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Der Abend in Lied, Leben und Liturgie

Studie zu Motiven, Riten und Alltagserfahrungen an der Schwelle vom Tag zur Nacht

0220
2008
978-3-7720-5258-3
978-3-7720-8258-0
A. Francke Verlag 
Siri Fuhrmann
<?page no="0"?> 18 SIRI FUHRMANN Der Abend in Lied, Leben und Liturgie Studie zu Motiven, Riten und Alltagserfahrungen an der Schwelle vom Tag zur Nacht A. FRANCKE VERLAG TÜBINGEN UND BASEL <?page no="1"?> Der Abend in Lied, Leben und Liturgie <?page no="2"?> PIETAS LITURGICA · STUDIA 18 Interdisziplinäre Beiträge zur Liturgiewissenschaft begründet von Hansjakob Becker herausgegeben von Ansgar Franz Die Reihe »Pietas Liturgica« erscheint in Zusammenarbeit mit »KULTUR - LITURGIE - SPIRITUALITÄT e.V.« Interdisziplinäre Vereinigung zur wissenschaftlichen Erforschung und Erschließung des christlichen Gottesdienstes <?page no="3"?> SIRI FUHRMANN Der Abend in Lied, Leben und Liturgie Studie zu Motiven, Riten und Alltagserfahrungen an der Schwelle vom Tag zur Nacht A. FRANCKE VERLAG TÜBINGEN UND BASEL <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.d-nb.de> abrufbar. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Bistums Essen, des Vereins KULTUR - LITURGIE - SPIRITUALITÄT e.V. sowie des Interdisziplinären Arbeitskreises Gesangbuchforschung der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Dissertation an der Fakultät für Katholische Theologie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, 2007 © 2008 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.francke.de E-Mail: info@francke.de Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISSN 1862-2704 ISBN 978-3-7720-8258-0 Titelabbildung: Edward Hopper, Nighthawks 1942 Oil on canvas 84,1 x 152,4 cm Friends of American Art Collection 1942.51 The Art Institute of Chicago Fotograf: Robert Hashimoto Reproduktion: The Art Institute of Chicago <?page no="5"?> D ANK Die vorliegende Studie wurde im Wintersemester 2006/ 07 als Promotion von der Fakultät für Katholische Theologie am Fachbereich 01 der Johannes- Gutenberg-Universität (Mainz) angenommen. Das Interviewmaterial, das dem zweiten Teil der Arbeit zugrunde liegt, wurde nicht mit in die Druckfassung aufgenommen, nicht zuletzt, weil dies in der empirischen Forschung als unüblich gilt. Eine gedruckte Fassung aller Interviewtranskripte kann in der Universitätsbibliothek Mainz, am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft in Mainz sowie im Deutschen Liturgischen Institut (Trier) eingesehen werden. Zunächst danke ich Prof. Dr. Ansgar Franz von Herzen, der mir stets das rechte Maß doktorväterlicher Fürsorge, Freiheit und Strenge angedeihen ließ; er hat zu der Auseinandersetzung mit dem Themenbereich Abend angeregt, sich bereitwillig auf die in der Liturgiewissenschaft neuartigen Methoden der Empirischen Forschung eingelassen und mich stets mit kritischem Sachverstand begleitet. In seiner Eigenschaft als Herausgeber der Reihe Pietas Liturgica. Studia danke ich ihm überdies für die Aufnahme dieser Monographie in das Programm. Prof. Dr. Michael Sievernich, Ordinarius für Pastoraltheologie in Mainz, danke ich für die Erstellung des umfangreichen Zweitgutachtens. Dank der veritablen Unterstützung des DFG Graduiertenkollegs „Geistliches Lied und Kirchenlied interdisziplinär“ habe ich nicht nur in einem vitalen interdisziplinären Kreis von Kolleginnen und Kollegen lernen und mich erproben, sondern auch - was in diesen Zeiten alles andere als selbstverständlich ist - meine Forschungen auf einem soliden finanziellen Fundament bauen können. Diese Arbeit kann in dieser Ausstattung erscheinen dank der Druckkostenzuschüsse meiner Heimatdiözese Essen, des Vereins Kultur-Liturgie-Spiritualität e.V. sowie des Internationalen Arbeitskreises Gesangbuchforschung. Prof. Dr. Chris Hermans und seinen Mitarbeitern Thomas Rollersbroich und Drs. Thomas Quartier bin ich zu Dank verpflichtet für die Ermutigung zur empirischen Erschließung meines Themas, die methodische Schulung hinsichtlich der Grounded Theory und für die Bereitstellung des Hilfsprogramms KWALITAN zur Strukturierung von Lied- und Interviewmaterial. Danken möchte ich auch all jenen, die mit wachem Interesse den Fortgang der Untersuchung begleitet und durch ihre konstruktiven Fragen die Entwicklung meiner Ideen vorangetrieben haben: Dr. Annette Albert-Zerlik, Prof. Dr. Dr. Hansjakob Becker, Dr. Dominik Fugger, Prof. Dr. Hermann Kurzke, Dr. Christiane Schäfer sowie Dr. Alexander Zerfaß neben vielen ungenannten. <?page no="6"?> VI Ohne die bereitwilligen Informationen der Interviewpartnerinnen und -partner hätte der zweite Teil meiner Studie nicht geschrieben werden können: deshalb schulde ich allen Männern und Frauen großen Dank, die mir in den Interviews Zugang zu einem - wie sich herausstellte - recht persönlichen Bereich ihres Lebens gewährt haben. Mit großem Dank verbunden bin ich meiner Schwester Maren Koschwitz und meinem Gatten Markus Fuhrmann, die mir bei der beschwerlichen Textkorrektur geholfen haben, sowie Jörg Stephan Vogel und Norbert Johannes Grote für die kritische Durchsicht der musikologischen Teile. Meinen Eltern, Brigitte und Walter Koschwitz, danke ich für jegliche Förderung, die sie mir auf meinem Ausbildungsweg haben zuteil werden lassen, vor allem aber für ihre elterliche Nachsicht, wenn Kinder eigene, ihnen fremde Pfade einschlagen. Die Arbeit widme ich meinem Ehemann Markus, der ob dieser Studie so manchen Abend in Geselligkeit und Partnerschaft entbehren musste und der mich in produktiv eher dunklen Zeiten immer wieder sanft darauf hingewiesen hat, dass es „noch nicht aller Tage Abend“ sei. Duisburg, am Vorabend des Festes der Geburt Jesu Christi 2007 <?page no="7"?> VII I NHALTSVERZEICHNIS E INLEITUNG ......................................................................................................... 1 1 Hinführung ........................................................................................................ 1 a Die soziale Dimension des Abends ........................................................... 2 b Die liturgische Dimension des Abends .................................................... 3 c Die hymnische Dimension des Abends .................................................... 6 2 Gegenstand der Studie .................................................................................... 7 a Aufbau und Ziel der Untersuchung .......................................................... 7 b Der interdisziplinäre Ansatz der Studie ................................................... 8 c Gestalt und Funktion eines geistlichen Liedes ........................................ 10 1) Hermeneutische Brücke zwischen Tradition und Gegenwart .................. 11 2) Hermeneutische Brücke zwischen Dogmatik und Frömmigkeit .............. 11 I. T EIL : D ER A BEND IN L IED UND L ITURGIE ....................................... 15 A M ATERIAL UND M ETHODEN ............................................................................... 15 1 Erhebung eines Themenspektrums von Abendliedern ............................ 15 a Vorgehensweise und Ziel der Analyse ..................................................... 15 b Auswahlkriterien der zugrunde liegenden Lieder .................................. 15 2 Exemplarische Liedanalysen ........................................................................... 17 a Auswahl der Liedexempel ......................................................................... 17 b Methoden der Einzelliedinterpretationen ................................................ 20 B T HEMEN UND M OTIVE IN A BENDLIEDERN DES 20. J AHRHUNDERTS ................ 23 1 Lexematische Auswertung .............................................................................. 23 2 Thematische Auswertung ............................................................................... 26 a Kommunikationssituation der Abendlieder ............................................ 26 1) Adressaten und Adressanten .............................................................. 27 a) Gottesbilder ..................................................................................... 28 b) Welt- und Menschenbild ................................................................ 32 c) Kirchenbild und Glaubensverständnis ........................................ 35 d) Gegenwartssprachliche Besonderheiten ...................................... 37 2) Gebet ....................................................................................................... 39 3) Intertextualität ....................................................................................... 43 b Zeit im Abendlied ....................................................................................... 46 c Abend als Kontrasterfahrung von Licht und Dunkelheit ...................... 51 1) Jesus Christus, das ewige Licht ........................................................... 51 2) Die Emmaus-Perikope als Subtext ...................................................... 54 d Abend als Naturereignis und Zeit des Dankes für die Schöpfung ....... 56 e Abend als Zeit der Tagesreflexion und Gewissenserforschung ............ 57 f Abend als Übergang von der Aktion zur Rekreation ............................. 62 g Abend als Zeit der Bergung und Gefährdung ......................................... 69 <?page no="8"?> VIII h Abend als „Vorbote des Todes“ und Künder des Eschaton .................. 73 3 Zusammenfassung ........................................................................................... 76 C D ER A BEND (I): E IN THEOLOGISCHES UND RITUALTHEORETISCHES M ODELL ................................................................................................................ 79 D Z WÖLF A BENDLIEDER UND IHRE MOTIVISCHEN B EZÜGE ZUR T AGZEITENLITURGIE ........................................................................................... 83 1 Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen ........................................................ 83 a Die englische Vorlage ................................................................................. 84 1) Der Entstehungskontext: Imperialismus, Mission und Ökumene ........................................................................................ 84 2) Der Weg vom viktorianischen Hymnus zum deutschen Kirchenlied .......................................................................... 86 b Formale Analyse .......................................................................................... 87 1) Textuelle Struktur ................................................................................. 87 2) Musikologische Struktur ...................................................................... 88 c Inhaltlich-Semantische Analyse ................................................................ 89 1) Isotopien ‚Kontinuität und Wandel’, ‚Wachen und Schlafen’ ......... 89 2) Isotopie ‚Gebet’ ...................................................................................... 91 E XKURS : Das Gebet der Stunden .......................................................................... 92 a Beten im jüdisch-christlichen Verständnis ..................................................... 92 b Beten zu bestimmten Zeiten - der kathedrale Typus ...................................... 93 c Immerwährendes Beten - der monastische Typus .......................................... 98 d ‚Hora duodecima’ und ‚Vigil’ ......................................................................... 99 3) Isotopie ‘Morgen’ bzw. ‘Tag’ ............................................................... 101 d Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie ........................................ 102 2 Ein Tag geht nun zu Ende, Herr ..................................................................... 103 a Formale Struktur ......................................................................................... 104 b Inhaltliche Strukturen ................................................................................. 106 1) Isotopie ‚(Tages-)Zeiten’ ....................................................................... 107 2) Isotopie ‚Licht und Dunkelheit’ .......................................................... 109 E XKURS : Lichtfeier, Agape und Eucharistie ........................................................ 110 a Luzernarium .................................................................................................. 110 b Agape und Eucharistie .................................................................................... 112 3) Isotopie ‚Leben als Weg’ ....................................................................... 113 c Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie ........................................ 114 3 Gehe ein in deinen Frieden! ........................................................................... 115 a Formale Analyse .......................................................................................... 116 b Inhaltliche Analyse ...................................................................................... 119 1) Isotopie ‚Rekreation’ ............................................................................. 119 2) Isotopie ‚Lobpreis der Schöpfung und des Herrn’ ............................ 120 E XKURS : Abendliche Danksagung ....................................................................... 122 c Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie ........................................ 123 <?page no="9"?> IX 4 Hüll mich ganz in deine Ruhe ein ................................................................. 125 a Formale Struktur ......................................................................................... 125 b Inhaltlich-Semantische Analyse ................................................................ 128 1) Schulderkenntnis und Vergebungsbitte ............................................. 128 E XKURS : Das Abendopfer ....................................................................................... 129 2) Vorsatz zu sittlichem Handeln ............................................................ 132 3) Ruhe ........................................................................................................ 133 c Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie ........................................ 134 5 Bevor die Sonne sinkt ...................................................................................... 135 a Textformale Analyse ................................................................................... 135 b Inhaltlich-Semantische Analyse ................................................................ 136 1) Isotopie ‚Gebet’ ...................................................................................... 136 2) Isotopie ‚Gabe und Rückgabe der Zeit’ .............................................. 137 E XKURS : Der Rückblick auf den Tag .................................................................... 138 c Ursprung und Varianten des Liedes ......................................................... 138 1) Ursprung des Textes ............................................................................. 138 2) Melodie-Varianten ................................................................................ 139 d Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie ........................................ 141 6 Der Lärm verebbt .............................................................................................. 143 a Zum schwedischen Original und seiner deutschen Übertragung ........ 143 b Formale Aspekte .......................................................................................... 143 1) Textstruktur ........................................................................................... 143 2) Musikalische Struktur und Semantik ................................................. 144 c Textsemantische Aspekte ........................................................................... 145 1) Der Abend als Gebetszeit ..................................................................... 145 E XKURS : Vesperale (Für-)Bitte ............................................................................... 146 2) Direkte und indirekte Akteure des Liedes ......................................... 148 a) Engel ................................................................................................. 148 b) Gott ................................................................................................... 149 (1) Gott als Segnender .................................................................... 149 (2) Gott als Arzt .............................................................................. 150 (3) Gott als Gerechter und Befreier .............................................. 152 c) Menschen ......................................................................................... 153 d Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie ........................................ 154 E XKURS : Die Komplet ............................................................................................. 155 a Benediktinische und römische Komplet .......................................................... 155 b Abendsegen L UTHERS ..................................................................................... 158 c Zur rituellen Funktion des Nachtgebets ........................................................ 159 7 Ich liege, Herr, in deiner Hut .......................................................................... 160 a Formale Analyse .......................................................................................... 161 b Inhaltlich-Semantische Analyse ................................................................ 164 1) Isotopie ‚Heilserfahrung’ - Göttlicher Schutz und sorglose Ruhe ........................................................................................................ 166 2) Isotopie ‚Unheilserfahrung’ ................................................................. 167 <?page no="10"?> X a) Angst und Leiden ........................................................................... 167 b) Dunkelheit und finstere Zeit ......................................................... 167 3) Isotopie ‚Gläubige Gewissheit’ ............................................................ 168 E XKURS : Psalm 4 ....................................................................................................... 169 4) Verbindung von Psalm und Lied ........................................................ 172 c Biographische und zeitgeschichtliche Deutung ...................................... 173 d Pragmatik ..................................................................................................... 176 e Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie ........................................ 177 8 Von guten Mächten treu und still umgeben ................................................ 178 a Formale Hinweise und Strukturen ........................................................... 179 b Inhaltliche Analyse - Die kommunikative Struktur des Liedes ............ 181 1) Adressaten und Adressanten .............................................................. 182 2) Opponenten ........................................................................................... 184 3) Wunschobjekte ...................................................................................... 185 4) Die Helfer: Gute Mächte ....................................................................... 187 Exkurs: Psalm 91 ..................................................................................................... 188 a Auslegung ....................................................................................................... 188 b Liturgische Verortung des 91. Psalms ............................................................ 193 5) Verwebung von Psalmen im Lied ....................................................... 195 c Zeitgeschichtlicher Hintergrund und biographische Deutung des Liedes ..................................................................................................... 199 d Wirkungsgeschichte .................................................................................... 203 1) Fortleben des Gedichts als Lied ........................................................... 203 2) Übersetzung des Liedes in die Gegenwart ........................................ 207 3) Rubrizierung .......................................................................................... 208 e Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie ........................................ 208 9 Abend ward, bald kommt die Nacht ............................................................. 209 a Basisinformationen ...................................................................................... 209 b Formale Analyse .......................................................................................... 210 c Inhaltlich-Semantische Analyse ................................................................ 211 1) Isotopie ‚Schutz durch Jesus Christus’ ............................................... 212 2) Isotopie ‚Geschützt zwischen Gewissheit und Bedürftigkeit’ ......... 214 3) Abend ward - ein Nachruf? ................................................................. 215 d Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie ........................................ 216 10 Bleib bei mir, Herr ............................................................................................ 217 a Formale Strukturanalyse ............................................................................ 217 b Inhaltliche Analyse - Die kommunikative Struktur des Liedes ............ 220 1) ICH .......................................................................................................... 221 2) HERR ...................................................................................................... 222 3) OPPONENTEN ..................................................................................... 223 a) Kampf ............................................................................................... 223 b) Dunkelheit ....................................................................................... 224 c) Vergänglichkeit, Leid und Tod ..................................................... 224 E XKURS : Commendatio animae ............................................................................. 226 d) Versucher ......................................................................................... 227 <?page no="11"?> XI E XKURS : Der ‚Feind’ in der Komplet .................................................................... 228 4) Zusammenfassung ................................................................................ 230 c Das englischsprachige Original ................................................................. 230 1) Inhaltliche Divergenzen ....................................................................... 232 2) Die ursprünglichen Strophen 3, 4 und 5 des englischen Originals ................................................................................................. 233 d Wort-Ton-Verhältnis ................................................................................... 234 e Die Übertragung von R AHE und R INGSEISEN ........................................... 235 f Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie ........................................ 236 11 Nun trägt der Abendwind den Tag ............................................................... 238 a Formale Analyse ......................................................................................... 239 1) Grammatikalische Struktur ................................................................. 239 2) Syntaktische Struktur ........................................................................... 239 3) Musikalische Struktur .......................................................................... 241 b Inhaltlich-Semantische Analyse ................................................................ 241 1) Isotopie ‚Aerodynamik’ ........................................................................ 242 2) Isotopie ‚Zeit’ ......................................................................................... 245 3) Isotopie ‚Gewicht’ ................................................................................. 247 4) Isotopie ‚Glaube’ ................................................................................... 247 c Der Subtext der Melodie ............................................................................. 248 d Verschränkung vesperaler und kompletorischer Themen .................... 250 e Der Abend im Kontext des Liedes ............................................................. 252 12 Schnell eilt der Tag dem Abend zu ............................................................... 253 a Formale Analyse .......................................................................................... 254 b Inhaltlich-Semantische Analyse ................................................................ 254 c Kontextuelle Deutung ................................................................................. 256 d Der Abend im Kontext des Liedes ............................................................ 257 13 Zusammenfassung ........................................................................................... 259 E D ER A BEND (II): G RENZE LEBENSWELTLICHER E RFAHRUNG ............................. 261 II. T EIL : D ER A BEND IM L EBEN .................................................................... 267 A M ATERIAL UND M ETHODEN ............................................................................... 267 1 Narrativ-fokussierte Interviews ..................................................................... 268 a Struktur und Verlauf .................................................................................. 269 b Leitfaden ....................................................................................................... 273 c Das Problem der ‚Laborsituation’ ............................................................. 274 d Daten zu den geführten Interviews .......................................................... 275 1) Auswahl der Interviewpartner ............................................................ 275 2) Umfeld und Situierung der Interviews .............................................. 276 3) Kurzbeschreibungen der einzelnen Interviewpartner ..................... 277 a) *Babsi Sander (BS) und *Jörn Linneweber (JL) ............................ 277 b) *Elisabeth Schmidt (ES) .................................................................. 277 c) *Katharina Engel (KE) .................................................................... 278 d) *Katja Ronsdorf (KR) ...................................................................... 278 <?page no="12"?> XII e) *Nadine Kremer (NK) .................................................................... 278 f) *Philipp Hansel (PH) ...................................................................... 279 g) *Rolf Colmar (RC) ........................................................................... 279 h) *Rainer Ganz (RG) .......................................................................... 279 i) *Renate Roberg (RR) ....................................................................... 279 e Transkription ............................................................................................... 279 2 Methoden zur Auswertung der Interviews .................................................. 280 a Fragestellung der Auswertung .................................................................. 281 b Qualitative Inhaltsanalyse .......................................................................... 282 c Zu den Grenzen der Auswertung und der Problematik ihrer Darstellung ................................................................................................... 283 B E RLEBEN , W IRKUNG UND D EUTUNG DES A BENDS IM A LLTAG ........................ 287 1 Der Abend als zweiphasige Schwellenzeit .................................................. 287 a Gestaltung des Übergangs von der Arbeit zur ‚Freizeit’ ....................... 287 b Ruhe und Entspannung als Indikatoren des Übergangs ....................... 290 c Routinehafte und rituelle Gestaltung des Abends .................................. 292 Deutung des Liedes ‚Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen’ ....................... 299 2 Distanzierung und Bewältigung des Alltags ............................................... 300 Deutung des Liedes ‚Bevor die Sonne sinkt’ ................................................... 301 Deutung des Liedes ‚Hüll mich ganz in deine Ruhe ein’ ............................... 303 3 Die Macht der Dunkelheit .............................................................................. 305 a Biorhythmische und psychische Einflüsse von Dunkelheit ................... 305 b Kognitive und emotionale Aspekte der Nacht ........................................ 308 Deutung des Liedes ‚Gehe ein in deinen Frieden! ’ .......................................... 309 Deutung des Liedes ‚Der Lärm verebbt’.......................................................... 310 4 Bilder der Kontingenz ..................................................................................... 313 a Nacht als Bild des Todes ............................................................................ 313 Deutung des Liedes ‚Ein Tag geht nun zu Ende, Herr’ .................................. 313 Deutung des Liedes ‚Bleib bei mir, Herr’ ........................................................ 314 b Deutekategorien ‚dunkel’ und ‚schwer’ als Ausdruck der Ablehnung ............................................................................................. 317 Deutung des Liedes ‚Von guten Mächten treu und still umgeben’ ................ 320 c Von der Endlichkeit der Zeit ..................................................................... 326 Deutung des Liedes ‚Schnell eilt der Tag dem Abend zu’ ............................... 328 Deutung des Liedes ‚Nun trägt der Abendwind den Tag’ .............................. 332 5 Erwartungshaltungen an die christliche Frömmigkeit .............................. 334 a Vorstellungen von Gott und der Kirche ................................................... 334 b Gottvertrauen als Charakterschwäche ..................................................... 336 Deutung des Liedes ‚Ich liege, Herr, in deiner Hut’ ....................................... 337 <?page no="13"?> XIII c Glaubenspraxis als Lebenshilfe ................................................................. 342 Deutung des Liedes ‚Abend ward, bald kommt die Nacht’.............................. 346 6 Zusammenfassung ........................................................................................... 349 C D ER A BEND (III): P ROBLEM DER S YMBOLAKZEPTANZ ...................................... 351 A USBLICK .............................................................................................................. 355 1 Probleme und Perspektiven für die pastorale Praxis ................................. 355 2 Methodischer Ertrag der Studie ...................................................................... 357 A PPENDIX .............................................................................................................. 361 Texte und Quellen der verwendeten Abendlieder .............................................. 361 Tabelle I: Themen und Motive in Abendliedern des 20. Jahrhunderts ............. 401 Tabelle II: Adressaten und Adressanten der Lieder ............................................ 406 Synopse der Textvarianten zu The day, Thou gavest, LORD, is ended ................. 411 Synopse der Textvarianten zu Abide with me ........................................................ 412 Personenregister ...................................................................................................... 413 V ERZEICHNISSE .................................................................................................. 415 Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................... 415 Quellen- und Literaturverzeichnis ........................................................................ 421 <?page no="15"?> 1 E INLEITUNG 1 Hinführung Als ‚Abend’ wird in europäischen Kontexten im Allgemeinen die Zeit zwischen Sonnenuntergang und der völligen Abwesenheit des Tageslichtes, der Finsternis, beschrieben. 1 Es sind vor allem die Naturphänomene, die diese Zeit prägen. Bevor der Abend als eigener Begriff eingeführt wurde, bezeichnete in den europäischen Sprachen der Sonnenuntergang das, was wir heute unter Abend verstehen. Während diese Tageszeit durch den Wechsel vom Licht zur Dunkelheit als Übergang vom Tag zur Nacht verstanden wird, gilt er in volkstümlichen Erzählungen und Sagen schon als Teil der Nacht. 2 Der DUDEN differenziert zwischen den natürlichen, den Abend prägenden Erscheinungen, dem Übergang von Helligkeit zur Dunkelheit, und den sozialen Dimensionen dieser Tageszeit. 3 Im Gegensatz zum Abend beschreibt man mit ‚Nacht’ die Zeit der Dunkelheit; dies ist ihrer Wurzelbedeutung nach auch ihr etymologischer Gehalt: Nacht bedeutet ‚dunkel’. 4 In Fachlexika ist insgesamt relativ wenig über den Abend zu finden. Der Volksmund hingegen räumt dem Abend vielfach Raum ein: Es wird vom Ende eines Menschenlebens als „Lebensabend“ gesprochen; „Es ist noch nicht aller Tage Abend“ 5 stellt den Abend in den Kontext der Endlichkeit - wenn es aller Tage Abend geworden ist, dann, so meint das Sprichwort, gibt es keinen Handlungsspielraum mehr; „Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben“ 6 will sagen, dass man sich sinnvollerweise erst am Abend Zeit für eine Reflexion des vergangenen Tages nehmen soll, denn erst am Abend können Qualität und Ertrag eines Tages beurteilt werden. Der Abend scheint heute im Gegensatz zu den Zeiten vor der Industrialisierung weniger deutlich durch Naturphänomene beeinflusst zu sein. Während früher das vergehende Tageslicht notwendigerweise in weiten Teilen der Bevölkerung auch die Beendigung der Arbeit bedeutete, 7 ist spätestens seit der allgemeinen Etablierung des elektrischen Lichtes dem Arbeitstag keine natürliche Grenze mehr gesetzt. Flexible Arbeitszeiten oder Schichtarbeit führen mitunter zu einer Unterbrechung bzw. Aufhebung des natürlichen Tagesrhythmus. 1 Vgl. J UNGBAUER , G USTAV : Art. „Abend“. In: HWDA 1 (1927) 23-36. 23. 2 Vgl. ebd.; s. auch S EEBOLD , E LMAR : Art. „Abend“. In: KLUGE. Eintrag 12.738. 3 Vgl. Art. „Abend“. In: DUDEN, 53. 4 Vgl. J UNGBAUER , G USTAV : Art. „Nacht“. In: HWDA 6 (1934/ 1935) 768-793. 769. 5 Art. „Abend“. In: TPMA 1 (1995) 9. 6 Ebd. 7 Vgl. J UNGBAUER , Nacht, 734. <?page no="16"?> 2 a Die soziale Dimension des Abends Darüber hinaus scheint mit der Veränderung sozialer Lebenswelten und Lebensweisen auch eine Veränderung der sozialen Dimension des Abends einherzugehen. Die Familie ist nicht ausschließlich der Bezugsrahmen, in dem man sich am Abend bewegt und seine Freizeit gestaltet. Nicht zuletzt bietet das vielfältige Angebot der Freizeitkultur die Möglichkeit, den Abend vor allem als Freiraum zu nutzen. 8 Die soziale Dimension, die der Abend in früheren Gesellschaften noch hatte, ist der persönlichen Entscheidung unterstellt; er kann Ort des gemeinschaftlichen Lebens sein, ist es aber nicht zwangsläufig. Abend und Nacht rücken gegenwärtig aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven in den Mittelpunkt des Interesses. Zum Beispiel wird das Fernsehkonsumverhalten in verschiedenen Phasen des Abends untersucht. 9 Strategien zur Behebung von Schlafstörungen, Entspannungstechniken und vieles mehr überfluten den Büchermarkt, worin deutlich wird, dass die moderne Weise des Abendbegehens und Abenderlebens nicht unproblematisch ist. 10 Der Religionssoziologe T HOMAS R EIMBOLD legte in den anbrechenden achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine umfassende Studie zu den verschiedenen religiösen Dimensionen der Nacht vor. 11 Durch Quellenanalyse von in der Nacht beheimateten Riten und theologischen Zeugnissen stellt er ein beeindruckendes Mosaik dieser Tageszeit zusammen, hinsichtlich des Abends teilt er jedoch kaum etwas mit. Die Studie von A LVAREZ 12 , die sich eher unter dem psychologisch-anthropologischen Blickwinkel der Nacht zuwendet, gibt über den Abend ebenfalls keine Auskunft. Im Rahmen 8 Vgl. hierzu S CHULZE , G ERHARD : Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt a. Main 8 2000. 9 Die zeitliche Struktur des Abends stellt sich im Fernsehen folgendermaßen dar: Die Zeit von 18-20h gilt als Vorabend, zwischen 20-24h wird das Abendprogramm gesendet, die meisten Zuschauer beenden spätestens nach 24h ihren Fernsehtag; deshalb startet auf den meisten Sendern ab 24h das Nachtprogramm. Siehe Art. „Zapping“ in: Medialexikon: http: / / medialine.focus.de/ PM1D/ PM1DB/ PM1DBF/ pm1dbf.htm? sn r=6281 (05.11.2004; 10.29 Uhr). 10 Vgl. z.B. D EMENT , W ILLIAM C. / V AUGHAN , C HRISTOPHER : Der Schlaf und unsere Gesundheit: Über Schlafstörungen, Schlaflosigkeit und die Heilkraft des Schlafes. Aus dem Amerik. von Rüdiger Hentschel, Monika Noll und Rolf Schubert. München 2000; S CHLÄFKE , M ARIANNE E. (Hg.): Schlaf und schlafbezogene autonome Störungen aus interdisziplinärer Sicht: mit Beiträgen aus den Fächern: Physiologie, Biochemie, Pädiatrie, Psychiatrie, Neurologie, Innere Medizin, Pneumologie und Hals-Nasen-Ohren- Heilkunde. Erstes Bochumer Schlaf-Symposium, 10.-12. Juli 1990. Bochum 1991; A N- SCHÜTZ , F ELIX : Klinik und Therapie von Schlafstörungen, Basel / Wien 1984; s. auch P ANDA , S ATCHIDANANDA , H OGENESCH , J OHN B./ K AY , S TEVE A.: Circadian rhythms from flies to human. In: Nature 417 (2002) 329-335. 11 S. R EIMBOLD , E RNST T HOMAS : Die Nacht im Mythos, Kultus, Volksglauben und in der transpersonalen Erfahrung. Eine religionsphänomenologische Untersuchung. Köln 1970. 12 S. A LVAREZ , A LFRED : Nacht. Von Dunkelheit, Träumen und Nachtschwärmern. Aus dem Englischen von O LGA R INNE -G OEDKE . Frankfurt a. Main 2000. <?page no="17"?> 3 einer hymnologischen Untersuchung der Komplethymnen von E INIG werden historische Aspekte des Abends diskutiert. 13 b Die liturgische Dimension des Abends Blickt man auf die liturgischen Dimensionen des Abends, so ist festzustellen, dass dem Abend seit der Reform des II. Vatikanischen Konzils eine neue Dignität beigemessen wird. Mit der so genannten ‚Vorabendmesse’ wird das biblische Zeitverständnis aktualisiert, in dem einst der Abend den Anfang der Zeiteinheit ‚Tag’ bildete. 14 Sie hat sich als beliebte Alternative zu den vormittäglichen Sonntagsmessen etabliert. Ganz im Gegensatz dazu erscheint die Tagzeitenliturgie regelrecht verkümmert zu sein: Mit dem wachsenden Einfluss der monastischen Lebensform wurde der kathedrale Feiertypus im Laufe der Kirchengeschichte mehr und mehr verdrängt, so dass die Beteiligung der Gemeinde am Tagzeitengebet in Vergessenheit geriet. 15 Das Stundengebet wurde zum Kennzeichen des Klerus und galt diesem bald exklusiv vorbehalten. Erst mit dem II. Vatikanum kam das Stundengebet wieder als Liturgie des Volkes in den Blick. 16 In der Allgemeinen Einführung in das Stundengebet (AES) wird ausdrücklich formuliert, dass die Tagzeitenliturgie das „ureigene Gebet“ 17 der Gemeinde sei. 18 Über vierzig Jahre danach ist festzustellen, dass die Weisungen dieser Einführung in den Gemeinden nur selten Umsetzung gefunden haben. Dies verrät z.B. ein Blick in die tagzeitlichen Gottesdienstangebote der Diözese Essen: 19 Dort lud keine Gemeinde bzw. Institution, abgesehen von der Hohen Domkirche und den in der Diözese angesiedelten Klöstern, täglich zu einer Gebetszeit ein. In durchschnittlich elf Gemeinden und Institutionen, knapp 4,6% von 13 S. E INIG , B ERNARD : Vom Tag zur Nacht. Die Hymnen der Komplet als Verdichtung, Begleitung und Bewältigung eines Transitus. (PiLi.S 8) St. Ottilien 1995 [zugl. Univ. Diss. Mainz 1988]. 14 S. z.B. Gen 23, 33. 15 Für die altkirchliche und frühmittelalterliche Praxis der Tagzeitenliturgie siehe grundlegend: M EßNER , R EINHARD : Einführung in die Liturgiewissenschaft, Paderborn 2001, 223-295; T AFT , R OBERT : The Liturgy of the Hours in East and West. The Origins of the Divine Office and Its Meaning for Today. Collegeville (Minnesota) 1986; W INKLER , G ABRIELE : Über die Kathedralevesper in den verschiedenen Riten des Ostens und Westens. In: ALw 16 (1974) 53-102. 16 Allerdings wurde die Reform der Tagzeitenliturgie primär aus der Perspektive des Klerus angestrengt. Die sog. Brevierpflicht sollte mit den Anforderungen an einen modernen Seelsorger in Einklang gebracht werden. Vgl. M EßNER , Einführung, 272. S. außerdem B IRNBAUM , W ALTER : Die deutsche katholische liturgische Bewegung. Das Kultusproblem und die liturgische Bewegung des 20. Jahrhunderts. Bd. 1: Tübingen 1966. Bd. 2: Tübingen 1970. Im evangelischen Raum gab es vergleichbare Initiativen, die sich der Tagzeitenliturgie in besonderer Weise verpflichtet fühlten. Vgl. hier z.B. die Notiz bei V ÖLKER , A LEXANDER : Die Nacht leuchtet wie der Tag. Erwägungen zum Gottesdienst in der Nacht. In: W ALTER S TÖKL (Hg.): Erfahrungen mit der Nacht. Meditationen und Reflexionen. Kassel 1976, 31-47.32. 17 AES 279. 18 Vgl. z.B. AES 7. 19 S. Pfarrnachrichten für die Diözese Essen in der Wochenzeitung Ruhrwort des Jahres 2003 1 - 51/ 52 (04.01. - 21.12.2003) 45. Jg. <?page no="18"?> 4 240 Einrichtungen, die das Angebot der Gottesdienstankündigungen in der Wochenzeitung Ruhrwort nutzten, wurde regelmäßig einmal in der Woche eine Vesper angeboten. Drei davon wurden in der Regel in Verbindung mit anderen gottesdienstlichen Formen (Messe, Rosenkranz, eucharistische Anbetung) durchgeführt. In fünf Gemeinden bzw. Institutionen 20 fand einmal wöchentlich eine Komplet statt, die in vier Fällen mit anderen gottesdienstlichen Formen verbunden wurde. Vier Gemeinden luden zu einem wöchentlichen Abendlob ein. Eine Institution bot außer samstags jeden Tag ein Abendlob an. Die Durchschnittswerte ergeben sich aus der Auszählung der jeweiligen Angebote während des Jahreskreises, d.h. die geprägten Zeiten Quadragesima, Ostern, Advent und Weihnachten wurden in dieser Wertung nicht berücksichtigt. Demgegenüber zeigt sich ein nur verhältnismäßig geringer Unterschied zu den Ankündigungen an besonderen christlichen Feiertagen: In der 16. Ausgabe des Jahres 2003, in der alle Gottesdienste von Karsamstag bis einschließlich Weißen Sonntag aufgelistet wurden, luden neben den elf Gemeinden, die regelmäßig die Tagzeiten feiern, weitere dreizehn zur Ostervesper am Sonntag ein; zwei davon waren besonders als „Ökumenische Vesper“ ausgewiesen. In derselben Woche boten außerdem zwei Gemeinden einmal eine Komplet an. Dieses Angebot gibt keine Auskunft über die tatsächliche Nachfrage, d.h. es bleibt unklar, inwieweit dieses spärliche Angebot überhaupt angenommen wurde. 21 Schließlich könnte sich die Praxis der Tagzeitenliturgie in einem halböffentlichen Raum vollziehen, d.h. dass sich einzelne Gruppen einer Gemeinde zwar regelmäßig zur Liturgia Horarum versammeln, ohne dass dies in der Kirchenzeitung extra erwähnt würde. Es werden zwar immer wieder Arbeitshilfen, Material- oder auch Rollenbücher für die Feier der Tagzeiten veröffentlicht; deren Einsatz bleibt oft jedoch auf besondere Festtage beschränkt. 22 Einen Grund für die Nichtannahme des Modells der Liturgia Horarum sieht R INGSEISEN vor allem darin, dass das gegenwärtige Stundengebet zu kompliziert strukturiert sei. Deswegen geht er in der Konzeption seiner Gottesdienstmodelle den Weg zurück zu den Urformen christlichen Tagzeitengebetes, um sich dort allerdings nicht kompletter Riten, sondern lediglich einzelner Rituselemente zu bedienen. 23 Auffällig sind extraordinäre liturgische bzw. paraliturgische Angebote, die speziell am Abend und in der Nacht stattfinden. Beispielsweise sei hier auf 20 Unter Institutionen werden hier kirchliche Einrichtungen gefasst, die zwar Gottesdienste anbieten, jedoch nicht über eine gemeindliche Struktur verfügen wie z.B. Cityseelsorge, Kranken- oder Tagungshäuser. Als Gemeinden werden hier Pfarreien und Pfarrverbände bezeichnet; mehrere Angebote eines Pfarrverbandes gelten in der Auswertung als Angebot einer Gemeinde. 21 Die neue Internetpräsenz des Bistums verfügt über einen sog. „Gottesdienstfinder“ (S. http: / / www.bistum-essen.de/ index.php? id=590 14.06.2006; 17.08 Uhr). Dort kann man unter verschiedenen Rubriken (Art des Gottesdienstes, Ort oder Suchbegriff) für jeden Kalendertag eines Jahres Gottesdienstzeiten und -orte innerhalb der Diözese Essen ermitteln. Bemerkenswerterweise tauchen weder die Begriffe ‚Tagzeitenliturgie’ oder ‚Stundengebet’ in den Auswahlmöglichkeiten des Gottesdiensttyps auf, noch führen diese Begriffe als Stichwort zu einem Ergebnis. Aus dem „Gottesdienstfinder“ geht also nicht hervor, ob es überhaupt eine Feier der Tagzeiten im Bistum Essen gibt. 22 S. z.B. R INGSEISEN , P AUL (Hg.): Morgenlob - Abendlob (Gemeindebuch). Feste und Anlässe im Kirchenjahr. Planegg 2004. 23 Vgl. D ERS .: Liturgische Einführung: In: D ERS . u.a. (Hgg.): Morgenlob - Abendlob. Mit der Gemeinde feiern. Bd. 1: Passionszeit - Osterzeit. Gemeindebuch. Planegg 2000, 3. <?page no="19"?> 5 die „Nacht der offenen Kirchen“ 24 oder so genannte „Liturgische Nächte“ verwiesen. Während das erstgenannte Angebot auch außerhalb des liturgischen Kontextes das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit für den Kirchenraum als Lebensraum wecken soll, 25 richtet sich das zweite explizit auf Abend und Nacht als gottesdienstliche Zeiten. Welche Funktion kommt dem Abend bei solchen Angeboten zu? Es sind selten inhaltliche Gründe, weswegen Abend oder Nacht im Titel einer Veranstaltung auftauchen. Das Zentrale dieser Sonderformen liegt wohl in der Andersartigkeit, die durch die Tageszeit hervorgerufen wird. Es scheint also nicht die Tageszeit selbst zu sein, die die Tagzeitenliturgie unattraktiv macht. Problematisch ist hier wohl eher, dass der Attraktion des Einmaligen und Besonderen die Kontinuität solcher Angebote wie der Liturgia Horarum entgegensteht. „Vesper und Komplet gehören heute nicht mehr zur täglichen Ordnung unseres Lebens. Die Komplet ist zum Nachtgebet geworden, als solches allen Schwankungen der persönlichen Frömmigkeit und des persönlichen Geschmackes ausgeliefert, entsinnlicht zu einem stummen Gebet des Herzens, der Einzelseele. Die Vesper, die schon früher in die Mittagsstunden vorverlegt wurde (vielleicht vor allem, um das Fasten früher brechen zu können), wird hie und da als festtägliche Abend=Feierstunde erneuert. Ungezählt sind die Scharen derer, die ohne Feierabend dahinleben, arbeitend bis in den Schlaf oder aus der Arbeitshetze in die Flucht vor der Selbstbesinnung, in Vergnügung und Rausch taumelnd. Aber immer noch ist die Zahl der besinnlichen Abende größer als die der besinnlichen Morgenstunden. So gilt es die Möglichkeit zu nutzen, die uns hier der Rhythmus unseres Lebens gelassen hat.“ 26 Diese Problemanzeige der von der evangelischen liturgischen Bewegung der 1930er Jahre geprägten Autoren K ONRAD A MELN und W ILHELM T HOMAS trifft auch heute noch zu. Was sich hier als eine Art Bestandsaufnahme des gesellschaftlichen Bewusstseins und der gottesdienstlichen Wirklichkeit liest, ist allerdings mittlerweile schon vor fast achtzig Jahren verfasst worden. An anderer Stelle heißt es in der Einführung der Hymnologen: „Wenn echte, heilsame Einkehr so selten ist, dann ist die begreifliche, oft gar nicht voll bewusste Flucht vor den Dämonen der Selbstbespiegelung und der Selbstverachtung mit daran schuld. Aber damit verliert der Tag einen wirklichen Abschluss, und der Verzicht darauf wird teuer bezahlt, nämlich mit dem Verlust des Abends und vielleicht sogar mit der Unfähigkeit zu einem wirklichen Abschluss des Lebens. Ein Mensch, der nicht rückschauend fertig wird mit seinen Erlebnissen, der am Abend des Tages nicht Feierabend macht - wie soll er am Abend des Lebens, wenn’s ans Sterben geht, zu einem wirklichen Abschluss seines Lebens kommen? Das ist der bittere Ernst, der hinter der Frage nach der rechten Begehung der Abendstunde steht.“ 27 24 Das Internet dokumentiert viele solche, meist stadtweite Angebote; s. z.B. http: / / www.nacht-der-kirchen.de oder http: / / www.nacht-der-offenen-kirche.de 25 Siehe z.B. http: / / www.khgbonn.de/ veranstaltung.php? con=960 (05.11.2004; 00.19 Uhr); http: / / www.offenekirchen.de (05.11.2004; 12.14 Uhr). Vgl. auch N AUMANN , B ET- TINA : Die Nacht: Wiederentdeckung von Raum und Metapher. (Beiträge zu Liturgie und Spiritualität 8) Leipzig 2002, 7. 26 T HOMAS , W ILHELM / A MELN , K ONRAD : Das Abendlied. 70 deutsche geistliche Abendlieder meist mit eigenen Weisen, aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert. Kassel 1930, 24. 27 Ebd., 10. <?page no="20"?> 6 c Die hymnische Dimension des Abends Aus hymnischer Perspektive zeigt sich, dass die für die Abendzeit geschriebenen Lieder bis zum Ende des 19. Jh. über ein relativ konstantes Themen- Repertoire verfügen. Die bereits erwähnten Hymnologen A MELN und T HO- MAS erkennen in der „Eintönigkeit der Abendliedgedanken“ 28 jedoch weniger einen Mangel, als eher eine Verstärkung der Wirkung dieser Lieder. Ihr Sinn und Zweck scheint also nicht so sehr darin zu liegen, in dem Besonderen und immer Anderen neue Themen aufzugreifen, sondern vielmehr durch eine gewisse Gleichförmigkeit einen ruhigen Tagesabschluss zu ermöglichen. Eine Studie von F RANZ aus dem Jahr 1997 zeigt ebenfalls auf, dass das Motivrepertoire von Abendliedern durch die Jahrhunderte hindurch relativ konstant geblieben ist. 29 Diese Motivik wurzelt in den biblischen und liturgischen Zeugnissen der Abendgebete der spätantiken bzw. frühmittelalterlichen Kirche. 30 Es stellt sich die Frage, ob diese Konstanz auch in Liedproduktionen des 20. Jahrhunderts beibehalten wird, oder ob bestimmte Motivtransformationen bzw. -ausfälle zu bemerken sind. F RANZ nennt zumindest einen zum Repertoire hinzutretenden Themenkreis, nämlich die „Erfahrung der entfliehenden Zeit“ 31 . Alle offiziellen christlichen deutschsprachigen Gesangbücher, die im letzten Jahrzehnt entstanden sind, weisen eine Rubrik „Abendlieder“ auf. Die Produzenten 32 dieser Liederbücher folgen damit einer alten Tradition der Gesangbuchrubrizierung, deren Einteilung sich am Tages-, Wochen-, Jahres- und Lebenspascha orientiert. 33 Das im Entstehen begriffene neue katholische Gesangbuch (*GGB) soll nach dem Willen der Verantwortlichen ebenfalls ei- 28 Ebd., 6. 29 S. F RANZ , A NSGAR : „Angelangt an der Schwelle des Abends“ Traditionen des Abendgebetes im Spiegel geistlicher Lieder. In: Gemeinsame Arbeitsstelle für gottesdienstliche Fragen (GAGF) 29/ 97 [Dokumentation des 4. Interdisziplinären ökumenischen Seminars zum Kirchenlied unter dem Thema: Dein ist der Tag und dein ist die Nacht. Zeit-Erfahrung im Kirchenlied. 10-14. März 1997, Kloster Kirchberg / Sulz am Neckar] 8-28. 30 Eine vergleichbare Untersuchung legte B RITTA M ARTINI vor, indem sie die Gesänge des *EG im Hinblick auf das Wort ‚Nacht’ untersuchte. Sie kommt in den Differenzierungen der Wortfelder zu einer ganz ähnlichen Einteilung wie F RANZ . In insgesamt zwölf motivische Bereichen kann sie die Nacht einordnen: 1. Sünde/ Gottesferne, 2. Trauer/ Depression, 3. Weltende/ Tod, 4. Bitte um den Schutz Gottes/ Engelschutz, 5. Gefährdung, 6. Zeitangabe, 7. Schöpfung, 8. Kontrastfunktion, 9. Anbruch der Erlösung, 10. Erholung, 11. Wachen, Beten und Kontemplation, 12. begrifflich ausgesparte Nacht. S. M ARTINI , B RITTA : Die Nacht im Evangelischen Gesangbuch. In: IAH Bulletin 28 (2002) 248-257. 31 Vgl. F RANZ , „Angelangt an der Schwelle des Abends“, 23. 32 Die vorliegende Studie verwendet den Ausdruck ‚Produzent’ sprachwissenschaftlich für diejenigen Personengruppen, die an der Entstehung der textlichen und/ oder musikalischen Gestalt eines Liedes beteiligt sind. Er wird alternativ zu den Begriffen ‚Autor’, ‚Komponist’ o.ä. genutzt. Parallel dazu werden diejenigen Personen, die das ‚Produkt’ Lied respektive eines seiner Elemente (Text oder Melodie) verwenden, ‚Rezipienten’ genannt. 33 Tageszeiten/ sonntägliche Messfeier/ Kirchenjahr. <?page no="21"?> 7 ne solche Rubrik aufweisen. 34 Geht man von einer Rubrizierung aus, die sich nicht allein einer bloßen Traditionspflege verpflichtet weiß, dann ist zu fragen, warum die Tagzeiten als Rubrik erscheinen, obwohl es faktisch kaum (liturgische) Orte gibt, diese zu vollziehen. Bei der Durchsicht des Evangelischen Gesangbuchs (*EG) zeigt sich, dass etwa 39% der im Stammteil unter der Rubrik „Abend“ stehenden Gesänge im 20. Jahrhundert produziert worden sind; in dem anderthalb Jahrzehnte älteren katholischen Gotteslob (*GL) sind von den fünf im Stammteil ausgewiesenen Abendliedern drei Übertragungen oder Neuschöpfungen des letzten Jahrhunderts. In diesem Befund spiegelt sich offenkundig das Bedürfnis wider, diese Tageszeit ‚ins Lied zu heben’. Der Abend bietet aus christlicher Sicht anscheinend ein Themenspektrum auf, das immer wieder zur Verdichtung und Vertonung einlädt. Möglicherweise deutet die Vielzahl der Neuschöpfungen aber auch darauf hin, dass die Stücke der Tradition heute nicht mehr als geeignet angesehen werden, weil sie etwa nicht mehr dem Erleben des Abends entsprechen oder aber in ihren Glaubensthemen und ihrer sprachlichen und musikalischen Gestalt nicht mehr genügen. 2 Gegenstand der Studie a Aufbau und Ziel der Untersuchung Der Abend wird in dieser Untersuchung aus drei Perspektiven beleuchtet: in der Dimension des alltäglichen Lebens, der des geistlichen Liedes und der der Liturgie. Durch diesen dreifachen Zugang soll eine Typologie des Abends im christlichen Kontext der Gegenwart entworfen werden. In einem ersten Schritt wird ermittelt, welche Themen und Motive in Abendliedern, die in den letzten 60 Jahren produziert worden sind, überhaupt vorkommen (Teil I B). Zu diesem Zweck wurden, um eine möglichst repräsentative Anzahl zu erhalten, etwa 200 Liedsammlungen und Gesangbücher im Hinblick auf ihren Bestand an Abendliedern geprüft. Die insgesamt 116 aufgefundenen Stücke dienen als Grundlage der Motiv-Evaluation, die einen ersten Eindruck davon vermitteln will, wie sich der Abend in Liedern darstellt. Im Anschluss daran wird anhand zwölf ausgewählter Liedbeispiele untersucht, wie sich einzelne prägende Motive zu den liturgischen Themen der Tradition verhalten. Das heißt, es wird erwogen, inwiefern die Motivik von Gegenwart und Tradition einander entspricht, bzw. welchen Transformationen und Ausfällen sie unterlegen ist (Teil I D). 34 Vgl. U NTERKOMMISSION G EBET UND G ESANGBUCH (Hg.): Univariate Auswertungsergebnisse des Fragebogens zum Stammteil des „Gotteslob“ sowie Zusammenstellung der Anmerkungen der Befragten. Erfassung und Auswertung durch DLI (Trier), Seminar für Liturgiewissenschaft der Katholisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelm Universität (Bonn), Prof. A LBERT G ERHARDS und Mitarbeiter, Studienrat i. K. B ERNHARD M EFFERT sowie Prof. Dr. W OLFGANG B RETSCHNEIDER i.A. der Unterkommission GGB. Köln 2003. In: http: / / www.liturgie.de/ liturgie/ projekte/ download/ ggb/ fergebnisse.pdf (12.07.2006; 19.47 Uhr). <?page no="22"?> 8 Zu diesem Befund werden die Aussagen und Erkenntnisse einer empirischen Untersuchung ins Verhältnis gesetzt. Die Typologie des Abends wird auf diese Weise um eine lebensweltliche Dimension ergänzt. Aus Qualitativen Interviews, die mit Menschen im Alter von 23 bist 73 Jahren geführt worden sind, wird evaluiert, wie der Abend gegenwärtig erlebt wird und welche Assoziationen die Befragten hinsichtlich dieser Tageszeit haben. Außerdem wird eruiert, inwiefern die Themen und Motive der liturgischen Tradition und der Lieder mit dem Erleben des Abends der Befragten korrelieren bzw. welche Widersprüche sich zeigen (Teil II B). Die gewonnenen Erkenntnisse über den Abend werden sukzessive jeweils am Ende eines größeren Untersuchungsabschnitts dargelegt (Kapitel I C und E sowie in II C - beginnend mit „Der Abend …“). Jeweils am Anfang von Teil I und II wird in das zugrunde liegende Material und die verwendeten Methoden eingeführt. Wer ausschließlich an den Analysen und Ergebnissen der Untersuchungen interessiert ist, kann diese Passagen also überspringen. b Der interdisziplinäre Ansatz der Studie Diese Studie versucht in einem multimethodischen Zugriff eine Typologie des Abends zu entwerfen. Da es sich bei einer der Hauptquellen um Lieder handelt, werden vor allem hymnologische Zugangsweisen gewählt. Die Hymnologie ist aus ihrem Selbstverständnis heraus ein interdisziplinärer Wissenschaftsbereich, in dem Methoden und Techniken der Sprach- und der Musikwissenschaft miteinander kombiniert werden. Im Rahmen dieser Untersuchung wird die Hymnologie um die Methoden und Techniken der Qualitativen Sozialforschung ergänzt, um interdisziplinär und nicht etwa nur additiv multidisziplinär forschen zu können. D.h. hier soll nicht nacheinander erst die eine, dann die andere Untersuchungsweise zum Zuge kommen, sondern es soll durch Verschränkung verschiedener Forschungsrichtungen eine Diskussion entstehen, die über den Forschungsgegenstand hinaus auch zu einer Evaluation und Neubestimmung der Wissenschaftsbereiche anregen möchte. In der Studie wird der Versuch unternommen, Liturgiewissenschaft und mit ihr die Hymnologie als einer ihrer Teilbereiche mit der so genannten Empirischen Theologie in Dialog zu bringen. Diese zunächst irritierende Bezeichnung ‚Empirische’ Theologie gründet in der langjährigen Forschung des Niederländers J OHANNES A. VAN DER V EN . Ziel dieser Forschungsrichtung ist nicht, wie der Titel vermuten lassen könnte, Gott mittels empirischer Untersuchungen zu definieren, sondern vielmehr induktiv aus den vorgefundenen Glaubensartikulationen der Befragten Aussagen über den Glauben formulieren zu können. Das bedeutet, dass die traditionellen Instrumentarien aus bibelwissenschaftlichen, historischen und systematischen Techniken und Methoden bezüglich der empirischen Methodologie erweitert werden. „Man kann diese Erweiterung mit dem Begriff Intradisziplinarität umschreiben, da er sich im allgemein-wissenschaftstheoretischen Sinn auf die Übernahme von Konzepten, Methoden und Techniken der Wissenschaft durch eine andere und <?page no="23"?> 9 auf die integrierende Aufnahme dieser Elemente in diese andere Wissenschaft bezieht.“ 35 Der Ausgangspunkt empirischer Forschung liegt immer in der Erfahrungs- und Erlebniswelt der befragten Menschen. Die Empirische Theologie will von diesem Ansatz ausgehend den Weg hin zu Theorie und Theologie beschreiten. Durch die empirische Theologie soll also nicht die Offenbarung subjektiviert, sondern es soll die subjektive Rezeption der göttlichen Offenbarung analysiert werden: „Die öffentliche Selbstmitteilung Gottes, die der Gläubige im Glauben empfängt, kann nicht unmittelbar durch die Theologie zum Forschungsobjekt gemacht werden, wohl aber die Rezeption dieser Selbstmitteilung Gottes auf Seiten des Gläubigen. Aufgrund der Selbstmitteilung Gottes im Glauben äußert sich der Gläubige als der Ergriffene, der Angesprochene: Er artikuliert sich als das Subjekt der Rezeption, besonders in der religiösen Erfahrung, in der er die Wirklichkeit religiös erfährt.“ 36 In Bezug auf geistliche Lieder bedeutet dies, dass die Rezeption der Selbstmitteilung Gottes in doppelter Weise geschieht, nämlich einmal direkt durch den Autor eines Liedes und einmal indirekt durch das Hören oder Singen dieses Liedes. Die vorliegende Untersuchung will sich den Paradigmenwechsel von der Theologie zur Anthropo-Theologie zu Eigen machen, indem sie ausgehend von der Wirklichkeit der Rezipienten nach relevanten Topoi des Abends fragt und diese in Relation zu Symbolen, Riten, Motiven und Themen christlicher Tradition setzt. Das methodische Rückgrat der Empirischen Theologie bildet die so genannte Grounded Theory. 37 Sie wurde in den 70er Jahren in der Chicagoer Schule durch A NSELM L. S TRAUSS und B ARNEY G. G LASER entworfen und in den 90er einer notwendigen Revision unterzogen. Die Methodik folgt der Idee, dass nicht eine Theorie von außen an das auszuwertende Material herangetragen und unter deren Prämissen untersucht wird, sondern dass der Stoff in sich selbst eine Theorie birgt, die durch Analyse ermittelt werden kann und soll. Die Grounded Theory ist keine lineare Form der Analyse, sondern eher eine Art hermeneutischer Zirkel, der dem heutigen Stand der Forschung nach in dem Wechsel von induktiver und deduktiver Analyse des Materials besteht. 35 V EN , J OHANNES A. VAN DER : Entwurf einer empirischen Theologie. Weinheim 2 1994, 117. 36 Ebd. 120. 37 G LASER , B ARNEY G./ S TRAUSS , A NSELM L.: Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung. Göttingen [ 1 1967] 1998, [engl. Erstausgabe: The discovery of Grounded Theory. Strategies for qualitative research. Chicago 1967]; S TRAUSS , A NSELM / C ORBIN , J ULIET M.: Grounded Theory. Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Aus dem Amerikanischen übersetzt von S OLVEIGH N IEWIARRA und H EINER L EGEWIE . Weinheim 1996. [engl. Erstausgabe: Basics on Qualitative Research: Grounded Theory Procedures and Techniques. 1990]; G LASER , B ARNEY G./ H OLTON , J UDITH : Remodeling Grounded Theory. In: Forum Qualitative Soziaforschung/ Forum: Qualitative Social Research 5 (2). 80 Absätze. http: / / www.qualitative-research.net/ fqs-texte/ 2-04/ 2-04glaser-e.htm (09. 02. 2006; 07.47 Uhr); S TRÜBING , J ÖRG : Grounded Theory. Zur sozialtheoretischen und epistemologischen Fundierung des Verfahrens der empirisch begründeten Theoriebildung (Qualitative Sozialforschung 15) Wiesbaden 2004. <?page no="24"?> 10 Hier werden hauptsächlich die Ergebnisse dieses Verfahrens dargestellt und nur in Fällen, die es sinnvoll und notwendig erscheinen lassen, wird das Verfahren in seinem Verlauf einbezogen und dem Leser transparent gemacht. Die Methode der Grounded Theory steht im Dienst der Fragestellung dieser Studie, sie ist nicht ihr Ziel und sie wird nicht um ihrer Selbstwillen angewendet. Es wird durch die Wahl der Methoden und Techniken dieser Arbeitsweise angezielt, aus Abendliedern und qualitativen Interviews eine umfassende Typologie des Abends im christlichen Kontext zu erstellen. Durch die Erstellung einer solchen Typologie wird es auch möglich, etwas über das Verhältnis von Symbol, Ritual und Lebenswelt allgemein auszusagen. c Gestalt und Funktion eines geistlichen Liedes Da geistliche Abendlieder den Ausgangspunkt und das Kernmaterial dieser Studie bilden, soll im Folgenden definiert werden, welche Voraussetzungen das Gebilde ‚Lied’ als Material wissenschaftlicher Auseinandersetzung mitbringt und welche Funktionen es erfüllt, die dem Anliegen der Untersuchung dienlich bzw. hinderlich sein können. Im Vergleich zur Lyrik verfügt ein Lied gewissermaßen über einen erweiterten poetischen Text; seine textuelle, poetische Ebene ist ergänzt um die Dimension, die ihm Melodie und Harmonie dazugeben. Einen poetischen Text kann man als eine Art „überstrukturierten Text“ 38 bezeichnen, „in dem die Alltagssprache zusätzlichen Regeln unterworfen ist bzw. [...] sie zusätzliche sekundäre textbildende Ordnungsmuster enthält, die im Hinblick auf die alltägliche Mitteilungsfunktion der Sprache überflüssig scheinen“ 39 . Ein Lied gewinnt an Überstrukturiertheit durch den „Text“ seiner Melodie noch hinzu. Im Zusammenspiel des Textes und der Melodie wird etwas mitgeteilt, das nicht ins Wort gehoben wird und dennoch zusätzliche Informationen über die Struktur eines Liedes und über dessen Gehalt bergen kann. Diese durch verschiedene Bedeutungsebenen produzierte Mehrdimensionalität eines Liedes kann nicht nur zu verschiedenen Lesarten und Interpretationen führen, sondern auch unterschiedliche Effekte bei seinen Rezipienten auslösen. In der Hyperstruktur eines Liedes konzentrieren sich auf textlicher und musikalischer Ebene Themen und Motive. Lieder eignen sich daher in besonderer Weise zur Beschreibung bestimmter Phänomene: In dem uns interessierenden Fall ‚Abend’ soll durch Analyse von Abendliedern erhoben werden, wodurch das Erleben des Abends in der christlichen Tradition bestimmt wird, welche theologischen oder auch anthropologischen Themen und Motive sich um ihn ranken. 38 L INK , J ÜRGEN : Das lyrische Gedicht als Paradigma des überstrukturierten Testes. In: H ELMUT B RACKERT (Hg.): Literaturwissenschaft. Grundkurs I. Hamburg 1981, 192-219. 192f; D ERS .: Elemente der Lyrik. In: H ELMUT B RACKERT / J ÖRN S TÜCKRATH (Hgg.): Literaturwissenschaft. Ein Grundkurs. Hamburg 4 1996, 86-101. 87. 39 S CHULTE -S ASSE , W ERNER / W ERNER , R ENATE : Einführung in die Literaturwissenschaft. (UTB 640) Stuttgart 1977, 126f. <?page no="25"?> 11 Angesichts des heute unklaren liturgischen Einsatzortes von Abendliedern stellt sich die grundsätzliche Frage nach Rolle und Funktion von geistlichen Liedern und Kirchenliedern. Liturgiewissenschaftlich bzw. hymnologisch wird die Funktion von Liedern meistens kontextgebunden im Hinblick auf die Rolle des Liedes im Rahmen eines Ritus diskutiert. 40 Die Relation von Ritus und Lied muss in einer Wechselbeziehung begriffen werden: Nicht nur der faktische liturgische Ort eines Liedes gibt ihm seine Funktion; unter Umständen divergieren die Inhalte eines Liedes von den Inhalten seines Einsatzortes derart, dass sich dadurch die Funktion und der Inhalt des Ritus ändern können. 1) Hermeneutische Brücke zwischen Tradition und Gegenwart Doch auch jenseits eines konkreten liturgischen Vollzugskontextes übermitteln geistliche Lieder Elemente der christlichen Tradition, nämlich indem in ihnen klassische Themen und Bilder aufgegriffen werden. Sie fungieren, immer vorausgesetzt, sie werden rezipiert, als hermeneutische Brücken zwischen der christlichen Tradition und der gegenwärtigen individuellen Glaubenserfahrung. Geistliche Lieder sind aber nicht ausschließlich Überbringer des Traditionsguts, sie bieten auch eine Verstehens- und Interpretationshilfe der christlichen Überlieferung an. Darüber hinaus verbindet sich im Hören oder Singen von Liedern die motivische Tradition mit der eigenen Erfahrung des Vollziehenden; er deutet die Lieder auf der Folie seiner Erfahrung. Als Grundanahme der Studie wird also davon ausgegangen, dass die zugrunde liegenden Abendlieder aus dem 20. Jahrhundert traditionell geformte Symbole und Motive in sich bergen. Ein entstehender Überhang von ‚neuen’ Symbolen und Themen im Verhältnis zur traditionellen Motivik des Abends bzw. der Ausfall zentraler Symbole wird eigens thematisiert. Daneben wird im empirischen Teil der Untersuchung die Wirkung und Deutung von Liedern und ihren Motiven berücksichtigt. 2) Hermeneutische Brücke zwischen Dogmatik und Frömmigkeit Hinsichtlich des besonderen hymnologischen Stellenwertes dieser Studie ergibt sich ein Themenkomplex, der das Verhältnis von Produktion und Rezeption von Liedern betrifft. Vielfach wird vorausgesetzt, dass die in Kirchenliedern präsenten Glaubensthemen dem faktischen Glauben des Rezipienten entsprechen. 41 Oder anders ausgedrückt: Es wird angenommen, 40 S. hierzu auch F UHRMANN , S IRI : „Mehr als Worte sagt ein Lied“. Zur Beurteilung und Analyse geistlicher Liede., In: A NNETTE A LBERT -Z ERLIK / D IES . (Hgg.): Auf der Suche nach dem neuen geistlichen Lied. Sichtung - Würdigung - Kritik. (MHS 19) Tübingen 2006, 3-24. Im Rahmen einer Messfeier erhalten Lieder beispielsweise eine bestimmte Funktion innerhalb des Ritus. Da wird etwa ein Glaubenslied, unabhängig von den geltenden liturgischen Normen, an Stelle des Credos eingesetzt und erhält somit etwa eine proklamierende oder konfirmierende Funktion. 41 „Wer aber nicht dauon singen vn sagen wil / das ist ein Zeichen / das ers nicht gleubet […].“ (Vorrede L UTHERS zum Babstschen Gesangbuch. In: Das Babstsche Gesangbuch von 1545. Faksimiledruck. Mit einem Geleitwort hg. v. K ONRAD A MELN . (Documenta Musicologica. Erste Reihe XXXVIII) Kassel / Basel / London / New York 1988, <?page no="26"?> 12 dass aus einem Kirchenlied unmittelbar Informationen über Gehalt und Gestalt des Glaubens zu einer bestimmten Zeit oder in einer konkreten Region abgeleitet werden können. In der Reflexion über geistliche Lieder bzw. Kirchenlieder wird diese Annahme dann zur Basis weiterer Überlegungen über die ‚Beschaffenheit’ der Liedrezeption. In einer Studie zum Neuen Geistlichen Lied (NGL) wird beispielsweise auf dieser Basis eine Theologie und Anthropologie des Liedes entwickelt, ohne zuvor danach gefragt zu haben, ob wirklich eine Einheit zwischen Gesungenem und Geglaubten besteht. Dem NGL wird dann zugeschrieben, dass es etwa identitätsstiftend, gemeindebildend oder in pragmatischer Hinsicht eine Form wirkmächtigen Handelns sei, 42 ohne die Prämisse hinterfragt zu haben, ob der Vollzug eines Liedes überhaupt Konsequenzen für den Rezipienten bzw. nicht die erwartete Wirkung auf ihn haben könnte. 43 Die vorliegende Untersuchung setzt früher an, indem sie versucht, einen möglichen Zusammenhang zwischen Glauben und Liedinhalt aufzudecken: Inwiefern besteht überhaupt ein Zusammenhang zwischen dem, was Menschen glauben und dem, was sie singen? Warum singen Menschen bestimmte Lieder, fühlen sich von anderen spontan abgestoßen? Ist es eventuell eher die ‚Magie’ einer Weise, die jenseits aller textlichen Tiefe das Urteil über ein Lied beeinflusst? Oder es sind die persönlichen Erinnerungen, die sich mit einem Lied verknüpfen, ohne dass dessen Aussagen in irgendeiner Weise Auskunft über die eigene Spiritualität geben? Inwiefern werden Spiritualität und Frömmigkeit von Glaubensaussagen in Liedern beeinflusst bzw. auf welche Weise und unter welchen Vorraussetzungen werden Lieder ausgewählt und gesungen? Diese Überlegungen werden im Rahmen eines Paradigmas erörtert. Anhand des Abends und der für diese Tageszeit geschriebenen geistlichen Abendlieder soll untersucht werden, welche Beziehung zwischen dem Inhalt eines Liedes und der (Glaubens-)Realität des Rezipienten besteht und in welcher Abhängigkeit die Wirkungen eines Liedes bzw. dessen Deutung zu den [4]) - dieser prominente Satz M ARTIN L UTHERS wird vielfach bemüht, um die Relevanz der Beziehung zwischen der Weltwirklichkeit und der Wirklichkeit eines Liedes zu betonen. Singen und Glauben scheinen, so der Ausspruch, eine Einheit zu bilden: Wenn jemand nicht singt, dann glaubt er nicht; wenn eine singt, dann glaubt sie das Gesungene. So etwa bei G REULE , A LBRECHT : So sie’s nicht verstehen, so sollten sie’s nicht singen? Über den Beitrag der Sprachwissenschaft zur Kirchenliedforschung. In: H ER- MANN K URZKE / H ERMANN Ü HLEIN (Hgg.): Kirchenlied interdisziplinär. Frankfurt a. Main u.a. 2 2002, 47-64; s. auch H ARNONCOURT , P HILLIP : „So sie’s nicht singen, so gleuben sie’s nicht.“ Singen im Gottesdienst. Ausdruck des Glaubens oder liturgische Zumutung? In: H ANSJAKOB B ECKER / R AINER K ACZYNSKI (Hgg.): Liturgie und Dichtung. Ein interdisziplinäres Kompendium II. (PiLi 2) St. Ottilien 1983, 139-172. 42 Siehe etwa H AHNEN , P ETER : Das ‚Neue Geistliche Lied’ als zeitgenössische Komponente christlicher Spiritualität. (TuP 3) Münster 1998 [Zugl Univ. Diss Münster / Westf. 1997]. 43 Die besondere Problematik des Liedes als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung erörtert auch L IEBERKNECHT , wenn er der Frage nachgeht, inwiefern Kirchenlieder ‚Repräsentanten kirchlicher Wirklichkeit’ sein können. Vgl. L IEBERKNECHT , U LRICH : Gemeindelieder. Probleme und Chancen einer kirchlichen Lebensäußerung. (VLH 28) Göttingen 1994 [zugl. Diss. Naumburg 1988] 58-67. <?page no="27"?> 13 Liedinhalten stehen. Der Abend eignet sich als Exempel für diese Untersuchung deshalb in besonderer Weise, weil die für ihn verfassten Lieder zunächst nicht, wie es beispielsweise bei einem Tauflied der Fall ist, per se einer konkreten dogmatischen Glaubensaussage unterliegen. Dadurch soll es auch möglich werden, Faktoren der Liedrezeption zu entdecken, die liturgisch oder sakramententheologisch geprägte Lieder unter Umständen nicht preisgeben würden. 44 44 Da sich in den meisten Abendliedern mehrere ‚große’ theologische Themenbereiche wiederfinden lassen, ist dem Rezipienten beispielsweise die Möglichkeit gegeben, auch nur Teile eines Liedes zu akzeptieren. Wenn jemand hingegen z.B. grundsätzlich der Thematik von Buße und Beichte ablehnend gegenübersteht, wird er ein Bußlied schwerlich singen wollen. Es ist außerdem zu erwägen, ob es denn so etwas wie eine ‚Notwendigkeit’ des Liedverstehens gibt und welche Konsequenzen sich daraus für Theorie und Praxis von Lied und Liturgie ableiten lassen. Hierbei soll auch das Phänomen des „garstigen Grabens“ zwischen Wissenschaft und ‚Normal’-Rezeption in der Wertung von Liedern und den zugrunde liegenden Kriterien diskutiert werden. <?page no="29"?> 15 I. T EIL : D ER A BEND IN L IED UND L ITURGIE Der erste Teil der Untersuchung befasst sich schwerpunktmäßig mit der motivisch-thematischen Erschließung geistlicher Abendlieder, die seit dem II. Weltkrieg produziert worden sind. Neben einer allgemeinen Motiverhebung, d.h. der Ermittlung einer Art Themenspektrum (Kapitel B), werden exemplarisch zwölf Abendlieder ausführlich interpretiert und zur Motivik der liturgischen Tradition am Abend in Beziehung gesetzt (Kapitel D). Nach jedem dieser beiden Artikel wird der Versuch unternommen, strukturell etwas über die Tageszeit und ihre Funktionen auszusagen (Kapitel C, E). Diese Erkenntnisse dienen dem zweiten, empirisch geprägten Teil der Studie als Bezugs- und Vergleichsgröße. A M ATERIAL UND M ETHODEN 1 Erhebung eines Themenspektrums von Abendliedern a Vorgehensweise und Ziel der Analyse Im ersten Auswertungsteil (B) werden die Ergebnisse einer allgemeinen Motiverhebung vorgestellt. Dies erfolgt in drei Schritten: (1) Zunächst werden anhand einer lexematischen Auswertung erste thematische Tendenzen aufgezeigt. (2) Im umfassendsten zweiten Teil findet sich ein Überblick der Inhalte und Themen der Abendlieder. Es wird hierbei das Ziel verfolgt, sich ein Bild darüber zu verschaffen, welche Motive überhaupt vorkommen, welche Schwerpunkte unter den Themen auszumachen sind und in welchem Bezug einzelne Motive zueinander stehen. (3) Schließlich wird in einer Zusammenfassung dargelegt, wie einerseits auf Basis der Erhebungen ein Prototyp „Abendlied“ aussehen würde. Außerdem werden anhand des Materials Lied erste Überlegungen zur Funktion und Dimension des Abends formuliert (C). b Auswahlkriterien der zugrunde liegenden Lieder Um aus Liedern Schlussfolgerungen über die Gesellschaft und das geistliche Leben der letzten 60 Jahre ziehen zu können, wird bei allen Liedern vorausgesetzt, dass sie, wenn nicht praktisch, dann zumindest theoretisch einer größeren Gruppe von Rezipienten zur Verfügung stehen bzw. gestanden haben. Um dem Faktum der Rezeptionsmöglichkeit in angemessener Weise Rechnung zu tragen, wurde außerdem nicht das Abfassungsdatum eines <?page no="30"?> 16 Liedes als Auswahlkriterium genommen, sondern das Datum seiner Erstpublikation. 45 In einem ersten Schritt der Untersuchung wurden daher ca. 200 Gesangbücher, Gesangbuchanhänge, Liedhefte und -sammlungen, die seit 1945 publiziert worden sind, im Hinblick auf geistliche Abendlieder evaluiert. Angesichts der unübersehbaren Fülle der allein seit der Nachkriegszeit entstandenen Liederhefte im evangelischen und katholischen deutschsprachigen Raum ist davon auszugehen, dass nicht alle Sammlungen berücksichtigt wurden. Gleichwohl geht die Verfasserin davon aus, insgesamt eine repräsentative Bandbreite von Abendliedern aus unterschiedlichen Jahrzehnten ermittelt zu haben. Soweit die betreffenden Bücher darüber verfügen, war die Rubrizierung bzw. der Themenschlüssel einer Sammlung für die Berücksichtigung eines Liedes maßgeblich. In den Fällen, in denen kein Themenschlüssel als Hilfe diente, wurde jeweils der gesamte Liedbestand eines Gesangbuches bzw. Liedheftes ausgewertet. Allerdings wurden nicht einfach alle in einer Rubrik vorgeschlagenen Lieder in die Auswertung miteinbezogen, sondern auch hier eine Auswahl vorgenommen. Sie folgte drei Maßgaben: (1) Nicht bei allen unter der Abteilung ‚Abend’ rubrizierten Lieder handelt es sich auch um Abendlieder in dem Sinne, dass sie explizit oder implizit motivisch-thematisch auf die Tageszeit Abend Bezug nehmen. Es finden sich dort auch z.B. allgemein gehaltene Segenslieder, die sich prinzipiell zwar auch für ein Abendlob eignen würden, aber eben nicht den Abend in irgendeiner Weise beschreiben. 46 (2) Da hier theologisch-spirituelle Dimensionen des Abends erforscht werden sollen, werden bewusst geistliche Abendlieder grundgelegt. Im Wesentlichen wurde dies erreicht, indem sich die Auswahl der Liedsammlungen auf geistliche bzw. kirchliche Lieder beschränkte. (3) Die Gruppe der Kanons wurde dabei absichtlich ausgeklammert, weil sie erstens dem Genre nach nicht zur Gruppe der Lieder zählen, 47 und sie zweitens meistens nur über ein geringes Textrepertoire verfügen. 45 Viele der während des Zweiten Weltkrieges verfassten Lieder wurden erst nach dem Krieg von einer breiteren Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen. Indem auf diese Wiese eine ‚weiche’ Grenze für die in dieser Studie zu berücksichtigenden Lieder gezogen wurde, konnten auch die Stücke in die Auswertung miteinbezogen werden, die auf der Folie der Erfahrungen der NS-Diktatur und des Krieges verfasst wurden und die vielen Menschen bis zum heutigen Tag die Möglichkeit einer eigenen Vergangenheitsbewältigung bieten. 46 Beispielsweise werden in dem Liederbuch *Erdentöne-Himmelsklang, das über keine eigene Abteilung „Abend“ verfügt, neben Abendliedern auch Zeitlieder, wie z.B. Meine Zeit steht in deinen Händen (T. u. M: P ETER S TRAUCH , 121), oder Segenslieder, wie z.B. Herr, wir bitten: Komm und segne uns (T. u. M. P ETER S TRAUCH , 60), rubriziert. 47 S. z.B. S ACHS , K LAUS J ÜRGEN : Art. „Kanon“. In: BRM Bd. 2, 272f. <?page no="31"?> 17 Auf Basis dieser Kriteriologie entstand die vorliegende Liedsammlung, die insgesamt 116 Abendlieder umfasst. Im Appendix sind alle Texte dieser Lieder und die Angaben zu den jeweiligen Fundorten abgedruckt. 2 Exemplarische Liedanalysen In den sich anschließenden Einzelanalysen (Kapitel D) werden auf der Basis der in Kapitel B aufgefundenen Großthemen zwölf repräsentative Abendlieder thematisch ausführlich vorgestellt. In diese Lieduntersuchungen sind Exkurse interpoliert, die die motivischen Parallelen zu traditionellen liturgischen Abendriten erörtern. Etwaige Motivverschiebungen und -ausfälle in den Liedern im Vergleich zu traditionellen Themen der Liturgie werden eigens erörtert. Teil I schließt mit einer Zusammenfassung der bisher gewonnenen Erkenntnisse und führt mit Hilfe der Theorie des Alltags von A LFRED S CHÜTZ und T HOMAS L UCKMANN die Überlegungen zu einer Typologie des Abends weiter (Kapitel E). a Auswahl der Liedexempel Die Liedbeispiele der Einzelanalysen wurden aus dem Spektrum aller aufgefundenen Abendlieder hinsichtlich ihrer motivischen Schwerpunkte ausgewählt. Die Zwölfzahl war im Vorfeld nicht festgelegt, sondern sie ergab sich aus der Repräsentanz von ‚großen’ Themen im Gesamt der Abendlieder. Es ist an dieser Stelle lediglich möglich von Schwerpunkten zu sprechen, da z.B. nur selten ein einziges Motiv durch das Gesamt der Strophen trägt. Daher wurde in den Einzelanalysen auch die Verflechtung der einzelnen Motive untereinander analysiert. Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht der Stücke in alphabetischer Ordnung: Liedbeispiele Textautoren Jahr Melodieautoren Jahr Abend ward, bald kommt die Nacht Rudolph A. Schröder 1942 Samuel Rothenberg 1948 Bevor die Sonne sinkt Christa Weiß Kurt Rommel 1967 Martin Striebel Kurt Schmid 1967 Bleib bei mir, Herr! (Abide with me) Theodor Werner (Francis Lyte) 1952 (1847) William H. Monk 1861 Der Lärm verebbt (Nu sjunker bullret) Jürgen Henkys (Lars Thunberg) 1986/ 1990 (1973) schwedische Volksweise Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen (The day Thou gavest, Lord, is ended) Gerhard Valentin (John F. Ellerton) 1964 (1870) Clement C. Scholefield 1879 Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II) Kathi Salzeder (Str. 1) A. Spinnrath (Str. 2-4) nicht vor 1989 wahrsch. 2003 Hans Martin Lonquich --- <?page no="32"?> 18 Liedbeispiele Textautoren Jahr Melodieautoren Jahr Gehe ein in deinen Frieden! Helmut König (Str. 1) Christine Heuser (Str. 2) 1957 1966 aus Israel --- Hüll mich ganz in deine Ruhe ein Jörg Swoboda vor 1986 Jörg Swoboda vor 1986 Ich liege, Herr, in deiner Hut Jochen Klepper 1938 Fritz Werner 1951 Nun trägt der Abendwind den Tag Kurt Rose 1987 Herbert Beuerle 1987 Schnell eilt der Tag dem Abend zu Klaus Biehl 1970 Klaus Biehl 1970 Von guten Mächten treu und still umgeben Dietrich Bonhoeffer 1945/ 1951 (1944) Otto Abel 1959 Neben dem Kriterium der motivischen Vielfalt waren bei der Auswahl der Lieder für die Einzelanalysen folgende weitere Merkmale maßgeblich: (1) Die ausgesuchten Lieder stammen aus unterschiedlichen Jahrzehnten. Die ältesten Lieder sind in ihrer textlichen Gestalt noch während des Nationalsozialismus bzw. in der Zeit des Zweiten Weltkrieges verfasst worden (Ich liege, Herr, in deiner Hut, 1938; Abend ward, bald kommt die Nacht, 1942; Von guten Mächten treu und still umgeben, 1944), das jüngste Lied wurde allen bekannten Angaben nach in der vorliegenden Form erstmalig im Liederheft zum Ersten Ökumenischen Kirchentag *gemeinsam unterwegs veröffentlicht (Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II)). 48 (2) Alle zwölf Lieder findet man wenigstens in einem Gesangbzw. Liederbuch publiziert. Dadurch ist diesen Liedern theoretisch und praktisch die Rezeption über eine begrenzte Gruppe hinaus ermöglicht. Drei Lieder gehören gewissermaßen zum Stammrepertoire neuer Abendlieder: Bevor die Sonne sinkt, Bleib bei mir, Herr und Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen finden sich in sechs bzw. sieben verschiedenen, aktuell gültigen offiziellen deutschsprachigen Gesangbüchern (d.h. in *CG, *EG, *EM, *GL, *KG, *RG bzw. in *Menno) sowie in zahlreichen Liedsammlungen. Drei Lieder sind immerhin viermal in offiziellen Gesangbüchern anzutreffen (Abend ward, bald kommt die Nacht, Ich liege, Herr, in deiner Hut und Nun trägt der Abendwind den Tag). Das Stück Gehe ein in deinen Frieden! wurde in zwei Gesangbücher aufgenommen (*EG und *EM). Drei Lieder (Ein Tag geht nun zu Ende, Herr, Hüll mich ganz in deine Ruhe ein und Schnell eilt der Tag dem Abend zu) bilden so genanntes Sondergut; sie sind lediglich in ein bis zwei Sammlungen vertreten und wurden in erster Linie wegen ihrer motivischen Besonderheit für die Liedanalysen ausgewählt. Von guten Mächten treu und still umgeben bildet einen Sonderfall; es wird in immerhin elf, zumeist jüngeren Liedsammlungen als Abendlied vorgeschlagen. Gleich- 48 Das Vorgängerlied von K ATHI S TIMMER -S ALZEDER , von dem die erste Strophe übernommen wurde, geht auf ein älteres Entstehungsdatum zurück, wobei sich die Jahreszahl nicht eindeutig ermitteln lässt. Erstmalig veröffentlicht wurde jenes 1989 (*Lied der Hoffnung 2). <?page no="33"?> 19 wohl findet es sich in vielen Liedheften und in allen offiziellen Gesangbüchern wieder, nur nicht als Abendlied, sondern etwa in der Abteilung „Jahreswende“, „Segen“, „Zuversicht“ oder „Angst und Vertrauen“. Vier Lieder sind in dem wegen seiner ökumenischen Verbreitung nennenswerten Liederheft für den ersten Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) in Berlin im Jahr 2003 *Gemeinsam unterwegs publiziert (Abend ward, bald kommt die Nacht; Der Lärm verebbt; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr; Du lässt den Tag, o Gott, nun enden, wobei es sich bei letzterem nicht um die in der Einzelanalyse maßgeblichen Übersetzung handelt.). Der Lärm verebbt ist ansonsten fast ausschließlich in Gesang- und Liederbüchern der reformatorischen Tradition zu finden; das trifft auch für Ich liege, Herr, in deiner Hut zu. (3) Die Lieder unterscheiden sich auch in formaler Hinsicht; d.h. unter den 12 Liedern befinden sich Refrainlieder 49 , Sololieder 50 , Strophenlieder 51 und Dialoglieder 52 . (4) Sie weisen sich durch unterschiedliche Textlängen aus. (5) Alle Weisen verfügen über eine unterschiedliche Modalisierung, d.h. es gibt dur- und mollgestimmte Lieder, aber auch Kirchentonarten nachempfundene Modulationen. (6) Es wurden keine zwei oder mehr Texte bzw. Weisen ein und desselben Produzenten ausgewählt. (7) Bei drei Liedern handelt es sich um Übertragungen aus anderen europäischen Sprachen 53 . (8) Zur Konfessionalität der Lieder: Die Stücke, die während des II. Weltkrieges entstanden sind, sind sämtlich evangelischer Provenienz. Sie sind von reformatorischen Autoren verfasst und weitgehend in protestantischen Lieder- und Gesangbüchern überliefert. Es gibt aus dem für diese Studie maßgeblichem Zeitraum keine explizit katholisch tradierten Abendlieder, die sich bis heute in den Liederbüchern erhalten haben. Der Grund mag in konfessionell verschiedenen Begehung des Abends in den Familien liegen: Die abendliche Hausandacht nebst lutherischem Abendsegen und dem Vollzug von Abendliedern hatte ihren Sitz in der evangelischen Familie; in katholisch laikalen Hausgemeinschaften nahm das Rosenkranzgebet diesen Platz ein. Bei den seit der Nachkriegszeit entstandenen Stücken, besonders beim NGL ist eine konfessionelle Identifikation, besonders was die Rezeption betrifft, 49 Gehe ein in deinen Frieden! ; Von guten Mächten treu und still umgeben. 50 Nun trägt der Abendwind den Tag. 51 Der Tag, mein Gott ist nun vergangen; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr; Hüll mich ganz in deine Ruhe ein; Der Lärm verebbt; Ich liege, Herr, in deiner Hut; Abend ward, bald kommt die Nacht; Bevor die Sonne sinkt; Bleib bei mir, Herr. 52 Gehe ein in deinen Frieden! Der Tag, mein Gott ist nun vergangen; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr; Hüll mich ganz in deine Ruhe ein; Der Lärm verebbt; Ich liege, Herr, in deiner Hut; Abend ward, bald kommt die Nacht; Bevor die Sonne sinkt; Bleib bei mir, Herr. 53 Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen und Bleib bei mir, Herr aus England; Der Lärm verebbt aus Schweden. <?page no="34"?> 20 schlecht zu ermitteln. Die hier vorzustellenden Stücke finden sich gleichermaßen in protestantischen wie katholischen Werken. b Methoden der Einzelliedinterpretationen Die liedimmanente Analyse, die den Kern aller Einzelanalysen bildet, fokussiert die semantischen und pragmatischen Dimensionen. Es wird also zunächst heuristisch von historischen, autobiographischen und sozialgeschichtlichen Kontexten des Stücks abstrahiert, Entstehung und gesellschaftliche Wirkung des Werkes werden vorerst vernachlässigt. Es geht vielmehr um die Frage, wie das jeweilige Lied gemacht ist, welche Motive und Strukturen es in sich birgt und welche Deutungen es hinsichtlich des Abends zulässt. Hierzu wird das Verfahren der strukturalen Textsemantik 54 angewendet. Unter phonematischen 55 , syntaktischen 56 , prosodischen 57 und semantischen 58 Gesichtspunkten werden die verschiedenen bedeutungstragenden Ebenen (Isotopien) aufgedeckt. Auf diese Weise soll gezeigt werden, wie der feste, denotierte Kern eines Textes durch die Umgebung seiner konnotierten Bedeutungen geprägt ist. 59 Die Voraussetzung für eine solche Untersuchung unter textsemantischen Gesichtspunkten besteht darin, dass die Folge der Zeichen innerhalb eines Liedtextes als nicht willkürlich angesehen wird, und dass die Art der Folge der Zeichen Erkenntnis über den Sinn des gesamten Textes vermittelt. Durch die Dekonstruktion des Textgebildes wird es möglich, die relevanten Beziehungen der Textelemente aufzuzeigen und die tatsächliche Hierarchie dieser Textelemente zu ermitteln. 54 Aus der Vielfalt der erschienenen Literatur liegen folgende Werke den methodischen Überlegungen dieses Teils zugrunde: S CHUTTE , J ÜRGEN : Einführung in die Literaturinterpretation. Stuttgart / Weimar 4 1997; L INK , J ÜRGEN : Literatursemiotik (15-29); Elemente der Lyrik (86-100). In: H ELMUT B RACKERT / J ÖRN S TÜCKRATH (Hgg.): Literaturwissenschaft. Ein Grundkurs. Hamburg 4 1996; S TOCK , A LEX : Umgang mit theologischen Texten - Methoden, Analysen, Vorschläge. Zürich / Einsiedeln / Köln 1974, insbes. 27-25. Grundlegend: J ACOBSON , R OMAN : Aufsätze zur Linguistik und Poetik. Frankfurt a. Main 1979; T ITZMANN , M ICHAEL : Strukturale Textanalyse. Theorie und Praxis der Interpretation (UTB 582) München 1977; F. P LETT , H EINRICH : Textwissenschaft und Textanalyse. (UTB 328) Heidelberg 1975, 46-51; L OTMAN , J URIJ M.: Die Struktur literarischer Texte. (UTB 103) München [1972] 2 1981; J URIJ M. L OTMAN : Vorlesungen zu einer strukturalen Poetik: Einführung, Theorie des Verses. Hg. v. K ARL E I- MERMACHER . (Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste 14) München 1972; G REIMAS , A LGIRDAS J.: Strukturale Semantik. Methodologische Untersuchungen. (Wissenschaftstheorie, Wissenschaft und Philosophie 4) Braunschweig 1971; J A - COBSON , R OMAN : Linguistik und Poetik. In: J ENS I HWE (Hg.): Literaturwissenschaft und Linguistik. Ergebnisse und Perspektiven. Frankfurt a. Main 1971. Bd. II/ 1, 142-178. 55 die Lautstruktur des Textes betreffend 56 das grammatische und syntaktische Gefüge betreffend 57 die rhythmisch-metrische Form betreffend 58 die Lexik und Motivik betreffend 59 Z.B. kann das Wort „Baum“ (Denotat), bei W AHRIG als „großes Holzgewächs“ gekennzeichnet, ‚Leben’, ‚Kraft’, ‚Natur’ oder auch ‚Kreuz’ (Konnotat) bedeuten. <?page no="35"?> 21 Neben dem Text ist innerhalb eines Liedes auch die Melodie von Interesse. Wenn man strukturanalytisch davon ausgeht, dass das vorliegende Gebilde Lied in sich eine logische Einheit bildet, dann kann innerhalb der Betrachtung die musikalische Dimension des Liedes nicht unbeachtet bleiben. Die melodisch-harmonische Ebene und die Relation zwischen Wort und Ton bilden zwei weitere bedeutungstragende Ebenen, die als weitere Isotopien untersucht werden. 60 Insofern es der Erschließung eines Liedes dienlich ist, wird es auch im Hinblick auf seine entstehungsbedingten Merkmale untersucht. Diese können neben Text und Melodie die Wirkung auf einen Rezipienten und dessen Deutung maßgeblich beinflussen. Vor allem bei älteren Stücken, bei denen die Umstände der Abfassung gegebenenfalls bekannt sind wie etwa Von guten Mächten treu und still umgeben -, erhält der Produktionskontext selbst symbolähnliche Funktion. Dies gilt es zu berücksichtigen, wenn im zweiten Teil der Studie die Frage der Wirkung der Abendlieder auf Rezipienten diskutiert wird. Zwei Lieder (Von guten Mächten treu und still umgeben und Bleib bei mir, Herr! ) werden auch mittels des so genannten Aktantenmodells von V LADI- MIR P ROPP erschlossen. Er fand durch die Analyse paralleler Strukturen von russischen Volksmärchen heraus, dass sieben Aktanten insgesamt 31 Funktionen durchlaufen. Unter Bezugnahme auf eine Studie von S OURIER , der unabhängig von P ROPP zur gleichen Zeit ähnliches für die Rollen im Theater herausfand, entwickelte G REIMAS ein Modell zur Erschließung jeglicher Textsorten, mittels dessen er Textelemente als Rollenträger auffasst. In seinem Grundmodell aus dem Jahre 1966 spricht er von insgesamt sechs Rollen (Aktanten) in drei Paaren, die die Akteure einnehmen können: Adressant - Adressat; Subjekt - Objekt; Adjuvant - Opponent. Mittels dieses Modells lassen sich vor allem die Kommunikationsebenen und -partner und ihre Hierarchie innerhalb eines Textes ermitteln. Die Tagzeitenliturgie kennt ihrer Tradition nach zwei gottesdienstliche Vollzüge am Abend: die Vesper, die ihren Fokus eher auf den zurückliegenden Tag richtet, und die Komplet, die thematisch auf die bevorstehende Nacht gerichtet ist. Beide bieten eine Bandbreite von Themen und Motiven an. Aus diesem Grund sind zwischen den Liedanalysen einzelne Exkurse zu Bausteinen dieser Gebetshoren angesiedelt, um zu zeigen ob bzw. inwiefern sich Parallelen zwischen den Liedmotiven und denen der Liturgie zeigen und in welcher Weise die liturgische Tradition jeweils aufgenommen bzw. transformiert worden ist. Dabei sollen auch mögliche Gründe für eine Abweichung von dem rituellen Motivrepertoire bzw. für den Ausfall von bestimmten Themenbereichen erörtert werden. 60 Die Literaturwissenschaft kennt innerhalb der Analyse von lyrischen Texten selbstverständlich auch die Isotopie von Melodie und Rhythmus; vgl. hierzu beispielsweise L INK , Elemente der Lyrik, 86f. <?page no="37"?> 23 B T HEMEN UND M OTIVE IN A BENDLIEDERN DES 20. J AHRHUNDETS 1 Lexematische Auswertung Wertet man, um einen ersten Eindruck von den Inhalten zu gewinnen, in der zugrunde liegenden Sammlung von 116 Abendliedern aus Gesang- und Liederbüchern der vergangenen 60 Jahre die Häufigkeit der vorkommenden Lexeme, d.h. der definitiven Substantive, Adjektive, Adverbien, Verben und Komposita aus, dann zeigen sich folgende Schwerpunkte: 61 Lied = 1 Substantive Komposita Adjektive, Adverbien Verben 88 Nacht (83) Nächten (1) Nacht- (1) -nacht (1) nacht (2) 84 Tag (69) Tage (9) Tages (12) Tagen (2) Tag- (6) -tag (2) 59 Herr (58) Herrn (4) 51 Gott (43) Gottes (12) 45 Hand (23) Hände (25) 42 Abend (28) Abend-(12) abends (2) 42 Morgen (21) Morgens (2) Morgen- (7) morgen (14) 41 Zeit (32) Zeiten (5) Zeit-(2) -zeit (2) 40 Licht (39) Lichte (1) licht (1) 40 Ruhe (18) Ruhn (1) Ruh (3) ruhig (3) ruhen (5) ruhn (10) ruh(-e) (7) 38 Dunkel (19) Dunkeln (2) Dunkel- (8) -dunkel (1) dunkelt (1) dunkle (5) dunklen (8) dunkler (1) 61 Bei dieser Auszählung bleiben Partikel wie ‚zu’, ‚um’ oder ‚auf’, Artikel sowie (Possessiv-) Pronomina unberücksichtigt, ebenso Modalverben, insofern sie nicht in deprekativer bzw. imperativischer Form aufgefunden wurden. Die Häufigkeitsanalyse richtet sich nach dem Vorkommen eines Wortes innerhalb eines Liedes, d.h. auch dann, wenn ein Lied mehrfach das Lexem ‚Abend’ aufweist, wird es nur einmal gezählt. Die in Klammern hinter den Worten angegebene Zahl bedeutet, in wie vielen Liedern z.B. der Wortstamm ‚Nacht’ (88) enthalten ist. Hier wird ein Mittelwert der Lieder erstellt, in denen ein bestimmtes Lexem anzutreffen ist, d.h. in denen z.B. entweder ‚Tag’ bzw. ‚Tage’ oder die Genitivform ‚Tages’ vorgefunden wird. Die Zählung orientiert sich immer daran, ob eines der Worte aus einer Lexemgruppe in einem Lied vorkommt. Lieder, die mehrere Worte der gleichen Gruppe beinhalten, werden nur einmal gezählt. <?page no="38"?> 24 Lied = 1 Substantive Komposita Adjektive, Adverbien Verben 37 Leben (26) Lebens (5) Lebens- (3) lebendig (1) leben (7) 36 nun 36 Schlaf (15) -schlaf (2) Schlaf- (1) schlaf (3) schlafe (6) schlafen(10) schlaft (2) 33 Friede (6) Frieden (28) -fried- (1) -frieden (1) 34 Welt (30) Welten (2) Welt- (1) Welten (1) 30 Dank (13) Dank- (1) dankbar (1) danke (9) danken (8) 30 Mensch (7) Menschen (24) Menschen- (1) 29 Liebe (18) Lieb (2) liebe- (1) -lieb- (1) lieben (5) liebe (1) liebst (3) liebt (1) lieb (1) In weniger als einem Viertel der Lieder treten folgende Lexeme bzw. Lexemgruppen gehäuft auf: Lied = 1 Substantive Komposita Adjektive, Adverbien Verben 26 Herz (18) Herzen (8) Herz- (1) herzlich (1) 26 Stille (16) -stille (1) -stillen (1) still- (1) still (10) stilles (1) stillen (1) 25 Wacht (10) wachst (2) wache (3) wachen (2) wacht (10) 24 Ende (20) end- (2) -end- (3) -ende (1) end (2) ende (1) 23 Sonn (3) Sonne (20) 22 geborgen (17) birg (3) birgt (2) 21 Auge (3) Aug (1) Augen (15) Augen- (2) 21 Sorgen (17) sorgen- (2) sorgen (1) sorgt (1) 18 Schuld (12) Schulden- (1) schuldig (4) schuldhaft (1) schuldet (1) 18 Weg (14) Wege (5) 18 Wort (10) Worte (7) Worten (1) 17 Schatten (14) Schatten- (3) 16 Angst (13) Ängste (2) Ängsten (3) <?page no="39"?> 25 Lied = 1 Substantive Komposita Adjektive, Adverbien Verben 16 Last (11) Lasten (4) -last (2) lastet (1) 15 Erde 15 Himmel (12) Himmels (3) Himmels- (2) 14 bald 14 Vater (14) Vaters (2) Vater- (1) 13 Bitten (3) bitt (2) bitte (2) bitten (7) 13 jetzt 13 neu (12) neuer (3) 13 Not (13) Nöte (1) 12 Brot 12 Kraft (11) Kräfte (1) 11 Glück 11 Tod (10) Todes (1) Gruppiert man die ermittelten Lexeme nach Wortfeldern, dann stellt sich heraus, dass sich die temporale Dimension thematisch stark abhebt. Die (bevorstehende) ‚Nacht’ wird in 88 Liedern explizit genannt, der vergangene bzw. der kommende ‚Tag’ ist 84-mal anzutreffen. Der ‚Morgen’ bzw. ‚morgen’ als der ‚folgende Tag’ spielt in 42 Liedern eine Rolle. In Abendliedern wird, wie es zu erwarten gewesen war, also mehrheitlich Rückschau auf den vergangenen Tag gehalten und vorausschauend auf die Nacht und den folgenden Morgen bzw. Tag geblickt. Über ein Drittel der Lieder (42) benennt ihren Vollzugszeitpunkt, den ‚Abend’, ausdrücklich. 62 Häufig dienen aber auch die Partikel ‚nun’ (35) oder ‚jetzt’ (13) als Zeitangabe. Gut die Hälfte der Lieder ist theologisch geprägt, insofern das Lexem ‚Gott’ (51) entweder als Adressat der Liedaussage oder als ihr Objekt anzutreffen 62 Abend ward, bald kommt die Nacht; Abendfrieden senkt sich wieder; Angelangt an der Schwelle des Abends; Bleib bei mir, Herr; Bleib bei uns, Herr; Bleibe bei uns, es will Abend werden; Danke für diese Abendstunde; Dein Friede breitet sich nun; Der Abend kommt; Der Tag geht müd’ von hinnen; Der Tag vergeht und kommt nie mehr zurück; Die Sonne sinkt ins Meer; Dunkel wird es wieder; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I+II); Eine kleine helle Weise; Es bleibt dabei; Es ist spät geworden; Es wird Abend; Gott, wertes Licht; Herr, bleib bei uns in dieser Zeit; Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht; Ich liege, Herr, in deiner Hut; In abendstillen Zweigen; Jeden Abend bete ich; Komm, der unsre Fragen schweigt; Leis der Wind im Abend weht; Noch hinter Berges Rande; Nun trägt der Abendwind den Tag; Schnell eilt der Tag dem Abend zu; Spät am Abend; Ums Haus geht schon der Abendwind; Von einem Tag zum andern; Von guten Mächten treu und still umgeben; Wenn der Tag vergeht, möchte ich schweigen; Wenn in des Meeres graue Flut; Wenn man der Sonne nachschaut; Wenn wir uns abends niederlegen; Wir bitten, Christus, bleib bei uns. <?page no="40"?> 26 ist. Als spezifizierende Anrede des christlichen Gottes dienen häufig ‚Herr’ (59) und im Vergleich dazu eher selten ‚Vater’ (15). Bemerkenswert ist des Weiteren die Häufigkeit der Lexeme ‚Hand’ (23) bzw. ‚Hände’ (25), die in 45 verschiedenen Liedern aufzufinden sind. Untersucht man den Kontext, in dem diese Worte verwendet werden, dann fällt auf, dass in einem Viertel aller Abendlieder das anthropomorphe Bild von der ‚Hand’ bzw. den ‚Händen Gottes’ die Rede ist; es wird verwendet, um das schützende Handeln Gottes auszudrücken. Weiterhin sind die für die Tageszeit Abend typischen Phänomene ‚Licht’ (40) und ‚Dunkel’ (38) relevant, konkretisiert in Naturerscheinungen wie ‚Sonne’ (23) und ‚Schatten’ (16). Auffällig sind weiterhin Häufungen von Imperativen bzw. Deprekativen: Lied = 1 Substantive Komposita Adjektive, Adverbien Verben 79 lass (43) gib (25) bleib (18) sei (16) hilf (13) mach (10) nimm (10) Insgesamt 79 Lieder enthalten also mindestens ein Gebetselement bzw. eine Bitte, was auch einen Hinweis auf die schwerpunktmäßig dialogische Struktur der Abendlieder gibt, denn Bitten werden von jemandem an jemanden gerichtet. 63 Worte wie ‚Schuld’, ‚Tod’ oder ‚Angst’ kommen nur in ca. 10% der Lieder vor. Es wäre kurzsichtig aus dieser ersten Erhebung dem Abendlied des 20. Jahrhunderts schon ‚Schuldvergessenheit’, ‚Verdrängung des Todes’ oder ‚Sorglosigkeit’ zu attestieren. ‚Angst’ muss nicht notwendig durch dieses Lexem beschrieben werden; der ‚Tod’ ist möglicherweise auch in Bildern wie ‚Schlaf’, ‚letzte Reise’ o.ä. wiederzufinden und ‚Schuld’ kann womöglich auch als ‚Fehler’, ‚Vergehen’, ‚Sünde’ oder ‚Entfremdung von Gott’ thematisiert werden. Ob sich diese Tendenz der lexematischen Auszählung auch inhaltlich bestätigen lässt, soll die folgende dezidierte Motivanalyse zeigen. 2 Thematische Auswertung a Kommunikationssituation der Abendlieder Zunächst soll die kommunikative Struktur der Abendlieder näher untersucht werden. Es werden die unterschiedlichen Rollenträger innerhalb der Lieder bestimmt, und, soweit möglich, auch ihr Wesen charakterisiert. 63 Zu den einzelnen Adressaten und Adressanten siehe das folgende Unterkapitel Kommunikationssituation der Abendlieder. <?page no="41"?> 27 1) Adressaten und Adressanten Abgesehen von zwei Ausnahmen findet sich in allen Liedern eine direkte Rede. 64 Sieben Lieder nennen wohl einen Sprecher oder eine Sprechergruppe, verfügen aber über keine besondere Sprechrichtung. In weiteren sechs Liedern wird zwar jemand angeredet, ohne dass jedoch ein expliziter Sprecher ausfindig gemacht werden könnte. 65 Mehrheitlich, d.h. in 98 Fällen, richten sich die Lieder, die eine kommunikative Ebene aufweisen, an ‚Gott’, wobei die Anredeformen divergieren und sich nicht immer eindeutig einer göttlichen Person zuordnen lassen. 26 Lieder verbleiben in einer unspezifischen Bezeichnung, indem sie lediglich ein ‚DU’ ansprechen (11-mal) oder als Anrede ‚Gott’ wählen (15-mal). Einerseits wird dadurch eine besondere Form der Vertrautheit des Sprechers zum Adressaten verbalisiert, andererseits erweckt die Unbestimmtheit den Eindruck einer gewissen Unsicherheit hinsichtlich des Bekenntnisses. Besonders auffällig ist dies auch in der Anrede ‚Herr’, die 51-mal verwendet wird. Aus dem Kontext der jeweiligen Lieder lässt sich zumindest für etwas über die Hälfte dieser Gruppe feststellen, an wen sich das Lied konkret richtet, nämlich in 13 Fällen an Gott Vater bzw. 14-mal an Christus. 36 Lieder aus dem Sammelbecken des göttlichen ‚Du’ bzw. ‚Herrn’ lassen sich jedoch nicht genau zuordnen. Die Adressierung an ‚Gott Vater’ ist eher rar, ebenso die explizite Anrede an ‚Christus’ (jeweils 9-mal). In der Anrufung Gottes werden in seltenen Fällen auch andere Anreden genutzt. 66 In je sieben Stücken wendet sich die Liedaussage nachweislich nicht an Gott, sondern an eine meist uncharakterisiert bleibende Gruppe von Mitmenschen bzw. an eine Einzelperson. 67 Fünf Lieder wechseln in ihrem Verlauf den Adressaten(kreis). 68 64 Bei den Ausnahmen handelt es sich um Der Tag ist am Ziel und Steil auf dem Schattenriss der Stadt. 65 In Tabelle II im Appendix (S. 406-409) werden die Kommunikationssituationen innerhalb der Lieder jeweils aufgeschlüsselt. 66 S. z.B. die alttestamentlich präformierte Rede in Adonai, in deine Hand lege ich mein Geschick. Keine ungewöhnliche, aber in den Liedern sonst nicht vorkommende Anreden an Christus sind in folgenden Liedern zu finden: In Du Stern meiner Nacht wird er als ‚Morgenstern’ bezeichnet; in Dunkel wird es wieder, Str. 2+3 gilt er als ‚Bruder aller Brüder’. Außerdem wird er in den folgenden zwei Liedern als ‚Hirte’ bezeichnet: Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht, Str. 3,1f: „Bleib bei mir, da es Abend wird; / behüte mich, du guter Hirt“; Wenn der Tag vergeht, möchte ich schweigen, Str. 2,4: „Birg die Erde in dir, Hüter der Nacht.“ 67 Ein Lied bezeichnet die Adressaten als ‚Freunde’ (Freunde, gut Nacht! ); In Gott, wertes Licht wird zum Schluss die ganze „Welt“ angeredet: „O Welt, die tief im Abend steht,/ bevor dich Gottes Sturm verweht,/ sei Gott befohlen! “ (Str. 4,4-6); In Wenn in des Meeres graue Flut werden einzelne Organe als Pars pro toto für den Menschen angesprochen: „Nun, müde Augen, schließt euch zu,/ Herz, lass das Sorgen sein“, Str. 3,1f. 68 Der Tag vergeht und kommt nie mehr zurück; Gehe ein in deinen Frieden! ; Gott, wertes Licht; Schon glänzt der goldne Abendstern; Von guten Mächten treu und still umgeben. <?page no="42"?> 28 Die Rolle des Senders wird in 48 Fällen durch ein ICH übernommen; in 63 Liedern spricht ein WIR. In drei Liedern wechselt der Sender zwischen der ersten Person Singular und Plural. Dies lässt insgesamt den Schluss zu - ungeachtet der prinzipiellen Möglichkeit, jedes beliebige Lied, egal ob im Singular oder Plural formuliert, auch in einer Gruppe zu vollziehen -, dass der überwiegende Teil der Stücke auf eine gemeinschaftliche Realisierung hin orientiert ist; gleichzeitig deuten aber auch einige Lieder auf einen privaten Vollzug hin. Möglicherweise zeigt sich darin der unterschiedliche Fokus, der ursprünglich auch für die rituellen Formen zum Abend und zur Nacht, Vesper und Komplet, 69 leitend gewesen ist. Einen gemeinschaftlichen Vollzug antizipierende Lieder befassen sich eher mit dem Abschluss des Tages, Singular geprägte Lieder haben hingegen eher den Charakter eines Nachtgebetes. 70 a) Gottesbilder Um konkrete Eigenschaften Gottes zu beschreiben, wird sich verschiedener Anthropomorphismen bedient. Sehr markant tritt dies, wie schon in der lexematischen Auszählung deutlich wurde, durch die ‚Hand’ zu Tage. ‚Gottes Hand’ birgt, hält und trägt den Sänger und gibt auf diese Weise Sicherheit. Sie ist ein ‚Ort des Schutzes’ 71 , ‚hütende Begleiterin’ auf dem Lebensweg 72 , aber auch ein Platz um das ‚Erlebte und Belastende’ zu deponieren 73 . Daneben findet sich auch das Motiv der ‚nehmenden’ Hand Gottes. 74 Schließlich 69 Während die Vesper immer schon als gemeinschaftliches Gebet verrichtet wurde, war die Komplet urprünglich als Vollzug des einzlenen Beters unmittelbar vor dem Zubettgehen gedacht. S. hierzu ausführlicher den Exkurs: Die Komplet. 70 Vgl. Tabelle II im Appendix, 406-409. 71 Bleibe bei uns, es will Abend werden, Str. 3: „Bleibe bei uns, dass die Nacht uns hüte,/ bis das Herz in dir den Morgen fand,/ dass wir in dir sind, in deiner Güte / und in Ewigkeit in deiner Hand“; Der Abend kommt, Str. 1,4: „und lass uns ruhn in deiner guten Hand“; Die Sonne sinkt, es steigt die Nacht, Str. 2,1: „Ich weiß mich in des Vaters Hand“; Du Stern meiner Nacht, Str. 2: „Seit suchend ich dich traf / und Frieden in dir fand,/ kann trauen ich dem Schlaf / und deiner guten Hand“; Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht, Str. 2,3f: „Dir ist mein ganzes Herz bekannt; / Herr, halte es in deiner Hand“; In abendstillen Zweigen, Str. 2,4f: „wenn Menschenwerk in Scherben / fällt, lass uns deine Hand“; Leis der Wind im Abend weht, Str. 2,1: „Birg die Welt, o guter Gott,/ stark in deinen Händen“; Ums Haus geht schon der Abendwind, Str. 3,2f: „Die wirst du freundlich, wirst du bald / in deine Arme fassen“; Wir stehn im Dunkeln ohne Sicht, Str. 3,3f: „Wir sterben und wir auferstehn,/ Herr, nur in deine Hände.“ 72 Bleib bei mir, Herr, Str. 4,1: „Von deiner Hand geführt, fürcht ich kein Leid“; Dank dir für jeden Tag, Str. 1,3f: „Dank dir, dass deine Hand unsre Schritte lenkt! “; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II), Str. 3,3: „So greifen wir nach deiner Hand, dass sie uns weiterführt“. 73 Abendfrieden senkt sich wieder, Str. 3,1: „Unsre Lasten, unsre Sorgen / legen wir in Gottes Hand“; Der Tag geht zu Ende, Str. 1,2f: „Gott, dir in die Hände / legen wir alles, was war“; Dieser Tag geht nun zu Ende, Str. 1,2f: „Herr, ich leg in deine Hände,/ was er mir gebracht.“ 74 Die ‚nehmende Hand’ Gottes kommt in folgenden Liedern vor: Bevor die Sonne sinkt, Str. 4,3f: „Nimm du den Tag zurück / in deine guten Hände“; Du lässt den Tag, o Gott nun enden, Str. 1,3f: „Wir waren heut in deinen Händen,/ nimm du uns auch jetzt in <?page no="43"?> 29 zeigt sich im Symbol der ‚Hand’ auch die Unverfügbarkeit menschlichen Lebens und die Unermesslichkeit göttlicher Macht. 75 Das auf Ps 17,8 (s. auch Mt 23,37) zurückgehende Bild der schützenden ‚Flügel Gottes’ ist im Vergleich dazu ein selten anzutreffendes Motiv und explizit nur in einem Lied zu finden: 1. Der Schatten deiner Flügel, er decke sanft mich zu. So kann ich dein frohlocken und finden meine Ruh. 2. Im Schatten deiner Flügel kann ich geborgen sein. Dann schlaf ich ohne Sorgen in Frieden mit Dir ein. 3. Den Schatten deiner Flügel breit über mir sanft aus. So bin ich aufgenommen im großen Vaterhaus. 76 Der fast vollständige Ausfall des traditionsreichen Motivs der schützenden Flügel bei gleichzeitiger Dominanz des Hand-Motivs lässt vermuten, dass sich hier eine Verschiebung der Konnotation ‚Ausdruck des göttlichen Schutzes’ von dem einen Motiv hin zum anderen vollzogen hat. Auch der ‚Schoß’ 77 und das ‚Herz’ 78 Gottes als Schutzort des Menschen kommen nur in wenigen Beispielen vor. Das ‚Angesicht Gottes’ soll die Gegenwart Gottes veranschaulichen: „Schenk uns das Leuchten deines Angesichtes“ 79 . Auch das ‚Auge Gottes’ findet sich immerhin in drei Liedern, um bedeine Hand“; Vom hohen Baum der Jahre, Str. 1,2: „Gott nimmt den Tag zurück in seine guten Hände.“ Außerdem ist in einigen Liedern die Rede von Gottes Händen als ‚Ort, an den etwas zurückgegeben wird’, und was notwendigerweise eine zuvor erfolgte Gabe impliziert: Der Tag begann, Ref: „Diese Nacht in Gottes Hand,/ legen wir in Gottes Hand./ Diese Nacht, jede Nacht in Gottes Hand“; Der Tag nun versinkt in Nacht, KV,3f: „Was Gutes und Böses geschah,/ lege ich in deine Hand zurück! “ 75 Adonai, in deine Hand lege ich mein Geschick, Ref,1: „Adonai, in deine Hand lege ich mein Geschick“; Der Tag vergeht und kommt nie mehr zurück, Str. 2,7: „In seiner Hand ist Ende und Beginn“; Nun trägt der Abendwind den Tag, Str. 4.: „der Tag ist nun / schon lang gelegt in Gottes Hände,/ wo Tage, Jahre, Zeiten ruhn“; Still über alle Welt fällt die Nacht, Str. 1: „Still über alle Welt fällt die Nacht./ Der sie in Händen hält, der sie gemacht,/ hält die Wacht.“ In einem weiteren Lied sollen Christi Hände die Schuld des Singenden bedecken und so unsichtbar werden lassen: Dunkel wird es wieder, Str. 2,1f: „Bruder, leg die Hände / über meine Schuld“. 76 Der Schatten deiner Flügel. 77 In warmem Licht durch diese Nacht, Str. 3,1f: „Was uns festhält, lassen wir los,/ wir fallen tief in Gottes Schoß.“ In Geborgen in dir, Gott ist ebenfalls von einem mütterlichen Schoß die Rede, es ist aber unwahrscheinlich, dass hier göttlicher Schutz umschrieben werden soll; Str. 1,4: „und liege sicher in Mutters Schoß“. 78 Du hast die kalte Nacht berührt, Str. 7: „Denn du vergisst nicht, was du schufst./ Was du in deinem Herzen trägst,/ geht nicht verloren“; Herr, am Ende dieses Tages, Str. 5: „Herr, ich hab dir meine Sorgen an dein Herz gelegt./ Sorg für mich und bring zu Ruhe, was mein Herz bewegt.“ 79 Die Nacht ist da, Str. 4,1. Siehe auch Bleib bei uns, Herr, Str. 2,4: „Lass leuchten über uns dein Angesicht“; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II), Str. 2,2: „Wir tragen seinen letzten <?page no="44"?> 30 wachende und kontrollierende Eigenschaften Gottes zu illustrieren. 80 In der Fülle der Gottesprädikationen zeichnen sich zwei Tendenzen ab: (1) Eine erstaunlich hohe Anzahl von Liedern operiert mit theologisch klassischen Topoi zur Beschreibung und Bezeichnung Gottes, indem sie ihn als ‚Schöpfer’ 81 , ‚Zeitenverwalter’ 82 , ‚Erlöser’ 83 , ‚Vollender’ 84 beschreiben. Gottes Wesen zeichnet sich dadurch aus, dass er ‚ewig’ 85 , ‚treu’ 86 und ‚konstant’ 87 Schein hin vor dein Angesicht“; Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 9,1f: „Dunkel ward’s die Welt schläft ein; / gönn uns dein Gesicht“; Wir stehn im Dunkeln ohne Sicht, KV,2: „Lass leuchten, Herr, dein Angesicht! “ 80 Christus, du bist der helle Tag, Str. 3,3f: „und lass nicht zu, dass Geist und Leib,/ vor deinem Auge schuldig wird“; Danke Herr! , Str. 4,3f: „denn du hörst und siehst ja alles,/ was in dieser Welt geschieht“; Freunde, gut Nacht! , Str. 1,2. 2,2. 3,2: „Gott sieht euch an, der die Welt bewacht.“ 81 Der Abend kommt und wir zu dir, Str. 2,1f: „Dem Vater stimmt ein Danklied an/ dem Schöpfer aller Ding“; Der Tag geht müd’ von hinnen, Str. 2: „Nun wollen wir noch singen/ das stille Abendlied./ Es soll zum Schöpfer dringen,/ der uns so treu behüt“; Ich leg den Tag getrost aus meinen Händen, Str. 1,2: „Und weiß mich ganz in dem, der mich einst schuf, geborgen“; Noch hinter Berges Rande, Str. 4,3-8 „Und falten unsre Hände / und danken dem, der wacht,/ der alle Welt umfängt/ mit Sonnen, Stern und Erde,/ und dem geringsten Herde/ sein Licht und Feuer schenkt“; Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, Str. 2: „Quelle des Lebens, allmächtiger Gott/ alles, was je aus dir floss,/ strömt am Abend als Dank/ und als Lobpreis zurück“; Still über alle Welt fällt die Nacht, Str. 1: „Still über alle Welt fällt die Nacht./ Der sie in Händen hält, der sie gemacht,/ hält die Wacht.“ 82 Diesen Tag, Herr, KV,2: „Du, Herr, bist der Zeiten Ursprung und ihr Ende,/ ich vertraue dir“; In abendstillen Zweigen, Str. 3,1f: „Dein ist der Gang der Zeiten./ Dein ist die Mitternacht“; Vom hohen Baum der Jahre, Str. 3: „Wie viele Blätter mag mein Lebensbaum noch tragen? / Verborgen ist die Zahl. Du, Herr, bist Herr der Zeiten“; Still über alle Welt fällt die Nacht, Str. 2,1: „König und Herr der Zeit, dir sei Dank! “; Will nun meine Hände, Str. 4,3f: „Dein ist Nacht und Morgen,/ dir, Herr, schlaf ich ein.“ 83 Christus, du bist uns Licht und Tag, Str. 4,1: „Du, unser Retter, sieh uns an“; Der Abend kommt und wir zu dir, Str. 2,3f: „dem Sohn, der uns ganz zugetan / am Kreuz von Anbeginn“; Gehe ein in deinen Frieden! , Str. 2,5f: „Der das Grauen, der den Tod bezwang,/ beugt sich über unseren Schlaf“; Spät am Abend, Str. 3,6+4: „Die Gedanken werden stille,/ 4. sammeln sich um Christi Worte,/ die ich als Geschenk ergreife: / Deine Sünden sind vergeben./ Das Vertane, das Zerbrochne/ dieses Tages wird aufgehoben./ Ganze Liebe lässt es gut sein.“ 84 Der Abend kommt und wir zu dir, Str. 2,5f: „Gebt Lob und Preis dem Heilgen Geist/ Vollendung er uns bring“; Gott, vollende das gute Werk, KV,1-3: „Gott, vollende das gute Werk,/ das heut’ begonnen hat./ Was zerbrochen, werde heil“; Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, Str. 7,3f: „So vollende denn nun,/ was du in Liebe für uns hast erdacht“. 85 Angelangt an der Schwelle des Abends, Str. 1,2; S. auch Str. 2,2. 3,2; Dank dir für jeden Tag, Str. 1,5-8: „Dank dir, dass du mit uns gehst,/ heute, alle Zeit,/ tausend Jahre bis ins Licht / deiner Ewigkeit! “; Der Tag geht zu Ende, Str. 2,1f: „Die Zeit, die vergangen, hält er umfangen./ Er ist von Ewigkeit“; Der Tag geht zur Neige, Str. 6,2: „Du selbst, Herr, bist Ende und Anfang“; Der Tag ist um (I), Str. 4,2: „dein Reich, Herr, steht in Ewigkeit“; Gott, wertes Licht, Str. 4,1: „Gott, ewig Licht in Ewigkeit“. 86 Abendfrieden senkt sich wieder, Str. 2,2-4: „Sterne gehen am Himmel auf,/ künden von des Schöpfers treuer / Liebe durch den Zeitenlauf“; Dein Friede breitet sich nun, Str. 4,3: „So ruh’ ich froh in deiner großen Treu“; Der Tag geht müd’ von hinnen, Str. 2,3f: „Es soll zum Schöpfer dringen,/ der uns so treu behüt“; Ich liege, Herr, in deiner Hut, Str. 7,2: „Ich harre deiner Treue“; Nach des Tages Last, Str. 3,7f: „Deine Gnade, deine Treu / lass <?page no="45"?> 31 ist. Inklusive der Lieder, die eine doxologische Strophe implizieren, 88 sprechen 14 Beispiele von ‚Gott Vater’ 89 , der näherhin als ‚gut’ 90 , ‚lieb’ 91 , ‚reich an Macht’ 92 beschrieben wird. Es finden sich in diesem Zusammenhang auch Anspielungen auf die Formulierung des ‚Vater unser’ 93 . Die Sohnschaft Christi spielt im Vergleich zur Rede von Gott Vater eine geringe Rolle. 94 Das Wesen Gottes in der Person Christi wird am ausführlichsten in Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag charakterisiert, nämlich als ‚Offenbarer’ 95 , ‚Schöpfer’ 96 , ‚Erlöser’ 97 und ‚Vollender’ 98 . uns anbeten ohne Ende! “; Still geht der Tag zur Ruh, Str. 3,3f: „Ja, Herr, ich weiß, du bist bei mir; / treu gibst du auf mich Acht“; Von guten Mächten treu und still umgeben, Str. 1,1: „Von guten Mächten treu und still umgeben“. 87 Der Tag nun versinkt in Nacht, Str. 1,3f: „Im Strudel der hastenden Tage,/ da bliebst du der Pfeiler im Strom.“ 88 Bevor des Tages Licht vergeht, Str. 3; Christus, du bist der helle Tag, Str. 6; Christus du bist uns Licht und Tag, Str. 5; Der Abend kommt und wir zu dir, Str. 2; Still über alle Welt fällt die Nacht, Str. 3: „Ehr dem Dreieinen Gott: Vater und Sohn! / Ehre dem Heil'gen Geist im gleichen Thron! Amen“; Wir bitten, Christus, bleib bei uns, Str. 3,1f: „Lob sei dem Vater und dem Sohn,/ Lob sei dem Heil’gen Geiste.“ 89 Die Sonne sinkt, es steigt die Nacht, Str. 4,4: „Ich traue, Vater, dir allein“; Wie könnt ich ruhig schlafen, Str. 1,1f: „Wie könnt ich ruhig schlafen in dunkler Nacht,/ wenn ich, o Gott und Vater, nicht dein gedacht? “ sowie die in den drei folgenden Fußnoten genannten Lieder. 90 Die Sonne sinkt ins Meer, Str. 2,1-3: „Du guter Vater, wachst: / Es sind die Kleinen dein/ weit in der Welt und hier.“ 91 Geht der Tag ganz leis zu Ende, Str. 2,3f: „Lieber Vater, mir verleihe,/ dass mein Herz sei hell und wahr.“ 92 Bevor des Tages Licht vergeht, Str. 3,1f: „Dank dir, o Vater, reich an Macht,/ der über uns voll Güte wacht“. 93 Die Sonne sinkt ins Meer, Str. 4,2: „Komm, Vater unser, komm“; Nun hat die Nacht den Tag vertrieben, Ref,2: „Vater im Himmel, bleib du bei mir.“ Die Lokalisierung Gottes im Himmel findet sich auch in folgenden Beispielen: Abendfrieden senkt sich wieder, Str. 4,1-4: „In den tiefsten Dunkelheiten / leuchten Gottes Sterne auf: / Glaube, Hoffnung, Liebe leiten / unsern Blick zu ihm hinauf“; Der Tag vergeht und kommt nie mehr zurück, Str. 3,3f: „Dann strahlt von dort wo Gott, der Vater, wohnt,/ ein Stern zum Gruß, ein Stern zum Gruß“; Leis der Wind im Abend weht, Str. 1,7: „Gott im Himmel wacht! “. Drei Lieder verweisen auf die göttlichen Wohnungen und damit verbunden auf die Gotteskindschaft des Sängers: Der Schatten deiner Flügel, Str. 3: „Den Schatten deiner Flügel / breit über mir sanft aus./ So bin ich aufgenommen / im großen Vaterhaus“; Der Tag vergeht und kommt nie mehr zurück, Str. 3,3f: „Dann strahlt von dort wo Gott, der Vater, wohnt,/ ein Stern zum Gruß, ein Stern zum Gruß“; Die Sonne sinkt, es steigt die Nacht, Str. 2,1: „Ich weiß mich in des Vaters Hand./ Ich bin ihm als sein Kind bekannt.“ 94 Abgesehen von Angelangt an der Schwelle des Abends (Str. 3,2: „Gottes Sohn, Urheber ewigen Lebens“) und Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag (Str. 3,1f: „Gottes Sohn, Jesus Christ / du kamst in die Welt“) findet sich diese Prädikation lediglich in den Doxologien wieder. 95 Str. 1: „Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag,/ scheint heiter am Abend friedvolles Licht,/ preisen wir Menschen Gott, unsern Vater,/ den uns der Sohn offenbarte im Geist“; KV: „Du Licht vom Lichte, in Liebe leuchtest / du zeigst uns das Antlitz des Vaters: / Du: Jesus Christ.“ 96 Str. 2: „Quelle des Lebens, allmächtiger Gott,/ alles, was je aus dir floss,/ strömt am Abend als Dank / und als Lobpreis zurück.“ <?page no="46"?> 32 Die Anrede an den Heiligen Geist entfällt gänzlich, abgesehen von einer Ausnahme und den doxologischen Strophen. 99 (2) Auf der anderen Seite lässt sich ein distanziertes Gottesverständnis (deus absconditus) ausmachen. In einigen Liedern wird Gott als von der Welt entfremdet und abgehoben skizziert. So wird Gott für seine Ferne und Abwesenheit im Leben des Menschen angeklagt. 100 Kennzeichen Gottes sind in diesem Zusammenhang ‚Stille’ und ‚Schweigen’. Er wird als stumm und unhörbar für das menschliche Leben darstellt: „Du gehst wie Windhauch durch die Nacht / und hüllst uns in dein Schweigen.“ 101 Allerdings werden die göttliche Geräuscharmut bzw. Geräuschlosigkeit auch positiv hervorgehoben, 102 Gott ist die ‚Ruhe’ selbst, oder er gewährt eben solche. 103 b) Welt- und Menschenbild Einzelne Lieder illustrieren die Moderne, indem sie technische Errungenschaften wie den ‚Computer’ benennen 104 oder die Atmosphäre der ‚Großstadt’ beschreiben. Letztere ist vor allem durch die ‚Einsamkeit’ gekennzeichnet: „Und in unsren Städten herrscht Einsamkeit; / zwischen Lärm und Lachen wohnt das Leid./ Weinend liegen Menschen lange wach,/ weil alle 97 Str. 4: „Unendlicher Gott, als ein Mensch / trugst du, was uns Menschen beschwert: / Hieltest du im Leid mit uns stand,/ errangst Leben, das nie mehr erlischt.“ 98 Str. 7: „Du hast begonnen mit uns,/ du warst mit uns auf dem Weg: / So vollende denn nun,/ was du in Liebe für uns hast erdacht.“ 99 Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I), Str. 3,4: „Drum gib Du jedem neuen Tag in Liebe deinen Geist“. 100 Warum kommst du so spät, Str. 1f: „Warum ließest du mich / ohne Trost heute sein./ Warum findest du dich / zum Gespräch so spät ein? / 2. Warum bist du so fern,/ wenn ich spreche von dir? / Möchte dich sehen so gern,/ Herr, im Glauben hilf mir! “; siehe auch: Ums Haus geht schon der Abendwind, Str. 5,1f: „Du gehst wie fremd durch diese Zeit,/ da uns die Ängste treiben.“ 101 Ums Haus geht schon der Abendwind, Str. 4,1f. siehe auch: Der Tag nun versinkt in Nacht, Str. 3,4: „doch du hast das Schweigen gebracht! “; Du Stern meiner Nacht, Str. 1: „Du Stern meiner Nacht,/ gehst dort am Himmel auf,/ schweigst und beendest sacht,/ meinen Tageslauf“; Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 1,1. 102 Dein Friede breitet sich nun, 1: „Dein Friede breitet sich nun über den Abend,/ du bringst das Wirken des Tages zur Ruh; / und in der Stille redest du, nur du“; Der Abend kommt, Str. 1,2-4: „Du Gott der Stille, deinen Frieden lege / auf unser Haus und auf das dunkle Land / und lass uns ruhn in deiner guten Hand“; Der Tag nun versinkt in Nacht, Str. 3: „Die Augen sind müde vom Sehen,/ zu viel hat das Leben erdacht,/ zu laut wurden Worte gewechselt,/ doch du hast das Schweigen gebracht! “; Dieser Tag geht nun zu Ende, Str. 5,1f: „Lass mich doch nach all dem Treiben,/ Herr, in deiner Stille bleiben“ ; Stille lass mich finden, Ref, 1: „Stille lass mich finden, Gott, bei dir.“ 103 Der Abend kommt, Str. 1,2f: „Du Gott der Stille, deinen Frieden lege / auf unser Haus und auf das dunkle Land“; Dieser Tag geht nun zu Ende, Str. 5,1f: „Lass mich doch nach all dem Treiben,/ Herr, in deiner Stille bleiben“; Hüll mich ganz in deine Ruhe ein, Str. 1,1f; Die Nacht ist da, Str. 5,3f: „Denn du allein, was ich auch immer tue,/ bist meine Ruhe.“ 104 In die Federn! , Str. 1,2f: „Gib auf die Augen acht./ Den Computer ausgemacht“; siehe auch Nun ruht die Arbeit, Str. 2,1f: „Noch drückt die Last der Maschinen uns nieder./ Zahlenreihen nach uns schreien.“ <?page no="47"?> 33 ihre Hoffnung längst zerbrach.“ 105 Auch moderne, gesellschaftliche Probleme wie ‚Scheidung’ und ‚Alkoholprobleme’ werden dabei ins Wort gehoben: 3. Leuchtet ein Fenster in die Nacht hinaus: Dort weiß ein Mensch nicht ein noch aus, weil er verlassen und einsam nun ist, die Trennung nicht vergisst. 4. Durch ein Kellerfenster dringt ein Licht, lärmende Stimmen verstummen nicht. Dort sitzen sie bei Whisky und Wein und bleiben doch allein. 106 Das Erleben der Welt bzw. der Gesellschaft ist im Wesentlichen negativ geprägt. ‚Unfriede’ und ‚Ungerechtigkeit’ sind dabei ihr Kennzeichen: Es bleibt dabei: Die Welt ist rund, du liefest dir die Füße wund, um Lohn und Brot zu finden. Die Wege der Gerechtigkeit sind hart und schmerzlich hier zur Zeit, das haben wir erfahren. 107 Eine auffällig hohe Anzahl von Liedern vermittelt psychische Dispositionen und emotionale Gestimmtheiten: In 16 Liedern wird die ‚Angst’ thematisiert; die Gründe für sie sind, sofern sie benannt werden, 108 ‚Dunkelheit’ und 105 Es ist spät geworden, Str. 3; siehe auch: Der Tag nun versinkt in Nacht, Str. 2,3f: „Die Einsamkeit senkt’ ihre Schatten,/ doch weiß ich, du hältst bei mir Rast! “ 106 Dunkel sind alle Straßen dieser Stadt, Str. 3f. 107 Es bleibt dabei, Str. 2; siehe auch: Der Tag geht zur Neige, Str. 5,1: „Wir suchen den Frieden und finden ihn nicht“; Der Tag hüllt sich in Dunkelheit, Str. 1,3f: „Wir Menschen spüren Hass und Streit,/ die Welt nach Atem ringt“; Ein Tag ist vorüber, Str. 4,1f: „Ein Tag ist vorüber, ein Tag dieser Welt,/ durch Krankheit, Hunger und Habsucht entstellt“; Es ist spät geworden, Str. 4: „Du kennst unsre Erde, du kennst den Krieg./ Völker kaufen Waffen für den Sieg./ Bomben und Raketen stehn bereit./ Herr, wie lange gibst du uns noch Zeit? “; Es wird Abend, Str. 2a: „Doch der Mensch geht friedlos durch die Zeit./ Er will lieben und lebt doch im Streit./ Mit Hass, Neid und Empörung,/ Gewalt, Krieg und Zerstörung,/ schlägt er Wunden und bringt großes Leid.“ Str.2b: „Und doch täuscht die Stille dieser Zeit./ Wo wir Menschen leben, gibt es Streit./ Wir sehnen uns nach Frieden,/ versprechen uns zu lieben,/ doch trotz Mühen kommen wir nicht weit“; Heut war ein schöner Tag, Str. 3,1-4: „Du, Herr, kennst auch das Leid,/ das eins dem andern zugefügt,/ wenn man sich hasst, verletzt, bekriegt / in dieser Welt voll Streit“; Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, Str. 8,1f: „Sieh deine Welt im Schatten der Not,/ bedroht von der Kälte anbrechender Nacht.“ 108 Ohne eine nähere Spezifizierung ist von der ‚Angst’ in folgenden Liedern die Rede: Dein Friede breitet sich nun, Str. 3,1f: „Und Liebe hüllt uns ein mit all unsren Fehlern / und birgt uns sicher vor Sorgen und Angst“; Der Abend kommt und wir zu dir, Str. 1,5: „Bei Angst gib du uns Zuversicht“; Der Tag geht zu Ende, Str. 1,3f: „In Ängsten und Sorgen / sind wir geborgen,/ weil uns der Herr nicht verlässt“; Der Tag ist zu Ende, Str. 1,5: „von Angst uns löse“; Dunkel wird es wieder, Str. 1,2-4.5,1f: „Eh die Angst erwacht,/ steigt, ihr Abendlieder,/ zu dem Herrn der Nacht./ 5. Nimm des Tages Sorgen,/ lindre Angst und Not“; Ein Tag ist vorüber, Str. 3,2f: „[…] denn nur du allein / wachst in meinen Nächten und wehrst aller Angst“; Ums Haus geht schon der Abendwind, Str. 5: „Du gehst wie fremd durch diese Zeit,/ da uns die Ängste treiben./ Gib uns den Mut, mach uns bereit,/ auf deinem Weg zu bleiben.“ <?page no="48"?> 34 ‚Nacht’ 109 , ‚Not’ 110 , ‚Sorgen’ 111 ‚Leiden’ 112 und ‚Beklemmungen’ 113 . Ebenso gibt es Lieder, die angesichts des Abends ‚depressive Verstimmungen’, d.h. eine gewisse ‚Schwermut’, ‚Trauer’ oder zumindest ‚Unsicherheit’ spiegeln. 114 Gleichwohl werden auch ‚Heiterkeit’, ‚Freude’ und ‚Erleichterung’ zum Ausdruck gebracht. 115 Auch nennen einige Lieder eine ganze Bandbreite von am vergangenen Tag erlebten positiven und negativen Stimmungen. 116 109 Bleib bei uns, Str. 1,1-4: „Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht,/ wenn uns die Finsternis beschleicht./ Wenn wir voll Not ins Dunkel sehn,/ wenn wir in Ängsten schier vergehn“; Der Abend kommt, Str. 3,1: „Die Nacht ist bang“; Ich liege, Herr in deiner Hut, Str. 2,3f: „wenn mich die Schatten finstrer Nacht / mit jäher Angst erfüllen“; In abendstillen Zweigen, Str. 3: „Dein ist der Gang der Zeiten./ Dein ist die Mitternacht./ Durch alle Bangigkeiten / wollst du hindurchgeleiten,/ bis wir zum Tag erwacht.“ 110 Danke für diese Abendstunde, Str. 6,2: „danke, mich schreckt nicht Nacht noch Not“. 111 Wenn wir uns abends niederlegen, Str. 2,1-4: „Wenn sich noch Sorgen in uns regen / und sich wie Zentnerlasten auf uns legen,/ dass große Angst uns die Ruhe raubt,/ dann wird doch stille“. 112 Bleib bei mir, Herr, Str. 4,1f: „Von deiner Hand geführt, fürcht ich kein Leid,/ kein Unglück, keiner Trübsal Bitterkeit.“ 113 Meine Hände dürfen müde sein, Str. 1-3: „1. Meine Hände dürfen müde sein / und meine Augen schwer./ In mir braucht keine Angst zu sein,/ ich sei so schwach und leer./ 2. Meine Worte dürfen einfach sein / und meine Liebe leis’./ In mir braucht keine Angst zu sein,/ dass ich nicht weiter weiß./ 3. Mein Atem darf ganz ruhig gehn,/ bis ich ihn tiefer spür’./ In mir braucht keine Angst zu sein,/ ich sei zu eng dafür.“ 114 Dieser Tag geht nun zu Ende, Str. 4,1-3: „Mutlos bin ich und beklommen,/ was ich tat, war unvollkommen,/ lässt mir keine Ruh“; Es ist spät geworden, Str. 3,3: „Weinend liegen Menschen lange wach,/ weil alle ihre Hoffnung längst zerbrach“; Spät am Abend, Str. 1: „Spät am Abend, da es still wird,/ spür ich Unrast in mir wachsen,/ und ich kann sie nicht vertreiben./ Unterm Glück, das ich noch fühle,/ weil der Tag so viel gebracht hat,/ strömt’s wie Schmerz und gibt nicht Ruhe.“ 115 Ade, wünsche gute Nacht, Str. 1,3: „Ich freu mich auf meinen Schlaf“; Danke für diese Abendstunde, Str. 4,3f: „danke du gibst mir Kraft zum Werke,/ froh kann ich nun ruhn“; Danke, Herr! , Str. 1,1f: „Ich will dir danken,/ denn du hast mich froh gemacht“; Der Schatten deiner Flügel, Str. 1: „Der Schatten deiner Flügel,/ er decke sanft mich zu./ So kann ich dein frohlocken / und finden meine Ruh“; Der Tag begann, Str. 2,1f: „Wir danken dir für alles Glück,/ das du uns heut geschenkt“; Die Nacht ist da, Str. 4: „Schenk uns das Leuchten deines Angesichtes,/ bewahre uns die Freude dieses Lichtes./ Mehr als das Glück, das Menschen je erreichten,/ zählt dieses Leuchten“; Eine kleine helle Weise, Ref: „Müde kehr ich heim und kehre heim zu dir / Alles lasse ich zurück und find bei dir mein Glück“; Heut war ein schöner Tag, Str. 1,1.5: „Heut war ein schöner Tag“; Mir fallen schon die Augen zu, Str. 1,2f: „Mit meinem Gott geh ich zur Ruh’ / und freue mich auf morgen“; Nach des Tages Last, Str. 2,7f: „Du allein bist unser Glück,/ willst uns durch alles zu dir ziehen“; Nun hat die Nacht den Tag vertrieben, Str. 2: „Du weißt, weshalb ich heute fröhlich war./ Du hast mein Lachen selbst gehört./ Du kennst die Freude,/ die mich bewegte,/ und kennst das Glück, das mich betört“; Unter ging der Sonne Schein, Str. 5: „Dass ich nach der Arbeit Hast / endlich Ruhe fand und Rast / für der frohen Stunden Glück,/ das mich gab mir selbst zurück.“ 116 Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I+II), Str. 1,1f: „Ein Tag geht nun zu Ende, Herr, er kam aus deiner Hand./ Er ist mit Freude, Last und Leid gefüllt bis an den Rand“; Nach des Tages Last, Str. 1,7f: „Alle Arbeit, Freud und Klag / legen wir jetzt in deine Hände“; Wenn in des Meeres graue Flut, Str. 3,3f.: „|: ein jeder Tag hat seine Ruh / nach Mühe, Glück und Pein. : |“; Wieder geht ein Tag zu Ende, Str. 1,4-6: „Hör das Lachen, sieh das <?page no="49"?> 35 Einige wenige Lieder reflektieren ihr Verständnis vom menschlichen Leben und ihre Erwartungen an selbiges. In Vom hohen Baum der Jahre wird beispielsweise ein sorgloses und zugleich aus dem Vollen schöpfendes Dasein erhofft: „Du, Herr und Gott, hilf mir so leben, ob morgen / das letzte bunte Blatt vom Baum zu Boden fiele.“ (Str. 4). In zwei anderen Stücken zeigt sich die Wahrnehmung des Lebens als ein Wagnis. 117 c) Kirchenbild und Glaubensverständnis 118 Die ‚Kirche’ im eigentlichen Sinn tritt lediglich in zwei Liedern auf, beidesmal als ‚Gebetsgemeinschaft’. 119 Weitere zwei Lieder rekurrieren auf den aus dem II. Vatikanischen Konzil wiederentdeckten Terminus der ecclesia peregrinans, des ‚Volkes Gottes auf dem Weg’. 120 Außerdem werden die Symbole ‚Schiff’ 121 und ‚Haus’ 122 auf die Communio sanctorum angewendet. Am häufigsten wird die Gruppe der singenden Gläubigen jedoch als ‚Gemeinschaft der Gott Lobenden’ 123 oder als ‚Gebetsgemeinschaft’ 124 beschrieben. Weinen,/ spür die Freude, fühl das Sehnen / und ich frage mich: Hat der Tag gelohnt? “ 117 Ade, wünsche gute Nacht, Str. 2: „Ich habe mit Euch geteilt,/ mein Leben und ihr habt geheilt / die Brüche und meinen Stolz./ Ihr habt zwar nicht viel gesagt,/ habt’s aber mit mir gewagt./ das Jammern zu meiden“; Ein Tag ist vorüber, Str. 1,1-3: „Ein Tag ist vorüber, ein Tag meiner Zeit,/ geliehene Stunden, begrenzt und doch weit / für Wünsche und Wagnis, für Handeln und Sein.“ 118 In kaum einem Lied wird über den Glauben explizit reflektiert. Alle Aussagen über ein etwaiges Kirchenbild oder Selbstverständnis des Glaubens können daher nur exemplarisch erörtert werden. 119 Der Lärm verebbt, Str. 2,3: „Lass deine Kirche mit Jesus wachen“; Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str. 2,3f: „und danken dir, wenn wir uns legen,/ dass deine Kirche nimmer ruht“. 120 Christus, du bist der helle Tag, Str. 4,3f: „Wir sind dein Volk, das dir vertraut: / Beschütze uns mit deiner Hand“; Gott, segne unser Wandern, Str. 1,1f: „Gott, segne unser Wandern / durch Straßen und durch Nacht.“; Str. 2,3f: „Erquicke die Gemeinden / mit Wort und Brot und Wein! “ 121 Herr, bleib bei uns, sei unser Licht, Str. 3,3f: „ein Schiff, das trägt uns über alle Meere, |: wenn wir in seinem Geist zusammenstehn.: |“ 122 Herr, bleibe bei uns in dieser Nacht, Str. 1,3f: „im Haus aus Brot der Tag erwacht“, 3,3f: „Wo wir dein Haus zum Grab gemacht,/ lass Wohnung uns und Ausweg finden! “ 123 Angelangt an der Schwelle des Abends, Str. 1: „Angelangt an der Schwelle des Abends,/ schauen wir Christus, das ewige Licht,/ und preisen durch ihn den Vater im Geist“; Danke für diese Abendstunde, Str. 1,3f: „danke, aus meines Herzensgrunde / ich dich preisen mag“; Der Abend kommt und wir zu dir, Str. 2,1: „Dem Vater stimmt ein Danklied an“; Der Tag ist um (I+II), Str. 1,3f: „Dich preisen unsre Morgenlieder,/ dir sei die Stille nun geweiht“; Str. 2: „Wie über Länder, über Meere / der Morgen ewig weiterzieht,/ tönt stets ein Lied zu deiner Ehre,/ dein Lob, vor dem der Schatten flieht“; Der Tag ist um (II), Str. 3,3f: „und stündlich neu wird angefangen / ein Loblied, das dich preist, o Herr“; Der Tag ist zu Ende, Str. 2,5f: „und lass uns danken,/ für das, was heut geschah“; Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str. 1,3f: „am Morgen hast du Lob empfangen,/ zu dir steigt unser Nachtgebet“; Str. 3: „denn unermüdlich, wie der Schimmer / des Morgens um die Erde geht,/ ist immer ein Gebet und immer / ein Loblied wach, das vor dir steht“; Des Tages Glanz verloschen ist, Str. 3: „So wollen wir morgen preisen dich / für all dein gnädig Leiten / und allzeit, jetzt und ewiglich / dein Lob <?page no="50"?> 36 Kennzeichen der Gläubigen ist aber nicht nur das Gebet, sondern auch ein durch die ‚christliche Ethik’ geprägtes Handeln, 125 das meistens als ‚Nachfolvon Herzen ausbreiten./ Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ! “; Du lässt den Tag, o Gott, nun enden, Str. 3: „Wenn uns der Schein der Sonne schwindet / und Licht den fernen Ländern bringt,/ wird dein Erbarmen dort verkündet,/ vieltausendfach dein Lob erklingt“; Gehe ein in deinen Frieden! , Ref: „Preist den Tag und die Nacht! / Preist die Nacht und den Tag! / Preist die Sonne, preiset die Erde,/ preist den Herrn aller Welten./ Amen“; Herr, bleibe bei uns in der Nacht, Str. 1,1f: „Herr, bleibe bei uns in der Nacht / bis wir den Morgen loben“; Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, Str. 1,3: „preisen wir Menschen Gott, unsern Vater“; Von guten Mächten treu und still umgeben, Str. 6: „Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,/ so lass uns hören jenen vollen Klang,/ der Welt die unsichtbar sich um uns weitet,/ all deiner Kinder hohen Lobgesang“; Wir bitten, Christus, bleib bei uns, Str. 3: „Lob sei dem Vater und dem Sohn,/ Lob sei dem Heil'gen Geiste./ Wie es von allem Anfang war,/ jetzt und für alle Zeiten.“ Im Verhältnis dazu ist nur in drei Liedern vom Lob eines Einzelnen die Rede: Die Sonne sinkt ins Meer, Str. 1,3-5: „Ich lobe meinen Gott,/ er gibt uns Tag und Nacht,/ den Arbeitstag, den Traum, die Nacht“; Guter Gott, ich danke dir, Str. 1,1; Still geht der Tag zur Ruh, Str. 5: „Dafür sag ich dir Preis./ Herr, du bist stets bei mir; / du weißt den Weg, den ich nicht weiß./ Mein Gott, ich danke dir“; Unter ging der Sonne Schein, Str. 4: „Für die Speise, für den Trank / sage ich dir Lob und Dank,/ für dein Wort, das zu mir kam,/ Ängste mir und Zweifel nahm.“ 124 Folgende Lieder qualifizieren die Gruppe der Gläubigen als Gebetsgemeinschaft: Bevor des Tages Licht vergeht, Str. 1: „Bevor des Tages Licht vergeht / O Herr der Welt, hör dies Gebet: / Behüte uns in dieser Nacht / durch deine große Güt’ und Wacht“; Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str. 1,3f: „am Morgen hast du Lob empfangen,/ zu dir steigt unser Nachtgebet“, Str. 3: „denn unermüdlich, wie der Schimmer / des Morgens um die Erde geht,/ ist immer ein Gebet und immer / ein Loblied wach, das vor dir steht“; Du lässt den Tag, o Gott nun enden, Str. 2,3f: „Wir danken dir für Schutz und Segen / wie jeder Mensch, der betend wacht.“ Str. 4: „Denn wie der Morgen ohne Halten / als Leuchten um die Erde geht,/ scheint auf in wechselnden Gestalten / ein unaufhörliches Gebet“; Gute Nacht, Str. 2,5-7: „Und die offne Frage geht mit uns / durch das Nachtgebet / in die neuen Tage“; Nach des Tages Last, Str. 3,7f: „Deine Gnade, deine Treu / lass uns anbeten ohne Ende! “; Nun trägt der Abendwind den Tag, Str. 3,3: „Ein Dank, ein Seufzer im Gebet“. Seltener ist vom Gebet eines einzelnen Gläubigen die Rede: Du Stern meiner Nacht, Str. 3,1: „Höre mein Beten drum! “; Eine kleine helle Weise, Str. 1,3f: „und zum Herren steiget leise / nun mein Dank und mein Gebet“; Jeden Abend bete ich, jeweils 1. Vers einer Strophe; Will nun meine Hände, Str. 1: „Will nun meine Hände / falten zum Gebet,/ weil der Tag zu Ende / und zur Neige geht.“ In Bleib bei uns, hilf uns tragen wird ein Einzelner zum Gebet aufgerufen, Str. 1,1f: „Bleib bei uns, hilf uns tragen und lass uns nicht allein,/ wache und bete und bleibe, bald wird es dunkel sein.“ 125 Bevor der Tag zu Ende geht, Str. 1-3: „1. Bevor der Tag zu Ende geht,/ lass uns noch einem Menschen / ein Wort der Liebe sagen./ 2. Bevor die Nacht uns überfällt,/ lasst uns noch einem Fremden / Quartier zur Nacht aufschlagen./ 3. Bevor der Schlaf uns übermannt,/ lasst uns noch einen Gegner / um Versöhnung fragen“; Der Abend kommt, Str. 3,4: „Mach uns zu Friedensboten dieser Zeit“; Es bleibt dabei, Str. 4: „Es bleibt dabei: Eins kommt hinzu,/ der ferne Nächste ist wie du,/ das musst du fühlen lernen./ Er hat wie du, kein andres Haus,/ die Erde hält uns alle aus,/ geb’s Gott, das es so bleibe“; Heut war ein schöner Tag, Str. 4: „Lass mich das Nöt’ge tun / dass ich das Glück, von dem ich leb,/ an andre Menschen weitergeb./ Die Liebe darf nicht ruhn./ Lass mich das Nöt’ge tun“; Hüll mich ganz in deine Ruhe ein, Str. 3: „Morgen fragen Augen mein Gesicht,/ prüfen mich ob meiner Worte Antwort./ Hilf mir, dass ich keinem, der in Not,/ Steine geb, Stein statt Brot.“ <?page no="51"?> 37 ge Christi’ 126 gedeutet wird. Zwei Lieder explizieren dabei die ‚Freiheit’, an die die Nachfolge Christi notwendig gebunden ist: „Wurde ich als treu erfunden, oder war ich zu gebunden / und nicht frei genug als Bote für die Welt? “ 127 So vermittelt sich in dem überwiegenden Teil der Lieder eine allgemeingültige, überzeitliche Vision von Kirche. 128 d) Gegenwartssprachliche Besonderheiten Kennzeichen der meisten Abendlieder der Nachkriegszeit ist die Gegenwartssprache. Sie sind in ihrer sprachlichen Gestalt eher schmucklos, wenig poetisch und bedienen sich selten Archaismen und Neologismen. Einige Stücke irritieren, weil sie sich eines psychologisch-pädagogischen, moralisch unterfütterten Wortschatzes bedienen: 2. Höhen und Tiefen stehe ich durch an deiner Seite. Höhepunkte und Vertiefungen hast du meinem Erfahrungsschatz zugefügt. 5. Ich lege mich nicht zur Ruhe bei meinen Schattenseiten. Ich will mir die Dynamik der Auferstehung nicht schuldig bleiben. 126 Es wird Abend, Str. 4,3-5: „Zünd an in unseren Herzen,/ Herr, deine Friedenskerzen,/ lass uns leuchten, bis dein Tag erscheint“; Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 4: „Rede, Meister, und erklär’ / unserm Fuß die Bahn,/ lehr uns wandeln auf dem Meer,/ wie du selbst getan“; Von einem Tag zum andern, Str. 1: „Von einem Tag zum andern,/ ein Stern beginnt zu wandern./ Wir ziehen mit, wir ziehen mit“; Wie könnt ich ruhig schlafen, Str. 3,1f: „Darum lass mich vergeben, wie du vergibst,/ und meinen Nächsten lieben, wie du mich liebst“; Wieder geht ein Tag zu Ende, Str. 2,1-6: „War ich heut für dich bereit,/ bracht ich Licht in Dunkelheit? / Denn ich weiß, dazu hast du mich ausgesandt./ War ich heute Salz der Erde,/ eine Stadt auf hohem Berge? / Habe ich geleuchtet, Herr, als Licht der Welt? “ 127 Wieder geht ein Tag zu Ende, Str. 2,7f. Ähnlich ist auch von der Freiheit des Glaubens die Rede in Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I), Str. 2,3f: „Wir haben Freiheit, ihn [den Weg; Vf.] mit Dir und Deiner Kraft zu gehen,/ auch wenn wir Deine Wege, Herr, im Dunkel nicht verstehn.“ Alle anderen Lieder, die von Freiheit sprechen, beziehen sich auf die Erlösung durch Gott, der befreit: Der Lärm verebbt, Str. 2,2: „Mach die Gefangnen der Willkür frei“; Der Tag ist am Ziel, Str. 4: „Ein Stern zieht vorbei./ Menschen wachen,/ Menschen erwachen,/ das Land wird frei“; Nun trägt der Abendwind den Tag, Str. 2: „[…] und legt ihn ab in Gottes Zeit,/ der ihn von dem Gewicht der Erde / mit liebevoller Hand befreit“; So wie einer Kerze heller Schein, Str. 2: „Aus der Nacht der Hoffnungslosigkeit / hat dein Kommen, Herr, uns neu befreit.“ 128 Eine Ausnahme sei im Folgenden kurz erörtert: „Dort, wo der Kirchturm hoch zum Himmel ragt,/ tröstend ein Licht uns Menschen sagt: / Hier wohnt bei euch der Herr aller Welt,/ der jede Nacht erhellt.“ (Dunkel sind alle Straßen dieser Stadt, Str. 5) Der Kirchturm signalisiert den Wohnort Gottes unter den Menschen. Hier ist ein Kirchenbild präsent, in dem die christlichen Kirchen noch die gesellschaftliche Mitte bilden und das eine weitgehende Deckungsgleichheit von Gesellschaft und Kirche voraussetzt, die heute in nur noch wenigen Gegenden Deutschlands real gegeben sein dürfte. Dort, wo die Kirche nur noch als Randkultur in der Gesellschaft vorhanden ist, kann womöglich das Lied missverstanden werden in dem Sinne, dass die kirchliche Wohnung Gottes zum Gefängnis Gottes wird. Gott wäre, so verstanden, nicht bei den Leidenen, die in dem Lied beschrieben werden, und unter ihnen, er lebt vielmehr zurückgezogen in der Kirche und das von ihm ausgehende Licht können (dürfen? ! ) nur diejenigen wahrnehmen, die sich der Kirche zuwenden. <?page no="52"?> 38 6. Ich gebe dem guten Werk, das ich begann, meinen Segen, ich gönne es den anderen nach mir, die Früchte zu genießen. 7. Ich nehme, was sterben soll, an wie einen klugen Rat aus einem weisen, gerechten und solidarischen Mund. 129 Es sind Vokabeln wie „Erfahrungsschatz“, „Dynamik“ oder „solidarischer Mund“, die diesem Beispiel den Anstrich einer pädagogisch motivierten Selbstfindungsübung verleihen. 130 Bei dem Versuch, gegenwartstypische Redewendungen und Floskeln in die Lieder einzubinden, werden in zwei Stücken problematische theologische Auffassungen offenkundig. Sie scheinen wohl weniger mit einer gewissen Programatik verfasst zu sein, sondern dokumentieren eher Gedankenlosigkeit oder mangelnde handwerkliche Fähigkeiten der Produzenten: (1) In Mir fallen schon die Augen zu zeigt sich ein unbekümmerter Leib-Seele- Dualismus: „Ich schicke fliegen, baden, ruhn,/ mein müdes Häufchen Seele nun./ Sie ließ sich viel gefallen,/ vom Leib, dem Zar, der müde war,/ und doch regieren wollte“ (Str. 2). (2) In Danke, Herr! nimmt der Dank bizarre Formen an, weil Gott nicht nur für die geschenkte Zeit und für seine Vergebung gedankt wird, sondern auch dafür, dass er „niemand draußen stehen“ lasse (Str. 3,3f.). In der vierten Strophe schließlich schwingen im Dank für den Schutz durch Gott auch negative Anklänge eines kontrollierenden „Buchhaltergottes“ 131 mit: „Danke, Herr! Ich will dir danken,/ und ich weiß, du hörst mein Lied,/ denn du hörst und siehst ja alles,/ was in dieser Welt geschieht“ (Str. 4). Vereinzelt lässt sich auch eine fragliche Transformation biblischer Redewendungen feststellen. In Ums Haus geht schon der Abendwind, wird die Ungreifbarkeit und Unverfügbarkeit Gottes im menschlichen Leben als ‚Windhauch’ bezeichnet, eine Vokabel, die im Buch des Predigers Kohelet führend ist, um die Nichtigkeit und Vergänglichkeit alles Irdischen zu beschreiben. 132 129 Adonai, in deine Hand lege ich mein Geschick, Str. 2.5-7. 130 Siehe ähnlich auch in Ade, wünsche gute Nacht, Str. 2: „Ich habe mit Euch geteilt,/ mein Leben und ihr habt geheilt / die Brüche und meinen Stolz./ Ihr habt zwar nicht viel gesagt,/ habt’s aber mit mir gewagt,/ das Jammern zu meiden“; Es wird Abend, Str. 3,1f: „Tiefer Friede, der die Herzen lenkt,/ wird uns nicht von außen aufgedrängt“; Es bleibt dabei, Str. 3,5-8: „Was war, das ist,/ das lässt sich sehn,/ wird in Erinnerung auferstehn,/ das lässt sich nicht verdrängen“; Meine Hände dürfen müde sein: „1. Meine Hände dürfen müde sein und meine Augen schwer./ In mir brauch keine Angst zu sein,/ ich sei so schwach und leer./ Ref: Du trägst ja auch mein Müdesein an dieses Tages Last / und schließt mich in die Liebe ein, die Du erlitten hast./ 2. Meine Worte dürfen einfach sein / und meine Liebe leis’./ In mir braucht keine Angst zu sein,/ dass ich nicht weiter weiß./ 3. Mein Atem darf ganz ruhig gehn,/ bis ich ihn tiefer spür’./ In mir braucht keine Angst zu sein, ich sei zu eng dafür.“ 131 F RIELINGSDORF , K ARL : Dämonische Gottesbilder. Ihre Entstehung, Entlarvung und Überwindung. Mainz 1992, 142. 132 lb,h, fasst die Lehre Kohelets zusammen: „Alles ist eitel! “ Vgl. L AUHA , A ARRE : Kohelet. (BKAT XIX) Neukirchen-Vlyn 1978, 30. K RÜGER , T HOMAS : Kohelet (Prediger). (BKAT XIX Sonderband) Neukirchen-Vlyn 2000, 101-104. <?page no="53"?> 39 Gott wird hier reduziert, ob gewollt oder ungewollt, auf ein der Vergänglichkeit anheim gegebenes Etwas. 2) Gebet Schon die direkte Kommunikationssituation der Lieder - ein Mensch bzw. eine Sprechergruppe wendet sich an Gott - zeigt, dass die meisten Lieder der Sammlung eine Form des an Gott gerichteten Gebets aufweisen. Auch die lexematisch hohe Anzahl von Imperativen bzw. Deprekativen deutet darauf hin, dass in vielen Liedern Bitten zu finden sind. 133 Einer klassischen Gebetsstruktur von Anrufung (Anaklese), Dank (Anamnese), Bitte (Epiklese) und ggf. Doxologie folgt kein Lied; die meisten dieser Elemente finden sich vereint in den beiden Hymnus-Übertragungen Te lucis ante terminum - Bevor des Tages Licht vergeht und Christe, qui lux es et dies - Christus, du bist der helle Tag bzw. Christus, du bist uns Licht und Tag. Am häufigsten sind Versatzstücke und einzelne Elemente des christlichen Gebets zu finden, d.h. sie widmen sich entweder ‚Lob’ und ‚Dank’ oder ‚Bitte’. In vier Liedern taucht ‚Gebet’ als Motiv auf, ohne dass es (zumindest in Teilen) vollzogen würde. 134 Der Lobpreis ist in den Liedern eng mit Gesang bzw. mit dem Lied verbunden: „König und Herr der Zeit, dir sei Dank! / Aus Nacht und Dunkelheit dringt leiser Klang: / Lobgesang.“ 135 Dabei thematisieren einige Abendlieder sich selbst. 136 133 Vgl. das erste Kapitel Lexematische Auswertung. 134 Bleib bei uns, hilf uns tragen, z.B. Str. 1,2: „wache und bete und bleibe, bald wird es dunkel sein“; Gute Nacht! , Str. 2,5-7: „Und die offne Frage geht mit uns / durch das Nachtgebet / in die neuen Tage“; Nun trägt der Abendwind den Tag, Str. 3,3: „Ein Dank, ein Seufzer im Gebet“; Will nun meine Hände, Str. 1,1f: „Will nun meine Hände / falten zum Gebet“. 135 Still über alle Welt fällt die Nacht, Str. 2. Allgemein vom ‚Lied’ ist auch in folgenden Liedern die Rede: Dank dir für jeden Tag, Str. 2,7f: „Noch das Lied, das uns verstummt,/ wird dir Lobgesang“; Danke Herr! , Str. 4,1f: „Danke, Herr! Ich will dir danken,/ und ich weiß, du hörst mein Lied“; Der Tag ist um (I+II), Str. 1,3: „Dich preisen unsre Morgenlieder“; Str. 2,3: „tönt stets ein Lied zu deiner Ehre“; Der Tag ist um (II), Str. 3,3f: „und stündlich neu wird angefangen / ein Loblied, dass dich preist, o Herr“; Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str. 1,3f: „am Morgen hast du Lob empfangen,/ zu dir steigt unser Nachtgebet“; Str. 3: „denn unermüdlich, wie der Schimmer / des Morgens um die Erde geht,/ ist immer ein Gebet und immer / ein Loblied wach, das vor dir steht“; Eine kleine helle Weise, Str. 1: „Eine kleine helle Weise / durch die Abendstille weht / und zum Herren steiget leise / nun mein Dank und mein Gebet“; Der Tag ist um (I+II), Str. 2: „Wie über Länder, über Meere / der Morgen ewig weiterzieht,/ tönt stets ein Lied zu deiner Ehre,/ dein Lob, vor dem der Schatten flieht.“ 136 Abendfrieden senkt sich wieder, Str. 1,1-4: „Abendfrieden senkt sich wieder / tröstlich über Land und Meer,/ webt den Ton der Abendlieder / in die Stille um uns her“; ähnlich auch Der Tag geht müd von hinnen, Str. 2: „Nun wollen wir noch singen / das stille Abendlied./ Es soll zum Schöpfer dringen,/ der uns so treu behüt“; Dunkel wird es wieder, Str. 1,2-4: „Eh die Angst erwacht,/ steigt, ihr Abendlieder,/ zu dem Herrn der Nacht“; Eine kleine helle Weise, Str. 1: „Eine kleine helle Weise / durch die Abendstille weht / und zum Herren steiget leise / nun mein Dank und mein Gebet“; Gehe ein in deinen Frieden! , Ref: „Preist den Tag und die Nacht! / Preist die Nacht und den Tag! / <?page no="54"?> 40 In vielen Beispielen bleibt der Dank nicht im Allgemeinen, 137 sondern wird konkret zu einem ‚Dank für’ etwas: für die gottgeschenkte ‚Zeit’ und damit auch für den ‚zurückliegenden Tag’ und die ‚kommende Nacht’, 138 für den erfahrenen göttlichen ‚Schutz’ 139 oder das göttliche ‚Handeln’ 140 und überhaupt für den ‚Glauben’ 141 , für das ‚Wort Gottes’ 142 , das ‚Glück’ 143 oder für die ‚wachende Kirche’ 144 . Das wohl umfassendste Danklied in dieser Samm- Preist die Sonne, preiset die Erde,/ preist den Herrn aller Welten./ Amen. Amen“; Wenn in des Meeres graue Flut, Str. 2: „Ganz leise noch ein Vogel singt / im schattenkühlen Baum |: sein stilles Abendlied erklingt / zum weiten Sternenraum.: |“ 137 Unspezifischer ‚Dank’ zeigt sich in folgenden Liedern: Der Tag nun versinkt in Nacht, Str. 4: „So möchte ich warten und schweigen,/ bedenken, was alles geschah! / Und danken! In Tagen und Nächten,/ mein Herr, allezeit bist du da! “; Eine kleine helle Weise, Str. 1,3f: „und zum Herren steiget leise / nun mein Dank und mein Gebet“; Noch hinter Berges Rande, Str. 4,3f: „Und falten unsre Hände / und danken dem, der wacht“; Nun trägt der Abendwind den Tag, Str. 3,3: „Ein Dank, ein Seufzer im Gebet“; Still geht der Tag zur Ruh, Str. 5,4: „Mein Gott, ich danke dir“; Still über alle Welt fällt die Nacht, Str. 2,1: „König und Herr der Zeit, dir sei Dank! “ 138 Bevor die Sonne sinkt, Str. 3: „Bevor die Sonne sinkt,/ will ich dir herzlich danken./ Die Zeit, die du mir lässt,/ will ich dir Lieder singen“; Dank dir für jeden Tag, Str. 1,1f: „Dank dir für jeden Tag,/ den du uns geschenkt! “; Danke für diese Abendstunde, Str. 1,2: „danke für den vergangen Tag“; Danke, Herr, für diese Nacht! , Str. 1,1; Ein Tag ist vorüber, Str. 1,4: „Hab Dank für den Tag, Herr, hab Dank für den Tag“; Gute Nacht! , Str. 3,4-8: „Dank, Herr, für dies Leben,/ für die nette Kleinigkeit,/ für den Gruß, das Brot, die Zeit,/ für die Kraft zum Geben“; Guter Gott, ich danke dir, Str. 1,1f: „Guter Gott, ich danke dir für den Tag / und was jetzt noch kommen mag“; Heut war ein schöner Tag, Str. 1,4f: „Drum ich dankbar sag: / Heut war ein schöner Tag“; Vom hohen Baum der Jahre, Str. 2,1: „Dir dank ich, Herr, die lange Kette meiner Tage“; Wir danken dir für diesen Tag, Str. 1,1f: „Wir danken dir für diesen Tag,/ der heut in unsren Händen lag! “. In Der Tag ist zu Ende wird um die Fähigkeit zur Dankbarkeit hinsichtlich des Erlebten gebeten, Str. 2,5f: „und lass uns danken,/ für das, was heut geschah.“ 139 Dank dir für jeden Tag, Str. 1,3-5: „Dank dir, dass deine Hand / unsre Schritte lenkt! / Dank dir, dass du mit uns gehst,/ heute, alle Zeit,/ tausend Jahre bis ins Licht / deiner Ewigkeit! “; Dein Friede breitet sich nun, Str. 3,3: „Dank, Herr, dass du von uns nicht weichst noch wankst“; Nun hat die Nacht den Tag vertrieben, Ref,4: „Du wirst mich bewahren, ich danke dir“; Du lässt den Tag, o Gott, nun enden, Str. 2,3f: „Wir danken dir für Schutz und Segen / wie jeder Mensch, der betend wacht.“ 140 Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str. 4,3f: „und immer wird ein Mund sich üben,/ der Dank für deine Taten spricht.“ 141 Es ist spät geworden, Str. 5: „Über alle Traurigkeit der Welt / hast du deinen großen Plan gestellt; / deine helle Zukunft bricht bald an./ Danke, dass ich daran glauben kann.“ 142 Bevor des Tages Licht vergeht, Str. 3: „Dank dir, o Vater, reich an Macht,/ der über uns voll Güte wacht / und mit dem Sohn und Heilgen Geist / des Lebens Fülle uns verheißt“; Danke für diese Abendstunde, Str. 3,1f: „Danke, du gabst dich mir zur Speise,/ danke ich hörte heut dein Wort“; Jeden Abend bete ich, Str. 4,1: „Jeden Abend bete ich: Herr, ich danke für dein Wort“; Unter ging der Sonne Schein, Str. 4: „Für die Speise, für den Trank / sage ich dir Lob und Dank,/ für dein Wort, das zu mir kam,/ Ängste mir und Zweifel nahm“; ggf. kann das ‚Mut machende Wort’ des folgenden Liedes auch als ‚Offenbarung’ gedeutet werden: Der Tag begann, Str. 2,3f: „Wir danken dir für jedes Wort,/ das uns heut Mut gemacht.“ 143 Der Tag begann, Str. 2,1f: „Wir danken dir für alles Glück,/ das du uns heut geschenkt.“ 144 Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str. 2,3f: „und danken dir, wenn wir uns legen,/ dass deine Kirche nimmer ruht“ <?page no="55"?> 41 lung ist das dem prominenten Danke-Lied 145 nachempfundene Danke für diese Abendstunde. Hier wird gedankt für den ‚vergangenen Tag’ (1,2), den eigenen Lobpreis (1,4), ‚Gottes Schöpfersein’ (2,1f.), für seine ‚Nähe’ (2,3f.), die sich in der ‚Eucharistiefeier’ konkretisiert (Speise, Wort; 3,1f.), für seine ‚Hilfe’ (3,3f.) und ‚Kraft’ (4), durch die der Beter zum Guten fähig gewesen ist. Außerdem wird ihm dafür gedankt, dass er ‚vergibt’ (5), dass er durch die Annahme des Beters vor jeder Not ‚schützt’ (6,1f.) und dass er einst ‚wiederkehren’ wird (6,3f.). Der Dank erhält hier proklamierenden, bekenntnishaften Charakter. In allgemein gehaltenen Bitten ist neben der Bitte um Schutz 146 die ‚Bitte um Frieden’ dominant. 147 Insgesamt sind mit Bittelementen gespeiste Lieder jedoch wesentlich durch die ‚Fürbitte’ gekennzeichnet. Vier Themenbereiche lassen sich darunter ausfindig machen: Bitten für ‚Welt und Gesellschaft’ 148 , für die ‚Kirche’ 149 , für in irgendeiner Form ‚Leidende’ 150 und für das mensch- 145 T. und M.: M ARTIN G OTTHARD S CHNEIDER (1961) 1963. 146 S. das Unterkapitel Der Abend als Zeit der Bergung und Gefährdung. 147 Bleibe bei uns, wenn der Tag entweicht, Str. 1,6; Bleib, o Herr, auch jetzt in der Nacht, Str. 1,6; Der Abend kommt, Str. 3,2; Der Lärm verebbt, Str. 2,4; Der Tag geht müd von hinnen, Str. 5,3; Der Tag geht zur Neige, Str. 5,2; Die Sonne sinkt ins Meer, Str. 4,1; Geht der Tag ganz leis zu Ende, Str. 3,3; Leis der Wind im Abend weht, Str. 2,7; Senkt sich die Stille auf das Land, Str. 2,4; Wie könnt ich ruhig schlafen, Str. 2,4; Wir bitten, Christus, bleib bei uns, Str. 2,2. Allgemein gehaltene Bitten thematisieren z.B. ‚Schuldlosigkeit’: Eine kleine helle Weise, Str. 3,2: „wehr der Sünde jeden Raum.“ In Uns-Bitten, die auf vergangenes Handeln und künftiges Verhalten zielen, kleidet Danke, Herr, für diese Nacht, Str. 1,2-4, seine Anliegen: „Arbeit hat uns müd’ gemacht./ Hilf, dass Gutes aus ihr wird’/ für die Menschen, für die Erd’“; Str. 3,3f: „Mach uns morgen neu bereit,/ andern beizustehn im Leid.“ 148 Die Bitte um ‚Schutz für die (Um-)Welt’ ist Thema in folgenden Liedern: Der Tag hüllt sich in Dunkelheit, Str. 4,1: „Bewahr die Welt mit deinem Segen“; Der Tag ist zu Ende, Str. 2,2f: „Gott, du kannst behüten / Freunde, die fern sind und nah“; Geht der Tag ganz leis zu Ende, Str. 3,4: „gib auf alle Menschen acht“; Leis der Wind im Abend weht, Str. 2,1f: „Birg die Welt, o guter Gott,/ stark in deinen Händen“; Der Tag begann, Str. 4: „Wir bitten dich jetzt für die Nacht,/ dass wir geborgen sind / und du auf alle hier gibst acht,/ bis neu dein Tag beginnt“; Lieber Gott, nun schlaf ich ein, Str. 2,1: „Schütze alle, die ich lieb“; Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, Str. 8,3: „Lass deine Schöpfung, Herr, nicht im Stich“. Um ‚Frieden’ wird in folgenden Stücken gebeten: Der Abend kommt, Str. 3: „Die Nacht ist bang. Gib uns, dass Frieden werde./ Sich diese arme, leidzerrissene Erde! / Du Gott des Friedens, ende allen Streit./ Mach uns zu Friedensboten dieser Zeit“; Der Lärm verebbt, Str. 2,3f: „|: Lass deine Kirche mit Jesus wachen,/ und Menschen wirken dass Friede sei. : |“; Leis der Wind im Abend weht, Str. 2,7: „gib uns Frieden, Gott! “; Wie könnt ich ruhig schlafen, Str. 2,4: „Gib, Herr, der Erde Friede und Einigkeit.“. Im weiteren Sinne fokussiert auch die Bitte des folgenden Liedes den Frieden: Jeden Abend bete ich, Str. 5: „Jeden Abend bete ich: Herr, vergib auch meinem Feind,/ und bewege doch sein Wollen, bis uns deine Liebe eint.“ ‚Gerechtigkeit’ erbitten folgende Lieder: Danke, Herr, für diese Nacht, Str. 2,3f: „Wehr dem Unrecht, wehr der Plag’,/ dass aus Nacht bald werde Tag“; Der Lärm verebbt, Str. 2,1f: „Lass Recht aufblühen, wo Unrecht umgeht./ Mach die Gefangnen der Willkür frei.“ 149 Der Lärm verebbt, Str. 2,3f: „|: Lass deine Kirche mit Jesus wachen,/ und Menschen wirken dass Friede sei. : |“; im weiteren Sinne auch in Des Tages Glanz erloschen ist zu fin- <?page no="56"?> 42 liche ‚Leben in der Nacht’ 151 . Der ‚Klage’ wird lediglich in einem Lied Raum gegeben: Ref. Warum kommst du so spät, sieh, die Nacht bricht herein? Warum kommst du so spät, um bei mir, Herr, zu sein? 1. Warum ließest du mich ohne Trost heute sein. Warum findest du dich zum Gespräch so spät ein? 2. Warum bist du so fern, wenn ich spreche von dir? Möchte’ dich sehen so gern, Herr, im Glauben hilf mir! 152 Den Anklagen wird in 3,1f. noch das Geheimnis christlichen Glaubens hinzugefügt: „Warum bleibest du am Kreuz / doch so lang voller Pein? “ Allerdings entbehrt es eines schlüssigen Endes. Alle Fragen münden schließlich den, Str. 2,3f: „Bewahr vor Not, bewahr vor Schuld,/ die sich auf dich verließen.“ In Die Sonne sinkt ins Meer werden die Gottvergessenen und Ungläubigen in das Gebet einbezogen, Str. 3: „Gib, dass in dieser Nacht / zersorgter Finsternis / der Mut zu leben wächst,/ auch wo man dich vergisst,/ auf deiner Erde dich vergisst.“ 150 Das ‚Leid’, um dessen Linderung und Aufhebung durch Gott gebeten wird, hat viele Gesichter: Für ‚Leidende’ allgemein bitten folgende Lieder: Der Lärm verebbt, Str. 1,3f: „|: Gott, segne alle, die dir vertrauen,/ gib Rast und Ruhe, wo man heut litt. : |“; Leis der Wind im Abend weht, Str. 2,3f: „Gib den Hungernden ihr Brot./ Tröste alle, die in Not“; Senkt sich die Stille auf das Land, Str. 4,1f: „Verzweifelten mach neuen Mut / und rufe sie beim Namen“; Wir danken dir für diesen Tag, Str. 3,5f: „die sich’s durch Meer der Trauer plagen,/ richte auf mit Ostertagen.“. ‚Kranke’ werden in folgenden Liedern in das Gebet einbezogen: Danke, Herr, für diese Nacht, Str. 3,1f: „Schenke, Herr, den Kranken Schlaf,/ allen auch, die Unglück traf“; Der Tag ist zu Ende, Str. 2,4: „Hilf du allen Kranken“; Eine kleine helle Weise, Str. 3,1: „Tröste unsre kranken Brüder“; Leis der Wind im Abend weht, Str. 2,4: „lass die Schmerzen enden“; Senkt sich die Stille auf das Land, Str. 3,1f: „Verbinde alle, die verletzt / den Tag beendet haben“; Jeden Abend bete ich, Str. 6,1: „Herr, den Kranken hilfst nur du.“. Auch für ‚Sterbende’ wird gebetet: Jeden Abend bete ich, Str. 6,2: „Und erbarme dich beim Sterben, gib uns ewigliche Ruh“; Leis der Wind im Abend weht, Str. 2,6: „hilf den Sterbenden im Tod“; Wir danken dir für diesen Tag, Str. 3,3f: „Und allen, die sich sterben legen,/ komm mit deinem Licht entgegen“. Gegenwartstypischem Leid von ‚Schlaflosen’, ‚Arbeitslosen’ und ‚Gestressten’ widmen sich folgende Lieder: Danke, Herr, für diese Nacht, Str. 4,3f: „Gib, dass morgen Arbeit find’t,/ die jetzt ohne Arbeit sind“; Heut war ein schöner Tag, Str. 5,1-3: „Gib eine gute Nacht,/ dass jedem, der noch sorgt und weint,/ wenn er erwacht die Sonne scheint“; Senkt sich die Stille auf das Land, Str. 3,3f: „Zur Einkehr leite, die gehetzt,/ lass guten Schlaf sie laben“; Wie könnt ich ruhig schlafen, Str. 2,3: „Sei auch mit allen Menschen, die heut kein Schlaf erfreut.“ 151 Die Bitte um eine ‚gute Nacht’ konkretisiert sich in Eine kleine helle Weise, Str. 3,3f. in geselliger Fröhlichkeit und kindlichem Traum: „Schenk den Frohen bunte Lieder / und den Kindern einen Traum“; Wir danken dir für diesen Tag, Str. 2,3-6 bittet um Gottes Mitsein für diejenigen, die die Nacht nicht zur Rekreation nutzen können oder wollen: „Herr, sei nun Tag den Pflegenden,/ der Halt der Weltbewegenden,/ die Zuversicht im Wartesaal,/ den Nachtschwärmern ein Sonnenstrahl.“ 152 Warum kommst du so spät, Ref. und Str. 1f. <?page no="57"?> 43 in der schlichten Aussage in 3,3f: „Du hast Zeit mir gewährt,/ dass ich fand zu dir heim“, was zwar den Charakter eines Klageliedes rechtfertigt, jedoch ungeklärt lässt, warum denn nun Gott im Leben des Beters so schwierig wahrzunehmen sei. Um über den Duktus eines Vorwurfs hinauszureichen, hätte man eine Bitte um Änderung der Haltung Gottes gegenüber dem Beter o.ä. erwartet. Fünf Lieder verwenden ein Amen, das in vier Liedern als Liedschluss fungiert. Allerdings dient es nur in zweien als Bestätigungs- und Schlussformel eines Gebetes. 153 Ein Stück operiert alternativ mit dem Wunsch für eine „gute Nacht“, um den Liedschluss zu markieren. 154 In zwei Liedern fungiert diese Formel als strukturbildendes Element des Textes. 155 Meistens richtet sich der Wunsch an (eine Gruppe von) Mitmenschen. 156 3) Intertextualität Bevor im Einzelnen Themen und Motive untersucht werden, soll zuvor die Aufmerksamkeit auf die Intertextualität der Abendlieder gerichtet werden. Vor allem die Implikationen von Bibelversen und Verweise auf sie sind hier von Interesse. Vier Themenkreise lassen sich ausfindig machen: (1) Eine Gruppe von Liedern rekurriert speziell auf Texte, die entweder situativ den Abend einbeziehen oder die in ihrer liturgischen Tradition in Abendbzw. Nachtgebeten verwendet werden. Leitend ist dabei für viele Stücke die Emmausperikope, in der die Jünger den Auferstandenen um sein Verweilen bitten: „Bleib bei uns, Herr, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt“ (Lk 24,29). 157 Daneben verweist eine große Anzahl von 153 Gebetslieder mit ‚Amen’ als Bestätigungsformel sind: Senkt sich die Stille auf das Land, Str. 4: „Verzweifelten mach neuen Mut / und rufe sie beim Namen./ Sei unser aller höchstes Gut,/ die Schuld vergib uns. Amen“; Still über alle Welt fällt die Nacht, Str. 3: „Ehr dem Dreieinen Gott: Vater und Sohn! / Ehre dem Heil’gen Geist im gleichen Thron! Amen“; Gehe ein in deinen Frieden! , Ref, 3-5: „Preist die Sonne, preiset die Erde,/ preist den Herrn aller Welten./ Amen. Amen“; außerdem bildet das ‚Amen’ den Schlusspunkt zweier Lieder, ohne dass in diesen unmittelbar ein Gebet vorausgegangen ist: Wenn man der Sonne nachschaut, Str. 2,4-6: „Doch jeden Abend ist’s erreicht./ Das Mahl wird aufgetischt,/ als ob’s das letzte wär. Amen.“ In Abendfrieden senkt sich wieder wird das Amen refrainartig jeweils 5. Zeile einer Strophe eingesetzt: „Jubilate! Jubilate! Jubilate! Amen.“ 154 Guter Gott, ich danke dir, Str. 1,6. 155 Gute Nacht! , Str. 1,1; Freunde, gut Nacht, Str. 1,1.2,1,3,1. 156 Ade, wünsche gute Nacht, Str. 1,1; In die Federn, Str. 1,1; Noch hinter Berges Rande, Str. 4,2; Schon glänzt der goldne Abendstern, Str. 1,2. Bei Heut war ein schöner Tag (Str. 5,1.5) und Schon glänzt der goldne Abendstern (Str. 2,5) wird Gott auf diese Weise um eine ‚gute Nacht’ gebeten. Allgemein von einer ‚guten Nacht’ ist außderdem noch in Abend ward, bald kommt die Nacht, Str. 5,3 die Rede. 157 Vgl. Bleib bei mir, Herr, Str. 1,1.4; 2,4; 3,4; 4,4; 5,4; Bleib bei uns, Herr, Str. 1,1.3; 2,1.3; 3,1.3; Bleib bei uns, hilf uns tragen, Str. 1,1; 2,1; 3,1; 4,1; 5,1; Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht, Str. 1,1.5; 2,1.5; 3,1.5; 4,1.5; 5,1.5; Bleib, o Herr, auch jetzt in der Nacht, Str. 1,1.5; 2,1.5; 3,1.5; Bleibe bei uns, es will Abend werden, Str. 1,1.3; 2,1.2; 3,1; Des Tages Glanz erloschen ist, Str. 1,5; 2,5; 3,5; Es ist spät geworden, Ref; Herr, bleib bei uns, sei unser Licht, KV,1; Herr, <?page no="58"?> 44 Liedern auf Schrifttexte, die in der römischen und benediktinischen Komplet eine Rolle spielen: Kurzlesung 1 Petr 5,8 („Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher“), 158 Psalmen Ps 4 („Wenn ich rufe, erhöre mich, Gott, du mein Retter! ...“) V. 7 bzw. Num 6,25 („Lass dein Angesicht über uns leuchten“), 159 V. 9 („In Frieden lege ich mich nieder und schlafe ein. Denn du, Herr, lässt mich sorglos ruhn“), 160 Ps 91 („Wer im Schutz des Höchsten wohnt…“), 161 Versikel Ps 17,8 („Birg mich im Schatten deiner Flügel“), 162 Antiphon zum Canticum „Nunc dimittis“ Ps 31,6 („In deine Hände leg ich voll Vertrauen meinen Geist“), 163 Canticum „Nunc dimittis“ Lk 2,29-32 („Nun lässt du, Herr,deinen Knecht…“). 164 (2) Weiterhin spiegelt sich in den Zitaten und Entlehnungen die theologische Trias von Schöpfung, Erlösung und Vollendung. Die Schöpfungstexte rekurrieren auf die Scheide von Licht und Finsternis und auf die zweite Schöpfung, die Inkarnation des Gotteswortes: Gen 2,2 („Werk vollbracht“), 165 Ps 74,16 („Dein ist der Tag, dein auch die Nacht“), 166 Joh 1,4f. („Das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.“). 167 Zur Umschreibung der Erlösung werden alt- und neutestamentliche Texte herangezogen. Es werden hier Bezüge zu der Zusage der Befreiung Israels, bleib bei uns in dieser Zeit, KV,1; Str. 2,1; Herr, bleibe bei uns in der Nacht, Str. 1,1; Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht, Str. 3,1; Komm, der unsre Fragen schweigt, Str.2,6; Nacht kommt über unser Land, Str. 1,3; 4,3; Wir bitten, Christus, bleib bei uns, Str. 1,1. 158 Vgl. Christus, du bist der helle Tag, Str. 3,2; Christus, du bist uns Licht und Tag, Str. 2,2.4,2; Der Tag hüllt sich in Dunkelheit, Str. 2,1. 159 Vgl. Die Nacht ist da, Str. 4,1; Eine kleine helle Weise, Str. 4,2; Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 9,2; Wir stehn im Dunkeln ohne Sicht, KV,2. 160 Vgl. Die Nacht ist da, Str. 5,2; Die Sonne sinkt, es steigt die Nacht, Str. 4,3f; Ich bitt, dich, Herr, Str. 1,2f; Ich liege, Herr, in deiner Hut, Str. 1-3; Nun hat die Nacht den Tag vertrieben, Ref,3f; Spät am Abend, Str. 5,4f; Wie könnt ich ruhig schlafen, Str. 3,3. 161 Der Tenor von Ps 91 klingt in all den Stücken an, die vom ‚Schutz’ und der ‚Bergung’ Gottes reden. Vgl. hierzu Unterkapitel Der Abend als Zeit der Bergung und Gefährdung. 162 Vgl. Der Schatten deiner Flügel, Str. 1,1; 2,1; 3,1 163 Vgl. Diesen Tag, Herr, KV, 1; Dieser Tag geht nun zu Ende, Str. 1,2. 164 Vgl. Gott, vollende das gute Werk, Str. 1; Nun lässest du, o Herr. Zur Rolle der einzelnen Texte im Rahmen der Tagzeitenliturgie siehe ausführlich die jeweils in A III interpolierten Exkurse. 165 Vgl. Gute Nacht! , Str. 4,1.3. 166 Vgl. Danke, Herr! , Str. 1,3f; Der Tag nun versinkt in Nacht, Str. 4,3f; Will nun meine Hände, Str. 4,3. 167 Vgl. So wie einer Kerze heller Schein, KV. <?page no="59"?> 45 dem Exodus, dem Mitsein Gottes auf dem Weg und der Erlösung durch Christus hergestellt: Gen 12,2 („Ein Segen sollst du sein“), 168 Gen 28,12 („Himmelstreppe“/ Leiter), 169 Ex 13,21f. u.ö. („Feuersäule“), 170 Ps 121,4 („Der Hüter Israels schläft und schlummert nicht“), 171 Jes 43,1 („Ich habe dich beim Namen gerufen“), 172 Mt 9,2 u.ö („Deine Sünden sind dir vergeben“), 173 Joh 19,30 („Werk vollbracht“), 174 1 Kor 6,20 („Um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden“), 175 Von der Vollendung sprechen die Textzitate, die die Wiederkunft des Herrn ankündigen bzw. erflehen: Mt 25,6 (Kommen des Bräutigams) 176 2 Petr 1,19; auch Offb 2,16 (Morgenstern), 177 Offb 22,20 (Maranatha). 178 Außerdem gibt es einige Lieder, die sich der biblischen Texte der Sterbeliturgie bedienen. Ps 23,4 („Muss ich auch wandern im finsteren Tal, ich fürchte kein Unheil“), 179 Ps 90 gesamt 180 V. 4 („Denn tausend Jahre sind für dich / wie der Tag, der gestern vergangen ist, wie eine Wache in der Nacht.“). 181 (3) Die dritte Gruppe fokussiert die Nachfolge Christi. Hld, 3,1f. (Suche nach dem Geliebten „Ich suchte ihn, und fand ihn nicht“), 182 Hld 5,2 („Ich schlief, doch mein Herz war wach“), 183 Mt 5,13 („Salz der Erde“), 184 Mt 5,14 („Licht der Welt“, „Stadt auf dem Berg“), 185 168 Vgl. Wieder geht ein Tag zu Ende, Str. 1,7. 169 Vgl. Von einem Tag zum andern, Str. 3,2. 170 Vgl. Wenn man der Sonne nachschaut, Str. 2,1. 171 Vgl. Schon glänzt der goldne Abendstern, Str. 2,1. 172 Vgl. Geborgen in dir, Gott, Str. 2,1.3.5; 3,1.3.5; Senkt sich die Stille auf das Land, Str. 4,2. 173 Vgl. Spät am Abend, Str. 4,3. 174 Vgl. Gute Nacht! , Str. 4,1.3. 175 Vgl. Christus, du bist der helle Tag, Str. 5,2; Christus, du bist uns Licht und Tag, Str. 4,3. 176 Vgl. Herr, bleibe bei uns in der Nacht, Str. 2,1. 177 Vgl. Du Stern meiner Nacht, Str. 3,4. 178 Vgl. Komm, Herr, komm in der Nacht, Str. 1,1; 2,1; 3,1; 4,1; 5,1. 179 Vgl. Dank dir für jeden Tag, Str. 2,3f; Der Abend kommt, Str. 2,2. 180 Vgl. Gott, wertes Licht, Str. 1-3. 181 Vgl. Dank dir für jeden Tag, Str. 1,7. 182 Vgl. Herr, bleibe bei uns in der Nacht, Str. 3,1f. 183 Vgl. Christus, du bist der helle Tag, Str. 4,1f; Christus, du bist uns Licht und Tag, Str. 3,1f. 184 Vgl. Wieder geht ein Tag zu Ende, Str. 2,4. 185 Vgl. Wieder geht ein Tag zu Ende, Str. 2,5f. <?page no="60"?> 46 Mt 6,9 („Vater unser“), 186 Mt 7,9 (Stein statt Brot), 187 Mt 20,22; 26,27.39/ / (Kelch), 188 Mt 26,41/ / („Wacht und betet“), 189 Joh 6,19 (Wandeln auf Meer), 190 1 Kor 13,13 („Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei…“). 191 (4) Schließlich verwenden eine Reihe von Liedern biblische Gottesprädikationen. Darin übernehmen vor allem die evgw, eivmi -Worte des Johannesevangeliums in einigen Liedern die Funktion, das Wesen Gottes in der Person Christus zu beschreiben. Joh 6,35.48 („Brot des Lebens“), 192 Joh 8,12 (Licht der Welt/ Licht des Lebens), 193 Joh 14,6 („Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“), 194 Offb 21,6; 22,13 („Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende.“), 195 Mk 11,17/ / („Räuberhöhle“), 196 Joh 6,20; Mt 28,10 („Fürchtet euch nicht“). 197 b Zeit im Abendlied Die ‚Zeit’ findet, wie es bei tageszeitlichen Liedern zu erwarten ist, in verschiedener Hinsicht Beachtung. Sie wird in den einzelnen Tageszeiten, dem ‚vergangenen Tag’, dem ‚Abend’, der ‚bevorstehenden Nacht’ und dem ‚kommendem Morgen’ bzw. dem ‚kommenden Tag’ thematisiert. Knapp ein Viertel aller Abendlieder weisen hinsichtlich der Zeit ein gleiches bzw. ähnliches Muster auf: In insgesamt 21 Liedern werden sowohl der ‚vergangene Tag’, der ‚Abend’, die ‚Nacht’ als auch der ‚Morgen’ bzw. der ‚kommende Tag’ in den Blick genommen. In dem überwiegenden Teil, nämlich in 15 dieser Lieder, werden die Zeiten in chronologischer Reihenfolge benannt. 198 Der vergangene Tag, auf den mehr oder weniger intensiv Rück- 186 Vgl. Die Sonne sinkt ins Meer, Str. 4,2. 187 Vgl. Herr, bleibe bei uns in der Nacht, Str. 3,3f; Hüll mich ganz in deine Ruhe ein, Str. 3,3f. 188 Vgl. Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I+II), Str. 1,1f; Von guten Mächten treu und still umgeben, Str. 3,1. 189 Vgl. Bleib bei uns, hilf uns tragen, Str. 1,2; 2,2; 3,2; 4,2; 5,2; Der Lärm verebbt, Str. 2,3; Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str. 3,3f; Du lässt den Tag, o Gott, nun enden, Str. 2,3f. 190 Vgl. Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 4,3. 191 Vgl. Abendfrieden senkt sich wieder, Str. 4,3.6. 192 Vgl. Herr, bleibe bei uns in der Nacht, Str. 3,3. 193 Vgl. Wie könnt ich ruhig schlafen, Str. 3,4. 194 Vgl. Angelangt an der Schwelle des Abends, Str. 2,1; Bleib bei uns, Herr, Str. 1,3; Der Abend kommt und wir zu dir, Str. 1,8. 195 Vgl. Der Tag geht zur Neige, Str. 6,2. 196 Vgl. Herr, bleibe bei uns in der Nacht, Str. 2,3f. 197 Vgl. Wenn wir uns abends niederlegen, Ref. 198 Bevor der Tag zu Ende geht; Der Tag begann; Der Tag geht zur Neige; Der Tag ist am Ziel; Der Tag ist um (I+II); Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen; Dieser Tag geht nun zu Ende; <?page no="61"?> 47 schau gehalten wird, ist beendet. Dieses Ende impliziert den Abend, von dem ausgehend Vorausschau auf die Nacht und den kommenden Morgen bzw. den kommenden Tag gehalten wird. Die übrigen sechs Lieder bringen die vier Zeiten in unterschiedlicher Reihenfolge zur Sprache. Weitere 15 Lieder beziehen sich zwar nicht auf den ‚kommenden Tag’, durchschreiten aber ebenfalls überwiegend in chronologischer Reihenfolge den ‚vergangenen Tag’, den ‚Abend’ und die ‚bevorstehende Nacht’. 199 Auch hier folgen etwas über die Hälfte der Lieder der Chronologie, d.h. sie beginnen in der Nennung von Zeiten mit dem vergangenen Tag, um dann zum Abend und schließlich zur Nacht zu kommen. Die übrigen befassen sich mit den Tagezeiten in variierender Abfolge. Jenseits der verschiedenen Tageszeiten kommt die Zeit auch in der Erfahrung der ‚Zeitnot’ bzw. der ‚entfliehenden Zeit’ 200 zur Sprache. Nicht zuletzt wird die ‚Zeit’ als eigene Größe in den Liedern thematisch aufgegriffen und besungen. 201 Das Empfinden der ‚nicht vergehen wollenden Zeit’ bildet dabei eher eine Ausnahme: „Entreiße mich wieder vom Geschrei stillstehender Uhren.“ 202 Häufiger anzutreffen ist stattdessen die Artikulation der ‚Unverfügbarkeit der Zeit’: Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I); Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II); Es ist spät geworden; Gott, wertes Licht; Ich leg den Tag getrost aus meinen Händen; Komm, der unsre Fragen schweigt; Will nun meine Hände. 199 Sieben Lieder verweisen unter Auslassung der ‚Nacht’ auf die Tageszeiten ‚Tag’, ‚Abend’, ‚Morgen’‚ ‚kommender Tag’: Danke für diese Abendstunde; Geht der Tag ganz leis zu Ende; Herr, am Ende dieses Tages komme ich zu mir; Senkt sich die Stille auf das Land; Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag; Spät am Abend; Stille lass mich finden; Von guten Mächten treu und still umgeben. Weitere drei Lieder sprechen zwar nicht vom ‚Abend’, wohl aber von ‚Tag’, ‚Nacht’ und ‚morgen’/ ‚kommender Tag’: Danke, Herr, für diese Nacht; Freunde, gut Nacht und Heut war ein schöner Tag. Sieben Lieder lassen den ‚vergangenen Tag’ in ihrer Zeitbeschreibung aus: Abend ward, bald kommt die Nacht; Bevor des Tages Licht vergeht; Der Abend kommt; Des Tages Glanz erloschen ist; Herr, bleib bei uns in dieser Zeit; Ich liege, Herr, in deiner Hut; Lieber Gott, nun schlaf ich ein. 200 Christus, du bist uns Licht und Tag, Str. 2,3: „Von aller Unrast lös uns nun“; Jeden Abend bete ich, Str. 2,2: „Jeden Abend bete ich: Herr, es fehlte mir an Zeit./ Und ich werfe all mein Hasten auf Gottes Barmherzigkeit“; Stille lass mich finden, Str. 1,1-3: „Lassen will ich Hast und Eile,/ die mein Tagewerk bestimmen,/ die mich ständig weitertreiben“; Senkt sich die Stille auf das Land, Str. 3,3f: „Zur Einkehr leite, die gehetzt,/ lass guten Schlaf sie laben“; Still geht der Tag zur Ruh, Str. 2,1f: „Nach dieses Tages Hast / find ich in dir mein Ziel“ In folgenden Liedern kommt ebenfalls die ‚Zeitnot’ zur Sprache: Nun hat die Nacht den Tag vertrieben, Str. 3: „Du weißt, weshalb ich heute eilig war./ Du weißt, was mich in Hetze trieb,/ kennst meine Worte und meine Taten./ Du weißt, was unerledigt blieb“; Nun ruht die Arbeit, Str. 2: „Noch drückt die Last der Maschinen uns nieder./ Zahlenreihen nach uns schreien./ Und auf dem Heimweg denken wir schon wieder / voller Sorgen an den Morgen“; Unter ging der Sonnen Schein, Str. 5,1f: „Dass ich nach der Arbeit Hast / endlich Ruhe fand und Rast“. 201 Siehe Tabelle I im Appendix, 401-405. 202 Adonai, in deine Hand lege ich mein Geschick, Str. 3,2. <?page no="62"?> 48 1. Der Tag geht zu Ende, unsre Hände halten die Zeit nicht fest. In Ängsten und Sorgen sind wir geborgen, weil uns der Herr nicht verlässt. 2. Die Zeit, die vergangen, hält er umfangen. Er ist von Ewigkeit. Der Herr kann uns geben Zukunft und Leben. Wir sind nur Knechte der Zeit. 203 Gott hält die Zeit umfangen und schenkt sie den Menschen, die sich selbst als Knechte der Zeit verstehen. Die Zeit „verrinnt“, sie „fliegt dahin“, wie es in Gott, wertes Licht heißt. 204 Der Tag eines Menschenlebens ist kein sicheres, unverwüstliches Gerüst, sondern er ist der Vergänglichkeit anheim gegeben: „und auf dem Abbruch einer Zeit,/ die wie ein Zelt geliehen war,/ bleibt in der Schwebe, was uns bleibt,/ wird gegenwärtig, was verrinnt.“ 205 In der Erfahrung von ‚Zeitnot’, ‚Hetze’ und ‚Stress’ bildet Gott die Konstante: „Die Menschen, sie kamen und gingen,/ verweilten und eilten davon./ Im Strudel der hastenden Tage,/ da bliebst du der Pfeiler im Strom.“ 206 Die eigene ‚Arbeit’, der ‚Arbeitstag’, steht in enger Verbindung zur Erfahrung der Zeitnot. Auch dann, wenn die Tageszeit erschöpfend genutzt wird, reicht sie nicht aus, um das eigene Tagwerk zu Ende zu führen. Der vergangene Tag und das eigene Tun müssen unvollkommen bleiben: „Schnell eilt der Tag dem Abend zu / und wir spüren die Kürze der Zeit./ Wir nutzen den Tag, doch die Stunden vergehn,/ unvollendet bleibt all unser Tun.“ 207 Meistens wird die Zeit als ‚gottverwaltet’ oder sogar als ‚von Gott geschenkt’ beschrieben. 208 Gott ist es, der über den ‚Gang der Zeiten’ 209 verfügt, ihm gehört die Zeit. 210 Dabei ist eine Anlehnung an Ps 74,16 unübersehbar („Dein ist der Tag und dein ist die Nacht“). 211 Die Nacht, motivgeschichtlich auch ein Bild für die ‚Ferne Gottes’, gehört ebenfalls zu dieser göttlichen Zeit: 203 Der Tag geht zu Ende; siehe auch Ein Tag ist vorüber, Str. 1,1f: „Ein Tag ist vorüber, ein Tag meiner Zeit / geliehene Stunden, begrenzt und doch weit“. 204 1,4-6: „Eh heut noch starb,/ ward Morgen schon,/ es ist, als flögen wir davon“. 205 Steil auf dem Schattenriss der Stadt, Str. 2, 3f; 3,1f. 206 Der Tag nun versinkt nun in Nacht, Str. 1. 207 Schnell eilt der Tag dem Abend zu, Str.1. 208 Warum kommst du so spät, Str. 3,3f: „Du hast Zeit mir gewährt,/ dass ich fand zu dir heim“; Herr, bleib bei uns in dieser Zeit, Str. 1: „Herr, o schenk uns Stille, denn der Abend naht./ Herr, es ist dein Wille, denn die Zeit ist Gnad.“ 209 In abendstillen Zweigen, Str. 3,1: „Dein ist der Gang der Zeiten.“ 210 Still über alle Welt fällt die Nacht, Str. 1,2f: „Der sie in Händen hält, der sie gemacht,/ hält die Wacht.“ 211 Siehe hierzu Danke, Herr! , Str. 1,3f: „Jeder Tag ist deine Gabe / und auch jede graue Nacht“; Will nun meine Hände, Str. 4,3f: „Dein ist Nacht und Morgen,/ dir, Herr, schlaf ich ein.“ Der Verweis auf ‚Tag’ und ‚Nacht’ dient auch dazu, die ununterbrochene Dauer, das ‚immer’, zu versprachlichen: Der Tag nun versinkt in Nacht, Str. 4,3f: „In Tagen und Nächten,/ mein Herr, allezeit bist du da! “; Die Sonne sinkt ins Meer, Str. 1,4f: „er gibt uns Tag und Nacht,/ den Arbeitstag, den Traum, die Nacht“; Von guten Mächten treu und still umgeben, Str. 1.7,3f: „Gott ist bei uns am Abend und am Morgen / und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ <?page no="63"?> 49 „Der Tag ist um, die Nacht kehrt wieder,/ auch sie, o Herr, ist deine Zeit. “212 Dabei scheint Gott selbst nicht in dieser Zeit manifest zu sein: „Du gehst wie fremd durch diese Zeit,/ da uns die Ängste treiben.“ 213 Es wird um Gottes Präsenz ‚in dieser Zeit’ 214 und ‚allezeit’ 215 gebeten, aber auch um ‚Zeit’ selbst. 216 Die ‚Ewigkeit’ ist das Ziel der Erdenzeit und sie ist die Zeit, nach der sich Gott richtet: „Dank dir, dass du mit uns gehst,/ heute, alle Zeit,/ tausend Jahre bis ins Licht deiner Ewigkeit! “ 217 . Die adäquate Gestaltung der gottgegebenen Zeit spiegelt sich in ethischen Selbst-Anweisungen: „Du, Herr und Gott, hilf mir so leben, ob morgen / das letzte bunte Blatt vom Baum zu Boden fiele. “218 Die Zeit wird selten ‚zirkulär’ 219 , sondern meistens ‚linear’ wahrgenommen, als ‚Weg’ 220 , ‚Kette’ 221 , ‚Lauf’ 222 oder ‚Fluss’ 223 . In einer ganzen Reihe von 212 Der Tag ist um (I+II), Str. 1,1f; vgl. auch Der Tag hüllt sich in Dunkelheit, Str. 3,4: „[du] der Tag und Nacht gebar“; In Abendstillen Zweigen, Str.3,2-5: „Dein ist die Mitternacht./ Durch alle Bangigkeiten / wollst du hindurchgeleiten,/ bis wir zum Tag erwacht.“ 213 Ums Haus geht schon der Abendwind, Str. 5,1f. 214 Herr, bleib bei uns in dieser Zeit, KV: „Herr, bleib bei uns in dieser Zeit,/ Herr, behüte uns für die Ewigkeit.“ 215 Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht, Str. 5: „Bleib bei uns! Lass uns nicht allein! / Nur du kannst Halt und Helfer sein / in Schuld und Schicksal, Angst und Not,/ in unserm Leben, unserm Tod./ Drum bleib bei uns in aller Zeit,/ bleib bei uns Herr, in Ewigkeit! “ 216 Ich leg den Tag getrost aus meinen Händen, Str. 3: „Herr, gib mir Zeit und Ruh und Schlaf bis morgen / und lass mich dann mit Mut den neuen Tag beginnen.“ 217 Dank dir für jeden Tag, Str. 1,5-8. Siehe hierzu auch: Adonai in deine Hand lege ich mein Geschick, Str. 3,1: „Du hast mich die Ewigkeit schauen lassen in erfüllter Zeit“; Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht, Str. 3,5f: „Drum bleib bei uns in aller Zeit,/ bleib bei uns Herr, in Ewigkeit! “; Bleib, o Herr, auch jetzt in der Nacht, Str. 3,5f: „Bleib, o Herr, mit uns in der Zeit,/ bis einst dein Tag die Welt erneut“; Der Tag geht zu Ende, Str. 2,1f: „Die Zeit, die vergangen, hält er umfangen./ Er ist von Ewigkeit“; Der Tag ist um (I), Str. 4,1f: „So mögen Erdenreiche fallen,/ dein Reich, Herr, steht in Ewigkeit“; Der Tag ist um (II), Str. 4,3f: „dein Reich besteht und wächst noch immer,/ bis alle deine Herrschaft sehn“; Ein Tag ist vorüber, Str. 4,3f: „Dein Tag, Herr, will kommen und enden das Leid,/ der Tag deines Reiches, der Tag Ewigkeit“; Gott, wertes Licht, Str. 4,1f: „Gott, ewig Licht in Ewigkeit,/ verlass uns nicht zur späten Zeit“; Herr, bleib bei uns in dieser Zeit, KV,2: „Herr, behüte uns für die Ewigkeit.“ 218 Vom hohen Baum der Jahre, Str. 4. 219 Das Zirkuläre zeigt sich in dem Lexem ‚wieder’ an: siehe z.B. Der Tag ist um (I+II), Str. 1: „Der Tag ist um, die Nacht kehrt wieder,/ auch sie, o Herr, ist deine Zeit“ oder Abendfrieden senkt sich wieder, Str. 1,1: „Abendfrieden senkt sich wieder / tröstlich über Land und Meer“. 220 Dank dir für jeden Tag, Str. 1,5-8: „Dank dir, dass du mit uns gehst,/ heute, alle Zeit,/ tausend Jahre bis ins Licht / deiner Ewigkeit! “; Gott, segne unser Wandern, Str. 1,3-6: „Die Woche will zur andern,/ komm Du und halte Wacht! / Es gehen alle Stunden / auf Deinen Sonntag zu.“ 221 Vom hohen Baum der Jahre, Str. 2,1: „Dir dank ich, Herr, die lange Kette meiner Tage.“ 222 Abendfrieden senkt sich wieder, Str. 2,1-4: „Bald erstirbt das Sonnenfeuer,/ Sterne gehen am Himmel auf,/ künden von des Schöpfers treuer / Liebe durch den Zeitenlauf“; Geborgen in dir, Gott, Str. 3,2: „beginne ich tastend den Tageslauf.“ 223 Der Tag ist am Ziel, Str. 2: „Die Liebe sieht weit./ Herzen leben,/ Herzen vergeben / im Fluss der Zeit.“ <?page no="64"?> 50 Stücken wird die Vollzugszeit eines Liedes selbst als Teil dieser Lebenszeit verstanden: 1. Nun trägt der Abendwind den Tag mit seiner Last von Licht und Schatten hinweg mit schwerem Flügelschlag 2. und legt ihn ab in Gottes Zeit, der ihn von dem Gewicht der Erde mit liebevoller Hand befreit. 3. Sieh nun den Tag, wie schnell verweht! Wo ist das Licht, wo sind die Schatten? Ein Dank, ein Seufzer im Gebet - 4. dann kommt die Nacht der Tag ist nun schon lang gelegt in Gottes Hände, wo Tage, Jahre, Zeiten ruhn. 224 Die Abendzeit wird mit der Vollzugsdauer des Liedes verschränkt, indem durch Lexeme wie ‚nun’ oder ‚jetzt’ bzw. durch die direkte Bezugnahme auf die Vollzugszeit durch ein Demonstrativpronomen eine Aktualisierung des Liedinhalts auf die konkrete Abendzeit hin erfolgt. 225 224 Nun trägt der Abendwind den Tag. Siehe hierzu auch die ausführliche Interpretation dieses Liedes im folgenden Teil I D 11. 225 In 45 Liedern findet eine solche Aktualisierung des Liedinhaltes auf die konkrete Abendzeit statt: Abend ward, bald kommt die Nacht, Str. 1,1; Ade, wünsche gute Nacht, Str. 1,2: „Jetzt wird zügig Schuss gemacht“; Bleib, o Herr, auch jetzt in der Nacht, Str. 1,1; Danke für diese Abendstunde, Str. 1,1; Danke, Herr, für diese Nacht, Str. 1,1; Dein Friede breitet sich nun, Str. 1,1; Der Abend kommt, Str. 1,1: „Der Abend kommt. Nun enden unsre Wege“; Der Tag begann, Str. 1: „Der Tag begann, der Tag vergeht,/ vorbei ist seine Zeit,/ wenn gleich der Mond am Himmel steht,/ ist er Vergangenheit“; Der Tag geht müd’ von hinnen, Str. 2,1f: „Nun wollen wir noch singen / das stille Abendlied“; Der Tag ist um (I+II), Str.: 1,3f: „Dich preisen unsre Morgenlieder,/ dir sei die Stille nun geweiht“; Der Tag nun versinkt in Nacht, Str. 1,1; Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str. 1,1; Die Sonne sinkt, es steigt die Nacht, Str. 1,2: „Nun wird in Ruh der Tag bedacht“; Dieser Tag geht nun zu Ende, Str. 1,1; Du lässt den Tag, o Gott, nun enden, Str. 1,1; Dunkel sind alle Straßen dieser Stadt, Str. 3: „Leuchtet ein Fenster in die Nacht hinaus: / Dort weit ein Mensch nicht ein noch aus,/ weil er verlassen und einsam nun ist,/ die Trennung nicht vergisst“; Eine kleine, helle Weise, Str. 1,3f: „und zum Herren steiget leise / nun mein Dank und mein Gebet“; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I+II), Str. 1,1; Es ist spät geworden, Str. 2,1: „Doch nicht alle schlafen jetzt friedlich ein“; Es wird Abend, Str. 4,1: „Nun umgibt uns schon die Dunkelheit“; Geht der Tag ganz leis zu Ende, Str. 1: „Geht der Tag ganz leis zu Ende,/ kommt die lange, finstre Nacht,/ falten wir nun unsre Hände,/ bitten, dass uns Gott bewacht“; Gott, vollende das gute Werk, Str. 1,1f: „Nun lässt du die dir dienen,/ wie du verheißen hast, gelassen ruhen“; Gute Nacht! , Str. 1,2: „Nacht kommt jetzt gegangen“; Guter Gott, ich danke dir, Str. 1,2f: „[…] für den Tag / und was jetzt noch kommen mag“; Hüll mich ganz in deine Ruhe ein, Str. 1,4: „Bring mich nun ganz zur Ruh“; Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht, Str. 1,2: „Behüt mich auch in dieser Nacht“; Ich liege, Herr, in deiner Hut, Str. 10,1: „Sind nun die dunkeln Stunden da“; Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 8,1f: „Und nun wacht und trotzt dem Neid,/ wer dich hält und hegt“; Lieber Gott, nun schlaf ich ein, Str. 1,1; Mir fallen schon die Augen zu, Str. 2,1f: „Ich schicke fliegen, baden, ruhn,/ mein müdes Häufchen Seele nun“; Nach des Tages Last, Str. 1,7f: „Alle Arbeit, Freud und Klag / legen wir jetzt in deine Hände“; Nun hat die Nacht den Tag vertrieben, Str. 1,1; Nun lässest du, o Herr, Str. 1,1; Nun ruht die Arbeit, Str. 1,1; Nun trägt der Abendwind den Tag, Str. 1,1; Schon glänzt der goldne Abendstern, Str. 1,1; Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, Str. 1,1; Steil auf dem <?page no="65"?> 51 c Abend als Kontrasterfahrung von Licht und Dunkelheit Weiterhin ist in den Liedern am Abend die Kontrasterfahrung von ‚hell’ und ‚dunkel’ bzw. ‚Licht’ und ‚Dunkelheit / Finsternis’ relevant. 226 Das ‚Sonnenbzw. Tageslicht schwindet’, 227 unwegsame ‚Dunkelheit’, ‚Finsternis’ macht sich breit; darum wird in Abendliedern um das unvergängliche Licht Gottes gebeten. Das ewige Licht oder die ‚Sonne der Gerechtigkeit’ ist Bild für Jesus Christus, in dem sich das Wort Gottes offenbart und das, diejenigen, die daran glauben, erleuchtet. 1) Jesus Christus, das ewige Licht Untergang und Aufgang der Sonne sind Symbol des Paschamysteriums. Jesus Christus, die wahre Sonne, hat sich in Leiden und Sterben in die Todesnacht begeben, ist am dritten Tage wieder aufgegangen, um niemals mehr unterzugehen. Der Kontrast von Tag und Nacht wird demnach theologisch gedeutet; die Dunkelheit der Nacht dient dazu, den Glanz Gottes heller strahlen zu lassen: „Du hast die Nacht uns zugedacht,/ um uns das Licht zu zeigen“. 228 Jesus Christus gilt als die ‚wahre Sonne’, das Leben spendende Licht der Welt: „Des Tages Glanz erloschen ist,/ die Nacht ihre Schatten sendet./ Der du des Lichtes Ursprung bist,/ das alles Leben uns spendet: / Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ! “ 229 Aus dem Vergleich Christi mit dem Schattenriss der Stadt, Str. 4,1f: „Nun zucken tausend Lichter auf,/ wie Feuer, eh es Asche wird“; Still geht der Tag zur Ruh, Str. 2,3f: „Herr, nimm jetzt von mir Müh und Last / und was dir nicht gefiel“; Von guten Mächten treu und still umgeben, Str. 6,1: „Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet“; Wenn in des Meeres graue Flut, Str. 3,1f: „Nun, müde Augen, schließt euch zu,/ Herz, lass das Sorgen sein“; Will nun meine Hände, Str. 1,1; Wir danken dir für diesen Tag, Str. 2,3: „Herr, sei nun Tag den Pflegenden“. In drei Liedern erfolgt die Zeitangabe Abend ausschließlich durch diese temporalen Adverbien, d.h. es wird weder auf den Abend noch auf die Nacht ausdrücklich verwiesen: Hüll mich ganz in deine Ruhe ein; Mir fallen schon die Augen zu; Nach des Tages Last. 226 Siehe Tabelle I im Appendix, 401-405. 227 Bevor die Sonne sinkt, Str. 1,1; Bleib bei uns, Herr, Str. 1,1; Die Sonne sinkt, es steigt die Nacht, Str.1,1; Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str.4,1f: „Die Sonne, die uns sinkt, bringt drüben,/ den Menschen überm Meer das Licht“, Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, Str. 1,1; Steil auf dem Schattenriss der Stadt, Str. 2,1f: „Und vor dem glühenden Gestirn,/ das wehrlos nun ins Graue taucht“; Unter ging der Sonne Schein, Str. 1,1. 228 Ums Haus geht schon der Abendwind, Str. 4,3f. 229 Des Tages Glanz erloschen ist, Str. 1. Siehe auch: Der Abend kommt und wir zu dir, Str. 1,7f: „dass wir aufstehn erneut mit Christ,/ der Wahrheit ist und Licht“; Dein Friede breitet sich nun, Str. 2: „Dein Licht erleuchte uns, wenn alles Licht schwindet,/ dein Licht, das hell wie die Sonne erstrahlt / und das im Dunkel uns dein Bildnis malt“; Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 9: „Dunkel ward’s die Welt schläft ein; gönn uns dein Gesicht; / und die Nacht wird Morgen sein und der Abend Licht“; Wir stehn im Dunklen ohne Sicht, Str. 1,3f: „Ach, leucht uns, Herr, du ew’ges Licht, da irdisch Licht vergangen! “; KV: Du wahres Licht, verlass uns nicht! / Lass leuchten, Herr, dein Angesicht! “ In einem Stück wird das Christus zugeschriebene Symbol des ‚Ewigen Lichtes’ auf Krankenhäuser übertragen, vgl. In warmem Licht durch diese Nacht, Str. 1+2: „1. In warmem Licht durch diese Nacht./ Wir haben’s nicht zu hell gemacht./ Das Licht der Kli- <?page no="66"?> 52 Licht von ‚Sonne’, ‚Feuer’ oder ‚Kerzenschein’ 230 ergibt sich die Bitte um Orientierung, die sich vielfach in der ‚Bitte um Segen’ wiederfindet. So wird in einigen Liedern mit Bezug auf den Aaronitischen Segen (Num 6,25) das ‚Leuchten des Angesichts Gottes’ erbeten. Im Licht zeigt sich symbolisch Gottes Anwesenheit, manifestiert sich sein Segen über die Betenden und Singenden: „Schenk uns das Leuchten deines Angesichtes,/ bewahre uns die Freude dieses Lichtes./ Mehr als das Glück, das Menschen je erreichten,/ zählt dieses Leuchten.“ 231 Die Anaklese Jesu Christi als Licht der Welt verbindet sich mit dem Dank für oder mit der Bitte um ‚Erleuchtung’ und ‚Verkündigung’ des Wortes Gottes: „Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag,/ scheint heiter am Abend friedvolles Licht,/ preisen wir Menschen Gott, unsern Vater,/ den uns der Sohn offenbarte im Geist.“ 232 Einige Lieder folgen dem Gedankengang, der sich im altkirchlichen Abend-Hymnus Christe, qui lux es et dies auffinden lässt, indem sie den Kontrast von Licht und Dunkelheit als Bild für das Verhältnis von ‚Unwissenheit’ und ‚Erkenntnis’ verwenden. 233 Analog zum Prolog des Johannesevangeliums erleuchtet das unverniken ist Licht,/ das Licht der Müden Zuversicht./ 2. Ihr Glanz durchbricht die matte Nacht,/ schiebt Riegel vor die Ohnmacht und/ setzt hinter ‚Heute’ einen Punkt,/ vertraut des Morgens Farbenpracht.“ 230 So wie einer Kerze heller Schein, Str. 1,1. 231 Die Nacht ist da, Str. 4; siehe auch: Bleib bei uns, Herr, Str. 2,4: „Lass leuchten über uns dein Angesicht“; Der Abend kommt, Str. 4: „Es kommt dein Morgen, Bleib mit deiner Güte / bei allen Menschen. Schütze und behüte,/ was du erschaffen, bis dein Tag anbricht / und wir dich schaun, dich und dein helles Licht“; Nun lässest du, o Herr, Str. 2,4-6.3,1-3: „Vor aller Angesicht / kam nun das wahre Licht,/ die Völker zu geleiten,/ 3. ein Licht, das aller Nacht / Erleuchtung hat gebracht,/ dich, Höchster, zu erkennen“; Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, KV: „Du Licht vom Lichte, in Liebe leuchtest / du zeigst uns das Antlitz des Vaters: / Du: Jesus Christ“; Wir stehn im Dunkeln ohne Sicht, KV: „Du wahres Licht, verlass uns nicht! / lass leuchten uns dein Angesicht! “ Im weiteren Sinne ist dieser Topos auch in folgenden Liedern zu finden: Danke, Herr, für diese Nacht, Str. 4,2: „leucht’ uns durch die Träume nun“; Eine kleine helle Weise, Str. 4,1f: „Wenn die Lampen nun verblassen,/ lass mir leuchten, Herr, dein Licht“; Von guten Mächten treu und still umgeben, Str. 5: „Lass warm uns hell die Kerzen heute flammen,/ die du in unsre Dunkelheit gebracht,/ führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen! / Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.“ 232 Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, Str. 1. 233 In diesem Zusammenhang sind vor allem die Übertragungen des Hymnus von F RIED- RICH D ÖRR und F RITZ E NDERLIN zu nennen: Christus, du bist der helle Tag, Str. 1: „Christus, du bist der helle Tag; / dein Glanz durchbricht die dunkle Nacht./ Du Gott des Lichtes kündest uns / das Licht, das wahrhaft selig macht“; Christus, du bist uns Tag und Licht, Str. 1: „Christus, du bist uns Licht und Tag,/ vor dir die Nacht nicht bleiben mag; / Glanz, der aus Gottes Glanze bricht,/ du kündest uns das wahre Licht“. Aber auch etliche andere Lieder deuten im Dualismus von Licht und Finsternis das Verhältnis von Erkenntnis und Unwissenheit an: Bleib bei mir, Herr, Str. 5: „im Todesdunkel bleibe du mein Licht“; Der Abend kommt, Str. 2: „Die Nacht ist tief. Sie hält das Herz gefangen./ Wo wir auf dunklen Wegen irrgegangen,/ führ du uns selbst, dass neu dein Tag beginnt / und wir von deinem Licht durchdrungen sind“; Dein Friede breitet sich nun, Str. 2.: „Dein Licht erleuchte uns, wenn alles Licht schwindet,/ dein Licht, das hell wie die Sonne erstrahlt / und das im Dunkel uns dein Bildnis malt“; Du <?page no="67"?> 53 gängliche, die Sonne übertreffende Licht Jesu Christi und führt zur Erkenntnis: „Dein Licht erleuchte uns, wenn alles Licht schwindet,/ dein Licht, das hell wie die Sonne erstrahlt / und das im Dunkel uns dein Bildnis malt.“ 234 In Anlehnung an das Canticum Simeonis wird die Freude über das göttliche Wort aus dessen Notwendigkeit für das eigene Leben begründet: „Geh uns, Herr, nicht aus dem Sinn./ Deine Nähe ist Gewinn! “ 235 Der Abend ist Zeit der Danksagung für die Offenbarung Gottes in der Person Jesu Christi. Drei Lieder greifen explizit auf die altkirchliche Tradition der abendlichen Lichtdanksagung und den Lichthymnus Phos hilaron zurück und bringen den Dank für die durch die Offenbarung des göttlichen Wortes in Christus erlangte Erkenntnis zum Ausdruck: lässt den Tag, o Gott nun enden, Str. 1,1f: „Du lässt den Tag, o Gott, nun enden / und breites Dunkel übers Land“; Str. 3: „Wenn uns der Schein der Sonne schwindet / und Licht den fernen Ländern bringt,/ wird dein Erbarmen dort verkündet,/ vieltausendfach dein Lob erklingt“; Dunkel sind alle Straßen dieser Stadt, Str. 5: „Dort, wo der Kirchturm hoch zum Himmel ragt,/ tröstend ein Licht uns Menschen sagt: / Hier wohnt bei euch der Herr aller Welt,/ der jede Nacht erhellt“; Ein Tag ist vorüber, Str. 2,4: „Nur dein Weg war hell, auch im finsteren Tal“; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II), Str. 2,1f: „Dem Abend weicht der Tag, und nimmt mit sich das Tageslicht./ Wir tragen seinen letzten Schein hin vor dein Angesicht“; Str. 4,2: „Und Licht fällt schon auf unsern Weg, wenn wir im Finstern gehn“; Es wird Abend, Str. 4: „Nun umgibt uns schon die Dunkelheit./ Lichter flammen auf und leuchten weit./ Zünd an in unseren Herzen,/ Herr, deine Friedenskerzen,/ lass uns leuchten, bis dein Tag erscheint“; Herr, bleib bei uns, sei unser Licht, KV 1,1f: „Herr, bleib bei uns, sei unser Licht,/ sei unser Feuer, wenn es dunkel ist“; Str. 1,1f: „Wie Licht im Dunkeln ist die Liebe Gottes,/ wie Feuer in der kalten Nacht“; Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 9: „Dunkel ward’s die Welt schläft ein; / gönn uns dein Gesicht; / und die Nacht wird Morgen sein / und der Abend Licht“; Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, Str. 1: „Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag,/ scheint heiter am Abend friedvolles Licht,/ preisen wir Menschen Gott, unsern Vater,/ den uns der Sohn offenbarte im Geist“; Still geht der Tag zur Ruh, Str. 4: „Herr Gott, ich bitte dich: / Im Dunkel sei mir Licht./ Bei Tag und Nacht geleite mich; / ich find den Weg sonst nicht“; Von guten Mächten treu und still umgeben, Str. 5: „Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,/ die du in unsere Dunkelheit gebracht,/ führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen./ Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht“; Wieder geht ein Tag zu Ende, Str. 2,1f: „War ich heut für dich bereit,/ bracht ich Licht in Dunkelheit? “; Wir stehn im Dunklen, Str. 1: „Wir stehn im Dunkeln ohne Sicht./ Der Himmel ist verhangen./ Ach, leucht uns, Herr, du ew’ges Licht,/ da irdisch Licht vergangen.“ In folgenden Liedern bleibt der Kontrast von ‚Licht’ und ‚Dunkelheit’ bzw. ‚Finsternis’ ein Naturphänomen, der Gegensatz verweist hier nicht unmittelbar auf die Offenbarung Gottes in Christus: Du hast die kalte Nacht berührt, Str. 1: „Du hast die kalte Nacht berührt,/ schlugst Licht aus der Dunkelheit / wie Wasser aus dem Felsen“; Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str. 1,1f: „Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen / und wird vom Dunkel überweht“; Str. 4,1f: „Die Sonne, die uns sinkt, bringt drüben / den Menschen überm Meer das Licht“. 234 Dein Friede breitet sich nun, Str. 2; siehe auch Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, KV: „Du Licht vom Lichte, in Liebe leuchtest / du zeigst uns das Antlitz des Vaters: / Du, Jesus Christus“ 235 Gute Nacht, Str. 5,5f. Vgl. auch die Adaption des Canticum Simeonis in: Dieser Tag geht nun zu Ende, Str. 3: „All mein Grübeln, all mein Denken / kann mir keinen Frieden schenken,/ eh’ ich dich gesehn./ Lass mich deine Wahrheit schauen,/ deiner Gnade mich vertrauen / und dein Wort verstehn“; Nun lässest du, o Herr. <?page no="68"?> 54 1. Angelangt an der Schwelle des Abends, schauen wir Christus, das ewige Licht, und preisen durch ihn den Vater im Geist. 2. Du bist der Weg, die Wahrheit, das Leben, Abbild und Spiegel des ewigen Vaters. Du bist der Heilige, du unser Herr. 3. Ja, es ist würdig, dich zu besingen, Gottes Sohn, Urheber, ewigen Lebens, die ganze Schöpfung schuldet dir Lob. 236 2) Die Emmaus-Perikope als Subtext Die Bitte um ‚Präsenz Christi’ am Abend ist angelehnt an die Begegnung der Emmaus-Jünger mit dem Auferstandenen. Ebenso wie die Jünger um die Gegenwart Christi baten, weil es Abend geworden war und sich der Tag geneigt hatte (Lk 24,29-32), wird in einigen Liedern um die ‚Anwesenheit Christi’ gebeten. Insgesamt 20 Lieder bitten in dieser Weise um die Präsenz Gottes bzw. Jesu Christi, 237 davon lassen 17 Stücke eine direkte Bitte an den Auferstandenen erkennen. Seine Anwesenheit in der Nacht ersetzt das fehlende Tageslicht: „Herr, sei bei mir diese Nacht,/ bis das neue Licht erwacht.“ 238 Die Bitte ‚Bleib bei mir bzw. uns’ bildet in einigen Liedern ein wiederkehrendes Strukturelement. 239 In anderen Liedern macht sich der Sprecher die Bitte der Emmaus-Jünger zu Eigen und addiert weitere Anliegen hinzu. Mit der Bitte um Präsenz Gottes am Abend und in der Nacht wird ‚Geborgenheit’ und ‚Schutz’ 240 , ‚Frieden’ 241 oder ‚Ruhe’ 242 assoziiert. 236 Angelangt an der Schwelle des Abends; eine Lichteucharistie wird auch in Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag vollzogen: „1. Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag,/ scheint heiter am Abend friedvolles Licht,/ preisen wir Menschen Gott, unsern Vater,/ den uns der Sohn offenbarte im Geist./ KV Du Licht vom Lichte, in Liebe leuchtest / du zeigst uns das Antlitz des Vaters: / Du: Jesus Christ.“ Eine Darbringung irritierenderweise des letzten Lichts des Tages beschreibt Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II), Str. 2: „Dem Abend weicht der Tag, und nimmt mit sich das Tageslicht./ Wir tragen seinen letzten Schein hin vor dein Angesicht./ So bitten wir, Herr, bleib bei uns und kehre bei uns ein./ Dann wird der Abend wie der Tag in deinem Lichte sein“; siehe hierzu ausführlicher die Analyse des Liedes unter Teil I D 2. 237 Siehe die Tabelle I im Appendix, 401-405. 238 Unter ging der Sonne Schein, Str. 1,3f. 239 In Bleib bei uns, Herr jeweils in der ersten Zeile einer Strophe, ebenso bei Bleib, o Herr, auch jetzt in der Nacht und Bleibe bei uns, es will Abend werden; am Strophenende: Des Tages Glanz verloschen ist: „Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ! “; als Refrain in Es ist spät geworden; als Kehrvers in Herr, bleib bei uns, sei unser Licht. Die wiederkehrende Bitte ‚zu bleiben’ wendet sich in Bleib bei uns, hilf uns tragen an einen nicht näher charakterisiertes DU, so dass hier die zwischenmenschliche Solidarität, bis auf die Ausgangsstrophe, eine Alternative zur Gegenwart Gottes zu bilden scheint. 240 Wenn der Tag vergeht, 2,3f: „Bleibe mir nah, mein Gott, dass ich dich finde./ Birg die Erde in dir, Hüter der Nacht“; Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht, Str. 3: „Bleib bei mir, da es Abend wird; / behüte mich, du guter Hirt,/ und send mir aus des Himmels Schar/ den Engel, der mich wohl bewahr“; Wir bitten, Christus, bleib bei uns, Str. 1: „Wir bitten, Christus, bleib bei uns,/ denn es will Abend werden./ Du bist das Licht, das nie <?page no="69"?> 55 Weiterhin erschließt die Bitte um die Gegenwart Jesu Christi die Vorbildfunktion des Auferstandenen; durch die Deutung des Evangeliums soll es möglich werden, wie Jesus selbst handeln zu können: „Rede, Meister, und erklär’/ unserm Fuß die Bahn,/ lehr uns wandeln auf dem Meer,/ wie du selbst getan.“ 243 Das eigene Leben stellt sich in diesem Zusammenhang als ein Weg dar, der bei aller Unwegsamkeit im Vertrauen auf Gott als licht erscheint (vgl. Ps 23): „Verzeih mir die Wege der eigenen Wahl./ Nur dein Weg war hell, auch im finsteren Tal.“ 244 Christus selbst ist der Weg zu einem gelingenden Leben (vgl. Joh 14,6). 245 Die Erschließung des Wortes Gottes durch Jesus Christus erfüllt den Sprecher einiger Lieder mit ‚Dankbarkeit’ 246 . Außerdem wird die Bitte um Gegenwart Gottes in der Nacht durch die Gotteskindschaft begründet. Keiner kennt den Beter so gut wie Gott es tut. Daher wird, sich zwischenmenschlicher Kategorien bedienend, um die Nähe dessen gebeten, zu dem man das größte Vertrauen hegt: „Vater im Himmel, bleib du bei mir./ Dann liege und schlafe ich ganz mit Frieden./ Du wirst mich bewahren, ich danke dir.“ 247 erlischt,/ bei dir sind wir geborgen. 2. Schließ alle müden Augen zu,/ lass uns in Frieden schlafen,/ dass wir mit neuer Kraft erfüllt,/ zu deinem Dienst erwachen.“ 241 Siehe z.B. Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht, Str. 4: „Bleib bei uns, wenn die Welt zerbricht,/ das All erzittert im Gericht,/ wenn nirgends Halt und Hilf und Heil,/ der armen Erde wird zuteil./ Bleib bei uns, Herr, dass diese Welt / doch noch in dein Erbarmen fällt.“ 242 Abend ward, bald kommt die Nacht, Str. 3,4: „Bleib in meinem Ruhn.“ 243 Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 4; in Str. 5 heißt es weiter: „Lehr uns werben, wie du warbst,/ ringen, wie du rangst,/ und wo du in Ängsten starbst,/ sterben unsre Angst.“ 244 Ein Tag ist vorüber, Str. 2,3f; siehe. auch Adonai in deine Hand lege ich mein Geschick, Str. 1: „Ich vertraue mich dir guten Mutes an./ Ich will mir selbst treu bleiben, wenn die Weisheit mich fremde Wege führt“; Der Abend kommt, 2,2f: „Wo wir auf dunklen Wegen irrgegangen,/ führ du uns selbst, dass neu dein Tag beginnt“; Die Nacht ist da, Str. 3,1: „Du führst den Weg durch Wahrheit und durch Lüge“; Diesen Tag, Herr, Str. 4: „Scheint mir auch das Leben oft ohne Sinn,/ frag ich mich auch manchmal: Wo führt es mich hin? / Du kennst auch meinen Weg“; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I), Str. 2: „Und jeder Tag, den du uns schenkst, er kommt und geht dahin./ Dass er ein Stück des Weges sei, das ist in deinem Sinn./ Wir haben Freiheit, ihn mit Dir und Deiner Kraft zu gehen,/ auch wenn wir Deine Wege, Herr, im Dunkel nicht verstehn“; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II), Str. 4,2: „Und Licht fällt schon auf unsern Weg, wenn wir im Finstern gehen“; Herr, am Ende dieses Tages, Str. 3,2: „Hilf mir, einen Weg zu sehen, der mich weiter führt“; Ich liege, Herr, in deiner Hut, Str. 10: „Sind nun die dunklen Stunden da,/ soll hell vor mir erstehen,/ was du, als ich den Weg nicht sah,/ zu meinem Heil ersehen“; Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, Str. 7: „Du hast begonnen mit uns,/ du warst mit uns auf dem Weg: / So vollende denn nun,/ was du in Liebe für uns hast erdacht“; Still geht der Tag zur Ruh, Str. 4,3f: „Bei Tag und Nacht geleite mich; / ich find den Weg sonst nicht“; Ums Haus geht schon der Abendwind, Str. 5,3f: „Gib uns den Mut, mach uns bereit,/ auf deinem Weg zu bleiben.“ 245 Angelangt an der Schwelle des Abends, Str. 2,1: „Du bist der Weg, die Wahrheit, das Leben“; Bleib bei uns Herr, Str. 1,3: „Bleib bei uns, Herr, du Hoffung, Weg und Leben.“ 246 Siehe z.B. Jeden Abend bete ich, Str. 4: „Jeden Abend bete ich: Herr, ich danke für dein Wort,/ und ich bitte dich, du wollest mir’s erhalten immerfort.“ 247 Nun hat die Nacht den Tag vertrieben, Ref,2-4. <?page no="70"?> 56 Einige Stücke rekurrieren auf die (sonntägliche) Eucharistiefeier, indem sie für Wort und Speise danken, 248 bzw. die Vater unser-Bitte um das ‚tägliche Brot’ aufnehmen. 249 d Abend als Naturereignis und Zeit des Dankes für die Schöpfung Der Abend ist die ‚Scheide von Tag und Nacht’, von ‚Licht und Dunkelheit’, weswegen abendliche Naturvorgänge die Tageszeit bebildern. 250 Hier zeigen akustische und visuelle Indizien den Abend an: ‚In abendstillen Zweigen / verklingt der Amselschlag.’ 251 Die im Abend stehende Natur erinnert an den Schöpfungsakt, in dem Gott Tag und Nacht erschuf: „Es wurde Abend, es wurde Morgen: Ein Tag“ (Gen 1,5 u.ö.). Naturdarstellungen werden in den Abendliedern, insofern sie überhaupt vorkommen, als Idylle gezeichnet, in der die Welt friedlich in die Nacht hinein geht, Felder mit Tau überzogen werden und Städte und Wälder in Ruhe oder Stille daliegen. 252 Diese Darstellungen gleichen dabei einer Momentaufnahme. Diejenigen Lieder, die sich ausführlicher mit der Beschreibung von abendlichen Naturvorgängen befassen, qualifizieren die Natur als Schöpfung Gottes. Gott wird hier immer für diese Schöpfung gepriesen oder gedankt: 248 Danke für diese Abendstunde, Str. 3,1f: „Danke, du gabst dich mir zur Speise,/ danke ich hörte heut dein Wort“; Geborgen in dir, Gott, Str. 1,2: „schöpfe ich Hoffnung aus Brot und Wein“; Gott, segne unser Wandern, Str. 2,1-4: „Sei Du bei Freund und Deinen / und kehr auch bei mir ein! / Erquicke die Gemeinden / mit Wort und Brot und Wein! “; Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 6: „Seg’n und brich uns unser Brot,/ Herr, und lass dich sehn,/ wo wir zwischen Tod und Tod / als die Blinden stehn“; Unter ging der Sonne Schein, Str. 4: „Für die Speise, für den Trank / sage ich dir Lob und Dank,/ für dein Wort, das zu mir kam,/ Ängste mir und Zweifel nahm.“ 249 Danke, Herr, für dieses Nacht, Str. 2,1: „Gabst uns, Herr, das täglich Brot“; Der Tag geht müd von hinnen, Str. 3: „Auch heut hast du gegeben / uns unser täglich Brot / und köstlich ew’ges Leben / aus deinem Wort, o Gott“; Gute Nacht! , Str. 3,4-6: „Dank, Herr, für dies Leben,/ für die nette Kleinigkeit,/ für den Gruß, das Brot, die Zeit,/ für die Kraft zum Geben.“ 250 Bevor des Tages Licht vergeht, Str. 1,1; Herr, bleib bei uns, sei unser Licht, KV,1f: „Herr, bleib bei uns, sei unser Licht / sei unser Feuer, wenn es dunkel ist“; Des Tages Glanz erloschen ist, Str. 1,1; Bleib bei uns, hilf uns tragen, Str.1-5,2: „[…] bald wird es dunkel sein“; Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str. 1,2: „und wird vom Dunkel überweht“; Steil auf dem Schattenriss der Stadt, Str. 1,3: „In Schemen löst sich auf der Tag“. 251 In abendstillen Zweigen, Str. 1,1f; siehe auch Still über alle Welt fällt die Nacht, Str. 1,1: „Still über alle Welt fällt die Nacht.“ 252 Es wird Abend, Str. 1: „Es wird Abend, schlafen geht die Welt / und das Dunkel senkt sich auf das Feld./ Der Nebel in den Tälern,/ die Stille in den Wäldern,/ alles ist auf Frieden eingestellt“; Guter Gott, ich danke dir, Str. 1,3f: „In der Nacht, die sich über deine Erde senkt,/ und die Mensch und Tier, den Blumen und auch mir Schlaf schenkt“; Heut war ein schöner Tag, Str. 2: „Wie schön ist diese Welt: / Der dunkle Wald auf Bergeshöh,/ das stille Tal, der lichte See,/ und was mir sonst gefällt./ Wie schön ist diese Welt“; Schon glänzt der goldne Abendstern, Str.1,1.4f: „Schon glänzt der goldne Abendstern/ […] Die Blume schließt die Äuglein zu,/ der kleine Vogel geht zur Ruh“. <?page no="71"?> 57 1. Abendfrieden senkt sich wieder 2. Bald erstirbt das Sonnenfeuer, tröstlich über Land und Meer, Sterne gehen am Himmel auf, webt den Ton der Abendlieder künden von des Schöpfers treuer in die Stille um uns her. Liebe durch den Zeitenlauf. Jubilate! Jubilate! Jubilate! Amen. Jubilate! Jubilate! Jubilate! Amen. Webt der Ton der Abendlieder Künden von des Schöpfers treuer in die Stille um uns her. Liebe durch den Zeitenlauf. 253 Im Lob Gottes wird Gott auch für die Gabe der Zeiten gedankt: „Ich lobe meinen Gott,/ er gibt uns Tag und Nacht,/ den Arbeitstag, den Traum, die Nacht.“ 254 Die Tageszeiten gelten als gottgeschaffen, Tag wie Nacht: „König und Herr der Zeit, dir sei Dank! / Aus Nacht und Dunkelheit dringt leiser Klang: / Lobgesang.“ 255 Gott ist der Zeiten Ursprung und ihr Verwalter. Er überdauert die Zeit und ist im Sinne Deuterojesajas der Bleibende, der Erste und der Letzte (Jes 41,4; 44,6, vgl. Offb 1,8). In Anlehnung an Ps 74,16 gründen sich Lob, Dank und Bitte für Tag und Nacht darin, dass Gott als Schöpfer der Zeit sie zu eigen hat, ohne selbst an sie gebunden zu sein: „Der Tag begann, der Tag vergeht,/ vorbei ist seine Zeit,/ wenn gleich der Mond am Himmel steht,/ ist er Vergangenheit. […]/ Jetzt nimmst du diesen Tag zurück,/ du der die Tage lenkt. […]/ Wir bitten dich jetzt für die Nacht,/ dass wir geborgen sind / und du auf alle hier gibst acht,/ bis neu dein Tag beginnt.“ 256 Für die Schöpfung zu danken heißt auch, Gott für die dem lyrischen ICH gegebene Zeit - die eigene Lebenszeit und konkret den gelebten Tag - zu danken und ihn zu loben: „Bevor die Sonne sinkt,/ will ich dir herzlich danken./ Die Zeit, die du mir lässt,/ will ich dir Lieder singen.“ 257 e Abend als Zeit der Tagesreflexion und Gewissenserforschung Der Abend bietet Zeit zur Reflexion des vergangenen Tages. Mit der einsetzenden Ruhe bietet sich die Gelegenheit, den vergangenen Tag Revue passieren zu lassen. Im Lichte des von Gott erteilten Gestaltungsauftrages wendet sich diese Reflexion in einigen Liedern hin zu einer Gewissenserforschung, die selten auch in einer Bitte um Vergebung mündet. Gut zwei Drittel greifen im weiteren oder engeren Sinne das Thema ‚Erlösung’ auf. Hier ist zwischen explizit pönitentiellen Aspekten einerseits und einer allgemein gehaltenen Rede von Erlösung oder Erlöstsein andererseits zu unterscheiden. Für diese erste Kategorie sind die Stichworte ‚Versuchung’, ‚Fehler’, ‚Schuld’ und ‚Sünde’, ‚Gewissenserforschung’ und ‚Tagesreflexion’, ‚Umkehr’, ‚Verzeihung’, ‚Vergebung’ und ‚Versöhnung’ maßgeblich. Die zweite 253 Abendfrieden senkt sich wieder, Str. 1f; Viele der Lieder, die ‚Lied’ oder ‚Gesang’ explizit erwähnen, tun dies im Kontext des Lobes der Schöpfung, vgl. FN 135 und 136. 254 Die Sonne sinkt ins Meer, Str. 1,3-5. 255 Still über alle Welt fällt die Nacht, Str. 2. 256 Der Tag begann, Str. 1.2,3f.4 257 Bevor die Sonne sinkt, Str. 3. <?page no="72"?> 58 speist sich aus den Aspekten ‚Kreuz’, ‚Passion’, ‚Leiden Christi’ oder ‚Befreiung’. 258 An die liturgisch klassische Trias ‚Gewissenserforschung’, ‚Schuldbekenntnis’/ ‚Umkehr’ und ‚Vergebungsbitte’ 259 schließt außer Hüll mich ganz in deine Ruhe ein kein weiteres Lied an. Meistens werden lediglich einzelne Bausteine aus dem Themenfeld ‚Schuld’ und ‚Vergebung’ herausgegriffen. Auffälligerweise entfällt der Begriff ‚Sünde’ fast vollständig. In den vier Fällen, in denen er doch auftaucht, ergibt sich seine Verwendung meistens unmittelbar aus dem zugrunde liegenden Schriftwort. 260 Stattdessen wird in den Liedern von den eigenen ‚Fehlern’, 261 vom ‚Irren’ 262 , ‚Versagen’ 263 , ‚Schwerem’ 264 , dem getanen ‚Bösen’ 265 oder von der ‚Untreue gegenüber Gott’ 266 gesprochen, meistens ist jedoch ohne direkte Unterscheidung zwischen einem Vergehen gegenüber Gott oder den Mitmenschen von der ‚Schuld’ 267 die Re- 258 Siehe Tabelle I im Appendix, 401-405. 259 Im tridentinischen BR schließt sich an die, dem Psalmteil vorgeschaltete Lesung von 1 Petr 5,8f. ein still gesprochenes Vater unser an, auf das ‚Confiteor’, ‚Misereatur’ und ‚Indulgentiam’ folgen. 260 Danke für diese Abendstunde, Str. 5,3f: „danke gedächtest du der Sünden,/ könnt ich nicht bestehn“; hier wird Ps 130,3 interpoliert: „Würdest du, Herr, unsere Sünden beachten, Herr, wer könnte bestehen? “ Nun hat die Nacht den Tag vertrieben, Str. 4,2: „Verborg’ne Sünde deckst du auf“ bezieht sich auf Joh 16,8 „Und wenn er kommt, wird er die Welt überführen (und aufdecken), was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist.“ In Spät am Abend wird die Sünde innerhalb des Zitats der Zusage der Vergebung durch Christus genannt. Ansonsten ist im Lied von dem „Zerbrochenen“ und von „Scherben“ des Lebens die Rede: „Die Gedanken werden stille,/ sammeln sich um Christi Worte,/ die ich als Geschenk ergreife: / Deine Sünden sind vergeben./ Das Vertane, das Zerbrochne / dieses Tages wird aufgehoben./ Ganze Liebe lässt es gut sein“; Str. 3,6.4. Allein für Eine kleine helle Weise, Str. 3,1: „Tröste unsre kranken Brüder,/ wehr der Sünde jeden Raum.“ lässt sich kein direktes Zitat des Wortes ‚Sünde’ aus der Bibel ableiten. Eine Verweisquelle, die sich indirekt mit der Sünde auseinandersetzt, bildet Ps 141,3f: „Herr, stell eine Wache vor meinen Mund, eine Wehr vor das Tor meiner Lippen! Gib, daß mein Herz sich bösen Worten nicht zuneigt, daß ich nichts tue, was schändlich ist, zusammen mit Menschen, die Unrecht tun.“ 261 Dein Friede breitet sich nun, Str. 3,1: „Und Liebe hüllt uns ein mit all unsren Fehlern“; Wie könnt ich ruhig schlafen, Str. 2,1: „Achte nicht auf die Fehler, die ich gemacht.“ 262 Der Abend kommt, Str. 2,2f: „Wo wir auf dunklen Wegen irrgegangen,/ führ du uns selbst, dass neu dein Tag beginnt“. 263 Dieser Tag geht nun zu Ende, Str. 1,4f: „mein Gelingen, mein Versagen / will ich nun zu dir tragen“; Vom hohen Baum der Jahre, Str. 2,2: „Wie groß ist, Herr, dein Tun; wie schwer ist mein Versagen.“ 264 Der Tag hüllt sich in Dunkelheit, Str. 2,4: „nimm von uns, was zu schwer“; Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, Str. 4,1f: „Unendlicher Gott, als Mensch / trugst du, was uns Menschen beschwert.“ 265 Danke, Herr! , Str. 2,3f: „und weil du in deiner Liebe / alles Böse uns vergibst“; Der Tag ist zu Ende, Str. 1,4: „Vergib alles Böse“; Lieber Gott, nun schlaf ich ein, Str. 2,2: „Alles Böse mir vergib.“ 266 Geht der Tag ganz leis zu Ende, Str. 2,1f: „Dass er gnädig uns verzeihe,/ wo das Herz ihm untreu war.“ 267 Ade, wünsche gute Nacht, Str. 1,4-6: „Mein Ärger, die Schuldenlast,/ Alleinsein und Arbeitsballast / ward durch euch leichter“; Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht, Str. 3,3f: „das Leben und der Tod uns drängt,/ er nimmt es alles in seine Huld: |“; Herr, am <?page no="73"?> 59 de. Diejenigen Lieder, die konkrete Beispiele für schuldhaftes Tun angeben, nennen zwischenmenschliche Auseinandersetzungen wie ‚Hass’, 268 ‚Streit’, ‚Ungeduld’, 269 oder ‚Egoismus’ 270 . Als ‚Unterlassungsschuld’ gilt, dem Anderen keine Hilfe zuteil werden zu lassen, 271 oder allgemeiner den Anforderungen des vergangenen Tages nicht gewachsen gewesen zu sein. 272 Ein Lied rechnet - möglicherweise in Anlehnung an das Gleichnis von den Lilien auf dem Felde (Mt 6,28-34) - ‚Sorgen’ unter die Kategorie Schuld, 273 ein anderes thematisiert die sich aus menschlicher Wahlfreiheit ergebende Schuld. 274 Den Ausgangspunkt einer ‚Gewissenserforschung’ bildet in dem überwiegenden Teil der Lieder die ‚Reflexion’ des vergangenen Tages. Sehr ausführlich wird ein solcher ‚Tagesrückblick’ in Wieder geht ein Tag zu Ende vorgenommen: 1. Wieder geht ein Tag zu Ende, müde falt ich meine Hände und erlebe jede Stunde noch einmal. Hör das Lachen, seh das Weinen, spür die Freude, fühl das Sehnen und ich frage mich: Hat der Tag gelohnt? War ich heute, Herr, ein Segen oder war der Tag vergebens, weil ich nur auf mich und meine Wünsche sah? Ende dieses Tages, Str. 4: „Weil ich heute schuldig wurde, bitt ich dich: Vergib / alles, was ich dir und Menschen heute schuldig blieb“; Hüll mich ganz in deine Ruhe ein, Str. 2,3: „Herr, ich seh die Schuld und bring sie dir“; Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht, Str. 2,1: „Wollst mir vergeben meine Schuld“; Jeden Abend bete ich, Str. 1,1: „Jeden Abend bete ich: Herr, vergib mir meine Schuld! “; Nun hat die Nacht den Tag vertrieben, Str. 4,1.3f: „Du weißt, weshalb ich heute schuldig bin./ […] Doch wenn ich dir jetzt die Schuld bekenne,/ vergibst du mir und nimmst mich auf“; Senkt sich die Stille auf das Land, Str. 4,4: „die Schuld vergib uns. Amen“; Wenn wir uns abends niederlegen, Str. 3,4f: „dann weicht von uns nur / der Druck der dunklen Schuld“. 268 Jeden Abend bete ich, Str. 3: „Jeden Abend bete ich: Herr, vergib mir meinen Hass./ Denn ich weiß, dass Gottes Gnade wirket ohne Unterlass.“ 269 Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht, Str. 2: „Wollst mir vergeben meine Schuld,/ den Streit und alle Ungeduld./ Dir ist mein ganzes Herz bekannt; / Herr, halte es in deiner Hand.“ 270 Der Tag begann, Str. 3,3f: „Verzeih uns, wenn wir hier und dort / nur an uns selbst gedacht.“ 271 Herr, am Ende dieses Tages, Str. 4 „Weil ich heute schuldig wurde, bitt ich dich: Vergib / alles, was ich dir und Menschen heute schuldig blieb“; Hüll mich ganz in deine Ruhe ein, Str. 2: „War ich meinem Nächsten ein Problem,/ a: ließ ich ihn allein mit seinen Sorgen? b: ließ ich ihn in ausweglosem Dunkel? / Herr, ich seh die Schuld und bring sie dir./ Nimm die Last, trag sie mir.“ 272 Wenn wir uns abends niederlegen, Str. 3: „Will unser Herz uns hart verklagen,/ weil wir die Last des Tages nicht getragen,/ und fehlte uns gar so viel Geduld,/ dann weicht von uns nur / der Druck der dunklen Schuld,/ wenn Jesus zu uns spricht: “; Ref: „,Seid getrost; ich bin’s fürchtet euch nicht! ’“ 273 Jeden Abend bete ich, Str. 7: „Jeden Abend bete ich: Herr, vergib das Sorgen mir! / Wenn ich morgen neu erwache, lass mich fröhlich sein in dir.“ 274 Ein Tag ist vorüber, Str. 2,3: „verzeih mir die Wege der eigenen Wahl.“ <?page no="74"?> 60 2. War ich heut für dich bereit, bracht ich Licht in Dunkelheit? Denn ich weiß, dazu hast du mich ausgesandt. War ich heute Salz der Erde, eine Stadt auf hohem Berge? Habe ich geleuchtet, Herr, als Licht der Welt? Wurde ich als treu erfunden, oder war ich zu gebunden und nicht frei genug als Bote für die Welt? 3. Hörte ich das stumme Rufen, sah ich Menschen hilflos suchen, hatt’ ich Zeit für sie in ihrer großen Not? Werde ich mich einmal freuen, oder werde ich mich schämen wenn Du, mein Herr, dann auf mein Leben siehst? Werde ich dir etwas bringen, etwas von den vielen Dingen, die du mir fest anvertraut hast Tag für Tag? 275 Der ‚inneren Einkehr’ folgt in drei Liedern nicht etwa eine Vergebungsbitte, sondern vielmehr der ‚Ausdruck der Gewissheit’ darüber, dass Gott verge- 275 Wieder geht ein Tag zu Ende, Str. 1-3. Ähnlich verbinden sich Tagesreflexion, Gewissenserforschung und Schuldbekenntnis in folgenden Liedern: Die Sonne sinkt, es steigt die Nacht, Str. 1,2-4: „Nun wird in Ruh der Tag bedacht./ Ich sehe vor mich hingestellt,/ was ich versäumt hab und gefehlt“; Diesen Tag, Herr, Str. 2: „Ist mir heut gelungen, was ich mir erträumt? / Und wer kann es zählen, was ich versäumt? / Du nimmst die Schuld von mir“; Hüll mich ganz in deine Ruhe ein, Str. 2: „War ich meinem Nächsten ein Problem,/ a: ließ ich ihn allein mit seinen Sorgen / b: ließ ich ihn in ausweglosem Dunkel? / Herr, ich seh die Schuld und bring sie dir./ Nimm die Last, trag sie mir“; Spät am Abend, Str. 2.3,6.4: „2. Meine Niederlagen kommen./ Ganz hab ich den Tag empfangen,/ und er fiel mir aus den Händen./ Wem soll ich in letzter Stunde / lauter Scherben übergeben / und ein Herz, das nur noch anklagt? / 3,6 Die Gedanken werden stille,/ 4. sammeln sich um Christi Worte / die ich als Geschenk ergreife: / Deine Sünden sind vergeben./ Das Vertane, das Zerbrochne / dieses Tages wird aufgehoben./ Ganze Liebe lässt es gut sein“; Wenn wir uns abends niederlegen, Str. 1,1-3: „1. Wenn wir uns abends niederlegen / und den gelebten Tag vor Gott bewegen,/ dann schütten wir unser Herz ihm aus./ 3. Will unser Herz uns hart verklagen,/ weil wir die Last des Tages nicht getragen,/ und fehlte uns gar so viel Geduld,/ dann weicht von uns nur / der Druck der dunklen Schuld,/ wenn Jesus zu uns spricht“. In weiteren Liedern findet sich zwar eine Form der Tagesreflexion, die jedoch ohne einen Bezug zu schuldhaftem Tun oder wenigstens einem kritischen, aus der christlichen Ethik gespeisten Blick auf das eigene Handeln erfolgt. Diese Form kann auch nicht im weiteren Sinne als Gewissenserforschung bezeichnet werden: Bevor die Sonne sinkt, Str. 1,1f: „Bevor die Sonne sinkt,/ will ich den Tag bedenken“; Der Tag nun versinkt in Nacht, Str. 4,1f: „So möchte ich warten und schweigen,/ bedenken, was alles geschah! “; Geborgen in dir, Gott, Str. 2,1f: „Gerufen von dir, Gott, horche ich hin,/ sinne ich nach, wer ich wohl bin“; Gute Nacht! , Str. 2: „Gute Nacht! Viel gedacht / haben wir am Tage./ Gute Nacht! Viel gedacht / über mancher Frage./ Und die offne Frage geht mit uns / durch das Nachtgebet / in die neuen Tage“; Nun ruht die Arbeit, Str. 1,1f: „Nun ruht die Arbeit, ein Tag geht zu Ende./ Und wir fragen: Lohnt das Jagen? / 3,2 Lass uns sehen, wo wir stehen! “; Schnell eilt der Tag dem Abend zu, Str. 3: „Schnell eilt der Tag dem Abend zu,/ der Besinnung und Ruhe uns bringt./ Wir denken zurück und wir sehen nach vorn / voller Hoffnung für unsere Welt“; Wenn der Tag vergeht, möchte ich schweigen, Str. 2,1f: „Was der Tag erzählt, lass ich dem Winde./ Dir vertrau ich an, was er gebracht.“ <?page no="75"?> 61 ben wird. 276 In einem weiteren Lied artikuliert sich die Relation von Schulderkenntnis und Vergebung als Tun-Ergehen-Zusammenhang, in dem Sinne, dass wenn der Sänger seine Schuld bekennt, Gott ihm mit Sicherheit vergeben wird: „Doch wenn ich dir jetzt die Schuld bekenne,/ vergibst du mir und nimmst mich auf.“ 277 Es zeigt sich, dass in den Abendliedern, in denen ausschließlich um Vergebung gebeten wird, auf eine vorausgehende Schulderkenntnis und auf ein Schuldbekenntnis verzichtet werden. 278 Zwei Lieder nennen zwar nicht ausdrücklich eine Bitte um Vergebung der eigenen Schuld, begehren aber, durch Gott so etwas wie ‚Vergebungsfähigkeit’ zu erhalten 279 bzw. thematisieren die Realität zwischenmenschlicher Vergebung. 280 In einem weiteren wird der Vorsatz gefasst, sich vor der Nacht noch mit einem Feind zu versöhnen. 281 Die Bitte um einen ‚schuldfreien Schlaf’ kennt nur noch eine Übertragung des altkirchlichen Hymnus Christe, qui lux es et dies: „und lass nicht zu, dass Geist und Leib,/ vor deinem Auge schuldig wird.“ 282 Fünf Lieder, von denen eines die erwähnte Hymnen-Adaption ist, kennen das biblische Bild der im ‚Satan’, ‚Teufel’ oder ‚Feind’ personalisierten Versuchung, die gegen den Beter zu agieren versucht. 283 Ein Lied greift dabei explizit auf die kompletorische Kurzlesung 276 Die Sonne sinkt, es steigt die Nacht, Str. 2,3f: „Und weil er mich in Christus liebt,/ er mir mein schuldhaft Tun vergibt“; Diesen Tag, Herr, Str. 2,3: „Du nimmst die Schuld von mir“; Spät am Abend, Str. 3,1-4: „Einer sieht mich, und er wartet./ Gott, der größer als mein Herz ist,/ bleibt trotz allem mir zur Seite./ Er nimmt Zwiespalt an und Schwäche“ 277 Nun hat die Nacht den Tag vertrieben, Str. 4,3f. 278 Der Abend kommt, Str. 2,2-4: „Wo wir auf dunklen Wegen irrgegangen,/ führ du uns selbst, dass neu dein Tag beginnt / und wir von deinem Licht durchdrungen sind“; Der Tag begann, Str. 3,3f: „Verzeih uns, wenn wir hier und dort / nur an uns selbst gedacht“; Dunkel wird es wieder, Str. 2: „Bruder, leg die Hände / über meine Schuld,/ eh die Sonn sich wende,/ üb an mir Geduld“; Herr, am Ende dieses Tages Str. 4: „Weil ich heute schuldig wurde, bitt ich dich: Vergib / alles, was ich dir und Menschen heute schuldig blieb“, Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht, Str. 2,1f: „Wollst mir vergeben meine Schuld,/ den Streit und alle Ungeduld“; Jeden Abend bete ich, Str. 1: „Jeden Abend bete ich: Herr, vergib mir meine Schuld! / Und ich lade meine Lasten ab in Gottes Lieb und Huld“; Lieber Gott, nun schlaf ich ein Str. 2,2: „Alles Böse mir vergib“; Senkt sich Stille auf das Land, Str. 4,3f: „Sei unser aller höchstes Gute,/ die Schuld vergib uns. Amen.“ 279 „Darum lass mich vergeben, wie du vergibst,/ und meinen Nächsten lieben, wie du mich liebst.“, Wie könnt ich ruhig schlafen, Str. 3,1f. 280 Der Tag ist am Ziel, Str. 2,3: „Herzen vergeben / im Fluss der Zeit.“ 281 Bevor der Tag zu Ende geht, Str. 3: „Bevor der Schlaf uns übermannt,/ lasst uns noch einen Gegner / um Versöhnung fragen.“ 282 Christus, du bist der helle Tag, Str. 3,3f; in Christus, du bist uns Licht und Tag bleibt dieses Bild ausgespart. 283 Bleib bei mir, Herr, Str. 3: „Ich brauch zu jeder Stund dein Nahesein,/ denn des Versuchers Macht brichst du allein./ Wer hilft mir sonst, wenn ich den Halt verlier? / In Licht und Dunkelheit, Herr, bleib bei mir! “; Christus, du bist uns Licht und Tag, Str. 2,2: „halt vor dem Feind uns wohl in Acht“; Str. 4,1f: „Du, unser Retter, sieh uns an,/ dass uns kein Feind nicht schaden kann“; Der Tag geht müd von hinnen, Str. 4: „Reiß uns aus allen Nächten,/ dass wie dein Sonn stets sehn./ Hilf, dass wir Satans Listen / stets siegreich <?page no="76"?> 62 1 Petr 5,8 zurück: „Der Löwe, der im Finstern schleicht,/ in uns und um uns her./ Mach, Herr, dass er bald von uns weicht,/ nimm von uns, was zu schwer.“ 284 Der Grund für die göttliche Vergebung wird selten benannt: „Tiefer Friede, der die Herzen lenkt,/ wird uns nicht von außen aufgedrängt./ Gott ließ am Kreuz sein Leben,/ dort hat er uns vergeben,/ Gottes Friede wird uns dort geschenkt.“ 285 Meistens werden auf ‚Inkarnation’ 286 und ‚Passion’ rekurriert, ohne explizit auf Schuld und Sünde zu sprechen zu kommen. Das Leiden und Sterben Christi wird dabei als Vergleichsgröße zum eigenen Leiden und Sterben herangezogen, 287 oder ist Ausdruck des beispiellosen Handelns und der Liebe Gottes. 288 Eine direkte Verbindung zwischen dem Erlösungstod Jesu Christi und der Taufe wird lediglich in den Übertragungen von Christe, qui lux es et dies hergestellt. 289 f Abend als Übergang von der Aktion zur Rekreation Der Abend läutet außerdem die Zeit der ‚Ruhe’ 290 und der ‚Rekreation’ 291 ein. Er gilt als arbeitsfreie Zeit. 292 Lediglich zwei Lieder rekurrieren auf den widerstehn“; Komm der unsre Fragen schweigt, Str. 8: „Und nun wacht und trotzt dem Neid,/ wer dich hält und hegt,/ wenn der Feind zur argen Zeit / seine Schlingen legt.“ 284 Der Tag hüllt sich in Dunkelheit, Str. 2. 285 Es wird Abend, Str. 3. 286 So wie einer Kerze heller Schein, Str. 2: „Aus der Nacht der Hoffnungslosigkeit / hat Dein Kommen, Herr, uns neu befreit.“ 287 Bleib bei mir, Herr, Str. 5,1f: „Halt mir dein Kreuz vor, wenn mein Auge bricht; / im Todesdunkel bleibe du mein Licht“; Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 7: „Unser Müh’n und unsre Macht / zahlt den Zoll der Welt./ Doch du sprangest in die Schlacht / und gewannst das Feld“; Steil auf dem Schattenriss der Stadt, Str. 5: „der es vermag, als Licht vom Licht / die Nacht zu wandeln österlich,/ der Sterben zu Erwachen macht / und das Verstummen zu Gesang.“ 288 Die Nacht ist da, Str. 5.: „Du hast in Christus dich für mich entschieden./ So liege ich und schlafe ganz mit Frieden./ Denn du allein, was ich auch immer tue,/ bist meine Ruhe“; Dunkel wird es wieder, Str. 4: „Ob uns Streit gebunden,/ ob uns Hass verheert,/ haben deine Wunden / unser Heil begehrt“; Meine Hände dürfen müde sein, Ref: „Du trägst ja auch mein Müdesein / an dieses Tages Last / und schließt mich in die Liebe ein,/ die Du erlitten hast.“ 289 Christus, du bist der helle Tag, Str. 5: „Sei deiner Diener eingedenk,/ die du mit deinem Blut erkauft./ Stärk uns durch deines Leidens Kraft,/ wir sind auf deinen Tod getauft.“ Der Bezug zur Taufe ist in Christus, du bist uns Licht und Tag nicht unmittlebar gegeben, Str. 4,3f: „Die du erkauft hast durch dein Blut,/ leit uns, o Herr, in deiner Hut.“ 290 Der Lärm verebbt, Str. 1,1: Der Schatten deiner Flügel, Str.1,4: „und finden meine Ruh“; Geht der Tag ganz leis zu Ende, Str. 1,1; Der Tag ist um (I+II), Str. 1,3f: „Dich priesen unsre Morgenlieder,/ dir sei die Stille nun geweiht“; Stille lass mich finden, Str. 1,1; Senkt sich Stille übers Land, Str. 1,1; Still geht der Tag zur Ruh, Str. 1,1; Still über alle Welt fällt die Nacht, Str. 1,1. 291 Lieber Gott, nun schlaf ich ein, Str. 1,1; Meine Hände dürfen müde sein, Str. 1,1, Gehe ein in Deinen Frieden! , Str. 1,3f: „Ruh dich aus von deiner Arbeit / und gesegnet sei die Nacht! “. 292 Nun ruht die Arbeit, Str. 1,1. <?page no="77"?> 63 ausgedehnten, nicht primär auf Ruhe und Besinnlichkeit zielenden Aspekt von Abend und Nacht, nämlich als Freizeitbereich, - „Herr, geh mit uns auch durch die Nacht,/ die eigentlich als Ruh gedacht“ 293 -, bzw. als Arbeitszeit: „Behüte, wer zu dieser Frist / bis spät noch an der Arbeit ist.“ 294 In den meisten Abendliedern gilt der Abend jedoch als ‚arbeitsfreie Zeit’, in der sich sozusagen die Ruhe vor der Bettruhe gegönnt wird: „Guter Gott, ich danke dir für den Tag und was jetzt noch kommen mag.“ 295 Etwa ein Fünftel aller Lieder widmen sich inhaltlich der Arbeit, 296 die zum Zeitpunkt des Abends meistens als beendet gilt. Während acht Lieder das menschliche Tun negativ als ‚Mühe’ bezeichnen - „Voll Mühe war der Tag“ 297 -, bleiben die anderen in ihrer Wertung meist neutral oder konnotieren sie sogar positiv, indem beispielsweise die Arbeit als Geschenk Gottes bezeichnet wird: „Ich lobe meinen Gott,/ er gibt uns Tag und Nacht,/ den Arbeitstag, den Traum, die Nacht.“ 298 Arbeit ist etwas, was zum menschlichen Leben dazu gehört bzw. was vom Menschen gefordert wird. 299 Dabei gilt das Tagwerk zumeist als ‚unvollkommen’ 300 ; eine abgeschlossene 301 und zu Ende geführte Arbeit gilt als erstrebenswert: „Gute Nacht! ’ Werk vollbracht! ’ / wollen wir gern sagen.“ 302 Nur ein Lied kennt auch die Realität der ‚Arbeitslosigkeit’: „Gib, dass morgen Arbeit find’t,/ die jetzt ohne Arbeit sind.“ 303 Arbeit stellt sich in den Liedern nicht nur erfüllend dar; sie nimmt den Menschen bisweilen so sehr ein, so dass er auch nach ihrer Beendigung noch mit ihr befasst ist: „Noch drückt die Last der Maschinen uns nieder./ Zahlenreihen nach uns 293 Wir danken dir für diesen Tag, Str. 1,3f; In demselben Lied heißt es in der zweiten Strophe (2,3-6): „Herr, sei nun Tag den Pflegenden,/ der Halt der Weltbewegenden,/ die Zuversicht im Wartesaal,/ den Nachtschwärmern ein Sonnenstrahl.“ 294 Bleib, o Herr, auch jetzt in der Nacht, Str. 2,3f. 295 Guter Gott, ich danke dir, Str. 1,1f. 296 Siehe Tabelle I im Appendix, 401-405 297 In abendstillen Zweigen, 1,5. In Verbindung mit ‚Mühe’ tauchen auch oft die Lexeme ‚Plage’ oder ‚Sorge’ auf: Abend ward, bald kommt die Nacht, Str. 2,1f: „Einer wacht und trägt allein / ihre Müh und Plag“; Bleib bei uns, Herr, Str. 2,2f: „Bleib bei uns, Herr, der Abend kehret wieder,/ ein Tag voll Müh und Plag hat sich geneigt“; Der Tag geht müd von hinnen, Str. 5,3f: „Senk deinen Gottesfrieden / auf unsre Sorg und Müh“; Komm, de unsre Fragen schweigt, Str. 7,1f: „Unser Müh’n und unsre Macht / zahlt den Zoll der Welt“; Nach des Tages Last, Str. 2,5f: „Herr, wir geben dir zurück / den ganzen Tag mit seinen Mühen“; Wenn in des Meeres graue Flut, Str. 3,3f: „|: ein jeder Tag hat seine Ruh / nach Mühe, Glück und Pein : |“ 298 Die Sonne sinkt ins Meer, Str. 1,3-5. 299 Schnell eilt der Tag dem Abend zu, Str. 2: „Sind wir auch nur ein kleines Rad / in dem großen Getriebe der Welt: / Wir werden gebraucht./ Jeder Tag ist ein Ruf,/ der uns fordert zu sinnvollem Tun.“ 300 Adonai in deine Hand lege ich mein Geschick, Str. 6,1: „Ich gebe dem guten Werk, das ich begann, meinen Segen“; Schnell eilt der Tag dem Abend zu, 1,3f: „Wir nutzen den Tag, doch die Stunden vergehn,/ unvollendet bleibt all unser Tun.“ 301 Herr, am Ende dieses Tages, Str. 2,1 „Vieles, was ich schaffen wollte, habe ich geschafft“ 302 Gute Nacht! , Str. 4,1f. 303 Danke, Herr für diese Nacht, Str. 4, 3f. <?page no="78"?> 64 schreien./ Und auf dem Heimweg denken wir schon wieder / voller Sorgen an den Morgen.“ 304 So wird mit Arbeit auch ‚Stress’ und ‚Hetze’ verbunden. 305 Da die Mühe am Abend ein Ende findet bzw. finden möge, sollen auch die ‚Sorgen’ zu Ende gehen. Es wird daher um einen ‚sorgenfreien’ Abend oder Schlaf gebeten. Gott ist derjenige, der gleich einem Therapeuten zu einer Befreiung vom Belastenden verhelfen kann: „Herr, ich hab dir meine Sorgen an dein Herz gelegt./ Sorg für mich und bring zu Ruhe, was mein Herz bewegt.“ 306 Sinn und Ziel der nächtlichen Ruhe liegt in der Sammlung neuer Kräfte, um dem kommenden Tag gewachsen zu sein. Der Schlaf bereitet also die Neuschöpfung des Menschen am Morgen vor: 1. Komm, Herr, komm in der Nacht! Unsre Hände sind müde geworden vom Werken. Bring uns den Schlaf, bring uns den Schlaf und unsre Müdigkeit |: wird sich wandeln in Kraft. : | 2. Komm, Herr, komm in der Nacht! Unsre Augen sind starr geworden vom Schauen. Bring uns den Traum, bring uns den Traum und unsre Starre |: wird sich wandeln in Phantasie. : | 3. Komm, Herr, komm in der Nacht! Unsre Ohren sind taub geworden vom Lärmen. Bring uns die Stille, bring uns die Stille und die Betäubung |: wird sich wandeln in Staunen. : | 4. Komm, Herr, komm in der Nacht! Unsre Sinne sind stumpf geworden vom Lärmen. Bring uns die Ruhe, bring uns die Ruhe, und unsre Stumpfheit |: wird sich wandeln in Schärfe. : | 5. Komm, Herr, komm in der Nacht! Unsre Füße sind lahm geworden vom Hasten. Bring uns die Rast, bring uns die Rast, und unsre Lähmung |: wird sich wandeln zum Springen. : | 307 304 Nun ruht die Arbeit, Str. 2. 305 Unter ging der Sonne Schein, Str. 5,1f: „Dass ich nach der Arbeit Hast / endlich Ruhe fand und Rast“ 306 Herr, am Ende dieses Tages, Str. 5; siehe auch Der Tag geht müd von hinnen, Str. 5,3f: „Senk deinen Gottesfrieden / auf unsre Sorg und Müh“; Heut war ein schöner Tag, Str. 5,1-3: „Gib eine gute Nacht,/ dass jedem der noch sorgt und weint,/ wenn er erwacht, die Sonne scheint“; Herr, bleibe bei uns in dieser Nacht, Str. 2,1f: „Komm uns entgegen in der Nacht,/ die Angst zu überwinden! “; Ich liege, Herr, in deiner Hut, Str. 11, 1: „Du hast die Lider mir berührt./ Ich schlafe ohne Sorgen“; Nacht kommt über unser Land, Str. 3,3f: „Treib uns, Herr, aus unserem Sinn,/ dass wir Sorgen hatten“; Nun ruht die Arbeit, Str. 3,2: „Lass uns sehen, wo wir stehen! “ 307 Komm, Herr, komm in der Nacht; siehe auch Dieser Tag geht nun zu Ende, Str. 5: „Lass mich doch nach all dem Treiben,/ Herr, in deiner Stille bleiben,/ nun sich neigt der Tag,/ dass ich neu gestärkt am Morgen / was zu tun ist kann besorgen,/ wie ich es vermag“; Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht, Str. 1,2-4: „Behüt mich auch in dieser Nacht,/ dass ich in Frieden schlafen mag; / stärk mich zu einem neuen Tag“; Ich leg den Tag getrost aus meinen Händen, Str. 3: „Herr, gib mir Zeit und Ruh und Schlaf bis morgen / und lass mich dann mit Mut den neuen Tag beginnen“; Mir fallen schon die Augen zu, Str. 1,2-6: „Mit meinem Gott geh ich zur Ruh’ / und freue mich auf morgen./ Ich will mich mühn,/ ganz neu zu sehn / mit ausgeschlafnen Augen“; Spät am Abend, Str. <?page no="79"?> 65 Jedoch nicht nur der einzelne Beter, sondern die gesamte Welt bedarf einer solchen Regenerierung. 308 Mit Blick auf den kommenden Tag wird um ‚neue Kraft’ für den (Arbeits)tag gebeten. 309 Die nächtliche Erholung im Schutze Gottes bedingt die positive Einstellung zum kommenden Morgen bzw. Tag und die Fähigkeit des Erwachens an sich. 310 Die Ruhe des rekreativen Abends soll auch ‚Sammlung des Zerstreuten’ ermöglichen, 311 dazu braucht es notwendig ‚Stille’. 312 Deshalb werden als weitere Strategien der Psychohygiene und Rekreation außer dem unten näher 5,4-6: „Ganz mit Frieden darf ich schlafen,/ und mir wächst, da ich nur liege,/ Lebensmut genug für morgen“; Unter ging der Sonne Schein, Str. 7: „Nimm uns all in deine Hut,/ lass uns schlafen tief und gut,/ dass nach diesem frohen Tag / froher Morgen kommen mag“; Wir bitten, Christus, bleib bei uns, Str. 2: „Schließ alle müden Augen zu,/ lass uns in Frieden schlafen,/ dass wir mit neuer Kraft erfüllt,/ zu deinem Dienst erwachen.“ 308 Abend ward, bald kommt die Nacht, Str. 1,2: „schlafen geht die Welt“; Es ist spät geworden, Str. 1,4: „Herr, sie geht zur Ruhe, deine Welt“; Gott, segne unser Wandern, Str. 1,7f: „Herr, schließe Du die Wunden / und bring die Welt zur Ruh! “; Guter Gott, ich danke dir, Str. 1,3f: „In der Nacht, die sich über deine Erde senkt / und die Mensch und Tier, den Blumen und auch mir Schlaf schenkt“; Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 9,1f: „Dunkel ward’s die Welt schläft ein; “; Schon glänzt der golden Abendstern, Str. 1,4-6: „Die Blume schließt die Äuglein zu,/ der kleine Vogel geht zur Ruh,/ bald schlummern alle Müden“; Steil auf dem Schattenriss der Stadt, Str. 1,3f: „In Schemen löst sich auf der Tag,/ und in den Dächern nistet Schlaf.“ 309 Gute Nacht! , Str. 4,6f: „Lass und so getröstet ruhn,/ neues Tagwerk wagen“; Herr, am Ende dieses Tages, Str. 2,2: „Gib mir für mein Tagwerk morgen wieder neue Kraft.“ 310 Du hast die kalte Nacht berührt, Str. 4: „Du lässt kommen jenen Tag,/ da ich fröhlich mein Frühstück nehm,/ wie neugeboren“; Freunde, gut Nacht, Str. 3,4f: „|: Schlaft bald ein, ruhet fein,/ fröhlich soll euer Erwachen sein: |“; Gott, vollende das gute Werk, KV,4- 6: Schenk in der Nacht / die neue Kraft,/ sich zu erheben in dir“; In abendstillen Zweigen, Str. 3,3-6: „Durch alle Bangigkeiten / wollst du hindurchgeleiten,/ bis wir zum Tag erwacht“; Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 9: „Dunkel ward’s die Welt schläft ein; / gönn uns dein Gesicht; / und die Nacht wird Morgen sein / und der Abend Licht“; Lieber Gott, nun schlaf ich ein, Str. 2,3f: „Kommt der helle Morgenschein,/ lass mich wieder fröhlich sein“; Schon glänzt der goldne Abendstern, Str. 2,4-6: „Hab du uns alle wohl in Acht,/ lass uns nach einer guten Nacht / die Sonne fröhlich schauen“; Senkt sich die Stille auf das Land, Str. 1,3f: „Gib Ruhe Sinnen und Verstand,/ weck uns am Morgen wieder.“ 311 Wie könnt ich ruhig schlafen, Str. 1,3f: „Es hat des Tages Treiben mein Herz zerstreut; / bei dir allein ist Frieden und Seligkeit.“ 312 Abendfrieden senkt sich wieder, Str. 1,1-4 „Abendfrieden senkt sich wieder / tröstlich über Land und Meer,/ webt den Ton der Abendlieder / in die Stille um uns her“; Der Tag ist um (I+II), Str. 1,3f: „Dich preisen unsre Morgenlieder,/ dir sei die Stille nun geweiht“; Herr, bleibe bei uns in dieser Zeit, Str. 1: „Herr, o schenk uns Stille, denn der Abend naht./ Herr, es ist dein Wille, denn die Zeit ist Gnad“; Komm, Herr, komm in der Nacht! , Str. 3,3: „Bring uns die Stille, bring uns die Stille / und die Betäubung / |: wird sich wandeln in Staunen. : |“; Leis der Wind im Abend weht, Str. 1,5f: „Aus dem Wald kommt still die Nacht,/ Mensch und Tier entschlafen sacht“; Still über alle Welt fällt die Nacht, Str. 1,1; Von guten Mächten treu und still umgeben, Str. 6: „Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,/ so lass uns hören jenen vollen Klang,/ der Welt die unsichtbar sich um uns weitet,/ all deiner Kinder hohen Lobgesang.“ <?page no="80"?> 66 zu analysierenden ‚Schlaf’, auch ‚Besinnung’, 313 ‚Ruhe’, 314 ‚Schweigen’ 315 und ‚Stille’ 316 , ‚Atemübungen’, 317 das Aufgeben von ‚Grübeln’ oder ‚Sorgen’ 318 genannt. Auch das ‚Abendlied’ selbst wird zum Entspannungsmittel. 319 Allerdings ist die Ruhe am Abend auch der Rahmen, in dem die eigenen Probleme und Niederlagen stärker ins Bewusstsein treten und zur ‚Unruhe’ führen. 320 Wie oben angedeutet, ist die Erholsamkeit bzw. positive Konnotation der Nachtruhe abhängig vom ‚Schutz’ bzw. vom ‚Frieden Gottes’. 321 Gott verleiht Schlaf und Ruhe und er ist in beidem wahrnehmbar. 322 Deshalb wird er 313 Herr, am Ende dieses Tages, Str. 1,1: „Herr, am Ende dieses Tages komme ich zu mir“; Senkt sich die Stille auf das Land, Str. 3,3f: „Zur Einkehr leite, die gehetzt,/ lass guten Schlaf sie laben“; Schnell eilt der Tag dem Abend zu, Str. 3,1f: „Schnell eilt der Tag dem Abend zu,/ der Besinnung und Ruhe uns bringt.“ 314 Ich leg den Tag getrost aus meinen Händen, Str. 3: „Herr, gib mir Zeit und Ruh und Schlaf bis morgen / und lass mich dann mit Mut den neuen Tag beginnen.“ 315 Der Tag nun versinkt in Nacht, Str. 4: „So möchte ich warten und schweigen,/ bedenken, was alles geschah! / Und danken! In Tagen und Nächten,/ mein Herr, allezeit bist du da! “; In abendstillen Zweigen, Str. 1,3f: „Wir hören, stehn und schweigen,/ geben uns dir zu eigen“; Still geht der Tag zur Ruh, Str. 1,2-4 „Mein Herz wird still in mir,/ die müden Augen fallen zu./ Ich rede, Herr, mit dir.“ 316 Wenn der Tag vergeht, möchte ich schweigen, Str. 1,1f; siehe auch Stille lass mich finden, Str. 1+2. 317 Sie lässt sich aus folgenden Liedern ableiten: Geborgen in dir, Gott, Str. 1,1: „Geborgen in dir Gott, atme ich ein“; Meine Hände dürfen müde sein, Str. 3: „Mein Atem darf ganz ruhig gehn,/ bis ich ihn tiefer spür’./ In mir braucht keine Angst zu sein,/ ich sei zu eng dafür“; Stille lass mich finden, Ref: „Stille lass mich finden, Gott, bei dir./ Atemholen will ich, ausruhn hier./ Voller Unrast ist das Herz in mir,/ |: bis es Frieden findet, Gott, in dir.: |“ 318 Adonai, in deine Hand lege ich mein Geschick, Str. 4: „Ich lege ab die quälenden Gedanken,/ ich atme die kühlende Luft der Nacht“; In warmem Licht durch diese Nacht, Str. 3,1f: „Was uns festhält, lassen wir los,/ wir fallen tief in Gottes Schoß“; Stille lass mich finden, Str. 2,5f: „Will vergesssen meine Sorgen: / Was ist heut uns was ist morgen? “; Wenn in des Meeres grauen Flut, Str. 3: „Nun, müde Augen, schließt euch zu,/ Herz, lass das Sorgen sein,/ |: ein jeder Tag hat seine Ruh / nach Mühe, Glück und Pein. : |“ 319 Siehe z.B. auch bei Nun trägt der Abendwind den Tag, Str. 3,3: „Ein Dank, ein Seufzer im Gebet“; vgl. auch die ausführliche Interpretation zu diesem Lied in Kapitel Teile I D 11; siehe auch Es bleibt dabei, Str. 5: „Es bleibt dabei: / Ein Abendlied / legt sich auf das Augenlid / auf alles, was du sahest,/ auf alles auch, was du gehört,/ auf alles, was dich je betört,/ du sollst zur Ruhe kommen.“ 320 Spät am Abend, Str. 1, 1-3: „Spät am Abend, da es still wird,/ spür ich Unrast in mir wachsen,/ und ich kann sie nicht vertreiben“; Wenn wir uns abends niederlegen, Str. 2: „Wenn sich noch Sorgen in uns regen / und sich wie Zentnerlasten auf uns legen,/ dass große Angst uns die Ruhe raubt,/ dann wird doch stille,/ wer auch im Dunkeln glaubt,/ dass Jesus zu uns spricht: “ 321 Die Nacht ist da, Str. 5,1f: „Du hast in Christus dich für mich entschieden./ So liege ich und schlafe ganz mit Frieden“; Spät am Abend, Str. 5,4-6 „Ganz mit Frieden darf ich schlafen,/ und mir wächst, da ich nur liege,/ Lebensmut genug für morgen“; Wir bitten, Christus, bleib bei uns, Str. 2: „Schließ alle müden Augen zu,/ lass uns in Frieden schlafen,/ dass wie mit neuer Kraft erfüllt,/ zu deinem Dienst erwachen.“ 322 Abend ward, bald kommt die Nacht, Str. 3: „Jesu Christ, mein Hort und Halt,/ dein gedenk ich nun,/ tu mit Bitten mir Gewalt: / Bleib in meinem Ruhn“; Christus, du bist der helle Tag, Str. 2,3f: „lass uns in dir geborgen sein./ In deinem Frieden ruht sich’s gut“; <?page no="81"?> 67 auch um einen ‚guten’ Schlaf oder eine ‚gute’ Ruhe gebeten. 323 Ein sorgloser Schlaf ist ohne den Schutz dessen, der weder schläft noch schlummert (vgl. Ps 121,4), 324 nicht denkbar. Elf Lieder, die von der rekreativen Ruhe sprechen, begründen dies mit dem Schutz durch Gott: entweder als Bitte formuliert, dass Schutz zuteil werden möge oder als Gewissheit, dass der Mensch Schutz durch Gott erfährt. 325 Zwei Lieder beziehen sich auf den prominenten Ausspruch des Kirchenvaters A UGUSTINUS „[…] unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“ 326 In diesem Zusammenhang sind auch diejenigen Lieder zu erwähnen, die von einem im Schlaf wachen und Gott zugewandten Herzen sprechen (vgl. Hld 5,2). 327 Im Angesicht der Nacht erfolgt in fünf Liedern die Aufforderung zum nächtlichen Gebet („Wachet und betet! “ Mt 26,41 / / ). 328 Die Sonne sinkt, es steigt die Nacht, Str. 4,3f: „Du gönnst mir Ruh. Ich schlafe ein./ Ich traue, Vater, dir allein“; Du Stern meiner Nacht, Str. 2: „Seit suchend ich dich traf / und Frieden in dir fand,/ kann trauen ich dem Schlaf / und deiner guten Hand“; Um Haus geht schon der Abendwind, Str. 3: „Ja, Mensch und Tier und Blum und Baum / wirst du mit Trost erfüllen,/ in guten Schlaf, in sanften Traum / wie einen Mantel hüllen“; Wie könnt ich ruhig schlafen, Str. 3,3: „So kann ich ruhig schlafen im Schutze deiner Macht.“ 323 Ich leg den Tag getrost aus meinen Händen, Str. 3,1: „Herr, gib mir Zeit und Ruh und Schlaf bis morgen“; Komm, Herr, komm in der Nacht, Str. 1,3: „Bring uns den Schlaf, bring uns den Schlaf / und unsre Müdigkeit |: wird sich wandeln in Kraft. : |“; Wir bitten, Christus, bleib bei uns, Str. 2,1f: „Schließ alle müden Augen zu,/ lass uns in Frieden schlafen“. 324 Schon glänzt der goldne Abendstern, Str. 2,1: „Du aber schläfst und schlummerst nicht“. 325 Eine Bitte um ‚Schutz im Schlaf’ formulieren folgende Lieder: Bevor des Tages Licht vergeht, Str. 2,1f: „Hüllt Schlaf die müden Glieder ein,/ lass uns in dir geborgen sein“; Christus, du bist uns Licht und Tag, Str. 3,3f: „Herr, die dich lieben, schütze du,/ bewahre uns in sichrer Ruh“; Ich bitt dich Herr, Str. 1,2-4: „Behüt mich auch in dieser Nacht,/ dass ich in Frieden schlafen mag; / stärk mich zu einem neuen Tag“; Unter ging der Sonne Schein, Str. 7,1f: „Nimm uns all in deine Hut,/ lass uns schlafen tief und gut“. Meistens wird allerdings der Schutz Gottes als Gewissheit oder gegebene Tatsache vorausgesetzt, um eine gute Ruhe zu erhalten: Dein Friede breitet sich nun, Str. 4,3 „So ruh’ ich froh in deiner großen Treu“; Der Schatten deiner Flügel, Str. 2: „Im Schatten deiner Flügel / kann ich geborgen sein./ Dann schlaf ich ohne Sorgen / in Frieden mit Dir ein“; Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str. 2,2: „wir ruhen aus in deiner Hut“; Des Tages Glanz verloschen ist, Str. 2,1f: „Wir bergen uns in deiner Huld,/ wenn wir unsre Augen schließen“; Ich liege, Herr, in deiner Hut, Str. 1: „Ich liege, Herr, in deiner Hut / und schlafe ganz mit Frieden./ Dem, der in deinen Armen ruht,/ ist wahre Rast beschieden“; Still geht der Tag zur Ruh, Str. 3: „Ich ruhe, Gott, in dir / nun auch in dieser Nacht./ Ja, Herr, ich weiß, du bist bei mir; / treu gibst du auf mich Acht“; Will nun meine Hände, Str. 4: „Ja, in dir geborgen / darf mein Leben sein: / Dein ist Nacht und Morgen,/ dir, Herr, schlaf ich ein.“ 326 Augustinus, Confessiones I,1 (CChr.SL 27,1; ed. L UCAS V ERHEIJEN . Turnhout 1981); dt. Ü: [A URELIUS A UGUSTINUS ]: Confessiones [Bekenntnisse] (I, 1), übers. und eingel. von K URT F LASCH und B URKHARD M OJSISCH . Stuttgart 1989, 33; siehe in den Liedern Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 2: „Bleib und mach die Herzen still,/ der die Herzen schaut,/ weiß kein Herz doch, was es will,/ eh’ sich’s dir vertraut“; ebenso die Interpolation dieser Strophe in Abend ward, bald kommt die Nacht, Str. 4; Stille lass mich finden, Ref,3f: „Voller Unrast ist das Herz in mir, / |: bis es Frieden findet, Gott, in dir.: |“ 327 Christus, du bist der helle Tag, Str. 4,1f: „Dieweil die müden Glieder ruhn,/ bleib unser Herz dir zugewandt“; Christus, du bist uns Licht und Tag, Str. 3,1f: „Wenn unsre Augen schlafen ein,/ lass unser Herz dir wach nur sein“; Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, <?page no="82"?> 68 Die mit Abend und Nacht verbundene Ruhe wird als wohltuender Gegensatz zum Lärm des Tages empfunden. 329 Gott ist hierbei selbst die Ruhe, 330 eine Konstante gegenüber dem flüchtigen und zerstreuenden Spektakel des Tages. Grundsätzlich ist der Schlaf an sich sehr selten negativ besetzt, meistens steht er für etwas Gutes: „Ich freu mich auf meinen Schlaf.“ 331 Lediglich ein Lied spricht von der ‚Unkontrollierbarkeit’ und der ‚Macht des Schlafes’, 332 ein anderes assoziiert ‚schlimme Träume’, denen Gott wehren soll. 333 Ein Stück deutet die Zeit des Schlafes als ‚unbewusste Zeit’. 334 In der Adaption des altkirchlichen Hymnus Te lucis ante terminum - Bevor des Tages Licht vergeht wurde die Phrase des sündenanfälligen Schlafes unübersetzt außer Acht gelassen. 335 ‚Ruhe’ und ‚Frieden’ sind synonym verwendete Lexeme. 336 Eine Deutung dieses Friedens gibt das Lied Gott, vollende das gute Werk; dort zeigt sich göttlicher Friede in menschlicher Gelassenheit verwirklicht. 337 Im Traum ist Gott für den Menschen präsent, ereignet sich eine Theophanie: „|: Triffst du Gott Str. 6,3f: „Wenn unser Bewusstsein versinkt,/ träume das Herz dennoch weiter von dir.“ 328 Bleib bei uns, hilf uns tragen, jeweils 2. Zeile einer Strophe: „ Wache und bete…“; Der Lärm verebbt, Str. 2,3: „Lass deine Kirche mit Jesus wachen“; Der Tag ist am Ziel, Str. 4,2: „Menschen wachen“; Du lässt den Tag, o Gott, nun enden, Str. 2,3f: „Wir danken dir für Schutz und Segen / wie jeder Mensch, der betend wacht“; Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str. 3,3f: „ist immer ein Gebet und immer / ein Loblied wach, das vor dir steht.“ 329 Hüll mich ganz in deine Ruhe ein, Str. 1,2-4 „Lastet Tageslärm in meinem Denken,/ löse ihn von mir und deck ihn zu./ Bring mich nun ganz zur Ruh“; Komm, Herr, komm in der Nacht, Str. 4,2f: „Unsre Sinne sind stumpf geworden vom Lärmen./ Bring uns die Ruhe, bring uns die Ruhe / und unsre Stumpfheit |: wird sich wandeln in Schärfe. : |“ 330 Die Nacht ist da, Str. 5,3f: „Denn du allein, was ich auch immer tue,/ bist meine Ruhe.“ 331 Ade, wünsche gute Nacht, Str. 1,3. 332 Bevor der Tag zu Ende geht, Str. 3: „Bevor der Schlaf uns übermannt,/ lasst uns noch einen Gegner / um Versöhnung fragen.“ 333 Wie könnt ich ruhig schlafen, Str. 2,2. 334 Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, Str. 6: „Wenn unsre Stimme verstummt,/ trete dein Geist für uns ein: / Wenn unser Bewusstsein versinkt,/ träume das Herz dennoch weiter von dir.“ 335 Die zweite Strophe lautet im lateinischen Original: „procul recedant somnia / et noctium phantasmata / hostemque nostrum conprime / ne polluantur corpora“ - „Weithin mögen entschwinden die Träume / und der Nächte Trugbilder, auch unseren Feind dränge zurück,/ auf dass nicht befleckt werden die Körper“; lateinischer Text und dt. Ü nach E INIG , Vom Tag zur Nacht, 291. 336 Christus, du bist uns Licht und Tag, Str. 2,3f: „Von aller Unrast lös uns nun,/ lass uns in deinem Frieden ruhn“; Nach des Tages Last, Str. 3,1-4: „Nach des Tages Last / finden wir Ruhe in dir./ Du, Herr, schenkst und Rast / und tiefen Frieden mit dir“; Es wird Abend, Str. 1,3-5: „Der Nebel in den Tälern,/ die Stille in den Wäldern,/ alles ist auf Frieden eingestellt“; Nun hat die Nacht den Tag vertrieben, Ref,2f: „Vater im Himmel, bleib du bei mir./ Dann liege und schlafe ich ganz mit Frieden.“ 337 1,1f: „Nun lässt du die dir dienen,/ wie du verheißen hast, gelassen ruhen“; Christus, du bist und Licht und Tag, Str. 2,3f: „Von aller Unrast lös uns nun,/ lass uns in deinem Frieden ruhn.“ <?page no="83"?> 69 heute Nacht,/ grüß ihn wieder von mir! : |“ 338 ; sie sind möglicherweise deshalb etwas Angenehmes, Wünschenswertes. 339 Nur in einem Fall ist der Traum in seiner Flüchtigkeit und Nichtigkeit negativ besetzt: „Ich brauch dort nicht mich / an Traumgespinste gefangen geben./ Du lässt mich schlafen.“ 340 Zwei Lieder befassen sich mit dem ‚Nicht-Schlafen-Können’; ‚Schmerzen’, ‚Hunger’, ‚Trennungsleid’ und ‚Krankheit’ werden hier als Ursachen für die Schlaflosigkeit angegeben. 341 g Abend als Zeit der Bergung und Gefährdung In etwa der Hälfte aller Abendlieder ist von dem ‚göttlichen Schutz’ am Abend und in der Nacht die Rede. 342 Dabei wird etwa von der Hälfte dieser Liedgruppe der Schutz als Gewissheit oder geglaubtes Faktum dargestellt, von der anderen Hälfte wird er erbeten. Es lassen sich insgesamt drei verschiedene Spielarten des ‚Schutzes’ ermitteln, die jeweils unterschiedliche Akzente hinsichtlich des Verhältnisses von Gott und Mensch setzen: Zunächst ist die große Anzahl von Liedern zu nennen, in denen ‚Schutz’, ‚Bergung’ und ‚Geborgenheit’ 343 eine Rolle spielen. Insgesamt ist hier eine El- 338 In die Federn, Str. 1,5f; siehe auch Bleib, o Herr, auch jetzt in der Nacht, Str. 3,1-4: „Bleib, o Herr, lass uns nicht allein,/ geh auch in unsre Träume ein“ und Danke, Herr, für diese Nacht, Str. 4, 1f: „Wache, Herr, wenn wir jetzt ruhn,/ leucht’ uns durch die Träume nun.“ 339 Der Tag ist am Ziel, Str. 3: „Die Hoffnung hat Raum./ Sorgen fassen,/ Sorgen entlassen,/ traue dem Traum“; Eine kleine helle Weise, Str. 3,3f: „Schenk den Frohen bunte Lieder / und den Kindern einen Traum“; Freunde, gut Nacht, 1,3f: „|: Schlaft bald ein, ruhet fein,/ gut sollen all eure Träume sein. : |“ 340 Du hast die kalte Nacht berührt, Str. 3. 341 Dunkel sind alle Straßen dieser Stadt, Str. 1-3: „1. Dunkel sind alle Straßen dieser Stadt,/ nur noch ein Fenster leuchtet matt./ Dort schläft ein Kranker vor Schmerzen nicht ein,/ die Nacht wird lang für ihn sein./ 2. Irgendwo brennt ein kleines, schwaches Licht / und eine Mutter ruhet nicht./ Bei ihrem kranken Kinde wacht,/ und lange dauert die Nacht./ 3. Leuchtet ein Fenster in die Nacht hinaus: / Dort weit ein Mensch nicht ein noch aus,/ weil er verlassen und einsam nun ist,/ die Trennung nicht vergisst“; siehe auch Es ist spät geworden, Str. 2f: „Doch nicht alle schlafen jetzt friedlich ein./ Viele Menschen werden hungrig sein; / uns sie wollen leben, wollen Brot./ Herr, sieh auf das Elend, sieh die Not! / 3. Und in unsren Städten herrscht Einsamkeit; / zwischen Lärm und Lachen wohnt das Leid./ Weinend liegen Menschen lange wach,/ weil alle ihre Hoffnung längst zerbrach.“ 342 Siehe Tabelle I im Appendix, 401-405. 343 Die überwiegende Anzahl der betreffenden Lieder thematisiert den Schutz als Erfahrung des Geborgenseins, ein passivisches, am Sänger sich vollziehendes und auf seine Selbstwahrnehmung einwirkendes Phänomen: Bevor des Tages Licht vergeht, Str. 2: „Hüllt Schlaf die müden Glieder ein,/ lass uns in dir geborgen sein / und mach am Morgen uns bereit / zum Lobe deiner Herrlichkeit“; Christus, du bist der helle Tag, Str. 2: „Nimm gnädig, guter Herr und Gott,/ uns diese Nacht in deine Hut; / lass uns in dir geborgen sein./ In deinem Frieden ruht sich’s gut“; Str. 4: „Dieweil die müden Glieder ruhn,/ bleib unser Herz dir zugewandt./ Wir sind dein Volk, das dir vertraut: / beschütze uns mit deiner Hand“; Der Tag begann, Str. 4: „Wir bitten dich jetzt für die Nacht,/ dass wir geborgen sind / und du auf alle hier gibst acht,/ bis neu dein Tag beginnt“; Du lässt den Tag, o Gott, nun enden, Str. 1: „Du lässt den Tag, o Gott nun enden / <?page no="84"?> 70 tern-Kind-Relation festzustellen. Gott legt schützend seine Hand auf oder über den Gläubigen oder birgt ihn mütterlich in seinem ‚Schoß’. Eine zweite Gruppe von Liedern betont die Aufmerksamkeit Gottes gegenüber dem Menschen, indem von ‚Wacht’, ‚Bewachung’ 344 und ‚Hut’ 345 gesprochen und breitest Dunkel übers Land / Wir waren heut in deinen Händen,/ nimm du uns auch jetzt in deine Hand“; Senkt sich Stille auf das Land, Str. 2: „Lass uns bei dir geborgen sein / mit allen unsern Lasten./ Hüll uns in deine Liebe ein,/ in Frieden lass uns rasten“; Der Schatten deiner Flügel, Str. 2: „Im Schatten deiner Flügel / kann ich geborgen sein./ Dann schlaf ich ohne Sorgen / in Frieden mit Dir ein“; Der Tag geht zu Ende, Str. 1: „Der Tag geht zu Ende,/ unsre Hände / halten die Zeit nicht fest./ In Ängsten und Sorgen sind wir geborgen,/ weil uns der Herr nicht verlässt“; Du hast die kalte Nacht berührt, Str. 5,1: „Ich kann in dir geborgen sein“; Ich leg den Tag getrost aus meinen Händen, Str. 1: „1. Ich leg den Tag getrost aus meinen Händen / und weiß mich ganz in dem, der mich einst schuf, geborgen“; Geborgen in dir Gott, Str. 1,1 u.ö.; Nun hat die Nacht den Tag vertrieben, KV: „Nun hat die Nacht den Tag vertrieben./ Vater im Himmel, bleib du bei mir./ Dann liege und schlafe ich ganz mit Frieden./ Du wirst mich bewahren, ich danke dir“; Stille lass mich finden, Str. 2,7f: „Ich bin ja bei dir geborgen,/ du willst allzeit für mich sorgen“; Von guten Mächten treu und still umgeben, Str. 7: „Von guten Mächten wunderbar geborgen / erwarten wir getrost, was kommen mag./ Gott ist bei uns am Abend und am Morgen / und ganz gewiss an jedem neuen Tag“; Wie könnt ich ruhig schlafen, Str. 3,3f: „So kann ich ruhig schlafen im Schutze deiner Macht./ Du bist das Licht des Lebens auch in der Nacht“; Will nun meine Hände, Str. 4: „Ja, in dir geborgen / darf mein Leben sein: / Dein ist Nacht und Morgen,/ dir, Herr, schlaf ich ein.“ Ist von ‚Bergung’ im aktiven Sinne die Rede, dann zumeist als Deprekation an Gott: Des Tages Glanz verloschen ist, Str. 2,1f: „Wir bergen uns in deiner Huld,/ wenn wir unsre Augen schließen“; Dunkel wird es wieder, Str. 3: „Bruder aller Brüder,/ Schild und Schwert der Wacht,/ birg uns deine Glieder,/ tief in deiner Macht“; Leis der Wind im Abend weht, Str. 2,1f: „Birg die Welt, o guter Gott,/ stark in deinen Händen“; ebenso bei ‚bewahren’: Christus, du bist uns Licht und Tag, Str. 3,4: „bewahre uns in sichrer Ruh“; Des Tages Glanz erloschen ist, Str. 2,3: „Bewahr vor Not, bewahr vor Schuld“; Nun hat die Nacht den Tag vertrieben, Ref,4: „Du wirst mich bewahren, ich danke dir.“ 344 Eine Form des Wortes ‚bewachen’ findet sich in folgenden Liedern: Eine kleine helle Weise, Str. 2: „Ohne Ziel sind alle Straßen; / trotz der Lichter sind sie Nacht./ Viele Brüder gehen verlassen./ Doch auch sie der Herr bewacht“; Freunde, gut Nacht! , Str. 3,2f: „gut Nacht, Gott sieht euch an,/ der die Welt bewacht“; Geht der Tag ganz leis zu Ende, Str. 1: „Geht der Tag ganz leis zu Ende,/ kommt die lange, finstre Nacht,/ falten wir nun unsre Hände,/ bitten, dass uns Gott bewacht.“ Weniger autoritär wird von ‚wachen’ in folgenden Beispielen gesprochen: Abend ward, bald kommt die Nacht, Str. 1,3f: „denn sie weiß, es ist die Wacht / über ihr bestellt“; Die Sonne sinkt ins Meer, Str. 2,1: „Du guter Vater, wachst“; Gott, segne unser Wandern, Str. 1,3f: „Die Woche will zur andern,/ komm Du und halte Wacht! “; Komm, der unsre Fragen schweigt, Str. 8: „Und nun wacht und trotzt dem Neid,/ wer dich hält und hegt,/ wenn der Feind zur argen Zeit / seine Schlingen legt“; Leis der Wind im Abend weht, Str. 1,6f: „Mensch und Tier entschlafen sacht: / Gott im Himmel wacht! “; Noch hinter Berges Rande, Str. 4: „Dann nimmt auch das ein Ende,/ wir sagen: Gute Nacht! / und falten unsre Hände und danken dem, der wacht,/ der alle Welt umfängt / mit Sonnen, Stern und Erde,/ und dem geringsten Herde / sein Licht und Feuer schenkt“; Still über alle Welt fällt die Nacht, Str. 1: „Still über alle Welt fällt die Nacht./ Der sie in Händen hält, der sie gemacht,/ hält die Wacht.“ Siehe ähnlich ‚Acht haben’ oder ‚Acht geben’: Der Tag begann, Str. 4,3: „und du auf alle hier gibst acht“; Geht der Tag ganz leis zu Ende, Str. 3,4: „gib auf alle Menschen Acht“; Gott, wertes Licht, Str. 1,1: „Gott, wertes Licht, hab uns in Acht“; Heut war ein schöner Tag, Str. 5,4: „Du hast ja auf uns Acht“; Schon glänzt der goldne Abendstern, Str. 2,4: „Hab <?page no="85"?> 71 wird. Die dritte Gruppe fokussiert ein kooperatives Verhältnis zwischen Gott und Mensch, in den betreffenden Liedern ist vom ‚Geleit’ Gottes bzw. von dessen ‚Mitsein’ die Rede. 346 Alle drei Nuancen finden sich gemeinsam in Ich liege, Herr, in deiner Hut, das damit die Umfassendheit des göttlichen Schutzes zum Ausdruck bringen will. 347 In nur drei Liedern wird in der Vorstellung der impliziten Beter die nächtliche, göttliche Schutzfunktion durch „Engel“ übernommen und daher um die Sendung von Schutzengeln gebeten. 348 In einem weiteren Lied werden Engel nicht als Schützer, sondern als Lastenträger begriffen: „Der Lärm verebbt und die Last wird leichter./ Es kommen Engel und tragen mit.“ 349 Ein fünftes begreift den Nächsten als englisches Wesen, das am Morgen den Sänger aufwecken möge: „Ich schenk mir so Bereitschaft,/ vom Nächsten, der / als Engel kommt,/ mich aufwecken zu lassen.“ 350 du uns alle wohl in Acht“; Still geht der Tag zur Ruh, Str. 3,4: „treu gibst du auf mich Acht“. 345 Es wird eher von der Empfindung des ‚Behütetseins’ gesprochen als von der ‚Hut Gottes’; folgende Lieder thematisieren ersteres: Bevor des Tages Licht vergeht, Str. 1: „Bevor des Tages Licht vergeht / O Herr der Welt, hör dies Gebet: / Behüte uns in dieser Nacht / durch deine große Güt’ und Wacht“; Der Tag geht müd von hinnen, Str. 2: „Nun wollen wir noch singen / das stille Abendlied./ Es soll zum Schöpfer dringen,/ der uns so treu behüt“; Ein Tag ist vorüber, Str. 3,3: „wachst in meinen Nächten und wehrst aller Angst“; Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht, Str. 1+3: „1. Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht: / Behüt mich auch in dieser Nacht,/ dass ich in Frieden schlafen mag; / stärk mich zu einem neuen Tag./ 3. Bleib bei mir, da es Abend wird; / behüte mich, du guter Hirt,/ und send mir aus des Himmels Schar / den Engel, der mich wohl bewahr“; Von guten Mächten treu und still umgeben; Str. 1: „Von guten Mächten treu und still umgeben / behütet und getröstet wunderbar./ So will ich diese Tage mit euch leben / und mit euch gehen in ein neues Jahr.“ Folgende Lieder rekurrieren auf die Rolle Gottes als ‚Hüter’ oder ‚Hirte’: Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str. 2: „Die Erde rollt dem Tag entgegen,/ wir ruhen aus in deiner Hut / und danken dir, wenn wir uns legen,/ dass deine Kirche nimmer ruht“; Unter ging der Sonne Schein, Str. 7: „Nimm uns all in deine Hut,/ lass uns schlafen tief und gut,/ dass nach diesem frohen Tag / froher Morgen kommen mag“; Wenn der Tag vergeht, möchte ich schweigen, Str. 2,5-8: „Bleibe mir nah, mein Gott,/ dass ich dich finde./ Birg die Erde in dir,/ Hüter der Nacht.“ 346 Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II), Str. 3: „Im Dunkel liegt die Nacht vor uns, wir tasten uns hinein./ Die Finsternis lässt jeden nun ganz mit sich selbst allein./ So greifen wir nach deiner Hand, dass sie uns weiterführt,/ dass keiner sich und seinen Weg am Ende noch verliert“; Gute Nacht! , Str. 5,5f: „Geh uns, Herr, nicht aus dem Sinn./ Deine Nähe ist Gewinn! “; In abendstillen Zweigen, Str. 3,3-5: „Durch alle Bangigkeiten / wollst du hindurchgeleiten,/ bis wir zum Tag erwacht.“ Vgl. auch die Beispiele, in denen um die Präsenz Gottes gebeten wird; s. Tabelle I im Appendix, 401-405. 347 Vgl. hierzu die ausführliche Einzelinterpretation des Liedes in Teil I D 7. 348 Geht der Tag ganz leis zu Ende, Str. 3,1f: „Wolltest uns heut Nacht behüten / durch der heiligen Engel Wacht“; Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht, Str. 3,2-4: „behüte mich, du guter Hirt,/ und send mir aus des Himmels Schar / den Engel, der mich wohl bewahr“; Lieber Gott, nun schlaf ich ein Str. 1,2-4: „Schicke mir ein Engelein,/ dass es treulich bei mir wacht,/ in der langen, dunklen Nacht.“ 349 Der Lärm verebbt, Str. 1,1f. 350 Mir fallen schon die Augen zu, Str. 3,2-6 <?page no="86"?> 72 Da das Schutzmotiv in Abendliedern derart dominant zu Tage tritt, stellt sich die Frage, welche Gefahrensituationen und Empfindungen in den Liedern zum Anlass genommen werden, um um göttlichen Schutz zu bitten bzw. ihn zumindest als notwendig erscheinen zu lassen. Etwa die Hälfte aller Schutzlieder kennt keinen expliziten Grund, allenfalls wird die ‚Nacht’ in ihrer Dunkelheit und Finsternis als Gefahrenraum genannt. 351 Sie dient einerseits als Synonym für ‚Gottesferne’ 352 oder ‚Bedrängnis’ 353 , wird aber andernorts auch als eigener Schutzraum begriffen. 354 Die andere Hälfte begründet vor allem die Schutznotwendigkeit durch Emotionen und Befindlichkeiten: Bei, vor oder in ‚Angst’, 355 ‚Einsamkeit’, 356 in ‚Hass’ und ‚Streit’, 357 ‚Krieg’ 358 und ‚Hoffnungslosigkeit’ 359 soll der Schutz Gottes helfen. Nur die 351 Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht, Str. 1: „Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht,/ wenn uns die Finsternis beschleicht./ Wenn wir voll Not ins Dunkel sehn,/ wenn wir in Ängsten schier vergehn./ Bleib bei uns, Herr, halt die Wacht,/ gib deinen Frieden diese Nacht“; Christus, du bist der helle Tag, Str. 2,1f: „Nimm gnädig, guter Herr und Gott,/ uns diese Nacht in deine Hut“; Der Tag hüllt sich in Dunkelheit, Str. 4,4: „du Schutz in unsrer Nacht“; Ich liege, Herr, in deiner Hut, Str. 2: „Du bist's allein, Herr, der stets wacht,/ zu helfen und zu stillen,/ wenn mich die Schatten finstrer Nacht / mit jäher Angst erfüllen“; Geht der Tag ganz leis zu Ende, Str. 1: „Geht der Tag ganz leis zu Ende,/ kommt die lange, finstre Nacht,/ falten wir nun unsre Hände,/ bitten, dass uns Gott bewacht“; Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht, Str. 1,2: „Behüt mich auch in dieser Nacht“; Lieber Gott, nun schlaf ich ein, Str. 1,2-4: „Schicke mir ein Engelein,/ dass es treulich bei mir wacht,/ in der langen, dunklen Nacht“; Nun hat die Nacht den Tag vertrieben, Str. 1,4: „du wirst mich bewahren, ich danke dir.“ 352 Der Tag geht müd von hinnen, Str. 4: „Reiß uns aus allen Nächten,/ dass wie dein Sonn stets sehn./ Hilf, dass wir Satans Listen / stets siegreich widerstehn.“ 353 Nacht kommt über unser Land, Str. 1,1. 2,1. 3,1. 4,1: „1. Nacht kommt über unser Land, […]/ 2. Nacht herrscht über unserm Land, […]/ 3. Nacht bleibt nicht in unserm Land [...]/ 4. Nacht entflieht aus unserm Land […]“; So wie einer Kerze heller Schein, Str. 2: „Aus der Nacht der Hoffnungslosigkeit/ hat dein Kommen, Herr, uns neu befreit.“ 354 Bleibe bei uns, es will Abend werden, Str. 3,1: „Bleibe bei uns, dass die Nacht uns hüte“. 355 Ein Tag ist vorüber, Str.3,3: „wachst in meinen Nächten und wehrst aller Angst.“ 356 Der Tag nun versinkt in Nacht, Str. 2: „Die Sorgen sind düstere Wolken,/ die Jahre, sie häuften die Last./ Die Einsamkeit senkt ihre Schatten,/ doch weiß ich, du hältst bei mir Rast! “; Dunkel sind alle Straßen dieser Stadt, Str. 3: „Leuchtet ein Fenster in die Nacht hinaus./ Dort weiß ein Mensch nicht ein noch aus,/ weil er verlassen und einsam nun ist,/ die Trennung nicht vergisst“; Es ist spät geworden, Str. 3: „Und in unsren Städten herrscht Einsamkeit; / zwischen Lärm und Lachen wohnt das Leid./ Weinend liegen Menschen lange wach,/ weil alle ihre Hoffnung längst zerbrach.“ 357 Der Abend kommt, Str. 3: „Die Nacht ist bang. Gib uns, dass Frieden werde./ Sich diese arme, leidzerrissene Erde! / Du Gott des Friedens, ende allen Streit./ Mach uns zu Friedensboten dieser Zeit“; Dunkel wird es wieder, Str. 4: „Ob uns Streit gebunden,/ ob uns Hass verheert,/ haben deine Wunden / unser Heil begehrt“; Es wird Abend, Str. 2a,1f: „Doch der Mensch geht friedlos durch die Zeit./ Er will lieben und lebt doch im Streit“; Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht, Str. 2,1f: „Wollst mir vergeben meine Schuld,/ den Streit und alle Ungeduld.“ 358 Es ist spät geworden, Str. 4: „Du kennst unsre Erde, du kennst den Krieg./ Völker kaufen Waffen für den Sieg./ Bomben und Raketen stehn bereit./ Herr, wie lange gibst du uns noch Zeit? “; Es wird Abend, Str. 2a,3-5: „Mit Hass, Neid und Empörung,/ Gewalt, Krieg und Zerstörung,/ schlägt er Wunden und bringt großes Leid.“ 359 So wie einer Kerze heller Schein, Str. 2: „Aus der Nacht der Hoffnungslosigkeit / hat dein Kommen, Herr, uns neu befreit.“ <?page no="87"?> 73 Übertragungen altkirchlicher Hymnen kennen auch die Schutzfunktion Gottes gegenüber Schuld und Sünde. 360 h Abend als „Vorbote des Todes“ 361 und Künder des Eschaton Der Abend wird auch als das ‚Ende des Tages’ 362 oder als dessen ‚Neige’ 363 bezeichnet; er ist das ‚Ziel’ des Tages 364 . Manchmal wird er auch als ‚Untergang’ des Tages beschrieben. 365 Im ‚Sterben’ des Tages spiegelt sich das ‚Vergängliche’ alles Irdischen: 1. Gott, wertes Licht, hab uns in Acht! Nach kurzer Sicht kommt lange Nacht, karg ist der Glanz bemessen. Eh heut noch starb, ward Morgen schon, es ist, als flögen wir davon, wollt’s nicht vergessen. 2. Die bunte Blum, das blanke Kraut, hat ihren Ruhm und preiset laut den Meister, der sie kleide. Es kommt ein Tag und kommt geschwind, da Blum und Gras gefallen sind auf grüner Heide. 3. Die Jugend hält voll Stolz und Pracht und wähnt die Welt für sich gemacht; doch Welt hat andre Sinnen. Sie nimmt uns mit ein kurzes Stück und lässt uns dann am Weg zurück und fährt von hinnen. 4. Gott, ewig Licht in Ewigkeit, verlass uns nicht zur späten Zeit: Das Licht blickt als verhohlen. O Welt, die tief im Abend steht, 360 Christus, du bist der helle Tag, Str. 3: „Gib, dass nichts Arges uns bedrängt,/ der böse Feind uns nicht verführt,/ und lass nicht zu, dass Geist und Leib,/ vor deinem Auge schuldig wird“; Christus, du bist uns Licht und Tag, Str. 2,1f: „O heilger Herr, in dieser Nacht / halt vor dem Feind uns wohl in Acht“; Des Tages Glanz erloschen ist, Str. 2,3: „Bewahr vor Not, bewahr vor Schuld“. 361 R INGSEISEN , P AUL : Morgen- und Abendlob mit der Gemeinde. Geistliche Erschließung, Erfahrung und Modelle. Freiburg i.Br./ Basel / Wien 2 1994, 57. 362 Bevor der Tag zu Ende geht, Str. 1,1; Der Tag geht zu Ende, Str. 1,1; Dieser Tag geht nun zu Ende, Str. 1,1; Der Tag ist zu Ende, Str. 1,1; Du lässt den Tag, o Gott, nun enden, Str. 1,1; Du Stern meiner Nacht, Str. 1,3f: „[…] und beendest sacht / meinen Tageslauf“; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I+II), Str. 1,1; Geht der Tag ganz leis zu Ende, Str. 1,1; Herr, am Ende dieses Tages komme ich zu mir; Str. 1,1, Wieder geht ein Tag zu Ende, Str. 1,1, Will nun meine Hände, Str. 1,3f: „weil der Tag zu Ende / und zur Neige geht“. 363 Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht, Str. 1,1; Der Tag begann, Str. 1,1: „Der Tag begann, der Tag vergeht“, Der Tag geht zur Neige, Str. 1,1; Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, Str. 1,1: „Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag“; Will nun meine Hände, Str. 1,3f: „[…] weil der Tag zu Ende / und zur Neige geht.“ 364 Der Tag ist am Ziel, Str. 1,1. 365 Der Tag nun versinkt in Nacht, Str. 1,1; hier wird der ‚Tag’ mit der ‚Sonne’ synonym gesetzt. <?page no="88"?> 74 bevor dich Gottes Sturm verweht, sei Gott befohlen! 366 Das Ende des Tages verweist auch auf das eigene Lebensende - „Weil mich das Tagesscheiden / an das Sterben rührt / will ich mich bereiten,/ so wie sich’s gebührt.“ 367 -, in diesem Sinne ist der Abend Vorbote des Todes: „Bleibe bei uns, Herr, wenn unsrer Bahn / die letzten, dunklen Schatten nahn,/ das Leben und der Tod uns drängt,/ die Schuld den Himmel uns verhängt./ Bleib bei uns, Herr, halt uns in Hut,/ und mach’s mit unserm Ende gut.“ 368 Der Vergleich des nächtlichen Schlafes mit dem Tod, der motivisch die römische Komplet bestimmt, bleibt allerdings weitgehend irrelevant. 369 Auch ein direkter Bezug zwischen der ‚Nacht’ und dem ‚Tod’ findet sich eher selten: „wenn des Todes Nacht und Ende / mich beschattet, Herr, dann sende/ mir dein Heil und Licht.“ 370 Ein Lied sieht die ‚Verdrängung der eigenen Endlichkeit’ als symptomatisch für seine Zeit: „Der Abend kommt, die Zeit hält niemals ein,/ sie geht dahin, sie geht dahin./ Still fragt die Nacht: ‚Wie wird das Ende sein? / Was ist der Sinn, was ist der Sinn? ’ / Was man verdrängt und dennoch ahnt,/ ist Gottes Stimme, die uns mahnt./ In seiner Hand ist Ende und Beginn.“ 371 Dominant wirkt hingegen das aus der Sterbeliturgie stammende und in die römischen Komplet aufgenommene Motiv 366 Gott, wertes Licht; siehe weiterhin: Bleib bei mir, Herr, Str. 2: „Wie bald verebbt der Tag, das Leben weicht,/ die Lust verglimmt, der Erdenruhm verbleicht; / umringt von Fall und Wandel leben wir./ Unwandelbar bist du: Herr, bleib bei mir! “; Der Tag begann, Str. 1: „Der Tag begann, der Tag vergeht,/ vorbei ist seine Zeit,/ wenn gleich der Mond am Himmel steht,/ ist er Vergangenheit“; Der Tag geht zu Ende, Str. 1,1f: „Der Tag geht zu Ende, unsre Hände / halten die Zeit nicht fest“; Der Tag geht zur Neige, Str. 2: „Die Tage zerfließen das Leben vergeht./ Herr, sag uns: Was bleibt denn bestehen? “; Der Tag vergeht und kommt nie mehr zurück, Str. 1,1f: „Der Tag vergeht und kommt nie mehr zurück,/ nichts bleibt bestehn, nichts bleibt bestehn“; Dieser Tag geht nun zu Ende, Str. 2,1-3: „Vieles wollte ich gewinnen,/ sah es mir zu nichts zerrinnen,/ suchte, irrte viel“; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I), Str. 2,1: „Und jeder Tag, den du uns schenkst, er kommt und geht dahin“; Nun trägt der Abendwind den Tag, Str. 3,1: „Sieh nun den Tag, wie schnell verweht! “; Steil auf dem Schattenriss der Stadt, Str. 2,3f. 3,1f: „und auf dem Abbruch einer Zeit,/ die wie ein Zelt geliehen war,/ bleibt in der Schwebe, was uns bleibt,/ wird gegenwärtig, was verrinnt“; Vom hohen Baum der Jahre, Str. 3,1: „Wie viele Blätter mag mein Lebensbaum noch tragen? “ 367 Will nun meine Hände, Str. 2; die gesamte Gruppe der den Tod thematisierenden Lieder siehe im Appendix den tabellarischen Anhang II. 368 Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht, Str. 3. 369 In Steil auf dem Schattenriss der Stadt wird der irdische Tod als Erwachen in die Ewigkeit gedeutet: „der es vermag, als Licht vom Licht / die Nacht zu wandeln österlich,/ der Sterben zu Erwachen macht / und das Verstummen zu Gesang.“ Str. 5. 370 Dieser Tag geht nun zu Ende, Str. 6,4-6; Vgl. Christus, du bist der helle Tag, Str. 6,3: „Umfängt uns einst des Todes Nacht“; Du hast die kalte Nacht berührt, Str. 6: „Und wenn ein Teil von mir in ew’ge Nacht taucht,/ strahlt umso heller,/ was uns verbindet.“ sowie die Andeutungen in Wir stehn im Dunkeln ohne Sicht, Str. 2,1f: „Das Licht verging in Nacht und Not./ Im Tod verging das Leben.“ 371 Der Tag vergeht und kommt nie mehr zurück, Str. 2. <?page no="89"?> 75 der ‚Commendatio animae’. 372 Allerdings wird hier nicht explizit die Seele, sondern meistens der ‚gelebte Tag’ Gott anvertraut, 373 der jedoch auch als Pars pro toto für die gesamte Existenz des Menschen gesehen wird: „So geben wir ihn dir zurück und mit ihm unser Sein“ 374 . Außerdem werden Gott auch ‚Sorgen’, 375 ‚Angst’ und ‚Schuld’, 376 zurückgegeben, ebenso das am Tag ‚Erlebte’, 377 wodurch eine Verschiebung des Motivs angezeigt wird: Nicht die Sorge um die in der Nacht und im eventuell kommenden Tode bleibende Nähe zu Gott ist der führende Gedanke, sondern vielmehr die Entlastung von den Erlebnissen des Tages. Gott fungiert eher als eine ‚Entsorgungsstelle’, bei dem Freud und Leid abgelegt werden können: „Seh ich dann auf meine Hände,/ lass ich alles vor deinem Throne los.“ 378 Die Vergänglichkeit des Menschen rekurriert auch auf die Vergänglichkeit der gesamten Schöpfung. Die Unvollkommenheit des eigenen Tagewerks führt zu der Bitte, dass Gott das Leben des Beters zur Vollendung führen möge. 379 So verweisen insgesamt 13 Lieder auf das ‚Eschaton’, indem sie et- 372 Allgemein von einer ‚Rückgabe’ oder besser gesagt ‚Hingabe des Selbst’ an Gott wird in folgenden Liedern gesprochen: Adonai; in deine Hand lege ich mein Geschick, Ref: „Adonai in deine Hand lege ich mein Geschick,/ denn du hast mich erlöst, Gott, mein treuer Gott“; In abendstillen Zweigen, Str. 1,3f: „Wir hören, stehn und schweigen,/ geben uns dir zu eigen“; Von guten Mächten treu und still umgeben, Str. 4,4: „und dann gehört dir unser Leben ganz“; Wenn der Tag vergeht, möchte ich schweigen, Str. 1,5f: „[…] gebe mich dir, mein Gott, dankbar zu eigen.“ 373 Bevor die Sonne sinkt, Str. 4,3f: „Nimm du den Tag zurück / in deine guten Hände“; Der Tag begann, Str. 2,3f: „Jetzt nimmst du diesen Tag zurück,/ du der die Tage lenkt.“; KV: „Diesen Tag, Herr, leg ich zurück in deine Hände, denn du gabst ihn mir“; Der Tag ist zu Ende, Str. 1,2f: „Gott, dir in die Hände / legen wir alles, was war“; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I+II), Str. 1,1f: „Ein Tag geht nun zu Ende, Herr, er kam aus deiner Hand“; Nach des Tages Last, Str. 2,5f: „Herr, wir geben dir zurück den ganzen Tag mit seinen Mühen“; Nun tragt der Abendwind, Str. 4,1f: „dann kommt die Nacht der Tag ist nun / schon lang gelegt in Gottes Hände“; Vom hohen Baum der Jahre, 1,2: „Gott nimmt den Tag zurück in seine guten Hände“; außerdem ist Ich leg den Tag getrost aus meinen Händen, Str. 1,1 zu nennen, wobei es sich hier nicht um eine Rückgabe in Gottes Hände handelt, sondern lediglich um eine Weggabe mit unbestimmtem Ziel. 374 Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I+II), Str. 1,3. 375 Abendfrieden senkt sich nieder, Str. 3,1f: „Unsre Lasten, unsre Sorgen / legen wir in Gottes Hand“; Dunkel wird es wieder, Str. 5,1: „Nimm des Tages Sorgen“. 376 Freunde, gut Nacht, Str. 2,3f: „|: Gebt ihm Angst und Schuld,/ er nimmt es alles in seine Huld. : |“ 377 Der Tag nun versinkt in Nacht, KV,3f: „Was Gutes und Böses geschah,/ lege ich in deine Hand zurück! “; Dieser Tag geht nun zu Ende, Herr, Str. 1,2-5 „ich leg in deine Hände,/ was er mir gebracht,/ mein Gelingen, mein Versagen / will ich nun zu dir tragen / vor der langen Nacht“; Nach des Tage Last, 1,7f: „Alle Arbeit, Freud und Klag / legen wir jetzt in deine Hände.“ 378 Wieder geht ein Tag zu Ende, Ref,1f. 379 Der Abend kommt und wir zu dir, Str. 2,5f: „gebt Lob und Preis dem Heilgen Geist,/ Vollendung er uns bring“; Die Sonne sinkt, es steigt die Nacht, Str. 4,1f: „Gott, gib mir Kraft zu neuem Tag,/ dass ich mein Werk vollenden mag“; Gott, vollende das gute Werk, KV,1f: „Gott, vollende das gute Werk,/ das heut begonnen hat“; Jeden Abend bete ich, Str. 8: „Jeden Abend bete ich: Herr, komm bald und richte auf / deine Herrschaft voller Gnaden und vollende meinen Lauf“; Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, Str. 7: <?page no="90"?> 76 wa vom ‚großen, neuen Tag’ 380 bzw. vom ‚ewigen Morgen’, 381 vom ‚Wiederkommen Christi’ 382 , von ‚Gottes Zukunft’ 383 oder vom ‚Reich ohne Grenzen’ 384 bzw. von ‚Gottes Herrschaft’ 385 sprechen. 386 In zwei Liedern wird der Exodus zum Bild eschatologischer Befreiung. 387 Lediglich in einem einzigen Lied wird das ‚Weltgericht’ am Ende der Zeiten fokussiert: „Bleib bei uns, wenn die Welt zerbricht,/ das All erzittert im Gericht,/ wenn nirgends Halt und Hilf und Heil,/ der armen Erde wird zuteil.“ 388 3 Zusammenfassung Aus der Auswertung der Themen und Motive der Abendlieder des 20. Jahrhunderts lassen sich folgende allgemeine Merkmale des Abendliedes ableiten: „Du hast begonnen mit uns,/ du warst mit uns auf dem Weg: / So vollende denn nun,/ was du in Liebe für uns hast erdacht.“ 380 Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, Str. 5,4. Siehe auch: Bleib, o Herr, auch jetzt in der Nacht, Str. 3,5f: „Bleib, o Herr, mit uns in der Zeit,/ bis einst dein Tag die Welt erneut“; Der Abend kommt, Str. 4,2-4: „[…] Schütze und behüte,/ was du erschaffen, bis dein Tag anbricht / und wir dich schaun, dich und dein helles Licht“; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II), Str. 4,4: „So gehen wir durch Tag und Nacht, bis es für immer tagt“; Es wird Abend, Str. 4,5: „lass uns leuchten, bis dein Tag erscheint“; Gott, segne unser Wandern, Str. 2,8: „Hilf ihm zu deinem Tag! “ 381 Der Tag geht müd von hinnen, Str. 5,1f: „Ach, dass der ew’ge Morgen / uns Armen bald erglüh! “; siehe auch Dunkel wird es wieder, Str. 5,3f: „gib zum letzten Morgen / Leben ohne Tod.“ 382 Es ist spät geworden, Ref. nach 5. Str.: „Du bleibst bei uns! Du bleibst bei uns! / Denn dein Tag wird kommen. Du bleibst bei uns! / Du bleibst bei uns! Du bleibst bei uns! / Du wirst wiederkommen. Du bleibst bei uns! “; siehe auch Danke für diese Abendstunde, Str. 6,3f: „danke, du wirst einst sicher kommen / wie das Morgenrot“; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II), Str. 4,3: „Dein Kommen, Herr, hast du uns hier und heute zugesagt.“ 383 Es ist spät geworden, Str. 5,3: „deine helle Zukunft bricht bald an.“ 384 Du lässt den Tag, o Gott, nun enden, Str. 5: „Dein Reich, o Gott, ist ohne Grenzen./ Auch da, wo Menschen Macht regiert,/ wird neu der große Tag erglänzen,/ zu dem du alle Menschen führst.“; siehe auch: Bleib, o Herr, auch jetzt in der Nacht, Str. 3,3f: „Wie Träumenden so wird uns sein,/ bricht einst dein Reich mit Macht herein.“ 385 Jeden Abend bete ich, Str. 8: „Jeden Abend bete ich: Herr, komm bald und richte auf / deine Herrschaft voller Gnaden und vollende meinen Lauf.“ 386 Zumeist bildet die Rede von der Vollendung den Liedabschluss. Allein in drei Liedern wird das Ende der Zeiten nicht im Liedschluss, sondern an früherer Stelle erwähnt: Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht, Str. 4 von 5; Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I), Str. 3 von 4; Ich liege, Herr, in deiner Hut, Str. 9 von 11. Zum Gesamt der Lieder, die sich mit der Eschatologie befassen siehe den tabellarischen Anhang II. 387 Der Tag ist am Ziel, Str. 4: „Ein Stern zieht vorbei./ Menschen wachen,/ Menschen erwachen,/ das Land wird frei.“ In Bleib, o Herr, auch jetzt in der Nacht wird im Zusammenhang mit dem Exodus-Bild der für das jüdische Pascha-Fest zentrale Psalm 126,1 zitathaft aufgenommen: „Wie Träumenden so wird uns sein,/ bricht einst dein Reich mit Macht herein.“ Str. 3,3f. 388 Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht, Str. 4,1-4. <?page no="91"?> 77 (1) Ein Abendlied bezieht sich entweder durch explizite Nennung des Abends oder indirekt durch Beschreibung seiner Atmosphäre auf selbigen. (2) Es impliziert drei Zeitdimensionen: Der gegenwärtige Moment ist die konkrete Abendstunde, in einer Rückschau auf den Tag wird die Vergangenheit fokussiert, in Bitten, Ängsten, Sorgen und Gefahren richtet sich die Perspektive auf die Zukunft, entweder in die kommende Nacht, den kommenden Morgen bzw. Tag oder aber auf das Lebensende oder das Eschaton. (3) Im Abendlied vollzieht sich Kommunikation. Es wendet sich in der Regel entweder ein einzelner Mensch (ICH) oder eine unbestimmte Gruppe (WIR) an Gott, der vornehmlich als vertrautes ‚Du’, als ‚Gott’ oder ‚Herr’ angesprochen wird. (4) Die Themen des Liedes korrespondieren mit der Anzahl der Adressanten in den Liedtexten: In Stücken, in denen ein einzelner Sprecher vorkommt, wird die Perspektive tendentiell eher in die Nacht gerichtet; der bevorstehende Schlaf, Sterben und Tod, die Bitte um Schutz sind hier relevant. Auch die mit einer Tagesreflexion einhergehende Gewissenserforschung, Schuldbekenntnis und Vergebungsbitte sind häufig in Liedern dieses Typs zu finden. In Liedern, in denen die 1. Person Plural den SENDER der Aussagen bildet, wird vor allem der vergangene Tag in den Blick genommen, für denselben gedankt, ebenso wie für die geleistete Arbeit und für die Schöpfung. 389 (5) Der Gebetscharakter der Abendlieder wird vor allem durch Bitten konstituiert. Die Häufigkeit der Bitte um Schutz bzw. die Thematisierung des Schutzes allgemein und der häufige Verzicht auf eine Begründung der Schutznotwendigkeit deuten darauf hin, dass es sich hier um eine Stereotype des Abendliedes handelt. Außerdem zeigt sich der Abend im Lied als eine idealisierte Zeit, d.h. es wird in den Bitten offenkundig, dass idealerweise der Abend eine Zeit der Ruhe, der Rekreation und der Reflexion ist. Die Bitten verdeutlichen jedoch auch, dass dieser Zustand der Stille und Behaglichkeit nicht immer gegeben ist. (6) Zwei Tendenzen der Lieder erweisen sich als theologisch bedeutsam. Beide illustrieren ein vom Diesseits geprägtes Glaubensverständnis: Erstens besteht die Tendenz, die theologische Kategorie der Sünde vor Gott bzw. der Schuld vor den Mitmenschen zu nivellieren und die Zusage der Erlösung bzw. die ungebrochene Erlösungs- und Vergebungsbereitschaft Gottes überzubetonen. Dabei hat sich die biblische und traditionsgeschichtliche Entfaltung des Motivs Sünde verschoben. Gott soll nicht mehr der Sünde wehren oder sie vom Beter nehmen, sondern ihn stattdessen seiner Sorgen, die seinen Tag bestimmen, entheben. Nicht mehr ein sündenfreier, sondern ein sorgenfreier Schlaf wird begehrt. In der Dominanz der Sorge anstelle der Pönitentia offenbart sich ein defizientes Gottvertrauen mit einer Tendenz zur 389 Vgl. Tabellen I und II, 401-409. <?page no="92"?> 78 Diesseitsverpflichtung. Oder anders formuliert: Die Sorge um die weltlichen Angelegenheiten und die Angst vor der Zukunft sind, nimmt man die Lieder als Dokumente ihrer Zeit, die „modernen“ Formen der Sünde. Zweitens zeigt sich eine Transformation des Kontingenzbewusstseins hin zu einer bloßen Psychohygiene. Die am Ende des Tages in den Liedern beschriebene bzw. sich vollziehende Rückgabe der „Commendatio“ zielt nicht auf ein Memento mori, eine Einübung in das Sterben. Vielmehr äußert sich darin das Bedürfnis einer psychischen Entlastung vom Tagesgeschehen, um am folgenden Tag neue Leistung erbringen zu können. Die eigene Kontingenz zeigt sich in der Erfahrung der entfliehenden Zeit, in der Not, nicht genug Zeit für das eigene Tagewerk zur Verfügung zu haben. (7) Versucht man, aus den Motiven etwas über den Zweck der Abendlieder abzuleiten, dann kann man zu folgenden Schlüssen kommen: Die Abendlieder zielen darauf, durch ihre motivische Gleichförmigkeit und ihre weitgehende thematische Eintönigkeit das vollziehende Subjekt bzw. die vollziehenden Subjekte zur Ruhe kommen zu lassen. Außerdem leiten sie, insofern ihr Blick auch auf den vergangenen Tag gelenkt wird, dazu an, eine Reflexion des Tages vorzunehmen. <?page no="93"?> 79 C D ER A BEND (I): E IN THEOLOGISCHES UND RITUALTHEORETISCHES M ODELL 390 Der Abend ist Teil der Zeit; im linearen Verlauf von Tag und Nacht, Morgen und Abend, Stunden, Tagen und Jahren bildet er eine Etappe. Als eine Zwischenzeit zwischen Tag und Nacht nimmt er zugleich einen retrospektiven und einen prospektiven Fokus an. Kennzeichen der Abendzeit ist zunächst der Wechsel vom Licht zur Dunkelheit. Der Sonnenuntergang markiert einen Übergang von einer Tageshälfte in die andere. Das Tageslicht schwindet, die kommende Dunkelheit kündigt die Nacht an. Umwelt und Natur kommen zur Ruhe. Das mit Stress und Hetze verbundene Tagewerk ist oder wird in der Regel am Abend beendet; es folgt eine freie Zeit, die Gelegenheit gibt, den vergangenen Tag Revue passieren zu lassen und sich von den belastenden Erlebnissen, Ängsten und Sorgen zu entledigen. In diesem Transitus ereignet sich für den Menschen eine Transformation: Der Übergang von der Aktivität zur Passivität, vom Tun zum Ruhen führt zur Rekreation. Analog dazu erhält die Reflexion des Tages einen psychohygienischen Effekt. Wird der Abend als Zeit des Gebets genutzt, dann vollzieht sich darin ebenso ein (er)lösender Übergang in Gewissenserforschung, Schulderkenntnis und Vergebungsbitte. Daneben ist der Abend auch ein Zeitpunkt, der eine Wende markiert und der Gegensätze offenbar werden lässt. Analog zur schöpfungstheologischen Unterscheidung von Licht und Finsternis präsentiert sich am Abend auch der Kontrast von Hetze und Ruhe, Arbeit und Freizeit, von Wachen und Schlafen. Schließlich verfügt der Abend in der Struktur der Zeit über eine limitierende Funktion. Er markiert das Ende eines Tages und verweist darin auch auf die Vergänglichkeit, das Ende und die einstige Vollendung menschlichen Lebens. Auch die Einsamkeit des Menschen, in der Ruhe aufkommende Ängste und Sorgen verdeutlichen ihm seine Schutzbedürftigkeit und seine Kontingenz. An den Abendliedern kann man studieren, dass der Abend nicht nur an sich als ein Übergang betrachtet wird, sondern dass gleichzeitig eine Übertragung naturhafter und kosmologischer Phänomene auf heilsgeschichtliche Topoi vorgenommen wird. Die meisten der oben genannten Grundthemen rekurrieren auf Motive der Schöpfung und Vollendung, Inkarnation des Lo- 390 Aus der Durchsicht des gesamten Liedmaterials lassen sich erste Verallgemeinerungen bezüglich der Sicht auf den Abend anstellen. Hierbei sind nicht besondere thematische Ausprägungen innerhalb der Abendlieder entscheidend, sondern die Vielfalt der vorkommenden Motive. <?page no="94"?> 80 gos und Erlösung in Leiden, Tod und Sterben Christi. Der Abend dient theologisch betrachtet also der Anamnese der Geschichte Gottes mit den Menschen. Die Heilige Schrift kündet von Gottes Heilshandeln am Abend und qualifiziert diese Zeit des Tages somit nicht primär als historisch belegbare Koordinate des göttlichen Heils, sondern als Zeitraum, in dem sich Gottes Heilshandeln an den Menschen offenbart. Das bedeutet, dass die Heilsgeschichte im Raum-Zeit-Kontinuum greifbar wird, sie aber nicht darauf reduziert ist. Die Geschichte des Heils, das Mitsein Gottes mit seinem Volk, wird in die Gegenwart der Zeitgeschichte transzendiert: Nicht nur der am Abend einsetzende erlösende Exodus der Israeliten aus dem Land der Ägypter ist Element der Heilsgeschichte, sondern jeder Abend wird ein Teil von ihr, insofern er das Erlösungswerk Gottes erinnernd vergegenwärtigt bzw. das Mitsein und die Zuwendung Gottes geglaubt, erhofft und erfahren wird. Mehr noch: Der Mensch wird, indem er am Abend des Heilshandelns Gottes gedenkt, selbst Teil derer, die JHWH durch das Rote Meer geleitet hat. In der Anamnese des göttlichen Wirkens setzt er sich gewissermaßen über die Grenzen der Zeit hinweg und versetzt sich in die konkreten Situationen hinein, in denen Gott sein Heil hat wirksam werden lassen. Somit wird aktuelle irdische Zeit und damit auch der konkret erlebte Abend selbst zum Teil dieser Heilgeschichte. Die Tageszeit verschränkt sich mit dem eschatologischen Heilshandeln Gottes, indem sie als Zwischenzeit zwischen Tag und Nacht die dynamische Spannung zwischen Verheißung, Anbruch und Erfüllung des Heils („schon - noch nicht“) versinnbildlicht. Der Abend steht also theologisch betrachtet im Spannungsfeld zweier Dimensionen, einer temporalen und einer heilsgeschichtlichen Dimension. Zwischen diesen beiden Polen von Zeit und Heilsgeschichte übernimmt die Tageszeit im Wesentlichen drei Funktionen: (1) eine transitiv-transformative Funktion; sie überführt im Übergang vom Tag zur Nacht Mensch und Natur von einem Zustand in einen anderen bzw. wirkt verändernd auf den Menschen, seine Tätigkeit und sein emotionales Erleben; (2) eine unterscheidende, kontrastiv-dichotomische Funktion; sie ist im Wesentlichen vom Gegensatz der An- und Abwesenheit des Lichts geprägt; und (3) eine begrenzende, limitativ-teleologische Funktion; sie ergibt sich aus dem Abend als Tagesende und weist letztlich immer, ob bewusst oder vorbewusst, auf die Kontingenz des menschlichen Lebens. Alle drei Funktionen sind durch Zweipoligkeit gekennzeichnet; ihre Eigenschaften ergeben sich aus dieser Dichotymie: Das passierende Objekt (hierunter lässt sich der Mensch, seine Umwelt, aber auch die Welt an sich fassen), das sich von einem Pol zum anderen bewegt (z.B. vom Wachen ins Schlafen; vom Lärm zur Stille), wird transformiert; durch den Zwischenzeitcharakter zeigt der Abend die Spannung von Gegensätzen auf (z.B. Licht - Finsternis; Unwissenheit - Erkenntnis; Leben - Tod). <?page no="95"?> 81 Diese drei benannten Funktionen des Abends stehen nicht losgelöst von einander, sie sind auf einander bezogen und verschränken sich. So impliziert beispielsweise der gegensätzliche Charakter des Abends durch Licht und Finsternis ebenfalls einen Hinweis auf die Endlichkeit alles Lebenden, kontrastierende und limitativ-teleologische Funktionen greifen ineinander. Überdies führt jeder Transitus auf etwas hin. Daher verfügt der Abend als Übergang auch über zielführende Eigenschaften, transitiv-transformatorische und limitativ-teleologische Funktionen überschneiden sich. Schließlich verschränken sich transformierende und kontrastierende Faktoren des Abends durch zweipolige Phänomene (z.B. Licht und Dunkel): in dem einen wird die Veränderung eines Subjekts von A nach B beschrieben, in dem anderen zeigt sich die Verschiedenheit von A und B. Auf den ersten Blick zeigt sich eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den ermittelten Funktionen des Abends und der Struktur so genannter Übergangsriten: Der durch A RNOLD VAN G ENNEP Anfang des vergangenen Jahrhunderts eingeführte Begriff „Übergangsriten“ (rites de passage) ist in der Soziologie an sich eher ungebräuchlich zur Umschreibung naturhafter und kosmologisch bedingter Veränderungsprozesse, wie es der Abend beispielsweise ist. Vielmehr steht er für den Transitus eines Individuums oder einer Gruppe von einem sozialen (Zu-)stand in einen anderen. 391 V AN G ENNEP erwähnt eher nebenbei, dass etliche gesellschaftliche Übergangsrituale mit dem Wechsel von Tag und Nacht, mit dem Gegensatz von Licht und Dunkelheit verbunden seien, 392 er geht jedoch nicht konkreter auf diesen Aspekt ein. In dem Entwurf seines Ritualbegriffs interessiert er sich für die „großen“ Übergänge im menschlichen Leben: „Es ist das Leben selbst, das die Übergänge von einer Gruppe zur anderen und von einer sozialen Situation zur anderen notwendig macht. Das Leben eines Menschen besteht somit in einer Folge von Etappen, deren End- und Anfangsphasen einander ähnlich sind: Geburt, soziale Pubertät, Elternschaft, Aufstieg in eine höhere Klasse, Tätigkeitsspezialisierung. Zu einem jeden dieser Ereignisse gehören Zeremonien, deren Ziel identisch ist: Das Individuum aus einer genau definierten Situation in eine andere, ebenso genau definierte hinüberzuführen. Da das Ziel das gleiche ist, müssen auch die Mittel, es zu erreichen, zwangsläufig wenn nicht in den Einzelheiten identisch, so doch zumindest analog sein. Jedenfalls hat sich das Individuum verändert, wenn es mehrere Etappen hinter sich gebracht und mehrere Grenzen überschritten hat.“ 393 391 Vgl. F UCHS -H EINRITZ , W ERNER : Art. „Übergangsriten“. In: Lexikon zur Soziologie. Hg. v. D ERS ./ R ÜDIGER L AUTMANN / O TTHEIN R AMMSTEDT / H ANNS W IENOLD . Opladen 3 1995, 692. 392 Vgl. V AN G ENNEP , A RNOLD : Übergangsriten (Les rites de passage). Frankfurt a. Main / New York / Paris [frz. Ersterscheinung 1909] Dt. Übersetzung von mit einem Nachwort von S YLVIA M. S CHOMBURG -S CHERFF . [Erstveröffentlichung 1 1986] [Studienausgabe] 1999, 174. 393 Ebd., 15. <?page no="96"?> 82 Die Struktur eines Übergangsritus ist nach VAN G ENNEP dreiphasig: Nach einer Trennungsphase (séparation), in der der Passant bzw. die Passanten die Ablösung von seinem ursprünglichen Zustand erfährt, setzt die eigentliche Schwellenphase ein, die in irgendeiner Form eine Umwandlung (marge) für das vollziehende Subjekt bzw. die vollziehende Gruppe bedeutet. Danach wird es / werden sie in einer Angliederungphase (agrégation) in den neuen Zustand eingegliedert. Je nach Anlage und Umfang eines Ritus kann es sein, dass diese drei Phasen mehrmals durchlaufen werden. 394 Unabhängig davon, welche Schwelle des Lebens rituell überschritten wird, immer kommt einem Übergangsritus die Funktion zu, das Individuum und die Gesellschaft, in der die Transgression geschieht, durch Kontrolle der Form im Übertritt zu sichern. 395 Der Abend mag im Vergleich etwa zu einem gesellschaftlichen Übertritt von einem in einen anderen Stand ein für den Überschreitenden eher unbedeutender Übergang sein. Dennoch lassen sich die rituellen Gestaltungen des Abends durch diese drei Phasen strukturieren und erläutern. Dabei wird angenommen, dass eine Beziehung besteht zwischen den oben ermittelten Funktionen des Abends und den unterschiedlichen Phasen, die einen Ritus bilden: rituelle Übergangsphasen Funktionen des Abend Trennungphase (séparation) kontrastiv-dichotomisch Schwellenphase (marge) transitiv-transformierend Angliederungsphase (agrégation) limitativ-teleologisch Es wird nun an konkreten Beispielen zu prüfen sein, ob in der Ablösungsphase eines Abendrituals besonders die kontrastierenden Aspekte des Abends betont werden, ob die Schwellenphase eines Ritus vor allem auf transitiv-transformierende Eigenschaften des Abends Bezug nimmt und ob die Angliederungsphase wesentlich mit limitativen Funktionen des Abends einhergeht. In den sich anschließenden Einzelanalysen von zwölf Abendliedern und Exkursen zu rituellen Elementen von Abendliturgien soll jeweils am Schluss einer jeden Interpretation dezidiert nach der Rolle des Abends in Lied und Liturgie gefragt. In diesem Zusammenhang wird das generierte theologische Strukturmodell des Abends und das Phasenmodell der rites de passage angewendet, überprüft und ggf. modifiziert bzw. konkretisiert. 394 Vgl. ebd., 21. 395 Vgl. ebd., 15. <?page no="97"?> 83 D Z WÖLF A BENDLIEDER UND IHRE MOTIVISCHEN B EZÜGE ZUR T AGZEITENLITURGIE 1 Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen 1,1 Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen 1,2 und wird vom Dunkel überweht; 1,3 am Morgen hast du Lob empfangen, 1,4 zu dir steigt unser Nachtgebet. 2,1 Die Erde rollt dem Tag entgegen, 2,2 wir ruhen aus in deiner Hut 2,3 und danken dir, wenn wir uns legen, 2,4 dass deine Kirche nimmer ruht; 3,1 denn unermüdlich, wie der Schimmer 3,2 des Morgens um die Erde geht, 3,3 ist immer ein Gebet und immer 3,4 ein Loblied wach, das vor dir steht. 4,1 Die Sonne, die uns sinkt, bringt drüben, 4,2 den Menschen überm Meer das Licht, 4,3 und immer wird ein Mund sich üben, 4,4 der Dank für deine Taten spricht. 5,1 So sei es, Herr, die Reiche fallen, 5,2 dein Thron allein wird nicht zerstört; 5,3 dein Reich besteht und wächst, bis allen 5,4 dein großer, neuer Tag gehört. Der viktorianische Hymnus The day Thou gavest, LORD, is ended, von J OHN F. E LLERTON in der zweiten Hälfte des 19. Jh. verfasst, liegt in verschiedenen deutschen Übertragungen vor. Eine erste stammt K ARL A LBRECHT H ÖPPL , der sie 1958 anlässlich des Weltgebetstages der Frauen erstellte (Der Tag ist <?page no="98"?> 84 um). 396 Dort wurde als Weise nicht die prominente St. Clement, sondern eine Melodie des Genfer Psalter von 1543 verwendet, die heute noch im Zusammenhang mit dem Missionslied O dass doch bald dein Feuer brennte auftaucht. Als zweite Übersetzung ist Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen zu nennen, geschaffen von G ERHARD V ALENTIN aus dem Jahr 1964. Die folgende Untersuchung basiert im Wesentlichen auf dieser Version, - dem *EG folgend mit einer kleinen Abweichung vom Ursprungstext in 4,2, wo Brüder in Menschen geändert wurde -, weil sie sich am engsten an der englischen Vorlage orientiert und zugleich diejenige Fassung ist, die im deutschsprachigen Raum am meisten verbreitet ist. 397 Schließlich findet sich noch eine dritte, vor allem in neueren Liederbüchern aufgenommene Eindeutschung mit dem Incipit Du lässt den Tag, o Gott, nun enden. Sie stammt R AYMUND W EBER aus dem Jahr 1989. 398 a Die englische Vorlage Nachstehend findet sich der englische Ausgangstext nebst einer eigenen, möglichst wörtlichen Übersetzung: 1,1 The day Thou gavest, Lord, is ended, Der Tag, den du gabst, Herr, ist geendet. 1,2 The darkness falls at Thy behest; die Dunkelheit fällt auf dein Geheiß; 1,3 To Thee our morning hymns ascended, zu dir stiegen unsere Morgenhymnen auf, 1,4 Thy praise shall sanctify our rest. dein Preis möge unsere Ruhe heiligen. 2,1 We thank Thee that our Church unsleeping, Wir danken dir, dass unsere Kirche schlaflos, 2,2 While earth rolls onward into light, während die Erde dem Licht entgegenrollt, 2,3 Through all the world her watch is keeping, durch die ganze Welt ihre Wacht hält, 2,4 And rests not now by day or night. und weder bei Tag noch bei Nacht ruht. 3,1 As o’er each continent an island Wie über jeden Kontinent und (jede) Insel 3,2 The dawn leads on another day, die Dämmerung zu einem anderen Tag führt, 3,3 The voice of prayer is never silent, ist die Stimme des Gebets niemals still, 3,4 Nor dies the strain of praise away. noch stirbt die Weise des Lobpreises dahin. 4,1 The sun that bids us rest is waking Die Sonne, die uns zur Ruhe bringt, weckt 4,2 Our brethren ’neath the western sky, unsere Brüder unterm westlichen Himmel, 4,3 And hour by hour fresh lips are making und Stunde um Stunde lassen frische Lippen 4,4 Thy wondrous doings heard on high. deine wunderbaren Taten hoch erklingen. 5,1 So be it, Lord; The throne shall never, So sei es, Herr, dein Thron möge niemals 5,2 Like earth’s proud empires, pass away; wie der Erde stolze Imperien vergehen; 5,3 Thy kingdom stands, and grows for ever, Dein Königreich steht und wächst für immer 5,4 Till all Thy creatures own Thy sway. bis alle deine Geschöpfe deiner Macht (an)gehören. 1) Der Entstehungskontext: Imperialismus, Mission und Ökumene E LLERTON verfasste dieses Lied wahrscheinlich um 1870 für Missionsversammlungen, die im ganzen Britischen Empire abgehalten wurden. Das 396 *EG 490; vgl. H ENKYS , J ÜRGEN : Der Tag ist um, die Nacht kehrt wieder (EG 490) In: LKEG 9 (2004) 23-25. 23. 397 Außer dem *EG übernehmen auch die schweizerischen Gesangbücher *KG (Nr. 689) und *RG (Nr. 605) diese Liedversion. 398 Eine Synopse aller Textfassungen befindet sich im Appendix auf Seite 411. <?page no="99"?> 85 missionarische Anliegen wurde auch bei der späteren Verwendung des Stückes beim Weltgebetstag der Frauen beibehalten, der sich immer auch als Missionsbewegung verstanden hat. In der Übertragung von H ÖPPL ist die zweite Strophe des englischen Originals, die die immer wache Kirche (2,4) zum Thema hat, ausgelassen worden. Denkbar sind hier zwei Gründe: Zum einen verband sich, wie H ENKYS bemerkt, das Verständnis der ecclesia orans schlecht mit der protestantischen Haltung H ÖPPLS . 399 Zum anderen mögen die spürbaren konfessionellen Grenzen dieser Zeit Motiv für die Aussparung eines problematischen Themas gewesen sein. Der missionarische Rahmen des Ursprungsliedes, in dem sich die Gebetstradition der anglikanischen Weltkirche spiegelt, wurde somit verlassen. 400 Im gesamten britischen Imperium wurde das Lied The Day Thou gavest eigentlich erst berühmt fast dreißig Jahre nach seiner Entstehung, als sich Königin V ICTORIA am 20. Juni 1897 anlässlich ihres 60-jährigen Kronjubiläums dieses Lied für das öffentliche Singen wünschte. 401 Seitdem ist es in der Verbindung mit der oben abgedruckten Weise St. Clement weder aus dem Liederschatz der anglikanischen Kirche noch aus dem des britischen Commonwealth wegzudenken. 402 Es wurde immer wieder Kritik laut, dass sich in diesem Stück ein säkularer, nur noch von imperialistischen Gedanken gespeister Glaube transportieren würde. B RADLEY weist dies zurück. In der Tat seien Textautoren des Viktorianischen Zeitalters wie z.B. E LLERTON patriotisch gewesen, eine Reduktion auf einen rein national motivierten Glauben sei jedoch kurzsichtig und unrichtig. 403 Die gefühlsbetonte Weise St. Clement wird, wie ihr Name andeutet, im allgemeinen C LEMENT C OTTERILL S CHOLEFIELD zugeschrieben und auf das Jahr 1874 datiert. Jüngere Forschungen ergaben jedoch, dass diese Erfolgmelodie nicht so recht zu den anderen, eher unbedeutenden Weisen S CHOLEFIELDS passen will. Jener war eng befreundet mit dem prominenten A RTHUR S EY- MOUR S ULLIVAN , der auch für neun Weisen in Hymns Ancient and Modern (*HAM) zeichnet. Als Mitherausgeber von Church Hymns with Tunes 404 hatte er die Weise St. Clement zu edieren. Da jedoch, wie M ERVYN H ORDER strin- 399 Vgl. H ENKYS , J ÜRGEN , Der Tag ist um, 24f. 400 H ENKYS verweist in diesem Zusammenhang auf die in der anglikanischen Gebetsordnung Book of Common Prayer verankerten Morgen- und Abendgebete. H ENKYS , J ÜR- GEN / M ARTI , A NDREAS : Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen (EG 266). In: LKEG 9 (2004) 3-7. 5 401 Vgl. B RADLEY , I AN : Abide with me. The World of Victorian Hymns. London 1997, 132. 195. 402 Die eher im säkularen Feld aufscheinende Wichtigkeit dieses Hymns zeigt sich in einer Umfrage unter 8.500 BBC Zuschauerinnen und Zuschauern der beliebten Sonntagssendung Song of Praise auf BBC 1 aus dem Jahr 1995; dort erreichte dieses Lied noch vor Abide with me (Platz vier) den zweiten Platz. Die Rezipienten waren gebeten worden, die Titel ihrer drei liebsten Hymns einzusenden. Vgl. B RADLEY , Abide with me, 231. Darüber hinaus ist es aber auch in 21 der 30 bekanntesten amerikanischen Gesangbücher anzutreffen. Vgl. ebd., 241. (Abide with me findet man hier in 26 Gesangbüchern). 403 Vgl. ebd., 132. 404 Hg. v. A RTHUR S ULLIVAN u.a. London 1874. <?page no="100"?> 86 gent nachweist, keine der in verschiedenen englischsprachigen Gesangbüchern tradierten übrigen 40 Melodien S CHOLEFIELDS an die gesangliche und harmonische Qualität dieser Weise herankommt, ist es nicht auszuschließen, dass sie eigentlich dem Kompositionsbestand S ULLIVANS zuzuschreiben ist. 405 Gleich wem die Weise nun zuzurechnen ist, sie bildet exemplarisch den romantisierten Bestand an Melodien und Harmonien ab, der für Viktorianische Hymnen typisch ist. 406 2) Der Weg vom viktorianischen Hymnus zum deutschen Kirchenlied Seit 1887 gibt des den Weltgebetstag der Frauen zunächst im englischsprachigen Raum, seit den Fünfziger Jahren dann auch in Deutschland. Er findet statt jeweils am ersten Freitag im März. Am Abend wird immer ein Gottesdienst gefeiert, der von Frauengruppen aus wechselnden Ländern und christlichen Gemeinschaften vorbereitet worden ist. Neben den wechselnden Themen des Gebetstages bildet das Lied The day Thou gavest bzw. die Übertragung Der Tag ist um als Schlusslied die Konstante. 407 Man könnte auch von einem „Erkennungslied“ sprechen. Im geteilten Deutschland verband sich mit der Ökumenizität dieses Liedes und dieses Tages auch die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung. 408 Ein zweiter Weg führt den englischen Hymnus in den deutschen Sprachraum über die evangelische Jugendbewegung. G ERHARD V ALENTIN war im Burckhardthaus in Berlin, dem Zentrum der evangelischen Jugendarbeit, als Pädagoge ehrenamtlich tätig, als er die Übertragung verfasste. Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen erreichte 1971 einen weiteren Rezipientenkreis durch die Veröffentlichung in zwei ökumenisch orientierten Liedsammlungen. 409 Für das in den 90-er Jahren erschienene *EG wurden behutsam die Bemühungen um inklusive Sprache umgesetzt, indem Brüder (breth’ren 4,2) in Menschen geändert wurde. 410 405 H ORDER , M ERVYN : A note on St. Clement. In: Hymn Society Bulletin [Hymn Society of Great Britain and Ireland] 200 (1994) 67f. 406 Zur Analyse von Melodie und Satz siehe ausführlich: H ENKYS / M ARTI , Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, 6-8. 407 Vgl. H ENKYS , Der Tag ist um, 23f. 408 D ERS .: Der Tag, mein Gott ist nun vergangen. In: H ANSJAKOB B ECKER / A NSGAR F RANZ / J ÜRGEN H ENKYS / H ERMANN K URZKE / C HRISTA R EICH / A LEX S TOCK (Hgg.): Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. München 2001, 476-483. 409 *Schalom - Ökumenisches Jugendliederbuch. Hg. v. AG der Evangelischen Jugend Deutschlands i. Verb. m. dem Referat für Liturgie der Bischöflichen Hauptstellen für Jugendseelsorge. Gelnhausen / Berlin 1971 und *Christenlieder heute. Ein Angebot aus Vergangenheit und Gegenwart. Hg. i.A. der AG „Einheit des christlichen Liedgutes“. Hamburg 1971. 410 Der von Archaismen geprägte englische Text (z.B. Thy, gavest oder behest), musste sich in der jüngeren Vergangenheit einer eher unsanften Korrektur unterziehen, die leider zum vollständigen Verlust der Poesie führte, weil nicht nur der Text an die gegenwärtige Alltagssprache angeglichen wurde, sondern auch alle poetischen Bilder eliminiert wurden. <?page no="101"?> 87 b Formale Analyse 1) Textuelle Struktur Abgesehen von Der Tag ist um, in dem die zweite Strophe ausgelassen wird, weisen die Übertragungen von V ALENTIN und W EBER ebenso wie das Original fünf Strophen à vier Zeilen auf. Alle Textfassungen folgen dem formalen Aufbau des englischen Originals hinsichtlich des Metrums und Reims: Ein jambischer Vierheber mit wechselnder Kadenz unterstreicht den Wechsel der Gleichklänge im Kreuzreim. 411 In der ersten Zeile von Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen wird der Adressat als mein Gott charakterisiert; in der letzten Strophe tritt die Anrede Herr (5,1) hinzu. Fast in allen übrigen Zeilen des Liedes werden durch Pronomina (1,3f; 2,3; 3,4) und Possessivpronomina (2,2; 2,4; 4,4; 5,2-4) der 2. Person Singular Bezüge zu diesem Adressaten hergestellt. Die Eingangszeile geht von einer Einzelperson aus (mein 1,1), im Folgenden wird jedoch nur noch von wir (2,2f.) oder uns (1,4; 4,1) gesprochen. Hier liegt ein kleiner Webfehler vor, der mit Rücksicht auf das englische Original vermeidbar gewesen wäre: dort wird auf eine Besitzkennzeichnung von LORD verzichtet. Um die notwendige Anzahl von neun Silben zu erhalten, hätte man ebenso wie in der W E- BER -Fassung ein lautmalerisches O setzen können - wenngleich dies auch keine poetisch optimale Lösung gewesen wäre. Möglicherweise wollte V A- Für das Gesangbuch Hymns for Today’s Church (1982) wurden die ersten beiden Zeilen folgendermaßen entstellt: The day you gave us, Lord, is ended, The sun is sinking in the west. Der Tag, den du uns gegeben hast, Herr, ist beendet. Die Sonne sinkt (gerade) im Westen. Vgl. B RADLEY , I AN : The campaign for real hymns. In: The Daily Telegraph [London] 16. October 1990. Im Pilgerbuch des Weltjugendtages 2005 in Köln findet sich eine weitere, etwas behutsamere Assimilierung an die Gegenwartssprache, der dennoch die besondere Poesie des Originals zum Opfer fällt. Die Änderungen sind durch Unterstreichung markiert: 1,1 The day you gave us, Lord, has ended: 2,1 We thank you that your Church, unsleeping 1,2 the darkness falls at your behest. 2,2 while earth rolls onward into light, 1,3 To you our morning hymns ascended; 2,3 through all the world its watch is keeping 1,4 your praise shall hallow now our rest. 2,4 and never rests by day and night. 3,1 As to each continent and island 4,1 The sun, here having set, is waking 3,2 the dawn leads in another day, 4,2 the children under western skies, 3,3 the voice of prayer is never silent, 4,3 and hour by hour, as day is breaking, 3,4 nor dies the strain of praise away. 4,4 fresh hymns of thankful praise arise. 5,1 So be it, Lord; your throne shall never, 5,2 like earth’s proud empires, pass away. 5,3 but stand and grow and rule forever, 5,4 till all your creatures own your sway. Der Autor der Assimilierungen ist unbekannt; s. in: Pilgrims guidebook for the XXth World Youth Day 2005. Bd. Liturgie: Lied und Gebete. Hg. v. Weltjugendtag gGmbH. Nr. 74, 412. 411 E LLERTON bzw. die Übersetzer bedienen sich hier eines in der deutschen - und wohl auch in der angelsächsischen - Lyrik des 19. Jh. beliebten Strophenbaus. Vgl. F RANK , H ORST J.: Handbuch der deutschen Strophenformen. (UTB 1639) Tübingen / Basel 2 1993 (Kap. 4.67) 232-238. <?page no="102"?> 88 LENTIN die den viktorianischen Hymnen eigene Innigkeit in seinen Text übernehmen, indem er aus LORD mein Gott machte. Während die erste Strophe einleitenden Charakter hat - sie benennt Zeit, Anlass, Personen / Objekte -, ist die letzte Strophe, die nochmals die Themen des Liedes aufgreift, doxologisch geprägt. Eine syntaktisch komplexe Struktur erstreckt sich über die Kernstrophen zwei und drei; hier fungiert der durch Semikolon getrennte zweite Hauptsatz der dritten Strophe als Erläuterung des ersten. Die Enjambements der Strophen drei (der Schimmer - des Morgens; und immer - ein Loblied wach) und fünf (bis allen - dein großer) greifen die ursprüngliche Zweigliedrigkeit der Melodie auf. 412 2) Musikologische Struktur Die von ihrer Anlage zweiphrasig gedachte G-Dur Melodie 413 wird durch den Text viergeteilt, so dass sich das Motivschema ABAC bildet. Auftaktig mit einer sich von der Quart unter dem Grundton aufschwingenden Sexte einsetzend, wird sogleich eine starke Emotion aufgebaut, die sich vor allem durch den wiegenden 6/ 4 Takt 414 und die Ligaturen weiter trägt. Den besonderen Charakter erhält diese erste und dritte Zeile durch eine mehrfache Akzentuierung der auf den betonten Zählzeiten liegenden Silben: Ihre Töne bilden zusammen einen gebrochenen Akkord; außerdem wird ihnen jeweils der folgende Ton angebunden. Bis auf wenige Ausnahmen werden so in bemerkenswerter Weise zentrale Lexeme durch alle Strophen hindurch betont, 415 was der Textaussage einen nachdrücklichen Effekt verleiht. In der B-Phrase beruhigt sich die Melodie durch eine eher sparsame Verwendung von Ligaturen sowie durch den Einsatz von halben Notenwerten. Außerdem wird der Ambitus nicht ausgeschöpft und die Klimax d’’ der ersten Zeile nicht erreicht; der Spitzenton wird hier von h’ gebildet. B ist am Ende „klassisch“ konstruiert, d.h. die Melodie kommt nicht auf ihrem Grundton zum Ruhen, sondern steigt weiter abwärts zu ihrem Leitton fis’ und bereitet so die Wiederholung der A-Phrase vor. Die vierte Phrase C kompiliert die Strukturen von A und B: Aus der A-Phrase werden die Ligaturen auf den betonten Zählzeiten sowie die ausschließlichen Viertelwerte übernommen; mit B hat sie die Ausgangstonhöhe und den Spitzenton gemein. Die Melodiebewegung variiert im Verhältnis zu B: Sie sucht in der Abwärtsbewegung nicht in Sekundschritten den Weg zum Grundton g’, sondern unterwandert ihn erst durch einen Quartsprung abwärts von a’ zum Leitton fis’, um ihn dann durch eine Terz aufwärts zu er- 412 J ÜRGEN H ENKYS sieht in dem Enjambement in 4,1f., vielleicht etwas überinterpretierend, den Sprung des Gebets über den ‚großen Teich’ nach Amerika versinnbildlicht; vgl. H ENKYS , Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen. In: B ECKER , Wunderhorn, 480. 413 Ursprünglich war die Melodie in A-Dur gesetzt. Siehe *HAM 477. 414 Ursprünglich war die Weise im 3/ 2 Takt gesetzt. S. ebd. 415 Tag, Gott, nun (1,1) Morgen, hat, Lob (1,3) Er-, rollt, Tag (2,1) dank-, dir, wir (2,3) unermüdlich, wie (3,1) im-(mer), ein, (Ge)-bet (3,3) Son-(ne), die, sinkt (4,1), im-(mer), wird, Mund (4,3) sei, Herr, Reich-(e) (5,1) Reich, -steht, wächst (5,3) <?page no="103"?> 89 reichen. Dann wendet sich die Melodie jedoch, bevor sie auf dem Grundton zum Liegen kommt, nochmals dem Leitton zu. Zu Recht urteilt H ENKYS , diese Weise sei „nicht ungefährdet […], weil sie sich schnell abnutzt“ 416 . Durch die stark emotionale Färbung droht eine schnelle Sättigung bzw. eine Ironisierung des Liedthemas. St. Clement ist auch im anglikanischen Raum ihrer Entstehungszeit gleichermaßen berühmt und umstritten gewesen. Letzteres dokumentiert sich vor allem in der Kritik von V AUGHAN W ILLIAMS , einem der Herausgeber von The English Hymnal (1906). 417 Auf dessen Betreiben wurde zum Text The day Thou gavest nicht zusammen mit St. Clement in die bekannte Hymnensammlung aufgenommen, sondern die auch für die deutsche Erstübertragung genutzte Weise des Genfer Psalters. 418 c Inhaltlich-Semantische Analyse Es sollen folgende Motivkreise des Liedes genauer untersucht werden: das Verhältnis von Kontinuität und Wandel und damit verbunden die Relation von Wachen und Schlafen, das Abendbzw. Nachtgebet im Kontext der allgemein aufscheinenden Gebetspraxis und der in den Rahmenstrophen zentrale (anbrechende bzw. zum Ende kommende) Tag bzw. der Morgen. 1) Isotopien ‚Kontinuität und Wandel’, ‚Wachen und Schlafen’ In Church Hymns with tunes (London 1874) wurde The day Thou gavest, LORD is ended unter der Überschrift „Evening“ veröffentlicht, verbunden mit einem Zitat von 1 Chron 23,30, das die davidische Anordnung für die Leviten zum Morgen- und Abendopfer im Tempel wiedergibt. Beide Zusatzinformationen spiegeln die Aussagen der einleitenden ersten Strophe: am Ende des Tages richtet ein WIR an GOTT ein Nachtgebet, in der gleichen Weise wie es am vergangenen Morgen auch gebetet hat. Der Inhalt und die Begründung für dieses Nachtgebet werden in den folgenden drei Strophen ausgeführt. V ALENTIN hat im Gegensatz zur englischen Vorlage die Argumentationsführung leicht verändert, indem er in der 2. Strophe die Aussagen der ersten und vierten Zeile tauschte und die schlaflose Kirche ans Ende rückte. Dies geschieht zugunsten eines parallelen thematischen Baus der Strophen zwei, drei und vier: 416 H ENKYS , Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen. In: B ECKER : Wunderhorn, 483. S. auch H ENKYS / M ARTI : Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen, 7f. 417 St. Clement wurde neben anderen emotionalen viktorianischen Weisen lediglich im Anhang abgedruckt. W ILLIAMS bezeichnete diesen als „Chamber of Horrors“. S. B RAD- LEY , Abide with me, 222. 418 Allerdings gab es auch Befürworter dieser Weise, die sich gegen die drohende Auslassung von St. Clement in HAM beschwerten, wie es z.B. Bischof W ILLIAM W ALSHAM H OW tat. Ihm entgegnete der Mitherausgeber von HAM W. H. F RERE : „It’s quite true, that people like waltz-tunes, but does the Bishop seriously hold that that is a reason for providing them? “ A&M Archives Letter from W. H. F RERE to Bishop H OW , 21 June 1897; zitiert nach B RADLEY , Abide with me, 202. <?page no="104"?> 90 1,1 Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen 1,2 und wird vom Dunkel überweht; 1,3 am Morgen hast du Lob empfangen, 1,4 zu dir steigt unser Nachtgebet. MORGEN 2,1 Die Erde rollt dem Tag entgegen, 3,1 denn unermüdlich, wie der Schimmer 4,1 Die Sonne, die uns sinkt, bringt drüben, 2,2 wir ruhen aus in deiner Hut 3,2 des Morgens um die Erde geht, 4,2 den Menschen überm Meer das Licht, IMMERWÄHRENDES GEBET 2,3 und danken dir, wenn wir uns legen, 3,3 ist immer ein Gebet und immer 4,3 und immer wird einMund sich üben, 2,4 dass deine Kirche nimmer ruht; 3,4 ein Loblied wach, das vor dir steht. 4,4 der Dank für deine Taten spricht. 5,1 So sei es, Herr, die Reiche fallen, 5,2 dein Thron allein wird nicht zerstört; 5,3 dein Reich besteht und wächst, bis allen 5,4 dein großer, neuer Tag gehört. Während in den jeweils ersten beiden Zeilen dieser Strophen der Morgen thematisiert wird, indem das Aufgehen der Sonne ausgemalt wird, beziehen sich die Zeilen 3 und 4 jeweils auf das ewige Gebet. Die ersten Strophenhälften sind durch dynamische Vorgänge geprägt (rollt-entgegen, um-geht, bringt), die zweiten durch Konstanz (immer/ nimmer). Eine gewisse Redundanz, die sich aus dem parallelen Aufbau der Strophen zu ergeben scheint, ist lediglich vordergründig. Jede dieser drei Strophen verfügt über ein zusätzliches Thema: Die zweite Strophe rekurriert auf die Ruhe des WIR und auf die wachende Kirche. Innerhalb der dritten Strophe wird das Gebet als Loblied charakterisiert. Die vierte Strophe weist das Gebet als Dankgebet aus. In der abschließenden fünften Strophe variiert V ALENTIN wiederum leicht die Motive des englischen Originals, um eine Parallelität zur ersten Strophe herzustellen: Aus Till all Thy creatures own thy sway wird bis allen dein großer, neuer Tag gehört. Auf diese Weise rekurriert er auf das Motiv Tag in 1,1 und bildet so eine Klammer um das gesamte Liedkorpus. Die Erdenzeit wird mit der Ewigkeit verbunden, indem der irdische Tag mit dem eschatologischen Morgen in Beziehung gesetzt wird. Wendet man sich den Prädikaten des Liedes zu, dann zeigt sich hinsichtlich ihrer Kontinuität eine Zäsur in der letzen Zeile der zweiten Strophe. Von dort an verbinden sich Verben der Veränderung oder der Bewegung (umgeht (3,1f.), üben (4,3)), bzw. negativ gewendete statische (ruht 2,4), mit einem Konstanz ausdrückenden Adverb (nimmer (2,4), unermüdlich (3,1), immer (3,3), immer (4,3)). Dieses Wechselspiel von Kontinuität und Wandel wird dem ständigen Gebet einerseits und dem durch die um die Erde kreisende Sonne beständig fortschreitenden Morgen andererseits zugewiesen. Während im Allgemeinen in Abendliedern der Wechsel oder zumindest der Übergang vom Tag zur Nacht als Kontrast erfahren und beschrieben wird, fokussiert dieses Lied die Kontinuität des um die Erde kreisenden Sonnenlichts. Die Beständigkeit des um die Erde ziehenden Gebets ist hierbei vom Sonnenlicht abhängig (Str. 3). <?page no="105"?> 91 Die einzige wirklich unveränderliche Größe innerhalb des Liedes ist GOTT, der Herr. Sein Reich bleibt bestehen (5,2), während alles andere vergänglich ist (5,1). Gott erscheint hier, wie in Viktorianischen Hymnen häufig, als der unbewegte Beweger. 419 Die Polarität von Wandel und Kontinuität bedeutet also in letzter Konsequenz, dass alles Irdische der Vergänglichkeit anheim gegeben ist und allein das Reich Gottes, das schon zur Erdenzeit in Gestalt der Kirche wächst, bestehen bleibt. Aus dem Zentrum des Liedes in 2,4 und den folgenden zwei Strophen lässt sich die Funktion des Liedes ableiten: Die dynamische Kontinuität in Tagwerdung und Gebet verleiht dem singenden WIR Ruhe. 2) Isotopie ‚Gebet’ Die Isotopie ‚Gebet’ nimmt innerhalb des Liedes eine zentrale Rolle ein. Sie soll zunächst ohne seine Vollzugssubjekte betrachtet werden: In der Binnenwelt des Liedes gehören für jeden Menschen Morgen- und Nachtgebet zum selbstverständlichen Tun dazu (1,3f.). Da jedes Glied der Kirche so handelt, wie es der Text nicht zuletzt durch die häufige Nennung deutlich machen will, wird überall da, wo es Morgen wird, auch gebetet. So wie die Erde sich um die Sonne dreht und unaufhaltsam dem Licht zustrebt, so gibt es auf der Welt immer jemanden, der im Gebet für Gottes Schöpfung dankt. Das immerwährende Gebet wird hier im Sinne des Apostels Paulus (1 Thess 5,17) als notwendige Haltung der Kirche verstanden. Die Inhalte des Gebets werden in dem Lied nicht expliziert, es werden lediglich Strukturelemente des Gebets genannt: Lob(lied) (1,3. 3,4) und Dank (2,3. 4,4) sowie, bezieht man das Lied selbst als Teil des abendlichen Gebets mit ein, eine Form der Doxologie (5. Str.) mit eschatologischer Ausrichtung. Die syntaktische Struktur weist dem Morgen das Loblied zu, dem Abend bzw. der Nacht das Dankgebet. Ein bittendes Element entfällt. Morgenlob und Nachtgebet erhalten hier durch zwei Elemente Opfercharakter: (1) durch das Lexem empfangen (1,3) und (2) durch das aufsteigen des Nachtgebets (1,4), das an den Weihrauchpsalm Ps 141,2 erinnert: „Wie ein Rauchopfer steige mein Gebet vor dir auf; als Abendopfer gelte vor dir, wenn ich meine Hände erhebe. “420 Diese Lobopfer sind zugleich Dankopfer für das Handeln Gottes (Dank für Deine Taten 4,4); sie sind heilsgeschichtlich motiviert. Wer gehört im Rahmen dieses Liedes zu dieser Gebetsgemeinschaft und wie lässt sie sich charakterisieren? Auf der einen Seite steht ein betendes (Str. 1) bzw. ruhendes (2,2) WIR, auf der anderen Seite wird in der englischen Vorlage und in der Übertragung V ALENTINS die Kirche (2,4) (church 2,1) er- 419 Vgl. B RADLEY , Abide with me, 120. Vgl. hierzu auch die Liedanalyse von Bleib bei mir, Herr in I D 10. 420 Zur liturgischen Verortung und Funktion dieses Psalms siehe ausführlicher den Exkurs Sacrificium vespertinum I D 4 b 1). <?page no="106"?> 92 wähnt. 421 Beide Gruppen stehen nur scheinbar losgelöst nebeneinander. Sie werden einerseits durch das Gebet, andererseits durch die Kontinuität miteinander verbunden: Str. 1 WIR am Morgen Lob empfangen/ Nachtgebet Str. 2 Kirche nimmer ruht Str. 3 Gebet/ Loblied immer wach Str. 4 Menschen überm Meer/ „Mund“ immer üben/ Dank für Taten Die Kirche konstituiert sich somit durch das WIR dieses Liedes - und also auch durch diejenigen, die das Lied singen - und durch all jene, die, dem Sonnenlicht folgend, Gott danken und beten. Hier realisiert sich die Gemeinschaft der Gläubigen, die sich als weltumspannende Einheit versteht und die das immerwährende Gebet quasi im Schichtwechsel vollzieht: die einen können sich ohne jegliche Sorge im Schutze Gottes zur Ruhe betten, weil jemand anderes innerhalb dieser Gebetsgemeinschaft auf der Welt das Lob Gottes als Tagesaufgabe (Morgen - Nacht) übernimmt. 422 So wird die am Ende des Gleichnisses von den törichten und klugen Jungfrauen (Mt 25,1-13) geforderte Wachsamkeit in einer steten Bereitschaft durch das Gesamt der Gläubigen im Gebetskontinuum realisiert. Die Glaubenspraxis des einzelnen Frommen interessiert in dem Lied nicht, er geht im Gebetskollektiv auf und partizipiert an den positiven Folgen dieser Gebetsorganisation: sorglose Ruhe (Str. 2) und Teilhabe am eschatologischen Heil (5,4). E XKURS : Das Gebet der Stunden a Beten im jüdisch-christlichen Verständnis Gebet versteht sich in der jüdisch-christlichen Tradition als Kommunikation mit dem lebendigen Gott, im Gebet begegnen sich Gott und Mensch. 423 Beten ist die 421 V ALENTINS Übertragung übernimmt als einzige ‚Kirche’ wörtlich. Die Übertragung W ERNERS ersetzt sie durch jeder Mensch, der betend wacht (2,4), bei H ÖPPL fällt sie mit Auslassung der 2. Str. ganz aus. 422 H ENKYS rekurriert in diesem Zusammenhang auf die Eigentümlichkeit der Anglikanischen Kirche, sich in dem für alle Kolonien einheitlichen Book of Common Prayer und damit im Morning Prayer und Evensong verbunden zu fühlen; vgl. H ENKYS , Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen. In: B ECKER , Wunderhorn, 480. Geographisch ist das Lied aus der Perspektive Englands verfasst, da zur Abfassungszeit für kein anderes Land die konfessionelle Ausrichtung gegen Westen (nach Amerika) in dem Maße gegeben gewesen war. 423 Diesem und allen weiteren Exkursen liegen folgende Beiträge zugrunde: B RADSHAW , P AUL F.: Daily Prayer in the Early Church. A Study of the Origin an Early Development of the Divine Office. London 2 1983; T AFT , The Liturgy of the Hours; W INKLER , Kathedralvesper; G AMBER , K LAUS : Sacrificium Vespertinum. Lucernarium und eucharistisches Opfer am Abend und ihre Abhängigkeit von en Riten der Juden. (Studia Patristica et Liturgica 12) Regensburg 1983; J UNGMANN , J OSEF A NDREAS : Christliches Beten in Wandel und Bestand. Neuausgabe mit einem Vorwort von K LEMENS R ICHTER . Freiburg / Basel / Wien 1991; für die jüdische Gebetspraxis bes. G ERHARDS , A LBERT : Art. „Stundengebet. I Geschichtlich“ In: TRE XXXII (2000) 268-278.286-273; D ERS .: „Benedicam Dominum in omni tempore“ Geschichtlicher Überblick zum Stundengebet. In: M ARTIN K LÖCKENER / H EINRICH R ENNIGS (Hgg.): Lebendiges Stundengebet. Vertiefung und Hilfe. [FS L UCAS B RINKHOFF ] Freiburg / Basel / Wien 1989, 3-33; F RANZ , <?page no="107"?> 93 gläubige Antwort des Menschen auf das (zuvor) vernommene Gotteswort. Es bildet die dankende Antwort auf die Schöpfung Gottes und auf sein rettendes Handeln. Im Gebet vereinen sich all diejenigen, die von der Hoffnung getragen sind, dass Gott sie erlöst, indem er in ihrer Geschichtlichkeit sein heilsames Handeln wirkmächtig werden lässt. 424 Das Alte Testament bestimmt das Gebet als persönliche Kommunikation mit dem lebendigen Gott, dem Retter Israels. In der Alten Kirche wird das Gebet als Beten in und mit Christus 425 beschrieben; es wird damit als notwendige und schlüssige Reaktion auf die Heilserfahrung Gottes verstanden. In der Alten Kirche entwickeln sich zwei Typen des täglichen christlichen Betens, das sog. monastische und kathedrale Offizium. 426 Ihren Ausgangspunkt nehmen die beiden Richtungen im ägyptischen Mönchtum bzw. in den bischöflichen Stadtgemeinden. Formal unterscheiden sie sich in der Verwendung des Psalters: Während ersteres die Psalmen unthematisch als Bahnlesungen verwendet, orientiert sich letzteres in ihrer Auswahl inhaltlich am Tageszyklus und an der aufbzw. untergehenden Sonne. b Beten zu bestimmten Zeiten - der kathedrale Typus In den alt- und neuttestamentlichen Schriften ist vielfach das Gebet am Morgen (am Mittag) und am Abend bzw. in der Nacht, also an den Eckpunkten des Tages bezeugt. Das jüdische Gebetsverständnis ist geprägt von drei Gebetsorten: 427 dem Tempel, der Synagoge und dem Haus. Ist das Verhältnis dieser drei Gebetsorte zueinander und ihre Wertigkeit aus der Quellenlage nicht immer bestimm- „Angelangt an der Schwelle des Abends“; M EßNER , Einführung, 223-295; B IERITZ , K ARL -H EINRICH : Liturgik. Berlin / New York 2004, 606-641. 424 Vgl. das Vorwort von K LEMENS R ICHTER in J UNGMANN , Christliches Beten, XV. 425 S. A UGUSTINUS , Ennarationes in Psalmos LXXXV,1: „Nullum maius donum praestare posset Deus hominibus quam ut Verbum suum per quod condidit omnia, faceret illis caput, et illos ei tamquam membra coaptaret, ut esset filius Dei et filius hominis, unus Deus cum Patre, unus homo cum deprecantes, non inde dilium separemus, et quando pecatur corpus filii, non a se separet corpus suum, sitque ispe unus saluator corporis sui Dominus noster Iesus Christus filius Die, qui et oret pro nobis, et oret in nobus et oretur a nobis. Orat pro nobis, ut sacerdos noster orat in nobis, ut caput nostrum; oratur a nobis, ut Deus noster. Agnoscamus ergo et in illo uoces nostras, et uoces eius in nobis, neque cum aliquid dicitur de Domino Iesu Christo, maxime in prophetia, quod pertineat uelut ad quandam humilitatem indignam Deo, dubitemus eam illi tribuere, qui non dubitatvit a nobis adiungere […]” (CChr.SL, 1161f; ed. E GIDIUS D EKKERS / J O- HANNES F RAIPONT . Turnhout 1956). 426 Die Unterscheidung dieser zwei Typen wurde von A NTON B AUMSTARK vorgenommen; B AUMSTARK , A NTON : Vom geschichtlichen Werden der Liturgie. Freiburg 1923, 64f. P AUL B RADSHAW stellte in den letzten Jahren die Reduzierung des Tagzeitengebets auf zwei Grundmuster in Frage. Er erhebt die Tagzeitenliturgie der städtischen Klöster, die bei B AUMSTARK lediglich als eine Mischform des kathedralen und des monastischen Typs galt, zu einer dritten, in seiner Entwicklung in die vornicänische Zeit zurückgehenden Form. B RADSHAW , P AUL : Cathedral vs. Monastery: The Only Alternatives for the Liturgie of the Hours? In: J. N EIL A LEXANDER (Hg.): Time and Community. [FS T HOMAS J ULIAN T ALLEY ] (NPM Studies in Church Music and Liturgy) Washington 1990, 123-136. 427 Dennoch kann man von keiner einheitlichen Praxis ausgehen. Die verschiedenen Sekten verfügten über ergänzende bzw. divergierende Gebetspraktiken; vgl. T AFT , The Liturgy of the Hours, 6-8. Zu den Orten und Zeiten des jüdischen Gebets und der Entwicklung christlicher Gebetszeiten siehe auch: B RADSHAW , Daily Prayer, 1-22; für die jüdische Gebetspraxis bes. G ERHARDS , Stundengebet. I, 286-273; D ERS ., „Benedicam Dominum in omni tempore“, 5-8; sowie immer noch maßgeblich und umfassend W INK- LER , Kathedralvesper, 54-56. <?page no="108"?> 94 bar, so lässt sich doch zumindest eindeutig festhalten, dass es eine Verpflichtung zum täglichen Gebet gegeben hat. Im Tempel wurde morgens und abends (Ex 28,38f.), an besonderen Festtagen auch am Mittag, JHWH ein Opfer dargebracht. 428 Das Morgenopfer erinnert an den Bundesschluss am Sinai (Num 28,3-6) und ist als Erneuerungsfeier zu begreifen, das Abendopfer hingegen ist inhaltlich geprägt vom Auszug aus Ägypten (Dtn 16,3-6). Morgendliches und abendliches Tempelopfer vergegenwärtigen die Heilsgeschichte Israels mit seinem Gott. 429 Während des Exils und nach der ersten Zerstörung des Tempels setzt eine Spiritualisierung der Opferliturgie ein, was sich z.B. aus dem Anfang des nachexilischen 141. Psalms erkennen lässt. 430 Nach 70 n. Chr. und der endgültigen Zerstörung des Tempels lebt die Thematik des jeweiligen Opfers in der synagogalen und häuslichen Liturgie fort. 431 Morgens und abends ist jeder gläubige Jude gehalten das Sch e ma zu rezitieren (s. Dtn 6,4-9; Num 15,37-41), - genau genommen eigentlich kein Gebet, sondern ein Bekenntnis - das eingebettet ist in drei bzw. vier Benediktionen unterschiedlicher Länge. 432 Daneben wird dreimal täglich des Schemoneh-Esre (18-Bittgebet) vollzogen. 433 Quellen wie z.B. Dan 6,10f. und Ps 55,17f. deuten darauf hin, dass dieses Bittgebet dreimal am Tag verrichtet wurde. An die Stelle der Opferhandlungen im Tempel sind, so scheint es, wenn man auch von einem mittäglichen Opfer im Tempel ausgeht, drei Gebetszeiten getreten. Ob eine direkte inhaltliche Entwicklungslinie zwischen dem jüdischen und dem christlichen Gebet besteht, gilt in der jüngeren Forschung als fraglich, nicht zuletzt weil es an eindeutigen Quellen mangelt. 434 Auffällig ist lediglich, dass die Gebetspraxis an bestimmten Fixpunkten des Tages von den Christen der ersten Generation übernommen bzw. weitergeführt wird. 435 Die älteste erhaltene Gemeindeordnung, die wahrscheinlich in Palästina oder Syrien entstandene D IDA - CHE (um 100 n. Chr.), fordert dazu auf, morgens, mittags und abends das Vater 428 Später wurden Morgen- und Abendopfer jeweils geteilt, so dass es fünf Opferzeiten im Tempel gab. Vgl. B RADSHAW , Daily Prayer, 2-4. 429 Vgl. G ERHARDS , Stundengebet I, 269. 430 Der Ort des Opfers wird durch die Gebetshaltung ersetzt, d.h. die Ausrichtung des Gebets gen Jerusalem sowie das Erheben der Hände anstelle des Weihrauchopfers. Vgl. W INKLER , Kathedralvesper, 55; G ERHARDS , Benedicam Dominum, 6f. 431 H ENDRIX , H ANS H ERMANN (Hg.): Jüdische Liturgie. Geschichte - Struktur - Wesen. (QD 86) Freiburg 1979; D UGMORE , C LIFFORD W.: The Influence of the Synagoge upon the Divine Office. Westminster 1964; E LBOGEN , I SMAR : Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung. Hildesheim 1962; A RENS , A NTON : Die Psalmen im Gottesdienst des Alten Bundes. Eine Untersuchung zur Vorgeschichte des christlichen Psalmengesangs (TThSt 11) Trier 2 1986. 432 Vgl. B RADSHAW , Daily Prayer, 1f. 433 Vgl. M ESSNER , Einführung, 246. 434 Vgl. T AFT , The Liturgy of the Hours, 11; vgl. auch M EßNER , Einführung, 242. 435 T AFT hält eine direkte Tradition zwischen jüdischer und christlicher Gebetspraxis für unwahrscheinlich, auch wenn die Quellen des syrischen Raums für eine ungebrochene Überlieferung sprechen. Gemeinsam sei beiden Religionen lediglich das Beten zu bestimmten Zeiten, besonders an den Fixpunkten morgens und abends; vgl. T AFT : The Liturgy of the Hours. (Kap. 1), bes. 10f. Gegen eine nachträgliche Idealisierung spricht auch B RADSHAW , Daily Prayer, 25. Vgl. C ORING , S IMONE : „Herr, tue meine Lippen auf, dass mein Munde dein Lob verkünde“ (PS 51,17) Die Tagzeitenliturgie als Gebet des Volkes Gottes und die Möglichkeit einer Realisierung in den Pfarrgemeinden. Unveröff. Diplomarbeit, eingereicht im WS 2005/ 2006 am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum bei Prof. Dr. Ansgar Franz, 26. <?page no="109"?> 95 unser zu beten. 436 In dieser Anordnung spiegelt sich eine Abgrenzung zu der jüdischen Gebetspraxis, 437 ohne jedoch eine grundlegende Neuorientierung des Gebetslebens vorzunehmen: Das in jüdischer Tradition dreimal am Tag gebetete Schemoneh-Esre, morgens und abends ergänzt durch das Sch e ma-Israel, wird durch das Vater unser ersetzt. 438 Etwa ein Jahrhundert später zeigen sich deutlichere Strukturen eines geregelten Gebets, denn die alexandrinische Tradition (C LEMENS VON A LEXANDRIEN (zwischen 140 und 150 - um 220 n. Chr.), 439 O RIGENES (um 185-um 253 n. Chr.) 440 ) kennt über den Tag verteilt drei Gebetszeiten, ergänzt durch ein Nachtgebet. Beide Theologen raten zu einer Grundhaltung des Gebets, die ein Christ während seines ganzen Lebens einnehmen müsse; dennoch verweisen sie auch auf bestimmte Gebetszeiten. Leitend sind für O RIGNES , der hinsichtlich der theologischen Begründung des Gebets mit C LEMENS VON A LEXANDRIEN konform geht, 441 die Gebetsanweisungen des Propheten Daniel (6,11b) zum dreimaligen Gebet am Tage. Während er das Gebet am Mittag inhaltlich aus der Vision des Petrus (Apg 10,9) ableitet, werden Morgen und Abend implizit durch das jüdische Tempelopfer an den Angelpunkten des Tages begründet: In dem von ihm zitierten Ps 5,3f. wird das Morgenopfer erwähnt, mit Ps 141 und dem dort fixierten „Abendopfer“ in V. 2. legitimiert er das Abendgebet. Für das Gebet in der Nacht rekurriert er auf den mitternächtlichen Lobgesang von Paulus und Silas (Apg 16,25) sowie auf Ps 119,62 („Um Mitternacht stehe ich auf, um dich zu preisen wegen deiner gerechten Entscheide.“). 442 Die westliche Tradition (T ERTULLIAN (ca. 169-220 n. Chr.), 443 C YPRIAN (200-258 n. Chr.) 444 ) setzt sogar fünf Tagzeiten (Morgen, 3. Stunde, Mittag, 9. Stunde, Abend bzw. Nacht) voraus. Bei C YPRIAN , der inhaltlich T ERTULLIAN folgt, heißt es dazu: „Denn auch in der Frühe muß man beten, um die Auferstehung des Herrn in der Morgenandacht zu feiern Das deutete einst der Heilige Geist in den Psalmen an mit den Worten: „Mein König und mein Gott, denn zu dir will ich beten, mein Herr, in der Frühe [LXX / Vulgata: Deus, deus meus, ad te de luce vigilio; Ps 62 (63); Einfügung Vf.] Und du wirst meine Stimme hören; frühe will ich vor dich treten und Dich ansehen“. […] Ebenso hat man unbedingt wieder zu beten, wenn die Sonne untergeht und der Tag sich neigt; denn Christus ist die wahre Sonne und der wahre Tag. Wenn wir also beim Untergang der zeitlichen Sonne darum beten und bitten, das Licht möge von neuem über uns aufgehen, so flehen wir um die Ankunft Christi, die uns Gnade des ewigen Lichtes bringen soll. […] Wenn 436 Vgl. D IDACHE / Z WÖLFAPOSTELLEHRE . Übers. u. eingel. v. S CHÖLLGEN (FC 1) Freiburg/ Basel / Wien 1991, 25-139 (Kap. 8,2). Zum Entstehungsort s. ebd, 85. In gleicher Weise spricht auch der 1. Clemensbrief (um 90 n. Chr.) vom Beten zu festgesetzten Zeiten; Erster Clemensbrief 40,1-4 (SU 1,3-107, 74-77; ed. J OSEPH A. F ISCHER . München 1956). 437 Vgl. S CHÖLLGEN , Didache (Einleitung), 48f. 438 Zur Frage, ob im jüdischen und frühchristlichen Kontext des Tags zwei- oder dreimal gebetet wurde s. B RADSHAW , Daily Prayer, 25-27. 439 Vgl. C LEMENS VON A LEXANDRIEN , Stromata VII 40,3 (GCS Clemens Alexandrinus Bd. 3, 30; ed. O TTO S TÄHLIN / L UDWIG F RÜCHTEL Berlin 1970). Vgl. auch W YRWA , D IETMAR : Art. „Clemens von Alexandrien“. In: LACL 152-154.. 440 Vgl. O RIGENES , De oratione 12,2 (GCS Origenes Bd. 2, 295-403. 324f; ed. P AUL K OET- SCHAU . Leipzig 1899). Vgl. auch V OGT , H ERMANN J OSEF : Art. „Origenes“. In: LACL 528- 536. 441 Vgl. B RADSHAW , Daily Prayer, 47. 442 Vgl. O RIGENES , De oratione 12,2. 443 Vgl. T ERTULLIAN , De oratione 27 (CChr.SL 1,255-274.273f; ed. G. F. D IERCKS . Turnhout 1954). Vgl. auch S CHULZ -F LÜGEL , E VA : Art. „Tertullian“. In: LACL 668-672. 444 Vgl. C YPRIAN , De Dominica oratione, 35 (CChr.SL 3a, 87-113. 112; ed. C. M ORESCHINI . Turnhout 1976). Vgl. auch H OFFMANN , A NDREAS : Art. „Cyprian von Karthago“. In: LACL 169-174. <?page no="110"?> 96 nun aber in den heilgen Schriften Christus die wahre Sonne und der wahre Tag ist, so dürfen die Christen keine Stunde vorübergehen lassen, ohne Gott fleißig und unablässig anzubeten. Deshalb sollen wir, die wir in Christus sind, das heißt: in der wahren Sonne und in dem wahren Tage, auch den ganzen Tag über dem Flehen und dem Gebete obliegen. Und wenn dem Weltgesetze folgend im steten Wechsel die Nacht wiederkehrt und den Tag ablöst, so kann den Betenden auch die nächtliche Finsternis keinen Abbruch tun, weil es für die Kinder des Lichtes auch in der Nacht Tag ist. Denn wann wäre der ohne Licht, der das Licht im Herzen hat? Oder wann fehlte dem Sonne und Tag, für den Christus Sonne und Tag ist? “ 445 Beide Kardinalhoren am Morgen und am Abend, die horae legitimae orationis, wie sie T ERTULLIAN nennt, werden durch Sonnenauf- und Untergang als Sinnbild der Passion und Auferstehung Jesu Christi zu einander in Bezug gesetzt. Die sog. kleinen Horen zur dritten, sechsten und neunten Stunde deutet er zeitlich auf der Basis der Apostelgeschichte: die dritte Stunde ruft die erste Geistsendung auf die Jünger ins Gedächtnis (Apg 2,15), die sechste Stunde erinnert wieder an die Vision des Petrus (Apg 10,9) und die neunte weist auf die Heiligung eines Aussätzigen durch Petrus und Johannes beim Tempel hin (Apg 3,1). 446 T ERTULLIAN misst den kleinen Horen auch eine trinitarische Bedeutung bei, wenn er schreibt, dass man mindestens „dreimal am Tage - als Schuldner, des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes - anbeten“ 447 solle. Die T RADITIO A POSTOLICA (um 215 n. Chr.), eine der für die heutige Forschung wichtigen Gemeindeordnungen ihrer Zeit - nicht zu letzt weil sie wertvolle Informationen über das liturgische Leben der jungen Christenheit bereit hält -, gibt eine alternative inhaltlich-theologische Begründung für die zeitliche Ordnung des Gebets: Während in den kleinen Gebetshoren dritte, sechste und neunte Stunde der Stationen des Leidens Christi gedacht wird, sind Abend und Morgen, wohl wegen ihrer kosmischen und naturhaften Prägung vom kommenden bzw. schwindenden Sonnenlicht, Sinnbild für Christi Tod und Auferstehung. 448 Dem Nachtgebet werden gleich zwei Konnotationen zugedacht: Einerseits wird es im Anschluss an Weish 18,14 449 schöpfungstheologisch verstanden: „Denn die Alten, die die Überlieferung an uns weitergegeben haben, haben uns gelehrt, daß in dieser Stunde [Mitternacht] die ganze Schöpfung für einen Augenblick stillsteht, um den Herrn zu loben. Sterne, Bäume, Gewässer halten inne, 445 C YPRIAN , De Dominica oratione 35. dt. Ü: Über das Gebet des Herrn. Übers. v. J ULIUS B AER . (BKV 2 34) Kempten / München 1918, 161-197. 195f. 446 S. T ERTULLIAN , De Oratione 25,1-5 (CChr.SL 1,255-274. 272f; ed. G. F. D IERCKS . Turnhout 1954): „De tempore uero non erit otiosa extrinsecus obseruatio etiam horarum quarundam, istarum dico communium, quae diei interspatia signant, tertia, sexta, nona, quas sollemniores om Scripturis inuenire est. Primus Spiritus Sanctus congregates discipulis hora tertia infusus est. Petrus, qua die uisionem communitatis omnis in illo uasculo expertus est, sexta hora orandi gratia ascenderat in superiora. Idem cum Iohanne ad nonam in templum adibat, ubi paralyticum sanitati reformauit. Quae etsi simpliciter se habent sine ullius obseruationis praecpto, bonum tamen sit aliquam constituere praesumptionem, quae et orandi admonitionem constringat et quasi lege ad tale munus etorqueat a negotiis interdum, ut, quod Danieli quoque legimus obseruatum utique ex Israelis disciplina, ne minus ter die saltem adoremus, debitores trium: Patris et Filii et Spiritus Sancti; exeptis utique legitimis orationibus, que sine ulla admonitione debenture ingressu lucis at noctis.” 447 Ebd. 448 Vgl. TA 41 (FC 1,298-307). 449 „Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab als harter Krieger mitten in das dem Verderben geweihte Land.“ <?page no="111"?> 97 das ganze Heer der Engel, die ihm dienen, zusammen mit den Seelen der Gerechten, lobt Gott zu dieser Stunde.“ 450 Andererseits erhält es durch die Verbindung an das Gleichnis der auf den Bräutigam wartenden klugen und törichten Jungfrauen (Mt 25) auch eine eschatologische Komponente. 451 Die folgende Tabelle zeigt nochmals alle bisher vorgestellten theologischen Deutungen in einer Übersicht: 452 Tempel Origenes Tertullian Cyprian TA Morgen 6h 9h Bundesschluss am Sinai (Ex 19/ 20) Morgenopfer (Ps 5,3f.) hora legitimae orationis III Geistsendung über die Jünger (Apg 2,15) Auferstehung Christi (Mt 28,1- 10; Mk 16,1-8; Lk 24,1- 12; Joh 20,1-18) Auferstehung Christi III Kreuzigung (Mk 15,25) Mittag 12h Petri Vision auf dem Dach (Apg 10,9) VI Petri Vision auf dem Dach VI Sonnenfinsternis / Dunkelheit (Mk 15,34 / / ) Abend 15h 18h Exodus (Ex 14/ 15) Abendopfer (Ps 141,2) IX Heilung durch Petrus und Johannes (Apg 3,1) hora legitimae orationis Vater - Sohn - Hl. Geist Tod Christi (Mk 15,34; Lk 23,44 Mt 27,46- 50) IX Stich in die Seite Jesu (Joh 19,34) Tod Christi (Mitter-) Nacht Lobgesang von Petrus und Silas (Apg 16,25) Mitternächtliches Lob (Ps 119,62) Lob der Schöpfung (Weish 18,14f) Kommen des Bräutigams (Mt 25,1-13) 450 TA 41 (FC 1,304-307 ; ed. W ILHELM G EERLINGS ). 451 Vgl. ebd. (FC 1,306f.). 452 Bei den Zeitangaben in der ersten Spalte handelt es sich um approximative Angaben. <?page no="112"?> 98 c Immerwährendes Beten - der monastische Typus Während die ersten Christen die Aufforderung zum unablässsigen Gebet offensichtlich im übertragenden Sinne verstanden hatten und gemäß der jüdischen Tradition dreimal am Tag zu beten pflegten (Dan 6; Ps 55; Didache), entwickelt sich ab dem frühen dritten Jahrhundert die Tendenz, den Gebetsauftrag Jesu (Mt 26,41) im Garten Gethsemane und im Anschluss daran auch die Weisung Paulus (1 Tess 5,17) wörtlich zu verstehen. Immerwährend zu beten meint nicht mehr tagein tagaus das Gebet zu verrichten, sondern ständig und ununterbrochen den Lobpreis Gottes im Munde zu führen. 453 C LEMENS VON A LEXANDRIEN weist darauf hin, dass es für das Leben eines Gläubigen nicht ausreichend sei, zu festgesetzten Zeiten zu beten; vielmehr sollte dieser im ständigen Gebet eine Vereinigung mit Gott zu erzielen suchen. 454 Er sieht einen Christen nicht nur zum Gebet an den drei Fixpunkten des Tages verpflichtet, vielmehr sollen all seine alltäglichen Tätigkeiten wie Ankleiden oder Essen vom lobpreisenden Gebet begleitet sein. 455 Auch in den im ägyptischen Raum entstandenen C ANONES H IPPOLYTI , die auf Mitte des 4. Jhs. datiert bis zur Entdeckung der D IDACHE als älteste Kirchenordnung angesehen worden waren, wird auf das immerwährende Beten verwiesen. 456 J OHANNES C ASSIAN (um 360 - nach 432 n. Chr.) 457 verordnet in seiner auf Erfahrungen mit dem ägyptischen Mönchtum basierenden geistlichen Mönchsregel Ps 70,2 - „Gott, komm herbei, um mich zu retten, Herr, eil’ mir zu Hilfe! “ - als ‚Mantra’. Neben den gemeinschafltich verrichteten Gebeten in der Nacht nach dem Aufstehen und am Abend waren die Mönche gehalten, diesen Psalmvers „wiederzukäuen“. 458 Er sollte als Heil-Formel in allen möglichen Situationen und gegen alle erdenklichen Gefahren eine Hilfe sein: „Dieses Erwägen im Herzen wird dir wie eine heilsmächtige Formel sein und wird dich nicht nur unverletzt vor allen dämonischen Ansturm behüten, sondern dich auch von allen ansteckenden Lastern des Irdischen säubern und zu der unsichtbaren himmlischen Schau hinführen und dich auch zu der unsagbaren und nur von wenigen erfahrenen Glut des Gebets hinreißen. Wenn du diesen Vers im Innern pflegst, mag dich der Schlaf überkommen, wenn du nur am Ende, durch seine unsaussprechliche Übung geformt, ihn auch im Schlafe zu beten gewöhnt bist. Er soll dir beim Gewecktwerden zuerst begegenen, beim Erwachen nehme er alle Gedanken vorweg. Bist du vom Lager aufgestanden, so mag er dich zur Kniebeugung verleiten und von da zu allem Werk und Tun. Er begleite dich zu jeder Zeit.“ 459 453 Die Forschungsmeinung tendiert aber auch dahin, die vielfache Erwähnung von festen Gebetszeiten am Morgen, Mittag und Abend in der vornicänischen antiken christlichen Literatur als Ausdruck für das immerwährende Gebet zu werten.Vgl. T AFT , The Liturgy of the Hours, 17. 454 Vgl. C LEMENS VON A LEXANDRIEN : Stromata VII 35.40.49 (GCS 17,27. 30f. 35; ed. O TTO S TÄHLIN / L UDWIG F RÜCHTEL ); dt.: Clemens: Buch VII. (Des Clemens von Alexandreia Teppiche wissenschaftlicher Darlegungen entsprechend der wahren Philosophie 3) Übers. u. eingel. V . O TTO S TÄHLIN . (Des Clemens von Alexandreia ausgewählte Schriften 5) (BKV 2 20) München 1938, 41f. 46.55f. 455 Vgl. ebd. VII,7 (GCS 17, 27. 30f. 35; ed. O TTO S TÄHLIN / L UDWIG F RÜCHTEL ). 456 Vgl. C ANONES H IPPOLYTI 27 (PO 149, 396f.) 457 Vgl. S KEB , M ATTHIAS : Art. „Johannes Cassian“. In: LACL 376-378. 458 Vgl. M EßNER , Einführung, 239. 459 J OHANNES C ASSIAN , Conlatio X,10, 14f. (CSEL 13,285-308, 302; ed. M ICHAEL P ETSCHE- NIG / G OTTFIED K REUZ . Wien 2 2004); dt. Ü: Das Glutgebet. Zwei Unterredungen aus der sketischen Wüste. Aus dem Lateinischen des Johannes Cassian ausgewählt, übertragen <?page no="113"?> 99 C ASSIAN sah in dem ununterbrochenen Gebet das Ziel eines vollendeten mönchischen Lebens. Die von ihm beobachteten Mönche vollzogen, was im ‚Tor zu den Psalmen’, im ersten Psalm, von einem gottgefällig lebenden Menschen gefordert wird: „O Glück des Mannes, der nicht ging im Rat der Frevler, den Weg der Sünder nicht beschritt, am Sitz der Dreisten nicht saß, sondern Lust hat an S EINER Weisung, über seiner Weisung murmelt tages und nachts! “ 460 In der unablässigen Rezitation von Ps 70,2 nehmen sie die Bedeutung von hG< ©h.y< wörtlich. Die sketischen Mönche setzen gewissermaßen wortwörtlich die Forderungen aus den Parusiegleichnissen um: Tag und Nacht verbringen sie wachend und betend, um sich so in die stete Bereitschaft zur Nachfolge einzuüben. 461 d ‚Hora duodecima’ und ‚Vigil’ C ASSIAN ist es auch, der im Zusammenhang seiner Beschreibung des ostchristlichen anachoretischen Mönchtums des 4. Jh. die sog. Hora Duodecima bezeugt; die 12. Stunde bezeichnet nach heutiger Zeitrechung etwa 18 Uhr. In seinen Institutes für das zönobitische Mönchtum, verfasst zwischen 419 und 426/ 427 n. Chr., berichtet er vom ägyptischen Gebetsusus zweier gemeinschaftlich vollzogener Gebete an den Eckpunkten des Tages, noch in der Nacht zum Hahnenschrei und abends. Im Kern bestehen beide Gebetszeiten aus der sich zwölfmal wiederholenden Gebetsstruktur Psalm - Stille - Gebet, die sich noch heute als Grundstruktur des gemeinschaftlichen Betens in der Folge lectio - meditatio - oratio wiederfindet. 462 Nach dem 12. Psalm folgt ein Alleluia. 463 Die Festlegung der Zwölfzahl beruht laut C ASSIAN auf einer Legende, nach welcher der Vorsteher des gemeinschaftlichen Gebets, nachdem er den zwölften Psalm vorgetragen hatte, von einem Engel in den Himmel aufgenommen wurde. Dies wurde vom Konvent als Zeichen gewertet, den andauernden Streit über die Anzahl der Psalmen in den Gebetszeiten beizulegen, weil der Himmel selbst über die Anzahl bestimmt zu haben schien. Bemerkenswert erscheinen an dieser Gebetspraxis neben ihrer Genese, dass die unthematisch aufeinander folgenden zwölf Psalmen von einem Mönch vorgetragen werden, während die anderen sitzend zuhören. 464 Die Praxis, Psalmen liturgisch als Lesung zu verstehen, was und kurz erläutert v. E MMANUEL VON S EVERUS . (Alter Quellen neue Kraft) Düsseldorf 1966, 86f. 460 Ps 1,1f. in der Übersetzung von M ARTIN B UBER und F RANZ R OSENZWEIG : Die Schrift. Bd. 4: Die Schriftwerke. [1962], 6 1976. 9 [kursive Hervh. Vf.]. EÜ gibt hG<©h.y< undeutlich als ‚nachsinnen’ wieder. Die Vulgata hingegen verwendet dafür bildlich treffender den Ausdruck ‚meditabitur’ (= ruminari ‚wiederkäuen’ im Sinne von ‚ständig wiederholen’); vgl. Art. „meditor“. In: GEORGES Bd. 2, 846; sowie Art. „rumino / ruminor“. In: ebd., 2424f. 461 Im Gleichnis vom kommenden Bräutigam werden die törichten Jungfrauen nicht wegen ihres Schlafens getadelt, sondern wegen des fehlenden Öls. Nicht der Gegensatz von Wachen und Schlafen ist dort ausschlaggebend für den Eintritt in das Himmelreich, sondern der Mangel des Öls, d.h. die Bereitschaft zur Nachfolge. Vgl. J EREMIAS , J OACHIM : Die Gleichnisse Jesu. Göttingen 8 1970, 48-50. 462 Vgl. C ASSIAN , De Institutis coenobiorum II,5-6 (CSEL 17,22f., ed. M ICHAEL P ETSCHENIG . Prag 1888). 463 Vgl. Ebd. II,7 (CSEL 17,23) - C ASSIAN gilt auch als der erste Textzeuge für das „Gloria Patri“ als Abschluss des Psalmenvortrags (II,8); vgl. hierzu J UNGMANN , J OSEF A NDRE- AS : Die Stellung Christi im liturgischen Gebet. (LQF 19/ 20) Münster 1962, 172. 464 Vgl. De Institutis coenobiorum II,12 (CSEL 17,27f.) <?page no="114"?> 100 durch das sitzende Zuhören angezeigt wird, setzte sich erst allmählich durch. Westliche Zeitgenossen C ASSIANS stehen noch zum Psalmengesang. 465 Das Spezifikum dieser Gebetszeit liegt also in der Schriftmeditation, die in der Wahl der Schrifttexte und Psalmen thematisch ungebunden zu ihrer Vollzugszeit steht. Hier wird im strengen Sinne des Wortes kein Abendgebet vollzogen, sondern vielmehr ein Gebet am Abend, das sich vom Gebet am Morgen inhaltlich in nichts unterscheidet. Man beginnt in der Psalmrezitation mit dem ersten der 150 Psalmen, wenn man an deren Ende angelangt ist, beginnt man wieder von neuem. Aus dem Ideal des immerwährenden Gebets leitet sich in der weiteren Entwicklung der Tagzeitenliturgie der monastische Typus des Stundengebets ab, der ebenfalls in einer Psalmodia currente psalterio die Lesungen der Psalmen unthematisch aufeinanderfolgen lässt. Die Struktur von Lesung, Meditation und Gebet der cassianischen Gebetszeit lässt sich auch in der Paschavigil des Jerusalemer 4. Jh. und in der weiteren Entwicklung von Nachtwachengottesdiensten finden: 466 Cassian: 12. Stunde Egeria / Jerusalem: Osternachtsvigil 12 Psalmen 12 Lesungen Lectio Psalm sitzend Lesung sitzend Meditatio persönliches Gebet liegend persönliches Gebet „beuget die Knie“ Oratio öffentliches Gebet stehend öffentliches Gebet „erhebet euch“ 467 Die auf B ENEDIKT VON N URSIA (zwischen 480 und 490 - ca. 547 n. Chr.) 468 zurückgehende Struktur der Vigil greift formal auf die Paschavigil als Mutter aller Vigilien zurück; 469 beide liturgischen Modelle stehen einander aber auch in inhaltlicher, theologischer Hinsicht nahe, nämlich aus dem Auftrag Jesu, zu wachen bis der Bräutigam respektive der Hausherr kommt (Mt 26,38/ / ). In der geschichtlichen Entfaltung liturgischer Formen wurde im Konzept der nächtlichen Vigil die in Mt 25 begründete Wachsamkeit und Aufmerksamkeit des gläubigen Christen wörtlich genommen. Beide biblischen Verweise bilden die Eckpfeiler, zwischen denen die (Pascha)vigil steht, denn „das Wachen mit dem Leidenden ist zugleich Warten auf den Verherrlichten, die Vigil Passion und Parusie in einem: ‚mit Christus leiden, um so mit ihm verherrlicht zu werden (Röm 8,17)’.“ 470 Dies zeigt auch die kosmische Gestaltung des Tagzeitengebets: Auferstehung Jesu Christi und Parusie sind bildlich mit der am Morgen aufgehenden Sonne verknüpft. 471 Bei C LEMENS VON A LEXANDRIEN ist, wie oben schon erörtert, als erstes von einer eschatologischen Deutung des nächtlichen Gebets zu lesen. Hatte er die Ostung des christlichen Gebets als Hinwendung zur wahren Sonne der Gerechtigkeit Jesus Christus beschrieben, so begründet er analog dazu im Rekurs auf Lk 12,37 das nächtliche Beten als Erwartung der Parusie eben dieser Sonne. 472 [Ende des Exkurses] 465 Vgl. ebd. II,6 (CSEL 17, 22f.) 466 Vgl. B ECKER , H ANSJAKOB : Eine Nacht der Wache für den Herrn? Die Paschavigil als Ursprung und Vollgestalt des christlichen Stundengebets. In: K LÖCKENER / R ENNINGS , Lebendiges Stundengebet, 462-491. 467 Vgl. M EßNER , Einführung, 223f. 468 Vgl. S KEB , M ATTHIAS : Art. „Benedikt von Nursia“. In: LACL 124-126; V OGÜÉ , A DAL- BERT DE : Art. „Benedikt von Nursia“. In: TRE V (1980) 538-549. 469 Vgl. N OWACK , P ETRUS : Die Strukturelemente des Stundengebets. In: ALw 26 (1984) 253-304. 470 B ECKER , „Eine Nacht der Wache für den Herrn? “, 464. 471 Vgl. M EßNER , Einführung, 247. 472 Vgl. T AFT , The Liturgy of the Hours, 14f. <?page no="115"?> 101 3) Isotopie ‚Morgen’ bzw. ‚Tag’ Das Bild der kontinuierlich um die Erde kreisenden und den Morgen bringenden Sonne lässt auch in Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen eine christologische Deutung zu. Im Text wird zwar keine direkte Beziehung zwischen dem Morgenlicht und Christus hergestellt, sie lässt sich jedoch aus der fünften Strophe gewissermaßen nachträglich entwickeln. Der ewige Morgen, der einst anbrechen wird (5,4), korrespondiert mit dem Tag für Tag im aufgehenden Sonnenlicht anbrechenden irdischen Morgen. Alles irdische Leben ist nicht nur biologisch von der Sonne abhängig; im Lied orientiert sich auch das Gebet der Gläubigen an ihrem Lauf. Der Grund des unablässigen Gebets besteht in der gemeinsamen Hoffnung auf die Wiederkunft des Herrn am Ende der Zeiten, in der er alles zur Vervollkommnung führt. Mit dem Bild des Sol invictus verbindet sich im Gebet das Bild der Kirche als Mond; dieser ist vom Sonnenlicht ebenso abhängig, wie sich das Gebet der Gläubigen auf aller Welt aus Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi begründet. Die Relation zwischen Sonne und Mond sowie das zyklische Zu- und Abnehmen des Mondes leitete die Kirchenväter zu unterschiedlichen Deutungen bezüglich des Verhältnisses Christi und der Kirche an: 473 Der Mondzyklus steht für die gebärende Kirche, die das Bild der Sonne der Gerechtigkeit ihren Kindern vermittelt und diese an das wahre Licht heranführt. 474 Auf dieser Folie dient das stete Gebet der Kirche also dazu, Anderen Zeugnis vom Grund ihres Gebets zu geben. Das Phänomen des in Phasen zu- und abnehmenden Mondes ist auch eine Versinnbildlichung der Sterblichkeit der Kirche und ihrer Glieder. 475 Die irdische Gestalt der Kirche ist ebenso der Vergänglichkeit unterworfen; im Sinne des Liedes gehört sie selbst zu den proud empires, die vergehen, während die geistliche Vision der Kirche, das Reich Gottes in der Ewigkeit seine Vollendung findet. Die Mondphasen symbolisieren Tod und Auferstehung Christi; bei den Kirchenvätern war der Mond daher Bild für die einstige Vollendung der in der Taufe begonnenen Auferstehung des Fleisches. 476 Auch im Lied folgt das Gebet kontinuierlich dem Lauf der Sonne, bis endlich Gottes Herrschaft vollendet sein wird. Die Erde strebt dem Licht, dem Tag zu, aus diesem Grunde schläft die Kirche niemals und verfehlt als Gemeinschaft auch nicht die ihr eigene Aufgabe des Gebets. 473 Vgl. R AHNER , H UGO : Symbole der Kirche. Die Ekklesiologie der Väter. Salzburg 1964. Kap.: Mysterium Lunae, 91-173. Die Kirche steht, wie es schon in den ekklesiologischen Darlegungen in der Kirchenväterliteratur, zu finden ist in Relation zu Christus wie der Mond zur Sonne. Wie Sonne und Mond erleuchten Christus und die Kirche den Himmel. 474 Vgl. ebd., 140-161. 475 Vgl. ebd., 97-139. 476 Mit dieser Deutung versuchten die Kirchenväter gleichzeitig eine Alternative zum antiken Fatumglauben um Luna und Selene zu etablieren. Vgl. ebd., 162-173. <?page no="116"?> 102 5,1 So sei es, Herr, die Reiche fallen, 5,2 dein Thron allein wird nicht zerstört; 5,3 dein Reich besteht und wächst, bis allen 5,4 dein großer, neuer Tag gehört. Dieses Abendlied ist deutlich auf den Morgen ausgerichtet, es strebt dem Tag zu. Die Nacht findet außer als Gebets- und Ruhezeit keine Beachtung, wohl weil sie unter Gottes Schutz nicht mehr und nicht weniger als eine Zeit der Ruhe ist. Durch die weltweite Gebetsordnung hat niemand etwas zu fürchten. Das Lied realisiert in mehrfacher Hinsicht die zentrale Aussage von Ps 4,9 „In Frieden lege ich mich nieder und schlafe ein, denn du Herr, lässt mich sorglos ruhn.“ (1) Durch das wechselnde Gebet der Kirche ist die notwendige Ruhe garantiert; (2) das Gebet aber hängt ab von der um die Erde ziehenden Sonne, in der sich Christus zeigt. Er selbst gewährleistet also mittelbar diese Ruhe. d Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie Der Abend wird in Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen durch die den Tag überwehende Dunkelheit indiziert. Dabei bildet er, wenn er auch im Lied selbst keine explizite Rolle spielt, zusammen mit dem Morgen zwei Pole einer Achse, um die sich der Zyklus von Tag und Nacht, Wachsein und Schlafen, Beten und Ruhn bewegt. Der Abend partizipiert dabei an der Dynamik, die der Zeit im Lied allgemein zugedacht wird. Als zeitliche Dimension übernimmt der Abend, wenngleich er nicht explizit zur Sprache kommt, ebenso wie der Morgen, eine Schwellenfunktion, der vom Zustand der Aktivität in den der Passivität überführt oder umgekehrt. Als heilsgeschichtliche Komponente erhält der Abend sowohl im Lied als auch im Ritus des Immerwährenden Gebets limitativ-teleologische Funktion: Der Abend weist über die irdische Zeit hinaus hin auf den Morgen, dem kein Abend mehr folgt. Er dient damit implizit dem Anliegen, das Lied und Abendliturgie verfolgen: Beide tendieren ihrem Inhalt nach auf die Vollendung der Zeit in der Ewigkeit. In der Einteilung VAN G ENNEPS ist der Ritus des Immerwährenden Gebets als Schwellenphase einzuordnen, weil er die Weltgemeinschaft der Betenden durch das unablässige Gebet kontinuierlich ‚in der Schwebe hält’. Ebenso wie bei dem im Lied beschriebenen kontinuierlichen Gebet der Kirche windet sich das Immerwährende Gebet zyklisch durch die lineare Erdenzeit, um schließlich zur Fülle der Zeit zu gelangen. In Lied und Ritus werden die zeitlichen Grenzen, die Morgen und Abend in der Tagesstruktur bilden, kontinuierlich überschritten und damit geradezu transzendiert. Auf diese Weise vollzieht sich so etwas wie eine Entgrenzung der Betenden (als Teil der Kirche), weil die für die Individuen relevanten Rhythmen von Tag und Nacht und damit das Raum-Zeit-Kontinuum im ununterbrochenen Lob Gottes außer Kraft gesetzt werden. <?page no="117"?> 103 2 Ein Tag geht nun zu Ende, Herr 1,1 Ein Tag geht nun zu Ende, Herr, er kam aus deiner Hand, 1,2 er ist mit Freude, Last und Leid gefüllt bis an den Rand. 1,3 So geben wir ihn dir zurück, und mit ihm unser Sein. 1,4 Du schließt uns ganz, so wie wir sind, in deine Liebe ein. 2,1 Dem Abend weicht der Tag und nimmt mit sich das Tageslicht. 2,2 Wir tragen seinen letzten Schein hin vor dein Angesicht. 2,3 So bitten wir, Herr, bleib bei uns und kehre bei uns ein. 2,4 Dann wird der Abend wie der Tag in deinem Lichte sein. 3,1 Im Dunkel liegt die Nacht vor uns, wir tasten uns hinein. 3,2 Die Finsternis lässt jeden nun ganz mit sich selbst allein. 3,3 So greifen wir nach deiner Hand, dass sie uns weiterführt, 3,4 dass keiner sich und seinen Weg am Ende noch verliert. 4,1 Ein neuer Tag ist längst bereit, wenn wir ihn noch nicht sehn. 4,2 Und Licht fällt schon auf unsern Weg, wenn wir im Finstern gehen. 4,3 Dein Kommen, Herr, hast du uns hier und heute zugesagt. 4,4 So gehen wir durch Tag und Nacht, bis es für immer tagt. Für die vorliegende Fassung von Ein Tag geht nun zu Ende, Herr zeichnen textlich zwei Autoren: K ATHI S TIMMER -S ALZEDER für die erste Strophe, für die übrigen A. S PINRATH . Vertont wurde es durch H EINZ M ARTIN L ONQUICH (*1937). Die Datierung des Liedes ist gemäß der Quellenlage nicht eindeutig zu bestimmen: Die erste Textversion dieses Stückes von S TIMMER -S ALZEDER , aus der die erste Strophe entnommen ist, entstand nach Angaben der Autorin 1979; 477 veröffentlicht wurde es im Jahr 1989. 478 Die oben abgedruckte 477 Diese Information beruht auf einem Brief der Textautorin vom 12.03.2003 an die Verfasserin. 478 *Lied der Hoffnung 2, 100. <?page no="118"?> 104 Version findet sich zum ersten Mal publiziert im Liedheft zum ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin (*gemeinsam unterwegs, Nr. 20). Sie ist also voraussichtlich zwischen 1989 und 2002 hergestellt worden. a Formale Struktur Der Liedtext umfasst vier Strophen à vier Zeilen, die in Paaren gereimt sind. Abgesehen von V 3,3f. treten nur reine Reime auf und erstreckt sich eine Satzeinheit über jeweils eine Verszeile. Als Reimschema wurde der barocke jambische Septenar verwendet mit durchweg männlicher Kadenz und einer Zäsur nach der vierten Hebung. Die Form der Rede ist, abgesehen von einer Bitte in 2,3, erzählend. Die Wahl der Lexeme ist eher schlicht, es werden keinerlei Adjektive oder Adverbien gebraucht. Insgesamt wirkt die Sprache durch Wendungen wie hier und heute (4,3) und wenig variantenreiche Lexematik (der Tag und nimmt mit sich das Tageslicht 2,1) eher umgangssprachlich; gleichzeitig tendiert sie jedoch zu einer poetisch-konstruierten Redeweise: es werden Silben angehängt (Lichte 2,4), nicht notwendige Füllwörter (hin in 2,2) eingefügt sowie die Satzstellung invertiert (Dem Abend weicht der Tag und nimmt 2,1) und somit verkompliziert. Die Melodie greift die Reim-Struktur nicht auf; die Schlussmotive der Phrasen sind stattdessen kreuzweise angeordnet. Der textliche Rhythmus hingegen findet sich in der Weise wieder: fast jede Hebung wird entweder durch einen halben Notenwert oder durch eine Ligatur unterstrichen. 479 Es lassen sich überwiegend halbe und viertel Notenwerte feststellen, die in vier verschiedenen rhythmischen Motive zusammengeführt werden: I: | II: III: | . IV: | | . Das vierte rhythmische Modell steht jeweils am Ende der zweiten und vierten Notenzeile und bewirkt durch seine Synkopierung eine Art Gedankenpause. Die in F-Dur gesetzte Melodie ist insgesamt einfach gehalten und stellt hinsichtlich der Harmonie wenige Ansprüche an die Rezipienten. Sie ist „vorhersehbar“ gebaut, indem sie mit der Dominante c’’ einsetzt, sich ab und auf bewegt, und in den Phrasen A und C von der Tonika auf die Subdominantparallele g’ zuläuft bzw. in B und D umgekehrt von g’ abwärts auf dem Grundton zum Liegen kommt. Das Problem des Liedes besteht in baulicher Hinsicht vor allem darin, dass viel Text auf langen Phrasen verteilt ist; die Melismen tragen dabei nur bedingt zur Entkrampfung des Text-Melodie-Verhältnisses bei, denn im Zusammenspiel von Wort und Weise wirkt das Stück dennoch holprig. Gleichzeitig entsteht eine Art musikalische Banalität, indem durch den langen Notenwert auf der ersten Zählzeit der 6 / 4 Takt in einen ¾ Takt aufgebrochen wird und so zu einer gleichmäßigen Pendelbewegung führt. Der Sänger 479 Die Ausnahme bilden die Endungen der ersten und vierten Phrase, wo beides Mal durch Tausch der Notenwerte ein Rhythmuswechsel und damit eine Verzögerung evoziert werden. <?page no="119"?> 105 wird im Rhythmus eines Wiegenliedes gleichsam durch die vier Strophen hindurchgetragen. Die plattitüdenhaften Paarreime verstärken den Eindruck einer wenig poetisch anspruchsvollen Liedgestalt und unterstreichen den ‚einlullenden’ Charakter eines Schlafliedes. Die dritte Zeile jeder Strophe wird durch Häufung der Ligaturen und das Erreichen der Klimax d’’ musikalisch besonders hervorgehoben. Textlich wird dies in den Strophen eins bis drei als Konklusion formuliert: 1,3 So geben wir ihn dir zurück und mit ihm unser Sein. 2,3 So bitten wir, Herr, bleib bei uns und kehre bei uns ein. 3,3 So greifen wir nach deiner Hand, dass sie uns weiterführt. Der von Gott geborgte und mit menschlichem Erleben angefüllte Tag wird zurückgegeben. Weiterhin ist der Abend, der durch das Schwinden des Tageslichts charakterisiert wird, Grund für die Bitte, dass der HERR als Licht, das keinen Abend kennt, bei dem WIR bleiben möge. Die Nacht, die sich in Finsternis und Einsamkeit manifestiert, ist der Grund für den Griff nach Gottes führender und schützender Hand. Die letzte Strophe verzichtet auf eine direkte Einleitung in der dritten Zeile mit „so“ und bringt dort dennoch eine Begründung dafür, weshalb die im Dunkeln liegende und ungewisse Zukunft des kommenden Tags in zuversichtlichem Licht gesehen wird: Dein Kommen, Herr, hast du uns hier und heute zugesagt (4,3). Nur aus der Ableitung der besonderen Stellung der dritten Zeile innerhalb der einzelnen Strophen lässt sich 4,3 verständlich machen. Die Wendung hier und heute ließe sonst auch den Schluss zu, dass die Wiederkunft Christi und die damit verbundene Zusage der Vollendung im Hier und Jetzt erfolgen. 480 Gemeint ist hier tatsächlich, dass dem WIR das Kommen des Herrn heute schon verheißen ist. Der in 4,4 durch „So“ eingeleitete Gedanke begründet schließlich, weswegen das WIR sich auf dem Weg durch die Zeit befindet. Möglicherweise wurde in der Schlussstrophe absichtlich die parallele Struktur der jeweilse dritten Zeile der ersten drei Strophen („so“) verlassen, um die Hoffnung des wandelnden Volkes Gottes auf den einst wiederkehrenden Herrn als Klimax herauszustellen. Der Adressat des Liedes ist der HERR; er wird abgesehen von der dritten Strophe jeweils mit Namen angeredet (1,1; 2,3; 4,3). Vor allem in der ersten Liedhälfte häufen sich Personal- und Possessivpronomina der 2. Person Singular (dir 1,3; du 1,4; 4,3; deine 1,4; dein 2,2; 4,3; deinem 2,4; deiner 3,3). Auf der anderen Seite findet sich die Adressantengruppe WIR (wir 1,3; 1,4; 2,2; 3,3; 4,2; 4,4; uns 1,4; 2,3 (2x); 3,1; 3,3; 4,3; unser 1,4; unsern 4,2). Das Lied zielt darauf ab, die enge Relation zwischen Gott und den zum WIR vereinten Men- 480 Damit würde das Lied einer Tendenz in der christlichen Poesie seit 1945 Rechnung tragen, die von der Auferstehung und Erlösung in der realen Gegenwart, der Auferstehung im Leben spricht. Vgl. R ÜNKER , E VA : „Und wann endlich werden die gräber leer sein …“ (D OROTHEE S ÖLLE ). Zur Rezeption der Motivik aus der Grabeserzählung bei Mk 16 in der neueren deutschsprachigen Lyrik. Unveröff. Diplomarbeit am Ökumenischen Seminar der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster 2005 bei P ROF . D ORO - THEA S ATTLER , bes. 43-47. <?page no="120"?> 106 schen am Beispiel der Tageszeiten zu verdeutlichen. Mit Gottes Hilfe geht das WIR durch die Zeit, durch Tag und Nacht (4,4), bis die Zeit erfüllt ist - es für immer tagt. Der HERR leiht als Zeitenverwalter dem WIR den Lebenstag (1,1). Er erhält ihn an dessen Ende zurück zusammen mit allem, was das WIR ausmacht (1,3). Alles ist in Gottes Liebe aufgehoben (1,4). Ihm wird als unvergängliches Licht (2,4) auch das letzte Licht des Tages dargebracht (2,2). Er leitet durch die Dunkelheit der Nacht (3,3) und die Finsternis psychischer Bedrücktheit (3,4; 4,2). Seine Wiederkunft wird in der Gegenwart verheißen (4,3). Das WIR gestaltet den von Gott geschenkten Tag, gibt ihn an dessen Ende gefüllt mit unterschiedlichen Emotionen zurück und drückt damit seine Hingabe zum Herrn aus (1,3). Es erlebt sich von der Liebe des Herrn eingeschlossen (1,4). Am Abend wird das letzte Licht des vergangen Tages dargebracht (2,2) und mit den Worten der Emmaus-Jünger um die Präsenz Christi gebeten (2,3). Die Nacht wird als psychisch schwierige Zeit wahrgenommen, weswegen es der leitenden Unterstützung Gottes bedarf (3). Die Zukunft wird als ungewiss erlebt und dennoch zuversichtlich gesehen, weil der HERR mit auf dem Weg durch die Zeit ist und seine Wiederkunft verheißen hat. b Inhaltliche Strukturen Der Text lässt sich in drei Kern-Isotopien aufschlüsseln: Isotopie: (Tages-)zeiten Isotopie: Licht und Dunkelheit Isotopie: Weg 1,1 Tag, nun zu Ende 2,1 Abend, Tag (weicht) Tageslicht 2,2 Schein 2,4 Abend, Tag deinem Lichte Dunkel, (liegt vor uns) 3,1 Nacht tasten hinein 3,2 Finsternis 3,3 weiterführt 3,4 Weg 4,1 neuer Tag (noch nicht sehn) 4,2 Licht, Finstern Weg, gehen 4,3 hier und heute 4,4 Tag und Nacht, für immer tagt gehen Seine inhaltliche Struktur erhält das Lied zunächst durch den chronologischen Aufbau. Jede Strophe thematisiert eine Tageszeit: In der ersten Strophe wird Rückschau auf den zurückliegenden Tag gehalten (Ein Tag geht nun zu Ende 1,1). In der zweiten Strophe wird dann der vorgesehene Vollzugszeitpunkt des Liedes, der Abend beschrieben (Dem Abend weicht der Tag 2,1). Die dritte Strophe blickt vorausschauend in die kommende Nacht (Im Dunkel liegt die Nacht vor uns 3,1) und die letzte Strophe widmet sich dem kommenden Tag (Ein neuer Tag ist längst bereit 4,1) sowie dem Ende der Zei- <?page no="121"?> 107 ten (bis es für immer tagt, 4,4). Neben den Tageszeiten fungieren Licht und Dunkelheit als Konnektoren der zweiten bis vierten Strophe. Die beiden letzten Strophen werden zudem durch das Wegmotiv miteinander verbunden. Die letzte Zeile führt alle drei Isotopien zusammen: So gehen wir durch Tag und Nacht, bis es für immer tagt. (4,4). Diese Grundthemen sind offensichtlich der der älteren Textvorlage von K ATHI S TIMMER -S ALZEDER entnommen: 1,1 Ein Tag geht nun zu Ende, Herr, er kam aus deiner Hand. 1,2 Er ist mit Freude, Last und Leid gefüllt bis an den Rand. 1,3 So geben wir in dir zurück und mit ihm unser Sein. 1,4 Du schließt uns ganz, so wie wir sind, in deine Liebe ein. 2,1 Und jeder Tag, den du uns schenkst, er kommt und geht dahin. 2,2 Dass er ein Stück des Weges sei, das ist in deinem Sinn. 2,3 Wir haben Freiheit, ihn mit Dir und Deiner Kraft zu gehen, 2,4 auch wenn wir Deine Wege, Herr, im Dunkel nicht verstehn. 3,1 Du bist das Licht, Du bist der Weg, Du bist, oh Gott, der Tag, 3,2 an dem uns allen einst Dein Glanz bei Dir erstrahlen mag. 3,3 Dann weicht die Nacht dem Sonnenlicht, das ewgen Tag verheißt. 3,4 Drum gib Du jedem neuen Tag in Liebe deinen Geist. 4. =1. 481 Hier strukturieren nicht die Tageszeiten den Liedtext. Vielmehr wird in der ersten Strophe der zurückliegende Tag beschrieben und darauf folgend in der zweiten Strophe eine Verallgemeinerung vorgenommen: jeder Tag, den du uns schenkst, er kommt und geht dahin (2,1). In der zweiten und dritten Strophe wird das Weg-Motiv entwickelt: Das Leben ist ein Weg, auf dem Gott unter Bewahrung aller menschlichen Freiheit begleitet und geleitet (2,3f.). In der dritten Strophe erfolgt sodann eine weitere Abstraktion, die sich an die Worte des Johannesevangeliums anlehnt: Gott ist das Licht (der Welt; Joh 8,12; 9,5; 12,46) und er ist selbst der Weg, (die Wahrheit und das Leben; Joh 14,6). In der Weiterschreibung der Lichtmetapher wird Gott als Tag deklariert und das verheißene Eschaton illustriert. Der Lebensweg, dessen Teilstück ein Tag bildet, mündet im ewigen Tag. Im Folgenden werden nun die einzelnen Isotopien von Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II), der oben mit Noten abgedruckten Version, ausführlicher analysiert. 1) Isotopie ‚(Tages-)Zeiten’ Der vergangene Tag wird als Leihgabe Gottes verstanden. Die Zeit ist durch den Menschen nicht vollkommen verfügbar, er hat lediglich die Möglichkeit diese ihm anvertraute Zeit zu gestalten. Durch zitathafte Anlehnung von 1,2 an eine Passage des B ONHOEFFER -Gedichts Von guten Mächten treu und still umgeben 482 wird der Tag mit einem Kelch verglichen. In dem Gefängnisge- 481 T+M: K ATHI S TIMMER -S ALZEDER ; Quelle: *Lied der Hoffnung 2 100. 482 „Und reichst du uns den schweren Kelch,/ den bittern des Leids gefüllt bis an den höchsten Rand,/ so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern / aus deiner guten und geliebten Hand.“ 3,1-4. Eine ausführliche Auslegung dieses Stückes siehe unter Teil I D 8. <?page no="122"?> 108 dicht reicht Gott den Menschen den Leidenskelch und greift damit die Gebetsworte Jesu in Gethsemani auf. 483 In vorliegendem Lied ist der Tages- Kelch, den Gott dem WIR reicht, zunächst leer; er wird ihm am Ende des Tages mit unterschiedlichen Emotionen gefüllt zurückgegeben. Während in Von guten Mächten durch dieses Motiv die Nachahmung und Nachfolge Jesu im Leid antizipiert werden soll, wird in Ein Tag geht nun zu Ende der Eindruck erweckt, der Herr müsse wiederum den Kelch trinken, den ihm die Menschen reichen, damit er sie so erlöse von aller freud- und leidvollen Erfahrung am Tage. Mit dem Kelch verbindet sich ein weiteres biblisches Bild, nämlich das der Commendatio. 484 Hier wird nicht die Seele, sondern der vergangene Tag und das ganze menschliche Sein (1,3) Gott anvertraut. Das Bild der Rückgabe verbindet also Gott geschuldete Hingabe des Lebens mit dem Bewusstsein, das die eigenen Lebenszeit geschenkt ist und Gestaltung verlangt. In diesem Bewusstsein fühlt sich das WIR uneingeschränkt (ganz so wie wir sind 1,4) in der Liebe Gottes aufgehoben. Die zweite Strophe widmet sich thematisch dem gegenwärtigen Abend, den das Lied was durch das nun in 1,1 angedeutet wird, als seine angemessene Vollzugszeit qualifiziert. So wird die Bitte in 2,3 gerade in diesem Moment geäußert. Zwei Anspielungen verdeutlichen, dass der Abend hier auch als gottesdienstliche Zeit gesehen wird: (1) erinnert die Darbringung des letzten Tageslichts an das altkirchliche Luzernarium, in dem Christus als das unvergängliche, abendlose Licht gepriesen wird; (2) wird um sein Verweilen bei Anbruch der Dunkelheit gebeten, indem das Zitat der Bitte der Emmaus- Jünger (Lk 24,29-32) aufgegriffen und so auf Agape und Eucharistie am Abend verwiesen wird. An anderer Stelle werden wir noch ausführlicher auf beide Bezüge eingehen. Die kommende Nacht ist negativ konnotiert; sie wird als finster und einsam beschrieben, in ihr fühlt man sich orientierungslos (dass keiner sich und seinen Weg am Ende noch verliert 3,4). Wegen dieser realen Erfahrung der Abwesenheit des natürlichen Lichtes einerseits und der hier auch anklingenden innerpsychischen Erfahrung der Finsternis als Einsamkeit andererseits, braucht das WIR Gottes Geleit. Hier wird also ein weiterer Grund dafür angegeben, weshalb der Herr am Abend präsent bleiben möge. Die Beziehung zwischen Gott und dem WIR konstituiert sich aus der Gotteskindschaft, denn die Menschen tasten nach Gottes Hand, die er als Geleit zur Verfügung stellt. 483 Und er ging ein Stück weiter, warf sich zu Boden und betete: Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst. Und er ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend. Da sagte er zu Petrus: Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Dann ging er zum zweiten Mal weg und betete: Mein Vater, wenn dieser Kelch an mir nicht vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, geschehe dein Wille. Als er zurückkam, fand er sie wieder schlafend, denn die Augen waren ihnen zugefallen (Mt 26, 39-43). 484 Zur Genese und rituellen Funktion der Commendatio animae siehe ausführlicher den entsprechenden Exkurs unter Teil I, D 10 3 c). <?page no="123"?> 109 Die Hand ist, anders als in Strophe 1, in der dritten Strophe weniger Schutzmotiv, sondern vielmehr Orientierungshilfe und Führung. Die Messias-Verheißung des Jesaja (9,1) andeutend wird in der letzten Strophe der neue kommende Tag durch das Licht mit Jesus Christus und dessen Wiederkunft in Verbindung gebracht. Weder der folgende Tag noch das verheißene Eschaton können vom WIR schon wahrgenommen werden. Aus der Zusage erwächst jedoch eine hoffnungsvolle Gewissheit, die der Gruppe den Antrieb gibt, durch die Zeit zu wandern (So gehen wir durch Tag und Nacht 4,4). Erste und letzte Strophe beginnen jeweils mit Ein Tag. Darin findet sich der konkrete abgelaufene bzw. bevorstehende Tag eingeschlossen, denkbar ist aber auch, dass hier jeder beliebige Tag im Kommen und Gehen beschrieben wird. So wie dieser Tag geht ein jeder Tag, gehen alle Tage einmal zu Ende. Indem am Anfang und am Ende des Liedes kein direkter Artikel verwendet wird, wird so im Wechsel der Tageszeiten ein zyklisches Zeiterleben nachgezeichnet. 485 2) Isotopie ‚Licht und Dunkelheit’ Die Unterscheidung der Tageszeiten erfolgt durch die Gegenüberstellung von Licht und Dunkelheit. Während die zweite Strophe sich thematisch mehr dem Licht zuwendet ((Tages-)licht 2,1; Schein 2,2; Lichte 2,4), ist die dritte Strophe von der Abwesenheit des Lichts geprägt (Dunkel 3,1; Finsternis 3,2). Die Schlussstrophe führt Licht und Dunkelheit zusammen: Und Licht fällt schon auf unsern Weg, wenn wir im Finstern gehen (4,2). In dunklen Stunden kann man sich nicht mehr auf seine Sehfähigkeit verlassen, es bedarf des Tastsinnes, um fortschreiten zu können (s. tasten 3,1 bzw. greifen 3,3). Die Erfahrung von Licht und Dunkelheit geht über die natürliche Erfahrung von Nacht und Finsternis hinaus. Sie werden auch psychologisch gedeutet als Zeit der Einsamkeit, in der man auf sich selbst geworfen und verloren ist. Oben wurde schon kurz auf die rituellen Andeutungen in der zweiten Strophe hingewiesen. Während das Tageslicht im Schwinden begriffen ist, trägt das WIR seinen letzen Schein, also den Sonnenuntergang bzw. die Dämmerung vor Gott. Hier wird ein undeutliches, schiefes Bild verwendet; denn dem Menschen ist es faktisch unmöglich, ein Naturphänomen darzubringen geschweige denn zu tragen. Außerdem bleibt es unklar, was mit dem Bild des Opfers des letzten Tageslichts ausgesagt werden soll. Ungeachtet dieser sprachlich-bildlichen Unsauberkeit zeigt sich, wie oben schon angedeutet wurde, eine gewisse Nähe zu der Feier eines Luzernariums. 485 Die unterschiedlichen Zeitebenen werden durch die Tempi des Textes keiner besonderen Weise markiert: Es wird durchgängig unspezifisches, überzeitliches Präsens verwendet. <?page no="124"?> 110 E XKURS : Lichtfeier, Agape und Eucharistie a Luzernarium Das das Lied prägende Lichtmotiv ist ein klassisches Motiv vieler altkirchlicher Abendliturgien. T ERTULLIAN gilt als der erste Textzeuge für ein solches Luzernarium. 486 Das älteste aufgefundene Formular für eine Lichtfeier am Abend ist die H IPPOLYT VON R OM zugeschriebene Gemeindeordnung T RADITIO A POSTOLICA (um 215 n. Chr.). 487 In Kapitel 25f. wird in Verbindung mit einem gemeinsamen Mahl ein Luzernarium geschildert, das sowohl das rituelle Entzünden der Lichter, als auch ein Eucharistiegebet über das Licht umfasst. 488 Die Alte Kirche kannte nicht ausschließlich die Eucharistie über Brot und Wein während der Feier des Herrenmahles, sondern eine Vielzahl von Eucharistien. 489 Der Wortlaut der Lichteucharistie ist uns allein in der äthiopischen Fassung überliefert: 490 „Das Hereintragen der Lampe beim gemeinsamen Mahl: Wenn der Bischof anwesend ist, trägt der Diakon bei Anbruch der Dunkelheit die Lampe herein. Inmitten aller Gläubigen stehend soll er (sc. der Bischof) danksagen. Zunächst sagt er zur Begrüßung: Der Herr sei mit euch. Das Volk soll sagen: Und mit deinem Geist. (Bischof: ) Laßt uns danksagen dem Herrn. Und sie sollen sagen: Das ist würdig und recht. Größe und Erhabenheit gebühren ihm wie auch die Herrlichkeit. Aber das ,Empor die Herzen’ soll er nicht sagen, weil das nur bei der Darbringung gesagt wird. Er soll mit folgenden Worten beten: Wir sagen dir Dank, Herr, durch deinen Sohn Jesus Christus, unseren Herrn, durch den du uns erleuchtet hast in der Offenbarung des unvergänglichen Lichtes. Wir haben den Tageslauf vollendet und sind zum Anfang der Nacht gelangt. Wir haben uns gesättigt am Licht des Tages, das du zu unserer Stärkung geschaffen hast. Da wir nun durch deine Güte des Abendlichtes nicht entbehren, loben und verherrlichen wir dich durch deinen Sohn Jesus Christus, unseren Herrn, durch den dir Herrlichkeit, Macht und Ehre ist mit 486 Vgl. T ERTULLIAN , Ad Nationes I,13 (CChr.SL I,9-75. 32; ed. J. G. P. B ORLEFFS . Turnhout 1954). In seinem Apologeticum 39,18 (CChrSL 1,77-171.125f; ed. E. D EKKERS . T URN- HOUT 1954) beschreibt er: „Ita saturantur, ut qui meminerint, etiam noctem adorandum Deum sibi esse; ita fabulantur, ut qui sciant Deum audire. Post aquam manualem et lumina, ut quisque de scripturis diuinis uel de proprio ingenio potest, prouocatur in medium Deo canere: hinc probatur quomodo biberit. Aeque oratio conuiuium dirimit.“ Vgl. T AFT , The Liturgy of the Hours, 18. 487 Ihre Entstehungszeit wird aufgrund der Gemeindeentwicklung und ihrer Ständestruktur gegen Ende des 2. Jhs. angenommen. Vgl. S TEIMER , B RUNO : Art.: „Traditio Apostolica“. In: LACL 698-701. 488 Vgl. TA 25 (FC 1,274-279; ed. W ILHELM G EERLINGS ). 489 Allein die TA kennt neben der Brot und Wein Eucharistie (TA 4; FC 1,220-225; ed. W IL - HELM G EERLINGS ) auch eine Eucharistie über das Öl während der Taufe („Tempore autem statuto ad baptizandum episcopus reddat gratias super oleum […]“; TA 21 (FC 1,258f.) und eben am Abend eine Danksagung über das Licht. Faktisch gibt es auch heute noch Licht- und Öleucharistien, der Begriff ‚Eucharistie’ ist jedoch im allgemeinen Gebrauch meist für die Danksagung über Brot und Wein reserviert. 490 Leider sind Luzernarium und das sich anschließende Mahl nur durch die äthiopische Handschrift überliefert, die erst relativ spät von einer sahidischen Übersetzung der griechischen Urfassung übertragen wurde. Laut G EERLINGS ist im E-Text dennoch ein zuverlässiger Textzeuge zu sehen aufgrund der Fülle und Umfassendheit der Quelle. Vgl. G EERLINGS , TA Einleitung, 149-156. <?page no="125"?> 111 dem Heiligen Geist, jetzt und immer und in Ewigkeit. Amen. Und alle sollen sagen: Amen.“ 491 Das zunächst funktionale Anzünden der Lichter bei Anbruch der Dunkelheit wird in obigem Gebet theologisch gedeutet und mit dem Dank für Jesus Christus in der Eigenschaft als Offenbarer verbunden. 492 Das „Ewige Licht“ Christus, das nicht verlischt und das durch die Dunkelheit des Abends und die Finsternis der Nacht führt, erhellt das Leben der Gläubigen. Es gibt Richtung, das Leben zu gestalten und so Dunkelheiten des Lebens zu überwinden: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). In der gegenwärtigen westkirchlichen Liturgie ist eine Eucharistie über das Licht lediglich im Exsultet der Osternachtsvigil erhalten geblieben. G REGOR VON N YSSA (geboren vermutlich zwischen 335 und 340 gestorben sicherlich vor 400) 493 der jüngere Bruder von B ASILIUS DEM G ROSSEN , erzählt in der Vita seiner verstorbenen Schwester M ACRINA , sie habe ihn abends von der Bettwache fortgeschickt, damit er an der Licht-Danksagung, der evpilucni,ouj eu=caristi,a teilnehme. 494 An anderer Stelle berichtet er, die von ihm verehrte Macrina sei nach dem Verrichten des Licht-Dankgebetes ( evpilu,cnion eu=caristi,an ) aus dem Leben geschieden. 495 Die emotionsgeladene Beschreibung des Lebensendes seiner Schwester gibt zwar keine Auskunft über die inhaltliche Struktur dieser abendlichen Danksagung, zumindest lässt sich jedoch feststellen, dass das Gebet am Abend seinen festen Platz im gottesdienstlichen Vollzug der kappadokischen Christenheit gehabt haben muss. Das Abendgebet scheint üblicherweise in Gemeinschaft innerhalb eines Kirchenraumes, falls man verhindert war, jedoch auch daheim vollzogen worden zu sein, denn M ACRINA spricht das Abendgebet ganz selbstverständlich auf ihrem Krankenbett. Der im gleichen Jahr wie seine Schwester M ACRINA verstorbene B ASILIUS VON C ÄSAREA (229/ 330-379 n. Chr.) 496 ist der älteste Textzeuge für den Abendhymnus fw/ j i` laro, n . 497 In seiner Schrift De spiritu sancto nimmt er auf das trinitarische Mittelstück des dreiteiligen, ansonsten christologisch geprägten Hymnus Bezug und sagt über ihn, er werde seit Urzeiten vom Volk gesungen. 498 In der Übersetzung der textkritischen Fassung P LANKS erscheint der Hymnus, auf den B ASILIUS anspielt und der aller Wahrscheinlichkeit schon aus dem 2. Jh. stammt, in folgender Gestalt: 499 „Freundliches Licht heiliger Herrlichkeit des unsterblichen Vaters, des himmlischen, heiligen, seligen Jesu Christe! 491 TA 25 (FC 1,274-277). 492 Während mit der Darbringung von Brot und Wein die Danksagung für die Hingabe Jesus Christi verknüpft wird, steht in der Lichteucharistie die Danksagung für die Offenbarung im Vordergrund. 493 Vgl. D ÜNZL , F RANZ : Art. „Gregor v. Nyssa“. In: LACL 299-304. 494 G REGOR VON N YSSA , De Vita Macrinae 22 (SChr 178, 212; ed. P IERRE M ARAVAL . Paris 1971). 495 Ebd., 25 (SChr 178,226-229). 496 Vgl. P AULI , J UDITH : Art. „Basilius von Cäsarea“. In: LACL 114-120. 497 S. B ASILIUS DER G ROSSE , De Spiritu Sancto 73. (De Spiritu Sancto [gr./ dt.] = Über den Heiligen Geist. Übers. u. eingel. v. H ERMANN J OSEF S IEBEN (FC 12) Freiburg i. Br./ Basel / Wien / Rom / New York 1993, 300-302). 498 Vgl. ebd. 499 P LANK , P ETER : Phos hilaron. Christushymnus und Lichtdanksagung der frühen Christenheit (Hereditas. Studien zur Alten Kirchengeschichte 20) Bonn 2001, 37. <?page no="126"?> 112 Da wir kommen zu der Sonne Untergang und sehen das abendliche Licht, preisen wir den Vater und den Sohn und Gottes Heiligen Geist. Würdig bis Du besungen zu werden zu allen Zeiten mit geziemenden Liedern, Gottes Sohn, Spender des Lebens; deshalb verherrlicht Dich die Welt.“ 500 Der Dank für die Offenbarung ist genau genommen der Dank für die Vermittlungstätigkeit Christi: „Freundliches Licht heiliger Herrlichkeit des unsterblichen Vaters, des himmlischen, heiligen, seligen Jesu Christe! “ Als Licht der Welt offenbart er die Herrlichkeit dessen, der in unzugänglichem Licht wohnt (vgl. Joh 1,18; 14,9; 1 Tim 6,16). Das Schwinden des natürlichen Lichtes und das Anzünden künstlichen Lichtes ist der Anlass für den Lobpreis. Über die liturgische Funktion des altkirchlichen Lichthymnus können nur vage Angaben gemacht werden. P LANK sieht ihn in Verbindung stehend mit den in Textzeugnissen genannten aber nicht genau beschriebenen Luzernarpsalmen und -hymnen. Außerdem erwägt er, dass es sich bei den drei Strophen des Hymnus um eigenständige, in verschiedenen Abendriten verwendete Texte handeln könnte. 501 Eine gewisse Nähe zur jüdischen Lichtberakah vor dem Essen zum Ein- und Ausgang des Sabbat ist unübersehbar: „Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der du uns geheiligt durch deine Gebote und uns befohlen, das Sabbatlicht zu entzünden.“ 502 b Agape und Eucharistie 503 Im frühen Christentum verband sich das Abendgebet mit dem Abendessen; davon zeugt auch die Emmaus-Perikope. Die Jünger bitten den unerkannten Auferstandenen: „Bleib doch bei uns; denn es wird bald Abend, der Tag hat sich schon geneigt.“ (Lk 24,29) Es liegt nahe, dass sich in dieser Aufforderung mehr verbirgt, als die bloße Sorge um das nächtliche Weiterwandern des Unbekannten. Die Abendzeit ist den jüdischen Riten nach die Zeit für das gemeinschaftliche Abendgebet, daher bitten die Jünger Christus zu verweilen. Die Emmaus- Perikope kann also als eine Kultätiologie gedeutet werden, bestehend aus Schrifterschließung und Eucharistiefeier („Und als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen.“ Lk 24,30). Abgesehen von der Nahrungsaufnahme, die in südlicheren Kulturen üblicherweise am Abend zugeführt wird, ist also im Abendessen ein rituelles Mahl eingeschlossen. Die oben schon zitierte T RADITIO A POSTOLICA bezeugt eine sich an Lichtritus und Sättigungsmahl anschließende Agapefeier, in der durch den Bischof Brot gesegnet wird: „Nach dem Mahl soll man sich zum Gebet erheben. Die Kinder sollen Psalmen sprechen, ebenso die Jungfrauen. Danach nimmt der Diakon den Kelch mit dem Mischtrank und spricht einen von den Alleluja-Psalmen. Falls der Presbyter es an- 500 Übersetzung in: Der Orthodoxe Vespergottesdienst. Sämtliche Chor- und Lektorenteile nebst den Eigentexten des Sonntagsoktoich, eingerichtet für mehrstimmigen gemischten Chor. Berab. v. K ATHARINA S PONSEL und P ETER P LANK . Recklinghausen 1988, 41- 45. 501 Vgl. P LANK , Phos hilaron, 137-146. 502 Sidur Sefat Emet. Übers. v. S AMUEL B AMBERGER , Basel 1986, 80. Vgl. P LANK , Phos hilaron, 43f. Vgl. auch W INKLER , Kathedralvesper, 76. 503 Für diesen Abschnitt siehe, durchaus mit inhaltlichen Vorbehalten, G AMBER , Sacrificium vespertinum. <?page no="127"?> 113 ordnet, sollen dann noch weitere dieser Psalmen folgen. Nachdem der Bischof den Kelch dargebracht hat, betet er einen der zum Kelch passenden Alleluja-Psalmen. Alle sprechen es (sc. das Alleluja) gleichzeitig mit. Wenn man die Psalmen rezitiert, sollen alle das Alleluja sprechen. Das bedeutet: Wir loben den, der Gott ist. Herrlichkeit und Lob dem, der die ganze Welt allein durch sein Wort geschaffen hat. (vgl. Dan 3; Ps 33,6; 92,1; Ex 3,4). Ist der Psalm beendet, soll er den Kelch segnen und die Brotstückchen allen Gläubigen geben.“ 504 Ein weiteres wesentliches Element der Emmaus-Perikope besteht in dem Hören des Wortes Gottes und seiner Auslegung („Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.“ Lk 24,27) Deshalb finden wir beispielsweise bei J OHANNES C HRYSOSTOMOS (um 349 - 409 n. Chr.) 505 vor bzw. während der abendlichen Lichtdanksagung eine gemeindliche Schriftkatechese. 506 [Ende des Exkurses] In vorliegendem Lied zeigt sich also der Bezug auf basale liturgische Formen, die an das Alltagsgeschehen anknüpfen und es rituell ausdeuten: Das Anzünden des Lichtes bei hereinbrechender Dunkelheit und das Abendessen in Gemeinschaft. Der Wechsel von Licht und Dunkelheit regt, das zeigt die (unabsichtliche? ! ) Verbindung beider Themen im Lied, bis heute zu einer christologischen Ausdeutung des Abends an. 3) Isotopie ‚Leben als Weg’ In der zyklisch erlebten Zeit wird das eigene Leben zur Wanderung durch Licht und durch Dunkelheit. Das WIR ist Gottes Volk auf dem Weg durch die Zeit. Der Weg ist nicht durchweg eben und immer gut ausgeleuchtet, manchmal ist er verborgen und unwegsam. Daher wird auf die Hilfe Gottes gehofft. Besonders in dunklen Stunden hofft man daher, Gott als Geleit zur Seite zu haben. Diese Lebenswanderung dauert, solange bis es für immer tagt und der Wechsel der Zeiten ein Ende hat. In diesem Lied verschränken sich also zyklisches und lineares Zeitverständnis und damit schöpfungstheologische und heilsgeschichtliche Assoziationen, die einerseits im natürlichen Rhythmus der Tageszeiten und dem damit verbundenen Wechsel von Licht und Dunkelheit und andererseits im Mitsein Gottes auf dem Weg bis zum Ende der Zeit deutlich werden. 504 TA, 25 (FC 1,276-279; ed. W ILHELM G EERLINGS ). Vergleichbares wird berichtet aus dem ägyptischen Raum für den Samstagabend. S OCRATES VON K ONSTANTINOPEL (nach 381 - nach 439 n. Chr.) beschreibt er in seiner Kirchengeschichte den in Cäsarea und auf Zypern ungewöhnlichen Ritus des abendlichen Lichtanzündens, bei dem samstags und sonntags längere Schriftauslegungen üblich seien. (S OCRATES , Historia Ecclesiastica V,22 [PG 67,29-842. 636A]). Vgl. hierzu auch B RADSHAW , Daily Prayer, 92; U LRICH , J ÖRG : Art. „Sokrates“. In: LACL 646f. 505 Vgl. D ÜNZL , F RANZ / K ACZYNSKI , R EINER : Art. „Johannes Chrysostomus“. In: LACL 378-385. 506 Diese Information erhalten wir durch eine Randbemerkung des Bischofs während einer Predigt. Vgl. J OHANNES C HRYSOSTOMOS , In Genesim Sermo IV,3 (PG 53/ 54, 593- 598. 597). Bei P LANK wird versehentlich auf die ähnlich lautende Schrift Homilia in Genisim verwiesen; vgl. P LANK , Phos hilaron, 57 (FN 59). <?page no="128"?> 114 c Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie Sowohl im Lied Ein Tag geht nun zu Ende, Herr als auch im Ritus des Luzernariums wird die Kontrastfunktion des Abends hervorgehoben. Beide nehmen die Unterscheidung von Licht und Dunkelheit bzw. die Ersetzung des Tageslichts durch Lampenlicht zum Anlass für ihren Vollzug. Im Lied kommt dem Abend außerdem eine unterscheidene Rolle zu: im Übergang vom Tag (Str. 1) zur Nacht (Str. 3) markiert der Abend eine Wende. Das Luzernarium wird „am Übergang“ vom Tag zur Nacht, also bei Anbruch der Dunkelheit vollzogen. Gemäß dem Phasenmodell VAN G ENNEPS wird hier die trennende, ablösende Phase betont. In ähnlicher Weise ist der im Lied beschriebene Vollzug, zumal durch das Signalwort ‚nun’ in Str. 1,1 in diese Trennungsphase einzuordnen. Der Abend wird sowohl im Ritus als auch im Lied in besonderer Weise als gottesdienstliche Zeit qualifiziert: Die naturhaften Veränderungen des zyklischen Wechsels von Licht und Dunkelheit regen dazu an, alltägliche Notwendigkeiten wie die des Lichtanzündens mit einem anderen „Sinn“ zu belegen. Das Lampenlicht wird zum Sinnbild für das Licht Christi. Mit seiner beginnenden Dunkelheit wird der Abend zum Antagonisten dieser unbesiegbaren Sonne. Er repräsentiert so Unwissenheit und Unglauben, das rituell entzündete Licht steht hingegen auch als Symbol für Glauben und Gewissheit. <?page no="129"?> 115 3 Gehe ein in deinen Frieden! 1,1 1,2 Gehe ein in deinen Frieden! Schlafe einen guten Schlaf! 1,3 1,4 Ruh dich aus von deiner Arbeit, und gesegnet sei die Nacht. 1,5 Mondlicht fließt herab vom Himmelszelt, 1,6 und der Tau glänzt auf unserm Feld. 1,7* Preist den Tag und die Nacht! Preist die Nacht und den Tag! 1,8* Preist die Sonne, preiset die Erde, preist den Herrn aller Welten. 1,9* Amen. Amen 2,1 2,2 Ihn, um den die Sterne kreisen, ihn, der alle Himmel kennt, 2,3 2,4 preist ihn, der in unsern Nächten heller als die Sonne brennt: 2,5 Der das Grauen, der den Tod bezwang, 2,6 beugt sich über unseren Schlaf. 2,7* Preist den Tag und die Nacht! Preist die Nacht und den Tag! 2,8* Preist die Sonne, preiset die Erde, preist den Herrn aller Welten. 2,9* Amen. Amen <?page no="130"?> 116 Das Lied, dessen Abdruck hier gemäß *EG 489 erfolgt, ist in zwei Phasen entstanden: H ELMUT K ÖNIG übertrug 1957 die erste Strophe frei nach dem jüdischen Lied Ba’a menucha. 507 C HRISTINE H EUSER fügte 1966 eine zweite, vom Original unabhängige Strophe an und gestaltete durch Wiederholung des 7. bis 9. Verses den zweiten Teil der ersten Strophe als Refrain. 508 a Formale Analyse Die Weise wurde von der jüdischen Vorlage mit kleineren Änderungen übernommen. Statt eines 4/ 4 Taktes wird in Gehe ein in deinen Frieden ein Alla breve Takt verwendet. Auch Anfang und Schluss des Originals sind rhythmisch anders gebaut. Im ersten Motiv, das die ersten beiden Takte umspannt, wird zugunsten einer gemeindlichen Nachvollziehbarkeit auf die Synkopen verzichtet: 507 Ba’a m e nucha RUHE KOMMT 1,1 1,2 Ba -a mnu -cha la-ja -ge-a u-mar-go-a le-a-mel Ruhe kommt für den Erschöpften und Erholung für den müden Arbeiter. 1,3 1,4 lai-la chi-wer miss-ta-re-a al ssdot e-mek jis-re-el Blass breitet sich die Nacht aus über die Felder der Ebene Jisreel. 1,5 1,6 tal mil-ma-ta u-lwa-na me-al mi-bet al-fa ad na-ha-lal Tau von unten, von oben weißes Mondlicht, von Beth Alfa bis Nahalal. R,1 R,2 ma ma lai-la mi-lel dma-ma be-jis-re-el Was ist irgendeine Nacht verglichen mit einer Nacht der Stille in der Ebene Jisreel? R,3 R,4 nu-ma e-ek e-rez tif-e-ret a-nu le-cha misch-me-ret . Schlummre Tal, du wunderbares Land, wir wollen dir die Wacht halten. 2,1 2,2 Jam ha-da-gan mit-no-e-a schir ha-e-der me-zal-zel Das Kornmeer wogt, das Lied der Herde klingt. 2,3 2,4 su-hi ar-zi u-ssdo-te-ha se-hu e-mek jis-re-el Dies ist mein Land mit seinen Feldern, dies ist die Ebene Jisreel. 2,5 2,6 te-wo-rach ar-zi u-te-hu-lal mi-bet al-fa ad na-ha-lal. Gesegnet sei mein Land und gepriesen, von Beth Alfa bis Nahalal. 3,1 3,2 O-fel be-har ha-gil-bo-a ssuss do-her mi-zel le-zel. Finsternis über dem Gebirge Gilboa, ein Pferd trabt von Schatten zu Schatten. 3,3 3,4 kol se-a-ka af ga-wo-a mi-ssdot e-mek jis-re-el Ein Schrei steigt auf von den Feldern der Ebene Jisreel. 3,5 3,6 mi ja-ra u-mi se scharr na-fal ben bet al-fa we-na-ha-lal. Wer schoss, und wer ist’s, der dort fiel, zwischen Beth Alfa und Nahalal? Text: N ATHAN A LTERMAN ; Weise: D ANIEL S AMBURSKY Übers. v. A NDREAS B ROSCH / M ICHAEL Z ANK . In: *ASCHIRA 31. D ANIEL S AMBURSKY (*1909 in Königsberg) tritt mit diesem Lied in dem israelischen Propagandafilm „Le Chayim Chasidim“ (The Land of Promise/ Das gelobte Land) von 1934 auf. Es wird eine Szene einer abendlichen Singstunde im Kibbuz gezeigt. Vgl. H ERBST , W OLFGANG : Filmmusik im Gesangbuch. Das Abendlied „Gehe ein in deinen Frieden“. In: MuK 77 (2007) H. 5, 348f. 508 Vgl. hierzu T HUST , K ARL -C HRISTIAN : Das Kirchen-Lied der Gegenwart. Kritische Bestandsaufnahme, Würdigung und Situationsbeschreibung. (VEGL 21) Göttingen 1976, 178. <?page no="131"?> 117 Das Schlussmotiv variiert nicht nur in rhythmischer, sondern auch in tonaler Hinsicht: Am Ende des ersten und zweiten Satzes steht zudem in Ba’a menucha statt eines ganzen Notenwertes eine punktierte Halbe mit ¼ Pause. Außerdem wird dort die fünfte Phrase wiederholt, ohne das doppelte Amen, das das deutsche Lied beschließt. Während dessen Weise eindeutig als dorisch zu identifizieren ist, zeigt der Notentext des jüdischen Liedes durch das Vorzeichen an, dass es in harmonischer Hinsicht eigentlich als d-moll gedacht ist. Insgesamt ist die Weise des deutschen Liedes als eingängig zu bezeichnen, was vor allem durch die motivischen Wiederholungen geleistet wird. Das gleiche gilt auch für den Text. Die Sprache ist recht schlicht gehalten und verfügt überdies über einer geringe lexematische Vielfalt. So kommt im Gesamtvollzug des Liedes beispielsweise sechsmal die Nacht vor, eine Form des Wortes preisen sogar elfmal. Besonders im Refrainteil der Verse 7 bis 9 entsteht durch die Spiegelung der verwendeten Begriffe (Preist den Tag und die Nacht - preist die Nacht und den Tag) eine Art beruhigende Redundanz. Adjektive finden sparsame Verwendung (guten 1,2; heller 2,4). Einige Metaphern sorgen für die Bildhaftigkeit des Liedes: So wirkt die Metapher Gott als Planet oder als Mittelpunkt, um den die Sterne kreisen (2,1) stimmig; ebenso verhält es sich mit der gemäß der jüdischen Vorlage entstandenen Wendung des vom Himmelszelt fließenden Mondlichts (1,5: von unten Tau, von oben weißes Mondlicht). Die Verben, die vorwiegend im Präsens gehalten sind (mit Ausnahme von bezwang (2,3)), treten in der ersten Strophe gehäuft in imperativischer Form auf (gehe ein (1,1); schlafe (1,2); ruh - aus (1,3); Preist/ preiset (*1,7f; 2,3; *2,7f.)), in der zweiten eher in indikativischer Form (fließt (1,5); glänzt (1,6); kreisen (2,1); kennt (2,2); brennt (2,4); bezwang (2,5); beugt sich (2,6)). Mit einer Ausnahme (Mondlicht 1,5) werden alle Substantive entweder in Verbindung eines direkten Artikels oder eines Pronomens verwendet: einen Schlaf (1,2), alle Himmel (2,2); die Nacht (1,4); vom (von dem) Himmelszelt (1,5); der Tau (1,6); den Tag (2x) (*1,7; *2,7); die Nacht (2x) (*1,7; *2,7); die Sonne ( * 1,8; *2,8); die Erde (*1,8; *2,8); den Herrn aller Welten (*1,8; *2,8); die Sterne (2,1); die Sonne (2,4); das Grauen (2,5); den Tod (2,5); deinen Frieden (1,1); deiner Arbeit (1,3); unserm Feld (1,6); unsern Nächten (2,3); unsern Schlaf (2,6). Zusammen mit den Imperativen hinterlässt die Fülle der Pronomina einen eindrücklich-fordernden und zugleich intimen-persönlichen Eindruck. Ihr häufiger Gebrauch, der fast seltsam anmutet, lässt das Stück insgesamt wenig poetisch gelungen erscheinen. T HUST beanstandet bei diesem Lied, dass es ‚zu große Worte’ verwende; 509 in der Tat werden vor allem im ersten Liedteil viele Abstrakta benannt, ohne sie mit weiterem Inhalt zu füllen, wobei, abgesehen von Grauen 509 Vgl. T HUST , Das Kirchen-Lied der Gegenwart, 685f. (FN 3285). <?page no="132"?> 118 und bezwang (2,5), das Vokabular über positive bzw. neutrale Bedeutung verfügt. Problematischer sind die Sprechrichtung des Liedes und die damit verbundene Textintention. Während in der ersten Strophe in den Versen 1 bis 4 eine Einzelperson adressiert zu sein scheint, tritt in 1,6 eine SENDER-Gruppe in Erscheinung (unserm Feld), ebenso in 2,6 (unsern Schlaf). Im Refrain wird eine Gruppe zum Lobpreis aufgefordert, was in der zweiten Strophe wiederholt wird (2,3). Der Aufführungsmodus bietet hierbei eine Verständnishilfe: Die Partitur sieht einen Wechselgesang zwischen zwei Gruppen vor, die sich in einer Art antiphonaler Psalmodie die Liedteile zusingen. So ist es zum einen denkbar, dass sich in der einleitenden Singular-Anrede jedes Gruppenmitglied angesprochen fühlen kann und die Imperative einem Gute-Nacht- Wunsch gleichkommen. Denkbar wäre es zum anderen, dass in dieser Zurede der VV 1,1 bis 1,3 bzw. 1,4 Gottes Wort wiedergegeben wird. Das jüdische Original ist in dieser Hinsicht eindeutiger; dort spricht eine Sängergruppe. Syntaktisch sind die beiden Strophen unterschiedlich konzipiert: die erste Strophe gliedert sich in ihrem ersten Teil in insgesamt vier Sätze, die zum Ende hin immer vielschichtiger strukturiert sind. Die erste Zeile umfasst zwei schlichte Hauptsätze; die zweite einen Satz mit zwei Hauptsätzen; die letzten beiden Zeilen umspannt ein Satz mit zwei durch und verbundene Hauptsätzen, die durch zusammengesetzte Substantive (Mondlicht / Himmelszelt) komplexer gestaltet sind. Der erste Teil der zweiten Strophe hingegen besteht aus einem Satz, der sich in vier vorangestellte Relativsätze und einen Hauptsatz gliedert. Ein Unterschied im Verhältnis zur ersten Strophe liegt also in syntaktischer Hinsicht in der Entwicklung der Textaussage begründet. Die Übersicht auf der folgenden Seite veranschaulicht das syntaktische Gefüge. 1,1 Gehe ein in deinen Frieden! 1,2 Schlafe einen guten Schlaf! 1,3 Ruh dich aus von deiner Arbeit, 1,4 und gesegnet sei die Nacht. 1,5 Mondlicht fließt herab vom Himmelszelt, 1,6 und der Tau glänzt auf unserm Feld. 1,7* Preist den Tag und die Nacht! Preist die Nacht und den Tag! 1,8* Preist die Sonne, preiset die Erde, preist den Herrn aller Welten. 1,9* Amen. Amen 2,1 Ihn, um den die Sterne kreisen, 2,2 ihn, der alle Himmel kennt, 2,3 Preist ihn, der in unsern Nächten heller als die Sonne brennt: 2,4 Der das Grauen, 2,5 der den Tod bezwang, 2,6 beugt sich über unseren Schlaf. 2,7* Preist den Tag und die Nacht! Preist die Nacht und den Tag! 2,8* Preist die Sonne, preiset die Erde, preist den Herrn aller Welten. 2,9* Amen. Amen <?page no="133"?> 119 Der Liedanfang entfaltet in drei Stufen - Frieden (1,1), schlafe (1,2) und Ruh (1,3) - den Themenbereich „Rekreation“. Es schließt sich eine Skizze der Nacht (1,4) durch „Naturbilder“ (Mondlicht (1,5) und Tau (1,6)) an. In der zweien Strophe erfolgt eine Vernetzung der Satzteile durch das allen Versen gemeinsame Referenzobjekt Herrn aller Welten (1,8*; 2,8*). Ein beide Strophen umfassender Konnektor bildet das Lexem preist / preiset. b Inhaltliche Analyse Aus diesen die Textteile verbindenden Konnektoren lassen sich insgesamt vier Basis-Isotopien ermitteln, wobei sich das Themenfeld ‚Natur - Schöpfung’ differenzierter in Gestirne, Tageszeiten und Naturvorgänge unterteilen ließe. Da dadurch allerdings kein weiterer Erkenntniszugewinn zu erwarten ist, wird eine Differenzierung außer Acht gelassen. Die Isotopie ‚Lobpreis’ ist eng verbunden sowohl mit der Bedeutungsebene ‚Naturbilder’, als auch mit der ‚Herrn der Welten’“, sodass beide in Relation zur Hauptisotopie betrachtet werden. Rekreation Lobpreis Natur / Schöpfung Herr der Welten 1,1 Frieden 1,2 Schlafe - (guten) Schlaf 1,3 Ruh - aus von Arbeit 1,4 Nacht gesegnet 1,5* Mondlicht Himmelszelt 1,6* Tau Feld 1,7* Tag (2x) Nacht (2x) Preist (2x) 1,8* Sonne Erde preist (2x) preiset Herrn aller Welten 1,9* Amen (2x) 2,1 Sterne Ihn 2,2 Himmel Ihn 2,3 Nächten preist ihn 2,4 Sonne - brennt 2,5* Der das Grauen, der den Tod bezwang, 2,6* Schlaf beugt sich über 2,7* Tag (2x) Nacht (2x) Preist (2x) 2,8* Sonne Erde preist (2x) preiset Herrn aller Welten 2,9* Amen (2x) 1) Isotopie ‚Rekreation’ Die Nacht als Zeit der Rekreation wird durch Gehe ein in deinen Frieden! ausschließlich positiv gedeutet. Die Nacht ist Zeit des inneren und äußeren Friedens (1,1), der kommende Schlaf wird als guter Schlaf deklariert (1,2), sie ist Zeit der Arbeitsruhe und Regenerierung (1,3). Nächtliche Schlaflosigkeit, Leiden und Ängstlichkeit sind der Welt des Liedes fremd. Vielmehr wird die <?page no="134"?> 120 Nacht durch und durch als ein Segen begriffen (1,4). Genau genommen wird sogar die Nacht in ihrer rekreativen Kraft selbst gesegnet. Der Schlaf bildet die thematische Klammer (1,1/ 2,4) des Liedes, dazwischen dominiert der Lobpreis. Hier liegt gleicherweise ein Loblied und ein Schlaflied vor, d.h. eigentlich beginnt das Stück als Schlaflied, die ersten drei Zeilen bestehen im Wesentlichen aus rekreationalen Elementen, und es verwandelt sich dann in ein Preislied. Aus der Möglichkeit zur Rekreation erwächst Dankbarkeit für die umgebende Schöpfung und für den Herrn aller Welten, der diese Schöpfung schuf. Die Zusagen oder Segenssprüche der ersten drei Verse sind vermutlich an den Talmud angelehnt, in dem ein Verstorbener von drei Engelscharen begrüßt wird: Die erste sagt „Es komme in Frieden“, die zweite „wer in Gerechtigkeit handelt“ und die dritte schließt mit den Worten „Er gehe ein in Frieden und ruhe aus auf seinem Lager.“ 510 Die Singenden sind als Geschöpfe auf den Tod hin festgeschrieben 511 und gelangen im Tod zu der ewigen Ruhe zum umfassenden Frieden beim Höchsten. Der Schlaf ist als kleiner Bruder des Todes nicht nur ein Vorzeichen der Kontingenz menschlichen Lebens, sondern auch der Vorbote des göttlichen Friedens. 512 Aus diesem memento mori ergibt sich in diesem Lied nicht die Trauer um die Endlichkeit, sondern eine Art Vorfreude auf die Ewigkeit. 2) Isotopie ‚Lobpreis der Schöpfung und des Herrn’ Zentral ist für das Lied die Aufforderung zum Lobpreis, die insgesamt elfmal ergeht. Das in der deutschen Alltagssprache nicht mehr geläufige Wort preisen findet in der Bibel seine Entsprechung im semitischen brk*, das mit JHWH als Subjekt segnen bedeutet, aus der Perspektive des Menschen mit JHWH als Objekt preisen bezeichnet (vgl. z.B. Gen 14,20; 24,27; Pss 31,22; 126,6). Mit dem Preis verbindet sich eine Anamnese, in der der Taten Gottes gedacht und für sie gedankt wird, ein Kombination, die sich bis in die christlichen Eucharistiegebete hineinzieht. Im Preis vereinen sich also lobende, dankende und segnende Elemente. Es lassen sich im Lied insgesamt vier Bereiche ausmachen, die Segen, Lob und Dank erfahren: (1) die menschliche Ruhe und Erholung (2) die Zeit, namentlich Tag und Nacht (3) die Gestirne Sonne und Erde und schließlich (4) Gott selbst. Eigentlich ist es aber doch Gott, der dem Menschen seinen Segen zuteil und auf diese Weise ein Heilshandeln offenbar werden lässt. Gott segnen, das meint in Anlehnung an das lateinische benedicere zunächst Gutes über Gott sagen. Hier wird der Schöpfer nicht nur durch das Lob der Schöpfung gepriesen, sondern im letzten er 510 Der Talmud. Aus der 7. englischen Ausgabe ins Deutsche übertr. von E MANUEL D EUTSCH . Berlin 2 1869, 54. 511 Vgl Str. 3,4 aus dem Schriftlied (Der Chaos schuf zu Menschenland) von H UUB O OSTERHU- IS , M: A NTOINE O OMEN , z.B. in: *Unterwegs 37. 512 Zum Bild des Schlafes für den Tod vgl. den Exkurs: Commendatio animae I D 10 b 3). <?page no="135"?> 121 selbst. Gelobt wird hier der Schöpfer und der Erlöser, der das Universum formte (1. Str.) und der die Welt erlöst (2. Str.) 513 . Es stellt sich die Frage, ob dieses Lied lediglich eine Aufforderung darstellt oder schon das Tun des Geforderten wiedergibt. Aus 1,4 lässt sich erschließen, dass letzteres vorliegt: gesegnet sei die Nacht. Hier wird deutlich, dass es sich um eine Form der performativen Rede handelt. Die Aufforderung ist selbst schon ein Segen der Schöpfung. Das jüdische Lied fungiert hier lediglich als eine Art Stichwortvorgabe hinsichtlich der Termini des deutschen Liedes (Ruhe, Erholung, Arbeit, Nacht, Tau, Mondlicht, Feld), wobei in der Adaption der Bezug zum Land Israel ausgespart bleibt: Gehe ein in deinen Frieden Ba’a M e nucha / Ruhe kommt 1,1 1,2 Gehe ein in deinen Frieden! Schlafe einen guten Schlaf! Ruhe kommt für den Erschöpften 1,3 Ruh dich aus von deiner Arbeit, und Erholung für den müden Arbeiter. 1,4 und gesegnet sie die Nacht. Blass breitet sich die Nacht aus 1,5 Mondlicht fließt herab vom Himmelszelt, über die Felder der Ebene Jisreel. 1,6 und der Tau glänzt auf unserm Feld. Tau von unten, von oben weißes Mondlicht, von Beth Alfa bis Nahalal. Gehe ein in deinen Frieden! stellt sich jedoch durch Ergänzung eines expliziten Lobpreises ganz bewusst in die Tradition der jüdischen Berakot. So heißt es analog zum Liedtext in der Benediktion über Israel nach dem Lichtanzünden im jüdischen Abend-Amid am Ausgang des Sabbats: „Gott gebe dir vom Tau des Himmels und der Fruchtbarkeit der Erde, Fülle an Getreide und an Most. Völker mögen dir dienen, Reiche sich vor dir bücken, sei der Herr deiner Brüder, und bücken mögen sich vor dir die Söhne deine Mutter, die dir fluchen, seien geflucht, die dich segnen, gesegnet. […] Gesegnet seist du in der Stadt, und gesegnet seist du auf dem Felde. Gesegnet seist du bei deinem Eingang, und gesegnet seist du bei deinem Ausgang. […]“ 514 [Hervh. Vf.] Was im Lied zunächst wie eine wahllose Assoziation idyllischer Bilder anmutet, offenbart auf dem Boden der jüdischen Gebetstradition seinen tieferen Sinn (vgl. Dtn 32; Dan 3,51-90). Indem nämlich die Sänger die Wortpaare aus dem Segensgebet zitierend aufgreifen, um einander zu segnen (sic! ), stel- 513 Die zweite Strophe erinnert an die Auferstehungsstichera des J OHANNES VON D AMAS- KUS für den Ostermorgen in der byzantinischen Liturgie: „Wir besingen in Hymnen dein rettendes Leiden, o Christus, und deine Auferstehung preisen wir. Du hast erduldet das Kreuz, vernichtet den Tod. Du standest auf von den Toten. So befriede denn unser Leben als einzig allgewaltiger Herr. Du hast den Hades der Rüstung beraubt und wecktest auf durch deine Auferstehung, Christus, den Menschen. So würdige uns, mit reinem Herzen dir Hymnen zu singen, zu bringen dir Lobpreis. Deiner göttlichen Herablassung sagen wir Preis und singen, Christus, dir Hymnen. Du wardst aus der Jungfrau geboren und trenntest vom Vater dich nicht. Du littest als Mensch. Freiwillig ertrugst du das Kreuz. Du standest auf aus dem Grab, hervortretend wie aus einem Gemache, zu retten die Welt. Herr, Ehre sei dir.“ K IRCHHOFF , K ILIAN : Osterjubel der Ostkirche. Hymnen aus der fünfzigtägigen Osterfeuer der byzantinischen Kirche. Münster 2 1961, 24. 514 Sidur Sefat Emet, 192f. <?page no="136"?> 122 len sie sich in die Tradition des Volkes Israel, an das die Zusage erging, ein Land zu erben, in dem Milch und Honig fließen (Dtn 63 u.ö.). Die Fruchtbarkeit des Lebensbereichs wird zum Zeichen von Gottes reichen Segen, den der Mensch an seine Umwelt weitergibt. E XKURS : Abendliche Danksagung Der lobende und preisende Charakter des Liedes hat seine Wurzeln in der Eucharistia Vespertina, die eine gewisse Parallele zu den heutigen jüdischen Abendgebeten aufweist. Sie ist geprägt von der kosmologischen Wahrnehmung von Tag und Nacht in ihren Rhythmen von Sonne und Mond und sie betont in Anlehnung an den Schöpfungsbericht (Gen 1) die Unterscheidung und den Kontrast von Licht und Finsterns. Daher heißt es im jüdischen Abendgebet am Sabbat: „Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der du durch dein Wort die Abende herbeiführst, in Weisheit die Tore öffnest, in Einsicht die Zeiten veränderst, die Stunden wandelst und die Sterne nach ihren Abteilungen am Himmel ordnest nach deinem Willen. Du erschaffst Tag und Nacht, läßt das Licht weichen vor der Finsternis und die Finsternis vor dem Licht, führst hinweg den Tag und bringst die Nacht und unterschiedest zwischen Tag und Nacht, Herr der Heerscharen ist dein Name; du lebendiger, ewiger Gott wirst stets über uns regieren, immer und ewig. Gelobt seist du, Ewiger, der du die Abende herbeiführst.“ 515 Die Unterscheidung von Licht und Finsternis werden als Zeichen von Gottes Schöpfersein betrachtet. Er ist derjenige, der aus der chaotischen Nacht eine ordnende Einteilung in Tageszeiten bildete, den Tag für die Arbeit und die Nacht als Zeit der Rekreation, um dadurch der Welt nicht nur ihre Struktur, sondern auch ihre Besonderheit zu geben. 516 Darin mag auch der Grund liegen, weshalb der Schöpfungspsalm 104 im 5. Jh., wie aus einer Quelle des C AESARIUS VON A RLES zu schließen ist, auf der ganzen Welt des Abends in Kathedralkirchen und Mönchsklöstern gesungen wurde. 517 Ein Grund, weshalb er zur Vesper verwendet wurde, dürfte in VV 19-23 begründet liegen: 19 „Du hast den Mond gemacht als Maß für die Zeiten, die Sonne weiß, wann sie untergeht. 20 Du sendest Finsternis, und es wird Nacht, dann regen sich alle Tiere des Waldes. 21 Die jungen Löwen brüllen nach Beute, sie verlangen von Gott ihre Nahrung. 22 Strahlt die Sonne dann auf, so schleichen sie heim und lagern sich in ihren Verstecken. 23 Nun geht der Mensch hinaus an sein Tagwerk, an seine Arbeit bis zum Abend.“ Der Lobpreis Gottes ( hw"ïhñy>-ta, yvi ªp.n: ykiîr]B' ) ist verbunden mit einer die ganze Schöpfung (Himmel, Erde und Meer) umfassenden Anamnese. Gottes Herrlich- 515 Ebd., 86. 516 Vgl. G RÜNEWALD , P INCHAS P AUL : Licht und Stern. Zum jüdischen Jahreszyklus. Wien 1994, 13-15. 517 „De eo quod scriptum est: sol cognovit occasum suum. Psalmus ille, fraters carissimi, qui per omne mundum dicitur et in ecclesiis et in monasteriis ad duodecinam horam, ita paene omnibus hominibus notus est, ut eum maxima pars generis humani memoriter tenerat.” C AESARIUS VON A RLES , Sermo 136, 536 (CChr.SL 103,560-564, 560; ed. D. G ERMANI M ORIN Turnhout 1953). <?page no="137"?> 123 keit ( dAbåk'. ) spiegelt sich in seinem kreativen Handeln in der Welt, die immer wieder neu werdend sich aufschwingt, ihn zu rühmen. 518 Nach biblischer Zeitrechnung ist der Abend der Beginn der Zeiteinheit ‚Tag’: Es wurde Abend und es wurde Morgen: ein Tag (vgl. Gen 1,5 u.ö), die Geschöpfe werden durch ihren Schöpfer zunächst mit der Ruhe der Nacht beschenkt, bevor sie ihr Tagwerk zu verrichten haben. Im Geist dieses Zeitverständnisses lautet ein Bischofs-Gebet aus den A POSTOLISCHEN K ONSTITUTIONEN im 4. Jh. n. Chr., das strukturell und inhaltlich in Verwandschaft mit der oben zitierten Berakah des jüdischen Sabbatgebetes steht: „O Gott ohne Anfang und Ende, der du durch Christus alles erschaffen und regierst [...], du Herr des Geistes und König all dessen, was mit dem Verstande begriffen und durch den Sinn wahrgenommen werden kann, der du den Tag für die Werke des Lichts gemacht und die Nacht zur Ruhe unserer Schwäche: Dein ist der Tag und dein ist die Nacht (Ps 73 [74],16). Du hast das Licht und die Sonne eingerichtet: Nimm auch jetzt du selbst, o Herr, du Liebhaber der Menschen und Allerbester, diese unsere abendliche Danksagung gnädig auf. Der du uns durch die Länge des Tages hindurchgeführt und zum Beginn der Nacht hingeleitet hast, behüte uns durch deinen Christus; gewähre ruhigen Abend und sündenfreie Nacht und würdige uns des ewigen Lebens durch deinen Christus, durch welchen dir sei Ruhm, Ehre und Anbetung im heiligen Geiste, in Ewigkeit. Amen.” 519 Die Scheide von Licht und Finsternis, Sonnenauf- und Untergang werden hier nicht in erster Linie heilsgeschichtlich als Zeichen des Paschamysteriums gedeutet, auch wenn die Bitten um Vergebung der Sünden und um Schutz anklingen, vielmehr werden sie primär schöpfungstheologisch verstanden. Die Abendzeit ist der Beweggrund, Gott für die Schöpfung und für die in ihr grundgelegte Ordnung zu danken. So wie es in den Anfängen des Christentums neben der Eucharistie über Brot und Wein auch eine Eucharistie über das Licht gibt, 520 wird hier der Abend selbst zum Gegenstand der Danksagung gemacht. [Ende des Exkurses] c Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie Sowohl im Ritus der eucharistia verspertina als auch im Lied Gehe ein in deinen Frieden! bilden die durch die Schöpfung geschaffenen Gegensätze den Grund für den Lobpreis. Der Abend wird hier jeweils in seiner dichotomischen Funktion wahrgenommen; durch die Scheide von Licht und Finsternis bzw. von Tag und Nacht tritt der kontrastive Charakter des Abends hervor. 518 Vgl. K RAUS , H ANS -J OACHIM : Psalmen. Bd. 2: Psalmen 81-150. (BKAT XV/ 2) Neukirchen-Vluyn 2 1962, 706-715; W EISER , A RTUR : Die Psalmen (ATD 14/ 15) Göttingen 6 1963, 454-459. 519 CA 8,37,1-4 (SChr 336,246-248 ; ed. M ARCEL M ETZGER . Paris 1987); dt. Ü.: Apostolische Constitutionen. Übers. u. eingel. v. F ERDINAND B OXLER . Kempten 1874, 302. Zum vermeindlichen Verhältnis jüdischer Gebete zu denen in den Apostolischen Konstitutionen siehe F IENSY , D AVID A.: Prayers allerged to be Jewish: an examination of the Constitutiones Apostolorum. (Brown Judaic studies 65) Chico (Kalifornien) 1985, bes. 150- 154. F IENSYS Forschungen ergeben, dass das Morgen- und Abendgebet der A POSTOLI- SCHEN K ONSTITUTIONEN zwar jüdischen Gebeten sehr ähnlich sind, weil sie etwa fast identische Themen aufweisen, letztlich aber aufgrund von Eigenthemen und bestimmter Wendungen eindeutig als Arbeit des Redakteurs identifiziert werden und damit als christlich gelten müssen. 520 Vgl. Exkurs: Lichtfeier, Agape und Eucharistie I D 2 b 2). <?page no="138"?> 124 Die abendliche Danksagung wird ausdrücklich „am Übergang“ vom Tag zur Nacht vollzogen; in diesem Transitus wird die kontingente Schöpfung in konkreter Gestalt von Gestirnen und Menschen dem grenzenlosen Gott (dem „Gott ohne Anfang und Ende“) gegenüber gestellt. Während der abendlichen Danksagung wird die Schwelle vom Tag zur Nacht überschritten: Der Dank für die Schöpfung, der sich im Dank für den Abend konkretisiert, überführt den Beter vom Tag in die Nacht, bzw., wie es besonders im Lied deutlich wird, von der Arbeit zur Ruhe. Im Lied wird der Abend, der zwar nicht ausdrücklich erwähnt wird, jedoch implizit als Vorhut der Nacht mitgegeben ist, in seiner dunklen Eigenschaft metaphorisch gedeutet: Die Sonne Christus bezwingt Sünde und Tod, die ausweglose Finsternis. <?page no="139"?> 125 4 Hüll mich ganz in deine Ruhe ein 1,1 Hüll mich ganz in deine Ruhe ein. 1,2 Lastet Tageslärm auf meinem Denken, 1,3 löse ihn von mir und deck ihn zu! 1,4 Bring mich nun ganz zur Ruh. 2,1 War ich meinem Nächsten ein Problem, 2,2 ließ ich ihn allein mit seinen Sorgen: 2,3 Herr, ich seh die Schuld und bring sie dir. 2,4 Nimm die Last, trag sie mir. 3,1 Morgen fragen Augen mein Gesicht, 3,2 Prüfen mich ob meiner Worte Antwort. 3,3 Hilf mir, dass ich keinem, der in Not, 3,4 Steine geb, Stein statt Brot. 4 = 1 Text und Musik des Liedes stammen von J ÖRG S WOBODA (*1947 in Berlin), der u.a. als Liedermacher, als Pastor des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR und als Dozent am Theologischen Seminar in Bukow tätig war. Entstanden ist es im Jahr 1971; in den achtziger Jahren ist das Stück gleich in zwei Liederbücher in der DDR aufgeommen worden. 521 a Formale Struktur Das drei bzw. vierstrophige Lied, die erste Strophe wird am Schluss wiederholt, ist eine Mischung aus Schlaflied und Gewissenserforschung. Ein nicht 521 *Der Herr ist mein Lied 19 und *Hoffnung ist da 273, einem Liederbuch der Siebenten- Tags-Adventisten in der DDR. <?page no="140"?> 126 näher charakterisiertes ICH wendet sich in verschiedenen Bitten an ein DU, das in der Liedmitte näherhin mit HERR angeredet wird. Der Adressant wird eher durch seine kognitiven als seine emotionalen Eigenschaften konstituiert (Denken 1,2; seh 2,3). Zwischen ICH und DU besteht eine vertrauensvolle Beziehung. Die Rede des Liedtextes ist nur im jeweils zweiten Strophenteil bereimt, so dass sich das Schema abcc ergibt. Die Metrik eines trochäischen Fünfhebers mit wechselnder Kadenz in den ersten drei Zeilen verleiht dem Stück zusammen mit der Schlussformel, ein doppelter trochäischer Zweiheber mit männlicher Kadenz, elegischen Charakter. 522 Es scheint, als ob die Metrik so den nachdenklichen, selbstreflexiven Inhalt darzustellen versucht. Nachstehende Tabelle schlüsselt die unterschiedlichen Wortarten des Textes auf: Der Wortbestand des Liedes weist eine Fülle von Pronomina auf, hauptsächlich direkte Personalpronomina in der ersten Person Singular. Dadurch wird dem Text eine nachdrückliche und zugleich intime Wirkung verliehen. Die im Lied verwendeten Verben lassen sich in drei Gruppen einteilen: Zunächst fällt eine Häufung von Verben im Imperativ Singular auf (hüll - ein (1,1); löse; deck zu (1,3); bring (1,4); nimm, trag (2,4); hilf, (3,3)), die allesamt Bitten einleiten und die Eindringlichkeit der Anliegen unterstreichen. Die anderen Gruppen werden durch das Imperfekt (war (2,1), ließ allein (2,2)) bzw. das zeitlose, hier in die Zukunft weisende Präsens (fragen (3,1), prüfen (3,2), geb 522 Vgl. auch F RANK , Wie interpretiere ich ein Gedicht? , 112f. Adjektive/ Adverbien Substantive Possessivpronomina Personalpronomina Verben direkt indirekt Indikativ/ Konjunktiv Imperativ/ Deprekativ 1/ 4,1 ganz Ruhe deine mich hüll - ein 1/ 4,2 Tageslärm Denken meinem lastet 1/ 4,3 mir ihn ihn löse deck - zu 1/ 4,4 nun ganz Ruh mich bring 2,1 Nächsten Problem meinem ich war 2,2 allein Sorgen ich ihn seinen ließ 2,3 Herr Schuld ich sie dir seh bring 2,4 Last sie mir nimm trag 3,1 morgen Augen Gesicht mein fragen 3,2 ob Worte Antwort meiner mich prüfen 3,3 Not ich mir keinem hilf 3,4 statt Steine/ Stein Brot geb <?page no="141"?> 127 (3,4)) gebildet. An den Substantiven zeigt sich die geringe lexematische Varianz; dieser Eindruck wird durch die Wiederholung der ersten Strophe am Schluss verstärkt. Es ist so insgesamt vier Mal von Ruhe bzw. Ruh die Rede. Außerdem trägt die Wendung meiner Worte Antwort (3,2) redundante Züge. Das Lied verfügt nicht nur über ein einfaches Vokabular, sondern auch über eine schlichte Syntax, lediglich der syntaktische Anschluss des Genitivattributs durch ob in 3,2 könnte, zumal wegen der alltagssprachlich zu beobachtenden Missachtung des zweien Falles, Irritation hervorrufen: prüfen mich ob meiner Worte Antwort. Auffällig ist die Voranstellung des Verbs in fast jedem der Sätze: Satz 1 Hüll mich ganz in deine Ruhe ein. Satz 2a Satz 2b Lastet Tageslärm auf meinem Denken, löse ihn von mir und deck ihn zu! Satz 3 Bring mich nun ganz zur Ruh. Satz 4a Satz 4b War ich meinem Nächsten ein Problem, ließ ich ihn allein mit seinen Sorgen: Satz 5 Herr, ich seh die Schuld und bring sie dir. Satz 6a Satz 6b Nimm die Last, trag sie mir. Satz 7a Satz 7b Morgen fragen Augen mein Gesicht, prüfen mich ob meiner Worte Antwort. Satz 8a Satz 8b Satz 8c Satz 8d Hilf mir, dass ich keinem, … , Steine geb, der in Not, Stein statt Brot. Dort, wo auf die Inversion verzichtet wird, entsteht der Eindruck einer textlichen Zäsur, nach der entweder eine zentrale Aussage getroffen wird (2,3) oder etwas Neues beginnt (3,1). Die Primärposition des Verbs legt in Satz 2ab das Verständnis des Satzes als konditionalen Nebensatz mit einfachem Infinitiv nahe. 523 Deutet man auch im zweiten Fall, in Satz 4a+b, die Voranstellung des Verbs als Hinweis eines konditionalen Satzgefüge, dann entsteht eine Unstimmigkeit zur nachfolgenden Aussage: Falls ich meinem Nächsten ein Problem war (gewesen bin) und ihn allein mit seinen Sorgen ließ, seh’ ich die Schuld und bring sie dir. Hier scheint es sich eher um eine Frage in zwei aneinander gebundenen Hauptsätzen zu handeln, auch wenn dies nicht durch die Interpunktion anzeigt wird. So verstanden erhält der vierte Satz eine selbstreflexive Funktion. Auch die musikalische Struktur gibt einige Rätsel auf: Die Melodie mit dem Ambitus einer Oktave (h-h’) ist hypodorisch auf h angelegt; allerdings hilft hier eine Betrachtung unter modalen Gesichtspunkten nur bedingt weiter. Aus den Akkordbezeichnungen lässt sich für die zweite Zeile eine harmonische Bindung an H als Dominante zu e-moll ableiten. Alle anderen Zeilen sind harmonisch nach D-Dur gebildet. Die verdoppelte Schlussformel wirkt wie ein erzwungenes Ritardando und verleiht dem Text, den sie untermalt, ein gewisses Pathos. In den Strophen eins bzw. vier und zwei gelingt an die- 523 Denkbar wären ansonsten auch noch die Deutung als kausaler ([Es] lastet…, [deswegen] löse …) oder als finaler ([Weil] Tageslärm lastet, löse…) Nebensatz. <?page no="142"?> 128 ser Stelle dennoch eine sinnvolle Textverstärkung, in der dritten Strophe wird der moralische Aspekt jedoch überbetont. Die Weise ist also in melodisch-harmonischer Hinsicht recht eigenwillig gebaut und wirkt im Gesamtzusammenhang wenig organisch. Hilfreich ist jedoch der eingängige rhythmische Bau: vorwiegend aus Achtelwerten bestehend, schreitet das Stück geradezu rezitierend syllabisch auf einem Ton bzw. in kleinen Intervallen voran, um am Ende jeder Phrase auf einer längeren Tondauer zu verweilen; eine folgende Ganztaktpause unterstreicht hier den ruhenden Effekt. b Inhaltlich-semantische Analyse 1) Schulderkenntnis und Vergebungsbitte Die zweite Strophe folgt ihrem Aufbau nach der klassischen Struktur der ‚Poenitentia’. Zunächst erfolgt eine Gewissenserforschung, wenn man, die Interpunktion vernachlässigend, von einem Fragesatz ausgeht. Worin konkret die Schuld besteht, lässt der Text im Dunkeln. Er bleibt im Allgemeinen, indem er zwischenmenschliches Fehlverhalten andeutet (2,1) und von Konflikten mit dem Nächsten und seiner Pflichtvergessenheit, d.h. dem Mangel an mitmenschlicher Achtung und Aufmerksamkeit, spricht (2,2). Es folgen Schulderkenntnis (Herr, ich seh die Schuld) und eine Form des Bekenntnisses (und bring sie dir), indem die Schuld Gott dargebracht wird. Der rituelle Vollzug der Versöhnung mit Gott kommt in einer Vergebungsbitte zu seinem Abschluss. Gott wird gebeten, die dargebrachte Schuld auf sich zu nehmen und sie für das ICH tragen. In der Liedsammlung *Hoffnung ist da ist in 2,2 statt Ließ ich ihn allein mit seinen Sorgen? ließ ich ihn in ausweglosem Dunkel zu lesen. Während ersteres die Nachlässigkeit des Sängers gegenüber seinem Nächsten konkreter fasst, nämlich als ein Vorenthalten von Hilfe und Unterstützung in Problemlagen, bleibt letztere Lesart hinsichtlich ihrer Interpretation offener und läuft damit Gefahr, sich in Undeutlichkeit zu verlieren: Das schuldhafte Tun, dass der Sänger seinem Nächsten ein Problem gewesen ist, besteht in diesem Fall darin, ihn im dunklen Dickicht des Alltags einfach zurückgelassen zu haben und, angetrieben durch Egosimus, eigene Wege gegangen zu sein. Der das Denken belastende Tageslärm (1,2) konkretisiert sich in dem am Tag Verschuldeten. Die Bitte, ihn zu lösen und dem ICH Ruhe zu verschaffen, ist also weniger als Wunsch von Entlastung von am Tage erfahrender Reizüberflutung zu deuten. Das das Denken Belastende gründet in dem, was man absichtlich am Nächsten gefehlt hat. 2,4 bündelt die Inhalte der ersten beiden Strophen. (1,2) Lastet Tageslärm… (2,4) nimm die Last (1,3) löse ihn trag sie mir. K ONRAD A MLEN und W ILHELM T HOMAS beschreiben in ihrer Einführung zu Abendliedern der Tradition eindrücklich den Sinn und Zweck eines solchen Schuldbekenntnisses und der Bitte um Vergebung am Ende eines Tages: <?page no="143"?> 129 „Hier sind wir am entscheidenden Punkt des Abend=Feierns angelangt, bei der Bereitschaft, sich Schuld und Fehle vergeben zu lassen. Ist hier von Schuld die Rede, so bitten wir Euch, nicht an das zu denken, was Euch vielleicht jemand als sündhaft und schuldbringend bezeichnet hat, sondern Euch zu besinnen, ob Ihr nicht ein unmittelbares Gefühl seelischer Belastung kennt, das spürbar wird, so oft Ihr in der Erinnerung auf Fehlhandlungen und unzureichend beantwortete Erlebnisse der Seele stoßt. Erst wenn Ihr diese Beziehung zu unretuchierten, wirklichen Eigenerfahrungen des hier Gemeinten habt, könnt Ihr verstehen, warum die Alten kein Abendlied gedichtet haben, in dem nicht die Bitte um Vergebung der Sünden ausgesprochen ist. Es kann sich ja in dieser Sache wirklich nur um eine Bitte, um ein Sich=Ausstrecken handeln: jeder Versuch, den Stachel selbst aus dem eigenen Fleisch zu lösen, etwa Ersatz zu leisten für das Versäumte und Verdorbene, wirft uns unfehlbar in jenes Gefühl unserer Minderwertigkeit zurück, das aus der Erinnerung an unser falsches Handeln, an die versäumte Zeit und Gelegenheit ohnedies immer wieder in uns aufsteigt. Erst wenn wir diesen Versuch ebenso aufgegeben haben wie den, die Erinnerung an das Erlittene aus dem Bewusstsein zu verdrängen, erst wenn wir auf jede Selbstbehauptung und Selbsterlösung verzichtet haben - und doch nicht verzweifelt sind, erst dann ist das Wunder möglich, daß wir von den uns bedrückenden Erfahrungen gelöst werden, ja daß sie uns zum Quell neuer wichtiger Erfahrungen und Leistungen werden, zu einem Ursprung wahrer Verjüngung. […]“ 524 Schuldeinsicht und Vergebungsbitte sind, wie es auch am Übergang von der zweiten zur dritten Strophe dieses Liedes verdeutlicht wird, notwendig, um am kommenden Tag neu zu einem christlichen Lebenswandel fähig zu sein und sich in die Nachfolge Jesu zu stellen. Rituell wurden Schuldbekenntnis und Vergebungsbitte in der versperalen Tradition zunächst in sog. sacrificium verspertinum ausgestaltet, welches folgend in seiner Genese und Form skizziert werden soll. E XKURS : Das Abendopfer Die Wurzeln des christlichen Abendopfers gehen auf die jüdische Tempelliturgie zurück: während dort des Morgens des Bundesschlusses am Sinai gedacht wurde (vgl. Num 28,3-6), war das Abendopfer eine Anamnese des Exodus aus dem Land Mizraim (vgl. Dtn 16,3-6). 525 Morgens ist die Schöpfung das Grundthema, am Abend gedenkt Israel seiner Erlösung und Befreiung. Während des Exils entsteht mit Fehlen des Jerusalemer Tempels Ps 140 (141). Dessen 2. Vers bringt die Spiritualisierung zum Ausdruck, die das Abendopfer in der Absenz des Tempels erfährt: 526 „Wie Weihrauch steige mein Gebet zu dir auf, als Abendopfer gelte vor dir, wenn ich meine Hände erhebe.“ An die Stelle von Weihrauch- und Tieropfern im Jerusalemer Tempel treten das zum Himmel aufsteigende Gebet und das Erheben der Hände. Der Exodus markiert für Israel den Übergang von dem Sklavenhaus Ägypten ins Gelobte Land, von der Unterdrückung in die Freiheit. Auf dieser Grundlage werden Leiden, Tod und Aufer- 524 A MELN / T HOMAS , Abendlied, 13f. 525 „Du darfst das Paschatier nicht in irgendeinem der Stadtbereiche schlachten, die der Herr, dein Gott, dir geben wird, sondern nur an der Stätte, die der Herr, dein Gott, auswählt, indem er dort seinen Namen wohnen lässt. Dort sollst du das Paschatier schlachten, am Abend bei Sonnenuntergang, zu der Stunde, in der du aus Ägypten gezogen bist.“ W INKLER sieht in der Folge Sinai -Morgen und Exodus - Abend eine Begründung dafür, weshalb im jüdischen Kulturkreis der Abend der Tagesbeginn darstellt. Vgl. W INKLER , Kathedralvesper, 55. 526 Vgl. ebd., 55. <?page no="144"?> 130 stehung Jesu als Paschamysterium gedeutet. Zum einen versinnbildlicht sich in diesem Übergang das Lebenspascha Jesu (vom Tod ins Leben, vom Kreuz zur Auferstehung), andererseits vollzieht sich für die Gläubigen im Kreuzestod der Übergang von der Sünde zu Freiheit, von der Dunkelheit der Unwissenheit zum Licht der Erleuchtung (vgl. Joh 1,2-5). So wie am Pesach nicht nur der Erlösung der Väter gedacht wird, sondern die Befreiung Israels am Roten Meer als eigene Befreiung und Erlösung der gegenwärtig Feiernden gedeutet wird, 527 sind Christen jeder Generation der Überzeugung, dass in Passion und Auferstehung Christi ihre je eigenen Verfehlungen gesühnt worden sind. Die je eigene Lebensgeschichte wird in der Heilsgeschichte Gottes als Heilsgeschichte vergegenwärtigt. Auf das abendliche Opfer im Jerusalemer Tempel fußend entwickelt sich also in der frühen Christenheit das sog. sacrificium vespertinum; die Bezeichnung des Abendrituals ist hierbei schlicht aus der LXX-Fassung / Vulgata des Psalms 140 (141),2 entnommen: „dirigatur oratio mea incensum in conspectu tuo; elevatio manuum mearum sacrificium vespertinum“ [Hervh. Vf.]. In der antiken christlichen Literatur wird Ps 140 (141) als evpilu,cnion ya,lmon bezeichnet. 528 Er wird, wie sein Name schon andeutet, zur Zeit des Anzündens der Lampen rezitiert. Nicht immer wird in den antiken Quellen auch im Zusammenhang mit diesem Abendpsalm ein rituelles Anzünden der Lichter erwähnt. Damit ist einerseits denkbar, dass die Wendung evpilu,cnion ya,lmon als bloße Zeitangabe für dessen Einsatzzeitpunkt dienen könnte, nämlich dann, wenn in der christlichen antiken Welt die Lampen angezündet wurden. Andererseits kann darin aber auch das Relikt eines ausgestalteten Ritus zum Anzünden der Leuchter im Abendgottesdienst in Verbindung mit dem Psalm belegt sein. 529 J OHANNES C HRYSOSTOMOS (349-407) schreibt, Psalm 140 sei uns „[…] wie ein Heilmittel zur Tilgung unserer Sünden vorgeschrieben, damit wir uns mit diesem geistigen Lied am Abend all dessen entledigen, was uns tagsüber befleckte.“ 530 Wohl aus diesem Grund wird in den zwischen 375 und 400 verfassten C ONSTITU - TIONES A POSTOLORUM , 531 deren Grundlage die Gemeindeordnung der T RADITIO A POSTOLICA bildet, in der vom Bischof einberufenen Versammlung eingangs der Abendpsalm 141 gesungen bzw. gesprochen. 532 Sodann folgen Fürbitten für die Katechumenen, Energumenen, Täuflinge und Büßer, die zeitweise aus der Ge- 527 In der Pesach-Feier heißt es etwa in einem Lobspruch: „Darum sind wir verpflichtet, zu danken, zu loben, zu rühmen, zu preisen, zu erheben, zu verherrlichen, zu benedeien, Hochachtung und Verehrung zu erweisen ihm, der unseren Vätern und uns alle diese Wunder getan. Er hat uns aus der Dienstbarkeit zur Unabhängigkeit, aus dem Kummer zur Freude, aus der Trauer zu Festtagen, aus der düsteren Finsternis zu hellem Lichte und aus der Knechtschaft zur Freiheit geführt! So laßt uns singen Hallelujah! “ Hagadah schel Peßach. Mit Erläuterungen v. M. L EHMANN . Basel 1962, 126f. 528 Vgl. hierzu die ausführliche Untersuchung von P LANK , Phos hilaron, 39-41. 529 Es gibt unterschiedliche Einschätzungen darüber, ob das junge Christentum von Anfang an das jüdische rituelle Anzünden der Lichter im Tempel bzw. vor dem gemeinsamen Mahl am Sabbat übernimmt: P LANK sieht eine unmittelbare Verwandtschaft zu den jüdischen Lichtritualen; Phos hilaron, 43-55; vgl. ebenso W INKLER , Kathedralvesper, 56. T AFT hingegen schließt eine allzu große Abhängigkeit christlichen und jüdischen Betens und dessen rituellen Ausgestaltungen aus; vgl. T AFT , The Liturgy of the Hours, 3-11; s. auch B RADSHAW , Daily Prayer, 75. 530 J OHANNES C HRYSOSTOMOS , Expositio in Psalmos 140 (PG 55, 427, 40-46). dt. Ü: F RANZ , „Angelangt an der Schwelle des Abends“, 13. 531 Vgl. S TEIMER , B RUNO : Art. „Apostolische Konstitutionen“. In: LACL 53f. 54. 532 An anderer Stelle wird Ps 140 (141) als originärer Abendpsalm beschrieben: Institutes Coenobiorum II, 2 (CSEL 17,3-231, 18; ed. P ETSCHENIG / K REUZ ). <?page no="145"?> 131 meinde wegen eines Delikts ausgeschlossen sind. 533 Das darauf folgende Gebet des Diakons greift, um Rettung, Schutz, Gottes Barmherzigkeit, Friedlichkeit und Sündenfreiheit bittend, auf die Erlösungsthematik des Psalms zurück: „Alle, die wir Gläubige sind, lasst uns den Herrn bitten: […] Rette uns und richte uns auf, o Gott, durch deinen Christus. Also aufgerichtet wollen wir beten um die Barmherzigkeit des Herrn und seine Erbarmungen, um den Friedensengel, um das Gute und Nützliche, um ein christliches Lebensende. Lasset uns bitten um eine ruhige und sündenfreie Abend- und Nachtzeit und um tadellosen Wandel unser ganzes Leben lang. Uns selbst und unter einander wollen wir uns empfehlen dem lebendigen Gott durch seinen Christus.“ 534 Das zweite, vom Bischof gesprochene Gebet wiederholt diese Bitten in einem feierlicheren, im ersten Teil durch Nennungen Gott als Allmächtigen und Schöpfer herausstellenden Gebet noch einmal. 535 Gottes Wacht, gewährleistet durch die Bewahrung durch Jesus Christus und eine sündenfreie Nacht, wie überhaupt ein sündenfreies Leben sind die Voraussetzungen für den Erhalt des ewigen Lebens. Zum Abschluss folgt ein ebenfalls vom Bischof gesprochener Segen, in dem thematisch der Bezug zur Geschöpflichkeit und Hilfsbedürftigkeit des Menschen hergestellt wird. 536 Der Luzernarpsalm dient hier also als einleitender Bußakt, bevor für den Tag gedankt und um Schutz in der Nacht gebeten wird. In der so genannten Großen Regel, geschrieben nach 373, 537 macht B ASILIUS auf den Sinn und Zweck einer solchen abendlichen Bußaktes aufmerksam: „Wenn der Tag zu Ende geht, müssen wir danken für das, was uns an diesem Tag geschenkt und an Gutem von uns getan worden ist. Ebenso müssen wir bekennen, was wir gefehlt haben, freiwillig oder unfreiwillig, und das, was wir geheim 533 Vgl. CA VIII 35,2f. (SChr 336,246f; ed. M ARCEL M ETZGER ); den Büßern war es ebenso wie den noch nicht vollwertig zur Gemeinde Gehörenden versagt, am gesamten Gottesdienst teilzunehmen. 534 CA VIII,35f. (SChr 336,246-249; ed. M ARCEL M ETZGER ); dt. Ü: Apostolische Constitutionen. Übers. u. eingel. v. F ERDINAND B OXLER . (BKV 1 ) Kempten 1874, 301f. 535 Vgl. ebd. VIII, 37,2f. (SChr 336, 248f; ed. M ARCEL M ETZGER ). Vgl. Exkurs Eucharistia verspertina I D 3 b 2). 536 „Gott der Väter und Herr der Barmherzigkeit, der du durch deine Weisheit den Menschen geschaffen als ein mit Vernunft begabtes Wesen, welches unter den auf Erden befindlichen das Gott theuerste ist; und der du ihm gegeben, zu gebieten über das Irdische; und der du nach deinem Willen Fürsten und Priester eingesetzt hast, jene zur Sicherheit des Lebens, diese zur Verrichtung des heiligen Dienstes: laß’ auch jetzt dich selbst erweichen, allmächtiger Herr, und zeige dein Antlitz über deinem Volk, über Jene, welche gebeugt haben den Nacken ihres Herzens, und segne sie durch Christus, durch welchen du uns mit dem Lichte der Erkenntniß erleuchtet hast und dich selbst uns geoffenbart hast, mit welchem dir von jedem vernünftigen und heiligen Wesen die gebührende Anbetung gezollt wird und dem Geiste, dem Tröster in Ewigkeit. Amen.“ CA VIII 37, 5-7; dt. Ü: Apostolische Constitutionen, 302f. J OHANNES C ASSIAN kennt für das Abendopfer eine ähnliche Struktur des sacrificium vespertinum, das er auf das mosaische Gesetz zurückführt: „de uespertinis autem sacrificiis quid dicendum, quae iugiter offerri etiam in ueteri testamento lege Moysaica sanciuntur? holocausta enim matutina et sacrificia uespertina cunctis diebus in templo, licet figuralibus hostiis, etiam ex eo probare possumus indesinenter oblata, quod a Dauid canitur: dirigatur oratio mea sicut incensum in conspectu tuo : elevatio manuum mearum sacrificium uespertinum. J OHANNES C ASSIAN , De Institutis coenobiorum, Lib. III, 3 (CSEL 17, 1-231,37; ed. M ICHAEL P ETSCHENIG / G OTTFRIED K REUZ ). 537 Vgl. P AULI , Basilius von Cäsarea, 114-120. <?page no="146"?> 132 in Worten, Werken oder auch nur im Herzen gesündigt haben. Für all das müssen wir Gott im Gebet um Erbarmen bitten.“ 538 Die Christen der Alten Kirche verbanden mit Ps 141,2 und der darin beschriebenen Orantenhaltung ein Symbol für den gekreuzigten Christus. Darüber hinaus wird die Hingabe Jesu zur Selbsthingabe des Betenden: Wie Christus gibt er sich im Gebet Gott hin und vertraut sich ihm an. Daher ist es nicht verwunderlich, dass etwa ab dem 5. Jh. die sich aus dem Psalm ableitende Weihrauchinzens beim abendlichen Gebet hinzutritt. 539 Das Verbrennen des Weihrauchs steht ebenfalls als Synonym für die Hingabe Jesu an seinen Vater, heißt es doch bei Paulus, Jesus habe sich für unsere Sünden zum Wohlgeruch Gottes verzehrt: „ambulate in dilectione sicut et Christus dilexit nos et tradidit se ipsum pro nobis oblationem et hostiam Deo in odorem suavitatis“; Eph 5,2 / Vulgata). Der Gottheit zuliebe Rauchopfer darzubringen ist religionsgeschichtlich bis in die frühe Zeit belegt. Im Alten Testament wird beispielsweise Gott durch ein Brandopfer nach dem Ende der Sintflut Noahs betört und milde gestimmt, auf dass er es nicht ein weiteres Mal zu einer solchen Flut kommen lassen möge (Gen 8,20f.; Lev 2,2; 6,8). Die Verwendung von Weihrauch in der Vesper beabsichtigt demnach, Gott milde zu stimmen und die Sünden des Beters nicht zu beachten. 540 [Ende des Exkurses] 2) Vorsatz zu sittlichem Handeln Nach dem Bußakt der zweiten Strophe schließt sich in der dritten Strophe des Liedes der Vorsatz zu sittlichem Handeln an. Eine zentrale Rolle spielen hierbei die Augen, die als Pars pro toto für den oder die Mitmenschen stehen, der bzw. die das ICH hinsichtlich seines wahrhaftigen Verhaltens prüfen. Das Auge ist als Organ der Wahrnehmung auf vielfältige Weise in den bildhaften kulturellen Sprachgebrauch eingebunden 541 und findet häufig als Synekdoche für den Menschen 542 bzw. für Gott in biblischen Erzählungen 538 B ASILIUS VON C AESAREA , Ascethicon magnum (PG 31, 1015); dt. Ü: [B ASILIUS VON C AE- SAREA ]: Die Mönchsregeln. Übers. u. eingl. v. K ARL S USO F RANK . St. Ottilien 1981, 165f. 539 Erstmalig wird von der Verwendung von Weihrauch bei Theodoret (393 in Antiochien -466 n. Chr.) gesprochen, hier im Kontext von Ex 30,7. Theodoret, Quaestiones in Exodum 28 (PG 80,225-298.284). Zur Person vgl. Bruns, Peter: Art. „Theodoret von Cyrus“. In: LACL 683-685. 540 Vgl. die Studie von G ABRIELE W INKLER zum pönitentiellen Verständnis des Weihrauchopfers im antiken Christentum: L’aspect Pénitential dans l’office du soir en Orient en Occident, in: A. P ISTOIA / A. M . T RIACCA : Liturgie et Rémission des Péchés. Conférences saint-serge XX e semaine d’Études liturgiques. Paris 2-5 julliet 1973 (Bibliotheca EL Subsidia 3) 273-293; D IES ., Kathedralvesper, 63f; P FEIFFER , M ICHAEL : Der Weihrauch. Geschichte - Bedeutung - Verwendung. Regensburg 1997, 83-93. 541 Es ist Ausdruck für das Leben schlechthin wie es z.B. („das Licht der Welt erblicken“; „mit neuen Augen sehen“), des Anteilnehmens („das Augenmerk auf etwas richten“; „Wünsche von den Augen ablesen“) oder der Beziehung zu jemandem oder zu etwas („aus dem Auge verlieren“, „jemandem unter die Augen treten“). Vgl. F RÜCHTEL , U R- SULA : Mit der Bibel Symbole entdecken. Göttingen 1991, 185-209. 542 Die menschliche Sehkraft ist Bild für die Erkenntnis Gottes (vgl. Schöpfungserzählung; Wunderheilungen von Blinden Mt 9,29f. 20,33f/ / ; „offenes Ohr und waches Auge“ Neh 1,6). Es drückt die Gleichwertigkeit der Kommunikationspartner bzw. die Unmittelbarkeit der Kommunikation aus („sich Aug in Aug gegenüberstehen“ s. z.B. Ex 33,11; Dtn 4; Jer 32,4; 34,3 u. ö.; „Auf gleicher Augenhöhe“ Dtn 34,10), jedoch auch ihre Verweigerung („komm mir ja nicht mehr unter die Augen“ Gen 43, 3ff.44,23.26, Ex 10,29 u.ö.). Augen sind als Teil des Gesichtsausdrucks auch Seismographen für Emp- <?page no="147"?> 133 seinen Platz. In unserem Fall fungieren die Augen als Wächterinnen über das Verhalten des ICH. Sie stehen gewissermaßen als Warnung, ein besseres Verhalten gegenüber dem Nächsten anzustreben, als es am vergangenen Tag der Fall gewesen ist. Das Wissen um diese Prüfung und Kontrolle durch das Gegenüber manifestiert sich in der Bitte um die Hilfe Gottes ein sittliches Leben führen zu können. In Anspielung an die Perikope des Matthäusevangeliums, die Weisungen für die Gemeinschaft enthält (7,1-12) 543 , wird das Stein-statt-Brot Motiv aufgegriffen und zugleich gewendet. 544 Während das Bild im Evangelium die Erhörungsgewissheit des an den Vater gerichteten Gebets durch „den Schluss ‚vom Geringeren zum Größeren’“ 545 versinnbildlichen soll - Gott also unendlich gütiger ist als der Mensch, der selbst seinem Kind keinen Stein statt eines Brotes reichen würde -, wird im Lied eher auf die Erfüllung der Goldenen Regel angespielt. Niemandem Stein statt Brot zu reichen, ist keine Selbstverständlichkeit; es bedeutet aufrichtig für Notleidende einzutreten und ihnen zu helfen, wo es nötig ist. Das Lied geht in der Schlussbitte der dritten Strophe davon aus, dass es zur Erfüllung des Gebots der Nächstenliebe der Unterstützung Gottes bedarf. 3) Ruhe Die Grundfunktion des Liedes ist, die Singenden zu beruhigen. Die Bitte, von Gottes Heil eingehüllt, geschützt zur werden und so Ruhe zu erfahren, wird auch durch die Melodie nachgezeichnet: In ihren ruhigen Duktus gleicht sich gewissermaßen einem „Einlullen“. Hüll mich ganz in deine Ruhe ein gibt sich als Lied unmittelbar vor dem Schlafengehen, was die wiederholfindungen (z.B. Hiob 16,20; 17,2.7 u.ö.; Ps 6,8; 31,10; 88,10; Jer 8,23; 13,17; Klg 1,16; 2,18; 3,48f. 51). An den Augen lassen sich auch menschliche Haltungen ablesen (Güte bzw. Geiz z.B. Sir 14,9f; Spr 22,9). 543 Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden. Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! - und dabei steckt in deinem Auge ein Balken? Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du versuchen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen. Gebt das Heilige nicht den Hunden, und werft eure Perlen nicht den Schweinen vor, denn sie könnten sie mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen. Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet. Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet. Oder ist einer unter euch, der seinem Sohn einen Stein gibt, wenn er um Brot bittet, oder eine Schlange, wenn er um einen Fisch bittet? Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn bitten. Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten. [Hervh. Vf.] 544 Im Evangelium steht die Metapher im Zusammenhang der Aufforderung, einander nicht zu richten (7,1-5), das Heilige nicht preiszugeben (7,6), vertrauensvoll zu Gott Vater zu beten (7,7-11) und der Goldenen Regel (7,12). 545 S CHNACKENBURG , R UDOLF : Matthäusevangelium 1,1-16,20. (NEB.NT 1) Würzburg 3 1999, 73. <?page no="148"?> 134 ten Bitten um Ruhe und das Lexem deck-zu (1,4), vor allem aber die Zeitangabe in 1,4 (bring mich nun ganz zur Ruh) anzeigen. Schulderkenntnis und Vergebungsbitte zeigen an, dass in der Bitte um Ruhe nicht allein der Wunsch nach Schutz und Rekreation liegt. Hinter ihr verbirgt sich, bezieht man die Perikope ein, die für den Gedankengang des Liedes Pate gestanden haben dürfte, die Sehnsucht „heil“ zu werden: 546 „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.“ (Mt 11,28-30) Analog zu diesem biblischen Zeugnis zielt das Lied in seinem Aufbau darauf ab, die schwere Tageslast der Schuld durch die leichte Last der Nachfolge, die in Befolgung der Weisung Jesu und der Propheten liegt, einzutauschen. c Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie Hüll mich ganz in deine Ruhe ein charakterisiert den Abend als Zeitpunkt, an dem sich der Übergang vom Tun zum Ruhn ereignet. Oben wurde schon darauf hingewiesen, dass in Wort und Weise ganz unmittelbar dieser Übergang gestaltet wird, um die Singenden in den Ruhezustand zu überführen. In seiner Funktion als Schwelle, an der sich der Übergang von einem Zustand in den anderen vollzieht, werden am Abend auch die Gegensätze von Schuld und Erlösung, Pflichtvergessenheit und Verantwortung gegenüber gestellt. Ritus und Lied betonen in ihrem Vollzug jeweils die Trennungsphase: durch den Rückblick auf den Tag distanzieren sich die Betenden in der Gewissenserforschung von Getanem und Erlebtem. Die abendliche Bitte um Vergebung schließt diesen Tag ab, bevor die Nacht beginnt. Sowohl durch den Vollzug des Ritus als auch durch den des Liedes wird die Grenze des Abends überschritten, die den schuld- und sündenbehafteten Tag, der in der Gewissenserforschung reflektiert wird, von der Nacht separiert. Dunkelheit und Finsternis stehen symbolisch für Schuld und Sünde; durch den am Abend erfahrbar werdenden Kontrast von Helligkeit und Dunkelheit wird in Umkehrung der Prozess von der Schuld zur Erlösung nachgezeichnet. Durch das rituelle Gedächtnis der Befreiung Israels aus der Sklaverei und der Anamnese des erlösenden Kreuzestodes Christi, die beide im Hintergrund der christlichen Rezeption von Ps 141,2 stehen, wird der Abend als Schwelle zum Sinnbild für den Übergang von der Schuld zur Erlösung. 546 Vgl. ebd., 106. <?page no="149"?> 135 5 Bevor die Sonne sinkt 1,1 Bevor die Sonne sinkt, will ich den Tag bedenken. 1,2 Die Zeit, sie eilt dahin, wir halten nichts in Händen. 2,1 Bevor die Sonne sinkt, will ich das Sorgen lassen. 2,2 Mein Gott, bei dir bin ich zu keiner Stund vergessen. 3,1 Bevor die Sonne sinkt, will ich dir herzlich danken: 3,2 Die Zeit, die du mir lässt, will ich dir Lieder singen. 4,1 Bevor die Sonne sinkt, will ich dich herzlich bitten: 4,2 Nimm diesen Tag zurück in deine guten Hände. Dieses Stück gehört zu den jüngeren geistlichen Liedern, die den Selektionsprozess der Gesangbucherstellungen der letzten 30 Jahre erfolgreich überstanden haben. Es findet sich mit unterschiedlichen musikalischen Arrangements in allen aktuell gültigen offiziellen deutschsprachigen Gesangbüchern. 547 Im *GL werden C HRISTA W EISS und K URT R OMMEL als Textproduzenten bzw. M ARTIN S TRIEBEL und K URT S CHMID als Melodisten genannt. 1967 wird in allen Quellen als Entstehungsjahr für Wort und Weise angegeben. a Textformale Analyse Der Text ist nichtbereimt. Die auftretenden unreinen Reime erscheinen eher zufällig als absichtlich gesetzt zu sein. Der Sprachstil ist schlicht; er verfügt über geringe lexemische Varianz. Es lassen sich wenige idiomatische Redewendungen ausmachen, die in der Alltagssprache kaum mehr als solche zu identifizieren sind: Das Schwinden des Tageslichtes (Bevor die Sonne sinkt; 1- 4,1), die Personifizierung der schnell vergehenden Zeit (sie eilt dahin 1,2) sowie das anthropomorphe biblische Bild eines Gottes, der niemals vergisst (bei dir bin ich zu keiner Stund vergessen 2,2) und der den Tag in seine Hände zurücknimmt (4,2). Als einziges ausgestaltendes Adverb wird zweimal herzlich verwendet (3,1; 4,1), um die letzten beiden Bitten zu intensivieren. Das einzige Adjektiv des Textes charakterisiert Gottes Hände als gut (4,2). Ansonsten dominieren Substantive und Verben. Unter phonematischen Gesichtspunkten lässt sich eine Tendenz zu hellen Vokalen (a, e, i) feststellen. 547 *GL 702, *KG 680, *RG 606, *EG (mit anderer Melodie) 491, *ME 642, *CG 318, *LG 448. <?page no="150"?> 136 Die jeweils erste Zeile einer Strophe ist gekennzeichnet durch einen Hauptsatz mit vorangestelltem temporalem Nebensatz. Die musikalische Zäsur einer viertel Pause vor dem Einsatz des jeweils zweiten Strophenteils verleiht dabei den Charakter eines kurzen Innehaltens. Ansonsten ist die Syntax schlicht und klar: 1,2 verfügt über zwei durch Komma getrennte Hauptsätze, deren erster durch seine Satzstellung das Subjekt Zeit besonders betont: Die Zeit, sie eilt dahin. Der Hauptsatz in 2,2 wird durch die Adressierung mein Gott eingeleitet. In 3,2 findet sich ein Hauptsatz, der nach dem Subjekt durch einen Relativsatz unterbrochen wird. b Inhaltlich-Semantische Analyse Durch die schlichte Konstruktion des Liedes in vier Strophen zu je vier Zeilen wirken die einzelnen Strophen thematisch in sich abgeschlossen. Eine Verbindung scheint lediglich durch die Eingangsphrase Bevor die Sonne sinkt hergestellt zu werden. Die einzelnen Strophen addieren, was vor Sonnenuntergang nach der Vorstellung des ICH noch erledigt werden muss. Hinzu treten zwei Isotopien unterschiedlicher Valenz: Eine Isotopie kann in ‚Gebet’ ausgemacht werden, dessen einzelne Elemente in den jeweiligen Strophen anklingen. Eine zweite Bedeutungsebene, die wegen ihres ausschließlichen Vorkommens in der ersten und letzten Strophe weniger dominant ist, findet sich in dem Topos ‚Gabe und Rückgabe der Zeit’. 1) Isotopie ‚Gebet’ Das Lied greift unterschiedliche Elemente christlicher Gebetsstruktur auf: Tagesrückblick (1,2) und -abschluss (2,2), Dank (3,1) und Bitte (4,2). Das Gebet ist vor dem Sonnenuntergang angesiedelt und gilt als rituelle Beendigung des Tages. Es setzt ein mit einer Tagesreflexion (will ich den Tag bedenken 1,1), die auch als eine Art Gewissenserforschung betrachtet werden kann. Diese Reflexion erscheint angesichts des Entfliehens der Zeit als notwendig; die empfundene Endlichkeit und Unzulänglichkeit menschlichen Lebens, nichts in Händen zu haben (1,2), soll durch das Innehalten aufgefangen werden. Durch die innere Einkehr werden die in der dritten und vierten Strophe folgenden Schritte des Gebetsvollzuges vorbereitet: sie nennt Gründe für den Dank (3,2), etwa für das Gelungene, stellt aber auch das Unvollkommene vor Augen, um dessen Vervollkommnung gebeten wird (4,2). Die syntaktische Verknüpfung innerhalb der Strophen hilft bei der Deutung der einzelnen Gebetselemente: In jeder Strophe folgt nach dem temporalen Nebensatz (Sonnenuntergang) ein voluntativer Hauptsatz, der durch will ich eingeleitet wird. Dieser Ansage folgt in der jeweils zweiten Strophenhälfte der Vollzug des Angekündigten: Die Tagesreflexion konkretisiert und begründet sich in dem Erkennen der eigenen Kontingenz und der Unverfügbarkeit der Zeit (1. Str.). Die Sorgen kann man getrost lassen, weil Gott, der im gesamten Lied weitgehend unkonkret bleibt, an den Sänger denkt und ihn nicht vergisst. Im Wissen um das göttliche Gedenken kann sich Gelassenheit und Zuversicht entfalten (2.Str.). Alle Anliegen münden im zweiten <?page no="151"?> 137 Teil der vierten Strophe in die Bitte um Rücknahme des gelebten Tages. In der dritten Strophe wird dieses Schema leider nicht durchgehalten; anstatt den Dank konkret werden zu lassen, wird eine weitere Ankündigung geäußert: will ich dir Lieder singen. Mit Bezug auf den Freudengesang der Mirjam in Ex 15 ließe sich der Vollzug eines (Dank-)liedes jedoch schlechthin als Dank gegenüber Gott bezeichnen. Denkbar ist auch eine Deutung dieser Zeilen nach Psalm 28,7: „Der Herr ist meine Kraft und mein Schild, mein Herz vertraut ihm. Mir wurde geholfen. Da jubelte mein Herz; ich will ihm danken mit meinem Lied.“ In dieser Isotopie „Gebet“ zeigt sich die Stärke des Liedes: Mit bescheidenen Worten wird ein thematisches Netz gesponnen, das zugleich zum Gebetsvollzug wird. Durch die Schlichtheit von Wort und Weise wird denen, die dieses Lied vollziehen, ein Resonanzboden für eigene Assoziationen geboten. 2) Isotopie ‚Gabe und Rückgabe der Zeit’ Neben den Gebetselementen bildet der Sonnenuntergang ein strukurelles Element. Er versinnbildlicht das Ende eines Tages und zugleich die Vergänglichkeit des Lebens. Die Zeit des Untergangs der Sonne mahnt das ICH dazu, das letzte für den Tag Nötige zu vollbringen und damit, wie es auch das Schwinden des Sonnenlichtes tut, den Tag zu beenden. So wird schon im Incipit deutlich, dass es sich bei diesem Lied nicht nur um ein Abendlied, sondern um ein Zeitlied handelt. Konkret wird die Zeit als unaufhaltsam dahin eilend und von Gott gegeben bzw. geliehen erlebt. Sie ist also in doppeltem Sinne unverfügbar. Das Lied erzählt hier, wie es durch die in 1,2 singulär auftretende 1. Person Plural verdeutlicht wird, von einer überindividuellen Erfahrung des Zeiterlebens. Die Bitte um Rücknahme des Tages am Schluss des Liedes lehnt sich an einen klassischen Topos christlichen Betens an, die Commendatio animae. Allerdings wird hier nicht die Seele Gott anheim gegeben, damit sie im Todesfalle bei ihm gut aufgehoben wäre; es ist vielmehr der Tag selbst, der Gott zurückgegeben wird. Somit erfährt das Motiv der Commendatio, das vormals im Kontext der Endlichkeit und des Todes in die Römische Komplet aufgenommen wurde, eine Bedeutungsverschiebung. In der Rückgabe des Tages klingt an, dass der Tag nur von Gott geliehene Zeit gewesen ist. Es wird hier implizit auf den Gestaltungsauftrag des Menschen hingewiesen. Den Singenden ist der Tag anheim gegeben, er ist Gabe Gottes, für die zu danken ist und für deren Gestaltung wir - analog zum Gleichnis über die anvertrauten Talente (Mt 25,14-30/ / ) - vor Gott am Ende dieses Lebensabschnitts Rechenschaft ablegen müssen. Während den Menschen alles aus den Händen rinnt und die Zeit für sie unverfügbar bleibt, fängt Gott die gelebte und im guten wie im schlechten ‚verbrauchte’ Zeit auf. Hinter der Bitte um Rücknahme des Tages verbirgt sich letztlich auch die Bitte um Vergebung für das Misslungene. So erfährt der klassische Topos der Commendatio animae eine Bedeutungsverschiebung: In der Commendatio temporis zeigt sich nicht nur die Hoffnung auf Schutz durch Gott im Schlaf bzw. im <?page no="152"?> 138 Tod, sondern auch die Hoffnung auf Vergebung und Rechtfertigung für das im Leben Getane. E XKURS : Der Rückblick auf den Tag Das folgende Zitat von B ASILIUS ( † 379) dokumentiert den reflexiven und retrospektiven Charakter, den das Abendgebet schon in den ersten Jahrhunderten gewonnen hatte: „Von großem Vorteil ist es auch, das Vergangene zu überprüfen, um nicht wieder in die gleichen Fehler zu fallen. Deswegen ist ja gesagt: ‚Was ihr in euren Herzen gesprochen habt, das bereut auf euren Lagern’ (Ps 4,5).“ 548 Während sich die Komplet thematisch an der bevorstehenden Nacht als Ruhezeit orientiert, dient die Vesper als Zäsur zwischen dem zurückliegenden Tag und der bevorstehenden Nacht, indem der Blick sich nochmals zurückwendet. Der ‚pädagogische’ Sinn einer solchen Tagesreflexion liegt in der Bewusstmachung dessen, was wir im Laufe des Tages schuldig geblieben sind, um durch diese Erkenntnis von neuerlicher Sünde frei zu bleiben. C HRYSOSTOMOS rekurriert in diesem Kontext auf die sündentilgende Funktion des 141. Psalms. 549 Bei B ASILIUS wird im Gebet Gott um Vergebung für das als falsch Erkannte und das unbewusst Gebliebene (sic! ) gebeten. Hier schon zeigt sich der Dreischritt von Gewissenserforschung, Schuldbekenntnis und Vergebungsbitte, die später in der römischen Komplet dem Grundkorpus der Komplet vorgeschaltet wird. In der rituellen Reflexion des Tages vollzieht sich also in konkreter Form das Abendopfer, das, wie oben beschrieben, mit einem Weihrauchopfer verbunden gewesen ist. Das abendliche Gedächtnis der Erlösung durch den Kreuzestod Christi ist hierbei der Anlass, abends von all den Verfehlungen erlöst zu werden, indem man im übertragenden Sinne seine Sünde und Schuld Gott darbringt. [Ende des Exkurses] c Ursprung und Varianten des Liedes 1) Ursprung des Textes Wie H EINZ D IETRICH M ETZGER festgestellt hat, ist die im *GL dokumentierte Verfasserschaft missverständlich. Die zugrunde liegende Liedfassung ist kein Kooperationsprojekt der Textmacher C HRISTA W EISS und K URT R OMMEL . Vielmehr liegt dem von C HRISTA W EISS verfassten Text eine ältere Vorlage von K URT R OMMEL zugrunde (1963): 550 1,1 Bevor die Sonne sinkt, muss ich mein Werk vollenden: 1,2 Die Zeit, da dies zu spät, ist schneller da als morgen. 2,1 Bevor die Sonne sinkt, muss ich noch Stille haben. 2,2 Es wartet einer hier, der möchte mit mir reden. 548 B ASILIUS , Regula fusius tractatae 37 (PG 31, 890-1052. 1015); dt. Ü: [B ASILIUS VON C AE- SAREA ]: Die Mönchsregeln. übers. u. eingl. v. K ARL S USO F RANK . St. Ottilien 1981, 166. 549 Vgl. PG 55,427. Das wörtliche Zitat dieser Stelle siehe oben unter dem Exkurs: Das Abendopfer I D 4 b 1). 550 Vgl. M ETZGER , H EINZ D IETRICH : Bevor die Sonne sinkt (EG 491). In: LKEG 9 (2004), 26- 28, hier 26; s. auch den fast identischen Beitrag von D ERS .: Bevor die Sonne sinkt. In: ÖLK 4 (2005). Zitiert wird im Folgenden die erstgenannte Fassung des Beitrags. <?page no="153"?> 139 3,1 Bevor die Sonne sinkt, muss ich noch eines ordnen: 3,2 Mit meinem Nachbarn muss ich mich vor Nacht versöhnen. 4,1 Hilf, Herr, bei meinem Tun. Gib Wollen und Vollbringen. 4,2 Bevor die Sonne sinkt, hilf mir mein Werk vollenden. 551 R OMMEL verfasste sein Stück auf Grundlage einer unveröffentlichten Meditation, die er für eine kirchliche Jugendveranstaltung schrieb. 552 Gemeinsam ist den Liedversionen von R OMMEL und W EISS das Erleben schnell vergehender Zeit. Während jedoch die überarbeitete Fassung von W EISS darauf zielt, mit dem Lied den Tag zu beschließen, vermittelt die Vorlage R OMMELS die Not, vor dem Tagesende die Arbeit zu Ende bringen zu müssen. Während die erste dazu anregt, vom Stress des Arbeitstages Abstand zu gewinnen (2,1), baut die zweite in jeder Strophe neuen Druck auf: ich muss meine Arbeit fertig stellen (Str. 1.4), ich muss noch meditieren respektive beten (Str. 2), ich muss mich vor Tagesende mit meinem Nachbarn aussöhnen (Str.3). 2) Melodie-Varianten Für den Liedtext sind im Laufe der Jahre verschiedene Weisen geschaffen worden. Neben der oben abgedruckten, ins *GL aufgenommenen Melodie von S TRIEBEL und S CHMID , zeichnet R OLF S CHWEIZER für die Fassung im *EG. Im Folgenden sollen beide Melodien vor allem im Hinblick auf ihr Wort- Ton-Verhältnis verglichen werden. Zunächst zur bekannteren Weise von S TRIEBEL und S CHMID : Die in F-Dur gesetzte Weise trifft den „Ton“ des Liedtextes, weil sie sich deutlich um eine Interpretation des Textes bemüht. Das erste Motiv der S TRIEBEL -S CHMID - Weise spielt mit einem tonal verbildlichten Sonnenuntergang durch die Intervallfolge Sekunde aufwärts, große Terz abwärts. Im zweiten Motiv der ersten Zeile wird vor allem durch den Wechsel von viertel und halben Notenwerten der jeweilige Vorsatz (bedenken, Sorgen lassen, danken, bitten) ausgestaltet. Die in der zweiten Zeile abfallende Bewegung sucht je unterschiedlich den Sinn des Textes nachzuvollziehen: In der ersten Strophe wird die dahineilende Zeit nachgeahmt; dies klingt in der dritten Strophe mit, wenn die Zeit neuerlich zur Sprache kommt. In der zweiten Strophe wird die Anrede mein Gott durch die absteigende Bewegung betont. Am Ende des Liedes zeichnet die Melodie die Bewegung des Hineinlegens in Gottes Hände nach. Die Synkope vom fünften auf den sechsten Takt mit folgender Halben ‚bremst’ die Abwärtsbewegung der zweiten Phrase ein wenig; nicht unbedingt zu Gunsten des Textinhalts, weil dadurch eher nebensächliche Lexeme akzentuiert werden (1,2: wir hal-(ten); 2,2: zu kei-(ner); 3,2: will ich; 4,2: in dei- (ne)). Im zweiten Teil der ersten Zeile zeigt sich eine kleine Besonderheit: dort wird rhythmisch und melodisch die bekannte Melodie von O Welt ich muss dich lassen nachgeahmt, die als geistliche Kontrafaktur zwei traditionellen, 551 T: K URT R OMMEL 1963. In: *Lieder von heute 15. 552 Vgl. M ETZGER , Bevor die Sonne sinkt, 26. <?page no="154"?> 140 O Welt, ich muss dich lassen: Bevor die Sonne sinkt: berühmten Abendliedern als Weise diente: Nun ruhen alle Wälder von P AUL G ERHARDT 553 und Nun sich der Tag geendet von G ERHARD T EERSTEGEN 554 . Neben dem charakteristischen Wechsel von halben und ganzen Notenwerten sind Ausgangstonhöhe und der überwiegende Teil der Tonhöhen und Intervalle identisch. Möglicherweise soll durch die zitathafte Anspielung der Melodie ein Bezug zwischen den Intentionen der Abendlieder hergestellt werden: 555 Nun ruhen alle Wälder Str. 1 Bevor die Sonne sinkt Str. 1-4,1b Nun sich der Tag geendet, Str. 1 „Nun ruhen alle Wälder, Vieh, Menschen, Städt und Felder, es schläft die ganze Welt ihr aber, meine Sinnen, auf auf, ihr sollt beginnen, was eurem Schöpfer wohlgefällt“ will ich den Tag bedenken will ich das Sorgen lassen will ich dir herzlich danken will ich dich herzlich bitten „Nun sich der Tag geendet, mein Herz sich zu dir wendet und danket inniglich; dein holdes Angesichte zum Segen auf mich richte, erleuchte und entzünde mich.“ Am Ende des Tages, wenn die Welt zur Ruhe gekommen ist, sollen neuerlich die Sinne erwachen, um das Gott Wohlgefällige zu entrichten (Nun ruhen alle Wälder). Das ICH soll Gott sein Herz im Dank zukehren (Nun sich der Tag geendet), oder anders ausgedrückt: den Tag bedenken, und in der Hoffnung auf Gottes Zuwendung und Segen das Sorgen lassen, ihm herzlich danken und ihn herzlich bitten. R OLF S CHWEIZER legte eine eigene Interpretation seiner Weise vor, die in gebotener Kürze zusammengefasst vorgestellt werden soll. 556 Die Gestalt seiner Melodie zeigt sich wie folgt: 553 1647 entstanden; *EG 477. 554 Der Text stammt aus dem Jahr 1745; *EG 481. 555 Die Textpassagen, die in den traditionellen Abendliedern mit dem entsprechenden melodischen Motiv unterlegt wurden, sind durch Unterstreichung gekennzeichnet. 556 S CHWEIZER , R OLF : Bevor die Sonne sinkt. In: C HRISTIAN M ÖLLER (Hg.): Ich singe dir mit Herz und Mund. Liedauslegungen, Liedmeditationen, Liedpredigten. Ein Arbeitsbuch zum Evangelischen Gesangbuch. [FS Heinrich Riehm zum 70. Geburtstag] Stuttgart 1997, 262-266. 264-266. <?page no="155"?> 141 Das erste Motiv zweier abfallender Terzschritte zeichnet musikalisch, ebenso wie in der oben skizzierten Weise, das Untergehen der Sonne nach. Das zweite Motiv soll in seinen auf- und absteigenden Bewegungen die Reflexion eines Tages nachbilden. Die Melodie ist nach Aussage des Komponisten streng pentatonisch gehalten, um so an Gregorianik, Volksmusik und Kinderlieder zu erinnern und dadurch mit basalen musikalischen Mitteln alle Generationen zu erreichen. S CHWEIZER stellt in Anbetracht dieses Liedes die grundsätzliche Frage, wie es um das Verhältnis von Modernität und Intellektualität in Wort und Weise zeitgemäßer Lieder gestellt sei. 557 In seiner Melodie sieht er gerade durch die auffällige Schlichtheit ein Beispiel für ein „meditatives“ Lied gegeben; damit entspreche es als Gebetslied den Bedürfnissen vieler Zeitgenossen, weil es eine ganzheitlich erlebbare Spiritualität bietet. Das Meditative des Liedes zeige sich in der Wiederkehr der ersten Textzeile in allen vier Strophen. Zudem wirke der jeweils zweite Satz einer Strophe wie eine Interpretation auf den vorhergehenden Satz. Resümierend kommt S CHWEIZER zu dem Schluss, die Modernität des Liedes liege textlich und musikalisch in seiner „Schmucklosigkeit“. Die urwüchsige pentatonische Weise sowie die schlichte Versprachlichung elementarer Glaubenstopoi würden alle Generationen von Betern zusammenführen. 558 Hier handelt es sich wohl weniger um das Ergebnis einer empirischen Untersuchung, sondern eher um den Wunsch des Komponisten. In der Tat ist der in beiden Phrasen bis auf die Schlussformel identische Melodiebau sehr anspruchslos gehalten und scheint einfach zu rezipieren zu sein. Allerdings bietet die geläufigere Weise von S TRIEBEL und S CHMID ebenfalls die Möglichkeit eines schnellen Nachvollzugs, ohne in stereotype Langeweile zu verfallen. 559 d Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie Im Lied wird die Trennung von Tag und Nacht durch den Untergang der Sonne markiert. Idealerweise hat die im Lied geforderte Erfüllung bestimmter Debita vor dem Sonnenuntergang zu erfolgen. Ebenso wie in oben geschildertem Abendopfer wird in Ritus und Lied der Tag retrospektiv betrachtet und im Übergang, d.h. mit dem Ende des Liedvollzugs als beendet erklärt (Nimm du den Tag zurück in deine guten Hände (4,2)). Ähnlich wie schon in Ein Tag geht nun zu Ende, Herr enthält auch Bevor die Sonne sinkt mit dem Motiv der Rückgabe des Tages in Gottes Hände eine zielführende Komponente, der limitativ-teleologische Aspekt des Abends. 557 Vgl. S CHWEIZER , Bevor die Sonne sinkt, 262. 558 Vgl. ebd., 266. 559 Problematisch könnte bei der Weise von S TRIEBEL und S CHMID der im Gesang einer Gemeinde grundsätzlich schwierige Einsatz von Synkopen sein, wie sie sich am Übergang vom fünften auf den sechsten Takt findet. <?page no="156"?> 142 In den Textzeugnissen, in denen von einem rituellen Tagesrückblick die Rede ist, zeigt sich der Abend ebenfalls als ein Übergang, an dem eine Wende von einem Zustand in einen anderen vollzogen wird. Wie schon hinsichtlich des sacrificium vespertinum erwähnt wurde, dominiert im rituell vollzogenen Tagesrückblick die ablösende, trennende Phase, durch die eine Distanzierung und Separierung vom vergangenen Tag ermöglicht werden soll. <?page no="157"?> 143 6 Der Lärm verebbt 1,1 Der Lärm verebbt und die Last wird leichter. 1,2 Es kommen Engel und tragen mit. 1,3 : Gott, segne alle, die dir vertrauen. 1,4 Gib Nacht und Ruhe, wo man heut litt. : 2,1 Lass Recht aufblühen, wo Unrecht umgeht. 2,2 Mach die Gefangnen der Willkür frei. 2,3 : Lass deine Kirche mit Jesus wachen 2,4 und Menschen wirken, dass Friede sei. : a Zum schwedischen Original und seiner deutschen Übertragung Der Text des vorliegenden Liedes wurde 1990 von J ÜRGEN H ENKYS nach dem Schwedischen Nu sjunker bullret von L ARS T HUNBERG (1973) geschaffen. Bei der Melodie handelt es sich um eine Schwedische Volksweise. Aufgenommen wurde Der Lärm verebbt bisher in zwei Regionalanhänge des *EG (*EG/ BEP 676 und *EG/ Ne 637) und in das Liedheft zum 1. Ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003 560 . b Formale Aspekte 1) Textstruktur Das Lied umfasst zwei Strophen, deren jeweils letzten beiden Zeilen kehrversartig wiederholt werden. So ergibt sich ein Reimschema von abcb(cb). Jeder Liedvers umfasst einen Satz. Allein in 2,3+4 spannen sich zwei durch die Konjunktion und verbundene Hauptsätze über das Zeilenende hinaus. Neben der Syntax ist auch das Vokabular sehr einfach gehalten. Allenfalls 560 *Gemeinsam unterwegs Nr. 10. <?page no="158"?> 144 das Lexem Willkür (2,2) geht u. U. über den Alltagswortschatz hinaus. Die Schlichtheit der Sprache entsteht wohl vor allem deshalb, weil auf Adjektive verzichtet wird. Lediglich Substantive, Verben und Konjunktionen sowie relativische Anschlüsse finden Verwendung. Gleichwohl wirkt das Lied durch die eingesetzten Metaphern nicht nüchtern: Das Tageslärm (1,1) erscheint als tosendes Meer, das am Abend zur Ruhe kommt und verebbt. Durch die zupackende Unterstützung der Engel wird die Tageslast leichter. In der Bitte um Nacht und Ruhe für Leidende (1,4) werden die nächtliche Tageszeit und der durch kein Treiben gestörte Zustand der Ruhe zum Sinnbild für Schmerzlinderung oder -heilung. Das Recht (2,1) erscheint als eine Pflanze, die gepflegt werden muss, damit sie aufblühen kann. Das Unrecht (2,1) ist kein Abstraktum: es geht um wie ein Gespenst. In seiner bescheidenen Gestalt wird der Liedtext an einigen Stellen durch Alliterationen zum klingen gebracht: Die Labiale in der ersten Zeile zeichnen lautmalerisch das Ausklingen des Tages nach: Der Lärm verebbt und die Last wird leichter (1,1). Ebenso wird negativ Konnotiertes durch die Alliteration dunkler Vokale unterstrichen: (wo Unrecht umgeht; 2,1) und Handlungsaspekte durch hell klingende Verben akzentuiert: mit Jesus wachen und Menschen wirken (2,3+4). Die Textkohärenz wird im Wesentlichen durch deprekative Verbformen hergestellt: segne (1,3), gib (1,4), lass (2,1; 2,3). Referenzobjekt bildet jeweils GOTT (1,3). Die letzte Zeile wird durch Konjunktion an die vorhergehende angebunden und bezieht sich somit indirekt durch das lass in 2,3 ebenfalls auf das Referenzobjekt GOTT. Neben der bittenden Formulierung wird zwischen der ersten und zweiten Strophe durch die parallele Satzstruktur eine Verbindung hergestellt: (1,4) Gib Nacht und Ruhe, wo man heut litt. (2,1) Lass Recht aufblühen, wo Unrecht umgeht. In der Einleitung lässt sich die zweite Zeile als Begründung für die in 1,1 geschilderte Erleichterung lesen. Eine Anbindung erfolgt hier über das Motivfeld: Last wird leichter (1,1) und tragen mit (1,2): Der Lärm verebbt und die Last wird leichter WEIL Engel kommen und mittragen. 2) Musikalische Struktur und Semantik Die Weise, in f-moll notiert, setzt ein mit einer Quart unter dem Grundton. Jeweils am Ende einer Zeile kehrt sie zum Grundton zurück. Sie wird in der Mitte durch eine Achtel-Pause geteilt. So entstehen zwei Perioden, die sich jeweils in zwei Phrasen gleicher Länge unterteilen. Rhythmisch verlaufen beide Perioden (I + II) vollkommen identisch und die einzelnen Phrasen (A und B) unterscheiden sich nur in ihrem Schluss. I A B II A B <?page no="159"?> 145 Die A-Phrasen enden mit einer Achtelnote, die B-Phrasen mit einer Achtelpause. Da jede Phrase von I auftaktartig beginnt, erhält die Weise einen fließenden, fortschreitenden Charakter. Das Motiv kommt in seiner reinen Form sechsmal vor; jeweils am Ende der B-Phrasen in unreiner Form. Die Melodie weist den Ambitus einer Oktave (c’ - c’’) auf. Der auf- und abwärtsstrebende Melodieverlauf, der in jeder Phrase zwei Bögen schlägt, ahmt die Bewegung von Wellen und damit das Verebben des Tages nach. Der aufwärts strebende Quartsprung des Auftakts enthält wehmütige Anklänge, die durch dessen Überbietung in einer Exklamatio einer kleinen Sext aufwärts des folgenden Taktes intensiviert werden. Man kann so insgesamt von einem melancholischen und zugleich flehentlichen Grundaffekt des Liedes sprechen, der sowohl durch den streng syllabischen Aufbau, als auch durch die schon erwähnten Intervallsprünge hervorgerufen wird: I 4 1 2 3 1 6 1 2 2 1 II 3 1 2 5 1 3 1 2 1 III 5 1 2 3 2 2 2 3 3 1 IV 3 1 2 5 1 3 1 2 1 Nimmt man die Klimax als Indikator zur Betonung herausragender Textaussagen, dann sind es hier die Phrasen Gott segne alle (1,3) und lass deine Kirche (2,3), die in der Tat auch die Klimax bzw. die Conclusio der jeweiligen Strophe bilden. Allerdings beschränkt sich die „Semantik der Musik“ nicht nur auf die Spitzentöne; in diesem Lied unterstreichen vor allem die aufwärts strebenden Intervalle mit anschließender Prim den Text. Diese musikalische Betonung verläuft im Wesentlichen analog zu den sinntragenden Textelementen: Lärm / Last/ kom(-men) / tra(-gen) seg(-ne) / dir / Nacht / man Recht / Un(-recht) / (Ge-)fang(-enen) / Will(-kür) dei(-ne) / Je(-sus) / Men(-schen) Die dritte und vierte Zeile werden wiederholt, wodurch die durch die dritte und vierte Phrase unterlegten Textpassagen - die Bitten um Segen und Ruhe (1,3f.) sowie um die Wache der Kirche und um Frieden (2,3f) - eine besondere Betonung erfahren. Der natürliche Sprechduktus wird sowohl durch die rhythmische als auch durch die melodische Ebene nachgeahmt. Die Melodie wirkt also in besonderem Maße sinnunterstützend, was für eine gelungene Textuierung - sowohl des schwedischen Originals als auch in der deutschen Übertragung - spricht, denn die Volksweise ist ja unabhängig vom Liedtext entstanden. c Textsemantische Aspekte 1) Der Abend als Gebetszeit In den ersten beiden Zeilen wird der Abend illustriert ohne ihn direkt zu benennen. Der Vollzugszeitpunkt des Liedes wird durch akustische und psychische Merkmale charakterisiert: Der Abend ist einerseits Zeit der Ruhe, <?page no="160"?> 146 weil der Lärm verebbt und abklingt (1,1); er ist andererseits eine Zeit der psychohygienischen Entlastung, weil die Last des Tages leichter wird (1,1). Auf welche Weise eine solche Entlastung genau erfolgt, lässt der Text im Unklaren. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass diese Erleichterung durch göttliche Boten unterstützt wird (1,2). Die Abendzeit ist Anlass für das Gebet, das genauer aus Bitten und Fürbitten besteht. Eingeleitet werden sie durch eine Segensbitte (1,3: Gott, segne alle, die dir vertrauen). Es folgen drei Fürbitten für die Leidenden (1,4: Gib Nacht und Ruhe, wo man heut litt.), die zu Unrecht Behandelten (2,1: Lass Recht aufblühen, wo Unrecht umgeht) und die Gefangenen (2,2: Mach die Gefangnen der Willkür frei). Die vorletzte Bitte um die mit Jesus wachende Kirche (2,3: Lass deine Kirche mit Jesus wachen) richtet sich perspektivisch auf die bevorstehende Nacht, die Bitte um Frieden wendet sich unbestimmt in die Zukunft (2,4: Menschen wirken, dass Friede sei). Die Welt, die das Lied zeichnet, ist, das spiegeln die Bitten, weder romantisch noch idealtypisch. Der Abend gewinnt in diesem Zusammenhang eine eher positive Deutung: Er ist Zeit der Entlastung und der Ruhe, er führt zur Linderung. Außerdem ist er heilige Zeit, insofern sich der Bittende oder die bittende Gruppe - das lässt das Lied offen - an Gott wendet. Der Adressat dieser Bitten ist unter liturgischen Gesichtspunkten Gott Vater, was in 2,3 durch die Erwähnung von Jesus im Dativobjekt bestätigt wird. E XKURS : Vesperale (Für-)Bitte Aus den Studien von G ABRIELE W INKLER lassen sich aus einem Vergleich der Vesperriten des Ostens und Westens vier gemeinsame Elemente ableiten: Nach einer (1) Eröffnung folgen die schon präsentierten Rituselemente (2) Lichtdanksagung und (3) Weihrauchopfer sowie (4) ein Fürbittgebet. 561 Sie lassen sich im 4. Jh. nahezu für alle kathedralen Vesperriten des Ostens und Westens nachweisen. 562 In 1Tim 2,1f. werden zum ersten Mal christliche Fürbitten und ihre Inhalte erwähnt: die evnteu,xeij widmen sich allen Menschen ( u`pe.r pa,ntwn avnqrw,pwn ), den Herrschern ( u`pe.r basile,wn ) und Mächtigen ( u`pe.r pa,ntwn tw/ n evn u`peroch/ | o; ntwn ). 563 Das fürbittende Gebet bildet von Anbeginn einen Grundvollzug christlichen Betens. In den frühen Liturgien gibt es im Wesentlichen zwei Formen des fürbittenden Gebetes. Im Rahmen der Gemeindeliturgie erscheint sie in Form eines Präsidialgebets, wie es die älteste Textquelle, der E RSTE C LEMENSBRIEF (95/ 96 n. Chr.), in seinem großen Schlussgebet (Kap. 59,2-61,3) mitteilt. Jenes ist gekennzeichnet durch eine zweifache Doppelstruktur, in der sich lobpreisende Passagen und Bitt-Teile miteinander abwechseln. Im Folgenden wird auszugsweise der zweite Passus des Schlussgebets wiedergegeben: 561 Vgl. W INKLER , Kathedralvesper, 53-102. 101; B ECKER , H ANSJAKOB : Zur Struktur der „Vespertina synaxis“ in der Regula Benedicti, In: ALw 20 (1987) 177-188. 184. 562 Im 12. Jh. sind schließlich sowohl der Lichtritus als auch das Fürbittgebet aus den Abendriten weitgehend verdrängt. Vgl. ebd. 97. 563 In einer Predigt über 1 Tim 2 nennt J OHANNES C HRYSOSTOMOS in Anlehnung an die Forderung des Paulusbriefes als Inhalte des Fürbittgebets der Gemeinde folgende Gruppen: den gesamten Kosmos, die Kirche sowie alle, die eine besondere Stellung einnehmen; siehe J OHANNES C HYSOSTOMOS , Hom. in 1 Tim 2, Hom 6 (PG 62, 530). <?page no="161"?> 147 „Du hast ja die ewige Weltordnung durch die waltenden Kräfte geoffenbart; du, Herr, hast die Erde gegründet, der Getreue in allen Geschlechtern, der Gerechte in allen Gerichten, der Wunderbare in Macht und Herrlichkeit, der Weise bei der Schöpfung und der Kluge in der Erhaltung des Geschaffenen, der Gute in den sichtbaren Gaben und der Liebevolle gegen die, die auf dich vertrauen; Barmherziger und Mitleidvoller, vergib uns unsere Sünden, die Ungerechtigkeiten, die Fehltritte und Vergehen! Rechne keine Sünde deiner Knechte und Mägde an, sondern reinige uns mit der Reinigung durch deine Wahrheit und lenke unsere Schritte, daß wir in Heiligkeit des Herzens wandeln und tun, was gut und wohlgefällig ist vor dir und vor unseren Herrschern! Ja, Herr, laß leuchten dein Antlitz über uns zum Guten in Frieden, damit wir beschützt seien durch deine starke Hand und bewahrt vor jeglicher Sünde durch deinen erhabenen Arm, und bewahre uns vor denen, die uns ungerecht hassen! Gib Eintracht und Frieden uns und allen Bewohnern der Erde, wie du sie unseren Vätern gegeben hast, als sie dich fromm anriefen in Glauben und Wahrheit; gib, daß wir deinem allmächtigen und vortrefflichen Namen, sowie unseren Herrschern und Vorgesetzten auf Erden gehorsam seien.“ 564 Eingeleitet wird dieser zweite Gebetsteil durch eine ausgedehnte preisende Anamnese an den Schöpfer und König der Welt. Es folgt zunächst eine Vergebungsbitte, an die sich weitere Bitten um den Frieden und Schutz durch Gott anschließen. In der abschließenden Bitte wird der Kreis, für die gebetet wird, erwietert um alle Erdenbewohner, dass ihnen Frieden und Eintracht durch Gott zuteil werde. Den Gebetsschluss bildet eine Doxologie; das Gebet des Bischofs wird durch die Gläubigen mit Amen bestätigt. Auch die monastische Tradition, etwa in Gestalt des benediktinischen Ritus, kennt ein fürbittendes Gebet. Bei B ENEDIKT findet sich in den so genannten großen Horen Laudes und Vesper ein im Vergleich zu den übrigen Horen ausgestalteter Horenschluss, der aus einer Litanei - wie sie heute noch in der Ostkirche in Form der Ektenie praktiziert wird - und dem Vater unser besteht. 565 Im Rahmen der benediktinischen Komplet wird auf eine ausgedehnte Fürbittlitanei verzichtet, möglicherweise um die Schlichtheit dieser Hore zu bewahren. Stattdessen wird am Beginn der Nacht lediglich das Kyrie eleison gesprochen, das in der Litanei der großen Horen als Ruf jeweils auf die einzelnen Bitten folgt. Erste Textzeugnisse des Kyrie eleison als Akklamation des Fürbittgebets werden für das 4. Jh. in Jerusalem und Antiochien bezeugt. Die Pilgerin E GERIA berichtet von einem Fürbittgebet im Rahmen der Vesper unmittelbar vor der Entlassung der Gläubigen. „Sobald die gewohnte Rezitation [der Hymnen und Antiphonen] beendet ist, erhebt sich der Bischof und stellt sich vor das Gitter, das heißt vor die Grotte. Dann liest einer der Diakone die einzelnen Namen derjenigen vor, deren er gedenken möchte, wie man es gewohnt ist. Und wenn der Diakon die einzelnen Namen 564 Erster Clemensbrief 60 (SU 1,3-107, 100-103; ed. J OSEPH A. F ISCHER ). 565 In der Regula Benedicti ist festgelegt: „Für die Feier der Vesper werden vier Psalmen mit Antiphonen festgesetzt. Nach den Psalmen werden eine Lesung vorgetragen, dann das Responsorium, ein Hymnus des Ambrosius, der Versikel, das Canticum aus dem Evangelium, die Litanei und als Abschluß das Gebet des Herrn.“ RB 17,7f. (SChr 182,526.528; ed. A DALBERT DE V OGÜE / J EAN N EUFVILLE . Paris 1972); dt. Ü: Die Regel des Heiligen Benedikt. Hg. v. der S ALZBURGER Ä BTEKONFERENZ . Beuron 6 1990, 67f. Vgl. B ECKER , Vespertina synaxis, 179. Vgl. auch, davon abweichend und im Anschluss an O DILO H EIMING , H OFMANN , J OHANNES : Die Entlassung der benediktinischen Komplet, ein Zeugnis für den altchristlichen Horenschluss. In: HlD 36 (1982) 161-166. 162f. <?page no="162"?> 148 nennt, antworten sehr viele Kinder, die dort stehen und deren Stimmen zahllos sind, immer ‚Kyrie eleison’ - wir sagen ‚Herr, erbarme dich’.“ 566 Das Gebet schließt mit einer durch den Bischof vorgetragenen Oration. Es wird hier in der Fürbitte konkreter Personen gedacht. Einen ähnlichen Usus schildert die Pilgerin für den Abschluss des Wortgottesdienstteils bei der sonntäglichen Eucharistiefeier in Jerusalem. Vergleichbares wird in den C ONSTITUTIONES A POS - TOLORUM geschildert. 567 Dort bittet der Diakon stellvertretend für die ganze Gemeinde für die Kirche und den Klerus, für das Volk und seine Herrscher, für Reisende und Kranke, für die Wohltäter des Gotteshauses, Arme und um Frieden. Die Gemeinde antwortet mit dem Ruf Kyrie eleison. Jerusalempilger importierten die Gebetsform der Litanei in den Westen, wo sie seit dem 5. Jh. praktiziert wird. 568 [Ende des Exkurses] 2) Direkte und indirekte Akteure des Liedes Es treten zwei Personen bzw. Instanzen als direkt Handelnde bzw. zum Handeln Aufgeforderte auf: Engel und Gott. a ) Engel Engel stehen in einer Funktion, sind nicht um ihrer selbst willen da; sie sind von Gott geschickt, um zu helfen. 569 So treten auch hier englische Gestalten auf, um die Tageslast tragen zu helfen (1,2). Diese schwer anmutende Fülle des Tages ähnelt einer psychischen Belastung, die die Engel quasi therapeutisch lindern; sie helfen das Belastende und als Last Empfundene zu tragen. Engel lassen sich in Liturgie und Frömmigkeit häufig in gleicher Weise im Zusammenhang mit dem Abend wieder finden: Sie werden beispielsweise als Schutz dem Schlafenden zur Seite gestellt. 570 Die Funktion der zur Siche- 566 [A ETHERIA ]: I TERNARIUM E GERIAE 24,5; [E GERIA , Reisebericht] Mit Auszügen aus De locis sanctis = die heiligen Stätten [Petrus Diakonus]. Übers. u. eingel. v. G EORG R ÖWE- KAMP unter Mitarb. v. D IETMAR T HÖNNES . (FC 20) Freiburg / Basel / Wien u.a. 1995, 228f. 567 Vgl. CA VIII 35,2 (SChr 336,246f; ed. M ARCEL M ETZGER ). 568 Vgl. J UNGMANN , J OSEF A NDREAS : Missarum Sollemnia. Eine genetische Erklärung der römischen Messe. Bd. I. Freiburg / Basel / Wien 5 1962. 429-446, 431f. 569 Vgl. Art. „Engel“. In: F ORSTNER , D OROTHEA / B ECKER , R ENATE : Neues Lexikon christlicher Symbole, 373-382. 373. 570 Dies geschieht auch in außerliturgischen Stücken wie z.B. sehr eindrücklich im Abendsegen des Singspiels Hänsel und Gretel von E NGELBERT H UMPERDINCK (Uraufführung am 23. Dezember 1893 am Hoftheater zu Weimar); der Text stammt von A DELHEID W ETTE nach der Vorlage eines alten Kinderliedes: „Abends, wenn ich schlafen gehe, zwey zu meinen Füßen, vierzehn Engel bei mir stehn: zweye, die mich decken, zwey zu meiner Rechten, zweye, die mich wecken zwey zu meiner Linken, zweye, die mich weisen zwey zu meinen Häupten, in das himmlische Paradeischen! “ A RNIM , A CHIM VON / B RENTANO , C LEMENS : Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder. Hg. v. H EINZ R ÖLLEKE . Kritische Ausgabe. Bd. 3. [Heidelberg 1808] Stuttgart 1987, 253. Bei diesem Hänsel und Gretel in den Mund gelegten Gebet handelt es sich um ein erstmals 1529 bezeugtes christliches Abendgebet. das primär für Kinder gedacht war. Forschungen zu Folge stammt es ursprünglich aus einem Teil eines jüdischen Nachtgebets, das im 10. bzw. 11. Jh. entstanden sein soll. Vgl. P ETUCHOWSKI , J A- KOB J.: Zur vermeintlichen jüdischen Vorlage eines christlichen Kindergebetes. In: LJ 32 <?page no="163"?> 149 rung von Gott gesandten Boten zeigt sich im Komplet-Psalm 91 (V. 11-13): „Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt“. 571 Dieses Schutzengelmotiv wird innerhalb der benediktinischen Komplet ein weiteres Mal in der Schlussoration aufgegriffen, in der es heißt: „Herr und Gott, kehre ein in dieses Haus und halte alle Nachstellungen des Feindes von uns fern. Deine heiligen Engel mögen darin wohnen und uns in Frieden bewahren. Und dein Segen sei über uns allezeit. Amen.“ 572 Hier kommt Gottes Engeln die Aufgabe zu, vor Unheil zu schützen und den (häuslichen) Frieden zu erhalten. b) Gott Gott lässt sich detaillierter durch die ihm zugesprochenen Qualifikationen und Funktionen charakterisieren, die sich aus den Bitten des Textes ableiten: (1) Gott als Segnender Gott spendet Segen (1,3). Dieser Segen wird durch den SPRECHER des Liedes indirekt an alle adressiert, die ihm (d.h. Gott) vertrauen; Segen empfangen also diejenigen, die vertrauensvoll Gottes Segenskraft anerkennen. Was verspricht sich der nicht direkt offenbar werdende SPRECHER von dem Erhalt des göttlichen Segens? Etymologisch rührt Segen vom lat. signare (bezeichnen) her. Die Bezeichnung konkretisiert sich durch die christliche Segenshandlung, das Bekreuzigen. In den germanischen Wortstämmen der Synonyme *wih- oder *galdr kommen wir der für das Lied zutreffenden Bedeutung nahe. Sie deuten die Verwandlung eines Seinszustandes an. Der zu weihende Mensch oder Gegenstand wird aus seiner Alltagswelt herausgelöst und in eine höhere Sphäre enthoben. 573 Hier liegt kein notwendigerweise magisches Segensverständnis vor, das von einem mirakulösen Eingreifen Gottes in den menschlichen Alltag ausgeht. 574 Vielmehr setzt die Bitte um Segen den Glauben an die schöpferische und erhaltende Kraft Gottes voraus. Durch diesen Segen treten die Gesegneten in ein neues Beziehungsverhältnis zu Gott ein. „Wer in den Dialog des Segens eintritt, erklärt sich und seine (1982) 119-123. Zum Zwölfbzw. Vierzehnengelsegen siehe auch: O RTH , F.: Art. „Engel in den Segen“. In: HWDA II (1929/ 1930) 836-839. 571 Insgesamt zum liturgischen Ort von Psalm 91 siehe den Exkurs: Psalm 91 I D b 4). 572 „Visita quaesumus domine habitationem istam et omnes insidias inimici ab ea longe repelle, angeli tui sancti habitantes in ea, nos in pace custodiant, et benedictio tua sit super nos (semper). Amen.” W ILMART , A NDRE : Precum libelli quattour aevi karolini nunc primum publici iuris facti cum aliorum indicibus. (BEL) Rom 1940, 166; dt. Ü: Stundenbuch. Die Feier des Stundengebets. Für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes. I. Einsiedeln / Köln 1978, 774. Die nachvatikanische LH sieht dieses Schlussgebet nur noch für die Komplet am Sonntag vor. 573 Vgl. V ERENO , M ATTHIAS : Art. „Segen. Religionsgeschichtlich“. In: LThK 2 9 (1964) 589f. P AUS , A NSGAR : Art. „Segen / Segnung. Religionsgeschichtlich“. In: LThK 3 9 (2000) 394f. 574 Vgl. R AHNER , K ARL : Ist unser Glück wirklich ein Segen? Zweideutigkeit aller Wirklichkeit. In: Entschluss 36 (1981) 4f. <?page no="164"?> 150 Welt als von Gott abhängig, zugleich aber auch als von ihm angenommen.“ 575 Es ist denkbar, dass die auf die Segensbitte folgenden Anliegen den allgemeinen Segen konkretisieren, indem sie eine Art Metamorphose der brüchigen Realitäten erbitten. 576 Die Bitte um Segen und um Rettung aus Leid, Krankheit und Gefangenschaft wendet sich an den schöpferischen und auch erlösenden Gott: Im Segen äußert sich nicht nur die schöpfungsmäßige Kraft des Fruchtbar-Werdens und Wachsens, sondern auch eine schützende, heilende und gemeinschaftsbildende Kraft. 577 Die Verbindung von Segen und Rettung wird besonders im Aaronitischen Segen (Num 6,24-26) deutlich: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil.“ (2) Gott als Arzt Dieser Segen leitet inhaltlich zur zweiten Bildebene über, die die heilende Seite Gottes in der Metapher des Arztes akzentuiert. Gott wird in 1,4 darum gebeten, den Leidenden als Arznei Nacht und Ruhe zu geben - er ist gewissermaßen Arzt und Apotheker in einem. Das Bild des Arztes begegnet uns innerhalb der Heiligen Schrift in vielen Kontexten: Im Alten Testament wird die Heilung durch JHWH als Bild für die Rettung des Volkes Israel verwen- 575 B ECKER , H ANSJAKOB / G ERHARDS , A LBERT : Mit allem Segen seines Geistes gesegnet. Zur theologischen Bestimmung der Benediktionen. In: A NDREAS H EINZ / H EINRICH R ENNINGS (H GG .): Heute segnen. Werkbuch zum Benediktionale. Freiburg / Basel / Wien 1987 (Pastoraltheologische Reihe ii. Verb. m. der Zeitschrift „Gottesdienst“) 15- 32. 18. 576 C LAUS W ESTERMANN traf in seiner einschlägigen Monographie zum Segen eine Unterscheidung zwischen segnendem und rettendem Handeln Gottes, indem er das erste als kontinuierliche, das zweite als punktuelle Handlung auswies. Vgl. W ESTERMANN , C LAUS : Der Segen in der Bibel und im Handeln der Kirche. (Kaiser-Taschenbücher 122) München 1992. D OROTHEA G REINER belegte in ihrer Dissertation mit Rückgriff auf die an W ESTERMANN orientierten Studien von D IETER V ETTER (Jahwes Mit-Sein - ein Ausdruck des Segens. (AzTh I 45) Stuttgart 1971), dass diese Unterscheidung künstlich und für die Segenstheologie wenig hilfreich ist. Segen und Rettung durch Gott sind verschiedene, aber nicht alternativ zu setzende Formen des Mitseins Gottes. Vgl. G REI- NER , D OROTHEA : Segen und Segnen. Eine systematisch-theologische Grundlegung. Stuttgart / Berlin / Köln 1998. [zugl. Diss. Augustana-Hochschule Neuendettelsau 1997] bes. 89-100. Zusammenfassend bemerkt G REINER zum Verhältnis von Punktualität und Kontinuität im Hinblick auf Rettung und Segen: „Segen - auch und gerade, wenn er als stetige Begleitung Gottes verstanden wird - umfaßt gerade auch punktuelle Ereignisse im Leben eines Menschen, in denen die Begleitung Gottes besonders erfahren wird. Dazu gehören Ereignisse der Rettung aus den verschiedensten Situationen der Not. Gerade in ihnen wird die schützende, heilende und stärkende Wirkung des Segens erfahren. Hier gerinnt der ständige, kaum wahrgenommene Segensfluß und wird zur Erfahrung.“ Ebd., 95; vgl. auch F RETTLÖH , M AGDALENE L.: Theologie des Segens. Biblische und dogmatische Wahrnehmungen. Gütersloh [1998] 5 2005, 45-62. Kritisch nimmt auch L UKKEN Westermanns Thesen auf; vgl. L UKKEN , G ERARD : Was bedeutet benedicere? In: LJ 27 (1977) 5-27. 577 Vgl. G REINER , Segen und Segnen, 94. <?page no="165"?> 151 det. 578 Er heilt jegliche Leiden, die Zeichen der sündhaften Abkehr von Gott sind. 579 Ebensolches wollen vielfach die Wunderheilungen Jesu deutlich machen. 580 In anderen Zusammenhängen soll das Bild des Arztes Gottes Allmächtigkeit zum Ausdruck bringen. 581 Als Arznei fungiert das Wort Gottes 582 bzw. Jesu Name. 583 Auch wird durch das Bild des Arztes die Sorge Gottes um seine Kreaturen illustriert, was die Nähe zum Bild des Guten Hirten deutlich macht. 584 Das Motiv des Christus-Medicus dient bei den Kirchenvätern schon früh als Deutung des ganzheitlich-heilenden Handelns Jesu Christi: 585 „Jede Seele ist in der Hand des Herrn, und Christus ist für uns alles: Willst du, daß deine Wunde heilt: er ist der Arzt; glühst du vor Fieberhitze: er ist erfrischende Quelle; sinkst du zusammen unter der Ungerechtigkeit deiner Werke: er ist die ewige Gerechtigkeit; bedarfst du der Hilfe: er ist die Allmacht; fürchtest du 578 „Jetzt seht: Ich bin es, nur ich, und kein Gott tritt mir entgegen. Ich bin es, der tötet und der lebendig macht. Ich habe verwundet; nur ich werde heilen. Niemand kann retten, wonach meine Hand gegriffen hat.“ (Dtn 32, 39); im Zusammenhang mit der Errettung Israels aus Ägypten „Er sagte: Wenn du auf die Stimme des Herrn, deines Gottes, hörst und tust, was in seinen Augen gut ist, wenn du seinen Geboten gehorchst und auf alle seine Gesetze achtest, werde ich dir keine der Krankheiten schicken, die ich den Ägyptern geschickt habe. Denn ich bin der Herr, dein Arzt.“ (Ex 15,26) Das Bild des Arztes verdeutlicht auch das eschatologische Handeln Gottes: „Zu der Zeit, wenn der Herr die Leiden seines Volkes heilt und seine Wunden verbindet, wird das Licht des Mondes so hell sein wie das Licht der Sonne, und das Licht der Sonne wird siebenmal so stark sein wie das Licht von sieben Tagen.“ (Jes 30, 26) 579 Als Ausdruck zur Vergebung der Sünden z.B. Jer 3,22: „Kehrt um, ihr abtrünnigen Söhne, ich will eure Abtrünnigkeit heilen.“ s. z.B. auch Jer 30,15-17 ; 2 Chron 7,11-14. 580 Mt 4,23f.; Mt 8,5-10.13; 8,16-18; 9,35; 10,1.8; 12,15; 14,14; 15,30; 19,2; / / Mk 1,34; 3,10; 6,5; / / Lk 4,40, 5,17-25; 6,19; 7,21; 9,11.42; 14,3f.; 22,51; / / Joh 4,46-54. Jesus bezeichnet sich selbst als Arzt: „Als die Pharisäer das sahen, sagten sie zu seinen Jüngern: Wie kann euer Meister zusammen mit Zöllnern und Sündern essen? Er hörte es und sagte: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“ Mt 9, 11f./ / Mk 2,17; Lk 5,31; s. auch Lk 4, 23f.: „Da entgegnete er ihnen: Sicher werdet ihr mir das Sprichwort vorhalten: Arzt, heile dich selbst! Wenn du in Kafarnaum so große Dinge getan hast, wie wir gehört haben, dann tu sie auch hier in deiner Heimat! Und er setzte hinzu: Amen, das sage ich euch: Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt.“ 581 „Ja, wohl dem Mann, den Gott zurechtweist. Die Zucht des Allmächtigen verschmähe nicht! Denn er verwundet, und er verbindet, er schlägt, doch seine Hände heilen auch.“ (Hiob 5, 17f.); vgl. auch Hos 6: 1f.; Jes 19,22; Die Heilung von Königen und Herrschern ist ebenfalls in diesem Licht zu lesen; s. z.B. die Heilung Abimelechs (Gen 20,17); die Heilung Naamans (2 Kön 5,1-15) oder die Heilung Hiskijas (2 Kön 20,5-11). 582 Das Wort Gottes ist Heilmittel: „Sie, die dahinsiechten in ihrem sündhaften Treiben, niedergebeugt wegen ihrer schweren Vergehen, denen vor jeder Speise ekelte, die nahe waren den Pforten des Todes, die dann in ihrer Bedrängnis schrien zum Herrn, die er ihren Ängsten entriss, denen er sein Wort sandte, die er heilte und vom Verderben befreite: sie alle sollen dem Herrn danken für seine Huld, für sein wunderbares Tun an den Menschen“; (Ps 107,17-21); s. auch Spr 4,20-22. 583 S. z.B. Apg 9,34 584 S. z.B. Ez 34 oder Jes 53, 2-5. 585 Vgl. E ID , V OLKER : Art. „Arzt. III. Theologisch-motivgeschichtlich“. In: LThK 3 1 (1993) 1050f. <?page no="166"?> 152 den Tod: er ist das Leben; verlangst du zum Himmel: er ist der Weg; willst du die Finsternis fliehen: er ist das Licht; suchst du Speise: er ist das Brot des Lebens“ 586 Aus dieser Vorstellung des Soter und seiner Sorge um Arme und Kranke entwickelt sich die karitative Arbeit der frühchristlichen Gemeinden. 587 (3) Gott als Gerechter und Befreier Die Bitte um Segen konkretisiert sich in zwei weiteren Bitten, in denen an Gottes gerechtes (2,1) und befreiendes (2,2) Handeln appelliert wird. Bemerkenswert sind die sachliche Weltsicht des Liedes und seine differenzierte Theologie. Alle Bitten fügen sich in ein realistisches Wirklichkeitsverständnis ein und verzichten auf die Bitte um Konstituierung utopischer Verhältnisse. Die Bitte Mach die Gefangnen der Willkür frei fokussiert die ohne Grund und zu Unrecht Verurteilten, dass sie mit Hilfe Gottes befreit werden mögen. Befreiung ist im biblischen Kontext auch ein weiteres Synonym für Heilung und Befreiung von Sünde. 588 Als erste und basale Schilderung der Erfahrung göttlicher Befreiung ist hier an die Errettung Israels aus der Knechtschaft Ägyptens zu denken, in der Gott sich als Gerechter und als Befreier zu erkennen gibt. (Ex 14/ 15) JHWH errettet aus Situationen der Willkür 589 und der Gewalt 590 . Im Kontext des Segens klingt wiederum der 91. Psalm an, in dem es in den VV. 14-16 heißt: „’Weil er an mir hängt, will ich ihn retten; ich will ihn schützen, denn er kennt meinen Namen. Wenn er mich anruft, dann will ich ihn erhören./ Ich bin bei ihm 586 „Omnis in Domini potestate est, et omnia Christus est nobis: si vulnus curare desideras, medicus est: si febribus aestuas, fons est: si gravaris inquitate, iustitia: si auxilio indiges, vitus est; si mortem times, vita est: si coelum desideras, via est: sie tenebras fugis, lux est: si cibum quaeris, dimentum est: Gustate igitur, et videte quoniam suavis est Dominus: beatus vir, qui sperat in eo: (Ps 34,9) A MBROSIUS , De virginitate, 99 (PL 16, 237, 291); dt. Ü: Des heiligen Ambrosius Schrift an seine Schwester Marcellina Über die Jungfrauen. u. a. Übers. von F RANZ X AVER S CHULTE . (Ausgewählte Schriften des heiligen Ambrosius, Bischof von Mailand 1) (BKV 13) Kempten / München 1871, 181. 587 Vgl. H ERZOG , R.: Art. „Arzt“. In: RAC I (1950) 720-724. 588 So ist z.B. von der Befreiung von Sünde und Unreinheit die Rede. S. z.B. Ez 27, 23 „Sie werden sich nicht mehr unrein machen durch ihre Götzen und Greuel und durch all ihre Untaten. Ich befreie sie von aller Sünde, die sie in ihrer Untreue begangen haben, und ich mache sie rein. Dann werden sie mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein.“ 589 S. z.B. Jer 15,19-21: „Darum - so spricht der Herr: Wenn du umkehrst, lasse ich dich umkehren, dann darfst du wieder vor mir stehen. Redest du Edles und nicht Gemeines, dann darfst du mir wieder Mund sein. Jene sollen sich dir zuwenden, du aber wende dich ihnen nicht zu. Dann mache ich dich für dieses Volk zur festen, ehernen Mauer. Mögen sie dich bekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen; denn ich bin mit dir, um dir zu helfen und dich zu retten - Spruch des Herrn. Ja, ich rette dich aus der Hand der Bösen, ich befreie dich aus der Faust der Tyrannen.“; s. auch z.B. Ps 102, 20- 23. 590 S. z.B. Ez 13, 20f. „Darum - so spricht Gott, der Herr: Ich gehe gegen eure Zauberbinden vor, mit denen ihr die Menschen jagt wie Vögel, und reiße sie von euren Armen und lasse die Menschen frei, die ihr gefangen habt wie Vögel. Ich reiße die Zaubermützen, die ihr gemacht habt, herunter und befreie mein Volk aus eurer Gewalt. Es wird nicht länger in eurer Gewalt bleiben. Dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin.“ <?page no="167"?> 153 in der Not, ich befreie ihn und bringe ihn zu Ehren. Ich sättige ihn mit langem Leben und lasse ihn schauen mein Heil.’“ Problematisch erscheint in 2,1 und 2,3 die in Bitten grundsätzlich schwierige Formulierung lass: 591 Sie erweckt zunächst den Eindruck, Gott könne Gerechtigkeit und Frieden in die Welt hinein „programmieren“. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass hier an die Freiheit des Menschen appelliert wird und es keineswegs um einen simplen Tun-Ergehen-Zusammenhang zwischen göttlicher Magie und menschlichem Handeln geht. Im Gegensatz zu anderen Abendliedern, in denen die Bitte um Frieden wie selbstverständlich, fast stereotyp geäußert wird, wird hier in knappen Worten verdeutlicht, dass die Verantwortung für den Frieden auf Erden letztlich in der Handlungsweise der Menschen liegt und Gott dabei unterstützende Funktion zukommt. Durch sein Mit-Sein unterstützt er die Menschen in ihrem Wirken. Dieses Mit-Sein realisiert sich letztlich durch die Sendung Jesu Christi, nach dessen Vorbild die Menschen agieren sollen. c) Menschen Weiterhin finden drei Personengruppen Erwähnung, die als indirekte Akteure bezeichnet werden können: alle (1,3), Kirche (2,3) und Menschen (2,4). Schon in der Segensbitte in 1,3 kommt die ekklesiale Ebene des Liedes zum Ausdruck, indem die Gruppe derer, die auf Gott vertrauen, als Ziel des göttlichen Segens bestimmt wird. Auf eine institutionelle oder gar konfessionelle Eingrenzung wird hier verzichtet: Gottes Segen möge bei allen sein, die an ihn glauben. Der SPRECHER des Liedes vollzieht explizit keine Selbstidentifikation mit dieser Gruppe. Gleichwohl ist er, indem er um den Segen bittet, ebenfalls einer, der auf Gott und seine Macht vertraut. In der Bitte um die mit Jesus wachende Kirche (2,3) klingt die Bitte Jesu in Gethsemani an: „Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibet hier und wacht mit mir! “ 592 Diese Aufforderung ist ein unmittelbarer „Ruf in Nachfolge und Schicksalsgemeinschaft“ 593 des Menschensohnes. Eingedenk dieser Schicksalsgemeinschaft und in diesem Bündnis stehend sind die Menschen verpflichtet, sich wie ihr Vorbild für den Frieden auf Erden einzusetzen (2,4). Der syntaktische Anschluss in 2,3f. zeigt, dass der SPRECHER des Liedes keine konkrete qualitative Unterscheidung zwischen den Personengruppen Kirche (2,3) und Menschen (2,4) vornimmt: aus der Kon-Passion erwächst der Friedensauftrag für alle Menschen. 591 Vgl. hierzu z.B.. S CHAEFFLER , R ICHARD : Jemanden zugunsten eines anderen um etwas bitten. Fürbitten als Sprachhandlung (2). In: gd 25 (1991) 153. und D ERS .: Viele Beteiligte. Fürbitten als Sprachhandlung (2). In: gd 26 (1991) 161. 592 Mt 26,38; Mk 14,34. 593 W IEFEL , W OLFGANG : Das Evangelium nach Matthäus (ThHK.NT 1) Leipzig 1998, 453. <?page no="168"?> 154 d Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie Das am Abend situierte Fürbittgebet vereint verschiedene rituelle Phasen in sich: Es verhilft dazu, andere Perspektiven einzunehmen, denn der Beter löst sich im Gebet aus seinem eigentlichen Wirklichkeitsbereich heraus. In den Bitten für andere distanziert sich das betende Subjekt bzw. die Gruppe von Betern von eigenen Sorgen und Nöten. Außerdem wird im fürbittenden Gebet - das wird im Lied besonders deutlich - um die Aufhebung von Gegensätzen bzw. um die Überführung der Umwelt von einem schlechten in einen besseren Zustand gebeten. Daher erhält das Gebet insgesamt den Charakter einer Ablösungsphase. Im Kontext des vesperalen Gebets ist das Fürbittgebet jedoch meist vor dem abschließenden Segen situiert. Die Betenden haben Gott für den zurückliegenden Tag gedankt und wenden sich in einem abschließenden Gebet an Gott, indem sie vertrauensvoll um seine Hilfe bitten. Gemäß dem Modell VAN G ENNEPS könnte man sagen, dass das fürbittende Gebet im Gesamt eines Ritus auch als Angliederungsphase die Angliederung der Betenden vorbereitet. <?page no="169"?> 155 E XKURS : Die Komplet Die im Folgenden zu präsentierenden Lieder weisen in ihren Themen und Motiven eine gewisse Nähe zu den Elementen der benediktinischen bzw. römischen Komplet auf. Daher sollen an dieser Stelle Grundstruktur und Motivkomposition dieser Gebetshore vorgestellt werden, um Wiederholungen an anderen Orten zu vermeiden. 594 a Benediktinische und römische Komplet Auf B ENEDIKT VON N URSIA soll die bis heute für die Benediktiner gültige Form des Tagzeitengebets zurückgehen, die in ihren Grundzügen aus einer bestehenden Tagzeitenliturgie aus dem römischen Raum (RM, datiert auf die erste Hälfte des 6. Jh.) 595 entwickelt wurde. 596 Nach der Vesper, in der für den zurückliegenden Tag gedankt wird, ist die Komplet das letzte Gebet des Tages, das ursprünglich „an der Bettkante“ vollzogen wurde. 597 Die Regula Benedicti (RB) gibt erste Hinweise über die Struktur der Komplet: „Für die Komplet werden drei Psalmen festgesetzt; diese Psalmen betet man ohne Unterbrechung und ohne Antiphon. Es folgen der Hymnus dieser Gebetszeit, eine Lesung, der Versikel, das ‚Kyrie eleison’ und das Segensgebet als Abschluß.“ 598 Die erwähnten drei Psalmen werden im folgenden Kapitel der Regula konkretisiert: „Zur Komplet werden täglich dieselben Psalmen wiederholt, nämlich Psalm 4, Psalm 90 und Psalm 133.“ 599 Diese Festlegung auf die besagten drei Psalmen, die in einem Zug gesungen werden, deutet darauf hin, dass das letzte Gebet des Tages auswendig vollzogen wurde. Ihre Rezitation wurde nicht wie in den anderen Horen üblich durch Antiphonen unterbrochen. Außerdem wurde die Komplet bei Benedikt responsorial gesungen. 600 Auf die Psalmen folgt ein in der Regula nicht näher benannter Hymnus, was die Verwendung eines bestimmten und bekannten und daher nicht weiter konkretisierten Stückes vermuten lässt. Jeder Hore war nämlich ein bestimmter Hymnus beigegeben; im Falle der Komplet handelt es sich dabei um den schon in der er- 594 Die spezifischen einzelnen Elemente und Motive dieser Gebetshore werden im Zusammenhang mit entsprechenden Liedern in eigenen Exkursen ausführlicher dargelegt. Am Ende dieses Exkurses wird allgemein die rituelle Gestalt der Komplet im Phasenmodell VAN G ENNEPS erörtert und nach den Funktionen des Abends im Rahmen dieser Gebetszeit gefragt. Darüber hinaus schließt sich, so wie es schon bei den vorhergehenden sechs Liedbesprechungen der Fall gewesen ist, auch an die folgenden Auslegungen jeweils ein kurzes Kapitel an, das sich zusammenfassend mit der Rolle des Abends im Lied und in der Liturgie befasst. 595 Vgl. S KEB , M ATTHIAS : Art. „Regula Magistri“. In: LACL 608. 596 Vgl. H EIMING , O DILO : Zum monastischen Offizium von Kassianus bis Kolumbanus. In: ALw 7 (1961) 146-154.152. Die Urheberschaft Benedikts ist in der Forschungsliteratur umstritten; s. dazu V OGÜÉ , A DALBERT DE : Die Regula Benedicti. Theologische-spiritueller Kommentar. (Regula Benedicti Studia Supplementa 16) Hildesheim 1963. 597 Vgl. B ECKER , H ANSJAKOB : Poesie - Theologie - Spiritualität. Die benediktinische Komplet als Komposition. In: D ERS ./ R AINER K ACZYNSKI (Hgg.): Liturgie und Dichtung Bd. II. (PiLi 2) St. Ottilien 1983, 857-911. 859. Das zeigt die Formulierung der Schlussoration an, in der der Segen über alle Hausbewohner erbeten wird: „Visita quaesumus domine habitationem istam…angeli tui sancti habitantes in ea…“ Vgl. ebd., 870. 598 RB 17,9f. (SChr 182,528; ed. A DALBERT DE V OGÜE / J EAN N EUFVILLE ); dt. Ü: Die Regel des Heiligen Benedikt, 68. 599 RB 18,19; ebd., 70. 600 Vgl. P ASCHER , J OSEPH : Das Stundengebet der Römischen Kirche. München 1954, 245. <?page no="170"?> 156 sten Hälfte des 5. Jh. als Nachthymnus bekannten Christe, qui lux es et dies. 601 Ebenso sieht die RB für jede Gebetszeit eine bestimmte Kurzlesung vor, die lediglich zu besonderen Anlässen im Kirchenjahr durch eine andere ersetzt wurde; in unserem Fall handelt es sich dabei um Jer 14,9 (Du bist doch in unsrer Mitte, Herr, und dein Name ist über uns ausgerufen. Verlass uns nicht! ). Als Scharnier folgt der Versikel Ps 17,8 (Behüte mich wie den Augapfel, den Stern des Auges, birg mich im Schatten deiner Flügel), der zum Segensgebet überleitet. Dessen Auftakt bildet das Kyrie eleison, eine Art komprimierter Fürbittlitanei. Sodann wird, den Psalmvers neuerlich aufgreifend, um Ruhe und Schutz in der kommenden Nacht gebeten. Mit der römisch-fränkischen Liturgiereform im 8. bzw. 9. Jh. wird die Gebetsstruktur modifiziert und die benediktinische Vorlage erheblich erweitert. Für die Gesamtkomposition folgenschwer ist die Interpolation eines auf die Lesung folgenden Responsoriums in den Worten von Ps 31,6, den der sterbende Christus am Kreuz in seinen letzten Worten zitiert (Lk 23,46) und das daran anschließende neutestamentliche Canticum, der Lobgesang des Simeon aus Lk 2,29-31. A MA - LAR VON M ETZ , der die karolingisch-fränkische Liturgiereform maßgeblich beeinflusst hat, begründet die Einfügung dieser zwei um das Thema ‚Tod’ kreisenden Elemente in seinem Liturgiekommentar schlicht: „Der Schlaf ist das Abbild des Todes“. 602 Im Laufe der Zeit wurden dem römischen Nachtgebet weitere Elemente vor- und nachgeschaltet. Es ist anzunehmen, dass sie zunächst privat und still vollzogen wurden, sie also Ausdruck persönlicher Frömmigkeit waren, bevor sie in den öffentlichen, gemeinschaftlich geübten Ritus aufgenommen wurden. 603 Beispielsweise ist seit dem Tridentinum nach einem Eingangssegen als lectio brevis 1 Petr 5,8f. vorgesehen; hierbei handelt es sich um den letzten Rest einer längeren Lesung, die während oder nach dem Abendessen vorgetragen wurde, bevor das eigentliche Kompletorium begann. 604 Bevor der Petrusbrief verbindlich als Kurzlesung eingeführt wurde, richtete sich die Auswahl der Texte am Kirchenjahr und seinen Festen aus. 605 Auffällig ist in der römischen Komplet das dreimalige Bekenntnis: eingangs wird ein Schuldbekenntnis, vor dem Schlusssegen und im Anschluss an die Marianische Antiphon wird das Glaubensbekenntnis gesprochen. Außerdem wird die Gebetszeit nunmehr durch das Vater unser gerahmt. 601 Vgl. E INIG , Vom Tag zur Nacht, 11f. B ECKER , Komplet als Komposition, 868. Zu besagtem Hymnus siehe den Exkurs: Der ‚Feind’ in der Komplet I D 10 b 3) d). 602 „In eo [completorium] consumitur esus, potus et collatio, et omne commune opus; omnia mebra derelinquuntur a suffugio humano; soli Deo, qui non dormit neque dormitat, committuntur. Somnus est enim imago mortis. Idcirco aliquos psalmos in isto offici cantamus, quos solemus cantare in nocte sabbati, quando Dominus requievit in sepulchro et quos ipse cantavit in cruce, et nostra ecclesia canit in officio mortuorum.” [Hervorh Vf.] A MALAR VON M ETZ : Liber de Ordine Antiphonarii 7,1f. (StT 140,35f.; ed J EAN M ICHEL H ANSSENS . Vatikanstadt 1950). Hinter den von A MALAR erwähnten parallelen Psalmen der Komplet und der Sterbeliturgie verbergen sich die Pss 4, 31 (30),1-6, 90 (91) und 133 (134). Zum Memento mori in der Komplet s. auch an anderer Stelle bei A MALAR : Liber Officialis 4,8 (StT 139,439-442.440; ed J EAN M ICHEL H ANSSENS . Vatikanstadt 1948); vgl. hierzu auch B ÄUMER , S UITBERT : Geschichte des Breviers. Versuch einer quellenmäßigen Darstellung der Entwicklung des altkirchlichen und des römischen Offiziums bis auf unsere Tage. Freiburg 1895, 253. 603 Darauf deutet u.a. das still gesprochene Pater noster hin. 604 Später wird die römische Komplet mit zusätzlichen Privatgebeten umrankt, so dass das in Hymnus und Schlusssegen anklingende Motiv der Versuchung durch den Feind und der Schuld durch die vorgeschaltete Lectio brevis verstärkt wird. Vgl. B ÄUMER , Geschichte des Breviers, 264; P ASCHER , Stundengebet, 243f. 605 Vgl. B ÄUMER , Geschichte des Breviers, 343. <?page no="171"?> 157 Mit der Brevierreform P IUS X. (1835-1914) wird die Gruppe der Kompletpsalmen erweitert, so dass die klassischen Pss 4, 91 und 134 nur noch in der Komplet des Sonntags verwendet werden. Der rote Faden der Schutzthematik wird damit aufgegeben, die Erfüllung eines gewissen Psalmenpensums, wie wir es etwa schon bei dem Anachoretischen Mönchtum gesehen haben, tritt in den Vordergrund. Einzig Ps 30 bleibt als Responsum im täglichen Gebrauch erhalten. 606 Die Komplet erfährt also im Laufe der Zeit durch Ersetzung bzw. Ergänzung einzelner Elemente insgesamt eine thematische Verschiebung. Im Wesentlichen zeigen sich bei B ENEDIKT noch drei Themenkreise: Nacht (als Abwesenheit von Licht), Schlaf und Schutz. Die Komplet „dient der Einübung in die Atmosphäre des Vertrauens und der Beruhigung des Herzens.“ 607 Die Psalmen tragen in ihrer inhaltlichen Ausrichtung wesentlich das Motiv der Geborgenheit und des Schutzes durch den rettenden Gott bei. 608 Dabei stellen sie in ihrer Grundthematik keine ausgewiesene Nachtpoesie dar: Zwar verweist Ps 4,5 auf das nächtliche Lager und auf friedvolle Ruhe (V 9), auch klingt in Ps 134,2 die Nacht an und ebenso wird in Ps 91,5 auf die Nacht und ihre Schrecken verwiesen. Die Nacht dient hier jedoch lediglich dazu, zu zeigen, dass keine Not zu groß sein kann, als dass der Allmächtige nicht retten und bergen könnte. Der christusadressierte Hymnus widmet sich dann schwerpunktmäßig und ausdrücklich dem Schutz und Beistand in der Nacht. Die folgende Kurzlesung und der Versikel rekurrieren wiederum allgemein auf den Schutz durch Gott. Beide letztgenannten fungieren in der Fügung der Texte als eine Art Stoßgebet. 609 Der Schlusssegen führt diesen Gedankengang zu Ende, indem er um Präsenz Gottes und umfassenden Schutz während Nacht und Schlaf bittet. Außerdem klingt zweimal die Bitte um Sündenfreiheit an, einmal im Hymnus (3. Str.: ne gravis somnus inruat / ne hostis nos subripiat / nec caro illi consentiat, nos tibi reos statuat) und einmal im Schlusssegen (omnes insidias inimici ab ea longe repelle…). Der Versucher möge im Tiefschlaf keine Macht über den Schlafenden ergreifen, daher wird ein leichter Schlaf bevorzugt. 610 Von der Bitte um einen erholsamen, sündenfreien Schlaf in der benediktinischen Komplet ist es nur ein kleiner Schritt zum Vergleich der Nachtruhe mit dem Tod. Indem in der römischen Komplet einerseits die Worte Jesu am Kreuz rezitiert werden, und man andererseits die Worte des greisen, vor dem Tod stehenden Simeon antizipiert, ergibt sich für den Beter eine allabendliche Einübung in den eigenen Tod, das memento mori. 611 Die folgende Übersicht zeigt nochmals die Grundthemen der einzelnen Elemente in Verbindung mit ihren Themen in beiden Horentypen. Die grau unterlegten Teile markieren spätere Zusätze und Verändungen der urspünglichen Gebetsstruktur bei B ENEDIKT : 606 Vgl. P ASCHER , Stundengebet, 245. 607 P UZICHA , M ICHAELA : Kommentar zur Benediktusregel. Hg. v. der S ALZBURGER Ä BTE- KONFERENZ . St. Ottilien 2002, 222. 608 Ps 4,2.4.9; der gesamte Psalm 91 sowie 134,3. 609 Vgl. B ECKER , Komplet als Komposition, 869. 610 Vgl. E INIG , Vom Tag zur Nacht, 73-75. 611 Zum Motiv des Todes in der Komplet s. ausführlicher den Exkurs Commendatio animae I D 10 b 3) c). <?page no="172"?> 158 Benediktinische Komplet Römische Komplet Segen Noctem quietam et finem perfectum… Lectio brevis 1 Petr 5,8 Fratres: Sobrii estote, et vigiliate… (Wachsamkeit / Feind) Gebet Pater noster… Schuldbekenntnis Vergebungsbitte Confiteor… Misereatur… Indulgentiam… Psalmen Ps 4: Cum invocarem te… (Tagesreflexion / Schlaf - Ruhe / Frieden) Ps 91: Qui habitat in adiutorio Altissimi… (Präsenz Gottes / Schutz - Geborgenheit / Gefahren der Nacht / Hilfe) Ps 134: Ecce nunc benedicite Dominum… (nächtlicher Lobpreis / Schutz) Hymnus Christe, qui lux… (XP - Licht / Schutz vor Feind / Bitte um Präsenz Gottes / (leichter) Schlaf) Te lucis ante terminum… (Licht - Finsternis / Schöpfung / Schlaf / Lobpreis / Schuld - Erlösung) Kapitel Lesung Jer 14,9b: Tu autem in nobis es Domine et nomen tuum (Gegenwart Gottes / Schutz) Responsorium Ps 31,6: In manus tuas, Domine… (Schutz / Schlaf / Tod) Nunc dimittis mit Antiphon Salva nos, Domine… Lk 2,29-31: Nunc dimittis… (Heil/ Schutz in der Nacht / Wachen / Ruhe / Frieden / Tod / XP, das Licht der Welt) Versikel Ps 17,8: Custodi me ut pupillam oculi… (Schutz / Licht in Dunkelheit / Geborgenheit) Fürbitten Kyrie eleison Bekenntnis Credo in unum Deum… Segen Visita quaesumus… (Bitte um (Engel-)Schutz / Frieden) Gebet Marian. Antiphon Bekenntnis Pater noster… Salve Regina… Credo in Deum… b Abendsegen L UTHERS L UTHER verfasste auf der Basis der ihm bekannten monastischen Tagzeitengebete eigene Gebetsstrukturen für die Eckpunkte des Tages: ein Morgen- und ein Abendgebet sowie einen Tischsegen für den häuslichen und familiären Gebrauch. Das unter Morgenbzw. Abendsegen bekannte Gebet meint ursprünglich die Gebetskollekte am Ende der jeweiligen Gebetszeit. Die Gebetszeiten am Ein- und Ausgang des Tages sind parallel strukturiert: „Des Abends, wenn du zu Bett gehst, kannst du dich segnen mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes und sagen: BR (trid.): Erweiterung der Psalmengruppe <?page no="173"?> 159 Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist! Amen. Darauf kniend oder stehend das Glaubensbekenntnis und das Vater unser.“ 612 Beide beginnen mit einem trinitarischen Votum unter Bekreuzigung und setzen sich mit Credo und Vater unser fort. Darauf folgt die Gebets-Kollekte, die am Morgen und am Abend in Teilen gleich lautet: 613 „Willst du, so kannst du dies Gebet dazu sprechen: Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diesen Tag gnädiglich behütet hast, und bitte dich, du wollest mir vergeben alle meine Sünde, wo ich Unrecht getan habe, und mich diese Nacht auch gnädiglich behüten. Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde. Alsdann flugs und fröhlich geschlafen.“ Neben dem aus der Vesper entlehnten (1) Dank für den überstandenen Tag verwiesen die Kernthemen der Kollekte auf die Komplet: (2) Bitte um Sündenvergebung (Confiteor, Christe, qui lux / 1 Petr 5,8 / Schlusssegen), (3) die Bitte um Schutz für die Nacht (Jer 14,9; Pss 17,8; 34,4; 91) und die (4) Commendatio (Responsorium, Nunc dimittis). Mit seinen Hausgebeten schuf L UTHER eine für die Familie nachvollziehbare Form des Morgen- und Nachtgebetes, das wesentliche Elemente des monastischen Gebets aufgreift und so weit reduziert, dass es auch durch Laien auswendig ausgeführt werden kann. 614 c Zur rituellen Funktion des Nachtgebets Der Ritus der Komplet verfügt in verschiedener Hinsicht über in VAN G ENNEPS Kategorien als Angliederungsphase bezeichnete Aspekte. Lesung(en), Hymnus, Psalmen, Responsorium und Canticum zielen, wenngleich jeweils unterschiedlich nuanciert, auf die Überführung des Individuums in den Schlaf. Um diese Überführung vom bewussten in den unbewussten Zustand zu sichern, vergewissern sich die Betenden mehrfach des Schutzes durch Gott, der niemals schläft. Der Abendsegen Luthers folgt in seinen rituellen Funktionen seinem Vorbild, der Komplet. Rechnet man den Abend noch zu der Vollzugszeit der Komplet hinzu, so wird er vor allem in seinen limitativ-teleologischen Eigenschaften wahrgenommen. Der Abend symbolisiert dabei nicht nur die Grenze zum Schlaf, sondern, wie es vordringlich in der Römischen Komplet seinen Ausdruck findet, auch die zum Tod. [Ende des Exkurses] 612 EG 894; zuerst in M ARTIN L UTHER , Kleiner Katechismus (1529). In: WA Bd. 30 I (1910) 323, 4-17. 613 Ebd. Die identischen Teile sind im Folgenden kursiv gesetzt. 614 Vgl. S CHULZ , F RIEDER : Die Hausgebete Luthers. In: D ERS .: Mit singen und beten. Gesammelte Aufsätze, Freiburg 1996. 68-80. 69; zuerst in Pastoraltheologie 72 (1983) 478- 490; s. außerdem DERS .: Die Gebete Luthers, Göttingen 1976, 766. <?page no="174"?> 160 7 Ich liege, Herr, in deiner Hut 1,1 1,2 Ich liege, Herr, in deiner Hut und schlafe ganz mit Frieden. 1,3 1,4 Dem, der in deinen Armen ruht, ist wahre Rast beschieden. 2,1 2,2 Du bist’s allein, Herr, der stets wacht, zu helfen und zu stillen, 2,3 2,4 wenn mich die Schatten finstrer Nacht mit jäher Angst erfüllen. 3,1 3,2 Dein starker Arm ist ausgereckt, dass Unheil mich verschone 3,3 3,4 und ich, was auch den Schlaf noch schreckt, beschirmt und sicher wohne. 4,1 4,2 So will ich, wenn der Abend sinkt, des Leides nicht gedenken, 4,3 4,4 das mancher Erdentag noch bringt, und mich darein versenken, 5,1 5,2 wie du, wenn alles nichtig war, worauf die Menschen hoffen, 5,3 5,4 zur Seite warst und wunderbar mir Plan und Rat getroffen. 6,1 6,2 Weil du der mächt’ge Helfer bist, will ich mich ganz bescheiden 6,3 6,4 und, was bei dir verborgen ist, dir zu entreißen meiden. 7,1 7,2 Ich achte nicht der künft’gen Angst. Ich harre deiner Treue, 7,3 7,4 der du nicht mehr von mir verlangst, als dass ich stets aufs neue 8,1 8,2 zu kummerlosem, tiefem Schlaf in deine Huld mich bette, 8,3 8,4 vor allem, was mich bitter traf, in deine Liebe rette. 9,1 9,2 Ich weiß, dass auch der Tag, der kommt, mir deine Nähe kündet 9,3 9,4 und dass sich alles, was mir frommt, in deinem Ratschluss findet. <?page no="175"?> 161 10,1 10,2 Sind nun die dunklen Stunden da, soll hell vor mir erstehen, 10,3 10,4 was du, als ich den Weg nicht sah, zu meinem Heil ersehen. 11,1 11,2 Du hast die Lider mir berührt. Ich schlafe ohne Sorgen. 11,3 11,4 Der mich in diese Nacht geführt, der leitet mich auch morgen. Der Text von J OCHEN K LEPPER findet sich ursprünglich als Gedicht in einem Tagebucheintrag am 07. Mai 1938. Es wurde noch im September desselben Jahres in dem Gedichtband Kyrie unter der Überschrift „Abendlied“ gedruckt. 615 Die Weise von F RITZ W ERNER entstand allen bekannten Angaben nach im selben Jahr, wurde jedoch zusammen mit dem Text erst 1951 veröffentlicht. 616 Das Lied findet sich vornehmlich in der evangelischen Tradition, nämlich im Stammteil des *EG (Nr. 486) und im *EM (Nr. 637). Mit einer Melodie von W ILLY B URCKHARD aus dem Jahr (1939) 1941 wurde es ins *RG (Nr. 622) und auch in das im Jahr 2004 erschiene altkatholische *CG aufgenommen (Nr. 324). Mit letztgenannter Vertonung wurde K LEPPERS Lied in Ausschnitten erstmalig schon kurz nach dessen Erscheinen 1938 publiziert, nämlich in das Schweizer evangelisch-reformierte Gesangbuch. 617 a Formale Analyse Seiner metrischen Erscheinung nach ist der Liedtext einfach gebaut: Im Kreuzreim wechseln sich jambischer männlicher Vierheber und jambischer weiblicher Dreiheber ab. Die Kadenzwechsel zwischen dem jeweils ersten und zweiten bzw. dritten und vierten Vers unterstützen hierbei die Wechsel der Reime. Dort, wo zwei weibliche Betonungen aufeinander treffen, vom zweiten auf den dritten und vom vierten auf den ersten Vers der folgenden Strophe, entsteht ein textlicher Auftakt, der dem Textfluss neue Dynamik verleiht. Die Melodie ist in tonaler Hinsicht dorisch von E her gestaltet. Sie gliedert sich in zwei große Phrasen, von denen die erste sich vom Grundton zur Klimax d’’ hinaufbewegt um auf der Subdominante innezuhalten, und die zweite in Umkehrung der ersten in einer vorwiegenden Abwärtsbewegung auf der Finalis zur Ruhe kommt. Beide Phrasen verlangsamen sich an ihrem Ende durch die dort singulär auftretenden halben Notenwerte; dies wird durch die Zäsur einer Viertelpause zwischen beiden unterstrichen. Auf diese Weise werden immer zwei Textverse zu einer Einheit zusammengebunden, was der Weise insgesamt einen psalmodieartigen Charakter verleiht. In der 615 K LEPPER , J OCHEN : Kyrie. Berlin 1938, 14-16. 616 W ERNER , F RITZ : KYRIE ELEISON. Neue Lieder für evangelische Gemeinden. Auf die geistlichen Lieder des „Kyrie“ von Jochen Klepper. Berlin 1951, 6. 617 Berücksichtigt wurden damals wegen des direkten biblischen Bezugs nur die ersten drei und die letzte Strophe. Vgl. T APPOLET , W ALTER : Ich liege, Herr, in deiner Hut. Monographie über ein Abendlied Jochen Kleppers. Witten / Berlin 1968, 14-16. <?page no="176"?> 162 Tat adaptiert der Text den in der Komplet gesungenen Psalm 4; er bildet eingangs relativ genau die Lutherübersetzung (1912) des 9. Verses ab: „Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; / denn allein du, HERR, hilfst mir, dass ich sicher wohne.“ 618 Die poetische Komplexität zeigt sich im syntaktischen Bau des Stückes. Die folgende Übersicht versucht die einzelnen Bauelemente der vielschichtigen Sätze aufzuschlüsseln, um so Gewichtungen des gesamten Textes zu ermitteln: Str. Satz 1 1a 1b Ich liege, Herr, in deiner Hut / und schlafe ganz mit Frieden./ 2a 2b Dem, ist wahre Rast beschieden./ der in deinen Armen ruht,/ 2 3a 3b 3c 3d Du bist’s allein, Herr, der stets wacht,/ zu helfen und zu stillen,/ wenn mich die Schatten finstrer Nacht / mit jäher Angst erfüllen./ 3 4a 4b 4c 4d Dein starker Arm ist ausgereckt,/ dass Unheil mich verschone / und ich, beschirmt und sicher wohne./ was auch den Schlaf noch schreckt,/ ------------------------------------------------------------------------------------------ 4 5 5a 5b 5c 5d 5e 5f 5g 5h So will ich, des Leides nicht gedenken,/ wenn der Abend sinkt,/ das mancher Erdentag noch bringt,/ und mich darein versenken,/ wie du, zur Seite warst wenn alles nichtig war,/ worauf die Menschen hoffen,/ und wunderbar mir Plan und Rat getroffen./ 6 6a 6b 6c Weil du der mächt’ge Helfer bist,/ will ich mich ganz bescheiden,/ dir zu entreißen meiden./ und, was bei dir verborgen ist,/ 7 7 8 8a 8b 8c 8d 8e Ich harre deiner Treue,/ der du nicht mehr von mir verlangst,/ als dass ich stets aufs neue / zu kummerlosem, tiefem Schlaf / in deine Huld vor allem, in deine Liebe rette./ [mich bette, was mich bitter traf,/ 9 9a 9b 9c 9d 9e Ich weiß, dass auch der Tag, mir deine Nähe kündet / der kommt,/ und dass sich alles, in deinem Ratschluss findet./ was mir frommt,/ ------------------------------------------------------------------------------------------ 10 10a 10b 10c 10d Sind nun die dunklen Stunden da,/ soll hell vor mir erstehen,/ was du, zu meinem Heil ersehen./ als ich den Weg nicht sah,/ ------------------------------------------------------------------------------------------ 11 11 Du hast die Lider mir berührt. 12 Ich schlafe ohne Sorgen. 13a 13b Der mich in diese Nacht geführt, der leitet mich auch morgen. 618 Vgl. dazu die Übertragung der Einheitsübersetzung: In Frieden leg’ ich mich nieder und schlafe ein; denn du allein, Herr, lässt mich sorglos ruhen. Zu Ps 4 in der Tagzeitenliturgie sowie zu seiner Relation zu vorliegendem Abendlied siehe den folgenden Exkurs. Ich achte nicht der künft’gen Angst./ <?page no="177"?> 163 Einfache, kurze Sätze finden sich lediglich am Anfang (Satz 1f./ Str. 1), in der Mitte (Satz 7 / Str. 7,1) und am Ende (Sätze 11-13 / Str. 11) des Liedes. Dazwischen nehmen lange, verschachtelte, hypotaktische und zum Teil über zwei Strophen reichende Satzkonstruktionen (Satz 5 / Str. 4f; Satz 8 / Str. 7,2-4.8) einen breiten Raum ein. Durch Indikatoren wie die Voranstellung des Subjektes, neue Zeitangaben (So 4,1; Sind nun 10,1; Du 11,1) etc. ergibt sich folgende grobe Gliederung: Die rahmengebenden Strophen 1-3 und 11 (Sätze 1-4 und 11-13) befassen sich mit dem Thema des friedvollen Schlafs im Schutz Gottes. Sie greifen damit direkt auf die Themen von Psalm 4,9 zurück. Es folgt in den Strophen 4-10 (Sätze 5-9) die Darstellung gläubiger Zuversicht im Hinblick auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dieser Kernblock lässt sich detaillierter strukturieren: Zunächst wird Rückschau auf erfahrene göttliche Hilfe in der Vergangenheit (Strophe 4f. (Satz 5)) gehalten. Es schließen sich in den Strophen 6-9 (Sätze 6-8) Bekundungen des Vertrauens auf die göttliche Hilfe an. Das Gottvertrauen richtet sich auch in die Zukunft. Der 7. Satz (Strophe 7,1), der in seiner Kürze zwischen den Perioden exponiert wirkt, ist hierbei das Zentrum und Motto über die gesamte Passage: Ich achte nicht der künft’gen Angst. In der 10. Strophe (Satz 10) wird diese Schutzgewissheit auf den gegenwärtigen Moment angewendet. Sie bildet so zusammen mit Strophe 4,1 (Satz 5b: wenn der Abend sinkt) einen Rahmen und verortet das Vertrauenslied in den Abend. In Verhältnis von Versen und Satzbau werden unterschiedliche Antinomien des Liedes lautmalerisch und rhythmisch umgesetzt: Die Erfahrung von Schutz und Angst, die Gewissheit des göttlichen Mitseins und die Unsicherheit der Gegenwart bzw. der Zukunft. Die große Zahl der Enjambements (Satz 3d, 5h, doppelt in 8c) verdeutlicht die Gebrochenheit des ICH in diesem differenzierten Erleben. Nähern wir uns der weiteren Deutung des Liedtextes zunächst durch die Ermittlung des Wortbestands. Die verwendeten Substantive sind, verstärkt im zweiten Textteil, positiv gefärbt und beziehen sich weitgehend auf das Referenzsubjekt HERR. Die auffällig hohe Anzahl von Abstrakta (wie z.B. Hut (1,1), Angst (2,4. 7,1), Plan und Rat (5,4), Huld (8,2)) zeigt an, dass hier ein Programm, eine Idee dargelegt wird. Dafür sprechen auch die häufig auftretenden relativen und finalen Nebensätze. Alle Substantive, die zur Identifizierung des HERRN verwendet werden, tragen entweder einen Artikel oder ein Possessivpronomen der 2. Person mit sich (etwa deiner Hut (1,1), deinen Armen (1,3), dein starker Arm (3,1), deiner Treue (7,2) u.ö.). Der SPRECHER beschreibt hier etwas ihm Bekanntes und Vertrautes. Betrachtet man die Adverbien und Adjektive in Relation zu den Substantiven und Verben, so fällt auf, dass die NACHT durchweg negativ beschrieben wird (finstrer (2,3), jäher (2,4), auch noch schreckt (3,3), dunklen (10,1), nicht (10,3)). Der meistens mit DU angeredete HERR hingegen wird durchweg positiv, zum Teil mit starken Vokabeln illustriert (allein, der stets wacht (2,1), dein starker Arm (3,1), wunderbar (5,3), mächt’ge Helfer (6,1), soll hell erstehen (10,2)). Einige negative menschliche Erfahrungen - Leiden, Angst, Sorgen - werden wiederum negiert und so ins Positive gewendet (Leides nicht geden- <?page no="178"?> 164 ken (4,2), achte nicht der künft’gen Angst (7,1), ohne Sorgen (11,2); kummerlosem (8,1)). Dort, wo schlechte Erfahrungen nicht unmittelbar verneint werden, löst der Nachsatz das Negative auf (der du, als alles nichtig war … zur Seite warst… (5,1f.); vor allem, was mich bitter traf, in deine Liebe rette (8,3f.)). Im Zusammenhang mit der Erfahrung göttlichen Schutzes und der daraus resultierenden Ruhe treten perpetuierende (stets aufs neue (7,4), auch (9,1), nun (10,1), auch morgen (11,4)) und positive (ganz (1,2), wahre (1,4), beschirmt, sicher (2,4), darein versenken (4,4), ganz (6,2), nicht mehr verlangst (7,3), kummerlosem, tiefem (8,1)) Adverbien und Adjektive auf. Es wird eine ganze Reihe von (Prossessiv-) Pronomina verwendet, die einen Eindruck von Innigkeit und Vertrautheit der Beziehung vermittelt. Die Vielzahl der auftretenden Formen in der 1. Person Singular (10x ich, 8x mich, 6x mir ) zeigt, dass diese Beziehung aus der Perspektive des ICH beschrieben wird. 619 Das ICH fragt seine inferiore Position nicht an. Demütig dankt es für erfahrenen göttlichen Schutz, und versucht durch nichts diese klare Rollenaufteilung (Schützer - Beschützer) anzuzweifeln (will ich mich ganz bescheiden / und was bei dir verborgen ist / zu entreißen meiden (6,2-4)). Das ICH will sich mit dem Gegebenen, mit dem, was ihm zuteil wird, begnügen. Dazu passt es, dass die hohe Anzahl von Zustandsverben in Verbindung mit dem ICH (liege (1,1), wohnen (3,2) harre (7,1) usw.) eine eher statisch-passive Haltung evoziert. Das DU wird mit Herr angeredet; ihm werden Prädikationen zugesprochen, die sich aus dem Wortfeld der Regentschaft bzw. des Ratgebers (Huld (8,2), Plan und Rat (5,4), Ratschluss (9,4)) speisen. Wendungen wie Du hast die Lider mir berührt (11,1) oder die Bergung des ICH in Gottes Armen (1,3) illustrieren das Bild eines väterlichen Gottes. b Inhaltlich-semantische Analyse Am Liedanfang werden die Kern-Isotopien exponiert: Ein ICH wendet sich direkt in der ersten Person Singular an ein DU, das näherhin als HERR angeredet wird. Dieses ICH fühlt sich von Gott uneingeschränkt geschützt und in ihm geborgen, so dass es sorglos schlafen kann. Nicht einmal die Angst vor Finsternis und Nacht kann sich seiner bemächtigen (2,3f.). Diese sich aus gläubiger Gewissheit speisende Ruhe ist für das ICH die wahre Rekreation (1,2). Erfahrungen des Unheils werden durch das Wissen um Heil aufgelöst, „nichtig“ gemacht und in Heilserfahrungen gewendet. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Isotopien und ihre Wortfelder: 619 2. Person Singular: 6x du, 2x dir. <?page no="179"?> 165 Heilserfahrung Unheilserfahrung Gläubige Gewissheit Sorglose Ruhe Göttlicher Schutz nächtliche Dunkelheit & finstere Zeit Angst & Leiden 1,1 liege Hut 1,2 schlafe (mit Frieden) 1,3 ruht in deinen Armen 1,4 ist wahre Rast beschieden wahre Rast 2,1 stets wacht Du bist’s allein, Herr 2,2 zu helfen (Angst) zu stillen 2,3 Schatten finstrer Nacht 2,4 mit jäher Angst erfüllen 3,1 dein starker Arm ist ausgereckt Dein starker Arm ist ausgereckt 3,2 dass Unheil mich verschone 3,3 Schlaf schreckt 3,4 beschirmt und sicher wohne 4,1 der Abend sinkt So will ich… 4,2 Leids nicht gedenken 4,3 der mancher Erdentag noch bringt 4,4 will mich darein versenken… 5,1 wenn alles nichtig war 5,2 worauf die Menschen hoffen 5,3 wie du … zur Seite warst 5,4 mir Plan und Rat getroffen wunderbar mir Plan und Rat getroffen 6,1 du der mächt’ge Helfer 6,2 will mich bescheiden 6,3 was bei Dir verborgen ist 6,4 dir zu entreißen meiden <?page no="180"?> 166 Heilserfahrung Unheilserfahrung Gläubige Gewissheit Sorglose Ruhe Göttlicher Schutz nächtliche Dunkelheit & finstere Zeit Angst & Leiden 7,1 künftgen Angst ich achte nicht der künft’gen Angst 7,2 deiner Treue ich harre deiner Treue 7,3 der du nicht mehr von mir verlangst 7,4 aufs neue 8,1 tiefen Schlaf kummerlosen 8,2 mich bette in deine Huld 8,3 was mich bitter traf 8,4 in deine Liebe rette in deine Liebe rette 9,1 der Tag, der kommt ich weiß 9,2 deine Nähe kündet deine Nähe kündet 9,3 alles was mir frommt 9,4 in deinem Rat-schluss findet in deinem Ratschluss findet 10,1 sind nun die dunkeln Stunden da 10,2 (soll hell vor mir erstehen) soll hell vor mir erstehen 10,3 als ich den Weg nicht sah 10,4 was du zu meinem Heil ersehen 11,1 (Lider berührt) 11,2 schlafe (ohne Sorgen) ohne Sorgen 11,3 der mich geführt in diese Nacht der mich geführt 11,4 der leitet mich morgen der leitet mich auch morgen 1) Isotopie ‚Heilserfahrung’ - Göttlicher Schutz und sorglose Ruhe Der Schutz durch Gott gilt dem Beter mehr als der Schlaf selbst, er ist wahre Rast (1,4), die mehr ist als reine physisch-psychische Rekreation. Der Schlaf, der durchweg positiv konnotiert ist, fungiert als Indikator für den Entspannungsgrad. Hinter dem Sprachspiel was auch den Schlaf noch schreckt (3,2) verbirgt sich in Anlehnung an die Wendung „aus dem Schlaf schrecken“ die Erkenntnis, dass die Ruhe im Herrn eine ungleich größere und intensivere Erholung verspricht. Dieser Schutz resultiert aus dem gottgewollten menschlichen Heil (10,4), das, daran glaubt das ICH fest, ungebrochen ist (stets aufs neue 7,4) und zu dem der HERR in Treue steht (7,2). Der Arm Gottes versinnbildlicht hier zwei <?page no="181"?> 167 Funktionsweisen des Schutzes: die der Bergung (dem, der in deinen Armen ruht ist wahre Rast beschieden 1,3f.; 3,3f.) und die der Abwehr von Unheil (dein starker Arm ist ausgereckt, dass Unheil mich verschone 3,1). Der Schutz verlangt also zugleich ein aktives und passives Verhalten Gottes. Aus der Erfahrung göttlicher Hilfe in Krisenzeiten der Vergangenheit erwächst die Hoffnung auf Gottes Mitsein in Gegenwart und Zukunft. Dieses Mitsein realisiert sich darin, dass er Plan und Rat trifft (5,2) - dem ICH also eine Vorstellung darüber eingibt, wie ein bestimmtes Ziel zu verwirklichen sei - und ihm alles für das Leben Notwendige durch seinen Ratschluss zuteil werden lässt (9,4). Der Herr ist ein sich sorgender Gott, aber diese Sorge ist nicht verfügbar oder manipulierbar und kann nicht eingefordert werden, weil sie Äußerung seines gnädigen Handelns ist. Aus der Liebe zum Menschen heraus (8,4) errettet er ihn aus Leid und unheilvollen Erlebnissen; die menschliche Antwort auf die Liebe Gottes besteht einzig und allein in der vertrauensvollen Übereignung in seinen Schutz. Aus dem sperrigen Bild in deine Huld mich bette (8,2) - Huld meint seiner etymologischen Herkunft nach das Wohlwollen, das jemand einem gesellschaftlich untergeordnetem Menschen (ggf. herablassend) zuteil werden lässt - wird deutlich, dass die Zuwendung, die der Beter durch Gott erhält, weder als selbstverständlich noch als erzwingbar erachtet wird. Deswegen vermeidet das ICH auch jegliche Infragestellung des göttlichen Wirkens (6,3f.). Durch Mitsein Gottes im Heil und im Unheil äußert sich seine Gnade. So vermittelt das Lied eine funktionierende Beziehung zwischen Gott und Mensch. Der Mensch hinterfragt Gottes Fügungen nicht, weil er durch die Erfahrung göttlichen Beistands auf abermalige Hilfe vertraut. Er ergibt sich ganz dem, was der HERR zu seinem Heil erdacht hat (10,4) und verharrt in einer passiven kindlich-bedürftigen Rolle (7,3; 11,1). 2) Isotopie ‚ Unheilserfahrung’ a) Angst und Leiden Das ICH ist leiderprobt (wenn alles nichtig war 5,1); es hat Feindseligkeit und Enttäuschung erfahren müssen (was mich bitter traf 8,3). Die Verse deuten an, dass das ICH schwere Krisen durchgemacht hat oder sich gerade in einer solchen befindet (2,3f.) Zukunftssorgen und -leiden werden durch den göttlichen Beistand nicht eliminiert (dass Unheil mich verschone 3,2; ich achte nicht der künft’gen Angst 7,1), der Beter ist durch seinen Glauben lediglich ihrer Angst machenden Macht enthoben, die die ganze Person einnehmen kann (mit jäher Angst 2,3). Deswegen ist es möglich, sich trotz Unheil zu kummerlosem, tiefen und sorglosen Schlaf zu betten (8,1f; 11,2). In keiner Leidenszeit oder Ungewissheit hat das ICH sich jemals von Gott im Stich gelassen gefühlt. b) Dunkelheit und finstere Zeit Der Abend bildet den zeitlichen Rahmen, in dem das Lied situiert ist (wenn der Abend sinkt 4,1; sind nun die dunklen Stunden da 10,1). Die Zeit der Dun- <?page no="182"?> 168 kelheit ist insgesamt negativ konnotiert, das zeigen sowohl die Wendung wenn mich die Schatten finstrer Nacht mit jäher Angst erfüllen (2,3f) als auch der Parallelismus der 10. Strophe: 10,1 10,2 Sind nun die dunklen Stunden da, soll hell vor mir erstehen, 10,3 10,4 was du, als ich den Weg nicht sah, zu meinem Heil ersehen. Die Dunkelheit fördert Angstempfindungen und Gefühle der Ausweglosigkeit. Abend und Nacht lasten daher wegen ihrer undurchdringlichen Dunkelheit etwas Unheilvolles an. An diesem Punkt verzahnen sich die Isotopien Dunkelheit und Angst, sodass auch eine psychologische Deutung der Nacht möglich wird. Der Lebensweg wirkt ziellos, und nichts scheint zu gelingen. Wenn Gott schon in diese Nacht des Leides führt und den Beter dort nicht allein lässt, dann wird er stets bei ihm zum Schutze sein (11,3f), denn auch Israel wurde des Nachts durch JHWH aus dem Sklavenhaus Ägypten geführt und errettet. Dieser Gedanke mag den letzten Liedzeilen Pate gestanden haben. Der Beter empfindet sich selbst wie blind in der angstvollen, dunklen Zeit (als ich den Weg nicht sah 10,3). Gott ist es, der gewissermaßen an seiner Statt „sieht“ und für ihn in solchen Situationen nach dem Heilsweg Ausschau gehalten hat (was du … zu meinem Heil ersehen 10,3f.). Dieses gläubige Wissen leuchtet dem Beter in neuerlicher Dunkelheit auf (soll hell vor mir erstehen 10,2) und gibt ihm Zuversicht. 3) Isotopie ‚Gläubige Gewissheit’ Zwischen der schmerzlichen Erfahrung des Leids und der Angst vor dessen erneuten Durchleben einerseits und der Einsicht von Gottes stetem Schutz andererseits steht die gläubige Zuversicht und Gewissheit. Glaube, das zeigt das Lied, ist nicht nur Vermutung oder Ahnung, er bringt Gewissheit des Beters zum Ausdruck, wovon das Leben des Bekennenden tief beeindruckt ist. 620 Der Ungewissheit des Lebens (so will ich … des Leides nicht gedenken, dass mancher Erdentag noch bringt 4,1.3) wird dieser Glaube in Heilsgewissheit gegenüber gestellt. Der Glaube verlangt zwar nicht erneute Vergewisserung, jedoch immer wieder neu das Fassen des Vorsatzes, aus dem Grund der christlichen Hoffnung heraus zu leben (5,1) (vgl. 1 Petr 5,8). Dreimal setzt der Beter an, sein Vertrauen auf Gott in Vorsätzen zu erneuern und zu bekräftigen: will ich des Leids nicht gedenken (4,1f.); (will) mich darein versenken (4,4); will ich mich bescheiden (6,2). In den Vorsätzen zeigen sich Ansätze der Psychohygiene und Eigentherapie. Dem ICH ist bewusst, dass seine Lebensqualität durch die Zukunftsangst eingeschränkt wird (4,3). Sein Glaube an Gott hilft ihm gegen diese Angst anzugehen. In den Vorsätzen liegt auch etwas Mühevolles: Der Beter muss sich immer wieder neu zum Vertrauen auf Gott aufraffen und sich an dessen Hilfe in 620 Vgl. I HLENFELD , K URT : Freundschaft mit Jochen Klepper, Witten/ Berlin 1958, 124. <?page no="183"?> 169 vergangenen Zeiten erinnern. Der Glaube fällt ihm nicht uneingeschränkt leicht. Die wiederkehrende Angst fordert den Glauben heraus und bildet dennoch keinen Prüfstein für ihn. Trotz der negativen Formulierungen (4,2; 7,1) sind nicht die Stimmen eines Hiob oder eines klagenden Psalmisten zu vernehmen, die Glaubenszuversicht überwiegt. Zur Festigkeit im Glauben gehört auch eine demütige Haltung, in der man die Unergründlichkeit Gottes und seiner Wege akzeptiert. Der Grundtenor des Liedes speist sich aus dem Kompletpsalm 4. Dessen Grundzüge sollen in folgendem Exkurs vorgestellt werden, bevor die Bezüge zwischen Lied und Psalm detaillierter erörtert werden. E XKURS : Psalm 4 1 [Für den Chormeister. Mit Saitenspiel. Ein Psalm Davids.] 2 Wenn ich rufe, erhöre mich, Gott, du mein Retter! Du hast mir Raum geschaffen, als mir angst war. Sei mir gnädig, und hör auf mein Flehen! 3 Ihr Mächtigen, wie lange noch schmäht ihr meine Ehre, warum liebt ihr den Schein und sinnt auf Lügen? [Sela] 4 Erkennt doch: Wunderbar handelt der Herr an den Frommen; der Herr erhört mich, wenn ich zu ihm rufe. 5 Ereifert ihr euch, so sündigt nicht! Bedenkt es auf eurem Lager, und werdet stille! [Sela] 6 Bringt rechte Opfer dar, und vertraut auf den Herrn! 7 Viele sagen: „Wer lässt uns Gutes erleben? “ Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten! 8 Du legst mir größere Freude ins Herz, als andere haben bei Korn und Wein in Fülle. 9 In Frieden leg’ ich mich nieder und schlafe ein; denn du allein, Herr, läßt mich sorglos ruhen. In der Überschrift wird der Psalm als Psalm Davids ausgewiesen, so wie es 54 andere Psalmen im Buch der Preisungen ebenfalls tun. Hier wird weniger die Autorenschaft dokumentiert, sondern darauf hingewiesen, dass die Erfahrung, die der Psalm wiedergibt, David selbst vertraut gewesen sein muss. 621 Der Psalm selbst zeigt eine dreigliedrige Struktur: Einleitung V 2 eröffnende Bitten Hauptteil VV 3-9 1. Teil VV 3-6 Grund für die Not des Beters 2. Teil VV 7-9 Gewissheit der Hilfe Gottes Psalm 4 wird eröffnet durch verschiedene Bitten, die in Form einer individuellen Klage vorgetragen wird. Die folgenden Verse lassen ihn insgesamt eher zu einem Vertrauenslied werden. 622 Der erste Teil des Hauptteils gibt Informationen über den Grund der Notsituation des Beters, der zweite vermittelt die Gewissheit des Beters, dass Gott ihm Schutz und Hilfe zuteil werden lässt. Der Hauptteil gliedert sich in zwei Teile, die parallel gestaltet sind: 621 Vgl. W AHL , O TTO : Du allein, Herr, lässt mich sorglos ruhen. Die frohe Botschaft von Ps 4. In: E RNST H AAG / F RANK -L OTHAR H OSSFELD (Hgg.): Freude an der Weisung des Herrn. Beiträge zur Theologie der Psalmen [FS H EINRICH G ROSS ] (SBB 13) Stuttgart 1986, 457-470. 460. 622 Vgl. ebd. 459. <?page no="184"?> 170 vorwurfsvolle Frage (VV 3.7) Hinweis des Beters auf das Handeln Gottes (VV 4.8) Vertrauen als rechtes Verhalten gegenüber JHWH (VV 5.9) Der Beter ruft nach Gott, dass er ihn erhöre. Gott scheint fern zu sein, denn der Beter muss durch das Rufen eine Distanz überwinden, um gehört zu werden. Ursprünglich steht hinter der Verwendung von ynInEÜ[] jedoch ein umgekehrtes Verständnis: nicht Gott, sondern der Beter soll hören, nämlich auf die Antwort Gottes. 623 Es geht hier nicht primär darum, dass JHWH erhört, wie es die Einheitsübersetzung wiedergibt, sondern dass er sich dem Beter antwortend zuwendet, damit dieser ihn hören kann. Der Adressat des Psalms ist in V 2 zunächst yqiªd>ci yheÛl{ «a / , was wörtlich Gott meiner Bundestreue / meiner Gerechtigkeit meint. Diese Anrede, die im AT singulär ist, zeugt davon, dass Gott dem Beter „Recht gibt“ und für seine Unschuld eintritt. 624 Obwohl Gott dem Beter Recht verschafft hat, wird dieser immer noch verfolgt (VV. 6-8). yLi_ T'b.x; är>hi rC'B; â (V 2) erinnert und bezeugt Gottes Gerechtigkeit - du hast mir Raum geschaffen, als mir angst war. Dem Beter ist schon in früherer Bedrängnis Gottes Hilfe zuteil geworden; diese Erfahrung bildet den Grund für den neuerlichen Anruf Gottes. Der Gott, der herausführt ins Weite (vgl. Ps 18,20; 2 Sam 2,22; s. auch Ps 25,17; Hiob 36,16), „verpflichtet sich stets dazu, die Menschen aus jeder Form von Enge und Sklaverei herauszuholen: aus Ägypten, aus Babylon, aus der Diaspora, aus allen Verfolgungen, aus der Sklaverei der Sünde, aus allen Versuchen Israels und auch der Kirche, sie [sich, Vf.] selbst aufzugeben, ‚wie alle anderen Völker zu sein’ (1 Sam 8,20) und ‚sich dieser Welt anzupassen’ (Röm 12,1).“ 625 Das Bild des Raumschaffens steht nach K RAUS in einer nomadischen Tradition. 626 Es illustriert gleichzeitig auch den psychosomatischen Effekt der Angst, der sich in Atemnot und Beklemmungen äußert. Außerdem ist es denkbar, dass hier eine geschichtstheologische Metapher angewendet wird: Der Gott der Gerechtigkeit sagt Israel Lebensraum zu und schenkt ihn ihm (vgl. Gen 13,17; 26,22; Ex 3,8; 34,24; Dtn 12,30; 19,8). 627 Es wird also an die Eigenschaften JHWHs als Schöpfer und Erlöser Israels appelliert. Über die Deutung der sich anschließenden Verse ist in der Exegese kontrovers diskutiert worden. Einige Ansätze sehen in VV 3-9 den Inhalt des Gebets ( yti(L'piT.) ) aus V 2; andere gehen wegen des Adressatenwechsels von kompilierten Reden aus. Je nachdem auf welche Weise die Aussagen und Anklagen eingeordnet werden, lässt die Textur eine„kultisch-juristische“, eine „theologische“ oder eine „soziale“ Deutung zu: „Kultisch-juristische“ Deutung: Bringt man den Psalm mit dem nachexilischen Tempelkult in Verbindung, dann zeigt sich hier ein priesterlicher Freispruch eines unschuldig Angeklagten, bevor er zum Kult zugelassen wird. 628 Der Psalm könnte im Rahmen einer solchen sakralen Gerichtsverhandlung als Mahnung gedient haben. Dem Tempelpriester wird die Aufforderung zum sündenfreien Leben und zum rechten Opfer in den Mund gelegt (VV 5f.). Z ENGER hält eine solche 623 Vgl. Z ENGER , E RICH : Psalmen. Auslegungen. Bd. 2: Ich will die Morgenröte wecken, Freiburg i. Br./ Basel / Wien 2003, 234. 624 Vgl. K RAUS , H ANS -J OACHIM : Psalmen, Bd. 1: Psalmen 1-80 (BKAT XV/ 1) Neukirchen- Vluyn 2 1961, 30-35. 625 W AHL , Du allein, Herr, 461. 626 Vgl. K RAUS , Psalmen, 32f. 627 Vgl. Z ENGER , E RICH : Psalm 4. In: F RANK -L OTHAR H OSSFELD / E RICH Z ENGER : Die Psalmen. Bd. 1: Psalm 1-50. (NEB.AT 29) Würzburg 1993 59-62. 61. 628 Vgl. W AHL , Du allein, Herr, 459. <?page no="185"?> 171 Verwendung des Psalms, wie Wahl sie in Erwägung zieht, für unwahrscheinlich. 629 „Theologische“ Deutung: Wahrscheinlicher ist die Deutung der in V 3 einsetzenden Rede als Wort Gottes. ydIäAbk. bezeichnet in diesem Fall die Ehre oder Herrlichkeit Gottes, die die Mächtigen durch Lüge und Streben nach Nichts in den Schmutz ziehen. JHWH wirft den Reichen Götzendienst vor, den sie durch Lüge und das Vertrauen auf Nichtigkeiten ausüben (vgl. Ps 115,4-8). 630 Derjenige, der an den rechten Gott glaubt, wird durch seine Wahrhaftigkeit ausgezeichnet (vgl. z.B. Eph 4,26). „Soziale“ Deutung: Sie ist am plausibelsten. vyai‡ ynEïB. (V 3; Söhne eines Mannes) ist die Anrede an vornehme, reiche Menschen, die im gesellschaftlichen Sinn „Voll-initierter-Mann“ sind. Es ist davon auszugehen, dass sich in den VV. 3ff. ein sozial geringer Gestellter an die Mächtigen wendet, weil sie seine Menschenwürde, seine Ehre ( ydI äAbk. ) nicht achten und sein soziales Ansehen durch üble Nachrede in Gefahr bringen. Für diese Deutung spricht auch das Umfeld des Psalms; die Psalmen 3 bis 7 sind auf Psalm 8 hingeordnet und erzählen alle von unterschiedlichen sozialen Missständen und Nöten. 631 Die konkrete Bedrängnis des Beters durch Mitmenschen wird im 4. Psalm mit dem Beistand Gottes in Verbindung gebracht. Obwohl sich der Beter im Recht befindet, wollen die Antagonisten dieses nicht anerkennen. Deshalb fordert er sie dazu auf, sich gegenüber JHWH angemessen zu verhalten (V 4: Erkennt doch: Wunderbar handelt der Herr an den Frommen; der Herr erhört mich, wenn ich zu ihm rufe. (EÜ)). Der Beter führt seine Erfahrung göttlicher Hilfe als Argument an, weshalb sein Gott der wahre Gott ist. Aus dem Glauben an JHWH ergibt sich eine ethische Konsequenz, ein angemessenes Verhalten gegenüber dem Beter: wenn die Mächtigen an JHWH glaubten, dann würden sie sich nicht an ihm versündigen und Lügen spinnen (vgl. V 5), dann würden sie rechtschaffene Opfer darbringen und dem Herrn Vertrauen schenken (V 6), so wie er es tut (V 4cd). Statt der Lügen sollen die Reichen in ihrem Herzen darüber nachsinnen ( ~k,b.b; l.bi Wråm.a i ) und still werden. 632 Das rechte Opfer bezieht sich wohl weniger auf das Tempelopfer, als eher auf das Gebot der Nächstenliebe: „Hat der Herr Gefallen an Tausenden von Widdern, an zehntausend Bächen von Öl? Soll ich meinen Erstgeborenen hingeben für meine Vergehen, die Frucht meines Leibes für meine Sünde? Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott.“ (Mi 6,7f.) Im Schlussteil, in dem sich der Beter direkt an Gott wendet, werden die Worte der Zweifler aufgegriffen, die keine Hoffnung auf göttliche Hilfe erwarten (V 7). Dieser Kleingläubigkeit stellt er die vertrauensvolle Bitte um Segen als rechtmäßigen Ausdruck des Glaubens gegenüber; 633 er greift hierbei auf die aaronitische Segensformel (Num 6,25) zurück. In V 8 wird neuerlich die Welt der Zweifler der Erfahrung des Beters gegenübergestellt: Die Freude, die aus der Zuwendung Gottes resultiert, ist größer als jede Freude über eine reiche Ernte. Die zeitliche Dimension des Verses lässt auch die Deutung zu, dass die konkrete Bedrängnis des Beters in einer Hungersnot begründet ist ( t[eìm e = mehr als zu der Zeit…). Der Psalm endet nicht mit einem lauten Finale, sondern in Ruhe und Gelassenheit und entspricht damit der an die Mächtigen gestellten Forderung zu stiller Reflexion als Weise der Anerkenntnis JHWHs (V 5). Wegen des gläubigen Ver- 629 Z ENGER , Psalmen. Auslegungen, Bd. 2, 236. 630 Vgl. D ERS ., Psalm 4, 59. 631 Vgl. D ERS ., Psalmen. Auslegungen, Bd. 2, 236. 632 „Das Herz ist Sitz allen Sinnens, Planens, Nachdenkens, Erörterns und Trachtens.“ K RAUS , H ANS -J OACHIM : Theologie der Psalmen (BKAT XV/ 3) Neukirchen-Vluyn 1979, 181. 633 Vgl. L AMPARTER , H ELMUT : Das Buch der Psalmen. Bd. 1. (BAT 14) Stuttgart 3 1977, 42. <?page no="186"?> 172 trauens kann der Beter sogleich einschlafen, er muss sich nicht mit quälenden Problemen auseinandersetzen ( é wD'x.y: sobald ich liege, schlafe ich). Eine solche sorglose Ruhe beim Herrn ist frei von schlaflosem Wälzen auf dem Nachtlager und Eingenommensein von negativen Empfindungen. Stille und Vertrauen auf Gott sind wahre Rekreation (vgl. Jes 30,15). Wer in dieser Weise auf Gott vertraut, den kann weder eine natürliche noch eine metaphorische Nacht schrecken. 634 [Ende des Exkurses] 4) Verbindung von Psalm und Lied Während der Psalm einem bittenden Abendgebet gleichkommt - die Lutherübersetzung markiert ihn auch als solches in der Zwischenüberschrift -, bildet das Lied eher eine von Glaubensgewissheit geprägte Anamnese an den treuen HERRN und Gott. Dank, Bitte und Klage findet man im Lied nicht direkt ausgesprochen. Die vertrauensvolle Rede des ICH an das DU drückt dennoch alles aus, was Gebet meinen kann. Indem K LEPPER motivisch den Psalm verdichtet, greift er auf eine lange Tradition zurück: Seit altersher gilt Psalm 4 als Abend- und Nachtpsalm in der christlichen Spiritualität. Während er bis heute in der benediktinischen Komplet neben den Psalmen 91 und 134 seinen liturgischen Ort hat, ist er in der Liturgia Horarum nur noch an Sonn- und Festtagen vorgesehen. Die sich anschließende Übersicht zeigt den Liedtext im Vergleich zu der alten Lutherübersetzung von Psalm 4, der Wortlaut also, der K LEPPER beim Verfassen des Liedes wohl im Ohr gewesen sein dürfte: V Luther 1912 V Ich liege Herr, in deiner Hut 2 Erhöre mich, wenn ich rufe, Gott meiner Gerechtigkeit, der du mich tröstest in Angst; sei mir gnädig und erhöre mein Gebet! 2,1 2,2 2,3 2,4 Du bist’s allein, Herr, der stets wacht, zu helfen und zu stillen, wenn mich die Schatten finstrer Nacht mit jäher Angst erfüllen. 3,1 3,2 Dein starker Arm ist ausgereckt, dass Unheil mich verschone 3,3 3,4 und ich, was auch den Schlaf noch schreckt, beschirmt und sicher wohne. 4 Erkennet doch, dass der HERR seine Heiligen wunderbar führt; 5,1 5,2 wie du, wenn alles nichtig war, worauf die Menschen hoffen, der HERR hört, wenn ich ihn anrufe. 5,3 5,4 zur Seite warst und wunderbar mir Plan und Rat getroffen. 10,1 10,2 Sind nun die dunklen Stunden da, soll hell vor mir erstehen, 10,3 was du, als ich den Weg nicht sah, 634 Deshalb spricht A UGUSTINUS in seinen Ausführungen zu Psalm 4 (Confessiones IX, 8- 11) wohl auch von dessen heilsamer Wirkung: „Wie erhob ich meine Stimme zu dir mit jenen Psalmen! Wie entflammten sie meine Liebe zu dir; am liebsten hätte ich sie über die ganze Erde hinweg gesungen gegen den Dünkel des Menschengeschlechts! Und sie werden ja schon auf der ganzen Erde gesungen; und niemand kann sich mehr vor deiner Wärme verbergen. Mit heftig stechendem Schmerz zürnte ich den Manichäern. Andererseits taten sie mir auch leid, weil sie diese Geheimnisse, diese Medikamente nicht kennen und sich krank aufführen gegen das Heilmittel, das sie gesund machen könnte. Ich wünschte, sie hätten es gewußt, mein Gesicht sehen und meine Stimme hören können, als ich damals mit Muße den vierten Psalm las. Wie mich dieser Psalm verwandelte. […]“ Confessiones IX,4 (8) (CChr.SL 27,137; ed. L UCAS V ERHEIJEN ); dt. Ü: A UGUSTI- NUS , Bekenntnisse, 228f. <?page no="187"?> 173 V Luther 1912 V Ich liege Herr, in deiner Hut 10,4 zu meinem Heil ersehen. 5 Zürnet ihr, so sündiget nicht. Redet mit eurem Herzen auf dem Lager und harret. 6,1 6,2 Weil du der mächt’ge Helfer bist, will ich mich ganz bescheiden 6,3 6,4 und, was bei dir verborgen ist, dir zu entreißen meiden. 7,1 7,2 Ich achte nicht der künft’gen Angst. Ich harre deiner Treue, 7,3 7,4 der du nicht mehr von mir verlangst, als dass ich stets aufs neue 8,1 8,2 zu kummerlosem, tiefem Schlaf in deine Huld mich bette, 8,3 8,4 vor allem, was mich bitter traf, in deine Liebe rette. 7 Viele sagen: „Wer wird uns Gutes sehen lassen? “ 4,1 4,2 So will ich, wenn der Abend sinkt, des Leides nicht gedenken, 4,3 4,4 das mancher Erdentag noch bringt, und mich darein versenken, 9 Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein du, HERR, hilfst mir, dass ich sicher wohne. 1,1 1,2 1,3 1,4 Ich liege, Herr, in deiner Hut und schlafe ganz mit Frieden. Dem, der in deinen Armen ruht, ist wahre Rast beschieden. 11,1 11,2 Du hast die Lider mir berührt. Ich schlafe ohne Sorgen. 11,3 11,4 Der mich in diese Nacht geführt, der leitet mich auch morgen. Die Strophen 1-3 und die letzte Strophe des Liedes rekurrieren direkt auf Psalm 4, wobei die erste und letzte Strophe auf den Schlussvers des Psalms Bezug nehmen und die Strophen zwei und drei weitere Ausgestaltungen des Bildes vom Schutz schenkenden Gott bringen. Der Liedtext nimmt des Weiteren die Themenbereiche Gottvertrauen, Angst und Sorglosigkeit auf. Die Ermahnungen zur inneren Einkehr (VV 4f.) richtet der liedimmanente Beter als Vorsatz an sich selbst, nicht an andere. Die Bitte um den segnenden Beistand Gottes (V 7b) wurde nicht direkt in das Lied übernommen. c Biographische und zeitgeschichtliche Deutung J OCHEN K LEPPER , 1903 als Pfarrerssohn in Beuthen an der Oder geboren, verfasste dieses und viele weitere seiner Lieder in einer persönlich schwierigen und politisch brisanten Zeit. 635 Schon während seines Studiums tritt seine psychisch labile Disposition zu Tage. 636 Auf Wunsch seines Vaters studierte er evangelische Theologie zunächst in Erlangen und später in Breslau, ohne 635 Zu Werk und Leben K LEPPERS sei verwiesen auf W ECHT , M ARTIN : Jochen Klepper. Ein christlicher Schriftsteller im jüdischen Schicksal (Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland: Studien zur Schlesischen und Oberlausitzer Kirchengeschichte 3) Düsseldorf / Görlitz 1998 [zugl. Univ. Diss Heidelberg 1996 unter dem Titel „Wohl dem, der auf die Seite der Leidenden gehört“]; Die gesammelten Beiträge zum Lieddichter von H ENKYS , J ÜRGEN : Jochen Klepper. In: D ERS .: Singender und gesungener Glaube. Hymnologische Beiträge in neuer Folge (VLH 35) Göttingen 1999, 176-298. T HALMANN , R I- TA : Jochen Klepper. Ein Leben zwischen Idyllen und Katastrophen. München 1977. 636 Vgl. R ÖßLER , M ARTIN : Liedermacher im Gesangbuch. Liedgeschichte in Lebensbildern. Stuttgart 2001, 934-978. 936. <?page no="188"?> 174 jedoch jemals mit dem Examen abzuschließen. Einige Facetten des Liedes seien im Spiegel seiner Lebens- und Zeitgeschichte kurz umrissen: Zeitlebens arbeitet er sich an dem schwierigen Verhältnis zu seinem Vater ab, was sich auch auf sein Gottesbild auswirkte. 637 Die Beschreibung eines mächtigen, unangefochtenen Gottes leitet auch Ich liege, Herr, in deiner Hut. „Ich achte nicht der künft’gen Angst“: Wenn K LEPPER abermals poetisch den Vorsatz zur Angstfreiheit fasst, dann spiegelt sich darin sein passiver Widerstand gegen die reale Bedrohung seines familiären und persönlichen Lebens durch das nationalsozialistische Regime. 1931 hatte er die 13 Jahre ältere jüdische Witwe J OHANNA (H ANNI ) S TEIN geheiratet, die zwei Töchter in die Ehe brachte. Ihm, seiner Familie und vielen seiner Freunde und Bekannten wurde jeden Tag aufs Neue das Barbarische des politischen Systems vor Augen geführt. Mit Bangen hörte er von Deportationen und Konzentrationslagern und befürchtete eine stete Verschlimmerung der Lage. 638 „dass ich … beschirmt und sicher wohne“: Diese Wendung erhält eine besondere Nuance angesichts der zur Zeit der Abfassung des Gedichts akut erfahrenen Wohnungsnot und dem Bangen um das erst kürzlich gebaute und für die neu entstehende Adolf-Hitler Straße zum Abriss freigegebene Haus der K LEPPERS . 639 Aus dem regelmäßig geführten Tagebuch ist zu erfahren, dass Klepper die Sorge um den Verlust des Hauses unmittelbar zu der Zeit umtrieb, als er das Abendlied fertigte. 640 „Der mich in diese Nacht geführt“: Das Topos Nacht richtet sich nicht nur auf die reale, natürliche Nacht. Er umschreibt nach Vorstellungen H ENKYS auch die „Nacht der Zeit“, in der K LEPPER zu leben hatte und die ihn immer wieder Repressionen aussetzte. 641 Er erfährt die politische Situation als ausweglos und finster, geradezu chaotisch, 642 kann sich aber dennoch nicht zu Schutzmaßnahmen für sich und seine Familie durchringen. Was ihm letztlich an Handlungsmöglichkeiten bleibt, ist der Weg in die Nacht des Selbst- 637 Vgl. ebd., 190. 638 Vgl. H ENKYS , J ÜRGEN : Jochen Klepper - Schreiben und Verstummen vor Gott. Ein evangelischer Dichter im Deutschland der Judenvernichtung (1992). In: D ERS .: Singender und gesungener Glaube, 272-287. 277. Vgl. auch die Einschätzungen desselben Autors in: Das Berlin Jochen Kleppers. Ein Gemeindevortrag. In: D ERS .: Singender und gesungener Glaube, 258-271. 263f. 639 Vgl. dazu ausführlich D ERS .: Das Berlin Jochen Kleppers, bes. 258-260. 640 Vgl. D ERS .: Ich liege, Herr, in deiner Hut (EG 486). In: LKEG 8 (2003) 80-85.82f. S. auch den Brief K LEPPERS vom 13. Mai 1938 an J ULIANE und K URT M ESCHKE , dem Nachfolger von K URT I HLENFELD beim Evangelischen Schlesischen Presseverband, in: [J OCHEN K LEPPER ]: Gast und Fremdling. Briefe an Freunde. Hg. v. E VA -J ULIANE M ESCHKE . Witten / Berlin 1960, 335. 641 Vgl. H ENKYS , J ÜRGEN : Ich liege, Herr, in deiner Hut, 81. H ENKYS interpretiert diese Schlusszeile in Anlehnung an 1 Sam 2, 6: „Der HERR tötet und macht lebendig, führt in die Hölle und wieder heraus.“ (Luther 1912; EÜ: „Der Herr macht tot und lebendig, er führt zum Totenreich hinab und führt auch herauf.“) Die Nacht ist für ihn die Nacht der Zeit, in der K LEPPER leben und die für ihn wie die Hölle selbst gewesen sein musste. Vgl. ebd., 84f. 642 Vgl. ebd. <?page no="189"?> 175 mordes, in der „er alles Geschriebene vergessen sollte“ 643 . Viele seiner Zeitgenossen haben ob dieses Endes an der Glaubwürdigkeit seiner Texte gezweifelt. 644 Andersherum stellt sich jedoch die Frage, wie sehr die politische Unterdrückung auf K LEPPER gelastet haben muss, dass er trotz der in seiner Poesie aufscheinenden Glaubensgewissheit keinen anderen Ausweg mehr kannte, als seinem und dem Leben seiner Familie ein Ende zu setzen: „Wer wollte da kommen und sagen, die Lieder gelten nicht, weil ihr Dichter sie durch seinen Tod widerrufen habe? “ 645 „will ich mich ganz bescheiden“, „ich harre deiner Treue“: K LEPPER und seine Frau beantworteten die politische Situation mit ihrem Glauben, und ihr Vertrauen war es auch, weswegen sie sich, während andere durch die Rassengesetze verfolgte Familien die Ausreise beantragten und das Heimatland verließen, zum Bleiben entschieden. Als die Situation ausweglos geworden war und keine Fluchtmöglichkeiten in die Schweiz oder nach Schweden mehr gegeben waren, wählen sie zusammen mit ihrer jüngeren Tochter 646 den Selbstmord, um einer Deportation in die Konzentrationslager zu umgehen. 647 Psalm 4 kritisiert in seinem Mittelteil die Haltung der Mächtigen, die sich erheben, trotz der erfolgten göttlichen Begnadigung dem Beter nach dem Leben trachten und Gottes Macht nicht anerkennen wollen: Liebe Herren, wie lange soll meine Ehre geschändet werden? / Wie habt ihr das Eitle so lieb und die Lüge so gern! (V 3 in der alten Lutherübersetzung). Da K LEPPERS Schriften nach seinem Ausschluss aus der Reichsschriftenkammer genehmigt werden mussten, 648 ist es durchaus denkbar, dass er mit diesem versteckten Hinweis durch die Verdichtung dieses Psalms Kritik am System üben wollte und geübt hat. Er hatte sich, soweit die Quellen es offen legen, niemals offiziell am kirchlichen Widerstand der Bekennenden Kirche beteiligt, weil er deren Handeln als „Eingreifen in Gottes Führung“ 649 missbilligte; aber er verfolgte auch nur mit Widerwillen die Gleichschaltung der Institution Kirche. 650 So wird die Klage des Psalms in der Gestalt eines gläubigen Liedes möglicherweise zur Anklage des staatlichen Systems. 643 I HLENFELD , Freundschaft mit Jochen Klepper, 150. 644 Vgl. ebd. 125-129. 645 Ebd., 151. 646 Die ältere Tochter Brigitte hatten sie früher schon zu Freunden nach London schicken können. Seiner Jüngeren, Reni (oder Renerle d.h. Renate), und seiner Frau wurde die Ausreise nach Schweden verweigert. Es wird angenommen, dass dies wesentlich zu dem Entschluss des Selbstmordes beigetragen habe. Vgl. T HALMAN , Jochen Klepper, 377-380; W ECHT , Jochen Klepper, 319f. 647 Vgl. H ENKYS , Jochen Klepper - Schreiben und Verstummen vor Gott, 272. 648 Vgl. W ECHT , Jochen Klepper, 121-129. 649 T HALMANN , Jochen Klepper, 355f. 650 Eine ausführliche Einschätzung von K LEPPERS Haltung zur Bekennenden Kirche einerseits und der gleichgeschalteten Kirche der ‚Deutschen Christen’ andererseits in bestimmten Lebensphasen s. bei W ECHT , Jochen Klepper, 109-120. 210-220. <?page no="190"?> 176 d Pragmatik Der Freund und Verleger K URT I HLENFELD bemerkt an einer Stelle, dass das poetische Werk K LEPPERS nur angemessen zu verstehen sei, wenn man sich den dämonischen Hintergrund des Regimes bewusst mache, in dem die Lieder entstanden. 651 Wer nicht um das Schicksal K LEPPERS weiß, was mit Fortschreiten der Zeit in wachsendem Maße der Fall sein dürfte, mag zunächst befremdet auf das Lied reagieren. Daran wird der sprachliche Stil einen gewissen Anteil tragen. K LEPPER ahmt, so will es scheinen, in Wortwahl und Satzbau P AUL G ERHARDT nach. 652 An drei Stellen finden sich textliche Synkopen, in denen ein unbetonter Vokal ausgelassen wird (finstrer (2,3), mächt’ge (6,1). und künft’gen (7,1)). Der Text erhält so eine für moderne Ohren antiquierte Färbung. Heute kaum oder gar nicht im aktiven Wortschatz geläufige Vokabeln wie Hut (1,1), Huld (8,2), bescheiden (6,2) und frommt (9,3) bestärken diesen Eindruck. 653 Die relativische Interpolation in 8,3 - was mich bitter traf - liest sich zunächst so, als würde sie die nachfolgende Liebe erläutern wollen. Das führt zu einer Irritation, weil die Lexeme bitter und in Liebe rette ihrer Bedeutung nach in Widerspruch zueinander stehen. Es bliebe hier auch ungeklärt, warum denn die Erfahrung der rettenden Liebe als bitter empfunden wird, weil mit der anschließenden Strophe ein neuer Gedanke einsetzt. Daher kommt eigentlich nur eine zweite Deutungsmöglichkeit in Betracht, in der der Nebensatz einen Grund angibt, was oder weswegen das ICH in die Liebe Gottes fliehen möchte. Zu ergänzen wäre also vor allem, das, was mich bitter traf, in deine Liebe rette. Erlittene Verletzungen werden im Glauben an Gott, den treuen Beschützer gewendet, so dass sie dem Beter kein wirkliches Leid antun können. Schon zu Lebzeiten K LEPPERS wurde die Frage aufgeworfen, ob das Abendlied wegen seines stark individuellen Bezuges überhaupt gemeindetauglich sein könne. Als ein ausgewiesenes Psalmlied kommt ihm dieses Prädikat durchaus zu, da es die besondere Art des Psalters übernimmt, in der eine Person für viele stellvertretend die Stimme erhebt. 654 In gleicher Weise eignet es sich als Meditationslied, das zum individuellen Nachvollzug einlädt. 655 Darüber hinaus scheint es, nicht zuletzt wegen des augenfälligen Bezuges zu Psalm 4, für den Vollzug im Rahmen einer Abendhore geeignet zu sein. 651 Vgl. I HLENFELD , Freundschaft mit Jochen Klepper, 123. 652 Vgl. R ÖßLER , Liedermacher, 968. 653 Zur Zeit K LEPPERS galt diese Form der Kirchenliedtexte als ausgesprochen modern und innovativ. Neben der für K LEPPER ersten Maxime der bibelnahen Dichtung wurde Wert auf eine gute Singbarkeit gelegt. Vgl. R ÖßLER , Liedermacher, 957. 654 Vgl. I HLENFELD , Freundschaft mit Jochen Klepper, 118f. 655 Vgl. auch H ENKYS , Ich liege, Herr, in deiner Hut, 82. <?page no="191"?> 177 e Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie Die Dunkelheit des Abends bildet den Anlass für Ich liege, Herr, in deiner Hut und Ps 4, um Schutz zu bitten. Die Ruhe ist das Ziel, zu dem beide Gesänge die Rezipienten überführen möchten, indem sie sich des Schutzes durch den Allerhöchsten vergewissern. Der Psalmengesang gehört strukturell, weil am Anfang des Ritus der Komplet stehend, zur Ablösungsphase im Kompletritus. Inhaltlich nimmt der Bibeltext jedoch das Ziel des gesamten Ritus vorweg, indem er thematisch auf Ruhe und Schutz ausgerichtet ist. Im Verlauf des Liedes ereignet sich der Transitus vom Wachen zum Schlafen, von der Angst zur vertrauensvollen Gewissheit des Geborgenseins. Damit zeichnet auch das Lied insgesamt die Grundfunktion der Komplet nach. Im Lied deutlicher als im Schrifttext fungiert die Dunkelheit der Tageszeit als Spiegel der Ängste, die den inhaltlichen Grund für die Schutzbedürftigkeit des Beters bilden. Das Liedende weist schließlich auf den Gegensatz von Leben und Tod hin; der Abend wird hier zum Symbol für Angst und Lebensabend zugleich. <?page no="192"?> 178 8 Von guten Mächten treu und still umgeben 1,1 Von guten Mächten treu und still umgeben 1,2 behütet und getröstet wunderbar, - 1,3 so will ich diese Tage mit euch leben 1,4 und mit euch gehen in ein neues Jahr. 2,1 Noch will das alte unsre Herzen quälen, 2,2 noch drückt uns böser Tage schwere Last. 2,3 Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen 2,4 das Heil, für das du uns bereitet hast. 3,1 Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern 3,2 des Leids gefüllt bis an den höchsten Rand, 3,3 so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern 3,4 aus deiner guten und geliebten Hand. 4,1 Doch willst du uns noch einmal Freude schenken 4,2 an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz, 4,3 dann woll’n wir des Vergangenen gedenken 4,4 und dann gehört dir unser Leben ganz. 5,1 Lass warm und hell die Kerzen heute flammen, 5,2 die du in unsre Dunkelheit gebracht, 5,3 führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen! 5,4 Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht. 6,1 Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, 6,2 so lass uns hören jenen vollen Klang 6,3 der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet, 6,4 all deiner Kinder hohen Lobgesang. 7,1 Von guten Mächten wunderbar geborgen 7,2 erwarten wir getrost, was kommen mag. 7,3 Gott ist bei uns am Abend und am Morgen 7,4 und ganz gewiss an jedem neuen Tag. <?page no="193"?> 179 a Formale Hinweise und Strukturen Von guten Mächten ist zunächst als Gedicht überliefert. Heute ist das zur Jahreswende 1944 von dem evangelischen Theologen D IETRICH B ONHOEFFER verfasste Gedicht in vielen Gesang- und Liederbüchern zuhause. 656 Erstmalig veröffentlicht wurde es 1946 anlässlich des ersten Todestages B ONHOEF- FERS am 9. April 1946 durch den Ökumenischen Rat in Genf. 657 Der obige Text folgt dem handschriftlichen Original, dem auch der Abdruck im *RG entspricht. 658 Der Text wurde bis heute vielfach vertont. 659 Die heute geläufigsten Weisen stammen von O TTO A BEL (1959), S IEGFRIED F IETZ (1970) und K URT G RAHL (o.J.). Hier wurde die des erstgenannten Komponisten ausgewählt, weil sie allen Kenntnissen nach die älteste ist und unter allen bekannten am ehesten dem Text Rechnung zu tragen versucht. 660 Angesichts der 656 Ob das Gedicht schon in seiner Entstehung als Liedtext gedacht gewesen ist, kann nur gemutmaßt werden. H ENKYS sieht in der Durchnummerierung der einzelnen Strophen im handschriftlichen Original ein mögliches Indiz dafür, aufgrund des Versmaßes und Strophenbaus lässt sich, davon ging H ENKYS bis zu seinem jüngsten Fund aus, aus dem Evangelischen Kirchengesangbuch der Entstehungszeit jedoch keine passende Weise entdecken, die als Basis gedient haben könnte. Vgl. H ENKYS , J ÜRGEN : Dietrich Bonhoeffers letztes Gedicht auf dem Weg ins Gesangbuch. In: D ERS .: Dietrich Bonhoeffers Gefängnisgedichte. Beiträge zu ihrer Interpretation. München 1986, 66-90.69. Zuerst abgedruckt unter demselben Titel in: Vom Amt des Laien in Kirche und Theologie. Hg. v. H ENNING S CHRÖER und G ERHARD M ÜLLER . [FS G ERHARD K RAUSE ] Berlin / New York 1982, 372-392. S. auch DERS .: Von guten Mächten. In: Geheimnis der Freiheit: die Gedichte Bonhoeffers aus der Haft. Biografie, Poesie, Theologie. Gütersloh 2005, 262-287. 282-287. 657 Vgl. B ETHGE , E BERHARD : Liedpredigt am 17. Januar 1988 in der Schlosskirche Bonn „Von guten Mächten“. In: G UTHEIL , J ÖRN -E RIK (Hg.): „Dass unsere Augen aufgetan werden…“ [FS H ERMANN D EMBROWSKI ] Frankfurt a. Main / Bern / New York / Paris 1989. 24-33. 24f. Die Liedpredigt ist weiterhin veröffentlicht in B ETHGE , E BERHARD : Erstes Gebot und Zeitgeschichte. Aufsätze und Reden 1980-1990. München 1991, 143-151. 143. 658 Bis 1988 galt das handschriftliche Original als verschollen. Die Verbreitung des Gedichtes erfolgte über eine Schreibmaschinenabschrift der Mutter P AULA B ONHOEFFER . Das Original, das dem letzten Brief an B ONHOEFFERS Braut M ARIA VON W EDEMEYER vom 19. Dezember 1944 beigelegen hatte, weicht an einigen Stellen von bekannten und verbreiteten Liedtextfassungen ab. [S. den Abdruck der Handschrift in H ENKYS , J ÜRGEN : Von guten Mächten treu und still umgeben, In: H ANSJAKOB B ECKER u.a. (Hgg.): Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. 452-461. 454.] Im *EG wurde der Text an die ursprüngliche Version angeglichen (2,3: aufgeschreckten statt aufgescheuchten; 2,4: geschaffen statt bereitet; 5,1: hell statt still, 7,1: bei statt mit). Der hier abgedruckte Text folgt im Wesentlichen dieser an dem Urtext orientierten Version. Zu den unterschiedlichen Textvarianten s. H ENKYS , J ÜRGEN : Von guten Mächten. In: D ERS .: Geheimnis der Freiheit, 262. 659 Zur Melodiefrage siehe das vorletzte Unterkapitel. 660 Das *EG gibt es als Lied mit der Weise von O TTO A BEL im Stammteil zur Jahrswende (Nr. 65) wieder, ebenso unter derselben Rubrik erscheint der reine Text als Gebetsvorschlag des gesamten Stückes in *RG (Nr. 550) und *CG (Nr. 959.3). In beiden letztgenannten Gesangbüchern wurde zusätzlich die letzte Strophe mit dem Satz von A BEL aufgenommen, im *RG unter der Rubrik „Sendung und Segen“ (Nr. 353), im *CG unter „Vertrauen und Trost“ (Nr. 875). Im *KG erscheint Von guten Mächten treu und still umgeben unter „Vertrauen und Bitte“ (Nr. 554). Im *ME sind die Melodiefassungen von A BEL und von F IETZ hintereinander in der Abteilung Jahreswende veröffentlicht (Nr. <?page no="194"?> 180 Orte, an denen das Stück innerhalb der Gesangbücher platziert wurde, gilt das zu besprechende Lied im Allgemeinen nicht als ausgewiesenes Abendlied. Dennoch kann es nicht nur wegen seiner Grundthemen Vertrauen, Trost, Segen und Schutz zum Stamm der heute geläufigen Abendlieder gezählt werden. In einigen in jüngerer Zeit herausgegebenen Liederbüchern wird es auch als solches vorgeschlagen. 661 Der siebenstrophige Text ist im Kreuzreim als jambischer Fünfheber mit wechselnder weiblicher und männlicher Kadenz angelegt. Die erste und letzte Strophe, die mit sehr ähnlichem Vers einsetzen, bilden den Rahmen um einen fünfstrophigen Bitt-Teil. Die Strophen umfassen jeweils eine (Str. 1, 3, 4, 5 und 6) bzw. zwei (Str. 2 und 7) syntaktische Einheiten. Will man den Text in einem ersten Schritt strukturieren, so kommt eine Reihe von Signalwörtern zur Hilfe: Das emphatische so (1,3) unterstreicht die Aussage der ersten beiden Verse „Von guten Mächten treu und still umgeben / behütet und getröstet wunderbar,-“, die eigentlich schon durch den Gedankenstrich abgesetzt wird: So und nicht anders wünscht das ICH mit den Seinen zu leben. Nach einem Parallelismus (noch - noch 2,1f.) schwingt sich das Gedicht zu einer ersten Klimax auf, indem durch die Interjektion ach (2,3) die erste, wohl zentrale Bitte des Liedes eingeleitet wird. Die Verbindung von 2. und 3. Strophe durch und (3,1) mutet seltsam an. Erwartet hätte man aufgrund des Inhalts der 3. Str. ein auflösendes doch. Stattdessen wird die Leidensaussage weitergeführt: und reichst Du uns den schweren Kelch. Eine Wendung erfolgt erst in der 4. Str. durch Doch willst du uns noch einmal Freude schenken. Durch die Zeitangaben der Strophen 1 und 6 werden der Vollzugszeitpunkt des Liedes und die zeitliche Dimension des Textes aneinander angeglichen: Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet (6,1). Der Text ist also gedacht für einen Abend am Ausgang eines Jahres. Sparsam und dennoch eindrucksvoll werden poetische Stilmittel verwendet. So fügt sich die einfache Aufzählung in 4,3f. dann […] und dann mit einem Parallelismus in 4,1 und 4,3 zusammen: willst du uns […] schenken, dann woll’n wir […] gedenken. Die Gabe Gottes, nämlich die Freude an der Welt, ermöglicht das Gedächtnis des Erlebten. Das Gedenken des Vergangenen, Lastigen und Schweren soll im Lichte der Freude über Gottes Schöpfung erfolgen. Die Rahmenstrophen sind in ihrem Beginn gleich gebaut, jeweils ist von guten Mächten die Rede. V 1. Strophe V 7. Strophe 1 Von guten Mächten treu und still umgeben 1 Von guten Mächten wunderbar geborgen 2 behütet und getröstet wunderbar, 2 erwarten wir getrost, was kommen mag. 3 so will ich diese Tage mit euch leben 3 Gott ist bei uns am Abend und am Morgen 4 und mit euch gehen in ein neues Jahr. 4 und ganz gewiss an jedem neuen Tag. 99, 100). Darüber hinaus geben etliche evangelischen Regionalteile und einige katholische Diözesananhänge das Stück in verschiedenen Vertonungen wieder (s. die Angaben im Appendix). 661 So z.B. das ökumenische Liederbuch der Schweiz *rise up 246; als Zeitlied in *Gotteskindermenschenlieder beherzt 211. <?page no="195"?> 181 Die jeweils ersten beiden Verse bringen inhaltlich Ähnliches ohne nach einer Wortvielfalt zu suchen. Dennoch hat sich im Laufe des Liedes Entscheidendes geändert: Aus dem Wunsch nach Geborgenheit und Trost durch gute Mächte ist in der Schlussstrophe Gewissheit geworden. Weil Gott zu jeder Zeit bei den Betenden ist, sind sie in der Lage, alles Kommende, ob böse Tage, ob schwere Last, getrost erwarten zu können. Der konkrete Wunsch nach einem kommenden Jahr in geschützter Gemeinsamkeit weitet sich zu einer Gewissheit grundsätzlichen Geschütztseins an jedem Tag und zu jeder Zeit. Drei unterschiedliche Kommunikationsebenen werden durchlaufen auf dem Weg von dem Bedürfnis nach Bergung hin zu einem real empfundenen Schutz: Zunächst richtet sich die Perspektive von einem lyrischen ICH in einer persönlichen Ansprache an eine Adressatengruppe IHR (ich - euch 1,3f.). Im Mittelteil (Str. 2-6) vereinen sich diese beiden Gesprächspartner in einem objekthaftem WIR, das sich bittend an ein DU richtet (du - uns (2,4; 3,1; 4,1) du - unsre (5,2) wir - dein (5,4) uns (6,1-3)). In 2,3 wird das DU als Herr angeredet. Schließlich wird in der 7. Str. das DU der vorhergehenden Strophen als Gott charakterisiert (wir - Gott - uns 7,2f.). Aus den Perspektivwechseln wird ersichtlich, dass sich im Lied ein Prozess vollzieht, der nicht ohne Folgen für das gesamte Verständnis geändert werden kann. 662 Die letzte Strophe gibt eine Art Fazit, indem sie, nachdem vom Leiden und irdischer und ewiger Freude die Rede ist, mit dem Bei-uns-sein Gottes schließt. b Inhaltliche Analyse - Die kommunikative Struktur des Liedes Betrachtet man die Textaussage unter den Kategorien des Aktantenmodells, was durch die ermittelten Sprecherwechsel nahe liegt, so ergibt sich für die Akteure innerhalb des Liedes folgende Rollenverteilung: Qualität - Funktion ICH (Textautor, Rezipient) treu und still umgeben (1,1) behütet (1,2), getröstet (1,2) Bedürfnis nach Gemeinschaft mit dem WIR (1,3f.) Adressant / Subjekt: WIR (Rezipientengruppe, Familie des Autors) gequält (2,1) belastet (2,2) aufgescheuchte Seelen (2,3) dankbar für Leid (3,3) gedenkend (4,3) übereignet Leben (4,4) getrost (7,2) , des göttlichen Mitseins gewiss (7,3f.) EUCH Lebenspartner des ICH (1,3) Begleiter des ICH (1,4) Adressat: HERR, GOTT gibt Heil (2,3f) reicht Leidenskelch (2,1f.) gute und geliebte Hand (3,4) kann Freude schenken an der Welt (4,1f.) 662 Vgl. ebd. 278. Diese Problematik zeigt sich vor allem in der Vertonung von S IEGFRIED F IETZ , in der die 7. Strophe als Refrain benutzt wird. S. dazu die Ausführungen zur Wirkungsgeschichte des Liedes, I D 8 d. <?page no="196"?> 182 Qualität - Funktion bringt Licht in Dunkelheit (5,1f.) führt Menschen zusammen (5,3) Führer in Finsternis (5,3f.) zeichnet sich durch kontinuierliches Mitsein aus (7,3f.) WIR wunderbar geborgen (7,1) gelassen, getrost (7,1) des göttlichen Mitseins gewiss (7,3f.) IHR s.o. EUCH, WIR HEIL Seelenruhe (2,3) Freude an der Welt (4,1f) Mächte gut (1,1; 7,1) umgeben treu und still (1,1) Kinder Gottes, die lobsingen (6,4) Teil der unsichtbaren Welt (6,3) bergen wunderbar (7,1) Objekt: HERR, GOTT s.o. Das Alte (2,1) quält (2,1) LAST (2,2) drückt (2,2) böser Tage (2,2) schwer (2,2) Opponent: Leidenskelch (3,1f.) schwer (3,1) bitter (3,1) 1) Adressaten und Adressanten Das ICH, das in der ersten Strophe zu sprechen beginnt, wünscht treu und still umgeben (1,1), behütet und getröstet (1,2) in Gemeinschaft mit einer nicht näher charakterisierten Gruppe leben zu können. Die intime Anrede mit euch (1,3f) und der Verzicht auf eine Eingrenzung der Gruppe durch Nennung bestimmter Eigenschaften zeigt an, dass die Angeredeten dem Sprecher (sehr) vertraut sind. Es deutet sich in den Eingangszeilen eine nicht ungebrochene Existenz und Lebensweise der Betroffenen an; gleichwohl könnte sich hinter dem Wunsch des ICH nach einer durch gute Mächte umgebenen und geschützten Gemeinschaft durchaus auch das Verlangen spiegeln, dass sie sich, genauso wie sie im zurückliegenden Jahr erfahren wurde, fortsetzen möge. In der zweiten Strophe ändert sich nicht nur die Sprechrichtung, sondern es wendet sich auch der Eindruck einer vermeintlichen Idylle hin zur Illustration eines zerrissenen, leidgeprägten Daseins. ICH und EUCH der ersten Strophe sind nicht, wie es in der ersten Strophe zunächst gewünscht wird, durch den Schutz unsichtbarer Mächte miteinander vereint. Nunmehr werden Sprecher und Angeredete im weiteren Textverlauf im Adressanten WIR subsumiert. Die Ausgangsbasis für die gemeinsame Sprecherrolle liegt in den negativen (gemeinsam gemachten) Erfahrungen des zurückliegenden Jahres. Die vergangenen Tage und denkbar auch die gegenwärtige Situation, in der sich die Gruppenmitglieder befinden, werden als quälend und belastend (2,2) empfunden. Sie stellen eine seelische Belastung für alle Betroffenen dar (aufgeschreckten Seelen; 2,3). Ein in dieser Weise gepeinigtes WIR <?page no="197"?> 183 wendet sich flehentlich, eingeleitet durch ein emphatisches Ach, an den HERRN (2,3), der das Not lindernde bzw. befreiende Heil zuteil werden lassen soll. Im weiteren Verlauf des Liedes tritt in der DU-Anrede eine ähnlich vertrauensvolle Beziehung zutage, wie sie in der ersten Strophe zwischen Mensch und Menschen deutlich geworden ist (vgl. 2,4; 3,1; 4,1; 4,4; 5,2, und indirekt in 3,4; 5,4; 6,4). Das DU wird in den folgenden Strophen 2-6 Adressat von fünf Bitten, in deren Artikulation sich das WIR selbst in der Rangordnung unter den Adressaten stellt. Der adressierte HERR wird charakterisiert als Gott Vater, der nicht nur Freude gewähren kann, sondern der auch den Kelch des Leidens zu trinken gibt; wie es bei Jesaja heißt: Ich erschaffe das Licht und mache das Dunkel, ich bewirke das Heil und erschaffe das Unheil. Ich bin der Herr, der das alles vollbringt (Jes 45,7). Es ist nicht der so genannte „liebe Gott“, um den es hier geht, und auch wenn er seine Geschöpfe liebt wie eine Mutter (guten und geliebten Hand 3,4), enthält er ihnen nicht Tod und Leiden vor (3,1-3). Er offenbart sich den Menschen durch Christus in seinem Wort und bringt so Licht in die Dunkelheit. In den die Dunkelheit menschlichen Daseins erhellenden Kerzen zeigen sich die Worte des Zuspruchs, dass er alle, die an ihn glauben, von den Enden der Erde sammeln will als sein Gottesvolk: „Sucht ihr mich, so findet ihr mich. Wenn ihr von ganzem Herzen nach mir fragt, lasse ich mich von euch finden - Spruch des Herrn. Ich wende euer Geschick und sammle euch aus allen Völkern und von allen Orten, wohin ich euch versprengt habe - Spruch des Herrn.“ (Jer 29,13f. 663 ) So kann sich die Stiftung zwischenmenschlicher Gemeinschaft in seinem Wort auf einer spirituellen Ebene vollziehen oder aber auch als eschatologisches Heil ereignen (5,3). Gottes Wort führt durch die Finsternis dunkler Tage und bestätigt darin Gottes Treue, indem er kontinuierlich seinen Schutz zuteil werden lässt und bei den Menschen ist. In der vor Bekanntwerden der Originalhandschrift maßgeblichen Textfassung hieß es Gott ist mit uns. 664 Erstere Formulierung transportiert ihrer Bedeutung nach eher die Tendenz, dass Gott alles menschliche Agieren gutheißt. In der ursprünglichen Wendung Gott ist bei uns zeigt sich das Wesen Gottes als treuer Bundesgott. Er ist ein Gott der Menschen, die er selbst im Leid nicht allein lässt, sogar selbst Mensch wird, um mit ihnen zu leiden. Er trachtet danach, sie so von jeglicher Not zu befreien. Aus dem mittleren Bitt-Teil lassen sich weitere Funktionen und Eigenschaften des WIR ableiten: Es zeigt sich dankbar dafür, falls das göttliche DU ihm den Kelch des Leidens zu trinken gibt (3,3). Es wird hier eine Parallele zu dem Gebet Jesu im Garten Gethsemane hergestellt (vgl. Mt 26,39.42). Während Jesus aber sehr wohl aus Angst vor dem künftigen Leiden zitterte und 663 Vgl. auch Neh 1,9; Jes 43,5; Ez 20,41; 36,23f. 664 Was nach H ENKYS zu einem „argen Missverständnis“ führt. Worin seiner Meinung nach dieses Missverständnis begründet liegt, lässt er im Dunklen. Vermutlich erinnert ihn das „Mit“-Sein Gottes zu sehr an die zahllosen in seinem Namen geführten Kriege. Vgl. H ENKYS , Von guten Mächten. In: Geheimnis der Freiheit, 279 (FN 46). <?page no="198"?> 184 der Leidenskelch eine schwere Bürde gewesen ist (vgl. Mk 14,33) 665 , glaubt das WIR der Nachfolge Jesu nachzukommen, wenn es seine gläubige Haltung mit Dankbarkeit zum Ausdruck bringt. Es hält zuversichtlich an dem Zuspruch fest, dass sein Kreuz und die zu tragende Last leicht sei. Im Glauben an das erlösende Leiden und Sterben Christi wird alles Leid der vergangenen Tage und all das Schreckliche, das noch bevorsteht, aufgehoben und als Geschenk interpretiert. Der Glaube entfaltet in der Haltung des WIR also seine heilsame Kraft, depressive Verstimmungen zu lösen. Diese Gottergebenheit kulminiert in der vierten Strophe in einer Übereignung des Selbst an Gott: und dann gehört dir unser Leben ganz (4,4). Die 4. Strophe, die sich auch in ihrem Bau von den übrigen abhebt, 666 fungiert als Wendepunkt in der Selbstwahrnehmung des WIR in Relation zu seinem Adressaten: Wurde in den vorherigen beiden Strophen darum gebeten, dass etwas von Gott zuteil werde, bietet die Gruppe in 4,4 im Gegenzug Gott etwas an. Die Gegengabe sind sie selbst und ganz und gar. Der Kelch des Leidens ist im Letzten der bevorstehende Tod, der aber angesichts der geschenkten Freude im Diesseits (4,1f.) und der gläubigen Hoffnung ihrer heilsamen Vervollkommnung im Jenseits keine Macht über die Menschen haben kann (vgl Röm 6,3ff.). Das WIR nimmt sich selbst als eine Gruppe geschichtlicher Wesen wahr, die aus den Erinnerungen an das Vergangene heraus lebt (gedenken 4,3). Die Freude an der Welt besteht eigentlich in den Erinnerungen an gemeinsam verlebte Zeiten. Hier ist nicht das leidvolle Vergangene im Blick, sondern die Zeit glücklicherer Tage. Der Glaubensgewissheit des WIR, die sich aus dem Wort Gottes speist und auf der sich der Liedtext wie ein Resonanzboden entfaltet (wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht 5,4), steht eine Art hoffende Vagheit gegenüber (führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen 5,3). Gottes Wille ist unverfügbar. Den Sprechern ist bewusst, dass sie Gott nicht vereinnahmen können; man kann ihn zwar herzlich um etwas bitten, eine Garantie für sein Eingreifen gibt es jedoch nicht. Dennoch empfindet das WIR, getrost (7,2) zu sein. Bei aller Unmanipulierbarkeit glaubt das WIR an die Zusage der göttlichen, ungebrochenen Treue, die er ganz gewiss an jedem neuen Tag (7,4) zuteil werden lässt. 2) Opponenten Beeinträchtigt wird die Sprechergruppe durch eine als schwer empfundene Vergangenheit und eine leidensreiche, lastende Gegenwart, durch die sich der Leidenskelch füllt. Der Blick zurück lenkt sich konkret auf das Übel des zurückliegenden Jahres (noch will das alte (Jahr) unsre Herzen quälen; 2,1). Frühere Textvarianten legten missverständlich durch Großschreibung des 665 Vgl. hierzu auch DERS ., Dietrich Bonhoeffers letztes Gedicht, 75-78. 666 Str. 4 verfügt auffälligerweise als einzige Strophe über keinerlei Adjektive oder Adverbien. Es überwiegen sonst deutlich positiv konnotierte Adjektive (guten (1,1; 3,4); wunderbar (1,2; 7,1), dankbar (3,3), geliebten (3,4), warm, hell (5,1), hohen (6,4), getrost (7,2), gewiss (7,4)). Eindeutig negativ zu qualifizierende Adjektive bzw. Adverbien finden sich lediglich in den Str. 2 und 3. <?page no="199"?> 185 Adjektivs eine Interpretation des Belastenden als des gesamten zurückliegenden Lebens nahe. 667 Hinter dem WIR liegt eine unheilvolle Zeit, und es scheint sich immer noch darin zu befinden, denn immer noch drückt es böser Tage schwere Last (2,2). In der 3. Strophe wird das Leiden in einen biblischen Horizont gestellt durch zitathafte Übernahme des Topos „Kelch“. Der Leidenskelch Jesu wird vom WIR adapiert (Mt 26,39/ / 668 in Bezug zu Ps 42/ 43), allerdings sperrt sich der Subtext der Gethsemane-Situation gegen die Dankbarkeit, die in 3,3 dem Leid zufällt: so nehmen wir ihn dankbar, ohne Zittern. Selbst Jesus hat angesichts seines bevorstehenden Leidens gegen die Forderung seines Vaters aufbegehrt und in physischen Schmerzen am ganzen Körper Angst verspürt. Einerseits ist es denkbar, dass sich hier der gläubige Ausdruck der Gruppe spiegelt, in ihrer Nachfolge Jesus bis in Leiden und Tod hinein nachzufolgen bereit zu sein. Darüber hinaus seien, neben dem Bezug auf das Martyrium 669 aus dem Lobpreischarakter der dritten Strophe auch Bezüge zum Abendmahl erlaubt. 670 Der Auftrag zur Nachfolge impliziert die Praxis des gedenkenden und lobpreisenden Vollzuges des Abendmahles, aus der sich im übertragenden Sinne auch eine Mimesis der Leiden Jesu als Akt der Verkündigung ergibt: „Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“ (1 Kor 11,26). Auf unsere Textsituation übertragen heißt das: So oft ihr die Leiden, die der Sohn Gottes zu leiden hatte, erleiden müsst, und (um seinetwillen) verfolgt und verachtet werdet (vgl. Mt 5,11), verkündet ihr seinen Tod, den Tod Christi, bis er kommt. 3) Wunschobjekte In fünf Bitten wendet sich das WIR an den HERRN, um fünf Dinge gewährt zu bekommen: 667 Wie z.B. in dem Liederbuch *Cantate Domino. Vgl. hierzu ausführlicher H ENKYS , Von guten Mächten. In: Geheimnis der Freiheit, 273f. 668 Mt 26,39-42: „Und er ging ein Stück weiter, warf sich zu Boden und betete: Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst. Und er ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend. Da sagte er zu Petrus: Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Dann ging er zum zweiten Mal weg und betete: Mein Vater, wenn dieser Kelch an mir nicht vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, geschehe dein Wille.“ (/ / Mk 14,36, Lk 22,42) 669 Vgl. H ENKYS , Von guten Mächten. In: Geheimnis der Freiheit, 275. 670 Mt 26,27f: „Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet und reichte ihn den Jüngern mit den Worten: Trinkt alle daraus; das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ (/ / Mk 14,23f.); Lk 22,17-20: „Und er nahm den Kelch, sprach das Dankgebet und sagte: Nehmt den Wein, und verteilt ihn untereinander! Denn ich sage euch: Von nun an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes kommt. Und er nahm Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.“ <?page no="200"?> 186 gib (2,3) Bitte um Heil willst - schenken (4,1) Bitte um Freude an der Welt lass - flammen (5,1) Bitte um Licht in Dunkelheit führ - zusammen (5,3) Bitte um Zusammenführung des WIR lass - hören (6,2) Bitte um Wahrnehmung der transzendenten Welt Worum die Sprechergruppe hauptsächlich wirbt, ist eigentlich schon in der ersten Bitte zusammengefasst. Sie erbittet das Heil Gottes, für das sie bereitet ist. Nicht das Heil ist für die Menschen gemacht, etwa zu ihrem Wohle, vielmehr sind die Menschen zu dem Zwecke geschaffen, dieses Heil zu erhalten. 671 Dieses Verständnis impliziert auch, dass das Heil immer ewig, schon gewesen ist, noch vor den Menschen war und sie auch überdauern wird. Was dem ersten Anschein als eine theologische Spitzfindigkeit erscheinen mag, ist in Wahrheit ganz und gar biblische Lehre: Bei dem Propheten Jesus Sirach erfahren wir über das Wesen des göttlichen Heils (Sir 2,9) - „Ihr, die ihr den Herrn fürchtet, hofft auf Heil, auf immerwährende Freude und auf Erbarmen! “ - ewige Freude, die die irdische Freude an der Schöpfung übersteigt (V 4,1) und göttliche Barmherzigkeit (vgl. 1 Thess 5,9). Darüber hinaus bedingt sich das göttliche Heil in der Zuwendung Gottes zu seinen Geschöpfen (vgl. Num 6,26), die an das angemessene Verhalten der Geschöpfe geknüpft ist: „Wer Opfer des Lobes bringt, ehrt mich; wer rechtschaffen lebt, dem zeig’ ich mein Heil.“ (Ps 50, 23). Der in der Taufe empfangene Hl. Geist ist die erste Gabe des in der Ewigkeit vervollkommneten Heils (2 Kor 1,20). Gänzlich offenbar wird es erst am Ende der Zeiten werden (vgl. 1 Petr 1,5). So erhält diesseitiges Leiden an der Welt um Gottes Willen im Horizont des erhofften eschatologischen Heils seinen Sinn (vgl. 2 Kor 7,10). Dieser theologisch aufgeladene Begriff Heil versteht sich im Kontext des Liedes also als eine Größe, die von den Menschen nur dann erlangt werden kann, wenn sie ihrer gottgegebenen Bestimmung folgen und als Geschöpfe den Schöpfer loben: „Du treibst ihn (den Menschen) an, dass er seine Freude daran finde, dich zu loben, denn auf dich hin hast du uns gemacht, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“ 672 Alle weiteren Bedürfnisse des WIR sind diesem obersten Desiderat untergeordnet. Neben der Sehnsucht nach der ewigen Freude besteht das Verlangen nach der irdischen, die sich konkret in dem Wunsch nach einem Wiedersehen mit den Lieben äußert. Ob in der folgenden Bitte um Heimeligkeit gebeten wird, ist angesichts des hoch-theologischen Einstiegs fraglich. Denkbar ist wohl eher, dass es in der Bitte um Licht in der Dunkelheit um die Mitteilung Gottes aus seinem Wort geht. Jesus Christus, das Licht der Welt, ist der inkarnierte Logos, das fleischgewordene Wort, das den Gläubigen Erleuchtung zuteil werden lässt. Die Sicherheitsbekundung des letzten Strophenverses (wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht) würde bei einer solchen Lesart die Offenheit für die geschöpfte 671 Vgl. hierzu auch H ENKYS , Dietrich Bonhoeffers letztes Gedicht, 74. 672 A UGUSTINUS : Confessiones I,1 (CChr.SL 27,1; ed. L UCAS V ERHEIJEN . Turnhout 1981); dt. Ü: [Augustinus]: Bekenntnisse, 33. <?page no="201"?> 187 Kraft der Gläubigen aus dem Wort Gottes dokumentieren. Neben der Schrift ist es die transzendente, „andere“ Welt, die uns Menschen Kunde von Gott zu bringen vermag, der man jedoch lediglich in der Stille gewahr werden kann. Es ist die Sphäre der Engel, die uns von Gott an die Seite gestellt werden, und die die Zusage Christi des Seid gewiss: Ich bin bei Euch alle Tage bis ans Ende der Welt (Mt 28,20; vgl. Hag 1,13. 2,4) erfahrbar werden lassen. 4) Die Helfer: Gute Mächte Schon der erste Vers des Gedichts präsentiert die Adjuvanten des Sprechers bzw. der Sprechergruppe, so wie sich das ICH seine Helfer wesensmäßig wünscht: als gute Mächte, die es umgeben, es bergen und trösten. Der Plural lässt keine theologische Deutung zu, hier werden zunächst andere Mächte als die Macht des Einen beschrieben. Aus dem Gesamtzusammenhang der Strophen 1, 4 und 7 ergibt sich eine Deutung der guten Mächte als Schutzengel. Im Schluss von Strophe 4 vereint sich die Erde mit dem Himmel zum Lobe Gottes. Mit allen Mächten und Gewalten singen die im Leben Bedrängten ihrem Schöpfer Lob (vgl. Kol 1,16). Es ist ebenso denkbar, dass lediglich die Wahrnehmungsfähigkeit der transzendenten Welt (der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet) erbeten wird und es nicht so sehr um eine Verbindung zwischen Himmel und Erde geht. Die später aus dem Kolosserbrief 673 in das Nicäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis überführte Formel nennt Mächte und Gewalten, die ebenso wie die Menschen auf der Erde Geschöpfe Gottes sind. Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt. 674 Die Transzendenz ist von der Atmosphäre der Stille geprägt. (Von guten Mächten treu und still umgeben (1,1); Wenn sich die Stille nun tief um uns weitet (4,1)). Deshalb wird man ihrer am besten in der Dunkelheit gewahr, in der die Sinne, um die Sehfähigkeit beraubt, sensibler sind für Klänge und Geräusche. Die Schlussstrophe bestätigt, was die erste Strophe hoffend zum Ausdruck brachte: gute Mächte geleiten ICH und WIR auf dem Glaubensweg und sind als dienende Geister ausgesandt, um denen zu helfen, die das Heil erben sollen (Hebr 1,14). Sie umgeben die Betenden zum Schutze (Ps 34,1) und achten darauf, dass sie kein Unheil treffe (Ps 91,11-13). Da der letztgenannte Psalm eine reiche Tradition besonders hinsichtlich der Abendliturgie 673 Kol 1,12-17: „Dankt dem Vater mit Freude! Er hat euch fähig gemacht, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind. Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes. Durch ihn haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden. Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand.“ [Hervh. Vf.] 674 Vgl. hierzu auch H ENKYS , Von guten Mächten. In: Geheimnis der Freiheit, 268. <?page no="202"?> 188 aufweist, soll er im Folgenden ausführlicher ausgelegt und ein etwaiger Bezug zum Gedicht B ONHOEFFERS geprüft werden. E XKURS : Psalm 91 a Auslegung 1 „Wer im Schutz des Höchsten wohnt und ruht im Schatten des Allmächtigen, 2 der sagt zum Herrn: ‚Du bist für mich Zuflucht und Burg, mein Gott, dem ich vertraue.’ 3 Er rettet dich aus der Schlinge des Jägers und aus allem Verderben. 4 Er beschirmt dich mit seinen Flügeln,/ unter seinen Schwingen findest du Zuflucht, Schild und Schutz ist dir seine Treue. 5 Du brauchst dich vor dem Schrecken der Nacht nicht zu fürchten, noch vor dem Pfeil, der am Tag dahinfliegt, 6 nicht vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die wütet am Mittag. 7 Fallen auch tausend zu deiner Seite,/ dir zur Rechten zehnmal tausend, so wird es doch dich nicht treffen. 8 Ja, du wirst es sehen mit eigenen Augen, wirst zuschauen, wie den Frevlern vergolten wird. 9 Denn der Herr ist deine Zuflucht, du hast dir den Höchsten als Schutz erwählt. 10 Dir begegnet kein Unheil, kein Unglück naht deinem Zelt. 11 Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. 12 Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt; 13 du schreitest über Löwen und Nattern, trittst auf Löwen und Drachen. 14 ‚Weil er an mir hängt, will ich ihn retten; ich will ihn schützen, denn er kennt meinen Namen. 15 Wenn er mich anruft, dann will ich ihn erhören./ Ich bin bei ihm in der Not, befreie ihn und bringe ihn zu Ehren. 16 Ich sättige ihn mit langem Leben und lasse ihn schauen mein Heil.’“ In V 1f. findet sich zunächst eine allgemeingehaltene, ihren Sprecher nicht näher charakterisierende Rede über JHWH; im Hauptteil (V 3-13) wendet sich dann direkt ein ICH an ein DU, bei dem es sich definitiv nicht um JHWH handeln kann, da über die Eigenschaften JHWHs in der 3. Person gesprochen wird. Hier wird, so Z ENGER , eine „adressatenbezogene Applikation und Illustration des im ersten Teil formulierten Grundsatzes“ 675 vorgenommen. Im Schlussteil V 14ff. ändern sich wiederum Sprecher und Angeredeter. Jetzt wird direkt die Rede JHWHs zitiert, in der er eine Schutzzusage über Dritte trifft. Gemäß der Kommunikationsebenen lässt sich der Text also folgendermaßen strukturieren: 675 Z ENGER , Psalm 91, In: D ERS .: Dein Angesicht suche ich. Psalmen Auslegungen Bd. 3. Freiburg / Basel / Wien 2003, 133-142. 134. <?page no="203"?> 189 Teil I: VV 1f. Aus Erfahrung des göttlichen Schutzes gespeister Lehrsatz (Rede über jemanden) Teil II: VV 3-13 konkrete Bilder für den göttlichen Schutz (Du-Anrede) 3f. Vogelwelt 5f. Epidemien/ Unheil/ Tod 7f. Krieg 9f. Haus/ Zelt 11-13 (Lebens-)Weg Teil III: VV 14-16 Rede JHWHs (Sprechrichtung Ich-Er) Sprecherbzw. Adressatenwechsel lassen verschiedene Deutungen hinsichtlich der ursprünglichen Verwendung des Psalms zu, wobei aufgrund des spärlichen Wissens über Entstehungszeit und Gestalt der Tempelliturgie nur Vermutungen angestellt werden können. Die Exegeten streiten darüber, ob Psalm 91 selbst Teil eines liturgischen Vollzuges (im Tempel) gewesen ist, oder ob er eine rituelle Handlung nachempfindet. 676 Zwei Rituale könnten hierbei maßgebend gewesen sein: (1) Tempelpfortenliturgie: Der erste Psalmteil wäre demnach der Spruch der dem Tempel nahenden Pilger, auf den der zweite Teil als heilende Zusage an die Pilger durch einen Tempelpriester erfolgt, oder aber die Aufforderung eines Priesters zum dankbaren Vertrauensbekenntnis, welches sich dann anschließt. 677 Der Schlussteil entspräche dann der vom Heiligtum ausgehenden göttlichen Zusage als Orakel. Denkbar ist (2) ebenfalls, den Psalm als Teil einer Segenshandlung zu begreifen. Dafür spricht die Zusage des zweifachen Schutzes, im Heiligtum einerseits und auf dem (Pilger-)weg andererseits im Mittelteil. 678 Die einleitenden Verse des anonymen Psalms zeigen in ihrem Aufruf zu vertrauensvollem Bekenntnis schon die Nähe zu Ps 34,4 auf: Verherrlicht mit mir den Herrn, lasst uns gemeinsam seinen Namen rühmen. 679 Hier beginnt jemand zu sprechen, der bei JHWH Unterschlupf gefunden hat, - so die ursprüngliche Bedeutung von rt,se - und der aus dieser Erfahrung heraus zum dankbaren „Vertrauensbekenntnis“ 680 (V 2: xjb ) anhebt. Er erfährt bei JHWH Asyl in seinem Heiligtum, wohl dem Schutzbezirk des Tempels ( ! Ay=l.[, rt,seäB. ), kann nun sicher 676 Vgl. ebd., 135. Eine Einordnung als weisheitlichen Lehrtext der Tempelschule wird wegen des Zusagecharakters der Eingangsverse von der neueren Forschung in Frage gestellt. Vgl. D ERS : Psalm 91, In: F RANK -L OTHAR H OSSFELD / E RICH Z ENGER (Hgg.): Psalmen 51-100. (HThKAT 26) Freiburg / Basel / Wien 2000, 619; im Gegensatz zu z.B. der Einordnung durch G ROß , H EINRICH / R EINELT , H EINRICH : Das Buch der Psalmen. Teil II (Ps 73-150). (Geistliche Schriftlesung 9/ II) Düsseldorf 1979, 133; M ALY , K ARL : Im Geist der Bibel beten. Eine Einführung am Beispiel von Psalm 91. Frankfurt a. Main 1983, 19f. 677 Vgl. K RAUS , Psalmen. Bd 2: Psalmen 81-150, 635. Vgl. auch Z ENGER , Psalm 91 (HThKAT) 619. 678 Vgl. H UGGER , P IRMIN : Jahwe meine Zuflucht. Gestalt und Theologie des 91. Psalms. (Münsterschwarzacher Studien 13) Münsterschwarzach 1971, 12-27; s. auch Z ENGER , Psalm 91 (HThKAT 26) 619. 679 Die Einleitungsformel rm; ªa (V 2) wird meistens unpersönlich übersetzt, um den lehrhaften Charakter des ersten Teils zu unterstreichen. Z ENGER weist darauf hin, dass hier im Gegensatz zu allen gängigen Übersetzungen eigentlich 1. Person Singular zu übersetzen sei „Als einer, der im Schutz des Höchsten wohnt, im Schatten des Allmächtigen nächtigt, spreche ich zu JHWH: ‚Meine Zuflucht und meine Felsenburg, mein Gott, auf den ich vertraue.’“ Z ENGER , Psalm 91 (HThKAT) 615-626 im Gegensatz zu seiner Übersetzung und Interpretation an anderer Stelle: D ERS .: Psalm 91. In: D ERS .: Dein Angesicht suche ich, 133f. 680 S. Z ENGER , Psalm 91 (HThKAT) 620. <?page no="204"?> 190 bei ihm wohnen ( bvy ) und unter seinem Schutz nächtlich Ruhe finden ( ! yl ). 681 In der intimen Vertrauensbekundung wird gleichzeitig ein Glaubensbekenntnis geäußert: Du bist für mich Zuflucht und Burg, mein Gott, auf den ich vertraue (Ps 91,2). Die Gottesbilder Zuflucht und Burg ( yti _d'Wcm.W ysi äx.m ; ) unterstreichen die unumstößliche Schutzgewalt JHWHs. Dabei muss sich der Beter nicht zwingend im Tempel befinden. Es ist ebenso denkbar, dass der Beter JHWH gleich einem schützenden Tempel begreift. 682 Diesem kommen zwei Gottesprädikationen zu: JHWH ist der Höchste ( ! Ay=l.[ , ) und der Allmächtige ( yD; ªv ; ÷ ). 683 Es ist nicht eindeutig zu klären, ob derjenige, der Asyl bei JHWH erhalten hat, auch im Mittelteil seine Stimme erhebt, oder ob sich hier ein Sprecherwechsel vollzieht. Es ist denkbar, dass derselbe Beter, dem die Angst um sein Leben vertraut ist, nun selbst konkrete Beispiele für die Art und Weise der göttlichen Schutzmacht nennt. Die vielfältige Erfahrung der Rettung durch den mitseienden Gott skizziert er in fünf verschiedenen Bildern: Die Konkretionen setzen mit dem Bild des Kükens ein (V. 3a-4b), das allein durch die schützenden Flügel der Vogelmutter vor der Schlinge der Jäger, d.h. vor ihren Klappnetzen, geschützt ist (vgl. auch Ps 124,7). 684 Der Beter kennt die Situation, von seinen Gegnern bedrängt zu werden, wie Jungvögel, die von Jägern gejagt werden, die mit List und Tücke Beute machen wollen. Die Schwinge Gottes als Schutzort ist ein im Alten Testament geläufiges Bild (s. z.B. im Lied des Mose Dtn 32,11; außerdem bei Rut 2,12; Ps 17,8 u.ö.), das mit dem mutmaßlichen Bezug auf den Tempel und die Beschreibung des israelitischen Heiligtums in Ex 25,20 auch als die Schwingen der Kerubim gedeutet werden kann. 685 In V. 5f. setzt eine Folge von Unheilsillustrationen ein, die in ihrer tageszeitlichen Zuordnung parallel zueinander angeordnet sind: hl'y>l"+ dx; P; äm i ( (Schrecken der Nacht) ~m'(Ay #xeªme (Pfeil am Tage) lp,aoåB' rb,D,mi (Pest im Finstern) ~yIr")h\c' bj,Q, ªmi (Seuche am Mittag) Den Beter ängstigt die Nacht, sie ist ihm ein Schrecken, eine Zeit der Gefährdung und des Ausgeliefertseins. In ihr, so das alttestamentliche Verständnis, treiben dämonische Mächte ihr Unwesen. 686 Am Tage hingegen geht im Orient von der alles versengenden Mittagsonne Gefahr aus, die Pfeilen gleich ihre Strahlen zur Erde sendet (s. auch Ps 121,6). Die Vulgata spricht analog zu den Schreckensmächten der Nacht vom daemonium meridianum, dem Mittagsdämon, der Trägheit und Antriebslosigkeit eingibt. Andere Interpretationen sehen darin ein Bild für Seuchen und fiebrige Erkrankungen, wie es auch die B UBER -Übersetzung wiedergibt: „Nicht mußt du vor dem Nachtgraus dich fürchten, vor dem Pfeil, der am Tage fliegt, vor der Pest, die umgeht im Dunkel, vorm Fieber, das im 681 Vgl. M ALY , Im Geist der Bibel beten, 21. 682 Vgl. Z ENGER , Psalm 91 (HThKAT) 621f. 683 Ersteres bezeichnete ursprünglich die höchste Gottheit unter allen Göttern im vorisraelitischen Kult, während letzterer wohl einst Name einer kananäischen Gottheit gewesen ist, zur Zeit der Entstehung des Psalters allerdings schon ganz in die hebräische Sprache übernommen gewesen war. Vgl. M ALY , Im Geist der Bibel beten, 28. 684 At’r'b.a,B. (V 4) Schwinge im Singular im Vergleich zu Flügel ( wyp'än"K. ) im Plural; lediglich auf diese Weise bei M ARTIN B UBER übersetzt zu finden: „Er schirmt dich mit seiner Schwinge, du birgst dich ihm unter den Flügeln, Schilddach, Ringmauer ist seine Treue.“ In: Die Schrift. Übers. v. M ARTIN B UBER und F RANZ R OSENZWEIG . Bd. 4: Die Schriftwerke. Stuttgart [1962] 6 1992, 138. 685 Das Schutzbild der Flügel wird in einer Rede Jesu aufgegriffen (Mt 23,37; Lk 13,34). Hier soll nicht die Fürsorge Gottes verniedlicht werden, sondern es findet sich die Absicht Jesu ausgedrückt, die Gott mit dem Volk Israel verfolgt, nämlich die Sammlung des neuen Gottesvolkes unter seinen Fittichen. Vgl. M ALY , Aus dem Geist der Bibel beten, 22. 27. 686 Vgl. ebd., 29. <?page no="205"?> 191 Sonnenglast gewaltigt.“ An anderen Stellen wird darin die altertümliche Vorstellung von dem unheilvollen Einfluss der Gestirne Sonne und Mond gelesen. 687 Nach altgriechischer Auffassung schießt der Sonnengott A POLLO seine Strahlen als Pfeile, um den Menschen Krankheiten zu bringen, eine Vorstellung, die sich auf JHWH auch im Alten Testament findet (Ps 38,3; Hiob 6,4; Klgl 3,13). 688 Die Pest bringende Finsternis erinnert an die Plagen, mit denen JHWH den Assyrern zusetzte (Jes 37,36): In jener Nacht zog der Engel des Herrn aus und erschlug im Lager der Assyrer hundertfünfundachtzigtausend Mann. Als man am nächsten Morgen aufstand, fand man sie alle als Leichen. JHWH ist in der Lage, aus jeglicher äußeren (Seuchen und Hitze) und inneren (Angst und Krankheit) Beeinträchtigung zu erretten. Man kann mit Z ENGER sogar zu dem Schluss kommen, dass „der Psalm […] die chaotische Bedrohlichkeit des Todes [evoziert], indem er sie als personifizierte Unheilsmächte agieren lässt […]“ 689 In V 4c wurde die Treue Gottes mit einem Schild und einer Schutzwehr verglichen ( hr'äxesow>) hN"ßci ). In V 7f. wird diese Kriegsmetaphorik nochmals aufgegriffen. Auch wenn um den Beter herum der Krieg wütet, wird JHWH ihn schützen, ihn wird kein Pfeil treffen. Dem Beter wird darüber hinaus auch die Befriedigung zuteil, selbst erleben zu können, wie JHWHs Strafe die Bedränger treffen wird. Mit V 9 setzt ein neuer Abschnitt ein, in dem zweifach begründet wird ( yK iÛ ), weswegen sich JHWH in dieser umfassenden Weise dem Beter zuwendet und ihm Schutz gewährt: Er ist ein treuer Gott, der ungebrochen zu seiner Verheißung steht. Wer auf ihn vertraut, auf sein umfassendes Handeln hofft und seine Zuflucht sucht, dem wird er sie gewähren (Vgl. Spr 3,21-23. 12,21; Dtn 7,15). Dazu wird zunächst das Bild von der sicheren Wohnung bei JHWH ( ^n<)A[m. ) entfaltet, wodurch einerseits thematisch an den vorausgehenden Psalm 90,1 angeknüpft, andererseits das Vertrauensbekenntnis aus V 91,2 zitiert wird. 690 Der Umkreis des Schutzes wird in Perspektive auf die die nomadische Tradition ausgeweitet, denn er reicht nicht nur im Bereich des eigenen Hab und Guts, sondern auf allen Wegen, die der Fromme geht. Die Fürsorge Gottes äußert sich dort konkret in der Sendung seiner Engel, damit diese den Beter auf Händen tragen. 691 Während z.B. bei Jesaja JHWH selbst als Retter fungiert, indem er sein Volk auf den Händen trägt (vgl. 63,8f. 692 ), wird an anderen Stellen des AT ein Schutzengel zum Geleit gesendet (z.B. Gen 24,7 693 ; Tobit). Der Beter wird durch diese Mächte so 687 Vgl. ebd., 30f. 688 Vgl. ebd., 29f. 689 Z ENGER , Psalm 91 (HThKAT) 622. 690 Im Gegensatz zur Einheitsübersetzung heißt es nämlich wortgenau: meine Zuflucht statt deine Zuflucht ( ysi_x.m; ). Hier wird also die performative Rede aus V 2 zitiert. Vgl. hierzu Z ENGER , Psalm 91 (HThKAT) 623. 691 In der neutestamentlichen Rezeption des Psalms wird dieser Vers in der Versuchung Jesu dem Teufel in den Mund gelegt; Mt 4,5f: „Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.“ (/ / Lk 4,10f.). 692 „Er sagte: Sie sind doch mein Volk, meine Söhne, die nicht enttäuschen. Er wurde ihr Retter in jeder Not. Nicht ein Bote oder ein Engel, sondern sein Angesicht hat sie gerettet. In seiner Liebe und seinem Mitleid hat er selbst sie erlöst. Er hat sie emporgehoben und sie getragen in all den Tagen der Vorzeit.“ 693 „Der Herr, der Gott des Himmels, der mich weggeholt hat aus dem Haus meines Vaters und aus meinem Heimatland, der zu mir gesagt und mir geschworen hat: Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land! , er wird seinen Engel vor dir hersenden, und so wirst du von dort eine Frau für meinen Sohn mitbringen.“ <?page no="206"?> 192 sehr geschützt, dass er sogar auf die Tiere treten kann (vgl. Lk 10,18-20 694 ): Löwen, Wasserschlangen, Nattern und Drachen stehen sinnbildlich für die bedrängenden Feinde, denkbar auch für den versuchenden Feind, der Macht über den Frommen zu gewinnen versucht (vgl. 1 Petr 5,8). 695 Der Schlussteil V 14-16 präsentiert als eine Art Gottesspruch ein heilsgeschichtliches, unter drei Bedingungen ergehendes Versprechen: Die Heilszusage erfolgt, insofern der Beter an JHWH hängt, er seinen Namen kennt und er ihn anruft. Die erste Forderung drückt die Notwendigkeit aus, die JHWH im Leben des Beters haben soll (vgl. auch Ps 63,9). Einem Geliebten gleich soll sich der Beter mit JHWH verbunden fühlen und sich nach ihm sehnen. qv; x '' meint zwar ursprünglich mit etwas fest verbunden zu sein, erhält aber im Anschluss an Gen 34,8 und Dtn 21,11 eine erotische Komponente. 696 Den Namen JHWHs zu kennen, ist Ausdruck gegenseitigen Vertrauens und Anerkennens (vgl. Jes 43,1-3a 697 ; vgl. Ex 33,17 698 ). Derjenige, der seinen Namen kennt, vertraut auf ihn (vgl. Ps 9,11 im Gegensatz zu Ps 79,6). Die Wendung denn er kennt meinen Namen ( ymi(v. [d; îy"-yK i ) beschreibt also den Zustand wechselseitiger Vertrautheit: der Fromme ist mit dem Wesen Gottes vertraut, mit dem Ich-bin-da. Wem sich JHWH offenbart hat, und wem er seinen Namen bekannt gemacht hat, der weiß darum, dass Gottes Wesen sich durch Treue und Schutz auszeichnet. 699 Die dreigliedrige Konditionalkette kulminiert in der Forderung zum Gebet. Bei dem Propheten Jeremia heißt es (29,12-14): Wenn ihr mich ruft, wenn ihr kommt und zu mir betet, so erhöre ich euch. Sucht ihr mich, so findet ihr mich. Wenn ihr von ganzem Herzen nach mir fragt, lasse ich mich von euch finden - Spruch des Herrn. (vgl. auch Sach 13,9). Viele Psalmen vermitteln die Reaktionsfolge, in welcher der sich in irgendeiner Not befindliche Beter ruft und JHWH ihn erhört (vgl. Pss 86,1; 18,7; 34,7; 61,3; 119,146; 120,1; 130,1; 145,18, s. auch Joel 3,5). Allerdings zeugen andere Stellen auch davon, dass JHWH in Ausübung seiner „souveränen Freiheit“ 700 nicht reagiert und die Rufe des Beters unerhört bleiben (vgl. 2 Sam 8,18; 22,42; Mi 3,4; Hiob 30,20; 35,12) oder er aber dem Rufen des Beters zuvorkommt (vgl. Jes 65,24). Somit kann man aus dem Gottesspruch der Schlussverse ableiten, dass sich in seinen Worten selbst schon die Erhörung des Frommen ereignet (s. ähnlich auch in Jes 41,17; 49,8; Jer 33,3; Sach 13,9). 694 „Da sagte er zu ihnen: Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen. Seht, ich habe euch die Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und die ganze Macht des Feindes zu überwinden. Nichts wird euch schaden können. Doch freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen, sondern freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind.“ 695 EÜ gibt die Tierarten gemäß dem masoretischen Text wieder. LXX kennt gegenüber dem hebräischen Text eine andere Tiervielfalt: „super aspidem (Natter) et basiliscum (Basilisk; hahnenköpfige Schlange der Mythologie) ambulabis et conculcabis leonem (Löwe) et draconem (Drache).“ 696 Selbiges Wort dient im AT auch dazu, Gottes Liebesverhältnis zu seinem Volk auszudrücken (vgl. Dtn 7,7. 10,15). 697 „Jetzt aber - so spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und der dich geformt hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir. Wenn du durchs Wasser schreitest, bin ich bei dir, wenn durch Ströme, dann reißen sie dich nicht fort. Wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt, keine Flamme wird dich verbrennen. Denn ich, der Herr, bin dein Gott, ich, der Heilige Israels, bin dein Retter.“ 698 „Der Herr erwiderte Mose: Auch das, was du jetzt verlangt hast, will ich tun; denn du hast nun einmal meine Gnade gefunden, und ich kenne dich mit Namen.“ 699 Nach H UGGER wird hier „die persönliche Religion [beschrieben], die im Widerspruch zu rein ritualistischer Frömmigkeit steht (Hos 8,2).“ H UGGER , Jahwe meine Zuflucht, 269. 700 Ebd. 270. <?page no="207"?> 193 Der Psalm schließt mit der Fürsorge Gottes als Reaktion auf das Verhalten des Beters. Insgesamt sechs Dinge lässt JHWH ihm zuteil werden, weil er ihm anhängt, ihn beim Namen kennt und angerufen hat, nämlich Erhörung ( WhnE ©[/ a, ), räsenz ( yki înOa'-AM)[ i ), Befreiung ( Whce ªL.x; a; > ), Ehrung ( Whde (B.k; a] ), Sättigung ( Wh[e_yBif.a; ) und Verherrlichung ( yti(['WvyBi( Whaeªr>a; ). Die Erhörung bildet den Ausgangspunkt aller weiteren Maßnahmen. JHWH steht dem Beter bei in aller Not und erweist seinem Namen alle Ehre, indem er für ihn da ist. Doch die Hilfestellungen reichen weiter, denn er befreit daraus und restauriert seine Ehre unter den Menschen, d.h. er sichert die soziale Anerkennung des Bedrängten. Zuletzt wird dem Beter ein langes Leben und Heil beschert. Ein langes Leben ist im AT das „klassische“ Geschenk für Gottestreue (vgl. z.B. Hiob 42,16f.; Spr 3,1f.) Am Ende der Reihe der von JHWH gewährten Gaben steht das Heil als eine prophetischtheologische Größe, die über Ehre und Leben hinausweist (vgl. Jes 51,5; 62,11; 49,6; 51,6.8). 701 Mit Heil kann durchaus die Gesundheit im Diesseits gemeint sein, wahrscheinlicher ist aber, dass hier umfassendes Heil gewährt wird, was erst im Jenseits vollendet werden kann (vgl. 2 Kor 6 702 ). b Liturgische Verortung des 91. Psalms Innerhalb der römischen Liturgie tritt der 91. Psalm vor allem an zwei Orten auf: Zum einen spielt er innerhalb der Quadragesima eine zentrale Rolle, zum anderen wird er schon seit dem 2. Jh. als Kernpsalm des Abendgebets verwendet. Den Ausgangspunkt für die Verwendung des Psalms in der Liturgie des ersten Fastensonntags bildet das Evangelium der Versuchung Jesu, in der der Teufel Ps 91,11f. zitierend Jesus dazu auffordert, sich vom Tempel zu stürzen (Lk 4,1- 13/ / ). In der römischen Liturgie vor dem II. Vatikanischen Konzil waren alle Propriumsgesänge des ersten Sonntags der Quadragesima von Psalm 91 durch- 701 Das Heil wird später zu einer eigenen Größe, die bald zur Person und damit zum Heiland wird; vgl. ebd., 278. 702 2 Kor 6: „Als Mitarbeiter Gottes ermahnen wir euch, dass ihr seine Gnade nicht vergebens empfangt. Denn es heißt: Zur Zeit der Gnade erhöre ich dich, am Tag der Rettung helfe ich dir. Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung. Niemand geben wir auch nur den geringsten Anstoß, damit unser Dienst nicht getadelt werden kann. In allem erweisen wir uns als Gottes Diener: durch große Standhaftigkeit, in Bedrängnis, in Not, in Angst, unter Schlägen, in Gefängnissen, in Zeiten der Unruhe, unter der Last der Arbeit, in durchwachten Nächten, durch Fasten, durch lautere Gesinnung, durch Erkenntnis, durch Langmut, durch Güte, durch den Heiligen Geist, durch ungeheuchelte Liebe, durch das Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit in der Rechten und in der Linken, bei Ehrung und Schmähung, bei übler Nachrede und bei Lob. Wir gelten als Betrüger und sind doch wahrhaftig; wir werden verkannt und doch anerkannt; wir sind wie Sterbende, und seht: wir leben; wir werden gezüchtigt und doch nicht getötet; uns wird Leid zugefügt, und doch sind wir jederzeit fröhlich; wir sind arm und machen doch viele reich; wir haben nichts und haben doch alles. Unser Mund hat sich für euch aufgetan, Korinther, unser Herz ist weit geworden. In uns ist es nicht zu eng für euch; eng ist es in eurem Herzen. Lasst doch als Antwort darauf - ich rede wie zu meinen Kindern - auch euer Herz weit aufgehen! Beugt euch nicht mit Ungläubigen unter das gleiche Joch! Was haben denn Gerechtigkeit und Gesetzwidrigkeit miteinander zu tun? Was haben Licht und Finsternis gemeinsam? Was für ein Einklang herrscht zwischen Christus und Beliar? Was hat ein Gläubiger mit einem Ungläubigen gemeinsam? Wie verträgt sich der Tempel Gottes mit Götzenbildern? Wir sind doch der Tempel des lebendigen Gottes; denn Gott hat gesprochen: Ich will unter ihnen wohnen und mit ihnen gehen. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. Zieht darum weg aus ihrer Mitte, und sondert euch ab, spricht der Herr, und fasst nichts Unreines an. Dann will ich euch aufnehmen und euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der Herr, der Herrscher über die ganze Schöpfung.“ <?page no="208"?> 194 zogen und auch im Stundengebet taucht er während dieser Kirchenjahreszeit immer wieder in den kleinen Horen auf. 703 Zumindest im Lesejahr C durchwebt Ps 91 nach der heutigen Leseordnung noch die Liturgie, seine VV 91,15f. bilden den, in der deutschen nachkonziliaren Liturgie meist unbeachteten, Eröffnungsvers. Er steht als zweite alttestamentliche Lesung zwischen der Verkündigung des Bekenntnisses des auserwählten Gottesvolks (Dtn 26,4-10) und dem Bekenntnis der Christen (Röm 10,8-13). Ebenso wird fakultativ die Schutzzusage aus V 4 als Kommunionvers vorgeschlagen. In der liturgischen Komposition der Lesungsfolge wird also der Bekenntnischarakter des Psalms herausgestellt, das Bekenntnis an den Retter-Gott, der präsent ist. Der erfahrene Schutz ist an dieser Stelle eher sekundär. Sein Einsatz innerhalb der Komplet begründet sich vor allem aus der tageszeitlichen Prägung des Mittelteils. Aus demselben Grund dürfte die orientalische Kirche ihn in die Mittagshore aufgenommen haben. Ob er als Abendgebetspsalm schon in der jüdischen Tradition verwendet worden ist, lässt sich quellenmäßig nicht verifizieren. Heute ist er jedenfalls im Rahmen des abendlichen Sabbatgebetes zu finden. 704 Mit der Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils wird Psalm 91 im Rahmen der Komplet fakultativ neben den Pss 4 und 134 gestellt, geboten ist er allein für die Komplet des Sonntags. Es handelt sich hierbei jedenfalls um den ältesten bekannten, in seinem Gebrauch auf das 2. Jh. zurückreichenden Kompletpsalm. B ASILIUS DER G ROßE erwähnt ihn im Hinblick auf die Inhalte eines Abend- und Nachtgebetes: „Wenn die Nacht hereinbricht, sollen wir noch einmal beten, damit wir eine schuldlose und von Traubildern freie Ruhe finden. Auch in dieser Zeit muß man den Psalm 90 beten.“ 705 Das Nachtgebet erhält hier die Funktion einer Vorbereitung auf die Nachtruhe, der 91. (90.) Psalm wirkt dabei in seiner Verheißung göttlichen Schutzes wie eine Einschlafhilfe. 706 Bei B ENEDIKT zieht sich das Schutz-Motiv in einer Pendelbewegung zwischen Zusage bzw. Bekenntnis und Bitte um Schutz durch die nächtliche Gebetszeit: Die Zusage aus Ps 91,14-16 („Wenn er mich anruft, will ich ihn erhören, ich bin bei ihm in der Not…“) wird in der Schlussbitte des Hymnus Christe qui, lux es et dies (adesto nobis Domine V. 8,4) 707 aufgegriffen und schwingt hinüber zu Bekenntnis der Lesung Jer 14,9 („Du bist doch in unserer Mitte…“.). Ihr Schluss („Verlass uns nicht, Herr unser Gott! “) leitet einen neuerlichen Bitt-Teil ein, der über das Stoßgebet im Versikel Ps 17,8 („Behüte mich wie den Augapfel“) hin zum Segensgebet führt. 708 [Ende des Exkurses] 703 Vgl. F ISCHER , B ALTHASAR : Conculcabis leonem et draconem. Eine deutungsgeschichtliche Studie zur Verwendung von Psalm 91 (90) in der Quadragesima. In: A NDREAS H EINZ (Hg.): Die Psalmen als Stimme der Kirche. Gesammelte Studien zur christlichen Psalmenfrömmigkeit. [FS B ALTHASAR F ISCHER ] Trier 1982, 73-83. 73. 704 S. Sidur Sefat Emet, 293-297. 705 B ASILIUS , Regula fusius tractatae 37,5 (PG 31,890-1052. 1015); dt. Ü: Die Mönchsregeln. Übers. u. eingl. v. K ARL S USO F RANK , 166. Bei B ASILIUS kann man studieren, dass die Psalmen nach thematischen Gesichtspunkten ausgewählt wurden: Nicht nur in der Nacht soll der Psalm 90 gebetet werden, sondern auch zur sechsten Stunde, um gegen den „Angriff des Mittagsdämons“ gewappnet zu sein. Vgl. B ASILIUS , Regula fusius tractatae 37,4. 706 Vgl. R ENNINGS , H EINRICH : Die Psychohygiene der Komplet. Kleiner Kommentar zum kirchlichen Nachtgebet. In: D ERS .: Gottesdienst im Geist des Konzils. Pastoralliturgische Beiträge zur Liturgiereform. Freiburg / Basel / Wien 1995, 210-231. 707 Zum Wortlaut des Hymnus siehe ausführlicher den Exkurs: Der ‚Feind’ in der Komplet I D 10 b 3) d). 708 Vgl. B ECKER , Komplet als Komposition, 877. <?page no="209"?> 195 5) Verwebung von Psalmen im Lied In Von guten Mächten treu und still umgeben findet sich eine Deutung von Psalm 91, die aufgrund der im Prozess des Liedes anklingenden Anordnung der Bezüge auf den Bibeltext nicht zufällig sein kann. Daneben ist auch eine gewisse Nähe des Gedichtes zum 34. Psalm gegeben. H ENKYS jüngste Forschungen ergaben zudem, dass sich ein Lied im geistlichen Repertoire B ON- HOEFFERS befindet, auf das er in seinen Schriften verschiedentlich Bezug nimmt 709 und das inhaltliche und formale Parallelen zu Von guten Mächten treu und still umgeben aufweist: 710 Im Evangelischen Gesangbuch in der Ausgabe Brandenburg / Pommern aus dem Jahr 1931, das von B ONHOEFFER verwendet wurde, findet sich unter Nr. 230 So führst du doch recht selig, Herr, die Deinen von G OTTFRIED A RNOLD (1666-1714). Dieses Stück entspricht in seinem Aufgesang dem in der Gesangbuchdichtung seltenen metischen jambischen Maß 11.10.11.10, 711 das auch B ONHOEFFERS Gedicht seine Metrik leiht. Sollte jenes eigentlich als Lied gedacht gewesen sein, wie es die Nummerierung seiner Strophen im handschriftlichen Original nahe legt, dann wäre es denkbar, dass dem Theologen die Weise des A RNOLD -Liedes, die im Genfer Psalter dem 27. Psalm zugedacht wird, als melodische Grundlage diente. Die erste Strophe von So führst du doch recht selig, Herr, die Deinen bezieht sich inhaltlich auf den vierten Vers von Psalm 4 in der Lutherübersetzung von 1534 (Erkennet doch / das der HERR seine heiligen wünderlich füret.): 709 Vgl. [B ONHOEFFER , D IETRICH ]: Brautbriefe Zelle 92. Dietrich Bonhoeffer - Maria von Wedemeyer 1943-1945. Hg. v. R UTH -A LICE V ON B ISMARCK / U LRICH K ABITZ . München [1992] 2 1995, 53f. 710 Vgl. H ENKYS , Von guten Mächten. In: Geheimnis der Freiheit, 267f. 711 In der weltlichen Dichtung des 20. Jahrhunderts findet jenes Versmaß jedoch sehr oft Verwendung. Vgl. F RANK , Handbuch der deutschen Strophenformen, 321-327. <?page no="210"?> 196 <?page no="211"?> 197 Von guten Mächten treu und still umgeben speist sich also aus drei bzw. vier verschiedenen poetischen Vorlagen: aus den Psalmen 34 und 91 und dem Lied So führst du doch recht selig, Herr, die Deinen, das wiederum an den 4. Psalm anschließt. Die folgende Synopse versucht diese Beziehungen untereinander zu veranschaulichen: 712 Von guten Mächten treu und still umgeben Ps 91 (Luther 1912) Ps 34 (Luther 1912) So führst du doch recht selig, Herr / Ps 4 1,1 Von guten Mächten treu und still umgeben 1,2 behütet und getröstet wunderbar, - 7 Der Engel des HERRN lagert sich um die her, so ihn fürchten, und hilft ihnen aus. 1,3 so will ich diese Tage mit euch leben 1,4 und mit euch gehen in ein neues Jahr. 11 Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen, 4 Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und deine Zuversicht wird sein unter seinen Flügeln. Seine Wahrheit ist Schirm und Schild. 12 Wer ist, der Leben begehrt und gerne gute Tage hätte? 1,1 So führst du doch recht selig, Herr, die Deinen 1,2 ja selig und doch meistens wunderlich. 1,3 Wie könntest du es böse mit uns meinen, 1,4 da deine Treu nicht kann verleugnen sich? 2,1 Noch will das alte unsre Herzen quälen, 1,5 Die Wege sind oft krumm und doch gerad, 2,2 noch drückt uns böser Tage schwere Last. 1,6 darauf du läßt die Kinder zu dir gehn; 2,3 Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen 1,7 da pflegt es wunderseltsam auszusehn; 2,4 das Heil, für das du uns bereitet hast. 4 Da ich den HERRN suchte, antwortete er mir und errettete mich aus aller meiner Furcht. 18 Der HERR ist nahe bei denen, die zerbrochnes Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagen Gemüt haben. 1,8 doch triumphiert zuletzt dein hoher Rat. 3,1 Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern 9,7 Ist’s möglich, daß mich etwas noch betrübt? 3,2 des Leids gefüllt bis an den höchsten Rand, 3,3 so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern 3,4 aus deiner guten und geliebten Hand. 19f. Der Gerechte muß viel Leiden; aber der HERR hilft ihm aus dem allem. Er bewahrt ihm alle seine Gebeine, daß deren nicht eins zerbrochen wird. 4,1 Doch willst du uns noch einmal Freude schenken 4,2 an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz, 16 „Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil.“ 3-6 Denn er errettet dich vom Strick des Jägers und von der schädlichen Pestilenz. Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und deine Zuversicht wird sein unter seinen Flügeln. Seine Wahrheit ist Schirm und Schild, daß du nicht erschrecken müssest vor dem Grauen der Nacht, vor den Pfeilen, die des Tages fliegen, vor der Pestilenz, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die im Mittage verderbt. 9,5 Wie oft erquicket meinen Geist ein Herz, 9,6 das dich und mich und alle Christen liebt! 4,3 dann woll’n wir des Vergangenen gedenken 4,4 und dann gehört dir unser Leben ganz. 12 Wer ist, der Leben begehrt und gerne gute Tage hätte? 9,8 Komm, Freudenquell, weich ewig, aller Schmerz! 712 Ausgehend vom Text des Gedichtes wurden die Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten zu den Psalmen bzw. zum A RNOLD -Lied mit verschiedenenen Unterstreichungen versehen. Abgesehen von den Strophen sechs und sieben ist jede Strophe für sich zu lesen. <?page no="212"?> 198 Von guten Mächten treu und still umgeben Ps 91 (Luther 1912) Ps 34 (Luther 1912) So führst du doch recht selig, Herr / Ps 4 5,1 Lass warm und hell die Kerzen heute flammen, 5,2 die du in unsre Dunkelheit gebracht, 5,3 führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen! 5 Welche auf ihn sehen, die werden erquickt, und ihr Angesicht wird nicht zu Schanden. 5,4 Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht. 6,1 Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, 6,2 so lass uns hören jenen vollen Klang 6,3 der Welt, die unsichtbar sich um uns wietet, 6,4 all deiner Kinder hohen Lobgesang. 11 Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen, 7,1 Von guten Mächten wunderbar geborgen 7,2 erwarten wir getrost, was kommen mag. 7,3 Gott ist bei uns am Abend und am Morgen 7,4 und ganz gewiss an jedem neuen Tag. 1f. Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem HERRN: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe. 7 Der Engel des HERRN lagert sich um die her, so ihn fürchten, und hilft ihnen aus. 2-4 Meine Seele soll sich rühmen des HERRN, daß es die Elenden hören und sich freuen. Preiset mit mir den HERRN und laßt uns miteinander seinen Namen erhöhen. Da ich den HERRN suchte, antwortete er mir und errettete mich aus aller meiner Furcht. 9 Denn der HERR ist deine Zuversicht; der Höchste ist deine Zuflucht. 14-16 „Er begehrt mein, so will ich ihm aushelfen; er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen. Er ruft mich an, so will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not; ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen. Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil.“ 9,1 Drum muß die Kreatur dir immer dienen, 9,2 kein Engel schämt nun der Gemeinschaft sich; 9,3 die Geister, die vor dir vollendet grünen, 9,4 sind meine Brüder und erwarten mich. Die enge inhaltliche Verzahnung der Psalmen 34 und 91 sowie die inhaltlichen Bezüge zum A RNOLD -Lied nebst Psalm 4 sind es also, die den B ON- HOEFFER -Text anfüllen. Gemeinsam sind den entsprechenden Psalmen, dem Lied und dem Gedicht die Erfahrung göttlicher Hilfe in Notsituationen und das daraus resultierende Gottvertrauen (Ps 4,4; Ps 34,5-8; Ps 91,1f.14-16). Auch verfügen alle Psalmen über einen unterweisenden Charakter, der sich <?page no="213"?> 199 aus der Erfahrung der Rettung speist und der lehrhaft mitgeteilt wird (Ps 4,4; Ps 34,9-15; Ps 91,1f.). Gott rettet denjenigen, der Gott fürchtet (Ps 34,16- 23), der seinen Namen kennt (Ps 91,14-16), kurz: er handelt wunderlich an den Heiligen, an den Frommen (Ps 4,4). Ins Auge fällt schließlich die Engelthematik, die in beiden Psalmen sowie in der letzten Strophe (Str. 9) des ursprünglich 13-strophigen Liedes 713 vorkommt und die im Gedicht B ONHOEF- FERS ihren Ausdruck in den guten Mächten findet (Ps 34, 8; Ps 91,11). Es zeigt sich, dass nicht in erster Linie der Engelschutz Psalmen, Lied und Gedicht zueinander in Bezug setzt, sondern dass der zentrale Anknüpfungspunkt in der Heilszusage Gottes begründet liegt. Die theologische Wendung des Heils, für das das WIR bereitet ist, entfaltet sich besonders im Licht des 91. Psalms als Wesensbestimmung nicht nur Gottes, sondern der Menschen. Als Geschöpfe Gottes sind die Menschen dazu geschaffen, sich vertrauensvoll ihrem Schöpfer zu übereignen, an ihm zu hängen und sich ihm bittend zuzuwenden, um letzten Endes in das Wesen Gottes eingehen zu können. B ONHOEFFERS Gedicht spiegelt keine falsche Form von Selbstsicherheit oder Heilsgewissheit, sondern ist gespeist aus der Hoffnung auf einen Gott, der seinem Namen getreu seine Geschöpfe zum Heil und zur Vollendung führen wird: Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind; denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei. Die aber, die er vorausbestimmt hat, hat er auch berufen, und die er berufen hat, hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht. (Röm 8,28-30) c Zeitgeschichtlicher Hintergrund und biographische Deutung des Liedes 714 D IETRICH B ONHOEFFER (*04. Februar 1906 in Breslau; † am 09. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg) verfasste das Gedicht Von guten Mächten treu und still umgeben im Ausgang des Jahres 1944. Er befand sich zu dieser 713 Vgl. Evangelischer Liederschatz für Kirche, Schule und Haus: eine Sammlung geistlicher Lieder aus allen christlichen Jahrhunderten. Gesammelt und nach den Bedürfnissen unserer Zeit bearb. von A LBERT K NAPP . Stuttgart 3 1865, Nr. 44. 714 Durch die verdienstvollen Untersuchungen von Prof. J ÜRGEN H ENKYS kann vielerorts (s. die folgenden FN) eine umfassende Einordnung des vorliegenden Liedtextes in den Kontext der B ONHOEFFERSCHEN Biographie gelesen werden. Da diesen Ausführungen nichts hinzuzufügen ist, beschränkt sich das folgende Kapitel auf die Darstellung wichtiger Wegmarken und biographischer Zusammenhänge, die ein Verständnis des Liedes ausbauen. Verzichtet wird auf eine komplette Werkgeschichte und auf eine ausführliche Biographie. Die Fakten zu B ONHOEFFERS Biographie sind im Folgenden entnommen aus: B ETHGE , E BERHARD : Dietrich Bonhoeffer. Theologe - Christ - Zeitgenosse. Eine Biographie. München 3 1970; sowie M ARTINI , B RITTA : Art. „Bonhoeffer, Dietrich“. In: Komponisten und Dichter des Evangelischen Gesangbuchs. Hg. v. W OLF - GANG H ERBST (HbEG 2) Göttingen 1999, 48f. <?page no="214"?> 200 Zeit im Gefängnis der Prinz-Albrecht Straße in Berlin, wo er als politischer Häftling einsaß. Seine Verhaftung am 5. April 1943 gründete sich in staatsfeindlichen Aktivitäten gegen das nationalsozialistische Regime, nämlich in seiner zentralen Rolle in der Bekennenden Kirche und in der Leitung des illegalen Predigerseminars, dass er nach dessen Zwangsschließung weitergeführt hatte. Schon 1936 war ihm die Lehrerlaubnis entzogen worden. Hauptanklagepunkt war jedoch seine Mitgliedschaft in der Widerstandsgruppe um Admiral C ANARIS , die die missglückten Anschläge vom 13. und 21. März 1943 auf A DOLF H ITLER mitzuverantworten hatte. Das Gedicht lag dem letzten Brief an seine Verlobte M ARIA VON W EDEMEYER vom 19. Dezember des Jahres bei, den er aus der Haftanstalt Prinz-Albrecht Straße sandte; eine Kopie lag einem Geburtstagsbrief an seine Mutter vom 28. Dezember 1944 bei. Dorthin war er wenige Tage zuvor von der Haftanstalt Tegel verlegt worden. Aus den beigefügten Briefzeilen lassen sich einige Textpassagen des Liedes biographisch deuten. Der Brief liest sich insgesamt wie ein Kommentar zum Gedicht, das B ONHOEFFER als Weihnachtsgabe mitsendet. 715 Hinter dem vertrauten Euch der 1. Strophe verbergen sich also neben der Braut die Großfamilie, Eltern und sechs noch lebende von insgesamt acht Geschwistern, deren Partner, Partnerinnen und Kinder: „Meine liebste Maria! Ich bin so froh, daß ich Dir zu Weihnachten schreiben kann, und durch Dich auch die Eltern und Geschwister grüßen und Euch danken kann. Es werden sehr stille Tage in unsern Häusern sein. Aber ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, je stiller es um mich herum geworden ist, desto deutlicher habe ich mit Euch die Verbindung gespürt. Es ist, als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet, die wir im Alltag kaum kennen. So habe ich mich noch keinen Augenblick allein und verlassen gefühlt. Du, die Eltern, Ihr alle, die Freunde und Schüler im Feld, Ihr seid mir immer ganz gegenwärtig. Eure Gebete und guten Gedanken, Bibelworte, längst vergangene Gespräche, Musikstücke, Bücher bekommen Leben und Wirklichkeit wie nie zuvor.“ 716 Es zeigt sich schon am Beginn des Gedichts, dass B ONHOEFFER seine gegenwärtige Lage verdichtet hat und es wohl nicht anzunehmen ist, dass er beabsichtigte, vornehmlich einen Liedtext für ein Gesangbuch zu verfassen. 717 Der Autor von Brief und Gedicht bezieht sich in seinem Wunsch nach Gemeinschaft implizit auf die nunmehr zwei Jahre währende Trennung von den Empfängern. Der Brief lautet weiter: „Es ist ein großes unsichtbares Reich, in dem man lebt und an dessen Realität man keinen Zweifel hat. Wenn es im alten Kinderlied von den Engeln heißt: ‚zweie die mich decken, zweie die mich wecken’, so ist diese Bewahrung am Abend und am Morgen durch gute unsichtbare Mächte etwas, was wir Erwachsenen heute nicht weniger brauchen als die Kinder.“ 718 715 Vgl. H ENKYS , Von guten Mächten. In: Geheimnis der Freiheit, 266. 716 [B ONHOEFFER ], Brautbriefe, 208-210. 208. 717 Wenngleich H ENKYS darauf aufmerksam macht, dass Von guten Mächten treu und still umgeben neben dem Gedicht Christen und Heiden das einzige ist, das strophisch durchnummeriert wurde. Vgl. H ENKYS , Von guten Mächten. In: Geheimnis der Freiheit, 262. 718 [B ONHOEFFER ], Brautbriefe, 208. <?page no="215"?> 201 Gute Mächte sind nichts Kindisches, ihres Schutzes bedürfen auch die Erwachsenen zu jeder Tageszeit. Die Gewissheit, mit der das Gedicht von den englischen Helfern spricht, zeigt sich auch im beiliegenden Brief. An dieser Stelle werden keine theologischen Abhandlungen über den Gottesstaat ausgeführt, hier artikuliert sich die Frömmigkeit, aus der das Brautpaar B ON- HOEFFER lebt. 719 H ENKYS mutmaßt, dass das lutherische Morgen- und Abendgebet B ONHOEFFERS Begleiter im Gefängnis gewesen sein könnten und sich daraus die Engelmotivik speist. 720 Tatsächlich lässt sich dieses über Umwege verifizieren: Das für seine Mitgefangenen verfasste Abendgebet zeigt eine deutliche Nähe zu der Gebetsanweisung L UTHERS und fasst damit die Grundanliegen der Komplet (Ruhe, (Engel-)schutz in der Nacht) in die Sprache seiner Zeit. Zwischen den Zeilen steht der Kompletpsalm 4 (Ruhe, Frieden, göttlicher Schutz in nächtlicher Finsternis) und mit ihm möglicherweise das Lied G OTTFRIED A RNOLDS : 721 „Herr, mein Gott, ich danke dir, daß du diesen Tag zu Ende gebracht hast, ich danke dir, daß du Leib und Seele zur Ruhe kommen läßt Deine Hand war über mir und hat mich behütet und bewahrt. Vergib allen Kleinglauben und alles Unrecht dieses Tages und hilf daß ich gern denen vergebe, die mir unrecht getan haben Laß mich in Frieden unter deinem Schutze schlafen und bewahre mich vor den Anfechtungen der Finsternis. Ich befehle dir die Meinen, ich befehle dir dieses Haus, ich befehle dir meinen Leib und meine Seele Gott, dein heiliger Name sei gelobt. Amen.“ 722 Das zurückliegende alte Jahr 1944 war geprägt durch die verschiedenen Stationen der Haftzeit des Autors in den Anstalten Tegel und Prinz-Albrecht Straße in Berlin und durch die Trennung von seiner Verlobten. Die berühmt gewordenen Brautbriefe zeugen von dem Schmerz des Getrenntseins und von der alles durchtränkenden Ungewissheit. In Gedanken ist B ONHOEFFER bei seinen Studenten, die an der Front ihr Leben lassen müssen, die Ausweglosigkeit des politischen Wahnsinns nimmt ihm den Schlaf. 723 So gestimmt 719 E BERHARD B ETHGE nennt in seiner Biographie das vorliegende Gedicht das letzte theologische Zeugnis B ONHOEFFERS . Vgl. B ETHGE , Dietrich Bonhoeffer, 1018. Ich stimme mit ihm insofern darüber ein, als B ONHOEFFER mit seinem Gedicht keine theologische Schrift zu verfassen gedachte, sondern vielmehr seine Theologie in Poesie goss und damit auch ein persönliches Glaubenszeugnis gab. 720 Vgl. H ENKYS , Dietrich Bonhoeffers letztes Gedicht, 72f. Zum Wortlaut des lutherschen Gebetes siehe Exkurs: Komplet, b. Abendsegen Luthers. 721 Vgl. den Brief an E BERHARD B ETHGE vom 18.11.1943. In: DBW VIII 189-204. Neben dem Abendgebet schrieb Bonhoeffer auch noch ein Morgengebet und ein „Gebet in besonderer Not“. Alle Gebete enden mit einem Verweis auf ein geistliches Lied. Vgl. ebd. 206. Siehe auch H ENKYS , Paul Gerhardt, Gottfried Arnold und die „guten Mächte“, [2]. 722 [D IETRICH B ONHOEFFER ]: Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft. Hg. v. E BERHARD B ETHGE . Gütersloh [ 1 1951] 16 1997, 80f. 723 S. etwa die Briefe B ONHOEFFERS vom 21.11.1943 und 27.06.1944 aus dem Gefängnis Tegel an seine Verlobte; vgl. [D ERS .]: Brautbriefe, 83f. 196-199. <?page no="216"?> 202 ist sein sehnlichster Wunsch gottgeschenkte Seelenruhe. Die mögliche Hinrichtung vor Augen wünscht er sich nochmals die intensive Erfahrung und Freude an seiner Umwelt. Der Brief an seine Verlobte vom 5. Dezember 1943 aus Tegel spiegelt das alttestamentliche Gottesverständnis, das er mit der Zeit gewonnen hatte, weshalb ihm das Diesseits so viel bedeutet: „Nur wenn man die Unaussprechlichkeit des Namens Gottes kennt, darf man auch einmal den Namen Jesus Christus aussprechen; nur wenn man das Leben und die Erde so liebt, dass mit ihr alles verloren und zu Ende zu sein scheint, darf man an die Auferstehung der Toten und eine neue Welt glauben; nur wenn man das Gesetz Gottes über sich gelten lässt, darf man wohl auch einmal von Gnade sprechen, und nur wenn der Zorn und die Rache Gottes über seine Feinde als gültige Wirklichkeiten stehen bleiben, kann von Vergebung und von Feindesliebe etwas unser Herz berühren.“ 724 Sollte sich hinter den Versen der vierten Strophe also die Einsicht verbergen, dass man nur dann die Freuden des Jenseits erhalten wird, wenn man im Diesseits die Freude an der Welt recht auszukosten wusste? Der Gedankengang ist schlüssig und gibt den Aussagen der zentralen Strophe das notwendige Gewicht. Die 5. und 6. Strophe lesen sich auf dem Hintergrund des beigefügten Briefes und seiner Datierung wie die Beschreibung eines idyllischen Weihnachtsbildes. Stille, Kerzenlicht in Dunkelheit, Wärme und häusliche Geborgenheit illustrieren das bürgerliche Weihnachtfest, das die Großfamilie B ONHOEFFER bei Hausmusik und geistlicher Lesung feierte. 725 Weihnachten rührt in seinen familiären Bräuchen, dem Gespräch über alte Zeiten und seiner jahreszeitlichen Atmosphäre gerade durch die Trennung von den Geliebten an das Sentiment, das sehnsüchtig um Gemeinsamkeit und Wiedervereinigung bittet. Im Zuspruch der Schlussstrophe zeigt sich, wie auch im Fortgang des Briefes, ein seelsorglicher Impetus des Verfassers. .726 Hier kommt nicht primär der Dogmatiker, sondern der Pfarrer und Seelsorger B ONHOEFFER zu Wort, denn im Brief heißt es weiter: „Du darfst also nicht denken, ich sei unglücklich. Was heißt denn glücklich oder unglücklich? Es hängt ja so wenig von den Umständen ab, sondern eigentlich nur von dem, was im Menschen vorgeht. Ich bin jeden Tag froh, daß ich Dich, Euch habe und das macht mich glücklich froh. - […] Es sind nun fast 2 Jahre, dass wir aufeinander warten, liebste Maria. Werde nicht mutlos! Ich bin froh, dass Du bei den Eltern bist. Grüße Deine Mutter und das ganze Haus sehr von mir. Hier noch ein paar Verse, die mir in den letzten Abenden einfielen. Sie sind der Weihnachtsgruß für Dich und die Eltern und Geschwister.“ 727 Angesichts der Zuversicht, die in Von guten Mächten zum Tragen kommt, stellt sich die Frage, wie ein solches Stück in einer Atmosphäre des Terrors entstehen konnte. 728 Sie mag in der Person B ONHOEFFERS begründet liegen, 724 B ONHOEFFER , Widerstand und Ergebung, 88. 725 Vgl. H ENKYS , Gefängnisgedichte, 81. 726 Vgl. ebd., 26-28. 727 B ONHOEFFER , Brautbriefe, 208f. Es folgen das Gedicht Von guten Mächten treu und still umgeben und der Briefschluss 728 Vgl. H ENKYS , Von guten Mächten. In: Geheimnis der Freiheit, 264. <?page no="217"?> 203 der sich stets darum bemühte, seiner Umwelt unterstützend zudiensten zu sein. In dem ebenfalls 1944 entstandenen Gedicht Wer bin ich? zeigt sich die Zerrissenheit des Autors und der psychische Druck, dem er sich täglich in seiner Zelle ausgesetzt sieht. 729 Von guten Mächten treu und still umgeben mag daher als Häftling in aussichtsloser Lage begonnen worden sein, es schließt als Seelsorger, der auch seiner eigenen Seele Hoffnung zusprechen möchte. d Wirkungsgeschichte 1) Fortleben des Gedichts als Lied Eine Vertonung des Gedichtes von B ONHOEFFER ließ nicht lange auf sich warten. Sie entsprang einem unmittelbaren jugendpastoralen Bedürfnis der ausgehenden 1950er Jahre. In den letzten fast 50 Jahren sind unzählige Versuche unternommen worden, den Text in eine Melodie zu kleiden. H ENKYS zählt bis zum Jahr 1986 17 verschiedene Weisen, wobei er annimmt, dass diese Sammlung unvollständig sein dürfte. 730 B ETHGE spricht in einer Liedpredigt 1988 hingegen von 25 verschiedenen in seinem Archiv befindlichen 729 „Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich träte aus meiner Zelle gelassen und heiter und fest wie ein Gutsherr aus seinem Schloß. Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich spräche mit meinen Bewachern frei und freundlich und klar, als hätte ich zu gebieten. Wer bin ich? Sie sagen mir auch, ich trüge die Tage des Unglücks gleichmütig, lächelnd und stolz, wie einer, der Siegen gewohnt ist. Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig, ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle, hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen, dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe, zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung, umgetrieben vom Warten auf große Dinge, ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne, müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen, matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen? Wer bin ich? Der oder jener? Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer? Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling? Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer, das in Unordnung weicht vor dem schon gewonnenen Sieg? Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott.“ [B ONHOEFFER ], Widerstand und Ergebung, 187. 730 S. ebd. 82f. <?page no="218"?> 204 Vertonungen und von an die 50 Versionen in den Gemeinden. 731 Es ist anzunehmen, dass sich die Anzahl bis zum heutigen Tage vervielfacht hat. Zu Recht stellt H ENKYS die Frage, warum sich Komponisten immer wieder an der Vertonung dieses Gedichts versuchen. 732 Die Gründe für immer wieder neue Weisen mögen in den existierenden, zum Teil problematischen Melodien liegen; möglicherweise ist das Gedicht B ONHOEFFERS mittlerweile auch zu einem Versuchsfeld avanciert, in dem sich Komponistinnen und Komponisten messen wollen. Leider ist jedoch mit H ENKYS festzustellen, dass eine optimale musikalische Erschließung des Textes bislang noch nicht geschaffen worden ist. Im Folgenden sollen die Vorzüge und Probleme der beiden prominentesten, d.h. am häufigsten in Lieder- und Gesangbüchern anzutreffenden Weisen dargelegt werden. Die vor allem in Jugendliederbüchern häufig anzutreffende Weise von S IEG- FRIED F IETZ , 1970 entstanden, weist in ihrer Anlage ein Grundproblem auf. Indem der Komponist die 7. Strophe als Refrain einsetzt, wird das Resultat des Liedes vorweggenommen und der Prozess, der einen Glaubensweg illustrieren will, zerstört. 731 Vgl. B ETHGE , E BERHARD : Liedpredigt, 143. 154. 143. 150. Auf diese Summe kommt auch H ENKYS in seiner neusten Veröffentlichung zu Von guten Mächten; vgl. H ENKYS , Von guten Mächten. In: Geheimnis der Freiheit, 284. 732 Vgl. H ENKYS , Dietrich Bonhoeffers letztes Gedicht, 88. <?page no="219"?> 205 Die Konklusion des Liedes - Gewissheit des göttlichen Mitseins und in Anklang an Ps 91 die Zusage Gottes zu jeder Zeit präsent zu sein - wird vorweggenommen. Leiden in der Welt, Ringen um den Glauben und Angst vor dem Ungewissen Ende werden überdeckt mit der Schutzgewissheit. Auf eine solche Weise interpretiert, reduziert sich die Textaussage auf ein rein diesseitiges Verständnis, das die Leidensnachfolge im Kern ignoriert und verharmlost. 733 Diese Bagatellisierung wird fatalerweise durch den Rhythmus des Liedes unterstrichen, der sich aus einem wiegenden 6/ 8 Takt und einem konsequenten Wechsel zwischen Viertel- und Achtelnoten ergibt (ironisch wenn nicht sogar makaber wirkt dies im Zusammenhang mit dem Text der 3. Strophe: Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern…). Die Parameter des durch den Schlager inspirierten Sacro-Pop eignen sich auch ungeachtet des Abfassungskontextes des Gedichtes außerordentlich schlecht für ein Lied solchen Inhalts. Die eingangs abgedruckte Weise von O TTO A BEL aus dem Jahr 1959 ist die erste bekannt gewordene Vertonung des Gedichtes. Sie entstand für die Sammlung *Liederbuch für junge Christen im Auftrag von T HEOPHIL R OTHEN- BERG , der im Rahmen der evangelischen Jugendarbeit immer wieder auf das Phänomen stieß, dass B ONHOEFFERS Gedicht in Auszügen, vornehmlich der 7. Strophe, auswendig als Segensgebet oder Meditationstext am Abend frei vorgetragen wurde. 734 So wurde zunächst ein dreistimmiger, dorisch gesetzter, homophoner Satz komponiert, der unter Wiederholung des dritten und vierten Verses die 7. Strophe sangbar machte. Als dann das gesamte Gedicht gesungen wurde, verzichtete man sinnigerweise auf die Wiederholung. Durch die Beschränkung auf viertel und halbe Notenwerte zeigt die in dmoll, ursprünglich in e-moll, gestimmte Weise eine gewisse Nähe zu den Melodien des Genfer Psalters. 735 Der Zuschnitt der Vertonung auf den Text der 7. Strophe spiegelt sich auch in der Konstruktion von Melodie und Satz wider, die den Inhalt der letzten Strophe nachzuzeichnen versucht: Insgesamt recht gedämpft steigt die Bewegung langsam aufwärts, um beim Wort Gott zu ihrer ersten Klimax zu gelangen, was durch die vorausgehende Zäsur einer halben Pause verstärkt 733 Vgl. hierzu auch B ETHGE , Liedpredigt, 144. 734 Vgl. T HUST , K ARL -C HRISTIAN : „Von guten Mächten“ - zwölf Liedbearbeitungen zu Bonhoeffers Gedicht. In: Schönberger Hefte H.1 (1988) 6-15. 11f. 735 Vgl. H ENKYS , J ÜRGEN / F ISCHER , W OLFGANG : Von guten Mächten treu und still umgeben (EG 65). In: LKEG 4 (2002) 36-41. 40; vgl. auch H ENKYS , Von guten Mächten. In: Geheimnis der Freiheit, 285f. <?page no="220"?> 206 wird. Mit am Abend erreicht die Weise durch einen Quartsprung aufwärts ichren Höhepunkt und legt dadurch eine gewisse Schmerzlichkeit auf die Zeitnennung, was der Gesamttextaussage durchaus Rechnung trägt. Die Gewissheit göttlicher Gegenwart wird wiederum durch einen Quartsprung aufwärts in halben Notenwerten auf dem Wort gewiss bestätigt. A BELS Weise ist auch ohne den Satz gefällig und einfach nachzuvollziehen. Zum Vollzug aller sieben Strophen eignet sie sich allerdings nur bedingt, weil in anderen Strophen eher sekundäre Textteile betont werden und sich durch ihre Gleichförmigkeit eine gewisse Redundanz einstellt. Eine der vielleicht glücklichsten Interpretationsversuche sei an dieser Stelle kurz vorgestellt als bedenkenswerte Alternative zu Eingängigkeit und Redundanz, rein affektiv-gefühlsbetonter und ausschließlich textgerechter Interpretation. Der niederländische Komponist, Dirigent und Dozent für Kirchenmusik A DRIAAN C ORNELIS S CHUURMAN (1904-1998) verfasste 1973 folgende Weise zu unserem Gedicht; sie wurde erstmalig publiziert im *Liedboek voor de kerken, Nr. 398: 736 736 Die gelungene Übertragung ins Niederländische, zu der im *Liedboek voor de kerken die Weise von S CHUURMAN gesellt ist, wurde von J. W. S CHULTE N ORDHOLT (*1920) besorgt. Die Weise wird hier, um einen direkten Vergleich zu ermöglichen, mit dem deutschen Text abgedruckt. <?page no="221"?> 207 Möglicherweise entwickelte S CHUURMAN , wie es im Übrigen auch für die Abelsche Weise denkbar ist, seinen Satz im Angedenken an die Struktur der Psalmodie. Die Generalpause eines halben Notenwerts in der Mitte gleicht einem Asteriscus, der zwei Sinnabschnitte voneinander trennt und die Strophen je in zwei Hälften teilt. Besieht man den Text aus dem Blickwinkel der Psalmensingpraxis, so lässt sich feststellen, dass tatsächlich alle Strophen durch verschiedene Arten von Parallelismen geformt sind, wie sie auch in den Psalmen anzutreffen sind: 737 In den Strophen 1-3 finden sich so genannte synthetische Parallelismen, in denen die Aussage des jeweils ersten Teils im zweiten Strophenteil mit entsprechenden oder ähnlichen Worten ergänzt wird. Synonyme Parallelismen, in denen die Aussage des ersten Teils in der dritten und vierten Zeile mit gleichen oder analogen Worten wiederholt wird, lassen sich in den Strophen 5-7 erkennen. Über einen antithetischen Parallelismus, d.h. in denen die Information des ersten Teils im folgenden Teil durch ihren Gegensatz bekräftigt wird, verfügt die zentrale Strophe 4. S CHUURMAN selbst gibt einen knappen Interpretationshinweis zu seiner Weise: „Der ernstige tekst, vol inkeer en Godsvertrouwen, vroeg om een ingetogen melodie. Zo moet ze ook gezongen worden, geconcentreert en niet te luid. In regel 3 neemt de spanning toe tot deze vanaf de eerste noot van regel 4 weer afneemt.“ 738 Konzentiert und nicht zu laut soll die Weise vollzogen werden, um der Einkehr und dem Gottvertrauen des Textes gerecht zu werden. 2) Übersetzung des Liedes in die Gegenwart In seiner jüngsten Publikation nimmt H ENKYS die abnehmende Kenntnis des Schicksals B ONHOEFFERS zum Anlass, eine biographische Werkinterpretation vorzunehmen. Die Geschichte B ONHOEFFERS sei der jungen Generation nur noch vage bekannt und es gebe eine Art Widerwillen gegen den Inhalt seiner Schriften, weshalb es notwendig sei, beides miteinander zu verbinden. 739 Gleichwohl eröffnet die interpretationsoffene Wendung Von guten Mächten eine Adaption des Textes nicht nur durch kirchentreue Christinnen und Christen. 740 Wenn auch schmerzlich der Verlust des Wissens über Entstehungssituation und Autor zu beklagen ist, wird in der gegenwärtigen Zeit, die doch regelrecht von einer „englischen“ Modeerscheinung geprägt ist, vielleicht zumindest das Lied weiterleben können. 737 Vgl. N ONN , N IKOLAUS : Singt Psalmen, Hymnen und Lieder. Kleines Handbuch für den Kantorendienst. Mainz 2004, 39. 738 Die Notiz von A DRIAAN C ORNELIS S CHUURMAN ist entnommen: Een Compendium van achtergrondinformatie bij de 491 gezangen uit het Liedbook voor de kerken, hg. v. der Prof. Dr. G. van der Leeuw-Stichting, Amsterdam 1977, 892. 739 Vgl. H ENKYS , J ÜRGEN : Geheimnis der Freiheit: die Gedichte Bonhoeffers aus der Haft. Biografie, Poesie, Theologie. Gütersloh 2005, 11 [Einleitung]. 740 Vgl. ebd., 264f. <?page no="222"?> 208 3) Rubrizierung Abschließend sei die Frage nach der Rubrizierung aufgeworfen: H ENKYS plädiert mit Fug und Recht für eine Einordnung als Neujahrslied. 741 Liedimmanent und entstehungsgeschichtlich kann Von guten Mächten jedoch durchaus auch als Abendlied angesehen werden. Summarisch und abschließend seien die Argumente dafür genannt: (1) Der Text weist offensichtliche Parallelen zum Kompletpsalm 91 auf und verwebt klassische Themen des Abends: Angst, Schutzbedürfnis, Dunkelheit und Anfechtung. 742 (2) Auch die Palette der verwendeten Lexeme unterscheidet sich vom Repertoire klassischer Abendlieder wenig; vor allem Signalworte aus dem Wortfeld „hell-dunkel“ (Sonne, Glanz, Kerzen, Dunkelheit, Nacht und Stille) sprechen dafür; aber auch die Thematisierung verschiedener Zeitebenen (Tag(e), Jahr, das Alte, Vergangene, Nacht, Abend, Morgen). (3) Aus der Gebetspraxis B ONHOEFFERS in den lutherischen tageszeitlichen Segensgebeten ergibt sich ein weiterer Bezugspunkt des Liedes zur Tageszeit. (4) In diesem Zusammenhang sei auf den Begleitbrief zum Gedicht hingewiesen, in dessen Liedkommentar ausdrücklich der Schutz der Engel bemerkt wird. (5) Nicht zuletzt bestätigt die Rezeption die Affinität des Liedes zum Abend: Die Junge Kirche der Nachkriegszeit verwendete Von guten Mächten in Teilen als Segensgebet in ihren gemeinschaftlichen Abendandachten. 743 (6) Wenn man die Aussage in 1,4 (und mit euch gehen in ein neues Jahr) gewichtet, dann eignet sich das Stück tatsächlich nur für besondere Abende an einer Lebens- oder Jahreswende. e Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie Der Abend spielt in Von guten Mächten treu und still umgeben und Ps 91 keine direkte, unmittelbare Rolle, wie es bei den übrigen Liedern und rituellen Elementen bisher der Fall gewesen ist. Er ist jedoch gewissermaßen symbolisch vertreten durch die Dunkelheiten des Lebens, Zeiten der Anfechtung und der Angst, denen die göttlich schützende Bewahrung kontrastierend gegenüber gestellt wird. Ähnlich wie schon Psalm 4 zielt auch Psalm 91 im Kontext des Ritus der Komplet darauf, sich des Schutzes durch den Allerhöchsten zu vergewissern und den Beter so in eine durch Gottvertrauen gespeiste Ruhe zu überführen. Sowohl Lied als auch das Rituselement Psalm intendieren, das vollziehende Subjekt in den Ruhezustand einzugliedern. Der Abend wird dabei implizit auch in seinem kontrastiven Aspekt wahrgenommen; als Symbol für negative Zustände und Empfindungen bildet er den Gegenpol zu dem, was Lied und Psalm zu erreichen beabsichtigen. 741 Vgl. H ENKYS / F ISCHER : Von guten Mächten treu und still umgeben (EG 65), 40. 742 Dies mag ein Grund dafür sein, warum im schwedischen Supplementgesangbuch die Strophen sieben, fünf und sechs als Abendlied verwendet werden. Vgl. H ENKYS , Bonhoeffers letztes Gedicht auf dem Weg ins Gesangbuch, 88. 743 Vgl. T HUST , „Von guten Mächten“, 12. <?page no="223"?> 209 9 Abend ward, bald kommt die Nacht 1,1 Abend ward, bald kommt die Nacht, 1,2 schlafen geht die Welt, 1,3 denn sie weiß, es ist die Wacht 1,4 über ihr bestellt. 2,1 Einer wacht und trägt allein 2,2 ihre Müh und Plag’, 2,3 der lässt keinen einsam sein 2,4 weder Nacht noch Tag. 3,1 Jesus Christ, mein Hort und Halt 3,2 dein gedenk ich nun, 3,3 tu mit Bitten dir Gewalt: 3,4 Bleib in meinem Ruhn. 4,1 Bleib und mach die Herzen still, 4,2 der die Herzen schaut, 4,3 weiß kein Herz doch, was es will, 4,4 eh’ sich’s dir vertraut. 5,1 4,1 Wenn dein Aug ob meinem wacht, 5,2 4,2 wenn dein Trost mir frommt, 5,3 4,3 weiß ich, dass auf gute Nacht 5,4 4,4 guter Morgen kommt. a Basisinformationen Die Strophen 1-3 und 5 entstanden 1942 aus der Feder von R UDOLF A LEXAN- DER S CHRÖDER . In dieser Anzahl und Anordnung wird das Lied in den meisten der konsultierten Liedsammlungen abgedruckt. 744 Aus einem Brief des Komponisten S AMUEL R OTHENBERG vom 11. November 1975 an den Bärenreiter-Verlag, der die Rechte an der Melodie besitzt, geht hervor, dass fortan der Abdruck der Weise nur noch in Verbindung mit allen fünf Strophen zu erfolgen habe. 745 Die Vielzahl der seitdem erschienenen 744 Fünfstrophig wurde es lediglich in folgende der eingesehenen Sammlungen aufgenommen: *Christenlieder heute 168; *EM 631; *Feiern und Loben 483 und in *Soldaten / Ev. 16. 745 Diese Information beruht auf einem Telefongespräch mit der Rechtsabteilung des Bärenreiter-Verlages vom 13. Februar 2006. Der Suhrkamp-Verlag, der die Textrechte besitzt, sah sich, wie Vf. in einem Telefonat vom 20. April 2006 mitgeteilt wurde, aus <?page no="224"?> 210 Gesangbücher dokumentieren allerdings, dass dieser Verfügung nur selten nachgekommen worden ist. Die weitere Untersuchung zeigt, dass die Zusatzstrophe weder zum originalen Liedbestand gehört, noch von S CHRÖDER selbst stammt. Vielmehr handelt es sich dabei um die zweite Strophe des Liedes Komm, der unsre Fragen schweigt von J OCHEN K LEPPER aus dem Jahre 1935. 746 Eine Vermutung, wie es zu der Kompilation gekommen ist, wird weiter unten erörtet. Die Verschränkung beider Lieder verwundert, trotzdem K LEPPER und S CHRÖDER in den 40er Jahren des 20. Jh. beide dem Eckhart-Kreis um K URT I HLENFELD angehörten und sie sich einander gut kannten. Die von S AMUEL R OTHENBERG komponierte Weise dient sowohl als Vertonung des Emmaus-Liedes Komm, der unsre Fragen schweigt als auch der des Abend ward, bald kommt die Nacht. Es bleibt leider unklar, welchem der beiden Stücke die Melodie zuerst unterlegt wurde. Als ihr Entstehungsjahr wird 1948 angegeben. Die weitere Analyse von Abend ward stützt sich im Wesentlichen auf die ursprünglichen Strophen 1-3 und 5, wobei in der inhaltlichen Auswertung auch die Rolle der hinzugefügten vierten Strophe beachtet werden soll. b Formale Analyse Der Liedtext ist in trochäischem Dreiheber gehalten. Der jeweils erste und dritte Vers endet mit männlicher Kadenz und bildet so einen Kreuzreim. Jede Strophe umfasst einen Satz, der sich je in mehrere kurze Nebensätze auffächert. In der zweiten Strophenhälfte umspannt immer eine Satzeinheit zwei Verse. Es ist in mehrer Hinsicht eine Zweiteilung des Liedes festzustellen: (1) Während die ersten beiden Strophen weder einen Sender noch einen Empfänger erkennbar werden lassen, richtet sich in der 3. und 4. Strophe ein ICH an Jesus Christus, der in 3,1 mit Namen angeredet wird. (2) In der ersten Hälfte dominieren helle Vokale; im Vergleich dazu ist die letzte Strophe wesentlich dunkler gefärbt: Wenn dein Aug ob meinem wacht, wenn dein Trost mir frommt, weiß ich, dass auf gute Nacht guter Morgen kommt. (3) Außerdem wird mit dem Lexem nun (3,2) der Beginn eines neuen Gedankens markiert. rechtlichen Gründen nicht in der Lage weitere Angaben über diesen Sachverhalt preiszugeben. 746 Lediglich die Liedlegende in *Christenlieder heute identifiziert die zusätzliche 4. Str. als Schöpfung K LEPPERS . In allen übrigen Liederbüchern wird offensichtlich davon ausgegangen, dass auch diese S CHRÖDER zuzurechnen ist. Komm, der unsre Fragen schweigt ist nur in *Songs junger Christen anzutreffen (158); heute ist das Lied in keinem einschlägigen Gesangbuch mehr zu finden. Im *EM wird zwar nicht der Autor dieser Strophe, jedoch zumindest ihr Entstehungsdatum genannt. (Nr. 631). <?page no="225"?> 211 Die Sprache des Liedes wirkt antiquiert, sie speist sich durch poetische Wendungen, die heute fremd geworden sind. Während Abend ward (1,1) für es ist Abend geworden, Müh und Plag (2,2) für Leiden; und ob (5,1) für über zwar nicht als umgangssprachlich, aber dennoch wohl verständlich sind, dürften Wendungen wie tu mit Bitten dir Gewalt (3,3; lass dich durch meine Bitten bewegen oder setz dich für mich ein) und wenn dein Trost mir frommt (5,2 für wenn dein Trost mir hilft, dient, nützt) u. U. nicht geläufig sein. 747 Die volkstümlich wirkende, schlichte Weise verstärkt den antiquierenden Zug u.a. durch das dreimalige Motiv zweier aneinander gereihter aufsteigender Sekunden und durch die abfallende Quart im ersten Takt, unter der sich das einzige melismatische Element versammelt. Die Schlussformeln der Phrasen sind vorhersehbar konstruiert, d.h. der Liedschluss bildet die einfache Umkehrung des ersten Phrasenschlusses. Das *EG gibt einen dreistimmigen Satz für Frauenstimmen wieder, das *EM einen vierstimmigen Satz. Beide wurden durch R OTHENBERG geschaffen. Die ersten beiden Strophen werden durch die Referenzobjekte Welt (1,2; ihre 2,2) und Wacht (1,3; wacht 2,1) miteinander verzahnt. Eine dritte Bezugsgröße bildet Jesus Christ (3,1), die die letzen beiden Strophen untereinander verbindet (dein 3,2; tu 3,3; bleib 4,3; dein Aug 4,1; dein Trost 4,2) und nachträglich das Einer aus 2,1 näher definiert. Dieses verfügt gleichzeitig über eine Scharnierfunktion zwischen beiden Textteilen, weil Christus der eine ist (2,1), der wacht und allein das Leid der Welt trägt (2,2f.). c Inhaltlich-Semantische Analyse Die Welt kommt zur Ruhe in der Gewissheit, dass sie geschützt ist (Str. 1). Dieser Schutz wird durch Jesus Christus gewährleistet (3,1), der alles Leiden, was sich in der Welt befindet, auf sich nimmt (Str. 2). Das gläubige ICH bittet darum, dass er, der treu ist, weiterhin seinen Schutz zuteil werden lässt (Str. 3,2-4), weil Zuversicht und Gelingen von Christi Trost abhängig sind (Str. 4). Es lohnt sich, die einzelnen inhaltlichen Basiselemente und ihr Verhältnis zueinander näher zu beleuchten. Hierzu sind die Rolle des Wächters und die der Beschützten - WELT und ICH - von Interesse und damit verbunden das Spannungsverhältnis von Schutzbedürftigkeit und Schutzgewissheit. 747 D ETLEV B LOCK geht wie selbstverständlich davon aus, dass die Rezipienten sich diesen Text erschließen können. Möglicherweise hat er hier einen konkreten kirchlich und bildungsbürgerlich geprägten Kreis vor Augen. Verallgemeinbar ist seine Vermutung nicht. Vgl. B LOCK , D ETLEV : Das Lied der Kirche. Gesangbuchautoren des 20. Jh.: Arno Pötzsch, Otto Riethmüller, Rudolf Alexander Schröder. Lahr 1995, 139. <?page no="226"?> 212 Schützer Geschützte Schutzbedürftigkeit/ -gewissheit 1,2 schlafen geht die Welt 1,3 denn sie weiß, es ist die Wacht 1,4 über ihr bestellt. 2,1 Einer wacht und trägt allein Einer wacht und trägt allein 2,2 ihre Müh und Plag’ 2,3 der lässt keinen einsam sein der lässt keinen einsam sein 3,1 Jesus Christ, mein Hort und Halt 3,2 dein gedenk ich nun 3,3 tu mit Bitten dir Gewalt: 3,4 Bleib in meinem Ruhn. 4,1 Bleib und mach die Herzen still, 4,2 der die Herzen schaut, 4,3 weiß kein Herz doch, was es will, weiß kein Herz doch, was es will, 4,4 eh’ sich’s dir vertraut. eh’ sich’s dir vertraut. 5,1 4,1 Wenn dein Aug ob meinem wacht, Wenn dein Aug ob meinem wacht, 5,2 4,2 wenn dein Trost mir frommt, wenn dein Trost mir frommt, 5,3 4,3 weiß ich, dass auf 1) Isotopie ‚Schutz durch Jesus Christus’ Im Verlauf des Liedes werden dem wachenden Christus verschiedene Eigenschaften zugesprochen: Wächter (1,4; 2,1; 5,1), Mitleidender (2,1f.), Präsenter (2,3), „Herzensblicker“ (4,2) und Tröster (4,2). Sie alle lassen sich in den im Zentrum des Liedes erwähnten Qualitäten Hort und Halt (3,1) zusammenführen. Der Hort ist Ort der Sicherheit und des Schutzes, im Halt zeigt sich die Orientierungskraft Christi. Er erscheint als Beschützer und als Unterstützer zugleich. Aus der Schlussstrophe wird die Grundbedeutung des Motivs Schutz für das gesamte Stück deutlich: wenn dein Aug ob meinem wacht (4,1). Das Auge ist das kostbarste und auch verletzlichste Organ des menschlichen Körpers, die Sehkraft gilt als Symbol für das Leben schlechthin, weil es für Aufmerksamkeit und Wahrnehmungsfähigkeit steht. Wenn Christus ein wachsames Auge über dem menschlichen Auge, d.h. über dem menschlichen Leben hat, dann lässt sich daraus einerseits Kontrolle - „Es ist ein Aug, das alles sieht, auch wenn’s in finstrer Nacht geschieht“ 748 - und andererseits aber auch Fürsorge ableiten. Letzteres findet sich thematisch z.B. im Versikel der benediktinischen Komplet Ps 17,9: „Behüte mich wie den Augapfel, den Stern 748 Vgl. F RIELINGSDORF , Dämonische Gottesbilder, 143. <?page no="227"?> 213 des Auges, birg mich im Schatten deiner Flügel.“ 749 So wie Gott einst für Israel sorgte, indem er schützte (vgl. Dtn 32,8-11 750 ), sorgt sich Gott in Jesus Christus um das Leben jedes seiner Geschöpfe als ginge es um sein eigenes Leben: „Denn so spricht der Herr der Heere […]: Wer euch antastet, tastet meinen Augapfel an“ (Sach 2,12). Er sorgt für die ihm Anvertrauten, leidet mit an den Traurigkeiten des menschlichen Lebens und ist Gesellschaft in Zeiten der Einsamkeit (Str. 2). Als der gute Hirte ist Christus Hüter, der Tag und Nacht über die Gläubigen wacht (2,3f.) und sie vor jeglichem Unheil bewahrt. Er lässt seinen Schutz zu jeder Zeit (Tag und Nacht 2,4) zuteil werden und zeichnet sich in Festigkeit und Beständigkeit aus, wie es auch der 121. Psalm zum Ausdruck bringt: 1 „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen: Woher kommt mir Hilfe? 2 Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. 3 Er lässt deinen Fuß nicht wanken; er, der dich behütet, schläft nicht. 4 Nein, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht. 5 Der Herr ist dein Hüter, der Herr gibt dir Schatten; er steht dir zur Seite. 6 Bei Tag wird dir die Sonne nicht schaden noch der Mond in der Nacht. 7 Der Herr behüte dich vor allem Bösen, er behüte dein Leben. 8 Der Herr behüte dich, wenn du fortgehst und wiederkommst, von nun an bis in Ewigkeit.“ So ist die Bitte des Beters um Präsenz Christi im Zentrum des Liedes (3,4) eine Reaktion auf die Erfahrung göttlichen Schutzes. Der Erlöser möge auch während des Schlafs seinen Schutz zuteil werden lassen. Durch die vermeintlich interpolierte vierte K LEPPER -Strophe wird dieser Bittteil inhaltlich nicht wesentlich erweitert, sondern vielmehr eine Eigenschaft des Wächters konkretisiert. Der, an den sich die Bitte um bleibenden Beistand richtet, ist auch der, der in jedes Herz zu blicken vermag. Der Herzenskenner weiß, welches Sehnen und Hoffen die Menschen einnimmt, worum sie sich sorgen und mit welchen Gedanken sie sich plagen. Es wird hier mit dem prominenten Ausspruch des Hl. A UGUSTINUS aus dem ersten Buch der Confessiones 749 Vgl. auch Ps 33,18: Doch das Auge des Herrn ruht auf allen, die ihn fürchten und ehren, die nach seiner Güte ausschaun. 750 „Als der Höchste (den Göttern) die Völker übergab, als er die Menschheit aufteilte, legte er die Gebiete der Völker nach der Zahl der Götter fest; der Herr nahm sich sein Volk als Anteil, Jakob wurde sein Erbland. Er fand ihn in der Steppe, in der Wüste, wo wildes Getier heult. Er hüllte ihn ein, gab auf ihn acht und hütete ihn wie seinen Augenstern, wie der Adler, der sein Nest beschützt und über seinen Jungen schwebt, der seine Schwingen ausbreitet, ein Junges ergreift und es flügelschlagend davonträgt.“ <?page no="228"?> 214 gespielt: „[…] unruhig ist mein Herz, bis es ruht in Dir.“ 751 A UGUSTINUS spricht in diesem Zusammenhang von der Geschöpflichkeit, durch die der Mensch wesentlich daraufhin angelegt sei, seinen Schöpfer zu lobpreisen. Er werde erst dann zur Ruhe gelangen, wenn er diese Bestimmung erkannt und verwirklicht hat. Das Herz eines Menschen ist dem anderen Herzen, d.h. dem Gegenüber, unergründlich, es mag freundlich erscheinen und dennoch Böses ersinnen (vgl. auch Ps 28,3): „Arglistig ohnegleichen ist das Herz und unverbesserlich. Wer kann es ergründen? Ich, der Herr, erforsche das Herz und prüfe die Nieren, um jedem zu vergelten, wie es sein Verhalten verdient, entsprechend der Frucht seiner Taten.“ (Jer 17,9f.) Allein Gott ist in der Lage, das menschliche Herz zu ergründen; er prüft auf Herz und Nieren, d.h. er misst Einstellung und Haltung des Menschen in einer Weise, wie kein Mensch es zu beurteilen vermag (vgl. auch Ps 139,23f.). Da das Herz der Ort ist, an dem sich nach biblischer Vorstellung im Menschen die Gotteserkenntnis vollzieht, wendet Gott selber sich diesem Organ in besonderer Weise zu: er beschneidet es (vgl. z.B. Dtn 30,2-6), um es gottgefällig werden zu lassen, flickt und heilt es, wenn es zer- oder gebrochen wurde (vgl. z.B. Ps 147,3; Jes 57,15. 61,1) oder pflanzt gar ein neues ein (vgl. z.B. Ez 11,19f. 36,26), damit die Menschen mit ungeteiltem Herzen ihm dienen können (vgl. z.B. Jes 38,3). 2) Isotopie ‚Geschützt zwischen Gewissheit und Bedürftigkeit’ Die Herzen stehen in der zusätzlichen Strophe vier als Pars pro toto für ICH und die Welt. Letztere erscheint nicht wie sonst häufig als ungläubiger Gegensatz, von dem sich das ICH abgrenzen muss. Das ICH ist vielmehr in der Welt eingeschlossen, ist ein Teil der Welt. Es sieht sich selbst als Geschöpf Gottes und überträgt diese Vorstellung auf seine Umwelt: Gott schützt durch Jesus Christus auch seine gesamte Schöpfung, für die er sich hingegeben hat (2,1f.). Der Beter sieht sich selbst in einer untergeordneten Rolle; der Herr wacht über ihm, indem er ihn schützt und gleichzeitig „im Auge behält“ (5,1). Welt und gläubiges ICH sind sich des göttlichen Schutzes gewiss (denn sie weiß, es ist die Wacht über ihr bestellt 1,3f. - weiß ich, dass auf gute Nacht guter Morgen kommt 4,3). Innerhalb dieser Klammer der Sicherheit kommt die Bedürftigkeit nach Schutz zum Ausdruck, indem darum gebeten wird, dass Jesus Christus seinen Schutz und seine Wacht auch während der Schlafenszeit zuteil werden lassen möge. Zunächst wirkt die Bitte in 3,4 wie ein Widerspruch zu der eingangs formulierten Gewissheit. Obwohl Christus frei seine Treue und seinen Schutz gewährt, muss er anscheinend durch das Gebet des Gläubigen immer neu bewegt werden. Die intensive Bitte - tu mit Bitten dir Gewalt (3,3) - könnte so verstanden die Unbedingtheit des göttlichen Handelns in Zweifel ziehen. In dem Spannungsverhältnis von Sicherheit und Bedürftigkeit muss jedoch nicht zwangsläufig ein Widerspruch ge- 751 A UGUSTINUS : Confessiones XIII I,1 dt. Ü: [Augustinus]: Bekenntnisse, 33. <?page no="229"?> 215 sehen werden: Die Erfahrung göttlichen Schutzes wird nicht als selbstverständlich erachtet, sie ist Geschenk, aus dem Zuversicht resultiert. Die hinzugefügte Strophe 4 macht in diesem Zusammenhang deutlich, worin der Kern des Glaubens an Jesus Christus besteht, nämlich darin, Vertrauen in Gottes Handeln zu setzen und dankbar dafür zu sein, dass er für den Beter das Leben in Erfüllung will. Aus diesem Glauben kann die Gewissheit erwachsen, dass Christus auf die Welt acht gibt und sie nicht sich selbst überlässt. In der Bitte um Schutz während der Nachtruhe äußert sich somit ebenso wie in der Gewissheitsbekundung in vertrauensvoller Hingabe ein starker Glaube. 3) Abend ward - ein Nachruf? Zwei Elemente, die eingefügte vierte Strophe sowie die Deckungsgleichheit der Weise mit der des K LEPPER -Liedes, geben Hinweise darauf, wie und warum es zu der Kompilation gekommen sein könnte. Bei vorliegendem Lied könnte es sich um einen Nachruf handeln. Dafür spricht zunächst das Entstehungsjahr: Der Text des Liedes Abend ward, bald kommt die Nacht entstand 1942, just in dem Jahr, an dessen Ende K LEPPER am 12. Dezember 1942 zusammen mit seiner Frau und seiner Stieftochter keinen anderen Ausweg mehr sah, als sich das Leben zu nehmen. Auf Geheiß H ITLERS durfte damals kein öffentlicher Nachruf durch die Presse verbreitet werden, weil man fürchtete, dass dies einen „demoralisierenden“ Einfluss auf die zahlreiche Leserschaft des Verstorbenen im Militär gehabt hätte. 752 So ist es denkbar, dass S CHRÖDER zur Technik der Kompilation greift und Teile aus K LEPPERS Emmaus-Lied 753 übernimmt, um auf seine Weise Anteilnahme an dem Kollegen auszudrücken. Auch wenn die interpolierte Strophe einen späteren Zusatz darstellte und nicht von S CHRÖDER selbst hinzugefügt worden wäre, zeigen sich weitere inhaltliche Parallelen zwischen beiden Stücken, die nicht zufällig zu sein scheinen: 1,1 Abend ward, bald kommt die Nacht, 9,1 Dunkel ward’s 1,2 schlafen geht die Welt, die Welt schläft ein; 1,3 denn sie weiß, es ist die Wacht 1,4 über ihr bestellt. 3,4 Bleib in meinem Ruhn 9,2 gönn uns dein Gesicht; 5,1 4,1 Wenn dein Aug ob meinem wacht, 5,2 4,2 wenn dein Trost mir frommt, 5,3 4,3 weiß ich, dass auf gute Nacht 9,3 und die Nacht wird Morgen sein 5,4 4,4 guter Morgen kommt. 9,4 und der Abend Licht. So findet sich der tageszeitliche Rahmen des Abend ward in der Schlussstrophe des K LEPPER -Liedes wieder, worin gleichfalls die Bitte um Präsenz Jesu 752 K LEPPER schrieb einen biographischen Roman über Kaiser W ILHELM II.: „Der Vater“, der ein Bestseller wurde, obgleich der Autor als „jüdisch versippt galt“. 753 Komm, der unsere Fragen schweigt; Text und Quelle sind im Anhang unter Texte und Quellen von Abendliedern des 20. Jahrhunderts zu entnehmen. <?page no="230"?> 216 Christi artikuliert wird. Sogar einige Formulierungen wurden übernommen (1,2; 4,3f.). Durch Interpolation der K LEPPER -Strophe tritt in Abend ward die Emmausthematik stärker in den Vordergrund; die Bitte der Jünger um Gegenwart Christi wird hier ausgedehnt auf die Schlafenszeit. Während dieser soll Christus allerdings nicht über dem Beter Wacht halten, sondern er in dessen Ruhe verweilen. Abend und Nacht weisen, zumal wenn das Lied tatsächlich als ‚Nachruf’ fungiert, weit über ihre Bezeichnung als Tageszeiten hinaus und spielen auf den Abend des Lebens und die Nacht des Todes an. Beide dunklen Tageszeiten sind insgesamt positiv konnotiert dadurch, dass sie Zeiten der Gottesbegegnung sind. So kann Abend ward als Trostlied für jeden Abend bzw. auch für den Abend des Lebens verstanden werden. 754 d Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie Die Aussagen des Liedes sind am Ende eines Abends situiert; er ist schon fast vorüber, denn die Nacht, und mit ihr die Schlafenszeit, steht unmittelbar bevor. Die Grenze zwischen Abend und Nacht wird hier als Scheide zwischen Wachen und Schlafen begriffen. Die Überschreitung dieser Grenze wird im Lied gesichert durch Gottes Schutz, durch den, der im Gegensatz zu den Geschöpfen weder schläft noch schlummert (Ps 121,4). Indem der Glaube an Christus als Beistand und Fürsorger aktualisiert wird, kann der Übergang in den unbewussten Zustand des Schlafs bewältigt werden. In seiner limitativen Funktion wird der Abend im Lied zum Symbol für den Abend des Lebens. Das bedeutet, dass durch das Lied die gläubige Gewissheit erneuert wird, im Fall des Todes die letzte und absolute Grenze des menschlichen Lebens zu überschreiten. Durch die Schutzthematik besteht zwischen Lied und den oben dargelegten Elementen der Komplet (den Psalmen 4 und 91) eine gewisse Nähe, ebenso aber auch zu anderen Teilen der benediktinischen Komplet - etwa zu der Kurzlesung Jer 14,9 und dem Versikel Ps 17,8. Alle Kompletelemente tendieren dazu, das betende Subjekt am Tor der Nacht zu sichern und durch Vergewisserung des göttlichen Schutzes den Übergang vom Wachen zum Schlafen zu gewährleisten. 754 Vgl. B LOCK , Das Lied der Kirche, 139. <?page no="231"?> 217 10 Bleib bei mir, Herr 1,1 Bleib bei mir, Herr! Der Abend bricht herein. 1,2 Es kommt die Nacht, die Finsternis fällt ein. 1,3 Wo fänd ich Trost, wärst du, mein Gott, nicht hier? 1,4 Hilf dem, der hilflos ist: Herr, bleib bei mir! 2,1 Wie bald verebbt der Tag, das Leben weicht, 2,2 die Lust verglimmt, der Erdenruhm verbleicht; 2,3 umringt von Fall und Wandel leben wir. 2,4 Unwandelbar bist du: Herr, bleib bei mir! 3,1 Ich brauch zu jeder Stund dein Nahesein, 3,2 denn des Versuchers Macht brichst du allein. 3,3 Wer hilft mir sonst, wenn ich den Halt verlier? 3,4 In Licht und Dunkelheit, Herr, bleib bei mir! 4,1 Von deiner Hand geführt, fürcht ich kein Leid, 4,2 kein Unglück, keiner Trübsal Bitterkeit. 4,3 Was ist der Tod, bist du mir Schild und Zier? 4,4 Den Stachel nimmst du ihm: Herr, bleib bei mir! 5,1 Halt mir dein Kreuz vor, wenn mein Auge bricht; 5,2 im Todesdunkel bleibe du mein Licht. 5,3 Es tagt, die Schatten fliehn, ich geh zu dir. 5,4 Im Leben und im Tod, Herr, bleib bei mir! a Formale Strukturanalyse Der vorliegende Liedtext wurde 1952 von T HEODOR W ERNER nach dem englischen Abide with me von H ENRY F RANCIS L YTE (1847) verfasst. Jener schuf für dieses Lied eine eigene Weise, die jedoch niemals prominent geworden <?page no="232"?> 218 ist. 755 Durchgesetzt hat sich hingegen die Vertonung Eventide aus dem Jahr 1861 von W ILLIAM H ENRY M ONK , die nach viktorianischer Art vierstimmig gehalten ist. 756 Das Lied umfasst fünf Strophen zu je zwei Versen, also insgesamt vier Zeilen, die sich im Paarreim aneinander binden. Jeweils zehn Silben erstrecken sich über jede Verszeile; hierbei lassen sich zwei unterschiedliche Metren ausmachen: (I) XxxXx|XxxxX und (II) XxxXx|XxXxX. Sie verteilen sich chiastisch auf eine Stropheneinheit. Diese metrische Struktur wird vom Textinhalt aufgenommen, indem der jeweils zweite Strophenteil wie ein Echo das Thema der ersten aufnimmt und weiterführt. Dunkelheit, Vergänglichkeit, Versuchung, Leid und Tod lassen sich ertragen, wenn Gott dem ICH nahe bleibt. Durch das Echo erhält das Lied eine psalmähnliche Struktur. 757 Die in Es-Dur gehaltene Weise ist hingegen parallel gebaut und entspricht damit dem Reimschema des Textes. Die Phrasen I und III entsprechen einander in der Melodieführung. Im Vergleich zu II beginnt die vierte Phrase einen Ganzton tiefer, durchmisst dann ebenfalls zwei nach oben führende Sekundschritte, aber nicht um dann auf die Klimax c’’ zu springen, sondern um zweimal die Abwärtsbewegung zu vollziehen, mit der die Phrasen I und III beginnen. Die rhythmische Ebene ist in den Phrasen I, II und III gleichförmig gebaut ( | | | ). Durch die Mensur zwischen der vierten und fünften Note erhalten die ersten vier Schläge jeder Zeile ein besonderes Gewicht. 758 Phrase IV transformiert das rhythmische Schema, indem der zweite und dritte Takt getauscht werden. Dadurch entsteht zum Ende jeder Strophe durch halbe bzw. ganze Notenwerte ein retardierendes Moment, was die Textaussage Herr, bleib bei mir! bekräftigt und unterstreicht. • Die grammatische Struktur des Textes ist eher schlicht gehalten. Es dominieren Substantive, Personalpronomina und Verben. Genitiv-Wendungen wie des Versuchers Macht (3,2) oder keiner Trübsal Bitterkeit (4,2) hinterlassen einen archaischen Eindruck, können aber vor allem aus dem Versuch entstanden sein, das englische Original nachzuahmen. 759 Die 755 Vgl. B RADLEY , I AN : The Penguin Book of Hymns. London 1990, 10. 756 Wort und Weise wurden hier entsprechend dem *EG 488 abgedruckt. Bis zur Entstehung des Gesangbuchs *HAM waren verschiedene Weisen für diesen Text bekannt. M ONK , der auch mit der Redaktion des *HAM betraut war, verfasste die heute auch dem deutschen Text zugrunde liegende Melodie. Vgl. B RADLEY , Abide with me, 72f. 757 Der Urheber der englischen Textvorlage widmete sich mehrere Jahre intensiv den Psalmen. S. L YTE , H ENRY F RANCIS : The Spirit of the Pslams. London [1834] rev. 2 1836. Vgl. W ATSON , J OHN R.: The English Hymn. A Critical and Historical Study. Oxford 1997, 354. 758 Die englische Textvorlage verfügt, für Hymnen dieser Art ungewöhnlich, über zehn statt sieben Silben pro Zeile. Durch die Mensur nach der vierten Silbe, verschiebt sich die Gewichtung des Textaufkommens in die jeweils zweite Zeilenhälfte. Da drei Silben pro Zeile mehr zur Verfügung stehen, ist es dem Dichter möglich bildreichere Ausschmückungen und ähnliches auszuführen. 759 What but Thy grace can foil the tempter’s power? (3,2); Ills have no weight, and tears no bitterness (4,2). Zum vollständigen englischen Wortlaut siehe Unterkapitel 3. <?page no="233"?> 219 Übertragung ist trotz weniger Adjektive und Adverbien (hilflos (1,4); umringt (2,3) und unwandelbar (2,4)) sehr bildreich; dies leisten vor allem Verben der Bewegung: hereinbrechen (1,1), kommen, einfallen (1,2), finden (1,3), verebben, weichen (2,1), verglimmen (2,2), verbleichen (2,3), brechen (1,1; 3,1; 5,1), helfen, verlieren (3,3), nehmen (4,4), vorhalten (5,1), tagen, fliehen, gehen (5,3). Demgegenüber finden sich verhältnismäßig wenige statische Verben, wovon die meisten eine Form von bleiben (1,1.4; 2,4; 3,4; 4,4; 5,2.4) sind. Dieser Gegensatz ist absichtlich gesetzt und soll im Unterschied zur ‚Inkonstanz des Lebens’ die Konstanz der Gegenwart Jesu Christi unterstreichen. Weitere, einen Zustand beschreibende Verben sind hier sein (1,3), leben (2,2), brauchen (3,1) und fürchten (4,1). • Auch die Syntax ist klar und einfach gebaut. Eine Satz-Einheit erstreckt sich maximal über zwei Zeilen, wie z.B. in 2,1f: Ich brauch zu jeder Stund dein Nahesein,/ denn des Versuchers Macht brichst du allein. Lediglich in der 3. Strophe wird ein zweizeiliger Satz durch einen nach dem Semikolon anschließenden Nachsatz zusammengefasst (1-3). Es überwiegen Aussagesätze in der Folge von Subjekt Prädikat Objekt; es kommen aber auch Ausrufe- (1,1; 1,4; 2,4; 3,4; 4,4; 5,4) und Fragesätze (1,3; 3,3; 4,3) vor, wobei erstere immer dieselbe Bitte „Bleib bei mir! “ enthalten. Inhaltlich beziehen sich die Fragen auf die vorausgehenden Beschreibungen. Durch die Verwendung des Konjunktivs II Wo fänd ich Trost, wärst du, mein Gott, nicht hier? in 1,3 erhält die Frage rhetorischen Charakter. Hinter dieser Syntax verbirgt sich ein irrealer Wunschsatz, der unter die nicht erfüllbaren Konditionalsätze zu rechnen ist, so dass hier eigentlich gesagt wird: „Es gibt keinen anderen Trost außer deiner Anwesenheit, Gott“ 760 Vergleichbares lässt sich auch für 3,3 sagen: Wer hilft mir sonst, wenn ich den Halt verlier? Auf die grammatisch korrekte Form des Konjunktivs wurde hier möglicherweise verzichtet, weil hülfe aus dem aktiven Sprachgebrauch verschwunden ist und könnte helfen zu lang gewesen wäre. Was ist der Tod, bist du mir Schild und Zier? (4,3) erscheint in der Satzstellung defekt; eigentlich müsste es heißen „Wenn Du mir Schild und Zier bist, was ist der Tod (dann wert)? “ Es werden keinerlei Konjunktionen verwendet, die Nebensätze werden entweder kausal (3,2; 3,3), relativisch (1,4) oder temporal (5,1) angeschlossen. Um Auskunft darüber zu erhalten, auf welche Art und Weise das Beziehungsgefüge innerhalb des Liedtextes geflochten wird und was die Konnektoren des Liedes sind, soll, da sich in diesem Lied ein ICH direkt an ein DU wendet, zunächst die kommunikative Struktur des Liedes erörtert werden. 761 760 Vgl. DUDEN (Bd. 4) 158-161. 761 Hierzu macht Vf. von dem durch V LADIMIR P ROPP entwickelten und von A LGIRDAS J. G REIMAS weitergeführten Aktantenmodell zur textsemantischen Analyse von literarischen Texten. <?page no="234"?> 220 b Inhaltliche Analyse - Die kommunikative Struktur des Liedes Adressant und Subjekt des Liedes ist ein ICH, das sich selbst zu einer Gruppe von Menschen zugehörig fühlt, deren Mitglieder alle das gleiche Schicksal teilen: sie leben in Fall und Wandel (2,3) und sind der Vergänglichkeit unterworfen. Adressat des Subjekts ist der HERR, der in 1,3 auch als GOTT angesprochen wird. Auffälligerweise ist der Adressat des ICH gleichzeitig auch dessen Adjuvant. Wenn die Bitte in 1,4 nicht als Fürbitte, sondern als Sorge um die eigene Person des ICH verstanden wird, dann kann schon an dieser Stelle von einer Übereinstimmung von Adjuvant und Objekt gesprochen werden. Allerdings lässt die zweite Strophe nicht unbedingt die Helferfunktion GOTTES erkennen. Er erscheint in seiner Konstanz als Gegensatz zu der dem Wandel unterlegenen Welt, ohne mit ihr in Verbindung gebracht zu werden. In jeder Strophe lassen sich andere Opponenten bestimmen. In der ersten Strophe sind Abend / Nacht und Finsternis Gegner des ICH; sie brechen herein bzw. fallen ein, sie invadieren in die Sphäre des Subjekts. In der folgenden Strophe ist das Ich als Teil der Gruppe WIR von den Kennzeichen der Vergänglichkeit (Fall und Wandel) umzingelt; in der dritten Strophe wird der Opponent zum ersten Mal als Versucher personifiziert. Vierte und fünfte Strophe benennen jeweils den Tod als Gegner des Subjekts. Ab der dritten Strophe zeigt sich deutlich, dass die Qualitäten des Objekts gleichzeitig Hilfen zur Bezwingung des Opponenten darstellen, wobei schon in 1,3 der Herr um Hilfe gegen die Trostlosigkeit gebeten wird. Qualität - Funktion Adressat/ Subjekt ICH (Textautor, Rezipient, LEBEN, WIR; Str. 2) hilflos (1,3f.) vergänglich (2) nähebedürftig (3,1) schwankend (3,3) orientierungsbedürftig (4,1) furchtsam (4,1) sterblich (5,1) Opponent Abend (1,1) Nacht (1,2) Finsternis (1,2) Vergänglichkeit (Fall / Wandel) (2,3) Versucher (3,2) Tod (4,3) Todesdunkel (5,2) trostlos (1,3) umringt (2,3) Unglück (4,2) trübselig (4,2) bitter (4,2) schmerzhaft (Stachel) (4,2) Adressat/ Adjuvant/ Objekt HERR, GOTT Trost (1,3) Helfer (1,4; 3,3) unwandelbar (2,4) Fürsprecher/ Streiter (3,2) führt (4,1) Schutz (Schild) (4,3) Zier (4,3) Todesbezwinger (4,4) Erlöser (5,1) Licht (5,2) <?page no="235"?> 221 Die verschiedenen Rollenträger des Liedtextes sollen durch die motivische Untersuchung ausführlicher ergründet werden. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei, nicht zuletzt wegen ihrer Vielfältigkeit, auf den Opponenten. 1) ICH Das Subjekt des Liedes zitiert wiederholt die zentrale Passage des Emmaus- Evangeliums: „Bleib bei uns Herr, denn es will Abend werden! “ (Lk 24,29). Da das ICH sowohl die Rolle des Adressaten als auch die des Subjekts einnimmt, wird es zum Zeitgenossen der Jünger. Indem ihre Worte zitiert werden, wird die Situation der Jünger, die mit dem Auferstandenen Mahl halten, in den jeweiligen Vollzugskontext des Liedes hinein vergegenwärtigt. Das Subjekt-ICH hofft, dass ihm ebenso wie diesen die Gegenwart und Nähe Jesus Christi am Übergang vom Tag zur Nacht zuteil werden möge. Das ICH lässt sich folgendermaßen charakterisieren: Es handelt sich um einen Menschen, der am Eingang der Nacht seine Hilflosigkeit erkennt und daher um den Trost Gottes bittet. Als Lebewesen ist das ICH Teil der Welt, die er als unstet und vergänglich erfährt. Hier wird motivisch auf Ps 90,10 Bezug genommen: „Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, sind es achtzig. Das Beste daran ist nur Mühsal und Beschwer, rasch geht es vorbei, wir fliegen dahin.“ Weiterhin fühlt sich das ICH an die Versuchung ausgeliefert. Es sieht sich nicht in der Lage, allein gegen die Macht des Versuchers anzugehen, zumal das ICH überzeugt davon ist, dass außer Gott niemand dem Versucher wehren kann. Das Wissen um die eigene Vergänglichkeit wird in der vierten Strophe konkretisiert: Am Ende muss auch das ICH sterben. Leiden, Unglück, Trübsal oder Bitterkeit sind Vorboten dieses Todes; diese Bedrohungen lassen sich nur durch die Anwesenheit und Führung Gottes ertragen. Gottes Präsenz nimmt dem Tod den Schrecken, durch seine Erlösungstat am Kreuz kann das ICH im Sterben zuversichtlich sein. Der Tod hat nichts Erschreckendes, nichts Dunkles mehr, vielmehr tagt es (5,3), in der geglaubten Gegenwart Jesu Christi wird das Sterben selbst zur Erlösung. Die Beziehung zum HERRN besteht aus der Perspektive des ICH in einem Gegensatz von Sicherheit und Abhängigkeit. Ohne die Präsenz Gottes ist das eigene Leben trost- und wertlos, es entbehrt jegliche Stabilität und verläuft ohne Orientierung. Besonders im Sterben ist der HERR dem Beter ein Vorbild. Er möge ihm sein Kreuz vorhalten (5,1), und ihn so daran erinnern, welche Leiden er auf sich genommen hat, um den Beter zu erlösen. 762 Die Gewissheit der Erlösung verschafft dem ICH Sicherheit und Zuversicht. Das 762 Das Motiv des Vorhalten des Kreuzes im Tod ist sicherlich P AUL G ERHARDTS Passionslied O Haupt voll Blut und Wunden entlehnt; dort heißt es in der letzten Strophe: „Erscheine mir zum Schilde / zum Trost in meinem Tod,/ und lass mich sehn dein Bilde / in deiner Kreuzesnot./ Da ich will nach dir blicken, da will ich glaubensvoll / dich fest an mein Herz drücken./ Wer so stirbt, der stirbt wohl. (*EG 85). <?page no="236"?> 222 Leben in Dunkelheit, Wandel und Verfall, sogar in Sünde lässt sich wie der Tod ertragen, wenn der HERR bei ihm ist. 763 2) HERR Der HERR wird schon durch den Rekurs auf die Emmaus-Perikope in der Eingangsbitte Bleib bei mir als der Auferstandene erkennbar. Tatsächlich fungiert diese biblische Erzählung als Grundlage für L YTES Hymnus. 764 Als der Auferstandene in der Rolle des Hausvaters den Jüngern in Emmaus das Brot bricht, gehen ihnen die Augen auf und sie erkennen ihn (Lk 24,31); später rekapitulieren sie „wie ihnen das Herz in der Brust brannte, als er ihnen die Schrift erschloss“ (Lk 24,32). Die Handlung des Brotbrechens konstituiert die bleibende Gegenwart des österlichen Christus, auch nachdem er den Blicken der Jünger enthoben ist. In Bleib bei mir, Herr! wird dieses Ereignis zum Subtext (Lk 2, 29-32; Joh 1,4-10. 8,12. 12,35.46 u.ö.). Christus offenbart den Vater; er ist das von Jesaja verheißene Licht der Erkenntnis (Jes 9,1ff; Lk 1,79), das den Willen Gottes erkennen lässt: „Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten! , er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi.“ (2 Kor 4,6). Wer in diesem Licht den Weg des Lebens geht, wird an keiner Versuchung scheitern, ihm können die Mächte der Finsternis nichts anhaben, insofern er die aus dieser Gotteserkenntnis resultierenden Lebensweisen übernimmt (vgl. Röm 13,12f.). Im Lied werden dem HERRN verschiedene Qualitäten zugesprochen. Er gilt als Trost (1,3), Helfer (1,4), Ewiger (2,4), Fürsprecher / Streiter (3,2), Hirte (4,1), Erlöser (4,4; 5,1) und Licht (5,3). All diese Prädikate fungieren als Namen für Jesus Christus. Bei genauerer Untersuchung der Begrifflichkeiten zeigt sich, dass die Bezeichnung Trost die dominante Qualifikation darstellt. Alle anderen Namen stehen mit dem Bild Christi als Tröster in Zusammenhang. Im biblischen Kontext wird Trost durch parakale,w und para,klhsij ausgedrückt. Abgesehen von den johanneischen Schriften, in denen der eschatologische Geist Jesu Christi als Paraklet bezeichnet wird, 765 lassen sich darunter die Prädikationen des Trösters, des Helfers, des Fürsprechers und des Hirten subsumieren. Die Zusage des Trostes durch JHWH (Jes 66,13) findet in Jesus Christus seine Erfüllung (vgl. 2 Thess 2,16; 2 Kor 1,3-7 u.ö). Dem etymologischen Ursprung nach beschreibt tr st einen Zustand innerer Festigung, der erst später zur Beschreibung für die Linderung von Leid wurde. 766 763 W ATSON deutet das im Lied aufscheinende Abhängigkeitsverhältnis zwischen ICH und HERR biographisch. L YTE musste sich früh durch die Scheidung seiner Eltern von seiner Mutter verabschieden. Die Beziehung zu seinem Vater blieb zeitlebens distanziert und kompliziert. In der wiederkehrenden Bitte des Bleib bei mir, Herr! sieht W AT- SON einerseits den kindlichen Schrei nach Geborgenheit, andererseits das Bild eines idealen Vaters, den L YTE so nie erlebt haben soll. Vgl. W ATSON , The English Hymn, 346. 764 Vgl. ebd., 351. 765 Vgl. B EHM , J OHANNES : Art. „ Paraklh, toj “. In: ThWNT 5 (1954) 798. 766 Vgl. S EEBOLD , E LMAR : Art. „Trost“. In: K LUGE . Eintrag 12.738. <?page no="237"?> 223 Festigkeit und Standhaftigkeit wird dem Herrn auch zugeschrieben, weil er als einziger in der Lage ist, dem Bösen erfolgreich zu begegnen (des Versuchers Macht brichst du allein 3,2). In der Bitte um Geleit des Herrn zeigt sich in der vierten Strophe das Bild des Hirten, das auch in der Sterbe- und Begräbnisliturgie einen wichtigen Stellenwert einnimmt: „Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.“ (Ps 23,4). Die göttliche Tröstung zeigt sich in der Sorge und Schutz für diejenigen, die an ihn glauben (Jes 40,11) So wird der HERR auch dem ICH ein Schutz, indem er vor jeder erdenklichen Anfechtung bewahrt, so wie es u.a. der Kompletpsalm Ps 91 zum Ausdruck bringt: vor Leid, Unglück, Trübsal und sogar vor dem ausweglosen Tod. In der Entwicklung des Trostbildes führt das Lied schließlich immer mehr zur Linderung allen Leids, so dass sich dieses unter der Bedingung der Anwesenheit des HERRN in der Schlussstrophe in gläubige Gewissheit wandelt. 767 Im Eschaton, das das ICH in der Schlussstrophe vor Augen hat, verwirklicht sich die in Mt 5,4 artikulierte Zusage göttlichen Trostes. Analog zu der Seligpreisung derer, die Leid zu tragen haben, kann das ICH, auch unabhängig einer konkreten Sterbenssituation, in dieser Hoffnung auf eschatologischen Trost das irdische Leiden erdulden. Weiterhin wird der Herr als unwandelbar (2,4) beschrieben. Im Gegensatz zur Welt, die Veränderungen und Vergänglichkeit unterlegen ist, ist er der Ewige, der vor aller Zeit war und der ist und bleiben wird. Hier klingt das mittelalterlich geprägte Gottesbild vom Unbewegten Beweger an, das in viktorianischen Hymnen nicht selten zu finden ist. 768 Es steht in Zusammenhang mit einer fast dualistischen Weltsicht, in der die Welt als vergänglich und sündhaft, Gott aber als der Welt transzendent, konstant und ewig angesehen wird. Die Bitte um die bleibende Präsenz des Herrn erhält aus dieser Perspektive einen flehentlichen Charakter: Gott wird zum letzten und einzigen Ausweg aus der dem Untergang geweihten Welt. 3) OPPONENTEN a) Kampf Als „Gegner“ des ICH treten im Lied verschiedene Phänomene und Personen in Erscheinung, die bei genauerer Betrachtung jedoch alle in einen Zusammenhang gestellt sind. Die Opponenten verbinden sich mehrheitlich mit Lexemen, die aus dem Kampfvokabular entstammen: 767 Vgl. auch W ATSON , The English Hymn, 353. 768 Dieses Gottesbild lässt sich auch in dem zweiten englischen Hymnus The day Thou gavest, Lord, is ended im Rahmen dieser Studie aufzeigen (I D 1); vgl. B RADLEY , Abide with me, 120. <?page no="238"?> 224 Dunkelheit und Finsternis als Störenfried, als Feind Abend bricht herein (1,1) die Finsternis fällt ein (1,2) Schatten fliehen (5,3) irdische Vergänglichkeit das Leben weicht (2,1) umringt von Fall und Wandel leben wir (2,3) Versuchung, Sünde des Versuchers Macht brichst du allein (3,2) Tod was ist der Tod bist du mir Schild und Zier (4,3) wenn mein Auge bricht (5,1) den Stachel nimmst du ihm (4,4) Die Vielzahl der aggressiven Kampf-Konnotationen ist gegenüber der englischen Vorlage eine Neuschöpfung W ERNERS . Zwar kann man Bilder des Krieges auch im englischen Text ausmachen (fall (1,3); flee (1,3; 5,3); foil, power (3,2); sting, victory (4,3) und triumph (4,4)), sie beschreiben jedoch eher Triumph und Sieg, als eine Bedrohung. Das Lexem brechen (1,1; 3,1; 5,1) dient in der deutschen Version als Strukturelement. Es markiert die drei großen Gefahren, denen das ICH ausgesetzt ist: Dunkelheit bzw. Finsternis, Versuchung und Tod. b) Dunkelheit Dunkelheit bzw. Finsternis fungieren durch unterschiedliche Konnotierung als Konnektoren der Textteile: In der Eingangsstrophe dient die natürliche Abwesenheit von Licht als Ausgangspunkt, um die Notwendigkeit der Nähe Jesu Christi zu begründen. In der Mitte des Liedes (3. Str.) wird die Dunkelheit als Bild für die Sündhaftigkeit verwendet. Im Lichte des Herrn ist der Versuchung standzuhalten, in der Dunkelheit scheint ihr jedoch Tür und Tor geöffnet zu sein. In der Schlussstrophe wird die Dunkelheit zum Bild des Todes (Todesdunkel; 5,2). Dunkelheit und Finsternis beschreiben also bildhaft verschiedene Zustände: den der Trostlosigkeit, den der Sünde und Unwissenheit sowie den des Todes. 769 Die Abwesenheit von Licht am Abend und in der Nacht erscheint hier nicht als Teil der Schöpfung (Gen 1,1ff; Ps 104, 20 u.ö.), sondern vielmehr als ihr Gegensatz. Schon die ersten zwei Zeilen des Liedes machen seine Ambiguität deutlich. Einerseits versinnbildlicht die Eingangsstrophe die Situation des konkreten Abends, andererseits wird der Abend aber auch zum Bild für das eigene Leben. Der Hymnus ist mehr als ein Abendlied, wie W ATSON es ausdrückt, es ist eine Meditation des eigenen Lebens, seiner Vergänglichkeit und seiner Ängste. 770 c) Vergänglichkeit, Leid und Tod Die Vergänglichkeit des Lebens, die das Subjekt-ICH als Gegner empfindet (umringt 2,3), gibt gleichzeitig Auskunft über sein eigenes Wesen. Als Teil der Welt ist das ICH bedingungslos der Vergänglichkeit unterworfen. Unter thematischer Bezugnahme auf Psalm 90 wird von der zweiten Strophe eine 769 Dass diese Konnotation für viktorianische Hymnen nicht ungewöhnlich ist, belegt B RADLEY , Abide with me, 137. 770 Vgl. W ATSON , The English Hymn, 352. <?page no="239"?> 225 Klammer zum Todesmotiv der vierten und fünften Strophe gespannt. Alles Lebendige ist sterblich. 771 Leid bezeichnet das zugefügte Böse, vor dem man sich fürchten kann (4,1). Es zeigt sich in verschiedenen Gestalten, es wird als Unglück wahrgenommen und mit dem Gefühl der Traurigkeit (Trübsal, 4,2) gleichgesetzt. Das größte und letzte Leid eines Menschen ist der Tod (4,3). 772 Das Todesleid des ICH wird erträglich durch den Verweis auf das Leiden Jesu (Halt mir dein Kreuz vor (5,1)). Der Beter bittet, das Todesdunkel möge durch Christi Licht erhellt werden, so dass schließlich der Tod als Morgen erscheint (5,3). Das Sterben wird als eine Reise zu Gott (ich geh zu dir; 5,3) gesehen. Seiner Entstehung nach ist der englische Hymnus in erster Linie ein Sterbelied: Der ständige Vikar in Brixam / Devon schrieb die Rohfassung des Liedes angesichts des nahenden Todes eines guten Freundes 1820. Als sein eigenes Sterben nahte, erinnerte er sich an das Textfragment und vollendete Abide with me. 773 Betrachtet man Bleib bei mir, Herr aus liturgischer Perspektive, so lassen sich verschiedene Verbindungen zu den Themen und Elementen der Tagzeitenliturgie, speziell zu denen der benediktinischen und römischen Komplet herstellen. Zunächst sind in diesem Zusammenhang die Psalmen 4 und 91 zu nennen, deren Schutzthematik sich im Lied wieder finden lässt. Der im Schlussvers von Ps 4 zitierte Aaronitische Segen stellt eine Verbindung zwischen den Motiven Schutz, Segen und Licht her, die sich auch in 3,4 zeigt: In Licht und Dunkelheit, Herr, bleib bei mir. Die in Ps 91 (v.a. V 14-16) aufscheinende gläubige Gewissheit um den Schutz Gottes gegen jegliches Unglück findet im Gesamt des viktorianischen Hymnus seine Entsprechung. In der benediktinischen Komplet folgt dem Hymnus eine Kurzlesung aus Jer 14,9: „Du bist in unserer Mitte, Herr, und dein Name ist über uns ausgerufen; verlass uns nicht, Herr, unser Gott.“ Diese Rede an JHWH, die schon durch die Komplet christologisch gedeutet wird, wird auch in Bleib bei mir Herr zur Bitte an den Auferstandenen. Im folgenden Versikel Ps 17,8 wird im Bild des kostbaren Augenlichts und der ihre Kücken schützenden Henne nochmals das Schutzmotiv aufgegriffen. Die im Lied sichtbare Beziehung der Bitte um Präsenz und Schutz durch Jesus Christus mit dem Bild des Todes kann auf die römische Komplet zurückgeführt werden. 771 Viktorianischen Hymnen wurde immer wieder vorgeworfen, sie transportierten eine negative Weltsicht (change and decay), die gar nicht zu dem Kontext ihrer Entstehungszeit, der Expansion des englischen Welthandels und der Kolonialisierung, passen wollte. Vgl. B RADLEY , Abide with me, 201. 772 Die Gleichsetzung von Leid und Tod zeigt sich u.a. in der Redewendung „sich ein Leid antun“. 773 Vgl. D IERKES , Anglikanische Frömmigkeit, 38; S HEPPARD , W ILLIAM J OHN L IMMER : Great Hymns and their stories, 105. 136; s. korrigierend dazu B RADLEY , The Penguin Book of Hymns, 9f. <?page no="240"?> 226 E XKURS : Commendatio animae Durch die Interpolation des Responsoriums Ps 31,6 und des Canticums Nunc dimittis erfährt die benediktinische Komplet in der römisch-fränkischen Liturgiereform des 8./ 9. Jh. eine maßgebliche Bedeutungsverschiebung. 774 Das Grundmotiv des Schutzes, das die Benediktinische Komplet bestimmt, verschiebt sich durch die Einfügung dieser beiden Elemente und verlagert so den Akzent auf die Todesthematik. Ursprünglich fungierte die Komplet als Gebet vor dem unmittelbaren Schlafengehen, das eigentlich privatissime auf der Bettkante und nicht in Gemeinschaft vollzogen wurde. 775 Von dem friedvollen Schlaf in Ps 4,9 (In Frieden lege ich mich nieder und schlafe ein…) wird ein Bogen geschlagen zu dem die Hore beschließenden Canticum Simeonis (Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden…). 776 Die später rahmende Antiphon Salva nos, die auf das paulinische Wort in 1 Thess 5,10 anspielt („Er [Christus; Vf.] ist für uns gestorben, damit wir vereint mit ihm leben, ob wir nun wachen oder schlafen.“) bindet das vorausgehende, an die Kurzlesung anschließende Responsorium und das Canticum zu einer Einheit zusammen. Indem der Beter also im Responsorium Ps 31,6 zitierend des Kreuzestodes Christi gedenkt, realisiert er seine eigene Sterblichkeit und bittet um die Rettung im eigenen Tode. Die Komplet wird so zu einem allabendlichen memento mori. 777 Im täglichen Sprechen des In deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist üben sich die Beter ein für den Moment, in dem schließlich die letzte und unwiderrufliche Rückgabe der Seele in die Hand Gottes erfolgt, die so genannte Commendatio animae. Im Mittelalter wurde die allabendliche Übereignung der Seele in die Hände Gottes als eine notwendige Vorkehrung gesehen, für den Fall, dass der Beter während der Nacht verscheiden sollte, damit sie auf ihrem Weg vom Leben in den Tod nicht ‚verloren ginge’. 778 774 Schon in den C ONSTITUTIONES A POSTOLORUM , in denen Gebete mit deutlichem Bezug zur jüdischen Tradition gesammelt sind, (vgl. B RADSHAW , Daily Prayer, 28) ist von den Worten des greisen Simeon (Lk 2,29-32) die Rede, so dass davon ausgegangen werden kann, dass das Canticum im 4. Jh. in manche Riten integriert gewesen ist. (Vgl. CA VII, 48. (SChr 336,114; ed. M ARCEL M ETZGER). 775 Vgl. B ECKER , H ANSJAKOB : Poesie - Theologie - Spiritualität. In: D ERS ./ K ACZYNSKI , Liturgie und Dichtung II, 857-901. 858; sowie R ENNINGS , H EINRICH : Die Psychohygiene der Komplet. Kleiner Kommentar zum kirchlichen Nachtgebet. In: D ERS .: Gottesdienst im Geist des Konzils. Pastoralliturgische Beiträge zur Liturgiereform. Freiburg i. Br./ Basel / Wien 1995, 210-231. 776 Ps 4,9 wird innerhalb des ältesten erhaltenen christlichen Begräbnisritus während der Prozession vom Haus in die Kirche von der Gemeinde im Namen des Verstorbenen gesprochen; vgl. OR 49. In: Les ordines romani du haut moyen âge. Ed. Michel Andrieu. Bd. 4. (Spicilegium sacrum Lovaniense 28) Leuven 1956; vgl. Franz, Ansgar: Letzte Worte? Gesellschaftliche Wandlungen an der Schwelle des 21. Jahrhunderts als Herausforderung für die christliche Begräbnisliturgie. In: H ANSJAKOB B ECKER / D OMINIK F UGGER / J OACHIM P RITZKAT / K ATJA S ÜSS (Hgg.): Liturgie im Angesicht des Todes. Teil II: Reformatorische und katholische Traditionen der Neuzeit. (PiLi 14) Tübingen / Basel 2004, 1225-1246. 1230-1232. 777 Vgl. E INIG , B ERNHARD : „Somnus est imago mortis“. Die Komplet als allabendliches „Memento mori“. In: H ANSJAKOB B ECKER / B ERNHARD E INIG / P ETER -O TTO U LLRICH (Hgg.): Im Angesicht des Todes. Ein interdisziplinäres Kompendium. Bd. 2. (PiLi 4) St. Ottilien 1987 1299-1319. 1308. Siehe auch: B AUMGARTNER , K ONRAD / B RADY , P HILIPP / S TEPHAN , P HILIPP / S ILL , B ERNHARD / W INDISCH , H UBERT : Art. „ars moriendi“. In: LThK 3 1 (1993) 1035-1038; R UDOLF , R AINER / M OHR , R UDOLF / H EINZ -M OHR , G ERD : Art. „Ars moriendi“. In: TRE 4 (1979) 143-156. 778 Vgl. A RIÈS , P HILLIP : Geschichte des Todes. München 10 2002, 385-391. Etwa aus der gleichen Zeit, der karolingisch-fränkischen Liturgiereform, sind Sterbegebete erhalten (bis 1972 als ‚Commendatio animae’ bezeichnet). Ihre Kommunikationssituation richtet <?page no="241"?> 227 Die Hingabe des Beters an Gott, die sich im Vollzug von Ps 141,2 als sacrificium vespertinum ereignet, wird weitergeführt: Christus wird nicht nur im Leiden nachgeahmt, sondern auch in seinem Sterben. Ein solches Gedenken wird durch die Vollzugszeit selbst nahegelegt, denn so wie der Tod das Ende eines Lebens bedeutet, so ist die Nacht der Tod des Tages. 779 [Ende des Exkurses] d) Versucher Im Kern des Liedes, in der dritten Strophe, wird eine vorläufige Zusammenfassung der Gründe gegeben, wann und weshalb der Mensch der göttlichen Nähe bedarf: Zu jeder Stund (3,1) gegen die Macht des Versuchers (3,2). So wird der Versucher durch den argumentativen Aufbau des Liedes zum Archi-Opponenten. Aus der Person des Versuchers speisen sich auch die oben beschriebenen Motive des Kampfes: „Zieht die Rüstung Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt. Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs.“ (Eph 6,11f.) Möglicherweise hatte L YTE in Bezug auf den Versucher die Forderung aus 1 Petr 5,7-9 im Gedächtnis, die im BR als Einleitung zur Komplet verlesen wurde und die in der aktuell gültigen Liturgia Horarum noch an einem jeden Dienstag als Lesung der Komplet vorgesehen ist: 780 „Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch. Seid nüchtern und wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann. Leistet ihm Widerstand in der Kraft des Glaubens! “ Hinter dem Widersacher ( avnti,dikoj ) und Teufel ( dia,boloj = Verleumder) steht der biblischen Tradition nach das hebräische ! j" ß F' , der Ankläger, der gegen den Sünder vor Gottes Richterstuhl Klage erhebt. 781 Vom Christen werden Wachsamkeit (Lk 21,36), Treue zu Gott (Lk 22,28) und Standhaftigkeit (Mk 13,13) gegen die Versuchung des Widersachers gefordert. Letztlich kann aber nur Gott vor ihm erretten, wie es auch die Vater unser-Bitte zum Ausdruck bringt (Mt 6,13; Lk 11,4; vgl. 2 Petr 2,9). Ohne den Beistand Gottes ist der Mensch Versuchung und Sünde ausgeliefert. Die Verteidigung gegen sich nicht vom Sterbenden an Gott, sie sind vielmehr „Handeln der Kirche für den bereits Verschiedenen“ K ACZYNSKI , R EINER : Art. „Commendatio morientium“. In: LThK 3 2 (1994) 1273. Vgl. auch D ERS .: Sterbe- und Begräbnisliturgie. In: H ANS B ERNHARD M EYER / H ANSJÖRG A UF DER M AUR / A NGELUS A. H ÄUßLING (Hgg.): Handbuch der Liturgiewissenschaft. Bd 8: Sakramentliche Feiern II. (GdK 8) Regensburg 1984, 191-232. 211. 779 Vgl. S CHNEIDER , F RANZ : Die Lobgesänge aus dem Evangelium. ‚Benedictus’ - ‚Magnificat’ - ‚Nunc dimittis’. In: K LÖCKENER / R ENNINGS (Hgg.): Lebendiges Stundengebet, 252-266. 259f. 780 Vgl. StB. Authentische Ausgabe. Bd. III: Jahreskreis, 707. Als anglikanischer Christ war L YTE mit der Komplet und ihren Elementen vertraut durch den täglich in der Gemeinde gefeierten Evensong, der vesperale und kompletorische Elemente in sich vereint. S. dazu z.B. G UIVER , G EORGE : Das Stundengebet der Anglikanischen Kirche. In: K LÖCKE- NER / R ENNINGS (Hgg.), Lebendiges Stundengebet, 108-120. 781 S CHRENK , G OTTLOB : Art. „ avntidi,koj “. In: ThWNT 1 (1933) 274f. <?page no="242"?> 228 den Widersacher (1 Petr 5,8) kann nur Jesus Christus übernehmen (brichst du allein). E XKURS : Der ‚Feind’ in der Komplet In dem spätestens seit dem 9. Jh. in allen Hymnaren aufzufindenden benediktinischen Komplet-Hymnus Christe, qui lux es et dies 782 ist ebenfalls die Rede vom Versucher, gegen den, analog zum englischen Lied, Christus als Fürsprecher, Anwalt und Streiter des Menschen ins Feld zieht, um dessen Macht zu brechen: 1,1 Christe qui lux es et dies, Christus, Du bist das Licht, der Tag, 1,2 noctis tenebras detegis Enthüllst nächtliche Finsternis. 1,3 lucisque lumen crederis Wir glauben, dass Du Licht vom Licht, 1,4 lumen beatis praedicans, Verkündest Lichts Seligkeit, 2,1 precamur, sancte domine, Wir bitten Dich, heiliger Herr, 2,2 defende nocte ac die, Beschirme uns in dieser Nacht, 2,3 sit nobis in te requies Damit uns Friede sei in Dir, 2,4 quietam noctem tribue, Verleihe uns eine stille Ruh. 3,1 ne grauis somnus inruat Nicht leg auf uns sich schwerer Schlaf 3,2 nec hostis nos subripiat Kein Feind beschleiche heimlich uns. 3,3 ne caro illi consentiat, Das Fleisch, es stimme ihm nicht zu, 3,4 nos tibi reos statuat, Dass wir nicht schuldig sei’n vor Dir. 4,1 oculi somnum capiant Und wenn das Aug’ auch schlafen will, 4,2 cor semper ad te uigilet Zu Dir wacht immerdar das Herz. 4,3 dextera tua protegat Dein starker Arm beschütze die, 4,4 famulos qui te diligunt. Die liebend Deine Diener sind. 5,1 defensor noster adspice, Du unser Schutzherr, schaue her, 5,2 insidiantes reprime, Dräng’ machtvoll jeden Feind zurück, 5,3 guberna tuos famulos, und lenke Deiner Diener Weg, 5,4 quos sanguine mercatus es. Die Du erkauft mit Deinem Blut. 6,1 memento nostri, domine, Gedenke unser, treuer Herr, 6,2 in graui isto corpore, Da uns des Leibes Schwere hemmt, 6,3 qui es defensor animae, Der Seele Schutz und Schild bist Du, 6,4 adesto nobis, domine. 783 Herr, sei bei uns in Deiner Huld. 784 Christus wird als Schutzherr der Menschen, als defensor (in 5,1 und 6,3; defende in 2,2) beschrieben und angeredet, der als Anwalt die Menschen gegen die Anklagen des Feindes (hostis 3,2; insidiantes 5,2) verteidigt. 785 Der Feind ist im Anschluss an Offb 12,10 der Teufel, der tags und nachts sein Unwesen treibt; analog dazu erklärt sich die Bitte in Bleib bei mir, Herr! um Gegenwart Jesu Christi in Licht und Dunkelheit (3,4): der Beter sieht sich jederzeit Versuchungen ausgesetzt. Deswegen wird im Hymnus (nocte ac die; 2,2) wie im Lied (zu jeder Stund 3,1) um die immerwährende Protektion durch Christus gebeten. Der Komplet-Hymnus Christe, qui lux es et dies wurde in der römischen Tradition alsbald durch Te lucis ante terminum ersetzt. Bis zur Liturgiereform des Zweiten 782 Vgl. RB 17,9 und 18,19. Eine umfassende Analyse dieses Hymnus findet sich bei E INIG : Vom Tag zur Nacht, 11-124. 783 Lateinischer Text gemäß B ULST , W ALTHER (Hg.): Hymni latini antiquissimi LXXV Psalmi III. Heidelberg 1956, 98. 784 Übersetzung nach H AMMANN , A DALBERT G.: Gebete der ersten Christen. Düsseldorf 1963, 320f. 785 E INIG favorisiert hier eine juristische Interpretation gegenüber einer militärischen. Vgl. E INIG , Vom Tag zur Nacht, 63-67. <?page no="243"?> 229 Vatikanischen Konzils war dieser der für den Weltklerus in dieser Hore maßgebliche Hymnus: 1,1 Te lucis ante terminum, Dich, vor des Lichtes Ende, 1,2 rerum creator, poscimus, der Dinge Schöpfer, bitten wir 1,3 ut solita clementia 786 dass in gewohnter Milde 1,4 sis praesul ad custodiam. du Praesul 787 seist zum Schutze. 2,1 procul recedant somnia weiterhin mögen entschwinden die Träume 2,2 et noctium phantasmata, und der Nächte Trugbilder, 2,3 hostemque nostrum conprime, auch unseren Feind dränge zurück 2,4 ne polluantur corpora. 788 auf dass nicht befleckt werden die Körper. 789 Neben der in der ersten Strophe dominanten Bitte an den Hirten um Schutz (praesul 1,4), wird die Motivpalette der Komplet hinsichtlich der Gefahrenquellen der Nacht erweitert und so Gründe für die Notwendigkeit des göttlichen Schutzes angegeben: neben dem auch in Christe, qui lux besungenem Feind (hostemque 2,3) führen auch Träume (somnia 2,1) und Trugbilder (phantasmata 2,2) in nächtliche Bedrängnis. Diese Not der Nacht, die durch irreale Traumbilder oder einen Angriff des Teufels herbeigeführt werden kann, ist der nächtliche Samenerguss (ne polluantur corpora 2,4) während des Schlafs. 790 Ohne auf das heute recht fremd wirkende Bild der Bedrohlichkeit sexueller Erregung während des Schlafes genauer eingehen zu wollen, ist festzuhalten, dass hier die Nacht deutlich negativ konnotiert ist. Sie ist, insofern sie als Schlafenszeit verstanden wird, eine unkontrollierbare Zeit, in der der Körper und die Seele gleichermaßen Schaden nehmen können. [Ende des Exkurses] 4) Zusammenfassung Die biblische Grundlage für die Kette der hier analysierten Opponenten Vergänglichkeit, Sünde, Leid und Tod findet sich im ersten Korintherbrief, in dem es heißt: 786 Gegenüber dem Ursprungstext heißt es in späteren Hymnenfassungen: ut pro tua clementia; vgl. hierzu ebd., 252. 787 Zur Bedeutungsgeschichte von praesul siehe in aller Ausführlichkeit E INIG , Vom Tag zur Nacht, 262-283. 788 Die ursprüngliche Form des Hymnus ist zweistrophig. Wie bei etlichen anderen Hymnen wurde die dritte doxologische Strophe später hinzugefügt, was vor allem die Deviationen vom Metrum des Hymnus anzeigen. Vgl. ebd. 252, dort auch FN 743. Die älteste Form der dritten, doxologischen Strophe lautet: praesta, Pater piissime, Patrique compar Unice, Cum Spiritu Paraclito Regnans per omne saeculum. Amen. Der Lateinische Text von Te lucis ante terminum stammt aus: AHMA LI (1861) 42; siehe auch W ALPOLE , A RTHUR S UMNER : Early Latin Hymns. [Cambridge 1922] Repr. Hildesheim 1966, 299. 789 Die Übersetzung des Hymnus ist entnommen aus: E INIG , Vom Tag zur Nacht, 256. 291. 790 Vgl. ebd., 307-311. Für die Redakteure der LH war dieser Gedankengang problematisch, weshalb sie lediglich die erste Strophe erhielten und zwei neue Strophen anschlossen: 2,1 Te corda nostra somnient, 3,1 Vitam salubrem tribue, 2,2 te per sopore sentiant, 3,2 nostrum calorem refice, 2,3 tuamque semper gloriam 3,3 taetram noctis caliginem 2,4 vicina luce concinant. 3,4 tua collustret claritas. <?page no="244"?> 230 „Seht, ich enthülle euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, aber wir werden alle verwandelt werden - plötzlich, in einem Augenblick, beim letzten Posaunenschall. Die Posaune wird erschallen, die Toten werden zur Unvergänglichkeit auferweckt, wir aber werden verwandelt werden. Denn dieses Vergängliche muss sich mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit. Wenn sich aber dieses Vergängliche mit Unvergänglichkeit bekleidet und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit, dann erfüllt sich das Wort der Schrift: Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? 791 Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft der Sünde ist das Gesetz. 792 Gott aber sei Dank, der uns den Sieg geschenkt hat durch Jesus Christus, unseren Herrn.“ (1 Kor 15,51-57) Die Sünde ist ein Zustand der Gottesferne, geprägt von der Haltung, ausschließlich aus sich selbst heraus leben zu wollen. Deswegen bemüht sich das bittende ICH um die Nähe Gottes. Durch die Hingabe Jesu Christi wurde die Sünde in der Welt besiegt, so dass allen, die daran glauben, das ewige Leben zuteil wird (vgl. Joh 10,27f.; Röm 2,8; Gal 6,8). Die Vergänglichkeit der Welt und die menschliche Sterblichkeit wurden überwunden, da die Gläubigen durch Jesus Christus Anteil an seiner Ewigkeit erlangen. c Das englischsprachige Original Bei dem Hymnus handelt es sich um eines der bekanntesten anglikanischen Lieder, das in fast allen englischen Gesangbüchern des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jh. anzutreffen ist, 793 und das sich auch außerhalb eines kirchlich-gottesdienstlichen Kontextes einer großen Beliebtheit erfreute. 794 Die ursprüngliche Textgestalt von Abide with me umfasst acht Strophen. In modernen englischen Gesangbüchern werden die Strophen drei bis fünf ausgelassen. Diese wurden auch in keiner deutschen Übertragung berücksichtigt. Die im Folgenden präsentierte deutsche Übertragung in der rechten Spalte versucht den Text möglichst wörtlich wiederzugeben: 1,1 Abide with me; fast falls the eventide; Bleib bei mir, schnell fällt der Abend; 1,2 the darkness deepens; Lord, with me abide; die Dunkelheit verfinstert sich; Herr, bleib bei mir; 1,3 When other helpers fail, and comforts flee, Wenn andere Helfer scheitern und Tröstungen fliehen, 1,4 Help of the helpless, O abide with me. Hilfe der Hilflosen, o bleib bei mir. 2,1 Swift to its close ebbs out life’s little day. Rasch zu seinem Schluss verebbt des Lebens kleiner Tag. 2,2 Earth’s joys grow dim, its glories pass away. Der Erde Freuden verglimmen, ihr Ruhm vergeht. 791 Hos 13,14 792 Röm 5,12f. 793 Vgl. B RADLEY , Abide with me, 194. 197. 794 So wurde auf Betreiben Königs G EORGE V seit 1927 Abide with me beispielsweise vor dem Finalspiel des FA Cup angestimmt. Manche Forscher nehmen an, der Pianist der Titanic habe die Melodie des Hymnus gespielt, als das Kreuzfahrtschiff unterging. Vgl. D IERKES , K ARL -M ICHAEL , Anglikanische Frömmigkeit im Kirchenlied, 37; B RADLEY , Abide with me, 225. <?page no="245"?> 231 2,3 Change and decay in all around I see Wandel und Verfall ist überall, wohin ich schaue. 2,4 O Thou, Who changes not, abide with me. O Du, der unwandelbar ist, bleib bei mir. 3,1 Not a brief glance I beg, a passing word; Nicht um einen kurzen Blick bitte ich, ein flüchtiges Wort 3,2 But as Thou dwellst with thy disciples, Lord, sondern so, wie Du bei deinen Jüngern verweilst, Herr, 3,3 Familiar, condescending, patient, free, vertraut, geruhend, ruhig, frei, 3,4 Come not to sojourn, but abide with me. komm nicht nur kurz vorbei, sondern bleib (für immer) bei mir! 4,1 Come not in terrors as the King of Kings, Komm nicht mit Schrecken als der König der Könige 4,2 But kind and good, with healing in thy wings, sondern freundlich und gut, mit Heilung in deinen Schwingen, 4,3 Tears for all woes, a heart for every plea - Tränen für alles Leid, ein Herz für jede Bitte - 4,4 Come, Friend of sinners, and thus bide with me. Komm, Freund der Sünder, und bleib deshalb bei mir. 5,1 Thou on my head in early youth didst smile; In der Vorstellung meiner frühen Jugend hast Du gelächelt 5,2 And, though rebellious and perverse meanwhile, und obwohl (ich) inzwischen widerspenstig und verstockt (geworden bin) 5,3 Thou hast not left me, oft as I left thee, hast Du mich nicht verlassen, wie ich dich oft verließ; 5,4 On to the close,O Lord, abide with me! Auf dem Weg zum Ende, o Herr, bleib bei mir! 6,1 3,1 I need Thy presence every passing hour. Ich brauche Deine Gegenwart jede vergehende Stunde. 6,2 3,2 What but Thy grace can foil the tempter’s power? Was außer Deiner Gnade könnte des Versuchers Macht durchkreuzen? 6,3 3,3 Who like Thyself my guide and stay can be? Wer außer Dir könnte mein Führer und Halt sein? 6,4 3,4 Through cloud and sunshine, Lord, abide with me. Durch Wolken und Sonnenschein, Herr, bleib bei mir. 7,1 4,1 I fear no foe with Thee at hand to bless, Ich fürchte kein Leid, wenn ich Dich an der Hand als Segen habe, 7,2 4,2 Ills have no weight, and tears no bitterness, Krankheiten haben kein Gewicht, Tränen keine Bitterkeit. 7,3 4,3 Where is death sting? Where grave thy victory? Wo ist des Todes Stachel? Wo des Grabes Sieg? 7,4 4,4 I triumph still if Thou abide with me. Ich triumphiere, solange Du bei mir bist. 8,1 5,1 Hold Thou Thy Cross before my closing eyes, Halt mir Dein Kreuz vor, wenn meine Augen sich schließen. 8,2 5,2 Shine through the gloom, and point me to the skies. Leuchte durch die Dunkelheit und zeige mir den Himmel. 8,3 5,3 Heaven’s morning breaks, and earth’s vain shadows flee Des Himmels Morgen bricht an und der Erde nichtige Schatten fliehen, 8,4 5,4 In life, in death, O Lord, abide with me 795 im Leben, im Tod, O Herr, bleib bei mir. 795 Fünfstrophiger englischer Originaltext aus: *HAM 27. Alle acht Strophen sind dokumentiert in: B RADLEY : The Penguin Book of Hymns, 11. <?page no="246"?> 232 Die Kritiker der Viktorianischen Hymnen beklagten im Allgemeinen die Innigkeit und Subjektivität solcher Lieder. Nicht zuletzt deswegen wurde dafür plädiert, Abide with me allenfalls zu Beerdigungen singen zu lassen, es keinesfalls jedoch für gottesdienstliche Versammlungen wie z.B. den Evensong, 796 das anglikanische Abendgebet, zu verwenden. 797 Bis heute ist Abide with me eines der am häufigsten für ein Begräbnis, aber auch für den Evensong ausgewählten Hymnen im anglikanischen Raum. 798 Vor allem in der jüngeren Vergangenheit wurden am englischen Original immer wieder Textglättungen vorgenommen, um die veraltete Sprache verständlicher zu gestalten. Dies ging jedoch stets auf Kosten des inhaltlichen Bilderreichtums. 799 1) Inhaltliche Divergenzen Die Übertragung W ERNERS folgt der fünfstrophigen englischen Vorlage in wesentlichen Zügen. An einigen Stellen wurden wohl primär aus Übersetzungsgründen kleinere inhaltliche Veränderungen vorgenommen. Der dichterischen Brillanz kann die deutsche Version W ERNERS nicht ganz folgen. So fällt beispielsweise der Chiasmus in 1,1f. in der Übertragung aus. In 3,2 wird die Gnade (grace) des Herrn zur Waffe gegen die Macht des Versuchers. Hier wird anders als in der deutschen Übertragung, in der das Nahesein Jesu Christi an die Stelle der Barmherzigkeit tritt, stärker auf die paulinische Kontradiktion von Gnade und Gesetz (Röm 5,12-18; 1 Kor 15,51-57) Bezug genommen. Die Macht der Sünde liegt im Gesetz und dieses wird durch die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes überboten. Die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten machen es im Englischen möglich, die Führung durch Gottes Hand (geführt von deiner Hand; 4,1) als Segen zu beschreiben (with thee at hand to bless; 4,1). In 4,3 wird direkt die für den Hymnus zentrale Stelle des ersten Petrusbriefes zitiert: Where is death sting? Where grave thy victory? Schließlich wird die Auferstehung von den Toten unmittelbarer beschrieben. Nicht der Beter geht zum Herrn, wie es die W ERNER -Fassung sagt, sondern es wird darum gebeten, dass der Herr dem Sterbenden 796 Beim Evensong handelt es sich um das Abendgebet der Anglikanischen Kirche. Er verfügt über eine artifizielle Struktur, die sich im Wesentlichen durch die Zusammenführung von römischer Vesper und Komplet ergibt; bis heute enthält der Ritus z.B. zwei Vater unser und sowohl das Magnificat als auch das Nunc dimittis. Vgl. The order for Evening Prayer daily throughout the year. In: The Book of Common Prayer and Administrations of the Sacraments according to the use of The Church of England. Cambridge 2003 [Standard Edition], 16-26. 797 Vgl. J ULIAN , J OHN : A Dictionary of Hymnology, o. O. 2 1907, 7; B RADLEY , Abide with me, 200. 798 Vgl. ebd., 232. 240f. 799 Anstoß wird vor allem an den veralteten Artikelformen Thee oder Thy genommen, die teilweise auch heute noch in liturgischen Texten gebraucht werden, in der Alltagssprache jedoch keine Verwendung mehr finden. Zur Kritik an liturgiesprachlichen Modernisierungsversuchen siehe B RADLEY , I AN : The campaign for real hymns. In: The Daily Telegraph [London] 16. October 1990. <?page no="247"?> 233 den Himmel zeigen, ihn darauf ausrichten möge, wo der ewige Morgen für den Verstorbenen anbricht. Die englische Fassung sieht, wie es für einen Hymnus des Evensong üblich ist, ein Amen nach der fünften Strophe vor und bestätigt somit seinen anakletischen und deprekativen Charakter. 800 2) Die ursprünglichen Strophen 3, 4 und 5 des englischen Originals Auch wenn die ursprünglichen Strophen drei bis fünf nicht in die deutsche Rezeption eingegangen sind, soll wenigstens ein kurzer Blick auf die Themen dieser Strophen geworfen werden. In der dritten Strophe wird darum gebeten, die Gegenwart Christi möge nicht nur in einem flüchtigen Blick oder in Worten (3,1) spürbar werden. Christus soll dauerhaft bei dem ICH bleiben, ebenso wie er im Geist dauerhaft bei seinen Jüngern verweilt ist, auch nachdem er ihren Blicken enthoben worden war. Diese pneumatische Präsenz zeigt bei den Emmaus-Jüngern ihre Wirkung: But as Thou dwellst with thy disciples, Lord,/ Familiar, condescending, patient, free (3,2f.): „Wer den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu ihm. Wenn Christus in euch ist, dann ist zwar der Leib tot aufgrund der Sünde, der Geist aber ist Leben aufgrund der Gerechtigkeit. Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt. Wir sind also nicht dem Fleisch verpflichtet, Brüder, so dass wir nach dem Fleisch leben müssten. Wenn ihr nach dem Fleisch lebt, müsst ihr sterben; wenn ihr aber durch den Geist die (sündigen) Taten des Leibes tötet, werdet ihr leben. Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes. Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr euch immer noch fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater! So bezeugt der Geist selber unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden.“ (Röm 8,9-17) Durch den Geist Gottes sind die Gläubigen zu Erben Christi geworden. Im Hinblick auf die nahende Todesstunde bedeutet diese Hoffnungsbotschaft, dass, wenn das ICH ebenso wie Christus den Tod erleidet, es auch mit Christus auferstehen wird. Die vierte Strophe zieht zwei weitere biblische Bilder der Präsenz heran: Christus soll nicht als endzeitlicher Richter (Offb 17,14; 19,16) zu dem ICH kommen, sondern als Freund der Sünder (Mt 11,19; Lk 7,34). Die hier geschilderte Antinomie von Gericht und Erlösung (Kings of Kings (4,1) vs. Friend of sinners (4,4)) beschäftigt das ICH am Ende des eigenen Lebens, in der Hoffnung, dass Christus sich ihm als Sünder auch erbarmen wird (Tears for all woes, a heart for every plea 4,3). In der fünften Strophe wird schließlich die Bundestreue JHWHs zu seinem Volk Israel herangezogen (vgl. Jes 57,17 u.ö.), um die ungebrochene Zuwen- 800 Vgl. z.B. die Druckfassung in *HAM. <?page no="248"?> 234 dung Christi im Leben des ICH zu beschreiben. Gleich wie widerspenstig (rebellious 5,2), treulos (oft as I left Thee 5,3) und verhärtet (perverse 5,2) es im Laufe seiner Entwicklung geworden sein mochte, Christus ist stets an seiner Seite geblieben, ebenso wie JHWH immer treu zu Israel steht. Im Wesentlichen werden also in den drei zusätzlichen Strophen mit Hilfe unterschiedlicher biblischer Bilder drei verschiedene Weisen des Bleibens Christi dargelegt und im Hinblick auf das bevorstehende Lebensende des ICH gedeutet (On to the close, O Lord, abide with me! 5,4). Durch Auslassung dieser Textteile sowohl im Englischen wie im Deutschen wurde dem Lied möglicherweise eine längere Rezeptionsgeschichte beschert, zum einen weil sich die verwendeten Bilder nicht leicht dechiffrieren lassen und zum anderen, weil in diesen drei Strophen das Thema ‚Tod’ herausgehoben wird. Allerdings würde sich auch die achtstrophige, ursprünglich Version als Abendlied eignen: Durch die biblischen Bezügen schließen die drei Strophen mit ihren Motiven ‚Tod’ und ‚Gericht’ an die Themen der Komplet des BR an. d Wort-Ton-Verhältnis Ein Qualitätsmerkmal populärer Viktorianischer Hymnen liegt in ihrem ausgefeilten Wort-Ton-Verhältnis, das sich nicht nur auf die erste Strophe beschränkt. 801 Die Qualität der deutschen Übertragung muss sich also auch diesem Kriterium stellen. Der Quintsprung in halben Noten Takt 2/ 3, der durch Erreichen der Klimax c’’ überboten wird, betont im Englischen fast falls (1,1), ebbs out (2,1), -sense every (3,1), Thee at (4,1) und before (5,1). In der deutschen Übertragung gelingt die Betonung bedeutsamer Textteile an dieser Stelle nicht so gut; in den ersten drei Strophen wird etwa durch den halben Notenwert immer das Sem -der betont, entweder als Silbe oder als Artikel. In 4,1 entsteht durch die Weise eine sinnwidrige Betonung des Wortes geführt. Im Englischen wird in den Takten drei und vier das Fallen der Dunkelheit lautmalerisch durch die Abwärtsbewegung c’’ b’ b’ as’ g’ hörbar; das unmittelbarer erscheinende der Abend bricht herein (1,1) steht der Weise zwar nicht entgegen, wirkt aber für die Melodieführung etwas zu stark. In der zweiten Strophe wird durch dieselbe Abwärtsbewegung das Verebben des Tages (ebbs out life’s little day 2,1) bzw. das Vergehen des Lebens (das Leben weicht 2,1) nachgezeichnet. In der dritten Strophe scheint der deutsche Text (dein Nahesein 3,1) eher durch die Weise betont zu werden als der englische (passing hour, 3,1). Mit ein wenig Phantasie ließe sich das Motiv im englischen Original in der vierten Strophe als Auflegen der Hände Gottes explizieren; in der Übertragung könnte es sowohl das Leid oder auch die Zuversichtlichkeit ausdeuten. Schließlich wird in der fünften Strophe das Schließen der 801 Vgl. B RADLEY , Abide with me, 165f. <?page no="249"?> 235 Augenlider (closing eyes 5,1) bzw. das Sterben (mein Auge bricht 5,1) versinnbildlicht. In Takt 6 werden durch die zum zweiten Mal erklingende Klimax c’’ in jeder Textfassung zentrale Bestandteile unterstrichen: dee-(pens) Nacht (1,2), dim, (ver)-glimmt (2,2); grace, (Ver)-such-(ers) (3,2); weight, kei-(ner) (4,2) sowie gloom und (Todes)-dun-(kel) (5,2). Diese Emphasen sind insofern zentral, weil sie einen markanten Spannungsbogen einleiten. In den folgenden Takten (7/ 8) baut sich eine aufwärts strebende spannungsteigernde Bewegung in Ganzton- und Halbtonschritt auf. Vor allem durch den durch Auflösung des Vorzeichens entstehenden Halbtonschritt und der Grundspannung des Quinttons b wird eine gewisse Dramatik erzeugt, die im Englischen wie Deutschen zentrale Textpassagen betont. Die durch die Aufwärtsbewegung zum Quintton eingeleitete Zäsur am Ende der zweiten Phrase kann in jeder Strophe eine neue Deutung erfahren: Während sich in der ersten Strophe des Originals das Flehen des ICH um Gegenwart Gottes artikuliert (Lord, with me abide 1,2), wird in der zweiten Strophe das Vergehen des weltlichen Ruhmes nachgeahmt (glories pass away 2,2). In der dritten Strophe erhält die Macht des Versuchers durch die Quinte etwas Bedrohliches (tempter’s power 3,2); die Bitterkeit, die Tränen sonst haben (tears no bitterness; Trübsal Bitterkeit 4,2), wird in der vierten Strophe in beiden Versionen musikalisch symbolisiert. Die Kraft des englischen Textes, realisiert durch die musikalische Aufnahme des Beters in den Himmel (point me to the skies 5, 2), kann vom deutschen Text nicht geleistet werden. Dennoch erhält die Bitte bleibe du mein Licht eine besondere Intensität. Fast ebenso gelungen setzt sich die Korrelation von Wort und Weise in Takt 10 fort, worin der Quintsprung in halben Noten aus Takt 3 wiederholt wird, jedoch die Quinte und nicht die Klimax c’’ zum Spitzenton der dritten Phrase wird. Die emphatische Abwärtsbewegung in Sekundschritten und Halbtönen in den Takten 15/ 16 betont in beiden Fassungen die Bitte um die Präsenz des Herrn und zeichnet so auch musikalisch die Lösung für die zuvor artikulierten Schwierigkeiten des ICH nach. e Die Übertragung von R AHE und R INGSEISEN Vor allem in neu erscheinenden Liederbüchern wird nicht die Übertragung von W ERNER abgedruckt, sondern die von F RANZ J OSEPH R AHE und P AUL R INGSEISEN . Ihre Verbreitung wird u.a. durch die von R INGSEISEN zusammengestellten Feiern der Tagzeiten in *Morgenlob - Abendlob. Mit der Gemeinde feiern gefördert. Die erste Strophe geht auf R AHE zurück, die beiden anderen wurden von R INGSEISEN übertragen. 1,1 Bleib bei uns, Herr, die Sonne gehet nieder, 1,2 in dieser Nacht sei du uns Trost und Licht. 1,3 Bleib bei uns, Herr, du Hoffnung, Weg und Leben, 1,4 lass du uns nicht allein, Herr Jesu Christ. 2,1 Bleib bei uns, Herr, der Abend kehret wieder, 2,2 ein Tag voll Müh und Plag hat sich geneigt. <?page no="250"?> 236 2,3 Bleib bei uns, Herr, die Nacht senkt sich hernieder. 2,4 Lass leuchten über uns dein Angesicht. 3,1 Bleib bei uns, Herr, im Dunkel unsrer Sorgen. 3,2 Du bist das Licht, das niemals mehr erlischt. 3,3 Bleib bei uns, Herr, bei dir sind wir geborgen 3,4 Führ uns durchs Dunkel, bis der Tag anbricht. 802 Dieses Lied reduziert die Aussagen der englischen Version auf drei Strophen. Im Gegensatz zu der Übertragung W ERNERS diente der anglikanische Hymnus lediglich als Motivsteinbruch und nicht als Übersetzungsvorlage. Statt eines ICH wendet sich ein WIR an den HERRN; das Lied sollte damit wohl für die gottesdienstliche Feier in Gemeinschaft tauglich gemacht werden. Der wesentliche Unterschied besteht in der thematischen Auslassung von Vergänglichkeit, Sünde und Tod. Die Vergänglichkeit der Welt ist in die Mühe des vergangenen Arbeitstages (2,2) transformiert. Gegenüber der gläubigen Gewissheit von der Erlösung im Angesicht des Todes erscheint hier die Bitte um Präsenz im Dunkel unsrer Sorgen (3,1) fast banal. Das Stück endet nicht mit einem eschatologischen Ausblick, sondern bezieht sich ganz allgemein auf den kommenden Morgen (bis der Tag anbricht 3,4). Innerhalb der von R INGSEISEN entworfenen Feier der Tagzeitenliturgie für die Gemeinde wird diese Übertragung als Schlusslied eines Abendlobes vorgeschlagen. 803 Daraus wird ersichtlich, welche Metamorphose Abide with me in Bleib bei uns, Herr vollzogen hat: Aus einem abendlichen Sterbelied bzw. aus einem memento mori ist ein Segenslied geworden. Das, was den Kern von Abide with me ausmacht, ist hier reduziert auf Geborgenheit und die Bitte um Präsenz Gottes als Schutz und Segen, was sich ausdrücklich dem Zitat des Aaronitischen Segens (Num 6,25) in 2,4 entnehmen lässt. Gegenüber dem englischen Original hat Bleib bei uns, Herr an theologischer Schärfe und Klarheit verloren. f Der Abend im Kontext von Lied und Liturgie Der Abend wird als Zeit der Dunkelheit im Lied Bleib bei mir, Herr zum Sinnbild für negativ konnotierte bzw. negativ erlebte Dinge: Vergänglichkeit, Versuchung durch die Sünde, Tod. Alles menschliche Dasein strebt letztlich dem Tod zu. Damit wird der Abend vor allem in seinen kontrastiven und limitativen Eigenschaften wahrgenommen. So wie im allabendlichen memento mori der Commendatio animae der römischen Komplet eine Einübung in das Sterben erfolgt, wird im Lied anhand des Abends und seiner Symbolik die Endlichkeit des eigenen Lebens vor Augen geführt. Der Abend erhält ei- 802 Quelle: *Gemeinsam unterwegs 14. 803 Vgl. [Amt für Kirchenmusik im Ordinariat des Erzbistums München und Freising; Fakultät für Religionspädagogik und Kirchliche Bildungsarbeit der Katholischen Universität Eichstätt (Hgg.)]: Morgenlob-Abendlob. Mit der Gemeinde feiern. Bd. I: Fastenzeit - Osterzeit. Gemeindebuch, 167; Bd. III: Feste und Anlässe im Kirchenjahr. Gemeindebuch, 325. <?page no="251"?> 237 ne teleologische Funktion; er dient im Lied einer täglichen Vorbereitung auf die einstige Überschreitung der Todesgrenze. In Versuchung und Sündenanfälligkeit des Menschen, für die die Dunkelheit des Abends im Lied auch steht, kommt, wie auch schon bei Hüll mich ganz in deine Ruhe ein, die dichotomische Eigenschaft des Abends zum Ausdruck: gegen die dunkelhafte Anfechtung durch den Versucher hilft lediglich das Licht Christi. Sowohl das Lied als auch das Rituselement der Commendatio wollen den Menschen in zweifacher Hinsicht sichern: (1) indem sie durch die tägliche Antizipation des eigenen Todes auf denselben vorbereiten und ihm so seinen Schrecken nehmen, und (2) falls dieser in dieser Nacht eintreten sollte, sich Gott zu übereignen, um im Übergang vom Leben in den Tod gesichert zu sein. <?page no="252"?> 238 11 Nun trägt der Abendwind den Tag 1,1 Nun trägt der Abendwind den Tag 1,2 mit seiner Last von Licht und Schatten 1,3 hinweg mit schwerem Flügelschlag 2,1 und legt ihn ab in Gottes Zeit, 2,2 der ihn von dem Gewicht der Erde 2,3 mit liebevoller Hand befreit. 3,1 Sieh nun den Tag, wie schnell verweht! 3,2 Wo ist das Licht, wo sind die Schatten? 3,3 Ein Dank, ein Seufzer im Gebet - 4,1 dann kommt die Nacht - der Tag ist nun 4,2 schon lang gelegt in Gottes Hände, 4,3 wo Tage, Jahre, Zeiten ruhn. Der Text zu vorliegendem Lied stammt von K URT R OSE (1908-1999), der in der Schweiz als Schriftsteller bekannt geworden ist. 1987 entstand neben dem Text auch die oben abgedruckte Weise von H ERBERT B EUERLE . In einer Liedsammlung wurde das Stück erstmalig publiziert in *Fröhlicher Vogel Hoffnung; 804 dort allerdings mit einer Weise von W OLFGANG T EICHMANN , die in allen in der letzten Zeit neuerstellten größeren Kirchengesangbüchern unberücksichtigt geblieben ist. 805 Wort und Weise entsprechen hier der Darstellung von *RG 608. 806 804 Eine erste Veröffentlichung erfolgte zusammen mit einer Deutung des Textautors in R OSE , K URT : Die gesellige Gottheit singen. In: NSK 6 (1991) 23-25. Der Text findet sich zuerst in: *Da war die Nacht 48. 805 T EICHMANN verfasste ein für alle Strophen individuell durchkomponiertes Stück. Die letzte Strophe, die er durch betont lange Pausen von den übrigen absetzt, konzipierte er als Wiederholung. Vgl. *Fröhlicher Vogel Hoffnung 117. 806 Außerdem ist es noch unter *KG 688 und *CG 328 zu finden. In *EM ist das Lied in zwei Doppelstrophen gedruckt (Nr. 639), wohl um dem Satzbau und der inhaltlichen Zweiteilung des Stückes Rechnung zu tragen. Vgl. hierzu auch S TEFAN , H ANS -J ÜRG : Nun trägt der Abendwind den Tag. In: ÖLK 4 (2005). <?page no="253"?> 239 a Formale Analyse Zunächst sollen wiederum die formalen Strukturen des Liedes erörtert werden. 1) Grammatikalische Struktur Die grammatikalische Struktur des Textes stellt sich folgendermaßen dar: Subjekt Prädikat Adverbiale Bestimmung Objekt Objektattribute 1,1 Abendwind trägt nun Tag 1,2 mit seiner Last von Licht und Schatten 1,3 hinweg mit schwerem Flügelschlag 2,1 legt ab in Gottes Zeit ihn (Tag) 2,2 der (Gott) befreit ihn (Tag) vom Gewicht der Erde 2,3 mit liebevoller Hand 3,1 Sieh nun wie schnell verweht Tag 3,2 Licht Schatten ist / sind 3,3 Dank Seufzer im Gebet 4,1 Nacht kommt dann 4,2 Tag ist gelegt nun schon lang in Gottes Hände 4,3 ruhn wo (Gottes Hände) Tage Jahre Zeiten Es werden vornehmlich Verben der 3. Pers. Indikativ Präsens verwendet. Ausnahmen bilden ein Imperativ Singular in 3,1 sieh und ein Indikativ Plural sind in 3,2. Zweimal findet sich ein Passiv: (1) in defekter Form, weil auf ein Modalverb verzichtet wird, bei verweht (3,1), (2) im Zustandspassiv in ist gelegt (4,2). Bis auf kommt in 4,1 werden nur transitive Verben gebraucht. Die häufige Verwendung von Verben der Bewegung verleiht dem Text Dynamik. Diese wird unterstrichen durch die bildliche Anreicherung der Prädikate mittels adverbialer Bestimmungen. Handlungsträger, d.h. Subjekte des Stückes sind Abendwind (1,1), Gott (2,1.2) und Nacht. (4,1). Tag ist ausschließlich Referenzobjekt, wenn man von 4,2 absieht. Dank und Seufzer in 3,3 können im weiteren Sinne auch als Subjekte benannt werden, durch die defekte Satzstruktur ist ihre Funktion allerdings nicht unmittelbar erkennbar. Die adverbialen Bestimmungen charakterisieren vor allem die temporale Dimension der Verben. Auffällig ist die dreimalige Verwendung der Zeitangabe nun am Anfang, in der Mitte und gegen Ende des Liedes (1,1; 3,1; 4,1). 2) Syntaktische Struktur Der Liedtext besteht aus vier Strophen à drei Zeilen, die in einem Klammerreim aba miteinander verbunden sind. Das Versmaß ist ein jambischer Vier- <?page no="254"?> 240 heber; der zweite Vers trägt eine weibliche Kadenz. Die äußerlich schlichte Struktur des Textes birgt syntaktisch größere Komplexität: Insgesamt sechs Sätze bzw. satzähnliche Strukturen verteilen sich unregelmäßig auf seine vier Strophen: Satz 1a Satz 1b Satz 1c Nun trägt der Abendwind den Tag / mit seiner Last von Licht und Schatten / hinweg mit schwerem Flügelschlag und legt ihn ab in Gottes Zeit,/ der ihn von dem Gewicht der Erde / mit liebevoller Hand befreit./ Satz 2 Sieh nun der Tag, wie schnell verweht! / Satz 3a Satz 3b Wo ist das Licht, wo sind die Schatten? / Satz 4 Ein Dank, ein Seufzer im Gebet -/ Satz 5 dann kommt die Nacht - Satz 6a Satz 6b der Tag ist nun / schon lang gelegt in Gottes Hände,/ wo Tage, Jahre, Zeiten ruhn. Der erste aus zwei Hauptsätzen und einem Relativsatz bestehende Satz nimmt die ersten beiden Strophen ein und bildet so ein Enjambement. Die Sätze 2 und 3, ein Ausruf und ein Fragesatz, finden im ersten Teil der dritten Strophe Platz. Die vierte satzähnliche Struktur enthält keine Verben; dadurch wird der Eindruck von assoziativen, schnell vonstatten gehenden Handlungen erweckt. Diese erfahren ihren unmittelbaren Abschluss durch die kommende Nacht, von der Satz 5 spricht. Der fünfte Satz (4,1) verbindet durch Gedankenstriche die Sätze 4 und 6. Der sechste Satz (4,2f.) wird durch einen Haupt- und einen Relativsatz (4,3) konstruiert. Insgesamt machen die Sätze 4, 5, und 6 einen defekten Eindruck: Obwohl sie eine Sinneinheit bilden, beginnt ein vollständiger Satz erst nach der Parenthese - dann kommt die Nacht. Bemerkenswert ist das Verhältnis von Syntax und Semantik des Textes: Die anfängliche Ruhe und Getragenheit, die durch die scheinbare Verlängerung der Strophe 1 in die zweite Strophe hinein verstärkt wird, ist in Str. 3,1 gestört. Plötzlich sind die Sätze stark verkürzt, fast wie Gedankenfetzen wird syntaktisch verdeutlicht, wie schnell der Tag verweht ist (3; 4,1): Wo ist das Licht, wo sind die Schatten? ein Dank, ein Seufzer im Gebet. - Dann kommt die Nacht - Das Ruhelose und Assoziative findet schließlich seinen Ruhepunkt in der kommenden Nacht. Mit einem Haupt- und einem Relativsatz endet das Lied. Thematisch-syntaktisch zeigt sich eine Parallele zwischen den ersten beiden Strophen und den letzten beiden Strophen: 1,1 Abendwind / Last von Licht und Schatten 2,1 Gottes Zeit / 2,3 Hand 3,1 Tag verweht / Wo sind Licht und Schatten? 4,2 Gottes Hände / Tage, Jahre, Zeiten Während die dritte Strophe die Aussage der ersten infrage stellt bzw. ins Negative kehrt, wirkt die vierte Strophe im Verhältnis zur zweiten bestätigend. Durch den parallelen Aufbau der Strophen zwei und vier durchwebt <?page no="255"?> 241 die göttliche Zeit gewissermaßen das Lied und qualifiziert es dadurch selbst als eine solche. Hier wird mit einem minimalen Aufwand an lexikalischen Mitteln gearbeitet, um auf die zentralen Phänomene am Abend aufmerksam zu machen: Naturerscheinung, Beschäftigung mit der eigenen Vergänglichkeit, Reflexion des zurückliegenden Tages, Gott als Herr der Zeiten, Geborgenheit und Schutz. Schon der syntaktische Aufbau zeigt, dass eine Strophe schwerlich für sich genommen sprechen kann; das Lied wirkt nur als Ganzes und kann nur als Ganzes seinen Inhalt vermitteln. Die verwendete Sprache des Liedtextes ist gehoben, sie kann als poetisch bezeichnet werden; ihr Grundaffekt ist melancholisch, was durch seine Bildsprache, z. B. Last von Licht (1,2), hervorgerufen wird. Als weitere sprachliche Stilmittel werden Alliterationen bzw. Assonanzen (Last von Licht (1,2); Schatten schwerem (Flügel-)schlag (1,2+1,3)) eingesetzt. Es dominieren helle und lange Vokale - i, e und a. Dadurch wird dem Lied Helligkeit und Ruhe verliehen. Durch die Absenz vokalisch dunkel gefärbter Lexeme fallen das dreimalige nun sowie das ruhn am Ende des Liedes 4,3 auf. 3) Musikalische Struktur Unter musikologischen Gesichtspunkten erscheint die Weise - hier in hypodorisch auf a notiert - 807 in drei Phrasen. Es fällt zunächst der schwebende, aufwärts strebende Charakter auf, der dadurch entsteht, dass der Grundton a nicht als Basston notiert ist. Die erste Phrase umspielt den Grundton a, die zweite vollzieht eine Abwärtsbewegung in Sekundschritten, die letzte schwingt sich dann nochmals nach oben, überbietet den Spitzenton der ersten und zweiten, um dann auf dem Grundton zur Ruhe zu kommen. Der Ambitus einer Oktave (d’-d’’) wird in kleinen Einheiten erklommen - es dominieren Sekunden und kleine Terzen -, was ebenfalls zu einem schwebenden Klangbild führt. Der ruhige Fluss der Melodie entsteht durch die vorwiegenden Viertelnoten; lediglich am Ende einer Liedzeile wird, entsprechend dem natürlichen Sprechrhythmus, der Fluss verlangsamt durch eine (punktierte) Halbe. „Dank der in idealer Weise zum Text gefügten drei Melodiezeilen schafft das Zeitlied“, so H ANS -J ÜRG S TEFAN , „Raum zum Innehalten und Loslassen.“ 808 b Inhaltlich-Semantische Analyse Zerlegt man den Text in seine Isotopieebenen, so zeigen sich folgende Bereiche: 807 R EICH präsentiert das Lied in h-moll-Notation; vgl. R EICH , C HRISTA : Ein neues Lied ... aus Deutschland: Nun trägt der Abendwind den Tag in: MuK 73 (2003) H. 3, 250. 808 S TEFAN , H ANS -J ÜRG : Nun trägt der Abendwind den Tag. In: IAH Bulletin 30 (2004) 189- 193. 193, ebenso in: D ERS .: Nun trägt der Abendwind den Tag. In: ÖLK 4 (2005). <?page no="256"?> 242 Zeit Aerodynamik Gewicht Glaube 1,1 Abend(-wind) Tag nun (Abend-) wind trägt 1,2 Last (Licht + Schatten) 1,3 Flügelschlag schwerem (Flügelschlag) 2,1 ihn (Tag) Gottes Zeit legt Gottes (Zeit) 2,2 ihn (Tag) Gewicht (der Erde) 2,3 befreit mit liebevoller Hand 3,1 Tag nun schnell verweht 3,2 3,3 Seufzer Dank Gebet 4,1 Nacht Tag nun kommt 4,2 schon lange Gottes (Hände) 4,3 Tage Jahre, Zeiten 1) Isotopie ‚Aerodynamik’ Das Wortfeld ‚Aerodynamik’ wird in zweifacher Hinsicht qualifiziert, nämlich durch die Gruppe der Substantive (Abendwind (1,1), Flügelschlag (1,3) und Seufzer (3,3)) und vier bzw. fünf Verben der Bewegung (trägt hinweg (1,1.3), legt ab (2,1), verweht (3,1), kommt (4,1) und befreit (2,3)). (1) Die Substantive verweisen auf einen Bewegungsvorgang, genauer gesagt auf eine Bewegung von Luft. Unter Abendwind kann der von Westen oder aber am Abend aufkommende Wind verstanden werden. Das Lexem Flügelschlag charakterisiert den Abendwind und ruft Assoziationen eines großen Vogels hervor. Hier finden sich Anklänge an das Danklied des David, das er angesichts seiner Errettung vor den Feinden anstimmt (2 Sam 22; vgl. Ps 18). Dort heißt es im 11. Vers: Er fuhr auf dem Kerub und flog daher; er schwebte auf den Flügeln des Windes. Die beflügelten Kerubim sind Gottes Gefährt, daher mag verkürzt das Bild des beflügelten Windes stammen. In Ps 104,3 heißt es ähnlich: „Du verankerst die Balken deiner Wohnung im Wasser./ Du nimmst dir die Wolken zum Wagen, du fährst einher auf den Flügeln des Sturmes.“ Biblisch sind die Flügel des Windes Gottes Gefährt. Gott erscheint im Wind, er wird wahrnehmbar im Wind, er teilt sich im Wind mit, egal ob dieser brausend oder säuselnd daher kommt. 809 Durch ein Selbstzeugnis des 809 1 Kön 19,12. Die EÜ liefert an dieser Stelle das gewünschte Bild. Tatsächlich würde eine genauere Übersetzung am Schluss der Beschreibung der Theophanie des Elija lauten: „Und nach dem Erdbeben: Feuer. Aber: im Feuer war JHWH nicht. Und nach dem Feuer: eine Stimme: Verstummen und Schweigen.“ K ATECHETISCHES I NSTITUT DES B IS - TUMS T RIER (Hg.): … bis Elija kommt. Erzählungen, Lieder und Gebete aus dem Alten <?page no="257"?> 243 Verfassers wissen wir, dass ihn der allabendlich an der Küste zu beobachtende Aufflug von Vögeln zu diesem Bild beflügelt hat. 810 Unter einem Seufzer versteht man ein oft unbewusstes, hörbares, schweres Ein- und Ausatmen, bei dem sich der Organismus entspannt und die Hals- und Kehlkopfmuskulatur gelockert wird. 811 Abendwind und Seufzer sind stofflich aufeinander bezogen und stehen in ihrer Funktion sowie in ihrer Wirkung in engem Zusammenhang: Beide implizieren eine Bewegung von Luft, beide führen zu einer Entlastung, beide führen zu einer Art Erleichterung. Zudem beziehen sie sich je auf ein aus Religion und Glauben gespeistes Element. Abendwind - Gott Seufzer - Gebet Der Abendwind führt den Tag zur Vollendung, er bringt ihn zu Gott, der die Entlastung von der Tageslast herbeiführt. Der Seufzer bewirkt als physisch-psychische Reaktion unmittelbar die Empfindung von Erleichterung, letztlich ist es aber das Gebet, im Kontext dieses Liedes als Dankgebet mit tagesreflexiven Anteilen charakterisierbar, das zur Erleichterung führt. Darüber hinaus erinnert die enge Relation beider Lexeme an die Bildsprache der Bibel: Im Alten und Neuen Testament wird - im Hebräischen wie auch im Griechischen - dasselbe Wort für Wind wie für Atem / Seufzer ( x; Wr bzw. pneu,ma ) verwendet. 812 Der Wind ist zudem Sinnbild des göttlichen Lebensodems, der vor Beginn der Welt auf den Wassern ruhte (Gen 1,2), der dem Menschen eingehaucht wurde (Gen 2,7) und der die toten Gebeine zu neuem Leben erwecken soll (Ez 17,9). 813 Im NT wird er deswegen nicht zuletzt mit dem lebensschaffenden Heiligen Geist in Verbindung gebracht (Joh 3,8; 6,63). In konzentrierter Testament, der Bibel Israels. Übers. v. H EINZ -G ÜNTHER S CHÖTTLER zus. m. F RANZ W. N IEHL (Lesehefte für den Religionsunterricht 3) Trier 1997, 50. In deutschen altertümlichen Darstellungen wird der ‚beflügelte Wind’ sowohl als Engel als auch als Vogel illustriert. Vgl. Art. „Wind 1 “. In: DWG 30 (1960) 230-266. 235f. 810 Vgl. S TEFAN , Nun trägt der Abendwind den Tag, 190f. 811 Vgl. Art. „seufzen“, in: DUDEN, 1395. Seufzen kann Ausdruck der Erleichterung sein, aber auch des Wehmuts, der Klage, des Kummers, oder der Resignation. 812 Die christliche Ikonographie stellt die Seele u.a. als Vogel bzw. Schmetterling dar. Diese schon in altorientalischer Zeit verbreitete Darstellung leitet sich von der Vorstellung der Seele als Lufthauch ab. (Vgl. C UMONT , F RANZ : Recherches sur le symbolisme funéraire des Romains, Paris 1942; B OUSSET , D. W ILHELM : Die Himmelreise der Seele, in: ARW 4 (1901) 136-169; W EICKER , G EORG : Der Seelenvogel in der alten Literatur und Kunst, Leipzig 1902.) Die Seele in Gestalt der Taube symbolisiert im Anschluss an Hld 5 bzw. Ps 55, 7 die reine Seele (Vgl. C OURCELLE , P IERRE : Art. „Flügel (Flug) der Seele I“. In: RAC VIII (1972) 29-65, hier 48.50); K EMP , W OLFGANG : Art. „Seele“. In: LCI IV (1972) 138-142, bes. 141f; allgemein und grundlegend zum Begriff der Seele siehe: D IHLE , A LBERT / J ACOB , E DMOND / L OHSE , E DUARD / S CHWEIZER , E DUARD / T RÖGER , K ARL -W OLFGANG : Art. „ yuch, “. In: ThWNT Bd. IX (1973) 604-661. 813 Das drückt sich auch in unserem heutigen Sprachgebrauch aus, wenn wir die Redewendung „von Luft leben“ verwenden. Luft wird mit festem nahrungsspendendem Stoff assoziiert. vgl. Art. „Wind 1 “. In: DWG 30 (1960) 230-266, bes. 255. <?page no="258"?> 244 Form finden sich die Gaben des Heiligen Geistes in dem Pfingst-Hymnus Veni Creator Spiritus wieder: 1 Veni, Creator spiritus Komm, heilger Geist, der Leben schafft mentes tuorum visita: erfülle uns mit deiner Kraft imple superna gratia, Dein Schöpferwort rief uns zum Sein: quae tu creasti pectora. Nun hauch uns Gottes Odem ein. 2 Qui diceris Paracletus, Komm, Tröster, der die Herzen lenkt donum Dei altissimi, du Beistand, den der Vater schenkt, fons vivus, ignis, caritas aus dir strömt Leben, Licht und Glut, et spiritalis unctio. du gibst uns Schwachen Kraft und Mut 3 Tu septiformis munere, Dich sendet Gottes Allmacht aus dexterae Dei tu digitus, im Feuer und im Sturmes Braus; tu rite promissum Patris du öffnest uns den stummen Mund sermone ditans guttura. und machst der Welt die Wahrheit kund. 4 Accende lumen sensibus, Entflamme Sinne und Gemüt, infunde amorem cordibus, dass Liebe unser Herz durchglüht infirma nostri corporis und unser schwaches Fleisch und Blut virtute firmans perpeti. in deiner Kraft das Gute tut. 5 Hostem repellas longius Die Macht des Bösen banne weit, pacemque dones protinus; schenk deinen Frieden allezeit. ductore sic te praevio Erhalte uns auf rechter Bahn, vitemus omne noxium. dass Unheil uns nicht schaden kann. 6 per te sciamus da patrem Lass gläubig uns den Vater sehn, noscamus atque Filium, sein Ebenbild, den Sohn, verstehn te utriusque Spiritum und dir vertraun, der uns durchdringt credamus omni tempore. Amen. und uns das Leben Gottes bringt. Amen. 814 Im Anschluss an den altkirchlichen Hymnus ist der im Lied als Wind beschriebene Geist Ausdruck des Lebens und des göttlichen Trostes und Schutzes. Der Geist „öffnet uns den stummen Mund“, er tritt für uns mit seinem Seufzen ein, wie es im Römerbrief heißt: Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, daß wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden. Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld. So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können. (Röm 8,22-26) Das Stöhnen der Welt unter Geburtswehen erklingt geradezu symphonisch zusammen mit dem Seufzen des Geistes, der, wo die Worte fehlen, an unserer Statt das Gebet formuliert. 815 (2) Zum anderen werden Verben gebraucht, die im weitesten Sinn als Verben der Bewegung bezeichnet werden können: trägt hinweg (1,1.3), legt ab (2,1), verweht (3,1) und kommt (4,1). Der in ihnen beschriebene Vorgang ver- 814 Liber Hymnarius, 90f.; Ü: GL 241. 815 Vgl. auch S TEFAN , H ANS -J ÜRG : Nun trägt der Abendwind den Tag. In: ÖLK 4 (2005). <?page no="259"?> 245 ändert den Zustand des Objektes und seinen Ort. Daher kann das Lexem befreit (2,3) im weitesten Sinne auch hier eingeordnet werden. Im Gegensatz zu den eher positiv bzw. neutral gestimmten Bedeutungen von Substantiven und Verben klingt in verweht Negatives an: Der vergangene Tag wird zugedeckt, unkenntlich gemacht, er ist nicht mehr wieder zu finden. In der biblischen Tradition steht der Wind auch als Sinnbild für das Vergängliche und Unbeständige (vgl. Hiob 7,7; Koh 5,15). In dieser Beschreibung der Vergänglichkeit klingt die zweite Isotopieebene an, die der Zeit. 2) Isotopie ‚Zeit’ Das zentrale Referenzobjekt des Liedes ist der Tag (1,1; 3,1; 4,1; im Plural: 4,3; durch Relativpronomen: 2,1 und 2,2). 816 Als Zeitelemente werden darüber hinaus implizit der Abend (1,1) und explizit die Nacht (4,1), makrostrukturell Tage, Jahre und Zeiten (4,3) benannt. Abend und Nacht sind im Vergleich zum Tag positiver konnotiert: Während der Tag durch Schweres und Leichtes, Helles und Dunkles zur Last wird, besitzt die Nacht rekreative Funktion. Der Abendwind, als Pars pro toto für den Abend verstanden, ist Zeit der Erleichterung. Der Abend(-wind) ist gewissermaßen Überbringer des Tages in die Nacht hinein. Das Lexem nun bezeichnet einen vom Sprecher als gegenwärtig gesetzten Zeitpunkt. 817 Somit wird der im Lied besungene Tag als der konkret vom Singenden gelebte Tag qualifiziert. Gleichzeitig verschränkt sich die Isotopie Zeit des Liedes mit der Aufführungsdauer des Liedes. Dadurch öffnet sich temporal gesehen eine weitere Ebene: die des menschlichen Lebensendes. Das Aufgehen des vergangenen Tages in Gottes Zeit (2,1), in der Tage, Jahre, Zeiten ruhn (4,3), verweist auf das Lebensende: der Tag wird so zum Synonym für das menschliche Leben, die Nacht zum Bild für den Tod, der Lebensabend zur Schwelle vom einen zum anderen. Das Bild vom Verwehen des gelebten Tages transportiert auch das Bewusstsein der Vergänglichkeit und Endlichkeit des eigenen menschlichen Lebens. 818 So wird in mehrfacher Hinsicht die Lebenszeit des Ausführenden im Lied in den Blick genommen: der selbst erlebte Tag, die Aufführungsdauer des Liedes und das eigene Lebensende. All diese Ausformungen der Zeit gehören nach Aussage des Liedes in Gottes Zeit, denn sein ist der Tag und sein ist die Nacht (vgl. Ps 73 816 Tag - wird vom Abendwind getragen - hat Licht und Schatten - wird in Gottes Zeit abgelegt - wird vom Gewicht der Erde befreit - ist in Gottes Hände gelegt 817 Vgl. Art. „nun“. In: DUDEN 1088. 818 Unsere Alltagssprache kennt die Wendung, in der die Zeit „totgeschlagen“ wird; damit soll Langeweile ausgedrückt werden. Darin zeigt sich z.B. wie eng Gedanken an das Lebensende mit der Reflexion über die Zeit verknüpft sind. Nach Beendigung dieses Liedes werden wir unserem Tod ein Stück näher gekommen sein. Man könnte dieses Stück also auch als eine Art Einübung in die eigene Sterblichkeit - als ars moriendi - begreifen. <?page no="260"?> 246 (74)). 819 Von ihr wird in der prominenten Bachkantate, im Actus tragicus gesagt, dass sie die ‚allerbeste Zeit’ sei: 820 2a Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit. In ihm leben, weben und sind wir, solange er will. In ihm sterben wir zur rechten Zeit, wenn er will. 821 2b Ach, Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. 822 2c Bestelle dein Haus; denn du wirst sterben und nicht lebendig bleiben. 823 2d Es ist der alte Bund: Mensch, du musst sterben! Ja, komm, Herr Jesu, komm! 824 3a In deine Hände befehl ich meinen Geist; du hast mich erlöset, Herr, du getreuer Gott. 825 3b Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Mit Fried und Freud ich fahr dahin in Gottes Willen, Getrost ist mir mein Herz und Sinn, sanft und stille. Wie Gott mir verheißen hat: Der Tod ist mein Schlaf geworden. 826 4 Glorie, Lob, Ehr und Herrlichkeit sei dir, Gott Vater und Sohn bereit, Dem heilgen Geist mit Namen! Die göttlich Kraft mach uns sieghaft Durch Jesum Christum, Amen. 827 Das menschliche Leben ist endlich, wie es die Kantate im Anschluss zu Ps 90 verdeutlicht (2b). Weil wir in Gott erlöst sind, sind Vergänglichkeit und Tod lediglich einem Schlaf gleich (3b). Die Schlusssequenz unseres Abendliedes macht deutlich, dass bei aller Vergänglichkeit die irdische Zeit nicht in ein Nichts hinein vergeht, sondern sie bei Gott aufgehoben ist, wie jegliche gelebte Zeit. Alle Zeit der Welt ist in der göttlichen Ewigkeit geborgen. Diese Doppeldeutigkeit vom Abend eines Ta- 819 Es wird, im Gegensatz zur Tradition, kein Unterschied gemacht zwischen der dem Menschen zukommenden Zeit und Gottes Ewigkeit. Zeit ist an sich begrenzt. Sie besitzt einen Anfangs- und einen Endpunkt. Im eigentlichen Sinn bedeutet sie eine Aufeinanderfolge von Augenblicken, von Tagen oder Jahren. Im Gegensatz dazu wird unter Ewigkeit die Unendlichkeit der Zeit begriffen. 820 BWV 106: Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit; Actus Tragicus, geschrieben am 14. August 1707 anlässlich einer Trauerfeier. Besetzung: Soli: AB, Chor: SATB, Flauto I/ II, Viola da gamba I/ II, Continuo. 821 Vgl. Apg 17,28.: „Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir, wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben: Wir sind von seiner Art.“ 822 Ps 90,12: „Uns’re Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz.“ 823 Jes 38,1: „In jenen Tagen wurde Hiskija schwer krank und war dem Tod nahe. Der Prophet Jesaja, der Sohn des Amoz, kam zu ihm und sagte: So spricht der Herr: Bestell dein Haus; denn du wirst sterben, du wirst nicht am Leben bleiben.“ 824 Jes Sir 14,17: „Wir alle werden alt wie ein Kleid; es ist ein ewiges Gesetz: Alles muss sterben.“; Offb 22,20: „Er, der dies bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald. - Amen. Komm, Herr Jesus! “; außerdem mit dem instrumentalen Choral Ich hab mein Sach Gott heimgestellt von J OHANN L EON (1582/ 1589) unterlegt. 825 Ps 31,6: In deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott. 826 Lk 23,43: Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein; sowie der erste Vers aus dem das Nunc dimittis adaptierenden Mit Fried und Freud ich fahr dahin von M ARTIN L UTHER (1524); s. Wackernagel, I,205 und III, 25. 827 Vgl. den 4. Vers von In dich hab ich gehoffet, Herr von A DAM R EUSNER (1533), s. Wackernagel, III, 170. <?page no="261"?> 247 ges und dem Abend der Welt war von K URT R OSE bei der Produktion seines Liedes durchaus beabsichtigt gewesen. 828 Eine lexikalische Irritation tut sich am Übergang von 4,1 zu 4,2 auf: Das temporale Adverb nun sperrt sich gegen die folgenden Lexeme schon lang: Entweder ist es der gegenwärtige Zeitpunkt, jetzt, in dem der Tag in Gottes Zeit gelegt wird, oder es ist schon lange her, dass er dorthin versetzt worden ist. 829 Möglicherweise soll hier angedeutet werden, dass der vergangene Tag schon immer Zeit Gottes gewesen ist und jetzt als solche wieder in sie eingeht. Dies legt den Gedanken des geliehenen Tages nahe, der am Ende wieder Gott zurückgegeben wird. 830 Handlungsträger des ersten Satzes ist der Abendwind (1,1), der den Tag trägt und ihn in Gottes Zeit ablegt. Darin verdeutlicht sich die Verknüpfung der Isotopien von Zeit und Luftbewegung. Der Abendwind gibt als Pars pro toto für die Abendzeit gleichzeitig Auskunft über die Funktion des Abends im Gefüge der Zeit: am Abend wird die Zeit als gottgegebene und gottgeschützte Zeit offenbar. Der Abendwind hat übertragende Funktion, der Abend ist ein Übergang vom Tag zur Nacht. 3) Isotopie ‚Gewicht’ Die Isotopie Gewicht ergibt sich durch die Lexeme Last (1,2), schwerer (Flügelschlag) (1,4) und Gewicht (2,2). Die durch den Abendwind zu befördernde Last konstituiert sich durch Licht und Schatten (1,2) des Tages. Das Transportgut lässt sich im wörtlich gemeinten Sinne in seiner Schwere nicht durch Wiegen messen; es steht vielmehr für auf der Erde positiv und negativ Erlebtes. Bemerkenswert ist, dass sowohl das Lichtreiche, Schöne wie auch das Schattenreiche, Dunkel des Tages als belastend gesehen wird. „Leben“ erscheint hier an sich als schwer oder schwierig. Dieser Eindruck wird erweckt durch das Gewicht der Erde (2,2), die Lebensraum ist und von deren Schwere der Tag befreit wird (2,3). Der schwere Flügelschlag unterstreicht zum einen den Ballast des zu Befördernden und verbildlicht zum anderen die Mattheit am Ende eines Arbeitstages. Da die diese Isotopie bildenden Lexeme nur in der ersten Hälfte des Liedes auftauchen, liegt der Gedanke nahe, dass während des Vollzuges des Liedes die besungene Entlastung erfolgt. 4) Isotopie ‚Glaube’ Die Isotopie Glaube wird durch folgende Lexeme hergestellt: Gottes (Zeit) (2,1), der (Gott) (2,2), mit liebevoller Hand (2,3), Dank (3,3), Gebet (3,3) und Gottes (Hände) (4,2). Das Lied durchzieht ein positives, anthropomorphes Gottesbild: Gott ist der Zeitengeber (2,1) und -verwahrer (4,3), und er befreit von Last, dem Gewicht der Erde (2,2). Seine Hand befreit liebevoll (2,3), d.h. mit großer Sorgfalt und 828 R OSE , Die gesellige Gottheit singen, 23-25. 829 Vgl. ebd. sowie Art. „schon“. In: DUDEN, 1348f. 830 Vgl. hierzu den Exkurs: Commendatio animae I D 10 b 3) c). <?page no="262"?> 248 Fürsorge. Als Ewiger kennt Gott selbst keine temporale Begrenzung. Gottes Zeit ist vielmehr die Ewigkeit, in der alle Erdenzeit aufgeht. Als unendlicher Gott ist er Urheber der Zeiten. Ihm gehört daher die Sorge um die irdische Zeit. Ihm ist die Zeit des gelebten Tages zu überlassen und somit anzuvertrauen. Dank und Gebet (3,3) wird als das letzte Tun am Tag beschrieben, - dann kommt die Nacht. Im dankenden Gedenken lässt der singende Mensch den Tag Revue passieren und erfährt nochmals Last, Bedrückung und schließlich Erleichterung. Als Subtext tut sich zwischen den Zeilen des Liedes Hld 4,6 auf: „Wenn der Tag verweht und die Schatten wachsen, will ich zum Myrrhenberg gehen, zum Weihrauchhügel.“ In der zeitlichen Struktur (Abend; ~AYëh; x; Wp’Y"v, ) ) und der stofflichen Bezogenheit (Weihrauch; hn")AbL. ) dieses Verses, der im Zusammenhang des dritten Beschreibungsliedes des Geliebten über die Geliebte im Lied der Lieder zu finden ist, scheint auch Psalm 141,2 anzuklingen. c Der Subtext der Melodie Wenn auch die Weise des Abendliedes zunächst schlicht anmuten will, so werden doch durch die Interpolation musikalischer Zitate die Isotopien ,Zeit’, ‚Glaube’ und ‚Aerodynamik’ ausgedeutet und abermals theologisch gefüllt. Die erste Phrase der Liedmelodie ist in gewisser Hinsicht ein Doppelzitat. Zunächst führt uns die Eingangszeile der Weise in die Zeit der Reformation, denn sie bildet Note für Note die Eingangsphrase des Chorals Verleih uns Frieden gnädiglich 831 von M ARTIN L UTHER ab: 831 T: M ARTIN L UTHER 1529 nach Da pacem, Domine; M: Einsiedeln 12. Jh./ Wittenberg 1529. Abdruck von Text und Melodie gemäß: DKL III, Bd. 1/ 2 I, D1A, 45. <?page no="263"?> 249 In dem in Stollen-Stollen-Abgesang gebetteten Text des Chorals werden zwei Grundaussagen miteinander verbunden: Einleitend wird um Frieden für die gegenwärtige Welt (zu unseren Zeiten) gebeten; dieser möge von Gott erstritten werden. Gott wird hier als der Anwalt der Menschen gesehen, der für sie streitet und für sie in den Kampf zieht. Die alte Lutherübersetzung macht verschiedentlich dieses Verhältnis Gottes zu den Menschen sprachlich deutlich: „Und Josua gebot ihnen zu derselben Zeit und sprach: Deine Augen haben gesehen alles, was der HERR, euer Gott, diesen Königen getan hat. Also wird der HERR auch allen Königreichen tun, da du hin ziehst. Fürchtet euch nicht vor ihnen; denn der HERR, euer Gott, streitet für euch.“ (Dtn 3,21f.) 832 Textlich folgt L UTHER eng der Antiphon Da pacem, Domine (in diebus nostris, quia non est alius qui pugnet pro nobis, nisi tu Deus noster), die an die Schriftworte aus 2 Makk 1,4 (adaperiat cor vestrum in lege sua et in praeceptis eius et faciat pacem), Sir 50,23 (et iteravit orationem suam volens ostendere virtutem Dei) und Ex 14,14 (Dominus pugnabit pro vobis et vos tacebitis) angelehnt ist. Sie dient im Monat Oktober, in dem als Lesung der Tagzeitenliturgie die Makkabäer-Bücher vorgesehen sind, als Antiphon zum Magnificat. 833 L UTHER hatte sich allerdings in diesem Fall scheinbar bewusst gegen eine Übernahme der Hymnenmelodie von Da pacem Domine entschieden. Statt ihrer wählt er eine bekannte und häufig mit dem Adventshymnus Veni Redemptor gentium verbundene. Sein Text wird einschließlich der in seiner weiteren Überlieferung ausgefallenen ersten Strophe (Intende, qui regis Israel…) zum Bestand der von A MBROSIUS VON M AILAND geschaffenen Hymnen gezählt, 834 seine für unseren Vergleichsfall maßgebliche Vertonung reicht zurück in das 12. Jahrhundert: 835 832 Siehe außerdem: „Als nun die Morgenwache kam, schaute der HERR auf der Ägypter Heer aus der Feuersäule und Wolke und machte einen Schrecken in ihrem Heer und stieß die Räder von ihren Wagen, stürzte sie mit Ungestüm. Da sprachen die Ägypter: Lasst uns fliehen von Israel; der HERR streitet für sie wider die Ägypter.“ (Ex 14,24f.) „Der HERR hat vor euch vertrieben große und mächtige Völker, und niemand hat euch widerstanden bis auf diesen Tag. Euer einer jagt tausend; denn der HERR, euer Gott, streitet für euch, wie er euch geredet hat.“ (Jos 23, 9f.) 833 Vgl. H ESBERT , R ENÉ -J EAN (Hg.): Corpus antiphonalium officii. (Rerum ecclesiasticarum documenta. Series maior). 6 Bde. Rom 1963-1979; M ARBACH , C ARL : Carmina scripturam. Antiphonas et Responsoria. [Augsburg 1907] Repr. Hildesheim 1963, 374; P RASSL , K ARL : Das Mittelalter. In: C HRISTIAN M ÖLLER (Hg.): Kirchenlied und Gesangbuch. Quellen zu ihrer Geschichte. (MHS 1) Tübingen 2000, 29-68. 41-43. 834 Vgl. K URZ , G EBHARD : Intende qui regis Israel. In: A NSGAR F RANZ (Hg.): Kirchenlied im Kirchenjahr. Fünfzig neue und alte Lieder zu den christlichen Festen. Tübingen 2002, 3-27. 4. Im Kern des Hymnus (Str. 3-6) stehen die (theologischen) Fragen der Jungfrauengeburt und der Wesensgleichheit von Gott Vater und Gott Sohn. Gerahmt wird dieses Zentrum von gebetsartigen Strophen, in denen um das Kommen des Erlösers gebeten wird. Der Hymnus schließt, abgesehen von der sekundär hinzugefügten Doxologiestrophe, mit einer Weihnachtsszene. Es steht außer Frage, dass sich A MBROSIUS in seinem Hymnus mit den theologischen Auseinandsetzungen des Arianismus befasst - in der siebten Strophe bezieht er sich ganz ausdrücklich auf die Streitfrage der Wesens- <?page no="264"?> 250 L UTHER entscheidet sich vermutlich nicht grundlos für diese Weise; er tut dies wohl, um deutlich zu machen, dass eben Christus, der Redemptor, derjenige ist (es ist doch hie kein ander nicht), durch den Gott für uns Menschen gegen Sünde und Tod für den Frieden streitet. Die Wahl der Melodie gibt dem Choral also seine besondere reformatorische Note. 836 Die musikalische Dimension unseres Abendliedes erstreckt sich somit vom Mittelalter (Veni redemptor gentium) über die Zeit der Reformation (Verleih uns Frieden gnädiglich) bis hin zur Gegenwart (Nun trägt der Abendwind den Tag). Neben diesem zeitlichen spannt sich auch noch ein theologischer Bogen: Das Abendlied steht, daran erinnert uns seine Weise, in der Spannung zwischen dem ersten und dem zweiten Adventus Dei. Die Ruhe eines Abends, verbildlicht in der psalmodieartigen Weise des Liedes, weist auf den durch Christus für uns erstrittenen Frieden hin. R OSES Lied antizipiert aber auch, in seiner Vollzugsdauer und in der bildhaften Übergabe des vergangenen Tags in die Zeit Gottes, das Ende der Zeit, wenn der Menschensohn einst wiederkehren wird. d Verschränkung vesperaler und kompletorischer Themen Im Liedtext R OSES werden verschiedene Motive aus vesperalen und kompletorischen Abendriten kompiliert und in ihrem Aussagegehalt partiell transformiert: gleichheit Christi mit dem Vater (Aequalis aeterno Patri); vgl. M ARTI , Intende, qui regis Israel. 835 Die Notation entstammt dem Liber Hymnarius: cum invitatoriis & aliquibus responsoriis. In: Antiphonale Romanum, secundum liturgiam horarium ordinemque cantus officii dispositum a solesmensibus monachis praeperatum. Bd. 2. Solesmes 1983, 11. Zur Abhängigkeit der Weisen vgl. DKL III, Bd. 1: Die Melodien bis 1570, Teil 2: Melodien aus mehrstimmigen Sammelwerken, Agenden und Gesangbüchern I, D 1 A, 45. Dazu gesellt sich eine Adaption L UTHERS , die er auf der Grundlage des Adventshymnus verfasste: Nv kom der Heiden Heiland Vgl. ebd. D1B, 45f. Für die Vertonung dieser eingedeutschten Version wurden größere Veränderungen vorgenommen. Vgl. M ARTI , A NDREAS : Veni redemptor gentium: Komm, du Heiland aller Welt (KG 307); Nun komm, der Heiden Heiland (RG 358). In: ÖLK 2 (2003). 836 Vgl. M ARTI , A NDREAS : Verleih uns Frieden gnädiglich. In: ÖLK 2 (2003). <?page no="265"?> 251 Liedtext Grundmotiv Liturgische Anknüpfung 1,1 1,3 2,1 4,1 4,2 Nun trägt der Abendwind den Tag hinweg mit schwerem Flügelschlag und legt ihn ab in Gottes Zeit dann kommt die Nacht - der Tag ist nun schon lang gelegt in Gottes Hände Verhältnis von Zeit und Ewigkeit; Übergang Abendopfer 3,1 Sieh nun den Tag, wie schnell verweht! Vergänglichkeit; Tod; Nacht römische Komplet Responsorium, Canticum 4,3 wo Tage, Jahre, Zeiten ruhn Eschatologie römische Komplet Responsorium, Canticum 3,2 3,3 Wo ist das Licht, wo sind die Schatten? Ein Dank, ein Seufzer im Gebet - Tagesreflexion; Psychohygiene römische Komplet 4,2 schon lang gelegt in Gottes Hände Commendatio diei Commendatio animae der römischen Komplet, Nachtgebet Luthers 2,2 2,3 4,1f. der ihn von dem Gewicht der Erde mit liebevoller Hand befreit. der Tag ist nun schon lang gelegt in Gottes Hände Bergung benediktinische Komplet Pss 4. 91; Hymnus Christe qui lux 1,2 3,2 mit seiner Last von Licht und Schatten Wo ist das Licht, wo sind die Schatten? Kontrast hell - dunkel Luzernarium Die Schwellenfunktion des Abends als Übergang vom Tag in die Nacht impliziert eine Verbindung zu den Themen und Motiven des sacrificium vespertinum. In der (Er-)lösung von dem Gewicht der Erde, von dem den Menschen Belastenden, spiegelt sich in der Ferne die expiatorische Funktion des Ps 141, sowie Schulderkenntnis, -bekenntnis und Vergebungsbitte, denen eine Reflexion des Tages vorausgeht (Wo ist das Licht, wo sind die Schatten? (3,2); ein Dank, ein Seufzer im Gebet 3,3). Im Zentrum des Liedes klingt das memento mori an, denn der Tag ist so schnell verweht (3,1). Das Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit wird jedoch nicht in einer Rückgabe der eigenen Seele analog zum Responsorium der römischen Komplet umgesetzt, sondern in der Rückgabe der Zeit. Die Einübung in das eigene Sterben schließt hier allerdings nicht an die Heilsgeschichte an, sondern wird schöpfungstheologisch begründet. So wie die durch den Beter gelebten Tage ein um den anderen schnell vorübergehen, geht ein jeder Tag der Erdenzeit zu Ende. Die Zeit der Schöpfung geht in der Ewigkeit des Schöpfers auf (wo Tage, Jahre, Zeiten ruhn (4,3)). Außerdem durchzieht die Verse die Schutzthematik aus den Psalmen und dem Hymnus der benediktinischen Komplet (liebevolle Hand (2,3); gelegt in Gottes Hände (4,2)). Es zeigt sich auch eine Nähe zum Komplet-Hymnus Christe, qui lux es et dies, und zum Bild der Commendatio animae. Man könnte schließlich darüber hinaus in dem Kontrast von Licht und Schatten (1,2; 3,2) eine Parallele zum Luzernarium sehen. Aus all <?page no="266"?> 252 diesen Verweisen erklärt sich, warum in neuen Modellen Nun trägt der Abendwind den Tag als moderner Komplet-Hymnus vorgeschlagen wird. 837 Im Grunde vollzieht sich in diesem Stück selbst schon ein Nachtgebet. e Der Abend im Kontext des Liedes Das Lied illustriert markant die Übergangsfunktion des Abends vom Tag zur Nacht. Indem der Abend selbst in einen Transitus eintritt, er genau genommen während der Länge dieses Liedes in Gottes Zeit überführt wird, wird er sozusagen selbst nochmals transformiert. In der Übergabe nicht nur des Abends, sondern aller Zeit in Gottes Hände vollzieht sich eine Commendatio temporis: Der Abend wird somit zum Sinnbild der Transzendenz aller Zeit. Durch den Transitus des Abends erfährt die Zeit eine Überhöhung bzw. Auflösung in die Ewigkeit hinein. Ähnliches konnten wir schon im ersten erörterten Lied Der Tag, mein Gott ist nun vergangen ausmachen: Dort wird durch Entkräftung der naturgegebenen Rhythmen im unablässigen Gebet die Zeit aufgehoben. In dem hier vorliegenden Fall werden das Lied und ihr Rezipient der irdischen Zeit enthoben, indem der Abend nicht nur einen Zeitpunkt für Übergang, Wechsel und Veränderung von Mensch und Natur bildet, sondern der Abend selbst einen Veränderungsprozess durchmacht. Zeitliche und heilsgeschichtliche Dimensionen werden auf diese Weise im Lied miteinander verschränkt; das Ziel der irdischen Zeit besteht in der „Fülle der Zeit“, der Ewigkeit. In der Rückgabe des Abends dorthin, wo „Tage, Jahre, Zeiten ruhn“ wird die Grenze, die zwischen Zeit und Ewigkeit besteht, überschritten. Das selbsterklärte Ziel des Liedes ist die Ruhe der Zeit bei Gott. Allabendlich erhält der Mensch so gewissermaßen einen „Vorgeschmack“ auf die Ewigkeit durch die Ruhe, die der Abend mit sich bringt. Durch das Aufgehen des Abends in der göttlichen Zeit verweist das Tagesende auch auf den Abend des Lebens bzw. den Abend der Welt, an dem für den Menschen bzw. für alles Seiende die Kontingenz der Zeit in der Ewigkeit aufgehoben sein wird. 837 Vgl. NSK 1/ 94, 9 und 4/ 95, 13. In der Konzeption von *Morgenlob - Abendlob. Mit der Gemeinde feiern wurde dieses Juwel leider übersehen. <?page no="267"?> 253 12 Schnell eilt der Tag dem Abend zu 1,1 Schnell eilt der Tag dem Abend zu 1,2 und wir spüren die Kürze der Zeit. 1,3 Wir nutzen den Tag, doch die Stunden vergehn, 1,4 unvollendet bleibt all unser Tun. 2,1 Sind wir auch nur ein kleines Rad 2,2 in dem großen Getriebe der Welt: 2,3 Wir werden gebraucht. Jeder Tag ist ein Ruf, 2,4 der uns fordert zu sinnvollem Tun. 3,1 Schnell eilt der Tag dem Abend zu, 3,2 der Besinnung und Ruhe uns bringt. 3,3 Wir denken zurück und wir sehen nach vorn 3,4 voller Hoffnung für unsere Welt. Allen bekannten Angaben nach wurde dieses Lied in Wort und Weise 1970 von K LAUS B IEHL verfasst. Beide Liederbücher, die es als Abendlied vorschlagen, nennen keinen konkreten Veröffentlichungsort. 838 Thematisch befasst sich das Stück mit der am Abend realisierten Erfahrung der (zu) schnell vergehenden Zeit. Ihretwegen muss das eigene Tun, das im Verhältnis zum Nutzen für die singende Gemeinschaft WIR betrachtet wird, unvollkommen bleiben. Diese Erkenntnis ist Teil der zu dieser Tageszeit verorteten Tagesreflexion. Das Lied kommt, so ist zumindest der erste Eindruck, ohne einen religiösen oder göttlichen Bezug aus. 838 *Liedertruhe 24; In *Hoffnung ist da (Nr. 276) werden nur die ersten beiden Strophen angegeben. <?page no="268"?> 254 a Formale Analyse Die Gestalt des Liedes ist von äußerster Schlichtheit. Im Bau der Sätze überwiegen einfache Satzkonstruktionen mit einigen wenigen konzessiven oder relativen Nebensätzen (1,3; 2,4; 3,2). Am Liedende (3,3f.) ist ein Enjambement auszumachen. Die Strophen, drei an der Zahl, sind reimlos und ohne erkennbares Metrum gebaut. Das einzige poetische Stilmittel zeigt sich darin, dass die je vier Zeilen in jeder Strophe über dieselbe Silbenhäufigkeit (8/ 9/ 11/ 9) verfügen. Der Prosatext ist in reiner Gegenwartssprache verfasst und verfügt insgesamt über eine geringe lexemische Varianz. In ihrer Mollprägung (e-Moll) und rhythmischen Anlage eines dreiviertel Takts erinnert die Melodie an Arbeitslieder. Das Wort-Ton-Verhältnis ist streng syllabisch gehalten, wodurch Zeitnot und Hetze nachgeahmt werden. Im abfallenden, gebrochenen e-Mollakkord am Beginn untermalt die Weise das Eilen des Tages zu seinem Ende. b Inhaltlich-Semantische Analyse Sowohl Sender als auch Empfänger des Liedes vereinen sich in dem WIR. Eine Gruppe, die sich als Arbeits- oder Tatgemeinschaft versteht (Str. 2), singt sich das Lied zu. Die Aussagen, die in Bezug auf die Gemeinschaft getroffen werden, wirken, da Adressat und Adressant identisch sind, wie ein Credo oder eine Einschwörung auf gemeinsame Ideale. Die in Relation zu den Konkreta relativ hohe Anzahl verwendeter Abstrakta legt ebenfalls nahe, dass hier eine Ideologie vermittelt werden soll. 839 So deuten Lexeme wie Rad (2,1), Getriebe oder Welt (2,2) auf ein bestimmtes Sozialgefüge hin, das dem Lied als Leitbild dient. Individuelle Züge gibt es in dem Lied nicht oder nur mittelbar in den Forderungen an die Gemeinschaft. Der Einzelne scheint ganz in der Gruppe aufzugehen. Diese wird im Wesentlichen durch zwei Eigenschaften konstituiert: erstens durch das gemeinsame Zeitempfinden und ihre Kontingenz und zweitens durch die sinnvolle Gestaltung des Tages, also durch die Arbeit zum Wohle der Gemeinschaft. Zeit(not) Arbeit 1,1 Schnell eilt der Tag dem Abend zu 1,2 und wir spüren die Kürze der Zeit. 1,3 doch die Stunden vergehn, Wir nutzen den Tag, 1,4 unvollendet bleibt all unser Tun. 2,3 Jeder Tag ist ein Ruf, Wir werden gebraucht. 2,4 der uns fordert zu sinnvollem Tun. 3,1 Schnell eilt der Tag dem Abend zu, Beide Isotopien, ‚Zeit’ und ‚Arbeit’, stehen in einem engen Verhältnis zueinander: Wegen der dahinfliegenden Zeit ist es nicht möglich, die Arbeit zu vollenden. Das eigene Tun bleibt unvollkommen, Stückwerk (Wir nutzen den Tag, doch die Stunden vergehn, unvollendet bleibt all unser Tun. 1,3f.). Bei allem 839 Vgl. F RANK , Wie interpretiere ich ein Gedicht? , 43. <?page no="269"?> 255 Leistungswillen, der sich hinter der zweiten Strophe offenbart, muss das WIR dennoch zu der Erkenntnis kommen, dass das gemeinschaftliche Werk unvollkommen bleibt und damit letztlich auch das eigene Sein kontingent ist. Diese Begrenztheit zeigt sich neben der Endlichkeit des menschlichen Lebens auch in der Kontingenz des Einzelnen im Verhältnis zur Gemeinschaft (sind wir auch nur ein kleines Rad im großen Getriebe der Welt 2,1f.). Jeder Mensch ist wichtig, wird gebraucht, solange er bereit ist, seine gesamte Kraft zum Wohle der Gemeinschaft einzusetzen und im großen Getriebe seine Rolle auszufüllen. Die Gemeinschaft vermittelt einen fordernden Anspruch, der an die Leistungsbereitschaft des einzelnen appelliert (Jeder Tag ist ein Ruf, der uns fordert zu sinnvollem Tun. 2,3f.). Die Abendzeit gebietet der fliehenden Zeit und der Arbeit Einhalt, weil sie Rekreation und Tagesreflexion ermöglicht (Schnell eilt der Tag dem Abend zu, der Besinnung und Ruhe uns bringt. 3,1f.). Die Strophen 1 und 3 sind antithetisch zueinander gebaut: Beide setzen mit demselben Grundgedanken ein, entfalten ihn aber auf unterschiedliche Weise. V 1. Strophe V 3. Strophe 1 Schnell eilt der Tag dem Abend zu 1 Schnell eilt der Tag dem Abend zu, 2 und wir spüren die Kürze der Zeit. 2 der Besinnung und Ruhe uns bringt. 3 Wir nutzen den Tag, doch die Stunden vergehn, 3 Wir denken zurück und wir sehen nach vorn 4 unvollendet bleibt all unser Tun. 4 voller Hoffnung für unsere Welt. Der Zeitnot (1,2) werden Ruhe und Besinnung (3,2) gegenübergestellt, die sinnvolle Gestaltung des Tages (1,3) steht der Reflexion und Hoffnungsbekundung in 3,3 gegenüber. Während die erste Strophe mit dem Eindruck der Unzulänglichkeit menschlichen Tuns schließt, scheint diese Endlichkeit in der letzten Strophe vergessen zu sein, wenn in die Zukunft der Weltgemeinschaft geblickt wird (und wir sehen nach vorn voller Hoffnung für diese Welt 3,3f.). Das Lexem Hoffnung stellt einen Fremdkörper dar, weil aus dem, was das Lied beschreibt, ihr Grund nicht unmittelbar abzulesen ist; der einzige inhaltliche Bezug kann zum Funktionieren des Einzelnen für die Gemeinschaft hergestellt werden. So entsteht der Eindruck, dass die Sprecher des Liedes die Vergänglichkeit und schnell vergehende Zeit beklommen zur Kenntnis nehmen. Außerdem wird von der Bedeutungslosigkeit des Individuums geredet, dessen Wert lediglich darin besteht, das große Getriebe in Gang zu halten. Der Einzelne ist in einer Maschinerie gefangen und fühlt sich jeden Tag aufs Neue dazu getrieben (2,3f.), maximale Leistung zu erbringen. Es bleibt der Eindruck, dass das Lied in seinem Inhalt hoffnungslos bleiben würde, käme die Hoffnung nicht als Vokabel zum Zuge. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach dem christlichen bzw. religiösen Bezug und dem geistlichen Wert des Liedes. Es wird auf keinen Gott oder keine göttliche Person rekurriert, weder als direkt Angeredeter noch in der dritten Person. Es ist auch kein Gebetsbezug erkennbar, noch eine direkte Anlehnung an einen Gedanken der Schrift. Allerdings lässt die <?page no="270"?> 256 Erfahrung der entfliehenden Zeit (1,1f./ 3,1) an das Klagelied des 90. Psalms denken; in dessen VV 10-17 heißt es: 10 „Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, sind es achtzig. Das Beste daran ist nur Mühsal und Beschwer, rasch geht es vorbei, wir fliegen dahin. 11 Wer kennt die Gewalt deines Zornes und fürchtet sich vor deinem Grimm? 12 Uns’re Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz. 13 Herr, wende dich uns doch endlich zu! Hab Mitleid mit deinen Knechten! 14 Sättige uns am Morgen mit deiner Huld! Dann wollen wir jubeln und uns freuen all unsre Tage. 15 Erfreue uns so viele Tage, wie du uns gebeugt hast, so viele Jahre, wie wir Unglück erlitten. 16 Zeig deinen Knechten deine Taten und ihren Kindern deine erhabene Macht. 17 Es komme über uns die Güte des Herrn, unsres Gottes./ Lass das Werk unsrer Hände gedeihen, ja, lass gedeihen das Werk unsrer Hände! “ Vor allem der 10. Vers steht in inhaltlicher Nähe zur Isotopie ‚Zeit’. Das Menschenleben bemisst im Verhältnis zur Ewigkeit Gottes nur eine kurze Dauer. In der Sorge um das tägliche Brot ist es so, als flöge die Zeit nur so dahin. Kaum ist es Tag, wird es schon Abend. Lied und Psalm unterscheiden sich allerdings deutlich in ihrer Auffassung vom Wert menschlicher Arbeit: Während der Psalm diese negativ als Mühsal und Beschwer skizziert, huldigt das Lied der Arbeit als sinnvollem Tun. Trotz des Fehlens offensichtlicher christlicher Bezüge kann man, ohne dem Lied Gewalt anzutun, von der letzten Strophe ausgehend Hinweise auf typisch christliche Handlungsmuster finden: Besinnung und Ruhe (3,2) erinnern an die Bitte um Rekreation in der Komplet, wir denken zurück (3,3) an Tagesreflexion und Gewissenserforschung. Bleibt man bei den Deutungsversuchen in den Topoi des christlichen Abend- und Nachtgebets, dann lässt sich aus der Schlusszeile sehen nach vorn voller Hoffnung für diese Welt ein eschatologischer Ausblick vernehmen. Die Hoffnung stünde dann hier als Metapher für Jesus Christus, der der Grund der christlichen Hoffnung ist und der am Ende der Zeit die Welt zur Vollendung führen wird. All das, was im irdischen Leben Stückwerk bleiben muss, findet in den letzten Tagen durch ihn Vervollkommnung. c Kontextuelle Deutung Die politische Herkunft verhilft zu einem vertieften Verständnis des Liedes und erklärt, weshalb es in einem kryptischen Bekenntnis verbleibt. K LAUS B IEHL war als Evangelischer Pfarrer für die Schausteller in der DDR tätig, als <?page no="271"?> 257 er das Lied verfasste. 840 Die Publikation christlichen Liedguts war, bis auf durch das Regime gewährte Ausnahmen, in der DDR untersagt. 841 So ist es angesichts des sozialistischen Hintergrundes nicht verwunderlich, dass ein direkter Gottesbezug bzw. eine thematisch christliche Färbung fehlt. Die christliche Botschaft kommt verkleidet in einem Arbeitslied zu ihren Hörern. Die Hoffnung fungiert hierbei als Codewort der Christen im real existierenden Sozialismus. In der DDR war die Gruppe der bekennenden und aktiven Christinnen und Christen nur ein kleines Rad im großen staatlichen Getriebe. Allerdings entsprach es der Selbsteinschätzung der christlichen Kirchen in der DDR, inmitten des gottlosen Regimes Zeugnis abzulegen für eine Kultur der Nächstenliebe. In der Legende zu diesem Lied in der *Liedertruhe wird die Vermutung geäußert, dass das Lied auch im kapitalistischen Teil Deutschlands Anklang finden würde, weil es durch seine unkirchliche Gestalt vielen Interpretationen Raum gebe. Das Lied ist letztlich wohl nur noch als zeitgeschichtliches Dokument interessant, denn ohne die sozialistische Umgebung wirkt es komisch, wenn nicht ironisch. Es lässt sich zwar auch „kapitalistisch“ lesen, dann kommt darin aber nicht mehr als eine Huldigung an das Wirtschaftssystem zum Ausdruck. Auf marktwirtschaftlichem Hintergrund deutet das Lied auf eine neue Form des Kontingenzbewusstseins hin: Zeit ist Geld. Die Erfahrung eigener Vergänglichkeit reduziert sich lediglich darauf, dass nicht alles was gewollt auch machbar ist, weil die pekuniäre Lage nicht die Erfüllung jeglicher Wünsche und Zielvorstellungen erlaubt. Eine christliche Deutung wird es hier schwerlich geben können. d Der Abend im Kontext des Liedes Der Abend selbst wird in Schnell eilt der Tag dem Abend zu in keiner Weise in übertragenem Sinne verstanden; er ist in diesem Lied, was er ist: die Zeit des Tages, zu der die Arbeit beendet wird. Indem er so quasi zu seiner eigenen Grenze wird, verliert er seine Prägung als besondere Zeit; er dient als ein sich schnell und unaufhaltsam einstellendes Tagesende allenfalls dazu, eine undefinierte Beschränktheit des menschlichen Vermögens zu untermauern. Der Abend zeigt in diesem Lied die Kontingenz menschlicher Fähigkeiten. Im Gegensatz zu anderen Stücken wird in Schnell eilt der Tag dem Abend zu das Tagesende nicht auf eine andere Grenze, wie etwa die des Todes, übertragen. Damit verliert der Abend auch seinen Charakter als Wende, an der sich in irgendeiner Weise ein Übergang oder eine Transformation vollzieht. 840 Diese Kenntnis ist dem Umstand zu verdanken, dass die *Liedertruhe, in der das Lied zum ersten Mal in einem westdeutschen Kompendium erscheint, entsprechende Hintergrundinformationen beigibt. (Zum genauen Wortlaut dieser Information s.u. FN 1147.) 841 Legitimiert waren z.B. die *Liedhefte zum Dreifaltigkeitssonntag, in denen am besagten Sonntag im Kirchenjahr die Erlaubnis bestand, neues geistliches Liedgut zu drucken und unter die Leute zu bringen. <?page no="272"?> 258 Hinter dem Abend verbirgt sich nichts; selbst die Nacht wird im Lied buchstäblich ausgeblendet. Ähnlich wie in Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen und Nun trägt der Abendwind den Tag vollzieht sich also auch hier eine Entgrenzung des Abends, die jedoch nicht in der Aufhebung der Zeit in der Ewigkeit Gottes resultiert, sondern gewissermaßen in der Abschaffung einer bildlichen Transzendenz des Abends. <?page no="273"?> 259 13 Zusammenfassung Durch die Einzelanalysen der zwölf Abendlieder und der ihnen entsprechenden vesperalen und kompletorischen Riten bzw. Rituselementen konnte gezeigt werden, dass eine enge motivisch-thematische Beziehung zwischen Gegenwart und Tradition besteht. Absichtlich oder unabsichtlich wird in neuen Liedern auf den Motivbestand der liturgischen Tradition der Abendliturgien zurückgegriffen. Dabei werden traditionelle Bilder durchaus mit neuem Erleben verbunden - als sprechendes Beispiel sei noch einmal auf das Motiv der Commendatio in Verbindung mit dem Empfinden vergehender Zeit verwiesen. Insgesamt sind die Lieder in der Entwicklung neuer Bilder oder in der Umdeutung alter Motive jedoch wenig innovativ. Das führt zu zwei Vermutungen: entweder hat sich das Erleben des Abends in seinen basalen Eigenschaften (Prozess des Dunkelwerdens, Naturvorgänge) nicht wesentlich seit früheren Zeiten verändert, selbst nicht durch moderne Technik und Elektrizität. Oder aber es kommt bei der Thematisierung des Abends im Lied nicht wesentlich auf eine gegenwartstypische, sondern vielmehr auf eine idealtypische Darstellung der Tageszeit an. Die Darstellung des gegenwärtigen Abends im Lied bliebe somit ausgeklammert. Für das erste Argument spricht die hohe Affinität der verwendeten Bilder zu traditionell-rituellen Motiven. Lediglich das Moment der schnell vergehenden Zeit, dem sich die beiden zuletzt besprochenen Lieder Nun trägt der Abendwind den Tag und Schnell eilt der Tag dem Abend zu widmen, scheint ausdrücklich ein Novum gegenüber der liturgisch-motivischen Tradition zu sein. In Nuancen zeigt sich eine gegenüber der liturgischen Tradition leicht modifizierte Deutung abendlicher Ängste: sie wird gewissermaßen von außen nach innen gewendet. Während Psalmen, Hymnen und Lesungen der Komplet die Gefahren vor allem als von außen auf das Subjekt eindringend beschreiben und sie diese als Erzeuger der Angst geradezu plastisch erfahrbar werden lassen, wird in den Liedern die Angst deutlich als innerpsychisch evoziertes und produziertes Phänomen beschrieben. Man hat heutzutage anscheinend keine Angst mehr vor einem konkreten Feind, vor lauernden wilden Tieren, dem Krieg oder einer Feuersbrunst, heute sind es Depressionen und das vermeintliche Versagen, die Angst einflößen. Mit ‚Abend’ wird in manchen Liedern nicht nur das Ende eines Tages beschrieben, sondern gleichzeitig auch Vergänglichkeit, Sterben und Tod, Schuld und Sünde oder Leiden und Angst verbildlicht. Das ist vordringlich bei denjenigen Liedern der Fall, die in Anlehnung an kompletorische Elemente den liminalen Aspekt der Tageszeit betonen (Ich liege, Herr, in deiner Hut; Abend ward, bald kommt die Nacht; Von guten Mächten treu und still umgeben; Bleib bei mir, Herr und Nun trägt der Abendwind den Tag). In diesen Fällen steht nicht der liminale Aspekt des Abends als Grenze eines Tages im Vordergrund; vielmehr wird der Abend selbst zum Sinnbild für Grenzen des menschlichen Lebens, nämlich Krankheit, Leid, Tod, oder Angst. Es scheint, <?page no="274"?> 260 dass, indem die aktive erlebte Zeit eines Tages am Abend durch das abnehmende Tageslicht angezeigt, auf die Bewusstseinsgrenze von Nacht und Schlaf zuläuft, andere Grenzen des menschlichen Daseins antizipiert und deshalb durch den Abend illustriert werden. <?page no="275"?> 261 E D ER A BEND (II): G RENZE LEBENSWELTLICHER E RFAHRUNG Um die Symbolfunktion des Abends deutlicher herausarbeiten zu können, sollen im Folgenden die Grundgedanken der von A LFRED S CHÜTZ begründeten und T HOMAS L UCKMANN weiterentwickelten Theorie des Alltags zu Rate gezogen werden. Ihre Lehre kann sich vor allem deshalb als hilfreich erweisen, weil sie in ihrem phänomenologischen Ansatz davon ausgeht, dass Menschen Erfahrungen machen und lernen, indem sie die Grenzen ihrer Lebenswelt überschreiten. Die Lebenswelt, der zentrale Begriff der Theorie des Alltags, ist räumlich und zeitlich konstruiert. Räumlich wird unterschieden zwischen „aktueller“ und „potentieller“ Reichweite. Erstes betrifft die Umwelt eines Menschen, die er durch seine Handlungen unmittelbar beeinflussen kann bzw. muss. „Aktuell“ ist die Reichweite einer Lebenswelt, weil die momentane Aufmerksamkeit auf sie gerichtet ist. „Potentielle“ Reichweite umfasst die Welt, von der ein Mensch genau weiß, dass er darin handeln kann, wenn er sich dorthin begibt; d.h. dieses Wissen ist zukünftig erlangbar. Es beruht entweder auf Erinnerungen an frühere Handlungen oder auf Informationen, die von anderen gegeben wurden. 842 Die zeitliche Aufschichtung der Lebenswelt wird durch die Unterscheidung zwischen „Innerer Dauer“ und „Weltzeit“ gekennzeichnet. Die äußere Weltzeit ist hier der unveränderliche, objektive Lauf der Dinge, in dem sich alles Leben und Handeln abspielt. Die Innere Dauer beschreibt das subjektive Empfinden: Das, was ein Mensch momentan erlebt, bestimmt die Zeit und später seine Erinnerung. 843 Die Erfahrung der Welt ist eine ständige Erfahrung von Grenzen: ICH bin nicht DU und DU bist nicht ICH, das Leben ist begrenzt, die Welt selbst ist begrenzt (1) durch die Grenze der eigenen Lebenswelt, die Raum, Zeit und Wissen auferlegt, (2) durch die Grenze des Anderen, des Mitmenschen, der durch seine Lebenswelt mir Grenzen setzt und (3) letztlich durch die Grenze der Lebenswelt an sich, hinter der sich eine andere Wirklichkeit verbirgt als die, in der das ICH und seine Umwelt leben. Es gibt im Alltag überschreitbare und nicht überschreitbare Grenzen der menschlichen Erfahrungswelt, die davon abhängen, wie erfahrbar das Unerfahrbare für den Menschen ist. L UCKMANN und S CHÜTZ nennen es die „kleinen Transzendenzen“ des Alltags, die sich beispielsweise im Übertreten einer Türschwelle von einem in einen anderen Raum oder etwa im Rückblick auf den vergangenen Tag realisieren. Solche kleinen Transzendenzen können auch bei auftauchenden technischen Komplikationen (z.B. ein Gegenstand im Weg) überschritten werden. Ihr Transzendenzcharakter ist durch ihre Alltäglichkeit nicht notwendigerweise unmittelbar bewusst. 844 Ebenso wird nicht jeder Abend bewusst als Übergang vom Tag zur Nacht wahrge- 842 Vgl. S CHÜTZ / L UCKMANN , Lebenswelt, 71-74. 843 Vgl. ebd., 81-97. 844 Vgl. ebd., 598-602. <?page no="276"?> 262 nommen. Die Fähigkeiten, solche kleinen lebensweltlichen Grenzen zu überschreiten, d.h. zu bewältigen, sind teilweise ererbt und teilweise anerzogen. Als „mittlere“ Transzendenz gelten die konkret mich umgebenden Mitmenschen, die durch die Reichweite ihrer Lebenswelt meinem Horizont Grenzen setzen. Diese Grenze kann im eigentlichen Sinne nicht überschritten werden. Ähnlich verhält es sich mit generational gesetzten Grenzen. Es ist unmöglich, über die Grenze des Anderen zu treten, aber es ist möglich, von dessen Lebenswelt zu lernen, indem er mir von seiner Welt erzählt. 845 Als „große“ Grenzen des Alltags werden von S CHÜTZ und L UCKMANN Schlaf, (Tag-)Traum und Tod bezeichnet. In der Überschreitung dieser Grenzen der Alltagswelt ereignet sich eine gänzliche Abkehr von der Wirklichkeit des Alltags. Schlaf und Tod ist die völlige, ersatzlose Abkehr vom Alltag gemein. Beide bilden in der Erfahrung eines Menschen absolute Bewusstseinsgrenzen. 846 Der fundamentale Unterschied zwischen Traum und Alltag liegt in der Kontrolle des eigenen Handelns begründet. Zwar „handelt“ man auch im Traum, aber dieses Handeln ist anderen Regeln als der der Alltagswelt unterworfen. Es ist - Ausnahmen (wie etwa das Training luzider Träume) bestätigen die Regel - im Allgemeinen nicht möglich, den Verlauf eines Traumes aktiv zu steuern; Träumen geschieht und wird nicht gemacht. Genau genommen bildet der Tod keine Grenze der Erfahrung der eigenen Lebenswelt, weil er noch nicht erfahren worden ist. Im Gegensatz zu Schlaf und Traum ist kein Mensch aus dem Tod zurückgekehrt und kann sich daran erinnern. 847 Die christliche Vorstellung von Christi Auferstehung von den Toten ist daher ein Glaube, kein eigenes Wissen und keine eigene Erfahrung dieser hinter dem Tod liegenden Wirklichkeit. Jeder hat hingegen schon einmal geträumt und aus dieser Traumwirklichkeit Erinnerungen mit in den Alltag zurückgenommen. Jeder, der einschläft, kennt auch das Wiedererwachen. Nahezu jeder gesunde Mensch kann sich irgendwann einmal an seine Träume erinnern. Die Vorstellungen, dass es ebenso wie im Schlaf auch im Tod ein Erwachen gebe, hängen alltagstheoretisch mit den Idealisierungen von Erfahrungen zusammen. Alles Erlebte wird in der natürlichen Einstellung idealisiert, indem es als prinzipiell konstant oder konstant veränderlich "und-so-weiter“ und "ich-kann-immer-wieder“) 848 angesehen wird. Was einem Menschen einmal möglich gewesen ist, wird ihm auch weiterhin möglich sein. 849 Durch das Wissen um die letzte Grenze ‚Tod’, dass das eigene Leben, das Leben des Anderen und sogar die Welt an sich begrenzt ist, schwingt jedoch bei allen Alltagshandlungen und -erfahrungen Vorbehaltlichkeit mit („bis auf weiteres“) 850 . 845 Vgl. ebd., 602-613. 846 Vgl. ebd., 625-630. 847 Man mag einwenden, dass es doch Berichte von Menschen gebe, die Nahtoderlebnisse hatten. Solche Erfahrungen vollziehen sich auf der Grenze zwischen Leben und Tod, und nicht hinter dieser Grenze, nicht im Tod selbst. 848 Vgl. S CHÜTZ / L UCKMANN , Lebenswelt, 34.48.72f. 88-99. 849 Vgl. ebd., 71-74. 850 Vgl. ebd., 627f. <?page no="277"?> 263 Alltagstheoretisch betrachtet überschreiten Symbole und Rituale die Grenzen lebensweltlicher Erfahrung. Jede Erfahrung wird, dadurch, dass sie sich ständig überschreitet, zu einer „Miterfahrung“ 851 ihrer eigenen Grenze. In jeder Erfahrung zeigt sich also gleichzeitig auch die Erfahrung von Transzendenz: „[E]ine ‚inhaltliche’ Erfahrung von Transzendenz [beruht] auf der Unterscheidung, die in der Erfahrung zwischen eigenem und anderem gemacht wird.“ 852 Dabei bildet die Erfahrung dieses Gegensatzes von Eigenem und Fremdem die Voraussetzung dafür, dass Menschen ein Bewusstsein über die Grenzen der Erfahrungen ihrer Lebenswelt erlangen. Symbole verweisen auf etwas, was außerhalb ihres ursprünglichen Wirklichkeitsbereiches liegt und vergegenwärtigen es. Im Unterschied zu einem Zeichen 853 verweist ein Symbol nicht nur auf etwas Abwesendes. Dieses im Moment nicht unmittelbar Gegebene und Erfahrbare gehört gänzlich zu einem anderen Wirklichkeitsbereich als der Bedeutungsträger. 854 Im Unterschied zu einem Zeichen verweist ein Symbol nicht nur auf etwas anderes, es transportiert die Wirklichkeit des Anderen. Die Erfahrung eines Abends, zunächst nur in seinen rein kosmologischen Erscheinungsformen, ist also für das Subjekt, das diesen durchlebt, gleichzeitig eine Erfahrung der Transzendenz dieses Abends. Der als Abend bezeichnete Zeitraum zwischen Tag und Nacht wird durchschritten. Die Kontinuität des Bewusstseins über diesen Prozess ist nachrangig: Tag für Tag durchleben Menschen den Abend, ohne dass er als Übergang vom Tag zur Nacht immer bewusst als eine über diesen Übergang hinausweisende Transzendenz erlebt würde. Die Erfahrung der Transzendenz wird gleichzeitig zum Symbol für das, was am Abend erfahren wird: Er bezeichnet damit nicht allein die Zeitspanne, er steht auch als Symbol für die Erfahrungen, die das Subjekt, während es einmal den Abend erfahren hat, gemacht hat. Noch mehr: Der Abend steht für das abnehmende Tageslicht und die kommende Dunkelheit. Wird symbolisch vom Abend gesprochen, dann richtet sich also der Inhalt des Symbols nicht allein auf die während eines Abends einmal gemachten Erfahrungen, sondern z.B. auch allgemein auf Erlebnisse, die in Dunkelheit erfahren worden sind. Die im Bild des Abends symbolisierte Angst muss also nicht zwangsläufig an ein früheres Empfinden der Angst am Abend erinnern, sondern kann sich beispielsweise auf kindliche negative Erfahrungen von Dunkelheit und Finsternis beziehen. Nehmen wir ein weiteres Beispiel: In den Einzelanalysen der Lieder konnten wir feststellen, dass der Abend vor allem dann in einer übertragenden Bedeutung verwendet wurde, wenn ihm gemäß unseres Strukturmodells eine limitativ-teleologische Funktion zukam. Der Abend wurde in Lied und Liturgie als Sinnbild für Krankkeit, Versuchung, Leid, Angst, Sterben und Tod 851 Ebd., 596. 852 Ebd. 853 Bei H USSERLS , auf den sich S CHÜTZ und L UCKMANN beziehen, „Appräsentationen“ genannt. 854 Vgl. S CHÜTZ / L UCKMANN , Lebenswelt, 653-655. <?page no="278"?> 264 betrachtet. Der Abend wurde also dann als Symbol gebraucht, wenn eine irgendwie geartete Affinität der Erfahrung seiner eigenen Grenze mit der Erfahrung anderer Grenzen der lebensweltlichen Erfahrung gegeben war. Oder anders ausgedrückt: das Symbol Abend hat mit allem, was durch es versinnbildlicht wird, die Kontingenz gemein: Der Abend schränkt als naturhaftes Phänomen durch das schwindende Tageslicht die Handlungsfähigkeiten des Menschen ein, ebenso wie Leid, Krankheit, Schuld und letztlich auch der Tod das menschliche Vermögen begrenzen. Durch den Abend wird also die Liminalität menschlichen Lebens an sich symbolisiert. Im Gegensatz zum Symbol vollzieht sich innerhalb eines Rituals eine Handlung, 855 ein Prozess. Anders ausgedrückt: „Ein Ritual ist die Handlungsform eines Symbols.“ 856 Rituale zielen auf das Außeralltägliche, nicht unmittelbar Fassbare und Erfahrbare. 857 Symbole schlagen dabei eine Brücke von einem Wirklichkeitsbereich zum anderen und nehmen bei der (rituellen) Überwindung großer Transzendenzen eine wichtige Funktion ein. 858 Die Untersuchung der Riten und Rituselemente mit Hilfe des Phasenmodells VAN G ENNEPS zeigt folgende Besonderheiten: (1) Versperale Riten akzentuieren den Schwellencharakter des Abends. Entweder werden Übergänge von zwei kontrastierenden Phänomenen beschrieben oder sie werden sogar als Transgressionen vollzogen; der Abend wird dabei in seiner kontrastierenden Eigenschaft wahrgenommen. Eine Ausnahme bildet dabei das Immerwährende Gebet, das neben seiner transformativen Eigenschaft den liminalen Aspekt des Gebets betont, den Morgen, auf den kein Abend mehr folgt. (2) Am Übergang vom Tag zur Nacht wird Gott als Konstante im Wandel und Wechsel der Welt verstanden (Luzernarium = Christus als Licht; eucharistia vespertina = ausdrücklich als unwandelbarer Gott im Gegensatz zu der dem Wandel unterlegenen Schöpfung; sacrificium vespertinum = Gott als Erlöser, wenn angesichts der Dunkelheit Schuld und Sünde offenbar werden). (3) Die kompletorischen Rituselemente akzentuieren hingegen in ihren angliedernden Eigenschaften den liminalen Aspekt des Abends. In der Commendatio animae erfolgt beispielsweise eine tägliche ‚Gewöhnung’ des Beters an die Grenze des Todes. Das memento mori stellt eine Einübung in das Sterben dar, um dem einst erfolgenden Übertritt der letzten Grenze des Todes gewachsen zu sein. Der Abend bildet bei allen untersuchten Liturgien, abgesehen vom Immerwährenden Gebet, den notwendigen Handlungsrahmen, innerhalb dessen sich eine Veränderung vollzieht, die je unterschiedlich rituell ausgedeutet wird; es wandelt sich die Umwelt des im Abend stehenden Subjekts bzw. 855 Als „Handlung“ bezeichnet die Theorie des Alltags „vom Handelnden vorentworfene und in Ausrichtung auf den Entwurf gesteuerte Erfahrungsabläufe“. L UCKMANN , Riten als Bewältigung, 536. 856 L UCKMANN , Ritual und Symbol, 12f. 857 Vgl. ebd., 11. 858 Vgl. S CHÜTZ / L UCKMANN , Lebenswelt, 653. <?page no="279"?> 265 dessen Erleben verändert sich im Übergang vom Tag zur Nacht. Im Übertritt vom Wachen zum Schlafen wird das ICH in eine andere Wirklichkeit überführt. Nun wird man zu Recht anmerken, dass diese Erkenntnis nicht allein auf den Abend zutrifft, sondern für alle Zeiträume, in denen sich Handlungen und Prozesse vollziehen. Es sind die großen Transzendenzen, die den Abend in besonderer Weise in die Nähe zu einem Ritual setzen. Der Abend markiert die Grenze vom wachen in den schlafenden Zustand, zwischen der bewussten Alltagswirklichkeit und einer unbewussten, unverfügbaren Wirklichkeit des Schlafes und Traumes. Er unterscheidet sich in seiner Ritualität von anderen Zeiträumen und Tageszeiten, weil er als Symbol für die absoluten Grenzen unseres Alltags steht. In seiner limitativen Eigenschaft verweist der Abend als Symbol auf die Grenzen des Bewusstseins, hinter denen sich die Wirklichkeiten von Schlaf und Traum verbergen. Als Transitus steht der Abend damit auch als Sinnbild für die großen Transzendenzen des Alltags, die Überschreitung der Grenzen Schlaf und Traum. Da Erfahrungen in der Alltagswelt idealisiert werden und so eine Analogie zwischen dem Schlaf und dem Tod besteht, steht der Abend auch als Symbol für die letzte Grenze des Lebens und für den Übergang vom Leben in den Tod, für das Sterben. Pointiert könnte man sagen: Der Abend betont als Symbol das „bis auf weiteres“. Er symbolisiert die Vorbehaltlichkeit, d.h. die Endlichkeit des Lebens und stellt die kontinuierliche Progression des Alltags in Frage. <?page no="281"?> 267 II. T EIL : D ER A BEND IM L EBEN Lied und Liturgie ist gemein, dass sie sich durch Texte bzw. eine Komposition von Texten konstituieren. Die Motivik des Abends dieser beiden Bereiche konnte mittels theologischer und sprachwissenschaftlicher Methoden erhoben werden. Es stellt sich nun die Frage, ob und inwiefern das in den Liedern aufscheinende relativ konstante Bild von Abend und Nacht dem Erleben potentieller Rezipienten entspricht. Im Folgenden richtet sich das Interesse der Untersuchung darauf, wie sich der Abend konkret im Alltagserleben darstellt, welche Funktionen ihm zugeschrieben werden und auf welche Weise dies mit denen in Lied und Liturgie vorgefundenen Themen korrelliert bzw. von ihnen divergiert. Wie wird der Abend heute konkret erfahren und gestaltet, was verbinden Menschen mit der Tageszeit aktuell und biographisch, welche emotionalen und assoziativen Implikationen zeigen sich? Und schließlich: Inwiefern kommt der Abend symbolisch zur Sprache und wie verhalten sich die Befragten dazu? A M ATERIAL UND M ETHODEN Um sich einen Ausschnitt der Wirklichkeit, nämlich den Abend und sein Erleben, wissenschaftlich strukturierend erschließen und ihn für unser Interessensgebiet ‚aufbrechen’ zu können, gibt es in den Geisteswissenschaften eine Vielzahl von Möglichkeiten. Die meisten Versuche, die Wirklichkeit zu beschreiben, kranken jedoch daran, dass die subjektive Weltsicht des Autors bzw. der Autorin allgemeingültig gesetzt wird, ohne dass dies explizit gemacht würde oder gar bewusst geschähe. Eine konzise, möglichst dichte Beschreibung eines Wirklichkeitsausschnittes, die über subjektive Befindlichkeiten und den Horizont des Forschers respektive der Forscherin hinausreicht, bedarf daher spezieller Instrumente und Techniken. Um umfassendere Aussagen über das Alltagsphänomen Abend im Erleben von Menschen in der Gegenwart treffen zu können, werden daher in dieser Untersuchung Methoden der empirischen Forschung angewendet. Das heißt, es wurden insgesamt zehn Menschen verschiedenen Alters, Geschlechts, Familienstandes und Bildungsgrades in Interviews aus dem Methodenfeld der Qualitativen Forschung danach befragt, wie sie ihren Abend gestalten und erleben. Da die Methoden der Qualitativen Forschung innerhalb der (katholisch-) theologischen Wissenschaft, abgesehen von den Diszipinen der Pastoraltheologie und der Religionspädagogik, immer noch eher selten angewendet werden, wird dieses Methodenkapitel ausführlicher in die Art und Weise <?page no="282"?> 268 der Datenerhebung und -auswertung einführen, als es in den sozialwissenschafltlichen Fachgebieten sonst üblich ist. 859 1 Narrativ-fokussierte Interviews Die Interviews wurden als sog. narrativ-fokussierte Interviews nach den Methoden der Qualitativen Sozialforschung durchgeführt. 860 Üblicherweise wird diese Form der Befragung in der Darstellung von Lebensläufen eingesetzt. Damit steht das narrativ-fokussierte Interview zwischen dem rein narrativen Interview, also dem völlig frei verfügbaren Erzählen, und dem Leitfadeninterview, bei dem die Erzählung durch vorstrukturierte Frage- und Problemstellungen in gewissem Sinn präformiert ist. Die geführten Interviews sind ihrer Anlage nach zweiteilig. Da im ersten Teil der Studie das Interesse auf einem bestimmten Ausschnitt von Biographien liegt, nämlich auf dem Abend und seinem Erleben, wurde diese halbstrukturierte Interviewform gewählt. Die Wortbildung „narrativ-fokussiert“ verweist darauf, dass dieser Interviewtyp den Prinzipien des narrativen Interviews folgt, die Erzählung aber auf einen Schwerpunkt, auf den „Brennpunkt“ einer Untersuchung konzentriert ist. Das bedeutet, dass zu Beginn des Interviews keine generelle Aufforderung zum Erzählen der eigenen Geschichte erfolgt, sondern dass die Biographie des Interviewpartners innerhalb eines bestimmten Kontextes, hier in Bezug auf das eigene Erleben des Abends erfolgt. Für die Durchführung der Interviews ergibt sich die Aufgabe, einerseits den Erzähler nicht zu beeinträchtigen, aber den Erzählinhalt dennoch zu begrenzen. Diese Methodik der Qualitativen Sozialforschung orientiert sich an dem sinnvermittelten menschlichen Handeln und nützt die prinzipielle Freiheit, die dem Interviewten in der Gestaltung seiner Erzählung zugestanden wird. 859 Dort beschränkt man sich im Allgemeinen auf die Darstellung und Begründung des Manuals, mit dem eine empirische Untersuchung vorgenommen worden ist und präsentiert die Auswertungsfrage, mit der die entsprechenden Daten interpretiert werden. 860 Aus der Fülle der sozialwissenschaftlichen Literatur liegen der Interviewdurchführung folgende Reflexionen zugrunde: B ORTZ , J ÜRGEN : Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. Berlin / Heidelberg / New York 3 2003, bes. Kap. 5.2: Qualitative Datenerhebungsmethoden, 307-328; M AYRING , P HILIPP : Einführung in die Qualitative Sozialforschung. Weinheim / Basel 5 2002; F LICK , U WE : Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek 6 2002; H ERRMANNS , H ARRY : Narratives Interview. In: D ERS ./ E RNST V . K ARDORFF / H EINER K EUPP u.a. (Hgg.): Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. Weinheim 2 1995, 182-185; H OPF , C HRISTEL : Qualitative Interviews in der Sozialforschung. Ein Überblick. In: U WE F LICK / E RNST V . K ARDORFF / H EINER K EUPP u.a. (Hgg.), Handbuch Qualitative Sozialforschung, 177-182; F ISCHER , W OLFRAM / K OHLI , M ARTIN : Biographieforschung. In: W OLFGANG V OGES (Hg.): Methoden der Biographie und Lebenslaufforschung. Opladen 1987, 25-49; B ORTZ , J ÜRGEN : Lehrbuch der empirischen Forschung. Berlin 1984; H ERRMANNS , H ARRY : Art. „Interview, narratives“. In: H EN- NING H AFT / H AGEN K ORDES (Hgg.): Methoden der Erziehungs- und Bildungsforschung. Enzyclopädie Erziehungswissenschaft. Bd. 2. Stuttgart 1982, 422-426; R OGERS , C ARL R.: The nondirective method as a technique for social research. In: American Journal of Sociology 50 (1944) 279-293. <?page no="283"?> 269 Im zweiten Interviewteil wurde die Ebene des narrativen Interviews verlassen. Es stand dann nicht mehr die biographische Deutung des Abends im Vordergrund, sondern die Wahrnehmung und Deutung von Abendliedern durch die Befragten. Die Befragten wurden gebeten, sich konkret mit den zwölf Abendliedern auseinander zu setzen, die im Teil A der Studie ausführlich interpretiert worden sind. Insofern kann auch dieser zweite Interviewteil als eine Form des fokussierten Interviews bezeichnet werden, denn das Interesse richtete sich hier auf die subjektive Sicht der Befragten auf das vorgelegte Liedmaterial. 861 In fokussierten Interviews werden zumeist Romanausschnitte, Zeitungsartikel oder Filmsequenzen als Instrumente verwendet; sie dienen so den Erkenntnissen der Medien- und Ideologieforschung. B RITTA M ARTINI untersuchte auf diese Weise als erste am Beispiel des Taufliedes Kind, du bist uns anvertraut (*EG 596) das Verhältnis eines Liedes zu seiner Rezeption durch Analyse fokussierter Interviews. 862 Die Verbindung zweier Interviewtypen, wie sie in dieser Untersuchung vorgenommen wird, ist in der qualitativen Sozialforschung ein eher unübliches Vorgehen. 863 Da hier neben der alltäglichen Erfahrung des Abends auch die Wirkung und Deutung des Abends in seinen Themen und Motiven untersucht werden soll, wurde dieses Vorgehen notwendig. Bewusst wurde zunächst nach der biographischen Verortung des Abends gefragt, bevor die Lieder im Einzelnen näher betrachtet wurden. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass sich das Erzählen ausschließlich an den Liedern orientiert und über diese erfolgt. Durch diese Strategie gelang es, dass die Befragten ihre Deutungen konkreter Lieder im zweiten Interviewteil immer wieder auf dem Hintergrund ihrer eigenen Biographie formulierten. Auf diese Weise wird es möglich, etwaige Verbindungslinien zwischen biographischen und liedrezeptionellen Themen aufzudecken. a Struktur und Verlauf Die beiden Interviewteile gliedern sich in insgesamt sechs verschiedene Teilphasen: (1) Durch eine Eingangsfrage, die eine lebensgeschichtliche Fragestellung beinhaltet und möglichst „erzählgenerierend“ sein sollte, wurde die Erzählphase eingeleitet, die im Idealfall eine Stegreiferzählung darstellt. Als erzählgenerierende Frage fungierte beispielsweise: „Ich möchte mit Ihnen ein Gespräch über den Abend führen. Erzählen Sie doch bitte, was Sie mit dieser Tageszeit verbinden und wie sie diesen im Laufe Ihres Lebens erlebt haben. Mich interessiert alles, was Ihnen dazu einfällt und was Sie dazu erzählen können.“ Diese Frage hat die Funktion, das Wort an den Interviewten zu übergeben und ihn von nun an die aktive Rolle im Gespräch ausfüllen zu lassen. Entsprechend den Prämissen des narrativen Interviews ist die Einleitungsfrage so weit zu formulieren, 861 Vgl. F LICK , Qualitative Sozialforschung, 126. 862 S. M ARTINI , B RITTA : Sprache und Rezeption des Kirchenliedes. Analysen zu einem Tauflied aus dem Evangelischen Gesangbuch. Göttingen 2002 (VLH 38) [zugl. Univ. Diss Leipzig 2000]. 863 Vgl. F LICK , Qualitative Sozialforschung, 194. <?page no="284"?> 270 dass sie dem Erzähler Spielraum zur Eigenstrukturierung seiner ‚Geschichte’ gibt; sie muss aber andererseits den Fokus des Gesprächs in den Blick bringen. Zugleich darf sie den Erzähler nicht massiv zu privaten Aussagen auffordern, was ihm angesichts einer noch wenig definierten Interaktionssituation nicht zuzumuten wäre und bei ihm vermutlich Abwehrreaktionen hervorrufen würde. Möglichst ohne Unterbrechung durch umweltbedingte Störungen oder Zwischenfragen sollte der Erzählende seine Sicht zu dem in Frage gestellten Sachverhalt darlegen können. 864 Üblicherweise lässt sich innerhalb der Stehgreiferzählung ein bestimmtes Muster in der Abfolge ausfindig machen. In einem Eingangsstatement der Interviewerin wurde kurz das Anliegen des Interviews umrissen und anschließend mit einer allgemein gehaltenen Frage dem Interviewten Gelegenheit gegeben, seine Erzählung zu beginnen. Dieser Teil wurde beispielsweise folgendermaßen formuliert: „Das Interview, das wir jetzt führen, besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil werden wir uns mehr über den Abend und im zweiten Teil dann konkret über Abendlieder unterhalten. Zwischen beiden Teilen gibt es eine Pause, in der das Gerät ausgeschaltet wird. [...] Ich möchte Sie eingangs bitten, einmal zu erzählen, wie Sie im Laufe Ihres Lebens den Abend als Tageszeit erlebt haben. Vielleicht gibt es in verschiedenen Lebensphasen Unterschiede. Bitte erzählen Sie doch einmal.“ Der Gesprächsverlauf war seitens der Interviewerin von dem Bemühen getragen, den Erzähler immer wieder zu Deutungen zu veranlassen, ihm aber keine Deutungsangebote zu unterbreiten; dazu gehörte auch, den Interviewten beispielsweise globale Begriffe, die er in seiner Erzählung verwendete, genauer erläutern zu lassen. 865 So weit wie möglich bewegte sich die Interviewerin durch das Gespräch, ohne aus der Interviewsituation heraus aktiv strukturierend in die Erzählung einzugreifen. Gleichzeitig versuchte sie, möglichst häufig an die durch den Erzähler angestoßenen Themen anzuknüpfen und Wortwendungen des Erzählers aufzugreifen. Man bezeichnet diese Interviewtechnik als „Andock-Verfahren“; gemeint ist damit, dass man jeweils ein vom Erzähler verwendetes Wort aufgreift, sich daran mit einer Rückfrage, die auch in Form einer fragenden Wiederholung erfolgen kann, anhängt (andockt), um so den Erzähler zu veranlassen, von ihm selbst benutzte Worte zu erläutern, zu differenzieren, anzureichern, mit Beispielen zu belegen. Dieses kann auch mit der Fragetechnik der sogenannten „Echo-Fragen“ evoziert werden, in der durch die Wiederholung eines vom Befragten verwendeten markanten Wortes im Fragestil den Befragten zu näherer Erläuterung des Sachverhaltes anregt. In vielen Interviews wurde eher diese Fragetechnik angewendet. Außerdem sollte durch sog. „aktives Zuhören“ dem Befragten der Eindruck des Interesses an seiner Person und seiner Erzählung vermittelt werden. Aus diesem Grund finden sich in den Transkriptionen häufig Interjektionen wie Mh, Ja oder Aha aus dem Mund der Interviewerin, die im Rahmen des interpretativ Möglichen erläutert werden. 866 864 Leider wurden manche Interviews durch Telefonanrufe gestört. In diesen Fällen wurden das Interview und die Aufnahme unterbrochen und anschließend weitergeführt. 865 Hierher gehören auch immer wieder benutzte Wendungen wie etwa „schwierig“, „fühlte mich nicht wohl“, „war zufrieden“ usw. 866 Um die Intention der Interviewerin besser nachvollziehen zu können, wurden diese in eckigen Klammern erläutert; wie z.B.: [zustimmendes] Mh. <?page no="285"?> 271 (2) Im Anschluss an diese Erzählphase wurde versucht, auf Sachzusammenhänge, Unklarheiten etc. der vorausgegangenen Erzählung einzugehen, um detailliertere Informationen zu erhalten und Missverständnisse auszuräumen. Diese Phase lässt sich in zwei Teile gliedern: in einem ersten wurde unmittelbar immanent auf das zuvor Erzählte Bezug genommen, es wurde hierzu auf das verbale Potential des Erzählers zurückgegriffen, um ihn so zu weiteren Erläuterungen seiner Ausführungen anzuregen. In einem zweiten Teil bestand die Möglichkeit, exmanent auf Randbereiche des Interviewfokus einzugehen, auf die der Interviewpartner nicht zu sprechen gekommen war. 867 In diesem Zusammenhang wurde nach der persönlichen zeitlichen Eingrenzung des Abends gefragt oder auch danach, ob und welche routinemäßigen oder ritualisierten Handlungen 868 es im Leben des Befragten am Abend gebe. (3) Das Interview wurde durch eine Pause geteilt, in der die sich Befragten mit den Abendliedern auseinandersetzen sollten. Die Dauer dieser Pause wurde durch die Interviewten selbst bestimmt. Sie sollten soviel Zeit, wie sie benötigten, aufwenden können, um das Liedmaterial in der für sie angemessenen Weise wahrzunehmen. Der Auftrag lautete, dass sie sich ein Lied heraussuchen sollten, dass unmittelbar „gefalle“ und eines, das ihnen „nicht gefalle“. Diese Frage konnte unter Umständen, je nach Verständnis und Sprachbegabung des Gegenübers, durch weitere Angebote ausgeführt werden. Es wurde bewusst darauf verzichtet, in diesem Zusammenhang auf etwaige berufliche bzw. ehrenamtliche Zielvorgaben bzw. Kontexte 869 oder auf bestimmte religiöse Themen hinzuweisen. Dadurch sollte eine Verengung der Liedlese verhindert werden. Durch diese Frage sollte das Gegenüber vielmehr dazu angeregt werden, seine Liedauswahl nach persönlichen Vorlieben zu fällen. Diese Sympathien und Antipathien für oder gegen ein Lied wurden ebenfalls eigens erörtert. Während der Pause wurde das Aufnahmegerät ausgestellt. Die Befragten sollten signalisieren, wenn sie die Lieder in dem für sie ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen hätten. Die Lieder wurden in einem Stapel loser Blätter, der in alphabetischer Reihenfolge sortiert war, an die Befragten ausgehändigt. Es wurden hierbei Kopien aus Gesang- und Liederbüchern verwendet; d.h. jedes Lied war im Layout anders gehalten. Die Legenden unter den Liedern wurden absichtlich mitabgedruckt; ebenso die jeweilige Quelle des Gesangbuchs. In einigen Interviews nehmen die Befragten auf diese zusätzlichen Informationen auch Bezug. (4) Über die ausgewählten Lieder wurde im Anschluss an die Pause ausführlicher gesprochen. Zunächst wurden sie entweder gesungen oder vorge- 867 Etwa: „Erzählen Sie bitte, wie Sie normalerweise ihren Tag beenden“; „Welche Rituale haben Sie (und ihr Partner / ihre Partnerin, ihre Familie) vor dem Schlafengehen? “ etc. 868 Der Begriff des ‚Rituals’ wurde bewusst in einem vorwissenschaftlichen Sinne als ‚wiederkehrende Handlung’ beschrieben. Es sollte den Befragten anheim gestellt werden, ob sie unter Ritual einen religiösen Brauch, eine liturgische Handlung oder einfach eine sich wiederholende Stereotype ihres Alltags verstehen. Siehe dazu ausführlicher II B 1 b. 869 D.h. die Beforschten sollten nicht im Hinblick auf eine Gemeindefeier oder -liturgie Lieder aussuchen, sondern ihren persönlichen Eindruck walten lassen. <?page no="286"?> 272 lesen. Die darauffolgenden Gespräche über das Liedmaterial befassten sich mit den Assoziationen der Befragten zum Liedinhalt, zum Text, zur Melodie und zum Wort-Ton-Verhältnis. Die Kriterien, die die Befragten ihrer Auswahl zugrunde legten, waren höchst individuell, weshalb sie auch in den Interviews eigens thematisiert wurden. Je nach dem, für welches Lied sich die Befragten entschieden, wurden verschiedene Stimuli gesetzt, d.h. es wurden bestimmte Informationen über das jeweilige Lied an den Befragten weitergegeben und dann danach gefragt, inwiefern sich die Beurteilung seines Liedes mit dieser (meist für ihn) neuen Information verändert. Dadurch sollten eventuelle Kontroversen zu der persönlichen Interpretation eines Liedes erzeugt und dem Befragten Anlass dazu gegeben werden, seine Position zu bekräftigen bzw. zu revidieren. Bei folgenden Liedern wurden solche Stimuli gesetzt: Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen Hier wurde auf drei verschiedene Liedversionen 870 der einen englischen Vorlage hingewiesen und danach gefragt, welche den Befragten am passendsten erschien. Das englische Original lag ihnen dabei nicht vor. Von guten Mächten treu und still umgeben Bei diesem Lied wurden drei unterschiedliche Stimuli gesetzt: Es wurden zwei unterschiedliche Melodiefassungen 871 grundgelegt und danach gefragt, welche Version sie warum bevorzugen; es wurde erörtert, ob die Beforschten dieses Lied als Abendlied bezeichnen würden; es wurde ein Bezug des Liedinhalts zur Biographie des Textautors hergestellt und nach einer ggf. Veränderung der Wirkung des Liedes durch diese zusätzliche Information gefragt. Ich liege, Herr, in deiner Hut Hier wurde knapp das Schicksal des Liedautors erzählt und anschließend gefragt, inwiefern sich mit diesem neuen Wissen die Sicht auf den Liedtext ändere. Schnell eilt der Tag Bei diesem Beispiel wurde auf den gesellschaftlichen Entstehungszusammenhang des Liedes verwiesen und ebenfalls danach gefragt, ob sich in der Beurteilung des Liedes durch die Zusatzinformationen etwas verändere. Diese Stimuli wurden in der Regel erst im Anschluss an die persönliche Einschätzung eines Liedes durch die Befragten gegeben. Es oblag wie gesagt den Befragten, sich ein Lied auszusuchen, das sie ansprach. Da es nicht abzusehen war, wie sich die Befragten konkret entscheiden würden, diente ein allgemeiner gehaltener Leitfaden als Orientierung für den weiteren Gesprächsverlauf; dessen Struktur wurde meistens eingehalten, je nach Einzelfall wurde er jedoch in abgewandelter Reihenfolge „abgearbeitet“ und selten auch gänzlich verlassen. 872 870 Du lässt den Tag, o Gott nun enden Raymund Weber 1989 Clement C. Scholefield 1879 Der Tag, mein Gott,ist nun vergangen Gerhard Valentin 1964 Clement C. Scholefield 1879 Der Tag ist um Karl A. Höppl 1958 Genfer Psalter 1543 871 Version a: O TTO A BEL 1959; Version b: S IEGFRIED F IETZ 1970. 872 Manchmal kam es vor, dass eine Frage durch eine andere ersetzt bzw. ersatzlos gestrichen oder mit einer anderen getauscht wurde, weil die Gesprächssituation es erforderte oder etwa, weil die entsprechenden Topoi schon durch den Befragten selbst angesprochen worden waren. <?page no="287"?> 273 Der zweite Interviewabschnitt zeichnete sich vor allem durch seine strukturelle Offenheit aus. Da den Interviewten die Wahl der zu besprechenden Lieder überlassen wurde, konnte im Vorfeld nicht abgeschätzt werden, welche Wende das Gespräch nach der Interviewpause nehmen würde. (5) Gewöhnlich schließen narrative Interviews mit einer Bilanzierungsphase, in der der Interviewpartner als Experte seiner Selbst begriffen wird. So sollte auch in den zugrundeliegenden Interviews der Befragte in seinen eigenen Worten auf abstrakterer Ebene Selbstinterpretationen und Generalisierungen treffen und so seine eigene Erzählung reflektieren. 873 Die alle Interviews abschließende Frage lautete daher: „Wenn Sie ein Lied in Auftrag geben könnten, welche Themen wären Ihnen darin wichtig? “ Durch die Frage nach dem Inhalt eines persönlichen Abendliedes wurde der Bogen zurück zum ersten Interviewteil gespannt. An dieser Stelle konnte durch die Befragten nochmals konkret zusammengefasst werden, was sie für sich am Abend als relevant erachten; gleichzeitig konnten resümierend Abgrenzungen bzw. Parallelen zu den thematischen Inhalten der zuvor eingesehenen Liedern gezogen werden. (6) Im Anschluss an die Interviews wurde gemeinsam mit den Befragten ein Kurzfragebogen zur Ermittlung biographischer Daten ausgefüllt. Dieser kam erst nach Ende der Interviews zum Einsatz, um durch die für das Interview selbst nicht unbedingt relevanten Daten dieses nicht unnötig durch wietere Fragen aufzublähen. Außerdem sollte auf diese Weise eine Übertragung der Frage-Antwort-Struktur des Fragebogens auf das Interview selbst und somit eine Beeinträchtigung des Erzählflusses der Befragten vermieden werden. 874 b Leitfaden An dieser Stelle sei der Leitfaden nochmals zusammengefasst vorgestellt; er richtet sich informell an ein Du, weil die meisten Interviewten von Vf. geduzt wurden: Ich möchte Dich zu Anfang bitten, mir zu erzählen, wie Du in Deiner Entwicklung den Abend / die Nacht wahrgenommen hast. Vielleicht war dies in verschiedenen Phasen Deines bisherigen Lebens unterschiedlich. Für mich ist alles interessant, was Du dazu erzählen kannst. Was machst Du normalerweise abends? Wie beendest Du Deinen Tag? Gibt es etwas, was sich jeden Abend wiederholt? Hast Du bestimmte Rituale am Abend? Wann fängt für Dich der Abend an, und wann hört er auf? Gibt es für Dich einen Unterschied zwischen Abend und Nacht oder sind das zwei Begriffe für dasselbe Phänomen? Bitte wähle eines der 12 vorgelegten Lieder aus, das Dir unmittelbar gefällt. Wenn in dieser Sammlung ein Lied dabei ist, das Dich nicht anspricht, dann würde mich 873 z.B. „Könnten Sie bitte nochmals sagen, was Ihnen an diesem Lied wichtig ist? “ 874 Vgl. F LICK , Qualitative Sozialforschung, 251f. <?page no="288"?> 274 das auch interessieren. Du kannst Dir dafür soviel Zeit nehmen, wie Du möchtest. Signalisiere mir, wenn Du fertig bist, dann setzen wir das Gespräch fort. [Pause, in der die Befragten die zwölf Liedexempel studieren.] Ich würde mich jetzt gerne mit Dir darüber unterhalten, inwiefern Du dieses Lied ansprechend findest; mich interessiert, warum dich dieses Lied unmittelbar angesprochen hat. Welche Lieder hast Du Dir ausgesucht? [Gemeinsames Singen bzw. Vorlesen der Lieder] Weshalb hast Du Dir dieses Lied / diese Lieder ausgewählt? Welche Kriterien waren für Dich entscheidend? Welche thematischen Inhalte sind Dir wichtig? Warum? Wie wirkt die Melodie auf Dich? Welche möglichen Gründe fallen Dir dazu ein? Inwiefern passen für Dich Text und Melodie zusammen? Warum? Welches von beiden (Text und Melodie) ist Dir wichtiger? Warum? Was müsste ein Abendlied beinhalten, damit es Deine Lebenswirklichkeit zum Ausdruck bringt? Welche Themen sollte ein Abendlied enthalten, wenn Du eines in Auftrag geben könntest? Wenn Du jetzt an unser Gespräch zurückdenkst, habe ich Dich etwas Wichtiges zum Thema vergessen zu fragen? c Das Problem der ‚Laborsituation’ Indem den Befragten im zweiten Interviewteil Lieder vorgelegt wurden, entstand eine besondere Laborsituation, die keiner realistischen Rezeptionssituation entspricht. Die vorgelegte Sammlung und die Interviewsituation bildeten einen Kontext, der dem ‚normalen’ Vollzugskontext geistlicher Lieder nicht unbedingt entspricht. Möglicherweise wären die Urteile über manche Lieder anders ausgefallen, hätten die Befragten sie im Zusammenhang eines Gottesdienstes oder einer Hausandacht kennengelernt. Es war allerdings auch nicht intendiert, die Lieder als Teil eines Ritus zu beurteilen. Hier sollten keine Lieder für einen Abendgottesdienst oder einen Singkreis ausgesucht werden. Der Fokus richtete sich dezidiert auf die Themen der Abendlieder und den aus diesen sich ergebenden Eindruck. Die Verschiebungen der Wahrnehmung, die u.U. aus der Laborsituation resultieren, müssen dafür in Kauf genommen werden; die Informationen, die sich aus den geführten Interviews ermitteln lassen, hätten auf keine andere Art und Weise gewonnen werden können. 875 In fast allen Interviews kam es dazu, dass die ausgewählten Lieder auch gesungen wurden. Manchmal wurde das Lied durch die Interviewerin lediglich vorgesungen, manchmal war ein gemeinsames Singen möglich. Während des Interviews sollte es vermieden werden, die Befragten in eine Art ‚Vorführ-Situation’ zu versetzen. Die Lieder wurden meistens ohne Begleitung intoniert, was die Rezeption deutlich erschwerte; allerdings machten 875 Das hängt einerseits damit zusammen, das ein großer Teil der betreffenden Lieder den Befragten schlicht unbekannt war, andererseits gibt es, das bestätigen einige Gesprächspartner auch, keine ausgewiesenen Orte, in denen man Abendlied-Rezipienten verschiedenen Alters, Geschlechts usw. hätte ausfindig machen können. <?page no="289"?> 275 die Rahmenbedingungen der Interviews eine Instrumentalbegleitung meistens unmöglich. 876 Manche Gesprächsteilnehmer haben schon bei der Verabredung für ein Interview ein etwaiges Singen negativ beschieden; in diesen Fällen wurde lediglich der Text laut vorgelesen. Alle Interviewpartner und -partnerinnen waren darüber informiert, dass die Interviewerin katholische Theologin ist und die Befragung für eine Qualifikationsarbeit mit ihnen durchführen möchte. Dies mag die eine oder andere nicht explizit abgefragte Äußerung erklären, in der manche Teilnehmer rechtfertigend zu ihrem religiösen Hintergrund Stellung bezogen haben. d Daten zu den geführten Interviews 1) Auswahl der Interviewpartner Die zugrunde liegenden Interviews wurden im Zeitraum von Juli 2003 bis September 2004 geführt. Um geeignete Interviewpartnerinnen und -partner zu finden, bemühte sich die Interviewerin darum, durch ihr direktes persönliches Umfeld Personen zu akquirieren: Familienmitglieder bzw. Freunde wiesen auf potentielle Teilnehmerinnen und Teilnehmer hin. In jedem Fall wurden die Befragten durch die Interviewerin selbst kontaktiert. Die Auswahl der Interviewpartner richtete sich also nach dem sog. convenience sampling. 877 Die Teilnahme an den Interviews erfolgte freiwillig. Die Befragten erhielten im Vorfeld die Information, dass sich das Interview thematisch mit dem Abend befassen würde und dass sie mindestens eine Zeitstunde dafür einplanen sollten. In der konkreten Auswahl wurden folgende Kriterien beachtet: Geschlechterparität: Es wurden sechs Frauen und vier Männer interviewt. Altersquerschnitt: Die befragten Personen waren zum Zeitpunkt der Befragung im Alter zwischen 23 und 73 Jahren. Bildungsquerschnitt: Unter den Befragten befinden sich Studierte bzw. Studierende ebenso wie Menschen ohne jeglichen Bildungsabschluss. Es wurden Personen befragt, die eine Führungsposition innerhalb einer Einrichtung bekleiden und auch solche, die zum Zeitpunkt des Interviews ohne erwerbliche Arbeit waren. Familienstand: Unter ihnen sind Ledige / Singles, mit einem Partner/ einer Partnerin lebende, Alleinlebende, (Wieder-)Verheiratete, Getrenntlebende, Geschiedene, Verwitwete, mit und ohne Kindern. Musikalität: Es wurden gleichermaßen selbsterklärt musikalische und unmusikalische Menschen für die Befragung ausgewählt, solche die aus Berufsgründen mit (Kirchen-)musik befasst sind und auch solche, deren musikalische Praxis sich allenfalls auf die Liedrezeption innerhalb von Gottesdiensten beschränkt. 876 In den meisten Fällen war am Ort des Interviews kein Instrument vorhanden. 877 Vgl. Hierzu F LICK , Qualitative Sozialforschung, 110. <?page no="290"?> 276 Religiosität: Alle Befragten verfügen über eine mehr oder weniger starke Bindung an die christliche Religion. Diese Einschätzung beruht ebenfalls auf den Selbstaussagen der Befragten. Konfessionalität: Alle Interviewpartner gehören einer christlichen Konfession an; sie sind in unterschiedlichen Graden kirchlich gebunden und engagiert. Es wurden sechs Menschen katholischen und vier evangelischen Bekenntnisses befragt. Herkunft: Alle Gesprächspartner wohnten zur Zeit des Interviews in einem Ballungsgebiet im westlichen Teil Deutschlands. Gebürtig stammen sie zum Teil nicht aus dieser Region. Auch wenn im Rahmen dieser Studie keine quantitative Erhebung zum Erleben des Abends erfolgt, für welche im Allgemeinen ein demographischer Querschnitt notwendig ist, sollte die Auswahl der Interviewpartner für die Erhebung der Daten sich möglichst an einer großen Vielfalt orientieren. Die Studie klammert die Gruppe derjenigen aus, die der christlichen Religion gänzlich ablehnend gegenüber stehen. Hier wurden ausschließlich Menschen befragt, die sich - in je unterschiedlichem Maße - mit dem christlichen Glauben identifizieren können. 878 Die Befragten werden im Rahmen dieser Auswertung durch fiktive Namen bezeichnet. Personen, die formell gesiezt wurden, werden im Folgenden mit Herr bzw. Frau XY benannt, die anderen werden vorzugsweise mit Vornamen identifiziert. Abgesehen vom ersten Interview wurden immer Einzelbefragungen durchgeführt. Auch in dem Paarinterview, das auf Wunsch von *Babsi und *Jörn gemeinsam geführt wurde, werden unterschiedliche Sichtweisen der Befragten deutlich; daher werden die Aussagen von beiden jeweils wie ein Einzelinterview ausgewertet. 2) Umfeld und Situierung der Interviews Die Form des narrativ-fokussierten Interviews ist eine verhältnismäßig freie Form innerhalb der Erhebungsverfahren der Qualitativen Sozialforschung. Da die Einsichten des Gegenübers das eigentliche Ziel des Interviews bilden, war es notwendig, im Vorlauf des Gesprächs eine Erzählatmosphäre zu schaffen, in der sich der Gesprächsteilnehmer wohlfühlt. Aus diesem Grund sollte dieser beim ersten Kontaktgespräch, das meistens über ein Telefonat erfolgte, den Ort für das Interview wählen. Weiterhin sollte der Interaktionsrahmen möglichst so beschaffen sein, dass das Interview in einer störungsarmen bzw. -freien Atmosphäre verlaufen konnte. Dies war nicht zuletzt auch für die audiotechnische Aufzeichnung von Wichtigkeit. 878 Um die Gruppe derer angemessen beforschen zu können, die dem Christentum ablehnend gegenüberstehen, hätten konsequenterweise auch nichtgeistliche Abendlieder als Untersuchungsgegenstand ausgewählt werden müssen, nicht zuletzt um eine adäquate Auseinandersetzung mit dem Liedgut überhaupt möglich zu machen. Dies hätte den Rahmen dieser Arbeit jedoch gesprengt und wird daher ggf. der weiteren Forschung ans Herz gelegt. <?page no="291"?> 277 Die Aufgabe der Interviewerin bestand vor allem darin, den Interviewpartner zu motivieren, persönliche Stellungnahmen zu dem betreffenden Lied abzugeben. Das bedeutet, dass sie versuchte, empathisch, mit Interesse am Erzähler und seinen Ausführungen das Interview duchzuführen, ohne ihr Gegenüber zu intimen Äußerungen zu nötigen bzw. mit zu privaten Fragen seine Intimität zu verletzen. Hierzu gehörte interviewtechnisch auch, dass prinzipiell offene Nachfragen gestellt und ‚Warum-Fragen’ vermieden wurden. Zu der Gestaltung einer angenehmen Interviewatmosphäre war es ebenfalls wichtig, das Anliegen der Untersuchung für die Befragten transparent zu machen. Im Vorfeld der Interviews hatten einige der Befragten der Interviewerin das „Du“ angeboten, weshalb die Beziehung in den Transkriptionen mithin persönlicher erscheint, als sie es tatsächlich ist. 3) Kurzbeschreibungen der einzelnen Interviewpartner Um dem interessierten Leser einen schnellen Einblick in die Themen einzelner Interviews zu ermöglichen, wurde im Appendix jeder Interviewtranskription eine kurze Zusammenfassung vorangestellt. Die Aussagen der Befragten zu einzelnen Liedern sind stichpunktartig angefügt. Im Folgenden finden sich Rahmenangaben zu den befragten Personen und Hinweise auf etwaige Besonderheiten eines Interviews. a) *Babsi Sander (BS) und *Jörn Linneweber (JL) *Babsi und *Jörn wurden auf eigenen Wunsch hin gemeinsam interviewt. Das Gespräch fand statt an einem Werktagsabend in der Zeit zwischen 19.30 und 21 Uhr in dem Wohnzimmer des seit acht Jahren zusammenlebenden Paares. Beide sind in der katholischen Studierendengemeinde ihres Wohnortes engagiert; aus diesem Kontext wurden sie auch für das Interview rekrutiert. *Babsi, 28 Jahre alt, befand sich zum Zeitpunkt der Befragung in den Abschlussprüfungen ihres Magisterstudiums (Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, Linguistik). *Jörn, 34 Jahre alt, arbeitet in der Werbebranche als Entwicklungsingenieur. Beide Interviewpartner kommen häufig auf die Winterzeit zu sprechen. Das mag daran liegen, dass das Interview im Spätherbst stattfand; an jenem Tag war das Wetter unangenehm nass und kalt; das erklärt möglicherweise, weshalb die Befragten hier und da auf die Witterungsverhältnisse am Abend zu sprechen kommen. b) *Elisabeth Schmidt (ES) *Elisabeth Schmidt ist 59 Jahre alt, verheiratet und Mutter einer Tochter sowie eines Sohnes, der als Kind bei einem Unfall ums Leben kam. Sie ist ausgebildete Kunsterzieherin für die Grundschule. Seit ihre Tochter geboren wurde, ist sie nicht mehr als Lehrerin tätig. Heute arbeitet die Hausfrau gelegentlich in der Marktforschung. Ihr Gatte ist beruflich stark eingebun- <?page no="292"?> 278 den, er kommt nicht vor 20 Uhr nach Hause. 879 Sie ist evangelisch, beschreibt sich selbst aber als wenig christlich erzogen. Ihr Gatte ist aus der Kirche ausgetreten, die Tochter ist in der katholischen Kirche engagiert. Ihretwegen nimmt sie gelegentlich am kirchlichen Leben teil. Dieses Interview wird durch keine Lesepause unterbrochen, weil die Befragte es vorzog, spontan auf die Lieder zu reagieren. 880 Um dem Leser einen Eindruck von dem Verlauf der Liedfindung zu vermitteln, wurden die Stillepausen jeweils in Sekunden und Minuten angegeben. Die Befragte hatte das Interview als Kaffeetrinken vorbereitet und eine reiche Tafel aufgebaut; das erklärt die Nachfragen an der einen oder anderen Stelle, ob die Interviewerin noch etwas wünsche. 881 c) *Katharina Engel (KE) Das Interview mit *Katharina Engel wurde im Spätsommer auf dem Balkon ihrer Wohnung geführt. Katharina ist 54 Jahre alt und in zweiter Ehe verheiratet. Aus der ersten Ehe hat sie zwei erwachsene Söhne, von denen einer noch zuhause wohnt. Ausgebildet wurde sie als Designerin für Innenausstattungen; heute arbeitet sie gelegentlich als Pediküre. Sie selbst ist nicht christlich erzogen worden, weil ihre Eltern, wie sie selbst sagt, „Sozis“ waren. 882 Seit der Kindergartenzeit ihres jüngeren Sohnes engagiert sie sich einer evangelischen Gemeinde, vor allem in einem Frauentreff. Erste Einblicke in ein konfessionell-religiöses Leben hat sie in der Familie ihres ersten Ehepartners erhalten. 883 Auch dieses Interview setzt sich fast ohne Lesepause fort. Hier ist ebenfalls der Prozess der Liedauswahl auf dem Tonband dokumentiert. d) *Katja Ronsdorf (KR) *Katja Ronsdorf ist 45 Jahre alt und lebt allein. Sie arbeitet als Erzieherin in einem katholischen Kindergarten. Daneben ist sie in ihrer Arbeitsgemeinde auch stark ehrenamtlich engagiert. Das Interview wurde in ihrer frisch bezogenen, größtenteils noch uneingerichteten Wohnung an einem Tag im November geführt. e) *Nadine Kremer (NK) *Nadine, 23 Jahre alt, studiert katholische Theologie. Neben ihrem Studium ist sie ehrenamtlich in der Krankenhausseelsorge und in der Hospizarbeit tätig, macht in diesem Rahmen auch Nachtschichten und Bereitschaftsdienste. Sie ist knapp ein Jahr verheiratet und lebt derzeit mit ihrem Ehemann, der als pastoraler Mitarbeiter einer katholischen Pfarrgemeinde tätig ist, in einer Wochenendbeziehung. Das Interview wurde in den Räumen des Liturgiewissenschaftlichen Lehrstuhls an der Universität in Bochum geführt. 879 Vgl. ES I,6.18f. 880 Vgl. ES II,21. 881 Vgl. II,25-32. 882 Vgl. KE I,22-26. 883 Vgl. KE I,28-33. <?page no="293"?> 279 f) *Philipp Hansel (PH) *Philipp Hansel ist zum Zeitpunkt des Interviews 30 Jahre alt; er ist das dritte von insgesamt vier Kindern in der Familie. Er ist verheiratet und Vater einer einjährigen Tochter. Beruflich ist er als Pastoralreferent in einer katholischen Kirchengemeinde tätig. Die Befragung fand morgens bei ihm zuhause statt. g) *Rolf Colmar (RC) *Rolf Colmar, verheiratet, Vater eines erwachsenen Sohnes, arbeitet als Speditionskaufmann. Er ist 51 Jahre alt. Bedingt durch seinen Beruf kommt *Rolf oft erst sehr spät nach Hause (gegen 1h). *Rolf verwendet im Gespräch, das im Vormittagsbereich vor seinem Arbeitsbeginn geführt wurde, durchgängig den Konjunktiv I, der in den meisten Fällen jedoch als Indikativ zu verstehen ist. h) *Rainer Ganz (RG) Der Befragte *Rainer Ganz, 35 Jahre alt, war zum Zeitpunkt des Interviews Inhaftierter einer Justizvollzugsanstalt (JVA). Aus diesem Grund wurde das Gespräch während eines Ausgangtermins in einem Café geführt. Der Zeitraum für dieses Interview war limitiert, weil der Befragte im Anschluss an das Interview eine Verabredung mit seinem Rechtsanwalt hatte. Das Interview kam zustande, weil der Befragte durch die Interviewerin im Rahmen der Katholischen Seelsorge ehrenamtlich betreut wurde. Das Gespräch wurde zweimal durch einen Anruf auf *Rainers Handy, das er nur außerhalb der JVA benutzen darf, unterbrochen. Innerhalb der JVA arbeitet er als Müllfahrer. i) *Renate Roberg (RR) *Renate Roberg, 73 Jahre alt, ist verwitwet, Mutter von vier erwachsenen Kindern und Großmutter zweier Enkeltöchter. Ein Sohn hat sich vor einiger Zeit das Leben genommen. Sie lebt im Haus der Familie zusammen mit ihrem ältesten, unverheirateten Sohn. Sie ist stark politisch und kirchlich interessiert und täglich in ehrenamtliche Tätigkeiten (Chor, kfd, Pfarrgemeinderat, Besuch von Vortragsabenden, etc.) eingebunden. Das Gespräch fand an einem Nachmittag bei ihr zuhause statt. e Transkription Alle Interviews liegen in transkribierter Form vor. Die Transkriptionen basieren auf den Regeln einer gemäßigten Verschriftlichung, d.h. es wurde darauf verzichtet, die genaue Lautung bzw. Dehnung der einzelnen Worte und Sätze wiederzugeben. 884 In eckigen Klammern werden jedoch Hinweise zur Intonation und Artikulation des Interviewpartners wiedergegeben (z.B. [zögert], [lacht], o.ä.) oder auch notwendige Kontextinformationen zum erleichterten Verständnis vermittelt (z.B. [Ehepartner], [Erzählung wird durch Telefonat 884 Vgl. F LICK , Qualitative Sozialforschung, 254. <?page no="294"?> 280 unterbrochen]). Gedankenpausen werden durch [...] gekennzeichnet. Dauert diese länger an, so ist die Dauer der Pause dahinter in Minuten und Sekunden dokumentiert. Wird ein Wort oder Satzteil über die natürliche Satzbetonung hinaus betont, um es abzuheben oder um ihm einen anderen Sinn zu verleihen, dann wird dies durch Unterstreichung kenntlich gemacht. Wenn die Dialogpartner gleichzeitig sprechen, dann wird dies folgendermaßen gekennzeichnet: Die Stelle, an der die gemeinsame Rede beginnt, wird bei beiden durch eine offene eckige Klammer markiert [. Verläuft ein Gedankengang gewissermaßen im Nichts, so wird dies durch - angezeigt. Soll innerhalb eines Zitates eines Interviewausschnitts lediglich auf einen Sinnzusammenhang hingewiesen werden, weshalb Teile des Interviews ausgelassen werden, so sind diese durch [---] ausgewiesen. Die Zitation der Interviews erfolgt nach Initialen der fiktiven Namen, Interviewteil, Transkriptzeile. Die Interviews können wie eine gewöhnliche Textquelle behandelt werden, sobald sie in verschriftlichter Form vorliegen. Zwei Aspekte erscheinen in diesem Zusammenhang jedoch als bedenkenswert: (1) Die Erzählung eines Befragten ist selbst schon eine Interpretation seiner Wirklichkeit, die zunächst als wahr akzeptiert werden muss. Es ist wissenschaftlich aufwendig und nicht das Interesse dieser Studie, den Grad des Wahrheitsgehaltes eines Interviews und die Gültigkeit eines gesamten Interviews als Spiegel der Realität zu rekonstruieren. Es bleibt allein die Möglichkeit aus Verstrickungen innerhalb einer Erzählung auf eventuelle Unstimmigkeiten der Rede zu verweisen; eine allgemeine Aussage über die Gültigkeit der Aussagen kann jedoch nicht getroffen werden. (2) Die Transkriptionen wurden nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Es wurde versucht, so genau wie möglich die mündliche Kommunikationssituation wiederzugeben. Dennoch stellt jede Verschriftlichung mündlicher Quellen allein schon durch die subjektiv gesetzte Interpunktion - eine Interpretation der Wirklichkeit dar; sie bildet gewissermaßen die „Konstruktion einer <neuen> Realität“ 885 . Im Hinblick auf die Sprachgestalt innerhalb der Interviews ist zu bemerken, dass die Transkriptionen gesprochene Sprache wiedergeben. Da alle Beteiligten der Interviews einschließlich der Interviewerin aus derselben Region stammen - ein großer Teil auch gebürtig -, ist die mündliche Rede, die die Transkriptionen wiedergeben, von dem regionalen Sozio-Dialekt bestimmt. Es wurde darauf verzichtet, diese lokalen Besonderheiten „zu schönen“. 2 Methoden zur Auswertung der Interviews Die Qualitative Sozialforschung ist charakterisiert durch die Zusammensetzung unterschiedlicher Analysemethoden. 886 Um das Interviewmaterial an- 885 Ebd., 244. 886 Den Auswertungsmethoden liegen folgende wissenschaftliche Werke zugrunde: B ORTZ , Forschungsmethoden, bes. Kap. 5.3: Qualitative Auswertungsmethoden, 329- 336; M AYRING , P HILLIP : Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim / Basel 8 2003; M ERTEN , K LAUS : Inhaltsanalyse. Einführung in Theorie, Methode und Praxis. Opladen 2 1995; H OFFMEYER -Z LOTNIK , J ÜRGEN H. P. (Hg.): Analyse verbaler Daten. Über den Umgang mit qualitativen Daten. Opladen 1992; L EGEWIE , H EINER : Interpretation und Validierung biographischer Interviews. In: G ERD J ÜTTEMANN / H ANS T HOMAE (Hgg.): Biographie und Psychologie. Berlin 1987, 138-150; S TRAUSS , A NSELM L EWIS : Qualitative analysis for social scientists. Cambridge 1987; O EVERMANN , U L- <?page no="295"?> 281 gemessen auswerten zu können, wurden folgende methodische Arbeitsschritte vollzogen: Zunächst wurde in einer sog. Globalauswertung das vorhandene Material pro Interview strukturiert, durch Zusammenfassung reduziert und inhaltlich geordnet. 887 So konnte man sich einen ersten Überblick über das Material verschaffen und auch die qualitative Eignung des jeweiligen Interviews überprüfen. 888 Zweitens wurde durch die sog. qualitative Inhaltsanalyse das gesamte Interviewmaterial nach strukturellen und inhaltlichen Punkten gegliedert (in der Fachsprache nennt man diesen Vorgang „kodieren“). Auf diese Weise konnte ein Interview nach seiner inneren Struktur und der Hierarchie der durch den Beforschten angesprochenen Themen untersucht oder aber auch Referenzen zwischen den Interviews gezogen und Parallelen bzw. Differenzen in den Äußerungen aufgezeigt werden. a Fragestellung der Auswertung Die Auswertung des ersten Interviewteils geht von folgender Fragestellung aus: Wie erleben die Befragten den Abend? Im Einzelnen ist daher auch zu fragen: Welche äußeren und inneren Einflüsse führen zu dieser Wahrnehmung? Darin implizieren sich weitere Fragen, nämlich: Welche emotionalen Haltungen artikulieren die Befragten explizit, welche lassen sich aus der Art und Weise der Darstellung ermitteln? Welchen zeitlichen, örtlichen, natürlichen, emotionalen oder sozialen Rahmen benennen die Befragten für den Abend? Welche Relevanz hat die Tageszeit für ihr Leben? Was assoziieren die Befragten (thematisch, emotional, etc.) mit der Tageszeit? Auch der zweite, sich im Wesentlichen auf die Lieddeutungen der Rezipienten beziehende Interviewteil wird unter diesen Fragestellungen ausgewertet. Auf diese Weise wird es möglich, die Lieddeutungen auf der Folie des Abenderlebens zu interpretieren. In der Verbindung von Abenderleben und Deutung der Lieder sind zusätzliche Fragen interessant: Welche Wirkung hat das jeweilige Lied auf die Befragten und wovon hängt sie ab? Zu welchen Auslegungen werden die Befragten durch ein Lied veranlasst? In welcher Weise zeigen sich Verbindungen zwischen den Deutungen einzelner Lieder und der Wahrnehmung des Abends an sich? RICH / A LLERT , T ILMANN / K ONAU , E LISABETH : Zur Logik der Interpretation von Interviewtexten. In: T HOMAS H EINZE / H ANS -W ERNER K LUSEMANN / H ANS -G EORG S OEFF- NER (Hgg.): Interpretation einer Bildungsgeschichte. Überlegungen zu einer sozialwissenschaftlichen Hermeneutik. (Päd.-Forschung) Bensheim 1980, 15-69; S OEFFNER , H ANS -G EORG (Hg.): Interpretative Verfahren in den Sozial- und Textwissenschaften. Stuttgart 1979; K RIPPENDORFF , K LAUS : Content analysis. (The Sage commtext 5) Beverly Hills / London 1980; K ALLMEYER , W ERNER / S CHÜTZE , F RANK : Zur Konstitution von Verhaltensschemata der Sachverhaltsdarstellung. In: D IRK W EGNER : Gesprächsanalysen. Hamburg 1976, 159-274; A DORNO , T HEODOR W.: Soziologie und empirische Forschung. Gesammelte Schriften Bd. 8. Frankfurt a. Main 1975. 887 Vgl. grundlegend zur Methode der Globalauswertung: H EINER L EGEWIE , Globalauswertung. In: A NDREAS B ÖHM / T HOMAS M UHR , A NDREAS M ENGEL (Hgg.): Texte verstehen. Konzepte, Methoden, Werkzeuge. Konstanz 1994, 100-114. 888 Vgl. F LICK , Qualitative Sozialforschung, 283f. <?page no="296"?> 282 In Exkursen werden außerdem noch folgende weitere Fragen ventiliert: In welcher Weise nehmen die Beforschten die Abendlieder wahr? Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl der Lieder? b Qualitative Inhaltsanalyse Es gibt verschiedene Systeme der Qualitativen Inhaltsanalyse, denen meistens dieselbe Struktur zugrunde liegt. All diesen ist gemein, dass sie eine „Methode zur Erhebung sozialer Wirklichkeit [sind], bei der von Merkmalen eines manifesten Textes auf Merkmale eines nicht manifesten Kontextes geschlossen wird.“ 889 P HILIPP M AYRING hat diese gemeinsamen Ordnungsmuster in einem Analysesystem zusammengetragen: 890 Zunächst wird der Materialumfang festgelegt, also die Anzahl der auszuwertenden Interviews, die für die Analyse in Betracht gezogen werden. Sodann werden formale Charakteristika des Materials beschrieben (im Hinblick auf die Quelle, Adressaten, Adressanten etc.). 891 Dann kann die Richtung der Analyse bestimmt und die Fragestellung unter einer theoretischen Ausdifferenzierung formuliert werden. Weiterhin bestehen nun die notwendigen Grundlagen dafür, um die Analysetechniken zu definieren und den konkreten Ablauf der Analyse festzulegen. Zu letzterem gehört auch, zu bestimmen, von welcher Größe die größte (Kontexteinheit) 892 bzw. die kleinst mögliche Analyseeinheit (Kodiereinheit) 893 sein sollte. Es folgt eine dreigliedrige Analyse (s.u.) In abschließenden Analyseschritten wird erneut das Kategoriensystem an Material und Theorie der Fragestellung überprüft. Auf dieser Basis erfolgt die eigentliche Interpretation des Materials in Bezug auf die Fragestellung. Abschließend wird die Interpretation im Hinblick auf die inhaltsanalytischen Gütekriterien überprüft. Die eigentliche Analyse vollzieht sich in drei Schritten: (1) Zunächst wird das vorhandene Material auf seine wesentlichen Inhalte reduziert; d.h., ein Interview wird um all die Stellen gekürzt, die keine für die Auswertungsfragen relevanten Informationen bergen. (2) In einem nächsten Schritt einer Kontextanalyse wird das Verständnis der Aussagen erweitert, in dem z.B. Wörterbücher konsultiert werden, um die von den Befragten genutzten einzelnen Wendungen präziser fassen zu können. (3) Den umfangreichsten Analyseteil bildet die Strukturierung des Materials. Diese erfolgt in einem induktiven und einem deduktiven Auswertungsverfahren. Das bedeutet, dass zunächst die unterschiedlichen Themenfelder der Gespräche erhoben, struktuiert und analysiert werden, dann aber auch die Erkenntnisse des ersten Untersuchungsteils miteinbezogen werden, um thematische Ausfälle und Zusätze erkennen zu können. Ein Vorteil dieser Erhebung gegenüber anderen besteht darin, große Textmengen bewältigen zu können. 894 Im Gegensatz zu anderen Kodierverfahren 889 M ERTEN , Inhaltsanalyse, 15.59. 890 Vgl. M AYRING , Qualitative Inhaltsanalyse, 54. 891 Diese Schritte der Qualitativen Inhaltsanalyse sind bis hierhin schon im vorstehenden Text dokumentiert worden. 892 Diese umfasst bei Auswertungen von Interviews die Länge eines Interviews. 893 Die kleinste Analyseeinheit bildet im Grunde ein Sem, d.h. die kleinste bedeutungstragende Einheit eines Wortes. 894 Vgl. F LICK , Qualitative Sozialforschung, 282. <?page no="297"?> 283 ist die Qualitative Inhaltsanalyse allerdings weniger induktiv. Das heißt, es werden nicht alle Kodes und Kategorien aus dem Material selbst gewonnen, sondern auch von außen an das Material herangetragen, weil das Datenmaterial im Hinblick auf einen bestimmten Sachverhalt hin ausgewertet werden soll. 895 Die Ergebnisse beider Methodenschritte, der Globalauswertung und der Qualitativen Inhaltsanalyse, finden sich nicht eigens präsentiert, da es sich hier ja nicht um eine Methoden reflektierende Studie handelt, sondern fließen an gegebener Stelle in dem Maße, wie es für eine angemessene Darstellung der Forschungsergebnisse notwendig erscheint, in die Interpretation mit ein. 896 c Zu den Grenzen der Auswertung und der Problematik ihrer Darstellung Das Ziel qualitativer Forschung 897 liegt darin, ein „möglichst vollständiges Bild der zu erstellenden Wirklichkeitsausschnitte zu liefern“ 898 . In der vorliegenden Untersuchung sollen möglichst bereitgefächert und kompakt zugleich die Facetten dargestellt werden, wie der Abend erlebt wird und welche Rolle er im alltäglichen Leben spielt. Auf diese Weise wird das Interesse der Gesamtstudie weiterverfolgt, eine insgesamt möglichst dichte Beschreibung des Phänomens Abend zu erzielen. Nun wird nicht mehr primär aus dem Fokus des Liedes und der Liturgie heraus der Abend als spiritueller, psychisch-sozialer oder theologischer Raum erschlossen, sondern eben aus der Perspektive des Alltags. B RITTA M ARTINI , die eine Pionierarbeit hinsichtlich der Verbindung von Hymnologie und empirischer Forschung vorgelegt hat, befasst sich in weiten Teilen ihrer Studie mit der Illustration und Zusammenfassung des Interviewmaterials, vor allem der Aussagen einzelner Befragter. Nur in einem aufs Ganze gesehen relativ kurzen Kapitel ermittelt sie Gemeinsamkeiten der Interviewaussagen und deutet sie hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes. 899 Das Ziel der vorliegenden empirischen Forschung liegt jedoch 895 Vgl. M AYRING , Qualitative Inhaltsanalyse, 74. 896 Darunter fällt zum Beispiel die von verschiedenen Beforschten artikulierte Kritik an der kirchlichen Struktur. Obwohl dieses Thema in keiner Weise durch die Befragende evoziert wurde, stellt sich dieses Thema in bestimmten Zusammenhängen ein. Da sich aus diesem „Nebenschauplatz“ unter Umständen weitreichende Schlussfolgerungen auf das eigentliche Thema schließen lassen, werden solche Ergebnisse aus der Qualitativen Inhaltsanalyse entsprechend einfließen. Ein anderes Beispiel ist in einem Interview das auffällig häufige Vorkommen der Isotopie „Verantwortung / Leistung“. Auch wenn dies keine primär linguistische Studie ist, wird dieser Aspekt näher zu beleuchten sein, weil er im Kontext einer Gesprächssequenz über Schuld und Erlösung steht. 897 Vgl. K ARDORFF , E RNST VON : Qualitative Sozialforschung - Versuch einer Standortbestimmung. In: U WE F LICK / D ERS ./ H EINER K EUPP u.a. (Hgg.), Handbuch Qualitative Sozialforschung, 3-8. 8. 898 Ebd., 4. 899 S. M ARTINI , Sprache und Rezeption des Kirchenliedes, 232-245. <?page no="298"?> 284 nicht primär auf dem beschreibenden Fokus, sondern auf dem interpretativen Verfahren, um in Kombination mit schon erzielten Analyseerkenntnissen eine Theorie des Abends generieren zu können. Für unseren Fall bedeutet dies also, aus den Analyseergebnissen aller Interviewbeiträge eine alltagsweltliche Beschreibung des Phänomens Abend vorzunehmen und nicht jeden Interakt für sich zu dokumentieren. Dieser Darstellung werden die Auswertungen der Aussagen zu den einzelnen Liedern (zweiter Interviewteil) untergeordnet. Die Auswertungen aller inhaltlichen Aussagen zu einzelnen Abendliedern erfolgen demgemäß nicht in einem gesonderten Kapitel, sondern sie werden, je thematisch passend, in die Darstellung des Abends integriert. Die Wahlfreiheit der Interviewteilnehmer bringt es mit sich, dass zu einem Lied viele verschiedene und ausführliche Kommentare vorliegen, andere Stücke hingegen nur in einer Randbemerkung erwähnt werden. Daraus ergibt sich für das interpretative Verfahren eine Schwierigkeit: Es ist in einem recht unterschiedlichen Maß möglich, Verallgemeinerungen bezüglich der Deutungen eines Liedes vorzunehmen, denn eine einzige Stellungnahme zu einem Lied ist selbst für eine qualitativ-empirische Evaluation nicht ausreichend. 900 Da möglichst eine „Überinterpretation“ vermieden werden soll, wird gerade dort, wo es an einer Vielzahl von Bemerkungen mangelt bzw. sehr heterogene Positionen anzutreffen sind, eher vorsichtig vermutend versucht, Tendenzen zu skizzieren, als sich in ungesicherten Theorien zu versteigen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick, welche Interviewpartner sich zu welchen Liedern geäußert haben: 901 Abend ward Bleib bei mir, Herr! Bevor die Sonne sinkt Der Lärm verebbt Hüll mich ganz in deine Ruhe ein Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen Von guten Mächten treu und still umgeben Ich liege, Herr, in deiner Hut Schnell eilt der Tag Nun trägt der Abendwind den Tag Ein Tag geht nun zu Ende, Herr Gehe ein in deinen Frieden *Babsi Sander x (x) x x *Jörn Linneweber x x *Elisabeth Schmidt (x) (x) (x) x x (x) x (x) (x) (x) *Katharina Engel (x) x (x) x (x) (x) (x) *Katja Ronsdorf (x) x x *Nadine Kremer x x x (x) *Philipp Hansel (x) x *Rolf Colmar x (x) *Rainer Ganz x x *Renate Roberg x x x 900 Vgl. M ARTINI , B RITTA : Theorie und Praxis der hymnologischen Rezeptionsforschung. Ein Interview mit Kindern und Jugendlichen zum Lied „Stimme, die Stein zerbricht“. In: A NNETTE A LBERT -Z ERLIK / S IRI F UHRMANN (Hgg.): Auf der Suche nach dem neuen geistlichen Lied. Sichtung - Würdigung - Kritik. (MHS 19) Tübingen 2006, 25-48. 35. 901 (x) markiert diejengen Stücke, die nur am Rande Erwähnung gefunden haben. <?page no="299"?> 285 Ein unmittelbarer Vergleich der von den Interviewpartnern getroffenen Wertungen und Deutungen einzelner Lieder mit den vorstehend präsentierten Einzelanalysen schließt sich aus mehreren Gründen aus: Erstens besteht das leitende Interesse nicht darin, testartig die kognitiven Fähigkeiten der Befragten und ihre Intelligibilität zu erforschen, sondern vor allem auch über die affektive Zustimmung oder Ablehnung von Liedern und ihren Themen Kenntnis zu gelangen. 902 Weiterhin handelt es sich bei den Befragten allenfalls um hymnologisch interessierte Laien, so dass ihre Deutungen wohl die vorgenommenen Interpretationen um eine aus dem Alltags- und ‚Glaubenswissen’ gespeiste Deutung bereichern, nicht jedoch gewissermaßen zu den Analysen in Konkurrenz treten könnte. Das bedeutet also, dass nur dann, wenn es sich von den Ergebnissen der Interviewauswertung anbietet, dezidierte Referenzen zu den Liedinterpretationen gezogen werden. Gleichwohl wird die Frage nach der Art und Weise der Rezeption und der Wertung von geistlichen Liedern abschließend eigens erörtert. 903 Eine letzte Vorbemerkung: Um der durch die Methode geforderten Kriterien der Valenz unmittelbar Rechnung zu tragen, werden die Ergebnisse immer wieder durch direkte Zitate aus den Interviews angereichert. Wer ausschließlich an den Ergebnissen interessiert ist, möge demnach das „Kleingedrucke“ überspringen. 902 Es wurde einleitend zum zweiten Interviewteil danach gefragt, welches Lied die Person spontan angesprochen habe und nicht, welches Lied sie aus bestimmten theologischen Implikationen favorisiert. 903 Siehe dazu das letzte Unterkapitel II B 5 c Glaubenspraxis als Lebenshilfe. <?page no="301"?> 287 B E RLEBEN , W IRKUNG UND D EUTUNG DES A BENDS IM A LLTAG 1 Der Abend als zweiphasige Schwellenzeit a Gestaltung des Übergangs von der Arbeit zur „Freizeit“ Der Abend ist im alltäglichen Erleben insgesamt weniger zeitlich fixiert, er wird vielmehr durch lebensrhythmische Abläufe oder intuitive Angaben eingegrenzt: *Babsi: „Ja. Also, ich würd’ Abend wirklich nicht an Zeit koppeln, also überhaupt nicht.“ *Jörn: „Eher so gefühlsmäßig.“ *Babsi: „Ja. Genau. An Gefühl, Emotionen.“ 904 Im Ganzen indizieren vier Aspekte das Tagesende: Dunkelheit, 905 nach Hause kommen, 906 Nahrungsaufnahme 907 und die Beendigung der Arbeit. Letztere orientiert sich nicht zwangsläufig an entlohnter Arbeit. Der Abend im Sinne von ‚Feierabend’ beginnt für Erwerbstätige und Nichterwerbstätige meist erst dann, wenn auch die Hausarbeit erledigt ist: *Katja Ronsdorf: „Mit dem Feierabend kommt ja eigentlich erst mal - wenn ich hier [zeigt ins Wohnzimmer] alles getan habe, dann, so, das Nötigste, dann fängt für mich der Abend an. Das heißt, das kann unterschiedlich sein. Das kann mal um sieben sein oder auch mal um neun oder um zehn. Also, ich bin auch jemand, der gut lange aufbleiben kann, so ist es nicht. Also, ich bin kein Mensch, der früh aufsteht, also eher abends dann schon - also da kann es schon mal ohne weiteres bis zehn, elf Uhr gehen, dass ich soweit bin, dass ich sagen kann: ‚Dann fängt der Abend für mich an.’ Deswegen, mit dem Feierabend, das ist so ’ne schwierige Sache, da ist erst mal der eine Teil abgeschlossen, aber da kommt ja noch der andere, der privat ist, ja, Wohnung fertig machen oder aufräumen und solche Sachen, ne.“ 908 Der Abend wird in puncto Arbeit von den meisten Befragten als zweigeteilt beschrieben: 909 Er gliedert sich in einen aktiven Teil, in den ehrenamtliche 910 904 BS+JL I,116-118. Auch *Rainer beschreibt die Dauer des Abends in der Zeit vor seiner Inhaftierung als gefühlsabhängig: „Das war auch - nach dem Empfinden der Situation. Mal bis zwölf, mal bis morgens um fünf, nach Lust und Laune, je wie ich mich gefühlt habe. Wenn ich mich gut gefühlt habe, dann war die Nacht lang, der Abend, die Nacht lang. Wenn ich mich nicht so gut gefühlt habe, dann war der Abend kurz.“ RG I,47-50. 905 Vgl. BS+JL I,77f; ES I,148-154; KR I,90. 906 Vgl. BS+JL I,63-66; ES I,145-147; NK I,40-42; KR I,25f. Dazu ist auch der Einschluss des Gefangenen zu zählen (RG I,25-32). 907 Vor allem in der Kindheit als maßgeblichen Einschnitt beschreiben dies *Jörn (BS+JL I,66f.), *Elisabeth Schmidt (ES 159-163), *Katharina (KE I,24) und *Rolf (RC I,5). Aktuell hat das Abendessen für *Nina (NK I,41), *Philipp (PH 70f.) und *Rolf (RC I,7f.) noch einen Stellenwert am Beginn des Abends. 908 KR I,75-85; s. auch KE I,69.83f.; RR I,36-48. 909 Ausdrücklich unterteilen *Nadine (NK I,29-32.40-46.62-64), *Katja Ronsdorf (KR 37- 40.68-72), *Philipp (PH I,53-66) und *Renate Roberg (RR I,36-43) den Abend in zwei Teile. <?page no="302"?> 288 und u. U. auch noch erwerbliche 911 Arbeit fallen, während dessen man Hausarbeit 912 und Hobbies 913 nachgeht und der durch Kommunikation und Gemeinschaft 914 mit Partnern, Freunden oder Familie geprägt ist. Der Ort ‚Zuhause’ hat für den Abend eine elementare Bedeutung: Er ist ein Ort des Schutzes, des Wohlfühlens und des Geborgenseins. 915 Möglicherweise ist das „Zuhause“ deshalb auch ein Synonym für Partnerschaft und Familie. 916 Das Nach-Hause-Kommen markiert einen deutlichen Einschnitt im Alltagserleben, mit seinem Betreten ist daher häufig bewusst der Feierabend erreicht. 917 Im Gegensatz zum Arbeitsplatz gewährleistet das eigene Heim eine ruhige Atmosphäre und in dessen Folge auch die Möglichkeit, selbst zur Ruhe zu gelangen. 918 Der Beginn des Abends bildet eine Wende von der Aktivität zur Passivität bzw. in bestimmten Alterphasen auch in umgekehrter Folge die Wende zu besonderen Tätigkeiten: *Jörn: „Mh, also ich glaub, ich müsste da eigentlich unterscheiden. Also jetzt wirklich bezogen auf das ganze Leben, äh, da würd’ ich sagen, nehm’ ich den Abend in drei verschiedenen Sachen wahr: Einmal in meiner Kindheit so als, so als Breakpoint im Tag, weil du warst die ganze Zeit aktiv, hast viel gespielt und jetzt „Bäh, jetzt muss ich ins Bett.“ Danach in meiner Jugendzeit würd’ ich sagen, da ging’s erst richtig los, weil, den ganzen Tag über hast du deine Verpflichtungen gehabt und kannst jetzt mal richtig auf die Pauke hauen, abends rausgehen mit den anderen Leuten. Ja, und jetzt so, jetzt kommt es wirklich drauf an, jetzt hab ich das auch mehr unterteilt in Jahreszeiten. Im Sommer kann ich im Prinzip mehr rausgehen, im Frühjahr, und jetzt, wo es so langsam kühl wird, auch eher so das Bedächtige, so mehr ausklingen lassen den Tag, ein bisschen ruhiger werden.“ 919 910 Vgl. KR I,4-8.33-38.42-46 (kirchliches Ehrenamt); RR I,9-14 (Ehrenamt in Kirche und Politik). 911 Vgl. PH I,61-64; RC I,32-50.52-55. 912 KR I,75-77; NK I,50-53 ; RC RR I,36-48. 913 *Elisabeth Schmidt hat, als ihre Kinder noch zuhause waren, viel des Abends gebastelt (ES I,40-45.49-59); *Philipp widmete sich in seiner Jugendzeit dem Theaterspielen und anderen kulturellen Angeboten (PH I,23-29.36f.41-52); Bevor *Rainer inhaftiert wurde, dienten ihm die Abende dazu auszugehen (RG I,44f.). 914 Vgl. BS+JL I,56-61; ES I,10-12. 18-24. 112-126. 137-142; KR I,12f. 28f. 41f. 53f. 55-58. 62- 68. II,291-295; NK I,26-28. 41-43. II,332-334; PH I,20-23. 55f. 66-70; RC I,21-29; RR I,5-9. 15. 59-63. 915 Vgl. ES I,149-151.II,430-433; KE II,326-332; RG I,44f. Im Winter hält man sich tendentiell eher zuhause auf, während man im Sommer eher nach draußen strebt. In diesem Sinne bietet das Zuhause auch Schutz vor Dunkelheit und Wetter; vgl. BS+JL I,23f.; BS+JL I,45-48.79-84. 916 Vgl. PH I,20-23; RR I,8f. 917 Vgl. ES I,18-20.145-150.176-180; KR I,25-30. 918 Vgl. ES II,141-149; KR I,25-30; NK I,40-42; RC II,75f. In zwei Interviews wird davon gesprochen, in einem bestimmten Lied „zuhause zu sein“, was sagen will, dass jenes ihnen so bekannt ist, dass es auswendig vollzogen werden kann und darüber hinaus wertvolle Erinnerungen an bestimmte Vollzugskontexte, Menschen und Situationen wachruft. Vgl. die Aussagen von *Nina über das Lied Abend ward, bald kommt die Nacht NK II,47-52 und von *Philipp über Summertime PH II,72-75. 919 BS+JL I,29-39; vgl. auch KE I,17-21.33-36; RC I,32-38; RG I,44f.56f. <?page no="303"?> 289 Der zweite, eher in Passivität und Schlaf überführende Teil des Abends, dient hingegen dem zur Ruhe Kommen. 920 Hier dominieren das Alleinsein und die Pflege der Privatsphäre, um Abstand vom Alltagsgeschehen zu gewinnen: *Philipp Hansel: „Entweder bin ich dann, dann hier alleine oder ich bin in ‘ner Rückfahrt oder so was, noch alleine irgendwie unterwegs und brauch’ diese Alleinzeit auch. Brauch’ auch Abende, wo ich alleine bin. Ja, insofern ist das noch mal wichtig. Heute ist es, äh, also jetzt ganz konkret, ist es natürlich so, dass viele Sachen auf’m Abend liegen, terminlich. Von der Arbeitszeit her. [...] Das ist nicht - also stört mich nicht, find’ ich. Das ist sogar eher angenehm, äh, so ab und zu zumindest. Aber auch da brauch’ ich immer noch meine Zeiten, um, äh, wieder hier anzukommen und um ruhiger zu werden und um mit dem Tag abschließen zu können.“ 921 Der Abend eröffnet in diesem Sinne auch die Möglichkeit, ihn zumindest partiell als eine individuelle Zeit zu gestalten; er bildet eine Art Freiraum gegenüber den sozialen Verpflichtungen des Alltagsgeschäftes, 922 und enthebt den Menschen gewissermaßen seines Alltags. 923 Wird der Abend teilweise noch als Arbeitszeit verwendet, dann kommen, wenn auch verkürzt, dennoch beide Schwellenphasen vor. Der Abend endet im Allgemeinen mit dem Zubett- und Schlafengehen. 924 Der Zeitpunkt dafür ist ebenfalls weniger zeitlich fixiert, sondern vielmehr 920 KR I,19-23.38-40.68-72; RR I,24-43. Fr. Schmidt beschreibt die Reihenfolge von Aktivität und Passivität andersherum: Solange sie abends daheim allein ist - bis ca. 20h -, kann sie es sich „besinnlich […] machen“ (ES I,7), sobald jedoch ihr Ehemann von der Arbeit nach Hause kommt, „versachlicht sich das eben auf das, was wichtig ist, oder was gemacht werden muss“ (ES I,20f.). Erst wenn sie dann ins Bett geht, stellt sich wieder für sie die Gelegenheit ein, ihren Gedanken nachzugehen (ES I,173-194). 921 PH I,58-66. 922 *Philipp beschreibt dies als „individuelle gestaltete Zeit“, als „Freiheitszeit für mich“ PH I,55-71. Ähnlich formuliert es *Nadine, die diese zweite Phase des Abends, wenn sich ihr Gatte schon zur Ruh gelegt hat, in konzentrierter Form für ihre wissenschaftliche Arbeit nutzt: „Also der Abend ist eigentlich mehr so [...] der Ruhepunkt, der Feierabend, wo man nach Hause kommt, Abend isst, Fernseh’ kuckt, sich unterhält, wo auch noch Anrufe kommen. Die Nacht beginnt eigentlich dann, wenn keiner mehr anruft. So, was ich auch immer gerne halt auch ausnutze, zu wissen, wenn ich mich jetzt hinsetze, stört mich keiner mehr. Dann schläft alles um mich rum. Dann hab’ ich wirklich Ruhe. Während der Abend dann mehr so ’n Übergang noch ist.“ NK I,40-46; vgl. I,99-107. Für *Frau Schmidt ist die Zeit bis ihr Ehemann von der Arbeit nach Hause kommt, „Frei“-Zeit; vgl. ES I,3-8. 923 *Rainer empfindet die Zeit des Alleinseins nach dem Einschluss als eine Enthebung von allen alltäglichen Problemen: „Ja klar, man denkt über den Tag nach, aber man ist froh, wenn um siebzehn Uhr dreißig in der Woche die Tür abends zugeht, weil man dieses ganze Chaos, ja, dieses für mich persönlich feindliche System zu belastend ist. Und dann ist es für mich so, wenn die Tür zugeht, dann, dann geht mir keiner mehr auf’n Sack. Keiner nervt mich mehr, ne. Ich muss mir nicht mehr so ’ne verkorkste Scheiße anhören, ne. Ich werde ja tagsüber nur mit Negativem konfrontiert. [...] Ich werde mit nichts Positivem konfrontiert.“ RG I,97-103. 924 Vgl. BS+JL I,91-93; ES I,173-185; KE I,75f.; KR I,113-118; PH I,79; In *Nadines Verständnis zeitlicher Ordnung endet der Abend mit dem Zubettgehen des Partners; s. NK II,305. <?page no="304"?> 290 abhängig von der Müdigkeit. 925 Der Weg ins Bett bedeutet aber nicht unbedingt auch gleich einzuschlafen: *Elisabeth Schmidt: „Schlafengehen nicht im Sinne von Schlafen, sondern im Sinne von „ins Bett gehen“, dass ich mich bettfein mache und dann auch noch über den Tag nachdenke oder über andere Dinge, oder wie ich was abwickeln werde. Oder wenn ich eine Ungerechtigkeit erlebt habe, frage ich mich dann im Bett, warum ich so und nicht anders reagiert habe - Bei so manchen Dingen, die ich so in der letzten Zeit erlebt habe, die unglaublich abgelaufen sind, dann könnt ich mich kaputt ärgern, und dann bin ich natürlich wieder voll wach im Bett und gar nicht mehr müde, ne. Dann bin ich auch schon mal wieder aufgestanden.“ 926 Im Gegensatz zur Nacht wird der Abend als aktive Zeit betrachtet. 927 Die Nacht hingegen gilt, abgesehen von Einzelfällen wie z.B. der Partizipation am Nachtleben, 928 als Schlafenszeit. Wird die Nacht zum ‚Feiern gehen’ genutzt, entfällt weithin ein Empfinden von ‚Nacht’. Das heißt, die Nachtzeit wird im Wachzustand eher als Abend gedeutet und eine Unterscheidung beider Tagesphasen ist in diesem Fall schwierig zu definieren. 929 b Ruhe und Entspannung als Indikatoren des Übergangs Ruhe und Beruhigung sind gleichzeitig Kennzeichen und Zweck des Abends, 930 während der Tag in seiner Geschäftigkeit eher noch als laut empfunden wird. 931 Dabei ist das Bedürfnis nach Ruhe ebenso wie der Beginn des Abends zeitunabhängig: *Katja Ronsdorf: „Es gibt Tage, da brauche ich einfach Ruhe und da fängt der Abend für mich um acht Uhr an. Und dann gibt es eben Tage, da geht es bis elf und dann fängt der Abend erst an. Das ist also zeitlich unabhängig. Abend ist wirklich dann, wenn ich mein Tagwerk eigentlich vollbracht - und ich komme endlich zur Ruhe.“ 932 Außerdem stellt sich Ruhe nicht automatisch mit dem Nach-Hause-Kommen ein, sondern es braucht eine gewisse Zeit der ‚Beruhigung’. 933 Fernse- 925 Vgl. BS+JL I,102-115; ES I,174-176. 926 ES I,186-194; vgl. auch NK I,79f. 927 Vgl. BS+JL I,205-210. 928 *Philipp: „Also, der Abend ist bei mir nicht so immer in die Nacht umgekippt. Also, ich hab’ immer ’n Fluss gehabt, der relativ früh war, weil ich ’n Frühaufsteher bin. Geh’ ja früh ins Bett und, äh, hab’ das auch immer schon getan. Also, es war, würd’ ich sagen, anders als, als andere, äh, Leute in der Schule zumindest, äh, zu denen ich Kontakt habe. Das war halt irgendwann, spätestens um eins oder so war’s, wenn’s denn mal am Wochenende war, um eins zu Ende. Sonst aber auch früher.“ PH I,29-35; vgl. auch BS+JL I,33-35.37. 929 Vgl. BS+JL I,95-97.197-203. 930 Für *Rolf indizieren bestimmte Arbeitsabläufe im Betrieb die einkehrende Ruhe und damit den Beginn des Abends. Vgl. RC I,47-53. 931 *Renate Roberg: „Naja, wenn sich die Stille um uns breitet, ist auch abends. Nech, denn über Tag hab ich nicht so viel Stille.“ RR II,97-99. 932 KR I,85-89. *Nadine kennt für sich unterschiedliche Qualitäten der Ruhe: die des Feierabends, wenn sie nach Hause kommt, im weiteren Verlauf des Abends die Ruhe, die ihr erneutes konzentriertes Arbeiten ermöglicht und schließlich die Ruhe, in der sie „die Gegenwart Gottes spüren kann“, kurz bevor sie einschläft. Vgl. NK I,40-46.81f. 933 Vgl. RC I,75-78. <?page no="305"?> 291 hen und Lesen 934 helfen dabei, zur Ruhe zu finden und vom Tagesgeschäft abzulenken. Ersteres dient auch als zeitliche Orientierung; Tagesschau bzw. Tagesthemen läuten den Abend ein oder geben zumindest das Signal dafür, das Tagewerk zu beenden. 935 Aber auch die Dunkelheit mahnt daran, die eigene Arbeit zu beschließen. 936 Das Bedürfnis nach Ruhe ist in der winterlichen Jahreshälfte tendentiell stärker ausgeprägt, weil mit Ruhe Entspannung und mit Entspannung Dunkelheit assoziiert werden. 937 Mit einer solchen Muße wird im Allgemeinen eine Entlastung von Arbeit und Alltag verknüpft: *Katharina: „Abend ist eigentlich für mich, ja, wenn die Arbeit auch so getan ist. So, wenn man entspannt ist. Und ja, so, wenn man so wirklich so genießen kann: Jetzt bin ich da und jetzt fühl ich mich wohl und jetzt kann der Abend beginnen.“ 938 Analog zum Motivfeld ‚Fernsehen’ wird sozusagen das Programm ‚Alltag’ am Abend abgeschaltet, um sich, indem man sich auf etwas anderes konzentriert, von dem Erlebten zu distanzieren und zur Ruhe zu kommen: *Renate Roberg: „Ja, das kommt drauf an, was ich am Tag erlebt habe. Wenn man sehr unruhig ist abends, und um von dieser Unruhe wegzukommen, schaue ich abends Fernsehen oder ich lese. Also ich lese eigentlich jeden Abend und dann kann ich richtig abschalten. Und dann schlafe ich gut.“ 939 Fernsehen oder Lesen dienen einerseits der Information, sind aber andererseits am Abend eher dazu gedacht, um in eine andere Welt einzutauchen; die eigene Lebenssituation wird auf diese Weise vorübergehend ausgeblendet, was im Allgemeinen als entlastend bzw. entspannend erlebt wird. Ist der Gestaltungsspielraum am Abend eingeschränkt, wie es etwa bei *Rainer aufgrund seiner Inhaftierung der Fall ist, so wird der Abend trotz seines vom Alltag entlastenden Effekts insgesamt als eine belastende Zeit empfunden: 934 Vgl. ES I,44f.60.162-171; KR I,25-28. 121-123; NK I,23-26.105f.; RR I,15.17-20.52-55. Als Kind wurde auch vorgelesen (NK I,16; RC I,21-29) bzw. die Befragten selbst haben ihren Kindern vorgelesen (ES I,59f.). 935 Vgl. BS+JL I,66f; NK I,41f; RC I,8f.54; RR I,14.30-33. Eher als Ausnahme gilt das Fernsehen bei ES I,36f. 205, während es für RG dominierend ist RG I,9.89f. 936 *Katja Ronsdorf: „Im Sommer habe ich auch noch viel eher das Gefühl, ich kann jetzt noch was machen, bevor der Abend anfängt. Im Winter ist der Abend immer eher da als im Sommer. Ja, das ist - weil’s dann einfach dunkel ist. Im Sommer, wenn du genau weißt, du kannst jetzt noch was machen - aber ich hab jetzt immer das Gefühl, jetzt ist gleich Abend, ne ‚Jetzt musste mal langsam zum Schluss kommen.’ Das konnte ich im Sommer immer noch verschieben“; KR I,99-105. 937 Vgl. BS+JL I,38-48.73-75; BS+JL I,27.54f. II,62-67.235-242.305-309; ES I,32-34.153f.; KR I,87-111. 938 KE I,69-71, s. auch KE I,40f.; RG I,7.9-15.56. 939 RR I,24-27; s. auch RR II,134-138. *Katja Ronsdorf schildert es ähnlich: „Ja [...], insgesamt würde ich sagen, ist der Abend so ’n Abschalten vom Tag und irgendwie auch schon so ’n Auftanken. Ein bisschen Ruhe kriegen, ne, Ruhe bekommen, das ist der größte Teil“; KR I,14-16; s. auch KR I, 3f.26.29f und BS+JL II,234-241. <?page no="306"?> 292 *Rainer: „[...] Der Abend ist positiv.“ Vf: „Weil? “ *Rainer: „Ja, weil - da ist Entspannung - das ist für mich der Abend.“ Vf: „Was machst Du abends so? “ *Rainer: „Fernseh’ schauen, lesen, entspannen. Das hatte ich ja schon. Relaxen. Ich mein, das ist für mich ja ‘ne Entspannung, wenn - für mich da drin [JVA] ist das Entspannung. [...] Ich sach mal, der Abend hat für mich nicht viel Bedeutung.“ Vf: „Weil -“ *Rainer: „Weil er immer gleich ist. Nech, vom Alltag her ist das Entspannung, ne, vom Erleben her ist es ein, äh, - ja, ein trostloser Abend, der [...] sich sieben Tage, ne, wiederholt. Ne, das ist für mich der Unterschied.“ Vf: „Was ist anders gegenüber früheren Abenden, die Du erlebt hast? “ *Rainer: „Keine Party, ne, [...] keine Party, keine Abwechslung, [...] keine Freizeitgestaltung. Also, so gesehen ist der Alltag im Gegensatz zu früher eintönig und, äh, wiederholt sich in jeder Einzelheit. Jeden Tag das gleiche Fernsehprogramm, die gleichen Sender. Alle paar Wochen kommt mal ein neuer Spielfilm und, äh, ja es ist eigentlich Zeit totschlagen. [...] Zeit totschlagen.“ 940 Die Erwartungshaltung an die Eigenschaften des Abends hinsichtlich Ruhe, Entspannung und Distanzierung vom Erlebten spiegelt sich auch in der Auseinandersetzung mit den vorgelegten Abendliedern wider: Nach Möglichkeit sollte ein Abendlied eine schlichte Sprachgestalt und einen begrenzten Textumfang aufweisen, um intellektuell nicht zu überfordern. 941 Es sollte weiterhin nichts Negatives thematisieren bzw. keine negativen Assoziationen wachrufen, um die Psyche des Rezipienten zu schonen. 942 Schließlich werden, um zur Ruhe gelangen zu können, zwei Arten von Melodien bevorzugt: einerseits ruhige, einfach gehaltene Weisen, 943 andererseits emotionale und wiegende Vertonungen. 944 Außerdem dominiert das Thema ‚Ruhe’ auch die motivischen Wünsche für ein eigenes Abendlied; es ist nicht nur das meistgenannte, sondern auch das einzige verbindende Thema in den Interviews. 945 c Routinehafte und rituelle Gestaltung des Abends Beide Phasen des Abends - der Übergang von der Arbeit zur Freizeit und vom Wachen zum Schlafen - sind durch bestimmte Handlungsmuster geprägt, sie gehören als wiederkehrende Elemente so zu sagen zum Grundrepertoire abendlicher Gestaltung: 940 RG I,5-21. 941 Vgl. z.B. KR II,33-38.209-211. 942 BS+JL II,305-313.464-486 ; RR II,21.134-138. 943 Vgl. z.B. ES II,253-271. 944 Vgl. PH II,195-197; RR II,48-60. 945 BS+JL II,463; BS+JL II,459f; KR II,263-267; PH II,117; RC II,134f; RG II,188. <?page no="307"?> 293 Essen (machen) ES I,203-205; PH I,97.122-124; RC I,5.7f. Fernsehen (Tagesschau) ES I,203-208; RG I,18-21 Hausarbeit (Aufräumen) ES I,203-205; NK 48-56 Kommunikation ES I,18-24; NK I,48-56.329-353; RC I,16f. Lesen (Vorlesen) ES I,40f.162-171; KR I,121-123 Vorbereitung des nächsten Tages NK I,48-56 1. Phase: Arbeit Freizeit Beten NK II 307-326 Hygiene BS+JL I,136-138; ES I,188; KE I,97f; PH 96-119; RC I,67f; RG I,111 Aufräumen RC I,67-69 Lesen (Vorlesen) ES I,60; KR I,121-123; NK I,19f; RR I,52 Vorsingen PH 96-119 Über den vergangenen Tag nachdenken (an andere denken) ES I,181f.187-200; NK I,79f. Planung des nächsten Tages ES I,189 Beten BS+JL 139-192; ES I,60-85; NK I,62-82; RR I,61f.66f.II,202-219 2. Phase: Wachen - Schlafen Sich (von sich / von einander) verabschieden KE I,97-103; NK I,16f; PH I,121 Beide Phasen enthalten, wenn man sie von ihren routinehaften Elementen her beschreibt, kontrastive, transzendierende und limitative Eigenschaften: Durch Lesen und Fernsehen versucht man sich vom Erlebten zu distanzieren, aber auch das Nachdenken im Bett und das Gebet verdeutlichen, dass die Befragten am Abend einen Kontrast zwischen dem Erlebten und dem bevorstehenden Schlaf bzw. dem kommenden Tag wahrnehmen. In den vorbereitenden Tätigkeiten für den folgenden Tag wird gleichsam die Nacht ‚überbrückt’. Aufräumen, Abendwäsche (sich „fertig machen“ 946 ) und das Sich-Verabschieden zeigen an, dass der Abend als Phase der Beruhigung sein Ziel im Schlaf findet. Die in der zweiten Phase des Abends anzutreffenden Regelmäßigkeiten entsprechen insgesamt den oben genannten Einschlafritualelementen. Explizit wurde in den Interviews nach besonderen Ritualen gefragt. Der vorgegebene Reiz „Ritual“ wurde durch die Interviewerin in den meisten Fällen um die Information ‚regelmäßig wiederkehrende Handlung’ ergänzt. Die Reaktionen auf diesen Reiz zeigen, dass dies primär mit Kontinuität und Konstanz (‚immer’, ‚regelmäßig’, ‚gleich bleibend’) übersetzt wurde: „Wahrscheinlich ist der ganze Abend ein Ritual, der sich immer wieder identisch abspielt, ne. Vom Ablauf her, ne.“ 947 946 BS+JL II,108; KE I,97f; RC I,5f. 947 RG I,112f. Die Wiederholung des Immergleichen wird von *Rainer als negativ empfunden, trotzdem er seines als grauenvoll empfundenen Alltags enthoben ist. Die belastenden Empfindungen ergeben sich, weil ihm die Stereotypie von außen (d.i. der <?page no="308"?> 294 Die befragte Gruppe deutet den Begriff ‚Ritual’ darüber hinaus als ein ‚besonderes Tun’, 948 das nach einem festgelegten Handlungsmuster verläuft und hinsichtlich des temporalen respektive lokalen Kontextes mehr oder weniger als unveränderlich erscheint. 949 Nichtsdestotrotz entwickeln sich entsprechend der Bedürfnisse neuer Lebenssituationen auch neue Formen von Ritualen; diese dienen dazu, Veränderungen im Alltagsgeschehen zu bewältigen: Sie sollen einen vormals praktizierten Vorgang - zum Teil übergangsweise als Platzhalter - ersetzen und gleichzeitig ihm ähneln. 950 Ein abendliches ‚Ritual’ vermittelt dabei auch über die eigentliche Handlung hinaus einen anderen Sinn oder soll zumindest einen konkreten, auf Ruhezeit und Schlaf zielenden Zweck erfüllen. 951 ‚Ritualen’ wird damit eine besondere Wirkung auf das vollziehende Subjekt bzw. die vollziehenden Subjekte beigemessen: sie tragen zum allgemeinen Wohlbefinden bei und verhelfen zu einer guten bzw. besseren Nachtruhe: *Nadine: „Ja, was mir noch aufgefallen oder eingefallen ist für mich ist es immer wichtig bei Abendritualen die Partnerrituale. Also wir hatten in der Familie Abendrituale und ich hab’ jetzt auch mit meinem Mann zusammen Abendrituale. Und ich hab’ das Gefühl, dass grade am Abend es unwahrscheinlich wichtig ist, dass man Rituale hat, weil das trägt einerseits sehr zum Wohlbefinden bei, aber ich habe auch das Gefühl, dass der Abend da ’ne Zeit ist, wo das sehr viel besser geht als morgens oder mittags. Und von daher, glaub, ich, dass der Abend auch noch mal als Zeitraum ’ne ganz besondere Bedeutung hat und also auch von daher viel, viel mehr gestaltet werden müsste.“ 952 Während der Begriff ‚Ritual’ für die eigene routinemäßige Gestaltung des Abends eher abgelehnt bzw. vermieden wird, dient er wohl als Hilfe, um Rhythmus der JVA) auferlegt wird. Er empfindet jeden seiner Abende wegen der kontinuierlich gleich bleibenden Gestaltung als Ritual. Vgl. RG I,5-21. Siehe auch ES I,199f.203; PH I,92-94. s. auch NK II,315: „ [---] das Gebet findet immer statt [---]“. 948 *Katharina ist beispielsweise der Meinung über keine “besonderen” Rituale am Abend zu verfügen; vgl. KE I,103. Auch *Rainer definiert „Ritual“ als etwas, was mehr als eine regelmäßig wiederholte Handlung ist: *Rainer: „Irgendwelche Rituale? Mh. Ja klar, ich rauche immer wieder. [...] Ja, Ritual ist weit hergeholt, ne.“ (RG I,106f.) 949 Vgl. ES I,199f; RC I,67-70.106f.111-113. 950 Vgl. NK II,329-353. Da aufgrund der räumlichen Distanz aktuell es nicht möglich ist, die Abende gemeinsam mit dem Partner zu verleben und den Tag zusammen im Gebet abzuschließen, ersetzt das Telefonat die Gemeinsamkeit; im Nachtgebet fühlen sich beide miteinander verbunden, weil sie um das Gebet des anderen wissen. 951 Dies ist vor allem bei den sog. „Einschlafritualen“ mit Kindern zu beobachten: *Philipp grenzt beispielsweise implizit eine regelmäßige Tätigkeit wie das Abendessen mit seiner Frau (PH I,122-124) ab von dem Abendritual mit seiner Tochter. In diesem Kontext versteht er alle Aktionen (essen, ins Bett bringen möglichst durch beide Eltern, einölen / massieren und ein Abendlied vorsingen) zweckgerichtet, d.h. sie dienen dazu, die Tochter zur Ruhe zu bringen. Vgl. PH I,96-125. Dieses „Geregelte“ erscheint ihm für seine Tochter aber auch für sich selbst als „notwendig“. Vgl. auch ES I,59f; NK I,14- 17. 952 NK II,292-300. Vgl. dazu die Aussage von *Renate Ronsdorf, die ihr abendliches Lesen zwar selbst nicht als Ritual definiert, letztlich der immer wiederkehrenden und gleich bleibenden Tätigkeit vor dem Schlafengehen eine wohltuende Wirkung beimisst; RR I,32f. <?page no="309"?> 295 Einschlafrituale für Kinder zu umschreiben. 953 Beten wird tendentiell eher nicht als ein Ritual aufgefasst, es sei denn, es fungiert als Teil eines kindlichen Einschlafrituals. 954 Überhaupt verfügt kindliches Gebet über eine größere Selbstverständlichkeit. Das zeigt sich auch darin, dass dieser Vollzug am Abend, ganz gleich ob man ihn als Kind selbst praktiziert hat oder nicht, als Tradition an Kinder und Enkelkinder weitergegeben wird. 955 Typischerweise handelt es sich dabei um ein bestimmtes vorformuliertes Gebet, das ggf. um freie Bittelemente ergänzt wird. 956 Für Erwachsene scheint Beten eher ein intimer Vorgang zu sein, denn solch eine Praxis offenbart man nicht einfach: Vf: „[---] Habe ich etwas Wichtiges zum Abend Sie vergessen zu fragen? “ *Renate Roberg: „Ich hab Ihnen höchstens nicht gesagt, dass ich abends bete. [lacht] Das tu ich immer.“ Vf: „Warum haben Sie das vorhin nicht gesagt? Weil Ihnen das unangenehm war oder hätte ich da direkt nachfragen sollen? “ *Renate Roberg: „Ja, also schon, weil, das sagt man ja nicht so. Nicht. [---]“ 957 Wenn im Erwachsenenalter abends gebetet wird, dann geschieht dies mit einer gewissen Regelmäßigkeit. 958 Die Form des Gebets kann je nach „Stimmung“ variieren, d.h. es wird auf feste Gebetsstrukuren zurückgegriffen, ebenso aber auch „frei“ gebetet: *Nadine: „Also es ist oft das Stundengebet. Es ist aber auch - manchmal haben wir das Bedürfnis frei zu beten. Also wir sind da sowieso noch in der Entwicklungsphase. Wir kommen aus zwei völlig unterschiedlichen Gebetstraditionen. Ich aus der ganz freien und er aus der [lacht] ganz vorgeschriebenen. Und wir basteln da grade dran. Und je nachdem, in welcher Stimmung wir sind. Ich sag mal, das Gebet findet immer statt und ist meistens dann eben die Komplet, weil sich das anbietet. Und manchmal ist es aber so, dass der Abend so intensiv war, dass die Komplet nicht passt. Also was heißt nicht passt, nicht ausreicht.“ 959 953 Vf: „Hast Du bestimmte, äh, Sachen, die Du immer wieder machst vor’m Schlafengehen? Bestimmte Rituale? Sachen - *Philipp: Jetzt wirklich täglich? Vf: Mh, was Du immer machst bevor Du schlafen gehst. *Philipp: Nee! Andere Sachen schon - aber sonst - sonst, nee.“ PH I,90-94; vgl. auch RG I,106-111; RR I,50-52 im Vergleich zu RR II,202f. 954 RR I,61f. Ab einem bestimmten Alter betete sie nicht mehr mit ihren Kindern und Enkelkindern; vgl. RR I,69-75. 955 Vgl. RR I,69-75 und im Gegensatz dazu die Äußerung von *Katharina, der diese Art von „Tradition“ als „suspekt“ erscheint; KE I,22-26.28-33. 956 ES I,76.79: Müde bin ich, geh zur Ruh (Text eines Liedes von L UISE H ENSEL [1817] *EG 484); ES I,77f: Ich bin klein, mein Herz ist rein; *Renate Roberg spricht von einem konkreten Gebet, das sie abends mit ihren Geschwistern gebetet habe, kann sich aber nicht daran erinnern; vgl. RR I,61f.66f. Siehe analog dazu *Philipp, der zusammen mit seiner Gattin seiner Tochter immer die gleichen Lieder vorsingt; diese erkennt sowohl die Stimmen als auch die Lieder wieder; vgl. PH I,104-119. 957 RR II,201-206; vgl. auch die quasi nachgeschobene Information von *Babsi und *Jörn, die andeutet, dass es ihnen etwas unangenehm ist, über ihre Gebetspraxis zu reden; BS+JL I,139-142. 958 Für *Babsi und *Jörn bedeutet ‚regelmäßig’ nicht unbedingt ‚täglich’; vgl. BS+JL I,142. 959 NK II,310-318. Vgl. Ein freiformuliertes Gebet wird von *Babsi und *Jörn favorisiert, vgl. BS+JL I,129; siehe dazu auch ES I,77. <?page no="310"?> 296 Gegenüber der traditionellen Form des kirchlichen Nachtgebets eröffnen frei vollzogene Gebete die Möglichkeit, aktuelle Geschehnisse konkret einzubeziehen und explizit zu benennen, sei es durch eine Tagesreflexion mit Dank für das Erlebte, 960 sei es durch Fürbitten. 961 Insofern es expliziert wird, wird das Gebet als Gespräch oder Dialog mit Gott verstanden. 962 In den Fällen, in denen nicht ausdrücklich gebetet wird, wird es durch ein ‚Denken-an’ vertreten. 963 Die Motivation zum Beten speist sich aus unterschiedlichen Quellen: es wird aus Gewohnheit, zur Pflege der Gemeinschaft 964 oder zum Tagesabschluss 965 gebetet. Außerdem wird das Abendgebet als eine besondere „Vorbereitung“ erachtet. 966 Es besteht ein allgemeiner Konsens darüber, dass Beten hilft: es unterstützt das eigene Wohlbefinden und stärkt das positive Denken: *Jörn: „Dass man das vielleicht nicht mehr so wie vielleicht früher gemacht hat, ‚Heute tun mir die Zähne oder das Kreuz schon wieder weh.’ ‚Kannst du nicht machen, dass mein Konto voll wird.’ [lacht], sondern dass man einfach mal sagt ‚Uns geht’s ja eigentlich richtig gut’. Und, eigentlich sind wir durch viele Gespräche und auch durch Glaubensfindung wieder dahin gekommen, dass wir sagen ‚Uns geht’s so richtig gut eigentlich. Wir sind gesund, wir haben genug zu essen.’ Punkt. Und jetzt können wir auch mal sagen ‚Dankeschön, dass der Tag aus den und den Gründen so gut gelaufen ist.’“ 967 Das eigene Wohlergehen, d.h. der eigene Wohlstand, scheint dabei mehr zum Dankals zum Bittgebet zu verpflichten. Ähnlich dem Gebet wird auch dem Gesang eine lebensnotwendige Rolle zugedacht: *Philipp: „Ja, natürlich Musik ist Gebet! [lacht] Das ist existenziell. Also für meine Gottesbeziehung ist das existenziell mich mit Musik mit Gott in Verbindung zu 960 Vgl. BS+JL I,153-177. 961 V gl. RR II,206-211 sowie dazu Gebetsverständnis von *Katja Ronsdorf, das sich im Lied Bevor die Sonne sinkt widerspiegelt: KR II,50-53.107f. 962 Vgl. BS+JL I,151f.; NK I,70-82; s. auch ES II,290-292. *Katharina sieht Gebete als Form der Verständigung mit Gott, den sie als Freund betrachtet; vgl. KE II,99-101. 963 Vgl. ES I,187-194. 964 Vgl. BS+JL I,144-162; NK II 307f. Auch *Elisabeth Schmidt sieht die Praxis des Betens als Tätigkeit einer (familiären) Gemeinschaft: „Und da denke ich dran, dass das - also ich glaube auch dass das für viele, die alleine leben, wenn die nicht gerade durch Beruf oder durch die Ausbildung dahin kommen, sich nicht gerade abends hinsetzen und Abendlieder singen, eben gemeinsam beten oder so etwas tun. Deshalb hat das, glaube ich, mit Familie zu tun, mit mehreren Personen zu tun und mit der Möglichkeit, das, was man da bespricht auch den anderen eingängig verständlich zu machen.“ ES II,226- 232. 965 Vgl. NK I,65-87. 966 *Katharina und *Philipp meinen dieser „Vorbereitung” nicht zu bedürfen. Dazu *Philipp: „Ich hab’ jetzt nicht das Bedürfnis jeden Abend in Gottes Gehörgang zu gehen oder so.“ PH I,101-107.106f. Vgl. KE I,22-26. 967 BS+JL I,165-172; vgl. auch *Katharinas Bemerkungen, während sie ihr Urteil über das Lied Bevor die Sonne sinkt gibt: „Äh, ich bete also auch manchmal. So. Ich hab’ mir auch vorgenommen, nicht nur zu beten, wenn’s mir schlecht geht, sondern auch einfach um zu sagen: ‚Es geht mir gut. Und lass es bitte so weiter geh’n, wie es is’.’ ’Ne.“ KE II,54- 57. <?page no="311"?> 297 setzen. Beziehungsweise auch umgekehrt: Ich glaube, dass Gott zu mir mit Musik spricht oder Kontakt aufnimmt, in Beziehung kommt mit mir.“ 968 Singen verfügt als Ausdrucksdimension des persönlichen Glaubens über einen elementaren Stellenwert. 969 Es ermöglicht mit Gott in Dialog zu treten bzw. ihn zu preisen. 970 Im Gesang wird, zumal die ganze Person in diesen Prozess involviert ist, Gottes Gegenwart erfahrbar: *Nadine: „Ich würde es wahrscheinlich eher aussuchen: ’n Ort, wo ich [...] wo ich weiß, dass ich da an Gott rankomme.“ Vf: „Heißt das ein Kommunikationsmedium? “ *Nadine: „Ja, nee. Nee, nich’ Kommunikation. Es ist mehr etwas, in Liedern kann ich die Gegenwart Gottes spüren. [...] Also nicht in jedem Lied, aber so in bestimmten Liedern kann ich die Gegenwart Gottes spüren.“ Vf: „Kannst Du beschreiben was diese - also, inwiefern das in den Liedern zum Ausdruck kommt? Ist es die Sprache, ist es die Melodie, ist es die Situation? Was ist das? “ *Nadine: Ja, auf das Singen, auf das Singen kann man sich besser konzentrieren als auf ein Gespräch. Also es hat so ’ne Brennglasfunktion eigentlich. Also da - da kommt die Melodie auch mit dem Text zusammen. Um man ist ja auch mit - ja man ist auch komplett darin, dadurch dass man seine eigene Stimme hört, dass man singt, laut singt, ähm, das kristallisiert das alles so. Wobei ich glaube, dass die Melodie wichtiger ist als der Text.“ 971 In diesem Sinne ersetzt das Singen eines Liedes ein Gebet; es kann als Mittel dienen, um die eigene Sprachlosigkeit zu überwinden. 972 Möglicherweise liegt es an dieser persönlichen Deutung des Singens, weswegen Fragen zur eigenen Singepraxis als Überschreitung einer Intimgrenze wahrgenommen werden. 973 Im gottesdienstlichen Kontext dient Singen der Vergemeinschaftung. Es ermöglicht die Gemeinschaft selbst von recht heterogenen Gruppen: *Philipp: „Dann gibt’s die Dimension, dass ich denke, äh, [...] ohne Gesang, äh, würde das, äh, Erlebnis und das [...] die Bedeutung von Gemeinschaft in Gottesdiensten nicht so hervorkommen. Nicht so fühlbar werden, nicht so, nicht so sein. Also, ich glaub’ die Gemeinschaft, äh, durch das gemeinsame Tun, äh, geschaffen. Also, ich bin ja in Gemeinschaft mit den größten Deppen da im Gottesdienst. Mitunter sogar mit ganz furchtbaren Menschen am Altar, äh, oder im Kirchenvorstand oder weiß ich nicht wo. Und, äh, - oder mit dem Papst von mir aus auch. Das kommt natürlich in der Liturgie, in liturgischen Formen. Aber ich glaube, dass da die Musik ‘ne ganz, ganz große Rolle spielt, um diese Gemeinschaft zu 968 PH II,322-326; s. auch PH II,293f. 969 Vgl. PH II,281-285. 293-295.298-307 970 BS+JL II,222f: „Also ich denke schon, das man auch hingeht, um mitzusingen und Gott in den Liedern dann irgendwie zu preisen.“ 971 NK II,190-204. 972 Vgl. NK II,167-185. 973 *Frau Schmidt stellt es in Frage, ob man es „zugeben“ würde, jenseits beruflicher oder familiärer Kontexte zu singen; vgl. ES II,467-481.473. Die erste Reaktion von *Nadine zeigt ebenfalls, dass ihr die Frage nicht angenehm ist; vgl. NK II,156-165. <?page no="312"?> 298 ermöglichen überhaupt. Und erlebbar zu machen, für mich erlebbar zu machen.“ 974 Es besteht ein allgemeiner Konsens darüber, dass sich in Musik und insbesondere im Gesang Gefühle artikulieren. 975 Deshalb wird der Gesang auch bewusst eingesetzt, um entweder eigene Empfindungen zu intensivieren oder aber, um ihnen entgegenzuwirken: *Nadine: „Aber an sich hat für mich Singen in meinem Leben die Funktion: Ich singe dann, wenn’s mir schlecht geht. [...] Also, nicht ausschließlich, aber dann, wenn’s mir schlecht geht, ist Singen ein Mittel, um - ja, was mir hilft. [...] Wenn ich dann ein Lied singe, was eben an Gott gerichtet ist oder was von Gott handelt. [...] ähm, ist das so was, was mir die Angst nimmt und mir Kraft gibt.“ 976 Tendentiell wird dem Singen geistlicher Lieder abverlangt, dass sie sich positiv auf das Gemüt bzw. die eigene Stimmung auswirken: *Jörn: „Vielleicht ist die Auswahl der Lieder unterschiedlich, aber die eigentliche Intention ist ja, wenn es dir schlecht geht, durch Lieder auch wieder besser drauf zu kommen. Weil eigentlich ist das was Erquickendes, etwas um wieder aufzupuschen.“ 977 Es wird Liedern damit eine quasi-therapeutische, helfende Wirkung zugesprochen, denn in der Liedauswahl orientiert man sich auch daran, welche Stimmung und Intention durch ein Lied erzeugt werden kann. 978 Allerdings hängt es nicht allein vom Gesang ab, sondern auch von dem Kontext, in dem gesungen wird, ob sich der gewünschte Effekt einstellen kann: *Nadine: „Nee, es geht mir besser. [...] Also, ist natürlich von der Situation abhängig und auch davon, ob ich die Zeit habe, mich ganz in das Lied zu versenken, aber wenn ich wirklich die Möglichkeit habe, ganz intensiv zu singen, für mich zu singen, dann geht’s mir danach besser.“ 979 974 PH II, 312-322; vgl. auch KR II,152-157. 975 Vgl. BS+JL II,146-149; BS II,129-134.252f; RR II,107-116; PH II,274-277. 976 NK II,167-171. Negativ wird dies von *Elisabeth Schmidt bestätigt: „Wenn ich ein Lied singe, oder wenn ich mir Gedanken über den Tag mache, wird es ja noch viel trauriger, wenn ich das dann auch noch bewusst singe und sagen muss hier ‚Ich kann machen, was ich will, aber es klappt nicht.’“ ES II,323-326. 977 BS+JL II,249-252; vgl. BS+JL II,259-266; s. auch BS+JL II,254-258 und konkret zum Lied Go down Moses BS+JL II, 272-277; vgl. auch PH II,274. 978 An dieser Stelle ist selbstkritisch zu bemerken, dass, zumindest im Interview mit *Nadine, die Vf. der Befragten aus einem Missverständnis heraus eine psychologisierende Deutung des Effektes von Liedern unterstellt hat. Wie sich im Verlauf des weiteren Gesprächs herausstellt, schreibt sie den Liedern jedoch weniger einen therapeutische, sondern vielmehr eine produktiv-spirituelle Wirkung zu. 979 NK II,224-227; von negativen kontextuellen Effekten spricht auch *Frau Ronsdorf: „Ich find ja auch vom Gebetbuch, wenn man unseres hier, unser Gesangbuch nimmt, da sind manche Lieder drin, wo ich denke, „Das kann nicht sein“, ’ne. Dann kommt eben noch so ’ne äußere Stimmung noch hinzu, wenn man so ’n trüben Tag hat und dann kommt noch so ’ne getragenen Lieder, ja dann, dann merk ich auch so, „Jetzt wäre mal was fröhlicheres angebracht! “. Einfach, weil man schon unten auf dem Punkt angelangt ist, bevor man erst mal richtig dabei ist. Also, es muss schon etwas Schwungvolleres sein, muss nicht so ganz getragen sein.“ KR II,145-152. <?page no="313"?> 299 Deutung des Liedes ‚Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen’ Das Lied Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen dient zum Anlass, zusammen mit seinen Übersetzungsvarianten über die eigene Frömmigkeitspraxis zu erzählen. Nach *Renate Robergs Auffassung wirkt es sich positiv auf die eigene Wahrnehmung des Lebens aus, wenn man sich im Gebet der Gegenwart und des Beistands Gottes vergewissert. Der zweite Teil der ersten Strophe in der Version von R AYMUND W EBER Du lässt den Tag, o Gott, nun enden (Wir waren heut in deinen Händen,/ nimm du uns auch jetzt in deine Hand) bringt dies ihrer Meinung nach zum Ausdruck: „Ja, weil wir den ganzen Tag über in Gottes Hand waren. Es wird Abend und es wird dunkel und ich denke mal, über, wenn ich in eine Kirche kann, dann gehe ich auch rein und dann sage ich, gehe ich und bete, dass Gott bei mir bleibt oder auch zu den Heiligen, dass die mir mithelfen und zur Mutter Gottes. Und das finde ich in diesem Lied wieder.“ 980 *Frau Roberg verbindet mit der Deutung des Liedes ihre eigene Frömmigkeitspraxis, in der sie sich während des Alltags, wenn möglich, in eine Kirche zurückzieht und zu Gott, den Heiligen und Maria betet. Während der Tag in seiner Geschäftigkeit oftmals keine Gelegenheit dazu lässt, eignet sich der Abend, um sich in einer Tagesreflexion bzw. Gewissenserforschung den Beistand Gottes im Gebet bewusst zu machen: „Ja, es fällt einem über Tag ja manchmal schwer, ja, man nimmt manches dann schwerer und, äh, wenn man weiß, Gott ist bei einem, dann ist es leichter, für mich, aber - Und das finde ich in diesem Lied immer wieder. Aber manchmal denkt man über Tag eben nicht so dran und es ist alles schwer, es ist alles - man kann es nicht mehr tragen, aber wenn man wieder daran denkt, dass Gott bei einem ist, dann ist es doch alles viel besser zu tragen. Und das finde ich in diesem Lied wieder.“ 981 Ebenso wie für *Renate Roberg ist auch für *Babsi der Liedanfang leitend, d.h. die erste bzw. die ersten beiden Strophen. Für *Babsi spiegelt sich in der ersten Strophe in der Übertragung von H ÖPPL ihre Sichtweise von Tag und Nacht wider. Die gleiche Würde und positive Deutung beider Tageszeiten als „Seiten der einen Medaille“ 982 stehen für sie im Mittelpunkt. Der Tag ist um dient ihr als positives Vergleichsbeispiel gegenüber vielen anderen Stücken, die die Nacht negativ darstellen: „Ja, dass die Nacht eben nicht Böses, nichts Schlechtes ist, dass man die genauso preisen kann wie den Tag […].“ 983 Sie deutet die erste Strophe in der Version H ÖPPLS auf der Folie ihres eigenen Gebetsverständnisses: während das Lied eigentlich den dynamischen, prospektiven Aspekt des Lobpreises artikuliert, erkennt *Babsi gerade hier das „Retroperspektivische“ des Abends: 980 RR II,166-170. 981 RR II,172-177; vgl. RR II,192-198. 982 BS+JL II,189-192. 983 BS+JL II,231f. <?page no="314"?> 300 „[---] ich glaub da ist ja auch noch mal so ’ne Möglichkeit, den Tag ausklingen zu lassen und Gott dafür zu danken, für den Tag, dass der Tag auch noch mal so etwas Retroperspektivisches hat. Ja, und so empfinde ich den Abend eben auch.“ 984 Das Stück bietet eine hilfreiche Deutung des Abends an: es vermittelt, dass es gut ist, zur Ruhe zu kommen, um in Folge dessen auch gut schlafen zu können. 985 Bemerkenswert ist bei beiden Interviewten, dass sie die Textaussage des Stückes, indem sie sie explizit oder implizit mit ihrer eigenen Frömmigkeit vergleichen, mit reflexiven Elementen in Verbindung bringen, obgleich davon im Lied in keiner Übertragung die Rede ist. Das ständige Gebet der Kirche als Thema zumindest zweier Übertragungen scheint demgegenüber nicht relevant zu sein, obwohl *Babsi feststellt, dass das Beispiel, für das sie sich auch letztlich entscheidet, über weniger „Kirchlichkeit“ verfügt als die anderen beiden Textversionen. 986 Für *Renate Roberg könnte allerdings der ekklesiale Charakter des englischen Hymnus leitend gewesen sein, wenn sie von ihrem Bittgebet zu Maria und den Heiligen erzählt. 2 Distanzierung und Bewältigung des Alltags Am Abend dienen nicht nur Aktivitäten wie Fernsehen oder Lesen dazu, Abstand zu gewinnen, um den Tag zu beschließen, sondern es wird auf verschiedene Weise auf den Tag zurückgeblickt. Dem Motivfeld ‚Fernsehen’ entsprechend wird der Alltag durch neuerliche Imaginierung und Interpretation des Erlebten distanziert; gewissermaßen wird das Programm ‚Alltag’ im Geiste wiederholt: *Katja Ronsdorf: „[---] noch mal, ja [...] abschalten, ja, noch mal durchgehen, was war so am Tag. Solche Überlegungen.“ 987 In einer Partnerschaft Lebende reflektieren das Erlebte zumeist, indem sie, wenn sie sich abends im gemeinsamen Lebensraum einfinden, einander von ‚ihrem’ Tag erzählen. 988 984 BS+JL II,232-235. Vgl. die Passage, in der ihr Lebenspartner *Jörn die Gebetspraxis des Paares ausführt: JL I,153-177. 985 *Babsi: „Also, noch mal den Tag so ausklingen lassen und sich dann auf die Nacht vorbereiten, aber eben nicht im Sinne von Negativem und Schutzbedürftigem, sondern ja schon mal die Ruhe zu finden und sich fallen zu lassen und dann auch ruhig zu schlafen. Also, ich denke, dass das super wichtig ist. Nach ’nem super hektischem Abend schläft man auch einfach nicht so richtig gut. Ich hab, wenn ich dann Stress hatte, abends noch lange auf war, dann ist man immer so aufgedreht und findet diese Nachtruhe einfach nicht. Und ich finde, das spiegelt dieses Stück einfach wider.“ BS+JL II,235-242. 986 Vgl. BS+JL II,175-178.186. 987 KR I,20f; ähnlich *Rainer: „Ja, der Abend, der klingt eigentlich aus, ne, da lässt man den Tag so Revue passieren. Im normalen Leben.“ RC I,62f. 988 Vgl. NK I,97f; RC I,15-17. Bei *Frau Schmidt scheint dieses Erzählen nur hauptsächlich durch den Ehegatten zu erfolgen; vgl. ES I,18-21. *Babsi und *Jörn reflektieren den Tag im gemeinsamen Dankgebet; vgl. BS+JL I,163-181. *Philipp äußert als einziger, ohne dafür einen näheren Grund anzugeben, keiner täglichen Reflexion zu bedürfen; vgl. PH II,107. <?page no="315"?> 301 Wird die eigene aktuelle Lebenssituation als zu belastend empfunden, dann wird eine solche Reflexion bewusst vermieden, um sich den Problemen des Alltags nicht über Gebühr aussetzen zu müssen. 989 Gleichwohl führen Probleme dazu, dass mitunter kein Abstand vom Alltag gewonnen werden kann und ein Nachsinnen über erlebte Situationen bis in die Ruhezeit hineinreicht. 990 Mit der geistigen Wiederholung des Tagesgeschehens sind bisweilen auch Wertungen des Erlebten und insbesondere des eigenen Handelns verbunden, die, insofern sie unmittelbar in einen spirituellen Kontext gerückt werden, als eine Form von Gewissenserforschung bezeichnet werden können: *Renate Roberg: „Also das, was mir über Tag, was nicht gut war für mich, was aber, wenn man in Gottes Händen ist -, er leitet einen, er führt einen und wenn man denkt ‚Man hat, man hat da nicht gut reagiert’ -, es kommt da immer zum Schluss, dass man denkt: ‚Da ist mir etwas Schlimmes passiert.’ Das bedenke ich dann schon mal abends. War’s für mich dann doch gut, weil ich in Gottes Hand bin.“ 991 Die Gesprächsteilnehmer äußern sich nicht von selbst zu pönitentiellen Themen, alle Äußerungen zu Gewissenserforschung, Schulderkenntnis und Vergebung werden vielmehr durch die vorgelegten Liedtexte initiiert. Daher sollen diese Aspekte eines Tagesrückblicks im Folgenden durch die Deutungen der Lieder Bevor die Sonne sinkt und Hüll mich ganz in deine Ruhe ein beleuchtet werden: Deutung des Liedes ‚Bevor die Sonne sinkt’ Für *Katja Ronsdorf bildet eine Reflexion des Tages, wie sie im Lied Bevor die Sonne sinkt zur Sprache kommt, die Grundlage, um in adäquater Weise den Tag beschließen zu können. Der Abend gleicht ihr einem Innehalten; 992 während dieses Zeitraums ist es ihr erst überhaupt möglich, über das eigene Verhalten am vergangenen Tag nachdenken zu können: „Ja, es ist also wichtig, zu überlegen: ‚Was war am Tag, was war gut, oder was muss noch geändert werden? Wie war denn so überhaupt der Eindruck des Tages? ’ Weil ich find’, das kommt am Abend so, dass man mal Zeit hat, darüber nachzudenken. Einiges hat man vielleicht im Laufe des Tages gemacht und dann kam aber schon wieder das nächste und am Abend kommt dann das Nachdenken ‚O mann! ’ - Dann war es vielleicht gut, aber vielleicht kommt dann auch ‚Da hättest’e aber auch eigentlich das und das noch machen können.’ Doch, den Tag bedenken, ist schon ganz wichtig.’ 993 989 Vgl. RG I,61-64.97-103. 990 *Elisabeth Schmidt denkt, wenn sie schon im Bett liegt, über Erlebnisse des Tages nach. Manchmal regt sie sich so sehr darüber auf, dass sie wieder aufstehen muss; vgl. ES I,187-194. Bei *Nadine gehört es quasi zum Gebet vor dem Schlafengehen, was schon im Bett stattfindet, dazu, sich aktueller Themen ihres Lebens nochmals bewusst zu werden. Vgl. NK I,79-82. 991 RR II,193-197. 992 Dies liest sie auch aus dem Notentext heraus. Vgl. KR II,76-84. 993 KR II,89-96. <?page no="316"?> 302 Bemerkenswert ist in ihrer Deutung des Liedes, dass sie das Nachdenken über den Tag argumentativ verknüpft mit den „guten Händen“ Gottes (Str. 4,4), die für sie zugleich Ausdruck des Vertrauens auf Gott und der Geborgenheit bei Gott sind. „Ist einfach so schön hier: Ich will den Tag bedenken, ne? Die Zeit, sie eilt dahin, ich halte nichts in Händen und dann eben ich will das Sorgen lassen, bei dir bin ich zu keiner Stund vergessen. Sich das zum Abend hin nochmals bewusst zu machen, egal was war, ich bin einfach irgendwie getragen.“ 994 Danach befragt, ob sie ihr Glaube diesbezüglich „entlaste“, bezieht sie das Lexem „entlasten“ dezidiert auf die Anwesenheit Gottes, symbolisch vertreten durch seine Hände, in die sie alle Gedanken übertragen kann: „Ja, das tut er, weil ich weiß, egal, was war, egal wie es war, ich kann’s wirklich zurückgeben. Ich fühl mich da geborgen. Das ist wirklich so ’n Punkt, wo ich denke, da stehe ich nicht alleine. Auch wenn ich jetzt hier im Grunde alleine bin, er weiß es, ich hab auch die Möglichkeit, mit ihm zu sprechen und, ’ne, und, in die guten Hände, da könnte auch einfach nur stehen „Nimm ihn in die Hände.“ Ob gute Hände -, ist eigentlich klar für mich, Hände ist einfach ausschlaggebend, und das entlastet mich. Da kann ich sagen ‚Das habe ich jetzt abgeschlossen’. Morgen kann ich darüber ja noch mal nachdenken, aber für jetzt, jetzt war gut.“ 995 Im Vertrauen auf die Gegenwart Gottes kann sie das Sorgen lassen (Str. 2,2) und alles Nachsinnen mit einem gewissen Gleichmut abstellen („Jetzt interessiert mich das nicht mehr, jetzt kann ich abschließen.“ 996 ). Es sind jedoch nicht nur Sorgen und Gedanken, die übertragen werden, sondern sie selbst sieht sich in Gottes Hände genommen: „Und dann eben: ich will dich herzlich bitten, nimm du den Tag zurück in deine guten Hände. Das ist das, von dem ich sagen würde, das ist das Wichtige: Der Tag ist vergangen, einmal dafür danken, aber auch bitten, dass er mich in seine guten Hände nimmt. Auch das Sorgen lassen, es waren zwar Sorgen da, aber du trägst sie halt mit. Ich bin nicht alleine damit. 997 Somit tragen ihrer Deutung nach die Hände Gottes drei verschiedene ‚Lasten’ des Tages: ihre Gedanken, ihre Sorgen, was möglicherweise dasselbe sein könnte, und schließlich sie selbst. Auf ihre Person bezogen haben die Hände Gottes schützende und helfende Funktion, während sie ihren Sorgen und Gedanken lediglich als Depot dienen, in dem jene quasi sichergestellt werden und aus dem sie gegebenfalls neuerlich schöpfen kann: „Das heißt aber nicht, dass es in den Händen bleiben muss. Ich kann’s auch wieder zurücknehmen am nächsten Tag. Aber für heute geb ich’s ab.“ 998 Es zeigt sich im Verhältnis zum Liedtext ein interessanter Unterschied im Gebrauch der Lexeme ‚nehmen’, ‚geben’ und ‚tragen’: 994 KR II,42-45. 995 KR II,191-198. 996 KR II,198f. 997 KR II,49-53. 998 KR II,199-201. <?page no="317"?> 303 Str. KR darf ich das Sorgen lassen 2,2 „[---] es waren zwar Sorgen da, aber du trägst sie halt mit.“ II,52f. Bei dir, mein Gott, bin ich zu keiner Stund vergessen 2,3f. „[---] ich bin einfach irgendwie getragen“ II,45 Nimm du den Tag zurück in deine guten Hände 4,4f. „[---] dass er mich in seine guten Hände nimmt“ „[---] ich kann’s wirklich zurückgeben. Ich fühl mich da geborgen“ „Ich kann’s auch wieder zurücknehmen am nächsten Tag. Aber für heute geb ich’s ab.“ II,51f. II,191f. II,200f. *Katja Ronsdorf verwendet die Lexeme ‚getragen’ bzw. ‚geborgen sein’ alternativ in den Passagen, die von der Anwesenheit und Hilfe Gottes sprechen. Sie unterstreicht damit die Konstanz Gottes in ihrem Leben. Demgegenüber bleibt sie in ihrer Interpretation im Wesentlichen selbst diejenige, die agiert, indem sie Gott wahlweise gibt und von ihm nimmt. Während im Lied, wie dessen eingehende Analyse gezeigt hat, von einer ‚Commendatio temporis’ die Rede ist, expliziert *Katja Ronsdorf die Übergabe des Tages ohne weitere Probleme auch auf sich als Person und rückt damit die Textaussage wieder in die Nähe zur traditionellen kompletorischen Deutung der ‚Commendatio animae’. Der Tag als Zeitbezeichnung erfährt bei ihr keine besondere Relevanz, wiewohl sie das im zweiten Teil der ersten Strophe geschilderte Phänomen der fliehenden Zeit für sich mit fortschreitendem Alter bestätigt. 999 Ob aus stilistischen Gründen, ob aus dem Bedürfnis heraus, die Textaussage für sich zu antizipieren, gleicht sie in der Paraphrase von Str. 1,2 (Die Zeit, sie eilt dahin, wir halten nichts in Händen.) das Subjekt an die erste Person Singular an. 1000 Deutung des Liedes ‚Hüll mich ganz in deine Ruhe ein’ Zum Aspekt der Schuld äußert sich dezidiert lediglich *Elisabeth Schmidt im Zusammenhang mit dem Lied Hüll mich ganz in deine Ruhe ein, das sie vor allem aufgrund seiner Sachlichkeit unmittelbar anspricht. 1001 Die Befragte verwendet den Begriff ‚Schuld’, der auch im Liedtext auftaucht, nur in Ausnahmen; 1002 stattdessen bedient sie sich folgender Wendungen, um von einer solchen zu sprechen: 999 Vgl. KR II,98-104. 1000 Vgl. KR II,42-45. 1001 Vgl. ES II,152.160f.199f.232-234. In seiner Schlichtheit, d.h. in seiner Bildlichkeit und Textlänge eignet sich dieses Stück, dass *Frau Schmidt an sich als ein Gemeindelied auffasst (II,275-282), für Kinder (II,214-224. II,232-234). Sie vermutet, dass die Weise Kinder eher nicht anspreche, allerdings dem pädagogischen Ziel nachkomme, sie „auf Schlafniveau zu bringen“ (II,253-257.266-268). 1002 II,209f.: „Und hier steht: „Hilf mir, wenn ich Schuld begangen habe und erwarte, dass ich es anders mache.“ Das gefällt mir dabei besser.“ In II,285f. greift sie lediglich die entsprechende Liedzeile auf, die Vf. unmittelbar vorher zitiert. <?page no="318"?> 304 ES „[---] dass ich vielleicht ungerecht handle [---]“ II,220 „[---] ‚Das war was schlimmes’ oder ‚Da ist was passiert’ [---]“ II,223f. „[---] wenn ich Fehler gemacht habe.“ II,263 „[---] dass ich zugebe, dass ich nicht alles richtig mache [---]“ II,274 „[---] wenn ich etwas gemacht habe.“ II,286 ‚Schuld’ ist für sie falsches, ungerechtes Handeln, das Folgen nach sich zieht. Diese Fehler kann nur sie selbst wieder gutmachen, niemand kann sie dieser entheben. Gott spielt dabei eher die randständige Rolle eines Beraters. 1003 Er ist ihrer Auffassung nach nicht derjenige, der hilft, indem er von Schuld befreit, sondern indem er ihr aufzeigt, wie sie es besser machen könnte: „Obwohl ich es schon denke, dass es die höhere Macht gibt, ist es schon so für mich etwas, wie ich vorhin schon gesagt hat, die Verantwortung nicht auf jemanden anderes schieben und meine Gedanken, sondern ich sorge dafür und er ist nur im Hintergrund dabei.“ 1004 Ihrem Verständnis nach ist Gott ein fordernder Gott, der über ihr Handeln wacht und der Erwartungen der Eigeninitiative an sie hegt. Dabei verlangt sie von ihm, dass er sie durch seine gewissermaßen leistungsorientierte Erwartungshaltung zu einer besseren Lebensführung anspornt: „Ich glaube schon, dass da jemand da ist, der darüber wacht, aber dass auch das, was von mir erwartet wird, eingebracht ist. Bei den anderen Liedern ist mir immer aufgefallen, dass alles abgeschoben wird. Ich sitz da und warte und tu nichts. Und hier steht: „Hilf mir, wenn ich Schuld begangen habe und erwarte, dass ich es anders mache.“ Das gefällt mir dabei besser.“ 1005 Entlastung von Schuld erfährt sie nicht in menschlicher oder göttlicher Vergebung, sondern darin, dass sie einen Weg findet, ihre Fehler wieder gut zu machen. Dabei ist Schulderkenntnis für sie prinzipiell etwas Positives, weshalb ihr auch die Melodie, die ihr zu „pessimistisch“ klingt, nicht für die Textaussage geeignet scheint. 1006 Eigene Fehler zu verbalisieren kann zwar hilfreich sein, ist aber als einzige Maßnahme der Entschuldung nicht ausreichend: „so leicht darf man es sich auch nicht machen.“ 1007 *Elisabeth Schmidt gelingt es, in diesem Liedbeispiel eine übertragende Deutung des Gottvertrauens bzw. der Beziehung zwischen Gott und Mensch zu geben: „Mh. [...] äh, dass ich die Schuld von mir selber nehme und sie wegbringe eigentlich nicht. Mir ist immer völlig klar, dass, wenn ich etwas gemacht habe, dass ich da auch selber mit klar kommen muss, aber es erleichtert, wenn ich zum Beispiel darüber reden kann und das meine ich jetzt damit. Das ist ja nicht im wahren 1003 Vgl. ES II,290-292. 1004 ES II,203-206. 1005 ES II,206-210. 1006 „Dafür ist die Melodie, ja, fast ein bisschen pessimistisch. Gar nicht so - also das, was zum Text passt, ich mein, ich hab da ja Illusionen und ich hoffe, dass einer mir hilft und mir zeigt, wenn ich Fehler gemacht habe. Das ist ja was Positives und da kann ich mich ja drüber freuen.“ ES II,261-264. 1007 ES II,295f. <?page no="319"?> 305 Sinne, das ich bring sie dir - ich werf’ sie ab und dann ist es vorbei, sondern dass ich da jemanden sehe, dass ich Zwiegespräche führen kann und sagen kann „Hier, überleg mal, wie komme ich da wieder raus? Kannst du mir ’nen Tipp geben, wie ich’s machen soll? “ - jetzt ’nen bisschen banal ausgedrückt, ne. Mh. So interpretiere ich das für mich, oder so lese ich das. Ob er, der Verfasser meint, dass er das macht und wenn er darüber geredet hat, dann ist alles weg, das weiß ich nicht. Das würde ich nicht so verstehen.“ 1008 Gott „Schuld zu bringen“ bedeutet für sie, mit ihm in einen Dialog über die Problemsituation einzutreten, wie sie selbst aus der misslichen Lage herausfinden kann. Bei den anderen vorgelegten Liedern, die das Vertrauen auf Gottes Hilfe deutlicher akzentuieren, - explizit bei Ich liege, Herr, in deiner Hut - ist es ihr hingegen nicht möglich, Bilder des Vertrauens und der Bergung im übertragenden Sinne zu deuten, weswegen sie jene aburteilt als Lieder, in denen die Verantwortung auf jemanden abgewälzt wird: „Das hat mich ja bei den anderen Liedern so gestört, dass, alles das was schrecklich ist, wird abgegeben oder „Der Herr wird’s schon richten“ oder er sorgt schon dafür, dass es besser wird, von ganz alleine, äh, das finde ich dabei nicht so gut.“ 1009 Wird ein Lied, das sich wie dieses mit der Frage nach den eigenen Fehlern befasst, gemeinsam mit Kindern vollzogen, eröffnet sich für die gesamte familiäre Gemeinschaft die Möglichkeit das eigene Tun am Tag zu reflektieren und zu bewältigen. Dabei hält *Frau Schmidt eine solche Praxis des Singens oder Betens eher für Kinder notwendig denn für Erwachsene. 1010 3 Die Macht der Dunkelheit a Biorhythmische und psychische Einflüsse von Dunkelheit Die Abwesenheit des Tageslichts, die den „offiziellen Abend“ 1011 , d.h. den natürlichen Abend, wesentlich kennzeichnet, nimmt in zweifacher Weise Einfluss auf den Menschen, nämlich in biorhythmischer und in psychischer Hinsicht. Der Abend wird, das wurde hier und da schon angedeutet, jahreszeitabhängig wahrgenommen und gestaltet. In Wintermonaten ist man tendentiell eher zuhause und „macht es sich gemütlich“, während man sich in Sommermonaten allgemein aktiver fühlt und abends eher nochmal außerhäusig tätig wird. 1012 Teilweise verschiebt sich dann auch die Zeit des Schlafengehens nach hinten. 1013 1008 ES II,285-295 1009 ES II,296-299; vgl. auch II,201-203. Zum Aspekt des Gottvertrauens siehe ausführlicher Kapitel B II 5. 1010 Vgl. ES II,214-234. 1011 KR I,89f. 1012 *Jörn: „Ja, und jetzt so, jetzt kommt es wirklich drauf an, jetzt hab ich das auch mehr unterteilt in Jahreszeiten. Im Sommer kann ich im Prinzip mehr rausgehen, im Frühjahr, und jetzt, wo es so langsam kühl wird, auch eher so das Bedächtige, so mehr ausklingen lassen den Tag, ein bisschen ruhiger werden. […] Da denke ich hauptsächlich so im Frühjahr dran, so im Sommer dran eigentlich. Dann bist’e auch motiviert, der <?page no="320"?> 306 Im Winter beginnt durch die eher einsetzende Dunkelheit der Abend gefühlsmäßig früher; 1014 damit einher geht auch das Bedürfnis, die Arbeit früher beenden und nach Hause kommen zu wollen. 1015 Die Dunkelheit bestimmt den Biorhythmus, insofern die Dunkelheit an die Beendigung der alltäglichen Tätigkeiten mahnt. 1016 Wird sie als Signal, etwa aus strukturellen Gründen, ignoriert, macht sich dies in mangelnder Konzentrationsfähigkeit bzw. in einem Gefühl mangelnder Aktivität und Vitalität bemerkbar: 1017 *Jörn: „Also, dann bin ich auch nicht mehr so lebendig eigentlich, sag ich mal. Da bin ich gebremster.“ 1018 In der winterlichen Jahreszeit wird der Abend allgemein stärker wahrgenommen, 1019 was mit der Dunkelheit, aber auch mit der Besonderheit bestimmter Abende (Advent, Weihnachten, Silvester) begründet wird. 1020 In der Erinnerung an die eigene Lebensgeschichte sind Herbst- und Winterabende präsenter: *Jörn: „Aber ich denke sowieso, wenn ich an Abend denke, dann denkste wieder an Dunkel und wenn du an Dunkel denkst, dann denkt man automatisch schon wieder an Herbst oder Winter. Wenn ich so zurück denke, dann denke ich kaum an auch - zum Beispiel einen Abend im Sommer, wo ich auch nach Hause musste, wo ich mich aber mit meinen Eltern draußen noch hingesetzt hab’, vielleicht auf die Terrasse oder so was. Da denke ich wirklich mehr an Herbst oder an Winter.“ 1021 Neben den physisch-biorhythmischen Auswirkungen beeinflusst das fehlende Licht am Abend auch die Psyche des Menschen; es kann sich sowohl positiv als auch negativ auf die Stimmung auswirken. Mit der Dunkelheit am Abend geht der Eindruck von Besinnlichkeit, Entspannung und Gemütlichkeit einher. 1022 Diese Empfindungen erklären sich einerseits daraus, dass Kreislauf fängt an, das Wetter spielt mit, da gehst’e mehr raus. Ansonsten denkste - Herbst und Winter sind kalt, schmuddeliges Wetter, so wie jetzt, da gehst’e lieber zurück, und bist froh wenn du von der Arbeit nach Hause kommst und ’n bisschen Ruhe hast, den Abend ausklingen lassen kannst.“ BS+JL I,36-39.43-48. s. auch BS+JL I,79-84; ES I,3-37. 1013 Vgl. KR I,113-118. 1014 Vgl. BS+JL I,79f; KR I; 93f. 1015 Vgl. BS+JL I,45-48; ES I,148-151. 1016 Vgl. KR I,99-105.108-111. 1017 Babsi: „ Ich glaub, da ist das Arbeiten auch schwierig. Also, ich find das dann auch manchmal krass, so wenn man bis sechs dann Vorlesung hatte und eigentlich war es dann ja schon abends, und wollte sich eigentlich lieber mit Freunden treffen und was Gemütliches machen. Mh, musste dann aber in der Uni sitzen. Das passt dann nicht so zu dem Verhältnis, zum Abend.“ BS+JL I,85-89; vgl. auch KR I,97-105.108-111. 1018 BS+JL I,83f. 1019 *Babsi: „Und da man im Winter ja mehr Zeit zuhause verbringt, ja, ich glaub, da nimmt man den Abend stärker als Abend wahr. Also, im Sommer, da sitzt man irgendwie draußen und ich glaub, da fängt das auch erst dann an, dass ich den Abend wahrnehme, wenn man, weiß ich nicht, im Biergarten sitzt und es dunkel wird.“ BS+JL, I,23-26. 1020 Vgl. BS+JL I,49-52; KE I,9-11; PH I,15-20. 1021 BS+JL I,66-73; s. auch BS+JL I,23-27. 1022 *Babsi: „Also, ich glaub, für mich hat Abend viel mit Dunkelheit zu tun. Gemütlichkeit. [...]“BS+JL I,27f; s. auch BS+JL I,20f.; *Jörn: „Abend ist dunkel, ist ruhig, is -“ BS+JL I,72f.; *Elisabeth Schmidt: „Jetzt, wo es früh dunkel wird, ist es eher besinnlich, eher <?page no="321"?> 307 man sich durch reduzierte visuelle und luzide Reize in der Umgebung eher auf sich selbst bzw. sein näheres Umfeld konzentriert, andererseits erinnert die Dunkelheit an den Schlaf; sie gewährt höhlengleich Schutz und Geborgenheit: Vf: „Diese Gefühle, die Ihr jetzt schon mehrfach angesprochen habt, wie werden die erzeugt? Was sind das für Gefühle? Du [BS] nanntest es vorhin ‚Geborgenheit’, ‚Entspannung’.“ *Babsi: „Mh, also ich denke schon, dass das viel mit der Dunkelheit zu tun hat.“ Vf: „Kannst Du beschreiben, wie das bei Dir funktioniert? “ *Babsi: „Also, ich denke, Dunkelheit, das ist, das sind weniger Eindrücke, die auf einen einwirken. Also man guckt raus und sieht vielleicht ’nen paar Sterne, den Mond, ein paar Lichter, aber das ist ja längst nicht so ein visueller Reiz als tagsüber.“ Vf: „Mh. [verstehend]“ *Babsi: „Ja, und auch in der Wohnung, dieses schummrige Licht, alles nicht so hell, gemütlich. Das hängt damit irgendwie zusammen. Also, Nacht an sich hat ja schon irgendwas Geborgenes. Vielleicht liegt - vielleicht hat das mit dem Schlafengehen zu tun. Sich unter die Decke kuscheln.“ 1023 Als Versteck wird der Dunkelheit auch eine stimulierende Wirkung beigemessen. 1024 Andererseits beeinflusst die Abwesenheit von Licht die Stimmung auch negativ. Finsternis weckt ein Gefühl von Einsamkeit und konfrontiert den Menschen mit sich selbst und seinen Erfahrungen. 1025 In solchen Fällen wird versucht, die Dunkelheit durch helle Gedanken, d.h. Erinnerungen an schöne Dinge, zu vertreiben: *Elisabeth Schmidt: „Dann, wenn man sich in diese Sachen zurückbegibt, Fotoalben zu gucken und so was, dass es dann besinnlich wird und die Dunkelheit, die ich nicht ganz so toll finde, - ich bin kein Wintermensch, ich muss viel Licht um mich herum haben - äh, dann darein rette, dass ich mir, ja, warme Gedanken mache oder irgendwie so ein Licht ins Haus bringe ‚Ja, das war schön’ oder ‚Das wird schön’.“ 1026 ruhig […]“ ES I,3f. Als „besinnlich“ verstehen die Interviewten, eine bewusst gestaltete Zeit für sich zuhause nutzen und etwa ihren Erinnerungen an früher nachgehen zu können; vgl. ES I,4.7.12-17.32-34.153f; KR, BS I,40.42.54.75. II,307. Als Beispiel für abendliche Gemütlichkeit wird das Kerzenlicht erwähnt. Vgl. BS+JL I,55; PH II,238-242. 1023 BS+JL I,119-131. 1024 *Katharina: „Na ja, und als, äh, junger Mensch ist das ja - hat der Abend ja wieder ’ne ganz andere Geschichte. Da haste dann - bist’e ausgegangen, wenn’s Abend war, ne. Und da hatte der Abend was Aufregendes. Da hast’e dich getroffen und da konntest ’e knutschen oder sonst irgendwas machen [Gelächter]. War alles unauffällig, ne.“ KE I,17-21; vgl. auch KE I,59-61; *Elisabeth Schmidt: „Abends wurden die Spiele ja noch besser, weil es ja dunkel war.“ ES I,156. 1025 *Elisabeth Schmidt: „Das ist schön, die Finsternis lässt jeden von uns alleine - weil es ja wirklich so ist, wenn wir unseren Gedanken nach -, anhängen.“ ES II,37f. *Nadine beschreibt, dass sie als Kind die Dunkelheit nicht habe „ertragen“ können. Sie kann daher die Bilder Schatten finstrer Nacht im Lied Ich liege, Herr, in deiner Hut gut nachvollziehen.: „Also bei einigen Bildern kann ich gut mitgehen, also so die Schatten finstrer Nacht und die jähe Angst und - das kann ich gut nachvollziehen, aber ich komme da nicht so einfach zu so einem kummerlosem, tiefen Schlaf. [...] Also von daher fasziniert es mich. Dieses tiefe Vertrauen und diese Ruhe, die da entsteht.“ NK II,129-133. 1026 ES I,12-17. <?page no="322"?> 308 b Kognitive und emotionale Aspekte der Nacht Die Nacht ist, abgesehen von Ausnahmen, dem Schlaf vorbehalten und gilt daher als passive Ruhephase. 1027 Die Erfahrungen und Eindrücke, die sich mit dieser Zeitspanne verbinden, sind relativ heterogen: Einerseits ist sie Sinnbild für Geborgenheit, Frieden und allgemein Wohlbefinden, 1028 andererseits haftet ihr etwas Beängstigendes und Belastendes an, zumal wenn sie mit Schlafproblemen einhergeht: 1029 *Katharina: „Obwohl andererseits natürlich auch ein Schlaf was, was ganz Tolles sein kann, wenn du, was weiß ich, total übermüdet bist und du gehst in dein Bett und kuschelst dich ein und es ist das Größte für dich, ne, dich schlafen zu legen. Das ist jetzt nicht grundsätzlich so, dass, dass es immer ängstigt, aber - das ist mir bewusst, dass es auch viele Situationen gibt, wo mich so was ängstigt.“ 1030 Mit ‚Nacht’ werden in Folge des Schlafs Ruhe und Stille assoziiert, 1031 was auch bedeutet, dass die Nacht im Gegensatz zum Abend eine kommunikationsfreie Zeit ist: „Die Nacht beginnt eigentlich dann, wenn keiner mehr anruft.“ 1032 Weil man während des Schlafs „nichts mitbekommt“, gilt diese Phase unter dem Bewusstseinsaspekt als nichtexistent bzw. wird sie nur dann realisiert, wenn man sich im Wachzustand befindet: *Rolf Colmar: „Also ich würde sagen, Nacht ist also das, was ich dann nicht mehr so mitbekomme, als wenn ich schlafen würde oder so. Alles was vorher wäre, wäre dann also noch Abend, was ich so miterleben würde und das andere wäre dann Nacht. Nur ist die Nacht dann bei mir, also wenn D. schläft oder so, dann hat sie wahrscheinlich schon Nacht und für mich ist es dann noch Abend, ne. [...] Nacht würd’ ich halt so seh’n. Also wenn ich schlafe oder so, dann wäre Nacht für mich.“ 1033 Ebenso wie der Abend wird auch die Nacht weniger als zeitliche Größe begriffen, sondern eher als einen mentalen Zustand, in dem man die Umwelt nicht mehr wahrnimmt bzw. wahrnehmen kann. 1027 *Jörn: „Nachts ist halt Schlafenszeit. Das ist der Unterschied von Abend und Nacht.“ (BS+JL I,210). S. auch KE I,75; PH I,82-85 1028 Vgl. z.B. BS+JL I,63f.128-131. 1029 Vgl. z.B. KE I,43-46. 1030 KE II,342-347. 1031 Vgl. RC I,53f. 1032 NK I,42f; siehe auch *Jörn: „Den Abend würd’ ich auch so mehr als aktive Zeit noch einschätzen, also portionieren, und Nacht ist, wenn man schläft. Ich mein, dass ist ja auch irgendwo normal, dass man wenn zum Beispiel nachts einer anruft, dann sagst’e ja auch nicht: „Warum rufst du so spät am Abend an oder so früh am Morgen? “, sondern „Warum rufst du mich nachts an? “ Also, so automatisch. Nachts ist halt Schlafenszeit. Das ist der Unterschied von Abend und Nacht.“ (BS+JL I,205-210). 1033 RC I,59-64. S. auch *Babsi: „Also, ich hab da auch nicht die Unterteilung in Nacht, also viele sagen ja, nach dem Abend kommt die Nacht, also, das würde ich jetzt auch nicht so sehen. Also nachts schlafe ich und die Nacht existiert für mich eigentlich dann nur, wenn ich in die Disko gehen würde. Aber dann hätte ich auch keinen Übergang, wüsste ich nicht, wann ich sagen würde, dann ist Abend und dann beginnt die Nacht.“ BS+JL I,95-99; vgl. auch BS+JL I,197-203. <?page no="323"?> 309 Deutung des Liedes ‚Gehe ein in deinen Frieden! ’ Als Sinnbild einer positiven Deutung der Nacht gilt auch das Lied Gehe ein in deinen Frieden! . Bemerkenswert ist, dass *Babsi, die über keine theologische Vorbildung verfügt, das Motiv des Schlafs als „Neue-Kraft-Schöpfung“ 1034 bezeichnet. Sie bestätigt damit implizit die motivische Kohärenz des Liedes zum altkirchlichen Ritus der Eucharistia vespertina. Weiterhin fällt eine vehemente Ablehnung einer negativen Deutung von Dunkelheit und Nacht bei den Befragten *Babsi und *Jörn ins Auge: Geborgenheit, Wohlgefühl und Frieden werden von beiden sehr deutlich und wiederholt als eigentliche Konnotationen der Nacht genannt. Gehe ein in deinen Frieden! erfüllt in dieser Hinsicht beider Erwartungen, indem es auf eine negative Deutung der Nacht verzichtet: *Babsi: „Hier steht ja Preist den Tag und die Nacht, dass das eben zwei Seiten der einen Medaille sind, nicht das das eine das Gute und das andere das Böse ist, wie es in anderen Liedern dargestellt wurde.“ 1035 Eine z.B. aus den wechselnden natürlichen Lichtverhältnissen resultierende Dichotomie von Tag und Nacht wird nicht akzeptiert, wenn sie gleichzeitig auch über eine übertragende Bedeutung verfügt. 1036 Vor allem *Jörn beurteilt die idyllische Atmosphäre des Stückes positiv. 1037 Im Umkehrschluss könnte man konstatieren, dass von beiden Befragten eine Konfrontation mit in irgendeiner Weise Negativem und eine Auseinandersetzung mit nicht Geglücktem am Abend nicht gewünscht wird und gerade deswegen die kindlich-naiven Züge des Liedes bevorzugt werden: *Jörn: „Das ist ’ne ganz andere Wortwahl: Gehe ein in deinen Frieden, den guten Schlaf, ruh dich aus von deiner Arbeit - also genau die guten Sachen, die du also auch erwartest vom Abend, gesegnet sei die Nacht, dann wird das gebracht mit Sternen und Himmelszelt. Das sind dann schon fast kindliche Begriffe wieder, wie du dir früher ’ne schöne Nacht vorgestellt hast. Wenn du das liest, dann kommst du dir wie wohlbehütet vor, weil du wirst irgendwie an deine Kindheit erinnert, an, an, ähm, - Der den Grauen und den Tod bezwang,/ beugt sich über deinen Schlaf, also, du wirst beschützt irgendwie und gleichzeitig siehst du einen schönen klaren Sternenhimmel eigentlich. […] Ja, und das ist schön.“ 1038 Die Nachtzeit wird auch als beängstigend empfunden, weil man in dieser Phase wegen der Dunkelheit nicht alles unter Kontrolle haben kann. 1039 Au- 1034 BS+JL I,63. 1035 BS+JL II,77-80. 1036 *Babsi: „Also, bei mir ging’s vor allem darum, weil es positiv ist, also die Nacht jetzt nicht so als so was Negatives, Schwarzes, Angsterfülltes, Bedrückendes sieht, sondern ähm, wirklich als ’ne Neue-Kraft-Schöpfung, so Entspannung, Frieden. Also für mich hat Nacht und Schlaf auch was mit Frieden zu tun, oder so, mit Stille. Und ich find’ das bringt das Lied gut zum Ausdruck, dass es eben auch schöne Seiten der Dunkelheit gibt, eben der Mond und die Sterne werden da halt auch gebeten. Tau glänzt auf unserem Feld. Also das ist ’ne ganz andere Sicht.“ BS+JL I,61-67. 1037 *Jörn: „Also, es wird in den Strophen was Positives dargestellt und im Kehrvers dann deswegen preist, preist den Tag, preist die Nacht. Das find ich schön, beschwinglich.“ BS+JL II,81-83. 1038 BS+JL II,68-76. 1039 Vgl. KE II,333f. <?page no="324"?> 310 ßerdem verstärkt die nächtliche Dunkelheit negative Gefühle. 1040 Die Kontrollierbarkeit der Umwelt ist gekoppelt an die Fähigkeit, Dinge wahrnehmen zu können, was im Umkehrschluss bedeutet, dass der Mangel an Tageslicht Ängste begünstigt. 1041 Auch die ‚Bewusstlosigkeit’ im Schlaf trägt negativ zur Wahrnehmung der Nacht als unkontrollierbare und damit angsterfüllende Zeit bei: *Katharina: „Aber ich bin sicherlich auch vom Typ her vielleicht auch so ’n ängstlicher Mensch so, wenn ich nicht alles unter Kontrolle habe. Und in der Nacht hast’e halt nicht alles unter Kontrolle, weil es dunkel ist. […]“ Vf: „Wenn wir schlafen, haben wir ja auch keine Kontrolle über uns, ne? “ *Katharina: „Ja, das ist es ja. Auch dass, äh, was, was manchmal auch so ängstigend ist, ja. Dass man manchmal auch wie von so ’nem Tod spricht, ne. So, weil du ja wirklich weg bist, ne. Das find’ ich schon beängstigend.“ 1042 Außerdem forciert die Dunkelheit eine Konfrontation mit der eigenen Person; sie ist eine „[---] Zeit, wo man, ja, mit sich und mit Gott auch alleine ist.“ 1043 Deutung des Liedes ‚Der Lärm verebbt’ Eher in einer Randbemerkung stellt sich ein Widerspruch ein zwischen der Grundaussage von Der Lärm verebbt und dem eigenen Erleben. *Frau Schmidt rekurriert in ihrer Kritik auf ihre eigenen Leidenserfahrungen. 1044 Sie habe im Gegensatz zur Textaussage in schwierigen Zeiten, vor allem, nachdem ihr Sohn verunglückt war, Stille und Ruhe als eine Zumutung empfunden, weil sie dann nicht mehr von ihrer Trauer abgelenkt wurde; 1040 *Katharina: „Obwohl, äh, man hat nachts eigentlich immer, oder ich hab’ nachts eigentlich auch häufig Ängste gehabt, weil die Nacht verstärkt ja auch häufig Ängste. Denn, äh, so alle Probleme, wenn du dann nachts nicht schlafen kannst, dann ist es eigentlich manchmal unerträglich, was die Nacht dann so für dich bringt. [...] Also wirklich, manchmal ganz unerträglich, ja. Dass du dann wirklich überhaupt nicht schlafen kannst. Die Angst hab’ ich eigentlich häufig auch heute noch so. Ich gehe auch nachts auch nicht gern’ allein spazier’n oder geh’ nich’ gerne raus oder solche Sachen, das ist - [flüstert] furchtbar [...] Nee, find’ ich nicht so toll. [...]“ KE I,41-49, vgl. auch KE I,14- 17. 1041 *Katharina: „Wenn ich so was lese: Es kommt die Nacht, die Finsternis fällt ein. Das ist so dramatisch, für mich. Ich stelle eigentlich immer mehr fest, dass die Nacht irgendwie auch was Bedrohliches für mich hat. […] Ist mir noch nie so bewusst geworden. Ich hab’ da noch nie so drüber nachgedacht, ne.“ KE II,88-92; vgl. auch KE II,316-319. 1042 KE II,332-334. 340-342. 1043 NK II, 86f. Vgl.auch NK II,283-286 und KE II,22f. 1044 *Elisabeth Schmidt: „Wenn der Lärm verebbt, und - dann wird für ihn die Last leichter. Wenn es bei mir still wurde und leise wurde und wenn sich alle zurückgezogen haben, hat’s mich mit aller Macht erwischt. Dann waren eben alle Sorgen und Probleme viel deutlicher da. Also, mit anderen Worten, ich habe mich eher viel ablenken lassen von viel Rummel, ne, wenn also viel Betrieb war, und wenn, also speziell als mein Sohn nicht mehr da war und ich die Kinder in der Schule um mich herum hatte, war viel Betrieb, war viel Theater, war gut, sobald ich aber wieder zuhause war, da war alles vorbei. Er empfindet das alles genau anders herum. Er sagt, wenn’s abends ist, wenn es still wird, dann sind alle Sorgen weg.“ ES II,141-149. <?page no="325"?> 311 dann hat es sie „mit aller Macht erwischt“. Die Stille empfindet sie ganz im Gegensatz zum Lied (Der Lärm verebbt und die Last wird leichter… Str. 1,1f.) als belastend, weil ihre Probleme dadurch wesentlich deutlicher zu Tage traten. Schon zuvor bemerkt sie in Bezug auf die Stücke Abend ward, bald kommt die Nacht (Str. 4,3f.) und Ich liege, Herr, in deiner Hut (Str. 4f.) den Widerspruch zu ihrem eigenen Erleben: „Ach, wenn das so einfach wär’: Ich weiß, dass auf gute Nacht, guter Morgen kommt. Ich denke, da schieben viele ihre Probleme vor sich her und die sind am nächsten Morgen noch genauso groß. [...; 01.59] Aber genau das ist das Problem, wenn der Abend kommt, dann kommen ja eher die Probleme zutage, hier steht ja eben, dass man nicht daran denken soll, und sich darin versenken soll, ich glaube gerade, wenn der Abend kommt, sehen viele ihr Leid oder ihre Probleme noch deutlicher.“ 1045 Abend und Nacht führen ihrer Meinung nach nicht zu einer Enthebung der Probleme oder zu einer Verbesserung der Lebensumstände. In ihrer Gesamtbewertung der vorgelegten Abendlieder widerspricht *Frau Schmidt der Grunderwartung, dass man hoffe, dass es einem, ungeachtet wie groß die Probleme sein mögen, am kommenden Morgen auf jeden Fall besser gehe. 1046 Ihr fehlt in den Liedern ihre eigene Erfahrung von Hoffnungs- und Hilflosigkeit: „Was mir hier auch wieder auffällt, da nehm’ ich eben Bezug auf mein Leben, meine Höhen und Tiefen, die wir erlebt haben, dass, äh, die Verzweiflung, oder irgendwelche Probleme, die man hat, dass man da sitzt und denkt, es wird schon gerichtet, dass man denkt „Der Herr ist bei uns und hilft uns und bringt uns auch durch die dunkle Zeit hinweg“. Was mir, äh, dabei, äh, was mich wundert, was mir fehlt, obwohl ich nun auch schon pessimistische oder depressive Lieder gesehen habe, dass einer sagt „Also, ich hab gewartet, ich hab gehofft, und es hat mir trotzdem keiner geholfen“, dass es also nach hinten immer offen bleibt, immer, dass es auf jeden Fall klappt, dass da jemand ist, der helfen kann, auch wenn ich noch so traurig bin und noch so große Probleme habe. Die gehen dadurch weg. - Vom Abend her bis zum nächsten Morgen, also es hat keiner das Gefühl, dass es dunkel bleibt, selbst wenn der Abend noch so schlimm war.“ 1047 Die Nacht verfügt also über eine Brennglasfunktion: durch ihre Wesenseigenschaften Dunkelheit, Stille und Alleinsein ist man auf sich selbst geworfen: *Katharina: „[---] äh, die Nacht hat das natürlich immer, äh, verstärkt, ne. Irgendwo, wie die Nacht ja eigentlich alles immer verstärkt, ne. Die meisten sind ja einfach nur schrecklich dunkel.“ 1048 Diese Konfrontation mit sich selbst kann, zumal wenn aktuelle Probleme und Krisen das Leben bestimmen, zu Einschlafschwierigkeiten führen. 1049 1045 ES II,93-99. 1046 *Elisabeth Schmidt: „Es ist überall herauszuhören und zu lesen, dass es am nächsten Tag eigentlich immer besser ist, oder man erwartet, dass es besser ist, und dass dieses Abendlied dann einen die ganzen Sorgen des Tages zusammen fassen lassen kann, dass man noch mal Revue passieren lässt, was alles so passiert ist und was man dagegen steuern kann und wer einem hilft am nächsten Morgen. Dass es dann besser ist.“ ES II,134-139. 1047 ES II,123-134. 1048 KE II,22-24. 1049 Vgl. KE I,43-46; ES I,187-194. II,301-305. <?page no="326"?> 312 Um dennoch zu einem geruhsamen Schlaf zu gelangen, gibt es verschiedene Strategien, die insgesamt darauf zielen, das Aufsichgeworfensein zu relativieren: man vergewissert sich, im Schlaf nicht allein zu sein, 1050 kontrolliert und sichert sein unmittelbares Umfeld, 1051 setzt sich nicht absichtlich der Dunkelheit aus, 1052 oder vertreibt diese durch eine tageslichtgleiche, permanente Lichtquelle im Schlafraum. 1053 Die Dunkelheit kann auch zur Repräsentantin der aktuellen Lebenssituation werden, gewissermaßen, um dem eigenen innerpsychischen Erleben Ausdruck zu verleihen. 1054 Indem man sich selbst eines Tagesrhythmus und des Wechsels von Licht und Dunkelheit enthebt und man in seinem Umfeld auch bei Tage vollkommene Dunkelheit herstellt, soll eine scheinbar bessere, aktuell nicht realisierbare Lebensform ausgeblendet werden. Die Dunkelheit wird auf diese Weise zum Symbol für die eigene als belastend empfundene 1050 *Nadine auf die Frage nach Abschlusritualen: „Ja, das ist dann aber so der Tagesabschluss. Das findet also nicht unbedingt um zwei Uhr nachts statt, sondern dann wenn ich mich wirklich hinlege ins Bett. Dann habe ich noch mal, ja, mein Eigenes. Also, das fängt im Prinzip damit an - mein Mann schläft ja meistens um die Zeit ja schon -, dass ich dann erst mal ins Bett krieche und erst mal sicherstelle, dass er auch da ist. Wir haben dann auch noch so ’ne gemeinschaftliche Sache: Also, wenn ich ins Bett krieche, dann wird er auch so halb wach und klappt dann seinen Arm aus und ich klappe dann da rein. Das ist irgendwie so - ja, das, wo ich dann denke: So, jetzt ist der Abend, der Tag also wirklich abgeschlossen.“ NK II,62-70 . 1051 Vgl. KE I,56f.; II,325f. 1052 Vgl. KE I,47f; vgl. auch zum vermeidenden Verhalten in Dunkelheit ES I,148-153. 1053 Vgl. NK I,7-23; s. auch NK I,32-36. Am Tage kann sie problemlos schlafen, während sie schon seit ihrer Kindheit „die Dunkelheit nicht ertragen“ konnte und daher immer Licht brennen ließ. Mit der Zeit nutzte *Nadine ihre Einschlafschwierigkeiten produktiv, indem sie die Nacht mit Arbeit verbrachte. Den daraus resultierenden Schlafmangel gleicht sie bis heute am Nachmittag oder am Wochenende aus. Vgl. NK I,110-120. 1054 *Rainer: „Da, das ist hier in meiner Situation natürlich jetzt aufgrund des gleichmäßigen Rhythmus [...] äh - sich das im Gehirn festsetzt. Das ist ja so das Fatale. Nach ein paar Monaten merkst du, dass sich dein Körper, äh, sag ich mal, daran gewöhnt. Und das hat auch was mit den Lichtverhältnissen zu tun. Zum Beispiel verhängt man ja das Fenster und dann kommt man auch aus den eigentlichen, äh, Rhythmus heraus. Jeder Mensch hat ja ’nen Tagesrhythmus. Die einen sind Nachtmenschen und die anderen sind Tagmenschen und - das hat ja was mit Licht zu tun, mit Sonne. Wenn du Sonne nicht hast, nech, dann wird der Tag, wie soll ich sagen, für mich persönlich depressiv. Also so, irgendwie, wie soll ich sagen, ja mehr belastend. Es gibt ja Leute bei uns, die haben die Fenster immer verhangen, den ganzen Tag. Ja, da musst du mal drauf achten [lacht] Das ist dir noch nie so aufgefallen, ne? Ich habe meine Fenster auch mal ‘ne ganze Zeit lang verhangen gehabt, auch tagsüber. Und da habe ich gemerkt, dass ich aus dem eigentlichen Tagesrhythmus, aus dem gesamten Lebensrhythmus herauskomme. Dass mir der Tag, Abend, Nacht, gar nicht mehr so zu Bewusstsein kam. Erst als ich die Fenster wieder freigehangen habe, ist mir der Tagesrhythmus wieder richtig bewusst geworden, ne. Dann habe ich dieses Zeitgefühl endlich wieder bekommen. Das ist ja auch zum Beispiel - in der Beruhigungszelle, in der ja kein Fenster ist, ne, und wenn die Leute da tagelang drin sein müssen, da vergeht denen, ja, wie soll man das beschreiben, dieses Tagesgefühl - dieses Gefühl für die Zeit. Weißt du, jeder hat ja ‘ne innere Uhr. Und die innere Uhr schlägt ja, ja, nach den Tageszeiten. Finde ich also. Morgen, Mittag, Nachmittag, Abend, äh, und Nacht. So, da drin verlierst du das. Ist so - wie so ‘ne Blockade, die sich da, - als wenn sich das Gehirn quasi zurückentwickeln würde. [...] Das ist natürlich schwierig, sach ich mal, das wieder zu trainieren, dieses Gefühl wieder zu bekommen.“ RG I,62-86. <?page no="327"?> 313 Lebenssituation. Das Tageslicht ist analog dazu Sinnbild einer momentan nicht realisierbaren Lebensform. 1055 4 Bilder der Kontingenz a Nacht als Bild des Todes Ebenso wird die Nachtsymbolik einiger Lieder direkt mit Leiden und Tod in Verbindung gebracht. 1056 Dabei ist festzustellen, dass eine übertragende Bedeutung von Nacht zumeist als nicht angenehm empfunden bzw. sogar deutlich abgelehnt wird. 1057 *Babsi: „Also das fällt mir bei all den Stücken eh auf teilweise, dass, auf der einen Seite wird die Nacht halt positiv dargestellt, oder der Abend eben als was Beruhigendes, Besinnliches, Entspannendes und andererseits dann eben das Dunkle, Beklemmende, wo der Mensch dann wirklich Schutz von Gott braucht, um das zu überstehen. Dass er über die Nacht wacht, damit halt der Teufel nicht kommt, das war auch in einem Stück irgendwie. Also wo dann halt Gott uns unbedingt schützen musste, weil in der Nacht dann halt der Versucher kommt [Bleib bei mir, Herr! ], und der verleitet. Also, das sehe ich überhaupt nicht so. Für mich ist Nacht wirklich eher was Friedlicheres. Da gibt der Tag eher Grund zur Besorgnis, denke ich dann manchmal. Ja.“ 1058 Dies zeigt sich vor allem bei den folgenden Liedern, deren Deutungsvarianten nachstehend ausgewertet werden: Ein Tag geht nun zu Ende, Herr und Bleib bei mir, Herr! . Deutung des Liedes ‚Ein Tag geht nun zu Ende, Herr’ „Das ist schön, die Finsternis lässt jeden von uns alleine - weil es ja wirklich so ist, wenn wir unseren Gedanken nach-, anhängen“ 1059 , meint *Elisabeth Schmidt und bestätigt damit die Aussage des Stückes Ein Tag geht nun zu Ende, Herr unmittelbar mit ihren eigenen Erfahrungen. Im Zusammenhang mit Der Lärm verebbt führt sie aus, wie stark alle Probleme abends auf sie eingestürmt waren, als es ihr in Krisenzeiten nicht gut ging. *Babsi beurteilt die Bildhaftigkeit der Nacht in Ein Tag geht nun zu Ende, Herr als „zu depressiv“ 1060 . Die Dunkelheit werde, wie es ihrem Eindruck nach in vielen Liedern 1055 Vgl. RG I,86-92. 1056 *Babsi: „Es gibt bestimmt Menschen, denen das aus der Seele spricht, die dann für Schutz und, ähm, Unterstützung für die Nacht bitten, für die dunklen Stunden. Und wenn man das symbolisch sieht, dann macht’s halt auch mehr Sinn, finde ich dann“; BS+JL II,362-365. 1057 *Katja Ronsdorf erkennt bei Ich liege, Herr, in deiner Hut in Verbindung mit der Biographie Kleppers die übertragende Deutung der Nacht als Bild für den Tod, indem sie den Selbstmord des Autors als Widerspruch zur Liedaussage beurteilt; vgl. KR II,249- 256. Diese Differenz, und möglicherweise auch die Thematik des Todes an sich, versucht sie durch Lachen und durch Relativierung („Na gut, muss er ja wissen.“) aufzuheben. 1058 BS+JL II,305-314. 1059 ES II,37f. 1060 BS+JL II,453. <?page no="328"?> 314 der Fall sei, oft mit Einsamkeit und Gefahr gleichgesetzt. 1061 *Babsi bestätigt damit implizit, dass das Bild der Finsternis an dieser Stelle das Phänomen Depression ins Bild hebt, obgleich sie die depressive Darstellungsweise der Nacht kritisiert. *Elisabeth Schmidt, die aufgrund ihrer eigenen Biographie für das Thema Tod sensibel ist, deutet das „Tagen“ am Schluss des Liedes (Str. 4,4) nicht christlich, sondern primär auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse über Erlebnisse an der Todesgrenze: „Ist ja sonst eigentlich immer eher das Gegenteil, äh, die Unklarheit, dann wird es dunkel um uns herum, ja, das hab ich eigentlich noch nie gelesen. Wenn’s Abend wird, also die Stimmung dunkler wird, er geht ja dem Lebensabend entgegen. Witzigerweise steht hier, es tagt. Mh. Obwohl, ich habe mich sehr damit befasst, was ist, wenn einer gestorben ist, ob man da so Erlebnisse hat. Die sprechen ja wirklich alle von hellem Licht und von Tag und so weiter.“ 1062 Sie scheint überrascht darüber zu sein, ihr durch Lesen erworbenes Wissen über Nahtoderlebnisse in einem Lied wiederzufinden. Deutung des Liedes ‚Bleib bei mir, Herr’ Initium und die kehrversartige letzte Halbzeile einer jeden Strophe (Bleib bei mir, Herr / Herr, bleib bei mir) werden auf Anhieb positiv beurteilt, weil dies „schön biblisch“ 1063 und aufmunternd 1064 sei. Demgegenüber richtet sich jedoch vehemente Kritik gegen die Bildlichkeit des Textgesamts: das Lied sei „dramatisch“ 1065 , „furchtbar“ 1066 , „negativ“ 1067 , „traurig“ 1068 , seine Bilder „grausam hoch drei“ 1069 . Die biblische Bitte um Präsenz Gottes stehe im Unverhältnis zu der übrigen negativen Symbolik, sein Zuspruch wirke auf der Folie der sonstigen Bilder „profan“ 1070 , gemeint ist wohl ‚banal’. Die Befragten, die sich zu dem Lied Bleib bei mir, Herr! äußern, scheinen die im Lied beschriebenen Situationen der Anfechtung durch Leid, Versuchung und Tod gegenüber der hoffnungsvollen Bitte wesentlich stärker akzentuiert wahrzunehmen. 1071 Daraus folgt für *Renate Roberg eine Verstärkung und keine Abschwächung oder Bewältigung des eigenen Kummers, den man am Tag durchlitten hat: „Wovon das handelt? Ja, mh, kann ich jetzt nicht so sagen. An für sich ist es mir -, für mich - Man erlebt über Tag ja manches schlechte und was man nicht gut findet und das wird hier noch mal alles so aufgewühlt und abends brauche ich et- 1061 Vgl. BS+JL I,445-450. 1062 ES II,45-50. 1063 NK II,235-237. 1064 Vgl. RR II,129f. 1065 KE II,89. 1066 NK II,232f. *Katharina „ängstigen“ viele Bilder; vgl. KE II,103f. vgl. auch KE II,94-96. 1067 RR II,125f.128f. 1068 RR II,122f. 1069 NK II,240. 1070 Vgl. NK II,240-244.265f. S. auch RR II, 123-131. 1071 Vgl. RR II,128-131. <?page no="329"?> 315 was, was mich froh macht. Auch was, wo Gott dabei ist, aber was mich eben froh macht. Nicht so was, was das alles noch mal so aufwühlt.“ 1072 Im Gegensatz zu Von guten Mächten vermittle Bleib bei mir, Herr! hinsichtlich des Todes weniger ‚Zuversicht’, weil es eher motivisch dunkel gefärbt sei. 1073 *Nadine geht sogar soweit, dem Verfasser des Stückes jegliche Erfahrung mit dem Thema abzusprechen: 1074 Hier habe jemand versucht „ein frommes Lied zu schreiben und hat sich da mal aus dem Topf der Bilder und Wörter, die man da ja so gebrauchen kann, bedient.“ 1075 Sie verbindet ihren Glauben und ihre eigene Erfahrung mit Sterbenden mit ihrer Negativdeutung des Liedes und kommt zu dem Schluss, dass der Vergleich des eigenen Sterbens mit der Passion Christi aus pastoralen Gründen unzulässig sei: „Ich glaub’ dazu kenn’ ich - dazu hab’ ich zu viele Sterbende erlebt. Also ich habe dann konkret das Bild von einigen Sterbenden vor Augen [...] ähm, wo ich die Erfahrung gemacht habe, wenn ich den jetzt einfach - also wenn ich mir das allein praktisch vorstelle, ich würde denen im Prinzip sehen [sagen]: „Kuck mal, Jesus hat auch so gelitten! “ Ich bin eher so der Verfechter, dass man in solchen Situationen Wärme vermitteln sollte. Und das hat mit meinem Glauben wenig zu tun, so dieses [...] ja, weiß ich nicht, wie ich das formulieren soll, aber [...] ja [---].“ 1076 Eine Identifizierung mit dem ‚Leiden Jesu’ scheint ihr eine Abqualifizierung des Leidens der Sterbenden zu sein und widerspricht ihrer eigenen Haltung, am Übergang in den Tod „Wärme“ vermitteln zu wollen. „[---] [...] also, es geht ja dann auch weiter hier: denn des Versuchers Macht brichst du allein. Also ich finde, so ein Wort wie Versucher ist jetzt auch sehr schwammig. Da kann man jetzt sehr viel reinpacken. Und was er genau damit meint - also Wer hilft mir sonst, wenn ich den Halt verlier das sind so - ich find’ es einfach viel zu pauschal.“ 1077 Bemerkenswert ist, dass sie, indem sie den Liedtext quasi als mögliche Textvorlage ihres eigenen pastoralen Handelns in der Krankenhausseelsorge bewertet, die Sprechsituation desselben umkehrt. Aus dem Gebet wird ein Typoskript eines pastoralen Gesprächs. Aus dem ICH-Sprecher, der sich an Gott wendet, wird die Seelsorgerin, die am Sterbebett ‚Zuspruch’ vermitteln soll. Die Bitte um Präsenz Gottes kann so verstanden in der Tat nur banal oder unglaubwürdig wirken, nicht zuletzt, weil sie in der umgedeuteten Sprechsituation einen Fremdkörper darstellt (Wer sollte wem dies sagen? ). In ihrer weiteren Kritik beurteilt sie Bilder wie ‚Versucher’ als „zu pauschal“ - sie wünscht sich stattdessen, augenscheinlich weil sie das gesamte Stück unter dem Fokus des Sterbens und des Todes beurteilt, konkretere und treffendere Bilder. 1078 *Katharina lehnt im Verlauf des Gesprächs bei verschiedenen Liedern deutlich all jene Formulierungen ab, die die Geborgenheit durch Gott und das 1072 RR II,134-138. 1073 Vgl. RR II,146-149. 1074 Vgl. NK II,269f. 1075 NK II,273f. 1076 NK II,248-254. 1077 NK II, 254-258. 1078 Vgl. NK II,260. <?page no="330"?> 316 Vertrauen auf ihn ins Bild zu setzen versuchen. Sie begründet dies damit, dass sie sich mit dem Gedanken schwertue, die Kontrolle (an Gott) abzugeben. 1079 Außerdem entspreche das Bild der Bergung in Gottes Händen nicht ihrem Gottesbild: „Und wenn man dann halt diese Gebete, oder diese Lieder dann auch hat so: „Herr, so, nimm mich.“ Das, äh [...] gefällt mir nicht. Äh, ich möchte also mit Gott einen andren Kontakt haben. Ich möchte eigentlich nicht mich, äh, so fallen lassen. Ich möchte wie so ein Freund eigentlich haben, der so mir zur Seite steht und mit dem ich mich in irgend ’ner Form, ja, durch Gebete vielleicht, auch verständigen kann. Aber, äh, nicht so fallen lassen. Da tu ich mich also ganz schwer mit.“ 1080 Diese Äußerung trifft sie, nachdem sie die ersten beiden Zeilen der erste Strophe von Bleib bei mir, Herr! gelesen hat. Interessanterweise assoziiert sie mit der einfallenden Finsternis (Str. 1,2) das ihr nicht behagende Bild vom Fallenlassen in Gott. Sie scheint in ihrer Kritik verschiedene Motive aus unterschiedlichen Liedern miteinander zu verschränken, denn etwas zuvor meint sie im Bezug auf die W EBER -Fassung Du lässt den Tag, o Gott, nun enden: „Also, den möchte’ ich Dir eigentlich nur mal, äh, geben - warte mal, Du hast da [...] ja, hier, diese Sache: Wir waren heut’ in deinen Händen,/ nimm’ du uns jetzt in deine Hand. Äh, die Nacht, dieses, dieses Einschlafen ist ja manchmal auch wie so ’n, wie so ’n Tod, ne? ! So irgendwo, man ist ja auch irgendwie weg. Und - ja. Ist fast wie so ’n Tod! So unkontrolliert ist das, ne. Und, äh, so bei manchen Liedern wird das dann für mich noch so hervorgerufen, so dieses, äh, diese Kontrolle abgeben, an jemand anderen abgeben.“ 1081 Sie kombiniert das Motiv des Schutzes in der Nacht mit dem Einschlafen, das sie wiederum mit dem Tod vergleicht. Als abschließende Erkenntnis aus dem Interview kehrt sie am Ende nochmals zum Bild des Schlafes für den Tod zurück: „Auch dass, äh, was, was manchmal auch so ängstigend ist, ja. Dass man manchmal auch wie von so ’nem Tod spricht, ne. So, weil du ja wirklich weg bist, ne.“ 1082 Schutz in den Händen Gottes und der Schlaf sind beides für sie Bilder der Kontrolllosigkeit, die ihr Angst bereitet. ‚Schlaf’ konnotiert sie mit „weg“ sein, keinen Einfluss mehr haben und nichts durch das eigene Handeln bestimmen können. Im Umkehrsschluss bedeutet dies: Der Tod ist für sie letztlich etwas, was außer Kontrolle ist, was sie nicht beeinflussen kann. Die Bitte um Bergung in Gottes Händen bedeutet für sie also die Abgabe von Eigenverantwortung bzw. der Verlust des eigenen Handlungsspielraums. *Nadine hingegen kritisiert an der Analogie von Schlaf und Tod die situative Unangemessenheit: 1079 Vgl. KE II, 102-113. 1080 KE II,96-102. 1081 KE II,32-38. 1082 KE II,340-342. <?page no="331"?> 317 „Irgendwie Wie bald verebbt der Tag, das Leben weicht -. Also, ich mein’, das ist ja sehr schön, wenn man das Einschlafen mit ’n bisschen Sterben vergleicht, aber nicht jedes Mal, wenn ich einschlafe, weicht mein Leben.“ 1083 Wiederum bewertet sie ein Motiv aus der Perspektive der Krankenhausseelsorgerin, wenn sie den Schlaf als Bild des Sterbens positiv hervorhebt. Sie widerspricht andererseits der Tatsache, selbst mit jedem Schlaf dem Tode ein wenig näher zu kommen. Das heißt, es wird neuerlich zwar eine Art „professioneller“ Adaption der Textaussage vorgenommen, ein Selbstbezug auf sich als sterblichen Menschen fällt jedoch aus, nicht zu letzt deswegen, weil ihr die eigene Vergänglichkeit nicht allabendlich von Belang erscheint oder zu Bewusstsein gelangt. b Deutekategorien ‚dunkel’ und ‚schwer’ als Ausdruck der Ablehnung Das Lexem ‚dunkel’ wird über die Umschreibung tageszeitlicher Phänomene hinaus verwendet. Es dient vor allem einer Klassifizierung der vorgelegten Lieder bzw. dazu, ihre affektive Ebene zu erläutern. Hier ist eine deutliche Beziehung zwischen der Text- und Bildebene eines Liedes, seiner melodischen Gestalt und seines Ausführungskontextes erkennbar: Werden konkrete Bilder eines Stückes oder ein Lied als ganzes als ‚dunkel’ erachtet, so sind damit durchgängig negative Assoziationen verbunden; der textliche Liedinhalt weckt negative Erinnerungen oder wirkt sich negativ auf die Stimmung aus. 1084 Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass mitunter das Gesamt der zwölf vorgelegten Lieder dem ersten Eindruck nach als ‚dunkel’ und damit als negativ beurteilt wird. 1085 Das Lexem ‚dunkel’ wird erklärend oder unterstützend mit folgenden weiteren Lexemen verbunden: negativ, schwer, bedrohlich, angsterfüllend, traurig, schrecklich, „tut nicht gut“. ‚Dunkel’ dient damit weitgehend als psychologische Kategorie, um die Wirkung von Texten zu umschreiben. Eine übertragende Deutung von Nacht und Dunkelheit als Bild innerpsychischen Erlebens wird zwar an sich akzeptiert, hinsichtlich des eigenen Erlebens jedoch abgelehnt: 1086 1083 NK II,262-264. 1084 Vgl. z.B. *Katharina: „Ganz schrecklich! Das sind - das erinnert mich so an meine Kindheitsträume. So, dass vielleicht nachts jemand an meinem Bett stehen könnte. Und dann so Flügelschlag, mit schwerem Flügelschlag. Dann stell’ ich mir da nämlich nichts Tolles drunter vor! “ Vf: „Was hat das für Dich für’n, für ’ne Atmosphäre? Also was für’n Gefühl -“ *Katharina: „’Ne ganz dunkle. Was ganz, was ganz Dunkles, also überhaupt nichts was, wo ich sagen kann, da kann ich mich reinfallen lassen, das tut mir gut. Das ist also was, was ganz Dunkles für mich.“ KE II,63-70. 1085 *Katharina: „Die meisten sind ja einfach nur schrecklich dunkel.“ KE II,23f; *Babsi erkennt eine Zweiteilung bei den vorgelegten Liedern; die Hälfte betont die „dunkle, beklemmende“ Seite der Nacht, in der der Mensch des Schutzes bedarf, der andere Teil fokussiert die von ihr bevorzugte Sicht als Ruhe- und Besinnungszeit; BS+JL II,305-313. 1086 *Babsi reagiert deutlich auf Lieder, in denen das „Beklemmende der Dunkelheit“ thematisiert wird (ausdrücklich nennt sie Ein Tag geht nun zu Ende, Herr und Ich liege, Herr, in deiner Hut). Sie lehnt solche als „zu depressiv“ ab; vgl. BS+JL II,55f.443-453. <?page no="332"?> 318 *Babsi: „Also, ich merke, wenn ich Texte, Lieder höre, die wirklich von Liebe und Emotion nur so übersprudeln, dann kann mich das unglaublich anstecken. Liebe kann ja auch anstecken. Und ich denke, dass das ja auch der Sinn von Gemeinde sein sollte, und auch der Sinn des Gottesdienstes, dass einfach die Liebe, die Jesus halt gelebt hat, ja auch einfach überspringt und dann halt die Dunkelheit vertreibt, also die innere Dunkelheit. Von daher finde ich, tragen solche dunklen Texte nicht unbedingt dazu bei, die Dunkelheit irgendwie zu vertreiben. Aber, ich denke halt auch, das ist Ansichtssache. Es gibt vielleicht Leute, die gerade deswegen in die Kirche gehen. Aber effektiv finde ich das nicht.“ 1087 Nach Aussage der Befragten sollte die Funktion der Lieder, so die Aussagen aller, die sich dazu äußern, darin bestehen, zumal im gottesdienstlichen Kontext, die „innere Dunkelheit“(depressive Verstimmungen und äußerlich bewirktes Leiden) nicht zu intensivieren, sondern ihr entgegenzutreten. Sie sollen vielmehr Zuversicht und Freude vermitteln: *Jörn: „Vielleicht ist die Auswahl der Lieder unterschiedlich, aber die eigentliche Intention ist ja, wenn es dir schlecht geht, durch Lieder auch wieder besser drauf zu kommen. Weil eigentlich ist das was Erquickendes, etwas um wieder aufzupuschen.“ 1088 In solch „deftig dunkele[n] Lieder[n]“ 1089 wird in der Wahrnehmung der Befragten textlich und musikalisch das Leiden intensiviert, was in der Folge auch bedeutet, dass die Theologie dieser Texte ebenfalls als ‚finster’ eingestuft wird: *Elisabeth Schmidt: „Ich weiß, das war eine heiße Diskussion hier mal, dass immer mit der Hölle gedroht wird und so was, und das hat mich immer schon so sehr gestört. Weil ich eigentlich das Leben und die Hoffnung und das Positive sehe, und wenn dann diese finsteren Texte kommen und ‚Du musst zufrieden sein, wenn du leidest, nur dann liebt dich Gott’, da kann ich nichts mit anfangen. Das trifft für mich nicht zu und finde ich auch ungerecht.“ 1090 Der Ausführungskontext, etwa die Begleitung durch eine Orgel in einem dunklen Kirchenraum als musikalische Deutungsebene, können den negativen Eindruck und die psychische Wirkung eines Liedes verstärken. 1091 Beides wirkt sich negativ auf die Stimmung aus: „Das ist so, als würde das so ’n dicken Klumpen hinterlassen in der Brust.“ 1092 Ähnlich häufig und ebenfalls als psychologische Kategorie wird der Ausdruck ‚schwer’ zur negativen Deutung der Lieder verwendet. Hervorgerufen wird die Verwendung des Wortes ‚schwer’ entweder durch ein Lied, in Gleichwohl ist für sie das Bild der Nacht als „symbolische Größe“ durchaus nachvollziehbar; vgl. BS+JL II,360-365. 1087 BS+JL II,427-435. 1088 BS+JL II,249-252; vgl. auch RR II,135-138. 1089 BS+JL II,106. 1090 ES II,399-404. 1091 Vgl. BS+JL II, 114-122. *Katharina beschreibt ähnliches im Bezug auf ihr Empfinden in Kathedralen; vgl. KE II,143-151. Die Intonation in tiefer Tonlage und die Orgelbegleitung gelten dabei als ein Typus eines katholischen Gottesdienstes. Vgl. BS+JL II,97-106. In ökumenischen oder evangelischen Gottesdiensten bleiben die Lieder als ‚licht’ in Erinnerung. 1092 BS+JL II,123. <?page no="333"?> 319 dem in irgendeiner Weise vom ‚Schweren’ die Rede ist 1093 oder das in verschiedener Hinsicht als zu kompliziert eingestuft wird. Als ‚schwer’ im Sinne von ‚schwierig’ bzw. ‚zu komplex’ gilt auch eine zu große Textfülle und eine zu poetische, nicht am Gegenwartsgebrauch gemessene Sprache: 1094 *Rolf: „Und ich sag mal, von dem Text her ist das nicht so, sach ich mal, überladen. Ist einfacher als die anderen hier, mit schwerer Last und solchen Sachen gearbeitet wird. Da find ich das eigentlich vom Text her am verständlichsten, sag ich jetzt mal.“ Vf: „Verständlich? Was meinst Du damit? “ *Rolf: „Ja, dass das jetzt genau das beschreibt, was ich jetzt fühle. Ich würde das vielleicht so ähnlich niederschreiben, wenn ich das könnte, ne.“ Vf: „Das heißt, die andern Lieder haben Bilder, die erst mal nicht so Deiner Lebenswirlichkeit entsprechen? “ *Rolf: „Nee, das würd’ ich nicht sagen. Das kann man ja auch nur auf den ersten Blick sagen. Aber ich sag mal, die anderen Lieder, die sind zu sehr - ich sag mal, die sind so geladen. Also ich find das - [...] Wo hatte ich das denn? [sucht] Da wird dann von Last geschrieben, die von einem abfällt oder so [Nun trägt der Abendwind den Tag, Vf.]. Gut, das mag zwar sein, aber ich würd’ das nie so ausdrücken. [...]“ 1095 Ebenso wird die singtechnische Realisierung eines Stückes 1096 oder seine musikalisch-affektive Wirkung als zu ‚schwer’ eingestuft. 1097 Verschiedentlich wird die ‚Schwermut’ mancher Lieder kritisiert. *Katja Ronsdorf erkennt in Ich liege, Herr, in deiner Hut ein gewisses Maß solchen Trübsinns, der sich ihr aus der Biographie K LEPPERS bestätigt. 1098 In Bleib bei mir, Herr! liegt es vordringlich an dem negativen Grundduktus, weshalb *Renate Roberg das Stück insgesamt emotional als zu ‚schwer’ einstuft: *Renate Roberg: „Also, ich finde es nach wie vor - Also, es würde mich belasten. Das finde ich alles so traurig. Am Schluss heißt es natürlich Herr, bleib bei mir! , das ist dann natürlich wieder gut, aber, das ist alles so - für mich ist das alles ein bisschen zu schwer. Nech, also wo fänd’ ich Trost, wärst Du mein Gott nicht hier, es ist alles schlimm, es ist alles Finsternis, und den Stachel nimmst du ihm, das ist alles so was Negatives. Aber zum Schluss dann Herr, bleib bei mir das ist das einzige. Also das ist meine persönliche Meinung dazu. Ja. Hilf dem, der hilflos ist - also in dem Lied guckt man nur auf die negativen Seiten des Lebens, ne. Und Herr, bleib bei mir ist dann zwar wieder die Aufmunterung, aber im Grunde ist in jeder Strophe - Trübsal, Bitterkeit: was ist der Tod, bist du mir Schild und Zier.“ 1099 1093 Nun trägt der Abendwind den Tag und Von guten Mächten treu und still umgeben. 1094 KR II,238-242. 1095 RC II,15-22. Vgl. KR II,216f.228f.II,256-258. 1096 Vgl. RR,43-45. 1097 *Renate Roberg: „Also, ich würde sagen, unser Leben ist ja auch nicht so leicht, und wenn man so eine Melodie singt [Fietz-Weise von Von guten Mächten treu und still umgeben] und abends, da singt man das leichter.“ Vf: „Man singt sich das Leben leichter? “ *Renate Roberg: „Mh, so schwere Sachen abends zu singen, fänd ich nicht so gut.“ Vf: „Das sollte eher entlastender sein, so etwas zu singen? “ *Renate Roberg: „Für den Abend bestimmt. Für den Tag kann man das schon mal ändern, aber für den Abend würde ich so eine Melodie vorziehen. Ich persönlich.“ RR II,54-60. 1098 Vgl. KR 241f. 1099 RR II,122-131; vgl. in diesem Zusammenhang auch RR II,159-163. An anderer Stelle wird ersichtlich, dass *Renate Roberg den Gedanken einer „Lebensschwere“ durchaus für sich akzeptieren kann, sie lehnt lediglich eine durch Textschwere verursachte Verstärkung negativer Empfindungen ab; vgl. RR II,172-177. <?page no="334"?> 320 Die Kritik, die an den vorgelegten Abendliedern artikuliert wird, richtet sich zumeist gegen das in den Liedern präsentierte Gottesbild und das damit verbundende Kirchenverständis. 1100 Die ‚Schwere’ oder ‚Schwermut’ der Texte wird abgelehnt, weil sie der eigenen Lebenserfahrung widerspricht bzw. weil sie sich nicht mit den eigenen Vorstellungen von Kirche und Glauben deckt: *Philipp: „Äh, man muss sagen - ich bin noch nicht damit fertig - also [...] es ist so, [...] äh, [...] es ist schwierig. Also überall ist irgendwas mit Schwere und mein schwerer Flügelschlag und damit geht die Nacht vorbei und die jähe Angst wird mich erfüllen, aber du hast mich fest in deiner Hand. Oder so. Vom Prinzip her kommt es in vielen Liedern zumindest vor. Zumindest ist das mein Eindruck jetzt. Und äh, ihre Müh und Plag seh’ ich da noch mal. Das ist, äh, [...] das ist es nicht. Also, äh, das ist nicht mein Gefühl, was ich - Vf: „Das nicht Deine Lebenswirklichkeit ausmacht? “ *Philipp: „Genau. Und, äh, da wir jetzt nur ein, nur ein Lied ausgesucht - Nun trägt der Abendwind den Tag - das ist ein Beispiel eigentlich der andern - Nun trägt der Abendwind den Tag / mit seiner Last von Licht und Schatten / hinweg mit schwerem Flügelschlag. Und es geht dann so weiter mit Gott befreit und Dank und Seufzer im Gebet und - ach, ist alles so schwermütig. Nicht meine Sprache und nicht mein Text! Deswegen hab’ ich das raus gesucht. Das steht aber stellvertretend für viele andere dieser Texte. Und die find’ ich nicht schön! So.“ 1101 Deutung des Liedes ‚Von guten Mächten treu und still umgeben’ Von guten Mächten treu und still umgeben dient mit den Textzeilen „noch drückt uns böser Tage schwere Last“ (Str. 2,2) bzw. „Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern“ (Str. 3,1) in erster Linie als Referenzquelle für die in Liedtexten bisweilen identifizierte Schwermut: *Philipp: „Und dann in der Auswahl, in dem Blick auf den Text, hab’ ich immer gedacht: Äh, der Text ist irgendwie, bei allen irgendwie komisch! Der ist nicht, nicht mein Abendlied. [---] Ähm, mir geht das bei, also bei ’nem Lied, was ich kenne ist Von guten Mächten. Da finde ich die Melodie sehr schön und hab auch Erinnerungen daran, an, an die Melodie. Der Text, ja, puh, der Text ist ja alles so schwer.“ 1102 Die Kritik am Liedtext richtet sich im Wesentlichen auf die Aussagen der zweiten und dritten Strophe. Die Abwehr gründet sich einerseits darin, in der eigenen Biographie keine mit der Vita B ONHOEFFERS vergleichbaren eigenen Leidenserfahrungen gemacht zu haben, die hätten bewältigt werden 1100 *Katharina: „Ich finde es viel schöner, äh, wenn man in einer Kirche auch fröhlich sein kann. Wenn man fröhliche Lieder singen kann, und wenn das nicht immer so traurig ist. Äh, eigentlich sollte Gott irgendwie was, was Unbeschwertes in sich haben. [...] Aber er ist manchmal zum Fürchten, find’ ich.“ KE II,153-156; *Katharina: „Und viele Kirchen und auch Kirchenlieder bringen das also auch für mich zum Ausdruck. Es ist, äh, nichts Fröhliches. Und es wird eigentlich ja auch so, so ’ne schwere Last und es ist, äh, es ist alles irgendwo schwer.“ KE II,169-172. Siehe auch KE II,94-102. 1101 PH II, 53-65. 1102 PH II,18-20.26-28. vgl. auch PH II,97-99. <?page no="335"?> 321 müssen. 1103 Andererseits wird, wenn das persönliche Leid als Resonanzboden für diese Liedzeile herangezogen wird, das Gottvertrauen als „fromm“ im negativen Sinne, „pervers“ und insgesamt unrealistisch beanstandet: *Philipp: „Äh, das ist das Eine. Ihn dankbar ohne Zittern [lacht] aus der guten und geliebten Hand zu nehmen [seufzt tief], da muss man schon sehr fromm sein. [lacht] Und manchmal weiß ich nicht, ob der gute Gott, wenn man mal ins Alte Testament oder auch mal ins Neue, ob der nicht lieber jemand hat, der zittert und da böse ist, zornig ist und ihm Widerworte gibt, ob ihm das nicht manchmal lieber wäre, als jemand, der sehr fromm daherkommt und diesen Kelch so dankbar und ohne Zittern - ja. Eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen. Also ‘n schweren Kelch, so gefüllt mit Leid, ohne Zittern zu nehmen, das ist pervers. Ja, doch. Find ich unvorstellbar. Jetzt noch mal auf den Bonhoeffer zurückzukommen, find ich das höchst beein-, noch viel beeindruckender, wenn er das so gefühlt hat und das will ich ihm jetzt mal so abnehmen, äh, [...] aber meins ist es nicht. Und deswegen, hab’ da wie grade - da ist - ich würd’ ihn nicht ohne Zittern nehmen und dankbar. Also ich wär’ nicht so heilig.“ 1104 Wenn es an eigenen starken Leidenserfahrungen mangelt, dann ist die Kenntnis der Biographie des Autors relevant, um die als anmaßend empfundenen Textaussagen als glaubwürdig bewerten zu können. Gleichzeitig macht es ein Wissen darum möglich, sich selbst von der Textaussage zu distanzieren und die entsprechenden Zeilen rein „historisch“ zu verstehen: *Elisabeth Schmidt: „Aber der hat ja auch einiges mitgemacht. Er hat sich ja Mut gemacht. Ich kenn die Lebensgeschichte. Er hat ja einiges erlebt und das darzustellen, das gehört dazu. Aber das ist nicht mein Ding.“ 1105 Verschiedentlich werden (Er-)Leben und Leiden synonym gebraucht bzw. letzteres wird vermieden und daher ersteres alternativ verwendet. 1106 Ein Selbstbezug der Leidensaussagen wird auch dadurch verhindert, dass B ONHOEFFER zu einem ‚Heiligen’ bzw. einem „großartigen“ Menschen stilisiert wird. 1107 Möglicherweise behindert die Kenntnis um den Leidensweg 1103 *Philipp: „Ist ja auch - ich weiß ja auch von wem’s geschrieben ist und kenn’ die Geschichte und weiß ich nicht was alles. Das Motiv ist ganz nett: Von guten Mächten treu und still umgeben - so, äh, aber danach, äh, - ich hab’ noch nicht den schweren Kelch gehabt. Und so schwer, wie ihn Bonhoeffer hatte, werde ich ihn hoffentlich vielleicht auch nicht kriegen. Ist ja auch egal, aber das Gefühl kenn’ ich nicht so.“ PH II,28-33. 1104 PH II,215-227. Siehe auch *Elisabeth Schmidt: „wir nehmen ihn dankbar und ohne Zittern - das halt ich aber für’n Gerücht, wenn man den [...] in die Hand kriegt [lacht]“ ES II,164f; ähnlich „Wir nehmen dankbar und ohne Zittern die schwere Last auf - das halte ich für ein Gerücht. Das gefällt mir gar nicht. Dieses Von guten Mächten -“ES II,191f. 1105 ES II,404-407. Siehe auch *Philipp: „Ja, und dann geht die Zweite hab’ ich also wirklich immer den Bonhoeffer im Kopf, äh die dritte Strophe: Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittren / des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand / So nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern / aus deiner guten und geliebten Hand. Also noch mal eher diesen schweren Kelch, der bis an den höchsten Rand gefüllt mir Leid ist, hab’ ich noch nicht bekommen, was mich manchmal um ‘ne Erfahrung ärmer macht, aber ich bin auch nicht böse drum, dass ich ihn noch nicht hatte.“ PH II,208-214. 1106 Siehe ES II,405f: „Er [Bonhoeffer] hat ja einiges erlebt [---]“; ES II,411f: „[---] man findet nicht zum Glauben, nicht regelmäßig zum Glauben, dadurch dass man viel erlebt [--- ]“; ES II,430: „Nach den ganzen erschreckenden Erlebnissen [---]“; RR II,135: „Man erlebt über Tag ja manches schlechte und was man nicht gut findet [---]“. 1107 Vf: „Er hat das geschrieben, als er im Gefängnis saß. Er wusste, dass er hingerichtet wird. Er hat das geschrieben für sein - Er hat das Lied geschrieben für seine Verlobte <?page no="336"?> 322 des evangelischen Theologen sogar eine Adaption des Textes auf das eigene erfahrene Leid, indem der „schwere Kelch“ allein auf den Märtyrertod beschränkt gedeutet wird. 1108 Der massivste Widerspruch regt sich bei den Befragten darin, dass der gereichte Leidenskelch „dankbar, ohne Zittern“ ergriffen wird: *Elisabeth Schmidt: „Ich bin nicht dankbar für das Leid, was kommt. Ich glaube auch nicht, dass als der Krieg war, die Menschen, so aus der Zeit und vorher, dass die gesagt haben ‚Lieber Gott, ich bin dir dankbar, dass das alles passiert, man wächst ja.’ - Es ist richtig, dass man an Erfahrungen und Leid wächst, aber man freut sich da nicht drüber, man ist nicht dankbar dafür. Insofern geht mir die Aussage des Textes völlig gegen den Strich. 1109 Dies widerspreche sowohl dem Selbstverständnis als Mensch, der einen „Anspruch“ 1110 auf ein vernünftiges Leben hat, wie auch dem eigenen Glauben an einen „lieben Gott“ 1111 . Die besagte Zeile 3,1 wird mit einer überkommenen Theologie in Verbindung gebracht. 1112 Aus Leid erwachsene Dankbarkeit als notwendige Voraussetzung für die Zuwendung Gottes wird als „ungrecht“ beurteilt, 1113 was auch zu regelrechten Trotzreaktionen führt: *Katharina: „Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittren / des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand / So nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus deiner guten und geliebten Hand. [...] [Nee, warum muss ich das machen? Dann nehm’ ich den nämlich nicht dankbar ohne Zittern aus deiner guten und geliebten Hand.“ 1114 Diese Abwehr korrespondiert mit dem aus dem Incipit abgeleiteten eigenen Gottesbild: und seine Familie. Kurz zu Silvester. Er hat das an seine Familie in einem seiner letzten Briefe geschrieben.“ *Katharina: „Mh. Das wusst’ ich nicht. Ich hatte das gelesen grade, ne, dass das von dem war und war eigentlich erstaunt, dass das jetzt nett, ne. Ja, das gefällt mir, das find’ ich schön.“ Vf: „Mich beeindruckt daran immer so sehr, dass jemand solche Worte finden kann, wenn er wirklich in ’ner absoluten Todesangst ist.“ *Katharina: „Ja, das sind halt ganz tolle Menschen. Großart-, großartige Menschen, wo es immer nur ganz wenige von gibt. Ist schon - ist schon toll.“ KE II,223-233; siehe auch PH II,226f. 1108 *Philipp: „Noch will das Alte unsre Herzen quälen,/ noch drückt uns böser Tage schwere Last. Also wenn ich das jetzt so spreche, dann stimmt das nicht. Wenn ich’s heute Abend singen müsste, dann sing ich’s, weil’s die zweite Strophe ist, aber textmäßig [...] Also mir geht’s schon schlecht, also ich hab’ nicht immer tolle Tage, aber [liest sich den Text noch mal murmelnd durch] [...] da überwiegt bei mir eher die Gewissheit, die da vorher ist, also dass Gott mit geht und mit uns lebt, mit mir lebt. Ja.“ (PH II,202-208). *Philipp relativiert eigene Leidenserfahrungen auf der Folie B ONHOEFFERS Lebens. Gleichzeitig übersieht er, dass auch im Lied die Gewissheit das Leiden überwiegt. 1109 ES II,389-394; s. auch *Renate Roberg: „Reichst du uns den schweren Kelch, den bittern,/ des Leids gefüllt bis an den höchsten Rand,/ so nehmen wir ihn dankbar, ohne Zittern / aus deiner guten und geliebten Hand - das fällt einem manchmal schwer, aber man, […]“RR II,22- 24. Es bleibt unklar, ob sie diese Zeilen „schwer“ zu akzeptieren, zu singen oder zu glauben findet. 1110 Vgl. ES II,394-397. 1111 ES II,407; vgl. KE II,141f. 1112 Vgl. ES II,397-404. 1113 Vgl. ES II,394-396.401-404. 1114 KE II,191-195. <?page no="337"?> 323 *Katharina: „Ja. Weil hier steht von guten Mächten, also, das hat für mich einfach was Schönes. Es ist, es sind nicht, äh, dies ist nicht dieser dunkle Flügelschlag oder dieser gewaltige Flügelschlag. Das ist einfach, äh, es erinnert mich einfach so - da kann ich wie, da kann ich wie ein Kind empfinden und, äh, kann wirklich daran glauben, so, dass es gute Mächte gibt. Dass es gute Mächte gibt. Nichts Dunkles, was mich irgendwie, äh, haben möchte -“. 1115 So verwundert es nicht, dass dieses Stück in erster Linie wegen der Weise von S IEGFRIED F IETZ gewählt und der Text eher als nachrangig erachtet wurde. 1116 Als Grund für die Auswahl des Liedes über die Melodie werden die Bekanntheit und die daran geknüpften Erinnerungen genannt. 1117 Die F IETZ - Wiese wirke im Verhältnis zur alternativ vorgelegten Weise von O TTO A BEL „lebendiger“ und „fröhlicher“. 1118 Zwar erscheint der Walzerrhythmus in Verbindung mit der dritten Strophe mitunter „komisch“ 1119 , dennoch erleichtert sie einem, vom Leid und vom Schweren des Tages singen zu können. 1120 Mit *Elisabeth Schmidt könnte man zu dem Schluss kommen, dass das Stück gegenwärtig eigentlich von niemandem mehr gesungen werden will, zumal wenn man keine eigenen Kriegserfahrungen gemacht hat. 1121 Die Popularität des Stückes in Verbindung mit der F IETZ -Melodie und die Wahrnehmung aller Befragten zu deren Stellenwert geben ihr implizit recht, denn das „Beschwingte“ 1122 der Weise übertüncht bzw. konterkariert die Textstellen, in denen vom Leiden gesprochen wird. Dies zeigt auch die Gesamtwahrnehmung des Stückes: es werden vor allem die Passagen als anheimelnd gedeutet, in denen von ‚Geborgenheit’, ‚Licht’ und ‚Stille’ die Rede ist. Indem kein wirklicher Zusammenhang zwischen der Geborgenheit bei Gott und der konkreten Anfechtung hergestellt werden kann, wird das Leid 1115 KE II,129-134. 1116 *Philipp: „ […] eigentlich ging’s mir um die Melodie. Und da ist Von guten Mächten wunderbar geborgen einer meiner Favorits.“ PH II,38f.; Auch Fr. Roberg nennt zuerst die Melodie als Argument für ihre positive Wahl: „Ja, also die Melodie ist erst mal sehr schön und äh, und vom Text auch: So will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr. Von guten Mächten wunderbar geborgen. Also ich finde den Text sehr schön.“ RR II,17-19. 1117 *Philipp: „Die Melodien hab’ ich mir immer vorgesummt und, äh, da ist diese Von guten Mächten die, an die ich mich am meisten erinnere und die ich so ganz, sehr schön finde. Die ich gerne singe und gerne höre. Ob der Melodie.“ PH II,65-68, vgl. auch PH II,26-28; auch Fr. Roberg kennt das Lied gut und mag es sehr; vgl. RR II,15. 1118 *Elisabeth Schmidt: „Die erste [Weise von F IETZ ] finde ich viel lebendiger [summt beide Melodien]. Nee, also das finde ich viel lebendiger“; ES II,168f; *Katharina: „Ja, das ist ’n Moll, ne? Das ist einfach, äh, es hat einfach, mh, nicht diese Fröhlichkeit für mich. Das andere ist für mich fröhlicher. Also die erste Version.“ KE II,254f. Sie findet, dass die F IETZ -Melodie der Fröhlichkeit wegen besser zum Text passt; vgl. KE II,273- 275. Dass die beiden Weisen den Text unterschiedlich gewichten, zeigt die Reaktion von *Frau Roberg; sie hat den Eindruck, der Text sei ein anderer. Vgl. RR 72-78.100- 103. 1119 Vgl. PH II,137. Siehe dazu auch den gesamten Abschnitt PH II,128-139. 1120 Vgl. RR II,48-60. 1121 Vgl. ES II,418-426. 1122 Vgl. KE II,119-127.239f; PH II,134f. <?page no="338"?> 324 im Grunde verharmlost. 1123 In den Fällen, in denen eine Kausalbeziehung zwischen dem gläubigen Vertrauen auf Gott und dem eigenen Leid gebildet wird, geschieht dies nur in negativer Hinsicht, nämlich dass Leid zur Abkehr vom Glauben führe: *Elisabeth Schmidt: „Bei meinem Mann hat es ja genau das Gegenteil bewirkt, als klar war, dass unser Sohn es nicht schafft, da ist er ja aus der Kirche ausgetreten und hat sich abgewandt. Ich glaube, man findet nicht zum Glauben, nicht regelmäßig zum Glauben, dadurch dass man viel erlebt, sondern es kann genauso umgekehrt sein.“ 1124 Die Basismotive der Strophen 1 und 5-7 bestimmen wesentlich die Einschätzung, dass Von guten Mächten treu und still umgeben ein Abendlied sein könnte: Str. Leitmotive Interpretation 1,1; 7,1 1,2; 7,1 Von guten Mächten behütet und getröstet / geborgen Anwesenheit einer höheren Macht 1125 „Sicherheitsdenken“ 1126 5,1.4 Kerzen, Licht Hoffnung, Zuversicht 1127 6,1 Stille Getragen, Frieden, Wohlfühlen abendliche Atmosphäre 1128 1123 *Renate Roberg geht beispielsweise über die dritte Strophe hinweg, um das Heimelige und Wohlige zu betonen. Vgl. RR II,22-29. 1124 ES II,409-413. 1125 *Katharina: „Sondern, das mich eigentlich so lässt, wie ich bin. Und [...] das mich so lässt, wie ich bin. Und an das ich mich auch wenden kann. Das sind vielleicht auch die Sachen, die immer irgendwo vorhanden sind. Die ich sicherlich auch manchmal spüre, dass es so was gibt.“ (KE II,136-139). 1126 *Philipp: „Ich glaube, dass still, - Treu und still -, doch, ich glaube, das ist eine gute Kombination. [...] Weil ich mich ganz treu getragen weiß. Hat ‘n bisschen was vom Sicherheitsdenken, fällt mir jetzt grade auf - Klammer zu. - [lacht] Klammer zu. Ja doch, das ist so mein Gefühl! Das ist so eine - das hat auch viel von meiner, von meiner Gottesbeziehung. Glaub’ ich, ja.“ PH II,174-178. 1127 *Philipp: „Lass warm und still die Kerzen heute flammen,/ die du in unsere Dunkelheit gebracht / Führ wieder, wenn es sein kann, uns zusammen./ Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht. Ja. Also Kerzen am Abend sind was Feines. Wenn ich das mal auch übertragen sehe: So Lichter, die in Dunkelheit gebracht sind, dann find’ ich das ‘ne sehr schöne Strophe. Und Führ wieder, wenn es sein kann, uns zusammen hat auch was sehr - hat was Bittendes, aber auch was Zulassendes. Also, wenn es nicht sein soll, dann halt nicht. Und Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht das gehört so zum Gesamtbild.“ PH II,238-245; *Katharina: „Lass warm und still die Kerzen heute flammen,/ die du in unsre Dunkelheit gebracht / Führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen,/ wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht. Das is’ ok. Das find’ ich in Ordnung. [...] Denn das ist ja nun - das gibt’s ja nun wirklich. Wenn du dann wirklich überhaupt keinen Ausweg mehr weißt und [...] dann diese Kerze. Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.“ KE II,207- 213; siehe auch *Renate Roberg: „Ja und lass warm und hell die Kerzen heute flammen,/ die in unsre Dunkelheit gebracht, hier gefällt mir, ich persönlich finde das - ich finde -, mir ist gerade aufgefallen, dass dieses hier [Bleib bei mir, Herr! ] eher dunkel gefärbt ist und das andere anscheinend mehr Zuversicht ausstrahlt. Genau. Ja, so würde ich das sehen.“ RR II,146-149a. 1128 *Philipp: „Wenn sich die Stillen nun tief um uns breitet,/ so lass und [murmelt den Rest der Strophe] [...] Das ist wieder pathetisch, würd’ ich sagen. [lacht] Passt völlig zur Melodie und zum Getragenen und Abendlichen. Find ich, find ich gut. Passt. Gefällt mir.“ PH II,245-248; Vf: „Gott ist eher still? “ *Philipp: „Oh nein! [lacht] Das nicht! Aber er umgibt mich still. [lacht] Also, der kann auch ziemlich [...] ziemlich laut sein. Kann er sehr. [lacht] Nee, äh, meine Tochter ist ja auch nicht still, da kann Gott auch nicht still <?page no="339"?> 325 Im Verhältnis dazu wird das Leiden nicht als ein für den Abend geeignetes bzw. ein für diese Zeit irrelevantes Thema eingeordnet: *Renate Roberg: „Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern - hier ist ja nicht gerade Abend, erwarten wir getrost, was kommen mag./ Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag. Da ist es zum Beispiel schon mal drin, nech. Doch willst du uns noch einmal Freude schenken,/ an deiner Welt und ihrer Sonne Glanz - das ist ja das, was man am Abend bedenkt - dann wolln wir des Vergangenen gedenken / und dann gehört dir unser Leben ganz. […] Ja, und was am Tag so gewesen ist. Lass warm und hell die Kerzen heute flammen - Das macht man auch am Abend - die du in unsre Dunkelheit gebracht./ Führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen./ Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht./ Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,/ so lass uns hören diesen vollen Klang / der Welt, die unsichtbar sich um uns breitet / und deiner Kinder hohen Lobgesang. Naja, wenn sich die Stille um uns breitet, ist auch abends. Nech, denn über Tag hab ich nicht so viel Stille. Also von daher - wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht - das ist auch - doch - […]“ 1129 Ebenso gilt die F IETZ -Weise als abendliedfähig. 1130 Begründet wird dies mit dem emotionalen Grundduktus der Melodie, die bestimmte „pathetische“ Wendungen des Textes untermauert. 1131 Insbesondere eignet sich das Stück für besondere Lebenswenden (Geburtstag, Silvester), 1132 aufgrund seines Zusein. [lacht] Nee, der kann auch sehr, sehr laut sein, aber wenn ich auf den Abend kucke, dann passt das.“ PH II,179-183. *Katharina: „Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,/ so lass uns hören jenen vollen Klang der Welt / Die unsichtbar sich um uns weitet,/ all deiner Kinder hohen Lobgesang. [...] Das find’ ich auch schön, das ist ’n schöner Satz Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,/ so lass uns hören jenen vollen Klang der Welt / Die unsichtbar sich um uns weitet - ich find’ das ist schön.“ Vf: „Und was verbindest Du damit? “ *Katharina: „Äh, ganz viel Frieden. Einfach ganz viel Frieden und Wohlfühlen. Und gar nichts Beängstigendes, es ist einfach nur richtig schön. Das find’ ich richtig schön.“ KE II,213-220. 1129 RR II,85-100. 1130 *Philipp: „Wegen der [...] also wegen der Melodie, würd’ ich einmal sagen, passt es in den Abend. Und, äh, [...] wegen dieses Gefühls, was für mich mehr in den Abend passt.“ PH II,252f. 1131 PH II,194; vgl. PH II,194-199.264-266. *Elisabeth Schmidt bestätigt implizit *Philipps Textdeutung als „pathetisch“, wenn sie die „Schwülstigkeit“ kritisiert: „ […] aber es stimmte eben nicht bei jedem oder nicht bei allem, dass große Traurigkeit oder große Probleme dazu führen, dass man sich auf den Glauben stützt. Deshalb ist mir dieser Text eigentlich zu schwülstig. Mh.“ (ES II,415-418) Der Text erscheint ihr zu maniriert, weil sie, so wie sie den Text auffasst - nämlich das Leid die Voraussetzung für den Glauben bildet -, dessen Aussage als unrichtig beurteilt. 1132 *Philipp: „So will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr. [...] Wenn man das Lied wirklich nur Silvester singt [lacht], dann mag ich diese Zeile auch. Sehr gerne. Ich mag sie besonders Silvester gerne. Aber diese Aussage So will ich diese Tage mit euch leben - ist das aus so ’nem Psalm oder so was? Nee. Weiß ich nicht. Mag ich auf jeden Fall! “ PH II,185-190. Und weiter: „Wenn Du mich so fragst, fällt mir auf, dass ich’s auch schon tagsüber gesungen habe. Ja, ich hab’s auch schon tagsüber, also, morgens oder im Sonntagsgottesdienst verwendet. Aber so richtig passen, tut’s nur Silvester. [---] Blödsinn. Ich mein’, warum Silvester. Ich mein’ wenn das neue Jahr anfängt, kann man ja auch - letztendlich würde man ja das Geburtstagsjahr ja auch feiern können, insofern würde es da auch passen. Aber ich find’ einfach, äh, Lieder haben so - ja, also das passt abends und für mich passt es auch Silvester und da im Besonderen. Wegen dieser einen Strophe. Und wenn ich die Strophe ernst nehme, dann find’ ich, ist es auch ok, wenn ich’s nur einmal im Jahr singe. Weihnachtslieder singen wir ja auch nur einmal im Jahr. Also so Stille Nacht oder so was ist auch wahnsinnig pathetisch, würd’ ich vielleicht auch als Abendlied bezeichnen. Und sing’ ich auch nur einmal im <?page no="340"?> 326 spruchs ist es für alle Lebenslagen geeignet: *Katharina: „Äh, das ist ein Lied, äh, der Hoffnung eigentlich. Das man sicherlich immer singen kann.“ 1133 c Von der Endlichkeit der Zeit Verschiedentlich bietet auch die vierte Strophe von Von guten Mächten treu und still umgeben Anlass zur Kritik - sie wendet sich einerseits gegen ihre innere zeitliche Struktur (… willst du uns noch einmal Freude schenken; 4,1), andererseits gegen den Aspekt der Selbstübereignung (… und dann gehört dir unser Leben ganz; 4,4). *Philipp adaptiert die Aussagen der vierten Strophe auf seine eigene aktuelle Lebenssituation und wendet sich daher gegen die dort beschriebene Endlichkeit: „Doch willst du uns noch einmal Freude schenken,/ an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,/ so wolln wir des Vergangenen gedenken / und dann gehört dir unser Leben ganz. [...] Das hat ja was Endzeitliches. [...] Da ist - also dieses noch einmal, wenn ich das ausklammer’, dann passt es sehr schön. Also dieses Endzeitliche hat viel mit der vorherigen Strophe zu tun, find’ ich. Inhaltlich passt es schon, da ich schon mit der vorherigen Strophe Probleme hab’, würd’ ich hier sagen, ich geh’ schon davon aus, dass Gott mir Freude schenken möchte. Auch an dieser Welt und auch an ihrer Sonne. Und ich geh’ auch davon aus, dass mein Leben ganz Gott gehört. Auch wenn ich manchmal nicht so tue. Aber - und dann passt - dann hat es für mich was Amtliches. Auch treu und still und behütet und so was, das, das - ganz. Hier ist noch einmal - ist halt, würd’ ich jetzt noch mal zeitlich seh’n und das passt dann nicht so ganz rein.“ 1134 Er erkennt zwar den endzeitlichen Charakter der Fomulierung in Str. 4,1 und legitimiert ihn durch die vorausgehende „Leidensstrophe“, lehnt ihn jedoch, wie schon zuvor die Leidensaussagen der dritten Strophe, ab. Es distanziert sich von der Zeitlichkeit der Aussage noch einmal, weil er die Aussagen der Strophen drei und vier nicht durch seine eigene Lebenserfahrung bestätigen kann. Die Vorbehaltlichkeit seines eigenen Lebens ist ihm nicht präsent bzw. für ihn in seinem aktuellen Erleben nicht relevant. *Katharina stört sich weniger offensichtlich an der zeitlichen Struktur, sondern vordergründig deutlicher an dem Motiv der Selbstübereigung in Str. 4,4: „Doch willst du uns noch einmal Freude schenken,/ an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz / Dann wollen wir des Vergangenen gedenken / und dann gehört dir unser Leben ganz. [...] Also, äh, eigentlich ist das so, äh, dass, dass Gott eigentlich, äh, das hört sich hier so an, als würde er - willst du uns noch einmal Freude schenken - er schenkt uns ja eigentlich ganz viel Freude. Manchmal heißt das ja nur so. Man ist ja häufig nur blind für die schönen Sachen. Und, äh, dieses ganz bewusste Leben sagt uns ja eigentlich auch: ‚Mh, was haben wir heute für einen wunderschönen Tag. Ist doch eigentlich ’n Geschenk, ’ne.’ Und diese Ausdrucksweise Doch willst du uns Jahr.“ PH II,254-256.258-266; siehe auch *Elisabeth Schmidt: „mit euch gehen in ein neues Jahr - das ist aber in dem Sinne kein Abendlied, - ist auch beschränkt.“ ES II,162f . 1133 KE II,236f. Auf die Frage, ob es sich hierbei um ein Abendlied handele meint *Katharina: „Nein, nur was dich beschwingt und sicherlich auch, äh, auffordert, äh, dein Leben zu leben und auch, äh, ja, mit Freude zu leben.“ KE II,239f. 1134 PH II,227-238. <?page no="341"?> 327 noch einmal Freude schenken,/ an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz / Dann wollen wir des Vergangenen gedenken / und dann gehört dir unser Leben ganz. Das ist schon wieder diese Sache gehört dir unser Leben ganz. Das hab’ ich nich’ so gern.“ 1135 Sie wendet sich, davon war schon andernorts die Rede, ausdrücklich gegen all jene Textpassagen in den Abendliedern, die in irgendeiner Weise davon sprechen, dass der Beter bzw. die Beterin sich zur Nacht Gott und seinem Schutz anvertraut. Diese Haltung korrespondiert mit ihrem eigenen Erleben der Zeit, über das sie im ersten Interviewteil zu sprechen kam: „Ja, und heute ist das dann auch manchmal so, wenn es denn dann wieder Abend ist, dann weißte ganz genau, du legst dich ins Bett, du wachst morgens wieder auf und dann ist schon wieder ein Tag vorbei. Und in meinem Alter ist das manchmal auch so, dass du dann schon wieder Angst hast, dass die Tage so rasen und dass irgendwo so ein Ende abzusehen ist. Das hab’ ich also mittlerweile auch schon so. So ab und zu, so diesen Gedanken, ne. Dass das alles so, so ganz wahnsinnig schnell auch geht.“ 1136 Ihrem Empfinden nach eilt die Zeit dem Ende entgegen, ihrem eigenen Tod, den sie hier allerdings nicht ausdrücklich benennt. In dem Bewusstsein, dass der Schlaf an den zukünftigen Tod erinnert und ihm gleicht, versucht die Befragte durch das Herauszögern des Schlafengehens gleichermaßen die eigene Vergänglichkeit aufzuhalten: „Nacht ist für mich, wenn ich ins Bett gehe. Und das ist manchmal auch so, ich bin wirklich manchmal hundemüde, aber dann geh’ ich nicht ins Bett, weil ich denke, dann ist dann der Tag schon wieder vorbei. Also in der Beziehung hab’ ich, glaub’ ich, wirklich ’n Knall. [lacht] Das sagt der H. [2. Ehemann] auch. Also, weil ich, äh, ich bin manchmal auch so kaputt, weil ich auch nie so richtig lange schlafe und anstatt dass ich wirklich ins Bett gehe, dann bleib’ ich auf und [...] will den Tag einfach auskosten bis zum letzten. Oder den Abend auskosten bis zum letzten, ja.“ 1137 Da sie den Zustand des Schlafens als unkontrolliert beschreibt, weswegen sie auch die Motive rund um die „Rückgabe“ ihrer selbst ablehnt, versucht sie diesen hinauszuzögern, um die ihr verbleibende Zeit, „bis zum letzten auskosten“ zu können. Bemerkenswerterweise stellt sie eine Verbindung her zwischen dem Topos der Commendatio und dem Tod, obwohl dies in den Abendliedern nicht explizit erfolgt. Der Aspekt der Unbewusstheit im Schlaf mag *Katharina dazu bewogen haben, eine eigene Form für den Übergang vom Wachzustand in den Schlaf zu entwickeln: Sie lacht ihr Spiegelbild an, um sich von sich selbst zu verabschieden. 1138 Diese Praxis impliziert die Vorstellung, in der folgenden Phase des Schlafes etwas von sich selbst nicht mehr erleben, wahrnehmen oder spüren zu können, ebenso wie man sich von einer anderen Person verabschiedet und sie im Folgenden nicht mehr sehen oder hören kann. Dieser Geste haftet auch etwas Vorbehaltliches an, denn ein Abschied ist, zumal wenn man ‚von sich selbst scheidet’, unterschwellig immer von der Hoff- 1135 KE II,197-207. 1136 KE I,49-55. 1137 KE I,75-81. 1138 Vgl. KE I,98-103. <?page no="342"?> 328 nung begleitet, dass man sich wieder sehen wird; es schwingt aber auch die Ungewissheit mit, ob dies je noch einmal der Fall sein wird. Bemerkenswerterweise stellt die Befragte keine unmittelbare Verbindung zwischen der (vorübergehenden) Trennung des eigenen Bewusstseins vom Rest der Person und der Bedingtheit und Begrenztheit der eigenen Lebensdauer her, 1139 wiewohl sie an und für sich für die Unverfügbarkeit der Zeit sensibel ist: *Katharina: „Du weißt ja nicht, was der nächste Tag bringt. Du weißt ja ganz genau, dass du im Prinzip ja überhaupt nichts in der Hand hast. Es passieren ja Dinge mit dir oder um dich rum, die sind - machen dich ja so fassungslos, da haste ja - ne? Da stellst du wirklich fest, äh, du hast überhaupt nichts in der Hand in deinem Leben. Du kannst zwar manche Sachen, gut, kannste beeinflussen, aber vieles hast du überhaupt nicht in der Hand [---].“ 1140 Im Kontext zweier weiterer Lieder - Schnell eilt der Tag und Nun trägt der Abendwind den Tag - wird u.a. auch das Zeitempfinden erörtert. Beiden Stücken ist gemein, dass sie das Phänomen der schnell vergehenden Zeit artikulieren: Deutung des Liedes ‚Schnell eilt der Tag dem Abend zu’ „Also für mich ist der Tag ja so und so nur kurz, also ich kann da soundso nie Sachen zu Ende bringen. Also, wenn ich da was anfange, dann ist er schon fast vorbei.“ 1141 So lautet *Rolfs unmittelbare Reaktion auf die erste Strophe von Schnell eilt der Tag dem Abend zu. Dabei bezieht er das Angefangene und Unvollendete primär auf sein Privatleben. Während er bei seiner Arbeitsstelle keine Wahl hat, die Aufgaben zu Ende zu bringen oder nicht, bleibt im Haushalt bisweilen einiges liegen und wird auf die kommenden Tage verschoben. 1142 Der Befragte fühlt sich durch die Liedaussage unmittelbar angesprochen, weil er sein eigenes Zeiterleben darin wiederfindet. *Rolf: „Ja, man blickt dann irgendwie zurück, ne, oder derjenige blickt zurück. [...] Und der Abend, der schließt ja auch irgendwie was ab, der schließt den Tag ja ab.“ 1143 - Tagesreflexion und -abschluss sind die Themen, die Schnell eilt der Tag als Abendlied qualifizieren; das Stück entspricht darin seinem eigenen Erleben 1144 und seinem „Gefühl“ 1145 . *Elisabeth Schmidt hingegen lehnt die erste Strophe des Liedes vor allem wegen der von ihr als „pessimistisch“ gedeuteten und empfundenen Be- 1139 Das bloße Wachsein, bei Bewusstsein sein, ohne schon in irgendeinerweise kreativ tätig sein zu müssen, ist für sie Ausdruck der Vitalität: „Das wirklich bis zum Letzten auszukosten. Und wenn es einfach nur da ist - du, ich bin nur da, ich mach’ noch nicht mal was, aber ich bin da, ne.“ Vgl. KE I,88f. 1140 KE II,301-307. 1141 RC II,32-34. 1142 Vgl. RC II,36-41. 1143 RC II,126f. 1144 Vgl. RG II,75-78. 1145 Vgl. RC II,17-21. <?page no="343"?> 329 grenztheit des eigenen Handelns ab. 1146 Sie deutet die Zeile „unvollendet bleibt all unser Tun“ (1,4) nicht temporal, d.h. dass das eigene Tun durch den Mangel an Zeit unvollendet bleiben muss, sondern vielmehr ökonomisch, in dem Sinne, dass der bestmögliche Ertrag eines Arbeitstages nicht erreicht worden ist: „Ja, da war mir ja spontan aufgefallen, dass am Abend, also für ein Abendlied, ja, traurig endet, unvollendet bleibt all unser Tun. Das man sich also nicht am Ende des Tages hinsetzt und sagt ‚Ich hab ’ne Menge geschafft. Es ist gut und morgen geht’s weiter’, sondern schon sofort der Hinweis ‚Wir können machen, was wir wollen, es ist doch nicht alles so perfekt, wie es sein soll.’“ 1147 Sie entwirft daher auf Grundlage der auf der Kopie gegebenen Zusatzinformationen 1148 über den Entstehungskontext des Liedes ein historisch-politisches Szenario, um sich die erste Strophe erschließen zu können: „Und aus dem Wissen heraus, dass es eben in der DDR entstanden ist, mit den, - allen Grenzen, die ein evangelischer Pfarrer ja hatte, denn Kirche generell war ja verpönt, aber eben auch die evangelischen Gemeinden haben noch weniger zusammengehalten als die katholischen vielleicht, dann seh ich das doch, dass er versucht, versucht und die Leute zusammenbringen will, aber eben keine Möglichkeiten hat. Und so wie er sich auch anstrengt, er kommt nicht dahin. So versteh’ ich dann dieses Ende.“ 1149 Sie vergleicht den Pessimismus und das „Depressive“, das sie dem Text vor allem in der ersten Strophe unterstellt, 1150 mit Erfahrungsberichten von Verwandten, die in der ehemaligen DDR gelebt haben. 1151 Es ist ihr lediglich auf der Folie dieser Berichte nachvollziehbar, warum der Text derart negativ von den Unmöglichkeiten des eigenen Handelns spricht. Ihre eigene Erfahrung und ihr Umgang mit Problemen dient ihr dabei als Messlatte der Glaubwürdigkeit der Textaussage: „Weil, - ich bin nicht so ein Pessimist, dass ich irgendetwas anfange und sag, „Lohnt sich alles gar nicht, ich krieg’s eh nie zu Ende“. Und - aus der Situation heraus, dass die ja wirklich eingesperrt waren, ich weiß ja nicht, wie alt der ist, aber dass er vorher gelebt hatte und sich dann nicht mehr so frei bewegen durfte. Da versteh’ ich das und das seh ich das auch ein. Eben diese depressive Stim- 1146 Vgl. auch *Elisabeth Schmidt: „Wenn ich ein Lied singe, oder wenn ich mir Gedanken über den Tag mache, wird es ja noch viel trauriger, wenn ich das dann auch noch bewusst singe und sagen muss hier ‚Ich kann machen, was ich will, aber es klappt nicht.’“ ES II,323-326. 1147 ES II,311-315. 1148 Die Zusatzinformation lautet im Original: „Der evangelische Pfarrer für die Schausteller in der DDR, Klaus Biehl aus Niemegk, hat ein kleines Lied geschrieben, dem man auf den ersten Blick seine Kirchlichkeit oder Christlichkeit nicht ansieht. Es ist kein sofort als ‚fromm’ zu qualifizierendes Lied, sondern bleibt - verständlich durch die besondere Situation für kirchliches Handeln in einem sozialistisch geprägten Statt - offen für unterschiedliche Verständnisse und Interpretationen. Das gibt ihm auch bei uns seinen Reiz.“ *Liedertruhe 24. 1149 ES II,315-321; vgl. auch ihre erste Äußerung zu diesem Stück: Unvollendet bleibt all unser Tun - das ist natürlich sehr pessimistisch, das, also, man nichts bewegen kann - [...] ja gut, das passt natürlich aus der DDR heraus, wenn er sich eingesperrt fühlte, er kann nicht machen, was er will - das ist natürlich das, was passt.“ ES II,70-73. 1150 Vgl. ES II,356-359. 1151 Vgl. ES II,315-321.340-354. <?page no="344"?> 330 mung ist dann nachvollziehbar. Nur dann, weil ich sonst nicht akzeptiere, wenn jemand im Vorneherein schon sagt ‚Och, ich kann machen, was ich will, es klappt soundso nicht.’ [...] Gerade, wenn man selbst die Erfahrung gemacht hat, dass irgendwo hinter allen großen Dingen, die auf einen fallen, auch wenn der Felsblock noch so groß ist, man kann ihn zur Seite schieben - irgendwie klappt das immer, ne. Darauf sitzen und warten, dass es ein anderer tut, das nützt nichts.“ 1152 Zentraler Anknüpfungspunkt aller Äußerungen zu diesem Stück ist einerseits der Sinngehalt des eigenen Tuns, andererseits das Verhältnis des Einzelnen zur Gemeinschaft. Dabei wird vor allem auf die Aussage der zweiten Strophe rekurriert: Sind wir auch nur ein kleines Rad / im großen Getriebe der Welt: / Wir werden gebraucht. Jeder Tag ist ein Ruf,/ der uns fordert zu sinnvollem Tun. Während *Rolf sein Handeln, insofern er es selbst bestimmen kann, grundsätzlich für sinnvoll erachtet, 1153 ist für *Frau Schmidt der Sinn ihres Handelns gekoppelt an den daraus resultierenden Erfolg: „Und da ist, im Gegenteil von dem, wo steht, unvollendet bleibt all unser Tun - und da puscht er sich selber wieder hoch und sagt jeder Tag ist ein Ruf / der uns fordert zu sinnvollem Tun - dass man zwar weiß, es klappt zwar überhaupt gar nicht, oder er weiß es, aber trotzdem lässt er sich nicht unterkriegen und versucht weiter oder will alles sinnvoll machen, damit dann doch alles von Erfolg gekrönt ist. Also, mit der zweiten Strophe hebt er das sehr Depressive wieder auf.“ 1154 *Elisabeth Schmidt, die mit der zweiten Strophe die depressiven Aussagen der ersten wieder aufgehoben sieht, versteht die zweite Strophe wiederum auf dem Hintergrund ihrer eigenen Lebenseinstellung: sich nicht darauf verlassen, dass ein Anderer hilft, sondern selbst die Initiative zu ergreifen. 1155 Sie lehnt eine solidarische Deutung des Textes aufgrund des Entstehungskontextes des Liedes ab: ihrem Wissen nach gab es keine Solidarität in der DDR, zumal im evangelisch-kirchlichen Bereich, durch die eine Veränderung der politischen Verhältnisse hätte erreicht werden können. 1156 Außerdem hat ihr eigenes Leben sie gelehrt, alles allein durchstehen zu müssen und nicht auf die Hilfe anderer zu warten. 1157 *Rolf hingegen stellt im Zusammenhang mit der zweiten Strophe gerade den Gemeinschaftscharakter und die Angewiesenheit aufeinander positiv heraus: 1152 ES II,77-88. 1153 *Rolf: „Also, ich sach mal [...] sinnvoll ist eigentlich für jeden, das was er tut, aber ob die anderen das dann genauso sehen, ne, das ist ja ‘ne andere Sache. [...] Also, da würd’ ich sagen, da ist alles sinnvoll, also ich würd’ nie sagen, wenn ich zuhause bin, ich mach irgendetwas nicht Sinnvolles. Und im Büro genauso. Wüsst’ ich jetzt nicht. Natürlich gibt es da ein paar verrückte Sachen, die man vielleicht dann mal macht, aber [...] Wenn das vielleicht nicht sinnvoll wäre, dann würde mir wahrscheinlich D. schon sagen, ne [lacht] oder mein Chef. [...] Also für mich ist das schon sinnvoll, wenn ich irgendetwas tu. [...] Also, ich könnte nicht sagen, was irgendwie nicht sinnvoll ist. Also, sinnvoll wäre wahrscheinlich nicht, wenn der Tisch hier gedeckt ist und ich würde anfangen zu malen auf dem Tisch, aber für mich wäre das schon sinnvoll in dem Moment, weil ich vielleicht Lust darauf habe. Gut im Berufsleben gibt es schon einige Sachen, bei denen ich sage ‚Das finde ich nicht sinnvoll.’, aber wo der Chef dann so sagt ‚Das musst Du so machen.’ Ne, weil, das muss gemacht werden.“ RC II,58-71. 1154 ES II,333-339. 1155 ES II,327-331. 1156 Vgl. ES II,315-321.326-333.339-351. 1157 Vgl. ES II,84-88. <?page no="345"?> 331 „Ja, keiner ist für sich alleine, ne. Also, gut ob - das kann man im Privaten so sehen oder auch im Beruf so. Keiner kann für sich alleine arbeiten oder keiner lebt für sich alleine. Der andere verlässt sich auf einen und der andere genauso. Wenn man da ausfällt, da kommt das schon ins Stocken, das ist so.“ 1158 Er greift das Bild des „Rad[es] im Getriebe“ (Str. 2,1f.) heraus, um zu verdeutlichen, dass man sein eigenes Leben nicht ohne das Zutun anderer gestalten kann. Selbiges Bild bietet für *Rainer den Anlass, negativ über das Lied zu urteilen. Als Strafgefangener sieht er sich von dem Getriebe - der Gesellschaft - ausgeschlossen, er befürchtet nutzlos für die Gesellschaft geworden zu sein und kein Anrecht auf die Solidarität dieser Gemeinschaft mehr zu haben: „Äh, ich sag mal so gesehen, mag es ja für manche realitätsbezogen sein, dass sie ein Rad im großen Getriebe der Welt sind, aber ich bin letztlich gar nix. So. Also in meiner Situation. Also, man gibt mir nicht dieses Gefühl. [...] Wir denken zurück und sehen nach vorn voller Hoffnung für unsere Welt - das dieser Text ist nicht direkt aufs Leben bezogen, denn eigentlich sollten wir alle ein Rad in diesem Getriebe sein, nich. Und das hat für mich auch etwas damit zu tun, dass wir uns gegenseitig so behandeln und auch dementsprechend behandelt werden wollen. Und auch entsprechende Anerkennung weitergeben oder auch bekommen. Äh, nich? Und ich werde in diesem Getriebe, äh, wo eigentlich jeder reingehören sollte, wo jeder seinen Platz hat, irgendwo, sach ich mal, politisch [...] ausgeschlossen. Und irgendwo wird mir etwas vorgeheuchelt, was ich alles tun soll, und dann frag ich mich „Wo ist denn mein Platz in diesem Getriebe? Bin ich der Schrott, der irgendwo rumliegt, der ausgesondert wird, der nicht mehr zu gebrauchen ist? “ Um es jetzt mal mit diesen Worten zu verdeutlichen, ist ein bisschen krass. Äh, ich fand’s einfach amüsant. Nicht negativ, so, in dem Sinne, gut geschrieben. Und das wünscht sich ja jeder, so etwas zu haben, in dieser Welt jetzt. Du dir ja auch, hast du ja auch. Und es gibt Menschen, die bemühen sich noch so sehr, und die kriegen doch keinen Platz, weil sie eben nicht so wichtig sind in diesem Getriebe. Aber eigentlich sollte ja jeder Mensch, sach ich ma, egal welcher Mensch, egal welcher Herkunft, oder welche Krankheiten er hat, welche Behinderung er mit sich trägt, jeder sollte ein Platz in diesem Getriebe haben. Es gibt Menschen, denen wird Platz gegeben, und es gibt Menschen, denen wird kein Platz gegeben.“ 1159 Weil er sich selbst gesellschaftlich ausgegrenzt sieht, versteht er den Text ironisch: er „[b]ringt das irgendwie auf den Punkt“ 1160 , „heuchelt [ihm] etwas“ 1161 . Die Aussage des Textes stuft er an sich als glaubwürdig ein: er sei „gut geschrieben“, weil er das jedermans Bedürfnis nach einem Platz in der Gesellschaft thematisiere. 1162 Die Ironie und das „Heuchlerische“ ergibt sich vielmehr aus der Diskrepanz des im Text Dargestellten und seiner eigenen Lebenssituation. *Elisabeth Schmidt und *Rainer kommen aus unterschiedlichen Gründen auf die Un-Kirchlichkeit des Liedes zu sprechen: *Rainer bewertet zunächst die Unaufdringlichkeit des Textes, d.h. seine religiöse Uneindeutigkeit, posi- 1158 RC II,52-56. 1159 RG II,91-112. 1160 RG II,35f. Andernorts meint er, der Text habe ihn amüsiert / „ist amüsant“ (RG II,11f. 14f.19.35.82.104), „ist witzig“ (RG II,35), „irgendwie lustig“ (RG II,35) bzw. er muss darüber „schmunzeln“ (RG II,15). 1161 RG II,84. 1162 Vgl. RG II,104-108. <?page no="346"?> 332 tiv. 1163 Daneben begründet er seine Ablehnung des Liedes aber auch mit seiner eigenen gering ausgeprägten Kirchlichkeit. 1164 Er unterstellt dem Text ‚Scheinheiligkeit’, weil er ihm eine Gesellschaft suggeriert, die er in seiner aktuellen Lebenssituation konsequent anders erlebt und die ihm als Inhaftierten keinen Platz bereithält. Das im Lied skizzierte Gesellschaftsbild, das von Solidarität und Gerechtigkeit geprägt ist, versteht er als kirchlich bzw. christlich geprägt. Um sich in seiner gegenwärtigen Zwangslage nicht unnötig zu belasten, vermeidet er, sich mit derlei Illusionen zu befassen und sich selbst etwas „vorzuheucheln“ 1165 : „Nein, aber es ist so - es ist eine eigenartige Mischung, äh, man möchte gerne an das Gute glauben, aber, - und an das Gute zu glauben ist etwas Positives, und das tue ich auch in meiner Gedankenwelt, in meiner Phantasie, aber ich weiß, dass ich in diesen Momenten Tagträumer bin. Ich träume von dem Guten, von dem Schönen, Positiven, aber die Realität sieht leider anders aus, - ganz anders aus. Die Realität ist hart. Und wir werden von der Gesellschaft, äh, von der Bibel, sach ich mal, ganz schön getäuscht. 1166 Die christliche Ethik, die er auch in Schnell eilt der Tag entdeckt, ist seiner Meinung nach nicht glaubwürdig, weil die Menschen sie in ihrem Alltag nicht umsetzen und sozusagen mit ihrem gegenläufigen Handeln die Wahrheit der Bibel in Misskredit bringen; anders ausgedrückt: das Handeln der Menschen in seinem Umfeld beweist ihm, dass die Aussagen der Bibel lediglich eine Utopie darstellen. *Frau Schmidt hebt positiv das „Konspirative“ des Liedes hervor, weil es, wegen der politischen Situation der DDR, Gott nicht explizit benenne und im Gegensatz zu anderen Liedern das Gottvertrauen nicht überbetone: 1167 „Ja, die Kirchlichkeit, oder die Christlichkeit sieht man nicht, das ist das, was ich meine, dass man sich nicht auf jemand anderen verlässt, obwohl es schon durchscheint, dass er sich für andere verantwortlich fühlt.“ 1168 Deutung des Liedes ‚Nun trägt der Abendwind den Tag’ Im Gegensatz zu Schnell eilt der Tag dem Abend zu wird das Lied von K URT R OSE , wie an anderer Stelle schon angedeutet, mehrheitlich negativ beurteilt: weil es eine „ganz dunkle Atmosphäre“ 1169 besitzt, es sprachlich zu ‚kompli- 1163 Vgl. RG II,22-34. 1164 „Es gibt Menschen, denen wird Platz gegeben, und es gibt Menschen, denen wird kein Platz gegeben. Das ist ja auch das Widersprüchliche für mich und der Grund, weshalb ich nicht so auf Bibel und Gott fixiert bin.“ RG II,111-113. 1165 „Innerlich tu ich es [an das Gute zu glauben; Vf.]. Innerlich tue ich es. Aber ich weiß, dass ich mir da etwas vorheuchle. Weil es nicht so ist. Weil, die Realität ist anders. Die Realität ist anders, egal, ob es in der Evangelischen Kirche ist, oder in der Katholischen Kirche. Da sacht ja auch das Wort ‚Bischof’. Der ‚Bischof’ ist der ‚Aufseher’. Da fängt’s für mich schon an. Nich? “ RG II,121-125. 1166 RG II,129-136. Vgl. auch RG II,117-119. 1167 Vgl. ES II,362-379. 1168 ES II,151-154. 1169 KE II,68.70. <?page no="347"?> 333 ziert’ 1170 und motivisch zu „schwermütig“ 1171 bzw. ‚bedrohlich’ 1172 erscheint. *Rainer hingegen ist von Nun trägt der Abendwind den Tag angetan, weil es für ihn formal und inhaltlich, stimmig erscheint, es „ernsthaft“ und „angenehm“ ist. 1173 Er hebt positiv hervor, dass das Stück „keine Fragen“ 1174 aufwerfe, was für ihn bedeutet, dass es motivisch mit seinem Weltbild, seinem Gedankengut und seinem emotionalen Haushalt korrespondiert. Dies verifiziert er, als er auf die abschließende vierte Strophe des Liedes Bezug nimmt: *Rainer: „Ja, ich hab ja gesagt, irgendwie glaube ich an Gott und daran, dass unsere Zeit, unsere biologische Zeit in Gottes Hand liegt. Und dass wir nicht bestimmen können, wann sie abgelaufen ist. Und wenn wir das bestimmen könnten, dann stünden wir vor einer sehr großen Gefahr. Und da, da habe ich persönlich auch keine große Angst vor dem Tod.“ Vf: „Warum? “ *Rainer: „Nein, äh, ich sach ma’, äh, es irgendwo gibt ja Gott, und wenn meine Zeit abgelaufen ist, dann werde ich auch in den Himmel kommen. Ne, es gibt irgendwas danach. Mit Sicherheit. Denk ich mir. Zumindestens glaube ich daran. Ich weiß nicht warum, aber - Ich denk mal, dass es so ist. Auch wenn ich nicht sehr gläubig lebe.“ 1175 *Rainer deutet, obgleich er sich selbst, wie er immer wieder heraushebt, als nicht besonders kirchlich oder religiös einstuft, 1176 die im Lied dargestellte Endlichkeit der Zeit eschatologisch. Dass die Zeit für Menschen unverfügbar ist, bezeichnet er als Segen. Bemerkenswerterweise ist die Aussicht des Himmels für ihn das Argument, keine Angst vor dem Tod zu haben. Dennoch empfindet er die Zeit als zu schnell vergehend: „Die Zeit, habe ich - bei 35 Jahren, da frag ich mich natürlich, wo ist meine Zeit geblieben, was habe ich damit angestellt? Was waren die letzten fünf Jahre? Die sind schneller abgelaufen als wie ’ne Sanduhr. [---] Schwupps. Durch und weg. Und da fragt man sich: Wo ist die Zeit geblieben? Die Zeit vergeht viel zu schnell. Und es ist schon erstaunlich - obwohl man ja eingesperrt ist, und man sich fragt, ‚Um Gottes Willen, wie vergehen die vielen Stunden? ’, vergehen sie doch sehr schnell.“ 1177 Es scheint ihn zu bedrücken, seine Zeit nicht immer adäquat genutzt zu haben, aktuell beschreibt er sein Dasein als „Vegetieren“ 1178 , bei welchem er sein Gehirn gleichsam abstellt, 1179 um die Situation ertragen zu können. Aber auch rückblickend auf sein Leben stellt er fest, dass er die meisten Abende einfach „verlebt“ 1180 - geradezu ‚zer-’lebt - habe. 1170 Vgl. RC II,16-18.26-28. 1171 PH II,59-63; s. auch PH II,52-57. 1172 Vgl. KE II, 59.61.63-66.86f. 1173 RG II,36f. Vgl. RG II,10f.40f.76f. 1174 RG II,41-51.41. 1175 RG II,163-173. 1176 Vgl. RG II,113; vgl. auch RG II,24f. 1177 Vgl. RG II,58-60.62-65. 1178 RG I,90-92. 1179 Vgl. RG II,65-67. 1180 RG I,118f. <?page no="348"?> 334 5 Erwartungshaltungen an die christliche Frömmigkeit Nachdem verschiedentlich schon religiöse Themen erörtert worden sind, soll abschließend noch einmal explizit auf die Ansichten transzendenter Topoi eingegangen werden. Zuerst werden, soweit das Material es zulässt, die unterschiedlichen Gottesbilder und das damit einher gehende Kirchenverständnis identifiziert, dann sollen exemplarisch die Themenfelder ‚Gottvertrauen’ und ‚Gottesdienstverständnis’ erschlossen werden. a Vorstellungen von Gott und von der Kirche Der Interviewleitfaden sah keine explizite Frage zum eigenen Gottesbild vor. Nur in Ausnahmefällen wurde, angestoßen durch die konkrete Kommunikationssituation, eine direkte Frage dazu formuliert. 1181 Es gehörte nicht zum primären Interesse der Studie, das Gottesbild der Befragten zu erörtern. Da jedoch eine nicht geringe Anzahl an Bemerkungen zu eigenen Gottesvorstellungen im Interviewmaterial vorliegt, zumal sie weitgehend durch die vorgelegten Lieder provoziert wurden, sollen im Folgenden zumindest skizzenhaft verschiedene Tendenzen aufgezeigt werden. Gott wird mehrheitlich als ein Kommunikationspartner betrachtet, an den man sich wenden kann und mit dem man durch Gebete in Beziehung tritt. 1182 Um eine partnerschaftliche Beziehung zwischen Gott und Mensch zu beschreiben, wird er auch als Freund 1183 oder Begleiter 1184 definiert, der lieb(evoll) und freundlich den Menschen zugewandt ist. 1185 Dieser Gott wird als Anwesender begriffen, der sich auch in weltlichen Dingen zu erkennen gibt. 1186 In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass bestimmte Elemente der 1181 Vgl. z.B. den Interakt mit RG. 1182 *Nadine: „Und wird dann aber immer mehr zu so ’nem Ruhigwerden und, ja, „Die- Gegenwart-Gottes-Spüren“. [...] Also, es fängt an als Dialog und endet dann eher so meditativ.“ NK I,80-82. vgl. auch NK II,181-185.190f. *Babsi: „Also, ich halte von festen Gebeten eigentlich gar nichts. Ich finde das Vaterunser zwar schön und ich mag das auch in der Kirche beten gemeinschaftlich, aber sonst habe ich eigentlich mehr ’nen Gespräch mit Gott, also ’nen Dialog. Das ist für mich so die Form.“ BS+JL I,149-152; vgl. auch KE II,96-102. 1183 Vgl. ebd.; KE II,280f. 1184 Vgl. RR II,31f.166-177.192-197; *Philipp: „Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag - das ist auch meine Gewissheit, ja.“ PH II,198f; vgl. auch KE II,96-102. 1185 Vgl. RR I,31f. KE II,141f. 1186 *Philipp tritt nicht nur in der Musik mit Gott in Beziehung, auch umgekehrt offenbart dieser sich ihm und bringt die Gott-Mensch-Beziehung durch Musik zum Ausdruck; vgl. PH II,322-326; s. auch *Nadine: „Es ist mehr etwas, in Liedern kann ich die Gegenwart Gottes spüren. [...] Also nicht in jedem Lied, aber so in bestimmten Liedern kann ich die Gegenwart Gottes spüren.“ NK II,193-195; *Katharina: „Und [...] das mich so lässt, wie ich bin. Und an das ich mich auch wenden kann. Das sind vielleicht auch die Sachen, die immer irgendwo vorhanden sind. Die ich sicherlich auch manchmal spüre, dass es so was gibt. Das entspricht das eigentlich schon und dass ich mich dabei eigentlich auch geborgen fühlen kann. Und auch dann getrost warten kann, dass, was vielleicht noch kommen wird. [...] Also hier ist Gott für mich eigentlich irgendwo nett, lieb, toll. [lacht]“ KE II,136-142. <?page no="349"?> 335 eigenen Wirklichkeit auf das Gottesbild projeziert werden, bzw. die Vorstellung besteht, dass alles Weltliche das Wesen Gottes spiegelt. 1187 Gottesbilder, die den eigenen Charaktereigenschaften stark widersprechen, werden in Frage gestellt. 1188 Weiterhin zeigt sich, dass die eigenen Gottesvorstellungen abhängig sind von der eigenen aktuellen Lebenssituation. So lehnt *Rainer, der unter dem Eindruck im Gefängnis erlebter Ungerechtigkeit steht, als Gottesbezeichnung ‚Herr’ ab, weil es für ihn ein Ausdruck von Macht und Hierarchie ist: „Gott ist anders als wie Herr. Also für mich irgendwie. Also wenn ich von der Bibel sprech’, dann sprech’ ich lieber von Gott als von Herr. Das hat irgendwie so etwas Unterwürfiges. Gott hat, ist für mich persönlich vom Vokabular her, ist für mich angenehmer als Herr.“ 1189 Die hierarchische Struktur der Kirche - namentlich das Amt des Bischofs - führt seiner Meinung nach zu einem Glaubwürdigkeitsverlust der biblischen Botschaft. 1190 Die Diskrepanz zwischen dem Anspruch der biblischen Ethik, der er durchaus Wirkmächtigkeit zuerkennt, einerseits und der Erfahrung von Ungerechtigkeit in der JVA sowie die reale Institution der Kirchen andererseits lässt ihn misstrauisch sein, 1191 wobei ihm dieser Zweifel als Schutz dient, um nicht enttäuscht zu werden: „Die Realität ist hart. Und wir werden von der Gesellschaft, äh, von der Bibel, sach ich mal, ganz schön getäuscht.“ 1192 Deshalb fungiert Gott für ihn in aller Vorbehaltlichkeit als eine Art ‚Reserve’, für den Fall, dass er ihn doch einmal in einer problematischen Situation benötigt: Vf: „Sollte in Deinem Abendlied dann auch Deine Beziehung zu Gott vorkommen oder wär’ Dir das nicht so wichtig? “ *Rainer: „Doch er könnte drin vorkommen. Ich denk mal, das liegt aber darin, dass jeder Mensch, der, äh, ich sach mal, ein distanziertes Verhältnis zu Verschiedentlich ist dabei nicht von „Gott“ die Rede, sondern von einer „höheren Macht“, was allerdings durch das Lied Von guten Mächten treu und still umgeben provoziert sein könnte: *Katharina: „Das ist einfach, äh, es erinnert mich einfach so - da kann ich wie, da kann ich wie ein Kind empfinden und, äh, kann wirklich daran glauben, so, dass es gute Mächte gibt. Dass es gute Mächte gibt. Nichts Dunkles, was mich irgendwie, äh, haben möchte -“ KE II,131-134. S. auch *Elisabeth Schmidt: „Obwohl ich es schon denke, dass es die höhere Macht gibt [---]“ ES II,203. 1187 So spricht *Philipp Gott Wesensmerkmale seiner Tochter zu; vgl. PH II,180-183; s. auch KE II,137-139. 1188 *Philipp überträgt eigene Verhaltensmekrmale auf Gott, den er grundsätzlich als „gut“ beschreibt: „Ihn dankbar ohne Zittern [lacht] aus der guten und geliebten Hand zu nehmen [seufzt tief], da muss man schon sehr fromm sein. [lacht] Und manchmal weiß ich nicht, ob der gute Gott, wenn man mal ins Alte Testament oder auch mal ins Neue, ob der nicht lieber jemand hat, der zittert und da böse ist, zornig ist und ihm Widerworte gibt, ob ihm das nicht manchmal lieber wäre, als jemand, der sehr fromm daherkommt und diesen Kelch so dankbar und ohne Zittern - ja. Eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen.“ PH II,215-221. Es ist für ihn intellektuell nicht fassbar, dass ein „guter Gott“ von seinem Menschen eine demütige Haltung fordert, wie es in B ONHOEFFERS Lied beschrieben wird. 1189 RG II, 155-158; vgl. auch RG II,24-34. 1190 Vgl. RG II,121-136. 1191 Vgl. RG II,112f.144-152.204-210. 1192 RG II,135f. <?page no="350"?> 336 Gott hat, nicht so ein nahes Verhältnis hat, dass es sich - zumindest stelle ich mir die Frage - dass ich frage ‚Na, Gott, wo bist du denn? ’ Ich denk mal, jeder hat irgendwo mal ’nen Tief oder ‘ne Situation, wo er Gott braucht. Dann wär’ ich ja schön blöde, wenn ich sagen würde, ich will Gott nicht in meinem Lied drin haben. Ich muss mich ja dafür nicht schämen.“ 1193 Insgesamt ist festzustellen, dass die Befragten selbst Gott selten als richtungsweisende Autorität im Leben auffassen; vielmehr sind es kirchliche Institutionen, Kirchengebäude, Lieder und Predigten, die ihn derart darstellen. 1194 Solche Illustrationen werden allgemein abgelehnt und dienen als Argumente für ein distanzierteres Verhältnis zum Glauben und zur Kirche. 1195 Kaum wird von Gott als aktiver Größe, d.h. als Helfer 1196 oder als Beschützer 1197 , gesprochen. Tendentiell wird eine direkte göttliche Einflussnahme in das menschliche Leben gering geschätzt. Dies korrespondiert mit Vorstellungen, Gott sei ohne das Zutun der Menschen eigentlich machtlos bzw. es komme ausschließlich auf das Tun der Menschen an: *Katharina: „[---] - es gibt ja auch so die Worte: ‚Gott wird’s schon richten.’ Das äh, darauf kann ich mich eigentlich nicht so richtig einlassen, weil ich glaube, der kann das nicht alleine, der brauch schon unsere Hilfe dazu.“ 1198 Möglicherweise zeigen diese Eindrücke, weshalb sich die Mehrheit der befragten Personen mit einem Vertrauen in Gottes Fügung oder einer Übereignung in Gottes Schutz, wie sie vor allem in den älteren Liedern anzutreffen sind, schwer tun. In motivischer Hinsicht scheint es sich hier um die Kernproblematik der Liedaktzeptanz und des Textverständnisses zu handeln. Deshalb werden im Folgenden einige Überlegungen hinsichtlich des Gottvertrauens und des Gottesdienstverständnisses ventiliert, wenngleich sich dadurch eine gewisse Redundanz nicht vermeiden lässt. b Gottvertrauen als Charakterschwäche Im zweiten Interviewteil kommen die meisten Gesprächspartner, angestoßen durch diverse Lieder, auf das Motiv des Gottvertrauens zu sprechen. In dreierlei Hinsicht wird dieses kritisiert: Eine Vermeidung von Selbstverantwortung wird darin erkannt, dass im Vertrauen auf Gott die Eigeninitiative für ein geglücktes und erfolgreiches Leben aufgegeben würde. Ein im Glauben an Gott gründendes Vertrauen dient dazu, so der Vorwurf, der vor allem von *Elisabeth Schmidt vorgebracht wird, die eigene Untätigkeit zu rechtfertigen: 1193 RG II,211-219. 1194 KE II,155f.158-172. Vgl. KE II,143-155.158-172. Ähnlich äußert sich *Jörn, der betont depressive oder negative Gestaltungsweisen des Glaubens in Kirchenraum und Liedern vor allem der katholischen Konfession zurechnet. Vgl. BS+JL II,96-106. 1195 Vgl. ES II,397-404; s. auch ES II, 409-413. 1196 Vgl. KE II,281f. 1197 Vgl. RR II,166-177.192-197. 1198 KE II,111-113; vgl. ES II,202-207. <?page no="351"?> 337 „Was mir so auffällt, bei dem, was ich bisher gelesen habe, dass die ganze Verantwortung und die, äh, die Aufmerksamkeit, dass alles richtig läuft, auf die - jemand anders schieben, dass hier nicht steht: ‚Ich werde es schaffen. Der nächste Morgen wird gut.’, sondern mehr, - die Verantwortung für das eigene Leben ist in Abendliedern sehr gerne auf jemanden anders geschoben. - Bis jetzt. - ‚Du verlangst nichts von mir’, aber ‚Er macht, er macht.’“ 1199 Daneben wird das in den Liedern illustrierte Gottvertrauen als einengend empfunden. Die Übereignung des Selbst in Gottes Schutz beschneidet gleichsam die eigene Handlungsfreiheit, weil man um seine Selbstkontrolle gebracht werde. 1200 Man könnte dies als eine Form der Behinderung der Selbstbestimmung beschreiben. Schließlich wird das Vertrauen auf Gott als Vermeidung von Selbstsicherung bzw. -verteidigung erachtet: Hier wird zwar ein derartiges Vertrauen nicht grundsätzlich abgelehnt, allerdings distanziert man sich nach Möglichkeit davon. 1201 Von den Kritikern wird das Motiv des Gottvertrauens als eine Form der Charakterschwäche missbilligt. Man gilt als nicht verantwortungs- oder selbstbewusst genug, um das eigene Leben ohne das Vertrauen auf Gott gestalten zu können. Indem man sich vertrauensvoll auf die Hilfe Gottes stützt, hofft man, die eigene Schwäche auf diese Weise ausgleichen bzw. ersetzen zu können. Das in der Wahrnehmung der Befragten wohl umstrittendste Stück unter den vorgelegten Liedern ist K LEPPERS Ich liege, Herr, in deiner Hut. Neben seiner Sprachgestalt werden vor allem seine Motivik und die Aussage des Textes im Vergleich zur Biographie des Autors kritisiert. Deutung des Liedes ‚Ich liege, Herr, in deiner Hut’ Sprachlich, d.h. unter syntaktischen, poetischen 1202 und lexikalischen Gesichtspunkten gilt, Ich liege, Herr, in deiner Hut bisweilen als zu „kompliziert“ 1203 , weil er dem eigenen Sprachgebrauch nicht entspricht 1204 bzw. er den Sachverhalt schwieriger als notwendig darstelle. 1205 Daneben werden die im Lied verwendeten Lexeme als „dunkel“, „negativ“ und „schrecklich“ 1199 ES II,100-105; vgl. auch ES II,201-210.352-355. 1200 Vgl. KE II,36-38.109f.333. 1201 So interpretiert z.B. *Philipp in einer vertrauensvollen Haltung, wie sie in der Eingangsstrophe von Von guten Mächten treu und still umgeben skizziert wird, auf sich selbst übertragen als Schwäche eines „Sicherheitsdenken[s]“, was ihm, das zeigt sein Lachen an, nicht uneingeschränkt angenehm zu sein scheint. „Ich glaube, dass still, - treu und still -, doch, ich glaube, das ist eine gute Kombination. [...] Weil ich mich ganz treu getragen weiß. Hat ‘n bisschen was vom Sicherheitsdenken, fällt mir jetzt grade auf - Klammer zu. - [lacht] Klammer zu. Ja doch, das ist so mein Gefühl! Das ist so meine - das hat auch viel von meiner, von meiner Gottesbeziehung. Glaub’ ich, ja.“ PH II,174-178. 1202 *Katja Ronsdorf bemerkt kritisch, der Text sei zu „prosaisch“ (KR 211f.), es ist davon auszugehen, dass sie damit eigentlich die poetische Ebene des Textes meint. 1203 Vgl. KR II,216-118.229.239f.257-259. 1204 Vgl. KR II,218f.233 S. auch KR II,232f: „komisch geschrieben“ 1205 S . KR II,228f: „Wie gesagt, der Text insgesamt, der ist auch stimmig, aber es wäre mir in dem Moment einfach viel zu schwer, das könnte man viel einfacher sagen.“ <?page no="352"?> 338 abgelehnt, 1206 obwohl durch sie eigentlich etwas Positives ausgedrückt werden soll. 1207 *Jörn: „Sagen wir mal es so, wenn man das so, da wo ich grade mit der Arbeit dran war, wenn wir mal so’n Marketing-Text nehmen würden und du würdest diese Wörter rein schreiben, du würdest kein einziges Produkt verkaufen. Um es mal so auszudrücken. Die Wortwahl ist wirklich schrecklich! Damit kann man nichts Positives ausdrücken. Er meint zwar was Positives so nach dem Motto: ‚Auch wenn’s schlecht war, dann hebst du mich wieder hoch’, aber so dermaßen ausgedrückt, also die Wortwahl ist wirklich schrecklich.“ 1208 Die ersten emotionalen Reaktionen auf das Lied sind vornehmlich negativer Natur, es wird als „schrecklich“ oder „erschreckend“ beurteilt. 1209 Die Aversion richtet sich jeweils deutlich gegen die Bildsprache des Liedtextes, wobei entweder das Denotat (z.B. ‚Nacht’) oder das Konnotat (z.B. ‚Lebensabend’) kritisiert wird. *Katharina bemängelt allerdings die Ausdrucksweise und Bildlichkeit des Liedes, weil sie das Dargestellte - konkret bezieht sie sich auf das Ruhen in Gottes Armen (Dem, der in deinen Armen ruht, ist wahre Rast beschieden, Str. 1,3f.) - wortwörtlich nimmt. Dabei flößt ihr genau genommen nicht der Zustand des Ruhens Angst ein, sondern der Prozess, der diesem in ihrer Vorstellung vorausgeht. Sich selbst (in die Arme Gottes) „fallen“ zu sehen, verbildlicht ihrer Meinung nach die Aufgabe von Selbstkontrolle. 1210 *Katharina wendet sich also gegen die Bildlichkeit des Liedes, weil die Assoziationskette, die die Illustration des Ruhens in Gottes Armen auslöst, zu einer ihren Grundängsten führt. Im weiteren Interview kommt sie immer wieder auf diese Gedankenverknüpfung zurück und verbindet automatisch Bilder des Schutzes und des Vertrauens mit ihrer Angst, keine eigene Kontrolle über sich und ihr Leben mehr zu haben. *Nadines Problem liegt weniger in der Bildlichkeit an sich, sondern in der Aufeinanderfolge und im Begründungszusammenhang der Bilder. Während sie solche wie Schatten finsterer Nacht (Str. 2,3) und jähe Angst (Str. 2,4) aus ihrem eigenen Erleben bestätigen und für sich akzeptieren kann, erfährt sie selbst nicht unmittelbar einen kummerlosen tiefen Schlaf (Str. 8,1). 1211 Sie deutet die Bilderfolge als Ausdruck „tiefen Vertrauens“, der sie gleichermaßen „fasziniert“ und „erschreckt“. 1212 Sie erkennt also das Phänomen des ihr wohlbekannten Einschlafproblems in dem Stück wieder, wobei gleichzeitig die Lösung, die der Text ihr mit dem „tiefen Vertrauen“ anbietet, ihren Er- 1206 Vgl. BS+JL II,293f.300-304. 1207 Vgl. BS+JL II,300-304. 1208 BS+ JL II,297-304. 1209 Vgl. ebd; NK II,127-133. 1210 *Katharina: „Auch hier, so, diese Ausdrucksweise: Dem, der in deinen Armen ruht, ist wahre Rast beschieden. Ich kann mir das immer so bildlich vorstellen. Das seh’ ich eigentlich nie so, äh, im übertragenen Sinn, sondern ich seh’ mich dann wirklich so, äh, fallen. [...] Das ist ganz merkwürdig. Das ist mir nie so bewusst gewesen, dass ich da so ’ne, solche Ängste habe. Dass ich, äh [...] ja, ich will wohl die Kontrolle nie abgeben, ne.“ KE II,105-110. 1211 Vgl. NK II,129-133. *Nadine berichtet verschiedentlich von abendlichen Einschlafschwierigkeiten, die sie seit Kindertagen plagen. S. NK I,7-10.32-34. 1212 Vgl. NK II,127-133. <?page no="353"?> 339 fahrungshorizont und auch die Grenzen ihres eigenen Glaubens übersteigen. Diese Divergenz führt in ihrem Fall allerdings nicht zu einer vollkommenen Ablehnung der Bilder; in der ‚Faszination’, die sie schildert, wird auch ersichtlich, dass sie einen Nutzen aus dem Lied ableiten kann: „Ich hab’ so ’n bisschen das Gefühl, das is’n, also, ich glaub’, wenn ich das Lied singen würde abends, dann würd’ ich es nicht singen aus der Überzeugung heraus, sondern um mich zu überzeugen. [...] Also, es ist so ein ‚Ich-schaff’-dasschon-Lied’. [---] Also, man hat doch oft Angst davor, dass man bestimmte Dinge nicht schafft, obwohl es eigentlich, wenn man es sachlich betrachtet, sehr unrealistisch ist, dass man sie nicht schafft. [---] Und dann ist es so ein sich selbst ’n Ruck geben und sagen: ‚Jetzt kuck doch mal, du schaffst das schon! ’. Und so ist das - so würd’ ich das Lied, glaub’ ich, singen, so: ‚Er ist da und du bist geborgen! ’ Also um mich selber quasi davon zu überzeugen. In dem Moment, wo’s eigentlich nicht da ist, das Gottvertrauen.“ 1213 *Jörn tut sich insgesamt mit der „Wortwahl“ des Liedes schwer. Ihm scheint es, als würde der Text nur aus negativen Begriffen bestehen bzw. als würden neutrale Ausdrücke im Textgesamt eine negative Deutung erfahren: „Das ist echt der Hammer! In diesem Lied hast’e selbst ganz wertungslose Ausdrücke Sind nun die dunklen Stunden da, wenn du das vorher gelesen hast, kriegt das für dich eigentlich einen negativen Eindruck, dunkle Stunden. Das ist echt der Hammer.“ 1214 Während er den Text vorliest, steigert sich seine Antipathie gegen das Lied. In starken negativen emotionalen Äußerungen bringt er dies während des Vorlesens zum Ausdruck: „[---] ich spring gleich aus dem Fenster“ 1215 . Mit diesem Ausdruck der Verzweiflung, der von seiner Lebenspartnerin sogleich als Übertreibung kritisiert wird, 1216 spielt *Jörn theatralisch vor, wie ausgeprägt depressiv er die Gestimmtheit des Textes wahrnimmt. Und es will einigermaßen seltsam anmuten, dass ihn der Effekt, den das Lied bei ihm auslöst, u.U. in den Selbstmord treiben könnte: „Schau Dir das bitte einmal an. Das ist ja wohl so ganz bitter. [...] Also, eine Messe, drei oder vier von den Liedern und dann hängt man sich auf. Da werd’ ich ja super depressiv von“. 1217 Er parodiert seine Kritik am Lied, allerdings ohne zu diesem Zeitpunkt schon über den Suizid K LEPPERS in Kenntnis gesetzt worden zu sein. *Babsi reibt sich hingegen lediglich an der beklemmenden Darstellung von Dunkelheit und Nacht, weil sie nicht mit ihrer Sichtweise übereinkommt, 1218 und weil der Text, den sie als depressiv einstuft, ihrem eigenen Weltbild und ihrer eigenen Lebensweise widerspricht. 1219 Eine übertragende Deutung 1213 NK II, 139-142.144-146.148-151. 1214 BS+JL II,315-318. 1215 BS+JL II,344. 1216 Vgl. BS+JL II,345.358f. 1217 Vgl. BS+JL II,44-46. 1218 Vgl. BS+JL II,305-314.319f. 1219 Vgl. BS+JL II,432-435. Lieder wie Ich liege, Herr, in deiner Hut beurteilt sie als „nicht effektiv“ (BS+JL II,420f.435), weil sie eine depressive Verstimmung verstärken, anstatt, wie es geistliche Lieder zumal im Kontext eines Gottesdienstes ihrer Meinung nach <?page no="354"?> 340 des Bildes ‚Nacht’ erscheint ihr daher sinnvoller und auch akzeptabler zu sein: „Und wenn man das symbolisch sieht, dann macht’s halt auch mehr Sinn, finde ich dann.“ 1220 Während *Babsi zu diesen Schluss kommt, bevor sie etwas zum biographischen Hintergrund K LEPPERS erfährt, deutet *Katja Ronsdorf die Metapher ‚Nacht’ erst nachdem sie die entsprechende Zusatzinformation erhalten hat, im übertragenden Sinne als ‚Lebensabend’, auf den dann der „Tag bei Gott“ folgt. 1221 Während K LEPPER bei einigen Befragten zumindest vage bekannt ist, war es für alle eine Erstbegegnung mit dem Lied. Die Hintergrundinformationen, die den Interviewpartnern zum Autor des Liedes gegeben wurden, bestätigen einerseits die Deutungen des Textes, andererseits erzeugt die Biographie K LEPPERS auch einen gewissen Widerstand. Der Selbstmord des Autors und seiner Familie bestätigt für *Babsi und *Jörn das von ihnen ausgemachte Dunkle; er dient als Erläuterung für die Negativtät des Textes und stützt damit auch seine Glaubwürdigkeit. Die Hintergrundinformationen verhelfen mithin zu einem besseres Verständnis des Textes, 1222 wobei dadurch nicht unbedingt der Gesamteindruck verbessert wird: 1223 *Babsi: „Ja, das macht das Stück halt verständlicher. Es gibt halt ’nen Grund an, warum das so düster ist, mit welcher Grundstimmung das geschrieben wurde. Die meisten Leute, die Lieder schreiben, denke ich mal, haben ja auch ’ne Intention dahinter, oder wollen ihre eigenen Gefühle darein spiegeln und ich denke, dass ist ihm dann ganz gut gelungen.“ 1224 Angesichts des Kontextes, in dem Ich liege, Herr, in deiner Hut verfasst wurde, wird verschiedentlich die Textkohärenz positiv bewertet. Der Text gilt insgesamt, vor allem aber aus der Perspektive des Autors, als stimmig. 1225 Gleichwohl wird gerade durch den Aspekt der Selbsttötung die Glaubwürdigkeit der Textaussage in Zweifel gezogen: *Katja Ronsdorf: „Nur, im Grunde genommen, was ich so’n bisschen empfinde, wo Sie das gesagt haben, ist, dass ich das nicht verstehen kann. Auf der einen Seite sagt er hier, er legt alles zurück, auch im Grunde genommen in die Hände, und auf der anderen Seite gibt er auf. Bringt seine Familie oder sich um. [---] Denn hier ich schlafe ohne Sorgen, gut, der mich in diese Nacht geführt,/ der leitet mich auch morgen. Gut, wenn er dann den Tod wirklich als Nacht sagen, sieht, dann ist es vielleicht was anderes. Auch hier: ich weiß, der Tag der kommt,/ mir deine Nähe kündet,/ und dass alles was mir frommt,/ in dir seinen Abschluss findet, dann würd’ ich, dann gebe ich nicht auf. Kann ich dann nicht nachvollziehen.“ 1226 Erst die Information über K LEPPERS Lebensende öffnet *Katja Ronsdorf eine zweite Deutungsebene, auf der sie die ‚Nacht’ im übertragenden Sinne als leisten sollten, durch Liebe die „innere Dunkelheit“ vertreiben sollten. Vgl. BS+JL II 421-432. 1220 Vgl. BS+JL II,364f. 1221 Vgl. KR II,255-257. 1222 Vgl. BS+JL II,372.408.412-416. 1223 Vgl. BS+JL II,375f.404f.407. 1224 BS+JL II,412-416. 1225 Vgl. ebd.; KR II,228.231f.238f. 1226 KR II,242-246.249-253. <?page no="355"?> 341 Tod des Autors versteht: „Dann kann es eigentlich wirklich nur sein, dass er Nacht wirklich als Lebensende gesehen hat, und dann kommt der Tag eben bei Gott. Sonst könnt ich es mir nicht erklären.“ 1227 Diese neu entdeckte Mehrdeutigkeit führt letztlich zu einer doppelten Ablehnung des Liedes: Erstens sieht sie einen deutlichen Widerspruch zwischen der Aussage des Gottvertrauens und dem Akt der Selbsttötung - den sie sich aus einer Stimmungsschwankung heraus erklärt -, 1228 und zweitens erscheinen ihr diese neuen Zusammenhänge für den Abend als zu kompliziert: „Also, wie gesagt, das wäre mir einfach zu schwer, ich kann den Text zwar nachvollziehen, aber für so’n Abendlied, viel zu kompliziert. Bis ich da die Zusammenhänge eigentlich drin hab, ist es bei mir am Abend vorbei.“ 1229 In der Tat ist das von ihr gewählte Positivbeispiel Bevor die Sonne sinkt vergleichsweise metaphernarm und in Gestalt, Form und Aussage wesentlich schlichter gehalten. Sie interpretiert Ich liege, Herr, in deiner Hut auf der Folie des von ihr favorisierten Liedes, indem sie das Bild der Rückgabe in Gottes Hände aus Bevor die Sonne sinkt auf das Schutzmotiv des Ruhens in Gottes Armen anwendet. 1230 Die Commendatio ist, wie an anderer Stelle schon erörtert wurde, für die Befragte Sinnbild des Glaubens und des Vertrauens in Gott. Durch die Analogie, die sie herstellt, bestätigt sie diese Aussage auch für das K LEPPER -Lied. Der Selbstmord widerspricht dieser Glaubensbekundung und zieht daher ihrer Meinung nach das Hauptthema des Liedes in Zweifel. *Elisabeth Schmidt sieht durch die zusätzliche Information ihre grundsätzliche Kritik an Abendliedern bestätigt. Der Selbstmord des Autors scheint für sie der Beleg der Charakterschwäche zu sein, die sie exemplarisch in Ich liege, Herr, in deiner Hut erkennt: „Mit der ganzen Familie? [...] Ja - bei diesem Lied fällt mir speziell auf, dass hier ‚Du machst das’, also, die ganzen Sorgen werden auf jemand anders übertragen und ich versuche da selber was draus zu machen, zum Beispiel aktiv, wenn ich jetzt die Hintergründe jetzt kenne, zum Beispiel ‚Ich verlass das Land, ich geh woanders hin’, nicht warten, dass es sich von selber richtet.“ 1231 Sie setzt das Vertrauen auf Gott, das ihrer Einschätzung nach K LEPPER zum Bleiben in Deutschland verleitet hat, mit Tatenlosigkeit gleich. Bevor sie über die Umstände des Autors Kenntnis gewinnt, billigt sie dem Lied und dem Leitthema ‚Vertrauen’ einen gewissen Reiz zu. Sie antizipiert ihr Wissen über die Entstehungszeit und die Umstände, in denen der Autor gelebt haben muss: „Wobei, wenn man auch die Zeit bedenkt, das war zur Kriegszeit, wenn man da nicht wusste, wie es weitergeht, dann bekommt das noch einen besonderen Aspekt. Denn in der Zeit konnte man sich auf gar keinen verlassen, da musste man 1227 KR II,255-257. 1228 „Na gut, muss er ja wissen. [lacht] Kann ja auch stimmungsabhängig gewesen sein.“ KR II,253f. 1229 KR II,257-259. 1230 Vgl. KR II,244f. 1231 ES II,118-122. <?page no="356"?> 342 alles selber tun, dass es besser wird, sondern konkret losziehen und hamstern und essen holen.“ 1232 Damit stellt sie die von ihr allgemein inkriminierte Abgabe von Verantwortung für das eigene Leben der zeitgeschichtlich bedingten Notwendigkeit absoluter Selbstverantwortung gegenüber. Implizit wertet sie so das Motiv ‚Vertrauen in Gott’ und die ihrer Meinung damit einhergehende Selbstverantwortungslosigkeit als Zeitkritik. Insgesamt zeigt sich, dass die Zusatzinformation über das Leben des Autors einerseits dem Textverstehen zugute kommt, weil die starken negativen Bilder sich aus dem Geschichtsbild über das Dritte Reich erklären lassen. Andererseits erfährt das Stück dadurch einen Glaubwürdigkeitsverlust, weil die Aussagen des Vertrauens und des Schutzes durch den Akt des Suizids infrage gestellt werden. Die Interviewten befassen sich also mit demselben Problem, das schon die ersten Rezipienten nach dem Tod K LEPPERS beschäftigte. Ungeachtet der Rolle der Selbsttötung wird dem Lied die Funktion zugesprochen, den Rezipienten aus einer negativen Situation in einen besseren Zustand zu versetzen bzw. zumindest zu einer Akzeptanz der eigenen Lage zu verhelfen: es will „Mut machen und Schutz geben“ 1233 , „Verständnis für Leid“ 1234 vermitteln und auf diese Weise Leidenden eine Identifikationsmöglichkeit bieten 1235 . Lieder wie Ich liege, Herr, in deiner Hut vermitteln Handlungsanweisungen oder eröffnen zumindest neue Perspektiven, wie die eigenen Probleme bewältigt werden können: *Elisabeth Schmidt: „Es ist überall herauszuhören und zu lesen, dass es am nächsten Tag eigentlich immer besser ist, oder man erwartet, dass es besser ist, und dass dieses Abendlied dann einen die ganzen Sorgen des Tages zusammen fassen lassen kann, dass man noch mal Revue passieren lässt, was alles so passiert ist und was man dagegen steuern kann und wer einem hilft am nächsten Morgen. Dass es dann besser ist.“ 1236 c Glaubenspraxis als Lebenshilfe Es wird dem Glauben an Gott jedoch nicht nur Kritik entgegengebracht. Vor allem, wenn man sich mit dem Gottesdienstverständnis der Interviewten, soweit sie es in den Gesprächen zum Ausdruck bringen, auseinandersetzt, wird ersichtlich, dass sie dem christlichen Glauben auch positive Effekte zuerkennen. Von einem Gottesdienst 1237 wird in erster Linie erwartet, dass er eine positive Wirkung erzielt. Zwar wird als Grund für den Gottesdienst 1232 ES II,105-109. 1233 BS+JL II,358. 1234 BS+JL II,386.388f. 1235 BS+JL II,379-385. 1236 ES II,134-139. 1237 Von den katholischen Probanden wurde ‚Gottesdienst’ in den meisten Fällen wohl als Messfeier aufgefasst oder mit dieser gleichgesetzt. Vgl. BS+JL II,44f; KR vgl. auch KR II,178-180 über die Kontextgebundenheit von Liedern, die sie ganz deutlich auf die Messfeier beschränkt. <?page no="357"?> 343 auch das Lob Gottes angeführt, 1238 eigentlich soll er aber den „schnöde[n] [--] Alltag“ 1239 vergessen machen und die „innere Dunkelheit“ 1240 vertreiben, Freude vermitteln, 1241 die Teilnehmer durch ‚Unbeschwertheit’ ‚beschwingen’, 1242 „anstecken[d]“ 1243 sein, - kurz, er soll emotional sein. Einerseits wird ihm also eine die „Stimmung“ 1244 positiv beeinflussende Wirkung beigemessen, andererseits wird von ihm erwartet, dass er über einen gewissen ‚Unterhaltungswert’ verfügt. Negative Empfindungen, etwa Trauer, Wut oder die Not, manchmal im Leben etwas aushalten zu müssen, haben im Gottesdienst nicht wirklich einen Platz. 1245 Gott soll im Anschluss an dieses Verständnis in erster Linie „nett, lieb, toll“ 1246 sein, wobei es durchaus vorteilhaft ist, ihn auch in Notsituationen erreichen zu können. 1247 Als permanenter Begleiter durch Freud und Leid scheint er jedoch nicht als geeignet angesehen zu werden. Die Erwartung, dass Liturgie fröhlich sein und machen soll, bringt es mit sich, dass eigene Leiderfahrungen nicht in der Feier des Glaubens ‚gewendet’ werden. Aus liturgietheologischer Sicht sind all diese Auffassungen mit Betroffenheit, vielleicht sogar mit Sorge zur Kenntnis zu nehmen. Bevor diese Problematik und ihre Konsequenzen für die Pastoral jedoch im abschließenden Ausblick genauer erörtert werden, wollen wir zunächst bei der Frage nach der ‚Affektbedürftigkeit’ der Befragten verweilen und sie am Beispiel des Rituselements ‚Lied’ diskutieren. Die im Gottesdienst Verwendung findenden Lieder stehen nach Ansicht der Interviewten im Dienst dieser Gestimmtheit; sie sollen eine positive emotionale, affektive Wirkung erzielen. 1248 Der musikalischen Ebene eines Liedes kommt in diesem Zusammenhang eine hohe Relevanz zu: Die Weisen gottesdienstlicher Lieder sollten eingängig und von der Gemeinde gut rezipierbar sein, 1249 über eine „schwungvoll[e]“ 1250 , „moderner[e], schneller[e]“ 1251 Dynamik verfügen, um auf diese Weise Freude auszustrahlen. 1252 Die Melis- 1238 Vgl. BS+JL II,391. 1239 BS+JL II,396. 1240 BS+JL II,431f. 1241 KE II,153-155; BS+JL II,393. 1242 Vgl. z.B. KE II,155-160. 1243 BS+JL II,429. 1244 KR II,128.148.156. 1245 Zwar kann man sich grundsätzlich vorstellen, dass Menschen auch in Situationen der Trauer von einem Gottesdienst profitieren wollen, aber sinnvoll (d.i. „effektiv“) gilt es eigentlich nur dann, wenn die negativen Empfindungen nicht durch dunkle Texte intensiviert werden. Vgl. BS+JL II,417-424. 1246 KE II,142. 1247 Vgl. KE II,136-139; RG II,213-219. 1248 Vgl. BS+JL II,427-429.432-435; KE II,153f.264f. 1249 Vgl. KR II,152-156. Lieder in zu hoher Tonlage werden als unangenehm empfunden; vgl. BS+JL II,89.93f. 1250 Vgl. KR II,152.157. 1251 Vgl. BS+JL II,96. 1252 Vgl. BS+JL II,97. <?page no="358"?> 344 matik mancher Lieder gilt als zu „hackig“ 1253 , d.h. zu schwierig, um sie nachzuvollziehen, allerdings bedient sie auch das Sentiment. 1254 Die textliche Ebene sollte einerseits einer gewissen Poesie nicht entbehren, 1255 andererseits sollte sie sich dennoch an einer aktuellen Ausdrucksweise, an der Alltagssprache orientieren. 1256 Es ist dabei nicht zwingend notwendig, dass ein Text sogleich beim ersten Vollzug verstanden wird, 1257 eine inhaltliche Mehrdimensionalität wird hingegen sogar gewünscht. 1258 „[G]etragene“ 1259 Lieder, wie sie vor allem im *GL angesiedelt zu sein scheinen, lassen den gewünschten freudigen Ausdruck vermissen. 1260 Kirchenliedern wird, ebenso wie der liturgischen Feier, die Fähigkeit abgesprochen, Aggression oder Wut angemessen zum Ausdruck bringen und so von diesen Empfindungen entlasten zu können. 1261 Es will scheinen, als streife man negative Emotionen wie einen Mantel vor der Kirchentür ab. Eine Integration negativer Empfindungen in die Liturgie wie die der Trauer und der Ausdruck bzw. die Deutung durch ähnlich gestimmte Lieder wird abschätzig als „Rumjammern“ 1262 und als „nicht effektiv“ 1263 beurteilt. Teilweise ist in solcher Abwehr auch die Reaktion auf eigentlich überwundene Kirchen- und Gottesbilder einer Drohbotschaft zu lesen. Das liturgischrituelle ‚Harmoniebedürfnis’ könnte eine Antwort sein auf eine einmal als dunkel und streng empfundene Repräsentation des Glaubens durch die Kirche: *Katharina: „[---] Äh, eigentlich sollte Gott irgendwie was, was Unbeschwertes in sich haben. [...] Aber er ist manchmal zum Fürchten, find’ ich.“ Vf: „So wie Du ihn Dir vorstellst oder so wie er Dir präsentiert wird? “ *Katharina: „So, wie er mir präsentiert wird. Wie das halt in Liedern ist oder teilweise auch in Kirchen. Oder eben auch in Predigten. Es ist, äh, es wird eigentlich meistens auch der Zeigefinger gehoben: ‚Es muss so und so sein.’ Und, äh, wir sind ja - wir haben ja auch alle unsere Fehler. Und ich denke mal, das, das, das macht ja unser Ich überhaupt erst aus. Grundsätzlich wollen wir doch alle irgendwie doch fröhlich sein - was heißt fröhlich sein, das ist vielleicht der verkehrte Ausdruck. Aber wir wollen, äh, uns nicht ängstigen. Ja, das ist das, was ich eigentlich grundsätzlich an der Kirche vermisse. Und, äh, das ist - das hat sicherlich auch damit zu tun - was mich auch so geprägt hat zu der Zeit, als ich so meine Kontakte hatte zu der Kirche hatte als Mädchen. Es war nicht irgendwie was Entspannendes und was Fröhliches. Ja, klar, heute, die Pastoren sind ja locker hier. Unse- 1253 BS+JL II,200f; vgl. BS+JL II,219-224; BS+JL II,212-215. 1254 Vgl. RR, II,179-186. 1255 Vgl. BS+JL II,169-173; ES II,56-59; RG II,10. 1256 Vgl. BS+JL II,149-163; KR II,231f; RC II,24-28. 1257 Vgl. KR II,116-120. 1258 Vgl. BS+JL II,151-156. 1259 KR II,152. 1260 Vgl. BS+JL II,107-112; KR II,145-150. 1261 Vgl. BS+JL II,262-266. 1262 „Also, häufig Kirchenlieder, drücken auch dieses Depressive, Leidenhafte aus. Das ist irgendwie gar nicht so mit meinem Glauben zu verbinden. Das hat so was von Jammern, so von Rumjammern irgendwie.“ BS+JL II,109-112. 1263 S. BS+JL II,424-427. <?page no="359"?> 345 re D. [Pfarrerin] ist ja, ist ja ’ne ganz Tolle, ist ja keine Frage, aber ich hab’ so was immer noch im Hinterkopf. Und viele Kirchen und auch Kirchenlieder bringen das also auch für mich zum Ausdruck. Es ist, äh, nichts Fröhliches. [---]“ 1264 Verschiedentlich wird Wert auf die ‚Stimmigkeit’ eines Liedes gelegt, wobei durch dieses Lexem recht unterschiedliche Aspekte beschrieben und bewertet werden: Zunächst wird darunter eine liedimmanente Kongruenz verstanden, d.h. dass der Text eines Liedes in sich und in Verbindung mit der Melodie möglichst eine harmonische Einheit bilden sollen und das Stück in sich logisch strukturiert ist. 1265 Ein Lied sollte außerdem ansprechend sein, 1266 damit man mit ihm „etwas anfangen“ 1267 kann. In irgendeiner Weise sollte es eine Botschaft vermitteln, dem Rezipienten „etwas sag[en]“ 1268 , d.h. es sollte, insofern es in einem liturgischen Kontext gesungen wird, diesen ausdeuten helfen. 1269 Unter ‚Stimmigkeit’ wird in Folge dessen auch eine Kohärenz des Liedes mit der Stimmung der singenden Gemeinschaft 1270 , mit der Architektur des Ritus und mit den Themen des Sonntages im Kirchenjahr verstanden. 1271 Im Hinblick auf die Ausführenden eines Liedes sind, je nach Beschaffenheit dieser Gruppe, Nachvollziehbarkeit und auch Bekanntheit eines Liedes maßgeblich, wobei dann ästhetische und liturgisch-kontextuelle Qualitätskriterien an Bedeutung verlieren. 1272 Von Abendliedern wird im Übrigen - wie es andernorts schon angeklungen ist - in einem erhöhten Maße erwartet, dass sie die emotionale Ebene anrühren; sie sollen „ergreifen“ 1273 und „aus der Seele“ 1274 sprechen, ihre Weise soll „pathetisch“ 1275 sein. Daneben sollte sie aber, auch besonders im Hinblick auf die Abendzeit und ihre Ruhe, eher stilistisch bescheiden gehalten sein. 1276 Ebenso wird auch eine formale und inhaltliche Schlichtheit des Textes für die betreffende Tageszeit favorisiert, gegenüber der die Poesie nachgeordnet ist. 1277 Zu Abendliedern gehört wesentlich, dass sie in einer (großen) Gemeinschaft gesungen werden. 1278 Orte, an denen Abendlieder gesungen werden oder zu Gehör kommen, sind Fahrten mit Jugend- oder Familiengruppen 1279 und Andachten 1280 ; tendentiell wird jedoch davon ausge- 1264 KE II,155f.158-172. Vgl. auch ES II, ES II,407-409. 1265 Vgl. KR II,165. 1266 Vgl. BS+JL,1.94f. 1267 KR II,165f. 1268 KR II,186. 1269 Vgl. KR II,169f. 1270 Vgl. KR II,128.145.160-164. 1271 Vgl. KR II,169f; PH II,146-155.158-168. 1272 Vgl. KR II,152-156.161f; PH II,152-155. 1273 Vgl. BS+JL II,6. 1274 Vgl. BS+JL II,7. 1275 Vgl. PH II,22. 1276 Vgl. KR II,57-61. 1277 Vgl. Vgl. KR II,206-211.238f. Siehe auch RR II,59-61. 1278 Vgl. ES II,230-232.275-282; KR II,205f.292. 1279 Vgl. KR II,292f.314-317; siehe auch PH II,92. 1280 Vgl. NK II,30f; KR 308-310. <?page no="360"?> 346 gangen, dass jenseits eines professionellen Kontextes eigentlich keine Abendlieder mehr gesungen werden. 1281 Leitendes Auswahlkritierum für die Befragten war in einigen Fällen die Vertrautheit eines Liedes und die mit einem Lied verbundenen Erinnerungen und Gefühle. Exemplarisch dafür sollen nun die Deutungen des letzten verbleibenden Liedes Abend ward, bald kommt die Nacht ausgewertet werden. Deutung des Liedes ‚Abend ward, bald kommt die Nacht’ *Nadine ist mit dem Stück von R UDOLF A LEXANDER S CHRÖDER sehr vertraut. 1282 Sie kennt das Lied seit Kindertagen, als sie es im Kontext der ökumenischen Kinder- und Jugendarbeit in Abendandachten auf Freizeiten kennen gelernt hat. 1283 Sie beschreibt selbst, mit ihm aufgewachsen zu sein; es ist „ein Lied, was einfach mitgegangen ist.“ 1284 Damals hat sie das Lied vor allem wegen seiner Ausdrucksweise abgelehnt, weil sie nicht verstehen konnte, wovon es eigentlich handelt. 1285 Heute entspricht die Textaussage immer noch nicht unbedingt ihrem eigenen Empfinden, aber sie hat durch die Menschen, die ihr dieses Lied beigebracht haben, gelernt, dass man nicht nur für sich allein singt. 1286 Sie hat diese theologische Deutung des geistlichen Singens für sich adaptiert: „Das ist ’ne Erfahrung, die gar nicht nur unbedingt meine ist, dass Gott die Wacht über diese Welt hält, sondern das ist ’ne Erfahrung, die Menschen immer wieder gemacht haben und weitergeben. Und es kann sein, dass das ein Abend meine Hoffnung ist, dass es so ist. Es kann einen Abend so sein, dass es meine Gewissheit ist, dass es so ist. Es kann aber auch sein, dass es einen Abend ist, wo ich das anzweifle und ich das singe, weil das irgendjemand mal so empfunden hat. Und das fasziniert mich an diesem Lied.“ 1287 Dasselbe Lied wird von *Elisabeth Schmidt negativ bewertet, weil sie nicht wie *Nadine auf die Folie einer Erfahrungen mit dem Stück zurückgreifen kann. Stattdessen zieht sie ihre eigene Biographie als Vergleichsmoment zu der Textaussage heran und bezweifelt die Richtigkeit dieser Aussage: „[---] weiß ich, dass auf gute Nacht guter Morgen kommt. Ach, wenn das so einfach wär’.“ 1288 Es ist spekulativ, ob *Nadine sich in ähnlicher Weise geäußert hätte, wäre ihr damals statt des S CHRÖDER -Liedes das von ihr so vehement abgelehnte Bleib bei mir, Herr beigebracht worden. In ihren Äußerungen lässt sich jedoch erkennen, dass Abend ward, seine formal-ästhetische Qualität und seine Thematik, für die Wirkung auf die Rezipientin und für ihre Wahl sekundär sind. Die ersten Argumente, die sie das Stück als positiv beurteilen lassen, sind 1281 Vgl. ES II,228; siehe auch ES II,473-476; KR II,287-308. 1282 Vgl. NK II,16f. 1283 Vgl. NK II,30-35.106-111. 1284 NK II,35. 1285 Vgl. NK II,60.62-66.80-83. 1286 Vgl. NK II,64-66. 1287 NK II,68-75. 1288 ES II,93. <?page no="361"?> 347 das der Vertrautheit und die an das Lied geknüpften positiven Erinnerungen an diejenigen, die ihr das Stück nahe gebracht haben, mit denen sie es damals gesungen hat und es heute noch singt. 1289 Sodann führt sie spirituelle Argumente ins Feld, die ebenfalls mit der Erinnerung an den ersten Vollzugskontext verbunden sind. Ganz ausdrücklich bestätigt *Nadine, dass es für sie nachrangig ist, ob das Lied ihre eigene Erfahrungen des Geschütztseins verbildlicht, weil es eben eine allgmeingültige Wahrheit zum Ausdruck bringt. *Frau Schmidt würde dies in der Art und Weise, wie *Nadine Lieder beurteilt, nicht unbedingt bestätigen können. An diesem Beispiel zeigt sich, dass der Kontext des Vollzuges wesentlich die Wirkung eines Liedes und die Wertung desselben beeinflusst. Bis heute setzt *Nadine sich mit dem Lied auseinander, was in erster Linie an der Art und Weise seiner Erstvermittlung liegen dürfte und nicht vordringlich daran, dass Abend ward, bald kommt die Nacht etwa über eine ausnehmend poetische Gestalt verfügt. Schaut man sich nun alle Argumentationweisen an, warum Lieder von den Interviewten bevorzugt oder abgelehnt werden, dann zeigen sich insgesamt recht heterogene Kriterien, an die die Qualität geistlicher Lieder geknüpft wird. Die folgende Übersicht zeigt zusammenfassend die unterschiedlichen Arten, derer sich die Befragten in der Beurteilung geistlicher Lieder bedienen: 1290 1289 Vgl. NK II, 39-41.88f. 1290 Angeregt wurde zu einer solchen Beschreibung der Wertungen durch H EYDEBRAND , R ENATE VON / W INKO , S IMONE: Einführung in die Wertung von Literatur. Systematik - Geschichte - Legitimation. (UTB 1953) Paderborn / München / Wien / Zürich 1996, bes. 19-131. Die Literaturwissenschaftlerinnen erörtern im Rahmen ihrer Werttypologie auch die Gattung ‚Volkslied’ im Rahmen des Kapitels „Wertung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit“ (163-185). Auf das ‚Geistliche Lied’ ist das Gesagte schlecht übertragbar, weil erstens bestimmte Aspekte weniger virulent sind (z.B. Tradierbarkeit, Mündlichkeit) und weil zweitens der Vollzugskontext der Lieder nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt wurde. Überhaupt werden die unterschiedlichen Typen der Wertungen nicht etwa empirisch, wie es hier erfolgt ist, erhoben, sondern aus verschiedenen denkbaren Wertungssituationen und aus historischen Zeugnissen ermittelt. Obige Zusammenschau basiert hingegen auf einem empirischen Befund. Sie ist ebenso wenig allgemeingültig zu setzen, lässt sich aber zumindest für die in den Interviews beschriebenen Wertungen verifizieren. Allerdings wurden, weil sehr treffend, einige Bezeichnungen für Wertungen, aus der Arbeit von VON H EYDEBRAND und W IN- KO übernommen (vgl. ebd. 114f.). <?page no="362"?> 348 Werttypen (1) Kongruenz - „Stimmigkeit“ (a) liedimmanent formale Stimmmigkeit von Text und / oder Melodie Richtigkeit, Schönheit inhaltliche Stimmigkeit von Text und / oder Melodie Schönheit, Wahrheit (b) liedexmanent Lied in Relation zu … … seinem Produktionskontext Glaubwürdigkeit … der Disposition des Wertenden Nachvollziehbarkeit … seinem Vollzugskontext Angemessenheit (2) Effektivität - „Wirkung“ (a) individuell kognitive Wirkung Erkenntnisgewinn praktische Wirkung Sinnstiftung emotive/ emotionale Wirkung Identifikation hedonistische Wirkung Unterhaltung (b) speziell reflexive Wirkung Erinnerung intime Wirkung Geborgenheit, Sicherheit soziale Wirkung Vergemeinschaftung spirituelle Wirkung Transzendenz Im Ganzen zeigen sich zwei unterschiedliche Gruppen von Werttypen: Die erste Gruppe umfasst solche Wertungen, die die ‚Stimmigkeit’ eines Liedes beurteilen. 1291 Hier kann unterschieden werden einerseits in Wertungen, die eine liedimmanente Kongruenz begutachten, also die die Kohärenz des Liedtextes in sich und im Vergleich mit der Melodie in den Blick nehmen, 1292 und andererseits in solche, die die Stimmigkeit des gesamten Liedes oder eines seiner Elemente im Verhältnis zu seinen Entstehungsbedingungen, 1293 zu der psychischen und mentalen Verfasstheit des Liedrezipienten 1294 und schließlich zu dem Kontext, in dem es vollzogen wird, 1295 gewichten. Gefragt wird bei solchen Beurteilungen nach der Ästhetik bzw. Schönheit, Wahrheit, Glaubwürdigkeit, Nachvollziehbarkeit oder Angemessenheit eines Liedes. Die zweite Gruppe von Werttypen fokussiert dagegen die unterschiedlichen Wirkungen, die ein Lied erzielen kann. Auch hier gibt es zwei verschiedene Gruppen von Werttypen: zu unterscheiden ist hier in Effekte, die ein Stück auf ein Individuum 1296 ausübt und die performativen Wirkungen, die es erzielen kann. Der Nutzen, den die Befragten für sich aus einem Lied ablei- 1291 Vgl. z.B. KR II,164f; RG II,41-43; *Frau Ronsdorf meint auch, dass die Weise von Bevor die Sonne sinkt „stimmungsmäßig“ zu seinem Text passt; vgl. KE II,76. 1292 Vgl. z.B. KR II,228-233; RR II,48f. 1293 Vgl. z.B. ES II,299-305. 1294 Vgl. z.B. ES II,196-201; RG II,40-43. 1295 Vgl. z.B. KR II,143-145. 1296 Es ist denkbar, dass diese ‚individuellen Effekte’ auch im Hinblick auf eine Gruppe in ähnlicher Weise wirken; aus dem Interviewmaterial lassen sich allerdings nur erstere erheben, möglicherweise weil hier zumeist Einzelpersonen und eben keine Gruppen untersucht wurden. <?page no="363"?> 349 ten, liegt im Erkenntnisgewinn, 1297 in dem Maße, wie es für sie sinnstiftend 1298 oder sie sich damit identifizieren können 1299 und wie groß der Unterhaltungswert 1300 desselbigen ist. Zu so genannten speziellen Effekten, die eigentlich unter die die oben genannten Wirkungen subsumiert werden könnten, besonders aber zur Beurteilung von geistlichen Liedern relevant sind und daher hier extra aufgeführt werden, gehören die Aspekte der Erinnerung, 1301 der Intimität, 1302 der Vergemeinschaftung 1303 sowie der Transzendenz. 1304 Eingangs wurde schon darauf hingewiesen, dass Singen und Beten dem Ansinnen der Befragten nach eine helfende Wirkung erzielen kann. Da sich die Auswahl und Wertungen von Liedern in einem erheblichen Maße an einem zu erwartenden Effekt orientieren, ist anzunehmen, und so wurde es in den Randbemerkungen auch ersichtlich, dass es sich mit der Beurteilung eines liturgischen Vollzuges ähnlich verhält. Was von einem geistlichen Lied als Teilelement eines Gottesdienstes erwartet wird, offenbart bis zu einem gewissen Grad auch die Erwartungshaltung an die Gesamtkomposition einer liturgischen Feier, in der solch ein Lied potentiell verwendet werden könnte: Lied und Liturgie werden, um es poiniert zu beschreiben, als Teil eines spirituellen ‚Lebenshilfeprogramms’ erachtet. 6 Zusammenfassung Die Analyse der alltäglichen Erfahrung des Abends hat folgende wesentliche Erkenntnisse erbracht: (1) Der Übergang ‚Abend’ ist im alltäglichen Erleben durch zwei Schwellenphasen gekennzeichnet, die im Allgemeinen von zwei Polen, nämlich dem des Arbeitsendes und dem des Schlafes, bestimmt werden. Der Beginn des Abends ist an bestimmte temporal-orientierte bzw. kosmische Vorgänge geknüpft. Zwei Funktionen kommen diesem Übergang zu, die sich nicht eindeutig einer Schwellenphase zuordnen lassen, sondern vielmehr wechselseitig von beiden realisiert werden: erstens die mentale und physische Distanzierung vom Alltäglichen und zweitens die Vorbereitung auf die Nachtruhe. Routinierte bzw. rituelle Handlungen unterstützen beide Zwecke. (2) Der Abend wird als alltagsfreie Zeit wahrgenommen. Er dient dazu, das Erlebte zu bewältigen und sich von diesem zu distanzieren. Diese Ablösung vom Alltäglichen erscheint als notwendig, um zu einer guten, erfolgreichen Nachtruhe gelangen zu können. Auf zweifache Weise wird eine solche Dis- 1297 Vgl. ES II,48-52. 1298 Vgl. z.B. KR II,164-167. Für *Katja Ronsdorf ist relevant, ob sie etwas mit einem Lied „anfangen kann. 1299 Vgl. z.B. PH II,110-112. 1300 Vgl. z.B. RG II,178-184. 1301 Vgl. z.B. die oben beschriebene erinnernde Wirkung von Abend ward bei *Nadine. 1302 Vgl. z.B. KE II,51-58; RR II, 179-186. 1303 Vgl. z.B. PH II,312-319. 1304 Vgl. z.B. NK II,193-195. <?page no="364"?> 350 tanz herzustellen versucht, nämlich indem man sich mit dem vergangenen Tag auseinandersetzt und ihn reflektiert, bzw., indem man jenen absichtlich ausblendet und ihn durch andere Realitäten ersetzt (Lesen, Fernsehen). (3) Die Dunkelheit als ein wesentliches Kennzeichen des Abends wirkt sich in mehrerer Hinsicht auf die psychische Disposition aus: Durch den Mangel an Tageslicht ist man insgesamt weniger visuellen Reizen ausgesetzt und kann deswegen seine Umgebung schlechter wahrnehmen. Dies führt dazu, dass man sich stärker auf sich und sein Selbsterleben konzentriert. Um jedoch Abstand vom Alltag gewinnen zu können, versucht man, gewissermaßen als Gegenbewegung, sich durch mediale Reize von sich abzulenken. Gleichzeitig bewirkt die Dunkelheit und durch sie das eingeschränkte Erleben der eigenen Umwelt auch eine Entfremdung des Menschen von sich selbst. Es ist ihm in einem schlechteren Maße als am Tage möglich sich seiner selbst durch die eigene Umgebung zu versichern. Auf diese Weise wird dem Menschen seine Begrenztheit vor Augen geführt. Diese artikuliert sich in unterschiedlichen Ängsten. ‚Abend’ und ‚Nacht’ sind daher auch Bezeichnungen für mentale Zustände, die sich aus tagesrhythmischen Eigenschaften (z.B. Arbeitsende, kommende Dunkelheit) ergeben. Bemerkenswert ist, dass zwar einerseits sehr deutlich eine symbolische Deutung von ‚Abend’ und ‚Nacht’ zur Umschreibung von Kontingenzerfahrungen abgelehnt wird, dass aber andererseits die Begriffe ‚Dunkelheit’ und ‚dunkel’ primär als psychologische Kategorie verwendet werden. (4) Lieder, die die Begrenzheit menschlichen Lebens, sei es durch Ängste und Sorgen, sei es durch Krankheit und Tod, benennen, werden größtenteils massiv abgelehnt. Der Tod als letzte, absolute Grenze menschlichen Lebens wird primär als Tod des Anderen erlebt. Die Ablehnung dieser Thematik spiegelt sich auch im eigenen Glaubensverständnis wider und gipfelt biswielen in einer völligen Ausblendung der eigenen Endlichkeit. <?page no="365"?> 351 C D ER A BEND (III): P ROBLEM DER S YMBOLAKZEPTANZ Die Motivuntersuchung des Gesamts der Abendlieder im ersten Teil ergab, dass die Lieder zum Abend über eine gewisse motivische Gleichförmigkeit und thematische Konstanz verfügen. Der Abend wird poetisch weitgehend als Idyll portraitiert. Im alltäglichen Erleben des Abends lässt sich Vergleichbares erkennen: gegenüber dem (All-)tag bildet der Abend idealerweise eine Zäsur, die das Tagewerk unterbricht und Ruhe und Entspannung gewährt. Gegenwartstypische Besonderheiten, etwa der nächtliche Besuch in der Diskothek, gelten als Ausnahmen des Regelmäßigen und Isomorphen des Abends. Das Innehalten am Ende des Tages, das von den Befragten beschrieben wird, entspricht dieser Idealisierung; der Abend ist eine Unterbrechung des Alltäglichen im Alltag. Poesie, Liturgie und Lebensgestaltung stimmen also grundsätzlich darüber ein, dass der Abend weiterhin als eine besondere Zeit erachtet wird. Aufgrund seiner idealtypischen Beschreibung als dem Alltag enthobene Zeit eignet er sich in einem besonderen Maß als Zeitraum für eine rituelle Gestaltung. Am Übergang vom Tag zur Nacht ist das Erleben der Befragten weitgehend an urtypische Phänomene gebunden. Trotz elektrischen Lichts und visueller Medien wird die Dunkelheit als dominante Wesenseigenschaft des Abends betrachtet. Sie wird gleichermaßen positiv und negativ konnotiert, ihr werden auferbauende und hemmende Wirkungen auf die menschliche Psyche beigemessen. Die Dunkelheit schränkt den Gestaltungsspielraum des Menschen und seine Wahrnehmungsfähigkeit ein. Durch die Abwesenheit des Tageslichts erhält der Abend im Erleben der Menschen seine liminale Funktion. Die Dunkelheit dominiert den Menschen, zumal in Wintermonaten, und verstärkt die Idealisierung der Tageszeit in dem Sinne, dass mit dem eingeschränkten Gestaltungsspielraum auch ein größeres Maß an Ruhe in der unmittelbaren Umgebung einhergeht. Es zeigt sich eine Wechselwirkung der Dunkelheit mit psychischen Dispositionen: einerseits versinnbildlicht die Abwesenheit von Licht schwierig empfundene Lebenssituationen und damit verbundene Emotionen, andererseits löst sie Depressionen und Ängste aus, weil sie negative Empfindungen evoziert und das Gefühl der Begrenztheit intensiviert. Die Dunkelheit verstärkt Gefühle, weil die visuelle Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt ist, und weckt in Folge dessen das Bedürfnis nach Sicherung. Dieser Befund hinsichtlich der Wahrnehmung der Dunkelheit steht gegen die allgemeinen modernen Auffassungen, Abend und Nacht seien mit ihren archaischen Eigenschaften durch die Etablierung des elektrischen Lichts zunichte gemacht worden; so etwa A LVAREZ : „Indem wir die Nacht kolonialisierten, sind wir auch nicht in ihre Mysterien eingedrungen.“ 1305 1305 A LVAREZ , Nacht, 40. <?page no="366"?> 352 Wir konnten hinsichtlich der Motivik von Lied und Liturgie feststellen, dass es vor allem die liminalen Eigenschaften der Tageszeit sind, die den Abend zum Symbol werden lassen. Dieser Symbolcharakter des Abends ist, wie die Interviews es anschaulich belegen, wesentlich von den Lichtverhältnissen und dem menschlichen Verhalten in Dunkelheit dominiert. Das Symbol ‚Abend’ speist sich aus der Grunderfahrung von Dunkelheit und den damit einhergehenden Einschränkungen der Wahrnehmung und des Handlungsvermögens. Es versinnbildlicht andere Grenzen lebensweltlicher Erfahrungen, in denen ebenfalls das Agieren und Erleben behindert wird. Bemerkenswert ist nun der Umgang mit den Symbolen (wie etwa Dunkelheit, Nacht oder Schlaf), die um den Abend herum situiert sind. So werden z.B. der Schlaf und die Nacht als Schlafenszeit, wie es auch in der Theorie des Alltags angenommen wird, im alltäglichen Erleben als Bewusstseinsgrenzen aufgefasst. Eine Deutung dieser Grenzen, die des Schlafs und der Nacht, als Hinweis auf die absolute menschliche Grenze des Todes wird hingegen weitgehend abgelehnt. Genau genommen wird eine übertragende Deutung der liminalen Eigenschaften des Abends abgelehnt, insofern dieser metaphorische Gebrauch in irgendeiner Weise das Subjekt mit einschließt oder er sich unmittelbar auf sein eigenes Leben bezieht. Ebenso wird eine symbolische Deutung von Dunkelheit und Abend kritisiert, wenn sie eigene negative Empfindungen nachbildet. Eine Affirmation geschweige eine Adaption der in Liedern beschriebenen Kontingenzen bleibt also aus. Aus den abwehrenden Haltungen gegenüber der symbolischen Sinngebung von Abend und Dunkelheit bestätigt sich implizit die These, dass die Tageszeit die Idealisierungen des Alltags infrage stellt. Anders ausgedrückt: In der Kritik an der Bildhaftigkeit des Abends bezüglich seiner liminalen Eigenschaften artikuliert sich auch das alltägliche Bedürfnis nach ungebrochenen und unhinterfragten Kontinuitäten der eigenen Lebenswelt. Es liegt damit nicht unbedingt am Verstehen von Symbolen, weswegen die Bildhaftigkeit vieler Lieder kritisiert wird. In den Interviews wurden die Lieder sozusagen idealisiert, indem erwartet wurde, dass sie mit dem eigenen Lebensgefühl korespondieren und dieses möglichst treffend nachzeichnen sollen. Primär ist also die Kongruenz des (symbolisch) im Lied Abgebildeten und Gemeinten mit der eigenen Lebenssituation bzw. mit den Idealvorstellungen des eigenen Lebens entscheidend. Es werden nur solche Bilder akzeptiert, die eigene bekannte oder zumindest mit ihnen verwandte Empfindungen und Erfahrungen nachzeichnen. Die Folgen, die sich aus einem solchen ‚Primat des Lebensgefühls’ in spirituell-theologischer Hinsicht ergeben, sollen im Folgenden am Verständnis des Todes allgemein und der eigenen Sterblichkeit im Besonderen aufgezeigt werden: (1) Entgrenzung der lebensweltlichen Erfahrung durch das ‚Lebensgefühl’: Das Motiv des Todes, das angesichts des Abends in einigen Liedern zur Sprache kommt, wird von den Befragten weitgehend als problematisch eingestuft. Es gilt als dunkel und depressiv, und wird eigentlich nur in den Fällen akzeptiert, in denen es den Tod des Anderen illustriert. Eine persönliche Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit fällt hingegen aus <?page no="367"?> 353 bzw. wird als belastend und die Stimmung negativ beeinträchtigend abgewiesen. Eine solche Ablehnung der Motivik des Abends als Sinnbild für das eigene Sterben und den eigenen Tod ergibt sich zwangsläufig aus der allgemeinen Forderung nach Koinzidenz der Lied-Symbolik und dem eigenen ‚Lebensgefühl’. Weil das eigene Sterben bisher nicht erfahren worden ist, kann es unmöglich dem eigenen Lebensgefühl entsprechen. Dennoch bestätigt sich damit implizit die auf Grundlage der Theorie des Alltags getroffene Vermutung, dass der Abend als Grenze des Tages symbolisch die Grenze des Lebens nachzeichnet und die mit dem Abend verbundenen Eigenschaften und die Konsequenzen der Dunkelheit auf die letzte Grenze der menschlichen Lebenswelt übertragen werden. Denn in der Ablehnung dieser Motivik kommt auch zum Ausdruck, welche Ahnung die Befragten von der letzten Grenze ihres Lebens aufgrund anderer Grenzüberschreitungen erlangt haben bzw. was sie durch das Scheiden eines Anderen in ihrer Umwelt vermittelt bekommen haben. Wenn der Mensch aber nun die Ahnungen, die er vom Tod als eigener letzter Grenze gewonnen hat, ignoriert, dann bedeutet dies im Umkehrschluss auch, dass ihm alle anderen Kontingenzen seines Alltags prinzipiell als überwindbar gelten, seien es Krankheiten, Ängste oder Versagen. Indem er die letzte, absolute Grenze seines Handelns ausblendet, idealisiert er seinen Alltag als ungebrochene und kontinuierliche Progression; die Theorie des Alltags nannte dies „und-so-weiter“ und „ich-kann-immer-wieder“. Die Vorbehaltlichkeit des eigenen Lebens („bis-auf-weiteres“) rückt in den Hintergrund zugunsten der Vorstellung, das „nichts unmöglich“ sei - wie es ja auch eine japanische Autowerbung dieser Tage glaubhaft machen will. (2) Verinnerlichung und Verdiesseitigung: Hinsichtlich des Todes lässt sich ein weiterer folgenschwerer Wandel des traditionellen christlichen Verständnisses erkennen. Im Unterschied zur Liturgie konnte bezüglich der Commendatio animae schon im Lied eine Bedeutungsverlagerung festgestellt werden (Commendatio temporis). Auf der Folie der alltäglichen Erfahrung wird das Motiv abermals gewendet. Während in der christlichen Tradition die Seele als Sinnbild des menschlichen Seins vor dem Übertritt in eine andere Wirklichkeit überlassen wurde, im gläubigen Vertrauen darauf, dass Gott sie im Falle des Todes schützen möge, entäußert man sich im alltäglichen Bewusstsein im Anbeginn der Nacht seiner Probleme, um zu einer guten Nachtruhe gelangen zu können. Nicht in Erwartung eines Jenseits, einer hinter der Grenze des Todes liegenden anderen Seite der Wirklichkeit, übergibt sich der Beter in Gottes Hände, sondern er überlässt ihm seine Sorgen, um im Diesseits psychisch entlastet zu sein, um sich in ausreichendem Maße regenerieren zu können, um am folgenden Tag leistungsfähig zu sein. Eine damit möglicherweise korrespondierende motivische Verschiebung zwischen Lied und Liturgie konnten wir bezüglich der Verinnerlichung der Ursachen für persönliche Ängste beobachten. 1306 Zwischen der liturgischen 1306 D.h. Ängste werden nicht durch äußere Gefahren verursacht, sondern werden innerlich evoziert. <?page no="368"?> 354 Tradition und dem alltäglichen Leben zeigt sich eine Verdiesseitigung. Kontingenz im ursprünglichen Sinn erfährt der Mensch heute offenbar nur in einem ökonomisch folgenschweren Mangel an Zeit. <?page no="369"?> 355 A USBLICK a Probleme und Perspektiven für die Praxis Aus dem empirischen Befund ergibt sich eine Reihe von Problemen, die Handlungsnotwendigkeiten für die pastorale und liturgische Praxis erfordern; einige markante Punkte sollen an dieser Stelle skizziert werden. Sie basieren nicht auf dem Phänomen ‚Abend’ an sich, sondern auf die im Zusammenhang mit den Reflexionen über ebendiese Tagezeit gewonnenen Erkenntnisse. (1) Der Handlungsbedarf artikuliert sich aus der Tatsache, dass für diese Studie samt und sonders Menschen befragt wurden, die im vollen Sinne als initiierte Christen gelten. Der Mangel an Kenntnis der biblischen Botschaft, das hier und da offenkundig defizitäre Gottesbild, die Ungeübtheit in der Artikulation des eigenen Glaubens oder die Ablehnung einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod sind hierzulande also nicht - wie allenthalben gemutmaßt wird - ein primär gesellschaftliches und außerkirchliches Phänomen. Glaubensarmut und religöse Sprachlosigkeit sind, so muss man vermuten, nicht die Charakteristika einer (nachchristlichen) postmodernen Gesellschaft, sondern betreffen auch die christlichen Kirchen. Es steht der Verfasserin nicht an, den Befragten ihr Unwissen zum Vorwurf zu machen und ihre Positionen zur Kirche zu beurteilen. Jedoch stellt sich angesichts der Ergebnisse die Frage, an welchem Maßstab sich Katechese und Glaubenspraxis heute sinnvollerweise orientieren und welcher Kriterien es jenseits des ‚Lebensgefühls’ bedarf, um zu adäquaten Ausdrucksformen des Glaubens zu gelangen, die gleicherweise dem aktuellen Glauben und der reichen biblischen Tradition Rechnung tragen. (2) Eng damit verbunden ist die Frage nach einer biblisch fundierten Vermittlung eines christlichen Gottes- und Menschenbildes. Es bedarf hier der Korrektur vor allem angesichts der Positionen zum Tod allgemein und des Verhältnisses zur eigenen Sterblichkeit. Trotz der verdienstvollen Bemühungen der immerhin seit 40 Jahren bestehenden Hospizbewegung 1307 um einen gesellschaftlich humanen Umgang mit Sterben und Tod zeigt sich ein defizitärer Umgang mit der eigenen Endlichkeit. In Sterbehäusern, Selbsthilfeliteratur und Trauerseminaren wurde der Tod zwar wieder zu einem gesellschaftlichen Thema gemacht, bis hin dazu, dass er sogar öffentlich und medial inszeniert wird (z.B. das Requiem für Papst Johannes Paul II.). Scheinbar ist jedoch dabei die Innenperspektive des Sterbens vernachlässigt 1307 S. K ÜBLER -R OSS , E LISABETH : Interviews mit Sterbenden. Gütersloh 16 1992; D IES .: Erfülltes Leben - würdiges Sterben. Dt. Erstausg. der Übersetzung. v. einer von G ÖRAN G RIP erstellten Abschrift von Tonbändern mit Vorträgen von E LISABETH K ÜBLER -R OSS . [Döden är livsviktig] Gütersloh 1993. <?page no="370"?> 356 worden. Der Tod des Anderen rührt offenbar nicht mehr zwangsläufig an die eigene Endlichkeit, die Bewältigung der Trauer um einen Verstorbenen schließt offenbar nicht zwangläufig eine Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit ein. Die christlichen Kirchen sollten es sich zur Aufgabe machen, hier einen Perspektivenwechsel herbeizuführen und zu einer eingehenden Beschäftigung mit der eigenen Endlichkeit anzuregen. Es müsste seitens des Christentums in verstärktem Maße in ritueller und katechetischer Hinsicht zu einer ars mordiendi angeregt werden, in dem die Befindlichkeit des Menschen im Angesicht des Todes einschließlich seiner eigenen Sterblichkeit im Lichte der Heilsgeschichte gedeutet wird. (3) Gegenüber der hymnischen Tradition konnte in neueren Liedern die Tendenz beobachtet werden, dass Schuld und Sünde als Themen eher nicht mehr virulent sind und sie ebenso wie das Bewusstsein um die eigene Endlichkeit und die Unausweichlichkeit des Todes weitgehend thematisch ausfallen bzw. kategorisch abgelehnt werden. Auffälligerweise wurden nun in eben diesen beiden Punkten der christliche Glaube und mit ihm das vorgelegte Liedgut seitens der Befragten kritisiert. Das NGL, das in seinem Grundanliegen den Bedürfnissen nach einer aktuellen Glaubensartikulation nachzukommen gedenkt und worunter die Mehrheit der vorgelegten Lieder zu rechnen ist, fällt im Urteil der Befragten mehrheitlich als zu konservativ durch. Man kann also eine zweifache Abstufung des motivischen Gehaltes und seiner Akzeptanz feststellen. Lässt man spezielle Gründe der Ablehnung außen vor, so stellt sich ernstlich die Frage, welche Lieder zukünftig in Gottesdiensten noch gesungen werden können, wenn die ‚Stimmung’ das ausschlaggebende Kriterium der Auswahl ist. Und: Wie hat darüber hinaus ein nach der Maxime des ‚Lebensgefühls’ entworfenes neues Gesangbuchs auszusehen? 1308 Theologie und Kirche sollten, wollen sie als Sinndeutungsangebote nicht ins gesellschaftliche Abseits geraten, dem Phänomen Rechnung tragen, dass Glauben heute individuellere Züge trägt. Das bedeutet jedoch nicht, dass kollektive Ausdrucksformen des Glaubens wie die der Liturgie ausschließlich auf dieses Verständnis hin projektiert werden müssten. Es kann jedoch von Nutzen sein, um dieses Phänomen und seine Ursachen zu wissen, wenn es beispielsweise um Novellen von Gesang- und Ritenbücher geht. (4) Grundsätzlich scheint eine Korrektur des Liturgieverständnisses geboten zu sein. Die Auffassung, Gottesdienst sei ‚Unterhaltung’, entspricht bzw. ist eine Folge der am Beispiel des Liedes aufgezeigten ‚Maxime des Lebensgefühls’. Werden Riten respektive rituelle Teilelemente ausschließlich hinsicht- 1308 Im Rahmen der Akzeptanzerhebung zum Gotteslob wurde hinsichtlich des neuen Liedguts vielfach der Wunsch nach gefühlsbetonten, emotionalen Liedern geäußert. Das neue Gesangbuch möge in seiner Liedauswahl den Bedürfnissen nach Beheimatung, Geborgenheit, aber auch nach Zuflucht in Ängsten und Erfahrungen der Nähe Gottes nachkommen. Vgl. U NTERKOMMISSION G EBET UND G ESANGBUCH , Univariate Auswertungsergebnisse, 27. <?page no="371"?> 357 lich ihres positiven Effektes für das Individuum beurteilt, dann setzt man die Liturgie einer Beliebigkeit aus, die im schlimmsten Fall außer derjenigen Person, die den Gottesdienst vorbereitet hat, keinen der Feiernden erreicht. Möglicherweise spiegelt sich darin auch die missverstandene anthropologische Wende des II. Vatikanischen Konzils wider. 1309 So könnte es hilfreich sein, rituelle Ausdrucksformen christlichen Glaubens nicht primär von pädagogischen Konzepten leiten zu lassen - etwa solcher wie „Die Menschen da abholen, wo sie stehen“. Will man einer fortschreitenden ‚Lichtung’ der Liturgie („lichte Lieder“ 1310 - lichte Theologie) wehren, ohne die feiernden Menschen aus dem Blick zu verlieren, so sollten die Verantwortlichen es wagen, das aktuelle, alltägliche Leben im Lichte der Heilsgeschichte zu deuten, anstatt die biblische Heilsgeschichte auf das vom Alltag erhobene Maß zu reduzieren. (5) In den Befragungen zeigte sich, dass typische christliche Motive der Heiligen Schrift nicht mehr erkannt werden bzw. nicht mehr als Ausdruck des eigenen Lebens antizipiert und reflektiert werden. Die Katechese und religiöse Bildung müsste sich vor allem am biblischen Zeugnis orientieren bzw. es sich zum Ziel setzen, fundierte Kenntnisse über die Frohbotschaft zu vermitteln. Denn schließlich ist der in den Interviews aufscheinende offenkundige Mangel biblischen Sachverstands nicht bloß ein kirchliches Problem. Mit der schwindenden Kenntnis basaler christlicher Themen und Motive ist gleicherweise ein Kulturwissen bedroht, das auch die Fähigkeit zur Erschließung von Literatur, Musik und Malerei tangiert. b Methodischer Ertrag der Studie Glauben ist kein rein kognitives Phänomen. Daher wird man durch einen intellektuellen Diskurs nicht zu seinem vollen Gehalt und Wert für den Menschen, der glaubt, vordringen können. Der Glaube ‚funktioniert’ darin ähnlich wie ein Lied: Text und Weise eines Liedes artikulieren im Zusammenspiel, was aus der reinen Betrachtung des gedruckten Wortes und der Tonfolge nicht erschlossen werden kann. 1311 Die Grundvoraussetzung der Studie war es, Lieder als erweiterte poetische Texte zu erachten. Ein geistliches Lied fungiert, wie der Verlauf der Untersuchung gezeigt hat, jedoch nicht nur als hermeneutische Brücke zwischen Tradition und Gegenwart, zwischen Dogmatik und Frömmigkeit, es kann auch als Zubringer in psychisch-spirituelle Dimensionen dienen und auf die affektive Seite der Frömmigkeit führen. Um den konkreten, aktuellen Glauben untersuchen zu können, was wie geglaubt, nicht (mehr) geglaubt oder 1309 Vgl. F UHRMANN , Mehr als Worte sagt ein Lied, 6f. 1310 BS+JL II,393. 1311 Vgl. R EICH , C HRISTA : Der „Ton“ macht die Musik. Überlegungen zur Gestimmtheit und Stimmigkeit von Kirchenliedern. In: D IES .: Evangelium: klingendes Wort. zur theologischen Bedeutung des Singens. Hg. v. C HRISTIAN M ÖLLER i. Verb. m. der H ESSI- SCHEN K ANTOREI . Stuttgart 1997, 57-70. 58. <?page no="372"?> 358 bezweifelt wird, wurden hier dem Glauben ähnliche und mit ihm verwandte Mittel zur Hilfe genommen, die sich hinsichtlich der affektiven Wirkungen relativ ähnlich verhalten. Ähnlich wie im Glauben kann im Vollzug eines Liedes die Person nicht außen vorgelassen werden. Das Singen von Liedern ist kein ausschließlich technischer Vorgang, indem die Stimmbänder ge- und entspannt werden. Der Glaube eines Menschen ist nicht allein das, was in Katechismus oder Bibel gedruckt steht, welche Dogmen geglaubt oder bezweifelt werden. Seine Biographie und seine aktuelle Lebenswelt bedingen wesentlich, was er konkret glaubt. So liegt der wesentliche Ertrag dieser Studie für die Theologie in methodischer Hinsicht darin, geistliche Lieder als wissenschaftliche Instrumente einzusetzen und sie in empirische Methoden einzubinden, um so Aufschluss über spezielle Bereiche gegenwärtiger Frömmigkeit zu erlangen. Rezeptionswissenschaft und Empirische Forschung sind nicht das ‚wissenschaftliche Allheilmittel’, um stets zu einer adäquaten hymnologischen oder theologischen Deutung zu gelangen. Liturgiewissenschaft und Hymnologie müssen nicht neu erfunden werden, nur weil die empirische Forschung in sie Einzug gehalten hat. Die Angemessenheit empirischer Forschung beruht nicht auf ihrem Selbstwillen, es hängt wesentlich von der Fragestellung und dem Erkennntisinteresse ab, ob man sich der Empirie bedient oder nicht. Allerdings können Hymnologie und Liturgiewissenschaft durch die Einbeziehung qualitativ-empirischer Methoden gewinnen, wenn es darum geht, verstehen zu lernen, warum etwa ein akademisch als ästhetisch und theologisch wertvoll erachtetes Lied von ‚Normal-’Rezipienten gemieden oder sogar abgelehnt wird. Ein rein unter ästhetischen Ansprüchen mikroskopisch hymnologisch seziertes Lied wird womöglich nicht offenbaren, welchen Stellenwert es für seine Rezipenten hatte oder noch immer hat. Eine sterile, von Kontexten der Rezeption losgelöste Interpretation wird letztlich keinen Aufschluss darüber geben können, warum sich bestimmte Lieder trotz ihres Mangels an sprachlicher und musikalischer Qualität einen Platz im Herzen ihrer Sängerinnen und Sänger erschlossen haben. Eine empirische Ausrichtung der Fächer kann nicht zuletzt eine Sensibilisierung der Forscherinnen und Forscher für die disparaten und diffizilen Prozesse bewirken, die sich bei einem Individuum oder in einer Gruppe von Feiernden in rituellen Ausdrucksformen des Glaubens abspielen. Unter Umständen kann die Einbeziehung empirischer Methoden auch eine heilsame ‚Ernüchterung’ bedingen, weil etwa durch sie gezeigt werden kann, dass unter etlichen Rezeptionsbedingungen die Ästhetik eben nicht das maßgebliche Kriterium für den ‚Erfolg’ eines Liedes darstellt. Eine empirisch ausgerichtete Liturgiewissenschaft, die in der Gegenwart Konvergenzen und Differenzen zwischen dem wirklich Geglaubten und dem Glaubensgut zu entdecken sucht, kann wegweisend sein für eine der Zukunft des Glaubens verpflichteten Theologie. Strukturen und Mechanismen der Diskrepanzen zwischen der Dogmatik der Kirche und der Frömmigkeit der Gläubigen begreifen zu versuchen, kann, insofern die pastorale Praxis konzeptionell an diese Erkenntnisse anzuschließen vermag, die in <?page no="373"?> 359 vielen postmodernen Gesellschaften vom Einsturz bedrohten Brücken zwischen dem christlichem Erbe und dem Glauben der Gegenwart stützen helfen. <?page no="375"?> 361 A PPENDIX Texte und Quellen der verwendeten Abendlieder Nachstehende Liedsammlung bündelt alle der Untersuchung zugrunde liegenden Abendlieder. Sie ist alphabetisch sortiert. Das Incipit jedes Liedes ist fett unterlegt. Unter den Liedern befindet sich jeweils ein Quellenapparat, der, sofern ermittelbar, Aufschluss gibt über die Verfasserschaft, das Jahr der Entstehung und die Orte, an denen es in Gesang- und Liederbüchern zu finden ist. Die Angabe der Fundorte erfolgt in Kurztiteln. Eine vollständige Bibliographie der Quellen ist dem Quellenverzeichnis zu entnehmen. Die Angabe von Produzenten und Jahr erfolgt gemäß der in den Quellen gegebenen Informationen. Insofern dort widersprüchliche Angaben gemacht werden, wurde dies vermerkt. Ebenso wurden offensichtliche Fehler gekennzeichnet. Quellen, in denen ein Lied zwar aufzufinden, aber nicht unter der Abteilung „Abend“ rubriziert ist, wurden in Klammern gesetzt. Auf kleinere Textvarianten wird jeweils im Quellenapparat hingewiesen; wenn der Text mehr als um eine Strophe differiert, wie z.B. bei Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I+II), wird die Variante als eigenes Lied angegeben. Der kritische Apparat berücksichtigt lediglich die textliche Ebene. Zwar werden auch die Komponisten der Weisen genannt, Varianten von Melodie und Satz konnten im Rahmen dieser Untersuchung jedoch nicht ermittelt werden. <?page no="376"?> Abend ward, bald kommt die Nacht [Text siehe Seite 209] Text: Rudolph A. Schröder, 1942 (Str. 1-3, 5), 1935 (Str. 4); [Str. 4 von Jochen Klepper, s. Komm, der unsre Fragen schweigt] Musik: Samuel Rothenberg, 1948 Quelle: mit den Strophen 1-3,5: *Auf und macht 734; *Altenberger Singebuch 25; *Das junge Lied 36; *EG 487; *Feiert Gott in eurer Mitte 314; *Gemeinsam unterwegs 8; *GKL 528; *Jesus - unsere Freude 652; *Lieder für Kirchentage 1; *Lobet Gott 281; *Menno 232; *Neue Lieder der Gemeinde 80; *RG 60; *Sing mit uns 316; *Singt und dankt 727; *So singen wir 329; *Umkehr zum Leben 630 mit allen 5 Str.: *Christenlieder heute 168; *EM 631; *Soldaten/ Ev. 16; *Feiern und Loben 483 1. Abendfrieden senkt sich wieder tröstlich über Land und Meer, webt den Ton der Abendlieder in die Stille um uns her. Jubilate! Jubilate! Jubilate! Amen. Webt der Ton der Abendlieder in die Stille um uns her. 2. Bald erstirbt das Sonnenfeuer, Sterne gehen am Himmel auf, künden von des Schöpfers treuer Liebe durch den Zeitenlauf. Jubilate! Jubilate! Jubilate! Amen. Künden von des Schöpfers treuer Liebe durch den Zeitenlauf. 3. Unsre Lasten, unsre Sorgen legen wir in Gottes Hand. Jeder Wunsch ist dort geborgen, wo in Gott er Ruhe fand. Jubilate! Jubilate! Jubilate! Amen. Jeder Wunsch ist dort geborgen, wo in Gott er Ruhe fand. 4. In den tiefsten Dunkelheiten leuchten Gottes Sterne auf: Glaube, Hoffnung, Liebe leiten unsern Blick zu ihm hinauf. Jubilate! Jubilate! Jubilate! Amen. Glaube, Hoffnung, Liebe leiten unsern Blick zu ihm hinauf. Text: Annegret und Walter Klaiber, 1999 nach „Now, on land and sea descending“ v. Samuel Longfellow, 1859 Musik: John Stevenson, 1818 nach Russischem Volkslied Quelle: *EM 641 1. Ade, wünsche gute Nacht. Jetzt wird zügig Schluss gemacht. Ich freu mich auf meinen Schlaf. Mein Ärger, die Schuldenlast, Alleinsein und Arbeitsballast ward durch euch leichter. 2. Ich habe mit euch geteilt, mein Leben und ihr habt geheilt die Brüche und meinen Stolz. Ihr habt zwar nicht viel gesagt, habt’s aber mit mir gewagt das Jammern zu meiden. Text: Alexander Bayer Musik: aus Franken, um 1850 Quelle: *Nacht-Wandler 117 362 <?page no="377"?> Ref. Adonai, in deine Hand lege ich mein Geschick, denn du hast mich erlöst, Gott, mein treuer Gott. 1. Ich vertraue mich dir guten Mutes an. Ich will mir selbst treu bleiben, wenn die Weisheit mich fremde Wege führt. 2. Höhen und Tiefen stehe ich durch an deiner Seite. Höhepunkte und Vertiefungen hast du meinem Erfahrungsschatz zugefügt. 3. Du hast mich die Ewigkeit schauen lassen in erfüllter Zeit. Entreiße mich wieder vom Geschrei stillstehender Uhren. 4. Ich lege ab die quälenden Gedanken, ich atme die kühlende Luft der Nacht. 5. Ich lege mich nicht zur Ruhe bei meinen Schattenseiten. Ich will mir die Dynamik der Auferstehung nicht schuldig bleiben. 6. Ich gebe dem guten Werk, das ich begann, meinen Segen, ich gönne es den anderen nach mir, die Früchte zu genießen. 7. Ich nehme, was sterben soll, an wie einen klugen Rat aus einem weisen, gerechten und solidarischen Mund. Text: Alexander Bayer Musik: Alexander Bayer Quelle: *Nacht-Wandler 198 1. Angelangt an der Schwelle des Abends, schauen wir Christus, das ewige Licht, und preisen durch ihn den Vater im Geist. 2. Du bist der Weg, die Wahrheit, das Leben, Abbild und Spiegel des ewigen Vaters. Du bist der Heilige, du unser Herr. 3. Ja, es ist würdig, dich zu besingen, Gottes Sohn, Urheber ewigen Lebens, die ganze Schöpfung schuldet dir Lob. Text: Vinzenz Stebler, 1970 Musik: Karl Norbert Schmid, 1972 Quelle: *GL 701; *KG 684; *CG 319; *Eingestimmt 698; *Altenberger Singebuch 18 1. Bevor der Tag zu Ende geht, lasst uns noch einem Menschen ein Wort der Liebe sagen. 2. Bevor die Nacht uns überfällt, lasst uns noch einem Fremden Quartier zur Nacht aufschlagen. 3. Bevor der Schlaf uns übermannt, lasst uns noch einen Gegner um Versöhnung fragen. 4. Und wenn der Morgen wieder graut, lasst uns, wenn wir erwachen, den Schritt ins Leben wagen. Text: Sybille Fritsch Musik: Wilfried Niggeloh Quelle: *Frankfurter Werkstatt IV 7 1. Bevor des Tages Licht vergeht O Herr der Welt, hör dies Gebet: Behüte uns in dieser Nacht durch deine große Güt’ und Wacht. 2. Hüllt Schlaf die müden Glieder ein, lass uns in dir geborgen sein und mach am Morgen uns bereit zum Lobe deiner Herrlichkeit. 3. Dank dir, o Vater, reich an Macht, der über uns voll Güte wacht 363 <?page no="378"?> und mit dem Sohn und Heilgen Geist des Lebens Fülle uns verheißt. Text: Friedrich Dörr, 1969 nach „Te lucis ante terminum“, 5./ 6. Jh. Musik: Kempten um 1000 Quelle: *GL 696; *EG/ RWLR 686; *EG/ BT 665; *EG/ Me 543; *RG 587; *CG 320; *Eingestimmt 769; *Gemeinsam unterwegs 12 Bevor die Sonne sinkt [Text und Melodie siehe Seite 135] Text: Christa Weiß/ Kurt Rommel, 1967 Musik: (1)Martin Striebel/ Kurt Schmid, 1967 (2) Rolf Schweizer, 1974 Quelle (1): *Anhang 77 806; *CG 318; *Christenlieder heute 169; *Der Herr ist mein Lied 16; *Eingestimmt 707; *EM 642; *GKL 102; *GL 702; *KG 680; *Kumbaya 68; *Leuchte, bunter Regenbogen 263; *Neue Gemeindelieder I 25; *Neue Lieder der Gemeinde 81; *RG 606; *Singt und dankt 728; *Soldaten/ Ev. 18 Quelle (2): *Anhang 77 805; *Auf und macht 741; *EG 491; *Kölner Chorheft 15 Bleib bei mir, Herr, der Abend bricht herein. [Text und Melodie siehe Seite 217] [Text siehe außerdem in Synopse auf Seite 412] Text: Theodor Werner, 1952 nach dem englischen „Abide with me“ v. Henry Francis Lyte, 1847 Musik: William Henry Monk, 1861 Quelle: *Auf und macht 735; *CG 315; *EG 488; *EM 660; *Feiern und loben 472 (dort mit leicht veränderter Satzstellung in 1,1: „Herr, bleib bei mir, der Abend bricht herein“); *Jesus - unsere Freude 653; *Menno 221; *RG 603; *Unisono 132 1. Bleib bei uns, Herr, die Sonne gehet nieder, in dieser Nacht sei du uns Trost und Licht. Bleib bei uns, Herr, du Hoffnung, Weg und Leben, lass du uns nicht allein, Herr Jesu Christ. 2. Bleib bei uns, Herr, der Abend kehret wieder, ein Tag voll Müh und Plag hat sich geneigt. Bleib bei uns, Herr, die Nacht senkt sich hernieder. Lass leuchten über uns dein Angesicht. 3. Bleib bei uns, Herr, im Dunkel unsrer Sorgen. Du bist das Licht, das niemals mehr erlischt. Bleib bei uns, Herr, bei dir sind wir geborgen. Führ uns durchs Dunkel, bis der Tag anbricht. Text: Franz Joseph Rahe (Str. 1) Paul Ringseisen (Str. 2,3) nach „Abide with me“ v. Henry Francis Lyte (1847) Musik: William Henry Monk, 1861 Quelle: *Gemeinsam unterwegs 14; *GL/ Mü-F 980; *GL/ Sal 079; *Kölner Chorheft 120; *Krass-Konkret-Katholisch 188; *Morgenlob-Abendlob/ Fasten-Ostern 167 *Morgenlob-Abendlob/ Kirchenjahr 325 1. Bleib bei uns, hilf uns tragen und lass uns nicht allein, wache und bete und bleibe, bald wird es dunkel sein. Die Hoffnung wächst unter Geschwistern auch mitten in dieser Nacht. Die Hoffnung wächst unter Geschwistern und hat uns zu Menschen gemacht. 364 <?page no="379"?> 2. Bleib bei uns, hilf uns tragen und lass uns nicht allein, wache und bete und weine, bald wird es dunkel sein. Die Hoffnung wächst unter Geschwistern auch mitten in dieser Nacht. Die Hoffnung wächst unter Geschwistern und hat uns zu Menschen gemacht. 3. Bleib bei uns, hilf uns tragen und lass uns nicht allein, wache und bete und kämpfe, bald wird es dunkel sein. Denn Trost wächst unter Geschwistern auch mitten in dieser Nacht. Denn Trost wächst unter Geschwistern und hat uns zu Menschen gemacht. 4. Bleib bei uns, hilf uns tragen und lass uns nicht allein, wache und bete und liebe, bald wird es dunkel sein. Denn Frieden wächst unter Geschwistern auch mitten in dieser Nacht. Denn Frieden wächst unter Geschwistern und hat uns zu Menschen gemacht. 5. Bleib bei uns, hilf uns tragen und lass uns nicht allein, wache und bete und glaube, bald wird es dunkel sein. Der Herr lebt unter Geschwistern auch mitten in dieser Nacht. Der Herr lebt unter Geschwistern und hat uns zu Menschen gemacht. Text: Jürgen Fliege Musik: Holger Clausen Quelle: *Es sind doch deine Kinder Nr 10 (in früheren Fassungen des Liedes statt „Geschwistern“ „den Brüdern“) 1. Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht, wenn uns die Finsternis beschleicht. Wenn wir voll Not ins Dunkel sehn, wenn wir in Ängsten schier vergehn. Bleib bei uns, Herr, halt die Wacht, gib deinen Frieden diese Nacht. 2. Bleib bei uns, wenn das Jahr zu End, wenn sich die Zeit noch einmal wend’t, wenn ihr Woher, Wohin uns schreckt, kein Ziel und Sinn sich uns entdeckt. Bleib bei uns, Herr, nimm unserer wahr, geleit uns in das neue Jahr. 3. Bleibe bei uns, Herr, wenn unsrer Bahn die letzten, dunklen Schatten nahn, das Leben und der Tod uns drängt, die Schuld den Himmel uns verhängt. Bleib bei uns, Herr, halt uns in Hut, und mach’s mit unserm Ende gut. 4. Bleib bei uns, wenn die Welt zerbricht, das All erzittert im Gericht, wenn nirgends Halt und Hilf und Heil, der armen Erde wird zuteil. Bleib bei uns, Herr, dass diese Welt doch noch in dein Erbarmen fällt. 5. Bleib bei uns! Lass uns nicht allein! Nur du kannst halt und Helfer sein in Schuld und Schicksal, Angst und Not, in unserm Leben, unserm Tod. Drum bleib bei uns in aller Zeit, bleib bei uns Herr, in Ewigkeit! Text: Arno Pötzsch, 1952 Musik: (1) Seth Calvisius, 1594, bei Bartholomäus Gesius, 1601 „Uns ist ein Kindlein heut geborn“ Satz: Johann S. Bach, 1785 (2) Horst Weber, 1958 Quelle: (1) *Nacht-Wandler 48 (Str. 1-5); *EG/ Wü 542 (Str. 1-5); *EM 102; Feiern und loben 231 (2) (2) Christenlieder heute 170; *EG/ Wü 542 (Str. 1-5); *Lieder der Zuversicht 20 (Str. 1,4,5) 365 <?page no="380"?> 1. Bleib, o Herr, auch jetzt in der Nacht; die Arbeit hat uns müd gemacht. Wir bitten dich, sieh gnädig an, was wir an diesem Tag getan. Bleib, o Herr, und hüt unsre Ruh, gib deinen Frieden uns dazu. 2. Bleib, o Herr, der du uns auch heut im Tageslauf gabst dein Geleit. Behüte, wer zu dieser Frist bis spät noch an der Arbeit ist. Bleib, o Herr, bei allen als Wacht, die unterwegs sind in der Nacht. 3. Bleib, o Herr, lass uns nicht allein, geh auch in unsre Träume ein. Wie Träumenden, so wird uns sein, bricht einst dein Reich mit Macht herein. Bleib, o Herr, mit uns in der Zeit, bis einst dein Tag die Welt erneut. Text: Kurt Marti, 1972 nach „Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht“v. Arno Plötzsch 1952 Musik: Horst Weber, 1958/ 1967 Quelle: *CG 326; *KG 686; *Kumbaya 71; *RG 607; *rise up 242 1. Bleibe bei uns, es will Abend werden, und die Dämm’rung breitet sich auf’s Land. Bleibe bei uns auf der dunklen Erden, denn was kommt, ist alles unbekannt. 2. Bleibe bei uns, wenn der Tag sich endet. Bleibe bei uns, wenn der Tod uns findet. Wenn die Welt sich ins Verderben wendet, gib, dass wir in dir geborgen sind. 3. Bleibe bei uns, dass die Nacht uns hüte, bis das Herz in dir den Morgen fand, dass wir in dir sind, in deiner Güte und in Ewigkeit in deiner Hand. Text: Jörg Zink Musik: Volkstümlich Quelle: *Der Singvogel 15 1. Christus, du bist der helle Tag; dein Glanz durchbricht die dunkle Nacht. Du Gott des Lichtes kündest uns das Licht, das wahrhaft selig macht. 2. Nimm gnädig, guter Herr und Gott, uns diese Nacht in deine Hut; lass uns in dir geborgen sein. In deinem Frieden ruht sich’s gut. 3. Gib, dass nichts Arges uns bedrängt, der böse Feind uns nicht verführt, und lass nicht zu, dass Geist und Leib, vor deinem Auge schuldig wird. 4. Dieweil die müden Glieder ruhn, bleib unser Herz dir zugewandt. Wir sind dein Volk, das dir vertraut: Beschütze uns mit deiner Hand. 5. Sei deiner Diener eingedenk, die du mit deinem Blut erkauft. Stärk uns durch deines Leidens Kraft, wir sind auf deinen Tod getauft. 6. Dir sei, Gott Vater, Sohn und Geist, die Ruhe dieser Nacht geweiht. Umfängt uns einst des Todes Nacht, führ uns ins Licht der Herrlichkeit. Text: Friedrich Dörr, 1969 nach „Christe, qui lux es et dies“ 6. Jh. Musik: Frankfurt/ M. 1557 366 <?page no="381"?> Quelle: *CG 321; *Eingestimmt 699; *GL 704; *Kehrt um 153; *KG 679; *Nacht-Wandler 142 (Str. 1,2,6); *Unterwegs 205; *Wie im Himmel 181 1. Christus, du bist uns Licht und Tag, vor dir die Nacht nicht bleiben mag; Glanz, der aus Gottes Glanze bricht, du kündest uns das wahre Licht. 2. O heilger Herr, in dieser Nacht halt vor dem Feind uns wohl in Acht. Von aller Unrast lös uns nun, lass uns in deinem Frieden ruhn. 3. Wenn unsre Augen schlafen ein, lass unser Herz dir wach nur sein. Herr, die dich lieben, schütze du, bewahre uns in sichrer Ruh. 4. Du, unser Retter, sieh uns an dass uns kein Feind nicht schaden kann. Die du erkauft hast durch dein Blut, leit uns, o Herr, in deiner Hut. 5. Lob sei dem Vater in dem Thron, Lob Jesus Christ, dem lieben Sohn, Lob sei dem werten Heilgen Geist: Dein Name, Gott, sei hoch gepreist. Text: Fritz Enderlin, 1952 nach „Christe, qui lux es et dies“ 6. Jh. Musik: Frankfurt/ M. 1557 Quelle: *RG 588 1. Dank dir für jeden Tag, den du uns geschenkt! Dank dir, dass deine Hand unsre Schritte lenkt! Dank dir, dass du mit uns gehst, heute, alle Zeit, tausend Jahre bis ins Licht deiner Ewigkeit! 2. Dank dir, - du lässt uns nicht in der Nacht allein, und auch im dunklen Tal wirst du bei uns sein. Nichts, was heute uns bedrängt, währt unendlich lang. Noch das Lied, das uns verstummt, wird dir Lobgesang. Text: W. Pilz, 1995 nach Dankn für an jedn Tag (Inntaler Sänger) Musik: W. Pilz, 1995 nach Dankn für an jedn Tag (Inntaler Sänger) Quelle: *Dies & das 1. Danke für diese Abendstunde, danke für den vergangnen Tag; danke, aus meines Herzensgrunde ich dich preisen mag. 2. Danke, dass du des Himmels Sterne, danke, dass du die Welten lenkst; danke, dass du auch mir nicht ferne und an mich stets denkst. 3. Danke, du gabst dich mir zur Speise, danke ich hörte heut dein Wort; danke, auf wunderbare Weise hilfst du immerfort. 4. Danke, denn du bist meine Stärke, danke ich konnte Gutes tun; danke du gibst mir Kraft zum Werke, froh kann ich nun ruhn. 367 <?page no="382"?> 5. Danke, ich kann Verzeihung finden, danke, ich darf um Gnade flehn, danke gedächtest du der Sünden, könnt ich nicht bestehn. 6. Danke, dass du mich angenommen, danke, mich schreckt nicht Nacht noch Not; danke, du wirst einst sicher kommen , wie das Morgenrot. Text: unbekannte österreichische Jugendgruppe Musik: Martin Gotthard Schneider, 1963 Quelle: *Laudato si 63; *Singt mit uns 304 1. Danke, Herr! Ich will dir danken, denn du hast mich froh gemacht. Jeder Tag ist deine Gabe und auch jede graue Nacht. 2. Danke, Herr! Ich will dir danken, weil du alle Menschen liebst, und weil du in deiner Liebe alles Böse uns vergibst. 3. Danke, Herr! Ich will dir danken, dass ich zu dir kommen kann. Du lässt niemand draußen stehen, sondern nimmst uns alle an. 4. Danke, Herr! Ich will dir danken, und ich weiß, du hörst mein Lied, denn du hörst und siehst ja alles, was in dieser Welt geschieht. Text: Johannes Jourdan, 1980 Musik: Karl Heinz Mertens, 1993 Quelle: *EG/ RWLR 687 1. Danke, Herr, für diese Nacht! Arbeit hat uns müd’ gemacht. Hilf, dass Gutes aus ihr wird’ für die Menschen, für die Erd’. 2. Gabst uns, Herr, das täglich Brot. Viele leiden Hunger, Not. Wehr dem Unrecht, wehr der Plag’, dass aus Nacht bald werde Tag. 3. Schenke, Herr, den Kranken Schlaf, allen auch, die Unglück traf. Mach uns morgen neu bereit, andern beizusteh’n im Leid. 4. Wache, Herr, wenn wir jetzt ruhn, leucht’ uns durch die Träume nun. Gib, dass morgen Arbeit find’t, die jetzt ohne Arbeit sind. 5. Mond und Sterne überall, ruhig kreist dein Erdenball. Lass ihn, Herr, auch weiterhin kreisen und lebendig blühn. Text: Kurt Marti Musik: Winfried Heurich Quelle: *Erdentöne-Himmelsklang 111; *Vom Leben singen 168 1. Dein Friede breitet sich nun über den Abend, du bringst das Wirken des Tages zur Ruh; und in der Stille redest du, nur du. 2. Dein Licht erleuchte uns, wenn alles Licht schwindet, dein Licht, das hell wie die Sonne erstrahlt und das im Dunkel uns dein Bildnis malt. 368 <?page no="383"?> 3. Und Liebe hüllt uns ein mit all unsren Fehlern und birgt uns sicher vor Sorgen und Angst. Dank, Herr, dass du von uns nicht weichst noch wankst. 4. Deine Barmherzigkeit, die hat noch kein Ende, sondern sie ist morgen früh wieder neu. So ruh’ ich froh in deiner großen Treu. Text: Jesus-Bruderschaft Gnadenthal Musik: Jesus-Bruderschaft Gnadenthal Quelle: *Preist unseren Gott 163 1. Der Abend kommt. Nun enden unsre Wege. Du Gott der Stille, deinen Frieden lege auf unser Haus und auf das dunkle Land und lass uns ruhn in deiner guten Hand. 2. Die Nacht ist tief. Sie hält das Herz gefangen. Wo wir auf dunklen Wegen irrgegangen, führ du uns selbst, dass neu dein Tag beginnt und wir von deinem Licht durchdrungen sind. 3. Die Nacht ist bang. Gib uns, dass Frieden werde. Sieh diese arme, leidzerrissene Erde! Du Gott des Friedens, ende allen Streit. Mach uns zu Friedensboten dieser Zeit. 4. Es kommt dein Morgen, Bleib mit deiner Güte bei allen Menschen. Schütze und behüte, was du erschaffen, bis dein Tag anbricht und wir dich schaun, dich und dein helles Licht. Text: Jörg Zink, 1991 Musik: H.-J. Hufeisen, 1991 Quelle: *EG/ Wü 673; *Gottesklang 30 1. Der Abend kommt und wir zu dir, der alles schafft und lenkt. Wir suchen Frieden und die Zier, die deine Güte schenkt. Bei Angst gib du uns Zuversicht, in der Nacht, die nun sich senkt, dass wir aufstehn erneut mit Christ, der Wahrheit ist und Licht. 2. Dem Vater stimmt ein Danklied an, der Quelle aller Ding, dem Sohn, der uns ganz zugetan am Kreuz von Anbeginn, gebt Lob und Preis dem Heil’gen Geist, Vollendung er uns bring, singt alle dem dreieinen Gott, ew’ge Heimat du uns seist. Text: Christoph Biskupek, 2003 Musik: Ralph Vaughan Williams († 1958) Quelle: *Kölner Chorbuch 11 Der Lärm verebbt [Text und Melodie siehe Seite 143] Text: Jürgen Henkys, 1987 nach dem Schwedischen „Nu sjunker bullret“ v. Lars Thunberg, 1973 Musik: schwedische Volksweise Quelle: *33 Lieder 119; *EG/ Be 676; *EG/ Ne 637 *Frühlicht erzählt von dir 45; *Gemeinsam unterwegs 10 369 <?page no="384"?> 1. Der Schatten deiner Flügel, er decke sanft mich zu. So kann ich dein frohlocken und finden meine Ruh. 2. Im Schatten deiner Flügel kann ich geborgen sein. Dann schlaf ich ohne Sorgen in Frieden mit dir ein. 3. Den Schatten deiner Flügel breit über mir sanft aus. So bin ich aufgenommen im großen Vaterhaus. Text: Barbara Cratzius Musik: Wilhelm Keller Quelle: *Kommt und singt 18 1. Der Tag begann, der Tag vergeht, vorbei ist seine Zeit, wenn gleich der Mond am Himmel steht, ist er Vergangenheit. Ref. Diese Nacht in Gottes Hand, legen wir in Gottes Hand. Diese Nacht, jede Nacht in Gottes Hand. 2. Wir danken dir für alles Glück, das du uns heut geschenkt. Jetzt nimmst du diesen Tag zurück, du der die Tage lenkt. 3. Wir danken dir für jedes Wort, das uns heut Mut gemacht. Verzeih uns, wenn wir hier und dort nur an uns selbst gedacht. 4. Wir bitten dich jetzt für die Nacht, dass wir geborgen sind und du auf alle hier gibst acht, bis neu dein Tag beginnt. Text: Rainer Haak Musik: Siegfried Fietz / Satz: David Plüss Quelle: *Sing mit uns 317 1. Der Tag geht müd’ von hinnen, kühl streicht der Wind durchs Tal, des Himmels blaues Linnen bestirnt sich allzumal. 2. Nun wollen wir noch singen das stille Abendlied. Es soll zum Schöpfer dringen, der uns so treu behüt. 3. Auch heut hast du gegeben uns unser täglich Brot und köstlich ew’ges Leben aus deinem Wort, o Gott. 4. Reiß uns aus allen Nächten, dass wir dein Sonn stets sehn. Hilf, dass wir Satans Listen stets siegreich widerstehn. 5. Ach, dass der ew’ge Morgen uns Armen bald erglüh! Senk deinen Gottesfrieden auf unsre Sorg und Müh. Text: Gerhard Fritzsche Musik: Johannes Petzold, 1984 Quelle: *Das junge Lied 34 370 <?page no="385"?> 1. Der Tag geht zu Ende, unsre Hände halten die Zeit nicht fest. In Ängsten und Sorgen sind wir geborgen, weil uns der Herr nicht verlässt. 2. Die Zeit, die vergangen, hält er umfangen. Er ist von Ewigkeit. Der Herr kann uns geben Zukunft und Leben. Wir sind nur Knechte der Zeit. 3. Was immer wir haben, alles sind Gaben, Gabe ist auch die Zeit. Was je mag geschehen, Kommen und Gehen, Ihm sei alles geweiht. Text: Harald Seredzun Musik: Harald Seredzun Quelle: *Klangträume 114 1. Der Tag geht zur Neige, die Nacht kommt herbei, Herr, lass uns das Leben bedenken. 2. Die Tage zerfließen das Leben vergeht. Herr, sag uns: Was bleibt denn bestehen? 3. Wir suchen den Sinn hinter Leben und Tun und finden, Herr, außer dir keinen. 4. Wir suchen die Liebe und merken dabei: Wir finden die Liebe beim Lieben. 5. Wir suchen den Frieden und finden ihn nicht. Wir bitten dich, Herr, gib uns Frieden. 6. Der Tag geht zur Neige, ein neuer Tag kommt. Du selbst, Herr, bist Ende und Anfang. Text: Kurt Rommel, 1967 Musik: Kurt Rommel, 1967 Quelle: *Sing mit IV 23 1. Der Tag hüllt sich in Dunkelheit und Nacht ins Leben sinkt. Wir Menschen spüren Hass und Streit, die Welt nach Atem ringt. 2. Der Löwe, der im Finstern schleicht, in uns und um uns her. Mach, Herr, dass er bald von uns weicht, nimm von uns, was zu schwer. 3. Nur du beherrschst das Grau’n der Nacht, bannst Unheil und Gefahr, der über alles Leben wacht, der Tag und Nacht gebar. 4. Bewahr die Welt mit deinem Segen, umfang uns treu und sacht. Lass gute Kräfte neu sich regen, du Schutz in unsrer Nacht. Text: Raymund Weber, 2003 Musik: Isaak Smith (+1805) Quelle: *Kölner Chorbuch 123 1. Der Tag ist am Ziel Hände handeln, Hände verwanden im Weltenspiel. Ref. Aus der Ruhe, aus der Ruhe, aus der Ruhe der Nacht wächst ein neuer Tag, wächst ein neuer Tag. 2. Die Liebe sieht weit. Herzen leben, Herzen vergeben im Fluss der Zeit. (Ref.) 371 <?page no="386"?> 3. Die Hoffnung hat Raum. Sorgen fassen, Sorgen entlassen, traue dem Traum. (Ref.) 4. Ein Stern zieht vorbei. Menschen wachen, Menschen erwachen, das Land wird frei. (Ref.) 5. Der Morgen wird wahr. Worte segnen, Worte begegnen, Zukunft ist da. (Ref.) Text: Hans-Jürgen Hufeisen, 1988 Musik: Hans-Jürgen Hufeisen, 1988 Quelle: *Der Singvogel 10 1. Der Tag ist um, die Nacht kehrt wieder, [Text siehe Synopse auf Seite 411] Text: Karl Albrecht Höppl, 1958 nach The da, Thou gavest, LORD, is ended v. John F. Ellerton, 1870 Musik: Gulliaume Franc, 1543 „O dass doch bald dein Feuer brennte“ (*EG 255) Quelle: *EG 490; *Feiern und loben 471 (mit Weise von C.C. Scholefield, 1874); *GL/ Eic 925; *Jesus - unsere Freude 657; *Menno 224; *Umkehr zum Leben 632 1. Der Tag ist um (II), die Nacht kehrt wieder, auch sie, o Herr, ist deine Zeit. Dich preisen unsre Morgenlieder, dir sei die Stille nun geweiht. 2. Wie über Länder, über Meere der Morgen ewig weiterzieht, tönt stets ein Lied zu deiner Ehre, dein Lob, vor dem der Schatten flieht. 3. Ist uns die Sonn zur Ruh gegangen, weckt sie die Menschen überm Meer, und stündlich neu wird angefangen ein Loblied, das dich preist, o Herr. 4. Du bist der Herr, dein Thron wird nimmer wie stolze Erdenmacht vergehn; dein Reich besteht und wächst noch immer, bis alle deine Herrschaft sehn. Text: Karl Albrecht Höppl, 1958 (Str. 1,2) Gertrud Hüssy, 1924 (Str. 3) Günter Balders, 1976 (Str. 4) nach „The day thou gavest, Lord, is ended“ v. John F. Ellerton, 1870 Musik: C.C. Scholefield, 1874 Quelle: *Feiern und loben 471 1. Der Tag ist zu Ende. Gott, dir in die Hände legen wir alles, was war. Vergib alles Böse, von Angst uns löse und schütz uns vor aller Gefahr. 2. Nimm an unser Bitten, Gott, du kannst behüten Freunde, die fern sind und nah. Hilf du allen Kranken und lass uns danken, für das, was heut geschah. Text: Günther Kretzschmar, 1965 Musik: Günther Kretzschmar, 1965 Quelle: *Leuchte, bunter Regenbogen 262 372 <?page no="387"?> KV Der Tag nun versinkt in Nacht, begräbt so manches Leid und Glück. Was Gutes und Böses geschah, lege ich in deine Hand zurück! 1. Die Menschen, sie kamen und gingen, verweilten und eilten davon. Im Strudel der hastenden Tage, da bliebst du der Pfeiler im Strom. (KV) 2. Die Sorgen sind düstere Wolken, die Jahre, sie häuften die Last. Die Einsamkeit senkt’ ihre Schatten, doch weiß ich, du hältst bei mir Rast! (KV) 3. Die Augen sind müde vom Sehen, zu viel hat das Leben erdacht, zu laut wurden Worte gewechselt, doch du hast das Schweigen gebracht! (KV) 4. So möchte ich warten und schweigen, bedenken, was alles geschah! Und danken! In Tagen und Nächten, mein Herr, allezeit bist du da! (KV) Text: Heinz Perne Musik: H. Wortmann Quelle: *Wir singen 103 1. Der Tag vergeht und kommt nie mehr zurück, nichts bleibt bestehn, nichts bleibt bestehn. Die Sonne sinkt und mancher Traum vom Glück wird bald vergehn, wird bald vergehn. Doch was du nimmst und was du gibst, bestätigt nur, dass du uns liebst, wenn wir dich, Herr, so oft auch nicht verstehn. Ref. Heute und morgen bin ich geborgen, wie auch die Zeit verrinnt. Hoffnung und Leben wirst du mir geben - Herr, denn ich bin dein Kind. 2. Der Abend kommt, die Zeit hält niemals ein, sie geht dahin, sie geht dahin. Still fragt die Nacht: „Wie wird das Ende sein? Was ist der Sinn, was ist der Sinn? “ Was man verdrängt und dennoch ahnt, ist Gottes Stimme, die uns mahnt. In seiner Hand ist Ende und Beginn. (Ref.) 3. Dein Blick wird blind, Nacht ist der Horizont. Es stockt dein Fuß, es stockt dein Fuß. Dann strahlt von dort wo Gott, der Vater, wohnt, ein Stern zum Gruß, ein Stern zum Gruß. Wer du auch bist, du bist sein Kind, und wer ihn anruft, der gewinnt, weil man ihm trauen darf und muss. (Ref.) Text: Johannes Jourdan Musik: Johannes Jourdan Quelle: *Feiert Jesus 250 1. Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen [Text siehe auf Seite 83 und in der Synopse auf Seite 411] Text: Gerhard Valentin, 1964 nach „The day, Thou gavest, LORD, is ended“ v. John F. Ellerton, 1870/ 71 Musik: Clement C. Scholefield, 1874 Quelle: *Auf und macht 736; *Christenlieder heute 171; *CG 317; *Eingestimmt 704; *EM 640; *Fürchte dich nicht 28; *GL/ Gr-S 974; *Gottesklang 40; *Jesus - unsere Freude 658; *KG 689; *Kumbaya 70; *Menno 220; *RG 605; *rise up 237 ; *Sing mit I 92; *Soldaten/ Ev. 17; *Thuma mina 210; *Unisono 133 373 <?page no="388"?> 1. Des Tages Glanz erloschen ist, die Nacht ihre Schatten sendet. Der du des Lichtes Ursprung bist, das alles Leben uns spendet: Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ! 2. Wir bergen uns in deiner Huld, wenn wir unsre Augen schließen. Bewahr vor Not, bewahr vor Schuld, die sich auf dich verließen. Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ! 3. So wollen wir morgen preisen dich für all dein gnädig Leiten und allzeit, jetzt und ewiglich dein Lob von Herzen ausbreiten. Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ! Text: Wilhelm Thomas, 1930/ 1952 nach Christenson Stehn († 1610) Musik: Dänisches Volkslied, 15. Jh. Quelle: *Auf und macht 737; *EG/ NB 636; *EG/ Ne 636; *Sing I 99; *Umkehr zum Leben 633; *Unisono 129 1. Die Nacht ist da, ich suche deine Nähe. Auch wenn ich dich nicht höre und nicht sehe, Gott, höre mich und sieh auf mich hernieder, tröste mich wieder. 2. Du bist gerecht und rettest meine Ehre, wenn ich mich einsam gegen Unrecht wehre. Dass Menschen wehtun und Verkehrtes sagen, hilf mir ertragen. 3. Du führst den Weg durch Wahrheit und durch Lüge. Gib, dass ich mich, Gott, deiner Führung füge. Du bringst ans Ziel durch Lachen und durch Weinen, alle die Deinen. 4. Schenk uns das Leuchten deines Angesichtes, bewahre uns die Freude dieses Lichtes. Mehr als das Glück, das Menschen je erreichten, zählt dieses Leuchten. 5. Du hast in Christus dich für mich entschieden. So liege ich und schlafe ganz mit Frieden. Denn du allein, was ich auch immer tue, bist meine Ruhe. Text: Detlef Block, 1986 nach Ps 4 Musik: Johann Crüger, 1640 Quelle: *EG/ Öst 642; *RG 4 1. Die Sonne sinkt ins Meer, der Abend dunkelt rasch. Ich lobe meinen Gott, er gibt uns Tag und Nacht, den Arbeitstag, den Traum, die Nacht. 2. Du guter Vater, wachst: Es sind die Kleinen dein weit in der Welt und hier. Ein Hoffnungsstern zieht auf, ein Stern zieht still am Himmel auf. 3. Gib, dass in dieser Nacht zersorgter Finsternis der Mut zu leben wächst, auch wo man dich vergisst, auf deiner Erde dich vergisst. 4. Komm, Nacht, bring Frieden mit, komm, Vater unser, komm, und rühr mit linder Hand des Lebens Wunde an, der Menschen Not und Wunde an. Text: Jürgen Henkys, 1996 374 <?page no="389"?> nach „Nu hverfur sol i haf“ v. Sigur Einarsson, 1980 Musik: Thorkell Sigurbjörnsson, 1983 Quelle: *Stimme 14 1. Die Sonne sinkt, es steigt die Nacht. Nun wird in Ruh der Tag bedacht. Ich sehe vor mich hingestellt, was ich versäumt hab und gefehlt. 2. Ich weiß mich in des Vaters Hand. Ich bin ihm als sein Kind bekannt. Und weil er mich in Christus liebt, er mir mein schuldhaft Tun vergibt. 3. Die Sonne sinkt, es steigt die Nacht. Nun wird in Ruh der Tag bedacht. Ich seh sein Werk und seh kein End. Ein andrer nimmt’s in seine Händ. 4. Gott, gib mir Kraft zu neuem Tag, dass ich mein Werk vollenden mag. Du gönnst mir Ruh. Ich schlafe ein. Ich traue, Vater, dir allein. Text: Kurt Rommel, 1967 Musik: Kurt Rommel, 1967 Quelle: *Sing mit IV 17 KV Diesen Tag, Herr, leg ich zurück in deine Hände, denn du gabst ihn mir. Du, Herr, bist der Zeiten Ursprung und ihr Ende, ich vertraue dir. 1. Kommen dunkle Schatten über die Welt, wenn die Angst zu leben mich plötzlich befällt: Du machst das Dunkel hell. (KV) 2. Ist mir heut gelungen, was ich mir erträumt? Und wer kann es zählen, was ich versäumt? Du nimmst die Schuld von mir. (KV) 3. Wie viel Worte blieben besser ungesagt? Wann hab ich gedankt und wie oft nur geklagt? Du weißt ja, wie ich bin. (KV) 4. Scheint mir auch das Leben oft ohne Sinn, frag ich mich auch manchmal: Wo führt es mich hin? Du kennst auch meinen Weg. (KV) Text: Martin Gotthard Schneider, 1967 Musik: Martin Gotthard Schneider, 1967 Quelle: *Auf und macht 738; *EG/ BEP 675; *EG/ Wü 671; *Neue Lieder der Gemeinde 82; *Kölner Chorbuch 133 1. Dieser Tag geht nun zu Ende, Herr, ich leg in deine Hände, was er mir gebracht, mein Gelingen, mein Versagen will ich nun zu dir tragen vor der langen Nacht. 2. Vieles wollte ich gewinnen, sah es mir zu nichts zerrinnen, suchte, irrte viel. Sammle mein zerstreutes Leben, du nur kannst ihm Richtung geben, führen es zum Ziel. 3. All mein Grübeln, all mein Denken kann mir keinen Frieden schenken, eh’ ich dich geseh’n. Lass mich deine Wahrheit schauen, deiner Gnade mich vertrauen und dein Wort versteh’n. 4. Mutlos bin ich und beklommen, was ich tat, war unvollkommen, 375 <?page no="390"?> lässt mir keine Ruh. Nimm es an, mein Tun und Lieben, und was Stückwerk mir geblieben, Herr, ergänze du. 5. Lass mich doch nach all dem Treiben, Herr, in deiner Stille bleiben, nun sich neigt der Tag, dass ich neu gestärkt am Morgen was zu tun ist kann besorgen, wie ich es vermag. 6. Der du mich an all den Tagen hast begleitet und getragen, mich vergessen nicht, wenn des Todes Nacht und Ende mich beschattet, Herr, dann sende mir dein Heil und Licht. Text: Gerburg Tsekouras, o.J. Musik: Gerburg Tsekouras, o.J. Quelle: *Frankfurter Werkstatt VIII 15 1. Du hast die kalte Nacht berührt, schlugst das Licht aus der Dunkelheit wie Wasser aus dem Felsen. 2. Lass mich an deiner Quelle ruhn, die Zeit weiß ich zu schätzen als keine verlorne. 3. Ich brauch dort nicht mich an Traumgespinste gefangen geben. Du lässt mich schlafen. 4. Du lässt kommen jenen Tag, da ich fröhlich mein Frühstück nehm, wie neugeboren. 5. Ich kann in dir geborgen sein. Was mich fesselte, fällt von mir wie Steine vom Herzen. 6. Und wenn ein Teil von mir in ew’ge Nacht taucht, strahlt umso heller, was uns verbindet. 7. Denn du vergisst nicht, was du schufst. Was du in deinem Herzen trägst, geht nicht verloren. Text: Alexander Bayer, o.J. Musik: Alexander Bayer, o.J. Quelle: *Nacht-Wandler 151 Du lässt den Tag, o Gott, nun enden [Text siehe Synopse auf Seite 83] Text: Raymund Weber, 1989 nach The day, Thou gavest, LORD, is ended v. John Ellerton, 1870/ 71 Musik: Clement C. Scholefield, 1874 Quelle: *Erdentöne-Himmelsklang 283; *Gemeinsam unterwegs 17; *GL/ In-F/ F 199; *GL/ Mü-F 981; *GL/ Sal 089; *Kölner Chorbuch 124; *Morgenlob-Abendlob/ Fasten-Ostern 41; *Nacht-Wandler 220 ; *Soldaten/ Kath. 279; *Unterwegs 207; *Wie im Himmel 180 1. Du Stern meiner Nacht, gehst dort am Himmel auf, schweigst und beendest sacht, meinen Tageslauf. 2. Seit suchend ich dich traf und Frieden in dir fand, kann trauen ich dem Schlaf und deiner guten Hand. 376 <?page no="391"?> 3. Höre mein Beten drum! Ich weiß, du bist nicht fern. Wenn meine Zeit ist um, sei du mein Morgenstern! Text: Winfried Pilz, 1988 Musik: aus Polen Quelle: *Dies & das 106 1. Dunkel sind alle Straßen dieser Stadt, nur noch ein Fenster leuchtet matt. Dort schläft ein Kranker vor Schmerzen nicht ein, die Nacht wird lang für ihn sein. Ref. |: Segne, o Herr, alle die nicht Ruhe finden, wenn der neue Tag beginnt, sie wieder glücklich sind. : | 2. Irgendwo brennt ein kleines, schwaches Licht und eine Mutter ruhet nicht. Bei ihrem kranken Kinde wacht, und lange dauert die Nacht. (Ref.) 3. Leuchtet ein Fenster in die Nacht hinaus: Dort weiß ein Mensch nicht ein noch aus, weil er verlassen und einsam nun ist, die Trennung nicht vergisst. (Ref.) 4. Durch ein Kellerfenster dringt ein Licht, lärmende Stimmen verstummen nicht. Dort sitzen sie bei Whisky und Wein und bleiben doch allein. (Ref.) 5. Dort, wo der Kirchturm hoch zum Himmel ragt, tröstend ein Licht uns Menschen sagt: Hier wohnt bei euch der Herr aller Welt, der jede Nacht erhellt. (Ref.) Text: H. Bergmann Musik: H. Wortmann Quelle: *Troubadour 277; *Wir singen 105 1. Dunkel wird es wieder. Eh die Angst erwacht, steigt ihr Abendlieder, zu dem Herrn der Nacht. 2. Bruder, leg die Hände über meine Schuld, eh die Sonn sich wende, üb an mir Geduld. 3. Bruder aller Brüder, Schild und Schwert der Wacht, birg uns deine Glieder, tief in deiner Macht. 4. Ob uns Streit gebunden, ob uns Hass verheert, haben deine Wunden unser Heil begehrt. 5. Nimm des Tages Sorgen, lindre Angst und Not, gib zum letzten Morgen Leben ohne Tod. Text: Gottfried Schille, 1967 Musik: Theophil Rothenburg, 1967 Quelle: * Hoffnung ist da 259 1. Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I), er kam aus deiner Hand. Er ist mit Freude, Last und Leid gefüllt bis an den Rand. So geben wir ihn dir zurück und mit ihm unser Sein. Du schließt uns ganz, so wie wir sind, in deine Liebe ein. 2. Und jeder Tag, den du uns schenkst, er kommt und geht dahin. Dass er ein Stück des Weges sei, das ist in deinem Sinn. Wir haben Freiheit, ihn mit Dir und Deiner Kraft zu gehn, auch wenn wir Deine Wege, Herr, im Dunkel nicht verstehn. 377 <?page no="392"?> 3. Du bist das Licht, Du bist der Weg, Du bist, oh Gott, der Tag, an dem uns allen einst Dein Glanz bei Dir erstrahlen mag. Dann weicht die Nacht dem Sonnenlicht, das ew’gen Tag verheißt. Drum gib Du jedem neuen Tag in Liebe deinen Geist. 4. =1. Text: Kathi Stimmer-Salzeder Musik: Kathi Stimmer-Salzeder Quelle: *Lied der Hoffnung 2, 100. Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II) [Text und Melodie siehe Seite 103] Text: Kathi Stimmer-Salzeder (Str. 1) A. Spinrath (Str. 2-4) Musik: Heinz Martin Lonquich Quelle: *Gemeinsam unterwegs 20 1. Ein Tag ist vorüber, ein Tag meiner Zeit geliehene Stunden, begrenzt und doch weit für Wünsche und Wagnis, für Handeln und Sein. Hab Dank für den Tag, Herr, hab Dank für den Tag. 2. Ein Tag ist vorüber, ein Tag meiner Schuld. Du hast mich getragen in deiner Geduld. Verzeih mir die Wege der eigenen Wahl. Nur dein Weg war hell, auch im finsteren Tal. 3. Ein Tag ist vorüber, ein neuer wird sein, wenn du ihn mir schenkst, Herr, denn du nur allein wachst in meinen Nächten und wehrst aller Angst. Nur dir zu vertrauen, ist, was du verlangst. 4. Ein Tag ist vorüber, ein Tag dieser Welt, durch Krankheit und Hunger und Habsucht entstellt. Dein Tag, Herr, will kommen und enden das Leid, der Tag deines Reiches, der Tag Ewigkeit. Text: Günter Balders, 1985 Musik: Christian Lahusen, 1949 Quelle: *Feiern und loben 473 1. Eine kleine helle Weise durch die Abendstille weht und zum Herren steiget leise nun mein Dank und mein Gebet. Ref. Müde kehr ich heim und kehre heim zu dir. Alles lasse ich zurück und find bei dir mein Glück. 2. Ohne Ziel sind alle Straßen; trotz der Lichter sind sie Nacht. Viele Brüder gehen verlassen. Doch auch sie der Herr bewacht. (Ref.) 3. Tröste unsre kranken Brüder, wehr der Sünde jeden Raum. Schenk den Frohen bunte Lieder und den Kindern einen Traum. (Ref.) 4. Wenn die Lampen nun verblassen, lass mir leuchten, Herr, dein Licht. Alles wird mich einst verlassen, einzig deine Liebe nicht. (Ref.) Text: H. Wrobel Musik: H. Wrobel Quelle: *Troubadour 413 1. Es bleibt dabei: Der Mond geht auf, auch über deinem Tageslauf. Du sollst zur Ruhe kommen. Es hat der Mond kein eignes Licht, 378 <?page no="393"?> die Sonne scheint ihm ins Gesicht, so will es uns erscheinen. 2. Es bleibt dabei: Die Welt ist rund, du liefest dir die Füße wund, um Lohn und Brot zu finden. Die Wege der Gerechtigkeit sind hart und schmerzlich hier zur Zeit, das haben wir erfahren. 3. Es bleibt dabei: Die Nacht vergeht, weil sich der Erdball weiter dreht im Kreislauf der Planeten. Was war, das ist, das lässt sich sehn, wird in Erinnerung auferstehn, das lässt sich nicht verdrängen. 4. Es bleibt dabei: Eins kommt hinzu, der ferne Nächste ist wie du, das musst du fühlen lernen. Er hat wie du, kein andres Haus, die Erde hält uns alle aus, geb’s Gott, das es so bleibe. 5. Es bleibt dabei: Ein Abendlied legt sich auf das Augenlid auf alles, was du sahest, auf alles auch, was du gehört, auf alles, was dich je betört, du sollst zur Ruhe kommen. Text: Armin Juhre Musik: Winfried Heurich Quelle: *Nacht-Wandler 37 1. Es ist spät geworden, der Tag verklingt. Es wird dunkel und die Nacht beginnt. Frieden senkt sich über Wald und Feld. Herr, sie geht zur Ruhe, deine Welt. Ref. Bleibe bei uns! Bleibe bei uns! Es will Abend werden, bleibe bei uns! Bleibe bei uns! Bleibe bei uns! Es wird Nacht auf Erden! Du bleibst bei uns! 2 Doch nicht alle schlafen jetzt friedlich ein. Viele Menschen werden hungrig sein; und sie wollen leben, wollen Brot. Herr, sieh auf das Elend, sieh die Not! (Ref.) 3 Und in unsren Städten herrscht Einsamkeit; zwischen Lärm und Lachen wohnt das Leid. Weinend liegen Menschen lange wach, weil alle ihre Hoffnung längst zerbrach. (Ref.) 4 Du kennst unsre Erde, du kennst den Krieg. Völker kaufen Waffen für den Sieg. Bomben und Raketen stehn bereit. Herr, wie lange gibst du uns noch Zeit? (Ref.) 5 Über alle Traurigkeit der Welt hast du deinen großen Plan gestellt; deine helle Zukunft bricht bald an. Danke, dass ich daran glauben kann. (Ref.) Ref. n. Du bleibst bei uns! Du bleibst bei uns! 5.Str. Denn dein Tag wird kommen. Du bleibst bei uns! Du bleibst bei uns! Du bleibst bei uns! Du wirst wiederkommen. Du bleibst bei uns! Text: unbek. Musik: unbek. Quelle: *Nacht-Wandler 213 379 <?page no="394"?> 1. Es wird Abend, schlafen geht die Welt und das Dunkel senkt sich auf das Feld. Der Nebel in den Tälern, die Stille in den Wäldern, alles ist auf Frieden eingestellt. 2a. Doch der Mensch geht friedlos durch die Zeit. Er will lieben und lebt doch im Streit. Mit Hass, Neid und Empörung, Gewalt, Krieg und Zerstörung, schlägt er Wunden und bringt großes Leid. 2b. Und doch täuscht die Stille dieser Zeit. Wo wir Menschen leben, gibt es Streit. Wir sehnen uns nach Frieden, versprechen uns zu lieben, doch trotz Mühen kommen wir nicht weit. 3. Tiefer Friede, der die Herzen lenkt, wird uns nicht von außen aufgedrängt. Gott ließ am Kreuz sein Leben, dort hat er uns vergeben, Gottes Friede wird uns dort geschenkt. 4. Nun umgibt uns schon die Dunkelheit. Lichter flammen auf und leuchten weit. Zünd an in unseren Herzen, Herr, deine Friedenskerzen, lass uns leuchten, bis dein Tag erscheint. Text: Peter Strauch, 1985 (Str. 2b: 2002) Musik: Peter Strauch, 1985 Quelle: *Feiern und loben 479 (mit Str. 2b); *Singt mit uns 309 (mit Str. 2a) 1. Freunde, gut Nacht, gute Nacht! Gott sieht euch an, der die Welt bewacht. |: Schlaft bald ein, ruhet fein, gut sollen all eure Träume sein. : | 2. Freunde, gut Nacht, gute Nacht! Gott sieht uns an, der die Welt bewacht |: Gebt ihm Angst und Schuld, er nimmt es alles in seine Huld. : | 3. Freunde, gut Nacht, gute Nacht! Gott sieht euch an, der die Welt bewacht. |: Schlaft bald ein, ruhet fein, fröhlich soll euer Erwachen sein. : | Text: Elisabeth Achtnich Musik: Aus Böhmen Quelle: *Sing mit I 101 1. Geborgen in Dir, Gott, atme ich ein, schöpfe ich Hoffnung aus Brot und Wein. Geborgen in dir, Gott, lasse ich los und liege sicher in Mutters Schoß. |: Geborgen in dir, Gott, ruhe ich aus, bin ich zufrieden, bei dir zuhaus.: | 2. Gerufen von dir, Gott, horche ich hin, sinne ich nach, wer ich wohl bin. Gerufen von dir, Gott bin ich genannt bei meinem Namen in deiner Hand. Gerufen von dir, Gott sage ich ja, durch dich ganz einmalig bin ich da. 3. Gerufen von dir, Gott, wache ich auf, beginne ich tastend den Tageslauf. Gerufen von dir, Gott, stehe ich fest, gehe und lebe, weil du mich lässt. Gerufen von dir, Gott, schlafe ich ein an jedem Abend, denn ich bin dein. Text: Eckart Bücken (Str. 1) Raymund Weber (Str. 2,3) Musik: Christoph Lehmann Quelle: *Unterwegs 210 380 <?page no="395"?> Gehe ein in deinen Frieden! [Text und Melodie siehe Seite 115] Text: Helmut König (Str. 1) Christian Heuser (Str. 2), 1966 Musik: aus Israel Quelle: *Auf und macht 739; *EG 489; *Eingestimmt 701; *EM 636; *Jubelt nicht unbedacht 408; *Leuchte, bunter Regenbogen 264; *Neue Lieder der Gemeinde 83 1. Geht der Tag ganz leis zu Ende, kommt die lange, finstre Nacht, falten wir nun unsre Hände, bitten, dass uns Gott bewacht. 2. Dass er gnädig uns verzeihe, wo das Herz ihm untreu war. Lieber Vater, mir verleihe, dass mein Herz sei hell und wahr. 3. Wolltest uns heut Nacht behüten durch der heiligen Engel Wacht; schenke unsrer Welt den Frieden, gib auf alle Menschen Acht. Text: Jörg Erb Musik: Rolf Schweizer, 1981 Quelle: *EG 688; *Singt und dankt 732 1. Gott, segne unser Wandern durch Straßen und durch Nacht! Die Woche will zur andern, komm du und halte Wacht! Es gehen alle Stunden auf deinen Sonntag zu. Herr, schließe du die Wunden und bring die Welt zur Ruh! 2. Sei du bei Freund und Deinen und kehr auch bei mir ein! Erquicke die Gemeinden mit Wort und Brot und Wein! Komm zu den müden Seelen. Und wer nicht beten mag, den woll’n wir dir befehlen: Hilf ihm zu deinem Tag! Text: Helga Rusche Musik: Gerhard von Schwartz, 1946 Quelle: *Das junge Lied 40 KV Gott, vollende das gute Werk, das heut begonnen hat. Was zerbrochen, werde heil. Schenk in der Nacht die neue Kraft, sich zu erheben in dir. 1. Nun lässt du die dir dienen, wie du verheißen hast, gelassen ruhen, denn unsre Augen haben die Kraft gesehn, die du in guter Aussaat bereitet hast. (KV) Text: Alexander Bayer Musik: Alexander Bayer Quelle: *Nacht-Wandler 6.3 1. Gott, wertes Licht, hab uns in Acht! Nach kurzer Sicht kommt lange Nacht, karg ist der Glanz bemessen. Eh heut noch starb, ward Morgen schon, es ist, als flögen wir davon, wollt’s nicht vergessen. 381 <?page no="396"?> 2. Die bunte Blum, das blanke Kraut, hat ihren Ruhm und preiset laut den Meister, der sie kleide. Es kommt ein Tag und kommt geschwind, da Blum und Gras gefallen sind auf grüner Heide. 3. Die Jugend hält voll Stolz und Pracht und wähnt die Welt für sich gemacht; doch Welt hat andre Sinnen. Sie nimmt uns mit ein kurzes Stück und lässt uns dann am Weg zurück und fährt von hinnen. 4. Gott, ewig Licht in Ewigkeit, verlass uns nicht zur späten Zeit: Das Licht blickt als verhohlen. O Welt, die tief im Abend steht, bevor dich Gottes Sturm verweht, sei Gott befohlen! Text: Rudolf Alexander Schröder (geb. 1878) Musik: Heinrich Rohr, 1950 Quelle: *Altenberger Singebuch 27 1. Gute Nacht! Gute Nacht! Nacht kommt jetzt gegangen. Gute Nacht! Gute Nacht! Nacht nimmt uns gefangen, wirft die langen Schatten hin, über Auge, über Sinn. Unsre Herzen bangen. 2. Gute Nacht! Viel gedacht haben wir am Tage. Gute Nacht! Viel gedacht über mancher Frage. Und die offne Frage geht mit uns durch das Nachtgebet in die neuen Tage. 3. Gute Nacht! Viel gelacht! Grund war uns gegeben Gute Nacht! Viel gelacht! Dank, Herr, für dies Leben, für die nette Kleinigkeit, für den Gruß, das Brot, die Zeit, für die Kraft zum Geben. 4. Gute Nacht! „Werk vollbracht! “ wollen wir gern sagen. Gute Nacht! „Werk vollbracht! “ In den letzten Tagen sprich dies Wort ob unserm Tun. Lass und so getröstet ruhn, neues Tagwerk wagen. 5. Gute Nacht! Gute Nacht! Nacht kommt jetzt gegangen. Gute Nacht! Gute Nacht! Nacht nimmt uns gefangen. Geh uns, Herr, nicht aus dem Sinn. Deine Nähe ist Gewinn! Lass uns heimgelangen. Text: Kurt Rommel, 1967 Musik: Alfred Hans Zoller, 1967 Quelle: *Sing mit IV 22 1. Guter Gott, ich danke dir für den Tag und was jetzt noch kommen mag. In der Nacht, die sich über deine Erde senkt und die Mensch und Tier, den Blumen und auch mir Schlaf schenkt, in der Nacht, die sich über deine Erde senkt, halte Wacht. Gut’ Nacht. Text: Gregor Linßen 382 <?page no="397"?> Musik: Gregor Linßen Quelle: *Krass Konkret Katholisch 185 1. Herr, am Ende dieses Tages komme ich zu mir. Meinen Dank und meine Bitten bringe ich zu dir. 2. Vieles, was ich schaffen wollte, habe ich geschafft. Gib mir für mein Tagwerk morgen wieder neue Kraft. 3. Manche Fragen und Probleme haben mich blockiert. Hilf mir, einen Weg zu sehen, der mich weiter führt. 4. Weil ich heute schuldig wurde, bitt ich dich: Vergib alles, was ich dir und Menschen heute schuldig blieb. 5. Herr, ich hab dir meine Sorgen an dein Herz gelegt. Sorg für mich und bring zu Ruhe, was mein Herz bewegt. 6. Dieser Tag wie alle Tage kam und geht so bald. Heute und am Lebensende bleib mein fester Halt. Text: Jörg Swoboda, 2001 Musik: Jörg Swoboda, 2001 Quelle: *Feiern und loben 480; *Unser Liederbuch 426 KV Herr, bleib bei uns, sei unser Licht, sei unser Feuer, wenn es dunkel ist. In Worten fassen wir dich nicht, der du uns Ziel und Leben bist. 1. Wie Licht im Dunkel ist die Liebe Gottes, wie Feuer in der kalten Nacht. Wie Morgendämmerung und warmer Regen |: und wie ein Mensch, der unbekümmert lacht.: | 2. Wie warmer Sonnenschein ist seine Liebe, wie Brot, das man einander reicht, wie Freude, die man seinen Freunden mitteilt, |: wie eine Kraft, die alle Grenzen streicht.: | 3. Wie neuer Mut, wenn alles uns so schwer fällt, wie Wege, die wir mit ihm gehen, ein Schiff, das trägt uns über alle Meere, |: wenn wir in seinem Geist zusammenstehn.: | Text: Kathi Stimmer-Salzeder, 1989 Musik: Kathi Stimmer-Salzeder, 1989 Quelle: *Lied der Hoffnung 2 KV Herr, bleib bei uns in dieser Zeit, Herr, behüte uns für die Ewigkeit. 1. Herr, o schenk uns Stille, denn der Abend naht. Herr, es ist dein Wille, denn die Zeit ist Gnad. (KV) 2. Herr, ach bleib doch bei uns heut in dieser Nacht. Herr, halt du allein gut über uns Wacht. (KV) Text: Hans Kurt Ebert Musik: Hans Kurt Ebert Quelle: *Troubadour 15 1. Herr, bleibe bei uns in der Nacht bis wir den Morgen loben, im Haus aus Brot der Tag erwacht dein Friede bei uns aufgehoben. 2. Komm uns entgegen in der Nacht, die Angst zu überwinden! Wo wir dein Haus zum Grab gemacht, lass Wohnung uns und Ausweg finden! 3. Herr, suche du uns in der Nacht, wenn wir den Blick verloren! Wo Steine uns den Tod gebracht, sei Brot, du, Leben neu geboren! Text: Klaus Lüchtefeld Musik: Heinz-Martin Lonquich 383 <?page no="398"?> Quelle: *AK Singles 96; *Ein neuer Anfang 77; *Kehrt um 156; *Krass-Konkret-Katholisch 190 auch unter dem Titel „Im Haus aus Brot (Abendlied)“ veröffentlicht. 1. Heut war ein schöner Tag. Die Sonne hat mich müd’ gemacht. Ich hab gespielt, ich hab gelacht. Drum ich dankbar sag: Heut war ein schöner Tag. 2. Wie schön ist diese Welt: Der dunkle Wald auf Bergeshöh’, das stille Tal, der lichte See, und was mir sonst gefällt. Wie schön ist diese Welt. 3. Du, Herr, kennst auch das Leid, das eins dem andern zugefügt, wenn man sich hasst, verletzt, bekriegt in dieser Welt voll Streit. Du, Herr, kennst auch das Leid. 4. Lass mich das Nöt’ge tun dass ich das Glück, von dem ich leb, an andre Menschen weitergeb. Die Liebe darf nicht ruhn. Lass mich das Nöt’ge tun. 5. Gib eine gute Nacht, dass jedem, der noch sorgt und weint, wenn er erwacht, die Sonne scheint. Du hast ja auf uns Acht. Gib eine gute Nacht. Text: Martin Gotthard Schneider Musik: Martin Gotthard Schneider Quelle: *Auf und macht 742 *Leuchte, bunter Regenbogen 260 Hüll mich ganz in deine Ruhe ein. [Text und Melodie siehe Seite 125] Text: Jörg Swoboda, 1971 Musik: Jörg Swoboda, 1971 Quelle: b: *Der Herr ist mein Lied 19 a: *Hoffnung ist da 273 1. Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht: Behüt mich auch in dieser Nacht, dass ich in Frieden schlafen mag; stärk mich zu einem neuen Tag. 2. Wollst mir vergeben meine Schuld, den Streit und alle Ungeduld. Dir ist mein ganzes Herz bekannt; Herr, halte es in deiner Hand. 3. Bleib bei mir, da es Abend wird; behüte mich, du guter Hirt, und send mir aus des Himmels Schar den Engel, der mich wohl bewahr. Text: Sigisbert Kraft, 1982 nach dem Abendsegen von Georg Klee, 1552 Musik: Johann Crüger, 1640 Quelle: *CG 322; *Leuchte, bunter Regenbogen 265; *RG 620 1. Ich leg den Tag getrost aus meinen Händen und weiß mich ganz in dem, der mich einst schuf, geborgen. 2. Ich weiß die Nacht und alle dunklen Mächte von Gottes Licht und Lieb wie eh und je umschlossen. 3. Herr, gib mir Zeit und Ruh und Schlaf bis morgen und lass mich dann mit Mut den neuen Tag beginnen. 384 <?page no="399"?> Text: Kurt Rommel, 1966 Musik: Kurt Rommel, 1966 Quelle: *Sing mit IV 21 1. Ich liege, Herr, in deiner Hut [Text und Melodie siehe Seite 160] Text: Jochen Klepper, 1938 Musik (1) Fritz Werner, 1951 (2) Willy Burkhard, 1939/ 41 (3) Hans Schmidt-Mannheim, 1964 Quelle: (1) *Christenlieder heute 166; *EG 486; *EM 637; *Feiern und loben 637; *Jesus - unsere Freude 662; *Singt und dankt 733; *Soldaten/ Ev. 15; (dort mit den Str. 1,4,5,9-11); *Umkehr zum Leben 631 (2) *CG 324; *RG 622 (3) *Auf und macht 733 1. In abendstillen Zweigen verklingt der Amselschlag. Wir hören, steh’n und schweigen, geben uns dir zu eigen. Voll Mühe war der Tag. 2. Wir fürchten das Verderben. Am Himmel glüht ein Brand. Wenn Menschenreiche fallen, wenn Menschenwerk in Scherben fällt, lass uns deine Hand. 3. Dein ist der Gang der Zeiten. Dein ist die Mitternacht. Durch alle Bangigkeiten wollst du hindurchgeleiten, bis wir zum Tag erwacht. Text: Jörg Zink Musik: Hans-Jürgen Hufeisen, 1991 Quelle: *Der Singvogel 16 1. In die Federn! Gut’ Nacht! Gib auf die Augen acht. Den Computer ausgemacht. Du brauchst Schlaf und neue Kraft. |: Triffst du Gott heute Nacht, grüß ihn wieder von mir! : | Text: Alexander Bayer Musik: Johannes Brahms Quelle: *Nacht-Wandler 307 1. In warmem Licht durch diese Nacht. Wir haben’s nicht zu hell gemacht. Das Licht der Kliniken ist Licht, das Licht der Müden Zuversicht. 2. Ihr Glanz durchbricht die matte Nacht, schiebt Riegel vor die Ohnmacht und setzt hinter „Heute“ einen Punkt, vertraut des Morgens Farbenpracht. 3. Was uns festhält, lassen wir los, wir fallen tief in Gottes Schoß. Gott gab uns einen Geist, der nimmt uns mit zu seinem Tisch. Bestimmt. Text: Alexander Bayer Musik: Frankfurt, 1557 Quelle: *Nacht-Wandler 16 1. Jeden Abend bete ich: Herr, vergib mir meine Schuld! Und ich lade meine Lasten ab in Gottes Lieb und Huld. 385 <?page no="400"?> 2. Jeden Abend bete ich: Herr, es fehlte mir an Zeit. Und ich werfe all mein Hasten auf Gottes Barmherzigkeit. 3. Jeden Abend bete ich: Herr, vergib mir meinen Hass. Denn ich weiß, dass Gottes Gnade wirket ohne Unterlass. 4. Jeden Abend bete ich: Herr, ich danke für dein Wort, und ich bitte dich, du wollest mir’s erhalten immerfort. 5. Jeden Abend bete ich: Herr, vergib auch meinem Feind, und bewege doch sein Wollen, bis uns deine Liebe eint. 6. Jeden Abend bete ich: Herr, den Kranken hilfst nur du. Und erbarme dich beim Sterben, gib uns ewigliche Ruh. 7. Jeden Abend bete ich: Herr, vergib das Sorgen mir! Wenn ich morgen neu erwache, lass mich fröhlich sein in dir. 8. Jeden Abend bete ich: Herr, komm bald und richte auf deine Herrschaft voller Gnaden und vollende meinen Lauf. Text: Gottfried Hänisch, 1967 Musik: Volker Ochs, 1973 Quelle: *Hoffnung ist da 264 1. Komm, der unsre Fragen schweigt, Pilgrim, werter Gast, halte weil der Tag sich neigt, in der Herberg’ Rast. 2. Bleib und mach die Herzen still, der die Herzen schaut, weiß kein Herz doch, was es will, eh’ sich’s dir vertraut. 3. Weiß nicht eins, was ihm gebricht, oder was ihm frommt, kennt sich in der Fremde nicht, wenn der Abend kommt. 4. Rede, Meister, und erklär’ unserm Fuß die Bahn, lehr uns wandeln auf dem Meer, wie du selbst getan. 5. Lehr uns werben, wie du warbst, ringen, wie du rangst, und wo du in Ängsten starbst, sterben unsre Angst. 6. Seg’n und brich uns unser Brot, Herr, und lass dich sehn, wo wir zwischen Tod und Tod als die Blinden stehn. 7. Unser Müh’n und unsre Macht zahlt den Zoll der Welt. Doch du sprangest in die Schlacht und gewannst das Feld. 8. Und nun wacht und trotzt dem Neid, wer dich hält und hegt, wenn der Feind zur argen Zeit seine Schlingen legt. 9. Dunkel ward’s die Welt schläft ein; gönn uns dein Gesicht; und die Nacht wird Morgen sein und der Abend Licht. Text: Jochen Klepper, 1935 Musik: F. Samuel Rothenburg Quelle: *Songs junger Christen 158 1. Komm, Herr, komm in der Nacht! Unsre Hände sind müde geworden vom Werken. Bring uns den Schlaf, bring uns den Schlaf und unsre Müdigkeit |: wird sich wandeln in Kraft. : | 386 <?page no="401"?> 2. Komm, Herr, komm in der Nacht! Unsre Augen sind starr geworden vom Schauen. Bring uns den Traum, bring uns den Traum und unsre Starre |: wird sich wandeln in Phantasie. : | 3. Komm, Herr, komm in der Nacht! Unsre Ohren sind taub geworden vom Lärmen. Bring uns die Stille, bring uns die Stille und die Betäubung |: wird sich wandeln in Staunen. : | 4. Komm, Herr, komm in der Nacht! Unsre Sinne sind stumpf geworden vom Lärmen. Bring uns die Ruhe, bring uns die Ruhe, und unsre Stumpfheit |: wird sich wandeln in Schärfe. : | 5. Komm, Herr, komm in der Nacht! Unsre Füße sind lahm geworden vom Hasten. Bring uns die Rast, bring uns die Rast, und unsre Lähmung |: wird sich wandeln zum Springen. : | Text: Alois Albrecht Musik: Peter Janssens Quelle: *Nacht-Wandler 35 1. Leis der Wind im Abend weht, Sonne will schon sinken, blasser Mond am Himmel steht, bald die Sterne blinken. Aus dem Wald kommt still die Nacht, Mensch und Tier entschlafen sacht: Gott im Himmel wacht! 2. Birg die Welt, o guter Gott, stark in deinen Händen. Gib den Hungernden ihr Brot, lass die Schmerzen enden. Tröste alle, die in Not, hilf den Sterbenden im Tod, gib uns Frieden, Gott! Text: Maria Luise Thurmair, 1969/ 1973 nach einem Ungarischen Lied Musik: aus Ungarn Quelle: *Hoffnung ist da 263 *Leuchte, bunter Regenbogen 257 1. Lieber Gott, nun schlaf ich ein. Schicke mir ein Engelein, dass es treulich bei mir wacht, in der langen, dunklen Nacht. 2. Schütze alle, die ich lieb. Alles Böse mir vergib. Kommt der helle Morgenschein, lass mich wieder fröhlich sein. Text: Lotte Koch, 1964 Musik: Richard Rudolf Klein, 1964 Quelle: *Leuchte, bunter Regenbogen 255 1. Meine Hände dürfen müde sein und meine Augen schwer. In mir brauch keine Angst zu sein, ich sei so schwach und leer. Ref. Du trägst ja auch mein Müdesein an dieses Tages Last und schließt mich in die Liebe ein, die Du erlitten hast. 387 <?page no="402"?> 2. Meine Worte dürfen einfach sein und meine Liebe leis’. In mir braucht keine Angst zu sein, dass ich nicht weiter weiß. (Ref.) 3. Mein Atem darf ganz ruhig gehn, bis ich ihn tiefer spür’. In mir braucht keine Angst zu sein, ich sei zu eng dafür. (Ref.) Text: Kathi Stimmer-Salzeder, 1990 Musik: Kathi Stimmer-Salzeder, 1990 Quelle: *Lied der Hoffnung 3 167 1. Mir fallen schon die Augen zu. Mit meinem Gott geh ich zur Ruh’ und freue mich auf morgen. Ich will mich mühn, ganz neu zu sehn mit ausgeschlafnen Augen. 2. Ich schicke fliegen, baden, ruhn, mein müdes Häufchen Seele nun. Sie ließ sich viel gefallen, vom Leib, dem Zar, der müde war, und doch regieren wollte. 3. Ich lass in Frieden meinen Leib Karriere machen im Zeitvertreib. Ich schenk mir so Bereitschaft, vom Nächsten, der als Engel kommt, mich aufwecken zu lassen. Text: Alexander Bayer Musik: Leipzig, 1581 Quelle: *Nacht-Wandler 312 1. Nach des Tages Last suchen wir Ruhe in dir. Du, Herr Jesus, hast den wahren Frieden bei dir. Du warst mit uns diesen Tag, hast uns gesegnet ohne Ende. Alle Arbeit, Freud und Klag legen wir jetzt in deine Hände. 2. Du sahst unser Tun, o Herr, du hast es erfüllt, lässt uns in dir ruhn, von deinem Segen umhüllt. Herr, wir geben dir zurück den ganzen Tag mit seinen Mühen. Du allein bist unser Glück, willst uns durch alles zu dir ziehen. 3. Nach des Tages Last finden wir Ruhe in dir. Du, Herr, schenkst uns Rast und tiefen Frieden mit dir. Du allein bist unser Ziel, darum erheben wir die Hände: Deine Gnade, deine Treu lass uns anbeten ohne Ende! Text: Kommunität Gnadenthal, 1978 Musik: Kommunität Gnadenthal, 1978 Quelle: *Freut euch mit uns 861 1. Nacht kommt über unser Land, Schatten werden lang. Herr des Lichts, weich nicht von uns, so wie unser Schatten. 2. Nacht herrscht über unserm Land, Kühle macht sich breit. 388 <?page no="403"?> Herr, du heißt uns nahe sein Hungrigen und Satten. 3. Nacht bleibt nicht in unserm Land. Morgen wird es hell. Treib uns, Herr, aus unserem Sinn, dass wir Sorgen hatten. 4. Nacht entflieht aus unserm Land! Gib uns neuen Mut! Herr des Lichts, weich nicht von uns so wie unser Schatten. Text: Kurt Rommel, 1967 Musik: Herbert Beuerle, 1971 Quelle: *Sing mit IV 18 1. Noch hinter Berges Rande steht braun der Abendschein, da hüllen sich die Lande in ihre Schatten ein. Wo Sonne kaum gelacht, der Frierenden erbarmte, uns kurze Zeit erwarmte, wohnt wiederum die Nacht. 2. Wird noch ein Weilchen währen. Bis rings das Firmament in königlichen Ehren von tausend Fackeln brennt. Doch bleibt’s ein kahler Prunk. Wir hätten an der einen, wollt sie nur ewig scheinen, für alle Zeit genug. 3. Bald schimmert von den Wänden der Lampe Widerschein. Uns deucht, sie will uns blenden, und ist doch arm und klein. Wir hören froh den Braus in Herd und Esse lärmen: Er kann die Welt nicht wärmen, doch wärmt er Haus bei Haus. 4. Dann nimmt auch das ein Ende, wir sagen: Gute Nacht! und falten unsre Hände und danken dem, der wacht, der alle Welt umfängt mit Sonnen, Stern und Erde, und dem geringsten Herde sein Licht und Feuer schenkt. Text: Rudolph Alexander Schröder Musik: Christian Lahusen Quelle: *Jesus - unsere Freude 666; *Altenberger Singebuch 28; *Lobet Gott 202; *So singen wir 315; *Das junge Lied 31 Ref. Nun hat die Nacht den Tag vertrieben. Vater im Himmel, bleib du bei mir. Dann liege und schlafe ich ganz mit Frieden. Du wirst mich bewahren, ich danke dir. 1. Du weißt, weshalb ich heute traurig war. Was mich bedrückt, hast du gesehn. Du kennst das Grübeln, kennst meine Nöte, kannst meine Traurigkeit verstehn. (Ref.) 2. Du weißt, weshalb ich heute fröhlich war. Du hast mein Lachen selbst gehört. Du kennst die Freude, die mich bewegte, und kennst das Glück, das mich betört. (Ref.) 3. Du weißt, weshalb ich heute eilig war. Du weißt, was mich in Hetze trieb, kennst meine Worte und meine Taten. Du weißt, was unerledigt blieb. (Ref.) 389 <?page no="404"?> 4. Du weißt, weshalb ich heute schuldig bin. Verborg’ne Sünde deckst du auf. Doch wenn ich dir jetzt die Schuld bekenne, vergibst du mir und nimmst mich auf. (Ref.) Text: Peter Strauch Musik: Klaus Heizmann Quelle: *Singt mit uns 311 1. Nun lässest du, o Herr, mich aus der Welt Beschwer in deinen Frieden gehen, lässt hier und allerort getreu nach deinem Wort Barmherzigkeit geschehen. 2. Denn meine Augen sahn, was deine Huld getan, das Heil uns zu bereiten. Vor aller Angesicht kam nun das wahre Licht, die Völker zu geleiten, 3. ein Licht, das aller Nacht Erleuchtung hat gebracht, dich, Höchster, zu erkennen, des große Wundertat dein Volk gewürdigt hat, dich seinen Herrn zu nennen. Text: Georg Thurmair, 1966 nach Lk 2,29-32 Musik: Loys Bourgegois, 1547 Quelle: *CG 596; *EG/ RWLR 695; *Eingestimmt 721; *Morgenlob-Abendlob / Kirchenjahr 250 1. Nun ruht die Arbeit, ein Tag geht zu Ende. Und wir fragen: Lohnt das Jagen? Müde sind Augen und müde die Hände, möchten rasten nach dem Hasten. Ref. O Herr, der Tag war lang und so schwer, und doch, sieh, meine Hände, die sind leer. 2. Noch drückt die Last der Maschinen uns nieder. Zahlenreihen nach uns schreien. Und auf dem Heimweg wir denken schon wieder voller Sorgen an den Morgen. 3. Herr, es ist dunkel, und Nacht will es werden. Lass uns sehen, wo wir stehen! Trage mit uns alle Not und Beschwerden. Und schenk allen deinen Gefallen. Text: Heinz Perne Musik: H. Wortmann Quelle: *Wir singen mit 112 Nun trägt der Abendwind den Tag [Text und Melodie siehe Seite 238] Text: Kurt Rose, 1987 Musik: Herbert Beuerle, 1987 Quelle: *KG 688; *RG 608; *CG 328; *EM 639 (dort als 2 strophiges Lied gedruckt); * Fröhlicher Vogel Hoffnung 166; 1. Schnell eilt der Tag dem Abend zu [Text und Melodie siehe Seite 253] Text: Klaus Biehl, 1970 Musik: Klaus Biehl, 1970 Quelle: *Liedertruhe 24; *Hoffnung ist da 276 (dort ohne die 3. Str.) 390 <?page no="405"?> 1. Schon glänzt der goldne Abendstern. Gut’ Nacht, Ihr Lieben, nah und fern, schlaft ein in Gottes Frieden. Die Blume schließt die Äuglein zu, der kleine Vogel geht zur Ruh; bald schlummern alle Müden. 2. Du aber schläfst und schlummerst nicht, dir, Vater, ist das Dunkel licht, dir will ich mich vertrauen. Hab du uns alle wohl in Acht, lass uns nach einer guten Nacht die Sonne fröhlich schauen. Text: unbek. Musik: Theophil Rothenberg, 1966 / 1980 Quelle: *Leuchte, bunter Regenbogen 258 1. Senkt sich die Stille auf das Land, sind schwer die Augenlider. Gib Ruhe Sinnen und Verstand, weck uns am Morgen wieder. 2. Lass uns bei dir geborgen sein mit allen unsern Lasten. Hüll uns in deine Liebe ein, in Frieden lass uns rasten. 3. Verbinde alle, die verletzt den Tag beendet haben. Zur Einkehr leite, die gehetzt, lass guten Schlaf sie laben. 4. Verzweifelten mach neuen Mut und rufe sie beim Namen. Sei unser aller höchstes Gut, die Schuld vergib uns. Amen. Text: Otmar Schulz, 1988 nach „Sag gar jag nu till vila trygg“ v. Bo Setterlind, 1976 Musik: Ingemar Braennstroem, 1975 Quelle: *EM 638 1. Sinkt nun die Sonne, neigt sich der Tag, scheint heiter am Abend friedvolles Licht, preisen wir Menschen Gott, unsern Vater, den uns der Sohn offenbarte im Geist. KV Du Licht vom Lichte, in Liebe leuchtest du zeigst uns das Antlitz des Vaters. Du: Jesus Christ. 2. Quelle des Lebens, allmächtiger Gott, alles, was je aus dir floss, strömt am Abend als Dank und als Lobpreis zurück. (KV) 3. Gottes Sohn, Jesus Christ, du kamst in die Welt, wurdest Fleisch unter uns, lässt uns nicht allein in der Nacht. (KV) 4. Unendlicher Gott, als ein Mensch trugst du, was uns Menschen beschwert: Hieltest du im Leid mit uns stand, errangst Leben, das nie mehr erlischt. (KV) 5. Bleibe auch jetzt bei uns, Herr, senke in uns deinen Geist, als der Hoffnung unsterbliches Licht, als Funken vom göttlichen Glanz. (KV) 6. Wenn unsre Stimme verstummt, trete dein Geist für uns ein: Wenn unser Bewusstsein versinkt, träume das Herz dennoch weiter von dir. (KV) 7. Du hast begonnen mit uns, du warst mit uns auf dem Weg: 391 <?page no="406"?> So vollende denn nun, was du in Liebe für uns hast erdacht. (KV) 8. Sieh deine Welt im Schatten der Not, bedroht von der Kälte anbrechender Nacht. Lass deine Schöpfung, Herr, nicht im Stich, sende aus deinen Geist und alles wird neu. (KV) 9. Wie Weihrauch steigt das Gebet dir entgegen, allmächtiger Gott, und unserer Hände Erheben reiche dir am Abend entgegen das Lob. (KV) Text: Bernadin Schellenberger Musik: André Gouzes (*1943) Quelle: *Kölner Chorbuch 46 Dieser Gesang zum Luzernarium ist Teil einer Tagzeitenliturgie. 1. So wie einer Kerze heller Schein strahlt in unsre Nacht dein neues Sein. KV Denn du bist das Licht, das die Nacht erhellt, weil du kamst aus Liebe in unsre Welt. 2. Aus der Nacht der Hoffnungslosigkeit hat dein Kommen, Herr, uns neu befreit. 3. Wie der Kerze heller, warmer Glanz, so erfüllst du unser Leben ganz. Text: Kathi Stimmer-Salzeder Musik: Kathi Stimmer-Salzeder Quelle: *Lieder der Hoffnung 2 1. Spät am Abend, da es still wird, spür ich Unrast in mir wachsen, und ich kann sie nicht vertreiben. Unterm Glück, das ich noch fühle, weil der Tag so viel gebracht hat, strömt’s wie Schmerz und gibt nicht Ruhe. 2. Meine Niederlagen kommen. Ganz hab ich den Tag empfangen, und er fiel mir aus den Händen. Wem soll ich in letzter Stunde lauter Scherben übergeben und ein Herz, das nur noch anklagt? 3. Einer sieht mich, und er wartet. Gott, der größer als mein Herz ist, bleibt trotz allem mir zur Seite. Er nimmt Zwiespalt an und Schwäche, wie ich bin, so darf ich kommen. Die Gedanken werden stille, 4. sammeln sich um Christi Worte, die ich als Geschenk ergreife: Deine Sünden sind vergeben. Das Vertane, das Zerbrochne dieses Tages wird aufgehoben. Ganze Liebe lässt es gut sein. 5. Und erlebe ich den neuen Tag mit neuen Möglichkeiten - gnadenlos ist keine Stunde. Ganz mit Frieden darf ich schlafen, und mir wächst, da ich nur liege, Lebensmut genug für morgen. Text: Jürgen Henkys nach dem norwegischen Lied I de sene timers stillhet, (Zuerst in: Norsk Salmebok. Oslo 1985) von Svein Ellingsen Musik: Harald Herresthal Quelle: *Frühlicht erzählt von dir Nr. 6 392 <?page no="407"?> 1. Steil auf dem Schattenriss der Stadt steht fahl und grenzenlos der Raum. In Schemen löst sich auf der Tag, und in den Dächern nistet Schlaf. 2. Und vor dem glühenden Gestirn, das wehrlos nun ins Graue taucht, und auf dem Abbruch einer Zeit, die wie ein Zelt geliehen war, 3. bleibt in der Schwebe, was uns bleibt, wird gegenwärtig, was verrinnt. Grausilbern weht es her vom Strom, der Lastenkähne rasten lässt. 4. Nun zucken tausend Lichter auf, wie Feuer, eh es Asche wird. Doch tönern birgt die Lampe uns den einen Funken, der noch glimmt, 5. der es vermag, als Licht vom Licht die Nacht zu wandeln österlich, der Sterben zu Erwachen macht und das Verstummen zu Gesang. Text: Winfried Pilz Musik: jede Hymnenmelodie Quelle: *Dies & das 102 1. Still geht der Tag zur Ruh. Mein Herz wird still in mir, die müden Augen fallen zu. Ich rede, Herr, mit dir. 2. Nach dieses Tages Hast find ich in dir mein Ziel. Herr, nimm jetzt von mir Müh und Last und was dir nicht gefiel. 3. Ich ruhe, Gott, in dir nun auch in dieser Nacht. Ja, Herr, ich weiß, du bist bei mir; treu gibst du auf mich Acht. 4. Herr Gott, ich bitte dich: Im Dunkel sei mir Licht. Bei Tag und Nacht geleite mich; ich find den Weg sonst nicht. 5. Dafür sag ich dir Preis. Herr, du bist stets bei mir; du weißt den Weg, den ich nicht weiß. Mein Gott, ich danke dir. Text: Gerhard Jetter, 1972/ 1986 Musik: Karl-Heinz Hecke, 1986/ 2000 Quelle: *EM 632; *Menno 230 1. Still über alle Welt fällt die Nacht. Der sie in Händen hält, der sie gemacht, hält die Wacht. 2. König und Herr der Zeit, dir sei Dank! Aus Nacht und Dunkelheit dringt leiser Klang: Lobgesang. 3. Ehr dem Dreieinen Gott: Vater und Sohn! Ehre dem Heil’gen Geist im gleichen Thron! Amen. Text: Jesus-Bruderschaft Gnadenthal Musik: Jesus-Bruderschaft Gnadenthal Quelle: *Singt mit uns 310 Ref. Stille lass mich finden, Gott, bei dir. Atemholen will ich, ausruhn hier. Voller Unrast ist das Herz in mir, |: bis es Frieden findet, Gott, in dir.: | 393 <?page no="408"?> 1. Lassen will ich Hast und Eile, die mein Tagewerk bestimmen, die mich ständig weitertreiben. Innehalten will ich, rasten. Will vergessen, was die Augen, was die Sinne überflutet, diese Gier: Das muss ich sehen. Ruhen sollen meine Augen. 2. Lassen will ich alles Laute, das Gerede und Getöne, das Geschrei und das Gelärme. Schließen will ich Mund und Ohren. Will vergessen meine Sorgen: Was ist heut und was ist morgen? Ich bin ja bei dir geborgen, du willst allzeit für mich sorgen. Text: Lothar Zenetti Musik: Peter Reulein Quelle: *Schritt für Schritt 585 1. Ums Haus geht schon der Abendwind. Die Nacht kommt uns zu decken. Die Nacht ist bang, sie macht uns blind. Die Finsternis will schrecken. 2. Um manches Fenster weht es kalt, und viele sind verlassen. Die wirst du freundlich, wirst du bald in deine Arme fassen. 3. Ja, Mensch und Tier und Blum und Baum wirst du mit Trost erfüllen, in guten Schlaf, in sanften Traum wie einen Mantel hüllen. 4. Du gehst wie Windhauch durch die Nacht und hüllst uns in dein Schweigen. Du hast die Nacht uns zugedacht, um uns das Licht zu zeigen. 5. Du gehst wie fremd durch diese Zeit, da uns die Ängste treiben. Gib uns den Mut, mach uns bereit, auf deinem Weg zu bleiben. Text: Jörg Zink Musik: aus dem Zupfgeigenhansl Quelle: *Der Singvogel 17 1. Unter ging der Sonne Schein, Dämm’rung hüllt die Erde ein, Herr, sei bei mir diese Nacht, bis das neue Licht erwacht. 2. Vieles hab’ ich heut’ gesehn. dieser Tag war reich und schön, deine Güte gab ihn mir, Gott, ich danke dir dafür. 3. Für Gebirg’ und Meeresstrand, Gräser, Steine, grünes Land, für die Blumen, bunt erblüht, für das helle Vogellied. 4. Für die Speise, für den Trank sage ich dir Lob und Dank, für dein Wort, das zu mir kam, Ängste mir und Zweifel nahm. 5. Dass ich nach der Arbeit Hast endlich Ruhe fand und Rast für der frohen Stunden Glück, das mich gab mir selbst zurück. 6. Für die Menschen groß und klein will ich, Herr, dir dankbar sein, für die Liebe, die ich fand, 394 <?page no="409"?> für die ausgestreckte Hand. 7. Nimm uns all in deine Hut, lass uns schlafen tief und gut, dass nach diesem frohen Tag froher Morgen kommen mag. Text: Gerburg Tsekouras Musik: Gerburg Tsekouras Quelle: *Frankfurter Werkstatt VIII 17 1. Vom hohen Baum der Jahre fällt ein Blatt zu Boden. Gott nimmt den Tag zurück in seine guten Hände. 2. Dir dank ich, Herr, die lange Kette meiner Tage. Wie groß ist, Herr, dein Tun; wie schwer ist mein Versagen. 3. Wie viele Blätter mag mein Lebensbaum noch tragen? Verborgen ist die Zahl. Du, Herr, bist Herr der Zeiten. 4. Du, Herr und Gott, hilf mir so leben, ob morgen das letzte bunte Blatt vom Baum zu Boden fiele. Text: Kurt Rommel, 1965 Musik: Herbert Beuerle, 1966 Quelle: *RG 602; *EG/ Öst 612 1. Von einem Tag zum andern, ein Stern beginnt zu wandern. Wir ziehen mit, wir ziehen mit. 2. Vom Abend bis zum Morgen vergehn so manche Sorgen. Wir gehen mit, wir gehen mit. 3. Von hier und dort und weiter führt eine Himmelsleiter. Wir ruhen aus, wir ruhen aus. 4. Vom Anfang bis zum Ende ist eine kleine Wende. Wir kehren um, wir kehren um. Text: Wolfgang Schmölders Musik: Ludger Edelkötter Quelle: *Ein neuer Anfang 182 Von guten Mächten treu und still umgeben [Text und Melodie siehe Seite 178] Text: Dietrich Bonhoeffer, 1941 Musik (1) Siegfried Fietz, 1970 (2) Kurt Grahl, o.J. (*1947) (3) Otto Abel, 1959 (4) Joseph Gileneau, o.J. (5) Alexander Bayer o.J. (6) P. G. Pawlizki (7) Helmut Barbe, 1973 (8) H. Paulmichl, 1986 (*GL/ Ac-L 019); (*GL/ DEGM/ D 943); (*GL/ DEGM/ E 936); (*GL/ DEGM/ G 978); (*GL/ Eic 883); (*GL/ Mst 846); (*GL/ Pad 929); (*GL/ Pas 0861); (*GL/ Wbg 940); (*GL/ Eis 089); (*GL/ Gr- S 964); (*GL/ Gu-K 995); (*GL/ In-F/ F 207); (*GL/ Sal 071); (*GL/ Lux 1117); (*EG/ BT 662); (*EG/ RWLR 652); (*EG/ Wü 541); (*Eingestimmt 643); (*EM 99); (*Erdentöne-Himmelsklang 123); (*Feiern und loben 236); (*Halleluja IV 76); (*Jesus - unsere Freude 685); *Kölner Chorbuch 122; *Morgenlob-Abendlob/ Advent- Weihnachten 210; *Sing mit uns 306; *Wenn Du singst 206 (Bei der Melodieversion von Siegfried Fietz dient die 7. Strophe als Refrain.) (2) (*GL/ Mnz 017); (*GL/ MÜ-F 958); (*GL/ DEGM/ D 944); (*GL/ DEGM/ M 957); (*Feiern und loben 326); *Kommt und singt 25; *Vom Le- 395 <?page no="410"?> ben singen 175 (3) (*GL/ Bam 930); (*GL/ Bln 902); (*GL/ DEGM/ E 937); (*GL/ Mst 847); (*GL/ Osn 954); (*CG 875); (*EM 100); (*Jesus- unsere Freude 685); *rise up 246; *Anhang 77 876; *Beiheft EKG/ Nieder a 942 (4) *Thuma mina 272 (5) *Erdentöne-Himmelsklang 122; *Nacht-Wandler 206 (6) *Neu Soldaten 20 (7) *Neue Lieder der Gemeinde 640 (8) *GL/ Bo-B 912 Ref. Warum kommst du so spät, sieh, die Nacht bricht herein? Warum kommst du so spät, um bei mir, Herr, zu sein? 1. Warum ließest du mich ohne Trost heute sein. Warum findest du dich zum Gespräch so spät ein? (Ref.) 2. Warum bist du so fern, wenn ich spreche von dir? Möchte’ dich sehen so gern, Herr, im Glauben hilf mir! (Ref.) 3. Warum bleibest du am Kreuz doch so lang voller Pein? Du hast Zeit mir gewährt, dass ich fand zu dir heim. (Ref.) Text: unbek. Musik: unbek. Quelle: *Singt dem Herrn ein neues Lied 62 1. Wenn der Tag vergeht, möchte ich schweigen. Wenn der Abend kommt, suche ich dich, gebe mich dir, mein Gott, dankbar zu eigen. Wenn die Unrast vergeht, komm du und sprich. 2. Was der Tag erzählt, lass ich dem Winde. Dir vertrau ich an, was er gebracht. Bleibe mir nah, mein Gott, dass ich dich finde. Birg die Erde in dir, Hüter der Nacht. Text: Jörg Zink Musik: J.-H. Hufeisen, 1991 Quelle: *Der Singvogel 12 1. Wenn in des Meeres graue Flut die Sonne sinkt zur Nacht; |: auf hoher Berge Gipfeln ruht der Wolken dunkle Pracht.: | 2. Ganz leise noch ein Vogel singt im schattenkühlen Baum |: sein stilles Abendlied erklingt zum weiten Sternenraum.: | 3. Nun, müde Augen, schließt euch zu, Herz, lass das Sorgen sein, |: ein jeder Tag hat seine Ruh nach Mühe, Glück und Pein.: | 4. Gott, der in Freude und Gefahr, was immer dir geschah, |: der heut am Tage bei dir war, ist auch im Dunkel nah.: | Text: Gerburg Tsekouras Musik: Gerburg Tsekouras Quelle: *Frankfurter Werkstatt VIII 16 396 <?page no="411"?> 1. Wenn man der Sonne nachschaut, wie sie untergeht, denkt man an die, bei denen’s wieder Morgen wird. In deiner Christenheit wird’s Abend, Herr. Das Morgenlicht ist müd. Es geht woanders wieder auf. 2. Die Meere tun sich wieder auf, die Feuersäule geht, und vom gelobtem Land weiß niemand, wo es ist. Doch jeden Abend ist’s erreicht. Das Mahl wird aufgetischt, als ob’s das letzte wär. Amen. Text: aus dem Übergangsstundenbuch Musik: Winfried Pilz, 1975 Quelle: *Dies & das 104 1. Wenn wir uns abends niederlegen und den gelebten Tag vor Gott bewegen, dann schütten wir unser Herz ihm aus. Es kommt der Friede ins dunkle, stille Haus, wenn Jesus zu uns spricht: Ref. „Seid getrost; ich bin’s fürchtet euch nicht! “ 2. Wenn sich noch Sorgen in uns regen und sich wie Zentnerlasten auf uns legen, dass große Angst uns die Ruhe raubt, dann wird doch stille, wer auch im Dunkeln glaubt, dass Jesus zu uns spricht: (Ref.) 3. Will unser Herz uns hart verklagen, weil wir die Last des Tages nicht getragen, und fehlte uns gar so viel Geduld, dann weicht von uns nur der Druck der dunklen Schuld, wenn Jesus zu uns spricht: (Ref.) 4. Wenn wir den Blick zur Welt hinwenden und sehn den Jammer dort an allen Enden, ist unser Herz übervoll beschwert; doch es gibt Hoffnung, die diesem Kummer wehrt, wenn Jesus zu uns spricht: (Ref.) 5. Lass uns getrosten Muts ablegen alles, was Bürde war auf unsern Wegen, Wir lassen gern alles Eitle los, denn unser Leben wird einzig dadurch groß, dass Jesus zu uns spricht: (Ref.) Text: Peter Strauch Musik: Peter Strauch/ Satz: Klaus Heizmann Quelle: *Jesu Name nie verklinget 1451 1. Wie könnt ich ruhig schlafen in dunkler Nacht, wenn ich, o Gott und Vater, nicht dein gedacht? Es hat des Tages Treiben mein Herz zerstreut; bei dir allein ist Frieden und Seligkeit. 2. Achte nicht auf die Fehler, die ich gemacht. Wehre den schlimmen Träumen auch heut Nacht. Sei auch mit allen Menschen, die heut kein Schlaf erfreut. Gib, Herr, der Erde Friede und Einigkeit. 3. Darum lass mich vergeben, wie du vergibst, und meinen Nächsten lieben, wie du mich liebst. So kann ich ruhig schlafen im Schutze deiner Macht. Du bist das Licht des Lebens auch in der Nacht. Text: Agnes Franz (Str. 1), 1880 Wolfgang Steinwachs nach Agnes Franz (Str. 2+3), 1971 Musik: Horst Gehann, 1985 Quelle: *Jesus - unsere Freude 670 *Neue Gemeindelieder I 26 397 <?page no="412"?> 1. Wieder geht ein Tag zu Ende, müde falt ich meine Hände und erlebe jede Stunde noch einmal. Hör das Lachen, seh das Weinen, spür die Freude, fühl das Sehnen und ich frage mich: Hat der Tag gelohnt? War ich heute, Herr, ein Segen oder war der Tag vergebens, weil ich nur auf mich und meine Wünsche sah? Ref. Seh ich dann auf meine Hände, lass ich alles vor meinem Throne los; denn nur dann, Herr, wenn du füllst meine Hände, hat ein Tag und ein Leben sich gelohnt. 2. War ich heut für dich bereit, bracht ich Licht in Dunkelheit? Denn ich weiß, dazu hast du mich ausgesandt. War ich heute Salz der Erde, eine Stadt auf hohem Berge? Habe ich geleuchtet, Herr, als Licht der Welt? Wurde ich als treu erfunden, oder war ich zu gebunden und nicht frei genug als Bote für die Welt? 3. Hörte ich das stumme Rufen, sah ich Menschen hilflos suchen, hatt’ ich Zeit für sie in ihrer großen Not? Werde ich mich einmal freuen, oder werde ich mich schämen, wenn du, mein Herr, dann auf mein Leben siehst? Werde ich dir etwas bringen, etwas von den vielen Dingen, die du mir fest anvertraut hast Tag für Tag? Text: Hans Jürgen Zimmermann Musik: Hans Jürgen Zimmermann Quelle: *Singt mit uns 312 1. Will nun meine Hände falten zum Gebet, weil der Tag zu Ende und zur Neige geht. 2. Weil im Tagesscheiden mich das Sterben rührt, will ich mich bereiten, so wie sich’s gebührt. 3. Und dieweil verblassen muss des Tages Glanz, soll mein Herz erfassen deine Klarheit ganz. 4. Ja, in dir geborgen darf mein Leben sein: Dein ist Nacht und Morgen, dir, Herr, schlaf ich ein. Text: Johannes Wilfert, 1973 Musik: Horst Gehann, 1985 Quelle: *Hoffnung ist da 278 1. Wir bitten, Christus, bleib bei uns, denn es will Abend werden. Du bist das Licht, das nie erlischt, bei dir sind wir geborgen. 2. Schließ alle müden Augen zu, lass uns in Frieden schlafen, dass wir mit neuer Kraft erfüllt, zu deinem Dienst erwachen. 3. Lob sei dem Vater und dem Sohn, Lob sei dem Heil’gen Geiste. Wie es von allem Anfang war, jetzt und für alle Zeiten. Text: Stundengebet der Kirche Musik: Kurt Grahl Quelle: *GL/ Eic 926 *Der Herr ist mein Lied 17 398 <?page no="413"?> 1. Wir danken dir für diesen Tag, der heut in unsren Händen lag! Herr, geh mit uns auch durch die Nacht, die eigentlich als Ruh gedacht, dass nicht die Sorgen das Zepter führ’n und Schlaflose die Nacht regier’n. 2. Wir danken dir für diesen Tag, der heut in unsren Händen lag. Herr, sei nun Tag den Pflegenden, der Halt der Weltbewegenden, die Zuversicht im Wartesaal, den Nachtschwärmern ein Sonnenstrahl. 3. Wir danken dir für diesen Tag, der heut in unsren Händen lag. Und allen, die sich sterben legen, komm mit deinem Licht entgegen; die sich’s durch Meer der Trauer plagen, richte auf mit Ostertagen. Text: Alexander Bayer Musik: Alexander Bayer Quelle: *Nacht-Wandler 108 *Krass-Konkret-Katholisch 191 1. Wir stehn im Dunkeln ohne Sicht. Der Himmel ist verhangen. Ach, leucht uns, Herr, du ew’ges Licht, da irdisch Licht vergangen! KV Du wahres Licht, verlass uns nicht! Lass leuchten, Herr, dein Angesicht! 2. Das Licht verging in Nacht und Not. Im Tod verging das Leben. Du aber bist und bleibst doch Gott und willst nur Leben geben. (KV) 3. Lass uns getrost im Glauben gehn! Dein Weg ist nie zu Ende. Wir sterben und wir auferstehn, Herr, nur in deine Hände. (KV) Text: Arno Pötzsch Musik: Heinz Martin Lonquich Quelle: *Morgenlob-Abendlob/ Fasten-Ostern 131 399 <?page no="415"?> Tabelle I: Themen und Motive in Abendliedern des 20. Jahrhunderts Gebet Lob Dank Bitte/ Fürbitte Kirche Zeit Kontrast Licht/ Dunkelheit Christus, das Licht Präsenz Gottes/ Christi Natur/ Schöpfung Schutz/ Geborgenheit/ Wacht Arbeit Rekreation/ Schlaf Tagesreflexion/ Gewissenserforschung Schuld Vergebungsbitte Erlösung Commendatio Vergänglichkeit, Tod und Sterben Eschaton Sorgen/ Mühe Angst Abend ward x x x (x) x Abendfrieden senkt sich wieder x x x x x Ade, wünsche gute Nacht x x x Adonai, in deine Hand x x x x Angelangt an der Schwelle des Abends x x x Bevor der Tag zu Ende geht x Bevor des Tages Licht vergeht x x x x Bevor die Sonne sinkt x x x x x x x Bleib bei mir, Herr x x x x x Bleib bei uns, Herr x x x x x x Bleib bei uns, hilf uns tragen x (x) x Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht x x x x x x x x Bleib, o Herr, auch jetzt in der Nacht x x x x x x x Bleibe bei uns, es will Abend werden x x x x x x Christus, du bist der helle Tag x x x x x x x x x Christus, du bist uns Licht und Tag x x x x x x x Dank dir für jeden Tag x x x x x Danke für diese Abendstunde x x x x x x x x x Danke, Herr! Ich will dir danken x x (x) x x Danke, Herr, für diese Nacht x x x x x Dein Friede breitet sich nun x x x x (x) x x 401 <?page no="416"?> Gebet Lob Dank Bitte/ Fürbitte Kirche Zeit Kontrast Licht/ Dunkelheit Christus, das Licht Präsenz Gottes/ Christi Natur/ Schöpfung Schutz/ Geborgenheit/ Wacht Arbeit Rekreation/ Schlaf Tagesreflexion/ Gewissenserforschung Schuld Vergebungsbitte Erlösung Commendatio Vergänglichkeit, Tod und Sterben Eschaton Sorgen/ Mühe Angst Der Abend kommt x x x x x (x) x x Der Abend kommt und wir zu dir x x (x) (x) (x) x Der Lärm verebbt x x Der Schatten deiner Flügel x x Der Tag begann x x x (x) x x x Der Tag geht müd’ von hinnen (x) x x (x) x x x x x Der Tag geht zu Ende x x x x x Der Tag geht zur Neige x x x x x Der Tag hüllt sich in Dunkelheit x x (x) x Der Tag ist am Ziel x (x) x x Der Tag ist um (I) x x x x x Der Tag ist um (II) x x x x x Der Tag ist zu Ende x x x (x) x x x Der Tag nun versinkt in Nacht x x x x x (x) x x Der Tag vergeht x x x x Der Tag, mein Gott, ist nun vrgangen x x x x x x x Des Tages Glanz erloschen ist x x x x x x x x Die Nacht ist da x x x x x x Die Sonne sinkt ins Meer x x x x x Die Sonne sinkt x x x x x (x) Diesen Tag, Herr, leg ich zurück x x x x x x Dieser Tag geht nun zu Ende x (x) x x (x) Du hast die kalte Nacht berührt x x x x x Du lässt den Tag, o Gott nun enden x x x x x x x 402 <?page no="417"?> Gebet Lob Dank Bitte/ Fürbitte Kirche Zeit Kontrast Licht/ Dunkelheit Christus, das Licht Präsenz Gottes/ Christi Natur/ Schöpfung Schutz/ Geborgenheit/ Wacht Arbeit Rekreation/ Schlaf Tagesreflexion/ Gewissenserforschung Schuld Vergebungsbitte Erlösung Commendatio Vergänglichkeit, Tod und Sterben Eschaton Sorgen/ Mühe Angst Du Stern meiner Nacht x x x x x x Dunkel sind alle Straßen dieser Stadt x x x (x) Dunkel wird es wieder x x x x x x x x x x Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I) x x x x x x Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II) x x x x x x Ein Tag ist vorüber x x x x x x x Eine kleine helle Weise x x x x x x x Es bleibt dabei (x) x x (x) Es ist spät geworden x x x x x x x x Es wird Abend x x x x x x x Freunde, gut Nacht x x x x x Geborgen in dir, Gott x x x Gehe ein in deinen Frieden! x x x x x x x x Geht der Tag ganz leis zu Ende x x x (x) x Gott, segne unser Wandern x x x x x (x) x Gott, vollende das gute Werk x (x) Gott, wertes Licht x x x x x x x Gute Nacht! x x x x x x x x x x x Guter Gott, ich danke dir x x x x x Herr, am Ende dieses Tages x x x x x x x x x x Herr, bleib bei uns x x x x Herr, bleib bei uns in dieser Zeit x x x x x Herr, bleibe bei uns in der Nacht x x x x x Heut war ein schöner Tag x x x x x 403 <?page no="418"?> Gebet Lob Dank Bitte/ Fürbitte Kirche Zeit Kontrast Licht/ Dunkelheit Christus, das Licht Präsenz Gottes/ Christi Natur/ Schöpfung Schutz/ Geborgenheit/ Wacht Arbeit Rekreation/ Schlaf Tagesreflexion/ Gewissenserforschung Schuld Vergebungsbitte Erlösung Commendatio Vergänglichkeit, Tod und Sterben Eschaton Sorgen/ Mühe Angst Hüll mich ganz in deine Ruhe ein x x x x Ich bitt dich, Herr x x x x x x Ich leg den Tag getrost x x x x (x) Ich liege, Herr, in deiner Hut x x x x x x x x In abendstillen Zweigen x x x x x x In die Federn! x In warmem Licht durch diese Nacht x (x) Jeden Abend bete ich x x x x x x x x Komm, der unsre Fragen schweigt x x x x x x x x x Komm, Herr, komm in der Nacht! x x x x x Leis der Wind im Abend weht x x x x x Lieber Gott, nun schlaf ich ein x x x (x) x Meine Hände dürfen müde sein (x) x x Mir fallen schon die Augen zu x x Nach des Tages Last x (x) x x x x x Nacht kommt über unser Land x x x x x Noch hinter Berges Rande x x x x x x Nun hat die Nacht den Tag vertrieben x x x x x (x) x x x x Nun lässest du, o Herr x x x x Nun ruht die Arbeit x (x) x x (x) x Nun trägt der Abendwind den Tag x x x x x x x Schnell eilt der Tag dem Abend zu x x x x x Schon glänzt der goldne Abendstern x x x x x Senkt sich die Stille auf das Land x x x x x x 404 <?page no="419"?> Gebet Lob Dank Bitte/ Fürbitte Kirche Zeit Kontrast Licht/ Dunkelheit Christus, das Licht Präsenz Gottes/ Christi Natur/ Schöpfung Schutz/ Geborgenheit/ Wacht Arbeit Rekreation/ Schlaf Tagesreflexion/ Gewissenserforschung Schuld Vergebungsbitte Erlösung Commendatio Vergänglichkeit, Tod und Sterben Eschaton Sorgen/ Mühe Angst Sinkt nun die Sonne x x x x x x x x x x So wie einer Kerze heller Schein x x x Spät am Abend, da es still wird x x x x Steil auf dem Schattenriss der Stadt x x x x x x Still geht der Tag zur Ruh x x x x x x x x x Still über alle Welt x x x x x Stille lass mich finden x x x x (x) x x Ums Haus geht schon der Abendwind x x x x x x Unter ging der Sonne Schein x x x x x x x x (x) x Vom hohen Baum der Jahre x x (x) x x Von einem Tag zum andern (x) x (x) (x) x Von guten Mächten x x x x x x x x x x Warum kommst du so spät x x x x Wenn der Tag vergeht x x x x (x) x x Wenn in des Meeres graue Flut (x) x x x x x Wenn man der Sonne nachschaut x x x Wenn wir uns abends niederlegen x x x x x x Wie könnt ich ruhig schlafen (x) x (x) x x (x) x Wieder geht ein Tag zu Ende x x x x x x Will nun meine Hände falten zum Gebet x x x x Wir bitten, Christus, bleib bei uns x x x x x x x Wir danken dir für diesen Tag x x x x x x Wir stehn im Dunkeln x x x x x 405 <?page no="420"?> 406 Tabelle II: Adressaten und Adressanten der Lieder Sender I Empfänger Menschen Gott ICH WIR DU IHR Du Vater Herr XP Abend ward, bald kommt die Nacht x x Abendfrieden senkt sich wieder x Ade, wünsche gute Nacht x x Adonai, in deine Hand x (D) Angelangt an der Schwelle des Abends x x Bevor der Tag zu Ende geht x Bevor des Tages Licht vergeht x x V Bevor die Sonne sinkt x G Bleib bei mir, Herr x C Bleib bei uns, Herr x x Bleib bei uns, hilf uns tragen x x Bleib bei uns, wenn der Tag entweicht x x Bleib, o Herr, auch jetzt in der Nacht x x Bleibe bei uns, es will Abend werden x D Christus, du bist der helle Tag x x Christus, du bist uns Licht und Tag x x Dank dir für jeden Tag x D Danke für diese Abendstunde x D Danke, Herr! Ich will dir danken x x Danke, Herr, für diese Nacht x V Dein Friede breitet sich nun x C Der Abend kommt x G Der Abend kommt und wir zu dir x x Der Lärm verebbt G Der Schatten deiner Flügel x D Der Tag begann x D II Der Tag geht müd’ von hinnen x G III Der Tag geht zu Ende x Der Tag geht zur Neige x C Der Tag hüllt sich in Dunkelheit x x Der Tag ist am Ziel Der Tag ist um (I) x V Der Tag ist um (II) x x Der Tag ist zu Ende x G I Die eingeklammerten Zeichen zeigen an, dass hier nur ein einzelnen Strophen und nicht im gesamten Lied, eine bestimmte Anrede vorgenommen wird. Häufig werden in einem Lied mehrere Anreden für Gott verwendet; hier sind die jeweils konkretesten Angaben festgehalten worden. Unter der Rubrik ‚Du’ sind sowohl die Lieder gefasst, die sich allein durch die 2. Person Singular an Gott wenden (D), als auch diejenigen Lieder, die als Anrede noch unbestimmt Gott (G) hinzufügen. In der Sparte ‚Herr’ wurde versucht aus dem Kontext des jeweiligen Liedes heraus eine direkte Zuordnung zu einer göttlichen Person vorzunehmen: beschriebene Eigenschaften als ‚Offenbarer’ oder ‚Erlöser’ werden Christus (C) zugeschrieben; Gott Vater (V) qualifizieren Bezeichnungen wie ‚Schöpfer’, ‚Urheber’, ‚Allmächtiger’; mit x sind alle unklar bleibenden Lieder gekennzeichnet. II Ausgenommen die erste Strophe ist das Lied an ein göttliches Du adressiert, im Refrain, ist dann von Gott in der 3. Pers. Singular die Rede. III Die ersten zwei der insgesamt fünf Strophen weisen keine direkte Rede auf; das in den folgenden Strophen adressierte ‚Du’ wird allerdings in 2,3 als ‚Schöpfer’ charakterisiert. <?page no="421"?> 407 Sender I Empfänger Menschen Gott ICH WIR DU IHR Du Vater Herr XP Der Tag nun versinkt in Nacht x V IV Der Tag vergeht x (x) x V V Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen x V Des Tages Glanz erloschen ist x x Die Nacht ist da x G (x) Die Sonne sinkt ins Meer x x Die Sonne sinkt x x Diesen Tag, Herr, leg ich zurück x V VI Dieser Tag geht nun zu Ende x V VII Du hast die kalte Nacht berührt x D Du lässt den Tag, o Gott nun enden x G Du Stern meiner Nacht x (x) Dunkel sind alle Straßen dieser Stadt x (x) C VIII Dunkel wird es wieder x x C IX (x) Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (I) x x Ein Tag geht nun zu Ende, Herr (II) x V X Ein Tag ist vorüber x x Eine kleine helle Weise x x XI Es bleibt dabei x x Es ist spät geworden x C Es wird Abend x (x) XII Freunde, gut Nacht x x Geborgen in dir, Gott x G Gehe ein in deinen Frieden! x x Geht der Tag ganz leis zu Ende x x Gott, segne unser Wandern x C Gott, vollende das gute Werk x G Gott, wertes Licht x (x) G Gute Nacht! x x Guter Gott, ich danke dir x G Herr, am Ende dieses Tages x x Herr, bleib bei uns x C XIII IV Hier lässt sich eine Zuordnung der Anrede ‚Herr’ zu ‚Gott Vater’ nur über die biblische Aussage in Lk 23,46 Ps 31 (30),6 identifizieren. V Die im Refrain benannte Gotteskindschaft ist ein Indiz für die Adressierung an Gott Vater; in der Schlussstrophe wird die Annahme bestätigt: „Dann strahlt von dort wo Gott, der Vater, wohnt, / ein Stern zum Gruß, ein Stern zum Gruß. / Wer du auch bist, du bist sein Kind…“, Str. 3,3-5. VI S. FN IV. VII S. FN IV. VIII Das Lichtmotiv deutet auf Christus hin: Str. 5: „Dort, wo der Kirchturm hoch zum Himmel ragt, tröstend ein Licht uns Menschen sagt: / Hier wohnt bei euch der Herr aller Welt, der jede Nacht erhellt.“ IX Christus wird hier als ‚Bruder’ bezeichnet: „Bruder aller Brüder, / Schild und Schwert der Wacht, / birg uns deine Glieder, / tief in deiner Macht.“, Str. 3. X S. FN IV. XI In der 4. Str. heißt es: „Wenn die Lampen nun verblassen, lass mir leuchten, Herr, dein Licht./ Alles wird mich einst verlassen, einzig deine Liebe nicht.“ Hier sind zwei Lesarten denkbar, (1) dass Gott um das Licht Jesus Christus oder (2) dass Christus als Licht um die Präsenz in der Nacht gebeten wird. XII Nur in der Schlussstrophe (4,3-5) wird sich an den Herrn gewendet, der durch die Anklänge an das Licht als Christus identifiziert werden kann: „Zünd an in unseren Herzen, / Herr, deine Friedenskerzen, / lass uns leuchten, bis dein Tag erscheint.“ XIII Hier wird im Stil der Bitte der Emmaus-Jünger (Lk 24,29) Christus um Verweilen gebeten. <?page no="422"?> 408 Sender I Empfänger Menschen Gott ICH WIR DU IHR Du Vater Herr XP Herr, bleib bei uns in dieser Zeit x x Herr, bleibe bei uns in der Nacht x x Heut war ein schöner Tag x x Hüll mich ganz in deine Ruhe ein x C XIV Ich bitt dich, Herr x x Ich leg den Tag getrost aus meinen Händen x (x) Ich liege, Herr, in deiner Hut x V In abendstillen Zweigen x D In die Federn! x x In warmem Licht durch diese Nacht x Jeden Abend bete ich x x Komm, der unsre Fragen schweigt x (x) Komm, Herr, komm in der Nacht! x x Leis der Wind im Abend weht x G Lieber Gott, nun schlaf ich ein x G Meine Hände dürfen müde sein x D Mir fallen schon die Augen zu x Nach des Tages Last x x Nacht kommt über unser Land x C XV Noch hinter Berges Rande x Nun hat die Nacht den Tag vertrieben x x Nun lässest du, o Herr x V Nun ruht die Arbeit x x Nun trägt der Abendwind den Tag (x) Schnell eilt der Tag dem Abend zu x Schon glänz der goldne Abendstern x x x Senkt sich die Stille auf das Land x D Sinkt nun die Sonne x x So wie einer Kerze heller Schein x C XVI Spät am Abend x (x) Steil auf dem Schattenriss der Stadt Still geht der Tag zur Ruh x x Still über alle Welt V XVII Stille lass mich finden x G Ums Haus geht schon der Abendwind x D Unter ging der Sonne Schein x x XVIII Vom hohen Baum der Jahre x x Von einem Tag zum andern x Von guten Mächten treu und still umgeben x x x V Warum kommst du so spät x C XIV Die Konnotation des angeredeten Herrn als „Brot“ legt eine Deutung als Christus nahe: „sei Brot, du, Leben neu geboren! “, Str. 3,4. XV Die Anrede „Herr des Lichts“ (Str. 1,3. 4,3) legt eine Deutung als Christus nahe. XVI S. FN XIII. XVII Hier wird das Schöpfersein Gottes herausgestellt. XVIII Dieses Lied richtet sich an den ‚Schöpfer’ („Für Gebirg’ und Meeresstrand,/ Gräser, Steine, grünes Land,/ für die Blumen, bunt erblüht,/ für das helle Vogellied./ Für die Speise, für den Trank / sage ich dir Lob und Dank,/ für dein Wort, das zu mir kam,/ Ängste mir und Zweifel nahm“, Str. 3.4) als auch, in Form der Bitte der Emmaus-Jünger, an den ‚Auferstandenen’ („Herr, sei bei mir diese Nacht,/ bis das neue Licht erwacht“, Str. 1,3f.) <?page no="423"?> 409 Sender I Empfänger Menschen Gott ICH WIR DU IHR Du Vater Herr XP Wenn der Tag vergeht x G Wenn in der Meeres graue Flut x Wenn man der Sonne nachschaut (x) Wenn wir uns abends niederlegen x (x) Wie könnt ich ruhig schlafen x x Wieder geht ein Tag zu Ende x V Will nun meine Hände falten zum Gebet x x Wir bitten, Christus, bleib bei uns x x Wir danken dir für diesen Tag x x Wir stehn im Dunkeln ohne Sicht x C XIX XIX S. FN XIII. <?page no="425"?> Synopse der Textvarianten zu The day Thou gavest, LORD, is ended / Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen E LLERTON (1870) H ÖPPL (1958) V ALENTIN (1964) W EBER (1989) 1,1 The day, thou gavest, Lord, is ended, Der Tag ist um, die Nacht kehrt wieder, Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen Du lässt den Tag, o Gott nun enden 1,2 The darkness falls at Thy behest; auch sie, o Herr, ist deine Zeit. und wird vom Dunkel überweht; und breitest Dunkel übers Land 1,3 To Thee our morning hymns ascended, Dich preisen unsre Morgenlieder, am Morgen hast du Lob empfangen, Wir waren heut in deinen Händen, 1,4 Thy praise shall sanctify our rest. dir sei die Stille nun geweiht. zu dir steigt unser Nachtgebet. nimm du uns auch jetzt in deine Hand. 2,1 We thank thee that our Church unsleeping, Die Erde rollt dem Tag entgegen, Die Erde kreist dem Tag entgegen, 2,2 While earth rolls onward into light, wir ruhen aus in deiner Hut wir ruhen aus in deiner Nacht. 2,3 Through all the world her watch is keeping, und danken dir, wenn wir uns legen, Wir danken dir für Schutz und Segen 2,4 And rests not now by day or night. dass deine Kirche nimmer ruht; wie jeder Mensch, der betend wacht. 3,1 As o’er each continent an island Wie über Länder, über Meere denn unermüdlich, wie der Schimmer Wenn uns der Schein der Sonne schwindet 3,2 The dawn leads on another day, der Morgen ewig weiterzieht, des Morgens um die Erde geht, und Licht den fernen Ländern bringt, 3,3 The voice of prayer is never silent, tönt stets ein Lied zu deiner Ehre, ist immer ein Gebet und immer wird dein Erbarmen dort verkündet, 3,4 Nor dies the strain of praise away. dein Lob, vor dem der Schatten flieht. ein Loblied wach, das vor dir steht. vieltausendfach dein Lob erklingt. 4,1 The sun that bids us rest is waking Kaum ist die Sonne uns entschwunden, Die Sonne, die uns sinkt, bringt drüben, Denn wie der Morgen ohne Halten 4,2 Our brethren ’neath the western sky, weckt ferne Menschen schon ihr Lauf, den Menschen überm Meer das Licht, als Leuchten um die Erde geht, 4,3 And hour by hour fresh lips are making und herrlich neu steigt alle Stunden und immer wird ein Mund sich üben, scheint auf in wechselnden Gestalten 4,4 Thy wondrous doings heard on high. die Kunde deiner Wunder auf. der Dank für deine Taten spricht. ein unaufhörliches Gebet. 5,1 So be it, Lord; The throne shall never, So mögen Erdenreiche fallen, So sei es, Herr, die Reiche fallen, Dein Reich, o Gott, ist ohne Grenzen. 5,2 Like earth’s proud empires, pass away; dein Reich, Herr, steht in Ewigkeit dein Thron allein wird nicht zerstört; Auch da, wo Menschen Macht regiert, 5,3 Thy kingdom stands, and grows for ever, und wächst, bis endlich allen dein Reich besteht und wächst, bis allen wird neu der große Tag erglänzen, 5,4 Till all Thy creatures own Thy sway. das Herz zu deinem Dienst bereit. dein großer, neuer Tag gehört. zu dem du alle Menschen führst. 411 <?page no="426"?> Synopse der Textvarianten zu Abide with me / Bleib bei mir, Herr! L YTE W ERNER R AHE / R INGSEISEN 1,1 Abide with me; fast falls the eventide; 1,1 Bleib bei mir, Herr, der Abend bricht herein. 1,1 Bleib bei uns, Herr, die Sonne gehet nieder, 1,2 the darkness deepens; Lord, with me abide; 1,2 Es kommt die Nacht, die Finsternis fällt ein. 1,2 in dieser Nacht sei du uns Trost und Licht. 1,3 When other helpers fail, and comforts flee, 1,3 Wo fänd ich Trost, wärst du, mein Gott, nicht hier? 1,3 Bleib bei uns, Herr, du Hoffung, Weg und Leben, 1,4 Help of the helpless, O abide with me. 1,4 Hilf dem, der hilflos ist: Herr, bleib bei mir! 1,4 lass du uns nicht allein, Herr Jesu Christ. 2,1 Swift to its close ebbs out life’s little day. 2,1 Wie bald verebbt der Tag, das Leben weicht, 2,1 Bleib bei uns, Herr, der Abend kehret wieder, 2,2 Earth’s joys grow dim, its glories pass away. 2,2 die Lust verglimmt, der Erdenruhm verbleicht; 2,2 ein Tag voll Müh und Plag hat sich geneigt. 2,3 Change and decay in all around I see 2,3 umringt von Fall und Wandel leben wir. 2,4 O Thou, Who changes not, abide with me. 2,4 Unwandelbar bist du: Herr, bleib bei mir! 3,1 I need Thy presence every passing hour. 3,1 Ich brauch zu jeder Stund dein Nahesein, 3,2 What but Thy grace can foil the tempter’s power? 3,2 denn des Versuchers Macht brichst du allein. 3,3 Who like Thyself my guide and stay can be? 3,3 Wer hilft mir sonst, wenn ich den Halt verlier? 2,3 Bleib bei uns, Herr, die Nacht senkt sich hernieder. 3,4 Through cloud and sunshine, Lord, abide with me. 3,4 In Licht und Dunkelheit, Herr, bleib bei mir! 2,4 Lass leuchten über uns dein Angesicht. 4,1 I fear no foe with Thee at hand to bless, 4,1 Von der Hand geführt, fürcht ich kein Leid, 4,2 Ills have no weight, and tears no bitterness, 4,2 kein Unglück, keiner Trübsal Bitterkeit. 4,3 Where is death sting? Where grave thy victory? 4,3 Was ist der Tod, bist du mir Schild und Zier? 4,4 I triumph still if Thou abide with me. 4,4 Den Stachel nimmst du ihm: Herr, bleib bei mir! 5,1 Hold Thou Thy Cross before my closing eyes, 5,1 Halt mir dein Kreuz vor, wenn mein Auge bricht; 3,1 Bleib bei uns, Herr, im Dunkel unsrer Sorgen. 5,2 Shine through the gloom, and point me to the skies. 5,2 im Todesdunkel bleibe du mein Licht. 3,2 Du bist das Licht, das niemals mehr erlischt. 5,3 Heaven’s morning breaks, and earth’s vain shadows flee 5,3 Es tagt, die Schatten fliehn, ich geh zu dir. 3,3 Bleib bei uns, Herr, bei dir sind wir geborgen 5,4 In life, in death, O Lord, abide with me 5,4 Im Leben und im Tod, Herr, bleib bei mir! 3,4 Führ uns durchs Dunkel, bis der Tag anbricht. 412 <?page no="427"?> 413 Personenregister Abel, Otto 18, 179, 205, 208, 323 Alterman, Nathan *116 Alvarez, Alfred 2, 351 Amalar von Metz 156 Ameln, Konrad 5f, 128 Apollo 191 Apostolische Konstitutionen 123, 130, 148, *226 Arnold, Gottfried 195, *199, 201, *203 Augustinus 67, *172, 217 Bach, Johann S. 246 Basilius von Caesarea 111f, 131, 138, 194 Baumstarck, Anton *93 Benedikt von Nursia 100, 147, 155, 157, 196 Bethge, Eberhard *201, 204 Beuerle, Herbert 18, 238 Biehl, Klaus 18, 253, 256f Block, Detlef *211 Bonhoeffer, Dietrich 18, 109, 179, 195, 199- 203, 208, 320f Bonhoeffer, Paula *179 Brosch, Andreas 116 Buber, Martin *190 Burckhard, Willy 161 Caesarius von Arles 122 Canaris, Wilhelm 200 Canones Hippolyti 98 Clemens von Alexandrien 95, 98, 100 Constitutiones Apostolorum s. Apostolische Konstitutionen Cyprian von Karthago 95, 97 Didache 94, 98f Egeria 101, 147 Einig, Bernhard 3 Ellerton, John F. 17, 83, 85 Erster Clemensbrief 146 Fietz, Siegfried 179, 204, 323 Fiensy, David A. *123 Franz, Ansgar 6 Geerlings, Wilhelm *110 Gennep, Arnold van 81f, 102, 114, 154, *155, 159, 264 George, König *230 Gerhardt, Paul 140, 176, *221 Glaser, Barney G. 9 Grahl, Kurt 179 Gregor von Nyssa 111 Greimas, Algirdas J. 21 Greiner, Dorothea *148 Henkys, Jürgen 17, 85, 89, *92, 143, 177, *179, *181, *183, *185, 197, *199f, 201, 203f, 206, 208 Heuser, Christine 18, 116 Heydebrand, Renate von *347 Hippolyt von Rom 111, s. auch Traditio Apostolica Hitler, Adolf 200, 215 Höppl, Karl Albrecht 83, 85 Horder, Mervyn 85 Hugger, Pirmin *192 Humperdinck, Engelbert *148 Ihlenfeld, Kurt 176, 210 Johannes Cassian 98-100 Johannes Chrysostomos 113, 130,*146 Johannes von Damaskus *121 Klepper, Jochen 18, 161, 172, 173-175, 210, 216, 218, 319, 339-342 König, Helmut 18, 116 Kraus, Joachim 170 Lonquich, Hans Martin 17, 103 Luckmann, Thomas 17, 261f Luther, Martin 158f, 201, 248-250 Lyte, Francis 17, 217 Martini, Britta 269, 283 Mayring, Philipp 282 Metzger, Heinz Dietrich 138 Monk, William H. 17, 218 Origenes 95, 97 Pius X. 157 Plank, Peter 111f Propp, Vladimir 21 Rahe, Franz J. 235f Regula Benedicti 155 s. auch Benedikt von Nursia Regula Magistri 155 s. auch Benedikt von Nursia Reimbold, Thomas 2 Ringseisen, Paul 4, 235f Rommel, Kurt 17, 135, 138f Rose, Kurt 18, 238, 332 <?page no="428"?> 414 Rothenberg, Samuel 17, 209f Rothenberg, Theophil 205 Salzerder, Kathi s. Stimmer-Salzeder, Kathi Sambursky, Daniel *116 Schmid, Kurz 17, 135, 139 Scholefield, Clement C. 17, 85f Schröder, Rudolph A. 17, 209f, 215, 346 Schulte Nordholt, J. W., *206 Schütz, Alfred 17, 261f Schuurman, Adriaan C. 206f Schweizer, Rolf 139, 141 Spinrath, A. 17, 103 Stein, Hanni 174 Stimmer-Salzeder, Kathi 17, 103, 107 Strauss, Anselm L. 9 Striebel, Martin 17, 135, 141 Sullivan, Arthur S. 85f Swoboda, Jörg 18, 125 Taft, Robert *94, *130 Teichmann, Wolfgang 238 Tersteegen, Gerhard 140 Tertullian 95-97, 110 Thomas, Wilhelm 5f, 128 Thunberg, Lars 17, 143 Thust, Karl C. 117 Traditio Apostolica 96f, 110, 112, 130, s. auch Hippolyt von Rom Valentin, Gerhard 17, 84, 86-88,90 Ven, Johannes A. van der 8 Vetter, Dieter *150 Victoria, Königin 85 Watson, John R. *222, 225 Weber, Raymund 84, 87 Wedemeyer, Maria von *179, 200 Weiß, Christa 17, 135, 138f Werner, Fritz 18, 161 Werner, Theodor 17, 217, 232, 234 Westermann, Claus *150 Wette, Adelheid *148 Wilhelm II, Kaiser *215 Williams, Vaughan 89 Winkler, Gabriele *132, 146 Winko, Simone *347 Zank, Michael *116 Zenger, Erich 170, *189, 190, *191 <?page no="429"?> 415 V ERZEICHNISSE Abkürzungsverzeichnis Hier wurden lediglich die offiziellen, derzeit gültigen Kirchengesangbücher aufgeschlüsselt; die Sigel der übrigen eingesehenen und zitierten Gesang- und Liederbücher sind im Quellenverzeichnis zu finden. Die Abkürzungen der Bibelstellen folgen den Loccumer Richtlinien. a. am AES Allgemeine Einführung in das Stundenbuch afj Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der DBK AG Arbeitsgemeinschaft AHMA Analecta hymnica medii aevi. Franfurt a. Main 18XXff. ALw Archiv für Liturgiewissenschaft AÖL Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut Art. Artikel ARw Archiv für Religionswissenschaft. Hg. v. Thomas Achelis. Tübingen / Leipzig 1898ff. AT Altes Testament atl. alttestamentlich ATD Altes Testament Deutsch AuC Antike und Christentum AzTh Arbeiten zur Theologie. Hg. v. Theodor Schlatter / Alfred Jepsen / Otto Michel. Stuttgart 1960ff. BAT Die Botschaft des Alten Testaments Bd. Band Bde. Bände BDKJ Bund der Deutschen Katholischen Jugend bearb. bearbeitet BEL Bibliotheca Ephemerides Liturgicae BEL.S Bibliotheca Ephemerides Liturgicae. Subsidia bes. besonders BJA Bischöfliches Jugendamt BKAT Biblischer Kommentar zum Alten Testament BKV1 Bibliothek der Kirchenväter. Eine Auswahl patristischer Werke in deutscher Übersetzung. I. Reihe. Kempten / München 1869-1931. BKV2 Bibliothek der Kirchenväter. Eine Auswahl patristischer Werke in deutscher Übersetzung. Hg. v. Otto Bardenhewer. II. Reihe. Kempten / München 1932- 1938. BR Breviarum Romanum BRM Brockhaus Riemann Musiklexikon BULST Bulst, Walther (Hg.): Hymni latini antiquissimi LXXV Psalmi III. Heidelberg 1956. BWV Bachwerke-Verzeichnis bzw. beziehungsweise CA Constitutiones Apostolorum CChr.SL Corpus Christianorum. Seria Latina *CG Gebet- und Gesangbuch der Christkatholischen Kirche der Schweiz. Bern 2004. CSEL Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum CVJM Christlicher Verein Junger Männer / Menschen DACL Dictionnaire d’archélogie chrétienne et de liturgie DBK Deutsche Bischofskonferenz DBW Dietrich Bonhoeffer Werke DDR Deutsche Demokratische Republik d. h. das heißt DKL Das deutsche Kirchenlied <?page no="430"?> 416 DKV Deutscher Katechetenverein DLI Deutsches Liturgisches Institut, Trier Ders. Derselbe (Autor) Dies. Dieselbe (Autorin) Diess. Dieselben (Autoren) Diss. Dissertation dt. deutsch DUDEN Deutsches Universalwörterbuch Duden Bd. 4 Der Duden Bd 4: Grammatik DWG Deutsches Wörterbuch v. Jacob u. Wilhelm Grimm ebd. ebenda ed. ediert *EG Evangelisches Gesangbuch eingel. eingeleitet EKD Evangelische Kirche in Deutschland *EM Gesangbuch der Evangelisch-Methodistischen Kirche in Deutschland, Österreich und Schweiz / Frankreich 2002. erkl. erklärt eRT evangelische Regionalteile des *EG etc. et cetera; und weitere EÜ Einheitsübersetzung Ev. / ev. evangelisch FC Fontes Christiani. Freiburg i. Br. FN Fußnote(n) FS Festschrift GAGF Gemeinsame Arbeitsstelle für gottesdienstliche Fragen GCS Die Griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte. Berlin 1956ff. gd Gottesdienst. Hg. v. den Liturgischen Instituten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Freiburg i. Br. 1967ff. GdK Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft. Hg v. Bernhard Meyer u.a. Regensburg 1983ff. GEORGES Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch v. Karl Ernst Georges. 2 Bde. Basel 111962. *GGB Arbeitstitel des im Entstehen begriffenen katholischen Gebet- und Gesangbuchs als Nachfolge des Gotteslobs ggf. gegebenenfalls *GL Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch. Stammausgabe. Stuttgart 1975. gr. griechisch *HAM Hymns Ancient and Modern HbEG Handbuch zum Evangelischen Gesangbuch Hervh. Hervorhebung hg., Hg. herausgegeben, Herausgeber(in) hgg., Hgg. (mehrere) Herausgeber(innen) HlD Heiliger Dienst. Salzburg 1947ff. HWDA Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens HThKAT Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament HThKNT Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament IAH Internationale Arbeitsgemeinschaft für Hymnologie i. A. im Auftrag i. K. im Kirchendienst i. Verb. m. in Verbindung mit i. Zus. m. in Zusammenarbeit mit Jg. Jahrgang Jh. Jahrhundert(e) JAC Jahrbuch für Antike und Christentum JLw Jahrbuch für Liturgiewissenschaft lat. lateinisch JLH Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie <?page no="431"?> 417 JVA Justizvollzugsanstalt kfd Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands KLUGE Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache KLJB Katholische Landjugendbewegung KJA Katholisches Jugendamt KJG Katholische Junge Gemeinde (Jugendverband) LACL Lexikon der antiken christlichen Literatur LCI Lexikon der christlichen Ikonographie Leiturgia Leiturgia. Handbuch des evangelischen Gottesdienstes *LG Lobt Gott, ihr Christen. Gesangbuch des Katholischen Bistums der Alt- Katholiken. Bonn 1986. LH Liturgia Horarum iuxta ritum Romanum Lit. Literatur LJ Liturgisches Jahrbuch. Münster 1951ff. luth. lutherisch Luther 1534 Biblia, das ist die gantze Heilige Schrifft deudsch. Übers. v. D. Martin Luther. [Wittemberg 1534]. Luther 1912 Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments nach der deutschen Übersetzung D. Martin Luthers [nach dem 1912 vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss genehmigten Text]. Stuttgart o. J. Luther 1984 Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers. [Bibeltext nach der revidierten Fassung von 1984] Hg. v. der EKD. Stuttgart 1985. LKEG Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Hgg. i. A. der Evangelischen Kirche in Deutschland v. Werner Hahn / Jürgen Henkys (HbEG 3) Göttingen 2000ff. LQF Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen. Münster 1929 / 1957ff. LThK 2 Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Auflage LThK 3 Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Auflage LXX Septuaginta kDA katholische Diözesanhänge zum *GL kath. katholisch *KG Katholisches Gesang- und Gebetbuch der deutschsprachigen Schweiz. Zug 1998. M. Musik; gemeint ist der Produzent der Weise m. E. meines Erachtens MGG Musik in Geschichte und Gegenwart. MHS Mainzer Hymnologische Studien. Hg. v. Hermann Kurzke. Tübingen 2000ff. MuK Musik und Kirche NEB.AT Neue Echter Bibel. Altes Testament NEB.NT Neue Echter Bibel. Neues Testament NF Neue Folge NGL Neue Geistliche Lieder Nr. Nummer NSK Neues Singen in der Kirche NT Neues Testament NTD Neues Testament Deutsch ntl. neutestamentlich ÖLK Ökumenischer Liedkommentar zum Katholischen, Reformierten und Christkatholischen Gesangbuch der Schweiz o. J. ohne Jahr(esangabe) o. O. ohne Ort(sangabe) OR Ordo Romanus QD Quaestiones Disputatae PG Patrologia cursus completus. Series Graeca. Hg. v. Jacques-Paul Migne. Paris 1857-1866/ 1928-1936. PiLi Pietas Liturgica PiLi.S Pietas Liturgica Studia PL Patrologia cursus completus. Series Latina. Hg. v. Jacques-Paul Migne. Paris 1841-1864. Pl. Plural Prof. Professor <?page no="432"?> 418 Ps Psalm Pss Psalmen PO Patrologia Orientalis. Hg. v. R. Graffin / F. Nau. o. O. u. J. RAC Reallexikon für Antike und Christentum. RB Regula Benedicti Repr. Reprint, Nachdruck rev. revidiert *RG Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz. Basel / Zürich 1998. RM Regula Magistri SChr Sources Chrétiennes S.; s. siehe s. o. siehe oben s. u. siehe unten SBB Stuttgarter Biblische Beiträge Serm. Sermon, Sermones Sg. Singular sog. so genannt StB Stundenbuch. Die Feier des Stundengebets Str. Strophe(n) StT Studi e Testi SU Schriften des Urchristentums T. Text, gemeint ist der Autor des Textes TA Traditio Apostolica ThHK.AT Theologischer Handkommentar zum Alten Testament ThHK.NT Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament ThWAT Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament ThWNT Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament TPMA Thesaurus Proverbiorum Medii Aevi = Lexikon der Sprichwörter des römischgermanischen Mittelalters. TRE Theologische Realenzyklopädie TThSt Trierer Theologische Studien TuP Theologie und Praxis u. a. unter anderem u. ö. und öfter u. U. unter Umständen u. v. m. und viele mehr Ü Übersetzung übers. übersetzt UTB Uni-Taschenbücher v. von V, VV Vers; Verse VEGL Veröffentlichungen der evangelischen Gesellschaft für Liturgieforschung Vf. Verfasserin Vgl.; vgl. vergleiche VLH Veröffentlichungen zur Liturgik, Hymnologie und theologischen Kirchenmusikforschung. Hg. v. Martin Rößler und Jürgen Henkys. Göttingen 19XXff. WA D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe [Weimarer Ausgabe]. Weimar 1883ff. WzM Wege zum Menschen. Monatsschrift für Seelsorge und Beratung, heilendes und soziales Handeln z. B. zum Beispiel zugl. zugleich / / synoptische Parallelen zu der entsprechenden zitierten Bibelstelle <?page no="433"?> 419 Abkürzungen bei der Zitation der Interviewtranskripte NK Abkürzung für Interviewte SF; Vf. Verfasserin Auch erwähnte Namen, Städte und Einrichtungen wurden anonymisiert. NK II,224 Die Zitation von Interviewteilen erfolgt nach Initialen der fiktiven Namen, Interviewteil, Transkriptzeile(n) BS+JL II,379-385 Die Unterstreichung zeigt an, um wessen Rede der beiden Interviewpartner es sich handelt. Wird ein Anschnitt zitiert, in dem beide sprechen, so entfällt eine besondere Kennzeichnung. - markiert unvollständige Sätze; der Satz beginnt unvollständig bzw. er endet im Nichts [ eine offene eckige Klammer, der keine geschlossene folgt, zeigt an, an welcher Stelle die Gesprächspartner gleichzeitig zu sprechen beginnen. [...]; […; 02.40] markiert eine Pause; dauert diese länger als eine Gedankenlänge, so wird die Dauer der Pause in Angabe von Minuten und Sekunden dahinter gesetzt. [---] Werden bei der Zitation nur Ausschnitte einer Aussage wiedergegeben, so wird dies durch [---] kenntlich gemacht. [Abend ward] In eckigen Klammern werden Verständnishilfen gesetzt, z.B. Liedanfänge, wenn unklar ist, welches gemeint ist. [zögert] In eckige Klammern werden auch Gefühlsäußerungen wie [lacht] oder [weint] gesetzt. [Ü] Übersetzung eines Liedes; z.B. bei Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen und Durch Unterstreichung von einzelnen Worten und Satzteilen wird eine über das normale Maß des Sprechduktus hinausgehende Betonung kenntlich gemacht. Mh, äh, nee, ja werden nur dann transkribiert wiedergegeben, wenn sie sinnunterstützend sind. Mh [nachdenklich] Zur Erleichterung des Verständnisses werden diese Partikel in eckigen Klammern erläutert. Morgenlieder gepriesen Wenn in einer Aussage partiell auf Liedtexte rekurriert wird, dann werden die entsprechenden Textteile aus den Liedern kursiv gesetzt. <?page no="435"?> 421 Quellen- und Literaturverzeichnis Gesangbücher und Liedsammlungen a) denen die zugrunde liegenden Abendlieder entstammen *33 Lieder für Kirchentage. Hg. i. A. d. N ORDLEBISCHEN A RBEITSSTELLE K IRCHENTAG ’95 V . S TEFAN W OLF- SCHÜTZ . Kiel 1995. *AKSingles Singles-Liedblätter. Hg. v. BDKJ K ÖLN . Köln 1977ff. *Altenberger Singebuch Hg. v. BDKJ-H AUPTSTELLE J UGENDHAUS D ÜSSELDORF . Freiburg i. Br. 8 1958, 10 1962. *Anhang 77 mit Anhang ’71. Neue Geistliche Lieder. Hg. v. d. V EREINIGTEN P ROTESTANTISCH -E VANGE - LISCH -C HRISTLICHEN K IRCHE DER P FALZ / E VANGELISCHE L ANDESKIRCHE B ADEN . Neuhausen- Stuttgart 1977. *Auf und macht die Herzen weit. Liederheft für die Gemeinde. Hg .v. L ANDESKIRCHENRATS DER E VANGE- LISCH -L UTHERISCHEN K IRCHE IN B AYERN . München 1982. *Aus dem Tod wächst Leben. Neue Geistliche Lieder für die Fasten- und Osterzeit. Liederheft. Hg. v. B I- SCHÖFLICHEM O RDINARIAT L IMBURG (Medienpaket 4). Hamburg 1987. *Aus Liebe zum Menschen. Gottesdienstlieder. Hg. v. B ISCHÖFLICHEM O RDINARIAT L IMBURG . Limburg o. J. *Beiheft EKG / RW Beiheft zum Evangelischen Gesangbuch für Rheinland und Westfalen, bestehend aus den Liedern des Evangelischen Kirchengesangbuches, die im Evangelischen Gesangbuch für Rheinland und Westfalen nicht vorkommen, nach dem Beschluss der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 13. Januar 1961. Düsseldorf / Dortmund 1961. *Beiheft EKG Nieder a Beiheft 72 zum Evangelischen Kirchengesangbuch. Ausgabe Niedersachsen. Hg. v. L ANDES- KIRCHE H ANNOVE r. Neuhausen-Stuttgart 1972. *Beiheft EKG Nieder b Beiheft 83 zum Evangelischen Kirchengesangbuch. Ausgabe Niedersachsen. Hg. i. A. d. E V .- LUTH . L ANDESKIRCHE V . J OACHIM S CHWARZ . Neuhausen-Stuttgart 1983. *Brüdergemeinde Gesangbuch der Evangelischen Brüdergemeinde. Hg. v. d. D IREKTIONEN DER E VANGELISCHEN B RÜDER -U NITÄT IN H ERRNHUT und B AD B OLL . Hamburg 2 1982 [1967]. *Cantate Vom Leben singen mit Leidenschaft. Hg. v. KJA B AMBERG . Bamberg 1 1992, 2 1994. *CG Christkatholisches Gebet- und Gesangbuch der Schweiz. Basel 2004. *Christenlieder heute Ein Angebot aus Vergangenheit und Gegenwart. Hg. i. A. d. AG „E INHEIT DES CHRISTLICHEN L IEDGUTES “. Hamburg 1971. *Da war die Nacht Da kam das Licht. Neue geistliche Lieder, v. K URT R OSE . München 1987. *Das Junge Lied 80 neue Lieder der Christenheit. Hg. v. F RIEDLICH S AMUEL R OTHENBERG . Kassel-Willhelmshöhe 10 1961. *Der Burgmusikant Liederbuch des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend. Hg. v. BDKJ M ÜNSTER . Gelsenkirchen 2 1952. *Der Herr ist mein Lied Ein Liederbuch für Jugendgottesdienste. Zusammengestellt v. J ÜRGEN D ITTRICH . Leipzig 1987. *Der Singvogel Das neue Gesangbuch, v. H ANS -J ÜRGEN H UFEISEN u. J ÖRG Z INK . Stuttgart 1997. <?page no="436"?> 422 *Die Mundorgel Hg. v. D IETER C ORBACH . Köln 2 1982. *Die Notenschnecke Berlin 1979. *Die Zeit färben. Neue geistliche Lieder für Chöre und Bands. Hg. v. A RBEITSKREIS K IRCHENMUSIK UND J U- GENDSEELSORGE IM B ISTUM L IMBURG . München 1999. *Dies & Das aus meiner Liedwerkstatt. Hg. v. W INFRIED P ILZ . Düsseldorf 1997. *EG Evangelisches Gesangbuch der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gütersloh 1993ff. Abkürzungen der Regionalteile des Evangelischen Gesangbuchs: *EG/ Sa Sachsen *EG/ BEP Baden / Elsass u. Lothringen / Pfalz *EG/ BT Bayern / Thüringen *EG/ HK Hessen u. Nassau / Kurhessen-Waldeck *EG/ NB Niedersachsen / Bremen *EG/ Ne Nordelbien *EG/ Öst Österreich *EG/ Ref Reformierte Kirche „Der Psalter“ *EG/ RWLR Ev. Reformierte Kirche / Rheinland / Westfalen / Lippe *EG/ Wü Württemberg *Ein frohes Lied Liederheft für den Evangelischen Religionsunterricht an Grundschulen. Hg. v. R ELIGIONSPÄ- DAGOGISCHEM Z ENTRUM DER E V .- LUTH . K IRCHE IN B AYERN . München 1995. *Ein neuer Anfang Hg. v. Priesterseminar Mainz. Mainz 1982. *Ein neuer Himmel - eine neue Erde. Schulentlassung und Firmung. Hg. v. B ISCHÖFLICHES O RDINARIAT L IMBURG D EZERNAT J UGEND (Medienpaket 1). Limburg o.J. *Ein neues Lied. Ein Liederbuch für die evangelische Jugend. Gelnhausen / Berlin-Dahlem 161963. *Eingestimmt Gesangbuch des Katholischen Bistums der Altkatholiken in Deutschland. Bonn 2003 (zugleich für Österreich gültig). *EKG Evangelisches Kirchengesangbuch der EKD. Neukirchen-Vlyn 1959ff. *EM Gesangbuch der Evangelisch-Methodistischen Kirche. Hg. v. d. E VANGELISCH - METHODIS - TISCHEN K IRCHE IN D EUTSCHLAND , Ö STERREICH u. S CHWEIZ / F RANKREICH . Stuttgart / Zürich / Wien 2002. *Erdentöne - Himmelsklang. Neue geistliche Lieder, hg. i. A. d. D IÖZESE R OTTENBURG -S TUTTGART V . A MT FÜR K IRCHEN - MUSIK u. BJA. Rottenburg-Stuttgart / Ostfildern 1 1995, 3 2002, 4 2004. *Evangelisches Kindergesangbuch Hg. v. W ALTER U . V ERA W IESE . Gütersloh 1966. *Feiern und Loben Die Gemeindelieder. 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Br./ Rottenburg-Stuttgart *GL/ Ful Fulda *GL/ Gr-S Graz Seckau *GL/ Gu-K Gurk-Klagenfurt *GL/ Hbg Hamburg *GL/ Hil Hildesheim *GL/ In-F Innsbruck/ Feldkirch *GL/ Kln Köln *GL/ Lim Limburg *GL/ Lux Luxemburg GL/ Mnz Mainz *GL/ Mst Münster *GL/ Mü-F München-Freising *GL/ Osn Osnabrück *GL/ ÖT Österreich *GL/ Pad Paderborn *GL/ Pas Passau *GL/ Reg Regensburg *GL/ Sal Salzburg *GL/ Spe Speyer *GL/ StP St. Pölten *GL/ Tri Trier *GL/ Wbg Würzburg *GL/ Wie Wien *GLB a Gemeinschaftsliederbuch. Ausgabe A. Texte ohne Weisen. Gießen 1960. *GLB b Gemeinschaftsliederbuch Ausgabe B. Begleitbuch mit allen Texten. Hg. v. E VANGELISCH - K IRCHLICHEN G NADAUER G EMEINSCHAFTSWERK . Berlin 1970 [4. Auflage der Ausgabe für die DDR] *Gottesklang Das kleine Liederbuch. Kirchentag Stuttgart ’99. Hg. v. d. E VANGELISCHEN L ANDESKIRCHE W ÜRTTEMBERG . Stuttgart 1999. *Halleluja I + II - Liederbuch für junge Christen. Hg. v. B ISCHÖFLICHEM S EELSORGEAMT DES B ISTUMS E SSEN . 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