kleine Beispiele im laufenden Text, wie sie mit „beispielsweise“ oder „Ich denke an den Fall, dass …“ eingeleitet werden. Notieren Sie sich Beispiele, die Ihnen beim Erarbeiten des Konzepts einfallen. Machen Sie es sich beim Ausformulieren zu einer Regel, sich immer zu fragen, ob Sie Beispiele einfügen können. (f) Überprüfen des inhaltlichen Konzepts Selbstverständlich gehört zu dieser Phase, dass Sie an deren Ende Ihr Konzept überprüfen. Planen Sie dafür einen eigenen Schritt ein und vor diesem zumindest eine kurze Pause. Diese Distanz soll Sie anstoßen, die Überprüfung gewichtig zu nehmen. Überprüfen Sie insbesondere die Einleitung. Diese könnte nicht mehr passen, weil Sie Ihre Argumentation geändert haben. Es ist schwierig, andere Personen an der Überprüfung zu beteiligen. Deswegen bietet sich an, frühzeitig mit jemandem über Ihr Vorhaben zu sprechen. [→ Siehe Kap. 2.1 unter „Das Schreibvorhaben besprechen“, S. 37.] <?page no="53"?> 54 2 Ein Konzept erstellen Einen Fließtext können Sie einer anderen Person in die Hand drücken, mit einem Konzept in einer Konzeptsprache kann eine andere Person normalerweise nicht viel anfangen. Sie können Ihr Konzept einer anderen Person mündlich darlegen und mit ihr besprechen. Sie müssen Ihre Darlegung zumindest mündlich vorbereiten. Sie sollten das aber auch schriftlich tun. Gliederung des Konzepts Thema und Überblick über den Inhalt Erster Entwurf eines Vorworts und/ oder einer Einleitung Besprechungsbedürftige inhaltliche Punkte Dieser Zeitpunkt hat den Vorteil, dass über das Konzept gesprochen wird. Bei einer späteren Diskussion über den ersten Entwurf wird das Konzept nicht so schnell sichtbar. Es droht auch, dass Ihr Gesprächspartner sich an Ihren Formulierungen statt an Ihrem Konzept abarbeitet. Geben Sie der anderen Person erst einmal Zeit, sich in Ihr Konzept einzudenken. Auftragnehmer können solche Vorgehensweisen in ihren Projektrichtlinien vorsehen, insbesondere für wichtige Dokumente wie Leistungsbeschreibungen. <?page no="54"?> 3 Texte ausformulieren In Kapitel 2 ging es darum, den Inhalt sachgerecht zu konzipieren. Jetzt ist es Ihre nächste Aufgabe, den Inhalt auszuformulieren. Das ist der wesentliche Schritt dafür, die Erfolgsfaktoren, die Sie für den Kommunikationsprozess festgelegt haben, zu erfüllen. Es folgt aber noch das Überarbeiten, um die Erfolgsfaktoren vollständig zu erreichen [→ Kap. 1.2, S. 29]. Soll ein Text gut geschrieben sein, bedeutet das im Normalfall, dass dieser gut zu lesen sein soll. Ihr Empfänger(-kreis) soll den möglichst eindeutig formulierten Text leicht aufnehmen und verstehen können. - Es gibt noch die Kür, dass Sie den Text richtig gut schreiben wollen [→ Anhang D]. Ansatzweise behandelt dieses Kapitel auch schon, dass Sie die vertragsbezogenen Dokumente, die Sie in Ihrem Aufgabenbereich erstellen, absichernd formulieren sollen. Das gilt besonders für die Auftragnehmerseite. Kapitel 5 erläutert das ausführlich. 3.1 Einleitung In dieser Einleitung geht es um zwei Themen: (a) Was sollten Sie für die Zielerreichung berücksichtigen (b) Ihr Vorgehen (a) Was sollten Sie für die Zielerreichung berücksichtigen Erst einmal geht es um die gute Lesbarkeit. Diese ist Voraussetzung für die leichte Verständlichkeit. Die Lesbarkeit wird je nach dem Aufgabengebiet des Definierenden unterschiedlich definiert. Das reicht von der typografischen Gestaltung bis hin zur Textverständlichkeit und bei den Linguisten bis hin zur Attraktivität des Textes. 11 Für Empfehlungen zum Ausformulieren ist es hilfreich, von aufeinander aufbauenden Stufen auszugehen: Leserlichkeit Lesbarkeit Verständlichkeit 11 Beispielsweise definiert die DIN-Norm 1450 die Lesbarkeit unter dem Gesichtspunkt der „Leserlichkeit von Schriften“. <?page no="55"?> 56 3 Texte ausformulieren Die Aufnahmefähigkeit des Lesers: Da Sie mit Ihren Text Anforderungen an den Leser stellen, müssen Sie in Rechnung stellen, wie viel dessen Gehirn zu leisten vermag, d.h. wie viel Information dieses im Leseprozess aufnehmen und verarbeiten kann. 12 Das Auge läuft voraus. Das Gehirn speichert den Informationsstrom in Abschnitten von etwa 3 Sekunden in einem speziellen Teil des Kurzzeitgedächtnisses; solche Abschnitte beinhalten Pakete von etwa 12 bis 13 Silben. Das Gehirn beginnt sofort mit der Verarbeitung. Es verarbeitet wenige dieser Pakete in einem Zusammenhang, insgesamt maximal etwa 15 bis 17 Wörter. 13 Deswegen sollten Sätze in Abschnitten vom Umfang eines Pakets und insgesamt im Umfang von höchstens 15 bis 17 Wörtern gebildet werden. Formulieren Sie Ihre Texte also so, dass der Leser diese flüssig lesen und verstehen kann. - Ein Leser kann seine erworbene Lesegeschwindigkeit kurzfristig kaum an die jeweilige Lesbarkeit anpassen. Versuchen Sie einmal, einen Text etwas langsamer oder schneller als gewöhnlich zu lesen. Sie werden merken, dass die Aufnahmefähigkeit in beiden Fällen darunter leidet. Leserlichkeit - die formale Seite des Textes: Das Gehirn kann seine volle Leistung nur erbringen, wenn es den Text formal leicht aufnehmen kann. Basis ist ein gutes Schriftbild hinsichtlich Schriftart und -größe. 14 Hervorhebungen, Einschübe durch Zeichen usw. können den Inhalt verdeutlichen, machen das Schriftbild aber unruhig. Ihr Text soll für den Leser möglichst gewohnt erscheinen. Dazu dient optisch, dass Sie die üblichen Schreib- und Gestaltungsregeln für Texte einhalten. Dafür können Sie sich bei Briefen und E-Mails an der DIN-Norm 5008: 2020 ausrichten. 15 Es hilft auch eine deutliche Gliederung, die Sie grafisch hervorheben. [→ Siehe auch Kap. 3.3 am Anfang, S. 74.] 12 Was die Verarbeitungsweise des Gehirns anbelangt: Es analysiert zuerst die Grammatik eines Satzes, zeitlich versetzt die Semantik und bringt dann Grammatik und Semantik in Einklang. 13 Die Speicherung erfolgt nicht wie im Langzeitgedächtnis. In letzterem wird die Information inhaltlich anders abgespeichert: in aller Regel verdichtet und hochvernetzt auf das bisherige Wissen ausgerichtet. Die neuronalen Zusammenhänge sind noch unklar. 14 Dazu gibt es die DIN-Norm 1450 Leserlichkeit von Schriften 15 „ Schreib- und Gestaltungsregeln in Text- und Informationsverarbeitung“ <?page no="56"?> 3.1 Einleitung 57 Lesbarkeit: Es geht darum, wie schnell/ leicht das Gehirn den Text aufnehmen kann. Das bestimmen im Wesentlichen formale Aspekte des Textes. Lesbarkeitsindizes Um die Lesbarkeit messen zu können, sind Unmengen an Lesbarkeitsindizes entwickelt worden. Diese bewerten die Lesbarkeit im Wesentlichen nach der Zeit, die ein typischer Leser braucht, um den Text aufzunehmen. Solche Lesbarkeitsindizes - wie sie beispielsweise in WORD enthalten sind - stellen im Ansatz auf die durchschnittliche Satzlänge und die durchschnittliche Wortlänge nach Buchstaben oder Silben ab. Sie können auch Faktoren berücksichtigen, die sich auf die Verständlichkeit beziehen, beispielsweise wie häufig die Wörter gebraucht werden. 16 Sachtexte schneiden da von vornherein schlecht ab. Denn darin werden Fachbegriffe mit relativ vielen Silben verwendet, beispielsweise „Lesbarkeitsindex“. Manchmal werden Sätze etwas länger als rein sprachlich erforderlich formuliert, damit sie leicht aufgenommen werden können. Lesbarkeitsindizes geben also für Sachtexte kaum etwas her. Die leichte Lesbarkeit ist für den Lesefluss positiv, sie sollte aber nicht im Vordergrund stehen. Diese erspart dem Leser pro Satz maximal eine Sekunde. Wenn der Leser allerdings erst einmal nachdenken muss, was der Schreiber mit dem Satz gemeint haben dürfte, geht es schon um mehrere Sekunden. Und noch schlimmer: Der Leser missversteht den Inhalt des Satzes, und es entstehen Reibungen. Die können Stunden kosten. Folgen Sie dem üblichen Satzbau, den Leser erwarten. Dieser lässt Ihnen Spielräume. Lesen Sie längere Sätze und reihen Sie die Wörter so, wie sich der Satz am leichtesten lesen lässt. Zur leichten Lesbarkeit gehört auch, dass Sie die Rechtschreibung und Grammatik korrekt anwenden und damit Ihre Empfänger nicht irritieren und nicht vom Lesen ablenken. Der DUDEN erläutert Ihnen das „amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung“. Für sehr viele Alltagsfragen finden Sie gut verständliche Erläuterungen in www.wortwuchs.net. Für die Prüfung 16 Siehe beispielsweise RATTE Regensburger Analysetool für Texte Dokumentation: www.uni-regensburg.de › germanistik-did › downloads › ratte <?page no="57"?> 58 3 Texte ausformulieren von Rechtschreibung und Grammatik finden Sie im Internet Programme, die über die Leistung von WORD hinausgehen. Schalten Sie Funktionen wie „Vokabular und Lesbarkeit“ oder ähnliche Funktionen aus, damit Sie nicht mit kontraproduktiven Hinweisen zu Ihren Fachbegriffen und zur stur einheitlichen Begriffsverwendung überschüttet werden. Zu den Kommas erlaubt § 73 des amtlichen Regelwerks, in bestimmten Fällen doch eines zu setzen, „um die Gliederung … deutlich zu machen.“ Ich empfehle, diese Regel etwas zu verallgemeinern. Sie dürfen auch andersherum einmal auf ein Komma im Interesse der Deutlichkeit verzichten. Beispiele für den Verzicht auf ein Komma Vor eine Konjunktion soll ein Komma gesetzt werden. Manchmal folgt nach dem Komma allerdings ein Wort, das die Art des Nebensatzes in Ergänzung der Konjunktion charakterisiert. Beispiel: Statt „…, wenn insbesondere …“ schreibe ich in dem Fall „…, insbesondere wenn …“ (also ohne Komma vor dem „wenn“), dass das „wenn“ eine bestimmte Konstellation betont. 17 „So ist es, es sei denn, dass eine Ausnahme vorliegt.“ Ich behandle „es sei denn, dass“ als eine Konjunktion. Die Grammatik kann die Verständlichkeit so erschweren, dass ein leichter Regelverstoß vertretbar sein kann, vorausgesetzt dass Sie diesen durchdacht haben. (Da „fehlt“ nach „vorausgesetzt“ schon wieder ein amtlich vorgesehenes Komma! ) [→ Siehe Kap. 3.4 (a) unter „Vermeiden Sie, dass das Verb erst am Ende des Satzes steht“, S. 84.] Beispiel für einen nicht störenden Grammatikfehler „Je akuter und schneller eine Krisensituation sich entwickelt, desto stringenter muss die Führungsorganisation sein und desto effizienter die Informationsflüsse und desto kürzer die Entscheidungswege.“ Statt „muss“ müsste es „müssen“ heißen (drei Subjekte, und darüber hinaus zwei im Plural). Aber so wie formuliert liest der Satz sich gut. 17 Das „wenn“ vor dem „insbesondere“ würde hingegen eine Bedingung für die Aussage im Hauptsatz enthalten, die dann durch das „insbesondere“ relativiert werden würde. <?page no="58"?> 3.1 Einleitung 59 Verständlichkeit: Über den Erfolgsfaktor „leichte Lesbarkeit“ hinaus kommt es darauf an, Texte so abzufassen, dass der Leser diese gleich beim Lesen nicht nur aufnehmen und grammatisch verarbeiten, sondern hochwahrscheinlich auch richtig verstehen kann. Beispiele für Maßnahmen für leichte Lesbarkeit und damit Verständlichkeit Ein Satz soll nicht mehr als einen Gedanken enthalten; der Satzaufbau soll schnell erkannt werden können. Subjekt und Prädikat sollen deswegen als Anknüpfungspunkt für den Prozess des Verstehens eher am Satzanfang stehen. Das Gebot der Richtigkeit führt oft dazu, dass man noch etwas in einen Satz hineinpackt. Man sollte dafür eher einen weiteren Satz bilden! Insgesamt kommt es für die Qualität von Texten auf alle in Kapitel 1.1 genannten Erfolgsfaktoren an [→ S. 18]. Lesen am Bildschirm unterstützen: Wenn in Betracht kommt oder sogar zu erwarten ist, dass der Empfänger Ihren Text am Bildschirm liest, sollten Sie Ihren Text noch leichter handhabbar und lesbarer machen. Am Bildschirm liest es sich schlechter [→ Kap. 4 (b) unter „Ausdrucken und Überarbeiten“, S. 118]. Verweise und Fußnoten können ein Problem darstellen. Schreiben nicht schlechter als Reden: Beim Schreiben entwickelt man Eigenheiten, die sich auf die Eindeutigkeit und die Verständlichkeit nachteilig auswirken. Einige sind darauf zurückzuführen, dass man mehr Informationen in weniger Wörter ausdrücken will, einige sind einem in der akademischen Ausbildung antrainiert worden. Wenn Sie ein bisschen mehr so schreiben, wie Sie ordentlich reden, erhöhen Sie die Verständlichkeit Ihres Textes. Sie machen diesen zwar physisch länger, kürzen aber die Zeit ab, die der Empfänger für das Verstehen des Textes benötigt (und erhöhen den Grad an Eindeutigkeit). Einige Vorteile beim Schreiben wie ordentlich Reden Für mich liegt der größte Vorteil darin, dass ich stärker an den Empfänger denke: Ich frage mich mehr, ob der Empfänger kapieren kann, was ich da schreibe. Ich führe ihn stärker durch das Thema, insbesondere kündige ich den nächsten Gedankengang besser an (Herold). [→ Siehe auch Kap. 3.2 (a) unter „Beispiel dazu: mein Vorgehen“, S. 65.] <?page no="59"?> 60 3 Texte ausformulieren In den folgenden Beispielen geben die Klammern an, welche Empfehlungen in Kapitel 3.4 sich mit diesen Vorteilen befassen. Allgemein erleichtern Sie sich die Arbeit, Sätze zu formulieren. [→ a] Sie bilden kaum Bandwurmsätze und kaum Ketten von Substantiven. [→ a] und [→ b] Sie verwenden mehr Wörter aus Ihrem aktiven Wortschatz und damit weniger schwer zu verstehende Wörter. [→ b] Sie ersetzen Verben weniger durch Substantive. [→ c] Sie verwenden wenige adverbiale Bestimmungen und bilden stattdessen Nebensätze, die dasselbe einfacher ausdrücken. Sie betonen wichtige Adjektive stärker, weil Sie für diese Nebensätze bilden. [→ c] und [→ g] Sie machen weniger unklare Rückbezüge, weil Sie ein Substantiv wiederholen, statt es nur in Bezug zu nehmen. [→ d] Sie verwenden mehr das Aktiv und weniger das Passiv. [→ e] Sie fördern diese Formulierungsweise, wenn Sie wie vorgeschlagen Sätze erst einmal im Kopf formulieren [→ Kap. 3.4 (a) Konstruieren Sie Sätze übersichtlich, S. 77]. Verdeutlichen Sie, auf welcher Ebene Sie argumentieren : In Betracht kommen insbesondere die folgenden Ebenen: informativ/ realitätsbezogen (Kriterium: Ist das wahr? Ist das wahrscheinlich war? Ist das Ihre Sicht auf Tatsachen? ) funktional/ technisch (Kriterium: Ist das geeignet? Ist das wahrscheinlich geeignet? Ist das nach Ihrer Auffassung geeignet? ) normativ (Kriterium: Ist das erwünscht/ gesollt bzw. unerwünscht/ abgelehnt: von Ihnen oder von einer größeren Gruppe bis schließlich von der herrschenden Moral? ) Negativbeispiele (1) „Eine Zustimmung kann es nicht geben.“ Als Tatsachenbehauptung wäre das: „Eine Zustimmung ist aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen.“ Wenn es um die Zustimmung des Schreibers geht und er diese nicht geben will, sollte er es auf der normativen Ebene klar ausdrücken: „Ich will nicht zustimmen.“ / „Ich stimme nicht zu.“ Aber man versteckt seine Ablehnung gerne. Wenn es um die die negative Bewertung eines Vorschlags geht, klarer: „Eine Zustimmung darf es nicht geben. Denn ...“ <?page no="60"?> 3.1 Einleitung 61 (2) „Richtig! “ wird verwendet, um Tatsachen zu bestätigen, aber manchmal fälschlich auch, um Werturteilen zuzustimmen. Verdeutlichen Sie die jeweilige Ebene im Interesse einer erfolgreichen Kommunikation. Die wesentlichen Ebenen Informativ: Sie können Tatsachen mitteilen und/ oder analysieren. Dabei können Sie sich auf die Realisierung eines Projekts oder auf einen anderen Vorgang beziehen. Sie können ergänzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit Ihre Aussage wahr ist bzw. worauf Sie Ihre Aussage stützen. Funktional: Sie können ein Konzept bilden/ Vorschläge machen, diese auch bereits auf deren Realisierbarkeit hin bewerten. Normativ: Sie können das Konzept auch von der Wünschbarkeit her bewerten oder schon aus Ihrer Sicht über diese entscheiden. Betrachtungsebene/ Metaebene: Sie können etwas auf einer höheren Ebene anmerken. (b) Ihr Vorgehen Eher erst ausformulieren, dann erst überarbeiten: So wie bisher die Empfehlung galt „erst konzipieren, dann ausformulieren“, heißt die Richtschnur jetzt: „Eher erst ausformulieren, dann erst überarbeiten“. Hier grenzen sich die Phasen nicht so streng voneinander ab. Denn man verbessert den Text auch schon innerhalb dieser Phase, besonders wenn man den ersten Entwurf von umfangreichen und/ oder schwierigen Texten in einem zweiten Durchgang durcharbeitet. Die Empfehlung will sagen: „Versuchen Sie nicht, durch Verbesserungen während des Ausformulierens die Phase des Überarbeitens zu erübrigen.“ Sie würden sich übernehmen und das verbleibende Verbesserungsbedürfnis und Verbesserungspotenzial unterschätzen [→ Kap. 4 (a), S. 111]. Konzentrieren Sie sich jetzt beim Ausformulieren mehr auf den Inhalt und später in der Phase des Überarbeitens mehr auf den/ die Empfänger. Beispiel Ob ich „Empfänger“ oder „Leser“ verwende, ordne ich dem Ausformulieren zu. Ob ich statt dieser Begriffe „man“ verwende oder aber <?page no="61"?> 62 3 Texte ausformulieren Sie direkt anspreche, gehört für mich zur personalen Ebene und damit zum Überarbeiten. So haben „Sie“ nie schlechte Gewohnheiten, sondern hat das immer nur „man“. Es kommt auch beim Ausformulieren besonders auf den Umfang und die Schwierigkeit des Themas an. Kurze und/ oder einfache Texte: Sie können diese von vornherein so schreiben, dass diese überarbeitungsreif sind. Zwei Durchgänge für umfangreiche/ schwierige Texte: Nachdenken und gut Ausformulieren zugleich überfordert auf Dauer unser Gehirn. Es drängt sich auf, dass Sie zwei Durchgänge machen: Den ersten für einen „ersten Entwurf“, wie es umgangssprachlich heißt, den zweiten für das Durcharbeiten, um einen überarbeitungsreifen Text zu schaffen. Sie können sich beim ersten Entwurf besser auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren. Erster Entwurf: Bringen Sie Ihre Gedanken in einen einigermaßen richtigen (einschließlich vollständigen) und einigermaßen ordentlich geschriebenen Text. Formulieren Sie diesen so weit aus, dass Sie beim zweiten Durchgang genau wissen, worum es Ihnen geht. Komplizierte Sätze oder Gedankengänge können Sie erst einmal so stehen lassen, auch wenn Sie diese für verbesserungsbedürftig halten. Das gilt auch für Formulierungen, die Ihren Gedanken noch nicht so ganz treffen. Sie können diese Sätze markieren. Der Text soll so verständlich sein, dass Sie diesen jemanden geben können, der bereit ist, den Inhalt mit Ihnen zu besprechen. [→ Siehe auch Kap. 4 (a) unter "Sie selbst werden gefordert“ für das Einschalten von Dritten für den ausformulierten Text, S. 111.] Bei langen Texten kann es Abschnitte geben, in denen es im Wesentlichen nur auf das Detail ankommt. Um den Faden nicht zu verlieren, können Sie sich im ersten Durchgang darauf beschränken, solche Abschnitte nur grob zu formulieren. Warnung Wenn Sie während des Ausformulierens anfangen, den schon geschriebenen Text zu überarbeiten, haben Sie wahrscheinlich ein Problem. Wahrscheinlich kommen Sie mit dem Ausformulieren nicht recht weiter, und das wahrscheinlich deswegen, <?page no="62"?> 3.1 Einleitung 63 weil Sie Ihr Konzept nicht ausreichend ausgearbeitet haben. Also sollten Sie erst einmal zur Phase Konzipieren zurückgehen! Sie können parallel zur Arbeit an einer Stelle auch Stichworte oder Überlegungen an einer anderen Stelle notieren und markieren. Markieren Ich arbeite mit zwei Formen der Markierung: Farblich unterlegt: Der Text muss noch sprachlich verbessert werden. Andere Schriftfarbe: Der Gedanke muss noch durchdacht werden. Das kann auch ein Hinweis zu einem Gedanken an einer anderen Stelle sein, als an der ich gerade arbeite. Ich füge dort erst einmal nur den Hinweis ein. Durcharbeiten: Das bedeutet laut DUDEN „in allen Einzelheiten gestalten, vollständig, gründlich ausarbeiten.“ Machen Sie aus einem einigermaßen ordentlich geschriebenen Text einen ordentlich geschriebenen Text. Beseitigen Sie die Schwächen, die ein erster Entwurf wie dargestellt durchaus haben darf. Bei der sachlichen Richtigkeit kommt beispielsweise in Betracht, Randbedingungen für Ihre Argumentation zu ergänzen. Prüfen Sie, ob Änderungen sich an anderen Stellen Ihres Textes auswirken. [→ Vgl. Kap. 4 (b) unter „Änderungen verursachen Anpassungsbedarf, S. 117.] Denken Sie auf der inhaltlichen Ebene auch daran, dass Sie überzeugend argumentieren. Ihr Start beim Ausformulieren : Stellen Sie sich auf die Situation ein. Neutralisieren Sie Ihre Stimmung, die Sie aus Ihrer letzten Handlung mitgebracht haben. Denken Sie noch einmal an das Kommunikationsquadrat. Wenn Sie ein stabiles Konzept haben, sind Sie einigermaßen frei, bei welchem Punkt Sie mit dem Ausformulieren anfangen. [→ Siehe Kap. 2.2 (a) unter „Erst konzipieren, dann ausformulieren“, S. 38.] <?page no="63"?> 64 3 Texte ausformulieren 3.2 Allgemeine Empfehlungen zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit Überblick (a) Stellen Sie sich auf Ihren Empfänger(-kreis) ein (b) Vermeiden Sie sprachliche Unklarheiten (c) Formulieren Sie den einzelnen Gedanken vollständig aus (d) Formulieren Sie konkret (e) Formulieren Sie eher nicht kurz Im Interesse des Erfolgs sollten Sie möglichst eindeutig und situationsgerecht verständlich formulieren. Dieser Abschnitt enthält dazu allgemeine Empfehlungen. (a) Stellen Sie sich auf Ihren Empfänger(-kreis) ein Stellen Sie sich auf Ihren Empfänger(-kreis) ein und damit auf dessen sachliche und sprachliche Verständnisfähigkeit einschließlich dessen Sicht auf die Wirklichkeit. [→ Siehe auch Kap. 1.1 (a) Die Sachebene, S. 19, und Kap. 2.1 zu den W-Fragen, S. 35.] Beispiel für unterschiedliche Empfänger Sie schreiben an jemanden innerhalb oder außerhalb von Ihrer Organisation. Sie erhöhen die Verständlichkeit und sprechen den Empfänger stärker an, indem Sie sich beim Schreiben auf den einen Empfänger konzentrieren bzw. an eine typische Person eines Empfängerkreises denken. Stellen Sie sich vor, der eine Empfänger oder eine typische Person des Empfängerkreises würde Ihnen gegenübersitzen (stellen Sie anfangs einen Stuhl vor sich! ). Diese Konstellation hat einen weiteren Vorteil: Sie stellen sich mehr darauf ein, so zu schreiben, wie Sie mit jemandem ordentlich reden, und fragen sich häufiger, ob der Empfänger das auch versteht. Damit erhöhen Sie die Verständlichkeit Ihres Textes. [→ Siehe Kap. 3.1 (a) unter „Schreiben nicht schlechter als Reden“, S. 40.] <?page no="64"?> 3.2 Allgemeine Empfehlungen zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 65 Beispiel dazu: mein Vorgehen Der Kunde des von mir vertretenen Auftragnehmers war wegen Lieferverzugs vom Vertrag zurückgetreten, ohne dass er vorher die normalerweise erforderliche Nachfrist gesetzt hätte (das ist ziemlich riskant). Ich sollte dazu intern Stellung nehmen. Wenn ich an einen Juristen schrieb, also zwischen Fachleuten, nannte ich den einschlägigen Paragrafen für die Fristsetzung und verwendete juristische Begriffe. Wenn ich an einen Nicht-Juristen schrieb, nannte ich keine Paragrafen, verwendete möglichst wenige juristischen Begriffe und erläuterte, dass der Kunde eine Frist hätte setzen müssen, das aber in diesem Fall erfreulicherweise nicht getan habe. Wenn möglich habe ich mich zusätzlich auf die jeweilige Rolle des nicht-juristischen Empfängers eingestellt: Bei einem Manager beschränkte ich mich auf die Aussage, dass der Kunde keine Frist gesetzt habe und damit einen formalen Fehler gemacht habe; ein Rechtsstreit würde wahrscheinlich gewonnen werden. Bei einem Mitarbeiter des Vertriebsinnendienstes ging ich davon aus, dass dieser stärker an der Rechtslage interessiert war. Deswegen stellte ich ihm den rechtlichen Zusammenhang dar, nämlich dass eine Fristsetzung normalerweise nötig, in Ausnahmefällen aber nicht nötig sei, und hier kein Anzeichen für einen Ausnahmefall vorliegen würde. Gleichartige Empfänger : Bei mehreren solchen Empfängern können Sie sich auf ein einheitliches Niveau einstellen. Eine Anforderungsspezifikation beispielsweise braucht für deren Empfänger nur klar formuliert zu sein, um für diese bereits verständlich zu sein. Bei Texten mit fachlichen Informationen für Nicht-Fachleute sind die Anforderungen an die Verständlichkeit höher. Wegen dieses Unterschieds können Sie sich an „klar“ (für Fachleute) bzw. an „allgemeinverständlich“ (verständlich auch für Nicht-Fachleute) ausrichten. Auch innerhalb gleichartiger Empfänger müssen Sie mit unterschiedlichen Niveaus rechnen. Formulieren Sie auf einem aus Ihrer Sicht mäßigen Niveau. Sie werden wahrscheinlich auf einem mittleren Niveau landen. Dann erreichen Sie bei den Empfängern den höchstmöglichen Grad an Zufriedenheit. Solche mit einem hohen Niveau werden sich über die leichte Verständlichkeit eher freuen als sich über den Stil zu mokieren. <?page no="65"?> 66 3 Texte ausformulieren Informationstexte an Nicht-Fachleute: Bei solchen Texten sollten Sie nicht erwarten, dass sich die Leser bemühen, sich in Ihren Text einzudenken. Wahrscheinlich wollen viele Leser nur erfahren, was sie tun (oder unterlassen) sollen. Man kann das die Stufe „Bedienungsanweisungen“ oder „Kochrezepte“ nennen. Bei solchen Texten sollten Sie wirklich auf einem mäßigen Niveau bleiben. Gehen Sie davon aus, dass Leser mit einer hohen Verständnisfähigkeit diese abschalten. Vermeiden Sie Überlegungen wie „Vergleichen Sie das mit dem Punkt …“ / „Denken Sie an den Punkt“. - Bringen Sie noch mehr Beispiele, möglichst sogar stets, nachdem Sie einen abstrakten Satz geschrieben haben. Erklären Sie alles, was nicht unmittelbar einleuchtet. Nicht gleichartige Empfänger : Sie müssen auf die verschiedenen Empfänger eingehen. [→ Siehe auch Kap. 2.2 (b) unter „Begriffe auch gegenüber dem Leser festlegen“, S. 42, sowie Kap. 3.4 (b) unter „Verwenden Sie Fachausdrücke eher nur gegenüber Fachleuten“, S. 88.] Es kann passen, Erläuterungen für Nicht-Fachleute im laufenden Text einzufügen: Kurze Erläuterungen entweder in Klammern [→ siehe aber auch Kap. 3.4 (a) unter „Einschübe“, S. 82] , oder in einem Satz nach Ihrer Aussage. Etwas längere in Fußnoten. Dann sollten Sie am Anfang Ihres Textes darauf hinweisen, dass Fußnoten Erläuterungen und also nicht weitergehende Überlegungen enthalten. Bedenken Sie Ihre personalen Botschaften Wie fühlt sich ein Leser angesprochen, der die „intrinsische Motivation“ nicht kennt? „Es geht um die intrinsische Motivation (die Motivation, die von innen kommt).“ „Es geht um die Motivation, die von innen kommt (intrinsische Motivation).“ Anderenfalls drängt sich auf, Textteile auf die verschiedenen Empfänger hin auszurichten. Sie können diese Teile sogar physisch trennen. Beispiele (1) Eine Management Summary gegenüber dem ausführlichen Text <?page no="66"?> 3.2 Allgemeine Empfehlungen zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 67 (2) Ein Arztbrief ist an einen anderen Arzt gerichtet und enthält am Ende einen kurzen Bericht an den Patienten. (3) Bei Angeboten kann das zentrale Dokument auf die Entscheidungsträger ausgerichtet werden. Die Einzelheiten für die Fachleute werden in Anlagen aufgenommen. Inoffizielle weitere Leser: Es kommt in Betracht, dass auch andere Personen als die vorgesehenen Empfänger Ihre Texte lesen werden/ sollen/ müssen. Denken Sie an den Ernstfall, dass sich die Projektpartner später über den Inhalt Ihres Textes streiten. Dann werden Personen eingeschaltet, die in der Hierarchie höher stehen oder - wie Rechtsberater - außerhalb von dieser; keiner von ihnen dürfte fachliche Texte verstehen. Formulieren Sie deswegen diejenigen Teile, die diese Personen im Fall eines Streits verstehen sollen, so, dass diese sich diese Teile erklären lassen können. Dafür brauchen Sie Ihren Text nicht so schlicht zu formulieren, dass Nicht- Fachleute eine Fachfrage verstehen könnten. Es reicht, wenn die Nicht- Fachleute dem Text die Fachfrage entnehmen und sich diese von ihren jeweiligen Fachleuten erläutern lassen können. Erfreulicherweise nutzt Ihnen die hohe Verständlichkeit nicht erst bei einer Auseinandersetzung auf einer höheren Ebene, sondern bereits im Verhältnis zum primären fachlich gebildeten Empfänger. Denn dieser wird Ihren Text dank dessen hoher Verständlichkeit eher richtig verstehen; er wird auch wegen des damit erreichten Grads an Eindeutigkeit vorsichtiger sein, Auseinandersetzungen über den Text zu eskalieren. Es dürfte weniger oft zu Auseinandersetzungen kommen [→ siehe das Vorwort, S. 1] . Der unbekannte einzige Empfänger : In einem Projekt kann es auch diesen geben. Sie können sich ihn als Person eines unbekannten Empfängerkreises vorstellen. Allerdings würden Sie an einen Empfängerkreis ziemlich unpersönlich schreiben. Also sollten Sie Ihren Text darauf abstellen, dass Sie an eine einzige Person schreiben. (b) Vermeiden Sie sprachliche Unklarheiten Das fördert die Eindeutigkeit und die leichte Verständlichkeit. Mehrdeutigkeit von Wörtern vermeiden: Wörter können verschiedene Bedeutung haben, möglicherweise sogar gegensätzliche. [→ Siehe Kap. 1.1 (a) unter „Risikofaktor Sprache“, S. 19, und Kap. 3.4 unter „Weitere schwierige Wörter“, S. 106.] <?page no="67"?> 68 3 Texte ausformulieren Beispiele (1) „Sonst habe ich nichts zu sagen.“ (= ansonsten, weiterhin). „Sonst geht der Auftrag verloren.“ (= anderenfalls) „Das ist geschafft/ erledigt.“ „Ich bin fertig/ geschafft/ erledigt.“ „Das habe ich umsonst gemacht.“: unentgeltlich oder vergeblich? (2) Am Montag: „Wir treffen uns am nächsten Freitag! “ An dem in dieser Woche oder an dem in der nächsten Woche? Zahlen: Bleiben Sie bei diesen bis auf die letzte Stelle genau, insbesondere bei Geldbeträgen. Runden Sie also nicht die Zahlen, die Sie eingeführt haben. Es mag zwar komisch wirken, wenn eine Position von „823,26 Euro“ neben einer von „ca. 10.000 Euro“ erscheint. Wenn der Empfänger in der Lage sein soll, mehrere Positionen nachzuverfolgen, erleichtert es ihm, wenn Zahlen bis auf die Ebene von Cents unverändert bleiben. Mehrdeutige Formulierungen vermeiden: Der Empfänger kann auf semantischer Ebene meist herausfinden, was der Schreiber gemeint hat. Allerdings kostet dies unnötig Zeit. Und manchmal bleibt das Ergebnis zweifelhaft. Beispiele für Mehrdeutigkeit (1) „Solche Konzepte suchen die Kunden.“ Wer sucht? Die semantische Ebene gibt eine eindeutige Antwort. (2) „Das Gerät wurde von XYZ ausgeliehen.“ Wer hat ausgeliehen? Das ergibt sich erst aus dem Zusammenhang heraus, in dem der Satz steht. … und das besonders in Vertragsdokumenten: Juristen müssen den Wortlaut ernst nehmen, um herauszufinden, was die Vertragspartner vereinbaren wollten. Sagen Sie nicht, dass die Juristen Wortklauberei betreiben würden. Das Vertragsrecht besagt, dass Texte sachgerecht ausgelegt werden sollen [PR-Vertragsrecht, Kapitel 3.3]. Niemand darf bei der Auslegung über den Wortlaut hinweggehen, wenn jeder Vertragspartner für seine Auslegung gute Argumente hat. Beispiel dafür, dass das Gewollte nicht getroffen worden ist Die Vertragspartner hatten in einem Servicevertrag formuliert: „Die Mindestlaufzeit beträgt ein Jahr. Danach kann er mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden.“ Der Schreiber hatte an eine Mindestlaufzeit von 12 Monaten gedacht. Die Mindestlaufzeit betrug aber 15 Monate. Das entspricht dem Wortlaut. <?page no="68"?> 3.2 Allgemeine Empfehlungen zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 69 (c) Formulieren Sie den einzelnen Gedanken vollständig aus Was und wie viel Sie schreiben wollen/ sollen, wissen Sie selbst am besten. Es geht in diesem Abschnitt darum, dass Sie Ihre Gedanken/ Punkte vollständig ausformulieren. Sonst droht, dass Sie mit Ihrem Empfänger später darüber streiten, wie Ihre Formulierung zu verstehen ist. Vollständigkeit dient also auch dazu, Eindeutigkeit zu fördern. Beispiele für Unvollständigkeit im Kleinen (1) Ein Beratungsvertrag regelte die Vergütung des Beraters: „Stunde Euro 80,00 + MwSt., Obergrenze Euro 16.000 + MwSt.“ Eine halbe Seite später stand: „Pkw Kilometer Euro 0,50.“ Die MwSt. wurde in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Der Auftragnehmer mag später argumentieren, dass sich alle Preise netto verstehen würden. Der Kunde kann dagegenhalten, dass das nach deutschem Recht nicht der Fall sei (sogar zwischen Kaufleuten ist das gemäß der Rechtsprechung nicht der Fall). Der Kunde kann sich auch auf den Umkehrschluss stützen: Beim Stundensatz sei vorgesehen, dass die MwSt. zusätzlich gezahlt werden solle, bei den PKW-Kosten nicht, also sei das dort nicht gewollt. (2) In einem Angebot hieß es: „Wir gehen davon aus, dass die Arbeiten spätestens einen Monat nach Vertragsabschluss begonnen und nach vier Monaten abgeschlossen werden.“ Vier Monate nach welchem Ereignis: Vertragsabschluss oder Arbeitsbeginn? Der Auftragnehmer trägt die Folgen der Ungenauigkeit, also: nach Vertragsabschluss. (d) Formulieren Sie konkret Sie erreichen einen desto höheren Grad an Eindeutigkeit und an Verständlichkeit, je konkreter Sie schreiben. Bei der Konkretheit kann auch ein weitergehendes Ziel ins Spiel kommen, nämlich anschaulich/ bildhaft/ plastisch zu formulieren, um die Lesebereitschaft der Empfänger zu fördern. Diese können sich dann besser vorstellen, was der Text ausdrücken soll. [→ Siehe Kap. 1.1 (a) unter „Situationsgerecht verständlich schreiben“, S. 23.] Konkretheit können Sie besonders durch aussagekräftige Verben und Substantive erreichen. Damit vermeiden Sie auch Unklarheiten, und manchmal sichern Sie sich besser ab. [→ Siehe Kap. 5.2 unter „Formulieren Sie möglichst eindeutig“, S. 131.] <?page no="69"?> 70 3 Texte ausformulieren Beispiele (1) Nicht: den Text „zur Verfügung stellen“, sondern: den Text „anzeigen“ oder „drucken“ oder „senden“. (2) Nicht: Die Problematik hat sich „verändert“, sondern: Die Problematik hat sich „verschärft“ oder „entschärft“. Nicht: „Ich habe mich geirrt“, sondern je nach der Situation, beispielsweise: „Ich habe mich verschätzt.“ Das stimmt den Leser schon auf den folgenden Text ein. (3) Die Überschrift zu Kapitel 2.2 (e) lautete ursprünglich: „Überlegungen zum Ausformulieren“ und lautet jetzt konkreter: „Überlegungen zum Gestalten von Texten“ Ähnlich: „Halten Sie Sätze schlank.“ Konkreter: „Halten Sie sich mit Nebensätzen zurück." Ich reagiere gereizt, wenn ich das Wort „betrachten“ lese: Fehler/ Anforderungen werden betrachtet, Aufwand wird im Hinblick auf die zu zahlende Vergütung betrachtet. Weil es so modern klingt oder bequem ist, wird heute vieles „fokussiert“ oder „identifiziert“. Ähnlich beliebt ist es, alles Mögliche zu „adressieren“ oder zu „bewerten“: Personen, Konzepte, Preise usw. Negativbeispiel „Das Risikomanagement ermöglicht, bedrohliche Ereignisse frühzeitig zu identifizieren.“ Gemeint sein dürfte: „zu erkennen“ oder aber „zu ermitteln“. Um etwas konkret zu formulieren, brauchen Sie sich nur zu fragen, ob Sie das genauer ausdrücken können. Es geht nicht um Ihre Fähigkeit, sondern entscheidend um Ihre Bereitschaft, etwas nicht nur inhaltlich richtig zu schreiben. Beispiel Wühlmäuse im Garten Wie tief muss ich ein Gitter eingraben, um Wühlmäuse von meinen Beerenbüschen abzuhalten? Im Internet fand ich zweimal dieselbe Aussage, nämlich dass Wühlmäuse „nicht sehr tief“ graben würden. Bezeichnen Sie Begriffe eine Stufe genauer, als es dem üblichen Sprachgebrauch entspricht. <?page no="70"?> 3.2 Allgemeine Empfehlungen zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 71 Beispiele Nicht: „die Schnittstelle“, sondern: „die Schnittstellendefinition“ oder „das Schnittstellenprogramm“. Nicht: „die Dokumentation“, sondern: „die Benutzerdokumentation“ oder „die systemtechnische Dokumentation“. Nicht: „Kontingent“ an Arbeitsstunden, sondern je nach Situation: „festes Kontingent“ oder „unverbindliches Kontingent“ oder „Mindestkontingent“. Nicht: „Abnahme“, sondern „Abnahmeprüfung“ bzw. „Abnahmeerklärung“ oder je nach Situation „Teilabnahme“ bzw. „Gesamtabnahme“. Futur: Man schreibt etwas, was in der Zukunft stattfinden wird/ soll. Das kann sich beispielsweise aus der Fortsetzung der Gegenwart ergeben: „Derzeit beträgt der Anteil x Prozent. Er verringert sich dann auf y Prozent.“ Das Gehirn erkennt dies allerdings schneller und der Leser versteht das damit leichter, wenn der Schreiber im Futur schreibt und damit ausdrücklich auf die Zukunft Bezug nimmt: „Er wird sich dann auf y Prozent verringern.“ Beispiel Ein Satz aus dem Text zum Übergang vom Konzipieren zum Ausformulieren lautete ursprünglich (abgekürzt): „Wenn Sie zu früh mit dem Ausformulieren starten, haben Sie zusätzlichen Aufwand beim Überarbeiten.“ Plastischer: „Wenn Sie zu früh mit dem Ausformulieren starten, werden Sie zusätzlichen Aufwand beim Überarbeiten haben.“ Wenn man in Verträgen etwas formuliert, soll das zwar erst in der Zukunft stattfinden. Wenn die Vertragspartner sich aber in der Zukunft bei der Vertragsdurchführung mit dem Vertragstext beschäftigen werden, werden sie das in ihrer zukünftigen Gegenwart tun. Formulieren Sie den Vertrag deswegen im Präsens. (e) Formulieren Sie eher nicht kurz „In der Kürze liegt die Würze.“ Der Satz stammt von Shakespeare (Hamlet). Er wendet sich ausdrücklich gegen die „Langweiligkeit“. Selbstverständlich sollen Texte nicht weitschweifig sein. Orientieren Sie sich am Gesetz des abnehmenden Grenznutzens. Typischerweise nimmt der Nutzen mit jeder weiteren Information zum selben Thema ab, Er bleibt aber einige Zeit positiv, bis er schließlich <?page no="71"?> 72 3 Texte ausformulieren wegen Langatmigkeit negativ wird. Zum „Was“: Detailliert zu informieren kann zu Ihrem Konzept gehören. Entscheiden Sie also danach, ob sich der Grenznutzen eines weiteren Satzes noch für den Empfänger lohnt. Man kann manches weglassen, weil es bekannt ist; das kann allerdings risikobehaftet sein [→ Kap. 1.1, S. 18]. Zum „Wie“: Man soll Wiederholungen vermeiden, um nichts Widersprüchliches zu schreiben. Eine wörtliche Wiederholung dürfte beim Empfänger nur leichtes Kopfschütteln hervorrufen. Wenn der Text unterschiedlich formuliert ist, wird der Empfänger irritiert sein. Unterschiede in Wiederholungen können zu Widersprüchen führen. Der Empfänger kann daraus möglicherweise etwas zu seinen Gunsten herausholen: „Sie haben es (= die für meine Seite günstige Formulierung) nicht ohne Grund geschrieben. Jetzt passt es Ihnen nicht mehr und behaupten einfach, dass es überflüssig sei.“ Manches, was in einem isolierten Satz an Information erforderlich ist, kann entfallen, weil es aus dem Zusammenhang heraus klar ist. Beispiel „Beim Test der Softwarekomponenten …“ Wenn es in diesem Text um die Erstellung von Software gilt, reicht “beim Test der Komponenten“ aus, möglicherweise sogar die Formulierung „beim Testen“. Ansonsten kann Kürze nachteilig sein, nämlich die Verständlichkeit und die Eindeutigkeit herabsetzen. Das wird in Kapitel 3.4 mehrfach gezeigt. Beispiel Sie sollten Bezugnahmen auf vorherstehenden Text deutlich formulieren, etwa „sein Interesse“ durch „das Interesse des Lesers“ ersetzen [→ Kap. 3.4 (d) Machen Sie Rückbezüge deutlich oder gar nicht, S. 96] . Die Kürze eines Textes als Information bemisst sich nicht nach der Zahl der Wörter, sondern nach der Zahl der Sekunden, die der Leser benötigt, um ihn zu verstehen. <?page no="72"?> 3.2 Allgemeine Empfehlungen zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 73 Wenn Sie Kürze im Interesse des leichten Lesens für wichtig halten und Zeit für dahingehende Verbesserungen haben, können Sie diese beim Überarbeiten vornehmen. Schreiben Sie lieber etwas ausführlicher, um Vollständigkeit und damit Eindeutigkeit zu fördern. Der Abschnitt "Schreiben nicht schlechter als Reden“ [→ Kap. 3.1, S. 96] enthält nahezu ein Plädoyer für nützliche Länge. Diese Empfehlung gilt besonders, wenn Sie etwas schreiben, was für den Empfänger unerwartet oder neuartig ist, was gegen seine bisherigen Vorstellungen gehen könnte oder was schwer verständlich ist. Beispiel Normale Betonung: „Das verlangt bei umfangreichen und/ oder schwierigen Texten einen besonders hohen Aufwand.“ Wenn betont werden soll, dass das auf eine bestimmte Art von Texten zutrifft: „Das verlangt einen besonders hohen Aufwand, wenn es um umfangreiche und/ oder schwierige Texte geht.“ Oder in umgekehrter Reihenfolge: „Wenn es allerdings um umfangreiche und/ oder schwierige Texte geht, verlangt das einen besonders hohen Aufwand.“ Diese Empfehlung ist noch dringender, wenn Sie in einem Text, etwa einem Schreiben, eine schon früher erteilte Information ändern. Weisen Sie ganz deutlich darauf hin. Beispiel Der Projektleiter des Auftragnehmers hatte eine interne Sitzung in einer E-Mail mit den Anlagen, die besprochen werden sollten, wie folgt vorbereitet: “… Zwei Themenlisten [in den Anlagen]. Die erste beinhaltet alle zu besprechenden Punkte und markiert diejenigen, die Priorität haben. Die zweite Liste beinhaltet einen Vorschlag [→ des stellvertretenden Projektleiters] für den Fall, dass die Zeit nicht für alle Punkte ausreicht. Anhang: Terminplan“ Zwei Stunden später schrieb der Abteilungsleiter eine E-Mail: <?page no="73"?> 74 3 Texte ausformulieren „Aus dem XXX-Paradies (Bilder und Stories für unsere XXX Webseite machen) schöne Grüße und den Hinweis, dass wir in zwei Wochen NACH DER LISTE [→ des stellvertretenden Projektleiters] diskutieren werden. Bitte entsprechend sortieren. Anhang: Terminplan“ Das war immerhin der Ansatz eines Warnhinweises. Diese Einschränkung wurde von vielen Teilnehmern übersehen. - Der Abteilungsleiter hatte auch den Terminplan geändert. Das wurde von noch mehr Teilnehmern übersehen. Selbst wenn etwas klar ist, kann der Wunsch eines Vertragspartners nützlich sein, einen weiteren Satz zur Klarstellung hinzuzufügen: Zu diesem Zeitpunkt ist klar, was die Vertragspartner wollen; in Zukunft kann ein jeder das aber vergessen haben. Ein klarstellender Satz wirkt auch dem entgegen, dass der andere Vertragspartner später den Vertrag auf Grund seiner Interessen anders interpretiert. Man möchte solche Auseinandersetzungen auf geschäftlicher Ebene vermeiden, ohne sich darauf berufen zu müssen, dass diese Interpretation unzulässig sei. Konstruktionen mit „um zu“: Diese sind kurz, können allerdings missverständlich sein: Das Subjekt des Hauptsatzes gibt an, wer in dem „um zu“-Nebensatz handelt. Wenn in diesem ein Anderer gemeint ist, sollten Sie auf eine „damit“-Konstruktion ausweichen, sodass Sie zwei Subjekte haben. Beispiel „Wir tun alles für Sie, um reich und glücklich zu werden.“ Sprachlich heißt das, dass wir selbst dadurch reich und glücklich werden wollen. Gemeint ist: „Wir tun alles für Sie, damit Sie reich und glücklich werden.“ Sie können auf eine „damit“-Konstruktion auch dann ausweichen, wenn Sie im Hauptsatz keinen Akteur angeben wollen. 3.3 Empfehlungen zum gesamten Dokument Für das gesamte Dokument gilt: Gliedern Sie Dokumente übersichtlich und detailliert. Heben Sie die Struktur optisch hervor. Sie können die Detaillierungstiefe später immer noch verringern: [→ Siehe Kap. 2.2 (e) unter „Sehen Sie vor, die Struktur auch optisch zu verdeutlichen“, S. 52.] <?page no="74"?> 3.3 Empfehlungen zum gesamten Dokument 75 DIN 1421 enthält Vorgaben dazu. Diese werden in DIN 5008 gekürzt dargestellt. Schritt für Schritt wird die Zahlenreihe der Baumstruktur länger und damit weniger übersichtlich. Deswegen folge ich dem Prinzip nicht, wie Sie diesem Buch entnehmen können. Erstellen Sie bei umfangreichen Dokumenten ein Inhaltsverzeichnis. Erstellen Sie ein Abkürzungsverzeichnis, wenn Sie mit vielen Abkürzungen arbeiten. [→ Zur Verwendung und Gestaltung von Abkürzungen siehe Kap. 3.4 (b) unter „Verwenden Sie nur Ihrem Empfänger(-kreis) gut bekannte Abkürzungen“, S. 65.] Wenn Sie nur wenige Abkürzungen verwenden und mit einem Glossar arbeiten, können Sie diese in ein „Verzeichnis der Abkürzungen und Begriffe“ aufnehmen Bezeichnen Sie Dokumente eindeutig, und das durchgängig, sodass diese später zweifelsfrei identifiziert werden können. Dazu gehört erst einmal, dass jedes Dokument eine (zitierbare) Bezeichnung und ein Datum erhält. Nehmen Sie später entsprechend Bezug. Negativbeispiel In einem Vertrag über die Änderung von Standardprogrammen kam es zum Streit darüber, welche Änderungen vereinbart worden waren. Im Angebot des Auftragnehmers hieß es, dass die Änderungen „auf der Grundlage des Anforderungskatalogs des Kunden vom 08.08.20__“ definiert worden seien. Als der Rechtsanwalt des Kunden dieses Dokument erbat, gab der Auftragnehmer folgende Antwort: „Das Datum 08.08.20__ kann keinem Dokument zugeordnet werden. Wir gehen davon aus, dass das beigefügte Anforderungspapier ohne Datum das gewünschte Dokument ist.“ - Immerhin ließ es sich finden! Es hieß allerdings nicht „Anforderungskatalog“, sondern „Deltaanalyse“. Definieren Sie Begriffe im Dokument, also ausdrücklich gegenüber dem Empfänger(-kreis). [→ Kap. 2.2 (b) unter „Begriffe auch gegenüber dem Empfänger(-kreis) festlegen“, S. 41.] Fragen Sie bei Verhandlungen oder Besprechungen gegebenenfalls nach, was Ihr Gesprächspartner mit diesem Begriff oder jener Abkürzung meine, und stellen Sie die Begriffsverwendung dann schriftlich klar, möglichst in einem Dokument, dem der Gesprächspartner zustimmt. Das kann ein Kunde sein, der ein Angebot annimmt. Fragen Sie als Auftragnehmer den Kunden, ob und gegebenenfalls wie Sie das Angebot gendern sollen. <?page no="75"?> 76 3 Texte ausformulieren [→ Siehe auch zum Gendern der Dokumente für die Projektdurchführung Kapitel 5.6 unter „Zur Projektdurchführung“, S. 147, und zum Gendern allgemein Anhang C, S. 217] Zur Formulierung von Vertragsdokumenten siehe Kapitel 5.1 unter „Die sprachliche Seite von Vorlagen“ [→ S. 124]. 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit Überblick (a) Konstruieren Sie Sätze übersichtlich (b) Verwenden Sie Wörter sorgfältig (c) Ersetzen Sie Vollverben nicht durch Substantive/ Adjektive (d) Machen Sie Rückbezüge deutlich oder gar nicht (e) Verwenden Sie Verben bevorzugt im Aktiv (f) Lassen Sie Relativsätze Relativsätze bleiben (g) Verstecken Sie Wichtiges nicht in Adjektiven (h) Beziehen Sie Sätze aufeinander, auch Wörter Die folgenden Empfehlungen sollen Ihnen das Ausformulieren und Ihrem Empfänger(-kreis) das Lesen und Verstehen leichter machen. Ich habe diese ansatzweise nach deren Wichtigkeit geordnet: Eindeutigkeit und Verstehen gleich beim Lesen. Ich möchte zum folgenden Text an die Ausrufezeichen am Seitenrand erinnern: Kapitel 3.4 enthält Empfehlungen mit vielen Details. Was jeweils von wesentlicher Bedeutung ist, ist durch ein Ausrufezeichen gekennzeichnet. [→ Siehe Nutzerhinweise unter „Lesen und Anwenden“, S. 8.] Denken Sie an das Bild mit dem Herold: Wenn Sie einen Gedankengang ausformulieren wollen, überlegen Sie, worauf es ankommt. Formulieren Sie die Hauptaussage eher erst einmal im Kopf. Dann können Sie alles schriftlich abfassen: die Einleitung, die in die Hauptaussage einführt, die Hauptaussage selbst und dann die Einzelheiten. Am Ende können Sie noch eine Zusammenfassung oder eine Überleitung zum nächsten Gedankengang einügen. [→ Siehe Kap. 2.2 (b) unter „Vorrangig strukturieren …“, S. 39.] ! <?page no="76"?> 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 77 Machen Sie aussagekräftige Überschriften: Diese sollen sachbezogen und nicht eintönig sein. [→ Siehe schon Kap. 2.2 (c) unter „Überschriften“, S. 33.] Aus ästhetischen Gründen wird empfohlen, Überschriften einheitlich entweder auf Verben oder auf Substantive auszurichten. Also entweder „Halten Sie Sätze kurz“ oder „Kurze Sätze“. Halten Sie Absätze kurz : Das erleichtert das Lesen. Richten Sie sich an der Empfehlung aus, dass jeder Absatz nur einen Gedanken abhandeln soll. Reihen Sie die einzelnen Sätze innerhalb eines Absatzes zeitlich oder sachlich folgerichtig. Sie können das unterstützen, indem Sie die Sätze auch sprachlich aufeinander beziehen [→ Kap. 3.4 (h) Beziehen Sie Sätze aufeinander, auch Wörter, S. 102] . Stellen Sie Inhalte visuell dar und fügen Sie Beispiele ein : Denken Sie daran, dass Visualisierungen und Beispiele nützlich sind, sogar geboten sein können. [→ Siehe Kap. 2.2 (e) unter „Planen Sie, Inhalte zu visualisieren“, S. 52, bzw. unter „Planen Sie Beispiele ein“, S. 53.] Realisieren Sie diejenigen, die Sie in Ihr Konzept aufgenommen haben, und sehen Sie, ob Sie nicht noch weitere realisieren können. (a) Konstruieren Sie Sätze übersichtlich Formulieren Sie einen Satz im Kopf, bevor Sie diesen niederschreiben (oder diktieren). Sätze sind dann meist einfacher zu lesen. Der Hauptsatz: Die Hauptaussage gehört in den Hauptsatz, und dieser gehört meist an den Anfang des Satzes. Lassen Sie einleitende Mini-Hauptsätze weg, die die Hauptaussage in einen Nebensatz schieben würden. Negativbeispiel Nicht: „Die Regel besagt, dass …“ Sondern: „Nach der Regel …“ oder: „Es gibt die Regel: …“ Übungsbeispiel Nicht: „Das Problem ist, dass man manchmal unnötig kompliziert ! ! ! ! ! <?page no="77"?> 78 3 Texte ausformulieren schreibt und damit den Empfänger verwirrt, ohne dass das nötig wäre.“ Sondern das aufteilen: „Das Problem ist folgendes: Man schreibt manchmal unnötig kompliziert und verwirrt damit den Empfänger, ohne dass das nötig wäre.“ Es kann sich allerdings anbieten, etwas Wichtiges an den Anfang zu stellen. Da jeder Satz nur eine Hauptaussage enthalten soll, sollen zwei Hauptsätze nur dann mit „und“ oder „oder“ verbunden werden, wenn sie einen parallelen Inhalt haben. Beispiel „Der Auftraggeber forderte und der Auftragnehmer stimmte am Ende zu, dass die Funktion doch realisiert werden solle.“ Das Subjekt soll früh erscheinen (das spart Gehirnzeit). Übungsbeispiel Nicht: „Angesichts der Forderungen, die der Kunde an den Einsatz unserer Software in seinen weiteren Betriebsstätten stellt, ist eine gedeihliche Geschäftsverbindung unwahrscheinlich.“ Besser: „Eine gedeihliche Geschäftsverbindung ist unwahrscheinlich angesichts der Forderungen des Kunden, die dieser an den Einsatz unserer Software in seinen weiteren Betriebsstätten stellt.“ Akkusativobjekte am Satzanfang sind als Anknüpfung oft elegant und können Gehirnzeit sparen. Wenn das Akkusativobjekt aber grammatisch mit dem Subjekt übereinstimmt, kann es vom Satzbau her mit diesem verwechselt werden und damit das Verständnis verzögern. 18 Vermeiden Sie diesen Satzaufbau, wenn dieses Risiko droht. Beispiel „Solche Konzepte suchen die Kunden.“ Nach etwas Überlegen weiß der Leser, wer hier sucht. 18 Das Gehirn erwartet, dass das Subjekt am Anfang steht. <?page no="78"?> 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 79 Die Verwechslung droht kaum und das Akkusativobjekt am Anfang ist also erlaubt, wenn es im Singular steht, das Verb und das Subjekt hingegen im Plural (oder umgekehrt). Beispiel „Dieses Suchen können Sie dem Leser ersparen.“ Das Prädikat soll im Interesse eines durchsichtigen Satzbaus ebenfalls möglichst früh erscheinen. Das kann aus grammatischen Gründen Schwierigkeiten machen. [→ Siehe „Vermeiden Sie, dass das Verb erst am Ende des Satzes steht“, S. 84.] Machen Sie die Struktur von Aufzählungen/ Reihungen deutlich : Die Struktur einer Aufzählung mag in der Sache klar, aber sprachlich nicht deutlich ausgedrückt sein. [→ Zu in der Sache unklaren Aufzählungen siehe Kap. 3.4 (h) unter „Wörter aufeinander beziehen“, S. 103.] Kurze Aufzählungen: Es kann helfen, vor jedem Aufzählungspunkt den Artikel zu wiederholen, ggf. auch die Präposition. Negativbeispiele (1) „Es geht um das Planen von Maßnahmen und Controlling der Wirksamkeit der Maßnahmen ...“ In dem Satz ist unklar, ob nur die Maßnahmen oder auch das Controlling geplant werden sollen: Entweder „… das Planen … und das Controlling“: Dann steht das Controlling neben dem Planen und soll also nicht geplant werden (braucht nicht). Oder „… das Planen … und von Controlling …“: Dann bezieht sich das Planen auch auf das Controlling. (2) Laut Herrn Huntington hätten die USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum Anstrengungen unternommen, „das Gleichgewicht zwischen europäischen und asiatischen Ländern zu fördern.“ Das hätte zu Weltkriegen in Europa und im fernen Osten geführt. Wortwörtlich ist der Text bestimmt falsch formuliert. Gemeint ist, das „Gleichgewicht zwischen den europäischen Ländern bzw. zwischen den asiatischen Ländern zu fördern. “ ! ! ! <?page no="79"?> 80 3 Texte ausformulieren Bei „nicht“ und bei „kein/ e“ sollten Sie entweder wiederholen, dass das auch für das zweite Glied und ggf. auch für weitere gilt, oder sollten klarstellen, dass das für weitere Glieder nicht gilt („allerdings“ oder „aber dafür“). Beispiel für eine unklare Aufzählung Das Gehirn interpretiert Aufzählungen je nachdem, welche Wörter verwendet werden. Dazu ein Satz mit dem Wort „Eingriffe“: „Die neue Wissenschaftsministerin muss den Hochschulen harte Strukturreformen abringen, für die es jedoch im Erfolgsfall keine Stellenkürzungen und Eingriffe bis ins Jahr 2025 geben soll.“ Die Auslegung ergibt wegen der inhaltlichen Parallelität von Negativem, dass es auch „keine Eingriffe“ geben soll. Dieser Satz statt mit dem Wort „Eingriffe“ mit dem Wort „Planungssicherheit“ formuliert: „…abringen, für die es jedoch im Erfolgsfall keine Stellenkürzungen und Planungssicherheit bis ins Jahr 2025 geben soll.“ Die Auslegung ergibt hier das Gegenteil, nämlich dass es Planungssicherheit geben wird, weil die Planungssicherheit im Gegensatz zu „Stellenkürzungen“ positiv ist. Bei nicht eindeutigen Aufzählungen können Sie statt des Worts „und“ das Wort „sowie“ verwenden, manchmal auch „bzw.“ (A mit B und C bzw. D) oder „einerseits … andererseits“. Längere Aufzählungen können Sie durch Gedankenstriche optisch gliedern. [→ Sie können dabei das Vollverb nach vorne nehmen, siehe „Beispiel Gedankenstriche II“, S. 85.] Beispiel Gedankenstriche I „Unterschiede bei der Mitwirkung des Kunden können sich aus den drei Schritten Suche nach dem Mangel, Reparatur/ Erarbeiten einer Korrekturmaßnahme und Einfügen in das gestörte System ergeben.“ Aufzählungen können den Inhalt von „Regel - Ausnahmen/ Besonderheiten“ haben. In diesem Fall sollten Sie den Text auch so strukturieren, also den Regelfall an den Anfang setzen. - Es kann sich anbieten, statt der Aufzählung in einem Satz mehrere Sätze zu bilden. ! <?page no="80"?> 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 81 Die aufgezählten Elemente können in einer Rangfolge/ Reihenfolge stehen, beispielsweise die Anlagen bei einem Vertrag. Formulieren Sie gegebenenfalls „in folgender Rangfolge/ Reihenfolge“. Zwei Bedingungen formulieren : Sie wollen in einem Satz zwei Bedingungen abhandeln. Im ersten „Wenn“-Nebensatz wollen Sie die Situation beschreiben, auf der die Aussage im Hauptsatz aufbaut. Der zweite „Wenn“-Nebensatz soll auf eine weitere Voraussetzung oder Fallgestaltung eingehen. Ein solcher Satz dürfte schwer zu verstehen sein. Ersetzen Sie das zweite „wenn“ entweder durch „in dem Falle, dass“ oder durch „vorausgesetzt, dass“, oder aber bilden Sie einen neuen Satz „Das gilt nur, wenn“. Übungsbeispiel Nicht: „Wenn wir an einem Sonntag fahren wollen, müssen wir unseren Plan ändern, wenn der Zug an diesem Tag ausfällt.“ Besser: „Wenn wir an einem Sonntag fahren wollen, müssen wir unseren Plan in dem Fall ändern, dass der Zug an diesem Tag ausfällt.“ Wenn der zweite „Wenn“-Nebensatz eine Ausnahme beinhaltet, die mit „nicht“ gebildet wird, dürfte der Satz noch schwerer zu verstehen sein. Ersetzen Sie „wenn nicht“ zumindest durch „außer wenn“, besser durch „außer in dem Fall, dass“ oder „es sei denn, dass“. Oft ist ein neuer Satz mit „Das gilt nicht, wenn“ noch leichter verständlich“. Übungsbeispiel Ein Rechtsanwalt soll für seinen Mandanten, einen Kunden, zu einem Vertragsentwurf Stellung nehmen. Er sieht den skeptisch. Nicht: „Wenn Sie den Vertrag so unterschreiben, müssen Sie die Konsequenzen tragen, wenn der Auftragnehmer Sie nicht falsch beraten hat.“ Besser: „Wenn Sie den Vertrag so unterschreiben, müssen Sie die Konsequenzen außer in dem Fall tragen, dass der Auftragnehmer Sie falsch beraten hat.“ Noch besser vom Satzbau her, zumindest bei längeren Sätzen: „Wenn Sie den Vertrag so unterschreiben, müssen Sie die Konsequenzen tragen. Das gilt nur dann nicht, wenn der Auftragnehmer Sie falsch beraten hat.“ <?page no="81"?> 82 3 Texte ausformulieren Einschübe: Der Schreiber packt zusätzliche Informationen nicht in einen Nebensatz oder in einen weiteren Hauptsatz, sondern in den Satz selbst, sei es in Klammern oder in Gedankenstrichen (Parenthese). Mehr an Information hält er für diese(n) Empfänger nicht für erforderlich. Er kann in dem Einschub etwas klarstellen oder Begriffe erläutern, die dem Empfänger nicht oder wahrscheinlich nicht bekannt sind. Einschübe können den Lesefluss beeinträchtigen, auch das Schriftbild stören. Für wichtige Informationen fügen Sie besser einen weiteren Nebensatz oder sogar einen Hauptsatz ein. Setzen Sie eingeklammerte Einschübe, die sich nicht unmittelbar auf ein Wort beziehen, möglichst ans Ende des Satzes. [→ Zu Fußnoten als Erläuterungen siehe Kap. 3.2 (a) unter „Nicht gleichartige Empfänger“, S. 66.] Halten Sie sich mit Nebensätzen zurück Bilden Sie höchstens zwei Nebensätze, um den Kern Ihres Gedankens zu ergänzen. Teilen Sie Ihren Gedanken lieber auf mehrere Sätze auf. Fügen Sie Nebensätze eher nicht innerhalb des Hauptsatzes ein, sondern eher am Ende (das geht bei Relativsätzen nur beschränkt) oder sachgerechter Weise am Anfang. [→ Vgl. (a) unter „Akkusativobjekte am Anfang“, S. 78.] Nebensätze passen manchmal an den Anfang, insbesondere wenn deren Inhalt die Funktion des Herolds hat oder zeitlich dem Inhalt des Hauptsatzes vorausgeht. Diese sollen dann allerdings kurz sein, damit die zentrale Aussage im Hauptsatz bald mitgeteilt wird. Beispiel Siehe im Folgenden unter „Erste Störung“ den ersten Satz [→ S. 84] . Mit Konjunktionaladverbien neue Hauptsätze bilden: Sie können einige Konjunktionen, die einen Nebensatz einleiten, durch sog. Konjunktionaladverbien (= satzbezogene Hinweiswörter) ersetzen und damit einen neuen Hauptsatz einleiten. Sie können damit diesem Teil Ihres Gedankens mehr Gewicht geben [→ Kap. 3.4 (h) Beziehen Sie Sätze aufeinander, auch Wörter, S. 102] . ! <?page no="82"?> 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 83 Ersetzen Sie „…, obwohl …“ → „.. . Trotzdem …“ „…, weil …“ → „.. . Denn …“ „…, damit …“ → „.. . Damit …“ Sie können die Aufteilung auch mit „außerdem“ oder „auch“ erreichen. Übungsbeispiel Nicht: „Dadurch, dass Sie das Konzipieren vom Ausformulieren trennen, erleichtern Sie sich den Einstieg, erhöhen die Verständlichkeit des späteren Textes und machen dank der Konzentration auf den Inhalt wahrscheinlich weniger inhaltliche Fehler.“ Besser, weil es erst um das Vorgehen und dann um den Inhalt geht: „Dadurch, dass Sie das Konzipieren vom Ausformulieren trennen, erleichtern Sie sich den Einstieg und erhöhen die Verständlichkeit des späteren Textes.“ Und weiter: Entweder: „Außerdem machen Sie dank der Konzentration auf den Inhalt wahrscheinlich weniger inhaltliche Fehler.“ Oder: „Sie machen auch dank der Konzentration auf den Inhalt wahrscheinlich weniger inhaltliche Fehler.“ Hängen Sie nicht einen Nebensatz an, um noch etwas im Satz unterzubringen: Sogar wichtige Informationen und Schlussfolgerungen werden oft noch an einen Satz angehängt. Das verringert deren Wichtigkeit. Solche Nebensätze beginnen beispielsweise mit „was“/ „wobei“. Negativbeispiel „Ein Wissenstest erfasst nur Teilaspekte der Kompetenz und bietet keine Gewähr, dass Wissen auch in Handlungen umgesetzt werden kann oder die Person über das notwendige Können verfügt, weshalb neben dem Wissen zudem das Können zu prüfen ist.“ Und dann geht es in dem Text seitenweise um den Test des Könnens. Also: „… verfügt. Deswegen ist neben dem Wissen zudem das Können zu prüfen.“ <?page no="83"?> 84 3 Texte ausformulieren Selbst wenn Sie nur einen kleinen weiteren Gedanken mitteilen wollen, sollten Sie für diesen lieber einen eigenen Satz machen. Sie können diesen mit „Das“/ „Dabei“/ „Letzteres“ einleiten. Übungsbeispiel Nicht: „Ein Vertreter des Unterauftragnehmers nahm an der Sitzung teil, um das Image seiner Firma zu verbessern, was angesichts der anstehenden zusätzlichen Beauftragung dringend geboten erschien.“ Sondern: „Ein Vertreter des Unterauftragnehmers nahm an der Sitzung teil, um das Image seiner Firma zu verbessern. Das erschien angesichts der anstehenden zusätzlichen Beauftragung dringend geboten.“ Ein neuer Satz liegt besonders nahe, wenn das „was“/ „wobei“ einen Einwand oder eine Einschränkung des vorhergehenden Satzes enthält. Vermeiden Sie, dass das Verb erst am Ende des Satzes steht Die deutsche Sprache hat einige Regeln, die das Vollverb an das Satzende stellen. Das führt zu einem Abstand zwischen dem Subjekt und dem Vollverb; damit weiß der Leser erst einmal nicht, um welche Handlung es geht. Bemühen Sie sich, den Abstand zwischen dem Subjekt und dem Vollverb kurz zu halten. Erste Störung: Wird das Vollverb als Prädikat durch ein Hilfsverb ergänzt, wandert das Vollverb an das Satzende. Das geschieht beispielsweise im Perfekt und stets im Passiv. Dieser Abstand entsteht auch bei der Kombination von einem Vollverb und einem Modalverb wie „können, sollen, wollen, müssen, mögen, dürfen“. Den Abstand im Passiv können Sie verhindern, indem Sie dieses vermeiden. Das empfiehlt sich meist ohnehin. [→ Siehe (e) Verwenden Sie Verben bevorzugt im Aktiv, S. 99.] Sie können manche Aufzählungen durch einen Doppelpunkt absetzen und dadurch das Vollverb nach vorne bekommen. Beispiel „Sie können das tun: in der gewünschten Weise, zum gewünschten Zeitpunkt und an dem gewünschten Ort.“ ! <?page no="84"?> 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 85 Oder Sie können einen Teil des Satzes ausgliedern und an das Vollverb mit den Worten „und zwar“ oder „nämlich“ anschließen. Möglicherweise können Sie Alternativen unter Verwendung von „…, sei es … oder …“ ausgliedern. Übungsbeispiel zum Ausgliedern Nicht: „Wenn das Pflichtenheft geändert/ ergänzt werden soll, müssen die Beteiligten entscheiden, wie genau und ob das im Pflichtenheft selbst oder in einem Protokoll erfolgen soll.“ Besser: „Wenn das Pflichtenheft geändert/ ergänzt werden soll, müssen die Beteiligten entscheiden, wie genau und wo das erfolgen soll, nämlich ob im Pflichtenheft selbst oder in einem Protokoll.“ Bei Aufzählungen können Sie die Grammatikregel ein bisschen ignorieren, indem Sie das Verb nach vorne holen, sei es bei einer kurzen Aufzählung: Übungsbeispiel Nicht: „Das Verhalten des Mitarbeiters könnte eine Abmahnung oder, wenn das erneut vorgekommen ist, die Androhung einer Kündigung erlauben.“ Sondern: „Das Verhalten des Mitarbeiters könnte eine Abmahnung erlauben oder, wenn das erneut vorgekommen ist, die Androhung einer Kündigung.“ oder sei es im Rahmen einer Gliederung mit Gedankenstrichen. Letzteres empfiehlt sich besonders bei Alternativen mit vielen Wörtern. Beispiel Gedankenstriche II So wird die Formulierung im Beispiel Gedankenstriche I leichter verständlich [→ S. 80] : „Unterschiede bei der Mitwirkung des Kunden können sich ergeben in den drei Schritten Suche nach dem Mangel, wenn diese nur beim Kunden erfolgen kann, Reparatur/ Erarbeiten einer Korrekturmaßnahme und Einfügen in das gestörte System, wenn der Kunde das nicht selbst tun kann.“ <?page no="85"?> 86 3 Texte ausformulieren Zweite Störung: Zusammengesetzte Verben werden grammatisch korrekt so aufgeteilt, dass ein Teil vorne und ein Teil am Ende steht. In Einzelfällen können Sie die Aufspaltung umgehen, indem Sie ein solches Verb durch ein nicht zusammengesetztes ersetzen. Schreibratgeber bringen dazu Auflistungen. Negativbeispiel „Ein Vertreter des Unterauftragnehmers nahm … nach langem Zögern an der Sitzung des Lenkungsausschusses zu dem Thema Zusatzauftrag teil.“ „nahm ... an …teil“ könnte durch „beteiligte sich an …“ ersetzt werden. Aber so ganz passt die Ersetzung nicht. Denn „beteiligen“ ist etwas mehr als „teilnehmen“. Ich würde lieber bei „teilnehmen“ bleiben. Bei langen Sätzen können Sie unter Umständen den zweiten Teil des Verbs gleich hinter den ersten setzen. Das ist bisher zwar ungewöhnlich, erhöht aber die Verständlichkeit. Beispiele für die Verringerung des Abstands (1) Noch einmal das vorstehende Negativbeispiel: „Ein Vertreter des Unterauftragnehmers nahm nach langem Zögern an der Sitzung des Lenkungsausschusses zu dem Thema Zusatzauftrag teil.“ Günstiger: „Ein Vertreter des Unterauftragnehmers nahm nach langem Zögern teil an der Sitzung des Lenkungsausschusses zu dem Thema Zusatzauftrag.“ (2) Bei einer Aufzählung kommt in Betracht, den zweiten Teil des Verbs nach dem ersten Glied der Aufzählung einzufügen: „Das hängt sowohl vom Medium ab als auch von den Bildschirmen und der Aufmachung der Texte auf diesen. Bei eingeschobenen Relativsätzen kommt in Betracht, im Hauptsatz den zweiten Teil des Verbs vor den Relativsatz zu setzen. Beispiel „Jeder Vertragspartner strebt Bedingungen an, die für ihn günstig sind.“ Dritte Störung: In einem Nebensatz wird das Verb ans Ende gestellt. Dagegen lässt sich kaum etwas Anderes machen, als den Nebensatz ! ! ! <?page no="86"?> 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 87 kurz zu halten oder den Nebensatz in einen weiteren Hauptsatz umzuformen. [→ Siehe (a) unter „Halten Sie sich mit Nebensätzen zurück“, S. 82.] Halten Sie den Abstand zwischen Verb und Prädikatsnomen kurz. Bei Sätzen, die eine Eigenschaft des Subjekts durch ein Adjektiv beschreiben, steht das Adjektiv am Ende (als Prädikatsnomen nicht flektiert), beispielsweise „Der Punkt ist … wichtig.“ Zwischen dem Verb und dem Adjektiv kann viel Text stehen. Vermeiden Sie das, indem Sie das Adjektiv gleich oder bald hinter das Verb setzen. Meist wird das Verb „sein“ verwendet; in Betracht kommen auch „werden / bleiben / heißen / gelten als / sich erweisen als“. Beispiel Siehe hier das Übungsbeispiel unter „Das Subjekt“ [→ S. 78] . (b) Verwenden Sie Wörter sorgfältig Schreibratgeber enthalten meist umfangreiche Empfehlungen zu „treffenden/ anregenden“ Wörtern. Bei Sachtexten kommt es auf Konkretheit an. Solche Wörter können für den Auftragnehmer in vertragsbezogenen Dokumenten sogar nachteilig sein. [→ Siehe auch Kap. 5.3 unter „Vermeiden Sie starke Wörter“, S. 134.] Richten Sie Ihren Wortschatz auf Ihren Empfänger(-kreis) aus: Ihre Wortwahl soll zu dessen Verständnisniveau passen, damit Ihr Text überhaupt verstanden werden kann. [→ Kap. 1.1, S. 18, und Kap. 3.2 (a), S. 64.] Dieses Buch setzt ein hohes Verständnisniveau voraus. Dieses Buch ist in einer Bildungssprache abgefasst. Viele Wörter sind aus dem Lateinischen abgeleitet: Konzipieren, Strukturieren, Detaillieren, Konkretisieren, Spezifizieren, Visualisieren usw. ! <?page no="87"?> 88 3 Texte ausformulieren Verwenden Sie Fachausdrücke eher nur gegenüber Fachleuten: Fachausdrücke sind gegenüber Fachleuten positiv, weil sie Eindeutigkeit fördern. Das kann sich mit der Aufforderung stoßen, allgemeinverständlich zu schreiben. Also: Verwenden Sie Fachausdrücke eher nur in den Teilen, die für Fachleute bestimmt sind. Wenn Sie gegenüber Nicht-Fachleuten Fachausdrücke verwenden, dann erläutern Sie diese. [→ Siehe Kap. 3.2 (a) zur Situation „Nicht gleichartige Empfänger“, S. 66.] Verwenden Sie Fremdwörter nur wenig : Verwenden Sie nur solche, die sich in Ihrem Empfänger(-kreis) durchgesetzt haben. Nur solche können die Eindeutigkeit und die Verständlichkeit Ihres Textes erhöhen. Beispiele (1) „per se“ ist ausgesprochen präzise, sollte aber trotzdem ersetzt werden: „automatisch“ oder „in jedem Fall“. (2) „Evaluation“ bedeutet in Fachkreisen eine „sach- und fachgerechte Bewertung“ (DUDEN). In anderen Bereichen sollte man schlichter „Beurteilung/ Bewertung/ Wertung“ (DUDEN) verwenden. Englische Wörter werden als vermeintliche Fachausdrücke verwendet, oft in eingedeutschter Form, sei es aus Mode oder aus Bequemlichkeit. Tun Sie das nur, wenn es sich um eindeutige Begriffe handelt. Sprechen Sie nicht und schreiben Sie schon gar nicht „denglisch.“ Negativbeispiele (1) „Der Roll-out der Software beinhaltet keine Schulung der User. Der Kunde stellt die Test Cases.“ (2) Mit „Servicevertrag“ werden häufig Wartungsverträge über Hardware oder Pflegeverträge über Software bezeichnet, manchmal auch Verträge über Unterstützungsleistungen bei der Einführung oder dem Einsatz von Standardsoftware. (3) Wer „100 Lizenzen“ an einem PC-Programm erwirbt, ist berechtigt, 100 Kopien einzeln weiterzuverkaufen. Wer das Recht erwirbt, ein PC- Programm auf 100 Arbeitsplätzen einzusetzen, ist dazu nicht berechtigt. Er kann das Recht nur insgesamt übertragen. Englische Wörter sollten schon gar nicht verwendet werden, um zu beeindrucken. [→ Siehe im Folgenden unter „Verzichten Sie auf eine geschraubte Ausdrucksweise“, S. 91.] ! ! <?page no="88"?> 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 89 Verwenden Sie Ihrem Empfänger(-kreis) nur gut bekannte Abkürzungen : Anderenfalls können Abkürzungen für den Empfänger- (-kreis) unverständlich und unsympathisch sein. [→ Siehe auch Kap. 3.3 unter „Erstellen Sie ein Abkürzungsverzeichnis“, S. 75.] Sie können für ein langes Wort oder für eine Wortkette, die Sie wiederholt verwenden, eine Abkürzung einführen. Fügen Sie beim ersten Mal hinter dem Wort / der Wortkette Ihre Abkürzung in Klammern ein. Beispiel „Der Auftragnehmer erklärt die Bereitstellung zur Abnahme (im Folgenden ‚BzA‘ genannt) spätestens am ______.“ Achten Sie bei eigenen Abkürzungen darauf, dass diese aussagekräftig sind und sich voneinander deutlich unterscheiden. Verwenden Sie die einzelnen Wörter sorgfältig Verwenden Sie Begriffe und wichtige Wörter einheitlich : Das ist die wichtigste Maßnahme im Interesse von Eindeutigkeit und Verständlichkeit. [→ Siehe grundlegend Kap. 1.1 (a) unter „Insbesondere Begriffe einheitlich verwenden“, S. 22. Siehe auch Kap. 1.3 unter „Festlegen von Begriffen allgemein“, S. 31, und Kap. 2.2 (b) unter „Spezifische Begriffe intern festlegen“, S. 41.] Verwenden Sie bei substantivierten Verben die korrekte Endsilbe: Die Endsilbe „-en“ drückt das Handeln aus, also die Tätigkeit, die Endsilbe „-ung“ drückt die Handlung aus, also den gesamten Vorgang oder das Ergebnis. Scheuen Sie sich nicht, Wörter wiederholt zu verwenden : Das fördert die Eindeutigkeit und die leichte Verständlichkeit. Sie haben von Ihren Deutschlehrer(inne)n eingetrichtert bekommen, dass Sie Wörter nicht gleich wiederholen, sondern Synonyme verwenden sollen. Das mag für Besinnungsaufsätze gegolten haben, bei denen Sie einen „guten Stil“ üben sollten. Das macht aber für Sachtexte kaum Sinn. Das meiste, was einem als Synonym vorgeschlagen wird, ist sowieso kein echtes Synonym (= deckt sich nicht zu annähernd 100 Prozent) und sollte schon deswegen nicht in Sachtexten verwendet werden. Beispiel für „Synonyme“ ! ! ! ! <?page no="89"?> 90 3 Texte ausformulieren Woxikon.de bringt 735 „Synonyme“ für „verständlich“. Der DU- DEN bringt fast 50 und erklärt dazu, dass auch Wörter mit nur einer „ähnlichen“ Bedeutung Synonyme seien. Diese Empfehlung gilt nicht nur für Begriffe und ähnlich wichtige Wörter, sondern auch für solche, die nur im engen Zusammenhang sinntragend sind. Beispiel für eine nützliche Wiederholung „Durch die Wiederholung kann der Schreiber das, was er verdeutlichen will, am besten verdeutlichen.“ Setzen Sie Substantive nicht zusammen : Die deutsche Sprache mag das erlauben. Schreibratgeber verwenden dafür verschiedene negative Bezeichnungen wie „Silbenschleppzug“ oder „Blähwörter“, um Schreiber davon abzuhalten, solche Wortungetüme zu bilden. Sagen Sie einmal das Wort „Bandwurmwörter“ laut. So schlimm, wie sich das anhört, so liest es sich auch. Übrigens E-Dur ist die „Tonikagegenparallel-Variante“ von C-Dur. Vermeiden Sie Ketten von Substantiven: Bilden Sie Nebensätze mit Verben. Mündlich würde man kaum solche Ketten bilden. Dann sollte man es auch nicht schriftlich tun. Verzichten Sie auf überflüssige Wörter: Auch das ist erst einmal mehr ein Thema zum gehobenen als zu einem für Sachtexte passenden Stil. Überflüssige Wörter verlängern den Text und sollten eher vermieden werden. Das gilt besonders für Adjektive. Was Clemenceau und Mark Twain Negatives über diese gesagt haben, können Sie im Internet nachlesen. - Eine Faustregel hilft Ihnen zu entscheiden, ob ein Adjektiv angebracht sein kann oder nicht: Ergänzen Sie es vorne um „un-“ oder um „nicht“ oder ersetzen Sie es durch sein Gegenteil. Wenn es dann keinen Sinn macht, ist das Adjektiv wahrscheinlich überflüssig. Negativbeispiele „Geführte“ Gespräche; „überflüssige“ Wiederholungen. ! ! <?page no="90"?> 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 91 Es kann auch um einfachere Formulierungen gehen: Statt „die von Ihnen geleistete Arbeit“ einfacher „Ihre Arbeit“. Überflüssige Wörter können auch irritieren: Der Leser vermutet, dass diese etwas ausdrücken sollen, vielleicht einen Unterschied oder eine Einschränkung . Negativbeispiel „Gleiche Begriffe werden inhaltlich unterschiedlich interpretiert.“ Inhaltlich? Gibt es auch eine andere Interpretation von Begriffen als eine inhaltliche? Weiterhin: Was sind „gleiche Begriffe“? Oder ist “Gleiche“ überflüssig? Im Übrigen: Werden verschiedene Begriffe etwa nach unterschiedlichen Methoden interpretiert? Verzichten Sie auf starke Wörter: Das gilt besonders, wenn diese überflüssig sind. Unsere Gesellschaft verwendet so viele hoch gegriffene Wörter, dass diese kaum noch als solche wahrgenommen werden. Dann sind sie oft unerheblich und damit überflüssig. Starke Wörter häufig gebraucht verringern die Möglichkeit, etwas zu differenzieren. Negativbeispiele (1) Man „reflektiert sein Handeln“ nicht nur, man „reflektiert sein Handeln kritisch“. Man „unterstützt“ etwas nicht nur, sondern man „unterstützt etwas aktiv“. Wer seine Unterstützung betonen will, dem reicht „aktiv“ nicht aus, der schreibt „proaktiv“. (2) Etwas ist „völlig/ ganz/ vollkommen falsch“ oder „selbstverständlich richtig.“ Wir sind davon „zutiefst überzeugt.“ Das ist „zwingend notwendig.“ Auch harmlose Wörter wie „schlicht“ oder „einfach“ können im Zusammenhang stören: „Das ist schlicht falsch.“ (3) „Genau“ oder sogar „ganz genau“ kann sachgerecht sein. Oft ist es allerdings nur affektiert. Peinlich ist die Erklärung, dass man „nicht ganz genau weiß, wer der Urheber ist“, wenn man vorher geschrieben hat, dass „es noch keine Informationen dazu geben würde.“ ! <?page no="91"?> 92 3 Texte ausformulieren Manche überflüssigen, geschraubten Wörter können in rechtlicher Hinsicht sogar gefährlich sein . [→ Siehe Kap. 5.3 unter „Vermeiden Sie starke Wörter“, S. 134.] Möglicherweise will der Schreiber mit einem starken Wort nicht manieriert schreiben, sondern etwas zur Belastbarkeit seiner Aussage ausdrücken. Dazu mehr in der folgenden Empfehlung. Wenn es Ihnen um die Belastbarkeit Ihrer Aussage geht, verwenden Sie dafür nicht ein starkes Wort, sondern drücken Sie die Belastbarkeit konkret aus. Beispiele Denken Sie an Wettervorhersagen: „Mit x Prozent Wahrscheinlichkeit wird es regnen.“ Und zusätzlich: „Die Treffsicherheit der Prognose ist hoch/ mittel/ niedrig.“ „Nach unseren Erfahrungen hat sich diese Methode bewährt.“ „Diese Aussage ist wissenschaftlich bewiesen.“ Verzichten Sie auf eine geschraubte Ausdrucksweise: Bei Empfängern mit einem hohen Stilgefühl können Sie damit den Eindruck eines Gecken erwecken. Negativbeispiele (1) „Funktionalitäten“ statt einfach „Funktionen“. Es gibt nur eine Funktionalität. Wikipedia: „Die Funktionalität … ist die Menge der in einem Produkt vorhandenen Funktionen ...“ (2) „…ist ein Must-have“ oder „ist ein No Go” oder „ist out of scope“. (3) Englische Wörter mit lateinischen Wurzeln machen sich derzeit besonders gut: Dass „Gewinne generiert“ werden, hat sich noch nicht einmal voll durchgesetzt, da wird die Formulierung schon gesteigert: Jetzt werden Gewinne „kreiert“. Wobei das dubios klingt. (4) Der Schreiber hat die neuesten Begriffe, die neuesten Hypes schon drauf. Da muss etwas nicht nur ein Risiko sein, sondern gleich „VUCA“ oder ein „schwarzer Schwan“. 19 19 VUCA = volatility, uncertainty, complexity und ambiguity. Das drückt einen ganz kritischen Risikobereich aus. Schwarzer Schwan = ein Ereignis, das höchst unwahrscheinlich ist, aber wenn es auftritt, häufig zu extremen Konsequenzen führt. ! ! <?page no="92"?> 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 93 Geschraubte Formulierungen können sich eher harmlos schon aus der Substantivierung von Verben ergeben [→ Kap. 3.4 (c) mit weiteren Beispielen, S. 74] . Negativbeispiel „zur Anwendung gelangen“ statt einfach „angewendet werden“. Vermeiden Sie besonders ganze Sätze aus geschraubten Formulierungen. Die lesen sich schrecklich und sind wahrscheinlich auch ungenau. Negativbeispiele (1) „Die Beziehung zu diesem Stakeholder ist in naher Zukunft mit Maßnahmen zu belegen. Er hat auch eine hohe Dringlichkeit/ Priorität in der Behandlung zu erfahren.“ (2) “Auf die Anfrage hin kam von Seiten des Empfängers die Frage nach der Vergütung auf. Daraufhin gab es von Seiten des Empfängers folgende Antwort: … Am … ging ein Brief beim Anfragenden ein, in dem der Empfänger diese mitteilte.“ Übungsbeispiel In DIN 5008 werden Schreib- und Gestaltungsregeln formuliert. In 18.2 bis 18.7 werden Darstellungsformen festgelegt. In 18.1 heißt es einleitend: Schlecht formuliert: „Bei der Anwendung von 18.2 bis 18.7 sollte die konsequente Anwendung einer einmal gewählten Darstellungsform beachtet werden.“ Besser: „Die in 18.2 bis 18.7 gewählten Darstellungsformen sollten konsequent eingehalten werden.“ (c) Ersetzen Sie Vollverben nicht durch Substantive/ Adjektive Ersetzen Sie Vollverben nicht durch Substantive: Diese Empfehlung wendet sich gegen die schlechte Praxis, lebendige Verben durch hölzerne Substantive zu ersetzen und damit die Eindeutigkeit und die Verständlichkeit herabzusetzen. Also: Bleiben Sie bei Verben! ! ! <?page no="93"?> 94 3 Texte ausformulieren Übungsbeispiel Nicht: „Für die Erarbeitung und Formulierung der endgültigen Konkretisierung der Aufgabenstellung wird der Auftragnehmer …“ Sondern zumindest: „Um die endgültige Konkretisierung der Aufgabenstellung zu erarbeiten und zu formulieren, wird der Auftragnehmer …“ Oder besser: „Um die Aufgabenstellung endgültig zu konkretisieren und zu formulieren, wird der Auftragnehmer …“ Wenn Sie weniger mit adverbialen Bestimmungen und mehr mit Nebensätzen arbeiten, verwenden Sie automatisch mehr Verben. Ersetzen Sie: „wegen ...“ → „…, weil ...“ „nach …“ → „…, nachdem …“ „für …“ → „…, um zu …“ Rein affektierte Substantivierungen sind ein Kennzeichen der Bildungssprache; sie klingen etwas geschraubt, stören aber erst in der Masse. [→ Vergleiche (b) unter „Verzichten Sie auf eine geschraubte Ausdrucksweise“, S. 92.] Negativbeispiele Man „prüft etwas“ nicht, sondern „unterzieht etwas einer Prüfung“. Man „fordert nicht, dass …“, sondern man „stellt die Forderung, dass …“. Man „dankt“ nicht, sondern man „spricht seinen Dank aus.“ Wenn man ein Verb zu einem Substantiv macht, benötigt man wiederum ein Verb, um einen vollständigen Satz zu schaffen. Damit entsteht eine Klasse von „inhaltsschwachen“ Verben, z.B. „erfolgen“, „geben“ oder „stattfinden“, oder von Ausdrücken wie „ist möglich/ notwendig“. Das erschwert das Verstehen. Übungsbeispiele (1) Nicht: „Es gibt die Befürchtung von Seiten des Kunden dahingehend.“ Besser: „Der Kunde befürchtet das.“ <?page no="94"?> 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 95 (2) Nicht: „Dann kann Lernen aus Fehlern/ Fehleinschätzungen stattfinden.“ Besser: „Dann kann aus Fehlern/ Fehleinschätzungen gelernt werden.“ Hier darf auch einmal im Passiv formuliert werden. Wer ist der Akteur: Das Substantivieren kann dazu führen, dass nicht klar wird, wer gehandelt hat oder handeln soll. Dann muss der Akteur ergänzt werden. Das klingt unschön. Übungsbeispiel Nicht: „Die Installation der Anlage hat seitens des Auftragnehmers stattgefunden.“ Besser (und das im Aktiv): „Der Auftragnehmer hat die Anlage installiert.“ Möglicherweise kommt das Verb nach dessen Entsubstantivierung an das Satzende, so dass die Verständlichkeit leidet. Als substantiviertes Verb, ergänzt um ein inhaltsschwaches Verb am Satzende, steht es hingegen als Subjekt am Satzanfang oder als Akkusativobjekt in der Satzmitte. Nutzen Sie dennoch Verben zumindest dann, wenn es auf den Akteur ankommt, und bilden Sie den Satz sodann möglichst so, dass das Verb früh erscheint. [→ Siehe (a) unter „Vermeiden Sie, dass das Verb erst am Ende des Satzes steht“, S. 84.] Ketten von Substantiven können durch Substantivierungen entstehen. Sie sind dann erst recht schlecht zu verstehen und sollten erst recht vermieden werden. [→ Siehe (b) unter „Vermeiden Sie Ketten von Substantiven“, S. 90.] Ersetzen Sie Vollverben nicht durch Adjektive/ Partizipien plus Hilfsverb : Sie würden die Aussagekraft abschwächen. Die im Partizip ausgedrückte Handlung würde an das Satzende wandern. Das würde bei langen Sätzen stören. Übungsbeispiele (1) Nicht: „Das ist heute noch zutreffend.“ Besser: „Das trifft heute noch zu.“ (2) Nicht: „Das dürfte kritisch und dementsprechend regelungsbedürftig sein.“ <?page no="95"?> 96 3 Texte ausformulieren Das klingt nur nach einer Feststellung, nicht auch nach einem Appell. Besser: „Das dürfte kritisch sein und sollte dementsprechend geregelt werden.“ Sie können die Variante mit einem Vollverb fast schneller formulieren als die mit dessen Partizip. Es geht also um eine Frage der Gewohnheit. Übungsbeispiel Nicht: „Dabei sind deren persönliche Vorlieben häufig projektbeeinflussend.“ Besser: „Dabei beeinflussen deren persönliche Vorlieben häufig die Projekte.“ Oder wenn es passt: „Deren persönliche Vorlieben beeinflussen die Projekte häufig.“ (d) Machen Sie Rückbezüge deutlich oder gar nicht Rückbezüge auf ein Wort: Man möchte ein Wort nicht gleich wiederholen und macht deswegen einen Rückbezug. Dafür verwendet man als Beziehungswörter: Pronomen wie „er/ sie/ es“ bzw. „sein/ ihr“, Pronominaladverbien: Kombinationen aus einer Präposition und einem Adverb wie „da“, „hier“, „wo“, beispielsweise „dafür, hiermit, worin“ oder Relativadverbien: Kombinationen aus einer Präposition und einem Relativpronomen, beispielsweise „weswegen“, „worüber“. Es kann unklar sein, auf welches vorherstehende Wort ein Beziehungswort gerichtet ist. Wenn Sie das nicht verdeutlichen können, dann wiederholen Sie besser das Wort. Rückbezüge können sich auf das Subjekt des vorhergehenden Hauptsatzes beziehen oder aber auf ein weniger weit zurückreichendes ! ! <?page no="96"?> 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 97 Wort, das grammatisch passt. 20 Das kann das Subjekt eines Nebensatzes oder ein Objekt sein. Vom Sinn her kann der Leser meist ermitteln, was gewollt ist. Aber das Ermitteln kann Mühe machen und dementsprechend Gehirnzeit verbrauchen, und das Ergebnis ist manchmal zweifelhaft. 21 Beispiel zu einem unklaren Relativpronomen „Herr XX gilt als besserer Redner als Herr YY, der durch sein rhetorisches Talent die Zuhörer begeistern kann.“ Das Relativpronomen bezieht sich deutlich auf Herrn YY. Die Wörter „besserer, der begeistern kann“ weisen aber darauf hin, dass Herr XX gemeint ist, da dieser begeistern kann. Stellen Sie sich vor, der Satz wäre weitergegangen mit „… YY, der die Zuhörer langweilt.“ Kleine Verbesserungen können schon nützen: Verwenden Sie statt eines Pronominaladverbs besser eine Kombination aus Präposition und Demonstrativpronomen, beispielsweise statt „dazu“ besser „zu diesem/ dieser/ diesen“. Denn Demonstrativpronomen schränken dank ihrer Flexion mögliche Rückbezüge ein. Beispiel Ursprünglicher Text: „Deswegen müssen Sie mehr Aufwand betreiben, um dem Ermüden entgegenzuwirken. Darauf wirkt sich wiederum das Gesetz des abnehmenden Grenzertrags aus.“ „Deswegen müssen Sie mehr Aufwand betreiben, um dem Ermüden entgegenzuwirken. Auf diesen wirkt sich wiederum das Gesetz des abnehmenden Grenzertrags aus.“ „Darauf“ kann sich auf den Aufwand, das Ermüden oder auf den ganzen Satz beziehen. Ich habe allerdings des leichten Lesens wegen auf den Rückbezug verzichtet [→ Anhang D, S. 223] : „Auf diesen weiteren Aufwand wirkt sich wiederum das Gesetz des abnehmenden Grenzertrags aus.“ 20 Rückbezüge durch Pronomina auf ein Genitivattribut werden nur schwer erkannt, auch wenn das Pronomen vom Geschlecht und dem Numerus her eindeutig ist. 21 Pronomen haben zwar den Vorteil, dass sie etwas weniger Gehirnzeit verbrauchen; das Ermitteln des in Bezug genommenen Worts kann aber ein Vielfaches von dieser erfordern. Im Zweifel also lieber ein ausdrücklicher Rückbezug. <?page no="97"?> 98 3 Texte ausformulieren Manchmal helfen Wörter wie „selbst“ oder „eigene“. Oder ersetzen Sie „er“ oder „sein“ usw. durch deutlichere Wörter wie „dieser“ oder „dessen“, auch wenn diese vielleicht nicht so gut klingen. Wenn Sie bei Relativsätzen auf ein etwas weiter zurückliegendes Substantiv Bezug nehmen wollen, können Sie Eindeutigkeit herstellen, indem Sie bereits vor diesem Substantiv „der-/ diejenige“ oder „solche“ einfügen. Negativbeispiel „Der Anwender gibt die Ersatzteile für die Geräte zurück, die er nicht mehr benötigt.“ Gemeint sein kann, dass er „diejenigen Ersatzteile zurückgeben soll, die er nicht mehr benötigt.“ Gemeint sein kann ebenso, dass er „die Ersatzteile für diejenigen Geräte, die er nicht mehr benötigt, zurückgeben soll“, also alle Ersatzteile für diejenigen Geräte. Manchmal formuliert der Schreiber einen Satz mit zwei Subjekten bzw. zwei Objekten und will im nächsten Satz nur auf eines von den beiden eingehen. Das kann er dadurch verdeutlichen, dass er die Formulierung „… erstere“ bzw. „Ersteres“ oder aber „… letztere bzw. „Letztere/ s“ verwendet, auch wenn eine solche Formulierung vielleicht nicht schön klingen mag. Beispiel „Der Auftragnehmer soll möglichst die Aufgaben beschreiben, die die zu liefernde Anlage unterstützen soll, und nicht die Ziele, die der Kunde erreichen will. Denn zu Letzteren muss der Kunde meist Wesentliches beitragen.“ Im Zweifelsfall sollten Sie auf den Rückbezug mittels Pronomen verzichten und das in Bezug genommenen Wort wiederholen bzw. „sein/ ihr“ durch ein Genitivattribut ersetzen. Die Grenze liegt dort, wo Ihnen die Wiederholung von Substantiven penetrant vorkommt. Rückbezüge auf ein Stück des vorangegangenen Textes: Man möchte sich die Bezugnahme einfach machen und durch ein Beziehungswort ausdrücken. Auch hier kann unklar sein, worauf sich das Beziehungswort richtet. Nehmen Sie auf ein vorangegangenes Stück Text weniger durch Wörter wie „dies/ das“, „dadurch“ oder „damit“ Bezug, sondern knüpfen Sie lieber so an, dass Sie die vorhergehende Aussage in einigen Worten zusammenfassen. ! ! <?page no="98"?> 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 99 Negativbeispiel In einem Protokoll wurde formuliert: „Der Kunde verlangt, dass der Auftragnehmer die folgende Anforderung realisiert. Das bedeutet, ...“ Was bedeutet das: Dass der Kunde etwas fordert und also über Termine und zusätzliche Vergütung verhandelt werden muss, oder dass ein Lösungsansatz erarbeitet werden muss? Das dürfte im folgenden Text klarwerden; es sollte aber von vornherein klar sein. Also: „Dieses Verlangen bedeutet …“ oder aber „Diese Realisierung bedeutet …“ Rückbezug am Anfang eines neuen Absatzes : Ein Rückbezug auf ein Wort im vorangegangenen Absatz mag grammatisch und vom Sinn her passen. Wiederholen Sie dennoch lieber das Substantiv. Denn ein neuer Absatz enthält einen neuen Gedanken. Stellen Sie den Leser darauf ein. Weiterhin droht, dass der Leser später einmal bei diesem Absatz zu lesen anfängt und den Bezug nicht gleich erkennt oder dass Sie den vorstehenden Absatz ändern und der Bezug dann nicht mehr passt. Ein sprachlicher Rückbezug auf ein Stück Text im vorangegangenen Absatz ist mindestens ebenso vorsichtig zu behandeln wie einer innerhalb eines Absatzes. (e) Verwenden Sie Verben bevorzugt im Aktiv Der Leser versteht Sätze mit Verben im Aktiv leichter als solche mit Verben im Passiv. Denn das Aktiv vereinfacht die Konstruktion und lässt das Verb oft früher erscheinen. Beim Passiv bleibt zudem offen, welche Person handeln soll oder gehandelt hat. Das kann der Leser nicht immer aus dem Zusammenhang heraus eindeutig klären. Negativbeispiele für Doppeldeutigkeit (1) „Das Projekt wird abgebrochen“, schrieb der Auftragnehmer im Protokoll. Im anschließenden Rechtsstreit ging es im Wesentlichen um die Frage, welche Seite den Abbruch - unberechtigt - erklärt hatte und deswegen den Rechtsstreit verlieren würde. (2) „Der Server wurde von XYZ ausgeliehen.“ Wer hat ausgeliehen? ! <?page no="99"?> 100 3 Texte ausformulieren Wenn man angeben will, wer gehandelt hat, muss man „seitens des [Akteur]“ oder „durch den [Akteur]“ ergänzen. Man sollte diese Hässlichkeit vermeiden und also im Aktiv schreiben. − „Von“ reicht nicht, weil es , wie das letzte Negativbeispiel (2) zeigt, doppeldeutig ist. Noch schwieriger wird es für den Leser, wenn zwei Verben nacheinander im Passiv geschrieben sind und es um unterschiedliche Akteure gehen kann. Negativbeispiel „Die Software wird installiert und getestet.“ Gemeint war, dass der Auftragnehmer die Software installieren und der Anwender sie testen sollte. Manchmal beschreibt der Auftragnehmer eine Handlung, an der der Kunde mitwirken soll. Wenn er im Aktiv schreibt, denkt er eher daran, die erforderliche Mitwirkung des Kunden aufzuführen. Sie können das Passiv (oder das „man“) verwenden, wenn es egal ist, wer gehandelt hat oder handeln soll. Manchmal ist das Passiv sogar nützlich, um die Aussage auf das Wesentliche zu beschränken. Ein Relativpronomen am Anfang des Relativsatzes kann doppeldeutig sein: Ist es ein Akkusativobjekt oder ein Subjekt? Durch das Passiv können Sie Klarheit schaffen. [→ Vgl. (a) unter „Akkusativobjekte am Satzanfang“, S. 78.] Beispiel „Das Problem, das das Auseinandergehen verursacht, ist folgendes: ...“ Wenn nicht das Problem, sondern das Auseinandergehen ursächlich ist, dieses also der Akteur und damit das Subjekt ist: „Das Problem, das durch das Auseinandergehen verursacht wird, ist folgendes: …“ Aktionen, das Passiv aus Prinzip zu vermeiden, bringen eher nichts. Zu diesen gehören Konstruktionen wie „… ist zu (machen)“ oder „...bar“. Negativbeispiele „Die Daten sind zu pflegen.“ Im Passiv: „Die Daten müssen gepflegt werden.“ ! <?page no="100"?> 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 101 „Die Daten sind dann pflegbar.“ Im Passiv: „Die Daten können dann gepflegt werden.“ Es bringt auch wenig, das Verb ins Aktiv zu setzen und um das Wort „sich“ zu ergänzen, und es klingt manchmal schräg: Das Objekt wird zum Subjekt und damit zum Akteur. Negativbeispiele „Die Daten ändern sich nur selten.“ „Feste Organisationsstrukturen bauen sich immer mehr ab.“ (f) Lassen Sie Relativsätze Relativsätze bleiben Packen Sie eine wichtige Information nicht in einen Relativsatz. Ein Relativsatz soll die Sache beschreiben, auf die sich dieser bezieht. Wenn der Schreiber etwas Weitergehendes, beispielsweise eine Konsequenz, in einem Relativsatz ausdrückt, nimmt der Empfänger das weniger deutlich wahr. Drückt der Schreiber eine Handlung aus, verringert er deren Wichtigkeit. [→ Vgl. Kap. 3.4 (a) unter „Hängen Sie nicht einen Nebensatz an, um noch etwas im Satz unterzubringen, S. 83.] (g) Packen Sie Wichtiges nicht in Adjektive Wie bei Relativsätzen droht, dass ein Adjektiv vor einem Substantiv mehr aussagen soll, als es kann. Auch Adjektive sollen Substantive nur beschreiben, kaum aber etwas Wichtiges zu einer Handlung ausdrücken (oder als Adverb ein Verb beschreiben). Das gilt auch für Partizipien, die als Adjektive gebraucht werden. - Diese Konstellation ergibt sich häufig durch die Substantivierung eines Verbs. Verwenden Sie ein Adjektiv vor einem Substantiv eher nur, wenn das Adjektiv das Substantiv beschreiben soll. Bilden Sie andernfalls zwei Hauptsätze oder einen Hauptsatz mit einem Nebensatz. Übungsbeispiel Nicht: „Die Verluste werden durch die oft vertane Chance verschärft, in das noch vorhandene System zu investieren.“ Besser: „Die Verluste werden oft noch dadurch verschärft, dass in das noch vorhandene System nicht mehr investiert wird.“ ! <?page no="101"?> 102 3 Texte ausformulieren (h) Beziehen Sie Sätze aufeinander, auch Wörter Beziehen Sie Sätze aufeinander: Mit Hilfe von Konjunktionaladverbien können Sie Gedankengänge verdeutlichen: Sie können mit diesen in einem folgenden Satz inhaltlich deutlicher an den vorangegangenen Satz anknüpfen. Der Leser versteht Ihren Gedankengang dann leichter und eher richtig. [→ Sie haben sich mit diesen Adverbien schon beschäftigt, um Sätze aufzuteilen. Siehe Kap. 3.4 (a) unter „Mit Konjunktionaladverbien neue Hauptsätze bilden“, S. 82.] Konjunktionaladverbien (satzbezogene Hinweiswörter) kopulativ außerdem, darüber hinaus, auch, dazu, zusätzlich, ebenfalls kausal daher, nämlich, deswegen, deshalb konzessiv immerhin, dennoch, trotzdem konsekutiv also, demzufolge, folglich, somit adversativ jedoch, doch, dagegen, stattdessen, hingegen disjunktiv andernfalls, sonst, einerseits andererseits temporal danach, davor, anschließend, währenddessen restriktiv allerdings, insofern, nur, freilich, indessen Darüber hinaus können Sie Ihren Gedankengang mit auffälligen Hinweiswörtern akzentuieren, beispielsweise mit „nichtsdestoweniger, erst gar nicht, gerade deshalb, vielmehr“. Sie können das Hinweiswort auch als Vorsichtsmaßnahme einfügen. Eigentlich reicht es, wenn Sie schreiben: „Wenn A gegeben ist, folgt X. Wenn A nicht gegeben ist, folgt Y.“ Sie können sich allerdings nicht sicher sein, dass Ihr Text so genau gelesen werden wird. Also kann sich empfehlen, dass Sie im zweiten Satz ein Hinweiswort einfügen, um dessen Verhältnis zum ersten Satz zu verdeutlichen. In diesem Beispiel geht es um einen Unterschied oder sogar um einen Gegensatz zwischen den Aussagen; Sie können also nach „folgt“ z.B. „allerdings“, „andersherum“, oder „hingegen“ einfügen. Beispiele (1) Das Wort „auch“ am Anfang des letzten Absatzes zeigt, dass dieser Absatz den diesem vorhergehenden Absatz ergänzt. ‒ Das ! <?page no="102"?> 3.4 Details zu Eindeutigkeit und Verständlichkeit 103 Wort „allerdings“ etwas weiter im letzten Absatz enthält die Begründung für eine solche Vorsichtsmaßnahme, bezogen auf die vorhergehenden Sätze dieses Absatzes. (2) Begr ü ndungss ä tze brauchen nicht mit „Denn“ eingeleitet zu werden. Ihr Charakter soll sich aus dem Inhalt des Satzes selbst ergeben. Trotzdem leite ich Begründungssätze manchmal vorsichtshalber mit „Denn“ ein. Beziehen Sie Wörter aufeinander: Werden Wörter gleicher Art gereiht, können zwei (auch mehrere) vom Gedankengang her parallel stehen. Das zweite kann sich aber auch als Folge aus dem ersteren ergeben. Konjunktionaladverbien ermöglichen, diese Folge auszudrücken. Übungsbeispiele für abhängige Aufzählungen (1) Nicht: „Sie sparen Ihrem Empfänger im Kleinen etwas Gehirnzeit und im Großen Grübeln und viel Gehirnzeit.“ Besser: „Sie sparen Ihrem Empfänger im Kleinen etwas Gehirnzeit, im Großen Grübeln und damit viel Gehirnzeit.“ Statt des Kommas könnten Sie auch das Wort „sowie“ einfügen. (2) „Viele Verhandlungen enden kompetitiv und mit suboptimalen Ergebnissen.“ Besser, wenn es sich um eine abhängige Aufzählung handelt: „Viele Verhandlungen enden kompetitiv und deshalb mit suboptimalen Ergebnissen.“ Fügen Sie Konjunktionaladverbien für Ankündigungen ein: Sie können diese Wörter auch dazu verwenden, um den Leser auf den Inhalt des folgenden Halbsatzes einzustimmen. (Im vorstehenden Satz habe ich „dazu“ für die Ankündigung aufgenommen, weiterhin „auch“ als Anknüpfungswort dafür, dass es um eine Ergänzung geht). Beispiel „Der Auftragnehmer ist nicht <dazu> gezwungen, seine Leistung vor dem vereinbarten Termin zu erbringen. Seine vorzeitige Lieferbereitschaft kann sich <dann> daraus ergeben, dass er Interesse an ihr hat. Möglicherweise hat er <deshalb> kein Interesse, weil er glaubt, … [die Vergütung trotzdem erst zum vereinbarten Liefertermin zu erhalten].“ - Bei längeren Sätzen steigt die Nützlichkeit solcher Einfügungen. <?page no="103"?> 104 3 Texte ausformulieren 3.5 Schwierige Wörter und Formulierungen Einige Wörter und Formulierungen können in der Praxis Schwierigkeiten machen. Wer sind „wir“ in Schreiben ? Der Schreiber kann damit sich selbst oder seine Seite meinen. Der Schreiber kann allerdings auch den Empfänger in das „Wir“ einbeziehen. Beispiel „Wir wünschen, dass wir einen neuen Termin vereinbaren.“ Das kann man nur gemeinsam erreichen. Also ist gemeint: „Wir [= unsere Seite] wünschen, dass wir [= beide Seiten] einen neuen Termin vereinbaren.“ Machen Sie deutlich, wen Sie mit „wir“ meinen. „Ich“ oder „Wir“ in Briefen: Traditionell bezeichnet der Schreiber die eigene Seite in Briefen mit „wir“. Das tut er auch dann, wenn es nur um ihn selbst geht. Klarer ist es, wenn er in solchen Fällen das „ich“ verwendet: „Ich habe das verstanden. Wir werden das tun.“ Verneinungen durch „nicht“: Bringen Sie das „nicht“ nicht erst am Ende. Denn es besteht die Gefahr, dass der Leser das Wort übersieht/ überliest. Außerdem beginnt das Gehirn von Anfang an, den Satz zu analysieren, und kommt dann mit dem überraschenden „nicht“ nur mühsam zurecht. Beispiel Nicht: „Der Trainer beschönigte den demütigenden Fußballabend für die Katalanen, die erstmals acht Tore in einem Europacupspiel kassierten, nicht.“ Sondern: „Der Trainer beschönigte nicht den demütigenden Fußballabend für die Katalanen, die erstmals acht Tore in einem Europacupspiel kassierten.“ Im Deutschunterricht haben Sie gehört, dass Sie doppelte Verneinungen vermeiden sollen. Das ist plausibel, wenn es nur zwei Alternativen gibt: Schwarz Weiß Das stimmt aber nicht, wenn es drei oder noch mehr Alternativen gibt. ! ! <?page no="104"?> 3.5 Schwierige Wörter und Formulierungen 105 Beispiel Bei Verträgen gibt es zwar nur zwei Vertragspartner, aber drei Risikobereiche: Auftragnehmerrisiko Höhere Gewalt Kundenrisiko Nehmen Sie den Satz: „Der Auftragnehmer erklärt, dass er die Nichteinhaltung des Liefertermins nicht verursacht hat.“ Würde man die dritte Alternative ignorieren und die doppelte Verneinung in eine Bejahung umwandeln, würde der Auftragnehmer erklären, dass der Kunde die Nichteinhaltung verursacht hätte. Aber auch ein längerer Stromausfall oder Dritte können das getan haben, beispielsweise streikende Transportarbeiter. (a) Weniger oder mehr von etwas Weniger … als: Ich stoße laufend auf Sätze wie: „Ein afrikanischer Bauer verdient fünfmal weniger als ein deutscher.“ Wenn er auch nur einmal weniger verdient, hat er kein Einkommen mehr. Dass dieser Fehler so wenig auffällt, muss am menschlichen Gehirn liegen: Die Aussage ist so unsinnig, dass unser Gehirn diese automatisch korrigiert. Weniger von etwas Positivem: Das Ergebnis ist fast immer noch positiv. In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Schreiber das nicht als weniger von etwas Positivem, sondern als mehr von etwas Negativem und damit falsch formuliert. - Entsprechend ist etwas weniger von etwas Negativem fast immer noch negativ. Beispiele (1) „Zusätzliche Kontrollvorgänge machen die Arbeit unproduktiver.“ Fast immer falsch: Sie machen die Arbeit nur weniger produktiv. „Additive machen die Qualität schlechter.“ Fast immer falsch: Sie machen diese nur weniger gut. Man kann in beiden Fällen das Verb „verringern“ nehmen. (2) Den Vogel schoss die FAZ online am 8.12.2018 mit der Überschrift ab: „TUI Airways schont Klima am meisten“. Seit wann schonen Fluggesellschaften die Umwelt? Der erste Satz klärt auf: „Zwei deutsche Fluglinien gehören laut einer Studie zu den zehn am wenigsten klimaschädlichen Airlines der Welt.“ [→ Hervorhebung vom Autor] <?page no="105"?> 106 3 Texte ausformulieren Zu viel von etwas: Das „zu“ beinhaltet sprachlich eine negative Bewertung. Das kann gewollt sein wie bei „Zu viel Salz in der Suppe.“ - Meist ist allerdings „sehr“ gemeint. Zählen Sie die nächsten fünf „zu“ vor Adjektiven oder Adverbien, die Sie lesen. Sie werden wahrscheinlich zu dem Ergebnis kommen, dass der Schreiber mindestens viermal „sehr“ gemeint hat. (b) Weitere schwierige Wörter „Aber“: „Aber ja, dieses Wort ist verwirrend! “ Denn als Partikel wie im vorstehenden Satz verstärkt es eine Aussage, als Konjunktion drückt es hingegen einen Gegensatz aus: „Das wird behauptet, das ist aber falsch! “ Verwenden Sie das Wort nicht als Partikel! In der Praxis wird das Wort „aber“ häufig dafür eingesetzt, eine Einschränkung auszudrücken, aber nicht einen Gegensatz. Verwenden Sie für Einschränkungen das Wort „allerdings“. „Oder“: Das Wort hat zwei sich widersprechende Bedeutungen: Formulieren Sie zur Vermeidung von Zweifeln entweder inklusiv „und/ oder“ bzw. „oder auch“, oder aber exklusiv „oder aber“. Das exklusive „Oder“ klingt nach gegensätzlichen Alternativen. Es gibt auch parallele Situationen, in denen je nach Situation die eine oder die andere Alternative zutrifft. Dann erhöht „bzw.“ die Verständlichkeit, beispielsweise wie im vorhergehenden Absatz. „Können“: „Man kann das machen.“ Das Wort und damit der Satz können verschiedene Bedeutungen haben: Es besteht die Möglichkeit, das zu machen. Man ist in der Lage, das zu machen (~ vermag). Man ist berechtigt, das zu machen (~ darf). Es ist möglich, dass etwas geschieht (~ vielleicht/ denkbar/ mag sein). Beispiel „Liefert der Verkäufer eine mangelhafte Ware, kann der Kunde den Mangel bereits kennen und deswegen die Entgegennahme der Ware verweigern“. Da steckt Verschiedenes im „kann“: Der Kunde ist berechtigt, eine mangelhafte Kaufsache nicht entgegenzunehmen. Es ist möglich, dass der Kunde den Mangel bei der Anlieferung bereits kennt. <?page no="106"?> 3.6 Schreiben: Briefe und E-Mails 107 In diesem Fall ist er in der Lage, dieses Recht auszuüben. Zur Eindeutigkeit und Erleichterung des Verständnisses kann sich empfehlen, das Wort zu umschreiben. Anmerkung Das Wort „können“ sollte nicht manieriert verwendet werden: Man sollte nicht „wie festgestellt werden konnte“ formulieren, wenn es nur darum geht, dass etwas festgestellt worden ist. „Nach“/ „Gemäß“: „Nach dieser Vereinbarung“ kann zeitlich gemeint sein, Es kann aber auch „gemäß dieser Vereinbarung“ gemeint sein. „Gemäß“ klingt zwar altmodisch, vermittelt dem Leser allerdings schneller, was gemeint ist. - Der Gesetzgeber verwendet leider das Wort „nach“. „Grundsätzlich“: Das Wort schafft für den Juristen keine harte Regel, weil er das Wort als Einleitung für eine Regel mit - wie Sie sagen würden - „Ausnahmen“ versteht. „Schritte“: Die gehen geradeaus, sind also gleichrangig und sind damit etwas Anderes als „Stufen“. Die kennzeichnen eine Rangfolge. Achtung: Stufen gehen aufwärts oder abwärts. 3.6 Schreiben: Briefe und E-Mails Bei Briefen und E-Mails sollten Sie einiges beachten. Briefe/ Schreiben: Die Begriffe sind unklar (was nicht so wichtig ist). Man nimmt in einem Antwortschreiben eher nicht Bezug auf einen „Brief“, sondern auf ein „Schreiben“. Ich verwende das Wort „Schreiben“, wenn der Text im Vordergrund steht [~ Schriftstück], und „Brief“, wenn Sie eher an einen Briefbogen denken sollen. Schreiben sollen aus sich heraus verständlich und insoweit vollständig sein. Sie sollen einen klaren Betreff und einen klaren Bezug haben. Es drängt sich auf, den Text durch eine Nummerierung zu gliedern, beispielsweise durch „(1), (2)“ usw., diese mit oder ohne Überschriften. Bullets können reichen. Eine Nummerierung erleichtert dem Empfänger, in einer Antwort auf Ihren Text Bezug zu nehmen. Denken Sie an den Fall, dass Sie dem Empfänger mehrere, möglicherweise kurze Punkte mitteilen wollen. Sie erinnern sich: Viele Schreiben braucht zwar nur der im Text genannte Empfänger zu verstehen, und das auch nur in dem Augenblick, in dem er diese erhält. Es kommen aber auch andere Leser in ! <?page no="107"?> 108 3 Texte ausformulieren Betracht, sei es von vornherein oder sei es später, beispielsweise wenn Reibungen entstehen. Also stellen Sie bei Bezugnahmen auf Personen oder Ereignisse den Zusammenhang ausdrücklich dar und bezeichnen Sie diese so, dass ein Dritter diese einordnen kann [→ siehe auch Kap. 3.2 (a) Stellen Sie sich auf Ihren Empfänger(-kreis) ein, S. 64] . Manchmal nimmt der Schreiber auf eine Formulierung außerhalb seines Textes Bezug, beispielsweise auf eine Formulierung in einem Schreiben des jetzigen Empfängers. Möglicherweise erkennt ein anderer Leser später nicht, dass es sich um eine solche Bezugnahme handelt. Für ihn mag die Formulierung deswegen komisch oder sogar irgendwie verquer klingen. Also: Wenn in Betracht kommt, dass ein Dritter im Projekt Ihren Text lesen wird, sollten Sie deutlich ausdrücken, dass Sie auf etwas Bezug nehmen, beispielsweise auf eine frühere Formulierung des im Text genannten Empfängers. In diesem Fall können Sie darauf hinweisen („..., wie Sie es formuliert haben, ...“) oder die zitierte Formulierung in Anführungszeichen setzen. Negativbeispiel Ein Mitarbeiter des Auftragnehmers hat in einem Antwortschreiben an einen Kunden von einer „Bringschuld“ geschrieben: „Wir erstellen diese Änderung ausdrücklich nicht in Anerkennung einer Bringschuld.“ Das machte rechtlich keinen Sinn und war deswegen für seinen Projektleiter, der das Antwortschreiben später lesen musste, nicht nachvollziehbar. Dessen Rückfrage bei dem Schreiber ergab, dass der Kunde vorher von einer „Bringschuld“ geschrieben hatte. Damit hatte der Kunde gemeint, dass der Auftragnehmer gemäß Vertrag verpflichtet sei, die vom Kunden genannte Anforderung zu erfüllen, weil sie für diesen wichtig war. Meine Formulierungen „Sehr geehrte Frau …, … Mit freundlichen Grüßen“ werden von Schreibratgebern nur belächelt. Zumindest solle man „Freundliche Grüße aus dem sommerlichen München“ senden. Im ersten Moment finde ich es als Leser ganz nett zu erfahren, wie das Wetter anderswo in Deutschland ist. Auf Dauer werden die Wetter-Mitteilungen aber auch zu einer Floskel. Sie werden sogar etwas schräg, wenn das Schreiben im Winter noch einmal gelesen wird, und das auch noch von einem anderen als dem im Text genannten Empfänger. Deswegen verwende ich solche Floskeln nur in E-Mails und nur dann, wenn ich ziemlich sicher bin, dass nur der Empfänger diese lesen wird. <?page no="108"?> 3.6 Schreiben: Briefe und E-Mails 109 Wenn Sie ein Schreiben als Anhang zu einer E-Mail versenden, ist es freundlich, wenn Sie die E-Mail nicht nur als „Briefumschlag“ verwenden, sondern diese mit einer Anrede versehen und den Inhalt des Schreibens mit einem Satz oder mit zweien skizzieren. E-Mails: Sie sind im geschäftlichen Bereich nur eine andere Form von Schreiben und sollten ebenso sorgfältig wie Briefe erstellt werden. Von dem vielen, was im Internet über Schreiben von E-Mails publiziert wird, bezieht sich ein Großteil auf den privaten Bereich und ist für unser Thema irrelevant. Von dem übrigen Teil bezieht sich das meiste auf Schreiben allgemein und nur weniges spezifisch auf E- Mails. Die Autoren müssen so vorgehen, weil es so wenig Spezifisches für E-Mails gibt und sie nur durch diese Ausdehnung sich profilieren und für sich werben können. E-Mails sollen wie Briefe einen aussagekräftigen Betreff haben, oft auch noch einen Bezug. Das erleichtert es dem Schreiber oder dem Empfänger später, die benötigte E-Mail in einer Reihe von E-Mails zu finden. Der Text sollte sodann - wie bei einem Brief - auf den Zusammenhang eingehen, in dem er geschrieben wird. E-Mails, die im Zusammenhang mit Verträgen geschrieben werden, sind Geschäftstexte im Sinne des Handelsgesetzbuches und müssen entsprechend abgefasst sein, das heißt: Informationen über den Absender enthalten. Im Berufsleben werden E-Mails oft weniger förmlich oder sogar salopp abgefasst, oft auch emotionaler. Daher ist ein gewisser zeitlicher Abstand zwischen dem Formulieren und dem Überarbeiten noch wichtiger. Achten Sie also umso mehr auf Respekt/ Freundlichkeit. - Bei kurzlebigen E-Mails mögen Sie über das sommerliche Wetter in München berichten. Bei längeren E-Mails erleichtern Sie sich die Arbeit, wenn Sie den Text mit einem Textprogramm erfassen, so dass Sie diesen leicht grafisch gestalten/ strukturieren können. Den fertigen Text kopieren Sie in die E-Mail. Wenn in Betracht kommt, dass der Empfänger den Text bearbeiten wird, können Sie diesen als Anhang beifügen. Allerdings sollten Sie sich überlegen, ob Sie einen längeren Text überhaupt als eine E-Mail abfassen und nicht besser als einen Brief, den Sie als Anhang zu einer E-Mail versenden. Es ist beliebt, immer wieder die Funktion „Antwort“ zu nutzen. Das bläht das Dokument auf und erschwert es, den gewünschten Happen <?page no="109"?> 110 3 Texte ausformulieren eines E-Mail-Salats zu finden. - Erst recht sollte man nicht eine beliebige E-Mail erneut verwenden, die mit dem momentanen Informationsprozess nichts zu tun hat. Ich verwende die Antwortfunktion fast nur, wenn die eingegangene E-Mail bisher nur an mich gesendet worden ist und meine Antwort kurz werden wird. Es ist ebenso beliebt und ebenso eine Unsitte, möglichst viele Personen in CC zu setzen (und nicht als Empfänger zu behandeln). Wenn eine dieser Personen auf der eigenen Seite Verantwortung übernehmen soll, soll man diese in einer eigenen E-Mail darauf hinweisen. Andere Personen auf der eigenen Seite sollte man nur dann in CC oder BCC setzen, wenn man davon auszugehen hat, dass diese informiert werden wollen oder von deren Funktion her informiert werden sollen. Wenn der Schreiber Fragen an den Empfänger hat, bietet es sich an, dass jener die Antwortfunktion nutzt, um seine Antworten (in einer anderen grafischen Darstellung) einzufügen. Der Schreiber kann das vorbereiten, indem er seinen Text nach Frage und Antwort strukturiert. Er kann dabei das Einfügen von Antworten vorbereiten, indem er bereits Absätze mit „Antwort: “ in einer anderen grafischen Darstellung einfügt. - Weitere Schritte dieser Art sollte man aber nicht vornehmen, weil das Dokument sonst unübersichtlich werden würde. Beispiel Ich musste einmal einem Richter eine vierstufige E-Mail erläutern. Es half nur, bei den einzelnen Absätzen den jeweiligen Schreiber samt Datum handschriftlich und in Farbe zu ergänzen. Ein Brief oder eine E-Mail: Die Wahl kann eine nichtsprachliche Information beinhalten. [→ Siehe Kap. 1.1 (b) unter „Sie geben auch paraverbale und nonverbale Informationen“, S. 28.] Briefe sind gewichtiger durch ihre Form und dadurch, dass sie (bei juristischen Personen meist) zwei Unterschriften enthalten. Das gibt dem Schreiben einen offiziellen Charakter. - Sie können einen Mittelweg gehen, nämlich den Brief als Anhang zu einer E-Mail versenden. Damit können Sie die Transportzeit abkürzen und später den Zugang des Schreibens beweisen. Ein Einschreiben macht allerdings wahrscheinlich mehr Eindruck. <?page no="110"?> 4 Texte überarbeiten Ziel des Überarbeitens ist es, dass Sie die Erfolgsfaktoren, die Sie für den Kommunikationsprozess festgelegt haben, erfüllen. Die Unlust, nach dem Ausformulieren den Text auch noch zu überarbeiten, um dieses Niveau zu erreichen, ist oft groß. Dementsprechend wird das Überarbeiten oft vernachlässigt. Das ist wissenschaftlich ermittelt. (a) Sie werden herausgefordert Typischerweise überarbeiten Sie Ihre Texte bereits etwas während des Ausformulierens. Das erfolgt besonders bei umfangreichen und/ oder schwierigen Texte im zweiten Durchgang. [→ Kap. 3.1 (b) unter „Zwei Durchgänge für umfangreiche/ schwierige Texte“, S. 62.] Sie konnten allerdings, während Sie beim Ausformulieren noch über den Inhalt nachdachten, kaum alle Empfehlungen berücksichtigt haben: kaum alle Wort- und Grammatikfehler beseitigt und alle Sätze in der richtigen Reihenfolge möglichst eindeutig und situationsgerecht verständlich ausformuliert haben. Sie sollten das - zumindest bei umfangreichen und/ oder schwierigen Texten - ja auch nicht versucht haben. [→ Siehe Kap. 3.1 (b) unter „Zwei Durchgänge für umfangreiche/ schwierige Texte“, S. 62.] Dementsprechend bleibt ein erhebliches Verbesserungspotenzial. Sehen Sie eine eigene Phase dafür vor, dieses Potenzial - entsprechend der Wichtigkeit Ihres Textes - auszuschöpfen. Wie viel Zeit für das Überarbeiten vorsehen Sie können das Erstellen von Texten mit dem Erstellen von Software vergleichen: Fachlich und technisch Konzipieren, Programmieren und Testen. Für das Testen wird von vornherein ein erheblicher Zeitbedarf einkalkuliert, nämlich etwa 30 % des gesamten Aufwands. Sie selbst werden gefordert: Nur Sie können überprüfen, ob Sie das, was Sie dachten und ausdrücken wollten, auch ausgedrückt haben. <?page no="111"?> 112 4 Texte überarbeiten Beispiele Manche Doppeldeutigkeiten können am ehesten Sie entdecken (sprachlich doppeldeutig! ): „Der Server wurde von XYZ ausgeliehen.“ [→ Siehe Kap. 3.4 (e) unter „Negativbeispiele für Doppeldeutigkeit“, S. 99.] Die Struktur einer Aufzählung ist nicht deutlich: „A und B oder C“. [→ Siehe die Negativbeispiele in Kap. 3.4 (a) unter „Aufzählungen klar formulieren“, S. 79.] Ihre Kollegen können gut überprüfen, ob Ihr Text sachlich richtig und sogar inhaltlich interessant ist. Zu diesem Zeitpunkt dürften Sie davon ziemlich überzeugt und damit ziemlich betriebsblind sein. Ihre Kollegen sind teilweise besser als Sie in der Lage, Ihren Text hinsichtlich dessen sprachlicher Richtigkeit zu überprüfen. Denn Sie haben ein bestimmtes Vorverständnis von Ihren Formulierungen, das Ihre Kontrollfähigkeit beeinträchtigt [→ Kap. 1.1 (a) Die Sachebene, S. 19]. Das entbindet Sie aber nicht davon, Ihre Möglichkeiten auszuschöpfen. Ignorieren Sie, dass der Text von Ihnen stammt. Sie sind zumindest dann zum Überprüfen in der Lage, wenn Sie dieses etwas geübt haben. Setzen Sie sich für das Überarbeiten sozusagen eine bifokale Brille auf. Überprüfen Sie Ihren Text zum einen aus der Sichtweise Ihres Empfängers: Kann er die Information sprachlich und sachlich verstehen? Wie wird er sie verstehen? [→ Kap. 1.1 (a) Die Sachebene, S. 18] Prüfen Sie Ihren Text zum anderen aus der Sicht eines Lektors. Bei umfangreichen/ schwierigen Texten brauchen Sie wahrscheinlich zwei oder sogar drei Durchgänge [→ siehe im Folgenden unter „Verhältnis der Durchgänge“, S. 119] . Sie sind auch in psychischer Hinsicht gefordert: Sie haben sich angestrengt und sollen jetzt Ihre eigene Arbeit kritisieren. Beispielsweise drängt sich Ihnen auf, etwas als überflüssig zu streichen, was Sie mit Mühe ausformuliert haben, etwa ein Beispiel, das leider nicht passt. Es hilft nichts. Sie sollten das streichen. - Manchmal wissen Sie nicht so recht, wo etwas hingehört. Dann gehört es in den Papierkorb. Sie können sich ein bisschen damit trösten, dass Sie beim Ausformulieren ja noch nicht Ihr Zielniveau erreichen wollten und auch nicht sollten. Ich putsche mich mit dem Gedanken auf, dass das Verbesserungspotenzial naturgegeben ist (außerdem bin ich vom Programmieren her gewohnt, dass Fehler einfach vorkommen und Verbesserungsbedarf besteht). <?page no="112"?> 113 Wenn Sie einen Kollegen oder eine Kollegin einschalten, haben Sie ein anderes psychisches Problem: Er/ Sie wird Hemmungen haben, Ihren Text zu kritisieren. Sie müssen ihm/ ihr den Eindruck vermitteln, dass Sie für Verbesserungsvorschläge offen und sogar dankbar sind. Auftragnehmer können Vorgehensweisen dazu in ihren Projektrichtlinien vorsehen, insbesondere für wichtige Dokumente wie Leistungsbeschreibungen. (b) Ihr Vorgehen Legen Sie möglichst eine Pause ein, bevor Sie sich ans Überarbeiten machen, damit Sie einen gewissen Abstand zu Ihrem Text gewinnen. Wenn Emotionen im Spiel sind - eher bei kurzen Texten -, sollten Sie den Rat befolgen, dass man etwas überschlafen soll, bevor man reagiert. [→ Siehe Kap. 1.3 unter „Zeitplan für Schreibvorhaben“, S. 31.] Beispiel Manchmal habe ich Antwortschreiben an einen gegnerischen Rechtsanwalt erst einmal so diktiert, dass ich meinen Ärger und meinen Spott über ihn nicht zurückhielt. Am nächsten Tag milderte ich den Ton ab (soweit meine Sekretärin das nicht sowieso schon beim Schreiben getan hatte). Planen Sie wenn möglich einen so langen Zeitraum ein, dass Sie den gesamten Text in einem Zug überarbeiten können, bei langen Texten zumindest jeweils einen großen, relativ selbstständigen Abschnitt. Denn Sie brauchen einen Überblick, um den Text auf Konsistenz, Wiederholungen usw. zu überprüfen. Legen Sie einen Zettel neben sich auf den Schreibtisch, um sich Notizen zu machen, wenn Ihnen etwas einfällt, was Sie alsbald, aber nicht sofort abarbeiten sollten. Sie sollten Ihre jetzige Tätigkeit nicht dafür unterbrechen, um auf eine andere Stelle ihres Textes oder sogar auf mehrere zu springen, um dort etwas zu bearbeiten. Beispiel Sie ändern eine Überschrift, auf die von anderen Stellen aus verwiesen wird. Sie sollten jetzt erst einmal die Auswirkungen an dieser Stelle abarbeiten, beispielsweise prüfen, ob Sie wegen dieser Änderung den folgenden einleitenden Text ändern sollten. Die Verweise von anderen Stellen aus können Sie beim Abarbeiten Ihrer Notizen anpassen. Texte überarbeiten <?page no="113"?> 114 4 Texte überarbeiten Durchgang „Gründliches Durcharbeiten“: Dieser Durchgang könnte formal einfach beschrieben werden: Haben Sie in Ihrem Text gegen (wichtige) Empfehlungen verstoßen? Sie würden dann im Wesentlichen den Wortlaut von Sätzen verbessern Sie würden an der Oberfläche bleiben, nämlich an der leichten Lesbarkeit und der sprachlichen Verständlichkeit. Das ist durchaus positiv, aber erst in einem dritten Durchgang. [→ Siehe im Folgenden unter „Durchgang ‚Ein Sprachprogramm vorlesen lassen‘“, S. 117.] Jetzt geht es auch noch um den Inhalt. Überprüfen Sie zuerst den Aufbau insgesamt, unterstützt durch Ihre Gliederung, ggf. verkörpert in einem Inhaltsverzeichnis: Haben Sie Ihr - fortgeschriebenes - Konzept umgesetzt? Lesen Sie sodann die Auflistung Ihrer Begriffe durch, um sich diese zu vergegenwärtigen, sodass Sie im Folgenden besser überprüfen können, ob Sie diese einheitlich verwendet haben. Konzentrieren Sie sich beim Lesen auf den jeweiligen Gedankengang: Kann der Empfänger diesen Schritt für Schritt nachvollziehen? Lücken in der Argumentation können insbesondere dadurch entstehen, dass Sie Ihrem Empfänger(-kreis) zu viel Vorwissen unterstellen [→ Kap. 1.1 (a) Die Sachebene, S. 19]. Bleiben Sie im Gedankengang. Wenn Sie etwas außerhalb des Gedankengangs verbessern wollen, sollten Sie das nur stichpunktartig notieren (auf dem Notizzettel oder im Textdokument) und dann mit der Arbeit bis zum Ende des Gedankengangs oder des Abschnitts fortfahren. Sie werden auch bei dieser Konzentration auf die Gedankengänge wahrscheinlich automatisch auf sprachliche Fehler und unklar formulierte Sätze aufmerksam werden, auf zu lange Sätze erst recht. Sie brauchen also nicht so sehr bewusst auf die Konstruktion Ihrer Sätze zu achten. Denken Sie an die Verständlichkeit. Wenn eine größere Verbesserung ansteht, dann schalten Sie in den Modus „Konzipieren“ (im Kleinen) und dann in den Modus „Ausformulieren“. Wenn Sie diese Verbesserung erledigt haben, schalten Sie wieder in den Modus „Überarbeiten“ (etwas vor dem Beginn der Verbesserung! ). Es geht weniger darum, dass Sie auf die Einhaltung der vielen Empfehlungen achten, als darum, dass Sie aufmerken, wenn Sie etwas stört. Überlegen Sie dann für Ihre Verbesserung, welche Empfehlung Sie nicht oder nicht ausreichend beachtet haben. <?page no="114"?> 115 Seien Sie vorsichtig, wenn Sie meinen, einen Fehler gefunden zu haben. Das kann offensichtlich der Fall sein, etwa bei Fehlern in Formulierungen. Sonst gilt: Sie haben beim Konzipieren und Ausformulieren wahrscheinlich gründlicher nachgedacht, als Sie das jetzt tun. Halten Sie also inne und überlegen, ob es sich wirklich um einen Fehler handelt. Überprüfen Sie, ob Sie den gesamten Inhalt, den Sie haben schreiben wollen, auch geschrieben haben. Diese Frage sollten Sie jeweils am Ende eines Gedankengangs sowie eines größeren Abschnitts stellen. Rechtschreibkontrolle: Diese sollten Sie am Ende des gründlichen Durcharbeitens auf jeden Fall durchführen. - Wenn Sie diesen Prüflauf noch nicht am Ende des Ausformulierens gemacht haben, dann holen Sie diesen erst einmal zu Beginn des gründlichen Überarbeitens nach, um sich während des Durcharbeitens nicht mit Kleinkram beschäftigen zu müssen. Erhöhen Sie die Verständlichkeit: Es geht vorrangig darum, Sätze oder sogar ganze Absätze umzuformulieren statt diese gemäß den Empfehlungen zu verbessern. Denken Sie mehr an die inhaltliche Verständlichkeit als an die leichte Lesbarkeit. Beispiel Es geht in Kap. 2.2 (c) um die Frage, welches Medium man für die Erstellung des Konzepts verwenden solle. Ursprünglich lautete der Absatz: „Es bleibt die Frage nach der Effektivität und der Effizienz. Bei allen Medien werden Sie das spätere Textdokument am Bildschirm entwickeln. Die Antworten richten sich also nach den Auswirkungen des Mediums auf das Konzipieren und auf den Übergang zum Textdokument am Bildschirm.“ Umformuliert lautet der Absatz: „Es stellen sich also zwei miteinander verknüpfte Fragen: Welchen Einfluss hat das Medium auf das Denken? Welche Effektivität und welche Effizienz hat der Medieneinsatz selbst? “ Manchmal werden Sie auf einen Satz stoßen, bei dem das Umformulieren aussichtslos erscheint. Bevor Sie an ihm herumdoktern, formulieren Sie ihn lieber insgesamt neu. Wahrscheinlich stimmt der Satz auch inhaltlich nicht. Texte überarbeiten <?page no="115"?> 116 4 Texte überarbeiten Auch Maßnahmen zum Bearbeiten bieten sich an: Verlängern Sie Ihren Text (auch um dessen Eindeutigkeit zu erhöhen), indem Sie Wörter einfügen, Beispiel für das Einfügen von Wörtern Zum Zeitpunkt, der für ein Gespräch über das Konzept passt, habe ich in einer früheren Fassung geschrieben [→ Kap. 2.2 (f), S. 53] : „Dieser Zeitpunkt hat den Vorteil, dass über das Konzept gesprochen wird. Bei einer Diskussion über den ersten Entwurf wird das Konzept nicht so schnell sichtbar …“ Ein Gespräch über den ersten Entwurf kann erst stattfinden, nachdem dieser erstellt worden sein wird. Es ist also überflüssig, auf diese zeitliche Reihenfolge hinzuweisen. Es erleichtert allerdings das Verständnis, das Wort „späteren“ einzufügen (oder sogar „erst späteren“): „Bei einer späteren Diskussion über den ersten Entwurf wird das Konzept nicht so schnell sichtbar.“ indem Sie Sätze aufteilen, indem Sie Beschreibungen ergänzen und Beispiele einfügen. Kürzen Sie Ihren Text, indem Sie Wörter vereinfachen (es lohnt kaum, daran zu denken! ), indem Sie Sätze vereinfachen, Übungsbeispiel Nicht: „Anschließend erfolgt eine detaillierte Schätzung des Aufwandes für die einzelnen Arbeitspakete. Liegen Projekte mit einem sehr hohen Innovationsgrad oder sehr hohen Unsicherheiten vor, können möglicherweise keine genauen Aufwandschätzungen vorgenommen werden.“ Sondern: „Anschließend wird der Aufwand für die einzelnen Arbeitspakete detailliert geschätzt. Bei Projekten mit einem sehr hohen Innovationsgrad oder mit sehr hohen Unsicherheiten kann der Aufwand möglicherweise nicht genau geschätzt werden.“ indem Sie mehrere Sätze zusammenfassen, Beispiel „Ich hatte das meiner Mandantin zu berichten. Ich tat das, ohne zu gendern.“ <?page no="116"?> 117 Zusammengefasst: „Ich berichtete das meiner Mandantin, ohne zu gendern.“ indem Sie in Sätzen Überflüssiges streichen, indem Sie überflüssige Ausführungen streichen. Änderungen verursachen Anpassungsbedarf: Jeder Satz ist Teil eines Gewebes. Mit jeder Änderung beim Überarbeiten greifen Sie in dieses Gewebe ein. Das kann sich in dessen unmittelbarer Nähe auswirken. Wenn Sie beispielsweise einen Satz ändern oder streichen oder einfügen, kann das den Übergang zum nächsten Satz stören. Das entdecken Sie sofort. Fernwirkungen zu finden kann schwieriger sein. Formale können naheliegen, beispielsweise dass Verweise nicht mehr stimmen. Überprüfen Sie also jede Änderung daraufhin, ob diese anderswo eine Diskrepanz verursacht haben könnte. Diese könnte formal sein, kann sich aber auch darauf beziehen, ob Ihr Text noch konsistent ist. Durchgang „Ein Sprachprogramm vorlesen lassen“: Man übersieht beim Lesen manches, man überhört beim Hören manches. Aber es ist relativ unwahrscheinlich, dass man etwas zugleich überliest und überhört. Also machen Sie beim Überarbeiten Ihres Textes einen kombinierten Durchgang aus Hören und Lesen: Hören Sie sich den Text an und lesen Sie ihn zugleich mit. Das Hören und Mitlesen macht Sie auf Fehler und Schwächen aller Art aufmerksam, insbesondere auf die nicht einheitliche Wortwahl und auf unnötige Wiederholungen im Kleinen. Die Vorlesesprache ist monoton und (bei WORD) etwas verlangsamt. Das mag anfangs etwas stören. Aus funktionaler Sicht ist das allerdings positiv: Beim Vorlesen ohne Sprechmelodie hören Sie genauer zu, und Sie haben noch etwas Zeit, sich in die Formulierungen einzufühlen. Auch spielt die Psychologie eine Rolle: Sie nehmen den Text nicht so als von Ihnen stammend wahr und merken Unklarheiten und andere Schwächen eher [→ vgl. hier (a) unter „Sie selbst werden gefordert“, S. 111]. Lassen Sie sich jeweils einen Abschnitt von etwa eineinhalb bis zwei Seiten vorlesen ohne zu unterbrechen. Markieren Sie dabei die Stellen, mit denen Sie sich anschließend noch einmal befassen wollen. Sie haben dann noch im Kopf, was Sie bei den Markierungen störte. Machen Sie diesen Durchgang „Vorlesen lassen“ nach dem Durchgang „Gründliches Durcharbeiten“. Denn beim letzteren geht es vorrangig um den Inhalt; bei diesem bleiben Sie mehr an der Oberfläche. Texte überarbeiten <?page no="117"?> 118 4 Texte überarbeiten Sie haben auch schon einigen Kleinmist auf der Oberfläche mit Hilfe des Rechtschreibprogramms beseitigt, sodass Sie beim gründlichen Durcharbeiten nicht mehr so sehr durch Kleinmist abgelenkt werden. So nehmen Sie auch das wahr, was Sie durch das gründliche Durcharbeiten an neuem Kleinmist auf der Oberfläche verursacht haben und noch beseitigen müssen. Wenn Sie andersherum vorgehen, haben Sie noch weniger Lust, sich noch ein zweites Mal mit Verbesserungen an der Oberfläche zu beschäftigen. Das Verhältnis zu dem im Folgenden beschriebenen Durchgang „Ausdrucken und Überarbeiten“ wird nach diesem besprochen. Durchgang „Ausdrucken und Überarbeiten“: Auch wenn Sie den Text schon gründlich durchgearbeitet haben, sollten Sie diesen trotzdem ausdrucken und sich noch einmal ans Verbessern machen. Vermutlich werden Sie erstaunt sein, wie viele sachliche und sprachliche Fehler Sie finden werden. Auch Fehler, die daraus entstanden sind, dass Sie Änderungen vorgenommen, diese aber nicht vollständig durchgezogen haben. - Sie werden auch manches, was schon ordentlich ist, verbessern. Dass diese Maßnahme so nützlich ist, hat viel mit den Umständen zu tun. Sie können den ausgedruckten Text besser lesen: Der Kontrast ist besser, Sie blicken nicht geradeaus, sondern leicht nach unten (wäre Ihr Blick zu sehr nach unten gerichtet, könnten Sie das ausgleichen, indem Sie die ausgedruckten Seiten leicht hochheben). [→ Siehe Kap. 3.1 (a) unter „Leserlichkeit ‒ …“, S. 56.] Diese Empfehlung gilt selbst dann, wenn der Ausdruck dasselbe Schriftbild wie das auf dem Bildschirm hat. Denn das Lesen am Bildschirm ist für das Auge anstrengend, dadurch werden Fehler leicht übersehen. ‒ Sie können auf ausgedruckten Seiten den Aufbau Ihres Textes besser kontrollieren. Sie können blättern und Textteile über die Seiten hinweg vergleichen. Sie gehen dann auch sachgerechter vor: Sie ziehen sich eher für diese Aufgabe zurück, sehen eher Zeit für diese vor und konzentrieren sich auf die Aufgabe. Drucken Sie den Text schmaler als im Textdokument aus, damit Sie mehr Platz für die Bearbeitung haben. Sie können zusätzlich dadurch Platz schaffen, dass Sie den linken Rand schmaler machen. Wann die Verbesserungen ausformulieren: Machen Sie Ihre Entscheidung davon abhängig, wann das sachgerecht ist. Der Zeitbedarf könnte eine Rolle spielen, tut das aber bei dem im Folgenden vorgeschlagenen Vorgehen kaum. <?page no="118"?> 119 Formulieren Sie jetzt alles übernahmereif aus. Jetzt sind Sie im Zusammenhang. Würden Sie sich nur Notizen machen, müssten Sie sich später erneut eindenken. Sie würden noch weniger Lust dazu haben. Sie würden manchmal nicht mehr nachvollziehen können, was Sie in einer Notiz haben ausdrücken wollen. Wenn Sie jetzt die Verbesserungen sauber formulieren, ist der zusätzliche Zeitaufwand im Verhältnis zum Notizen machen eher gering. Sie können die Verbesserungen später in einem Routinevorgang in das Textdokument übernehmen, teilweise per Sprachprogramm. Sie können sich jetzt auch erst einmal Notizen machen und diese abarbeiten, sobald Sie einen Einschnitt im Text haben. Dann können Sie sich noch daran erinnern, was Ihre Notizen bedeuten [→ vgl. die Problematik vorstehend unter „Durchgang ‚Ein Sprachprogramm vorlesen lassen‘“] . Allerdings: Schon beim Erstellen eines Konzepts sollten Sie es sich eher ersparen, ganze Sätze händisch aufzuschreiben [→ Kap. 2.2 (c) unter „Vorgehen am Beispiel Papier“, S. 33] . Das gilt erst recht, wenn Sie jetzt mehrere Zeilen Text handschriftlich erheblich ändern wollen: Denn der würde unübersichtlich werden, und dessen Übernahme in das Textdokument würde aufwendig werden. Skizzieren Sie sich solche Änderungen und formulieren Sie diese dann gleich im Textdokument. - Kopieren Sie den bisherigen Text erst einmal, um auf diesen zurückgreifen zu können, sei es zur Sicherheit oder zum Erleichtern des Umformulierens (zum Beispiel unterhalb des Textes, den Sie jetzt ändern wollen). Wenn eine größere Änderung ansteht: Entscheiden Sie über Ihre Vorgehensweise danach, ob der Platz auf dem Ausdruck überhaupt für handschriftliche Änderungen ausreichen dürfte. Verhältnis der Durchgänge: Der Durchgang „Gründliches Durcharbeiten“ ist unverzichtbar und gehört an den Anfang. [→ Siehe vorstehend unter „Durchgang ‚Ein Sprachprogramm vorlesen lassen‘“, S. 117.] Drei Durchgänge machen: Es stellt sich die Frage nach der Reihenfolge der beiden weiteren Durchgänge. Der Durchgang „Vorlesen lassen“ ersetzt nur teilweise den Durchgang „Ausdrucken und Überarbeiten“. Denn er dient im Wesentlichen nur dazu, die Oberfläche zu verbessern. Beim Überarbeiten des ausgedruckten Textes können Sie hingegen Verbesserungen leichter einarbeiten. Wenn Sie den Durchgang „Ein Sprachprogramm vorlesen lassen“ voranstellen, verringern Sie zwar den Umfang der Aufgaben im folgen- Texte überarbeiten <?page no="119"?> 120 4 Texte überarbeiten den Durchgang „Ausdrucken und Überarbeiten“ und können bei jenem mehr auf den Inhalt und die Verständlichkeit eingehen. Außerdem können Sie in diesem Durchgang die formalen Fernwirkungen einfacher handhaben (Sie arbeiten bereits am elektronischen Dokument). Sie nehmen sich bei dieser Reihenfolge allerdings die Möglichkeit, die Änderungen, die Sie im Durchgang „Ausdrucken und Überarbeiten“ vornehmen, durch den folgenden Durchgang „Vorlesen lassen“ zu kontrollieren. Sie werden Ihren Text also noch einmal kontrollieren müssen. - Das würde zwar nur punktuell nötig werden, doch würde Ihnen das ziemlich auf die Nerven gehen. Deswegen der Vorschlag: Wenn Sie in dieser Reihenfolge vorgehen, dann kontrollieren Sie nach jeder Übernahme einer Änderung ins Textdokument als kleinen Arbeitsschritt, ob diese richtig ist. Nur zwei Durchgänge machen: Drei Durchgänge könnten Ihnen auch bei umfangreichen/ schwierigen Texten zu viel sein. Welchen von den beiden weiteren sollten Sie als zweiten auswählen? Bei schwierigen Texten wegen der besseren Möglichkeiten zum inhaltlichen Überarbeiten eher den Durchgang „Ausdrucken und überarbeiten“. Denken Sie dabei besonders an die Verständlichkeit und kontrollieren Sie nach jeder Übernahme einer Änderung im Textdokument bewusst, ob diese richtig ist. Zu Rechtschreib- und Wortfehlern: Nehmen Sie den folgenden Erfahrungssatz ernst: Je geübter ein Schreiber im Lesen ist, desto häufiger übersieht er Rechtschreibfehler, insbesondere solche in bekannten Wörtern. Sein Gehirn ist darauf ausgerichtet, diese Fehler automatisch zu korrigieren. Wenn Sie Ihren Text über ein Sprachprogramm erfasst haben, ist die sorgfältige Kontrolle noch wichtiger. Denn dieses hat beim Umsetzen der Sprache in Text hochwahrscheinlich Fehler produziert. Das kann daran liegen, dass das Programm ein Wort nicht kennt. Dann setzt es nur einen Teil von diesem um oder wählt das nächst-ähnliche Wort aus. Meist liegt es daran, dass das Wort nicht deutlich genug diktiert worden ist. Beispiel aus der Entstehungszeit des Buchs Statt „kein“ erschien „ein“. Beim Durchgang „Ein Sprachprogramm vorlesen lassen“ haben Sie die besten Chancen, diese Fehler zu finden. <?page no="120"?> 121 Briefe und E-Mails: Alle Schreiben sollen wie andere Texte überarbeitet, also zumindest einmal kontrolliert werden. Dafür ist ein gewisser zeitlicher Abstand förderlich („Überschlafen“), zumal Schreiben mehr emotionale Aussagen als andere Texte enthalten. Die Kontrolle von E-Mails ist besonders wichtig. Denn tendenziell werden diese weniger verständlich und vorsichtig abgefasst, enthalten mehr sachliche Fehler und mehr Emotionen [→ Kap. 3.6 unter „E- Mails“, S. 109] . Für den Rechtsanwalt der Gegenseite können E-Mails eine Fundgrube für Beweise sein. Texte überarbeiten <?page no="122"?> 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte Dieses Kapitel ergänzt die Kapitel 2 und 3. Es enthält Empfehlungen zum Formulieren von vertragsbezogenen Texten. Schwerpunktmäßig richtet es sich an Projektleiter [→ siehe „Nutzerhinweise“ unter „Vertragsbezogene Texte“, S. 7] . Andere Projektmitarbeiter sollten dieses Kapitel wie in den Nutzerhinweisen empfohlen mehr oder weniger lesen: mit oder ohne die Passagen in der besonderen Schriftart für Projektleiter. Das Kapitel ist auf Verträge ausgerichtet, bei denen Sie - innerhalb Ihres Aufgabenbereichs - viel Fließtext zu formulieren haben (Gegenteil: Leistungsverzeichnisse für Bauvorhaben). Für das, was Sie - gleich auf welcher Seite - beim Abschluss des Projektvertrags oder von Zusatzaufträgen zu formulieren haben, steht die Leistungsbeschreibung. Diese enthält die vom Auftragnehmer zu erbringenden Ergebnisse, die Leistungsdurchführung und die vom Kunden zu zahlende Vergütung. Kapitel 5.2 und 5.3 bezieht sich auf das Ausformulieren von Texten im Zusammenhang von Verträgen allgemein, Kapitel 5.4 bis 5.7 auf das Ausformulieren der Leistungsbeschreibung. Kapitel 5.8 und 5.9 handeln Dokumente ab, die im Rahmen der Durchführung eines Projektvertrags anfallen: von einem Protokoll, beispielsweise dem zum Kick-off-Meeting, bis zur Abnahmeerklärung und zum Abschlussbericht. PR-Vertragsrecht: In diesem Kapitel verweise ich auf mein Buch „Vertragsrecht für Projektleiter“ mit der Abkürzung „PR-Vertragsrecht“. 5.1 Das Konzept für Dokumente in Ihrem Aufgabenbereich Ein Vertrag enthält inhaltlich gesehen einen Rahmen (zumindest mit den Bezeichnungen der Vertragspartner und den Unterschriften, manchmal auch mit einer Präambel) und Vereinbarungen zu den Leistungen und der Durchführung der Leistungen (hier: „Leistungsbeschreibung“ genannt) sowie rechtliche Vereinbarungen, beispielsweise zur Haftung oder zum Datenschutz. <?page no="123"?> 124 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte Formal kann der Vertrag in das zentrale Vertragsdokument (mit dem Rahmen) und in Anlagen aufgeteilt werden. Die Leistungsbeschreibung kann Teil des zentralen Vertragsdokuments sein oder als Anlage ausgelagert werden. Dasselbe gilt für den rechtlichen Teil (als Anlage: „AGB“). Die Spezifikation beschreibt die Anforderungen an die Ergebnisse detailliert, gleich welche Seite diese erstellt. Die Leistungsbeschreibung kann so detailliert abgefasst sein, dass sie die Spezifikation bereits enthält. Ihre Organisation braucht erst einmal ein Gesamtkonzept zu Projektverträgen sowie gemäß diesem entwickelte Vorlagen für den rechtlichen Teil und für die Leistungsbeschreibung. Beginnt das zentrale Dokument mit dem rechtlichen Teil (in Paragrafen gegliedert, wie Sie das von Juristen kennen), drängt es sich auf, die Leistungsbeschreibung weitgehend auszugliedern. Beginnt das zentrale Dokument mit der Leistungsbeschreibung, kann der rechtliche Teil ans Ende gesetzt oder in AGB ausgelagert werden. [→ Zur ersten Variante siehe „Beispiel für den Aufbau Projektvertrag …“ in Kap. 2.2 (b) unter „Vorrangig strukturieren …“, S. 39.] Mit dem an einer Leistungsbeschreibung ausgerichteten Aufbau hat man einen roten Faden: Wer soll was wann wie machen? Wie sollen die Vertragspartner sich abstimmen? Das Dokument kann um Anlagen ergänzt werden, beispielsweise für eine ausgegliederte Spezifikation. Weiterhin stellt sich die Frage, wie das zentrale Vertragsdokument und gegebenenfalls die ausgelagerte Leistungsbeschreibung sprachlich abgefasst werden sollen: Im Stile eines Schreibens („wir“ - „Sie“). Das zentrale Vertragsdokument kann in einem Briefwechsel enthalten sein. Im Stile eines formalen Vertrags („Auftragnehmer“ - „Kunde“). Die sprachliche Seite von Vorlagen : Bei Verträgen sollte verstärkt der Auftragnehmer einiges beachten, abgeschwächt auch der Kunde. Verwenden Sie für jeden Vertragspartner stets nur eine Bezeichnung. Übernehmen Sie in Nachträgen die Bezeichnungen im zentralen Dokument. Negativbeispiele Der Auftragnehmer bezeichnet den Kunden in einem Angebot abwechselnd als „Kunde“, „Käufer“, „Auftraggeber“, „AG“ oder „Lizenznehmer“. <?page no="124"?> 5.1 Das Konzept für Dokumente in Ihrem Aufgabenbereich 125 Ähnlich sind manche Parteibezeichnungen am Anfang eines Vertrags formuliert: „Die Firma XXX, im Folgenden als ‚XXX‘ ‚Kunde‘, ‚Käufer‘, ‚Auftraggeber‘ oder ‚AG‘ bezeichnet, …“ - Da wurde wahrscheinlich viel Text aus fremden Dokumenten in die eigene Vorlage übernommen. Wenn der Kunde andere Begriffe in den Vertragsentwurf des Auftragnehmers aufnehmen will als die, die der Auftragnehmer üblicherweise verwendet, oder wenn der Kunde Begriffe des Auftragnehmers anders als dieser versteht, sollte dieser solche Begriffe in einer internen Liste gegenüberstellen. Wenn der Kunde Vertragsdokumente erstellt, gilt die vorstehende Empfehlung verstärkt: Der Auftragnehmer sollte eine Prozedur dahingehend einführen, dass der Vertrieb die Begriffe des Kunden mit den eigenen vergleicht und Unterschiede in einem Protokoll aufnimmt. Der Vertrieb sollte die Liste vor den Schlussverhandlungen erstellen, um noch auf die Begriffe in den Vertragsdokumenten einwirken zu können; er kann die Liste im Rahmen des internen Kickoff-Meetings an sein Projektteam übergeben. Vertriebsmitarbeiter sollen diejenigen Begriffe verwenden, die ihre Organisation ihnen vorgegeben hat, sei es in Vorlagen für Angebote, in Handbüchern für die Abwicklung von Kundenprojekten oder in AGB. Die Kunden werden ohnehin mit diesen Begriffen konfrontiert werden. Negativbeispiel Die AGB des Auftragnehmers sprechen von der Lieferung neuer „Versionen“ von Standardsoftware im Rahmen der „Pflege“. Ein Mitarbeiter schreibt aber in einem Angebot, dass neue „Releases“ bei „Wartung“ unentgeltlich geliefert werden. Wenn der Kunde während der Projektdurchführung einfach nur die bei ihm üblichen Begriffe und damit andere als die in den Vertragsdokumenten verwendet, sollte der Auftragnehmer ebenso eine Liste aufstellen und in das Projekt einführen. Die Leistungsbeschreibung: Das ist Ihr Thema, gleich ob diese integriert oder als Anhang abgefasst wird. Die rechtlichen Textteile möge Ihre Organisation in der Vorlage für das zentrale Dokument unter „Sonstige Vereinbarungen“ oder in einem gesonderten Dokument „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ aufnehmen. <?page no="125"?> 126 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte [→ Siehe für Auftragnehmer Kap. 6 unter „Anforderungen an Allgemeine Geschäftsbedingungen“, S. 159 22 ] DIN 69901 Leistungsverzeichnis: Die Leistungen sind bereits technisch konkret beschrieben (beispielsweise bei Ausschreibungen). Lastenheft (Aufgabenstellung des Kunden) und Pflichtenheft (Lastenheft des Kunden vom Auftragnehmer in eine Lösung umgesetzt): Die Leistungen sind funktional beschrieben. Die Anforderungen des Kunden können technisch detailliert beschrieben werden oder funktional (in der Weise, welche Aufgaben zu lösen sind). Die Beschreibungsweisen können auch kombiniert werden. Es kann sich anbieten, eine detaillierte Beschreibung in ein eigenes Dokument, die „Spezifikation“, aufzunehmen. [→ Zur Formulierung von Spezifikationen siehe Kap. 5.7, S. 147.] Der Auftragnehmer sollte mit einer Einführung in die Aufgabenstellung beginnen: mit der Situation des Kunden und der allgemein gehaltenen Formulierung zur Lösung/ zum Ergebnis (= Herold und König). [→ Siehe „Beispiel für den Aufbau … Projektvertrag …“ in Kap. 2.2 (b) unter „Vorrangig strukturieren …“, S. 25.] Die Projektdurchführung rutscht in das Dokument hinein, beispielsweise: Wie weit geht die Leistung des Auftragnehmers bei den einzelnen Positionen? Wann und wie muss der Kunde mitwirken? Der weitere Aufbau der Leistungsbeschreibung wird durch deren sachlichen Inhalt bestimmt. Ihre Organisation sollte dazu Vorlagen gemacht haben. 23 22 Es geht bei dieser Entscheidung nicht darum, ob durch „Sonstige Vereinbarungen“ die Inhaltskontrolle von AGB durch das AGB-Recht vermieden werden kann. Denn auch „Sonstige Vereinbarungen“ enthalten AGB im Rechtssinne, weil diese für den mehrfachen Gebrauch vorformuliert sind. 23 Sie finden Vorschläge im Internet. Diese behandeln die Vertragsdurchführung, insbesondere die Mitwirkung des Kunden, je nach dem Projekttyp oft nur kurz. Die Vorschläge zum Bauwesen sind auf sehr detaillierte technische Leistungsbeschreibungen mit wenig Fließtext ausgerichtet („Leistungsverzeichnisse“). <?page no="126"?> 5.2 Allgemeine Empfehlungen zum Ausformulieren 127 5.2 Allgemeine Empfehlungen zum Ausformulieren Bei den Texten in Ihrem Aufgabenbereich kommt es besonders darauf an, dass Sie möglichst eindeutig und situationsgerecht verständlich formulieren, als Auftragnehmer auch vorsichtig. Wann und wie auch immer es zu einem Streit über den Inhalt eines Dokuments kommt: Dessen Wortlaut kann von entscheidender Bedeutung sein. [→ Siehe schon Kap. 1.1 unter „Geschäftliche Erklärungen“, S. 24.] Vor dem Abschluss eines Vertrags motiviert es einen wenig, beim Schreiben Aufwand zu erbringen, um künftige Auseinandersetzungen zu vermeiden oder abzuschwächen, zumal man zu diesem Zeitpunkt überzeugt ist, dass der große Streit nie kommen werde. Dank eines solchen Aufwands lassen sich aber zumindest viele kleine und mittlere Auseinandersetzungen vermeiden oder abschwächen. [→ Siehe schon Kap. 3.2 (a) unter „Inoffizielle weitere Leser“, S. 67.] Und niemand kann vorhersehen, ob es nicht doch zu einer großen Auseinandersetzung kommt. Bedenken Sie auf der Auftragnehmerseite die Faustregel, dass zehn erfolgreich durchgeführte Projekte erforderlich sind, um den Verlust aus einem gescheiterten auszugleichen. Nicht-Juristen sind auch deswegen wenig motiviert, weil sie sich ungern mit einem weiteren Fachgebiet beschäftigen und besonders ungern mit einem unsympathischen wie der Juristerei. Alles erscheint so unklar: „Man kann nichts richtigmachen! “ Warum sollte man sich da bemühen! Sie können in dem Bereich, in dem Sie zuständig sind, etwas machen! Denn Ihre Aufgabe verlangt kaum juristisches Wissen. Bauen Sie eine Abwehrhaltung ab. Sie brauchen nicht viel Rechtliches zu regeln : Sie beschreiben die Leistungen und die Projektdurchführung und schaffen damit Rechte und Pflichten. Sie brauchen sich nur wenig um die rechtliche Seite zu kümmern. Sie können es sich erfreulicherweise leicht machen: Sie können sich darauf verlassen, dass eine ziemlich vernünftige Vertragsrechtsordnung ergänzend alles das regelt, wozu die Vertragspartner nichts ausdrücklich vereinbaren [PR-Vertragsrecht, Kapitel 3.1] . Die Vorschriften des Vertragsrechts sind allerdings teilweise vage. Nur so kann es alles regeln. Die Vagheit hat zur Konsequenz, dass die Vertragspartner die Vorschriften im Hinblick auf ihre jeweilige Interessenlage gegensätzlich interpretieren können [PR-Vertragsrecht, Kapitel 3.3] . Deswegen <?page no="127"?> 128 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte empfiehlt es sich, dass Sie diejenigen Punkte, auf die es nach Ihrer Auffassung im jeweiligen Vertrag ankommt, konkret regeln. Beispiel Im BGB steht sinngemäß, dass Leistungen, die erst noch erstellt werden müssen, „zügig“ zu erstellen sind. Darüber, was „zügig“ bedeutet, können die Vertragspartner verschiedener Meinung sein. Deswegen sollten Sie den Liefertermin bei Bedarf ausdrücklich festlegen, besser noch einen Terminplan [→ Kap. 5.6 unter „Zu Terminen“, S. 147] . Vertragsfreiheit: Mit Ihren Vereinbarungen konkretisieren Sie möglicherweise nur die Vorschriften des Vertragsrechts; möglicherweise weichen Sie von diesen ab. Auch zu letzterem sind Sie fast immer berechtigt. Denn die meisten Vorschriften sind nicht zwingend, sondern nachgiebig, erlauben also abweichende Vereinbarungen. Es gibt zwar Grenzen für die Vertragsfreiheit; diese stören aber nur, wenn Ihre Organisation in AGB etwas unfair formulieren will oder wenn Sie in einem individuellen Vertrag etwas ganz unfair regeln wollten [PR-Vertragsrecht, Kapitel 3.1.2] . Wenn Sie eine Vorschrift des Vertragsrechts konkretisieren, achten Sie darauf, dass Sie Ihre Regelung vollständig formulieren [→ siehe zur parallelen Situation, ein Dokument mit AGB zu ändern, hier unter „Von AGB abweichende Vereinbarungen treffen“, S. 131] . Den Vertragstyp vereinbaren: Das Thema wird gerne diskutiert. Der Vertragstyp entscheidet darüber, welche Vorschriften des Vertragsrechts ergänzend eingreifen. Welcher Vertragstyp im Einzelfall vorliegt, ergibt sich aus den vereinbarten Leistungen. Wenn der Kunde „Werkvertrag“ über den Vertrag schreibt, bei dem es um Unterstützung geht, bleibt dieser ein Dienstvertrag [PR-Vertragsrecht, Kapitel 2.3] . - In der Praxis ist das Thema zweitrangig. Man braucht die Einordnung fast nur, wenn es erhebliche Probleme gibt. Regeln Sie die Leistungen sachgerecht. Dann ergibt sich daraus der Vertragstyp. Bleiben Sie bei Ihrer normalen Sprache: „Juristendeutsch“ ist laut DUDEN die „komplizierte und unverständliche Ausdrucksweise der Juristen“. Es besteht also kein Grund dafür, den Juristen nachzueifern. Trotzdem wird das oft getan: „Verträge müssen doch gewichtig klingen.“ Harmlose Negativbeispiele (1) „Gilt als vereinbart“ taucht immer wieder auf. Ähnlich wird gerne formuliert, dass etwas nicht nur „vereinbart“, sondern „einverständlich vertraglich vereinbart“ wird. <?page no="128"?> 5.2 Allgemeine Empfehlungen zum Ausformulieren 129 (2) Manchmal lassen sich ganze Sätze einsparen, weil deren einzige Funktion juristisches Gehabe ist: So hieß es am Ende eines Angebots, in dem bereits ein Unterschriftsfeld auch für den Kunden vorgesehen war: „Bei gegenseitiger Unterzeichnung kann dieses Angebot als schriftliche Bestellung erachtet werden.“ Sie fassen Vereinbarungen schriftlich ab: Das hat erst einmal noch nichts mit der Schriftform zu tun. Sie können also mündliche Nebenabreden treffen, müssen allerdings beweisen, dass diese vereinbart worden sind. Vorsichtshalber sollten Sie alle Vereinbarungen schriftlich treffen. Sie können auch vereinbaren, dass alle Vereinbarungen schriftlich getroffen werden müssen (Schriftform), damit sich der andere Vertragspartner nicht darauf berufen kann, dass mündliche Vereinbarung getroffen worden seien, etwa im Laufe der Projektdurchführung. Dann ist es umso wichtiger, dass Sie alle Vereinbarungen schriftlich abfassen und dass die andere Seite diese schriftlich bestätigt. [→ Zur Schriftform bei E-Mails siehe hier Kap. 5.8 unter „E-Mails formulieren“, S. 151, zur Schriftform allgemein siehe PR-Vertragsrecht Kapitel 4.1.5.] Verwenden Sie rechtliche Begriffe nur vorsichtig: Manchmal müssen Sie rechtliche Begriffe verwenden, weil diese zur Alltagssprache gehören. Zu deren Bedeutung verweise ich im Folgenden gelegentlich auf mein Buch „Vertragsrecht für Projektleiter“ (zitiert als „PR-Vertragsrecht“). Einige rechtliche Begriffe, die für Praktiker am ehesten relevant sind, werden in Anhang B erläutert. 24 Erläuterungen zu weiteren Begriffen finden Sie im Internet. 25 Manche rechtlichen Begriffe haben eine andere Bedeutung, als Sie annehmen. 24 Langenscheidt (in Zusammenarbeit mit der Bundesrechtsanwaltskammer), Wörterbuch für Ihren Anwaltsbesuch: Rechtsbegriffe leicht verständlich“, München, Wien 2017 (ISBN 978-3-8240-1535-1), erklärt etwa 150 Begriffe zu den verschiedensten Rechtsverhältnissen und zum Prozessrecht sowie „Wissenswertes“ zu Rechtsanwälten. Das macht 64 Seiten im DIN A5- Format aus, ist also ziemlich kurz. 25 www.juraform.de: Rechtslexikon über 6500 juristische Wörter. Teil eines Suchdienstes für Rechtsanwälte. Ausführliche Erläuterungen, allerdings häufig in der Sprache von Rechtsanwälten. www.lexikon.jura-basic.de: von Diplom- Jurist Volker Friedrich-Schmid. Die Begriffe sind nach Sachgebieten aufgeteilt, die Erläuterungen sind relativ kurz. www.wikipedia.de: handelt viele Begriffe ausführlich ab. Dabei wird mehr oder weniger Rücksicht auf Nicht-Juristen Rücksicht genommen. <?page no="129"?> 130 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte Beispiele (1) Die „bedingte Abnahme“ ist etwas Anderes als die „Abnahme unter Vorbehalt …“ [PR-Vertragsrecht, Kapitel 7.6 unter „Abnahmeerklärung in Kenntnis eines Mangels“]. (2) „Letter of Intent“ ist eine bloße Absichtserklärung des Kunden und damit etwas anderes als die Aussage „Wir wollen die beschlossene Zusammenarbeit bestätigen.“ Bei beiden Formulierungen bleibt unklar, was aus diesen folgen soll. Möglicherweise meinte der Kunde: „Erteilen wir Ihnen den vorläufigen Auftrag, mit der Projektarbeit schon zu beginnen.“ [PR-Vertragsrecht, Kapitel 4.1.6.] (3) Der Auftragnehmer schreibt: „Die Beseitigung von Mängeln wird für einen Zeitraum von 12 Monaten garantiert.“ Juristen verstehen unter einer Garantie eine verschärfte Form der Haftung für Mängel, nämlich dass der Auftragnehmer die Haftung auf Schadensersatz uneinschränkbar übernehmen will (Beschaffenheitsgarantie) [PR-Vertragsrecht, Kapitel 6.4.7 (1)]. Außerdem kennt der Jurist die Haltbarkeitsgarantie, bei der die Pflicht zur Beseitigung von Mängeln erweitert wird, ohne dass es gleich um Schadensersatz geht [PR-Vertragsrecht, Kapitel 6.4.7 (2)]. Wahrscheinlich hat der Auftragnehmer nur gemeint, dass die Verjährungsfrist für Ansprüche wegen Mängeln, die nach dem BGB 24 Monate beträgt, auf 12 Monate abgekürzt werden soll. Also: „Die Verjährungsfrist für Ansprüche wegen Mängeln beträgt 12 Monate.“ [→ Siehe dazu, dass die Bezugnahme auf eine Rechtsvorschrift einfach formuliert werden kann, auch das Beispiel hier unter „Von AGB abweichende Vereinbarungen treffen“, S. 131.] Verwenden Sie möglichst nur diejenigen rechtlichen Begriffe, die Sie gut kennen. Formulieren Sie anderenfalls das, was Sie ausdrücken wollen, in Ihrer Sprache. Das kostet ein paar Worte mehr, ist aber mit höherer Wahrscheinlichkeit zutreffend formuliert und für Ihren Empfänger besser verständlich. Außerdem: Richter sind bereit, einen Text, der anscheinend von einem Nicht-Juristen stammt, als einen solchen zu behandeln. Sie stellen entsprechend darauf ab, was der Nicht-Jurist damit wohl gewollt hat. Ist der Text jedoch juristisch formuliert, gehen Richter eher davon aus, dass die rechtlichen Begriffe bewusst gewählt worden sind. Sie behandeln den Text dann entsprechend wortwörtlich und damit zu Lasten des Schreibers. Beispiel In einem Urteil hat ein Richter ausgeführt, dass der Auftragnehmer in seinem Angebot zwar den Begriff „Fixtermin“ verwendet habe (der den <?page no="130"?> 5.2 Allgemeine Empfehlungen zum Ausformulieren 131 Kunden bei Lieferverzug davon befreit, dem Auftragnehmer noch eine Nachfrist zu setzen). Der Auftragnehmer habe den Begriff aber für den Kunden erkennbar nicht im Rechtssinne gemeint, wie sich aus dem Zusammenhang ergebe. Deswegen hätte der Kunde eine Nachfrist setzen müssen, um eine Berechtigung für den von ihm erklärten Rücktritt vom Vertrag zu schaffen. Es gibt juristisch klingende Begriffe, die keine Rechtsbegriffe sind [→ Anhang B] . Beispiele „Auftragsbestätigung“ ist kein Rechtsbegriff, sondern ein in der Praxis gern verwendetes Wort. Es hat je nach Situation unterschiedliche rechtliche Bedeutung [PR-Vertragsrecht, Kapitel 4.1.3]. „Kooperationsvertrag“ ist auch ein solcher Sammelbegriff. Auftragnehmer wollen damit manchmal den Eindruck erwecken, dass sie mit dem Kunden zusammenarbeiten und nicht ihre Leistung gegen seine Zahlung austauschen wollen. Formulieren Sie möglichst eindeutig: In Kapitel 3.2 (b) ist Ihnen empfohlen worden, Unklarheiten zu vermeiden. Denn diese schaffen einen großen bis sehr großen Interpretationsspielraum [→ S. 67] . Vermeiden Sie Formulierungen, bei denen Sie im Falle von Meinungsverschiedenheiten keine überzeugende Interpretation bieten können. Vermeiden Sie erst recht Formulierungen, dass ein Vertragspartner etwas tun oder dass eine Leistung eine bestimmte Eigenschaft haben „sollte / müsste / könnte“. Denn solche Formulierungen laden zur Interpretation ein. Negativbeispiele (1) Der Kunde formulierte eine Anforderung: „Das Produkt sollte … können.“ Das klingt mehr nach einem Wunsch als nach einem Anspruch des Kunden. Das wird für den Kunden ganz kritisch, wenn die nächste Anforderung mit „muss“ bezeichnet wird. (2) Der Auftragnehmer formulierte: „Der Kunde sollte … vorbereiten.“ Der Kunde kann später Gründe anführen, warum der Auftragnehmer das sachgerechter Weise tun sollte. Dokumente mit AGB in den Vertrag korrekt einbeziehen: Die Einbeziehung ist nur wirksam, wenn diese mit deren genauen Bezeichnungen aufgeführt werden. Zur Klarheit sollte auch deren Stand angegeben werden. Von AGB abweichende Vereinbarungen treffen: Sie wollen in Ihrem Vertrag eine Abweichung (einschließlich Ergänzung) von einer Klausel in AGB, die Vertragsbestandteil werden sollen, vereinbaren. Dann geben Sie <?page no="131"?> 132 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte der Klarheit wegen ausdrücklich an, auf welche Klausel sich die Abweichung bezieht. Stellen Sie klar, in welchem Punkt die genannte Klausel geändert/ ergänzt werden soll. Vermeiden Sie lange Formulierungen: Soweit das Thema schon geregelt ist, sollen Sie nur die Abweichung formulieren. Beispiel Der Auftragnehmer hat ‒ wie in AGB verbreitet ‒ die gesetzliche Verjährungsfrist für Ansprüche des Kunden wegen Mängeln von zwei Jahren auf ein Jahr gekürzt: „§ X Ansprüche des Kunden wegen Mängeln X.1 … X.2 Die normale Verjährungsfrist für Ansprüche wegen Mängel beträgt 12 Monate.“ Der Kunde verlangt eine Frist von zwei Jahren. Wenn der Auftragnehmer dazu bereit ist, kann formuliert werden: „Abweichend von § X.2 beträgt die Verjährungsfrist zwei Jahre.“ Bei größeren Abweichungen sollten Sie die Klausel vollständig ersetzen: „§ X.Y wird wie folgt ersetzt: …“ Unternehmerisches (kaufmännisches) Bestätigungsschreiben: Sie haben mit Ihrem Vertragspartner bereits eine mündliche Vereinbarung getroffen und wollen diese schriftlich bestätigen, um Klarheit und Verbindlichkeit zu schaffen [PR-Vertragsrecht, Kapitel 4.2] . Dazu müssen Sie den Text richtig formulieren: Sie haben etwas vereinbart und nicht nur besprochen. Also sollen Sie bestätigen, dass etwas „vereinbart“ und nicht nur „besprochen“ worden ist. Das gilt entsprechend für Absprachen, die Sie auf der Ebene des Projekts treffen [→ siehe Kap. 5.8 unter „Begriffe zur Entscheidungsbefugnis …“, S. 149]. Trennen Sie in einem solchen Bestätigungsschreiben das, was vereinbart worden ist, von dem, was Sie zusätzlich mitteilen oder vorschlagen oder bereits vereinbaren wollen. Hinweis auf der Handlungsebene Sie können ein solches Bestätigungsschreiben auch dafür einsetzen, Tatsachen festzuklopfen. Sie können schreiben: „Wir haben übereinstimmend festgestellt, dass ...“ oder „Es besteht Einigkeit, dass ...“, ggf.: „Sie haben erklärt/ bestätigt, dass ...“ <?page no="132"?> 5.2 Allgemeine Empfehlungen zum Ausformulieren 133 Vermitteln Sie Ihre Position deutlich: Man formuliert vage, um sich Alternativen offen zu halten. Das ist für den Auftragnehmer wahrscheinlich riskant. Legt er sich allerdings fest, muss er dabei bleiben, um glaubwürdig zu bleiben. Auftragnehmer formulieren Aussagen darüber hinaus oft freundlich, manchmal sogar weich, um den Kunden nicht zu brüskieren. Das ist wahrscheinlich noch riskanter, als vage zu formulieren. Beispiel Der Kunde hatte die Annahme eines Angebots erst nach Ablauf von dessen Bindefrist erklärt (was rechtlich gesehen ein neuer Vertragsantrag war). Der Auftragnehmer antwortete in einer „Auftragsbestätigung“, dass sich der Termin entsprechend verschieben würde. Das war wegen der Änderung des Termins rechtlich gesehen ein neuer Vertragsantrag. Der Auftragnehmer hätte vorsichtshalber um eine ausdrückliche Annahmeerklärung bitten sollen. Der Auftragnehmer setzte hingegen seine „Auftragsbestätigung“ wie folgt fort: „Wir bitten um Ihr Verständnis. Jedoch werden wir alles daransetzen, den von Ihnen gewünschten Termin zu realisieren.“ Wenn man alles daransetzt, kann man den Termin mit hoher Wahrscheinlichkeit einhalten. Damit hat der Auftragnehmer den alten Termin zumindest auf der geschäftlichen Ebene bestätigt, möglicherweise auch auf der rechtlichen. „Wir werden uns bemühen“ hätte gereicht. Und doppelt genäht hält manchmal besser: „Wir können das aber nicht zusagen.“ Auch Kunden können zu freundlich formulieren. Beispiel „Wir bitten Sie, die Fehler bis zum … zu beseitigen.“ Soll das die Setzung einer Nachfrist sein, nach deren nutzlosen Ablauf der Kunde berechtigt wäre, vom Vertrag zurückzutreten? Vergleichen Sie das mit dem Unterschied zwischen einer Zahlungserinnerung und einer Mahnung [→ Anhang B unter „Zahlungserinnerung“, S. 216]. Formulieren Sie Warnungen deutlich: Tun Sie das - selbstverständlich respektvoll - manchmal sogar drastisch, damit diese ernst genommen werden. Dieses Verhalten fällt Auftragnehmern schwerer als Kunden, ist für sie aber noch wichtiger. <?page no="133"?> 134 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte 5.3 Empfehlungen an den Auftragnehmer Vorsichtig vorgehen und Klartext schreiben: Das empfiehlt sich besonders für den Auftragnehmer. Schließlich macht der Kunde im Laufe der Projektdurchführung oft einen Lernprozess durch. Er erkennt, was er wirklich braucht, und interpretiert das in die Leistungsbeschreibung hinein, besonders gerne in eine solche, die vage formuliert ist. Vermeiden Sie starke Wörter: Der Auftragnehmer sollte mit solchen Wörtern vorsichtig sein, die ein hohes Niveau seiner Produkte oder seiner Leistungsfähigkeit ausdrücken. Er soll beim Formulieren daran denken, dass Reklame nicht in einen Vertrag gehört. Abb. 8: Schreiben Sie vorsorglich möglichst im geschäftlich sicheren Bereich Negativbeispiele für vielversprechende Wörter Formulierungen wie „Produkt passt ideal“, „beste/ optimal“ sind bedenklich. Aus rechtlicher, wenn auch nicht aus akquisitorischer Sicht ist günstiger: „Das Produkt verbessert … beim Kunden.“ [→ Siehe auch im Folgenden „Behandeln Sie die Ziele des Kunden mit Vorsicht“.] Als Auftragnehmer müssen Sie im Auge haben, dass Ihre Seite unabhängig von Verschulden auf Schadensersatz haftet, wenn Sie eine Garantie erklärt haben [PR-Vertragsrecht, Kapitel 6.4.7 (1)] . Vermeiden Sie also solche Wörter, die nach Garantie klingen. Schreiben Sie vorsorglich möglichst im geschäftlich sicheren Bereich Die Menge aller Konstellationen eines Falls entsprechend den Umständen für den Auftragnehmer für den Kunden Rechtslage unklar maximal sicher maximal sicher rechtlich positiver Bereich rechtlich positiver Bereich rechtlich sicherer Bereich geschäftlich sicherer Bereich aber der Kunde sagt: „Ja, ich habe Recht! “ * (da weiß der Kunde, dass er nicht Recht hat) * Der Auftragnehmer sollte vorsorglich von diesem Verhalten ausgehen. <?page no="134"?> 5.3 Empfehlungen an den Auftragnehmer 135 Beispiele für gefährliche Wörter Einige der folgenden Wörter sind fast immer gefährlich: „Der Auftragnehmer garantiert / sichert zu / verspricht / bestätigt ausdrücklich.“ Sicherheitshalber sollten auch „bestimmt / definitiv / absolut / selbstverständlich / natürlich“ vermieden werden. „Der Auftragnehmer gewährleistet“, ist bedenklich, wenn sich das nicht auf die Beschreibung seiner Leistungen bezieht. Vorsichtshalber sollte der Auftragnehmer auch das Wort „zusagen“ vermeiden. Stattdessen kann er formulieren: „Der Auftragnehmer verpflichtet sich, ...“; „Der Auftragnehmer wird ...“; „Das Produkt kann ...“; „Folgende Eigenschaften des Produkts werden vereinbart ...“ Entsprechend sollten Sie Formulierungen ablehnen, in denen der Kunde solche Wörter verwendet. Viele Einkäufer sind in deren Verwendung geschult. Behandeln Sie die Ziele des Kunden mit Vorsicht : Formulierungen zu Zielen des Kunden eröffnen diesem einen weiten Interpretationsspielraum hinsichtlich der Leistungen Ihrer Seite. Deswegen sollten Sie solche Formulierungen möglichst vermeiden. Zur Handlungsebene Es mag auf geschäftlicher Ebene sehr wohl wichtig sein, die Ziele des Kunden zu ermitteln. Denn zum einen gilt es abzuklären, ob der Kunde sich selbst ausreichend Klarheit verschafft hat, welche Ziele er überhaupt erreichen will, ob bei ihm Zielwidersprüche bestehen, inwieweit er diese Ziele durch diesen Vertrag fördern oder sogar erreichen kann. Zum anderen sollte Ihre Seite prüfen, ob sie die Ziele in einer Weise erfüllen kann, dass sie einen zufriedenen Kunden gewinnen wird. Der Auftragnehmer mag die Leistungen dahingehend beschreiben, welche Ziele diese „fördern“ sollen, bzw. - besser - welche Aufgaben sie erfüllen sollen, um bestimmte Ziele zu „fördern“. [→ Siehe auch vorstehend die Negativbeispiele unter „Vermeiden Sie starke Wörter“, S. 134.] <?page no="135"?> 136 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte 5.4 Anspruchsgrundlagen richtig formulieren - auch Ausnahmen In der Leistungsbeschreibung formulieren Sie, auf was der eine oder der andere Vertragspartner Anspruch hat, also die Anspruchsgrundlagen, bestehend aus den Anspruchsvoraussetzungen. Manchmal will der andere Vertragspartner (der zur Leistung verpflichtet ist) eine Ausnahmeregelung ergänzen, dass der Anspruch unter bestimmten Umständen entfällt (Abwehrgrundlage). Oder der Anspruch möge zwar formal gesehen bestehen bleiben, der Anspruchsgegner will aber berechtigt sein, dessen Erfüllung unter bestimmten Umständen abzulehnen. Sie kennen diese Konstellation von der Verjährung her. In solchen Situationen gelten die folgenden Empfehlungen zum Formulieren von Anspruchsgrundlagen entsprechend [PR-Vertragsrecht, Kapitel 3.2 (5)] . Gehen Sie beim Formulieren gedanklich von dem Grundschema aus: „Wenn ..., dann ...“ (besteht der Anspruch) und für Ausnahmen: „Dies gilt nicht, wenn …“ oder: „Ausgenommen ist …“ Leistungen formulieren : Sie können das Grundschema oft vereinfachen, nämlich den „Wenn“-Teil weglassen. Die Anspruchsvoraussetzungen ergeben sich daraus, dass der Anspruch im Vertrag steht. Beispiel Rahmenvertrag mit dem Grundschema: „Wenn der Kunde ein Stück kauft, kostet dieses Euro XXX. Wenn der Kunde zehn Stück oder mehr erwirbt, erhält er 10 % Rabatt.“ Vereinfacht: „Ein Stück Euro XXX. Ab 10 Stück 10 % Rabatt.“ Haftung formulieren : Sie können die Aufgabe haben, etwas Konkretes zur Leistung und der damit verbundenen Haftung des Auftragnehmers zu formulieren. Sie können in diesem Fall nach der Beschreibung der Leistung fortfahren: Haftung bei Nichterreichen der Leistung Einschränkungen zu / Ausnahmen von dieser Haftung Beispiel für Haftung Der erste Satz beschreibt die Leistung: „Der Auftragnehmer sagt eine Verfügbarkeit des Systems von XX % an Arbeitstagen innerhalb von __ Uhr bis __ Uhr im Monat zu.“ <?page no="136"?> 5.4 Anspruchsgrundlagen richtig formulieren - auch Ausnahmen 137 Der zweite Satz beschreibt die Haftung: „Wird diese Verfügbarkeit nicht eingehalten, kann der Kunde die monatliche Wartungspauschale je angefangenem fehlendem Prozent Verfügbarkeit um YY % kürzen.“ Der dritte Satz beschreibt eine Ausnahme von der Haftung: „Zeiten für Wartungsarbeiten, die mehr als eine Woche im Voraus angekündigt werden, gelten im Umfang von bis zu ZZ Stunden pro Monat nicht als Ausfall.“ Richten Sie Leistungsbeschreibungen auf Ansprüche aus: Jeder Vertragspartner soll daran denken, dass er mit seinen Formulierungen sich oder dem anderen Vertragspartner einen Anspruch auf etwas schaffen will. Wenn der Auftragnehmer sein normales Vorgehen beschreibt, ist unsicher, ob das so auch für die anstehende Vertragsdurchführung gelten soll. Negativbeispiele (1) In einem Vertrag über Softwareerstellung hieß es: „Normalerweise wird die Software in Stufen ausgeliefert, wobei jede Stufe aus im Wesentlichen in sich abgeschlossenen Teilen besteht.“ Soll dieser Grundsatz den Auftragnehmer dazu berechtigen, einseitig Teilleistungen zu bestimmen? (2) In einem Vertrag über die Pflege von Standardsoftware hieß es zum Anspruch des Kunden, von der Hotline des Auftragnehmers unterstützt zu werden: „Zuständig für Fragen an die Hotline ist normalerweise der Ansprechpartner.“ Hat der Kunde Anspruch darauf, dass der Auftragnehmer auch Fragen beantwortet, die ein anderer Mitarbeiter des Kunden stellt? Wenn ja: in welchen Fällen? Es gibt fast immer (mindestens) zwei Alternativen im Leben und so auch in Verträgen. Man formuliert allerdings oft nur die Alternative: „So soll es ablaufen.“ und nicht auch die Alternative: „So soll ersatzweise vorgegangen werden, wenn es nicht wie vorgesehen abläuft.“ Ich habe meine Mandantinnen oft damit gestört, dass ich nach dem „Plan B“ gefragt habe: „Und anderenfalls …? “ Beispiel Plan B „Der Auftragnehmer installiert das System bis zum 01.04. Der Kunde prüft bis zum 15.04., ob er die Daten in der vorgesehenen Weise von seinen Vorsystemen übernehmen kann. Der Auftragnehmer installiert die weiteren Systeme bis zum 15.05.“ Wie soll vorgegangen werden, wenn der Kunde die Daten nicht bis zum 15.04 überprüft hat? Wahrscheinlich wird der Terminplan verschoben. Das dürfte unkritisch und damit nicht regelungsbedürftig sein. <?page no="137"?> 138 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte Wie aber soll vorgegangen werden, wenn die Daten in der vorgesehenen Weise nicht übernommen werden können? Das dürfte kritisch sein und sollte geregelt werden, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für diese Situation besteht. Denken Sie an die Beweislage: Derjenige Vertragspartner, der einen Anspruch geltend macht, muss beweisen, dass die Voraussetzungen für diesen Anspruch erfüllt sind. Entsprechend muss der Anspruchsgegner, der sich auf eine Ausnahme beruft, beweisen, dass deren Voraussetzungen erfüllt sind. Sie haben dieses Prinzip am Anfang von diesem Abschnitt kennengelernt. Sie bestimmen durch Ihre Formulierungen automatisch, ob etwas eine Anspruchsvoraussetzung ist, die der Anspruchsteller beweisen muss, oder eine Ausnahme, deren Vorliegen der Anspruchsgegner beweisen muss. Achten Sie also auf Ihre Formulierungen. Beispiel Bei der folgenden Formulierung trägt der Kunde die Beweislast hinsichtlich der Frage, ob in dem Fall, dass das System die vereinbarte Leistung nicht erbracht hat, die Stromversorgung ordnungsgemäß gewesen ist: „Vorausgesetzt, die Spannungsschwankung hält sich in folgenden Grenzen, wird das System ...“. Hingegen trägt der Auftragnehmer die Beweislast, wenn formuliert wird: „Das System wird ... Das gilt nicht, wenn die Spannungsschwankung ...“ Wie das Beispiel zeigt, können Sie die Beweislast durch Ihre Formulierung auch bewusst zum Vorteil für Ihre Seite verteilen: Sie formulieren etwas nicht als Voraussetzung für Ihren Anspruch, sondern als Voraussetzung für eine Abwehrgrundlage des anderen Vertragspartners (bzw. tun das als Anspruchsgegner andersherum). Die Vertragspartner haben da einen gewissen Spielraum. 5.5 Pflichten und Aufgaben richtig formulieren Pflichten eines Vertragspartners: Diese beziehen sich meistens auf Handlungen, ausnahmsweise auf Unterlassungen. Es reicht aus, wenn Sie schreiben: „Der Auftragnehmer tut/ wird tun/ soll … tun.“ Im Einzelfall können Sie das betonen: „Der Auftragnehmer ist verpflichtet, … zu tun.“ Entsprechend zu den Pflichten des Kunden: „Die Vergütung beträgt Euro ___.“ <?page no="138"?> 5.5 Pflichten und Aufgaben richtig formulieren 139 „Mitwirkungsleistungen“ des Kunden: Der Kunde kann Aufgaben haben, deren Erfüllung Voraussetzung dafür ist, dass der Auftragnehmer seine Leistungen erbringen kann. In Projektverträgen werden dazu verschiedenartige Begriffe verwendet wie „Mitwirkungshandlungen“, „Mitwirkungspflichten“, „Obliegenheiten“ (rechtlich korrekt) oder „Mitwirkung“. Ursache für diese Begriffsvielfalt ist die rechtliche Konstruktion. Kümmern Sie sich nicht um diese, sondern denken Sie an „Mitwirkung“ und schreiben einfach: „Der Kunde … [tut].“ „Der Kunde übernimmt, … [zu tun].“ „Der Kunde hat die Aufgabe, … [zu tun].“ Die rechtliche Konstruktion geht dahin, dass das Vertragsrecht die Mitwirkung des Kunden nicht als Leistung behandelt, den Kunden also nicht zur Mitwirkung verpflichtet. Es tut das, damit der Auftragnehmer die Erbringung der Mitwirkung nicht (gerichtlich) durchsetzen kann. Denn aus der Sicht des Vertragsrechts geht es dem Auftragnehmer nur um die Zahlung der Vergütung als Leistung des Kunden. Der Auftragnehmer soll nur berechtigt sein, diese einzuklagen. Deswegen behandelt das Vertragsrecht solche Aufgaben als Obliegenheiten, d.h. als Pflichten im eigenen Interesse. Diese können nicht eingeklagt werden [PR-Vertragsrecht, Kapitel 5.7] . Verletzt der Kunde eine Obliegenheit, so ist der Auftragnehmer nicht rechtlos: Er hat fast dieselben Ansprüche wie bei Verzug des Kunden [PR- Vertragsrecht, Kapitel 5.7]. In der Praxis ist die Unterscheidung nicht wirklich wichtig. Es geht denen, die die genannten Begriffe verwenden, meistens nur darum, formal korrekt zu formulieren. Dank der Vertragsfreiheit können die Vertragspartner die Mitwirkung als Pflicht vereinbaren. Dann kann der Auftragnehmer verlangen, dass der Kunde seine Aufgaben erfüllt, könnte das sogar gerichtlich durchsetzen. Er könnte entgangenen Gewinn als Schadensersatz einklagen. Pflichten sollten deutlich als solche formuliert werden, weil übliche Formulierungen zu Aufgaben als Obliegenheiten schon nach Pflichten klingen. Wenn die Mitwirkung des Kunden besonders wichtig ist, kann der Auftragnehmer auch schreiben: „Der Kunde ist verpflichtet, ...“ Ob das wirklich eine Pflicht im Rechtssinne ist, kann dahingestellt bleiben, solange der Auftragnehmer nicht auf Grund einer Pflichtverletzung des Kunden gegen diesen vorgehen will. Der Auftragnehmer kann das Wort „muss“ verwenden, um eine wichtige Aufgabe des Kunden oder eine sachliche Voraussetzung auszudrücken: „Damit wir das tun können, müssen Sie das und das getan haben.“ Der <?page no="139"?> 140 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte Auftragnehmer kann sinngemäß etwas freundlicher schreiben: „Voraussetzung für unser Tun ist, dass Sie getan haben. / Wir können das erst tun, nachdem Sie getan haben.“ Zuständigkeiten differenziert formulieren: Bei Projekten arbeiten die Vertragspartner differenziert zusammen. Also ist deren Beteiligung je nach Aufgabe differenziert zu regeln. Dabei können Tabellen helfen, in denen die Tätigkeiten und die Art definiert werden, wie sich die Vertragspartner an diesen beteiligen [→ Kap. 5.9 unter „(Kurz-)Protokolle“, S. 153]. Insbesondere formulieren, wie die Spezifikation zu erarbeiten ist: Es geht um das Thema, dass die Leistung des Auftragnehmers in der Leistungsbeschreibung nicht ausreichend konkretisiert ist und deswegen bei der Vertragsdurchführung noch in einer Spezifikation verfeinert werden muss. 26 Die Formulierung, wie das zu tun ist, wirkt sich stark auf das Ergebnis aus. Die Formulierung wird in der Praxis mit den Worten eingeleitet: „Der Auftragnehmer erarbeitet die Spezifikation“ und wird unterschiedlich fortgeführt: „mit Unterstützung des Kunden“: Der Auftragnehmer hat das Sagen, wie er die Leistungsbeschreibung gemäß Vertrag sachgerecht umsetzt. Der Kunde soll nur als Informationen liefern, was er benötigt, nicht als Weisungen. Ein Festpreis enthält für den Auftragnehmer ein überschaubares Risiko. „in Abstimmung mit dem Kunden“: Der Auftragnehmer dürfte weiterhin das Sagen haben. Die Formulierung soll wohl betonen, dass der Auftragnehmer sich ständig mit dem Kunden rückkoppeln soll. Das Risiko für den Auftragnehmer bei einem Festpreis hängt wesentlich von der Situation ab: Sollen nur viele Feinheiten abgestimmt werden, oder weiß der Kunde noch nicht so richtig, was er bekommen will? „zusammen mit dem Kunden“: Der Kunde ist gleichberechtigter Partner. Rechtlich gesehen liegt für diese Phase ein Dienstvertrag vor. Die Vertragspartner müssen sich einigen. Ein Festpreis beinhaltet ein hohes Risiko für den Auftragnehmer. Wahrscheinlich enthält der Vertrag implizit eine Ausstiegsklausel für den Fall, dass die Vertragspartner sich nicht einigen [PR-Vertragsrecht, Kapitel 7.3.2 (1)]. Aufgaben des Kunden in Ergänzung der Projektdurchführung: Der Kunde kann auch Aufgaben haben, die nicht schon Voraussetzung für die Leistungen des Auftragnehmers sind, sondern erst für die Nutzung des zu liefernden Systems. 26 Das führt bei einem Festpreis zu erheblichen Interessengegensätzen [PR- Vertragsrecht, Kapitel 7.3]. <?page no="140"?> 5.5 Pflichten und Aufgaben richtig formulieren 141 Die Aufgaben können während der Projektdurchführung anstehen. Der Auftragnehmer kann klarstellen, dass er für diese keine Verantwortung trägt, also sich um diese nicht zu kümmern braucht. Beispiel Der Kunde soll die Altdaten aus dem bisher eingesetzten IT-System in das vom Auftragnehmer gelieferte ohne dessen Unterstützung übernehmen. Würde der Auftragnehmer von der Zuständigkeit des Kunden sprechen, könnte das als die Zuweisung einer Aufgabe innerhalb des Projekts zu verstehen sein, sodass der Kunde daraus eine Art Gesamtverantwortung des Auftragnehmers ableiten könnte. Also: „Es ist Sache des Kunden, die Altdaten zu übernehmen.“ Der Auftragnehmer kann das Wort “verantwortlich“ verwenden, um seine Distanz zu der Aufgabe auszudrücken [→ siehe im Folgenden unter „Verantwortung“]: „Der Kunde ist für die Übernahme seiner Altdaten verantwortlich.“ Die Aufgaben des Kunden können sogar außerhalb des Projekts liegen. Der Auftragnehmer will den Kunden auf diese Aufgaben hinweisen, damit dieser diese durchführt und sich nicht selbst schädigt. Der Auftragnehmer sollte bei Bedarf entsprechend formulieren: „Es ist Aufgabe des Kunden, Datensicherung zu betreiben.“ Verantwortung: Verantwortung tragen heißt, dass man endgültig/ verbindlich antworten muss. Für den Juristen heißt das meist: Antworten in dem Fall, dass etwas schiefgelaufen ist, wofür man verantwortlich ist: Hat man sich schadensersatzpflichtig gemacht? [PR-Vertragsrecht, Kapitel 11.1.1.] Der Nicht-Jurist stellt die Frage nach der Verantwortung eine Stufe vorher: Es stehen Aufgaben an: „Wer übernimmt diese verbindlich? “ 27 Typischerweise geht es erst einmal um die Konstellation, dass sich jemand verpflichtet, Aufgaben in einem bestimmten Bereich zu übernehmen. Diese Aufgaben werden in einem Vertrag definiert, beispielsweise die eines Projektmitarbeiters in einem Arbeitsvertrag, die Ihrer Organisation bei einem externen Projekt in einem Projektvertrag. Wenn die Aufgaben und Tätigkeiten konkret auf die einzelnen Mitglieder eines Projektteams verteilt werden, spricht man von „Zuständigkeit“. Je allgemeiner die Aufgaben oder vager die Tätigkeiten sind, desto weniger passt dieser Begriff. Dann wird eher von „Aufgabenbereich“ oder von „Verantwortungsbereich“ gesprochen. 27 Im Englischen ist es einfacher: „responsible“ wird für organisational verantwortlich verwendet, „accountable“ für rechtlich verantwortlich. <?page no="141"?> 142 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte Je nach der Konkretheit können Sie die Wörter „zuständig“ oder „verantwortlich“ verwenden. „Verantwortlichkeiten“: In einem Aufgabenbereich kann man einzelne Aufgaben benennen. Diese kann man als „Verantwortlichkeiten“ bezeichnen, wenn man einen hochtrabenden Begriff verwenden will. Und noch hochtrabender kann man „Zuständigkeiten“ in „Verantwortlichkeiten“ umbenennen. Wer schuldet, wer führt aus: Die Frage stellt sich, wenn ein Dritter in die Vertragsdurchführung eingeschaltet wird. Das geschieht laufend und ist oft unproblematisch. Beispiele (1) Ein Auftragnehmer führt seine Leistung nicht in eigener Person durch, sondern durch einen Mitarbeiter, der für ihn auf Grund eines Arbeitsvertrags tätig wird. (2) Der Kunde erfüllt seine Pflicht zur Zahlung der geschuldeten Vergütung durch einen Auftrag an seine Bank, den Betrag an die Bank des Auftragnehmers zu überweisen. Der Auftragnehmer beauftragt seinerseits seine Bank, die Zahlung entgegenzunehmen. Wenn ein Nicht-Jurist die Erbringung von Leistungen bei drei oder mehr Beteiligten formuliert, denkt er eher daran, wer handeln soll, und weniger daran, wer wem als seinem Vertragspartner die Leistungen schuldet und bei Vertragsverletzungen haftet [PR-Vertragsrecht, Kapitel 3.3 (3)] . Das kann zu Unklarheiten oder sogar zu fehlerhaften Formulierungen führen, insbesondere wenn der Auftragnehmer mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten soll. Negativbeispiele (1) In einem Vertrag über die Überlassung eines Programms eines Vorlieferanten stand: „ Unser Vorlieferant wird Mängel beseitigen.“ <?page no="142"?> 5.6 Weitere Formulierungen zur Leistungsbeschreibung 143 Das lässt sich noch einigermaßen gut dahingehend interpretieren, dass der Auftragnehmer die Mängelbeseitigung weiterhin schuldet und sich für die Erfüllung seiner Pflicht des Vorlieferanten bedienen wird. - Dann stellt sich die Frage, an wen der Kunde Mängel melden soll: an den Auftragnehmer oder direkt an den Vorlieferanten? (2) Im folgenden Satz kommt erschwerend hinzu, dass der Auftragnehmer diesen im Passiv formuliert hat: „Die Installation der Endgeräte in den Filialen wird durch die Fa. XX durchgeführt und gesondert in Rechnung gestellt.“ Wer ist Vertragspartner des Kunden für die Installation? Wer soll/ darf Rechnung für diese Leistung stellen? Die Rechtslage ist unklar. Der Auftragnehmer dürfte Vertragspartner geblieben sein; er würde also haften, wenn die Fa. XX dem Kunden einen Schaden verursachen würde. Die Fa. XX dürfte berechtigt sein, selbst Rechnung zu stellen (echter Vertrag zu Gunsten der Fa. XX). 5.6 Weitere Formulierungen zur Leistungsbeschreibung Überblick - Zu den Leistungen des Auftragnehmers - Zur Vergütung - Zu Terminen - Zur Projektdurchführung Zu den Leistungen des Auftragnehmers: Der Auftragnehmer soll seine Leistungen hinsichtlich deren Umfangs und deren Eigenschaften deutlich abgrenzen, um Meinungsverschiedenheiten darüber möglichst einzuschränken, wie der Text zu verstehen ist sowie was er als übliche Leistung automatisch schuldet. [→ Siehe zur Festpreisproblematik hier unter „Zur Vergütung“, S. 145, sowie PR-Vertragsrecht, Kapitel 7.2.] Das Lastenheft soll nicht Vertragsbestandteil werden: Der Kunde hat seine Anforderungen schriftlich niedergelegt und in die Vertragsverhandlungen eingeführt. Der Auftragnehmer will das Dokument nicht zum Vertragsbestandteil werden lassen und also nicht zusagen, dass er dessen Anforderungen erfüllen würde, zumindest nicht so wie formuliert. Beispiel Der Kunde hat vor dem Abschluss des Vertrags ein Dokument mit seinen Anforderungen an die Standardsoftware des Auftragnehmers vor- <?page no="143"?> 144 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte gelegt. Dieser hat daraufhin in seinem Angebot einige erforderliche Anpassungen seiner Standardsoftware definiert. Darüber hinaus will er dieses Dokument und damit diejenigen Anforderungen, die seine Standardsoftware nicht erfüllt, nicht zum Vertragsbestandteil werden lassen und führte es deswegen in seinem Vertragsentwurf nicht auf. Der Auftragnehmer interpretiert das Dokument so, dass es durch die Aufnahme von bestimmten Anpassungen im Vertrag darüber hinaus erledigt sei. Die Rechtslage ist unklar. Das Dokument kann dennoch Vertragsbestandteil geworden sein, weil die Vertragspartner sich intensiv mit ihm beschäftigt haben [PR-Vertragsrecht, Kapitel 4.4 unter „Nicht mehr aufgeführte Dokumente“] . Wirklich abgesichert ist der Auftragnehmer nur, wenn er ausdrücklich erklärt, dass das Dokument des Kunden nicht Vertragsbestandteil wird. Das muss nicht im Vertrag stehen, aber zumindest in einem Schreiben, das er vor dem Abschluss des Vertrags an den Kunden schickt. „Leistung fällt nicht unter den Vertrag“: Gemeint ist meistens nicht, was dasteht (= nämlich, dass die Leistung unter den Vertrag nicht erbracht werden soll). Gemeint ist meistens, dass diese auf Anforderung des Kunden erbracht werden und der Kunde sie gesondert vergüten soll. Also soll die Leistung sehr wohl unter den Vertrag fallen, damit der Auftragnehmer eine Anspruchsgrundlage für eine zusätzliche Vergütung hat, wenn der Kunde diese Leistung fordert. Also soll formuliert werden: „Leistung außerhalb Pauschale/ Festpreis“. Beispiel In einem Vertrag über die Pflege von Standardsoftware heißt es: „Die Aufklärung von unberechtigten Mängelmeldungen fällt nicht unter den Vertrag.“ Solchen Meldungen liegt meist ein Bedienungsfehler oder eine andere Störung im Bereich des Kunden zu Grunde. Die Aufklärung soll sehr wohl unter den Pflegevertrag fallen, allerdings nicht unter die Haftung wegen Mängeln. Sie soll nicht durch die Pflegepauschale abgegolten sein, sondern soll gesondert vergütet werden: „Die Aufklärung von unberechtigten Mängelmeldungen ist eine vergütungspflichtige Unterstützungsleistung / ist gesondert zu vergüten.“ Also soll formuliert werden: „Leistung außerhalb Pauschale/ Festpreis“. Leistung und Option: In Angeboten ist „anbieten“ wahrscheinlich so zu verstehen, dass der Auftragnehmer alles, was er als Leistung aufführt, im Falle des Vertragsabschlusses auch zu erbringen hat. Der Kunde muss zwar alles bezahlen, aber nur, was einen eigenen Preis hat. Der Auftragnehmer soll optionale Leistungen, die noch keinen Preis haben, deutlich als solche kennzeichnen. <?page no="144"?> 5.6 Weitere Formulierungen zur Leistungsbeschreibung 145 Beispiele „Option: Weitere Bestellungen bis zum 30.09.20xx mit 10 % Rabatt“ „Erweiterungsmöglichkeit _____ Euro _____“ Zu Texten, die in den Ergebnissen enthalten sein werden: Legen Sie fest, in welcher Weise diese formuliert werden sollen, insbesondere ob und ggf. in w elcher Weise diese gegendert werden sollen. Zur Vergütung: Vermeiden Sie Unklarheiten. „Konditionen“ : In der Praxis wird dieses Wort in beliebiger Weise verwendet. Manche meinen damit nur die Zahlungsbedingungen, manche alles zur Vergütung, manche sogar alle gegenseitigen Leistungen. „Kosten“ oder „Vergütung“ : Was der Kunde dem Auftragnehmer zahlen soll, sind nicht Kosten, sondern Preise oder eine Vergütung. Kostenerstattung gibt es nur bei Reisekosten. Und da geht es wirklich fast nur um Kosten. Preise - netto oder brutto : Die Rechtsprechung geht davon aus, dass auch ein zwischen Kaufleuten genannter Preis sich als Bruttopreis versteht, also einschließlich Mehrwertsteuer. Aus dem Gesamtgefüge der Vereinbarung kann sich ergeben, dass Preise als Nettopreise gemeint sind. Wenn der Auftragnehmer sich darauf beruft, trägt er dafür die Beweislast. Geldbetrag im Vertrag genannt : Es gibt mindestens fünf Vergütungsformen, bei denen ein Geldbetrag angegeben wird. Dieser kann sich auf die Leistung insgesamt, auf eine Leistungsposition oder auf eine Mengeneinheit beziehen. Grenzen Sie diese Formen sauber voneinander ab. Das gilt insbesondere, wenn mehrere dieser Formen in einem Vertrag genannt werden. Geldbetrag im Vertrag genannt Budget bei Vergütung nach Aufwand für grob umrissene Leistung Kostenvoranschlag bei Vergütung nach Aufwand für Leistung Obergrenze bei Vergütung nach Aufwand für Leistung Kontingent - unverbindlich mit Vergütung nach Aufwand - fest - Mindestkontingent mit Vergütung nach Aufwand für Mengeneinheit Festpreis für Leistung <?page no="145"?> 146 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte Beispiel Für die verschiedenen Dienstleistungen zur Einführung von Standardsoftware können zu mehreren Positionen Preise angegeben sein. Für Positionen, bei denen der Auftragnehmer ein Ergebnis zu liefern hat, beispielsweise ein Realisierungskonzept zu erstellen oder eine Anpassung zu programmieren, sind das Festpreise. Wenn der Auftragnehmer dazu Mengen von Arbeitstagen angibt, dienen diese nur der Verdeutlichung des geplanten Vorgehens. Er muss dennoch so lange arbeiten, bis er die Leistung fertig gestellt hat. Es gibt Aufgaben, für die der Auftragnehmer nur eine bestimmte Zahl an Tagen erbringen will und der Kunde nur bezahlen will, beispielsweise für Schulung. Dann soll der Auftragnehmer das im eigenen Interesse verdeutlichen. Bei der Schulung muss er also angeben, dass er ein Kontingent (ein verbindliches oder ein unverbindliches) anbietet. Die Formulierung „10 Tage Schulung Euro XXX“ allein dürfte eher wie bei einem Festpreis auszulegen sein, nämlich dass der Auftragnehmer solange wie erforderlich schulen muss. Wenn der Auftragnehmer eine Übersicht über die einzelnen Vergütungspositionen erstellt, soll er darauf achten, dass die Differenzierungen zu den einzelnen Positionen erhalten bleiben. Wenn er beispielsweise bei einer Position „geschätzt“ angegeben hat, in der Übersicht aber „Gesamtpreis“ schreibt, wird sich der Kunde - wohl zu Recht - darauf berufen, dass alle Positionen zusammen einen festen Preis haben. Also muss der Auftragnehmer ggf. formulieren: „Gesamtpreis (teilweise geschätzt)“. Festpreisproblematik: Wenn ein Festpreis vereinbart werden soll, kann es Tätigkeiten geben, die nicht durch den Festpreis abgegolten werden sollen. Bei anderen Tätigkeiten kann zweifelhaft sein, in welchem Umfang diese durch den Festpreis abgegolten werden sollen. Also grenzen Sie als Auftragnehmer ab, welche Leistungen, ggf. in welchem Umfang, unter den Festpreis fallen. Es kann Leistungen geben, die der Auftragnehmer automatisch als üblich schuldet. Soweit er diese nicht unter einem Festpreis erbringen will, sollte er das klarstellen, nämlich ob er diese gar nicht oder nicht unter einem Festpreis erbringen will. Für den Auftragnehmer gefährliche Formulierungen Manche Formulierungen begründen auch bei einem Festpreis Ansprüche auf Leistungen, die im Text nicht aufgeführt sind: „Unter den Festpreis fallen insbesondere die folgenden Leistungen: …“ Oder: „Die Inbetriebnahme umfasst insbesondere die im Pflichtenheft aufgeführten Leistungen.“ Dasselbe bewirken Formulierungen wie „z. B.“, „unter anderem“, „usw.“ oder „mindestens“. <?page no="146"?> 5.7 Die Spezifikation ausformulieren 147 Zu Terminen: Ein Plantermin ist vom Wortlaut her eher kein verbindlicher Termin. Verbindlichkeit kann aber bei „Terminplänen“, „Projektplänen“, „Arbeitsplänen“ usw. gewollt sein. Ein „Zahlungsplan“ soll bestimmt verbindlich sein. Also klar formulieren! Zur Projektdurchführung: Fragen Sie als Auftragnehmer, ob und gegebenenfalls wie Sie die Texte zur Projektdurchführung gendern sollen. Sie können das beispielsweise im Zusammenhang mit der Frage tun, ob Sie Ihr Angebot gendern sollen [→ siehe Kap. 3.3 am Ende, S. 75]. 5.7 Die Spezifikation ausformulieren Es geht speziell um die Beschreibung der geschuldeten Ergebnisse, seien diese Standardprodukte oder ein zu erstellendes System. Diese Beschreibung kann auch innerhalb der Leistungsbeschreibung erfolgen. [→ Siehe Kap. 5.1 unter „Die Leistungsbeschreibung“, S. 125] Technische Anforderungen können Sie im Stil „Höhe x Breite x Tiefe“ relativ leicht beschreiben. Funktionale Anforderungen zu beschreiben ist wesentlich schwieriger. Sie können diese im Stil „System soll können“ oder im Stil „System kann/ tut“ formulieren. Das macht keinen Unterschied. Formulierungshilfe „Aktiv oder Passiv“: Bei Mensch-Maschine-Systemen sollen Maßnahmen beschrieben werden, seien es Arbeitsschritte des Systems oder aber Handlungen einer Instanz am System oder im Zusammenhang mit dessen Einsatz. Sie verdeutlichen die Beschreibung, wenn Sie das Aktiv und das Passiv konsequent verwenden: das Passiv, um die Arbeitsschritte zu beschreiben, die das System ausführen kann oder soll, das Aktiv, um die Handlungen zu beschreiben, die die Instanz ausführen kann und/ oder soll. Damit wird für den Leser jeweils deutlich, ob ein Arbeitsschritt oder ob eine Handlung beschrieben wird. Legen Sie am Anfang die Bezeichnungen für die Instanzen fest, die beteiligt sein können, beispielsweise Administrator, Anwender intern oder extern oder Benutzer intern oder extern oder aber ein externes System. Das SOPHIST-REgelwerk - Es enthält eine Methode des Requirements Engineerings für die Softwareentwicklung auf der Basis einer natürlichen Sprache. Es stellt eine Hilfe dar, Anforderungen zu ermitteln und möglichst eindeutig zu formulieren. Es kann auch in anderen Gebieten eingesetzt werden [→ siehe Anhang A.2, S. 163]. <?page no="147"?> 148 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte Beschreibung der Maßnahmen: Es kommen insbesondere die folgenden Angaben in Betracht. Die Maßnahmen werden dadurch beeinflusst, ob ein Festpreis für die beschriebenen Leistungen vereinbart wird: Inhalt der Maßnahmen (Schritte des Systems und Handlungen) Wenn eine Maßnahme mehrere Objekte betrifft: die einzelnen Objekte aufführen (genauer Umfang). Ergebnis und Konsequenzen einer Maßnahme Was Voraussetzung für die Nutzung des Systems ist. Nicht: „Der Auftragnehmer geht davon aus, dass …“, sondern: „Voraussetzung ist, dass …“ Was das zu liefernde System nicht leisten wird, insbesondere was der Anwender selbst wird machen müssen. Man kann unterscheiden, ob eine Einschränkung beim Erarbeiten der Ergebnisse vorliegt (das System liefert nicht alle Ergebnisse, die der Kunde braucht; der Anwender oder Benutzer muss die beschriebenen Handlungen selbst machen, sei es als Zwischenschritt oder sei es am Ende) oder eine Ausgrenzung (die Ergebnisse sind nicht das, was der Anwender oder Benutzer letztlich braucht; er muss etwas selbst machen, was nicht beschrieben wird). Es wirkt negativ, viele Abgrenzungen und erst recht Ausgrenzungen zu machen. Der Auftragnehmer kann diesen Eindruck vermeiden, indem er die Leistung sehr genau beschreibt. Das beinhaltet den Ausschluss weiter Leistungen hinsichtlich des beschriebenen Gegenstands. Allerdings muss das rechtlich nicht der Fall sein (Stichwort: üblicherweise geschuldete Leistungen [PR-Vertragsrecht, Kapitel 7.2]) , auch kann der Kunde ganz anderer Meinung sein. Sie können die Situation entschärfen, indem Sie den Gliederungspunkt „Abgrenzungen und Ausgrenzungen“ systematisch vorsehen, also gegebenenfalls „keine“ schreiben. [→ Siehe auch vorstehend Kap. 5.6 unter „Festpreisproblematik“, S. 146.] Was der Kunde möglicherweise erwartet, was aber nicht zur Leistung gehört (Warnung). Der Kunde könnte beispielsweise erwarten, dass das neue System dem bisher eingesetzten in bestimmten Funktionen entspricht. Was nützlich wäre, bei einem Festpreis aber im Leistungsumfang nicht enthalten ist. Was nur eine Option ist (und also zusätzlich beauftragt werden kann). Was noch zu klären ist. <?page no="148"?> 5.8 Formulierungen bei der Vertragsdurchführung 149 5.8 Formulierungen bei der Vertragsdurchführung Begriffe zur Entscheidungsbefugnis und zu Entscheidungen: Unterscheiden Sie zu den Handlungen: Die bloße Zuständigkeit von Projektleitern und anderen Projektmitarbeitern dafür, Aufgaben durchzuführen [PR-Vertragsrecht, Kapitel 4.3]. 28 Die Vollmacht, rechtsgeschäftliche Erklärungen und damit Entscheidungen abzugeben. Damit ist nichts darüber gesagt, ob der Bevollmächtigte sich eine Erklärung vorher intern genehmigen lassen muss. Dafür, welche rechtliche Bedeutung eine Entscheidung haben soll, verwenden die Vertragspartner verschiedene Begriffe wie Billigung, Freigabe, Genehmigung. Es ist unklar, was diese Wörter ausdrücken. Also sollte deren Bedeutung definiert werden. - Der Kunde sollte das Wort „Abnahme“ wegen dessen weitreichender Bedeutung vorsichtshalber nur am Projektende verwenden [→ siehe im Folgenden unter „Abnahmeerklärung“, S. 152]. Die Vertragspartner müssen entscheiden, wer innerhalb des Projektteams zu welchen Entscheidungen bevollmächtigt sein soll (und damit implizit, wer es nicht sein soll). Das tun sie in der Praxis auf drei Stufen abwärts. Erste Stufe: Vollmacht, den Vertrag zu ändern oder zu ergänzen. Das bezieht sich in erster Linie auf den Projektleiter. 29 Beispiel „Die Projektleiter sind berechtigt, Zusatzaufträge bis zu einem Volumen von Euro xxx zu vereinbaren.“ Zweite Stufe: Vollmacht, rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben, die den Projektvertrag nicht ändern. Die Erklärungen können die im Vertrag aufgeführten Leistungen und deren Durchführung konkretisieren. 30 Es kann um Erklärung gehen, die im Projektvertrag vorgesehen sind. 28 Der Begriff für die Zuständigkeit auf höchster Ebene ist „Geschäftsführungsbefugnis“. 29 Regeln die Vertragspartner nichts ausdrücklich, dann erteilt jeder Vertragspartner seinem Projektleiter gemäß dem Vertragsrecht implizit Vollmacht in dem Umfang, in dem dieser sie benötigt, um die ihm zugewiesenen Aufgaben erfüllen zu können. Über den Umfang solcher Vollmachten kann man streiten [PR-Vertragsrecht, Kapitel 4.3]. 30 Die Projektleiter können diese Vollmacht auf der zweiten Stufe an andere Projektmitarbeiter übertragen. <?page no="149"?> 150 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte Beispiel Der Projektleiter des Kunden erklärt die Freigabe der Spezifikation, die die Vertragspartner erarbeitet haben. Dritte Stufe: Keine Vollmacht. Die Projektmitarbeiter beider Seiten können die Aufgabe haben, etwas zu besprechen und ein gemeinsames Verständnis zu schaffen, ohne dass dieses schon dadurch verbindlich werden würde. 31 Beispiel Die Projektmitarbeiter sollen gemeinsame Treffen planen, Vorschläge entwickeln usw. Jeder der beiden Projektleiter kann den Mitarbeitern auf der eigenen Seite Aufgaben übertragen. Jeder der beiden kann auch bevollmächtigt sein, innerhalb des Rahmens der eigenen Vollmacht anderen Projektmitarbeitern auf seiner Seite Vollmacht zu erteilen. Also muss jeder Projektleiter klarstellen, ob die Projektmitarbeiter auf seiner Seite nur handeln oder auch (auf der zweiten Stufe) entscheiden sollen. Für die Projektdurchführung geht es darum, wie die Begriffe zu verstehen sind, die im Zusammenhang mit Entscheidungen verwendet werden. Beispiel aus einem Protokoll „Beschluss: Auftragnehmer erstellt in Abstimmung mit Kunde ein Konzept für die Übernahme dieses Datenbestandes.“ Das bedeutet (auf der zweiten Stufe), dass jeder Vertragspartner sich verpflichtet einen Mitarbeiter einzusetzen. Die beiden sollen nur handeln, aber nicht entscheiden. „Absprechen“/ „Festlegen“/ „Beschließen“ beinhalten Wirksamkeit auf der zweiten Stufe. „Besprechen“ ist bloßes Handeln, also dritte Stufe. „Abstimmen“ kann bloßes Handeln sein, kann aber auch ein verbindliches Ergebnis beinhalten ( auf der zweiten Stufe). [→ Siehe Kap. 5.5 unter „Insbesondere formulieren, wie die Spezifikation zu erarbeiten ist“, S. 140.] Beispiel In einem Vertrag hieß es: Die Projektleiter der Vertragspartner „stimmen Änderungen des Vertrags ab.“ Die Stufe 2 (Entscheidungen ohne 31 Das heißt nicht, dass ein Vertragspartner beliebig von seinem Einverständnis wieder abweichen könnte. Er könnte bei einem solchen Verhalten beispielsweise verpflichtet sein, dem anderen dessen Mehraufwand auszugleichen. <?page no="150"?> 5.8 Formulierungen bei der Vertragsdurchführung 151 Änderung des Vertrags) fällt aus. Sollen die Projektleiter bereits etwas vereinbaren (Stufe 1) oder sollen sie während der Projektdurchführung nur die Vorarbeit für eine Vereinbarung auf höherer Ebene leisten (Stufe 3)? Letzteres ist anzunehmen. E-Mails formulieren: Aus rechtlicher Sicht sind E-Mails erst einmal positiv: Es wird mehr schriftlich festgehalten, sodass es mehr Beweismittel gibt. Ermitteln Sie erst einmal, ob der Vertrag für E-Mails überhaupt Schriftform vorsieht, und wenn ja, welche Form er für welche Inhalte verlangt. Erster Fall: Es heißt im Vertrag, dass „der Vertrag und seine Änderungen der Schriftform bedürfen.“ Das bedeutet, dass E-Mails, die den Vertrag ändern, der qualifizierten Signatur bedürfen (§ 127 BGB), alle anderen nicht. Wenn die Vertragspartner einige Male trotz der vereinbarten Schriftform den Vertrag in E-Mails ohne Signatur geändert haben, gilt für sie die Parteisitte, dass auch E-Mails ohne Signatur die vereinbarte Schriftform für Änderungen einhalten [PR-Vertragsrecht, Kapitel 4.1.9 (3)]. Zweiter Fall: Es heißt im Vertrag ergänzend „Das gilt auch für E-Mails.“ Das ist doppelt gemoppelt. Es ist unklar, was damit gemeint ist: eine (irritierende) „Klarstellung“ oder die Ausdehnung der Schriftform auf alle E- Mails. Nach dem Vertragsrecht wären das E-Mails mit der qualifizierten Signatur. Letzteres ist unwahrscheinlich, die Praxis spricht massiv dagegen. Es dürfte gemeint sein, dass auch alle Absprachen, die den Vertrag zwar nicht ändern, sondern nur konkretisieren, der einfachen Schriftform bedürfen [PR-Vertragsrecht, Kapitel 4.1.5]. Also: Sorgen Sie für eine saubere Formulierung bzw. verlangen Sie bei einer unsauberen Formulierung eine Klarstellung. Ein gravierender Störfaktor ergibt sich aus der Praxis: E-Mails werden - unabhängig davon, ob und welche Schriftform vereinbart worden ist - tendenziell weniger sorgfältig als andere Texte abgefasst und sind deswegen tendenziell fehlerhafter und weniger klar [→ Kap. 3.6 unter „E-Mails“, S. 84]. Diese Sorglosigkeit führt auch dazu, dass man mehr Negatives über die eigene Position mitteilt bzw. dass das Negative gewichtiger als nötig darstellt. Entsprechend macht man auch eher Zugeständnisse, als man das bei ruhigerem Arbeiten tun würde. - Also schreiben Sie E-Mails so sorgfältig wie in Kapitel 3.6 empfohlen [→ siehe S. 109]. Unerfreulich wird es, wenn es zu einem Streit kommt und E-Mails als Beweismittel herangezogen werden. Sie sind verschachtelt und versehen mit Einschüben und Kommentierungen von anderen Personen und mit Teilen, die gar nichts mit dem strittigen Punkt zu tun haben. Man hat mal eben irgendeine E-Mail genommen, um schnell schreiben zu können. <?page no="151"?> 152 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte Formulierungen zu Problemen: Vorsicht ist vor allem für den Auftragnehmer angesagt. „Das Projekt ist in Verzug.“ Das darf der Auftragnehmer nur schreiben, wenn eindeutig ist, dass ausschließlich er die Nichteinhaltung des Termins verursacht hat. Denn die Formulierung ist in dem Sinn zu verstehen, dass der Auftragnehmer der Verursacher ist. 32 Der Auftragnehmer kann neutral schreiben, dass sich das Projekt „verzögert“. Damit verstößt er gegen die Empfehlung, Sätze im Aktiv mit Angabe des Handelnden zu formulieren [→ Kap. 3.4 (e), S. 99]. Also ist ggf. Klartext geboten: „Sie haben verzögert.“ - Gegebenenfalls kann es klüger (! ) sein, es dahingestellt sein zu lassen, wer die Verzögerung verursacht hat, und also im Passiv zu formulieren. Liegt wirklich ein Mangel/ Fehler vor: Was der Kunde moniert, kann ein Mangel/ Fehler in einer bereits erbrachten Leistung sein. Es kann aber auch eine Störung in Bereich des Kunden sein, schließlich auch der Zustand einer Leistung des Auftragnehmers, die noch nicht abgeschlossen ist. Beispiel für eine noch nicht abgeschlossene Leistung Der Kunde ruft bei der Einführung von Standardsoftware „Fehler“, weil das Programm noch nicht das tut, was er braucht. Das kann daran liegen, dass die Parametrierung noch nicht abgeschlossen ist, möglicherweise sogar daran, dass der Kunde die erforderlichen Daten noch nicht bereitgestellt hat. Die Kundenseite verwendet vielfach das Wort „Fehler“, wenn etwas noch nicht so ist, wie sie es haben will. Auch die Auftragnehmerseite schreibt zu häufig „Fehler“. Auf Kundenseite, insbesondere bei dessen Management, bleibt dann haften, dass es bisher viele Fehler gegeben habe. Der Auftragnehmer soll deswegen das Wort „Fehler“ vermeiden, solange es sich nicht wirklich um Fehler handelt. Wenn der Kunde unberechtigt „Fehler“ schreibt, soll der Auftragnehmer deutlich widersprechen. Abnahmeerklärung: Sie ist die Erklärung des Kunden beim Werkvertrag an dessen Ende, dass das Werk vertragsgemäß sei [PR-Vertragsrecht, Kapitel 7.6]. 33 Nach dieser Erklärung hat der Kunde keinen Anspruch mehr auf weitere Leistungen, sondern kann nur noch Mängel geltend machen. Die „Abnahme“ der Ergebnisse bei Entwicklung von Software nach Scrum, insbesondere die von Sprints, ist keine Abnahme im Sinne eines Werkvertrags. Der Kunde kann im nächsten Sprint Änderungen verlangen, ohne sich auf Ansprüche wegen Mängeln stützen zu müssen. 32 Wenn er das erfolgreich bestreiten will, muss er beweisen, dass er die Nichteinhaltung nicht verursacht hat [→ siehe PL-Vertragsrecht, Kapitel 11.3 (1)] . 33 Die Vertragspartner können diese dank der Vertragsfreiheit auch bei Kaufverträgen vereinbaren [→ siehe PR-Vertragsrecht, Kapitel 8] . <?page no="152"?> 5.9 Insbesondere (Kurz-)Protokolle 153 5.9 Insbesondere (Kurz-)Protokolle Regeln für die Protokollschreibung sollen spätestens beim Projektstart vereinbart werden. Dazu gehört auch der Punkt, wie schnell der andere Partner zum Protokoll / zu dessen Entwurf Stellung nehmen soll (die Beteiligten brauchen bald eine verbindliche Arbeitsgrundlage). Der Sitzungsleiter sollte sich nicht damit belasten, das Protokoll zu führen, wenn mehrere Personen an einer Sitzung teilnehmen. Bereiten Sie als Protokollführer das Protokoll vor der Sitzung vor: Tagesordnung, Teilnehmer, bereitgestellte Unterlagen. Normalerweise geht es um ein Kurzprotokoll, also weder um ein (ausführliches) Verlaufsprotokoll noch um ein (reines) Ergebnisprotokoll/ Beschlussprotokoll. Das Kurzprotokoll soll die Themen abhandeln mit den Kernaussagen sowie den getroffenen Absprachen zur Sache und zum weiteren Vorgehen. Dementsprechend dürfen Sie die einzelnen Beiträge zu einem Punkt der Tagesordnung zusammenfassen. Sie sind also kaum an den Ablauf der Diskussion zu den einzelnen Punkten gebunden. Ein Protokoll hat mehrere Funktionen, die Sie berücksichtigen sollten: Es hält möglicherweise Vereinbarungen zu Änderungen des Vertrags und wahrscheinlich Absprachen (zum weiteren Vorgehen) fest. Es erleichtert die Kontrolle, ob die Absprachen umgesetzt worden sind. Als schriftliche Dokumentation schafft es Klarheit, kann sogar als Beweismittel dienen [PR-Vertragsrecht, Kapitel 4.1.5]. Für Protokolle gilt besonders, dass diese auch für andere als die Teilnehmer verständlich sein sollen. Gehen Sie also auf den Zusammenhang ein. Formulieren Sie den Ablauf in einer einheitlichen Zeitform. Das kann das Präsens sein (Sie führen das Protokoll während der Besprechung) oder das Imperfekt. 34 Wenn Sie das Imperfekt verwenden, kann später schwer zu unterscheiden sein, ob eine im Protokoll aufgeführte Handlung während der Besprechung oder schon vorher stattgefunden hat, 34 DIN 5008 sieht in 24.3 das Präsens vor. <?page no="153"?> 154 5 Leistungsbeschreibungen und andere vertragsbezogene Texte ob ein Problem besprochen worden ist oder ob über ein schon bestehendes Problem berichtet worden ist. Andersherum ermöglicht das Imperfekt Ihnen besser, Feststellungen und Festlegungen hervorzuheben, indem Sie diese im Präsens formulieren. Wenn Sie wiedergeben wollen - auch zusammengefasst -, was jemand gesagt hat, müssen Sie das in indirekter Rede und damit im Konjunktiv tun. Dessen Verwendung besagt, dass Sie die Aussage nur sinngemäß zusammenfassen, also nicht wörtlich wiedergeben. Also brauchen Sie sich kaum auf Geplänkel über den exakten Wortlaut einzulassen. Genieren Sie sich nicht, den Konjunktiv mit „würde“ zu verwenden. Dieser ist zwar sprachlich oft nicht so schön wie der echte Konjunktiv, aber leichter zu schreiben und zu verstehen; allerdings rutscht das Verb ans Ende. Beispiel Stilistisch anspruchsvoll: „Frau XX behauptete, dass das gut klänge und bereits Anklang fände.“ Ausreichend: „Frau XX behauptete, dass das gut klingen und bereits Anklang finden würde.“ Es ist besonders wichtig, den Akteur zu nennen, also Sätze möglichst im Aktiv zu formulieren. Wenn der Auftragnehmer im Protokoll aufnimmt, dass er den Kunden bei der Beseitigung eines Kundenproblems unterstützt hat oder unterstützen will, soll er an die Vergütung denken: Wenn er das Thema Vergütung hier nicht anspricht, liegt es nahe, dass er für seine Unterstützung keine zusätzliche Vergütung berechnen will, insbesondere nicht, wenn insgesamt oder für den betroffenen Leistungsbereich ein Festpreis vereinbart worden ist. Wenn Sie im Protokoll Hinweise darauf aufnehmen wollen, was nach der Besprechung geschehen ist, sollen Sie diese vom übrigen Text deutlich abheben. Beispiel „Nachrichtlich: Frau XX hat diesen Punkt am _____ erledigt.“ „Wer schreibt, der bleibt“ : Wer das Protokoll führt, hat einen Vorteil: Beim Ausarbeiten des Protokolls kann er die Interessen seiner Seite durch geschickte Formulierungen fördern. Deswegen kann sich empfehlen, dass der Protokollführer das Protokoll während der Sitzung stichpunktartig führt, Entscheidungen aber ausformuliert und <?page no="154"?> 5.9 Insbesondere (Kurz-)Protokolle 155 am Ende eines Besprechungspunktes oder der Sitzung vorliest, so dass die Beteiligten zumindest den Wortlaut von Entscheidungen abstimmen können. Das hat auch den Vorteil, dass die Besprechungsergebnisse schnell offiziell gemacht werden können. Der andere Vertragspartner soll den Entwurf des Protokolls auf jeden Fall sorgfältig kontrollieren und vorsichtshalber darum bitten, das abzuändern, was er für falsch oder missverständlich protokolliert hält. Für den Auftragnehmer kann es allerdings auch vorteilhaft sein, dass der Kunde das Protokoll führt, weil dieser sich dadurch stärker mit den Besprechungsergebnissen identifiziert. Außerdem kann der Auftragnehmer kontrollieren, ob der Kunde die Besprechungsergebnisse richtig sieht. Beispiel für die Führung von Protokollen Pos Sachverhalt Typ wer wie bis wann Typ: A = Angebot erforderlich B = Beschluss (Vereinbarung) F = Feststellung (einer Tatsache) H = Handlung erforderlich L = Leistungsbeschreibung wird entsprechend konkretisiert / geändert. Wie: Art der Beteiligung Z = ist zuständig für das Durchführen W = wirkt mit M = hat Recht zur Mitsprache I = ist zu informieren/ hat Anspruch auf Information G = genehmigt / gibt frei U = (AN) unterstützt auf Anforderung ohne gesonderte Vergütung V = unterstützt auf Anforderung gegen gesonderte Vergütung Abb. 9: Vorlage für die Führung von Protokollen <?page no="156"?> 6 Das Angebotsdokument attraktiv gestalten Als Format für das Angebot als zentrales Dokument empfiehlt sich ein Aufbau, der an einer Leistungsbeschreibung ausgerichtet ist [→ Kap. 5.1, S. 123] . Beim Erstellen von Angeboten kommen akquisitorische und rechtliche Gesichtspunkte in Konflikt. Vertriebsmitarbeiter schreiben gerne, was dem Kunden gefällt. Doch wohlklingende Wörter erhöhen oft das Risiko des Auftragnehmers, weil der Kunde diese später in seinem Interesse auslegen kann [→ Kap. 5.3 unter „Vermeiden Sie starke Wörter“, S. 134]. Überlegen Sie insbesondere bei jedem für den Kunden positiven Adjektiv, ob Sie es wirklich benötigen. Der Auftragnehmer sollte aus rechtlichen und geschäftlichen Gründen prüfen, ob die Ziele des Kunden bei dessen Fähigkeiten und mit der anzubietenden Leistung erreicht werden können. Er sollte ein vorsichtig abgefasstes Angebot abgeben. Das kann die Attraktivität des Angebots (und die des Auftragnehmers) beeinträchtigen. [→ Siehe Kap. 5.3 unter „Behandeln Sie die Ziele des Kunden mit Vorsicht“, S. 135, sowie IT-Projektmanagement, Kap. 2.1.] Immerhin erhöht ein Angebot, das die Empfehlungen hinsichtlich Verständlichkeit befolgt, auch bei der erforderlichen Absicherung die Chance, den Auftrag zu bekommen. Gut handhabbar für den Kunden gestalten: Verwenden Sie Begriffe einheitlich, definieren Sie diese gegenüber dem Kunden. [→ Siehe Kap. 2.2 (b) unter „Begriffe auch gegenüber dem Empfänger(-kreis) festlegen“, S. 74.] Verwenden Sie rechtliche Ausdrucksweisen nur dort, wo es geboten ist. [→ Siehe Kap. 5.2 unter „Bleiben Sie bei Ihrer normalen Sprache“, S. 126.] Machen Sie das Angebot für den Kunden übersichtlich: Ausführliche technische Beschreibungen gehören in Anlagen; gliedern Sie Ihr Angebot; sehen Sie bei einem umfangreichen Angebot ein Inhaltsverzeichnis vor. Gehen Sie bei der grafischen Gestaltung vorsorglich davon aus, dass der Kunde Ihr Angebot schwarzweiß kopieren könnte (wie sehen Visualisierungen mit dunklem Hintergrund oder mit unterschiedlichen Farben dann aus? ). Wenn Sie mit Excel-Tabellen arbeiten, die Sie nicht ausdrucken: Formatieren Sie diese so, dass der Kunde diese zweckmäßig ausdrucken und handhaben kann. <?page no="157"?> 158 6 Das Angebotsdokument attraktiv gestalten Verständlich und ansprechend gestalten: Bei Ihrem Kunden werden sich mehrere Funktionsträger mit Ihrem Angebot beschäftigen. Fassen Sie Ihr Angebot so ab, dass es für die wichtigste Instanz, die es in die Hand nehmen wird, verständlich und ansprechend ist [→ Kap. 3.2 (a) unter „Nicht gleichartige Empfänger“, S. 66] . Die wichtigste Instanz ist zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen meist o derjenige, der auf Kundenseite die Entscheidung trifft, o Ihr fachlicher Ansprechpartner, o die Einkaufsabteilung des Kunden, o dessen Rechtsabteilung, o möglicherweise auch dessen Controlling und letztlich auch o Ihr eigener Vorgesetzter (wenn er das Angebot unterschreiben soll). Falls beim Kunden ein Gremium für die Bewertung und für den Entscheidungsvorschlag zuständig ist, sollten Sie primär an dieses denken und entsprechend allgemeinverständlich schreiben. Ihr fachlicher Ansprechpartner beim Kunden ist eine wichtige Person. Ihr Angebot soll für ihn so attraktiv sein, dass er es vor allen anderen Angeboten befürwortet. Sie können ihn z.B. in Ihrem Anschreiben zum Angebot ansprechen, u.U. ein gesondertes Anschreiben an ihn machen (mit einer Kopie des Angebots für ihn). Außerdem können Sie ihn dadurch erfreuen, dass Sie Anlagen zum zentralen Vertragsdokument erstellen, die sich intensiv und kompetent mit der fachlichen Seite befassen. Erforschen Sie die Begriffswelt des Kunden. Sehen Sie Entscheidungsspielräume für den Kunden vor. Professionalität zeigen: So wie Sie die Risiken in der Sphäre des Kunden abfragen sollen, sollte der Kunde das auch Ihnen gegenüber tun. Sie können ihm einen Teil seiner Fragen vorweg beantworten, indem Sie Ihr Angebot entsprechend gestalten: Zeigen Sie ihm, dass Sie seine Situation und seine Vorstellungen (Ziele) verstanden haben. Holen Sie ihn in seiner Situation ab. Im Angebot (oder in einem Anschreiben dazu) soll etwas zu den Zielen des Kunden stehen - allerdings mit der gebotenen Vorsicht. [→ Siehe Kap. 5.3 unter „Behandeln Sie die Ziele des Kunden mit Vorsicht“, S. 135.] Zeigen Sie ihm, dass Sie sich darüber im Klaren sind, was auf Ihre Seite zukommen wird: an Herausforderung, an Einsatzbereitschaft. Machen Sie allerdings keine großen Versprechungen. <?page no="158"?> Das Angebot attraktiv gestalten 159 Zeigen Sie ihm durch die Gestaltung des Angebots, dass Sie sein Thema nicht zum ersten Mal bearbeiten. Auch formal souveränes Vorgehen schafft Vertrauen. Wer von der fantastischen Vorgehensweise seiner Organisation schreibt, weckt Zweifel an deren Kompetenz, wenn das Angebotsdokument darauf schließen lässt, dass das Angebotswesen nicht ordentlich organisiert ist. - Wenn auf der Kundenseite ein Rechtsberater oder ein Einkäufer eingeschaltet ist, soll auch die rechtliche Seite professionell abgefasst sein. Anforderungen an Allgemeine Geschäftsbedingungen: Ihre Organisation sollte eher nicht mit umfangreichen rechtlichen Bedingungen arbeiten, diese notgedrungen in einem gesonderten Dokument verkörpert, sondern mit möglichst kurzen, die sie als einen Abschnitt „Sonstige Vereinbarungen“ in das zentrale Vertragsdokument einfügt. Damit erhöht sie die Attraktivität ihres Angebots. Einen Teil der rechtlichen Bedingungen kann gut in den laufenden Text der Leistungsbeschreibung eingebracht werden (die in einem eigenen Dokument oder im zentralen Dokument enthalten sein kann). Beispiel Das Thema Abnahmeprüfung gehört in die Leistungsbeschreibung. Dann können Sie dort auch die Themen aufnehmen, bei welcher Restmenge an Mängeln der Kunde das System abnehmen muss und wie er die Abnahme erklären soll. Wenn Ihre Organisation bei einem gesonderten Dokument bleibt: AGB sollen wie das Angebot insgesamt sein: formal ordentlich (insbesondere von der Größe her gut leserlich), verständlich (insbesondere kaum Verweise auf Paragrafen), inhaltlich sachgerecht, möglichst ausgewogen. Ihre Organisation sollte bedenken, dass der Interessent zuerst das Angebotsdokument und erst dann ein Dokument mit AGB liest. Sätze in den AGB wie die, dass der Vertragsgegenstand, der Preis, der Liefertermin usw. im Angebot geregelt werden, sind also überflüssig. Diese sind lediglich bei solchen Juristen beliebt, die meinen, dass die AGB den Kern eines Vertrags bilden würden. Häufig steht in AGB vieles, was man von AGB anderer Anbieter, insbesondere von solchen aus den USA, abgeschrieben hat. Anbieter mit einer Muttergesellschaft aus den USA haben ihre AGB pflichtgemäß an denen der Muttergesellschaft und damit an deren Rechtordnung ausgerichtet. In den USA versteht sich - anders als im kontinentaleuropäischen Raum - wenig von selbst. Es muss also sehr vieles geregelt werden [PR-Vertragsrecht, Kapitel 3.4 (3)] . Auch deutsche Rechtsberater arbeiten gerne mit <?page no="159"?> 160 6 Das Angebotsdokument attraktiv gestalten umfangreichen Vorlagen, die für die USA, aber nicht für den deutschsprachigen Raum passen. Weichen Sie von den gesetzlichen Vorschriften zu Ihren Gunsten nur ab, wenn das wichtig ist. Das ist es nur in wenigen Punkten. Wichtiger für den Erfolg sind vernünftige Regelungen zur Vertragsdurchführung; diese können ausgewogen sein. Beispiel Einige wichtige Formulierungen zu Vertragsdurchführung, hier in Kurzform formuliert: „Es werden regelmäßige Sitzungen der Projektleiter sowie ggf. des Lenkungsausschusses vereinbart. Der Auftragnehmer hat vorab einen Sachstandsbericht zu erstellen. Der … führt Protokoll; der … kann innerhalb von X Tagen widersprechen, wenn er das Protokoll nicht anerkennen will.“ Verbreitet ist hingegen, dass der Aufragnehmer sich in seinen AGB kleinlich absichert. Er fragt nicht, wo der Kompromiss zwischen der Attraktivität seines Angebotes (Kundenfreundlichkeit) und seiner Absicherung liegen soll. Bedauerlicherweise kann es für Ihre Seite nachteilig sein, dem Kunden in einzelnen Klauseln etwas Gutes anzubieten. Denn Sie müssen das Gute beschränken. Viele Kunden fordern dann, dass Sie solche Beschränkungen streichen. Beispiele (1) Der Auftragnehmer sieht bei Lieferverzug zu seinen Lasten eine Vertragsstrafe von ½ % des Auftragswerts pro Woche, maximal 5 % des Auftragswerts, vor. Der Kunde will dann 1 % oder 2 % pro Woche haben und/ oder fordert, dass die Obergrenze erhöht oder sogar gestrichen wird. (2) Ein Auftragnehmer sieht in seinen AGB für die Pflege von Standardsoftware vor, dass er diese auf Verlangen des Kunden mindestens 5 Jahre lang pflegen muss, sofern nicht besondere Umstände eingreifen. Der Kunde verlangt, dass der Halbsatz über die besonderen Umstände gestrichen wird. Er wäre von sich aus wahrscheinlich kaum auf die Idee gekommen, überhaupt eine Pflegepflicht von 5 Jahren zu verlangen. Ihre Organisation sollte auch nicht versuchen, unsauberes Vorgehen der eigenen Seite durch Klauseln zu neutralisieren, dass die Rechtsfolgen, die sich aus solchem Vorgehen zu Lasten Ihrer Seite ergeben, nicht eintreten sollen. <?page no="160"?> Das Angebot attraktiv gestalten 161 Negativbeispiele (1) In schlechten AGB von Auftragnehmern heißt es: „Eigenschaftszusicherungen gelten nur, wenn sie schriftlich bestätigt worden sind.“ - Nutzlos: Mündliche Vereinbarungen sind immer möglich [PR-Vertragsrecht, Kapitel 4.1.5]. Also lautet die Lösung, die eigenen Mitarbeiter zu sensibilisieren, keine Zusicherungen abzugeben. (2) Der Auftragnehmer haftet für Eigenschaftsangaben in Prospekten. Das ist gefährlich, wenn Prospekte mehr beschreiben, als bereits realisiert ist. Also nimmt der Auftragnehmer eine Klausel auf, dass solche Eigenschaftsangaben nicht wirksam wären. - Wirkungslos! Da helfen nur korrekte Prospekte. <?page no="162"?> 7 Aufgaben zum Üben 7.1 Übungsaufgaben: Verbessern Sie die Texte Zu Kapitel 1.1 (a) Begriffe einheitlich verwenden [→ Vorschlag dazu S. 179] „Stakeholderanalyse: Stakeholder gehören dem Projektumfeld an. … Ebenso liefert die Analyse relevante Inhalte, um Projektumfeld und Stakeholder einschätzen zu können. … Auch kann man eine sinnvolle Strategie zum Umgang mit Stakeholdern aus der Umfeld- und Stakeholderanalyse ableiten.“ Zu Kapitel 3.4 (a) 1. Keine Hauptaussage in Nebensätzen [ → Vorschlag dazu S. 179] (1) Aus einem Schreiben an einen Kunden: „Da Ihre Seite das Feinkonzept noch nicht freigegeben hat, hat unser Projektleiter das Projekt gestoppt.“ [→ Sehen Sie auch die parallele Aufgabe „Verstecken Sie Wichtiges nicht in Adjektiven“ in Kap. 7.1 zu Kapitel 3.4 (g) unter (2), S. 166]. (2) „Dass wir die Software, die Sie von uns erwerben, in dem von Ihnen genannten Umfang pflegen müssen, haben wir Ihnen bereits bestätigt.“ 2. Kurze Reihungen können schwer verständlich sein. [ → Vorschlag dazu S. 180] (1) Der folgenden Satz ist richtig, aber schwer verständlich: „Das Fachkonzept beschreibt die Vorgehensweise bei der Dateneinrichtung und Modellierung der Prozesse in den Projektphasen und technische Anforderungen.“ (2) Unglücklich formuliert: “Informationsasymmetrie zwischen Architekten sowie Ingenieuren und Verbrauchern“. Das klingt nach „Architekten gegenüber Ingenieuren und Verbrauchern“. Gemeint sein dürfte hingegen: „Architekten und Ingenieuren gegenüber Verbrauchern“ <?page no="163"?> 164 7 Aufgaben zum Üben 3. Nebensätze ausgliedern [→ Vorschlag dazu S. 180] (1) In einem Schreiben an den Kunden hieß es: „Sie haben unseren sicheren Lösungsvorschlag, alle Datensätze einzeln in diesem Format zu übermitteln, mit der Begründung, dass Ihnen die Anlage aller Datensätze in diesem Format zu zeitaufwändig ist, abgelehnt.“ Teilen Sie den Satz in zwei und übungshalber in drei Sätze auf. (2) Ein Kunde hatte umfangreiche Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Der Auftragnehmer hatte mit dem Geschäftsführer des Kunden telefonisch eine Einigung erzielt und schrieb daraufhin: „… Sie erhalten beiliegend eine Gutschrift über € XX.XXX. Mit der Annahme dieser Gutschrift, die Sie bitte mit offenen Rechnungen von uns verrechnen, bestätigen Sie, dass hiermit alle Schadensersatzansprüche, die Sie bisher geltend gemacht haben, erloschen sind.“ 4. Verben nach vorne [→ Vorschlag dazu S. 180] (1) Wenn ein Kunde von einem Vertrag zurücktritt: „Normalerweise will der Kunde höchstens das, was er gezahlt hat, erstattet bekommen.“ (2) In einem Brief hieß es: „Sobald uns Ihre detaillierten Anforderungen vorliegen, werden wir Ihnen ein Angebot über deren Realisierung wie von Ihnen gewünscht zu einem Festpreis und zu einem festen Termin unterbreiten.“ 5. Die Stellung von Prädikatsnomen [→ Vorschlag dazu S. 180] (1) „Der Punkt ist im Hinblick darauf, dass es um sensible personenbezogene Daten geht, die die betroffenen Personen nicht freiwillig mitgeteilt haben, sehr wichtig.“ (2) „Insgesamt ist mir unklar, ob eine gedeihliche Geschäftsverbindung angesichts der Forderungen, die der Kunde an den Einsatz der Software in seinen weiteren Betriebsstätten stellt, wahrscheinlich ist.“ Zu Kapitel 3.4 (b) 1. Formulieren Sie das besser [→ Vorschlag dazu S. 181] „Einzelkomponentensoftwaretests“ „Lenkungsausschusssitzungsprotokoll“ „Nachunternehmerverpflichtungserklärung“ (Datenschutz) „Produktentwicklungsprojektantrag“ <?page no="164"?> 7.1 Übungsaufgaben: Verbessern Sie die Texte 165 2. Vermeiden Sie Ketten von Substantiven. [→ Vorschlag dazu S. 181] (1) „Betonen Sie den Grundsatz Ihrer Firma der Gleichbehandlung aller Kunden.“ (2) „Es wurde die Möglichkeit der Sperrung von Funktionen für einzelne Geschäftsprozesse erklärt.“ (3) „Das Gericht hat seine Annahme des Zugangs des Schreibens des Geschäftsführers der Klägerin bei der Beklagten damit begründet, dass …“ 3. Schreiben Sie nicht gestelzt [→ Vorschlag dazu S. 181] (1) „Fehler werden einer Lösung zugeführt.“ (2) „Als Pflegekosten für alle Programme gelten 1,2 % der Listenpreise als Pflegepreis einverständlich vertraglich vereinbart.“ (3) „Beratung … Die Kosten für unsere Aufwendungen basieren auf dem dafür erforderlichen Zeitaufwand und orientieren sich an den folgenden Stundensätzen.“ (4) „Der Auftragnehmer kann keine vertraglich zugesicherte Garantie übernehmen, die Verfügbarkeit des Internet zu gewährleisten.“ Kapitel 3.4 (c) Bleiben Sie bei Verben [→ Vorschlag dazu S. 182] „Dafür ist die Zusammenarbeit zwischen A und B notwendig.“ „Die Rechnungsstellung der Vergütung erfolgt monatlich.“ „Das Finden von Problemlösungen wird durch gemischt zusammengesetzte Projektteams oft besonders gut vollbracht.“ „Eine Datenbankanalyse fand am DATUM durch Herrn M (Auftragnehmer) statt.“ Zu Kapitel 3.4 (d) 1. Klären Sie die Rückbezüge [→ Vorschlag dazu S. 182] „Spätestens in der Kick-off-Phase soll der Auftragnehmer mit dem Kunden den Umfang von seiner Mitwirkung klären. Dabei soll er ihm verdeutlichen, dass er den Einsatz seiner Mitarbeiter in verschiedenen Projekten einplant.“ (1) Ersetzten Sie übungshalber erst einmal alle drei Personalpronomen durch das jeweilige Wort, auf das diese Bezug nehmen. Prüfen <?page no="165"?> 166 7 Aufgaben zum Üben Sie dann, ob das Possessivpronomen „seiner“ eindeutig verwendet wird. (2) Formulieren Sie dann den Satz so, dass Sie diesen für möglichst eindeutig halten. Sie sind frei, inwieweit Sie Substantive, Personalpronomen oder Possessivpronomen verwenden. 2. Auf was geht dieser Rückbezug [→ Vorschlag dazu S. 183] „Vor dem Kennenlernen der Empfehlungen sollten Sie einige Ihrer Texte überarbeiten. Stört Sie etwas daran? “ Der Rückbezug ist unklar: An was könnten Sie sich stören? Zu Kapitel 3.4 (f) Keine wichtige Handlung/ Aussage in Relativsätzen [→ Vorschlag dazu S. 183] (1) „Der Beratungsaufwand ist abhängig von der erforderlichen Funktionalität, die in der entsprechenden Projektarbeit noch detailliert werden muss.“ (2) „Existiert eine Produktbeschreibung, ist sie der Maßstab für die geschuldete Leistung. Für die Benutzerdokumentation, die diese Informationsfunktion nicht hat, gilt das nicht.“ Zu Kapitel 3.4 (g) Verstecken Sie Wichtiges nicht in Adjektiven [→ Vorschlag dazu S. 183] (1) „Dagegen dürfte häufig die schlechte Vorhersehbarkeit des wahrscheinlichen Aufwands sprechen.“ (2) In einem Projekt hatte der Kunde nicht ordnungsgemäß mitgewirkt. Deswegen schrieb der Auftragnehmer: „Aufgrund des nicht verabschiedeten Feinkonzepts hat unser Projektleiter einen Projektstopp für die weiteren Arbeiten veranlasst. Aufgrund der nicht endgültig festgelegten Teilprojektleiter für die weiteren Projektstufen können die vormals geplanten Starttermine für diese Projektstufen nicht gehalten werden.“ Sehen Sie auch die parallele Aufgabe „1. Keine Hauptaussage in Nebensätzen“ in Kap. 3.4 (a) [→ S. 163]. (3) „Eine tagesaktuelle Abarbeitung der Bestellungen ist uns daher nicht mehr möglich.“ (4) „Es findet eine zunehmende Missachtung dieses Grundsatzes statt.“ <?page no="166"?> 7.1 Übungsaufgaben: Verbessern Sie die Texte 167 Zu Kapitel 3.6 Schreiben Sie nachvollziehbar [→ Vorschlag dazu S. 184] Stellen Sie sich für den folgenden Satz die Situation vor, dass der Schreiber auf eine Besprechung Bezug nimmt, auf der nicht alle Besprechungspunkte erledigt worden sind: „Die restlichen offenen Punkte wurden mit Herrn XXX abgestimmt, sodass diese geklärt sind.“ Das lässt offen, welche Punkte bisher offengeblieben sind und in welchem Dokument das Abstimmungsergebnis niedergelegt worden ist. Nützlich ist auch, das Datum des Abstimmungsgesprächs und die Gesprächspartner anzugeben. Zu Kapitel 4 1. Überarbeiten Sie, was ausformuliert worden ist [→ Vorschlag dazu S. 184] „Es kann dazu kommen, dass die Argumentation des Vertrauensnehmers aus Sicht des Gebers nicht nachvollzogen werden kann, so dass dieser letztlich die subjektiv wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit des Handlungspartners nach unten korrigiert.“ 2. Die Struktur eines Satzes überarbeiten [→ Vorschlag dazu S. 185] In Kapitel 3.4 (a) steht unter „Zweite Störung“ (nämlich dass das Vollverb am Ende steht) das Negativbeispiel mit einem Auslassungszeichen [→ S. 86] : „Ein Vertreter des Unterauftragnehmers nahm …“ Der ganze Satz lautete: „Ein Vertreter des Unterauftragnehmers nahm, keinesfalls freiwillig, sondern um das Image seiner Firma zu verbessern, was angesichts der anstehenden zusätzlichen Beauftragung dringend geboten erschien, nach langem Zögern an der Sitzung des Lenkungsausschusses zu dem Thema Zusatzauftrag teil.“ Da gibt es noch mehr zu überarbeiten, als nur den zweiten Teil des Vollverbs nach vorne zu holen. Es bietet sich an, den Satz aufzuteilen, insbesondere den Was-Nebensatz auszugliedern. Der bezieht sich auf einen Teil des Satzes („keinesfalls …), der nicht zu dessen Kern gehört. [→ Siehe Kap. 3.4 (a) unter „Hängen Sie nicht einen Nebensatz an, …“, S. 83.] Also erst einmal diesen Teil nach hinten verschieben! Sie können dann den Absatz noch optimieren, nämlich das zusammenbringen, was inhaltlich zusammengehört. <?page no="167"?> 168 7 Aufgaben zum Üben Zu Kapitel 5 Zu Kapitel 5.2 1. Bringen Sie das folgende Angebot in eine normale Sprache [→ Vorschlag dazu S. 185] „Der jeweilige gemeinsam geschätzte Beratungsaufwand ist abhängig von der notwendigen erforderlichen Funktionalität, die in der entsprechenden Projektarbeit noch detailliert werden muss, sowie von der Mitarbeit und der Verfügbarkeit von Mitarbeitern des Kunden (Fachabteilung und Informatik) für die Fachthemen als auch für die Programmierleistungen. Sollten sich im Projektverlauf neue Erkenntnisse ergeben, die die Aufwände möglicherweise beeinflussen, so werden wir rechtzeitig darauf hinweisen, um entsprechende Korrekturen oder Projektabgrenzungen zur Entscheidung zu bringen.“ Schreiben Sie den Text so um, dass er verständlich wird. 2. Vermitteln Sie Ihre Position deutlich [→ Vorschlag dazu S. 185] Die Vertragspartner hatten eine Auseinandersetzung: Der Kunde fand die gemäß Vertrag erbrachten Leistungen nicht für ausreichend. Der Auftragnehmer hatte aus seiner Sicht sogar zusätzliche Leistungen erbracht. Er hatte diese in Rechnung gestellt. Um die Auseinandersetzung zu beenden, erklärte der Auftragnehmer sich schriftlich zu weiteren zusätzlichen Leistungen bereit (diese also wirklich ohne zusätzliche Vergütung) und fuhr fort: „Dabei gehen wir von einer umgehenden Bezahlung der offenen Rechnungen aus.“ (1) Welches Risiko sehen Sie in dieser Formulierung für den Auftragnehmer? (2) Setzen Sie Ihre Fantasie ein, wie die Auseinandersetzung wohl weitergegangen ist. (3) Wie hätte der Auftragnehmer formulieren sollen? Kap. 5.3 Im geschäftlich sicheren Formulierungsbereich bleiben [→ Vorschlag dazu S. 186] Der Kunde hatte die bisher eingesetzte Generation der Standardprogramme selbst an seine Anforderungen angepasst. Er beauftragte die <?page no="168"?> 7.1 Übungsaufgaben: Verbessern Sie die Texte 169 Lieferung der neuen Generation. Nach Abschluss dieses Vertrags forderte er, dass der Auftragnehmer eine umfangreiche Anpassung aus der alten Generation in die neue Generation übernehmen sollte. Das würde einige Tage Aufwand erfordern. Außerdem wollte der Auftragnehmer vorsichtshalber wissen, ob der Kunde noch weitere ihm bisher nicht bekannte Anpassungen vorgenommen hatte. Der Auftragnehmer schrieb: "Wir erstellen diese Anpassung ausdrücklich nicht in Anerkennung einer Bringschuld aus oben genanntem Vertrag, sondern gehen von einer Zahlungsverpflichtung seitens Ihrer Firma aus. Allein um einen kurzfristigen Echtstart zu ermöglichen und damit durch weitere Verzögerungen anfallende Zusatzkosten für Sie zu vermeiden, treten wir in diese Vorleistung. Für diese Anpassung kalkulieren wir einen Aufwand von 12 Stunden. Bedingung für diese Vorleistung ist die schriftliche Bestätigung über die in [→ der Vorgängerversion] getätigten Anpassungen." Kap. 5.5 „Wir gehen davon aus, dass …“ [→ Vorschlag dazu S. 187] Der Auftragnehmer schrieb in einem Angebot hinsichtlich einer bestimmten Aufgabe: „Wir gehen davon aus, dass Sie diese Aufgabe durchführen.“ Welches Risiko sehen Sie in dieser Formulierung für den Auftragnehmer? Wie hätte der Auftragnehmer formulieren sollen? <?page no="169"?> 170 7 Aufgaben zum Üben 7.2 Aufgaben zu Texten aus der Praxis von Projektleitern Diese Aufgaben sind allgemein auf inhaltliche Richtigkeit, Eindeutigkeit und Verständlichkeit ausgerichtet. Einige beinhalten, dass Sie selbst einen Text erstellen. Die Texte stammen weitgehend von der Auftragnehmerseite. Sie hat mehr und schwieriger zu schreiben und benötigt deswegen mehr Übungshilfen. 1. Was will der Auftragnehmer erreichen, was erreicht er? In einem Angebot hieß es: „Die Einhaltung der vereinbarten Termine ist abhängig von der Erfüllung der Mitwirkungspflicht des Kunden sowie davon, dass gegenüber dem in der Einführungsuntersuchung festgelegten Konzept keine gravierenden Änderungen notwendig bzw. vom Kunden gewünscht werden. Werden gravierende Änderungen des Konzeptes notwendig bzw. vom Kunden gewünscht oder im Falle der Verzögerung der Mitwirkung vom Kunden, werden die Parteien einvernehmlich neue Endtermine festlegen.“ (1) Wenn das der Absicherung dienen soll: Ist diese unter Berücksichtigung aller Erfolgsfaktoren sachgerecht formuliert? Denken Sie an die Formulierung von Anspruchsgrundlagen. Ist diese Absicherung überhaupt nützlich, nämlich gegenüber der Rechtslage nach dem Vertragsrecht vorteilhaft? Lesen Sie den Vorschlag dazu unter (1), bevor Sie weitermachen. (2) W-Frage: Was dürfte der Auftragnehmer beabsichtigt haben? Wenn Sie die Antwort erarbeitet haben, dann gleichen Sie diese mit der Antwort im Vorschlag unter (2) ab [→ S. 150]. Gehen Sie sodann bei der Frage (3) von dem Vorschlag unter (2) aus, weil der Verbesserungsvorschlag zur Frage (3) auf diesen unter (2) ausgerichtet ist. (3) W-Frage: Wie und wo würden Sie das Thema gemäß diesem Ziel abhandeln? Was würden Sie dann wie schreiben, oder was würden Sie nicht ansprechen? [→ Vorschlag dazu S. 189 unter (3)] <?page no="170"?> 7.2 Aufgaben zu Texten aus der Praxis von Projektleitern 171 2. Verbessern Sie die folgenden Formulierungen Bei einem Vertrag über die Erstellung von Programmen hat der Kunde Fehlerkorrekturen, die der Auftragnehmer während der Erstellungsphase bereitgestellt hat, stets selbst installiert. Anscheinend hat er die zuletzt vor der Abnahmeprüfung übermittelten Korrekturen nicht oder nicht richtig installiert. Auf jeden Fall hat er im Abnahmeprotokoll viele Fehler aufgeführt (mehr als 30). Der Auftragnehmer hielt den Umfang des Vorbehalts für nicht berechtigt. Er antwortete wie folgt: „Mit der vorliegenden Abnahme der gelieferten Gewerke ist ein weiterer Meilenstein auf dem gemeinsamen partnerschaftlichen Weg im Projekt beschritten worden. Wir möchten uns für Ihr entgegengebrachtes Vertrauen auf diesem Wege bedanken und würden uns freuen, Sie auf dem weiteren Wege durch unsere Mitwirkung unterstützen zu können. Der dem Abnahmeprotokoll beigefügte Anhang bezüglich des aktuellen Bearbeitungsstandes der Mängel widerspricht absolut den zum Abnahmezeitpunkt vorherrschenden Sachverhalten. ... Nach einer kurzen Analyse Ihrer gemeldeten Fehler wurde deutlich, dass diese einen veralteten Stand enthält. So enthält Ihre Auflistung noch ca. 20 Fehler, die teilweise schon lange behoben waren (Nachweis: ...). Als Beispiel referenzieren wir auf den von Ihnen genannten Fehler XXX. Als Anlage des vorliegenden Schreibens erlauben wir uns, eine handschriftlich vorgenommene Kommentierung des Bearbeitungsstandes zum Stichtag des Abnahmeprotokolls beizufügen." (1) Wie viele der 30 Fehler sind bereits behoben? (2) Verbessern Sie den Text, wie Sie das für angebracht halten. [→ Vorschlag dazu S. 190] 3. Eine Tabelle mit den Preispositionen formulieren In einem umfangreichen Angebot ist die Vergütung für die einzelnen Positionen in einer Tabelle zusammengefasst worden: Tätigkeit Tagessatz Tage Betrag 1 Anforderungsanalyse 1.000 10 10.000 2 Anpassungen 1.000 optional 3 Implementierung geschätzt 1.000 20 20.000 <?page no="171"?> 172 7 Aufgaben zum Üben 4 Schulung 1.000 15 15.000 5 Datenübernahme 1.000 nach Aufwand 6 Reisekosten für 35 Tage geschätzt 7.000 Gesamtpreis 52.000 (1) Beinhaltet das Angebot einen Festpreis? Wenn ja, für welche Positionen? (2) Wie wird der Kunde das nach Abschluss des Vertrags sehen? (3) Formulieren Sie die Zeile „Gesamtpreis“ auf der Basis, dass die Position 1 einen Festpreis beinhaltet, sodass die Formulierung die einzelnen Zeilen bestimmt nicht abändert. (4) Unter der Prämisse, dass die Position 1 einen Festpreis beinhaltet: (4.1) Wie viele Tage muss der Auftragnehmer für die Anforderungsanalyse maximal erbringen? (4.2) Wie viele Tage Schulung muss der Auftragnehmer maximal erbringen? (4.3) Formulieren Sie einen eindeutigen Festpreis für die Schulung. Stellen Sie klar, dass der Auftragnehmer unter diesem Festpreis auf jeden Fall nicht mehr als 15 Tage Schulung erbringen und auf jeden Fall Euro 15.000 in Rechnung stellen will, selbst wenn der Kunde weniger Tage Anspruch nimmt. (Diese Vereinbarung soll den Kunden dazu bringen, die Schulung in Anspruch zu nehmen). [→ Vorschlag dazu S. 190] 4. Wie sind die Vereinbarungen auszulegen? In einem Vertrag über die Überlassung von Standardsoftware mit Anpassungsprogrammierung hieß es: (1) „Die Vergütung für die Erstellung des Schnittstellenprogramms beträgt 50.000 €. Für jeden Verkauf des Schnittstellenprogramms an einen anderen Anwender erstattet der Auftragnehmer dem Kunden 10.000 €." Wie viel hat der Auftragnehmer zu zahlen, wenn es zum sechsten Verkauf gekommen ist? (2) Weiterhin hieß es in dem Vertrag: „Der Auftragnehmer erstellt die folgende kundenspezifische Anpassung: GEGENSTAND <?page no="172"?> 7.2 Aufgaben zu Texten aus der Praxis von Projektleitern 173 Konzeption 2 Tage Realisierung 5 Tage Der Auftragnehmer bietet dafür die folgenden Tagessätze an: …" Tatsächlich benötigt der Auftragnehmer insgesamt 9 Tage und stellt 9 Tage in Rechnung. Falls ein Festpreis vereinbart worden ist, ist der Auftragnehmer dazu nicht berechtigt. Bei Vergütung nach Aufwand ist er es. Die Angaben wären dann als Kostenanschlag zu verstehen. 35 Hat der Auftragnehmer Anspruch auf den geltend gemachten Betrag? [→ Vorschlag dazu S. 187] 5. Einen kurzen Text erstellen Ein mittelständischer Interessent (ohne eigene IT-Abteilung) fordert von mehreren Anbietern verbindliche Angebote für die Einführung von kommerzieller Standardsoftware zu einem Festpreis. Er gibt ein Pflichtenheft vor, das die geforderten Funktionen stichwortartig aufführt. Er verlangt, dass Sie als Anbieter erklären, dass Ihr Angebot diese Anforderungen erfüllt. Ende! Die Anbieter dürfen jetzt keine Analysegespräche vorschlagen. Sie müssen damit rechnen, dass ein solcher Kunde später Schwierigkeiten machen wird: Dieser gibt seine Anforderungen zwar nur in Stichworten vor, erwartet aber später, dass die Funktionen in der Standardsoftware genau so realisiert sein werden, wie er das für seinen Betrieb braucht. Ihr Vorgesetzter will eine solche Erklärung abgeben und wünscht von Ihnen, dass Sie trotz dieser Unklarheiten ein solches Angebot erstellen. Sie sollen gegenüber dem Kunden dezent schriftlich darauf hinweisen, wie die Rechtslage bei stichwortartigen Anforderungen ist, nämlich dass der Kunde in diesem Fall keinen Anspruch auf eine maßgeschneiderte Lösung hat, wie er diese möglicherweise verlangen wird. Der Hinweis soll später Ihre Kollegen bei der Projektdurchführung helfen, solche Realisierungen, die in Ihrer Standardsoftware nicht abgebildet werden können, auf geschäftlicher Ebene leichter abzulehnen: Sie sollen sagen können, dass Ihre Firma den Kunden schon vor Abschluss des Vertrags darauf hingewiesen habe, dass dieser keinen Anspruch auf einen solchen Anwendungsvorrat der Standardsoftware habe. Sie können diese Aufgabe nicht dadurch umgehen, dass Sie jetzt nachfragen, was der Kunde mit den Stichworten meinen würde (weil der Kunde diese Befragung nicht zulassen würde). 35 Ein Kostenanschlag verpflichtet den Auftragnehmer, den Kunden darauf in dem Fall hinzuweisen, dass ein erheblicher Mehraufwand zu erwarten ist [PL-Vertragsrecht, Kapitel 7.4 (3)]. <?page no="173"?> 174 7 Aufgaben zum Üben (1) Übungshalber sollen Sie erst einmal ein Konzept zum Schreibvorhaben sowie ein Konzept zum Inhalt erstellen. Für das Schreibvorhaben steht Ihnen das folgende Formular zur Verfügung. Sie brauchen nicht für jede Frage eine Antwort zu geben und/ oder eine Folgerung abzuleiten. „Konzept für das Schreibvorhaben An was für einen Empfänger schreiben Sie? Antwort: Folgerung: Welches sprachliche Niveau und welches fachliche hat der Empfänger? Antwort: Folgerung: … Wozu schreiben Sie? Was wollen Sie erreichen? Antwort: Folgerung: Was sind die Erfolgsfaktoren für den Schreibprozess und welche Risikofaktoren bestehen? Antwort: Folgerung: Wie sollten Sie den Empfänger ansprechen? Antwort: Folgerung: Wenn es schon Kommunikation in dieser Sache gibt: Wie knüpfen Sie an diese an? Wird es ein kurzer und/ oder einfacher Text oder aber ein umfangreicher und/ oder schwieriger? Antwort: Folgerung: Wie viele Dokumente schreiben Sie: eines oder zwei oder sogar mehrere? Antwort: Welche Aufteilung, wenn mehrere Dokumente: " <?page no="174"?> 7.2 Aufgaben zu Texten aus der Praxis von Projektleitern 175 Konzept zum Inhalt : Auf dem Formular steht weiterhin: „Brauche ich wirklich kein schriftliches Konzept zum Inhalt? “ In diesem Fall würde ich in der Praxis auf ein schriftliches Konzept zum Inhalt verzichten. [→ Vorschlag zu einem Konzept zum Schreibvorhaben S. 192] (2) Formulieren Sie den Text. [→ Vorschlag dazu S. 192] 6. Hier fehlte ein Konzept für das Angebot - Zum Schluss eine umfangreiche Aufgabe - Der Kunde (genannt: <KUNDE>) wollte seine kaufmännische Software durch eine neue Produktfamilie ersetzen und forderte Ihre Firma zur Abgabe eines Angebots auf. Einer Ihrer Mitarbeiter besprach mit <KUNDE> dessen Vorstellungen und erstellte daraufhin ein Angebot über die Einführung von Standardsoftware XXX der X AG mit Anpassungsprogrammierung. Die Preise für die Standardsoftware waren angegeben. Der Mitarbeiter war überfordert, wie sein Entwurf zeigt: „Aufgabenstellung <KUNDE> hat sich entschlossen, die bestehende Applikationsinfrastruktur komplett zu ersetzen. <KUNDE> sucht eine Lösung, die auf Standardkomponenten aufsetzt, und fordert eine Orientierung an diesem Produktstandard. Hierbei gilt es nicht nur, die Anforderungen aus dem Bereich CRM umzusetzen, sondern auch das bestehende System für das Rechnungswesen zu ersetzen, um eine nahtlose Integration zu gewährleisten ... [CRM = Customer Relationship Management] <AN> bietet ein mehrstufiges Vorgehen zur Umsetzung der Anforderungen von <KUNDE> an. Die erste Phase, die sich aus zwei Bestandteilen zusammensetzt, ist der Umfang dieses Angebotes. <AN> bietet die detaillierte Analyse der Anforderungen und die anschließende Spezifikation der CRM-Anforderungen an. Hiermit wird die Voraussetzung für eine anschließende Implementierung der Anforderungen auf Basis von Software der X AG geschaffen. Als weiteren Bestandteil bietet <AN> als Generalunternehmer die Einführung XXX-RW (Rechnungswesen) durch X AG an. Die Leistungsbeschreibung und Preise werden als Anlage 'Vertragsbestandteil XXX-RW Einführung' beigefügt. <?page no="175"?> 176 7 Aufgaben zum Üben Da der Austausch des bestehenden RW-Systems spätestens zum ______ [zwei Monate nach Ende der ersten Phase] abgeschlossen sein muss, um einen angemessenen Testzeitraum zu gewährleisten, wird <AN> in Zusammenarbeit mit X AG nur die notwendigen Änderungen und Erweiterungen in der ersten Phase analysieren und spezifizieren. In der Phase zwei werden Anpassungen am XXX-Rechnungswesen auch vor Produktionsbeginn, jedoch nur in der Entwicklungsumgebung, stattfinden, um den kritischen Produktionstermin nicht zu gefährden. <AN> wird mit <KUNDE> einen Releaseplan für das produktive XXX-Rechnungswesen vereinbaren. Als zweite Phase bietet <AN> die Implementierung der spezifizierten Funktionen an. Auf Grund unserer langjährigen Projekterfahrung und auf Basis der heute bekannten Anforderungen bietet <AN> die Umsetzung der Spezifikation zu einem Preis von Euro YYY mit einer Bandbreite von 20% an.“ Also machten Sie sich selbst an die Arbeit. (1) Damit Sie einen gut formulierten Text schaffen können, sollten Sie erst einmal aus dem Text ein Konzept in der Form einer Skizze ableiten: Wie soll das Projekt überhaupt ablaufen, also wer soll was wann machen. Auf welche Leistungen bezieht sich der „Bandbreitenpreis“? Sie können den (aus didaktischen Gründen abwesenden) Mitarbeiter nicht befragen und sollen den Kunden nicht befragen. - Ziel dieser Aufgabe ist es, Sie zu sensibilisieren, wie wichtig Eindeutigkeit ist. Suchen Sie die Antwort so lange, bis Sie keine Lust mehr dazu haben. Berücksichtigen Sie in der Skizze erst einmal nicht, welche Leistungen jetzt beauftragt werden sollen und welche erst in Zukunft, welche jetzt also nur aufgeführt werden, um das Projekt insgesamt darzustellen. [→ Vorschlag zur Skizze S. 193] Vergleichen Sie Ihre Skizze mit der vorgeschlagenen Skizze. Gehen Sie bei der weiteren Bearbeitung von der vorgeschlagenen Skizze aus. (2) Leiten Sie aus dem Text ab, welche Leistungen jetzt vereinbart und welche nur dargestellt werden sollen: Inwieweit beinhaltet die „Aufgabenstellung“ einen Vertragsantrag? Sie tut es bestimmt für die erste Phase (zwei Spezifikationen und eventuell die Überlassung der Standardsoftware). Tut die Aufgabenstellung es auch für die zweite Phase? Und wenn: Tut sie es nur für den Bereich CRM oder für beide Bereiche oder aber stellt sie nur das gesamte Projekt vor, zu dem in Zukunft ergänzende Verträge geschlossen werden sollen? Das müssen Sie aus den dem bisherigen Text ableiten. Daraufhin ergänzen Sie bitte Ihre Skizze. <?page no="176"?> 7.2 Aufgaben zu Texten aus der Praxis von Projektleitern 177 [→ Überlegungen und Entscheidungsvorschlag dazu unter (2), S. 194] (3) Formulieren Sie den Text auf der Grundlage von diesem Entscheidungsvorschlag neu. Denken Sie daran, dass der Punkt „Aufgabenstellung“ eine Art Management Summary darstellt: Das Management des Kunden dürfte wohl nur diesen Punkt lesen und damit das Projekt und das Angebot beurteilen wollen. Der Abschnitt muss also (deutlich und) leicht verständlich sein. [→ Vorschlag dazu S. 117] <?page no="178"?> 8 Vorschläge zur Bearbeitung der Aufgaben 8.1 Übungsaufgaben Zu Kapitel 1.1 (a) 1. Begriffe einheitlich verwenden Laut dem ersten Satz sind Stakeholder ein Teil des Projektumfelds. Laut dem zweiten Satz enthält die Stakeholderanalyse aber auch das höherrangige Projektumfeld. Das geht nicht. Im dritten Satz heißt die Analyse plötzlich „Umfeld- und Stakeholderanalyse“. Immerhin wird das Umfeld genannt. Aber: Das Dokument hat einen neuen Namen. Diese Übungsaufgabe soll Sie daran erinnern, dass Begriffe einheitlich verwendet werden sollen. Der Schreiber hatte offensichtlich keine Liste der Begriffe erstellt, geschweige denn eine Struktur für diese. Zu Kapitel 3 Zu Kapitel 3.4 (a) 1. Keine Hauptaussage in Nebensätzen (1) Die Ursache für den Stopp eines Projekts ist zu wichtig, als dass sie in einem Nebensatz abgehandelt werden sollte. Deswegen: „Ihre Seite hat das Feinkonzept noch nicht freigegeben. Deswegen hat unser Projektleiter das Projekt gestoppt.“ (2) „Wir müssen die Software, die Sie von uns erwerben, in dem von Ihnen genannten Umfang pflegen. Das haben wir Ihnen bereits bestätigt.“ Bitte konstruktiver! „Müssen“ klingt negativ. Der Relativsatz darf hier ersetzt werden: „Wir sind verpflichtet, die von uns zu liefernde Software in dem von Ihnen genannten Umfang zu pflegen. Das bestätigen wir Ihnen gerne noch einmal.“ Nicht: „Wir werden die von uns zu liefernde Software in dem von Ihnen genannten Umfang pflegen. Das bestätigen wir Ihnen gerne noch einmal.“ <?page no="179"?> 180 8 Vorschläge zur Bearbeitung der Aufgaben Das klingt zwar freundlicher, aber nicht so verbindlich. Und auf Verbindlichkeit kommt es dem Kunden gerade an (erneute Bestätigung! ). 2. Kurze Reihungen können schwer verständlich sein „Das Fachkonzept beschreibt die Vorgehensweise bei der Dateneinrichtung und bei der Modellierung der Prozesse in den Projektphasen sowie die technischen Anforderungen.“ (2) “Informationsasymmetrie zwischen einerseits Architekten und Ingenieuren und andererseits Verbrauchern“. Eventuell: “Informationsasymmetrie zwischen Fachleuten und Verbrauchern“. 3. Nebensätze ausgliedern (1) Etwas aufgeteilt: „Sie haben unseren sicheren Lösungsvorschlag, alle Datensätze einzeln in diesem Format zu übermitteln, abgelehnt. Sie haben das damit begründet, dass Ihnen die Anlage aller Datensätze in diesem Format zu zeitaufwändig sei.“ Oder noch weiter aufgeteilt (aus didaktischen Gründen): „Wir haben Ihnen eine sichere Lösung vorgeschlagen: Sie übermitteln alle Datensätze einzeln in diesem Format. Sie haben das mit der Begründung abgelehnt, dass Ihnen die Anlage aller Datensätze in diesem Format zu zeitaufwändig sei.“ (2) „Mit der Annahme dieser Gutschrift bestätigen Sie, dass hiermit alle Schadensersatzansprüche, die Sie bisher geltend gemacht haben, erloschen sind. Bitte verrechnen Sie die Gutschrift mit offenen Rechnungen.“ 4. Verben nach vorne (1) „Normalerweise will der Kunde höchstens das erstattet bekommen, was er gezahlt hat.“ (2) „Sobald Ihre detaillierten Anforderungen vorliegen, werden wir Ihnen ein Angebot für deren Realisierung unterbreiten, und zwar wie von Ihnen gewünscht zu einem Festpreis und zu einem festen Termin.“ 5. Die Stellung von Prädikatsnomen (1) „Der Punkt ist sehr wichtig im Hinblick darauf, dass es um sensible personenbezogene Daten geht, die die betroffenen Personen nicht freiwillig mitgeteilt haben.“ <?page no="180"?> 8.1 Übungsaufgaben 181 (2) „Insgesamt ist mir unklar, ob eine gedeihliche Geschäftsverbindung angesichts der Forderungen wahrscheinlich ist, die der Kunde an den Einsatz der Software in seinen weiteren Betriebsstätten stellt.“ Zu Kapitel 3.4 (b) 1. Formulieren Sie das besser „Die Tests der einzelnen Softwarekomponenten.“ Aus dem Zusammenhang heraus kann sich ergeben, dass „Software“ weggelassen werden kann. „Das Protokoll der Sitzung des Lenkungsausschusses“ „Die Verpflichtungserklärung, die der Unterauftragnehmer abgeben muss.“ „Der Projektantrag für die Produktentwicklung“ (auch möglich: „der Projektantrag für die Entwicklung des Produkts“) 2. Vermeiden Sie Ketten von Substantiven (1) „Betonen Sie, dass Ihre Firma alle Kunden grundsätzlich gleichbehandelt.“ Oder: „Betonen Sie den Grundsatz Ihrer Firma, alle Kunden gleichzubehandeln.“ Mir ist die zweite Fassung lieber, weil sie m.E. positiver klingt. (2) „Es wurde erklärt, wie Funktionen für einzelne Geschäftsprozesse gesperrt werden können.“ (3) „Das Gericht hat angenommen, dass das Schreiben des Geschäftsführers der Klägerin bei der Beklagten zugegangen ist, und hat das damit begründet, dass …“ 3. Schreiben Sie nicht gestelzt (1) „Fehler werden beseitigt.“ (2) „Die monatliche Pauschale für die Pflege beträgt für alle Programme 1,2 % von deren Listenpreisen / von deren jeweiligen Listenpreisen zum Zeitpunkt der Fälligkeit.“ (Die Bezugsgröße fehlte bisher! ) (3) „Beratung … Wir berechnen unsere Leistungen nach den folgenden Stundensätzen: …“ (4) „Der Auftragnehmer übernimmt keine Haftung für die Verfügbarkeit des Internets.“ <?page no="181"?> 182 8 Vorschläge zur Bearbeitung der Aufgaben Diese Kette von Substantiven geht in Ordnung, weil der Zusammenhang so formal ist. Anderenfalls würde ich formulieren: „Der Auftragnehmer übernimmt keine Haftung dafür / haftet nicht dafür, dass das Internet verfügbar ist.“ Zu Kapitel 3.4 (c) Bleiben Sie bei Verben „Dafür müssen A und B zusammenarbeiten.“ „Die Vergütung wird monatlich in Rechnung gestellt.“ „Gemischt zusammengesetzte Projektteams lösen Probleme oft besonders gut.“ „Herr M (Auftragnehmer) analysierte die Datenbank am DATUM.“ Wenn es auf den Akteur nicht ankommt, kann auch passivisch formuliert werden: „Die Datenbank wurde am DATUM analysiert.“ Zu Kapitel 3.4 (d) 1. Klären Sie die Rückbezüge Nur der Kunde wirkt mit. „seiner“ bezieht sich also auf den Kunden Im zweiten Satz geht es mit „seiner“ hingegen um die Mitarbeiter des Auftragnehmers. Rein sprachlich kann es im zweiten Satz sogar darum gehen, dass der Kunde seine Mitarbeiter in verschiedenen Projekten einplant. Auf pragmatische Ebene fehlt aber die Aufforderung an den Kunden, das zu tun. (1) Ersetzen von allen drei Personalpronomen: „Spätestens in der Kick-off-Phase soll der Auftragnehmer mit dem Kunden den Umfang von seiner Mitwirkung klären. Dabei soll der Auftragnehmer dem Kunden verdeutlichen, dass der Auftragnehmer den Einsatz seiner Mitarbeiter in verschiedenen Projekten einplant.“ „Seiner“ ist beide Male grammatisch nicht eindeutig, wohl aber semantisch. (2) Es bieten sich verschiedene Varianten an: „Spätestens in der Kick-off-Phase soll der Auftragnehmer mit dem Kunden den Umfang von dessen Mitwirkung klären. Dabei soll er diesem verdeutlichen, dass er den Einsatz der eigenen Mitarbeiter in verschiedenen Projekten einplant.“ <?page no="182"?> 8.1 Übungsaufgaben 183 oder: „… dass er den Einsatz seiner eigenen Mitarbeiter in verschiedenen Projekten einplant.“ oder: „… dass er selbst den Einsatz seiner Mitarbeiter in verschiedenen Projekten einplant.“ 2. Auf was geht dieser Rückbezug? Es sind zwei Richtungen möglich: Auf Ihre Texte oder aber auf den Vorschlag, dass Sie Ihre Texte schon vor dem Lesen der Empfehlungen überarbeiten. Auf die zweite Alternative muss der Leser erst einmal kommen. Denn das vorangegangene Stück Text enthält nicht das Wort „Vorschlag“, sondern beinhaltet einen Vorschlag. Der Rückbezug kann also auf ein Wort oder auf ein Stück Text gerichtet sein. Entweder soll sich „daran“ auf die Texte beziehen: „Vor dem Kennenlernen der Empfehlungen sollen Sie einige Ihrer Texte überarbeiten: Stört Sie etwas an diesen? “ Oder „daran“ soll sich auf den Vorschlag beziehen: „Vor dem Kennenlernen der Empfehlungen sollen Sie einige Ihrer Texte überarbeiten. Was stört Sie an diesem Vorschlag? “ Zu Kapitel 3.4 (f) Keine wichtige Handlung/ Aussage in Relativsätzen (1) „Der Beratungsaufwand hängt von der erforderlichen Funktionalität ab. Diese muss in der Projektarbeit noch detailliert werden.“ (2) „Existiert eine Produktbeschreibung, ist sie der Maßstab für die geschuldete Leistung. Für die Benutzerdokumentation gilt das nicht, weil sie diese Informationsfunktion nicht hat.“ Zu Kapitel 3.4 (g) Verstecken Sie Wichtiges nicht in Adjektiven (1) „Dagegen dürfte sprechen, dass der wahrscheinliche Aufwand häufig schlecht vorhersehbar/ vorherzusehen ist.“ Man kann verschiedener Auffassung darüber sein, ob das Wort „wahrscheinlich“ überflüssig ist. Nach dem Inhalt des Satzes ist es überflüssig; mit ihm ist der Satz leichter verständlich. <?page no="183"?> 184 8 Vorschläge zur Bearbeitung der Aufgaben (2) „Da Ihre Seite das Feinkonzept noch nicht freigegeben hat, hat unser Projektleiter die weiteren Arbeiten gestoppt. Da Ihre Seite die Teilprojektleiter für die weiteren Projektstufen noch nicht benannt hat, können die bisher geplanten Starttermine für diese Projektstufen nicht gehalten werden. Oder besser wegen der Wichtigkeit des Projektstopps: [→ Vgl. Kap. 7.1 die Übungsaufgabe zu Kapitel. 3.4 (a) „1. Keine Hauptsache in Nebensätzen“ [→ S. 163] mit dem Bearbeitungsvorschlag [→ S. 179]. „Ihre Seite hat das Feinkonzept noch nicht freigegeben. Deswegen hat unser Projektleiter …“ (3) „Wir können die Bestellungen nicht mehr tagesaktuell abarbeiten.“ (4) „Dieser Grundsatz wird zunehmend missachtet.“ Zu Kapitel 3.6 Schreiben Sie nachvollziehbar „Die restlichen offenen Punkte aus der Aufgabenliste (Stand ____) wurden mit Herrn XX abgestimmt (→ siehe Aufgabenliste mit neuem Stand ____).“ Und besser im Aktiv und damit mit beiden Beteiligten: „Frau YY hat die restlichen offenen Punkte aus der Aufgabenliste (Stand ____) am _____ mit Herrn XX abgestimmt (→ siehe Aufgabenliste mit neuem Stand ____).“ Zu Kapitel 4 1. Überarbeiten Sie, was ausformuliert worden ist Im Aktiv formulieren, Begriffe einheitlich verwenden Statt „Geber“ deutlicher “Vertrauensgeber“, auch wenn das Wort länger ist. Statt „Handlungspartner“ das bisher verwendete Wort „Vertrauensnehmer“. „Es kann dazu kommen, dass der Vertrauensgeber die Argumentation des Vertrauensnehmers nicht nachvollziehen kann und deswegen letztlich die von ihm wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit des Vertrauensnehmers nach unten korrigiert.“ Da das Nachvollziehen immer subjektiv ist, können die Wörter „subjektiv wahrgenommene“ gestrichen werden. Ob das Wort „letztlich“ etwas bringt, sei dahingestellt. <?page no="184"?> 8.1 Übungsaufgaben 185 „Es kann dazu kommen, dass der Vertrauensgeber die Argumentation des Vertrauensnehmers nicht nachvollziehen kann und deswegen <letztlich> dessen Vertrauenswürdigkeit nach unten korrigiert.“ 2. Die Struktur eines Satzes überarbeiten Erst einmal den Satz aufteilen: „Ein Vertreter des Unterauftragnehmers nahm nach langem Zögern an der Sitzung des Lenkungsausschusses zum Thema Zusatzauftrag teil. Er tat das keinesfalls freiwillig, sondern um das Image seiner Firma zu verbessern. Das erschien angesichts der anstehenden zusätzlichen Beauftragung dringend geboten.“ Eine weitere Umstellung bietet sich an, weil Zögern und Freiwilligkeit etwas miteinander zu tun haben und deswegen nahe beieinanderstehen sollten; außerdem verringert die Umstellung den Abstand zwischen den beiden Teilen des Verbs: „Ein Vertreter des Unterauftragnehmers nahm an der Sitzung des Lenkungsausschusses zu dem Thema Zusatzauftrag teil. Er tat das nach langem Zögern und keinesfalls freiwillig, sondern um das Image seiner Firma zu verbessern. Das erschien angesichts der anstehenden zusätzlichen Beauftragung dringend geboten.“ Zu Kapitel 5 Zu Kapitel 5.2 1. Bringen Sie das folgende Angebot in eine normale Sprache „Die Vertragspartner haben den Dienstleistungsaufwand des Auftragnehmers vorab gemeinsam geschätzt. Welcher Aufwand tatsächlich erforderlich wird, hängt wesentlich davon ab, • wie viele Details und Differenzierungen der Kunde bei der benötigten Funktionalität während der Projektdurchführung vorgibt und • inwieweit seine Mitarbeiter der Fachabteilung und der Informatik verfügbar sind und auch mitwirken können. Sollten sich im Projektverlauf ein höherer Bedarf ergeben, so wird der Auftragnehmer den Kunden rechtzeitig darauf hinweisen und diesen um Entscheidungen bitten. Die Vertragspartner werden sich darüber auf der Basis dieses Vertrags einigen.“ 2. Vermitteln Sie Ihre Position deutlich (1) Der Auftragnehmer hatte ein Angebot (= einen Antrag zu einem zusätzlichen Vertrag) gemacht. Die umgehende Bezahlung ist nicht <?page no="185"?> 186 8 Vorschläge zur Bearbeitung der Aufgaben als Bedingung für das Zustandekommen des Vertrags formuliert. Die Bezahlung ist auch nicht als Pflicht definiert. Wahrscheinlich ging der Auftragnehmer davon aus, dass die Pflicht bestehen würde, und erwartete nur deren Erfüllung. Der Kunde hatte erst einmal dazu geschwiegen. Darin könnte die Annahme des Angebots durch Schweigen liegen, sonst in der Entgegennahme der zusätzlichen Leistungen. Das ist alles rechtlich nicht eindeutig. (2) Wenn der Auftragnehmer die zusätzlichen Leistungen erbringt, obwohl der Kunde nicht zahlt, führt das für ihn zu einem Gesichtsverlust und stärkt den Kunden darin, sich wie ein kleiner König zu verhalten. Im konkreten Fall hat der Kunde nicht gezahlt. Später musste der Auftragnehmer sogar auf geschäftlicher Ebene eine Kürzung seiner Rechnungen hinnehmen, um den Kunden bei der Stange zu halten. (3) Es gibt verschiedene Formulierungsmöglichkeiten, beispielsweise hart (Zahlung alsbald): „Voraussetzung für unser Angebot ist, dass Sie die offenen Rechnungen bis zum DATUM bezahlen.“ oder „Wir werden die Arbeiten beginnen, sobald Sie die offenen Rechnungen bezahlt haben.“ Oder freundlicher, aber mit mehr Risiko (nur: Zahlungspflicht bestätigen): „Um die Auseinandersetzung zu beenden, bieten wir Ihnen an, die folgenden Leistungen ohne gesonderte Vergütung zusätzlich zu erbringen: … Sie bezahlen die offenen Rechnungen bis zum DATUM. Wir werden die Arbeit aufnehmen, sobald Sie diese Vereinbarung bestätigen.“ Zu Kapitel 5.3 Im geschäftlich sicheren Formulierungsbereich bleiben "Wir erklären ausdrücklich, dass diese Anpassung nicht durch den vereinbarten Festpreis abgegolten ist, sondern von Ihrer Firma gesondert zu vergüten ist. Wir führen diese Anpassung ohne formale Beauftragung aus, um den Echtstart kurzfristig zu ermöglichen und Zusatzkosten für Ihre Firma zu vermeiden. Für diese Anpassung schätzen wir einen Aufwand von 12 Stunden. <?page no="186"?> 8.2 Texte aus der Praxis von Projektleitern 187 Im Interesse eines sachgerechten Vorgehens werden wir die Anpassung erst realisieren, sobald Sie uns schriftlich mitgeteilt haben, ob und ggf. welche weiteren Anpassungen Ihre Firma an der bisherigen Generation durchführt hat." „Schätzen“ ist vorsichtiger als „kalkulieren“ und erlaubt später auf geschäftlicher Ebene höhere Abweichungen, ohne dass der Kunde sich darüber beschweren könnte (rechtlich besteht kein Unterschied). Wenn ich als Auftragnehmer schon eine schriftliche Bestätigung verlange, würde ich im Zeitalter der E-Mails auch eine schriftliche Beauftragung verlangen. Das dient der Absicherung, aber auch der Hygiene in der Geschäftsbeziehung. Zu Kap. 5.5 „Wir gehen davon aus, dass …“ Auf geschäftlicher Ebene kann der Kunde später noch sagen, dass er nicht davon ausgehe, beispielsweise mit der Begründung, dass er gar nicht in der Lage sei, die Aufgabe durchzuführen, oder mit der Begründung, dass es sich um eine Kernaufgabe des Auftragnehmers handeln würde. Zur Vermeidung späterer Meinungsverschiedenheiten sollte der Auftragnehmer sinngemäß deutlich formulieren: „Dabei führen Sie diese Aufgabe durch.“ 8.2 Texte aus der Praxis von Projektleitern 1. Was will der Auftragnehmer erreichen, was erreicht er? (1) Ist der Text als Absicherung sachgerecht formuliert? Anscheinend will der Auftragnehmer sich hinsichtlich der Auswirkungen absichern, die Änderungen der Aufgabenstellung oder verzögerte Mitwirkung auf den Termin haben können. Geht er dieses Ziel sachgerecht an: Rechtliche Formulierungen sind nicht das, was ein Kunde lesen möchte? Wenn solche erforderlich sind, sollten diese wenigstens gut verständlich formuliert werden. Es geht um zwei Themen. Diese sollten eher getrennt geregelt werden. Man kann diese zusammenfassen, wenn diese parallel abgehandelt werden können, insbesondere zu denselben Rechtsfolgen führen. Das ist hier aber nicht der Fall. <?page no="187"?> 188 8 Vorschläge zur Bearbeitung der Aufgaben (1.1) Änderungen des Konzepts Die Formulierungen sind unglücklich. Denken Sie Schritt für Schritt: Wenn „gravierende Änderungen“ des Konzepts notwendig werden, braucht sich das nicht automatisch auf die vereinbarten Termine auszuwirken. Sie sollen aber zu neuen Terminen führen, selbst wenn der Kunde das nicht wünscht. Der zweite Satz ist nicht auf eine Anspruchsgrundlage ausgerichtet, sondern legt einen Ablauf fest. Dabei geht es für den Auftragnehmer erst einmal darum, seinen Anspruch auf den Ausgleich der Interessen klarzustellen. Also muss geregelt werden, ob und inwieweit der Kunde Änderungen des Vertrags zu verlangen berechtigt ist, und ob und in welchem Umfang der Auftragnehmer seinerseits Ansprüche auf Ausgleich geltend machen kann. Gravierende Gründe für Änderungen berechtigen den Kunden wohl dazu, Änderungen des Konzepts und damit des Vertrags zu verlangen. Indem der Auftragnehmer „gravierende“ Änderungen zur Voraussetzung für die Anpassung der Termine macht, schränkt er seinen Anspruch auf Terminanpassung ein: Was soll gelten, wenn der Kunde viele kleine Änderungen verlangt? Sie können sich erheblich auswirken, aber kaum „gravierend“ sein. Wenn über Termine gesprochen wird, sollte auch über Geld, über zusätzliche Vergütung, gesprochen werden. Es können so viele Umstände zu berücksichtigen sein! Es müsste so viel geregelt werden! Der Sinn dieser Aufgabe: Verheddern Sie sich nicht in vertragsrechtlichen Fragen, sondern verlassen sich auf das Vertragsrecht. Das regelt den gesamten Komplex vollständig und ausgewogen. Der Text ist nicht nur überflüssig, sondern für den Auftragnehmer sogar negativ. (1.2) Mangelnde Mitwirkung und Termin Sie können dasselbe Ergebnis erwarten, nämlich dass die Regelung für den Auftragnehmer nachteilig ist und dass das Vertragsrecht bereits eine sachgerechte Regelung enthält. Der Kunde hat normalerweise keine Mitwirkungs“pflicht“, sondern nur die Aufgabe zum Mitwirken [→ Kap. 5.5, S. 139] . Der Auftragnehmer sollte das Wort besser vermeiden: Der Kunde könnte argumentieren, dass der Vertrag gar keine Pflichten vorsehen würde, sondern nur Aufgaben, er also den Vertrag nicht verletzt habe. Gewichtiger: Der Auftragnehmer machte die Terminverschiebung von der Zustimmung des Kunden abhängig. Der Auftragnehmer muss sich auf Verhandlungen einlassen. Gemäß dem Vertragsrecht verschieben sich <?page no="188"?> 8.2 Texte aus der Praxis von Projektleitern 189 die Termine hingegen automatisch in angemessenem Umfang. Der Auftragnehmer braucht den neuen Terminplan nur operativ mit dem Kunden abzustimmen. Von einem Anspruch auf zusätzliche Vergütung, wie dieser im Vertragsrecht vorgesehen ist, ist nicht einmal die Rede. Wenn der Auftragnehmer die eine Rechtsfolge aus der mangelnde Mitwirkung regelt, die andere aber nicht, spricht das dafür, dass er auf die andere verzichten will. (1.3) Ergebnis zum Thema „Termin“: Mit diesem Text verschlechtert der Auftragnehmer seine Position. Ergebnis zu Koppelung der Themen: Man sollte diese getrennt abhandeln. Änderungen der Aufgabenstellung erfordern Verhandlungen und eine Vereinbarung in der Sache. Das sollte als ein CR-Verfahren abgehandelt werden. Bei der mangelnden Mitwirkung geht es um Ansprüche des Auftragnehmers auf Vertragsanpassung. Dafür ist eine Vereinbarung zum Vorgehen nützlich, wie schnell der Auftragnehmer solche Ansprüche geltend machen muss, weil sonst droht, dass die Vertragspartner später über die Fakten streiten. (1.4) Gesamtergebnis: Sie brauchen die Themen nicht zu regeln. [→ Kap. 5.2 unter „Sie brauchen nicht viel Rechtliches zu regeln“, S. 127] . (2) W-Frage im Konzept zum Schreibvorhaben: Was dürfte der Auftragnehmer beabsichtigt haben? Das Vertragsrecht regelt alles in fairer Weise. Wahrscheinlich wollte der Auftragnehmer seine Position nach dem Vertragsrecht nicht verschlechtern, sondern den Kunden auf den Ernst der Situation hinweisen. Er könnte befürchtet haben, dass dieser Kunde über seine Ziele noch nicht recht klar sei und besondere Schwierigkeiten haben könnte, seine Aufgaben termingerecht zu erledigen. (3) W-Frage: Wie und wo sollte der Auftragnehmer sein Thema abhandeln? Das Thema gehört zur geschäftlichen Ebene. Dementsprechend sollte der Auftragnehmer einen solchen Hinweis nicht in das Angebot aufnehmen, sondern in ein Anschreiben dazu: „… Wir übersenden Ihnen unser Angebot… Wir haben den von Ihnen gewünschten Termin in unser Angebot aufgenommen. Wir möchten darauf hinweisen, dass wir diesen Termin nur einhalten können, wenn Sie die Aufgabenstellung im Konzept nur geringfügig ändern oder ergänzen und Ihre Seite die eigenen Aufgaben termingerecht erledigt.“ „Sie … Ihre Seite“: Die Wortwahl ist heikel. Zweimal „Sie“ klingt für den Entscheidungsträger unfreundlich: Er würde seine Aufgaben nicht termingerecht erledigen! Zweimal „Ihre Seite“ klingt gegenüber dem Entscheidungsträger despektierlich. Schließlich ist er für die Aufgabenstellung verantwortlich. <?page no="189"?> 190 8 Vorschläge zur Bearbeitung der Aufgaben Auf das Thema „Vergütung“ braucht der Auftragnehmer nicht einzugehen, weil er nichts abweichend vom Vertragsrecht regeln will. 2. Präzisieren Sie die folgenden Formulierungen (1) Wie viele der über 30 Fehler sind bereits behoben worden? Das lässt sich nicht feststellen. Der Auftragnehmer sollte das aber klarstellen, zumal er eine Analyse beifügt und einen großen Teil der offenen Punkte als unberechtigte Anforderungen des Kunden zurückweist. Da bleibt nicht viel übrig, was der Auftragnehmer als Fehler anerkennen müsste. Diese Zahl sollte er dem Kunden entgegenhalten. (2) Verbesserungsvorschlag Es ist eine Geschmacksfrage, ob man den ersten Absatz überhaupt aufnimmt. Für einen solchen Absatz spricht, dass der Kunde trotz der aus seiner Sicht vielen Fehler die Abnahme erklärt hat. „Wir danken Ihnen für die Übersendung Ihrer Abnahmeerklärung. Im Anhang dazu haben Sie XX Fehler gemeldet. Wir möchten darauf hinweisen, dass darunter YY Meldungen zu Fehlern fallen, die bereits beseitigt sind. Sie haben die Korrekturmaßnahmen bereits am DATUM erhalten, aber anscheinend noch nicht oder nicht richtig eingespielt. Wir sind gerne bereit, Sie beim Einspielen der Korrekturmaßnahmen zu unterstützen. Nach unserem Verständnis enthalten ZZ Meldungen Änderungs- oder Ergänzungswünsche. Somit verbleiben nach unserem Verständnis AA Fehler. Wir haben Ihre Auflistung handschriftlich kommentiert und die Meldungen eingeordnet, abgestellt auf das Datum des Abnahmeprotokolls, und übersenden Ihnen diese als Anlage. Wir schlagen vor, dass wir diese Anlage mit Ihnen auf Projektebene abklären.“ 3. Eine Tabelle mit den Preispositionen richtig formulieren (1) Position 1: Es liegt sehr nahe, dass die Angabe der Tage in Position 1 nur als Information zum vermutlichen Aufwand gemeint ist. Dafür spricht insbesondere, dass der Auftragnehmer in der parallelen Position 3 das Wort "geschätzt" eingefügt hat. Damit liegt für die Position 1 ein Festpreis vor. (2) Die Sicht des Kunden: Der Kunde dürfte den „Gesamtpreis“ so verstehen, dass der Auftragnehmer letztlich doch einen Festpreis für alle Leistungen anbieten will, für die er Beträge angegeben hat. Diese Interpretation könnte rechtlich sogar richtig sein. Für den Kunden enthält die Position „Implementierung“ wahrscheinlich keine bloße Schätzung des <?page no="190"?> 8.2 Texte aus der Praxis von Projektleitern 191 Aufwands, und enthält die Position Schulung auch nicht eine Grenze von 15 Tagen, falls mehr Schulung erforderlich werden sollte. (3) Zeile Gesamtpreis: Die Position 3 soll gegen Vergütung nach Aufwand erbracht werden. Der Begriff „geschätzt“ ist nicht eindeutig. Deswegen soll vorsorglich ein Satz eingefügt werden (am einfachsten unterhalb der Tabelle): „Die Position 3 wird nach Aufwand vergütet. Der Auftragnehmer schätzt den Aufwand nach seinem derzeitigen Kenntnisstand wie angegeben.“ Zumindest sollte formuliert werden: „Gesamtpreis für die Positionen, bei denen ein Betrag genannt ist, die Position 3 nach Aufwand“. Das klingt schrecklich; deswegen sollte der Auftragnehmer am besten nicht von einem Gesamtpreis sprechen. Er könnte von einer „Übersicht“ sprechen (eher in der Kopfzeile und ohne die Zeile „Gesamtpreis“ am Ende). Wenn der Auftragnehmer einen Festpreis zu vereinbaren bereit ist, sollte er dazu einen zusätzlichen Absatz formulieren. (4) Weitere Fragen (4.1) Hier ist ein Ergebnis geschuldet. Bei einem Festpreis sind so viele Tage zu erbringen, wie für das Erstellen des Ergebnisses erforderlich sind. (4.2) Bei der Position 4 geht es um eine Tätigkeit (eine dienstvertragliche Dienstleistung). Die Vergütung bezieht sich auf deren Umfang. Das ist die genannte Zahl an Tagen. Der Auftragnehmer will also ein Kontingent an Arbeitstagen angeben. Dann ist noch nicht eindeutig, ob es sich um ein festes Kontingent oder um ein offenes Kontingent handelt, das der Kunde nicht auszuschöpfen braucht. Der Kunde könnte argumentieren, dass so viel Schulung wie erforderlich zu dem genannten Betrag zu erbringen sei, gegebenenfalls also mehr als 15 Tage: In Position 1 sei bei einem Festpreis nicht die angegebene Menge maßgeblich, sondern der erforderliche Aufwand. Der Auftragnehmer hätte auch die Einschränkung in Position 3 „geschätzt“ hier nicht aufgenommen. Wie zuvor: Eine klare Formulierung erübrigt Diskussionen oder sogar Auseinandersetzungen. (4.3) Bei der Schulung (Position 4) wird ergänzt „(festes Kontingent)" oder „(fest vereinbarter Umfang 15 Tage)“. 4. Wie sind die Vereinbarungen auszulegen? (1) Sehen Sie mir die Formulierung der Frage nach („Wieviel hat er zu zahlen? “). Bei „Muss er noch zahlen? “ wäre die Aufgabe zu einfach. Auszugehen ist vom Wortlaut: Es steht da nicht “zahlt“, sondern “erstattet“. Wenn alles erstattet ist, ist nicht mehr zu zahlen. <?page no="191"?> 192 8 Vorschläge zur Bearbeitung der Aufgaben Die Vereinbarung ist nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitten auszulegen. Es gibt Fälle, in denen der Kunde eine Anwendung finanziert und am Gewinn teilhaben will und soll. Je mehr das zu erstellende Programm wahrscheinlich als Produkt verkauft werden kann, desto näher liegt das. Diese Auslegung drängt sich aber nicht auf. (2) Die Formulierung ist unklar. Der Kunde darf die Formulierung in seinem Interesse verstehen: Kunden lieben Festpreise, weil sie dann wissen, woran sie sind. Das ist der Auftragnehmerseite bekannt. Wenn ein Auftragnehmer trotzdem vage formuliert, ist das sein Risiko [PR-Vertragsrecht, Kapitel 1.3]. 5. Einen kurzen Text erstellen (1) „Konzept für das Schreibvorhaben An was für einen Empfänger schreibe ich? Antwort: Mittelständler Folgerung: Deswegen soll dieser Text erstellt werden: warnen Welches sprachliche Niveau und welches fachliche hat der Empfänger? Antwort: ohne fundierte IT-Erfahrung Folgerung: wie zuvor … Wozu schreibe ich? Was will ich erreichen? Antwort: dem Kunden einen realistischen Erwartungshorizont mitteilen Folgerung: eher deutlich schreiben Was sind die Erfolgsfaktoren für den Schreibprozess und welche Risikofaktoren bestehen? Antwort: Interessent könnte beleidigt sein. Folgerung: Warnung vorsichtig formulieren. Abschwächung der vorhergehenden Folgerung Die Warnung ist dementsprechend auch nur beschränkt nützlich. Wie viele Dokumente schreibe ich? Antwort: zwei. Der Text gehört eher nicht ins Angebot und sollte in einem Anschreiben aufgenommen werden. <?page no="192"?> 8.2 Texte aus der Praxis von Projektleitern 193 Konzept zum Inhalt: Schriftlich nicht nötig" (2) Die erste Fassung des Schreibens „Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass die Erfüllung der von Ihnen dargestellten Anforderungen durch die Aufbau- und Ablauforganisation unserer Standardprogramme bestimmt wird. Diese können zwar dank deren Parametrierbarkeit gut an die Anforderungen von Anwendern angepasst werden, aber auch diese Flexibilität hat Grenzen.“ Diese Fassung wird vom Vorgesetzten abgelehnt: Sie sei zu technisch! Also die zweite Fassung des Schreibens: „Möglicherweise haben Sie zu den Anforderungen, die Sie stichwortartig gemacht haben, spezifische Vorstellungen zu deren Details, die wir nicht kennen. Unsere Standardprogramme können dank deren Parametrierbarkeit gut an die Anforderungen von Anwendern angepasst werden. Wir möchten darauf hinweisen, dass das auch Grenzen hat.“ 6. Hier fehlte ein Konzept für das Angebot (1) Die Skizze für die Durchführung in zwei Phasen (1.1) Der Text ist unklar. Der Bestandteil CRM wird ausdrücklich nur in der ersten Phase genannt. In dieser Phase geht es nur darum, die Voraussetzungen für die Implementierung zu schaffen, also nicht auch die produktive Nutzung dieser Software zu ermöglichen. In der zweiten Phase wird die „Implementierung der spezifizierten Funktionen“ aufgeführt. Das müsste sich auf CRM beziehen. Denn sonst würde diese Software nicht produktiv genutzt werden können. Außerdem kann sich diese Formulierung schlecht auf das Rechnungswesen beziehen, weil der Auftragnehmer diese Software nicht beherrscht (die X AG soll diese Software installieren), aber von „langjähriger Projekterfahrung“ spricht. - Hinweis zur Formulierung: Es wird zweimal von einer zweiten Phase gesprochen. Beim zweiten Mal („Als „zweite Phase“) ist der zweite Bestandteil gemeint. Der Satz wäre richtig gewesen, wenn das Wort „auch“ eingefügt worden wäre. (1.2) Hier die Skizze: 1. Phase a) Bestandteil CRM: Erarbeitung der Anforderungen und deren Spezifikation, wohl schon Installation eines Testsystems zur Unterstützung der Arbeiten an der Spezifikation b) Bestandteil Rechnungswesen: Installation einer Testversion, Erarbeitung der Anforderungen und Spezifikation der dringenden Anpassungen, Installation eines Testsystems. <?page no="193"?> 194 8 Vorschläge zur Bearbeitung der Aufgaben 2. Phase a) Bereich CRM: Umsetzung der Spezifikation zum genannten Festpreis mit Bandbreite b) Bereich Rechnungswesen: Realisierung der dringenden Anpassungsprogrammierung bis zum Produktivstart. Möglicherweise auch Produktivstart. Möglicherweise Erarbeiten eines Releaseplan für die künftige Definition weiterer Anpassungsprogrammierung und deren Realisierung (Realisierung in einer dritten Phase; es heißt einleitend „mehrstufiges Vorgehen“, nicht nur „zweistufiges“). Gehen Sie jetzt zurück zur Aufgabe 6 unter „(2) Leiten Sie aus dem Text ab, welche Leistungen jetzt vereinbart …“ [ S. 141]. (2) Was wird bereits verbindlich angeboten, was nur dargestellt? Der Text betont, dass die erste Phase den „Umfang dieses Angebots“ ausmache. Er enthält also auf jeden Fall einen Vertragsantrag über diese Phase. Das legt nahe, dass der Text zur zweiten Phase nur dazu dienen soll, den Fortgang des Projekts zu beschreiben. Das wird allerdings dadurch relativiert, dass der Auftragnehmer schreibt, dass er seine eigene Leistung „als zweite Phase anbietet“. Diese Relativierung bezieht sich auf jeden Fall nur auf seine Leistung, nicht auch auf die der X AG. Denn zum Bestandteil Rechnungswesen enthält der Text noch nichts Konkretes zu den beiderseitigen Leistungen. Der Text spricht auch nur von der Umsetzung von einer Spezifikation. Diese muss sich auf den Bereich CRM beziehen; denn zum Bereich Rechnungswesen kann der Auftragnehmer noch keine Aussage treffen. Für den eigenen Bestandteil CRM wird bereits ein Festpreis Euro YYY mit einer Bandbreite angegeben. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Leistungen doch schon angeboten und beauftragt werden sollen, auch wenn die Anforderungen noch nicht formuliert sind. Das braucht aber auch nur das künftige Vorgehen abzurunden: Der Kunde würde ein finanzielles Risiko eingehen, wenn der Preis erst in Zukunft ausgehandelt werden würde. Dieses Risiko soll dadurch wesentlich verringert werden, dass bereits ein Festpreis mit Bandbreite vereinbart wird. Es liegt also nahe, dass das Angebot nur einen Ausblick auf die Fortsetzung des Projekts mit einer Selbstbindung hinsichtlich des aufgeführten Festpreises mit einer Bandbreite enthält. Gehen Sie jetzt zurück zur Aufgabe 6 unter (3) „Formulieren Sie den Text auf der Grundlage von diesem Vorschlag neu“ [→ S. 177]. (3) Ein Vorschlag zum Ausformulieren Der Vorschlag ist zwecks Verdeutlichung der Struktur etwas schematisch, der Schreiber sollte im Ernstfall etwas wortreicher formulieren. <?page no="194"?> 8.2 Texte aus der Praxis von Projektleitern 195 „Aufgabenstellung XYZ will die XXX-Software der Firma X AG künftig einsetzen. <AN> wird diese bei XYZ in zwei Phasen einführen. Die erste Phase ist Gegenstand dieses Angebots: <AN> wird die Standardsoftware installieren. Auf dieser Grundlage werden XYZ und <AN> die Anpassungen an die Anforderungen von XYZ spezifizieren. In der zweiten Phase werden die Anforderungen umgesetzt und der produktive Einsatz der Software vorbereitet. <AN> wird dazu ein weiteres Angebot erstellen. 1. Die erste Phase besteht in zwei parallelen Teilen. Im ersten Teil wird <AN> die Anforderungen von XYZ im Bereich CRM in Abstimmung mit XYZ spezifizieren. Damit wird die Grundlage dafür geschaffen, dass <AN> die XXX-Software in der zweiten Phase für diese Bereiche einführen kann. Parallel bietet <AN> die Einführung des XXX-Rechnungswesens durch X AG als Unterauftragnehmer an. Die Leistungsbeschreibung und der Preis dafür sind diesem Angebot als Anlage „Vertragsbestandteil RW-XXX Einführung“ beigefügt. Das bestehende RW-System muss spätestens zum ______ [→ zwei Monate nach Ende der ersten Phase] ausgetauscht sein. Um einen angemessenen Testzeitraum zu gewährleisten, werden deswegen erst einmal nur die notwendigen Änderungen und Erweiterungen spezifiziert. Die Dienstleistungen werden für beide Teile zu einem Festpreis angeboten. 2. Auch die zweite Phase kann in zwei parallelen Teilen durchgeführt werden. <AN> hat dann die Aufgabe, die Spezifikation im Bereich CRM umzusetzen. Auf Grund der langjährigen Projekterfahrung und auf Basis der heute bekannten Anforderungen verpflichtet sich <AN> schon jetzt, die Umsetzung der Spezifikation zu einem Festpreis mit einer Bandbreite von 20% anzubieten.“ Ebenso werden die Spezifikation im Bereich Rechnungswesen realisiert und der Produktiveinsatz begonnen. Für das Rechnungswesen können weitere Änderungen und Erweiterungen auch vor Produktionsbeginn, jedoch nur in der Entwicklungsumgebung, spezifiziert und realisiert werden (um den kritischen Produktionstermin nicht zu gefährden). <AN> wird dazu mit XYZ und in Absprache mit der X AG einen Releaseplan vereinbaren.“ Zum Preis mit einer Bandbreite: Es ist Sache des Auftragnehmers zu entscheiden, ob er das mit einem solchen Preis verbundene Risiko eingehen <?page no="195"?> 196 8 Vorschläge zur Bearbeitung der Aufgaben will. Die Einschränkung auf „die heute bekannten Anforderungen“ ist allerdings auf geschäftlicher Ebene nicht viel wert. Auf rechtlicher Ebene mag sie ein Notnagel sein. Denn wenn der Auftragnehmer eine Anforderung als bei Vertragsabschluss nicht bekannt einstuft, trägt der Kunde die Beweislast dafür, dass diese dem Auftragnehmer doch bekannt gewesen sei. Das führt allerdings zu Streit. <?page no="196"?> Anhang A: Weitere Texte zur praktischen Seite Anhang A.1: Methoden zur Konzepterstellung (a) Mindmapping Baumstrukturen sind vor allem in der Form von Gliederungen bekannt, seien diese senkrecht oder waagerecht in der Schreibrichtung abgefasst. Dabei wird die nächste Ebene von Knoten (Inhalten) jeweils dadurch gebildet, dass der Knoten (Inhalt) nach einem sachlichen Gesichtspunkt aufgeteilt wird, insbesondere durch die Bildung von gegensätzlichen Paaren. Beispiel Jemand soll über Konflikte schreiben. Er sucht erst einmal nach den wesentlichen Inhalten und einer Strukturierung dafür. Bedeutung/ Auswirkung: u.U. nützlich, Fehlerkultur Konflikte Arten: Ursachen Eisbergmodell Vorgehen vorbeugend: Risikomanagement Konfliktmanagement: Eskalation, Moderation Auswachsen zu Krisen Mindmapping ist eine wesentlich freiere Baumstruktur: Die Äste können in jeder Richtung gebildet werden. Die neuen Inhalte brauchen zueinander nicht in einem sachlichen Verhältnis stehen; sie müssen nur vom Thema her unter den übergeordneten Knoten/ Inhalt fallen. Die Inhalte werden händisch nicht in die Knoten geschrieben, sondern entlang der Kanten (Linien), oder sie werden wie eine Linie geschrieben. Mindmapping ermöglicht auch, gewisse Verbindungen zwischen Inhalten herzustellen. Man schreibt das Thema / das zentrale Schlüsselwort in die Mitte eines großen Blatts Papier (oder eines kleinen Touchscreen-Tablets) und fügt dann rundherum einen Ast je Schlüsselwort an. Jeder Hauptast kann Seitenäste mit Unter-Schlüsselwörtern erhalten, diese wiederum Unteräste usw., bis kein Platz mehr vorhanden ist. Um neuen <?page no="197"?> 198 Anhang A: Weitere Texte zur praktischen Seite Platz zu gewinnen, kann man jedes Schlüsselwort wieder in die Mitte eines Blatts schreiben und daraus eine weitere Mindmap machen. Man kann grafische Elemente wie unterschiedliche Farben einsetzen, auch in gewissem Umfang Beziehungen durch Symbole herstellen. Wer mit einem Radiergummi arbeitet, kann eine Mindmap etwas umsortieren. Wie man das Instrument handhabt, kann man im Internet nachlesen, beispielsweise im Beitrag von Wikipedia (Mindmap) oder unter „Organisationshandbuch“ des BMI Kapitel 6.4.3 „Mind Mapping“. Bei den Abbildungen werden Sie sehen, dass diese entweder betont kreativ händisch abgefasst sind oder aber mit Software schematisch erstellt. Mindmapping fördert den Such- und Systematisierungsprozess, insbesondere wenn mehrere Personen daran teilnehmen. Es spricht beide Gehirnhälften an und schafft damit Synergieeffekte. Es erlaubt Zusammenarbeit. Mindmaps sind gut zu gebrauchen, weil jedes Schlüsselwort weiter aufgegliedert werden kann. Man kann das Ergebnis von vielen Brainstorming-Prozessen gut in eine Mindmap überführen. Beispiel Ein Zwischenstand bei der Erarbeitung eines Konzepts zu diesem Buch <?page no="198"?> Anhang A.1: Methoden zur Konzepterstellung 199 (b) Tabellen zu voneinander abhängigen Größen Wenn Sie bei einem Gedankengang klären wollen, wie zwei Gesichtspunkte/ Einflussfaktoren miteinander verknüpft sind, können Sie mit einer Tabelle arbeiten. Sie brauchen (mindestens) drei mal drei Felder. In dem Feld, in dem sich die Vorspalte und die Kopfzeile schneiden (Kopffeld), legen Sie den Gegenstand des Gedankengangs fest. Dann ermitteln Sie die zwei wichtigsten Einflussfaktoren sowie deren relevante Ausprägungen und notieren letztere in der ersten Spalte bzw. in der ersten Zeile (bei X Ausprägungen also X+1 Spalten). Sie können dann die Zusammenhänge ermitteln und in den Feldern beschreiben. Oft skizziert man eine solche Tabelle formlos, um sich einen Überblick zu verschaffen. Wenn Sie die Tabelle in den Text übernehmen wollen, bietet es sich an, im Kopffeld die beiden Einflussfaktoren zu notieren (rechts oben der für die Spalten, links unten der für die Zeilen). Der Gegenstand wandert in eine Überschrift. Üblicherweise fällt es einem leichter, sein Konzept nach den Spalten abzuarbeiten. Entscheiden Sie demgemäß, welchen Einflussfaktor Sie in die Kopfzeile nehmen und damit die Spalten bestimmen. Beispiel Ich wollte einen Text zum Thema Erstellung von Anwendungssoftware im Auftrag schreiben und dabei abhandeln, welche der beiden Vertragspartner für die Konkretisierung der Anforderungen des Kunden zuständig ist. Das unterscheidet sich vor und nach Vertragsabschluss, hängt also davon ab, wann der Vertrag abgeschlossen wird. Der Zeitpunkt schien mir wichtiger zu sein, und ich nahm diesen also in die Spalten. Das Ergebnis war die folgende Tabelle: AG = Auftraggeber AN = Auftragnehmer Konkretisierung der Anforderungen vor Vertragsabschluss nach Vertragsabschluss AG ist zuständig muss gemäß Anleitung durch AN diesen informieren <?page no="199"?> 200 Anhang A: Weitere Texte zur praktischen Seite AN Beratungspflicht möglich ist zuständig; muss den AG anleiten, wie der ihn informieren soll. Differenzierte Situationen können Erweiterungen erfordern. Dann können Sie weitere Spalten/ Zeilen einfügen oder ein Tabellenfeld - eingerückt - aufteilen. Sie können ein Tabellenfeld auch in der Weise verfeinern, dass Sie es als eine eigene Unter-Tabelle ausgliedern. Im Feld der übergeordneten Tabelle fügen Sie die Bezeichnung der Unter-Tabelle (= den Inhalt von deren Kopffeld) ein. (c) Entscheidungstabellen Entscheidungstabellen ermöglichen, ein Gerüst aus Voraussetzungen/ Bedingungen und möglichen Aktionen/ Regeln zu ermitteln und dann festzulegen, welche Aktion bei welcher Bedingungskonstellation erfolgen soll. 36 Allgemein wird von „Bedingungen“ und „Aktionen“ gesprochen. NAME DER TABELLE Beschreibung der möglichen Bedingungen Gerüst, welche Kombinationen von Bedingungen für Aktionen möglich sind Beschreibung der möglichen Aktionen Zuordnung der Aktionen zu Kombinationen von Bedingungen Das Haupt-Feld rechts oben bereitet schematisch vor, denkbare Kombinationen aus Bedingungen und Aktionen festzulegen. Im Ansatz arbeitet man mit Ja/ Nein für die Bedingungen. In den Feldern im Haupt- Feld rechts unten gibt man mit einem Symbol an, für welche Kombinationen von denkbaren Bedingungen welche Aktion tatsächlich erfolgen soll. 36 Man kann eine Entscheidungstabelle auch andersherum dafür nutzen, bekannte Regeln/ Aktionen zu erfassen, um eine Übersicht zu erhalten. Diese kann beispielsweise für die Erstellung von Software genutzt werden. In YouTube gibt es ein Video <Entscheidungstabelle „Mahnwesen“> für diese Anwendungsweise. <?page no="200"?> Anhang A.1: Methoden zur Konzepterstellung 201 Bedingung 1 Ja Ja Nein Nein Bedingung 2 Ja Nein Ja Nein Aktion 1 Aktion 2 Aktion 3 Am Anfang muss man die beiden linken Haupt-Felder detaillieren. Man kann vorsichtshalber erst einmal viele Ausprägungen/ Varianten von Bedingungen für die vorgesehenen Aktionen aufnehmen, um dann besser überlegen zu können, welche relevant sind. Dabei kann sich herausstellen, dass eine Bedingung irrelevant ist: überhaupt oder weil eine andere Bedingung nicht erfüllt ist. Bedingung 1 Ja Ja Nein Nein Bedingung 2 Ja Nein Ja Nein Aktion 1 x Aktion 2 x Aktion 3 x x Die vorstehende Tabelle zeigt, dass die Bedingung 2 irrelevant ist, wenn die Bedingung 1 nicht erfüllt ist. Die Tabelle kann also vereinfacht werden. Die Irrelevanz kann mit „-“ ausgedrückt werden. Bedingung 1 Ja Ja Nein Bedingung 2 Ja Nein - Aktion 1 x Aktion 2 x Aktion 3 x Wenn man bei den einzelnen Bedingungen in den Unter-Zeilen des Haupt-Felds rechts oben schematisch nur „Ja/ Nein“ einfügt, nimmt der Umfang der Tabelle schnell zu (2 hoch Zahl der Bedingungen). Man kann dem entgegenwirken, indem man mit Ausprägungen von Bedingungen statt mit „Ja/ Nein“ arbeitet. <?page no="201"?> 202 Anhang A: Weitere Texte zur praktischen Seite Beispiel Preisberechnung für eine Fahrkarte, unter anderem in Abhängigkeit von vier Arten von Zügen (= vier Bedingungen): ICE IC Nah (= Nahverkehrszug außer S-Bahn) S (= S-Bahn) Man braucht unter den Bedingungen nur eine Unter-Zeile „Zugart“ aufzunehmen und schreibt in vier Unter-Spalten jeweils eine Zugart. Dann braucht man in den Bedingungen nicht vier Unter-Zeilen und also nur vier Unter-Spalten und nicht 16 (= 2 4 ). Möglicherweise sind einzelne Ausprägungen irrelevant oder führen zu derselben Aktion und können also zusammengefasst werden. Fortsetzung des Beispiels „Nahverkehrszug außer S-Bahn“ und „S-Bahn“ könnten zu derselben Aktion führen. Sie können im Internet nachlesen, wie Sie das Instrument handhaben können, beispielsweise im Beitrag von Wikipedia (mit einem ausführlichen Beispiel) oder unter „Organisationshandbuch - Entscheidungstabellen“ des BMI, Kapitel 6.2.3. Skizze einer Entscheidungstabelle als Formulierungshilfe : Wie einleitend angesprochen können Sie die Situation haben, dass Sie sich nur eine Formulierungshilfe schaffen wollen. Dann brauchen Sie nur einen solchen Ausschnitt einer Entscheidungstabelle zu skizzieren, der von vornherein nur die wahrscheinlich relevanten Teile beinhaltet. (d) Wirkungsdiagramme In der deutschen Sprache haben sich noch keine Begriffe durchgesetzt. Oberbegriff ist „System Dynamics“ (Systemdynamik). Es geht darum, komplexe Zusammenhänge und deren Verhalten zu beschreiben. Dazu werden geschlossene Wirkungsketten ermittelt und abgebildet. <?page no="202"?> Anhang A.1: Methoden zur Konzepterstellung 203 Wirkungsketten können dem Schreiber helfen, Probleme und Strukturen zu erklären oder neue Einsichten zu gewinnen. Auf höherer Stufe können die Wirkungsketten quantifiziert werden. Beispiel Elementare Einflussfaktoren für die Entwicklung der Bevölkerung sind deren Größe, die Zahl der Geburten und die der Sterbefälle. R = Reinforcing Feedback Loop B = Balancing Feedback Loops Die Einflussfaktoren können erweitert werden, beispielsweise um die Ernährungslage oder die gewünschte Zahl an Kindern. Die Zusammenhänge werden im Wirkungsdiagramm (Causal Loop Diagram, CLD) durch Pfeile dargestellt, positive durch ein Plus-Zeichen, negative durch ein Minus-Zeichen. Verzögerungen in der Wirkung werden durch einen senkrechten Strich durch den Pfeil (oder durch zwei Pfeile) gekennzeichnet. Ketten von Einflussfaktoren können auf den Ausgangsfaktor zurückwirken, sei es positiv (reinforcing loops) oder negativ (balancing loops). (e) Programmablaufpläne Programmablaufpläne taugen dazu, komplizierte Abläufe zu ermitteln und darzustellen, beispielsweise um Regeln oder Abläufe zu formulieren. Hauptsächlich werden die folgenden Elemente verwendet: Population Geburten Sterbefälle + + - B R + <?page no="203"?> 204 Anhang A: Weitere Texte zur praktischen Seite Pfeil, Linie: Verbindung zum nächstfolgenden Element Rechteck: Operation (Tätigkeit) Raute: Verzweigung/ Entscheidungen: Sie bildet die Logik ab, beispielsweise: Liegt ein Mangel vor? Ist der Mangel beseitigt? Sie finden zahlreiche Erläuterungen in Wikipedia unter „Programmablaufplan erstellen“. Diese reichen, damit Sie lernen, sich auf einem Blatt Papier Skizzen zu machen. Anhang A.2: Das SOPHIST-Regelwerk für Sachtexte Das Konzept der SOPHISTen deckt das Requirements Engineering insgesamt ab. Für unser Thema ist relevant, dass es helfen soll, Anforderungen vollständig zu ermitteln und sehr deutlich zu formulieren. Das Konzept geht davon aus, dass Anforderungen in mehreren Stufen detailliert werden. Für die ersten, noch groben Stufen bietet es das SOPHIST-REgelwerk an. Dieses ist in der Broschüre „Die kleine RE- Verzweigung Nein Ja Start/ Stop Operation <?page no="204"?> Anhang A.2: Das SOPHIST-Regelwerk für Sachtexte 205 Fibel“ dargestellt (4. Auflage 2018, 60 Seiten, PDF im Internet, in Überarbeitung). Für die detaillierten Stufen und für das gesamte Gefüge werden Satzschablonen angeboten. Diese sind in der Broschüre „Schablonen für alle Fälle“ dargestellt (3. Auflage 2016, 52 Seiten, PDF im Internet). (a) Das SOPHIST-REgelwerk Die Regeln beziehen sich auf zwei Einsatzbereiche: - Anwendung zur Überprüfung und Verbesserung: Die Regeln ermöglichen, „Tilgungen, Generalisierungen und Verzerrungen in Anforderungen zu erkennen und somit fehlende und verzerrte Information aufzudecken und dadurch die Qualität [der] Anforderungen zu verbessern.“ [ → S iehe Kap. 1.1 unter „Negativfaktoren“, S. 18.] - „Konstruktive Anwendung des Regelwerks“: Der Schreiber soll die Regeln beim Schreiben beachten, um gleich von seiner persönlichen Sicht weg und der Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen (ich ergänze: oder - unwillentlich - seine persönliche Sicht aufzuzeigen). Deswegen sind die Regeln neutral formuliert. Beispielsweise Regel 12: „Schwammige Substantive hinterfragen.“ „Für jede Regel … werden die folgenden drei Schritte durchgeführt: - Identifizieren von sprachlichen Effekten in Anforderungen anhand von Signalwörtern - Analysieren verlorener oder verfälschter Informationen durch gezielte Fragestellungen - Bereinigen sprachlicher Mängel oder inhaltlicher Fehler durch Umformung in der Anforderung …“ Die Regeln werden drei Prozessen zugeordnet; dabei werden Prioritäten angegeben: - Priorität hoch: im Folgenden „Prio. 1“ - Priorität mittel: im Folgenden „Prio. 2“ - Priorität niedrig: im Folgenden „Prio. 3“ Die Regeln werden den drei im Folgenden abgehandelten Bereichen zugeordnet. (1) Prüfen der einzelnen Wörter (Bestandteile) eines Anforderungssatzes <?page no="205"?> 206 Anhang A: Weitere Texte zur praktischen Seite 1. Prio. 2 Anforderungen im Aktiv formulieren 2. Prio. 2 Drücken Sie Prozesse durch eindeutige Vollverben aus. 3. Prio. 1 Nominalisierungen auflösen und zu jeder gefundenen Nominalisierung eine weitere Anforderung schreiben 4. Prio. 3 Funktionsverbgefüge auflösen und für jede Funktionalität eine neue Anforderung formulieren. 5. Prio. 2 Für jedes Vollverb genau einen Anforderungssatz schreiben. 6. Prio. 1 W-Fragen zum Vollverb stellen. (2) Prüfen des Anforderungssatzes als Ganzes 7. Prio. 2 Fehlende Informationen zum Eigenschaftswort analysieren, welches sich aus einem Vollverb ableitet, notwendigenfalls ergänzen. 8. Prio. 2 Formulieren Sie Eigenschaftswörter messbzw. testbar. 9. Prio. 3 Eigene Anforderungen für nicht-funktionale Aspekte formulieren, wenn diese eigenständig behandelt werden sollen oder als übergreifend gelten. 10. Prio. 2 Verwendete Zahl- und Mengenwörter hinterfragen. 11. Prio. 2 Fehlende Zahl- und Mengenwörter klären. 12. Prio. 1 Schwammige Substantive hinterfragen 13. Prio. 3 Formulierungen ersetzen, die Mögliches oder Unmögliches beschreiben. 14. Prio. 3 Nebensätze löschen, die für Anforderungen irrelevant sind. 15. Prio. 3 floskelhafte Wörter oder Redewendungen kürzen oder entfernen, die für Ihre Anforderungen irrelevant sind. (3) Prüfen des Anforderungssatzes im Gesamtbild 16. Prio. 2 Ausnahme vom Normalverhalten des Systems klären, die Anforderung erweitern bzw. eine neue Anforderung formulieren. 17. Prio. 1 Anforderungen mit unvollständigen Bedingungsstrukturen sollten überprüft und ausformuliert oder durch eine weitere Anforderung beschrieben werden. 18. Prio. 1 Für jede nicht beschriebene implizite Annahme müssen eine oder mehrere zusätzliche Anforderungen geschrieben werden. <?page no="206"?> Anhang A.2: Das SOPHIST-Regelwerk für Sachtexte 207 (b) Schablonen für alle Fälle Eine Schablone ist ein „Bauplan, der die Struktur eines einzelnen Anforderungssatzes festgelegt. Die Struktur der einzelnen Anforderungen wird deutlich vereinheitlicht und man kann bereits auf den ersten Blick feststellen, ob wichtige ‚Bauteile‘ fehlen.“ (Die kleine RE-Fibel, S.34) Im Vordergrund steht die Schablone für funktionale Anforderungen. Sie wird durch Schablonen für nicht-funktionale Anforderungen ergänzt: • EigenschaftsMASTeR für Qualitätsanforderungen, technologische Anforderungen, Anforderung an die Benutzeroberfläche, Anforderung an die sonstigen Lieferbestandteile sowie rechtlich-vertragliche Anforderungen • UmgebungsMASTeR für spezielle technologische Anforderungen, nämlich Anforderungen aus der Umgebung und an das Mengengerüst • ProzessMASTeR für Anforderungen an durchzuführende Tätigkeiten und rechtlich-vertragliche Anforderungen Bei diesem Thema geht es so sehr um Requirements Engineering, dass es über die Grenzen dieses Buches hinausgeht. Ich verweise auf die Broschüre „Schablonen für alle Fälle“, die das Thema ausführlich erläutert. Wer mit dieser Methode arbeiten will, dürfte aber erst einmal eine Schulung benötigen. Die folgende Schablone ist dem Buch entnommen: chris RUPP & die SOPHISTen, REQUIREMENTS-ENGINEERING und -MANAGEMENT: Das Handbuch für Anforderungen in jeder Situation, 7. Auflage 2020 <?page no="207"?> 208 Anhang A: Weitere Texte zur praktischen Seite Abb. 10: Schablone für funktionale Anforderungen <?page no="208"?> Anhang B: Juristischer Sprachgebrauch In Verträgen und im Zusammenhang mit Verträgen haben Nicht-Juristen mit einer Reihe von rechtlichen Begriffen zu tun, die sie kennen sollten. Manche Begriffe werden in der juristischen Fachsprache anders als im normalen Sprachgebrauch verwendet. Insbesondere bei den folgenden Begriffen können Nicht-Juristen Verständnisschwierigkeiten haben. Im Folgenden verweise ich zu weiteren Erläuterungen auf mein Buch „Vertragsrecht für Projektleiter“. Abnahme: Im Werkvertragsrecht ist sie die Genehmigung des Ergebnisses. Der Kunde kann sich später nicht mehr auf solche Unzulänglichkeiten des Ergebnisses berufen, die er zum Zeitpunkt der Abnahmeerklärung kannte. AGB: Für Juristen zählen dazu alle Texte, die für den mehrfachen Gebrauch vorformuliert worden sind, unabhängig von ihrer Verkörperung und ihrem Inhalt. Beispiele Formularverträge, auch Vorlagen für Verträge, die aus dem Computer ausgedruckt werden, Preislisten Für Nicht-Juristen sind sie ein Dokument, das dem Vertrag beigefügt wird, in dem das „Kleingedruckte“ steht [PR-Vertragsrecht, Kapitel 3.1.4 (1)] . Auftrag: Das BGB regelt diesen Vertragstyp in der Form, dass der Beauftragte keine Vergütung erhält (sondern nur den Ersatz seiner Auslagen). Ein Auftrag gegen Vergütung wird als „Geschäftsbesorgungsvertrag“ bezeichnet. Juristen gehen allerdings davon aus, dass im Geschäftsleben mit dem Wort „Auftrag“ meist ein entgeltlicher Auftrag (also ein „Geschäftsbesorgungsvertrag“ im Rechtssinn) gemeint ist. Beistellungen liegen vor, wenn der Kunde Sachen zur Verfügung stellt, gleich ob bei sich oder beim Auftragnehmer, damit dieser auf deren Basis arbeiten kann (zum Beispiel die IT-Anlage, damit der Auftragnehmer seine Anwendungssoftware auf dieser installieren kann), wenn der Auftragnehmer diese Sachen in seine Leistung integrieren soll (zum Beispiel ein Standardprogramm, das der Kunde selbst innerhalb eines preisgünstigen Rahmenvertrags mit einem anderen Lieferanten erwirbt). Der Kunde „liefert“ nicht etwas; das tut nur der Auftragnehmer [Kap. 5.5, S. 139] . <?page no="209"?> „Besprechen“ heißt noch nicht „vereinbaren“: Eine Besprechung muss nicht zu einer Vereinbarung führen. Eine Vereinbarung kann vorbesprochen werden. Besonders unklar ist das Wort „besprechen“ als Einleitung in einem Schreiben, in dem der Schreiber eine mündlich getroffene Vereinbarung bestätigen will: Haben die Beteiligten etwas nur besprochen oder sogar vereinbart? Der Wortlaut spricht gegen eine Vereinbarung. Dann nutzt das Schreiben nichts. [→ Kap. 5.2 unter „Unternehmerisches (kaufmännisches) Bestätigungsschreiben“, S. 132.] „Dienstleistungen“ ist ein kaufmännischer Begriff, der den Gegensatz zu Sachen/ Produkten ausdrücken soll. Damit ist nicht entschieden, ob ein Dienstvertrag oder ein Werkvertrag vorliegt. Dabei denken auch manche Juristen fälschlich nur an dienstvertragliche Leistungen [PR-Vertragsrecht, Kapitel 2.3] . Dienstleistungsverträge können also auch als Werkverträge einzuordnen sein. Dann gibt es die Abnahme und die Mängelhaftung. Das brauchen Sie allerdings nicht zu regeln; denn das Vertragsrecht greift automatisch ergänzend ein. Eigentum ist von Besitz abzugrenzen: Der Eigentümer hat ein Herrschaftsrecht an der Sache, der Besitzer hat nur den tatsächlichen Besitz und benötigt ein Besitzrecht, um die Sache derzeit anstelle des Eigentümers zu besitzen, z.B. aufgrund eines Mietvertrags [PR-Vertragsrecht, Kapitel 3.1 (5)] . „Einbehalten“ von Geld wird von Nicht-Juristen oft im Sinne von „Kürzen/ Abziehen“ verstanden, dürfte aber nur „(vorläufig) zurückbehalten“ bedeuten. Verwenden Sie das Wort besser nicht. Erfüllungsort ist ein Begriff, der in der Praxis vielfach anstelle des gesetzlichen Begriffs „Leistungsort“ verwendet wird [PR-Vertragsrecht, Kapitel 5.4] . Kunden wollen häufig vereinbaren, dass der Erfüllungsort bei ihnen ist, auch wenn der Auftragnehmer die Leistung vereinbarungsgemäß in seinem Bereich erbringen soll. Die Vertragsfreiheit erlaubt eine solche Vereinbarung. Diese hat Konsequenzen beispielsweise für den Transport und u.U. den Ort für die Beseitigung von Mängeln. Fälligkeit bezieht sich darauf, wann eine Rechnung gestellt werden kann. Davon ist das Zahlungsziel zu unterscheiden, wie schnell der Kunde zu zahlen hat [PR-Vertragsrecht, Kapitel 5.3] . Fehler: Ein solcher liegt vor, wenn die Sache nicht so ist, wie sie sein sollte (Mangel), wobei die Parteien nicht über die Sollbeschaffenheit streiten, sondern darüber, ob die Sache diese erreicht. Formal ist ein Fehler ein Unterfall von Mängeln. In der Praxis werden die Begriffe meist gleichgesetzt, weil es meistens um Fehler geht. <?page no="210"?> Anhang B: Juristischer Sprachgebrauch 211 Fixtermine sind mehr als nur feste Termine: Bei einem Fixtermin braucht der Kunde, wenn der Auftragnehmer in Lieferverzug kommt, keine Nachfrist zu setzen, um vom Vertrag zurücktreten zu können [PR-Vertragsrecht, Kapitel 5.3]. Freigabe ist beispielsweise als „Baufreigabe“ bekannt: „Sie können loslegen/ weitermachen.“ Der Kunde kann eine Spezifikation freigeben. Das ist weniger als eine Genehmigung (rechtlicher Oberbegriff: Zustimmung). Der Kunde erklärt noch nicht, dass die Spezifikation die bisherige Aufgabenstellung vollständig ersetzt. „Garantie X Monate“ begründet eine Haltbarkeitsgarantie, die die Ansprüche des Kunden auf die Beseitigung von Mängeln gegenüber „X Monate Mängelhaftung“ (oder: „Gewährleistung“, siehe dort) verschärft und ggf. verlängert [PR-Vertragsrecht, Kapitel 6.4.7 (2)]. Haltbarkeitsgarantien werden zumeist freiwillig von Herstellern gegeben. Garantieren/ Zusichern begründet in der Regel eine Verschärfung der Haftung gegenüber dem bloßen Vereinbaren einer Pflicht, insbesondere als Beschaffenheitsgarantie [PR-Vertragsrecht, Kapitel 6.4.7 (1)]. „Geschäftsführungsbefugnis“ klingt gewichtig und erinnert an den Geschäftsführer, ist aber nichts anderes als die Zuständigkeit für bestimmte Aufgaben (z.B. gemäß Arbeitsplatzbeschreibung) und steht in einem Spannungsverhältnis zur Vollmacht [PR-Vertragsrecht, Kapitel 4.3 (1)]. Gewährleistung ist die Haftung wegen Mängeln. Der Begriff wird im BGB nur selten verwendet. „Gewährleistungsansprüche“ sind gleichbedeutend mit „Ansprüchen wegen Mängeln“. „Grundsätzlich“ sagt der Jurist, um zu verdeutlichen, dass seine Aussage den Grund gelegt hat („im Grundsatz“), und dann auf dieser Basis entsprechend den Umständen des Einzelfalls zu differenzieren. Nicht-Juristen wollen das lieber als „in der Regel“ eingestuft sehen („Grundsätzlich“ würde keine Ausnahmen dulden). „In der Regel“ lässt hingegen für Juristen weniger Ausnahmen zu. Beispiel Grundsätzlich wird für ein Produkt eine Benutzerdokumentation in Deutsch geschuldet. Wenn dessen Benutzer in Deutschland aber auf Englisch ausgerichtet sind, reicht eine Benutzerdokumentation in Englisch. Hemmung der Verjährungsfrist im Rechtssinn = Unterbrechung im normalen Sprachgebrauch [PR-Vertragsrecht, Kapitel 11.8 (3)] . „Konditionen“ ist ein unklarer kaufmännischer Begriff [Kap. 5.6 unter „Zur Vergütung“, S. 145] . Kostenlos: Siehe „unentgeltlich“. <?page no="211"?> 212 Anhang B: Juristischer Sprachgebrauch Kündigung ist die Beendigung eines Vertrags mit Wirkung für die Zukunft, beispielsweise die eines Mietvertrags. - Kaufverträge oder anderen Lieferverträge kann ein Vertragspartner nur durch die Erklärung des Rücktritts rückwirkend beenden. Hat der Auftragnehmer den Vertrag bereits teilweise erfüllt, kann der Kunde den Rücktritt allerdings auf die Zukunft beschränken, muss es eventuell sogar. Das entspricht in der Sache der (außerordentlichen) Kündigung. Leistung ist das, was ein Vertragspartner an den anderen erbringen soll. Der Kunde soll meist Geld leisten. Wenn er Aufgaben erledigen soll, damit der Auftragnehmer seine Leistung erbringen kann, spricht man von seiner „Mitwirkung“ (bei Tätigkeiten), von seinen „Beistellungen“ (von Sachen oder Dokumenten) oder zusammengefasst von seinen „Aufgaben“, nicht aber von „Leistungen“ [Kap. 5.5, S. 139]. „Leistungsbeschreibung“ ist die Menge aller gegenseitigen Leistungen im Gegensatz zu den Vertragsbedingungen (gleich welcher Vertragspartner sie abgefasst hat) [Kap. 5.1, S. 123]. DIN 69901 differenziert den Begriff: Leistungsverzeichnis, wenn die Leistungen bereits technisch konkret beschrieben sind (beispielsweise bei Ausschreibungen); Lastenheft (Aufgabenstellung des Kunden) und Pflichtenheft (Lastenheft des Kunden vom Auftragnehmer in eine Lösung umgesetzt), wenn die Leistungen funktional beschrieben sind. Lieferungen und Leistungen: Das Vertragsrecht kennt fast nur einen Begriff, nämlich den der Leistung. Das ist der Oberbegriff für jegliches geschuldete Tun, also auch für Lieferungen und für geschuldetes Unterlassen (§ 241 BGB). In der Praxis wird häufig von Lieferungen (von Sachen) und Leistungen gesprochen. Dabei dürften mit „Leistungen“ Dienstleistungen gemeint sein. Manchmal werden die Begriffe verwendet, um die beiden Bereiche zu unterscheiden, manchmal geschieht das gedankenlos. Mangel: Das ist in der Rechtssprache das Nichtvorhandensein von etwas. Das Etwas kann beispielsweise ein Rechtsmangel sein. Der Begriff soll zeigen, dass es um Haftung geht. Bezieht sich das Nichtvorhandensein auf eine Sache (um die es geht, die vorhanden ist), bezeichnet das Vertragsrecht das manchmal als „Fehler“. Störungen [→ siehe dazu im Folgenden] sind nur dann Mängel, wenn ihre Ursache - im Verhältnis der Vertragspartner - in den Verantwortungsbereich (Risikobereich) des Auftragnehmers fällt. Pauschalierter Schadensersatz: Die Vertragspartner können dessen Zahlung vereinbaren. Das soll den begünstigten Vertragspartner davon entlasten, seinen Schaden nachzuweisen, etwa den Kunden hinsichtlich <?page no="212"?> Anhang B: Juristischer Sprachgebrauch 213 des entgangenen Gewinns. Aus juristischer Sicht soll der pauschalierte Schadensersatz wahrscheinlich nicht der definitiv zu zahlende Schadensbetrag sein, sondern es soll dem begünstigten Vertragspartner offenbleiben, einen darüberhinausgehenden Schaden nachzuweisen, bzw. dem belasteten, einen niedrigeren. Die Vertragspartner können das auch anders vereinbaren. Produkthaftung ist nicht die vertragliche Haftung des Vertragspartners bei der Lieferung fehlerhafter Produkte, sondern die außervertragliche des Herstellers. Sie deckt allerdings nur Personen- und Sachschäden ab, nicht auch reine Vermögensschäden [PR-Vertragsrecht, Kapitel 12.2]. „Rahmenvertrag“ hat keinen klaren Inhalt. Es kann sowohl darum gehen, dass (umfangreiche) Leistungen erbracht werden sollen, als auch darum, dass nur ein Rahmen für Bestellungen geschaffen werden soll. Dieser kann die Pflicht zum Bestellen enthalten, braucht das aber nicht zu tun. „Separate“ Vereinbarung: Das kann zwei gegensätzliche Bedeutungen haben. Entweder wollen die Vertragspartner, dass die separate Vereinbarung rechtlich von einer anderen unabhängig ist. Insbesondere soll der Rücktritt von dieser nicht zum Rücktritt von einer anderen berechtigen. Bei der anderen Vereinbarung kann es sich um einen größeren Auftrag handeln, den die Parteien bereits geschlossen haben. Dessen größere Leistung soll durch eine weitere Leistung in der Sache ergänzt werden; der Auftrag soll aber nicht erweitert werden, die neue Vereinbarung nicht in ihm aufgehen. Beispiel Die Vertragspartner haben einen Projektvertrag geschlossen. Der Kunde will kurz vor Beginn der Abnahmeprüfung noch eine zusätzliche Leistung beauftragen. Der Auftragnehmer könnte diese zwar bis zum vorgesehenen Beginn für die Abnahmeprüfung erbringen, sieht aber das Risiko, dass diese dann noch fehlerbehaftet sein könnte. Der Auftragnehmer will durch die separate Beauftragung verhindern, dass diese zusätzliche Leistung Teil des bisherigen Auftrags wird und damit deren Fehler die Abnahme der fehlerfreien Hauptleistung verschieben könnten. Oder die Vertragspartner wollen, dass die Vereinbarung nur operativ von der anderen getrennt abgefasst wird, mit der anderen aber rechtlich zusammenhängen soll. <?page no="213"?> 214 Anhang B: Juristischer Sprachgebrauch Beispiel Im zentralen Vertragsdokument steht: „Der Datenschutz wird noch in einer separaten Vereinbarung geregelt.“ Die Vertragspartner hätten ebenso gut formulieren können: „Der Datenschutz wird in Anlage X geregelt.“ Störungen können beim Einsatz eines Produkts auftreten. Sie sind nur dann Fehler/ Mängel, wenn ihre Ursache - im Verhältnis der Vertragspartner - in den Verantwortungsbereich des Auftragnehmers fällt [PR-Vertragsrecht zu Störungen im Verantwortungsbereich des Kunden, Kap. 6.2.5] . Es empfiehlt sich also für den Auftragnehmer dringend, Störungen nicht mit Fehlern/ Mängel gleichzusetzen. Wenn Sie einen Oberbegriff benötigen, können Sie von „Problem“ sprechen (wobei der Begriff in ITIL anders besetzt ist). „Unbeschadet“/ „unberührt“: Juristen regeln etwas „unbeschadet von _____“ oder ergänzen eine Vereinbarung mit dem Satz „_____ bleibt unberührt“. Das dient der Klarstellung: Eine andere Vereinbarung oder eine Rechtsvorschrift, von der man annehmen könnte, dass sie durch diese Regelung eingeschränkt oder sogar ausgeschlossen werden solle, soll weiterhin gelten. „Unentgeltlich“ ist meist nicht „geschenkt“. Damit wird die Haftung des Auftragnehmers nicht automatisch eingeschränkt. Erbringt der Auftragnehmer in einem Vertragsverhältnis nachträglich eine zusätzliche Leistung unentgeltlich, verfolgt er damit meist wirtschaftliche Interessen, handelt also nicht uneigennützig wie ein Schenkender. Also wird seine Haftung wahrscheinlich nicht eingeschränkt [PR-Vertragsrecht, Kapitel 4.5 (2) zur unentgeltlichen Beratung vor Vertragsabschluss] . Das gilt im Zweifel auch dann, wenn der Auftragnehmer von „Kulanz“ spricht. Unterbrechung der Verjährungsfrist (z.B. der für Haftungsansprüche wegen Mängel): „Unterbrechung“ heißt im normalen Sprachgebrauch, dass die Frist später weiterläuft (im Sport „time-out“). Im Rechtssinn beinhaltet „Unterbrechung“ hingegen den Abbruch der bisherigen Verjährungsfrist verbunden mit dem Beginn einer neuen [PR-Vertragsrecht, Kapitel 11.8 (3)] . Untergang einer Sache ist der rechtliche Begriff für das Risiko, dass eine geschuldete Sache durch einen Zufall nicht mehr verfügbar ist, sei es dass sie gestohlen, verbrannt oder verloren gegangen ist, ohne dass die Ursache im Verantwortungsbereich eines Vertragspartners liegt. Es geht dann um die Frage, wer den Verlust zu tragen hat. Es kommt nur selten vor, dass die Ursache nicht im Verantwortungsbereich eines Vertragspartners liegt. Nicht-Juristen überschätzen die Bedeutung dieser Rechtsfigur eher. <?page no="214"?> Anhang B: Juristischer Sprachgebrauch 215 „Urkunde“ klingt gewichtig, erinnert an die Beurkundung bei einem Notar, ist aber nichts anderes als ein Dokument (sie beinhaltet eine Erklärung und lässt deren Aussteller erkennen). Verantwortung: Als Rechtsbegriff bezieht sich die Verantwortung primär auf die Frage der Haftung auf Schadensersatz: Unter welchen Voraussetzungen muss jemand, der eine Pflicht verletzt hat, das verantworten/ vertreten und dementsprechend Schadensersatz leisten [PR-Vertragsrecht, Kapitel 11.1.2]. Beispiele für Einschränkungen (1) Der Projektleiter des Auftragnehmers habe in seiner Zuständigkeit Anforderungen des Kunden falsch detailliert, so dass Arbeiten wiederholt werden mussten. Damit hat er seinem Arbeitgeber einen Schaden verursacht. Da er fahrlässig gehandelt hat, ist er im Ansatz für den Schaden verantwortlich. Das Arbeitsrecht schränkt seine Haftung auf Schadensersatz bei leichter Fahrlässigkeit allerdings mit der Begründung stark ein, dass normale Schäden zum Betriebsrisiko gehören würden; deswegen solle der Arbeitgeber diese Schäden tragen. Hat der Projektleiter in dem Zusammenhang dem Kunden ein Schaden verursacht, ist der Auftragnehmer verantwortlich und also schadensersatzpflichtig, wenn der Projektleiter fahrlässig gehandelt hat (2) Der Verleiher haftet gemäß BGB nur eingeschränkt, wenn der Entleiher durch einen Mangel an der entliehenen Sache einen Schaden erleidet. Denken Sie an die Situation, dass jemand Ihnen etwas reparieren soll, was er lieber nicht täte, und Sie warnt: „Ich übernehme dafür keine Verantwortung.“ Also ist er bereit, etwas zu tun, will aber bei einem Fehlschlag dafür nicht haften. In Texten von Nicht-Juristen bezieht sich die Verantwortung allerdings auf die Zuständigkeit für Aufgaben [→ Kap. 5.5 unter „Verantwortung“, S. 141] . Vereinbarungen nennt das BGB das, was die Vertragspartner selbst regeln. Diese bilden zusammen mit dem Vertragsrecht den Vertrag. „Ein Vertrag“ kann für einen Nicht-Juristen gleichbedeutend mit „ein Kontrakt“ sein: eine Leistung gegen einen Preis; andere Leistungen fallen nicht unter den Vertrag (= sind ausgeschlossen). Für den Juristen können viele weitere Leistungen unter den Vertrag (= das Vertragsverhältnis) fallen; diese sind je nach Vereinbarung zu vergüten [PR-Vertragsrecht, Kapitel 3.1.1 (1)]. <?page no="215"?> 216 Anhang B: Juristischer Sprachgebrauch „Verzug“ heißt, dass jemand den Termin für seine Leistung in einer Weise nicht eingehalten hat, für die er verantwortlich ist / die er zu vertreten hat. „Verzögerung“ ist das Wort für eine Verspätung, bei der offenbleibt, wer diese zu vertreten hat [PR-Vertragsrecht, Kapitel 11.3]. Werklieferungsvertrag ist rechtlich nicht mit einem Werkvertrag gleichzusetzen. Er ist formal ein Kaufvertrag in der Variante, dass die Vorschriften des Werkvertragsrechts über die Erbringung der Leistung ergänzend gelten, allerdings nicht die über die Abnahme [PR-Vertragsrecht, Kapitel 2.1]. Zahlungserinnerung ist eine (freundliche) geschäftliche Erklärung, aber keine, die Rechtsfolgen zulasten des Zahlungspflichtigen auslösen soll; sie ist also keine Mahnung, bewirkt also noch nicht Zahlungsverzug des Kunden (dieser kommt aber 30 Tage nach Rechnungsstellung automatisch in Zahlungsverzug [PR-Vertragsrecht, Kapitel 5.3]). „im Zweifel“ gilt das und das = Wenn sich nicht feststellen lässt, was die Vertragspartner vereinbart haben, gilt das und das. <?page no="216"?> Anhang C: Gendern Ziel des Genderns ist es, Frauen in Texten so sichtbar wie Männer zu machen und somit die gesellschaftliche Gleichstellung der Frauen zu fördern. Deswegen sollen Männer und Frauen gleichermaßen angesprochen werden. Also: „Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! “ Diese Gleichstellung betrifft im Wesentlichen die Wörter zu Bezeichnung von Personen. Das Problem sind solche Wörter im sogenannten generischen Maskulinum (Genus = grammatisches Geschlecht). Solche im männlichen Geschlecht beziehen sich auf Personen, sie haben oft einen funktionalen Charakter, der von Männern unabhängig ist. Gender-Anhänger sehen Frauen bei diesen Wörtern allerdings niemals als gleichgestellt: Schreiber und Leser würden sich immer nur Männer vorstellen und Frauen nur formal mitmeinen. Sie würden Frauen nicht mitdenken. 37 Deswegen sollen diese Wörter im Interesse einer „geschlechtergerechten Sprache“ vermieden werden. 38 Und was macht man mit den „Diversen“? Sie sind relativ (! ) sehr wenige, die meisten von ihnen wollen als „Frau“ oder als „Mann“ bezeichnet werden. Und ein Teil von den Übrigen will nicht hervorgehoben werden. Zu den ganz wenigen restlichen bleibt die gesellschaftliche Entwicklung abzuwarten. Was folgt daraus, wenn man diese Position für begründet hält oder dieser zur Förderung der Gleichberechtigung folgen will? 37 „Die Person“, „die Fachkraft“ sind generisch weiblich: Werden Männer nicht mitgedacht? „Das Mitglied“ ist sächlich generisch: An wen wird da gedacht oder mitgedacht? 38 Der DUDEN geht in seiner 28. Auflage von 2020 (S. 112) von einer Pflicht zum Gendern aus: Das Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Grundgesetz würde das Gendern verlangen. Art. 3 gibt das im Verhältnis zwischen privaten Personen nicht her, auch nicht Art: 2 über das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat nur vom Staat verlangt, dass er die ganz grundlegende Eintragung im Personenstandsregister geschlechtergerecht vornimmt. Die Duden-Redaktion hat diese Behauptung in einer Korrespondenz mit mir nicht aufrechterhalten. - Im Arbeitsrecht gilt allerdings das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) mit einem solchen Gebot für den Arbeitgeber. <?page no="217"?> [→ Vgl. Kap. 1.1 (b) unter „Selbstauskunft: Was gibt der Schreiber von sich kund? “, S. 27.] Um die Auswirkungen auf den Text zu veranschaulichen, werde ich den folgenden Text gendern. Personenbezeichnungen im generischen Maskulinum : Diese müssen also ersetzt werden. Die Beidnennung/ Paarform wie „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ steht dafür immer zur Verfügung. Man und frau können zu jedem männlichen Wort ein weibliches Gegenstück bilden. Die Beidnennung ändert den Charakter dieser Wörter. Diese sind dann ganz gewöhnliche Wörter im Maskulinum und beziehen sich immer nur auf Männer. Frauen dürfen also nicht mehr mitgemeint werden. Sie werden dank der konsequenten Beidnennung immer ausdrücklich genannt, wenn es auch um Frauen gehen kann. Um Missverständnisse zu vermeiden, müssen die Schreibenden dann durchgängig gendern. Alle Lesenden müssen die Texte gendergerecht aufnehmen. Sie dürfen also bei Personenbezeichnungen im grammatischen Maskulinum Frauen nicht mitdenken. Genderschwierige Wörter Es gibt Wörter, die einen auf einen Mann weisenden Bestandteil haben. Deren Ersetzung beeinträchtigt die Lesbarkeit stärker. „Freundlich“: Früher endeten Schreiben einer Aktiengesellschaft „mit freundlichen Grüßen“. Das wird beim Gendern ersetzt durch „mit herzlichen Grüßen“. Eine Aktiengesellschaft hat kein Herz, und wenn man es ihr zuspricht, dann ist das aus Stein. „Spielervertreter“ (aus zwei männlichen Wörtern zusammengesetzt) würde gegendert lauten: “Vertreter oder Vertreterin der Spieler oder Spielerinnen“ bzw. in Gender-Sparschreibung: „Vertreter/ in der Spieler/ innen“. Wie wirkt sich das Gendern auf Texte aus: Häufige Beidnennungen können den Lesefluss stören. Deswegen schlagen Gender-Anhänger/ innen vor, Beidnennungen abzukürzen und dabei zu neutralisieren („Gender-Sparschreibung“). 39 Solche Wörter kann man nur noch gekünstelt aussprechen. 39 Korrekt erfolgt das nach dem amtlichen Regelwerk nur mit einem Schrägstrich, andere Formen wie beispielsweise der Genderstern mögen beliebt sein. <?page no="218"?> Anhang C: Gendern 219 „Student[Pause]innen“ . Die Pause ist oft kaum wahrzunehmen; man hört eher „Studentinnen“, also „Studentin“ im Plural. Gemäß der dem Konzept Logik der Gender-Anhänger/ innen sind Männer dann nicht gemeint. Gender-Anhänger/ innen schlagen auch geschlechtsneutrale Wortformen oder Umschreibungen oder Ersatzwörter vor. Damit erscheinen Männer sprachlich gesehen nicht und können also Frauen nicht mehr benachteiligt sein. 40 Beispiele Aus „Student/ innen“ wird „Studierende“. Es wird ignoriert, dass die deutsche Sprache zwei Ausdrucksformen vorsieht (parallel zu beispielsweise „die Formulierung“ und „das Formulieren“). Aus „Leiter“ wird „Leitung“, aus „Beratung des Betriebsarztes“ wird „betriebsärztliche Beratung“. Gendern.de bringt mehr als 4400 Vorschläge. Beispielsweise: „Abfahrtsweltmeister/ in“ wird „Person mit Weltmeistertitel im Skisport“. Der „Augenarzt“ wird zum „Augenärztliches Fachpersonal“ und wird nicht mehr von seinen Fach-Angestellten unterschieden. Oder es soll auf das Passiv ausgewichen werden. Das führt zu dem Problem, dass der Akteur unbekannt bleibt [ → Kap. 3.4 (e), S.99]. Ein Problem, das bei Sachtexten groß sein kann, ist der Singular. Allgemein empfehlen Gender-Anhänger/ innen, in den Plural auszuweichen. DIN 5008 geht nur mittelbar auf das Gendern ein, bringt in 20.9.4 zur Anrede ein Beispiel zur abgekürzten Beidnennung mit einem Schrägstrich und einem Hinweis, dass zum Gendern spezielle Zeichen „zunehmend gängig“ seien. 40 Die Bücher im Dudenverlag von Diewald, Gabriele / Steinhauer, Anja [Anhang E, S. 177] sind nützlich, verharmlosen aber die negativen Auswirkungen auf die sprachliche Qualität der Texte und auf die Grammatik. Ersatzformen zu finden verursacht oft Aufwand. Siehe Diewald, S.49, 53, 97. Die Sicht der Sprachwissenschaft ist in Wikipedia unter dem Stichwort „Gendering“ zusammengefasst. <?page no="219"?> 220 Anhang C: Gendern Beispiel Landeshauptstadt Hannover: „Die Verwendung des Plurals ist eine weitere Möglichkeit, alle Geschlechter einzubeziehen.“ „Jeder, jede“ soll durch „alle“ ersetzt werden. Hilfsmaßnahmen stören wesentlich mehr, wenn in einem Text der genderabweisende Singular und nicht der genderfreundliche Plural verwendet wird. Beispiel Nehmen Sie dieses Buch zur Kommunikation zwischen einem Schreiber und einem Empfänger oder mehreren Empfängern. „Der/ die Schreibende teilt seine/ ihre Auffassung zu seiner/ ihrer Situation dem/ der Empfänger/ in mit.“ Da nützen die geschlechtsneutralen Wortformen nur wenig: „Der/ die Schreibende teilt seine/ ihre Auffassung zu seiner/ ihrer Situation dem/ der Empfangenden mit.“ Gender-Anhänger/ innen schlagen vor, auf eine „Person“ abzustellen. Das geht, ist allerdings gewöhnungsbedürftig. Fortsetzung des Beispiels „Die schreibende Person teilt ihre Auffassung zu ihrer Situation der empfangenden Person mit.“ Außerdem ist „die Person“ ein generisches Femininum, diskriminiert also die Männer. „Nein“, sagen Gender-Anhänger/ innen: Das Wort sei neutral. Was gilt für das generische Femininum „Fachkraft“ und dessen Varianten? Unter einer „Führungskraft“ stellen man und frau sich eher einen Mann vor, unter „Schreibkraft“ hochwahrscheinlich eine Frau. Das Spektrum des Mitdenkens reicht also von „eher Mann“ bis „hochwahrscheinlich Frau“. Gendern in Sachtexten: Ihnen stellt sich die Frage, welchen Grad an leichter Lesbarkeit und an Verständlichkeit Sie für Ihre Sachtexte anstreben und wie sehr Sie bereit sind, diese durch Gendermaßnahmen zu beeinträchtigen. Die Position der Gender-Anhänger ist für Sachtexte überzogen, wie der vorhergehende Text über Wörter im generischen Femininum zeigt. Generische Wörter können auch funktional gebraucht werden. Bei Sachtexten kommt es auf den Zusammenhang an: Denkt man bei der Verwendung eines solchen Wortes an Menschen konkret oder funktional. Als Kennzeichen für Letzteres kann genommen werden, <?page no="220"?> Anhang C: Gendern 221 ob für den Denkenden auch Organisationen unter dieses Wort fallen. Dann wird das Wort funktional verwendet. Es liegt kein erheblicher Grund vor, dieses zu gendern. Beispiele Der „Empfänger“ kann ein Mensch sein, aber auch eine Organisation, beispielsweise eine Firma (weibliches Geschlecht). „Der Partner“ in einem Projekt / der „Projektpartner“ ist sogar hoch wahrscheinlich eine Organisation und nicht ein Mensch. Mit „Anwender“ ist eher eine Organisation gemeint. Mit „Benutzer“ dürfte eher ein Mensch gemeint sein, allerdings von seiner Funktion her. Zu den Ergebnissen von Projekten können auch Texte gehören, beispielsweise Anwendungshandbücher. Diese dürften Wörter im generischen Maskulinum rein funktional meinen. Dann dürfte es weniger darauf ankommen, ob der Text gendergemäß formuliert und verstanden wird. Es kann auch erforderlich sein, den Singular zu verwenden. Das zeigt sich beispielhaft in Kapitel 1, wo es um das Verhältnis von einem Schreiber entweder zu einem Empfänger oder zu einem im Text genannten Empfänger (= dem Adressaten) eines Empfängerkreises oder um einen Empfängerkreis oder um mehrere Empfänger geht. Er/ Sie kommt um die Beidnennung nicht herum, und die kann häufig erforderlich sein. Pflicht zum Gendern: Es kommen verschiedene Stufen in Betracht: eine allgemeine Pflicht Beispiele Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) enthält im Arbeitsrecht u.a. Vorgaben für den Arbeitgeber zu Stellenangeboten. Im universitären Bereich gibt es viele Leitfäden. Die Grundordnung der Universität Leipzig ist sogar rein weiblich gegendert. Es wird erwartet, dass alle Menschen im universitären Bereich gendern. eine spezifische Pflicht auf Grund der Kommunikationsbeziehung. Ein Kunde kann diese für einen Auftragnehmer faktisch für dessen Angebot und vertraglich für die Projektdurchführung begründen. Fragen Sie als Auftragnehmer Ihren Kunden auch, ob und gegebenenfalls wie Sie die Texte gendern sollen, die zum Ergebnis Ihrer Leistung gehören. [Siehe Kap. 3.3 am Ende, S. 75, und Kap. 5.6 unter „Zur Leistungserbringung“, S. 147.] nur als vom Empfänger(-kreis) erwartet. <?page no="221"?> 222 Anhang C: Gendern Auch solche Vorgaben beschränken sich darauf, dass Personenbezeichnungen im generischen Maskulinum vermieden werden sollen und lassen also einen großen Spielraum für das Ausgestalten des Genderns zu für den Spielraum. Beispiele (1) Es soll nicht „Manntage“ heißen, sondern „Mitarbeitertage“ oder „Personentage“. (2) „Sie als Empfängerin dieses Schreibens …“ In einem Frauenhotel: „Sie als Gästin unseres Hauses …“ Was macht ein normales Hotel: Bei „Sie als Gäst*innen unseres Hauses …“ fehlt das „e“ für die männlichen Gäste. Dann also „Gäst*e*innen, um auch den Männern gerecht zu werden? Oder lieber ungegendert „Gäste“? Oder in der Paarform „Gäste und Gästinnen"? Gender-Hinweis: 41 Weil das Gendern die Verständlichkeit beeinträchtigt, ist es bei Sachtexten plausibel, an deren Anfang ein Absatz zum Thema Gendern einzufügen, beispielsweise: „Wir bitten um Verständnis, dass wir der leichteren Lesbarkeit wegen in unseren Texten nur eine Form verwenden. Diese meint immer Frauen und Männer.“ Man sollte sich mit dem Hinweis etwas mehr Mühe geben. Insbesondere sollte man spezifisch begründen, warum man nicht oder nur wenig gendert. Allerdings wird auch das bald zur Floskel werden. Höfliche Einleitung: „Ich bitte die Leserinnen um Verständnis, dass ich in diesem Sachtext Wörter im generischen Maskulinum nicht gendergemäß ersetze.“ Begründung: „Ich lasse das sein, weil ich diese Wörter im funktionalen Zusammenhang verwende. Diese beziehen sich oft auf Organisationen, die mitgemeint werden sollen. Weiter muss ich viele Begriffe im Singular verwenden. Gendern würde die Verständlichkeit des Textes stark beeinträchtigen.“ In meinem Fall habe ich noch eine weitere Begründung: „Da ich in diesem Buch alle, die es lesen, meist direkt anspreche, sind Frauen bestimmt gleichrangig gemeint.“ Ich hätte sogar noch einen Extrapunkt: Ich habe eine durchgehend gegenderte Variante einer früheren Fassung dieses Buchs erstellt. Ich habe dort jedes Kapitel unterschiedlich gegendert: gemäßigt, abschnittsweise und betont. - Diese Variante können Sie bei mir als PDF anfordern. 41 Anfangs ging die Klausel dahin, dass Frauen „mitgemeint“ seien. <?page no="222"?> Anhang D: Sachtexte richtig gut schreiben Gut geschriebene Texte sind leicht lesbar, richtig gute geschriebene sind sogar angenehm/ ansprechend/ interessant lesbar [→ zur Textqualität siehe Kap. 3.1 (a), S. 55]. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Sie die für die relevanten Erfolgsfaktoren einschlägigen Empfehlungen in allen drei Phasen auf besonders hohem Niveau befolgen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Überarbeiten, und das hinsichtlich der sprachlichen Seite Ihres Textes. Sätze sollen bereits dank ihrer Formulierung möglichst eindeutig und situationsgerecht verständlich sein und nicht erst dank einer semantischen Analyse. Das gilt stets, weil die Analyse oft nicht einmal Eindeutigkeit schafft. Ob Sie das bei Ihren Texten erreichen wollen, müssen Sie entscheiden. Sie können bestimmten Erfolgsfaktoren ein besonders hohes Gewicht geben und zu einem besonders hohen Grad erfüllen wollen. Besondere Situationen Sachtexte für das Marketing sollen eine hohe Appellfunktion haben. Leistungsbeschreibungen sollen einen hohen Grad an Eindeutigkeit haben, für den Auftragnehmer sollen sie absichernd formuliert sein. Schreibratgeber empfehlen, das Interesse der Leserschaft zu wecken. Das Hamburger Verständlichkeitsmodell nennt dazu Kürze, Prägnanz und anregende Zusätze [Nachweise im Internet]. Das geht in Ordnung, solange die Bedingungen „möglichst hohe Eindeutigkeit und Richtigkeit (einschließlich Vollständigkeit)“ nicht verletzt werden. Schon bei einfachen Texten müssen Sie also mehr Zeit als sonst aufwenden. Und der Ertrag (das Quantum an Verbesserungen) je Zeit- <?page no="223"?> 224 Anhang D: Sachtexte richtig gut schreiben einheit wird gemäß dem Gesetz des abnehmenden Grenzertrags immer geringer. Umfangreiche und/ oder schwierige Texte verlangen darüber hinaus noch mehr Aufwand (die Ertragskurve liegt niedriger). Denn erst einmal ermüdet der Leser beim Lesen von solchen Texten zunehmend. Deswegen müssen Sie mehr Aufwand betreiben, um dem Ermüden entgegenzuwirken. Auf diesen weiteren Aufwand wirkt sich wiederum das Gesetz des abnehmenden Grenzertrags aus: Der Ertrag an Verbesserung je Zeiteinheit wird immer geringer. Zu Kapitel 3 Texte ausformulieren: Sie sollten in jedem Fall zwei Durchgänge machen. Wer etwas Wichtiges schreibt, gerät in Gefahr, auch gewichtig zu formulieren. Das wirkt sich besonders darin aus, dass er starke Wörter verwendet. [→ Siehe Kap. 3.4 (b) unter „Verzichten Sie auf starke Wörter“, S. 91.] Bei solchen Texten ist es nahezu vorgegeben, dass man beim Ausarbeiten seiner Gedanken zu wortreich schreibt und etwas mehrfach formuliert. Lesen ermüdet. Formulieren Sie Ihre Sätze deswegen noch einfacher. Nutzen Sie noch mehr Wörter, die den Leser auf etwas hinweisen sollen [→ Kap. 3.4 (h) Beziehen Sie Sätze aufeinander, auch Wörter, S. 102]. Zu Kapitel 4 Texte überarbeiten: Sie sollten beim Überarbeiten alle drei Durchgänge machen und Puffer in Ihren Zeitplan einbauen, um diese durchführen zu können. Dabei können Sie beim Durchgang „Vorlesen lassen“ besonders kritisch sein, d.h. besonders für die angenehme Lesbarkeit und das leichte Verstehen sorgen. Weiterhin können Sie beim Durchgang „Ausdrucken und Überarbeiten“ die korrigierten Formulierungen nicht nur einfach in den Text übernehmen, sondern diese noch gegen den bisherigen Text kontrollieren, ob diese Ihre Ziele wirklich besser treffen. Gegebenenfalls können Sie aus beiden Formulierungen eine noch bessere dritte machen. <?page no="224"?> Anhang E: Kommentiertes Literaturverzeichnis Brenner, Gerd und andere Texte überarbeiten: Von der Rechtschreibung zum sicheren Ausdruck Berlin (ISBN 978-3-464-60008-5), 120 Seiten Es handelt sich um ein Heft der Reihe „Texte, Themen und Strukturen“. Es enthält zur Hälfte eine Minimalgrammatik, fast zur anderen Hälfte Empfehlungen zum Ausformulieren. Die Empfehlungen zu Stil und Ausdruck sind auch in meinem Buch enthalten. Das Buch geht ansatzweise auch auf die Phasen der Erstellung eines Konzepts und des Überarbeitens des Textes ein. Das Buch empfiehlt sich für den, der seine Grammatikkenntnisse auffrischen will, auch wenn es auf Texte für die schulische Oberstufe ausgerichtet ist. Diewald, Gabriele / Steinhauer, Anja Richtig gendern: wie Sie angemessen und verständlich schreiben Berlin 2017, Dudenverlag (ISBN 978-3-411-74357-5), 128 Seiten Das Buch stellt laut Vorwort „den ersten umfassenden Ratgeber zum Thema geschlechtergerechter Sprachgebrauch vor… Als praktische Hilfestellung für Menschen …, die gendergerechte Texte verfassen und sich ein Bild über die Möglichkeiten verschaffen möchten… zeigen wir im Hauptteil, welche vielfältigen Möglichkeiten die Sprache und andere Zeichensysteme bereitstellen, aber auch welche Grenzen es gibt.“ Der Optimismus im Titel wird schon im Vorwort relativiert: „Wie bleibt mein Text trotz Genderns lesbar? “ Eine etwas überarbeitete und gekürzte Fassung findet sich im Buch: Diewald, Gabriele / Steinhauer, Anja Gendern - ganz einfach! Berlin 2017, Dudenverlag (ISBN 978-3-411-743335-3), 94 Seiten Franck, Norbert So gelingt Kommunikation: eine praktische Anleitung von A bis Z Weinheim 2017 (ISBN 978-3-407-36625-2), 413 Seiten Von A bis Z heißt nicht alles umfassend, sondern heißt 42 Beiträge zu Themen von A bis Z, zwischen vier und mehr als 20 Seiten lang. Das Buch ist nicht nur praktisch abgefasst, sondern befasst sich auch mit <?page no="225"?> 226 Anhang E: Kommentiertes Literaturverzeichnis Themen aus der Praxis, beispielsweise mit der Metakommunikation über misslungene Auseinandersetzungen. Franck betont im Vorwort, dass er nicht wie andere Autoren „auf die Pauke hauen“, d.h. siegreiche Kommunikation in Aussicht stellen würde. Dieser Ansatz macht das Buch so sympathisch. Franck, Norbert Praxishandbuch Kommunikative Kompetenz: Die Schlüsselqualifikation für Studium und Beruf Weinheim 2019 (ISBN 978-3-7799-3941-2), 228 Seiten Das Buch enthält nach einem einleitenden Beitrag, wie Kommunikation erfolgreich sein kann, 23 Beiträge zu speziellen Themen von A bis Z, von Argumentieren bis zu Zuhören. Es verdient wirklich die Bezeichnung „Praxishandbuch“. Laut dem Titel soll das Buch „für Studium und Beruf“ dienen. Es ist eine Variante des Buchs des Autors “So gelingt Kommunikation“ (siehe vorstehend). Der Autor hat es für übliche Situationen in Studium und Beruf bearbeitet, insbesondere gekürzt. Das ältere Buch geht zusätzlich auf besondere Situationen im (späteren) Berufsleben ein, insbesondere auf Reden (60 Seiten). Wer solche Situationen - noch - nicht hat, ist mit dem neuen Buch gut und preiswert bedient. Langer, Inghard; Schulz von Thun, Friedemann; Tausch, Reinhard Sich verständlich ausdrücken München, 9. Aufl. 2011 (ISBN 978-3-497-2205-2), 224 Seiten Das Buch stellt das Hamburger Verständlichkeitsmodell vor. Dieses ist im Wesentlichen auf anspruchsvolle Texte für Adressatenkreise oder für das Publikum ausgerichtet. Die Autoren unterscheiden zwischen „verständlich für die Allgemeinheit“ und „verständlich für besondere Gruppen“. Das Modell behandelt also nicht Texte für einzelne Empfänger/ Kleingruppen. Es wird als ein Standard viel zitiert. Salchert, Monika Selbstlernheft zum Thema „Verständliches Schreiben - Mehr Erfolg durch gute Texte“ www.bakoev.bund.de (im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat), Mai 2019, PDF 59 Seiten Das Heft enthält viele Empfehlungen, einerseits kurzgefasst und nur mit wenigen Beispielen, andererseits mit vielen Übungen. Das Heft geht vom Hamburger Verständlichkeitsmodell aus - deswegen beispielsweise zwei Seiten mit Vorschlägen, Wörter zu kürzen. Das Heft <?page no="226"?> Anhang E: Kommentiertes Literaturverzeichnis 227 ist auf einfache Texte ausgerichtet. Es ist locker geschrieben. Schulz von Thun, Friedemann Miteinander reden: 1 Störungen und Klärungen Hamburg, 50. Aufl. 2013 (ISBN 978-3-499-17489-6), 316 Seiten Jetzt auch als E-Book. Das Kommunikationsquadrat des Autors ist von elementarer Bedeutung. Das zeigt schon die Zahl der Auflagen. Es gilt nicht nur für das Reden, sondern auch für das Schreiben. Sturtz, Peter Perfekte Geschäftsbriefe und E-Mails Freiburg, 5. Auflage 2011 (ISBN 978-3-648-01770-8), 242 Seiten Vaduhn, Sigrid Einfach besser schreiben im Beruf Überzeugende E-Mails, Angebote, Konzepte & Co. 2016 (ISBN 978-3-8490- 2032-3), 134 Seiten Es geht der Autorin weniger um das Schreiben als um das schriftliche Kommunizieren insgesamt. Nur acht Seiten sind der Schreibtechnik gewidmet, wie sie in diesem Buch im Vordergrund steht. Wie man redet, das soll man als Ausgangspunkt für das Schreiben nehmen. Man erzähle sich den Text, schreibe ihn nieder und verbessere ihn dann. Man solle eine „Schreibstimme“ entwickeln. Weitergehend: Man soll die Möglichkeiten, die man zur Kommunikation in Gesprächen hat, ansatzweise in das Schreiben übernehmen, bzw. Defizite, die sich beim Schreiben hinsichtlich der Qualität der Kommunikation ergeben, auszugleichen versuchen. Diesen Ansatz zu durchdenken ist sowohl für den nützlich, der in den Schreibprozess einsteigen will, als auch für den Routinier, der sich einmal besinnen will. Zahrnt, Christoph IT Projektverträge: Erfolgreiches Management für Auftragnehmer Bei Amazon 2013, laufend aktualisiert Zahrnt, Christoph Vertragsrecht für Projektleiter Bei Amazon 2018, laufend aktualisiert <?page no="227"?> ISBN 978-3-7398-3111-4 www.uvk.de Schreiben will gelernt sein! Das Erstellen von Texten gehört zu den Tätigkeiten eines jeden Projektmitarbeiters. Da schreiben im beruflichen Kontext jedoch Tücken mit sich bringen kann, ist eine verständliche, eindeutige und respektvolle Sprache gefragt. Der Autor dieses Buches vermittelt die entsprechenden Kompetenzen zur schriftlichen Kommunikation in Projekten, speziell für Leistungsbeschreibungen. Dabei zeigt er auf, wie Sie situationsgerecht und inhaltlich eindeutig schreiben, wie Sie Schreibprozesse strukturieren und wie Sie Risiken auf personaler Ebene vermeiden. Das Buch dient somit als Ratgeber für Projektleiter und Projektmitarbeiter in internen und externen Projekten sowie Projekten innerhalb einer Unternehmensgruppe. Auch Projektleiter erhalten zusätzliche Empfehlungen zu externen Projekten und solchen innerhalb einer Unternehmensgruppe. Dr. Christoph Zahrnt ist examinierter Jurist und Diplom-Volkswirt. Er war mehrere Jahre als Organisator und Softwareentwickler tätig und anschließend als Rechtsanwalt, vor allem für IT-Auftragsprojekte bei IT-Anbietern in der Organisation des Angebotswesens und des Projektmanagements. Seit vielen Jahren arbeitet er als Schreibcoach und Lektor im Bereich Projekte und gibt Seminare zum Schreiben in Projekten. Weil sachgerechtes Schreiben in Projekten so wichtig ist, hat er das Thema in sein Beratungsspektrum als Schreibcoach und als Seminartrainer aufgenommen.