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Arthur Koestler:

Ein heller Geist in dunkler Zeit. Vorträge des Internationalen Arthur Koestler Symposiums der Universität Auburn 2007

0520
2009
978-3-7720-5312-2
978-3-7720-8312-9
A. Francke Verlag 
Robert G. Weigel

Der Band versammelt kritische Beiträge zu Leben und Werk Arthur Koestlers. Durch Ausleuchtung mannigfacher Aspekte seines umfangreichen literarischen und politisch motivierten essayistischen Werkes sowie der wissenschaftstheoretischen Schriften und Rezeptionsgeschichte ergibt sich eine überblicksartige Zusammenschau des Koestlerschen Ouvres. Untersucht werden dabei Facetten seiner von der Erfahrung des Totalitarismus und des Exils geprägten, turbulenten Lebensgeschichte, die literarische Verarbeitung der Rußlandreise bzw. der kommunistischen Jahre in der Trilogie (Die Gladiatoren, Sonnenfinsternis, Ein Mann springt in die Tiefe), die Autobiografie sowie jene theoretischen Schriften, die nicht nur Koestlers Interesse an Psychologie sondern auch seine Kritik am Reduktionismus der modernen Wissenschaft widerspiegeln, und nicht zuletzt die Arbeiten zur Parapsychologie, mit der er jenen reduzierenden Verabsolutierungstendenzen entgegen zu wirken versuchte und deren Förderung er sich am Ende und gleichsam als letztes Ziel seines Schaffens widmete. Der Band wird abgerundet von komparatistisch angelegten Studien, die u.a. Koestlers Beziehung zu Manes Sperber aber auch seine Verwandtschaft mit dem Werk Hermann Brochs hervorheben.

<?page no="0"?> E dition Patm os Robert G. Weigel (Hg.) Arthur Koestler: Ein heller Geist in dunkler Zeit <?page no="1"?> E dition Patm os Herausgegeben von Joseph P. Strelka Band 13 <?page no="3"?> Robert G. Weigel (Hg.) Arthur Koestler: Ein heller Geist in dunkler Zeit <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.d-nb.de> abrufbar. Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung in Wien. Gefördert durch das Land Niederösterreich und die Arbeitsgemeinschaft Donauländer. © 2009 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.francke.de E-Mail: info@francke.de Druck und Bindung: Laupp & Göbel, Nehren Printed in Germany ISBN 978-3-7720-8312-9 <?page no="5"?> Inhaltsverzeichnis Vorwort des Herausgebers ..................................................................................... 7 Z u r L e b e n s g e s c h i c h t e Reminiscences of Arthur and Cynthia Koestler (John Smythies)....................................................................................................... 15 Decoding Koestler (Michael Scammell)................................................................................................ 23 Zwei Leben - ein Jahrhundert: Manès Sperber und Arthur Koestler (Rudolf Isler) ........................................................................................................... 35 Arthur Koestlers Reise durch die Sowjetunion (Ilona Slawinski) ..................................................................................................... 45 D i e W e l t d e r R o m a n e Erzählstrategien in Arthur Koestlers Romantrilogie (Wynfrid Kriegleder) ............................................................................................. 59 The Gladiators: Twentieth-Century Detours from Nineteenth-Century Optimism (Kirk M. Steen) ........................................................................................................ 77 Koestler’s Die Herren Call-Girls (Naser Secerovic) .................................................................................................... 91 D a s w i s s e n s c h a f t s t h e o r e t i s c h e W e r k Khazars in Fiction (Frank Day) ........................................................................................................... 105 Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa im Spannungsfeld von Überlebensstrategie, Identitätsfindung und Erkenntnisgewinnung (Klaus Weissenberger) ......................................................................................... 113 Arthur Koestler, Johannes Kepler and Friedrich Hölderlin Thoughts on the Eccentric Orbit (Emery E. George) ................................................................................................ 141 Alpbach and Beyond (Hans Rudnick)..................................................................................................... 161 Assoziationen zu Koestlers Wissenschaftsverständnis (Helmut Kohlenberger) ....................................................................................... 179 <?page no="6"?> Inhaltsverzeichnis 6 Arthur Koestler und die Parapsychologie (Joseph Strelka) ..................................................................................................... 189 Z u r R e z e p t i o n Die Koestler-Rezeption in den Vereinigten Staaten (Hans Wagener).................................................................................................... 203 Personenregister ................................................................................................... 219 <?page no="7"?> Vorwort des Herausgebers Der vorliegende Band vereinigt im Wesentlichen Vorträge eines Internationalen Symposiums, das vom 22.-24. März 2007 an der Universität Auburn im Bundesstaat Alabama (USA) stattgefunden hat. An dieser Stelle seien vor allem dem Department of Foreign Languages and Literatures und dem Dekanat des College of Liberal Arts sowie dem Austrian Cultural Forum in New York City für ihre Unterstützung gedankt. Dr. Ilona Slawinski sei für ihre Bemühungen, die zur Drucklegung des Bandes führten, ebenso gedankt wie dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung sowie der niederösterreichischen Landesregierung für ihre finanzielle Unterstützung. Dieses “Internationale Arthur Koestler Symposium” fügte sich nahtlos an jene beiden Symposien, die seit 2001 in Auburn abgehalten wurden, da im Grunde alle behandelten Autoren thematisch der Exilliteratur zuzuordnen sind. Folgerichtig basiert das Interesse an Koestler vor allem von Germanisten (bzw. Literaturwissenschaftlern überhaupt) auf den von Koestler selbst als Trilogie bezeichneten Romanen: Die Gladiatoren, Sonnenfinsternis und Ein Mann springt in die Tiefe, deren historisch-politischer bzw. zeitgeschichtlicher Hintergrund und Bezug durchaus charakteristisch ist für die Exilliteratur, die sich im Grunde immer, direkt oder (durch Verlegung in eine der eigenen ähnliche, analoge geschichtliche Periode) indirekt mit der Zeitgeschichte, der Erfahrung des Totalitarismus kommunistischer bzw. faschistischer Ausprägung und damit interdependent des Exils auseinander setzte. Flucht und Verfolgung waren meist lebensgefährliche “Abenteuer”, während Inhaftierung so manchem dieser Autoren nicht nur die Fragilität des eigenen Lebens vor Augen führte, sondern direkt mit dem Tod konfrontierte. So wurde für Koestler - wie auch Hermann Broch, der ebenfalls ins Exil gehen sollte - die Auseinandersetzung mit dem Tod in den Gefängniszellen in Spanien (bzw. Österreich) zu einem einschneidenden, lebensprägenden Erlebnis, das auch Eingang fand ins schriftstellerische Werk: die sich ihm in diesem Zusammenhang in Zelle Nr. 405 offenbarende “Geheimschrift” fand ihren Niederschlag in dem gleichnamigen Titel des zweiten Bandes der Koestlerschen Autobiographie, während sie Broch zu einem der großartigsten Romane in deutscher Sprache anregte, den Tod des Vergil. 1 Und es gibt weitere, geradezu offensichtliche Parallelen im Koestlerschen und Brochschen Werk. Beiden geht es um Horizonterweiterung und Erschließung von “Welten”, die die unmittelbare Wirklichkeit transzendieren - eine gewisse mystisch inspirierte Komponente findet sich daher bei beiden: Koestlers “ozeanisches Gefühl” trifft z.B. durchaus auch auf Passagen von Brochs Tod des Vergil und Versucher zu, auch wenn Broch nicht wie der späte 1 Es ist bezeichnend für diese Exilwerke, dass beide Bücher zunächst auf Englisch erschienen (bzw. im Falle Brochs, gleichzeitig auf Englisch und Deutsch). <?page no="8"?> Vorwort des Herausgebers 8 Koestler an der Erforschung parapsychologischer Phänomene interessiert war. Doch Koestlers (vor allem seit den fünfziger Jahren) zunehmendes Interesse an Psychologie und anderen Wissenschaften teilte er durchaus - verwiesen sei auf seine interdisziplinär ausgerichtete Massenpsychologie, in der er wie Koestler gegen “the determinism of the consequent logic” 2 der pseudoreligiösen “ismen” wie Faschismus und Kommunismus, aber auch individueller Wissenschaften argumentiert. Schon der Titel des Alpbach Symposiums, Beyond Reductionism, impliziert Koestlers kritische Haltung gegenüber den Verabsolutierungstendenzen in den einzelnen Wissenschaften. Koestler spricht sich daher wie Broch aus “against mechanistic explanations of that inviolable core at the centre of the mystery of the human mind.” 3 Darüber hinaus wissen beide um “the strong irrational streak that permeated the thought of some of the greatest scientists and intellectual visionaries,” 4 wie Koestler ausführlich in Der Göttliche Funke aufgezeigt hat. Der Reduktionismus zeichnet auch verantwortlich für die sinnlose Hingabe an fundamentalistisch ausgerichtete bzw. (in Brochs Terminologie) geschlossene Wertsysteme. Die Erforschung der menschlichem Verhalten und Psyche zugrunde liegenden Prinzipien sowie die anzustrebende Entwicklung offener Systeme erforderte freilich jene bereits angesprochene Zusammenarbeit, ja Synthese verschiedener Wissenschaften, deren individuelle Vertreter sich allerdings derartigen Bestrebungen, vor allem den visionären Aspekten von Koestlers Spätwerk oft widersetzten - als historisches Exempel ins Gedächtnis gerufen sei hier die häufig kritisierte und ebenso missverstandene Farbenlehre Goethes. 5 Diese grundsätzlich offene und verschiedene Disziplinen verbindende Grundhaltung des Koestlerschen Denkens und schriftstellerischen Schaffens hat sich auch auf die Koestler-Kritik ausgewirkt. Sowohl Volumen als auch die umfangreiche Thematik seines Gesamtwerks erschweren in vieler Hinsicht eine umfassende Beschäftigung mit seinem Leben und Werk durch individuelle Fachwissenschaftler; daher gibt es im Grunde weniger Sekundärliteratur als man annehmen würde. Freilich machte ihn darüberhinaus sein Interesse an der Parapsychologie sowie das Vermächtnis seines Vermögens um deren Forschung voran zu treiben und gleichsam zu legitimieren, vielen Naturwissenschaftlern umso suspekter, während ihn sein absoluter Anti-Kommunismus vor allem Literatur- und Exilforschern, die dem linken Flügel des politischen Spektrums nahestehen, äußerst problematisch erscheinen ließ oder gar zum Anathema machte. 2 Roy Webberley, “An Attempt at an Overview,” in: Astride the Two Cultures. Arthur Koestler at 70, hrsg. v. Harold Harris (New York: Random House, 1976), S.10. 3 Iain Hamilton, “Wonderfully Living: Koestler the Novelist,” in: Astride the Two Cultures, S.93. 4 John Beloff, “Koestler’s Philosphy of Mind,” in: Astride the Two Cultures, S.78. 5 Es sei zumindest angefügt, dass auch die Bedeutung von Brochs Massenwahntheorie nicht nur verkannt, sondern diese überhaupt kaum bekannt ist. <?page no="9"?> Vorwort des Herausgebers 9 Neuere Studien über Koestler haben, im Grunde nicht überraschenderweise, “reduzierende” Teilaspekte seines Lebens und Werkes wie die angebliche Bedeutung seiner jüdischen Herkunft betont - freilich blieb es nicht bei diesem selbst eher problematischen, interpretatorischen Ansatz, denn darüberhinaus kulminierte bzw. degenerierte er zu einer persönlichen Attacke auf den Menschen Koestler; 6 oder sie stellten besonders den Zionisten Koestler heraus. 7 Erst ein unlängst erschienener Band des auch hier mit einem Beitrag vertretenen Literaturwissenschaftlers, Joseph Strelka, versuchte die wirkliche Bedeutung des Koestlerschen Gesamtwerkes herauszuarbeiten und Koestler als einen der intellektuellen Größen des 20. Jahrhunderts zu würdigen. 8 Es ist die Hoffnung des Herausgebers, dass auch die folgenden, kritischen Beiträge neue Aspekte des Koestlerschen Oeuvres ausleuchten und das Interesse an dem - heute mehr denn je - lesenswerten Werk Koestlers wachhalten. In seinen lebhaft-amüsanten Erinnerungen an den Freund, stellt der Mitherausgeber des Alpbach Symposiumsbandes und langjährige Freund Koestlers, John Smythies, sowohl Koestler, den Menschen vor, seinen Charme, seine Trinkfestigkeit, seinen Sinn für Humor, aber auch seinen Scharfsinn, seine Größe und Aura. Gleichzeitig knüpft er aber auch Verbindungslinien zwischen Koestlers lebenslanger Bekämpfung aller “ismen” (politischer wie wissenschaftlicher) und deren Rolle im weltpolitischen Geschehen des 21. Jahrhunderts. Die vom Alpbach Symposium schon im Titel implizierte und kritisierte Dogmatisierung der Wissenschaften führt (wie bei religiösen Fundamentalisten, aber auch Politikern, die im Namen Gottes handeln) zu gefährlichen Reduktionen lebensbzw. weltbedrohender Konsequenz. Michael Scammells 9 Beitrag veranschaulicht überzeugend, wie sich der - im übrigen für die Exilliteratur gewissermaßen paradigmatische - Utopie- Gedanke gleichsam als Leitfaden durch das gesamte Werk Koestlers zieht; und dieses sich daher wenn nicht als Werk aus einem Guss so doch als einheitliches Ganzes präsentiert - also keineswegs durch jene anscheinend unzusammenhängenden Schaffensperioden (gesellschaftspolitisch motivierter Journalismus, zeitgeschichtlich motivierte Romanwelt und apolitische, philosophisch-wissenschaftliche bzw. (para)psychologische Schriften) zu trennen ist wie dies traditionell geschah. Anhand eines einführenden Vergleichs der bemerkenswerten Parallelen im Werdegang Koestlers und Manès Sperbers untersucht Rudolf Isler dessen Auswirkung auf das Schaffen der beiden Autoren sowohl hinsichtlich der unterschiedlich behandelten jüdischen Themen als auch der im Kern we- 6 David Cesarani, Arthur Koestler.The Homeless Mind (New York: Free Press, 1999) 7 Christian Buckard, Arthur Koestler. Ein extremes Leben. 1905-1983 (München: Beck, 2004) 8 Joseph P. Strelka, Arthur Koestler. Autor. Kämpfer. Visionär (Tübingen: Francke, 2006) 9 Michael Scammell ist der Koestler-Spezialist schlechthin. Seine langjährig vorbereitete Monographie über Koestlers Leben und Werk wird 2009 bei Random House in New York erscheinen. <?page no="10"?> Vorwort des Herausgebers 10 sensverwandten literarischen Verarbeitung ihrer Erfahrung mit dem Kommunismus in Sonnenfinsternis und Wie eine Träne im Ozean, auf der im Letzten beider Ruhm beruht. Koestlers zunächst positive, aber zunehmend ablehnende Sicht Sowjetrusslands steht im Mittelpunkt der Studie Ilona Slawinskis, die veranschaulicht wie bereits die literarische Umsetzung der Russlandreise - also jener eigentlich als Propagandabuch konzipierter Band Von weißen Nächten und roten Tagen - das Land schon, wenn auch in vieler Hinsicht unbewusst, kritisch betrachtete. Obschon Koestler erst später die Augen aufgingen (wie Slawinski unter Hinzuziehung der autobiographischen Erinnerungsbände nachweist), genügten der russischen Zensur schon Anfang der dreißiger Jahre die Betrachtungen des Kommunisten Koestler: der Band erschien weder in voller Länge noch, wie geplant, in mehreren Sprachen. In seiner Untersuchung der von Koestler - vor allem in der bereits erwähnten Trilogie - implementierten Erzählstrategien, zeigt Wynfrid Kriegleder, dass Koestler mit seiner ästhetischen Orientierung an der geschlossenen Form des Romans in der Tradition der realistischen Erzählliteratur steht; sein Versuch, durch partielles Allegorisieren Allgemeingültigkeit der Texte zu erzielen, erinnert darüber hinaus auch an den philosophischen Roman des 18. Jahrhunderts; andererseits bedient er sich hauptsächlich der personalen Erzählsituation, d.h. die Handlung wird weniger vom allwissenden Erzähler (dem als Konzept Koestler verpflichtet ist) präsentiert als - romantechnisch durchaus zeitgemäß - aus der Perspektive der handelnden Figuren. Obschon seine Analyse von Koestlers in den Gladiatoren entwickeltem “Gesetz der Umwege” dessen aufgrund der zeitgeschichtlichen Geschehnisse der dreißiger Jahre verständlichen Pessimismus hinsichtlich Politik und Revolution, sozialer Gerechtigkeit und Masse Mensch offenbart, steht Koestler für Kirk Steen im Letzten in der Tradition des Liberalismus des 19. Jahrhunderts: dessen grundsätzlichen Optimismus und Glauben an die Würde und den Wert des Individuums und, damit verbunden, die nie aufgegebene Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Naser Secerovic veranschaulicht in seiner Interpretation der Herren Call- Girls wie Koestlers letzter Roman zum einen Grundthesen und -probleme des Alpbach-Symposiums (das gleichsam vorbildhaft den Hintergrund des Romans darstellt) verarbeitet, um zum anderen auf fiktiver Ebene jenen metaphysischen Rest zu erschließen, der von den überspezialisierten Wissenschaften nicht erfasst wird. Dabei geht er aus von Viktor Frankls Kritik an den Wissenschaften, die aufgrund ihrer Fragmentarisierung trotz mancher neuen Einzelerkenntnisse kein umfassendes Wissen über den Menschen zulassen, sondern ihn darüberhinaus vielmehr zu einem automatenhaften Wesen reduzieren; Secerovic verweist in diesem Kontext auf Hermann Brochs Analyse des Zerfalls der Werte, in dem er jenes Phänomen sich verselbständigender, geschlossener Systeme kritisiert, die auf die Propagierung der eigenen Wahrheit insistieren und somit produktive Kommunikation untereinander (wie auch im Falle der Call-Girls) unmöglich machen. <?page no="11"?> Vorwort des Herausgebers 11 Frank Day vergleicht in seiner Studie Koestlers Geschichte der Khasaren (und seine These, das östliche Judentum stamme von ihnen ab) mit neueren fiktiven Werken über dieses Volk, namentlich Milorad Pavic’ auf serbokroatisch verfassten Lexikonroman Das Chasarische Wörterbuch sowie Marek Halters französischen Roman Les Vent des Khazars. Unter Hinzuziehung von Kevin Alan Brooks wissenschaftlichem Standardwerk, The Jews of Khazaria, verweist er auf Parallelen wie die von allen behandelte und auf einen arabischen Historiker zurückgehende Debatte über die Konvertierung der Khasaren zum Judentum im 10. Jahrhundert, arbeitet aber andererseits auch Unterschiede zu Koestlers Ausführungen heraus. Ausgehend von der Tatsache, dass nicht-fiktionale Kunstprosa gerade in Krisenzeiten wie der NS-Zeit sowie der daraus resultierenden Erfahrung der Flucht und des Exils an Bedeutung gewann, untersucht Klaus Weissenberger - unter Berücksichtigung unveröffentlichter Briefe aus dem Koestler-Archiv in Edinburgh - Koestlers mehr oder weniger autobiographische Schriften; chronologisch vorgehend, zeigt er an Hand der Tagebuchteile aus dem Spanischen Testament, dann dem reiseberichtartigen Abschaum der Erde und der aufklärerischen Aufsatzsammlung Der Yogi und der Kommissar, in der er das physikalisch-biologisch fundierte Weltbild um eine, in Vergessenheit geratene, vertikale Dimension zu erweitern sucht, die auch die individuellen Titel seiner nachfolgenden Autobiographie, Der Pfeil ins Blaue und Die Geheimschrift versinnbildlichen, bis hin zu der abschließenden Kepler-Biographie jene die literarische Autobiographie kennzeichnende Beziehung von Erkennen und Entdecken auf, die bestimmt ist durch das Oszillieren von Wirklichkeitserfahrung und Selbstbeobachtung bzw. Erkenntnisdrang - wobei sich (wie im Falle Keplers und Koestlers) die Wahrheitsfindung eher schrittweise, “prozessual” vollzieht. Emery George unternimmt es, leitmotivisch gestaltet durch das Bild der “exzentrischen Bahn,” Verbindungslinien zu ziehen zwischen den in ihrer Zeit und Tätigkeitsbereichen Kometen gleichenden Persönlichkeiten: Kepler - der vielleicht größte Astronom aller Zeiten, Hölderlin - einer der größten Dichter in deutscher Sprache, und Koestler - einer der ganz großen Denker von, so George, Goethescher Dimension und mehr. Die Bedeutung des von Kepler entdeckten Gesetzes der Planetenbewegung (basierend auf der Exzentrizität der Bahn des Planeten Mars) ist ihm dabei (wie für Koestler in seiner Kepler-Studie) Ausgangspunkt einer Untersuchung geistig-kreativen, wissenschaftlichen Schaffens der drei im Mittelpunkt stehenden Persönlichkeiten. Anhand einer Analyse zweier Vorträge (von Weiss und Bertalanffy, dem Begründer der allgemeinen Systemtheorie) des von Koestler organisierten Alpbach Symposiums weist Hans Rudnick darauf hin, dass Koestler als einer der ersten die Bedeutung der aus der biologischen Forschung hervor gehenden Systemtheorie bzw. Systemlehre erkannte und jenes interdisziplinäre Erkenntnismodell zur Erklärung komplexer Phänomene generell propagierte. Bertalanffy selbst betonte in diesem Zusammenhang Koestlers Sympo- <?page no="12"?> Vorwort des Herausgebers 12 siumsbeitrag, der für eine interdisziplinäre Wissenschaft plädierte, die die von Bertalanffy kritisierte deduktive Verfahrensweise der isolierten Betrachtung von Einzelphänomenen durch deren Vernetzung überwindet und somit als offenes System konzipiert ist, wie auch Koestlers in Der Geist der Maschine entwickeltes Konzept des Holons. Helmut Kohlenberger verweist in seinen “Assoziationen zu Koestlers Wissenschaftsauffassung” auf das sowohl von ihm als auch von Broch konstatierte Problem der Verwissenschaftlichung des Lebens und deren Konsequenz für die Gesellschaft. Das mit dieser Rationalisierung einhergehende emotionale Vakuum bringt Koestler in Zusammenhang mit einer Kritik der Sprache, in dem er nicht nur auf deren “trennenden Kräfte” hinweist, sondern auch auf ihre durch die reduzierenden, den Geist tötenden Formen des Buchdrucks (wie dem Flugblatt) hervorgerufene zunehmende Isolierung. Freilich beschränkt sich die Reduktion nicht nur auf Worte, sondern geht vielmehr mit dem allgemeinen, die Moderne kennzeichnenden Reduktionismus auf Zahlen einher, dem er visuell Gegebenes gegenüberstellt, das, Intuition berücksichtigend, sich nicht logisch exakt auflösen lässt; ähnlich wie er in den Wissenschaften atomistische und holistische Auffassung zu vermitteln sucht. Joseph Strelka vermittelt mit seinen Ausführungen über Koestler und die Parapsychologie einen Überblick sowohl über die junge Wissenschaft der Parapsychologie als auch Koestlers Interesse und Beitrag zu seiner breiteren Anerkennung und Institutionalisierung. Bereits die Wurzeln des Zufalls zielen (u.a. durch Verarbeitung neuester Erkenntnisse aus der Physik) auf die Öffnung des Lesers für parapsychologische Erscheinungen ab; in dem wenig später (mit Sir Alister Hardy und Robert Harvie) verfassten Band The Challenge of Chance weist er die herkömmliche einseitige, deterministische Auffassung von der Welt als unhaltbar nach, untersucht in Life after Death Grundlagen für die Existenz von Geistern, während er in “Der Mensch - Irrläufer der Evolution” die Existenz von paranormalen Phänomenen als Faktum voraussetzt und ihre Bedeutung für eine neue Sicht der Welt, eine neue Ordnung entfaltet. Hans Wageners Ausführungen über die “Koestler-Rezeption in den Vereinigten Staaten” veranschaulichen die unterschiedliche Bewertung seiner Romane, seiner Bücher über Judentum bzw. Israel und Palästina sowie der naturwissenschaftlich-philosophisch motivierten Veröffentlichungen. In den USA fanden dabei vor allem die Romane meist positive Aufnahme (solange sie nicht als “Ideenromane” eingestuft wurden), während die Publikationen über Israel und Judentum, kaum überraschend, eher skeptisch betrachtet wurden; die Kritiken der sich mit theoretischen und naturwissenschaftlichen Fragen beschäftigenden Bücher schließlich hoben zwar zum einen Koestlers Stil und Fähigkeit hervor, komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge einsichtig darzustellen, zeigten sich aber zum andern im Detail eher kritisch hinsichtlich der Koestlerschen Ideen. <?page no="13"?> Zur Lebensgeschichte <?page no="15"?> Reminiscences of Arthur and Cynthia Koestler John Smythies I first met Arthur Koestler in London in the 1950’s when intellectual London was composed of a neat collection of cosy villages, where the artists lived in Chelsea, the writers in Bloomsbury and Soho, the lawyers in the Inns of Court, and the doctors in and around Harley Street. Arthur and I shared a deep interest in psychical research (now known as parapsychology) and our centre of gravity was Tavistock Square where the Society for Psychical Research (SPR) had a grand mansion. The SPR hosted frequent meetings and talks and Arthur and I attended these from time to time and became acquaintances. Then, in 1962, my wife Vanna and I received an invitation to drop in on the Koestlers at their summer home in Alpbach in the Tyrol on our yearly trip to Trieste (Vanna’s home town). At the time I had an academic position as Reader in Psychiatry at Edinburgh University, and we used to drive the 800 miles to Trieste in our old American Ford laden with camping and holiday gear with our two young sons in the back. Twenty miles before we arrived in Alpbach we had a near brush with death when the worn brakes in our ancient and heavily laden car failed on the descent from Seefeld to Zirl in the Inn valley, whose notoriety for its length and the steepness of its gradient is exemplified by the huge sign at the top that bears a huge skull and cross-bones with the message underneath in four languages “Very Dangerous Hill. Imperative to change into low gear.” Fortunately the brakes failed right at the bottom of the hill, so we escaped serious injury. If they had failed a minute earlier we would have inevitably gone over the edge and landed on the rocks far below. So we arrived at Arthur’s considerably shaken. Fortunately Arthur and Cynthia knew just what to do which was, after an affectionate welcome, to fill us with Slivovitz and roll us into bed. Arthur meanwhile drove down to the village to have a drink with the locals at the inn. The Koestlers had built a typical Tyrolean chalet in Alpbach on the side of the mountain about a mile outside the village. The road up was steep and narrow with many tight bends. The ground floor of the chalet held the living quarters, and the entire upper floor was occupied by Arthur’s study, where he wrote at his desk overlooking the village and the distant mountains to the north many miles away. Guests were housed in the ancient Bauernhaus, or mountain farm, opposite, all dark wood and small-latticed windows. At around two in the morning we were woken by the sound of a powerful car driven very fast up the narrow road from the village. It stopped at Arthur’s door. We peered out of the window. A dark figure emerged from the car and <?page no="16"?> John Smythies 16 zigzagged up the steps, leaving the car door open and the engine at full revs, and vanished into the house. Shortly afterwards a small slight figure emerged from the house, went down to the car, switched off the engine and returned silently whence it had come. Arthur has given a vivid account in his astonishingly candid autobiography of his inordinate taste for wine - what we witnessed that night confirmed what we had read. The next morning Arthur appeared at breakfast as bright and neat as a new pin with no sign of a hangover. In contrast, Slivovitz being what it is, we were not feeling so sprightly, but Arthur affected with his usual notable tact to attribute our lack of joi de vivre to the stress of our recent brush with death, a situation Arthur was very familiar with himself from his experiences during the Spanish Civil War. Fortunately we soon perked up. As many people have found, it was impossible not to respond to Koestlerian charm - brilliant and forceful in the case of Arthur, gentle and dulcimer in the case of Cynthia. Personal magnetism is a much over-used concept - often applied to people who do not deserve it, and who are merely trying to get us to do something we do not want to do. But Arthur had the real thing - his kindliness and wit, the enormous breadth of his learning, his power to put all weight of this knowledge to effective use in the art of conversation, his great skill in making you feel that your ideas were just as important to him as were his own (most famous people in my experience only want to talk about themselves), his sheer disinterested friendliness and infectious sense of fun - all combined to make one treasure one’s great good fortune to be in his company even for the shortest of time. Cynthia was his perfect counterfoil and partner - utterly devoted but never subservient, always available to pick up the pieces (Arthur’s candour in his autobiography also extends to his tendency to be carried away by his genius for living and getting thereby into scrapes). Arthur was everything a great man should be, and Cynthia was everything a great man’s wife should aspire to. After breakfast Arthur took us up to his study. He walked over to the window and looked over the lovely valley. “You know,” he said, “those mountains over there are in Germany - Krautland as I call it. Every member of my family was murdered at Auschwitz, and I am the only survivor.” He then explained that, as terrible as the Nazis were, and as guilty as the great mass of the Germans were for electing Hitler to office by democratic vote, and supporting him with passion until the bitter end, he could not bring himself to hate them - wretched pawns as we all are in a cruel Universe blackened by inevitable human wickedness and folly. However, he made it plain to us then, and did so whenever he could both before and since, that he did lay the blame for the Holocaust, and many other disasters of the XXth century, squarely on the scientists and philosophers, who preach the nihilistic doctrines of scientism. Science is the pursuit of truth: scientism is the defense of scientific dogma masquerading as truth. In the present case the false dogma, defended by contemporary scientism, is that neuroscience has proved that the mind and the brain are identical, and, therefore, that the <?page no="17"?> Reminiscences of Arthur and Cynthia Koestler 17 concept of the human soul is as nonsensical as is belief in the existence of phlogiston, or unicorns. In actual fact, as I have argued at length elsewhere 1 , there is no basis whatever in neuroscience for this dogma. Neuroscience has discovered many facts about how the brain works. It has not, however, shown what is the relation between these brain events and the events that take place in a person’s consciousness. It has certainly not shown that they are identical. Arthur’s friend, the great Viennese neurologist and psychiatrist Viktor Frankl, founded a system of psychotherapy called logotherapy based on the search for meaning in life. His survival of Auschwitz gives him particular authority to speak on these matters. In his book The Doctor and the Soul he says that the social reductionism of modern psychology - that man is nothing more than a mind-machine, a pawn of drives and reactions, the mere product of instinct, heredity and environment - leads to nihilism and corruption. He says that the gas chambers of Auschwitz were …the ultimate consequence of the theory that man is nothing but the product of heredity and environment - or, as the Nazis liked to say ‘of Blood and Soil’… I am absolutely convinced that the gas chambers of Auschwitz … were ultimately prepared not in some ministry or other in Berlin, but rather at the desks and in the lecture halls of nihilistic scientists and philosophers. 2 Arthur and I some years later were to organize the Alpbach Symposium “Beyond Reductionism” devoted to this concept, about which more later. The next day we continued our journey to Trieste. Two years later we visited Arthur again. This time we drove up from Trieste sans children but accompanied by Vanna’s aunt Natalia, Contessa de Smecchia, who had expressed a desire to meet the famous author. I relate this adventure to illustrate Arthur’s impish sense of fun. Vanna comes from a Hochgeborn family in Maria-Theresa’s city of Trieste. There is still a street in Vienna named after her mother’s family, the Schulhofs. Life for some in Trieste, even in the 1960’s - nostalgic for the great days of Trieste when it was the principle port of the Empire - in contrast to today when it is a neglected and forgotten appendage of Italy - was still based on the culture of the Austro-Hungarian Empire, where social rank was of consuming importance. The reader may recall that the main reaction of the Emperor Franz Joseph to the assassination of his nephew and heir at Sarajevo was not, as one might have expected, one of concern for his murdered nephew, or even apprehension of the war that might result, but horror, disgust and shame that Franz Ferdinand’s wife who was also involved, was of - by his standards - an unacceptably inferior social background. Aunt Natalia (commonly known to us as Zia Titty) was a woman whose glittering black eyes and tensely controlled demeanour betrayed her astonishing conceit, arrogance, and general wickedness. Vanna suffered much at 1 John Smythies, The Wall’s of Plato’s Cave (Aldershot: Avebury Press, 1994) 2 Victor Frankl, The Doctor and the Soul (New York: Random House, 1973) <?page no="18"?> John Smythies 18 her hands and gives a graphic account, in our joint autobiography “Two Coins in the Fountain”, 3 of the role that Zia Titty’s repression and frank sadism played in her own childhood. Natalia de Smecchia was the daughter of the leading gynaecological surgeon in Trieste, but she had always nurtured the passionate ambition of joining the Nobility. This she achieved by marrying a decayed Count from an ancient Venetian family, who traded his title for her money, much to his lasting regret. In honour of her meeting with the famous novelist, Zia Titty had donned an outfit she considered suitable for a member of the Austro-Hungarian Nobility - a sort of green hunting jacket covered with bone taggles, plus a Tyrolean hat complete with a tuft of chamois beard and badges. Arthur and she immediately took an intense dislike to each other. If there was anything Arthur, as a good Hungarian democrat, disliked it was Austro-Hungarian pseudo-aristocrats. If there was any thing Zia Titty disliked it was a disrespectful Hungarian Jewish intellectual. She immediately started throwing her weight around and told Arthur exactly who she was, hinting how fortunate he was to meet her. Arthur remained silent but smouldered like Vesuvius about to erupt. She concluded her harangue with a question, “And where do the Koestlers come from? ” “Finland” he replied savagely. At this point Arthur took over the conversation and launched on a series of earthy tales, with appropriate body language, describing the antics the local girls got up to with the scientists visiting Alpbach’s famous conference centre, that we hoped Zia Titty would not be sufficiently in touch with XXth century mores to understand. The next day Arthur got his revenge. Between Alpbach and the neighbouring Zillertal, there rises a small mountain, which offers a pleasant scramble to the summit. We set out on our expedition with Zia Titty sporting her full Austro-Hungarian Countess’s mountain climbing outfit. The path at first led through fields, then a dense pine forest and, above that, grassy slopes covered with patches of scrub and bushes about 10 feet high. At the base of a particularly large piece of scrub, Arthur suddenly exclaimed, “I know a short cut - follow me,” and diving into the bushes, vanished from sight. We dutifully followed and, being young and active, fought our way to the top, to emerge a short distance beneath the summit, which we reached, and then looked back for Zia Titty. An area of agitation in the bushes halfway up the patch of scrub betrayed where she was struggling hopelessly entangled in the thorny branches. Arthur chortled with glee. We stayed a while on the summit enjoying the magnificent view. Finally Arthur relented, and we descended, rescued Zia Titty from her denouement, and took her, in an unusually subdued mood, back to our hotel. Our next and final visit to Alpbach was in 1968 to attend the Alpbach Symposium “Beyond Reductionism”, that Arthur had organized and paid for 3 John and Vanna Smythies, Two Coins in the Fountain (Book Surge Publishing, 2005) <?page no="19"?> Reminiscences of Arthur and Cynthia Koestler 19 out of advance royalties of his subsequent books “Beyond Reductionism”, that presented the proceedings of the symposium, and his novel “The Call Girls”, that was based roughly on what happened at the real symposium. (“Call Girls” was his sardonic name for the scientists, who spend much of their time darting from one symposium to the next, on someone else’s money). 4 Arthur had long felt that reductionism was a menace to human happiness and dignity, and to civilization in general. Reductionism is basically the doctrine of Thomas Hobbes that humans consist of nothing more than their physical bodies, and that the immortal soul is no more than a fictitious remnant of primitive thinking. Arthur dubbed this doctrine “nothingbuttery”. As most scientists, who venture to peer out of the trench of their own narrow specialization, were in 1968 (and even more so today), subscribers to this stark materialist doctrine, their critics are necessarily in a minority. Arthur assembled twelve of the most prominent of these critics at his Symposium. These included leading biologists (Paul Weiss, Ludwig von Bertalanffy, W.H. Thorpe and C.H. Waddington), neurologists (Viktor Frankl, Holger Hydén, Paul MacLean, and Seymour Kety), psychologists (Jean Piaget, Jerome Bruner, and David McNeill) and one economist (F.A. Hayek no less). I represented neuropsychiatry and parapsychology. I will not reiterate here the contents of the symposium. Those interested should read the proceedings. 5 Suffice it to say that the symposium was both a great success - in that many valuable ideas were exchanged to the lasting benefit of the participants and thoughtful readers - and a failure - because it did little to stem the relentless advance of the reductionist doctrine. This has had a paralyzing effect on the defences of the heirs to the Enlightenment against the greatest danger Western Civilization has faced for 50 years - militant Islam. Western civilization, weakened by the nihilism and the cynicism generated by scientism, is in very real danger of being overthrown by an ideology powered by a virulent religious Islamic fanaticism impervious to reason. 6 An ideology that teaches that people are soulless zombies, is at a serious disadvantage in competition with a rival ideology, that promises paradise after death. This is particularly true at a time when the good life on this planet seems destined, by global warming, global flood and drought, depletion of energy supplies, proliferation of rogue nuclear weaponry and the operations of Al Qaeda, to hit the skids. In the XIIth century the psychological trauma of the Black Death in Europe un-leashed a spell of psychological and social chaos marked by the most hideous massacres and slaughter (mostly of Jews) when civilization tottered on the edge. Two-time Templeton Award winner Loyal Rue, in Chapter 11 of his recent book “Religion is not about God” has written a terri- 4 Arthur Koestler, The Call Girls (New York: Random House, 1973) 5 Arthur Koestler and John Smythies, Beyond Reductionism. The Alpbach Symposium (Boston: Beacon Press, 1969) 6 Richard Dawkins, The God Delusion (Boston: Houghton Mifflin, 2006); Sam Harris, The End of Belief (New York: Norton, 2005); John Smythies, The Lotus and the Cactus (forthcoming) <?page no="20"?> John Smythies 20 fying account of what is likely to happen to humanity during the XXIst century. This chapter bears the heading “Doomsday and Beyond” and should be read by any one concerned about our future, and the future of our children (in other words by everybody). 7 I wonder how Arthur would have reacted to the gathering threats to Western civilization that we face today? In his time the threats were fascism, communism, nihilism and scientism. Arthur took up arms against fascism, and campaigned relentlessly against communism. These fights we have won. Scientism and nihilism remain a present and growing disgrace to the Enlightenment. The menace of militant Islam is well understood, although it is not clear what we can do about it. But a new threat to world peace and stability has appeared on the scene in the form of the perversion of American Idealism represented by the Bush Administration, and the shadowy figures of the extreme right wing ideologues and evangelical fanatics that lie behind it. Noam Chomsky (2004) has painted a chilling picture of this phenomenon, which he sees as a quasi-fascist attempt to create an American Empire to fill the gap left by the British Empire. 8 Some people think that Chomsky here goes too far. However, I feel that Arthur would have detested the Bush Administration, and all that it stands for, as much as do all liberal Americans (and most of the rest of the world). But I think he would have seen it as the result of ignorance, naivety, hubris, and an unfortunate habit, shared by Tony Blair, to seek advice from God as to what to do in affairs of state - rather than stemming from any inner evil. Certainly Arthur would have fought Bushism as ferociously as he fought fascism, communism and nihilism. However, Arthur did succeed notably in two narrower goals. The first was helping to establish parapsychology as a respectable branch of science. In his legacy he left provision for a Chair in Parapsychology at some British University. Through the influence of John Beloff, this Chair was established in 1985 at Edinburgh. This has flourished under its first incumbent Robert Morris. Academic Lecturers trained by him now occupy several research posts in parapsychology in several British universities. Without Arthur’s action this would not have occurred. A serious science of parapsychology is very necessary to combat the reductionism and scientism of our age. The second was his ultimately successful campaign to persuade the British authorities to abolish capital punishment. Again this laudable result was not due to his unaided effort, but I think it is true to say that it would have taken much longer without the endless effort he put into the campaign. In later years we saw Arthur and Cynthia several times in London where they had a lovely old house in fashionable Montpelier Square. At this time he was much engaged in his campaign against capital punishment. Arthur also retained his fascination with science all his life. I recall his playing one day 7 Loyal Rue, Religion is not about God (New Brunswick: Rutgers University Press, 2006) 8 Noam Chomsky, Hegemony or Survival (New York: Holt, 2004) <?page no="21"?> Reminiscences of Arthur and Cynthia Koestler 21 with two magnets. When I asked him what he was doing, he replied. “Whenever I feel any Berkleyean doubts about the reality of the physical world, I get two magnets and oppose their like poles. The vivid physical sense of mutual repulsion, transmitted through my nerves into my brain and consciousness, gives me all that I need to set my doubts to rest.” The tragedy of life is that all good things must end. We met with Arthur and Cynthia for the last time a few weeks before their death. At that time we were living in America and arranged to meet during a visit to London. As soon as he came into the room we were shocked by his condition. We knew he had been ailing but were unprepared to see our old and dear friend in the terminal stages of that most dreadful disease - named after Dr. Parkinson. He could hardly move or speak. His paralysed emotional machinery could not portray the hidden anguish. In addition, fate had tossed in advanced leukaemia as well. The phrase “Those whom the Gods love die young” never came more clearly to my mind. Alzheimer’s disease is dreadful for the family, but does not cause much suffering in the patient. Parkinson’s disease causes the most intense suffering in both. We were not surprised to learn some weeks later of their joint suicide. Arthur expressed his determination to retail control of his own fate in conformity with the requirements of human dignity and reason. Cynthia’s decision to join him, made at the very last moment, expressed her complete devotion to Arthur and, in my opinion, not any cowardly fear of living alone. In traditional Hindu culture the widow of a great Raja committed suttee as a mark of respect for her husband and to gain honour for herself. Cynthia committed suttee out of love. So, to sum up, Arthur Koestler was certainly one of the greatest men of the century. His achievements spanned literature, philosophy, science, politics - and the art of living. His fight against Fascism landed him just twentyfour hours from General Franco’s firing squad. “Darkness at Noon” is widely credited in helping prevent a Communist take over in France after World War II. His fight against nihilism and scientism certainly inspired me, and I believe many other people. The disgrace of capital punishment was removed in Britain through his efforts. Arthur should have been awarded the Nobel Peace Prize. <?page no="23"?> Decoding Koestler Michael Scammell In 1952 Arthur Koestler wrote in his autobiography: “I have no idea whether, fifty years from now, anybody will want to read a book of mine, but I have a fairly precise idea of what makes me, as a writer, tick. It is the wish to trade a hundred contemporary readers against ten readers in ten years’ time and one reader in a hundred in a hundred years’ time.” Some twenty years later he wrote to a friend: “It often happens that a writer seems to be forgotten for a lengthy period after his death - only to be rediscovered and resurrected perhaps a generation or two later.“ 1 It’s just over half a century since Koestler expressed his wish, which, if it were to be fulfilled, would guarantee him from one to ten readers in a hundred round about now, but unfortunately his second statement has proved to be more prophetic. For although his work has never been totally forgotten - Darkness at Noon, for example, has never gone out of print - the centenary of his birth in 2005 went almost completely unremarked, and his reputation is at a lower point now than perhaps ever before. There are several reasons why this may be so, but two strike me as of capital importance. One is the difficulty of encompassing and understanding the bewildering variety of Koestler’s work. Koestler liked to compare himself to the god Janus, who faced both ways at once, but in the course of a long career Koestler himself faced at least five or six ways, presenting readers with different facets of his talent. To some he will always remain a vivid novelist of ideas of the mid-20th century, author not only of The Gladiators and Darkness at Noon, but also of Arrival and Departure, Thieves in the Night, The Age of Longing, and the much later (and weaker) The Call-Girls. Others know him primarily as a master autobiographer, who wrote Dialogue with Death, The Scum of the Earth, The God that Failed, Arrow in the Blue and The Invisible Writing, or the essayist responsible for The Yogi and the Commissar, The Trail of the Dinosaur, and numerous other collections. Still others tend to think of him as a provocative commentator on Jewish affairs, who wrote not only Thieves in the Night, but also Promise and Fulfilment, Judah at the Crossroads, and the The Thirteenth Tribe, and devoted many pages of his autobiographies to Jewish matters. And then there are the complex scientific works: Insight and Outlook, The Sleepwalkers, The Act of Creation, The Ghost in the Machine, The Case of the Midwife Toad, and Beyond Reductionism, not to speak of two books on extra- 1 Arthur Koestler, Arrow in the Blue (Collins with Hamish Hamilton, London, 1952), p. 32. <?page no="24"?> Michael Scammell 24 sensory perception and parapsychology, The Roots of Coincidence and The Challenge of Chance. Not even this exhausts the list of Koestler’s works (think of Reflections on Hanging and The Lotus and the Robot, for example), but let us turn to the other problem, that is, the problem of where Koestler belongs - to which country, which language, and which culture. Koestler was born in Hungary and spent his most impressionable years there, yet he left at the age of 14, and although he returned for a couple of short visits in the 1930s, and spoke passable Hungarian till the end of his life, he wrote only juvenilia in Hungarian, and never lived there again. Still, Koestler had that famous Budapest hustle, the ability to acquire languages, master scientific theories, and assimilate foreign customs with phenomenal speed. Like Leo Szilard, Eugene Wigner and Edward Teller from the world of science, and George Mikes from the world of literature, he lived up to that famous description of a Hungarian as someone who enters a revolving door behind you and comes out in front. In common with these famous compatriots, Koestler was also a Jew, and the Jews of Hungary were famously in a hurry after their emancipation by the Hapsburgs in 1859. This was especially true with the rise of European nationalism and anti-Semitism in the years before World War I, and Koestler experienced more anti-Semitism in Budapest and Vienna, and was more influenced by it, than he later admitted, hence his Zionism, but also his passionate desire for assimilation, and his decision, late in life, to write The Thirteenth Tribe. Even the severest critics of his assimilationist theories, like the British writer, Hyam Maccoby, noted that Koestler was nevertheless “a Jew to his fingertips, not only in physical appearance, but in his whole habit of thought.” He was in the “great tradition of Enlightenment Jews from Solomon, Maimon and Heine to Freud.” 2 Maccoby might have added that Koestler’s obsession with the concepts of justice and freedom were surely derived from his Jewish background, and constituted one of the prime motors of his thought. Mention of Heine and Freud brings us to another essential element of Koestler’s makeup - his Austro-German heritage. Koestler’s first language was German (his Viennese mother refused to learn Hungarian and insisted on speaking German in the home). Koestler’s Hungarian, which he learned from his father and in school, was never as good as his German, and he completed his education in German. As a student in Vienna, he imbibed not only German classical and scientific literature, but also the controversial and polemical writings of Otto Weininger and Karl Kraus. He wrote in German until he was almost 40 - including a vast quantity of journalism and his first two novels, The Gladiators and Darkness at Noon (although the latter survived only in English translation, and had to be back-translated for German readers). 2 Hyam Maccoby, “Koestler's Racism," Midstream 23, March 1977. <?page no="25"?> Decoding Koestler 25 Finally, of course, we must reckon with the influence of England, and of the English language and English culture. Despite living for long periods in France - and for shorter periods in Palestine, Germany and the USA - Koestler finally settled on England as his favorite place to live. It was “the last solid country in the world,” as he put it 1954, though paradoxically also the country where he felt he was least respected as a writer and “permanently snubbed as a foreigner.“ 3 What appealed to Koestler about England was its ancient literary and political traditions, the English sense of fair play, and English justice (even if he did excoriate English judges in Reflections on Hanging). He ended up writing the bulk of his work in English, and it is as an English writer that he is best known to the general reading public. These, then, in my view, are the two principal factors that account for the neglect of Koestler in the years since his death: the variety of his work and the hybridity of his cultural origins. They account for the reluctance of Anglo-Saxons to embrace him as their own, and for that fact that the only conference to commemorate Koestler’s centenary was held not in France, not in Britain or the USA, but in his native Hungary. Nor can it be lost on the participants here at Auburn University that this conference has been organized by the Department of Foreign Languages and Literatures (mainly the German section), in collaboration with the Austrian Cultural Forum in New York. Americans can take some credit for the fact that it is taking place here in the United States, and not, say, in Vienna or Alpbach, but that’s not saying very much. Given this unhappy situation, and these difficulties, how can we dispel the cloud of doubt that seems to have settled around Koestler’s name, and what is the best way to make sense of this prodigious Hungaro-Austro- Germano-Anglo-Saxon writer, who seems to have eluded everyone’s grasp by changing shape and form and residence before our very eyes, like Proteus, the sea-god in Greek mythology, who was capable of reinventing himself to suit his needs? There is no single, simple answer, of course, but I would like to suggest that one way to understand Koestler’s work, and to see it whole, is to view it within the context of the 20th century’s fascination with ideas of revolution and utopia. Though the word “utopia” occurs rarely in Koestler’s work, I would submit that Koestler was viscerally drawn to notions of utopia, and experienced a yearning for some form of utopia, from a very early age, and that despite a deeply embedded rational skepticism, he retained this fascination till the very end of his life. A Freudian would locate the source of this yearning in Koestler’s lonely and unhappy childhood. A behaviorist would add a sense of rootlessness derived from his family’s constant shifting from home to home and an inferiority complex fed by, among other things, his experiences of anti-Semitism. But the important evidence for us is to be found in part in Koestler’s own wanderings, and in part (and more importantly) in his writings. Taking his 3 Arthur Koestler, Diary, 4/ 22/ 52. <?page no="26"?> Michael Scammell 26 travels first, it’s clear that Koestler’s explosive conversion to Zionism and his two-year exploration of Palestine were responses both to his personal problems and to the wounds inflicted by anti-Semitism. When Zionism failed him, he turned to communism, and we can see how his eighteen-month visit to the Soviet Union constituted another investigation of the prospects for a better life, not just for himself or the Jews, but for the whole of humankind. Later, when he lost his faith in communism, his wanderings from France to England to France again, and from France to the USA and finally England, were also part of a search for at least some kind of temporary, terrestrial happiness, although Koestler was resigned by then to the impossibility of a more universal recipe. It is in Koestler’s writing, of course, that his quest for a workable form of utopia found its fullest and most permanent expression, and if we look at some of his early, unpublished works in particular, we can see how that quest was gradually translated from life into literature. The process began while he was still in the Soviet Union, and was paralleled by his growing loss of faith in the possibility of a real utopia, for his travels around the country produced a hairline crack in his communist beliefs that would widen over time and culminate in his recoil from Marxism and departure from the party. It is no coincidence, I think, that this period of growing disillusionment and literary experimentation coincided with his transformation from journalist to mature writer of documentary nonfiction and novels. The first such work was written in 1933 in Moscow, on the eve of Koestler’s departure for Western Europe. He was in despair over his dismissal from the country of real socialism, and wrote a number of screenplays in the hope of getting into the movie industry, but his most interesting work was a play called An Improbable Occurrence, a utopian fairy tale about a meteor plunging into Lake Wannsee near Berlin, and the sudden appearance in a nearby hotel bar of two characters whom the residents take to be aliens from outer space. 4 These aliens let it be known that they are searching for a happy planet to colonize, since their own is beginning to cool down and will be uninhabitable within a century at most. Panic ensues in Germany, the government resigns, and the reins of power are taken over by a poet-dictator called Isebein. He abolishes money and private property, introduces a fourday work week, and everything goes swimmingly until the aliens are unmasked as impostors. Capitalists and workers both feel betrayed, and once the threat of destruction is removed, turn on Isebein before turning on one another. Isebein is clearly Koestler’s alter-ego, a dreamer who believes in the transformative power of the aliens’ story, if not in the aliens themselves - it being hinted that he perhaps knows all along they are fraudulent. But in an impassioned speech near the end of the play he insists that “the newspapers are 4 Arthur Koestler, An Improbable Occurrence, typescript, Koestler Archive, Edinburgh University, file no. MS2336/ 3. <?page no="27"?> Decoding Koestler 27 lying,” and continues: “Believe in the deed, if not the doer. Do you want your old rulers back? Who am I fighting for? For you! For your battered longings. For your deceived dreams.... I am fighting for the cosmic rights of joy.... Come to me, all ye whom life has rejected and betrayed.“ 5 The play was rewritten by Koestler after World War II under a new title, Twilight Bar, and with a slightly different plot, and it was staged in 1946 in Paris by Jean Vilar, with André Gide in the auditorium. Being mistaken for a mature work by the author of Darkness at Noon, it aroused unrealistic expectations and was a failure. As an apprentice work, however, it is fascinating for the point it makes about the failure of a utopia that lacks coercion, and throws an interesting light on Koestler’s unconscious feelings about the Soviet Union. A few months later, after Koestler had left Moscow and was on a visit to Hungary, An Improbable Occurrence was scheduled for production at Budapest’s City Theater, until the director discovered Koestler’s political affiliations and canceled it. But Koestler immediately started another play, Mbo Mba on the Road, which was also about a revolution and a utopia of sorts. The plot this time centered on a native postmaster, Mbo Mba, in the mythical African colony of Zambezi, who launches a successful rebellion against the British colonial authorities and is installed as the colony’s dictatorial new ruler. 6 As in the first play, Koestler’s approach to his subject was satirical, but the satire this time is directed not at the imperfections of the populace, but at the dictator. Mbo invents a new doctrine, “Mboism,” and once in power, insists that his followers call him “the Führer” - since the play was written in German the parallel with Hitler was obvious. But Mbo’s revolutionary rhetoric has a Marxist as well as a fascist ring to it: “We have taken power! The revolution is triumphant! The people are free and the nation is reborn! Tyranny is ended! ” and the real subject of the play is not the ideology of happiness but the use - and abuse - of power. 7 When his followers ask why they still have to do back-breaking labor under the new order, Mbo tells them they are no longer hauling “the ship of tyranny,” but “the ship of revolution” and “the ship of progress,” and should be happy at the thought. They complain that they expected to ride inside the ship with Mbo, but Mbo explains that they will have to wait. Their reward will come once they have pulled the ship through the “rapids” that lie ahead, when the “great work of liberation” is complete. Hauling the ship is a torment, he assures them, only when tyranny is at the helm. When Mbo Mba is in charge, hard labor is glorious and honorable. 8 One might say the shade 5 Ibid. 6 AK, Mbo-Mba utnak indul [Mbo Mba on the Road], typescript. The title is in Hungarian, though the play itself is written in German. Koestler Archive, MS2343/ 4. 7 Ibid., p. 39. 8 Ibid., pp. 39-40. <?page no="28"?> Michael Scammell 28 of George Orwell hovers over this play, except that Koestler anticipated Orwell‘s Animal Farm by some fifteen years. Koestler’s next foray into this subject occurred a year later, when he was working for Willi Münzenberg in Paris. At that time he wrote a young adult novel, The Adventures of Comrade Dicky-bird and His Friends in the Emigration, based on his experiences teaching in a communist-run orphanage outside Paris. 9 The home was modeled on Soviet orphanages of the twenties made famous by Dmitri Makarenko‘s celebrated memoir, The Road to Life, and Koestler’s socialist realist approach was closely modeled on Makarenko‘s. The orphanage is meant to be a microcosm of the communist dream, a “miniutopia” perhaps, but the theme of indoctrination through education by which the happy community is supposed to be realized is subverted by the commentary of a clever and insecure young cynic called Ullrich, who is another standin for Koestler, and finds it impossible to merge himself with the collective. In a typical passage Ullrich remarks: “At times I feel literally stifled and choked by loneliness. For instance, I am sitting alone in a room reading a book. The others are playing in the garden. I know it, but I can’t hear them. Suddenly I stop reading. The air around me begins to vibrate. The whole room trembles with loneliness. It is saturated with loneliness like a chemical solution. My nerves swell with it like capillary tubes. It penetrates into my stomach and heart like an acid. It pumps tears into my eyes like acrid fumes. There is a horror in it which cannot be described.“ 10 The resemblance to certain passages in Koestler’s autobiography (written some twenty years later) is striking, and there can be little doubt that Koestler attributed to Ullrich his own feelings whenever he felt ostracized by the collective. But the horror in this case arises from Ullrich’s suspicions that the communist form of collectivism is a lie and cannot solve his problems. In the novel his fears are put to rest, however, by an older tutor at the school, who explains that Ullrich needs to overcome his inheritance as a bourgeois individualist. Historically speaking, the bourgeoisie faces backward and is doomed to extinction, whereas members of the proletariat are automatically born with their faces turned toward the future. “The future of history belongs to the others, not us,” says the tutor. “But what about justice? ” asks Ullrich. “Justice is nothing other than the projection of the next stage of history into the past,” responds the tutor. “The moral truths of the prophets come not from heaven, but from anticipation of the future.“ 11 It is symptomatic of Koestler’s naivety and confusion at the time that he arranged to read excerpts from the novel to the communist-dominated Association of German Writers in Exile at the well-named Cafe Mephisto in Paris. 9 Die Erlebnisse des Genossen Piepvogel [The Adventures of Comrade Dicky-bird], typescript, Koestler Archive, MS2327/ 1. 10 Ibid., p. 205. 11 Ibid., pp. 252-254. <?page no="29"?> Decoding Koestler 29 His hardened listeners (who included one of his idols, Egon Erwin Kisch) were not taken in, and informed him that the communist caucus considered his book guilty of “ideological errors.” He was so upset by this rejection (which he had implicitly anticipated in the novel itself) that he made a halfhearted attempt to commit suicide. The scene he describes in his autobiography (an open gas tap, a book falling onto his nose) is suspiciously reminiscent of a failed suicide attempt in the fictional Comrade Dicky-bird itself, and he may simply have been trying to draw attention to his loneliness. But whatever the case, he remained unaware of just how far he had traveled from his loyalist days in Moscow. The rest of Koestler’s journey toward apostasy is better known to you and I won’t dwell on it here. The catalyst (as for Orwell) for his complete break with communism was the Spanish Civil War, and especially Koestler’s imprisonment in Seville. There, as his fellow prisoners were executed one by one and he feared the same fate for himself, he understood the sanctity of human life, and relived his old fear that the methods of fascism and communism were all too similar. His suspicions were reinforced when, after his release, he had a reunion with his childhood friend and former sweetheart, Eva Striker, who described conditions in a Soviet cell that were strikingly similar to his own in Spain. But Koestler still wasn’t done with utopia. He had just finished The Gladiators, his first published novel, in which he described the Roman slave leader, Spartacus, as a revolutionary and a kind of primitive socialist. Spartacus too founds a utopian colony that Koestler calls “the Sun City” (after Campanella‘s utopia with a similar name), and embraces the values of liberty, equality and fraternity that Koestler deemed essential to any working version of utopia. But Spartacus is brought down by the same qualities of human greed and cruelty that have defeated Isebein in An Improbable Occurrence. The slaves rebel against his rule, and his refusal to become a dictator like Mbo-Mba and crucify the ringleaders of a rebellion against him doom him to failure. He is brought low, according to Koestler, because he has refused to obey what Koestler calls “the law of detours,” that is, he should have made a detour from the high road of his ideals by insisting on executions, thus subordinating ends to means, in order to gain the greater goal of justice for all by preserving his revolution. It’s not clear to what extent Koestler blames Spartacus for not putting ends before means. George Orwell later pointed out Koestler’s ambivalence by noting that whereas the dilemma of the conflict between ends and means was presented clearly enough, Spartacus’s motives were left obscure. The republic of the slaves seemed to have collapsed because the slaves were discontented and didn’t want to work (as a result of their “hedonism”), rather than because of a struggle for power. “If Spartacus is the prototype of the modern revolutionary - and obviously he is intended as that - he should have gone astray because of the impossibility of combining power with righteousness. As it is, he is an almost passive figure, acted upon rather than act- <?page no="30"?> Michael Scammell 30 ing, and at times not convincing. The story partly fails because the central problem of revolution has been avoided, or, at least, has not been solved.“ 12 Orwell had the luxury of hindsight when writing this after World War II, but he was on the mark. At the time Koestler wrote The Gladiators, he was still suffering from the same ambivalence that had informed both An Improbable Occurrence and Comrade Dicky-bird. But by the the time of Orwell‘s essay Koestler had famously resolved his ambivalence by writing Darkness at Noon. I won’t attempt to summarize that celebrated novel here. Let me just note that though ostensibly a composite of Bukharin, Radek and Trotsky, Rubashov is also the Koestler of 1938, a party zealot who has suddenly woken to the fact that his iron faith is based on a lie, that the ideals to which he has clung have been betrayed, and that the utopia he sought can never be realized by the movement to which he has given his allegiance. Rubashov, however, is trapped by his own words and beliefs, and his ruthless actions as a party leader. He has been responsible for the deaths of former comrades, and his interrogator, Ivanov, mockingly reminds him of the party’s credo: “The individual was nothing, the Party was all; the branch which broke from the tree must wither,” and suggests that Rubashov owes the party this last service of confession and his own death. 13 It was a more sophisticated version of the tutor’s arguments in Comrade Dicky-bird, and it would seem that with Darkness at Noon Koestler had finally buried his earlier hopes and given up on the idea of utopia, but this was not exactly the case. His next novel, written in the midst of World War II, was Arrival and Departure, in which the hero, Peter Slavek, a twenty-two-year old revolutionary activist has just escaped from a Fascist prison and arrived in Neutralia (e.g. neutral Portugal). He realizes he can either return to his country to continue the revolutionary struggle; move to England and enlist in the only West European army still fighting against the Germans; or accept a proffered visa for America. Rationally the choice shouldn’t have been difficult. “One side was utopia betrayed” (Soviet Russia); “the second [was] tradition decayed"(Britain); “the third [was] destruction arrayed,” (fascism), which he would be tolerating, as it were, if he left for America. 14 In the end he is persuaded to fight the fascists by a young British pilot called Andrew, who suggests that fighting the war cannot be justified on rational grounds, and does not need a “cause” to justify it. “To die for a perfect cause - what luxury! But you can’t expect to be pampered by the gods to that extent. To die for a perfect cause! “ 15 Andrew explains that he will return to England to fight not for the sake of a cause, but in response to an ethical imperative too deep to be explained or ignored, and Slavek concludes that he 12 George Orwell, “Arthur Koestler," cited in Murray A. Sperber, ed., Arthur Koestler, a Collection of Critical Essays (Prentice Hall, Englewood Cliffs, N.J., 1977), p. 17. 13 Arthur Koestler, Darkness at Noon (Macmillan, NY, 1941), p. 81. 14 Arthur Koestler, Arrival and Departure (Macmillan, NY, 1943), p. 106. 15 Ibid., p. 153. <?page no="31"?> Decoding Koestler 31 must do the same. Aiding the revolution is still possible because “reasons do not matter.... They are the shell around the core, and the core remains untouchable, beyond the reach of cause and effect.“ 16 It is, of course, a highly attenuated form of belief in revolution, but utopian themes crop up in both Koestler’s next novels, Thieves in the Night (an examination of the prospects for Zionism in its later development) and The Age of Longing, a novel which repeats the device of Koestler’s early experiments with utopian themes of setting the action in the near future. The novel’s subject is the cold war, and the contrast between the weak vacillations of the west and the “iron certainties” of their advancing conquerors from the east. Outwardly Koestler rejects the conquerors, yet the most attractive people in the novel are the two Soviet characters, Fedya Nikitin and Leo Leontiev. As the New Yorker’s critic noted, Koestler had not lost his infatuation with the object of his earlier desires. Like Dostoevsky‘s Grand Inquisitor, he was rationally eager to reject absolutism, but instinctively unable to accept the democratic alternative, while his longing for a new age of faith, in the words of another critic, was undermined by his contempt for human weakness. Koestler’s two superb autobiographies, Arrow in the Blue and The Invisible Writing, were a much better attempt to purge this ambivalence by examining his youthful pursuit of utopian dreams with a sympathetic but realistic eye, and dismissing his quest for a just society as the fruit of inexperience. The two books were, in effect, a farewell to arms, and were quickly followed by his shocking announcement that he was giving up politics for good. Anticommunism, he decided, was as much a dead end (for a writer, that is) as communism itself. It seemed that Koestler had truly exhausted his infatuation with utopian ideals and finally turned his back on them, and this idea was reinforced when he simultaneously announced that he would now devote himself to writing about science. The break seemed total, and has been accepted as such by Koestler’s readers, critics, and biographers, but I would suggest that it was much less complete than has generally been realized, and that the period when Koestler was writing his scientific works (corresponding roughly the last 20 years of his life) saw a gradual return to some of the utopian ideas that had preoccupied him in his youth, albeit in a different form. Koestler, I maintain, was never able to shake off the longing signaled by the title of his last novel, a longing for some kind of new faith, or new set of beliefs, to replace communism (which itself had replaced Zionism). The Christian faith was seemingly out of the question for him - though he did dally with Catholicism at one point - and he had dismissed the obvious alternative, Judaism, in the closing pages of Promise and Fulfilment and in his essay, Judah at the Crossroads. Science, one might think is the antithesis of faith, and yet, whether consciously or unconsciously, Koestler began to explore science with that same goal of 16 Ibid., p. 168. <?page no="32"?> Michael Scammell 32 finding answers to some of his existential questions as he had explored Zionism and communism beforehand. It would be foolish, I think, to go through Koestler’s science books and claim to find subterranean utopian themes in each and every one, but the point to remember is that for Koestler, the unstated aim was to look for, if not find, the secret of human happiness, and while he didn’t embrace the mechanical idea of scientific progress as a new faith in and of itself, he did seem to feel that science might hold the key to his search. Thus his investigations of creativity in Insight and Outlook and especially in The Sleepwalkers all had as subtext the idea that human creativity might itself develop sufficiently to solve “the riddle of the universe,” as Koestler liked to put it. For a scientific book, The Sleepwalkers is surprisingly preoccupied with ideas about faith and religion. Koestler theorizes about how and why “the age of religious conflict” and religious belief had crumbled so easily in the face of discoveries by Copernicus, Kepler and Galileo, and is concerned that what he calls the “new determinants of man’s fate"- mechanical laws, atoms, glands, genes - provide “no moral guidance, no values and meaning, and nothing to guide “his conscience.“ 17 This is an astonishing statement. What does “conscience” have to do with astronomy? It turns out that Koestler’s reference point is the “golden age” of Pythagoras - a utopia if ever there was one - when faith and reason were one, and the “unitary sources of inspiration” for prophet, poet and philosopher were still taken for granted. Koestler’s villain (another surprise) is Galileo, the very symbol of a freethinking, secularized scientist and the hero of progressives everywhere, whereas his hero, Kepler, is praised for discovering that God was a mathematician. Koestler cites a pregnant remark by Kepler: “The roads by which men arrive at their insights into celestial matters seem to me almost as worthy of wonder as these matters in themselves,“ 18 as an example of the power of creative thought, and this idea became the basis for his next major work, The Act of Creation. In that book, Koestler examined, among other things, what he called the “Cartesian Catastrophe: ” Descartes had split the world into “realms of matter and mind,” and was responsible for the identification of “mind” with conscious thinking. The result was the dominance of a “shallow rationalism,” and the “impoverishment of psychology,” and the separation of the “two cultures” of science and art. Art itself was endowed with a religious dimension, the self was experienced as being “a part of a larger whole, a higher unity,” which could be “Nature, God, Mankind, Universal Order or the Anima Mundi.” 19 There is little doubt in my mind that wrapped up in Koestler’s theory of creativity is his old resistance to splits or divisions of any kind, and his persistent longing for a higher unity, to which he is now almost ready to 17 Arthur Koestler, The Sleepwalkers (Macmillan, NY, 1959), p. 539. 18 Ibid., p. 332. 19 Arthur Koestler, The Act of Creation (Macmillan, NY, 1964), pp. 21-22 and 148. <?page no="33"?> Decoding Koestler 33 attach the label of “God,” with its suggestion of resignation before the idea that a higher unity is unattainable in the present world. And yet Koestler still couldn’t stop himself from yearning. The Ghost in the Machine is ostensibly a book about neurology and the workings of the human brain, but Koestler exploits his subject to launch a furious attack on behaviorism and neo-Darwinism, denouncing both as so determinist in their theories as to deny man his autonomy and free will. Lamarckism is preferable to Darwinism, he implies, since at least it holds out the prospect of some sort of guided self-improvement, instead of leaving man to blind fate. Koestler also explores what he calls the “pathology of the human mind” and the human urge to self-destruction. “It appears highly probable,” he writes, “that homo sapiens is a biological freak, the result of some remarkable mistake in the evolutionary process,“ 20 and this brings Koestler to his notorious suggestion that someone should invent a pill to rectify man’s urge for self-destruction and enable some kind of peace on earth. “Peace on earth” recalls Koestler’s original fascination with utopian ideas, for this is the goal of the aliens and of Isebein in An Improbable Occurrence, it is the goal distorted by Mbo-Mba in Mbo-Mba on the Road, it is the hope of Comrade Dicky-bird and his friends, the dream of Spartacus, and the promise of Ivanov in demanding that Rubashov sacrifice his life. Similarly the urge to self-destruction informs the enemies of Isebein, Spartacus and Rubashov alike, and is the force that will always stand in the way of utopia. Koestler was more than ever aware of the impossibility of his dream, yet he couldn’t stop himself from dreaming it. In The Case of the Midwife Toad he made the case for testing Lamarckism one more time, and in The Roots of Coincidence he offered a full-dress treatment of synchronicity, seriality, and parapsychology as possible keys to understanding how the universe worked. “The limitations of our biological equipment,” writes Koestler, “may condemn us to the role of Peeping Toms at the keyhole of eternity. But at least let us take the stuffing out of the keyhole, which blocks even our limited view.“ 21 It is interesting that, despite his longing for a glimpse of another world, and hope for the betterment of this one, Koestler steadfastly refused to believe in a personal god. “As far as religious dogma is concerned,” he told an interviewer, “I’ve got no patience with it. As for mysticism, it’s an undefined term. I say there are other levels of reality than those we see with the eyes of the common man or the scientist. If that’s mysticism, I’m all for it.” He told another interviewer around this time that he believed in a “grand design,” but not in a “grand designer.” He was, in effect, an early proponent of the intelligent design theory of evolution, but without the hostility to Darwin or the religious fundamentalism that so often accompany the theory today. Shortly before his end, Koestler wrote an essay on death, in which he did seem to allow for some form of immortality, however impersonal. Perhaps he 20 Arthur Koestler, The Ghost in the Machine (Macmillan, NY, 1967), p. 267. 21 Arthur Koestler, The Roots of Coincidence (Random House, NY, 1972), p. 140. <?page no="34"?> Michael Scammell 34 was harking back to Schopenhauer‘s idea that death was nothing more than a shedding of the self and a merging with the All-One, the end of self-assertion and the beginning of self-transcendence, for Schopenhauer was the philosopher whose ideas had come to him in his Seville jail cell, at the time he had an “oceanic feeling” of oneness with humanity brought on by his experiences in jail. The memory of that feeling had stayed with him his whole life, and had also fed the hope of a higher unity. “I was floating on my back in a river of peace, under bridges of silence. It came from nowhere and flowed nowhere. There was no river and no I. The I had ceased to exist.“ 22 ...end. 22 Arthur Koestler, The Invisible Writing, pp. 352 and 370. <?page no="35"?> Zwei Leben - ein Jahrhundert Manès Sperber und Arthur Koestler Rudolf Isler Die folgenden Ausführungen gehen von Manès Sperber aus. Mit ihm als Referenzpunkt möchte ich hier Arthur Koestler beleuchten. Ich hoffe, dadurch gewisse Konturen von Koestlers Person und gewisse Facetten seines Werks zu erhellen - und vielleicht zu neuen Fragen anzuregen. Ich wende mich in der Folge zuerst der Lebensgeschichte und der Persönlichkeit der beiden Autoren zu. In einem zweiten Teil vergleiche ich ihre Position zu jüdischen Themen, und in einem dritten Teil befasse ich mich mit der literarischen Verarbeitung ihrer kommunistischen Erfahrung. 1. Lebensgeschichte und Persönlichkeit Dass sich eine Gegenüberstellung der beiden Autoren lohnt, scheint mir unzweifelhaft. Mit Recht werden sie in zahllosen Publikationen in einem Atemzug genannt, so zum Beispiel in Ralf Dahrendorfs neuester Publikation Versuchungen der Unfreiheit 1 , in der beide wegen ihres liberalen Geistes in die Tradition des Erasmus von Rotterdam gestellt werden. Als Beleg für ihr unabhängiges Denken als öffentliche Intellektuelle nennt Dahrendorf ihre großen Romane Wie eine Träne im Ozean 2 und Sonnenfinsternis 3 . Auch damit gehört er zu einer breiten Rezeption, die Sperber und Koestler fast als eine Art Zwillinge wahrnimmt. Die Gemeinsamkeiten ihrer Biographien sind tatsächlich erstaunlich. Koestler und Sperber sind beide 1905 geboren, wachsen in einem jüdischen Milieu auf und fliehen mit ihren Familien nach Wien, wo beide erstmals mit zionistischen Ideen in Kontakt kommen. Beide sind frühreif, machen schnell Karriere; Sperber schreibt seinen ersten Artikel für eine Wiener Zeitung mit achtzehn, Koestler mit zwanzig. 4 Sie sind mit dem heraufkommenden Nationalsozialismus konfrontiert, werden Kommunisten, wohnen in der Berliner Künstlerkolonie und arbeiten im Exil in Paris für die Partei. Beide machen eine an sich desillusionierende Reise in die Sowjetunion, Sperber 1931, Koestler 1932, lösen sich aber erst in der zweiten Hälfte der 1 Dahrendorf, Ralf: Versuchungen der Unfreiheit. Die Intellektuellen in Zeiten der Prüfung. München: C.H.Beck 2006 2 Sperber, Manès: Wie eine Träne im Ozean. Romantrilogie. München: dtv 1983 (4. Aufl.) 3 Koestler, Arthur: Sonnenfinsternis. Frankfurt a.M., Berlin: Ullstein 1979 4 Sperber: Zeitgeist und Jugend. In: Der Tag. Wien, 2. Jg., 1923, Nr. 150, 29.4. Koestler: Wiener Morgenzeitung, 1925 (Koestlers Artikel zit. nach: Buckard, Christian: Arthur Koestler. Ein extremes Leben 1905-1983. München: C.H.Beck 2004, S. 53) <?page no="36"?> Rudolf Isler 36 30er Jahre im Zusammenhang mit den Moskauer Schauprozessen von der KP, Sperber 1937, Koestler 1938. Beide schreiben mit Willi Münzenberg in der Exilzeitschrift Die Zukunft 5 . Beide kennen schwarze Stunden, sind vom Tod bedroht, sehen andere sterben und denken an Suizid. Die literarische Verarbeitung totalitärer Erfahrung in ihren großen Romanen begründet ihren Weltruhm. Manchmal formulieren sie enorm ähnlich, und sie verwenden analog konstruierte Episoden und Figuren, zum Beispiel Richard in Sonnenfinsternis und Albert Gräfe in Wie eine Träne im Ozean, 6 an denen sie zeigen, wie einfache Arbeiter der kalten Logik der Partei geopfert werden. Sie haben gleiche Freunde wie Alexander Weissberg 7 oder André Malraux und zum Teil gleiche Gegenspieler wie Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir. Schließlich engagieren sie sich gemeinsam im Kongress für kulturelle Freiheit gegen die Einschränkung kulturellen Schaffens in totalitären Staaten. Auch wenn sie seit den 60er Jahren weniger miteinander zu tun haben, scheinen sie eine Art Zwillinge zu bleiben: Als sich Koestler ein knappes Jahr vor Sperbers Tod umbringt, regt sich dieser maßlos darüber auf, dass jener sein Leben selbst beendet und nicht auch den letzten Akt durchsteht. Die wenigen biographischen Bemerkungen zeigen eines deutlich: So verrückt einem die isolierte Biographie von Koestler auf den ersten Blick erscheinen mag, so normal wird sie, wenn man sie neben diejenige von Sperber stellt, der unter ähnlichen Voraussetzungen, an ähnlichen Orten und zur gleichen Zeit in der Geschichte gelebt hat. Koestlers Biographie erscheint im Lichte von Sperber eher paradigmatisch als untypisch für diejenige eines jüdischen Intellektuellen, der am Anfang des europäischen 20. Jahrhunderts geboren wird. Wenn man aber genauer hinzuschauen beginnt und die Unterschiede zwischen ihnen in den Blick nimmt, werden neue Facetten sichtbar, die je ihre Einmaligkeit ausmachen. Ich beschränke mich auf drei Beispiele. Zuerst die Themen und Textsorten: Schon Sperber ist ein Autor, der in ganz unterschiedlichen Genren schreibt. Er produziert Romane, eine dreiteilige Autobiographie, dutzende von Essays, psychologische und pädagogische Fachpublikationen, Radio-, Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge sowie politische Propaganda. Sein Werk thematisch zu strukturieren ist noch schwieriger, aber mit einem Dutzend Themenbereichen vielleicht gerade noch möglich. Koestler produziert ebenso viele Textsorten wie Sperber, die 5 Vgl. Walter, Hans-Albert: Deutsche Exilliteratur 1933 - 1950. Band 4: Exilpresse. Stuttgart: J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung 1978 6 Koestler, Sonnenfinsternis, S. 33-47; Sperber, Wie eine Träne im Ozean, ab S. 175 7 Alexander Weissberg (1901-1964), jüdischer Physiker und Kommunist aus Krakau/ Wien, wanderte 1931 in die Sowjetunion aus und arbeitete in Charkow. Weissberg wurde nach langen Verhören im Zusammenhang mit den Säuberungen an die Gestapo ausgeliefert, überlebte aber den Krieg. Arthur Koestler schrieb das Vorwort zu Weissbergs Bericht über die Haft in Russland: Weissberg-Cybulski, Alexander: Im Verhör. Ein Überlebender der stalinistischen Säuberungen berichtet. Wien, Zürich: Europa 1993. Vgl. auch: Rohrwasser, Michael: Der Stalinismus und die Renegaten. Die Literatur der Exkommunisten. Stuttgart: Metzler 1991 <?page no="37"?> Zwei Leben - ein Jahrhundert 37 Vielfalt der Themen aber ist größer. Eine gültige Struktur seiner Themen ist schwer zu erstellen. Er hat etwas von dem, was Gilles Deleuze als Rhizom- Denken 8 bezeichnet: In einer Wurzel ohne Anfang und ohne Ende verweilt Koestler an einem Knoten, um entlang von einem der zahllosen Verbindungsstränge zu einem nächsten Knoten zu gelangen und eventuell wieder zu einem früheren zurückzukehren. Ein verbindliches Zentrum gibt es nicht. Als zweites die Bezugspunkte ihres Denkens: Koestler charakterisiert Sperber einmal als “marxistischen Adlerschüler, brillant, logisch, didaktisch mit einer Spur Rhetorik”. 9 Tatsächlich orientiert Sperber seine Gedankenführung an Adlers Psychologie und am Marxismus, und zwar auch dann noch, nachdem er zu beiden Denksystemen Distanz aufgebaut hat. Koestler dagegen ist kaum gebunden, hat einen viel breiteren Zugriff, insbesondere auf Naturwissenschaften. Wenn er sich mit Psychologie befasst, verwendet er zwar, wie Sperber, Begriffe von Adler. Aber gleichzeitig bezieht er sich auch auf Freud, fragt sich in einer bestimmten Situation seines Lebens, ob er sich nicht von einem Jung‘schen Analytiker behandeln lassen soll, wendet sich schließlich parapsychologischen Phänomen zu und ist lamarckistischen Ideen gegenüber nicht abgeneigt - alles ein Gräuel für Sperber. Als drittes die Sprache: Wolf Biermann, der mit Sperber gut befreundet war, hat anlässlich der Aufnahmen zu meinem Dokumentarfilm 10 über Sperber sehr bedauert, dass Sperber ein schlechtes Deutsch schreibe. Entschuldigend hat er beigefügt, es sei weder in Ostgalizien noch in Wien möglich, richtig Deutsch zu lernen, und später im französischen Exil habe die deutsche Umgebung gefehlt. Im Kontrast dazu ist es umso erstaunlicher, dass Koestler es zu einer wahren Meisterschaft der Sprache nicht nur in Deutsch sondern auch in Englisch gebracht hat. Das lässt doch auf Begabung schließen. Die Treffsicherheit in Koestlers Ausdruck, seine Fähigkeit, eine Sache mit einem Minimum von Worten zu benennen oder zu ironisieren und einen Text zwingend auf den springenden Punkt zulaufen zu lassen, ist für einen an sich fremdsprachigen Autor schon außergewöhnlich. Mit diesen drei Beispielen ist natürlich nicht die ganze Differenz benannt, die je die Einmaligkeit ihres Schaffens ausmacht. Insbesondere fehlt noch das Moment der Persönlichkeit. Sperber und Koestler sind Besessene - aber je auf andere Art. Als Koestler im Sommer 1955 befand, dass die Zeit für einen Frontalangriff auf die Todesstrafe in England gekommen sei, baute er eine einmalige, allein auf diese Sache konzentrierte Intensität auf, deren literarische Umsetzung zur Sprachgewalt von Reflections on Hanging 11 wird. Cynthia Koestler 8 Deleuze, Gilles / Guattari Félix: Rhizom. Berlin: Merve 1977 9 Koestler, Arthur: Abschaum der Erde. Gesammelte autobiographische Schriften. Zweiter Band (zweite Hälfte von Geheimschrift, Spanisches Testament, Abschaum der Erde). Zürich: Ex Libris 1971, S. 339 10 Manès Sperber - ein treuer Ketzer. Dokumentarfilm von Rudolf Isler und Christian Labhart. Produziert vom Filmkollektiv Zürich und vom ORF. Vgl. www.rudolfisler.ch 11 Koestler, Arthur: Reflections on Hanging. London: Victor Gollancz 1956 <?page no="38"?> Rudolf Isler 38 beschreibt Arthurs Stimmung zu dieser Zeit: “Wenn wir in ein pub gingen, um etwas zu trinken, fing er eine Diskussion mit dem Kneipenbesitzer an. … Obwohl es ihm nie gelang, auch nur einen reaktionären Pub-Besitzer zu bekehren, gab er die Hoffnung nie auf. Selbst am Ende eines langen Arbeitstages verfolgte ihn die Manie, und die Abende wurden dazu verwendet, mir Notizen für die Arbeit am nächsten Morgen zu diktieren. … In sein Tagebuch schrieb er: ‘Manie auf dem Höhepunkt’.” 12 Sperbers Manie ist anders. Auch er will “auf die Gefühle meiner Leser und - in erster und in letzter Reihe - auf ihr Bewusstsein wirken.” 13 Aber seine Obsession kennt nicht den Wechseltakt von Koestler, sie ist ein Leben lang konstant, speziell im Kampf gegen den Totalitarismus, und allgemein im unermüdlichen Schreiben als Erinnerer, als Mahner, als Moralist. Als Marcel Reich-Ranicki 1975 zum 100. Geburtstag von Thomas Mann etwa zwanzig Schriftsteller und Philosophen bat, etwas über Mann zu schreiben, schickten fast alle etwa drei Seiten Text, so auch Sperber. Koestler beschränkte sich auf vier Zeilen: “Ich verdanke Thomas Mann zwei elementare Einsichten: erstens, dass ein Roman wissenschaftliche Ausführungen enthalten kann, solange es nur diskret gemacht wird; zweitens, eine Haltung zärtlicher Ironie gegenüber den Figuren der eigenen Erfindung.” 14 Die Kürze ist frappierend, fast schon eine Beleidigung des großen Dichters durch all das, was der Beitrag an Würdigung nicht enthält. Aber genau hier zeigt sich eine Eigenschaft von Koestler, die sicher die Faszination seiner Texte mitbegründet. Koestler ist bereit, jemanden für den Preis einer momentanen Einsicht vor den Kopf zu stoßen. So wie er einem jungen Schriftsteller den Ratschlag gibt, seinen Roman “mit furchtloser und rücksichtsloser Ehrlichkeit” 15 zu schreiben, so handelt er selbst. Das macht ihn zu bisweilen waghalsigen, oft genial visionären, und spannenden Thesen und Texten fähig. Der dreizehnte Stamm ist ein Beispiel dafür. Sperber dagegen kann integrierender wirken als Koestler, obwohl er seit seinem Bruch mit der KP das absolute Gegenteil eines Opportunisten ist. So hat Sperber in allen Arbeiten, die er gemeinsam mit Koestler für den Kongress für kulturelle Freiheit machte, speziell beim Manifest von 1950, die Fallen entschärft, die unnötigen Widerspruch hätten herausfordern können. 16 12 Koestler, Arthur und Cynthia: Auf fremden Plätzen. Bericht über die gemeinsame Zeit. Autobiographie 1940-1956. Wien, München, Zürich: Europa 1984, S. 215/ 216 13 Sperber, Manès: Bis man mir Scherben auf die Augen legt. All das Vergangene … Bd. 3. München: dtv 1983 (3. Aufl.), S. 276 14 Reich-Ranicki, Marcel (Hrsg.): Was halten Sie von Thomas Mann? Achtzehn Autoren antworten. Frankfurt a.M.: Fischer 1986, S. 45 15 Koestler, A. u. C., Auf fremden Plätzen, S. 100 16 Vgl. Coleman, Peter: The Liberal Conspiracy. The Congress for Cultural Freedom and the Struggle for the Mind of Postwar Europe. New York: The Free Press 1989. Und: Corbin- Schuffels, Anne-Marie: Von Berlin nach Berlin: Manès Sperber und der Kongress für kulturelle Freiheit (1950-1960). In: Moses, Stéphane et al. (Hrsg.): Manès Sperber als Europäer. Eine Ethik des Widerstands. Berlin: Edition Hentrich 1996 <?page no="39"?> Zwei Leben - ein Jahrhundert 39 2. Position zu jüdischen Themen Zwar sind sowohl Koestler als auch Sperber jüdisch aufgewachsen, aber jüdisches Aufwachsen könnte kaum unterschiedlicher sein. Sperber wächst im Stetl in Ostgalizien auf. In Die Wasserträger Gottes 17 lässt er das vernichtete Stetl vor den Augen des Lesers wieder erstehen - als ein Universum, das harmonisch in einen eschatologischen Sinnzusammenhang eingebettet ist. Es ist eine fast kristallartig starre Welt, die Gestalt annimmt, eine Welt, die von einer jüdisch-chassidischen Tradition getragen wird, welche das ganze Leben der Bewohner durchdringt und in Form ewiger Gesetze und messianischer Zukunftserwartungen bestimmt. Auch wenn er früh seinen Gottesglauben verliert, bleibt Sperber von dieser Welt geprägt. Koestler dagegen wird in einer typischen jüdischen Mittelschichtfamilie von Budapest groß, deren tägliches Leben nicht durch die Zwänge jüdischer Vorschriften geregelt wird. Die Koestlers sind in erster Linie stolze Ungarn und erst dann Teil der jüdischen Gemeinde. Zu den Galiziern hält man Abstand, und die Gefühle ihnen gegenüber sind eine Mischung aus Geringschätzung, Scham und Überlegenheit. Nach ihrer Übersiedlung nach Wien werden allerdings beide mit einer Form des Antisemitismus konfrontiert, die sie noch nicht kennen, mit einem Antisemitismus, der sich zusehends auch rassisch, nicht nur religiös legitimiert. Die Antworten von Sperber und Koestler auf diese Situation entsprechen ihren bisherigen Erfahrungen und stimmen nur in dem Punkt überein, dass sie beide weder eine rückwärtsgewandte chassidische, noch eine verstärkt assimilatorische Identität wählen; sowohl Sperber als auch Koestler finden den Weg einer selbstbewussten und kämpferischen jüdischen Identität. Sperber schließt sich dem Haschomer Hatzaïr an, und Koestler tritt der Studentenverbindung Unitas bei. Im Schomer sind vor allem die Kinder zugewanderter ostgalizischer Juden; er orientierte sich an Anarchisten, Sozialrevolutionären und an der russischen Revolution; sein Zionismus kreist um die Idee des Kibbuz, die im Zuge der Auswanderung nach Palästina realisiert wird. Die Unitas dagegen ist eine schlagende Verbindung, der vor allem Söhne aus gut bürgerlichen, assimilierten jüdischen Kreisen angehören; Koestler kommt in der Unitas mit der revisionistischen Variante des Zionismus in Kontakt, die er über die Freundschaft mit ihrem Vordenker Jabotinsky kennen lernt, die er beibehält und die lange über die Staatsgründung hinaus in einem Gegensatz zum linken Zionismus bleibt. Das interessanteste Element von Sperbers Auseinandersetzung mit seiner jüdischen Herkunft ist der Umstand, dass er als vollkommener Atheist einen emotionalen Zugang zu religiösen Texten und zur Frage des jüdischen Glaubens findet. Sperber akzeptiert, dass ihn seine jüdische Erziehung in prägen- 17 Sperber, Manès: Die Wasserträger Gottes. All das Vergangene … Bd. 1. München: dtv 1983 (4. Aufl.) <?page no="40"?> Rudolf Isler 40 der Art gelehrt hat, alles in Hinblick auf Gottes Gebote zu erkennen und die von der biblischen Ethik angeordneten Lebensregeln einzuhalten, Glauben und Tun in Einklang zu bringen. Und er glaubt, dass er nie aufgehört hat, “an jenen Lebensregeln zu ermessen, ob ich jeweils meinem Leben einen Sinn gab oder in Gefahr geriet, es sinnwidrig zu vergeuden.” 18 Er selbst hat immer eine Bibel auf seinem Nachttisch, und Dojno Faber, sein revolutionärer Held in Wie eine Träne im Ozean, liest die Propheten Jesajas und Jeremias: “Er wollte im Jesajas nur blättern, doch bald war er wieder erfaßt wie in seiner Kindheit, aufmerksam las er Kapitel um Kapitel. Deutlicher als damals spürte er hinter den Drohungen den Schmerz des Propheten, fühlbarer war ihm nun, wie sehr Jesajas von den eigenen Versprechen verführt war, vom Bild einer nahen Zukunft, die nur noch Erfüllung sein würde.” 19 Bis hin zu seiner Friedenspreisrede, im Herbst 1983, bezieht sich Sperber immer wieder auf die religiöse Erfahrung seiner Kindheit. Insgesamt schafft er in seinen Texten eine erstaunliche Vereinbarkeit von rationaler Logik mit der Vision von Gott, der Welt und den Menschen. Koestler macht keine analoge Erfahrung. Rückblickend charakterisiert er selbst treffend, dass sein zionistisches Engagement nicht religiös motiviert oder von einer inneren Verbundenheit mit der jüdischen Tradition und Geschichte getragen ist: “Ich war ein politischer Zionist, kulturell jedoch in Europa verwurzelt, und ich fühle mich in London oder Paris, Berlin oder Wien beinah in der gleichen Weise zu Hause ….” 20 Sein Verhältnis zu Palästina und Israel blieb trotz seines Zionismus immer widersprüchlich. Er hat sich zwar mehr als Sperber zu Fragen eines jüdischen Staates geäußert - durchaus kontrovers und bisweilen provokativ -, und er hat die Diskussion um die Gründung eines jüdischen Staates, im Gegensatz zu Sperber, sicher mitgeprägt. Aber er handelt nie aus Motiven, die mit der religiösen Überlieferung verbunden sind. Religiöse Gefühle bleiben ihm zeitlebens fremd. Ohne hier Sperbers Positionen im Einzelnen darzulegen, scheint mir klar, dass die Qualität seiner Schriften zu Themen des Judentums in der Mischung von aufgeklärtem Denken und religiöser Tradition liegen. Die Qualität von Koestlers Schriften zu diesen Themen liegen an einem anderen Ort: im Engagement für die Staatsgründung, in Koestlers stupender Fähigkeit, die öffentliche Diskussion zu lancieren, in seiner Fähigkeit, Situationen schnell einzuschätzen, so zum Beispiel, wenn er bereits 1948 schreibt, dass die Israelis den Arabern trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit ebenbürtig seien und dass die Araber, insbesondere die Jordanier, nur bedingte Kriegsziele verfolgten - Umstände, die vierzig Jahre später durch die israelischen Historiker bestätigt wurden. 21 18 Sperber, Manès: Churban oder Die unfassbare Gewissheit. München: dtv 1983 (2. Aufl.), S. 39 19 Sperber, Wie eine Träne im Ozean, S. 538 20 Koestler, A. u. C., Auf fremden Plätzen, S. 49 21 Buckard, Christian: Arthur Koestler. Ein extremes Leben 1905-1983. München: C.H.Beck 2004, S. 246f. <?page no="41"?> Zwei Leben - ein Jahrhundert 41 3. Kommunistische Erfahrung und literarische Verarbeitung Sperber lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass sein kommunistisches Engagement in ein Kontinuum von Solidarität mit Unterprivilegierten einzuordnen ist. Schon als Kind fand er sich im Stetl auf der Seite des Wasserträgers und als 70jähriger schreibt er im Rückblick auf sein Leben unmissverständlich: “Ich bin es geblieben.” 22 Sperber hat sich selbst mit Recht als einen treuen Ketzer bezeichnet. Er hat zwar mit dem Kommunismus gebrochen, ist aber letztlich einem libertären Sozialismus treu geblieben. Seine lebenslange unerbittliche Kritik des Stalinismus richtet sich gegen die Kompromittierung linker Idee durch totalitäre Elemente, nicht aber gegen einen freiheitlichen Sozialismus an sich. Und so erstaunt es nicht, wenn Sperber viele Aktivitäten bei den Kommunisten rückblickend in einem positiven Licht erscheinen lässt und nicht mit Ironie belegt. Bei Koestler ist das anders. Koestler wurde ohne anwärmende Vorgeschichte zum Kommunisten, und seine spätere Distanzierung ist deutlicher. Seine Kritik ist endgültiger und ihr mischt sich oft eine distanzierende Ironie bei. So schreibt er über die Volksfrontzeit: “Endlich, endlich war die Arbeiterklasse wieder vereinigt … strahlte die Volksfront die warme Anziehungskraft und intensive Mystik einer jungen Massenbewegung aus." 23 Und nach dem Engagement im Kongress für kulturelle Freiheit legt Koestler das Thema schließlich ganz zur Seite: “Die Fehler sind gebüßt, die bittere Leidenschaft von selbst ausgebrannt; Kassandra ist heiser. Es wird Zeit, dass sie den Beruf wechselt.” 24 Ihre größte Resonanz erzielten allerdings beide mit der literarischen Verarbeitung ihrer kommunistischen Erfahrung. Sonnenfinsternis hat in den ersten Jahren nach ihrem Erscheinen eine gewaltige Resonanz, in England, vor allem aber in den USA und in Frankreich, dann auch in Italien. Mit seiner “Rubaschow-Hypothese” versteht es Koestler, das Geschehen der Zeit mit einer einfachen, faszinierend eindringlichen Sprache einzufangen und seine Analysen über einzelne Episoden zu einem spannenden Roman zusammenzufügen, der seine Position überzeugend vertritt - ganz gleich, ob diese später teilweise relativiert wird. Sperbers tausendseitige Romantrilogie Wie eine Träne im Ozean, von Koestler als Saga der Komintern gelobt, erscheint in Frankreich in den 50er Jahren und erzeugt nie die öffentliche Aufmerksamkeit von Sonnenfinsternis. Als Wie eine Träne im Ozean anfangs der 60er Jahre aber auf deutsch erscheint, tritt der Roman allmählich einen Siegeszug an und entwickelte sich später zu einem Kultbuch der 68er. Joschka Fischer, der frühere Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, und Daniel Cohn- Bendit, der heutige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament, haben mir beide in Gesprächen zu meinem Film bestätigt, dass Wie 22 Sperber, Die Wasserträger Gottes, S. 44 23 Koestler, Arthur: Das rote Jahrzehnt. Wien, Zürich: Europa 1991, S. 88/ 89 24 Koestler, A. u. C., Auf fremden Plätzen, S. 205 <?page no="42"?> Rudolf Isler 42 eine Träne im Ozean ihre politische Entwicklung beeinflusst beziehungsweise bestätigt hat. Für sie wurde Sperber zum großen kritischen Zeugen des Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Insgesamt hat Koestler sicher stärker, unmittelbarer und eher im angelsächsischen Bereich gewirkt, Sperber dagegen vielleicht eher längerfristig und vor allem im deutschen Sprachraum. In der literarisch-autobiographischen Verarbeitung der kommunistischen Zeit gibt es eine Episode, die sich für einen letzten Vergleich gut eignet und die gleichzeitig die persönliche Beziehung der beiden Zeugen des vergangen Jahrhunderts erhellt. Es geht um ihre gemeinsame Propagandaarbeit im INFA (Institut pour l’étude du Fascisme/ Institut zum Studium des Faschismus) in den 30er Jahren in Paris. Beide schreiben in der Autobiographie genau zehn Seiten darüber. Koestler beginnt damit, dass die Episode an sich unwichtig sei, dass es sich aber lohne, sie kurz zu erzählen, da sie “die Tragödie des Kommunismus in konzentrierter Form” 25 zeige. De facto sei das Institut nicht vom Vorsteher, sondern von einem politischen Kommissar geleitet worden. “Er war die vollkommene Verkörperung des deutschen KP-Bürokraten - mit einem hölzernen Schädel, einem Gehirn aus Gips und einem Leib, der offenbar mit Rosshaar ausgestopft war.” 26 In Moskau ausgebildet beherrschte er alle Feinheiten der Fraktionspolitik, der Cliquenbildung, des Lavierens und der dazu gehörenden Rhetorik. Der Kommissar ging langsam daran, Koestler und den offiziellen Leiter des Instituts ins Abseits zu manövrieren. Das mit “Säuberung en miniature” überschriebene Kapitel kulminiert darin, dass Koestler und der offizielle Leiter dem Druck des Politkommissars weichen und das Institut verlassen. Die ganze Geschichte ist ein Musterbeispiel für Koestlers Fähigkeit einen Text auf die Kernaussage an seinem Ende zulaufen zulassen. Manès Sperber kommt dabei nur in einem einzigen Satz vor. Sperbers zehn Seiten sind dagegen ein Musterbeispiel für das Epische und Assoziative, das sich in seinen Texten oft findet und das die strenge Logik nur schrittweise enthüllt. Zudem beschreibt er ausführlich den Menschen Koestler - für seinen Abgang aus dem Institut allerdings hat er nur einen einzigen Satz übrig. Sperber beginnt mit einer Beschreibung des Weges von seinem damaligen Hotel zu den Büros des Instituts. Dabei wechselt er fließend zu seinen Spaziergängen im Paris der 70er Jahre: “Auch der kleine Laden mit den verschiedensprachigen Bibeln in den Schaufenstern hat sich der neuen Zeit bewahrt; und noch immer mache ich vor seinen Schaufenstern halt und versuche, die Titel auf den exotischen Ausgaben zu entziffern.” 27 Anschließend gelangt er zu den Erinnerungen an das Institut, die seine Spaziergänge wachrufen: “… die Genossen, … lasen, diskutierten, 25 Koestler, Arthur: Frühe Empörung. Gesammelte autobiographische Schriften. Erster Band (gekürzte Version von Der Pfeil ins Blaue und erste Hälfte von Geheimschrift). Zürich: Ex Libris 1970, S. 499 26 Koestler, Frühe Empörung, S. 499 27 Sperber, Bis man mir Scherben auf die Augen legt, S. 47 <?page no="43"?> Zwei Leben - ein Jahrhundert 43 schrieben. Aus allen Räumen klang das Klappern von Schreibmaschinen, das die Stimmen der Diskutierenden nicht übertönte. … Man aß sitzend, stehend oder auf- und abgehend. Mir gefiel diese Stimmung, …” 28 Danach folgen schließlich zwei Seiten über Koestler, zuerst wie er ihn in Berlin kennen gelernt hat: “Er hatte eine knabenhafte Art, seine Erfolge zu rühmen - etwa wie ein Halbwüchsiger, der sich in das Bett einer viel begehrten Frau hineingeschmuggelt hat … Koestler schien absichtlich Antipathie herauszufordern, sich aufs unangenehmste ‘unnütz zu machen.’” 29 Ganz am Schluss kommt er dann zum Koestler, den er in Paris neu kennen lernt: “Sein Knabengesicht war unverändert geblieben, doch nun erst bemerkte ich die bald sinnlich auseinanderstrebenden, bald spöttisch oder vergrämt verkniffenen Lippen, deren untere jedes Mal bebte, wenn er sich über jemanden besonders aggressiv oder entwertend geäußert hatte. Auch in seinen blauen Augen tauchte der Widerspruch auf: Sie widerspiegelten den Hohn und die Selbstironie und ohne Übergang eine ungewöhnliche Empfindlichkeit, eine Angst vor Täuschung und Enttäuschung, die Furcht, dass ein Schmerz, dessen man sich nicht versehen kann, die Kraft, ihn zu ertragen, vernichten könnte. … An jenem Nachmittag fasste ich großes Zutrauen zu Koestler, denn da er nun wenigstens während einer Stunde auf Selbstinszenierung verzichtet hatte, wurde sein Wesen unverstellt sichtbar und mit ihm sein Streben nach innerer Wahrhaftigkeit, ….” 30 Epilog François Bondy, der zusammen mit Koestler und Sperber die Zeitschrift Preuves begründet hatte, hat mir gegenüber einmal vermutet, dass Sperber tatsächlich mehr an der Freundschaft mit Koestler gelegen war, als Koestler an der Freundschaft mit Sperber. Heute bezweifle ich das. Zwar schreibt Sperber mehr über seinen Freund Koestler als umgekehrt. Aber ich denke, dass sich beide auch in der Art, wie sie mit Persönlichem umgingen, ganz wesentlich unterschieden. Koestler bleibt auch hier knapp und schreibt in sein Tagebuch nur “heute ausführlich mit Sperber gegessen”. Wenn ich jedoch zwischen den Zeilen seiner kurzen Bemerkungen und Briefe zu lesen versuche, glaube ich eine vergleichbare Verbundenheit zu erkennen. Und nicht nur Sperber hat Koestler ein Buch gewidmet, auch Koestler seinem Freund Sperber. Am Anfang von Arrival and Departure steht in Sorge um seinen Verbleib im Krieg und mit seinem Kosenamen: “To Munio - if he is alive”. 28 Sperber, Bis man mir Scherben auf die Augen legt, S. 48/ 50 29 Sperber, Bis man mir Scherben auf die Augen legt, S. 52 30 Sperber, Bis man mir Scherben auf die Augen legt, S. 53 <?page no="45"?> Arthur Koestlers Reise durch die Sowjetunion Ilona Slawinski Fast niemand im Westen hat Arthur Koestlers Buch Von weißen Nächten und roten Tagen gelesen, das Buch in dem er seine Reise durch die Sowjetunion beschrieben hat. 1 Bereits durch den Untertitel des Buches “12 Reportagen aus den Sowjet-Peripherien” entsteht ein Widerspruch. Denn tatsächlich enthält das Buch acht Reportagen über die damals sensationelle Arktisfahrt des deutschen Luftschiffs Graf Zeppelin und elf weitere Reportagen über das Leben in der russischen und ukrainischen Sowjetrepublik bis hin zur afghanischen Grenze. Koestler war zum Besuch in die Sowjetunion und zur Niederschrift des Buches offiziell eingeladen worden. Entgegen aller Erwartung - bei einem solchen Propagandabuch - beginnt es jedoch nicht mit rhetorischen Phrasen, sondern mit einer berührenden Rückblende auf die Kindheit Koestlers, des einzigen Reporters an Bord des Graf Zeppelin, dem einstmals die Mutter vor dem Einschlafen als Belohnung eine Reise auf den Nordpol versprochen hatte, wenn er brav sei. 2 Koestler hat die ersten acht Reportagen über den Flug - übrigens nicht bis zum Nordpol, sondern in die Arktis bis zum 82. Breitengrad - in das sowjetische Propagandabuch deshalb aufgenommen, weil nach seiner Darstellung das Zustandekommen der ganzen Expedition nur durch die Hilfe der Sowjetregierung und ihrer Vorbereitungen am unmittelbaren Startflughafen in Leningrad möglich geworden war. Außerdem waren von den sechzehn eigentlichen Mitgliedern der Expedition vier Sowjetbürger, nämlich: der wissenschaftliche Leiter der Expedition, der Direktor des Arktischen Instituts in Leningrad Professor Rudolf Samoilowitsch 3 , der Meteorologe Professor Pa- 1 Arthur Koestler: Von weißen Nächten und roten Tagen, Staatsverlag der nationalen Minderheiten der USSR, Charkow 1933. 2 Ebenda, S. 7. 3 Rudolf Lasarewitsch Samoilowitsch (Rudol‘f Lazarevi Samojlovi , *1881 Asow, +1940) lernte während seiner Verbannung infolge seiner Teilnahme an der russischen Revolution von 1905 den Polarforscher Vladimir Aleksandrovi Rusanov kennen und wandte sich daraufhin der Arktisforschung zu, führte von 1912-1915 Untersuchungen auf Spitzbergen durch und leitete bereits 1920 eine Expedition in den sibirischen Meeresgewässern. 1928 leitete Samoilowitsch die Rettungsexpedition auf dem Eisbrecher Krassin für die Überlebenden des abgestürzten italienischen Luftschiffs Italia von Umberto Nobile. 1930 gründete er das Arktische Institut in Leningrad und wurde dessen erster Direktor. 1931 übernahm er die wissenschaftliche Leitung der Arktisfahrt des deutschen Luftschiffs Graf Zeppelin. Von 1934 bis 1938 führte Samoilowitsch weitere Forschungsreisen in die Arktis durch. Samoilowitsch war Vizepräsident der Geographischen Gesellschaft der UdSSR, Mitglied zahlreicher ausländischer geographischer Gesellschaften - u.a. der USA - und Mitglied der internationalen Seearbitrage. Obwohl er bereits 1928 mit dem <?page no="46"?> Ilona Slawinski 46 wel Moltschanoff 4 , der Funker Ernst Krenkel 5 und der Luftschiffingenieur Fjodor Assberg 6 . Die Darstellung der Ankunft und des Aufenthalts in Leningrad ist denn auch durchaus die Erfüllung eines Propagandaauftrages geworden. Der sachlichen und großartigen Schilderung des Flugs über die Polarlandschaft folgt als nächste Propagandaeinschaltung die Begegnung des Graf Zeppelin mit dem sowjetischen Eisbrecher Malygin, der die riesige Menge an Post mit Zeppelin-Sondermarken übernimmt, durch welche die Expedition wesentlich mitfinanziert worden ist. Die drei letzten propagandistischen Schlussfolgerungen sind das Endergebnis des Schlussinterviews von Professor Samoilowitsch, wonach das fliegende Laboratorium des Zeppelins innerhalb weniger Stunden mehr Arbeit geleistet hätte als mehrere Orden des Roten Arbeitsbanners und 1935 mit dem höchsten Orden, dem Leninorden, ausgezeichnet worden war, rettete ihn dies nicht vor dem stalinistischen Terror Ende der 30er Jahre. Samoilowitsch wurde am 24. Juli 1938 verhaftet, am 4. März 1939 als deutscher und gleichzeitig als französischer und polnischer Spion zum Tode verurteilt, 1940 erschossen und aus der sowjetischen Geschichtsschreibung gestrichen. Auch die ihm zu Ehren benannte Insel wurde 1938 in “Ostrov Dlinnyj“ umbenannt und erst seit 1965 trägt sie wieder seinen Namen. Samoilowitsch selbst wurde 1957 rehabilitiert. Vgl. Zinovij Michajlovi Kanevskij: Legendarnyj “Krasin“ (Die legendäre “Krasin“), in: Priroda (1992) 7, 92-101. 4 Pawel Moltschanoff (Pavel Aleksandrovi Mol anov, *1893 Wolosowo, +1941 Leningrad) arbeitete nach Abschluss des Studiums der Meteorologie an der Universität St. Petersburg von 1917-1939 am geophysikalischen Zentralobservatorium, wo er die Radiosonde entwickelte, die auch bei der Zeppelin-Expedition eingesetzt wurde. Danach war Moltschanoff im 1930 gegründeten Institut der staatlichen zivilen Luftflotte in Leningrad eingesetzt und kam im Oktober 1941 während der Leningrader Blockade im II. Weltkrieg ums Leben. 5 Ernst Krenkel ( rnst Teodorovi Krenkel’, *1903 Bialystock, +1971 Moskau) war Funker und arbeitete ab 1922 in der Telegraphen-Empfangsstation Ljuberezk, 1924/ 25 auf der Polarstation Matoschkin Schar (die heute Krenkels Namen trägt) in einer Meerenge der Insel Nowaja Semlja. Krenkel nahm danach an mehreren Expeditionen teil und wurde 1938 mit dem Titel Held der Sowjetunion ausgezeichnet, weiter erhielt er zwei Mal den Lenin-Orden, ein Mal den Orden des Roten Arbeitsbanners sowie zwei Mal den Orden des Roten Sterns und man verlieh ihm sogar ein Ehrendoktorat der Geographie. Von 1937-1946 war er darüber hinaus Abgeordneter des Obersten Sowjets der UdSSR. 1948 jedoch wurde Krenkel ebenfalls ein Opfer des Stalin-Regimes, indem er des “Kosmopolitentums“ bezichtigt und aufgrund einer persönlichen Anordnung des Sekretärs des ZK der Partei, G. M. Malenkov, aus dem Zentralen Radioklub der UdSSR ausgeschlossen wurde, dessen Vorsitzender er gewesen war. Man enthob Krenkel von seinem Posten als Leiter der Polarstationen der Nördlichen Seerouten-Administration (NSRA) und zugleich wurde ihm jegliche Funktätigkeit untersagt. Seine Rehabilitierung erfolgte erst - und inoffiziell - 1956, drei Jahre nach Stalins Tod. 1969 ernannte man Krenkel schließlich zum Direktor des Instituts für hydrometeorologische Industrie, für das er bis zu seinem Tode tätig war. Ernst Krenkel hat in seinem Buch Mein Rufzeichen ist RAEM (Berlin 1977) im X. Kapitel diese Arktisfahrt mit dem Zeppelin beschrieben. 6 Fjodor Assberg (Fedor Fedorovi Assberg, *1894, +1964) war während des I. Weltkrieges Artillerieoffizier, wo er sich zur Beobachtung des Feindes mit Fesselballons beschäftigte. Nach dem Krieg widmete er sich der Luftfahrt und wurde zu einem der führenden Spezialisten für Luftschiffe. <?page no="47"?> Arthur Koestlers Reise durch die Sowjetunion 47 Land- und See-Expeditionen in einigen Jahren; 7 der Hinweis darauf, dass nunmehr rund 60% der Spesen für die Erforschung der noch unerschlossenen Teile der Welt von der Sowjetunion getragen würden und schließlich Hoch- und Verachtung für den deutschen Spießer, der vor Begeisterung über den Zeppelin-Flug und seinem nationalen Stolz darüber all den Jammer und all das Elend vergaß, indem das Land steckte, das aus der Weltwirtschaftskrise heraus gerade dabei war, in die Massenpsychose des Nationalsozialismus hineinzuschlittern. Wenn das Buch den Titel Von weißen Nächten und roten Tagen trägt, so beginnen nach den acht Reportagen über die Polarfahrt die elf Reportagen über die roten Tage, die den Titel “Die Erben Dschingis-Khans” tragen. Diesen Titel wählte Koestler hier zunächst für die jahrhundertelange Versklavung der Menschen durch den Feudalismus, der nun ganz im Sinn des Propagandabuches durch die Sowjetrevolution zur wirtschaftlichen, sozialen und politischen Befreiung geführt haben soll. Er zeigt dies in aufrichtiger Gläubigkeit an einzelnen Beispielen der Sowjetrepubliken Zentralasiens. Aber als Koestler sich Jahrzehnte später an die Reise durch die Sowjetunion zurück erinnerte, da bekannte er ein, nur die eine Hälfte der Wahrheit gesehen zu haben, nämlich den ersten Windstoß, der durch die Revolution von 1917 über Asien hinweggefegt war und dem ein gewaltiger Sturm folgen sollte. Jetzt erkannte er rückblickend, dass nicht eine wirkliche Befreiung der Menschen stattgefunden hatte, sondern lediglich ein Wechsel von der Teilversklavung durch Grundbesitzer, Steuereinnehmer und Geldverleiher zu einer modernen Vollversklavung, in welcher der Staat alles in einem war: Grundbesitzer, Steuereinnehmer und Geldverleiher. 8 Er gibt in seinem Buch allerdings auch einzelne Beispiele, auf welche Weise die Sowjets durch den Fünfjahresplan viele Errungenschaften westlicher und vor allem amerikanischer Wirtschaft überflügelt hatten. So berichtet er von der ersten Fabrik der Welt für Massenerzeugung von künstlichem Kautschuk in Jaroslawl, von einem neuen Bohrsystem von Kapeluschnikoff, das die Bohrtechnik der Amerikaner für Erdöl in Baku überholt hatte, oder von einer der ersten Baumwollpflückmaschinen der Welt in Buchara. Dabei findet es Koestler ganz in Ordnung, dass der geniale Techniker von Baku Kapeluschnikoff, der nicht nur ein großartiges neues Bohrsystem, sondern auch ein phänomenales Cracking-Verfahren zur Ölgewinnung ausgearbeitet hatte, einen schäbigen alten Ford fährt und nicht einmal ein eigenes Zimmer hat. Für die im wörtlichen Sinn verhungernden Bauern, die er in großer Zahl auf den ukrainischen Bahnhöfen sah, hatte er aber als dogmatischer Gläubiger des Kommunismus eine ideologische Rechtfertigung bereit. 9 Auch dass 7 Ebenda, S. 53. 8 Arthur Koestler: Bricks to Babel. Selected Writings with Comments by the Author, Hutchinson, London et al. 1980, S. 105. 9 Arthur Koestler: Als Zeuge der Zeit. Das Abenteuer meines Lebens, 2. Aufl., Scherz Verlag, Bern und München 1983, S. 156. <?page no="48"?> Ilona Slawinski 48 er in der damaligen Hauptstadt Charkow lediglich Fliegenpapier, Präservative und Briefmarken problemlos kaufen konnte oder dass es ungeheures Elend am Basar von Charkow gab, störte ihn in keiner Weise. 10 Er begeisterte sich vielmehr für den Direktor einer Carbid-Fabrik in Eriwan, den er antraf, wie er gemeinsam mit Schwerarbeitern Kohle schippte, und für einen “marxistischen Fakir”, der sich als antireligiöser Agitator entpuppt. 11 Während seiner Fahrt durch die Republik Turkmenien gehörte Koestler einer “Schriftsteller-Brigade” an, die außer ihm selbst, noch aus dem amerikanischen Dichter Langston Hughes, dem turkmenischen Schriftsteller Shaarieh Kikiloff und dem ukrainischen Autor Kolja Schagurin bestand. Obwohl zu einer sowjetischen Brigade reduziert, hatten die vier sich genug gesunden Menschenverstand erhalten, dass sie sich “rasch aus dem Staub machten”, wenn die Gefahr bestand, dass parteidoktrinäre Reden über Plansoll-Erfüllung gehalten wurden. 12 Koestler wäre aber nicht er selbst, würde er nicht in seinem Propagandabuch gelegentlich die Potemkinschen Kulissen der Sowjetpropaganda vergessen und große Bilder von realistischer Überzeugungskraft schaffen, wie etwa jenes eines alten verwitterten Mannes an der afghanischen Grenze, der im stinkigen Dunkel seiner Kibitka hockte, an seiner kürbisgeschnitzten Nargileh sog und die Läuse auf seinem Kopf sortierte. Der Übersetzer berichtet Koestler, dass der Mann sich einen Armen nenne, obwohl er 10 Kamele, etliche Schafe, ein Pferd und ein Schwein besitzt, dass er weder selbst arbeiten wolle noch seine Familie arbeiten lasse und dass er seinen Kindern verbietet, in die Schule zu gehen. “Man hat ihm ein Haus gebaut - er ließ die Schafe und das Pferd im Haus wohnen und haust weiter in seiner dreckigen Kibitka”. 13 Auch berichtet Koestler wahrheitsgemäß, dass es in demselben Dorf 90% Trachom oder Bindehautentzündung bei den Kindern und 95% Syphilis bei den Erwachsenen gibt. Dass die gebärenden Frauen im Allgemeinen immer noch lieber die Nabelschnur durchbeißen, als ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Schriftsteller- Brigade verließ dieses Dorf Permetjab etwas bedrückt. Voll im Bann fundamentalistischer Gläubigkeit an das kommunistische Dogma steht Koestler wieder bei seinem Bericht über die Bachschis, jene Erben des Märchenerzählens und der gesungenen Epen ohne Kenntnis des Alphabets, “die letzten Mohikaner des Orients, Herolde einer versunkenen Welt …”. 14 Er setzt nämlich alles daran, diese Herolde schlecht zu machen, die Musik erscheint ihm als das grausige Gezirpe auf zwei Eselsdärmen, der tiefgreifende Effekt auf die Zuhörer mit geradezu hypnotischer Wirkung durch Geräusche, die der “Teufel-Teufel-Doktor aus seiner heiseren Trommel wirbeln läßt”. 15 Ein wenig erinnerte dies Koestler an arabischen Gesang: dieselben gepressten guttu- 10 Ebenda, S. 158. 11 Von weißen Nächten, S. 91 ff. 12 Ebenda, S. 106. 13 Ebenda, S. 111. 14 Ebenda, S. 132. 15 Ebenda, S. 135. <?page no="49"?> Arthur Koestlers Reise durch die Sowjetunion 49 ralen Kehllaute, dieselben klagenden gequälten Halbton-Triller, dieselben schrillen unaufgelösten Dissonanzen, völlig unmelodisch, ein bösartig, quälendes Rezitativ mit tierisch unheimlichen Ton-Schnörkeln. Besonders missfielen aber Koestler die vergifteten inhaltlichen Quellen der Vergangenheit, männliche Heldentaten, deren Motivation ihm unverständlich bleibt und weibliches Leiden an der Liebe. Aber auch hier stellt sich mit den Sowjets der Fortschritt ein: Bei Usbeken, Tadschiken, Turkmenen und Kirgisen gibt es jetzt auch neue Inhalte und damit bereits ein Lenin-Epos. Er gibt auch einige Strophen eines solchen neuen Liedes, unter denen sich die zwei folgenden befinden: Heute auch in unseren Tagen, klingt der Sänger Lied. Doch nicht von des Bülbüls Klagen klingt der Sänger Lied. Auch nicht von der Mondessichel, nicht vom Pfirsichbaum. Von dem Werk, vom Hammerschlage klingt der Sänger Lied. Von der Zukunft neuem Leben klingt der Sänger Lied, Welches Lenin uns gegeben - klingt der Sänger Lied. Und dem Flugzeug, von Maschinen, von der Städte Bau Und von der Genossen Streben klingt der Sänger Lied. 16 Im zweiten Teil seines Buches Die Geheimschrift, in dem zusammenfassenden Band Als Zeuge der Zeit und in der späten Auswahl aus dem Gesamtwerk Bricks to Babel hat Koestler rückblickend diese Ungeheuerlichkeiten analysiert und erklärt, als er schrieb: “Meine Vorstellungen von Rußland, stützten sich ausschließlich auf das, was ich aus der Sowjetpropaganda über das Land erfahren hatte. Es waren Vorstellungen von einem Über-Amerika, beschäftigt mit der Erfüllung der gewaltigsten historischen Aufgabe und vibrierend von Tatkraft, Tüchtigkeit und Enthusiasmus”. 17 In seinem Buch Bricks to Babel aber setzt er fort: “The motto of the First Five Year Plan had been to ‘reach and surpass’ the Occident; this task had been completed in four years instead of five. At the frontier I would ‘change trains for the twenty-first century’, as another slogan had promised”. 18 Rückblickend durchschaute er auch die sowjetische Sprachregelung. In jenem Jahr, in dem er die Sowjetunion bereiste, gab es eine tatsächliche Hungersnot, aber in der Sowjetpresse wurde diese Hungersnot verleugnet. Man sprach von “Schwierigkeiten an der Kollektivierungsfront” und das Wort “trudnosti” - Schwierigkeiten - war eines der häufigsten in der sowjetischen Umgangssprache. 19 Die Funktion der Sprachregelung war es, Katastrophen ebenso zu verniedlichen, wie Erfolge ins Überdimensionale zu steigern. Wenn es hieß, in England sei ein “gigantischer Sieg der revolutionären Kräfte” errun- 16 Ebenda, S. 139. 17 Als Zeuge der Zeit, S. 155. 18 Bricks to Babel, S. 97. 19 Als Zeuge der Zeit, S. 160. <?page no="50"?> Ilona Slawinski 50 gen worden, dann bedeutete dies, dass die Kommunistische Partei bei den Wahlen ein halbes Prozent mehr Stimmen erhalten hatte. Umgekehrt wurde durch die Umschreibung “gewisse Schwierigkeiten an der Hygienefront in Birobidschan” ausgedrückt, dass dort die Cholera wütete. 20 Trotz der vollständigen Ergebenheit in dem Glauben an die Partei und deren Ziele und trotz der geleisteten Propagandaarbeit war das Manuskript kein Erfolg. Koestler berichtete, dass er sechs Exemplare des Manuskripts tippen ließ und im April des Jahres 1933 die Kopien an die verschiedenen Staatsverlage in Moskau, Charkow, Tiflis und Eriwan schickte, die mit ihm Verträge für die russische, deutsche, ukrainische, georgische und armenische Ausgabe des Buches abgeschlossen hatten. Es sollte jedoch nur in Charkow und nur in deutscher Sprache für die deutschsprachige Minderheit in der Ukraine erscheinen. Keine einzige der vertraglich zugesicherten Übersetzungen kam zustande. Das deutsche Original erschien zwar 1934 in Charkow, doch hatte der Lektor mehr als die Hälfte des Manuskripts herausgestrichen, sodass nur noch ein dünner, broschierter Band übrig blieb. Ein anderer Lektor, jener der geplanten russischen Ausgabe, hatte die lebendige Sprache des Manuskripts kritisiert, die in vielen Teilen freilich ganz und gar nicht der trockenen Langeweile politischer Propagandaeinseitigkeit entsprach. Aber es war nicht nur die “lebendige” Sprache, die offenbar stören musste. In seinem Buch Bricks to Babel hat Koestler einige Absätze aus dem ursprünglichen ersten Kapitel des Manuskripts der Weißen Nächte und roten Tage abgedruckt, das vom Zensor gestrichen worden war. Hier seien einige Sätze daraus zitiert: … Let us not deceive ourselves: this writer did not stand up very well to the test of the first few days. He splashed about rather helplessly in the bottomless porridge of impressions which he had found instead of the neat and tidy contours of socialist life anticipated in his imagination. He had visualised the Soviet Union as a kind of gigantic Manhattan with enormous buildings sprouting from the earth like mushrooms after rain, with rivers queuing up before power stations, mountains being tossed into the air by faith, and people breathlessly racing, as in an accelerated film, to fulfill the Plan. Yet the first Soviet town in which he set foot gave the impression of a huge village of seven hundred thousand sleeping souls, lazy as the Orient, timeless as the steppes. From the railway station a heavy peasant crowd was clumping through the dusty streets as if heading for a fair; and this was not a backward village, but the capital of the second largest Republic in the Union. 21 Gewiss war eine Wendung wie das Plantschen im Haferflockenbrei eine ungewöhnlich lebendige Sprache, doch war der Inhalt gewiss noch viel störender: Die Sowjetunion in der Wunschvorstellung ausgerechnet verglichen mit einem gigantischen Manhattan und dazu der Gegensatz zur Realität des faulen Orients und der zeitlosen Steppe. Der Lektor hatte offenbar erkannt, dass Koestler guten Willens und ein bedingungslos gläubiger Kommunist 20 Ebenda. 21 Bricks to Babel, S. 98. <?page no="51"?> Arthur Koestlers Reise durch die Sowjetunion 51 war, der aber die Eierschalen bürgerlicher Wahrheitssuche noch nicht ganz abgestreift hatte. Hätte er Koestler in seinem Gutachten die inhaltlichen Probleme angekreidet, dann hätte dies für Koestler böse ausgehen können. Koestler selbst betrachtete rückblickend die Abfassung seines Buches Von weißen Nächten und roten Tagen als “berufliche Therapie”. Es half ihm seine Eindrücke neu einzuordnen und alles, was ihn schockierte, als “Erbe der Vergangenheit” abzuqualifizieren, alles was er mochte, aber als “Samen der Zukunft” zu sehen. 22 Das Buch erschien 1934 im Staatsverlag der nationalen Minderheiten in Charkow. Äußerlich in zwei Teile geteilt, besteht es im Grunde aus drei Teilen, denn der zweite Teil zerfällt wiederum in zwei Teile: Die erste Hälfte berichtet von Russland selbst und der Ukraine, die zweite Hälfte von der Entwicklung der rückständigen Republiken in Zentralasien. Dieser Teil der Reise führt ihn jenseits des Kaukasus, zunächst nach Georgien, Armenien und Aserbaidschan und von dort über das Kaspische Meer durch Turkmenistan nach Aschabad und die Oase von Merw in die Wüste von Kara-Kum. Sodann ging es nach Buchara, Samarkand und Taschkent und über Kasachstan zurück nach Moskau. Er benützte - wie jeweils gerade möglich - die Eisenbahn, den Dampfer, den Raddampfer, das Auto und das Pferd für die fünfmonatige Reise. Manche der Orte waren - abgesehen von einzelnen russischen Beamten - vorher noch nie von Europäern besucht worden. Viele dieser Städte besaßen so gut wie kein Lokalkolorit und keine Lokalarchitektur, doch dies bemängelte Koestler zunächst keineswegs. Später bemerkte Koestler allerdings kritisch dazu, dass die Bolschewiken fortführten, “was unter dem russischen Imperialismus begonnen hatte. Es war das Ziel der zaristischen Kolonisation, die Eingeborenen in einem Zustand nützlicher Unwissenheit zu belassen … Das kommunistische Regime schlug einen scheinbar entgegengesetzten Kurs ein, der aber in Wirklichkeit noch tragischere Folgen hatte. Die Eingeborenen kamen in die Städte und wurden unter Hochdruck ‘erzogen’, das heißt russifiziert und stalinisiert”. 23 Im Gegensatz dazu war er während der Reise noch sehr beeindruckt, dass die Medressen in Mittelschulen verwandelt wurden, “indem man die Teppiche hinausträgt und Bänke aufstellt; und die arabischen Folianten ins Museum schafft und Bücher mit lateinischen Lettern auf die Pulte legt”. 24 In unvergesslicher Erinnerung blieben Koestler nur die Städte Alt-Buchara und Samarkand, die sich aus der gleichermaßen eintönigen Trübseligkeit russischer Provinzstädte heraushoben. Rückblickend urteilte er später aber, dass ihm auch hier nur “einige Fragmente unvergänglicher Schönheit” in Erinnerung geblieben waren, “unentwirrbar vermischt mit Schmutz, Verfall und einer Atmosphäre unendlicher Traurigkeit. Die Russen sind über diese beiden Städte so erbarmungslos hinweggetrampelt, wie einst die Goldene Horde des 22 Ebenda, S. 99. 23 Als Zeuge der Zeit, S. 170 f. 24 Von weißen Nächten, S. 176. <?page no="52"?> Ilona Slawinski 52 Dschingis-Khan”. 25 Damit ist dem ursprünglichen Titel des zweiten Teils des Buches “Die Erben Dschingis-Khans”, wo es um die feudale Vergangenheit im Gegensatz zur positiven sowjetischen Gegenwart und Zukunft geht, ein neuer, zweiter, pejorativer Sinn zugewachsen, denn nun werden die Sowjets Dschingis-Khans Horden gleich gesetzt. Manifestiert wird dies durch die Worte des Vorsitzenden des Stadtbaukomitees von Buchara, von dem Koestler hörte: “In vier Jahren wird Buchara eine europäische Stadt sein”. 26 Dieser Satz versetzte ihm allerdings schon während seiner Reise einen Stich ins Herz. Rückblickend beobachtete er, dass die alten Volkslieder verboten waren, weil sie eine unheilvolle Sehnsucht nach vergangenen Tagen beschwören hätten können. Nur einzelne klassische Werke, die eine “fortschrittliche soziale Haltung” ausdrückten, wurden in der Schule gelesen und in billigen Ausgaben neu gedruckt, wie etwa Krieg und Frieden, Oblomov und Tote Seelen. 27 Der Rest, einschließlich des Großteils von Dostojewskis Werken war - wenn nicht ausdrücklich verboten - so doch dadurch zur Vergessenheit verurteilt, als sie von den Staatsverlagen nicht neu aufgelegt wurden. Koestler fand sogar, dass auf lange Sicht das Staatsmonopol der Buchveröffentlichungen ein entscheidenderes Element des kommunistischen Regimes war als die Konzentrationslager. In der Hauptstadt der Sowjetrepublik Turkmeniens wurde Koestler durch Zufall Zeuge eines Gerichtsverfahrens, in welchem er nach Jahrzehnten rückblickend ein frühes Provinzbeispiel der späteren großen Säuberungsprozesse in Moskau erkannte. Jene Moskauer Säuberungsprozesse waren vielleicht der wichtigste Anlass für Koestlers Austritt aus der Kommunistischen Partei und seine Wendung zum aktiven Antikommunisten. Aus diesem Grund war ihm der Vorfall wichtig genug, dass er in der rückblickenden Darstellung der Reise durch die weißen Nächte und roten Tage in seinem Buch Bricks to Babel eine ausführliche Schilderung davon gab. Dem späten Koestler lag es besonders an dieser notwendigen Ergänzung des Buches Von weißen Nächten und roten Tagen, gerade weil er den wirklichen Sinn dieser Gerichtsverhandlung in Aschabad im Jahr 1932 nicht verstehen hatte können. Erst nach den Erfahrungen der Moskauer Prozesse wurde ihm plötzlich der Sinn klar und so rückte nunmehr das Gesamtsystem des Terrors, das zur Errichtung des totalitären Staates geführt hatte, in ein grelles Licht. 28 Koestler ging mit seinem turkmenischen Führer zufällig am Gebäude des Stadtsowjets vorbei, auf dessen Terrasse das Gerichtsverfahren stattfand, und er setzte sich aus Neugierde zum öffentlichen Publikum. Es wurde gerade einer der 29 Angeklagten als Zeuge verhört. Er beschuldigte den Hauptangeklagten Attakurdov, der bisher der Vorsitzende des Stadtsowjets und Mitglied des Zen- 25 Ebenda, S. 173. 26 Ebenda, S. 181. 27 Bricks to Babel, S. 102. 28 Ebenda, S. 105 ff. <?page no="53"?> Arthur Koestlers Reise durch die Sowjetunion 53 tralkomitees der turkmenischen Partei gewesen war, dass er in dessen Auftrag eine Kolchose aufgelöst und die einzelnen Teile als individuelles Eigentum aufgeteilt hatte, wobei die ehemaligen reichen Kulaken die besten Stücke des Landes erhalten hätten. Koestler fand heraus, dass die Anklage auf Sabotage und konterrevolutionäre Verschwörung lautete und dass Attakurdov und sein Clan für alle Schwierigkeiten verantwortlich gemacht wurden, welche die Republik Turkmeniens befallen hatten. Es genügten wenige Stunden des Zuhörens, um die ungeheure Absurdität des Verfahrens zu enthüllen. Der vernommene Zeuge war ein Funktionär des Distrikts Kolchosen-Zentrum gewesen. Als er feststellte, dass in einer bestimmten Kolchose 150 Melonen veruntreut worden waren - die Arbeiter hatten die Melonen einfach gegessen, anstatt sie zu übergeben - löste er angeblich wegen dieser 150 Melonen die ganze Kolchose auf. Ärger noch als der Inhalt war die Form des Verfahrens. Der Richter und die Beisitzer schienen kaum zuzuhören. Der Ankläger - er und der Richter waren Russen - unterbrach mitunter den Zeugen durch eine gleichgültige und nebensächliche leise gemurmelte Frage. Der einzige Verteidiger aller 29 Angeklagten war ein Turkmene und gleich einem schüchternen kleinen Schuljungen, der aus Prüfungsangst heraus nicht weiß, was als nächstes von ihm erwartet wird, und der aus diesem Grunde stumm bleibt. Es war nicht das geringste Zeichen von Interesse und Spannung zu hören und Koestler war geradezu entsetzt über die Gleichgültigkeit und Apathie, welche über der ganzen Verhandlung lag und welche auch die Angeklagten befallen hatte, wobei es doch um ihr Leben ging. Wenn einer der Angeklagten aufgerufen wurde, dann sprach er zumeist mit einer matten und unpersönlichen Stimme und schien als Individuum ganz aufgelöst zu sein. Er machte den Eindruck einer willenlosen, schlappen Marionette an ihren Schnüren. Die ganze Prozedur war für Koestler so deprimierend, dass er am nächsten Tag nicht mehr zur Verhandlung zurückkehrte, deren tatsächlicher Sinn ihm nicht wirklich einleuchtete. Erst nach den Moskauer Prozessen wurde ihm klar, dass es sich nur um eine exotische und amateurhafte Vorläuferschaft dieser großen Schauprozesse gehandelt hatte, die der Errichtung der totalitären Diktatur durch Stalin gedient hatten. Als er Aschabad verließ, war die Verhandlung noch immer nicht beendet und er hatte ihr Ergebnis nie erfahren. Als er wieder zurück in Moskau war, fand er heraus, dass dort niemand jemals von dieser Verhandlung gehört hatte. Und erst nach den Moskauer Prozessen fragte er sich, wie viele gleichartige Verfahren ebenso stillschweigend im ganzen Land abgehalten worden waren. Ebenso in Ergänzung zu seinem Buch Von weißen Nächten und roten Tagen berichtete er in Bricks to Babel, dass die Menschen auf dem Land vor Hunger starben und jene in der Stadt bei einem Minimum von Essen dahin vegetier- <?page no="54"?> Ilona Slawinski 54 ten. 29 Koestler war gerade zur Zeit der großen Hungersnot 1932/ 33 in der Sowjetunion, von deren Existenz die meisten Europäer keine Ahnung hatten. Sie entvölkerte ganze Distrikte und kostete aufgrund der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft in der Ukraine mindestens fünf bis sieben Millionen Menschen das Leben. Die Bauern mussten nicht nur ihre Quoten an Getreide abliefern, sondern es wurde auch das Saatgut beschlagnahmt. Um nicht auch noch das Vieh und die Hühner an die Kolchosen abzuliefern, wurden diese geschlachtet und als es nichts mehr zu essen gab, verließen mehrere Millionen Bauern das Land. Hinzu kamen noch fünf Millionen nach Sibirien deportierte Kulaken. Gleichzeitig führte die starre Zentralisierung der Industrie an den Rand des Zusammenbruchs der Produktion. Beide Katastrophen erwuchsen nach Koestlers rückblickender Überzeugung aus “dem völligen Verschwinden jedes Ansporns zur Arbeit”. 30 Das Leben schien für ihn bereits während seines Aufenthalts zu einem totalen Stillstand gekommen zu sein, ohne sich der Ursachen bewusst zu sein. In der sowjetischen Presse war keine Anspielung auf den wirklichen Zustand des Landes erlaubt und daher auch nicht zu finden. Vielmehr las er jeden Morgen in seiner Charkower Zeitung über Zahlen des Fünfjahresplanes, die erreicht und übertroffen worden waren, über die Konkurrenz im Wettbewerb zwischen enthusiastischen Fabriksbrigaden, über Verleihungen der Auszeichnungen des Roten Banners, über neue Riesenfabriken im Ural. Die Fotografien zeigten immer lachende junge Menschen mit roten Fahnen in der Hand oder aber malerische alte Usbeken immer lächelnd und immer gerade dabei das Alphabet zu lernen. Kein Wort über die Hungersnot, die Typhusepidemie, das Aussterben ganzer Dörfer. Nicht einmal das lokale Faktum, dass es in jenem Winter in Charkow, wo die Temperatur oft auf zwanzig bis dreißig Grad unter Null fiel, keine Elektrizität gab, wurde erwähnt. Auch der enorme Mangel an Bedarfsgütern war unverkennbar, die sofort bei Auftauchen in einem Geschäft gekauft wurden, egal ob sie gebraucht wurden oder nicht. Wo immer die Leute auf der Straße eine Schlange anstehen sahen, schlossen sie sich ihr an, auch wenn sie keine Ahnung hatten, was verkauft wurde. Doch auch darüber wurde in der Zeitung nicht geschrieben. Man hatte vielmehr den Eindruck von einer traumhaften Unwirklichkeit. Die Zeitung schien über ein gänzlich anderes Land zu berichten, das keinerlei Kontakt mit dem wirklichen Leben hatte, das die Menschen in Charkow führten. Das enorme Land war überzogen mit einer Decke des Schweigens und niemand außerhalb eines kleinen Kreises von Eingeweihten war in einer Position, um sich ein Bild von den tatsächlichen Verhältnissen zu machen. Trotz seiner Kommunismusgläubigkeit im Jahre 1932 war Koestler sogar damals ein Mann der Wahrheit, sodass der Lektor in Charkow mehr als die Hälfte seines Buchmanuskriptes streichen musste. Die Partei hatte denn auch entschieden, dass er nicht in der Sowjetunion bleiben könnte, sondern dass er 29 Ebenda, S. 110. 30 Als Zeuge der Zeit, S. 166. <?page no="55"?> Arthur Koestlers Reise durch die Sowjetunion 55 nach Paris zu gehen hatte. Erst angesichts seiner bevorstehenden Ausreise wurde ihm klar, dass er den Aufenthalt in der Sowjetunion als sehr bedrückend empfunden hatte und dass er über diese Entscheidung sehr erleichtert war. 31 Das Leben in Moskau war zwar sehr viel besser als irgendwo sonst im Lande, aber es glich in jenem Jahr 1932 nach Koestlers Ansicht doch höchstens dem Lebensstandard einer Bergwerksstadt im britischen Wales zur Zeit der Wirtschaftsdepression. Die Revolution hatte in Hinblick auf die Bauwerke in den Städten der Provinz kaum etwas verändert, allerdings aber vieles verschlechtert. Gewiss gab es vielleicht eine neue Fabrik in einem Vorort oder besaßen privilegierte Bürger Radio und Telefon, aber die allgemeine Übervölkerung und die Vernachlässigung der Häuser machten sich unangenehm bemerkbar. Dazu kamen noch die Leere der Läden und das Verschwinden von allen Zeichen von Wohlstand. Der Verlust aller Farben und Lebensfreude hatten alles nur noch trauriger und eintöniger gemacht. Koestler selbst hat eine Aufzählung all dessen gegeben, was ihn bedrückt hatte: “Die schmutzigen Straßen, die allgemeine Schäbigkeit und Armut, die grimmige Schulmeisterei in allem, was man zu lesen und zu hören bekam, die allgegenwärtige Atmosphäre einer staatlichen Besserungsanstalt. Dazu das Gefühl, von der Welt abgeschnitten zu sein. Die langweiligen Zeitungen, die nichts Kritisches oder Strittiges enthielten; kein Verbrechen, keine Sensation, keinen Skandal, nichts Menschliches, Allzumenschliches. Die dauernden Ermahnungen, der tierische Ernst, die stereotype Einförmigkeit von allem und jedem, das allgegenwärtige Bild des Großen Bruders, der einen überall mit seinen Augen verfolgte. Die überwältigende Öde eines industrialisierten Neandertals”. 32 Es war fast schon nicht mehr überraschend, dass die Erlangung seiner Ausreisegenehmigung fast so große Schwierigkeiten bereitete wie das Erlangen seines Visums in die Sowjetunion. Als er dann im Zug saß und die sowjetische Grenze nach dem Westen überschritt, vollzog sich ein magischer Wechsel der Atmosphäre. In den Bahnhofrestaurants erblickte er Esswaren, die er seit einem Jahr nicht mehr gesehen hatte: belegte Brötchen, Wurst, Käse, Eier. Schinken und natürlich auch Kaffee und Kuchen. 33 Man konnte ausländische Zeitungen, Bücher und Magazine kaufen. Am meisten berührte ihn jedoch der Umstand, dass jeder der Passagiere im Zug eine unverwechselbare Persönlichkeit und nicht ein einzelnes Molekül einer grauen amorphen Masse war. Sie waren Individuen, und manche von ihnen - es war nicht zu glauben - hatten sogar Hunde. In der Sowjetunion hatte niemand einen Hund gehabt. Das fiel ihm erst jetzt auf, als er wieder Hunde sah. Diese halfen aber offenkundig mit, die Atmosphäre menschlicher zu gestalten. Koestler bezeugt über seine Rückkehr in den Westen, er sei aufgeregt gewesen wie ein Schuljunge, der aus einem strengen Internat ausgerissen ist, 31 Ebenda, S. 179. 32 Ebenda. 33 Ebenda, S. 183. <?page no="56"?> Ilona Slawinski 56 um in den Zirkus zu gehen. Aber die Freude hielt nicht allzu lange vor. Denn als er einige Tage in Wien mit alten Freunden verbrachte, fühlte er bald, wie sich das bösartige Geschwür, das durch Hitler in Deutschland entstanden war, sich in das lebende Zellgewebe Europas fraß. Es war dieselbe Beklommenheit und nervöse Spannung, es waren dieselben Vorahnungen nahender Katastrophe, die ihn zuvor in Berlin vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten verfolgt hatten. Als er die Universität besuchte, sah er in der Aula kräftige Lümmel in kurzen Lederhosen und weißen Kniestrümpfen, der österreichischen Abart des Faschismus, “eines fanatischen, völkischen Provinzialismus”. 34 Nach einem Umweg über die Slowakei und Budapest kam er zur Zeit des Reichtagsprozesses in Paris an. Er war noch immer voll und ganz Kommunist - trotz seines Aufenthalts in der Sowjetunion, aber in Paris sollte sich dann der völlige Loslösungsprozess von der Partei anbahnen. 34 Ebenda, S. 185. <?page no="57"?> Die Welt der Romane <?page no="59"?> Erzählstrategien in Arthur Koestlers Romantrilogie Wynfrid Kriegleder Zwar hat sich die neuere Literatur zu Arthur Koestler vor allem mit dessen abwechslungsreichem Leben beschäftigt, wovon Titel wie “Arthur Koestler. The Homeless Mind”, “Arthur Koestler. Ein extremes Leben” oder “Arthur Koestler. Autor Kämpfer Visionär” Zeugnis ablegen. 1 Und es liegt in der Tat nahe, in erster Linie der inneren und äußeren Biographie dieses Mannes nachzugehen, der in hohem Ausmaß die wichtigsten politischen und geistigen Strömungen des 20. Jahrhunderts mitgetragen hat. Insofern mag es als philologische Kleinkrämerei anmuten, sich auf drei von Koestlers Romanen zu beschränken und sie einer erzähltechnischen Analyse zu unterziehen, mag es nach Erbsenzählerei aussehen, sich mit den Instrumenten der Narratologie Texten zu nähern, die stärker im politischen als im ästhetischen Diskurs verankert sind, die mehr unter dem Blickpunkt der Entwicklung des politischen Denkens im 20. Jahrhundert und weniger unter dem Blickpunkt der Entwicklung der Gattung Roman oder des literarischen Erzählens Aufmerksamkeit verdienen. Aber es handelt sich eben um fiktionale Texte, in denen Koestler politische und philosophische Fragen behandelt, ganz im Sinn des Romans der Aufklärung, der ja gleichfalls nicht von einer Autonomie des literarischen Kunstwerks ausging, sondern dieses selbstverständlich für andere Bereiche instrumentalisierte. Daher ist es legitim und sinnvoll, zu fragen, in welche Linien der Gattungstradition sich Koestlers Romane einreihen und welche Erzählstrategie angewendet wird. Zu fragen wird sein, ob und in welchem Ausmaß das ästhetische und das politische Programm Hand in Hand gehen: ob sie einander widersprechen oder sich wechselseitig verstärken. Leistung und Grenzen des Romanciers Koestler können damit auf den Punkt gebracht werden, unabhängig von der Frage, wie sein politisches Programm und seine philosophische Orientierung bewertet werden mag. Die drei Romane, um die es im Folgenden geht, Die Gladiatoren, Sonnenfinsternis und Ein Mann springt in die Tiefe, hat Arthur Koestler selbst im Nachwort zu der 1960 im Alfred Scherz Verlag erschienenen “einzig autorisierten Übertragung aus dem Englischen” ohne weitere Erläuterungen als “Trilogie” bezeichnet. 2 Dieser Auffassung sei hier nicht widersprochen, ob- 1 Vgl. David Cesarani: Arthur Koestler. The Homeless Mind. London 1998; Christian Buckard: Arthur Koestler. Ein extremes Leben 1905 1983. München 2004; Joseph P. Strelka: Arthur Koestler. Autor Kämpfer Visionär. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag 2006. (=Edition Patmos, Bd. 10). 2 Arthur Koestler: Die Gladiatoren - Sonnenfinsternis - Ein Mann springt in die Tiefe. Drei Romane. Mit einem Nachwort des Autors. Vom Autor überarbeitete, ungekürzte <?page no="60"?> Wynfrid Kriegleder 60 wohl manches dagegen einzuwenden wäre. Denn es ist nicht anzunehmen, dass die drei Romane als Trilogie konzipiert waren, dass also die Gladiatoren bereits in Hinblick auf einen Abschluss in Ein Mann springt in die Tiefe verfasst wurden. Weiters unterscheiden sich Die Gladiatoren hinsichtlich der Gattungszugehörigkeit es handelt sich um einen historischen Roman beträchtlich von den beiden anderen Texten, die sich eines zeitgeschichtlichen Themas annehmen. Zwischen Sonnenfinsternis und Ein Mann springt in die Tiefe gibt es freilich Verbindungen, die so weit gehen, dass im letzten Roman “von den russischen Säuberungen und vom Prozeß Rubaschow” (M 601) die Rede ist Rubaschow ist ja bekanntlich der fiktionale Held des zweiten Romans. Natürlich behandeln alle drei Romane ähnliche Fragen. Im erwähnten Nachwort nennt Koestler als “Leitmotiv der Trilogie” die “Frage, ob und inwieweit der Zweck die Mittel heiligt” eine Selbstaussage, die ich bezweifle, da sie zwar für die ersten beiden Romane gilt, für den dritten aber nur eingeschränkt zutrifft. Denn im dritten Roman geht es vor allem um das Problem, ob und warum man sich für eine gute Sache engagieren soll, selbst wenn man erkennt, dass die wahren Motive für das Engagement sehr zweifelhaft sind. Aber auch wenn es so etwas wie eine zentrale Frage, ein “Leitmotiv” der drei Romane geben sollte, stellt sich die Frage, ob sie damit wirklich zu einer “Trilogie” zusammenwachsen. Buddenbrooks, Der Zauberberg und Doktor Faustus drehen sich bekanntlich auch um ganz ähnliche Themen; von einer Trilogie aber spricht niemand. Dass die drei Romane etwas miteinander zu tun haben und dass diese Gemeinsamkeit mit der Entwicklung von Koestlers politischem Denken zusammenhängt, war für die zeitgenössischen Kritiker und Rezensenten offensichtlich. George Orwell konstatierte 1944, das eigentliche Thema der drei Romane sei eine Erkenntnis, zu der sich Koestler selbst (noch) nicht durchgerungen habe: “All revolutions are failures, but they are not all the same failure.“ 3 Harold Rosenberg fasste 1944 die Romane unter den Begriff “literature of the Communist backslider“ 4 , sieht sie also als Beispiel dessen, was Michael Rohrwasser später “Renegatenliteratur” nennen wird. 5 Vereinzelt finden sich aber auch Äußerungen, die an die Romane nicht primär politische, sondern literarische Fragen stellen. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine 1948 in Harper’s Magazine erschienene kritische Abhandlung des britischen Schriftstellers V. S. Pritchett, die zu einem eher negativen, dabei aber differenziert argumentierenden Sonderausgabe. Bern, Stuttgart, Wien: Scherz 1960, 693. Im Folgenden werden die Romane nach dieser Ausgabe zitiert, mit den Siglen G, S und M und der Seitenangabe. 3 George Orwell: Arthur Koestler [1944]. In: Sperber, Murray A. (Ed.): Arthur Koestler. A Collection of Critical Essays. Englewood Cliffs, N. J.: Prentice Hall 1977, 13-24, hier 24. 4 Harold Rosenberg: The Case of the Baffled Radical. [Partisan Review IX, Winter 1944]. In: Sperber, Murray A. (Ed.): Arthur Koestler. A Collection of Critical Essays. Englewood Cliffs, N. J.: Prentice Hall 1977, 34-38; hier 34. 5 Michael Rohrwasser: Der Stalinismus und die Renegaten. Die Literatur der Exkommunisten. Stuttgart: Metzler 1991. <?page no="61"?> Erzählstrategien in Arthur Koestlers Romantrilogie 61 Urteil kommt. Pritchett stellt Koestler zu Recht in einen dezidiert nichtbritischen, kontinentalen Kontext und kontrastiert die englische Romantradition ein starker Hang zur Empirie bei einem mangelnden theoretischen Gerüst mit der kontinentalen Praxis. Koestler, dessen Romane man eher dem “journalism” denn dem “imaginative writing” zuordnen müsse, verfasse Romane, die “skeletal” sind “They are like the steel frameworks of modern buildings before the bricks go in.” Andererseits freilich gebe es keinen einzigen englischen Romancier “who has Koestler’s scope or force no journalist or reporter either.” Denn “the confidence with which Koestler grasps important themes makes the continued privacy of the English novel look eccentric.“ 6 Es ist nur konsequent, dass Pritchett deshalb Die Gladiatoren am höchsten schätzt, während er über Ein Mann springt in die Tiefe anmerkt: “[…] it has all the old skill in story-telling, the old lack of acceptable characters; an incapacity to describe love love equals lust, etc. but a terrifying power to describe torture.” 7 Zu der Zeit, als Koestler an seiner Trilogie arbeitete, formulierte er selbst in zwei Beiträgen seine Theorie des Romans. Im September 1941 hielt er auf dem 17. Internationalen Kongress des PEN-Clubs in London einen Vortrag, den er drei Jahre später in seinen Sammelband theoretischer Schriften, The Yogi and the Commissar, aufnahm; in der 1950 von Friedrich Klumpp angefertigten deutschen Übersetzung lautet der Titel: Die Versuchung des Romanschriftstellers. Koestler vertritt hier eine Position, die sich von der orthodoxmarxistischen Realismus-Forderung etwa eines Georg Lukacs nicht wesentlich unterscheidet. Er operiert mit einem plausiblen Bild: Der Romancier sitzt in seinem Zimmer, in dem er sich seiner Inspiration überlässt, vor einem Fenster, das hinaus in die Welt, den “Rohstoff für das Werk“ 8 , führt. Er ist nun drei Versuchungen ausgesetzt: Er mag das Fenster völlig schließen, sich der reinen Kunst überlassen und sich von der üblen Welt abwenden, ohne jedoch zu bedenken, dass auch der geschlossene Raum “der Mode der Zeit unterworfen [bleibt], obwohl man annimmt, daß Mode und Zeit ausgeschaltet sind”. Er mag sich zweitens weit aus dem Fenster hinauslehnen und sich der Welt zur Verfügung stellen, wodurch er zum Reporter wird wir haben es dann “mit einer vom schöpferischen Prozeß nicht verdauten siedend heißen Vision zu tun” (24). Und er mag drittens die Vorhänge teilweise zuziehen und sich auf einen kleinen Ausschnitt beschränken, was “Werke von unbestreitbarem Wert” ergibt, die aber nur aus Bruchstücken bestehen. Dieser dritte Weg, so Koestler, wurde in der Geschichte des Romans zwar häufig beschritten, führt aber in eine Sackgasse. Die Beispiele, die er nun nennt, “Meisterstücke der Sackgasse”, könnte er von Lukacs übernommen haben: 6 V. S. Pritchett: Koestler: A Guilty Figure. [Harper’s Magazine, January 1948]. In: Sperber, Murray A. (Ed.): Arthur Koestler. A Collection of Critical Essays. Englewood Cliffs, N. J.: Prentice Hall 1977, 53-68. 7 Ebd., 63. 8 Arthur Koestler: Der Yogi und der Kommissar. Auseinandersetzungen. [Aus dem Englischen übertragen von Friedrich Klumpp]. Frankfurt: Suhrkamp 1974, 23. <?page no="62"?> Wynfrid Kriegleder 62 Tristram Shandy, Wuthering Heights, Du Cotè de chez Swan und The Waves. Dagegen gebe es eine “Hauptstraße”, die vom Ulenspiegel und Don Quichote zu Krieg und Frieden, zum Zauberberg und zu Fontamara führe. 9 Auch dieser Kanon ist, von Silones Fontamara abgesehen, dem Lukacs’schen Realismus- Konzept verpflichtet. Den wahren Roman definiert Koestler in diesem Beitrag als einen im wahren Sinn realistischen Text, in dem das “wirkliche Leben”, in “einem Koordinatensystem” untergebracht werde, “dessen Achsen durch die beherrschenden Tatsachen, Ideen und Strömungen [der] Zeit dargestellt werden.“ 10 Der Roman bedürfe eines kompletten und vollständigen zeitgeschichtlichen Hintergrunds beispielhaft führt er an: den “Fabriksschornstein”, die “Atomzertrümmerung”, und “die Konzentrationslager.” Dies alles müsse zwar nicht in den erzählten Begebenheiten, wohl aber “im Gemüte des Autors” vorhanden sein; sein “Fenster muß ihm einen alles umfassenden Ausblick gewähren, selbst wenn sein Gegenstand” ein eingeschränkter sei. Pointiert heißt es: “Der Akt der Schöpfung setzt Allwissenheit voraus.” Und für den Roman bedeutet das, so formuliert Koestler, dass wir die Romanfigur “in der eigentümlichen Romanperspektive” sehen müssen; “wir wissen von ihr mehr, als sie selbst von sich weiß.“ 11 Es ist bezeichnend, dass Koestler in seinen durchaus bemerkenswerten Überlegungen uneingestanden den theoretischen Positionen der realistischmimetischen Literatur verpflichtet bleibt und an die praktische, sprachliche Umsetzung der erhobenen Postulate keinen Gedanken verschwendet. Den “echten Roman” (29) bindet er an das ausgebildete Bewusstsein des Autors. Ob mithilfe des traditionellen “Geschichtl-Erzählens” den erhobenen Forderungen noch nachzukommen sei, reflektiert er nicht. Musil entwickelt bekanntlich zur selben Zeit seine Ideen des essayistischen Romans, Broch lehnt vorübergehend das Erzählen überhaupt ab. Koestler stellt sich noch nicht die Frage, ob der von ihm verlangte allwissende Autor mit traditionellen narrativen Strategien überhaupt vereinbar ist. Drei Jahre später, 1944, hat er das Problem der historischen Position des Romanschreibens näher bedacht. 1944 entsteht der Essay “Die Zukunft des Romans”, in dem Koestler praktische Konsequenzen seiner Forderung an das Genre reflektiert. Grundsätzlich hält er am Hegel-Lukacs’schen Konzept des objektiven, seine Zeit reflektierenden Romanerzählers fest: “Da der Erzähler voraussetzungsgemäß allwissend, allgegenwärtig und gleichzeitig als Person inexistent ist, so ist es seine Zeit, die durch ihn spricht.“ 12 Angesichts der historischen Verhältnisse seiner Gegenwart der Medienrevolution, der sich beschleunigenden wissenschaftlichen und technischen Umwälzungen denkt er jedoch an formale Konsequenzen für den Roman, ohne diese freilich 9 Ebd., 24f. 10 Ebd., 29. 11 Ebd., 28. 12 Ebd., 32. <?page no="63"?> Erzählstrategien in Arthur Koestlers Romantrilogie 63 präzise benennen zu können: Der Roman der Zukunft werde sich durch drei Tendenzen auszeichnen: “Realismus”, worunter Koestler nicht “den Naturalismus eines Zola” versteht, sondern “die Bemühung, der menschlichen Wirklichkeit mit offenen Sinnen zu begegnen, so frei von Konventionen, Vorurteilen und Gewohnheiten wie irgend möglich. Es bedeutet, sich von Traditionen freizumachen, welche lebenswichtige Seiten im menschlichen Spektrum verdecken” dazu gehöre “Mut und Integrität”, aber diese “männlichen Tugenden” genügen nicht, denn die “neugewonnenen Erfahrungsinhalte” müssen auch “verarbeitet werden.” Als Beispiel für die “Entwicklung des Realismus” führt er die im 19. Jahrhundert ignorierte Sexualität an, deren Darstellung auch in seiner Gegenwart misslinge. Die zweite Tendenz sei die “Bedeutsamkeit des Gegenstands” “jene Eigenschaft, welche den Roman mit dem wesentlichen Inhalt der Zeit verbindet.” Denn man konnte zwar am Ende des 19. Jahrhunderts die Dreyfus-Affäre ignorieren, vergleichbares sei im Zeitalter der Atombombe aber nicht mehr möglich, weshalb Koestler ein starkes “magnetische[s] Feld” voraussieht, das “seine strukturelle Form dem Rohstoff aufzwingen wird.“ 13 Diese vage bleibenden Andeutungen einer formalen Konsequenz für den Roman greift er mit der dritten Tendenz auf, die er “Rhythmus” nennt; hier denkt er an jene Tendenzen, die zum offenen Kunstwerk (nach Umberto Eco), zum Möglichkeitsroman (nach Jürgen H. Petersen 14 ) führen: In der neuen Zeit werden “die Gedanken schneller gedacht”, weil es “Zeitungen, Radio, in Riesenauflagen erscheinende Bücher” gibt, weshalb nun ein “ganzes Netz von schnellfahrenden Assoziationsbahnen hergestellt” werde. Daraus ergebe sich ein neuer Rhythmus, “gleichsam eine Maßeinheit der künstlerischen Sparsamkeit, die nicht Kürze ist, sondern Einbeziehung”, eine “Technik, den Leser zu zwingen, daß er für sich selbst auslege, was einbezogen, inbegriffen ist.” Der Leser muss “Lücken füllen” und wird zum “Komplicen” des Autors. 15 Mit dieser neuen Auffassung vom Roman als einem offenen Kunstwerk, das den Leser zur Auslegung verpflichte, deutet Koestler eine Tendenz an, die seinem eigenen Romanschaffen den Boden entziehen würde. Denn bis dato hat sich Koestler als Aufklärer verstanden 16 , der mit Hilfe des Romans Wahrheiten formuliert, die schon außerhalb des Romans existieren; Wahrheiten, die von einem idealen Leser nur auf eine bestimmte Art und Weise verstanden werden können und verstanden werden sollen. Er hat dementsprechend Erzählstrategien verwendet, die zu einer eindeutigen Lektüre verpflichten. Der Leser soll “Komplice” des Autors werden, er soll aber nicht Gegenspieler des Autors werden. Eine völlige Freigabe der Lektüre wäre jedoch die letztliche Konsequenz aus diesen Gedanken, die den Autor auch 13 Ebd., 35f. 14 Vgl. Jürgen H. Petersen: Der deutsche Roman der Moderne. Grundlegung Typologie Entwicklung. Stuttgart: Metzler 1991. 15 Koestler: Der Yogi und der Kommissar, 37. 16 Strelka nennt Koestler explizit einen “Spätaufklärer“, vgl. Strelka: Arthur Koestler. Autor Kämpfer Visionär (Anm. 1), 63. <?page no="64"?> Wynfrid Kriegleder 64 verpflichten müssten, auf jegliche Lesersteuerung zu verzichten eine Konsequenz, die der aufgeklärte homo politicus Arthur Koestler nicht zu ziehen bereit war. Ehe die Erzählverfahren in der Trilogie näher erläutert werden, sollen die drei Romane beschrieben werden. Die Gladiatoren hatten eine komplizierte Entstehungsgeschichte. Nach den Angaben des Verfassers 17 begann er mit der Niederschrift um 1935, zu jener Zeit, als infolge des ersten Moskauer Prozesses sein Glaube an die kommunistische Partei in eine schwere Krise geriet. Der Roman wurde 1938 abgeschlossen, “einige Monate nach meinem Austritt aus der kommunistischen Partei”, und 1939 in englischer Sprache in London publiziert. (Das deutschsprachige Manuskript ging 1940, beim Einmarsch der deutschen Truppen, verloren; der Roman musste daher später von Franziska Meister aus dem Englischen ins Deutsche rückübersetzt werden.) Die lange Entstehungszeit das sei als These formuliert schlägt sich in dem widersprüchlichen Buch nieder, das zumindest in Teilen auch als ein Versuch gelesen werden kann, den stalinistischen Terror wenn schon nicht zu rechtfertigen, so doch zumindest zu erklären. Der wohlkonstruierte, symmetrisch aufgebaute, durch eine Fülle von Leitmotiven zusammengehaltene Roman erzählt die Geschichte des sogenannten Spartacus-Aufstandes (73-71 v. Chr.), ein in der marxistischen Geschichtsschreibung und im linken politischen Diskurs der damaligen Zeit höchst aktuelles Thema. Das Geschehen wird aus der Perspektive verschiedener handelnder Personen vermittelt; manche Einsichten und Wertungen werden auch einem außerhalb der Geschichte stehenden Erzähler in den Mund gelegt. Spartakus, die Figur im Zentrum, bleibt dagegen ein Enigma. Nur selten wird auf ihn fokalisiert. Vor allem im zentralen dritten Buch, dem “Sonnenstaat”, in dem Spartakus als “Imperator”, als diktatorischer Führer seine neue Gesellschaftsordnung durchsetzen will, wird er fast ausschließlich aus der Perspektive anderer Figuren gezeigt. Die Gladiatoren sind ein historischer Roman, der in einer fast schon zu offensichtlichen Art und Weise als Allegorie, als Schlüsselroman über die politische Situation im Europa der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelesen werden kann. Eher durch Zufall als durch geplantes Handeln wächst Spartakus in die Rolle des Führers eines Sklavenaufstands hinein, eines Aufstands, der zunächst nur dem Freiheitswunsch der Unterdrückten entspringt und keine konkreten politischen Ziele hat. Sobald aber Spartakus politische Ziele formuliert die Schaffung des “Sonnenstaats”, einer gerechten, auf Gleichberechtigung und Solidarität beruhenden Gesellschaftsordnung setzen die unvermeidlichen Aporien jeglicher Revolution ein. Spartakus muss erkennen, dass er den “geraden Weg” zu seinem Ziel nicht gehen kann, sondern Umwege einschlagen muss. Der “gerade Weg” scheitert an den realen politi- 17 Vgl. das Nachwort zu Arthur Koestler: Die Gladiatoren - Sonnenfinsternis - Ein Mann springt in die Tiefe. Drei Romane (Anm. 2), 693ff. <?page no="65"?> Erzählstrategien in Arthur Koestlers Romantrilogie 65 schen Verhältnissen: Der neue Sonnenstaat des Spartakus muss sich, um überleben zu können, mit anderen Gegnern der römischen Regierung verbünden; diese neuen und notwendigen Bundesgenossen betreiben aber selbst Sklavenwirtschaft. Spartakus muss daher von seinem Ziel einer allgemeinen Sklavenrevolte, einer Weltrevolution, Abstand nehmen; er muss die ungerechte Ordnung der Bundesgenossen akzeptieren, um seinen eigenen, gerechten Staat am Leben zu erhalten. Dieser Kompromiss aber macht seine Botschaft unglaubwürdig und verhindert gerade jene allgemeine Revolte, ohne die seinem Experiment keine Dauer beschieden sein kann, denn früher oder später werden sich alle etablierten Mächte, auch die zeitweiligen Bundesgenossen, gegen ihn wenden müssen, stellen doch seine revolutionären Ziele die Abschaffung der Sklaverei und des Privateigentums die gesamte traditionelle Machtstruktur in Frage. Der “gerade Weg” scheitert aber darüber hinaus auch an der menschlichen Natur der befreiten Sklaven. Ihr unreflektierter Freiheitsdrang treibt sie zur Befriedigung augenblicklicher Bedürfnisse: Sie nehmen blutige Rache an ihren vormaligen Unterdrückern, plündern und vergewaltigen. Zum Aufbau des von Spartakus erhofften gerechten Sonnenstaats, zu Solidarität, freiwilliger Arbeit für das Gemeinwohl, Verzicht auf die unmittelbare Triebbefriedigung sind sie nicht bereit. Dies alles kann Spartakus nur durch Zwang, mit Hilfe von Terror durchsetzen. Der Führer der befreiten Sklaven wird damit, nolens volens, zum neuen Unterdrücker der Befreiten. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist nicht möglich. Als das Schicksal der Bewegung auf dem Spiel steht, als es zur entscheidenden Auseinandersetzung zwischen den beiden Parteien im Sonnenstaat kommt, hätte Spartakus die Möglichkeit und die Macht, mit Gewalt, in einem Massaker, seine Gegner auszuschalten. Doch er schreckt davor zurück: Das Gemetzel “wäre ein sehr blutiger und sehr böser Umweg, aber der einzige, der zum Heil führen könnte. Der andere, der gute, freundliche, menschliche Weg, führte unausweichlich zum Bruch und von da ins Verderben.” (G 212) Trotzdem entscheidet sich Spartakus für den menschlichen Weg: die gegnerischen Parteien trennen sich friedlich, die Einheit der Revolution ist beseitigt und getrennt werden die Revolutionäre von der römischen Zentralmacht vernichtet. Eine mögliche Alternative zur notwendigerweise scheiternden Revolution skizziert im letzten Buch, “Der Niedergang”, ausgerechnet jener Mann, der Spartakus am Ende besiegt: der römische Feldherr Crassus, der mit Hilfe seines Kapitals die politische Klasse Roms beherrscht. Crassus liefert eine letztlich marxistische Interpretation der Gegenwartssituation. In einem Gespräch mit dem jungen Marcus Cato weist er darauf hin, dass für den Niedergang der römischen Republik keineswegs die Tugendlosigkeit der Römer verantwortlich sei, wie der letztlich rousseauistisch argumentierende Cato behauptet. Eine Rückkehr zu den Werten der Väter, die Cato fordert, sei sinnlos, doziert Crassus, und erläutert dem jungen römischen Idealisten die ökonomischen Gründe für den Verfall der Republik: Rom beziehe all seine Rohstoffe aus den Kolonien, die es ausbeute, daher verarme der römische <?page no="66"?> Wynfrid Kriegleder 66 Bauernstand. Das römische Proletariat aber sei arbeitslos, weil Sklaven aus den Kolonien importiert würden. Die alte Ordnung sei daher dem Untergang geweiht. Wenig später hat Crassus eine Unterredung mit Spartakus, der mit ihm über eine Kapitulation des Sklavenheeres verhandeln will. Hier entwickelt Crassus seine Geschichtsphilosophie weiter: All die revolutionären Forderungen des Spartakus seien “in Wirklichkeit ultrareaktionär” (G 267), da sie das der gegenwärtigen Ordnung zugrunde liegende Wertesystem nicht in Frage stellten. “Wenn Eure Absichten ernst wären, hättet Ihr eine neue Religion erfinden müssen, durch welche die Arbeit in den Rang eines Glaubens […] erhoben worden wäre. […] Entgegen allen Erfahrungen […] hättet Ihr der Welt erklären müssen, daß in der Armut Segen und Auszeichnung liege, während der Reichtum ein Fluch sei.” (G 267) Und wenig später: “Solange niemand auftritt und einen neuen Gott erfindet, der erklärt, daß die Barbaren uns gleichgestellt sind”, solange bleiben “trotz allem die wirklichen Anwälte des Fortschritts diese zweitausend römischen Aristokraten und Müßiggänger, welche die übrige Welt für sich arbeiten lassen und trotzdem den Fortschritt erzwingen, ohne selber zu wissen, wie.” (G 267f.) Die Bestandsaufnahme des Crassus erinnert an ähnliche Zeitdiagnosen der 1930er-Jahre, wie sie etwa u. a. Hermann Broch formuliert hat. 18 Erst der Aufbau eines neuen Wertesystems, das das verrottete (bürgerliche) System ersetze, könne eine bessere Welt herbeiführen und auch die ökonomische Ausbeutung der Massen beenden. Und es ist bemerkenswert, dass Koestler, ganz ähnlich wie Broch in seinem Tod des Vergil, die Zeit der späten römischen Republik und des frühen Kaiserreichs als Modell für die Situation nach dem Ersten Weltkrieg sieht. Dem damaligen Wertezerfall hatte das Christentum eine neue Ordnung entgegengesetzt. Welches neue Wertesystem die bürgerliche Ordnung ablösen soll, vermögen beide historische Romane natürlich nicht zu beantworten; dass aber ein neues System vonnöten sei, suggerieren beide. Und dass dieses neue System die sich evolutionär aus der bürgerlichen Ordnung heraus entwickelnde liberale Demokratie westeuropäischer und US-amerikanischer Prägung sein könnte, davon sind beide Autoren zu diesem Zeitpunkt offenbar (noch) nicht überzeugt. Der zweite Band der Trilogie, Sonnenfinsternis, ist zweifellos Koestlers berühmtestes Buch laut Christian Buckard sichert es ihm “einen Platz unter den Großen der Weltliteratur.“ 19 Die Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte ist ähnlich kompliziert wie im Fall der Gladiatoren. Koestler begann die Arbeit 1938, unmittelbar nach Abschluss des vorigen Romans. Er wurde nach Ausbruch des Kriegs am 2. Oktober 1939 verhaftet, ehe er das Werk abgeschlossen hatte, schrieb im Lager Le Vernet weiter und beendete das Manuskript nach seiner Entlassung (am 17. Jänner 1940) in Paris. 20 Seine 18 Auf die Nähe vieler Positionen Koestlers zu Broch weist Strelka, Arthur Koestler. Autor Kämpfer Visionär (Anm. 1) immer wieder hin. 19 Christian Buckard: Arthur Koestler. Ein extremes Leben (Anm. 1), 63. 20 Ebd., 169-173. <?page no="67"?> Erzählstrategien in Arthur Koestlers Romantrilogie 67 Freundin Daphne Hardy fertigte eine Übersetzung ins Englische an, die er am 1. Mai nach London an seinen Verlag schickte. Das Originalmanuskript ging, wie im Fall der Gladiatoren, beim Einmarsch der Wehrmacht in Paris verloren, und Koestler musste das unter dem Titel Darkness at Noon erschienene Buch selbst ins Deutsche rückübersetzen. Der Roman schildert die letzten Tag im Leben des berühmten Revolutionärs Rubaschow, von seiner Verhaftung bis zu seiner Hinrichtung. Aus verschiedenen Hinweisen im Roman lässt sich das Frühjahr 1939 als Handlungszeitraum erschließen. Rubaschow ist ein Revolutionär der ersten Stunde, seit der Oktoberrevolution in führenden Funktionen, vor allem im Ausland tätig; er war unter den Nazis inhaftiert. Zur Zeit der “Vorbereitungen zum zweiten Prozeß gegen die Opposition” (S 366), also 1937, wird er nach Hause zurückberufen, zwei Jahre später verhaftet. Weder die Sowjetunion noch Stalin werden namentlich genannt der “Führer der Partei” heißt “Nummer Eins”. Der fiktionale Rubaschow, so erläutert Koestler im Nachwort, “ist dem Charakter und der körperlichen Erscheinung nach eine Synthese von Leo Trotzki und Karl Radek, das Vorbild für seine Denkart gab […] Nikolai Bucharin.“ 21 Der beinahe ausschließlich aus Rubaschows Perspektive erzählte Roman besteht aus vier Teilen. Die ersten drei Teile schildern die drei Verhöre, denen Rubaschow unterzogen wird. Der Untersuchungsrichter Iwanoff, ein ehemaliger Studienkollege und Kampfgenosse, versucht ihn zu überzeugen, aus logischen Gründen die absurden Anklagepunkte er habe etwa die Ermordung von Nummer Eins geplant zu gestehen. Das zweite Verhör findet in Rubaschows Zelle statt. Iwanoff spricht sich für die konsequente “Vivisektionsmoral” (S 423) der Revolutionäre aus und argumentiert gegen Rubaschows Anflüge von Mitleid mit den unschuldig Hingerichteten: “Hast du jemals einen Antivivisektions-Traktat gelesen? Es ist eine erschütternde und herzzerreißende Lektüre; wenn du liest, wie ein armer Köter, dem man die Leber herausgeschnitten hat, vor sich hin winselt und seines Peinigers Hand leckt […] Aber wenn es nach diesen Leuten ginge, hätten wir heute kein Serum gegen Cholera, Typhus oder Diphterie.” Beim jetzigen Stand der Geschichte sei diese Vivisektionsmoral nötig es müssten eben “einige hunderttausend dem sinnvollsten Experiment der Geschichte” geopfert werden. (S 424f.) “Mitleid, Gewissen, Ekel, Verzweiflung, Reue und Buße” seien “lasterhafte Ausschweifungen” derjenigen, die “die Welt als eine Art metaphysisches Gefühlsbordell” betrachten (S 417); falls Rubaschow kein “moralischer Feigling” sei, werde er das verlangte Geständnis unterschreiben. Rubaschow, der zeit seines Lebens genauso gedacht hat und immer noch so denkt, ist bereit, das Geständnis abzulegen, denn da “das einzige moralische Kriterium, das wir anerkennen, das der sozialen Nützlichkeit ist”, sei es “ehrenhafter, seiner Überzeugung öffentlich abzuschwören, damit es einem erlaubt 21 Nachwort zu Arthur Koestler: Die Gladiatoren -Sonnenfinsternis - Ein Mann springt in die Tiefe. Drei Romane (Anm. 2), 700. <?page no="68"?> Wynfrid Kriegleder 68 bleibe, der Partei weiter zu dienen, als donquichottisch für eine verlorene Sache zu kämpfen.” (430) Das dritte, sich über mehrere Tage erstreckende Verhör führt allerdings nicht mehr Iwanoff, sondern dessen ehemaliger Untergebener Gletkin; Iwanoff ist inzwischen selbst verhaftet und erschossen worden. Gletkin erreicht mittels psychologischer Folter ein umfassendes Geständnis Rubaschows, das dieser bei einem Schauprozess öffentlich wiederholt. Der Roman endet in seinem vierten Teil, “Die grammatikalische Fiktion”, mit der Erschießung Rubaschows als Konterrevolutionär. Parallel zu den Verhören erfolgt für die Hauptperson die Entdeckung oder Wiederentdeckung seiner Identität, seines “Ich”, das er in gut revolutionärer Manier bisher als “grammatikalische Fiktion” behandelt hat. Dieser innere Prozess wird durch die Erinnerungen Rubaschows in seiner Gefängniszelle befördert. Drei Fälle kommen ihm ins Gedächtnis, in denen er aus Gründen der Parteiräson den Tod von Mitstreitern herbeigerufen hat. Der schwerste Fall ist der letzte: Er hat seine Sekretärin und Geliebte Arlowa ungerührt geopfert und ihre Hinrichtung verursacht. Doch die innere Wandlung Rubaschows wird auch befördert durch Mithäftlinge, mit denen er in Kontakt tritt, darunter “No. 402”, ein konterrevolutionärer, monarchistischer Offizier (S 317), mit dem er via Klopfzeichen längere Gespräche führt. Rubaschows Aufenthalt in seiner Zelle endet denn auch damit, dass er mittels Klopfzeichen “Ich” sagt und den Irrtum seines bisherigen Denkens erkennt: Der Zweck heiligt nicht die Mittel, Ethik ist kein über Bord zu werfender Ballast und der einzelne Mensch ist mehr als “der Quotient aus einer Million dividiert durch eine Million.“(S 502f.) Die ethische Dimension der revolutionären Tätigkeit griff Koestler auch im dritten hier zu behandelnden Roman, Ein Mann springt in die Tiefe, auf. Er schrieb dieses Buch vom Juli 1942 bis Juli 1943 in Großbritannien in englischer Sprache. 1943 wurde es unter dem Titel Arrival and Departure veröffentlicht. Die deutsche Version, in einer Übersetzung durch Katie George, erschien 1945 in Zürich. Wie auch die anderen Romane ist Ein Mann springt in die Tiefe ein wohl strukturiertes Gebilde. In fünf Teilen “Ankunft”, “Gegenwart”, “Vergangenheit”, “Die Zukunft” und “Abreise” werden einige Wochen aus dem Leben des 22-jährigen Peter Slavek erzählt; ein kurzer Hinweis am Beginn der Ausgabe von 1960 informiert, der Roman spiele “im Frühjahr und Sommer des Jahres 1941”, in “jener Periode des Zweiten Weltkriegs, als die Vereinigten Staaten noch neutral waren und die Sowjetunion, bis zum 21. Juni jenes Jahres, gleichfalls.” (M 510) Wie schon in Sonnenfinsternis verzichtet der Erzähler auf konkrete geographische Angaben. Die Handlung spielt in einem “Neutralien” genannten Land, hinter dem sich Portugal verbirgt, und das namenlose kriegsführende Land, in dessen Dienst Peter am Ende tritt, ist Großbritannien. Peter Slavek ist am Beginn ein trotz seiner Jugend bereits abgehärteter Revolutionär. Er war in seiner Heimat offenbar Ungarn in der kommunistischen Partei, ist verhaftet und schwer gefoltert worden, konnte nach drei <?page no="69"?> Erzählstrategien in Arthur Koestlers Romantrilogie 69 Jahren fliehen und sich nach Portugal durchschlagen; die Handlung setzt damit ein, dass er von Bord eines Frachtschiffs springt, in dem er als blinder Passagier gereist ist, und in Portugal an Land schwimmt. Er ist nicht mehr bereit, die offizielle kommunistische Parteilinie Neutralität gegenüber Nazi-Deutschland mitzutragen; seine Versuche, sich freiwillig zur britischen Armee zu melden, scheitern aber zunächst an der bürokratischen Vorsicht der britischen Regierung. Aus seiner misslichen Situation er hat kein Geld und keine Bleibe befreit ihn die Ärztin Sonia Bolgar, eine Freundin seiner Mutter, die ebenfalls als Exilantin in der Stadt lebt. Peter verliebt sich in die junge Französin Odette; sein erster Sex mit ihr ist eine Vergewaltigung, wobei er aber diesen Akt offenbar nicht wirklich als Vergewaltigung sieht, genauso wenig wie der Erzähler. Odette beginnt mit ihm eine Liebesaffäre, reist aber nach zehn Tagen plötzlich ab und fordert ihn in einem hinterlassenen Brief auf, nachzukommen. Am selben Tag erhält er den positiven Visumsbescheid für seinen britischen Militärdienst. Einen Nervenzusammenbruch Peters heilt die Ärztin Sonia durch eine Psychoanalyse, aus der hervorgeht, dass der junge Mann seit Jahren an einem Schuldkomplex leidet, der letzten Endes darauf zurückgeht, dass er als Fünfjähriger den Tod seines kleinen Bruders verursacht hat. All sein revolutionäres Engagement ist auf diesen Schuldkomplex zurückzuführen. Trotz dieser Erkenntnis zieht Peter Slavek aber nicht die scheinbar vernünftige Konsequenz, seiner geliebten Odette in die neutralen USA nachzufolgen und den aus fragwürdigen Motiven aufgenommenen Kampf gegen den Nationalsozialismus zu beenden, sondern er schließt sich der britischen Armee an. Am Ende des Romans springt er mit einem Fallschirm aus einem britischen Flugzeug ab, vermutlich, um in Ungarn im Partisanenkampf tätig zu sein. Nach Koestlers eigenen Angaben war das Vorbild für Peter Slavek der ungarische Dichter Endre Havas, der nach dem Krieg trotz vorheriger Enttäuschung in den Schoß der kommunistischen Partei zurückkehrte, bald einer Säuberung zum Opfer fiel und im Gefängnis starb. Peters Erinnerungen, die er während der Psychoanalyse erzählt, bilden den beeindruckendsten Part des Romans. Neben den Folterszenen ist es vor allem ein Erlebnis, als er infolge eines bürokratischen Versehens mit anderen Gefangenen per Eisenbahn auf einen “gemischten Transport” geschickt wird und Zeuge der Massenvergasung von “unbrauchbaren Juden” (M 581) in Kübel- Lastkraftwagen wird. Christian Buckard weist darauf hin, dass dies “der einzige literarische Text eines namhaften Autors dieser Jahre [ist], mit dem auf die planmäßige Vernichtung der europäischen Juden aufmerksam gemacht wird.“ 22 Im Zentrum des Romans steht aber, wie in der Sonnenfinsternis, eine ethische Frage, und die Rolle des intellektuellen Widerparts, die in der Sonnenfinsternis Iwanoff spielt, übernimmt hier der junge Nazi Bernard, ein in der deutschen Gesandtschaft arbeitender Patient Sonias. Bernard versucht gegen 22 Buckard: Arthur Koestler. Ein extremes Leben (Anm. 1), 189. <?page no="70"?> Wynfrid Kriegleder 70 Ende des Romans, Peter auf seine Seite zu ziehen, seine Auffassung vom Nationalsozialismus als einer radikalen Utopie unterscheidet sich nur unwesentlich von den Vorstellungen Iwanoffs und des noch nicht verhafteten Rubaschow. Nach Bernard bezweckt der Nationalsozialismus den neuen Menschen, “eine neue Aristokratie der Rasse” (M 648) als “Bürger des neuen eurasischen Riesenvaterlandes” (M 647), dessen Herstellung in einem “radikale[n] weltumspannenden[n] Experimente unter völliger Mißachtung des Individuums, seiner sogenannten Rechte und Privilegien und anderem liberalem Quatsch” (M 646) erfolgt. Peter Slavek entzieht sich dieser Versuchung, für die er aufgrund seiner revolutionären Vergangenheit anfällig wäre, ebenso wie der Versuchung, “ab[zu]dank[en] und [sein] Gärtchen [zu] bebau[en].” (M 652) Die Alternative, sich wie Voltaires Candide desillusioniert ins Private in das neutrale Amerika zurückzuziehen und in splendid isolation den Sturm durchzutauchen, lehnt er im letzten Moment ab. Peter Slavek erkennt klar, dass die Pflichtentscheidung für die humane Sache auch dann erforderlich ist, wenn die Motive für diese Entscheidung fragwürdig sind. Die nicht perfekte Alternative zum perfekten Bösen muss gewählt werden, formuliert er in einem Satz in erlebter Rede, der einen zentralen Begriff aus der Sonnenfinsternis wieder aufgreift: “Wenn man die unbrauchbaren Juden in Namen der Dynamik in die Lastautos steigen und die Injektionsspritze der biologischen Revolution an der Arbeit gesehen hatte, mußte man wohl oder übel der Anti-Vivisektionsliga beitreten, trotz ihrer fragwürdigen Statuten und dem Mangel an einem schöpferischen Programm.” (M 678) Manche zeitgenössischen Kritiker konnten mit dieser aufklärerischen Skepsis, dieser an Albert Camus‘ La Peste erinnernden Pflichtethik nichts anfangen und warfen dem Verfasser von Ein Mann springt in die Tiefe vor, er wisse zwar, wogegen er sei, habe aber kein Programm für die Zukunft. George Orwell notierte in dem oben zitierten Aufsatz, Peter Slaveks letztlich irrationale Entscheidung, in der britischen Armee gegen die Nazis zu kämpfen, sei nicht ausreichend: “As a political statement (and the book is not much more) this is insufficient”, denn für eine rationale politische Entscheidung müsse man “a picture of the future” haben, und das fehle bei Koestler. 23 Auch Harold Rosenberger wirft in seiner Kritik Koestler vor, auf “concrete politics” zu verzichten und stattdessen auf einen neuen Gott zu hoffen, eine Position, die sein aktivistisches “Here we go” (in der deutschen Version: “Na, dann los”) vor dem Fallschirmabsprung ununterscheidbar mache von Odettes “After all why not? ” (“Schließlich, warum auch nicht”), mit dem sie ihre Affäre mit Peter rechtfertigt. 24 Ein Körnchen Wahrheit ist zwar dieser 23 George Orwell: Arthur Koestler [1944]. In: Sperber, Murray A. (Ed.): Arthur Koestler. A Collection of Critical Essays. Englewood Cliffs, N. J.: Prentice Hall 1977, 13-24, hier 22. 24 Harold Rosenberg: The Case of the Baffled Radical. [Partisan Review IX, Winter 1944]. In: Sperber, Murray A. (Ed.): Arthur Koestler. A Collection of Critical Essays. Englewood Cliffs, N. J.: Prentice Hall 1977, 34-38; hier 38. <?page no="71"?> Erzählstrategien in Arthur Koestlers Romantrilogie 71 Auffassung nicht abzusprechen; völlig gelöst von seinem autoritären Utopismus hat sich Koestler in Ein Mann springt in die Tiefe noch nicht. Der Satz von der ethischen Notwendigkeit, der Anti-Vivisektionsliga beizu-treten, enthält aber ein klares politisches Programm, das Koestler einige Jahre später, 1948, in einem Vortrag in der New Yorker Carnegie Hall präzisieren wird. In diesem später unter dem Titel Linke Babbits veröffentlichten Beitrag 25 attackiert er verschiedene Trugschlüsse amerikanischer “linker Babbits”, darunter den “Trug der falschen Gleichung”, dass also sowjetischer und amerikanischer Totalitarismus gleichermaßen schlecht wären. Man vergleiche also “eine unvollkommene Demokratie mit einem vollendeten totalitären Regime und stellt sie gleich. Es läuft darauf hinaus, daß es gleich sei, ob man Masern hat oder die Lepra.“ 26 Und später: “Die Geschichte kennt keine vollkommene, vollkommen reine Sache. […] Der östliche Totalitarismus ist schwarz […] Die amerikanische Demokratie ist nicht weiß, sondern grau […] Wieder einmal [wie in der Nazizeit] haben wir zwischen grauem Zwielicht und totaler Finsternis zu wählen.“ 27 Dass Koestlers politisches Denken zur Zeit von Ein Mann springt in die Tiefe einigermaßen abgeschlossen war, ändert natürlich nichts an den ästhetischen Schwächen, die besonders diesen dritten Roman charakterisieren. In einem letzten Abschnitt soll ein genauerer Blick dem Erzähldiskurs gewidmet werden, es soll also beschrieben werden, mit welchen erzählerischen Mitteln Koestler seine Auffassungen in die Romanform gießt. Ich will mich dabei auf drei Phänomene beschränken. Auffallend ist in erster Linie Koestlers ästhetische Ambition die geschlossene Form aller drei Romane. Schon Die Gladiatoren sind höchst kunstvoll strukturiert. Ein “Vorspiel”, zwei “Zwischenspiele” und ein “Nachspiel” liefern eine satyrspielhafte Nebenhandlung zur Haupthandlung um die Sklavenrevolte. Die jeweils “Die Delphine” betitelten kurzen Erzählpassagen schildern, wie der Schreiber Quintus Apronius aus Capua, der ewige Spießbürger, auf der kollektiven Gemeinschaftslatrine in den Dampfbädern von Capua, “hohe Marmorsessel von äußerst zweckmäßiger Form, deren Armlehnen von Delphinen gebildet werden” (G 16), sein Stoffwechselgeschäft erledigt und dabei mit den jeweils gleichen wohlhabenden Stadtbürgern die politischen Ereignisse vor allem den Verlauf des Sklavenkriegs bespricht. Dabei erweist sich Apronius als der typische, seine eigene triste ökonomische Situation nicht durchschauende Kleinbürger: obrigkeitshörig, solange und sobald er eine minimale Verbesserung seiner Situation erhofft; ressentimentgeladen und dumpf-revolutionszugeneigt, sobald er frustriert wird. Die “Delphine“-Passagen bilden einen festen Rahmen, innerhalb dessen die Revolte des Spartakus eingeschlossen ist. Die Wiederaufnahme wörtlicher Zita- 25 Arthur Koestler: Linke Babbits. [1948]. In: A. K.: Der Yogi und der Kommissar (Anm. 8), 115-123. 26 Ebd., 119. 27 Ebd., 121f. <?page no="72"?> Wynfrid Kriegleder 72 te und die weitgehend identische Strukturierung der Passagen erzeugen ein geschlossenes Romanuniversum. Aber auch in der Haupthandlung operiert Koestler mit Leitmotiven, Spiegelungen, Wiederholungen und Parallelen und schafft so ein kunstvolles Textgeflecht, das nicht nur politische Thesen propagiert, sondern auch eine ästhetische Integration der Einzelelemente erreicht. Ähnlich wohlstrukturiert ist die Sonnenfinsternis. Die drei Verhöre Rubaschows sind parallel gesetzt mit seinem dreimaligen Verrat verdienter Kampfgenossen. Biblische Anspielungen durchziehen den Text. So unterschreibt etwa der Portier Wassilij, ein alter Verehrer Rubaschows, sein Kampfgenosse im Partisanenkrieg, nach der Verurteilung des angeblichen Konterrevolutionärs auf Drängen seiner Tochter eine Resolution der Betriebsversammlung, dass “die Verräter erbarmungslos ausgerottet werden” sollen. (S 492) Der Erzähler montiert Passagen aus der Passionsgeschichte Jesu dazwischen: “Ich sage dir Petrus, bevor der Hahn dreimal dreimal gekräht hat, wirst du mich dreimal verleugnet haben ....” (492, auch im Original kursiv). Wassilij, Veteran des Partisanenkriegs, verleugnet Rubaschow, so wie dieser selbst dreimal die Ideale seiner Revolution verleugnet hat. Auf ein anderes Beispiel für den kunstvollen Einsatz eines Leitmotivs weist Theodore Ziolkowski im Kapitel “The Telltale Teeth: Psychodontia to Sociodontia” in seinen 1983 erschienenen Varieties of Literary Thematics hin. 28 Koestler verknüpft das wiederkehrende Motiv der Zahnschmerzen Rubaschows mit seinem allmählichen Reueprozess, aber auch mit dem degenerierten Zustand der kommunistischen Partei, die als organischer Körper gezeichnet wird. Geschlossen ist auch die Struktur von Ein Mann springt in die Tiefe mit einem symmetrischen Aufbau, einer Erinnerungs-Trias wie in der Sonnenfinsternis und einem Netz von Leitmotiven. In geringem Ausmaß wird in diesem Roman die Geschlossenheit allerdings durchbrochen durch die Einfügung zweier literarischer Texte, die Peter Slavek verfasst, als er nach einer Begründung für seine Entscheidung sucht, den Kampf fortzusetzen und der Versuchung des Rückzugs ins Private zu entsagen. Diese Einführung einer neuen diegetischen Ebene, um es mit Gerard Genette zu formulieren 29 , ist offenbar notwendig, um das offene Ende des Romans auch im Erzähldiskurs sinnfällig zu machen. Dennoch bleibt festzuhalten: Alle drei Romane geben sich als geschlossene Kunstwerke und suggerieren zumindest auf der formalen Ebene jene Gewissheit, die manche zeitgenössische Rezensenten auf der Ebene der Botschaft vermissten. Wir können es auch anders formulieren: Alle drei Romane teilen die Überzeugung der traditionellen realistischen Erzählliteratur, dass 28 Theodore Ziolkowski: Varieties of Lliterary Thematics. Princeton, N.J.: Princeton University Press 1983, 23-25. 29 Vgl: Gerard Genette: Die Erzählung. Aus dem Frz. v. Andreas Knop. München: Fink 1994. <?page no="73"?> Erzählstrategien in Arthur Koestlers Romantrilogie 73 Erfahrungen und Botschaften in geschlossenen, wohl strukturierten Texten vermittelbar sind. Eine zweite Auffälligkeit der Trilogie, vor allem der beiden letzten Romane, ist die Tendenz, dem erzählten Geschehen, obwohl es an konkreten Orten und Zeiträumen festgemacht werden kann, Allgemeingültigkeit zu verleihen. Am wenigsten kommt dieses Bestreben in den Gladiatoren zum Zug, und es ist kein Zufall, dass der britische Kritiker V. S. Pritchett, wie erwähnt, diesen Roman am meisten schätzte, verzichtet Koestler doch dort weitgehend auf Allegorisierungen und eine Abkehr von der Empirie. Das ist natürlich vor allem der Tatsache zuzuschreiben, dass sich ein historischer Roman per definitionem nicht in Abstraktionen verlieren kann. Allegorisch werden die Gladiatoren lediglich im dritten Teil, dem Sonnenstaat, in dem Koestler die von Spartakus errichtete ideale Republik imaginiert und dabei ganz offensichtlich die Verhältnisse in der Sowjetunion nach der Oktoberrevolution nachzeichnet. Der eindrucksvolle Realismus der Sonnenfinsternis ist nicht zu bezweifeln; merkwürdigerweise scheut aber Koestler immer wieder davor zurück, Klartext zu reden. Weder die Sowjetunion noch Stalin werden namentlich genannt, und auch in den Passagen, die Rubaschows ausländische Tätigkeit betreffen, verschlüsselt der Erzähler konkrete Namen und Jahreszahlen. Es scheint, als habe der erfolgreiche Journalist Koestler vermeint, mit dieser allgemeinen Diktion einen höheren poetischen Mehrwert zu erreichen und sich damit der Gefahr zu entziehen, die er in seinem Aufsatz Die Versuchung des Romanschriftstellers formuliert hat, der Gefahr nämlich, sich allzu sehr aus dem Fenster zu lehnen, sich allzu sehr im Sinn eines Reporters auf die außerliterarische Wirklichkeit einzulassen. Dabei übersieht er, dass die Verschlüsselung von Namen und Orten ein übliches Verfahren im 18. Jahrhundert nicht per se poetisch ist. In Ein Mann springt in die Tiefe ist dieses Bestreben, Allgemeingültigkeit zu erreichen, noch ausgeprägter. Der Handlungsort, das neutrale Portugal, heißt “Neutralia” Harold Rosenberg merkt in der zitierten Rezension sarkastisch an: “there ought to be a law against such place-names”. 30 Warum Großbritannien nicht beim Namen genannt werden darf, obwohl offensichtlich ist, welches Land gemeint ist, und obwohl der ältliche Konsulatsbeamte namens Mr. Wilson als geradezu prototypischer Engländer erscheint, ist ebenfalls unklar. Peter Strelka schreibt dezidiert: “Der dritte Roman hat seine Schwächen, denn offenkundig aus Angst in die Reportage abzusinken, wird Hitler-Deutschland nicht direkt beim Namen genannt und Portugal, das Land, in dem er spielt, in einem verallgemeinert allegorischen Sinn “Neutralien” genannt”. 31 Dafür und andererseits ist in diesem Roman explizit “von den russischen Säuberungen und vom Prozeß Rubaschow” (M 601) die Rede; in der Sonnenfinsternis war ja Russland nicht namentlich genannt worden. 30 Rosenberg: The Case of the Baffled Radical (Anm. 24), 35. 31 Strelka: Arthur Koestler. Autor Kämpfer Visionär (Anm. 1), 60. <?page no="74"?> Wynfrid Kriegleder 74 Es bleibt festzuhalten: Koestler verwendet in Ansätzen eine allegorisierende, konkrete Benennungen scheuende Erzählweise, die deutlich an den philosophischen Roman der Aufklärung erinnert. Auch Voltaires Candide oder Johann Karl Wezels Belphegor in den gleichnamigen Romanen kommen ja immer wieder in Orte, die nur mit ihren Initialen benannt werden, obwohl den zeitgenössischen Lesern einigermaßen klar gewesen sein dürfte, was gemeint war. Eine dritte Auffälligkeit der Romane ist der gezielte Einsatz von Fokalisierungen. Romantechnisch ist Koestler auf der Höhe seiner Zeit; er folgt der Tendenz, den allwissenden Erzähler zurückzunehmen und das Geschehen aus der Perspektive der handelnden Figuren zu präsentieren mit Genette gesprochen, eine interne Fokalisierung zu verwenden, sich nach Stanzel 32 der personalen Erzählsituation zu bedienen. In den Gladiatoren wird diese innere Perspektive auf mehrere unterschiedliche Personen verteilt. Das unlösbare Dilemma des Romans der Zweck heiligt nicht die Mittel, aber eine Revolution kann nur gelingen, wenn die Akteure die Mittel über den Zweck stellen schlägt sich folgerichtig darin nieder, dass keine dominante Erzählstimme die anderen überdeckt. In der Sonnenfinsternis beschränkt sich der Fokus, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, auf die Perspektive des verhafteten Rubaschow. Das trägt wesentlich zur klaustrophobischen Atmosphäre des Romans bei und macht die innere Wandlung des alten Revolutionärs umso nachvollziehbarer. Erkauft wird dieser Vorteil freilich dadurch, dass die Außenwelt ausschließlich als Projektion Rubaschows erscheint. Besonders auffällig ist das bei den Dialogen, die Rubaschow mit Hilfe von Klopfzeichen mit dem in der Nachbarzelle sitzenden Gefangenen, “No. 402”, führt. Rubaschow ist überzeugt, dass es sich bei No. 402 um einen tatsächlichen Klassengegner handle, um einen Mann, den er im Bürgerkrieg mit Fug und Recht bekämpft hatte. Fast alles, was er über No. 402 weiß, ist aber das Resultat seiner Vorstellungen. Eine bezeichnende Passage lautet: Besser tot als ehrlos, hatte No. 402 verkündet und sich dann vermutlich den Schnurrbart gezwirbelt. Das war der klassische Ausdruck persönlicher Eitelkeit. No. 402 klopfte seine Sätze mit seinem Monokel; er, Rubaschow, klopfte sie mit seinem Zwicker; da lag der ganze Unterschied. (S 437) Rubaschow kann weder von einem Schnurrbart noch von einem Monokel seines Zellennachbarn, den er niemals zu Gesicht bekommt, etwas wissen; mit welchem Gegenstand No. 402 seine Botschaften klopft, ist eine Vermutung Rubaschows. Auch die vom Erzähler aus der Perspektive Rubaschows No. 402 zugeschriebenen Emotionen sind lediglich Vermutungen. No. 402 “klopfte trocken” (S 336), “klopfte ironisch” (S 337), sein Klopfen “klang […] gedämpft, gleichsam resigniert.” (S 433) Genau genommen weiß Rubaschow von seinem Zellennachbarn nicht viel mehr als die Tatsache, dass ihm dieser ganz am Anfang durch den Wärter Zigaretten zukommen lassen 32 Franz K. Stanzel: Theorie des Erzählens. 7. Auflage. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2001. <?page no="75"?> Erzählstrategien in Arthur Koestlers Romantrilogie 75 will. No. 402 ist also bereit, seinem politischen Erzfeind, dem nikotinabhängigen Rubaschow, das Leben zu erleichtern. Rubaschows letzte geklopfte Botschaft an No. 402, Minuten vor seiner Hinrichtung, fasst denn auch das Entscheidende zusammen. “S IE WAREN FREUNDLICH ZU MIR . H ABEN S IE D ANK .“ Ein Mann springt in die Tiefe fokalisiert konsequent auf Peter Slavek; nur in ganz wenigen Passagen am Beginn des Romans gibt der Erzähler durch die Gespräche anderer Exilanten Hintergrundinformation über den Protagonisten bekannt. Die innere Entwicklung Peters, seine Bekehrung nach der Psychoanalyse, seine Einsicht, dass der Kampf für eine bessere Welt trotz einer möglicherweise fragwürdigen Motivation des Kämpfenden geführt werden muss, all das wird ausschließlich aus seiner Perspektive geschildert; der Erzähler enthält sich jeglichen Kommentars und jeder Erklärung. Da die Entscheidung Peter Slaveks letztlich keine rationale, sondern eine irrationale und nicht begründbare ist, kann sie nur durch einen Wechsel der diegetischen Ebene plausibilisiert werden: Peter schreibt zwei fiktionale Texte, zwei Geschichten, in denen er seine Fragen und Zweifel verarbeitet. Die Kunst, die Literatur macht das Unerklärliche evident. Mit dem Verzicht auf eine dominierende Erzählstimme und der Beschränkung auf die Sichtweise seiner Figuren öffnet Koestler seine Romane in die Richtung von offenen Texten, die erst vom Leser als “Komplicen” des Autors vollendet werden. Eine Leserlenkung muss aber dennoch erfolgen, weshalb unter der Hand eine fast allwissende Position wieder eingeführt wird, entweder durch die Aufteilung der Fokalisierung auf mehrere Figuren (in den Gladiatoren), durch die Ausstattung der Zentralfigur mit Wissen, das sie eigentlich gar nicht haben kann (in der Sonnenfinsternis) oder, in Ein Mann springt in die Tiefe, durch die Einführung einer weiteren diegetischen Ebene, in der jene Einsichten ausgesprochen werden, die der beschränkten Hauptfigur verwehrt sind. * * * Ich fasse zusammen: Koestler schrieb mit den drei Romanen seiner Trilogie politische Romane, Thesenromane, Romane mit einer Botschaft insofern steht er in der Tradition der europäischen Aufklärung. Christian Buckard formuliert: “In der Tat hat Koestler im Laufe seiner rund sechzig Jahre währenden Laufbahn als Schriftsteller und Journalist kaum einen Text verfasst, der nicht im Dienste einer Sache gestanden hätte.“ 33 Die Romane stehen erzähltechnisch auf der Höhe ihrer Zeit, haben freilich an den ästhetischen Neuerungen, die die Gattung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts veränderten, keinen Anteil. 34 Sie überschreiten den Erwartungshorizont der 33 Christian Buckard: Arthur Koestler. Ein extremes Leben (Anm. 1), [7]. 34 Michael Rohrwasser, Der Stalinismus und die Renegaten (Anm. 5, S. 8ff.) merkt an, die “Renegatenliteratur“ neige aufgrund ihrer “Intentionen des Mitteilens, Überzeugens <?page no="76"?> Wynfrid Kriegleder 76 literarisch gebildeten Leser nicht, sondern passen sich diesem Erwartungshorizont an; es sind mainstream-Texte im besten Sinn des Wortes. Vereinzelte Brüche und Unstimmigkeiten sind darauf zurückzuführen, dass der traditionelle geschlossene Roman mit den neuen nennen wir sie: postmodernen Forderungen einer offenen Gesellschaft nicht immer vereinbar war. Koestler selbst bewegte sich in dieser Zeit von einem geschlossenen Weltbild zu einem offenen, oder zumindest einem offeneren. Die Kämpfe und Krämpfe dieser Reise, die damals noch nicht abgeschlossen war, sind seiner Trilogie eingeschrieben. oder Rechtfertigens“ “kaum zu den formalen Experimenten der Moderne“, sondern bediene sich bewährter Formen. <?page no="77"?> The Gladiators: Twentieth-Century Detours from Nineteenth-Century Optimism Kirk M . Steen I will attempt to place Arthur Koestler in the broad context of European political and social history. In doing so I will portray him as part of what historians call the Long Nineteenth Century, that optimistic, relatively peaceful time between Waterloo and the Great War. I will put a slightly different stress on some of the same qualities of Koestler’s work that Professor Scammell so elegantly described as our subject’s search for Utopia. What I will stress - because it fits so well with the novel I am addressing - is Arthur Koestler’s pessimism for the short term. I hope to demonstrate that in spite of this dark attitude, Koestler remained hopeful, if nervous, about humankind’s long-term prospects. I also wish to show that Koestler’s brighter attitude about the long term, tempered as it was by his experience of twentiethcentury realities, was simply an expression of nineteenth-century liberalism. Liberalism’s belief in the positive prospects for the educated, assertive, and competent European surrounded Arthur Koestler during his formative years. The emancipation and assimilation of Hungarian Jews was one of liberalism’s legal expressions. The liberal Hungarian government of 1918 under Count Michael Károlyi, which Koestler remembers in Arrow in the Blue, was one political expression. The Zionist nationalism in which Koestler involved himself as a young man was another. The freedom of Koestler’s father to attempt to succeed in business, his mother’s pretensions, and Athur’s own formal education in Vienna and his involvement in the Unitas Burschenschaft were all social expressions of nineteenth-century liberalism. I believe that it is all too easy to forget that this nineteenth-century continuity unites Koestler’s writing, certainly his writing on politics and science. I will first characterize Koestler as a writer in specific circumstances. Then I will investigate his concept of a law of history he constructs in The Gladiators. This is his “law of detours.” Koestler develops this “law” throughout the novel. However, I will limit my analysis to only two points where Koestler uses this concept. They are both key points in the novel. I will look at its first appearance in the narrative, where in introducing it to the reader, Koestler gives it a fairly detailed development. I will also look at its use as a devise that sends the action in the novel on its downward spiral towards the defeat and crucifixion of its protagonist and his surviving followers. Finally, I will end this paper by investigating George Orwell’s conclusion that Arthur Koestler was indeed a short-term pessimist who remained a long-term optimist as far as the human condition was concerned. * * * <?page no="78"?> Kirk M. Steen 78 I believe that the key to understanding Arthur Koestler is the tenacity with which he held certain nineteenth-century beliefs. Nineteenth-century bourgeois values formed the context of his early life. They were the cultural forces that shaped his attitudes and his definitions of the world even before he encountered that world during what became a turbulent time for Europeans, the period between 1914 and the 1950s. It would be a mistake to ignore certain nineteenth-century continuities of values that appear in Koestler’s writing as he responded to twentieth-century events. Chief among these was his devotion to the conception of the innate value of the individual person in society. Arthur Koestler was not alone during his lifetime in his plea for what have come to be called human rights. However, what distinguishes Koestler’s writing is the connections he made between the nightmarish aspects of Stalinism, fascism, and other, more mundane, aspects of human existence. He could create expository prose that revealed the atrocities of the Spanish Civil War as well as psychological fiction that revealed how the ideals gripping the leaders of the Bolshevik Revolution were transformed into the ghastly deformations witnessed during the Moscow Purge Trials. Koestler could also write pieces that possessed broader relevance. For instance, in the 1950s, during a campaign against the death penalty in Britain, his writing revealed how the contradictions between determinism and free will are present in any justification of capital punishment. Arthur Koestler’s writing, however, was not limited to grave topics. As Koestler put it, he could operate as a writer on the trivial plane as well as on the tragic plane. Therefore, he could just as easily, and with the same seriousness that he mustered for the Moscow Trials, write about the petty professional jealousies of twentieth-century scientists or about the cruelties suffered by dogs and their owners caused by the long quarantine of canines entering Britain. Koestler recognized that even the fear of rabies can be tyrannical. Somewhere between the tragic and the trivial were Koestler’s science pieces. Generally these explored the human aspects of the practice of science, including the implied philosophy behind a given approach to science. Arthur Koestler’s broad interests are yet another characteristic of his life that held affinities to the nineteenth century. He was a generalist wary of overspecialization. Finally, Koestler’s attraction to the paranormal which possibly could be verified by patient, open-minded, and rigorous scientific inquiry gave some of his writing still another nineteenth-century quality: that of the romantic. But of all of these nineteenth-century vestiges, the most important determinant to understand Arthur Koestler’s writing is his dedication to the dignity of the individual. As Roy Webberley stated in his contribution to Harold Harris’s Across Two Cultures: Arthur Koestler at Seventy: “The determinist with a microscope is to be watched as closely as a determinist with a gun.” Webberley asserts that this single distrust of determinism, particularly <?page no="79"?> The Gladiators: Twentieth-Century Detours from Nineteenth-Century Optimism 79 the threat that it poses to the individual, is the thread that unites all of Arthur Koestler’s writing. 1 The story recounted in Arrow in the Blue of Arthur Koestler burning his matriculation book is well known. This document recorded his academic progress and was required for his graduation from the Vienna Technische Hochschule. 2 We may recall that this turning point in Koestler’s life - a mere four months prior to his expected matriculation - was triggered by an impulsive act at the end of a night-long debate with another student over the limits of fate and the power or agency of an individual’s will. The narrative in Arrow in the Blue employs this reckless act to demonstrate that Koestler believed that within fairly wide limits, individuals make their own prospects. Whether Koestler’s reporting of the burning of his matriculation book is completely true, partly fictive, or simply hyperbolic in its details, it still holds an essential truth. Through this one incident we can see the core of a man who held tightly to the nineteenth-century belief that through assertive action humans can significantly affect their own destinies. Events witnessed and experienced by Arthur Koestler would threaten but also solidify his belief in the power of an individual’s agency. By the first third of the twentieth century, European politics had shown that determinism could be associated with anti-humanism. The need to believe in the power of striving at the level of the individual as well as the power of human agency in the aggregate - both Enlightenment notions accentuated during the nineteenth century - can be understood as the single idea present in all of Arthur Koestler’s writing. His books on politics and science evince this aspect of nineteenth-century liberalism. Because liberal values faced increasing criticism in Europe after the Great War, some of our grandfathers and great grandfathers fell victim to an overwhelming pessimism. For men like Koestler, it was clear that in 1914 total war had defeated both liberalism and, by then, its twentieth-century cousin, social democracy. It was apparent to men of Koestler’s generation that during the 1920s and 1930s fascism, corporatism, and Nazism had trumped liberalism again. Additionally, by the middle 1930s the perceptive observer might have recognized evidence that realities in the Soviet Union had truncated the goals of the socialists and in the process had, as Koestler would later express it, transformed the individual from liberalism’s and socialism’s infinity to zero. An important condition that enabled this recognition was the ability to see past the astounding achievements of economic development and to abandon one’s idealistic and hopeful projections. In the short term these movements of the extreme right and left all captured the imagination of the many, and the liberal democracies seemed incapable, or at least reluctant 1 Roy Webberley, “An Attempt at an Overview,” in Harold Harris, ed., Across Two Cultures: Arthur Koestler at Seventy (New York: Random House, 1975), pp. 3-4. 2 Arthur Koestler, Arrow in the Blue: An Autobiography (New York: MacMillan, 1952), pp. 128-132. <?page no="80"?> Kirk M. Steen 80 or unwilling, to confront them on liberalism’s own political and humanistic terms. The Gladiators is a novel that was born of a deep pessimism for the short term caused by these realities. The novel expresses an attitude that began with the conclusion of the Great War and continued through the interwar years. By the time he sat down to plan and write his first political novel, Koestler had witnessed the collapse of liberalism in Italy, in the Weimar Republic and in Franco’s Spain. He was about to see it limply melt away in France. By 1938 Koestler had also embarked tentatively upon his road of Communist apostasy. By then it was increasingly difficult for him to believe that hope for humankind resided in Stalin’s Soviet Union. Written in a Europe coming apart at the seams, Koestler’s first published novel possesses a cynical attitude not only towards politics, but also towards the social potential of humanity in the mass. The latter is a measure of the depths of Koestler’s gloom about the human condition. We might consider that, if not for the manner in which he draws its protagonist as pure and good of heart, Koestler’s first published novel would be outright misanthropic. In the final analysis, however, The Gladiators is much more than skeptical towards the plausibility that revolutionary leadership alone could attain social justice. It even questions the efficacy of human agency as a social stratagem from below. The novel’s postulation of what Koestler labeled the law of detours is the seminal concept that summarizes all of these aspects of an outlook that offers little hope in the immediate future. * * * Koestler introduces the law of detours early in The Gladiators. He accomplishes this by intertwining ancient political history, Freudian psychology, and, through allegory, twentieth-century political history. In the final chapter of Book One, entitled “The Man with the Bullet-Head,” Koestler employs a shaved-headed character to foreshadow the ultimate demise of Spartacus’ slave rebellion. This part of The Gladiators progresses through a conversation between two men in the wee hours of the morning. Spartacus initiates this discussion on a plain outside the camp as others sleep in their tents. 3 For his part Spartacus alternates between sleep, half-sleep, and fully conscious states. His instinctual and rational states of mind are both operating during this interchange, putting Spartacus in a highly suggestive state. Koestler’s narrative more than hints that Spartacus’ unconscious mind is being instructed by his preconscious ideations. And if the man with the bullet-head were not present as an actor throughout the novel, the only way to read him would be as part of Spartacus’ consciousness. Nevertheless, the similarity of the man with the shaved head’s name, Zpardokos, with that of the protagonist lends the discourse between the two characters a definite psychological aspect in 3 Arthur Koestler, The Gladiators (New York: MacMillan, 1939), pp. 85-97. <?page no="81"?> The Gladiators: Twentieth-Century Detours from Nineteenth-Century Optimism 81 which Spartacus can be viewed as communicating with his alter-ego while dreaming. There is another variant and quite plausible reading of the discourse between Spartacus and the character with the bullet-shaped head. The latter’s bald, pointy, and elongated head suggests the cephalic trauma of birth. Taken as the characteristic of a newborn infant, the bullet-head enables the reader to view its bearer as the personification of the primal level of human consciousness, thus representing a guttural yearning within Spartacus for social justice accompanied by an instinctual wisdom at the level of the Freudian id. At the cultural level, Book One’s final chapter introduces certain precepts of existential philosophy, particularly the notion that the traditional conception of God is irrelevant to the more complex and developed levels of civilization. Thus, Book One, Chapter Five, of The Gladiators treats the psychological as well as the social, merging essence with existence in an investigation of the relationship among the instinctual, the volitional, and the political. The context of the treatment of these ideas is one in which, void of values imposed on mankind by the supernatural, men are left to their own devices and condemned to a yearning for freedom that is aggravated by utopian instinctual desires and diminished social possibilities. Recall that Spartacus’ bullet-headed interlocutor possesses an accented speech that betrays a certain Semitic origin which the character verbally denies. His name, Zpardokos, Prince of Thrace, appears to be connected in some way with Greece. That is not insignificant given the Hellenistic setting of the novel, but like Spartacus’ homeland, Zpardokos’ kingdom is in the area of modern Germany. Zpardokos claims to be by origin an Essene whom most readers might understand as the essential, fundamental man. The Essenes were, however, a real, ancient Jewish sect that practiced collectivism on the shores of the Dead Sea after the destruction of the Second Temple between the second century B.C. and the first century A.D. Zpardokos, therefore, simultaneously represents two conceptualizations of the collectivist ideal that exist across time: an ancient one, the kind that the novel constantly reminds the reader that men feel in their guts, and by way of allegory, a modern, twentieth-century one felt by many of Koestler’s contemporaries. In this regard we should not forget how good the future looked from the vantage of the first decade of the twentieth century, a scant decade before the first stirrings of fascism. At the beginning of The Gladiators Koestler draws Zpardokos as an exslave who became known as a vigorous liberator of his downtrodden fellows just as Spartacus’ first-century rebellion in the Roman Empire began. 4 Zpardokos acted as a revolutionary when history provided him the opportunity to do so. This man with the bullet-head waxes eloquent on the motivations of all classes of people regarding their understanding of social order as well as 4 Ibid., p. 85. <?page no="82"?> Kirk M. Steen 82 their own places in it. In the course of his conversation with Spartacus, the bullet-headed character lists four social types, presumably extant for all time. These include a middling class whose mindset Zpardokos summarizes as “mine is mine; thine is thine” and a second, more humble class of men, whose philosophy of life is “thine is mine and mine is thine.” Zpardokos’ third postulated social type is made of pious men whose mantra is “mine is thine and thine is mine.” His fourth and final social type consists of wicked men, presumably men of power and property, whose approach to living is “mine is mine and thine is mine.” 5 By the end of Book One, Chapter Five, moonlight obliterates the darkness just enough for Spartacus to recognize that the man with whom he had such a long exchange of ideas on the possibility of justice and human freedom is actually quite aged, perhaps, the attentive reader concludes, even primordial. This notion of a set piece of universal social and psychological types of men elucidated by Zpardokos, who (himself) symbolizes primal man, does much to establish The Gladiators’ dark, pessimistic tone. Before this point in the narrative, the reader must conclude that Roman society is unbalanced or thrown off center by a growing slave rebellion. We understand through characters such as Quintas Apronius, First Scribe of the Market Court, the novel’s Everyman who occasionally borders on becoming invisible like an ancient Bartleby the Scrivener, that most contemporaries find the rebellion an annoyance. Like many events in their lives, these characters are capable of muddling through such inconveniences. The reader might associate Zpardokos with the primal, but he is more than simply old. His age lends him a certain experience. Wisdom resides in him whether he be Semitic or Hellenistic by way of Thrace, and this wisdom indicates an undeniable pessimism about liberal as well as socialist goals. The picture Zpardokos paints is one in which social classes are the expression of universal human types. These types, or the aspects of human nature that they seem to express, are what the bullet-headed man, as well as the novel in its entirety, contend are unchanging qualities of human nature. This reading of The Gladiators suggests several ideas. First, the similarity in identity and place of origin, that is Jewish and German, tends to equate Zpardokos with Koestler if age doesn’t. Koestler was, after all, only thirty-three years old when he wrote the novel. Furthermore, although born in Hungary, he was culturally German or Gross Deutsch. His formal education took place in Vienna, and he spent his early writing career working for a German-Jewish newspaper in 5 Ibid., p. 90. It is quite interesting that Koestler, ostensibly an anti-Stalinist Marxist when he wrote The Gladiators, refrained from identifying men who live by the credo “mine is mine and thine is mine” with a social class based on wealth or some relation to productive forces of society. His association of the above credo with simply wicked or depraved men indicates a nod on Koestler’s part toward psychology and away form sociology or social-historical forces. It may indicate a fundamental aversion in Koestler by 1938 to the idea that class struggle acts as a historical determinant. Such an aversion would be consonant with his middle-class upbringing as well as nineteenth-century liberalism’s privileging of the individual over the social mass. <?page no="83"?> The Gladiators: Twentieth-Century Detours from Nineteenth-Century Optimism 83 Berlin. Secondly, it is apparent that in 1938 Koestler gave a nod to a conservative construction of social psychology that was associated with political pessimism. This dark attitude was grounded in the idea that unchangeable patterns in the way individual men in any social setting relate to one another make fundamental reforms in any society nearly impossible. During his early career as a novelist, Koestler seems to have believed either that an essential egocentrism among men and women forces free will on the side of social conservatism or that men and women are fated to exist only in predetermined types. Taken separately or together, these strictures make social reform at a minimum impractical. It is probable that while crafting The Gladiators Koestler could have held both ideas simultaneously. I believe that in Koestler’s case the first of these two possibilities, that people are irretrievably egocentric, created the second, that predetermined social types are long-term channels of human possibilities. I further believe that the short-term realities of Koestler’s political experience informed these ideas, and that they in turn informed his conception of his “law of detours.” In the instance of The Gladiators’ fundamental social and political construct, art truly reflected life. At the level of allegory, Koestler’s law of detours explains both the failure of the Spartacist Uprising in Germany during 1919 and the deformation of socialism in the Soviet Union after the late 1920s. The novel served as a mirror reflecting the gloomy world Arthur Koestler knew firsthand. Allegory is abundant throughout The Gladiators. Remember that Zpardokos is a literate man who when enslaved by the Romans refused to reveal that he could read. He was thereafter employed as a masseur at a public bath. Zpardokos kept his literacy secret so that the Romans could not, in his words, “force [him] to teach lies.” 6 He whiles away his life as a cynic in Rome’s baths. One must question whether Koestler was here completely abandoning his hopeful liberal attitude concerning mankind’s prospects or if he was simply narrowing the limits in which he believed social transformation could succeed. If through Zpardokos’ character Koestler was painting intellectuals, particularly the ones he could see in inter-war Europe, as socially redundant, Zpardokos’ ideas can be read as an allegorical indication that the thoughtful, hopeful, and willful Europeans attracted to socialism during the 1920s had little to offer by the late 1930s. The Gladiators demonstrates that whether the progressives and revolutionaries of the inter-war years believed their theory and method scientific seems to have made little difference. Fascism had defeated them in one part of Europe. In the other part, ostensibly a workers’ state, the Comintern was relentlessly grinding and shaping these hopeful, but increasingly less thoughtful and less willful so-cialists into a confused and pliable group. Weaving the social with the psychological, The Gladiators shows Zpardokos’ avocation to be neither that of the teacher nor of the philosopher. With a jaded attitude he is content to melt into the background of society and remain 6 Ibid., p. 86. <?page no="84"?> Kirk M. Steen 84 obscure. He does not believe in prophecies, but knows that certain men in messianic fashion are subject, out of their own selfless convictions, to lead others when the others choose a time to strike at their oppressors. There is an indication of ambivalence in the pessimism about mankind that Zpardokos’ view of the world reveals. For if he truly believes that reform is impossible, one must ponder why he gets actively involved in the rebellion led by Spartacus. Koestler insinuates that the solution to this riddle resides in individual psychology, an idea that he would develop later in Arrival and Departure. What matters, Zpardokos counsels Spartacus, is not prophecy, but the match of leaders to the readiness of their followers: ‘It is the same with prophecies as with clothes. There they hang in the tailor’s shop, many men pass them, many a man they would fit. One comes and takes the robe. And so it is made for him - for he has taken it unto him …What really matters is that it suits the fashion and period. It must fit in with the taste of the time - the wishes of many - the need and longing desire of many…’ 7 The novel, therefore, twists psychology (volition and taste) with the channels provided by social convention (historical fate) to insinuate that regardless of the prospects for social progress and social justice, human agency will inevitably and continually assert itself through the action of some of those who long for social justice in their guts. In the world of this novel, Koestler allows for the possibility that the longing for social justice may indeed be a possibility, if not in any given immediate term, then in some longer term. Zpardokos is, after all, an Essene, a group that lived up to the ideal shared by all men of the “Golden Age” of social justice, the novel informs the reader. When Zpardokos explains to Spartacus that his people practice collectivism, Spartacus is incredulous. And yet this Essene is conscious of the fact that time after time men, in their yearning for social justice, have been incapable of achieving it. He tells Spartacus of several examples of men who found masses to lead and who were frustrated either by the guile of the powerful or by the incompetence and crudity of their followers. He advises Spartacus that it is never changing, that “again and again one man arises, recognizes the sign and receives the word, and goes on his way with the great wrath in his bowels; and he knows of the people’s homesickness for the buried times of old that were ruled by justice and kindness….” 8 The Essene continues by recounting the outlines of a slave rebellion in Sicily that gathered 70,000 men and still was defeated by Roman Legions. When he tells Spartacus that these rebels were culpable for their own defeat, Spartacus is outraged. Expressing his consternation, he wants to know what made the Sicilian revolutionaries responsible for their own defeat. Zpardokos 7 Ibid., p. 89. 8 Ibid., p. 95. <?page no="85"?> The Gladiators: Twentieth-Century Detours from Nineteenth-Century Optimism 85 replies simply that they allowed themselves to be beaten. 9 Koestler indicates here and elsewhere in The Gladiators that man may be doomed to repeat failed attempts at deep, drastic, and quick social and political reform because the masses of men cannot ever be ready for responsible freedom. He presents the fundamental culprit responsible for the failure of all revolutionary projects to be idealized notions that the masses of people are capable of egalitarian consciousness and action. Through Zpardokos Koestler tells his readers that revolutionaries and restive masses will, nevertheless, go on repeating futile attempts at social reform and do so with vigorous and defiant élan. 10 A recognition of the power and possibilities of volition and human agency from below is apparent in this portion of Koestler’s narrative. I believe that this recognition indicates a long-term optimism in mankind’s ability to attain social justice, even if it is implied or enfolded in Zpardokos’ words. Nevertheless, Zpardokos warns Spartacus as well as the twentiethcentury reader that man’s belief in a “Golden Age,” an idealized and mythical past, when society was fair and just is an unfortunate wish-fulfillment phantom. As a warning the “bullet-headed man” gave Spartacus the account of the details of the failure of revolution in Sicily. All rebellions, Zpardokos counsels Spartacus, suffer from the intersection of mankind’s “Great Wrath,” its longing for justice, with the incontestable fact that the masses of men come to hate the revolutionary leaders. The sin of these leaders, which seems to contradict Zpardokos’ earlier warning that the masses pull their leaders into impossibility, is that the leaders bring their unprepared followers to rebellion only to be defeated at the hands of the superior forces of the established order. 11 Zpardokos claims that those leaders who are called by prophecy should be wary because the traditional gods of earlier times possess prophets and scriptures that preach the “Golden Age” of social justice which cannot speak to modern man. When Spartacus pronounces “Yahve,” [sic] the Essenes’ God, a God of slaves because He “curses” at the oppressors and is “so wild at the rich,” Zpardokos responds that Yahve is neither a slave’s God nor an oppressor’s God. He is an irrelevant God: ’Yahve is dead. And he was no slave God, he [sic] was a desert God. He was good at things of the desert: he knows how to open up springs in the rocks and how to make bread rain from the heavens. But he knew nothing of industry and agriculture. He could not make the vineyard bear fruit, nor the olive tree and wheat, he was no luxuriant God, he was hard and just like the desert itself. Therefore he scolds at modern life and gets lost in it.’ 12 9 Ibid., p. 96. With this allusion to a Sicilian slave rebellion, Koestler is making reference to the failed Eunus Rebellion in Sicily which preceded the Spartacus Rebellion by sixtyfive years and struck terror in the hearts of Roman authorities. This rebellion’s obvious allegorical reference is to the Spartacist Uprising of 1919 in Germany as the German Empire expired in the wake of the Great War and the terms of the Versailles peace. 10 Ibid., pp. 96-97. 11 Ibid., pp. 95-96. 12 Ibid., pp. 93-94. <?page no="86"?> Kirk M. Steen 86 Here, for the first time, the Essene articulates Koestler’s developing notion that spirituality and rationality are misaligned, developing at different rates in human consciousness. He identifies a spiritual vacuum in the culture of the first-century B.C. Mediterranean world that helps make revolutionary social progress an impossibility. Again, remember that the Roman world of The Gladiators reflects the twentieth-century realities through which its author lived. After 1916, men of Arthur Koestler’s generation came to question the existence of Europe’s traditional conceptualization of the deity. More and more Europeans would come to question the existence of their traditional God after 1945. Not surprisingly, the law of detours must be present at the point where rising action reaches its apogee to create a climax of ideas in The Gladiators. This climax occurs in Book Three, Chapter Eleven, appropriately entitled “The Turning Point.” Here at its denouement, the narrative describes how Spartacus acquiesces in the desires of the masses whom, presumptively, he leads. We see at once non-Machiavellian behavior and the willingness to let go of revolutionary ideals. The pure-hearted Spartacus chooses to be loved rather than feared by his followers. He admits that the lofty goals of social revolution are impractical and, therefore, impossible. The crowd of ex-slaves feels trapped and restrained by the circumstances under which they have been forced to live and defend themselves. They tire of fighting to exist in the isolated and besieged Sun City. The narrative voice of the novel describes the city erected by the slaves as a foreign planet, one that the horde of humble men and women itself comes to perceive as unnatural. They cheer Spartacus’ rival gladiator, Crixus, to lead them back to their homelands outside of the Italian peninsula. 13 Spartacus realizes that history has offered him an opportunity: he can order his gladiator troops to massacre the horde and his rival leaders, keeping the revolution on track. He recognizes an opening through which to follow logic, tactical wisdom, and a pathway toward pure revolutionary goals. He recognizes the chance to assert himself and stay away from distracting detours. He is keenly aware that such action would be in the best long-term interests of his people: … [Spartacus] realized with acrid clarity that now and here, at this moment, the future was being determined. If he gave the orders awaited by the silent bull-necks behind him - if he did, a fresh and very bloody massacre would rack the camp itself, and he, Spartacus, would most probably prevail - a much hated, much feared victor and absolute leader of the revolution. That would be the very bloody and very unjust detour which alone could lead to salvation. The other, kind, friendly, humane road inevitably led to rupture and perdition. 14 Organically, emotionally, illogically Spartacus chooses to act in what seems to be the most humane manner in the short run. He cannot help himself but 13 Ibid., pp. 287-294. 14 Ibid., p. 294. <?page no="87"?> The Gladiators: Twentieth-Century Detours from Nineteenth-Century Optimism 87 to act against his better instincts. He calls Crixus, a fellow leader of gladiators and Spartacus’ chief rival, to stand beside him, signaling that he accepts the crowd’s will. Spartacus agrees to retreat and lead his people back to Thrace and let Crixus lead his people back to Gaul. This detour from the revolutionary path, this retreat, elicits love for Spartacus from his followers. But Spartacus’ … roundabout wisdom was native to a sphere different from that of live feelings. And the screams of the crucified [followers punished for threatening the revolution with their lack of discipline and antisocial actions] were more strident in his mind’s ear than the husky [logical] voice of the lawyer. Wisdom and knowledge alone did no longer carry enough weight to make him give the order… Empty and hollow, he faced the thousand-headed, bawling mass. For their own good he would have to have slain them; thus decreed the law of detours. But within him another source demanded his silence…. 15 With Spartacus’ decision to accept that which the novel defines as the misguided will of his followers, the action in The Gladiators descends down to what Koestler would later identify in The Yogi and the Commissar as the serpentine slope of Immanuel Kant’s antinomies. 16 The liberated, dispossessed horde splits. Its various ethnicities go in different directions as they each attempt to escape the Italian peninsula for their homelands to the north, east, or west. Their disunity and lack of military equipment, particularly the siege machines that Spartacus had argued were so necessary to confront the Romans successfully, spell eventual and final defeat of the freed slaves. Spartacus and his followers are dogged by opportunistic financier, general, senator, and aspiring Imperator Marcus Crassus. Eventually Sulla’s son-in-law, Pompeius, another general and senator decisively defeats Spartacus’ bandits ending the tragic slave uprising. Those of Spartacus’ dispossessed horde who survive this last battle with the Romans suffer crucifixion. For 200 miles 6,000 of the defeated symbolically line both sides of the approach to Rome along the Appian Way. They linger and die slowly as these renegade slaves bear a message to those who might still feel the wrathful longing for social justice in their bowels. At this point in The Gladiators, Koestler, justifying the bullet-headed Zpardokos, seems to proclaim all revolutions doomed to falter, then fail, and to do so in continuous cycles as scripted by the law of detours. The only other broad manner in which to read the novel is to understand the narrative as an apology for or justification of the hard course of action taken by Stalin in the Soviet Union. We might interpret the law of detours as an allegory about a necessity for a sophisticated and shrewd Kremlin to disabuse the crude and impoverished population it rules of all notions that it is capable of determining its own course. We could also interpret The Gladiators as an explanation of 15 Ibid., pp. 294-295. 16 Arthur Koestler, The Yogi and the Commissar and Other Essays (New York: MacMillan Co., 1945), p. 5. <?page no="88"?> Kirk M. Steen 88 the necessity that the Soviet state act as border guard for the Soviet Union by promulgating opportunistic agreements with foreign governments that betray its purported imperative to extend its proletarian revolution. From the same point of view we could read the novel as an apology for the Moscowdominated Comintern’s zigzagging, inconsistent political and tactical lines with regard to workers’ organizations outside of the USSR. Two incontrovertible facts about the world outside Koestler’s first political novel stand before and dissuade these interpretations. If they do not completely obviate them, these facts certainly moderate such readings of The Gladiators and the meaning of its law of detours. These are Koestler’s analysis of the inhuman treachery of the vanguard party in Darkness at Noon and the chronology of his Communist apostasy. Arthur Koestler would complete his political trilogy within five years of the publication of The Gladiators, Darkness at Noon being written during 1939 and Arrival and Departure in 1943. In another five years he would write the brilliant lead essay in The God That Failed. * * * In 1982, just before his subject’s death, Ian Hamilton, Koestler’s friend, publisher, and, at that point, contentiously authorized biographer, recounted a rich and active twentieth-century political and literary life in Arthur Koestler: a Biography. Quoting at length George Orwell’s review of Arrival and Departure, Hamilton gives more evidence for the conclusion drawn about Koestler’s long-term devotion to the liberal ideal. 17 He uses Orwell’s analysis to do this with a twist, however. Hamilton shows that Orwell connects Koestler’s abiding liberal belief in the dignity of the individual with a spiritual vacuum left by his inability to keep his belief in Communism. Orwell claims that in Koestler’s case, this incapacity to maintain faith in socialism is associated with an ultimate political optimism born of short-term political pessimism. What he suggests is that Koestler’s awareness of how dismally socialism had failed after 1914 as well as his own disappointing experiences with Communism during the 1930s resulted in a pessimism for the immediate term accompanied by a refusal to abandon a hopeful attitude about mankind’s ultimate future. This faith in a better future is a nineteenth-century continuity. In his review of Arrival and Departure, Orwell analyzes Koestler’s philosophy as revealed in his first three novels and identifies optimism at their core. According to Orwell this would be Koestler’s belief that life should be happy. Orwell associates this belief with Koestler’s hedonism, his well known excessive drinking and habit of sexual license, that function as compensation for his inability to find a satisfactory replacement for socialism’s faith in humankind during his own lifetime. 18 Orwell’s analysis holds that experiencing the 17 Quoted in Ian Hamilton, Arthur Koestler: A Biography (New York: MacMillan Co., 1982), pp. 86-87. 18 Ibid. p. 87. <?page no="89"?> The Gladiators: Twentieth-Century Detours from Nineteenth-Century Optimism 89 disappointments in human progress through the pursuance of progressive political and social goals by rational means almost guarantees a confirmed short-term pessimism. He recognizes that Koestler’s disillusionment with the socialism of the Second and Third Internationals forced Koestler to accept, what was in Orwell’s judgement, an unwarranted belief that all revolutions represent the same political and social failure recapitulated time after time. This is, of course, The Gladiators’ key idea. Orwell went further still. He called Koestler a man “not far removed from pessimistic Conservatism.” 19 But was Koestler’s early fiction really disguised conservatism? Like its author, the twentieth-century reader of the novel - perhaps especially those who read it in 1939 - possessed the knowledge that Western Europe would survive and, in the long run, surpass the fall of its portion of the Roman Empire. History had demonstrated that the West’s reemergence could not result from anything that resembled strict Burkean conservatism, and we read The Gladiators with that knowledge. Arthur Koestler himself would come to express the idea that Western Europe’s long historical trajectory was reason for optimism. Historical events held indisputable proof that through a combination of the rational, the irrational, and the political, social life in the West would improve the prospects of more and more people. Two decades after the publication of The Gladiators Arthur Koestler would express this conclusion when he praised the accomplishments of European culture relative to other civilizations. He did this in The Lotus and the Robot. In the end this volume celebrates European achievement and defines its progress as organic when most people would think China, for instance, to be the paragon of organic historic development. But Koestler carefully distinguishes between historical development, which can evince stasis, and social evolution, which implies dynamism. Putting Europe in the broadest context, one that is associated with an implicit Euro-centric attitude, he compares European culture favorably to that of Asia as well as to the cultures of the newer societies of the Western Hemisphere. With optimism and pride he says, Continuity-through-change and unity-in-diversity seem to be the pre-conditions of a living culture. Continuity without change was characteristic of some highly sophisticated Asiatic civilizations; change without a deep awareness of continuity with the past is a characteristic of new continents such as America. I started my journey in sackcloth and ashes and came back rather proud of being a European…And yet a detached comparison with other continents of the way Europe stood up to its past trials, and of its contribution to man’s history, leaves one with a new confidence and affection for that small figure riding on the back of the Asian bull. 20 At another, much earlier, point in his life, when his liberal tendencies were tied to an acceptance of a more pristine conception of Enlightenment positiv- 19 Ibid. 20 Arthur Koestler, The Lotus and the Robot (New York: Harper and Row, 1960), p. 285. <?page no="90"?> Kirk M. Steen 90 ism, Koestler may have associated historical discontinuity singularly with an optimistic spirit. In those days his hope for and consequent disappointment in socialism still encapsulated a simpler and naive nineteenth-century social optimism. The restricted political universe of the 1930s, the context in which The Gladiators was conceived, could only sour this optimism. The pessimism that exists in this political parable is optimism’s other side. As Koestler’s own writing would eventually show, his first political novel’s pessimism is restricted to the short term. Eventually Koestler would substantiate George Orwell’s appraisal of Arthur Koestler as a long-term social optimist. This hope for and belief in a brighter future is part of the tradition of nineteenthcentury liberalism. <?page no="91"?> Koestlers Die Herren Call-Girls Naser Secerovic Bei dem von Arthur Koestler im Jahre 1968 persönlich einberufenen Alpbach- Symposium, das den bezeichnenden Titel Beyond Reductionism trug, eröffnete Paul A. Weiss seinen Vortrag mit folgenden Worten: Wie ein Maler, der von Zeit zu Zeit von der Leinwand zurücktritt, um das Bild in seiner Gesamtheit zu betrachten, so steigt auch der Wissenschaftler zuweilen aus dem tiefen Schacht seiner Forschungsarbeit herauf, um sich einen Überblick über das zusammenhängende, sinnvolle Gebilde zu verschaffen, das sich aus unzähligen Einzelfäden zusammensetzt, die alle in der Tiefe der Laboratorien gesponnen werden. Nur auf diese Weise, durch einen ständigen Wechsel zwischen der «Wurmperspektive» der Detailforschung und der Vogelschau über die gesamte Szenerie der Wissenschaft, kann der Forscher ein rechtes Gefühl für Perspektive und Proportionen entwickeln und erhalten. 1 Nur auf diese Weise sei es möglich, in dem “aus einzelnen Fragmenten” zusammengesetzten “Flickwerk” ein “riesiges zusammenhängendes Gebilde“ 2 zu erkennen, welches das Universum seiner Meinung nach ist. Aus diesem Grund sei es auch überhaupt nicht vorstellbar, dass ein “’Teil’, den wir im Geist aussondern und isoliert betrachten [...] jemals wirklich von der Gesamtheit isoliert oder isolierbar ist.“ 3 Doch die Spezialisierung der einzelnen Wissenschaften (die seit dem Alpbach-Symposium sogar in einem hohen Maße zugenommen hat) führt bei den Wissenschaftlern zu einer immer weiter voranschreitenden “Einschränkung des Gesichtsfeldes,“ 4 so dass die Beziehung des Teils zum Ganzen vollkommen aus den Augen verloren wird. Die wissenschaftliche Arbeit wird somit eine “wahnsinnige, pedantische, frustrierende, nerventötende Konzentration auf irgendeinen unendlich kleinen Bruchteil der Realität, manchmal für Monate, manchmal sogar für Jahre, ja, manchmal auf Lebenszeit.“ 5 Durch die totale Annäherung an das Objekt der Betrachtung wird dieses völlig aus dem Zusammenhang losgelöst und 1 Paul A. Weiss, “Das lebende System: Ein Beispiel für den Schichten-Determinismus“, in: Arthur Koestler u. J.R. Smythies: Das neue Menschenbild. Die Revolutionierung der Wissenschaften vom Leben, Verlag Fritz Molden, Wien-München-Zürich 1970, S. 13. 2 Ebd., S. 15. 3 Ebd. 4 Ebd., S. 25. 5 Arthur Koestler, Die Herren Call-Girls, Scherz Verlag, Bern und München 1973, S. 33 (in dieser Arbeit wird ausschließlich auf die deutsche Übersetzung Bezug genommen, in welcher - wie in der Danube-Edition - der Prolog und die dem Roman folgende Kurzgeschichte Chimeras ausgelassen wurden). Im Folgenden wird nach dieser Ausgabe zitiert mit der Sigle CG und der Seitenangabe. <?page no="92"?> Naser Secerovic 92 isoliert betrachtet, ohne wieder in diesen Zusammenhang integriert zu werden. So ist der Preis, den man für die auf diese Art und Weise gewonnenen Erkenntnisse über Einzelheiten bezahlen muss, ein sehr hoher, möglicherweise ein zu hoher, denn einer Wiederherstellung des Menschenbildes, “das dem Menschlichen im Menschen [...] gerecht wird,“ 6 wird meistens aus dem Wege gegangen, so dass trotz der Überflutung mit teilweise erstaunlichen neuen Erkenntnissen über den Menschen eigentlich nicht sehr viel in Erfahrung gebracht wird. Der Mensch versickert in der Wüste der Details. Deshalb stellte auch Viktor E. Frankl die für das ganze Symposium entscheidende Frage: “Wie [...] läßt sich ein solches Bild (das der Einheit und Ganzheit des Menschen gerecht wird) erstellen angesichts der verstreuten Befunde und Ergebnisse einer fragmentarisierten Forschung und Wissenschaft? “ 7 Die unermessliche Bedeutung dieser Frage für Koestler - sowie die möglichen Folgen einer immer weiter ins Detail gehenden Zerstückelung - lässt sich bereits an der bloßen Tatsache ablesen, dass er, angeregt durch das Symposium, das er selber veranstaltet hatte, nach einer mehr als zwanzigjährigen literarischen Abstinenz, während welcher er sich ausschließlich den Wissenschaften und Parawissenschaften gewidmet hatte, wieder einen “’Rückfall’ in den Roman“ 8 wagte und seinen letzten Roman Die Herren Call- Girls verfasste. Die lange literarische Abstinenz Koestlers merkt man den Herren Call-Girls auch an, denn bei einem Vergleich mit Koestlers in den dreißiger und vierziger Jahren entstandenen Trilogie, vor allem mit seinem Meisterwerk Sonnenfinsternis, wird sofort deutlich, dass Koestler in diesem letzten Roman sein schriftstellerisches Potential nicht erschöpft hat. Dennoch darf die Bedeutung des Romans, vor allem im Hinblick auf Koestlers eigene Entwicklung während der langen Abstinenzperiode, auf keinen Fall unterschätzt werden. Das wahrlich beeindruckende Wissen, das Koestler sich in dieser Zeit angeeignet hatte und von dem seine zahlreichen wissenschaftlichen Essays und Bücher zeugen, kommt in jeder einzelnen Zeile des Romans zum Ausdruck. Manchmal werden sogar “wörtlich Sätze wiederholt, die sich in Koestlers Essay-Bänden finden.“ 9 Aus dieser Perspektive ist dieser Roman auch ein Versuch, sich seiner großen Jugendliebe, als welche Koestler die Wissenschaften bezeichnet hatte, mit dichterischen Mitteln anzunähern, um somit den metaphysischen Rest, dem, so Hermann Broch, nur mit dichterischen Mitteln beizukommen ist, aufscheinen zu lassen. In dem Roman betritt er Gebiete, die in seinen Essays und wissenschaftlichen Büchern nur ungenügend zum Ausdruck kommen konnten. Von einem “Gefühl der Verzweiflung” getrieben lädt im Roman der Physiker Solowjew zwölf auf verschiedenen Gebieten führende Wissenschaftler, 6 Viktor E. Frankl, “Der Pluralismus der Wissenschaften und das Menschliche im Menschen“, in: Das neue Menschenbild, S. 374. 7 Ebd. 8 Joseph Strelka, Arthur Koestler. Autor - Kämpfer - Visionär, Narr Francke Attempto Verlag, Tübingen 2006, S. 134ff. 9 Ebd., S. 136. <?page no="93"?> Koestlers Die Herren Call-Girls 93 “die es gewissermaßen in sich hatte[n],” (CG 16) zu einem Symposium mit dem alarmierenden Titel “Methoden des Überlebens” ein, bei dem eine dreifache Aufgabe erfüllt werden soll. Es sollen nämlich die Ursachen der Gefährdung der Menschheit analysiert, eine Diagnose erstellt und eventuelle Heilmethoden erarbeitet werden. Angesichts der geschichtlichen Periode, in der Koestler gelebt und gewirkt hatte, und der Ereignisse, die sein Leben geprägt haben - unter anderem zwei Weltkriege und der Bürgerkrieg in Spanien -, sowie der Tatsache, dass sich die Menschheit zum ersten Mal in ihrer Geschichte mit der Möglichkeit der eigenen Auslöschung konfrontiert sah, ein durchaus verständliches Unterfangen. Jedoch lässt bereits der Titel des Romans keine Illusionen über den Ausgang des Symposiums aufkommen. Bereits am ersten Tag des Symposiums wird dem Leser unmissverständlich vor Augen geführt, dass die versammelten Wissenschaftler “nicht einmal das Problem definieren,” geschweige denn lösen können, denn jeder von ihnen “definiert es anders.” (CG 38) Sämtliche Diskussionen arten in Streitereien zwischen den Vertretern verschiedener wissenschaftlicher Gebiete aus, wobei keiner bereit ist, die Meinungen und Erkenntnisse der anderen anzuerkennen. Das Symposium entpuppt sich als ein wahrer “Jahrmarkt der Eitelkeiten.” (CG 97) Bezeichnenderweise beginnt der erste Kommentar, der dem Einführungsvortrag von Solowjew folgt und in dem er die möglichen Ursachen der Gefahr anspricht, mit folgenden Worten: “Tja, verehrter Kollege, das ist alles ganz gut und schön, aber in Ihren zehn Punkten haben Sie vergessen, die wichtigsten Krankheitssymptome unserer gegenwärtigen Gesellschaft zu erwähnen, nämlich....” (CG 56) Schon hier kommt also das Hauptproblem zum Vorschein, das sich durch den gesamten Roman zieht, nämlich die Überzeugung der Wissenschaftler, das Monopol über die “wichtigsten Krankheitssymptome” zu besitzen. So genügt bereits der erste Diskussionsbeitrag, um alle Hoffnungen auf ein positives Ergebnis des Symposiums im Keim zu ersticken. Dieser eine Satz ist auch, wie sich herausstellt, paradigmatisch für den Verlauf des gesamten Symposiums und deutet auf dessen Resultat voraus: auch wenn es einen Dialog zwischen den Vertretern verschiedener wissenschaftlicher Gebiete fördern sollte, erstarrt dieser zu sich einander ausgrenzenden Monologen. Koestler hatte schon in seinen zahlreichen Essays mit größtem Nachdruck auf jenes Kommunikationsproblem Bezug genommen bzw. auf die immer geringer werdende Bereitschaft der Menschen zur Kommunikation überhaupt. Auch wenn die Entwicklung und Verfeinerung von Kommunikationsmöglichkeiten einen explosionsartigen Aufschwung erlebt hat, was eigentlich die Kommunikation hätte fördern müssen, hat “der Äther-Verkehr durch die Massenkommunikationsmittel die Völkerverständigung nicht gefördet, sondern nur die ideologischen und nationalen Gegensätze propagandistisch verschärft.” (CG 54f.) Die neuen Möglichkeiten dienten demzufolge vor allem der Verbreitung von Ideologien, die wirkliche Kommunikation verhindern. <?page no="94"?> Naser Secerovic 94 Das Problem der Kommunikation wird im Roman gleich zweifach erörtert. So heißt es an einer Stelle, “daß die Menschheit die Sprache schon vor langer Zeit aufgegeben hat - nämlich, wenn man unter Sprache ein universales Kommunikationsmittel für die gesamte Spezies versteht.” (CG 134) Dass dies natürlich der Wahrheit entspricht, vermutlich seitdem Sprache, und somit der Mensch, überhaupt existiert, wird niemand in Frage stellen. Ob jedoch eine weltweite gemeinsame Sprache dieses Problem - sofern dies überhaupt das Problem ist - lösen könnte, wie es in dem Roman Die Herren Call-Girls angedeutet wird, ist mehr als fraglich. Das Kommunikationsproblem der Call-Girls ist auf einer völlig anderen Ebene, denn sie sprechen alle die gleiche Sprache, und trotzdem kommt es nur selten zu einer wirklichen Kommunikation. Es wird also offensichtlich, dass es nicht einmal eine Sprache gibt, “in der sich die Fachleute verschiedener Gebiete miteinander verständigen können.” (CG 136) Eine solche Entwicklung wurde bereits um 1930 von einem der größten österreichischen Dichter prophezeit, der ähnlich wie Arthur Koestler ungemein erstaunliche wissenschaftliche Kenntnisse, vor allem auf dem Gebiet der Mathematik, besaß, nämlich von Hermann Broch, der in der Schlafwandler-Trilogie einen Arzt sagen lässt: “Ich glaube, daß in nicht allzu ferner Zeit die Medizin sich so weit spezialisiert haben wird, daß ein Konsilium zwischen einem Internisten und einem Chirurgen oder einem Dermatologen überhaupt zu keinem Ergebnis wird führen können, einfach weil es kein Verständigungsmittel zwischen den Spezialisierungen mehr geben wird.“ 10 Hier wurde die Hauptproblematik der Herren Call-Girls, nämlich die Frage, “warum die ‘europäischen Psychiater’ und die ‘internationalen Psychiater’ sich nicht zusammensetzen, wenn sie über das gleiche Thema diskutieren,” (CG 10) bereits mehrere Jahrzehnte vor Koestlers letztem Roman auf erstaunliche Weise vorausgesehen. Als den Haupt- und Mittelteil seines Erstlings bezeichnete Broch den in den Roman integrierten Essay vom Zerfall der Werte, den er später in seiner Massenwahntheorie noch ausführlicher erörtert hat. Der Essay selbst bewirkt auch in Brochs Roman einen Zerfall, nämlich den Zerfall der traditionellen Romanform, die vor allem im ersten Teil der Trilogie Pasenow oder die Romantik noch weitgehend eingehalten wird. Er liefert uns aber außerdem noch den Schlüssel, wie die oben angeführte Feststellung zu verstehen ist und was überhaupt zu dieser Abwesenheit von Kommunikation geführt hat. Doch um diese Antworten zu bekommen, muss man weit ausholen und mit dem Ursprung des Zerfalls der Werte beginnen, nämlich mit dem Zusammenbruch des mittelalterlichen Weltbildes und dem Verlust des “im Glauben ruhende(n)“ 11 Weltganzen. Es ist also der Zerfall des einen absoluten Wertes, der am Ende des 15. Jahrhunderts eingesetzt hat und mit dem das 10 Hermann Broch: Kommentierte Werkausgabe. Hrsg. v. Paul Michael Lützeler. Frankfurt/ M: Suhrkamp Verlag 1974-1981; Band 1: Die Schlafwandler, S. 508. 11 Broch, Schlafwandler, S. 497. <?page no="95"?> Koestlers Die Herren Call-Girls 95 neue Zeitalter angebrochen ist. Doch den stets “nach dem Prinzip des kleinsten Kraftaufwandes“ 12 handelnden Menschen stürzte der Verlust dieser einen dem gesamten Leben Sinn gebenden Macht in tiefe Verzweiflung, denn plötzlich “war die Bindung der einzelnen Wertgebiete an einen Zentralwert ... unmöglich geworden.“ 13 Das allumfassende Wertsystem, welches alle anderen Wertsysteme einerseits in sich umfasste, andererseits über ihnen thronte, da “ihr ganzes Wertgefüge [...] dem umfassenden Lebenswert des Glaubens unterworfen“ 14 war, hatte den tragenden Wert verloren und löste sich demnach auf. Der Mensch war auf einmal auf sich allein gestellt, denn Luthers Reformation hatte dazu geführt, dass die Vermittlung zwischen Mensch und Gott aufgehoben wurde: “Gott wurde zu dem, dessen Name nicht mehr auszusprechen und von dem kein Bild mehr zu machen ist.“ 15 Dies bedeutete, dass das Wertsystem, in dem Gott den absoluten Wert darstellte, nun gar kein System mehr sein konnte, weil nun der Mensch eine persönliche Beziehung zu Gott herstellen musste, was die Existenz eines allgemeingültigen Wertsystems von vornherein ausschloss. Natürlich gelten diese Grundsätze nur für Protestanten, doch ist es dieser gewaltige Umbruch, welcher das mittelalterliche Weltbild ins Wanken und zum Umsturz brachte. Dabei darf keinesfalls die ausschlaggebende Bedeutung anderer Ereignisse (z.B. die Entdeckung von Amerika, die auch geographisch zu einem Zusammenbruch des alten Weltbildes geführt hat), und Persönlichkeiten (zu erwähnen wären hier vor allem Erasmus von Rotterdam, sowie Nikolaus Kopernikus, dessen bahnbrechendes Werk De Revolutionibus Orbium Coelestium (“Über die Kreisbewegungen der Weltkörper”) die zentrale Position des Menschen im Universum endgültig als falsch entlarvte) außer Acht gelassen oder verschwiegen werden, denn es darf zu Recht bezweifelt werden, ob Luther ohne diese anderen Einflüsse eine solche Wirkung hätte erzielen können. Der Vertreter der schönen Künste unter den Call-Girls, der Dichter Evelyn Blood, bringt es auf den Punkt: “Kopernikus und seine Kumpanen fingen damit an, das schöne kosmische Puzzlespiel auseinanderzunehmen, und ‘alle Ritter, die der König geschickt, die haben’s nicht wieder zusammengeflickt’.” (CG 103) Die “nach dem Prinzip des kleinsten Kraftaufwandes” handelnden Menschen fanden sich nun plötzlich mit einer gewaltigen Leere konfrontiert, die es nun aufzufüllen galt, da nur ein reibungslos funktionierendes System ihnen die Antworten bieten konnte, die sie brauchten, um den Kraftaufwand eben so gering wie möglich halten zu können. Sie mussten sich also einem Wertsystem unterordnen, das versprach, sie in ihrem “Dämmerzustand” 12 Hermann Broch: Kommentierte Werkausgabe. Hrsg. v. Paul Michael Lützeler. Frankfurt/ M: Suhrkamp Verlag 1974-1981; Band 12: Massenwahntheorie, S. 251. 13 Schlafwandler, S. 498. 14 Ebd. S. 497. 15 Ebd. <?page no="96"?> Naser Secerovic 96 dahindämmern zu lassen, damit sie auch weiterhin in einer Art geistigem Stand-by-Modus leben können. Für die anderen Wertsysteme, die bis dahin im Schatten des einen absoluten Wertsystems ihr Dasein gefristet hatten, bedeutete dies eine ungeheuere Aufwertung, denn plötzlich waren sie alle ebenbürtig. Es gab keine endgültige Wahrheit mehr, die nicht in Frage gestellt werden durfte, und so gab es auch kein Wertsystem mehr, das in der Hierarchie ganz oben stand. Es kam zu einem Aufeinanderprallen der verschiedensten Wertsysteme, wobei jedes seine eigenen Gesetze und Dogmen als die einzig wahren postulierte. Da dies jedoch nur innerhalb des jeweiligen Systems Geltung beanspruchen konnte, schotteten sich die einzelnen Wertsysteme immer weiter voneinander ab, damit die dem Wertsystem immanenten Wahrheiten nicht von den Wahrheiten anderer Wertsysteme ad absurdum geführt werden konnten. So bildeten sich unzählige “geschlossene Wertsysteme”, deren Selbstschutzmechanismen vor allem auf der Basis von Ignoranz, Dogmen und propagandistischer Ideologiebildung funktionierten. Nur so konnten sie ihren Kern vor dem Eindringen fremden Gedankenguts schützen. Ohne den einen ordnenden Wert kam es jedoch zu einer totalen Anarchie, zu einem vollkommenen Chaos der vormals untergeordneten Wertsysteme, wobei im Kampf um die Spitzenposition es keines tatsächlich schaffte, diese zu erobern, d.h. den christlichen Gott des Mittelalters abzulösen. Alle diese Systeme drängten “zu einer Pseudo-Absolutheit, d.h. einerseits durch Berauschung, andererseits durch Abkapselung und schließlich durch Vernichtung aller anderen Werte.“ 16 Dabei dient Erkenntnis nur als Mittel zum Zweck, sie ist innerhalb des Wertsystems nur der Erhaltung und Fundierung des Systems gewidmet und insofern eigentlich keine wahre Erkenntnis. Denn wenn es dem Menschen “und seiner Vernunft gelungen ist, einen Vorstoß zur Bewältigung der Weltrealität auszuführen, so sucht er es bei diesem Vorstoß bewenden zu lassen, gewissermaßen hoffend, damit die gesamte Weltrealität erfaßt zu haben,“ 17 vor allem um dadurch die Unantastbarkeit des Systems zu erhalten, damit der Mensch weiterhin in seinem Dämmerzustand verbleiben kann. Ähnlich argumentiert auch Koestler: “Das Streben nach Fortschritt [ist] in die Verehrung einer ‘Partei’ verwandelt worden, die dann nicht mehr als Mittel zum ursprünglichen Zweck, sondern als Selbstzweck zum Gegenstand der Anbetung wird.“ 18 Und da die Gefahr, welche jede Form von Erkenntnisvorstößen für eine solche Art von ‘Partei’gläubigkeit bedeutet, mehr als eindeutig ist, liegt es dieser Partei mehr als alles andere daran, jede “Arbeit mit den einmal festgestellten Axiomen bewältigen zu können.“ 19 So stellt also jedes dieser Wertsysteme eine Kosmologie für sich dar, wobei gezwun- 16 Massenwahntheorie, S. 254. 17 Ebd., S. 251. 18 Arthur Koestler, Die Armut der Psychologie, Scherz Verlag, Bern und München 1980, S. 58; Partei darf hierbei keinesfalls nur im politischen Sinne verstanden werden. 19 Massenwahntheorie, S. 253. <?page no="97"?> Koestlers Die Herren Call-Girls 97 genermaßen “früher oder später [...] das Auftauchen neuer empirischer Daten, neuer Entwicklungen auf irgendeinem benachbarten Wissensgebiet, oder eine Änderung des philosophischen Klimas zu Stagnation, zur Verhärtung der Matrix, ihrer Verwandlung in ein geschlossenes System und zum Aufstieg einer neuen Orthodoxie“ 20 führen muss. Es findet also eine willkürliche Reduktion der Wirklichkeit statt, die zur Folge hat, dass jedes Wertsystem nun eine Wirklichkeit für sich darstellt, die nur nach den in ihr aufgestellten Gesetzen funktioniert. Alles funktioniert nach einer “auf die Sache und nur auf die Sache gerichteten grausamen Logizität, die nicht nach rechts, nicht nach links schaut.“ 21 Die Teilwahrheit wird als die ganze Wahrheit proklamiert, ein bestimmter spezifischer Aspekt des Phänomens wird als das ganze Phänomen betrachtet und aufgezwängt. Das größte Problem und die größte Gefahr dabei ist, dass die Komplexität der Welt nicht mit solchen einseitigen Betrachtungsweisen zu bewältigen ist, was notwendigerweise dazu führt, dass die einzelnen Wertsysteme ständig danach streben, die Übermacht über die anderen Systeme zu erlangen, damit der Schein so lange wie möglich aufrecht erhalten werden kann. Aber “wehe, wenn in diesem Widerstreit von Wertgebieten, die sich eben noch die Balance halten, eines das Übergewicht erhält.“ 22 Die katastrophalen Folgen eines solchen Übergewichtes hatte Koestler selbst vor allem während der Zeit, in der er der Kommunistischen Partei treu gewesen war, am eigenen Leibe erfahren, und nur aus diesem Blickwinkel ist es zu verstehen, wenn er schreibt, dass die sieben Jahre in der Partei “die Überlegenheit eines schönen Irrtums über die schäbige Wahrheit“ 23 hatten. So stimmt es auch vollkommen mit Brochs Ansichten überein, wenn es in den Call-Girls heißt, “daß das Unheilvolle unserer Geschichte hauptsächlich unserem unwiderstehlichen Drang anzulasten ist, sich mit einer Gruppe zu identifizieren, mit einer Nation, einer Kirche oder dergleichen und für deren Überzeugungen unkritisch und begeistert einzutreten.” (CG 127) Wissenschaftler aber “sind ebenso gewöhnliche, dickköpfige und unvernünftige Wesen wie irgendwer sonst - vor allem, wenn sie das besondere Gebiet, auf das sie sich spezialisiert haben, verlassen -, und ihre außerordentlich hohe Intelligenz macht ihre Vorurteile umso gefährlicher.“ 24 Dies führt uns Koestler in den Herren Call-Girls auf eine humoristisch-satirische Weise vor Augen, wobei die haarsträubenden Folgen von der satirischen Oberfläche keinesfalls verdeckt werden, sondern nur noch stärker zum Ausdruck kommen, was wiederum seinen “Rückfall in den Roman” verständlich macht. Fast jeden der Wissenschaftler kennzeichnet eine “wahnsinnige, pedantische, frustrierende, nerventötende Konzentration auf irgendeinen un- 20 Armut der Psychologie, S. 99. 21 Schlafwandler, S. 96. 22 Ebd., S. 98. 23 Arthur Koestler, Als Zeuge der Zeit, S. Fischer Verlag, Frankfurt/ M 2005, S. 378. 24 Armut der Psychologie, S. 31 (Zitat von Jürgen Eysenck) <?page no="98"?> Naser Secerovic 98 endlich kleinen Bruchteil der Realität, manchmal für Monate, manchmal sogar für Jahre, ja, manchmal auf Lebenszeit,” (CG 33) doch das ist nicht das eigentliche Problem, denn Wissenschaft hat “nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, die Multidimensionalität der Wirklichkeit auszuklammern, die Wirklichkeit abzublenden, aus dem Spektrum der Wirklichkeit eine Frequenz herauszufiltern. Die Projektion ist also mehr als legitim. Sie ist obligat. Der Wissenschaftler muß die Fiktion aufrechterhalten, als hätte er es mit einer unidimensionalen Realität zu tun.“ 25 Nur durch eine solche gewollte Reduktion der Wirklichkeit bzw. durch die Ausblendung der für seine Untersuchung irrelevanten Teile können Wissenschaftler überhaupt erst Untersuchungen durchführen und zu Ergebnissen kommen. Jedes dieser Teilchen stellt ein Bruchstück der Wirklichkeit dar, ohne die Wirklichkeit zu sein. So taucht auch in den Diskussionen der Call-Girls manchmal “ein Bröckchen Vernünftiges auf, kleine Bausteine des Puzzlespiels, das zeigen soll, was uns fehlt, aber viel kommt nicht zusammen.” (CG 136) Doch diese Bausteine werden nicht mehr zusammen gefügt, sie bleiben jeder für sich isoliert stehen und alle zusammen werden nie wieder eine Ganzheit bilden. Sie werden zum reinen Selbstzweck. Dabei besitzt jeder von den Call-Girls “ein Zipfelchen von ihr (der Wahrheit), das er für die ganze Wahrheit hält und in seiner Tasche herumträgt wie ein klebriges Stück Bubblegum, das er bei feierlichen Anlässen aufbläst, um zu beweisen, daß es die letzte Wahrheit des Universums enthält.” (CG 120) Durch das Aufblasen erhält das Zipfelchen den Anschein der Ganzheit und der Universalität, so dass es innerhalb der festgezogenen Grenzen des Systems als relevant erscheinen kann, dass “Goethe [...] unter ejaculatio praecox [litt] und [...] Bettnässer [war].” (CG 32) Aber die Ballons können der Wirklichkeit nicht standhalten, bei geringster Berührung mit der Außenwelt zerplatzen sie sofort und erweisen sich somit zum größten Teil als Illusionen und die postulierten Werte als paradoxe Absurditäten. Gerade dies jedoch macht sie so gefährlich für die Außenwelt, denn um nicht zu zerplatzen, müssen sie auf jede erdenkliche Weise vor der Außenwelt beschützt werden. Das gelingt am besten, wenn man es schafft, den Teil der Ganzheit überzustülpen, damit diese die Gesetze des geschlossenen Systems als die eigenen anerkennt und somit für den Teil keine Gefahr darstellt. An dem Punkt scheitern alle Kommunikationsversuche der Call-Girls. Es wird keine gemeinsame Lösung angestrebt, sondern die eigene Lösung wird als die einzig mögliche aufgestellt. “Die Gefahr liegt ja nicht im Spezialistentum als solchem; sie liegt weniger im Mangel an Universalität als vielmehr im Anschein einer Totalität des Wissens, den sich der Spezialist nicht selten gibt, im Anspruch auf ein «Totalwissen» (Jaspers), den er nicht selten erhebt. Im Augenblick, da dies geschieht, schlägt Wissenschaft aber auch schon in Ideologie um. [...] Die Gefahr liegt also gar nicht darin, daß sich die Forscher spezialisieren, sondern darin, daß die Spezialisten generalisieren.“ 26 Wissen 25 Frankl, S. 383. 26 Ebd., S. 374f. <?page no="99"?> Koestlers Die Herren Call-Girls 99 hört auf, Wissen zu sein, und schlägt in sein absolutes Gegenteil um, nämlich in Glauben. Die einstige Erkenntnis wird zum Dogma und erhält dadurch den Anschein des Absoluten. Es ist die von Broch oftmals erwähnte Verabsolutierung des Irdischen, vor der er eindringlich gewarnt hat, denn sie stellt eine Gefahr für alles dar, was sich außerhalb des Systems befindet, in dem ein gewisser Wert als ein absoluter aufgezwungen wird. Das besonders Grauenhafte in den Call-Girls ist dabei, dass das, was sich außerhalb der jeweiligen Wertsysteme der am Symposium teilnehmenden Wissenschaftler befindet, eigentlich das ist, was das Objekt ihrer Wissenschaft sein müsste, nämlich der Mensch in seiner Ganzheit. “Der monumentalste Aberglauben unseres Jahrhunderts [...] ist jene Wissenschaft, die den Menschen als sabbernden Pawlowschen Hund oder übergroße Skinner-Ratte betrachtet oder als einen Automaten, der durch seinen genetischen Code programmiert ist.” (CG 148f.) Dabei wird alles, was nicht in das Schema passt, “für eine müßige Hypothese [ge]halten, der man sich entledigen sollte; ” (CG 25) “weiterhin über Gut und Böse, Freiheit und Würde zu debattieren sei völlig überflüssig.” (CG 138) Hier wird also die positivistische Tendenz der Wissenschaftler, “das Menschliche im Menschen zu entwerten,“ 27 auf die Spitze getrieben, wobei das einst “anthropomorphistische Rattenbild durch das rattomorphistische Menschenbild ersetzt“ 28 worden ist. Ein menschliches Phänomen wird somit “seiner Menschlichkeit beraubt, indem es entweder (dynamisch) auf ein subhumanes Phänomen reduziert oder aber (genetisch) von einem solchen deduziert wird. Mit einem Wort - wir könnten den Reduktionismus als einen Subhumanismus definieren.“ 29 Das Befassen mit dem Menschen findet also unterhalb der Ebene des Menschen statt, da ja “die Unterschiede zwischen den Handlungen des Menschen, der Ratten und Gänse mehr quantitativ als qualitativ in Erscheinung treten,” (CG 61) so dass man durch Beobachtung von Ratten und Gänsen anscheinend mehr über den Menschen lernen kann, als wenn man sich mit dem Menschen selbst befasst. Dass die Haltung der Call-Girls keine wissenschaftliche ist, sondern eigentlich eine dogmatische, wird vor allem an der Figur des Computer- Fanatikers Hector Burch mehr als offensichtlich. So behauptet er von sich selbst: “Ich bin nun mal Wissenschaftler und als solcher mit demonstrierbaren Fakten befaßt. Zeigen Sie mir ein Stück von Ihrem Über-Ich unter dem Mikroskop, und ich bin bereit, an seine Existenz zu glauben.” (CG 25) Gleichzeitig jedoch hält er an seiner von ihm an seinen eigenen Kindern angewandten Erziehungsmethode - die er mit Hilfe von bei der Erforschung von Ratten gewonnenen Ergebnissen erarbeitet hat - unbeirrbar fest, auch wenn er sich dessen bewusst ist, dass es bei der Erziehung seiner Kinder offensicht-lich zu Fehlern gekommen war. Die in seinem Plan vorgeschobenen “demonstrierbaren Fakten” versagen vollkommen, wenn es darum geht 27 Frankl, S. 376. 28 Armut der Psychologie, S. 40. 29 Frankl, S. 379. <?page no="100"?> Naser Secerovic 100 anzuerkennen, dass seine eigenen Überzeugungen absolut brüchig und unvollkommen sind. So entpuppt sich das Symposium als eine Versammlung von Neurotikern, in deren “verzerrte[m] Universum [...] keine Tatsachen zuge-lassen [werden], die dessen innere Geschlossenheit gefährden könnten.“ 30 Die erschreckenden Folgen der Reduktion des Menschen zu einem Automaten und der radikalen und konsequenten Anwendung von auf diese Art und Weise gewonnenen Erkenntnissen führt uns dabei vor allem Dr. Valenti und dessen Assistentin und Versuchsobjekt Miss Carey, eine Art moderner Frankenstein, vor Augen. Sie wird von Dr. Valenti durch in ihr Gehirn eingepflanzte Elektroden ferngesteuert. Dies sind “Prototypen der ‘Schönen Neuen Welt’ - oder einer Wachsfigurenmenschheit.” (CG 79) Vor allem jedoch erhält man eine Ahnung davon, was passieren würde, wenn Valentis oder Burchs Erkenntnisse Übergewicht über die anderen Wertsysteme gewännen. Der Mensch wäre nur mehr das, wozu die Wissenschaft ihn abgestempelt hat. Das Teil hätte die Ganzheit überwunden. Bezeichnenderweise verbrennt Miss Carey am Schluss alle Aufzeichnungen vom Symposium, so dass die Botschaft der Wissenschaftler doch nicht verbreitet werden kann. Es ist also doch noch das alte Gespenst da, das sich gegen die Maschine auflehnt. In Anbetracht dessen ist es mit Sicherheit kein Zufall, dass paradoxerweise das einzige Call-Girl, das keine endgültigen Antworten zu geben im Stande ist und sich auf einer ständigen Suche nach diesen Antworten befindet, kein Wissenschaftler ist, sondern der bereits in der Sonnenfinsternis angekündigte Mann in der Mönchskutte, Bruder Tony Caspari vom Orden der Kopertiner. Ausgerechnet dieser Mann des Glaubens vertritt kein Dogma, außer ein ethisches, das den anderen vollkommen abhanden gekommen ist. So wird jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft aus den Händen der Wissenschaftler genommen und in die Hände des gläubig-ungläubigen jungen Bruders Tony Caspari gelegt. Es ist ein umgekehrter Weg als jener der Call-Girls- Wissenschaftler, denn ihr Wissen war zum Dogma erstarrt, und Tonis Glaube soll zum Wissen werden, wobei das Wissen nicht schon vorprogrammiert ist. Es ist die letzte Loslösung von einem absoluten Ziel, das die Mittel heiligt, und die endgültige Zuwendung zu den Mitteln, welche die Wirklichkeit als Wirklichkeit und den Menschen als Menschen akzeptieren und das Ziel in den Hintergrund treten lassen. Tony ist neben Solowjew der einzige, der versucht, die “Konfusion“ 31 der anderen Wissenschaftler zu überwinden, “um einen Schimmer von jener Wirklichkeit zu erlangen, die jenseits der Wissenschaft liegt.” (CG 149) Der westliche Mensch “hat vergessen, daß der Mensch innere Erfahrungen hat, daß er heimgesucht wird von subjektiven Erlebnissen irrationaler Natur, die sich rationalen Argumenten, wissenschaftlichen Beweisen und 30 Armut der Psychologie, S. 48. 31 Frankl, S. 374. <?page no="101"?> Koestlers Die Herren Call-Girls 101 entwertenden Diagnosen entziehen.“ 32 Es sind Erfahrungen, die nicht unter dem Mikroskop gesehen werden können, und dennoch unzweifelhaft real sind. Man wird sie aber niemals anhand von Ratten oder Gänsen untersuchen können. Man muss die “Mannigfaltigkeit in der Einheit”, als welche der Mensch definiert werden kann, endlich wieder anerkennen und diese Einheit zu einer “Überbrückung von Gegensätzen“ 33 nutzen. “Wollen wir der Menschlichkeit des Menschen, die durch Einheit und Offenheit konstituiert wird, ansichtig werden, so müssen wir ihm in einen diese Ebenen überhöhenden, in den menschlichen Raum folgen.“ 34 32 Aus dem Nachwort von C.G. Jung zu: Arthur Koestler, Von Heiligen und Automaten, Scherz Verlag, Bern und München 1961, S. 367. 33 Frankl, S. 382. 34 Ebd., S. 383. <?page no="103"?> Das wissenschaftstheoretische Werk <?page no="105"?> Khazars in Fiction Frank Day In this paper I shall first summarize Koestler’s argument in The Thirteenth Tribe 1 and then show how two recent novels, Milorad Pavi ’s Dictionary of the Khazars 2 and Marek Halter’s The Wind of the Khazars, 3 treat these people’s story. Both novels incorporate much that is accepted as history but both veer off wildly into fantasy. In all of my commentary, I accept the second edition (2006) of Kevin Alan Brook’s The Jews of Khazaria 4 as the most authoritative source. I shall conclude with a digest of Brook’s account of the very recent genetic data concerning Ashkenazic Jews. I. In Koestler’s telling, the Khazar Empire comprised people of Turkish stock, flourished from the seventh century to the tenth, and in the eighth century dominated the region between the Black Sea and the Caspian. Their power in that area stopped the Arab advance into eastern Europe in the eighth century, and they converted to Judaism about 740. Their empire collapsed in the twelfth and thirteenth centuries, and the evidence indicates that many of the Jewish Khazars migrated to eastern Europe - especially to Russia and Poland. Koestler says that “This has led several historians to conjecture that a substantial part, and perhaps the majority of eastern Jews - and hence of world Jewry - might be of Khazar, and not of Semitic origin.” He then concludes that “Should this turn out to be the case, then the term ‘anti-Semitism’ would become void of meaning, based on a misapprehension shared by both the killers and their victims.” He traces the complicated history of the Khazars from their appearance in the fifth century as “a later offspring of Attila’s horde,” observing that as Charles Martel’s Franks saved Gaul and western Europe, so the Khazars saved the eastern approaches to the Volga, the Danube, and the East Roman Empire itself. Koestler notes the so-called double kingship system of the Khazars - which involved a divine ruler called 1 Arthur Koestler, The Thirteenth Tribe. The Khazar Empire and its Heritage (New York: Random House, 1976) 2 Milorad Pavi , Dictionary of the Khazars: A Lexicon Novel. Translated from the Serbo- Croatian by Christina Pribicevic-Zoric (New York: Knopf, 1988) 3 Marek Halter, The Wind of the Khazars. Translated by Michael Bernhard (London and New Milford, CT: Toby, 2006) 4 Kevin Alan Brook, The Jews of Khazaria. 2nd ed. (Lanham, MD: Rowman & Littlefield, 2006) <?page no="106"?> Frank Day 106 the kagan and a secular head named the bec - and speculates that it may have been somehow connected to the establishment of Judaism. Khazaria was known as a “refugee haven,” both before and after its conversion, and Koestler suggests that, caught between Muslims and Christians, the Khazars may have been attracted to the “neutrality” of Judaism. He considers it probable that the Khazars converted in steps to, in his words, “a rudimentary form of Judaism, based on the Bible alone,” much like that of the fundamentalist Karaites of eighth-century Persia. The orthodox Jews of the East, Koestler asserts, were well aware of the Khazars, but at the same time they were regarded with some misgivings. Koestler concludes Part One of The Thirteenth Tribe by lamenting the “sad” belittlement of Khazar history by the Soviet regime. Koestler describes as “relatively well documented” the Khazar heritage of the dominant Jews in medieval Hungary, and he cites the many place names in Poland and the Ukraine that derive from “Khazar” or “Zhid,” speculating that they may once have been inhabited by Khazarian Jews. He notes that the Khazar decline coincided in time (tenth century) with the creation of “the nucleus of the Polish state.” Various thirteenth-century documents indicate, he says, “considerable numbers” of Khazars in Poland at the time, and he thinks that the estimate of 500,000 Jews in the Polish-Lithuanian kingdom in the seventeenth century agrees reasonably, in his words, with the “known facts about a protracted Khazar migration via the Ukraine to Poland- Lithuania.” Finally Koestler emphasizes that “The problem of the Khazar infusion a thousand years ago, however fascinating, is irrelevant to modern Israel,” but that “the lingering influence of Judaism’s racial and historical message, though based on illusion,” has a powerful emotional appeal to tribal loyalty. One of the subjects that feature prominently in Koestler’s account and in both of the novels that I shall discuss is the so-called Khazar debate of the tenth century. Koestler’s first source for the debate is an eleventh-century Arab historian who relates that the Khazar king briefly adopted Christianity, grew nervous about it, and at the advice of a Jewish counselor convened a meeting of a Bishop and a Muslim with the Jewish counselor. The Christian and the Jew could not accept the Koran, nor could the Jew and the Muslim agree on the New Testament, but since all three believed in the Old Testament, the Jew won the polemic. The second account appears in the so-called “Khazar Correspondence,” an exchange of letters in the mid-tenth century between the Jewish minister in Cordoba and Joseph, King of the Khazars. Joseph’s reply gives a similar, if more detailed, summary of the conversion, but although scholars accept Joseph’s letter as genuine, Koestler alludes to the conversion story as “legendary.” Brook, however, merely notes that the Khazar king was already “leaning” toward Judaism but called for a “disputation between the faiths” to satisfy representatives of other creeds. Brook summarizes the “Cambridge Document,” or “Schechter Letter,” named after the scholar who discovered it in 1896 in an old synagogue in Cairo. Its author <?page no="107"?> Khazars in Fiction 107 is unknown but the letter was probably written about 949 and delivered to the representatives in Constantinople of the Sephardic leader in Cordoba. The writer tells how the Khazars intermarried with the Jews who had migrated to Khazaria from Armenia, and in his version of the polemic the Khazar king asks the Jewish sages for the Torah scrolls kept in a cave and is converted by them to Judaism. Koestler mentions the Schechter Letter but ignores the polemic and calls its “main significance” historical. Whereas Koestler dates the conversion to 740, in 2005 Roman Kovalev traced the conversion to 838 when he discovered Khazar coins minted at that time to commemorate the conversion to Judaism. 5 Brook concludes that King Bulan converted between 800 and 809 but that full conversion of the Khazar kagan with his nobles and many commoners occurred only in 838. II. Of the several accounts of the debate, Milorad Pavi in Dictionary of the Khazars opts for a version in which the king, or kagan, has a dream and enlists “a dervish, a rabbi, and a monk” to explain it. From this germ of a plot, Pavi presents his fantastic novel as the reconstruction of an original 1691 edition of the Dictionary published in 1691 but destroyed in 1692. This so-called Daubmannus edition is a fiction that Pavi reconstructs in its original three parts: Part One is “The Red Book,” giving Christian sources on the Khazar question, Part Two is “The Green Book” of Islamic sources, and Part Three is “The Yellow Book” of Hebrew sources. These books constitute the bulk of the novel, and they are enclosed by a bogus scholarly apparatus - fifteen pages of “Preliminary Notes” and two appendices - followed by a musing on metafiction titled “On the Usefulness of This Dictionary” and by a “List of Entries.” It is all satisfyingly contrived and playful. As the reader proceeds through Pavi ’s elaborate fiction, reading each entry, he will reconstruct the stories around a series of triads. The main characters in each book have their counterparts in each of the other books. Thus, each book has a participant in the Khazar polemic (they are Cyril the Christian, Ibn Kora the Muslim, and Isaac Sangari the Jew); each has a chronicler (the Christian Methodius, the Arab Al-Bakri, and the Jew Judah Halevi); each has a seventeenth-century student of the polemic; a twentieth-century scholar; and a devil from the hell of each religion. The individuals I have named were real, the anonymous characters fictions. One of the dominating conceits of Pavi ’s novel is “The Tale of Adam Ruhani,” a myth told in the Islamic “Green Book,” with a parallel in “A Note on Adam Cadmon” in the Hebrew “Yellow Book.” The Adam Ruhani narrative describes him as one of 5 Roman K. Kovalev, “Creating Khazar Identity through Coins, the Special Issue Dirhams 837/ 8,” in: East Central and Eastern Europe in the Early Middle Ages, ed. by Florin Curta (Ann Arbor, MI: University of Michigan Press, 2005), pp. 233-235, 241. Quoted in Brook, Jews of Khazaria, p.4. <?page no="108"?> Frank Day 108 the three original angels of the Creation who because of his pride has fallen to tenth place in the angelic hierarchy but keeps trying to climb back to his former position. His fate is Sisyphus-like: he alternates between rising and declining. This fantastic conceit is completed by dream hunters who “plunge into other people’s dreams and sleep and from them extract little pieces of Adam-the-precursor’s being, composing them into a whole, into so-called Khazar dictionaries, with the aim of having all these assembled books incarnate on earth the enormous body of Adam Ruhani.” To approach Adam when he is ascending is to approach Truth, or God Himself. In Pavi ’s post-modern fable, the Khazars and their history are merely an occasion for a narrative puzzle with affinities to such works as Pale Fire (1962), by Vladimir Nabokov, Letters (1979), by John Barth, and the fictions of Jorge Luis Borges. It is also an exploration of the genuine historical enigma of the Khazars, worked up in a mix of history and fantasy. It is an allegory of the chaos in the Middle East, where Christians, Arabs, and Jews carry on an endless and bloody historical polemic. Furthermore, as a theodicy the story of Adam offers a cautionary word on pride, or hubris: Tracking down the secrets of the Creation and assembling them can produce knowledge that is of great benefit to man, but the misuse of these secrets can lead to great tragedy. III. The second novel I shall discuss is Marek Halter’s The Wind of the Khazars, a title suggested by a legendary wind that swept over Khazaria from the Sea of Jordan. Halter’s narrative alternates between Khazaria in the mid-tenth century and Europe, Georgia, and Azerbaijan in the late twentieth century. The older story opens in France in 954 with the young Isaac ben Eliezer on his way to Khazaria with a letter from the Rabbi Hazdai Ibn Shaprut of Cordoba who wants to learn about the Jewish kingdom in the East that he has heard of. Shaprut was a genuine historical personage whom Koestler devotes a full page to, and the young man’s mission - and his name is also historically accurate - accords with what is known of the Khazar correspondence. Although the usual account has Shaprut learning about Khazaria from a foreign merchant, Halter seems to agree with those scholars who think that it was the Schechter Letter that stirred the Rabbi’s interest and that prompted the letter that the young Isaac carried to Khazaria. It was the same Isaac, incidentally, who seven years later returned to Cordoba with a letter from the Khazar king Joseph. This tenth-century story is woven around a love affair between the young Isaac and King Joseph’s beautiful redheaded sister, a romance that ends with the death of the girl, Attex, when Muslims attack their cave hideaway. This cave houses a tabernacle complete with an ark, a candlestick, a table, sacred vessels, and an altar, and it becomes a prominent feature of the Halter novel. <?page no="109"?> Khazars in Fiction 109 King Joseph’s reply to Rabbi Shaprut in Cordoba describes such a place of worship but does not locate it in a cave. The role of a cave in the Khazar story seems to originate in the Schechter Letter, in which King Joseph asks his Jewish advisors for the Torah scrolls kept in a cave. None of this appears in Koestler’s account. The twentieth-century part of Halter’s story follows the perplexities of a writer named Marc Sofer as he tries to track down a mysterious redhead who questions him intensely at a scholarly meeting in Brussels. That same evening Sofer is accosted in Russian in the conference room by an irritating stranger named Ephraim Yakubov, who says he is from Georgia. He identifies himself as a so-called Mountain Jew from the Caucasus Mountains, and he tells Sofer of his father’s discovery of a cave built into a cliff face with a completely furnished synagogue and a vast library, and he gives him a large silver coin, centuries old, with a menorah on its face. A Swiss numismatist dates the coin to the eighth or ninth century, which agrees with the date of the early 820s that recent scholarship has confirmed as the period when the Khazars began minting their own coins, known as dirhams. This part of Halter’s fiction agrees with Kovalev’s claim that Jewish-themed coins were issued in 838 to celebrate Khazaria’s political independence and its new religion. Koestler, of course, knew nothing of this. When Yakubov disappears, Sofer calls the President of the Association of Mountain Jews in Baku, Mikhail Yakovlevitch Agarounov, evidently a real person since Halter names him in his acknowledgements. From Agarounov, Sofer learns that a group called “The New Khazars” has been blowing up oilpumping stations in the Bay of Baku. On a plane en route to Baku, Sofer meets an Englishman who shows an interest in the Khazars, and after Sofer gives him an account of their conversion the Englishman, Alastair Thompson, tells Sofer of a company called the Offshore Caspian Oil Operations, and points out that the Caspian Sea, the Sea of the Khazars, is a sea of black gold that has become the focus of intense competition among the Russians, the Americans, the Chinese, and the Europeans. With this background in mind, Sofer goes to the small Azeri city of Quba, home of the Mountain Jews, who are conjectured to be descendants of the Khazars. Historical truth disintegrates at this point. Sofer is taken to the marvelous cave, where he is greeted by the beautiful redhead, an apparent avatar of the earlier redheaded sister of King Joseph who perished in the cave. (An interesting footnote here concerns the medieval German legend of the socalled “Red Jews.” Brook devotes several pages to the stories of these redhaired Jews, and one historian even speculated that they were the Khazars. Brook concludes that “It does seem very likely that the stories about the fiercely independent Red Jews were vague memories of, or rumors about, the powerful Khazar kingdom, transmitted in distorted form to German Christians.” [9-10]) The redhead, whose name is Sonja Tchobanzade, lectures Sofer convincingly on the importance of the Khazar heritage in Russia’s formation. She explains that this aspect of Russian history was suppressed, however, <?page no="110"?> Frank Day 110 under Stalin, who denied that any part of the Russian heritage could owe anything to Judaism. The Soviet historian Mikhail Artamanov revealed that the early Russian invaders of Khazaria were mere barbarians manipulated by Byzantium who learned the structures of civilization from the Khazars, but Pravda described his work as “a story of Jewish parasites” and he was condemned to death. Brook notes that “Soviet historians and archaeologists were forced to adopt the view that the Khazars were not Turkic migrants from the East but rather were natives of the north Caucasus.”(4) The denouement comes swiftly. The redhead discloses that the wonderful cave synagogue is sitting on a huge oil field and that she and her friends are the New Khazars, dedicated to thwarting the destruction of the cave by the oil companies. To make a preposterous story short, oil company commandoes overwhelm the small group in the cave and blow it up. The obvious moral is that oil companies never lose. Halter’s last words on Khazar history are that the Mountain Jews may be direct descendants of the Khazars but that most of the Jewish Khazars fled to Central Europe, where they mingled with the Ashkenazim recently expelled from France, Flanders, and Germany by the first Crusades. IV. Brook spends seven pages summarizing the genetic data compiled since 2000 on Ashkenazic origins. He writes about Y chromosome haplotypes and mitochondrial DNA haplotypes, language I shall shun while trying to give the substance of his commentary. A major study in 2000 showed that Ashkenazic Jews and others from Italy, North Africa, Iraq, Iran, Kurdistan, and Yemen shared genetic features with many Mediterranean Arabs, and two of the researchers even suggested that the ancient Jews of Rome were the primary ancestors of the Ashkenazim. A further study in 2001 revealed that Kurdish and Sephardic Jews were indistinguishable but differed slightly, although significantly from Ashkenazic Jews. One genetic marker was found in “substantial frequencies” among Hungarians, Sorbs, Poles, Belarusians, and Ukrainians, and it was also found among 12.7 percent of Ashkenazic men, suggesting intermarriage with Khazars or eastern Europeans. Another surprising discovery was that Kurds are among the closest paternal relatives of Jews, even closer than Jews and Palestinian Arabs. A study in 2002 revealed that Jewish populations around the world have “disparate” maternal origins. One coauthor of this study opined that “since Jewish mtDNA [found in women] is apparently often of non-Judean origin, while the [men’s] Y-DNA is usually Judean, most Jewish communities were founded by marriages between Judean men and local non-Judean women.” (221-222) None of these studies tell anything about whether the Khazars are among the ancestors of Ashkenazic Jews, but Brook says it remains a “strong possibility.” An interesting study published in 2006 reveals that about 40 <?page no="111"?> Khazars in Fiction 111 percent of Ashkenazic women descend in the direct maternal line from one of four women, a subject being debated by scholars. Other studies have focused on two Jewish hereditary subgroups, the Kohens and the Levites. The results are too complex for quick summary here, but one surprising discovery was that 52 percent of the Ashkenazic Levites had genetic markers for eastern European or central Asian origins, leaving open the possibility of Khazars in their ancestry. Various studies of the genetics of certain diseases are suggestive but hardly conclusive. One theory has argued that the high frequency of Tay-Sachs disease among Hungarians is attributable to the Khazars, but Brook is skeptical of this claim. Something called the CCR5-Delta32 allele may have evolved among Ashkenazic Jews through intermarriage with Khazars. If so, this is a wonderful gift from the Khazars since this allele protects not only against HIV infection but also rheumatoid arthritis and small pox, and possibly other diseases as well. Many Europeans carry this allele but very few Middle Easterners do. We have no DNA from medieval Khazars, so Brook concludes that “All that can be said with certainty is that Ashkenazic Jews are descended both from the Israelites and from various other peoples of Eurasia, of whom the most likely candidates remain the Khazars, East Slavs, and West Slavs.”(226) <?page no="113"?> Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa im Spannungsfeld von Überlebensstrategie, Identitätsfindung und Erkenntnisgewinnung Klaus Weissenberger Wie bei kaum einem anderen Exilschriftsteller liegt eine so hohe Variation hinsichtlich der Gattungsarten der nicht-fiktionalen Kunstprosa vor wie im Falle Arthur Koestlers: Tagebuch, Brief, Reisebericht, Autobiographie, Biographie und Essay sind vertreten, man könnte sogar den “Dialog mit dem Tod” statt zum Tagebuch zu zählen auch als Dialog einstufen. Doch bevor ich mich mit Koestlers Produktion auf diesem Gebiet im einzelnen befassen kann, muss ich eine Gattungsbestimmung der nicht-fiktionalen Kunstprosa vorausschicken, um dadurch die Kriterien für deren Einstufung und Bewertung zur Verfügung zu haben. Generell gesehen haben seit der Entdeckung des Ich in der Renaissance die Gattungsarten der nicht-fiktionalen Kunstprosa gerade in Krisenzeiten an Bedeutung gewonnen haben, weil aus der Beobachtung des Selbst die Selbsterkenntnis als Sinn dieses Prozesses, wenn nicht sogar als einzige Identitätsbestätigung hervorgegangen ist. Gerade im Fall des NS-Exils ist die nichtfiktionale Kunstprosa durch das bis zum Paradox betriebene Oszillieren zwischen Darstellung der Exilsituation und Reflexion darüber das literarische Hauptmerkmal des Krisenbewusstseins und zugleich erster Ansatz seiner ästhetischen Bewältigung. Woran liegt das? Vor allem an einem prozesshaften Wahrheitsbegriff, mit dessen Hilfe nicht nur überkommene Denkmodelle kritisiert werden, sondern zugleich auch auf festumrissene, in der literarischen Tradition verankerte Formen und Strukturprinzipien Verzicht geleistet wird, um dadurch Autor und Leser zu zwingen, am Erkenntnisprozess teilzunehmen und sich gegenseitig die Glaubwürdigkeit der Wahrheitsfindung zu beweisen. Aus der Prozesshaftigkeit des Wahrheitsbegriffs ergibt sich auch die Korrelation von Erkennen und Entdecken und damit verbunden der Aspekt der Kreativität, der sich spontan im Rede- und Schreibvollzug manifestieren kann und in der antiken Rhetorik als “ars inveniendi” der Topik zugeordnet worden ist, sich in der modernen Kunstprosa jedoch mit dem heuristischen Wahrheitsbegriff verbindet. Von daher erklären sich sowohl die bildlichen Variationen von Weg und Reise als Medien der Wahrheits- und Selbstfindung als auch die große Zahl von Reiseberichten, deren Wirkungsabsicht allerdings im Exil durch die Unfreiwilligkeit des Reisens in Frage gestellt wird. Zwar wird die Entdeckerfunktion der Kunstprosa im allgemeinen zuerkannt, doch spezifisch dem Aphorismus zuge- <?page no="114"?> Klaus Weissenberger 114 sprochen, weil durch dessen Kürze die Spontaneität der Inspiration nicht nur ausgesprochen, sondern auch gestaltet wird; so in Karl Kraus‘ Aphorismus: “Der Gedanke forderte die Sprache heraus. Ein Wort gab das andere”. 1 Die Analogie zum göttlichen Schöpfungsakt verbindet sich bei Musil mit dem hohen Ethos der Exilaphoristiker in ihrer “Unzeitgemäßheit” zu der Forderung: “Heute müssen wir aber wollen, was unmöglich ist”. 2 Alle wirkungsorientierten Aspekte der Kunstprosa werden von Musil in seinen Überlegungen über die Utopie des Essayismus zusammengefasst, wenn er seinen Repräsentanten des Essayismus über dessen gesellschaftlich definiertes Selbstverständnis im Ungewissen lässt: “Ein Mann, der die Wahrheit will, wird Gelehrter; ein Mann, der seine Subjektivität spielen lassen will, wird vielleicht Schriftsteller; was aber soll ein Mann tun, der etwas will, was dazwischen liegt”? Entsprechend vergleicht er die Bemühungen, die “Lebenslehre” großer Essayisten in “Lebensweisen umzuwandeln und der Bewegung des Bewegten einen ‘Inhalt’ abzugewinnen’, mit dem “was von dem zarten Farbenleib der Meduse übrig bleibt, nachdem man sie aus dem Wasser gehoben und in den Sand gelegt. Die Lehre des Ergriffenen zerfällt in der Unvernunft der Unergriffenen zu Staub, Widerspruch und Unsinn”. 3 Diese Wirkungsabsicht eines bewussten Querdenkens verschärft sich bei sehr vielen Exilautoren und kann bereits an den Titeln ihrer nicht-fiktionalen Kunstprosawerke erkannt werden; Koestlers aus einer von Francos Todeszellen herausgeschmuggeltes Tagebuch hat den Titel Dialog mit dem Tod. Klaus Mann nennt seine Autobiographie Wendepunkt, Alfred Döblin Schicksalsreise, Alexander Weissberg-Cybulski Hexensabbat, Jakov Lind Counting my Steps, Cordelia Edvardson Gebranntes Kind sucht das Feuer, Klaus Merz Ein Mann fällt aus Deutschland. Der Exilreisebericht von Csokor trägt den Titel Als Zivilist im polnischen Krieg und Als Zivilist im Balkankrieg, Döblins Flucht aus Frankreich den Titel Robinson in Frankreich, Koestlers Abschaum der Erde. Seinen sehr autobiographischen fiktionalen Reisebericht nennt Leo Lania The Darkest Hour und Albert Drach seinen Unsentimentale Reise. Was jedoch neben diesen sprachphänomenologischen Aspekten die nichtfiktionale Kunstprosa von der Zweckprosa der Alltagskommunikation und des Berichts unterscheidet, vollzieht sich dichtungslogisch durch den Modus der fortwährend aufrechterhaltenen Subjekt-Objekt-Spannung, der allein literarische Züge besitzen kann, da es sich ja in beiden Fällen - sowohl der Zweckprosa als auch der Kunstprosa - um Wirklichkeitsaussagen handelt. Die Spannung bleibt durch das Oszillieren zwischen Subjekt- und Objektpol bestehen und erhält einen literarischen Charakter durch den spielerischen Rhythmus, mit dem dies erfolgt. Dieser stellt Geschlossenheit, Ganzheitscha- 1 Karl Kraus: Beim Wort genommen (1955), 292. 2 Robert Musil: Gesammelte Werke in neun Bänden, Bd. VII, hg. v. A. Frisé (Reinbek b. Hamburg, 1978), 931. 3 Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften, hg.v. A. Frisé (Reinbek bei Hamburg, 1981), 254. <?page no="115"?> Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa 115 rakter und darauf beruhend seine Eigenständigkeit mit Hilfe des geschlossenen Spielbezirks und seiner ihn konstituierenden Ordnung unter Beweis, wobei die Spielregeln eine absolute Wahrheit und die Einzelaspekte von “Spannung, Gleichgewicht, Auswägen, Ablösung, Kontrast, Variation, Bindung und Lösung, Auflösung“ 4 die formal-ästhetischen Kriterien für deren Erstellung übernehmen. Darin manifestiert sich das “ganzheitliche” Rhythmusprinzip im Gegensatz zum “partikularistischen” der Gebrauchsprosa. Der Unterschied zwischen den beiden rhythmischen Prinzipien liegt in der Aktionsart; denn während der partikularistische Rhythmus von der präetablierten Ordnung als gattungshaftem Modellbezug ausgeht, zu dem die individuelle Ausgestaltung in ein Spannungsverhältnis tritt, das über die Folge von Erwartung und Lösung seine Erfüllung findet, setzt die Dynamik des ganzheitlichen Gattungsrhythmus bei dem Zusammenfallen von Signalwirkung und Lösung ein, das in der gestaltgebenden Sinnganzheit seine spontane Verwirklichung manifestiert. 5 Dementsprechend erfüllt die Kunstprosa das “ganzheitliche” Rhythmusprinzip, während die Zweckprosa auf dem rein “partikularistischen” Rhythmusprinzip beruht, bei dem eine Anzahl von Signalisationselementen als Schablone wirkt, die nur ausgefüllt zu werden braucht. Das hängt auch mit der eindimensionalen Zweckbestimmung der rhetorischen Stilelemente der Gebrauchsprosa zusammen, die wie ursprünglich in der Gerichtsrede nur der Überredung dienen sollen und ganz diesem Sachzweck untergeordnet sind; dabei kommen wie in keiner literarischen Gattung Sprachgestalt und Gestaltfunktion zur Deckung. Dagegen bauen sich die Gattungsarten der Kunstprosa aus immer neu sich bestimmenden Signalisationselementen auf, so dass selbst die Gattungsart manchmal bis zum Schluss offen oder ambivalent bleibt. Wie im Falle aller anderen literarischen Typologien komplementieren sich Sprachgestalt und Gebrauchsfunktion gegenseitig, ohne dass sie als Gemeinsamkeit wahrgenommen werden können, weil sich jeweils das eine durch den Blick auf das andere dem analytischen Zugriff entzieht. 6 Dennoch müssen sie als konstitutive Elemente erkannt und in der wissenschaftlichen Analyse ausgetragen werden, um nicht dem Fehler von verfälschenden oder literaturfremden Reduktionismen und Ideologisierungen zu verfallen. Aus dieser Komplementarität leitet sich auch die Dynamik der Gattungsarten der Kunstprosa ab, sowohl ihr entwicklungsgeschichtliches Potential als auch ihre Wechselwirkung mit anderen Gattungsarten der Kunstprosa oder epischen Fiktion. 7 4 Jan Huizinga: Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel (Reinbek bei Hamburg, 1956), 9. 5 Thrasibylos Georgiades, “Sprache und Rhythmus”, in: Sprache und Wirklichkeit (1967), 224-244. 6 Hugo Kuhn, “Zur Typologie mündlicher Sprachdenkmäler”, in: ders.: Text und Theorie (1969), 10-27. 7 Vgl. dazu meine gattungstheoretischen Ausführungen in dem Artikel “Kunstprosa in der Moderne, 18. bis 20. Jh.”, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, hsg. v. Gert Ueding, Bd. 4 (Tübingen: Max Niemeyer, 1998), Sp. 1506-1530. <?page no="116"?> Klaus Weissenberger 116 In der folgenden Untersuchung von Koestlers Beitrag zur nichtfiktionalen Kunstprosa des Exils versuche ich soweit wie möglich chronologisch vorzugehen. Das bedeutet, dass ich mit Koestlers Tagebuch “Dialog mit dem Tod”, den Tagebuchpartien aus dem Spanischen Testament von 1938, beginne und mit der Keplerbiographie The Watershed oder auf Deutsch Die Wasserscheide - beide von 1959 - meine Ausführungen abschließe. Zugleich sei auch vorausgeschickt, dass dabei die Gattungsart des Briefs nur eine mehr oder weniger kursorische Behandlung erfährt, weil Koestler nur in ganz seltenen Fällen literarische Briefe geschrieben hat. 8 Das Tagebuch “Dialog mit dem Tod”, 9 das Koestler während seiner 102tägigen Inhaftierung vom 8. Februar bis zum 12. Mai 1937 in einer von Francos Todeszellen geführt hat, zählte bei seinem Erscheinen mit zu den denkwürdigsten Aufzeichnungen von zum Tode Verurteilten, da Koestler nicht nur zu den wenigen Begnadigten gehört hat, sondern zugleich auch die Begabung besessen hat, dieser Erfahrung literarisch gerecht zu werden. Wie nur in ganz seltenen anderen Fällen bewahrheitet sich an diesem Werk der der nicht-fiktionalen Kunstprosa zuerkannte Aspekt der Überlebensstrategie in seiner reinsten und unmittelbarsten Zuspitzung. Die fast ausschließliche Einzelhaft, die vollkommene Ungewissheit und der häufige Abtransport von Mitgefangenen zur Exekution, der jedes Mal die eigene Hinrichtung befürchten lässt, setzen Koestler dem Oszillationsprozess zwischen Wirklichkeitserfahrung und Selbstbeobachtung als gegenseitigen Kontrollinstanzen so grundsätzlich aus, dass dadurch die Fragwürdigkeit sowohl jeglicher ideologischen Etikettierung als auch subjektiver Verblendung offen zutage tritt und als einzige Bezugsinstanz der Mensch in seiner Kreatürlichkeit, seinem Ecce homo, Gültigkeit behält. Deshalb entdeckt Koestler an der stereotypen Versprachlichung von Wirklichkeit den grundsätzlichsten Verfälschungsprozess des abstrahierenden Ideologieprinzips: “In den Augenblicken größter Aufregung benehmen wir uns alle wie in einem Groschenroman. Die Würde des Wortes liegt in der Abstraktion; vor dem Handgreiflichen verblaßt die Sprache./ Sie wird zu einem völlig unbrauchbaren Instrument, wenn es gilt, einen so gewöhnlichen Tatbestand darzustellen wie die Angst des Menschen vor dem Tod” (280f.). Aus diesem Grund muss er auch immer wieder seine anfänglichen an die Wand gekritzelten Tagebuchnotate wegkratzen, weil er dem sentimentalen Groschenromanstil anheimzufallen scheint. Umgekehrt verlangt das Gefängnis dem Häftling die Anpassungsfähigkeit ab, im Erlangen einer Zigarette, dem Besitz von Bleistift und Papier, der Erlaubnis eines Bades oder einer Rasur bereits einen Erfolg im Überlebenskampf zu verzeichnen, wobei ihm 8 An dieser Stelle sei mein Dank gegenüber dem Koestler Archiv an der Edinburgh University in Schottland ausgesprochen, wo ich vor allem die Briefe Koestlers aus dem Umfeld von Scum of the Earth und The Yogi and the Commissar untersucht habe. 9 Mittelstück von Arthur Koestler: Ein spanisches Testament (Zürich: Europa Verlag 1938, 2. Aufl. 2005). <?page no="117"?> Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa 117 die Raffiniertheit, mit der er sein Ziel erreicht, der einzig verbliebene Spielraum zur Selbstbestätigung geblieben ist. In schonungsloser Offenheit gibt Koestler Auskunft über seine Ängste und die Banalität seiner Siege, Strategien und Niederlagen und letztlich seine Bewusstseinsspaltung, die ihn Abstand zu seinem eigenen Tod gewinnen lässt; es sind verzweifelte Bemühungen, die menschliche Würde zu bewahren und damit auch den moralischen Überlebenswillen. Gerade deshalb erliegt er auch nicht der Versuchung, sich durch eine Lobhudelei Francos dessen Erbarmen zu erschleichen, weil er darin in letzter Minute sein “moralisches Todesurteil” erblickt, sondern bekennt sich zu seinem Glauben an die “sozialistische Konzeption der menschlichen Zukunft”(310). Diese Ehrlichkeit sich selbst gegenüber als einzig gültiger Instanz, die nach der Freilassung seine Abkehr von der stalinistischen Hörigkeit zur Folge hat, lässt ihn umgekehrt auch nicht ein Geschäft mit Gott eingehen; daraus erklärt sich sein folgendes unorthodoxes, aber grundehrliches Gebet: Herr, [...] gib mir noch lange meinen kleinen täglichen Ärger; erlaube mir, Herr, weiter mit diesem Dasein unzufrieden zu sein, meine Arbeit zu verwünschen, Briefe nicht zu beantworten, zu meinen Freunden unausstehlich zu sein, das Pfund, das Du mir anvertraut hast, schlecht zu verwalten. Soll ich geloben, mich zu bessern, wenn Du diesen Kelch an mir vorbeigehen lässest? Wir wissen doch beide, Du und ich, daß man solche erpreßten Gelübde nicht hält. Erpresse mich nicht, lieber Gott, und versuche keinen Heiligen aus mir zu machen. Amen” (119). Für Koestler ist das Fenster von Zelle 41 für eine derart lange Zeit der einzige Kontakt zur Außenwelt gewesen, dass sich ihm Ausblick und Einblick, Erwartung und Enttäuschung, Hoffnung und Zweifel an diesem Ort in ihrer paradoxen Reziprozität erschlossen und gerade darin über die tägliche Konfrontation mit dem Tod die Erfahrung vom letztlich metaphysischen Bezug der Wirklichkeit offenbart haben. Deshalb sehnt er sich nach seiner Freilassung in seine Zelle zurück, weil sie ihm einerseits im Augenblick die totale Freiheit von jeglicher irdischen Verantwortung gewährt hat - “es war das absoluteste Erlebnis der Freiheit, das einem beschieden sein kann” (228) - doch noch viel mehr, weil ihn die Begegnung mit dem Tod die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens gerade in dieser Zelle zum Greifen nahegebracht hat: “Keiner von uns wußte die Antwort, am wenigsten der Mann, der das Altarglöckchen läutete, des Sensenmannes schmieriger Haushälter. Oft erwache ich aus dem Schlaf in dem Gefühl, in die Zelle 41 zurückkehren zu müssen, weil ich dort etwas vergessen habe./ Es ist die Antwort, die ich vergessen habe; manchmal scheint es mir, als ob ich sie zu der Zeit gewußt hatte, als ob ein schwacher Hauch von Erkenntnis an mir vorbei geweht sei; aber sie ist unwiderruflich verschwunden”. 10 10 Übersetzt aus der englischen Ausgabe, da diese Passage in der deutschen Ausgabe gestrichen worden ist; Arthur Koestler: Spanish Testament (London: Victor Gollanz, 1937), 375f. <?page no="118"?> Klaus Weissenberger 118 Die Tagebuchnotizen von Koestlers nächster Inhaftierung im französischen Konzentrationslager Le Vernet am Fuß der Pyrenäen vom 2. Oktober 1939 bis zum 17. Januar 1940 sind auf der Flucht vor den Deutschen im darauffolgenden Sommer verlorengegangen. Stattdessen hat Koestler, nachdem ihm illegal die Flucht nach England geglückt war, wo er allerdings vom 6. November bis zum 13. Dezember 1940 wieder eingesperrt wurde, 1941 eine Art Reisebericht unter dem Titel Scum of the Earth (auf Deutsch Abschaum der Erde) 11 über seine Odyssee vom Spätsommer 1939 bis zu seiner Inhaftierung in England verfasst. Diese Gattungsbezeichnung trifft nicht zu, weil sich Koestler rückblickend berufen fühlte, einen Baedeker über die Gefängnisse Europas schreiben zu können, 12 und damit eigentlich das touristische Reisen ironisiert hat, sondern viel mehr weil dieses Werk anhand eines individuellen Schicksals das unfreiwillige Reisen als Daseinsform der Millionen von Vertriebenen und zum Abschaum der Welt Entwürdigten sehr plastisch und drastisch darstellt. Entsprechend ist das Werk dem Andenken derer gewidmet, die den Selbstmord einer Gefangennahme von den Deutschen oder ihrer Auslieferung an die Deutschen von französischer Seite vorgezogen haben. Zugleich soll es auch als ein Aufruf zur Befreiung aller noch in Frankreich, speziell in Le Vernet Inhaftierten gelten und die noch freie Welt über die Gründe für die Niederlage Frankreichs aufklären. Daraus erklärt sich der Aufbau dieses Reisejournals, 13 der mit den Stufen “Agonie”, “Purgatorium”, “Apokalypse”, “Danach” und einem resümierenden “Epilog” das Schicksal Koestlers und aller anderen vor Hitler, Mussolini, Franco und Stalin nach Frankreich Geflohenen in ihrer Abhängigkeit von den politischen Entscheidungen Frankreichs Ausländern gegenüber zeigt, die sie immer mehr jeglichen Rechtsschutzes berauben, bis sie schließlich nach der Kapitulation Frankreichs als “Abschaum der Erde” weggeschwemmt werden: “Es war Sintflut, und wir ließen uns friedlich auf den schwarzen Wassern treiben, nur der Himmel wußte, wohin“ (464). Die Widersinnigkeit besteht gerade darin, dass die französische Regierung alle NS-Exilanten als Staatsfeinde verdächtigt und interniert, obwohl sie bereit sind, den Nationalsozialismus mit all den ihnen zur Verfügung stehenden Fähigkeiten, notfalls sogar als Soldaten auf der Seite Frankreichs zu bekämpfen (361). Daher sind die einzelnen Stationen von Koestlers Odyssee durch seinen Selbstbehauptungskampf dem französischen Staatsapparat gegenüber gekennzeichnet, der von Stufe zu Stufe aussichtsloser zu werden droht. Da alle Rettungsmaß- 11 Arthur Koestler: Scum of the Earth (New York: Macmillan, 1948); Abschaum der Erde. Gesammelte autobiographische Schriften, Bd. II (Wien u.a.: Fritz Molden, 1971) 345-532. 12 Arthur Koestler: The Invisible Writing (New York: Macmillan, 1954) 422; Die Geheimschrift (München et al.: Kurt Desch, 1954), 449. 13 In der deutschen Ausgabe ist das Charakeristikum des Reisejournals stark abgeschwächt, weil das Werk in die deutsche Gesamtausgabe der autobiographischen Schriften integriert worden ist und darin auf die Kapitel “Abschaum der Erde” und “Flucht” verteilt ist, wobei einzelne Passagen, die zum Charakter des Reiseberichts beitragen, ausgelassen worden sind. <?page no="119"?> Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa 119 nahmen in sich zusammenbrechen, repräsentiert deren Vereitelung stattdessen die graduelle Verbannung aus der menschlichen Gesellschaft, gegenüber der man sich, wenn überhaupt, nur durch intuitive blitzschnell getroffene Entscheidungen und spontanes Handeln behaupten kann. Bei Kriegsbeginn hatte Koestler einerseits geglaubt, aufgrund seiner ungarischen Nationalität von den französischen Behörden nicht als feindlicher Ausländer überhaupt verdächtigt zu werden, da Ungarn neutral war, und andererseits, aufgrund seines britischen Visums jederzeit nach England ausreisen zu können. Doch England hatte bei Kriegsbeginn sämtliche bestehenden Visen für ungültig erklärt, und Frankreich war so von Xenophobie erfasst, dass jeder Ausländer als “sâle métèque”, “dirty foreigner”, galt und bei Bestehen von irgendeinem Verdacht ohne ein gerichtliches Verfahren eingesperrt werden konnte. Obwohl nicht so ausgeprägt wie Hitlers zum Superdrachen avancierter Sündenbock der “jüdisch-liberalen-stalinistischrothschildschen Weltverschwörung” oder Stalins “trotskistisch-nazistischmenschevistischimperialistischen-brunnenvergiftenden-ernteverderbendenfeuerspeienden Monsterdrachen” (378f.) und obwohl dem französischen Drachen auch die Merkmale von Diktatur, Verfolgung und Tyrannis fehlten, um ja nicht die Nachbarn jenseits von Pyrenäen und Alpen zu beleidigen, so bestand dessen überzeugendstes Merkmal in den “métèques” und sah eigentlich “mehr wie eine halbersoffene Katze” aus (379); doch wer in Frankreich machte sich die Mühe, näher hinzuschauen? Demzufolge musste sich Koestler, weil auch seine Erklärung bei der Beantragung eines neuen britischen Visums, in der englischen Armee dienen zu wollen, ergebnislos geblieben war, darauf einstellen, jederzeit verhaftet zu werden. 30 Tage hat es gebraucht, bis man ihn einsperrte. Die Transportroute verlief von der Polizeipräfektur über das Tennisstadium Roland Garros zum Konzentrationslager Le Vernet, wo Essen, Unterbringung und Hygiene unter dem Niveau der schlimmsten deutschen KZs war (385). Der einzige Unterschied zwischen den deutschen KZs und dem von Le Vernet bestand in der Intention: Im Gegensatz zu Dachau starben die Insassen in Le Vernet wegen fehlender medizinischer Betreuung, während sie in Dachau solange misshandelt wurden, bis sie starben, und die Hälfte der Gefangenen von Le Vernet mussten bei 20 Grad Fahrenheit ohne Decken schlafen, während sie in Dachau absichtlich dem Frost ausgesetzt wurden. Nichtsdestotrotz kann sich Koestler aus gesundheitlichen Gründen vom Arbeitsdienst befreien lassen und eine kleine Anhängerschar um sich versammeln, unter denen ein Italiener namens Mario, der bereits neun Jahre in einem italienischen Gefängnis verbracht hat, die Rolle eines kommunistischen Märtyrers, der die politischen Methoden der “cosa sinistra” durchschaut hat, einnimmt. Wie in der spanischen Inhaftierung beruht die Überlebensstrategie auf derartigen Selbstvergewisserungen; jedoch nicht nur in der Wirklichkeit, sondern auch, wie Koestler zugeben muss, in der Darstellung. Daher will Koestler es vollkommen absichtlich vermeiden, die typischen Gefängnismemoiren zu duplizieren, die die Verfassung der Gefangenen als einen ununterbrochen anhalten- <?page no="120"?> Klaus Weissenberger 120 den Verzweiflungszustand darstellen, als ob es frivol erscheinen oder den Gesamteindruck zerstören würde, wenn “selbst im tiefsten Elend Momente der Heiterkeit aufleuchten” würden (403). Gerade deshalb legt er großes Gewicht auf die Darstellung von häuslicher Einrichtung auf engstem Raum oder allmählicher Gewöhnung, so dass die vollkommen Heimatlosen sich sogar wünschten, im Falle eines Waffenstillstands dort bleiben zu können (417). Rückblickend hat Koestler den Aufenthalt in Le Vernet mit dem Titel “Purgatorium” überschrieben, um damit diesen als Vorstufe gegenüber der ihn erwartenden “Apokalypse” abzuheben. Obwohl Koestler am 17. Januar 1940 als einer der ersten aus Le Vernet entlassen wird, hat sich sein rechtlicher Status keineswegs verbessert, da er amtlicherseits keine Gründe für seine Verhaftung oder seine Entlassung erfährt und die ihm in Aussicht gestellte Rehabilitierung nicht stattfindet, dagegen er stattdessen eine Aufenthaltsbewilligung auf Zeit erhält, die er immer wieder verlängern lassen muss, aber gerade dabei Gefahr läuft, wieder verhaftet und nach Le Vernet abtransportiert zu werden. Trotzdem gelingt es ihm, am 1. Mai seinen Roman Darkness at Noon fertigzustellen und an den Verleger abzuschicken. Am 22. Mai erfolgt die vorhergesehene Verhaftung, aus der Koestler jedoch am gleichen Tag wieder entlassen wird, weil er sich bei der Aufnahme ins Lager dem Beamten gegenüber als ungarischer Journalist ausweisen kann. Als Konsequenz dieser Köpenickade bleibt Koestler nur die Wahl, sich zusammen mit seiner damaligen Gefährtin Daphne Hardy der allgemeinen Flucht aus Paris mit gefälschter Reiseerlaubnis anzuschließen und das Täuschungsmanöver der Behörden fortzusetzen. Dabei wird er gezwungen, nicht nur sein Gepäck mit seinen Manuskripten über Bord zu werfen, sondern schließlich auch seine Identität, indem er der Fremdenlegion beitritt und dadurch einen neuen Namen annehmen kann - nach dem Motto: “Wieder warfen wir Ballast ab, ließen wieder ein Stück Vergangenheit hinter uns, Abfall, der auf der Straße unserer Flucht zurückblieb. Laßt die Toten ihre Toten begraben” (466). Dieses grotesk-satirische Maskenspiel, das ihn allein vor der Festnahme durch die französischen Behörden oder das deutsche Heer retten kann, muss er bis zu seiner illegalen Landung in England aufrechterhalten. Wie ein Witz klingt sein Legitimationsnachweis, in Südfrankreich auf der Suche nach seiner Fremdenlegionseinheit zu sein und dafür Marschbefehle erhalten zu wollen. Der im französischen Heer stehende Ausdruck “se débrouiller” [“es zu deichseln“] trifft besonders auf Koestler zu; allerdings muss er sich dabei schließlich von Daphne Hardy trennen und ist oft am Rand totaler Verzweiflung. Seine prekäre Lage wird besonders deutlich, wenn sich die französischen Soldaten nach dem Waffenstillstand zur offiziellen Entlassung aus dem Heer in ihren Heimatort begeben und er sich fragen muss: “Weitere zehn Männer haben das Kantonnement verlassen, um in Pau abgemustert zu werden. Wo bin ich zu Hause? Ich beneide sie. Der bittere Gedanke, daß neunundneunzig von hundert Menschen durch die Sintflut gewatet und mit nassen Füßen davongekommen sind, während man <?page no="121"?> Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa 121 selber seine Existenz verloren hat ... Ich bin bereit, mit anderen unterzugehen, aber ich will nicht als Ausnahme, als Narr dastehen” (504). Aufgrund seiner Fähigkeit, erfolgreich zu improvisieren, schlägt sich Koestler bis nach Marseille durch. Doch muss er, um sich nach England retten zu können, von der Fremdenlegion desertieren und per Schiff über Oran und Casablanca nach Lissabon fahren, von wo er mit Hilfe eines weiteren Täuschungsmanövers - dieses Mal der britischen Behörden - ohne ein gültiges Einreisevisum nach England fliegt und wie erwartet sofort in ein Gefängnis eingeliefert wird. Doch über die Einzelheiten dieser abschließenden Kette von Scharaden nach der Ankunft in Marseille, die mehrere Wochen gedauert hat (engl. Fassung 258), schweigt sich Koestler aus, um einerseits niemanden zu kompromittieren, doch viel mehr noch, weil er sein Schicksal bis zu dieser Fluchtstation als “typisch für die Gattung Mensch [ansieht], der er angehört”: the exiled, the persecuted, the hunted men of Europe; the thousands and millions, who, for reasons of their race, nationality or beliefs, have become the scum of the earth. The ‘I’ of this narrative, his thoughts and fears and hopes, and even his incongruencies and contradictions, stand for the thoughts and fears and hopes, but above all for the burning despair of a considerable portion of the Continent’s population” (nur engl. Fassung 263f.) Doch für alle diese Menschen ist der letzte Abschnitt von Koestlers Reisebericht eben nicht mehr typisch: The fact that the author escaped, and the way he did it, are no longer typical, but accidental and due to merely personal circumstances. For those who escaped are the exception, and those who perish are the rule for the category of men, with whom this book deals; and from this dreadful reality there is no escape (nur engl. Fassung 264). Als Beweis dafür hat Koestler zwei Seiten davor seine Begegnung mit Rudolf Breitscheid und Rudolf Hilferding in Marseille geschildert, die beide in der Weimarer Republik führende SPD-Politiker gewesen waren und, da sie keine Ausreisevisen von den französischen Behörden bekamen, um in die USA zu emigrieren, darauf vertrauten, von der Vichy-Regierung nicht an die Deutschen ausgeliefert zu werden. Doch sechs Monate später trat diese rechtliche und menschliche Ungeheuerlichkeit trotzdem ein. Entsprechend fühlt sich Koestler in einem Antwortbrief auf ein Lob über Scum of the Earth vom 18. Oktober 1941 direkt schuldig, dass er sich hat retten können: “ich weiss nicht, was ich sagen soll ausser dass jeder Tag den wir hier in relativem Behagen verleben unser Schuldkonto vergroessert denen gegenueber die in Vernet und den anderen Lagern zugrundegehen”. 14 Indirekt fühlt sich Koestler auch schuldig, nichts zur Vermeidung von Frankreichs Zusammenbruch beigetragen zu haben, wenn er seine Gesuche an die französischen Behörden mit 14 Brief an [Ernst] Lothar vom 18. 10. 1941 in: Koestler Archive in Edinburgh University Library. <?page no="122"?> Klaus Weissenberger 122 Joseph K.’s vergeblichen Bemühungen, zum Gericht vorzudringen und seine Verurteilung aufzuheben, vergleicht: “Perhaps I was really guilty, I and my like, perhaps our guilt was the past, the guilt of having foreseen the catastrophe and yet failed to open the eyes of the blind. But if we were guilty - who were they to sit in judgement over us? ” (166f. nur in engl. Ausgabe) Die Gegenüberstellung der allgemeinen Erklärung für den Eintritt in den Krieg mit “il faut en finir” und der Erklärung für die Kapitulation mit “Il fallait en finir” als “die Tragödie Frankreichs in einer Nußschale” (458) ist ein erster Hinweis auf einen volkspsychologischen Hintergrund für die französische Niederlage. An Deck des Schiffs, das ihn von Marseille nach Oran bringt, reflektiert Koestler darüber, ob Frankreich hätte gerettet werden können (268, engl. Ausgabe), und kommt zu dem Schluss, dass sich Frankreich militärisch und psychisch hinter einer chinesischen Mauer verschanzt hatte; militärisch hinter der Maginot-Linie und psychisch hinter einem Nicht-Gestört-werdenwollen, von dem besonders die führende Schicht profitierte. Dem Verlag gegenüber spricht er diesbezüglich von einem “Glaubensbekenntnis”, das als “hoffnungsvoller und konstruktiver Teil natürlich nur der Epilog (die Rettung) sein kann”: “The ‘confession de foi’ with which it ends can, I think, only sound convincing if the rest is written without eyewash. As propaganda the book aims at the man of the left and this can only be done by analyzing the reasons of France’s collapse from his point of view”. 15 Diese angestrebte Wirksamkeit macht Koestler abhängig von einer unverblümten Wirklichkeitstreue. Doch in einigen Fällen sieht es so aus, als ob Koestler die Wirklichkeitstreue der literarischen Wirksamkeit geopfert hat. So stellt sich eine sehr große Frage, warum er Gustav Regler, der ebenfalls mit ihm in Le Vernet interniert war, dort sogar die Position eines “Chef de Barraque” innehatte und dadurch für 200 Internierte verantwortlich war, eher beiläufig erwähnt, obwohl doch beide, wenn auch unterschiedlich, am Spanischen Bürgerkrieg beteiligt waren und beide kommunistische Renegaten waren. Allerdings war Koestler kein Insasse von Reglers Baracke, hat aber das Schicksal ihrer Bewohner, die sich aus dem Rest der Internationalen Brigade zusammengesetzt hat, zum Anlass genommen, den von Stalin an ihnen, der Komintern und der europäischen Arbeiterklasse verübten Verrat unbeschönigt zum Ausdruck zu bringen (404-07) und sich damit abgesehen von den Moskauer Schauprozessen zumindest indirekt für seinen Bruch mit der KP zu rechtfertigen. Aus dieser Akzentsetzung lässt sich entnehmen, dass zumindest einer der Gründe für die gegenseitige Antipathie, für die Reglers Darstellung von Le Vernet in seiner Autobiographie Das Ohr des Malchus eine Bestätigung liefert, 16 in dem gegenseitigen Anspruch liegen 15 Brief an Nicolson [publisher] vom 9. 1. 1941 in: Koestler Archive. 16 Vgl. diesb. Gustav Regler: Das Ohr des Malchus (Köln u. Berlin: Kiepenheuer und Wisch: 1958) S. 477, wo Koestler Reglers Methode der “friedlichen Verhandlungen” mit der Lagerverwaltung als “weichlichen Opportunismus” kritisiert und sich darin “immer noch [als] Sohn seiner früheren Partei” erwies, obwohl er sonst “als Privatmann zurückgezogen in seiner Baracke lebte”. Bezeichnend ist auch S. 480, wo sich Koestler über Reg- <?page no="123"?> Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa 123 muss, als erster - und falls nicht als dieser -, so doch als einziger die letztlich gültige Rechtfertigung für den Bruch mit der KP dargelegt zu haben. Als ein weiterer Grund wäre die gegenseitige Eifersucht auf schriftstellerische Erfolge und öffentliche Anerkennungen zu nennen, die sich für Koestler erst abzuzeichnen begannen, während Regler diesbezüglich zumindest bis zu seinem mexikanischen Exil einen großen Rückhalt besaß. Für diese unterschwellige Komplexität der Beziehung zwischen Koestler und Regler liefert Koestlers Brief vom 25. April 1941 an die Mutter Paul Willerts, der zu dieser Zeit einer der engsten Freunde Koestlers war und dem er wahrscheinlich die Entlassung aus Le Vernet zu verdanken hatte, ein sprechendes Zeugnis: D.[aphne] told me that you wonder whether there was some concrete reason for the mutual dislike between G.[ustav] and myself. There is none, parole d’honneur. I refused to ‘talk Gustav’ for the simple reason that he is not here; but quite likely I put this refusal in such an idiotic way that it sounded as if there was something mysterious behind it. In fact the position is a very trivial one: Gustav and I come from the same milieux, we are both writers by profession, of approximately the same age and have both our little idiosyncracies and vanities - so why on earth should we like each other? 17 Die umgekehrte Situation ist mit der Gestalt Marios aus dem Lager verbunden. Als Koestler als einer der ersten das Lager verlässt, ist es Mario, von dem er sich als letztem verabschiedet und diesen dabei mit Hiob vergleicht (nur in engl. Fassung 149). Und während er darüber berichtet, dass andere entlassen worden sind, ist es gerade Mario, der beim Waffenstillstand in der Falle von Le Vernet gefangen geblieben sein soll (dt. 426). Koestler macht ihn zum Symbol für die 2000 Männer von Le Vernet und die zehntausende von Deutschen und Österreichern, die die französische Regierung der Gestapo überlassen hat, statt sie nach Nord Afrika zu verschiffen, und klagt die französische Regierung an, “to have put [these people] on the spot” (engl. Ausgabe 151). Durch Zufall nun befindet sich im Koestler-Nachlass in Edinburgh ein Brief Koestlers an Leo Valiani vom 3. März 1942 folgenden Inhalts: You can imagine my surprise and delight when I received your letter (of December 12th) through Paul Willert. I thought quite a lot of you since we parted in Le Vernet and I feared that you were lost. I am almost tempted to say: thank God that you escaped. I suppose you were rather disgusted with ‘Mario’ in Scum of the Earth. It was the only sentimental passage I permitted myself and I simply exploited you as a model; models are no more than a pretext; and of course models are always disgusted with what the painters [! ] or writers [! ] fancy makes of them. ler darüber lustig gemacht haben soll, die Clochards oder Faulen vor den Strafmaßnahmen der Wachen geschützt zu haben. Doch es sind gerade die Clochards, die ihm im Gegensatz zu den kommunistischen Parteiführern bei seiner frühzeitigen Entlassung die Freiheit gönnten. Mehrdeutig ist dann der abschließende Satz: “Koestler hatte unrecht gehabt”. 17 Brief an Lady Willert vom 25. 4. 1941 in: Koestler Archive. <?page no="124"?> Klaus Weissenberger 124 This book needed a hero - cum grano salis -; and all the worse for our Vernet-lot that I could not find a more life-like hero. Well, I hope you forgive me. 18 Eine weitere Fiktionalisierung betreffen die Eintragungen in sein Tagebuch, das Koestler in einem kleinen Taschenkalender über die Flucht durch Südfrankreich bis Lissabon geführt hat und das er als einzigen Besitz mit einem Füllfederhalter und Pariser Busfahrkarten nach England hat retten können. Diesbezüglich schreibt er in Abschaum der Erde: “Die folgenden Seiten stammen aus diesem Notizbuch, ein paar Lücken, im Tagebuch durch Stichworte markiert, habe ich später ausgefüllt, einige Passagen, die aus der Sentimentalität des Elends entstanden sind, weggelassen” (456). Der Vergleich der ursprünglichen Eintragungen 19 mit den um ein Vielfaches erweiterten gedruckten Tagebuchpassagen macht es offensichtlich, dass sich Koestler dabei des Mediums des literarischen Tagebuchs bedient hat, um seiner Darstellung Unmittelbarkeit und Authentizität zu verleihen, und an einer Stelle sogar noch mehr: Von Freitag, dem 21. Juni, in Bergerac bis Dienstag, dem 25. Juni, in Bayonne ist eine Lücke in meinem Tagebuch. Während dieser fünf Tage spielte sich der letzte Akt der Tragödie Frankreichs ab, und ich war in einer Stimmung, in der es mir sinnlos erschien, weiterzuleben. In dieser Zeit machten meine Kameraden und Kollegen, denen dieses Tagebuch gewidmet ist, ihrem Leben in äußerster Verzweiflung ein Ende. Ich wußte das damals noch nicht, aber es lag in der Luft./ Wir glaubten, daß unsere Niederlage diesmal endgültig sei; aus einem europäischen Land nach dem anderen waren wir vertrieben worden, jetzt empfingen wir den Gnadenstoß; unsere Irrfahrt war zu Ende. [...] wir wissen auch, daß es nicht gleichgültig ist, wie und warum ein Mensch stirbt; es ist ein Unterschied, ob er von seinen Feinden getötet oder von seinen Freunden zum Selbstmord getrieben wird. Schuld kann vergeben, aber nicht vergessen werden (469f). Jedoch was das ursprüngliche Tagebuch betrifft, so fehlt nur am 22. Juni eine Eintragung. Die überarbeitete Fassung sollte nicht nur Koestlers Vorliebe für parapsychologische Vorkommnisse Rechnung tragen, sondern zudem seine Solidarität mit allen vor den Nazis Fliehenden unter Beweis stellen und zwar im schreienden Gegensatz zu den französischen Behörden; er glaubte, in diesem Fall die Wirklichkeitstreue der Wirkungsintention opfern zu müssen. Zum Nachspiel von Scum of the Earth gehören auch Teile seiner Korrespondenz mit seiner ersten Frau Dörte, geb. Ascher, von der er bereits kurz nach der Heirat 1935 getrennt lebte. Trotzdem hatte sich Dörte unermüdlich um seine Befreiung aus Francos Todeszelle bemüht. Die Flucht aus Paris war in der Begleitung Daphne Hardys erfolgt, und Koestler hatte bis zur Befreiung Frankreichs keine Nachricht über ihren Verbleib. In seinem ersten Brief an sie vom 12. November 1944 legt er ihr nahe, sich von ihm scheiden zu lassen, damit sie ihre jetzige Beziehung zu einem anderen Mann konsolidieren könnte, und versucht gleichzeitig, sich von dem Vorwurf, sie in Paris im 18 Brief an Leo Valiani [Weiczen] vom 3. 3. 1942 in: Koestler Archive. 19 In: Koestler Archive. <?page no="125"?> Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa 125 Stich gelassen zu haben, zu befreien, - ein wahrhaft literarischer Seiltanz. Der Brief beginnt: “It was great news to get your letter, and a stone fell from my heart to hear that you are sane and safe”. Darauf folgt eine Liste von Optionen, die Dörte hätte, ihn in England zu besuchen, um sich zu erholen; doch ihr Besuch sollte nicht während seiner Palästina-Reise stattfinden: “Needless to say that I would prefer you to come when I am here”. Der Abschluss des Briefes ist wie folgt: Another matter: I gather from your letter that your friendship with Jack seems to have become a lasting one. In case you want to marry, you can at any time start divorce proceedings against me, and I shall of course take the blame. Personally I am in no hurry as I have no intentions to re-marry - and nobody whom to... Daphne and I are great friends, mais c’est tout. I thought these news will in some feminine way cause you some satisfaction and cheer your heart. Anyway, I am going to remain a bachelor for the rest of my middle-aged days./ That’s all for the time being. But there is another matter I always wanted to explain to you since the days of the collapse. You probably thought that I got away to Limoges legally and left you in the lurch; whereas the truth is that I got a phoney travelling-permit which was only valid for me (without wife), whereas Daphne could join me because, as a British subject, she needed no permit. A few days later I joined the Foreign Legion under an assumed name - and that was that. 20 Wenn man Koestlers Beziehungen zu Frauen berücksichtigt, fällt es schwer, ihm in irgendeinem der drei Punkte Glauben zu schenken. Dementsprechend fühlte sich Dörte sehr verletzt und bezeichnet ihre Antwort als einen “traurigen Brief” und spricht mit dem Verlust mitmenschlicher Beziehungen ein exiltypologisches Phänomen aus: This is a sad letter, yes. But not a reproaching one. I would have written immediately after the reception of yours. What good are reproaches if you do not feel it yourself. Unfortunately one cannot live without one’s friends but it is hard to realise that time and space estrange as well as [a] different life. 21 Im Gegensatz dazu ist die Korrespondenz mit Paul Willert einer der wenigen Beispiele bei Koestler, in denen der Brief als solcher ihm zur Klärung und Bestätigung dient. So gehen aus seinem Brief vom 1. Juli 1941 über die anfänglich erfolgreiche deutsche Offensive gegen Russland seine prinzipiellen Sympathien für das kommunistische Experiment in Russland hervor, die er so offen nur Vertrauten gegenüber äußern kann. Ebenfalls bemerkenswert an Koestlers Analyse ist seine Prognose über die begrenzte Amtsperiode von Stalin und dessen Parteiapparat, obwohl er doch wie kaum ein anderer über Stalins Methoden, Rivalen zu beseitigen, informiert war: ...this is a bad time for letter-writing; anything one could say is bound to appear either futile or pompous when confronted with the events around Minsk. Since it began I live in a sort of doze, and there is nobody with whom I could discuss it and try to get some order into my thoughts. To whomever I talk regards the Ger- 20 Brief vom 12. 11. 1944 in: Koestler Archive. 21 Brief vom 26. 1. 1946 [Nicole Gadiot] in: Koestler Archive. <?page no="126"?> Klaus Weissenberger 126 man-Soviet war merely as an episode in the battle of Britain; I havn’t [! ] met anybody who even tries to make the effort to realise the immense issues at stake. Of course Stalin has succeeded in training us to regard the U.S.S.R. as a merely Russian affair; but Stalin and his bureaucracy have become very uninteresting now. He was Russias [! ] Chamberlain; the short-sighted appeasor, whose idiotic policy is responsible for the fact that his country has to fight the battle alone and under incomparably worse conditions as [! ] in September 1939. That is clear; but who cares today for Chamberlain? Whether the Soviets are victorious or defeated, Stalin and his beaurocracy will disappear. The great question is, What will come after? In the first case - perhaps the rebirth of all our hopes, and not only hope but fulfillment. In the second case some sort of Asiatic Sov. Republic will probably survive east of the Ural, but that would be of little interest for us. Anyhow, within the next thirty days we shall know. I think since 1917 there have not been thirty days so decisive. [...] My only wish is to be thirty days older. 22 Entsprechend seiner Hoffnung auf die Verwirklichung der sozialistischen Ideale ohne Diktatur und Parteihierarchie identifiziert sich Koestler immer noch mit Willi Münzenberg und seinem Kreis und nimmt die Auslieferung von Hans Schulz, dem Sekretär Münzenbergs, an die Gestapo zum Anlass, in einem Brief vom 2. Oktober 1941 Unstimmigkeiten zwischen Willert und sich zu beseitigen, um nicht das beide Verbindende aus den Augen zu verlieren: this news [die Auslieferung von Hans Schulz], by a rather obvious association, gave me the desire to write to you. There are so few of us left who have mas y [! ] menos the same outlook on things - I mean a certain common denominator more in the emotional than in the rational sphere - that we should really try not to break up completely and accept the little human weaknesses of each other. Nach einer kurzen Erklärung dieser Schwächen - bei Willert die einer koketten Weltschmerzattitüde und bei Koestler die einer Schulmeisterei - schließt dieser den Brief ab mit einer Würdigung von Schulz, Münzenberg und seiner Lebensgefährtin Babette Gross: Hans Schulz was the most honest and likeable of Willy’s men; he behaved wonderfully in Le Vernet and the thought of his being in the Gestapo’s hands is so horrible that I better don’t talk more about it. I had a very moving and courageous letter from Babette; I didn’t like you saying ‘makes me sick’ when I show [! ] you her last one. Babette is a great personality; she has the power, like Willy had, to make appear even the nullities in her entourage as important persons. Sure, Willy was utterly unscrupulous but he had a magic personality and he could accomplish miracles. Other politicians are just as unscrupulous without the positive side. There, the Schulmeisterei again. 23 Ein weiterer Beweis für Koestlers Anerkennung von Münzenbergs Verdiensten ist die Tatsache, dass er das Vorwort zu Babette Gross‘ Biographie über Willy Münzenberg verfasst hat. 24 Wie sehr dagegen für Koestler Gustav Reg- 22 Brief vom 1. 7. 1941 in: Koestler Archive. 23 Brief vom 2. 10. 1941 in: Koestler Archive. 24 Babette Gross: Willy Münzenberg. Eine politische Biographie. Schriftenreihe der Vierteljahrshefte f. Zeitgeschichte, Nr. 14/ 15 (Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1967) <?page no="127"?> Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa 127 ler nicht zu diesem Freundeskreis zählte, kann daran erkannt werden, dass ihm zum Tod von Reglers Frau Marie Louise die Worte fehlten: “I must confess that I didn’t find the eloquence in myself to write him so if you [Paul Willert] happen to write don’t mention that you heard it from me” (8. Dezember 1945). 25 In einem Brief vom 19. Juli 1943 an Paul Willert legt er die Gründe für seine Ungehaltenheit diesem gegenüber dar. Beide würden sie emotionell unstabil sein, weil sie metaphorisch gesprochen einen großen Wassertank auf ihrem Kopf balancieren würden, der bei der kleinsten falschen Bewegung “überschwappen” könnte. Wenn man diese Realität verstünde, “quarrels, rudeness, disproportionally violent or depressive reactions appear more or less as symptoms and can be taken on face value”. Hinter Koestlers Ausbrüchen steht aber, wie er zugibt, seine veränderte Situation im Vergleich zu seiner Ankunft in England vor drei Jahren: Three years ago when I arrived here [...] I was strutting about amongst you insular embusquées with my antifascist and activist laurels. Well, those laurels have withered and smell more like lavender in granny’s chest of old linen, and the activist now is you; the compass has swung round 180 degrees and that of course is not easy for me to swallow; hence my contribution (unvoluntary) to the ‘schwappings’ of water-tanks. 26 Im Verlauf dieser drei Jahre hat Koestler auch erkannt, wie wenig und falsch informiert der Großteil der englischen Bevölkerung war, was den NS- Genozid des Judentums in den KZs, die Inhaftierung der Antifaschisten in den französischen Lagern, den stalinistischen Terror und die Gründe für den gegenwärtigen Erfolg Hitlers betraf. Aus diesem Grund hat er begonnen, seine schriftstellerische Aktivität noch mehr als vorher in den Dienst einer allgemeinen Aufklärung zu stellen und Essays in Zeitschriften zu veröffentlichen. Ein zusammenfassendes Ergebnis dieser Tätigkeit ist der Band The Yogi and the Commissar aus dem Jahr 1945, 27 dessen Essays zum Großteil bereits in Zeitschriften zwischen 1942 und 1944 erschienen sind. Ganz allgemein gesehen handelt es sich dabei um eine an die allgemeine anglo-sächsische Bevölkerung gerichtete sozio-politische Aufklärung und Bewusstmachung, da Koestler einerseits bereits während seiner Flucht aus Frankreich durch den Kontakt mit den unteren Bevölkerungsschichten erkannt hatte, wie wenig die Partei über die Motivationsgründe des Proletariats informiert und massenpsychologisch geschult war (Abschaum 505), und andererseits aufgrund seiner Ansprachen an die Einheiten der britischen Luftwaffe eine ähnliche Situation politischer Naivität bei den britischen Soldaten festgestellt hat. 25 Brief vom 8. 12. 1945 in: Koestler Archive. 26 Brief vom 19. 7. 1943 in: Koestler Archive. 27 Arthur Koestler: The Yogi and the Commissar (New York: MacMillan, 1946); Der Yogi und der Kommissar. Auseinandersetzungen (Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1974 = suhrkamp taschenbuch 158). <?page no="128"?> Klaus Weissenberger 128 Bereits die Überschriften der drei Abschnitte “Meanderings” (“Streifzüge”), “Exhortations” (“Ermahnungen”) und “Explorations” (“Anatomie eines Mythos”) zielen in das Zentrum der essayistischen Wirkungsorientiertheit, den Leser am Gedankengang teilnehmen zu lassen und sich seine eigene Meinung zu bilden. Zwei grundsätzlich theoretische geschichtsphilosophische Paradigmaanalysen unter dem Titel “The Yogi and the Commissar” (I und II) rahmen die sehr faktisch und eher induktiv ausgerichteten ein, so dass die individuellen Analysen und Botschaften auf ein gemeinsames Ganzes verweisen, ohne dass dieses klar definiert wird, so dass der Leser selber diesen Prozess der Synthese und Integration vorzunehmen hat. Allen Essays ist auch gemeinsam, dass sie die kontroversen Themen zu Anfang der 40er Jahre dem Leser so nahe bringen, dass er dazu einfach Stellung nehmen muss. Mit dem Begriffspaar von Yogi und Kommissar will Koestler die zwei grundsätzlichen diametral entgegengesetzten soziologischen Verhaltensweisen umreißen, die der absoluten Vergeistigung, die auf einer Veränderung von Innen besteht, wobei der Zweck den Mitteln untersteht, und die Verhaltensweise des absoluten Materialismus, die auf einer Veränderung von Außen besteht, wobei der Zweck die Mittel heiligt. Geschichtsepochen lassen sich durch das Übergewicht der einen Ideologie über die andere definieren und in ihrem sich gegenseitigen Ablösen geben sie den dialektischen Ablauf der Geschichte zu erkennen. Beiden ist ein prinzipielles Dilemma inhärent: “Eine schiefe Ebene führt zur Inquisition und zu den Säuberungen, die andere zur passiven Unterwerfung unter das Bajonett und die Vergewaltigung, zu Dörfern ohne Kanalisation, zu septischem Kindbettfieber und zur septischen Augenkrankheit” (14). Beide schließen sich gegenseitig aus, so dass eine Synthese unmöglich ist; doch seit den 30er Jahren scheint die historische Bewegung auf den Yogi-Pol hinzusteuern, und es bleibt dem einzelnen überlassen, daran bewusst oder willentlich teilzunehmen. Auch hierbei liegt die Gefahr im Extrem: “Wer sich blind an die Vergangenheit klammert, der bleibt zurück. Wer sich aber allzu bereitwillig selbst aufgibt, wird wie ein dürres Laub hinweggeweht. So muß man sich, noch bewußter und noch widerstrebender, auf die Wanderschaft begeben” (15). Der Kommissar widersetzt sich am stärksten der Veränderung, wenn er es aber tut, dann bis zum Extrempol des Yogi. Entsprechend haben alle diejenigen, die vom Kommunismus enttäuscht worden sind, mystische Tendenzen übernommen. Ganz deutlich hat zu diesem sozio-politischen Modell Darkness at Noon Pate gestanden. In dem Essay “Die Intelligenz als Gesellschaftsschicht” wirft Koestler dieser Schicht vor, nie mit der sie betreffenden Bevölkerungsschicht zusammengearbeitet zu haben, sondern immer nur aus Eigeninteresse, so dass die von ihr propagierten Fortschritte immer von Dritten - meistens Diktatoren - unterlaufen worden sind. Für die Zukunft sieht er die große Gefahr, dass wie bereits in Sowjetrussland oder Nazi-Deutschland Intelligenz, Wissenschaft und Kunst ganz dem Staat eingegliedert sind und dessen Ideologie unterstehen, diese auch in den anglo-sächsischen Ländern in einen bürokratisierten <?page no="129"?> Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa 129 Staat eingegliedert werden. Statt der Devise “Kapitalismus oder Revolution” sollten Demokratie und Humanismus die Stichwörter sein und deshalb mündet dieser Beitrag in einen Aufruf zum “selbständigen Denken” (56). Zwei historischen Personen ist jeweils ein Essay gewidmet, der längere einem Piloten der RAF, Richard Hillary, der bei einem Abschuss starke Verbrennungen erlitt, aber auf seinem Wiedereinsatz bestand und dann bei einem Testflug im Alter von 23 Jahren tödlich verunglückt ist. Er hatte auch zu schreiben angefangen und war mit Koestler befreundet. Dieser muss in ihm einen Geistesverwandten gesehen haben, wenn Hillary seine Kriegsdarstellung damit rechtfertigt: “es doch zu schreiben -, in der Hoffnung, die nächste Generation möchte innewerden, dass wir, obwohl wir dumm waren, doch nicht so dumm waren, um nicht allzu gut uns daran zu erinnern, wie all dies im letzten Krieg gesehen worden ist -: dass wir aber trotzdem und nicht deshalb diesen einen wert fanden, ausgefochten zu werden” (62). Auch wenn Koestler Hillarys literarischem auf wenige Titel beschränktem Werk keinen bleibenden Platz in der literarischen Rangliste einräumen kann, so erkennt er in ihm einen neuen Typ von Schriftsteller, der an die Stelle des gebildeten bürgerlichen Humanisten getreten ist: “Flieger, Revolutionäre, Abenteurer, Männer, welche das gefährliche Leben führen, eine neue Technik der Beobachtung haben, einer seltsamen Alfresco-Introspektion, und einen noch seltsameren Zug zur Kontemplation, sogar zum Mystizismus, geboren in der stillen Zone in der Mitte des Orkans” (75). Die Verwandtschaft mit Koestlers Selbsteinschätzung liegt auf der Hand. Der zweite, allerdings sehr kurze Essay über eine historische Person trägt den Titel “The Great Crank” (“Der große Spinner”) und beginnt mit dem berüchtigten Satz Hitlers “In der Größe der Lüge liegt immer ein Faktor des Geglaubtwerdens” (nur engl. Ausg. 37-39), ohne diesen jemals bei Namen zu nennen, und leitet daraus Hitlers intuitiv erfassten “Schlüssel” zur Psyche der Massen ab, die durch den kleinsten gemeinsamen Nenner definiert wird. Folgerichtig kann eine Wiederholung des Phänomens “Hitler” nur durch das Anheben des Bildungsniveaus der Massen vermieden werden. Unter dem bezeichnenden Titel “Scum of the Earth” in der englischen Ausgabe findet eine auf einem Augenzeugenbericht beruhende Dokumentation über die Fortsetzung der unmenschlichen Verhältnisse in Le Vernet statt, und der Titel “Warum Greueltaten nicht geglaubt werden” dient Koestler dazu, einerseits das Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen von Methoden und Ausmaß des Genozids darauf zu zurückzuführen, dass “Statistiken nicht bluten” (91), aber andererseits darin keine Entschuldigung sieht, seinen Verpflichtungen gegenüber den Mitmenschen aufgrund der so bequemen Bewusstseinsspaltung nicht nachzukommen. Was laut dem Essay “Ritter in rostiger Rüstung” die Gründe für den Kriegseintritt der von Deutschland bedrohten Länder betrifft, so beruhen sie für Koestler auf der Verteidigung von konservativen Werten des 19. Jahrhunderts, wodurch der Krieg von Anfang an strategisch und ideologisch nach defensiven Gesichtspunkten geführt wird. Der so erfochtene Sieg wird aber nur eine temporäre Ruhepause für Europa sein, weil <?page no="130"?> Klaus Weissenberger 130 weder die Minderheitenprobleme noch die dem Kapitalismus inhärente Krankheit behoben sein wird, die Machtprobe zwischen Licht und Dunkel noch bevorsteht, man jedoch physisch überlebt hat. Kein überwältigendes Credo von einem Vertreter der “Linksintelligenz”, auf die der Titel zutreffen soll: “da stehen wir im Niemandsland, verdutzte Ritter in rostiger Rüstung mit einem handlichen Nachschlagebuch von Marx-Engels-Zitaten als unserem einzigen Führer - es ist der treueste und tiefste (“profoundest”) Führer für die Gesellschaft des letzten Jahrhunderts, aber ach, von bescheidenem Nutzen auf diesem völlig verwirrten Schlachtfelde von heute” (99). Entsprechend zeichnet sich für Koestler im darauffolgenden Essay “Die Bruderschaft der Pessimisten” - ausgehend von der provokativen Feststellung “In diesem Kriege kämpfen wir gegen eine totale Lüge im Namen einer Halbwahrheit” (100) - für die Nachkriegszeit ein Interregnum ab, eine Übergangszeit ähnlich der des frühen Christentums oder der Renaissance, die als eine Springflut die ganze Welt erfassen wird. Statt jedoch abwartend im Hintergrund zu bleiben, fordert Koestler von einer aktiven Vereinigung von Pessimisten, Oasen des Wiederaufbaus der menschlichen Gemeinschaft in der Wüste des Interregnums zu gründen - ohne radikale Lösungen und ohne drastische Maßnahmen. Damit ist der Übergang zur Auseinandersetzung mit der radikalen Lösung des Kommunismus in Sowjet-Russland gegeben, die Koestler in drei Originalbeiträgen vornimmt. Dabei ist es für Koestler wichtig, zwischen dem sowjetischen Mythus und der Realität zu unterscheiden. Im Gegensatz zu anderen utopischen Entwürfen hatten sich die Ziele der Linken - Regierung der Arbeiter und Bauern, Enteignung der Unterdrücker, Diktatur des Proletariats - tatsächlich verwirklicht und ein Goldenes Zeitalter beginnen lassen, so dass Sowjetrussland für die internationale Linke als das “neue ‘Opium für das Volk’” galt (141). Doch dieser Mythus ist einem kontinuierlichen Abnutzungsprozess unterworfen, weil die russische Revolution ihr Ziel, einen neuen Typ der menschlichen Gesellschaft in einem neuen moralischen Klima nicht hat verwirklichen können: “Der letzte Grund für diesen Fehlschlag war der dürre Materialismus des 19. Jahrhunderts, der die Doktrin dieser Revolution war. Sie musste Zuflucht nehmen zu den alten Rauschgiften, weil sie das Bedürfnis des Menschen nach geistiger und seelischer Ernährung nicht erkannte” (216). Der sowjetische Expansionsdrang und die Diktatur der Partei sind für das “Ende einer Illusion” bis zu einem derartigen Ausmaß verantwortlich, dass der Sozialismus in England viel weiter fortgeschritten ist als in Russland: “Zwar mögen scharfe Rückschläge und Perioden der Reaktion kommen, aber mit England müßte es sehr weit bergab gehen, ehe es das politische Niveau der russischen Autokratie erreicht haben würde” (237). Daher kommt Koestler zu dem zusammenfassenden Ergebnis: “die Ausbreitung des russischen Pseudokommunismus über Europa (kann) nur durch eine wahrhaft sozialistische Bewegung verhindert werden. Das Gegengift gegen den östlichen Byzantismus ist der westliche revolutionäre Humanismus” (238). Die Explosivität dieses politischen Weitblicks im Oktober 1944, <?page no="131"?> Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa 131 dem Zeitpunkt der Fertigstellung des Bandes, also Jahre vor Beginn des Kalten Krieges, ist kaum vorstellbar. Dagegen muss der zweite Rahmenessay unter dem Titel “Der Yogi und der Kommissar” bei dem Großteil der Leserschaft auf Unverständnis gestoßen sein. Denn darin hat Koestler auf die Koordinaten eines neuen Weltbilds verwiesen, bei dem die zweidimensionale Ebene der physikalischen und biologischen Erkenntnisse durch die Synthese mit Ethik, Politik und Psychologie um eine vertikale Dimension erweitert wird: Der Grundwiderspruch in der Stellung des Menschen, der Konflikt zwischen Freiheit und Bestimmung, Ethik und Logik oder in was für Symbolen wir es ausdrücken wollen, kann nur dann gelöst werden, wenn wir zwar auf der horizontalen Ebene unserer Existenz denken und handeln, aber uns dennoch stets der vertikalen Dimension bewusst bleiben. Dieses Bewußtsein zu gewinnen, ohne das andere zu verlieren, ist vielleicht die notwendigste und schwierigste Aufgabe, vor die sich das Menschengeschlecht je gestellt sah (276). Unabhängig von der Forciertheit einzelner Gedankengänge kann man den Gesamtentwurf als Vorstufe zu dem Darstellungsprinzip erkennen, auf dem Koestlers Autobiographie und seine Kepler-Biographie beruhen. In der literarischen Autobiographie ist die Korrelation von Erkennen und Entdecken immer vor dem Hintergrund des angestrebten Ausgleichs zwischen Identitätsbildung und Sozialisation zu sehen, dessen Einlösung zum raison d’être der Gesellschaft gehört, so dass Goethe im Kontext von Dichtung und Wahrheit erklärt hat: “Der Mensch kennt nur sich selbst, insofern er die Welt kennt, die er nur in sich und sich nur in ihr gewahr wird”. 28 Dieser um Stimmigkeit und Wahrhaftigkeit einer inneren Biographie bemühte autobiographische Erinnerungsprozess steht im Gegensatz zu der für das orthodoxe Judentum konstituierenden Erinnerung als Vergegenwärtigung des identitäts- und gemeinschaftsbildenden Wissens, wie es sich noch beim Ostjudentum in der von Eltern, Verwandten und jüdischen Stammesgenossen gelebten Glaubenszugehörigkeit bis in das erste Drittel des 20. Jahrhunderts manifestierte. Darin verwirklicht sich die für das Judentum exemplarische Erinnerungskultur des “Bewahre und Gedenke! ” als Ausdrucksform des zwischen Gott und den Menschen bestehenden Bündnisses, einer Erinnerungskultur, die im Gegensatz zum “kommunikativen” Gedächtnis des modernen Menschen, das zwei, allerhöchstens drei Generationen zurückreicht, sich als “kulturelles” Gedächtnis des mit Gott in der Wüste eingegangenen Bundes vergewissert. Im Fall von Arthur Koestler jedoch ist letzteres nicht der Fall, wie aus dem Titel des ersten Bandes seiner Autobiographie Arrow in the Blue von 1952 oder in der deutschen Übersetzung Der Pfeil ins Blaue von 1953 hervorgeht; denn damit verweist ihr Autor auf das für seine Jugendphase charakteristische Nachjagen von Utopien, die im betonten Gegensatz zur Einbindung 28 Johann Wolfgang von Goethe: Bedeutende Fördernis durch ein einziges geistreiches Wort. Hamburger Ausgabe Bd. 13 (Hamburg: Christian Wegner, 1955), 38. <?page no="132"?> Klaus Weissenberger 132 in das jüdische Gemeinschaftsbewusstsein stehen. Die äußerst komplexe Aufgabe, die sich Koestler aufgrund des “autobiographischen Pakts” zwischen Autor und Leser stellte, der ihn zur Wahrheit verpflichtet und den Leser zur Teilnahme an der autobiographischen Selbstvergegenständlichung zwingt, 29 bestand darin, rückblickend die “horizontale” oder “triviale” Ebene seines Lebensablaufs mit den “vertikalen” oder “tragischen” Einbrüchen aufeinander abzustimmen oder, konkret gesehen, die einschneidenden Entscheidungen seines Lebens, nämlich den Beitritt zur und Austritt aus der kommunistischen Partei sich und dem Leser gegenüber rechtfertigen zu können. Aus dieser Perspektive kann bei aller jüdischen Erziehung der orthodoxe Gemeinschaftsbezug gar nicht mehr den Stellenwert der “vertikalen” Orientierung besessen haben, und Koestler ersetzt ihn durch das Bild des Pfeils, den “ins Blau hinaufgeschossen [...] keine Grenze und kein Ende in Raum und Zeit” aufhalten kann. 30 Es ist gerade diese “Pseudo-Vertikalität”, bei der sich Orientierungslosigkeit und Utopismus gegenseitig bedingen und dem Wertzerfall und der Zerrissenheit der Zeit entsprechen, so dass diesbezüglich das zusammenhangslose “pikareske” Darstellungsprinzip der Autobiographie, um Starobinskis Termini aufzugreifen, gegenüber dem rückwärtsgewandten “elegischen” zur Geltung kommt. 31 Tatsächlich gleicht Koestlers Lebenslauf im ständigen abrupten Wechsel von Aufenthaltsorten, Berufen, Frauen und Ideologien - bei letzteren zum Zionismus, zum Kommunismus und danach zum pessimistischen Konservatismus - eher einem pikaresken Roman, den er in der nonchalanten Aneinanderreihung der Episoden wie ein distanzierter nicht unbedingt allwissender, aber dennoch souveräner Autor “erzählt”. Sowohl dem Chronistendrang wie dem entgegengesetzten Ecce homo-Motiv der Einmaligkeit von Ereignissen versucht er durch den Nachweis von deren Exemplarität zu entgehen und fasst von daher seine Autobiographie zu dem understatement der “typischen Geschichte eines mitteleuropäischen Intellektuellen im totalitären Zeitalter” zusammen, 32 womit er gerade dadurch den schonungslosen Wahrheitsgehalt seiner Darstellung beweist. Während der erste Band die Zeit von seiner Geburt 1905 bis zu seinem Beitritt in die Kommunistische Partei 1931 aus der Perspektive eines unbestimmten Verwirklichungsdrangs von jugendlichen Hoffnungen und Erwartungen umfasst, behandelt der zweite Band die Zeit von der Reise durch Sowjet-Russland 1932-33 bis zu seiner Flucht aus Frankreich nach England. Darin verarbeitet sind Koestlers erster Reisebericht Von weißen Nächten und roten Tagen, das Spanische Testament und Abschaum der Erde. Ob- 29 Philippe Lejeune: Der autobiographische Pakt. In: Günter Niggl (Hg.): Die Autobiographie. Zu Form und Gehalt einer literarischen Gattung (Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 1989), 214-257. 30 Arthur Koestler: Der Pfeil ins Blaue. Bericht eines Lebens 1905-1931 (Wien et al.: Kurt Desch, 1953), 60; im Text durch die Sigle “Pf.” ausgezeichnet. 31 Jan Starobinski: Der Stil der Autobiographie. In: Günter Niggl (a.a.O.), 200-13. 32 Arthur Koestler: Die Geheimschrift. Bericht eines Lebens 1932 bis 1940 (Wien et al.: Kurt Desch, 1954), 455; im Text durch die Sigle “Geh.” ausgezeichnet. <?page no="133"?> Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa 133 wohl der Reisebericht Von weißen Nächten und roten Tagen eine von russischer Seite vorgenommene stark gekürzte und ideologisch zurechtgestutzte Fassung von Koestlers Manuskript darstellt, lassen sich dennoch aus dessen Gegenüberstellung mit der in die Autobiographie eingegangenen Fassung entscheidende Schlussfolgerungen über Koestlers autobiographische Schreibkriterien ziehen. Dies trifft ebenfalls auf die beiden anderen autobiographischen Werke zu, die zum überwiegenden Teil in ihrer ursprünglichen Fassung in die Autobiographie übergegangen sind, doch hat Koestler gerade, was seine spanische Gefängnishaft betrifft, dieser Erfahrung einen ganz besonderen Stellenwert in seiner Entwicklung zuerkannt. Aufschlussreich für die Inkorporation der drei früheren Werke in die Autobiographie ist der Rahmen, in den Koestler die darin behandelten Lebensabschnitte rückblickend einordnet. Denn mit dem Titel The Invisible Writing oder Die Geheimschrift will Koestler auf das divinatorische Leitprinzip eines Textes verweisen, “von dem wir in seltenen Augenblicken der Gnade kleine Fragmente zu entziffern vermögen” (Geh.11). Erst nachträglich lassen sich das Verbrennen des Studienbuches, das als einziger Nachweis für sein Ingenieurstudium gedient hätte, und die erfolglose Kibbuz-Mitgliedschaft als derartige Fragmente der Vorbedingung für die darauffolgende steile journalistische Karriere erkennen. Den ebenso spontanen Entschluss, der kommunistischen Partei beizutreten und dadurch diese Laufbahn abzubrechen, wie auch den umgekehrten Austritt aus der Partei erklärt Koestler aus dem Alternativdenken der damaligen Zeit, das im Kampf gegen den Nationalsozialismus als einzige Alternative den Kommunismus gelten ließ, dem sich Koestler “wie einer Quelle frischen Wassers genähert (hat), (jedoch) ihn verließ, wie man sich aus einem vergifteten Fluß rettet, in dem die Trümmer überschwemmter Städte und die Leichen der Ertrunkenen treiben” (Geh.11). Von diesem Standpunkt aus relativieren sich entweder die früheren über die Sowjet-Union gemachten Beobachtungen oder lassen den Reisenden als ein naives Opfer ideologischer Indoktrination erkennen. Dementsprechend leitet Koestler seinen früheren Reisebericht mit der Bemerkung ein, dass er nach seiner Rückkehr von der Polar-Expedition an Bord des Zeppelins im Sommer 1931 seine Laufbahn als “bürgerlicher Journalist” abgebrochen und dem “Bund Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller Deutschlands” beigetreten sei und “im Herbst 1932 eine zweite Reise durch die Sowjetunion (unternommen habe) [...] die bis an die afghanische Grenze führte”. 33 Damit gibt er zu verstehen, dass diese Reise durch seinen Beitritt zur KPD möglich geworden war und sein Bericht im Auftrag der Partei verfasst worden ist. Entsprechend huldigt er dem kommunistischen Prinzip des Fünfjahresplans, dessen Forderungen auch die wissenschaftliche Forschung unterstellt ist. Denn nur diesen sei die Entdeckung der Herstellung von synthetischem Kautschuk zu verdanken - “allen Theorien über die 33 Arthur Koestler: Von weißen Nächten und roten Tagen. 12 Reportagen aus den Sowjet- Peripherien (Charkow: Staatsverlag der nat. Minderheiten der USSR, 1933), 5. <?page no="134"?> Klaus Weissenberger 134 Eigengesetzlichkeit des schöpferischen Geburtsaktes zum Hohn” (78). Gerade dieser letzteren Randbemerkung widerspricht Koestlers spätere Ansicht über die Spontaneität und Unkontrollierbarkeit des schöpferischen Akts vollkommen. Die Beschreibung von der größten Autofabrik in Gorkij - dem ehemaligen Nischnij Nowgorod -, die “in nicht ganz zwei Jahren erbaut” worden sein soll (82), veranlasst Koestler zu dem Resüme: “Die bolschewistische Therapie für Industrieerkrankungen unterscheidet sich von der kapitalistischen Krisentherapie etwa im selben Maße, wie die Rezepte des klinischen Diagnostikers von den Wunderkuren patagonischer Medizinmänner” (82). Noch gravierender ist die Tatsache, dass Koestler die allgemeine Hungersnot, der zu diesem Zeitpunkt bereits Millionen zum Opfer gefallen sind, mit keinem Wort erwähnt. Im Vergleich dazu lesen sich die betreffenden Abschnitte in der Autobiographie, auch wenn einzelne Abschnitte dem Manuskript der “roten Tage” entnommen sein sollen, 34 wie ein vollkommen anderes Buch; denn statt des früheren nahezu unreflektierten Propagandadokuments handelt es sich jetzt um einen echten literarischen Reisebericht, der die Erfahrung des Fremden gerade in seiner spezifischen Polarität von kulturellem Erbe, sozialen Zuständen, individuellen Schicksalen und landschaftlicher Gegebenheit einerseits und politischer Einfärbung oder Gleichschaltung andererseits zu erkennen gibt. Nicht nur gibt Koestler zu, die Bestätigung der von der sowjetischen Propaganda hervorgerufenen Vorstellungen von einem Über- Amerika erwartet zu haben (Geh.44), sondern auch wie alle anderen vom Kommunismus infizierten westlichen Besucher eine automatische Sortiermaschine in seinem Kopf besessen zu haben, mit deren Hilfe die sowjetischen Unzulänglichkeiten als Erbe der zaristischen Vergangenheit klassifiziert werden konnten (Geh.47). Rückblickend zählt sich Koestler sogar zu der Minderheit der wahrhaft Gläubigen, die vollkommen der Technik der Selbsttäuschung verfallen ist: “Der ‘innere Zensor’ im Kopf des wahrhaft Gläubigen vollendet das Werk des öffentlichen Zensors; seine Selbstdisziplin ist so tyrannisch wie der vom Regime erzwungene Gehorsam; er terrorisiert sein eigenes Gewissen, bis es sich unterwirft” (Geh.48). Dieser Terrorisierung sind auch persönliche Beziehungen zum Opfer gefallen, wie Koestler in schonungsloser Offenheit über seine Beziehung zu Nadeschda resümiert, mit der er in Baku eine Affäre gehabt hat und die er wegen seiner Apparat-Hörigkeit der GPU gegenüber denunziert hat. Sie war die einzige Person, die er jemals denunziert hat, obwohl er sie in diesen Jahren mehr geliebt hat als irgendeinen anderen Menschen. Dieser Konflikt lässt ihn “zum erstenmal ein Bruchstück der Geheimschrift erblicken”(Geh.107) und verursacht ein Schuldgefühl, das ihn noch Jahre danach verfolgt; wie andere Personen, denen Koestler in Baku begegnet ist, hat auch Nadeschda Eingang in Koestlers ersten Roman Sonnenfinsternis gefunden und zwar in 34 Die als Teile des früheren Manuskripts ausgezeichneten Passagen sind bis auf die Erzählung “Chadschi Mir Baba’s” nicht in der veröffentlichten Fassung enthalten. <?page no="135"?> Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa 135 der Gestalt von Rubashovs Geliebten Arlova, die dieser ebenfalls an den Parteiapparat verraten hat. Es ist diese Verknüpfung von faktischer Wahrheitssuche und persönlicher Aufrichtigkeit, die den Leser dazu zwingt, die von Koestler dargestellte Reziprozität von Überlebensstrategie, Identitätsfindung und Erkenntnisgewinnung, die er sich als persönlichen Gewinn aus seiner 102-tägigen Einzelhaft in einer von Francos Todeszellen erkämpft hat, faktisch und künstlerisch voll anzuerkennen. Denn nicht von ungefähr ist es Koestlers Wahrheitsextremismus, der ihn angesichts des Todes zur unbedingten Ehrlichkeit sich selbst und der Welt gegenüber zwingt, um sich mit der Bewahrung der menschlichen Würde der des moralischen Überlebenswillens zu versichern. Das Einkratzen von mathematischen Formeln auf die Zellenwand, insbesondere Euklids Beweis für die Unendlichkeit der Primzahlenreihe, hat Koestler in einen Zustand mystischer Unantastbarkeit versetzt: “Dann wurde mir, als glitte ich, auf dem Rücken liegend, in einem Fluß des Friedens unter Brücken des Schweigens. Ich kam von nirgendwo und trieb nirgendwo hin. Dann war weder der Fluß mehr da noch ich. Das Ich hatte aufgehört zu sein” (Geh.374). Koestler hat diese Erlebnisse, die “eine nachhaltige und belebende, heitere und alle Furcht verjagende Nachwirkung, die stunden- und tagelang anhielt” (Geh.375), “die Stunden am Fenster” genannt und durch sie die Gewissheit von “einer höheren Ordnung der Realität” (Geh.376) gewonnen. Von dieser sagt er, sie sei “ein mit Geheimtinte geschriebener Text, und obwohl man ihn nicht lesen konnte, war das Wissen um die Existenz eines solchen Textes hinreichend, um die Daseinsform eines Menschen zu ändern und ihm den Willen beizubringen, seine Handlungen dem neuen Text anzupassen” (Geh.377). Gerade weil Koestler ausdrücklich das Konzept der geistigen Wiedergeburt verwirft und “wirkliche geistige Wandlungen” durch “bewußte intellektuelle Erwägungen” ausschließt, liegt die Vermutung nahe, dass er dieses Erlebnis weitaus eher, wenn auch unbewusst, seiner jüdischen Herkunft verdankt, die die psychische Verfassung geprägt hat, “wo [in seinen Worten] die unbewußten Axiome des Glaubens, die Prämissen des Denkens, die einem innewohnenden Wertskalen wohnhaft sind” (Geh.381). Koestlers Konsequenz daraus war die Abkehr von einem Denken in Alternativen: “Vielleicht war die Lösung in einer neuen Synthese von Heiligem und Revolutionär, von aktivem und kontemplativem Dasein zu finden; oder vielleicht lebten wir in einer Zeit des Übergangs, wie es die letzten Jahrhunderte des Römischen Reiches waren, und es gab keine Lösung” (Geh. 381). Hinsichtlich dieser Darstellung seiner psychischen Bewältigung des “erzwungenen Verweilens auf der ‘tragischen Ebene‘, wo jeder Tag der Tag des Jüngsten Gerichtes ist” (Geh.380), gibt Koestler zu, dass sein “Bericht eine viel zu ordentliche und logische Beschreibung einer geistigen Krise ist, die ihre Auf- und Abstiege, ihre Fortschritte und Rückfälle hatte” (Geh.380). In der ursprünglichen Fassung des Spanischen Testaments hatte er eine “selbstbiographische Skizze” vorgelegt, in der 15 Jahre später verfassten Autobiographie eine “‘Erklärung’ der gleichen Ereignisse”. In der letzten Bearbeitung <?page no="136"?> Klaus Weissenberger 136 seiner autobiographischen Werke, die 1982 vom Verfasser autorisiert worden ist, fehlt diese “Erklärung”. “Und doch”, so versichert der Autor, “wohnt jeder dieser Versionen die Absicht inne, die Wahrheit wiederzugeben” (Geh.386). Mit diesem heuristischen Wahrheitsanspruch hofft er, seinen Wunsch als Schriftsteller erfüllen zu können, “hundert zeitgenössische Leser für zehn Leser in zehn Jahren und für einen Leser in hundert Jahren einzuhandeln” (Pf.34). Wie sehr er aber diesbezüglich missverstanden werden konnte, zeigt die Reaktion von Sir Peter Chalmers-Mitchell auf seine Abkehr vom Kommunismus, gerade von dem Menschen, bei dem sich Koestler in Malaga aufgehalten hatte, als er von Francos Truppen verhaftet worden ist, und der, der erste war, Koestlers Freilassung in die Wege zu leiten, ihm aber nicht zubilligte, durch das Trauma der Todeszelle in seinen Worten “die entscheidendste Periode (seines) Lebens, eine geistige Krise und ein(en) Wendepunkt zugleich,” (358) erfahren zu haben, sondern ihn 1941 in London nach dem Erscheinen von Darkness at Noon, dem Roman, der ja auf Koestlers eigener Erfahrung in einer Todeszelle beruhte, der Charakterlosigkeit bezichtigte: “What a pity that you sold yourself for thirty pieces of silver”. 35 Es ist erstaunlich, wie nahtlos sich diesem Erinnerungsbuch Koestlers Kepler-Biographie The Watershed als Schlussteil von The Sleepwalkers. A History of Man’s Changing Vision of the Universe von 1959 zu einer geistigen Erinnerungslandschaft anschließt, die sich für ihn durch den konstitutiven Akt der Vergegenwärtigung eines identitäts- und gemeinschaftsbildenden Wissens zu einer geistigen Heimat erweitert. Darin erfüllt er im Gegensatz zum “mythischen” Typus der Exilbiographie, der auf einer eher nostalgischen Verklärung eines verlorengegangenen Gemeinschaftsbewusstseins beruht, den “messianischen” Typus, bei dem es sich um die Transzendierung des zeitgenössischen Gemeinschaftsbewußtseins auf zweifache Art und Weise durch den Protagonisten handelt, nämlich entweder in der Gestalt eines Heiligen oder Märtyrers in der imitatio Christi oder, indem der Protagonist, aufgrund seiner Verinnerlichung oder Vergeistigung der äußeren Rahmenbedingungen des kulturellen Gedächtnisses, seiner Zeit voraus war. Hinzukommt noch, dass er auch die nationale oder ethnische Einbindung transzendiert und zu einer übernationalen allgemein menschlichen erweitert. Daher sind die äußeren Rahmenbedingungen durch die Konstituenten seines persönlichen Werdegangs und Wirkungsbereichs, die für sein Menschsein exemplarische Geltung gewinnen, ersetzt, so dass es immer wieder von ihm heißt, dass er “zu früh” geboren war. Im Falle von Koestlers “Nachtwandlern” handelt es sich um diejenigen “Astronomen” im weitesten Sinne des Wortes, die trotz ihrer Befangenheit von einem geozentrischen Weltbild intuitiv auf ein heliozentrisches verwiesen haben, also als “Nachtwandler” in der allgemeinen “Finsternis” intuitive Erleuchtungen hatten, und Kepler repräsentiert die große “Wasserscheide”, nach der es keinen echten Rückfall in die überholte Lehre mehr geben konnte. 35 Arthur Koestler: The Invisible Writing (New York: Macmillan, 1954), 391. <?page no="137"?> Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa 137 Ganz abgesehen davon, dass für Koestler Kepler neben Darwin, Spencer, Newton, Mach, Edison, Hertz und Marconi zu den “Helden seiner Jugend” zählte (Pf.59), hat er auch, wie bereits gezeigt, seine eigene Zeit als Übergangszeit verstanden und mit dem Ende des Römischen Reichs und der Renaissance verglichen. Hinzukommt noch ein wesentlicher anderer Aspekt, nämlich der des Schöpferischen oder Intuitiven, den er an sich oft genug erkannt und der “vertikalen” Absetzung gegenüber der trivialen Horizontalität zugeschrieben hat und der sich entgegen der Annahme, dass die Entdeckungen auf einem systematischen analytischen Prozess beruhten, als der eigentliche Antriebsfaktor für den Durchbruch des heliozentrischen Weltbildes herausgestellt hat. Dabei handelt es sich letztlich um eine Übertragung von Koestlers Wahrheitstreue auf den Prozess der naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung und dementsprechend um eine prozessuale Wahrheitsfindung, und Koestler wird dieser dadurch gerecht, dass er im Falle Keplers dessen Erkenntnisse nicht isoliert in die Wissenschaftsentwicklung von den Babyloniern bis Newton einreiht, sondern aus dem Kontext seiner Zeit, in der sich Fortschrittsdenken und Aberglauben, Glaubenserneuerung und Inquisition, Emanzipation und Reaktion gegenseitig die Waage halten, hervorgehen lässt. Nicht nur stellt sich der widerstrebende Zeitgeist Keplers Erkenntnisdrang entgegen, sondern er selbst hat aus seinen bahnbrechenden Erkenntnissen gar nicht die entsprechenden Konsequenzen gezogen, so dass er für Koestler als ein Paradebeispiel der prozessualen Wahrheitsfindung gilt, in dem sich Koestler wiederzuerkennen glaubt. Diese Identifikation beginnt bereits mit Keplers Selbstporträt im Alter von 26 Jahren, an dem Koestler die “schonungslose geistige Ehrlichkeit eines Menschen” bewundert, “der seine Kindheit im Purgatorium zubrachte und aus ihm einen Weg erkämpfte”. 36 Keplers Augenleiden nennt Koestler “den hinterlistigsten Streich, den das Schicksal einem Sterngucker spielen kann; doch niemand vermag zu sagen, ob ein angeborenes Leiden lähmen oder anspornen wird. [...] Wir werden Gelegenheit haben, den magischen Dynamo an der Arbeit sehen, der Qual in Leistung und Flüche in Segen umwandelt” (238). Ganz deutlich ist der, wenn auch nur indirekte Bezug zu Koestlers Minderwertigkeitskomplex einerseits, den er seiner elterlichen Erziehung zugeschrieben hat, und zu seiner gesellschaftlichen Marginalisierung andererseits, die ihm als Juden der schleichende und militante Antisemitismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auferlegt hat, und für deren Kompensation oder Sublimation Kepler ein Vorbild darstellen kann. Aber vor allem mit Keplers “Einschlag zur Verantwortungslosigkeit und Ruhelosigkeit im Blut, der seinen Vater, seinen Bruder und Onkel zu Landstreichern machte, die an keinem Ort, in keinem Beruf seßhaft werden konnten, [...] Kepler [jedoch] zu seinen ketzerischen, oftmals exzentrischen Geistestaten (trieb) und [...] ihn zum verwegensten und unberechenbarsten Abenteurer der wissen- 36 Arthur Koestler: Die Nachtwandler. Das Bild des Universums im Wandel der Zeit (Bern et al.: Alfred Scherz, 1959), 237. <?page no="138"?> Klaus Weissenberger 138 schaftlichen Revolution (machte)” (241), - vor allem mit dieser Veranlagung Keplers kann sich Koestler voll und ganz identifizieren. Keplers Übergangsstellung zwischen Mittelalter und Neuzeit oder geozentrischem und heliozentrischem Weltbild zeigt sich besonders eklatant an der Tatsache, dass er ein zutiefst religiöser Mensch war und seine drei nach ihm benannten Gesetze nur in dem Bestreben entdeckt hat, die der göttlichen Schöpfung zugrunde liegenden Prinzipien von Harmonie und Symmetrie im Kosmos nachzuweisen. Das Paradebeispiel dafür ist Keplers erstes Buch Mysterium Cosmographicum von 1596, in dem er darlegt, dass die Planetensphären von den fünf vollkommenen “pythagoreischen” oder “platonischen” Körpern gebildet werden, weil sie als einzige symmetrische Körper von Gott “dazu bestimmt (seien), zwischen die Bahnen der sechs Planeten gelegt zu werden, ‘wo sie sich vollkommen einfügen’” (254) und dadurch Gottes vollkommene Schöpfung bestätigen. Diese Selbsttäuschung Keplers gilt für Koestler als eines der wenigen Beispiele, “die zu einer wahren, umwälzenden Entdeckung führte und neue Naturgesetze aufdeckte” (252); der Leser ist versucht, Koestlers Eintritt in die KP mit dieser Selbsttäuschung zu vergleichen. Was die “umwälzende Entdeckung” Keplers betrifft, so findet sie bereits im zweiten Teil des “Mysteriums” statt, in dem Kepler “die göttliche Eingebung und apriorische Gewißheit” der empirischen Bestätigung unterzieht, wodurch dieses Werk zum “vollkommenen Sinnbild der großen Wasserscheide” wird (255). Denn mit diesem methodischen Vorgehen hat Kepler “die Grenze zwischen metaphysischer Spekulation und empirischer Wissenschaft” überschritten (255). Entscheidend dabei ist die von Kepler als erstem gestellte Frage nach dem Grund für die unterschiedlichen Umlaufzeiten der Planeten um die Sonne, die sich proportional zu ihrer Entfernung von der Sonne vergrößern. Denn mit seiner Antwort, “es müsse eine Kraft von der Sonne ausstrahlen, durch welche die Planeten in ihren Bahnen herumgetrieben werden” und dass sich “die äußeren Planeten langsamer [...] bewegen, da die Treibkraft im Verhältnis zur Entfernung abnimmt”, unternimmt Kepler zum ersten Mal seit der Antike den Versuch, den Himmelsbewegungen “eine physikalische Ursache zuzuschreiben”, und etabliert damit die Wiedervereinigung von Astronomie und Physik, die “zu Keplers drei Gesetzen, den Säulen, auf denen Newton das moderne Universum aufbaute”, führte (258). Dabei betont Koestler, dass der Übergang “von der anima motrix zur vis motrix, vom treibenden Geist zur treibenden Kraft, von der mythologischen Bildersprache zur mathematischen Symbolsprache” (260) keineswegs als Bruch, sondern als “schrittweise Umformung” erfolgte, die “niemals zu Ende geführt wurde und, wie man hoffen möchte, niemals zu Ende geführt werden wird” (260). Ebenso schrittweise gelingt es Kepler, seine drei Gesetze zu formulieren, die beiden ersten in seiner Astronomia Nova und das dritte in der Harmonice Mundi. Als “Zufall oder Vorhersehung” (298) in diesem Kontext muss seine Exilierung aus Graz angesehen werden, aufgrund der Kepler notgedrungen die Zusammenarbeit mit dem ebenfalls exilierten und zum kaiserlichen Ma- <?page no="139"?> Arthur Koestlers nicht-fiktionale Kunstprosa 139 thematicus ernannten Tycho de Brahe aufsucht. “Dem Anschein nach trafen da zwei geriebene Fachleute zusammen, die beide entschlossen waren, den anderen für ihre Zwecke auszunutzen. Doch im Innersten wußten sie mit nachtwandlerischer Sicherheit, daß sie dazu bestimmt waren, einander zu ergänzen, daß die Schwerkraft des Schicksals sie zueinander gezogen hatte” (305). Noch problematischer ist Keplers Beziehung zu Galilei, von dessen im Sternenboten veröffentlichten und mit Hilfe eines neuen Teleskops gemachten Entdeckungen Kepler allein aufgrund von Galileis sachlichem Stil überzeugt ist, ohne sie nachprüfen zu können, und dem er einen entsprechenden Brief schreibt, für den sich Galilei keineswegs bedankt, obwohl Keplers Urteil für Galileis Stellung in dieser Debatte ausschlaggebend ist, und außerdem ist er nicht bereit, Kepler eines seiner neuen Teleskope zukommen zu lassen, das diesem erlauben würde, die Existenz der Jupitermonde, um die es sich im wesentlichen handelt, aus eigener Anschauung bestätigen zu können. Daneben wird Kepler immer wieder von gesundheitlichen, finanziellen und familialen Problemen verfolgt, die ihn an der Durchführung seiner wissenschaftlichen Beobachtungen und Darstellungen behindern. Das eklatanteste Beispiel dafür stellt der Hexenprozess gegen seine Mutter in den Jahren von 1615 bis 1621 dar, die nur wegen ihrer Standhaftigkeit und des Beistands ihres Sohnes freigesprochen wird. Es ist unter diesen Umständen, zu denen noch die Exkommunikation hinzukommt, unter denen Kepler seine Harmonice Mundi schreibt, mit der er versuchte, “das letzte Geheimnis des Universums in einer alles umfassenden Synthese von Geometrie, Musik, Astrologie, Astronomie und Erkenntnistheorie zu enthüllen” (395); es ist bis zu Koestler der letzte Versuch geblieben, das Paradox zwischen Wissenschaft und Religion, Religion und Kunst, Substanz und Form, Materie und Geist aufzuheben. Das “allerletzte Paradoxon” von Keplers Entdeckungsprozess stellt die Tatsache dar, dass er sich der bahnbrechenden Bedeutung seiner drei Gesetze überhaupt nicht bewusst war, weil zu diesem Zeitpunkt Differentialrechnung und analytische Geometrie noch nicht bereitstanden, den Zusammenhang zwischen den drei Gesetzen herzustellen. “Des Ersten schämte sich Kepler, denn es bedeutete ein Aufgeben des geheiligten Kreises. [...] Für die Ellipse sprach nichts, weder in den Augen Gottes noch des Menschen. [...] Das Zweite Gesetz betrachtete er als bloßes Hilfsmittel; das Dritte war nur ein notwendiges Bindeglied im System der Harmonien und sonst nichts” (404). Deshalb kann Koestler auch Newton in seinem Verhältnis zu Kepler gerecht werden: “Not the least achievement of Newton was to spot the three Laws in Kepler’s writings, hidden away as they were, like forget-me-nots in a tropical flower bed”. 37 Entsprechend fasst Koestler Keplers “allerletztes Paradoxon” zu dem Urteil zusammen: “Johannes Kepler fuhr aus, um Indien 37 Arthur Koestler: The Watershed. A Biography of Johannes Kepler (London et al.: Heinemann, 1960), 223. Die deutsche Ausgabe nennt in diesem Zusammenhang nur das Dritte Gesetz (402). <?page no="140"?> Klaus Weissenberger 140 zu entdecken, und fand Amerika” (404), und erkennt auch darin einen für die Inspiration nicht untypischen Aspekt: “Das ist ein Fall, der sich auf der Suche nach Wissen immer wieder ereignet. Doch das Ergebnis bleibt unabhängig vom Motiv” (404). Gerade das Austragen dieses Widerspruchs zwischen Motiv und Ergebnis ist diejenige schriftstellerische Tätigkeit, die nicht nur Einblick in den schöpferischen Prozess vermittelt, sondern die auch als eines der Hauptkriterien der nicht-fiktionalen Kunstprosa gilt. In diesem Sinne beschließt Koestler seine Biographie mit einem Zitat aus einem von Keplers letzten Briefen aus dem Jahre 1629 - aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges: “Wenn der Sturm rast und der Staat von Untergang bedroht ist, können wir nichts Würdigeres tun, als den Anker unserer friedlichen Studien in den Grund der Ewigkeit zu senken” (428). Es ist das Verdienst Koestlers, neben dem “Wissenschaftler” Kepler den “Mystiker” Kepler nicht außer Acht gelassen zu haben und in dieser inneren Polarität die Grundlage von Keplers Inspirationen erkannt zu haben. Diese Biographie geht aber in einem Aspekt über Koestlers Identifikation mit Kepler und den anderen kosmologischen “Nachtwandlern” noch hinaus, indem der Titel Die Wasserscheide auch auf Koestlers Entwicklungsgang zutrifft. Denn diese Behandlung eines naturwissenschaftlichen Themas kennzeichnet für Koestler zugleich den Abschied von der Politik und eine Hinwendung zu allgemein geistig-kulturellen Problemen in ihrer Verknüpfung mit naturwissenschaftlichen, psychologischen und parapsychologischen Erkenntnissen. Er hat erkannt, dass die Menschheit seit der Renaissance auf den Pol der totalen geistigen Austrocknung zusteuert, weil die sich durchsetzende deterministische Weltanschauung den Menschen von der “untermenschlichen Tätigkeit von Drüsen, Genen, Atomen oder Wahrscheinlichkeitswellen” bestimmt sein lässt (550) und der physische Machtanstieg immer stärker zur Hybris der Wissenschaft beiträgt. Daher will er den früheren Kampf gegen die totalitaristischen Prinzipien von Nazismus und Kommunismus auf “einer gleichsam universaleren, gesamtmenschheitlichen und höheren Ebene für ein freies und menschenwürdiges Dasein frei von Angst” weiterführen; 38 wieweit dies im Medium der nicht-fiktionalen Kunstprosa erfolgt ist, muss jedoch einer anderen Untersuchung überlassen bleiben. 38 Joseph P. Strelka: Arthur Koestler. Autor - Kämpfer - Visionär (Tübingen: Francke, 2006), 120. <?page no="141"?> Arthur Koestler, Johannes Kepler and Friedrich Hölderlin Thoughts on the Eccentric Orbit 1 Emery E. George My subject is three individuals of genius: a thinker and writer with an output so varied that it is impossible to classify him (Arthur Koestler); perhaps the greatest astronomer in the Western tradition (Johannes Kepler); and a poet and writer, a giant in modern European letters (Friedrich Hölderlin). In their contexts, the paper looks at one problem solved: the elliptical shape of the planetary orbits within our solar system, and one unsolved: the application of this Law to operations of the human psyche within the processes of creativity. In my remarks below, I shall go from what Koestler knew and has taught us, about Kepler and about himself, to what Koestler could in all probability not have known about, namely, relations between Kepler and Hölderlin. The essay is divided into three parts: 1. The Elliptical Orbit; 2. Implications of the Elliptical Orbit; and 3. An Attempt at a Critique. 1. The Elliptical Orbit The findings summarized in Kepler’s First Law of planetary motion are well known. Earth’s orbit, along with the orbits of the other known planets, is in the shape of an ellipse, one of the two foci of said ellipse being occupied by the sun. It is an eccentric orbit; planetary motion is speeded in the area near the sun, at the perihelion, while it is slowed at the opposite end, the area away from the sun and near the unoccupied elliptical focus, the aphelion. Of Kepler’s three Laws, this first is the one of interest to us here. Although it was left to Isaac Newton to define planetary motion mathematically in terms of the twin forces of gravity and inertia, and thus to lay the foundations of 1 Lecture, delivered at the International Arthur Koestler Symposium, held at Auburn University, 22-24 March 2007. I wish to express my warm thanks to Professor Robert Weigel, Chair, Department of Foreign Languages and Literatures, Auburn University, for the invitation to participate in the Symposium; to Professor Michael Scammell, Writing Division, School of the Arts, Columbia University, for his kind permission to mention that Celia Goodman, sister-in-law of Arthur Koestler, is lately deceased; and to Mary W. George, Senior Reference Librarian, Princeton University Library, for numerous bibliographic favors and help with tracking down difficult citations. Thanks are due also to Yale University Library and to the Library of the University of Pennsylvania, for the kindness of books on interlibrary loan. <?page no="142"?> Emery E. George 142 modern celestial mechanics, it was with some right that Kepler subtitled his New Astronomy (1609) A Physics of the Sky. 2 For he had acquired at least an intuitive grasp of the need to remove the study of the paths of planets from pure geometry. The latter ultimately gave him the insight that the path of the planet is one of the conic sections; beyond that, Kepler needed to move on to the study of planetary motion as governed by physical phenomena. Koestler calls Kepler’s understanding of the new set of problems “physics on the watershed, halfway between Aristotle and Newton.” 3 What Kepler intuited according to Koestler’s account in The Watershed: A Biography of Johannes Kepler, 4 was that in planetary motion there must be “two antagonistic forces acting on the planets,” the “‘sun’s force’” versus the planet’s “‘laziness,’” two “pre-Newtonian” notions leading to ideas on gravity and inertia. 5 The discussion in The Sleepwalkers: A History of Man’s Changing Vision of the Universe (1959) 6 ends on Newton’s Principia (1687); Koestler is not yet ready to cite the contribution of Albert Einstein. 7 Koestler’s central theme in his study of Western astronomy is that his investigation forms a chapter in the psychology of creativity and scientific discovery. Progress in science proceeds in a zigzag pattern, and in making this clear, Koestler has a faithful ally in the author of the Astronomia Nova. 8 In Koestler’s narrative, we come to the point in 1600-1601 when young Kepler, at Benatek Castle, near Prague, is apprenticed to the Danish nobleman Tycho de Brahe, the leading observational astronomer of his time, and is assigned the task of calculating the orbit of the planet Mars: 2 See Johannes Kepler, Astronomia Nova: Neue, ursächlich begründete Astronomie, trans. Max Caspar, ed., with an Introduction, by Fritz Krafft, 2nd ed. rev. and enl. [as against the original ed. of 1929]. Wiesbaden: Marix Verlag, 2005. Cited as AN. 3 See Arthur Koestler, The Watershed: A Biography of Johannes Kepler, Foreword by John Durston, illus. by R. Paul Larkin, Science Study Series (Garden City, NY: Doubleday, Anchor Books, 1960) 151. Cited as WS. See also Max Caspar, Kepler, ed. and trans. C. Doris Hellman (London, New York: Abelard-Schuman, 1959). Cited as Caspar. Caspar’s standard biography is also written with warmth and sympathy with its subject, but not from the point of view of the theoretician of creativity, as is WS. 4 See especially ch. 6, “The Giving of the Laws,” and ch. 9, secs. 5 and 7. 5 WS 151; cf. ibid. 126-27. 6 With an Introduction by Herbert Butterfield (New York: Macmillan). Cited as Sleepwalkers. 7 On Newton’s Principia, see Sleepwalkers 496-509; on Einstein, ibid. 14, 339. In fact, Koestler is no more ready to cite the contribution of Immanuel Kant, Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels (Universal Natural History and Theory of the Heavens, 1755), one of the key precritical writings, nor indeed Pierre Simon Laplace’s celebrated five-volume Mécanique Céleste (1799-1825). Koestler does cite, in passing, the “Kant-Laplace theory of the origin of the solar system” (Sleepwalkers 526). Kant’s Allgemeine Naturgeschichte is briefly discussed in Manfred Kuehn, Kant: A Biography (Cambridge, New York: Cambridge U P, 2001) 104-05; the Kant-Laplace theory cited, Kuehn 105. 8 WS 123-24. Koestler sees the AN in effect as a research diary, very personal and personable, “intimate, and often exasperating” (123). <?page no="143"?> Arthur Koestler, Johannes Kepler and Friedrich Hölderlin 143 ... Mars held the secret of all planetary motion, and young Kepler was assigned the task of solving it. He first attacked the problem on traditional lines; when he failed, he began to throw out ballast and continued doing so until, by and by, he got rid of the whole load of ancient beliefs on the nature of the universe, and replaced it with a new science. 9 The full narrative is contained in The Sleepwalkers; here, we must concentrate on the steps Kepler had to take to arrive at his First Law of planetary motion. I count twelve: (1) he was assigned the orbit of Mars because it is “the most pronouncedly elliptical,” 10 (2) two forces act on planetary motion, accounting for the elliptical shapes of the orbits as well as for their eccentric nature; (3) the planes of the orbits pass through the sun; (4) Kepler proves “that the plane in which Mars moves passes through the sun, and ... forms a fixed angle with the plane of the earth’s orbit; ” 11 (5) Kepler discards the notion of uniform speed of orbital movement, also the epicycles on which Nicolaus Copernicus‘ calculations depended; (6) Kepler arrives at a draft of calculations of positions along Mars’ orbit; (7) “victory over Mars” (after Kepler’s seventy-odd trials); (8) the eight minutes’ arc; 12 (9) “introduction of physical causality into the formal geometry of the skies; ” 13 (10) Kepler throws out circular motion; (11) now comes the oval; and, finally, (12) the ellipse. 14 These steps lead to Kepler’s formulation of his First Law: the shape of the planetary orbit is elliptical. Kepler’s Second Law, which precedes the first in time, is preconditional to his acceptance of this elliptical shape; it states: “The area swept over by the line connecting planet and sun AS - BS is a measure of the time required by the planet to get from A to B; hence the line will sweep out equal areas in equal times.” 15 Only the first two of Kepler’s three Laws are included in the Astronomia Nova. 16 Kepler had to make his peace with the elliptical shape of the planetary orbits as a fact of his new physics of the sky; philosophically, he never came to terms with it. Indeed it is a question that bothers not only Kepler, but also Koestler, his twentieth-century chronicler. Why should the shape of the planetary orbit be elliptical? Beyond mere hypothesis? That is for the time 9 WS 125. 10 WS 125. 11 WS 127. 12 The seventy-odd trials: AN, ch. 16 (WS 132); the eight minutes’ arc: WS 133-35. 13 WS 135. 14 WS 140-47 (on oval and ellipse). On the entire path, from steps (1) through (12), cf. Caspar 123-42 (ch. 3, sec. 3: “Astronomia Nova; and the second and first planet laws”). 15 WS 140 and ibid. fig. 6. The Second Law: AN, ch. 40; the First Law: ibid. ch. 58. 16 WS 122; the Third Law will be found spelled out in the Harmonice Mundi (1619), in bk. 5, ch. 3, proposition 8. In Koestler’s simplified form, it states: “the squares of the periods of revolution of any two planets are as the cubes of their mean distances from the sun” (WS 220-22; 221). Koestler’s ch. 9, n. 19 (WS 269) cites the Harmonice Mundi, following the full original Latin text of Kepler’s Third Law. For an English translation, see Johannes Kepler, Epitome of Copernican Astronomy and Harmonies of the World, trans. Charles Glenn Wallis (Amherst, NY: Prometheus Books, 1995) 180. <?page no="144"?> Emery E. George 144 being an unanswered question of the first importance, somewhere between metaphysics and psychology; it is also a milestone in Koestler’s narrative. With great patience he takes us through the steps it took Kepler to go past various models - past circle and oval - to the apparent one, the ellipse. It was never mathematically apparent to Kepler himself; by hindsight, his three Laws fall into place only with the help of “Newton’s ... equations.” “Without the roof that holds them together, Kepler’s Laws seem to have no particular raison d’être.” Koestler speaks of the “Keplerian schizophrenia”; one senses that a view of the Koestlerian split-personality syndrome is not far off. 17 Koestler’s deep affinity with Kepler is not allowed to escape us. From the very first, Koestler’s mind was bursting at the seams with intellectual curiosity. In Arrow in the Blue: An Autobiography, he writes: “The heroes of my youth were Darwin and Spencer, Kepler, Newton and Mach; Einstein, Herz and Marconi - the Buffalo Bills of the frontiers of discovery.” 18 In Darkness at Noon, Koestler makes the imprisoned and condemned Rubashov regret his lifetime political involvement; he should have studied astronomy instead. 19 Later, Koestler records in his diary-notebook: “K=K! ” 20 Without a doubt this entry alludes to two names closely resembling each other. But Koestler’s interest in Kepler at the watershed of knowledge is but an aspect, if an important one, of the modern thinker’s reaching out in several directions at once. Koestler was interested in trespassing on so many areas of learning that his preoccupation with the nature of creativity springs from those concerns as a logical corollary. It is of some interest to observe that even the order in which his books on creativity are written betray a certain sleepwalking mind in which he interests himself - his own. First comes Insight and Outlook (1949); then The Sleepwalkers; next, The Act of Creation, which precedes The Sleepwalkers in argument; finally, volume three of the creativity trilogy, The Ghost in the Machine (1967). Insight and Outlook is absorbed in The Act of Creation, while The Watershed is separated out of The Sleepwalkers. Let us for a moment return to Kepler’s dissatisfaction with the shape of the elliptical planetary orbit. In his youthful work of 1597, Mysterium Cosmographicum, Kepler writes that he arrived at his model of the universe “by physical, or if you prefer, metaphysical reasons.” 21 The Babylonians and Copernicus also placed the sun at the center of our universe. But Kepler’s reasons for arguing for a suncentered planetary system were that in his cosmography of the time he saw 17 An explanation as to why the orbit of a planet should be an ellipse will be found in Sleepwalkers 506-07. On Kepler’s “split mind,” giving aid and comfort to nonscientific notions (e.g. astrology) as to science, see WS 224; on Koestler’s problems, see below, and nn. 59-66; on Hölderlin’s, below, and nn. 83, 85, and 86. 18 (n.p. [London]: Collins, Hamish Hamilton, 1952) 51. 19 See Arthur Koestler, Darkness at Noon, trans. Daphne Hardy (New York: Random House, Modern Library, n.d. [1946]) 257 (ch. 4, sec. 2). Cf. ibid. 263 (ch. 4, sec. 3). 20 See Arthur and Cynthia Koestler, Stranger on the Square, ed., with an Introduction and Epilogue, by Harold Harris (New York: Random House, 1984) 189. Cited as Stranger. 21 WS 59. <?page no="145"?> Arthur Koestler, Johannes Kepler and Friedrich Hölderlin 145 God the Father (the sun) and the Holy Ghost (which drives the planets) presiding over what Kepler would later identify as physical forces, ultimately, as gravity and inertia. Here, young Kepler bisociates. 22 Yes - the Holy Ghost is to be identified as a moving force seen as a physical force shaping the eccentric orbits and governing planetary motion. As soon as Kepler had gone over to the physical dimension it occurred to him, far in advance of the definitive formulation of his Third Law, that the elliptical orbit is shaped by a planet’s speed being covariant with, that is, inversely proportional to, its distance from the sun. 23 Why, then, should the shape of the planetary orbit be an ellipse? In philosophy, there are two kinds of why: the why of mechanism (what makes the clock tick? ) and the why of teleology (what purpose does the clock serve? ). It may seem surprising to find that Koestler, who is so systematically interested in ideas in polar opposition, does not account for this lexical pair as such in his writings; the closest we come is in his discussion of purposiveness in evolutionary biology. 24 For now, we must be content with observing that there is an application of Kepler’s unanswered question outside his field. He had come close to solving the mechanistic side of the equation; and in this it is no exaggeration to say that he is the most important forerunner of Newton. The teleological side was not yet apparent, either to Kepler or to Koestler. 25 2. Implications of the Elliptical Orbit The, to us seemingly curious, marriage of physics and metaphysics was celebrated in Kepler’s youthful mind at the stage of the Mysterium. Meanwhile, back in the Tübinger Stift (theological seminary at Tübingen), which Kepler 22 WS 59-61. God the Son is conceived by Kepler as presiding over the heaven of the fixed stars (WS 60). See also “Gravity and the Holy Ghost,” Arthur Koestler, The Act of Creation (London: Hutchinson, 1964) 124-30. Cited as Act. 23 See Caspar 131. There is an incorrect and a correct version of this; see WS 137-39, ibid. 139-41, and ch. 6, n. 23 (WS 263). Cf. also Kepler’s Third Law; above, n. 16. 24 See Sleepwalkers 536-37; further, Arthur Koestler, The Ghost in the Machine (New York: Macmillan, 1968) 151-60 (ch. 11: “Evolution CTD: Progress by Initiative”); Beyond Reductionism: New Perspectives in the Life Sciences, The Alpbach Symposium 1968, ed. Arthur Koestler and J. R. Smythies (London: Hutchinson, 1969); Koestler, Janus: A Summing Up (New York: Random House, 1978) 191-92 (“teleology”); ibid. 205-26 (ch. 11: “Strategies and Purpose in Evolution”). Cited as Janus. 25 By this I do not mean that Kepler’s thinking and writing are not teleologically keyed. Both such an early work as the Mysterium Cosmographicum, 1597 edition, and such a late one as the Epitome Astronomiae Copernicanae (1617-1621) are filled with questions, and one of the prominent ways of answering them is unabashedly teleological (see Caspar 67, 296-97). The Epitome is all questions and answers; see Johannes Kepler, Gesammelte Werke, ed. Walther von Dyck and Max Caspar, 21 vols. to date, 7 (Munich: C. H. Beck, 1953): 8-530. A true child of his time, Kepler was open to thought in which “old and new, mechanistic and ... teleological principles ... are interwoven” (Caspar 297). But not in the particular sense here intended. <?page no="146"?> Emery E. George 146 attended in his student days, a certain young pupil named Friedrich Hölderlin was also diligently pursuing studies in theology, the classics, history, and the mathematical and physical sciences, not last astronomy. 26 Hölderlin attended the Stift a healthy two centuries more recently than Kepler did; he is halfway between Kepler and us. Kepler’s preeminent teacher in astronomy, Michael Maestlin, remained his pupil’s lifelong friend and advisor; Hölderlin’s teacher in the mathematical sciences, Christoph Friedrich Pfleiderer, was as devoted, although we seem to possess little evidence of later contacts between teacher and pupil. 27 Although Hölderlin did not subsequently study astronomy, 28 to Kepler’s thought he responded with a great deal of appreciation. The early Hölderlin is responsible for an ode titled “Keppler,” written in one of Friedrich Gottlieb Klopstock’s invented odic meters; and the so-called Tübingen hymns, sharp imitations of Friedrich Schiller’s poetry in the mode of “An die Freude,” are replete with astronomical imagery and a sense of extraterrestrial uplift. 29 When Hölderlin comes to the image of die exzentrische Bahn (the eccentric orbit), it seems to be time for him to think teleologically, beyond his lessons in Pfleiderer’s classroom. Hölderlin is engaged by the purposes to which he can put his important find; he bisociates, too. Now, how is that done? Koestler’s definition, from The Act of Creation: “[Bisociation consists in] the perceiving of a situation or idea, ..., in two self-consistent but habitually incompatible frames of reference.” 30 Let me offer an example of my own; it is a well-meant piece of advice: Never hang a picture without due process. We immediately see the point: we are working in two similar although conflicting operative fields. As in Koestler’s diagram, two planes intersect. The first four words in my sentence suggest a house or museum where a picture is about to be hung; the last three, a courtroom where deliberations 26 WS 26-33; Caspar 38-50; see also Ernst Müller, Stiftsköpfe: Schwäbische Ahnen des deutschen Geistes aus dem Tübinger Stift, with contributions by Theodor Haering and Hermann Haering (Heilbronn: Eugen Salzer, 1938) 31-100 (“Johannes Kepler, der Fürst der Sternkunde”); ibid. 258-97 (“Friedrich Hölderlin,” by Hermann Haering). See also “... im Reiche des Wissens cavalieremente”? Hölderlins, Hegels und Schellings Philosophiestudien an der Universität Tübingen, ed. Michael Franz (Tübingen: Hölderlin- Gesellschaft, 2005). Cited as Franz. 27 On—the later often reluctant—Maestlin, see WS, Index; Caspar, Index of Names, especially 45-47; on Pfleiderer, Franz 313-404. See also Adolf Beck, in: Hölderlin, Sämtliche Werke, Große Stuttgarter Ausgabe, ed. Friedrich Beißner and Adolf Beck, 8 vols. in 15 (Stuttgart: Kohlhammer, J. G. Cottas Nachfolger, 1943-1985), 6: 2: 594, 22-29. Cited as StA, volume, part, page, and line. Hölderlin’s letters are cited also by Beck’s numbering and line. 28 But see letter 47 (to Neuffer), lines 32-35; StA 6: 1: 71. 29 Hölderlin’s ode “Keppler” will be found in StA 1: 1: 81-82; my translation (refashioned into Alcaics) is here enclosed as an Appendix. On the Tübingen hymns, see Wolfgang Binder, “Einführung in Hölderlins Tübinger Hymnen,” Hölderlin-Jahrbuch 18 (1973- 1974): 1-19. 30 Act 35 and ibid. fig. 2. <?page no="147"?> Arthur Koestler, Johannes Kepler and Friedrich Hölderlin 147 are in progress as to whether a criminal offender should be hanged. Just so in Hölderlin’s use of the phrase die exzentrische Bahn. His two intersecting planes are those of Keplerian astronomy and individual psychology; Hölderlin goes from model to metaphor. The textual evidence brings us to two related yet distinct areas of applicability of the image of the eccentric orbit: to humanity in general and to the individual case. Concern with humanity in general we find voiced in Hölderlin’s novel Hyperion oder Der Eremit in Griechenland (Hyperion, or The Hermit in Greece, 1797, 1799), in two prefaces. The first passage occurs in the foreword to the so-called “Fragment von Hyperion,” which Schiller published in his periodical Neue Thalia; the second, in the preface to the penultimate version of the novel. 31 In the preface to the “Fragment,” Hölderlin writes: “Es giebt zwei Ideale unseres Daseyns: einen Zustand der höchsten Einfalt, ..., und einen ... der höchsten Bildung, ... Die exzentrische Bahn, die der Mensch, im Allgemeinen und Einzelnen, von einem Punkte (der mehr oder weniger reinen Einfalt) zum andern (der mehr oder weniger vollendeten Bildung) durchläuft, scheint sich, nach ihren wesentlichen Richtungen, immer gleich zu seyn” (“There are two ideals of our existence: a state of the highest simplicity, ..., and one ... of the highest culture .... The eccentric orbit that man traverses, in general as in particulars, from the one point [simplicity more or less pure] to the other [culture more or less achieved] seems in its essential directions to be always the same”). And in the preface to the penultimate version, we read: “Wir durchlaufen alle eine exzentrische Bahn, und es ist kein anderer Weg möglich von der Kindheit zur Vollendung” (“We all traverse an eccentric orbit, and there is no other way possible from childhood to fulfillment”). 32 These passages are famous, in their startling isolation, for 31 See Neue Thalia 4, no. 5 (1793): 181-221: “Fragment von Hyperion,” cited as “Thalia- Fragment,” StA 3: 163-84; “Die vorletzte Fassung,” ibid. 235-52. See also Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, “Frankfurter Ausgabe,” ed. D. E. Sattler et al., 18 vols. to date (Frankfurt am Main, Basel: Stroemfeld/ Roter Stern, 1975—); the two full texts (not prefaces only), 10: 47-74; ibid. 276-87, respectively. This edition is cited as FHA, volume, page, and line. 32 Frg. 181, 1 to 182, 3; StA 3: 163 (preface to the “Thalia-Fragment”); ibid. 3: 236, 13-14 (preface to the penultimate version). See also FHA 10: 47, 1-6, 9-13; ibid. 276, 36-37. It is important to note here that the eccentric orbit, used as metaphor, is not original with Hölderlin. It is attested in many quarters during the early modern period, including Milton; see Marshall Brown, “The Eccentric Path,” Journal of English and Germanic Philology 77, no. 1 (1978): 104-12. In the Hölderlin literature, much has been written on the eccentric orbit image that is valid, much also that is questionable to varying degrees. A number of positions are summarized in Elena Polledri, “Immer bestehet ein Maas”: Der Begriff des Maßes in Hölderlins Werk, Epistemata, 418 (Würzburg: Königshausen und Neumann, 2002) 83 (ch. 3, n. 108). To adduce but one example not noted in Polledri, Pierre Bertaux writes: “Die exzentrische Bahn stellt in Hölderlins Weltbild ‘die Revolution’ dar,” meaning, I take it, “Revolution” in the widest sense, including the political. See Bertaux, Hölderlin und die Französische Revolution, Edition Suhrkamp, 344 (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1969) 158. Bertaux discourses on the image at length, drawing in, in his endnotes, astronomy with precision and detail (ibid. 155-61). <?page no="148"?> Emery E. George 148 their unmistakable allusion to what Hölderlin learned from Kepler, all the more so since there are no further occurrences of the phrase exzentrische Bahn either in the novel or in the poetry. 33 But Wolfgang Schadewaldt, in his excellent study “Das Bild der exzentrischen Bahn bei Hölderlin” (“The Image of the Eccentric Orbit in Hölderlin’s Life and Work”), 34 is right - we do not need a formulation in the very words to see that Hölderlin was all his working life concerned with the eccentric orbit as an anthropological insight and a working idea. 35 We are entering the poet’s field in medias res. In quoting and citing Hyperion, we find ourselves studying Hölderlin’s mature period. He is at Frankfurt, with the Gontard family; and the time Hölderlin spends with Mme. Susette Gontard, who in the novel becomes Diotima, reigning queen of the ideal of beauty, is some of the happiest of his life. Before those years, 1796- 1798, the young student and poet has already put an eloquent correspondence behind him; and it is in the letters that we find an “unsparing” selfcritique that challenges comparison with the Confessions of Jean-Jacques Rousseau, every bit as much as do Kepler’s letters and other writing. 36 Hölderlin’s dissections of his psyche begin, as Schadewaldt points out, with the very first known letter, the one to Diakonus Nathanael Koestlin, one of Hölderlin’s teachers at the Lateinschule in Nürtingen; the fifteen-year-old writes: “immer wankte ich hin und her” (“always I tottered to and fro”); 37 and they reach all the way to his communications to his great mentor Schiller. The bulk of the letters in which the eccentric orbit of the psyche is observed and reported on is addressed to schoolfellows, predominantly to Christian Ludwig Neuffer; to Hölderlin’s half brother, Carl Gock; and to their mother. Neuffer becomes a de facto father confessor to Hölderlin; the following passages are by no means atypical: “Du vermagst alles über meine Grillen, u. Launen” (“You have all sorts of powers over my irritability and mood- 33 See Heinz-Martin Dannhauer, Hans Otto Horch, et al. (compp. and eds.), Wörterbuch zu Friedrich Hölderlin, I. Teil: Die Gedichte, Indices zur deutschen Literatur, 10-11 (Tübingen: Niemeyer, 1983); Hans Otto Horch, Klaus Schuffels, et al. (compp. and eds.), Wörterbuch zu Friedrich Hölderlin, II. Teil: Hyperion, Indices zur deutschen Literatur, 19 (Tübingen: Niemeyer, 1992). Individually, both words recur in Hyperion; Bahn recurs in the poetry. 34 In: Wolfgang Schadewaldt, Hellas und Hesperien: Gesammelte Schriften zur Antike und zur neueren Literatur, ed. Klaus Bartels, Reinhard Thurow, and Ernst Zinn, 2nd ed., 2 vols. 2 (Zurich, Stuttgart: Artemis, 1970): 175-89. On Hölderlin’s interest in astronomy, ibid. 176-78. 35 Schadewaldt 177-78. 36 In WS, Koestler frequently cites Kepler’s letters as in the translated selection: Johannes Kepler in seinen Briefen, ed. and trans. Max Caspar and Walther von Dyck, 2 vols. (Munich and Berlin: R. Oldenbourg, 1930); citation here after Caspar 393, which is more complete than the form followed by Koestler. The comparison of Kepler’s selfdissections with the Confessions of Rousseau is first suggested in WS 28. The word “unsparing” is Koestler’s. 37 Letter 1, lines 11-12; StA 6: 1: 3; quoted and cited also in Schadewaldt 179, and n. 15. <?page no="149"?> Arthur Koestler, Johannes Kepler and Friedrich Hölderlin 149 iness”); 38 “Weil ich zerstörbarer bin, als mancher andre, ...” (“Because I am more destructible than many another person, ...”). 39 Then comes an image applied to humanity as a whole: “Wenn nur der Mensch nicht so periodisch wäre! ” (“If only man were not so periodic! ”). He calls this “allgemeines Schiksaal der Seelen ... Nur sind die Grade verschieden” (“an overriding fate of souls ... Only the degrees differ”). 40 To make a long story short: there is no lack of letters of any but the latest period in which Hölderlin attends to the individual case in just this way, and clearly, if implicitly, uses the image of the eccentric orbit as a metaphor for an aspect of the human condition. Schadewaldt cites and discusses up to two dozen such letters, from the very first to later, happier, missives such as those to Neuffer and to Georg Wilhelm Friedrich Hegel. 41 But Schadewaldt makes two mistakes. The first is a minor one, namely, his claim that with Frankfurt, Susette, and work on and publication of volume 1 of Hyperion “das Bild der exzentrischen Bahn nun für eine Weile zurücktritt und nur in Spuren sichtbar wird ...” 42 Not so. The orbit is the whole of the orbit, not merely its dark side. Hölderlin himself, in the very letter (to Neuffer) in which he expresses his delight at being near Susette, writes: “Großer Schmerz und große Lust bildet den Menschen am besten” (“Great pain and great joy shape man the best way”). 43 Schadewaldt’s second, major, error lies in his citing such happy letters as the Frankfurt communications to Neuffer and to Hegel, while not following up on the implicit argument in them, namely, that there is all too often an external reason for moodiness and moments of despair versus uplift and fresh hope. These reasons are varied, but they almost always touch on what Hölderlin aims at, and all too often does not, temporarily, at least, achieve as a person, a pedagogue, or a writer. The pedagogue reports, again to Neuffer (this could as well be addressed to Schiller, who secured for him the job at Waltershausen): “Mein Junge [his pupil, Fritz von Kalb] [consists] auf keine Art exzentrischen Geisteskräften” (“in no way of eccentric mental powers”); they are simply not one of the components of this otherwise appealing lad. And again, to the same recipient, from Waltershausen, on 10 October 1794, Hölderlin writes of “dieser mittelmäsigen Talente meines Zöglings” (“the very mediocre talents of my charge”). 44 38 Letter 28, lines 38-39; StA 6: 1: 47. 39 Letter 167, lines 65-66; StA 6: 1: 290. 40 Letter 67, lines 6-7; StA 6: 1: 95; letter 89, lines 30-32; StA 6: 1: 139. The two passages quoted and cited also in Schadewaldt 181, and nn. 40-41. 41 Letters 123 (to Neuffer; StA 6: 1: 213-14), 128 (to Hegel; StA 6: 1: 221-23). 42 Schadewaldt 184. 43 Letter 123, lines 37-38; StA 6: 1: 214. 44 The two passages on Fritz von Kalb in letter 83, lines 74-76; StA 6: 1: 126; and in letter 88, lines 51-52; StA 6: 1: 136. Hölderlin’s use of exzentrisch in letter 83, lines 75-76, matches his use of the adjective in letter 245, line 26, with uncanny accuracy. See below, and n. 69. The former passage is cited and quoted also in Ulrich Gaier, “Hölderlins ‘Hyperion’: <?page no="150"?> Emery E. George 150 To be sure, Fritz von Kalb proved an isolated case; the pedagogue found a happier vis-à-vis in the person of young Henry Gontard, as he presumably did also at his other teaching posts, at Stuttgart, Hauptwyl, and Bordeaux. 45 But on to matters closer to Hölderlin’s ambitions as a writer. The reader of letters alluding to the eccentric orbit need go no farther than the one that dates from Jena, November 1794. It is a moment when he is close to Schiller (and is a frequent guest in the latter’s home). At the home of the philosopher Immanuel Niethammer Hölderlin meets Friedrich von Hardenberg (Novalis); he attends Johann Gottlieb Fichte’s lectures; and in general is experiencing one of the most important moments in his intellectual development. 46 At the same time he has severe doubts about Fichte, and about his environment as a whole. Hölderlin writes: “Die Nähe der wahrhaft großen Geister, ... schlägt mich nieder und erhebt mich wechselsweise, ich mus mir heraushelfen aus Dämmerung u. Schlummer, ... Lieber das Grab, als diesen Zustand! ” (“The nearness of truly great minds ... strikes me down and uplifts me by turns; I must help myself out of twilight and sleep, ... Give me the grave, rather than this state! ”). 47 In the letter to Schiller dated 20 June 1797, the writer tells his patient recipient that at times he tries to forget him, “um während einer Arbeit nicht ängstig zu werden” (“in order not to become anxiety-ridden during work”). We overhear the close of the epigrammatic ode “An die jungen Dichter” (“To the Young Poets”): “Wenn der Meister euch ängstigt, / Fragt die große Natur um Rath”; in my translation: “When the master unnerves you, / Ask great nature for good advice.” 48 The lines are ambivalent; Hölderlin looked on Goethe and Schiller as beacons. 49 Compendium, Roman, Rede,” Hölderlin-Jahrbuch 21 (1978-1979): 88-143; see 110-11, n. 72 (“exzentrische Bahn” discussed, ibid. 111). 45 Of the caliber of Hölderlin’s pupils after Frankfurt there is little concrete evidence, although from the time of the engagement at Hauptwyl we have Hölderlin’s sole Sapphic ode “Unter den Alpen gesungen” (StA 2: 1: 44-45; FHA 5: 846-47). Its opening phrase, “Heilige Unschuld,” may well be in homage to one of the Gonzenbach daughters, whom Hölderlin taught. See Emery E. George and Robert Austerlitz, “Hölderlin’s Ode ‘Unter den Alpen gesungen’: Characteristic Form and Late Poetics,” Language and Style 24, no. 3 (Summer 1991): 289-314; 296-97. On the image both personified and universalized, see Beißner, StA 2: 2: 475, 20-29. 46 See Theodore Ziolkowski, Das Wunderjahr in Jena: Geist und Gesellschaft 1794/ 95 (Stuttgart: Klett-Cotta, 1998). The meeting between Hölderlin and Novalis does not seem documented; it is supposed to have taken place on 28 May 1795. Ziolkowski lists it in his chronology (ibid. 309-13) as “unbestätigte Nachricht” (313). 47 Letter 89, lines 13-17, 25-26; StA 6: 1: 139. 48 Letter 139, lines 8-9; StA 6: 1: 241. The epigrammatic ode “An die jungen Dichter” will be found in StA 1: 1: 255. Quoted and translated here are lines 7-8, the two closing lines. Letter and ode are close in time of composition; on the chronology of the epigrammatic odes, see StA 1: 2: 556-58. The group of these short poems dates from not after August 1798. 49 See StA 8: 253-54 (on Goethe), ibid. 267-68 (on Schiller). To cite but one example for each: on Don Carlos, see letter 194, lines 45-47 (StA 6: 1: 365); on “Grenzen der Menschheit,” letter 236 (first Böhlendorff letter), lines 69-73 (ibid. 427; also Beck, StA 6: 2: 1078, 33-34). <?page no="151"?> Arthur Koestler, Johannes Kepler and Friedrich Hölderlin 151 Let us now turn to a passage from volume 1 of Hyperion, from one of Hyperion’s earliest letters to his silent friend Bellarmin. Hyperion has just enthused, threefold, no less: “Eines zu seyn mit Allem, was lebt! ” (“To be at one with all that lives! ”) and continues: “Auf dieser Höhe steh’ ich oft, mein Bellarmin! Aber ein Moment des Besinnens wirft mich herab” (“On this high point I often stand, my Bellarmin! But a moment’s reflection casts me down”). 50 In both letters: those by Hölderlin (to Schiller) and by Hyperion (to Bellarmin), the writer gives excellent reasons for feeling located at the aphelion. The former we know about; the latter is a complex of reasons. Topmost among them is Hyperion’s feeling that it would have been best had he never taken military action against the Turks: “O hätt’ ich doch nie gehandelt! ” (“Oh, had I but never gotten involved! ”). 51 The damage this action caused, ranging from the severe disappointment of Hyperion’s social hopes to no less an event than the death of Diotima, is irreparable, and no pious words at the end of the novel, about reconciliation in the world, and so on, will undo what has taken place. 52 Indeed Hyperion has good reason for feeling that, at least for a time, the dark side of the eccentric orbit will not let him go. He had written to Diotima that he is finished with the Greeks; now, at the end of the novel that we have, and past the invective against the Germans, Hyperion has to put himself to revising his entire life, not last his social attitudes. 53 Hölderlin was a highly self-conscious traverser of the emotional and ethical eccentric orbit; examples of his reports to that effect, culled from letters, Hyperion, and by no means last the poetry, could be multiplied. If we now turn to Kepler, Koestler shows us that his moments of self-analysis are every bit as remarkable; in this too he is close to Hölderlin. The threefold emotional link to the eccentric orbit holds for Kepler as well: (1) because we are all subject to it, (2) because that is simply the kind of person he is, and (3) because there is good external cause for his feeling that he is in orbit. Kepler’s loves and hatreds, anxieties and moments of being reassured, his successes and failures, elevations and points of low morale, are in some ways clearly reminiscent of both Hölderlin’s and Koestler’s. With Tycho de Brahe Kepler shared a choleric temperament; 54 a true son of his time, Kepler was as much attracted to superstition as to science, to astrology, for example, as to astronomy. “This coexistence of the mystical and the empirical, of wild flights of 50 Hyp. 1: 10, 11, 13; Hyp. 1: 11, 1, 8-9; StA 3: 9; FHA 11: 585, 12, 14, 20, 27-28. 51 Hyp. 1: 8, 15; StA 3: 8; FHA 11: 584, 6. 52 That Hyperion’s closing reflections (Hyp. 2: 124, 1-10; StA 3: 159-60; FHA 11: 782, 3-12) constitute threadbare moralizing after the damage is done, comparable to Faust, line 4727 (“Am farbigen Abglanz haben wir das Leben”), is argued in Emery E. George, “Hyperion and Darkness at Noon: Resemblance with a Difference,” JEGP 97, no. 1 (1998): 51-68; 65. 53 Hyp. 2: 48, 8-10; StA 3: 118; FHA 11: 729 (on the Greeks); Hyp. 2: 112, 6 to 118, 20; StA 3: 153-56; FHA 11: 774-78 (on the Germans). On Hyperion’s attitudes, see Emery E. George, “‘[...], das konnte nur ein Grieche finden, [...].’: Wer spricht in der Athenerrede? ” Hölderlin-Jahrbuch 33 (2002-2003): 169-92; 177-78, 190-92. 54 WS 109. <?page no="152"?> Emery E. George 152 thought and dogged, painstaking research, remained, ..., the main characteristic of Kepler from his early youth to his old age.” This dualism, as Koestler characterizes it, was in Kepler “carried to extremes verging on insanity.” 55 As to excellent reasons for Kepler’s feeling depressed, chapter 7 of The Watershed tells of the difficulties Kepler had in publishing the Astronomia Nova, and with his reviewers. But earlier and later reasons for feeling downcast, among them personal ones, were just as important, among them his unhappy marriage to his first wife, Barbara, née Muehleck (Müller), a grasping, meddlesome person. 56 In fact all his working life Kepler had to cope with interruptions, even occasional physical displacements caused by personal difficulties, hostile ecclesiastical edicts, and wars. Much later, toward the end of his career, Kepler earned his living by casting horoscopes and doing other astrological work for Albrecht von Wallenstein at Prague. It was work Kepler despised; he was poorly paid, and “he was a prisoner of constant, nagging anxieties about matters large and small.” The year was 1628; Wallenstein’s career was drawing to a close (he was murdered on 25 February 1634); Kepler’s own end was not far off. 57 Koestler calls attention to the “irritable, choleric disposition” Kepler and Tycho shared: “The result was constant friction, flaring into heated quarrels, followed by halfhearted reconciliations.” 58 How deeply this resonates with Koestler’s own temper and troubled social life. In Living with Koestler: Mamaine Koestler’s Letters, 1945-51, edited by Mamaine’s twin sister, Celia Goodman, 59 surprisingly few places cite Koestler’s recurrent depressions and mood swings. 60 There are references to Koestler’s occasional violence (he once struck Mamaine), his self-destructiveness, and to the breakdown of their marriage. 61 But, once again, all these moments at the aphelion are backed by valid reasons for the most part, under trying circumstances. We can even understand Koestler’s irritability at his secretary (and future third wife) Cynthia Jefferies. Mamaine writes: “I am happy to say that he is getting absolutely fed up with being in America and is pining to come to Europe.” 62 Even being back in Europe does not free Koestler from the aphelial end of the eccentric orbit. In fact, in the posthumously edited memoir volume that Koestler and Cynthia wrote collaboratively, Stranger on the Square, there are far more entries on Koestler’s depressions and other unhappy moments than 55 WS 61. That Koestler was himself a mystic is clear from his autobiography The Invisible Writing (New York: Macmillan, 1954), ch. 33: “The Hours by the Window” (345-62). 56 On Kepler’s difficulties with the AN, see WS 160-65; on Frau Barbara’s character, ibid. 74; cf. Caspar 175-76. The Hungarian dramatist Imre Madách (1823-1864), in his The Tragedy of Man, sc. 8, depicts both Barbara’s avarice and her insensitive meddlesomeness with great skill. 57 WS 245; ibid. 243-46; Caspar 338-45. The date of Wallenstein’s death: see WS 244. 58 WS 109. 59 New York: St. Martin’s Press, 1985. Cited as Living. 60 See Living, Index, under “Koestler, Arthur” (two places only: 50, 52). 61 Living, Index, under “Koestler, Arthur.” 62 Living 179-80. <?page no="153"?> Arthur Koestler, Johannes Kepler and Friedrich Hölderlin 153 there are in Living with Koestler. 63 The latter, with its contentious title, is well worth exploring for its reports on the positive moments. Koestler could, of course, also be peaceful and lovable, not last in company and with good food, wine, and conversation. One place in Living with Koestler that I find particularly appealing is not a passage from a letter but rather a photograph, taken at Bwlch Ocyn, the house in Wales, showing Mamaine and Arthur having afternoon tea. Utter peace. And for hitting Mamaine, he apologized. 64 Koestler was, typically, either working incredibly hard on his books (perihelion), else depressed, occasionally in trouble (aphelion). Around Christmas 1949, he was arrested for drunken driving (one of three such incidents) and jailed for hitting a police officer. It took Pierre Bertaux, chief of the French Sécurité (chief of police), to get him released. I have wondered whether Koestler was aware that Bertaux, a man of adventure and of many interests (he was, for example, at one time Senator in Sudan), was also one of the major Francophone Hölderlin scholars of the twentieth century. 65 The late Celia Goodman, to whom I am deeply indebted for her kindness and generosity with information, has told me that Koestler was aware of that. Here is a prime, and rare, moment when being far from the sun and quick return to it seem happily to be in conjunction. During Koestler’s other moments of depression for good reason, Cynthia was always there to help Arthur through them after his having completed a book. But what she could not figure out “‘is this: if he is so unhappy when he is not writing, why is he always in such a tormented hurry to finish the book he is working on? It almost seems as if the agony of writing were the more unbearable. Then follows the misery of the after-book depression.’” 66 The reasons are not far to seek. Koestler is anxious to finish because of ideas in his head that are possibly not yet on paper; because his publisher is urging him to finish; because the book is topical and author and publisher are eager to get it on the market (this seems indisputable); because he already has another book buzzing in his head. There are always a number of reasons, the creative urge, to be sure, taking precedence. But the after-book depression is not something an author can help, however productive. Koestler is restless for the three reasons we have looked at: because being restless is an immutable law; because that is the kind of man he is; because he has good reasons for being restless. I dare 63 Stranger (above, n. 20), Index, under “AK, depressions,” citing eight places. 64 Photograph showing the Koestlers at tea, in group of photos following Living 118, fourth (unpaginated) page, bottom. (Also in Stranger, photos after 130, third plate, top.) Koestler hitting Mamaine and apologizing, Living 112. 65 The drunken driving incident is related in Iain Hamilton, Koestler: A Biography (London: Secker and Warburg, 1982) 164-65. The incident took place on 23 December. The information regarding Bertaux as Hölderlin scholar is my addition. To be sure, by 1949 Bertaux had published only his dissertation: Hölderlin: Essai du biographie intérieure (Paris: Hachette, 1936), along with a smaller work, Le Lyrisme Mythique de Hölderlin (Hachette, 1936). On Bertaux, see also above, n. 32. 66 As quoted in Hamilton 291. <?page no="154"?> Emery E. George 154 speculate that after a good long bout with his manuscript and having laid it aside, he would feel depressed even if we went around a sun located at the center of a perfectly circular orbit. Only then Hölderlin and other thinkers would not have their striking metaphor, which we now see for what it is, a trouvaille. But, as I shall try to show in the third and last section of my paper, the metaphors even continue. 67 One question this continuity raises is: are we confined to the eccentric orbit, with immutable laws that promise nothing prima facie of creativity, or are we given other ways of seeking the sun? 3. An Attempt at a Critique Let us go back a step and ask once again: how many definitions of eccentric are there? I am thinking of the adjective. The dictionary tells us that eccentric means two things (in that order): (1) deviating from the accepted; and (2) not concentric. 68 This is how far we have come in our inquiry. But, as Hölderlin himself suggests, there is yet a third definition, one he submits perhaps unwittingly in his last known letter to his publisher Friedrich Wilmans. We will recall that Wilmans, of Frankfurt, is the publisher of Hölderlin’s Sophocles translations, of the Oedipus and the Antigone. In his letter to Wilmans dated Nürtingen, 2 April 1804, Hölderlin writes, particularly of the Antigone and of the notes accompanying it: “Ich glaube durchaus gegen die exzentrische Begeisterung geschrieben zu haben und so die griechische Einfalt erreicht; ...” 69 “Gegen” in this sentence means not “against,” but rather “in the direction of”; Hölderlin is discoursing on eccentric enthusiasm, which moves tangentially. He has left the eccentric planetary orbit and entered the orbit of a comet. 67 Here is a new metaphor, an equivalent of the eccentric orbit and touching on the relations between Kepler and Tycho: “Within a week, the pendulum swung to the other extreme: Kepler wrote a letter of apology to Tycho ...” (WS 114). Cf. “The Swing of the Pendulum,” The Ghost in the Machine 202-04. Introduction of a new bipolar image like this one is, of course, characteristic of Koestler’s thought. Below we concentrate on one additional metaphor only. 68 See Random House Webster’s Collegiate Dictionary, s.v. “eccentric.” See also Frank Barron, “Bisociates: Artist and Scientist in The Act of Creation,” in: Astride the Two Cultures: Arthur Koestler at 70, ed. Harold Harris (New York: Random House, 1976) 37-49, where it is argued that young contemporary artists under standardized psychological testing may be found to be, psychiatrically speaking, “eccentric, unconventional, hypomanic, moody, anxious” (ibid. 45). 69 Letter 245, lines 26-27; StA 6: 1: 439. In letter 242, dating from Nürtingen, 8 December 1803, also addressed to Wilmans, Hölderlin writes that he is still at the revision stage with both translation and notes: “Die Sprache in der Antigone schien mir nicht lebendig genug” (“The language in the Antigone did not seem lively enough to me”) (line 7; StA 6: 1: 435). In the opening paragraph of letter 245, Hölderlin writes of both the list of errata in the Oedipus that he has compiled and the typography of the whole; this proves that he has a copy of the finished book. Well may he thus feel in possession of an overview over the project. <?page no="155"?> Arthur Koestler, Johannes Kepler and Friedrich Hölderlin 155 Now, a cometary orbit may take the shape of any of the conic sections after the circle: there are elliptical, parabolic, and hyperbolic orbits of real comets. 70 Hölderlin prefers to allude to hyperbolic cometary motion, as in the Tübingen foreword to the penultimate version of Hyperion: “die bestimmte Linie vereiniget sich mit der unbestimmten nur in unendlicher Annäherung” (“the fixed line [the asymptote] unites with the non-fixed [the arms of the hyperbola] only in infinite approximation.” 71 Kepler, unlike Copernicus, 72 moved tangentially in his thinking; he, Kepler, is also responsible for a late “pamphlet on comets,” the De Cometis libelli tres of 1619. Koestler touches on this opusculum only in passing; 73 and indeed there is a great deal in it that is questionable. Even as of 1619, Kepler thought that comets were dust, sublunary, and moved in straight lines. Tycho had proved that the comet of 1577 moved in an orbit. 74 Cometary orbits use our sun as their focus. Comets traversing elliptical orbits return; those on true parabolic and hyperbolic orbits do not. Charles P. Olivier, in his chapter 7, devotes a patient study to Halley’s comet, showing that between antiquity (the sighting of 240 B.C.) and 1910 it has returned time and again; ergo: Halley’s comet is either on an elliptical or on an observed parabolic path. 75 To come to our metaphoric point: Kepler is a comet, on a parabolic path materially, on a hyperbolic one cognitively. It is remarkable how his intellectual development is defined by his ability intuitively to obtain centrally important results and to return with them: with sharpened - emending, explicating, confirming, often rejecting - arguments, as in the second edition of the Mysterium Cosmographicum (1621), else to introduce results late in the work, as he does with his Third Law of planetary motion, in the midst of his Harmonice Mundi (1619). 76 70 See Charles P. Olivier, Comets (Baltimore: Williams & Wilkins, 1930) 20. 71 See Hyperion, preface to the penultimate version, StA 3: 236, 31-32; FHA 10: 277, 16-17. See also letter 139, lines 27-29; StA 6: 1: 242. Cf. Schadewaldt 177, and n. 13. 72 WS 149. On Copernicus‘ mental set, see also WS 144n. 73 WS, 165; see also the article on Kepler in EB, 14th ed., where it is mentioned that observations of three comets in 1618 gave rise to the De Cometis. Serious study of cometary orbits begins with Newton and Edmund Halley (see EB 14, s.v. “Comets,” especially 6: 135-36: “IV. Orbits of Comets”). See also below, nn. 74 and 75. 74 For a detailed discussion of Tycho’s standard-setting work on the comet of 1577, the De Mundi Aetherei Recentioribus Phaenomenis (1588), see Clarisse Doris Hellman, The Comet of 1577: Its Place in the History of Astronomy (Ph.D. diss., Columbia U, 1944; publ. New York: Columbia U P, 1944) 118-37. On the orbit of the comet, see sec. 3 of Tycho’s work, discussed, Hellman 125-27. See also WS 94 (Tycho proves that the comet of 1577 is not sublunary). 75 On Halley’s comet, see Olivier 94-126; on observed versus true parabolic paths, ibid. 20- 23. On comets both celestial and personal, see also Brown, JEGP 77: 105-08 and nn. 2-13. 76 That the arguments in the Mysterium Cosmographicum, 2nd ed., 1621, are “emended, explicated, confirmed” is intimated on the baroque title page of this edition; see WS, plate 7 (third of the group of plates following 200); but see Kepler’s trenchantly negative notes to the 2nd ed., cited and discussed, WS 62-66. On Kepler’s Third Law, see above, and n. 16. As with the eccentric orbit (above, n. 32), so with ideas on world harmony and <?page no="156"?> Emery E. George 156 Hölderlin was a comet among poets; Kepler, among thinkers on the heavens; Koestler, among thinkers of Goethean dimensions, and beyond. Even “Goethean” necessarily stops short of characterizing a first-rate twentiethcentury mind, one that questions everything and contributes tenable theories in a number of disciplines. 77 Koestler has asked disturbing questions about our very existence. In our scientific achievements, coupled with our moral backwardness, where are we? What trajectory will describe our motion? In Janus: A Summing Up, Koestler writes: “our present situation is without precedent in history ...; the present generation is the first to face the prospect of the death of our species.” 78 Beyond Koestler’s orbit and continuing on our own, we take thought that with the end of the cold war, the danger is by no means past. Let us for a moment return to Hölderlin, to the poet and writer at the top of his powers. The year is 1800; he is at Homburg vor der Höhe and, later that year, at Stuttgart. During the first half of the year he is still working on his philosophical-aesthetic essays, including the essay on the procedures of the poetic intellect, which comes nearest to being brought to completion. 79 In it, he calls the procedures and methods of the poetic mind “dieses hyperbolische Verfahren”; his argument in the long essay peaks with the statement: “und es ist die Hyperbel aller Hyperbeln, der kühnste und lezte Versuch des poëtischen Geistes, ..., die ursprüngliche poëtische Individualität, das poëtische Ich aufzufassen, ...”; I translate: “and it is the hyperbola of all especially on the music of the spheres: they are not original with Kepler. One particularly appealing reminder comes from William Shakespeare, who in The Merchant of Venice has Lorenzo say: “There’s not the smallest orb which thou behold’st / But in his motion like an angel sings” (5.1.60-61). On the entire passage, lines 60-65, see the impressive note by Charles Knox Pooler, The Arden Shakespeare 164. Koestler quotes from the very passage, in company with Lear’s monologue (3.2.1-7) (WS 214), mentioning indirectly that Kepler’s “Stratford contemporary” (WS 213) said it first. Harmonice Mundi appeared in 1619; the title page of the first quarto of The Merchant of Venice bears the date 1600. Caspar (266) tells of Kepler’s discovery of Ptolemy’s Harmony; and Koestler is right: ideas on the Keplerian cosmic music hark back to the Babylonians (WS 224). Kepler’s achievement lies, as Koestler points out, in his synthesis of several fields, including geometry, music, and astronomy (WS 214). Responding perhaps to the Harmonice Mundi, Hölderlin has Hyperion speak of “Töne ... in der Symphonie des Weltlaufs” (Hyp. 1: 112, 6; StA 3: 63; FHA 11: 658, 1-2). 77 Caspar (387) mentions that Goethe, Hölderlin, and Mörike were all in touch with Kepler’s thought. Consulting Goethe’s response, we find devoted to Kepler Maximen und Reflexionen, no. 8 (Hamburger Ausgabe, C. H. Beck ed., 12: 365); and a brief appreciation (ibid. 14: 99-101). The two entries are nice, but they do not compare with Hölderlin’s productive use of his awareness of Kepler’s work. 78 Janus 282 (pt. 4, ch. 14, “A Glance through the Keyhole”). See also Reed Merrill, “Introduction: Koestler’s Ideas,” in: Arthur Koestler: An International Bibliography, comp. and ed. Reed Merrill and Thomas Frazier (Ann Arbor: Ardis, 1979) 11-29. Merrill argues, rightly, that Koestler’s many inquiries aim at ethical synthesis. 79 I would submit that this one essay is complete. Beißner titles it “Über die Verfahrungsweise des poëtischen Geistes” (StA 4: 1: 241-65); Sattler uses as title the opening words of the text: “Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ...” (FHA 14: 303-22). <?page no="157"?> Arthur Koestler, Johannes Kepler and Friedrich Hölderlin 157 hyperbolas, the boldest and last attempt of the poetic intellect, ..., to apprehend the original poetic individuality, the poetic I, ...” 80 Notice, please, that I do not render “Hyperbel” as “hyperbole”; we are talking not first of all about an exaggeration, but rather about the shape of a comet’s path. The essay that this passage is quoted from dates, according to D. E. Sattler, editor of the Frankfurter Hölderlin-Ausgabe, from the first half of 1800, from Homburg. 81 That pivotal year was one of Hölderlin’s most productive; it saw the composition of such poems as “Der Archipelagus,” “Dichterberuf,” and “Brod und Wein,” the last draft of Empedokles, and very possibly the great Pindar translation. 82 That Hölderlin, the poet working on theory, should define the cometary path of creativity as hyperbolic is the more consistent, since he documentably does so in the thick of composing major poems and with specific results in mind. Viewing hyperbolic experience, thought, and poetic production, we are also reminded that in Hölderlin’s poetics Exzentrizität and Maß, the divine fire and sobriety, walk hand in hand. 83 Each of our three authors is a special case, but we might submit that Hölderlin is special among those special, not last because of the unanswerable questions that his end raises: Hölderlin’s putative insanity and the corpus of his last poetry, written between 1807 and 1843, which, with the exception of several remarkable poems, stands as its witness. Together the two constitute a riddle never to be solved; they travel no hyperbolic orbit any more, but rather Kepler’s tangential straight line, a path from which Hölderlin was not to return. 84 Despite such a perihelian moment as the one Hölder- 80 See StA 4: 1: 246, 20; ibid. 252, 12-16; FHA 14: 307, 20; ibid. 312, 1-4. 81 See Sattler, Titelnotiz, FHA 14: 179. 82 “Der Archipelagus,” “Dichterberuf,” and “Brod und Wein,” along with no fewer than twenty-six other poems and drafts, were written in 1800; see StA 8: 292. The great Pindar translation dates from the first half of 1800 according to Beißner (StA 5: 376), from spring 1801 according to Sattler (FHA 15: 15). 83 See Wolfgang Lange, Der kalkulierte Wahnsinn: Innenansichten ästhetischer Moderne (Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1992) ch. 7: Wahnsinn als Kalkül: Der ‘andere Pfeil’ Hölderlins” (196-227); also Polledri 81-90. 84 Early in the novel, Hyperion closes a letter with a peroration to his fellow humans that could be addressing the late Hölderlin: “Ihr habt den Glauben an alles Große verloren; so müßt, so müßt ihr hin, wenn dieser Glaube nicht wiederkehrt, wie ein Komet aus fremden Himmeln” (“You have lost faith in everything great; so you must, you must go, if this faith does not return like a comet out of alien skies”) (Hyp. 1: 72, 14-16; StA 3: 42; FHA 11: 627, 4-6). Indeed it does not. Gone are the days when Hyperion could affirm, with Alabanda, intending the solar system as comet (Hyp. 1: 25, 10-11; StA 3: 16; FHA 11: 595, 10-11): “wär’ es möglich, wir verließen der Sonne Gebiet und stürmten über des Irrsterns Gränzen hinaus” (“if it were possible, we would leave the area of the sun and storm out beyond the comet’s boundaries”). Quoted and cited in Schadewaldt 177, and n. 9. Cf. Hölderlin’s late ode “Chiron,” lines 43-45: “und als ein / Herrscher, mit Sporen, und bey dir selber / / Örtlich, Irrstern des Tages, erscheinest du” (StA 2: 1: 57; FHA 5: 824), in my translation: “and as a / Ruler, with spurs, and to yourself only / / Place-bound, comet of daylight, you show your face”; here too the sun is viewed as a comet, but as one that returns. See Beißner on the passage, StA 2: 2: 512, 28-35 (on mimesis and meter both). These quota- <?page no="158"?> Emery E. George 158 lin experienced in 1823, on hearing news of some real progress being made in the cause of Greek independence, 85 the late Hölderlin remained in the outer darkness, self-deprived of identity, down to his very name. 86 In an 1803 letter to Hegel, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling reports that Hölderlin has taken on the mannerisms of the mentally ill, 87 imitating them, as it were. William Blake held that we become what we behold; my modification: we become what we imitate. On no one was this maxim more terribly fulfilled than on Hölderlin himself. 88 Back, for our close, to the hyperbolic orbit. In “In lieblicher Bläue ...,” a prose poem of stunning beauty and disputed authorship, the persona sings: “Möcht’ ich ein Komet seyn? Ich glaube. Denn sie haben die Schnelligkeit der Vögel; sie blühen an Feuer, und sind wie Kinder an Reinheit. Größeres zu wünschen, kann nicht des Menschen Natur sich vermessen.” My translation: “Would I like to be a comet? I believe so. For they have the speed of birds; they blossom by fire, and are like children in purity. Man’s nature cannot tions show the creative background, which no one can take away from the “mentally ill” poet. On the clinical, speculative, side, see the searching study by J. Frommer, “Exzentrische Bahn und schizophrene Ichspaltung: Friedrich Hölderlins philosophische Fragmente in ihrer Beziehung zu Leben und Krankheit,” Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie 63, no. 9 (September 1995): 341-49. On the terminal condition, see ibid. 346-48. 85 See Beck, StA 6: 2: 1123-24. 86 On Hölderlin’s protesting, at times in rage, that his name is not Hölderlin, but rather Scardanelli, see FHA 9: 135 (Titelnotiz to “Höheres Leben” and “Höhere Menschheit”). Starting, according to Beißner, with the poem “Der Frühling” (“Es kommt der neue Tag ...”) (StA 2: 1: 286; FHA 9: 202), Hölderlin makes a practice of signing his poems “Scardanelli,” often with high-sounding compliments and fanciful dates. 87 Schelling to Hegel, Cannstatt, 11 July 1803; LD [Lebensdokument] 291, lines 1-2; StA 7: 2: 261-62. Cf. LD 288: Schelling to Gustav Schwab, Berlin, 11 February 1847, lines 15-16: “Ich überzeugte mich, daß dieses zart besaitete Instrument auf immer zerstört sey” (“I convinced myself that this gently strung instrument is wrecked for good”) (StA 7: 2: 253). This is yet another powerful metaphor that Kepler, musician of the heavens, would have appreciated. 88 Blake, Jerusalem 66: 36: “All who see. [sic] become what they behold”; passim; Milton 3: 29. Cited after The Poetry and Prose of William Blake, ed. David V. Erdman and Harold Bloom (Garden City, NY: Doubleday, 1965) 216, 96.We have spoken of Hyperion, not yet of Empedocles. Hölderlin sees him as “ein Sohn seines Himmels und seiner Periode, ... Ein Mensch, in dem sich [die] Gegensäze so innig vereinigen, daß sie zu Einem in ihm werden, ...” (StA 4: 1: 154, 25, 27-29; FHA 13: 872, 6-9). He is the very one who, in Manes’ suggestive formulation, is “aus Licht und Nacht geboren” (Empedokles, third draft, line 374: StA 4: 1: 135; line 361: FHA 13: 942). Out of light and night he is born, and to light and night, in that order, he returns. If we view him as traversing the eccentric path, his apsides are organisch (perihelion) versus aorgisch (aphelion), as argued in “Grund zum Empedokles.” But Empedocles is also a comet, in a special orbit: the sun he uses as his focus is not the star, but rather Etna. Into the light and night he returns, while, like and unlike Hölderlin, he remains cognitively hyperbolic all but to the end. On Empedocles’ aphelian apsis, see Hans Schwerte, “Aorgisch,” Germanisch-Romanische Monatsschrift 34 (n.s. 3), no. 1 (1953): 29-38. <?page no="159"?> Arthur Koestler, Johannes Kepler and Friedrich Hölderlin 159 presume to wish for anything greater.” 89 Hölderlin did become a comet, his hyperbolic orbit intersecting with the planetary one. All three of our authors are comets, and return as such to haunt us. Or, to borrow Galileo’s beautiful title: each is a sidereus nuncius, a messenger from the stars. Friedrich Hölderlin KEPLER Under the starry heavens it finds its way, My mind, in fields of Uranus overhead, It’s over them my mind reflects; lone It is and risky, the path steps brazen. Go walk your way with strength, as the hero did! Lift up your face! yet never too proudly, for The man approaches, see, he comes, from Fields where the triumph still jubilates; it’s The man who led the thinker in Albion, Observer of the skies at the midnight hour, Into the deepest field of scouting, Into the labyrinth dared advance light, So that the pride of eminent River Thames, In spirit humbly bowing before his grave, Into reward’s broad field called out then: “You, Son of Suevia, started what gave All past and new millennia vertigo; And, ha! I’ll be completing what you began, For you held out the light, sublime one! Into the labyrinth, night’s conjured beams. May now the flame alive in my chest consume Life’s very marrow - I shall catch up with you, Completely! it’s great, serious, great, Your chosen path; it mocks gold, is its own pay.” 89 See “In lieblicher Bläue ...,” StA 2: 1: 373, 10-13; FHA 9: 35, 14-17. To be sure, occurrence of the image of the comet may tempt us to attribute the prose poem to Hölderlin, but it is a temptation to be resisted. On the question of the authenticity of this text, see Emmon Bach, “‘In lieblicher Bläue’: Hölderlin or Waiblinger? ” The Germanic Review 36 (1961): 27-34. <?page no="160"?> Emery E. George 160 Valhalla’s saintly joy! and my motherland Gave him birth, him, whom River Thames sang to praise? Who into labyrinth first cast light rays, And who directed the path to pole, star. Hekla’s volcanic rumble I’d soon forget, And if I walked on vipers, I wouldn’t shake, For pride that it’s from you, Suevia! So he rose; Albion’s thanks are ours. Mother of upright spirits! o Suevia! You silent one! the aeons exult to you, Who brought up men of light sans number, Words of the race come and pay you homage. Translated from the German by Emery E. George <?page no="161"?> Alpbach and Beyond Hans Rudnick When in 1967 Arthur Koestler decided to organize for the following year a symposium on “new perspectives in the life sciences” to be held in the amiable Tyrolian resort of Alpbach, where those who counted among the European intellectual elite used to spend their summers, he did this, he writes, because “[f]or the last ten years, my main interest has been the history and present state of science, and its impact on our view of the world.” 1 (vii) Indeed, in 1959 Koestler had published The Sleepwalkers, in which he traced humankind’s changing vision of the universe from the ancients to Copernicus, Kepler, Galileo, and Newton. Always restlessly at the forefront of those who fervently and selflessly submit themselves with all their energy to the mission of improving the human condition, driven by activism and idealism, Koestler had already found himself disappointed by Zionism and Communism, but never lost sight of his original tenet. Celebrating the dignity and freedom of the human being as such and with it the values of the West, he eloquently expressed and described the predicament of having to recognize the flaws of Stalinist Communism in his contribution to an influential collection of essays to which Richard Crossman, the editor, gave the title The God that Failed. 2 Of course, from such insight resulted in Koestler only a stronger fervor to fight communism, fascism and naziism, to the point that he actually faced the firing squad in Spain but was spared at the last moment. Pointing to the reasons for organizing the symposium, Koestler, referring to himself as “a trespasser from the humanist camp” (1), refers to discontents and prevailing philosophical bias rooted in a “heritage from the nineteenth century” (vii), that tend to downplay and ignore the “new insights gained by contemporary research.” Such “anachronism,” as he calls it, is to be overcome by presenting “cutting edge” research that has generated remarkable results particularly in the life sciences. Perhaps hundreds of biologists, together with geneticists and psychologists, he writes, “are critical of the totalitarian claims of the neo-Darwinian orthodoxy, ...refuse to believe that the socalled Synthetic Theory provides all the answers to the problems posed by the phenomena of evolution, ...[and] feel that the theory reflects part of the 1 Arthur Koestler and J. R. Smythies, eds., Beyond Reductionism: New Perspectives in the Life Sciences. The Alpbach Symposium 1968. New York. Macmillan. 1970. Subsequently, numbers in parentheses in the text refer to pages in this text. 2 Richard Crossman, ed. The God that Failed. New York. Bantam. 1959. Koestler’s is the opening essay, pp. 11-66. <?page no="162"?> Hans Rudnick 162 picture but not the whole picture.” (1) Psychologists complain that behaviorists’ “chained responses” serve as impediment for future progress; and the biologist and systems theorist Ludwig von Bertalanffy points to a “robotomorphic view of man” by referring to an “insufficient emancipation of the life sciences from the mechanistic concepts of nineteenth century physics” (2), resulting in a crudely reductionist philosophy. In search of a “coherent alternative world-view” and hoping to find a new synthesis or at least a common denominator among the distinguished invitees who were all eminent authorities in their respective fields, Beyond Reductionism not only became the title of the ensuing publication of essays but was also their truly shared subject and concern. I intend only to deal with the collection’s first two essays. The first on “the living system” by Paul A. Weiss of Rockefeller University, and the second by Ludwig von Bertalanffy of SUNY-Buffalo, on “chance or law.” Both scholars are systems theorists whose ideas are obviously rooted, as their essays’ titles already indicate, in research in the life sciences. Both scholars had studied biology, had pursued system-related interests in cybernetics and become influential systems theorists. Their work had caught Koestler’s attention who then decided to propagate system theory to potentially lead the way out of the much maligned reductionism which was apparently stifling progress in the life sciences and the attendant view of the world. As it turned out, Koestler’s hunch proved to be right. The Club of Rome with its ecological doomsday-concerns about population growth and the environment eagerly embraced the tenets of systems theory as much as the United Nations Organization and other institutions and organizations which also recognized in systems theory the ideal tool for comprehensively furthering their policies pointedly, efficiently and effectively in a grand style. Erwin Laszlo, an accomplished concert pianist and prominent systems theorist, of Hungarian background like von Bertalanffy and Koestler himself, who later founded The Club of Budapest, was eminently instrumental in propagating systems theory and its practical applications in his extensive lecturing, numerous important publications, and frequent consulting appointments at universities, corporations, and think tanks. Systems theory became foundation and keystone of the major technological and socio-political developments that have been advanced since the late sixties, generating a breathtakingly rapid and concerted development that in its wake encompasses a radical adjustment to a revolutionarily novel view of the world deriving from system theory. However, not to get ahead of myself, I first want to concentrate on what Paul A. Weiss had to say about systems, and then I will turn to von Bertalanffy. A combination of the titles of their presentations happens to ideally highlight the problem of the subject under consideration: Living systems: chance or law? Being one of the system scientists of the very first hour, it does not come as a surprise that Weiss will emphatically plead for the need of a systems concept. His basis is the living system as it can be pragmatically observed <?page no="163"?> Alpbach and Beyond 163 through the “realistic” study of living organisms which is to describe phenomena “in language uncontaminated by preconceptions.” (4) This happens to be quite in concert with the phenomenological method of Continental philosophy, because Weiss claims that the study of actual phenomena enables us to learn through observation about the nature of organisms and of the living process. For Weiss, the understanding of the living process is of major importance. Therefore, his research methodology is sometimes characterized as an aspect of process philosophy, although Weiss himself asserts to “have never consciously trespassed into the disciplinary precincts of that branch of learning.” (3) Nevertheless, it is clear from the beginning that Weiss takes a stand against reductionism and analytic thinking, both of which favor abstractions that, he asserts, cannot do justice to the living system. “A living system that does not behave is dead; life is process. A living system is no more adequately characterized by an inventory of its material constituents..., than the life of a city is described by a list of names and numbers in a telephone book.” (7-8) It is, then, in the process of empirical research that the principle of an hierarchic order will reveal itself and lead to the compelling conclusion that organic, i.e. living, entities are organized as systems operating according to the dynamics of the controlling hierarchy steering the network. The process of discovery is empirical and finds conspicuous clusters of “parts” which we may perceive as independent but must nevertheless recognize as existing within a larger context because that perceived independence is conditioned by the particular interdependence which the part maintains with the environment and, therefore, it is an independence that in actuality must remain in the reduced status of dependence thanks to the ubiquitous environment which defines the overall location of the discovered part within the system as a whole. Skillfully driving this point home, Weiss refers to the familiar adage “‘no man is an island’ which rectifies the optical impression of the naïve observer on the shore by pointing to the submerged connections among the visible peaks.” Having recognized interconnections between parts, the human researcher will then enter upon a process of judgment and separate the “relevant” from the “negligible,” wherein educated personal decisions or even pure statistics will ultimately determine the “‘objective’ description of properties of ‘objects’.” (6) The discovery of interrelations which results from progressing from analysis to synthesis is the key to the rules upon which science bases its success. Putting individual pieces together again that were found and described according to the atomistic concept cannot yield a “complete explanation of the behaviour of even the most elementary living system.” (7) Weiss is so optimistic about the future of behaviorist systems-related science that he confidently states: The basic streak that runs through practically all of our biological thinking is still that science, given time, will succeed in describing and comprehending, by the consistent application of this synthetic method, all that is within the Universe in <?page no="164"?> Hans Rudnick 164 entities and properties and processes that are knowable to us, including the phenomena of life. (7) This is a truly ambitious statement with far-reaching implications because it posits the living organism as the foundation for the matrix according to which life and living will ultimately be understood, defined, guided, and controlled. The living organism contains and provides the rules and laws according to which the system behaves. Behavior and system are understood as being symbiotically integral to the process of life. Through specific and ordered behavioral interaction parts like atoms or molecules become partners in the complicated living process. Group behavior of vast numbers of disparate compounds is necessary and specific to all living phenomena and “offers aspects not evident in the members of the group when observed singly.” It does not suffice to merely relate to living systems as being “complex” because quite contrary to a haphazard conglomeration, living systems display a distinctive orderliness of the complexes out of which they are composed. The potentiality of infinite interactions and multitudinous combinations may theoretically exist, but “in the living system only an extremely restricted selection from that grab-bag of opportunities for chemical processes is being realized at any one moment.” The particular selection is completely dependent on the “concerted harmonious performance of a task” conditioned by the complex as a whole. “This... feature... distinguishes a living system from a dead body, or a functional process from a mere list of parts involved, or a sentence from the alphabet, or in biological terms, ecology from taxonomy.” To recognize, appreciate, and properly describe the elements of the “harmonious group performance” at work within a system, we must “raise our sights from the element to the collective system” which is a higher level of conceptualization. (8) This raising of our sights means leaving the atomistic and micro-mechanistic levels of bio-chemical explanation behind and turning to a perceptibly higher level of hierarchic concepts specific to systems organization. Hierarchical concepts of organization are characterized by boundaries between lower and higher levels of magnitude, whereas atomistic or micromechanistic analyses are “trying to reduce all phenomena to the properties of ultimate elements in their various combinations.” (8-9) There are no boundaries between levels but “a continuity of gradations all the way up from the single elements to infinite numbers of them.” (9) However, the reality of biological phenomena, as empirical study reveals, does not answer to an atomistic analysis alone but rather lends itself to be understood as an organized system. Weiss‘ definition of organized system reads as follows: ...the systems concept is the experience that there are patterned processes which owe their typical configuration to the fact that the component activities have many degrees of freedom, but submit to the ordering restraints exerted upon them by the integral activity of the “whole” in its patterned systems dynamics. (9) <?page no="165"?> Alpbach and Beyond 165 The reference to wholeness is the salient point in this definition. This is not a pars pro toto situation. It is, instead, a definition directed against the argument of the reductionists who see nothing else in the universe but elements and interactions and, consequently, do not see the entire picture. Using another of his disarming arguments, Weiss answers the reductionists: The interaction between a positive and a negative electric charge, or between the earth and a falling stone, can certainly be described, at least in first approximation, without paying attention to what happens in the rest of the universe. And if one watches a multitude of stones falling to earth, the total result can still be represented as the sum of all the individual events. (9) But the elementarian observer, preoccupied with only the smallest samples, misses the properties of the larger perspective that relates to the universe. “Simple conglomerates” are prevailed over by “ordered complexes” which are deduced from our experience with nature instead of being mere mental constructs. Anyone abrogating this insight, Weiss states, “could only do so by arrogation.” (10) An essential invariance defines a system, whereas its elements or constituents exhibit a much more variant flux. Following “a superordinated principle of integration,” (13) involving subordinate sub-systems, the structure of the whole determines the operation of the parts; and as far as living organisms are concerned, we are dealing with necessarily hierarchically ordered systems whose constituents of lower order exhibit a higher degree of variability as to distribution and interrelation than those of higher order. Each sub-system dominates its own subordinate smaller parts within its own orbit or domain... restraining their degrees of freedom according to its own integral portion of the overall pattern, much as its own degrees of freedom have been restrained by the pattern of activities of the higher system of which it is part and participant. (14n.) This hierarchical principle of inequality applies to the single cell as well as to the multicellular community of any higher creature’s homeostatic maintenance of physiological equilibrium. If complexes show a high degree of constancy and unity, they reveal their systems character. The aspect of invariance, typical of the relatively limited freedom of higher-level systems, diminishes as we descend to smaller samples of lower-level organisms and organization. This is easily evident when, starting at the lowest level, we consider the sheer unlimited possibilities of combinations of letter symbols and then notice the incrementally ascending limitation of possibilities as we begin to integrate them into words, into sentences, into thoughts, and into concepts. It should be equally evident that “the system and its parts are coextensive and congruous” so that the “level we are speaking of... is really the level” and locus “of attention of the observer.” (16) Similarly, Weiss posits, for practical reasons only, to tentatively treat all systems as if they were essentially autonomous “closed” systems, while knowing full well that, in complete agreement with von Bertalanffy, “all systems” must be considered <?page no="166"?> Hans Rudnick 166 open.... If later we discover that we have erred by drawing the boundaries too narrow, ...we then just go and correct our error by extending the borders of our definition.” (17) Up to this point it is Weiss who has provided us with a clear understanding of living systems and of the conditions under which they operate. His perspective is the perspective of the researching biologist who deduces his findings from empirical observation of the behavior of phenomena. Turning now to von Bertalanffy’s “chance or law” considerations, we are encountering a different, much more theoretical, (i.e. abstract), and interdisciplinary sociopolitical approach to his subject of “general systems.” Also, the use of “or” in the title of his contribution suggests an open question implying controversy waiting for an answer that addresses, at first sight, an apparent problem between the potentially contradictory terms “chance” and “law,” depending on the perspective of the reader’s understanding of the terms. Is “law” the term to carry the greatest weight (meaning order, hierarchy, and system), or is “chance” with an overtone of haphazard “change” to carry the day, especially since von Bertalanffy promises in his opening statement that he will give a “brief statement of General System Theory” and then “attempt to apply the views so obtained to the Synthetic Theory of evolution as a focal point of this meeting”? (56) The signs are set, of course, for a measured and controlled development in which law and chance ideally obey the dynamics of the hypothesized underlying system in the most general way. For Bertalanffy there is no doubt that “[t]he systems approach became necessary in view of the complexities of modern technology and society in general.” It is already widely used in industry, commerce, defense, and society, admittedly accompanied by dehumanizing effects within the by now megamachine of society. Having to deal in all fields of modern society with complexities, wholes, systems, organizations etc., “a shift or re-orientation of scientific thinking” is called for. “The mechanistic view and approach in science” has to go. Even physics is no longer “mechanistic” any more “since matter de-materialized in modern theory, determinism reached its limits in quantum theory, and ultimate particles are entities defined only by highly abstract mathematical expressions.” (57-58) The life sciences have undergone similar revolutionary developments, (although von Bertalanffy finds the ultimate “reduction” of the phenomena of life to the molecular properties of DNA for the time being “somewhat less than convincing. If anything, organisms are organized things, with respect to both structure and function, exhibiting hierarchical order, differentiation, interaction of innumerable processes, goal-directed behavior, negentropic trends, and related criteria.”) (58) Psychology had also oriented itself according to the mechanical paradigm of physics, thereby neglecting organismic aspects. This resulted in the “‘robotmodel’ of man, dominated by the stimulus-response (S-R) and conditioning scheme of behaviour derived from animal experimentation” with the expectation that proper conditioning, gratification of needs and drives, relaxation <?page no="167"?> Alpbach and Beyond 167 of tensions etc., would bring psychological equilibrium, happiness, and universal bliss to a society whose material and sexual needs were satisfied and its behavior “properly conditioned by the mass media.” (58) But instead, affluent society turned out to be suffering from “dissatisfaction and social unrest, juvenile delinquency, new forms of mental disorder such as existential neurosis, and other well-known phenomena.” (58-59) The social sciences did not fare any better. Perceived as consisting of individual robots, society was trained to submit blindly to consumerism, politics, and the militaryindustrial complex. Pointing to Orwell and still fifteen years to go until the arrival of the year 1984, von Bertalanffy deplores “neuroses, hippies, drug addiction, riots, wars and other symptoms of a sick society.” As we have already heard from Paul Weiss, the rules of classical physics’ linear causality - which include cause and effect, two variable problems, and stimulus-response - as well as statistical laws addressing the problem of organized complexity within the context of the second law of thermodynamics, are unable to offer satisfactory solutions for problems of organized complexity. Process laws such as Newton’s law rest on differential equations. The problems of organized complexity demand a different type of law that is able to answer to the hierarchic structure of organizational laws reflecting paradigms of structural interrelationships (Gefügegesetzlichkeiten) on a universal level. Besides “empirical investigation and definition in each case and at each particular level..., we need a general conceptual framework which transcends that of traditional science” (59) whose principle was based on the Third Axiom of Descartes‘ Discours de la méthode which progresses from the simplest to the most complex, inaugurating the analytical or reductionist approach. The laws of unorganized complexity have their foundation in probability theory, whereas the “laws of organized complexity are essentially system laws.” (60) General system theory is needed to respond to advances in biological, behavioral, and social sciences. Mechanistic science has no means to explain multi-variable interaction, organization, hierarchic order, differentiation, negentropic trends, goal-directed processes etc. because they did not occur in physics. We must, however, consider a living organism’s “organization of processes in the way of maintenance, reproduction, development etc. of the system as a whole. Similar considerations apply to psychology and social science.” In response to this need, von Bertalanffy proposes the “development of ‘general system theory’” and defines it as “a discipline ... concerned with properties and principles of ‘wholes’ or systems in general, irrespective of their particular nature and the nature of their components. The models and principles thus developed are intended to be interdisciplinary....” (60) The feedback model belonged originally to technology (e.g. the operation of a thermostat and automation in general), but its principle can also be applied to many physiological regulations (homeostasis), and certain psychological and social phenomena. Such models are therefore “isomorphic to different branches of knowledge....” <?page no="168"?> Hans Rudnick 168 Computerization and simulation have made it possible to investigate systems with interacting sub-systems and to calculate simultaneous differential equations which classical general system theory was unable to deal with because of the limited capabilities of classical mathematics (calculus). (61-62) System theory derives its power from the appropriate beneficial use of many theories, among them are set theory, graph theory, net theory, cybernetics, information theory, the theory of (abstract) automata, game theory, and queuing theory: all are serving as tools to investigate “problems of wholeness, organization, teleological behaviour and so forth.” (62) The analysis and description of hierarchical order in living nature is still problematic, von Bertalanffy continues, because present mathematical and physical theory is unable to cover this aspect, but in a gracious gesture, von Bertalanffy refers to Koestler’s “tree” of topology which “may eventually lead to a more rigorous theory” on “open hierarchical systems.” (63) We are standing at the threshold of a “scientific revolution” fulfilling all the criteria of Kuhn’s “paradigms” for such a development. “The scientific revolution of the 16 th -17 th century put an end to the ancient Aristotelian conception of the universe” and, he adds, this development is far from being complete. “The world begins to look not like a chaotic ‘game of dice’, to use Einstein’s expression; but rather as a great organization in the sense of Nicholas of Cusa, Leibniz and Goethe.” (63) After this assessment of the capabilities and promise of general system theory, von Bertalanffy turns to the actual subject of the meeting, namely “the neo-Darwinian theory’s claim that random mutations cum natural selection provide all the answers to the phenomena of evolution.” Von Bertalanffy states that his remarks “will be general, partly speculative and, hopefully, heretical”,... not new, “but as they are hardly expressed in current literature, they seem to deserve explicit statement.... Neo-Darwinism or the ‘Synthetic Theory’ of evolution has incorporated genetics, cytology, molecular biology, physiological and population genetics, into its framework.” (64) As a result, firstly, the concept of mutation has replaced Darwin’s rather vague concept of hereditary variation. Mutation means chromosomal change, ultimately in a DNA molecule. Secondly, differential reproduction has replaced the “struggle for survival” as a conception of selection. Those mutants prevail that produce the largest number of offspring. Thirdly, a continuous change in the gene pool affecting the genetic constitution of populations ensures survival instead of favoring, according to Darwin, the fittest or best adapted individual. The Neo-Darwinists have not changed Darwin’s accidental nature of evolution. Mutations remain errors in the genetic reduplication of the DNA code, comparable to a typist’s error. Selection via differential reproduction drives evolution, implying that it is “the environment, and its changes, that determine the course of evolution. Environmental changes... are accidental with respect to the organism concerned.” Therefore, using Riesman’s sociological <?page no="169"?> Alpbach and Beyond 169 term, evolution is caused by an “outer-directed” influence on an organism. (64) Neo-Darwinism’s theory of evolution “is based on the assumption that the laws of physical science plus natural selection can furnish a complete explanation for any biological phenomenon....” (64-65) Although the statement correctly reflects the prevailing belief among biologists and the working hypothesis governing their teaching and research, it nevertheless contains the terms “theory” and “assumption” which should tone down the sweeping claim of the neo-Darwinists. Von Bertalanffy takes exception to the exclusiveness of their “nothing but” claim “that the theory is in principle capable of furnishing a complete explanation of evolution.” (65) For example, neo-Darwinists cannot answer the question: what is the selective advantage concerning “the survival value of a multiple stomach for a cow when a horse, also a vegetarian and of comparable size, does very well with a simple stomach...”? (65) Furthermore, selectionist explanations are always a posteriori constructions because “[e]very surviving form... must, ipso facto, have been viable or of some ‘selective advantage’, for otherwise it would not have survived” in the first place. Such argumentation does not offer sufficient evidence that selection was the cause for survival. Selection “presupposes selfmaintenance, adaptability, reproduction, etc. of the living system.” It is impossible that such prior conditions can at the same time also be the “effect” of selection. (66) Von Bertalanffy finds that “a theory so vague, so insufficiently verifiable and so far from the criteria otherwise applied in ‘hard’ science, has become a dogma” and that such a phenomenon can only be explained on sociological grounds. The ideas of mechanism, utilitarianism and the economic concept of free competition are controlling society and science to such a degree that “instead of God, Selection was enthroned as ultimate reality.” (66) Discontent with the state of the world seems also to have prompted a critical attitude of leading evolutionists like Julian Huxley and Dobzhansky toward evolutionary theory itself by showing sympathy toward the “somewhat muddy mysticism” of Teilhard de Chardin. What cannot be dealt with in the framework of science is dealt with instead in the realm of mysticism and metaphysics. Unwilling to follow deeper into an unscientific fog, von Bertalanffy intends to highlight below seven problems which conventional theory cannot satisfactorily answer but which deserve the attention of further empirical research and conceptual re-evaluation. First, progression toward a higher level of organization is a self-evident fact of evolution. It is “a matter of the paleontological record... not an expression of subjective value judgement.” (67) Exceptions like arrested or reversed evolution do not contradict the prevailing phenomenon of ascent in evolution. In conventional theory of evolution, adaptation and evolution result from random mutation, selective advantage, differential reproduction, etc. But von Bertalanffy objects to this notion since evolution, understood as “progression from less to more complicated organisms had anything to do <?page no="170"?> Hans Rudnick 170 with better adaptation, selective advantage or production of larger offspring. Adaptation is possible at any level of organization... specialized or nonspecialized.” (67) Decisive evolutionary steps seem to have taken place “when ecological niches were relatively empty, as in the conquest of land by vertebrates... when competition was at a minimum.” (68) But vertebrates did not supersede lower forms of life which are indispensable in the ecological cycle of life. Nevertheless, identifying adaptation with evolution remains a debatable point but is not an a priori principle. Second, according to the orthodox hypothesis, “evolution (and biological phenomena in general) are to be explained by ‘the laws of physical science’ plus ‘natural selection.’” In reality, however, we are faced with an enormous range of organization deriving from various levels of systems reaching far beyond physics to microscopic and macroscopic systems in biology and even to higher entities of a sociological nature. “Organizing forces” and “forces of organization” are abundantly evident at the various levels. The nature of these “organizing forces” is “at present insufficiently known, but their effects can be directly ‘seen’ or demonstrated by experiment.” (68) Such laws of organization must be found and defined in each particular case and at each level. At each level we will find properties that belong to the respective system but cannot be obtained from the isolated parts of that system. “[T]here are principles of ‘self-organization’ at various levels which require no genetic control.” (69) Such immanent laws control biological organizations and cannot be the result of random mutations combined with selection, nor can evolution be completely controlled from outside. Third, “organizational laws” must also be studied at the macro-level of evolution. As evolution is supposedly opportunistic, a viable adaptation should be attainable in any number of ways. But such a statement applies only to a limited number of structures with few technological constraints. Products of human technology clearly show that laws of organization “are not opportunistic in the sense that a given purpose has any number or even a large number of solutions. A watch, an automobile or a computer can be construed only in certain ways” (and not “by tampering with materials at random which... forms the ancient argument against the chance origin of ‘living machines’”). (69) There are apparently technological constraints in evolution which must be investigated. Parallelisms at the genetic, developmental and organizational levels seem to rule organizational laws in evolution, suggesting the investigation of analogies at various levels.... (69-70) Regularities in evolution need further attention, apparently because they point toward the principles of system theory. Fourth, with regard to organismic conception there are definite relations to the genetic code. “We presently know its vocabulary... but... not... its grammar, the meaning of the message as a whole.” This grammar for producing an organism “is unknown, but must be postulated.” Von Bertalanffy continues to speculate that the grammar may be of a dynamic order “expressed by some fantastic complex set of reaction equations” overcoming “the contradic- <?page no="171"?> Alpbach and Beyond 171 tion between the particulate features of genes... and the holistic features.” (70- 71) Reducing life only to the properties of DNA molecules and using catchwords like mutation and selection appears not to provide the expected result. Fifth, there is an unanswered question related to preformation which assumes that “all human genes were present in the primeval amoeba and that evolution consisted merely in genetic loss or deletion.” (71) Rejecting the preformation concept implies that “the information carried in the chromosomes must... have accumulated during evolution.” The origin of new genes and of their new functions remains mysterious. One would at least expect some proportionality between number of codons and taxonomic level. Sixth, this point addresses the seemingly fundamental contrast between inanimate and living nature. If we follow the second principle of thermodynamics, (macro-)physical events lead to “maximum entropy, i.e., more probable states, disappearance of differentiation, and states of maximum disorder.” However, living systems in “contrast to the continual degradation of energy by irreversible processes, and in apparent violation of the second principle... maintain themselves at a high level of order and in states of fantastic improbability, in spite of irreversible processes continuously going on.” (71) Quite in contrast to the increasing entropy in physics, living nature, understood as an open system, shows a negentropic trend, often linked to a vitalistic factor. For open systems the second principle of thermodynamics does not consist only of irreversible processes but may also import material rich in free energy into the system. An open system may “retain a constant level of negentropy, i.e., of high order and organization, or may even evolve towards states of decreasing entropy and increasing order.” (71) Another question related to thermodynamics concerns defining the state toward which closed or open systems are tending. Closed states turn toward “equilibrium, defined by maximum entropy, probability and disorder. Open systems... may approach a steady state” in which the system maintains constancy over time while irreversible processes are continuing to occur. In spite of several attempts, a definitive general thermodynamic definition of the steady state has not yet been formulated. Thermodynamics is raising another problem for evolution. Living systems apparently consist of two archetypal phenomena: “a thermodynamically open system... and an information-carrying system represented by nucleoprotein molecules. If one of these is lacking, we cannot speak of a ‘living’ system.” (72-73) For example, a virus capable of self-duplication is not a living system; “it exhibits replication only in a living cell... when a metabolizing system is provided. On the other hand, an open chemical system as used in industrial chemistry... is not ‘living’ because life phenomena such as heredity, morphogenesis, etc., are bound to nucleic acid molecules.” (73) From a thermodynamic perspective neo-Darwinism has a problem when it wants to produce order from random events. Order and local decrease in entropy can occur if “organizing forces” are at work. But the second principle of thermodynamics and its equivalent in information theory (information can be <?page no="172"?> Hans Rudnick 172 turned into noise but not vice versa) will prevail in the absence of such forces. A machine is a closed system which “can change its structure or ‘learn’ thanks to input of information, but it cannot progressively increase its structure because this requires input of energy and is possible only in an open system.” (73) Synthesis of irreversible thermodynamics, information theory, and the laws of supermolecular organization may lead to further insights in the future. The neo-Darwinist’s explanation of the origin of life is particularly problematic since it is held to correspond to the synthetic theory of evolution which relies on the chance appearance of organic substances and subsequent selection. The question remains “why and how organic substances, nucleoproteins, or coacervates should have formed, against the second principle [of thermodynamics] - systems not tending toward thermodynamic equilibrium but ‘open systems’ maintaining themselves at a distance from equilibrium in a most improbable state.” (73-74) The formation of such systems would only be possible through the presence of “organizing forces” which then would determine the specific selection process. Seven, lastly, von Bertalanffy suggests that theories of a more general nature than up to now employed may lead to the explanation of the open questions about evolution. As organismic systems manifest “hierarchical order, a trend toward higher organization, differentiation of originally unitary systems into subsystems, progressive centralization, etc.,” these phenomena are not exclusively biology-specific but can also be found with closely correspondent similarities (isomorphisms) in psychological, sociological, etc. systems. This is the place where general system theory dealing with dynamic hierarchical order can be of benefit as Koestler suggested in The Ghost in the Machine (1967). However, von Bertalanffy cautions not to forget that hierarchical order in physical systems “results from the union of originally separate systems of lower order,” whereas in the biological realm “differentiation hierarchies are dominant which are rarely encountered in inanimate systems.... Differentiation or self-organization is impossible within closed systems or ordinary automata because increasing order presupposes import of energy or ‘negative entropy’ and is possible only in open systems.” (74) Therefore, any system theory featuring dynamic hierarchic order, as Koestler has brilliantly suggested, “will have to combine general system theory with thermodynamic considerations” into a unified theory. (74-75) In his concluding remarks, extraordinarily modest and low-key in spite of their gravity and foreseeable importance for the future, von Bertalanffy emphasizes that the synthetic theory of evolution cannot provide a satisfactorily complete explanation of evolution as long it does not explore organismic systems beyond the molecular level, consider regularities in evolutionary processes, search for the grammar of the genetic code, include thermodynamic and information-theoretical factors, and dismiss a theory of dynamic hierarchic order. (75) He also points to Spengler who referred in his Decline of the West to entropy as the most profound concept in Western physics “ex- <?page no="173"?> Alpbach and Beyond 173 pressing... the direction of time, the trend of the universe toward an ultimate heat death, and in general the historical sense of our civilization projected into the universe.” Von Bertalanffy continues by citing Eddington, a physicist, who wrote in his The Nature of Physics in 1958 words that do not apply to physics alone: “We often think that when we have completed our study of one we know all about two, because ‘two’ is ‘one’ and ‘one’. We forget that we have still to make a study of ‘and’. Secondary physics is the study of ‘and’ - that is to say, of organization.” (75) Von Bertalanffy, the biologist and system theoretician, fully supports Eddington’s words. Eddington’s proposal to study the “and” is equivalent to von Bertalanffy’s call to apply the general characteristics of living systems “such as organization, hierarchic order, selfmaintenance, differentiation, anamorphosis,” and observe the entropy principle in the context of thermodynamics in its application to open systems. (75-76) To solve the problems of biological research will require more scientific ingenuity and sophistication than theoretical physics. Philosophically, this amounts to “the replacement, or rather the generalization of the Newtonian universe of blind forces and isolable causal trains, and of Darwinian living nature as a product of chance, by an organismic universe of many levels, the laws of which are a challenge to future research” which means in von Bertalanffy’s terminology research based on general system theory as projected by him in specific detail above. (76) In retrospect, it is remarkable that Weiss‘ and von Bertanlanffy’s contributions to the symposium remain in their argumentation so closely tied to the particulars of the field of biology and refrain from turning into a purely theoretical discourse. Although reference to the larger dimension of system is omnipresent in Weiss‘ “living system” and even more prevalent in von Bertalanffy’s “chance and law,” they must have felt that their arguments would gain most credibility from using their dissatisfaction with the prevailing understanding of evolution as the point of departure for the persistent introduction of general system thinking which, certainly, was also Koestler’s foremost intention. Koestler’s own contribution to the symposium titled “Beyond atomism and holism - the concept of the holon” (192-216), calls the “holon” the “missing link between atomism and holism.” It is a “hierarchically-organized whole” that is a whole in itself, cannot be further divided, and is at the same time part of a larger system, applicable to “any stable subwhole in an organismic, cognitive, or social hierarchy which displays rule-governed behaviour and/ or structural Gestalt constancy.” (197) Biological holons are selfregulating “open systems” interacting continuously with their environment and are governed by a fixed set of rules. It is by now evident that general system theory with its characteristics of shared models, principles, and laws is a theory whose power rests on its isomorphic qualities, i.e. qualities which are shared among and between various types of systems. Its evolutionary perspective leaves the reductionism of the past behind and attributes process to the notion of evolution that <?page no="174"?> Hans Rudnick 174 allows innovation to enter. Such an understanding of evolution has the tendency toward greater structural complexity, ecological or organizational simplicity, more efficient modes of operation, and greater dynamic harmony not limited to organisms alone but further extended to the mind, sub-atomic matter, or even the universe as a whole. While secular evolutionists emphasize nature’s self-sustaining processes and are thereby dispensing with God, theological evolutionists like Teilhard de Chardin see God’s handwriting in the book of nature, usually crediting cultural evolution with superimposing rational selection over biological selection. Incorporating such a cultural context and moving beyond, Koestler developed the concept of “holarchy” which integrates behavior into the context of system theory with a multilevel, stratified approach involving “holons” which are wholes in itself but simultaneously also part of a larger system. (197) From this perspective, increasing, so to speak, the radius of the circle, it is only natural to add the social dimension to behavior which then leads us to transfer social aspects to a holon which in turn will reveal not only how it behaves within its social constraints, but also what its maxims of conduct, its moral imperatives and systems of value are. (213) Commenting on Koestler’s paper, von Bertalanffy confirms the novel dimension that Koestler has added to systems theory since his presentation concerns many fields and levels, pointing towards the possibility of a general or interdisciplinary science, intended to cover regularities appearing in different fields…. What matters is that there appears to be a general tendency towards a superordinate conceptual system (or systems) which is felt necessary in various disciplines and, to an extent, corresponds to Leibniz‘ classical idea of mathesis universalis. (217) This comment by the biologist who pioneered system theory, modest as it may still sound, now begins openly to acknowledge, after Koestler’s presentation, the overall importance of general system theory by seeing a correspondence to Leibniz‘ mathesis universalis, a theory of universal validity. From the biological arguments of Weiss and von Bertalanffy we could see that they were still arguing from the perspective of evolution and the world of living organisms. But from the 1960s on it became increasingly clear, as also evident from the proceedings at the Alpbach Symposium, that the world of physics contained systems that behaved similarly to the ones found in the world of organisms. During the 1970s and 1980s, thermodynamics confirmed these principles and expanded their application to the development of the human mind and consciousness. This is the critical point where the general aspect of system theory enters the socio-cultural realm and continues to use evolutionary criteria for the explanation and direction of behavior and governance. Erwin Laszlo’s numerous books have developed the theoretical foundations for this expanded, now truly “general” system theory approach. 3 3 The following description of the application of the principles of general system theory is based on Erwin Laszlo, “Das menschliche Bewußtsein: Evolution und Weiterentwick- <?page no="175"?> Alpbach and Beyond 175 At this point of potential practical application, politics enters the picture and, faithful to evolutionary theory, Laszlo explains socio-cultural instabilities as a result of highly sophisticated manipulations of human beings who drive history forward by means of destabilizing technological inventions. This is fully in line with the principles of innovation propagated by Kuhn’s paradigms of scientific revolution and Koestler’s Copernican revolutionists in The Sleepwalkers. Laszlo characterizes the view of the world in 17 th century Europe as a huge mechanistically driven machine, constructed with the help of Bruno, Galileo, and Newton. Bodies on earth as well as in the heavens were mechanically driven. Human reason had the power to be omniscient: God had created the universe and was now dispensable. The industrial age followed with mass production and mass markets. Darwin developed his theory of evolution with notions of the survival of the fittest and ruthless competition, Freud developed psychoanalysis, and his nephew Edward Bernays inaugurated public relations and propaganda. All three theories have led to highly ambivalent future results. The post-industrial age is the time when humankind has reached the state of complete control of the earth, and for Laszlo this is also the time to express skepticism about the mess that evolutionary paradigms of the mechanical/ technological nature have engendered. Though still true to evolutionary theory, he advocates the necessity of another evolution of humanity, this time not on the technological but rather on the level of human consciousness. This means modern society has to change its modus vivendi, literally, if humankind wants to survive. This means a moral rearmament with the purpose of shrinking the extensive mode of evolution to the point of stagnation. This is the program propagated by The Club of Rome during the 1960s and Laszlo’s own successor organization, The Club of Budapest. Overpopulation of the earth, exhaustion of physical and biological resources as well as the disappearance of non-regenerative resources are major issues of concern which must be addressed. Ecology is usually the general term for such concerns, whereas evolutionary terminology with system principles implies process toward the intended new goal, a fundamental innovation. Laszlo calls this new goal “intensive” evolution replacing the prior “extensive” evolution. The extensive evolution is two-dimensional, relating horizontally to the surface of the earth, while the intensive evolution projects upward in a vertical movement penetrating more deeply into the structure of human society concentrating on the development of a sustainable, stable human society and the desired introverting consciousness that cares for the environment within which people live. lung,” in: Vom Ursprung des Universums zur Evolution des Geistes, Züricher Hochschulforum 33. Peter Alde und Pier Luigi Luisi, hg., ETH Zürich. Hochschulverlag AG. 2002. <?page no="176"?> Hans Rudnick 176 Laszlo, up to this point mechanist and brilliant general system advocate, but not, like Koestler, “a trespasser from the humanist camp,” reinforces in the role of cultural historian, bound to evolutionary principles, a mechanistic outlook and ignores its impact on the human being, at least until he comes to the post-industrial age. For Laszlo, development has its own dynamics which he explains with a naturally and necessarily occurring bifurcation when mankind is forced to face a new paradigm, because the paradigm to be left behind has lost its raison d’ être and must give way to the next. As the socalled “extensive evolution,” characterized by conquest, colonialism, and consumerism, has run its course, “intensive evolution” with its networking, communication, and enlightened consciousness takes its place. The notion of network reduces the self-conscious and egocentric individual of the past to a generic quantum unit which is intrinsically connected with every other quantum unit so that, correspondingly, any organism in the biosphere is inevitably connected with every other organism. Similarly, on the economic level the interests of individuals, of states, and of enterprises are now collectively and intrinsically inter-connected through a global network of economic and banking systems, as part of a grand scheme of Gleichschaltung (empowerment). Created in God’s image, people in the Judeo- Christian tradition felt privileged because they had an immortal soul that deserved saving, Laszlo argues, whereas people of the orient maintained their close spiritual relation to nature and the universe. Speaking mechanistically again, Laszlo blames the emergence of the “two cultures” on the Christian church ordering the distinction between “Naturwissenschaften” (hard sciences) and “Moralwissenschaften” (moral sciences), although the latter would be a part of “the liberal arts” if we want to follow C. P. Snow. True to general systems theory, Laszlo refers repeatedly and consistently to the new sciences which posit a universe in which everything is interconnected, projecting the primeval vision of unity between all men and nature. The notion of communication is to promote intensification of communication and heighten the level of consciousness among the communicating persons. Persons must communicate with themselves and find their inner peace which in turn allows them to communicate better with their environment which comprises family, community, profession. In addition, there is a global component to communication which requires communication with people near and far, in their own country and abroad, their own and other cultures, and, of course, with nature. The quality of communication is determined by the level of consciousness, which entails a sense of responsibility, although such a term is not used, possibly to avoid some unwanted elitist and value connotation. The notion of consciousness reaches its full potential when the communicated context and its implications are understood. A high level of communication requires a high level of consciousness so that the person can understand his or her interconnection with others and with the world as a whole. Being aware of this interconnection is, according to Laszlo, crucial for further <?page no="177"?> Alpbach and Beyond 177 human development (his word remains “evolution”), because the consciousness of the communicating person will shift away from an ego-, community-, and nation-centered orientation toward a supposedly broader culturallyand ultimately species-centered dimension. Laszlo is convinced that when intensive evolution has taken hold, the trend toward expansion and complexity in society will be overcome and replaced by networking and communication. Such a society will somehow voluntarily embrace a new deus ex machina consciousness, forego comfort and convenience, and refrain from wasting energy and material, use both efficiently, and reduce oversupply; all beneficial motifs driven by a higher level of consciousness and a deeper, enlightened structure of societal interrelations. The higher level of consciousness is already developing as a consequence of the well-known ecological, economical, and social problems. The value attributed to quantitative consumerism is shifting to qualitative aspects oriented on environmental, sustainable, and ethical issues related to consumption and production, turning away from the conveniences of wasteful living and dedicating oneself consciously and voluntarily to a simple living and a social ethic that is in tune with nature. Laszlo refers to a recent poll taken in the United States by Paul Rey which indicates a reorientation toward such a trend. The persons siding with the culturally creative subculture are gaining the upper hand over the culturally conservative subculture. The culturally creative sector is growing more rapidly and offers greater promise. A major reorientation of the human spirit and consciousness has to occur during the 21 st century so that homo sapiens can survive. The next phases of the development remain in the realm of conjecture, but Laszlo points to speculations by Sri Aurobindo, Jean Gebser and particularly Ken Wilber, whose “holos-consciousness” engenders a holistic appreciation and respect for human life on earth. In any case, Laszlo argues, an “evolution” of the value system resulting from a reoriented human spirit and consciousness must take place to safeguard human survival. With this goal in mind, Laszlo founded The Club of Budapest which is dedicated to developing “a spirit of planetary consciousness.” Looking back upon Weiss’, von Bertalanffy’s, and Laszlo’s arguments, a continuously greater impact of general system theory becomes evident. It is equally evident what an important role Arthur Koestler has played in recognizing the significance of a theory that originally emerged from observations of biological research and then vigorously propagating it to a point that may not even have been foreseen by the theory’s discoverers. There is no doubt that general systems theory thinking has by now found near universal application in all branches of human activity. Its paradigmatic impact is particularly relevant thanks to Erwin Laszlo’s pioneering efforts which began in the 1960s and have found by now a world-wide echo and multitudinous application on a global scale, not always furthering beneficial environmental and <?page no="178"?> Hans Rudnick 178 consciousness-raising purposes because of diverging interests of those who apply them for their own purposes. Founding The Club of Budapest may, therefore, serve as Laszlo’s moral pacifier in a world of overzealous globalization. To cite a very recent example of concerted networking combined with the above-mentioned principles of communication and consciousness clearly revealing systems-theory-inspired global activity dedicated to raising worldwide awareness of environmental consciousness about CO 2 emissions, global warming, and climate change, the “Live Earth Concerts” were organized to be held on July 7, 2007, in network fashion on “seven continents” in nine cities in a one-day-marathon global event following the sun from Sydney to New York and Rio. For maximum and universal impact on youth, music served as the communicative medium in combination with the drawing power of major popular singers and bands who further served the consciousness-raising cause by performing for free, with the profit designated for environmental purposes. In addition, self-appointed environmental spokesman Al Gore gave a short appearance at the final event in New York and asked the participants to solemnly swear an “in-times-like-these-wemust-act” consciousness-inspiring oath. Additional networking, communication, and consciousness strategies became apparent when the media reported on that same day, which was dedicated to “incite an avalanche to start the fight against global warming” (NPR), that Oscar Sanchez Arias, the President of Costa Rica and 1987 Nobel Peace Prize winner, had announced that Costa Rica would be CO 2 -neutral by 2021. Further evidence of the same strategies was contained in the announcement that in the wake of CO 2 emissions, impending indulgencestrading - this time in CO 2 -, and global-warming awareness engendered by the “Live Earth Concerts,” the Dalai Lama would for several days visit the city of Hamburg, the location of the German “Live Earth” concert event. Supposedly as low-key, unrelated, haphazard, and mere fun as the parallel events may seem to an unsuspecting or innocent observer, the above events show in an exemplary way the networking necessary to plan for and obtain a desired result. General system theory provides the blueprint for successful achievement of goals applicable to most fields of human endeavor. And Arthur Koestler played a major role in laying the groundwork for general system theory thinking. <?page no="179"?> Assoziationen zu Koestlers Wissenschaftsverständnis Helmut Kohlenberger Wie der Seefahrer festes Land so ersehnt der rastlos Umhergetriebene innere Ruhe und Stabilität. Joseph Conrads Sohn wurde Architekt. Koestler schrieb 1947 in der Stille und Ruhe von Bwlch Ocyn an seinem ersten nicht politischen “Sachbuch” “Insight and Outlook“ 1 , in dem er eine Art Gesamtlageanalyse des Westens avisierte - ausgehend vom Lachen, von Entdeckungen und Kunst, damit von der Freiheit des Menschen, die sich in diesen Distanzierungsleistungen zeigt. Koestlers von untrüglicher Intuition inspirierter anthropologisch-kultureller Ansatz, den er bis in die Werke der Sechziger und Siebziger Jahre durchhält, wird in Programm und Schematisierung seines sich bereits hier andeutenden work in progress deutlich. Dieses erschließt sich dem Leser nicht zuletzt in ebenso kurzen wie scharfsichtigen Texten des früheren Bürgerkriegsjournalisten - damit auch, und das ist im Moment vorrangig zu betonen, sein Grundanliegen im Blick auf Wissenschaft. Ausgehend von dem Zusammenhang sozialen Wandels mit der Verwissenschaftlichung der Lebenswelt und dem Fortschritt der Wissenschaft stellt er sich die Frage nach dem Status unserer Gesellschaft. Er diagnostiziert eine unstabile Lage, gewissermaßen einen mit Industrialisierung und Mechanisierung seit der Moderne verhängten “Ausnahmezustand”, der sich vor allem in permanentem Stress, einer Art “hyperstimulation” zeigt und zu einer aggressiv-destruktiven Mentalitätslage und davon bestimmten Verhaltensweisen führt. Insbesondere legt Koestler Wert darauf, dass er nicht von dem bei Freud thematisierten Destruktionstrieb, der dem Leben entgegengesetzt ist, spricht. Ihm geht es vielmehr um die Notwendigkeit einer Kurskorrektur, in der sozialer Wandel und technischer Fortschritt korreliert und die im Zuge der letzten Jahrhunderte verloren gegangenen sozialintegrativen Kräfte aktiviert werden. Sozialreform allein reicht nicht aus; es braucht auch positive Stärkung, “the strenghthening of the integrative tendencies in the social whole, the recapture of the oceanic feeling which civilized man has lost” 2 . Allerdings weiß Koestler nur zu gut, dass weder die traditionelle Religion noch eine frei flottierende Mystic International des “ozeanischen Gefühls” die verlorene Stabilität der Gesellschaft wiederbringen können. Auch die im Westen kursierenden gängigen Rezepte eines rationalen, optimistischen und 1 Erschienen 1949 bei Macmillan & Co, London (mit dem Untertitel: Inquiry into the Common Future). Vgl. Hinweise bei Joseph P. Strelka, Arthur Koestler. Autor - Kämpfer - Visionär (Narr Francke Attempto, Tübingen 2006), S.70 f. 2 Insight, a.a.O., S.227. <?page no="180"?> Helmut Kohlenberger 180 utilitaristischen Denkens, die an Wissenschaftsmodellen des 19. Jahrhunderts orientiert sind, führen nicht zum Ziel. Wie Hermann Broch weiß Koestler um die Ambivalenz historischer Prozesse der Moderne, die mit der Rationalisierung ein emotionales Vakuum mit sich brachten, das durch die totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts mit ihren katastrophalen Folgen, noch dazu ganz vergeblich, zu beseitigen gesucht wurde. Dem Wagnerschen Leitmotiv und Gesamtkunstwerk folgte der NS-Terror, der russischen Avantgarde der “reale Sozialismus”. Seiner Zeit weit voraus hat er die Zusammenhänge von ästhetischem Vorspiel und politischem Drama blitzartig erfasst, die erst in den letzten Jahren immerhin diskutiert wurden und doch noch immer nicht selbstverständliches (Ge-)Wissen sind 3 . Folge bis heute ist, dass selbstverständliche Ethik keinen sicheren Ort im Westen hat - seitdem das göttliche Recht, das in seiner Ordnung die ethische Dimension implizierte, durch die paradigmatisch von Hobbes thematisierte staatlich legitimierte Gewalt ersetzt wurde, welche die der Staatsbildung vorausgehende anarchische Tendenz des homo homini lupus bannen sollte. Koestler geht vom Vakuum des modernen Menschen aus. An die Stelle der Tradition sind seit der Reformation Kunst und Wissenschaft getreten, wie später Goethe ausdrücklich bekannte. “Wer diese beiden nicht besitzt, der....” Diese Nachfahren der alten Magie sind für Koestler Wege des Menschen ins ozeanisch Offene, das sich vor allem in der Neufassung der Naturwissenschaften im 20.Jahrhundert deutlich ankündigt. Von hier will er Wege zur gesellschaftlichen Redintegration, der integrativen “Selbsttranszendenz” aufweisen, die nicht nur eine Elite, sondern im Laufe der Zeit möglichst viele erfassen soll 4 . Koestlers Wissenschaftsauffassung, und davon ausgehend seine Auffassung vom Menschen, verstehen sich als Explikation dieser Spannung einer “Integration ins Offene”. Dass Koestler zu den Anfängen der in der Neuzeit dominanten Wissenschaftsauffassung zurückging, versteht sich von selbst. In den “Nachtwandlern” (“The Sleepwalkers”, zuerst 1959), einer Pionierstudie über die Mehrdimensionalität von Wissenschaftsgeschichte, zeigt er vor allem an Keplers “sleepwalking performance” den keineswegs linearen Gang der Forschung, vielmehr ihre Verwobenheit in die kulturelle Lage und die mannigfachen Irrwege der Forschung in der jeweiligen Zeit. Das Neue ist grundsätzlich im Blick auf das bekannte Bild vom Stehen “auf den Schultern von Riesen” zu sehen, das von Bernhard von Chartres über Newton bis zu Merton immer wieder evoziert wurde 5 . Koestler hat mutig Konsequenzen daraus gezogen, indem er vor allem die starren Entgegensetzungen des Neuen zum Alten in eine neue offene Perspektive “zurückholte” und in ihrer Relativität, ihrer grundsätzlichen Falsifizierbarkeit wahrnahm. Mit seiner Konzentration auf 3 Vgl. Jean Clair, Die Verantwortung des Künstlers (Dumont, Köln 1998). 4 Ebd., S.235. 5 Robert K. Merton, On the Shoulders of Giants (Harcourt, New York 1965; dt. Frankfurt a.M. 2002). <?page no="181"?> Assoziationen zu Koestlers Wissenschaftsverständnis 181 den göttlichen Funken im kreativen Akt gelingt es ihm, die vielfach beschworene Nähe von Kunst und Wissenschaft zu konkretisieren und aus dem Schlagwortartigen herauszuführen. Damit leistet er einen entscheidenden Beitrag zur Diskussion um die seinerzeit mit dem Buch von Charles Percy Snow geforderte Diskussion über die Überwindung der Trennung der “zwei Kulturen”. 1. Dass dies nicht ohne kritische Sicht der Sprache geschehen kann, hat Koestler immer wieder betont. Auffällig ist dabei, dass er insbesondere gerade auf die schlagwortartige Indienstnahme von Sprache - nicht zuletzt in der ideologischen Propaganda, die in die Kriege treibt, hinweist. “Kriege werden um Worte geführt, nicht um Territorien“ 6 . Koestler wendet sich ausdrücklich gegen “das Klischee von der einigenden Kraft der menschlichen Sprache”. Er betont, dass Sprache innerhalb von Gruppen Kommunikation ermöglicht, erleichtert. In der Sprache können aber auch kulturelle Unterschiede zum Ausdruck kommen. Die “trennenden, gruppenentfremdenden Kräfte der Sprache auf allen Ebenen ... Nationen, Stämme, Regionaldialekte, Gesellschaftsklassen, Berufsjargons” wirken vor allem nach außen 7 . In der Neuzeit, könnte man hinzufügen, verstärkt sich diese Isolierung von Sprache aus dem unmittelbaren Kommunikationsgeschehen vor allem im Buchdruck, der in Flugblatt, Broschüre und Buch den Geist tötet, aus diesem getöteten Geist die Nation (die neue Elite der Schriftsteller und Gelehrten) schafft. Die Hauptgefahr der Sprache sieht Koestler jedoch in der hypnotisierenden Macht der Wörter, die noch den abstrusesten Ideen den Anschein von Respektabilität verleihen können. Die moderne Erfahrung mit Ideologien, dem Kampf um (Schlag-) Worte auf Plakaten, Posters, Spruchbändern - nicht nur in Zeiten der Totalität - bedarf keiner Erläuterung mehr. Koestler hat dies selbst erfahren - zur Genüge. Auch in Zeiten des Nachkriegs, in denen Intellektuelle mit Worten “handeln” (trade), so Koestler in Alpbach 1959, gilt es wachsam zu sein. Anlässlich der Eröffnung einer Buchausstellung sagt er ausdrücklich, dass es nutzlos ist, Politiker für den Missbrauch von Worten zu tadeln; “the blame rests on us intellectuals ... for having failed to persuade them of the power of the word“ 8 . Koestler steht damit auf dem Boden der Nietzscheschen und strukturalistischen Sprachkritik, die das ganze 20. Jahrhundert bestimmt. W.H. Auden hat sie bekanntlich zusammengefasst und in dem Wort “Words have no words for words that are not true” auf den Punkt gebracht, der einem point of no return gleicht. Vorher schon sprach Julien 6 Die Armut der Psychologie (Scherz, Bern-München 1980), S.322. 7 Das Gespenst in der Maschine (Molden, Wien-Zürich-München 1968), S.337. 8 “Word and Weapons” (1959), in: Drinkers of Infinity (Hutchinson, London 1968), S.112 ff. <?page no="182"?> Helmut Kohlenberger 182 Benda von dem das Jahrhundert wesentlich bestimmenden Verrat der Intellektuellen. Koestler geht es aber noch um Grundsätzlicheres, das einen Neuansatz versprechen könnte. Er weist darauf hin, dass Sprache mit ihrem Zug ins zeitliche Nacheinander Intuition nicht zulässt. Gerade die nachklassische Wissenschaft befreit sich aus diesem Korsett. Die Relativitätstheorie, sagt er, habe dem begrifflichen Denken einen Streich gespielt - nicht dem visuellen Denken. Einstein wird zitiert, in dessen Denken “Wörter und Sätze, wie sie geschrieben oder gesprochen werden, ... keine Rolle zu spielen” scheinen. “Die physikalischen Einheiten, die offensichtlich als Denkelemente fungieren, sind bestimmte Zeichen oder mehr oder minder klare Bilder, die “willkürlich” reproduziert oder auch kombiniert werden können“ 9 . Gegenüber der trügerischen Präzision der Terminologien, die sich bereits in der Scholastik des Mittelalters andeutete, zeigt sich der schöpferische Akt in der Freiheit der “Regression vom Wort zum Bild” - worauf Koestler viele hilfreiche Hinweise gibt. Mit seiner Sicht des ebenso nützlichen wie trügerischen Charakters der vereinfachenden Begriffe (Raum, Zeit, Masse, Kraft) hat er das große Thema der Sprachkritik des 20. Jahrhunderts erweitert und spezifiziert. Bis heute hat die Sprachkritik indes zu keiner Abstinenz von dem Kritisierten, zur selbstverständlichen Erledigung von Schlagworten oder gar zur Befreiung von Reflexen, die auch der aufgeklärten Öffentlichkeit nicht unbekannt sind, geführt. Doch wäre an Viktor Frankls logotherapeutische Auffassung, auch auf dem von Koestler initiierten Alpbach-Kolloquium vorgetragen, zu erinnern 10 . Indes ist die Reduktion auf Worte nur der erste Schritt zum modernen Reduktionismus auf Zahlen, der schon von den Pythagoreern ins Auge gefasst wurde. Auch hier sei an Hermann Broch erinnert. Dieser hatte - schon, noch in Wien - von der “positivistischen Stummheit” gesprochen, die seit der Renaissance mit ihrer auf mathematische Darstellbarkeit zielenden Sehform in Bann schlage. Die Hypertrophie rhetorischer Denkstile und intellektueller Moden seit dem 19. Jahrhundert bis hin zur Propaganda und eines bis zum Pathos gesteigerten “Ausbruches der Angst”, des Wirklichkeitsverlustes suche diese Reduktion der Sprachkraft in der Moderne zu kompensieren 11 . Im weiteren Verlauf seines Denk- und Schreibweges indes nähert sich Broch in seinen mathematischen Studien und seinem Abschied von “Literatur” einer Sicht an, in der das abstrakt Gedachte an den im intuitiven Akt in der post-klassischen Wissenschaft exemplarisch vorgestellten Prozess rückge- 9 Der göttliche Funke (Scherz, Bern-München 1966), S.180. 10 Vgl. A. Koestler, J.R. Smythies (Hg.), Das neue Menschenbild. Die Revolutionierung der Wissenschaften vom Leben. Ein Internationales Symposion [Beyond Reductionism] (Molden, Wien 1970, S.364 ff., S.396 ff.); Frankl sieht in dem reduktionistischen Ansatz monotoner wissenschafttlicher Erklärungen, etwas sei “nothing but...“ eine Maske des Nihilismus. 11 “Geist und Zeitgeist“ (1934), Kommentierte Werkausgabe, hg. P.M. Lützeler, Bd 9/ 2 Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1981, S.177 ff. <?page no="183"?> Assoziationen zu Koestlers Wissenschaftsverständnis 183 bunden wird 12 . Beide Autoren haben verstanden, dass Wirklichkeit nicht im gewohnten Ausgang von Entgegensetzungen von Kunst und Wissenschaft deutlich wird. Es bedarf einer über die fachspezifischen Reduktionen und milieugebundene Sprechweisen hinausgehenden Zugangsweise. 2. Es bedarf eines Ebenenwechsels der Betrachtung. Koestler hat davon gesprochen; er hat die Notwendigkeit der “Regression” betont und diese immer wieder mit dem (nicht zuletzt seit Lenin bekannten) Bild reculer pour mieux sauter benannt. Dabei geht es um ein Zurück auf überwunden geglaubte Dimensionen, die mit der Thematisierung des “Unbewussten” seit dem 19. Jahrhundert bis heute in Kunst (besonders im Surrealismus 13 ), Psychoanalyse, Ethnologie, Träume, Magie - im Zeichen von Picassos “Finden” reintegriert wurde. Dies zeigt sich schon in Husserls “Phänomenologie”, Marc Blochs Mentalitätsgeschichte, später Foucaults der biopouvoir gewidmeten Analysen - akademischen Nachwirkungen des Epochenwandels, ebenso in Wissenschaftsgeschichtsrekonstruktionen etwa bei Thomas Kuhn, die Koestler als ein Parallelphänomen zu seinem eigenen approach gelegentlich eher knapp erwähnt. Im Entscheidenden geht es um ein Zurück vom Wort auf visuell Gegebenes, das sich letzter Auflösung in ein logisch exakt nachvollziehbares Begründungssystem widersetzt. Koestler zeigt dies an Hand der Beobachtungen herausragender Pioniere der nachklassischen Wissenschaftsgeschichte - wir erwähnten schon Einstein. Es geht jedenfalls dabei um die in entscheidenden Blickwechseln sich zeigende Nichtkonstruierbarkeit von wissenschaftlichen “Fakten”, die signifikante Nichteindeutigkeit des Gegebenen, die vor allem im Bereich der Lebenswissenschaften (angesichts des von Koestler scharf kritisierten im “Rattomorphismus” paradigmatisch zum Ausdruck kommenden Reduzierens auf Reiz-Reaktion-Schematisierung mit damit verbundener Obsoletierung moralischer Bewertung 14 ) entscheidend ist. Exemplarisch dafür bei Koestler der Verweis auf Schrödingers “Prinzip der ‘Ordnung aus der Unordnung’”, das außerhalb der Reichweite physikalischer Kausalitätsbestimmung, nicht jedoch teleologischer Sicht, liegt. Dieses 12 Vgl. dazu Erich Kahler, Die Philosophie von Hermann Broch (Mohr, Tübingen 1962), S.28 ff. 13 Koestler spricht ungeniert davon, dass schuljungenhaft erscheinende Forscher “sich des surrealistischen Aspekts der Welt, die sie geschaffen haben, sehr wohl bewusst sind“ [Der Mensch -Irrläufer der Evolution, (Scherz, Bern-München, S.284)]. Mit F. Capra vergleicht er die Vorgänge in der atomphysikalischen Vakuumkammer mit Schiwas Tanz (ebd. S.287). 14 Zum Milgram-Experimentieren vgl. ebd. S.100 ff. Der Suggestivkraft des Laborvorgangs ist es gelungen nachzuweisen, dass Menschen moralische Grenzen überschreiten, weil sie an die Autorität der Wissenschaft glauben. <?page no="184"?> Helmut Kohlenberger 184 Prinzip “ist offenbar nicht auf irgendetwas zurückführbar, es scheint unerklärlicherweise ‘einfach da zu sein’“ 15 . Im innersten Kern der modernen mathematisierenden Wissenschaft zeigt sich die Unterbietung des gewohnten Linearen, Nacheinanders in Zeitreihe - wenngleich in unterschiedlicher Bewusstheit der am Forschungsprozess maßgeblich Beteiligten. Das Beispiel von Poincaré spricht für sich 16 . Dieser ist auf dem Weg zur weiterführenden Einsicht, so Koestler, schreckt dann aber doch, seiner traditionell geprägten Gesamtsicht gemäß, vor letzten Schlussfolgerungen zurück. Koestler hat keine Scheu, Schlüsselbegriffe der europäischen Vormoderne - wie Hierarchie, Analogie und Teleologie - in neuem Kontext selbstredend - wieder aufzunehmen. Hierarchie - im Rückgriff auf Bertalanffys Systemtheorie 17 - wird ein Grundbegriff seiner eigenen Konzeption von Wissenschaft: “Hierarchische Organisation einerseits und die Eigenschaften offener Systeme anderseits stellen die Grundprinzipien der belebten Natur dar”. Wiederholt hat Koestler diesen Begriff erläutert - er beabsichtigt eine Vermittlung von atomistischer und holistischer Auffassung in den Wissenschaften, indem er die Hierarchie des Organischen als ein Ganzes von Sub-Ganzheiten (“Holons”) auffasst, die sowohl autonom sind als auch Teil von größeren Holons in einem “nach oben” offenen Systemzusammenhang. In diesem Zusammenhang erwähnt er die Umkehrung des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik bei offenen Systemen, gespeist von Negentropie (Schrödinger). Selbstbehauptung und Notwendigkeit von Integration gehören notwendigerweise zusammen. Koestler sieht diese Zuordnung analog in allen Systemen von den Atomen bis zum astronomischen Forschungsgebiet, im Biologischen ebenso wie im Sozialen 18 . Uno actu vollzieht sich das Stranden der modernen Wissenschaften selbst in der neuen Bedeutung von Außer-Europa im Zeitalter der Dekolonisation. Dass Koestler mit Selbstverständlichkeit auf die Analogie als Erklärungsmöglichkeit zurückgreift, die vor allem in der scholastischen Philosophie - auch dort entgrenzend - eingesetzt wurde, hindert ihn natürlich keineswegs an der Überzeugung, dass der Kontext dieses Denkens sich selbst aufgelöst hat, wie er insbesondere am Fall Galilei aufzeigt - darin mit Philosophen wie 15 Der Mensch-Irrläufer der Evolution (Scherz, Bern-München 1978), S.311 f. 16 Poincaré sprach von sich mit einer “charakteristischen Kürze, Plötzlichkeit und unmittelbaren Gewissheit“ aufdrängenden Gedanken - in denen er “sichtbare Zeichen einer langen, unbewußtenVorarbeit“ sieht. Vgl., Koestler, Funke, a.a.O. [Anm.9], S.116 f. 17 Ludwig von Bertalanffy, “Gesetz oder Zufall: Systemtheorie und Selektion“; A. Koestler, “Jenseits von Atomismus und Holismus - Der Begriff des Holons“, in: Das neue Menschenbild. Die Revolutionierung der Wissenschaften vom Leben. Ein internationales Symposium [ Beyond Reductionism ] , Hg. A. Koestler, J.R. Smythies, (Molden, Wien 1970), S.71 ff. bzw. S.192 ff. 18 Vgl. Anhang : “Allgemeine Eigenschaften offener hierarchischer Systeme (O.H.S.)“, in: Das Gespenst in der Maschine (Molden, Wien 1969), S. 371 ff. u.ö. <?page no="185"?> Assoziationen zu Koestlers Wissenschaftsverständnis 185 Paul K. Feyerabend einer Position 19 . Entscheidend für ihn ist ja der Rückgang in eine interkulturell dem “europäischen Sonderweg” seit dem Mittelalter vorausliegende Disposition der Träume und Magie, die sich in den Inkubationsphasen kreativer Akte - wenn auch zumeist nicht “erkannt” - meldet, ausgelöst durch traumatische Erfahrungen, die den gewohnten Gang der Forschung bzw. des Lebens (des Künstlers) unterbrechen, die Grenze der “Rationalisierung” zeigen und der schöpferischen “Selbsttranszendenz” neue Wege erschließen. Dies geschieht nicht zuletzt in der bisoziativen Verbindung von bislang nicht zueinander in Beziehung Gesetztem 20 . Koestler hat wiederholt eine ganze Reihe solcher kreativen Verbindungen - von Gutenbergs Siegelringfertigung mit der Weinpresse bis hin zu Pasteurs Entdeckungen, die mit der Inbeziehungsetzung der Forschung an Mikroorganismen mit der Choleraimpfung von Hühnern zur Tollwutimpfung führten, aufgezeigt und aufgelistet 21 . “Die fruchtbarste Region scheint das sumpfige Ufer zu sein, das Grenzland zwischen Traum und Wachen, in dem die Spielregeln des geschulten Denkens zwar schon in Kraft sind, aber noch nicht genügend Autorität besitzen, um dem traumhaften Überschäumen der Vorstellungskraft entgegenzuwirken“ 22 . 19 Feyerabend verweist in seinen Studien zur Geschichte des Empirismus auf Koestlers Sicht der Diskussion um Galilei in den “Sleepwalkers“: Der wissenschaftstheoretische Realismus und die Autorität der Wissenschaften, Ausgewählte Schriften Band 1 (Vieweg, Braunschweig-Wiesbaden 1978), S.274. Strelka, Arthur Koestler, a.a.O. S.120 f. weist mit Koestler darauf hin, dass nicht zuletzt die “Neidgenossenschaft akademischer Mediokrität“ im Fall Galilei zu beachten ist--; zu Koestlers historischer Beurteilung des Fall Galilei neben den “Sleepwalkers“ auch “The Greatest Scandal in Christendom“ (in: Drinkers of Infinity, S.18 ff., bes. S.27 f.). Am Aristotelismus des Mittelalters läßt er kein gutes Haar. Aber der Erklärung des Bischofs von Paris aus dem Jahre 1277, die den Raum der Theologie, insbesondere die göttliche Allmacht, gegen wissenschaftliche Vereinnahmung des zeitgenössischen Aristotelismus sichern sollten, zollt er Achtung. Für Hans Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit. Erneuerte Ausgabe (Frankfurt a.M. 1996, S.178f.) markiert sie den Zeitpunkt des Umschlagens vom Interesse an der Rationalität der Schöpfung in “spekulative Faszination durch das theologische Prädikat der absoluten Macht und Freiheit“. Diese Erklärung ist übrigens strukturell durchaus in inverser Parallele zu Bellarmins Position zu Galilei zu sehen. In beiden Fällen wird die Theologie in ihrer Unabhängigkeit von wissenschaftlichen Positionen gesehen - im ersten Fall eröffnet dies (in Spätfolge im Kontext der Selbstauflösung der Scholastik im Nominalismus) neue Wissensräume von der Mathematik her, im anderen Fall wird die mathematisierte Forschung wiederum auf ihren methodisch vorgegebenen Horizont begrenzt. - In ganz ähnlicher Weise hat Erich Kahler, der einschlägigen Forschung vorausgreifend, die Theologiegeschichte im Mittelalter als Vorgeschichte der modernen Rationalität schon seit den Dreißiger Jahren geortet (vgl. Man the Measure. A New Approach to History (J.Cape, London 1945), S.467 ff.). 20 Bezeichnenderweise sieht Koestler in den Träumen “passive Bisoziation“, die selbstredend keine unmittelbare Wirkung hat (vgl. Funke, a.a.O., S.187). 21 Gespenst, a.a.O., S.203; Funke, a.a.O., S.113 ff. 22 Funke, a.a.O., S.223 f. <?page no="186"?> Helmut Kohlenberger 186 3. Koestlers Blick ist stets auf die Ambivalenz dessen, was uns umgibt und bestimmt, gerichtet. Wir sind gewohnt in Konfrontationen, unüberbrückbar scheinenden Gegensätzen zu denken - vom Grundunterschied Licht-Dunkel über Gut-Böse bis hin zu Geist-Materie. Koestler weiß um die todbringende Gefährlichkeit dieser Konfrontationen - übersetzt in politische Realität. Schon in Insight and Outlook ging es ihm um das in der Moderne, im Weltbürgerkrieg zumal verloren gegangene Gleichgewicht der Zivilisationen 23 . Schon - und gerade - seit dem Rationalisten Descartes, so Koestler, wissen wir um das Unbewusste 24 , in entscheidenden wissenschaftlichen Entdeckungen zeigt sich eine künstlerischer Kreativität vergleichbare Intuition - die gewohnten Entgegensetzungen von Geist und Materie, Freiheit und Determinismus, Zufall und Notwendigkeit, Vernunft und Glaube, Zukunft und Herkunft haben ihre allumfassende Plausibilität verloren. Keineswegs folgt für ihn daraus die Beliebigkeit eines Zusammenfalls aller Gegensätze (im Sinne der kusanischen conincidentia oppositorum). Vielmehr zeigt sich die Polarität der in allen offenen hierarchischen Systemen wirkenden selbstbehauptenden und selbsttranszendierend-integrativen Tendenzen. Um ein Verstehen dieses inneren Zusammenhanges von Selbstbehauptung und Selbsttranszendenz in einem Gegebenen, Lebewesen, Sozialem geht es ihm vorrangig. Dem diesem zugewandten Sehen erschließt sich das jeder analysierenden Vereinseitigung vorausgehende In- und Auseinander von Herkunft und Zukunft, von Zufall und Notwendigkeit des uns verbindenden Entwicklungsprozesses. Dafür gibt es keine lehr-, lernbare Methode. Dieses zeigt sich im sleepwalking, dessen Bedeutung für die Wissenschaftsgeschichte Koestler in einzigartiger Weise herausstellte 25 . Bleibt nur das Problem, diesem Prozess nicht durch unangemessene Eingriffe zu widerstehen. Gerade die Moderne ist davon in besonderer Weise betroffen, wie sich an der Selbstgefährdung “des Menschen” infolge seiner Verurteilung zur Selbstbehauptung und Selbsttranszendenztendenz (in Forschung, Politik, Religion) ständig zeigt. Wer so offen wie Koestler denkt, muss der Kaste der Intellektuellen entgegentreten. Diese verfügen als Wortführer seit der Moderne, d.h. nach dem Bündnis von Thron und Altar, über das gefährdendste Medium - das Wort. Wir sahen, dass Koestler der Sprache grundsätzlich misstraut - wegen der Sophistik, mit der Intellektuelle faktisch eine parteiliche Deutungshoheit (in den Medien) durchgesetzt haben. Worte, 23 Vgl. das Kapitel 16: “The Regenerative Equilibrium of Civilisations”, a.a.O. Anm.1, S.221 ff. 24 Koestler markiert die Karriere des “Unbewussten“ vom Denkbaren - bei Descartes, zu einem aktuellen Thema um 1800 bis hin zum Gemeinplatz seit dem späten 19. Jahrhundert, vgl. Funke, a.a.O., S.153. 25 Koestler verbindet mit dem Aspekt des sleepwalking die “directiveness of vital process“ (Vgl. “The Wings of Analogy”, in: Drinkers of Infinity, a.a.O., S.271). <?page no="187"?> Assoziationen zu Koestlers Wissenschaftsverständnis 187 zu Schlagworten geworden, produzieren falsche Problemstellungen - und Schlimmeres. Ein eher harmloses aber einprägsames Beispiel für solche intellektuelle Manipulation im Zeitalter der Wissenschaft zeigt Koestler mit seiner Parabel vom Tischgespräch in einem Oxforder College, in dem ein Gastdozent aus Australien dem streng deterministisch argumentierenden älteren Professor entgegnet: “Wenn Sie noch weiter leugnen, daß ich in meinen Entscheidungen frei bin, dann muß ich Ihnen wirklich eine herunterhauen” - worauf der Angeredete sich zurecht entrüstet: “Ich muß sagen, daß ich Ihr Benehmen unverzeihlich finde” - was der Australier mit einem knappen “Experiment gelungen” quittiert 26 . Nicht ein mechanistischer Prozess läuft in der Welt ab, sondern ein zukunftsbezogener “directive process, whether you call it selective, adaptative or expectative” 27 . Mehr können wir nicht sagen. Mehr zu sagen wäre Propaganda, in der Intellektuelle im großen Ganzen nicht schlecht waren. Aber, so resümiert Koestler, “as missionaries we have failed”. Geboten scheint eine Neujustierung der Bedeutung des Wissens überhaupt. Koestler peilt sie an in der Kritik am fokussierenden Sprechen, im Rückgriff auf traditionellen Sichtweisen zu verdankende Freiräume. Im Rückblick auf “die Stunden am Fenster” im Gefängnis in Sevilla 1937 bekennt er sich zu einer über die Ordnung der Sinneswahrnehmung und der Begriffe hinausgehenden, allenfalls in Analogie und Teleologie zugänglichen “höheren Ordnung”. Sie zeigt sich nicht unmittelbar. Koestler vergleicht sie mit der Order, mit der ein Kapitän auf Fahrt geschickt wurde. Sie war geschrieben in Fragmenten eines versiegelten Geheimtextes, der nur unzulänglich entziffert werden kann 28 . Rätselhaft bleibt Koestlers Position im letzten - in seinem Vorschlag, technisch-wissenschaftlich der “dem Menschen” inhärenten Selbstdestruktionstendenz zu begegnen ebenso wie in dem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber dem Wort, seinem eigenen Metier also. Jedenfalls gegenüber einer “Botschaft”, die unabhängig von dem, der sie spricht, wirkt. Frankls Sicht einer von der Sinnfrage ausgehenden Therapie findet sich unausdrücklich in Koestlers Feststellung, wichtiger als die Theorie des Therapeuten sei die Person des Therapeuten 29 . Die letzten Worte seiner Ansprache im August 1959 in Alpbach möchte ich als Interpretament des wohl rätselhaftesten Textes von Koestler, “Misunderstanding“ 30 und darüber hinaus vorschlagen: 26 Irrläufer, a.a.O., S.279. 27 “The Wings of Analogy”, in: Drinkers, a.a.O., S.273. 28 Irrläufer, a.a.O., S.330 f. 29 Vgl. Funke, S.271. 30 “Prologue. The Misunderstanding”, in: The Call Girls, (Hutchinson & Co, London 1972), S.7-15. Vgl. dazu Strelka, Arthur Koestler, a.a.O., S.160 f. <?page no="188"?> Helmut Kohlenberger 188 In the beginning was the word. Then the word became flesh. Later the flesh denied the word. Who is going to have the last word? It depends on the spokesmen of the word 31 . 31 “Words and Weapons”, in: Drinkers of Infinity, a.a.O., S.114. Hier sollte auch auf Imre Kertész Bezug genommen werden, der in Koestler einen Zeugen seines Jahrhunderts sieht und den er zu seinen geistigen Verwandten zählt, “die durch ihr Verantwortungsgefühl für die Welt verführt, auf Irrwege und in die Einsamkeit getrieben wurden, bis sie schließlich in der Heimatlosigkeit ihre Ruhe und sogar ihre Berufung fanden” (vgl. das in Übersetzung von Zsuzsanna Gahse mitgeteilte Zitat im Zusammenhang der Koestler-Ehrung der Süddeutschen Zeitung vom 5.9.2005). <?page no="189"?> Arthur Koestler und die Parapsychologie Joseph Strelka Die Parapsychologie ist die Wissenschaft, die sich mit okkulten Erscheinungen verschiedenster Art auseinander setzt. Immer schon haben sich nicht zuletzt Dichter mit diesen Phänomenen beschäftigt, die seit altersher so verschiedene Gebiete wie okkulten Mediumismus, Magie und Mystik umfassten, welche einerseits voneinander durchaus verschiedene Erscheinungen sind, aber trotzdem in der Dichtung oft zusammen auftreten. Wenn etwa in Meyrinks berühmtem Roman Der Golem der Held, Athanasius Pernath, wiederholt den Geist des Golem erblickt, dann ist dies okkulter Mediumismus. Die zugespitzte Feile, die von vornherein dazu bestimmt erscheint, im selben Roman das Herz Wassertrums zu durchbohren, gehört dem Bereich der Magie zu. Das im Golem-Roman erwähnte “Buch der Seelenschwängerung” und der auf ägyptische Symbole anspielende Schluss aber schließlich berühren das Gebiet der Mystik. Ja, die Parapsychologie umfasst noch mehr Phänomene als jene drei. Was sämtliche parapsychologischen Phänomene verbindet, ist der Umstand, dass sie über den Bereich der Oberflächlichkeit des platten Verstandes hinaus weisen. Diese Eigenschaft bringt es mit sich, dass das ganze Gebiet zu Schwindel und Scharlatanerie geradezu einlädt, da schwärmerische Wirrköpfe und leichtgläubige Idioten nur allzu gerne bereit sind, darauf hinein zu fallen. Diese Eigenschaft bringt es aber auch mit sich, dass andererseits hartnäckige Skeptiker, nicht selten geradezu aus einem provinziellen Stümpertum heraus, alles rundweg ablehnen, was damit zusammenhängt. Arthur Koestler, einer der meist bewunderten und meist gehassten, auf jeden Fall aber einer der bedeutendsten Autoren der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts, gehört seit seiner Ernüchterung von einer politischen Illusion zu den kritischen Geistern, der nichts so hoch hält wie Fakten, Logik und das Streben nach unverfälschter, echter Wahrheit. Deshalb bezichtigt ihn die eine Hälfte seiner Freunde eines Übermaßes an wissenschaftlicher Pedanterie, die andere Hälfte aber einer durch und durch “unwissenschaftlichen” Vorliebe, ja Marotte für solch widersinnige Phänomene wie etwa “Außersinnliche Wahrnehmung” (ASW. Englisch: ESP für extrasensory perception), die sie in den Bereich des Übernatürlichen einordnen. Jenen Freunden, die überall nur Aberglauben und falsche Sensationen sehen, wirft Koestler vor, dass sie mit dem neuesten Stand der Wissenschaften ebenso wenig vertraut sind wie mit jenem der Parapsychologie. “In den letzten Jahrzehnten”, schrieb er, “hat sich das Klima in beiden Lagern wesentlich geändert. Die parapsychologische Forschung ist strenger, statistischer geworden <?page no="190"?> Joseph Strelka 190 und weitgehend computerisiert, die theoretische Physik dagegen ‘okkulter’, indem sie übermütig beinahe jedes vormals geheiligte ‘Naturgesetz’ brach. Somit könnte die Anschuldigung in gewissem Maße umgedreht werden: die Parapsychologie hat sich dem Vorwurf wissenschaftlicher Pedanterie ausgesetzt, die Quantenphysik dem Vorwurf der Beschäftigung mit solchen ‘übernatürlichen’ Vorstellungen wie negative Masse und rückwärts laufende Zeit.” 1 Wer Koestler nur als den Verfasser des wahrscheinlich berühmtesten und jedenfalls in 33 Übersetzungen verbreiteten politischen Romans des 20. Jahrhunderts, Sonnenfinsternis, kennt, könnte vielleicht den Verdacht schöpfen, er wisse nicht, wovon er rede. Aber derselbe Koestler hat in seiner späteren Entwicklung unter anderem in seinen beiden Büchern Der göttliche Funke und Das Gespenst in der Maschine gezeigt, dass er einen ganz unglaublichen Überblick über die letzten Ergebnisse der Naturwissenschaften wie auch der Psychologie und Anthropologie besitzt. Er selbst ist es auch gewesen, der darauf hingewiesen hat, dass er nicht der einzige ist, der parapsychologische Forschungen ernst nimmt. So hat er daran erinnert, dass das amerikanische Atom U-Boot Nautilus, schon in den frühen Siebzigerjahren, unter das Eis des Polarkreises getaucht, in telepathischer Verbindung mit seinem Heimathafen stand, und dass eine der wichtigsten Personen, welche diese Entwicklung verfolgte, der sowjetische Professor Leonid L. Vassilev war, Vorstand der psychologischen Abteilung der Universität Leningrad, Träger des Lenin- Ordens, der selbst fünfundzwanzig Jahre hindurch telepathische Versuche im Stillen durchgeführt hatte. 2 Heute gibt es kaum noch ein Entwicklungsland auf der Erde, das sich nicht wenigstens mit einem Universitätsinstitut an der parapsychologischen Forschung beteiligt und seit den Achtzigerjahren wird auch im Rahmen der amerikanischen Raumfahrtsorganisation NASA an der Untersuchung telepathischer Phänomene gearbeitet. Für Koestler kamen die ersten Anstöße für sein Interesse an Telepathie durch eigene Erlebnisse und eines davon sei hier kurz beschrieben. Als er im spanischen Bürgerkrieg über drei Monate in einer Todeszelle Francos saß, war ihm eine Stelle aus Thomas Manns Roman Die Buddenbrooks angesichts des nahen Todes in Augenblicken besonderer Depression zu einem geistigen Trost geworden. Es ist die Stelle, an welcher der noch keineswegs alte Senator Thomas Buddenbrook angesichts seines nahen Todes überraschend nach einem bisher ungelesenen Buch seiner Bibliothek greift, in dem er den Hinweis darauf fand, dass der Tod nichts Endgültiges ist, sondern ein Übergang zu einer anderen, unpersönlichen Existenzform. Der Senator fühlt sein ganzes Wesen auf ungeheuerliche Art geweitet “…und nichts hinderte ihn mehr, die stete Ewigkeit zu begreifen.” Der Senator verdankte diese tröstliche Einsicht Schopenhauers Aufsatz “Über den Tod und sein Verhältnis zur Unzerstörbarkeit unseres Wesens an sich”. An dem Tag nach seiner Freilassung schrieb Koestler an Thomas Mann und dankte ihm für den auf dem Umweg 1 Arthur Koestler: Die Wurzeln des Zufalls. Frankfurt 1974, S. 7. 2 Arthur Koestler: The Heel of Achilles. London 1974, S. 104. <?page no="191"?> Arthur Koestler und die Parapsychologie 191 über Thomas Buddenbrook durch Schopenhauer vermittelten Trost. Thomas Mann schrieb zurück an Koestler, dass er die Schrift Schopenhauers nur einmal, eben zur Zeit der Abfassung der Buddenbrooks, also Ende der Neunzigerjahre gelesen hätte und seither nie wieder. Am “gestrigen Tag” aber, das ist der Tag an dem Koestlers Brief eintraf, hätte er einen plötzlichen Impuls verspürt, nach vierzig Jahren den Aufsatz wieder zu lesen. In dem Augenblick, in dem er den Band aus der Bibliothek holte, läutete der Postbote und brachte Koestlers Brief mit seinem Dank für den Trost durch Schopenhauer. Man fühlt sich fast an den “Zufall” in Meyrinks Leben erinnert, da er sich das Leben nehmen wollte und in demselben Augenblick ein Buchhandlungsgehilfe oder Hausierer eine Broschüre über Geheimwissenschaften unter die Tür in sein Zimmer schob, wodurch die Absicht verhindert wurde. Gewiss war es von diesem Erlebnis bis zu Meyrinks Buch An der Grenze des Jenseits ein wohl ebenso langer Weg wie jener von Koestlers Schopenhauer-Erlebnis über Politik und Naturwissenschaften bis zu dessen Buch Die Wurzeln des Zufalls. 3 Wie aber Meyrink in seinem Buch wie in seiner Dichtung sowohl Phänomene des Okkulten wie auch der Magie und Mystik behandelt, so erwähnt auch Koestler in seinem Buch neben den ‘okkulten’ Erscheinungen der Telepathie und des ‘Zufalls’, ja einer ganzen Reihe der sogenannten Psi- Phänomene zumindest kurz und kursorisch auch Magie und Mystik. Als magieartig beschreibt er die ‘integrierten’ Kräfte der Natur am Beispiel des Plattwurms (Plathelminthes): Man kann diesen Wurm in etliche Teile zerschneiden und jeder Teil regeneriert sich zu einem neuen, vollständigen Individuum. Über die Mystik aber schreibt er, dass es nach Jean Piaget der “protoplasmische” oder “symbiotische” Zustand des Kleinkindes ist, der nach der rationalen Entwicklung verloren gegangen, von Mystikern und Künstlern auf einer höheren Entwicklungsebene, “einer höheren Windung der Spirale wieder zu gewinnen versucht wird.” 4 Als Koestler dies schrieb hatte der berühmte britische Astronom Sir Arthur Eddington bereits sein Gleichnis von den zwei Schreibtischen bekannt gemacht. Der erste Schreibtisch ist so, wie die Sinne und der Verstand ihn sehen und be”greifen”, das alte Möbelstück, auf dem beim Schreiben seine Ellbogen aufliegen und der zweite Schreibtisch, der natürlich derselbe ist, nur von der Perspektive der modernen Physik aus gesehen. Dieser “zweite” besteht fast ganz aus leerem Raum; aus schierem Nichts, das von unvorstellbar kleinen Teilchen durchsetzt ist, von Elektronen, die um ihre Kerne wirbeln, von ihnen jedoch durch Entfernungen getrennt sind, die hunderttausendmal größer als ihr eigenes Volumen sind. Und dazwischen nichts. “In der Welt der Physik”, schrieb Eddington, “betrachten wir das Drama des Lebens als ein Schattenspiel. Das Schattenspiel meines Ellbogens ruht auf einem schattenhaften Tisch, und meine Schattentinte fließt über schattenhaf- 3 Gustav Meyrink: An der Grenze des Jenseits. Leipzig 1923. Arthur Koestler: Die Wurzeln des Zufalls, op. cit. 4 Die Wurzeln des Zufalls, op. cit., S. 119 und 123. <?page no="192"?> Joseph Strelka 192 tes Papier.” 5 Aber noch während er dies schrieb, ging eine noch radikalere Veränderung unserer wissenschaftlichen Einsicht vor sich: Die winzigen Teilchen waren einerseits wirklich Teilchen, können andererseits jedoch als Wellen beschrieben werden! Eine Erkenntnis, wonach die Atome nicht einfach “Dinge” sind und dass auf ihrer Ebene die Welt, wie die Sinne sie wahrnehmen, zu existieren aufhört, hat viele Physiker bewogen, der Parapsychologie sehr viel offener, ja oftmals interessiert gegenüber zu treten. Als Koestler sein Buch Die Wurzeln des Zufalls schrieb, konnten im Unterschied zur Zeit Meyrinks überdies manche Phänomene der Parapsychologie wie Telepathie und Kurzzeit-Präkognition bereits als wissenschaftlich etabliert gelten. Diese feststehenden Ergebnisse regten Koestler aber nur an, zu fordern, dass man nicht bei Telepathie und Kurzzeit-Präkognition halt machen dürfe, ja dass es reine Willkür wäre, wollte man Hellsehen - das ist außersinnliche Wahrnehmung nicht psychischer Zustände einer Person wie Telepathie, sondern objektiver Ereignisse -, ja wollte man Psychokinese oder synchronistische Koinzidenzen ausklammern. 6 Aus diesem Grund lehnt er auch den Watson- Skinnerschen Behaviorismus als zu reduzierend und beschränkt ab und er ist anglisiert genug, um ein Zitat, das Sir Cyril Burt aus Alice in Wonderland gebraucht hatte, von diesem zu übernehmen, um seine Ablehnung recht drastisch zu gestalten. Im Zusammenhang mit der Auffassung vom Gehirn des Menschen als bloßen Computer und von der Natur des Menschen als Automat lässt er die Figur des Dideldum aus Alice sagen: “Wenn du glaubst,” sagt Dideldum zu Alice, “wir seien Wachsfiguren, mußt du Eintrittsgeld zahlen.” Das Eintrittsgeld, das die Psychologie des Behaviorismus dafür bezahlt, sich an mechanistische Lehren zu klammern, ist nach Koestler ein “hoher Preis.” 7 Koestler erinnert auch daran, wie C.G. Jung zunächst in einem Vortrag, den er l9l9 vor der britischen “Society for Psychical Research” gehalten hat, trotz mancher persönlicher Erfahrungen mit parapsychologischen Phänomenen jegliche Hypothese einer Existenz von Geistern noch abgelehnt hatte. Er sah damals keinen Beweis für wirkliche Geister, sondern ordnete die diesbezüglichen Erscheinungen unbewussten Projektionen oder Exteriorisationen der Psychologie zu. Koestler zeigt aber, wie Jung später diese apodiktische Ablehnung von Geistern zurück genommen hat. 8 Wie Koestler auch auf den Versuch des Physiologen Sir John Eccles und des Mathematikers Adrian Dobbs hingewiesen hat, eine Analogie zwischen der Psi-Funktion der Quantenmechanik und den Psi-Phänomenen der Parapsychologie zu schaffen. Auch über die Heilung eines sechzehnjährigen Jungen vom erblichen Leiden der Fischschuppenkrankheit (Ichthyosis) durch Hypnose berichtet er, wozu A. Mason im British Medical Journal kommentierte, dass dieser einzige Fall 5 Zitat aus zweiter Hand aus Die Wurzeln des Zufalls, op. cit., S. 52 f. 6 Die Wurzeln des Zufalls, op. cit., S. 125. 7 Die Wurzeln des Zufalls, op. cit., S. 79. 8 Die Wurzeln des Zufalls, op. cit., S. 100, vgl. auch L.L. LeShan in Journal of Transpersonal Psychology, Autumn 1969, S. 82. <?page no="193"?> Arthur Koestler und die Parapsychologie 193 ausreiche, um die “gegenwärtigen Vorstellungen von der Beziehung zwischen Leib und Seele zu revidieren.” 9 Besonders ausführlich beschäftigt sich Koestler mit der Entstehung des Jung-Paulischen Prinzips der Synchronizität als einem Prinzip akausaler Zusammenhänge. Es hat für seine Wurzeln des Zufalls wichtige Vorarbeit geleistet. Dass C.G. Jung seine Formulierung dieses Prinzips nach Zusammenarbeit mit Wolfgang Pauli gemeinsam in einem Band mit Paulis Aufsatz “Der Einflu der archetypischen Vorstellungen auf die Bildung naturwissenschaftlicher Theorien” veröffentlicht hat, scheint ihm von tief sinnbildlicher Bedeutung zu sein. Einer der größten Physiker und einer der größten Psychologen des zwanzigsten Jahrhunderts versuchten in gemeinsamer Arbeit der Hypothese eines akausalen Faktors und seiner Wirkung im Kosmos Geltung zu verschaffen. Koestler steht in diesem Fall dabei eher den Formulierungen Jungs als denen Paulis kritisch gegenüber, weil er hier als eine Fehlerquelle entdeckt, was Sidney Hook als ein Grundproblem der Grenzen westlicher Denkgewohnheiten beschrieben hat: “Als Aristoteles seine Kategorientafeln aufstellte, die für ihn die Grammatik der Existenz darstellten, pojizierte er in Wirklichkeit die Grammatik der griechischen Sprache auf den Kosmos.” 10 Seit zweitausend Jahren verfängt sich demnach der westliche Mensch “in derselben Schlinge”, welche die logischen Kategorien der griechischen Philosophien unserer Denkweise das Gepräge gaben: “Die parapsychologische Literatur ist reich an verführerischen Theorien, die aus demselben Grund von Anfang an zum Scheitern verurteilt waren.” 11 Nach dem weltberühmt gewordenen Synchronizitätsprinzip von Jung- Pauli zitiert Koestler noch eine ganze Reihe weiterer Begründer von Hypothesen zur Erklärung paranormaler Phänomene: den Biologen Sir Alister Hardy, die Philosophen Charlie D. Broad und Henry H. Price, den Mathematiker G. Spencer Brown 12 und in seinem letzten Buch sogar auch noch einen Ballistiker, E. Harris Walker, der die hypothetischen “verborgenen Variablen” als “nichtkörperliche, aber reale Wesenheiten” mit dem Bewusstsein identifiziert. Sie sind unabhängig von Zeit und Raum und durch “quantenmechanische Wellenfunktion mit der körperlichen Welt verbunden.” 13 Koestlers vorsichtige Auflistung zahlreicher Ergebnisse und Hypothesen der modernen Physik wie auch der Psychologie und Parapsychologie enthüllen keineswegs alle “Wurzeln des Zufalls” vollständig und mit zwingender Logik, doch weist er für den dafür offenen Leser völlig überzeugend darauf hin, dass es nur eine Frage der Zeit ist, dass die gegenwärtigen Unwägbarkeiten auf diesem Gebiet genau so exakt vorausgesagt werden können wie die Planetenbahnen. Vor allem aber gelingt es ihm in vorurteilsfreien Lesern eine neue Empfänglichkeit für para- 9 Die Wurzeln des Zufalls, op. cit., S. 130. 10 Sidney Hook: Conscience and Consciousness in Japan. In: Commentary, Januar 1959. 11 Die Wurzeln des Zufalls, op. cit., S. 102 f. 12 Die Wurzeln des Zufalls, op. cit., S. 104 f. 13 Arthur Koestler: Der Mensch - Irrläufer der Evolution. Bern und München 1978, S. 293. <?page no="194"?> Joseph Strelka 194 psychologische Erscheinungen und Gegebenheiten zu erwecken, an deren bisheriger Vernachlässigung eine einseitige und beschränkte materialistische Orientierung die Schuld trägt. Wenn man erst einmal weiß, was er in gedrängter und verdichteter Form mitteilt, dann “spüren wir vielleicht, wie sehr es durch die Ritzen des kausalen Denkgebäudes zieht, können den koordinierten Ereignissen mehr Aufmerksamkeit schenken, die parapsychologischen Phänomene in unsere Vorstellung vom Normalen einbauen und erkennen, daß wir bisher im ‘Land der Blinden’ gelebt haben.” 14 Die Wendung vom “Land der Blinden” stammt übrigens von einem anderen Schriftsteller, nämlich von H. G. Wells. Wie Koestler überhaupt der Dichtung im Gesamtzusammenhang mit der Parapsychologie eine nicht unwichtige Funktion zuweist. Nicht nur, weil es Fälle wie jenen gibt, in dem der amerikanische Autor John Updike der physikalischen Entdeckung des geradezu “gespenstisch” winzigen Mikroteilchens des Neutrinos ein eigenes Gedicht gewidmet hat. Auch für Hermann Broch war ja Dichtung, unter anderem, Ungeduld der Erkenntnis gewesen. Die großen Tiefenpsychologen - die Koestler keineswegs mit vielen ihrer beschränkt reduktionierenden Schülern und Nachäffern gleichsetzt -, Alfred Adler, Sigmund Freud und C. G. Jung haben übereinstimmend darauf hingewiesen, wie sich vieles ihrer bahnbrechenden Ideen schon lange zuvor in der Dichtung der Weltliteratur gefunden hätte. Koestler zitiert lediglich als ein Beispiel für seinen Fall einmal Tolstoi als einen Wissenden um Telepathie und er findet es vor allem auch von weitreichend symbolischer Bedeutung, dass Einstein ein Vorwort zu Upton Sinclairs Roman Mental Radio geschrieben hat. Nicht zuletzt weist Koestler darauf hin, dass sich Zukunftsromane als erstaunlich zuverlässige Prophetien erwiesen haben. 15 Was keineswegs die Gültigkeit eines Ausspruchs des Oxforder Philosophieprofessors Henry H. Price verkleinert, geschweige denn aufhebt, den Koestler an den Schluss seines Buches über die “Wurzeln des Zufalls” gestellt hat, und der besagt, “daß die Parapsychologie das bedeutendste Forschungsgebiet ist, das der menschliche Geist je in Angriff genommen hat.” 16 Alsbald nach dem Erscheinen des Buches Die Wurzeln des Zufalls wurde Koestler von Leserbriefen förmlich überschwemmt, in denen das eigenartige Zusammentreffen von Vorfällen, Begegnungen und Hinweisen besprochen wurde. Dabei stammten die interessantesten Zuschriften von Menschen, die zunächst erklärten, es sei reiner Unsinn, Zufällen irgendeine Bedeutung bei zu messen, die aber nach dieser Präambel einfach nicht widerstehen konnten, ihre eigene “unglaubliche Geschichte” von “zufälligen” Zusammentreffen zu berichten. Koestler hat diese Zuschriften, aus denen sich einige spezifische Muster ergaben, in seinem folgenden Buch abgedruckt, das er gemeinsam mit Sir Alister Hardy und Robert Harvie verfasst hat. Dieses Buch, The Chal- 14 Die Wurzeln des Zufalls, op. cit., S. 144. 15 Die Wurzeln des Zufalls, op. cit., S. 36, 49 und 145. 16 Die Wurzeln des Zufalls, op. cit., S. 144. <?page no="195"?> Arthur Koestler und die Parapsychologie 195 lenge of Chance, 17 war so entstanden, dass zunächst der Linacre Professor der Zoologie in Oxford Sir Alister Hardy, der auch von 1965 bis 69 Präsident der “British Society for Psychical Research“ gewesen ist, im Unterschied zu den bisherigen spezifischeren Experimenten über Telepathie, die im Unterschied zu den bisherigen Massenexperimenten über Versuche mit Karten und Würfeln immer je mit nur einer Person, höchstens mit zwei oder drei Personen durch geführt worden waren, ein Massenexperiment über Telepathie in der Caxton Hall in Westminster veranstaltete. Um mit wissenschaftlicher Präzision zu gesicherten Ergebnissen zu gelangen, gewann Hardy den Psychologen Robert Harvie, der zugleich auch ein Experte auf dem Gebiet der Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung war dazu, eine Serie damit zusammenhängender “Kontrollexperimente” zu machen. Das Hauptergebnis bestand in der Aufdeckung erstaunlich detaillierter telepathischer Resultate, die allerdings auf eine äußerst geringe Zahl der Teilnehmer beschränkt war. Das Überraschendste war ein “Neben-Ergebnis”, auf das man gar nicht gerechnet hatte und das darin bestand, dass es auch außerhalb des eigentlichen Experiments selbst überraschend weitreichende Fälle von Koinzidenz zwischen einer Reihe von Versuchspersonen gab, welche die normal zu erwartenden Grenzen des Zufalls weit überstiegen. Da nun gerade Koestlers Buch über die Wurzeln des Zufalls erschienen war, traten die beiden Gelehrten Hardy und Harvie an ihn heran, um ihn zu einer Mitarbeit an einer gemeinsamen Veröffentlichung zu gewinnen: Ein Fellow der naturwissenschaftlichen “Royal Society“, Hardy, und ein Fellow der “Royal Society of Literature”, Koestler, lieferten gemeinsam mit einem Psychologen und Statistiker, Harvie, der gleichsam die verbindende Brücke bildete, indem er die übergreifenden Verbindungsmethoden lieferte, ein Buch, das die ernsthafte parapsychologische Forschung einen Schritt weiter brachte. Der erste Teil des Buches besteht in einer Darstellung der Experimente Hardys durch diesen selbst, der zweite Teil in einer Beschreibung der “Kontroll-Experimente” Harvies und der dritte Teil in einer Auflistung der Ergebnisse der Analyse der wichtigsten Leserzuschriften auf Koestlers Buch durch diesen. Er gab diesem dritten Teil den vorsichtigen Titel “Anekdotische Fälle”. Schließlich gibt es noch einen vierten, zusammenfassenden Teil, den ebenfalls Koestler geliefert hat, und der letzte Schlussfolgerungen zieht. Koestler geht dabei hier in seiner (Über)Vorsicht so weit, auch die Experimente Hardys und Harvies als allerdings besonders erhärtete und wohl dokumentierte Fälle “anekdotischer Evidenz” anzuführen. Diese Vorsicht ist vor allem aus dem einen Grund wohl angebracht, weil die Unterscheidung zwischen signifikantem Zusammentreffen von Erscheinungen einerseits, hinter denen eine akausale, geheimnisvolle Macht steht und zwischen trivialem Zusammentreffen, welches dem blinden Zufall unterliegt, oft schwer zu ziehen ist. Auch hier verweist Koestler wie so oft und so gerne auf Parallelen in der modernen Molekularphysik und zwar auf das sogenannte Ausschließungs- 17 Alister Hardy, Robert Harvie, Arthur Koestler: The Challenge of Chance, London 1973. <?page no="196"?> Joseph Strelka 196 prinzip des Nobelpreisträgers Wolfgang Pauli. Dieses besagt in simplifizierter Form, dass die “Planetenbahnen” innerhalb eines Atoms jeweils nur von einem Elektron besetzt werden können. Die Folgerungen daraus führen zu einem Prinzip, das die Erscheinungen der Natur als von formalen mathematischen Gleichungen geprägt erweist. Da dieses mathematische Prinzip aber keinerlei mechanische Kraft entfaltet, wirkt es zwar wie eine Kraft, ist aber dabei keine Kraft. Es stellt im Grunde eine mathematische Symmetrie dar, welche die prinzipiellen Gleichungen der Natur beherrscht. Koestler sinnt darüber nach, wie Galilei wohl auf solches reagierte, würde er heute auferstehen und er ist sicher, dass Galilei Pauli (und auch Heisenberg) beschuldigen würde, “okkulten Phantasien” zu frönen. Nach Koestler kann aber Telepathie kaum noch unvorstellbar sein in einem von der Physik entworfenen Universum, in welchem auch weit voneinander entfernte Regionen durch sogenannte Wurmlöcher des Superkosmos in Kontakt gebracht werden können. Gewiss, er ist sich bewusst, dass reine Analogie in die Irre führen kann. Aber er findet es zumindest ermutigend zu wissen, dass, wenn die Parapsychologie sich an den Grenzen der Wissenschaft bewegt, die Physik gleichsam auf einem Drahtseil balanciert. The Challenge of Chance führt jedenfalls über Die Wurzeln des Zufalls hinaus und Koestler zeigt im vierten Teil des Buches, dass die deterministische und mechanistische Auffassung von der Welt einfach nicht mehr haltbar ist, ja, dass der Materialismus nicht mehr als Wissenschaft gelten kann. Mögen die Ergebnisse dieses Buches aber auch nur einen kleinen Zipfel des Vorhangs vor dem Mysterium der Kausalität und Akausalität lüften, so zielen sie doch geradewegs in die Richtung, nach welcher hin die parapsychologische Grenzerweiterung unseres Wissens sich zu vollziehen hat. Noch einen Schritt weiter auch darüber hinaus geht Koestler sodann in dem folgenden Buch Life after Death 18 (Leben nach dem Tod). In den Wurzeln des Zufalls hatte er nicht nur erklärt, dass das gesamte Gebiet des Mediumismus lediglich durch die extreme Schwierigkeit in Verruf geraten war, eine deutliche Trennlinie zwischen vorsätzlichem Schwindel, unbewusster Selbsttäuschung und sporadischem Betrug an “schlechten Tagen” zu ziehen. Er hatte auch, wenngleich nur in einer Fußnote, im Positiven auf den Fall von Mrs. Winifred Coombe-Tennant hingewiesen, der ersten Frau, die von der britischen Regierung zur Delegierten für die Vollversammlung der UNO ernannt worden war. Sie hatte als Medium unter dem Pseudonym Mrs. Wilett automatische Schriften produziert. Auch Bücher der Countess of Balfour, von Rosalind Heywood und Geraldine Cummings hatte er empfohlen. In Life after Death hat er nun, wieder einmal ausgehend von Einsichten der modernen Physik, eine Hypothese der möglichen Grundlage für die Existenz von Geistern aufgestellt. Die Theorien der Physik verweisen darauf, dass Licht gleichzeitig die Eigenschaft von materiellen Partikeln, Photonen und immateriellen Wellen besitzt. Er argumentiert in Analogie dazu, dass darum das Fassungsvermögen von Seelen, die ein Gefühl für Wahrnehmung wie menschliche 18 Arnold Toynbee, Arthur Koestler and others: Life after Death. London 1976. <?page no="197"?> Arthur Koestler und die Parapsychologie 197 Wesen besitzen, immateriell ist und wahrscheinlich eine Beziehung zum Gehirn besitzt. Man könnte solche Erscheinungen demnach wohl mit Wellen oder einem Feld in der Physik vergleichen, die immateriell sind und dennoch eine Beziehung zu subatomen Partikeln besitzen. Er nimmt an, dass eine solche Welle oder solch ein “magnetisches Feld“ als eine Art Geist unabhängig vom menschlichen Körper zu existieren vermag, obwohl er nicht weiß, auf welche Weise sie mit dem Körper in Beziehung steht. Ein solcher “Geist” kann angeblich nach dem Tod des Körpers weiter existieren. Er funktioniert wie ein Rundfunksender und kann nach dem Tod des Körpers sich überall hin bewegen. Die Person, die einen Geist sieht, hat in diesem Augenblick dieselbe Frequenz wie der Geist. Psychologen und Neurologen, die zur Zeit der Niederschrift des Buches die Existenz von Geistern annahmen, gingen von der Hypothese des Bewusstseins einer Seele aus. Sie nehmen an, dass dieses Bewusstsein eine tiefere Existenz besitzt als das Gehirn, da es zu diesem nicht durch körperliche Eigenschaften in Beziehung steht. Im Fall einer körperlichen Beziehung verschwände diese tiefere Existenz, wenn das Hirn stirbt, doch ist sie eben nicht an das Gehirn, sondern nur an Bedingungen von Zeit und Raum gebunden, die nach dem körperlichen Tod weiter existieren. Der erste Teil des Buches Life after Death besteht aus einer Art langer und ausführlicher Einleitung des berühmten Universalhistorikers Arnold Toynbee zum Thema. Der zweite Teil besteht aus Aufsätzen von neun Beiträgern, welche die “Idee des Nachher” in Gegenwart und Vergangenheit von Perspektiven verschiedener religiöser und ethnischer Standpunkte her behandeln. Der dritte Teil versucht die “Idee des Nachher” von einer zukunftsweisenden Perspektive her zu erörtern. Koestler hat den letzten der vier Beiträge dieses dritten Teils verfasst. Er hat damit das letzte Wort und umreißt die Grenzen und Möglichkeiten eines Ausblicks auf das Nachher. Gegen Ende seines Beitrags beschwört er das Gleichnis eines Flusses, der in den Ozean mündet, der Mystiker Andeutung der Ewigkeit. Im Ozean verliert der Fluss allen Schmutz und alle Spuren von Geröll, Erde und Sand, doch wird er darum keineswegs vollständig vernichtet. Er wurde identisch mit dem Meer, ausgebreitet über dieses, allgegenwärtig, jeder Tropfen einen Funken der Sonne empfangend. Der Vorhang ist nicht gefallen; er hat sich gehoben. Ins Konkrete übersetzt: so subjektiv und vage jegliche Vorausschau dieser Art auch sein muss, ist es doch ziemlich sicher, dass es keine persönliche Unsterblichkeit gibt - die Warzen, die man hatte, mit einbezogen. Andererseits ist die Annahme eines kosmischen Psi-Feldes keineswegs mehr phantastisch, da der Physiker Superspace angefüllt ist mit Quantum-Schaum. Man könnte vermuten, dass der kosmische Geist-Stoff sich entfaltet wie das materielle Universum und dass es eine Art Form von historischer Aufzeichnung der schöpferischen Errungenschaft des geistigen Lebens nicht nur unseres Planeten, sondern auch anderer enthält. Unsere Astrophysiker sind überzeugt, dass es nicht weniger als hundert bis tausend Millionen potentieller Leben erhaltender Planeten in unserer Milchstraße allein gibt. Manche von ihnen <?page no="198"?> Joseph Strelka 198 sind dabei so viel älter als die Erde, dass die evolutionäre Entwicklung ihrer Bewohner einen Punkt erreicht hat, verglichen mit dem die Menschen wie Amöben wirken. Der Horizont der Science Fiction ist viel zu eng und begrenzt, um auch nur eine leise Ahnung solcher Formen der Existenz zu besitzen. Und darum zitiert Koestler am Schluss J.B.S. Haldane, der geschrieben hat: “Die Wirklichkeit ist nicht nur phantastischer als wir denken, sondern phantastischer als alles, was wir uns vorstellen können.” Und zu allerletzt meint er: Vielleicht, wenn wir nicht länger in den die Aussicht verstellenden Schleier der Maya verstrickt sind, werden wir einen flüchtigen Blick davon erhaschen können. In seinem letzten Buch, das eine Art Zusammenfassung all seiner naturwissenschaftlichen, psychologischen und anthropologischen Arbeiten und Einsichten liefert, kurz, das neue Welt- und Menschenbild, das er gestaltet hat, und das unter dem Titel Der Mensch - Irrläufer der Evolution (englisch: Janus. A Summing Up) 19 erschien, sind die beiden letzten Kapitel in einem besonders hohen Grad Problemen der Parapsychologie gewidmet. Das Neue an diesen beiden Kapiteln ist vor allem, dass sie sich nicht mehr bemühen, neue Beweise für parapsychologische Erscheinungen aufzulisten, wie dies in den Büchern Die Wurzeln des Zufalls, The Challenge of Chance und The Heel of Achilles geschehen ist, sondern dass sie Erscheinungen wie Telepathie und verwandte Phänomene einfach als Faktum nehmen und nunmehr ihre “Bedeutung für unser Weltbild” untersuchen. 20 Auf diese Weise entsteht ein neues Modell der Stellung des Menschen, seiner Herkunft, Gegebenheiten und Möglichkeiten in einem größeren mikrokosmischen wie makrokosmischen Zusammenhang. Es leistet nicht weniger, als den Weg aufzuzeigen, der aus dem alten, materialistischen, von blindem Zufall gesteuertem Chaos heraus zu einer neuen Ordnung führt. Neu ist dabei vor allem die Einarbeitung der Ergebnisse der Wissenschaften als Beweismaterial, während die grundlegende Idee einer solchen großen Ordnung durchaus sehr alt ist, worauf Koestler selbst nachdrücklich hinweist. Eine solche Vorstellung der Einheit in der Vielheit findet sich bereits in der pythagoreischen Auffassung von der “Harmonie der Sphären”, zieht sich durch etliche der bedeutendsten religiösen und philosophischen Menschheitslehren und findet sich beim italienischen Renaissancehumanisten Pico della Mirandola in einer Weise vorformuliert, wie sie Einsichten der modernen Physik bestätigt hat. Beide Formulierungen, zwischen denen vier Jahrhunderte liegen, “wurzeln” nach Koestler “in einer holistischen Betrachtung des Universums, die über die physikalische Kausalität hinausgeht.” 21 Das führt ihn wieder zur Parapsychologie, zu ASW und Synchronizität. “In unserer Theorie”, - Koestler bezieht sich hier auf das Buch The Challenge of Chance, - ist das Prinzip “Ordnung aus der Unordnung” der integrativen Tendenz zu einem unteilbaren Ganzen zugeordnet. Er listet eine ganze Reihe von 19 Arthur Koestler: Der Mensch - Irrläufer der Evolution. Bern und München 1978. Arthur Koestler: Janus. A Summing up. London 1978. 20 Der Mensch - Irrläufer der Evolution, op. cit., S. 283. 21 Der Mensch - Irrläufer der Evolution, op. cit., S. 367. <?page no="199"?> Arthur Koestler und die Parapsychologie 199 Theorien aus der Physik und Biologie auf, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie die morphische oder syntropische Tendenz besitzen, das universale Streben Ordnung aus der Unordnung, Kosmos aus dem Chaos zu schaffen. Diese Tendenz besteht in einem letzten, nicht weiter zerlegbaren Prinzip jenseits der physikalischen Kausalität. Diejenigen Forscher aber, die sich dabei nicht ausdrücklich auf akausale Faktoren berufen, implizieren diese dadurch, dass sie jene Tendenz als “irreduzibel” annehmen. “Unsere Theorie”, fährt er fort, geht aber noch weiter, da sie ausdrücklich statuiert, dass jene integrative Tendenz “auf kausale und akausale Weise wirkt, wobei beide Wirkungsarten in einem komplementären Verhältnis analog zu den Teilchen und Wellen in der Physik stehen.” 22 Sie umfasst nicht zuletzt auch die Phänomene der Parapsychologie und die ‘konvergierenden Ereignisse’, denen die beiden letzten Kapitel vor allem gewidmet sind. Dabei spielt es keine Rolle, wenn ASW und Synchronizität sich oft so überschneiden, dass ein angeblich paranormales Geschehen sowohl als Ergebnis von ASW wie auch als ein Fall von Synchronizität gedeutet werden kann. Bereits die klassische Physik hat dargetan, dass es verschiedene Energiearten gibt, wie kinetische, potentielle, thermische, elektrische, atomare Energie und Strahlenenergie und dass diese verschiedenen Energieformen durch bestimmte Prozesse jeweils in andere transformiert werden können. Man könne solcherart Transformationen mit der Konvertierbarkeit von Geldwährungen vergleichen. Nach Koestlers Theorie sind aber auch Telepathie, Hellsehen, Präkognition, Psychokinese und Synchronizität lediglich “verschiedene Äußerungsformen eines unter verschiedenen Bedingungen tätigen universalen Prinzips.” 23 Es ist das der integrativen Tendenz zugrunde liegende Prinzip, durch welches sie sowohl mit kausalen wie mit akausalen Mitteln arbeitet. Auf welche Weise dieser Vorgang sich vollzieht, bleibt ein Geheimnis, doch können die Indizien der paranormalen Erscheinungen damit zumindest in einen vereinigten Gesamtentwurf eingepasst werden. Dabei sind es keineswegs nur die paranormalen Phänomene der letzten beiden Kapitel von Koestlers letztem Buch, sondern es sind die Holarchien des Menschen im Mikrokosmos wie Makrokosmos, die sich hier zu einer umfassenden “Summa Philosophiae Koestleri” zusammenschließen. Arthur Koestler wäre aber nicht der leidenschaftliche und furchtlose Wahrheitssucher und Ketzer, der die Verleumder und Attacken aus Dummheit wie aus Böswilligkeit anzieht wie das Licht die Motten, wäre es mit der schriftlichen Niederlegung seiner Einsichten und Überzeugungen in Probleme der Parapsychologie in Buchform getan. Es passt zu ihm, dass es auch über seinen Tod hinaus ein weiteres Kapitel gibt, das für die Parapsychologie und seine Einstellung zu ihr von Bedeutung ist. Koestler hat nämlich in seinem Testament eine halbe Millon Pfund der University of Edinburgh vermacht, mit der Auflage, einen besonderen Lehrstuhl zu errichten, der seine 22 Der Mensch - Irrläufer der Evolution, op. cit., S. 312. 23 Der Mensch - Irrläufer der Evolution, op. cit., S. 313. <?page no="200"?> Joseph Strelka 200 eigenen Untersuchungen und Theorien weiterführen sollte, um die sogenannten parapsychologischen Erscheinungen durch ihre Analogie und Verbindungen mit subatomaren Einsichten auf dem Gebiet der Physik auf zu zeigen und zu erklären, Hauptthesen also, die er bereits in den Wurzeln des Zufalls aufgestellt hatte. Ebenfalls bereits in den Wurzeln des Zufalls hatte er eine Lanze für die britische “Society of Psychical Research gebrochen. Von 1886-97 war deren Präsident der berühmte Physiker und Chemiker Sir William Crookes, F.R.S., gewesen, Entdecker des chemischen Elements Thallium, Konstrukteur des Radiometers und anderes mehr. Crookes hatte bereits 1874 die Ergebnisse seiner Experimente mit einem materialisierten Medium veröffentlicht und war 1882 einer der Gründer der “Society for Psychical Research” gewesen. So wie Naturwissenschaftler keine Mikroben ohne Mikroskop sehen können und so, wie wir Fernsehsignale nicht ohne das Medium eines Fernsehapparats wahrzunehmen vermögen, so bedarf es zur Kontaktaufnahme mit Wesen im unsichtbaren Teil des Universums eines materialisierten menschlichen Mediums. Nach Koestlers Tod war der Herausgeber der Zeitschrift der “Society for Psychical Research” Dr. John Beloff der ausschlaggebende Mann für die Besetzung des Koestler-Lehrstuhls in Edinburgh gewesen. Nun war jedoch im Verlauf der letzten Jahre die “Society for Psychical Research” offenkundig mehr und mehr von Physikern und Psychologen infiltriert worden, die Anhänger exoterisch-orthodoxer Religionen und vorurteilsbeschränkte Gegner allzu kühner Untersuchungen parapsychologischer Phänomene waren. Ob nun Dr. Beloff einer von ihnen war oder ob er aus einem menschlichen Irrtum heraus gehandelt hat, sei dahingestellt: Tatsache ist, dass er für die Besetzung des Lehrstuhls Professor Robert Morris vorschlug, der diesen Lehrstuhl nun auch seit 1985 inne hatte und der wiederholt öffentlich kritisiert wurde, dass er nichts weniger als im Geiste Arthur Koestlers arbeite. Das Haupt der britischen “Campaign for Philosophical Freedom” Michael Roll und der australische Anwalt Victor Zammit nannten die ängstliche Vorsicht von Robert Morris keine mediumistischen Phänomene zu untersuchen und zu erforschen, sowie darüber zu veröffentlichen und zu lehren einen besonders bösen Verrat in der Geschichte psychischer Erscheinungen. 24 Es scheint das Geschick nahezu aller Großen zu sein, von Überängstlichen missverstanden und attackiert zu werden. Was nicht heißt, dass der Geist Koestlers nicht zuletzt triumphieren wird, wie es auf lange Sicht die Wahrheit immer tut. 24 Michael Roll: We cannot See Microbes Without a Microscope. http: / / triballi.mybravenet.com/ after life.html und Victor Zammit: One of the greatest betrayels in the history of psychic phenomena: http/ / www.cfpf.org.uk/ letters/ 2002/ 2002-09-14_vz2mr.html. <?page no="201"?> Zur Rezeption <?page no="203"?> Die Koestler-Rezeption in den Vereinigten Staaten Hans Wagener Die Rezeption der Werke Arthur Koestlers in den Vereinigten Staaten ist vor allem deshalb relevant, weil viele von ihnen zuerst in diesem Lande erschienen sind. Aufgrund ihrer großen Zahl ist es nicht möglich, in einem Aufsatz über ihre Rezeption alle im Detail zu behandeln. Aus diesem Grunde habe ich mich auf die folgenden Werke beschränkt: 1. Koestlers Romane, weil sie auch heute noch von bleibendem Interesse sind; 2. Seine Werke über Israel und Judentum, weil sie in Amerika einen besonderen Stellenwert haben; 3. Mehrere seiner wissenschaftlichen Werke, weil ihnen Koestlers Hauptinteresse im letzten Teil seiner Schriftstellerkarriere galt. Zu Koestlers erstem Roman, The Gladiators (übers. Edith Simon. New York: The Macmillan Company 1939) erschienen in den USA nur relativ wenige Rezensionen. Das Buch wurde hauptsächlich als ein historischer Roman gelobt, in dem die Geschichte von Spartacus und dem Sklavenaufstand von 73- 71 v. Chr. erzählt wird. So schrieb F.T. Marsch in der New York Herald Tribune: “Koestler has brought the story to life. He’s made a vital story of it, a historical novel that ranks with the best of our time.“ 1 Und der Springfield Republican konstatierte: “Those who like historical novels will find satisfaction in this book. It makes alive a period which was choked with big events.” 2 Elmer Davis, der Rezensent der Saturday Review of Literature, pries den Erfolg des Buches als historischer Roman, kritisierte jedoch die Gesamtanlage des Buches sowie Koestlers angeblichen Mangel an Fähigkeit, die Masse selbst oder einzelne Charaktere wie Spartacus lebendig zu gestalten: As a picture book of Italian life in the first century B.C. the book is effective; but like all attempts at the mass novel it diffuses interest among too many individuals, without quite succeeding in personifying the mass itself. […] Even Spartacus himself remains shadowy. The most vividly drawn character in the book is no proletarian, but Crassus, with his cynical analysis of the economics of the decadent republic. Koestler’s book could be more effectively organized; there is, however, a good deal of meat in it if you don’t mind some tough chewing. 3 Die New York Times pries die Zeitlosigkeit der behandelten Themen: “This is an Olympian book. It looks down on humanity with age-old eyes and dis- 1 F.T. Marsh, The New York Herald Tribune. Books, 16. Juli 1939, S. 4. 2 Springfield Republican, 23. Juli 1939, S. 7e. 3 Elmer Davis, Saturday Review of Literature, 15. Juli 1939, S. 7. <?page no="204"?> Hans Wagener 204 covers with a kind of cynical joyousness that the man-eating pattern of history is a timeless design.“ 4 Erstaunlich ist jedoch, dass in keiner dieser Rezensionen die Tatsache erwähnt wird, dass es in The Gladiators um die Frage der Realisierbarkeit einer Utopie in unserer Zeit geht sowie um eins von Koestlers Hauptthemen, nämlich das Gesetz des Umwegs bzw. ob der Zweck die Mittel heiligt. Mit anderen Worten: die Rezensenten sahen das Buch nur als historischen Roman ohne seine Aktualität zu erkennen. 5 In den zahlreichen Rezensionen von Darkness at Noon (New York: The Macmillan Company 1941) wurde die Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt, ebenfalls nicht gestellt, doch das Buch wurde sehr viel positiver beurteilt als The Gladiators. Obwohl es sich bei der Geschichte von der Gefängnishaft, dem Geständnis und Tod von Rubashow, einem der letzten Überlebenden des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, um mehr oder weniger reine Fiktion zu handelt, war das Buch wegen der Moskauer Prozesse von 1935-38 von höchster Aktualität. Eine ganze Reihe von Rezensenten pries die Umsetzung der Ereignisse in die Form des Romans. So schrieb die New York Times: Here, in a splendid novel, is an effective explanation of the riddle of the Moscow treason trials. […] it is written with such dramatic power, with such warmth of feeling, and with such persuasive simplicity that it is as absorbing as melodrama. It is a far cry from the bleak topical commentaries that sometimes pass as novels. 6 Und der Rezensent der New York Herald Tribune erklärte ebenfalls: “’Darkness at Noon’ is a rare and beautifully executed novel. One reads it with respect for its masterly craftsmanship, its restrained power, its profound drama. With seeming coldness of approach, Koestler tells a story which is warm with human sympathy.“ 7 Und obwohl Max Fischer, der Rezensent von Commonweal, glaubte: “It lacks in epic style, in poetry, in abundance of vision” und das Buch deshalb nicht für einen guten Roman hielt, gab er doch bereitwillig zu: “This study is done with a clever mind, fond of sophistry and intellectual subtlety. In this respect it is a noteworthy commentary to the politics of our times and should not be neglected by future historians.“ 8 Mehrere Rezensenten bezweifelten den Wert des Romans als politisches Werk. Malcolm Cowley stellte beispielsweise in der New Republic fest: 4 Stanley Young in: The New York Times, 16. Juli 1939, S. 6. 5 In dieser Hinsicht zeigten die britischen Rezensenten sehr viel mehr Verstehen. Forrest Reid schrieb am 24. März 1939 im Spectator (S. 502): “Herr Koestler draws a parallel between that period and our own, and the whole book reflects a somewhat pessimistic social philosophy, of which the failure of the humanitarian Sun State becomes a symbol.“ Naomi Mitchison schrieb im New Statesman and Nation vom 18. März 1939, S. 436 zumindest andeutend: “It is a book which anyone who is wondering what will happen to us will do well to read. “ 6 Harold Strauss, The New York Times, 25. Mai 1941, S. 1. 7 Rose Field, New York Herald Tribune. Books, 25. Mai 1941, S. 3. 8 Max Fischer, Commonweal, 13. Juni 1941, S. 186. <?page no="205"?> Die Koestler-Rezeption in den Vereinigten Staaten 205 As a political document, the book is not particularly impressive. Mr. Koestler is repeating explanations that others have given already, though he repeats them at greater length and with more psychological subtlety and depth. […] His novel is best when it is moral and personal rather than political. 9 Andere hingegen lobten das Buch gerade wegen Koestlers Fähigkeit, eine wichtige politische Überzeugung in Form eines Romans zu vergegenwärtigen: The most amazing thing about the book is the austere economy with which Mr. Koestler has compressed one of the most crucial dilemmas of totalitarian political philosophy into a compact, meaty novel of less than 270 pages, presenting at once a vividly conceived personal tragedy and an ideological conflict of the first magnitude. 10 Besonders die christlichen Publikationen vertraten sehr unterschiedliche Meinungen. Während Christian Century feststellte: “Readers of Koestler’s earlier novel, The Gladiators, will discover in this one the same superb craftsmanship. Though it deals so largely with abstract questions, it creates an electric atmosphere and a number of characters that are not likely to be soon forgotten”, 11 machte der Rezensent der Catholic World deutlich moralische Vorbehalte geltend: “The book is long drawn out, full of repetition, and marred throughout by its obscenity and irreligion.“ 12 Im dritten Teil seiner Trilogie, Arrival and Departure (New York: The Macmillan Company 1943) setzte Koestler seine psychologische Studie von Mensch und Ideologie fort. Im Mittelpunkt steht nun der europäische Kommunist Peter Slavek, der von den Nazis gefangen genommen und gefoltert wird. Nach seiner Flucht sucht er in einer nicht namentlich bezeichneten Stadt, vermutlich Lissabon, Zuflucht. Nachdem er schon auf dem Schiff ist, das ihn nach Amerika bringen soll, kehrt er um, um als britischer Soldat gegen die Nazis zu kämpfen. Die meisten Rezensenten fanden Worte des Lobes besonders für Koestlers Prosa. So schrieb Clifton Fadiman im New Yorker: I cannot too strongly urge ‘Arrival and Departure’ upon you. It is a book of force, which is not uncommon, but also of understanding which is rare. It is, in addition, beautifully written, and the sinuous involvement of its plot will lead you mesmerically from the first sentence to the last. 13 Einige Rezensenten stellten eine Frage, die sich bei Bewertung von Koestlers Werken immer wieder stellen sollte, die Frage, ob seine Konzentration auf die Darstellung von Ideen ihn daran hinderte, spannende Romane zu schreiben. Im Falle von Arrival and Departure kamen sie zu einem positiven Ergebnis: 9 Malcolm Cowley, The New Republic, 2. Juni 1941, S. 766. 10 L. B. Salomon, The Nation, 24. Mai 1941, S. 620. 11 The Christian Century, 18. Juni 1941, S. 806. 12 The Catholic World, August 1941, S. 635. 13 Clifton Fadiman, The New Yorker, 20. November 1943, S. 105. <?page no="206"?> Hans Wagener 206 Although he is interested in ideas, Koestler has not written just a novel of ideas in ‘Arrival and Departure.’ His characters, drawn astutely and subtly, are the embodiment of his ideas without being the puppets of his argument. Written brilliantly with clarity and ease, the novel is alive with drama and absorbing both in its story and characters and in the moving problem it represents. 14 Peter de Vries schrieb in Book Week: “The novel is […] definitely an idea novel, but there is a vivid and sustained narrative, done with a skill already known to the thousands who were moved by Koestler’s ‘Dialogue With Death’ and ‘Darkness at Noon.’“ 15 Koestlers Stil und sein erzählerisches Können ernteten das höchste Lob. So war Alfred Werner, der Rezensent von Survey Graphic fast euphorisch über das Buch, dessen Stil er merkwürdigerweise mit dem des Kommunistischen Manifests und der Bibel verglich: The book is vigorously written, in a style at times reminiscent of the Communist Manifesto of 1848, at others of the Bible. All the techniques of the narrative art, from chronicle-like recording to sophisticated flashbacks, are skillfully used to keep the reader in a state of suspense. Certain parts of the book ought to rank among the finest specimens of contemporary prose. 16 H.A. Reinhold, der Rezensent von The Commonweal, stimmte ihm bei: There is not an empty word in this book, not a single hollow reflexion, not one ‘literary dialogue’ splitting the author’s monologue in two as a literary device. It is all life, fascinating, symbolic and great. Although its message is sad, its detail often unsavory and sordid and its outlook hopeless, I shall not retract what I have said: this is a very great book. 17 Die überdeutliche Symbolik des Buches wurde jedoch sehr unterschiedlich beurteilt: Edward Weeks, der Rezensent von The Atlantic, überließ es dem Leser, wie viel er davon als solche anerkennen wollte: “Symbolism flows through this fine narrative, but the reader need take only as much of it as he likes. He may read for the love story and the urgent (if not clearly definable) suspense induced by action that is almost entirely psychological […].“ 18 Andere waren sehr viel kritischer, zum Beispiel Rice Estes im Library Journal: “Political intrigue, love affairs, an illness colored with symbolic dreams are the ingredients of a story lacking drama and reality because of its disguised setting and allegorical tone.“ 19 Es ist wohl kein Zufall, dass die amerikanischen Rezensenten immer wieder auf die Problematik eines ‘Ideenromans’ zurückkamen und in diesem Falle seinen Mangel an Konkretheit in Frage stellten: 14 Elaine Penn, The Springfield Republican, 28. November 1943, S. 7e. 15 Peter de Vries, Book Week - The Chicago Sun, 21. November 1943, S. 3. 16 Alfred Werner, Survey Graphic, Januar 1944, S. 27. 17 H.A. Reinhold, Commonweal, 24. Dezember 1943, S. 255. 18 Edward Weeks, The Atlantic, Dezember 1943, S. 139. 19 Rice Estes, Library Journal, 1. November 1943, S. 892. <?page no="207"?> Die Koestler-Rezeption in den Vereinigten Staaten 207 The trouble seems to be that he [Koestler] is exclusively preoccupied with a moral problem facing most of the refugees. He omits almost everything else, including the real situation in which the moral decision has to be made. […] Some of the scenes are brilliantly or deeply moving. […] What you miss in the book as a whole are the details that might explain or lend weight to Peter’s decision. Everything except his inner life seems fantastically simple for a refugee. 20 Der Roman Thieves in the Night. Chronicle of an Experiment (New York: The Macmillan Company 1946) beschreibt das Leben in Palästina in den Jahren 1937-1939. Als Protagonisten hat sich Koestler einen jungen Mann namens Joseph gewählt, der halb Engländer, halb Jude ist, der sich schrittweise vom idealistischen Mitglied eines Kibbuz zum militanten Kämpfer für ein neues Israel wandelt, wobei er sowohl gegen die Araber als auch gegen die Briten zu kämpfen hat. Die Rezeption des Romans verdeutlicht erneut die unterschiedlichen Erwartungen der Rezensenten, von denen einige aufgrund ihrer Ansprüche an ein literarisches Kunstwerk zu einem negativen Urteil kamen, während sich andere auf die politische Aussage des Buchs konzentrierten. So schrieb der Rezensent der New York Times: “While it [the book] lacks the straight dramatic impact of either ‘Darkness at Noon’ or ‘Arrival and Departure,’ it is an impressive and significant performance, not so much as a novel as through the heroic and terrible light it throws on the tragedy of modern Palestine.“ 21 Der New Yorker kam zu einem ähnlichen Urteil: “‘Thieves in the Night’ is not, and it hardly pretends to be, a first rate contribution to literature, but it is one of the most valuable reports that have been written about the recent events of our bewildered and appalling period.“ 22 Zumindest lobten einige wenige Rezensenten jedoch Koestlers Charakterisierung seiner Gestalten. So schrieb der Rezensent der Catholic World: “The value of Koestler’s work lies in his sincere efforts toward impartiality and in his excellent character vignettes.” 23 Die Mehrheit kritisierte jedoch seine angebliche Unfähigkeit der Entwicklung von echten, lebendigen Gestalten: Im Unterschied zu Arrival and Departure war für sie das Werk zu sehr ein politischer Thesenroman: “The characters and events are pushed around to fit a thesis. The element of fantasy, which saved Arrival and Departure is absent.“ 24 Der Rezensent von Christian Century, H.S. Tigner, sagte es sogar noch unverblümter: 20 Malcolm Cowley in: The New Republic, 22. November 1943, S. 721. In einer untyischen Rezension kritisierte Saul Bellow besonders die Gestalt der Dr. Bolgar: “[H]e has made his opponent, Dr. Bolgar’s ideal of reason, a little too easy to refute. Dr. Bolgar is not the best representative of her type as Rubashow is of his. He is a perfect old Bolshevik. She, however, is too obvious; a priestess of some psychoanalytical cult, single-mindedly serving the native, sinless, unashamed instincts. The character of moral judgments may have been changed by modern psychology, but moral judgments themselves have not been abolished nor the need for them disclaimed.” Saul Bellow, The New York Times, 21. November 1943, S. 1. 21 Richard Watts, The New York Times, 3. November 1946, S. 1. 22 Edmund Wilson, The New Yorker, 15. November 1946, S. 125. 23 E.V. Kuehnelt-Leddihn, The Catholic World, Januar 1947, S. 375. 24 John Garrett, The Canadian Forum, Januar 1947, S. 234. <?page no="208"?> Hans Wagener 208 “Koestler cannot depict, project or traffic in personalities and the things of personality. His characters are very crude caricatures, or names alluded to, or minds and voices thinking and speaking the author’s thoughts.” Andererseits schätzte er Koestlers leidenschaftliches politisches Engagement bei der Behandlung seiner Thematik und entschuldigte infolgedessen diese Schwächen, indem er hinzufügte: But this is more or less irrelevant, for he has a live and discerning mind, an eloquent voice, intensity of feeling and adeptness at exposition; he could not write a dull book. So never mind his characters, never mind his novel - it was produced at white heat in lieu of a series of articles on Palestine. 25 Andere Rezensenten zögerten nicht, die Dinge beim Namen zu nennen und beanstandeten die zionistische Aussage des Buches: The first part [of the novel], dealing with the trials of the Jews in their pioneering, is dramatic and forceful, carrying the reader into the historical scene. The rest of the book is so strongly Zionistic, despite the author’s suspicion of most of his characters’ motives, that it loses force as a novel and becomes a tract. 26 Offensichtlich sahen die Rezensenten bei ihrer Beurteilung durch ihre jeweilige eigene politische Brille, so beispielsweise Isaac Rosenfeld, der in der New Republic schrieb: It is as a reporter that Koestler writes his most effective passages on the marching, enraged, leaderless Jews of Jerusalem and Tel-Aviv; but as a reporter with a sense of history, its tragedy and shame. But once he has done presenting the natural, justification of violence and, turning political theoretician, begins to look for a higher justification, all sense and principle desert him. 27 Andere beanstandeten an Koestlers politischer Aussage, dass er damit absolut nichts Neues sagte: “Although the book is clever in exposition it does not, moreover, introduce anything particularly fresh into the discussion about Palestine.“ 28 Um zusammenzufassen: Die Kritiker gaben Koestler schlechte Noten für seine mangelnde Charakterisierungskunst und seine theoretischen politischen Diskussionen, aber sie lobten ihn für seine Beschreibung der Pionierarbeit der Juden und seine eigene Arbeit als Berichterstatter von Protestaktionen. 25 H.S. Tigner, The Christian Century, 4. Dezember 1946, S. 1470. 26 Current History, Dezember 1946, S. 512. 27 Isaac Rosenfeld, The New Republic, 4. November 1946, S. 115. 28 John Garret, a.a.O. Einige britische Rezensenten unterschrieben das Urteil der amerikanischen, indem sie bestätigten, dass das Werk als Kunstwerk misslungen sei, aber sie hielten es trotzdem für “a magnificent failure“: “Thieves in the Night is not a wellconstructed novel, and its only plot is the intellectual development of the hero. The characters are types - brilliantly sketched, but till types; and the philosophical argument is illustrated in a series of static scenes. […] As a work of art Thieves in the Night fails because emotion is recollected in agony, and doubt in self-torture. But it is a magnificent failure, an immensely exciting and important book, which is worth a dozen minor literary successes.“ R.H.S. Crossman, The New Statesman and Nation, 2. November 1946, S. 321. <?page no="209"?> Die Koestler-Rezeption in den Vereinigten Staaten 209 In The Age of Longing (New York: The Macmillan Company 1951), das Anfang der fünfziger Jahre in Paris handelt, versucht Koestler, das moralische Klima Westeuropas zu erkunden. Für die meisten Rezensenten war der Roman als fiktionales Werk nicht gelungen, weil ihrer Meinung nach die Charaktere nur verschiedene intellektuelle Standpunkte repräsentierten. Andererseits bewunderten sie Koestlers intellektuellen Scharfsinn, obwohl seine düstere Beurteilung der damaligen politischen Situation in Europa einen verstörenden Effekt auf den Leser habe. So schrieb Frederic Morton in der New York Herald Tribune: This is a book so intense and so incisive, so disturbing and heavy with imminence, that one discovers only belatedly that it makes a far from perfect novel. Only in some scenes does it succeed as fiction. […] ‘The Age of Longing’ is not as good a novel as ‘Darkness at Noon,’ but it is a formidable polemic. Koestler’s present approach appears comparable both in its erudition and acidity to Aldous Huxley’s in the early thirties. 29 In den Worten der am selben Tag veröffentlichten Rezension der New York Times ist dieselbe Ambiguität enthalten: “If this book often reveals Koestler at the height of his dazzling powers it also has in it passages that are appallingly maladroit. But we go to a writer for what is best in him, and ‘The Age of Longing’ has a good deal of the best of Arthur Koestler.“ 30 Time verdeutlichte die Schwächen des Buches sogar noch schärfer mit der Erklärung: As fiction, The Age of Longing is as unsuccessful as any tract whose characters are drawn from an ideological casting bureau. As reporting, it is generally stimulating and occasionally brilliant. The gallery of French intellectuals is particularly well drawn, the futility of their bickering sharply exposed. And no one now writing can get inside the Communist mind with Koestler’s sureness. Inside that mind are all the answers. 31 Das katholische Commonweal kritisierte, dass Koestler keine Lösungen für einen Ausweg aus dem Dilemma des Kalten Krieges bot, und hatte keine hohe Meinung von seinem Können als Romancier. The book is full of actuality, current problems, clever irony; it makes easy reading. […] It will even help to clarify many illusions about Soviet conditions and Soviet politics. But it is neither the definitive novel of the two worlds the author intended to write nor a light of guidance to the Western World showing us how to stop Moscow’s expansion. It may survive as an interesting document of a changing time but certainly not as a milestone of twentieth-century literature. 32 Der Rezensent der Catholic World kam zu derselben Überzeugung: “It cannot be denied […] that despair has been given a powerful voice in these pages; they are shot through with dialogue of the greatest brilliance, but it is a brittle brilliance. The story line of ‘The Age of Longing’ is also unfortunate and 29 Frederic Morton, New York Herald Tribune. Book Review, 25. Februar 1951, S. 5. 30 R. H. Rovere in: The New York Times, 25. February 1951, S. 1. 31 Time Magazine, 26. Februar 1951, S. 108. 32 Max Fischer, Commonweal, 9. März 1951, S. 546. <?page no="210"?> Hans Wagener 210 unconvincing.” 33 Die amerikanischen Rezensenten wiesen so in aller Deutlichkeit darauf hin, dass sie Koestler nicht für einen großen Romancier hielten, was das Erzählen von Geschichten betraf. Sein Versuch, seine Charaktere zu Wortführern politischer Standpunkte zu machen, ließ seine Romane ihrer Ansicht nach steril erscheinen. Bei einem angeblichen Roman kam es ihnen zuerst und vor allem auf eine gute Story an. Darüber hinaus konnten eine negative Diagnose und düstere Aussichten, wie sie Koestler in The Age of Longing vorstellte, in einem Land, in dem Optimismus die erste Bürgerpflicht ist, bei dessen Rezensenten nicht mit einer begeisterten Aufnahme rechnen. 22 Jahre nach der Veröffentlichung von The Age of Longing kehrte Koestler mit The Call Girls. A Tragi-Comedy (New York: Random House 1973) in seinem Schaffen noch einmal zur Romanform zurück. Der Aufhänger war offensichtlich das Symposium mit dem Titel “Beyond Reductionism”, das er 1968 im “Austrian College” in Alpbach veranstaltet hatte. In dem Roman verbindet er sein Interesse an Naturwissenschaften mit seiner Arbeit als Romancier: Er handelt von einer internationalen Konferenz von Naturwissenschaftlern, Psychologen und Verhaltensforschern, den “call girls”, die sich in einem Konferenzzentrum in einem kleinen Ort namens Schneedorf in den deutschen Alpen treffen, um “approaches to survival” für die Menschheit zu entwickeln. Nachdem alle möglichen mehr oder weniger fragwürdigen, angeblich bahnbrechenden wissenschaftlichen Erfolge vorgestellt worden sind, endet die Konferenz mit einer ziemlich düsteren Prognose für den Fortbestand der Menschheit. Die wenigen Rezensionen des Buches weisen mit Recht auf den Humor hin, der dieses Werk Koestlers durchzieht, aber sie sind sich gleichzeitig über den negativen Tenor bezüglich der Zukunft der Menschheit im Klaren. So lobte Bruce Allen im Library Journal das Buch, indem er schrieb: “Koestler skillfully mingles weighty information with bitchy-brilliant phrasemaking, as his overspecialized noncommunicators dourly patrol their own corners of thought, noisily collide, and produce no remedies.” Und er folgerte: “The end product of this bubbling mélange of science and pseudoscience is one of the most frighteningly funny books in years.“ 34 Der Rezensent der Saturday Review of Education hielt den Roman auch für “playful and clever”, aber gleichzeitig für “sometimes merely ‘clever,’ in the sense that it has fun too easily with its subject.” Folglich sei der Roman “sharp and funny and slightly cold. It is very much an ‘in’ joke, and in the hands of anyone less serious and intelligent than Koestler it could easily be awful. It is a testament to his continuing importance and interest that he does bring it off.“ 35 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Koestlers mehr oder weniger fiktionale Prosa in den Vereinigten Staaten gemischte Rezensionen bekommen hat. Wenn sie eine spannende Handlung oder eine menschlich berührende 33 Riley Hughes, The Catholic World, April 1951, S. 173. 34 Bruce Allen in: Library Journal, 15. Februar 1973, S. 565. 35 The Saturday Review of Education, Mai 1973, S. 88. <?page no="211"?> Die Koestler-Rezeption in den Vereinigten Staaten 211 Story enthielt, waren die Rezensionen positiv. Wenn seine Romane hauptsächlich ‘Ideenromane’ waren, dann zählte dieser Aspekt gegen sie. Abgesehen davon, wurden Koestlers ‘Ideen’ nicht immer als solche erkannt. Um ein Beispiel zu nennen: die gesamte Frage von Umwegen auf dem Wege zur Utopie, die Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt, die ein zentrales Thema von The Gladiators, Darkness at Noon und Arrival and Departure war, drang nicht ins Bewusstsein der Rezensenten. Wenden wir uns nun, zusätzlich zu dem Roman Thieves in the Night, mehreren anderen Werken zu, die von Israel und Judentum im Allgemeinen handeln. In dieser Hinsicht am interessantesten ist meines Erachtens Koestlers historische Untersuchung The Thirteenth Tribe. The Khazar Empire and its Heritage (New York: Random House 1976). Darin bemüht er sich, auf der Grundlage von sparsam verfügbarem historischen Material zu beweisen, dass die osteuropäischen Aschkenasim, und damit die Mehrheit aller Juden, auf die Kazachen zurückgehen und damit nicht semitischen Ursprungs sind. 36 Wenn sein Buch ernst genommen worden wäre, hätte dies revolutionäre Konsequenzen für das jüdische Bewusstsein in der ganzen Welt gehabt, da Koestler darin behauptet, dass “except for a small minority of religious believers, the Jews outside Israel have no logical - and therefore moral - right to feel and enjoy an attachment to a past which, as he now shows, does not stretch back in an unbroken line to the Patriarchs.“ 37 Es überrascht nicht, dass die amerikanischen Rezensenten dem Buch von Anfang an nicht die Chance für einen derartigen Effekt eingeräumt haben. So schrieb der Rezensent des Library Journal: “In developing [his] theory, Koestler invokes such taboo topics as heredity and Jewish physical characteristics (yet concludes such distinctions as meaningless). Although his book is unlikely to advance the Khazar theory too far, Koestler has brought to the fore a little-known corner of history.“ 38 Einige Rezensenten kritisierten die Auswahl der historischen Quellen: The evidence from which Koestler and his sources - Bury, Dunlop, Kutschera, Poliak - construct this history is mainly from Arabic, Byzantine, and Sephardic letters and diaries: Koestler cites no primary Ashkenazi sources. [Gibt es solche Quellen? - H.W.] […] [His book] is at once daring and uninquisitive. Intent on promoting his argument, he fails to show any interest in such issues as how this history of the Jews, if that is, what it is, got lost or what the implications of overhauling the Jewish past might be. 39 36 Die Kasachen waren ein turkisches Volk, das sich in Südrussland niedergelassen hatte und im Jahre 740 n. Chr. zum Judentum übergetreten war; ihr Reich von beträchtlicher Größe ging mit dem Aufstieg Russlands (um Kiew) zugrunde. 37 Chaim Raphael, The Times Literary Supplement [London! ], 11. Juni 1976, S. 696. 38 R. A. Kanen, Library Journal, August 1976, S. 1632. 39 Mark Shechner, The Nation, 20. November 1976, S. 535. <?page no="212"?> Hans Wagener 212 Andere priesen zwar Koestlers Art der Darbietung seines Stoffes, hielten seine Argumente aber trotzdem für schwach: Koestler marshals the complex evidence for this theory in a clear and convincing way. He tells a good story. […] The heart of [his] argument, however, is demographic, and the demographic evidence is notably weak. To believe Koestler’s theory one must trust extrapolations from the very scant data available pertaining to Jewish populations in medieval times. One must also credit similarly unpersuasive documents that are supposed to show that the conversion of the Khazars was not limited to the ruling elite, but extended in some authentic and lasting form to the entire Khazar nation. 40 Das schwächste gegen Koestler vorgebrachte Argument ist fraglos das, dass er seine These schlecht und folglich auf nicht überzeugende Art und Weise vorgebracht habe: Despite the intriguing nature of the thesis put forth by Koestler […] the manner in which it is presented does incalculable harm. Historical accuracy is discarded where it impairs the symmetry of his argument; and, in an attempt, one presumes, to attract a popular mass audience, Koestler abandons the dispassionate and exact language of his earlier works for clichés. 41 Man fragt sich, ob die Rezensenten verzweifelt nach Gründen gesucht haben, um Koestlers These und ihre Implikationen nicht akzeptieren zu müssen. Koestler beschäftigt sich mit Israel und den frühen Jahren des Landes nicht nur in seinem Roman Thieves in the Night, sondern auch in Promise and Fulfillment. Palestine 1917-1949 (New York: The Macmillan Company 1949). Der Rezensent von Kirkus fasst den Inhalt des Buches folgendermaßen zusammen: Part I is a philosophical and psychological history of the years between the Balfour Declaration with its promise that could not be fulfilled, and the sorry end of the British mandate; Part II is firsthand record of events in the author’s own close-up view of the first eight months of the State of Israel; Part III is general observation on many facets of language, religion, politics, culture, and the contradictions in the development of the new nation. 42 Die positivste Rezension erschien in der New York Times. Dort hieß es einfach: Koestler brilliantly and thoroughly analyzes the political and economic forces which brought about the unhappy conflict in that stretch of arid land as large as a county but with the problems of a continent. Being Koestler, he also investigates the psychological aspects, the irrational and emotional factors that impelled so many illogical actions on the part of all concerned. One can have read everything ever written about Palestine and modern Israel and still find much that is new in this work. 43 40 Raymond Sokolow, Newsweek, 30. August 1976, S. 69. 41 Jane Majeski, National Review, 12. November 1976, S. 1248. 42 Kirkus, 15. Oktober 1949, S. 600. 43 Quentin Reynolds, The New York Times, 23. Oktober 1949, S. 3. <?page no="213"?> Die Koestler-Rezeption in den Vereinigten Staaten 213 Für die meisten Rezensenten war es keine Frage, dass Koestler hier nicht etwa objektive Geschichtsschreibung geleistet, sondern dass er ein höchst subjektives Werk geschrieben hatte. Diese höchst persönliche Perspektive wurde sowohl als Stärke als auch als Schwäche des Buches betrachtet. While fully sympathizing with the goals of Zionism, Koestler is objectively critical of the leadership, the controls, the grim determination to hold the inflexible line of tradition. He may even be accused by Zionists of presenting now the British, now the Arab side of the controversy. Actually, while he does not condone, he does understand. 44 Der Rezensent der Saturday Review of Literature war Koestlers Einstellung gegenüber sehr viel kritischer: Perhaps the book was hastily written; if so, it should have been rewritten. Its style is a mixture of slang, psychological terminology, and political jargon. Its middle section, which is the heart of the story, is inexcusably bad. After a fashion it tells the Palestine story from 1917 to 1949; it should be filed, however, under K for Koestler, not I for Israel. 45 Andere Rezensenten sahen die persönliche Perspektive als ein definitives Plus an, so dass sie ein insgesamt positives Urteil fällten. So kam der Rezensent des New Yorker zu dem Ergebnis: “In spite of its highly personal tone, or maybe because of it, the book is without a doubt the most dramatic and thought-provoking of all the recent books about the Israelis and their new nation.“ 46 Es war zu erwarten, dass die Rezensenten, die mit Koestlers Werk bekannt waren, das Buch mit Thieves in the Night vergleichen würden. Marie Syrkin, die Rezensentin von Nation gab dabei dem Roman bei weitem den Vorzug: Mr. Koestler’s emphasis on psychological factors hardly adds up to a philosophy of history, but he has thoroughly succeeded in composing a chronicle from which the author’s, rather than history’s, ‘emotive bias’ is rarely absent. Readers of ‘Thieves in the Night’ are familiar with Koestler’s rancors and disenchantments. The novel could be admired as brilliant and often moving fiction, but a history, no matter how subjective, cannot claim the latitude of a work of the imagination. This book, despite its superficial air of unsweet reasonableness, is so pervasively partisan that it becomes primarily a political tract. 47 Während die amerikanischen Rezensenten Koestlers Darstellung oder seine Ideen bezüglich des kazachischen Ursprungs der Aschkenazim nicht überzeugend fanden, wurde seine Darbietung von Israels jüngster Geschichte zwar von einigen gelobt, von anderen aber kritisiert, weil er seine persönlichen Ansichten wiedergegeben hatte. Seine nichtfiktionalen Arbeiten über 44 Kirkus, a.a.O. 45 Thomas Sugrue, Saturday Review of Literature, 29. Oktober 1949, S. 12. 46 The New Yorker, 12. November 1949, S. 155. 47 Marie Syrkin, Nation, 22. Oktober 1949, S. 399. <?page no="214"?> Hans Wagener 214 das Judentum wurden damit mit denselben Argumenten kritisiert wie sein Roman Thieves in the Night. Am problematischsten war die Rezeption von Koestlers theoretischen oder naturwissenschaftlich orientierten Arbeiten: Insight and Outlook. An Inquiry into the Common Foundations of Science, Art and Social Ethics (New York: The Macmillan Company 1949) ist ein typisches Beispiel. Das Werk biete “a system of ethics derived from the assumption of man’s instinctive drive toward integration with a larger whole. It attempts to show all of man’s creative activities as part of a common pattern and to establish a unifying theory of humor, art, and scientific discovery.“ 48 In den unspezifischsten Rezensionen wurde das Werk einfach als schwierig erachtet, als mehrdeutig und provokativ. Mit solchen Allgemeinheiten drückten die Rezensenten ihren Mangel an Verständnis für das Werk aus. So bot das Library Journal beispielsweise kaum mehr als eine derartige allgemeine Bewertung, zusammen mit einer Auflistung des Inhalts: “In his ambitious, difficult, and provocative book, Koestler draws upon the terminology and conclusions of the biological sciences to discuss, among other subjects, the nature of the comic and the tragic, Freudianism, and the history of our civilization.“ 49 Die Bemerkungen in Kirkus waren genauso allgemein: “The book is a tour de force of planning and presentation. The appendices and bibliography are a valuable contribution in themselves. Juicy meat for the expert on matters psychological, and no barrier to interested laymen.“ 50 Der Rezensent von Commonweal sah das Buch in Beziehung zu Koestlers Romanen und sah seine fiktionalen Werke als überzeugender an: Though it is not referred to as such, ‘Insight and Outlook’ may be regarded as a general effort to substantiate and fortify the intellectual positions advanced in the novels. But the total effect of the book, simply as a vehicle of ideas, is considerably less real, less whole, less convincing, than the total effect of one of the better novels, in the sense that ‘poetic incompleteness’ expresses much more than rational enlargement: we are willing to understand more through the novel than through any justification of it. 51 Diese Meinung ist indirekt auch in der Rezension des San Francisco Chronicle impliziert, die mit einem Lob Koestlers beginnt und mit Vorbehalten schließt: It is impossible to read anything that Arthur Koestler writes without receiving some kind of enlightenment. There are magnificent sentences and paragraphs in this book that open new vistas and clarify old ideas. […] But the system Mr. Koestler promises remains vague; somehow it never comes into focus. Most of Mr. 48 Library Journal, 1. Dezember 1948, S. 1742. 49 Ibid. 50 Kirkus, 1. September 1948, S. 469. 51 J. H. Johnston, Commonweal, 11. Februar 1949, S. 451. <?page no="215"?> Die Koestler-Rezeption in den Vereinigten Staaten 215 Koestler’s admirers, we are certain, hope he will go back to teaching by indirection. 52 Einige der größten Magazine und Zeitungen waren eindeutig negativ. Irwin Edmans Rezension in der New York Times war einfach vernichtend: In the past this reviewer explicitly in print has praised Mr. Koestler’s sensitive and reflective mind. As one who respects the attempts of a man of letters to make his peace with fundamental philosophical issues, I find it embarrassing now to have to express extremely serious reservations about the success of this grandiose enterprise of Mr. Koestler’s. The book now and again comes out with shrewd and perceptive comments on some aspect of life, of knowledge or of art. But it is impossible, at least for this reviewer, to take with anything approaching the seriousness of Mr. Koestler himself the ‘principles’ which he offers with a bland and sometimes arrogant dogmatism and with a mixture of uncritical metaphysical assumptions and a rag-bag of psychological references and jargon - the characteristic luggage of the ‘intellectual’ living beyond his intellectual income. 53 Der Rezensent von Time urteilte kategorisch: “Insight and Outlook is likely to be gobbledygook to the average reader and without much meat even for the most dogged philosopher.“ 54 Dieselbe kritische Rezeption wiederholte sich, als zehn Jahre später Koestlers Trilogie über “the science of the mind” zu erscheinen begann: The Sleepwalkers. A History of Man’s Changing Vision of the Universe (New York: The Macmillan Company 1959), The Act of Creation (New York: The Macmillan Company 1964), und The Ghost in the Machine (New York: The Macmillan Company 1967). In The Sleepwalkers verwendete Koestler die Biografien von Nikolaus Kopernikus, Tycho Brahe, Johannes Kepler und Galileo Galilei dazu, um ehemals akzeptierte Ansichten über Fortschritt in den Naturwissenschaften in Frage zustellen. Die Rezensionen des Buches waren nahezu allesamt positiv, vor allem weil Koestler sich nicht mit Theorien befasste, sondern mit Menschen und ihren Biografien. Der Rezensent von Atlantic schrieb: “Koestler writes with his usual liveliness and authority, and his explanations of astronomical theory are so ingenious that even the most lunk-headed layman can follow him about the heavens with no more than reasonable effort.“ 55 The Chicago Sunday Tribune nannte es “a well documented history of an enthralling period in human development. It is also a poignant (occasionally even ruthless) biography and a significant attempt at a psychology of the creative genius.“ 56 Das Library Journal hielt es für “a work of major importance […] a brilliant and beautifully written re-creation of the psychological process of discovery.“ 57 Nach Ansicht der Saturday Review war es “a brilliant and pro- 52 J.V., San Francisco Chronicle, 20. März 1949, S. 26. 53 The New York Times, 6. Februar 1949, S. 1. 54 Time Magazine 14. Februar 1949, S. 100. 55 Phoebe Adams, Atlantic, August 1959, S. 84. 56 P.A. Schilpp, Chicago Sunday Tribune, 31. Mai 1959, S. 5. 57 M.L. Barrett, Library Journal, 1. Mai 1959, S. 1529. <?page no="216"?> Hans Wagener 216 vocative book.“ 58 Und die New York Herald Book Review pries das Buch mit den Worten: Few expositions of a technical subject by a layman and for laymen are so bold or, seemingly, so well documented. […] Any reader would have to be very well informed indeed not to learn something from it and very averse to bold speculation not to find the speculative parts highly stimulating. 59 Am kritischsten waren diejenigen Rezensenten, die das Buch nicht einfach mit Superlativen etikettierten oder seinen Stil lobten, sondern stattdessen ins Detail gingen. So schrieb der Rezensent des New Yorker: If the rage is boiled off, the residue of the first section of the book is not much more than the notion that science is part of human culture, like pottery-making of the development of financial credit. […] Koestler is at his cheeriest, in this grumbling book, whenever he can show that a scientist stumbled. […] He often writes as if he had invested in the physical sciences and felt entitled to a return on his money. […] Koestler’s disillusion with contemporary cosmology is not as convincing as some of his previous disillusions, because his sensibilities, which are moral, are inappropriate to his subject; scientific problems are not solved by scolding. 60 Die Rezensenten, die sich lediglich auf den Stil und den Unterhaltungswert des Buches bezogen, waren am positivsten, in vielen Fällen sogar begeistert; diejenigen, die andererseits Koestlers Ideen bewerteten, waren sehr viel kritischer: In The Act of Creation vertrete er the theory that all creative activities - the conscious and unconscious processes of scientific discovery, artistic originality, and comic inspiration - have a basic pattern in common that he attempts to define, using examples drawn from […] modern disciplines: biology, experimental psychology, neurology, philosophy, logic, Eastern mysticism, dramatic theory, and literature. 61 Die unspezifischen Rezensionen lobten wiederum hauptsächlich Koestlers Stil, anstatt sich kritisch mit dem Inhalt auseinanderzusetzen: “Open this book to any page and it will read brilliantly and epigrammatically; and then you will have to read it again to understand it.” Dies schrieb der Rezensent des Christian Science Monitor, der offensichtlich das Buch nicht zum zweiten Mal gelesen hat. Seine Empfehlung ist sogar noch irritierender: “At about a penny a page, Mr. Koestler’s latest and most ambitious work is the best buy for now or Christmas.“ 62 Er schreibt schließlich für eine christliche Zeitung. Der Rezensent der National Review muss ein anderes Buch gelesen haben, denn er kritisiert hauptsächlich die Art der Darbietung: This is an unsatisfying book. Its jargon is often horrid and perhaps tell-tale. […] Mr. Koestler may have described the act of creation, the ‘bisociative flash’, but he 58 A.C.B. Lowell, Saturday Review, 23. Mai 1959, S. 125. 59 J. W. Krutch, New York Herald Tribune Book Review, 19. Juli 1959, S. 1. 60 Naomi Bliven, The New Yorker, 19. September 1959, S. 183. 61 Anmerkung des Verlegers. 62 Arnold Reichman, The Christian Science Monitor, 29. Oktober 1964, S. 5. <?page no="217"?> Die Koestler-Rezeption in den Vereinigten Staaten 217 has not exemplified it. His work is dressed up in the fashionable clothes of a scientific treatise, but lacks the bone-structure to support them. Aber er kritisiert auch die mageren Resultate von Koestlers Untersuchung: The ‘problem-solving’ experiments to which he refers raise several fascinating questions, but Mr. Koestler does not answer them. […] Mr. Koestler had a worthwhile idea. It would have made an admirable short essay. Instead, the mountains have labored and brought forth an elephantine mouse. 63 Die Saturday Review ist in einzelnen Punkten zwar anderer Ansicht, lobt aber als Koestlers Forte seine Fähigkeit, umfangreiches Material zu integrieren: “Koestler is master of the very difficult trade of synthetizing a mass of material, […] of serving up to the general reader facts that he would otherwise never know, and - most important - of explaining why they matter and how they relate to each other.“ 64 In The Ghost in the Machine hat sich Koestler mit der Kreativität und der Pathologie des menschlichen Geistes beschäftigt, seiner Ansicht nach zwei Seiten des Geistes, die sich im Laufe der Evolution entwickelt haben. Er behauptet, dass das rapide Wachstum des menschlichen Gehirns in der fehlerhaften Koordination zwischen uralten und kürzlich entstandenen Gehirnstrukturen resultiert habe, wodurch eine pathologische Spaltung zwischen Gefühl und Vernunft entstanden sei. Die Saturday Review of Literature räumte ihm zumindest die Möglichkeit ein, Recht zu haben: [This] is a bold examination of the human predicament at the present moment. […] Koestler spends half the book in clearing the ground by attacking the Behaviorists in psychology and the neo-Darwinists in biology. […] [He] shows how inadequate their theories are, and in doing so he offers subtler and more persuasive explanations of the development of the species, and the formation of the mind. 65 Die New York Times hat ernsthafte Bedenken in Bezug auf Koestlers These und seine Vorgehensweise: [Koestler’s] thesis has an everything-falling-into-place aura, as it accounts for things that do not fall into place; it may therefore appeal to those who still believe, or wish to believe, that all truths, scientific or otherwise, are simple ones. But as an explanation for ‘modern man’s predicament’ […] this arbitrary dichotomy of the bad old brain and the good new one is a misrepresentation of the way man’s brain and mind work, and a neurological retreat from its psychology and history. […] There are flashes of brilliance in Koestler’s ambitious explorations […] but the book’s erratic combination of unfocused and over-focused argument eventually renders it tedious. 66 63 Anthony Lejeune, National Review, 17. November 1964, S. 1019. 64 Elisabeth Janeway, Saturday Review, 17. Oktober 1964, S. 35. 65 Granville Hicks, Saturday Review of Literature, 24. Februar 1968, S. 39. 66 R.F. Lifton, New York Times Book Review. 7. April 1968, S.3. <?page no="218"?> Hans Wagener 218 Zusammenfassend lässt sich folgendes sagen: 1. Koestlers Romane wurden von den amerikanischen Rezensenten meistens positiv aufgenommen. Wenn sie eine starke Handlung enthielten oder eine menschlich berührende Story, waren die Rezensionen meistens positiv. Koestlers in diesen Romanen enthaltene ‘Ideen’ wurden nicht immer als solche wahrgenommen. 2. Wenn die Romane allerdings hauptsächlich als ‘Ideenromane’ anerkannt wurden, dann zählte dieser Aspekt gegen sie: das Überwiegen von politischen und philosophischen Ideen und entsprechende Behauptungen ihres Autors schienen ihren Wert als literarische Kunstwerke zu mindern. 3. Koestlers Bücher, die sich mit den Judentum und/ oder Palästina/ Israel befassten, erhielten meist gemischte Rezensionen, denn sie wurden je nach der eigenen Meinung des Rezensenten über das Thema beurteilt. Seine Theorie über den kazachischen Ursprung der Aschkenazim wurde von den meisten Rezensenten nicht akzeptiert. 4. Seine Bücher über naturwissenschaftliche Fragen und Theorien wurden wegen ihres Stils und ihres Unterhaltungswertes gelobt. Am positivsten waren diejenigen Rezensenten, die sehr allgemeine Urteile abgaben; am kritischsten waren diejenigen, die stattdessen versuchten, eine ausführliche Beurteilung von Koestlers Ideen abzugeben. Sie akzeptierten seine Thesen nicht und tendierten dazu, auf die angeblich mageren Resultate seiner Untersuchungen hinzuweisen. <?page no="219"?> Personenregister Adams, Phoebe 215 Adler, Alfred 194 Alde, Peter 175 Allen, Bruce 210 Aristotle 142 Artamanov, Mikhail 110 Ascher, Dörte 124 Assberg, Fkodor 46 Attila 105 Auden, W.H. 181 Austerlitz, Robert 150 Barrett, M.L. 215 Barron, Frank 154 Bartels, Klaus 148 Barth, John 108 Beauvoir, Simone de 36 Beißner, Friedrich 156, 157 Bellow, Saul 207 Beloff, John 8, 20, 200 Benda, Julien 182 Bernays, Edward 175 Bernhard von Chartres 180 Bernhard, Michael 105 Bertalanffy, Ludwig von 11, 12, 19, 162, 165-170, 172-174, 177, 184 Bertaux, Pierre 147, 153 Biermann, Wolf 37 Binder, Wolfgang 146 Blair, Tony 20 Blake, William 158 Bliven, Naomi 216 Bloch, Marc 183 Bloom, Harold 158 Bondy, François 43 Borges, Jorge Luis 108 Breitscheid, Rudolf 121 Broad, Charly D. 193 Broch, Hermann 7, 8, 12, 62, 66, 92, 94, 95, 99, 180, 182, 183, 194 Brook, Kevin Alan 105-107, 109-111 Brown, Marshall 147, 155 Brown, Spencer G. 193 Bruner, Jerome 19 Bruno, Giordano 175 Bucharin, Nikolai 67, See Bukharin Buckard, Christian 9, 35, 40, 59, 66, 69, 75 Bukharin, Nicolai 30 Burke, Edmund 89 Bush, George W. 20 Bush, George Walker 20 Butterfield, Herbert 142 Campanella, Tommaso 29 Camus, Albert 70 Capra, Fritjof 183 Caspar, Max 142, 143, 145, 146, 148, 152, 156 Cesarani, David 9, 59 Chalmers-Mitchell, Peter 136 Chamberlain, Neville 126 Chomsky, Noam 20 Clair, Jean 180 Cohn-Bendit, Daniel 41 Coleman, Peter 38 Conrad, Joseph 179 Coombe-Tennant, Winifred 196 Copernicus, Nicolaus 32, 143, 144, 155, 161 Corbin-Schuffel, Anne-Marie 38 Cowley, Malcolm 204, 207 Crookes, William 200 Crossman, R.H.S. 208 Crossman, Richard 161 Csokor, Franz Theodor 114 Cummings, Geraldine 196 Curta, Florin 107 Dahrendorf, Ralf 35 Dalai Lama 178 Dannhauer, Heiz-Martin 148 Darwin, Charles 33, 137, 144, 168, 175 Davis, Elmer 203 Dawkins, Richard 19 Day, Frank 11, 105 de Vries, Peter 206 Deleuze, Gilles 37 <?page no="220"?> Personenregister 220 Descartes, René 32, 167, 186 Dobbs, Adrian 192 Döblin, Alfred 114 Dobzhansky, Theodosius 169 Dostoevsky, Fyodor 31 Drach, Albert 114 Durston, John 142 Dyck, Walther von 148 Eccles, John 192 Eco, Umberto 63 Eddington, Arthur 173, 191 Edison, Thomas 137 Edmans, Irwin 215 Edvardson, Cordelia 114 Einstein, Albert 142, 144, 168, 182, 183, 194 Engels, Friedrich 130 Erasmus von Rotterdam 35, 95 Erdman, David D. 158 Estes, Rice 206 Eysenck, Jürgen 97 Fadiman, Clifton 205 Feyerabend, Paul K. 185 Fichte, Johann Gottlieb 150 Field, Rose 204 Fischer, Joschka 38, 41 Fischer, Max 204, 209 Foucault, Michel 183 Franco, Francisco 21, 80, 117, 118 Frankl, Viktor 17, 19, 92, 98-101, 182, 187 Franz Joseph I., Kaiser von Österreich und König von Ungarn 17 Franz, Michael 146 Frazier, Thomas 156 Freud, Sigmund 24, 37, 175, 179, 194 Frisé, Adolf 114 Frommer, Joerg 158 Gadiot, Nicole 125 Gahse, Zsuzsanna 188 Gaier, Ulrich 149 Galilei, Galileo 32, 139, 159, 161, 175, 184, 185, 196, 215 Garrett, John 207 Gebser, Jean 177 Genette, Gerard 72, 74 George, Emery 11, 60, 90, 141, 150, 151, 160 George, Katie 68 George, Mary W. 141 Georgiades, Thrasibylos 115 Gide, André 27 Gock, Carl 148 Goethe, Johann Wolfgang 98, 131, 150, 156, 168, 180 Gontard, Henry 150 Gontard, Susette 148 Goodman, Celia 141, 152, 153 Gore, Al 178 Gross, Babette 82, 126 Guattari, Félix 37 Gutenberg, Johannes 185 Haering, Hermann 146 Haering, Theodor 146 Haldane, J.B.S. 198 Halley, Edmund 155 Halter, Marek 105, 108-110 Hamilton, Iain 8, 23, 88, 144, 153 Hardy, Alister 194 Hardy, Alister Sir 12, 144, 193, 195 Hardy, Daphne 67, 120, 123, 124 Harris, Harold 8, 19, 78, 79, 144, 154 Harris, Sam 19 Harvie, Robert 12, 194, 195 Havas, Endre 69 Hayek, Friedrich August 19 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 62, 149, 158 Heine, Heinrich 24 Heisenberg, Werner 196 Hellman, Doris 142, 155 Hertz, Heinrich 137 Heywood, Rosalind 196 Hicks, Granville 217 Hilferding, Rudolf 121 Hillary, Richard 129 Hitler, Adolf 16, 27, 56, 73, 118, 119, 127, 129 Hobbes, Thomas 19, 180 Hölderlin, Friedrich 11, 141, 144, 146-151, 153-159 Hook, Sydney 193 <?page no="221"?> Personenregister 221 Horch, Hans Otto 148 Hughes, Langston 48 Hughes, Riley 210 Huizinga, Jan 115 Husserl, Edmund 183 Huxley, Julian 169 Hydén, Holger 19 Isler, Rudolf 9, 35, 37 Jabotinsky, Vladimir (Ze'ev) 39 Janeway, Elisabeth 217 Jaspers, Karl 98 Johnston, J.H. 214 Jung, Carl Gustav 37, 101, 192-194 Kahler, Erich 183, 185 Kanen, R.A. 211 Kanevskij, Zinovij Michajlovi 46 Kant, Immanuel 87, 142 Károlyi, Michael 77 Kepler, Barbara (Muehleck) 152 Kepler, Johannes 11, 32, 131, 136- 146, 148, 151, 152, 154-158, 161, 215 Kertész, Imre 188 Kety, Seymour 19 Kikiloff, Shaarieh 48 Kisch, Egon Erwin 29 Klopstock, Friedrich Gottlieb 146 Klumpp, Friedrich 61 Knop, Andreas 72 Koestler, Cynthia 15, 16, 20, 21, 37, 38, 144, 152, 153 Koestler, Mamaine (Goodman) 152 Koestlin, Nathanael 148 Kohlenberger, Helmut 12, 179 Kopernikus, Nikolaus 95, See Copernicus Kovalev, Roman 107, 109 Krafft, Fritz 142 Kraus, Karl 24, 114 Krenkel, Ernst 46 Kriegleder, Wynfrid 10, 59 Krutch, J.W. 216 Kuehn, Manfred 142 Kuehnelt-Leddihn, E.V. 207 Kuhn, Hugo 115 Kuhn, Thomas 168, 175, 183 Labhart, Christian 37 Lange, Wolfgang 157 Lania, Leo 114 Larkin, Paul R. 142 Laszlo, Erwin 162, 174-178 Leibniz, Gottfried Wilhelm 168, 174 Lejeune, Anthony 217 Lejeune, Phillipe 132 Lenin, Vladimir Ilyich 183 LeShan, L.L. 192 Lifton, R.F. 217 Lind, Jakov 114 Lothar, Ernst 121 Lowell, A.C.B. 216 Luisi, Luigi Pier 175 Lukacs, Georg 61, 62 Luther, Martin 95 Lützeler, Paul Michael 94, 95, 182 Maccoby, Hyam 24 Mach, Ernst 137, 144 Maclean, Paul 19 Maestlin. Michael 146 Majeski, Jane 212 Makarenko, Dmitri 28 Malenkov, Georgy Maximilianovich 46 Malraux, André 36 Mann, Klaus 114 Mann, Thomas 38, 67, 190, 191 Marconi, Guglielmo 137, 144 Maria-Theresa, Kaiserin von Österreich 17 Marsch, F.T. 203 Martel, Charles 105 Marx, Karl 130 McNeill, David 19 Meister, Franziska 64 Merrill, Reed 156 Merton, Robert K. 180 Merz, Klaus 114 Meyrink, Gustav 189, 191 Mikes, George 24 Milton, John 147, 158 Mitchison, Naomi 204 Moltschanoff, Pawel 46 Mörike, Eduard 156 Morris, Robert 20, 200 Morton, Frederic 209 <?page no="222"?> Personenregister 222 Moses, Stéphane 38 Müller, Ernst 146 Münzenberg, Willi 28, 36, 126 Mussolini, Benito 118 Nabokov, Vladimir 108 Neuffer, Christian Ludwig 148 Newton, Isaac 137-139, 141, 142, 144, 145, 155, 161, 167, 175, 180 Nicholas of Cusa 168 Niethammer, Immanuel 150 Nietzsche, Friedrich 181 Niggl, Günter 132 Nobile, Umberto 45 Novalis (Friedrich von Hardenberg) 150 Olivier, Charles P. 155 Orwell, George 28-30, 60, 70, 77, 88-90, 167 Pasteur, Louis 185 Pauli, Wolfgang 193, 196 Pavi , Milorad 105, 107, 108 Pawlow, Petrowitsch 99 Penn, Elaine 206 Petersen, Jürgen H 63 Pfleiderer, Christoph Friedrich 146 Piaget, Jean 19, 191 Pico della Mirandola 198 Poincaré, Henri 184 Polledri, Elena 147, 157 Pooler, Charles K. 156 Pribicevic-Zoric, Christina 105 Price, Henry H. 194 Price, Spencer H. 193 Pritchett, V.S. 60, 61, 73 Radek, Karl 30, 67 Raphael, Chaim 211 Regler, Gustav 122, 123, 127 Reichman, Arnold 216 Reich-Ranicki, Marcel 38 Reid, Forrest 204 Reinhold, H.A. 206 Rey, Paul 177 Reynolds, Quentin 212 Riesman, David 168 Rohrwasser, Michael 36, 60, 75 Roll, Michael 200 Rosenberg, Harold 60, 70, 73 Rosenberger, Harold 70 Rosenfeld, Isaac 208 Rousseau, Jean Jacques 148 Rovere, R.H. 209 Rudnick, Hans 11, 161 Rue, Loyal 19, 20 Rusanov, Vladimir Aleksandrovi 45 Salomon, L.B. 205 Samoilowitsch, Rudolf 45, 46 Sanchez Arias, Óscar 178 Sartre, Jean-Paul 36 Sattler, Dietrich E. 147, 156, 157 Scammell, Michael 23, 77, 141 Schadewaldt, Wolfgang 148, 149, 155, 157 Schagurin, Kolja 48 Schechter, Solomon 106-109 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 158 Schiller, Friedrich 146-151 Schilpp, P.A. 215 Schopenhauer, Arthur 34, 190, 191 Schrödinger, Erwin 183, 184 Schuffels, Klaus 148 Schulz, Hans 126 Schwerte, Hans 158 Secerovic, Naser 10, 91 Shakespeare, William 156 Shaprut, Hazdai Ibn 108, 109 Shechner, Mark 211 Silone, Ignazio 62 Simon, Edith 203 Sinclair, Upton 194 Skinner, B.F. 99 Slawinski, Ilona 10, 45 Smythies, John 9, 15, 17-19, 91, 145, 161, 182, 184 Smythies, Vanna 15, 17, 18 Snow, Charles Percy 176, 181 Sokolow, Raymond 212 Spencer, Herbert 137, 144 Spengler, Oswald 172 Sperber, Manés 9, 35-43, 60 Sperber, Murray A. 30, 60, 61, 70 Sri Aurobindo 177 <?page no="223"?> Personenregister 223 Stalin, Josef 46, 53, 67, 73, 80, 87, 110, 118, 119, 122, 125, 126 Stanzel, Franz K. 74 Starobinski, Jan 132 Steen, Kirk 10, 77 Strauss, Harold 204 Strelka, Joseph 9, 12, 59, 63, 66, 73, 92, 140, 179, 185, 187, 189 Striker, Eva 29 Sugrue, Thomas 213 Syrkin, Marie 213 Szilard, Leo 24 Teilhard de Chardin, Pierre 169, 174 Teller, Edward 24 Thorpe, William Homan 19 Thurow, Reinhard 148 Tigner, H.S. 207 Tolstoi, Leo 194 Toynbee, Arnold 196, 197 Trotsky 30 Trotzki, Leo 67 Tycho Brahe (Tyge Ottesen Brahe) 139, 142, 151, 152, 154, 155, 215 Ueding, Gert 115 Updike, John 194 Valiani, Leo 123, 124 Vassilev, Leonid L. 190 Vilar, Jean 27 Voltaire (François-Marie Arouet) 70, 74 Waddington, Conrad Hal 19 Wagener, Hans 12, 203 Wagner, Richard 180 Walker, Harris E. 193 Wallenstein, Albrecht von 152 Wallis, Charles Glenn 143 Walter, Hans-Albert 36 Watson, John B. 192 Watts, Richard 207 Webberley, Roy 8, 78, 79 Weeks, Edward 206 Weininger, Otto 24 Weiss, Paul A. 11, 19, 91, 162-167, 173, 174, 177 Weissberg-Cybulski, Alexander 36, 114 Weissenberger, Klaus 11, 113, 115 Wells, H.G. 194 Werner, Alfred 206 Wezel, Johann Carl 74 Wigner, Eugene 24 Wilber, Ken 177 Willert, Paul 123, 125-127 Wilmans, Friedrich 154 Wilson, Edmund 207 Young, Stanley 204 Zammit, Victor 200 Zinn, Ernst 148 Ziolkowski, Theodore 72, 150 Zola, E mile 63