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Die Sammlung "Kirchenlied" (1938)

Entstehung, Corpusanalyse, Rezeption

0123
2008
978-3-7720-5251-4
978-3-7720-8251-1
A. Francke Verlag 
Thomas Labonté

Die Sammlung Kirchenlied, ein schmales Bändchen mit 140 Liedern, ist in mancher Hinsicht das einflussstärkste katholische Gesangbuch des 20. Jahrhunderts. Sie hat fast alle Diözesangesangbücher der Nachkriegszeit inspiriert und färbt, davon ausgehend, noch das heutige Einheitgesangbuch Gotteslob maßgeblich. Das betrifft das Liedkorpus wie auch die im Kirchenlied vorgenommenen Liedbearbeitungen in Text und Melodie, ferner einige erfolgreiche Eigenschöpfungen (z.B. Wir sind nur Gast auf Erden). Was das Korpus betrifft, so gelingt es der Sammlung Kirchenlied das erste Mal in Jahrhunderten konfessioneller Trennung, eine nennenswerte Anzahl großer evangelischer Lieder (rund) 30 katholisch in Gebrauch zu bringen (z.B. Macht hoch die Tür oder Lobe den Herren). Was die Fassungen betrifft, so orientieren sich die Bearbeiter in einem gewissen Grad an den Urtexten, nehmen aber so geschickte, zwischen Archaisierung und Modernisierung klug vermittelnde Bearbeitungen vor, dass sie die Fassungen des 19. Jahrhunderts erfolgreich verdrängen und vielfach bis heute in Geltung sind. Was die Melodien betrifft, so gelingen nicht nur gute Bearbeitungen, sondern auch einige Neuschöpfungen. Gründe genug, um dieses in bis zu 2 Mio Exemplaren verbeitete Zeugnis der religiösen Massenkultur des 20. Jahrhunderts einer genauen Untersuchung zu unterziehen.

<?page no="0"?> Die Sammlung „Kirchenlied“ (1938) Thomas Labonté Entstehung Corpusanalyse Rezeption Die Sammlung „Kirchenlied“ (1938) ,! 7ID7H2-aicfbb! ISBN 978-3-7720-8251-1 ainzer Hymnologische Studien Hymnologische Studien Mainzer Hymnologische Studien Mainzer Hymnologische Studien Mainzer Hy Die Sammlung „Kirchenlied“, ein schmales Bändchen mit 140 Liedern, ist in mancher Hinsicht das einflußstärkste katholische Gesangbuch des 20. Jahrhunderts. Sie hat fast alle Diözesangesangbücher der Nachkriegszeit inspiriert und färbt noch das heutige Einheitsgesangbuch „Gotteslob“ maßgeblich. Das betrifft das Liedcorpus wie auch die im „Kirchenlied“ vorgenommenen Bearbeitungen in Text und Melodie. Hinsichtlich des Corpus gelingt es das erste Mal in Jahrhunderten konfessioneller Trennung, eine nennenswerte Anzahl großer evangelischer Lieder katholisch in Gebrauch zu bringen. Bezüglich der Fassungen orientieren sich die Bearbeiter in einem gewissen Grad an den Urtexten, nehmen aber so geschickte Bearbeitungen vor, daß sie die Fassungen des 19. Jahrhunderts erfolgreich verdrängen. Bei den Melodien gelingen nicht nur gute Bearbeitungen, sondern auch einige Neuschöpfungen. Gründe genug, um dieses in bis zu 2 Millionen Exemplaren verbreitete Zeugnis der religiösen Massenkultur des 20. Jahrhunderts einer genauen Untersuchung zu unterziehen. <?page no="1"?> MAINZER HYMNOLOGISCHE STUDIEN Band 20 · 2008 Herausgegeben von Hermann Kurzke in Verbindung mit dem Interdisziplinären Arbeitskreis Gesangbuchforschung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Hymnologie <?page no="3"?> Thomas Labonté Die Sammlung „Kirchenlied“ (1938) Entstehung, Corpusanalyse, Rezeption <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.d-nb.de> abrufbar. Umschlagbild und Melodie: „Wir sind nur Gast auf Erden“, Melodie: Lohmann, Adolf, Text: Thurmair, Georg, Copyright: Christophorus im Verlag Herder, Freiburg. Gedruckt mit Unterstützung des „Interdisziplinären Arbeitskreises Gesangbuchforschung“ der Universität Mainz. © 2008 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Vewertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.francke.de E-Mail: info@francke.de Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Satz: Informationsdesign D. Fratzke, Kirchentellinsfurt Druck und Bindung: Ilmprint, Langewiesen Printed in Germany ISSN 1862-2658 ISBN 978-3-7720-8251-1 <?page no="5"?> Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2006/ 2007 vom Fachbereich Deutsche Philologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) angenommen und für den Druck leicht überarbeitet. Sie entstand im Rahmen des Graduiertenkollegs „Geistliches Lied und Kirchenlied interdisziplinär“, dem ich als Kollegiat angehörte. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Hermann Kurzke, der die Arbeit angeregt hat. Er hat ihr Entstehen stets mit großem Interesse begleitet und mich in vielfältiger Weise unterstützt. Herrn Professor Dr. Hartwig Schultz danke ich für die Übernahme des Korreferates. Für vielfachen Rat bin ich vor allem Herrn Dekan Manfred Diewald, Herrn Staatsminister a. D. Professor Dr. Dr. h. c. mult. Hans Maier, Herrn Professor Dr. Günther Massenkeil, Herrn Professor Dr. Wilhelm Schepping, Herrn Domkapitular em. Prälat Josef Seuffert und Frau Verlegerin Elisabeth Thurmair zu Dank verpflichtet. Vor allem danke ich meinen Eltern für ihre vielfältige Unterstützung. Bad Ems, 10. VIII. 2007 Dr. Thomas Labonté <?page no="7"?> Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX A. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Die Jugendbewegung. Vom „Wandervogel“ zur „Bündischen Jugend“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 III. Das Jugendhaus Düsseldorf und die Liturgische Bewegung . . 3 IV. Die Entstehungsgeschichte des Kirchenlied . . . . . . . . . . . . . . . . 9 V. Die Herausgeber des Kirchenlied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1. Josef Diewald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2. Adolf Lohmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3. Georg Thurmair . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 VI. Die Stellung der Herausgeber zum NS-Regime anhand der Gestapo-Akten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 VII. Die „Stimmen der Jugend“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 B. Corpusanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 I. Inhaltlich-thematische Linien und Ordnungsprinzip der Kirchenlied-Lieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 II. Innovation und Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Diözesangesangbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Liedsammlungen der Jugend vor Erscheinen des Kirchenlied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Das Deutsche evangelische Gesangbuch (DEG, Berlin 1915) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 III. Vor- und Nachwort im Kirchenlied. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 IV. Die Programmatik des Kirchenlied anhand von Bernbergs „Singt dem Herrn ein neues Lied! “ bzw. Bergmanns „Werkbuch zum deutschen Kirchenlied“ und von Diewalds Ausführungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 V. Quellengeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Die Gruppen der Lieder (orientiert an Bernbergs bzw. Bergmanns Einteilung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 <?page no="8"?> Inhalt VIII 2. Diskrepanzen zwischen den Quellenangaben 1938 und 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Die Quellen der einzelnen Lieder, die Arbeitsweise der Herausgeber und die Bearbeitungsvorgänge . . . . . . . . . . . . . 117 4. Gesamtauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 VI. Exkurs: War Kirchenlied ein Buch des Widerstandes gegen die NS-Diktatur? Exemplarische Liedanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . 155 C. Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Auflagengeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 II. Zeitgenössische Kritik am Kirchenlied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 III. Überblick: Der Weg zu einem einheitlichen Gesangbuch für den deutschen Sprachraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 IV. Der Eingang in die Einheitslieder von 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . 176 V. Der Weg in die Nachkriegs-Diözesangesangbücher . . . . . . . . . 182 VI. Kirchenlied-Lieder im Stammteil des Gotteslob (1975) . . . . . . . 188 VII. Die Diözesananhänge des Gotteslob (1975) . . . . . . . . . . . . . . . . 196 VIII. Der Erfolg des Kirchenlied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Schlußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. Gesangbücher und Liederbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 II. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 III. Archivalien, Schallplatten und Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 <?page no="9"?> Einleitung Kein anderes Buch hat auf die katholische Gesangbuchgeschichte des 20. Jahrhunderts einen so großen Einfluß gehabt wie die Sammlung Kirchenlied aus dem Jahr 1938. Es schuf ein deutschlandweit akzeptiertes Liedcorpus, das nach dem Zweiten Weltkrieg von den meisten Diözesen weitgehend übernommen wurde. So wurde das Kirchenlied zur Keimzelle des ersten katholischen Einheitsgesangbuches Gotteslob, das seit 1975 im Gebrauch ist. Der Sammlung Kirchenlied gelang überdies, woran viele Vorläufer früherer Jahrhunderte gescheitert waren: einen großen Bestand evangelischer Lieder in die katholische Tradition einzuspeisen, und zwar so erfolgreich, daß Lieder wie Lobe den Herren, Macht hoch die Tür oder Wie schön leuchtet der Morgenstern von Katholiken heute ohne Bewußtsein ihrer evangelischen Herkunft gesungen werden, als gehörten sie schon seit Jahrhunderten zum Bestand. Im ersten Hauptteil der Untersuchung geht es vornehmlich um das historiographisch-prosopographische Umfeld. Ein kurzer geschichtlicher Überblick über die Jugendbewegung erschließt den geistigen Hintergrund der Kirchenlied-Herausgeber und schildert die Rolle und Bedeutung des Jugendhauses Düsseldorf. Die Entstehungsgeschichte des Kirchenlied folgt, eingebettet in die Viten der drei Herausgeber, deren religiöse und musikalische Prägungen, deren Vorläufer und deren geschichtliches Umfeld beleuchtet werden. Der zweite Hauptteil der Arbeit analysiert das Liedcorpus des Gesangbuches, wobei Quellen, mögliche Vorläufer, Bearbeitungsvorgänge, Vor- und Nachwort, Programmatik und Intention der Herausgeber untersucht werden. Ein Vergleich mit den zeitgenössischen Gesangbüchern profiliert die Eigenart des Kirchenlied. In einem Exkurs wird der Frage nachgegangen, ob das Kirchenlied als Widerstandsbuch gegen den Nationalsozialismus bezeichnet werden kann. Im dritten Teil wird die Rezeption des Kirchenlied untersucht. Welche Rolle spielte es bei der Entstehung der diözesanen Nachkriegsgesangbücher, der Einheitslieder und schließlich des Gotteslob? <?page no="11"?> A. Entstehung I. Quellenlage Die Quellenlage hinsichtlich des historiographischen Teiles war stellenweise sehr schlecht. Bemerkungen der drei Herausgeber über ihr Werk lagen nicht (bzw. nicht mehr) oder nur in bruchstückhafter Kürze vor. Die Suche in den in Frage kommenden Archiven war weitgehend ohne Erfolg. Die Verlagsarchive des Christophorus-Verlages in Berlin und Freiburg sowie die des Jugendhauses Düsseldorf wurden durch Bombenangriffe vernichtet. Zeitzeugen leben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht mehr. Immerhin befindet sich im „Institut für musikalische Volkskunde“ in Köln der Lohmann-Nachlaß, der aber eher für musikwissenschaftliche Untersuchungen ergiebig ist, außerdem fast nur Bestände nach 1945 enthält. Auch in den Nachlässen Josef Diewalds (im Besitz seines Sohnes Manfred Diewald) und Georg Thurmairs (im Besitz seiner Tochter Elisabeth Thurmair) finden sich keine für diese Untersuchung ergiebigen Dokumente. II. Die Jugendbewegung. Vom „Wandervogel“ zur „Bündischen Jugend“ 1 Man kann die kirchlichen Jugendvereinigungen zur Zeit der Entstehung des Kirchenlied nicht verstehen, ohne einen groben Überblick über die Jugendbewegung insgesamt zu besitzen. Die Jugendbewegung ist um 1900 entstanden. Diese frühe Bewegung nannte sich selbst „Wandervogel“ und zeigte „die für die Jahrhundertwende charakteristische Vorliebe für sakrale Symbole, Riten, Mythen, Mystik und Katholisches.“ 2 Die Jugendbewegung hat zahlreiche Liederbücher hervorgebracht. Das 1909 erstmals erschienene Liederbuch Der Zupfgeigenhansl von Hans Breuer ist das bekannteste von ihnen. Es enthält eine eigene Rubrik „Geistliche Lieder“, die hauptsächlich Marienlieder, Weihnachtslieder und Sterbelieder enthält. Die gezielte Aufnahme geistlicher Lieder in ein profanes Liederbuch stellte ein Novum dar: Erst mit der Jugendbewegung zeigt sich eine breite außerkirchliche Rezeption solcher Lieder 3 . Der „Wandervogel“ entstand im 1 Die in der Jugendbewegung verwendeten Liederbücher werden unter „B. II. 2.“ genauer besprochen. 2 Neuhaus: Das geistliche Lied in der Jugendbewegung. S.: 11. 3 Neuhaus: Das geistliche Lied in der Jugendbewegung. S.: 12. <?page no="12"?> Entstehung 2 letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Gruppen von Gymnasiasten fanden sich zu gemeinsamen Wanderungen zusammen. Was ihre Zielsetzung angeht, waren die unterschiedlichen Gruppen der Jugendbewegung oft uneinig, jedoch durch gemeinsame ästhetische Vorlieben verbunden: „Kleidung, Lieder, eigene Symbole und Rituale und eine eigene Feierkultur“. „Der Schwerpunkt in den Wandervogel-Gruppen lag auf praktischen Aktivitäten: Dazu gehörten mehrtägige Wanderungen, Naturerleben bei Wind und Wetter und gemeinsames Singen am Lagerfeuer“ 4 . Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges beginnt mit der Entstehung der „Bündischen Jugend“ ein neues Kapitel in der Geschichte der Jugendbewegung. Für die bürgerliche Jugend hatte sich - im Vergleich zur Vorkriegszeit - die Lage merklich verändert: In einer Zeit der Orientierungslosigkeit und der politischen Gegensätze lag die Suche nach Werten, für die einzusetzen es sich lohnt, näher als die Freiheit des Wanderns vor dem Krieg 5 . „Disziplin statt Freiheit, Bindung statt Autonomie hieß die neue Tendenz.“ So entwickelten sich die „Bünde“, die straffer organisiert waren als die früheren Wandervogelgruppen. Sie versuchten, bestimmte Werte für ihre Mitglieder verbindlich zu machen 6 . Inhaltlich veränderten sich auch die ästhetischen Vorlieben: Die „melancholisch-introvertierte Selbstinszenierung und die romantische Rückschau auf das Volkslied wichen - überspitzt ausgedrückt - einer kämpferischen Männlichkeit“ 7 . Was die „Bündische Jugend“ anbelangt, sind im katholischen Bereich besonders drei Vereinigungen erwähnenswert 8 , wobei es nicht einfach ist, ihre Programmatik mit wenigen Worten zu skizzieren, da sie einem steten Wandel unterworfen und nicht statisch festgelegt waren: „Quickborn“ bestand schon in der Kaiserzeit. Sein Profil erhielt der Bund ab 1919 durch die Beheimatung auf der Burg Rothenfels und den immer stärker werdenden Einfluß Romano Guardinis 9 . Bis zur endgültigen Beschlagnahmung von Rothenfels im August 1939 bildeten die jährlichen Burgtagungen den Höhepunkt im Quickbornleben. Das eigentliche, alltägliche Leben spielte sich aber daheim ab: „Da war das wöchentliche Gruppentreffen mit Musik und Gesang, mit Erzählungen und Lesungen, Diskussionen und Gebet. […] Wandern, Sport und Spiel kamen auch nicht zu kurz“ 10 . Was das religiöse Leben anbelangt, wird mehrfach berichtet, daß die Teilnahme an den Gottesdiensten aktiver wurde. Für die Quickborner wird die „Missa 4 Neuhaus: Das geistliche Lied in der Jugendbewegung. S.: 17 f. 5 Giesecke: Vom Wandervogel bis zur Hitlerjugend. S.: 91. 6 Giesecke: Vom Wandervogel bis zur Hitlerjugend. S.: 91. 7 Neuhaus: Das geistliche Lied in der Jugendbewegung. S.: 179. 8 S. dazu auch: Henrich: Die Bünde katholischer Jugendbewegung. 9 Hastenteufel: Katholische Jugend in ihrer Zeit. S.: 414 f. 10 Hastenteufel: Katholische Jugend in ihrer Zeit. S.: 422. <?page no="13"?> Das Jugendhaus Düsseldorf und die Liturgische Bewegung 3 recitata“, die im Wechsel zwischen Priester und Gläubigen gebetete Messe, zur bevorzugten Liturgieform; hier war die aktive(re) Teilnahme des Volkes möglich, das nicht mehr länger passiv-rezeptiv die Geschehnisse am Altar verfolgen mußte 11 . Klemens Neumann 12 muß besonders erwähnt werden: Seine Liedersammlung Der Spielmann wurde weit über den Bund hinaus verbreitet 13 . „Neudeutschland“ wurde 1919 gegründet. Es handelte sich um einen Bund für Gymnasiasten und die studierende Jugend. Die Zentrale befand sich in Köln; eine wichtige Rolle kam aber auch der Burg Normannstein in Thüringen zu. Als Ziel des Bundes wurde die „neue Lebensgestaltung in Christus“ angegeben. Wichtig war u. a. das häufige und zünftige Wandern und der Kampf gegen die „Fassadenkultur“ bei Jung und Alt. Innerhalb dieses Bundes fand das Liederbuch Jung-Volker Verwendung. Es handelte sich zunächst um eine reine Textsammlung. 1927 folgte der erste Notensatz, von Adam Gottron besorgt, und 1932 die zweite Fassung, von Alfred Dickopf herausgebracht 14 . Wohl eine der wichtigsten Gemeinschaften jugendbewegter Katholiken war der „Jungborn“, der sich 1923 vom „Kreuzbündnis“ trennte. Seine Grundsätze sind in keiner Ordnung statisch festgelegt worden. Hastenteufel versucht, sie wie folgt aufzulisten: „Einfaches, positives Leben aus mitwachsendem Glauben, in völligem Verzicht auf Rauschmittel“ 15 . III. Das Jugendhaus Düsseldorf und die Liturgische Bewegung Mehr als eine Viertelmillion junger männlicher Katholiken war zu Beginn des 20. Jahrhunderts in kirchlichen Jugendvereinigungen organisiert, wobei kein Verein dem anderen glich und eine Zusammenarbeit kaum erfolgte. In Düsseldorf sollte eine Zentrale entstehen, die alle bestehenden Vereinigungen erfaßte bzw. zusammenfaßte. Das Jahr 1896 gilt als Gründungsdatum des späteren Katholischen Jungmännerverbandes Deutschlands. Noch auf Jahre hinaus handelte es sich lediglich um einen Dachverband, der auf seine heterogenen Mitgliedsverbände nur einen geringen Einfluß hatte. 11 Hastenteufel: Katholische Jugend in ihrer Zeit. S.: 424 u. 433. 12 Hastenteufel: Wie man der Jugendarbeit eine Mitte gibt. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 10. 13 Hastenteufel: Katholische Jugend in ihrer Zeit. S.: 434. 14 Hastenteufel: Katholische Jugend in ihrer Zeit. S.: 439, 443, 446, 450. 15 Hastenteufel: Katholische Jugend in ihrer Zeit. S.: 466. <?page no="14"?> Entstehung 4 Im Jahre 1907 beschloß die Generalversammlung der katholischen Jugend- und Jungmännervereine die Ernennung eines hauptamtlichen Generalsekretärs; es war Carl Mosterts 16 . Das erste Büro der Verbandszentrale der katholischen Jünglingsvereinigungen Deutschlands wurde 1908 am Stiftsplatz in Düsseldorf eingeweiht. 1924 übersiedelte die Verbandszentrale in die Derendorfer Straße. Diese Villa erhielt den Namen „Jugendhaus Düsseldorf“. Der Katholische Jungmännerverband Deutschlands war unter der Leitung von Carl Mosterts zum größten Jugendverband Deutschlands geworden. Er wurde wesentlich von Geistlichen geführt, während sich die Verantwortlichkeit der Laien weitgehend auf untergeordnete Tätigkeiten beschränkte. Dies lag weitgehend an zwei Tatsachen: Einmal konnten die meisten Mitglieder infolge ihres jugendlichen Alters keine Rechtsverantwortung übernehmen; zum anderen setzte sich der Verband in seiner großen Mehrheit aus jungen Arbeitern und Handwerkern zusammen, die sich für eine Führungsaufgabe weniger qualifiziert fühlten und denen auch weniger Zeit zur Verfügung stand als Gymnasiasten und Studenten. Mosterts hatte dennoch versucht, das Selbstbewußtsein der Laien zu stärken, und auch sein Nachfolger Ludwig Wolker forcierte diesen Kurs, indem er viele junge Männer zu wichtigen Führungsaufgaben heranzog 17 . 1927 trat Ludwig Wolker Mosterts Nachfolge in Düsseldorf an. Er faßt die 28 selbständigen Verbände und Bünde zur „Katholischen Jugend Deutschlands“ zusammen. Ihr gehören 1927 1,4 Millionen Jungen und Mädchen an 18 . „Wolkers äußere Erscheinung war wuchtig und imposant […]. Er bewegte sich mit der Würde eines Bischofs und verfügte über die Gewandtheit und das Pathos eines großen Predigers. Seine Selbstsicherheit und seine Ausstrahlungskraft, die bei den Jugendlichen wahre Begeisterungsstürme hervorrufen konnte, erregten in einigen Kreisen der kirchlichen Hierarchie jedoch auch Mißtrauen.“ 19 Unter Wolker gewann die Jungmännerbewegung an Profil und Geschlossenheit, war er doch Führer und Integrator im besten Sinne. Er war aufgeschlossen für die aus der Jugendbewegung aufkeimenden liturgischen Änderungswünsche der Jugendlichen. 16 Hastenteufel: Gartenstuhl und Stahlrohrsessel. In: Wuchterl (Hrsg.): Der Vergangenheit eine Zukunft. S.: 9. 17 Hastenteufel: Wie man der Jugendarbeit eine Mitte gibt. In Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 9 f. 18 Schlickel: Um Christustreue. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 28. 19 Schellenberger: Verhandlungen, Konferenzen, Kompromisse. In: Wuchterl (Hrsg.): Der Vergangenheit eine Zukunft. S.: 25. <?page no="15"?> Das Jugendhaus Düsseldorf und die Liturgische Bewegung 5 Der Katholische Jungmännerverband als größter Jugendverband besaß im Jahre 1933 365 000 Mitglieder, 1934 waren es, nachdem die Opportunisten abgesprungen waren, noch 252 000 20 . Ende 1935 wurde das Jugendhaus Düsseldorf für einige Wochen von der Gestapo besetzt 21 , schließlich Wolker selbst zusammen mit 57 Mitarbeitern des Jugendhauses zeitweise verhaftet (der Vorwurf lautete, man habe mit Kommunisten zusammengearbeitet 22 ) 23 . Am 6. Februar 1939 schloß und beschlagnahmte die Gestapo das Haus endgültig, das 1944 durch Bomben zerstört wurde. Mit der Auflösungsanordnung werden der Katholische Jungmännerverband Deutschlands und sämtliche katholische Jugendverbände aufgelöst 24 . Der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei beruft sich dabei auf § 1 der „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 25 . Nach der Schilderung der äußeren Strukturen des Jugendhauses soll nun nach dem Verhältnis zur Liturgischen Bewegung und zur geistig-geistlichen Struktur gefragt werden. Die Kommunion-Dekrete Pius X. 26 waren 1908, als das Jugendhaus seine Arbeit begann, das neue Ereignis. Bisher waren Schulentlassung und Erstkommunion zusammengefallen. Die Einführung der Frühkommunion führte dazu, daß sich das Jugendhaus verstärkt des Schulentlassungsunterrichtes annahm. Die Dekrete führten längerfristig zu einer größeren Kommunionhäufigkeit, ansonsten änderte sich im gottesdienstlichen Bereich jedoch wenig. Die monatlich für die Mitglieder der Jünglingsvereine stattfindende Kommunionfeier wurde in der Regel als Singmesse durchgeführt 27 . Dabei betete der Priester am Altar die regulären lateinischen Meßgebete in Stille, während das anwesende Volk Lieder sang, die nach dem Willen des Präses oder der Teilnehmer waren, aber oft mit dem Geschehen am Altar nicht viel gemeinsam hatten. Teilweise wurden Kommunionandachten laut gebetet, die aber oftmals völlig losgelöst von den Meßtexten waren. Der Priester verrichtete währenddessen „seine“ Meßtexte; damit war die Messe „gültig“. 20 von Hehl: Das Kirchenvolk im Dritten Reich. In: Gotto/ Repgen (Hrsg.): Die Katholiken und das Dritte Reich. S.: 73. 21 Schellenberger: Katholische Jugend und Drittes Reich. S.: 82. 22 Schepping: Das Lied als Corpus delicti. S.: 127 u. ders.: Oppositionelles Singen. S.: 347. 23 Schellenberger: Verhandlungen, Konferenzen, Kompromisse. In: Wuchterl (Hrsg.): Der Vergangenheit eine Zukunft. S.: 26 f. 24 Klönne: Gegen den Strom. S.: 75. 25 Bitz: Das Jugendhaus in Düsseldorf ist geschlossen. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 822. 26 Kommuniondekrete Pius X.: 1905 (Oftkommunion), 1910 (Frühkommunion). 27 Seuffert: Lobet den Herrn. In: Wuchterl (Hrsg.): Der Vergangenheit eine Zukunft. S.: 40 f. <?page no="16"?> Entstehung 6 In diesen ersten Jahren des Jugendhauses fand ein Ausspruch Pius X., man solle die Messe beten, nicht in der Messe beten, noch keine Resonanz. Nach dem Kriege kündigte sich die Liturgische Bewegung an; Romano Guardini, Odo Casel u. a. veröffentlichten ihre ersten Schriften. Die ersten Anfänge der Liturgischen Bewegung gehen aber bis in das 19. Jahrhundert zurück: 1884 veröffentlichte Anselm Schott das erste Meßbuch für die Hand der Gläubigen. Die Benediktiner können als erste Wegbereiter des bewußten Mitbetens der Messe angesehen werden. Wolkers große Leistung bestand nun darin, diese Strömungen aufzugreifen und für die praktische Jugendseelsorge in aller Breite fruchtbar zu machen, haftete doch vielen Schriften, die aus der Liturgischen Bewegung kamen, zunächst etwas Elitäres an, eine Schwäche, an der auch die monastischen Bemühungen litten. Man pflegte den Gregorianischen Choral und vermittelte eine mehr mönchische Spiritualität 28 . Den Ausspruch Pius X. aufgreifend, wurde nun allmählich die Größe, Erhabenheit und Schönheit der Liturgie neu entdeckt. Warum sollte man nicht die Gebete beten, die der Priester ohnehin betete und die in ihrer Erhabenheit und Schönheit alle Kommunionandachten übertrafen, so fragte man sich. In diesem Zusammenhang mag man auch an das vielzitierte säkulare Guardini-Wort aus dem Jahr 1921 denken: „Die Kirche erwacht in den Seelen.“ 29 „Was war das für eine kleine ichsüchtige Frömmigkeit, aus der man kam! Wie subjektiv waren die Lieder, die man bisher gesungen hatte! Und wie groß war die objektive Frömmigkeit der Kirche! Mit diesem Wir wollte man eins sein. Das Wort „objektiv“ gewann eine positive Bedeutung, die heute nicht mehr vorstellbar ist. „Subjektiv“ wurde zu einem vernichtenden Urteil über Lieder und Texte, die der Größe der Liturgie nicht entsprachen.“ 30 Dem Wirken des „Quickborn“ unter Federführung von Romano Guardini, Felix Messerschmid und Heinrich Kahlefeld ist neben dem Jugendhaus der Brückenschlag zwischen reformerischer Theorie und praktischer Umsetzung zu verdanken 31 . Es entstand eine neue Gottesdienstform, die Gemeinschaftsmesse, bei der durch einen Vorbeter, eine Schola oder alle gemeinsam die Meßtexte in der Muttersprache vorgelesen wurden. Natürlich betete der Priester nach wie vor seine Stille Messe am Altar 32 . 28 Kern: Liturgische Bewegung. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 1634 f. 29 Zitiert nach: Kern: Liturgische Bewegung. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 1645. 30 Seuffert: Lobet den Herrn. In: Wuchterl (Hrsg.): Der Vergangenheit eine Zukunft. S.: 42. 31 Klein: Deutsches Messantiphonale. S.: 8. 32 Kern: Liturgische Bewegung. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 1646. <?page no="17"?> Das Jugendhaus Düsseldorf und die Liturgische Bewegung 7 Neben dem feierlichen Hochamt, das für Sonn- und Festtage reserviert war, wurde an Werktagen im Gemeindegottesdienst oft diese Stille Messe (Missa secreta) gefeiert, im wesentlichen seit dem Tridentinum unverändert. Der Priester „las“ die Messe mit dem Rücken zum Volk und für dasselbe unvernehmlich. Auch im sonntäglichen Hochamt wendete sich der Priester selten dem Volke zu, etwa dann, wenn das „Dominus vobiscum“ gesprochen wurde. Aber nicht einmal dann gab das Volk die Antwort, sondern die Meßdiener sprachen das „et cum spiritu tuo“. Der Opfercharakter der Messe stand deutlich im Mittelpunkt und eine „participatio actuosa“ des Volkes war nicht vorgesehen. Die Gläubigen verharrten in ihrer privaten Frömmigkeit, beteten vielfach Meßbzw. Kommunionandachten oder den Rosenkranz, bevor sich die Benutzung des „Schott“ oder anderer Volksmeßbücher einbürgerte. An welcher Stelle der Messe sich der Priester gerade befand, gab vielfach nur das Tintinnabulum an, welches an entscheidenden Stellen (etwa zum „Domine, non sum dignus“, zum „Te igitur“, zur Enthüllung des Kelches, zum Sanctus, nach der Wandlung) ertönte. Wolker nun verhalf der Liturgischen Bewegung zum Durchbruch. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war die Veröffentlichung des von ihm herausgegebenen Büchleins Kirchengebet (1930), das eine Auflage von 9 242 000 Exemplaren erreichte 33 ! Es enthielt u. a. Auszüge aus dem Brevier der Kirche, die Meßgebete des Ordinariums und einige Lieder 34 . Durch das Kirchengebet gewannen auch die anderen Volksmeßbücher an Bedeutung, die man für die Gebete des Propriums benötigte, denn in dem Maße, in dem man mit diesem Büchlein für das bewußte Mitbeten während der Messe warb, warb man für diese die wechselnden Gebete der Kirche enthaltenden Bücher ebenfalls. Durch das Kirchengebet bürgerte sich die Gemeinschaftsmeßfeier im ganzen Lande ein und aus der ursprünglich zahlenmäßig kleinen und elitären Liturgischen Bewegung hatte sich eine Massenbewegung entwickelt. Am 2. Mai 1936 (Dreifaltigkeitssonntag) wurde der erste „Bekenntnistag“ begangen. Diese Tage spielten ebenfalls eine wichtige Rolle in der katholischen Jugendarbeit. Die Entstehung des Kirchenlied ist in diesem Kontext zu sehen. So groß die Begeisterung für die Gemeinschaftsmesse auch war, so deutlich trat auch der Wunsch nach dem Singen in der Messe wieder in den Vordergrund, denn mit der Jugendbewegung entstand auch eine Jugendmusikbewegung 35 , 33 Seuffert: Lobet den Herrn. In: Wuchterl (Hrsg.): Der Vergangenheit eine Zukunft. S.: 42. 34 Klein: Heute Kirche bauen. S.: 393. 35 Entscheidende Initiatoren der Jugendmusikbewegung waren die Musikpädagogen Fritz Jöde (1887-1970), der 1921 die „Musikantengilde“ gründete und der Leiter des 1923 entstandenen „Finkensteiner Bundes“ Walther Hensel (1887-1956), der die Idee der Singwochen ins Leben rief. Nähere Informationen finden sich bei: Kolland, Dorothea: Die Jugendmusikbewegung; Ganslandt, Franz: Jugendmusikbewegung und kirchenmusikalische Erneuerung. <?page no="18"?> Entstehung 8 deren Vertreter sich u. a. im Jungmännerverband fanden. Das Jugendhaus Düsseldorf gab unter Wolkers Federführung dem jugendlichen Singen dieser Zeit wichtige Impulse. 1928 erschien hier Das Singeschiff (später Das gelbe Singeschiff genannt), 1934 folgte als Fortsetzung Das Singeschiff. Lieder katholischer Jugend 2. Teil: Das graue Singeschiff 36 , bearbeitet von Adolf Lohmann und Georg Thurmair 37 . Zurück zur Singebewegung: Auf ihr Betreiben hin wurden Betsingmessen eingeführt (Verbindung von liturgischen Gebetstexten und Volksgesang) und der Episkopat erkannte allmählich die Wichtigkeit der Jugendseelsorge: 1936 erschienen oberhirtliche verbindliche „Richtlinien für die katholische Jugendseelsorge“ 38 , in denen die Dringlichkeit einer planmäßigen Jugendseelsorge explizit betont wird. Die Priester werden aufgefordert, jugendgemäße Gottesdienste, Jugendandachten und Gemeinschaftsmessen anzubieten 39 . 1937 wurden die bischöflichen Jugendämter errichtet und bald darauf wurde von der Bischofskonferenz ein „Jugendbischof“ ernannt: Bischof Albert Stohr. Stohr (1890-1961) war ab 1935 Bischof von Mainz und bald darauf Referent der Fuldaer Bischofskonferenz für Jugendfragen 40 . Er setzte sich intensiv für die Jugendseelsorge, die Liturgische Bewegung und die Una Sancta ein und betonte, daß man in der liturgischen Arbeit gleichmäßig und maßvoll vorgehen müsse, ohne alle Hetze und extreme Formen, da noch viel Erziehung in Klerus und Volk nötig sei. Wolker attestiert ihm Entschlossenheit, Tatkraft und persönliche Güte 41 . Als Jugendbischof war Stohr auch für das Haus Altenberg zuständig; er schlug als erstes Mitglied des deutschen Episkopates Brücken zu Romano Guardini 42 . Neben dem Jugendhaus Düsseldorf darf auch das „Haus Altenberg“ nicht verschwiegen werden, das religiöse Zentrum des Jungmännerverbandes, welches sich in unmittelbarer Nähe zum Altenberger Dom befindet. Die Wallfahrten zur Altenberger Muttergottes waren ein wichtiger Bestandteil des religiösen Lebens der Jugendlichen dieser Zeit 43 . 36 Das graue Singeschiff. 37 S. dazu: „B. II. 2.“ 38 Dazu: Schellenberger: Katholische Jugend und Drittes Reich. S.: 163-169. 39 Abgedruckt sind diese Richtlinien u. a. in: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 676- 680. 40 Vgl.: Gatz: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder (1983). S.: 741 f. u. Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder (2002). S.: 356 f. 41 Bitz: Kirche und Jugend. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 742. 42 Maier: Fünfzig Jahre Christophorus-Verlag. S.: 7 f. 43 Schepping: Geschichte in Liedern. S.: 37. <?page no="19"?> Die Entstehungsgeschichte des Kirchenlied 9 IV. Die Entstehungsgeschichte des Kirchenlied 44 Über die Entstehung des Kirchenlied existieren nicht gerade viele Berichte. Der Name des Gesangbuches ist in der Nachfolge des einige Jahre zuvor erschienenen Kirchengebet (s. o.) zu sehen, als dessen „Gegenstück“ 45 es zunächst gedacht war 46 . Was war der eigentliche Anstoß zum Kirchenlied? Die von Generalpräses Wolker angeregten „Gottbekenntnistage der Jugend“, die alljährlich in ganz Deutschland am Dreifaltigkeitssonntag gefeiert wurden 47 , krankten besonders daran, daß nur sehr wenige Lieder als allen Teilnehmern bekannt vorausgesetzt werden konnten. Dies bedarf einer genaueren Erklärung: Im Verlauf eines Jahres kamen die katholischen Jugendlichen am Dreifaltigkeitssonntag („Glaubensfeiern“) und am Christkönigsfest („Bekenntnisfeiern“) in großer Zahl zusammen. Die Gottesdienste fanden nicht in kleinen Gruppen statt, sondern richteten sich an alle katholischen Jugendlichen der Gemeinde; sie wurden häufig sogar auf überörtlicher Ebene veranstaltet 48 , was die Zahl der Teilnehmer noch imposanter erscheinen ließ 49 . Im Rahmen dieser Bekenntnistage sollte sich nun zeigen, daß damals kaum ein Dutzend Lieder vorhanden waren, die nach Melodie und Text über das ganze Reich hin einheitlich waren 50 und dabei auch den an sie gestellten musikalischen, sprachlichen und liturgischen Anforderungen gerecht wurden 51 . Diewald schreibt, hierin habe der eigentliche Anstoß zum Kirchenlied gelegen 52 . 44 Neben der Notenausgabe erschienen: Textausgabe, Tonsätze, Schallplatten, Werkbuch. 45 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 119. 46 Wilhelm Schepping gibt eine andere Erklärung für die Namensgebung: Der Name Kirchenlied sei nicht zuletzt auch deshalb gewählt worden, um die darin enthaltenen „brisante[n] Kampflieder“ gegenüber den NS-Behörden durch diesen bewußt harmlosen Titel zu tarnen. Schepping: Oppositionelles Singen. S.: 347. Diese Ausführungen vermögen nicht recht zu überzeugen, schließlich ist es offensichtlich, daß der Titel als Ergänzung zum Kirchengebet gedacht war. Die Untersuchung der angeblich enthaltenen „brisanten Kampflieder“ findet sich im Rahmen dieser Arbeit an anderer Stelle (B. VI.). 47 Schepping: Der Kirchenliedkomponist Adolf Lohmann. S.: 21. 48 Pahlke, Georg: Trotz Verbot nicht tot. S.: 254. 49 Diese Bekenntnistage der katholischen Jugend wurden im Verlauf der NS-Diktatur zu Demonstrationen gegen die Unterdrückung der katholischen Jugendbewegung. Sie blieben auch nach dem Verbot der Verbände Möglichkeiten, die Präsenz katholischer Jugend in der Gesellschaft zu demonstrieren. S. dazu: Klönne, Arno: Jugend im Dritten Reich. S.: 197 u. Pahlke: Trotz Verbot nicht tot. S.: 254. 50 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 119. 51 Dischinger: Kraft und Trost. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 252. 52 Diewald: Ökumenische Pionierarbeit. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 94. <?page no="20"?> Entstehung 10 „Jeder weiß, wie schwer es ist, ein Dutzend Lieder zu nennen, die für den gottesdienstlichen Gebrauch übers Reich hin möglich sind. Besonders klar wird diese Not immer wieder, wenn die Vorbereitungen für den Gottbekenntnistag der deutschen katholischen Jugend beginnen.“ 53 Als Mitarbeiter am Projekt Kirchenlied werden neben den eigentlichen Herausgebern genannt: „Die Herausgeber haben Prälat Wolker für die tatkräftige Förderung des Planes, den Freunden und Mitarbeitern des Jugendhauses, nämlich Johannes Dischinger[ 54 ], Alfons Brands[ 55 ], Johannes Maaßen und Dr. Gottron in Mainz, für ihre Beratung zu danken. Bernhard Bergmann war der eifrige Förderer der Idee […].“ 56 Zwar hatte Das Singeschiff eine Reihe geistlicher Lieder im Rahmen des Katholischen Jungmännerverbandes verbreitet, aber die Auswahl war nicht groß genug, um die unter wechselnden Leitthemen stehenden jährlichen Bekenntnisfeiern mit diesen Liedern zu bestreiten 57 . In zweijähriger intensiver Arbeit wurde, so Diewald Jahrzehnte später in einem Rückblick, in insgesamt 55 Redaktionssitzungen unter Mitarbeit von Ludwig Wolker, Johannes Maaßen, Alfons Brands, Johannes Dischinger und anderen das Manuskript erstellt. Dabei halfen die vom Jugendhaus seit 1932 verbreiteten Kirchenfeiern, eine neue Form von Jugendandachten, mit, die Lieder in Pfarrgemeinde und Jugend heimisch zu machen. In einem Bericht in der Zeitschrift „Jugendseelsorger“ aus dem Jahre 1938 hatte Diewald die Entstehungszeit auf „1 ¼ Jahr“ angegeben 58 . Dieser Bericht ist wegen seiner Zeitnähe glaubwürdiger als Diewalds späterer Rückblick. Man kann also davon ausgehen, daß die Entstehungszeit mit etwas mehr als einem Jahr angegeben werden kann. Vermutlich reichte sie von Februar 1937 bis Mai 1938. Im Mai 1938 konnten die Textausgabe und einige Notenhefte als Vorabdrucke erscheinen 59 . Ausgestattet war das Kirchenlied mit der kirchlichen Druckerlaubnis des Generalvikariats Köln. Im Spätherbst wurden die Notenausgabe und eine Anzahl Tonsätze im Verlag Jugendhaus Düsseldorf veröffentlicht 60 . Aber schon am 6. Februar 1939 sollte das Jugendhaus Düsseldorf geschlossen werden 61 . Damit wurden 53 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 119. 54 Johannes Dischinger, Prälat in Augsburg, war einer der tatkräftigsten Väter bei der Geburt des Kirchenlied, s. Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 251. 55 Kaplan in Düsseldorf, tätig in der Jugendseelsorge. S. Bischöfliches Ordinariat Mainz (Hrsg.): Kirche und Jugend. S.: 85. 56 Diewald: Kleine Lobrede. S.: 4. 57 Jäckel: 25 Jahre „Kirchenlied“. S.: 145. 58 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 119. 59 Roth: Katholische Jugend in der NS-Zeit. S.: 224. 60 Diewald: Kleine Lobrede. S.: 4. 61 Bleistein: Wahrheit mit Erdgeschmack. In: Wuchterl (Hrsg.): Der Vergangenheit eine Zukunft. S.: 83. <?page no="21"?> Die Entstehungsgeschichte des Kirchenlied 11 auch dessen Publikationen, Das graue Singeschiff, das Kirchenlied und das „Werkbuch zum Kirchenlied“ beschlagnahmt. Dazu Diewald: „Die Verträge zwischen Verlag und Herausgeber waren […] jeweils für eine Auflage abgeschlossen worden. Theoretisch hätte das Haus Herder, welches ‚Kirchengebet‘ und ‚Kirchenlied‘, ebenso die Schallplattenrechte, übernommen hatte, zwar weitere Auflagen herstellen können, aber der Liquidator des Jugendhaus-Vermögens, ebenso die Geheime Staatspolizei Berlin und das Reichspropagandaministerium legten die Hand speziell auf diese Verlagswerke.“ 62 In langwierigen, monatelangen Verhandlungen erreichten der Verlagsdirektor Dr. Knecht vom Verlag Herder und der Justitiar Prof. Dr. Bappert bei den im Zitat genannten drei Institutionen die Freigabe des Kirchenlied. Ausschlaggebend sei vor allem die Feststellung eines Sachbearbeiters im Propagandaministerium gewesen, die er der Gestapo Berlin wiederholt deutlich gemacht habe: Bei dem Kirchenlied handele es sich zum einen um ein rein religiöses Buch und zum anderen nicht um ein Buch allein katholischer Jugend; es befänden sich darin 40 rein protestantische Lieder 63 . Josef Seuffert erzählte dem Verfasser in einem persönlichen Gespräch, das Propagandaministerium habe seine Druckerlaubnis wegen der enthaltenen protestantischen Lieder nur deshalb erteilt, weil man hoffte, das katholische Lager würde sich dadurch entzweien und Schaden nehmen. Der Cäcilienverband sei ein entschiedener Gegner des Kirchenlied gewesen - nicht zuletzt wegen seiner protestantischen Lieder 64 . Bei der Freigabe am 9. August 1939 verlangte die Gestapo einzig, daß die Namen der Herausgeber von nun an nicht mehr erscheinen durften. Adolf Lohmanns Name war auf dessen Bitte - er glaubte, als Beamter Schwierigkeiten bekommen zu können - schon in der letzten Auflage vor der Beschlagnahme weggelassen worden 65 . Die Notenausgabe konnte daraufhin Ende 1938 auch im Christophorus-Verlag Freiburg erscheinen (zur gleichen Zeit war in Düsseldorf ebenfalls eine Notenausgabe erschienen, s. o.). Dieser war erst 1935 gegründet worden, wobei es sich bei seiner Gründung keineswegs um einen freigewählten Auftakt gehandelt hatte. Juristische Gründe, so Hans Maier, waren ausschlaggebend: Eine Verordnung der Reichspresse-Kammer habe die Publikation von Zeitschriften an „Personalgesellschaften“ gebunden 66 , wobei es sich bei dem Verlag Jugendhaus Düsseldorf um keine derartige Gesellschaft gehandelt habe. Georg Pahlke gibt noch einen anderen Grund an: Die Schließung des Jugendhauses Düsseldorf habe dessen Mitglieder nicht ganz unerwartet getroffen: „Die Gründung des Christophorus-Verlages als Tochtergesellschaft des katholischen Herder-Verlages durch eine Reihe ka- 62 Diewald: Kleine Lobrede. S.: 7. 63 Diewald: Ökumenische Pionierarbeit. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 95. 64 Gespräch mit Josef Seuffert am 22. 11. 2003 in Mainz. 65 Diewald: Ökumenische Pionierarbeit. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 95. 66 Maier: Fünfzig Jahre Christophorus-Verlag. S.: 4. <?page no="22"?> Entstehung 12 tholischer Jugendzeitschriftredakteure war in diesem Zusammenhang eine organisatorisch-wirtschaftliche Maßnahme […], die das Erscheinen katholischer Literatur auch nach der zu erwartenden Schließung des KJMV[ 67 ]- Verlages sichern sollte“ 68 . Diese Ausführungen klingen plausibel, mußte doch den NS-Machthabern die Zerschlagung der Zentrale der katholischen Verbände besonders wichtig sein, (zunächst) wichtiger als die Schließung eines kleinen katholischen Verlages. Nach der Schließung des Jugendhauses kamen dessen führende Kräfte als Mitarbeiter zum Christophorus-Verlag, so Diewald, Thurmair, Lohmann und Alfred Riedel, der Schriftkünstler und Buchgestalter (auch des Kirchenlied). Das Kirchenlied führte zunächst den Untertitel „Eine Auslese geistlicher Lieder für die Jugend“, ab 1939 „Eine Auslese geistlicher Lieder“, vermutlich, weil man erkannt hatte, welches Potential in diesem Buch schlummerte und die Jugend nicht mehr alleinige Zielgruppe bleiben sollte. Heinz Bitz weist darauf hin, daß es nicht in der Entscheidungsgewalt der Herausgeber gelegen habe, nur religiöse Lieder aufzunehmen. Er zitiert den folgenden Auflösungsbeschluß durch Polizeiverordnung (1935): „Allen konfessionellen Jugendverbänden, auch den für den Einzelfall gebildeten, ist jede Betätigung, die nicht rein kirchlich-religiöser Art ist, insbesondere eine solche politischer, sportlicher und volkssportlicher Art untersagt.“ 69 Kirchliche Jugendarbeit konnte daher nur noch „im Bereich der Sakristei“ erfolgen 70 und nichtreligiöses Liedgut durfte von kirchlichen Verbänden nicht mehr herausgegeben werden 71 . Allerdings erscheint es mir selbstverständlich, daß sich in einer Publikation namens Kirchenlied eben nur solche Lieder finden. Diewald bezeichnet in einem Artikel die Arbeit der Jugendmusikbewegung 72 als wichtige Voraussetzung für die Arbeit mit dem Kirchenlied und nennt in diesem Zusammenhang voll Dankbarkeit folgende Vertreter: Clemens Neumann, Fritz Jöde, Walther Hensel, Johannes Hatzfeld, Hermann Müller, Adam Gottron und Felix Messerschmid 73 . In der im Verlag Jugendhaus Düsseldorf herausgegebenen Zeitschrift „Jugendseelsorger“ erschien in der 42. Ausgabe 1938 ein Bericht Josef Diewalds, der als Ankündigung des gerade publizierten Kirchenlied diente und 67 KJMV=Katholischer Jungmänner-Verband. 68 Pahlke: Trotz Verbot nicht tot. S.: 258. 69 Zitiert nach: Bitz: Brutale Zerschlagung der DJK. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 429. 70 Pahlke: Trotz Verbot nicht tot. S.: 241. 71 Seuffert: Vom Kirchenlied zum Gotteslob. S.: 33. 72 Ein Überblick über die Jugendmusikbewegung bei: Kück: Kirchenlied im Nationalsozialismus. S.: 45-53. 73 Jäckel: 25 Jahre „Kirchenlied“. S.: 145. <?page no="23"?> Die Entstehungsgeschichte des Kirchenlied 13 einige weitere Einzelheiten zu Entstehung und Konzeption dieses Werkes beisteuert. Die einfachste Vorgehensweise hätte wohl darin bestanden, eine Sammlung von etwa 100 Liedern zusammenzustellen, die man aus den vorhandenen allgemeinen und geistlichen Liederbüchern übernommen hätte. Aber dieser Weg erschien den Kirchenlied-Herausgebern als ungangbar: „Dieses Verfahren wäre in der Tat das einfachste und billigste gewesen. Aber dieses in anderen Liedsammlungen häufige Vorgehen entbehrt nicht nur jeder schöpferischen Leistung - es war für das geistliche Lied ein unmögliches Beginnen. Die neue Liedsammlung sollte für die gesamte deutsche katholische Jugend der Schatz geistlicher Lieder sein, der einheitlich verbreitet und für viele Jahre festgelegt wurde. Dieses Liedgut ist aber nicht nur ein Mittel religiöser Arbeit, sondern auch Ausdruck einer religiösen Haltung und hätte sich vor aller Welt als ein solcher der katholischen Jugend ausgewiesen.“ 74 Schon anhand dieser wenigen Zeilen wird sehr gut das stark ausgeprägte Sendungsbewußtsein der Editoren deutlich. Sie besaßen ein gutes Sensorium für die Strahlkraft und Verbreitungsdimension dieses Werkes in den nachfolgenden Jahren, denn man konnte sicher nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß das Kirchenlied wirklich die Liedsammlung der katholischen Jugend werden würde. Das Selbstbewußtsein der Herausgeber wird gleich im zweiten Satz des Zitates deutlich, in dem dem abgelehnten Verfahren jede schöpferische Leistung abgesprochen - und dadurch ex contrario der eigenen Arbeit zugesprochen - wird. Daß das neue Gesangbuch in „aller Welt“, nicht also nur im Katholizismus oder den Jugendgruppen, Beachtung (und auch kritische Prüfung) finden würde, daran schien kein Zweifel zu bestehen. Wie sollte nun aber alternativ vorgegangen werden? „Deshalb mußte jeder Text, jede Weise sorgfältig geprüft werden. Die Auswahl im gesamten geistlichen Liedmaterial ist zwar unvorstellbar groß, aber vieles ist entweder nicht mehr zu vertreten oder sehr stark von der Urform abgewichen.“ 75 Diewalds Diagnose des sich vielfach in den damals verbreiteten Diözesangesangbüchern findenden Liedgutes ist niederschmetternd: „Vom Sprachlichen und sagen wir Dichterischen her ist das Bild, das sich heute bietet, sehr uneinheitlich. Überall spürt man die Sucht vergangener Zeiten, den alten Sprachschatz der Hoch=Zeit des Kirchenliedes umzubiegen auf eine trockene, lehrhafte oder primitiv volkstümelnde, frömmelnde Art. Die herbe, nicht immer leicht eingängige Kraft der alten Lieder paßte dem Geschmack der Bearbeiter nicht. So sind uns schöne und köstliche Blüten der Poesie teils gänzlich verloren oder sehr ‚entlaubt‘ worden. 74 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 119. 75 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 119 f. <?page no="24"?> Entstehung 14 Die Lieder des 18. Jahrhunderts und auch manches aus der neueren Zeit sind von solcher oberflächlichen Haltung, daß viele mit geringen Änderungen auch irgendwelchen humanitären Richtungen dienen könnten.“ Der Rang, welchen die Herausgeber den „Urliedern“, dem Uralt-Erhabenen, einräumen, wird hier bereits sehr deutlich. Eine ähnlich kräftige, bilderreiche und selbstüberzeugte Schreibweise wird unten in Bergmanns Ausführungen wiederkehren und das hier Gesagte näher verdeutlichen. Gerade auch das Bewußtsein für die Schönheit und ästhetische Qualität dieser alten Texte wird deutlich. Diewald fährt fort: „Freilich ist es eine schwierige Aufgabe, alte Texte aus ihrer Verstaubung zu lösen oder gar neu zu formen; das fordert viel Liebe und noch mehr Geduld. Aber wie es keinem gestattet ist, an Kompositionen alter Meister oder gar an mittelalterlichen Plastiken ‚zeitgemäße‘ Änderungen anzubringen, kann es auch nicht erlaubt sein, Weisen und Texte des 15. oder 16. Jahrhunderts einem 20. Jahrhundert schmackhaft zu machen. Es lebt ein Geist in diesen Schätzen unserer Ahnen, der uns, der Jugend, wohl eigenartig zeitgemäß dünkt.“ 76 Nun muß diese Passage richtig verstanden werden, denn das, was hier zunächst als Widerspruch erscheint, ist dies nicht unbedingt: Aus der Verstaubung müssen die Texte durchaus gelöst werden, was unter Umständen die Notwendigkeit von Veränderungen oder Neuformungen mit sich bringt. Diese Anpassung darf nun aber nicht so weit gehen, daß aus der Entstaubung eine Anbiederung wird, die nur durch eklatanteste Eingriffe, Veränderungen oder Amputationen zu bewerkstelligen ist. Die Zeitgenossen müssen in der Lage sein, die alten Texte verstehen zu können und diese Möglichkeit muß der Bearbeiter vor Augen haben. Veränderung darf nur behutsam und nur dann erfolgen, wenn das heutige Verstehen ohne den Eingriff gefährdet wäre. Daß die Vorliebe für die alten Weisen eine Tendenz der Jugendlichen und der Jugendbewegung insgesamt war, stellt Diewald heraus; gerade die Jugend besitze ein Sensorium für diese alten Schätze. Keinesfalls wenden sich die Editoren mit diesen Zielen nur an eine geistliche oder intellektuelle Elite; vielmehr könne man auch die „breite Masse“ von diesen Schätzen überzeugen, wenn man sie nur behutsam zu dem Neuen und Ungewohnten unter Anleitung hinführe 77 . Zurück zur Arbeitsweise der Herausgeber: „Mit größter Sorgfalt wurden bei allen Liedern die Quellen untersucht, um eine möglichst originalgetreue Fassung wiederherzustellen. Es wäre unmöglich gewesen, etwa alle deutschen Diözesangesangbücher oder ihre Vorgängerinnen zu vergleichen, um daraus dann einen besten, sozusagen ‚synthetischen‘ Text zu formen. Man hätte aus dieser unglaublichen Verworrenheit höchstens eine oft 8. oder gar 10. Fassung den übrigen beigesellt. […] schade, daß man immer wieder Bearbeitungen ‚bearbeitete‘, 76 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 120. 77 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 120. <?page no="25"?> Die Entstehungsgeschichte des Kirchenlied 15 statt das freilich oft mühsam zu findende Original zu unterlegen. Bei vielen Liedern, deren Texte späteren Ursprungs sind, deren Weisen und Gehalt es aber rechtfertigten, wurden Strophenteile oft gänzlich neugeformt, weil gewisse Wendungen so nicht hingenommen werden konnten. Diese Arbeit ist viel mühsamer oft als eine Neuformung. Die Textprüfung und Sichtung haben die meiste Zeit der Vorarbeiten in Anspruch genommen. Die Arbeit der einzelnen Mitarbeiter ganz außer Betracht gelassen, sind nicht weniger als rund 55 Mitarbeiterkonferenzen allein dem Text gewidmet worden.“ 78 Der hohe Anspruch bezüglich der Arbeit am Kirchenlied wird erneut deutlich: Bei allen Liedern sei stets auf die Quellen zurückgegangen worden. Arbeitsweise und Bearbeitungstendenzen werden im corpusanalytischen Teil dieser Arbeit genauer untersucht werden. Gleichwohl finden sich im Kirchenlied auch Werke neueren Entstehungsdatums, vor allem aus Lohmanns und Thurmairs Feder stammend: „Es ist wohl hier auch etwas zu sagen zu Kirchenliedern, die neu aus unserer Zeit geschaffen wurden. Jeder Einsichtige weiß, daß kaum etwas schwerer ist, als eine gute einstimmige Melodie zu bauen; das mehrstimmige Chorwerk verlangt eigenartigerweise nicht so sehr schöpferische Kraft. Wir sind sehr arm an wirklich guten neuen Liedern. Das konjunkturbedingte Lied, etwa die Erzeugnisse eines gewissen Hurra=Katholizismus oder einiger Noten=‚Konditoren‘, können wohl als überwunden gelten. Aus dem Schaffen junger Autoren ist eine kleine Reihe Lieder in das ‚Kirchenlied‘ aufgenommen. Die Versuche mit diesen Liedern in großen Singestunden geben uns Hoffnung, daß sie sich bald übers Reich hin durchsetzen werden.“ 79 Hier tritt dem Leser die auch von Bergmann (s. u.) so sehr bekannte kräftige Sprache entgegen, die den Gegner keinesfalls mit Glacéhandschuhen behandelt. Selbstbewußtsein oder Selbstüberheblichkeit, so fragt man sich bei der Lektüre, denn fast alle neuen Lieder stammten von Thurmair und Lohmann; ihre Lieder waren also würdig, in die „Auslese geistlicher Lieder“ aufgenommen zu werden. In der Tat, so muß man jedenfalls zugestehen, setzten sich viele davon - wie erhofft - im ganzen Reich durch und erfreuten sich großer Beliebtheit. Die meisten anderen Kirchenlieder des 18. Jahrhunderts werden der Verachtung preisgegeben. In inquisitorisch-prophetischer Manier kämpft hier apodiktisch Gut gegen Böse: „Ganz so ist es im verjüngten Maßstabe auch unserem katholischen Volksliede ergangen, als wir anfingen, es gegen Absicht und Geist unserer Kirche zu pflegen, es auch da pflanzen wollten, wo der himmlische Gärtner anderes gesät hatte. Daher die Erscheinung, daß eine Masse moderner Kirchenlieder, die man mit vollem Recht ‚Schund‘ genannt hat, nach Unkrautart unser edles altes Volkslied überwuchert und erstickt haben und daß wir jetzt mit dem Jäten kaum an ein Ende kommen. 80 78 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 120 f. 79 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 121. 80 Das Zitat stammt von G. M. Dreves und wird hier nach Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 125 (ohne weitere Angabe), der dieses Zitat voll und ganz unterstützt, zitiert. <?page no="26"?> Entstehung 16 Auch auf die Beobachtung, daß sich viele evangelische Lieder im Kirchenlied befänden, geht Diewald ein: „Es wird auffallen, daß wir einige Texte und einige Lieder unserer evangelischen Brüder in das Werk hineinnahmen. Für jeden Gutwilligen ist daran erkennbar, daß wir alles, was uns gemeinsam sein kann, fördern möchten zu einem ‚gewaltigen Gottbekenntnis aller jungen Christen in deutschen Landen‘! Diesen Satz, den der Bischof von Mainz, Dr. Albert Stohr, in dem Geleitwort zum ‚Kirchenlied‘ sagt, dürfen wir wohl als Gutheißung dieses Weges auffassen.“ 81 Es habe in der Tat viel zeitgenössische Kritik an der Aufnahme evangelischen Liedgutes in beachtlicher Menge gegeben 82 („einige“ Lieder ist sicher bewußt und gewollt untertrieben); es wird versucht, die Kritik mittels Bezugnahme auf eine kirchliche Autorität zu entkräften. Das Bewußtsein der Bedeutung des Gesangbuches wird nochmals deutlich: „Wenn also versucht wurde, in den Liedern des ‚Kirchenliedes‘ Sprache und Melodie in möglichst bester Form vorzustellen, so war es eigentlich eine selbstverständliche Forderung aus der Bedeutung des Buches heraus“ 83 , wobei die Herausgeber (für sie selbstverständlich) davon ausgehen, daß die älteste Fassung auch die beste ist 84 . Man erkennt unschwer die Gemeinsamkeiten mit den Vertretern der Jugendmusikbewegung, die ihrerseits versuchten, den Urtext der Lieder zu restaurieren 85 . Diesem Zeitgeschmack versucht auch das Kirchenlied zu entsprechen. Bereits bei der ersten Durchsicht der im Kirchenlied angegebenen Quellen gerät man in Zweifel darüber, ob wirklich jedes dort angegebene Gesangbuch von den Bearbeitern gesichtet wurde bzw. ob dies den Bearbeitern überhaupt zur Verfügung stand. Diewald gibt die benutzten „Hilfsmittel“ in Auszügen an: „Dankbar müssen wir vor allem denen sein, auf deren gewaltige Sammler= und Forscherarbeit wir größtenteils aufbauen konnten, den Kirchenliedforschern: Meister, Bäumker, Wackernagel, Kehrein, Bone und Dreves u. a.“ 86 Die hier angegebenen Hilfsmittel will ich an dieser Stelle genauer identifizieren: 81 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 121. 82 Seuffert: Lobet den Herrn. In: Wuchterl (Hrsg.): Der Vergangenheit eine Zukunft. S.: 44. 83 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 121. 84 Die Corpusanalyse dieser Arbeit kommt allerdings zu anderen Ergebnissen; keineswegs wurde immer von der ältesten Fassung ausgegangen. 85 Neuhaus: Das geistliche Lied in der Jugendbewegung. S.: 191. 86 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 122. <?page no="27"?> Die Entstehungsgeschichte des Kirchenlied 17 - Bäumker, Wilhelm: Das katholische deutsche Kirchenlied in seinen Singweisen. Von den frühesten Zeiten bis gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts. Vier Bände. Freiburg 1886 ff. Das Werk wurde begonnen von Karl Severin Meister. - Bone, Heinrich: Cantate! Katholisches Gesangbuch nebst Gebeten und Andachten für alle Zeiten und Feste des Kirchenjahres. Nach den alten, sonst allgemein gebräuchlichen Gesängen und Andachten, sowie nach dem lateinischen Kirchenritus bearbeitet. Mainz 1847. - Dreves, Guido Maria: O Christ hie merk! Ein Gesangbüchlein geistlicher Lieder. Freiburg 1885. - Kehrein, Joseph: Katholische Kirchenlieder, Hymnen, Psalmen. Aus den ältesten deutschen gedruckten Gesang- und Gebetbüchern. Vier Bände. Würzburg 1859 ff. - Wackernagel, Philipp: Das deutsche Kirchenlied. Von der ältesten Zeit bis zum Anfang des XVII. Jahrhunderts. Mit Berücksichtigung der deutschen kirchlichen Liederdichtung im weiteren Sinne und der lateinischen von Hilarius bis Georg Fabricius und Wolfgang Ammonius. Fünf Bände. Leipzig 1864 ff. In der Zeitschrift „Katechetische Blätter“ findet sich 1938 (Nr. 64, Septemberausgabe) ein Artikel, der das Erscheinen des Kirchenlied ankündigt, der abschließend zitiert werden soll, allerdings nicht von den Kirchenlied-Herausgebern, sondern von Gustav Götzel stammt. Es fällt auf, daß dieser Artikel in weiten Teilen mit dem Nachwort im Kirchenlied übereinstimmt: „Der Mangel an ‚Einheitsliedern‘ hat sich im Kriege sehr fühlbar gemacht. Neuerdings fühlt ihn die ‚wandernde Kirche‘. Deshalb ist wiederholt der Wunsch nach einer Liedersammlung laut geworden, die Gemeingut unserer katholischen Jugend, ja unseres katholischen Volkes werde und ein gemeinsames Singen ermögliche. Bei dem verschiedenen Charakter der einzelnen deutschen Stämme, bei den großen Varianten in Text und Melodie der gebräuchlichen Lieder bestand oder besteht wohl kaum Aussicht, eine Einheit zu erreichen. Deshalb war es ein glücklicher Gedanke, vom Gegenwärtigen abzugehen und zu den ursprünglichen Fassungen, was Text und Melodie betrifft, zurückzukehren. Den Versuch hat der Verlag Jugendhaus in Düsseldorf gewagt, für seine Durchführung zeichnen Josef Diewald und Georg Thurmair. Mit viel Mühe wurde das Liedmaterial gesichtet und einer kritischen Prüfung unterworfen. Es mußte jedesmal die Urgestalt eines Liedes in gründlicher wissenschaftlicher Vorarbeit festgestellt und ihre Verwendbarkeit für die Gegenwart erprobt werden. Im Anschluß an die ältesten Quellen wurde, soweit nötig, eine für unsere Zeit notwendige Angleichung in sprachlicher und melodischer Hinsicht vorgenommen. Ehrfurcht vor dem wertvollen Volksgut und das Wissen um seine tiefen Kräfte leiteten die Herausgeber bei ihrer Arbeit. So haben sie den Grund zu einem einheitlichen Liedgut deutscher Katholiken gelegt. Der Weg zu einem einigen Lobsingen, Danken und Bitten junger Kirche ist bereitet. Die Lieder sind nach ihrem inneren Sinne geordnet. Die einzelnen Teile lauten: […]“. <?page no="28"?> Entstehung 18 Es folgen die einzelnen Kapitelüberschriften. „Der letztgenannte Abschnitt [‚Zur Opferfeier‘] enthält meist nur Vorschläge aus dem Vorangegangenen. Es zeigt sich offensichtlich der Mangel an eigentlichen ‚Meßliedern‘. Die Herausgeber sagen selbst: ‚Es ist bekannt, daß es solcher Lieder wohl eine Unmenge gibt, die aber fast alle den unerläßlich liturgischen, sprachlichen und musikalischen Wertforderungen nicht entsprechen. Wir hoffen, daß uns vorbildliche deutsche Singmessen noch geschenkt werden! ‘ Ein Verzeichnis nach den Liedanfängen erleichtert das Zurechtfinden. Wir haben nun neben dem ‚Kirchengebet‘ auch das ‚Kirchenlied‘. Es gleicht ihm in der äußeren Gestalt und ist in einer Text- und Notenausgabe erschienen. Möge sich das Geleitwort des Jugendbischofs Albertus von Mainz erfüllen: ‚Wie das ‚Kirchengebet‘ in seiner großen Verbreitung im Reich und über seine Grenzen hinaus zu einem schöneren Beten half, so soll nun das Kirchenlied überall neuem, schönerem Singen dienen im Gottesdienst und in den Feierstunden, auf daß wir Gott wie aus einem Munde loben, danken und bitten.‘“ 87 Interessant ist, daß Lohmann auch in dieser Zeitschriften-Ankündigung nicht als Mitherausgeber genannt wird. Dem Autor dieses Artikels, Gustav Götzel, müssen Vor- und Nachwort des Kirchenlied vorgelegen haben, da sich nur so die Textnähe erklären läßt. V. Die Herausgeber des Kirchenlied An dieser Stelle sollen die drei Herausgeber des Kirchenlied eine biographische Würdigung erfahren. Ein grundsätzliches Problem dieses Abschnittes soll nicht verschwiegen werden: In den meisten Fällen mußte ich auf die von den Herausgebern selbst aus der Zeit nach 1945 stammenden Ausführungen zurückgreifen. Die Objektivität solcher Aussagen muß also im Einzelfall relativiert werden, besonders, was ihr Verhältnis zum NS-Regime angeht. Innerhalb des Abschnittes dieser Arbeit, der sich mit den Gestapo-Akten beschäftigt, müssen verschiedene „Widerstandsmythen“ hinterfragt werden. 1. Josef Diewald Er wurde am 20. Februar 1906 in Solingen-Ohligs geboren. Nach der Schulzeit (1912-1920: Besuch der Volksschule an der Kreuzstraße in Düsseldorf) absolvierte er von Oktober 1920 bis Oktober 1924 eine Lehre als Goldschmied (Gesellenprüfung im Mai 1925). Vom 15. August 1926 bis zur Schließung durch die Gestapo am 6. Februar 1939 war er Mitarbeiter im Jugendhaus Düsseldorf; er arbeitete dort als Kulturreferent. Gleichzeitig trat er als Mitherausgeber des Jungmänner-Liederbuches Das graue Singeschiff (1934) 88 87 Götzel: Kirchenlied. S.: 309. 88 Schepping: Lieder gegen den Ungeist der Zeit. S.: 207. <?page no="29"?> Die Herausgeber des Kirchenlied 19 und des Kirchenlied hervor. Ab 15. April 1939 arbeitete er als Geschäftsführer und Verlagsleiter des Christophorus-Verlages, zur Einarbeitung zunächst in Freiburg, später in Berlin und nach 1945 bis 1974 erneut in Freiburg. Er starb am 31. Januar 1994 89 . Josef Diewald war innerhalb des Projektes Kirchenlied der große Organisator, „führte und hielt die Menschen zusammen, die mit Lohmann musizierten, und bereitete jede Probe, jede große und kleine Veranstaltung ebenso wie jede Schallplattenaufnahme und jede Herausgabe von Liederbüchern und Liedsätzen mit unübertreffbarer Präzision vor.“ 90 Als Schüler war Diewald zuerst im Jungborn 91 . Aus Freude am Spiel, am Tanzen und Singen wurde er mit achtzehn Jahren Leiter der Spielschar der katholischen Jugend in Düsseldorf. Im Alter von zwanzig Jahren erfolgte der Eintritt in das „Jugendhaus“, die Zentrale des Katholischen Jungmännerverbandes 92 . Vom damaligen Generalpräses des Katholischen Jungmännerverbandes, Prälat Carl Mosterts, der sich langsam der Jugendbewegung geöffnet hatte und auf Diewald durch dessen Engagement in der 1925 gegründeten „Spielschar“ aufmerksam geworden war, wurde er als Laienspielberater ab August 1926 hauptamtlich in das Jugendhaus Düsseldorf gerufen 93 . Unter der Leitung von Prälat Ludwig Wolker wirkte er als Jugendspielpfleger, Kulturreferent und Lektor. Manfred Plate behauptet, Diewald habe Wolker 1936 vorgeschlagen, ein geistliches Liederbuch für die Jugend herauszugeben, das Kirchenlied 94 . Ob Initiative und Idee zu diesem Werk wirklich von Diewald - oder nicht vielmehr von Wolker selbst - ausgingen, ist fraglich; Diewald jedenfalls schreibt, er habe die Idee zusammen mit Thurmair an Wolker herangetragen 95 . Nachdem das Jugendhaus 1939 geschlossen wurde, war Diewald, inzwischen junger Familienvater, plötzlich arbeitslos; mehr noch: Er wollte mit seiner Arbeit der religiösen Erneuerung der kirchlichen Jugend aus einem neuen Geist dienen, was nun zunächst nicht mehr möglich zu sein schien. Auch das unter mühevoller Arbeit entstandene Kirchenlied war in seiner Existenz gefährdet. Aber im 1935 gegründeten Tochterverlag von Herder, im Christophorus-Verlag in Freiburg, bot sich eine Chance, diese Arbeit fortzusetzen, denn dort wurde ein Verlagsleiter gesucht und mit Josef 89 Dischinger, Johannes: Schwarzfahrt nach Rom. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 734, Fn. 2. 90 Hörstmann: Adolf Lohmann zum Gedächtnis. S.: 2. 91 Plate: Im Strom der Jugendbewegung. S.: 34. 92 Winterhalter: In dunkler und heller Zeit. S.: 18. 93 Diewald: Kleine Lobrede. S.: 2. 94 Plate: Im Strom der Jugendbewegung. S.: 34. 95 Jäckel, Peter (=Josef Diewald): 25 Jahre „Kirchenlied“. S.: 145. Nach Auskunft seines Sohnes Manfred Diewald handelt es sich bei diesem Namen um ein Pseudonym seines Vaters Josef Diewald. „Peter“ ist der Vorname seines Vaters, „Jäckel“ der Geburtsname seiner Mutter. <?page no="30"?> Entstehung 20 Diewald auch gefunden 96 . Wohl einer Anregung Wolkers folgend, holte Dr. Knecht vom Verlag Herder Diewald nach Freiburg. Voller Dank und Anerkennung schreibt Plate über Diewalds Verlagsarbeit: „Der Christophorus-Verlag ist durch Diewald nicht nur aufgebaut, sondern auch in seiner Eigenart geprägt worden: durch seine Angebote zuerst für die Praxis der kirchlichen Jugendarbeit, dann für die sich erneuernde christliche Gemeinde unserer Zeit […]. Diewald war nicht einfach nur Verleger, sondern aktiver Herausgeber, Mitarbeiter, Anreger. Viele, viele Jahre stellte er persönlich den ‚Fährmann-Bildkalender‘ zusammen. Neue Medien wie Schallplatten und Dias wurden mutig eingesetzt und gefördert, weiterentwickelt. Die Musik blieb das Lieblingskind des Verlegers.“ 97 2. Adolf Lohmann Er wurde am 10. Januar 1907 in Düsseldorf geboren. Nachdem er die Abiturprüfung 1926 abgelegt hatte, nahm er das Lehrerstudium an der Pädagogischen Akademie in Bonn auf und beendete seine Studienzeit 1929 mit der 1. Lehramtsprüfung. Von 1929 bis 1937 arbeitete er als Lehrer im Volksschuldienst in Düsseldorf. 1937 wurde er nach Goch/ Niederrhein versetzt. Seine Zeit als Lehrer in Goch wurde durch den Kriegsdienst (1941-1945) unterbrochen. Erst 1949 erfolgte seine Rückversetzung nach Düsseldorf. Dort arbeitete er als Fachberater für Schulmusik und Musikfachlehrer an Volksschulen. Ab 1972 befand er sich im Ruhestand und starb am 19. Oktober 1983 98 . Durch die im Lohmann-Nachlaß enthaltenen zahlreichen persönlichen Dokumente ist es möglich, den ein oder anderen Punkt in seinem Leben einer genaueren und stellenweise persönlicheren Betrachtung zu unterziehen. Dabei ist zu bedenken, daß alle Dokumente aus der Zeit nach 1945 stammen. Lassen wir Lohmann hinsichtlich seiner Betätigungsgebiete in dem kürzesten der vorhandenen Lebensläufe selbst sprechen: „Besondere Betätigungsgebiete: Jugendmusik/ Schulmusik/ Volkslied- und Kirchenliedforschung und -pflege/ Erwachsenenbildung: Volksschule, Lehrerausbildung und -fortbildung, Kurse, Arbeitsgemeinschaften/ - ‚Offene Singstunden‘, Jugendsingtreffen/ Chormusikpflege/ Kinderchöre/ Kompositionen: Lieder, insbesondere neue Kirchenlieder, Jugend- und Kinderlieder/ Chor- und Instrumentalsätze/ Bearbeiter und Mitherausgeber zahlreicher Liederbücher, -hefte und -blätter/ Musikalischer Mitarbeiter des Christophorus-Verlags Herder GmbH, Freiburg im Breisgau/ Zahlreiche Schallplattenveröffentlichungen.“ 96 Winterhalter: In dunkler und heller Zeit. S.: 19. 97 Plate: Im Strom der Jugendbewegung. S.: 37. 98 Zum Teil aus: Bitz, Heinz: Georg Thurmair - Vielen jungen Menschen Halt und Zuversicht vermittelt. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 192, Fn. 12. <?page no="31"?> Die Herausgeber des Kirchenlied 21 Seit 1926 unterhielt Lohmann Beziehungen zum „Jugendhaus der deutschen katholischen Jugend“ in Düsseldorf. Er war zuständig für die musikalische Betreuung der damaligen „Spielschar des Bühnenvolksbundes“, deren Leiter Josef Diewald war. Diewald war mit dem Referat „Feiergestaltung“ betraut. Aus dieser Spielschar entwickelte sich später die „Sing- und Spielgemeinde der katholischen Jugend Düsseldorfs“, in der Lohmanns frühe Lieder und Tonsätze erprobt und aufgeführt wurden und deren Wirken eng mit der Herausgabe des grauen Singeschiffs und mit dem Kirchenlied „sowie mit der Verbreitung der ersten eigenen Lieder der katholischen Jugend in schwerer Zeit durch offene Singstunden, Singfahrten und Schallplatten“ verbunden ist. „Diese Gemeinschaft von etwa sechzig Jungmännern und Mädchen“ 99 setzte sich unter der Führung von Adolf Lohmann […] zur Aufgabe, unbekanntes und neues Liedgut in den Gemeinden zu verbreiten und heimisch zu machen 100 . Als Ergebnis dieser Bemühungen habe sich die Kirchenliedpflege der Jugend zu einer Bewegung zur Erneuerung des Gemeindegesanges ausgeweitet. Vorläufiges Ergebnis waren die „Einheitslieder der deutschen Bistümer“, die während des Krieges von einer Kommission zusammengestellt wurden und 1947 erschienen 101 . Als Herausgeber der zahlreichen Liederbücher, -hefte und -blätter zeichnete meist ein kleines Arbeitsteam von Freunden, das je nach der Art der Veröffentlichung wechselte, wobei Lohmanns Ressort die musikalische Gestaltung war. Bestimmend für Lohmanns musikalische Richtung sei das „Erlebnis der Reformbestrebungen der Jugendmusikbewegung“ gewesen. Abgesehen von der musischen Ausbildung an der Pädagogischen Akademie in Bonn sei sein Werdegang ein autodidaktischer gewesen. Diese Aussage unterstützt auch Weller, der darauf hinweist, daß Lohmanns musiktheoretische Kenntnisse und satztechnische Fertigkeiten nicht der universitären Ausbildung entstammten, sondern durch ein intensives Studium an den Werken der alten Meister gewonnen wurden 102 . Als erstes Jugendmusikbetätigungsfeld in der katholischen Jugend gibt Lohmann in einem Schreiben 103 die Mitgliedschaft als Schüler im Bund 99 Hörstmann schreibt, die Singgemeinde sei im Jahr 1935 180 Personen stark gewesen. Von der elementaren Wucht des Singens, trotz aller Unvollkommenheiten, sei er sofort tief fasziniert und beeindruckt gewesen. Man traf sich in dieser Zeit im großen Mariensaal in der Oststraße. Hörstmann: Adolf Lohmann zum Gedächtnis. S.: 2. 100 Weller, Alfons: Adolf Lohmann - 70 Jahre. S.: 1. 101 Nordhues/ Wagner: Redaktionsbericht. S.: 17. 102 Weller, Alfons: Adolf Lohmann - 70 Jahre. S.: 1. 103 Es handelt sich dabei um ein einzelnes maschinengeschriebenes Blatt aus dem Lohmann- Nachlaß, das wahrscheinlich Lohmann selbst (aber in der 3. Person Singular) verfaßte, vermutlich für eine Publikation, was aus einer Randbemerkung geschlossen werden kann. O. J. <?page no="32"?> Entstehung 22 „Neudeutschland“ an, wo er „Feld-, Wald- und Wiesenmusizieren mit Klampfe“ betrieb (1924-1926). Daß Lohmann Musik studierte, resultierte aus einem Zufall: Ursprünglich zog es ihn zur Malerei. Obwohl auch musikalisch begabt, beabsichtigte er, Kunsterzieher zu werden. Als nun das Bemühen um einen Studienplatz an der Kunstakademie in Düsseldorf nicht von Erfolg gekrönt war, entschied er sich für den Beruf des Volksschullehrers 104 . Seit 1926 gehörte Lohmann dem damaligen „Finkensteiner Bund“ Walther Hensels und seiner „strengeren Volksliedpflege“ an und war ebenso mit den Bestrebungen der „Musikantengilde“ Fritz Jödes vertraut 105 . In der Folgezeit sei er durch seine Mitarbeit am „Jugendhaus Düsseldorf“ und seine Veröffentlichungen der eigentliche „Verbindungsmann zwischen der Jugendmusikbewegung und dem Bund der katholischen Jugend Deutschlands“ gewesen. 1926 wurde er nach eigenen Aussagen durch Josef Diewald in die „Spielschar“ als Singeleiter geholt. Seine Aufgaben dort bestanden in der Feiergestaltung und Bühnenmusik, „oft auf des Herrn Pastors Harmonium mit Xylofon, Gong und anderen Geräuschinstrumenten“. Lohmanns wissenschaftliches Interesse habe, so sagt er selbst, den Quellen und Formen des Volksliedes und Kirchenliedes im Wandel der Zeiten gegolten. Dazu schreibt er: „Hier überschneiden sich jedoch ständig die Grenzen der Wissenschaft mit denen des künstlerischen Schaffens: Ich habe nie Wissenschaft nur um der Wissenschaft willen betrieben; es ging mir immer um das Auffinden und Veröffentlichen alten Liedgutes mit dem Ziel der Neubelebung für den Menschen der Gegenwart durch die Jugend. Meine Liederbücher bringen neben altem Volksgut immer auch neues Liedgut, zum Teil in Erstdruck, darunter auch eigene Vertonungen. Ich habe die Liedersammlungen stets in Gemeinschaft mit Freunden herausgegeben, doch blieb die gesamte musikalische Gestaltung und Schlußredaktion immer meine Aufgabe.“ Im folgenden Absatz seines Tätigkeitsberichtes betont Lohmann, daß es immer sein besonderes Bestreben gewesen sei, seine Vertonungen vom gegebenen Text her zu gestalten und „nichts zu komponieren, was nicht sangbar und nicht von Laien ausführbar wäre.“ In seinen Kompositionen sei eine Vorliebe für die Pentatonik, für die alten modalen Tonarten und, wenn die Liedtexte dementsprechend seien, auch für barocke Stilelemente (Generalbaß) unverkennbar. Rhythmisch seien sowohl traditionelle, gleichbleibende Taktarten wie wechseltaktige Formen vertreten. Ernst Klusen bemerkt, daß Lohmanns kompositorische Arbeit, soweit sie die Liedbearbeitung für Chor, Instrumen- 104 Weller, Alfons: Adolf Lohmann - 70 Jahre. S.: 1. 105 Schepping: Der Kirchenliedkomponist Adolf Lohmann. S.: 14. <?page no="33"?> Die Herausgeber des Kirchenlied 23 te und gemischte Besetzung betraf, häufig durch eine Polyphonie bestimmt war, „die an das verästelte Lineament der alten Niederländer erinnerte.“ 106 Lohmanns Melodien sind sangbar und werden deshalb bald von Jung und Alt gerne gesungen. Dennoch wurden kritische Äußerungen gegen Lohmanns kompositorisches Schaffen laut. Man warf ihm Anbiederung vor; seine Kompositionen seien unkünstlerisch, nur kunsthandwerklich. 107 Gemäß seiner oben zitierten Programmatik weist Lohmann mit Nachdruck darauf hin, daß alle seine Chorsätze stets zuvor mit Laienchören erprobt wurden; dabei hält er das bewußte Einhalten einer „Schwierigkeitsbegrenzung“ für wichtig, auch für seine Lehrtätigkeit: „Die Überwindung der Angst vor der musischen Eigentätigkeit, die ständige Beschäftigung der Studenten und Junglehrer mit Musikformen, die sowohl in der Schule wie später ausführbar sind, die Ausnutzung der heute gegebenen realen Möglichkeiten einer Belebung und Erneuerung der Volksmusik von unten auf: dies scheint mir die vordringlichste musische Aufgabe einer Lehrerbildungsstätte zu sein.“ 108 Anhand der zitierten Stellen wird Lohmanns Realitätssinn deutlich: Bei aller Vorliebe für Wissenschaft und Quellenstudium verlor er die Grenze des Möglichen nicht aus den Augen. Seine Lieder waren nicht für eine Elite bestimmt, sondern für das singende Volk in aller Breite. Lohmanns kompositorisches Schaffen, „an die musikalische Tradition des 16. und 17. Jh. anknüpfend und dabei oft volksliednah, umfaßt über 150 Lieder (davon über 80 Kirchenlieder 109 ), 400 Chor- und Instrumentalsätze“ 110 und mehr als 30 Kanons 111 . Es gebe nur wenige Komponisten im deutschen Sprachraum, die in solcher Vielfalt volksliednahe, neue Weisen schufen und die sich in solcher Breite durchsetzten, bemerkt Diewald 112 . In seinen beiden ausführlicheren handschriftlichen Lebensläufen stellt Lohmann einige seiner wichtigsten Werke heraus, so u. a. das 1934 erschienene sogenannte graue Singeschiff. Er bezeichnet es als „das Liederbuch der katholischen Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus“, das später vom NS- 106 Klusen: Adolf Lohmann zum Gedächtnis. S.: 1. 107 Freimuth: „… muß hab’n ein tapfers Herze“. S.: 2. 108 Im Lohmann-Nachlaß finden sich drei persönliche Lebensläufe Lohmanns, zwei handgeschriebene (1974) und ein maschinengeschriebener (o. J.), außerdem ein maschinengeschriebenes, lebenslaufähnliches Schreiben in Form eines Tätigkeitsberichts (o. J.). Da der Nachlaß in großen Teilen noch nicht systematisch geordnet wurde, können genauere Fundortangaben hier nicht erfolgen. Als Grobfundort kann man im Archiv die Rubrik „Biographisches“ in Augenschein nehmen. Da die diversen Lebensläufe in vielen Punkten deckungsgleich sind und über keine Seitenzahlen verfügen, bietet sich eine genauere Differenzierung, welche Information aus welchem Exemplar gezogen wurde, nicht an. Lediglich der Bezug auf den Tätigkeitsbericht wird entsprechend angegeben. 109 Freimuth: „… muß hab’n ein tapfers Herze“. S.: 2. 110 Honegger/ Massenkeil (Hrsg.): Das Große Lexikon der Musik, Band V. S.: 147. 111 Diewald: Kleine Lobrede. S.: 12. 112 Diewald: Kleine Lobrede. S.: 3. <?page no="34"?> Entstehung 24 Regime verboten worden sei, da es „viele Bekenntnislieder der katholischen Jugend enthielt“. 1936 war er mitverantwortlich für die Herausgabe des Schulliederbuches „Lieder des Volkes“. Er war zusammen mit Theo Jung und Heinrich Weitkamp amtlicherseits mit der Herausgabe der für alle Schulgattungen konzipierten Liedersammlung beauftragt worden 113 . 1938 erschien das Kirchenlied und im Kriege dazu ein Band: „Tonsätze zum Kirchenlied“ mit Chor- und Instrumentalsätzen, gleichzeitig die Orgelausgabe. Laufend erschienen „Kleine Liedblätter“ für die „Offenen Singstunden“, die Christophorus-Chorblätter und eine Reihe von Schallplatten mit Chor- und Instrumentalsätzen zu Liedern. Dazu schreibt Diewald 1937: „Überdies werden zum Einstudieren vierseitige Sonderdrucke mit jeweils etwa vier Liedern für einige Pfennige erhältlich sein, um Singstunden durchführen zu können. Die geschlossene Notenausgabe ist ebenfalls in Bälde zu erwarten. Ein Orgelbuch wird vorbereitet. Zu vielen wichtigen Liedern sind bereits die Orgelsätze auf den Tonsätzen zu ‚Singeschiff ‘ und ‚Kirchenlied‘ erschienen.“ 114 Es folgten im Laufe der Jahre zahlreiche weitere Veröffentlichungen. 1967 erschien das Kirchenlied II, 1971/ 72 Tonsätze zu diesem Buch. In seinem Tätigkeitsbericht schreibt Lohmann, er sei 1937 nach Goch versetzt worden, weil er kein „Parteigenosse“ gewesen sei. Ich halte diese Behauptung nicht für stichhaltig, schließlich braucht auch Goch Lehrer; auch vor dem Hintergrund der Gestapo-Akten (s. u.) erscheint mir diese Aussage als nachträgliche „Verklärung“; er möchte als Verfolgter gelten. Thurmair und Ahrens jedenfalls führen diese Versetzung auf Lohmanns Liedersammlung „Lieder des Volkes“, Untertitel: „Erbe und Aussaat“ zurück. 1934 war Lohmann beauftragt worden, diese offizielle Liedersammlung für den Schulgebrauch im Rheinland zu erarbeiten, wobei er sich nicht gescheut habe, dem Schirach’schen HJ-Lied „Unsre Fahne flattert uns voran“, das „Bekenntnislied der katholischen Jugend“ „Unsere Fahne ist die Treue“, das er zwei Jahre vorher vertont hatte, genau gegenüberzustellen 115 . Dies sei eine „geradezu tollkühne Idee“ gewesen, „mit der er seinen Lehrerberuf aufs Spiel“ gesetzt habe. Die „Strafversetzung“ sei erfolgt, nachdem dieser Tatbestand entdeckt worden sei 116 . Sehen wir uns dieses besagte Buch („Lieder des Volkes“, 1936 erschienen) genauer an, so muß man die obigen Aussagen als nicht der Wahrheit entsprechend bezeichnen. Neben Theo Jung und Heinrich Weitkamp tritt Adolf Lohmann als Herausgeber des Liederbuches auf. Das Nachwort zeigt, daß 113 Weller: Adolf Lohmann - 70 Jahre. S.: 1. 114 Diewald: Kirchenlied. S.: 125. 115 Ahrens: Johann und Georg Thurmair. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 271. 116 Georg Thurmair. In: Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln, November 1983, S.: 11. <?page no="35"?> Die Herausgeber des Kirchenlied 25 es als „Liederbuch für die deutsche Schule“ gedacht war. Die Herausgeber äußern sich dort zur Zielsetzung des Buches: „Die Aufgabe eines Schulliederbuches ist heute nur dann erfüllt, wenn es den nationalpolitischen Erziehungsforderungen gerecht wird und das Liedgut allein nach Gesichtspunkten sammelt, die es der Arbeit in Schule und Bewegung ermöglichen, dem völkischen Lied wieder den Ehrenplatz zu sichern, der ihm im Leben des einzelnen und der Gemeinschaft gebührt.“ In der Rubrik „Vaterland“ finden sich zahlreiche Lieder „für die nationalsozialistische Feiergestaltung“ 117 . Das Buch ist insgesamt eindeutig regimekonform. Es enthält Lieder wie „Es dröhnet der Marsch der Kolonne“ von Herbert Napiersky (entnommen aus „Liederblatt der Hitlerjugend“) 118 , „Die Fahne hoch! “ (das berüchtigte Horst-Wessel-Lied also) 119 , „Dem Führer“ (Dichtung: Will Vesper) 120 . Ich halte daher die Behauptung, seine Herausgabe sei Grund für eine Strafversetzung gewesen, für absurd. Es finden sich auch einige wenige Lieder aus christlichem Umfeld. Können diese evtl. regimekritisch als Gegengewicht zu den oben zitierten Liedern gewirkt haben? Meines Ermessens nicht, handelt es sich bei ihnen doch ausnahmslos um „harmlose“ Lieder ohne jede auch nur konnotativ-implizite Regimekritik (so z. B. die verschiedenen altbekannten Weihnachtslieder). Die übrigen Lieder des Buches sind bekannte Volkslieder, die ebenfalls nicht für diese Aussage instrumentalisiert werden können. Thurmair und Ahrens sprachen von einer tollkühnen Tat der Gegenüberstellung. Was ist davon zu halten? Tatsache ist, daß mit dem Schirach’schen HJ-Lied „Unsre Fahne flattert uns voran“ das Lied „Vorwärts! Vorwärts! “ gemeint ist, das in der Tat in „Lieder des Volkes“ abgedruckt ist 121 . Steht diesem Lied nun „Unsere Fahne ist die Treue“ genau „gegenüber“? Keinesfalls! Das Lied steht dem Schirachlied nicht nur nicht gegenüber, es findet sich überhaupt nicht in „Lieder des Volkes“! Die Behauptung entbehrt also jeder Grundlage. Sollte man für ein derart „linientreues“ Liederbuch versetzt werden? 122 Die Nachkriegsschilderungen stecken voller Ungereimtheiten. Diewald bemerkt, Lohmann sei wegen seiner intensiven Tätigkeit in der katholischen Jugend, bei Singekreisen, Chören und Musikgruppen durch das Oberschulamt Düsseldorf nach Goch an die äußerste Grenze des damaligen Regierungsbezirkes Düsseldorf versetzt worden. Was damals wie eine Strafversetzung 117 Jung/ Lohmann/ Weitkamp (Hrsg.): Lieder des Volkes. S.: 199 (Nachwort). 118 Jung/ Lohmann/ Weitkamp (Hrsg.): Lieder des Volkes. S.: 145. 119 Jung/ Lohmann/ Weitkamp (Hrsg.): Lieder des Volkes. S.: 163. 120 Jung/ Lohmann/ Weitkamp (Hrsg.): Lieder des Volkes. S.: 166 f. 121 Jung/ Lohmann/ Weitkamp (Hrsg.): Lieder des Volkes. S. 149 f. 122 Und selbst wenn das Lied „Unsere Fahne ist die Treue“ (Das graue Singeschiff, S.: 124) dem HJ-Lied gegenübergestellt worden wäre, hätte man dies nicht als Regimekritik werten können; schließlich muß man den Text als völlig NS-konform bezeichnen. <?page no="36"?> Entstehung 26 ausgesehen habe, sei schließlich eine glückliche Fügung gewesen, denn dort habe er unangefochten seiner Arbeit nachgehen und mit den Mitherausgebern die Arbeit am Kirchenlied vervollständigen können. Die Initiative zur Versetzung sei von einem einflußreichen Schulrat, einem ehemaligen Priester aus Düsseldorf, ausgegangen, der nun Parteigänger Hitlers geworden sei und die Kirche erbittert haßte 123 . Thekla Lohmann berichtet, die „Strafversetzung“ sei erfolgt, weil ihr Mann sich geweigert habe, ein antiklerikales Pamphlet zu verfassen 124 . In Goch gründet Lohmann binnen kürzester Zeit nach erfolgter Versetzung einen Jugendchor, der seine Lieder weiter singt 125 . Doch von nun an sei er verstärkt von verschiedenen nationalsozialistischen Organisationen beobachtet worden, die seine Singstunden in den Kirchen belauscht hätten. Lohmann zählte als Lehrer zur Beamtenschaft und mußte vor diesem Hintergrund besonders vorsichtig sein, um seine Stellung nicht zu gefährden. So sei immer ein Priester bereit gewesen, um in kritischen Situationen für Adolf Lohmann einspringen zu können: „Bei einer Singestunde taucht plötzlich eine NS-Streife auf. Schnell wird Adolf Lohmann in die Sakristei geholt. Der Pfarrer stellt sich auf die Kanzel und hält einen religiösen Vortrag. Lohmann aber wird zur gleichen Stunde durch das Sakristeifenster ins Freie geschoben und kann über den Friedhof entkommen.“ 126 Letztlich klingen diese Ausführungen m. E. sehr nach dem nachträglichen Versuch, sein Leben und Wirken im NS-Regime in positivem Licht erscheinen zu lassen und sich (in Ansätzen) zum Widerstandskämpfer zu stilisieren. Wäre eine Versetzung nach Goch wirklich als Strafe von Seiten einer NS- Behörde verhängt worden? Eine Strafe muß letztlich doch effektiv sein und Lohmann setzte sein Wirken in Goch fort. Hätte man eine solche „Strafe“ gewählt? Sehr unwahrscheinlich erscheint mir auch die „Fenster-Flucht“- Geschichte: Es war doch auch für einen Beamten nicht verboten, in einer katholischen Kirche eine (rein religiöse) Singestunde abzuhalten. Und wozu die Flucht durch das Sakristeifenster? Schließlich ließ sich doch nicht verheimlichen, daß Lohmann Singestunden abhielt. Man hätte die Teilnehmer befragen können und im Zweifelsfall einen zivilen Ermittler einsetzen können. Wir müssen uns bewußt sein, daß zu dieser Frage nur Aussagen nach 1945 von Lohmann selbst bzw. Freunden und Familienangehörigen vorliegen, die aus wissenschaftlich-objektiver Sicht nicht verwertbar sind. Es handelt sich um Legenden, die nach 1945 entstehen, sich allmählich verselbständigen und das Ziel verfolgen, Handlungen und Ereignisse aus der NS-Zeit allmählich mit einer Gloriole des Widerstands zu versehen. 123 Diewald: Kleine Lobrede, S.: 4. 124 Schepping: Der Kirchenliedkomponist Adolf Lohmann. S.: 12 u. Fn. 4. 125 Freimuth: „… muß hab’n ein tapfers Herze“. S.: 5. 126 Freimuth: „… muß hab’n ein tapfers Herze“. S.: 5. <?page no="37"?> Die Herausgeber des Kirchenlied 27 Wilhelm Schepping sieht in Lohmann den bedeutendsten katholischen Kirchenliedkomponisten zumindest der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts 127 . Anläßlich seines 70. Geburtstages schrieb Georg Thurmair für Adolf Lohmanns „Poesiealbum“ ein Gedicht, das am Ende dieser Biographie auszugsweise zitiert werden soll: „[…] Was er gab zu Klang der Laute, war nach langer, banger Flaute Welt und Kirche ein Geschenk; Komponist und Singeleiter, schuf er, und er schafft noch weiter, Schätze aus dem Handgelenk. Und das nicht in höchsten Tönen, nur dem l’art pour l’art zu frönen, nein, dem Volk aufs Maul geschaut. Heute steht in reicher Ernte, was er lehrte, mit uns lernte, herzhaft fromm und festlich laut. […].“ 128 3. Georg Thurmair Georg Thurmair, Lyriker, Schriftsteller, Journalist und Publizist, wurde am 7. Februar 1909 in München geboren. Im Verlauf seiner schriftstellerischen Tätigkeit bediente er sich zahlreicher Pseudonyme (u. a. Thomas Klausner, Stefan Stahl, Richard Waldmann, Simpel Krone, Schikki 129 ). Ab 1923 kaufmännische Lehre, engagiert im katholischen Jungmännerverband 130 . Seit 1926 arbeitete er als Sekretär bei Prälat Ludwig Wolker im Jugendhaus Düsseldorf 131 und war 1932 Mitgründer und Schriftleiter der Wochenzeitung „Junge Front“ 132 , die ab 1935 in „Michael“ umbenannt werden mußte (weil die Nationalsozialisten diesen Titel für sich proklamierten) und 1936 verboten wurde. 1933 erschienen erste Gedichte. 1941 heiratete er Maria Luise Thurmair-Mumelter, Dichterin zahlreicher Kirchenlieder. Nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft lebte er bis 1949 in Innsbruck, dann bis 1955 in Düsseldorf als Chefredakteur der Wochenzeitung „Michael“. Von 1957 bis zu seinem Tode lebte er in München und arbeitete dort bis 1968 als Bildungsreferent der Katholischen Aktion in der Erzdiözese. Ab 1958 gründete und redigierte Thurmair die Zeitschrift „Lebendige Zelle - Weg und Ziel katholi- 127 Schepping. Das Lied als Corpus delicti. S.: 130. 128 Thurmair: Für Adolfs Poesiealbum zum 70. Geburtstag am 10. Januar 1977. In: Lohmann- Nachlaß. 129 Ahrens: Johann und Georg Thurmair. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 266. 130 Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 307. 131 Gotto: Die Wochenzeitung Junge Front/ Michael. S.: 221. 132 Gotto: Die Wochenzeitung Junge Front/ Michael. S.: 213. <?page no="38"?> Entstehung 28 scher Laienarbeit“. Dort setzte er sich u. a. für das Ständige Diakonat und die Mitarbeit der Laien in der Kirche ein. Im Jahre 1960 drehte er den Dokumentarfilm „Pro mundi vita“ über den Eucharistischen Weltkongreß in München und 1962-1965 den Film „Lux mundi“ über das Zweite Vatikanische Konzil. Als Chefredakteur der „Münchener Katholischen Kirchenzeitung“ arbeitete er von 1969 bis 1973. Eine letzte Gedicht-Sammlung erschien 1979 133 . Thurmairs Publikationen können an dieser Stelle nicht annähernd genannt werden, weshalb hier nur eine Auswahl folgt: - Mein Gott, wie schön ist deine Welt. Die ersten Gedichte 1933-1945, Neuauflage Eggenfelden 1979. - Dem Lebendigen geweiht. Die ersten Erzählungen. Recklinghausen 1940. - Pfad der Wenigen. Ein Buch der Sammlung und Entscheidung. Freiburg 1949. - Hausbuch zur Advents- und Weihnachtszeit. Ein Lese- und Werkbuch. Freiburg 1955. War Diewald der große Organisator und Koordinator, Lohmann der große Komponist und Musiker, so war Thurmairs Zuständigkeitsbereich bei der Entstehung des Kirchenlied die Schaffung und Redaktion von Liedtexten. Thurmair hat nach eigenen Aussagen etwa 300 Liedtexte verfaßt, vorwiegend geistliche 134 . Im Gotteslob-Stammteil ist Thurmair mit 18 Liedern vertreten, darunter Wir sind nur Gast auf Erden, O Licht der wunderbaren Nacht und Nun singt ein neues Lied dem Herren 135 . Da Lohmann bei seinen Kompositionen immer von vorhandenen Texten ausging und die Wichtigkeit des Textes über die der Vertonung stellte, kann Thurmair als der eigentliche Initiator der neugeschaffenen Lieder angesehen werden, ohne dessen Texte viele Melodien gar nicht entstanden wären. Der katholische Jugendverein der Pfarrei St. Margaret in der Meindlstraße in München-Sendling war die Keimzelle für Thurmairs frühe religiöse Aktivitäten und Erfahrungen. Bereits 1923 stieß er dazu; Ludwig Wolker war für den Bereich der Stadt München Bezirkspräses geworden. Das Singen nahm 133 Die Rahmendaten dieser Biographie folgen: Drewes: Artikel „Georg Thurmair“. In: Lexikon für Theologie und Kirche, Band X, Freiburg 2001, S.: 17. 134 Thurmair: Interview mit mir selbst. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 101. 135 Die im Stammteil des Gotteslob stehenden Thurmair-Lieder (die Reihenfolge ist chronologisch): O Herr, aus tiefer Klage (169); Wir sind nur Gast auf Erden (656); O Jesu, all mein Leben bist du (472, 2. Strophe); Komm, Herr Jesus, komm zur Erde (565); Maria, sei gegrüßt mit deinem lieben Sohn; - der für uns Blut geschwitzt; - der aus dem Grab erstand (590 -592); Singet Lob unserm Gott (260); Sei gelobt, Herr Jesus Christ (540); Laßt uns loben, freudig loben (637); O höre, Herr, erhöre mich (167); Herr Jesus, öffne unsern Mund (517); Alles meinem Gott zu Ehren (615, 2.+3. Strophe); O Licht der wunderbaren Nacht (208); Nun singe Lob, du Christenheit (638); Völker aller Land, schlaget Hand in Hand (556); Nun singt ein neues Lied dem Herren (262); Nun lässest du, o Herr (660). <?page no="39"?> Die Herausgeber des Kirchenlied 29 einen wichtigen Stellenwert innerhalb des Vereines ein. Ein Zeitzeuge erzählt darüber: „Eine Sternstunde für unsere Gemeinschaft war, als einmal der Arzt Dr. Riegel mit seiner Laute zu uns kam. Er […] plauderte […] über das Singen, erzählte etwas über den Kunstwert des Volksliedes und unterhielt uns danach mit einer langen Reihe von Liedern. […] Der ‚Zupfgeigenhansl‘, ‚Tandaradei‘ und später der ‚Spielmann‘ waren unsere Lehrmeister.“ 136 Man habe damals begeistert gesungen und von Zeit zu Zeit regelrechte Sängerwettstreite der Münchner katholischen Jugend ausgerichtet. Auch auf den Wanderfahrten habe das Lied eine dominierende Rolle gespielt 137 . Das Erleben der reinen, unverfälschten Natur, das gemeinsame Singen und Musizieren, die Wanderungen, die „Nestabende“, in denen man sich bei Kerzenschein versammelte, um zu singen, Gedichte und Geschichten zu hören und Pläne zu schmieden. Dabei sei das religiöse Erleben in den Gruppenabenden, in Gottesdiensten und Exerzitien äußerst wichtig und prägend gewesen. In allen Versammlungen wurde auf Disziplin geachtet; Alkohol und Nikotin wurden gänzlich gemieden. Besonders das Laienspiel wurde in dieser Frühphase intensiv gepflegt. In Krankenhäusern und Altersheimen, auf den Stufen der Hauptportale von Kirchen wurden Mysterienspiele und Burlesken aufgeführt 138 . Nach gemeinsam durchlebten Exerzitien im Kloster Ettal äußerte Thurmair im privaten Umfeld die Absicht, Priester zu werden, doch es sollte anders kommen 139 . Wie kam der Münchner Thurmair überhaupt nach Düsseldorf? Ende des Jahres 1926 starb Präses Carl Mosterts und Ludwig Wolker wurde völlig überraschend zum neuen Leiter des Katholischen Jungmännerverbandes Deutschlands gewählt. Wenige Monate nach seiner Wahl zog er nach Düsseldorf um. Und er kam nicht allein, sondern brachte „eine kleine, aber respektable Münchner Kolonie“ mit 140 . Dazu gehörte auch der damals gerade siebzehnjährige Georg Thurmair. Als persönlicher Sekretär Wolkers wurde er über mehr als ein Jahrzehnt einer seiner engsten Weggefährten. Er wohnte bei Ludwig Wolker im Anna-Kloster mit angegliedertem Lyzeum im Düs- 136 Wieninger: Tschikki in Münchens katholischer Jugend. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 25. 137 Wieninger: Tschikki in Münchens katholischer Jugend. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 25 f. 138 Wieninger: Tschikki in Münchens katholischer Jugend. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 26 f. 139 Wieninger: Tschikki in Münchens katholischer Jugend. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 27. 140 Hastenteufel: Wie man der Jugendarbeit eine Mitte gibt. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 9. <?page no="40"?> Entstehung 30 seldorfer Stadtteil Derendorf 141 . Über Wolker gewann er innerhalb weniger Jahre einen ungeahnten Einfluß auf den Jungmännerverband. Wolker ermutigte Thurmair zum Besuch des Abendgymnasiums 142 . Der Umzug nach Düsseldorf fiel dem jungen Thurmair schwer; er vermißte seine Heimat und seine Lieben sehr. Heimat und Heimweh, diese Begriffe und Stimmungen finden sich in vielen seiner Gedichte und Lieder, waren sie doch für ihn ein Urerlebnis 143 . Nach den Entstehungsdaten seiner frühesten Kirchenlieder (1934) dürfte er mit etwa 25 Jahren mit diesem Bereich seines dichterischen Schaffens begonnen haben 144 . 1932 hatte Thurmair die Kulturredaktion der Zeitschrift „Junge Front“ übernommen, die später in „Michael“ umbenannt wurde. Im Juni 1935 verlangte das Reichspropagandaministerium eine Änderung des Titels, den es für sich in Anspruch nahm. Die Auflagenhöhe habe bei über 330 000 Exemplaren gelegen 145 . Übrigens war der neue Titel im Kontext der Zeit gesehen nicht weniger kämpferisch; die erste Ausgabe erschien mit einem Abdruck des Erzengelholzschnittes von Albrecht Dürer. Darunter stand das „Sancte Michael archangelo, defende nos in praelio…“ 146 . 1936 wurde auch der „Michael“ endgültig verboten. Das Verbot wurde vom Präsidenten der Reichspressekammer am 11. Januar mit dem Ausschluß des Jugendführungsverlages aus der Reichspressekammer verfügt. Als Begründung wurde unter anderem die mangelnde Zuverlässigkeit gegenüber Volk und Staat und das Fehlen jeglichen nationalsozialistischen Gedankengutes angegeben 147 . Nachdem das Jugendhaus geschlossen worden war, zog Thurmair nach Recklinghausen und versuchte sich dort als freier Schriftsteller. 1940 kehrte er nach München zurück und nahm seine Arbeit als Lektor und Schriftsteller für den Christophorus-Verlag auf. 1940 wurde er zur Wehrmacht einberufen (bis 1945 im Kriegseinsatz) 148 . Nach einem ereignisreichen Leben stirbt Georg Thurmair am 20. Januar 1984 plötzlich und unerwartet in München. 1935 erschien eines der beeindruckendsten Gedichte Thurmairs in der Märzausgabe der „Wacht“, das die zunehmende Verfolgung der Kirche deutlich macht. Ab April 1934 waren den konfessionellen Jugendgruppen nämlich alle öffentlichen Tätigkeiten und jedes öffentliche Auftreten 149 verboten 141 Rick: Notizen. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 42. 142 Börger: Eine heiße Kartoffel. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 259. 143 Siehe dazu einen Aufsatz Georg Thurmairs: Heimkehr zur Weihnacht. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 29-35. 144 Dischinger: Kraft und Trost. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 251. 145 Rick: Notizen. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 49. 146 Rick: Notizen. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 53. 147 Rick: Notizen. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 58. 148 Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 308 f. 149 Gotto: Die Wochenzeitung Junge Front/ Michael. S.: 222. <?page no="41"?> Die Stellung der Herausgeber zum NS-Regime 31 worden 150 ; sogar das Singen nichtreligiöser Lieder war nicht mehr erlaubt 151 . Dieses Gedicht soll hier abschließend zitiert werden: „Fahnentreue Rollt eure Fahnen um den Schaft und geht wie stumme Boten. Die Macht ist über unsre Kraft, die Macht hat es geboten[ 152 ]. Die Straße frei, der Lärm vergeht, wir ziehen in die Stille, und wenn auch keine Fahne weht, es bleibt uns doch der Wille: Wir wollen Deutschland und wir mahnen das Volk an seine Kraft. Nun sind Gesichter unsre Fahnen und Leiber unser Schaft.“ 153 VI. Die Stellung der Herausgeber zum NS-Regime anhand der Gestapo-Akten Im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf finden sich die Personalakten Lohmanns, Diewalds und Thurmairs, die Auskunft darüber geben können, welche Haltung die Herausgeber zum NS-Regime besaßen. Die Betrachterperspektive kann nun also umgedreht werden: War man bisher immer auf den Blickwinkel der Herausgeber angewiesen, so kann nun ihre Beurteilung durch die Gegenseite, die NS-Funktionäre, rekonstruiert werden. Insgesamt sind die aufgefundenen Akten allerdings leider quantitativ nicht sehr umfangreich. Ein Befund besteht jedoch schon allein in der Tatsache, daß überhaupt Personalakten bei der Gestapo geführt wurden. Wenigstens ein Anfangsverdacht mußte also bestanden haben. Bei der Durchsicht der Akten findet sich eine Liste von führenden Personen des Jugendhauses Düsseldorf, gegen die 150 Klönne: Gegen den Strom. S.: 72 f. 151 Klönne: Gegen den Strom. S.: 74. 152 Staatliche Anordnungen führen im Juli 1935 dazu, daß katholische Jugendgruppen ihre Fahnen, Banner und Wimpel nur bei rein religiösen Anlässen tragen durften. S. dazu: Bitz: ‚Das Banner ist dem Herrn geweiht‘. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 615. Diese „Anordnung des Reichsführers der SS Himmler“ ist abgedruckt in: Klönne, Arno: Jugend im Dritten Reich: S.: 184. Die interessantesten Passagen daraus: „Allen konfessionellen Jugendverbänden […] ist jede Betätigung, die nicht rein kirchlich-religiöser Art ist, […] untersagt. […] Es ist verboten: 1. das Tragen von Uniformen […]. 2. Das Tragen von Abzeichen, welche die Zugehörigkeit zu einem konfessionellen Jugendverband kenntlich machen […]. 4. das öffentliche Mitführen oder Zeigen von Bannern, Fahnen und Wimpeln […].“ 153 Thurmair: Erste Gedichte. S.: 77. <?page no="42"?> Entstehung 32 ausnahmslos nach dessen Schließung Personalakten bei der Gestapo angelegt wurden. In der Lohmann-Akte 154 findet sich der Personalbericht eines Polizeihauptwachtmeisters, in dem es heißt: „Lohmann ist seit dem 7. 12. 1937 in Goch ansässig und ist staatsbejahend im Sinne des Nationalsozialismusses. Er organisiert die Festlichkeiten bei der H. J. Ebenfalls ist weder in strafrechtlicher noch in sp. polizeilicher Hinsicht Nachteiliges bekannt geworden. Lohmann ist seit 1937 Mitglied der NSV“ 155 . Diese überraschenden Ausführungen werden in einem Schreiben der Gestapo Düsseldorf vom 21. 4. 1941 bestätigt, in dem er „auch von parteiamtlicher Seite als staatsbejahend im Sinne des Nationalsozialismus“ bezeichnet wird 156 . Bei der NSV handelt es sich um die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt, eine Massenorganisation; sie zählte bis zum Jahr 1943 rund siebzehn Millionen Mitglieder und war wohl die bekannteste NS-Organisation im alltäglichen Leben der Bevölkerung. Es handelte sich um eine Wohlfahrtsorganisation, einen der NSDAP angeschlossenen Verband: Die NSV führte das Winterhilfswerk mit einem Milliarden-Spendenaufkommen durch und besaß in ihrer Familien- und Jugendhilfe Einrichtungen, über die sie groß angelegte Erholungsmaßnahmen, Kinderland- und Mütterverschickungen durchführte 157 . Lohmanns Mitgliedschaft in der NSV bedarf einer differenzierten Sichtweise: Vielen erschien die NSV als „eine Art von Rotem Kreuz oder Hilfsdienst, von dem der Malteser oder kirchlicher Diakonie sich nicht wesentlich abhebend“ 158 . Sie war für die meisten Menschen ein Teil ihres alltäglichen Lebens und für sie „so alltäglich, daß viele sie als NS-Organisation kaum mehr wahrnahmen“ 159 . Vorländer führt aus, daß eine Mitgliedschaft in der NSV aber auch ein beliebter Weg war, „die Mitgliedschaft in der Partei oder einer ihrer sonstigen Organisationen zu umgehen.“ 160 Man kann also einem Mitglied der NSV keineswegs ohne weitere Anhaltspunkte eine nationalsozialistische Gesinnung unterstellen. Im Personalbogen vom 17. 4. 1941 findet sich ein Hinweis auf Lohmanns kirchliche Aktivitäten. Unter der Rubrik „Politische Einstellung“ steht der Satz: „Maßgeblicher Mitarbeiter an der vom Kathol. Jungmännerverband betriebenen Jugendarbeit.“ 161 154 Akten der Geheimen Staatspolizei. Staatspolizeileitstelle Düsseldorf: Adolf Lohmann. In: Hauptstaatsarchiv Düsseldorf. Aktennummer 57601. 155 Undatiert. S.: 7 der Akte Lohmann. 156 S.: 9 der Akte Lohmann. 157 Vorländer: Die NSV. S.: 1. 158 Vorländer: Die NSV. S.: 175. 159 Vorländer: Die NSV. S.: 176. 160 Vorländer: Die NSV. S.: 179. 161 S.: 1 f. der Akte Lohmann. <?page no="43"?> Die Stellung der Herausgeber zum NS-Regime 33 Damit erschöpfen sich die Angaben der Akte. Die genaue Art und Weise der durchgeführten Feierstunden der Hitlerjugend wird nicht näher beschrieben. Insbesondere findet sich kein Hinweis auf die von Lohmann in seinen Lebensläufen erwähnte (Straf-) Versetzung nach Goch. Seine Mitgliedschaft in der NSV wurde dort natürlich auch nicht erwähnt. Daß er trotz der bekannten Aktivitäten im Jugendhaus als politisch zuverlässig eingestuft wurde, kann eigentlich nur dadurch erklärt werden, daß er viele HJ-Festlichkeiten - und diese für die Gegenseite überzeugend - durchgeführt hat; denn nicht einmal von politischer Neutralität, sondern von Staatsbejahung ist die Rede! Und man darf nicht vergessen, daß diese Berichte von der Gestapo stammen, die nicht im Verdacht steht, regimekritische Aktivitäten zu bagatellisieren. Sieht man sich nämlich die Akten der übrigen Jugendhausfunktionäre an, so folgte allein durch die dortige Mitgliedschaft vielfach die Einstufung als politisch unzuverlässig. Man könnte einwenden, daß er als Beamter zu äußerster Zurückhaltung verpflichtet war und sein Name als Herausgeber des Kirchenlied zeitweise nicht in Erscheinung trat, muß sich dann aber die Frage gefallen lassen, wie weit eine solche Tarnstrategie gehen darf. Der Widerstand durch Passivität gegenüber dem politischen Geschehen ist eben etwas anderes als ein Tarnversuch durch Mittun. Letztlich kann, da Ablauf und Umfang der organisierten H.J.-Feiern nicht mehr rekonstruiert werden können, eine abschließende Wertung nicht erfolgen. Einen anderen Befund bietet die Personalakte Josef Diewalds 162 ; im Personalbogen vom 2. 2. 1939 befindet sich folgender Satz: „Politische Zuverlässigkeit gegenüber der Reichsschrifttumskammer verneint“ 163 . In der Akte findet sich ferner eine politische Beurteilung durch die NSDAP Gauleitung Düsseldorf vom 5. 11. 1938: „Diewald gehörte früher der katholischen Jugendgruppe an. Er ist heute noch stark konfessionell gebunden.und hat bis zum 12. September ds. Js. keiner Organisation der NSDAP angehört. Erst zu diesem Zeitpunkt erwarb er die Mitgliedschaft zur NSV. An dem politischen Leben beteiligt er sich in keiner Weise. Seine Haltung bei den Opfergängen des deutschen Volkes läßt in jeder Hinsicht zu wünschen übrig. Vielleicht kann man seinen Eintritt in die NSV als einen Versuch werten, eine positivere Einstellung zur Volksgemeinschaft zu finden. Z. Zt. jedoch bin ich nicht in der Lage, die politische Zuverlässigkeit zu bejahen.“ 164 Eine weitere interessante Beurteilung Diewalds findet sich in der Akte: „Er gehört erst seit September 1938 der NSV. an und besitzt sonst weder zur Bewegung noch zu einer ihrer Gliederungen die Mitgliedschaft. Sein Gesamtverhalten dem 162 Akten der Geheimen Staatspolizei. Staatspolizeileitstelle Düsseldorf: Josef Diewald. In: Hauptstaatsarchiv Düsseldorf. Aktennummer 20793. 163 S.: 2 f. der Akte Diewald, Aktenzusatz vom 14. 2. 1939. 164 S.: 4 der Akte Diewald. <?page no="44"?> Entstehung 34 politischen Geschehen gegenüber ist sehr zurückhaltend, wenn nicht gleichgültig. Diewald war Angestellter des Kath. Jungmännerverbandes in Düsseldorf bezw. des Verlags Jugendhaus e. V. […]. Letzterer […] wurde vor einigen Tagen als staatsfeindliche Einrichtung staatspolizeilicherseits aufgelöst und verboten. Diewald war maßgeblicher Mitarbeiter innerhalb des Kath. Jungmännerverbandes. Nach außen hin zeigt sich das einmal darin, daß er innerhalb eines Kursus für katholische Jugendseelsorger Deutschlands in Bad Soden-Salmünster vom 4. bis 12. 10. 1937 als Redner auftrat, und daß er zusammen mit dem Schriftleiter Georg Thurmair […] kürzlich im Verlag Jugendhaus e. V. die Liedersammlung ‚Kirchenlied‘ - eine Auslese geistlicher Lieder für die Jugend - herausbrachte. Aus dieser maßgeblichen Mitarbeit Diewalds im Kath. Jungmännerverband ergibt sich auch ohne weiteres, daß er dem Nationalsozialismus ablehnend, mindestens aber bewußt zurückhaltend gegenüber steht. Es kommt hinzu, daß mir nichts bekannt ist, was irgendwie für die staatsbejahende Haltung Diewalds spricht“ 165 . Die Diskrepanz zur Personalakte Adolf Lohmanns ist überdeutlich: Aus der Tatsache, daß Diewald im Katholischen Jungmännerverband maßgeblich mitgearbeitet hatte, ergibt sich seine politische Unzuverlässigkeit. Auch die Akribie der Beobachtung durch die Gestapo wird deutlich, was beispielsweise an der Protokollierung des gehaltenen Kursus deutlich wird. Über die Aufgaben Diewalds im Jugendhaus gibt die Gestapo-Akte ebenfalls Auskunft: „Führender Leiter der Abteilung für Heimschmuck sowie Gestaltungs- und Brauchtumskunde“ 166 . Die Gestapo war sehr gut über alle stattfindenden Aktivitäten informiert. Daß dies bei Lohmann nicht der Fall gewesen sein sollte, ist nicht recht einzusehen. Auch die „Sakristeifenstererzählung“ kann wohl keine Exkulpation bedeuten: In einem so kleinen Ort wie Goch konnten kirchliche Aktivitäten Lohmanns nicht unbeobachtet bleiben. Aus Sicht der Gestapo waren diese aber wohl zu vernachlässigen, da seine Gesinnung durch die Jugendfeiern für hinreichend staatstreu gehalten wurde. Diewald jedenfalls scheint über jeden Verdacht erhaben zu sein, was den - wenigstens passiven - Widerstand angeht, abgesehen von seinem Beitritt in die NSV. Man könnte auch hier von einem notwendigen Übel sprechen, sieht aber an der Schlußhypothese der Gestapo, es könne sich hierbei womöglich um einen Schritt der Annäherung handeln, daß hier bereits die Grenze des passiven Widerstandes (der Nonkonformität also) berührt wird. Diewalds in Bad Soden-Salmünster gehaltenen Vorträge finden sich in einem Tagungsbericht. Es handelt sich inhaltlich um zwei kurze Vorträge über „Das religiöse Spiel“ 167 und die „Kirchenfeiern der Jugend“ 168 . Der erste Vortrag behandelt das Thema der „religiösen Aufführungen“, des Theaterspiels religiöser Inhalte also. Im letzten Abschnitt gibt Diewald einen interessanten 165 S.: 5 f. der Akte Diewald. Stapo II P/ Diewald 8. 2. 1939. 166 S.: 7 der Akte Diewald. Telegramm der Gestapo Düsseldorf Nr. 10991; 1942. 167 Diewald: Das religiöse Spiel. S.: 119 f. 168 Diewald: Kirchenfeiern der Jugend. S.: 121. <?page no="45"?> Die Stellung der Herausgeber zum NS-Regime 35 Hinweis, wie man die Zensurbestimmungen des Reichs-Theatergesetzes umgehen könne: „Einer Zensurpflicht für die Texte unterliegen nur öffentliche Aufführungen, die also jedermann den Eintritt gestatten.“ Wenn dagegen „[g]eschlossene Veranstaltungen der Pfarrgemeinde“ durchgeführt würden, greife die Zensur nicht. Man müsse im Rahmen des Vorverkaufs lediglich genau prüfen, wer zur Pfarrgemeinde gehöre. Außenstehende dürften keine Karten erhalten. Eine Abendkasse sei „nur für geladene Teilnehmer mit Ausweis möglich.“ 169 Im zweiten Vortrag beschäftigt sich Diewald mit der Durchführung von Jugendandachten. Es wird deutlich, wie viel Wert er auf Sprecherziehung, „kraftvolles und geordnetes Sprechen“ legt 170 . Der dritte Vortrag ist ausführlicher und mit „Kirchenlied“ überschrieben 171 . Zum Inhalt: „Vorbemerkung: Das Referat ‚Kirchenlied‘ wurde auf der Tagung in Bad Soden mit entsprechenden vorgesungenen Liedbeispielen als Beweisstücken guter und schlechter Art aus dem heute gebräuchlichen Liederschatz durchsetzt […]. Im Anschluß an das Referat fand für alle Tagungsteilnehmer eine offene Kirchenlied=Singstunde statt, in der alte und neue Lieder als beispielhaftes Liedgut erarbeitet und kritisch erprobt wurden.“ 172 Insgesamt (von dem Hinweis, wie man die Zensur des Reichs-Theatergesetzes umgehen könne, abgesehen), finden sich in Diewalds Vorträgen keine regimekritischen Äußerungen. Georg Thurmairs Gestapoakte ist quantitativ am umfangreichsten. In einer Aktenmappe finden sich mehrere unzusammenhängende und ungeordnete Schriftstücke 173 . Besonders aufschlussreich erscheint ein vierseitiger Personalbogen, der leider nur unvollständig ausgefüllt wurde: „Personalbogen. Personalien des politisch - spionagepolizeilich *) - in Erscheinung getretenen: 1. a) Familienname: […] Thurmair Vornamen: […] Georg 2. Wohnung: (genaue Angabe) Düsseldorf Scharnhorststr. 23 9. 2. 1939 polizeil. nach Recklinghausen, Löhrhoffstr. 10, abgemeldet. 3. a) Deckname: Thomas Klausner […] 169 Diewald: Das religiöse Spiel. S.: 119. 170 Diewald: Kirchenfeiern der Jugend. S.: 121. 171 Diewald: Kirchenlied. S.: 122-125. 172 Diewald: Kirchenlied. S.: 122. 173 Hauptstaatsarchiv Düsseldorf. Bestand: RW 58, Nr. 7336. <?page no="46"?> Entstehung 36 4. Beruf: Sekretär im kathol. Jugendhaus 5. Geburtstag, -jahr 7. 2. 09 Geburtsort: München 6. Glaubensbekenntnis und Abstammung: kathol. 7. Staatsangehörigkeit: Reichsdeutscher […] 11. Politische Einstellung bzw. Funktionen: Massgeblicher Funktionär des Kathol. Jungmännerverbandes, Reichszentrale Düsseldorf. Lehnt Beitritt zur N.S.V. ab. Persönl. Sekr. des Gen. Präs. Wolker d. verbot. K.J.M.V.“ Dieser Personalbogen ist nicht unterschrieben, es fehlen das Datum der Aufnahme, der Name und die Amtsbezeichnung des Aufnehmenden. Am Ende des Bogens findet sich eine Rubrik („Stichwortartige Darstellung des politischen Lebenslaufes: “), die ausführlicher ist. Relevante Passagen sollen nun wiedergegeben werden: „23. 5. 1936: Von P.Ü. wurde Brief unbek. Absenders an Th. aus Offenburg erfaßt, der Stimmungsbild über Zusammenarbeit zwischen Kirche und K.J.M.V. in Offenburg i. B. wiedergibt. […] 26. 8. 1937: Leumundsanfrage der Reichspressekammer Bln. wurde in ungünstigem Sinne beantwortet und Bedenken gegen Aufnahme erhoben. […] 23. 2. 1940: Gg. Thurmair scheidet mit 1. 4. 40 aus Bitterverlagen Recklinghausen aus, um beim Verlag Herder, München, einzutreten. […] 12. 8. 40. Ist an der Ausgestaltung der Glaubensfeiern kath. Jugend massgeblich beteiligt. […] 8. 3. 41: In dem Schulliederbuch ‚Lieder des Volkes - Erbe und Aussaat‘ aus dem Verlag Sam.Lucas, Wupp.Elberfeld, 6. Auflage d. Niederrhein. Liederschatzes, sind folgende Lieder Thurmair’s enthalten: Auf Seite 48/ 49 ‚Alleweil ein wenig lustig‘, ‘ ‘ 92 ‚Herbergssuche‘, ‘ ‘ 148 ‚Schwertlied der Buben‘, ‘ ‘ 190 ‚Wir kommen aus den Städten‘ […] 24. 11. 42: Am 20.11.42 fragte die Stapoleitstelle Münster durch Fernschreiben nach den Personalien des Th. an. Schreiben wurde am 23. 11. 42 durch FS beantwortet. […] 7. 5. 1943: Thurmair befindet sich als Obergefreiter bei der Einheit Feldpost-Nr. 106 30 E im Heeresdienst. […]“ 174 In der Akte (S.: 39) ist die Abschrift eines Berichts des V.-Manns F. Bruck vom 26. Oktober 1939 enthalten, der Einblick in Thurmairs Situation in diesem Jahr gibt. Dort steht: 174 A. a. O. S.: 1-4. <?page no="47"?> Die Stellung der Herausgeber zum NS-Regime 37 „Abschrift. V.-Mann F. Bruck teilt mit: Bericht vom 26. Oktober 1939. Thurmair schrieb an Rick einen Brief, in dem er seine augenblickliche Notlage schildert. Die Arbeit, die bisher von 7 Leuten geschafft wurde, müssten sie jetzt zu zweien verrichten. Er selbst sei jetzt so mittellos, dass er nicht einmal wüsste, wovon er die Lebensmittel und Kohlen bezahlen solle. […] Eine Zeitschrift in dieser Ausstattung kann sich bei einer Auflage von 3000- 4000 Exemplaren einfach nicht selbst tragen, da ein grosser Teil der Abonnenten sich aus jungen Leuten rekrutiert, die Thurmair aus seiner Verbandstätigkeit kennt, denen aber die Bezugsgelder fehlen oder die zur Wehrmacht einberufen sind, ist ein plötzlicher Rückgang der Auflage bezw. erhebliche Schrumpfung der Einnahmen leicht zu erklären. […]“ 175 In der Akte findet sich eine Einschätzung zur politischen Zuverlässigkeit Georg Thurmairs, die der Kreisleiter der NSDAP, Kreisleitung Düsseldorf, am 19. August 1937 verfaßt hat: „Der Angefragte gehört weder einer Gliederung noch einem angeschlossenen Verbande der NSDAP. an. Die Aufforderung, der NSV. als Mitglied beizutreten, lehnte er ab. […] Die politische Zuverlässigkeit wird verneint. Heil Hitler! Der Kreisleiter.“ 176 Ferner findet sich ein Schreiben des Präsidenten der Reichspressekammer in Berlin vom 27. Juli 1937 an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin. Dieses soll nach Düsseldorf weitergeleitet werden. Der Präsident erbittet ein politisches Gutachten: „Betrifft: Politisches Gutachten über Georg T h u r m a i r Düsseldorf, Derendorfer Strasse 1 Auf Grund von § 10 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes vom 1. November 1933 […] habe ich die Zuverlässigkeit und Eignung der Mitglieder meiner Kammer vor ihrer Aufnahme oder in späteren Zweifelsfällen zu prüfen. Zur Durchführung der hierbei anzustellenden Ermittlung bitte ich Sie, mir über die oben genannte Person einen Bericht zuzuleiten, der unter besonderer Berücksichtigung der Aufgabenstellung der katholisch-kirchlichen Presse die Frage beantwortet, ob und - zutreffendenfalls - welche Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die im Betreff bezeichnete Person die für die Ausübung ihrer Tätigkeit innerhalb der deutschen Presse erforderliche politische und moralische Zuverlässigkeit nicht besitzt.“ 177 Die Geheime Staatspolizei/ Staatspolizeistelle Düsseldorf verfaßt die gewünschte Beurteilung (Datierung: 26. 8. 1937, eingegangen in Berlin am 28. 8. 1937): 175 A. a. O. S.: 39. 176 A. a. O. S.: 57. 177 A. a. O. S.: 59. <?page no="48"?> Entstehung 38 „An den Herrn Präsidenten der Reichspressekammer in Berlin […] Bei dem Angefragten handelt es sich um den Sekretär des kathol. Jungmännerverbandes Deutschlands, den ledigen Georg T h u r m a i r, geb. 7. 2. 1909 zu München, der hier, Scharnhorststr. 23, wohnhaft ist und im kathol.Jugendhaus, hier, Derendorfer Str. 1, seine berufliche Tätigkeit ausübt. Thurmair ist in seiner Eigenschaft als Sekretär des Verbandes auch schriftstellerisch tätig. Über seine polit. Zuverlässigkeit ist zu sagen, dass er als Angehöriger einer kathol. Organisation stark unter dem Einfluss des pol. Katholizismus steht. Demzufolge hat er es bis heute abgelehnt, der N.S.V. beizutreten. Ebensowenig ist er Mitglied der N.S.D.A.P. oder anderer N.S. Gliederungen. Auch wenn bei der Tätigkeit des Thurmair die Aufgabenstellung der katholisch-kirchlichen Presse unter besondere Berücksichtigung gezogen wird, so ermangelt seinem Verhalten für die Ausübung seiner Beschäftigung innerhalb der deutschen Presse bedingten Voraussetzung [der Rest des Satzes ist durchgestrichen worden und daher unlesbar]. Ich kann daher die Frage nach der polit.Zuverlässigkeit des Th. solange nicht bejahen, ehe er nicht den guten Willen zu einer Mitarbeit zum Wohle der deutschen Volksgemeinschaft im nationalsozialistischen Staate aufrichtig unter Beweis stellt.“ 178 Thurmairs konsequente ablehnende Haltung dem NS-Regime gegenüber muß besonders hervorgehoben werden. Auch eine Mitgliedschaft in der NSV lehnte er ab, ungeachtet der Schwierigkeiten, die ihm hieraus erwuchsen. Er habe eben nicht einmal „den guten Willen“ dem nationalsozialistischen Staat gegenüber gezeigt, wie in seinem Gutachten zu lesen ist. Als Schriftsteller eine solch negative Beurteilung bezüglich der Reichspressekammer zu erhalten, ist aus heutiger Sicht positiv und ehrenhaft, war für Thurmairs damaliges Wirken und Arbeiten aber äußerst problematisch und schwierig. Insgesamt kann man Thurmair nach Durchsicht der mir zur Verfügung stehenden Akten (Zeitraum: 1936-1942) jedenfalls keinen Vorwurf machen, sich in irgendeiner Weise dem nationalsozialistischen Unrechtsstaat angepaßt zu haben. VII. Die „Stimmen der Jugend“ Bei den „Stimmen der Jugend“ 179 handelt es sich um eine Schallplattenreihe, die seit 1934 im Jugendhaus Düsseldorf in loser Folge erschien. Prälat Wolker sprach hier seine Botschaft zum jungen Volk, nachdem öffentliche Kundgebungen kaum mehr möglich waren. Insgesamt fünf Serien mit jeweils vier Platten waren erschienen. Thurmair und Diewald faßten sogar den Plan, im Vatikan die Stimme des Papstes aufzunehmen und so der deutschen Jugend seine Botschaft zu bringen. Kurz vor der geplanten Schallplattenaufnahme ließ der Heilige Vater den 178 A. a. O. S.: 59 f. 179 Schallplatten des Katholischen Jungmännerverbandes Deutschland, Telefunken GmbH, Auslieferung Jugendhaus Düsseldorf e. V., 1934-1939. <?page no="49"?> Die „Stimmen der Jugend“ 39 Termin absagen; es hieß von offizieller Seite, er müsse sich einer Zahnoperation unterziehen. So wurde die als „Botschaft des Heiligen Vaters Pius XI. an die deutsche katholische Jugend“ verfaßte Ansprache von Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli 180 verlesen und aufgenommen 181 (sechs Platten mit den römischen Aufnahmen 182 ). Prälat Wolker nutzte diese neuen Wege als publizistisches Hilfsmittel, hatten die NS-Behörden doch offensichtlich vergessen, auch Schallplatten zu zensieren. Viele der Schallplatten sind vielseitig verwendbar (und werden noch nach dem Krieg teilweise in der Jugendseelsorge eingesetzt), beispielsweise für die Erarbeitung neuen Liedgutes; die Sprechchöre und Lieder können ferner bei vielen Feierstunden genutzt werden. Sehr begehrt ist die „Deutschlandrede“ Ludwig Wolkers 183 . 1938 erscheint die letzte Serie, sechs Platten mit zwölf neuen und alten Kirchenliedern, einstimmig gesungen mit Orgelbegleitung 184 , die für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse sind, kann man hier doch viele Lieder des Kirchenlied in der von seinen Herausgebern einstudierten Form hören. Dazu schreibt Diewald 1937: „Neuerdings kommt auch der Schallplatte eine nicht unbedeutende Aufgabe bei der Liedverbreitung zu.“ 185 „Billige Schallplatten, die Ende Februar 1938 auslieferbar sind, werden für die wichtigsten Texte die Melodien einstimmig bringen, damit ein einfaches Lehren und Lernen überall möglich ist.“ 186 Diewald spricht also die didaktische Funktion der Schallplatten an, die richtungsweisend für den Gemeindegesang sein sollten. Auf einzigartige Weise spiegeln die Schallplatten Geist und Geschmack der Zeit, also den geistig-geistlichen Kontext der Kirchenlied-Entstehung wider. Die Wolker-Reden, die Art und Weise des Sprechens und Singens, die Frage nach der politischen Brisanz der Inhalte, alle diese Fragen sollen durch die Auswertung entscheidender Platten der Reihe „Stimmen der Jugend“ geklärt werden. 180 Der spätere Papst Pius XII. 181 Dischinger: Schwarzfahrt nach Rom. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 734-736. 182 Bitz: Ein publizistisches Hilfsmittel. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 749. 183 Bitz: Ein publizistisches Hilfsmittel. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 749. 184 Bitz: Ein publizistisches Hilfsmittel. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 750. 185 Diewald: Kirchenlied. S.: 124. 186 Diewald: Kirchenlied. S.: 125. <?page no="50"?> Entstehung 40 Da keine schriftliche Version der Ansprachen existiert, mußte der Verfasser die Schellackplatten im Original als Grundlage wählen und die gesprochenen Texte verschriftlichen 187 . Um dem Leser diese aufwendige Arbeit zu ersparen, werden die entscheidenden Ansprachen in der von mir verschriftlichten Form und als Materialsammlung wiedergegeben. Will man sich allerdings einen authentischen Eindruck von der Wirkung der Platten machen, ist das Anhören unerläßlich, wirken sie doch neben dem reinen Inhalt vor allem durch das Zusammenspiel von Musik, Hintergrundmusik, Sprachmelodie, -gestus, und -pathos. Die dadurch zum Ausdruck kommende Stimmung soll - soweit möglich - ebenfalls im Rahmen der Materialsammlung geschildert werden. Es gilt zu bedenken, daß die Platten undatiert sind. Die erste Serie erschien ab 1934, die letzte 1938, alle anderen also in diesem Zwischenraum. Der Christophorus-Verlag war der erste Buchverlag überhaupt, in dem Schallplatten erschienen. Viele Katholiken hörten durch die Tonträger die Stimmen Eugenio Pacellis und Ludwig Wolkers erstmals 188 . Schepping bezeichnet diese Schallplattenserie als „modernste[n], mediale[n] Schachzug“ der katholischen Jugend gegen die NS-Ideologie 189 , was noch zu prüfen sein wird. Inhaltlich finden sich auf den Schallplatten Ansprachen, meditationsartige Sprechgesänge, Hörbilder und Lieder. Da auch graues und gelbes Singeschiff als Vorlage für die Liedauswahl dienten, sind geistliche und weltlich-volkstümliche Lieder enthalten, wobei letztere im Rahmen dieser Untersuchung vernachlässigt werden. In vielen Fällen konnten, bedingt durch den geringen auf einer Schellackplatte zur Verfügung stehenden Platz, nur einzelne Liedstrophen eingespielt werden. Die Rubrik „Bekenntnis“ aus dem grauen Singeschiff ist zahlenmäßig überrepräsentiert. Die Schallplatte Nr. 20304 gibt das rhythmisch-beschwingte Jungscharlied „Wir sind dein Jungvolk, Herr und Gott“ (Thurmair, Lohmann 1934) und den Kanon „Laßt uns Christi Heerbann sein“ (Thurmair, Lohmann) 190 wieder, zwei Lieder voll kämpferischen Charakters, in denen der Kampf der Guten gegen die Bösen und die bedingungslose Weihe an den Feldherrn Christus und sein Kreuzpanier beschrieben wird. „Wir sind dein Jungvolk, Herr und Gott, auf ewig dir verschworen. Wir fürchten Teufel nicht und Spott, weil du uns auserkoren. 187 Die Schallplattensammlung „Stimmen der Jugend“ findet sich im Institut für musikalische Volkskunde in Köln. Dort ermöglichte mir Prof. Dr. Schepping das Überspielen auf Kassette. 188 Maier: Fünfzig Jahre Christophorus-Verlag. S.: 10. 189 Schepping: Das Lied als Corpus delicti. S.: 129. 190 Das graue Singeschiff, 129. <?page no="51"?> Die „Stimmen der Jugend“ 41 Wir wollen treu dem Banner sein, Soldaten deiner Kriege, und wollen uns dem Zeichen weihn, dem Kreuz, im Leid und Siege.“ 191 Auf der B-Seite befindet sich das Lied „Wir stehn im Kampfe und im Streit“, Strophen eins und fünf, das auch im Kirchenlied steht (Besprechung des Liedes unten). Die Gesänge, von einem zahlenmäßig großen Chor eingesungen, sind einstimmig und werden mit der Orgel begleitet, eine kurze Orgelintonation geht stets voran. Das letzte Lied wird in einem sehr getragenen Tempo gesungen, neben Chor und Orgel wirkt eine Trompete mit, die die Singstimme spielt. Die Lieder wirken durch die Vielzahl der mitwirkenden Sänger und deren Fortissimo sehr gewaltig. Die Trompete wirkt wie ein Kampfsignal und unterstreicht den kriegerischen Charakter nachdrücklich. Nr. 20308 beinhaltet das Lied „Auf bleibet treu“ (1. Strophe), einen Klassiker des deutschen Nationalismus, Besetzung: Chor und Orgel, marschierender Rhythmus (Ernst Moritz Arndt, Lohmann) 192 . Nr. 20307: „Das Fahnenlied“, 1. und 4. Strophe, (Thurmair, Lohmann 1934) 193 wird zusätzlich mit Trompete und Trommeln untermalt; letztere werden ja auch im Lied explizit genannt. Es folgen das „Schwertlied der Buben“ (Thurmair, Lohmann 1934) 194 und „Wach auf, du deutsches Land“ (Johann Walther 1561) 195 . Gerade das vorletzte Lied wird in Sprache und Vertonung vom Kampfgeist beherrscht: „[1.] Wenn die Buben Schwerter tragen, heben kühne Taten an, denn wo Ängstliche verzagen, wächst der Mutige zum Mann.“ „[4.] Wenn die Buben Schlachten schlagen, wird der Himmel feuerrot, denn die Schilde, die sie tragen, sind ihr Sieg und sind ihr Tod.“ Deutlich fühlt man sich an die Gedichte der Freiheitskämpfer im Zeitalter der nationalen Erhebung gegen Napoleon erinnert, in denen gerade die Jünglinge zum Kampf gegen die Unterdrücker aufgerufen werden, an dessen Ende nur Sieg oder Tod stehen kann. Auch das kriegerisch-aggressive und archaische Vokabular („Schilde“ und „Schwerter“) ist unübersehbar. 191 Das graue Singeschiff, 125. 192 Das graue Singeschiff, 117. 193 Das graue Singeschiff, 124. 194 Das graue Singeschiff, 126. 195 Das graue Singeschiff, 113. <?page no="52"?> Entstehung 42 Statt der Orgelbegleitung finden sich hier Klavier, Streicher, dumpfe Trommeln und die Traversflöte, welche die Melodiestimme arkanthusartig arabeskenhaft umschwebt. Wir erinnern uns, daß die Bläser und Pfeifer eine lange Tradition hinsichtlich der musikalischen Begleitung einer Truppe besitzen. Nr. 20305 wird durch „Lobe den Herren“ (eine Strophe) eröffnet. Man bemerkt sofort, wie viel Wert auf eine (über-) deutliche Sprache, eine getragene Vortragsart von mäßigem Tempo und deutliche Zäsuren gelegt wird. Es folgt ein Sprechgesang, „Domlied“. Dieser wirkt geheimnisvoll-mystisch; im Hintergrund wird er von dezenten Orgelklängen umrahmt. Eine Gruppe von Sprechern (Frauen und Männern) trägt den Text theatralisch-pathetisch vor und wechselt die Tonhöhe und Lautstärke je nach Sinngehalt des Textes, der von der Erbauung eines schönen und mächtigen Hauses für den Herrn, den König und Gott, handelt. Es folgt das Lied „Wir bauen eine Straße“ (Josef Bauer, Lohmann 1934) 196 , Strophen 1 und 4 in sehr langsamem Tempo, begleitet von zwei dumpfen Pauken, mit gleichförmigem Rhythmus. Das Lied „Die Schönste von allen“ (1. Strophe) eröffnet Nr. 20306, die dem Marienlob gewidmet ist. Es folgt ein „Marienhymnus“ aus der Feder Thurmairs, diesmal ohne instrumentalen Hintergrund, gleichwohl aber von einer Vielzahl von Sprechern effektvoll vorgetragen, wobei die Tonhöhe des Sprechgesanges gegen Ende hin um zwei Töne ansteigt. Inhaltlich wird die Gottesmutter um ihren Schutz gebeten. Beschlossen wird die Schallplatte durch „O Königin, mildreiche Frau“ (Strophen eins und zwei); Wechsel zwischen Vorsängergruppe und Tutti-Einsatz, ein zarter und doch gewaltigflehender Ruf zur allerseligsten Jungfrau. Eine der kämpferischsten Schallplatten stellt Nr. 20309 dar. Zunächst folgt eine Strophe des „Uns rufet die Stunde“ 197 im markanten Rhythmus der vielen punktierten Viertel-Noten unter Einsatz der Trompete. Daran schließt sich eine Ansprache Ludwig Wolkers an, im feierlichen, erhabenen Stil vorgetragen, die das Thema des Liedes aufnimmt: „Freunde, Ihr hörtet den Weckruf des Liedes: ‚Uns rufet die Stunde, uns dränget die Zeit. Zu Wächtern, zu Rittern hat Gott uns geweiht. Zum Trotzen und Tragen, zum Ringen und Wagen, so stehn unsre Scharen bereit‘. Jungen, wozu unser Trotzen und Tragen, unser Ringen und Wagen, worum geht es? Es geht um jeden einzelnen von uns, ja, jeder der unseren ist ein Wagnis hinein in die Welt, es geht um unseren Bund, den Bund des Christusbanners; ja, er ist ein trutziges Wagnis hinein in unsere Zeit, aber es geht noch um mehr: Es geht um ein Volk, um ein Reich und es geht um Gott in diesem Volk und Reich. Darum steht Christi Name auf unseren Bannern, darum ist Christkönig uns Führer und Panier, darum unser Feldgeschrei für ihn und mit ihm und in ihm für Christi Reich in einem neuen Deutschland, dahin geht unser Kampf- 196 Das graue Singeschiff, 101. 197 Das graue Singeschiff, 123; Kirchenlied, Nr. 82. <?page no="53"?> Die „Stimmen der Jugend“ 43 ruf. Und gegen wen geht der Kampf? Kein Rasten, kein Stehen im Stürmen zu den Höhen! Er geht nicht, und das sollen alle wissen, er geht nicht gegen unsere Brüder im Volk. Wir wollen im jungen deutschen Volk eins sein, eins werden mehr als je die Väter waren, denn wir sind eines Blutes und eines Stammes und eine Aufgabe ist uns von Gott gegeben für unser Volk. Seit’ an Seit’ mit allen deutschen Volksgenossen wollen wir schaffen und kämpfen für die Einheit und Ehre und Kraft und Größe des Reiches der Deutschen. Wer anderes sagt, ist ein Fant und wer es wagt, darüber zu lachen, der lacht das Lachen des Teufels. Unser Kampf geht nicht gegen unsere Brüder im Volk, ihnen die Hand zum Gruß! “ Fortsetzung auf Nr. 20310: „Unser Kampf geht vielmehr - und das mit unerbittlicher Klarheit und unerschütterlicher Kraft gegen alles, was unsere Seele und die Seele unseres Volkes im tiefsten verderben will; gegen alles, was sich Christo entgegenstellt und seinem Reich in uns und um uns, vor uns und hinter unserem Rücken. Sein Reich aber ist ein Reich der Wahrheit und der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens. Daß dieses Reich komme zu uns und zu unserem Volk, das will unser Kämpfen und Wagen. Darum stehen wir gegen die Lüge und stehen gegen den Haß und stehen gegen alle Beugung des Rechts und alle Knechtung der Freiheit. Zuallererst aber laßt uns den Feind in uns selbst besiegen, bis wir ganz Christo gehören in reinem Gewissen und heilig starkem Wollen, und den ganzen Christen dann, den wollen wir einsetzen, einsetzen mit allem deutschen Kampfgeist für unser Volk und in unserem Volk. Dazu schärft Euren Blick, stählt Euren Willen und entflammt Euer Herz. Dazu schult Euren Geist, übt Eure Kraft und rüstet Eure Waffen! Dazu reicht Euch die Hand, schließet den Bund und haltet die Treue! Über allem aber und trotz allem bewahrt Euch ein fröhliches Herze, Ihr jungen katholischen Deutschen! Du, Christus-Jugend! Wo er mit uns ist, wer sollte wider uns sein? Bewahrt Euch ein fröhliches Herze, das lachen und singen kann und so laßt uns singend kämpfen und kämpfend siegen wie die Blutzeugen einst des römischen Kolosseums im Kampf ums Gottesreich! Singend kämpfen und kämpfend siegen wie in unseren Tagen die Helden von Langemarck im Kampf um deutsche Ehre. ‚Christkönig, dein Jungvolk steht treu auf der Wacht, wir tragen dein Licht gegen Nebel und Nacht. Herr segne die Reihen, die freudig sich weihen dir, König der ewigen Macht.‘ Heil! [Die Jugend antwortet: ] Heil! “ Das Zitat Wolkers aufnehmend, erklingt nun die 3. Strophe des „Uns rufet die Stunde“. Diese Ansprache kann nicht unkommentiert bleiben: Wenn man sie zum ersten Mal hört, ist man sowohl hinsichtlich des Inhaltes, des verwendeten Vokabulars und der Art und Weise des Vortrags zunächst mißtrauisch. Die Nähe zum NS-Sprachgebrauch ist unverkennbar und man fragt sich, ob überhaupt ein Unterschied bestehe. Besonders befremdlich wirkt auf den heutigen Hörer die pathetische und stellenweise aggressive Art des Vortrages, die aber in der damaligen Zeit verbreitet war - und das nicht nur in NS-Kreisen. Auch einige „Vokabeln“ <?page no="54"?> Entstehung 44 wirken aus heutiger Sicht verdächtig, etwa die aggressiven Kriegsbegriffe, die „Banner“, „Paniere“ und kämpfenden „Ritter“, das „Feldgeschrei“, der „deutsche Kampfgeist“ u. s. w. Es finden sich auch sehr viele völkische Begriffe, die im NS-Jargon laufend vorkommen, so beispielsweise „ein Volk“, „ein Reich“, der Begriff des „Führers“, ein „neues Deutschland“, „eines Blutes und eines Stammes“, „deutsche Volksgenossen“. Besonders erschreckend wirkt der Gruß „Heil“, den die Jugendlichen im Chor kräftig wiederholen. Wo liegt nun der Unterschied zur NS-Ideologie? Man könnte entgegnen (und viele Zeitzeugen argumentieren so), daß das eben der Sprachgebrauch der Zeit gewesen sei, den man lediglich beibehalten, aber andere Ziele verfolgt habe. Schließlich handle es sich bei dem angestrebten „neuen Reich“ um das Reich Jesu Christi, nicht das Hitlers. Aber können diese Rechtfertigungsversuche überzeugen? M. E. nicht; mir drängt sich vielmehr der Eindruck auf, daß Wolker allen Deutschen zeigen will, wie deutsch gerade seine katholische Jugend ist und man ihr Unrecht tue, wenn man sie verfolge. Schließlich wolle man mit allen Deutschen zusammen für „Einheit und Ehre und Kraft und Größe des Reiches“ eintreten. Ich sehe in diesem Text nicht, daß Wolker sich gegen die NS-Diktatur und ihre Ideologie generell wendet, sondern nur gegen den Vorwurf, man sei Deutschlands Feind. Daß das Reich Christi unvereinbar mit dem Reich der NS-Machthaber ist, kommt nach meiner Einschätzung nicht zum Ausdruck. Nr. 50152 beginnt mit dem Michaelslied „Unüberwindlich starker Held“ 198 , erste und sechste Strophe, zusätzlich mit volltönender Streicherbegleitung instrumentiert. Es folgen beide Strophen der von Thurmair und Lohmann 1934 geschaffenen „Bannerweihe“, „Das Banner ist dem Herrn geweiht“ 199 , unterstützt von klaren, strahlenden und beschwingten Fanfarenklängen. Auch die Schallplatten der Nummern 50140 und 50141 sind dem Marienlob gewidmet. Auf ihnen findet sich vor allem eine weitere flammende Wolkerrede, die eine Andacht in Altenberg thematisiert: „[Die ersten Sätze Wolkers werden effektvoll von leiser Orgelmusik, den ersten Takten des „Meerstern, ich dich grüße“, begleitet, die die Ansprache in eine Sphäre des Sakralen, fast nicht mehr Diesseitigen zu rücken versteht. Wolker spricht sehr langsam und voll inbrünstiger Verzückung] Ave Maria - nächtliches Dunkel liegt über dem Waldtal von Altenberge, mächtig ragt auf der ‚Bergische Dom‘, drinnen aber in der heiligen Halle vor dem Bild der Madonna, wo die zwei Lichter flackernd brennen und leuchten, leuchten in das lächelnde Antlitz der Mutter mit dem göttlichen Kind, da kniet eine Schar Jungen im Kreis. Der Vorbeter hebt an und hell und stark klingt es aus dem Mund der jungen Beter zu ihr hinauf und weiter durch das geheimnisvolle Dunkel des Raums in unendliche Fernen: ‚Ave Maria! ‘ Und sie beten das erste Ave für unser Jugendreich, daß sie Königin sei im Reich der Jugend, die Gnadenvolle, die Gnadenvermittlerin. Ihr weihen wir unser Herz, ihr weihen wir unsere Brüder, ihr 198 Das graue Singeschiff, 13, Kirchenlied, Nr. 101. 199 Das graue Singeschiff, 127, Kirchenlied, Nr. 83. <?page no="55"?> Die „Stimmen der Jugend“ 45 weihen wir unser Werk. Unter ihren Schutz stellen wir unsere Jungschar, daß sie weiter so tapfer und so frohgemut voranstürme, unter ihren Schutz unsere Jungenschaft, daß sie rein aufblühe und stark aufwachse zu echter Marienritterschaft, unter ihren Schutz unsere junge Mannschaft, daß sie stehe und siegreich bestehe im Kampf um Christi Reich. Sancta Maria, ora pro nobis! Und sie beten das zweite Ave Maria für unser deutsches Volk und Vaterland, auf daß Deutschland, das einst unserer Lieben Frau die schönsten Dome gebaut, die schönsten Lieder gesungen, die schönsten Bildwerke geschaffen, daß dies unser Deutschland durch die Fürbitte der Gottesmutter wieder Gottes Land werde, daß es allem äußeren und inneren Feind trotzend sich behaupte in Ehre und Kraft und Wohlfahrt, daß es in der Einheit des Christenglaubens den Frieden finde durch die Königin des Friedens, daß die Sünde der Lüge, die Sünde des Hasses, die Sünde der Gewalt ausgetilgt werde in unserem Volk und Wahrheit werde und Liebe und Freiheit in Gott! Mater Dei, ora pro nobis […]. Und sie beten das dritte Ave Maria für die Ausbreitung des Reiches Christi auf Erden, ja, daß Christi Reich komme zu den Völkern Europas, daß Unio, Einheit werde zwischen der Kirche des Westens und der Kirche des Ostens, daß das Gottesreich weiterwachse über den Erdkreis zu allen Heidenvölkern, auf daß ein Hirt werde und eine Herde. So beten die jungen Beter mit dem Papst und den Bischöfen und der ganzen betenden Kirche: [mit emphatischer, fast hymnischer Begeisterungssprache: ] Adveniat regnum tuum, zu uns komme dein Reich! Gloria, gloria tua, Herrlichkeit Gottes in Ewigkeit! […]“ „[…] So klingt hoffnungsvoll über die Stunde alles Dunkels das heilige Singen einer Jugend […]. Brüder im Reich, wo immer Ihr steht, stimmt ein in dies marianische Beten und Singen! Ob aus den Tiefen der Kohlenschächte oder hoch von den Almen der Berge, ob in der Runde des Heims oder im festlichen Saal, ob in der stillen Kammer daheim oder auf fröhlicher Fahrt, stimmt ein in dies Singen und Beten! […] Entzündet die Herzen, [die Melodie des „Meerstern“ im Hintergrund, die Sprache wird immer inbrünstiger und feierlicher] entzündet die Herzen! Laßt es durch alle Gaue und über alle Weiten klingen und betend singen: Ave Maria, Ave Maria, Ave Maria! “ Es folgt das „Meerstern, ich Dich grüße“ 200 (1. und 9. Strophe) mit Chor, Orgel und Streichern. Nr. 50144 wird von „Himmelsau, licht und blau“ 201 (1., 4. und 7. Strophe) eröffnet. Die erste Zeile jeder Strophe wird zart und anmutig von einer Schola gesungen, es folgt die gewaltige Antwort des Chores, der begeisterte Lobpreis des Allerheiligsten Altarsakramentes. Im Anschluß folgt das „Der lieben Sonne Licht und Pracht“ 202 (1. Strophe), mit sehr getragener Geschwindigkeit. Nr. 50145 bereitet den Letzten Dingen Raum. Das „Ach wie nichtig, ach wie flüchtig“ 203 gehört zu dieser Themengruppe (Strophen 1 und 2). Das 200 Kirchenlied, Nr. 95. 201 Das graue Singeschiff, 11. 202 Das graue Singeschiff, 136, Kirchenlied, Nr. 124. 203 Das graue Singeschiff, 18, Kirchenlied, Nr. 130. <?page no="56"?> Entstehung 46 Tempo ist getragen, jedoch schneller als im letzten Lied, um die Schnelligkeit der Vanitas zu unterstreichen. Nun wird das „Wir sind nur Gast auf Erden“ 204 mit den Strophen 1, 2, 4 und 5 zum Erklingen gebracht, zart, sanft, mit weicher Legatoführung, äußerst langsam (Orgel, Chor, diesmal sogar zweistimmig und Streicher). Die Nummern 50142 und 50143 sind überschrieben mit „Unsere liebe Frau von Altenberg. Eine Marienfeier im Altenberger Dom, 1. Teil [bzw.: ] 2. Teil“, die uns eine gute Möglichkeit bietet, die in Altenberg abgehaltenen Feierstunden der Jugend mitzuerleben. Die Andacht wird durch das altehrwürdige „Salve Regina“ Hermanns des Lahmen von der Reichenau eröffnet. Besonders innig erklingt das Lob an die „dulcis virgo Maria“. Sodann hebt ein nicht zu identifizierender Sprecher mit der sprechgesangartigen Rezitation der dritten Strophe des „Altenberger Wallfahrtsliedes“ (Thurmair, Diewald) an 205 . Ab „Du Mutter und du Königin“ setzt hintergrundartig die Orgel ein. Es folgt das „Es blühn drei Rosen auf einem Zweig“ (1. Strophe), eingeleitet von einer Schola, zart und innig, während der Chor die Anrufungen an die Gottesgebärerin laut und gewaltig, fast ungestüm singt. Nun folgt ein anrührender, gefühlvoller Sprechgesang, im Hintergrund Orgelmusik. Die einzelnen Worte werden sehr langsam und überdeutlich ausgesprochen, mit Pausen zwischen jedem Wort, die fast an die Sorgfalt des zelebrierenden Priesters am Altare während der geflüsterten Wandlungsworte ab dem „Accipite“ erinnern. Es handelt sich um Anklänge an die Lauretanische Litanei mit wunderschönen Ergänzungen: „[Männerstimme, volltönend und gefühlvoll: ] Nun hebet an ein Singen, das durch die Himmel zieht, singt um die Gnadenvolle das freudenreiche Lied! [Frauenstimme, hell und klar: ] Wir preisen dich, Pforte des Himmels, du liebliche Mutter des Herrn, Ursprung unserer Freude, du schöner Morgenstern, hebt an den Kranz der Freude um unsre Liebe Frau, du Lilie im Tale, du Rose, Mond und Tau. Du Mutter der göttlichen Gnade, des Himmels Königin, du Mutter des guten Rates, getreue Trösterin. Es fliegen die braunen Immen, solange die Erde noch blüht und sammeln der Lichter Leben, daraus dein Lob erblüht. [Männerstimme, wird immer lauter und höher, in ekstatischer Verzückung: ] Du bist die goldene Wabe aus Blüte, Frucht und Tau, der Wiesen Morgengabe, viel liebe hohe Frau. Du bist das Wachs, vergehend im Opfer unbewegt, du bist die Königskerze, die Gottes Flamme trägt, wir Wächter an deinem Altare, o segne uns, sende uns aus, du große Unwandelbare, [mehrere Sprecher jubeln auf: ] Turm Davids, goldenes Haus, breit um uns deinen Mantel, Schirmherrin du im Sturm, geheimnisvolle Rose, du elfenbeinerner Turm. [Der männliche Sprecher allein: ] Du Turm mit den silbernen Glocken, du wirst in den Stürmen stehn und über den Zeiten singen: Wir werden nicht untergehn! 204 Kirchenlied, Nr. 129. 205 Kirchenlied, Nr. 96. <?page no="57"?> Die „Stimmen der Jugend“ 47 [Gruppe: ] Wir werden die Meere befahren, die dunkel voll Unruh’ sind, umlauert von feindlichen Scharen, wir warten auf Sonne und Wind. [Sprecher: ] Es wehn deine weißen Banner über den Fährnissen fern, [Gruppe: ] du Königin des Friedens, du schöner Morgenstern.“ Eine geheimnisvolle Stimmung stellt sich während des Anhörens dieser Schallplatte ein. Auf den Nummern 50140 und 50141 ist die berühmte „Deutschland-Ansprache“ Ludwig Wolkers erhalten: „Deutschland, du Hort voll Sinn und Geheimnis, Licht und Dunkel, voll Gefahr und voll Hoffnung, Deutschland, was ist Deutschland? Es ist das deutsche Land, das große weite Land in der reichen Fülle seiner Landschaft, das Land mit den großen Städten und hohen Domen und rauchumlohten Fabriken, das Land mit den kleinen Städten romantischer Vergangenheit und den Vorstädten neuer Siedlung und Sachlichkeit, das Land mit den ernsten Bauernschaften des Nordens, den fröhlichen Dörfern und Kirchen des Südens, das Land der Buchen und der Eichen, des Schneeglöckleins und des Vergißmeinnicht, das Land der Wolken und Wetter, der Seen und Sümpfe, Äcker und Fluren, Heide und Höhen von Berg zu Meer, das ist Deutschland, unser Deutschland. Was ist Deutschland? Es ist der deutsche Staat, das Reich, das neu gebaut werden will aus deutschem Blut und Boden, Willen und Wesen, der deutsche Staat der Gegenwart, an einem Höhepunkt innerer Spannung und Entladung, mitten im Brennpunkt des Zeitgeschehens und Kräfte des Aufgangs und Niedergangs ringen ineinander, werdendes Reich, das ist Deutschland, unser Deutschland. Was ist Deutschland? Es ist das deutsche Volk, das Volk der deutschen Stämme in der Vielfalt ihrer Art und Begabung, das Volk in allen seinen sozialen Schichtungen und religiösen Gliederungen, unser Volk in seiner schicksalhaften Zwietracht und seiner ewigen Sehnsucht nach Einheit, das ist Deutschland, das deutsche Volk im Reichtum seiner Sprache und schöpferischen Kunst, in der Kraft seiner Arbeit und Leistung, in der Lust seines Lachens und in dem Schluchzen seines Leids, das ist Deutschland und alle Deutschen zusammen und jeder einzelne aus ihnen, auch der Ärmste der Brüder und auch der verlorene Sohn, die alle sind Deutschland, unser Deutschland. Was ist Deutschland? Es ist der deutsche Geist, die deutsche Seele, widerspruchsvoll wie das deutsche Schicksal, wechselvoll wie die deutsche Landschaft, unruhvoll wie die Witterung seiner Jahreszeiten. Es weht etwas in ihm vom Dunkel seiner Wälder und vom Sturm seiner Wetter, tiefes Gemüt, hochstrebender Geist und brutaler Gewaltwille, der alte Heide und der junge Christ, sie leben in seiner Seele, Götterdämmerung ist noch immer! Kräfte aus der Tiefe schlagen wider die Tore des Himmels, rütteln an Bindungen letzter Menschheitsgesetze! Und doch, in der Gnade der Taufe eine unstillbare Sehnsucht hin zur Wahrheit, zum ewigen Gott und den er gesandt hat, zum Heliand, Christus. Dieses deutsche Land, dieser deutsche Staat, dieses deutsche Volk, diese deutsche Seele, das ist Deutschland und es ist unser Deutschland. Ja, es ist unser Deutschland, auch unser, die wir das Christusbanner führen und Junge Kirche heißen, nichts und niemand kann uns den deutschen Namen, kann uns die deutsche Ehre nehmen, nicht Schmähung und Gewalt, denn dieser Name und diese Ehre, sie sind in uns und nicht außer uns und nichts und niemand kann unsere deutsche Treue brechen, kein Feind von außen und kein Zorn von innen, denn unsere <?page no="58"?> Entstehung 48 Treue wurzelt im innersten Wesen und im Willen des Herrn. Ihr aber, Christusjugend, Brüder im Volk, macht Euch dies Land, dem Ihr dienen wollt, erst recht zu eigen, ganz innerlich zu eigen, erwandert Euch Deutschland, das weite herrliche Land von Nord nach Süd und in alle Gaue, springt in seine Flüsse und Seen, durchstreift seine Wälder und Fluren, lacht in seiner Sonne und trotzt seinen Wettern und erspüret Euch Deutschland in seiner Sage und Geschichte, in seiner Dichtung und am Herzen seines Volks. Nicht, was in der Massenkündung einer Presse des Tags geschrieben steht, ist Deutschland, was im Herzen des Volks geschrieben steht, was darin offenbar ward, das ist Deutschland. Erarbeitet Euch Deutschland mit jedem Hammerschlag, mit jedem Federzug, mit jedem Acker [der zweite Teil dieses Wortes ist nicht zu verstehen], den ihr in echter Pflichterfüllung tut, im Dienst am Volk erarbeitet Ihr Euch ein neues Stück Deutschland. Brüder, stellt Euch ein, stemmt Euch ein in das Werk der deutschen Arbeit; schließlich und auf die Dauer wird darin immer die größere Kraft und die bessere Leistung entscheiden. Erkämpft Euch Deutschland, wie unsere Väter im großen Krieg für uns Deutschland erkämpft haben. So erkämpft Ihr Euch dies unser Deutschland im geistigen Ringen um das Höchste, erkämpft es Euch im unbeugsamen Willen. Erbaut Euch Deutschland, erbaut es in der Zelle Eurer Gruppe, erbaut es in einer reinen und starken Familie, erbaut es, indem Ihr Euch hineinstellt in die Gemeinschaft der Bauenden, in den Gemeinden, den Ländern und im Staat und erobert Euch Deutschland, indem Ihr die Herzen erobert durch Euer Sein, durch Euer Wort, Eure tägliche Tat, wahrhaft und gut, stark und rein, froh und frei: ‚Nun sind Gesichter unsre Fahnen, nun sind die Leiber unser Schaft‘. Und endlich, erbetet Euch Deutschland. Deutschland braucht das Heer seiner Kämpfer, es braucht auch ein Heer der Beter. Je mehr derer sind in unserem Volk, die Gottes vergessen, desto feuriger wollen wir Tag um Tag, ja Stunde um Stunde unser Bitten für Führer und Volk vor ihn tragen. Es geht um Letztes und Höchstes in unserem Volk. Brüder, betet ohne Unterlaß! Deutschland, unser Deutschland, wir nehmen es als unser Erbe und als unsere Aufgabe, als unser Schicksal und als unsere Sendung, wir umfassen es mit der ganzen Glut der Seele und rufen: Alles für Deutschland! Deutschland für Christus! Heil! “ Diese berühmte und interessante Rede soll ebenfalls kommentiert werden. Meiner Meinung nach ist sie noch aufschlußreicher als die erste oben stehende, was die Gesinnung Wolkers betrifft. Er versucht wiederum, so verstehe ich jedenfalls diese Rede, aller Welt zu zeigen, daß die katholische Jugend Deutschland positiv gegenübersteht. Sie sei Teil Deutschlands, (deutscher als die meisten anderen Deutschen, möchte man hinzusetzen), denn schließlich bilde sie „ein Heer der Beter“ und trage ihre Bitten für Führer und Volk vor Gott! War in der oben stehenden Rede noch Christus als Führer angesprochen worden, so zeigt in dieser Rede der Kontext zweifelsfrei, daß Wolker Adolf Hitler meint, für den die katholische Jugend bete! Wolkers Rede ist rhetorisch durchkomponiert: viele eindrucksvolle Metaphern, eingängige Sätze mit häufig vorkommenden Parallelismen, rhetorischen Fragen, Repetitionen und Alliterationen. Inhaltlich fällt sofort auf, daß die Besonderheit und Auserwähltheit Deutschlands bekräftigt wird (z. B. „schicksalhafte Zwietracht“, „ewige Sehnsucht“, „im Reichtum seiner Spra- <?page no="59"?> Die „Stimmen der Jugend“ 49 che und schöpferischen Kunst“). Wir wissen heute, wie katastrophal dieser Glaube an Besonderheit und Überlegenheit war. Auch die in der nationalsozialistischen Ideologie gerne gebrauchten Phrasen „der deutsche Staat, das Reich, das neu gebaut werden will aus deutschem Blut und Boden“, „Kräfte des Aufgangs und Niedergangs ringen ineinander“, „das deutsche Schicksal“ und der Sendungsbegriff, finden sich im Text. Die Rede zeichnet sich insgesamt durch die Beschwörung des Wir-Geistes aus: Alle sozialen Schichten gehörten zu Deutschland, aber eben auch die katholische Jugend. Wolker wehrt sich gegen die Meinung, die katholische Jugend sei anti-deutsch gesinnt und müsse daher ausgeschlossen werden: „nichts und niemand kann uns den deutschen Namen, kann uns die deutsche Ehre nehmen“. Kann man für Hitler beten? Kann man sich in seiner Ehre gekränkt fühlen, wenn die Machthaber des NS-Unrechtsstaates sagen, man gehöre nicht dazu? Oder hätte man dies nicht vielmehr als Ehre und Auszeichnung empfinden müssen? Die Wolker-Ansprache jedenfalls wurde durchweg positiv von den damaligen Rezipienten (der katholischen Jugend) aufgenommen. Sie konnten sich offenbar mit dem Inhalt identifizieren. Als Widerstand kann man diese Haltung, nüchtern betrachtet, wohl nicht bezeichnen. Zwar ruft Wolker am Ende „Deutschland für Christus“, jedoch wird man sagen müssen, daß es nicht möglich ist, gleichzeitig zum NS- Deutschland und zum „Christus-Deutschland“ gehören zu wollen. Georg Pahlke weist darauf hin, „wie positiv auch in katholischen Jugendkreisen die Einstellung zum Nationalsozialismus und zum Soldatentum“ war. An einer grundsätzlich positiven Einstellung zum soldatischen Ideal des „Dritten Reiches“ sei am Vorabend des Zweiten Weltkrieges bei weiten Teilen der katholischen Jugend nicht zu zweifeln gewesen 206 , eine Haltung, die Wolker durch derartige Reden unterstützte. In diesem Zusammenhang sind auch die Ausführungen Christel Beilmanns interessant, die auf ihre eigene Zeit in der „Jungen Kirche“ während der NS-Zeit zurückblickt (so problematisch Rückblicke nach 1945 sonst oft sein mögen) und diese aus heutiger Sicht mit kritischer Distanz betrachtet: „Das Dritte Reich besetzte die Begriffe Volk, Vaterland, Deutschland und fügte diesen hinzu: Volksgemeinschaft, Germanentum, Herrenrasse. Deutschland, Volk und Vaterland ließen wir uns nicht nehmen […]. Wir hatten das Bedürfnis, aller Welt und den Nationalsozialisten zu zeigen, daß wir die besseren […] Deutschen waren, Gründer und Hüter des Reiches. […] Die Nationalsozialisten behaupteten, das Christentum sei eine aus dem Judentum stammende, darum artfremde Religion. Wir empfanden das als bösartige Diskriminierung […]. Wir wurden immer deutscher, gehört auch zur Beschreibung unseres Reiches dem Dritten Reich gegenüber, es mußte mindestens so deutsch sein wie dieses. Unvermerkt 206 Pahlke, Georg: Trotz Verbot nicht tot. S.: 260. <?page no="60"?> Entstehung 50 darf nicht bleiben, daß beide Reiche auch Ähnlichkeiten hatten: Strukturen und Verhaltensweisen. Es gab bei uns auch Führer […]. Wir hatten Aufmärsche, Kundgebungen mit Fahnen und Bannern, Trommeln und Fanfaren, mit Treueschwüren und Bekenntnisliedern. Führerkult (Bischöfe, […] Wolker) und Massenfaszination […]“ 207 . Dieser Text gewährt einen Einblick in das Denken vieler junger Katholiken und fügt sich gut in das durch die Schallplatten vermittelte Bild ein. Die Schallplatte der Nr. 50650 ist mit „Ein neues Reich geht uns herein“ überschrieben. Für diese Arbeit besonders interessant dürfte die erste Strophe eines hier aufgezeichneten Liedes sein: „Sternsingen“ 208 (aus Oberbayern): „Die heilgen drei König mit ihrigem Stern, die kommen gegangen, ihr Frauen und Herrn. Der Stern gab ihnen den Schein, Ein neues Reich geht uns herein.“ Die Schallplatten der folgenden Nummern enthalten verschiedene Weihnachtslieder, wobei sich einige auch im Kirchenlied wiederfinden (Nr. 50650: „Lobt Gott, ihr Christen“ 209 , 1. und 3. Strophe; Nr. 50649: „Es ist ein Ros entsprungen“ 210 , 1. Strophe; Nr. 50657: „Und Unsrer Lieben Frauen“, 3. Strophe; Nr. 50653). Eine genauere Betrachtung verdienen die Nummern 50651 und 50652. Auf der ersten Schallplatte findet sich das Lied „Der Satan löscht die Lichter aus“ 211 , 1. und 2. Strophe. Die Orgel begleitet diesen eindrücklichen einstimmigen Chorgesang mit dunklen und weichen Flötenstimmen. Man hat den Eindruck, es handle sich um eines der „Urlieder“. Das Tempo ist äußerst langsam, der Gesang mittellaut. Der fast schon schleppende Rhythmus, die Gleichförmigkeit der langen Viertelnoten-Strecken wirken beinahe resignativ-fatalistisch, was die Handlungsmöglichkeiten der Menschen angeht: Angesichts der satanischen Übel können die Menschen nichts tun und sind einzig auf das Kommen Christi angewiesen. Leider fehlt die dritte Strophe in der Einspielung, in der besonders nachhaltig das Kommen des Herrn erfleht wird; vielleicht wäre hier eine hoffnungsvolle Wendung im Gesang zu beobachten gewesen. Der Eindruck drängt sich auf, man befände sich in einem dunklen romanischen Dom, in dem die Altäre fastenzeitlich verhüllt und ihres Schmuckes beraubt sind. Das Lied wirkt wie ein Requiemsgesang. Es folgt ein gesprochener Text: „Hebet zum Himmel die dunklen Gesichter und bittet den Herrn um das heilige Licht [die Stimme wird sprechgesangartig, Orgelmusik hebt an: ] in dem er herabkommt als gnädiger Richter ins ewige Reich nach dem letzten Gericht.“ 207 Beilmann: Eine katholische Jugend in Gottes und dem Dritten Reich. S.: 277-279. 208 Das graue Singeschiff, 38. 209 Kirchenlied, Nr. 42. 210 Kirchenlied, Nr. 31. 211 Kirchenlied, Nr. 23. <?page no="61"?> Die „Stimmen der Jugend“ 51 Nun erklingt das Lied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ 212 , 1. und 2. Strophe, viel fordernder und drängender, aber auch mutiger gesungen. Auf der B-Seite (Nr. 50652) folgt eine Ansprache, überschrieben mit „Zu uns komme dein Reich“ 213 : „Ich vergleiche unsere Zeit immer wieder mit der Zeit der ersten Christen. Damals wie heute rings um den Erdkreis eine Fülle von Erlösungsmythen, damals wie heute eine überzivilisierte Welt, damals wie heute krasse Unterschiede in der sozialen Gliederung. Damals wie heute Sünde und Verworfenheit, damals wie heute in Tausenden und Abertausenden echte Sehnsucht und ein innerstes Anliegen des Herzens: Komm, o komm, Emanuel! Damals eine äußerlich arme und verfolgte Kirche, heute eine Kirche, der nach so vielerlei Verbindung und Verknüpfung mit dieser Welt alle äußeren Machtstützen entfallen, eine nach der anderen. Und dennoch, ihrem Meister und Herrn, der Niedrigkeit seiner Geburt, der Wahrheit des lebendigen Wortes von Anbeginn, der Herrschaft auf den Schultern des Messias war die Kirche nie näher als zu solchen Zeiten, wenn sie zurückgeworfen war auf ihr einziges Erbteil, die zu sättigen, die Hunger und Durst nach Gerechtigkeit haben. Eine ungeheuere Wendung ist angebrochen mit der Geburt des göttlichen Kindes. Sie hat Gültigkeit für jede Stunde der Geschichte. Was will alle Trauer, alle Not, alle Verlassenheit? Daß wir sie anschauen mit jenen Augen der ersten Christen, die weit aufgerissen waren von der Erfahrung ihrer Erlösung, vom Glanz der Ankunft des Herrn und von den Stürmen, in denen Gottes Geist über sie ausgegossen ward. Der Jesus in der Krippe hat, wie der Jesus am Ölberg alle weltlichen Machtmittel in die rechte Ordnung gewiesen und sich selbst nur auf die himmlische Macht seines Vaters berufen. Dies ist eine Mahnung und Weisung für die Kirche von heute, das ist der letzte geheimnisvolle Sinn jeglicher christlichen Existenz in dieser Welt: auf den Vater vertrauend zu harren. Dies ist das eigentliche Frohlocken in den Tagen der Weihnacht, daß unser Harren Erfüllung findet in der Geburt des Herrn. Seine die Welt verwandelnde königliche Herrschaft über alles Fleisch, sie steht auf dem Hintergrund von irdischer Armut, Not, Verlassenheit, Trauer und Verfolgung. Aber in dieser nächtlichen Stunde vor Bethlehem beginnt alle irdische Mühsal überwunden zu werden in eine Erlösung, die jeden irdischen Begriff übersteigt. Darum die jubelnde Freude aller Erlösten, der Hirten und Könige, der Armen und Reichen. So laßt durch die bangen Stunden, die den Christen und der Kirche heute in dieser Welt aufgegeben sind, die Kerzen leuchten. Jene Kerzen, die durch alles lastende Dunkel des Advent hindurch ankündigen das Licht zur Erleuchtung der Heiden. Und laßt über alle irdischen Hoffnungen hinweg uns miteinander der himmlischen Welt dem Einbruch der Herrlichkeit Gottes uns öffnen, indem wir mit einstimmen in den Jubel der Kirche im Offertorium der 1. Weihnachtsmesse: „Freuen soll sich der Himmel und jauchzen soll die Erde vor dem Angesicht des Herrn, denn jetzt ist er da! “ Es zeigt sich, daß nicht alle sich auf den „Stimmen des Volkes“ findenden Reden primär dem Ziel dienten, zu zeigen, daß man deutsch sei. Besonders die Platten, die dem Marienlob, der Advents- und Weihnachtszeit gewidmet 212 Kirchenlied, Nr. 22. 213 Wer der Sprecher ist, wird leider nicht auf der Schallplatte angegeben. M. E. müßte es sich um Johannes Maaßen handeln. <?page no="62"?> Entstehung 52 sind, dienen dazu, Trost in den für die Katholiken fraglos schweren Zeiten zu spenden. Sie stellen somit ein Alternativprogramm dar, das den Glauben stärken und neue Zuversicht schenken soll. Obwohl die Kirche in ihren Einflußmöglichkeiten immer mehr eingeschränkt werde, sei die Lage nicht hoffnungslos. Da zuvor schon von den sogenannten „Hörbildern“ die Rede war, soll an dieser Stelle eine weitere Schallplatte erwähnt werden, auch wenn sie nicht zur Reihe „Stimmen der Jugend“ gehört: das Hörbild „Im Dom zu Altenberg“. Es handelt sich dabei inhaltlich um eine Art Kirchenführung, um die Beschreibung des Altenberger Domes, seiner Geschichte und Architektur, aber nicht um einen nüchternen wissenschaftlichen Vortrag, sondern vielmehr um eine stimmungsvolle, anrührende Inszenierung. Der Sprecher bedient sich eines melodiösen gesangartigen Vortrages, theatralisch umgeben von Orgelklängen und Gregorianischem Choral. Die deutlich werdende Begeisterung für das Mittelalter, die Gotik und das Mönchtum erinnert an die Romantik. So endet das Hörbild, von Musik begleitet, anrührend und sentimental-wehmütig: „[…] dann steigt die alte Zeit wieder auf, in der die grauen Mönche zur Stunde der Mitternacht in ihren Dom zogen, in Gott versunken. So sangen sie ihren Choral durch diesen Dom im Tale, das Werk kristallklarer früher Gotik“. Die Begeisterung für die Gotik scheint bereits in der frühen Jugendbewegung des 20. Jahrhunderts auf; sie setzt sich in der späteren Jugendbewegung fort. Gotische Kathedralen, in denen sich die hochmittelalterliche Glaubenswelt widerspiegelte, wirkten faszinierend auf die Jugendlichen 214 . Zusammenfassend läßt sich sagen, daß ein großer Teil der Schallplatten in der Tat der Einübung der neuen, im Kirchenlied bzw. in den Singeschiffen erschienenen Lieder gewidmet war; eine innovative Idee. Viele Texte und Lieder sind dazu geeignet, die von der NS-Diktatur bedrängten jungen Katholiken, deren Wirkungsmöglichkeiten mehr und mehr beschränkt wurden, zu trösten und zum Durchhalten zu ermutigen. In diesem Sinne könnte man vielleicht den Begriff der „inneren Emigration“ heranziehen: Man hatte erkannt, daß offene Opposition gegen das Regime den sicheren Tod bedeutet hätte. Man zieht sich zurück und erfährt Tröstung durch die Schallplatten, die Themen beinhalten, die über die gegenwärtigen bösen Zeiten hinweghelfen sollen (so z. B. durch den Blick auf die Gotik und das Mittelalter, s. letzte besprochene Schallplatte). Einige der Lieder und die beiden genauer besprochenen Wolker-Ansprachen sind aber - im Gegensatz zum zuvor Gesagten - kämpferisch-aggressi- 214 Dazu: Neuhaus: Das geistliche Lied in der Jugendbewegung. S.: 45-52. <?page no="63"?> Die „Stimmen der Jugend“ 53 ver Natur und stehen dem NS-Jargon inhaltlich und formal in weiten Teilen sehr nahe. Meiner Einschätzung nach kann man diese Lieder und Texte keinesfalls als Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime auffassen, da sie ihm zu sehr ähneln und um seine Gunst buhlen (etwa in dem Sinne: „Wir sind auch ein Teil Eures Deutschlands“). Ich sehe hier keine Parallelen zur andernorts praktizierten „verdeckten Schreibweise“, die versuchte, ihre Kritik am NS-Staat vorsichtig, aber für Eingeweihte gleichwohl wahrnehmbar, zu tarnen und zu verschleiern 215 . Wer für Hitler betet, wer sich als Teil Deutschlands (in dieser Zeit eben Hitler-Deutschlands) versteht, kann nicht andererseits Kritik am Regime, sondern nur an der Tatsache üben, daß man von diesem Regime verfolgt werde. Daraus spricht aber keine generelle Infragestellung des Regimes in toto, sondern im Gegenteil das Anliegen, dazugehören zu dürfen. Christel Beilmann jedenfalls sieht ihre eigene Zeit in der „Jungen Kirche“ und die hier wie in Wolkers Ansprachen kultivierte Deutschland-Begeisterung während der NS-Zeit rückblickend kritisch: „Ob man ‚Deutschland, Deutschland über alles‘ oder ‚Kirche, Kirche über alles‘ sang oder dachte oder gar beides: es war Äußerung derselben Denkstruktur, die ungeeignet machte, andere zu sehen. Sie ist Ausgangspunkt für Ideologien, die Menschenopfer fordern, die zum Krieg oder zum Tode führen, immer wieder“ 216 . Für die Kirchenlied-Herausgeber sind diese Erkenntnisse (nur, aber immerhin) bedingt zu verwerten. Sie entstammen dem Kontext des Jugendhauses Düsseldorf, wirkten teilweise an der Entstehung der Schallplatten mit und wurden zumindest von Wolkers Einstellung zum NS-Regime geprägt. Ob das Kirchenlied als Widerstandsbuch gegen die NS-Zeit bezeichnet werden kann, soll später diskutiert werden. 215 S. dazu: Ehrke-Rotermund/ Rotermund: Zwischenreiche und Gegenwelten. Texte und Vorstudien zur ‚Verdeckten Schreibweise‘ im „Dritten Reich“, besonders S.: 9-24. 216 Beilmann: Eine katholische Jugend in Gottes und dem Dritten Reich. S.: 280. <?page no="65"?> B. Corpusanalyse I. Inhaltlich-thematische Linien und Ordnungsprinzip der Kirchenlied-Lieder Wie bereits in Das graue - nicht jedoch in Das gelbe - Singeschiff praktiziert, wurde eine Unterteilung in thematische Rubriken vorgenommen. Im Kirchenlied finden sich 16 derartige durch große Überschriften kenntlich gemachte Rubriken. Die erste Rubrik (Großer Gott, wir loben dich) enthält sieben Lobpreislieder, Lied Nr. 7 (Ein Haus voll Glorie schauet) ist ein traditionelles Kirchweihlied. Die nächste Rubrik, bestehend aus 13 Liedern, ist mit Unsere Zuflucht, Gott, du bist überschrieben und beinhaltet Lieder, welche vom Vertrauen zu Gott und der Hilfesuche bei ihm handeln; besonders die Lieder der Nummern 15 bis 17 (Wer nur den lieben Gott läßt walten; Was Gott tut, das ist wohlgetan; Wie mein Gott will) thematisieren die Hingabe des Menschen in Gottes Vorsehung und Bestimmung. Mit der dritten Rubrik (Es kommt der Herr der Herrlichkeit) nimmt der Kirchenjahreszyklus, der mit dem Advent beginnt, seinen Anfang; neun Adventslieder folgen. Lied Nr. 23 (Der Satan löscht die Lichter aus), eine Neuschöpfung von Thurmair und Neuß, verdient eine besondere Betrachtung, kann man doch in seiner dritten Strophe („in diesen bösen Zeiten“) eine konnotative NS-Regimekritik sehen (s. u.). Die Vorliebe der Zeit für den Christkönig wird an Nr. 26 (Macht weit die Pforten in der Welt) deutlich. Es schließt sich der Weihnachtszyklus mit 15 Liedern an; darauf folgt ein kurzes Fastenzeitmit vier und ein Passionskapitel (O du hochheilig Kreuze) mit 10 Liedern. Die Osterzeit wird mit Lied Nr. 59 (Christ ist erstanden) eröffnet und geht nahtlos in die Himmelfahrt über (keine Unterteilung). Auferstehung, Verklärung, Jubel und Freude, das Überwinden des Todes und die Aussendung des Heiligen Geistes an Pfingsten dominieren inhaltlich. Die achte Rubrik ist Christus gewidmet (O Jesu Christe, wahres Licht); sie wird durch die beiden Herz-Jesu-Lieder Nr. 79 (Herz Jesu, Gottes Opferbrand) und 80 (O Herz des Königs aller Welt) beschlossen; in ihr finden sich ferner Sakraments- und Prozessionslieder 1 . Gerade die Herz-Jesu-Verehrung 1 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 123. <?page no="66"?> Corpusanalyse 56 wurde in der Entstehungszeit des Kirchenlied immer noch intensiv gepflegt 2 . Das letzte Lied besitzt wieder einen Bezug zu Christus, dem König und verweist damit bereits auf die nächste Liedgruppe: Kommt her, des Königs Aufgebot. Wie bereits zuvor gesagt, nimmt die Verehrung des Christkönigs, des verklärten, mächtigen, kraftvollen Herrschers und Feldherrn innerhalb des Buches eine wichtige Stellung ein. Es geht in diesen Liedern um die Gefolgschaft, den Soldatendienst im Heere Christi, um einen bellum iustum gegen Satan und die Feinde Christi mit kriegerischen Mitteln: „und macht die Erde untertan dem Herrn im Himmel droben“ heißt es in der vierten Strophe des 84. Liedes (Nun stehet alle Mann für Mann). Die Kraft, Gewalt und der Beherrschungswille Gottes werden deutlich akzentuiert, das demütige Gotteslamm, das für seine Feinde im Geiste der Bergpredigt betet, sucht man hier vergeblich. Das zehnte Kapitel, bestehend aus 14 Liedern, ist dem Marienlob vorbehalten. Maria fungiert hier inhaltlich als Komplementärfigur zum zuvor geschilderten Feldherren-Christus. Sie ist weich und zart, von einer Anmut und Kontemplation, die an manches Marienbild Stephan Lochners erinnert, schön, makellos, rein, mit Anleihen an die alte Marienminne. Während man den Christus des vorangegangenen Kapitels eher fürchtet, so liebt man Maria hier. Aber auch Maria wird als mächtig und streitbar dargestellt, wenn sie der höllischen Schlange den Kopf zertritt und Königin genannt wird 3 . Auch die bedingungslose Weihe an Maria in Wunderschön prächtige beinhaltet gewisse Parallelen zum Gefolgschaftsgedanken der Christkönigslieder. Nr. 96 (Nun, Brüder, sind wir frohgemut) wird als das „Altenberger Wallfahrtslied“ bezeichnet. Thurmair und Lohmann hatten es der Altenberger Madonna zugeeignet und im Rahmen einer Jugendwallfahrt wurde es im Altenberger Dom, dem geistlichen Herzen des Jungmännerverbandes, erstmals aufgeführt. Es folgt ein Kapitel, welches der Anrufung der Engel und Heiligen dienen soll (Nr. 100 bis 107). Interessant ist hier vor allem das Georgslied, das unten näher betrachtet werden wird. Sankt Michael - als Vorbild eines miles christianus - ist gleich in zwei Liedern vertreten. Hier geht es wiederum um den Kampf zwischen Guten und Bösen, um Banner, Schwerter, Kämpfe, Kriege und Schlachtrufe. Viele dieser Kriegslieder besitzen eine erstaunliche Ähnlichkeit zu den Freiheitsgedichten, welche im Kampf gegen Napoleon gesungen wurden 4 . Beendet wird das Kapitel durch ein weniger militärisches Lied 2 Dazu: Haag: „Dem Herzen Jesu singe…“. Die Autorin weist in ihren Ausführungen darauf hin, welche wesentliche Rolle dem Kirchenlied bezüglich der Aufnahme dieser beiden Herz-Jesu-Lieder in die nachfolgend erscheinenden Diözesangesangbücher zukommt, S.: 293 u. 303. 3 Kirchenlied: Nr. 93, 2. 4 s. etwa die Gedichte von E. M. Arndt oder Max v. Schenkendorf. <?page no="67"?> Innovation und Tradition 57 auf die Mutter Mariens, die Heilige Anna, ein Kontrapunkt der Mütterlichkeit und Liebe gegenüber dem Schlachtenführer Michael. Es folgen sodann drei Kapitel (die Rubriken 12 bis 14) mit Tageszeitenliedern; am Anfang Lieder zum Tagesbeginn, am Ende Abendlieder, dazwischen solche, die Gottes Schöpfung besingen. In der Tradition der Wandervögel stehend, wird hier Gottes schöne und unverfälschte Natur gepriesen, lebt man doch nicht nur in einer schlechten, feindlichen Welt. Den Abendliedern folgt ein Kapitel, welches der letzten Wanderung des Menschen Raum gibt, eröffnet von Thurmairs Wir sind nur Gast auf Erden. Es erschien erstmalig im Märzheft der „Wacht“ 5 1935. Lohmann und Thurmair haben später mehrfach geäußert, daß dieses Lied keineswegs (nur) als das, als das es heute fungiert (nämlich als Beerdigungslied), gedacht war, sondern ursprünglich als Fahrtenlied, das mit entsprechendem Tempo gesungen wurde. Daß ihm ein anderer Sinn beigelegt wurde, liegt wohl auch an der Eingruppierung in die vorliegende Rubrik, in der die Gemeinschaft mit Ach wie flüchtig und Mitten in dem Leben die Deutung als Beerdigungslied nahelegt. Am Ende des Buches folgt eine Reihe Lieder Zur Opferfeier. In all diesen zuvor genannten Gruppen „sind überdies Lieder enthalten für religiöse Feiern, Wallfahrten, zur Predigt, für Einkehrtage, Exerzitien, religiöse Wochen, Bibelstunden, Christenlehre, Tauferneuerung, Firmerneuerung, Priesterfeiern, Brautmesse und Hochzeit.“ 6 Das Gliederungsprinzip fügt diverse Sinneinheiten zu einem locker aber doch von einem Ordnungsgedanken (von Gott über seine Mittler zum Menschen) erfüllten Ganzen. Die Grobabfolge ist: - Gott (Rubriken 1+2) - Kirchenjahr mit starkem Christusakzent und eschatologisch mit Christkönig endend (Rubriken 3-9) - Maria und Heilige (Rubriken 10+11) - Tagzeiten (Rubriken 12-14) - Tod und ewiges Leben - Anhang: Messlieder II. Innovation und Tradition An dieser Stelle soll der Liedbestand des Kirchenlied unter der Fragestellung untersucht werden, welche Lieder in der Nachfolge und Tradition der zur Entstehungszeit existierenden Diözesangesangbücher stehen und welche Lieder innovativen Charakter (seien es neue Lieder oder Lieder, die für den Gemeindegesang wiederentdeckt wurden) besitzen. Ferner werden Jugendlie- 5 Rick: Notizen. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 59. 6 Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 123. <?page no="68"?> Corpusanalyse 58 derbücher und evangelische Gesangbücher in die Untersuchung einbezogen werden. 1. Diözesangesangbücher Ausgangspunkt ist der Bestand der 140 Lieder des Kirchenlied. Zu Vergleichszwecken wurden drei repräsentative Gesangbücher ausgewählt, welche zur Zeit des Erscheinens des Kirchenlied in den Gemeinden benutzt wurden: die Gesangbücher der Diözesen Mainz, Köln und Freiburg. Für Mainz habe ich mich entschieden, weil das Kirchenlied sein Vorwort von Bischof Albert Stohr erhielt und zu diesem Bistum gute Kontakte bestanden. Köln wurde als Heimatdiözese des Jugendhauses Düsseldorf ausgewählt. Das Gesangbuch des Bistums Freiburg wird ebenfalls zu Vergleichszwecken herangezogen, schließlich ist Freiburg Sitz des Christophorus-Verlages. Erzbischof Gröber (Freiburg) stand dem Kirchenlied wegen der Vielzahl der dort vorhandenen evangelischen Lieder übrigens äußerst kritisch gegenüber 7 . Alle drei Gesangbücher sind - aus der Sicht der Entstehungszeit des Kirchenlied - relativ neuen Datums (MAINZ 1935; KÖLN 1930; FREIBURG 1933). Bei jedem Kirchenlied-Lied habe ich nachgeprüft, ob es sich in einem der drei Gesangbücher wiederfindet. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden in der folgenden Tabelle festgehalten. Nr. Kirchenlied MAINZ 1935 KÖLN 1930 FREIBURG 1933 1 Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus - - - 2 Erde, singe - - - 3 Nun lobet Gott im hohen Thron 164, + - 227, + - - 4 Allein Gott in der Höh sei Ehr - - - 5 Lobe den Herren - - - 6 Großer Gott, wir loben dich 98, + - 130, + - 126, + - 7 Ein Haus voll Glorie schauet 205, + 136, + 136, + - 8 Unsere Zuflucht, Gott, du bist - - - 9 Vater unser - - - 10 Vater unser - Kyrie eleison - - - 11 In Gottes Namen fahren wir 152, + - 135, + - 185, + - 7 Jäckel: 25 Jahre „Kirchenlied“. S.: 146. <?page no="69"?> Innovation und Tradition 59 Nr. Kirchenlied MAINZ 1935 KÖLN 1930 FREIBURG 1933 12 Gott der Vater, wohn uns bei - - - 13 O Gott, streck aus dein milde Hand 147, + - 120, + - - 14 Wenn wir in höchsten Nöten sein - - - 15 Wer nur den lieben Gott läßt walten - - - 16 Was Gott tut, das ist wohlgetan - - - 17 Wie mein Gott will - - - 18 Erhöre, Herr, erhöre mich - - - 19 Wer heimlich seine Wohnestatt - - - 20 Nun danket all und bringet Ehr - - - 21 Aus hartem Weh die Menschheit klagt’ - 4, + - 99, + - 22 O Heiland, reiß die Himmel auf 78, + - 6, + - 101, + - 23 Der Satan löscht die Lichter aus (-) (-) (-) 24 Wachet auf, ruft uns die Stimme - - - 25 Macht hoch die Tür - - - 26 Macht weit die Pforten in der Welt (-) (-) (-) 27 Gott, heil’ger Schöpfer aller Stern - 3, + - - 28 Ave Maria, gratia plena - 10, + - - 29 Und Unsrer Lieben Frauen - - - 30 Uns kommt ein Schiff gefahren - 14, + - - 31 Es ist ein Ros entsprungen 94, + - 25, + - 114, + - 32 In dulci jubilo - - - 33 Singen wir mit Fröhlichkeit - - - 34 Der Tag, der ist so freudenreich 93, + - 17, + - 110, + - 35 Es kam ein Engel hell und klar 92, + - 22, + - 116, + - 36 Als ich bei meinen Schafen wacht - 20, + - 37 Vom Himmel hoch, o Engel, kommt - - 123, + - 38 Laßt uns das Kindlein wiegen 86, + - 18, + - 118, + - 39 Zu Bethlehem geboren 89, + - 16, + 124, + - 40 Ein Kind geboren zu Bethlehem - - - 41 Gelobet seist du, Jesu Christ 88, + - 24, + - - 42 Lobt Gott, ihr Christen allzugleich - - - 43 Lob erschallt aus Hirtenmunde - - - <?page no="70"?> Corpusanalyse 60 Nr. Kirchenlied MAINZ 1935 KÖLN 1930 FREIBURG 1933 44 Wie schön leucht’ uns der Morgenstern - - - 45 Mir nach! spricht Christus, unser Held - - - 46 Tu auf, tu auf, du schönes Blut 117, + - 41, + - - 47 Komm, Sünder, komm - - - 48 O Herr, aus tiefer Klage (-) (-) (-) 49 Es sungen drei Engel - - - 50 Beim letzten Abendmahle - 45, + - 34, + - 51 Bei stiller Nacht 119, + - 46, + - 150, + - 52 Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen - - - 53 Seht nur an die zwei Herzen (-) (-) (-) 54 O Haupt voll Blut und Wunden 124, + - 47, + - 146, + - 55 Da Jesus an dem Kreuze stund 110, + - 53, + - - 56 O du hochheilig Kreuze 114, + - 52, + - - 57 Christi Mutter stand mit Schmerzen 236, + 58, + - 159, + - 58 O Traurigkeit, o Herzeleid 125, + - 57, + - 157, + - 59 Christ ist erstanden 138, + - 60, + - 172, + - 60 Gelobt sei Gott im höchsten Thron - - - 61 Ist das der Leib, Herr Jesus Christ 141, + - 61, + - 175, + - 62 Laßt uns erfreuen herzlich sehr - 69, + - 176, + - 63 Freu dich, du Himmelskönigin 143, + - 70, + - 173, + - 64 Erschienen ist der herrliche Tag - - - 65 Christ fuhr gen Himmel - - - 66 Gen Himmel aufgefahren ist - - - 67 Nun bitten wir den Heiligen Geist 161, + - 76, + - 197, + - 68 Komm, Heil’ger Geist, o Schöpfer du 158, + - 74, + - - 69 O Jesu Christe, wahres Licht - - - 70 Liebster Jesu, wir sind hier - - - 71 Schönster Herr Jesu - 36, + - 224, + - 72 O süßester der Namen all - 29, + - 135, + - 73 Morgenstern der finstern Nacht - - - <?page no="71"?> Innovation und Tradition 61 Nr. Kirchenlied MAINZ 1935 KÖLN 1930 FREIBURG 1933 74 Ich will dich lieben, meine Stärke 74, + - 35, + - 134, + - 75 Laßt uns: Heilig, heilig! singen 187, + - 99, + - 76 Das Heil der Welt, Herr Jesu Christ - 95, + - 226, + - 77 Gott sei gelobet und gebenedeiet - - - 78 Im Frieden dein - - - 79 Herz Jesu, Gottes Opferbrand (-) (-) (-) 80 O Herz des Königs aller Welt - - - 81 Kommt her, des Königs Aufgebot (-) (-) (-) 82 Uns rufet die Stunde (-) (-) (-) 83 Das Banner ist dem Herrn geweiht (-) (-) (-) 84 Nun stehet alle Mann für Mann (-) (-) (-) 85 Zieh an die Macht, du Arm des Herrn - - - 86 Gegrüßet seist du, Maria - - - 87 Ave Maria klare - 147, + - 104, + - 88 Ave Maria zart - 149, + - 105, + - 89 Ein schöne Ros - - - 90 Es blühn drei Rosen auf einem Zweig - - - 91 Sagt an, wer ist doch diese - - - 92 Wunderschön prächtige 231, + - 165, + - 109, + - 93 Die Schönste von allen - - - 94 Maria ist ein lichter Stern - - - 95 Meerstern, ich dich grüße - - - 96 Nun Brüder, sind wir frohgemut (-) (-) (-) 97 Maria, breit den Mantel aus - 159, + 198, + - 98 Mein Zuflucht alleine - 154, + - - 99 O Königin, mildreiche Frau - - - 100 Herr Gott, dich loben alle wir - - - 101 Unüberwindlich starker Held - - - 102 Das Flammenschwert in Händen (-) (-) (-) 103 Ihr Freunde Gottes allzugleich 246, + - 196, + - 260, + - 104 Laßt uns Sankt Peter rufen an - 181, + - - 105 Wir stehn im Kampfe und im Streit (-) (-) (-) <?page no="72"?> Corpusanalyse 62 Nr. Kirchenlied MAINZ 1935 KÖLN 1930 FREIBURG 1933 106 Nun laßt uns alle loben Sankt Bonifatium - - - 107 Sankt Anna, Mutter groß - - - 108 O du mein Gott - - - 109 Morgenglanz der Ewigkeit - - - 110 Die güldne Sonne - - - 111 Die helle Sonn leucht’ jetzt herfür - - - 112 Die güldene Sonne - - - 113 Der Tag ist aufgegangen - - - 114 Aus meines Herzens Grunde - - - 115 Lobet den Herren, alle, die ihn ehren - - - 116 Wir loben dich, Herr Jesus Christ (-) (-) (-) 117 Geh aus, mein Herz, und suche Freud - - - 118 Mein Gott, wie schön ist deine Welt (-) (-) (-) 119 Himmelsau, licht und blau - 102, + - - 120 Das Feld ist weiß - - - 121 Das Tagwerk nun vollendet ist - - - 122 Gnädigster Erbarmer - - - 123 Hinunter ist der Sonne Schein - - - 124 Der lieben Sonne Licht und Pracht - - - 125 Nun ruhen alle Wälder - - - 126 Mit meinem Gott geh ich zur Ruh - - - 127 In dieser Nacht 275, + 2, + - 128 Wir bitten dich, Herr Jesus Christ (-) (-) (-) 129 Wir sind nur Gast auf Erden (-) (-) (-) 130 Ach wie flüchtig, ach wie nichtig - - - 131 Mitten in dem Leben 279, + - 121, + - 127, + - 132 Wenn mein Stündlein vorhanden ist - - - 133 O Ewigkeit, o Ewigkeit - - 84, + - 134 Zu dir, o Gott, erheben wir - - 45, + - 135 Gott in der Höh sei Preis und Ehr - 214, + - 136 Du hast, o Herr, dein Leben - 216, + - <?page no="73"?> Innovation und Tradition 63 Nr. Kirchenlied MAINZ 1935 KÖLN 1930 FREIBURG 1933 137 Laßt uns erheben Herz und Stimm - 229, + 37, + 138 O du Lamm Gottes unschuldig - 225, + - - 139 O Jesu, all mein Leben bist du - 218, + - 40, + - 140 Dein Gnad, dein Macht und Herrlichkeit - - - - 94 73 89 - und (-) 110 89 105 + - 27 42 34 + 3 9 1 + - und + 30 51 35 Übernahmequote 21,4 % 36,4 % 25,0 % Legende zur Tabelle „+“ bedeutet: Übereinstimmung zwischen Diözesangesangbuch und Kirchenlied. „-“ bedeutet: Die besagte Nummer aus Kirchenlied kommt im Diözesangesangbuch nicht vor. „+ -“ bedeutet: Die besagte Liednummer kommt in ähnlicher (geringfügig veränderter 8 ) Form vor. „(-)“ bedeutet: Die besagte Nummer kann gar nicht im Diözesangesangbuch vorkommen, da sie erst nach dessen Publikation entstand. Die vor dem Komma stehende Zahl gibt den Fundort im entsprechenden Gesangbuch an. Falls die Lieder Nummern tragen, ist die Nummer angegeben, sonst die Seitenzahl. Die Kriterien, welche bei der Tabellenentstehung angewendet wurden, bedürfen einer besonderen Erläuterung. Es ging bei diesem Befund mehr um eine überblicksartige Diagnose der Situation des Kirchenliedes vor 1938. Dabei habe ich mich auf die Untersuchung der Liedtexte beschränkt. Ein Lied erhielt also bei identischem Text - jedoch unterschiedlicher Melodie - das Symbol „+“. Im Anschluß an die Tabelle findet sich ein statistischer Auswertungsteil, der in die Erhebung einer prozentualen Übernahmequote mündet. Er gibt an, in welchem Umfang die kirchengesangbuchliche Tradition in das Kirchenlied Eingang gefunden hat. Bei der Errechnung dieser Quote wurden die identischen Liedtexte und die mehr oder weniger stark veränderten Texte der Kategorie „+ -“ gleich stark gewichtet. 8 Hier wurde relativ penibel verfahren, so daß bereits ein anderer Buchstabe bzw. eine unterschiedliche Strophenanzahl zur Einstufung in diese Kategorie führte. Die Genauigkeit wurde aber nicht übertrieben: Fehlt lediglich ein Apostroph oder ein Komma, wird „+“ angegeben. <?page no="74"?> Corpusanalyse 64 Schon dieser Grobbefund ergibt interessante Ergebnisse, findet doch offensichtlich das Liedgut der Heimat- (bzw. Jugendhaus-) Diözese Köln eine vergleichsweise starke Berücksichtigung, die wohl aus der Tatsache der besonderen Vertrautheit mit diesem Buch resultierte. Der Anteil der Mainzer Lieder ist dagegen am geringsten. An der Häufigkeit des Auftretens des „+ -“- Symbols läßt sich erkennen, daß fast alle übernommenen Lieder überarbeitet wurden, auch viele der aus der Diözese Köln den Herausgebern bekannten und vertrauten. Deutlich wird auch, wie stark der Innovationscharakter des Kirchenlied ausgeprägt ist, der immerhin im Durchschnitt der drei herangezogenen Gesangbücher bei 72,4 % liegt! Keinesfalls handelt es sich dabei jedoch ausschließlich um Lieder neueren Entstehungsdatums und Eigenschöpfungen. Vielmehr, das wird an der zahlenmäßigen Dominanz der nicht eingeklammerten Minuszeichen deutlich, stellt die Wiederentdeckung alter Kirchenlieder, welche im Verlauf der Gesangbuchentwicklung in Vergessenheit gerieten, die eigentliche Innovation dar. Es wird hier also unterschieden zwischen einem engeren (das Noch-Nie-Dagewesene) und einem weiteren Innovationsbegriff (das Wiederentdeckte als Novum). Doch auch die Minuszeichen-Klassifizierung bedürfte einer weiteren Distinktion: Es handelt sich bei den zuvor benannten Innovationen nämlich nicht nur um Wiederentdeckungen, sondern auch um Erstentdeckungen, um Lieder der evangelischen Tradition, welche erstmals in ein katholisches Gesangbuch aufgenommen wurden. Die genauere Identifizierung dieser evangelischen Lieder wird im Rahmen der quellengeschichtlichen Untersuchung später geleistet werden. Aus unserer heutigen Sicht erscheint es, um nur ein Beispiel zu nennen, als nicht besonders innovativ, das Lied „Lobe den Herren“, einen Klassiker schlechthin, im Kirchenlied anzutreffen. Diese ex-post-Sicht darf aber nicht vergessen, daß es sich um ein Lied evangelischer Provenienz handelt, welches vor 1938 in den katholischen Gesangbüchern nicht existierte, ja nicht existieren durfte. Was für ein innovativer Schritt also! Auch wenn diese Arbeit nicht musikwissenschaftlich ausgerichtet ist, soll nicht verschwiegen werden, daß die Standardausgaben aller drei untersuchten Gesangbücher ohne Noten auszukommen glaubten. Im Freiburger Gesangbuch finden sich von Fall zu Fall Noten, die meisten Lieder wurden aber ohne Noten abgedruckt 9 . In der Tat war es so, daß die guten Kirchgänger die Melodien auswendig kannten. Zwei Probleme resultierten jedoch aus dieser Praxis: Zunächst existierten nicht einmal in einer Diözese einheitliche Melodien; man traf unzählige regionale Varianten an, so daß ein Kirchgänger in anderen Gemeinden oft nicht mitsingen konnte. Abgedruckte Melodien 9 Die Auswahl, welches Lied mit Noten abgedruckt wurde, erscheint sehr willkürlich, da insbesondere sehr bekannte Lieder mit Noten, unbekanntere dagegen ohne Noten abgedruckt wurden. <?page no="75"?> Innovation und Tradition 65 hätten wohl zu einer Vereinheitlichung beigetragen, da die abgedruckte Melodie erfahrungsgemäß eine größere Autorität besitzt. Ein weiteres Problem ergab sich aus dem Nichtvorhandensein von Noten. Es handelt sich um das Einschleifungsphänomen, unter dem vor allen Dingen der Organist zu leiden hat: Im Verlaufe der Zeit verschwimmt die eigentlich notierte Liedfassung zu Gunsten einer aus der gesanglichen Praxis entstandenen Form (z. B. Einschleichung von Zäsuren, Verlängerung von Pausen, das Einschmuggeln oder Verschwinden von Verzierungen u. a.). Von dieser Verschiebung bemerkt die Gemeinde in der Regel nichts und so avanciert die falsche Fassung zur bald üblichen und vermeintlich richtigen. Gegenüber der gesanglichen Beharrlichkeit kämpft der Organist dann oft wie gegen Windmühlen. Das Kirchenlied bot von Anfang an eine Notenausgabe an (alternativ gab es eine reine Textausgabe als kostengünstigere Alternative). Einen weiteren Innovationsfaktor bilden die im Kirchenlied angegebenen Quellenangaben, welche sich in keinem anderen der untersuchten Gesangbücher finden. In den evangelischen Gesangbüchern waren Quellenangaben schon lange üblich, nicht aber in den katholischen Gesangbüchern der Zeit 10 . Stets geben die Herausgeber des Kirchenlied an, aus welcher Quelle das jeweilige Lied fließt. Wie es um die inhaltliche Sorgfalt der Quellenangaben bestellt ist, wird später genauer untersucht werden. Nicht einmal die Orgelbücher, welche zu den Diözesangesangbüchern erschienen, enthalten Quellenangaben 11 . Da die Herausgeber des Kirchenlied entgegen der damaligen Tradition Quellen angeben, kann vermutet werden, daß sie die Auswahl der Lieder und Fassungen in wissenschaftlich-gründlicher Manier vorgenommen haben, denn wer Quellen benennt, muß auch damit rechnen, daß diese überprüft werden können, eine Überprüfung, derer sich die Diözesangesangbücher durch Verschweigen zu entziehen versuchen. Auch eine Tendenz ad fontes kann vermutet werden. Alle zu Vergleichszwecken herangezogenen Gesangbücher dienen gleichzeitig als Gebetbücher. Auch hier geht das Kirchenlied andere Wege. Zwar entstand vor dem Kirchenlied bereits das Kirchengebet im Verlag des Jugendhauses Düsseldorf und wenige Jahre danach eine Vereinigung beider Bücher zum sogenannten „Gotteslob“, aber dennoch ist auch hier eine innovative Tendenz unverkennbar. Betrachtet man die drei Vergleichsbücher, so fällt eine recht unübersichtliche Verquickung von Text-, Gebet- und Liedbestandteilen auf. So ist z. B. im Mainzer Gesangbuch das Lied „Christi Mutter stand mit Schmerzen“ in die Kreuzwegandacht derart integriert, daß es vollständig strophenweise zerstückelt und einzelnen Stationen zugeordnet wird. Über 10 Massenkeil: Die Lieder, die wir sangen. S.: 11. 11 S. z. B. das „Orgelbuch zum Mainzer Diözesan-Gesangbuch“ von 1937 (Hrsg.: Bistum Mainz): Es findet sich keine einzige Quellenangabe. <?page no="76"?> Corpusanalyse 66 ganze sieben Seiten werden die einzelnen Strophen, welche sich übrigens nur in der Schriftgröße mehr schlecht als recht vom Gebetstext unterscheiden, auseinandergerissen 12 . Man kann sich die Probleme, welche entstehen, falls man das „Stabat mater“ in toto außerhalb der Kreuzwegandacht singen möchte, lebhaft vorstellen. Nach der konsequenten Trennung von Gebet und Gesang sucht man hier vergeblich. In Köln wird eine solche Trennung praktiziert, allerdings ist auffällig, daß der Raum, welchen man Texten und Liedern einräumt, zu Ungunsten der letzteren verteilt wird (mehr als 400 Seiten an Texten stehen gerade 100 Seiten an Liedern gegenüber). Die enge Verzahnung von Text und Lied findet sich im Freiburger Gesangbuch erneut. Zahlreiche Lieder sind in vorgefertigte Andachten integriert. Auch hier war wohl nicht vorgesehen, ein Lied eigenständig in seiner Ganzheit zu würdigen und es außerhalb der präparierten Andachten zu singen. An dieser Stelle soll ein Beispiel für die in Freiburg verbreitete Zerstükkelungspraxis gegeben werden: Die dort abgedruckte „zweite Andacht zur allerseligsten Jungfrau Maria“ wird durch den Vorbeter eröffnet. Dann folgt eine Strophe des „Gegrüßet seist du, Königin“, dann wieder ein langer Text, bis man endlich, nach einer langen Seite, die zweite Strophe singen darf. Die weiteren Strophen darf man dann auf den nächsten Seiten suchen, wobei pro Seite nur eine Strophe zu erwarten ist 13 . Und wenn man das Lied „Maria, breit den Mantel aus“ singen möchte, so weist das Inhaltsverzeichnis auf die Seiten „654 ff.“ hin 14 . Insgesamt drängt sich nach der Sichtung der drei Vergleichsbücher der Eindruck auf, daß das Lied keineswegs Gleichrangigkeit gegenüber den abgedruckten Gebeten (und damit sind nicht die Kerngebete der Kirche und der Meßfeier gemeint, die ja zweifellos als liturgisch höherstehend anzusehen sind, sondern die üblichen Andachten) beanspruchen darf, sondern vielmehr als bloße ancilla verbi im Sinne einer Subordination des Liedes unter das Wort betrachtet wird. Auch im Kölner Gesangbuch drängt sich der Eindruck einer Appendixhaftigkeit des Liedes allein schon durch die Anordnung am Ende des Buches auf. Das Kirchenlied betont dagegen die Eigenständigkeit, die Würde und die strophische Zusammengehörigkeit des Liedes und lehnt jede Amputation oder aposiopetisch wirkende Bestrebung ab. Eine weitere Frage ergibt sich aus der oben erhobenen Innovationsquote: die Frage, ob die Herausgeber intendierten, ein eigenständiges Gesangbuch vorzulegen, welches geeignet sein sollte, die vorliegenden Diözesangesangbücher zu ersetzen, wenigstens im Bereich des jugendlichen Singens, oder 12 MAINZ 1935. S.: 304-310. 13 FREIBURG 1933. S.: 665- 669. 14 FREIBURG 1933. S.: 672. <?page no="77"?> Innovation und Tradition 67 ob sie ihr Werk vielmehr als ein zusätzliches und ergänzendes Gesangbuch verstanden. Die zuvor erhobenen Erkenntnisse scheinen gegen die Ergänzungsintention zu sprechen; denn warum sollte man das in den bestehenden Gesangbüchern ohnehin schon vorhandene Liedgut erneut in ein Buch aufnehmen, das nur als Zusatzbuch fungieren sollte. Andererseits liest man im Untertitel zum Kirchenlied, daß es sich um eine „Auslese geistlicher Lieder“ handele 15 . Es war also wohl die Bildung eines Kanons durch die Lieder beabsichtigt, die als besonders wertvoll, würdig und kostbar angesehen wurden. Warum sollte man dann nicht auch Lieder aus den Diözesangesangbüchern aufnehmen, die den besagten Kriterien genügten und sie gleichsam in den Adelsstand des Ausleseprädikates erheben? Die Antwort auf diese Frage muß daher differenziert ausfallen. Sicherlich traten die Bearbeiter nicht mit dem Anspruch auf, ein superdiözesanes Gesangbuch herauszugeben (auf welche Autorität hätten sie sich denn auch stützen können). Jedoch war schon die bloße Absicht, einen Kanon von Liedern herauszuarbeiten, der alle Diözesen verbinden könnte, ambitioniert genug. Gegen die erste oben vorgebrachte These spricht auch die Tatsache, daß fast alle aus den bestehenden Büchern integrierten Lieder in Text und Melodie voneinander abwichen. Eine Aufnahme dieser Lieder in das Kirchenlied war also nötig und geboten, um bei überdiözesanen Treffen der Jugend ein gemeinsames Singen überhaupt erst zu ermöglichen. Daß das Kirchenlied im Bereich der jugendlichen Gottesdienste als universales Gesangbuch und nicht nur als Ergänzung anderer Gesangbücher geplant war, darf aber vermutet werden. Die Entscheidung, lediglich geistlich-kirchliche Lieder unter Aussparung der Lieder der katholischen Jugend aufzunehmen, blieb nicht den Herausgebern allein überlassen, schließlich wurden die Tätigkeiten der katholischen Vereine und Verbände in dem am 20. Juli 1933 unterzeichneten Konkordat zwischen der Regierung in Berlin und dem Heiligen Stuhl gemäß Artikel 31 auf rein religiöse, kulturelle oder karitative Aufgaben beschränkt 16 . Zusammenfassend läßt sich sagen, daß das Kirchenlied für den Bereich der Diözesangesangbücher Zusatz- oder auch Vorbildcharakter haben sollte, für den Bereich des jugendlichen Singens jedoch als vollwertiger Ersatz konzipiert war. Auch die ästhetisch-optische Komponente soll in den Vergleich einbezogen werden. Das Kirchenlied wirkt sehr übersichtlich, das Ordnungsprinzip durchdacht: Das gesamte Buch ist von thematischen Rubriken durchzogen, wodurch Liedzusammenhänge deutlich werden. Die „Liedauslese“ wirkt 15 Kirchenlied. S.: 1. 16 Denzler: Widerstand oder Anpassung? S.: 35. <?page no="78"?> Corpusanalyse 68 nicht überfrachtet, die Schriftgröße ist ansprechend, die Anordnung von Text und Melodie pro Seite ist gelungen. Man nimmt dieses Buch gerne zur Hand, eben weil man sich gleich zurechtfindet. Auf Seite 170 des Kirchenlied findet sich der Hinweis, daß der „Buchschmuck“ von Alfred Riedel stamme. Mit Buchschmuck ist vornehmlich die Gestaltung der Schrift gemeint, da sich im gesamten Buch keine einzige Abbildung oder Zeichnung findet, auch diese - man könnte sagen puristische - Tendenz war in katholischen Gesangbüchern relativ ungewöhnlich. Um so mehr kann die reich ausgeschmückte große Schrift der Zwischenüberschriften wirken; derartige Überschriften finden sich auch im grauen, nicht jedoch im gelben Singeschiff. Generell orientiert sich die Optik des Kirchenlied nicht an den Gesangbüchern, die damals wenig ansprechend waren, sondern an den Liederbüchern der Jugend. Andere Ergebnisse resultieren aus dem Vergleich mit den drei herangezogenen Diözesangesangbüchern. Gerade MAINZ und FREIBURG legen viel Wert auf eine reiche Bebilderung, wobei das Freiburger Buch der Bildwelt der Neoromantik und der Schule der Nazarener besonders stark verpflichtet ist und damit sicher in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts innerhalb des jugendlichen Zeitgeschmackes auf Ablehnung gestoßen ist. Moderner muten die Bilder des Mainzer Gesangbuches an, wobei die Grenzwanderung zwischen figürlicher Konkretion und modernen Ansätzen nicht sehr gelungen ist. Man betrachte nur die „noli me tangere“-Szene, den Versuch, sich auf wesentliche Momente zu konzentrieren, daher mehr zu konturieren und gleichzeitig die floralen Bemühungen 17 . Einzig das Kölner Gesangbuch glaubt, ohne Bebilderung auskommen zu können. Über die Unübersichtlichkeit der Gesangbücher wurde oben schon einiges gesagt. In Mainz scheint das Chaos als Ordnungsprinzip gedient zu haben. So beginnt ab Seite 141 eine Rubrik mit Singmessen, während ab Seite 609 erneut Singmessen auftreten (nunmehr thematische, aber in der Benennung eben doch Singmessen), wobei jeweils neu gezählt wird, sich also die „erste Singmesse“ gleich an zwei Stellen findet! Lieder, Andachten und Singmessen, alles ist getrennt und doch wieder miteinander verquickt. Deutsche Singmessen existieren in allen drei Diözesen. Auch in Freiburg ist die Vermischung von Texten und Liedern wenig geglückt, immerhin findet man sich hier jedoch leichter als in Mainz zurecht. Am konsequentesten verfährt man in Köln. Der Aufbau des Buches ist in Folge des Trennungsprinzipes sehr übersichtlich. Bei den Singmessen der beiden anderen Bücher handelt es sich in Wahrheit um Sing- und Betmessen (die bereits bekannte Vermischungsstrategie). In Köln konnte man ohne Probleme aus dem Liedbestand des zweiten Teiles Meßlieder auswählen, gleichzeitig konnten die Gottesdienstbesucher 17 MAINZ 1935. S.: 361. <?page no="79"?> Innovation und Tradition 69 mittels des ersten Teiles die Messe verfolgen. Man konnte bei Belieben auf die vorhandenen Singmessen I-VI 18 zurückgreifen und ohne Probleme die Lieder der einzelnen Singmessen vertauschen bzw. mit außerhalb der Singmesse stehenden Liedern anreichern. Natürlich birgt der Verzicht darauf, Singmessen als feste Abfolge von Liedern festzuschreiben, in sich auch einen gewissen Nachteil: Vielfach wurde nämlich in der damaligen Zeit bemängelt, daß die für eine Singmesse ausgewählten Lieder oft recht willkürlich ausgesucht wurden und inhaltlichthematisch nicht genügend zum Geschehen am Altar paßten. Präparierte und durchdachte Singmesse-Liederreihen erleichtern Priestern und Organisten derartige Entscheidungen. Auf der anderen Seite kann es zu einer Inflexibilität bzw. unguten Zementierung kommen, die einer kreativeren Liedauswahl durch den Organisten entgegensteht. Die Herausgeber des Kirchenlied (vielleicht wieder durch die Heimatdiözese Köln beeinflußt, die übrigens auch im Liedteil auf thematische Überschriften zurückgreift) entschieden sich für einen Kompromiß: Die Lieder der Nummern 1-133 folgen der besagten thematischen Gruppierung. Die Lieder der Nummern 134-140 machen von diesem Grundsatz keine Ausnahme: Unter der Rubrik „Opferfeier“ folgt eine einzige Singmesse. Daran schließt sich im ausführlichen Anhang zum Kirchenlied ein Registerteil an, der sich nicht - wie sonst üblich - auf die Auflistung der Liedanfänge beschränkt, sondern „Liedvorschläge zu bestimmten Anlässen“ 19 und Vorschläge für „Lieder zur heiligen Messe“ 20 enthält. Dieser Registerteil trägt dem Bedürfnis nach Abwechslung Rechnung, denn eine einzige Singmesse wäre sicher nicht ausreichend gewesen. Mittels der Liedvorschläge ist es nunmehr dem Organisten möglich, anläßlich anstehender Festtage einen schnellen Überblick über die passenden Lieder zu erhalten, die bei einem Gottesdienst gespielt werden können. Im Rahmen der Vorschläge für die Meßfeier stehen dann pro Meßteil einige alternative Liedvorschläge zur Verfügung, während die Herausgeber die speziellen Kirchenjahreslieder (von Advent bis Christkönig) an den Beginn der Messe stellen. Dieser Anhang ist, was aus der Überschrift „Liedvorschläge“ deutlich wird, als Angebot und Hilfe für die Verantwortlichen der Kirchenliedauswahl gedacht. Natürlich können die Lieder auch anderen Meßteilen zugeordnet werden, was eben bei den diözesanen Gesangbüchern wegen der Textverbindung nur sehr schwer möglich war. Die drei Herausgeber haben viele Ideen des Kölner Gesangbuches übernommen. 18 KÖLN 1930. S.: 535-545. 19 Kirchenlied. S.: 173-176. 20 Kirchenlied. S.: 177-178. <?page no="80"?> Corpusanalyse 70 Am Ende dieses Abschnittes soll die Blickrichtung des Vergleichs umgekehrt werden. Bisher wurde nämlich stets vom Kirchenlied ausgegangen und gefragt, welche seiner Lieder auch in den Diözesangesangbüchern auftauchen. Nun soll gefragt werden, welche der in den Diözesangesangbüchern stehenden Lieder nicht in das Kirchenlied aufgenommen wurden. Die Antwort kann komplementär zur bereits vorliegenden tabellarischen Bestandsaufnahme ausfallen. In dem Maße also, in dem die Herausgeber des Kirchenlied eine Vorliebe für die Kirchenlieder aus frühester Zeit an den Tag legten, lehnten sie die romantischen bzw. neoromantischen Lieder des 19. Jahrhunderts ab. Besonders kindlich-süßliche Lieder, teilweise naive Dichtungen und Vertonungen voll überbordender Gefühlsseligkeit (vielfach Marienlieder, z. B. „Maria, Du Schöne“ 21 ; „O Maria, Gnadenvolle“ 22 ) - allzu Weiches, Rührseliges, Sentimentales - stießen auf Ablehnung. Diewald zitiert Dreves, der am Ende des 19. Jahrhunderts ähnliche Einstellungen vertritt: „Nichts Ungesunderes unter der Sonne als diese frommen Ständchen, womit ein weltschmerzlicher Erdenpilger abendlich den Himmel anklimpern will […]“ 23 . Dagegen liebte man die Herbheit der Melodie und das, was man für das Echte, Wahrhaftige und Natürliche hielt; „die im Barock beginnende subjektiv-individuelle Frömmigkeit“ 24 wurde zugunsten eines Wir-Gefühles abgelehnt 25 . Auch die neu entstandenen Lieder von Thurmair und Lohmann gehorchen dieser Maxime. Besonders Thurmair spricht in vielen seiner Lieddichtungen das Wir an, nicht das Ich des vereinzelt vor Gott stehenden Beters. Lohmann greift in vielen Fällen auf die alten Kirchentonarten zurück und versucht in vielen - archaisierend wirkenden - Kompositionen an das Erbe des frühen Kirchenliedes und nicht an das des 19. Jahrhunderts anzuknüpfen. Natürlich darf man nicht vergessen, daß es sich bei den hier geschilderten Beobachtungen um Tendenzen handelt, die keinesfalls generalisiert werden dürfen. Lied Nr. 96 (Nun, Brüder, sind wir frohgemut) ist beispielsweise in einer gängigen Tonart komponiert, und an 90. Stelle wurde das Lied „Es blühn drei Rosen auf einem Zweig“ eingefügt, welches durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit den Liedern besitzt, die im Großen und Ganzen abgelehnt wurden. Ein Vorzug dieses Gesangbuches besteht, trotz der angedeuteten Programmatik, in einem gesunden Realismus. Modernere Melodien und Tonarten sind für viele heutige Menschen eben oft eingängiger und gefälliger. Trotz seines hohen 21 MAINZ 1935. S.: 591. 22 KÖLN 1930. S.: 514. 23 Dreves, zit. nach: Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 124. 24 Kern: Wach auf. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 1222. 25 Heute wird in der Forschung teilweise bestritten, ob die „subjektiv-individuelle Frömmigkeit“ wirklich bereits im Barock begonnen habe oder nicht vielmehr erst im Sturm und Drang, also erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts. <?page no="81"?> Innovation und Tradition 71 Anspruches widersteht das Kirchenlied der Versuchung, elitär zu werden und sich so seiner Breitenwirkung zu berauben. Das Interesse der Musikbewegung (besonders der kirchlich geprägten) war neben der Wiederbelebung des Volksliedes auch auf die große Vergangenheit des Kirchenliedes im 16. und 17. Jahrhundert gerichtet. Die Diözesangesangbücher der 30er Jahre sind „fast ganz unberührt von den Bestrebungen der deutschen Musikbewegung“. Ihr musikalisches Gesicht „ist noch eindeutig durch den Geschmack des 19. Jh. bestimmt“, die Kirchentonarten werden oft vermieden oder angeglichen; der Anteil gregorianischer Melodien ist gleichfalls gering 26 . Die Lieder der Protestanten wurden nicht aufgenommen, wobei einzig Paul Gerhardts „O Haupt voll Blut und Wunden“ eine Ausnahme darstellte. Sehr schlecht war es um die Quellenangaben bestellt, so daß sich die Arbeit der meisten Redaktoren jeder kritischen Prüfung entzog. „Das öffnete der Willkür in der Behandlung von Melodie und Text Tür und Tor. Neudichtungen erschienen zu älteren Weisen, die sich als recht billige Reimereien auswiesen, oder ältere Texte wurden mit läppischen Melodien verbunden.“ 27 Insgesamt läßt sich sagen, daß die Intention der Bearbeiter, vermehrt alte Kirchenlieder in ihre „Auslese“ aufzunehmen, eine entscheidende Innovation im Vergleich zu den in dieser Zeit verbreiteten Kirchengesangbüchern darstellte, die sich durch ein Übergewicht an Liedern des 19. Jahrhunderts auszeichneten. Diewald formuliert diesen Sachverhalt mit einer ‚floralen‘ Metaphorik, die dem üblichen Kirchengesang Unfruchtbarkeit bescheinigt: „Ein Vertiefen in unsere Diözesangesangbücher […] läßt alle, die um den ehemaligen Reichtum des katholischen Kirchengesanges wissen, erschrecken. Wenn man aus einem alten Gesangbuch singt, so ist es wie eine ‚Wanderung durch Blumenwiesen und Blütengärten‘. Ein neueres Diözesangesangbuch ist wie eine Herbstlandschaft, es sind noch vereinzelte Blüten da, aber meist sind sie verwelkt […]. Die neugepflanzten Blumen sind entweder schwach und ohne Nährboden, oder es sind papierene Scheinblüten. Dieser Vergleich ist recht treffend.“ 28 2. Liedsammlungen der Jugend vor Erscheinen des Kirchenlied Das Kirchenlied schöpfte seinerseits vieles aus den vorausgegangenen Sammlungen der katholischen Jugendbewegung, insbesondere aus dem Spielmann, dem Jung-Volker und den beiden Singeschiffen 29 . 26 Lipphardt: Gregorianischer Choral. S.: 128. 27 Lipphardt: Gregorianischer Choral. S.: 128. 28 Diewald: Kirchenlied. S.: 122. 29 Kern: Liturgische Bewegung. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 1642. <?page no="82"?> Corpusanalyse 72 Zur Jugendbewegung gehörte von Anfang an ein jugendgemäßes Musizieren und Singen; das Lied war Ausdrucksform des neuen Lebensgefühls. Bald schon entstanden erste Liederbücher, wobei viel aus der Liedtradition der vorangegangenen Jahrhunderte geschöpft wurde. Sowohl alte Volkslieder als auch dem Geiste der Zeit gemäße Neuschöpfungen standen hoch im Kurs. In den Liederbüchern findet sich die „mit geradezu missionarischem Eifer betriebene Wiedererweckung alter, in Vergessenheit geratener Volkslieder“ 30 . Doch woher stammten diese Lieder? Die meisten wurden aus den großen Quellensammlungen des 19. Jahrhunderts übernommen und nach eigenen Vorstellungen gekürzt oder verändert. Die verbreitetste Sammlung der frühen Jugendbewegung war Der Zupfgeigenhansl (1908) von Hans Breuer 31 , die ihren Namen von der Zupfgeige (Gitarre) erhielt, da sie das bevorzugte Begleitinstrument der Zeit des Wandervogels darstellte 32 . Fritz Jöde ist an dieser Stelle zu nennen (mit seinem Schulliederbuch Der Musikant, 1923, und einer Kanonsammlung in drei Bänden, 1925/ 26), ebenso Johannes Hatzfeld mit seiner Sammlung Tandaradei aus dem Jahre 1916. Walther Hensel gab gleich mehrere Liederbücher heraus (u. a. Finkensteiner Blätter). Die katholische Jugend stimmte mit ein in den begeisterten Gesang der Jugend- und Singebewegung. Der „Quickborn“ veröffentlichte bereits wenige Jahre nach seiner Entstehung sein Liederbuch Der Spielmann (1914 von Klemens Neumann herausgegeben). Dieses Buch wird als das erste Jugendliederbuch im katholischen Bereich bezeichnet und wurde auch als erstes ökumenisches Liederbuch benutzt 33 . Bereits 1923 mußte die vierte, 1928 die neunte Auflage folgen 34 . Die Ähnlichkeiten zu den Werken Hensels und Jödes sind unverkennbar. Winfried Mogge hat den Spielmann „eine Art katholische[n] Zupfgeigenhansl“ genannt 35 . Inhalt, Gestaltung und Programmatik erinnern in der Tat an den Zupfgeigenhansl und insbesondere Breuers romantisches Konzept der Volksliedrestauration 36 . Interessant sind in diesem Zusammenhang die Vorworte der verschiedenen Auflagen des Spielmann: „Zurück zu den Quellen! Zurück zu den ursprünglichen Lebenskräften unseres Volkes, zu seinen großen geistigen Schätzen! “ 37 30 Neuhaus: Das geistliche Lied in der Jugendbewegung. S.: 11. 31 Bergmann: Werkbuch. S.: 57. 32 Kern: Wach auf. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 1212. 33 Kern: Wach auf. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 1213. 34 Bergmann: Werkbuch. S.: 58. 35 Mogge: Die Kirche erwacht in den Seelen: S.: 122. 36 Neuhaus: Das geistliche Lied in der Jugendbewegung. S.: 189. 37 Der Spielmann. Vorwort zur 5. Auflage. <?page no="83"?> Innovation und Tradition 73 „Viele Lieder sind in der vierten Auflage gestrichen worden, doch nur solche neuerer Art, die mehr gemacht als gewachsen waren. An ihre Stelle treten in größerer Anzahl Lieder aus dem 15., 16. und 17. Jahrhundert, der Blütezeit des deutschen Volksliedes.“ 38 Ab der dritten Auflage von 1920 fanden auch geistliche Lieder Aufnahme; dabei wurde auf die „älteste erreichbare Form zurückgegangen, die in den weitaus meisten Fällen zugleich die beste ist.“ 39 Wir werden im Rahmen der Corpusanalyse dieser Arbeit sehen, wie sehr auch die Kirchenlied-Herausgeber dieser Programmatik verpflichtet waren. Großer Erfolg war auch dem 1922 erschienenen Liederbuch des Bundes Neudeutschland, Jung-Volker, herausgegeben von Alois Elsen, beschieden. Im Jahre 1923 erschien in erster Auflage Hermann Müllers Kyrioleis mit geistlichen Liedern aus den alten katholischen Gesangbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts. Bergmann lobt dieses Werk ausdrücklich, habe es uns doch „die ältesten und schönsten deutschen Erblieder“ in ihrer „reinen Urgestalt und Schönheit“ neu geschenkt 40 . Lipphardt bemerkt, daß diesem Buche kein wirklicher Erfolg in der Jugend beschieden gewesen sei; möglicherweise sei es zu historisierend und eklektisch gewesen 41 . Wenn Müllers Werk vielleicht hinsichtlich der Auflagenhöhe des Kyrioleis kein großer Erfolg beschieden war, so bemerkt Bergmann dennoch, diese von Hermann Müller wiederentdeckten alten geistlichen Lieder hätten sich nicht nur als Beispiel, sondern in den von ihm gefundenen Fassungen und „in der von ihm sorgfältig und gewissenhaft durchgeführten Zitierung im folgenden Jahrzehnt durch all die vielen Liederbücher der katholischen Jugend“ verbreitet 42 . Somit konnte Müllers Werk also wenigstens mittelbar, über den Umweg anderer Bücher, die seine wiederentdeckten Lieder und Liedfassungen „zitierten“, wirken. Zwanzig (dreiundzwanzig) der 50 Kyrioleis-Lieder sind unter die Einheitslieder aufgenommen worden 43 . 1928 erschien im Jugendhaus Düsseldorf Das Singeschiff (später Das gelbe Singeschiff genannt), das neben Wander- und Naturliedern 21 geistliche Lieder enthält und in den dreißiger Jahren den Spielmann als wichtigstes Liederbuch der katholischen Jugend ablöste. Es handelte sich zunächst um eine reine Textsammlung; 1930 erschien dann eine Notenausgabe 44 . 1934 folgte als Fortsetzung, bearbeitet von Adolf Lohmann und Georg Thurmair, Das Singeschiff. Lieder katholischer Jugend 2. Teil: Das graue Singeschiff 45 . In ihm 38 Der Spielmann. Vorwort zur 4. Auflage. 39 Der Spielmann. Vorwort zur 4. Auflage. 40 Bergmann: Werkbuch. S.: 16. 41 Lipphardt: Gregorianischer Choral. S.: 128. 42 Bergmann: Werkbuch. S.: 58. 43 20 Lieder: E-Lieder, 3 Lieder: e-Lieder. 44 Das Singeschiff. 45 Das graue Singeschiff. <?page no="84"?> Corpusanalyse 74 sind 48 geistliche Lieder enthalten, überwiegend jedoch weltliches Liedgut aus alter Zeit und einige Neuschöpfungen. Der Name Das graue Singeschiff kommt, so erklärt Wolker im Vorwort, vom Grau des Soldatengewandes. „Freimut und Starkmut und Sturmmut! Mannestreue und Volkstreue und Gottestreue! “ werden beschworen; viele Soldatenlieder wurden aufgenommen 46 . Andrea Neuhaus bemerkt, daß die Neigung der bündischen Jugend zu einer Militarisierung der Lieder nun - mit Verspätung - auch bei der katholischen Jugendbewegung angekommen, „der Abschied von Wander- und Naturliedern nun vollzogen“ 47 worden sei. Die beiden Singeschiffe leisteten für das Kirchenlied erste Vorarbeiten. Viele der in ihm enthaltenen neuen bzw. neuentdeckten Lieder waren den Jugendlichen bereits durch die Singeschiffe bekannt 48 . Sie erreichten „sechsstellige Auflagenzahlen“ 49 . Das „Deutsche Kantual“ von Guardini und Messerschmid erschien 1931 50 . Auch ihm blieb eine Breitenwirkung versagt; es war das erste Gesangbuch dieser Zeit, welches das Anliegen der Verbindung von gregorianischem Choral und Lied vertrat. Auch fanden sich hier bereits etwa 15 Lieder evangelischen Ursprunges. Jedoch war das zu diesem Zeitpunkt gänzlich ungelöste Problem der deutschen Gregorianik 51 verantwortlich für die geringe Aufnahme des Buches, das auch in seiner Anlage äußerst elitär und wenig volksnah wirkt. Ein für die männliche evangelische Jugend wichtiges Liederbuch war Der helle Ton 52 . Es schließe sich, was die Liedfassungen betrifft, „nach Möglichkeit an das deutsche evangelische Gesangbuch (D.E.G.) 1926 an.“ 53 Auf welche dieser Quellen möglicherweise in concreto zugegriffen wurde, soll im folgenden untersucht werden. Die Tabellen belegen - in der schon bekannten Form -, ob sich ein Kirchenlied-Lied im jeweiligen Liederbuch befindet. Auch die oben verwendeten Kriterien und Symbole wurden beibehalten. 46 Das graue Singeschiff. Zum Geleit. 47 Neuhaus: Das geistliche Lied in der Jugendbewegung. S.: 190. 48 Seuffert: Lobet den Herrn. In: Wuchterl (Hrsg.): Der Vergangenheit eine Zukunft. S.: 43. 49 Hastenteufel: Wie man der Jugendarbeit eine Mitte gibt. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 11. 50 Deutsches Kantual. 51 Lipphardt: Gregorianischer Choral. S.: 129. 52 Vollständiger Titel: „Der helle Ton. Ein Liederbuch für die deutsche evangelische Jugend, mit einem Marschlieder-Anhang, herausgegeben vom Evangelischen Jungmännerwerk Deutschlands.“ Das Gegenstück für die weibliche evangelische Jugend war Ein neues Lied. Der helle Ton, S.: 2: „Dieses Liederbuch ist von einer gemeinsamen Kommission für den Reichsverband der evangelischen Jungmännerbünde und den Evangelischen Reichsverband weiblicher Jugend erarbeitet worden und stimmt dem Inhalt nach bis auf die Eigenlieder mit dem Jungmädchenbuch ‚Ein neues Lied‘ überein. 53 Der helle Ton. S.: 2. <?page no="85"?> Innovation und Tradition 75 Nr. Kirchenlied Zupfgeigenhansl Der Spielmann Tandaradei Jung- Volker 1 Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus - - - - 2 Erde, singe - 240, + - - 66, + - 3 Nun lobet Gott im hohen Thron - - - - 4 Allein Gott in der Höh sei Ehr - - 349, + - - 5 Lobe den Herren - 241, + - - - 6 Großer Gott, wir loben dich - - - - 7 Ein Haus voll Glorie schauet - 305, + - 67, + - 8 Unsere Zuflucht, Gott, du bist - - - - 9 Vater unser - - - - 10 Vater unser - Kyrie eleison - - - - 11 In Gottes Namen fahren wir - 246, + - - - 12 Gott der Vater, wohn uns bei - - - - 13 O Gott, streck aus dein milde Hand - - - - 14 Wenn wir in höchsten Nöten sein - - - - 15 Wer nur den lieben Gott läßt walten - - - - 16 Was Gott tut, das ist wohlgetan - - - - 17 Wie mein Gott will - - - - 18 Erhöre, Herr, erhöre mich - - - - 19 Wer heimlich seine Wohnestatt - - - - 20 Nun danket all und bringet Ehr - - - - 21 Aus hartem Weh die Menschheit klagt’ - - - - 22 O Heiland, reiß die Himmel auf - 246, + - - 78, + - 23 Der Satan löscht die Lichter aus (-) (-) (-) (-) 24 Wachet auf, ruft uns die Stimme - - - - 25 Macht hoch die Tür - - - - 26 Macht weit die Pforten in der Welt (-) (-) (-) (-) 27 Gott, heil’ger Schöpfer aller Stern - - - - <?page no="86"?> Corpusanalyse 76 Nr. Kirchenlied Zupfgeigenhansl Der Spielmann Tandaradei Jung- Volker 28 Ave Maria, gratia plena - - - - 29 Und Unsrer Lieben Frauen 91, + 252, + - - 30 Uns kommt ein Schiff gefahren - 256, + 327, + 80, + 31 Es ist ein Ros entsprungen 92, + - 253, + - 328, + - 70, + - 32 In dulci jubilo - 261, + - 329, + - 79, + - 33 Singen wir mit Fröhlichkeit - - - - 34 Der Tag, der ist so freudenreich - - - - 35 Es kam ein Engel hell und klar - - - - 36 Als ich bei meinen Schafen wacht - - - - 37 Vom Himmel hoch, o Engel, kommt - 266, + - 335, + 68, + - 38 Laßt uns das Kindlein wiegen - 264, + - 341, + - - 39 Zu Bethlehem geboren - 262, + 333, + - - 40 Ein Kind geboren zu Bethlehem - - 330, + - - 41 Gelobet seist du, Jesu Christ - - - - 42 Lobt Gott, ihr Christen allzugleich - - - - 43 Lob erschallt aus Hirtenmunde - - - - 44 Wie schön leucht’ uns der Morgenstern - 200, + - 347, + - 63, + - 45 Mir nach! spricht Christus, unser Held - - - - 46 Tu auf, tu auf, du schönes Blut - - - - 47 Komm, Sünder, komm - - - - 48 O Herr, aus tiefer Klage (-) (-) (-) (-) 49 Es sungen drei Engel - 280, + - - 50 Beim letzten Abendmahle - - - - 51 Bei stiller Nacht - - 307, + - - 52 Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen - - - - 53 Seht nur an die zwei Herzen (-) (-) (-) (-) 54 O Haupt voll Blut und Wunden - - - - 55 Da Jesus an dem Kreuze stund - - - - <?page no="87"?> Innovation und Tradition 77 Nr. Kirchenlied Zupfgeigenhansl Der Spielmann Tandaradei Jung- Volker 56 O du hochheilig Kreuze - - - - 57 Christi Mutter stand mit Schmerzen - - - - 58 O Traurigkeit, o Herzeleid - - - - 59 Christ ist erstanden - 284, + 356, + - 82, + 60 Gelobt sei Gott im höchsten Thron - - - - 61 Ist das der Leib, Herr Jesus Christ - - - - 62 Laßt uns erfreuen herzlich sehr - 290, + - - - 63 Freu dich, du Himmelskönigin - - - - 64 Erschienen ist der herrliche Tag - - - - 65 Christ fuhr gen Himmel - - - - 66 Gen Himmel aufgefahren ist - 291, + - - - 67 Nun bitten wir den Heiligen Geist - 292, + - - 76, + - 68 Komm, Heil’ger Geist, o Schöpfer du - - - - 69 O Jesu Christe, wahres Licht - - - - 70 Liebster Jesu, wir sind hier - - - - 71 Schönster Herr Jesu - 277, + 350, + - 65, + - 72 O süßester der Namen all - - - - 73 Morgenstern der finstern Nacht - 202, + 348, + - 64, + - 74 Ich will dich lieben, meine Stärke - - - - 75 Laßt uns: Heilig, heilig! singen - - - - 76 Das Heil der Welt, Herr Jesu Christ - - - - 77 Gott sei gelobet und gebenedeiet - - - - 78 Im Frieden dein - - - - 79 Herz Jesu, Gottes Opferbrand (-) (-) (-) (-) 80 O Herz des Königs aller Welt - - - - 81 Kommt her, des Königs Aufgebot (-) (-) (-) (-) 82 Uns rufet die Stunde (-) (-) (-) (-) <?page no="88"?> Corpusanalyse 78 Nr. Kirchenlied Zupfgeigenhansl Der Spielmann Tandaradei Jung- Volker 83 Das Banner ist dem Herrn geweiht (-) (-) (-) (-) 84 Nun stehet alle Mann für Mann (-) (-) (-) (-) 85 Zieh an die Macht, du Arm des Herrn - - - - 86 Gegrüßet seist du, Maria - - - - 87 Ave Maria klare - - - - 88 Ave Maria zart - 299, + - 52, + - 89 Ein schöne Ros - - - - 90 Es blühn drei Rosen auf einem Zweig 98, + - 298, + 352, + - 50, + 91 Sagt an, wer ist doch diese - 294, + 358, + - 49, + - 92 Wunderschön prächtige 97, + - 300, + - 361, + - - 93 Die Schönste von allen - - - - 94 Maria ist ein lichter Stern - - - - 95 Meerstern, ich dich grüße 92, + - 295, + - 51, + - 96 Nun Brüder, sind wir frohgemut (-) (-) (-) (-) 97 Maria, breit den Mantel aus - - - - 98 Mein Zuflucht alleine - - - - 99 O Königin, mildreiche Frau - - - - 100 Herr Gott, dich loben alle wir - - - - 101 Unüberwindlich starker Held - - 366, + - 62, + - 102 Das Flammenschwert in Händen (-) (-) (-) (-) 103 Ihr Freunde Gottes allzugleich - - - - 104 Laßt uns Sankt Peter rufen an - - - - 105 Wir stehn im Kampfe und im Streit (-) (-) (-) (-) 106 Nun laßt uns alle loben Sankt Bonifatium - - - - 107 Sankt Anna, Mutter groß - - - - 108 O du mein Gott - - - - 109 Morgenglanz der Ewigkeit - - - - 110 Die güldne Sonne - 204, + - - 111 Die helle Sonn leucht’ jetzt herfür - 206, + - - <?page no="89"?> Innovation und Tradition 79 Nr. Kirchenlied Zupfgeigenhansl Der Spielmann Tandaradei Jung- Volker 112 Die güldene Sonne - - - - 113 Der Tag ist aufgegangen - - - - 114 Aus meines Herzens Grunde - - - - 115 Lobet den Herren, alle, die ihn ehren - - - - 116 Wir loben dich, Herr Jesus Christ (-) (-) (-) (-) 117 Geh aus, mein Herz, und suche Freud - 209, + - - - 118 Mein Gott, wie schön ist deine Welt (-) (-) (-) (-) 119 Himmelsau, licht und blau - - - - 120 Das Feld ist weiß - - - - 121 Das Tagwerk nun vollendet ist - - - - 122 Gnädigster Erbarmer - - - - 123 Hinunter ist der Sonne Schein - - - - 124 Der lieben Sonne Licht und Pracht - - - - 125 Nun ruhen alle Wälder - 212, + - - 126 Mit meinem Gott geh ich zur Ruh - - - - 127 In dieser Nacht - 218, + - 114, + 128 Wir bitten dich, Herr Jesus Christ (-) (-) (-) (-) 129 Wir sind nur Gast auf Erden (-) (-) (-) (-) 130 Ach wie flüchtig, ach wie nichtig - - - - 131 Mitten in dem Leben - - - - 132 Wenn mein Stündlein vorhanden ist - - - - 133 O Ewigkeit, o Ewigkeit - - - - 134 Zu dir, o Gott, erheben wir - - - - 135 Gott in der Höh sei Preis und Ehr - - - - 136 Du hast, o Herr, dein Leben - - - - <?page no="90"?> Corpusanalyse 80 Nr. Kirchenlied Zupfgeigenhansl Der Spielmann Tandaradei Jung- Volker 137 Laßt uns erheben Herz und Stimm - - - - 138 O du Lamm Gottes unschuldig - - - - 139 O Jesu, all mein Leben bist du - - - - 140 Dein Gnad, dein Macht und Herrlichkeit - - - - + 1 16 2 4 + - 4 14 15 14 + und + - 5 30 17 18 54 Nr. Kirchenlied [Der helle Ton]54 Kyrioleis Deutsch. Kantual Das gelbe Singeschiff Das graue Singeschiff 1 Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus - - - - - 2 Erde, singe - - - - - 3 Nun lobet Gott im hohen Thron - - - - - 4 Allein Gott in der Höh sei Ehr 238, + - - - - 8, + - 5 Lobe den Herren 262, + - - - - 7, + 6 Großer Gott, wir loben dich - 44, + - - - - 7 Ein Haus voll Glorie schauet - 43, + - 11, + - - 8 Unsere Zuflucht, Gott, du bist - - - - - 9 Vater unser - - - - - 10 Vater unser - Kyrie eleison - - - - - 11 In Gottes Namen fahren wir 406, + - 33, + - - - - 12 Gott der Vater, wohn uns bei 235, + - - - - 9, + - 13 O Gott, streck aus dein milde Hand - - - - - 14 Wenn wir in höchsten Nöten sein 151, + - - - - 16, + 15 Wer nur den lieben Gott läßt walten 182, + - - - - - 54 Dieser Buchtitel ist deshalb eingeklammert, weil es sich um ein Liederbuch evangelischer Provenienz zwischen ansonsten katholischen Büchern handelt. <?page no="91"?> Innovation und Tradition 81 Nr. Kirchenlied [Der helle Ton] Kyrioleis Deutsch. Kantual Das gelbe Singeschiff Das graue Singeschiff 16 Was Gott tut, das ist wohlgetan - - - - - 17 Wie mein Gott will - - - - - 18 Erhöre, Herr, erhöre mich - - - - - 19 Wer heimlich seine Wohnestatt - - - - - 20 Nun danket all und bringet Ehr 255, + - - - - - 21 Aus hartem Weh die Menschheit klagt’ - - - - - 22 O Heiland, reiß die Himmel auf 13, + - 3, + - 14, + - - 23 Der Satan löscht die Lichter aus (-) (-) (-) (-) (-) 24 Wachet auf, ruft uns die Stimme 212, + - - - - - 25 Macht hoch die Tür 8, + - - - - 28, + 26 Macht weit die Pforten in der Welt (-) (-) (-) (-) (-) 27 Gott, heil’ger Schöpfer aller Stern - - - - - 28 Ave Maria, gratia plena - - - - - 29 Und Unsrer Lieben Frauen - - - - 29, + 30 Uns kommt ein Schiff gefahren 2, + - - - 5, + - 31 Es ist ein Ros entsprungen 29 a, + - 5, + - - - - 32 In dulci jubilo 20 b, + - 6, + - - 15, + - - 33 Singen wir mit Fröhlichkeit - - - - - 34 Der Tag, der ist so freudenreich 21, + - - - - - 35 Es kam ein Engel hell und klar - - 184, + - - - 36 Als ich bei meinen Schafen wacht - - - - - 37 Vom Himmel hoch, o Engel, kommt 485, + - 12, + - 17, + - - 38 Laßt uns das Kindlein wiegen 486, + - 14, + - - - 36, + - 39 Zu Bethlehem geboren 38, + - 8, + - 16, + - - 40 Ein Kind geboren zu Bethlehem - - - - - 41 Gelobet seist du, Jesu Christ 17 a, + - 17, + - - - - 42 Lobt Gott, ihr Christen allzugleich 23, + - - - - - 43 Lob erschallt aus Hirtenmunde - - - - - <?page no="92"?> Corpusanalyse 82 Nr. Kirchenlied [Der helle Ton] Kyrioleis Deutsch. Kantual Das gelbe Singeschiff Das graue Singeschiff 44 Wie schön leucht’ uns der Morgenstern 42, + - - - 8, + - - 45 Mir nach! spricht Christus, unser Held 185, + - - - - - 46 Tu auf, tu auf, du schönes Blut - 21, + - - 17, + 47 Komm, Sünder, komm - - - - - 48 O Herr, aus tiefer Klage (-) (-) (-) (-) (-) 49 Es sungen drei Engel 412, + - 23, + - - 39, + - 50 Beim letzten Abendmahle - - - - - 51 Bei stiller Nacht - 26, + - - 120, + - 40, + - 52 Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen 54, + - - 187, + - - 41, + 53 Seht nur an die zwei Herzen (-) (-) (-) (-) - 54 O Haupt voll Blut und Wunden 60, + - - 188, + - - - 55 Da Jesus an dem Kreuze stund - - - - - 56 O du hochheilig Kreuze - - - - - 57 Christi Mutter stand mit Schmerzen - - - - - 58 O Traurigkeit, o Herzeleid 62, + - 27, + - - 43, + 59 Christ ist erstanden 67, + 28, + - - 45, + 60 Gelobt sei Gott im höchsten Thron 73, + - - - - 44, + - 61 Ist das der Leib, Herr Jesus Christ - - - - - 62 Laßt uns erfreuen herzlich sehr 416, + - 32, + - - - - 63 Freu dich, du Himmelskönigin - 31, + - - - - 64 Erschienen ist der herrliche Tag 70, + - - - - - 65 Christ fuhr gen Himmel 84, + - 193, + - - 46, + 66 Gen Himmel aufgefahren ist 85 a, + - - 194, + - - 47, + - 67 Nun bitten wir den Heiligen Geist 92, + - 34, + - 196, + - - 48, + - 68 Komm, Heil’ger Geist, o Schöpfer du 98, + - - - - 69 O Jesu Christe, wahres Licht 43, + - - - - - <?page no="93"?> Innovation und Tradition 83 Nr. Kirchenlied [Der helle Ton] Kyrioleis Deutsch. Kantual Das gelbe Singeschiff Das graue Singeschiff 70 Liebster Jesu, wir sind hier 258, + - - - - 71 Schönster Herr Jesu 438, + - 19, + - - 9, + - - 72 O süßester der Namen all - - - - - 73 Morgenstern der finstern Nacht 44, + - 1, + - 7, + - - 74 Ich will dich lieben, meine Stärke 184, + - 2, + - - 6, + - - 75 Laßt uns: Heilig, heilig! singen - - - - - 76 Das Heil der Welt, Herr Jesu Christ - - - - - 77 Gott sei gelobet und gebenedeiet 145, + - 36, + - - - - 78 Im Frieden dein 146, + - - - - 79 Herz Jesu, Gottes Opferbrand (-) (-) (-) (-) 11, + - 80 O Herz des Königs aller Welt - - - - - 81 Kommt her, des Königs Aufgebot 127, + (-) (-) (-) (-) 82 Uns rufet die Stunde (-) (-) (-) (-) 123, + 83 Das Banner ist dem Herrn geweiht (-) (-) (-) (-) 127, + 84 Nun stehet alle Mann für Mann (-) (-) (-) (-) (-) 85 Zieh an die Macht, du Arm des Herrn 128, + - - - - 86 Gegrüßet seist du, Maria - - 201, + - - - 87 Ave Maria klare - - - - - 88 Ave Maria zart - 37, + - - 24, + - - 89 Ein schöne Ros - - - - - 90 Es blühn drei Rosen auf einem Zweig - - - 22, + - - 91 Sagt an, wer ist doch diese - - - - - 92 Wunderschön prächtige - 41, + - - 23, + - - 93 Die Schönste von allen - - - - 21, + 94 Maria ist ein lichter Stern - - - - 24, + - 95 Meerstern, ich dich grüße - 42, + - 21, + - - 96 Nun Brüder, sind wir frohgemut (-) (-) (-) (-) (-) 97 Maria, breit den Mantel aus - - - - 24, + <?page no="94"?> Corpusanalyse 84 Nr. Kirchenlied [Der helle Ton] Kyrioleis Deutsch. Kantual Das gelbe Singeschiff Das graue Singeschiff 98 Mein Zuflucht alleine - 40, + - - 23, + - 99 O Königin, mildreiche Frau - - - - 26, + 100 Herr Gott, dich loben alle wir - - - - - 101 Unüberwindlich starker Held - - - - 13, + 102 Das Flammenschwert in Händen (-) (-) (-) (-) (-) 103 Ihr Freunde Gottes allzugleich - - - - - 104 Laßt uns Sankt Peter rufen an - - - - - 105 Wir stehn im Kampfe und im Streit (-) (-) (-) (-) 14, + 106 Nun laßt uns alle loben Sankt Bonifatium - - - - - 107 Sankt Anna, Mutter groß - - - - - 108 O du mein Gott - - - - - 109 Morgenglanz der Ewigkeit 289, + - - - - - 110 Die güldne Sonne 286, + - - - - 52, + - 111 Die helle Sonn leucht’ jetzt herfür 274, + - - - - 52, + - 112 Die güldene Sonne 287, + - - - - 49, + 113 Der Tag ist aufgegangen - - - - - 114 Aus meines Herzens Grunde 280,+ - - - - - 115 Lobet den Herren, alle, die ihn ehren 284, + - - - - - 116 Wir loben dich, Herr Jesus Christ (-) (-) (-) (-) (-) 117 Geh aus, mein Herz, und suche Freud 439, + - - - - - 118 Mein Gott, wie schön ist deine Welt (-) (-) (-) (-) (-) 119 Himmelsau, licht und blau 444, + - - - - 11, + 120 Das Feld ist weiß - - - - - 121 Das Tagwerk nun vollendet ist - - - - - 122 Gnädigster Erbarmer - - - - 131, + 123 Hinunter ist der Sonne Schein 301, + - - 160, + - - 133, + - <?page no="95"?> Innovation und Tradition 85 Nr. Kirchenlied [Der helle Ton] Kyrioleis Deutsch. Kantual Das gelbe Singeschiff Das graue Singeschiff 124 Der lieben Sonne Licht und Pracht 311, + - - - - 136, + - 125 Nun ruhen alle Wälder 308, + - - 161, + - 134, + - 126 Mit meinem Gott geh ich zur Ruh 307, + - - - - - 127 In dieser Nacht - 45, + - 119, + - 128 Wir bitten dich, Herr Jesus Christ (-) (-) (-) (-) (-) 129 Wir sind nur Gast auf Erden (-) (-) (-) (-) (-) 130 Ach wie flüchtig, ach wie nichtig 217, + - - - - 18, + 131 Mitten in dem Leben 207, + - - - - - 132 Wenn mein Stündlein vorhanden ist 208, + - - - - - 133 O Ewigkeit, o Ewigkeit - - 210, + - - - 134 Zu dir, o Gott, erheben wir - - - - - 135 Gott in der Höh sei Preis und Ehr - - - - - 136 Du hast, o Herr, dein Leben - - - - - 137 Laßt uns erheben Herz und Stimm - - - - - 138 O du Lamm Gottes unschuldig - - - - - 139 O Jesu, all mein Leben bist du - - - - - 140 Dein Gnad, dein Macht und Herrlichkeit - - - - - + 5 12 1 2 20 + - 50 15 9 14 16 + und + - 55 27 10 16 36 Zahlenmäßig am stärksten sind die Deckungszonen mit Der helle Ton, dem Spielmann und den Singeschiffen. Es ist sicherlich keine Überraschung, daß relativ viele Lieder aus den wenige Jahre zuvor erschienenen Singeschiffen Eingang in das Kirchenlied fanden, schließlich entstanden alle drei im Jugendhaus Düsseldorf und Adolf <?page no="96"?> Corpusanalyse 86 Lohmann und Georg Thurmair sind die Herausgeber des grauen Singeschiffs. Erstaunlich ist jedoch, daß ein großer Teil der Lieder protestantischen Ursprungs ist. So finden sich im Kirchenlied 55 Lieder, die in dem evangelischen Jugendgesangbuch Der helle Ton stehen! 55 Auch aus allen anderen oben angegebenen Büchern haben sich die Herausgeber bedient. Im Liederbuch Der Musikant von Fritz Jöde finden sich lediglich acht vom Kirchenlied übernommene Lieder 56 . Da Der Zupfgeigenhansl nur wenige kirchliche Lieder enthält, ist die geringe Übernahmezahl verständlich. Stellt man sich wiederum die Frage nach dem Innovationsgrad des Kirchenlied-Bestands, nun innerhalb der damals verbreiteten Jugendliederbücher, so muß das schon bei der Untersuchung der Diözesangesangbücher festgestellte Ergebnis grundsätzlich wiederholt werden: Es gibt eine Vielzahl von Liedern, die weder in einem Diözesangesangbuch noch in einem der oben angegebenen Jugendliederbücher standen, deren Hereinnahme in ein Gesangbuch also als höchst innovativ bezeichnet werden kann. 3. Das Deutsche evangelische Gesangbuch (DEG, Berlin 1915) Es ist durchaus denkbar, daß sich die Herausgeber im Verlauf ihrer Auslese- und Auswahltätigkeit auch des ein oder anderen evangelischen Kirchengesangbuches bedienten. Das DEG (Deutsches evangelisches Gesangbuch für die Schutzgebiete und das Ausland) war ursprünglich für die deutschen Kolonien und Auslandsgemeinden bestimmt, wo Christen aus allen deutschen Regionen zusammenkamen. Es war ein Vorreiter der Einigung auf gemeinsame Fassungen. Insbesondere die zweite Auflage von 1926 beeinflußte zahlreiche große landeskirchliche Gesangbücher der Zeit. So soll nun überprüft werden, ob es Liederübernahmen zwischen beiden Gesangbüchern gibt. Kirchenlied (Nr.: 1-70) DEG Kirchenlied (Nr.: 71-140) DEG 1 Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus - 71 Schönster Herr Jesu 361, + - 2 Erde, singe - 72 O süßester der Namen all - 3 Nun lobet Gott im hohen Thron - 73 Morgenstern der finstern Nacht - 4 Allein Gott in der Höh sei Ehr 86, + - 74 Ich will dich lieben, meine Stärke 200, + - 5 Lobe den Herren 254, + - 75 Laßt uns: Heilig, heilig! singen - 55 Wobei nicht alle dieser 55 in einem evangelischen Jugendliederbuch stehenden Lieder auch evangelischen Ursprungs sind! 56 Kirchenlied: 15, 16, 35, 36, 37, 38, 51, 110, 117. <?page no="97"?> Innovation und Tradition 87 Kirchenlied (Nr.: 1-70) DEG Kirchenlied (Nr.: 71-140) DEG 6 Großer Gott, wir loben dich 370, + - 76 Das Heil der Welt, Herr Jesu Christ - 7 Ein Haus voll Glorie schauet - 77 Gott sei gelobet und gebenedeiet 133, + - 8 Unsere Zuflucht, Gott, du bist - 78 Im Frieden dein - 9 Vater unser - 79 Herz Jesu, Gottes Opferbrand (-) 10 Vater unser - Kyrie eleison - 80 O Herz des Königs aller Welt - 11 In Gottes Namen fahren wir - 81 Kommt her, des Königs Aufgebot - 12 Gott der Vater, wohn uns bei - 82 Uns rufet die Stunde (-) 13 O Gott, streck aus dein milde Hand - 83 Das Banner ist dem Herrn geweiht (-) 14 Wenn wir in höchsten Nöten sein 211, + - 84 Nun stehet alle Mann für Mann (-) 15 Wer nur den lieben Gott läßt walten 224, + - 85 Zieh an die Macht, du Arm des Herrn - 16 Was Gott tut, das ist wohlgetan 227, + - 86 Gegrüßet seist du, Maria - 17 Wie mein Gott will - 87 Ave Maria klare - 18 Erhöre, Herr, erhöre mich - 88 Ave Maria zart - 19 Wer heimlich seine Wohnestatt - 89 Ein schöne Ros - 20 Nun danket all und bringet Ehr 250, + - 90 Es blühn drei Rosen auf einem Zweig - 21 Aus hartem Weh die Menschheit klagt’ - 91 Sagt an, wer ist doch diese - 22 O Heiland, reiß die Himmel auf - 92 Wunderschön prächtige - 23 Der Satan löscht die Lichter aus (-) 93 Die Schönste von allen - 24 Wachet auf, ruft uns die Stimme 311, + - 94 Maria ist ein lichter Stern - 25 Macht hoch die Tür 1, + - 95 Meerstern, ich dich grüße - 26 Macht weit die Pforten in der Welt (-) 96 Nun Brüder, sind wir frohgemut (-) <?page no="98"?> Corpusanalyse 88 Kirchenlied (Nr.: 1-70) DEG Kirchenlied (Nr.: 71-140) DEG 27 Gott, heil’ger Schöpfer aller Stern - 97 Maria, breit den Mantel aus - 28 Ave Maria, gratia plena - 98 Mein Zuflucht alleine - 29 Und Unsrer Lieben Frauen - 99 O Königin, mildreiche Frau - 30 Uns kommt ein Schiff gefahren - 100 Herr Gott, dich loben alle wir - 31 Es ist ein Ros entsprungen 345, + - 101 Unüberwindlich starker Held - 32 In dulci jubilo - 102 Das Flammenschwert in Händen (-) 33 Singen wir mit Fröhlichkeit - 103 Ihr Freunde Gottes allzugleich - 34 Der Tag, der ist so freudenreich - 104 Laßt uns Sankt Peter rufen an - 35 Es kam ein Engel hell und klar 11, + - 105 Wir stehn im Kampfe und im Streit (-) 36 Als ich bei meinen Schafen wacht - 106 Nun laßt uns alle loben Sankt Bonifatium - 37 Vom Himmel hoch, o Engel, kommt - 107 Sankt Anna, Mutter groß - 38 Laßt uns das Kindlein wiegen - 108 O du mein Gott - 39 Zu Bethlehem geboren - 109 Morgenglanz der Ewigkeit 270, + - 40 Ein Kind geboren zu Bethlehem - 110 Die güldne Sonne 267, + - 41 Gelobet seist du, Jesu Christ 10, + - 111 Die helle Sonn leucht’ jetzt herfür 262, + - 42 Lobt Gott, ihr Christen allzugleich 13, + - 112 Die güldene Sonne - 43 Lob erschallt aus Hirtenmunde - 113 Der Tag ist aufgegangen - 44 Wie schön leucht’ uns der Morgenstern 27, + - 114 Aus meines Herzens Grunde 263, + - 45 Mir nach! spricht Christus, unser Held 163, + - 115 Lobet den Herren, alle, die ihn ehren 268, + - 46 Tu auf, tu auf, du schönes Blut - 116 Wir loben dich, Herr Jesus Christ (-) <?page no="99"?> Innovation und Tradition 89 Kirchenlied (Nr.: 1-70) DEG Kirchenlied (Nr.: 71-140) DEG 47 Komm, Sünder, komm - 117 Geh aus, mein Herz, und suche Freud 377, + - 48 O Herr, aus tiefer Klage (-) 118 Mein Gott, wie schön ist deine Welt (-) 49 Es sungen drei Engel - 119 Himmelsau, licht und blau - 50 Beim letzten Abendmahle - 120 Das Feld ist weiß - 51 Bei stiller Nacht - 121 Das Tagwerk nun vollendet ist - 52 Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen 38, + - 122 Gnädigster Erbarmer - 53 Seht nur an die zwei Herzen (-) 123 Hinunter ist der Sonne Schein 276, + - 54 O Haupt voll Blut und Wunden 45, + - 124 Der lieben Sonne Licht und Pracht 281, + - 55 Da Jesus an dem Kreuze stund - 125 Nun ruhen alle Wälder 280, + - 56 O du hochheilig Kreuze - 126 Mit meinem Gott geh ich zur Ruh - 57 Christi Mutter stand mit Schmerzen - 127 In dieser Nacht - 58 O Traurigkeit, o Herzeleid 43, + - 128 Wir bitten dich, Herr Jesus Christ (-) 59 Christ ist erstanden 56, + - 129 Wir sind nur Gast auf Erden (-) 60 Gelobt sei Gott im höchsten Thron 58, + - 130 Ach wie flüchtig, ach wie nichtig 324, + - 61 Ist das der Leib, Herr Jesus Christ - 131 Mitten in dem Leben 305, + - 62 Laßt uns erfreuen herzlich sehr - 132 Wenn mein Stündlein vorhanden ist 308, + - 63 Freu dich, du Himmelskönigin - 133 O Ewigkeit, o Ewigkeit - 64 Erschienen ist der herrliche Tag 59, + - 134 Zu dir, o Gott, erheben wir - 65 Christ fuhr gen Himmel 68, + - 135 Gott in der Höh sei Preis und Ehr - 66 Gen Himmel aufgefahren ist - 136 Du hast, o Herr, dein Leben - <?page no="100"?> Corpusanalyse 90 Kirchenlied (Nr.: 1-70) DEG Kirchenlied (Nr.: 71-140) DEG 67 Nun bitten wir den Heiligen Geist 76, + - 137 Laßt uns erheben Herz und Stimm - 68 Komm, Heil’ger Geist, o Schöpfer du - 138 O du Lamm Gottes unschuldig 34, + - 69 O Jesu Christe, wahres Licht 29, + - 139 O Jesu, all mein Leben bist du - 70 Liebster Jesu, wir sind hier 119, + - 140 Dein Gnad, dein Macht und Herrlichkeit - Gesamtzahl aller „+ -“: 41 Bis auf acht Ausnahmen 57 stehen alle evangelischen Lieder des Kirchenlied auch im DEG. Für die Entstehungszeit des Kirchenlied war es durchaus ungewöhnlich und daher innovativ, eine derart große Anzahl an Liedern evangelischer Provenienz aufzunehmen. Es fällt allerdings auf, daß keines der Lieder, was Strophenauswahl oder auch Textfassungen betrifft, unverändert übernommen wurde (es finden sich nur „+ -“-, keine „+“-Befunde). Das spricht eher dagegen, daß DEG die Quelle für die evangelischen Lieder war. III. Vor- und Nachwort im Kirchenlied „Zum Geleit Singet dem Herrn ein neues Lied! Dieses Wort des Psalmensängers ist jeder Zeit neu als Aufruf gegeben. So grüße ich dieses Werk, aus dem reichen Schatz geistlicher Lieder aller Jahrhunderte die besten zu vereinen mit neuen, darin die Glaubensfreude und die Kraft des Glaubens singt. Ihr habt die alten Texte und Weisen an den Quellen erforscht und ihnen ihre Kraft und Herbheit zurückgegeben, da in glaubensschwachen Zeiten vieles Schöne und Kostbare in den Liedern unserer Ahnen verkannt oder verlassen wurde. Manches vergessene Lied weckt ihr durch euer Werk zu neuem Leben; viele alte Weisen und Texte sind im frischen Glanze ihrer Zeit wiederhergestellt. Zu diesem köstlichen Erbe habt ihr neues Gut gesellt. In den neuen Liedern klingt das Lob Gottes hell und froh, klingt die Treue zu Christus echt und stark. Dank sei euch, daß ihr mit Liebe gesammelt habt, was uns an gemeinsamem Liedgut verbinden kann zu einem gewaltigen Gottbekenntnis aller Christen in deutschen Landen! Wie das ‚Kirchengebet‘ in seiner großen Verbreitung im Reich und über seine Grenzen hinaus zu einem schöneren Beten half, so soll nun das ‚Kirchenlied‘ allüberall neuem, schönerem Singen dienen im Gottesdienst und in den Familien, auf daß wir Gott wie aus einem Munde loben, danken und bitten. Daran will ich die frohe Hoffnung 57 Kirchenlied: 78, 80, 85, 100, 112, 120, 122, 126. <?page no="101"?> Vor- und Nachwort im Kirchenlied 91 knüpfen, daß damit nun auch einem einheitlichen Liedgut der deutschen Katholiken der Boden bereitet wird. Mögen viele dieser Lieder wieder heimisch werden in unseren Familien, damit Glaubensfreudigkeit und Glaubenstreue an ihnen wachse und unsere Häuser widerklingen von einem frohen und befreienden Singen, wie es uns Deutschen nachgerühmt wird von alters her. Gott segne euer Werk! +Albert, Bischof von Mainz Karsamstag 1938“ 58 . Albert Stohr, Bischof von Mainz und Jugendbischof, unterzeichnet das Vorwort. Doch es gibt Stimmen, die bezweifeln, daß Stohr dieses Vorwort wirklich selbst geschrieben habe. Massenkeil vermutet, daß das Vorwort zum Kirchenlied von Ludwig Wolker verfaßt wurde und will dies an der Art und Weise der Formulierung erkennen 59 . Das Vorwort atme Wolkers typisch pathetisch-mitreißende und (an den Ausrufezeichen erkennbare) adhortativ-imperativische Art und Weise des Sprechens und Schreibens. In diesem Sinne stellt Dischinger in einem Aufsatz lapidar fest, das Vorwort sei von Wolker verfaßt und von Albert Stohr lediglich gezeichnet worden 60 . In der Tat haftet Wolkers Reden oft eine imperativische, gleichzeitig aber auch einnehmende und begeisternde Art und Weise an. Das Pathos, welches dem Hörer beispielsweise von den Schallplatten „Stimmen der Jugend“ entgegenschallt, ist unverkennbar, umgeben von einer teils sakralen und doch fordernd-aggressiven, vielleicht auch „generalhaften“ 61 Aura. Diese Art und Weise des Sprechens und Schreibens ist jedoch auch typisch für die damalige Zeit. Redewendungen, die so typisch wären, daß man an ihrer Verwendung eindeutig Wolker als Urheber identifizieren könnte, sind nicht vorhanden. Auch der Hinweis, Wolker habe doch auch die Vorworte im Kirchengebet, in gelbes und graues Singeschiff geschrieben, bleibt den letzten Beweis schuldig. In der Tat mag vieles dafür sprechen, daß Wolker das Vorwort geschrieben hat, es muß aber bei einer bloßen (wenn auch begründeten) Vermutung bleiben. Inhaltlich ist in besonderem Maße erstaunlich, mit welcher Selbstsicherheit der Verfasser des Vorwortes mit dem kleinen Büchlein große Ziele verfolgt: Es soll helfen, den Weg zu einem einheitlichen Singen zu bereiten, ein schon lange bestehendes, aber bisher mit wenig Erfolg gesegnetes Desiderat; entweder spricht großer Optimismus hinsichtlich der Zukunft des Buches oder ein geradezu hellseherischer Instinkt bezüglich des wirklich eintretenden fulminanten Siegeszuges des Kirchenlied aus dem Geleitwort. Der 58 Kirchenlied: S.: 3. 59 In einem persönlichen Gespräch mit Günther Massenkeil am 14. 12. 2003 in Bad Honnef. 60 Dischinger: Kraft und Trost. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 252. 61 Wolker wurde hinter seinem Rücken oft „General“ genannt. <?page no="102"?> Corpusanalyse 92 Optimismus konnte sich freilich auf den Erfolg des Kirchengebet und auf die kirchenoffizielle Unterstützung durch den Jugendbischof berufen. Erstaunlich ist ferner, daß nicht nur das einheitliche Singen aller Katholiken, sondern aller deutschen Christen angestrebt wird. Die katholische „Ökumene“ dieser Zeit bestand fast ausschließlich in der Überzeugung, die Protestanten als Abtrünnige müßten in den Schoß der Mutter Kirche zurückkehren, also konvertieren. Evangelisches Liedgut in katholischen Gesangbüchern existierte praktisch gar nicht. Was für ein bemerkenswerter Schritt, daß Albert Stohr als katholischer Bischof den Mut und den Weitblick hatte, das Verbindende zwischen den Konfessionen auch über das gemeinsame Singen zu betonen und ein derartiges Vorwort zu unterzeichnen. Eine Beobachtung mag jedoch verwundern: In glaubensschwachen Zeiten sei das Schöne in den alten Liedern verkannt oder verlassen worden. Sicherlich spielt der Verfasser hier auf die Zeit der Aufklärung an, die die Vernunft zu Lasten des Glaubens überbetonte. In den Jahren von etwa 1780 bis 1830 kam es in der Tat zu einer grundlegenden Erneuerung des Liedcorpus, bei der viele alte Lieder aussortiert oder bis zur Unkenntlichkeit überarbeitet wurden. Aber Veränderungen an den Ur-Liedern hat es freilich früher schon, so in der Barock-Zeit gegeben, wobei diese Zeit wirklich nicht als glaubensschwach bezeichnet werden kann. Die These, Veränderungen an den Urliedern bedeuteten Glaubensschwäche, muß also als falsch bezeichnet werden, da sie verkennt, daß auch ein veränderter Zeitgeschmack unterschiedliche Lieder favorisiert. Die Kraft des jeweiligen Glaubens kann sich auch als Kraft zur Veränderung alter Lieder äußern. Der Verfasser jedenfalls bevorzugt eindeutig die „alten Texte und Weisen“, für deren Rückgabe er den Herausgebern dankt. „Nachwort Diese Auslese geistlicher Lieder verwirklicht den Wunsch nach einem Liedgut, das einem einzigen Lobsingen, Danken und Bitten der jungen Kirche im ganzen deutschen Lande den Weg bereiten soll. Dienen will das Werk auch denen, die um den einstmaligen Reichtum unseres Kirchengesanges wissen und mitschaffen wollen an einem lebendigen und glaubensfrohen Singen der Gemeinde. Da fast in jeder Diözese andere Liedfassungen in Gebrauch sind und die Form der Lieder in den meisten Fällen wesentlich von der kraftvollen Urform abweicht, war es nicht möglich, die hier gesammelten Lieder in Wortlaut und Weise einer der üblichen Bearbeitungen auszugleichen. *) Es mußte deshalb die Urgestalt eines jeden Liedes in gründlicher wissenschaftlicher Vorarbeit festgestellt und ihre Verwendbarkeit für die Gegenwart erprobt werden. Im Anschluß an die ältesten Quellen wurde, soweit nötig, eine für unsere Zeit notwendige Angleichung in sprachlicher und melodischer Hinsicht vorgenommen. Ehrfurcht vor dem wertvollen Volksgut und das Wissen um seine tiefen Kräfte leiteten *) Um Schwierigkeiten in den großen Gemeinde-Gottesdiensten zu vermeiden, möge immer rechtzeitig geklärt werden, in welcher Fassung das jeweilige Lied gesungen werden soll. <?page no="103"?> Vor- und Nachwort im Kirchenlied 93 uns bei dieser Arbeit. Von gleichem Verantwortungsbewußtsein gegenüber dem großen Erbe der Vergangenheit sind auch die neuen Lieder unserer Tage in diesem Buch getragen. So haben wir versucht, durch dieses Werk zu einem einheitlichen Liedgut deutscher Katholiken den Grund zu legen. Diese Sammlung kann verständlicherweise nur eine Auswahl darstellen und muß dabei auf viele Lieder verzichten, die nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehören. Die Reihenfolge der Lieder wurde nur von ihrem Sinngehalt bestimmt. Bei den Liedern zum Kirchenjahr suchten wir vornehmlich nach solchen, die den liturgischen Gedankengehalt der verschiedenen Zeiten zum Ausdruck bringen; es sind ihrer zwar nicht viele, aber diese vor allem müssen unser Eigentum werden. Die Lieder zur Opferfeier wollen nur Vorschläge sein. Es ist bekannt, daß es solcher Lieder wohl eine Unmenge gibt, die aber fast alle den unerläßlichen liturgischen, sprachlichen und musikalischen Wertforderungen nicht entsprechen. Wir hoffen, daß uns vorbildliche deutsche Singmessen noch geschenkt werden. Die Zahl der Strophen wurde, soweit es ohne Schaden möglich war, eingeschränkt. Es sei angeregt, bei vielstrophigen Liedern den Wechsel von Singen und Sprechen einzuführen. In der Notenausgabe finden sich ausführliche Angaben, welche Lieder und Strophen zu bestimmten Anlässen gesungen werden können. So möge nun dieses Werk mitschaffen an einem neuen und schönen Singen im Gottesdienst, in allen Stunden religiöser Besinnung und im heiligen Raum der Familie. Aus diesem Singen möge uns Kraft werden und Trost und Freude. Nun bringt die neuen und alten Weisen zum Klingen als ein freudiges Gotteslob aufrechter junger Christen! Die Bearbeiter“. 62 Kommen wir nun zur näheren Betrachtung des von den Herausgebern des Kirchenlied verfaßten Nachwortes. Gleich zu dessen Beginn wird die Absicht deutlich, durch das Kirchenlied ein „einiges Lobsingen, Danken und Bitten“ der jungen Kirche im ganzen deutschen Lande zu ermöglichen. Auffällig ist die stellenweise Übereinstimmung zwischen Vor- und Schlußwort. Besonders Anfang und Ende wirken inhaltlich parallel (so z. B. die Nennung von Gottesdienst und Familie am Ende beider Teile). Vor diesem Hintergrund verwundert es besonders, daß zwar auch im zweiten Teil der Wunsch geäußert wird, das Büchlein wolle „zu einem einheitlichen Liedgut deutscher Katholiken den Grund legen“, mit keinem Wort jedoch die konfessionsverbindende Intention des Vorwortes aufgenommen wird. Natürlich kann man sagen, einer Wiederholung habe es nicht bedurft. Warum aber wurden andere Gedanken durchaus wiederholt? Als besonders bemerkenswert erscheint der im Nachwort grundgelegte hohe wissenschaftliche Anspruch des Buches, wenn gesagt wird, die Urgestalt eines jeden Liedes sei festgestellt worden. Griff man auf die Originale oder auf die vorhandenen Editionen zurück, die ihrerseits den Anspruch erhoben, auf das Original zurückzugehen? Diese Frage soll später beantwortet werden. 62 Kirchenlied: S.: 171 f. <?page no="104"?> Corpusanalyse 94 IV. Die Programmatik des Kirchenlied anhand von Bernbergs „Singt dem Herrn ein neues Lied! “ bzw. Bergmanns „Werkbuch zum deutschen Kirchenlied“ und von Diewalds Ausführungen 63 Welche Ziele und Absichten die drei Herausgeber verfolgten, ist in Ansätzen bereits durch die Untersuchung des von ihnen geschriebenen Nachwortes und teilweise schon im prosopographischen Teil dieser Arbeit deutlich geworden. Bedingt durch die Kürze können die in einem Vorwort enthaltenen Informationen jedoch oft nur andeuten und skizzieren. Direkte Aussagen der Herausgeber über die Arbeit am Kirchenlied oder die sie leitenden Prinzipien liegen nur spärlich vor. Deshalb soll in diesem Teil der Arbeit auf ein von Hartmann Bernberg verfaßtes Buch mit dem Titel „Singt dem Herrn ein neues Lied! Das deutsche Kirchenlied. Erbe und Aufgabe“ eingegangen werden. Dieses Buch erschien 1938 im Verlag des Jugendhauses Düsseldorf. Bei dem Autorennamen „Hartmann Bernberg“ handelt es sich um ein Pseudonym Bernhard Bergmanns 64 . Bereits wenige Wochen nach seinem Erscheinen wurde es von den NS-Behörden verboten. 1953 erschien das Buch in leicht veränderter und stellenweise erweiterter Form unter dem Titel „Werkbuch zum deutschen Kirchenlied“. Bergmann verwendet hier kein Pseudonym. Bernhard Bergmann wird von den Herausgebern des Kirchenlied stets lobend erwähnt 65 . Sie sahen dieses Werk als Ergänzung zum Kirchenlied an 66 . Daher kann man davon ausgehen, daß seinem Werkbuch eine besondere Wichtigkeit und Autorität anhaftet, weil es gleichsam das Placet der Herausgeber genießt und man aus den dort dargestellten Ergebnissen mittelbare Rückschlüsse auf die Programmatik der Herausgeber ziehen kann. Dazu Diewald: „Ein von Bernhard Bergmann verfaßtes Werkbuch ‚Singt dem Herrn ein neues Lied‘ mit 54 Einführungen in ausgewählte Lieder unterbaute die Arbeit der Jugend und der Pfarrgemeinden mit dem neuen ‚Kirchenlied‘.“ 67 Das Buch besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Der letztere beinhaltet Einführungen in einzelne Lieder. Interessanter ist der erste Teil (S.: 10-68), der die Geschichte des Kirchengesanges - von den frühesten Anfängen bis zur Gegenwart - darstellt und sich dabei vor allem auf Bäum- 63 Diewald: Kirchenlied. S.: 122-125. 64 Bergmann: Werkbuch. S.: 5. 65 So z. B. bei Diewald: Kleine Lobrede, S.: 4. 66 So auch Roth: Katholische Jugend in der NS-Zeit. S.: 224. Das Kirchenlied sei 1938 erschienen, „dazu“ 1939 Bergmanns Werk. 67 Jäckel: 25 Jahre „Kirchenlied“. S.: 145. <?page no="105"?> Die Programmatik des Kirchenlied 95 kers Werk „Das katholische deutsche Kirchenlied in seinen Singweisen“ als wissenschaftliches Fundament stützt 68 . Besonders aufschlußreich ist dieser Teil deshalb, weil er an entscheidenden Stellen der Darstellung der Geschichte des Kirchengesanges deutliche evaluative Implikationen enthält, die wiederum mittelbar Rückschlüsse über das Ansehen bestimmter Epochen oder Lieddichter bei den Herausgebern des Kirchenlied bzw. den Vertretern der Jugendmusikbewegung zulassen. Bereits in der Vorbemerkung schreibt Bergmann in der für das ganze Buch typischen pathetisch-kraftvollen und selbstbewußten Sprache eines jugendlichen Stürmers und Drängers, die viel Sendungsbewußtsein erkennen läßt, zum Ansinnen des Buches: „Dieses Büchlein […] will ein wenig mithelfen an der großen Aufgabe, die heute als eine der erfreulichsten Zeiterscheinungen im Raum der Kirche sichtbar wird: der Wiedererweckung des deutschen Kirchenliedes. Das uralt-heilige Kirchenlied war uns vielfach ein unbekanntes Land geworden. Wir wußten gar nicht mehr um die großen Schätze, die die Glaubenskraft der Väter im Laufe der vielen Jahrhunderte im Kirchenlied aufgespeichert hatte. Heute bricht es wieder sieghaft auf, das vielgeschmähte, so oft über die Schulter angesehene Erblied der Väter. Wir erkennen wieder: hier ist uns ein Reichtum anvertraut, der unerschöpflich ist. Das große Erbe der Väter ist Aufgabe und Verpflichtung des jungen Geschlechtes. […] Zu dieser Aufgabe will das vorliegende Büchlein Anregung geben, Hinweise und Ausblicke eröffnen, vor allem aber ein wenig Liebe wecken, daß überall das deutsche Kirchenlied aus seiner ‚Aschenbrödelrolle‘ heraustrete, daß wir wieder die Lebensquellen im echten gesunden Kirchenlied aufspüren, daß wir zu einem frischen, frohen, echt kernigen und mannhaften Singen unserer Lieder kommen, im Hause des Herrn wie im heiligen Raum der Familie. […] [Der Verfasser] ist glücklich, wenn er in dieser Stunde mithelfen kann zu einem heiligen Singen in der Zucht und Art der Väter, zu einem kraftvollen tönenden Gotteslob in deutscher Zunge! “ 69 Dieser jugendlich-ungeduldige Geist findet sich auch in Diewalds Ankündigung des Kirchenlied, der am Ende seines Artikels ein Zitat von Dreves anführt, in dem es um die Notwendigkeit geht, den alten Liedern zu ihrem Recht zu verhelfen: „Kein Eichbaum hat auf Gottes Erdboden so gesunde Wurzeln als das Pflänzchen, das man „Zopf“ nennt. Will man das ausreuten, so muß man einen tüchtigen Ruck tun; nur daran zupfen, ob es nicht etwa loslassen wolle, kann nur den Patienten unwirsch und ungebärdig machen.“ 70 An dieser Stelle soll nun nicht der Inhalt der kirchenmusikalischen Abhandlung paraphrasierend wiedergegeben werden. Vielmehr sollen insbesondere 68 Bergmann: Werkbuch. S.: 44. Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 49; 175. 69 Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S: 3. 70 Zit. nach: Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 124. S. dazu: Dreves: Ein Wort zur Gesangbuch- Frage. <?page no="106"?> Corpusanalyse 96 einige der angekündigten für diese Untersuchung interessanten wertungsträchtigen Stellen aufgezeigt werden. Bergmanns Geschichte des katholischen Kirchengesangs hält heutigen hymnologischen Erkenntnissen auf weiten Strecken nicht stand. Sie wird nicht als Forschungsbeitrag referiert, sondern als Beleg einer Liedgeschichtsschreibung, die legitimatorische Interessen verfolgt. Bergmann kennt eigentlich nur drei große Schritte: das kräftige Alte bis zum 17. Jahrhundert, den subjektivistischen Zerfall im 18. und 19. und die gegenwärtige Wiedergeburt im Geist des Wir-Gefühls. Die Darstellung wird durch ein Lob des Liedgutes unserer Ahnen eröffnet, deren Lieder wahrhaft volksmäßig und tiefreligiös gewesen seien. Dieser Rückblick beginnt mit den Urformen des deutschen Kirchenliedes im 9. Jahrhundert 71 . Die erste Blüte des Kirchenliedes wird um die Zeit der Kreuzzüge angesiedelt, wobei als dessen Urquell und Grundstock der Gregorianische Choral und das alte Volkslied angesehen werden 72 . Im Zeitalter der Reformation habe das deutsche Kirchenlied sodann einen starken Auftrieb erhalten, was nicht zuletzt an der zentralen Stellung des Liedes im neuen (lutherischen) Gottesdienst gelegen habe 73 . Luther wird für seine „packende Sprachgewalt, die kraftvolle, unerschöpfliche Phantasie“, seine „volksnahe und volksgemäße Ausdrucksweise“ sehr gelobt 74 . Man erinnere sich, daß der Name Luthers in den dreißiger Jahren, also zur Zeit der Entstehung von Bergmanns Buch, immer noch mit dem Makel der Apostasie behaftet, er also in der katholischen Kirche keineswegs hoffähig war. Der Inhalt der ältesten katholischen Gesangbücher, Vehe und Leisentrit werden genannt, habe im wesentlichen aus den alten (vorreformatorischen) „Erbliedern“ bestanden, wobei sie sich keinesfalls gescheut hätten, neue evangelische Lieder zu übernehmen, soweit „der gleiche dogmatische Glaubensgrund und Mutterboden“ vorgelegen habe. Auf beiden Seiten sei vieles ausgetauscht worden. Über alle Trennungen hinweg habe das deutsche Kirchenlied als „einigendes Gemeinschaftsgut des christlichen Volkes“ bestanden. Im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges habe das Kirchenlied dann seinen Höhepunkt erreicht 75 . Besonders wird Paul Gerhardt, der „gottbegnadete […] Sänger“, hervorgehoben. Seine Dichtung gehöre nicht einem bestimmten Bekenntnis allein, 71 Bergmann: Werkbuch. Ab S.: 21. Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 25. 72 Bergmann: Werkbuch. S.: 27-32. Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 25-31 u. 34 f. 73 Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 40. 74 Bergmann: Werkbuch. S.: 36. Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 41. 75 Bergmann: Werkbuch. S.: 38 f. Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 43. <?page no="107"?> Die Programmatik des Kirchenlied 97 sondern dem Christentum überhaupt, mehr noch der Menschheit schlechthin 76 . In der Barockzeit diagnostiziert Bergmann das Zurückdrängen der noch ganz aus dem Gefühl der Gemeinschaft bestehenden Wir-Lieder und der Kirchentonarten zu Lasten eines individuell-persönlichen Ich-Stiles 77 . Friedrich von Spee wird als „Vater und Schöpfer des neueren katholischen Kirchenliedes“ gepriesen, dessen Texte tief religiös empfunden und sprachlich vollendet seien, in neuer klarer Metrik und Versbetonung und mit frischem Rhythmus 78 . Mit Spee, Silesius und Nakatenus breche nun die aufsteigende Linie des katholischen deutschen Kirchenliedes ab 79 . In den nachfolgenden Liederbüchern habe sich der alte Liedbestand bis zum Ende des 17. Jahrhunderts zwar erhalten, jedoch seien die Weisen mehr und mehr modernisiert und korrumpiert worden; neue süßlich-sentimentale Melodien seien schon in der Mitte des Jahrhunderts hinzugetreten. Erst im 18. Jahrhundert sei das Erbteil der Väter gänzlich verschwunden 80 . In der Zeit der Aufklärung habe man dieses Liedgut nämlich als unpassend empfunden. Die Belehrung des Menschen habe im Vordergrund gestanden, weshalb das „armselige, unpoetische Tugendlied“ in die Bücher gekommen sei. Die bereits in der Barockzeit ihren Anfang nehmende Individualität in Frömmigkeit und Lied sei nun wahrhaft „subjektivistisch“ geworden 81 . In der Zeit der Aufklärung sei nicht nur durch die Weglassung alter Lieder gesündigt worden, sondern auch durch Bereinigungsbestrebungen: Die alten Texte erschienen vielfach als zu grob, derb und massiv und seien nun revidiert bzw. verstümmelt und entstellt worden 82 . Die Romantik mit ihrer Vorliebe für das Volksliedhaft-Alte habe einen erfreulichen Umschwung gebracht, jedoch sei der Liederfrühling der Romantik für das Kirchenlied insgesamt unfruchtbar geblieben 83 . Den Umschwung läßt Bergmann mit Heinrich Bone und dessen Gesangbuch Cantate beginnen 84 , der als „verdienstvolle[r] Gärtner und Pfleger im Garten des deutschen Kirchenliedes im 19. Jahrhundert“ angesehen wird 85 , wobei auch seinen Versuchen kein größerer Erfolg beschieden gewesen sei 86 . 76 Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 44. 77 Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 53. 78 Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 46. 79 Bergmann: Werkbuch. S.: 41-43. Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 46-48. 80 Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 49. 81 Bergmann: Werkbuch. S.: 44-48. Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 53 f. 82 Bergmann: Werkbuch. S.: 49-51. Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 49-52. 83 Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 58. 84 Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 59. 85 Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 20. 86 Bergmann: Werkbuch. S.: 17. Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 59. <?page no="108"?> Corpusanalyse 98 Das 20. Jahrhundert habe an religiöser Dichtung kaum etwas hervorgebracht. Bergmanns Diagnose erscheint niederschmetternd: „Wieviel schmachtende Weichlichkeit, wieviel Rührseligkeit und Überschwenglichkeit ist in den letzten 50 Jahren in unser Kirchenlied eingedrungen […]! Wie viel süßliche und sentimentale Lieder, bis zu wahren ‚Geschmacksgreueln‘, konnte man hier oft hören […]! Und wie spät erst merkten die Verantwortlichen, wie diese schmachtenden, ungesunden Lieder auch die ganze Frömmigkeitshaltung des Menschen, sein Verhältnis zu Gott, verniedlichen, verfälschen und verwässern mußten. Ja, die Symptome der ‚religiösen Zuckerkrankheit‘ konnte man nirgend so offenkundig studieren wie an unserem landläufigen Kirchengesang! […] Sind es nicht gerade oft die flachen und seichten Lieder, die leichten und tändelnden, ‚süßen‘ und verschnörkelten Lieder, solche, die in ihrem Formenbau so sehr beeinflußt wurden von den Entartungserscheinungen des jüngeren weltlichen Volksliedes! “ 87 Die Urmelodien erschienen in den Gesangbüchern oft kläglich versimpelt und mechanisiert, barbarisch zurechtgesungen, wenn sie denn überhaupt vorhanden waren. Durch die Jugendbewegung sei es zu einem Umdenken gekommen, besonders hinsichtlich der Rückverschiebung der subjektiven Frömmigkeit zum alten Wir-Gefühl der Gemeinschaft 88 . „Aus der Jugendbewegung kam der entscheidende Anstoß zur Singbewegung, sie entdeckte […] das alte, ewig neue Lied der Väter in seiner schöpferischen Kraft, […] den Choral und das aus seinem Geist geborene alte deutsche Kirchenlied, mit seinen Melodien voll Zucht und Straffheit, voll herber, heiliger Schönheit. Es wuchs in Singwochen, Singgemeinden und Singstunden vielerorts ein neues Singen voll Gehorsam, Ordnung, Haltung, bewußter Ausdruck des Willens zur Gemeinschaft. […] Echtes Singen ist Ausdruck der Gemeinschaft, und echtes Singen weckt und nährt die Gemeinschaft! “ 89 Aus heutiger Sicht erscheint die permanente Wiederholung - fast schon Beschwörung - des Wir der Gemeinschaft dem Geist der dreißiger Jahre geschuldet. Die Verve, mit der das Gemeinschaftsgefühl hier betont wird, wirkt oftmals überzogen, einseitig und apodiktisch-dogmatisch. Fast fühlt man sich an den Satz erinnert, der besagte, man selbst sei nichts und das Volk sei alles. Tatsächlich bestehen im sprachlichen Bereich der Darstellung oftmals Parallelen und Anklänge in diese angedeutete Richtung, wenn immer und immer vom ehrwürdigen Erbe des Volkes gesprochen wird. Diewald hat in einem in Bad Soden-Salmünster 1937 gehaltenen Vortrag ebenfalls eine kurze Schilderung der Geschichte des deutschen Kirchenliedes - natürlich in einem quantitativ bescheideneren Umfang als in Bergmanns Buch - vorgelegt. Da diese Ausführungen sehr stark innere Überzeugungen 87 Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 59 f. Ähnlich: Bergmann: Werkbuch. S.: 54. 88 Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 62 f. 89 Bergmann: Werkbuch. S.: 56 f. Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 62 f. <?page no="109"?> Die Programmatik des Kirchenlied 99 und Haltungen widerspiegeln und ansonsten nur relativ wenige Herausgeberaussagen bezüglich ihrer Einstellung zu den verschiedenen Kirchenliedepochen vorliegen, sollen Diewalds diesbezügliche Bemerkungen, sein kurzer „Überblick über die geschichtliche Entwicklung des deutschen Kirchenliedes“, relativ ausführlich zitiert werden, auch wenn sie sich stellenweise mit Bergmanns Ausführungen decken: „Das erste katholische Gesangbuch wurde im Jahre 1537 gedruckt, also zu einer Zeit, die schon über einen reichen Kirchenliederschatz verfügte, der zum Teil schon damals mehrere Jahrhunderte alt war und bis dahin durch mündliche Überlieferung im Volke verbreitet wurde. Es waren also lauter echte ‚Volkslieder‘. Diese Urlieder bleiben die Hauptbestandteile der Gesangbücher des 16. Jahrhunderts. Auch das 17. Jahrhundert verzichtet nicht darauf. Dabei wird die rhythmische Gestalt, oft auch barockmäßig beschwingter umgedeutet, die Kirchentonarten nach Dur und Moll hin ausgerichtet, so daß man heute bei Veröffentlichungen dieser alten Lieder stets die älteste Gestalt zu Rate ziehen muß, um die Weisen richtig einzuschätzen - eine wichtige Notwendigkeit, die die vielen Neubearbeiter unserer bekannten Gesangbücher fast alle nicht genügend beachtet haben. […] Neben den Urliedern, die übrigens fast sämtlich Gemeinbesitz beider Konfessionen in Deutschland geworden sind, bringen die katholischen Gesangbücher des 16. und 17. Jahrhunderts neue Lieder ihrer Zeit. Während sie im 16. Jahrhundert mehr an den gregorianischen Choral und die alten Volksweisen anklingen, machen sich im 17. Jahrhundert immer mehr barocke Formelemente bemerkbar […]. Mit dem ausgehenden 17. Jahrhundert werden die neuerscheinenden ‚modernen‘ Gesangbücher immer spielerischer und ichbetonter. Diese Entwicklung nimmt im 18. Jahrhundert allmählich verheerende Formen an. […] Die Lieder heißen jetzt ‚Arien‘ und sind eher Konzertstücke als Volkslieder. […] Die Auffassung, daß Musik ‚ohrenvergnügende Gemütsergötzung‘ sei, und daß die Kirchenlieder die Herzen in ‚Rührung‘ versetzen sollen, ‚worin die Andacht hauptsächlich bestehe‘, macht sich verhängnisvoll bemerkbar. […] Die Gesangbücher des ausgehenden 18. Jahrhunderts äußern sich aus rationalistischen Erwägungen heraus abfällig über die alten Lieder und brechen endlich völlig mit der großen Tradition. […] So arm war diese Zeit geworden, die die Vernunft als höchstes Gut pries! - Man sollte meinen, die im 19. Jahrhundert einsetzende Besinnung hätte nun gründlichst mit den Machwerken jener Zeit, die nie tief im Volke verwurzelt waren, aufgeräumt. Die Zersetzung und die musikalische Geschmacksverbildung waren jedoch zu weit fortgeschritten, als daß die Reformer des 19. Jahrhunderts mit all ihrem guten Willen und Feuereifer ganze Arbeit hätten leisten können. (Cantica Spiritualia, Augsburg 1845. - Cantate! Heinrich Bone, Paderborn 1846. - O Christ hie merk! Guido Maria Dreves S. J., Freiburg 1885.)“ 90 Die bereits bei Bergmann deutlich gewordene Wertschätzung der vorreformatorischen Lieder, die harsche Ablehnung der in der Barockzeit ihren Anfang nehmenden Veränderungstendenzen und die negativ gewerteten Bestrebungen der Aufklärung, alles das kehrt bei Diewald wieder und dürfte auch 90 Diewald: Kirchenlied. S.: 122 f. <?page no="110"?> Corpusanalyse 100 die Überzeugung der übrigen Herausgeber gewesen sein. Die Reformer des 19. Jahrhunderts werden als Vorläufer ausdrücklich genannt, jedoch wird deren mangelnde Konsequenz in der Vorgehensweise bemängelt bzw. ihre Überforderung festgestellt. Warum konnten sich aber nicht einmal die Ansätze und Versuche dieser Reformer in den nachfolgenden Diözesangesangbüchern durchsetzen? Diewald zu dieser Frage: „1. Sie [die Gesangbuchbearbeiter] nahmen die rührseligen und minderwertigen Produkte des 18. Jahrhunderts wieder hinein […]. 2. Sie ‚bearbeiteten‘, d. h. veränderten willkürlich nach ihrem eigenen Gutdünken die wertvollen alten Weisen und Texte derartig, daß sie nunmehr völlig trocken und langweilig erschienen. Ergebnis: Das Volk war nun keineswegs begeistert von den ‚alten‘ Liedern, sondern griff lieber zu den arienhaften Schnörkelgebilden der Rokokozeit. Ein weiteres trauriges Ergebnis: Jede ‚bearbeitete‘ alte Weise erschien in fast jedem Diözesangesangbuch in anderer Form. Daher also unsere ‚babylonische Liederverwirrung‘! 3. Auch glaubte sich jeder der Herausgeber nun berufen, eine Menge neuer notwendiger ‚Gelegenheitslieder‘ zu dichten und zu vertonen. Es schien ja so leicht, primitive Lieder ‚für das Volk‘ zu machen. Unsere Gesangbücher sind immer noch vollgestopft mit diesen billigen schulmeisterhaften Machwerken, die die Verbildung und Singefaulheit nur noch förderten. Man brauchte sich ja nicht anzustrengen: alle Noten möglichst gleich lang - unendlich dehnbar - zwischen allen Zeilen Pausen. Die Orgel wartete ja geduldig! […] So wurde der Kirchengesang das, was er heute vielfach noch ist: das Sinnbild einer einschlafenden Gemeinde. Das ist der trostlose Zustand, den die junge Generation allgemein vorfand, als sie mit ihren Erneuerungsarbeiten begann. Aber die Lage ist gegenüber der Cäcilianer-Bewegung des 19. Jahrhunderts gänzlich verändert. Damals versuchten einzelne einsichtige Männer, Fachgelehrte, Wissenschaftler über die Kirchenchöre ihre Ideen und Liedbearbeitungen von oben herunter ins Volk hineinzutragen, auch auf die Gefahr hin, nur Befremden und Ablehnung hervorzurufen. Daran ist denn auch ihre Arbeit größtenteils gescheitert. Heute verlangt die jüngere Generation von sich aus […] nach einer Erneuerung vom Grund auf […]. Nach dem Gesagten ist es klar, daß die Diözesangesangbücher in ihrer bisherigen Form der Jugend nicht als Grundlage für ihre Aufbauarbeit dienen konnten.“ 91 Die schon bei Bergmann aufgefallene Wir-Orientiertheit und die Überzeugung, daß es sich bei den „Urliedern“ um Lieder des Volkes handele, erklären die Skepsis gegenüber jeder elitär akzentuierten Bestrebung. Natürlich dominieren stellenweise Übertreibung und ironische Überspitzung. Daß es sich bei den Postulaten der Singebewegung um eine aus dem Kreise der Jugend stammende Strömung handelt, macht Diewald deutlich; diesmal erhebe die Basis den Ruf nach der Rückkehr zu den Wurzeln, keine Elite von Wissenschaftlern. Die ablehnende Haltung den Liedern des 18. und 19. Jahrhunderts gegenüber und die Vorliebe für die alten in den Gesangbüchern des 16. Jahrhun- 91 Diewald: Kirchenlied. S.: 124. <?page no="111"?> Quellengeschichte 101 derts stehenden Liedern ist typisch für die gesamte Jugendmusikbewegung, ja sogar bereits für die um 1900 ihren Anfang nehmende Jugendbewegung 92 insgesamt. Insofern waren die Herausgeber des Kirchenlied Kinder ihrer Zeit. V. Quellengeschichte Zu Beginn dieses Abschnittes soll versucht werden, die Lieder zu Gruppen zusammenzufassen, wodurch es möglich wird, festzustellen, welche Jahrhunderte bzw. Kirchenliedautoren wie stark vertreten sind. 1. Die Gruppen der Lieder (orientiert an Bernbergs bzw. Bergmanns Einteilung) 93 Bergmann schlägt eine Einteilung der im Kirchenlied stehenden Lieder in vier Gruppen vor 94 . Jedes Lied kann einer der Gruppen zugeordnet werden. Ich übernehme diese Gliederung und überprüfe Bergmanns Zuordnung meinerseits. 1. Alte „Erblieder der Väter“ 2. Lieder des Überganges („also die noch bei einer kritischen Sichtung verbliebenen besten Lieder des 18. und 19. Jahrhunderts“) 3. Lieder „unserer evangelischen Brüder“ 4. Lieder „im neuen Ton unserer Zeit“ Man könnte gegen die Einteilung anführen, daß man viele der frühen protestantischen Lieder auch unter die Reihe der Urlieder hätte aufnehmen können, wobei zu entgegnen wäre, daß diese eben keine katholischen Erblieder darstellen. Innerhalb der jeweiligen Kategorien können sodann interne Gruppen gebildet werden, die Gesangbücher aufführen, aus denen mehrfach zitiert wurde; auch um Autoren können derartige Gruppen gebildet werden. Am Ende der Gliederung sind Aussagen möglich, welchen Kategorien im Kirchenlied welche Wichtigkeit eingeräumt wurde. Bei der Zuordnung habe ich mich auf die im Kirchenlied (1938) mitgeteilten Quellenangaben bezogen. Oft war die Einteilung jedoch nicht ganz einfach, etwa dann, wenn Texte der ersten, Melodien hingegen der zweiten Kategorie zugeordnet werden müßten oder ein altes Lied eine neue Textstrophe enthält. In diesen Grenzfällen dominierte wiederum der Text, welcher für die Einteilung den Ausschlag gab. Neu hinzugedichtete Strophen oder Überar- 92 S. dazu: Neuhaus: Das geistliche Lied in der Jugendbewegung. 93 Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 65- 68. 94 Bernberg: Singt dem Herrn ein neues Lied! S.: 65. <?page no="112"?> Corpusanalyse 102 beitungen eines alten Textes verhinderten nicht die Zuordnung zur vorangegangenen Kategorie. Ad 1.: „Alte Erblieder“ (bis 1699) - Vehe: Unsere Zuflucht, Gott, du bist 95 (8+9); In Gottes Namen fahren wir (11); Gott der Vater, wohn uns bei (12); Aus hartem Weh die Menschheit klagt (21); Der Tag, der ist so freudenreich (34); Da Jesus an dem Kreuze stund (55); Gott sei gelobet und gebenedeiet, 1. Strophe (77); Gegrüßet seist du, Maria (86); Mitten in dem Leben (131). - Leisentrit: Unsere Zuflucht, Gott, du bist (8+9); Gott, heil’ger Schöpfer aller Stern (27); Es kam ein Engel hell und klar, 1. Strophe (35); Lob erschallt aus Hirtenmunde (43); Ave Maria klare 96 (87). - Kaspar Ulenberg: Nun lobet Gott im hohen Thron (3); Wer heimlich seine Wohnestatt (19). - Angelus Silesius: Mir nach! spricht Christus, unser Held (45); Komm, Heil’ger Geist, o Schöpfer du (68); Morgenstern der finstern Nacht (73); Ich will dich lieben, meine Stärke (74). - Friedrich von Spee: O Heiland, reiß die Himmel auf (22); Als ich bei meinen Schafen wacht (36); Vom Himmel hoch, o Engel kommt (37); Zu Bethlehem geboren (39); Tu auf, tu auf, du schönes Blut (46); Bei stiller Nacht (51); O Traurigkeit, o Herzeleid! (58); Ist das der Leib, Herr Jesus Christ (61); Laßt uns erfreuen herzlich sehr (62); Das Heil der Welt, Herr Jesus Christ (76); O Königin, mildreiche Frau (99); Unüberwindlich starker Held (101); Ihr Freunde Gottes allzugleich (103); Laßt uns Sankt Peter rufen an (104); O Ewigkeit, o Ewigkeit (133). - David Gregor Corner („Groß Catholisch Gesangbuch“): Gen Himmel aufgefahren ist (66); Ave Maria klare (87); Aus meines Herzens Grunde (114). Sonstige: - Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus (1) - Vater unser-Kyrie eleison (10) - O Gott, streck aus dein milde Hand (13) - Wie mein Gott will (17) - Ave Maria, gratia plena (28) - Unserer Lieben Frauen Traum (29) - Uns kommt ein Schiff gefahren (30) - Es ist ein Ros’ entsprungen (31) - In dulci jubilo (32) - Singen wir mit Fröhlichkeit (33) 95 Zitiert werden Vehe und Leisentrit, daher die Doppelnennung. 96 Zitiert werden Leisentrit und Corner, daher Doppelnennung. <?page no="113"?> Quellengeschichte 103 - Laßt uns das Kindlein wiegen (38) - Ein Kind geboren zu Bethlehem (40) - Es sungen drei Engel (49) - O du hochheilig Kreuze (56) - Christ ist erstanden (59) - Freu dich, Du Himmelskönigin (63) - Christ fuhr gen Himmel (65) - Nun bitten wir den Heiligen Geist (67) - Schönster Herr Jesu (71) - Ave Maria zart (88) - Sagt an, wer ist doch diese (91) - Maria ist ein lichter Stern (94) - Maria, breit den Mantel aus (97) - Mein Zuflucht alleine (98) - Nun laßt uns alle loben Sankt Bonifatium (106) - Sankt Anna, Mutter groß (107) - O du mein Gott (108) - Das Tagwerk nun vollendet ist (121). Ad 2.: „Lieder des Überganges“, 1700 -1899 - Heinrich Bone/ Cantate 1847: Großer Gott, wir loben dich (6); Christi Mutter stand mit Schmerzen (57); Zu dir, o Gott, erheben wir (134); Laßt uns erheben Herz und Stimm (137). Sonstige: - Erde, singe (2) - Ein Haus voll Glorie schauet (7) - Erhöre, Herr, erhöre mich (18) - Beim letzten Abendmahle (50) - O süßester der Namen all (72) - Laßt uns: Heilig, heilig! singen (75) - Ein schöne Ros’ (89) - Es blühn drei Rosen auf einem Zweig, 1840 aufgezeichnet (90) - Wunderschön prächtige (92) - Meerstern, ich dich grüße (95) - Der Tag ist aufgegangen (113) - Himmelsau, licht und blau (119) - In dieser Nacht sei du mir Schirm und Wacht (127) - Gott in der Höh sei Preis und Ehr (135) - Du hast, o Herr, Dein Leben (136) - O Jesu, all mein Leben bist du (139) - Dein Gnad, dein Macht und Herrlichkeit (140) <?page no="114"?> Corpusanalyse 104 Ad 3.: Protestantische Lieder 97 - (Martin Luther 98 ): Es kam ein Engel hell und klar, 2. und folgende Strophen (35); Gelobet seist du, Jesu Christ (41); Gott sei gelobet und gebenedeiet, 2. und 3. Strophe (77). - Nikolaus Decius: Allein Gott in der Höh sei Ehr (4); O du Lamm Gottes unschuldig (138). - Nikolaus Herman: Lobt Gott, ihr Christen allzugleich (42); Erschienen ist der herrliche Tag (64)*; Die helle Sonn leucht’ jetzt herfür (111)*; Hinunter ist der Sonne Schein (123)*; Wenn mein Stündlein vorhanden ist (132). - Johann Heermann: Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen (52)*; O Jesu Christe, wahres Licht (69)*. - Philipp Nicolai: Wie schön leucht’ uns der Morgenstern (44)*; Wachet auf, ruft uns die Stimme (24)*. - Paul Gerhardt: Die güldne Sonne voll Freud und Wonne (110)*; Nun ruhen alle Wälder (125)*; Nun danket all und bringet Ehr (20)*; O Haupt voll Blut und Wunden (54); O Herz des Königs aller Welt (80); Lobet den Herren, alle, die ihn ehren (115)*; Geh aus, mein Herz, und suche Freud (117)*. Sonstige: - Lobe den Herren (5)* - Wenn wir in höchsten Nöten sein (14)* - Wer nur den lieben Gott läßt walten (15)* - Was Gott tut, das ist wohlgetan (16) - Macht hoch die Tür (25)* - Gelobt sei Gott im höchsten Thron (60)* - Liebster Jesu, wir sind hier (70)* - Im Frieden dein (78)* - Zieh an die Macht, du Arm des Herrn (85)* - Herr Gott, dich loben alle wir (100) - Morgenglanz der Ewigkeit (109)* - Die güldene Sonne (112)* - Das Feld ist weiß (120)* - Gnädigster Erbarmer (122) - Der lieben Sonne Licht und Pracht (124)* - Mit meinem Gott geh ich zur Ruh (126)* - Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (130)*. 97 Die mit „*“ gekennzeichneten Lieder finden sich mit dem Kirchenlied erstmals in einem verbreiteten katholischen Gesangbuch (laut Befund des Liedkataloges des Gesangbucharchivs der Johannes Gutenberg-Universität zu Mainz). 98 Wird aus den bekannten Gründen nicht namentlich genannt. <?page no="115"?> Quellengeschichte 105 26 von 38 evangelischen im Kirchenlied stehenden Liedern fanden sich vor dem Erscheinen dieser Publikation in keinem verbreiteten katholischen Kirchengesangbuch 99 . Ad 4.: Neue Lieder (ab 1900) - Thurmair/ Neuß: Der Satan löscht die Lichter aus (23); Mein Gott, wie schön ist deine Welt (118). - Thurmair/ Lohmann: O Herr, aus tiefer Klage (48); Das Banner ist dem Herrn geweiht (83); Nun stehet alle Mann für Mann (84); Nun Brüder, sind wir frohgemut (96); Wir stehn im Kampfe und im Streit (105); Wir loben dich, Herr Jesus Christ (116); Wir bitten dich, Herr Jesus Christ (128); Wir sind nur Gast auf Erden (129). - Lohmann u. a.: Macht weit die Pforten in der Welt (26); Seht nur an die zwei Herzen (53); Herz Jesu, Gottes Opferbrand (79); Kommt her, des Königs Aufgebot (81); Uns rufet die Stunde (82). Sonstige: - Das Flammenschwert in Händen (102) - Komm, Sünder, komm, 1918 aufgezeichnet (47) - Die Schönste von allen, 1927 aufgezeichnet (93) Es verwundert nach der Lektüre des Nachwortes im Kirchenlied nicht, daß die erste Gruppe der Urlieder zahlenmäßig ein deutliches Übergewicht besitzt 100 ; 46,2 % aller Lieder gehören zur ersten Kategorie, sind also vor 1700 entstanden. Innerhalb dieser Gruppe dominieren die großen katholischen Gesangbücher von Vehe und Leisentrit (insgesamt 14 Lieder). Angelus Silesius ist mit vier Liedtexten vertreten, Friedrich von Spee sogar mit 15 101 . Bei den vorreformatorischen Liedern sollte man bedenken, daß einige dieser Lieder bei den Protestanten später bekannter waren als bei den Katholiken und ihre Aufnahme in das Kirchenlied wie die Übernahme evangelischer Lieder wirkte 102 . Ein Satz Oehlers wird in diesem Zusammenhang zitiert, um die Liedaufnahme aus protestantischen Gesangbüchern zu rechtfertigen: 99 Das ist der Befund, der sich nach der Befragung des Liedkataloges des Gesangbucharchivs der Johannes Gutenberg-Universität zu Mainz ergibt. 100 Zählt man alle hier genannten Lieder durch, so ergibt sich als Gesamtzahl 143, was zunächst verwundern mag, da sich im Kirchenlied nur 140 Lieder finden. Die Zahl resultiert aus der Tatsache, daß einige Lieder doppelt und in verschiedenen Kategorien auftauchen, weil die Strophen von unterschiedlichen Dichtern geschrieben wurden und dann auch getrennt gezählt wurden. Die Lieder Nr. 8 u. 9 wurden als ein Lied gezählt. 101 Wobei die Zuschreibungsproblematik hier unberücksichtigt bleibt. 102 Seuffert: Vom Kirchenlied zum Gotteslob. S.: 35. <?page no="116"?> Corpusanalyse 106 „Mit mehr Recht könnte man […] sagen, daß die Protestanten katholisch singen, da, wie wir gesehen haben, viele der schönsten deutschen Kirchenlieder aus der Zeit vor der Reformation stammen, welche Lieder sodann von den Protestanten hinübergenommen und zu ihrer Erbauung beibehalten worden sind.“ 103 Die zweite Gruppe besteht aus 21 Liedern, was 14,7 % entspricht. Fünf Lieder wurden aus Heinrich Bones Gesangbuch Cantate entnommen. Hier zeigt sich wiederum die ablehnende Haltung der Herausgeber dem 18. und 19. Jahrhundert gegenüber. 26,6 % wurden für die dritte Gruppe reserviert, ein erstaunlich hoher Anteil protestantischer Lieder in einem katholischen Gesangbuch. Paul Gerhardt findet sich mit sieben Liedern, Martin Luther mit dreien, Nikolaus Herman mit fünfen. Die letzte Gruppe, 12,6 % einnehmend, wird von den Liedschöpfungen der Herausgeber dominiert. Nur drei Lieder des 20. Jahrhunderts, die nicht von den Herausgebern stammen, fanden Eingang. 2. Diskrepanzen zwischen den Quellenangaben 1938 und 1962 Nach der Aussage der Herausgeber wurden die Liedfassungen aufgrund sorgfältiger Studien erarbeitet. Im nächsten Abschnitt sollen - soweit möglich - die angegebenen Quellen aller Lieder gesichtet und mit den im Kirchenlied abgedruckten verglichen werden. An dieser Stelle sollen die Quellenangaben des 1938 erschienenen Kirchenlied mit denen des Kirchenlied. Erster Teil von 1962 verglichen werden 104 . Wie bereits bemerkt, haben die Herausgeber des Kirchenlied fast immer die Quellen für die in ihre Sammlung aufgenommenen Lieder angegeben. Joseph Gotzen hatte nach Diewalds Aussagen bereits anläßlich des Erscheinens des „Gotteslob“ (1941), das Kirchengebet und Kirchenlied beinhaltet, den gesamten Quellennachweis des letzteren einer kritischen Durchsicht unterzogen 105 . Ferner prüfte Gotzen alle Quellenangaben nochmals anläßlich des Erscheinens des zweibändigen Kirchenlied: „Für die neue Ausgabe des Kirchenlied (1962), unter Einbeziehung der Einheitslieder von 1948, haben wir dem Volkslied- und Kirchenliedforscher Dr. Joseph Gotzen für seine Überprüfung der Quellen zu danken.“ 106 Frucht von Gotzens Arbeit sind die nunmehr überprüften Quellenangaben im neuen Kirchenlied, wobei sich keine weiteren Darlegungen über seine Prüfungsarbeit und die vorgenommenen Korrekturen hinaus finden. Diese überprüften Quellenangaben können im ein oder anderen Falle, in dem man 103 Oehler, Josef. Zit. nach: Diewald: Zum „Kirchenlied“. S.: 124. 104 1967 erschien übrigens: Kirchenlied. Eine Auslese geistlicher Lieder. Zweiter Teil. 105 Jäckel: 25 Jahre „Kirchenlied“. S.: 147. 106 Diewald: Kleine Lobrede. S.: 4. <?page no="117"?> Quellengeschichte 107 in Ermangelung jeglicher Angaben in der ersten Ausgabe die benutzten Quellen nicht eindeutig bestimmen könnte, wertvolle Hilfestellung leisten. Jedoch darf nicht vergessen werden, daß prinzipiell Kirchenlied (1938) Gegenstand der Arbeit ist und daher dessen Quellenangaben Vorrang besitzen. Nochmals sei darauf hingewiesen, daß in dieser Arbeit nur die Textquellen analysiert werden. Die Abweichungen werden nun aufgelistet. Kirchenlied Quellenangaben 1938 Quellenangaben 1962 1) Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus Nach „Harpffen Davids, mit teutschen Saiten bespannet“, 1669 (Ps. 18) Worte u. Weise: Harpffen Davids, mit teutschen Saiten bespannet“, Augsburg 1669/ Worte: Nach Albert Curtz (+ 1671) 1659 (Ps. 18. Gekürzte Neufassung) 2) Erde, singe Dichtung: Joh. von Geissel, Köln, um 1835 geschrieben Worte: Nach Johannes Kardinal von Geissel (1796-1864), um 1835 3) Nun lobet Gott im hohen Thron Dichtung: Nach Caspar Ulenberg, 1549-1617 (Ps. 116) Worte: Nach Caspar Ulenberg (1549-1617), „Psalmen Davids“, Köln 1582 (1603), Ps. 116 4) Allein Gott in der Höh sei Ehr Dichtung: Nach Nikolaus Hovesch, † 1529 Worte: Nach Nikolaus Decius (um 1480-1529) 5) Lobe den Herren Dichtung nach Joachim Neander, 1650-1680, Bremen 1680 Worte: Nach Joachim Neander (1650-1680), Bremen 1680 6) Großer Gott, wir loben dich Erstdruck: Wien, 1774 Worte: Nach Ignaz Franz 1771 (Nach dem „Te Deum“) 7) Ein Haus voll Glorie schauet Aus dem Psälterlein von Joseph Mohr, 1877 Worte und Weise: Joseph Mohr (1834-1892), „Cantate“ 1876 8) Unsere Zuflucht, Gott, du bist 9) Vater unser 10) Vater unser - Kyrie eleison 11) In Gottes Namen fahren wir 12) Gott der Vater, wohn uns bei <?page no="118"?> Corpusanalyse 108 107 Kirchenlied Quellenangaben 1938 Quellenangaben 1962 13) O Gott, streck aus dein milde Hand Aus der Zeit des 30 jähr. Krieges; hier nach dem Münsterer Gesangbuch, 1677. Strofe[ 107 ] 2-5 Neufassung 17. Jahrhundert, hier nach dem Münsterer Gesangbuch 1677; Strophe 2-5 nach der Neufassung von Heinrich Bone 1847 14) Wenn wir in höchsten Nöten sein 15) Wer nur den lieben Gott läßt walten 16) Was Gott tut, das ist wohlgetan 17) Wie mein Gott will München 1637 und Wien 1676 (Neufassung) Nach München 1637 (Neufassung von „Soll’s sein, so sei’s“) 18) Erhöre, Herr, erhöre mich Harfen Davids, 1669 (Neufassung) Wortlaut nach Cantica spiritualia, Augsburg 1844/ 47 (Neufassung) 19) Wer heimlich seine Wohnestatt Dichtung: Neufassung nach Caspar Ulenberg, 1549-1617 (Ps. 90) Aus Cantica spiritualia, Augsburg 1844/ 47/ Worte: Gekürzte Neufassung des Psalms 90, teilweise nach Caspar Ulenberg (1549-1617) 20) Nun danket all 21) Aus hartem Weh die Menschheit klagt’ Seit dem Anfang des 16. Jahrh. in vielen Fassungen gedruckt. 2. Strofe neu. Seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts in vielen Fassungen überliefert. Worte: Neufassung, teilweise nach Bones „Cantate“ 1847 22) O Heiland, reiß die Himmel auf David Gregor Corner: Groß Katholisch Gesangbuch, Nürnberg 1625 u. 1631 Worte: Friedrich von Spee (1591-1635), Köln (Brachel) 1623 23) Der Satan löscht die Lichter aus 24) Wachet auf, ruft uns die Stimme Nach Philipp Nicolai (1556-1608): Freudenspiegel des ewigen Lebens, Frankfurt a. M. 1599 Worte: Philipp Nicolai (1556-1608); aus „Freudenspiegel des ewigen Lebens“, Frankfurt a. M. 1599 107 Sic! <?page no="119"?> Quellengeschichte 109 Kirchenlied Quellenangaben 1938 Quellenangaben 1962 25) Macht hoch die Tür 26) Macht weit die Pforten in der Welt 27) Gott, heil’ger Schöpfer aller Stern 28) Ave Maria, gratia plena Paderborn, 1617. In zahlreichen Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts Paderborn 1617. In zahlreichen Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts. Wortlaut: 16. Jahrhundert (Neufassung) 29) Und Unsrer Lieben Frauen 30) Uns kommt ein Schiff gefahren 31) Es ist ein Ros entsprungen „Das alt Catholisch Trierisch Christliedlein“, seit 1599 gedruckt „Das alt Catholisch Trierisch Christliedlein“, seit 1599 gedruckt. Erstdruck: Speirisches Gesangbuch, Köln 1599. Zum Wortlaut: Ein handschriftliches Gebetbüchlein des Fraters Conradus, Mainz 1582/ 88, enthält unter 19 Strophen dieses alten Trierer Liedes bereits unsere 1. und 2. Strophe ohne Singweise. - 3. Strophe: Berlin 1853. 32) In dulci jubilo Im 14. Jahrhundert bereits erwähnt, in fast allen Gesangbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts gedruckt. Im 14. Jahrhundert bereits erwähnt, in zahlreichen Gesangbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts gedruckt; hier nach Vehe 1537 und Leisentrit 1567. 33) Singen wir mit Fröhlichkeit 34) Der Tag, der ist so freudenreich 35) Es kam ein Engel hell und klar Erstdruck bei Valentin Schumann, 1539. 1. Strofe nach Leisentrit, 1567 Worte: 2.-5. Str. Martin Luther (1483-1546), die übrigen Strophen nach Valentin Triller 1555 und jüngeren Fassungen <?page no="120"?> Corpusanalyse 110 Kirchenlied Quellenangaben 1938 Quellenangaben 1962 36) Als ich bei meinen Schafen wacht Echolied, nach dem Speierer Gesangbuch, 1631 Echolied, Köln (Brachel) 1623/ Worte: Nach Friedrich Spee (1591-1635) 37) Vom Himmel hoch, o Engel, kommt Seraphisch Lustgart, 1635 Köln (Brachel) 1623/ Worte: Friedrich Spee (1591-1635) 38) Laßt uns das Kindlein wiegen 39) Zu Bethlehem geboren Nach dem Kölner Psalter, 1638 Nach dem Geistlichen Psälterlein, Köln 1637/ Worte: Friedrich Spee (1591 bis 1635) 40) Ein Kind geboren zu Bethlehem Nach Louis Pinck, Verklingende Weisen, Bärenreiterverlag, Kassel. 1918 in Lothringen aufgezeichnet. Worte: „Puer natus in Bethlehem“, deutsche Nachdichtung seit dem 15. Jahrhundert bekannt 41) Gelobet seist du, Jesu Christ Dichtung: 1. Strofe 1370 erwähnt, 2.- 6. Strofe 16. Jahrhundert Worte: 1. Strophe 1370 erwähnt, 2.- 6. Strophe: Nach Martin Luther (1483-1546) 42) Lobt Gott, ihr Christen allzugleich 43) Lob erschallt aus Hirtenmunde 44) Wie schön leucht’ uns der Morgenstern 45) Mir nach! spricht Christus 46) Tu auf, tu auf Nach Friedrich von Spee, „Trutznachtigall“, 1649 Worte: Nach Friedrich Spee (1591-1635), Köln 1637 47) Komm, Sünder, komm 48) O Herr, aus tiefer Klage 49) Es sungen drei Engel 50) Beim letzten Abendmahle Dichtung: Liegnitz 1828 Worte: Christoph von Schmid (1768-1854), Dillingen 1807 51) Bei stiller Nacht <?page no="121"?> Quellengeschichte 111 Kirchenlied Quellenangaben 1938 Quellenangaben 1962 52) Herzliebster Jesu 53) Seht nur an die zwei Herzen 54) O Haupt voll Blut und Wunden Dichtung nach Paul Gerhardt, 1607-1676 Worte: Nach Paul Gerhardt (1607-1676) 1656; nach „Salve caput cruentatum“ des Arnulph von Löwen (13. Jh.) 55) Da Jesus an dem Kreuze stund 56) O du hochheilig Kreuze Kölner Psalter 1638 und Münster 1677 Worte: Nach Konstanz 1600 57) Christi Mutter stand mit Schmerzen Stabat mater dolorosa, deutsch von Heinrich Bone, 1847 Stabat mater dolorosa, deutsch von Heinrich Bone, „Cantate“ 1847 58) O Traurigkeit, o Herzeleid Mainz und Würzburg 1628, auch in Corners Gesangbuch, (1625) 1631, Wortlaut bereits in Beuttners Gesangbuch 1602 Mainz und Würzburg 1628 59) Christ ist erstanden Eines des Urlieder, 12. bis 17. Jahrhundert 12. Jahrh., hier nach einer Münchener Handschrift des 15. Jahrh. 60) Gelobt sei Gott im höchsten Thron 61) Ist das der Leib Würzburg 1628 Köln (Brachel) 1623 Worte: Nach Friedr. Spee (1591-1635) 62) Laßt uns erfreuen herzlich sehr Auserlesene kath. geistl. Kirchengesäng, Peter von Brachel, Köln 1623. Dichtung wahrscheinlich von Spee (Neufassung) Köln (Brachel) 1623/ Worte: Nach Friedr. Spee (1591-1635) 63) Freu dich, du Himmelskönigin 64) Erschienen ist der herrliche Tag Nikolaus Herman, 1569 Nikolaus Herman (um 1480-1561) 1560 65) Christ fuhr gen Himmel Wortlaut: Im 16. Jahrhundert dem „Christ ist erstanden“ nachgebildet Worte: 1. Str. 14. Jahrh., 2. und 3. Str. 16. Jahrh. <?page no="122"?> Corpusanalyse 112 Kirchenlied Quellenangaben 1938 Quellenangaben 1962 66) Gen Himmel aufgefahren ist Aus Corners Gesangbuch, 1625. Das Lied ist älteren Ursprungs. Worte: Frankfurt/ Oder 1601, nach „Coelos ascendit hodie“ 67) Nun bitten wir den Heiligen Geist 68) Komm, Heil’ger Geist Das Veni creator spiritus deutsch von Angelus Silesius, 1624-1677 Worte: „Veni Creator Spiritus“, deutsch nach Angelus Silesius 1668 69) O Jesu Christe, wahres Licht 70) Liebster Jesu, wir sind hier 71) Schönster Herr Jesu Münster 1677 Worte: Friedrich Spee (1591-1635) 72) O süßester der Namen all Toepler, Alte Choralmelodien, Köln 1832. Worte: 1. und 3. Str. nach Johann Kaspar Lavater 1780, 2. Str. Trier 1846 73) Morgenstern der finstern Nacht Dichtung: Angelus Silesius (Joh. Scheffler), 1624-1677 Aus „Heilige Seelenlust“, Breslau 1657/ Worte: Nach Angelus Silesius (1624-1677) 74) Ich will dich lieben, meine Stärke Dichtung: Nach Angelus Silesius, 1624-1677 Aus „Heilige Seelenlust“, Breslau 1657/ Worte: Nach Angelus Silesius (1624-1677) 75) Laßt uns: Heilig, heilig! singen Dichtung: 19. Jahrhundert Worte: Steins Kölnisches Gsb. 1852 76) Das Heil der Welt Dichtung: Friedrich von Spee (1591-1635) Worte: Nach Friedrich Spee (1591-1635) 77) Gott sei gelobet und gebenedeiet Im 15. Jahrhundert bekannt. Hier aus Vehes Gesangbuch, 1537 2. und 3. Strofe 16. Jahrhundert (Neufassung) 2. und 3. Strophe Wittenberg 1524 (Neufassung) 78) Im Frieden dein 79) Herz Jesu, Gottes Opferbrand 80) O Herz des Königs aller Welt Dichtung: Paul Gerhardt, 1607-1676 Worte: Nach Paul Gerhardt (1607-1676), gekürzt, nach dem „Summi regis cor aveto“, wahrscheinlich von Hermann Joseph von Steinfeld († 1241) <?page no="123"?> Quellengeschichte 113 Kirchenlied Quellenangaben 1938 Quellenangaben 1962 81) Kommt her, des Königs Aufgebot 82) Uns rufet die Stunde 83) Das Banner ist dem Herrn geweiht 84) Nun stehet alle Mann für Mann 85) Zieh an die Macht, du Arm des Herrn 86) Gegrüßet seist du, Maria 87) Ave Maria klare 88) Ave Maria zart 89) Ein schöne Ros Dichtung bei P. Martin von Cochem, 1712 gedruckt (von Schnüffis? ). Neuere Fassung Worte: Allgemeines Gesangbuch, Mainz 1712; nach Laurentius von Schnüffis (1636-1702) 90) Es blühn drei Rosen auf einem Zweig Aus Schlesien, 1840 gedruckt Aus Schlesien, 1840 aufgezeichnet 91) Sagt an, wer ist doch diese - Textfassung: Guido Maria Dreves 1885 92) Wunderschön prächtige - Worte: Nach verschiedenen Fassungen des 19. Jahrhunderts 93) Die Schönste von allen 94) Maria ist ein lichter Stern 95) Meerstern, ich dich grüße Nach A. v. Haxthausen: Geistliche Volkslieder, 1830 Nach A. v. Haxthausen: Geistliche Volkslieder 1850 96) Nun Brüder, sind wir frohgemut Dichtung: Georg Thurmair, 1935 Worte: Altenberger Wallfahrtslied von Georg Thurmair 1935 97) Maria, breit den Mantel aus 98) Mein Zuflucht alleine Straßburg 1697, ähnlich Münster 1677 Worte: Akrostichon, Handschrift vor 1673, vielleicht von Friedrich Spee <?page no="124"?> Corpusanalyse 114 Kirchenlied Quellenangaben 1938 Quellenangaben 1962 99) O Königin, mildreiche Frau 1918 in Lothringen aufgezeichnet. Worte: Nach Friedrich Spee, Köln (Brachel) 1623 100) Herr Gott, dich loben alle wir Nach Leisentrit 1567, Neufassung Nach Leisentrits Geistlichen Liedern 1567/ Worte: Nach Paul Eber (1511- 1569) 101) Unüberwindlich starker Held Köln, gedruckt bei Peter v. Brachel, 1623 Worte: Friedrich Spee (1591-1635) 102) Das Flammenschwert in Händen 103) Ihr Freunde Gottes allzugleich Dichtung: Neuformung nach: O ihr Freund’ Gottes allzugleich… Anfang des 17. Jahrhunderts Worte: 19. Jahrh., Neuformung nach Friedrich Spee (1591 bis 1635): „O ihr Freund’ Gottes allzugleich…“ 104) Laßt uns Sankt Peter rufen an Dichtung: Köln 1623, Friedrich von Spee(? ). Worte: Nach Friedrich Spee (1591-1635), Köln (Brachel) 1623 105) Wir stehn im Kampfe und im Streit 106) Nun laßt uns alle loben Sankt Bonifatium 107) Sankt Anna, Mutter groß Kochem 1712, Fassung: Guido Maria Dreves, 1885 Worte: Nach Peter Kreyenberg, „Himmlische Nachtigall“, Köln 1690 108) O du mein Gott 109) Morgenglanz der Ewigkeit 110) Die güldne Sonne 111) Die helle Sonn leucht’ jetzt herfür 112) Die güldne Sonne 113) Der Tag ist aufgegangen 114) Aus meines Herzens Grunde 115) Lobet den Herren alle, die ihn ehren 116) Wir loben dich, Herr Jesu Christ 117) Geh aus, mein Herz <?page no="125"?> Quellengeschichte 115 Kirchenlied Quellenangaben 1938 Quellenangaben 1962 118) Mein Gott, wie schön ist deine Welt 119) Himmelsau, licht und blau Dichtung: Brix 1767 Worte: Nach dem Dresdener Gsb., Brix 1767 120) Das Feld ist weiß 121) Das Tagwerk nun vollendet ist 122) Gnädigster Erbarmer 123) Hinunter ist der Sonne Schein 124) Der lieben Sonne Licht und Pracht 125) Nun ruhen alle Wälder 126) Mit meinem Gott geh ich zur Ruh Dichtung: 1. bis 3. Strofe: Cornelius Becker, 1561-1604; 4. und 5. Strofe: Leipzig 1597, ursprünglich ein selbständiges Lied Worte: 1. Strophe: Cornelius Becker (1561-1604), 2. und 3. Strophe: Breslau 1690, 4. und 5. Strophe: Leipzig 1597, ursprünglich ein selbständiges Lied 127) In dieser Nacht Dichtung: Köln 1727 Worte: Nach „Ordentlicher Geistlicher Wegweiser…“, Köln 1727 128) Wir bitten dich, Herr Jesus Christ 129) Wir sind nur Gast auf Erden 130) Ach wie flüchtig, ach wie nichtig Dichtung und Weise: Michael Franck, Koburg 1652 Nach Michael Franck (1609-1667), Koburg 1652 131) Mitten in dem Leben Eines der Urlieder nach der Sequenz Notkers von St. Gallen, † 910: Media vita in morte sumus. Hier nach Vehes Gesangbuch, 1537 Worte: 1. Strophe nach der Antiphon „Media vita in morte sumus“, 2. und 3. Strophe nach Vehe 1537 132) Wenn mein Stündlein vorhanden ist Dichtung: Nikolaus Herman, † 1561, 5. Strophe 1575 Worte: Nikolaus Herman (um 1480-1561), 5. Strophe: Bonn 1575 133) O Ewigkeit Prag 1655 Worte: Nach Friedrich Spee (1591-1635), Köln (Brachel) 1623 <?page no="126"?> Corpusanalyse 116 Kirchenlied Quellenangaben 1938 Quellenangaben 1962 134) Zu dir, o Gott, erheben wir Wortlaut aus Heinrich Bones „Cantate“, 1888 Worte: Heinrich Bone (1813-1890), „Cantate“ 1851 135) Gott in der Höh sei Preis und Ehr Wortlaut: Albert Gereon Stein, 1869 Worte: Kölner Gesangbuch 1853 von Albert Gereon Stein 136) Du hast, o Herr, dein Leben 137) Laßt uns erheben Herz und Stimm Wortlaut: Heinrich Bone, Cantate, 1888 Worte: Heinrich Bone, „Cantate“ 1851 138) O du Lamm Gottes unschuldig Seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts bekannt Worte: Nikolaus Decius (um 1480-1529) 139) O Jesu, all mein Leben bist du Wortlaut und Weise: Albert Gereon Stein, 1852, 2. Strofe Zudichtung Worte: 1. Str. Hannover (Fulda) 1838, 2. Str. Georg Thurmair 1938 140) Dein Gnad, dein Macht und Herrlichkeit Dichtung (Ps. 20) und Weise (zu Ps. 24) nach: Harfen Davids, Augsburg 1669 (mit Änderungen) Worte: „Cantica spiritualia“, Augsburg 1844/ 47 Nach der Erstellung dieser Textquellensynopse wird zunächst deutlich, daß es sich in vielen Fällen nicht um Fehler, sondern um Konkretisierungen und Präzisierungen der Quellen handelt. In der früheren Ausgabe wurde beispielsweise bei einzelnen Liedern versäumt, die Textautoren anzugeben. Dieses Versäumnis hat Gotzen bei der Quellenrevision behoben. Als Beispiel für eine erfolgte Konkretisierung mag das Lied Nr. 139 (O Jesu, all mein Leben bist du) dienen: War hier die zweite Strophe zunächst lediglich als Zudichtung bezeichnet worden, so wird nun der Urheber namentlich erwähnt. Auf die Tatsache, daß der Name Luthers (Lied Nr. 35) in der frühen Ausgabe ganz bewußt nicht angegeben worden war, wurde bereits hingewiesen; in der Neuausgabe des Kirchenlied wird Luthers Autorenschaft nicht mehr verschwiegen. Stellenweise wollten oder konnten sich die Editoren nicht festlegen, wer der Autor einzelner Lieder sei; Gotzen konnte hier Aufklärung schaffen, so daß zum Beispiel im Lied Nr. 104 (Laßt uns Sankt Peter rufen an) Friedrich Spee ohne Fragezeichen erscheinen konnte 108 . Weitere Spee-Zuschreibungen: Nr. 22, 36, 37, 39, 61, 71, 99, 133. 108 Zur Problematik der Spee-Zuschreibung: Oorschot (Hrsg.): Friedrich Spee. „Ausserlesene, Catholische Geistliche Kirchengesäng“. <?page no="127"?> Quellengeschichte 117 Auch konnte Gotzen Fehler, die den Herausgebern hinsichtlich der Quellenangaben unterlaufen waren, korrigieren, so z. B. bei den Liedern Nr. 18; 56; 58; 71 (wobei Spee hier wahrscheinlich nicht der Autor ist); 72; 95; 135. Eine weitere Tendenz wird deutlich, die einer näheren, später zu leistenden Überprüfung bedarf: Existieren von einem Gesangbuch mehrere Auflagen, so wird in der frühen Kirchenlied-Ausgabe (im Vergleich zur späteren) nicht immer die zeitlich früheste Ausgabe zitiert, wobei Gotzen fast immer auf die ältesten zur Verfügung stehenden Ausgaben zurückgreift. Der Liedtext zwischen beiden Kirchenlied-Editionen weicht jedoch nicht voneinander ab. Offenbar geben die Kirchenlied-Herausgeber oft nicht die benutzten, sondern die von ihnen vermuteten ältesten Quellen an. Anläßlich der Diskrepanzen zwischen der alten und neuen Quellenangabe des Liedes Nr. 50 (Beim letzten Abendmahle) liegt die Vermutung nahe, daß damals auf das in Liegnitz erschienene Buch zurückgegriffen wurde, weil das ältere in Dillingen erschienene nicht zur Verfügung stand, wobei Differenzen inhaltlicher Art jedoch nicht bestehen dürften, da sich der Text in den Ausgaben nicht veränderte und nicht die Formulierung „nach xy“ verwendet wurde, es sich also um eine wörtliche Übernahme handeln muß. Diese nachfolgend genauer zu untersuchende Diagnose ist unter dem Aspekt der Wissenschaftlichkeit der Herangehensweise der Editoren von Interesse, immerhin gaben sie an, sorgfältig wissenschaftlich gearbeitet zu haben und auf die ältesten Vorlagen zurückgegangen zu sein; sie müssen sich also an diesem Anspruch messen lassen. 3. Die Quellen der einzelnen Lieder, die Arbeitsweise der Herausgeber und die Bearbeitungsvorgänge In diesem Kapitel soll der Versuch unternommen werden, die Arbeits- und Vorgehensweise der Kirchenlied-Editoren während der Entstehung der Erstauflage des Kirchenlied zu rekonstruieren. Dieser Rekonstruktion bedarf es in Folge der oben deutlich gewordenen Ermangelung genauerer Aussagen der Herausgeber über ihre Arbeit. So muß also das Ergebnis und Produkt ihrer Bemühungen als Ausgangspunkt dienen, von dem aus die Arbeitsweise rekonstruiert werden soll. Dabei interessiert insbesondere, ob stets und in jedem Falle diejenige Quelle, welche letztendlich angegeben wurde, die Arbeitsgrundlage bildete, oder ob im Einzelfall auch auf bereits vorhandene Editionen und Gesangbücher zurückgegriffen wurde. Kann es nicht sein, so muß beispielsweise gefragt werden, daß Lieder evangelischer Provenienz einfach aus einem aktuellen evangelischen Gesangbuch übernommen wurden? Wurde in jedem Falle in den Urtext geschaut? Finden sich evtl. bloße Sekundärzitate? Trug die Arbeitsweise dem Gebote der Wissenschaftlichkeit stets Rechnung? Welche Gesangbücher wurden herangezogen? Wurden die <?page no="128"?> Corpusanalyse 118 damals schon existierenden Liededitionen, etwa von Wackernagel und Bäumker, benutzt? Das sind einige der in diesem Zusammenhang zu stellenden Fragen. Dabei muß jedoch apriori gesagt werden, daß manche der hier getroffenen Aussagen lediglich Wahrscheinlichkeitsaussagen bleiben müssen, was vor allem daran liegt, daß die Editoren die alten Texte - wenn es ihnen geboten erschien - modernisierten. Im Einzelfall kann also nicht ausgeschlossen werden, daß sie ein gängiges zeitgenössisches Gesangbuch benutzten und die ein oder andere Wendung veränderten; ebenso könnte es aber auch sein, daß sie die Erstausgabe herangezogen haben und diese bearbeitet haben. Und selbst in dem Falle, in dem eine vollständige Übereinstimmung zwischen der Textfassung des Kirchenlied und einer anderen zeitgenössischen Liedersammlung festgestellt wird, kann nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden, in diesem Falle hätten die Bearbeiter nicht wissenschaftlich gearbeitet und nicht den Urtext herangezogen, könnte es doch immerhin sein, daß sie zusätzlich die vorliegende moderne Version am Urtext prüften und „für gut befanden“. Manche der angegebenen Quellen entziehen sich meiner Verfügbarkeit und können ebenfalls nicht überprüft werden. Aber vielleicht läßt sich aus den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dennoch wenigstens eine Bearbeitungstendenz ableiten. Bisweilen kann man auch auf den Bestand der Privatbibliothek Lohmanns zurückgreifen: Ein Buch, das sich hier findet, wird wohl auch benutzt worden sein. Doch auch hier ist Vorsicht geboten: Es wurden nicht nur die Bücher benutzt, die sich nun in Lohmanns Bibliothek finden; ferner gibt sie den Bestand seiner Sammeltätigkeit bis zum Tode an. Es ist nicht auszuschließen, daß ein Buch, welches vor 1936 erschienen ist, erst später erworben wurde. Soweit es in diesem Rahmen möglich ist, sollen nun die einzelnen Lieder des Kirchenlied mit den in der Quellenangabe genannten verglichen werden. Auch die Frage nach Art und Umfang der Bearbeitung alter Liedtexte wird in diesem Zusammenhang Beachtung finden. Dabei werden lediglich die Text-, nicht die angegebenen Melodiequellen, überprüft. Nr. 1: Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus 109 Die Kirchenlied-Herausgeber geben „Harpffen Davids, mit teutschen Saiten bespannet“ von 1669 als Quelle an. Das Lied findet sich in Harpffen Davjds, S.: 93-97. 109 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 649 f. <?page no="129"?> Quellengeschichte 119 Harpffen Davjds Kirchenlied 1. Dein Lob HErr ruefft der Himmel auß/ Das blawgedapezierte Hauß/ Mit so vil Zung als Sternen. 2. Der weisse Tag/ die schwartze Nacht/ Wann sie abwechßlen von der Wacht/ Reden darumb von fernen. 3. Kein Sprach/ kein Volck ist auff der Erd/ Daß nit all Tag die Predig hört/ Die umbher geht im Reyen/ 4. Von Auffgang biß zum Nidergang/ Erhallt jhr Stimm/ erschallt jhr Klang/ Mit der sie uns zuschreyen. 8. Die Sonnen ist deß Himmels Ehr/ Aber dein Gsatz HErr noch vil mehr/ Daß du uns außgestrecket/ 9. So trewlich für die arme Sünder/ So weißlich für die kleine Kinder/ So schön/ so unbeflecket/ 10. So trostreich/ so gerecht/ so wahr/ So liecht/ und mehr als Sonnenklar/ Thuets in dem Gsicht erhellen/ Und für die wahre Heiligkeit/ Durch Gottesfurcht und Gerechtigkeit/ Die ewig Wohnung bstellen. 14. Erlöß mich von der frembden Welt/ Die allen Sinn dahin gestellt/ Wie sie mich könn verkehren/ Wanns nur nit wird mein maister sein/ So wird ich unbefleckt und rain/ Mein Gwissen nit beschwären. 15. Alsdann soll dir mein Hertz-Gebet/ Daß zu dem Thron der Gnaden geht/ Mehr lieb seyn/ als es gwesen/ 16. Du bist mein Hilff/ O starcker Gott/ Du wirst mich ja in aller Not/ Nur durch dein Gnad erlösen. 1. Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus, das blaue, lichterfüllte Haus, mit soviel Zung‘ als Sternen. Der weiße Tag, die schwarze Nacht, wann sie abwechseln von der Wacht, sie künden’s aus den Fernen. 2. Kein Land, kein Volk ist auf der Erd, das nicht allzeit die Kunde hört, die umhergeht im Reigen. Vom Aufgang bis zum Niedergang erhallt ihr Ruf, erschallt ihr Klang, des Schöpfers Macht zu zeigen. 3. Die Sonne ist des Himmels Ehr, doch kein Gesetz, Herr, noch viel mehr, das du uns hast gegeben; so trostreich, so gerecht und wahr, so licht und mehr als sonnenklar erhellt es unser Leben. 4. Erlös’ mich von der fremden Welt, die allen Sinn dahin gestellt, von dir mich abzuwenden. Wann sie nicht wird mein Meister sein, so bleib ich, durch die Gnade rein, in deinen guten Händen. 5. Alsdann sei dir mein Herzgebet, das zu dem Thron der Gnaden geht, mehr lieb, als es gewesen. Du bist mein Schutz, o starker Gott, du wirst mich ja in aller Not durch deine Kraft erlösen. Der Vergleich beider Fassungen zeigt, wie geschickt die Herausgeber bei ihrer Arbeit vorgegangen sind: Insgesamt finden sich nur kleine Textveränderungen in der Kirchenlied-Fassung. Der Text wurde ganz behutsam moderni- <?page no="130"?> Corpusanalyse 120 siert, indem Worte und Textpassagen, die das Verständnis erschwert hätten, verändert wurden. Gleichzeitig kann man aber noch erkennen, daß es sich um ein Lied des 17. Jahrhunderts handelt. Ein „blautapeziertes“ Haus als Himmelsmetapher wirkt auf heutige Rezipienten unfreiwillig komisch, es wurde daher ausgetauscht. Auch die himmlische Kunde, mit der die Menschen allezeit „zugeschrieen“ werden, mußte verändert werden. Konsequent ist auch die Strophenzusammenführung: In der Vorlage bestehen die meisten Strophen aus 23 Silben, die 14. Strophe hingegen aus 46 Silben. Um die abgedruckte Melodie mit Text füllen zu können, muß man ohnehin zwei Strophen singen. Es ist also nicht einzusehen, warum aus einer Strophe zwei gemacht werden. Die Kirchenlied-Editoren verbinden die zusammengehörenden Strophen. Die neunte Strophe („arme Sünder“) lassen sie weg und bilden aus der achten und zehnten ihre dritte Strophe. Die Originalstrophen fünf bis sieben wurden wohl aus Platzgründen weggelassen, weil in ihnen die Sonne sehr ausführlich gepriesen wird („Sonnenlob“ findet sich schließlich in ausreichendem Maße im Kirchenlied, in der achten Originalstrophe des vorliegenden Liedes, die übernommen wurde, ferner in den Liedern Die güldne Sonne, Nr. 110, Die helle Sonn leucht’ jetzt herfür, Nr. 111 und Die güldene Sonne, Nr. 112). Nr. 2: Erde singe Text und Quellenangabe stammen aus Der Spielmann (S. 240). Die erste, dritte und vierte Strophe wurden, fast unverändert, übernommen 110 . Es fehlt die zweite Strophe: „2. Weht, ihr Winde, weht dem Kinde Lob und Dank und Jubel zu! Bringt, ihr Lüfte, Blumendüfte, schmückt mit Blüten seine Ruh! Wehet leise, säuselt linde, bald ja droht dem Gotteskinde auf der Schädelstätte Höhn Sturmeswehn.“ Nr. 3: Nun lobet Gott im hohen Thron 111 Der Liedtext findet sich bei Kehrein (III/ IV, Nr. 242), Caspar Ulenberg wird dort als Autor genannt, allerdings nur für die ersten beiden Strophen, nicht für die dritte (diese stammt aus „Cölner Geb. 1619 I.“). Dies verschweigt das 110 Deutliche Abweichungen gegenüber der Originalfassung von 1835, die wohl nicht eingesehen wurde. 111 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 651. <?page no="131"?> Quellengeschichte 121 Kirchenlied und übernimmt alle drei Strophen. Der Text wurde sprachlich leicht bearbeitet und modernisiert. Das Lied findet sich auch in Heinrich Bones Cantate von 1847 (Nr. 323), welches aber nicht als Vorlage gedient haben kann, da die dritte und vierte Zeile der zweiten Strophe keine Ähnlichkeit besitzen. Nr. 4: Allein Gott in der Höh sei Ehr 112 Lied und Quellenangabe finden sich bereits in Das graue Singeschiff (S. 8 f.); im Kirchenlied fallen jedoch kleinste Änderungen auf (besonders in der dritten Strophe). Die dritte Strophe in Das graue Singeschiff: „O Jesu Christ, Sohn eingeborn des allerhöchsten Vaters, Versöhner der’, die warn verlorn, du Stiller unsers Haders, Lamm Gottes, heilger Herr und Gott, nimm an die Bitt von unsrer Not, erbarm dich unser aller.“ Die dritte Strophe im Kirchenlied: „O Jesu Christ, Sohn eingeborn des allerhöchsten Vaters, Versöhner derer, die verlorn, du Stiller unsers Haders, Lamm Gottes, heil’ger Herr und Gott, nimm an die Bitt in unsrer Not, erbarm dich unser aller! “ Daran wird deutlich, daß die wenige Jahre zuvor in Das graue Singeschiff erschienene Fassung nochmals leicht überarbeitet wurde. Die Fassung des Kirchenlied ist moderner, entfernt sich aber auch etwas stärker von der Sprache des Ursprungslieds. Der Liedtext im Singeschiff wurde wahrscheinlich aus Wackernagel (III, Nr. 616) entnommen, der Nikolaus Hovesch als Lieddichter nennt. Alle vier Strophen wurden übernommen. Nr. 5: Lobe den Herren 113 Das Lied findet sich in Das graue Singeschiff (S. 7 f.). Die Angabe „Bremen 1680“ des Kirchenlied jedoch nicht. Ansonsten ist der Liedtext identisch, weicht aber schon im grauen Singeschiff von der evangelischen Singetradition ab. Nr. 6: Großer Gott, wir loben dich 114 Der Text wurde entnommen aus Heinrich Bones Cantate, Melodienbuch 1852 (Nr. 321). Es wurden folgende Strophen übernommen: 1., 2., 3., 5., 6., 10. 112 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon I. S.: 33. 113 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 310 -319. 114 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 646. <?page no="132"?> Corpusanalyse 122 Nr. 7: Ein Haus voll Glorie schauet 115 Der Text stammt aus dem „Psälterlein“ Joseph Mohrs, 1891 (Nr. 226). Die fünfte Strophe wurde nicht übernommen: „Dem Sohne steht zur Seite * Die reinste der Jungfraun; * Um sie drängt sich zum Streite * Die Kriegsschar voll Vertraun.“ Warum gerade diese Strophe weggelassen wurde, läßt sich nicht sagen. An der Kriegsmetaphorik kann es nicht gelegen haben, schließlich finden sich im Kirchenlied (besonders, was die Liedneuschöpfungen betrifft), durchaus kämpferische Lieder; vielleicht, weil die Marienstrophe hier wie ein Fremdkörper wirkt, die nicht in den Gesamtkontext paßt. Nr. 8: Unsere Zuflucht, Gott, du bist. Nr. 9: Vater unser. Obwohl durch die Nummern im Kirchenlied ein anderer Eindruck erweckt wird, handelt es sich nicht um zwei eigenständige Lieder. Der Text findet sich bei Kehrein (II, Nr. 563) und Wackernagel (V, Nr. 1158), allerdings wird hier nur Vehe als Quelle genannt. Die Angabe „Leisentrit, 1584“ wurde wohl aus Bäumker (II, Nr. 197 III) übernommen. Der im Kirchenlied stehende Text unterscheidet sich teilweise vom Original, weshalb beide Fassungen gegenübergestellt werden sollen, um beispielhaft die Bearbeitungstendenzen der Kirchenlied-Autoren aufzuzeigen. Text bei Wackernagel Bearbeiteter Text im Kirchenlied Unser zuflucht, o Gott, du bist, on dich uns niem ā dt helffen kan, Darumb uns auch gebotten ist in nötten dich zuruffen an. Solchs in d ē geyst gescheh ē sol, So ist es dir gefallen wol, hilff das wir betten hertzigklich. Vatter unser der du bist in den hymmeln. Geheyliget werd dein name. Zukhom dein reych.Dein will geschehe als ym hymmel und uff erden. Unser teglich brot gyb uns heute. Vergyb uns unsere schülden, als wir vorgeben unsern schüldigern. Für uns nit in vorsuch ū g. Sonder erlöß uns vom ubell, Amen. Unsere Zuflucht, Gott, du bist, ohn dich uns niemand helfen kann; darum uns auch geboten ist, in Nöten dich zu rufen an. Doch das im Geist geschehen soll, damit es dir gefalle wohl. Hilf, daß es komm aus Herzensgrund: Vater unser, der du bist in dem Himmel, geheiliget wird dein Name. Uns komm dein Reich. Dein Will geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser täglich Brot gib uns heute. Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Führ uns nicht in Versuchung, sondern erlös uns vom Übel. Amen. 115 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 776 f. <?page no="133"?> Quellengeschichte 123 Es wird deutlich, wie sehr sich die Herausgeber bemühten, möglichst wenig am Ursprungstext zu verändern. Orthographie und Interpunktion wurden natürlich angepaßt. Wenn das Verständnis des Textes jedoch gefährdet war, wurden Änderungen vorgenommen. Keinesfalls wurde versucht, Texte so zu modernisieren, daß sie der Sprache der Zeit entsprochen hätten. Die textlichen Änderungen sollen dem Leser auch nicht sofort als moderne Zusätze oder Bearbeitungen auffallen, sie werden vielmehr in ein „archaisches Kleid“ gehüllt. Der oben abgedruckte zweite Absatz des Liedes ist für einen Menschen des 20. Jahrhunderts unverständlich: Was ist beispielsweise hertzigkliches Beten? Hier greifen die Herausgeber ein. Den Vater-unser-Text überarbeiten sie aus einem anderen Grund; er wäre in der alten Form sicherlich verständlich gewesen. Sie versuchen hingegen, ihn dem in ihrer Zeit üblichen deutschen Vater-unser-Gebet anzugleichen, der den Benutzern des Kirchenlied einfach viel vertrauter ist. Nr. 10: Vater unser Der Text findet sich bei Kehrein (II, Nr. 567); allerdings finden sich im Kirchenlied andere Quellenangaben, die aus Bäumker (II, Nr. 181) entnommen wurden. Es zeigt sich, daß die Kirchenlied-Autoren bei der Angabe der Quellen oft nicht zwischen Text- und Melodiequelle unterscheiden, sondern häufig die älteste bei Bäumker genannte Quelle zitieren und den Text aus Kehrein und Wackernagel entnehmen, ohne deren Quellen anzugeben. Bäumker gibt „Augspurg 1584“ als älteste Quelle an: „Dieser alt katholische Vaterunsergesang, dessen älteste gedruckte Quelle die von Haym von Themar herausgegebenen Creutzgesänge (1584) sind, steht fast in allen katholischen Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts mit verschiedenen Melodievarianten.“ Die Kirchenlied-Verfasser übernehmen daraus ihre Quellenangabe: „Älteste Quelle: Haym von Themar, Kreuzgesänge, Augsburg 1584. Im 17. Jahrhundert weit verbreitet“. Obwohl der Text aus Kehrein übernommen wurde, finden sich dessen Quellenangaben („Münchner Gb. 57. Cölner Gb. 1610, 197. 1619, I, 197. Corner 805“) nicht im Kirchenlied. Die ersten acht Strophen wurden von Kehrein übernommen und sprachlich leicht modernisiert. Die übrigen sechs wurden weggelassen, wohl, weil das Lied mit „Vatter unser“ überschrieben ist und die übrigen Strophen keinen Bezug mehr zum eigentlichen „Vater unser“-Text besitzen. Nr. 11: In Gottes Namen fahren wir 116 Der Text wurde aus Kehrein (II, Nr. 527) und Wackernagel (II, Nr. 682) übernommen. Dort findet sich auch die Quellenangabe. Die ersten acht Strophen und die zwölfte Strophe wurden aufgenommen. Es kann im Einzelfall durchaus interessant sein, warum bestimmte Strophen 116 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon I. S.: 412 f. <?page no="134"?> Corpusanalyse 124 gerade nicht übernommen wurden. Die weggelassenen Strophen sollen nun näher untersucht werden: „9. In Gottes namen fahren wir, Seiner verheyssung wartten wir, Die frucht der erden uns bewar, Von dem wir leben das gantz jahr. 10. In Gottes namen fahren wir, Keyn helffer ohn ihn wissen wir, Vor Pestilenz und hungers not, Behüt uns lieber Herre Gott. 11. In Gottes namen fahren wir, Allzeyt dir Herr vertrawn wir, Mach reyn dein kyrch von falscher lehr, Und unser hertz zur warheyt kehr. 13. Gott Vatter sey Lob, Ehr und Preyß, Darzu Gott Sohn, Gott heiliger Geist, Die heilige Dreyfaltigkeit, Helff uns zur ewigen Seligkeit.“ 117 Es ist offensichtlich, daß den Herausgebern des Kirchenlied die zehnte Strophe als nicht mehr zeitgemäß erschien. Die neunte Strophe blieb wohl weg, weil sie eher in den Erntedankkontext gehört und sich zu diesem Thema bereits drei Lieder im Kirchenlied finden. Vielleicht schien den Herausgebern die elfte Strophe zu kirchenkritisch zu sein, geht es doch in ihr nicht darum, die Kirche vor falscher Lehre (präventiv) zu bewahren, sondern von falscher Lehre zu reinigen (die Strophe muß im Kontext der Konfessionskämpfe des 16./ 17. Jahrhunderts gesehen werden). Die letzte Strophe, die sich an die Dreifaltigkeit wendet und sich in dieser oder ähnlicher Art am Ende vieler Lieder findet, wurde wohl aus Platzgründen weggelassen. Nr. 12: Gott, der Vater, wohn uns bei 118 Lied und Quellenangabe wurden aus Das graue Singeschiff (S. 9 f.) übernommen. Nr. 13: O Gott, streck aus dein milde Hand 119 Die erste Strophe findet sich in MÜNSTER 1677 (S.: 281-284). Der Text ist, von kleinsten Veränderungen abgesehen, identisch. Ich halte es für sehr 117 Kehrein (II, Nr. 527). 118 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon I. S.: 218 f. 119 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 669 f. <?page no="135"?> Quellengeschichte 125 wahrscheinlich, daß die Herausgeber mit diesem Gesangbuch tatsächlich gearbeitet haben. Auf den ersten Blick könnte man denken, daß der Text beispielsweise auch aus KÖLN 1887 stammen könnte. Woher soll dann aber die Quellenangabe „Münster 1677“ kommen? Nach genauerer Untersuchung ergibt sich folgender Befund: KÖLN 1887 beinhaltet die erste Strophe (weitgehend) in der in MÜNSTER 1677 stehenden Form. Die übrigen Strophen unterscheiden sich deutlich. Ich vermute, daß die Arbeitsweise der Herausgeber folgendermaßen aussah: Zunächst nahmen sie KÖLN 1887 (Nr. 107) zur Hand und überlegten, ob man dieses in ihrer Heimatdiözese bekannte Lied aufnehmen solle. Dann verglichen sie die dort stehende Textfassung mit MÜNSTER 1677. Sie stellten fest, daß die erste in KÖLN 1887 stehende Strophe (fast) identisch mit der in MÜNSTER 1677 stehenden ist. Diese Strophe nahmen sie in das Kirchenlied auf und gaben als Quelle der ersten Strophe „nach dem Münsterer Gesangbuch, 1677“ an. Viele der dort stehenden Strophen sagten ihnen inhaltlich nicht zu, da sie nicht mehr zeitgemäß waren (Rettung vor Pest und Seuchen u. s. w.), andere übernahmen sie. Und nun ein entscheidendes Indiz, daß sie mit MÜNSTER 1677 gearbeitet haben: Für die fünfte Kirchenlied-Strophe griffen sie nicht auf die in KÖLN 1887 stehende Fassung (fünfte Strophe) zurück, sondern auf die in MÜNSTER 1677 stehende. KÖLN 1887 (Nr. 107, 5. Strophe): „Zwar groß ist unsre Sündenschuld, * Doch größer deine Vaterhuld: * Drum über deine Kinder arm, * O milder Vater, dich erbarm! * R.“ MÜNSTER 1677 (7. Strophe): „Groß ist zwar dein Gerechtigkeit/ Doch grösser dein Barmhertzigkeit/ Drumb über deine Kinder arm: O milder Vater dich erbarm/ Erbarm dich u. “ Kirchenlied (5. Strophe): „Groß ist zwar dein Gerechtigkeit, doch größer dein Barmherzigkeit, drum über deine Kinder arm, o milder Vater, dich erbarm! Erbarm dich unser …“ Man sieht, daß die Herausgeber diese Strophe aus MÜNSTER 1677 übernommen haben. Sie haben keineswegs den einfacheren Weg beschritten und aus dem gebräuchlichen Diözesangesangbuch einige Strophen ausgesucht. Auch die zweite Kirchenlied-Strophe beweist die Benutzung der zitierten Quelle: <?page no="136"?> Corpusanalyse 126 KÖLN 1887 (Nr. 107, Strophe 2. d.): „Ach, segne, Herr, mit deiner Hand * Die lieben Früchte auf dem Land; * Wend ab Frost, Blitz und Hagelschlag * Und alles, was nur schaden mag. * Erbarm u.“ MÜNSTER 1677 (S. 284, letzte Strophe): „Ach segne Herr mit deiner Hand Die liebe Früchte auff dem Landt: Wend ab/ frost/ hagel/ donnerschlag: Und alles was je schaden mag: Erbarm dich u.“ Kirchenlied (2. Strophe): „Ach segne, Herr, mit deiner Hand die lieben Früchte auf dem Land: Wend ab Frost, Hagel, Donnerschlag und alles, was uns schaden mag! Erbarm dich unser …“ Die dritte Kirchenlied-Strophe entspricht der vierten Strophe in MÜNSTER 1677 weitgehend. Die vorletzte Kirchenlied-Strophe (4. Strophe) schließlich findet sich in KÖLN 1887 überhaupt nicht. Es handelt sich um eine Neuformung der vorletzten in MÜNSTER 1677 stehenden („Der Christen Fürsten Einigkeit“). Allerdings haben die Kirchenlied-Editoren nicht sorgfältig zitiert: Ihren Angaben zufolge muß man davon ausgehen, daß nur die erste Strophe aus MÜNSTER 1677 entnommen und die anderen neugeformt wurden, was nicht stimmt. Lediglich bei der vierten Strophe kann man von einer Neuformung sprechen. Die korrekte Angabe hätte also gelautet: „1.-3. u. 5. Str. nach MÜNSTER 1677, 4. Str. Neuformung d. vorletzten Str. MÜNSTER 1677“. Gotzen präzisiert die Quellenangabe (s. o.): „17. Jahrhundert, hier nach dem Münsterer Gesangbuch 1677; Strophe 2-5 nach der Neufassung von Heinrich Bone 1847“. Aber auch diese Angabe ist fehlerhaft, schließlich fehlt die fünfte Kirchenlied-Strophe in Bones Cantate 1847 (Nr. 315). Nr. 14: Wenn wir in höchsten Nöten sein 120 Der Text mit der dazugehörigen Quellenangabe stammt aus Das graue Singeschiff (S. 16 f.). 120 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon II. S.: 354 f. <?page no="137"?> Quellengeschichte 127 Nr. 15: Wer nur den lieben Gott läßt walten 121 Text und Quellenangabe können beispielsweise dem DEG 1915 bzw. 1926, zweite Auflage, (Nr. 224) oder aus Der helle Ton (Nr. 182) entnommen worden sein. Die Strophen eins, zwei und sieben wurden unverändert übernommen. Welches evangelische Gesangbuch verwendet wurde, kann man nicht mehr feststellen, weil es sich um gängige Lieder handelt, die in beinahe jedem evangelischen Gesangbuch vorkommen und die Texte von den Kirchenlied- Herausgebern stets leicht verändert wurden. So läßt auch ein Vergleich der Textfassungen der verschiedenen evangelischen Gesangbücher keine eindeutigen Rückschlüsse zu. Das DEG 1915 bzw. 1926 122 sei hier und nachfolgend also als mögliches Beispiel für wichtige evangelische Gesangbücher genannt, weil viele evangelische Landeskirchen dieses Buch als Quelle benutzt haben. Nr. 16: Was Gott tut, das ist wohlgetan 123 Vermutlich stammen Text und Quellenangabe aus Fischer/ Tümpel (IV, Nr. 467). Bis auf kleinste unwesentliche Änderungen ist der Text identisch. Die dritte, vierte und fünfte Strophe wurden nicht übernommen. Die dritte Strophe erschien den Kirchenlied-Herausgebern wohl als nicht zeitgemäß: Gott wird hier als „artzt und wunder-mann“ bezeichnet; die Metaphorik wirkt sehr gewöhnungsbedürftig und veraltet. In Betracht kommt auch das DEG 1915 (Nr. 227). Nr. 17: Wie mein Gott will Die von Gotzen korrigierte Quellenangabe lautet „Nach München 1637“. Folgendes Gesangbuch ist damit gemeint: „Drey schöne newe Geistliche Lieder […]“, MÜNCHEN 1637. Es handelt sich um eine Neufassung von „Sols seyn so seys“ (drittes Lied). Nr. 18: Erhöre, Herr, erhöre mich Die Kirchenlied-Herausgeber nennen „Harfen Davids, 1669 (Neufassung)“ als Quelle. Gotzen berichtigt: „Wortlaut nach Cantica Spiritualia, Augsburg 1844/ 47 (Neufassung)“. Die Gesangbuchbibliographie des Gesangbucharchivs zu Mainz weist zwei Auflagen (1845 und 1847) nach, die von Gotzen angegebene von 1844 fehlt hier. Das Lied findet sich in Cantica Spiritualia von 1845 (S.: 46), in der späteren Auflage fehlt es. Hier steht auch die Quellenangabe „Harfe Davids. 1669.“ Alle drei Strophen wurden, geringfügig überarbeitet, übernommen. 121 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 231-238. 122 Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird vereinfachend nur „DEG 1915“ geschrieben. 123 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon II. S.: 329 f. <?page no="138"?> Corpusanalyse 128 Nr. 19: Wer heimlich seine Wohnestatt Das Kirchenlied gibt an, es handele sich um eine „Neufassung nach Caspar Ulenberg“. Kehrein (III/ IV, Nr. 216) führt diesen Text an. Es wird deutlich, daß den Kirchenlied-Herausgebern bei der Quellenangabe ein Fehler unterlaufen sein muß, schließlich finden sich im Kirchenlied lediglich die erste und die sechste Strophe Ulenbergs, letztere deutlich verändert; die Strophen zwei und vier fehlen bei Uhlenberg, weshalb man keinesfalls von einer Neubearbeitung sprechen kann. Gotzen korrigiert und präzisiert die Quellenangabe und nennt „Cantica spiritualia, Augsburg 1844/ 47“ als Fundort. In Cantica Spiritualia von 1847 kommt das Lied nicht vor. In der Ausgabe von 1845 steht das Lied zwar (Nr. 130), jedoch fehlen die zweite und vierte Kirchenlied-Strophe auch hier. Nr. 20: Nun danket all und bringet Ehr 124 Vermutlich stammen Lied und Quellenangabe aus dem DEG 1915 (Nr. 250, Strophen 1, 2, 5 und 6) oder einem anderen gängigen evangelischen Kirchengesangbuch. Es finden sich lediglich kleinste textliche Änderungen. Nr. 21: Aus hartem Weh die Menschheit klagt’ 125 Die erste Strophe und die Quellenangabe finden sich bei Kehrein (I, Nr. 49). Zur Herkunft der zweiten Kirchenlied-Strophe heißt es lediglich: „2. Strofe neu.“ Ein weiteres Beispiel für die Bearbeitungstendenzen: Kehrein Kirchenlied Aus hertem wee klagt menschlichs gschlecht, Es stund in grossen sorgen, Wenn kompt der uns erlösen möcht, Wie lang ligt er verborgen, O Herre Gott sich an die not, Zerreiß des Himmels ringe, Las dich wecken dein einigs wort, Und las ihn abher dringen, Den trost ob allen dingen. Aus hartem Weh die Menschheit klagt’, sie stand in großen Sorgen: Wann kommt, der uns ist zugesagt, wie lang bleibt er verborgen? O Herr und Gott, sieh an die Not, zerreiß des Himmels Ringe! Erwecke uns dein ewig Wort, und laß herab ihn dringen, den Trost ob allen Dingen! Man sieht wiederum die behutsame sprachliche Überarbeitung der Textvorlage: Das „menschliche Geschlecht“ wird durch „Menschheit“ ersetzt, die inzwischen unüblich gewordene Präteritalform „stund“ durch „stand“. „Wenn“ wird heute nicht mehr temporal, sondern konditional verstanden, 124 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon II. S.: 104. 125 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 55-73. <?page no="139"?> Quellengeschichte 129 mußte also durch „wann“ ersetzt werden. Der Rest der Zeile mußte verändert werden, weil durch die Änderung in der ersten Zeile ein anderer Reim gesucht werden mußte. „Verborgen ligen“ wurde durch „verborgen bleiben“ ausgetauscht, was zum besseren Textverständnis beiträgt. Die Vokativform „Herre“ ist im heutigen Sprachgebrauch nicht mehr bekannt, weshalb „Herr“ gesetzt wurde. Die nun fehlende Silbe wurde durch „und“ ausgeglichen. Die nächste Zeile befremdet in Folge ihrer Genitivkonstruktion, weshalb der Satz umgestellt und grammatikalisch verändert wurde. Das Wort „abher“, das höchstens noch in dialektalem Kontext überlebt hat, wird durch „herab“ substituiert. Die letzte Zeile wird nicht verändert, wiewohl das Wort „ob“ auch schon in der Zeit der Entstehung des Kirchenlied eher interrogativ verstanden wurde. Auch die Metapher vom Zerreißen der Himmelsringe dürfte schwer verständlich gewesen sein. Wieder zeigt sich, daß nicht um jeden Preis Änderungen am Text vorgenommen wurden und man sich im Zweifel für die Ursprungsfassung entschieden hat. Nr. 22: O Heiland, reiß die Himmel auf 126 Text und entsprechende Quellenangabe finden sich bei Kehrein (I, Nr. 53) und Wackernagel (V, Nr. 1517). Nur unwesentliche kleinste Textänderungen. Die letzte Strophe (eine spätere Hinzufügung) wurde nicht übernommen. Nr. 23: Der Satan löscht die Lichter aus Das Lied wurde erstmals 127 im Kirchenlied veröffentlicht. Nr. 24: Wachet auf, ruft uns die Stimme 128 Das Lied findet sich im DEG 1915 (Nr. 311). Der Text ist bis auf unwesentliche Änderungen (Hallelujah > Alleluja; Zion > Sion) identisch, ebenso die Quellenangabe; ein Indiz für die Verwendung des DEG oder wenigstens eines vergleichbaren evangelischen Gesangbuchs. Nr. 25: Macht hoch die Tür 129 Text und Quellenangabe wurden entnommen aus Das graue Singeschiff (S. 28 f.). Nr. 26: Macht weit die Pforten in der Welt 130 Text und Quellenangabe stehen in Knapp: „Evangelischer Liederschatz“ (1865), Nr. 1098. 126 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 181-192. 127 Gemeint ist damit die Erstveröffentlichung in einem Gesangbuch. 128 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 154-166. 129 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon II. S.: 44. 130 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon II. S.: 44 f. <?page no="140"?> Corpusanalyse 130 Nr. 27: Gott, heil’ger Schöpfer aller Stern 131 Text und Quellenangabe stammen aus Kehrein (I, Nr. 39); alle dort abgedruckten Strophen wurden (von kleinsten Änderungen abgesehen) beinahe wörtlich übernommen. Hier zeigt sich besonders deutlich die Absicht der Kirchenlied-Herausgeber, möglichst wenige Änderungen am Text der alten Lieder vorzunehmen. Nr. 28: Ave Maria, gratia plena 132 Der Text stammt aus Kehrein (II, Nr. 415 u. 437) oder Wackernagel (V, Nr. 1564), nicht jedoch die Quellenangabe „Paderborn 1617“. Diese findet sich bei Bäumker (II, Nr. 35). Der Text wurde behutsam verändert. Die Strophen sechs bis elf wurden nicht übernommen. Thematisch geht es in der sechsten und siebten Strophe um Engel, die Maria preisen, in den Strophen acht bis elf wird Maria selbst angesprochen und um ihre Fürbitte angefleht. Womöglich haben die Kirchenlied-Herausgeber die Engelsstrophen weggelassen, weil im Rahmen der Verkündigung Mariä nur der Erzengel Gabriel eine Rolle spielte und nicht Heerscharen von Engeln zugegen waren. Deshalb haben sie vermutlich auch in der ersten Strophe eine Änderung vorgenommen. So heißt es im Ursprungstext: „Ave Maria gratia plena, So grüssen die Engel dich Jungfraw Maria“, im Kirchenlied hingegen: „‚Ave Maria, gratia plena! ‘ So grüßte der Engel die Jungfrau Maria“. Nr. 29: Und Unsrer Lieben Frauen 133 Das Lied stammt aus Das graue Singeschiff (S. 29). Nr. 30: Uns kommt ein Schiff gefahren 134 Der Text findet sich in Kehrein (II, Nr. 714) und Wackernagel (II, Nr. 460), die Quellenangabe jedoch nur bei letzterem. Die vierte, siebte und achte Strophe wurden nicht übernommen. Interessant ist, daß nicht die heute verbreitete Sudermann-Fassung verwendet wurde. Als weiteres Beispiel für die Bearbeitungstendenzen der Kirchenlied-Editoren soll wiederum eine Gegenüberstellung der Liedfassungen erfolgen: 131 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 572 f. 132 S. dazu: Nordhues/ Wagner, (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 749. 133 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 547-561. 134 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 60 - 68. <?page no="141"?> Quellengeschichte 131 Wackernagel Kirchenlied Uns kompt ein Schiff gefahren, es brengt ein schönen last, Darauff viel Engel scharen, und hat ein großen Mast. 2. Das Schiff kompt uns geladen, Gott Vatter hats gesandt, Es bringt uns grossen staden, Jesum, unsern Heilandt. 3. Das Schiff kömpt uns geflossen, das Schifflein geht am Landt, Hat Himmel auffgeschlossen, den Sohn herauß gesandt. 4. Maria hat geboren auß jhrem Fleisch und Blut Das Kindlein außerkoren, wahr Mensch und waren Gott. 5. Es ligt hie in der Wiegen, das liebe Kindelein, Sein Gsicht leucht wie ein Spiegel, gelobet mustu sein. 6. Maria, Gottes Mutter, gelobet mustu sein! Jesus ist unser Bruder, das liebe Kindelein. 7. Mögt ich das Kindlein küssen an sein lieblichen Mundt, Und wer ich kranck, vor gwisse, ich würd darvon gesund. 8. Maria, Gottes Mutter, dein Lob ist also breit, Jesus ist unser Bruder, gibt dir groß würdigkeit. 1. Uns kommt ein Schiff gefahren, es bringt uns süße Last, darauf viel Engelscharen, und hat ein’ hohen Mast. 2. Das Schiff kommt uns geladen, Gott Vater hat’s gesandt, es bringt uns hohe Gnaden, Christ, unsern Heiland. 3. Das Schiff kommt uns geflossen, das Schifflein geht ans Land, hat Himmel aufgeschlossen, den Sohn herausgesandt. - 4. Hier liegt es in der Wiegen, das liebe Kindelein, sein Aug glänzt wie ein Spiegel. Gelobet muß es sein! 5. Maria, Gottes Mutter, gelobet mußt du sein! Jesus ist unser Bruder, das liebe Kindelein. - - In der zweiten Zeile der ersten Strophe fällt besonders die Übernahme des Personalpronomens „uns“ auf (durchaus unüblich, wenn man sich die in den Gesangbüchern der Zeit verbreitete Fassung anschaut), durch das die Liedsänger direkt angesprochen werden. Die dritte Zeile der zweiten Strophe mußte dringend zu Gunsten des Verständnisses ausgetauscht werden; wer kann schon etwas mit „grossen staden“ anfangen. Die letzte Zeile wurde vermutlich leicht geändert, weil bei der Ursprungsfassung die zweite Betonung auf „-serm“ (un-serm) liegt, was gegen die Betonungsregeln verstößt. In der dritten Strophe mußte ein mögliches Mißverständnis verhindert werden, schließlich geht das Schiff nicht am Land herum, sondern es geht an Land. Die vierte und achte Strophe wurden vermutlich weggelassen, weil das Lied <?page no="142"?> Corpusanalyse 132 im weihnachtlichen Kontext steht, wo es mehr um Jesus als um Maria geht. Es genügte den Herausgebern wohl, eine Marienstrophe (die sechste nämlich) zu übernehmen. In der fünften Vorlagenstrophe leuchtet Jesu Gesicht wie ein Spiegel; im heutigen Sprachkontext kennt man eher leuchtende Augen; dieser Tatsache tragen die Bearbeiter Rechnung. Charakteristisch für die Bearbeiter ist die Weglassung der siebten Strophe. Diese erschien den Bearbeitern wohl als zu gefühlsselig. Mit der hier zum Ausdruck kommenden Jesu-Minne, den Küssen auf Jesu Mund und die damit einhergehende Heilung, konnten sie wohl nicht viel anfangen. Nr. 31: Es ist ein Ros entsprungen 135 Text und Quellenangabe finden sich bei Wackernagel (II, Nr. 1153); das dort stehende Lied hat 23 Strophen. Im Kirchenlied finden sich nur die ersten beiden Strophen. Die dritte Kirchenlied-Strophe existiert unter der angegebenen Quelle nicht. Den Editoren ist eine Nachlässigkeit unterlaufen. Es ist anzunehmen, daß der Text aus einem gängigen Gesangbuch entnommen wurde. Alle Strophen finden sich z. B. in Der helle Ton (Nr. 29). Das Kirchenlied verschweigt in seiner Quellenangabe, daß die dritte Strophe („Das Blümelein so kleine“) aus dem 19. Jahrhundert stammt (Fridrich Layriz, 1844). Nr. 32: In dulci jubilo 136 Text und Quellenangabe finden sich bei Kehrein (I, Nr. 108) und Wackernagel (II, Nr. 645). Alle bei Wackernagel stehenden Strophen wurden übernommen; unwesentliche textliche Änderungen. Nr. 33: Singen wir mit Fröhlichkeit 137 Der erste Teil der ersten Strophe steht bei Kehrein (I, Nr. 94), die Quellenangabe bei Bäumker (I, Nr. 48 I-IV). Quelle des übrigen Textes nicht ermittelt. Nr. 34: Der Tag, der ist so freudenreich 138 Text und Quellenangabe finden sich bei Kehrein (I, Nr. 91) und Wackernagel (II, Nr. 692). Die ersten drei Strophen wurden fast unverändert übernommen, die Strophen vier und fünf wurden weggelassen (inhaltlich geht es in ihnen um die Hirten auf dem Felde, König Herodes und die Heiligen Drei Könige). 135 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 135-145. 136 S. dazu: Harzer: In dulci iubilo. 137 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 585; Böhme: Altdeutsches Liederbuch. S.: 625- 627. 138 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon I. S.: 113 f. <?page no="143"?> Quellengeschichte 133 Nr. 35: Es kam ein Engel hell und klar 139 Der Text steht bei Kehrein (I, Nr. 120) und Wackernagel (1. Str.: IV, Nr. 45, 2.-6. Str.: III, Nr. 39). Der Hinweis „Erstdruck bei Valentin Schumann, 1539“ findet sich jedoch nicht, auch nicht in Bäumker (I, Nr. 83 u. 84). Luthers Autorschaft wird im Kirchenlied verschwiegen. Unwesentliche textliche Änderungen. Nr. 36: Als ich bei meinen Schafen wacht Das Lied findet sich in den innerhalb des Kirchenlied gerne verwendeten Quellen (z. B. Cantate 1847, KÖLN 1887). Die Quellenangabe „Speierer Gesangbuch, 1631“ findet sich dort nicht. Sie ist unrichtig und wurde von Gotzen korrigiert (s. o.). Nr. 37: Vom Himmel hoch, o Engel, kommt Text und Quellenangabe finden sich in Kyrioleis (Nr. 12). Alle Strophen wurden, geringfügig verändert, übernommen. Nr. 38: Laßt uns das Kindlein wiegen Das Lied steht bei Kehrein (I, Nr. 144). Die Quellenangabe im Kirchenlied („München 1604“) stammt aus Bäumker (I, Nr. 144). Bäumker listet mehrere Quellen auf, wobei das Kirchenlied die älteste dort genannte zitiert. Die erste, dritte, siebte und elfte Strophe wurden fast unverändert übernommen. Die übrigen Strophen wurden vermutlich ausgelassen, weil sie dem Zeitgeschmack nicht entsprachen. So werden dem Jesukind in der vierten bis sechsten Strophe Gerichte zubereitet (ein „Müßlein“ wird gekocht, dieses wird gezuckert, das Kind wird gefüttert und mit „Zucker-Milch“ getränkt), was sich im Kirchenlied sicher merkwürdig gelesen hätte. Die achte und neunte Strophe, in der es darum geht, das „Mündlein“ Jesu zu küssen, „Pfeil der Lieb“ auszuschießen, das weinende Jesukind zu trösten und „sein nasse Euglein [zu] trucken“, wurden aus dem gleichen Grund weggelassen. Die schon bei Nr. 30 (Uns kommt ein Schiff gefahren) angesprochene Tendenz bestätigt sich zunehmend. Nr. 39: Zu Bethlehem geboren 140 Text und Quellenangabe stammen aus Kyrioleis (Nr. 8). Die Strophen eins bis vier wurden unverändert übernommen. Die letzten beiden Strophen wurden weggelassen (in ihnen geht es um die Liebe zum Jesuskind, „knüpf zu das Band: Die Liebe zwischen beiden“). 139 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 255; 258. 140 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 99-107. <?page no="144"?> Corpusanalyse 134 Nr. 40: Ein Kind geboren zu Bethlehem 141 Das Lied und die Angabe „1918 in Lothringen aufgezeichnet“ stammen aus Louis Pinck: „Verklingende Weisen“, Band II, Nr. 3. Die erste, zweite, siebte und achte Strophe (Schlußdoxologie) wurden übernommen. Die übrigen wurden weggelassen („Öchslein und das Eselein“, „König von Saba“, gescheiterter „Vergiftungsversuch“ der Schlange; Szenen also, die von der eigentlichen Geburt Jesu eher ablenken). Daß das Lied viel älter ist (15. Jahrhundert), ist aus Gotzens überarbeiteter Quellenangabe ersichtlich (s. B. V. 2.). Nr. 41: Gelobet seist Du, Jesus Christ 142 Der Text findet sich bei Kehrein (I, Nr. 100) und Wackernagel (III, Nr. 9), allerdings im Kirchenlied mit anderer Quellenangabe. Luthers Autorschaft wird verschwiegen. Auch bei Bäumker (I, Nr. 30 I-IV) findet sich kein Hinweis auf das Jahr 1370. Die erste bis sechste Strophe wurden fast unverändert übernommen. Nr. 42: Lobt Gott, ihr Christen allzugleich 143 Der Text steht bei Wackernagel (III, Nr. 1365), allerdings mit anderer Datierung; er wird wohl eher aus einem gängigen evangelischen Gesangbuch entnommen worden sein und findet sich mit der im Kirchenlied stehenden Datierung in DEG 1915 (Nr. 13) und Der helle Ton (Nr. 23). Die Datierung steht auch bei Bäumker (III, Nr. 27). Nr. 43: Lob erschallt aus Hirtenmunde Text und Quellenangabe stammen aus Walther Hensels „Finkensteiner Blättern“, 2. Jahrgang (1924/ 25), S.: 17. Nr. 44: Wie schön leucht’ uns der Morgenstern 144 Text und Quellenangabe stehen bei Wackernagel (V, Nr. 394). Der im Kirchenlied abgedruckte Text unterscheidet sich erheblich von der Vorlage, im Kirchenlied steht: „Dichtung hier in jüngerer Fassung“. Die Aufnahme dieses Liedes in katholische Gesangbücher beginnt erst mit dem Kirchenlied. Es wurde aus Tandaradei (S.: 347 f.) übernommen, denn dort sind Quellenangabe, Text und Strophenauswahl identisch. Nr. 45: Mir nach! spricht Christus 145 Das Lied findet sich bei Fischer/ Tümpel (V, Nr. 460), die dritte Kirchenlied- Strophe jedoch nicht. Diese steht etwa im DEG 1915 (Nr. 163, 4. Str.); sie ist 141 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 102. 142 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 69-75. 143 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 104; 601. 144 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 146-153. 145 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 193-205. <?page no="145"?> Quellengeschichte 135 identisch. Die dritte ursprüngliche Strophe wurde weggelassen, da sie von der Liebe der Seele, einem minnegleichen Verhältnis, spricht. Auch die Verse „Mein Mund, der fleust zu jeder Zeit Von süssem Sanfftmut-Oele“, sehr salbungsvoll, entsprachen nicht mehr dem Zeitgeschmack. Nr. 46: Tu auf, tu auf 146 Text und Quellenangabe stammen aus Das graue Singeschiff (S. 17 f.). Nr. 47: Komm, Sünder, komm Das Lied und die Quellenangabe „1918 in Lothringen aufgezeichnet“ stammen aus Louis Pincks „Verklingende Weisen“, Band 2, Nr. 6. Die ersten drei Strophen wurden unverändert übernommen. Die vierte Strophe (die Qualen der Armen Seelen im Fegefeuer) wurde weggelassen: „Lass in dein Herz auch dringen ein Die Armeseelenqualen, Wie leicht kannst du ihr Straf und Pein Mit meinem Blut bezahlen.“ Nr. 48: O Herr, aus tiefer Klage 147 Das Lied wurde erstmals im Kirchenlied veröffentlicht. Nr. 49: Es sungen drei Engel 148 Lied und Quellenangabe stammen aus Das graue Singeschiff (S. 39 f.). Nr. 50: Beim letzten Abendmahle 149 Die im Kirchenlied stehende Angabe „Liegnitz 1828“ stimmt nicht, da das Lied in dem besagten Gesangbuch gar nicht vorhanden ist. Es war damals in den katholischen Diözesangesangbüchern weit verbreitet (z. B. SPEYER 1930, S.: 143, FREIBURG 1933, S.: 244). Nr. 51: Bei stiller Nacht 150 Das Lied stammt aus Das graue Singeschiff (S. 40 f.), nur der Zusatz „1649“, das Erscheinungsjahr von Spees „Trutznachtigall“, ist neu. 146 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 197; 214. 147 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 602. 148 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 612. 149 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 411; 421. 150 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 207-215. <?page no="146"?> Corpusanalyse 136 Nr. 52: Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen 151 Lied und Quellenangabe wurden aus Das graue Singeschiff (S. 41 f.) übernommen. Nr. 53: Seht nur an die zwei Herzen Die Quellenangabe im Kirchenlied nennt „Ditfurth“. Gemeint ist damit Franz Wilhelm Freiherr von Ditfurths Sammlung „Fränkische Volkslieder“ (1855). Das Lied ist hierin allerdings nicht enthalten! Seine Quelle konnte nicht ermittelt werden. Nr. 54: O Haupt voll Blut und Wunden 152 Text und Quellenangabe finden sich bei Fischer/ Tümpel (III, Nr. 467); die erste bis vierte und die neunte Strophe wurden fast unverändert übernommen. Wahrscheinlicher ist, daß dieses bekannte evangelische Lied aus einem gängigen Gesangbuch übernommen wurde; so z. B. DEG 1915 (Nr. 45). Nr. 55: Da Jesus an dem Kreuze stund 153 Text und Quellenangabe stehen bei Kehrein (I, Nr. 177) und Wackernagel (V, Nr. 1394), allerdings nicht die Kirchenlied-Quellenangabe; diese stammt aus Bäumker (I, Nr. 197). Nr. 56: O du hochheilig Kreuze 154 Das Lied findet sich beispielsweise in KÖLN 1887 (Nr. 46); der Text unterscheidet sich jedoch stark von dem im Kirchenlied stehenden. Außerdem fehlen die letzten beiden Kirchenlied-Strophen. Die Herausgeber geben unter anderem „Münster 1677“ als Quelle an. Das Lied findet sich dort: MÜN- STER 1677 (S.: 184 f.). Wäre das nicht ein weiteres (s. Nr. 13) Indiz dafür, daß die Herausgeber mit diesem Gesangbuch gearbeitet haben? Dies scheint mir wahrscheinlich zu sein; zwar gibt es auch gegenüber der Fassung dieses Gesangbuches merkliche Unterschiede und die Abfolge der Strophen wurde verändert, aber es sind alle im Kirchenlied stehenden Strophen vorhanden. Nr. 57: Christi Mutter stand mit Schmerzen 155 Das Lied steht bei Kehrein (I, Nr. 196), aber mit anderer Quellenangabe. Der deutsche Text findet sich in Cantate 1847 (Nr. 91), worauf sich das Kirchenlied beruft. Es hat die erste bis fünfte Strophe übernommen. Es zeigt sich aber erneut, daß nicht immer auf wissenschaftliche Art und Weise zitiert wurde, wird doch Cantate 1847 als Quelle genannt und dennoch in der fünften Stro- 151 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 216-223. 152 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 275-290. 153 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 325-335. 154 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 167-180. 155 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 563-574. <?page no="147"?> Quellengeschichte 137 phe der Text (leicht) verändert. Man hätte also „nach Cantate 1847“ schreiben müssen. Nr. 58: O Traurigkeit, o Herzeleid 156 Das Lied findet sich bei Kehrein (I, Nr. 336) und Wackernagel (V, 1527) - wo sich jeweils nur der Hinweis auf Corner findet. Bei Bäumker (I, Nr. 223, 224) steht der Hinweis: „In Beuttners Gesangbuch steht das Lied nicht! “, was ich meinerseits überprüft habe und bestätigen kann. Den Kirchenlied- Herausgebern ist also ein Fehler unterlaufen, der wohl dadurch zu erklären ist, daß krampfhaft versucht wurde, den Liedern ein möglichst hohes Alter zuzuweisen. Woher genau der Verweis auf Beuttner kommt, kann nicht mehr rekonstruiert werden. Heute wird Spee als Verfasser angenommen. Alle Strophen - bis auf die fünfte - wurden, unwesentlich verändert, übernommen. „Es muß da seyn auß Marmelstein der Juden Hertz gewesen, Weil sie nur zu solcher Peyn lachten, wie wir lesen.“ Vielleicht wollten sich die Kirchenlied-Editoren von der Judenfeindschaft ihrer Zeit distanzieren, wenn sie gerade diese Strophe ausließen und alle anderen übernahmen? Allerdings ist die Weglassung dieser Strophe schon vorher lange Zeit die Regel und sagt daher nichts aus. Nr. 59: Christ ist erstanden 157 Lied und Quellenangabe wurden aus Das graue Singeschiff (S. 45 f.) übernommen. Nr. 60: Gelobt sei Gott im höchsten Thron 158 Lied und Quellenangabe stammen aus Das graue Singeschiff (S. 44 f.). Nr. 61: Ist das der Leib 159 Das Lied ist in katholischen Gesangbüchern recht verbreitet. Es könnte z. B. aus KÖLN 1887 (Nr. 56) entnommen worden sein. Bis auf die letzte wurden alle Strophen, unmerklich modifiziert, übernommen. Die letzte Strophe („Glorwürd’ger Leib, dich bet’ ich an […]“) wurde wohl weggelassen, weil es merkwürdig klingt, den Leib Jesu, nicht ihn selbst anzubeten. Außerdem handelt es sich um eine spätere Hinzufügung 160 . 156 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 193-199. 157 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 29-41. 158 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 387 Anm. 18. 159 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 200 -206. 160 S. dazu: Oorschot: S.: 278-280. <?page no="148"?> Corpusanalyse 138 Nr. 62: Laßt uns erfreuen herzlich sehr 161 Der Text findet sich bei Kehrein (I, Nr. 249), jedoch mit anderer Quellenangabe. Bei Bäumker (I, Nr. 280) findet sich der Hinweis auf „Brachel“, aber nicht „Spee“. Alle fünf Strophen wurden, nur leicht verändert, übernommen. Nr. 63: Freu dich, du Himmelskönigin 162 Der Text ist bei Kehrein (I, Nr. 246) und Wackernagel (II, Nr. 1020) verzeichnet, jedoch mit anderer Quellenangabe. Die im Kirchenlied zitierte Quelle findet sich bei Bäumker (II, Nr. 10). Die erste, zweite und vierte Strophe wurden, leicht überarbeitet, übernommen. Nr. 64: Erschienen ist der herrliche Tag 163 Der Text steht bei Wackernagel (III, Nr. 1374). Die im Kirchenlied angegebene Datierung (1569) ist falsch, es muß 1560 heißen, was auch Bäumker (II, S. 240) bestätigt. Die erste, zweite, neunte und vierzehnte Strophe wurden, unwesentlich verändert, übernommen. Nr. 65: Christ fuhr gen Himmel 164 Text und Quellenangabe wurden aus Das graue Singeschiff (S. 46 f.) übernommen. Nr. 66: Gen Himmel aufgefahren ist 165 Text und Quellenangabe stammen aus Das graue Singeschiff (S. 47). Nr. 67: Nun bitten wir den Heiligen Geist 166 Lied und Quellenangabe stammen aus Das graue Singeschiff (S. 48). Nr. 68: Komm, Heil’ger Geist Das Lied und die Quellenangabe stammen vermutlich aus Der helle Ton (Nr. 98). Alle Strophen wurden unverändert übernommen. Nr. 69: O Jesu Christe, wahres Licht 167 Text und Quellenangabe finden sich bei Fischer/ Tümpel (I, Nr. 353). Alle dort abgedruckten Strophen wurden, von unerheblichen kleinsten Änderungen abgesehen, übernommen. 161 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 575-583. 162 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 747. 163 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 383-396. 164 S. dazu: Mahrenholz/ Söhngen (Hrsg.): Liederkunde. Erster Teil. Nr. 90. 165 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 502. 166 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 42-50. 167 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon II. S.: 176. <?page no="149"?> Quellengeschichte 139 Nr. 70: Liebster Jesu, wir sind hier 168 Text und Quellenangabe stehen bei Fischer/ Tümpel (V, Nr. 250). Alle dort abgedruckten Strophen wurden übernommen. Wahrscheinlich wurde aber ein gängiges evangelisches Gesangbuch, z. B. DEG 1915 (Nr. 119), herangezogen. Nr. 71: Schönster Herr Jesu 169 Das Lied stammt aus MÜNSTER 1677 (S.: 576-577). Die dritte Strophe mit ihrer uns heute befremdlich erscheinenden Anrufung der Gestirne wurde überarbeitet, die fünfte weggelassen. MÜNSTER 1677 Kirchenlied 3. Schame dich O Sonne/ schame dich O Mone/ Schämet euch ihr Sternen all/ Jesus ist feiner/ Jesus ist reiner/ Dann die Engeln allzumahl. 3. Schön ist das Mondlicht, schöner ist die Sonne, schön der Sterne große Zahl, Jesus ist feiner, Jesus ist reiner als die Engel allzumal. Nr. 72: O süßester der Namen all Die Editoren geben „Toepler: Alte Choral-Melodien“ als Quelle an. Die dort (S.: 13) stehende erste und dritte Strophe wurde leicht bearbeitet, die vierte, in der Jesus als „aller Führer Führer“ bezeichnet wird, wurde weggelassen. Man hätte also „Nach Toepler“ schreiben müssen. Die im Kirchenlied stehende zweite Strophe findet sich dort ohnehin nicht; Gotzen gibt als Fundort für sie „Trier 1846“ an. Die hier stehende zweite Liedstrophe (TRIER 1846, S.: 30 f.) entspricht der zweiten Kirchenlied-Strophe. Nr. 73: Morgenstern der finstern Nacht 170 Text und Quellenangabe stehen bei Fischer/ Tümpel (V, Nr. 417). Bis auf die zweite wurden alle Strophen übernommen. Es fällt auf, daß die Kirchenlied- Herausgeber die Verniedlichungsform „Jesulein“ (zweite, dritte, sechste Strophe) jeweils durch „Jesu mein“ ersetzt haben. Nr. 74: Ich will dich lieben, meine Stärke 171 Text und Quellenangabe stehen bei Fischer/ Tümpel (V, Nr. 414). Bis auf die siebte wurden alle dort abgedruckten Strophen übernommen. Der Text fand weitgehend unverändert Eingang in das Kirchenlied. Lediglich wurde bei der ersten und achten Strophe, jeweils letzte Zeile, „Biß mir das Hertze bricht“ 168 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon II. S.: 35. 169 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon II. S.: 240. 170 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 477 Anm. 5. 171 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 291-298. <?page no="150"?> Corpusanalyse 140 durch „bis mir das Herz im Tode bricht“ ersetzt, was wohl zu Gunsten der besseren Singbarkeit geschah und einer bereits bestehenden Praxis folgte (z. B. MAINZ 1935, S.: 169). Die letzten beiden Zeilen der zweiten Strophe wurden ebenfalls verändert. In der Vorlage steht: „Ich will dich lieben, Gottes Lamm, Als meinen Bräutigam.“ Im Kirchenlied wird daraus: „ich will dich lieben, Gottessohn, als meiner Seele Freud und Kron.“ Hier wird die Tendenz der Herausgeber deutlich, allzu gefühlig klingende minneähnliche Wendungen zu vermeiden. Darum fehlt wohl auch die siebte Strophe: „Gib meinen Augen süsse Tränen, Gib meinem Hertzen keusche brunst; Laß meine Seele sich gewöhnen Zu üben in der Liebe-Kunst: Laß meinen Sinn, Geist und Verstand Stäts sein zu dir gewand.“ Als Quelle kommt ein gängiges katholisches (z. B. KÖLN 1887, Nr. 30, wobei hier die siebte Kirchenlied-Strophe fehlt, MAINZ 1935, Nr. 74 und FREI- BURG 1933, Nr. 134, hier fehlt jeweils die fünfte Kirchenlied-Strophe) oder evangelisches Gesangbuch (etwa DEG 1915, Nr. 200) in Frage. Nr. 75: Laßt uns: Heilig, heilig! singen Das Lied findet sich beispielsweise in KÖLN 1887 (Nr. 88). Kleinste textliche Änderungen wurden vorgenommen. So heißt es in der dritten Kirchenlied- Strophe „mühselig und beladen fleht dein Volk in Demut hier“, in der Vorlage hingegen „Sieh’, mühselig und beladen * Liegt dein Volk im Staube hier.“ Damit wurde eine Tendenz mancher Lieder, das Verhältnis von Gott und Mensch wie das Erscheinen des Sklaven vor seinem Herrn zu beschreiben, abgemildert. Nr. 76: Das Heil der Welt 172 Das Lied hat eine breite katholische Tradition. Es könnte etwa aus KÖLN 1887 stammen (Nr. 85). 172 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 731 f. <?page no="151"?> Quellengeschichte 141 Nr. 77: Gott sei gelobet und gebenedeiet 173 Text und Quellenangabe stehen bei Kehrein (I, Nr. 332) und Wackernagel (II, Nr. 989), zweite und dritte Strophe: (III, Nr. 11); Luthers Autorenschaft wird verschleiert: Bezüglich der ersten Strophe folgen die Herausgeber in der Quellenangabe Kehrein und nennen Vehe. Dann jedoch schreiben sie: „2. und 3. Strofe 16. Jahrhundert (Neufassung)“, obwohl es genauer gegangen wäre, schreibt Kehrein (I, S. 644) doch ausdrücklich: „Luther hat von dem Lied die erste Str. beibehalten und folgende zwei dazu gemacht“. Die Herausgeber glaubten wohl, ihren katholischen Liederbuchbenutzern den Namen Luthers (noch) nicht zumuten zu können. Vielleicht sorgten sie sich auch um die kirchliche Druckerlaubnis. Nr. 78: Im Frieden dein 174 Text und Quellenangabe stehen bei Wackernagel (III, Nr. 820), jedoch nur die ersten beiden Strophen, die zudem ziemlich verändert wurden. Das Kirchenlied verweist auf eine Neufassung Friedrich Spittas. Diese steht in Der helle Ton (Nr. 146). Der Text ist identisch, er wurde wohl aus diesem Gesangbuch übernommen. Nr. 79: Herz Jesu, Gottes Opferbrand 175 Lied und Quellenangabe wurden aus Das graue Singeschiff (S. 11 f.) übernommen. Nr. 80: O Herz des Königs aller Welt 176 Lied und Quellenangabe finden sich bei Fischer/ Tümpel (III, Nr. 466). Die Strophen zwei und vier bis sieben wurden nicht übernommen. Interessant sind die deutlichen Änderungen innerhalb der ersten Strophe: Paul Gerhardt schreibt: „Mein Hertze, wie dir wol bewust, Hat seine gröst und höchste lust An dir und deinem leyden.“ Daraus wird im Kirchenlied: „Du Träger aller Bürd und Last, du aller Müden Ruh und Rast, du Trost in allen Leiden! “ Wahrscheinlich störte die Kirchenlied-Herausgeber die Tatsache, daß sich ein Mensch am Leiden Christi erfreuen kann. Gemeint war ja, daß das Leiden 173 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 76-83. 174 S. dazu: Mahrenholz/ Söhngen (Hrsg.): Liederkunde. Erster Teil. Nr. 165. 175 S. dazu: Haag: „Dem Herzen Jesu singe…“. S.: 301-315. 176 S. dazu: Haag: „Dem Herzen Jesu singe…“. S.: 279. <?page no="152"?> Corpusanalyse 142 Christi heilbringend für die Menschen ist, wobei diese Strophe für einen Menschen des 20. Jahrhunderts sicher mißverständlich sein kann. Ähnlich dazu auch Martina Haag: „Vermutlich erschien den Herausgebern die Aussage, daß mein Herz ‚sein größt und höchste Lust an dir und deinen Leiden‘ hat als vordergründig sadistisch und mißverständlich.“ 177 Der neue Text fügt sich gut in das Gesamtlied ein (vielleicht stammt er von Thurmair) und wird nicht als modernisierter Fremdkörper empfunden. Nr. 81: Kommt her, des Königs Aufgebot 178 Text und Quellenangabe („Friedrich Spitta“) stammen aus Der helle Ton (Nr. 127). Nr. 82: Uns rufet die Stunde Lied und Quellenangabe stammen aus Das graue Singeschiff (S. 123). Nr. 83: Das Banner ist dem Herrn geweiht Lied und Quellenangabe stammen aus Das graue Singeschiff (S. 127). Nr. 84: Nun stehet alle Mann für Mann Das Lied wurde erstmals im Kirchenlied veröffentlicht. Nr. 85: Zieh an die Macht, du Arm des Herrn 179 Lied und Quellenangabe finden sich in Der helle Ton, Nr. 128. Bis auf das erste Wort („Zeuch“ wird durch „Zieh“ ersetzt), ist der Text identisch. Nr. 86: Gegrüßet seist Du, Maria Das Lied fehlt in den einschlägigen Sammlungen. Das Kirchenlied zitiert Vehe, ein Indiz also, daß die Herausgeber Vehes Gesangbuch zu Rate zogen: Das Lied steht bei Vehe (S. 3: „Uff alle heylige tag vor dem anfang der Predig soll auch der Engelisch Gruß gesungen werden.“) und wurde nahezu unverändert übernommen. Nr. 87: Ave Maria klare 180 Lied und Quellenangabe finden sich bei Kehrein (II, Nr. 388); auch bei Wakkernagel (V, Nr. 1352) steht der Text, jedoch ohne den Hinweis auf Corner. Die erste, zweite, vierte, achte und zwölfte Strophe wurden übernommen. 177 Haag: „Dem Herzen Jesu singe…“: S.: 294. 178 S. dazu: Stalmann/ Heinrich: Liederkunde. Zweiter Teil. Nr. 224. 179 S. dazu: Stalmann/ Heinrich: Liederkunde. Zweiter Teil. Nr. 223. 180 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 749 f. <?page no="153"?> Quellengeschichte 143 Die vierte Kirchenlied-Strophe fehlt. Es muß also eine weitere Quelle gegeben haben. Nr. 88: Ave Maria zart 181 Der Text stammt aus Echo Hymnodiae Coelestis (1675) (S. 22 f.). Es wurden alle fünf Strophen übernommen. Der Text wurde leicht überarbeitet. Deutlichere Änderungen finden sich in der dritten Strophe: Echo Hymnodiae Coelestis: „3. Durch Evae Apfel-Biß/ Gott uns verstossen ließ/ und solten seyn ewig verlohren : / : Da ist Göttliches Wort/ Jesus dein Söhnlein zart/ zu unserm Heyl ein Mensch geboren.“ Kirchenlied: „3. Denn nach dem Sündenfall wir warn verstoßen all und sollten ewig sein verloren. Da hast Du, reine Magd, wie dir vorhergesagt, uns Gottes Sohn zum Heil geboren.“ Zunächst wollten die Bearbeiter die antiquiert wirkende Substantivierung „Apfel-Biß“ vermeiden. Besonders die Weglassung der Jesu-Diminutivform fällt auf. Es erscheint konsequent, gerade diese sprachlich sehr alt klingende Strophe zu überarbeiten. Wieder wurde aber versäumt, darauf hinzuweisen, daß der Text nicht wörtlich zitiert wurde. Es wäre auch möglich, daß die Kirchenlied-Herausgeber Kyrioleis verwendeten, wo sich Text und Quellenangabe finden (Nr. 37). Ich glaube aber, daß die Kirchenlied-Editoren mit Echo Hymnodiae Coelestis gearbeitet haben, schließlich finden sich nur dort die Liednummern 108 und 121, nicht in Kyrioleis und in keiner sonstigen einschlägigen Kirchenliedsammlung. Nr. 89: Ein schöne Ros Quelle nicht ermittelt. 181 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 750 f. <?page no="154"?> Corpusanalyse 144 Nr. 90: Es blühn drei Rosen auf einem Zweig Text und Quellenangabe finden sich in Jung-Volker (Nr. 50). Alle dort stehenden Strophen wurden übernommen. Nr. 91: Sagt an, wer ist doch diese 182 Text und Quellenangabe stehen in Jung-Volker (Nr. 49). Alle Strophen wurden übernommen. Nr. 92: Wunderschön prächtige 183 Das Kirchenlied nennt keine Textquelle. Dieses verbreitete Lied kann aus einem der gängigen katholischen Kirchengesangbücher der Zeit entnommen worden sein, etwa aus KÖLN 1930, Nr. 165. Es fallen jedoch Unterschiede in den Textfassungen auf. Fast in jedem gängigen katholischen Gesangbuch stehen unterschiedliche Fassungen. Ich vermute daher, daß die Herausgeber mehrere Fassungen verglichen und dann ihre eigene schufen. Nr. 93: Die Schönste von allen Lied und Quellenangabe wurden aus Das graue Singeschiff (S. 21 f.) entnommen. Nr. 94: Maria ist ein lichter Stern Lied und Quellenangabe finden sich in Das graue Singeschiff (S. 24). Nr. 95: Meerstern, ich dich grüße Text und Quellenangabe finden sich in Kyrioleis (Nr. 42). Alle Strophen wurden unverändert übernommen. Natürlich können die Autoren auch, wie sie es angeben, „Geistliche Volkslieder“ von Haxthausen benützt haben (Nr. 114). Das Werk stammt allerdings aus dem Jahre 1850, nicht 1830, wie im Kirchenlied abgedruckt. Nr. 96: Nun, Brüder, sind wir frohgemut Das Lied wurde erstmals im Kirchenlied veröffentlicht. Nr. 97: Maria, breit den Mantel aus 184 Lied und Quellenangabe wurden aus Das graue Singeschiff (S. 24 f.) entnommen. 182 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 753. 183 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 345-355; ferner: Schäfer, Christiane: „Wunderschön prächtige“. 184 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 756 f. <?page no="155"?> Quellengeschichte 145 Nr. 98: Mein Zuflucht alleine Das Lied findet sich in Das graue Singeschiff (S. 23). Nur die Angabe „Münster 1677“ ist neu. Diese findet sich in Kyrioleis (Nr. 40), doch lag auch „Münster 1677“ den Herausgebern vor. Nr. 99: O Königin, mildreiche Frau Das Lied findet sich in Das graue Singeschiff (S. 26). Nur der Zusatz „1918“ ist neu. Dieser wurde wahrscheinlich aus Louis Pinck: „Verklingende Weisen“ (S. 41 u. 289) übernommen. Nr. 100: Herr Gott, dich loben alle wir 185 Text und Quellenangabe stehen bei Kehrein (II, Nr. 451). Das Kirchenlied zitiert: „Nach Leisentrit 1567“. Man kann also größere Änderungen am Text erwarten als sonst von den Herausgebern gewohnt. Die erste, zweite, vierte, siebte, elfte und dreizehnte Strophe wurden übernommen. Um die Bearbeitungstendenz aufzuzeigen, werden die Strophen gegenübergestellt. Kehrein Kirchenlied 1. Herr Gott dich loben alle wir, Ind sollen billich dancken dir, Für dein geschöpff der Engel schon, Die umb dich schweben in deim Thron. 2. Sie glentzen hell und leuchten klar, Und sehen dich gantz offenbar, Dein stimm sie hören allezeit, Und sint voll Göttlicher weißheit. 4. Der alte Trach der böse feindt, Vor neide, haß und zorne brindt, Und wie er vor hat bracht in not, Die Welt fürt er sie noch in Todt. 7. In der machet der engel schar, Die Christo volget immerdar, Und schützet deine Christenheit, Wehret des Teuffels listigkeit. 11. Darumb wir billich loben dich, Und dancken dir Gott ewiglich, Wie auch der lieben Engel schar, Dich preiset heut und immerdar. 1. Herr Gott, dich loben alle wir und sollen billig danken dir, daß du erschufst der Engel Schar, die dich umgeben immerdar. 2. Sie glänzen hell und leuchten klar und schauen dich ganz offenbar; dein Wort sie hören allezeit, sind deines Winkes stets bereit. 3. Der böse Feind voll Haß begehrt, mit List zu trennen Hirt und Herd; Kirch, Lehr und Lieb und Einigkeit zu tilgen ist er stets bereit. 4. Indessen wacht der Engel Schar, die Christus folget immerdar, und schützet deine Christenheit und wehrt des Teufels Trug und Neid. 5. Darum wir billig loben dich und danken dir, Gott, ewiglich, wie auch der lieben Engel Schar dich preiset heut und immerdar. 185 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon I. S.: 260. <?page no="156"?> Corpusanalyse 146 13. Ihr heiligen Engel allzumal, Die jhr jetzt wohnt ins Himmels Saal, Bitt Gott für uns, habt uns in acht, Die wir in Gfahr seyn Tag und Nacht. 6. Ihr heil’gen Engel allzumal, die ihr jetzt wohnt im Himmelssaal, fleht Gott für uns, nehmt uns in acht, schützt in Gefahr uns Tag und Nacht! Es handelt sich hierbei um ein Beispiel für ein (für die Verhältnisse des Kirchenlied) relativ stark bearbeitetes Lied. In der ersten Strophe wurde zunächst die „geschöpff“-Konstruktion (wörtlich übersetzt soll die Zeile heißen: Für deine Erschaffung der Engel) konsequent und sinnah überarbeitet. Das „Um- Gott-herum-Schweben“ „in“ seinem Thron wurde durch eine zeitgemäßere Formulierung ersetzt. Am Ende der zweiten Strophe erfahren die Engel in der Fassung des Kirchenlied eine Abwertung im Vergleich zur Vorlage: Im Originaltext wird den Engeln bescheinigt, sie seien voll göttlicher Weisheit. Im Kirchenlied werden sie zu auf Gottes Geheiß sofort reagierenden Dienstboten degradiert. Es ist dies eine Textänderung, die nicht durch das Argument vom besseren Textverständnis begründet werden kann. Am interessantesten erscheint mir die Hereinnahme der Satansstrophe (4.) in das Kirchenlied, die jedoch deutlich verändert wurde. Die Änderungen in der ersten und zweiten Zeile lassen sich dadurch erklären, daß die Vorlage durch „feindt“ und „brindt“ nur einen unreinen Paarreim anbietet, der durch „begehrt“ und „Herd“ bereinigt wird. Auch hätten die Kirchenlied-Benutzer vermutlich nichts mit dem Wort „brindt“ (für „brennen“) anfangen können. Das Bild vom Drachen erschien vielleicht zu märchenhaft und wurde durch „Feind“ ersetzt. Inhaltlich weicht diese Strophe so sehr vom Original ab, daß man nicht einmal von einer Neuformung sprechen kann. Vielleicht findet sich in dieser Strophe ein Bezug zur damaligen Zeit der NS-Diktatur, eingekleidet in ein vermeintlich uraltes Lied und somit gut getarnt? Der böse Feind (vielleicht Hitler) trachtet danach, die Einheit von Hirt und Herde, von Papst bzw. Bischöfen und Gläubigen mit List zu trennen. Jedenfalls klingt diese neue Strophe wesentlich brisanter. Die Änderungen an den übrigen Strophen sind unerheblich. Nr. 101: Unüberwindlich starker Held 186 Lied und Quellenangabe stammen aus Das graue Singeschiff (S. 13). Nr. 102: Das Flammenschwert in Händen Das Lied wurde erstmals im Kirchenlied veröffentlicht. 186 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 760 f. <?page no="157"?> Quellengeschichte 147 Nr. 103: Ihr Freunde Gottes allzugleich 187 Das Lied findet sich bei Kehrein (II, Nr. 448). Das Kirchenlied zitiert eine Neuformung aus dem 19. Jahrhundert, die sich in vielen Diözesangesangbüchern der Zeit findet. Nr. 104: Laßt uns Sankt Peter rufen an Der Text steht bei Kehrein (II, Nr. 463), allerdings mit anderer Quellenangabe. Diese findet sich bei Bäumker (II, Nr. 111), aber ohne die Erwähnung von Spee. Bis auf die fünfte und sechste wurden alle Strophen übernommen. Der Text wurde stellenweise nur leicht angeglichen. Nr. 105: Wir stehn im Kampfe und im Streit Lied und Quellenangabe stammen aus Das graue Singeschiff (S. 14 f.). Nr. 106: Nun laßt uns alle loben Die erste Strophe steht bei Kehrein (II, Nr. 483), die zweite bis vierte Strophe stammt aus O Christ hie merk (Nr. 139). Die Strophen sechs bis acht wurden ohne jegliche Veränderung übernommen, gerade die Strophen also, die sehr kritisch mit Deutschland umgehen und die im entstehungsgeschichtlichen Kontext des Kirchenlied von besonderem Interesse waren: Der Feind hat Zerstörung angerichtet, Unkraut ist in den Weinberg des Herrn eingedrungen, „der Feinde List“ soll besiegt werden. Nichtssagendere Strophen wurden hingegen weggelassen. Nr. 107: Sankt Anna, Mutter groß Das Lied wurde aus O Christ hie merk (Nr. 137) übernommen. Eingang in das Kirchenlied fanden die Strophen eins und drei bis sechs. Nr. 108: O du mein Gott, mein starker Gott Der Text soll laut Quellenangabe des Kirchenlied aus Echo Hymnodiae Coelestis (1675) stammen. Tatsächlich findet er sich dort (S. 449-452); die erste und die neunte Strophe wurden, leicht überarbeitet, übernommen. Die zweite Kirchenlied-Strophe findet sich dort aber nicht. Es könnte sein, daß es sich hierbei um eine Neuschöpfung handelt, immerhin heißt es im Kirchenlied nur: „Nach Johann Georg Braun: Echo Hymnodiae coelestis, 1675“. Nr. 109: Morgenglanz der Ewigkeit 188 Text und Quellenangabe stehen bei Fischer/ Tümpel (V, Nr. 562). Die Strophen eins, drei und vier wurden unverändert übernommen. 187 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 585-596. 188 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 320 -328. <?page no="158"?> Corpusanalyse 148 Nr. 110: Die güldne Sonne 189 Das Lied wurde aus Das graue Singeschiff (S. 52 f.) übernommen; dort fehlt allerdings die fünfte Strophe. Diese findet sich bei Fischer/ Tümpel (III, Nr. 478). Nr. 111: Die helle Sonn leucht’ jetzt herfür 190 Lied und Quellenangabe stammen aus Das graue Singeschiff (S. 52). Nr. 112: Die güldene Sonne Lied und Quellenangabe wurden aus Das graue Singeschiff (S. 49 f.) entnommen. Nr. 113: Der Tag ist aufgegangen Das Kirchenlied nennt „Nach dem Dresdener Gesangbuch, Brix 1767“ als Quelle. Die Gesangbuchbibliographie der Gutenberg-Universität zu Mainz weist zwei Gesangbücher nach: DRESDEN 1767 und DERßDEN UND LEIPZIG 1767. In keinem dieser Bücher findet sich das Lied. Nr. 114: Aus meines Herzens Grunde 191 Die Kirchenlied-Herausgeber nennen „Georg Niege“. Der Text steht bei Kehrein (I, Nr. 6) und Wackernagel (V, Nr. 249-256), bei ersterem fehlt jedoch der Autor, bei letzterem wird Corner genannt. Auch Bäumker (II, Nr. 237) nennt Georg Niege nicht. Bis auf die fünfte (Schutzengelstrophe) werden alle Strophen fast unverändert übernommen. Georg Niege wird in Der helle Ton (Nr. 280) genannt, ein Indiz für die Benutzung dieses Werkes. Nr. 115: Lobet den Herren alle, die ihn ehren 192 Text und Quellenangabe finden sich bei Fischer/ Tümpel (III, Nr. 400). Die erste, zweite, sechste und siebte Strophe wurden, unmerklich modifiziert, übernommen. Natürlich kommt auch ein gängiges Gesangbuch, z. B. DEG 1915 (Nr. 268), in Betracht. Nr. 116: Wir loben dich, Herr Jesus Christ Das Lied wurde erstmals im Kirchenlied veröffentlicht. Nr. 117: Geh aus, mein Herz 193 Text und Quellenangabe stehen bei Fischer/ Tümpel (III, Nr. 454). Die Strophen eins bis drei, sechs, acht, zehn und elf wurden unverändert übernommen. In Betracht kommt z. B. auch das DEG 1915 (Nr. 377). 189 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon I. S.: 123. 190 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon I. S.: 123. 191 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon I. S.: 57 f. 192 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon II. S.: 37 f. 193 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 262-274. <?page no="159"?> Quellengeschichte 149 Nr. 118: Mein Gott, wie schön ist deine Welt Das Lied wurde erstmals im Kirchenlied veröffentlicht. Nr. 119: Himmelsau, licht und blau Das Lied steht in Das graue Singeschiff (S. 11), allerdings ist die Quellenangabe des Kirchenlied genauer. Nr. 120: Das Feld ist weiß, die Ähren all sich neigen 194 Die Quellenangabe im Kirchenlied ist mit „Aus Masuren“ recht unkonkret. Das Lied hat eine breite evangelische Tradition. Es findet sich etwa in KÖNIGSBERG 1899 (Nr. 577). Es kann auch aus anderen evangelischen Gesangbüchern übernommen worden sein. Im DEG 1915 steht es nicht. Nr. 121: Das Tagwerk nun vollendet ist Der Text stammt aus Echo Hymnodiae Coelestis (1675) (S. 470). Die Strophen eins, fünf, sieben, acht und neun wurden, stärker als gewohnt überarbeitet, aufgenommen. Nr. 122: Gnädigster Erbarmer Das Lied steht in Das graue Singeschiff (S. 131 f.), allerdings ist die Quellenangabe des Kirchenlied genauer. Nr. 123: Hinunter ist der Sonne Schein 195 Lied und Quellenangabe stehen in Das graue Singeschiff (S. 133 f.). Nr. 124: Der lieben Sonne Licht und Pracht 196 Lied und Quellenangabe stehen in Das graue Singeschiff (S. 136). Nr. 125: Nun ruhen alle Wälder 197 Lied und Quellenangabe finden sich in Das graue Singeschiff (S. 134 f.). Nr. 126: Mit meinem Gott geh ich zur Ruh 198 Nur die vierte und fünfte Strophe stehen bei Wackernagel (V, Nr. 532), allerdings mit anderer Quellenangabe. 194 S. dazu: Stalmann/ Heinrich (Hrsg.): Handbuch zum Evangelischen Kirchengesangbuch. Liederkunde. Zweiter Teil. S.: 514-516. 195 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon I. S.: 306. 196 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon I. S.: 111. 197 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 383 ff.; 390; 406. 198 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon II. S.: 91 f. <?page no="160"?> Corpusanalyse 150 Nr. 127: In dieser Nacht 199 Der Text wurde wahrscheinlich aus den 1916 erschienenen „Einheitsliedern“ (FULDA 1916) entnommen. Im Kirchenlied finden sich alle dort stehenden Strophen unverändert. Die „Einheitslieder“ geben allerdings keine Quelle an. Jetzt zeigt sich eine schon mehrfach diagnostizierte Tendenz der Kirchenlied- Herausgeber: Sie entnehmen den Liedtext aus einem ihnen zur Verfügung stehenden Gesangbuch (oder einer Textsammlung) und geben die älteste bei Bäumker (III, Nr. 161) stehende Quelle an. Dort liest man: „Den Text finde ich zuerst in dem Büchlein „Ordentlicher Geistlicher Wegweiser der Deurender Procession … . nach Kevelär im Jahr 1727. Cöln […]“. Daraus wird im Kirchenlied: „Köln 1727“. Nr. 128: Wir bitten dich, Herr Jesus Christ Das Lied wurde erstmals im Kirchenlied veröffentlicht. Nr. 129: Wir sind nur Gast auf Erden 200 Das Lied wurde erstmals im Kirchenlied veröffentlicht. Nr. 130: Ach wie flüchtig, ach wie nichtig 201 Das Lied steht in Das graue Singeschiff (S. 18 f.); der im Kirchenlied stehende Zusatz „Koburg“ fehlt hier jedoch. Er findet sich bei Fischer/ Tümpel (IV, Nr. 254), ein Indiz, daß wahrscheinlich mit diesem Werk gearbeitet wurde. Nr. 131: Mitten in dem Leben sind 202 Bei Kehrein (I, Nr. 158) findet sich das Lied, allerdings mit anderer Quellenangabe, bei Wackernagel (II, Nr. 993) nur die erste Strophe. Bäumker (I, Nr. 300a II) nennt Vehe, der Hinweis auf Notker findet sich bei I, S.: 592. Nur die erste Strophe ist mittelalterlich. Vehes zweite und dritte Strophe überarbeiten die Fassung der Lieder von Martin Luther. Nr. 132: Wenn mein Stündlein vorhanden ist 203 Text und Quellenangabe stehen bei Wackernagel (III, Nr. 1415). Die ersten fünf Strophen wurden, leicht modernisiert, übernommen. 199 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 804. 200 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 786. 201 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon I. S.: 29 f. 202 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 84-93. 203 Franz (Hrsg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. S.: 507. <?page no="161"?> Quellengeschichte 151 Nr. 133: O Ewigkeit 204 Der Text findet sich bei Wackernagel (V, Nr. 1509), jedoch mit anderer Quellenangabe. Diese steht bei Bäumker (II, Nr. 330 II). Die Strophen eins, zwei, acht und fünfzehn wurden, leicht bearbeitet, übernommen. Nr. 134: Zu dir, o Gott, erheben wir 205 Die Kirchenlied-Herausgeber nennen als Textquelle Cantate (1888), Gotzen hingegen gibt Cantate (1851) an. In beiden Gesangbüchern kommt das Lied nicht vor. Nr. 135: Gott in der Höh sei Preis und Ehr 206 Der Text findet sich beispielsweise in KÖLN 1887 (Nr. 221). Der Text ist identisch. Nr. 136: Du hast, o Herr Als Textquelle zitiert das Kirchenlied „Köln 1880“. In Ermangelung dieser Gesangbuchauflage ziehe ich die spätere Auflage, KÖLN 1887, heran. Hier steht das Lied unter Nr. 223. Der Text ist identisch. Nr. 137: Laßt uns erheben Herz und Stimm Die Kirchenlied-Herausgeber nennen als Textquelle Bones Cantate (1888). Gotzen dagegen gibt Bone, „Cantate“ 1851 an. In beiden Gesangbüchern kommt das Lied allerdings nicht vor. Nr. 138: O du Lamm Gottes unschuldig 207 Text und Quellenangabe finden sich beispielsweise im DEG 1915 (Nr. 34); kleinste textliche Änderungen 208 . Nr. 139: O Jesu, all mein Leben bist Du 209 Die erste Strophe des Liedes findet sich beispielsweise in KÖLN 1887 (Nr. 226), die zweite Strophe, die im Kirchenlied als „Zudichtung“ bezeichnet wird, nicht. Der „Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch ‚Gotteslob‘“ nennt Georg Thurmair als Urheber der zweiten Strophe 210 . Merkwürdig, daß er nicht im Kirchenlied als solcher benannt wird. 204 S. dazu: Fischer: Kirchenlieder-Lexikon II. S.: 144 f. 205 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 685 f. 206 S. dazu: Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 686 f. 207 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 104-110. 208 Zu diesem Lied s.: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 104-110. 209 S. dazu: Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. S.: 421. 210 Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 690 f. <?page no="162"?> Corpusanalyse 152 Nr. 140: Dein Gnad, dein Macht und Herrlichkeit Die Kirchenlied-Editoren geben „Harfen Davids, Augsburg 1669 (mit Änderungen)“ als Quelle an. Das Lied findet sich in Harpffen Davjds, S.: 101 f. („Dein Gwalt/ dein Macht dein Herrligkeit“), wobei fast keine Übereinstimmung mit der Kirchenlied-Fassung zu erkennen ist. Im Ursprungstext wird König David gepriesen (überschrieben ist das Lied mit „Königs-Kron“). Im Kirchenlied findet sich einzig das Lob Gottes. Gotzen korrigiert die Quellenangabe: „Worte: ‚Cantica spiritualia‘, Augsburg 1844/ 47. Das Lied findet sich in Cantica Spiritualia, Nr. 33. Dort steht auch die Quellenangabe „Harfe Davids 1669“. Die erste Strophe wurde, von kleinsten Änderungen abgesehen, übernommen. 4. Gesamtauswertung In diesem Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, welche Erkenntnisse sich bezüglich der Arbeitsweise und Quellenverwendung aus dem obigen Teil (3.) ergeben. Es handelt sich um eine kurze Zusammenfassung der bei den einzelnen Liedern stehenden Bemerkungen und eine Zusammenschau der Ergebnisse. Zunächst zur Frage nach den verwendeten Quellen. Es sei nochmals an die Ausführungen der Bearbeiter des Kirchenlied und ihr Nachwort erinnert: „Es mußte deshalb die Urgestalt eines jeden Liedes in gründlicher wissenschaftlicher Vorarbeit festgestellt und ihre Verwendbarkeit für die Gegenwart erprobt werden. Im Anschluß an die ältesten Quellen […] 211 . [Hervorhebung von mir]. Schaut man sich nach der Lektüre dieses Nachwortes die im Kirchenlied bei den einzelnen Liedern stehenden Quellen an, ist man zunächst beeindruckt, welche Quellenfülle zitiert wurde. Es stellt sich sofort die Frage, ob die Herausgeber wirklich mit allen diesen Quellen gearbeitet haben bzw. ob diese Quellen überhaupt für sie verfügbar waren. Diewalds Aussage, man habe sich der damals verfügbaren wissenschaftlichen Kirchenlied-Sammlungen bedient, wurde bereits im Rahmen dieser Arbeit (s. „B. IV.“) zitiert. Diese Aussage kann ich mittels meiner Untersuchungen bestätigen. Es bietet sich folgendes Bild: In den meisten Fällen haben die Herausgeber mit den großen Editionen (Kehrein, Wackernagel, Bäumker und Fischer/ Tümpel) gearbeitet. Bezüglich der Zitierweise haben sie die dort stehenden Quellenangaben übernommen, aber nicht gekennzeichnet, daß sie nicht mit den Originalquellen, sondern mit den Sammlungen gearbeitet haben. Wenn sich innerhalb der Sammlungen mehrere Quellenangaben finden, wurde grundsätzlich die älteste dort stehende Fassung angegeben. Was die Melodien vieler Lieder anbelangt, haben sie mit Bäumkers Werk gearbeitet, der jedoch 211 Kirchenlied, S.: 171. <?page no="163"?> Quellengeschichte 153 immer nur die erste Textstrophe abdruckt. Die übrigen Textstrophen finden sich in den anderen oben angegebenen Sammlungen. Auch hier wurde oft nicht sorgfältig zitiert: In vielen Fällen konnte ich rekonstruieren (s. o.), daß der Text beispielsweise aus Kehrein übernommen worden ist. Für die Melodiefassung schaute man bei Bäumker nach. Dann wurde oft die älteste bei Bäumker stehende Quellenangabe als Textquelle übernommen, auch wenn Kehrein diese Quelle gar nicht nennt. Leisentrit wurde oft genannt, war aber kaum zugänglich. Alle Lieder, für die Leisentrit als Quelle genannt ist, finden sich in den erwähnten großen Editionen. Der Vorsatz einer wissenschaftlichen Arbeitsweise (Sekundärzitate, ohne diese auszuweisen, unkorrekte Zitierweise) muß an diesem Punkt also relativiert werden. Gleichwohl muß man bedenken, daß ein so kleines Gesangbuch, das für den praktischen Nutzen konzipiert wurde, keinesfalls mit überlangen Quellenangaben versehen werden konnte. Anhand der corpusanalytischen Untersuchungen konnte ich die Herkunft von 133 Liedern mit ausreichender Wahrscheinlichkeit klären; bei den noch verbliebenen Liedern 212 ist mir dies nicht gelungen. An dieser Stelle will ich versuchen, eine kleine „Bibliothek“ zu rekonstruieren, mit der gearbeitet wurde. Folgender Werke haben sich die Herausgeber mit ziemlicher Sicherheit unmittelbar für die Arbeit am Kirchenlied bedient: - Bäumker - Kehrein - Fischer/ Tümpel - wenigstens ein wichtiges ‚aktuelles‘ evangelisches Gesangbuch, z. B. das DEG (Berlin 1915, 2. A. 1926) oder Der helle Ton (2. A. Kassel 1935) oder das im Rheinland gebräuchliche DORTMUND 1930. - einige ‚aktuelle‘ katholische Gesangbücher, z. B. KÖLN 1887 und KÖLN 1930, ferner TRIER 1846. - „23 Einheitslieder“ (FULDA 1916) - Vehe (da nur hieraus das Lied Nr. 86: Gegrüßet seist Du, Maria, stammen kann). Dieses Gesangbuch war leicht zugänglich als Reprint von Hoffmann von Fallersleben. - Das graue Singeschiff. Es ist wenige Jahre vor dem Kirchenlied entstanden (1934 im Jugendhaus Düsseldorf). Adolf Lohmann und Josef Diewald werden als Bearbeiter genannt 213 . Es ist also nur verständlich, daß viele Lieder aus diesem Büchlein entnommen wurden. - Tandaradei - Der Spielmann - Jung-Volker 212 Kirchenlied, Nr. 33, 53, 89, 113, 126, 134, 137. 213 Das graue Singeschiff: S. 2. <?page no="164"?> Corpusanalyse 154 - Kyrioleis 214 - Der helle Ton - Walther Hensel: Finkensteiner Blätter - Heinrich Bone: Cantate 1847, 1852; 1888. Diewald hat Heinrich Bone ausdrücklich als großen Sammler von Kirchenliedern herausgestellt, ebenso Guido Maria Dreves (unter „B. III.“ dieser Arbeit). - Guido Maria Dreves: O Christ hie merk! - Joseph Mohr: Psälterlein - Freiherr von Haxthausen: Geistliche Volkslieder - Louis Pinck: Verklingende Weisen - M. Toepler: Alte Choral-Melodien - Cantica Spiritualia (1845) Als Ausnahmen von der Regel standen den Kirchenlied-Herausgebern wohl vier Gesangbücher des 17. Jahrhunderts zur Verfügung: - MÜNCHEN 1637. Lied Nr. 17 (Wie mein Gott will). - MÜNSTER 1677. Lied Nr. 13 (O Gott, streck aus dein milde Hand) u. 56 (O du hochheilig Kreuze) stammen mit großer Wahrscheinlichkeit aus diesem Buch. - Harpffen Davjds, Augsburg 1669: Lieder Nr. 1 (Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus) und unter Umständen 215 Nr. 140 (Dein Gnad, dein Macht und Herrlichkeit). - Echo hymnodiae Coelestis (1675): Lieder Nr. 88 (Ave Maria zart), 108 (O du mein Gott, mein starker Gott), 121 (Das Tagwerk nun vollendet ist). Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß in den allermeisten Fällen die Sammlungen von Bäumker, Kehrein, Wackernagel und Fischer-Tümpel als Fundgrube dienten, daß fernerhin aber auch einige Gesang- und Liederbücher des 17., 18. und 19. Jahrhunderts verwendet wurden. Sehr viele Lieder stammen aus Das graue Singeschiff, einige aus den damals gängigen Liederbüchern der katholischen Jugend. Zitiert wurde oft nicht korrekt. Martin Luthers Autorenschaft wurde stets verschwiegen (Nr. 35: Es kam ein Engel hell und klar, 41: Gelobet seist du, Jesu Christ, 77: Gott sei gelobet und gebenedeiet). Zu den in großer Zahl aufgenommenen evangelischen Liedern: Es wurden ausschließlich bekannte und verbreitete evangelische Lieder übernommen. Ich vermute daher, daß die Herausgeber zunächst einige gängige evangelische Gesangbücher heranzogen, bekannte Lieder übernahmen, in einem letzten Schritt in den großen Sammlungen nach der Urgestalt der Lieder suchten und 214 Der Spielmann, Jung-Volker und Kyrioleis waren wichtige Vorläufer, was das Singen der katholischen Jugend angeht. Besonders das letztere Gesangbuch entspricht der Zielsetzung der Kirchenlied-Herausgeber bezüglich der Vorliebe für alte Lieder. 215 Große Unterschiede zwischen Vorlage und Kirchenlied-Fassung sprechen eher dafür, daß Cantica spiritualia als Textquelle anzunehmen sind (s. a. Gotzens Korrektur). <?page no="165"?> Exkurs: War Kirchenlied ein Buch des Widerstandes? 155 diese dann überarbeiteten. Natürlich können manche Lieder auch unmittelbar aus einem evangelischen Gesangbuch übernommen und dann bearbeitet worden sein. Da beispielsweise das DEG 1915 (anders als die katholischen Gesangbücher dieser Zeit) die Quellen angibt, wäre das ebenfalls möglich. Bezüglich der Bearbeitungstendenzen fällt auf, daß die Lieder zunächst hinsichtlich ihrer Orthographie und Interpunktion an die damalige Gegenwart angepaßt wurden. Insgesamt wurden die Lieder behutsam und nur leicht bearbeitet; es wurde versucht, möglichst wenig zu verändern. Wenn das Verstehen gefährdet war, wurden Änderungen allerdings in Kauf genommen. Allzu gefühlvolle Strophen, die Jesus als Jesulein oder Kindelein verniedlichen, wurden weggelassen, ebenfalls alles, was auf eine minneähnliche Verehrung Jesu hindeutet (Liebe, Küsse, s. Nr. 30, 38, 39, 45, 73, 74). VI. Exkurs: War Kirchenlied ein Buch des Widerstandes gegen die NS-Diktatur? Exemplarische Liedanalysen [ 216 ] In diesem Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, ob das Kirchenlied als Buch des Widerstandes gegen die NS-Herrschaft angesehen werden kann. In Betracht kommen in diesem Zusammenhang insbesondere einige Lieder der Rubriken „Kommt her, des Königs Aufgebot“ und „Ihr Freunde Gottes allzugleich“, die nun näher untersucht werden sollen. Befragt man die zu diesem Thema erschienene Sekundärliteratur, trifft man auf eine Strömung, die diesen Liedern ein hohes Widerstandspotential zuspricht (so vor allem Wilhelm Schepping und Günther Massenkeil). Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich zunächst eigene Untersuchungen anstellen, diese anschließend mit den Ausführungen der oben Genannten vergleichen und zu einem abschließenden, möglichst differenzierten Urteil gelangen. 216 Diese Abbildung wurde entnommen aus: Das graue Singeschiff, 113. Druckerlaubnis erteilt vom Jugendhaus Düsseldorf. <?page no="166"?> Corpusanalyse 156 Zuerst ist zu fragen, welcher Kriterien man sich bei der Untersuchung, ob einige Lieder ein Widerstandspotential in sich tragen, bedienen soll. In Betracht kommen zunächst die Untersuchungen von Heidrun Ehrke-Rotermund und Erwin Rotermund, die sich der „Verdeckten Schreibweise“ im Dritten Reich angenommen haben 217 . Leider handelt es sich bei dem besagten Buch um keine ausgearbeitete Poetik und Hermeneutik der „Verdeckten Schreibweise“, vielmehr will es Vorstudien zu diesem Thema bieten. Die Autoren bemängeln ihrerseits, daß das Phänomen der „Verdeckten Schreibweise“ in der Forschungsliteratur bislang nicht die ihm gebührende Beachtung gefunden habe, ein Befund, den ich einige Jahre nach dem Erscheinen dieses Buches bestätigen muß. Auch die von den Autoren vorgeschlagenen Analysekriterien („adiectio“, „detractio“, „transmutatio“ und „immutatio“) 218 , die sie mit Paul Grices „Kommunikationsprinzipien“ verknüpfen 219 , sind auf den Bereich der Lyrik nicht ohne weiteres anwendbar 220 . Mir bleibt also nur, in Ermangelung einer eindeutige Kriterien bietenden Untersuchung, eigene Überlegungen anzustellen. Nach expliziten Widerstandsaufrufen im Kirchenlied wird man natürlich vergeblich suchen, wobei die Frage bleibt, ob der Inhalt des einen oder anderen Liedes implizit als Widerstand gedeutet werden kann. Thurmair selbst weist darauf hin, daß eine Reihe seiner Lieder verschlüsselt und nur aus dem Kontext der brennenden Situation der damaligen Zeit heraus verständlich seien. „Man konnte damals, ab 1935, schon nicht mehr offen sprechen. Die christliche Jugend wurde Schritt für Schritt aus der Öffentlichkeit verdrängt, Verbote über Verbote schränkten ihre Tätigkeit immer mehr ein. Bald waren nur noch kirchliche Räume - erst noch offen, dann auch diese nur noch geheim - für Zusammenkünfte erlaubt. Das Liedgut, das damals entstand, mußte sich dieser Beschränkung beugen. Wer heute danach fragt, was für ‚anti-nazistische‘ Lieder damals verfaßt und gesungen wurden, der muß wissen, daß schon 1935 ausgesprochene Texte in diesem Sinne nicht mehr möglich waren. Er muß also genauer hinhören, was in den scheinbar kirchlich-religiösen Liedern, verklausuliert und gegen die NS-Weltanschauung zum Ausdruck kam. […] Es mußte vieles ‚zwischen den Zeilen‘ oder im ‚übertragenen Sinn‘, wie man sagt, zum Ausdruck kommen.“ 221 Bei der Frage nach dem Widerstand kommt es immer auf das Verständnis an, das man diesem Begriff beimißt. Das Leitwort des ersten Bekenntnistages „Lobet den Herren! “ klingt für unser heutiges Dafürhalten wenig spektakulär. Im Kontext der damaligen Zeit könnte vielleicht allein dieses Leitwort schon Widerstand im Sinne einer Gegenakzentsetzung bedeutet haben. 217 Ehrke-Rotermund/ Rotermund: Zwischenreiche und Gegenwelten. 218 Ehrke-Rotermund/ Rotermund: Zwischenreiche und Gegenwelten. S.: 16-18. 219 Ehrke-Rotermund/ Rotermund: Zwischenreiche und Gegenwelten. S.: 19-22. 220 Das räumen auch die Autoren selbst ein, vgl.: Ehrke-Rotermund/ Rotermund: Zwischenreiche und Gegenwelten. S.: 23. 221 Thurmair: Interview mit mir selbst. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 101 f. <?page no="167"?> Exkurs: War Kirchenlied ein Buch des Widerstandes? 157 „Alle Zeitungen und der Rundfunk sind voll des Lobes auf Hitler, die Parteiorgane vergöttern ihn. Das Leitwort dieses ersten Bekenntnistages […] ist auch ein Gegenbekenntnis.“ 222 Aber kann man diese vorsichtigen Versuche schon als Widerstand bezeichnen? So muß, bevor diese Frage beantwortbar wird, zunächst der Begriff „Widerstand“ in seinen verschiedenen Formen und Intensitäten näher untersucht werden. Faßt man den Begriff in einem sehr wörtlichen Sinne auf als aktives, eindeutiges und unmißverständliches Aufbegehren gegen eine Herrschaft, so wird man keinem der Lieder das Attribut widerständig beimessen können. Gotto, Hockerts und Repgen weisen darauf hin, man müsse innerhalb des Widerstandsbegriffes eine Staffelung vornehmen; sie benennen vier Stufen des Widerstandes: Die erste Stufe sei die der punktuellen Unzufriedenheit. Hier fänden sich Unmutshandlungen oder -äußerungen gegen das Regime, z. B. das Schimpfen über zu niedrige Agrarpreise, in Ansätzen und in vorsichtigster Form. Die zweite Stufe wird mit dem Terminus der Nichtanpassung bezeichnet. Es handele sich hierbei um den Versuch, seine Identität und Eigenständigkeit durch Versuche, der Vereinnahmung zu trotzen, zu bewahren. Beide genannten Stufen seien im Grunde defensiv. Die dritte Stufe sei nun offensiver Natur; sie sei die Stufe öffentlicher expliziter und deutlicher Proteste. Der aktive Widerstand, also alle auf den Umsturz des Regimes hin gerichteten Aktivitäten, wird der vierten Stufe zugewiesen 223 . Es handelt sich bei dieser Stufung um ein brauchbares, sachlich-nüchternes und differenziertes Fundament, das hier Verwendung finden soll. Wenden wir uns nun der konkreten Liedanalyse unter der Schwerpunktsetzung dieses Kapitels zu. Zunächst soll das Sankt Georg-Lied „Wir stehn im Kampfe und im Streit“ einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Es entstand 1934 und findet sich erstmals im grauen Singeschiff als eines der Lieder, die in Zusammenarbeit von Lohmann und Thurmair entstanden 224 . „1. Wir stehn im Kampfe und im Streit mit dieser bösen Weltenzeit, die über uns gekommen. Sankt Jürg, du treuer Gottesmann, wir rufen deinen Namen an, weil unser Mut beklommen. 222 Bitz/ Gebhart: Treue zum Dreieinigen Gott und zu seiner Kirche. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 668. Diese Äußerung stammt nach 1945. 223 Gotto/ Hockerts/ Repgen: Nationalsozialistische Herausforderung. In: Gotto/ Repgen: Die Katholiken und das Dritte Reich. S.: 124. 224 Schepping: Lieder gegen den Ungeist der Zeit. S.: 211. <?page no="168"?> Corpusanalyse 158 2. Das Böse überkommt Gewalt, und keiner sagt dem Satan Halt; wir sind in argen Nöten. Sankt Jürg, du bist allzeit gerecht, schaff Urteil über Gut und Schlecht, du kannst die Drachen töten. 3. Die Lüge ist gar frech und schreit und hat ein Maul so höllenweit, die Wahrheit zu verschlingen. Sankt Jürg, behüte diesen Hort, bewahr die Sprache und das Wort, du kannst die Lüge zwingen. 4. Die böse List zerbrach den Bann und fiel so manchen Menschen an und hat den Mut zerschlagen. Sankt Jürg, du bist der Heldenmut, der Ritter stolz, der Adel gut, du kannst den Trug verjagen. 5. Erhebe dich, besteig dein Pferd, nimm Lanzenschaft und Schild und Schwert, dann hilf uns tapfer kriegen! Sankt Jürg, du unser Schutzpatron, befreie uns und brich die Fron, daß wir im Glauben siegen! “ 225 Auf den ersten Blick würde man auch dieses Lied nicht zwingend als Widerstandslied ansehen wollen. Das Lied besteht aus fünf Strophen. Es beginnt mit dem Personalpronomen „Wir“, das sich durch das ganze Lied zieht und darauf abzielt, Identität, Einheit und Zusammengehörigkeit zu erzeugen. Kontrastierend steht diesem „Wir“ ein Feindbild gegenüber, das wenig konkret ist: in der ersten Strophe „diese böse Weltenzeit“, in der zweiten „das Böse“, in der dritten „die Lüge“, in der vierten „die böse List“. Im letzten Teil jeder Strophe wird der Heilige Georg explizit angesprochen, die letzte Strophe wendet sich sogleich an ihn. Das Lied greift auf die in der katholischen Hagiographie verbreitete Legende zurück: Sankt Georg als gerüsteter Ritter, der mit Gottes Hilfe einen Drachen besiegt. Zum Inhalt: Die „Wir-Gruppe“ befindet sich im Konflikt mit ihrer „bösen“ Zeit, die wie eine Heimsuchung über sie gekommen ist; der Mut der Gruppe ist „beklommen“, weshalb St. Georg angerufen wird. Das bislang recht konturenlose „Böse“ wird nun „Satan“ zugeordnet, dem niemand Einhalt gebietet. St. Georg soll die Drachen, das personifizierte Böse also, töten. 225 Kirchenlied, Nr. 105. <?page no="169"?> Exkurs: War Kirchenlied ein Buch des Widerstandes? 159 In der dritten Strophe wird der Kampf zwischen Wahrheit und Lüge beschrieben. Ihr Maul ist so groß, daß sie die Wahrheit zu verschlingen droht. Die „Sprache“ und das „Wort“ werden als Hort bezeichnet; St. Georg soll die Lüge (be)zwingen. Die vierte Strophe ist nicht leicht zu verstehen. Welchen „Bann“ zerbrach die böse List? Mit der bösen List ist wohl wieder Satan (die listige Schlange) gemeint. Jedenfalls hat sie viele Menschen infiziert. St. Georg sei in der Lage, den Trug zu verjagen. In der letzten Strophe wird St. Georg aufgefordert, aktiv zu werden und sich für den Kampf zu rüsten. Er wird als Feldherr gesehen, der die „Wir- Gruppe“ in den Krieg führen und ihr zum Sieg verhelfen soll. Handelt es sich um ein Widerstandslied? Wird hier „Verdeckte Schreibweise“ praktiziert? Man könnte sagen, daß es sich bei der recht schemenhaft beschriebenen „Gegnergruppe“ um den NS-Staat handle, der die „Wir-Gruppe“, die katholischen Gläubigen also, bekämpfe und unterdrücke. „Diese“ (Demonstrativum) Weltenzeit wird als böse bezeichnet, keiner gebietet den Unterdrückern Einhalt, Sprache und Wort werden benutzt, um das Volk zu verführen und zu belügen. M. E. darf man nun aber keine voreiligen Schlüsse ziehen: Die „Gegner- Gruppe“ wird hier so unkonkret beschrieben, daß sie auf alles und jeden zutreffen kann. Der Topos vom „Kampf gegen die Welt“ ist auch sehr allgemein und findet sich häufig im christlichen Kontext (etwa: Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Gott und Satan, zwischen Welt und Himmel, zwischen Geist und Fleisch, Irdischem und Unvergänglichem); daran ändert auch das Demonstrativum nichts: Der Christ steht immer, in jeder Zeit, im Kampf mit der Welt und ihren Verlockungen. Sprache und Wort sind hervorragende Mittel der Verführung, Verlockung und Manipulation, deren sich der Fürst dieser Welt schon im Paradies bedient; der Appell an St. Jürg muß also nicht zwingend auf die nationalsozialistische Propaganda zurückgeführt werden. Man kann sie, muß sie aber nicht darauf zurückführen. Diese Beliebigkeit hindert mich, hier von Widerstand zu sprechen, denn wenn man das täte, könnte man jedes Lied, das den Kampf zwischen Gut und Böse thematisiert, immer auch als Widerstandslied bezeichnen: „Wir sind die Guten, Ihr die Bösen, wir kämpfen gegen Euch“! Es gibt auch andere Meinungen. Wilhelm Schepping etwa schreibt über dieses Lied: „Es ruft beziehungsreich den heiligen Georg, den machtvollen „Drachentöter“ - und das heißt ja: den Besieger Satans - und Ritterheiligen der Kreuzzüge, um seine Hilfe an im Kampf mit dieser bösen Weltenzeit und gegen die herrschende Gewalt des Bösen, um dann in einer besonders hintersinnig konnotativen 3. Strophe […] sogar gefährlich konkret zu werden; und zwar so konkret, dass diese Strophe von den Jugendlichen bald nur noch ‚Goebbels-Strophe‘ genannt wurde. Und dabei blieb es nicht einmal: Gemäß dem Bericht eines Zeitzeugen aus seiner Jugendgruppe über das Singen die- <?page no="170"?> Corpusanalyse 160 ses Liedes stand plötzlich einer in der Runde auf und ging mit erhobener Hand und nachziehendem Fuß, Dr. Goebbels imitierend, durch die Runde. Dass der letzte Vers in schallendem Gelächter unterging und später zu unserem ‚Schlager‘ wurde, brauche ich wohl nicht besonders zu erwähnen‘“. 226 Ich halte es für problematisch, von diesem Einzelereignis auszugehen und von einem Anti-Goebbels-Lied zu sprechen. Betrachten wir die dritte Strophe genauer. In der Tat legt der zeitliche Kontext nahe, an die nationalsozialistische Demagogie zu denken, die ihre ideologischen Lügen unverblümt („frech“), laut und auf allen Kanälen („schreit“, weites „Maul“) an ihre Opfer weitergibt, so daß man den Eindruck haben konnte, die Wahrheit drohe verschlungen zu werden. Sprache und Wort sind ja ganz entscheidende propagandistische Mittel, was Hitler wußte und für seine Zwecke gekonnt nutzte. Dr. Goebbels hatte im Volk - unter vorgehaltener Hand - den Titel eines „Reichslügenmaules“ 227 . War etwa das Gedicht in diesem Sinne auf den Reichspropagandaminister, den Meister des Wortes, zu beziehen? War nicht der Kampf Georgs gegen den Satan ein Kampf der Kirche gegen die NS-Diktatur, die alle kirchlichen Werte umzukehren und zu verschlingen drohte? Schepping bemerkt, daß zu dieser konnotativen Komponente des Gedichtes eine annotative hinzukomme, war doch zu dieser dritten Strophe eine Parodiefassung bekannt, die nicht nur andeutete und nahelegte, sondern offen aussprach: „Jupp Goebbels ist so klein und schreit Und hat ein Maul so höllenweit Die Wahrheit zu verschlingen …“ 228 Schepping bemerkt, daß die überdeutlichen Worte der dritten Strophe des Georg-Liedes vielleicht auch durch einen „Flüsterwitz“ aus der NS-Zeit kommentiert würden: „Den Witz, der ‚Reichspropagandaminister‘ Goebbels sei Ehrenbürger von Schwetzingen (! ) geworden, weil er der einzige Deutsche sei, der Spargel quer essen könne“ 229 . Allerdings muß bedacht werden, daß die Parodiefassung dieses Liedes erst in der Nachfolge des Sankt Georg-Liedes entstand und bei seiner Konzeption keine Rolle spielte. Annotative Qualitäten wurden ihm also später von manchen Sängern gleichsam übergestülpt, ohne daß Lohmann und Thurmair dies bei der Aufnahme in das Kirchenlied gewollt hätten. Auch ist es wiederum problematisch, von der in einzelnen Gruppen gesungenen Parodiefassung verallgemeinernde Thesen abzuleiten. Bereits der erste Satz des Liedes deute auf Widerstand hin: „Wir steh’n im Kampfe und im Streit mit dieser bösen Weltenzeit, die über uns gekommen“. 226 Schepping: Geschichte in Liedern. S.: 36. 227 Schepping: Lieder gegen den Ungeist der Zeit. S.: 212. 228 Schepping: Geschichte in Liedern. S.: 37. 229 Schepping: Geschichte in Liedern. S.: 37. <?page no="171"?> Exkurs: War Kirchenlied ein Buch des Widerstandes? 161 Der Kampf mit dieser bösen Zeit mache unmißverständlich klar, daß es sich um die NS-Zeit handeln müsse, zumal, wenn man sich die Entstehungszeit des Liedes (1934) ansehe 230 . Ich kann mich nur wiederholt gegen derartig dogmatisch-apodiktische Äußerungen aussprechen: Die NS-Zeit kann, muß aber nicht gemeint gewesen sein. Auch das Lied Der Satan löscht die Lichter aus (Nr. 23) beinhaltet in der letzten Strophe ein derartig deutbares Demonstrativum: „Das Leben ist nicht liebenswert in diesen bösen Zeiten.“ Es handelt sich dabei um eine kraftvolle Schöpfung Georg Thurmairs. „1. Der Satan löscht die Lichter aus und läßt die Welt erblinden. - Wir suchen einen Weg nach Haus und können ihn nicht finden. O Heiland, komm, ach komm geschwind! Du bist den Schiffen Weg und Wind, du läßt uns heimwärts finden. 2. Die Menschen treiben arge List und sinnen viele Lügen. - Wir suchen den, der Wahrheit ist, uns seinem Wort zu fügen. O Heiland, komm, o komm herzu! Du bist die Wahrheit und die Ruh, du läßt uns nicht betrügen. 3. Das Leben ist nicht liebenswert in diesen bösen Zeiten. - Wir suchen den, der niederfährt, ein Reich sich zu bereiten. O Heiland, komm, o komm herbei! Du bist das Leben. Mach uns frei für deine Seligkeiten! “ Der Satan, welcher alle Lichter in der Welt auslöscht, versetzt diese in absolute Verwirrung und Orientierungslosigkeit. Nicht einmal der Weg nach Haus (ein Bild, das sich in vielen Gedichten Thurmairs findet, so auch in „Wir sind nur Gast auf Erden“) ist zu finden. Der Heiland wird nun um sein Kommen (vgl. „advenire“ und „Adventsruf“ der Überschrift) gebeten, er, der den orientierungslosen Schiffen auf stürmischer und dunkler See ein Leuchtturm ist. Wird in der ersten Strophe der Gegensatz von Licht und Dunkelheit antithetisch gegenübergestellt, so in der zweiten Strophe der Gegensatz von Wahrheit und Lüge. In einer Welt voller Lüge und List ist Christus der einzige Anker der Wahrheit. In der letzten Strophe wird die böse momentane 230 Massenkeil: Die Lieder, die wir sangen. S.: 7. <?page no="172"?> Corpusanalyse 162 Zeit diagnostiziert. Gleich einem Himmelstau wird Christus um seine Niederkunft gebeten, um dieser Zeit ein Ende zu machen und „ein Reich sich zu bereiten“. Ist dieses Gedicht nicht als Kampfansage gegen das Dritte Reich anzusehen, welches von einem Gottesreich der Wahrheit und Helligkeit ersetzt werden soll? Ist mit den Lügen des Satans nicht die gottlose und menschenverachtende Ideologie der Nationalsozialisten gemeint? Im Gegensatz zum oben besprochenen Lied scheint mir hier der widerständische Geist diagnostizierbar zu sein, schließlich wird eine neue, innovative Metapher verwendet und auf das „verbrauchte“, weil bereits zu häufig vorgekommene und daher unkonkrete Bild vom Drachentöter verzichtet. Der Satan verdunkelt die Welt, indem er das Licht löscht, die „Wir-Gruppe“ ist völlig orientierungslos. In dieser verdunkelten Welt kann nur einer, der Heiland, Licht (und Erkenntnis) bringen. Die „Anti-Gruppe“ ist in diesem Lied ebenfalls viel konkreter beschrieben: Hier wird nicht vom Unkonkret- Bösen gesprochen, sondern von den „Menschen“, die „arge List“ treiben. Das halte ich für „Verdeckte Schreibweise“, die die Gegner nicht explizit benennen kann, statt dessen einen „camouflierenden“ Ausdruck verwendet, der tarnt, aber nicht so unkonkret ist, daß er beliebig wäre und der eine der verdeckten Aussage innewohnende „esoterische Botschaft“ rekonstruieren läßt 231 . Mit dem Begriff „Menschen“ ist das geforderte Mindestmaß an Konkretheit m. E. erreicht, mit „bösen Mächten“ (s. o.) nicht. Die „Wir-Gruppe“ jedenfalls versucht, sich von den falschen Lehren der „Menschen“ fernzuhalten und die Wahrheit Christi zu suchen. Die dritte Strophe halte ich für weniger eindeutig. Tendenzen, das Leben im Hier und Jetzt als nicht liebenswert zu bezeichnen, finden sich im Kontext der christlichen Weltverleugnung recht häufig (etwa im Salve Regina, das vom „hac lacrimarum valle“ spricht); Eindeutigkeit und Singularität fehlen also. Der Wunsch, der Heiland möge kommen und sich ein Reich bereiten, ist ebenfalls nicht ohne weiteres so zu verstehen, daß hier ein Gegenreich zum NS-Reich herbeigesehnt werden soll, wenn man bedenkt, wie positiv viele katholische Jugendliche dem bestehenden Reich gegenüberstanden. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Untersuchungen der Wolker- Reden. Sollte wirklich ein ganz anderes Reich kommen oder sollte nur die Unterdrückung der Kirche im bestehenden Reich aufhören, so muß man sich fragen. In diesem Zusammenhang soll die dem Kapitel vorangestellte Abbildung besprochen werden. Sie wurde dem grauen Singeschiff entnommen, einem Werk, das Diewald und Thurmair wenige Jahre vor dem Erscheinen des Kirchenlied herausgegeben hatten. Die Abbildung eröffnet die zahlenmäßig breit angelegte Rubrik der „Bekenntnislieder“. Inhaltlich geht es in den zugehörigen Liedern insbesondere um das Bekenntnis zum Vaterland. Die 231 S. dazu: Ehrke-Rotermund/ Rotermund: Zwischenreiche und Gegenwelten. S.: 18. <?page no="173"?> Exkurs: War Kirchenlied ein Buch des Widerstandes? 163 Abbildung zeigt, wie eng Konfession und Nation innerhalb der Jugendbünde miteinander verbunden, ja, untrennbar ineinander verwoben waren. Christusmonogramm und Reichsadler gehörten für sie zusammen. Sich gegen das bestehende Reich zu wenden, auch wenn es das Reich der Nationalsozialisten war, erschien vielen Jugendlichen als undenkbar, schließlich faßten sie sich als Teil dieses Reiches auf. Man kann also nicht sagen, daß der Reichsbegriff innerhalb der Lieder der Jugendbewegung auf Widerstand hindeute. Arno Klönne weist in diesem Zusammenhang darauf hin, wie sehr sich in der Symbolik und Semantik des deutschen Katholizismus religiöse und politische Heilslehren vermischten, so daß vielfach gar nicht mehr unterscheidbar war, ob das „Reich Gottes“ oder das „Deutsche Reich“ gemeint war, wenn „Kampf“, „Auferstehung“ und „Ewigkeit“ beschworen wurden. Klönne nennt beispielhaft auch den Katholischen Jungmännerverband und Ludwig Wolker: In der bündischen katholischen Jugend fand sich „eine ‚heroische‘, ‚männlich-kriegerische‘ Verhaltensorientierung, die viele Überschneidungen mit den ‚soldatischen Tugenden‘ des Nationalsozialismus hatte und sich auf das ‚deutsche Wesen‘ berief“ 232 . Ein weiteres Lied soll untersucht werden. Es steht in kämpferisch-dorischer Melodie und vorwärtseilendem Rhythmus. „1. Uns rufet die Stunde, uns dränget die Zeit. Zu Wächtern, zu Rittern hat Gott uns geweiht. Zum Trotzen und Tragen, zum Ringen und Wagen, so stehn unsre Scharen bereit. 2. Es wehen die Banner, wir schreiten voran. Es lodern die Fackeln, wir streben bergan. Kein Rasten, kein Stehen, im Sturm zu den Höhen! Hier gilt nur der mutige Mann. 3. Christkönig, wir stehen und halten die Wacht. Wir tragen dein Licht gegen Nebel und Nacht. Herr, segne die Reihen, die freudig sich weihen dir, König der ewigen Macht! “ 233 In archaisierend-historischem Kleid werden in diesem Lied Kampf und Krieg der Christen gegen „Nebel und Nacht“ geschildert. Der Gefolgschaftsgedanke wird hier wie in vielen - in der damaligen Zeit sehr beliebten - Christkönigsliedern betont. Die Nähe und metaphorische Verwandtschaft mit den Liedern der NS-Zeit und ihren Anklängen an das al- 232 Klönne: Nachwort. In: Beilmann: Eine katholische Jugend in Gottes und dem Dritten Reich. S.: 396. 233 Kirchenlied. Nr. 82. <?page no="174"?> Corpusanalyse 164 te germanische Kämpfertum, die Banner, Paniere und Aufmärsche, der Wille, sein Leben für ein höheres Ziel zu opfern, ist erstaunlich. Vielen dieser Lieder ist das ungleiche Verhältnis zwischen Identität und Alterität gemeinsam. Die Identität und der Vorgang des Kampfes werden relativ eindrücklich, farbig und bilderreich dargestellt. Neben diesen starken Identitätsmetaphern stehen oft relativ blasse, farblose und unbestimmte Schilderungen der Alterität; es wird nicht klar, wogegen eigentlich genau „gekämpft“, „getrotzt“ und „gerungen“ werden soll. Die einzige Antwort, die das Lied auf diese Frage gibt, ist die Gegnerschaft „gegen Nebel und Nacht“ (dritte Strophe); wer oder was damit gemeint ist, muß bloße Spekulation bleiben. Man könnte diese Beobachtung dadurch erklären, daß der Gegner in besonderem Maße chiffrenhaft und konnotativ bleiben mußte, hätte doch ein deutlicher benannter übermächtiger Gegner den Sängern gefährlich werden können. Konnte man schon nicht den Alteritätsbereich deutlicher ausmalen, so um so mehr den der Identität, was gefahrloser war, möglicherweise aber auch wichtiger, um das Wir-Gefühl zu stärken. Eine Gefahr der schwachen Alterität läßt sich aber nicht abstreiten: Der eigentlich intendierte Widerstand konnte sich im bloßen romantisch verklärten Wir-Gefühl des Liedersingens erschöpfen, ohne praktische Handlungskonsequenzen zu zeitigen. Als letztes Beispiel soll die „Bannerweihe“ betrachtet werden. „1. Das Banner ist dem Herrn geweiht, geweiht ist unser Leben. Dem Herrn sei Dank in Ewigkeit, der uns sein Wort gegeben! Er geb den Segen uns darauf und sei mit uns im Zeichen, dann brechen allen Guten auf, und alle Bösen weichen. 2. Wir stehen hier in Einigkeit, dem Herrgott hingegeben, wie Engel seinem Dienst geweiht, Soldaten für das Leben. Nun wehe, Banner, allezeit, und führe du im Kriege für Gottes große Herrlichkeit sein Kreuz zu seinem Siege! “ 234 Dieses Lied besitzt musikalisch eine ganz andere Gestalt als die zuvor genannten: Hier wurden Fanfarensignale in der für dieses Instrument typischen Tonart Es-Dur integriert. Der höchste Ton des Liedes ist für das Wort „Herrn“ reserviert 235 . 234 Kirchenlied. Nr. 83. 235 Massenkeil: Die Lieder, die wir sangen. S.: 9. <?page no="175"?> Exkurs: War Kirchenlied ein Buch des Widerstandes? 165 Im Orgelbuch findet sich der Hinweis, daß zu diesem Lied auch ein Fanfarensatz erschienen sei 236 . Es besteht aus zwei Strophen. Thematisch geht es um die Weihe eines Banners an Gott, den Herrn. Er solle dieses Zeichen segnen und mit der „Wir- Gruppe“ sein. Alle Guten brächen dann auf und alle Bösen wichen. Diesem Banner wird also eine beinahe magische Kraft zugemessen. Wie das Banner, so sind auch die Mitglieder der „Wir-Gruppe“ dem Herrn geweiht. Dieses Thema greift die zweite Strophe auf. In „Einigkeit“ steht die „Wir-Gruppe“ soldatisch da; der Gedanke der Weihe kehrt wieder: Sie ist „seinem Dienst geweiht“, Gott hingegeben. Der letzte Satz erinnert an die Kreuzzüge: Das Banner wird vorangetragen und soll „im Kriege für Gottes große Herrlichkeit“ den Sieg schenken. Wer die „Bösen“ sind, bleibt wieder gänzlich im Dunkeln. Die Kriegsmetaphorik des Liedes (z. B. „Banner“, „Soldaten“, der Kreuzzugsgedanke, die trompetensignalähnliche Melodie) fällt auf. Auch fühlt man sich an den Fahnenkult im NS-Regime und die willenlose Hingabe des Soldaten an seinen Führer erinnert (zweite Strophe). Massenkeil bemerkt zu diesem Lied: „Von alters her […] symbolisierten solche Klänge weltliche und geistliche […] Macht. Zudem waren Fanfarenzüge […] ein fester Bestandteil der Hitler-Jugend […]. Welch eine Idee, dies im Dienste des Gottbekenntnisses musikalisch in Besitz zu nehmen und den Nazis mit ihren eigenen Waffen musikalisch entgegenzutreten! “ 237 Hier wird ein bereits oben kurz gestreiftes Problem deutlich: die Parallele zwischen den Liedern der katholischen Jugend und den Liedern der NS-Zeit. Man kann natürlich argumentieren, die Nationalsozialisten hätten die Symbolwelt der Christen gestohlen und vereinnahmt. Angenommen, das wäre wirklich der Fall gewesen (was im einzelnen einer näheren Prüfung bedürfte 238 ), so muß man jedoch fragen, ob die katholischen Widerstandskämpfer diese okkupierten Symbole weiter hätten benützen dürfen, wenn sie denn Widerstand leisten wollten. Dazu Schroer: „Nur ursupierten hier nicht die Christen den nationalsozialistischen Gernegroß, sondern genau umgekehrt vergriff sich chauvinistisch maßlose Deutschtümelei an religiösen Begriffen, wie sie nun einmal im Laufe der Jahrhunderte zur Verdeutlichung der Herrschaft Gottes und des Reiches Christi geprägt worden waren.“ 239 236 Tonsätze zum Kirchenlied. Blatt Nr. 83. 237 Massenkeil: Die Lieder, die wir sangen. S.: 9. 238 Probst-Effah: Lieder im NS-Kult. S.: 172: „Bei der Entwicklung neuer kultischer Formen machten sich die Nationalsozialisten Traditionen zunutze. Insbesondere usurpierten sie bewährte kirchliche Überlieferungen“. Gerade auch das Gemeinschaftslied habe - seiner kollektiven Kraft wegen - im Kult des Nationalsozialismus eine wichtige Rolle gespielt . 239 Schroer: Aufbruch in den Staat. In: Wuchterl (Hrsg.): Der Vergangenheit eine Zukunft. S.: 21. <?page no="176"?> Corpusanalyse 166 Die Frage, wer welches Symbol und welche Begriffe zuerst besessen hat, ist doch letztlich zweitrangig. Natürlich könnte man in der heutigen Zeit einen Verein für die Einhaltung der Menschenrechte gründen, als Vereinssymbol das Hakenkreuz verwenden und bei Kritik daran sagen, Hitler habe dieses Symbol ja nur gestohlen, nicht erfunden. Wie wenig überzeugend eine solche Argumentation ist, wird an diesem konstruierten Extrembeispiel deutlich. Man muß m. E. ein Symbol oder eine Art des Sprechens und Schreibens dann aufgeben, wenn eine gegnerische Gruppe dieses Vokabular derart als ihr eigenes Vokabular ausgibt, daß der Normalbürger dieser Zeit den geistigen Diebstahl nach außen gar nicht mehr erkennen konnte und darf sich dann nicht mehr auf das Urheber- oder Erfinderargument stützen. Christel Beilmann steht diesem Thema sehr kritisch gegenüber: „Es muß auch die Frage gestellt werden, ob diese Requisiten vom Banner bis zum Abzeichen und zum Bekenntnislied […] wertneutral sind, so daß es, damit sie ‚gut‘ sind, nur darauf ankommt, wer sie für welche Sache benutzt. Sind sie […] nicht auch als solche unter Verdacht zu nehmen? Hört Denken nicht allzu leicht auf, wenn Begeisterung sich Bahn bricht? […]“ 240 Es ist nicht zu übersehen, wie sehr das in vielen Liedern zum Ausdruck kommende Führerprinzip und das Kriegsvokabular dem NS-Jargon gleicht; man betrachte nur die zweite Strophe des Bannerliedes: Das starke Wir-Gefühl, das Aufgehen des einzelnen im Volksganzen, die absolute, willenlose Hingabe und Weihe und das hehre verheißene Ziel am Ende, das alles findet sich im NS-Kontext ebenfalls. Boiselle schreibt als Versuch einer Rechtfertigung: „Die katholische Jugend dieser Zeit, die sich einsetzte für ein christliches Deutschland, machte Christus, den König, zu ihrem Führer. Ihm zu folgen, für ihn gegen eine unchristliche neuheidnische Weltanschauung zu kämpfen, war sie bereit. […] Sie kehrte immer wieder zu ihrer kämpferischen Zuversicht zurück, denn sie wußte, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden.“ 241 Auch Kern geht auf den Vorwurf ein: „Das war - wer wollte es leugnen - ein Stück weit die Tonart der NS-Lieder, aber mit einem kraftvollen ‚Kontrapunkt‘ versehen. Genau genommen mußte man eigentlich keine Anleihen bei den Nazis machen. Schon Paulus griff zur Militärsprache, wenn er in seinem Brief an die Epheser (Kapitel 6) zum Kampf gegen das Böse aufrief. Thurmair/ Lohmann hatten die Bibelstelle paraphrasiert mit dem Gottesstreiterlied ‚Nun stehet alle Mann für Mann‘.“ 242 240 Beilmann: Eine katholische Jugend in Gottes und dem Dritten Reich. S.: 279. 241 Boiselle: Lieder, die wir sangen. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 641; 643. 242 Kern: Wach auf. In: Ammerich (Hrsg.): Katholische Jugend im Bistum Speyer. S.: 1217 f. <?page no="177"?> Exkurs: War Kirchenlied ein Buch des Widerstandes? 167 Doch können diese Aussagen überzeugen? Offene Widerstandshandlungen und der „ausdrücklich in den Liedern enthaltene Kampfgeist gegen das Hitler-Regime“ zeigten sich im wirklichen Leben nicht. Es handelte sich bei den Texten vielmehr um Anleihen an dieses Regime, an die modische Sprache der Zeit, in der lediglich Hitler durch den Christkönig ersetzt wurde. Wenn man aber nicht den heroischen, selbstlosen und märtyrerhaften Widerstand, sondern einen mehr subtilen - ja auch menschlicheren, da nicht jeder zum Märtyrer geboren ist - besingen wollte, hätte es nicht des überschwänglichen Pathos bedurft. Auch Schepping widerspricht der Diagnose der Ähnlichkeit zwischen den Liedern beider Lager nicht, zieht jedoch eine andere Conclusio: „Das Lied offenbarte sich […] als ein besonderes Medium ideologischer Konfrontation, wobei übrigens ein interessanter musikalischer und sprachlicher Anpassungsprozeß zwischen dem kämpferischen Lied der Machthaber und dem der Gegenideologie zu beobachten ist.“ 243 Schepping bestätigt, daß es „beinahe eine Identität zwischen den Liedern der HJ und den Liedern der Gegenkräfte“ gegeben habe. Die HJ habe der Jugendbewegung Merkmale wie Uniformen und Fanfarenzüge gestohlen. Die Jugendbewegung habe versucht, sich gegen den Gegner mit dessen eigenen Waffen zu wehren.“ 244 Es darf jedoch die Frage gestellt werden, ob die Strategie, den Gegner mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, gelungen ist, was wohl verneint werden muß. Nach außen stellte sich diese Strategie nämlich als Anpassung dar, ganz gleich, wer hier Innovator und wer Dieb war. An dieser Stelle soll auf die oben dargestellte Staffelung des Widerstandsbegriffes eingegangen werden. Nach meiner Einschätzung kann jedenfalls das Lied „Der Satan löscht die Lichter aus“ der zweiten Stufe des Widerstandes zugeordnet werden: In der Tendenz ist dieser Widerstand defensiv, mehr beharrend als angreifend und doch mehr als die Unmutsäußerungen der ersten Stufe. Offen wurde jedenfalls keine Kritik geäußert. Ein Gedicht Georg Thurmairs unterstreicht diese Zuordnung besonders gut: „Zum Christkönigstag“: „Wir standen alle Mann für Mann, von Seinem Zorn getrieben; wir schlugen unsre Schilde an, Er ist uns ferngeblieben. Wir riefen Ihn zum Kaiser an, Er hat uns fortgetrieben - weil man für Gott nicht kämpfen kann, für Ihn kann man nur lieben.“ 245 243 Schepping: Oppositionelles Singen. S.: 352. 244 Horst: Diskussion zum Referat Schepping. S.: 355. 245 Thurmair: Erstmals erschienen in Die Wacht, Oktober 1934, S.: 2. <?page no="178"?> Corpusanalyse 168 Hier wird die defensive Haltung deutlich, die auch durch gewisse fatalistische Implikationen gekennzeichnet wird. Letztlich läßt sich diesem Gedicht auch entnehmen, daß der ganze kämpferisch-militante Stil innerhalb der katholischen Jugend als falsch erkannt wird. Erstaunlich nur, daß sich trotzdem etliche Lieder im Kirchenlied finden, die diesem Stil verpflichtet sind. Ich habe Zweifel, ob die übrigen oben untersuchten Lieder der zweiten Kategorie zugerechnet werden können, schließlich wird in ihnen der Feind nur unkonkret benannt und man findet eine große Nähe zum Vokabular bzw. zur Metaphorik des NS-Regimes, was die für diese Stufe des Widerstandes definitorisch nötige „Abgrenzung“ als fraglich erscheinen läßt. Und dennoch: Ein gewisses Widerstandspotential möchte ich den Liedern nicht absprechen. Das Anders-Sein, das Katholisch-Sein in einem totalitären Staat, in dem der einzelne nur etwas gelten darf, wenn er im Volksganzen aufgeht, ist ein Widerstehen. Es besitzt gewisse Widerstandsqualitäten, wenn man die Lieder einer Jugendorganisation sang, die dem NS-Regime schon deshalb unerträglich sein mußte, weil es in totalitärer Manier keine anderen Jugendorganisationen dulden konnte, wie an einem Satz Baldur von Schirachs deutlich wird: „Wie die NSDAP nunmehr die einzige Partei ist, so muß die HJ die einzige Jugendorganisation sein.“ 246 Differenziert nimmt Hans Maier zu diesem Thema Stellung: „Einerseits war es ganz gewiß schon ein Stück Widerspruch und Widerstand, wenn in einem Raum eben kein Hitlerbild hing, sondern eine Madonna oder ein Dantevers; denn Widerstand, vergessen wir es nicht, beginnt mit kleinen Nonkonformitäten, mit dem Beharren auf Sphären und Lebensformen, die nicht gleichgeschaltet sind, die sich dem trommelnden Unisono des Totalstaats mit Beharrlichkeit entziehen. […] Andererseits: der mühsam abgeschirmte, mühsam behauptete Raum privater Freiheit, persönlicher Selbstverfügung - konnte er nicht auch zum réduit einer ohnmächtigen Innerlichkeit werden, zu einem Rückzugsfeld, in dem das sogenannte Gute, die Moral, die Anständigkeit sich weniger erhielt und behauptete als versteckte, um nicht ‚draußen‘ gegen die übermächtige Welt antreten zu müssen? “ 247 Mußte man nicht, so fragt sich Hans Maier mit den Worten Dietrich Bonhoeffers, erst für die Juden schreien, ehe man es wagen durfte, Choral zu singen? 248 Auf die „Wir-Gruppe“ bezogen, kann man bezüglich der Lieder auch mehr psychologische Funktionen feststellen; es werden genannt: die Ventilfunktion für Zorn, Wut und ohnmächtige Empörung, die Stärkung der Gruppenzugehörigkeit und das momentane Vergessen (oder Verdrängen) der schwierigen Lage. Diese Funktionen sind vornehmlich auf die Eigengruppe beschränkt: Es ging darum, das katholische Lager zu festigen und zu erhal- 246 Zit. nach: Schepping: Das Lied als Corpus delicti. S.: 116 = ders.: Oppositionelles Singen. S.: 336 (transkribiert durch einen Mitschnitt des Autors). 247 Maier: Fünfzig Jahre Chistophorus-Verlag. S.: 6 f. 248 Nach: Maier: Fünfzig Jahre Christophorus-Verlag. S.: 6. <?page no="179"?> Exkurs: War Kirchenlied ein Buch des Widerstandes? 169 ten, weniger darum, aktiv den im Lande sonst (und viel heftiger) Verfolgten zu Hilfe zu eilen. Ähnliche Tendenzen finden sich auch im Bereich der „Inneren Emigration“, vielleicht kann man die Intention der Kirchenlied-Herausgeber auch mit diesem Terminus benennen. „Aus einer gemeinsamen religiös-humanistischen Grundhaltung heraus“ wollten die „Inneren Emigranten“ vielmehr „zum geistigen Überstehen des Regimes anleiten. Es ging ihnen vor allem um moralische Rückgratstärkung ihrer Rezipienten, um die Ermutigung zur Selbstbehauptung im totalitären Staat.“ Wichtig war hier insbesondere „die Darstellung je verschiedener Gegenwelten“, „denen man die Qualität eines zeitenthobenen tieferen Seins zusprach“ 249 . Diese Definition trifft auf die Lieder zu, die den Feind nur unkonkret benennen (also fast alle hier untersuchten Lieder) und von einem neuen, anderen Reich sprechen. Mancher weit nach 1945 erschienenen Aussage bezüglich des Widerstandspotentials der Kirchenlied-Lieder muß man mit Vorsicht begegnen, dann etwa, wenn Thurmairs „Virtuosität“ gefeiert wird, der Widerstand mit dem Mitteln „raffiniertester Konnotation“ geleistet habe 250 . Werden die Konnotationen nämlich zu raffiniert und chiffriert gewählt, besteht die Gefahr, daß diese Lieder in die Belanglosigkeit abdriften oder sogar das Gegenteil ihrer Intention erreichen. Ich kann mich im Einzelfall auch des Eindruckes nicht erwehren, daß hier der Versuch unternommen wird, nachträglich das Verhalten im NS-Reich als Widerstand zu deklarieren. Abschließend bleibt zu sagen, daß sich ein differenziertes Bild bietet: Ich kann das Kirchenlied nicht pauschal als Buch des Widerstandes gegen das NS-Regime bezeichnen. Teilweise tragen die Lieder widerständische Elemente und Tendenzen in sich (auf der besagten zweiten Stufe der oben aufgenommenen Systematik). Wichtig waren sie aber vor allem für den Zusammenhalt der „Wir-Gruppe“. Auch die Tatsache, in einem totalitären Staat überhaupt eine „Gegenwelt“, die des Glaubens und der Kirche, aufzurichten und sich so der staatlichen Totalität wenigstens teilweise (und trotz der unabstreitbaren Metaphernähnlichkeit) zu entziehen, trägt widerständische Züge. Um nicht mißverstanden zu werden: An dieser Stelle soll keinerlei moralisches Urteil über verschiedene Handlungsstrategien innerhalb eines totalitären Systems ausgesprochen werden, welches aus einer nachträglichen Perspektive oft sehr leicht - und leichtfertig - ausgesprochen werden kann. Wagemut und Widerstand in Ansätzen werden den Herausgebern nicht abgesprochen, die Auszeichnung als Heroen des Widerstandes kann ihnen jedoch - sine ira et studio - nicht verliehen werden. 249 Ehrke-Rotermund/ Rotermund: Zwischenreiche und Gegenwelten. S.: 9. 250 Schepping: Lieder gegen den Ungeist der Zeit. S.: 208. <?page no="181"?> C. Rezeption In diesem Teil der Arbeit soll die Frage nach der Wirkung des Kirchenlied beantwortet werden. In einem ersten Teil wird die Auflagengeschichte dargestellt, im Anschluß wird auf die unmittelbare Kritik an diesem Werk und der Neuausgabe des Kirchenlied (I + II) eingegangen werden. Im Anschluß daran soll der Weg der im Kirchenlied versammelten Lieder in das katholische Einheitsgesangbuch Gotteslob von 1975 rekonstruiert werden. Dabei werden exemplarisch wiederum die Diözesangesangbücher von Köln, Mainz und Freiburg herangezogen, die zwischen 1938 und 1975 erschienen sind. Es interessiert, welche Kirchenlied-Lieder Eingang in diese Gesangbücher gefunden haben (und auch, welche nicht). Am Schluß soll untersucht werden, welche Lieder Aufnahme in die Gruppe der Einheitslieder, in den Hauptteil und die Diözesananhänge des Gotteslob gefunden haben. I. Auflagengeschichte 1 Ersch.-jahr Erscheinungsort Ausgabe, Auflagenhöhe (soweit bekannt) 1938 Düsseldorf Notenausgabe 1938 Düsseldorf Textausgabe 1938 Berlin u. Freiburg Notenausgabe 1938 Berlin u. Freiburg Textausgabe 1938 Berlin u. Freiburg Notenausgabe 1938 Freiburg Textausgabe 1938 Berlin u. Freiburg Notenausgabe 1939 Freiburg u. Berlin Notenausgabe 1939 Berlin Textausgabe 1940 Berlin u. Freiburg Textausgabe 1941 Berlin u. Freiburg Textausgabe 1 Ich stütze mich auf die Gesangbuchbibliographie der Johannes Gutenberg-Universität zu Mainz. Stand: 10. 8. 2006: www.uni-mainz.de/ Organisationen/ Hymnologie/ Gesangbuchbibliographie.htm. Die Auflagengeschichte listet die Ausgaben auf, die in der Bibliographie verzeichnet sind. Es kann weitere Auflagen gegeben haben, die dort noch nicht erfaßt wurden. <?page no="182"?> Rezeption 172 Ersch.-jahr Erscheinungsort Ausgabe, Auflagenhöhe (soweit bekannt) 1942 Berlin u. Freiburg Notenausgabe 1942 Berlin u. Freiburg Notenausgabe 1945 Berlin u. Freiburg Notenausgabe. Auflage: 105.000 1945 Berlin u. Freiburg Textausgabe. Auflage: 100.000 1946 Berlin u. Freiburg Textausgabe. Auflage: 105.000 1947 Berlin Textausgabe. Auflage: 15.000 1948 Freiburg u. a. Textausgabe 1948 Freiburg u. a. Notenausgabe 1948 Freiburg u. a. Textausgabe. Auflage: 105.500 1948 Freiburg u. a. Notenausgabe. Auflage: 20.000 1948 Freiburg u. a. Textausgabe. Auflage: 100.000 1948 Berlin Textausgabe. Auflage: 20.000 1948 Freiburg u. a. Notenausgabe 1949 Freiburg, Berlin, Düsseldorf Textausgabe. Auflage: 50.000 1949 Freiburg u. a. Textausgabe 1949 Freiburg, Berlin, Düsseldorf Textausgabe. Auflage: 51.800 1949 Berlin Textausgabe. Auflage: 30.000 1949 Freiburg u. a. Notenausgabe. Auflage: 50.000 1951 Berlin Textausgabe. Auflage: 25.000 1952 Freiburg Textausgabe 1952 Freiburg u. a. Notenausgabe. Auflage: 12.300 1953 Freiburg u. a. Notenausgabe. Auflage: 10.370 1954 Berlin Textausgabe. Auflage: 30.000 1955 Freiburg Textausgabe 1955 Berlin Textausgabe. Auflage: 31.000 1955 Freiburg Notenausgabe. Auflage: 15.000 1956 Freiburg Notenausgabe. Auflage: 15.000 1956 Berlin Textausgabe. Auflage: 30.400 1957 Freiburg u. a. Notenausgabe. Auflage: 10.000 1957 Berlin Textausgabe. Auflage: 30.000 1958 Berlin Textausgabe. Auflage: 20.000 1959 Freiburg Notenausgabe. Auflage: 15.000 1961 Freiburg u. a. Notenausgabe. Auflage: 15.000 1961 Freiburg Textausgabe. Auflage: 15.000 <?page no="183"?> Auflagengeschichte 173 Ersch.-jahr Erscheinungsort Ausgabe, Auflagenhöhe (soweit bekannt) 1962 Freiburg Notenausgabe. Auflage: 20.000 1962 Berlin Textausgabe. Auflage: 20.000 1963 Freiburg Textausgabe. Auflage: 15.000 1964 Freiburg Textausgabe. Auflage: 17.500 1965 Freiburg Textausgabe. Auflage: 20.000 1967 Freiburg Notenausgabe. Auflage: 10.000 1967 Freiburg Textausgabe. Auflage: 15.000 1971 Freiburg Notenausgabe. Auflage: 7.500 1972 Freiburg Textausgabe. Auflage: 5.179 Hinsichtlich des Einbandes und der optischen Gestaltung variieren die einzelnen Ausgaben (es gibt z. B. kostengünstige geheftete Ausgaben mit Pappumschlag, Halbleinen-, Leinen- und Ledereinband, teilweise Zweifarbendruck: Überschriften in Rot, Notenlinien in Rot, Noten und Text in Schwarz). Inhaltlich handelt es sich weitgehend um unveränderte Nachdrucke. Am ursprünglichen Liedbestand werden keine Änderungen vorgenommen (und das über einen Zeitraum von vierunddreißig Jahren). 1938 erscheinen drei Auflagen im Verlag Jugendhaus Düsseldorf 2 . Der Untertitel lautet: „Eine Auslese geistlicher Lieder für die Jugend“. Alle anderen Auflagen erschienen im Christophorus-Verlag, Freiburg i. Br. und Berlin. Der Untertitel lautet fortan: „Eine Auslese geistlicher Lieder“. Merklichere Änderungen finden sich erst mit der Ausgabe von 1962. Der Untertitel lautet nun: „Eine Auslese geistlicher Lieder. Erster Teil. Neue Ausgabe mit den Fassungen der Einheitslieder“. Die Fassungen der „Einheitslieder“ wurden entweder eingearbeitet oder der ursprünglichen Kirchenlied- Version ergänzend hinzugefügt. Man kann, das zeigt die obige Aufstellung, keineswegs davon sprechen, daß das Kirchenlied während der NS-Zeit verboten worden wäre. Die NS- Zensoren fanden inhaltlich scheinbar keine Regimekritik. Über Jahrzehnte hat der Christophorus-Verlag dieses Werk nachgedruckt; die Auflagenzahlen sprechen für sich. Ab 1971 zeigt sich dann ein deutlicher Rückgang. Offenbar verkauften sich die in den vorangegangenen Jahren gedruckten Auflagen nicht mehr so gut. An dieser Stelle soll die Auflagengeschichte des Kirchenlied II aufgeführt werden: 2 Die Gesangbuchbibliographie listet nur zwei Auflagen auf: eine Noten- (braunes Leinen) und eine Textausgabe (dunkelbrauner Pappeinband, broschiert), in letzterer der Hinweis: „3. Aufl.“. <?page no="184"?> Rezeption 174 Ersch.-jahr Erscheinungsort Ausgabe, Auflagenhöhe (soweit bekannt) 1967 Freiburg Notenausgabe. Auflage: 15.000 1968 Freiburg Notenausgabe. Auflage: 15.000 1968 Freiburg Textausgabe. Auflage: 25.000 1970 Freiburg Notenausgabe. Auflage: 12.000 Der vollständige Titel lautet: „Kirchenlied. Eine Auslese geistlicher Lieder. Zweiter Teil“. Auch dieses Gesangbuch wurde im Christophorus-Verlag in Freiburg i. B. gedruckt. Es zeigt sich, daß dieses Werk nicht an die beispiellose Erfolgsgeschichte seines Vorgängers anknüpfen konnte: Von Anfang an wurden relativ geringe Auflagenhöhen erreicht und 1970 wurde der Druck ganz eingestellt. II. Zeitgenössische Kritik am Kirchenlied Neben der begeisterten Aufnahme des Kirchenlied wurde auch an der Kritik nicht gespart. Josef Diewald schreibt im Rückblick: „Daß 38 3 Lieder unserer evangelischen Brüder in das ‚Kirchenlied‘ (I) aufgenommen wurden, die meisten erstmals seit Jahrhunderten in einem katholischen Gesangbuch, hat den Herausgebern und den Verlagen zwar großen Tadel, selbst von einem Bischof [Erzbischof Gröber, Freiburg 4 ], eingebracht; aber gerade diese Tatsache hat in der Zeit gemeinsamer Bedrückung evangelischer und katholischer Christen, insbesondere der Jugend, den ökumenischen Bemühungen einen Dienst geleistet, dessen Auswirkung wir heute deutlich spüren.“ 5 Auch Josef Seuffert erinnert sich an die kritische Haltung, besonders von Seiten der Kirchenmusiker: „In einem Gespräch mit dem Allgemeinen Cäcilienverband in Altenberg im Jahre 1949 sagte der ACV-Vertreter, sie seien gegen das ‚Kirchenlied‘ gewesen und hätten ihm keine Chance gegeben, aber sie müßten zugeben, daß sie sich geirrt hätten.“ 6 Es konnte angesichts dieser Kritik damals noch nicht gewagt werden, bei drei Liedern Martin Luther als Urheber der zweiten und den folgenden Strophen anzugeben 7 . Es sind dies: „Es kam ein Engel hell und klar“, „Gelobet seist 3 Es handelt sich bei dieser Zahl um die evangelischen und vorreformatorischen Lieder. 4 Ein „lautstarker Gegner“, wie Dischinger bemerkt, der sich auf eine Mitteilung von Diewald beruft: Dischinger: Kraft und Trost. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 253. 5 Diewald: Kleine Lobrede. S.: 6; derselbe: Ökumenische Pionierarbeit. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 97. 6 Seuffert: Lobet den Herrn. In: Wuchterl (Hrsg.): Der Vergangenheit eine Zukunft. S.: 44. 7 Maier: Fünfzig Jahre Christophorus-Verlag. S.: 9. <?page no="185"?> Überblick: Der Weg zu einem einheitlichen Gesangbuch 175 du, Jesus Christ“, „Gott sei gelobet und gebenedeiet“. An Stelle des Namens wurde „16. Jahrhundert“ vermerkt. Sogar durch eine (nicht näher genannte) kirchliche Autorität in Rom sei 1941 der Versuch unternommen worden, das Kirchenlied wegen seiner Überzahl an evangelischen Liedern zu verbieten 8 . Die Kritik des Allgemeinen Cäcilienverbandes gegen die Postulate der Jugendmusikbewegung und auch des Kirchenlied stützte sich vor allem auf zwei päpstliche Aussagen über die Kirchenmusik: Das Motu proprio Inter pastoralis officii Pius X. aus dem Jahre 1903 und die Apostolische Konstitution Pius XI. wurden als „Leitsterne jeglicher Kirchenmusik“ 9 angesehen. Letztere stellte den Satz auf, eine Musik sei um so mehr für die Feier der heiligen Geheimnisse dienlich, je näher sie dem Geiste des [gregorianischen] Chorals stehe 10 . Diese Schreiben enthalten zentrale Prinzipien einer der Liturgie angemessenen Kirchenmusik. In Anlehnung an die Grundsätze der deutschen cäcilianischen Bewegung werden der gregorianische Choral und die sogenannte klassische Vokalpolyphonie der römischen Schule des 16. Jahrhunderts (Palestrina-Stil) als richtungsweisende Ideale bezeichnet. Jede Musik profaner Natur sei aus den Kirchen zu verbannen 11 . Die sogenannten „Deutschen Ämter“ (Gottesdienste also, in denen deutsche Lieder gesungen werden), werden in einem Artikel von Lipphardt „ein Zwitter“ genannt, „entstanden aus dem liturgischen Anliegen des Aufklärungszeitalters und der Romantik, mit Liedern, die jeder echten liturgischen Tradition in Text und Weise widersprechen“, wobei als Negativbeispiel sogar die „Deutsche Messe“ Franz Schuberts genannt wird 12 . Die Kritik der Cäcilianer stützt sich somit auf die oben genannten päpstlichen Dekrete. III. Überblick: Der Weg zu einem einheitlichen Gesangbuch für den deutschen Sprachraum Bereits 1848 wurde anläßlich der deutschen Bischofskonferenz in Würzburg die Einberufung eines Nationalkonzils, das einheitliche Kirchenlieder auswählen und einführen sollte, gefordert 13 . Dieser Vorschlag wurde zwar nicht verwirklicht, aber der Wunsch nach einem gemeinsamen Liedgut blieb lebendig. 1909 konnte ein gemeinsamer Kanon von 23 Liedern erarbeitet werden, 8 Jäckel: 25 Jahre „Kirchenlied“. S.: 146. 9 Haberl: Kirchenmusikalische Bestrebungen. S.: 12. 10 Zit. nach: Gottron: Erneuerung der Kirchenmusik. S.: 13. 11 Ackermann: Zwischen Cäcilianismus und Moderne. S.: 109 f. 12 Lipphardt: Gregorianischer Choral. S.: 127. 13 Scheitler: Gotteslob (1975). S.: 79. <?page no="186"?> Rezeption 176 den die Fuldaer Bischofskonferenz 1916 zum Einheitsliedgut erklärte, wobei keinesfalls alle Diözesen diese Lieder übernahmen. Irmgard Scheitler schreibt in diesem Zusammenhang, das Kirchenlied habe diese 23 Lieder 1938 veröffentlicht 14 . Hätten die Herausgeber ohne weiteres Nachdenken diese Lieder in ihr Werk aufgenommen, würde das ihre Innovationsleistung und ihren Erfolg, was die Rezeption ihrer Lieder angeht, schmälern. Diese Behauptung entspricht jedoch nicht den Tatsachen: lediglich acht Lieder finden sich im Kirchenlied! 15 1947 erschienen die „Einheitslieder“ 16 . Den Abschluß der Bemühungen um ein einheitliches Gesangbuch bildete das Gotteslob von 1975. IV. Der Eingang in die Einheitslieder von 1947 Die Sammlung „Einheitslieder“ von 1947 „erweist den Siegeszug des Kirchenlied“ 17 . Dabei bezeichnen die sogenannten „E-Lieder“ die für alle deutschen Bistümer verbindlichen Lieder, die „e-Lieder“ die zusätzlich für alle nordwestdeutschen Bistümer vorgeschriebenen. Bei den E-Liedern handelt es sich um eine Liste von 74 Liedern, die im Jahre 1947 als „Authentische Gesamtausgabe der Einheitslieder der deutschen Bistümer“ von der Bischofskonferenz veröffentlicht wurden, um Lieder, die fast einheitlich in Deutschland verbreitet waren. Der Eingang der Kirchenlied-Lieder in beide Einheitslieder soll nun überprüft werden 18 . Da an dieser Stelle von besonderem Interesse ist, ob die Lieder genau in den Kirchenlied-Fassungen aufgenommen wurden, werden Texte (T) und Melodien (M) verglichen. Kirchenlied E-Lieder e-Lieder 1) Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus - T+, M+ 2) Erde, singe - - 3) Nun lobet Gott im hohen Thron T+, M+ - 14 Scheitler: Gotteslob (1975). S.: 79. 15 Es sind dies: Christi Mutter stand mit Schmerzen; Großer Gott, wir loben dich; Ich will dich lieben, meine Stärke; Ihr Freunde Gottes allzugleich; In dieser Nacht; Mitten wir im Leben sind; O Haupt voll Blut und Wunden; Unüberwindlich starker Held. Vgl.: Anhang zum Gesang- und Gebetbuch für die Diözese Fulda. Enthaltend 23 Einheitslieder. 16 Genaueres dazu im folgenden Abschnitt. 17 Seuffert: Lobet den Herrn. In: Wuchterl (Hrsg.): Der Vergangenheit eine Zukunft. S.: 44. 18 Die Liste der E- und e-Lieder wurde dem alphabetischen Verzeichnis des Gesang- und Gebetbuches des Bistums Limburg, LIMBURG 1957, S.: 1110 -1123, entnommen. Da hier teilweise keine Melodienoten abgedruckt wurden, wurde unterstützend das Orgelbuch des Bistums (Cantantibus organis) herangezogen. <?page no="187"?> Der Eingang in die Einheitslieder von 1947 177 Kirchenlied E-Lieder e-Lieder 4) Allein Gott in der Höh sei Ehr - - 5) Lobe den Herren T+, M+ - 6) Großer Gott, wir loben dich T+ -, M+ - 7) Ein Haus voll Glorie schauet T+ -, M+ - 8) Unsere Zuflucht, Gott, du bist - - 9) Vater unser - - 10) Vater unser - Kyrie eleison - - 11) In Gottes Namen fahren wir T+ -, M- - 12) Gott der Vater, wohn uns bei T+, M+ - 13) O Gott, streck aus dein milde Hand - - 14) Wenn wir in höchsten Nöten sein - - 15) Wer nur den lieben Gott läßt walten - - 16) Was Gott tut, das ist wohlgetan - - 17) Wie mein Gott will T+, M+ - 18) Erhöre, Herr, erhöre mich - - 19) Wer heimlich seine Wohnestatt T+, M+ - 20) Nun danket all und bringet Ehr T+, M+ - 21) Aus hartem Weh die Menschheit klagt’ - - 22) O Heiland, reiß die Himmel auf T+, M+ - - 23) Der Satan löscht die Lichter aus - - 24) Wachet auf, ruft uns die Stimme - - 25) Macht hoch die Tür - - 26) Macht weit die Pforten in der Welt - - 27) Gott, heil’ger Schöpfer aller Stern T+ -, M+ - - 28) Ave Maria, gratia plena - - 29) Und Unsrer Lieben Frauen - - 30) Uns kommt ein Schiff gefahren - - 31) Es ist ein Ros entsprungen T+, M+ - - 32) In dulci jubilo T+, M+ - 33) Singen wir mit Fröhlichkeit - - 34) Der Tag, der ist so freudenreich - - 35) Es kam ein Engel hell und klar T+ -, M+ - - 36) Als ich bei meinen Schafen wacht - - 37) Vom Himmel hoch, o Engel, kommt - - <?page no="188"?> Rezeption 178 Kirchenlied E-Lieder e-Lieder 38) Laßt uns das Kindlein wiegen - T+, M+ 39) Zu Bethlehem geboren T+ -, M+ - 40) Ein Kind geboren zu Bethlehem - - 41) Gelobet seist du, Jesu Christ T+ -, M+ - - 42) Lobt Gott, ihr Christen allzugleich - - 43) Lob erschallt aus Hirtenmunde - - 44) Wie schön leucht’ uns der Morgenstern - T+, M+ 45) Mir nach! spricht Christus, unser Held - T+, M+ 46) Tu auf, tu auf, du schönes Blut T+, M+ - 47) Komm, Sünder, komm - - 48) O Herr, aus tiefer Klage - - 49) Es sungen drei Engel - - 50) Beim letzten Abendmahle - - 51) Bei stiller Nacht - - 52) Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen - - 53) Seht nur an die zwei Herzen - - 54) O Haupt voll Blut und Wunden T+ -, M+ - 55) Da Jesus an dem Kreuze stund - - 56) O du hochheilig Kreuze T+ -, M+ - 57) Christi Mutter stand mit Schmerzen - - 58) O Traurigkeit, o Herzeleid T+, M+ - 59) Christ ist erstanden - - 60) Gelobt sei Gott im höchsten Thron - - 61) Ist das der Leib, Herr Jesus Christ - T+, M+ 62) Laßt uns erfreuen herzlich sehr T+, M+ - 63) Freu dich, du Himmelskönigin T+ -, M+ - 64) Erschienen ist der herrliche Tag - - 65) Christ fuhr gen Himmel - - 66) Gen Himmel aufgefahren ist - - 67) Nun bitten wir den Heiligen Geist T+ -, M+ - 68) Komm, Heil’ger Geist, o Schöpfer du T+ -, M+ - - 69) O Jesu Christe, wahres Licht - - 70) Liebster Jesu, wir sind hier - - 71) Schönster Herr Jesu T+ -, M+ - - <?page no="189"?> Der Eingang in die Einheitslieder von 1947 179 Kirchenlied E-Lieder e-Lieder 72) O süßester der Namen all - T+, M+ 73) Morgenstern der finstern Nacht - T+, M+ 74) Ich will dich lieben, meine Stärke T+ -, M+ - 75) Laßt uns: Heilig, heilig! singen - - 76) Das Heil der Welt, Herr Jesu Christ - - 77) Gott sei gelobet und gebenedeiet T+ -, M+ - 78) Im Frieden dein - T+, M+ 79) Herz Jesu, Gottes Opferbrand - T+, M+ 80) O Herz des Königs aller Welt T+, M- - 81) Kommt her, des Königs Aufgebot - - 82) Uns rufet die Stunde - - 83) Das Banner ist dem Herrn geweiht - - 84) Nun stehet alle Mann für Mann - - 85) Zieh an die Macht, du Arm des Herrn - - 86) Gegrüßet seist du, Maria - - 87) Ave Maria klare - - 88) Ave Maria zart - - 89) Ein schöne Ros - - 90) Es blühn drei Rosen auf einem Zweig - - 91) Sagt an, wer ist doch diese T+, M+ - 92) Wunderschön prächtige - - 93) Die Schönste von allen - - 94) Maria ist ein lichter Stern - - 95) Meerstern, ich dich grüße - - 96) Nun Brüder, sind wir frohgemut - - 97) Maria, breit den Mantel aus - T+ -, M+ 98) Mein Zuflucht alleine T+, M+ - 99) O Königin, mildreiche Frau - - 100) Herr Gott, dich loben alle wir - - 101) Unüberwindlich starker Held T+, M+ - 102) Das Flammenschwert in Händen - - 103) Ihr Freunde Gottes allzugleich T+ -, M+ - - 104) Laßt uns Sankt Peter rufen an - T+, M+ 105) Wir stehn im Kampfe und im Streit - - <?page no="190"?> Rezeption 180 Kirchenlied E-Lieder e-Lieder 106) Nun laßt uns alle loben Sankt Bonifatium - T+, M+ 107) Sankt Anna, Mutter groß - T+, M+ 108) O du mein Gott - - 109) Morgenglanz der Ewigkeit - - 110) Die güldne Sonne - - 111) Die helle Sonn leucht’ jetzt herfür - - 112) Die güldene Sonne - - 113) Der Tag ist aufgegangen - - 114) Aus meines Herzens Grunde - - 115) Lobet den Herren alle, die ihn ehren - - 116) Wir loben dich, Herr Jesus Christ - - 117) Geh aus, mein Herz, und suche Freud - - 118) Mein Gott, wie schön ist deine Welt - - 119) Himmelsau, licht und blau - - 120) Das Feld ist weiß - - 121) Das Tagwerk nun vollendet ist - - 122) Gnädigster Erbarmer - - 123) Hinunter ist der Sonne Schein - - 124) Der lieben Sonne Licht und Pracht - - 125) Nun ruhen alle Wälder - - 126) Mit meinem Gott geh ich zur Ruh - - 127) In dieser Nacht T+ -, M+ - 128) Wir bitten dich, Herr Jesus Christ - - 129) Wir sind nur Gast auf Erden - - 130) Ach wie flüchtig, ach wie nichtig - - 131) Mitten in dem Leben T+ -, M+ - 132) Wenn mein Stündlein vorhanden ist - - 133) O Ewigkeit, o Ewigkeit - - 134) Zu dir, o Gott, erheben wir T+, M+ - 135) Gott in der Höh sei Preis und Ehr T+, M+ - 136) Du hast, o Herr, dein Leben T+, M+ - 137) Laßt uns erheben Herz und Stimm T+, M+ - 138) O du Lamm Gottes unschuldig T+ -, M+ - 139) O Jesu, all mein Leben bist du T+ -, M+ - <?page no="191"?> Der Eingang in die Einheitslieder von 1947 181 Kirchenlied E-Lieder e-Lieder 140) Dein Gnad, dein Macht und Herrlichkeit - - Übereinstimmungen 40 13 Nun sollen die mittels der voranstehenden Tabelle erhobenen Ergebnisse ausgewertet werden. Ganz besonders die hohe Zahl der vollkommenen Übernahmen vieler Lieder hinsichtlich Text und Melodie ist erstaunlich und spricht für den Rang des Kirchenlied, wenn man bedenkt, welche Vielzahl von Melodiefassungen in den vorangegangenen Diözesangesangbüchern bestand. Von den insgesamt 74 E-Liedern finden sich 40 im Kirchenlied, was einer Übernahmequote von 52,6 % entspricht. 17 dieser Lieder (22,4 %) stimmen exakt in Text und Melodie mit den Fassungen des Kirchenlied überein, die übrigen Lieder wurden geringfügig, oft nur in der Anzahl der Strophen, verändert. Von den insgesamt 46 e-Liedern finden sich 13 im Kirchenlied, was einer Übernahmequote von 28,3 % entspricht. Nur eines dieser Lieder wurde geringfügig verändert, alle übrigen wurden unverändert übernommen. Für die nordwestdeutschen Bistümer, für die ja E- und e-Lieder verbindlich waren, ergibt sich eine Gesamtübernahmequote von 43,4 %. Ein größerer Teil der Einheitslieder stimmte allerdings nicht völlig mit den Fassungen des Kirchenlied überein, was Diewald auf die Tatsache zurückführt, daß die Kirchenlied-Bearbeiter im Vorfeld der Entstehung der Einheitslieder durch den Kriegsdienst nicht involviert waren 19 . Dieser Tatsache wurde fünfzehn Jahre später durch einen Neusatz des Kirchenlied (I, 1962) Rechnung getragen. Der Neusatz bietet teilweise beide Fassungen nebeneinander an, meistens wurden aber die Einheitslied-Fassungen eingearbeitet. Wie aber waren die Einheitslied-Listen entstanden? Eine unter dem Vorsitz des Trierer Weihbischofs Metzroth stehende Kommission von Fachleuten aus mehreren Diözesen hatte in mühsamer Arbeit durch umfangreiche Vergleiche untersucht, welche Lieder in allen oder fast allen Diözesen bekannt und beliebt waren 20 . Dabei konnte man nicht ohne weiteres auf vorhandene Diözesangesangbücher zurückgreifen und lediglich eine Liedsynopse entwickeln. Denn während des Krieges konnten die Bistümer keine neuen Gesangbücher herausgeben; man war also auf die in den dreißiger Jahren entstandenen Gesangbücher angewiesen. Vereinzelt wurden Behelfs- oder Übergangsgesangbüchlein für das gemeindliche Singen herausgegeben, um das Vakuum zwischen alten Gesangbüchern und neuen 19 Jäckel: 25 Jahre „Kirchenlied“. S.: 146. 20 Jäckel: 25 Jahre „Kirchenlied“. S.: 146. <?page no="192"?> Rezeption 182 Singewünschen zu überbrücken, die die Kommission ebenfalls heranziehen konnte. Ein Beispiel für ein solches Nachkriegsbüchlein stellt der von einem Wormser Pfarrer Weil herausgegebene „Auszug aus dem Mainzer Diözesangesangbuch und dem Kirchenlied“ dar. Mit Zustimmung des Bischofs wurde dieses Werk erstellt, „da zur Zeit keine Aussicht für eine Neuauflage des Mainzer Diözesangesangbuches“ bestehe 21 . Das Kirchenlied erscheint hier als gleichberechtigte Quelle. Nun veränderte sich aber, gerade durch das Kirchenlied und die Jugendmusikbewegung, die Singepraxis in den Gemeinden. Die Einheitsliedkommission durfte ihren Blick also nicht nur auf die Diözesangesangbücher richten, sondern mußte zusätzlich ermitteln, welche anderen Lieder in den Diözesen gesungen wurden. Dabei beschränkte man sich nicht nur auf die Buchausgabe des Kirchenlied. Viele seiner Lieder wurden in den Gemeinden durch sogenannte Singeblätter (einzelne Blätter mit Liedabdrucken) verbreitet. Die Kommission konnte sich somit gar nicht auf eine blinde Datenerhebung beschränken, sondern mußte immer auch der Frage nachgehen, welche der als Übereinstimmung in allen Diözesen erkannten Lieder in der Singepraxis vor allem zum Einsatz kamen und beliebt waren. Die hier erhobenen Zahlen spiegeln also auf eindrucksvolle Art und Weise den unvergleichlichen Siegeszug des Kirchenlied in der Singepraxis der Gemeinden und den Weg dieser Lieder in die neu erschienenen Diözesangesangbücher wider. Man darf nicht vergessen, daß keines der Einheitslieder unmittelbar aus dem Kirchenlied entnommen wurde, weil es im Kirchenlied stand, sondern nur dann, wenn es sich in den Diözesen durchgesetzt hatte. Ferner ist zu bedenken, daß die Einheitslieder gleichsam nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen allen Diözesangesangbüchern darstellen, sich in den Gesangbüchern also teilweise eine noch höhere Rate findet. Binnen weniger Jahre war es dem Kirchenlied gelungen, viele seiner Lieder in den Gemeinden heimisch zu machen und den Weg zu einem gemeinsamen Singen zu bereiten. Die Hoffnungen, die Bischof Stohr im Vorwort niederschrieb, hatten sich erfüllt. V. Der Weg in die Nachkriegs-Diözesangesangbücher Gerade während des Krieges wuchs der Wunsch nach einem gemeinsamen Gesangbuch beträchtlich. Als der Krieg die Menschen durcheinanderwirbelte, erwies sich das durch das Kirchenlied vorhandene gemeinsame Liedgut als großer Vorteil für den Gemeindegesang 22 . Nach 1947 wurden von den 21 Weil: Auszug aus dem Mainzer Diözesangesangbuch und dem Kirchenlied: Vorwort, S.: 2. 22 Seuffert: Lobet den Herrn. In: Wuchterl (Hrsg.): Der Vergangenheit eine Zukunft. S.: 44. <?page no="193"?> Der Weg in die Nachkriegs-Diözesangesangbücher 183 Bistümern neue Gesangbücher (das neue Mainzer Gesangbuch erschien beispielsweise 1952 23 ) herausgegeben, wobei die Einheitslieder aufgenommen wurden. Oftmals wurden über die Einheitslieder hinaus weitere Lieder des Kirchenlied aufgenommen. Zur Lage des katholischen Kirchenliedes um die Jahrhundertmitte weiß Lipphardt zu berichten: Das Bild der jetzt erschienenen Diözesangesangbücher habe sich musikalisch wesentlich gewandelt, von der theologisch-liturgischen Wandlung ganz abgesehen. Die Menge des Liedgutes aus dem 19. Jahrhundert sei merklich zurückgedrängt worden. So fände sich dieses Liedgut im Kölner Gesangbuch von 1950 etwa noch zu 30 % (im Jahre 1930 seien es 50 % gewesen), in den Gesangbüchern von Speyer 1951 und Mainz 1953 etwa noch zu 20-25 % 24 . Eine Rezeption evangelischen Liedgutes sei zu beobachten, was besonders die Aufnahme des Lutherliedes (der noch wenige Jahre zuvor der Erzfeind schlechthin war) „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ in die Gesangbücher von Mainz und Speyer zeige 25 . Auch das Ansehen des gregorianischen Chorals sei merklich vermehrt worden. Das Kirchenlied sei noch viele Jahre nach dem Krieg in den Pfarreien benutzt worden und bei der Herausgabe der neuen Diözesangesangbücher stark beachtet worden 26 . Diesen Befund gilt es nun zu überprüfen. Dazu sollen - wiederum exemplarisch - die nach dem Kriege neu erschienenen Gesangbücher der Diözesen Mainz, Köln und Freiburg herangezogen werden und auf aus dem Kirchenlied stammende Lieder hin überprüft werden. Insbesondere interessiert, welche Lieder des Kirchenlied, die nicht unter die Einheitslieder aufgenommen wurden, gleichwohl in die Diözesangesangbücher eingegangen sind. Kirchenlied MAINZ 1952 KÖLN 1949 FREIBURG 1950 1 Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus - 310e - 2 Erde, singe 626+ - - 3 Nun lobet Gott im hohen Thron 485E 307E 328E 4 Allein Gott in der Höh sei Ehr 362+ 212+ 308+ 5 Lobe den Herren 486E 308E 329E 6 Großer Gott, wir loben dich 483E 305E 327E 7 Ein Haus voll Glorie schauet 407E 314E 136E 8 Unsere Zuflucht, Gott, du bist - - - 23 Klein: Heute Kirche bauen. S.: 395. 24 Lipphardt: Gregorianischer Choral. S.: 130. 25 Das Lied findet sich in den Gesangbüchern, wobei Martin Luthers Autorenschaft verschwiegen wird. Als Textquelle wird jeweils nur das Jahr 1524 genannt. MAINZ 1952: Nr. 306; SPEYER 1951: Nr. 106. 26 Dischinger: Kraft und Trost. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 254. <?page no="194"?> Rezeption 184 Kirchenlied MAINZ 1952 KÖLN 1949 FREIBURG 1950 9 Vater unser - - - 10 Vater unser - Kyrie eleison - - - 11 In Gottes Namen fahren wir 341E 317E 330E 12 Gott der Vater, wohn uns bei 343E 321E 331E 13 O Gott, streck aus dein milde Hand 349+ - 318+ - - 14 Wenn wir in höchsten Nöten sein - - - 15 Wer nur den lieben Gott läßt walten 490+ 326+ - 16 Was Gott tut, das ist wohlgetan 627+ 325+ - 17 Wie mein Gott will 346E 324E 333E 18 Erhöre, Herr, erhöre mich - - - 19 Wer heimlich seine Wohnestatt 345E 327E 332E 20 Nun danket all und bringet Ehr 487E 85E 278E 21 Aus hartem Weh die Menschheit klagt’ 269+ - 121+ - 281+ - 22 O Heiland, reiß die Himmel auf 270E 122E 283E 23 Der Satan löscht die Lichter aus - - - 24 Wachet auf, ruft uns die Stimme 276+ 127+ - 25 Macht hoch die Tür 277+ 126+ - 26 Macht weit die Pforten in der Welt 399+ 253+ - 27 Gott, heil’ger Schöpfer aller Stern 272E 119E 282E 28 Ave Maria, gratia plena 279+ - 131+ - - 29 Und Unsrer Lieben Frauen - - - 30 Uns kommt ein Schiff gefahren - 134+ - 31 Es ist ein Ros entsprungen 293E 143E 114E 32 In dulci jubilo 290E 145E 287E 33 Singen wir mit Fröhlichkeit - - - 34 Der Tag, der ist so freudenreich 144+ - 144+ 110+ - 35 Es kam ein Engel hell und klar 287E 138E 285E 36 Als ich bei meinen Schafen wacht - 139+ - 37 Vom Himmel hoch, o Engel, kommt - 152+ 123+ - 38 Laßt uns das Kindlein wiegen 283e 153e 118e 39 Zu Bethlehem geboren 280E 142E 289E <?page no="195"?> Der Weg in die Nachkriegs-Diözesangesangbücher 185 Kirchenlied MAINZ 1952 KÖLN 1949 FREIBURG 1950 40 Ein Kind geboren zu Bethlehem 282+ - - - 41 Gelobet seist du, Jesu Christ 284E 146E 286E 42 Lobt Gott, ihr Christen allzugleich 292+ - 148+ - 43 Lob erschallt aus Hirtenmunde - - - 44 Wie schön leucht’ uns der Morgenstern 302e 161e - 45 Mir nach! spricht Christus, unser Held 391e 252e - 46 Tu auf, tu auf, du schönes Blut 305E 165E 291E 47 Komm, Sünder, komm - - - 48 O Herr, aus tiefer Klage - - - 49 Es sungen drei Engel - - - 50 Beim letzten Abendmahle 377+ 174+ - 34+ - 51 Bei stiller Nacht 310+ 175+ - 150+ - 52 Herzliebster Jesu - - - 53 Seht nur an die zwei Herzen - - - 54 O Haupt voll Blut und Wunden 316E 177E 292E 55 Da Jesus an dem Kreuze stund 315+ 181+ 293+ 56 O du hochheilig Kreuze 321E 180E 295E 57 Christi Mutter stand mit Schmerzen 443+ - 185+ - 294+ - 58 O Traurigkeit, o Herzeleid 319E 184E 296E 59 Christ ist erstanden 323E 186E 297E 60 Gelobt sei Gott im höchsten Thron 327+ 292+ - - 61 Ist das der Leib, Herr Jesus Christ 328e 192e 175e 62 Laßt uns erfreuen herzlich sehr 422E 199E 300E 63 Freu dich, du Himmelskönigin 451E 200E 301E 64 Erschienen ist der herrliche Tag 325+ - - 65 Christ fuhr gen Himmel 335+ 201+ 303+ 66 Gen Himmel aufgefahren ist - - - 67 Nun bitten wir den Heiligen Geist 355E 208E 306E 68 Komm, Heil’ger Geist, o Schöpfer du 353E 204E 304E 69 O Jesu Christe, wahres Licht 395+ - - <?page no="196"?> Rezeption 186 Kirchenlied MAINZ 1952 KÖLN 1949 FREIBURG 1950 70 Liebster Jesu, wir sind hier 396+ 240+ - 71 Schönster Herr Jesu 379E 237E 314E 72 O süßester der Namen all - 155e 135e 73 Morgenstern der finstern Nacht 301e 160e - 74 Ich will dich lieben, meine Stärke 394E 238E 315E 75 Laßt uns: Heilig, heilig! singen 371+ - - - 76 Das Heil der Welt, Herr Jesu Christ - 222+ 226+ - 77 Gott sei gelobet und gebenedeiet 375E 230E 311E 78 Im Frieden dein 400e 92e - 79 Herz Jesu, Gottes Opferbrand 403e 249e - 80 O Herz des Königs aller Welt 404E 248E 316E 81 Kommt her, des Königs Aufgebot 398+ - - 82 Uns rufet die Stunde - - - 83 Das Banner ist dem Herrn geweiht - - - 84 Nun stehet alle Mann für Mann - - - 85 Zieh an die Macht, du Arm des Herrn 393+ 322+ - 86 Gegrüßet seist du, Maria - - - 87 Ave Maria klare 408+ 255+ 104+ - 88 Ave Maria zart 410+ 261+ 320+ 89 Ein schöne Ros - - - 90 Es blühn drei Rosen auf einem Zweig - - - 91 Sagt an, wer ist doch diese 421E 268E 322E 92 Wunderschön prächtige 419+ - 271a+ 211+ - 93 Die Schönste von allen 423+ - - 94 Maria ist ein lichter Stern - - - 95 Meerstern, ich dich grüße 456+ - - - 96 Nun Brüder, sind wir frohgemut - - - 97 Maria, breit den Mantel aus 426e 276(a)e 198e 98 Mein Zuflucht alleine 428E 275E 323E 99 O Königin, mildreiche Frau 424+ - 280+ - - 100 Herr Gott, dich loben alle wir 460+ - - - 101 Unüberwindlich starker Held 457E 282E 325E <?page no="197"?> Der Weg in die Nachkriegs-Diözesangesangbücher 187 Kirchenlied MAINZ 1952 KÖLN 1949 FREIBURG 1950 102 Das Flammenschwert in Händen - - - 103 Ihr Freunde Gottes allzugleich 461E 303E 326E 104 Laßt uns Sankt Peter rufen an 465e 290e - 105 Wir stehn im Kampfe und im Streit - - - 106 Nun laßt uns alle loben - 293e - 107 Sankt Anna, Mutter groß - 299e - 108 O du mein Gott - - - 109 Morgenglanz der Ewigkeit - - - 110 Die güldne Sonne - - - 111 Die helle Sonn leucht’ jetzt herfür - - - 112 Die güldene Sonne - - - 113 Der Tag ist aufgegangen - - - 114 Aus meines Herzens Grunde 480+ - 68+ - 266+ - 115 Lobet den Herren alle, die ihn ehren 625+ - - 116 Wir loben dich, Herr Jesus Christ - - - 117 Geh aus, mein Herz, und suche Freud - - - 118 Mein Gott, wie schön ist deine Welt - - - 119 Himmelsau, licht und blau - 227+ - - 120 Das Feld ist weiß - - - 121 Das Tagwerk nun vollendet ist - - - 122 Gnädigster Erbarmer - - - 123 Hinunter ist der Sonne Schein - - - 124 Der lieben Sonne Licht und Pracht - - - 125 Nun ruhen alle Wälder - - - 126 Mit meinem Gott geh ich zur Ruh - - - 127 In dieser Nacht 481E 70E 279E 128 Wir bitten dich, Herr Jesus Christ - - - 129 Wir sind nur Gast auf Erden 628+ 339+ 342+ 130 Ach wie flüchtig, ach wie nichtig - - - 131 Mitten in dem Leben 497E 333E 334E 132 Wenn mein Stündlein vorhanden ist - - - 133 O Ewigkeit, o Ewigkeit - - 84+ - <?page no="198"?> Rezeption 188 Kirchenlied MAINZ 1952 KÖLN 1949 FREIBURG 1950 134 Zu dir, o Gott, erheben wir 108E 73E 267E 135 Gott in der Höh sei Preis und Ehr 101E 74E 268E 136 Du hast, o Herr, dein Leben 108E 75E 269E 137 Laßt uns erheben Herz und Stimm 101,11E 76E 270E 138 O du Lamm Gottes unschuldig 101,13E 77E 271E 139 O Jesu, all mein Leben bist du 108,14E 78E 40E 140 Dein Gnad, dein Macht und Herrlichkeit 108,16+ 79+ 272 Gesamtzahl 86 85 62 Die Aufnahme der im Kirchenlied stehenden Lieder in die Nachkriegsdiözesangesangbücher beschränkte sich, das zeigt die obige Tabelle, keineswegs auf die in den E- und e-Liedern enthaltenen. Im Freiburger Gesangbuch ist die Zahl zwar geringer als in denen von Mainz und Köln, aber dennoch beeindruckend. Welche Lieder wurden von keinem der untersuchten Gesangbücher aufgenommen? Zum einen die Gruppe der kriegerisch-aggressiven „Bekenntnislieder“, die unter „B. VI.“ untersucht worden sind (Nr. 81-83); sie schienen nach den Erfahrungen des Krieges nicht mehr recht zu passen. Zum anderen viele Lieder des 16. und 17. Jahrhunderts (Nr. 8-10; 108-112; 117; 121-126; 130; 132); offenbar war aber nicht (in erster Linie) das Alter der Lieder ausschlaggebend, sondern der konfessionelle Hintergrund, immerhin sind zwölf dieser siebzehn Lieder (nämlich Nr. 109-112; 117; 122-126; 130; 132) protestantischen Ursprungs. Gleichwohl werden aber andere im Kirchenlied stehende protestantische Lieder aufgenommen (Beispiel: Wie schön leucht’ uns der Morgenstern, Nr. 44, findet sich im Mainzer und Kölner Gesangbuch). VI. Kirchenlied-Lieder im Stammteil des Gotteslob (1975) Die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda hatte auf ihrer Herbsttagung 1962 beschlossen, ein einheitliches Gebet- und Gesangbuch für die deutschen Bistümer zu schaffen 27 . Zum Leiter eines Sekretariates zur Durchführung der nötigen Arbeiten wurde Josef Seuffert ernannt; rund 20 Kommissionen bzw. Unterkommissionen machten sich an die Arbeit, bis am 17. März 1975 Kardinal Döpfner 27 Scheitler: Gotteslob (1975). S.: 79. <?page no="199"?> Kirchenlied-Lieder im Stammteil des Gotteslob (1975) 189 (München) das Gotteslob genannte Gesangbuch der Öffentlichkeit übergeben konnte 28 . Die folgende Tabelle gibt an, welche im Kirchenlied stehenden Lieder sich im Gotteslob finden. Kirchenlied Gotteslob 1975 1 Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus 263, T+ -, M+ 2 Erde, singe - 3 Nun lobet Gott im hohen Thron 265, T+ -, M+ 4 Allein Gott in der Höh sei Ehr 457, T+ -, M+ 5 Lobe den Herren 258, T+ -, M+ 6 Großer Gott, wir loben dich 257, T+ -, M+ 7 Ein Haus voll Glorie schauet 639, T+ -, M+ 8 Unsere Zuflucht, Gott, du bist - 9 Vater unser - 10 Vater unser - Kyrie eleison - 11 In Gottes Namen fahren wir 303, T+ -, M- 12 Gott der Vater, wohn uns bei 305, T+ -, M+ - 13 O Gott, streck aus dein milde Hand 306, T+ -, M+ 14 Wenn wir in höchsten Nöten sein - 15 Wer nur den lieben Gott läßt walten 295, T+, M+ 16 Was Gott tut, das ist wohlgetan 294, T+ -, M+ - 17 Wie mein Gott will - 18 Erhöre, Herr, erhöre mich - 19 Wer heimlich seine Wohnestatt 291, T+ -, M+ 20 Nun danket all und bringet Ehr 267, T+ -, M+ 21 Aus hartem Weh die Menschheit klagt’ 109, T+ -, M+ - 22 O Heiland, reiß die Himmel auf 105, T+ -, M+ 23 Der Satan löscht die Lichter aus - 24 Wachet auf, ruft uns die Stimme 110, T+ -, M+ - 25 Macht hoch die Tür 107, T+ -, M+ 26 Macht weit die Pforten in der Welt - 27 Gott, heil’ger Schöpfer aller Stern 116, T+ -, M+ - 28 Klein: Heute Kirche bauen. S.: 402. <?page no="200"?> Rezeption 190 Kirchenlied Gotteslob 1975 28 Ave Maria, gratia plena 580, T+ -, M+ - 29 Und Unsrer Lieben Frauen - 30 Uns kommt ein Schiff gefahren 114, T+ -, M+ 31 Es ist ein Ros entsprungen 132, T+ -, M+ 32 In dulci jubilo 142, T+ -, M+ 33 Singen wir mit Fröhlichkeit 135, T+ -, M+ 34 Der Tag, der ist so freudenreich - 35 Es kam ein Engel hell und klar 138, T+ -, M+ - 36 Als ich bei meinen Schafen wacht - 37 Vom Himmel hoch, o Engel, kommt - 38 Laßt uns das Kindlein wiegen - 39 Zu Bethlehem geboren 140, T+ -, M+ 40 Ein Kind geboren zu Bethlehem 146, T+ -, M- 41 Gelobet seist du, Jesu Christ 130, T+ -, M+ 42 Lobt Gott, ihr Christen allzugleich 134, T+ -, M+ - 43 Lob erschallt aus Hirtenmunde - 44 Wie schön leucht’ uns der Morgenstern 554, T+ -, M+ 45 Mir nach! spricht Christus, unser Held 616, T+ -, M+ 46 Tu auf, tu auf, du schönes Blut - 47 Komm, Sünder, komm - 48 O Herr, aus tiefer Klage 169, T+, M+ 49 Es sungen drei Engel 186, T+ -, M+ 50 Beim letzten Abendmahle 537, T+, M+ - 51 Bei stiller Nacht - 52 Herzliebster Jesu 180, T+ -, M+ 53 Seht nur an die zwei Herzen - 54 O Haupt voll Blut und Wunden 179, T+ -, M+ - 55 Da Jesus an dem Kreuze stund 187, T+ -, M+ - 56 O du hochheilig Kreuze 182, T+ -, M- 57 Christi Mutter stand mit Schmerzen 584, T+ -, M+ - 58 O Traurigkeit, o Herzeleid 188, T+, M+ 59 Christ ist erstanden 213, T+ -, M+ - 60 Gelobt sei Gott im höchsten Thron 218 T+ -, M+ <?page no="201"?> Kirchenlied-Lieder im Stammteil des Gotteslob (1975) 191 Kirchenlied Gotteslob 1975 61 Ist das der Leib, Herr Jesus Christ - 62 Laßt uns erfreuen herzlich sehr 585, T+ -, M+ 63 Freu dich, du Himmelskönigin 576, T+ -, M+ 64 Erschienen ist der herrliche Tag 225, T+ -, M+ 65 Christ fuhr gen Himmel 228, T+ -, M+ - 66 Gen Himmel aufgefahren ist 230, T+ -, M- 67 Nun bitten wir den Heiligen Geist 248, T+ -, M+ - 68 Komm, Heil’ger Geist, o Schöpfer du 241, T-, M+ - 69 O Jesu Christe, wahres Licht 643, T+ -, M+ 70 Liebster Jesu, wir sind hier 520, T+, M+ 71 Schönster Herr Jesu 551, T+ -, M+ - 72 O süßester der Namen all - 73 Morgenstern der finstern Nacht 555, T+ -, M+ 74 Ich will dich lieben, meine Stärke 558, T+ -, M+ 75 Laßt uns: Heilig, heilig! singen - 76 Das Heil der Welt, Herr Jesu Christ 547, T+ -, M+ - 77 Gott sei gelobet und gebenedeiet 494, T+ -, M+ 78 Im Frieden dein 473, T+ -, M+ - 79 Herz Jesu, Gottes Opferbrand - 80 O Herz des Königs aller Welt 549, T+ -, M- 81 Kommt her, des Königs Aufgebot - 82 Uns rufet die Stunde - 83 Das Banner ist dem Herrn geweiht - 84 Nun stehet alle Mann für Mann - 85 Zieh an die Macht, du Arm des Herrn 304, T+ -, M+ 86 Gegrüßet seist du, Maria - 87 Ave Maria klare 581, T+ -, M+ - 88 Ave Maria zart 583, T+ -, M+ 89 Ein schöne Ros - 90 Es blühn drei Rosen auf einem Zweig - 91 Sagt an, wer ist doch diese 588, T+ -, M+ - 92 Wunderschön prächtige - 93 Die Schönste von allen - <?page no="202"?> Rezeption 192 Kirchenlied Gotteslob 1975 94 Maria ist ein lichter Stern - 95 Meerstern, ich dich grüße - 96 Nun Brüder, sind wir frohgemut - 97 Maria, breit den Mantel aus 595, T+ -, M+ - 98 Mein Zuflucht alleine - 99 O Königin, mildreiche Frau - 100 Herr Gott, dich loben alle wir - 101 Unüberwindlich starker Held 606, T+ -, M+ - 102 Das Flammenschwert in Händen - 103 Ihr Freunde Gottes allzugleich 608, T+ -, M+ 104 Laßt uns Sankt Peter rufen an - 105 Wir stehn im Kampfe und im Streit - 106 Nun laßt uns alle loben - 107 Sankt Anna, Mutter groß - 108 O du mein Gott - 109 Morgenglanz der Ewigkeit 668, T+ -, M+ - 110 Die güldne Sonne - 111 Die helle Sonn leucht’ jetzt herfür 667, T+ -, M+ 112 Die güldene Sonne - 113 Der Tag ist aufgegangen - 114 Aus meines Herzens Grunde 669, T+ -, M+ 115 Lobet den Herren alle, die ihn ehren 671, T+ -, M+ 116 Wir loben dich, Herr Jesus Christ - 117 Geh aus, mein Herz, und suche Freud - 118 Mein Gott, wie schön ist deine Welt - 119 Himmelsau, licht und blau - 120 Das Feld ist weiß - 121 Das Tagwerk nun vollendet ist - 122 Gnädigster Erbarmer - 123 Hinunter ist der Sonne Schein 705, T+ -, M+ 124 Der lieben Sonne Licht und Pracht - 125 Nun ruhen alle Wälder - 126 Mit meinem Gott geh ich zur Ruh - <?page no="203"?> Kirchenlied-Lieder im Stammteil des Gotteslob (1975) 193 Kirchenlied Gotteslob 1975 127 In dieser Nacht 703, T+ -, M+ 128 Wir bitten dich, Herr Jesus Christ - 129 Wir sind nur Gast auf Erden 656, T+ -, M+ 130 Ach wie flüchtig, ach wie nichtig 657, T+ -, M+ - 131 Mitten in dem Leben 654, T+ -, M+ - 132 Wenn mein Stündlein vorhanden ist 658, T+ -, M+ 133 O Ewigkeit, o Ewigkeit - 134 Zu dir, o Gott, erheben wir 462, T+ -, M+ - 135 Gott in der Höh sei Preis und Ehr 464, T+ -, M+ - 136 Du hast, o Herr, dein Leben - 137 Laßt uns erheben Herz und Stimm 469, T-, M+ - 138 O du Lamm Gottes unschuldig 470, T+ -, M+ - 139 O Jesu, all mein Leben bist du 472, T+, M+ 140 Dein Gnad, dein Macht und Herrlichkeit - Übereinstimmungen 79 Sichtet man die Ergebnisse, so bietet sich dem Betrachter ein eindrucksvolles Bild: Die Zahl der Übereinstimmungen liegt bei 79; das sind immerhin 56,4 % aller Kirchenlied-Lieder, die in das Gotteslob Eingang gefunden haben. In einem Fall wurde lediglich die Melodie (unter Veränderung des eigentlichen Textes) übernommen (Nr. 469), in einem anderen (Nr. 241) die Melodie leicht verändert, der Text jedoch so stark, daß er mit „-“ klassifiziert werden mußte. Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, daß fast alle Texte überarbeitet wurden. Lediglich sechs Texte wurden unverändert übernommen. Bei den Melodien bietet sich ein anderes Bild: Hier wurden 45 Melodien identisch übernommen. Wie sind nun die vielen Textveränderungen zu erklären? Einige wenige Texte des Gotteslob greifen auf ältere Textfassungen zurück. Fast immer handelt es sich bei den Textänderungen im Gotteslob um Modernisierungen hinsichtlich der Sprache oder der neuen Theologie (letzteres kommt am häufigsten vor). In der neuen Theologie, die in das Zweite Vaticanum mündet, hat sich das Gottes- und Menschenbild deutlich verändert. In den Vordergrund wird Gott als der liebende und verzeihende Vater gerückt, der sich des Menschen annimmt, ihm seine Sünden verzeiht und ihn erlöst hat. Man könnte dieses neue Gottesbild mit dem Vater aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn vergleichen. <?page no="204"?> Rezeption 194 Das in vielen älteren Liedern zum Ausdruck kommende Bild Gottes als eines gerechten, zürnenden, rächenden, richtenden Herrschers und beinahe absolutistisch regierenden Königs wird weitgehend abgelehnt, der Gegensatz zwischen Gott und Mensch als dem Reinen und Heiligen und dem Sünder andererseits, wird weitgehend nivelliert. Die Güte und Liebe Gottes werden gegenüber alttestamentarisch akzentuierten Vorstellungen überbetont. Der Mensch kann sich nunmehr, so scheint es beinahe, auf Augenhöhe mit Gott unterhalten und muß nicht mehr länger vor ihm im Staube liegen. Auch das Christusbild erhält zunehmend weichere, sanftere Züge; es ist mehr das Bild Christi als des erlösenden und verzeihenden Gottessohnes, nicht des Christus, der die Händler aus dem Tempel trieb oder dessen, der einst wiederkommen wird, um Gericht über Lebende und Tote zu halten. In diesem Sinne symptomatisch ist beispielsweise die Herauslassung des Dies irae des Thomas von Celano, dieser kraftvollen und metaphernstarken Sequenz aus dem Requiem; das Bild Christi als eines gerechten Richters ist nicht mehr erwünscht. Ohnehin scheinen in der Konzilskirche Hölle und Fegefeuer, Sühne und Strafe nicht mehr hoffähig zu sein. Und eine weitere Entwicklung bei den Liedbearbeitungen ist zu beobachten: Die Kirche, die sich in früheren Zeiten nicht nur als ecclesia militans, sondern auch als ecclesia triumphans verstanden hatte, lehnt nun alles das ab, was sie als triumphalistisch versteht 29 . Deutlichste äußere Zeichen auf dem Weg dieser Entwicklung sind wohl die Abschaffung von päpstlicher Tiara und Sedia gestatoria in nachkonziliarer Zeit. Dieser Entwicklung tragen Liedauswahl und Bearbeitungsumfang im Gotteslob Rechnung. Ferner fällt der Gegensatz von Gott und Welt, Heiligem und Versuchung, weg. Als Beispiel möge das Lied „Ein Haus voll Glorie schauet“ dienen. Im Kirchenlied (Nr. 7) findet es sich in seiner ursprünglichen Form. Die Kirche trotzt hier unüberwindlich den Angriffen und Versuchungen von Seiten Satans und der Welt. Der Kampf zwischen Religion und Welt wird eindrücklich und mit kräftigem Vokabular geschildert, wobei auch nicht der märtyrerhafte Opfermut der Kämpfer Christi vergessen wird. Vergleicht man diese Fassung mit der im Gotteslob (Nr. 639) stehenden, so fällt auf, wie eingeebnet die zuvor geschilderten Inhalte erscheinen, während die neue Metaphorik eher farb- und kraftlos einhergeht. Vom Kampf gegen Sünde und Welt ist nicht mehr die Rede 30 . Im Redaktionsbericht ist über die Umarbeitung dieses Liedes zu lesen: 29 Dazu auch: Scheitler: Gotteslob (1975): S.: 86. 30 S. dazu: Scheitler: Gotteslob (1975), besonders S.: 85 f.: „Ein Problem für sich ist ‚Ein Haus voll Glorie schauet‘, dessen guter Refrain nicht bleiben durfte, weshalb wir jetzt mit der erheiternden Zeile leben müssen „denn du hast uns bestellt, zu Zeugen in der Welt“. <?page no="205"?> Kirchenlied-Lieder im Stammteil des Gotteslob (1975) 195 „Der bisherige T[ext] […] begegnete […] begründeten Einwänden. Deshalb bemühte sich die SK [Subkommission] um einen T[ext], der von Str 2 an die Kirche gemäß den Aussagen des II. Vaticanums vorwiegend als Gemeinde in der Bewährung und als wanderndes Gottesvolk sieht.“ 31 Deutlich werden die hier angedeuteten Tendenzen besonders dann, wenn gefragt wird, welche Lieder (und warum) nicht in das Gotteslob aufgenommen wurden. Die Hinwegdrängung der Hölle wird besonders deutlich an der Weglassung der Lieder Tu auf, tu auf (Nr. 46) und O Ewigkeit (Nr. 133), wobei das erstere ganz bewußt weggelassen worden sein muß, da es sich sogar in der Liste der E-Lieder fand. Das Bild des hier besonders eindrücklich geschilderten richtenden Gottes, der mit sich nicht scherzen läßt, den Menschen konsequent nach seinen Taten bzw. seinem Glauben beurteilt und dann über sein Geschick im Himmel oder der Hölle entscheidet, die Angst vor dem jähen, unversehenen Tode, all das war nicht mehr en vogue. Auch die Höllendrohung des letzten Liedes erschien nicht mehr zeitgemäß. Beide Lieder fielen dem Zeitgeist zum Opfer. Besonders eine Rubrik des Kirchenlied, „Kommt her, des Königs Aufgebot“, ist deutlich von den Weglassungen betroffen. Von den hier stehenden fünf Liedern wurde lediglich eines (Nr. 85: Zieh an die Macht, du Arm des Herrn) übernommen 32 . Der kämpferisch-aggressive Geist der anderen Lieder (s. die Ausführungen in „B. VI.“), wurde nicht übernommen: Ihr Inhalt, ihre Sprache und ihre problematischen Metaphern standen der Aufnahme entgegen. Das Lied Nr. 23 (Der Satan löscht die Lichter aus) mit seiner Nennung des Satans, der gegenwärtigen bösen Zeit und Bedrohung wurde vielleicht als zu kontextgebunden erachtet. Andere Lieder des Kirchenlied erschienen wohl als zu ambitioniert oder volkstümlich-volksliedhaft. Zur ersteren Gruppe können die Vater-unser- Fassungen der Nummern 9 und 10, zur letzteren insbesondere die Lieder Es blühn drei Rosen auf einem Zweig (Nr. 90) und Himmelsau, licht und blau (Nr. 119) gezählt werden. Von den zehn Liedtexten Georg Thurmairs im Kirchenlied finden sich nur zwei im Gotteslob: O Herr, aus tiefer Klage (Nr. 48) GL Nr. 169 und Wir sind nur Gast auf Erden (Nr. 129) GL Nr. 656. Von den insgesamt 13 Liedfassungen Adolf Lohmanns finden sich ebenfalls nur zwei im Gotteslob, genau diejenigen, deren Texte von Thurmair stammen und die im vorangegangenen Satz erwähnt wurden. Insbesondere 31 Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 777. 32 Hier wurde die zweite Strophe weggelassen. Als Begründung findet sich im Redaktionsbericht: „Str 2 des Original-T „Mit dir, du starker Heiland du“ klingt zu kämpferisch und wurde daher weggelassen.“ Nordhues/ Wagner (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch „Gotteslob“. S.: 668. <?page no="206"?> Rezeption 196 ist man darüber verwundert, daß das Lied Mein Gott, wie schön ist deine Welt (Nr. 118), das damals überall bekannt und beliebt war, keine Aufnahme fand, textlich jedenfalls war es doch unverdächtig. VII. Die Diözesananhänge des Gotteslob (1975) Die verschiedenen Diözesananhänge aller deutschen Diözesen sollen nun auf Lieder aus dem Kirchenlied-Bestand überprüft werden. Diese Vergleichsmöglichkeit wurde durch das Werk Heinrich Riehms „Das Kirchenlied am Anfang des 21. Jahrhunderts“ eröffnet 33 , das an dieser Stelle die Arbeitsgrundlage bildet. 34 35 3637 38 39 Ki-Lied Ac-L 34 Augs 35 Bam 36 Berlin DEGM 37 Eich 38 Essen Fr-R 39 1 - - - - - - - - 2 015 827 907 828 826 875 - 014 3 - - - - - - - - 4 - - - - - - - - 5 - - - - - - - - 6 - - - - - - - - 7 - - - - - - - - 8 - - - - - - - - 9 - - - - - - - - 10 - - - - - - - - 11 - - - - - - - - 12 - - - - - - - - 13 897 - - - - - - - 14 - - - - - - - - 15 - - - - - - - - 16 - - - - - - - - 33 Riehm: Das Kirchenlied am Anfang des 21. Jahrhunderts in den evangelischen und katholischen Gesangbüchern des deutschen Sprachbereichs. Tübingen 2004. 34 Aachen/ Lüttich. 35 Augsburg. 36 Bamberg. 37 Dresden-Meißen/ Erfurt/ Görlitz/ Magdeburg. Bei der Gesamtzahl der Lieder am Ende der Tabelle ist zu beachten, daß die vier Bistümer als Einheit behandelt werden. 38 Eichstätt. 39 Freiburg/ Rottenburg-Stuttgart. <?page no="207"?> Die Diözesananhänge des Gotteslob (1975) 197 Ki-Lied Ac-L 34 Augs 35 Bam 36 Berlin DEGM 37 Eich 38 Essen Fr-R 39 17 901 888 - - G 982 - - 835 18 - - 915 - - - - - 19 - - - - - - - - 20 - - - - - - - - 21 - - - - - - - - 22 - - - - - - - - 23 - - - - - - - - 24 - - - - - - - - 25 - - - - - - - - 26 946 804 844 877 E 923; G 920 - 873 802 27 - - - - - - - - 28 835 - - - - - - - 29 - 977 - - - - - - 30 - - - - - - - - 31 841 - 846 - - - - - 32 - - - - - - - - 33 - - - - - - - - 34 - - - - E 911 - - - 35 - - - - - - - - 36 - - - - - - - - 37 - - - - - - - - 38 - - - - - - - - 39 - - - - - - - - 40 - - - - - - - - 41 - - - - - - - - 42 846 - - - - - - - 43 - - - 810 - - - - 44 939 - - - - - - - 45 - - - - - - - - 46 - - - 813 G 925 - - - 47 - - - - - - - - 48 - - - - - - - - 49 - - - - - - - - <?page no="208"?> Rezeption 198 Ki-Lied Ac-L 34 Augs 35 Bam 36 Berlin DEGM 37 Eich 38 Essen Fr-R 39 50 856 - - - - - - - 51 - - 855 - - - - - 52 - - - - - - - - 53 - - - - - - - - 54 - - - - - - - - 55 - - - - - - - - 56 861 - - - - - - - 57 - - - - - - - - 58 - - - - - - - - 59 863 - - - - - - - 60 - - - - - - - - 61 871 822 862 824 821 - 839 823 62 - - - - - - - - 63 - - - - - - - - 64 - - - - - - - - 65 874 - - - - - - - 66 - - - - - - - - 67 881 - - - - - - - 68 - - - - - - - - 69 - - - - - - - - 70 - - - - - - - - 71 937 - - - - - - - 72 - - - - - - - - 73 - - - - - - - - 74 - - - - - - - - 75 - 963 872 - E 919 - - 885 76 - - - - - - - - 77 - - - - - - - - 78 - - - - - - - - 79 940 867 879 858 844 862 869 890 80 - - - - - - - - 81 - - - - - - - - 82 - - - - - - - - <?page no="209"?> Die Diözesananhänge des Gotteslob (1975) 199 Ki-Lied Ac-L 34 Augs 35 Bam 36 Berlin DEGM 37 Eich 38 Essen Fr-R 39 83 - - - - - - - - 84 - - - - - - - - 85 - - - - - - - - 86 - - - - - - - - 87 - - - - - - - - 88 - - - - - - - - 89 - - - 863 845 - - - 90 - 978 - - G 942 - - - 91 953 - - - - - - - 92 032 875 897 866 850 - 876 892 93 - 876 884 864 E 947; G 941; M 961 - - 895 94 - - - - - - - - 95 - 880 889 867 851 889 877 - 96 034 972 891 926 E 948; M 960 886 - - 97 957 - - - - - - - 98 958 - - 862 G 949 - - - 99 - - - - - - - - 100 - - - - - - - - 101 - - - - - - - - 102 - - - - - - - - 103 - - - - - - - - 104 - - - - - - - - 105 - - - - - - - - 106 - - - - - - 883 - 107 - 980 - - - - - - 108 - - - - - - - - 109 - - - - - - - - 110 - 891 - 934 G 961 - - 912 111 - - - - - - - - 112 - 890 996 935 - - - - <?page no="210"?> Rezeption 200 Ki-Lied Ac-L 34 Augs 35 Bam 36 Berlin DEGM 37 Eich 38 Essen Fr-R 39 113 - 889 997 933 - - 815 911 114 - - - - - - - - 115 - - - - - - - - 116 - - - - - - - - 117 - - - - E 933 - - - 118 - 831 - - - - - - 119 - 830 - - - - - 018 120 - - - - - - - - 121 - - 998 - - - - 913 122 - 892 - 831 G 963 - - - 123 - - - - - - - - 124 - - - - G 962 - - - 125 - - - - - - - - 126 - - - - - - - - 127 - - - - - - - - 128 - - - - - - - - 129 - - - - - - - - 130 - - - - - - - - 131 979 - - - - - - - 132 - - - - - - - - 133 - - - - - - - - 134 898 - - - - - - - 135 - - - - - - - - 136 - - - - - - - - 137 885 - - - - - - - 138 - - - - - - - - 139 - - - - - - - - 140 889 826 914 845 834 - 848 882 Gesamt 25 20 16 17 20 4 8 13 <?page no="211"?> Die Diözesananhänge des Gotteslob (1975) 201 40 41 42 Ki-Lied Fulda Ham 40 Hil 41 Köln Limburg Mainz M-F 42 Münster 1 - - - - - - - - 2 832 930 841 - 848 869 852 840 3 - - - - - - - - 4 - - - - - - - - 5 - - - - - - - - 6 - - - - - - - - 7 - - 871 - - - - - 8 - - - - - - - - 9 - - - - - - - - 10 - - - - - - - - 11 - - - - - - - - 12 - - - - - - - - 13 - - - 886 - - - - 14 - 943 846 - - - - - 15 - - - - - - - - 16 - - - - - - - - 17 - 944 851 888 - - 854 - 18 - - - - 862 878 853 - 19 - - - - - - - - 20 - - - - - - - - 21 - - - - - - - - 22 - - - - - - - - 23 - - - - - 809! ! ! ! - - 24 - - - - - - - - 25 - - - - - - - - 26 875 898 852 941 953 887 - 874 27 - - - 835 - - - - 28 - - - 950 - - - - 29 - - - - - - - - 30 - - - - - - - - 40 Hamburg. 41 Hildesheim. 42 München-Freising. <?page no="212"?> Rezeption 202 Ki-Lied Fulda Ham 40 Hil 41 Köln Limburg Mainz M-F 42 Münster 31 - - - 840 - - - - 32 - - - - - - - - 33 - - - - - - - - 34 - - - - - - - - 35 - - - - - - - - 36 - - - - - - - - 37 - - - - - - - - 38 - - - - - - - - 39 - - - - - - - - 40 - - - - - - - - 41 - - - - - - - - 42 - - - 839 - - - - 43 - - - - - - - - 44 - - - 939 - - - - 45 - - - - - - - - 46 - 858 - 850 - - - - 47 - - - - - - - - 48 - - - - - - - - 49 - - - - - - - - 50 - - - 922 - - - - 51 - - - - - - - - 52 - - - - - - - - 53 - - - - - - - - 54 - - - - - - - - 55 - - - - - - - - 56 - - - 857 - - - - 57 - - - - - - - - 58 - - - - - - - - 59 - - - 868.1 - - - - 60 - - - - - - - - 61 - 876 829 867 833 - - 932 62 - - - - - - - - 63 - - - - - - - - <?page no="213"?> Die Diözesananhänge des Gotteslob (1975) 203 Ki-Lied Fulda Ham 40 Hil 41 Köln Limburg Mainz M-F 42 Münster 64 - - - - - - - - 65 - - - 868.2 - - - - 66 - - - - - - - - 67 - - - 870 - - - - 68 - - - - - - - - 69 - - - - - - - - 70 - - - - - - - - 71 - - - 940 - - - - 72 - - - - - - - - 73 - - - - - - - - 74 - - - - - - - - 75 870 - 859 929 924 - - 943 76 - - - - - - - - 77 - - - - - - - - 78 - - - - - - - - 79 - 895 - 944 936 897 845 - 80 - - - - - - - - 81 - - - - - - - - 82 - - - - - - - - 83 - - - - - - - - 84 - - - - - - - - 85 - - - - - - - - 86 - - - - - - - - 87 - - - - - - - - 88 - - - - - - - - 89 - 901 - - - - - - 90 886 - - - - - - - 91 - - - 953 - - - - 92 879 900 875 952 976 912 - 960 93 880 903 876 - 940 909 - - 94 - - - - - - - - 95 882 907 878 - 974 - 857 998 96 - 910 880 - 975 - 856 875 <?page no="214"?> Rezeption 204 Ki-Lied Fulda Ham 40 Hil 41 Köln Limburg Mainz M-F 42 Münster 97 - - - 949 - - - - 98 - - - - - - - - 99 - - - - - - - - 100 - - - - - - - - 101 - - - - - - - - 102 - - - - - - - - 103 - - - - - - - - 104 - - - - - - - - 105 - - - - - - - - 106 893 - - - - 918 - - 107 - - - - - - - - 108 - - - - - - - - 109 - - - - - - - - 110 - - - - - - - - 111 - - - - - - - - 112 - - - - 957 - - - 113 912 940 805 - 956 877 851 972 114 - - - - - - - - 115 - - - - - - - - 116 - - - - - - - - 117 - 931 - - - - - - 118 - - - - 852 - - - 119 - - - - - - - - 120 - - - - - - - - 121 - - - - - - - - 122 913 - 894 - - - - - 123 - - - - - - - - 124 - - - - - - - - 125 - - - - - - - - 126 914 - - - 959 879 - - 127 - - - - - - - - 128 - - - - 960 - - - 129 - - - - - - - - <?page no="215"?> Die Diözesananhänge des Gotteslob (1975) 205 Ki-Lied Fulda Ham 40 Hil 41 Köln Limburg Mainz M-F 42 Münster 130 - - - - - - - - 131 - - - - - - - - 132 - - - - - - - - 133 - - - - - - - - 134 - - - 897 - - - - 135 - - - - - - - - 136 - - - - - - - - 137 - - - 915 - - - - 138 - - - - - - - - 139 - - - - - - - - 140 - 834 843 928 845 870 824 996 Gesamt 11 15 14 24 16 11 8 9 43 44 4546 Ki-Lied Osn 43 Pad 44 Passau Reg 45 Speyer Trier Wü 46 1 - - - - - - - 2 - - 859 832 848 807 808 3 - - - - - - - 4 - - - - - - - 5 - - - - - - - 6 - - - - - - - 7 - - - - - - - 8 - - - - - - - 9 - - - - - - - 10 - - - - - - - 11 - - - - - - - 12 - - - - - - - 13 - - - - - - - 14 904 - - - - - - 15 - - - - - - - 43 Osnabrück. 44 Paderborn. 45 Regensburg. 46 Würzburg. <?page no="216"?> Rezeption 206 Ki-Lied Osn 43 Pad 44 Passau Reg 45 Speyer Trier Wü 46 16 - - - - - - - 17 903 - - - 906 883 886 18 - - 863 914 907 - 809 19 - - - - - - - 20 - - - - - - - 21 - - - - - - - 22 - - - - - - - 23 - - - - - - - 24 - - - - - - - 25 - - - - - - - 26 - - 826 810 883 862 973 27 - - - - - - - 28 - - - - - - - 29 - - 0933 - - - - 30 - - - - - - - 31 - - - 812 - - - 32 - - - - - - - 33 - - - - - - - 34 - - - - - - - 35 - - - - - - - 36 - - - - - - - 37 - - - 924 - - - 38 - - - - - - - 39 - - - - - - - 40 - - - - - - - 41 - - - - - - - 42 - - - - - - - 43 - - - - - - - 44 - - - - - - - 45 - - - - - - - 46 859 - - 823 - - 956 47 - - - - - - - 48 - - - - - - - <?page no="217"?> Die Diözesananhänge des Gotteslob (1975) 207 Ki-Lied Osn 43 Pad 44 Passau Reg 45 Speyer Trier Wü 46 49 - - - - - - - 50 - - - - - - - 51 - - - - - - 851 52 - - - - - - - 53 - - - - - - - 54 - - - - - - - 55 - - - - - - - 56 - - - 825 - - - 57 - - - - - - - 58 - - - - - - - 59 - - - - - - - 60 - - - - - - 61 870 - 852 826 866 829 859 62 - - - - - - - 63 - - - - - - - 64 - - - - - - - 65 - - - - - - - 66 - - - - - - - 67 - - - - - - - 68 - - - - - - - 69 - - - - - - - 70 - - - - - - - 71 - - - - - - - 72 - - - - - - - 73 - - - - - - - 74 - - - - - - - 75 - - 904 887 876 846 877 76 - - - - - - - 77 - - - - - - - 78 - - - - - - - 79 - 870 914 895 882 - 880 80 - - - - - - - 81 - - - - - - - <?page no="218"?> Rezeption 208 Ki-Lied Osn 43 Pad 44 Passau Reg 45 Speyer Trier Wü 46 82 - - - - - - - 83 - - - - - - - 84 - - - - - - - 85 - - - - - - - 86 - - - - - - - 87 - - 929 - - - - 88 - - - - - - - 89 - - 924 900 888 - - 90 - - 923 947 - - - 91 - - - - - - - 92 887 - 928 903 890 866 977 93 - - 926 901 889 865 - 94 - - - - - - - 95 - 879 925 907 887 870 979 96 - - 927 899 885 - 895 97 - - - - - - - 98 - - - 949 892 - - 99 - - - - - - - 100 - - - - - - - 101 - - - - - - - 102 - - - - - - - 103 - - - - - - - 104 - - - 952 - - - 105 - - - - - - - 106 - - - - - - - 107 - - - - - - - 108 - - - - - - - 109 - - - - - - - 110 - - - - - - - 111 - - - - - - - 112 939 - - 919 802 - - 113 938 - 0946 918 801 916 915 114 - - - - - - - <?page no="219"?> Die Diözesananhänge des Gotteslob (1975) 209 Ki-Lied Osn 43 Pad 44 Passau Reg 45 Speyer Trier Wü 46 115 - - - - - - - 116 - - - - - - - 117 900 - - - - - - 118 - - - - - - - 119 - - - - - - - 120 - - - - - - - 121 - - - 920 - - 916 122 - - - - - - - 123 - - - - - - - 124 - - - 966 - 918 - 125 - - - 967 - - - 126 - - - - - - - 127 - - - - - - - 128 - - - - - 917 - 129 - - - - - - - 130 - - - - - - - 131 - - - - - - - 132 - - - - - - - 133 - - - - - - - 134 - - - - - - - 135 - - - - - - - 136 - - - - - - - 137 - - - - - - - 138 - - - - - - - 139 - - - - - - - 140 844 - - 879 826 913 932 Gesamt 9 2 15 24 16 12 15 Insgesamt gelangten 56 Lieder des Kirchenlied in die verschiedenen Diözesananhänge des Gotteslob. Im Gesamtdurchschnitt aller Diözesananhänge wurden 14,1 Lieder übernommen, wobei die Schwankungen zwischen den Diözesen teilweise sehr stark sind. <?page no="220"?> Rezeption 210 Die schlechteste Rezeptionsleistung findet sich in Eichstätt und Paderborn. An der Spitze stehen die Bistümer Aachen, Regensburg und Köln, gefolgt von Augsburg und Berlin. Aus der Gruppe der DEGM-Bistümer ragt Görlitz mit 17 aufgenommenen Liedern heraus, gefolgt von Erfurt (13). Magdeburg mit neun und Dresden- Meißen mit nur sieben aufgenommenen Liedern liegen dagegen weit zurück. Es mag wenig verwunderlich erscheinen, daß das Heimatbistum des Jugendhauses Düsseldorf, Köln, eine sehr hohe Liedaufnahme zeigt, waren doch bereits aus dem alten Kölner Diözesangesangbuch überdurchschnittlich viele Lieder in das Kirchenlied aufgenommen worden (was sich besonders an den vielen Spee-Liedern zeigt); die geographische Nähe zu Köln tat ihr übriges. Die höchste Rezeptionsrate weist Aachen auf (25 Lieder). Offenbar bestanden zu diesem an Köln unmittelbar angrenzenden Bistum gute Beziehungen. Eine allgemeine geographische Rezeptionstendenz läßt sich jedoch in den meisten Fällen nicht beobachten. Interessant ist die relativ hohe Rezeption in Freiburg, wo unter Bischof Gröber das Kirchenlied sogar verboten worden war. Nun soll eine Liste der zehn beliebtesten (also am häufigsten rezipierten) Kirchenlied-Lieder der Diözesananhänge folgen. 1. Wunderschön prächtige: in 20 deutschen Diözesananhängen vorhanden. 2. Erde, singe: in 19 deutschen Diözesananhängen vorhanden. 3. Macht weit die Pforten in der Welt: in 19 deutschen Diözesananhängen enthalten. 4. Dein Gnad, dein Macht und Herrlichkeit: in 19 deutschen Diözesananhängen vorhanden. 5. Meerstern, ich dich grüße! O Maria hilf: in 18 deutschen Diözesananhängen vorhanden. 6. Ist das der Leib, Herr Jesus Christ: in 18 deutschen Diözesananhängen enthalten. 7. Der Tag ist aufgegangen: in 18 deutschen Diözesananhängen vorhanden. 8. Herz Jesu, Gottes Opferbrand: in 18 deutschen Diözesangesangbüchern vorhanden 47 . 47 „Bei Erstellung des alten ‚Gotteslob‘ in den siebziger Jahren hatte man Koordinationsprobleme. Es fehlte der Überblick über das vorhandene Material zu den einzelnen Rubriken. Und es fehlte eine Zielvorgabe über die Zahl der Lieder zu den einzelnen Abteilungen. Am Ende waren manche Rubriken über- und andere völlig unterbesetzt. Eine kurzfristige Ausschreibung wurde z. B. nötig, als man feststellte, daß ein Herz-Jesu-Lied fehlte. Das Ergebnis heißt: ‚Alles Leben ist dunkel‘ […]. Die Gläubigen, die eine Verehrung des Hl. Herzens Jesu pflegen - hauptsächlich wohl ältere Menschen -, konnten mit diesem Lied nicht glücklich werden, so daß nahezu alle Diözesananhänge das für den Hauptteil verworfene ‚Herz Jesu, Gottes Opferbrand‘ wieder enthalten.“ Scheitler: Gotteslob (1975). S.: 81. <?page no="221"?> Der Erfolg des Kirchenlied 211 9. Nun Brüder, sind wir frohgemut: in 15 deutschen Diözesangesangbüchern vorhanden. 10. Die Schönste von allen: in 14 deutschen Diözesananhängen vorhanden. Tendenziell wurden in die Diözesananhänge besonders die Lieder aufgenommen, welche eine hohe emotionale Verbindung zu den Kirchgängern besaßen. Die Lieder sind fast durchgängig neueren Datums, zeichnen sich durch eine gute Sangbarkeit und eingängige Melodien aus. Diejenigen alten „Urlieder“, welche nicht in den Hauptteil aufgenommen wurden, finden sich ebenfalls nicht in den Anhängen. Wird der Hauptteil des Gotteslob von Liedern der ersten (Urlieder) und dritten Gruppe (protestantische Lieder) beherrscht, so nehmen in den Anhängen die Kirchenlied-Lieder der zweiten - teilweise auch der dritten - Gruppe eine Vorrangstellung ein. Vier der meist rezipierten Lieder sind Marienlieder, welche einen besonders hohen emotionalen Stellenwert im gläubigen Volke besitzen. Thurmairs und Lohmanns marianische Schöpfung, das „Altenberger Wallfahrtslied“, findet sich auf dem neunten Rang. Eine weitere schon im vorangegangenen Abschnitt festgestellte Tendenz läßt sich auch auf die Anhänge übertragen: Die als Bekenntnislieder bezeichneten Lieder mit mehr oder weniger deutlichen konnotativen Widerstandsimplikationen fanden auch in den Anhängen keine Aufnahme. Nur eine einzige Ausnahme von dieser Feststellung ist zu beobachten: Im Mainzer Anhang (GL Nr. 809) findet sich das Lied Der Satan löscht die Lichter aus (Nr. 23), was für die These spricht, daß diese Lieder durchaus auch in einem anderen Kontext - dann eben unter Austauschung des Feindbildes - gesungen werden können. VIII. Der Erfolg des Kirchenlied Wie läßt sich der große Erfolg des Kirchenlied erklären? Sowohl der Aufnahmegrad seiner Lieder in das Gotteslob als auch die hohe Auflagenzahl sind überaus beeindruckend. Die Rezeption ihres Werkes überließen die Verfasser von Anfang an keinesfalls dem bloßen Zufall. Bereits auf der Jugendseelsorgertagung in Bad Soden-Salmünster im Oktober 1937 wurde das Werk vorgestellt 48 . Neben einem Referat über das Kirchenlied wurde in einer für alle Teilnehmer offenen Singstunde „beispielhaftes Liedgut erarbeitet und kritisch erprobt.“ 49 Es war also gewährleistet, daß das Kirchenlied den Verantwortlichen der Jugendseelsorge bekannt war. 48 S. dazu auch: Haag: „Dem Herzen Jesu singe …“. S.: 274 f. 49 Bischöfliches Ordinariat Mainz (Hrsg.): Bericht über den Kursus für Jugendseelsorger. S.: 122. <?page no="222"?> Rezeption 212 Nach seinem Erscheinen im Frühsommer 1938 wurde den Jugendlichen das Kirchenlied durch Werbung in der Zeitschrift „Die Wacht“ bekanntgemacht 50 . Durch Schallplattenveröffentlichungen wurde das neue bzw. wiederentdeckte Liedgut in der katholischen Jugend ganz Deutschlands bekannt. Außerdem bereisten die drei Herausgeber des Kirchenlied zusammen mit dem Organisten Heinrich Neuß auf sogenannten Urlaubsfahrten fast ganz Deutschland (an den Wochenenden ging es in das Rheinland und nach Westfalen, in Ferienwochen bis weit hinaus in den Norden, nach Mitteldeutschland, nach Franken und Bayern 51 ). In Liedandachten, Sprechübungen, Liedeinstudierungen, Liedkatechesen und Laienpredigten 52 verbreiteten sie die neuen Lieder 53 . Mit unbeschreiblichem Elan hat die Jugend dieser Zeit die Lieder des Kirchenlied gesungen und aufgenommen 54 . Zumeist sei es nur möglich gewesen, sich in Kirchen zu versammeln. Georg Thurmair habe vor den vorwiegend jugendlichen Gemeinden als „Laienprediger“ gewirkt, in das neue und alte Liedgut eingeführt und eingestimmt. Diewald referierte über Sprech- und Stimmtechnik, während Lohmann der begeisterte Singemeister war. Wenn die Singgemeinde bei diesen Exkursionen zugegen war, so sang sie im Wechsel oder mit der Gemeinde mehrstimmig 55 . Bei den Jugendwallfahrten in Altenberg waren von 1933-1938 Tausende von Mädchen und Jungen auf den Domwiesen versammelt und lernten mit Unterstützung des Musikkreises der Sing- und Spielgemeinde neue und alte Kirchenlieder. Das „Altenberger Wallfahrtslied“ wurde hier zum ersten Mal gesungen 56 . Wie ist der Erfolg des Kirchenlied zu erklären? Vielleicht dadurch, daß man den Nerv der Zeit getroffen und zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Lieder vorgelegt hatte. Damit sind nicht nur die Interessen aus dem Jugendbereich gemeint. Vielmehr ist das Bedürfnis nach gemeinsamen Liedern und Liedfassungen seit dem 19. Jahrhundert stets wach geblieben. Zu denken wäre in diesem Zusammenhang beispielsweise an Heinrich Bones Gesangbuch Cantate; herausgegeben wurde es als Dienst am gemeinsamen Gesang. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Liedgut war nach dem Zweiten Weltkrieg ungebrochen; was lag daher näher als Lieder aus dem allseits 50 Werbeanzeigen finden sich in: Jugendführungsverlag Düsseldorf (Hrsg.): Die Wacht: Juni 1938 (Rückseite); Juli 1938, S.: 183; September 1938. S.: 231. 51 Diewald: Kleine Lobrede. S.: 7. 52 Schepping: Der Kirchenliedkomponist Adolf Lohmann. S.: 23. 53 Weller: Adolf Lohmann - 70 Jahre. S.: 1. 54 Diewald: Kleine Lobrede. S.: 6. 55 Diewald: Ökumenische Pionierarbeit. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 97. 56 Diewald: Ökumenische Pionierarbeit. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 97. <?page no="223"?> Der Erfolg des Kirchenlied 213 bekannten und beliebten Kirchenlied in die neu entstehenden Nachkriegsgesangbücher und das später erscheinende Gotteslob aufzunehmen? Entscheidend für den Erfolg des Kirchenlied ist sicher auch die Vorliebe der Herausgeber für das Liedgut des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Schöpfer des Gotteslob teilten diese Vorliebe. Irmgard Scheitler bezeichnet das Gotteslob als „Veteran“: „120 Liedern aus dem 16. und 17. Jahrhundert stehen nicht einmal 20 aus dem 18., 19. und sehr frühen 20. gegenüber.“ 57 Auch die Hereinnahme vieler bekannter und beliebter evangelischer Lieder war entscheidend und wurde von Gotteslob mitgetragen 58 . Wie sehr die Herausgeber mit der Jugend(musik)bewegung in Kontakt standen, zeigte sich im Rahmen dieser Arbeit deutlich an der Tatsache, daß sehr viele Kirchenlied-Lieder bereits in einem der früher erschienenen Gesang- und Liederbücher standen. Das Kirchenlied traf eine gute Auswahl aus bereits erschienenen Büchern. Eine weitere glückliche Fügung ist schon zum Zeitpunkt der Entstehung des Buches anzunehmen: Gemeint ist die günstige Personenkonstellation mit ihren je eigenen Talenten: Lohmann, der Musiker, Diewald, der Sprachlehrer und das Organisationstalent, Thurmair, der Dichter, „General“ Wolker, die charismatische Führerpersönlichkeit und der „Macher“, insgesamt wohl „eine einmalige Konstellation“ 59 . Restlos rational sind derartige Erfolge, welche das Kirchenlied erleben durfte, wohl nicht. Natürlich sprach seine Qualität für sich, aber sicher gab es auch noch andere gelungene Publikationen. Franz Hoffbauers Gebet- und Gesangbuch „Friede sei mit dir“ (1936) z. B. stellt einen erstaunlichen Versuch eines Gesangbuches für ganz Deutschland dar (sogar die im Gotteslob verwirklichte Idee, Regionalteile an das Ende des Buches zu stellen, war hier bereits vorgesehen) 60 . Liedauswahl und Umfang des Buches sind erstaunlich: weit über 200 Lieder (ausgewogenes Verhältnis zwischen traditionellen und singbaren neueren Liedern), teilweise Vereinheitlichungsvorschläge Hoffbauers, was Texte und Melodien betrifft (z. B. Nr. 141), umfassender Gebetsteil, Einführungstexte zu den hohen Kirchenjahresfesten, ferner für jede Sonn- und Feiertagsmesse Eingang, Tagesbitte Lesung, Zwischengesang, Evangelium, Opfergangsvers, Stillgebet, Präfation, Kommunionvers und Schlußgebet. Hoffbauers Buch konnte sich jedoch nicht durchsetzen. 57 Scheitler: Gotteslob (1975). S.: 82. 58 Irmgard Scheitler schreibt in diesem Zusammenhang: „Neben das Bemühen um gemeinsame katholische Lieder trat ein konfessionsübergreifendes Anliegen. Im Dezember 1969 tagte zum erstenmal die ‚Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut in den deutschsprachigen Ländern‘“. Diese erstellte eine Liste von 102 Liedern, von denen 89 in das Gotteslob übernommen wurden. Scheitler: Gotteslob (1975). S.: 80. Auch bezüglich ihrer Hereinnahme evangelischer Lieder hatten die Kirchenlied-Herausgeber also den Geist der Zeit weit vorher erspürt. 59 Seuffert: Vom Kirchenlied zum Gotteslob. S.: 34. 60 Hoffbauer, Franz: Friede sei mit dir. S.: 739-745. <?page no="224"?> Rezeption 214 Hinsichtlich der Auflagengeschichte des Kirchenlied sei auf „C. I.“ dieser Arbeit verwiesen, wo sich eine Aufstellung findet; auch hier zeigt sich der Erfolg des Werkes: Wenn man lediglich die in der Gesangbuchbibliographie stehenden Auflagenzahlen addiert (dort finden sich erst ab 1942 und in den folgenden Jahren nicht durchgängig Angaben zur Auflagenhöhe), so ergibt sich eine beeindruckende Zahl: 1 156 549. Die wirkliche (nicht mehr rekonstruierbare) Auflagenzahl muß noch wesentlich größer gewesen sein! Bemerkenswert ist insbesondere die Rezeption zwischen 1945 und 1949. An dieser Stelle sei noch in aller Kürze das Geschick und die Aufnahme des Kirchenlied II (1967) wiedergegeben. Die Arbeit am Kirchenlied II bezeichnete Diewald als die wichtigste und schwierigste Anstrengung für die Herausgebergruppe. Er bemerkt, daß man diesem Werk gewünscht hätte, fünf oder zehn Jahre früher erschienen zu sein. Nun aber habe es kaum noch für die Arbeit am neuen Gotteslob fruchtbar werden können. Ferner äußert er die Vermutung, daß für die große Zahl der Lieder, welche für diesen zweiten Teil Lohmann und Thurmair geschrieben haben, wohl kaum die Auswahlkommission immer die genügende Konzentration aufbringen konnte. Anders sei es nicht zu erklären, daß viele der hier vorhandenen in neue Richtungen weisende Texte und Weisen unbeachtet geblieben seien. „Vielleicht hätten Textverfasser und Komponist gut daran getan, das schon von unserem Freund Hans Kulla gern geübte Verfahren anzuwenden, mehrere Pseudonyme zu gebrauchen, um jedermann eine völlig vorurteilsfreie, sachliche Prüfung neuer Lieder zu ermöglichen. Man hat darüber gestritten, ob es gut wäre, den Herausgebern einen so breiten Raum für eigene Schöpfungen einzuräumen.“ 61 Auch Thurmair hatte geglaubt, es sei wichtig, das frühere Werk weiterzuführen. Nach jahrelangem Prüfen und Sammeln erschien das Kirchenlied II. Von den darin enthaltenen 194 Liedern stammen 66 von Thurmair; neun davon wurden in das Gotteslob aufgenommen 62 , „eine enttäuschende Erfahrung“, wie Thurmair bemerkt. Doch diese persönliche Einschätzung gilt es zu relativieren, wenn man beispielsweise bedenkt, daß sich im Gotteslob mehr Lieder von Thurmair als von Paul Gerhardt finden. Was die eigentlichen Gründe dafür waren, daß das Kirchenlied II sich im Vergleich zu seinem Vorgänger nicht recht durchsetzen konnte, bedürfte einer genaueren Untersuchung in einem anderen Rahmen. Insgesamt wird man wohl sagen müssen, daß der Zeitgeist 1962 ein anderer war; darauf hatten die Herausgeber, inzwischen selbst nicht mehr in jugendlichem Alter, 61 Diewald: Ökumenische Pionierarbeit. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 98. 62 Es sind dies: „O höre, Herr, erhöre mich“, Nr. 167; „O Licht der wunderbaren Nacht“, Nr. 208; „Nun singt ein neues Lied dem Herren“, Nr. 262; „Herr Jesus, öffne unsern Mund“, Nr. 517; „Völker aller Land, schlaget Hand in Hand“, Nr. 556; „Komm Herr Jesus, komm zur Erde“, Nr. 565; „Alles meinem Gott zu Ehren“, 2. u. 3. Strophe, Nr. 615; „Nun singe Lob, du Christenheit“, Nr. 638; „Nun lässest du, o Herr“, Nr. 660. <?page no="225"?> Der Erfolg des Kirchenlied 215 keine Rücksicht genommen. Diewalds Behauptung, das Kirchenlied II sei zu spät erschienen, kann nicht recht überzeugen, schließlich erschien es, als die Arbeit am Gotteslob begonnen hatte, was eigentlich ein idealer Zeitpunkt gewesen sein dürfte. Daß das Werk sich nicht gut verkaufte, zeigen die relativ niedrigen Auflagenzahlen. Vielleicht war die Zeit eines von einem kleinen Personenkreis aufgrund privater Initiative herausgegebenen Gesangbuches auch vorbei; immerhin sanken die Auflagenzahlen des Kirchenlied I ab 1971 ebenfalls deutlich. Allerorten setzte man jetzt seine Hoffnung auf das Projekt Gotteslob, das allen Kirchen einen einheitlichen Liedbestand zur Verfügung stellen sollte. Georg Thurmair schrieb 1982 enttäuscht: „Das ‚Kirchenlied II‘ ist passé“. 63 63 Zitiert nach: Dischinger: Kraft und Trost. In: Thurmair (Hrsg.): Ein Gast auf Erden. S.: 255. <?page no="227"?> Schlußwort Die vorliegende Untersuchung hat die wichtige Rolle, die die Sammlung Kirchenlied (1938) für die Entstehung eines einheitlichen katholischen Gesangbuches für den deutschen Sprachraum und die Aufnahme evangelischen Liedgutes in katholischen Gesangbüchern spielt, dargestellt und unterstrichen. Was die Wissenschaftlichkeit von in katholischen Gesangbüchern publizierten Liedern anbelangt, hat das Kirchenlied sich Verdienste erworben, schließlich war es in den frühen katholischen Gesangbüchern des 20. Jahrhunderts nicht üblich, Quellen anzugeben. Auch wurden sehr viele Lieder im Laufe der Jahrhunderte verändert, modernisiert und umgeformt. Hier setzt das Kirchenlied einen wichtigen Akzent: Die ursprüngliche Gestalt der Lieder soll ermittelt und nur ausnahmsweise (dann nämlich, wenn das Verständnis gefährdet ist) behutsam modernisiert werden. Dieses Verdienst kann sich das Kirchenlied natürlich nicht allein zuschreiben, vielmehr ist es im Kontext der Jugend(musik)bewegung entstanden, hat die dort herrschenden Konzepte (Quellentreue, ursprüngliche Gestalt der Lieder, Vorliebe für das 16. und 17. Jahrhundert u. s. w.) aufgegriffen und viele Lieder aus den hier entstandenen Lieder- und Gesangbüchern übernommen. Ein Novum war auch die Hereinnahme (bekannter und verbreiteter) evangelischer Lieder; viele fanden erst durch das Kirchenlied Aufnahme in den katholischen Gemeindegesang. Hinsichtlich eines anderen Phänomens war das Kirchenlied Kind seiner Zeit: Die in der „Bündischen Jugend“ herrschende Tendenz zur Militarisierung findet sich vor allem in den von Thurmair und Lohmann neugeschaffenen Liedern sehr deutlich und kann die Nähe zum nationalsozialistischen Sprachgebrauch und Gedankengut nicht verhehlen. Deshalb geht es zu weit, diese Publikation pauschal als Äußerung von „Widerstand gegen das NS-Regime“ zu betrachten. Natürlich kann man auch Kritik üben und fragen, wie wissenschaftlich die Arbeitsweise der Herausgeber war (es finden sich teilweise falsche oder ungenaue Quellenangaben, nicht immer wurde die älteste Quelle herangezogen, nicht kenntlich gemachte Sekundärzitate u. s. w.), aber man muß dennoch anerkennen, daß die „Portion Wissenschaftlichkeit“ für eine in dieser kurzen Zeit entstandene private Publikation beachtlich ist. Der Erfolg des Kirchenlied spricht für sich: Weit über eine Million Exemplare wurden in mehr als dreißig Jahren verkauft (ohne daß das Werk grundsätzlich überarbeitet wurde) und mehr als die Hälfte aller im Kirchenlied stehenden Lieder finden sich im Gotteslob wieder, die Regionalteile noch gar nicht eingerechnet. <?page no="228"?> Schlußwort 218 Josef Diewald, Adolf Lohmann und Georg Thurmair haben hinsichtlich der Auswahlentscheidung und der Bearbeitung der aufgenommenen Lieder großes Geschick bewiesen, ein Gesangbuch geschaffen, das über Jahrzehnte im katholischen Bereich gerne und häufig benutzt wurde und das rezeptionsgeschichtlich außerordentlich erfolgreich war. Sie haben diese Leistung binnen kürzester Zeit, ohne Expertengremien, Kommissionen und mit bescheidenen Mitteln erbracht. Dafür gebührt ihnen Anerkennung. Heute wäre es wohl kaum möglich, ein Gesangbuch für die Jugend herauszugeben, das nur annähernd so erfolgreich wäre wie das Kirchenlied. Die entstehungsgeschichtliche Situation ist unwiederbringlich dahin: ihr Pioniergeist, die einheitliche und straffe Organisation der katholischen Vereinigungen, die Jugendmusikbewegung mit ihrer relativ einheitlichen Programmatik, was den Liedgeschmack und die Auswahlkriterien betraf. Man sucht heute eine solche programmatische Gemeinsamkeit in der heterogenen Jugendmusikszene vergeblich. Auch gigantische Kommissionen, in denen viel gestritten wird, aber Resultate ausbleiben, vermögen an dieser Tatsache nichts zu ändern. <?page no="229"?> Quellen- und Literaturverzeichnis I. Gesangbücher und Liederbücher 1 Cantate 1847: Bone, Heinrich (Hrsg.): Cantate! Katholisches Gesangbuch nebst Gebeten und Andachten für alle Breiten und Feste des Kirchenjahres. Nach den alten, sonst allgemein gebräuchlichen Gesängen und Andachten, sowie nach dem lateinischen Kirchenritus bearbeitet von Heinrich Bone. Mainz 1847. Cantate 1851: Bone, Heinrich (Hrsg.): Cantate! Katholisches Gesangbuch nebst einem vollständigen Gebet- und Andachtsbuche. 2. A. Paderborn 1851. Cantate 1888: Bone, Heinrich (Hrsg.): Cantate! Katholisches Gesangbuch nebst einem vollständigen Gebet- und Andachtsbuche. 9. A. Paderborn 1888. Cantate, Melodienbuch 1852: Melodien zu dem katholischen Gesangbuche Cantate. Paderborn 1852. Cantica Spiritualia: CANTICA SPIRITUALIA oder Auswahl der schönsten geistlichen Lieder älterer Zeit in ihren originalen Sangweisen und großentheils auch ihren alten Texten. Aus dem reichen Lieder- und Melodien- Schatze der katholischen Kirche und des katholischen Volkslebens, zum öffentlichen und Hausgebrauche gesammelt und nach den Bedürfnissen der Gegenwart bearbeitet. Zunächst für eine Singstimme und Pianoforte, jedoch also eingerichtet, daß die choralmäßigen Lieder auch von der Kirchengemeinde mit Orgelbegleitung oder vierstimmig gesungen werden können. Erster Band. Augsburg 1845. Zweiter und letzter Band. Augsburg 1847. DEG 1915: Deutscher Evangelischer Kirchenausschuß (Hrsg.): Deutsches evangelisches Gesangbuch für die Schutzgebiete und das Ausland. Berlin 1915. DEG 1926: Deutscher Evangelischer Kirchenausschuß (Hrsg.): Deutsches Evangelisches Gesangbuch. Den deutschen evangelischen Gemeinden des Auslandes dargeboten. 2. Auflage. Berlin 1926. Deutsches Kantual: Guardini, Romano/ Messerschmid, Felix (Hrsg.): Deutsches Kantual. Hilfsbuch für den gemeinschaftlichen Gottesdienst. Mainz 1931. Diewald, Josef/ Lohmann, Adolf/ Thurmair, Georg (Hrsg.): Kirchenlied. Eine Auslese geistlicher Lieder. Berlin und Freiburg 1938 ff. 2 DORTMUND 1930: Evangelisches Gesangbuch für Rheinland und Westfalen. Dortmund 1930. 1 Siglen werden grundsätzlich nur dann vergeben, wenn ein Werk mehrfach im Text zitiert wird. Kirchengesangbücher erhalten grundsätzlich Siglen in Großbuchstaben. 2 S. Abschnitt „C. I.“. <?page no="230"?> Quellen- und Literaturverzeichnis 220 DRESDEN 1767: Auserlesenes und vollständiges Gesang-Buch, Worinnen 784. der besten und geistreichsten Lieder, Welche In denen Chur-Sächß. Kirchen pflegen gesungen zu werden, enthalten; Mit sonderbahrem Fleiß aus denen besten und correctesten Gesang-Büchern zusammen gesuchet; Denen fleißigen und andächtigen Kirchen-Gängern, wie auch Reisenden, zu sonderbahrem Nutz in diesem bequemen Format mitgetheilet. Nebst Herrn Caspar Neumanns Kern aller Gebete. DRESDEN, bey Johann Nicolaus Gerlachen und Sohn, 1767. DREßDEN UND LEIPZIG 1767: Das Privilegirte Ordentliche und vermehrte Preßdnische Gesang-Buch, Wie solches so wohl In der Churfürstl. Sächs. Schloß-Capelle als in denen andern Kirchen bey der Churfl. Sächsischen Residentz, Nach denen Lieder-Nummern an denen Tafeln, Hiernebst auch in denen gesamten Chur- und Fürstlich-Sächs. Landen bey öffentlichem Gottesdienst gebrauchet, und daraus pfleget gesungen zu werden, Darinnen die auserlesensten und Geistreichsten Lieder in reicher Anzahl zusammen getragen, Auf hohen Befehl Und vieler Verlangen mit leserlicher Mittel- Schrifft in diesem Format zum Druck gegeben worden, Von einem seinem Jesu Getreu Bleibenden Diener. Mit Sr. Kön. Maj. in Pohl. und Churfl. Durchl. zu Sachs. allergü. Privilegio auf keinerley Art und Weise nicht nachzudrucken. Dreßden und Leipzig, sonst bey Friedrich Hekeln, anjetzo in der Gröllischen Buchhandlung, 1767. Ein neues Lied: Evangelischer Reichsverband weiblicher Jugend (Hrsg.): Ein neues Lied. Ein Liederbuch für die deutsche evangelische Jugend. 2. A. 1933. Echo Hymnodiae Coelestis: Echo Hymnodiae Coelestis, Nachklang der himmlischen Sing-Chöre das ist/ Alte - und Neue Catholische Kirchen-Gesänge/ Auf die fürnehmste Zeiten deß gantzen Jahrs/ wie auch Fest-Tage der gebenedeyten Mutter JEsu/ und elich anderer Heiligen GOttes. Aus approbirten Authoren der Catholischen Kirchen zusammen getragen/ mit neuen Gesängern vermehret : Und zum Geistlichen Trost Aller andächtig- Catholischen Christen/ zum nutzlichen Gebrauch der Herren Schul- und Kirchen-Bedienten allenthalben/ bey denen gehaltenen GOttesdiensten und Wallfahrten/ mit annehmlichen Melodeyen/ zum Singen und Schlagen/ aufs fleissigste bestellet. Von JOANNE GEORGIO Braun/ von Ubthal/ Chor-Regente in Eger. Sulzbach ANNO M. DC. LXXV. FREIBURG 1933: Erzdiözese Freiburg (Hrsg.): Magnifikat. Katholisches Gebet= und Gesangbuch für die Erzdiözese Freiburg. Freiburg 1933. FREIBURG 1952: Erzdiözese Freiburg (Hrsg.): Magnifikat. Katholisches Gebet= und Gesangbuch für die Erzdiözese Freiburg. 16. Abdruck, Freiburg 1952. FULDA 1916: Diözese Fulda (Hrsg.): Anhang zum Gesang- und Gebetbuch für die Diözese Fulda. Enthaltend 23 Einheitslieder. Fulda 1916. GOTTESLOB 1975: Bistum Limburg (Hrsg.): Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch für das Bistum Limburg. Stuttgart und Frankfurt 1975. <?page no="231"?> Gesangbücher und Liederbücher 221 Harpffen Davjds: Harpffen DAVJDS Mit Teutschen Saiten bespanet. Auch Zu Trost/ vund Erquickung der an-dächtigen Seel. Gesangsweiß angerichtet. Augspurg Getruckt vund verlegt bey Simon Vtzschneider/ auff Vnser Lieben FrawenThor. Anno 1669. Urheber: Curtz, Albert. Hensel, Walther (Hrsg.): Die Finkensteiner Blätter. 2. Band. Augsburg 1924/ 25. Hoffbauer, Franz (Hrsg.): Friede sei mit dir - Katholisches Gebet- und Gesangbuch. Oppeln 1936. Jung, Theo/ Lohmann, Adolf/ Weitkamp, Heinrich (Hrsg.): Lieder des Volkes. Erbe und Aussaat. Wuppertal 1936. Jung-Volker: Elsen, Alois (Hrsg.): Jung-Volker. Lieder neudeutscher Gruppen. 6. Auflage. Würzburg 1930. Kirchenlied: Diewald, Josef/ Lohmann, Adolf/ Thurmair, Georg (Hrsg.): Kirchenlied. Eine Auslese geistlicher Lieder für die Jugend. Düsseldorf 1938. 3 Kirchenlied I: Diewald, Josef/ Lohmann, Adolf/ Thurmair, Georg (Hrsg.): Kirchenlied. Eine Auslese geistlicher Lieder. Erster Teil. Neue Ausgabe mit den Fassungen der Einheitslieder der deutschen Bistümer. Freiburg 1962. 4 Kirchenlied II: Diewald, Josef/ Lohmann, Adolf/ Thurmair, Georg (Hrsg.): Kirchenlied. Eine Auslese geistlicher Lieder. Zweiter Teil. Freiburg 1967. 5 Knapp, Albert (Hrsg.): Evangelischer Liederschatz für Kirche, Schule und Haus. Eine Sammlung geistlicher Lieder aus allen christlichen Jahrhunderten gesammelt und nach den Bedürfnissen unserer Zeit bearbeitet. 3. A. Stuttgart 1865. KÖLN 1930: Erzbistum Köln (Hrsg.): Gebetbuch und Gesangbuch für das Erzbistum Köln. Köln 1930. KÖLN 1949: Erzbistum Köln (Hrsg.): Gebet- und Gesangbuch für das Erzbistum Köln. Köln 1949. KÖLN 1887: Gesang- und Gebetbuch für die Erzdiöcese Köln. Köln 1887. KÖNIGSBERG 1899: Königliches Konsistorium der Provinzial-Synode vom Jahre 1884 und mit Genehmigung des Evangelischen Ober-Kirchenrats (Hrsg.): Evangelisches Gesangbuch für Ost- und Westpreußen. 13. A. Königsberg 1899. Kyrioleis: Müller, Hermann (Hrsg.): Kyrioleis. Kleiner Psalter geistlicher Lieder dem jungen Deutschland dargereicht. Burg Rothenfels 1923. Leisentrit: Leisentrit, Johann (Hrsg.): Geistliche Lieder und Psalmen/ der alten Apostolischer recht und warglaubiger Christlicher Kirchen/ so vor und nach der Predigt/ auch bey der heiligen Communion/ und sonst in dem haus Gottes/ zum theil in und vor den Heusern/ doch zu gewönlichen zeitten/ durchs gantze Jar/ ordentlicher weiß mögen gesungen werden/ Aus klarem Göttlichen Wort/ und Heiliger geschrifft Lehrern ( Mit vorgehenden gar schönen unterweisungen)Gott zu lob und ehre/ Auch zu erbawung und erhaltung seiner heiligen allgemeinen Christlicher Kirchen/ Auffs fleissigste 3 Wenn im Textteil „Kirchenlied“ ohne weitere Angaben steht, ist diese Ausgabe gemeint. 4 S. Abschnitt „C. I.“. 5 S. Abschnitt „C. I.“. <?page no="232"?> Quellen- und Literaturverzeichnis 222 und Christlichste zusamen bracht. Durch Johann: Leisentrit von Olmutz/ Thumdechant zu Budissin u. [1567]. Reprint, Kassel u. a. 1966. LIMBURG 1957: Bistum Limburg (Hrsg.): Gesang= und Gebetbuch für das Bistum Limburg. Frankfurt 1957. LIEGNITZ 1828: Sammlung christlicher Lieder und einiger Gebete zur Erbauung katholischer Kirchengemeinen. 2. Auflage. Liegnitz 1828. Bistum Limburg (Hrsg.): Cantantibus organis. Zweites Orgelbuch für das Bistum Limburg, II. Teil. Frankfurt 1963. MAINZ 1935: Bistum Mainz (Hrsg.): Gelobt sei Jesus Christus! Gebet= und Gesangbuch für das Bistum Mainz. Mainz 1935. MAINZ 1952: Bistum Mainz (Hrsg.): Gelobt sei Jesus Christus. Gebet= und Gesangbuch für das Bistum Mainz. Mainz 1952. Bistum Mainz (Hrsg.): Orgelbuch zum Mainzer Diözesan-Gesangbuch. Mainz 1937. Mohr, Joseph (Hrsg.): Psälterlein. Katholisches Gebet= und Gesangbuch. 2. A. Regensburg, New York, Cincinnati 1891. MÜNCHEN 1637: Drey schöne newe Geistliche Lieder/ Zu vor noch nie in Druck außgangen/ Das Erste Von vnser lieben Frawen/ das Münchnerisch vnser lieben Frawen Gesang genandt. Das Ander Von dem Leyden Christi/ die geistliche Farb genandt. Das Dritt Von dem Willen Gottes/ vber den Lobvund Trostspruch; Sols seyn so seys/ wie mein Gott will. Gedruckt zu München/ bey Cornelio Leysserio/ auff das Jahr 1637. MÜNSTER 1677: Münsterisch Gesangbuch/ Auff alle Fest und Zeiten deß gantzen Jahrs/ in der Kirchen bey dem Ampt der H.Meß/ vor und nach der Predig auch in Processione- und Bittfahrten/ in Geistlichen Bruderschafften und Versamlungen/ auch in der christlichen Lehr und in den Schulen/ wie auch zu Hauß/ oder im Felde/ beym Reisen oder arbeiten gar nützlich zu gebrauchen. Jetzo auffs new übersehen/ und mit vielen schönen/ alten und newen Gesängen auß underschiedlichen bewehrten Gesangbüchern vermehret und in diese Ordnung gebracht. 16+77. Gedruckt zu Münster in Westphalen. 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Folgende Schallplatten werden besprochen: Nr. 20304 Nr. 20309; 20310 Nr. 20307; 20308 Nr. 20305; 20306 Nr. 50142; 50143 Nr. 50144; 50145 Nr. 50649; 50656 Nr. 50650; 50655 Nr. 50651; 50652 Nr. 50152; 50153 Nr. 50140; 50141 Nr. 50148; 50149 Ferner: Im Dom zu Altenberg. 1. und 2. Teil. Liedkatalog: Gesangbucharchiv der Johannes Gutenberg-Universität zu Mainz. Stand: 10. 8. 2006. Lohmann-Nachlaß: Im Institut für musikalische Volkskunde, Köln. Lebensläufe, teilweise undatiert, Tätigkeitsbericht undatiert (nach 1945). Georg Thurmair: Für Adolfs Poesiealbum zum 70. Geburtstag am 10. Januar 1977. <?page no="241"?> Die Sammlung „Kirchenlied“ (1938) Thomas Labonté Entstehung Corpusanalyse Rezeption Die Sammlung „Kirchenlied“ (1938) ,! 7ID7H2-aicfbb! ISBN 978-3-7720-8251-1 ainzer Hymnologische Studien Hymnologische Studien Mainzer Hymnologische Studien Mainzer Hymnologische Studien Mainzer Hy Die Sammlung „Kirchenlied“, ein schmales Bändchen mit 140 Liedern, ist in mancher Hinsicht das einflußstärkste katholische Gesangbuch des 20. Jahrhunderts. Sie hat fast alle Diözesangesangbücher der Nachkriegszeit inspiriert und färbt noch das heutige Einheitsgesangbuch „Gotteslob“ maßgeblich. Das betrifft das Liedcorpus wie auch die im „Kirchenlied“ vorgenommenen Bearbeitungen in Text und Melodie. Hinsichtlich des Corpus gelingt es das erste Mal in Jahrhunderten konfessioneller Trennung, eine nennenswerte Anzahl großer evangelischer Lieder katholisch in Gebrauch zu bringen. Bezüglich der Fassungen orientieren sich die Bearbeiter in einem gewissen Grad an den Urtexten, nehmen aber so geschickte Bearbeitungen vor, daß sie die Fassungen des 19. Jahrhunderts erfolgreich verdrängen. Bei den Melodien gelingen nicht nur gute Bearbeitungen, sondern auch einige Neuschöpfungen. Gründe genug, um dieses in bis zu 2 Millionen Exemplaren verbreitete Zeugnis der religiösen Massenkultur des 20. Jahrhunderts einer genauen Untersuchung zu unterziehen.