Weisheit und Tod
Die Ätiologie des Todes in der "Sapientia Salomonis"
1221
2009
978-3-7720-5349-8
978-3-7720-8349-5
A. Francke Verlag
Christian Kurzewitz
Im Alexandria der Zeitenwende entstand mit der Sapientia Salomonis eine Relektüre der Schöpfungs- und Sündenfallgeschichte der Genesis. Dieser Rückgriff auf bestehende jüdische Schöpfungsvorstellungen war verbunden mit einer Hinwendung zu hellenistischer Terminologie und Gedankenwelt. In der vorliegenden Arbeit wird aufgezeigt, dass die jüdisch- hellenistische Theologie der Sapientia Salomonis in diesem Kontext eine Doppelstrategie zwischen Anpassung und Abgrenzung verfolgt. Die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Ursprung des Todes führt zu einer Differenzierung von physischem und eschatologischem Tod.
<?page no="0"?> Weisheit und Tod Die Ätiologie des Todes in der Sapientia Salomonis Christian Kurzewitz <?page no="1"?> Weisheit und Tod <?page no="2"?> TANZ 50 Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter herausgegeben von Klaus Berger <?page no="3"?> Christian Kurzewitz Weisheit und Tod Die Ätiologie des Todes in der Sapientia Salomonis <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.d-nb.de> abrufbar. Gedruckt mit Unterstützung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. © 2010 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Satz: Christian Buro Printed in Germany ISSN 0939-5199 ISBN 978-3-7720-8349-5 <?page no="5"?> Für Nora und Jakob <?page no="7"?> V O RW O RT Die vorliegende Arbeit wurde unter dem Titel ›Die Ätiologie des Todes in der Sapientia Salomonis‹ im Wintersemester 2007 / 2008 von der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen. Das Rigorosum fand am 2 . Juli 2008 statt. Für die Drucklegung wurden geringfügige Änderungen vorgenommen. Danken möchte ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Reinhard Feldmeier, der diese Arbeit angeregt hat. Er hat mich während ihrer Entstehung mit konstruktiver Kritik und gutem Rat betreut und mir dabei zugleich auch den nötigen Freiraum gewährt. Prof. Dr. Hermann Spieckermann danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft sei gedankt für das Doktorandenstipendium, das ich im Rahmen des Göttinger Graduiertenkollegs ›Götterbilder - Gottesbilder - Weltbilder‹ für drei Jahre erhalten habe. Bei den Mitgliedern des Kollegs bedanke ich mich für die Impulse, die ich durch sie erhalten habe. Ebenfalls sei den Teilnehmern des neutestamentlichen Doktorandenkolloquiums in Göttingen für kritische Diskussionen und wertvolle Hinweise gedankt. An den Druckkosten haben sich dankenswerterweise die Evangelischlutherische Landeskirche Hannovers, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands mit z. T. namhaften Zuschüssen beteiligt. Dank gebührt Prof. Dr. Klaus Berger für die freundliche Aufnahme in die Reihe TANZ, dem Francke Verlag für die geduldige und hilfsbereite Zusammenarbeit und Christian Buro für die Erstellung der Druckvorlage. Gegrüßt sei meine Deutschlehrerin Frau Christ, die mich in der sechsten Klasse aufgefordert hat, »später mal ein Buch über das Leben nach dem Tod zu schreiben«. Ganz herzlich bedanke ich mich bei meinen Eltern, Adelheid und Dieter Meimbresse, die mir mein Studium ermöglicht haben. Nicht nur deshalb haben sie erheblichen Anteil am Entstehen dieser Arbeit. Gewidmet sei dieses Buch meiner lieben Frau zur Geburt unseres ersten Kindes. Göttingen, im September 2009 Christian Kurzewitz 7 <?page no="9"?> I N H A LT Einleitung 11 1 Kultureller Kontext 13 1 . 1 Ursprung des alexandrinischen Judentums . . . . . . . . . . . 13 1 . 2 Politische und soziale Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1 . 3 Die Unruhen von 38 n. Chr., 66 - 70 n. Chr. und 115 - 117 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1 . 4 Die Begegnung von Hellenismus und Judentum als Praeparatio Evangelica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2 Einleitungsfragen 27 2 . 1 Ort der Abfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2 . 2 Verfasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2 . 3 Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2 . 4 Die literarische Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2 . 5 Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2 . 6 Datierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2 . 7 Inhalt und literarische Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3 Übersetzung von Sap 1 , 11 - 2 , 24 47 4 Exegese von Sap 1 , 11 - 2 , 24 51 4 . 1 Abgrenzung von Sap 1 , 11 - 2 , 24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4 . 2 Sap 1 , 11 - 15 . Exposition zur Rede der Gottlosen: Die Schöpfung zum Sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4 . 2 . 1 Sap 1 , 11 . Todbringendes Murren . . . . . . . . . . . . 53 Exkurs ψυχή . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4 . 2 . 2 Sap 1 , 12 f. Der Tod ist nicht von Gott . . . . . . . . . . 63 4 . 2 . 3 Sap 1 , 14 . Sein statt Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4 . 2 . 4 Sap 1 , 15 . Das Lieben der Gerechtigkeit und die Unsterblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Exkurs διϰαιοσύνη . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 4 . 3 Fazit zu Sap 1 , 11 - 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4 . 4 Die Rahmung der Rede Sap 1 , 16 - 2 , 1 a und Sap 2 , 21 - 24 . . . 80 9 <?page no="10"?> 4 . 5 Sap 1 , 16 - 2 , 1 a. Das einleitende Rahmenstück zur Rede der Gottlosen: Die erste Ätiologie des Todes . . . . . . . . . . 81 4 . 5 . 1 Sap 1 , 16 a. Der Tod kommt durch die Gottlosen . . . . 82 4 . 5 . 2 Sap 1 , 16 b. Freunde des Todes statt Freunde Gottes . . 84 4 . 5 . 3 Sap 1 , 16 c. Der Todesbund der Gottlosen . . . . . . . . 85 4 . 5 . 4 Sap 1 , 16 d. Würdige Teilhabe am Tod . . . . . . . . . . 88 4 . 5 . 5 Sap 2 , 1 a. Krumme Gedanken . . . . . . . . . . . . . . 90 4 . 6 Fazit zu Sap 1 , 16 - 2 , 1 a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4 . 7 Sap 2 , 1 b- 20 . Die Rede der Gottlosen . . . . . . . . . . . . . . 92 4 . 7 . 1 Sap 2 , 1 b- 5 . Lamentatio angesichts der Vergänglichkeit 95 4 . 7 . 2 Sap 2 , 6 - 9 . Ethische Folgerungen: Carpe diem . . . . . . 98 4 . 7 . 3 Sap 2 , 10 - 20 . Ethische Folgerungen: Leben auf Kosten anderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4 . 8 Sap 2 , 21 - 24 . Das abschließende Rahmenstück zur Rede der Gottlosen: Unvergänglichkeit contra Tod . . . . . . . . . . 100 4 . 8 . 1 Sap 2 , 21 . Die Bewertung der Rede . . . . . . . . . . . 101 4 . 8 . 2 Sap 2 , 22 . Drei Beispiele für die Verblendung der Gottlosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Exkurs μυστήριον . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4 . 8 . 3 Sap 2 , 23 . Die zweite Begründung des Irrens: Gottes Schöpfungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4 . 8 . 4 Sap 2 , 24 . Die zweite Ätiologie des Todes . . . . . . . . 152 Exkurs Satan / Teufel im Neuen Testament . . . . . . . . . . . . . . 165 4 . 9 Fazit zu Sap 2 , 21 - 24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 5 Ergebnis 177 Literaturverzeichnis 179 10 <?page no="11"?> E I N L E I T U N G Gott »hat alles geschaffen, damit es sei« (Sap 1 , 14 ), er »hat den Tod nicht gemacht« (Sap 1 , 13 ), heißt es im Eröffnungskapitel der Sapientia Salomonis. Diese Bestimmung zum Leben wird wenige Verse später noch zugespitzter formuliert: »Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen« (Sap 2 , 23 ). Der Mensch ist von Gott zum Leben und nicht zum Tod bestimmt. Die starke Betonung des Lebens und der Unvergänglichkeit provoziert geradezu den Kontrast zum Tod. So tritt dieser auch im direkten Anschluss an die Unvergänglichkeitsbestimmung des Menschen auf den Plan: »Durch den Neid des Teufels ist der Tod in die Welt hineingekommen« (Sap 2 , 24 ). Bereits in diesen wenigen Versen zeigen sich zwei Besonderheiten der Sap. Die erste besteht in dem Rekurs auf die Schöpfungs- und Sündenfallgeschichte aus Gen 1 - 3 , die zweite in der Verbindung jüdischer Schöpfungsvorstellungen mit hellenistischer Terminologie und Gedankenwelt. Bemerkenswerterweise haben die Geschichte des Sündenfalls aus Gen 3 wie auch Teile der beiden Schöpfungsberichte eine nur sehr geringe Rezeption innerhalb des Alten Testaments erfahren. 1 Aufgenommen werden diese Traditionen aus der Urgeschichte - wenn überhaupt - fast nur in den Spätschriften der Septuaginta, etwa bei Sir (z. B. Sir 17 , 3 ) oder eben in der Sap (z. B. Sap 2 , 23 f). Eine ausführlichere literarische Auseinandersetzung mit den Motiven der Schöpfungs- und Sündenfallgeschichte findet sich erst in Schriften außerhalb der Septuaginta, die zeitgleich mit der Sap um die Zeitenwende entstanden sind. Besonders zu nennen sind hier neben der Sap die Apokalypse des Mose und der Römerbrief des Paulus, aber ebenso auch die Werke Philos von Alexandria. Auf unterschiedliche Art findet in den genannten Schriften eine jeweils eigene und stets variierende Relektüre von Gen 1 - 3 statt. Damit verbunden ist häufig die Auseinandersetzung mit der Frage, wie Schöpfungstheologie und die Existenz des Todes miteinander zu vereinbaren sind. Die Rezeption von Gen 1 - 3 ruft in den genannten Texten die Frage nach dem Grund und der Herkunft des Todes hervor. Die Antworten auf diese Frage fallen in den jüdischen und christlichen Texten dabei recht unterschiedlich aus. Die Erklärungs- und Deutungsmuster differieren in Bezug auf die Ätiologie des Todes bisweilen stark. 1 Von Rad, Genesis, S. 74 : »Die Inhalte von 1 . Mose 2 und namentlich 3 stehen in auffallender Isolierung im Alten Testament. Weder ein Prophet noch ein Psalm noch ein Erzähler nimmt irgendeinen erkennbaren Bezug auf die Geschichte vom Sündenfall.« 11 <?page no="12"?> In der Sap wird die Ätiologie des Todes mit der Figur des Teufels verbunden. Der im Alten Testament nur in den Spätschriften begegnende Teufel wird hier an zentraler Position eingefügt, indem das Hineinkommen des Todes in die Welt auf seinen Neid zurückgeführt wird (Sap 2 , 24 ). Angesichts der theologischen Brisanz dieser Vorstellung verwundert es, wie isoliert dieser Gedanke ist. Selbst in der Sap wird diese teuflische Ätiologie des Todes an keiner Stelle wieder aufgenommen. Überhaupt begegnet der Teufel kein weiteres Mal in der Sap. Ziel dieser Arbeit ist es, das Spezifikum der Ätiologie des Todes, wie sie in der Sap vorliegt, herauszustellen. Bei den folgenden Untersuchungen gilt es dabei, die Sap als ein Zeugnis der jüdischen Auseinandersetzung mit dem Hellenismus wahrzunehmen und entsprechend auszulegen. Aufgrund der Parallelen, die zwischen den jeweiligen Ätiologien des Todes in Sap 2 , 24 und Röm 5 , 12 bestehen, soll mit dieser Arbeit auch ein Beitrag zur Traditionsgeschichte von Röm 5 geleistet werden. Das Hauptaugenmerk wird sich aber auf die Auslegung zentraler Begriffe, Vorstellungen und Motive innerhalb der Sap richten, die in Sap 1 , 11 - 2 , 24 den näheren Kontext der Ätiologie des Todes (Sap 2 , 24 ) bilden. Dabei wird das Anliegen einer biblischen Theologie aufgenommen, Altes und Neues Testament in engere Beziehung zueinander zu setzen. Neben alt- und neutestamentlichen Schriften wird außerdem die parabiblische Literatur in die Einzelexegesen eingebunden. Den Einzeluntersuchungen zu Sap 1 , 11 - 2 , 24 sind eine Einführung in den kulturellen Kontext der Sap, genauer in die Situation des Diasporajudentums in Alexandria während der frühen römischen Kaiserzeit, und eine Abhandlung der Einleitungsfragen zum Buch der Sap vorangestellt. 12 <?page no="13"?> 1 K U LT U R E L L E R K O N T E X T 1 . 1 Ursprung des alexandrinischen Judentums Die Ursprünge jüdischen Lebens in Ägypten liegen dem aus ptolemäischer Zeit stammenden Aristeasbrief zufolge weit vor der Hellenisierung Ägyptens. 1 Den Beginn der jüdischen Diaspora in Ägypten datiert Arist 13 in das frühe 6 . Jahrhundert v. Chr., in die Zeit Psammetichs II. ( 593 - 588 v. Chr.). Gemäß Arist 35 sind einige Jahrzehnte später mit dem Perser Kambyses, der Ägypten 525 v. Chr. eroberte, weitere jüdische Gruppen nach Ägypten gekommen. 2 Bestätigung erfahren diese Angaben des Aristeasbriefes durch die Papyrusfunde in Elephantine, die die Existenz einer jüdischen Militärkolonie in Oberägypten weit vor der hellenistischen Zeit belegen. 3 Die Eroberung Ägyptens unter Alexander 332 / 331 v. Chr. und die Gründung Alexandrias 331 v. Chr. markieren daher nicht den Anfang jüdischen Lebens in Ägypten. Zweifellos ist mit diesem Datum aber ein gravierender Einschnitt gegeben. So beginnt in der Zeit nach der Gründung dieser selbständigen griechischen Polis 4 die Blütezeit des dortigen Judentums, die von der ptolemäischen bis in die frühe römische Kaiserzeit reicht 5 und parallel zum Aufstieg Alexandrias zu einer Metropole verläuft. An diesem Knotenpunkt der damaligen Welt 6 trafen sich Fremde aus allen Teilen des Römischen Reiches. Der damit einhergehende Kontakt des Judentums mit orientalischen und hellenistischen Weltanschauungen führte zu einer kulturellen und religiösen Blüte innerhalb des Judentums. Es ist daher kein Zufall, dass gerade in diesem Zentrum hellenistischer Bildung und Kunst das Diasporajudentum die konsequente Hinwendung zur griechi- 1 Für Josephus scheinen erste jüdische Emigrationen aus Palästina nach Ägypten erst auf die Zeit Alexanders des Großen zurückzugehen. Vgl. Bell II, 487 ; Ap II, 35 ; Ant XI, 345 . 2 Vgl. auch Jer 42 , 14 . 18 f; 43 , 7 ; 44 , 1 . 12 . 28 (LXX Jer 49 , 14 . 18 f; 50 , 7 ; 51 , 1 . 12 . 28 ). Arist 12 f berichtet von 100 000 Juden, die Ptolemaios I. als Gefangene nach Ägypten geführt hat. Den von Ptolemaios I. während der Diadochenkämpfe aus Judäa entführten Juden gewährte Ptolemaios II. die Freiheit. Vgl. Bludau, Juden, S. 3 f. 3 Zu den aus dem 5 . Jahrhundert v. Chr. stammenden Funden in Elephantine vgl. TUAT, Bd. 1 , S. 253 - 263 . 4 Alexandria war eine selbständige Polis und gehörte als solche nicht zu Ägypten, weshalb sie den offiziellen Namen Alexandreia ad Aegyptum trug. 5 Mélèze Modrzejewski, Art. Alexandrien, Sp. 289 , bezeichnet diese Epoche als »das erste ›Goldene Zeitalter‹ in der Geschichte des abendländischen Diasporajudentums«. 6 Dion Chrys. 32 , 36 . 13 <?page no="14"?> schen Sprache vollzogen hat. Mit dem Museion und der von Ptolemaios II. Philadelphos ( 285 - 246 v. Chr.) gegründeten Bibliothek bestand in Alexandria ein Milieu, das auch auf das literarische Wirken der jüdischen Gemeinde Einfluss hatte. Die Pflege der griechischen Literatur und der Philologie in dieser Hochburg der griechischen Kultur wirkten so auch auf die hier entstehende jüdische Literatur ein. Der hohe Bildungsstand der Juden, die »zu den Protagonisten hellenistischer Kultur in Ägypten« 7 zu zählen sind, ist bemerkenswert. Zumindest für eine jüdische Oberschicht ist der Zugang zur Gymnasialbildung belegt. 8 Das Judentum war also über verschiedene Wege mit hellenistischer Kultur vertraut. Damit war die Voraussetzung für die besonders im alexandrinischen Judentum typische Tendenz zur Hellenisierung geschaffen, die ihren Niederschlag in der Synthese von jüdischer Weisheit und griechischer Philosophie finden sollte. Aufgrund der grundsätzlich toleranten Politik der Ptolemäer gegenüber den Juden bestanden günstige Bedingungen für die Akkulturation des alexandrinischen Judentums in die hellenistische Welt. 1 . 2 Politische und soziale Lage Nach Philo lebten um die Zeitenwende ca. 1 000 000 Juden in Ägypten. 9 Auch der Aristeasbrief berichtet bereits ungefähr 200 Jahre vor Philo von ca. 100 000 Juden, die von Ptolemaios I. aus Judäa nach Ägypten entführt und hier angesiedelt wurden. 10 Für Alexandria sind in Bezug auf die jüdische Bevölkerung keine Zahlen überliefert. Der römische Geschichtsschreiber Diodorus Siculus aus dem 1 . Jahrhundert v. Chr. beziffert die Zahl der freien Bürger Alexandrias auf über 300 000 , 11 was Anlass zu Spekulationen über die Gesamteinwohnerzahl der Stadt gegeben hat. So reichen die Schätzungen von 500 000 Einwohnern 12 bis zu 1 000 000 13 oder mehr. 14 Obwohl diese Zahlen mit Unsicherheiten belastet sind, zeigen sie, dass mit einer jüdischen Gemeinde von signifikanter Größe sowohl in ganz Ägypten als auch in Alexandria zu rechnen ist. 15 Bestätigt werden die Schätzungen bezüglich 7 Müller, Art. Alexandrien, S. 249 . 8 SpecLeg II, 230 ; Som I, 69 . 129 - 132 . 9 Flacc 43 . 10 Arist 12 f. 11 Diod. 17 , 52 . 12 Weber, Art. Alexandrien, Sp. 289 . 13 Müller, Art. Alexandrien, S. 248 . 14 Jansen-Winkeln, Art. Alexandreia, Sp. 464 . 15 Mélèze Modrzejewski, Art. Alexandrien, Sp. 289 , beziffert die jüdische Bevölkerung der Stadt um 300 v. Chr. auf ca. 180 000 Personen, was seiner Meinung nach etwa einem Drittel der Gesamtbevölkerung entsprach. 14 <?page no="15"?> der Einwohnerschaft dadurch, dass die Großstadt Alexandria an Größe und Bedeutung im Römischen Reich nur noch von Rom selbst übertroffen wird. 16 Innerhalb dieser Metropole lebten die Juden in einem eigenen Politeuma, das ihnen aufgrund eigener Verwaltung, Entscheidungsgewalt und weitgehend autonomer Verfassung relative Selbständigkeit sicherte. Benannt waren diese jeweiligen Stadtbezirke nach griechischen Buchstaben. Juden lebten in den beiden Politeumata β und δ . 17 Aber auch im übrigen Stadtgebiet ließen sich Juden nieder, 18 sodass man nicht von jüdischen Gettos sprechen kann. Trotz der außerhalb der jüdischen Stadtbezirke lebenden Juden bildeten die jüdischen Einwohner gleichsam eine eigene Stadt innerhalb der Stadt. 19 An der Spitze dieser weitgehend unabhängigen Verwaltungseinheit standen ein Ethnarch und eine eigene Gerousia. 20 Obwohl die Juden relative politische Autonomie besaßen und in ihren eigenen abgegrenzten Stadtteilen lebten, entsprach ihre soziale Stellung einem repräsentativen Querschnitt durch alle Schichten der alexandrinischen Bevölkerung. 21 Folglich ist das Spektrum der von Juden ausgeübten Berufe breit und umfasst alle Bereiche der Gesellschaft. Die von Tcherikover aufgeführte Liste verschiedener Berufe verdeutlicht diese Bandbreite. Demzufolge waren Juden »[g]enerals, soldiers, policemen, officials, tax-farmers, estate-owners, agricultural laborers, slaves, craftsmen, merchants, moneylenders, [. . .] physicians, scribes and the like«. 22 Aus der sozialen und vor allem aus der wirtschaftlichen Position der Juden kann daher keine Sonderstellung innerhalb der alexandrinischen Gesellschaft abgeleitet werden. Bemerkenswert ist allerdings, dass den Juden in Einzelfällen auch der Aufstieg in die Oberschicht möglich war. 23 16 Dion Chrys. 32 , 35 . 17 Flacc 55 ; Ant XIV, 117 ; Ap II, 35 . In römischer Zeit ist mit dem Stadtteil β ein zweiter dezidiert jüdischer Stadtteil zum älteren Stadtteil δ hinzugekommen. Vgl. zum jüdischen Politeuma und zur rechtlichen Stellung der Juden in Alexandria Mazzinghi, Wis 19 : 13 - 17 , S. 71 f, und Vílchez, Sapienza, S. 551 - 575 . 18 LegGai 132 ; Flacc 55 . 19 Arist 310 ; Ant XII, 108 . Nach Josephus, Ap II, 38 - 42 , besaßen Juden auch in Antiochia, Ephesus und im Rest Ioniens dieselben Rechte wie die Juden in Alexandria. Damit ist die Existenz von jüdischen Politeumata außerhalb Alexandrias wahrscheinlich. Vgl. Smallwood, Jews, S. 226 , Anm. 24 . 20 Flacc 74 . 80 . Vgl. Ant XIV, 117 ; Bell VII, 412 . Arist 310 nennt Vorsteher und Rat der Gemeinde ἡγούμενοι und πρεσβύτεροι . 21 Vgl. Smallwood, Jews, S. 222 f. 22 Tcherikover, Civilization, S. 343 . 23 Tiberius Alexander, der Neffe Philos, ist ein prominentes Beispiel für den Aufstieg eines Juden in die römische Oberschicht. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich Tiberius Alexander allerdings vom Judentum losgesagt. Vgl. Hengel, Judentum, S. 59 f. 503 . 15 <?page no="16"?> Die besondere Position der Juden ist eher in deren religiöser und staatsrechtlicher Sonderstellung begründet. Schon in der Zeit vor der römischen Machtübernahme in Ägypten kam den Juden von Seiten der Ptolemäer eine besondere Behandlung zu. Es ist auf die judenfreundliche Politik der Ptolemäer zurückzuführen, dass sich jüdische Kultur, Religiosität und Literatur in Alexandria frei entfalten konnte. 24 Doch förderte diese Bevorzugung unter den Alexandrinern Ressentiments, die dazu geführt haben, dass eine latent aggressive Stimmung gegenüber den Juden in der übrigen Bevölkerung der Stadt stets virulent war. Bestätigt und bekräftigt wurde die Sonderstellung der Juden in Alexandria nach der römischen Machtübernahme unter Augustus im Jahre 30 v. Chr. Auf die noch unter Caesar in Kraft getretenen Bestimmungen, die den Juden gewisse Vorzüge garantierten, konnten sich nun auch die alexandrinischen Juden berufen. Sie waren aufgrund dieses Privileges von Verpflichtungen ausgenommen, die sich nicht mit ihrer Religion in Einklang bringen ließen. Ebenfalls schon von Caesar wurde ihren Synagogen der Status von collegia zugestanden. Damit wurden ihnen das Versammlungsrecht zum Synagogengottesdienst und die Befolgung ihres Festkalenders zugesichert. Ferner wurde ihnen das Recht zugestanden, alle weiteren Vorschriften ihres Gesetzes einzuhalten. 25 Das implizierte zugleich eine Befreiung von römischen Kultpraxen und vom Militärdienst. Damit waren sie von zentralen Verpflichtungen ausgenommen, die für jedermann im Reich vorgeschriebenen waren. Diese von Augustus bestätigten Begünstigungen der Juden erweckten in Alexandria unter den nichtjüdischen Einwohnern der Stadt Unmut und Missgunst. Die Rivalitäten zwischen Juden und Alexandrinern verstärkten sich durch die Bestrebungen der Juden, die griechische Staatsbürgerschaft zu erlangen. 1 . 3 Die Unruhen von 38 n. Chr., 66 - 70 n. Chr. und 115 - 117 n. Chr. Diese über längere Zeit angestauten Spannungen führten schließlich zu den schweren Unruhen in Alexandria 38 n. Chr. unter Caligula. 26 Die einzige 24 Smallwood, Jews, S. 222 - 224 . Das Verhältnis zwischen Ptolemäern und Juden kann als harmonisch beschrieben werden, wie der große jüdische Anteil innerhalb der ptolemäischen Armee zeigt. Das gute Verhältnis der Juden zu den Ptolemäern spiegelt sich hingegen nicht in deren sozialer Stellung wider. Auch wenn Einzelnen selbst der Weg zu politischen Posten und administrativen Ämtern offen stand, war doch die Mehrheit von materiellem Reichtum ausgenommen. 25 Vgl. Smallwood, Jews, S. 133 - 136 . 26 LegGai 120 - 137 . 16 <?page no="17"?> Quelle für den genauen Ablauf dieser grausamen Ereignisse ist Philos Schrift gegen Flaccus. Flaccus, seit 32 / 33 n. Chr. römischer Statthalter Roms in Ägypten, begünstigte durch sein Verhalten die Aufstände, indem er sie nicht seiner Zuständigkeit entsprechend unterband, sondern sowohl verdeckt als auch offen unterstützte. 27 Im Hintergrund stand ein Dauerkonflikt zwischen Flaccus und Caligula. Da Flaccus ein Vertrauter von Caligulas Vorgänger Tiberius war und Caligula dem Flaccus daher nicht wohlgesonnen war, versuchte Flaccus, sich Caligulas Gunst zu erwerben. Zu diesem Zweck ließ sich Flaccus für antijüdische Provokationen der Alexandriner gewinnen. In scheinbarer Ergebenheit gegenüber dem Kaiser Caligula tolerierte er, dass kaiserliche Bilder in den Synagogen der Stadt aufgestellt wurden, die den Protest der Juden erregten. Die darauf folgenden Ausschreitungen gegen die Juden unterband Flaccus nicht. Vielmehr erklärte er die Juden zu Fremden und Eindringlingen, die sich nicht auf ein Bürgerrecht berufen könnten, das ihnen in diesem Falle Schutz garantiert hätte. 28 Ein Ergebenheitsschreiben der Juden an Caligula, das Flaccus zum Kaiser nach Rom weiterleiten sollte, hatte dieser in Alexandria einbehalten. 29 Es kam nach einer Phase der Provokationen gegen die Juden 38 n. Chr. schließlich auch zu gewaltsamen Ausschreitungen des Stadtpöbels. Auf anfängliche Plünderungen folgte willkürliche und maßlose Gewalt gegen die Juden. Flacc 53 - 96 schildert diese Exzesse im Detail. Nachdem Caligula über diese Geschehnisse informiert worden war, ließ er Flaccus noch 38 n. Chr. in Alexandria festnehmen, verbannen und schlussendlich erschlagen. Während der bis 41 n. Chr. währenden Regierungszeit Caligulas erhielten die Juden weder nach dem Ende der Unruhen noch nach dem Tod des Flaccus ihre alten Rechte zurück. Die nach Rom geschickten jüdischen Gesandtschaften 30 konnten hier keine Besserung bewirken und blieben erfolglos. Erst Claudius, der Nachfolger Caligulas, erließ 41 n. Chr. ein Edikt, das den Rechtsschutz und den rechtlichen Status der Juden wiederherstellte. Der Darstellung dieses Edikts bei Josephus 31 ist die zumindest teilweise auf 27 Flacc 8 . 28 Flacc 53 . 29 Agrippa übermittelte dieses später an Caligula, sodass der Kaiser von der Unredlichkeit des Flaccus informiert wurde. 30 Darüber berichtet Philo in LegGai. 31 Nach dem Bericht des Josephus, Ant XIX, 280 - 285 , wurden die Juden in Alexandria ᾽ Αλεξανδρεῖς ( 280 ) genannt und genossen seit der Gründung der Stadt dasselbe Bürgerrecht ( ἴση πολιτεία ) wie die Alexandriner ( 281 ). Dieser Darstellung zufolge gewährte Claudius den Juden ferner alle früheren Rechte ( τὰ πρότερον δικαιώματα ), die vom wahnsinnigen Caligula aufgehoben worden waren ( 285 ). Es ist gegenüber der auf Claudius zurückzuführenden Version (CPJ II, Nr. 153 ) deutlich, dass Josephus eine jüdische Sicht auf den Inhalt des Edikts wiedergibt. Claudius wird in seinem Edikt Caligula 17 <?page no="18"?> Claudius selbst zurückgehende Version 32 vorzuziehen. Claudius beschreibt die Plünderungen und gewaltsamen Übergriffe der Alexandriner gegen die Juden nicht nur als Aufruhr, sondern mit aller Deutlichkeit als Krieg (CPJ II, Nr. 153 , Z. 73 f). Er fordert beide Seiten auf, die Feindseligkeiten endgültig zu beenden (Z. 79 - 82 ) und bestätigt Alexandrinern und Juden frühere Rechte. Den Alexandrinern sichert er ihre Staatsbürgerschaft und alle Vorrechte und Privilegien zu, die die Stadt vormals besaß (Z. 53 - 56 ). 33 Den Juden wird das bereits von Augustus garantierte Recht zur freien Religionsausübung bekräftigt (Z. 87 f). Er gesteht ihnen aber gerade nicht die volle Staatsbürgerschaft zu. 34 Claudius spricht davon, dass die Juden »in einer fremden Stadt« ( ἐν ἀλλοτρίᾳ πόλει Z. 95 ) wohnen. 35 Sie sollen sich mit dem status quo zufrieden stellen. Weitere Einwanderung von Juden verbietet Claudius (Z. 96 f). Das Edikt des Claudius erschwert mit diesen restriktiven Maßnahmen die Emanzipationsbestrebungen der Juden Alexandrias, auch wenn der Fortbestand ihres Politeumas gesichert war. Ein Ende konnte den Bestrebungen kaum öffentlich des Wahnsinns bezeichnet haben, wie es Josephus überliefert ( 285 ). Im Kern entspricht die Darstellung des Josephus aber der des Claudius darin, dass den Juden frühere Rechte garantiert werden, die von Caligula aufgehoben worden waren. 32 CPJ II, Nr. 153 . Zur Diskussion, zu welchen Teilen das Edikt auf Claudius selbst zurückgeht, vgl. CPJ II, S. 38 . 33 Zur Frage, ob dies auch die Wiederherstellung eines eigenen Rates der Stadt ( βουλή ) umfasst, vgl. Engers, Brief, S. 168 - 173 . Engers kommt zu dem Ergebnis, dass die Alexandriner in ptolemäischer Zeit eine eigene βουλή besaßen, die ihnen in römischer Zeit aberkannt und trotz der Bitte um Wiedereinsetzung nicht wieder zugestanden wurde. Nach Engers, Brief, S. 172 , kann im Edikt des Claudius »nicht die Rede sein von verwaltungsrechtlichen Privilegen (sic), sondern nur von Bürgerschaftsrechten«. 34 Da Claudius den Juden den Zugang zum Gymnasium verwehrt (Z. 92 f), kann ihnen kaum der Ephebenstatus zukommen, der für den Erhalt der Bürgerschaft vorausgesetzt ist (Z. 53 - 55 ). Philo (Flacc 47 . 53 ; LegGai 193 f. 349 ) und Josephus (Ant XII, 121 f; XIV, 188 ) verwenden die Bezeichnung πολίτης für die jüdischen Bewohner Alexandrias. Doch ist darin gerade kein Beleg für die jüdische Staatsbürgerschaft zu sehen. Josephus kann πολίτης ebenso als Bezeichnung für die Mitglieder des jüdischen Politeuma in Sardis wählen (Ant XIV, 259 ; vgl. 235 ). Bludau, Juden, S. 88 , meint dagegen, dass den Juden im Edikt des Claudius die volle alexandrinische Bürgerschaft zugesichert wurde. Diese Meinung ist insofern nachvollziehbar, als dass Bludau sich noch ausschließlich auf den Bericht des Josephus stützen musste, da der Papyrusfund des Ediktes erst noch bevorstand. Auch in Verbindung mit der 24 / 23 v. Chr. von Augustus eingeführten λαογραφία ist das Problem der Staatsbürgerschaft der Juden zu beobachten. Um die mit dieser Volkszählung verbundenen Steuern für nicht griechische Staatsbürger zu umgehen, beriefen sich Juden auf ihre volle griechische Staatsbürgerschaft. Diese Argumentation scheint jedenfalls hinter dem Bittschreiben des alexandrinischen Juden Helenos an den römischen Statthalter Gaius Turranius ( 7 - 4 v. Chr.) zu stehen. Helenos verweist darin darauf, dass sein Vater ein alexandrinischer Bürger war (CPJ II, Nr. 151 ). Vgl. zur λαογραφία 3 Mac 2 , 28 - 30 . 35 Während der Auseinandersetzungen galten die Juden gar als ξένοι καὶ ἐπήλυδες (Flacc 54 ). 18 <?page no="19"?> der Juden um eine Synthese von Judentum und Hellenismus damit aber nicht gesetzt werden. Da eine stark hellenisierte jüdische Minderheit trotz der nicht erhaltenen vollen Staatsbürgerschaft auf Umwegen den Zugang zum Gymnasium suchte, um damit die erhoffte Staatsbürgerschaft zu erlangen, waren weitere Spannungen mit den griechischen Bürgern der Stadt vorprogrammiert. 36 Diese weiter schwelenden Spannungen entluden sich in den blutigen Unruhen der Jahre 66 - 70 n. Chr. 37 Beeinflusst wurden diese zunehmend gewaltsamer werdenden Ausschreitungen zwischen Juden und Griechen zugleich auch von den Ereignissen in Judäa. Die dortigen Unruhen breiteten sich bis Alexandria aus. Motiviert von den anfänglichen Erfolgen der jüdischen Aufständischen in Jerusalem begannen auch die alexandrinischen Juden, gegen Griechen und Römer aufzubegehren. Die Feindseligkeiten in Alexandria eskalierten schließlich in dem Gemetzel römischer Soldaten unter den Juden, das der Revolte ein überaus blutiges Ende setzte. Im Dunkeln liegen die Gründe für die große Erhebung von 115 - 117 n. Chr. unter Kaiser Trajan. Aufgrund der schlechten Quellenlage in Bezug auf diese kriegerische Auseinandersetzung zwischen Römern und Juden sind die Motive, die hinter diesen kriegsähnlichen Ausschreitungen stehen, nur sehr schwer zu benennen. Es ist lediglich zu beobachten, dass sich in den literarischen Quellen zum Verhältnis der Juden zu den Römern in Ägypten für die Zeit ab 70 n. Chr. keine Aussagen mehr finden lassen. 38 Verlauf und Resultat dieser letzten großen Revolte sind dafür aber umso gravierender. Dem sich von der Cyrenaica auch nach Alexandria ausbreitenden jüdischen Aufstand fielen in der Anfangsphase vor allem Griechen und Römer zum Opfer. 39 Das Ende für die aufständischen Juden bereiteten die von Trajan 36 Vgl. Smallwood, Jews, S. 249 f. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass nur in einigen Ausnahmen volles Bürgerrecht bestand. Kriterium zum Erhalt der vollen griechischen Staatsbürgerschaft war die griechische Erziehung als Ephebe im Gymnasium. Smallwood, Jews, S. 234 f, nimmt an, dass nur eine »highly Hellenized minority« bereit war, die mit dem Erwerb der griechischen Staatsbürgerschaft verbundenen Verpflichtungen auf sich zu nehmen. So ist es kaum vorstellbar, dass ein Großteil der jüdischen Gemeinde heidnische Kultpraxis und Nacktheit im Gymnasium auf sich genommen haben dürfte, um damit den Verpflichtungen eines griechischen Bürgers gerecht zu werden. Anders dagegen Feldman, Jew, S. 59 - 61 . Feldman folgert aus einer Reihe von Äußerungen Philos über den Sportwettkampf, dass für ihn kein Konflikt zwischen der Erfüllung der jüdischen Gebote und der sportlichen Ertüchtigung bestanden habe (z. B. SpecLeg II 229 f; VitMos II 211 ). 37 Bell II, 487 - 498 . Vgl. Bludau, Juden, S. 88 - 94 . 38 Vgl. Smallwood, Jews, S. 396 . 39 Cass. Dio LXVIII, 32 , spricht von 220 000 getöteten Griechen und Römern in der Cyrenaica, die in Exzessen der Gewalt hingerichtet wurden. Vgl. Eus. HE, IV, 2 . Applebaum, Jews, S. 261 - 269 . 328 - 344 , bietet eine Übersicht über den Verlauf der kriegsähnlichen Aufstände von 115 - 117 n. Chr. 19 <?page no="20"?> entsandten römischen Truppen unter dem Feldherrn Turbo. In langen, aber aussichtslosen Kämpfen widersetzten sich die jüdischen Aufständischen, um schließlich vernichtend geschlagen zu werden. Mit dieser Niederlage geht ein signifikanter, wenn auch nicht genau zu beziffernder Rückgang der jüdischen Bevölkerung einher. Abzulesen ist dieser an der weiterhin durchgeführten λαογραφία . Verglichen mit der Zeit vor 115 - 117 n. Chr. belaufen sich die Steuereinnahmen aus der jüdischen Bevölkerung nach 117 n. Chr. nur noch auf sehr geringe Summen. 40 Auch an der stark zurückgegangenen literarischen Tätigkeit lässt sich die Krise des Judentums ablesen. So ist für die Zeit nach 117 n. Chr. nur noch ein deutlich geringeres literarisches Schaffen innerhalb des Judentums belegt. Seine literarische Blüte hat das Judentum in Alexandria zu diesem Zeitpunkt bereits hinter sich. Seine geistige Kraft war gebrochen. 41 Überblickt man die knapp 150 Jahre von der Eroberung Ägyptens unter Augustus bis hin zur Revolte unter Trajan 115 - 117 n. Chr., so ist zu konstatieren, dass die römische Epoche des alexandrinischen Judentums nach einer Phase des toleranten Neben- und Miteinanders in eine Zeit gewaltsamer Auseinandersetzungen übergeht, deren Folge die weitreichende Zerstörung der jüdischen Diasporagemeinde in Alexandria ist. 42 1 . 4 Die Begegnung von Hellenismus und Judentum als Praeparatio Evangelica Mit der Hellenisierung des Mittelmeerraumes ist auch das Judentum von den damit verbundenen Konsequenzen betroffen. Die Öffnung des Judentums gegenüber dem Hellenismus fand ihren deutlichsten Ausdruck in der Septuaginta 43 und in der Übernahme der griechischen Sprache. Aber auch in den neuen und nur noch in Griechisch verfassten Schriften des Diasporajudentums sind deutliche Spuren der Hellenisierung erkennbar. Angesichts des anhaltenden Einflusses des Hellenismus wird die Übernahme hellenistischen Bildungsgutes charakteristisch für die entstehende jüdische Literatur. Es ist das Verhältnis von Judentum und Hellenismus dabei ein spannungsreiches und vielschichtiges, das weit mehr umfasst als nur die Übernahme 40 Vgl. Smallwood, Jews, S. 405 f. 41 Smallwood, Jews, S. 406 , verweist darauf, dass die literarische Tätigkeit der jüdischen Gemeinde Alexandrias ab 117 n. Chr. stark zurückgegangen ist. So sind in CPJ für die Zeit 117 - 337 n. Chr. nur ca. 50 Dokumente überliefert, während für den Beginn der hellenistisch-römischen Epoche bis 117 n. Chr. fast 450 schriftliche Zeugnisse vorliegen. 42 Vgl. Mélèze Modrzejewski, Art. Alexandrien, Sp. 290 . 43 Nach Arist 301 - 311 wurde die Septuaginta auf der Alexandria vorgelagerten Halbinsel Pharos erstellt. 20 <?page no="21"?> der griechischen Sprache und Rhetorik, d. h. des zur Verfügung stehenden literarischen Handwerkzeugs griechischer Provenienz. Nicht nur Annäherung und Übernahme prägen das Verhalten des Judentums gegenüber dem Hellenismus, sondern zu einem ebenso starken Grad auch die Abgrenzung hiervon, die die Wahrung der jüdischen Identität garantieren soll. Man kann daher von einer Doppelstrategie sprechen, die das Judentum gegenüber dem Hellenismus verfolgt. Die Konfrontation des Judentums mit den Folgen der Hellenisierung spiegelt sich bereits im Aristeasbrief und in den Fragmenten des Aristobul wider. Diese beiden alexandrinischen Zeugnisse aus der Mitte des 2 . Jahrhunderts v. Chr. gehören zu den ersten Werken jüdischer Diasporaliteratur, die sich konstruktiv mit der Frage beschäftigen, wie sich das Judentum gegenüber dem Hellenismus verorten kann. Die auch in der Sap greifbare Auseinandersetzung ist charakteristisch für das Judentum in der Zeit vor und während der Abfassung der Sap. Ferner zeigt sich im Aristeasbrief 44 und bei Aristobul auch das Bestreben des Judentums, seine Superiorität gegenüber paganen Religionen und Kulten darzulegen. Mit besonderem Nachdruck wird der Nachweis der Überlegenheit des Judentums im Aristeasbrief und von Aristobul geführt. Die Übersetzung der Septuaginta kommentiert der Aristeasbrief mit der Behauptung, die Tora sei eine »philosophischere« ( φιλοσοφώτερος ) und reine Gesetzgebung aufgrund ihres göttlichen Ursprungs (Arist 31 ). An dem Komparativ φιλοσοφώτερος , der die Tora nicht näher bestimmter griechischer Philosophie vorordnet, zeigt sich das Spezifikum des jüdischen Umgangs mit griechischem Denken. Die auf eine Synthese bedachte jüdisch-hellenistische Schriftgelehrsamkeit hat keinerlei Scheu, griechisches Gedankengut für eigene Zwecke in bestehende jüdische Tradition zu integrieren. Doch werden alle Integrationsbestrebungen immer vom unabrückbaren Standpunkt der Tora aus betrieben. Unter dieser Voraussetzung können griechische Termini, wie z. B. das Adjektiv φιλόσοφος , von Arist aufgenommen werden, um die Überlegenheit der Tora gegenüber griechischem Denken auszudrücken. 45 Auch Aristobul führt jüdische Gelehrsamkeit und hellenistisches Denken zu einer Synthese, die aber ebenfalls bei aller Annäherung nie von dem Grundsatz der Superiorität der Tora Abstand nimmt. So kann er den Gesetzgeber Mose dadurch charakterisieren, dass er durch »Weisheit« ( σοφία ) und »göttlichen Geist« ( θεῖον πνεῦμα ) begabt ist und deshalb bei Platon, Sokrates, 44 Vgl. in Feldmeier, Weise, besonders den Unterpunkt 4 . »Der Zusammenhang zwischen Akkulturation und Abgrenzung im Aristeasbrief«, S. 28 - 30 . 45 Die Überlegenheit der jüdischen Gelehrten gegenüber den paganen Philosophen müssen diese in Arist 200 f sogar selbst eingestehen. 21 <?page no="22"?> Pythagoras und anderen Philosophen höchste Wertschätzung genießt. 46 Ganz auf dieser Linie liegt die Ansicht Aristobuls, Platon habe vieles in seinen Werken aus den alttestamentlichen Büchern Exodus bis Josua entlehnt. 47 In Anpassung an griechisches Denken kann Aristobul gar von einer jüdischen αἵρεσις sprechen, die qualitativ paganer Philosophie überlegen ist. Inhalt dieser αἵρεσις ist die ganz auf Frömmigkeit, Gerechtigkeit, Enthaltsamkeit und die übrigen Güter der Wahrheit ausgerichtete Tora. 48 Es lässt sich also auch bei Aristobul beobachten, dass er sich hellenistischer Begrifflichkeit bedient, um die Superiorität der Tora gegenüber griechischer Philosophie zu bekräftigen. Bemerkenswert sind die aus dem Griechischen entlehnten Schlüsselwörter σοφία , φιλοσοφία und φιλόσοφος , die in diesem Kontext Verwendung finden. Auch beim jüdischen Historiker Eupolemos aus der Mitte des 2 . Jahrhunderts v. Chr. findet diese Konfrontation des Judentums mit dem Hellenismus ihren Niederschlag. In seinem nur fragmentarisch überlieferten Werk bezeichnet er Mose als »den ersten Weisen« ( πρῶτον σοφόν ), der sowohl den Juden als auch den Phöniziern und Griechen das Alphabet vermittelt hat. 49 Ebenso stellt Philo Mose als den größten Philosophen dar, dessen Überlegenheit gegenüber den paganen Philosophen darin zum Ausdruck kommt, dass er bis zum Gipfel der Philosophie vorgedrungen ist. Ermöglicht wurde Mose diese Vorrangsstellung gegenüber den konkurrierenden Philosophen durch die Offenbarung Gottes, die ihm Einblick in viele wichtige Dinge der Natur ermöglichte. Das entscheidende Erkenntnisplus des Mose gegenüber denjenigen, die nicht die Offenbarung Gottes empfangen haben, besteht aber darin, dass er die »in allen Dingen« ( ἐν τοῖς οὖσι ) »tatkräftig wirkende Ursache« ( δραστήριον αἴτιον ) erkannt hat. 50 Um die Überlegenheit des Mose in diesem Kontext zu manifestieren, übernimmt Philo platonisches Gedankengut, wie vor allem die Aufnahme ontologischer Sprache und die Anklänge an die Ideenlehre zeigen. 51 Wie schon im Aristeasbrief, bei Aristobul und Eupolemos steht auch bei Philo hinter dieser Annäherung an hellenistisches Bildungsgut die Intention, die Überlegenheit der jüdischen 46 Eus., Pr. Ev. VIII, 10 , 4 . Vgl. Eus., Pr. Ev. XIII, 12 , 1 . 4 . 47 Eus., Pr. Ev. XIII, 12 , 1 . Zur hierauf aufbauenden These vom »Diebstahl der Hellenen«, wonach Mose Ahnvater der griechischen Philosophie ist, vgl. Weiß, Frage, S. 308 , und Willrich, Judaica, S. 111 - 118 . Vgl. ferner Bousset, Schulbetrieb, S. 205 - 218 . 48 Eus., Pr. Ev. XIII, 12 , 8 . Hengel, Judentum, S. 297 , weist darauf hin, dass Aristobul hier den üblicherweise für Philosophenschulen gebrauchten Begriff αἵρεσις verwendet. 49 Eus., Pr. Ev. IX, 26 , 1 . Vgl. Hengel, Judentum, S. 169 f. 50 Op 8 . 51 Nach Runia ist Philo vor allem vom Platonismus - besonders von Platons Timaios - beeinflusst. Deutlich geringer ist nach Runias Ansicht dagegen der Einfluss der Stoa, des Aristotelismus, des Epikureismus und des Skeptizismus auf Philo. Vgl. Runia, Philo, S. 32 - 34 . 22 <?page no="23"?> Tradition aufzuzeigen. Philo kann daher sagen, dass der Gott Israels besser ist als griechische Tugend und als das Gute und Schöne an sich. 52 Kennzeichnend für diese apologetische Theologie Philos 53 ist des Weiteren die konsequente Aufnahme des monotheistischen Gottesgedankens aus der Schöpfungsgeschichte in diesem Zusammenhang. Aber auch hier verwendet Philo mit δημιουργός einen Begriff, 54 der sich schon in Platons ›Timaios‹ 55 findet und geeignet ist, das Gemeinsame von jüdischer und platonischer Schöpfungsvorstellung hervorzuheben. Durch die Aufnahme des bei Platon zentralen Begriffs δημιουργός verbindet Philo die sowohl für jüdisches als auch für platonisches Denken konstitutive Unterscheidung von Schöpfer und Geschöpf. Philo nutzt diesen Anknüpfungspunkt erneut, um das Besondere der jüdischen Religion herauszustellen, das in der jüdischen Vorstellung der creatio continua besteht. 56 Diese genuin jüdische Vorstellung der creatio continua als Konsequenz des Schöpferseins Gottes lehrt »die Vernunft« ( λόγος ), womit er wieder griechische Begrifflichkeit in seine Religionsphilosophie integriert. In dieser Tradition der Auseinandersetzung mit hellenistischem Kultur- und Bildungsgut steht auch die Sap. 57 Es lassen sich dieselben Phänomene in der Sap nachweisen, die in den oben genannten Schriften der jüdischen Diaspora angedeutet wurden. Um der Gültigkeit der Tora Nachdruck zu verleihen, greift auch die Sap auf Ausdrucksweisen und -formen zurück, die bislang nicht Standard jüdischer Gelehrsamkeit waren. Dazu gehören z. B. die in der Septuaginta bislang unbekannten Begriffe ἀφθαρσία und ἀθανασία , 58 die mit zentralen Bestandteilen älterer jüdischer Überlieferung kombiniert werden können. Ein Beispiel dafür ist der Gebrauch von ἀφθαρσία in Sap 2 , 23 und Sap 6 , 18 . Die Schöpfungsbestimmung des Menschen »zur Unvergänglichkeit« ( ἐπ’ ἀφθαρσίᾳ Sap 2 , 23 ) stellt in dieser Form eine neue und einzigartige Formulierung innerhalb des Alten Testaments dar. Doch wird auch diese terminologische Neufassung und Interpretation des Schöp- 52 Op 8 . 53 Die für Philo typische allegorische Toraauslegung ist von diesem apologetischen Zug bestimmt. So z. B. in Cher 25 f. Vgl. auch Arist 200 . 235 ; Aristob., Eus., Pr. Ev. VIII, 10 , 7 - 11 . 54 Op 10 . 55 Tim. 28 a, 6 . 56 Op 10 f. In der Septuaginta und im Neuen Testament begegnet δημιουργός nur in 2 Mac 4 , 1 ; Hebr 11 , 10 . 57 Einen Überblick über die philosophischen Schulen, die Einfluss auf die Sap hatten, gibt Vílchez, Sapienza, S. 76 - 86 . Wie bei Philo überwiegt auch in der Sap der Einfluss platonischer Philosophie. Zur Nähe der Sap zu Philo vgl. Winston, Wisdom, S. 59 - 63 . 58 In der Septuaginta stehen beide Begriffe außerhalb der Sap nur noch in 4 Mac: ἀφθαρσία in 4 Mac 9 , 22 ; 17 , 12 und ἀθανασία in 4 Mac 14 , 5 ; 16 , 13 . Vgl. besonders zu ἀφθαρσία bei Feldmeier, Brief, S. 49 - 51 , den Exkurs »›Unvergänglich, unbeschmutzt, unverwelklich‹ - Rezeption und Transformation metaphysischer Gottesprädikate im 1 Petr«. 23 <?page no="24"?> fungsberichtes mit traditioneller alttestamentlicher Überzeugung verbunden, indem in Sap 6 , 18 zwischen νόμος und ἀφθαρσία ein Kausalzusammenhang hergestellt wird. Dieser besteht darin, dass »die Befolgung der Gebote der Tora eine Bekräftigung der Unvergänglichkeit« ( προσοχὴ δὲ νόμων βεβαίωσις ἀφθαρσίας Sap 6 , 18 ) zur Folge hat. Ein ähnlicher Zusammenhang besteht zwischen ἀθανασία und σοφία in Sap 8 , 13 . 17 . Das ebenfalls bisher in der Septuaginta unbekannte Substantiv ἀθανασία wird hier mit σοφία in eine kausale Verbindung gebracht, wie ἀφθαρσία in Sap 6 , 18 mit νόμος . Durch den erhofften Erhalt der σοφία verspricht sich Salomon Unsterblichkeit. Dabei stellt der Begriff σοφία ein besonderes Verbindungsglied zwischen jüdischer und hellenistischer Tradition dar. Es ist mit diesem Wort ein idealer Anknüpfungspunkt gefunden, die bisherige jüdische Weisheitstradition in einer zunehmend hellenisierten Welt zur Sprache zu bringen, da dieser Terminus gleichermaßen in der alttestamentlichen wie in der griechischen Tradition verankert ist. 59 Mit den beiden beispielhaft genannten Begriffen ἀφθαρσία und ἀθανασία übernimmt auch die Sap eine Terminologie, die ihren Ursprung in der Zeit vor der Öffnung des Judentums gegenüber hellenistischem Gedankengut bei Platon 60 bzw. während der erst beginnenden Hellenisierung des Judentums bei Epikur 61 hat. Auch Wendungen wie εἰς τὸ εἶναι in Schöpfungsaussagen zeugen von der fortschreitenden Vertrautheit des Judentums mit hellenistischer Bildung. Die Aufnahme ontologischer Sprache, die bereits in der Septuagintaübersetzung der Selbstbezeichnung Gottes in Ex 3 , 14 als ἐγώ εἰμι ὁ ὤν angelegt ist, findet sich auch in der Sap. So kann in Sap 13 , 1 ὁ ὤν innerhalb eines Parallelismus Membrorum synonym mit θεός stehen. Diese Öffnung der Sap hin zu neuen Ausdrucksformen und den in der Sap zu beobachtenden Bedeutungswandel einzelner Begriffe lassen sich an weiteren Beispielen beobachten. 62 Ziel der bewussten Hellenisierung der jüdischen Literatur ist es, in einer hellenisierten Umwelt sprachfähig zu bleiben. Während die Terminologie jüdischer Schriften sich den Gegebenheiten der griechi- 59 Vgl. auf jüdischer Seite z. B. Prov 8 , 22 - 31 ; Hi 28 , 28 ; Sir 24 , 1 . Stellvertretend für den Gebrauch von σοφία in der griechischen Philosophie vgl. Platon, Phaidr. 278 d; symp. 204 a; rep. 4 , 428 e- 429 a; Prot. 330 a. 60 Zu ἀθανασία vgl. Phaidr. 246 a. 61 Zu ἀφθαρσία vgl. epist. 1 , 77 ; 3 , 123 . 62 Vgl. Reese, Influence, S. 1 - 25 . Reese legt darin den Befund dar, dass sich in der Sap zahlreiche Hapaxlegomena finden, die ihren Ursprung in den vielfältigen philosophischen Schulen der griechischen Welt haben. Für eine weitere Gruppe von Wörtern, die keine Hapaxlegomena der Septuaginta sind, weist Reese außerdem einen Bedeutungswandel nach. Wörter wie z. B. βεβαίωσις (Lev 25 , 23 ; Sap 6 , 18 ) begegnen zwar auch außerhalb der Sap, jedoch vollzieht sich in der Sap ein Bedeutungswandel, der alte Begrifflichkeit mit neuem Inhalt füllt. 24 <?page no="25"?> schen Sprache anpasst, bleibt der Kern des Judentums umso nachdrücklicher unverändert. Trotz neuer und sich wandelnder Sprachformen bleibt die Tora ( νόμος ) somit immer im Zentrum. In Bezug auf das entstehende Christentum ist die Bedeutung der Hellenisierung des Judentums kaum hoch genug einzuschätzen. Besonders groß ist die Bedeutung des alexandrinischen Judentums für die ersten entstehenden christlichen Schriften. 63 Dem frühen Christentum war es aufgrund der vorausgegangenen langen jüdischen Auseinandersetzung mit dem Erbe hellenistischer Kultur und Philosophie möglich, auf die hierbei erlangten jüdischen Errungenschaften zurückzugreifen. Zur Aneignung antiken Bildungsgutes musste das frühe Christentum folglich nicht erst eigene Instrumentarien entwickeln, sondern konnte auf bereits im Judentum bewährte Hilfsmittel und Methoden zurückgreifen. Doch auch über die rein formale Hinführung hinaus, hat das Judentum wertvolle Vorarbeiten für die sachliche Auseinandersetzung mit dem hellenistischen Erbe geleistet. Der Weg für eine Aufnahme und kritische Rezeption von philosophischen Schulüberlieferungen im Christentum wird u. a. von Philo in Alexandria vorbereitet, indem er Platonismus und Stoizismus konsequent monotheistisch interpretiert und damit eine jüdische und infolgedessen auch eine christliche Rezeption ermöglicht. 64 Das frühe Christentum hat es somit der jüdischen Begegnung mit dem Hellenismus zu verdanken, dass es bei der Entstehung der neutestamentlichen Literatur in einer hellenistischen Welt überhaupt sprachfähig war. Dies gilt sowohl für die neutestamentlichen Schriften als auch für die frühen Kirchenväter. Dem Christentum war der Weg in die hellenistische Welt durch das Judentum in diesem Punkt bereits geebnet. Terminologisch lässt sich die Praeparatio Evangelica durch das antike Judentum z. B. an dem Begriff ἀφθαρσία fassen. Dieser im Neuen Testament nur im Corpus Paulinum vorkommende Begriff zeugt von der Nähe der ersten Christen zum hellenisierten Judentum. Möglicherweise ist für Paulus diese Nähe in Teilen auf seinen Mitarbeiter Apollos zurückzuführen, der in Act 18 , 24 als schriftgelehrter ἀνὴρ λόγιος aus Alexandria beschrieben wird. Durch Apollos könnte Paulus daher auch Kenntnis von der Sap gehabt haben. Der enge Zusammenhang zwischen dem frühen Christentum und dem alexandrinischen Judentum zeigt sich neben der gemeinsamen Aneignung des antiken Kulturerbes ferner darin, dass es Christen waren, die die Literatur 63 Vgl. Weiß, Frage, S. 323 - 328 . Weiß zeichnet in seinem Aufsatz die Begegnung des alexandrinischen Judentums mit dem frühen Christentum nach, indem er die Bezüge zu den alexandrinischen Apologeten aus dem 2 . Jahrhundert n. Chr. und den entstehenden neutestamentlichen Schriften darlegt. Vgl. ferner Hengel, Hellenisierung. 64 Zur Prädisposition des Platonismus und Stoizismus für eine monotheistische Auslegung innerhalb des Judentums vgl. Weiß, Frage, S. 309 . 25 <?page no="26"?> des alexandrinischen Judentums überliefert haben. Es ist hier insbesondere an die Schriften Philos zu denken. Gleiches gilt für die Überlieferung der alttestamentlichen Apokryphen, zu denen auch die Sap zählt. Neben der neutestamentlichen Überlieferung aus dem 1 . Jahrhundert n. Chr. zeugen auch die alexandrinischen Apologeten aus der Mitte des 2 . Jahrhunderts n. Chr. und die Alexandriner Clemens und Origenes von der Beziehung, die zwischen dem alexandrinischen Judentum und der sich bildenden christlichen Tradition besteht. 65 65 Die enge Verbindung des frühen Christentums zum Diasporajudentum zeigt sich im Neuen Testament besonders in der Apostelgeschichte: Act 2 , 5 - 12 ; 6 , 8 - 10 ; 13 , 5 . 14 ; 16 , 13 . 16 ; 17 , 1 - 3 . 10 . 17 ; 18 , 19 . 24 - 26 ; 19 , 8 ; 21 , 39 ; 22 , 3 . Alexandria (Act 6 , 9 ; 18 , 24 ) und Ägypten (Act 2 , 10 ) werden dabei explizit genannt. Es bestehen darüber hinaus weitere Anknüpfungspunkte des frühen Christentums an die jüdische Diaspora. So deutet Gal 4 , 21 - 31 darauf hin, dass Paulus mit der allegorischen Auslegungsmethode Philos vertraut war. Ebenso gibt die gesamte Anlage des Hebräerbriefes Zeugnis von der Nähe des frühen Christentums zum Diasporajudentum. Weiß, Frage, S. 326 f, nennt neben den bereits aufgeführten Verweisen weitere neutestamentliche Belegstellen, die seines Erachtens für die Nähe der ersten Christen zum Diasporajudentum sprechen. U. a. führt er I Thess 1 , 9 an. Es ist jedoch nicht überzeugend, dass die Terminologie in I Thess 1 , 9 exklusiv auf das Diasporajudentum zurückzuführen ist. Das in I Thess 1 , 9 formulierte monotheistische Bestreben ist wohl kaum ein Spezifikum der Diaspora. Überzeugender ist dagegen der Verweis auf die Aufnahme der sog. natürlichen Theologie in Röm 1 , 18 - 32 . Darin erkennt Weiß zu Recht die Vermittlung des alexandrinischen Judentums. Statt direkt auf stoische Gedanken zu rekurrieren, knüpft Paulus an jüdische Traditionen an, die in Alexandria zu verorten sind. Es ist hier vor allem an Sap 13 , 1 - 9 zu denken. 26 <?page no="27"?> 2 E I N L E I T U N G S F R A G E N 2 . 1 Ort der Abfassung Die Sap ist außerhalb Palästinas entstanden. Ihre Sprache und Vorstellungswelt weisen sie eindeutig als ein Werk der Diaspora aus. Nur in einem Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit, wie es um die Zeitenwende in Alexandria bestanden hat, ist die Entstehung einer Schrift von der Qualität der Sap denkbar. An diesem Ort war eine Anknüpfung an bereits bestehende jüdische Schultraditionen möglich. Die vom Aristeasbrief bis zu Philo reichende Auseinandersetzung des alexandrinischen Judentums mit dem Hellenismus bildet den Hintergrund, vor dem dieses jüngste Buch der Septuaginta steht. Die große Nähe, aber zugleich auch die strikte Abgrenzung der Sap von der griechischen Kultur- und Bildungstradition legen es nahe, diesen Entstehungsort anzunehmen. Wie an kaum einem anderen Ort war das Judentum hier von allgegenwärtigen Einflüssen des Hellenismus umgeben. Neben diesen grundsätzlichen Erwägungen sprechen einige philologische Beobachtungen für Alexandria als Entstehungsort, auch wenn der Ortsname selbst unerwähnt bleibt. 1 So lässt sich die harsche Kritik an der Tierverehrung, die als besonders verwerfliche Form des Götzendienstes verurteilt wird (Sap 11 , 15 ; 12 , 23 - 27 ; 13 , 10 ; 15 , 18 f), als Anspielung auf die ägyptische Religionspraxis deuten. 2 Ferner nehmen die Synkrisen in den Schlusskapiteln (Sap 11 , 5 - 14 ; 16 , 1 - 19 , 17 ) mit der Exodustradition ein deutlich nach Ägypten weisendes Thema auf. Ebenso lässt sich die in Sap 14 , 16 - 20 kritisierte Praxis des Herrscherkultes mit einer Verortung in Ägypten in Einklang bringen. 3 Bereits das Dekret von Kanopos ( 238 v. Chr.) belegt die lange Tradition des Herrscherkultes in Ägypten. 4 Auch für die Zeit Augustus’ und seiner un- 1 Bis auf zwei Ausnahmen (Sap 10 , 6 Πεντάπολις »Pentapolis«; Sap 10 , 18 ; 19 , 7 θάλασσα ἐρυθρά »Rotes Meer«) nennt die Sap keine Eigennamen. 2 Der in der ersten Hälfte des 1 . Jahrhunderts n. Chr. in Alexandria wirkende Philo (Decal 76 - 80 ) gibt einen eindrücklichen Einblick in die Mannigfaltigkeit der ägyptischen Tierverehrung dieser Zeit. Vgl. VitCont 8 f. 3 Auch die Schilderung der Niedrigkeit König Salomons in Sap 7 , 1 - 6 kann als eine Polemik gegen göttliche Herkunft und wunderbare Geburt eines zu verehrenden Herrschers verstanden werden. 4 Hübner, Weisheit, S. 179 , hält es gemeinsam mit Engel, Weisheit, S. 228 f, für wahrscheinlich, dass in Sap 14 , 16 - 20 eine Anspielung auf eben dieses Dekret vorliegt, das eine Vergöttlichung von Standbildern Ptolemaios III., seiner Frau Berenike und ihrer gemeinsamen früh verstorbenen Tochter Berenike vorschreibt. Eine deutsche Übersetzung dieses Dekrets findet sich bei Engel, Weisheit, S. 228 f. 27 <?page no="28"?> mittelbaren Nachfolger ist dieser in weiten Teilen des Römischen Reiches begegnende Brauch in Alexandria belegt. 5 Schließlich ist der Vergleich der Ägypter mit den Männern Sodoms anzuführen, der im Anschluss an die letzte Synkrise die in Alexandria stets virulente Auseinandersetzung um die rechtliche Stellung der jüdischen Gemeinde widerspiegelt (Sap 19 , 13 - 17 ). 6 2 . 2 Verfasser Die sekundäre griechische Überschrift Σοφία Σαλωμῶνος in der Septuaginta suggeriert ebenso wie der Titel Sapientia Salomonis in der lateinischen Übersetzung der Vetus Latina eine salomonische Verfasserschaft. 7 Obwohl dieser Titel als inscriptio und subscriptio in zahlreichen griechischen 8 und lateinischen Handschriften in verschiedenen Abwandlungen belegt ist, zweifeln bereits die Kirchenväter daran, dass Salomon als Autor gelten kann. Daher verwendet u. a. Hieronymus, wenn er von der Sap spricht, den Titel nur mit starken Relativierungen, was zu der Bezeichnung Liber Sapientiae in der Vulgata geführt hat. 9 5 Vgl. Klauck, Umwelt II, S. 49 - 57 , besonders S. 55 f. Ein eindrückliches Zeugnis für die Kritik des Judentums am Herrscherkult überliefert Philo in der Legatio ad Gaium. Darin wird geschildert, wie Caligula die Gesandtschaft Philos spottend mit folgenden Worten empfängt: »Ihr seid also die Gottesverächter, die nicht glauben, ich sei ein Gott« (LegGai 353 ). Damit ist zumindest indirekt auch für Alexandria die Existenz des Herrscherkultes belegt. 6 Vgl. Mazzinghi, Wis 19 : 13 - 17 . 7 Obwohl sein Name kein einziges Mal in der Sap fällt, wurde Salomon als Verfasser identifiziert. Diese Gleichsetzung ist auf die zweifelsfrei richtige Beobachtung zurückzuführen, dass Sap 9 , 8 auf den unter Salomons Regentschaft durchgeführten Tempelbau (I Reg 6 - 8 ) rekurriert. Diese durchaus beabsichtigte Fiktion steht in der Tradition spätalttestamentlicher Weisheitsliteratur, die auch Prov, Cant und Koh der Autorität Salomons unterstellt hat. 8 Ziegler liefert in seiner Ausgabe der Sap einige variierende Lesarten der griechischen inscriptio (Ziegler, Sapientia, S. 95 ). 9 Eine ausführliche Zusammenstellung von Belegen aus den Werken lateinischer Kirchenväter, die die Echtheit der salomonischen Verfasserschaft anzweifeln, bietet Thiele in seiner Edition der Sap in der Vetus Latina (Thiele, Sapientia, S. 241 - 245 ). Besonders umfangreich ist die Liste der Belege für Hieronymus. Dieser relativiert den überlieferten Titel in seiner ›Apologia contra Rufinum‹ I, 17 z. B. dadurch, dass er von der Sapientia spricht, »die wir unter dem Namen Salomons lesen« (Loquitur et Sapientia, quam sub nomine Salomonis legimus). Die Gründe, die gegen eine salomonische Verfasserschaft sprechen, liegen auf der Hand. Es sind vor allem drei Gründe anzuführen. ( 1 ) Das Griechisch der Sap ist kein Übersetzungsgriechisch, das auf eine hebräische Vorlage zurückgeht. Große Teile der Septuaginta waren zur Abfassungszeit der Sap bereits abgeschlossen, was aus dem Schriftgebrauch innerhalb der Sap ersichtlich wird. ( 2 ) Die Anspielungen auf den histo- 28 <?page no="29"?> In der Sap selbst finden sich keine expliziten Nennungen eines Verfassers. Auch außerhalb des Buches ist kein Verfasser überliefert, sodass Aussagen über den Autor allein aus Textbeobachtungen geschlossen werden können. An erster Stelle ist die Vertrautheit mit der alttestamentlichen Tradition zu nennen, die es sicher erscheinen lässt, einen jüdischen Verfasser anzunehmen. Die Fülle von Anspielungen auf biblische Überlieferungen, die dem Verfasser in Form der Septuaginta bekannt waren, zeugen von dessen tiefer Verwurzelung in der jüdischen Gemeinde. 10 Das gehobene Griechisch und der reiche Gebrauch hellenistischen Bildungsgutes deuten ferner auf einen hellenistisch geprägten Bildungshintergrund hin. 11 So zeichnen sich zwei Kulturkreise ab, in denen der Verfasser beheimatet ist. Als Jude zeigt er keine Scheu, griechisches Bildungsgut in sein Werk aufzunehmen und für seine Zwecke nutzbar zu machen. Statt durch Abgrenzung zeichnet sich sein Werk vielmehr durch Aufnahme hellenistischer Einflüsse aus. So integriert er ihm bekannte Bruchstücke griechischer Popularphilosophie 12 und bisher in der Septuaginta unbekannte Begriffe. 13 Er übernimmt des Weiteren eine Vielzahl von Gattungen 14 und zeigt sich als Kenner der Naturwissenschaften (Sap 7 , 16 - 20 ). Dabei steht für ihn allerdings immer die Absicht im rischen Kontext der Sap innerhalb des Buches lassen sich nicht mit der Zeit König Salomons in Übereinstimmung bringen. Die Anspielungen auf Verfolgungen (Sap 19 , 13 - 17 ) und den Herrscherkult (Sap 14 , 17 - 20 ) spiegeln nicht die Situation Salomons im 10 . Jahrhundert v. Chr. wider. ( 3 ) Der Verfasser der Sap ist mit griechischer Popularphilosophie vertraut, die kaum in das 10 . Jahrhundert v. Chr. datiert werden kann. 10 Kepper, Bildung, S. 79 - 84 , führt mehrere Beispiele für den intensiven, aber auch recht freien Umgang mit der Septuaginta an. Kepper verdeutlicht dies an mehreren Septuagintazitaten innerhalb der Sap. Statt wörtlich zu zitieren, werden in der Sap Verse aus der Septuaginta in mehr oder weniger freier Abwandlung aufgenommen. Die Aufnahme von ψ 2 , 10 ( 2 , 10 ) ( καὶ νῦν βασι λεῖς σύνετε παιδεύθητε πάντες οἱ κρίνοντες τὴν γῆν ) in Sap 1 , 1 ( ᾽ Αγαπήσατε δικαιοσύνην οἱ κρίνοντες τὴν γῆν ) und Sap 6 , 1 ( ᾽ Ακούσατε οὖν βασι λεῖς καὶ σύνετε ) verdeutlicht diese Praxis. 11 Als Beispiel für die hellenistische Bildung sei der Gebrauch einiger rhetorischer Stilfiguren genannt: Palinodie (Sap 2 , 2 - 9 ; Sap 5 , 8 - 14 ), Litotes (Sap 1 , 2 ), Paronomasie (Sap 6 , 10 ), Anapher (Sap 10 , 1 . 5 . 6 . 10 . 13 . 15 ), Sorites (Sap 6 , 17 - 20 ), Hyperbaton (z. B. Sap 14 , 22 b). U. a. der exzessive Gebrauch der Hyperbata - Reese, Influence, S. 26 f, zählt ca. 240 - belegt das Bemühen um einen gehobenen Stil. Ausführliche Textbeispiele zu den genannten rhetorischen Stilfiguren finden sich bei Winston, Wisdom, S. 15 - 17 . Vgl. ferner Schmitt, Weisheit 1986 , S. 9 - 12 . 12 Zum Beispiel Sap 8 , 19 - 21 ; 9 , 15 . 13 Hierzu sind u. a. die Begriffe ἀθανασία und ἀφθαρσία zu zählen, die in der Septuaginta nur in Sap und 4 Mac vorkommen. Vgl. zu diesen beiden Begriffen die Auslegung von Sap 2 , 23 . - Eine ausführliche Untersuchung zu Sprache und Stil der Sap bietet Kepper, Bildung, S. 39 - 97 . Sie kommt zu dem Ergebnis, dass der Verfasser der Sap sowohl in der alttestamentlich-jüdischen Tradition als auch der hellenistischen Bildung beheimatet war. 14 Vgl. hierzu den Abschnitt »Die Gattung«. 29 <?page no="30"?> Mittelpunkt, die Überlegenheit des jüdischen Glaubens gegenüber den Religionsformen seiner hellenistischen Umwelt zu unterstreichen. Von Götzen- und Tierkulten, aber auch von Mysterienkulten, der Popularphilosophie und dem Herrscherkult grenzt er sich deutlich ab. Stattdessen wirbt er im Gewand hellenistischer Bildung für den jüdischen Glauben. Diese Beobachtungen haben dazu geführt, den Verfasser mit Philo zu identifizieren. 15 Dabei wird sicherlich richtig gesehen, dass Sap und Philo die Absicht teilen, den Vorzug des jüdischen Glaubens gegenüber der heidnischen Welt zu betonen. Doch reicht diese Beobachtung allein noch nicht aus, die Sap zu den Werken Philos zu zählen. 16 Zwar versuchen beide, Philo und Sap, die alttestamentliche Tradition neu zugänglich zu machen. Auch beabsichtigen beide, die Überlegenheit der jüdischen Tradition gegenüber hellenistischer Bildung aufzuzeigen. Aber während Philo dazu vor allem die allegorische Schriftauslegung bemüht, macht die Sap hiervon keinerlei Gebrauch. Auch die bei Philo ausgeprägte platonische Ideenlehre findet sich nur in knapper Andeutung (Sap 13 , 7 ). 17 Er kommt daher nicht als Verfasser in Frage. Auch die Versuche, Aristobul, Jesus Sirach oder auch dessen Enkel als Verfasser zu identifizieren, sind gescheitert. 18 Anhand der Textbeobachtungen kann also nur festgehalten werden, dass der anonyme Verfasser ein hellenistisch gebildeter Jude der alexandrinischen Diasporagemeinde ist. 2 . 3 Adressaten Auf den ersten Blick scheint die Sap an Könige und Herrscher adressiert zu sein. So richtet sich die Paränese des Proömiums (Sap 1 , 1 - 15 ) an die Herrscher 19 der Erde (Sap 1 , 1 ), die zum Lieben der Gerechtigkeit aufgefordert werden. Auch im korrespondierenden Abschluss des ersten Buchteils (Sap 6 , 1 - 21 ) ist die Botschaft an denselben Hörerkreis adressiert. So werden erneut Mahnungen an Könige und Richter der gesamten Erde (Sap 6 , 1 ) sowie an die Herrscher der Völker (Sap 6 , 9 . 21 ) ausgesprochen, die zum Begehren der Weisheit aufgefordert werden (vgl. Sap 1 , 4 . 6 ). Im zweiten Buchteil (Sap 6 , 22 - 11 , 1 ) scheint derselbe Adressatenkreis zumindest im Hintergrund zu stehen, ist doch der ungenannte König Salomon allgegenwärtig und als 15 Auch wenn diese Ansicht längst überholt ist, sei sie erwähnt. Belege für diese Ansicht bietet Grimm, Weisheit, S. 21 - 24 . 16 Eine umfassende Übersicht über Topoi, die Philo und Sap gemeinsam haben, findet sich bei Winston, Wisdom, S. 59 - 61 . Vgl. ferner Larcher, Études, S. 151 - 178 . 17 Vgl. Winston, Wisdom, S. 61 . 255 . 18 Vgl. Offerhaus, Komposition, S. 8 . 19 Zur Übersetzung von οἱ κρίνοντες mit »Herrscher« statt »Richter« vgl. Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 110 . 30 <?page no="31"?> Vorbild aller Könige gezeichnet. 20 Erst im dritten Buchteil (Sap 11 , 2 - 19 , 22 ) finden sich keinerlei Spuren eines königlichen Adressatenkreises. Weder von Königen und Richtern noch von Herrschern der Erde ist hier die Rede. Aber auch eine alternative Adressatengruppe wird nicht explizit genannt. Es legt sich daher nahe, die Adressaten des dritten Buchteils aus einer literarischen Besonderheit der Sap zu erheben, die in den Schlusskapiteln ausgeprägt ist. So kann aus den Antonomasien auf den Leserkreis geschlossen werden. Die für das ganze Buch der Sap geltende Tatsache, dass Namensnennungen bei Anspielungen auf biblische Vorlagen ausbleiben, wiegt im dritten Teil des Buches besonders schwer und ist in die Überlegungen zum Adressatenkreis einzubeziehen. Bereits in Sap 10 im mittleren Buchteil werden bei Bezugnahmen auf biblische Vorlagen bis auf zwei Ausnahmen 21 jegliche Eigennamen vermieden. Im dritten Buchteil begegnet in Sap 19 , 7 mit ἐρυθρὰ θάλασσα (»Rotes Meer«) nur ein einziger Eigenname. Es ist aufgrund dieser literarischen Eigenart für den Buchschluss mit großer Sicherheit auf einen Leserkreis innerhalb des Judentums zu schließen. Die häufigen antonomastischen Anspielungen und Abwandlungen einer Vielzahl alttestamentlicher Traditionen, besonders der Exodustradition, machen eine profunde Kenntnis der Septuaginta zum Verständnis unerlässlich. Dies lässt sich z. B. am Auftakt der dritten Synkrise in Sap 16 , 5 gut veranschaulichen. Der Satz »Auch damals, als die furchtbare Wut wilder Tiere über sie kam und sie durch Bisse heimtückischer Schlangen umkamen, blieb dein Zorn nicht bis zum Ende« ist nur für denjenigen verständlich, der mit der Exodustradition vertraut ist. Nur wer die hinter Sap 16 , 5 - 14 stehende Geschichte von der ehernen Schlange in Num 21 , 4 - 9 kennt, vermag Inhalt und Intention der dritten Synkrise zu verstehen. Da eine große Vertrautheit mit der biblischen Tradition für das Verständnis des letzten Buchteils, aber auch schon für Sap 10 unerlässlich ist, kommt - zumindest für die Schlusskapitel der Sap - nur ein jüdischer Leserkreis in Frage. Die bisherige Bestimmung des Adressatenkreises wirft die Frage nach der Einheit des Buches auf. Wie sind die bisher festgestellten unterschiedlichen Adressatengruppen für ein und dasselbe Buch miteinander in Einklang zu bringen? Während die Paränese der ersten sechs Kapitel fremde Könige und Herrscher, also nicht explizit Juden, zum Lieben der Gerechtigkeit (Sap 1 , 1 ) auffordert, wendet sich der ausgedehnte dritte Teil der Sap eindeutig an einen jüdischen Leserkreis. Da es kaum vorstellbar ist, dass eine Werbeschrift an heidnische Könige auch die Schlusskapitel beinhaltet haben kann, legen sich 20 Der dreifache Verweis, »meine Worte« zu begehren und sich darin unterweisen zu lassen (Sap 6 , 9 . 11 . 25 ) deutet auf eine Verbindung des ersten mit dem zweiten Teil der Sap. Es ist jeweils an Salomon zu denken, der hier in der 1 . Person Singular spricht. 21 Πεντάπολις »Pentapolis« Sap 10 , 6 ; θάλασσα ἐρυθρά »Rotes Meer« Sap 10 , 18 . 31 <?page no="32"?> zwei Erklärungsmöglichkeiten nahe, die die Frage nach der literarischen Einheit der Sap berühren. Erstens: Es handelt sich bei der Sap um eine literarisch gewachsene Schrift, die in ihren jeweiligen Wachstumsstufen an verschiedene Adressatengruppen gerichtet ist. 22 Zweitens: Die Sap ist eine einheitliche Schrift und als solche an eine homogene Adressatengruppe gerichtet. Daher ist für die Bestimmung des Adressatenkreises die Antwort auf die Frage relevant, ob die Königsanrede wörtlich oder metaphorisch aufzufassen ist. Engel befürwortet in seinem Kommentar eine metaphorische Interpretation, die sich darauf stützt, dass die Rede von den Königen und Herrschern der Erde auf die hier benutzte Gattung der Königsunterweisung zurückzuführen ist. 23 Demzufolge lässt sich in der Anrede an die Könige der Erde keineswegs der reale Adressatenkreis finden, sondern vielmehr ein Hinweis auf den universalen Geltungsbereich dieser Mahnungen. Obwohl Engels Argumentation, die auf der Heranziehung alttestamentlicher Paralleltexte beruht, nicht in allen Teilen überzeugend ist, 24 sieht er dennoch richtig, dass heidnische Potentaten kaum als Adressatenkreis der Paränese im ersten Buchteil in Frage kommen. Überzeugendere Belege für diese Beobachtung liefert Offerhaus. 25 Neben einigen kleineren Beobachtungen 26 stützt sich Offerhaus auf die Beobachtung, dass im ersten Buchteil der Sap königliche Prädikate metaphorisch auf die Gerechten übertragen werden. Als Hauptbelegstellen führt er Sap 3 , 8 ; 5 , 15 f; 6 , 19 - 21 an. Da in den hier genannten Versen von jenseitigem und zukünftigem Herrschen und Regieren der Gerechten die Rede ist, 22 Vgl. Blischke, Eschatologie, S. 41 - 44 . 49 . Blischke geht von einem sukzessiven Wachstum der Sap aus. Für den ersten (Sap 1 , 1 - 6 , 21 ) und den zweiten Teil der Sap (Sap 6 , 22 - 11 , 2 ) nimmt sie sowohl Heiden als auch Juden als Adressaten an. Erst im dritten Teil (Sap 11 , 3 - 19 , 22 ), auf der jüngsten Redaktionsstufe, finde »eine stärkere Abgrenzung gegenüber dem heidnischen Umfeld« statt, sodass für den dritten Teil anzunehmen ist, »dass ausschließlich eine Selbstvergewisserung im Glauben intendiert war« (S. 49 ). 23 Vgl. Engel, Weisheit, S. 111 . 24 Engel sieht in Sir 33 , 19 in der Anrede der Großen des Volkes und der Vorsteher der Gemeinde ebenfalls ein Beispiel für einen metaphorisch aufzufassenden Hörerkreis. Es ist jedoch mit Sauer, Sirach, S. 235 , von einem wörtlichen Verständnis auszugehen. Es sind in Sir 33 , 19 wirklich die Vornehmen des Volkes angesprochen, sodass hier kein stützendes Argument für Engels These vorliegt. Gleiches gilt für Engels weiteren Beleg ψ 48 , 2 f ( 49 , 2 f). Richtig sieht Engel jedoch, dass die Anrufung von Himmel und Erde als Hörerschaft des Moseliedes in Dtn 32 , 1 metaphorisch zu verstehen ist. Doch ist dies noch kein hinreichendes Argument, auch die Anrede der Könige in Sap als Metapher zu deuten. 25 Offerhaus, Komposition, S. 224 - 231 . 231 - 259 . 26 Genannt seien: ( 1 ) Uneinheitliche Vielfalt der Königstitulaturen. ( 2 ) Unbestimmtheit des Staatsgebietes und der ihnen untergebenen Völker. ( 3 ) Die Fiktion salomonischer Verfasserschaft im Mittelteil legt ebenfalls fiktive Königsanreden im ersten Buchabschnitt nahe. ( 4 ) Sap 1 , 1 a richtet sich an Könige der Erde. Sap 1 , 1 bc schließen jedoch keine königsspezifischen Tätigkeiten an. 32 <?page no="33"?> besteht ein Kontrast zu den für weltliche Potentaten typischen Machtansprüchen. Da die Gerechten nicht weltliche Reichtümer erlangen, sondern allein eschatologische Entlohnung erfahren werden, ist bei den Adressaten kaum an wirkliche weltliche Herrscher zu denken. Daher legt sich die Vermutung nahe, dass sich hinter der fiktiven Anrede an Könige und Tyrannen die jüdische Diasporagemeinde als Adressat verbirgt. 27 Die Königstitulatur steht dabei ganz in weisheitlicher Tradition für den wahren Gerechten. 28 Dass bei den Königstitulaturen nicht an historische Machthaber fremder Völker zu denken ist, bekräftigt eine weitere Beobachtung, die sich aus dem ägyptischen Kontext der Sap ergibt. Da in Ägypten Bildung und Literatur traditionell eng mit dem Königshof verbunden waren, wie sich z. B. an der Gründung des Museions durch König Ptolemaios I. zeigt, könnte in den Königstitulaturen der Sap ein Reflex auf diese Situation vorliegen. So findet sich die Verbindung von jüdischem Denken und ägyptischem Königsmilieu, die bereits im Aristeasbrief belegt ist, auch in der Sap wieder. Hinter der Aufnahme von Königstitulaturen steht dabei die Absicht, dem jüdischen Selbstanspruch Ausdruck zu verleihen, wonach sich jüdische Gelehrsamkeit und Kultur auf demselben Niveau wie die der Ägypter befindet. Mit dieser Intention adressiert die Sap ihre Botschaft an fiktive Könige. Aufgrund dieser Erwägungen ist die jüdische Diasporagemeinde Alexandrias als Leserkreis der gesamten Sap anzunehmen, da sie die zum Verständnis der Sap erforderliche Vertrautheit in griechischer Literatur und Popularphilosophie mit jüdischer Grundbildung in Septuaginta und Schriftauslegung in sich vereint. 29 Nur eine Gemeinde wie die alexandrinische verfügte über die Voraussetzungen, das Geflecht jüdischer und griechischer Traditionen angemessen wahrzunehmen, es zu verstehen und daraus in einem dritten Schritt die intendierten Schlüsse zu ziehen. Damit kann auch die Intention der Sap, die ihren Lesern zugleich Mahnung und Trost sein will, als Argument für einen alexandrinischen jüdischen Leserkreis angeführt werden. Um 27 Vgl. Schmitt, Weisheit 1986 , S. 20 . 28 Prov 4 , 9 : Sie (sc. die Weisheit) verleiht deinem Haupt einen anmutigen Kranz, eine prächtige Krone reicht sie dir dar. Vgl. Offerhaus, Komposition, S. 230 : »Hinter den Aussagen von 3 , 7 f und 5 , 15 f steht die Vorstellung des Verfassers, daß die Gerechten die wahren Könige sind, denen von Gott als Belohnung ihrer Frömmigkeit ( 2 , 22 b; 5 , 15 b) die Insignien der Herrschaft verliehen und die unter seiner Oberherrschaft Völker und Nationen regieren werden ( 3 , 8 ; 5 , 16 ab).« 29 Der in diesem Abschnitt nicht eingehender betrachtete Mittelteil Sap 6 , 22 - 11 , 1 ist aufgrund der engen literarischen Verknüpfungen mit dem ersten (u. a. Sap 6 , 22 - 25 ; Sap 6 , 9 . 11 . 25 ) und dem dritten Teil (u. a. Sap 10 , 1 - 11 , 1 ; 11 , 2 - 4 ) denselben Adressaten zuzuordnen. Baslez, Author, S. 36 , nimmt dagegen für die gesamte Sap eine Adressatengruppe an, die über den internen jüdischen Kreis hinausgeht und im Alexandrinischen Milieu des anonymen Verfassers der Sap zu suchen ist. 33 <?page no="34"?> Mahnung und Werbung für die Religion der Väter bemüht sie sich bei Apostaten, 30 die im synkretistischen Umfeld Alexandrias vom angestammten Glauben abgefallen sind, während sie zugleich auch denjenigen Zuspruch und Trost sein will, die dem jüdischen Glauben trotz Unterdrückung und Verfolgung treu geblieben sind. 31 Mit dem Ziel, die Identität ihres jüdischen Adressatenkreises zu stärken, deutet die Sap dabei Schrift und Tradition neu. Als abschließendes Argument für einen ausschließlich jüdischen Leserkreis sei auf die das gesamte Buch umspannende literarische Klammer Sap 1 , 1 ; 19 , 22 hingewiesen. Im Schlussvers der Sap richtet sich die indikativische Zusage Gottes an sein Volk, wodurch die Annahme bestärkt wird, dass entsprechend auch der Eingangsimperativ nicht fremden Königen, sondern ebenso derselben Gruppe, d. h. dem Volk Gottes gilt. 2 . 4 Die literarische Einheit Die Frage nach der literarischen Einheit der Sap war 32 und ist 33 umstritten. Insbesondere die von den meisten Gegnern wie Verfechtern der Einheitlichkeit gleichermaßen anerkannte Aufteilung der Sap in drei Teile 34 hat immer wieder Anlass zu literarkritischen Eingriffen gegeben. Als Gründe hierfür werden vor allem der Wechsel der Terminologie 35 und des Adressatenkreises 36 sowie kompositorische Brüche und Verbindungslinien 37 angeführt. Außerdem erwecken die zwei Digressionen in Sap 11 , 15 - 12 , 27 ; 13 , 1 - 15 , 19 den Eindruck einer späteren Fortschreibung, da sie mit ihren langen Exkursen über Gottes Art zu strafen und über die Torheit des Götzendienstes die Abfolge der sieben direkt aufeinander folgenden Synkrisen in Sap 11 , 6 - 19 , 12 nach nur wenigen Versen zwischen der ersten und der zweiten Synkrise mit langen Exkursen unterbrechen. 38 30 Sap 3 , 10 . 31 Es ist hier möglicherweise an die Unruhen im Jahr 38 n. Chr. zu denken. Vgl. Smallwood, Jews, S. 235 - 242 , und unten den Abschnitt »Datierung«. 32 Ein forschungsgeschichtlicher Überblick findet sich bei Offerhaus, Komposition, S. 7 - 25 . 33 Vgl. Blischke, Eschatologie, S. 25 - 44 . 34 Zumeist findet sich die Einteilung in Sap 1 , 1 - 6 , 21 ; 6 , 22 - 11 , 1 ; 11 , 2 - 19 , 22 . 35 Am auffälligsten ist der Befund für σοφία . Gegenüber der ausführlichen Sapientialogie im Mittelteil des Buches fällt für den Schlussteil auf, dass σοφία lediglich in Sap 14 , 2 . 5 erwähnt wird. Diese Diskrepanz erklärt sich jedoch aus der Zuspitzung des dritten Buchteils auf das Wirken Gottes, dem nicht mehr wie besonders im zweiten Teil die σοφία beigeordnet ist. 36 Vgl. Blischke, Eschatologie, S. 49 . 37 Vgl. Blischke, Eschatologie, S. 36 - 43 . 38 Spieckermann, Gerechten, S. 349 f, schließt aus diesen Beobachtungen auf ein mehrschichtiges redaktionelles Wachstum der Sap. Auch Haag, Weisheit, geht von einem umfangreichen Wachstumsprozess aus, den er anhand von Sap 11 - 12 detailliert darlegt. 34 <?page no="35"?> Gegen diese Beobachtungen, die ein literarisches Wachstum der Sap nahe legen, können jedoch einige Argumente für die Einheitlichkeit der Sap vorgebracht werden. 39 ( 1 ) Aus textkritischer Perspektive ist die Einheit der Sap unumstritten. ( 2 ) Die Beweislast in literarkritischen Fragen liegt daher bei den Befürwortern eines literarischen Wachstums. ( 3 ) Das gesamte Buch wird von Stichwortverbindungen (flashbacks) durchzogen, die als verbindendes Element der verschiedenen Teile der Sap fungieren. 40 ( 4 ) Die Digressionen in Sap 11 , 15 - 15 , 19 sind in den Nahkontext aber auch in die Gesamtkomposition der Sap eingebunden. Sie stellen nicht zwangsläufig einen Widerspruch zur literarischen Einheit dar. 41 ( 5 ) Das Leitmotiv δικαιοσύνη ist in allen drei Teilen 39 Seit Grimm, Weisheit, S. 9 - 15 , plädiert die Mehrheit der Kommentatoren für die literarische Einheit der Sap. Eine ausführliche Darstellung der Forschungsgeschichte und der Argumente für und wider die Einheit findet sich bei Vílchez, Sapienza, S. 22 - 29 . Wie auch bei der Datierung vertritt Georgi, Weisheit, S. 393 , in Bezug auf die Einheitlichkeit des Buches eine Sonderposition, indem er aufgrund einer starken »Mischung von Einheitlichkeit und Diskrepanz in Sap« eine Entstehung in einer Schule für wahrscheinlich hält. Kepper, Bildung, S. 21 - 25 , nimmt ebenfalls eine Entstehung in einer Schule an, die sich aber nicht notwendigerweise über einen längeren Zeitraum (gegen Georgi) erstreckt haben muss. Im Anschluss an eine übersichtliche Darstellung literarischer Teilungshypothesen verficht auch Kepper, Bildung, S. 13 - 21 , die literarische Einheit der Sap. 40 Reese, Influence, S. 122 - 145 , hat den Begriff »flashback« für diese Art der literarischen Verknüpfungen geprägt. Aus der langen Auflistung solcher flashbacks seien einige genannt: Sap 2 , 22 ( καὶ οὐκ ἔγνωσαν μυστήρια θεοῦ οὐδὲ μισθὸν ἤλπισαν ὁσιότητος ) und Sap 10 , 17 ( ἀπέδωκεν ὁσίοις μισθὸν κόπων αὐτῶν ); Sap 1 , 5 ( ἅγιον γὰρ πνεῦμα παιδείας φεύξεται δόλον καὶ ἀπαναστήσεται ἀπὸ λογισμῶν ἀσυνέτων καὶ ἐλεγχθήσεται ἐπελθούσης ἀδικίας ) und Sap 11 , 15 ( ἀντὶ δὲ λογισμῶν ἀσυνέτων ἀδικίας αὐτῶν ἐν οἷς πλανηθέντες ); Sap 1 , 15 ( δικαιοσύνη γὰρ ἀθάνατός ἐστιν ) und Sap 15 , 3 ( τὸ γὰρ ἐπίστασθαί σε ὁλόκληρος δικαιοσύνη καὶ εἰδέναι σου τὸ κράτος ῥί ζα ἀθανασίας ); Sap 2 , 1 ( οὐκ ἔστιν ἴασις ἐν τελευτῇ ἀνθρώπου καὶ οὐκ ἐγνώσθη ὁ ἀναλύσας ἐξ ᾅδου ) und Sap 16 , 13 ( σὺ γὰρ ζωῆς καὶ θανάτου ἐξουσίαν ἔχεις καὶ κατάγεις εἰς πύλας ᾅδου καὶ ἀνάγεις ). Nicht bei Reese aufgeführt: Sap 2 , 24 ( φθόνῳ δὲ διαβόλου θάνατος εἰσῆλθεν εἰς τὸν κόσμον ) und Sap 14 , 14 ( κενοδοξίᾳ γὰρ ἀνθρώπων εἰσῆλθεν εἰς τὸν κόσμον ). Grimm, Weisheit, S. 5 - 9 , und Schmitt, Weisheit 1986 , S. 12 f, bieten eine Übersicht über einzelne Stichworte, die das gesamte Buch einen. Genannt seien aus der Auflistung bei Schmitt beispielhaft: ἄξιος / ἀξίως (Sap 1 , 16 ; 3 , 5 ; 6 , 16 ; 7 , 15 ; 9 , 12 ; 12 , 7 . 26 ; 13 , 15 ; 15 , 6 ; 16 , 1 . 9 ; 18 , 4 ; 19 , 4 ); εὐεργετέω (Sap 3 , 5 ; 11 , 5 . 13 ; 16 , 2 - Dies sind 40 % der Septuagintabelege); καταδικάζω (Sap 2 , 20 ; 11 , 10 ; 12 , 15 ; 17 , 11 - 40 %); παροδεύω ( 1 , 8 ; 2 , 7 ; 5 , 14 ; 6 , 22 ; 10 , 8 - 83 %); διοικέω (Sap 8 , 1 . 14 ; 12 , 18 ; 15 , 1 - 80 %); ἔκβασις (Sap 2 , 17 ; 8 , 8 ; 11 , 14 - 100 %). 41 Sap 11 , 15 ab weist mehrere Stichwortverbindungen in das gesamte Buch - besonders zu Sap 1 , 5 - auf ( λογισμός Sap 11 , 15 ; 1 , 3 . 5 ; 9 , 14 ; 17 , 11 ; 19 , 3 ; ἀσύνετος Sap 11 , 15 ; 1 , 5 ; ἀδικία Sap 11 , 15 ; 1 , 5 ; πλανάω Sap 11 , 15 ; 2 , 21 ; 5 , 6 ; 17 , 1 ). Sap 11 , 16 (Damit sie erkennen: Womit jemand sündigt, dadurch wird er auch bestraft.) nimmt das Motto des gesamten dritten Buchabschnitts aus Sap 11 , 5 wieder auf, um im Folgenden (Sap 11 , 15 - 12 , 27 ) diesem Grundsatz Ausführungen über Gottes Gnade anzufügen. Auch der Schluss der zweiten Digression ist mit der folgenden zweiten Synkrise (Sap 16 , 1 - 4 ) verbunden. Ab Sap 16 , 1 wird ein Fazit aus den vorangehenden Ausführungen über die Torheit 35 <?page no="36"?> des Buches bestimmend. 42 ( 6 ) Es bestehen literarische Verklammerungen an den Übergängen zwischen den einzelnen Buchteilen. 43 ( 7 ) Sap 1 , 7 stellt den Aufriss einer Kosmologie dar, die im gesamten Buch ausgeführt wird. 44 Die verschiedenen Buchteile sind durch diese kosmologischen Aussagen verbunden. 45 ( 8 ) Ex negativo ist hinzuzufügen, dass der relativ knappe mögliche Entstehungszeitraum kaum Platz für literarkritische Operationen lässt. Fortschreibungen müssten in kurzen Intervallen aufeinander gefolgt sein. Auch fehlen historische Anhaltspunkte, denen mögliche Schichten literarischen Wachstums zugeordnet werden könnten. Schließlich sind trotz aller Brüche keine stilistischen und sprachlichen Differenzen in der Sap zu beobachten, die für literarkritische Operationen sprächen. ( 9 ) Ein schwächeres Argument für die Einheit ist die mögliche Zuordnung der Sap zur Gattung Protreptikos. Damit ließen sich die verschiedenen Untergattungen, die die drei Teile des Buches prägen, zu einem Ganzen verbinden. Trotz bzw. gerade wegen ihrer Verschiedenheit könnten die drei Buchteile dann als ein Protreptikos gelten. 46 des Götzendienstes gezogen. Der Anschluss von Sap 16 , 1 mit διὰ τοῦτο an die zweite Digression verdeutlicht diese Verbindung. 42 Sap 1 , 1 . 15 ; 2 , 11 ; 5 , 6 . 18 ; 8 , 7 ; 9 , 3 ; 12 , 16 ; 14 , 7 ; 15 , 3 . 43 Sap 6 , 22 - 25 ; 11 , 2 - 4 . Ferner verbindet Sap 5 , 17 - 23 den ersten mit dem dritten Teil. Sap 1 , 1 und Sap 19 , 22 bilden einen das Buch umspannenden Rahmen. 44 Sap 1 , 7 ὅτι πνεῦμα κυρίου πεπλήρωκεν τὴν οἰκουμένην καὶ τὸ συνέχον τὰ πάντα γνῶσιν ἔχει φωνῆς »Denn der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis und er, der alles zusammenhält, kennt jeden Laut.« 45 Vgl. Gilbert, Cosmo. Gilbert erkennt in Sap 1 , 13 f; 5 , 17 - 23 ; 7 , 17 - 21 . 24 . 27 ; 8 , 1 ; 9 , 1 - 3 ; 11 , 23 - 12 , 2 ; 19 , 18 - 21 Ausführungen des Grundsatzes aus Sap 1 , 7 . Dadurch sind die unterschiedlichen Teile der Sap verbunden. Auch die ausgedehnten sieben Synkrisen liest Gilbert als Auslegung von Sap 1 , 7 . 46 Vgl. den Abschnitt »Die Gattung«. - Auch Wright, Patterns, will die Einheitlichkeit der Sap belegen (Vgl. Wright, Structure). Dazu zählt er in etlichen Textabschnitten die Anzahl der jeweiligen Verse und betrachtet das mathematische Verhältnis etlicher Versgruppen. Dabei kommt er besonders für den ersten Buchteil (Sap 1 , 1 - 6 , 21 ) zu dem Ergebnis, dass die Sap bewusst nach dem »Golden Mean Ratio« komponiert worden sei. Aber auch im zweiten und dritten Buchteil erkennt er mehrere Abschnitte, die nach dem Verhältnis des Goldenen Schnitts komponiert wurden. Diese Beobachtung spricht nach Wrights Ansicht ebenso für die Einheitlichkeit der Sap wie die Tatsache, dass sowohl Sap 1 , 1 - 11 , 1 als auch Sap 11 , 2 - 19 , 22 aus jeweils 251 Versen bestehen. Die Stichhaltigkeit der Argumentation Wrights ist jedoch in Frage zu stellen, da er die Bestimmung des Goldenen Schnittes auf wechselnden Zahlenreihen aufbaut (z. B. 1 , 4 , 5 , 9 , 14 , 23 , 37 , 60 oder 1 , 7 , 8 , 15 , 23 ), die er in den abgegrenzten Versgruppen wiederfindet. So soll der gesamte erste Buchteil Sap 1 , 1 - 6 , 21 beispielsweise dem Goldenen Schnitt entsprechen, da der Kern Sap 3 , 1 - 4 , 19 mit 42 Versen von Sap 1 , 1 - 2 , 24 und Sap 4 , 20 - 6 , 21 mit jeweils 48 Versen gerahmt wird. Das Verhältnis 48 : 42 : 48 lässt sich aus der Reihe 1 , 7 , 8 , 15 , 23 ableiten, allerdings muss diese vorab noch mit 6 multipliziert werden, sodass 48 : 42 : 48 ( 8 x 6 : 7 x 6 : 8 x 6 ) als Golden-Mean-Ratio-Komposition erkannt werden kann. Es wird kaum überraschen, dass diese Zahlenspielereien kaum zu den 36 <?page no="37"?> Fazit: Auch wenn die neun angeführten Beobachtungen zur literarischen Einheit diese nicht zu beweisen vermögen, so deutet doch die Fülle der Indizien auf die Einheitlichkeit der Sap hin. 2 . 5 Gattung Die Gattung der Sap ist nicht eindeutig zu bestimmen. Eine exakte Gattungsbestimmung kann nur für verschiedene Unterabschnitte getroffen werden, 47 nicht aber einheitlich für alle 19 Kapitel des Buches. Die Gründe hierfür liegen in den präzisen Abgrenzungen der Untergattungen und der drei Buchabschnitte (Sap 1 , 1 - 6 , 21 ; 6 , 22 - 11 , 1 ; 11 , 2 - 19 , 22 ) voneinander, die die Zuordnung zu einer gemeinsamen das gesamte Buch umfassenden Gattung erheblich erschweren. Als einzig mögliche Gattung, die die verschiedenen in ihrer Form eigenständigen Blöcke zu einer Einheit zusammenzufassen vermag, kommt lediglich der Protreptikos in Frage. 48 Nach der Definition Görgemanns handelt es sich bei einem Protreptikos um eine Werbeschrift für ein zumeist philosophisches Fachgebiet. 49 Diese in der Zeit der Sophistik im 5 . Jahrhundert v. Chr. entstandene literarische Gattung findet Verwendung, um den Leser vom Wert einer Ansicht zu überzeugen und zu begeistern, damit sich dieser schließlich zu ihr hinwendet ( προτρέπω »hinwenden zu etwas« auch »antreiben, ermuntern«). Charakteristisch für einen Protreptikos ist es, dass ein Werben für ein Lehrgebiet zugleich ein Werben für tugendhaftes Leben beinhaltet. Auch in hellenistischer Zeit wird diese Gattung verwendet, um die Überlegenheit einer philosophischen Schule gegenüber einer konkurrierenden Lehrmeinung zu profilieren. ernsthaften Argumenten für die Einheitlichkeit der Sap zu zählen sind, zumal sie auf der sekundären Verszählung beruhen. - Vgl. die Darstellung und Widerlegung der Thesen Wrights bei Blischke, Eschatologie, S. 25 f. Dagegen stoßen Wrights Thesen bei Kolarcik, Ambiguity, S. 9 - 11 , auf Anerkennung. 47 Einige Untergattungen seien genannt: Enkomion auf die Weisheit (Sap 7 - 9 ), Rede (Sap 2 , 1 - 22 ; 5 , 4 - 13 ), Hymnus (Sap 7 , 22 - 8 , 1 ), Gebet (Sap 9 , 1 - 18 ), Synkrise (Sap 11 , 5 - 14 ; 16 , 1 - 19 , 17 ). 48 Eindeutiger ist Reese, Influence, S. 117 - 121 , in der Beurteilung der Gattung. Er bezeichnet die Sap als logos protreptikos, als »didactic exhortation«, dessen Kennzeichen »a positive and even apologetic attitude about the control of the universe, a firm position against opposing philosophies of life, and the deliberate display of a wide range of knowledge« (S. 117 ) sind. Abweichend von Reese wird die Sap auch anderen Gattungen zugeordnet. Fichtner, Weisheit, S. 8 , bezeichnet die Sap als ein »apokalyptisierendes Weisheitsbuch«. Reider, Wisdom, S. 40 , erkennt in der Sap »a sort of midrash, on the wisdom books of the Bible«. Vílchez, Sapienza, S. 51 , und Larcher, Sagesse, Bd. 1 , S. 113 f, legen sich bei der Bestimmung der Gattung nicht fest, sondern stellen lediglich die Verknüpfung von Protreptikos und Enkomion dar. Auch Hübner, Weisheit, S. 26 f, weist auf dieses Ineinander von Protreptikos und Enkomion hin, wobei er dazu tendiert, die Sap der Gattung Protreptikos zuzuordnen. 49 Vgl. Görgemanns, Art. Protreptik. 37 <?page no="38"?> Gemäß der Intention eines protreptischen Werkes zeichnet sich die Sap dadurch aus, dass für Gerechtigkeit (Sap 1 , 1 ) und Weisheit (Sap 6 , 9 ) geworben wird. Untrennbar damit verbunden ist der Aufruf zu tugendhaftem Leben (Sap 1 , 4 ). Ferner finden sich in der Sap die nach Görgemanns wesentlichen Elemente eines Protreptikos. 50 So beinhaltet die epideiktische Rede Salomons in Sap 7 - 9 Hinweise auf Herkunft und Tradition der Weisheit (Sap 7 , 12 . 21 ; 9 , 9 ) ebenso wie Ausführungen über den Nutzen der Weisheit (Sap 8 , 13 ; 9 , 18 ; 10 , 1 - 11 , 2 ). Die menschliche Bedürftigkeit nach Weisheit zeigt sich in Salomons Gebet um den Erhalt der Weisheit (Sap 9 , 1 - 18 ). Salomon erkennt, dass nur derjenige Gottes Willen erkennen kann, der das Geschenk der Weisheit von Gott empfängt (Sap 9 , 17 ). Außerdem prägen ausführliche Ablehnungen von konkurrierenden Positionen die Sap. Im ersten Teil wird den Gerechten das Leben der Gottlosen als fehlgeleitete Lebensführung gegenübergestellt. Im dritten Buchteil wird anhand einer Reformulierung der Exodustradition das Verhalten Israels mit dem der Ägypter konfrontiert. Das letzte von Görgemanns aufgeführte Charakteristikum eines Protreptikos, die Möglichkeit des Lernens, findet sich in allen drei Teilen des Buches (Sap 6 , 11 ; 9 , 10 ; 11 , 16 ). Diese Beobachtungen verleihen der Annahme, dass die Sap ein Protreptikos ist, eine gewisse Plausibilität, auch wenn diese recht vagen Kriterien z. B. für fast jeden neutestamentlichen Brief zutreffen. Welche (biblische) Schrift will schließlich nicht für die eigene Überzeugung werben? Folgt man dennoch der hier erwogenen Gattungsbestimmung, so ist nach deren Bedeutung für die Untersuchung zur Ätiologie des Todes zu fragen. Diese liegt darin, dass die Aussagen über das Hereinkommen des Todes in die Welt in Sap 1 , 11 - 2 , 24 als Teilaspekt einer umfangreichen Mahnung für ein Leben in Gerechtigkeit anzusehen sind. Sap 1 , 11 - 2 , 24 stellt demzufolge nach der Eingangsaufforderung, Gerechtigkeit zu lieben, die negative Kehrseite der Eingangsaufforderung dar und verdeutlicht damit die Folge eines Lebens, das im Widerspruch zu dem steht, wofür die Sap wirbt, d. h. im Widerspruch zur Gerechtigkeit. 2 . 6 Datierung Die Sap ist als jüngste Schrift des Alten Testaments an der Schwelle vom Alten zum Neuen Testament entstanden. 51 Diese Spätdatierung gründet auf 50 Görgemanns, Art. Protreptik, Sp. 468 , listet die wesentlichen Elemente der Protreptik auf: »Vorführung der Kunst (epídeixis), Hinweis auf ihre Trad., auf den Nutzen für das Leben ( ἀρετή / aret¯ e, ›Leistungsfähigkeit‹, ›Tugend‹; εὐπραγία / eupragía, ›Wohlergehen‹), auf die Hilflosigkeit ohne sie ( ἀπορία / aporía), Verteidigung gegen ablehnende oder konkurrierende Meinungen, Erörterung über die Möglichkeit des Lernens (›Lehrbarkeit der Tugend‹).« 51 Ein forschungsgeschichtlicher Überblick über die verschiedenen Datierungsversuche zur Sap findet sich bei Vílchez, Sapienza, S. 61 - 64 . 38 <?page no="39"?> der Tatsache, dass die vielfältigen Bezüge auf die Septuaginta, besonders auf das Jesajabuch, den Abschluss der Übersetzungen der hebräischen Vorlagen ins Griechische bereits weitgehend voraussetzen. Doch ist damit nur ein sehr vage zu greifender terminus post quem genannt, der durch Beobachtungen zum Sprachgebrauch der Sap präzisiert werden soll. Als Hauptzeuge für die Datierung wird üblicherweise der Begriff κράτησις (»Macht« Sap 6 , 3 ) herangezogen. Nach Scarpat weist dieses in der Septuaginta nur in Sap 6 , 3 vorkommende Hapaxlegomenon in die Zeit nach der römischen Machtübernahme in Ägypten unter Augustus im Jahr 30 v. Chr. 52 So erfolgte seit der römischen Machtübernahme in Ägypten unter Augustus hiernach die Jahreszählung. Demzufolge wurde z. B. das Jahr 8 n. Chr. als das Jahr 38 der κράτησις gezählt. 53 In diesem Kontext wird Sap 6 , 3 als ein Reflex auf den römischen Sprachgebrauch verstanden. 54 Allerdings verschweigt Scarpat in seinen Ausführungen zum Begriff κράτησις , dass dieser auch in einem Aristobul zugewiesenen Fragment bei Eusebius von Caesarea erhalten ist. Es handelt sich hierbei um das einzige Vorkommen in der parabiblischen Literatur des hellenistischen Judentums. 55 Geht man mit Walter von der Echtheit dieses Aristobulfragments aus, 56 dann ist κράτησις im alexandrinischen Judentum bereits in der Mitte des 2 . Jahrhunderts v. Chr. belegt und zwar in genau der Bedeutung, die nach Scarpat erst im Zuge der römischen Machtübernahme in Ägypten mit diesem Begriff verbunden ist. So kann bereits Aristobul die Landnahme Israels als κράτησις τῆς χώρας bezeichnen. 57 Aufgrund dieses Befundes kann κράτησις daher nicht die Hauptlast der Datierung der Sap tragen. Trotz dieses Beleges in dem Aristobulfragment ist die mögliche Verbindung, die zwischen der Verwendung von κράτησις in Sap 6 , 3 und der römischen Machtübernahme in Ägypten 30 v. Chr. bestehen soll, nicht vollkommen zu bestreiten. Es soll daher an dieser Stelle eine Relativierung vorgenommen werden, die darin besteht, κράτησις als ein erstes wichtiges Indiz für die Spätdatierung der Sap in die römische Zeit anzusehen, jedoch nicht als das alleinige Hauptargument hierfür. Der Gebrauch weiterer Begriffe, wie z. B. σέβασμα (»Gegenstand religiöser Verehrung« Sap 14 , 20 ; 15 , 17 ), θρησκεία (»kultische Verehrung« Sap 14 , 18 . 27 ) 52 Vgl. Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 16 f, Ders., Autore, S. 174 f. Im Anschluss an Scarpat vgl. z. B. Hübner, Weisheit, S. 17 , Vílchez, Sapienza, S. 62 - 65 , Engel, Weisheit, S. 33 f, Spieckermann, Gerechten, S. 348 . 53 Zur Bezeichnung der römischen Herrschaft in Ägypten ab 30 v. Chr. diente ferner der feststehende Begriff ἡ Καίσαρος κράτησις . Vgl. Liddell-Scott, S. 991 . 54 Sap 6 , 3 ab ὅτι ἐδόθη παρὰ κυρίου ἡ κράτησις ὑμῖν καὶ ἡ δυναστεία παρὰ ὑψίστου »Denn vom Herrn ist euch die Macht gegeben und die Gewalt vom Höchsten.« 55 Auch bei Philo ist κράτησις nicht belegt. 56 Walter, Thoraausleger, S. 123 . 57 Eus., Pr. Ev. XIII, 12 , 1 . 39 <?page no="40"?> und θρησκεύω (»kultisch verehren« Sap 11 , 15 ; 14 , 16 ), können diesen ersten Eindruck bekräftigen. Zwar ist θρησκεία bereits bei Herodot bezeugt, 58 doch finden sich in der Zeit nach Herodot weitere Belege erst wieder in römischer Zeit. 59 Ebenso ist σέβασμα erst im ersten Jahrhundert v. Chr. zur Zeit des Augustus belegt. 60 Auch der innerbiblische Befund der Verwendung von θρησκεία und σέβασμα deutet auf eine zeitliche Nähe der Sap zu den Schriften des Neuen Testaments. Neben den Belegen Sap 14 , 18 . 27 findet sich θρησκεία nur noch in 4 Mac 5 , 7 . 13 , einer späten Schrift der Septuaginta aus dem ersten Jahrhundert n. Chr., und im Neuen Testament. 61 Ähnlich ist der Befund für das Substantiv σέβασμα , das in der Septuaginta nur in Sap 14 , 20 ; 15 , 17 belegt ist. Im Neuen Testament steht σέβασμα in Act 17 , 23 und II Thess 2 , 4 . 62 Eine weitergehende, sehr ausführliche Auflistung von Hapaxlegomena bietet Scarpat in seinem bereits erwähnten und viel zitierten Aufsatz ›Ancora sull’autore del Libro della Sapienza‹. 63 Zwar hebt er darin selbst hervor, dass das Hauptgewicht der Datierung vom Begriff κράτησις getragen wird, 64 doch listet er darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Begriffe aus der Sap auf, die die Datierung der Sap ins 1 . Jahrhundert n. Chr. wahrscheinlich machen. Weitere Indizien für diese Datierung finden sich in jüdischen, christlichen oder paganen Texten, die aus dem 1 . Jahrhundert n. Chr. datieren bzw. eine Datierung der Sap in diese Zeit sehr nahe legen. Aus Scarpats linguistischer Untersuchung der Sap seien hierfür einige Beispiele genannt: ( 1 ) ἀνεξικακία : In der Septuaginta nur in Sap 2 , 19 (vgl. Josephus, Bell 1 , 624 ). ( 2 ) ἀμάραντος : In der Septuaginta nur in Sap 6 , 12 (vgl. I Petr 1 , 4 ). ( 3 ) περικομπέω : In der Septuaginta nur in Sap 17 , 4 (vgl. Josephus, Bell 1 , 502 ). ( 4 ) ἀξανής : In der Septuaginta nur in Sap 19 , 17 (vgl. Plutarch, mor. 866 a). Diese Beobachtungen zur Nähe der Sap zu Schriften aus dem 1 . Jahrhundert n. Chr. stützen die Ansicht, das Jahr 30 v. Chr. als terminus post quem der Entstehung der Sap anzusetzen. Die sicherste Bestimmung des termi- 58 Hdt. 2 , 18 . 37 . 59 Vgl. z. B. Josephus, Ant 8 , 225 ; 8 , 229 , und Philo, LegGai 232 ; 298 . - Auch Kepper, Bildung, S. 45 f, führt die Verwendung von θρησκεία / θρησκεύω in Sap als Argument für eine Datierung in die römische Kaiserzeit an, auch wenn nach ihrem Urteil dieser Beobachtung »nur der Rang eines schwachen argumentum e silentio« zukommt. 60 Vgl. Reese, Influence, S. 8 . Winston, Wisdom, S. 22 , Anm. 33 , bietet eine Auflistung von insgesamt 35 Wörtern, die für die gesamte griechische Literatur erstmalig in der Sap belegt sind. Vgl. dagegen Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 22 . 61 Act 26 , 5 ; Kol 2 , 18 ; Jak 1 , 26 f. Die Datierung von 4 Mac folgt Klauck, 4 . Makkabäerbuch, S. 668 f. 62 Auch im Zusatz zum Danielbuch in der Version des Theodotion Bel ( Θ ) 1 , 27 wird das Substantiv σέβασμα gebraucht. Es steht hier anstelle des Verbes σέβομαι der Septuagintaversion Bel 1 , 27 . 63 Scarpat, Autore, S. 172 - 180 . 64 Scarpat, Autore, S. 189 . 40 <?page no="41"?> nus ad quem liefert ein Zitat von Sap 2 , 24 im 1 . Clemensbrief (I Clem 3 , 4 ) aus dem letzten Jahrzehnt des 1 . Jahrhunderts n. Chr. 65 Daher ist als wahrscheinlicher Entstehungszeitraum die Zeit zwischen 30 v. Chr. und 90 n. Chr. anzunehmen. Es mangelt nicht an Versuchen, innerhalb dieser Zeitspanne die absolute Datierung zu präzisieren, indem die Sap in die Regierungszeit Caligulas ( 37 - 41 n. Chr.) oder auch Augustus’ ( 31 v. Chr.- 14 n. Chr.) datiert wird. Die größte Plausibilität dieser Datierungsversuche kommt den Ausführungen Scarpats zu, der durch philologische Beobachtung den terminus post quem zu präzisieren versucht hat. 66 Aus der Verwendung des Hapaxlegomenons διάγνωσις (»Unterscheidung, Bewertung, Gericht« Sap 3 , 18 ; vgl. Act 25 , 21 ), das er als Wiedergabe des römischen Gerichtsterminus cognitio extra ordinem (»gerichtliche Untersuchung«) ausmacht, hat Scarpat eine Datierung in die Zeit Caligulas abgeleitet. 67 Der vor allem seit der Kaiserzeit praktizierte Brauch der cognitio extra ordinem gewährte es dem Magistrat, Recht zu sprechen, ohne dabei einen Richter bemühen zu müssen. Zwar ist dieses Prinzip schon seit Augustus im Römischen Reich verbreitet, doch findet sich διάγνωσις als Übersetzung hierfür erstmalig bei Philo um 40 n. Chr. 68 Auch werden oft die viel diskutierten Bezüge zum Römerbrief des Paulus angeführt, in dem möglicherweise in Röm 5 , 12 ein Zitat von Sap 2 , 24 vorliegt. 69 Auch wenn die Übereinstimmung von nur wenigen Worten nicht 65 διὰ τοῦτο πόρρω ἄπεστιν ἡ δικαιοσύνη καὶ εἰρήνη, ἐν τῷ ἀπολιπεῖν ἕκαστον τὸν φόβον τοῦ θεοῦ καὶ ἐν τῇ πίστει αὐτοῦ ἀμβλυωπῆσαι, μηδὲ ἐν τοῖς νομίμοις τῶν προσταγμάτων ἀυτοῦ πορεύεσθαι μηδὲ πολιτεύεσθαι κατὰ τὸ καθῆκον τῷ Χριστῷ, ἀλλὰ ἕκαστον βαδί ζειν κατὰ τὰς ἐπιθυμίας τῆς καρδίας αὐτοῦ τῆς πονηρᾶς, ζῆλον ἄδικον καὶ ἀσεβῆ ἀνει ληφότας, δι ’ οὗ καὶ θάνατος εἰσῆλθεν εἰς τὸν κόσμον . »Deshalb sind die Gerechtigkeit und der Friede in weiter Ferne, da jeder die Furcht vor Gott abgelegt und in den Dingen des Glaubens an ihn den klaren Blick verloren hat, und keiner nach den Satzungen seiner Gebote wandelt und ein Christi würdiges Leben führt; vielmehr geht jeder den Begierden seines sündhaften Herzens nach; ungerechte und gottlose Eifersucht haben sie [in sich] aufgenommen, durch die auch der Tod in die Welt kam.« I Clem 3 , 4 ; Text und Übersetzung des I Clem aus: Fischer, Väter, S. 26 - 29 . Der Schluss von I Clem 3 , 4 findet sich im exakt gleichen Wortlaut in Sap 2 , 24 : φθόνῳ δὲ διαβόλου θάνατος εἰσῆλθεν εἰς τὸν κόσμον . - Zur Datierung des I Clem vgl. Lindemann, Clemensbriefe, S. 12 . 66 Vgl. Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 17 - 21 . Vgl. ferner Kepper, Bildung, S. 50 f, die ebenso aufgrund ihrer philologischen Beobachtungen für »die Annahme einer Abfassung der Sapientia in römischer Zeit als eine wahrscheinliche Hypothese« plädiert. 67 Detaillierter als in seinem Kommentar sind Scarpats Ausführungen zum Begriff διάγνωσις und der damit verbundenen Präzisierung der Datierung in dem Aufsatz Scarpat, data. 68 Flacc 100 . 69 Vgl. Hübner, Weisheit, S. 17 f. 48 . In der Ähnlichkeit von Röm 5 , 12 ( ἡ ἁμαρτία εἰς τὸν κόσμον εἰσῆλθεν καὶ διὰ τῆς ἁμαρτίας ὁ θάνατος ) mit Sap 2 , 24 ( φθόνῳ δὲ διαβόλου θάνατος εἰσῆλθεν εἰς τὸν κόσμον ) sieht Hübner »ein starkes Indiz, wenn nicht sogar 41 <?page no="42"?> hinreichend ist, um von einer direkten literarischen Rezeption der Sap in Röm sprechen zu können, ist doch die inhaltliche Nähe beider Verse nicht von der Hand zu weisen. Allein die Beobachtung, dass sowohl Röm 5 , 12 als auch Sap 2 , 24 auf Gen 3 Bezug nehmen und diesen Text neu auslegen, ist ein starkes Indiz für die zeitliche Nähe beider Texte. So kann die Tatsache, dass in Röm 5 , 12 und Sap 2 , 24 eine Neuinterpretation des Sündenfalls aus Gen 3 vorliegt, als Argument für die zeitliche Nähe beider Schriften gelten. Ein weiteres Argument für die Datierung in die Mitte des 1 . Jahrhunderts n. Chr. bringt Winston in die Diskussion ein. Er datiert die Sap ebenfalls in die Zeit Caligulas und beruft sich dafür auf Sap 5 , 16 - 23 , da er in diesen Versen eine Verarbeitung der Aufstände in Alexandria im Jahr 38 n. Chr. erkennt. 70 Ganz auf dieser Linie liegt auch der Versuch, diese Unruhen mit Hilfe von Philos ›Legatio ad Gaium‹ ( 41 n. Chr.) und des daraufhin verfassten Antwortbriefs des Claudius an die Alexandriner 71 ( 41 n. Chr.) in die Zeit um 41 n. Chr. zu datieren. mehr! « (S. 48 ) dafür, dass Paulus an dieser Stelle aus der Sap zitiert. Die Annahme, dass es sich bei dieser Formulierung in Röm 5 , 12 um ein Zitat von Sap 2 , 24 handelt, ist durchaus vertretbar, wenn auch nicht zwingend notwendig. - Vgl. ferner die Nähe von Sap 13 , 1 - 9 zu Röm 1 , 18 - 21 . 70 Winston, Wisdom, S. 23 . Zu den Aufständen in Alexandria im Jahr 38 n. Chr. vgl. Smallwood, Jews, S. 235 - 242 . Daneben bestehen weitere Datierungsvarianten. Vílchez, Sapienza, S. 64 - 66 , geht davon aus, dass die Sap während der Regierungszeit des Augustus entstanden ist und führt dafür die soziale Sicherheit und kulturelle Blüte der jüdischen Gemeinde in Alexandria zu Beginn der römischen Herrschaft an. Deutlich früher datiert Offerhaus, Komposition, S. 270 , die Sap in die Zeit um 100 v. Chr. Georgi, Weisheit, S. 396 , plädiert für eine Entstehung am Ende des 2 . Jahrhunderts v. Chr. Im Unterschied zu allen bisher genannten Exegeten lokalisiert Georgi die Sap außerdem nicht in Alexandria, sondern in Syrien, wofür er die Nähe zur palästinischen Apokalyptik anführt. 71 CPJ II, S. 36 - 55 . Eine deutsche Übersetzung dieses Briefes findet sich in Ausschnitten bei Engel, Weisheit, S. 306 f. 42 <?page no="43"?> 2 . 7 Inhalt und literarische Struktur 1 . Teil. 1 , 1 - 6 , 21 Gerechtigkeit und Leben 1 , 1 - 15 Aufruf zur Gerechtigkeit 1 , 16 - 5 , 23 Beispiele gerechten und ungerechten Lebens Gegenüberstellung von Gottlosen und Gerechten Eschatologisches Buch ( 1 , 16 - 2 , 24 ; 3 , 1 - 4 , 20 ; 5 , 1 - 16 ; 5 , 17 - 23 ) 6 , 1 - 21 Aufruf zur Weisheit 2 . Teil. 6 , 22 - 11 , 1 Der Weg zum Leben: Die Weisheit 6 , 22 - 25 Übergangsstück 7 , 1 - 9 , 18 Salomons Bestreben, Weisheit zu erlangen 10 , 1 - 11 , 1 Das Wirken der Weisheit von Adam bis Mose 3 . Teil. 11 , 2 - 19 , 22 Gottes Weg mit Israel in der Geschichte 11 , 2 - 4 Übergangsstück 11 , 5 - 19 , 12 Die sieben Synkrisen ( 11 , 5 - 14 1 . Synkrise) 1 . Digression 11 , 15 - 12 , 27 Gottes Art zu strafen 2 . Digression 13 , 1 - 15 , 17 Die Torheit des Götzendienstes ( 16 , 1 - 4 2 . Synkrise; 16 , 5 - 14 3 . Synkrise; 16 , 15 - 29 4 . Synkrise; 17 , 1 - 18 , 4 5 . Synkrise; 18 , 5 - 25 6 . Synkrise; 19 , 1 - 12 7 . Synkrise) 19 , 13 - 22 Zusammenfassung und Schluss Die Sap gliedert sich in drei Teile. Der erste Buchteil (Sap 1 , 1 - 6 , 21 ) ist als Ringkomposition aufgebaut, dessen äußeren Rahmen zwei korrespondierende Aufrufe an die Herrscher der Erde ( 1 , 1 - 15 ) bzw. an Könige ( 6 , 1 - 21 ) bilden. Sowohl Sap 1 , 1 - 15 als auch Sap 6 , 1 - 21 sind als werbende Mahnung für Gerechtigkeit, Weisheit und Gottesgehorsam verfasst. Innerhalb dieses Rahmens stehen zwei Reden von idealtypisch gezeichneten Gottlosen (Sap 2 , 1 b- 20 ; 5 , 4 - 13 ), die jeweils von Rahmenstücken umfasst werden (Sap 1 , 16 - 2 , 1 a; 2 , 21 - 24 + 4 , 20 - 5 , 3 ; 5 , 14 - 23 ). Beide Reden sind wie der gesamte Textkomplex Sap 1 , 16 - 5 , 23 durch die Gegenüberstellung der eschatologischen Schicksale der Gerechten und Gottlosen geprägt. Die erste Rede beginnt mit einer poetisch eindrücklichen Klage der Gottlosen über die irdische Vergänglichkeit, aus der diese unmittelbar ein rücksichtloses Carpe diem folgern, das seinen exzessiven Ausdruck in einem Leben auf Kosten der Gerechten findet. Die zweite Rede stellt die Wende im Denken der Gottlosen dar, die jedoch erst im 43 <?page no="44"?> Angesicht des sie ereilenden Gerichtes zu spät erfolgt, sodass sie nicht wie die Gerechten ewig leben werden. Zwischen diesen Reden stehen mehrere kleinere Einheiten, in denen das Leben der Gerechten dem der Gottlosen gegenübergestellt wird. Im Mittelpunkt stehen dabei die Anfechtungen der Gerechten, die sich trotz Not und Bedrängnis (Unterdrückung Sap 3 , 1 ; Missachtung Sap 3 , 10 ; Kinderlosigkeit Sap 3 , 13 f; 4 , 1 ; früher Tod Sap 4 , 7 ) nicht von ihrer auf Gott vertrauenden Lebensweise abbringen lassen. Ihre Hoffnung auf Unsterblichkeit bleibt beständig (Sap 3 , 4 ), da sie in der Lage sind, hinter allem irdischen Geschehen das Wirken Gottes zu erkennen und auf ihn zu vertrauen. Im Unterschied dazu bleibt die Wahrnehmung der Gottlosen auf die irdische Welt beschränkt und daher ohne jegliche Zuversicht auf Unvergänglichkeit, sodass ihnen der physische Tod mit einem endgültigen Ende gleichbedeutend ist (Sap 2 , 1 ). An diesen eschatologischen ersten Buchteil schließt sich der zweite Teil an (Sap 6 , 22 - 11 , 1 ), der durch das Übergangsstück Sap 6 , 22 - 25 mit dem ersten verbunden ist. 72 Nach dem Ausblick in die Zukunft zu Beginn des Buches liegt nun der Fokus auf der Gegenwart des Erzählers. Das bestimmende Thema ist die Weisheit ( σοφία ), die der nicht explizit genannte, aber dennoch unverkennbare Erzähler Salomon verkünden will (Sap 6 , 22 ). 73 Nach einer Schilderung seiner Sterblichkeit (Sap 7 , 1 - 6 ) beginnt Salomon zunächst mit der Darlegung seiner Wertschätzung der Weisheit, die er allen anderen Gütern und Reichtümern jeder Zeit vorzuziehen gedenkt (Sap 7 , 7 - 14 ). Dem Lob der Weisheit (Sap 7 , 22 - 8 , 1 ) folgt die metaphorische Rede über die Frau Weisheit, die Salomon als Braut in sein Haus zu führen wünscht (Sap 8 , 2 - 16 ). Im Anschluss daran steht das große Gebet um den Erhalt der Weisheit (Sap 9 , 1 - 19 ), das von einem Übergangsstück eingeleitet wird (Sap 8 , 17 - 21 ). Salomons Motivation, Gott um die Gabe der Weisheit zu bitten, folgt aus der Erkenntnis, dass er durch Weisheit Unsterblichkeit besitzen werde (Sap 8 , 13 . 17 ). Sap 10 , 1 - 11 , 1 schafft den Übergang zum dritten Teil des Buches, doch kann auch dieses Kapitel noch zum Mittelteil gezählt werden, da es das Wirken der Weisheit exemplarisch an Beispielen aus den Büchern Genesis und Exodus nachzeichnet. Der dritte Buchteil (Sap 11 , 2 - 19 , 22 ) ist durch die Übergangsverse Sap 11 , 1 - 4 , die einen Subjektwechsel von der Weisheit hin zu Gott vollziehen, mit dem zweiten Teil verbunden. 74 In diesem umfangreichsten Teil der Sap wird 72 Bizzeti, Sapienza, S. 64 - 67 , hat überzeugend gezeigt, dass Sap 6 , 22 - 25 den ersten mit dem zweiten Buchteil verknüpft. 73 Von den 30 Belegen für σοφία finden sich bis auf sieben im ersten (Sap 1 , 4 . 6 ; 3 , 11 ; 6 , 9 . 12 . 20 . 21 ) und zwei im dritten Teil (Sap 14 , 2 . 5 ) alle übrigen 21 im Mittelteil. 74 Nur noch in der zweiten Digression begegnet σοφία (Sap 14 , 2 . 5 ), wobei in Sap 14 , 2 die Weisheit eines Handwerkers und nicht die Weisheit Gottes gemeint ist, sodass σοφία in 44 <?page no="45"?> in sieben Synkrisen das Wirken Gottes in Israels Geschichte dargestellt, wobei Beispiele aus der Zeit der Wüstenwanderung mit einigen Abwandlungen aus dem Pentateuch aufgenommen werden. 75 Gemäß dem Grundsatz, dass die Feinde Israels, die Ägypter, durch dieselben Naturelemente Strafe erleiden, durch die Israel Wohltaten widerfahren (Sap 11 , 5 ; 11 , 16 ), sind diese sieben Vergleiche aufgebaut. Unterbrochen werden die sieben Synkrisen gleich nach der ersten durch die beiden ausführlichen Digressionen über Gottes Art zu strafen (Sap 11 , 15 - 12 , 27 ) und über die Torheit des Götzendienstes (Sap 12 , 28 - 15 , 19 ). Verbunden sind die drei Buchteile durch dieselbe Intention, den Leser zum Lieben der Gerechtigkeit zu motivieren. Im ersten Teil (Sap 1 , 1 - 6 , 21 ) wird daher das Leben der Gerechten dem Tod der Gottlosen gegenübergestellt. Der sich anschließende zweite Teil (Sap 6 , 22 - 11 , 1 ) zeigt den Weg hin zur Gerechtigkeit auf, der im Lieben und Verlangen der Weisheit besteht. Der dritte Abschnitt (Sap 11 , 2 - 19 , 22 ) fügt eine ausführliche Abhandlung Gottes bisheriger Heilstaten für Israel hinzu, die als Beleg der einseitigen Zusage Gottes zu seinem Volk dienen. Dem Leser dient dieser Schlussteil als Erinnerung an Gottes Verbundenheit mit Israel bzw. mit jedem, der Weisheit und Gerechtigkeit sucht. der in den ersten beiden Buchteilen verwendeten Bedeutung im dritten Teil nur in Sap 14 , 5 vorkommt. 75 1 . Synkrise: Das Wasserwunder (Sap 11 , 6 - 14 ); 2 . Synkrise: Frösche und Wachteln (Sap 16 , 1 - 4 ); 3 . Synkrise: Heuschrecken und eherne Schlange (Sap 16 , 5 - 14 ); 4 . Synkrise: Hagel und Manna (Sap 16 , 15 - 29 ); 5 . Synkrise: Finsternis und Feuersäule (Sap 17 , 1 - 18 , 4 ); 6 . Synkrise: Tod der Erstgeburt (Sap 18 , 5 - 25 ); 7 . Synkrise: Durchzug durchs Rote Meer (Sap 19 , 1 - 12 ). 45 <?page no="47"?> 3 Ü B E R S E T Z U N G V O N S A P 1 , 1 1 - 2 , 2 4 1 , 11 Hütet euch also vor unnützem Murren und bewahrt die Zunge vor übler Nachrede. Denn ein verborgener Ruf wird nicht ohne Konsequenzen dahingehen, und der Mund, der lügt, tötet die Seele. 12 Eifert nicht dem Tod nach in der Verirrung eures Lebens und zieht nicht das Verderben mit eurer Hände Taten herbei. 13 Denn Gott hat den Tod nicht gemacht und er erfreut sich nicht am Vergehen der Lebenden. 14 Denn er hat alles geschaffen, damit es sei, und die geschaffenen Dinge der Welt sind heilsam, und in ihnen ist kein Gift des Verderbens, noch ist die Herrschaft der Unterwelt auf Erden. 15 Denn Gerechtigkeit ist unsterblich. 16 Die Gottlosen haben ihn [sc. den Tod] mit Händen und Worten herbeigerufen, sie hielten ihn für einen Freund und begehrten ihn. Sie schlossen einen Bund mit ihm, weil sie es wert sind, ihm anzugehören. 2 , 1 Denn sie sagten unter sich, indem sie falsch räsonierten: Kurz und traurig ist unser Leben, und es gibt am Ende des Menschen keine Heilung, und es ist niemand bekannt, der aus der Unterwelt herauslöst. 2 Denn zufällig sind wir geboren worden und danach werden wir sein als wären wir nie gewesen. Denn Rauch ist der Atem in unserer Nase und das Wort ein Funke in der Bewegung unseres Herzens. 3 Wenn er erlischt, wird der Körper zu Asche vergehen und der Geist wird zerstreut wie dünne Luft. 4 Und unser Name wird mit der Zeit vergessen werden, und niemand wird unserer Werke gedenken, und unser Leben wird vorübergehen wie die Spur einer Wolke und es wird wie Nebel verweht, der von den Strahlen der Sonne verfolgt und von ihrer Wärme beschwert wird. 47 <?page no="48"?> 5 Denn das Vorübergehen eines Schattens ist unsere Zeit, und es gibt keinen Widerruf unseres Endes, weil es versiegelt ist und niemand zurückkehrt. 6 Wohlan also, und lasst uns die vorhandenen Güter genießen, und lasst uns die Schöpfung eifrig wie in der Jugend in Gebrauch nehmen. 7 Wir wollen uns an kostbarem Wein und Salben sättigen und keine Frühlingsblume ziehe an uns vorüber. 8 Wir wollen uns mit Rosenblüten bekränzen, bevor sie verwelken. 9 Keine Wiese sei ausgenommen von unserem Übermut, überall wollen wir Zeichen unseres Vergnügens zurücklassen, denn dies ist unser Teil und dies ist unser Los. 10 Wir wollen den armen Gerechten unterdrücken, die Witwe nicht verschonen und das graue Haar des betagten Greises nicht respektieren. 11 Aber unsere Stärke sei das Gesetz der Gerechtigkeit, denn das Schwache erweist sich als unnütz. 12 Wir wollen dem Gerechten auflauern, weil er uns unangenehm ist und sich unseren Werken entgegenstellt und uns die Vergehen gegen das Gesetz vorwirft und uns die Vergehen gegen unsere Erziehung vorhält. 13 Er rühmt sich, Kenntnis Gottes zu haben, und nennt sich selbst Kind des Herrn. 14 Er wird uns zur Überführung unserer Gedanken, schwer ist uns sein Anblick. 15 Denn sein Leben ist von den anderen verschieden, und grundverschieden sind seine Wege. 16 Als falsche Münze gelten wir ihm, und er hält sich von unseren Wegen fern wie von Unreinheiten. Er lobt das Ende der Gerechten und rühmt sich, Gott als Vater zu haben. 17 Wir wollen sehen, ob seine Worte wahr sind, und prüfen, wie sein Ende ist. 18 Denn wenn der Gerechte Sohn Gottes ist, wird er sich seiner annehmen und ihn aus der Hand der Unterdrücker erlösen. 19 Mit Frevel und Folter wollen wir ihn prüfen, damit wir seine Milde erkennen und seine Langmut erproben. 48 <?page no="49"?> 20 Wir wollen ihn zu einem unsittlichen Tod verdammen, denn nach seinen Worten wird ihm Fürsorge zuteil. 21 Über diese Dinge räsonierten sie und gingen in die Irre. Denn ihre Schlechtigkeit blendete sie, 22 und sie erkannten nicht die Geheimnisse Gottes, sie hofften nicht auf den Lohn der Frömmigkeit, noch glaubten sie an ein Ehrengeschenk für untadelige Seelen. 23 Denn Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen und er hat ihn zum Abbild seines Wesens 1 gemacht. 24 Aber durch den Neid des Teufels ist der Tod in die Welt hineingekommen, und ihn erfahren diejenigen, die zu ihm gehören. 1 Zu der hier zu treffenden textkritischen Entscheidung, die zwischen den beiden Lesarten ἰδιότητος und ἀϊδιότητος zu wählen hat, vgl. die überzeugende Argumentation Scarpats (Sapienza, Bd. 1 , S. 198 f.) für die Übernahme der lectio difficilior ἰδιότητος . Scarpat weist wie bereits Grimm, Weisheit, S. 7 , darauf hin, dass das sperrige ἰδίας ἰδιότητος keineswegs ungewöhnlich für den Sprachgebrauch der Sapientia ist, da häufig Worte desselben Stammes in enger Verbindung stehen können (vgl. Sap 1 , 8 ; 9 , 3 ; 12 , 12 . 15 ; 13 , 19 ; 14 , 17 ; 17 , 8 ; 19 , 21 ). - In den maßgeblichen Ausgaben der Sap besteht in dieser textkritischen Frage kein Konsens. Während Ziegler ἰδιότητος liest, optiert Rahlfs für ἀϊδιότητος . 49 <?page no="51"?> 4 E X E G E S E V O N S A P 1 , 1 1 - 2 , 2 4 4 . 1 Abgrenzung von Sap 1 , 11 - 2 , 24 Innerhalb des ersten Buchabschnitts steht die Einheit Sap 1 , 11 - 2 , 24 . Dieser Abschnitt gliedert sich in folgende Teile: Sap 1 , 11 - 15 Thematische Einleitung Sap 1 , 16 - 2 , 1 a Rahmenstück zur Rede Sap 2 , 1 b- 20 Erste Rede der Gottlosen Sap 2 , 21 - 24 Rahmenstück zur Rede Im Zentrum steht mit der ersten Rede der Gottlosen (Sap 2 , 1 b- 2 , 20 ) der umfangreichste Teil dieses Abschnitts. Ein einleitendes Rahmenstück (Sap 1 , 16 - 2 , 1 a) geht dieser unmittelbar voraus, das mit dem etwa doppelt so langen Abschlussrahmenstück (Sap 2 , 21 - 24 ) eine mehrfache Inklusion um die Rede bildet. Nach formgeschichtlichen Kriterien ist eine solche Abgrenzung des Textes (Sap 1 , 16 - 2 , 24 ) plausibel, da sowohl Sap 1 , 16 als auch Sap 2 , 24 einen deutlichen Einschnitt darstellen, indem sie die Rede der Gottlosen kommentierend einleiten und abschließen. Deutlichstes Merkmal dieser Abgrenzung ist der Neueinsatz mit ἀσεβεῖς δὲ in Sap 1 , 16 , der im direkten Anschluss an Sap 2 , 24 in Sap 3 , 1 durch δικαίων δὲ ψυχαί seine Entsprechung findet. Diese in den Anfangskapiteln der Sap mehrfach in leichter Abwandlung wiederkehrende Eröffnung einzelner Textabschnitte mit ἀσεβεῖς δὲ (Sap 1 , 16 ; 3 , 10 ; 4 , 3 ) oder δίκαιος δὲ (Sap 3 , 1 ; 4 , 7 ; 5 , 15 ) ist zweifellos ein eindeutiges Gliederungsmerkmal der ersten Kapitel der Sap und somit auch für Sap 1 , 16 - 2 , 24 nicht von der Hand zu weisen. Bestärkt wird die durchaus mögliche Textabgrenzung Sap 1 , 16 - 2 , 24 durch die literarischen Verbindungen zwischen beiden Rahmenstücken, die ebenfalls für die Geschlossenheit von Sap 1 , 16 - 2 , 24 sprechen. 1 So weit entspricht die hier gewählte Abgrenzung der Texteinheit der häufig begegnenden formgeschichtlich klar abgrenzbaren und in sich geschlossenen Einheit Sap 1 , 16 - 2 , 24 . 2 Die für die folgende Untersuchung gewählte Zusammenstellung des Textkomplexes Sap 1 , 11 - 2 , 24 stellt dem Abschnitt Sap 1 , 16 - 2 , 24 jedoch noch die 1 Zu den literarischen Verbindungen zwischen Sap 1 , 16 - 2 , 1 a und Sap 2 , 21 - 24 vgl. den Abschnitt ›Die Rahmung der Rede Sap 1 , 16 - 2 , 1 a und 2 , 21 - 24 ‹. 2 Vgl. z. B. Engel, Weisheit, S. 64 - 79 . 51 <?page no="52"?> Übergangsverse Sap 1 , 11 - 15 voran. 3 Die Ausweitung des im Kontext der Rede der Gottlosen zu betrachtenden Textes gründet sich dabei nicht auf formale Beobachtungen, sondern auf die Dominanz bestimmter Wortfelder in diesem erweiterten Abschnitt. Dabei kommt dem Wortfeld Tod / Leben besondere Bedeutung zu. Aber auch der Gebrauch von Schöpfungsterminologie verbindet Sap 1 , 11 - 15 mit Sap 1 , 16 - 2 , 24 . Als erster semantischer Beleg für die Verknüpfung von Sap 1 , 11 - 15 mit der folgenden Rede der Gottlosen ist der Konkordanzbefund für ὁ θάνατος zu nennen. Vier der insgesamt zehn Belege für θάνατος in der Sap finden sich innerhalb von Sap 1 , 11 - 2 , 24 : zwei Belege in den Eingangsversen Sap 1 , 12 f und ebenfalls zwei in den Schlussversen Sap 2 , 20 . 24 . 4 Auch wird die negative Aussage, Gott habe den Tod nicht gemacht (Sap 1 , 13 ), in Sap 2 , 23 in positiver Wendung wieder aufgenommen, indem die auf Gottes Schöpferwirken beruhende Unvergänglichkeit des Menschen hervorgehoben wird. Dabei werden beide Aussagen, sowohl die negativ gewendete in Sap 1 , 13 als auch die positiv gefasste in Sap 2 , 23 durch ὅτι ὁ θεός eingeleitet. Ebenso werden Sap 1 , 11 - 15 und Sap 1 , 16 - 2 , 24 auch durch den gemeinsamen Gebrauch von Schöpfungsterminologie verbunden, die sich u. a. im Gebrauch der Verben ποιέω und κτίζω widerspiegelt. In Sap 1 , 13 f und Sap 2 , 23 begegnen ποιέω und κτίζω jeweils einmal. Dabei sind die beiden korrespondierenden Aussagen, dass Gott alles geschaffen habe, damit es sei (Sap 1 , 14 ), und dass Gott den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen habe (Sap 2 , 23 a), durch das Verb κτίζω verbunden. Dass Gott den Tod nicht gemacht hat (Sap 1 , 13 ), wird wie die Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gottes Wesen (Sap 2 , 23 b) durch das Verb ποιέω ausgesagt. Es lassen sich darüber hinaus weitere Verbindungslinien in das abschließende Rahmenstück der Rede der Gottlosen aufzeigen, die eine thematische Verknüpfung von Sap 1 , 11 - 15 mit dem gesamten Abschnitt Sap 1 , 16 - 2 , 24 offenbaren. Das Motiv des Irrens bzw. Verirrens tritt sowohl in Sap 1 , 12 ( ἐν πλάνῃ ) als auch in Sap 2 , 21 ( ἐπλανήθησαν ) auf. Zwei durch ὁ κόσμος miteinander verbundene Verse seien als letzter Beleg für die sowohl literarisch als auch thematisch enge Verbindung zwischen dem einleitenden Abschnitt Sap 1 , 11 - 15 und dem Abschlussrahmenstück Sap 2 , 21 - 24 angeführt. Die geschaffenen Dinge der Welt werden zunächst als »heilsam« ( σωτήριοι Sap 1 , 14 b) charakterisiert, denen aber die Machtsphäre des »Hades« (Sap 1 , 14 d) und der todbringende »Neid des Teufels« (Sap 2 , 24 ) gegenüberstehen. Mit dem Gegenüber von Gottes heilvoller Schöpfung und dem neidischen und tod- 3 Bzgl. der literarischen Verbindungen zwischen Sap 1 , 11 - 15 und Sap 2 , 21 - 24 vgl. Werner, Gerechtigkeit, S. 26 - 61 , besonders S. 37 . 4 Die übrigen sechs Belege stehen allesamt im dritten Buchteil: Sap 12 , 20 ; 16 , 13 ; 18 , 12 . 16 . 20 ; 19 , 5 . 52 <?page no="53"?> bringenden Teufel sind die beiden Eckpfeiler genannt, die den Auftakt und den Abschluss von Sap 1 , 11 - 2 , 24 bilden. Neben diesen bisher auf Sap 1 , 11 - 15 und Sap 2 , 20 - 24 beschränkten Verknüpfungen bestehen weitere Verbindungen, die den Anschluss des einleitenden Teils an die gesamte gerahmte Rede plausibel erscheinen lassen. Die in Sap 1 , 12 ausgesprochene Warnung, nicht mit den Werken der eigenen Hände das Verderben herbeizuziehen, klingt in der Feststellung, die Gottlosen haben mit Händen und Worten den Tod herbeigerufen (Sap 1 , 16 ), wieder an. Ferner ist das Stichwort ᾅδης in Sap 1 , 14 und Sap 2 , 1 ein weiterer Beleg für die Verwobenheit der thematischen Einleitung mit dem in sich geschlossenen Redenkomplex Sap 1 , 16 - 2 , 24 . Somit bildet Sap 1 , 11 - 15 den Auftakt des folgenden Abschnitts Sap 1 , 16 - 2 , 24 und kann daher mit guten Gründen als thematische Einleitung zur Rede der Gottlosen hinzugezogen werden. 4 . 2 Sap 1 , 11 - 15 . Exposition zur Rede der Gottlosen: Die Schöpfung zum Sein »Denn Gott hat den Tod nicht gemacht [. . .]. Denn er hat alles geschaffen, damit es sei« (Sap 1 , 13 f). Diese Schöpfungsaussagen leiten vom Proömium zur ersten Rede der Gottlosen und den sich daran anschließenden Gegenüberstellungen von Gerechten und Ungerechten in Sap 2 - 5 über. Die Themen Tod und Sein werden zu Beginn der Konfrontation dieser beiden Personengruppen in Form von grundlegenden Kommentaren vorangestellt. In komprimierter und sachlicher Sprache präfiguriert die Exposition die z. T. poetischen Gegenüberstellungen der Gottlosen mit den Gerechten in Sap 2 - 5 . Die Funktion der in Sap 2 - 5 dargelegten Gedanken, Taten und Schicksale der Gottlosen und der Gerechten ist es somit, die knappen und dichten Aussagen der Exposition zu illustrieren. Sap 1 , 11 - 15 kann daher als Antizipation der folgenden Kapitel gelesen werden. 5 4 . 2 . 1 Sap 1 , 11 . Todbringendes Murren Sap 1 , 11 markiert einen Einschnitt im Buchproömium (Sap 1 , 1 - 15 ) und leitet mit einer Schlussfolgerung ( τοίνυν ) dessen Abschluss ein. Der Anschluss von Sap 1 , 11 an Sap 1 , 1 - 10 ist dabei sowohl durch die erneute Verwendung eines Imperativs ( φυλάξασθε ) 6 als auch durch die Wiederaufnahme von γογ- 5 Vgl. zur Interpretation des Todes in Sap 1 , 11 - 15 und damit auch in der anschließenden Rede der Gottlosen mit ihren Rahmenkommentaren Scarpats Exkurs »La duplice morte« (Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 95 - 102 ). 6 Vgl. die Imperative ἀγαπήσατε , φρονήσατε , ζητήσατε in Sap 1 , 1 . 53 <?page no="54"?> γυσμός aus Sap 1 , 10 gewährleistet, so dass der Bezug von Sap 1 , 11 - 15 auf die vorangehenden Verse eindeutig ist. Nachdem in den Eingangsversen grundlegende Feststellungen bezüglich des menschlichen Gottesverhältnisses getroffen wurden, werden ab Sap 1 , 11 die daraus resultierenden Konsequenzen gezogen. Da sich Gott nur von denjenigen finden lässt, die ihn nicht versuchen (Sap 1 , 2 ), da krumme Gedanken von Gott trennen (Sap 1 , 3 ), und da schließlich das eifersüchtige Ohr, d. h. Gott, alles hört und ihm kein Murren verborgen bleibt (Sap 1 , 10 ), warnen die Imperative φυλάξασθε und φείσασθε vor einem Verhalten, das diesen Aufforderungen widerspricht. Um die Überzeugungskraft dieser Warnung zu verstärken, ist Sap 1 , 11 klar gegliedert. Sap 1 , 11 ab bilden einen chiastischen Parallelismus Membrorum, dessen zwei Teile vor unnützem Murren und übler Nachrede warnen. In der ebenfalls zweigliedrigen zweiten Vershälfte wird mit ὅτι die Begründung dieser Warnung angeschlossen. Darin wird erstmalig in der Sap die Todesthematik erwähnt, die die ausführlichen Gegenüberstellungen von Gottlosen und Gerechten in Sap 2 - 5 bestimmt. Die Verweigerung gegenüber den in Sap 1 , 1 - 10 vorangehenden Aufforderungen und Aussagen zum Gottesverhältnis werden so in letzter Konsequenz auf die Todesthematik zugespitzt. Sap 1 , 11 a. Warnung vor nutzlosem Murren φυλάξασθε τοίνυν γογγυσμὸν ἀνωφελῆ Hütet euch also vor unnützem Murren Der erste Teil der ethischen Mahnung wird mit dem Imperativ Aorist Medium φυλάξασθε eingeleitet. Das an dieser Stelle mit »hüten vor« zu übersetzende Verb φυλάσσω ist im Alten Testament sehr häufig belegt. Beispielhaft sei hier auf den Gebrauch des Mediums φυλάξεσθε / φυλάξασθε im Heiligkeitsgesetz hingewiesen. Statt mit »hüten vor« ist das Medium dort immer mit »bewahren / einhalten« zu übersetzen. Objekte zu φυλάσσω sind in der Septuagintafassung von Lev zahlreiche Synonyme für ὁ νόμος . 7 Eine spezifische Konnotation des Verbes ist aber aufgrund der sehr breiten Bezeugung in der Septuaginta nicht abzuleiten. Es ist allerdings auffällig, dass aktive Verbformen von φυλάσσω in der Sap mit ὁ νόμος (Sap 6 , 4 ) und mit τὰ ὅσια (Sap 6 , 10 ) verbunden sind und zum Einhalten der Tora auffordern. Auch in der pseudepigraphen Literatur des hellenistischen Judentums ist dieser 7 Für den Indikativ Futur Medium φυλάξεσθε vgl. Lev 18 , 4 f. 26 ; 19 , 3 . 19 . 30 . 37 ; 20 , 8 ; 26 , 2 . Diese Futurformen sind alle imperativisch zu übersetzen. Für den Imperativ Aorist Medium φυλάξασθε vgl. Lev 20 , 22 ; 25 , 18 . Objekte zu φυλάσσω sind in Lev τὰ προστάγματα, τὰ νόμιμα, τὰ σάββατα, ὁ νόμος, τὰ κρίματα, τὰ δικαιώματα, αἱ κρίσεις, αἱ ἐντολαί . 54 <?page no="55"?> Gebrauch von φυλάσσω bezeugt. 8 Es ist daher zu erwägen, ob das Verb φυλάσσω Assoziationen an die Tora wecken soll. Auch wenn in Sap 1 , 11 a mit φυλάσσω eindeutig eine Abkehr vom negativen Murren gefordert wird und keine Hinwendung zur Tora, könnte hier dennoch auf die Gegenüberstellung von todbringendem Murren und Unvergänglichkeit garantierender Tora (Sap 6 , 18 ) angespielt sein. Mit γογγυσμός ist in Sap 1 , 11 der Wortstamm γογγυaufgenommen, der in der Septuaginta »immer eine gottlose oder gottferne Haltung des Menschen« 9 bezeichnet. Diese mit γογγυσμός oder auch gleichbedeutend mit den Verben γογγύζω und διαγογγύζω beschriebene gottferne Haltung des Menschen zeigt sich in der Septuaginta besonders im Exodusgeschehen entweder im direkten Murren gegen Gott selbst, 10 oder aber in der indirekten Auflehnung gegen Gottes Plan, im Murren gegen die von Gott erwählten Mose und Aaron. 11 Auch für die beiden einzigen Belegstellen dieses Wortstammes in der Sap in Sap 1 , 10 f ist daher anzunehmen, dass das Murren Ausdruck der Auflehnung des Menschen ist, der nicht mehr bereit ist, Gottes Stimme zu hören. 12 Sap 1 , 11 warnt daher vor der Gefahr, die Seele durch eine törichte Geisteshaltung oder - wie es Sap 2 , 1 . 21 im Anschluss formulieren - durch falsches Räsonieren ( λογίζομαι ) zu töten. Mit γογγυσμός ist das Hapaxlegomenon ἀνωφελής verbunden. Das Bedeutungsspektrum von ἀνωφελής reicht in der Septuaginta von »nutzlos« (Jes 44 , 10 ; Jer 2 , 8 ) bis »schädlich« (Prov 28 , 3 ; PsSal 16 , 8 ). 13 In der Sap wird an zwei Stellen der in Sap 1 , 11 anklingende Aspekt der Nützlichkeit im Verb ὠφελέω wieder aufgegriffen. Die erste Aufnahme geschieht in der zukünftigen Bußrede der Gottlosen, in der diese angesichts des für sie vernichtenden Gerichts sich selbst die Frage nach dem Nutzen ihres vergangenen Übermuts, 8 Unter den zahlreichen Belegen für φυλάσσω findet sich häufig die Verbindung von aktiven Formen des Verbes φυλάσσω und νόμος / ἐντολή (ApcMos 10 , 2 ; 23 , 3 ; 24 , 3 ; 39 , 1 ; TestXII.Is 5 , 1 f; TestXII.Zab 5 , 1 ; 10 , 2 ; TestXII.Jos 19 , 6 ; TestXII.Ben 10 , 5 ). Der mediale Gebrauch ist u. a. in TestXII.Rub 4 , 5 und TestXII.Sim 3 , 1 ; 4 , 5 belegt; allerdings nur in TestXII.Rub 4 , 5 in Verbindung mit ἐντέλλομαι . In TestXII.Sim 3 , 1 ; 4 , 5 ist φυλάσσω mit πλάνη und φθόνος verbunden, zwei Begriffe, die auch im Kontext von Sap 1 , 11 b zu finden sind. 9 Rengstorf, Art. γογγύζω , S. 729 . 10 Ex 16 , 7 . 8 . 9 . 12 ; Num 11 , 1 ; 14 , 27 . 29 ; 17 , 25 ; Dtn 1 , 27 ; ψ 105 , 25 ( 106 , 25 ). 11 Ex 15 , 24 ; 16 , 2 . 7 . 8 ; 17 , 3 ; Num 14 , 2 . 36 ; 16 , 11 ; 17 , 6 . 20 . 12 Vgl. Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 125 . 13 Neben Prov 28 , 3 ; PsSal 16 , 8 ; Jes 44 , 10 ; Jer 2 , 8 gibt es keine weiteren Belege für ἀνωφελής in der Septuaginta. Bemerkenswert ist, dass in Prov 28 , 3 ein ähnlicher Zusammenhang zwischen ἀνωφελής und ἀσέβεια besteht wie in Sap. »Ein gottloser Mann« ( ἀνδρεῖος ἐν ἀσεβείαις ), der die Armen betrügt, wird in Prov 28 , 3 mit »schädlichem Regen« ( ὑετὸς ἀνωφελής ) verglichen. Dies entspricht dem unnützen bzw. schädlichen Murren derjenigen, die ab Sap 1 , 16 mit dem Tod assoziiert werden, d. h. der Gottlosen ( ἀσεβεῖς ). 55 <?page no="56"?> Reichtums und ihrer Prahlerei stellen ( τί ὠφέλησεν Sap 5 , 8 ). Einer Antwort bedarf es hierauf gar nicht mehr, so offensichtlich ist die Nutzlosigkeit dieser vermeintlichen Reichtümer. Damit entlarven sie selbst ihre in der ersten Rede aus der physischen Vergänglichkeit (Sap 2 , 1 - 5 ) gezogene Lebensmaxime, die auf Lustgewinn und Gewaltexzesse ausgerichtet war (Sap 2 , 6 - 20 ), als nutzlosen Trugschluss. Auch die zweite Verwendung des Verbes ὠφελέω stellt gegenwärtiges Handeln einer Erwägung über zukünftige Nützlichkeit gegenüber. Das abschließende Wort des Übergangsstücks Sap 6 , 22 - 25 ( ὠφεληθήσεσθε ) betont unmittelbar vor Beginn der zentralen Kapitel Sap 7 - 9 die zukünftige Nützlichkeit der folgenden Worte Salomons. 14 Wer sich in Salomons Worten unterweisen lässt und sich im Gebet um den Erhalt der Weisheit bemüht, wird einen Gewinn erhalten, der demjenigen, der sich nutzlosem Murren hingibt, entgeht. Beide Aussagen über den Nutzen (Sap 6 , 25 ) oder auch die Nutzlosigkeit (Sap 1 , 11 ) menschlicher Worte sind in ihrem jeweiligen Kontext eng mit den Themen Tod und Unsterblichkeit verbunden. Das Murren (Sap 1 , 11 ) wird sich gerade darin als nutzlos erweisen, dass es auf den Tod zuführen wird (Sap 1 , 12 ). 15 Unsterblichkeit zu erhalten ist dagegen demjenigen vorbehalten, der um Weisheit bittet (Sap 7 , 7 . 15 ; 8 , 13 ). Im Erhalt der Unsterblichkeit wird sich der in Sap 6 , 25 angekündigte Nutzen erweisen. 16 Angesichts dieser Konsequenzen, kann die Warnung, sich vor unnützem Murren zu hüten, kaum ernst genug genommen werden. Sap 1 , 11 b. Warnung vor übler Nachrede gegen Gott und den Nächsten καὶ ἀπὸ καταλαλιᾶς φείσασθε γλώσσης und bewahrt die Zunge vor übler Nachrede Nach der Warnung vor unnützem Murren schließt sich eine weitere Ermahnung an, die ebenfalls auf ein verbales Vergehen, auf »die üble Nachrede« ( καταλαλιά ), abzielt. In der Septuaginta ist καταλαλιά Hapaxlegomenon. Auch in den Schriften des zeitgenössischen Judentums und des frühen Christentums finden sich nur wenige Belegstellen. Neben TestXII.Gad 3 , 3 ist καταλαλιά in ApcBar(gr) 8 , 5 ; 13 , 4 in zwei Lasterkatalogen bezeugt. In ApcBar(gr) werden die καταλαλιαί (Pl.) im jeweiligen Kontext gemeinsam mit weiteren Vergehen zu den Ungerechtigkeiten 17 gegenüber dem Nächsten gezählt. Gleiches gilt von zwei Belegen in neutestamentlichen Lasterkatalogen, in denen 14 Hübner, Weisheit, S. 92 , beschreibt diesen Sachverhalt gar als Utilitarismus. 15 In diesem Sinn gibt Grimm, Weisheit, S. 58 , ἀνωφελής mit »unheilbringend« wieder. 16 Vgl. Prov 10 , 2 οὐκ ὠφελήσουσιν θησαυροὶ ἀνόμους δικαιοσύνη δὲ ῥύσεται ἐκ θανάτου »Schätze werden keinen Nutzen haben, aber die Gerechtigkeit wird die Gesetzlosen vom Tod erretten.« 17 ApcBar(gr) 8 , 5 αἱ ἀνομίαι καὶ αἱ ἀδικίαι . 56 <?page no="57"?> die καταλαλιά zu den Vergehen der Briefadressaten gegen ihre Nächsten gerechnet wird. 18 Über diesen recht schmalen Befund für das Substantiv καταλαλιά hinaus können traditionsgeschichtliche Erwägungen auch vom Verb καταλαλέω her erfolgen. In der Septuaginta kann καταλαλέω sowohl »ein Aufbegehren gegen Gott« 19 als auch »die Verleumdung des Nächsten« 20 bezeichnen. In außerkanonischen Schriften des hellenistischen Judentums wird durch καταλαλέω »die Verleumdung des Nächsten« bezeichnet. 21 Eine besondere inhaltliche Nähe zu Sap 1 , 11 weist TestXII.Gad 5 , 3 f auf, in dessen Kontext ähnliche Wortfelder wie in Sap aufgenommen werden. Der für Sap charakteristische Gegensatz von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit ist auch in TestXII.Gad belegt. Nach TestXII.Gad 5 , 3 f scheut sich der Gerechte, Unrecht zu tun. Er verleumdet auch seinen Nächsten nicht, da ihn seine Gottesfurcht davor bewahrt. Es ist die Gerechtigkeit, die seinen Hass austreibt. Während der Geist der Liebe gemeinsam mit dem Gesetz Gottes zur Rettung führt, bewirken Hass, Kleinmut und der Satan den Tod (TestXII.Gad 4 , 7 ). Die Gefahr des durch Hass provozierten Verleumdens des Nächsten besteht also darin, dass das Verleumden zum Tod des Menschen führen wird (TestXII.Gad 4 , 7 ). In Sap 1 , 11 b werden beide Aspekte von καταλαλιά aufgenommen, die in der Septuaginta belegt sind. Allerdings findet in den pseudepigraphen Schriften des antiken Judentums und somit auch in Sap 1 , 11 eine Akzentverschiebung statt. Während γογγυσμός besonders das gegen Gott gewandte Verhalten hervorhebt, schwingt diese Bedeutung zwar auch bei καταλαλιά mit, 22 jedoch ist schwerpunktmäßig die Verleumdung des Nächsten im Blick. 23 Im Hinblick auf die folgende Rede kommt καταλαλιά eine antizipierende Funktion zu. Wie das Verleumden des Nächsten aussieht, wird ebenso wie die Konsequenz eines solchen Verleumdens in den Reden der Gottlosen ausgemalt (Sap 2 , 1 b- 20 + 5 , 4 - 13 ). 18 II Kor 12 , 20 und I Petr 2 , 1 . I Petr 2 , 1 liest sich wie eine Zusammenstellung der Vergehen, die auch in Sap von zentraler Bedeutung sind: ᾽ Αποθέμενοι οὖν πᾶσαν κακίαν (vgl. Sap 2 , 21 ; 4 , 11 u. ö.) καὶ πάντα δόλον (vgl. Sap 1 , 5 ; 4 , 11 ) καὶ ὑποκρίσεις καὶ φθόνους (vgl. Sap 2 , 24 ; 6 , 23 ) καὶ πάσας καταλαλιάς (vgl. Sap 1 , 11 ). 19 Num 21 , 5 . 7 ; ψ 77 , 19 ( 78 , 19 ); Hos 7 , 13 ; Mal 3 , 13 . 20 Num 21 , 7 ; ψ 49 , 20 ( 50 , 20 ); 100 , 5 ( 101 , 5 ); 118 , 23 ( 119 , 23 ). 21 TestXII.Is 3 , 3 f; TestXII.Gad 5 , 3 f; TestAbr B 12 , 6 . 22 Durch den Parallelismus Membrorum, der γογγυσμός und καταλαλιά gegenüberstellt, bleibt der enge Zusammenhang von Vergehen gegen Gott und solchen gegen den Nächsten gewahrt. Das untrennbare Verhältnis von unmoralischem Verhalten gegenüber dem Nächsten und gegenüber Gott ist auch in der ersten Rede der Gottlosen zu beobachten. Ihr verwerfliches Verhalten gegenüber dem Nächsten ist untrennbar mit ihrer defizitären Gotteserkenntnis verbunden. 23 So auch Vílchez, Sapienza, S. 162 , und Larcher, Sagesse, Bd. 1 , S. 192 . Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 125 , hält dagegen auch καταλαλιά ausschließlich für ein Murren gegen Gott. 57 <?page no="58"?> Mit dem Imperativ φείσασθε 24 wird die bereits in Sap 1 , 11 a ausgesprochene Warnung vor einem Reden gegen Gott und den Nächsten mit Nachdruck bekräftigt und ebenfalls die Konsequenz aus Sap 1 , 1 - 10 gezogen. Dass es sich in Sap 1 , 11 b wie schon beim Murren in Sap 1 , 11 a um ein rein verbales Vergehen handelt, verdeutlicht das Objekt γλῶσσα . Sap 1 , 11 c. Begründung: Die Konsequenzen ὅτι φθέγμα λαθραῖον κενὸν οὐ πορεύσεται Denn ein verborgener Ruf wird nicht ohne Konsequenzen dahingehen Auf die beiden Imperative folgt nun die Begründung. Durch das gnomische Futur πορεύσεται wird auf die Konsequenzen hingewiesen, die selbst auf verborgenes Rufen, d. h. auf verborgenes Murren und Verleumden, folgen werden. Es zeigt sich in diesem Teilvers einmal mehr, dass der Wortschatz der Sap über den der sonstigen Bücher der Septuaginta hinausgeht. Für φθέγμα findet sich in der Septuaginta nur noch ein weiterer Beleg in Hi 6 , 26 , während λαθραῖος Hapaxlegomenon ist. Auch in den Schriften des zeitgenössischen Judentums ist λαθραῖος kaum 25 und φθέγμα gar nicht bezeugt. Wie schon in Sap 1 , 11 ab ist auch das verborgene Rufen ein rein verbales Vergehen. Die Entscheidung darüber, ob φθέγμα λαθραῖον ein Rufen gegen Gott oder gegen den Nächsten ist, erfolgt im Anschluss an Sap 1 , 11 ab. Da es sich dort sowohl um ein Auflehnen gegen Gott als auch gegen den Nächsten handelte, ist dies auch für Sap 1 , 11 c anzunehmen. Durch das Futur πορεύσεται wird auf eine Situation hingewiesen, in der diejenigen zur Rechenschaft gezogen werden, die den Anweisungen aus den beiden vorangehenden Stichoi keine Folge leisten. Es legt sich aufgrund von Sap 5 , 1 - 14 nahe, hierbei an ein künftiges Gerichtsszenario zu denken. Daher kann κενός auch mit »ungestraft« übersetzt werden. 26 Sap 1 , 11 d. Begründung: Die tödliche Macht des Wortes über die Seele στόμα δὲ καταψευδόμενον ἀναιρεῖ ψυχήν und der Mund, der lügt, tötet die Seele Der zweite Teil der Begründung ist mit δὲ angeschlossen, ohne dass dadurch ein Gegensatz geschaffen werden soll. 27 Wie schon φθέγμα λαθραῖον nimmt auch στόμα καταψευδόμενον auf das Murren und Verleumden in Sap 1 , 11 ab Bezug. Das Verb καταψεύδομαι ist außer in Sap 1 , 11 weder in der Septuaginta 24 Das Verb φείδομαι steht in Sap fünfmal: Sap 1 , 11 ; 2 , 10 ; 11 , 26 ; 12 , 8 . 16 . 25 Sib 3 , 142 ; PhilEp 9 , 24 , 1 (Eus., Pr. Ev. IX, 24 , 1 ); Philo, All 3 , 17 . 26 So z. B. Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 109 . 27 Vgl. Blass, Grammatik, § 447 . 1 f. 58 <?page no="59"?> noch im Neuen Testament belegt. 28 Den Aufforderungen, sich des Murrens und Verleumdens zu enthalten, verleiht der abschließende Teil der Begründung durch eine thematische Zuspitzung Nachdruck. Die in Sap 1 , 11 c nur vage angekündigten Konsequenzen werden in Sap 1 , 11 d konkretisiert: Wer murrt, verleumdet und lügt, der tötet die Seele. Damit ist der Grund genannt, weshalb man sich vor Murren etc. hüten soll. Das Töten der Seele wird als Folge menschlichen Fehlverhaltens dargestellt. Mit dem Begriff ψυχή werden unweigerlich Assoziationen mit der Unterscheidung von Leib und Seele in der platonischen Tradition geweckt. Exkurs ψυχή Eine besonders profilierte Darstellung des platonischen Seelenverständnisses findet sich in der pseudoplatonischen Schrift ›Axiochos‹, an der beispielhaft die pagane Auffassung der Differenzierung von Seele und Körper verdeutlicht werden soll. In dem darin geschilderten Gespräch versucht Sokrates, Axiochos die Angst vor dem Tod zu nehmen. Nachdem die ersten drei Argumentationsgänge des Sokrates erfolglos bleiben, 29 gelingt es ihm in einem abschließenden vierten Durchgang, Axiochos die Furcht vor dem Sterben zu nehmen, indem er ihn von der Unsterblichkeit der Seele eines jeden Menschen überzeugt. 30 Da jeder Seele ein Hauch von Göttlichem ( θεῖον πνεῦμα ) innewohnt, 31 stellt der irdische Tod nicht die völlige Vernichtung dar, sondern den Wechsel in die Unsterblichkeit. 32 Es wird sogar ein Genuss sein, vom sterblichen Körper, dem Gefängnis, das Mühsal, Seufzen und Alterung mit sich bringt, befreit zu sein. 33 Alle Beschwernisse, die aus der Verbindung mit dem irdischen Körper folgen, wird die vom Leib losgelöste Seele hinter sich lassen und ein friedliches und von allen Übeln unbelastetes Leben führen. 34 Die Anknüpfung an den bereits bei Platon selbst ausgeführten Leib-Seele-Dualismus ist unverkennbar. 35 Auch der Religionsphilosoph Plutarch nimmt in seiner Schrift ›De facie quae in orbe lunae apparet‹ Platons Unterscheidung von unvergänglicher Seele und 28 In der Literatur des hellenistischen Judentums begegnet καταψεύδομαι nur noch in TestAbrB 10 , 6 . 29 Die Argumente lauten: ( 1 ) Axiochos’ Angst vor dem Tod ist inkonsistent. ( 2 ) In Anlehnung an Prodikos: Da das Leben voller Leid ist, ist es unbegründet, daran festhalten zu wollen. ( 3 ) In Anlehnung an Prodikos: Der Tod affiziert weder die Lebenden noch die Toten. Im ersten Argumentationsgang klingen bereits die Argumente der Unsterblichkeit der Seele und des Leib-Seele-Dualismus an. ῾ Ημεῖς μὲν γὰρ ἐσμεν ψυχή, ζῷον ἀθάνατον ἐν θνητῷ καθειργμένον φρουρίῳ »Wir sind nämlich Seele, ein unsterbliches Lebewesen, eingeschlossen in einer sterblichen Festung« (Ax. 365 e). Infolgedessen kann das Loskommen vom Leben als die Veränderung von etwas Schlechtem zu etwas Gutem bezeichnet werden (Ax. 366 b). 30 Ax. 372 a οἶδα, ὃτι ψυχὴ ἃπασα ἀθάνατος . 31 Ax. 370 c. 32 Ax. 370 c ῞ Ωστε οὐκ εἰς θάνατον ἀλλ’ εἰς ἀθανασίαν μεταβάλλεις, ὦ ᾽ Αξίοχε . 33 Ax. 370 cd. 34 Ax. 370 d. 35 Tim. 43 a. 59 <?page no="60"?> vergänglichem Körper auf. Im Schlussmythos dieses Werkes führt Plutarch sein Verständnis von der Zusammensetzung menschlichen Lebens aus. Die drei konstitutiven Elemente menschlicher Existenz νοῦς , ψυχή und σῶμα ordnet er dabei den Himmelskörpern Sonne ( νοῦς ), Mond ( ψυχή ) und Erde ( σῶμα ) zu. 36 Das Leben auf der Erde ist durch die Einheit dieser drei Elemente bestimmt, wobei die Seele bestrebt ist, sich vom irdischen Körper zu lösen, um möglichst wieder zu ihrem Ursprungsort, dem Mond, zurückzukehren. Dazu bedarf es jedoch des irdischen Todes, der die Seele gemeinsam mit dem Geist aus dem Körper herauslöst und die Bedingung für eine Rückkehr der ψυχή zum Mond, ihrem Vaterland, schafft. In einem zweiten Tod, der im Vergleich mit dem ersten Tod deutlich sanfter ist, werden schließlich ψυχή und νοῦς voneinander getrennt. 37 Plutarch differenziert in diesem Prozess zwischen »tugendhaften« ( αἱ ἐπιεικεῖς ) sowie »ungerechten und zügellosen« ( αἱ ἄδικοι καὶ ἀκόλαστοι ) Seelen. 38 Die tugendhaften Seelen müssen nach dem ersten Tod, wenn sie gemeinsam mit den ungerechten zwischen Erde und Mond schweben, lediglich eine kurze Zeit von den Befleckungen des irdischen Körpers rein werden, um zum Mond zurückkehren zu können. Der Weg der ungerechten Seelen ist dagegen beschwerlicher. Ihnen ist aufgrund ihrer Verfehlungen eine Bußstrafe auferlegt. Die Rückkehr der ungerechten Seelen ist gegenüber der der guten Seelen infolgedessen mit eindeutig größeren Hindernissen und Verzögerungen verbunden. 39 Trotz dieser Erschwernisse besteht kein Zweifel daran, dass auch die ungerechten Seelen zu ihrem Ursprungsort, dem Mond, zurückkehren werden. 40 Diese Differenzierung zwischen übergeordneter Seele und gering geschätztem Körper ist der Septuaginta weitgehend fremd. In der griechischen Übersetzung wird ψυχή überwiegend für das hebräische שׁפנ verwendet, das zumeist die ganze Person in ihrer Einheit von Körper und Leben bezeichnet. 41 Ebenso ist durch die Gleichsetzung von Seele und Leben in 1 Mac 2 , 38 ; 9 , 2 und 2 Mac 14 , 38 keinesfalls auf eine Unterscheidung von Seele und Körper hingewiesen. Auch dort, wo שׁפנ bzw. ψυχή mit »Seele« zu übersetzen sind, soll in der Regel nicht auf die griechische Unterscheidung von Leib und Seele angespielt werden. Vielmehr ist an diesen Stellen mit שׁפנ / ψυχή gemäß alttestamentlicher Vorstellung die Seele als Sitz von 36 De facie 28 , 943 a. 37 De facie 28 , 943 ab. 38 De facie 28 , 943 c. 39 De facie 28 , 943 c. 40 De facie 30 , 945 b. 41 Zentraler Beleg ist Gen 2 , 7 . Vgl. Jacob, Art. ψυχή , S. 617 f. 629 . Gelegentlich kann ψυχή auch als Übersetzung für חור , יח und בל verwendet werden. Belege bei Jacob, Art. ψυχή , S. 614 . In diesem Sinne ist ψυχή auch in Sir 21 , 2 zu übersetzen ( ὡς ἀπὸ προσώπου ὄφεως φεῦγε ἀπὸ ἁμαρτίας ἐὰν γὰρ προσέλθῃς δήξεταί σε ὀδόντες λέοντος οἱ ὀδόντες αὐτῆς ἀναιροῦντες ψυχὰς ἀνθρώπων »Flieh vor der Sünde wie vor der Schlange. Denn wenn du ihr zu nahe kommst, so beißt sie dich. Löwenzähne sind ihre Zähne, sie töten das Leben der Menschen.«). Obwohl die Konstruktion von Sir 21 , 2 an Sap 1 , 11 erinnert, ist mit ψυχή jeweils Unterschiedliches gemeint. In Sir 21 , 2 bezeichnet ψυχή die Einheit von Körper und Leben. In Sap 1 , 11 ist ψυχή dagegen Ausdruck eines von griechischem Denken beeinflussten Seelenverständnisses. 60 <?page no="61"?> Geist und Gemüt des Menschen gemeint. 42 Es ist jedoch unverkennbar, dass z. B. die Übersetzung von שׁפנ / רשׂב durch ψυχή / σάρξ in Jes 10 , 18 und ψ 62 , 2 ( 63 , 2 ) Assoziationen an den griechischen Leib-Seele-Dualismus weckt. Die der hebräischen Anthropologie fremde Unterscheidung von Körper und Seele klingt im Griechischen hier zumindest an. Am weitesten von den Büchern der Septuaginta nähert sich neben der Sap das 4 . Makkabäerbuch einer dualistischen Anthropologie an. 4 Mac 13 , 13 trennt deutlich zwischen dem Leib und der von Gott gegebenen Seele. Die dem griechischen Denken entnommene Seelenlehre wird in 4 Mac 13 , 15 aber sogleich in einen urjüdischen Rahmen gestellt, indem sie mit der Gesetzesthematik verbunden wird. Diejenigen, die das Gesetz übertreten ( τοῖς παραβᾶσι τὴν ἐντολὴν τοῦ θεοῦ ), provozieren einen gefährlichen Seelenkampf mit ewiger Qual. Doch die Seele kann nicht nur Bestrafung, sondern auch Belohnung empfangen ( 4 Mac 18 , 23 ). Deutlicher als in der Septuaginta sind die Einflüsse des griechischen Leib-Seele- Dualismus in den außerkanonischen Schriften des hellenistischen Judentums. 43 Zwar finden sich auch Belege für den traditionell alttestamentlichen Gebrauch von ψυχή , 44 aber die Scheidung von Leib und Seele ist unverkennbar geläufig. In Ps-Phok 105 - 108 wird deutlich zwischen dem Leib, der verstorben ist, und der Seele, die trotz des Verscheidens des Körpers unversehrt bleibt, unterschieden. 45 Nach dem Tod wird der Körper wieder zu Staub verfallen, während die Seele weiterlebt und vom Luftreich aufgenommen wird. Auch ApkEsr 7 , 3 trennt zwischen der Seele, die nach dem Tod in den Himmel eingeht, und dem Leib, der von der Erde ist und zur Erde zurückkehrt. Der Fortgang der Seele wird nach TestXII.As 6 , 5 f unruhig und qualvoll für diejenigen, die zu irdischen Lebzeiten dem bösen Geist gedient haben. Dagegen werden die Seelen, die ruhig und mit Freude fortgehen, vom Engel des Friedens ins Leben geleitet. In TestJob 52 wird eine ähnliche Himmelfahrt der Seele nachgezeichnet. Während der Leib Hiobs zu Grabe getragen wird, wird die Seele des Verstorbenen auf den Cherubenwagen gehoben und gen Osten ins Paradies geflogen. Nach ApcBar(syr) 30 , 2 - 5 werden während der Zeit der Auferstehung die in einer Schatzkammer aufbewahrten Seelen der Gerechten dieser freudig entsteigen. Im Kontrast dazu erfahren die Seelen der Gottlosen Peinigung und Vergehen. In ähnlicher Weise differenziert auch TestAbrB 8 f zwischen zwei verschiedenen Seelenschicksalen. Wenige Seelen, wie z. B. die Abrahams, werden ins Leben geführt, während die deutlich größere Zahl der Seelen vom Todesengel ins Verderben geleitet wird. Verbunden mit dieser Scheidung ist der Gerichtsgedanke. Im Unterschied dazu ergeht nach ApokrEz 1 , 17 46 das Gericht über Körper und Seele gemeinsam. Die Differenzierung zwischen Leib und Seele wird allerdings nicht ausschließlich 42 Zum Beispiel ψ 30 , 10 ( 31 , 10 ); 32 , 20 ( 33 , 20 ); 61 , 2 ( 62 , 2 ). Vgl. Jacob, Art. ψυχή , S. 630 . 43 Die folgenden Ausführungen zur Verwendung von ψυχή in den außerkanonischen Schriften des hellenistischen Judentums sind eng angelehnt an Dihle, Art. ψυχή , S. 631 . Vgl. hierzu den Abschnitt »Preexistence and Immortality of the Soul« bei Winston, Wisdom, S. 25 - 32 . 44 So können z. B. in JosAs 20 , 4 ; 24 , 19 ἡ ψυχή μου und ἡ ψυχή σου schlicht an Stelle der Personalpronomen ›ich‹ und ›du‹ gebraucht werden. 45 Ps-Phok gebraucht ψυχή und πνεῦμα in diesem Kontext synonym. 46 Epiph. haer. 64 , 70 , 17 . 61 <?page no="62"?> in Auseinandersetzungen mit dem Tod aufgenommen, sondern begegnet auch in ApkEsr 5 , 13 in einer Beschreibung neu entstehenden Lebens. Das Wachstum des Kindes im Mutterleib wird dabei in monatlichen Etappen beschrieben. So wachsen ihm etwa im zweiten Monat Haare, im fünften ernährt es sich von Milch, im sechsten ist die körperliche Entwicklung beendet und es empfängt die Seele. 47 Den Überblick über den Gebrauch von ψυχή in den außerkanonischen Schriften des hellenistischen Judentums soll ein Ausblick auf die Apokalypse des Mose abschließen. Auch in dieser wahrscheinlich in die Zeit der Sap zu datierenden Schrift 48 ist der Einfluss griechischer Seelenlehre greifbar. Die Vorstellung, dass die Seele Adams Körper bei dessen Tod verlässt, ist in ApcMos mehrfach belegt. Dabei werden ψυχή und πνεῦμα synonym zur Bezeichnung der Seele verwendet. ApcMos 13 , 6 beschreibt den Tod als Fahrt der Seele ( ψυχή ) nach oben. Auch nach ApcMos 31 , 4 ; 32 , 4 kehrt die Seele ( πνεῦμα ) beim Tod zu Gott, der den Menschen erschaffen hat, zurück. Nach ApcMos 31 , 1 verlässt der Tote seinen Leib. Der Verweis auf Gottes Schöpferwirken in diesem Kontext ermöglicht es, die dem griechischen Denken entlehnte Seelenlehre mit der jüdischen Tradition zu verbinden. Diese Synthese von modifizierter griechischer Seelenlehre und jüdischer Vorstellung eines Schöpfergottes in ApcMos ähnelt der Verbindung in 4 Mac 13 , 13 . 15 ; 18 , 23 . Auch dort wird eine griechisch geprägte Seelenlehre mit jüdischer Tradition verbunden, in diesem Fall mit der Tora. In der Sap finden sich 25 Belege für ψυχή . 49 So bildet ψυχή entsprechend der alttestamentlichen Tradition mehrfach das Synonym für den Menschen in seiner Ganzheit. 50 Ebenso kann ψυχή aber auch Bezeichnung für die Seele des Menschen sein, die bewusst vom Körper unterschieden wird. Deutlichstes Beispiel hierfür ist die Unterscheidung von Leib und Seele in Sap 9 , 15 . 51 Die Anspielung an platonische Anthropologie ist unverkennbar, 52 wenn hier von einem »vergänglichen Leib« die Rede ist, der »die Seele beschwert« ( φθαρτὸν γὰρ σῶμα βαρύνει ψυχήν ). Auch Sap 8 , 19 f stellt ψυχή und σῶμα in ähnlicher Differenzierung gegenüber und nimmt damit den griechischen Leib-Seele-Dualismus auf. 53 Diese in Teilen der Septuaginta nur angedeutete Gegenüberstellung von σῶμα / σάρξ und ψυχή ist in der Sap deutlich ausgeprägt und zeugt von dem starken Einfluss griechischen Denkens. Auch für Sap 1 , 11 d ist der im hellenistischen Diasporajudentum häufig aufgenommene Leib-Seele-Dualismus anzunehmen. Mit ψυχή ist an dieser 47 In ParJer 9 , 13 begegnet die Vorstellung, dass die Seele des verstorbenen Jeremia nach drei Tagen wieder in seinen Leib zurückkehrt. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass es sich hierbei um eine christliche Überarbeitung der ParJer handelt, da sich eine christologische Doxologie anschließt. Vgl. Schaller, Paralipomena Jeremiou, S. 665 . 48 Zu den Datierungsfragen der ApcMos vgl. Dochhorn, Apokalypse, S. 149 - 172 . 49 Sap 1 , 4 . 11 ; 2 , 22 ; 3 , 1 . 13 ; 4 , 11 . 14 ; 7 , 27 ; 8 , 19 ; 9 , 3 . 15 ; 10 , 7 . 16 ; 12 , 6 ; 14 , 5 . 11 . 26 ; 15 , 8 . 11 . 14 ; 16 , 9 . 14 ; 17 , 1 . 8 . 14 . 50 Sap 7 , 27 ; 12 , 6 ; 15 , 14 ; 16 , 9 ; 17 , 1 ; 17 , 14 . 51 Die platonische Trichotomie ψυχή , σῶμα , νοῦς ist in Sap 9 , 15 ausgeschlossen, da die Sap nur zwischen ψυχή und σῶμα unterscheidet und νοῦς synonym mit ψυχή im Parallelismus Membrorum steht. Vgl. Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 269 . 52 Vgl. Phaid. 66 b; 81 c. 53 Vgl. ferner besonders Sap 3 , 1 ; 4 , 14 ; 15 , 8 . 11 ; 16 , 14 . 62 <?page no="63"?> Stelle nicht wie in der älteren alttestamentlichen Tradition der Mensch in seiner Einheit von Körper und Leben bezeichnet. Dies verdeutlicht die Tatsache, dass diejenigen, die gegen Gott und ihre Nächsten in Wort und Tat aufbegehren, durchaus ein langes und scheinbar erfülltes Leben führen können. Am Beispiel der Gottlosen wird dieser Zusammenhang in den folgenden Kapiteln illustriert. 54 Die Konsequenz der lügnerischen Rede kann demzufolge nicht das physische Sterben sein. Stattdessen bezeichnet ψυχή die vom Körper getrennte Seele. Auch wenn den Gottlosen bisweilen ein langes irdisches Leben beschieden ist, sind ihre zur Unvergänglichkeit bestimmten Seelen (Sap 2 , 23 ) aufgrund ihrer moralischen Verwerflichkeit tot. Diejenigen aber, die es lieben, die Tora zu befolgen, werden sich die Unvergänglichkeit ihrer Seelen bewahren und bekräftigen (Sap 6 , 18 ). Damit verknüpft die Sap die dem griechischen Denken entlehnte Seelenvorstellung mit der traditionellen alttestamentlichen Forderung nach Gesetzesobservanz. Die Aufnahme der neuartigen Seelenkonzeption geschieht in der Sap nur in Rückbindung an die Tora. An diesem Punkt zeigt sich der entscheidende Unterschied der Sap zum platonischen Seelenverständnis. Während es für die griechische Seelenlehre in der Nachfolge Platons geradezu konstitutiv ist, dass alle Seelen unsterblich sind, ist die Unvergänglichkeitsvorstellung der Seele in der Sap an die Toraobservanz gebunden. 4 . 2 . 2 Sap 1 , 12 f. Der Tod ist nicht von Gott Die Abfolge von zweigliedriger Ermahnung (Sap 1 , 12 ) mit folgender ebenfalls zweigliedriger Begründung (Sap 1 , 13 ) findet sich wie schon in Sap 1 , 11 auch in Sap 1 , 12 f. Auf die beiden Imperativsätze, die gemeinsam einen synonymen Parallelismus Membrorum bilden (Sap 1 , 12 ), folgt eine mit ὅτι eingeleitete Begründung (Sap 1 , 13 ). Das Sap 1 , 11 - 2 , 24 bestimmende Thema, die Konfrontation von Tod und Leben, wird auf die beiden Schlüsselbegriffe θάνατος (Sap 1 , 12 f) und εἰς τὸ εἶναι (Sap 1 , 14 ) gebracht. Auch in ζωή (Sap 1 , 12 ) klingt gegenüber θάνατος die Opposition von Leben und Tod an. Sap 1 , 12 a. Warnung vor verirrtem Todeseifer μὴ ζηλοῦτε θάνατον ἐν πλάνῃ ζωῆς ὑμῶν Eifert nicht dem Tod nach in der Verirrung eures Lebens Der Imperativ μὴ ζηλοῦτε schließt an die beiden Imperative aus Sap 1 , 11 an und setzt die Mahnungen vor ethisch verantwortungslosem Handeln fort. 54 Sap 3 , 17 ; 4 , 16 . 63 <?page no="64"?> Dabei ist mit dem Verb ζηλόω ein im Judentum der Zeitenwende bedeutungsschwerer Topos aufgegriffen. Im griechischen Sprachgebrauch bezeichnet ζηλόω »sich begeistern für etwas, etwas bewundern, sich (mit Interesse) beschäftigen mit etwas, sich einer Sache befleißigen, zum Ziel seines Strebens machen, mit Eifer nachzuahmen suchen, beneiden«. 55 In der Septuaginta beschreibt das Wortfeld ζηλόω / ζῆλος / ζηλωτής »eine bestimmte Intensität des Handelns Gottes«. 56 Im Unterschied zur profanen Gräzität 57 wird der Eifer in den biblischen Büchern und in der außerbiblischen Literatur des Judentums religiös gedeutet. So wird das Verhältnis Gottes zu seinem Volk durch Gottes Eifer für sein Volk bestimmt (z. B. Ex 20 , 5 ), der sich sowohl in rettendem Heil (z. B. II Reg 19 , 31 ) als auch in strafendem Unheil (z. B. Nah 1 , 2 ) äußern kann. Doch auch der Mensch kann ein Eiferer sein. Der menschliche Eifer kann sich auf Gott, 58 oder aber in makkabäischer Zeit auch auf das Gesetz beziehen. 59 Die Vorstellung, um das Gesetz eifern zu können, findet sich darüber hinaus in der Apostelgeschichte (Act 21 , 20 ; 22 , 3 ). Auch Paulus beschreibt sich selbst als Eiferer für die Überlieferung der Väter ( ζηλωτὴς ὑπάρχων τῶν πατρικῶν μου παραδόσεων Gal 1 , 14 ; vgl. Phil 3 , 6 ). Nach Röm 10 , 2 haben die Juden Eifer für Gott. Das Eifern ist hier ein positives Streben, das auf Gott bzw. auf die Tora ausgerichtet ist. Im Neuen Testament lassen sich zudem in der Person Simon des Eiferers Spuren der im 1 . Jahrhundert n. Chr. existierenden Bewegung der Zeloten ( ζηλωταί ) erkennen (Lk 6 , 15 ; Act 1 , 13 ). Charakteristisch für die Bewegung der Zeloten war die leidenschaftliche Hingabe an Gottes Sache, die mit der Bereitschaft verbunden war, jede Freveltat, die dem Anspruch der Alleinherrschaft Gottes widersprach, zu vergelten. 60 Diese wahrscheinlich von Pinehas dem Eiferer (Num 25 , 6 - 13 ) inspirierte und nach ihm benannte Bewegung existierte bis in die Zeit der Wirren des Jüdischen Krieges. 61 Die Freiheitsbewegung der Zeloten war stets geleitet von einer ganzheitlichen Hingabe an Gottes Willen. In letzter Konsequenz konnte dieser leidenschaftliche Einsatz für Gesetz und Heiligtum den eigenen Märtyrertod bedeuten. 62 Angesichts dieses Befundes wirkt die Verbindung des Verbes ζηλόω mit θάνατος in Sap 1 , 12 a wie eine bewusste Karikatur des im Judentum üblicherweise religiös motivierten Eifers. Die Verbindung von ζηλόω und νόμος in den 55 Stumpff, Art. ζῆλος , S. 885 . 56 Stumpff, Art. ζῆλος , S. 880 . 57 Belege für die Verwendung dieses Wortfeldes zur Bezeichnung eines religiösen Eiferns sind mir in der profanen Gräzität nicht bekannt. 58 I Reg 19 , 10 . 14 ; II Reg 10 , 16 ; TestXII.As 4 , 5 . 59 1 Mac 2 , 26 f. 50 . 58 ; 2 Mac 4 , 2 . 60 Vgl. Hengel, Zeloten, S. 182 . 61 Zur historischen Einordnung der Zelotenbewegung in die Zeit von 6 n. Chr. bis in die Zeit um 70 n. Chr. vgl. Hengel, Zeloten, S. 319 - 383 . 62 Vgl. Hengel, Zeloten, S. 229 f. 64 <?page no="65"?> Makkabäerbüchern und im Neuen Testament hat gezeigt, dass sich menschlicher Eifer nach jüdischem Selbstverständnis auf die Tora richten sollte und nicht etwa auf den Tod. Zieht man in Betracht, dass das Eifern der Zeloten stets eine ganzheitliche Ausrichtung auf Gottes Gebot war, so verdeutlicht dies, wie drastisch die in Sap 1 , 12 a ausgesprochene Warnung zu verstehen ist. Im Hinblick auf die ab Sap 2 , 1 b folgende Rede der Gottlosen wird nicht etwa nur vor einem vagen Kokettieren mit dem Tod gewarnt, sondern vor einer völligen Hingabe an diesen. Die in der Septuaginta einmalige Verbindung von ζηλόω und θάνατος weist auf das Verhalten der Gottlosen voraus, das als Weg in den Tod geschildert wird. Der Bezug von θάνατος auf das unmittelbar in Sap 1 , 11 d voranstehende ἀναιρεῖ ψυχήν ist evident. Da für Sap 1 , 11 d nachgewiesen wurde, dass das Töten der ψυχή nicht auf den physischen Tod zu beziehen ist, ist desgleichen auch für θάνατος anzunehmen. 63 Die Vielschichtigkeit des Begriffes θάνατος in der Sap hat Kolarcik in seiner Untersuchung zur Doppeldeutigkeit des Todes in Sap 1 - 6 überzeugend nachgewiesen. 64 Der Begriff θάνατος umfasst seiner Ansicht nach in der Sap drei Aspekte. Unter Berücksichtigung aller 19 Kapitel des Buches unterscheidet er zwischen mortality, physical death as punishment und ultimate death, um mit dieser Differenzierung die hinter dem komplexen Gebrauch von θάνατος liegende Bedeutungsvielfalt terminologisch klarer zu fassen. Ausgangspunkt der Betrachtung ist nach Kolarcik das Werben um Gerechtigkeit, das den Kontext aller Rede vom Tod in der Sap darstellt. Dem Aufruf, Gerechtigkeit zu lieben (Sap 1 , 1 ), wird durch eine eschatologische Gegenüberstellung tugendhafter Gerechter und verblendeter Gottloser Nachdruck verliehen, die auf eine Konfrontation zwischen Leben und Tod hinausläuft. Am Anfang weiterführender Betrachtungen steht die unabwendbare Tatsache menschlicher Sterblichkeit (mortality), die für den tugendhaften Gerechten keine existentielle Bedrohung bedeutet, da sie lediglich einen Übergang zu einem Leben in Gottes Nähe darstellt. Wer sich aber dagegen in falschem Räsonieren und Ungerechtigkeit verirrt, den wird der als ultimate death bezeichnete Tod, d. h. die Gottesferne, treffen. In der Wahrnehmung der Gottlosen ist Sterblichkeit daher mit Bestrafung gleichzusetzen (physical death as punishment). 65 Die Haltung des Menschen gegenüber seiner natürlichen Sterblichkeit wird ausschlaggebend für sein eschatologisches Schicksal. Der Zusammenhang von Sterblichkeit und menschlicher Sünde besteht dabei gerade nicht darin, dass der physische Tod Folge menschlicher Vergehen ist. Es ist vielmehr die Torheit der Gottlosen, die das irdische Ende als tragisch ansieht und daraus die vermeintliche Legitimation für eigene Gewaltexzesse zieht. Kolarcik begründet den ultimate death der Gottlosen damit, dass diese aus ihrer Sterblichkeit die falschen Schlüsse ziehen, indem sie sich ausschließlich weltlichen 63 Auch Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 96 , weist darauf hin, dass θάνατος und ὄλεθρος metaphorisch zu verstehen sind, dieselbe spirituelle Wirklichkeit beschreiben und keinesfalls auf ein physisches Vergehen zu beziehen sind. 64 Kolarcik, Ambiguity. 65 Zur Vorstellung des Straftodes vgl. Sap 12 , 20 ; 18 , 5 . 65 <?page no="66"?> Lüsten hingeben und keinen Gottesbezug suchen. »Their false notion of death unleashes a dynamic of wickedness that is the cause of their ultimate death.« 66 Anders als der gerechte Salomon erkennen sie nicht, dass die Suche nach Weisheit die richtige, da heilsbringende Reaktion auf die natürliche Sterblichkeit ist. Jedoch endet an diesem Punkt Kolarciks Untersuchung, sodass offen bleibt, warum nicht auch die Gottlosen Weisheit und Gottesbezug suchen, nachdem sie so eindrücklich ihre irdische Vergänglichkeit beklagt haben. Für den Gerechten dagegen ist die Sterblichkeit der akzeptierte Kontext, in dem die Suche nach Weisheit und Gerechtigkeit steht. Sterblichkeit ist hier Teil des Lebens und kann das Leben keinesfalls zu einer nichtigen, traurigen und kurzen Existenz degradieren, wie es bei den Gottlosen der Fall ist. Während die Gottlosen in der Sterblichkeit ihr absolutes Ende und die völlige Offenbarung der Beliebigkeit menschlicher Existenz und deren Sinnlosigkeit zu entdecken meinen, finden die Gerechten sogar trotz der Beschwernisse irdischer Existenz wie z. B. durch Unfruchtbarkeit (Sap 3 , 13 ; 4 , 1 ) zu einem tugendhaften Leben, das nicht in uferlose Genusssucht ausbricht. »Mortality is not conceived as a tragic, hopeless and fatalistic condition, as is the case in the reasoning of the wicked. Mortality is the human context from which humans seek the wisdom of God.« 67 Die Gerechten erfahren ihre Sterblichkeit als einen Übergang zur göttlichen Seligkeit, während die Gottlosen ihre Sterblichkeit als absolutes Ende und Inbegriff der irdischen Ziel- und Sinnlosigkeit erfahren und daraus ihre verantwortungslose Ethik ableiten. »Mortality is not the result of sin. It is sin and folly that views the condition of mortality as absolutely tragic. [. . .] The natural fear of physical death is transferred in the course of the argument to a fear of ultimate death. This ultimate death is the real negative motive the author presents for mobilizing the reader ’s attention to love justice and to seek God.« 68 Ein Überblick über die den Tod betreffenden Aussagen der Sap bekräftigt diese Interpretation Kolarciks. Nach Sap 1 , 13 hat Gott den Tod nicht gemacht, sondern alles geschaffen, damit es sei. Der Mensch ist von Gott zur Unvergänglichkeit geschaffen (Sap 2 , 23 ). Der Unvergänglichkeit wird jedoch der Tod, der durch den Neid des Teufels in die Welt gekommen ist, gegenübergestellt (Sap 2 , 24 ). Die Folge des Todes ist nun aber keinesfalls, dass alle Menschen die Unvergänglichkeit bzw. Unsterblichkeit verlieren. Stattdessen kann durch das Beachten der Tora die Unvergänglichkeit bekräftigt werden (Sap 6 , 18 ), obwohl des Teufels Tod in der Welt ist. Von einer mit der Schöpfung des Menschen intendierten physischen Unsterblichkeit kann nicht die Rede sein, da der physische Tod alle betrifft, die Gerechten wie die Gottlosen (Sap 2 , 1 ; 7 , 1 ). Auch das irdische Leben der Gerechten, die durch Weisheit (Sap 8 , 13 ), Gerechtigkeit (Sap 1 , 15 ) und Befolgung der Gebote der Tora (Sap 6 , 18 ) Unsterblichkeit besitzen, ist zeitlich begrenzt und keinesfalls unvergänglich. Der physische Tod ist damit als Bedeutungsinhalt von θάνατος in Sap 1 , 12 ausgeschlossen. Ebenso meint Unvergänglichkeit nicht eine endlose irdische Existenz. Stattdessen ist der Tod, von dem in Sap 1 , 12 die Rede ist, auf eine bestimmte Gruppe von Menschen 66 Kolarcik, Ambiguity, S. 160 . 67 Kolarcik, Ambiguity, S. 167 68 Kolarcik, Ambiguity, S. 186 . 66 <?page no="67"?> begrenzt. Er trifft nur die Gottlosen, da sie ihm selbst nacheifern (Sap 1 , 12 ) und mit ihm einen Bund schließen (Sap 1 , 16 ). Nur die Gottlosen werden mit dem Tod, der durch den Neid des Teufels in die Welt gekommen ist, in Verbindung gebracht (Sap 2 , 24 ). Daher kann θάνατος in Sap 1 , 12 nur als Negation der Unvergänglichkeit gedeutet werden, die unabhängig vom irdischen Sein im Fortbestehen der Seelen der Gerechten bei Gott besteht (Sap 3 , 1 ; 5 , 15 ). 69 Vielmehr bezeichnet θάνατος statt des physischen Todes den Verlust der Unvergänglichkeit. Da Unvergänglichkeit bewirkt, dass der Gerechte auch nach dem irdischen Ableben in Gottes Nähe sein wird (Sap 6 , 19 ), ist mit θάνατος die ewige Gottesferne bezeichnet. Dieser Tod soll nicht in der Verirrung des Lebens ( ἐν πλάνῃ ζωῆς ὑμῶν ) herbeigezogen werden. Mit πλάνη ist die Wortgruppe πλανaufgenommen, die in der Septuaginta zumeist ein Aufbegehren und Abirren von der göttlichen Offenbarung beschreibt. 70 Während der Tod über das irdische Dasein des Menschen hinausgeht, liegt dessen Begründung im Verhalten des Menschen bis zu seinem irdischen Ableben. Sap 1 , 12 b. Warnung: Schaufelt nicht das eigene Grab μηδὲ ἐπισπᾶσθε ὄλεθρον ἐν ἔργοις χειρῶν ὑμῶν und zieht nicht das Verderben mit eurer Hände Taten herbei In der zweiten Hälfte des synonymen Parallelismus Membrorum steht ὄλεθρος parallel zum vorangegangenen θάνατος . In der Septuaginta bezeichnet ὄλεθρος sowohl den »physischen Tod« 71 als auch ein »eschatologisches Vergehen«. 72 In den nichtkanonischen Schriften des hellenistischen Judentums wird mit ὄλεθρος überwiegend das physische Vergehen bezeichnet. 73 Außerdem findet sich ὄλεθρος gelegentlich in Verbindung mit ψυχή . Das »Vergehen der Seele« ( ὄλεθρος ψυχῆς ) ist für Philo ihre »Veränderung« ( τροπή ). 74 Es ist in diesem Kontext allerdings nicht deutlich, ob Philo mit ψυχή den ganzen Menschen oder nur den vom Leib losgelösten Teil bezeichnet. In der ›Legatio ad Gaium‹ stellt Philo ὄλεθρος und ἀθανασία gegenüber. Wer mit Tugenden verbunden ist, wird unsterblich sein. Schlechtigkeiten löschen den Menschen dagegen aus. 75 Nach TestXII.Rub 4 , 6 ist die Hurerei ein Verderben der Seele, das von Gott trennt, da die Hurerei den Verstand und die Erkenntnis in 69 Vgl. Grimm, Weisheit, S. 59 . 70 Vgl. Braun, Art. πλανάω , S. 235 . Zu πλανάω / πλάνη vgl. die Ausführungen zu Sap 2 , 21 a. 71 I Reg 13 , 34 ; 2 Mac 6 , 12 u. ö. 72 Ob 1 , 13 ; Jer 31 , 8 ( 48 , 8 ) u. ö. 73 Zum Beispiel Sib 3 , 452 ; 5 , 97 . 381 ; Bei Philo z. B. All 3 , 13 ; Sacr 57 ; Det 103 ; LegGai 104 . 293 . 74 All 2 , 34 . 75 LegGai 91 f. 67 <?page no="68"?> die Irre leitet und junge Männer vorzeitig in den Hades führt. 76 An diesen wenigen Stellen, die die Verbindung von ὄλεθρος mit ψυχή belegen, zeigt sich, dass ὄλεθρος nicht ausschließlich physisches Vergehen bezeichnen muss, sondern durchaus das eschatologische Schicksal beschreiben kann. Dieser Aspekt von ὄλεθρος ist auch im Neuen Testament belegt. 77 In der Sap steht ὄλεθρος insgesamt drei Mal und bezeichnet sowohl den physischen Tod (Sap 18 , 13 ) als auch ein eschatologisches Vergehen (Sap 1 , 14 ). Da ὄλεθρος synonym mit θάνατος gebraucht wird, ist in Sap 1 , 12 b eine eschatologische Bedeutung anzunehmen. Bewirkt wird solches Vergehen durch die Taten der Hände ( ἐν ἔργοις χειρῶν ὑμῶν ). Damit ist die logische Struktur aus Sap 1 , 12 a wieder aufgenommen. Aus den irdischen Taten der Gottlosen folgen Konsequenzen, die über den physischen Tod hinausgehen. Sap 1 , 13 a. Begründung: Der Tod ist nicht Teil von Gottes Schöpfung ὅτι ὁ θεὸς θάνατον οὐκ ἐποίησεν Denn Gott hat den Tod nicht gemacht Durch die Konjunktion ὅτι ist Sap 1 , 13 logisch mit Sap 1 , 12 verknüpft. Für die Mahnung, dem Tod nicht nachzueifern und das Verderben nicht mit den eigenen Händen herbeizuziehen, wird nun die Begründung genannt. Um die Argumentation zu stärken, nimmt Sap 1 , 13 a mit der Verbindung von ὁ θεός und ἐποίησεν bewusst den Duktus des ersten Schöpfungsberichtes auf. Die formelhafte Wendung ἐποίησεν ὁ θεός findet sich dort in regelmäßiger Wiederholung als Übersetzung des hebräischen ארב / השׂע יהלא . In Gen 1 steht ἐποίησεν ὁ θεός sowohl in den rahmenden Einleitungs- und Schlussversen als auch in den Beschreibungen der einzelnen Schöpfungstage. Im Akkusativ schließen sich an ἐποίησεν ὁ θεός die jeweiligen Schöpfungswerke an. Bereits in der Eröffnung in Gen 1 , 1 ist diese Struktur erkennbar. Auf die Einleitung ἐν ἀρχῇ ἐποίησεν ὁ θεός folgt im Akkusativ τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν . Dieser Aufbau findet sich auch in vier von sechs Berichten der einzelnen Schöpfungstage wieder. 78 Von der Schöpfung des Menschen heißt es in Gen 1 , 27 dementsprechend: καὶ ἐποίησεν ὁ θεὸς τὸν ἄνθρωπον . Die Wiederaufnahme dieser Struktur in Sap 1 , 13 a ist offensichtlich, auch wenn die Reihenfolge von ἐποίησεν ὁ θεός zu ὁ θεός . . . ἐποίησεν umgestellt ist 76 TestXII.Rub 4 , 6 ὄλεθρος γὰρ ψυχῆς ἐστιν ἡ πορνεία χωρί ζουσα θεοῦ καὶ προσεγγί ζουσα τοῖς εἰδώλοις ὅτι αὕτη ἐστί πλανῶσα τὸν νοῦν καὶ τὴν διάνοιαν καὶ κατάγει νεανίσκους εἰς ᾅδην οὐκ ἐν καιρῷ αὐτῶν . 77 I Thess 5 , 3 ; II Thess 1 , 9 . 78 In der Beschreibungen der Erschaffung von Tag und Nacht sowie der Meere, des Landes und der Pflanzen am ersten bzw. am dritten Schöpfungstag fehlt die Verbindung von ποιέω und ὁ θεός . 68 <?page no="69"?> und das Akkusativobjekt θάνατος zwischen Subjekt und Prädikat eingefügt ist und nicht im Anschluss hierauf folgt. 79 Der gewichtigere Unterschied zur Genesisvorlage besteht in Sap 1 , 13 a gegenüber dieser Wortumstellung in zwei anderen Punkten. So ist erstens mit οὐκ eine Negation eingeschoben und zweitens mit θάνατος ein Abstraktum Objekt, das sich kategorial von den in Gen 1 geschaffenen Realia unterscheidet. 80 Trotz dieser Abwandlung ist der Bezug zur Schöpfungsgeschichte deutlich und zudem beabsichtigt. So soll die Thematik des Todes durch die Aufnahme der aufgezeigten typischen literarischen Elemente aus Gen 1 , 1 - 2 , 4 a mit dem Schöpfungsmythos verbunden werden, um den Tod von den Werken der Schöpfung Gottes auszunehmen. Sap 1 , 13 b. Begründung: Gott will keinen Tod οὐδὲ τέρπεται ἐπ’ ἀπωλείᾳ ζώντων und er erfreut sich nicht am Vergehen der Lebenden Die in der Septuaginta einzigartige Aussage, dass Gott den Tod nicht gemacht hat, wird durch Sap 1 , 13 b vervollständigt. Eine literarische Abhängigkeit von der Schöpfungsgeschichte kann für Sap 1 , 13 b nicht wie für Sap 1 , 13 a nachgewiesen werden. Parallel zu Sap 1 , 13 a wird aber auch in Sap 1 , 13 b hervorgehoben, dass Vergänglichkeit nicht Teil von Gottes Schöpfungsplan ist. Gott ist ein Gott der Lebenden 81 und nicht des Todes. Die synonyme Gegenüberstellung von ἀπώλεια und θάνατος in Sap 1 , 13 entspricht dem ebenfalls synonymen Gebrauch von ὄλεθρος und θάνατος in Sap 1 , 12 . Die Spannbreite der Bedeutungen von ἀπώλεια reicht in der Septuaginta wie schon bei ὄλεθρος vom physischen 82 bis hin zum eschatologischen Vergehen. 83 In der nichtkanonischen Literatur des Judentums aus hellenistisch-römischer Zeit ist ἀπώλεια relativ häufig belegt. 84 Der eschatologische Gebrauch tritt hier 79 In Schöpfungsaussagen außerhalb von Gen 1 , 1 - 2 , 4 a begegnet die Verbindung von ποιέω und ὁ θεός zwar auch, aber längst nicht in so großer Dichte wie im ersten Schöpfungsbericht. Vgl. z. B. Gen 6 , 6 ; ψ 99 , 3 ( 100 , 3 ); 113 , 11 ( 115 , 11 ); Hi 35 , 10 ; Sap 2 , 23 ; Jes 37 , 16 ; 42 , 5 ; 43 , 1 ; 2 Mac 7 , 28 . 80 Auch für Philo ist Gottes Schöpferwirken nicht auf die Realia beschränkt. In Op 16 führt er in seiner Auslegung zu Gen 1 f den Gedanken einer doppelten Schöpfung ein. Jedem sinnlich wahrnehmbaren körperlichen Ding liegt ein unkörperliches und gottähnliches »Urbild« ( παράδειγμα ) zugrunde. 81 Der Genitiv Plural ζώντων kann der Form nach sowohl Neutrum als auch Maskulinum sein. Der Kontext von Sap 1 , 13 lässt aber nur ein Maskulinum zu. Dies zeigt sich daran, dass θάνατος in Sap 1 , 12 . 13 a auf Menschen und nicht auf Dinge zu beziehen ist. Ebenso betrifft auch das Vergehen in Sap 1 , 13 b nur Menschen. 82 Est 7 , 4 ; Jdt 6 , 4 ; 2 Mac 12 , 27 . 83 Jes 43 , 5 ; Dtn 32 , 35 . 84 Denis, Concordance, S. 13 , zählt 48 Belege. 69 <?page no="70"?> besonders in den Vordergrund. In den Psalmen Salomos wird ἀπώλεια als eine Konsequenz der Gesetzlosigkeit der Sünder dargestellt. Der Grundsatz, dass jeder, der Gerechtigkeit übt, sich Leben beim Herrn sammelt, während derjenige, der Unrecht übt, das »Vergehen« ( ἀπώλεια ) seiner Seele verschuldet (PsSal 9 , 5 ), wird am Beispiel der Gottesfürchtigen und der Sünder ausgeführt. So ist es den Frommen aufgrund der Befolgung des Gesetzes vorbehalten, ewig zu leben (PsSal 13 , 11 ; 14 , 2 f). Nur sie werden das Leben in Freude erben (PsSal 14 , 10 ). Die gesetzbrecherischen Sünder werden stattdessen Erben des Totenreiches, der Finsternis und des »Vergehens« ( ἀπώλεια PsSal 14 , 9 ; 15 , 8 - 12 ). Sie werden ins Vergehen fortgerissen (PsSal 13 , 11 ). Am Tag des Gerichts werden nur diejenigen Barmherzigkeit erfahren, die den Herrn fürchten. Die Sünder werden auf ewig verworfen (PsSal 15 , 13 ). Ewig wird das Vergehen des Sünders sein und niemand wird sich seiner erinnern, während die Gottesfürchtigen ewig leben werden (PsSal 3 , 11 f). Die Vorstellung eines ewigen Vergehens findet sich in zugespitzter Form im Testament Abrahams. Im Kontext einer in ein himmlisches Gerichtsszenario eingebundenen Zwei-Wege-Lehre wird hier vom »Vergehen« ( ἀπώλεια ) der Seelen gesprochen (TestAbrA 10 , 15 - 12 , 18 ). Nur wenige Seelen gelangen nach dem irdischen Tod auf dem schmalen Weg durch die enge Pforte zum Leben (TestAbrA 11 , 5 ). Die meisten Seelen werden in das »Vergehen« ( ἀπώλεια ) geführt. Das Verhältnis der geretteten Seelen zu den verdorbenen steht in einem großen Ungleichgewicht. Auf 70 000 Seelen, die von den Engeln durch das breite Tor ins »Vergehen« ( ἀπώλεια ) geführt werden, wird kaum ein geretteter Gerechter gefunden, der durch das schmale Tor ins Leben eingeht (TestAbrA 11 , 11 ; 12 , 2 ). Diese ebenfalls im Neuen Testament überwiegende eschatologische Bedeutung von ἀπώλεια 85 ist auch für Sap 1 , 13 b anzunehmen, wie der synonyme Gebrauch von θάνατος , ὄλεθρος und ἀπώλεια in Sap 1 , 12 f verdeutlicht. An einem solchen eschatologischen Vergehen hat Gott keine Freude, da es der Bestimmung des Menschen zur ἀφθαρσία widerspricht (Sap 2 , 23 ). Damit verweist die Negation in Sap 1 , 13 b bereits auf die positive Schöpfungsaussage Sap 2 , 23 voraus. 4 . 2 . 3 Sap 1 , 14 . Sein statt Tod Nachdem in den negativen Aussagen von Sap 1 , 12 f Tod und Vergehen nicht zu den Schöpfungswerken gezählt wurden, schließt Sap 1 , 14 eine durch γάρ angeschlossene positive Bestimmung der Schöpfung an. So werden in Sap 1 , 14 ab zunächst zwei positive Aussagen angefügt. Sap 1 , 14 cd nehmen dann wieder die Gedanken der vorangehenden Verse auf, indem Vergehen und Hades als nicht zur Schöpfung gehörig von dieser abgegrenzt werden. 85 Mt 7 , 13 ; Act 8 , 20 ; I Tim 6 , 9 ; Hebr 10 , 39 . 70 <?page no="71"?> Sap 1 , 14 a. Die Schöpfung zum Sein ἔκτισεν γὰρ εἰς τὸ εἶναι τὰ πάντα Denn er hat alles geschaffen, damit es sei Die Bestimmung der Schöpfung zum Sein ist eine in der Septuaginta einzigartige Vorstellung. Dass Gott der Schöpfer der Welt ist, wird von der Sap dabei zweifellos aus der älteren biblischen Tradition übernommen. Zur Bezeichnung der Schöpfungstätigkeit wird in Sap 1 , 14 das Verb κτίζω gewählt, das synonym mit ποιέω (Sap 1 , 13 ) verwendet wird. Zwar findet sich κτίζω nicht in den Schöpfungsberichten der Genesis wie ποιέω , aber dennoch gibt es viele Belegstellen für die Verwendung von κτίζω in Schöpfungsaussagen, die relativ gleichmäßig in der Septuaginta verteilt sind. 86 Seltener ist hingegen die Verbindung von κτίζω mit τὰ πάντα . Die Formulierung, dass Gott »alles geschaffen hat« ( ἔκτισεν . . . τὰ πάντα ), hat die eindrücklichsten biblischen Parallelen in Schriften aus der Zeit der Sap. 87 Mit dem Akkusativobjekt im Neutrum Plural τὰ πάντα ist die gesamte Schöpfung im Blick. Wie schon die Untersuchung zu Sap 1 , 13 a gezeigt hat, werden in der Sap traditionelle biblische Schöpfungsaussagen aufgenommen und neu gedeutet. Eine solche Aktualisierung liegt auch in Sap 1 , 14 a vor. Die Wendung εἰς τὸ εἶναι bringt neue Aspekte in die alttestamentliche Schöpfungslehre ein. 88 Dieses Neue, worin sich Sap 1 , 14 von den übrigen alttestamentlichen Schöpfungsaussagen unterscheidet, liegt in zwei Punkten. Neu ist erstens die Sprache, mit der die Sap hier von der Schöpfung Gottes redet. Wie der zeitgenössische Philo 89 verwendet die Sap eine von platonischer Philosophie beeinflusste ontologische Sprache, um traditionelle biblische Glaubensinhalte in der Sprache ihrer Zeit neu zu formulieren und zu interpretieren. 90 Für den im hellenistischen Alexandria beheimateten jüdischen Verfasser der Sap 86 Zum Beispiel Gen 14 , 19 . 22 ; Ex 9 , 18 ; Dtn 4 , 32 ; 3 Mac 2 , 3 . 9 ; ψ 88 , 13 ( 89 , 13 ); 148 , 5 ( 148 , 5 ); Prov 8 , 22 ; Jes 45 , 7 f; 54 , 16 ; Jer 31 , 22 ( 38 , 22 ); Ez 28 , 13 . 15 . Auffällig häufig steht κτί ζω in Sir in Schöpfungsaussagen: Sir 1 , 4 . 9 ; 17 , 1 ; 24 , 9 ; 38 , 1 ; 39 , 25 ; 49 , 14 u. ö. Die Belege für das Verb κτί ζω sind relativ gleichmäßig über die Septuaginta verteilt. Auffällig ist jedoch, dass das Substantiv κτίσις im Alten Testament ausschließlich in den apokryphen Schriften belegt ist: Jdt 9 , 12 ; 16 , 14 ; 8 , 5 ; 3 Mac 2 , 2 . 7 ; Sap 2 , 6 ; 5 , 17 ; 19 , 6 ; Sir 16 , 17 u. ö. 87 3 Mac 2 , 3 ; Eph 3 , 9 ; Apk 4 , 11 ; und mit einigem zeitlichen Abstand Sir 18 , 1 . 88 Im Alten Testament gibt es keinen einzigen Beleg für die Wendung εἰς τὸ εἶναι . Im Neuen Testament steht εἰς τὸ εἶναι zwar acht Mal (Röm 1 , 20 ; 3 , 25 ; 4 , 11 . 16 ; 8 , 29 ; 15 , 16 ; Eph 1 , 12 ; Jak 1 , 18 ), aber nur anstelle einer finalen Konjunktion. Vgl. Blass, Grammatik, § 402 . 2 . 89 Vgl. VitMos II, 100 ( ἐπειδὴ τὰ μὴ ὄντα ἤγαγεν εἰς τὸ εἶναι ) und VitMos II, 267 ( καθάπερ γὰρ ἐκ τοῦ μὴ ὄντος εἰς τὸ εἶναι τὸ τελειότατον ἔργον, τὸν κόσμον, ἀνέφηνε ). 90 Die Nähe der Sap zu Platon zeigt sich hier einmal mehr. Vgl. soph. 219 b ( Πᾶν ὅπερ ἂν μὴ πρότερόν τις ὄν ὕστερερον εἰς οὐσίαν ἄγῃ ). Auch stoischer Einfluss ist möglich. Vgl. SVF II, 440 ( . . . ἅπαν τὸ ὄν ἔφασαν αἰτίας δεῖσθαι συνεκτικῆς εἰς τὸ εἶναι ). 71 <?page no="72"?> lassen sich Schöpfungs- und Seinsgedanke nicht mehr trennen. 91 Die Synthese der jüdischen und der griechischen Vorstellungswelt tritt an dieser Stelle deutlich in Erscheinung. Zweitens fügt die Sap mit der Zielbestimmung der Schöpfung zum Sein der alttestamentlichen Schöpfungsvorstellung eine Deutungsebene hinzu, die ohne Parallele in der Septuaginta ist. Das Spezifikum der Zielbestimmung εἰς τὸ εἶναι erschließt sich dabei aus dem Kontrast zu θάνατος . Da mit θάνατος in diesem Kontext ein eschatologisches Vergehen bezeichnet wird, folgt, dass auch εἰς τὸ εἶναι den Horizont über das physische Sein der irdischen Existenz weitet. Für den Menschen als Teil der ganzen Schöpfung wird diese Aussage in Sap 2 , 23 nochmals aufgegriffen. Die ebenfalls mit κτίζω konstruierte Schöpfungsaussage in Sap 2 , 23 , die die Schöpfungsbestimmung des Menschen als Unvergänglichkeit bezeichnet, bestätigt diese Deutung. Weder die Bestimmung des Menschen zur Unvergänglichkeit noch die aller geschaffenen Dinge zum Sein sind im Sinne potentieller Unvergänglichkeit der physischen Existenz zu verstehen. Die Rede von einer Schöpfung zum Sein und zur Unvergänglichkeit bezeichnet vielmehr die über das physische Vergehen hinaus bestehende Gottesnähe aller geschaffenen Dinge (Sap 1 , 14 a) und insbesondere des Menschen (Sap 2 , 23 ). 92 Sap 1 , 14 b. Alles von Gott Geschaffene hat Anteil am Heil καὶ σωτήριοι αἱ γενέσεις τοῦ κόσμου und die geschaffenen Dinge der Welt sind heilsam σωτήριος ist in der Septuaginta nur in den Makkabäerbüchern 93 und in Sap 1 , 14 belegt. Wie in 4 Mac 15 , 26 94 liegt auch in Sap 1 , 14 eine Gegenüberstellung von Tod und Heil vor, da σωτήριος in Opposition zum folgenden φάρμακον ὀλέθρου (Sap 1 , 14 c) steht. In den Testamenten der Zwölf finden sich sechs Belege für σωτήριος , 95 die jedoch kaum Rückschlüsse für Sap 1 , 14 b zulassen. Es ist höchstens zu erwägen, ob die Verbindung von αἱ ἐντολαὶ τοῦ θεοῦ mit τὸ σωτήριον in TestXII.Ben 10 , 5 möglicherweise den Blick für das voraussetzungslose Heil in Sap 1 , 14 b schärft. In TestXII.Ben 10 , 1 - 11 befiehlt 91 Vgl. Hübner, Weisheit, S. 35 . Dieser Einfluss zeigt sich auch bei Paulus. In Röm 4 , 17 ist von Gott ausgesagt, dass er das Nichtseiende ins Sein ruft ( καλοῦντος τὰ μὴ ὄντα ὡς ὄντα ). 92 Vgl. Sap 6 , 19 . 93 3 Mac 6 , 31 ; 7 , 18 ; 4 Mac 12 , 6 ; 15 , 26 . Im Neuen Testament nur Tit 2 , 11 . 94 4 Mac 15 , 26 δύο ψήφους κρατοῦσα μήτηρ θανατηφόρον τε καὶ σωτήριον ὑπὲρ τέκνων »Zwei Stimmsteine hielt die Mutter im Fall ihrer in der Hand, der eine todbringend, der andere heilbringend.« 95 TestXII.Sim 7 , 1 ; TestXII.Lev 9 , 7 ; TestXII.Jud 22 , 2 ; TestXII.Dan 5 , 10 ; TestXII.Ben 9 , 2 ; 10 , 5 . Bis auf TestXII.Lev 9 , 7 ist σωτήριος immer substantiviertes Adjektiv. 72 <?page no="73"?> der sterbende Jakob seinen Söhnen, Gottes Gesetz und Gebote zu halten bis zur Offenbarung des Heils auf der ganzen Erde. Das Heil erscheint hier erst als Folge auf den bis zum Zeitpunkt der Offenbarung zu leistenden Gesetzesgehorsam. Dagegen sind nach Sap 1 , 14 b die geschaffenen Dinge von Beginn der Schöpfung an voraussetzungslos heilsam. Auch wenn in der folgenden Auseinandersetzung von Gottlosen und Gerechten nur die Menschen als Teil der Schöpfung betrachtet werden, sind an dieser Stelle alle von Gott geschaffenen Dinge ( αἱ γενέσεις ) als heilsam beschrieben. 96 Alles ist von Gott zum Leben und nicht zum Tod bestimmt. Damit entspricht αἱ γενέσεις dem vorangehenden τὰ πάντα . 97 Sap 1 , 14 c. Gottes Schöpfung ist ungetrübt καὶ οὐκ ἔστιν ἐν αὐταῖς φάρμακον ὀλέθρου und in ihnen ist kein Gift des Verderbens Nach den beiden positiv gefassten Beschreibungen der Schöpfung schließt Sap 1 , 14 c die erste von zwei Negationen an, mit denen die Charakterisierung der Schöpfung präzisiert wird. Mit der Formulierung φάρμακον ὀλέθρου wird auf Sap 1 , 12 b zurückgegriffen, wo ὄλεθρος bereits als Synonym für den Tod gebraucht wurde. In der Septuaginta, in den Schriften des hellenistischen Judentums und im Neuen Testament finden sich für φάρμακον ὀλέθρου keine Parallelen. φάρμακον selbst ist in der Septuaginta zumeist als Bezeichnung für »Zauberkunst« negativ konnotiert. 98 Von den wenigen Belegen für φάρμακον in den außerkanonischen Schriften 99 sind besonders die aus dem Testament Abrahams für die Auslegung von Sap 1 , 14 c erhellend. Im Kontext eines Gespräches zwischen Abraham und dem Tod zeigt der personifizierte Tod dem Abraham einen dreiköpfigen Drachen, der über einen »giftigen Trank« ( ποτήρια μεμεστωμένα φαρμάκων TestAbrA 17 , 16 ; vgl. TestAbrA 19 , 6 ) verfügt, der den Tod herbeiführt. Zum Schluss seiner Rede verweist der Tod darauf, dass es sogar Menschen selbst sein können, die ihren Nächsten tödliche Giftgetränke zuführen, die zu einem sofortigen Tod führen können (TestAbrA 19 , 16 ). In Sir 6 , 16 liegt jedoch auch ein positiver Gebrauch vor, wenn ein treuer Freund als φάρμακον ζωῆς bezeichnet wird. 100 96 Zur Diskussion, ob αἱ γενέσεις mit »Geschöpfe« oder »Arten« zu übersetzen ist, vgl. Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 130 . 97 Bereits Grimm, Weisheit, S. 62 , bemerkt die Schwierigkeiten, die sich aus der Aussage ergeben, dass alle Dinge der Schöpfung heilsam sind. »Demnach muss der Verf. angenommen haben, dass die vernichtende Wuth der Thiere und das Gift vieler Pflanzen und Mineralien u. dgl. erst Folge der Sünde sey und mit derselben aufhören würde.« 98 II Reg 9 , 22 ; Mi 5 , 11 ; Nah 3 , 4 . Im Neuen Testament Apk 9 , 21 . 99 TestAbrA 17 , 16 ; 19 , 6 . 16 ; TestXII.Rub 4 , 9 ; TestXII.Jos 2 , 7 . 100 Diese positive Bedeutung wird von Ignatius in der Bezeichnung des Abendmahles als φάρμακον ἀθανασίας aufgenommen (IgnEph 20 , 2 ). 73 <?page no="74"?> Für Sap 1 , 14 c ist zweifelsohne der in TestAbrA belegte negative Gebrauch anzunehmen. Auch die Intention des personifizierten Todes in TestAbrA, sich der Seele Abrahams zu bemächtigen (TestAbrA 19 , 3 ), kann als Indiz dafür gewertet werden, dass das bei der Schöpfung nicht mitgegebene Gift des Verderbens (Sap 1 , 14 c) eine vom Schöpfer beabsichtigte Bewahrung des menschlichen Seelenheils bedeutet. Sap 1 , 14 d. Die Welt ist nicht in der Macht des Todes οὔτε ᾅδου βασίλειον ἐπὶ γῆς noch ist die Herrschaft der Unterwelt auf Erden Sap 1 , 14 d schließt die Ausführungen zur Bestimmung der Schöpfung ab. βασίλειον ist in diesem Kontext nicht mit ›Palast‹ zu übersetzen, sondern mit ›Herrschaft‹ und betont den Machtcharakter des ᾅδης . 101 Mit der Bezeichnung ᾅδης , die auf die griechische Vorstellung des Herrschers der Unterwelt zurückgeht, wird in der Septuaginta zumeist das hebräische לואשׁ übersetzt. 102 Ebenso kann ᾅδης in der Septuaginta aber auch synonym mit θάνατος verwendet werden. 103 In den nichtkanonischen Schriften des hellenistischen Judentums kann ᾅδης synonym mit ἀπώλεια und σκότος (PsSal 14 , 9 ; 15 , 10 ) bzw. θάνατος (PsSal 16 , 2 ; TestAbrA 8 , 9 f) stehen. Es lassen sich darüber hinaus zwei unterschiedliche Hadeskonzeptionen beobachten. So existiert einerseits die Vorstellung, dass alle Seelen ausnahmslos in den Hades gelangen. 104 Daneben ist aber andererseits ein differenzierteres Hadesbild belegt, wonach nur die Gottlosen in den Hades eingehen, während die Gerechten davon verschont bleiben. 105 Die Vorstellung, dass allein die Gottlosen mit dem Hades in Verbindung gebracht werden, klingt auch in der Sap an (Sap 2 , 1 ). Der synonyme Gebrauch von ᾅδης und θάνατος in einem Parallelismus Membrorum in Sap 16 , 13 106 bekräftigt die Annahme, dass in Sap 1 , 14 d mit ᾅδης der Schlusspunkt 101 Vgl. Sap 5 , 16 ( τὸ βασί λειον τῆς εὐπρεπείας ). 102 Gen 37 , 35 ; Num 16 , 33 ; I Sam 2 , 6 ; Hi 26 , 6 . 103 Hos 13 , 14 ; Jes 28 , 15 . 18 ; Dan 3 , 88 . Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 173 , hat an der Aufnahme von Hos 13 , 14 in I Kor 15 , 55 nachgewiesen, dass θάνατος und ᾅδης dieselbe Bedeutung haben können. Die Umwandlung des Zitates aus Hos 13 , 14 ( ἐκ χειρὸς ᾅδου ῥύσομαι αὐτοὺς καὶ ἐκ θανάτου λυτρώσομαι αὐτούς ποῦ ἡ δίκη σου θάνατε ποῦ τὸ κέντρον σου ᾅδη; ) in I Kor 15 , 55 ( ποῦ σου, θάνατε, τὸ νῖκος; ποῦ σου, θάνατε, τὸ κέντρον; ) zeigt, dass Paulus ᾅδης mit dem Synonym θάνατος ersetzen kann. 104 TestAbrA 19 , 7 ; 2 Mac 6 , 23 ; Hen(aeth) 22 , 3 ; Lk 16 , 23 . 105 Sib 5 , 177 f; Hen(sl) 10 . Besonders deutlich zeigt sich diese Trennung bei Philo, Som 1 , 151 : Die tugendhaften Weisen werden im himmlischen Raum Wohnung nehmen. Stattdessen werden die Schlechten in die Schluchten des Hades gelangen, da sie bereits ihr ganzes Leben auf den Tod ausgerichtet haben. 106 Sap 16 , 13 σὺ γὰρ ζωῆς καὶ θανάτου ἐξουσίαν ἔχεις καὶ κατάγεις εἰς πύλας ᾅδου καὶ ἀνάγεις . Vgl. ferner Sap 2 , 1 ; 17 , 13 . 74 <?page no="75"?> der Reihe synonymer Begriffe für θάνατος gesetzt wird. Gemäß dem Schöpfungsplan Gottes hat der Tod, d. h. die Gottesferne, auf der Erde keine Macht. 4 . 2 . 4 Sap 1 , 15 . Das Lieben der Gerechtigkeit und die Unsterblichkeit δικαιοσύνη γὰρ ἀθάνατός ἐστιν 107 Denn Gerechtigkeit ist unsterblich Der Monostichos Sap 1 , 15 schließt das Proömium (Sap 1 , 1 - 15 ) mit einer Inclusio ab, die Sap 1 , 15 an Sap 1 , 1 a zurückbindet. Verbunden werden die beiden Rahmenstücke des Proömiums durch die ersten beiden Belege für δικαιοσύνη in der Sap. 108 Der Bezug von Sap 1 , 15 auf Sap 1 , 1 a legt sich aber nicht nur wegen der Wiederaufnahme von δικαιοσύνη nahe. Auch der Versuch, den mit γάρ angeschlossenen Schlussvers des Proömiums logisch mit seinem Kontext zu verbinden, führt zu dem Ergebnis, dass Sap 1 , 15 keine abschließende Begründung für die unmittelbar vorangehende Argumentation in Sap 1 , 11 - 14 sein kann, 109 sondern auf den Eingangsaufruf zum Lieben der Gerechtigkeit zurückweist. Auf den Eingangsaufruf »Liebet Gerechtigkeit, ihr Herrscher der Erde« folgt am Schluss des Proömiums die Begründung »denn Gerechtigkeit ist unsterblich«. 110 Auch die Auffälligkeit, dass beide Verse bzw. Versteile nicht Teil eines für die Sap typischen Parallelismus Membrorum sind, spricht für eine literarische Bezugnahme von Sap 1 , 15 auf Sap 1 , 1 a. 111 107 Einige lateinische Handschriften fügen hier eine zweite Verhälfte an: iniustitia autem mortis est acquisitio. Diese Texterweiterung, die im Griechischen nicht belegt und sicherlich nicht ursprünglich ist, verschafft auch Sap 1 , 15 die Form eines Parallelismus Membrorum, wie sie den vorangehenden Versen zugrunde liegt. Grimm, Weisheit, S. 63 , hat diese lateinische Vershälfte ins Griechische rückübersetzt: ἀδικία δὲ θανάτου περιποίησίς ἐστιν . 108 Die insgesamt elf Belege für δικαιοσύνη verteilen sich gleichmäßig über das Buch: Sap 1 , 1 . 15 ; 2 , 11 ; 5 , 6 . 18 ; 8 , 7 ( 2 x); 9 , 3 ; 12 , 16 ; 14 , 7 ; 15 , 3 . 109 Offerhaus, Komposition, S. 32 , sieht dagegen in Sap 1 , 15 nach Sap 1 , 13 f die zweite thesenartige Begründung für die Warnung, sich den Tod nicht zuzuziehen (Sap 1 , 12 ). Da Gott den Tod nicht gemacht hat und er alle Geschöpfe zum Sein bestimmt hat (Sap 1 , 13 f), soll sich der Mensch davor hüten, dem Tod nachzueifern. Ebenso begründet nach Offerhaus auch die Aussage, dass Gerechtigkeit unsterblich ist, die Warnung, dem Tod nicht nachzueifern. - Während Sap 1 , 13 f zweifelsfrei ein kausaler Anschluss an Sap 1 , 12 ist, kann dies von Sap 1 , 15 nicht behauptet werden. Die Aussage, dass Gerechtigkeit unsterblich ist (Sap 1 , 15 ), ist keine logische Begründung für die vorherige Warnung. 110 Raurell, ΔΙΚΑΙΟΣΥΝΗ , S. 336 - 349 , zeigt, dass die zwischen die Inclusio eingeschobenen Verse Sap 1 , 1 b- 14 eine Ausführung der Aufforderung zum Lieben der Gerechtigkeit darstellen. Sap 1 , 1 b- 2 verdeutlichen dabei, was es heißt, die Gerechtigkeit zu lieben, während Sap 1 , 3 - 12 ausführen, wie ein Leben in Ungerechtigkeit aussieht. 111 Die Struktur von Sap 1 , 1 ist vielschichtig. Sap 1 , 1 a ist mit Sap 1 , 1 bc in einem Vers durch die gemeinsamen Imperative verbunden. Sap 1 , 1 bc bilden einen Parallelismus 75 <?page no="76"?> Obwohl sich die Begründung in Sap 1 , 15 nicht auf Sap 1 , 11 - 14 bezieht, ist die inhaltliche Nähe offensichtlich. Die Abhandlung über die Bestimmung der Schöpfung zum Sein und die Warnung vor dem selbst herbeigezogenen Tod werden von einer Aussage zur Unsterblichkeit abgeschlossen. Zieht man in Betracht, dass die Imperative φυλάξασθε , φείσασθε (Sap 1 , 11 ) und μὴ ζηλοῦτε (Sap 1 , 12 ) sich an die in Sap 1 , 1 mit ἀγαπήσατε δικαιοσύνην begonnene Imperativreihe anschließen, so zeigt sich die enge Verklammerung des gesamten Proömiums, d. h. der Inclusio mit den umschlossenen Versen. Es wird sowohl zum Lieben der unsterblichen Gerechtigkeit aufgefordert als auch vor todbringendem Murren, d. h. vor todbringender Gottesferne, gewarnt. Die Imperative weisen somit auf zweierlei hin, auf unsterbliche Gerechtigkeit und auf tödliche Gottesferne. Dieser Zusammenhang ist entscheidend für Sap 1 , 15 . Gerechtigkeit, Unsterblichkeit und Gottesnähe sind ebenso in einem Atemzug zu nennen wie Tod und Murren gegen Gott und den Nächsten. Sap 1 , 15 ist durch die enge Verknüpfung der beiden zentralen Begriffe δικαιοσύνη und ἀθάνατος bestimmt. Die Bedeutung von ἀθάνατος leitet sich aus den Ausführungen zu θάνατος in Sap 1 , 12 f ab. Da θάνατος , wie gezeigt, in diesem Kontext nicht den physischen Tod bezeichnet, sondern die Gottferne, ist mit der Negation ἀθάνατος eben diese ausgeschlossen. Statt fern von Gott ist Gerechtigkeit nahe bei Gott. In Verbindung mit Sap 1 , 1 a folgt, dass derjenige, der Gerechtigkeit liebt, in unsterblicher Gottesnähe ist. Mit der Unsterblichkeit verleihenden Gerechtigkeit ist ein theologisch aufgeladener Begriff aufgenommen, der die Überschneidung von jüdischer Tradition und griechischem Denken verdeutlicht. Sowohl in der griechischen als auch in der jüdischen Vorstellungswelt nimmt δικαιοσύνη einen zentralen Platz ein. Exkurs διϰαιοσύνη Der Wortstamm δίκη , von dem δικαιοσύνη abgeleitet ist, entstammt der Rechtsterminologie und bedeutet »Recht, Gerechtigkeit, Rechtsspruch« und auch »Strafe«. 112 Dabei sind im Begriff δίκη juridisches, ethisches, politisches und religiöses Verständnis eng miteinander verwoben. 113 Nach Sokrates ist Gerechtigkeit der den Membrorum. Es kann allerdings außerdem in Erwägung gezogen werden, dass Sap 1 , 1 a den ersten Teil eines Parallelismus Membrorum bildet, der mit Sap 1 , 1 bc korrespondiert. Daraus ergäbe sich ein paralleler Gebrauch von δικαιοσύνη und κύριος . 112 Vgl. zu den folgenden Ausführungen den ausführlichen Exkurs »›Gerechtigkeit‹ in der hellenistisch-ägyptischen Umwelt und im Buch der Weisheit« in Engel, Weisheit, S. 58 - 63 . 113 Vgl. Schrenk, Art. δικαιοσύνη , S. 194 . 76 <?page no="77"?> staatlichen Gesetzen geschuldete Gehorsam des Bürgers. 114 Auch Platon nimmt in seiner Definition der δικαιοσύνη den politischen Aspekt auf: τὸ τά αὑτοῦ πράττειν καὶ μή πολυπραγμονεῖν δικαιοσύνη ἐστί . 115 Damit betont er den bürgerlichen Tugendcharakter der Gerechtigkeit. Ebenso kann er δικαιοσύνη als das Streben nach zum Volk gehörender πόλις -Tugend beschreiben. 116 Als Teil der vier Kardinaltugenden stellt Platon die δικαιοσύνη dar und nennt sie zumeist an erster Stelle gemeinsam mit den weiteren drei Tugenden σοφία / φρόνησις , ἀνδρεία und σωφροσύνη . 117 Auch für Aristoteles ist der Zusammenhang von Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit evident. So gilt derjenige als gerecht, der die Gesetze einhält, während derjenige ungerecht genannt wird, der gegen die Gesetze verstößt. 118 Im fünften Kapitel der Nikomachischen Ethik bezeichnet Aristoteles die δικαιοσύνη im Anschluss an Theognis als die vollendetste Tugend. 119 Grundlegend für das griechische Verständnis der δικαιοσύνη ist, dass es sich bei ihr, wie bei jeder Tugend, um eine »Haltung« ( ἕχις ) des Menschen handelt. 120 In der Septuaginta ist δικαιοσύνη überwiegend Übersetzung des hebräischen הקדצ / קדצ . 121 Während δικαιοσύνη im griechischen Sprachgebrauch einen Habitus des Menschen beschreibt, ist das hebräische הקדצ / קדצ ein Relationsbegriff. Statt einer menschlichen Haltung wird mit הקדצ / קדצ ein Verhältnis zwischen zwei Parteien bestimmt. 122 Die heilsame und den Menschen rettende Ordnung Gottes wird durch קדצ beschrieben. 123 Das sich an הקדצ / קדצ orientierende Richten Gottes wirkt sich auf den betreffenden Bedrängten positiv aus, es bedeutet für ihn Hilfe und Heil. 124 Die Bedeutung von הקדצ / קדצ kann sogar soweit gehen, dass damit Gottes Heilstat und Bundestreue bezeichnet wird. 125 Dem Menschen kommt die Aufgabe zu, sein gesamtes Leben nach dem קדצ auszurichten. Er soll ihm nachjagen, 126 ihn lieben, 127 mit ihm richten, 128 sich darin kleiden 129 und ihn tun. 130 114 Krit. 49 e- 54 d. 115 rep. IV, 433 a. 116 In Phaid. 82 a.b definiert Platon δικαιοσύνη als eine δημοτικὴ καί πολιτικὴ ἀρετή . 117 rep. 427 d- 432 b; 442 b-d. 118 eth.Nic. 1129 b, 12 . 119 eth.Nic. 1129 b, 30 . Bereits im 6 . Jahrhundert v. Chr. nennt Theognis 147 die δικαιοσύνη die Zusammenfassung aller Tugenden: ἐν δὲ δικαιοσύνῃ συλλήβδην πᾶσ’ ἀρετή ἐστιν . 120 eth.Nic. 1144 b, 27 . Das römische Gerechtigkeitsverständnis, das von der Stoa und Cicero geprägt ist, findet in der lateinischen Formel suum cuique tribuere seinen Ausdruck. Vgl. z. B. Cicero rep. 3 , 11 , 18 . 121 Gen 15 , 6 ; Lev 19 , 15 ; ψ 118 , 138 ( 119 , 138 ); Prov 8 , 18 u. ö. 122 Vgl. Johnson, Art. קדצ . Schrenk, Art. δικαιοσύνη , S. 197 , definiert das hebräische Gerechtigkeitsverständnis wie folgt: »Gerecht ist, wer Ansprüchen gerecht wird, die jemand an ihn kraft eines Verhältnisses hat.« 123 Ps 35 , 28 ; 40 , 10 ; 50 , 6 ; 97 , 6 . 124 Dtn 32 , 4 ; Hos 2 , 21 ; Mi 7 , 9 . 125 Jer 50 , 1 ; Jes 41 , 2 . 10 ; 42 , 6 ; 45 , 8 ; 51 , 5 . 126 Dtn 16 , 20 ; Jes 51 , 1 . 127 Ps 45 , 8 . 128 Prov 31 , 9 . 129 Ps 132 , 9 ; Hi 29 , 14 . 130 Jes 64 , 4 ; Ps 15 , 2 ; 119 , 121 . 77 <?page no="78"?> Darüber hinaus können mit δικαιοσύνη aber gelegentlich auch andere hebräische Begriffe übersetzt werden. So werden דסח 131 und תמא 132 ebenfalls mit δικαιοσύνη wiedergegeben, womit das Spektrum der Bedeutungen von δικαιοσύνη erweitert und der bereits in הקדצ / קדצ implizierte Heilscharakter noch bekräftigt wird. Besonders die Wiedergabe von דסח durch δικαιοσύνη an Stelle des sonst üblichen ἔλεος veranschaulicht diesen Bedeutungszuwachs. Daneben besteht aber auch der forensische Gebrauch, wie die Übersetzung von טפשׁמ mit δικαιοσύνη zeigt. 133 Die Sap lässt eine Überschneidung von paganer griechischer und alttestamentlicher Begrifflichkeit erkennen. Von den insgesamt elf Belegen für δικαιοσύνη 134 weist besonders Sap 8 , 7 eine eindeutige Nähe zum griechischen Gerechtigkeitsbegriff auf. Die Auflistung der vier Kardinaltugenden σωφροσύνη , φρόνησις , δικαιοσύνη , ἀνδρεία in Sap 8 , 7 ist unverkennbar dem griechischen Einfluss geschuldet. Hinter der Verbindung von ὁσιότης und δικαιοσύνη in Sap 9 , 3 stehen sowohl griechische 135 als auch alttestamentliche Traditionen. 136 Neben solchen mehr oder weniger deutlichen Anspielungen an griechisches Denken wird der Begriff δικαιοσύνη auch verwendet, um genuin jüdische Vorstellungen auszudrücken. Dieser Gebrauch liegt in Sap 15 , 3 vor: τὸ γὰρ ἐπίστασθαί σε ὁλόκληρος δικαιοσύνη καὶ εἰδέναι σου τὸ κράτος ῥίζα ἀθανασίας . Gott zu kennen, wird hier als vollkommene Gerechtigkeit und Wurzel der Unsterblichkeit beschrieben. Damit drückt δικαιοσύνη das Verhältnis des Menschen zu Gott aus. Ebenso ist δικαιοσύνη in Sap 1 , 1 . 15 zu deuten. In Sap 1 , 1 folgt auf ἀγαπήσατε δικαιοσύνην die Aufforderung, die Gedanken auf den Herrn ( κύριος ) auszurichten und ihn zu suchen. Die Verbindung von δικαιοσύνη und κύριος in Sap 1 , 1 bekräftigt die von Scarpat geäußerte Annahme, δικαιοσύνη sei in Sap 1 , 1 als δικαιοσύνη τοῦ θεοῦ qualifiziert, wobei der Genitiv τοῦ θεοῦ als Genitivus Subjectivus aufzufassen sei. 137 Das Schicksal der Gerechten ( δίκαιοι ) und der Gottlosen ( ἀσεβεῖς ) wird sich an deren jeweiligem Verhalten gegenüber der Gerechtigkeit entscheiden. Da die Gottlosen ihre eigene Stärke zum Gesetz der Gerechtigkeit erklären (Sap 2 , 11 ) und nicht in der Stärke Gottes den Ursprung der Gerechtigkeit erkennen (Sap 12 , 16 ), bleibt ihnen die über den physischen Tod hinausgehende Unvergänglichkeit verwehrt. Daher müssen sie im zukünftigen Gericht bekennen, dass für sie das Licht der Gerechtigkeit 131 Gen 19 , 19 ; 20 , 13 ; 21 , 23 ; 24 , 27 u. ö. 132 Gen 24 , 49 ; Jes 38 , 19 ; 39 , 8 ; Dan 8 , 12 . 133 Jes 61 , 8 ; Mal 2 , 17 . 134 Sap 1 , 1 . 15 ; 2 , 11 ; 5 , 6 . 18 ; 8 , 7 ( 2 x); 9 , 3 ; 12 , 16 ; 14 , 7 ; 15 , 3 . 135 Gorg. 507 b τὸν δὲ τὰ δίκαια καὶ ὅσια πράττοντα ἀνάγκη δίκαιον καὶ ὅσιον εἶναι ; Euthyphr. 12 a.e. 136 Dtn 9 , 5 ; OdSal 9 , 75 . Vgl. ferner Lk 1 , 75 ; Eph 4 , 24 . 137 Vgl. Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 49 - 51 . Als Beleg führt Scarpat ψ 97 , 2 f ( 98 , 2 f) an: ἐγνώρισεν κύριος τὸ σωτήριον αὐτοῦ ἐναντίον τῶν ἐθνῶν ἀπεκάλυψεν τὴν δικαιοσύνην αὐτοῦ. ἐμνήσθη τοῦ ἐλέους αὐτοῦ τῷ Ιακωβ καὶ τῆς ἀληθείας αὐτοῦ τῷ οἴκῳ Ισραηλ εἴδοσαν πάντα τὰ πέρατα τῆς γῆς τὸ σωτήριον τοῦ θεοῦ ἡμῶν. »Der Herr hat sein Heil kundgetan, vor den Heiden hat er seine Gerechtigkeit offenbart. Er hat seiner Gnade an Jakob gedacht und seiner Treue für das Haus Israel. Alle Enden der Erde haben das Heil unseres Gottes gesehen.« Die synonym gebrauchten Gottesattribute δικαιοσύνη , σωτήριον , ἔλεος und ἀλήθεια belegen, dass Gerechtigkeit durchaus die Gott zugehörige Gerechtigkeit bezeichnen kann. 78 <?page no="79"?> nicht geschienen hat (Sap 5 , 6 ). Die Gerechten können sich darauf verlassen, dass der Herr Gerechtigkeit anziehen wird, um mit ihr für sie zu streiten (Sap 5 , 18 ). Das rettende Heilshandeln Gottes ist ebenfalls in Sap 14 , 7 mit δικαιοσύνη bezeichnet. 138 Was sich in Sap 1 , 15 aufgrund der Verbindung mit Sap 1 , 1 ankündigt, wird in Sap 15 , 3 ausgeführt. Die vollkommene Form der Gerechtigkeit ist es, Gott, d. h. seine rettende und heilbringende Gerechtigkeit, zu kennen (Sap 15 , 3 ). Darin liegt die Wurzel der Unsterblichkeit. Gerechtigkeit zu lieben, bedeutet daher, eine innige Gottesbeziehung zu haben, die Leben und Unsterblichkeit garantieren wird. Für ein Leben, das auf diese Art der Gerechtigkeit ausgerichtet ist, wirbt die Sap. Eine dementsprechende Lebensführung wird mit Unsterblichkeit belohnt werden (vgl. Sap 2 , 22 ; 5 , 15 ). 4 . 3 Fazit zu Sap 1 , 11 - 15 Sap 1 , 11 - 15 hat sich als Übergangsstück vom Proömium zur ersten Rede der Gottlosen erwiesen. Thematische Ausblicke und eine Vielzahl literarischer Verknüpfungen zum folgenden Abschnitt belegen diese Scharnierfunktion. Die für das gesamte Buch der Sap charakteristische Unterscheidung zwischen Leben und Tod, Unvergänglichkeit und Vergehen wird in komprimierter Form in diesen Versen reflektiert. Die folgenden Gegenüberstellungen der Schicksale der Gottlosen und der Gerechten werden dadurch antizipiert. Die Einzeluntersuchungen haben zu dem Ergebnis geführt, dass die Rezeption traditioneller alttestamentlicher Überzeugungen in Verbindung mit der Aufnahme griechischer Vorstellungen zu einer neuartigen Synthese griechischen und jüdischen Denkens führen. Beispielhaft sei auf die Schöpfungsterminologie, die Seelenkonzeption und die ontologische Sprache in Sap 1 , 11 - 15 verwiesen. Der Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und Unsterblichkeit sowie Murren und Tod hebt die ethische Dimension dieses Abschnitts hervor. Die semantische Analyse hat zudem zu dem Schluss geführt, dass Tod und 138 Die christologische Deutung von Sap 14 , 7 . 8 a α ( εὐλόγηται γὰρ ξύλον δι ’ οὗ γίνεται δικαιοσύνη. τὸ χειροποίητον δέ ἐπικατάρατον. »Gesegnet sei das Holz, durch das Gerechtigkeit geschieht. Verflucht sei aber das handgemachte [Holz].«) findet sich bereits bei Ambrosius in der ›Expositio Psalmi‹ CXVIII 8 , 23 : benedictum lignum quod fit per iustitiam, maledictum autem lignum quod fit per manum hominum. superius ad crucem domini retulit, posterius ad errorem gentilium qui ligna uenerantur. iustitia autem quae est crucis, nisi quod ascendens illud patibulum dominus Iesus Christus peccatorum nostrorum chirographum crucifixit et totius orbis peccatum suo cruore mandauit? »Gesegnet sei das Holz, durch das Gerechtigkeit geschieht, verflucht sei aber das von Menschenhand gemacht Holz. Das erste deutet auf das Kreuz des Herrn, das zweite auf den Irrtum der Menschen, die das Holz verehren. Worin aber besteht die Gerechtigkeit des Kreuzes, wenn nicht darin, dass der Herr Jesus Christus auf das Patibulum gestiegen ist, um den Schuldschein unserer Sünden zu kreuzigen und die ganze Sünde der Welt in seinem Blut rein zu waschen? « 79 <?page no="80"?> Vergehen hier kein physisches Ableben, sondern den Zustand der ewigen Gottesferne bezeichnen. Ebenso zielt eine Schöpfung, die zum Sein bestimmt ist, nicht auf eine endlose physische Existenz in dieser Welt, sondern auf die unbegrenzte Gottesnähe. 4 . 4 Die Rahmung der Rede Sap 1 , 16 - 2 , 1 a und Sap 2 , 21 - 24 Sap 1 , 16 - 2 , 1 a bildet mit Sap 2 , 21 - 24 einen kommentierenden Rahmen um die fiktive Rede der Gottlosen (Sap 2 , 1 b- 20 ). 139 In beiden Rahmenstücken wird das zentrale Thema des Todes hervorgehoben. Wie schon im vorangehenden Abschnitt Sap 1 , 11 - 15 ist auch in den beiden Kommentaren zur Rede nicht der physische Tod im Blick. Vielmehr wird das eschatologische Schicksal der Gottlosen kommentiert. Im Einleitungskommentar (Sap 1 , 16 - 2 , 1 a) wird die unmittelbar vorangehende Aussage über Unsterblichkeit ( δικαιοσύνη γὰρ ἀθάνατός ἐστιν Sap 1 , 15 ) durch die Hinwendung der Gottlosen zum Tod kontrastiert. Unsterblichkeit und Tod werden direkt gegenübergestellt. Ein ähnlicher Kontrast ist auch im Abschlusskommentar zur Rede zu beobachten. Wird in Sap 2 , 23 noch die Bestimmung des Menschen zur »Unvergänglichkeit« ( ἀφθαρσία ) genannt, so fügt auch Sap 2 , 24 unmittelbar eine Aussage über den Tod an. Gemeinsam ist in diesem Kontext, dass sowohl in Sap 1 , 16 als auch in Sap 2 , 24 eine Ätiologie des Todes vorliegt. Nach Sap 1 , 16 wird der Tod auf das Handeln und Reden der Gottlosen zurückgeführt, die den Tod »herbeigerufen« ( προσκαλέω Sap 1 , 16 ). In Entsprechung dazu führt Sap 2 , 24 ebenfalls eine Begründung für den Ursprung des Todes an. Im Schlusskommentar wird allerdings nicht mehr menschliches Tun und Reden für den Eintritt ( εἰσέρχομαι ) des Todes in die Welt verantwortlich gemacht, sondern der Neid des Teufels. Die beiden äußersten Rahmenverse des Eingangs- und des Schlusskommentars korrespondieren somit und erweisen sich jeweils als eine Ätiologie des Todes. Neben diesen thematischen Verbindungslinien bestehen auch klare literarische Bezüge zwischen dem einleitenden und dem abschließenden Rahmen- 139 Über diese Abgrenzung und Funktion von Sap 1 , 16 - 2 , 1 a und Sap 2 , 21 - 24 besteht ein weitreichender Konsens. Vgl. Engel, Weisheit, S. 64 , Vílchez, Sapienza, S. 20 , Schmitt, Weisheit 1986 , S. 43 f, Kolarcik, Ambiguity, S. 39 , Reese, Plan, S. 394 . Leicht modifiziert Perrenchio, Sapienza 1 , 1 - 15 , S. 296 - 298 , diese Einteilung, indem er Sap 2 , 1 a und Sap 2 , 21 a als gesonderte Inklusion um die Rede der Gottlosen wertet. Dagegen grenzt Hübner, Weisheit, S. 36 - 41 . 45 - 48 , die Texteinheiten Sap 1 , 16 - 2 , 9 und Sap 2 , 21 - 24 ab. Den ersten Teil unterteilt Hübner noch in Sap 1 , 16 - 2 , 5 (Resignation angesichts der Vergänglichkeit) und Sap 2 , 6 - 9 (Carpe diem). 80 <?page no="81"?> stück. 140 Der kompositorische Zusammenhang zwischen Sap 1 , 16 - 2 , 1 a und Sap 2 , 21 - 24 zeigt sich in zwei Stichwortverbindungen, die jeweils Inklusionen um die Rede bilden. In einer äußeren Inklusion wird τῆς ἐκείνου μερίδος εἶναι (Sap 1 , 16 ) aus dem Eingangsrahmenstück durch τῆς ἐκείνου μερίδος ὄντες (Sap 2 , 24 ) im Schlussrahmenstück fast wörtlich wieder aufgenommen. Mit annähernd derselben Wendung wird so die Zugehörigkeit der Gottlosen zum Tod ausgedrückt. Die Funktion dieser äußeren Inklusion ist es, auf das zentrale Thema der Rede der Gottlosen, auf die Auseinandersetzung mit dem Tod hinzuweisen. Die zweite Stichwortverbindung, die eine innere Inklusion bildet, besteht aus Übereinstimmungen in den unmittelbar vor und nach der Rede stehenden Stichoi. Sap 2 , 1 a leitet die Rede der Gottlosen durch λογισάμενοι οὐκ ὀρθῶς ein und Sap 2 , 21 a schließt diese mit der Wendung ταῦτα ἐλογίσαντο καὶ ἐπλανήθησαν ab. Mit dieser inneren Rahmung der Rede wird der Irrsinn des Räsonierens der Gottlosen hervorgehoben. 4 . 5 Sap 1 , 16 - 2 , 1 a. Das einleitende Rahmenstück zur Rede der Gottlosen: Die erste Ätiologie des Todes Mit ἀσεβεῖς δέ werden in Sap 1 , 16 a die Protagonisten des zweiten Kapitels der Sap eingeführt. Die erstmalige Nennung der Gottlosen, die die Gegenüberstellung von Gottlosen und Gerechten in Sap 2 - 5 eröffnet, leitet die Rede der Gottlosen ein. Im Mittelpunkt der folgenden fiktiven Rede steht die auf das irdische Vergehen fixierte Weltwahrnehmung der Gottlosen, aus der diese eine hedonistische und rücksichtslose Handlungsorientierung ableiten. Die sich an die Rede anschließende Konfrontation der Gottlosen mit den Gerechten beabsichtigt dabei zu keiner Zeit, ein ausgewogenes und differenziertes Bild der jeweiligen Personengruppe zu zeichnen. Vielmehr wird der Schwarz-Weiß-Kontrast bewusst verwendet, um den Imperativen in Sap 1 , 1 - 15 Nachdruck zu verleihen, indem die völlig unterschiedlichen Verhaltensmuster der Gottlosen denen der Gerechten gegenübergestellt werden. 141 Mit dem adversativen δέ wird zum Auftakt des neuen Abschnitts in Sap 1 , 16 der Kontrast zu den in Sap 1 , 1 - 15 vorangegangenen Ausführungen verdeutlicht. Die folgenden literarisch stilisierten krummen Gedanken der Gottlosen stehen im krassen Widerspruch zu den imperativischen Auf- 140 Vgl. Bizzeti, Sapienza, S. 53 , Kolarcik, Ambiguity, S. 39 , Perrenchio, Sapienza 1 , 16 - 2 , 24 e 5 , 1 - 23 , S. 6 - 9 . 141 Vgl. zur Gegenüberstellung von δίκαιος und ἀσεβής Prov 10 - 15 . - Offerhaus, Komposition, S. 35 , hält es für einen »kompositorische[n] Kunstgriff des Verfassers«, dass das Denken von Gerechten und Gottlosen nicht getrennt voneinander in verschiedenen Redegängen, sondern unmittelbar im Verhältnis zueinander dargestellt wird. 81 <?page no="82"?> forderungen in den Eingangsversen. Jede der sieben Aufforderungen aus den Eingangsversen konterkarieren die Gottlosen mit ihrem Verhalten. Statt Gerechtigkeit zu lieben, das eigene Trachten auf den Herrn auszurichten und ihn zu suchen (Sap 1 , 1 ), sich vor unnützem Murren zu hüten und üble Nachrede zu meiden (Sap 1 , 11 ) und weder dem Tod nachzueifern noch das Verderben herbeizuziehen (Sap 1 , 12 ) bleibt der Horizont der Gottlosen auf Gewalt- und Machtexzesse sowie auf Lustgewinn begrenzt. Dieses Verhalten gleicht in den Augen des Verfassers der Sap einem Bundesschluss mit dem Tod (Sap 1 , 16 c). Die Struktur des Kommentars Sap 1 , 16 - 2 , 1 a ist klar und deutlich. Jeder Stichos des Verses ist auf dasselbe Thema, den Tod, ausgerichtet. 142 Die dreigliedrige Beschreibung des innigen Verhältnisses der Gottlosen zum Tod (Sap 1 , 16 abc) mündet in eine mit ὅτι eingeleitete Begründung (Sap 1 , 16 d). Ihr Verhalten kommt demnach einem Todesbundesschluss gleich, weil sie würdige Partner des θάνατος sind. Sap 2 , 1 a leitet im Anschluss daran unmittelbar zur Rede über. 4 . 5 . 1 Sap 1 , 16 a. Der Tod kommt durch die Gottlosen ἀσεβεῖς δὲ ταῖς χερσὶν καὶ τοῖς λόγοις προσεκαλέσαντο αὐτόν Die Gottlosen haben ihn [sc. den Tod] mit Händen und Worten herbeigerufen Nachdem in Sap 1 , 1 - 15 δικαιοσύνη das entscheidende Thema war, überrascht es, dass der Gegensatz zu einem gerechten Leben nicht anhand der Gruppe der Ungerechten, sondern durch das Beispiel der Gottlosen dargestellt wird. 143 Es besteht jedoch kein Zweifel, dass mit der ἀσέβεια der Gottlosen ein Vergehen benannt ist, das gegen die in den Eingangsversen geforderte Ausrichtung des Lebens auf Gerechtigkeit verstößt. In der griechischen Tradition wird mit dem Wortfeld ἀσεβής / ἀσέβεια / ἀσεβέω der Verstoß gegen das ordnungsgemäße Verhältnis des einzelnen zu den Göttern beschrieben. 144 Der Septuaginta ist eine solche Engführung fremd. Mit dem Wortfeld ἀσεβist nicht nur das Fehlverhalten gegenüber Gottes Willen, sondern davon kaum trennbar auch gegenüber dem Nächsten bezeichnet. 145 Dabei bezeichnet ἀσέβεια nie allein eine Geisteshaltung, 142 Vgl. Perrenchio, Sapienza 1 , 16 - 2 , 24 e 5 , 1 - 23 , S. 8 . 143 Bereits Grimm, Weisheit, S. 64 , weist darauf hin, dass nach Sap 1 , 15 ( δικαιοσύνη γὰρ ἀθάνατος ) der Gegensatz ἄδικοι zu erwarten wäre. Stattdessen benennt der Verfasser mit ἀσεβεῖς / ἀσέβεια »den innern Grund der ἀδικία , den Mangel an Scheu vor Gott oder die Irreligiosität«. 144 Die noch relativ offene Verwendung bei Platon, symp. 188 c wird bei Dion Chrys. 31 , 13 merklich eingeengt. Vgl. Fiedler, Art. ἀσεβής , Sp. 405 f. Weitere Belege bei Foerster, Art. σέβομαι , S. 185 . 145 Prov 28 , 3 ; Am 5 , 12 ; Ez 23 , 35 u. ö. 82 <?page no="83"?> sondern immer ein Verhalten, das den Geboten der Tora widerspricht. Da die Tora alle Lebensbereiche umfasst, kann jeder Verstoß gegen die Tora als ἀσέβεια gewertet werden. 146 Diese Bedeutung für ἀσέβεια begegnet auch in den Testamenten der zwölf Patriarchen, in denen einzelne sündige Taten als ἀσέβεια beschrieben werden. 147 In der Sap findet sich das Substantiv ἀσέβεια wie auch das Verb ἀσεβέω nur im Exkurs über den Götzendienst in Sap 14 , 9 , wo Frevler wie auch Frevel als Gott gleichermaßen verhasst gelten. Sehr häufig wird wie in Sap 1 , 16 dagegen das substantivierte Adjektiv ἀσεβής zur Bezeichnung der Gottlosen verwendet. 148 Die Situation der Gottlosen ist dabei zu jeder Zeit desaströs. Ihre Pläne müssen vor Gericht (Sap 1 , 9 ), sie werden bestraft (Sap 3 , 10 ), ihr Kindersegen ist nutzlos (Sap 4 , 3 ), ihre Hoffnung wie Staub (Sap 5 , 14 ), sie müssen Qualen erleiden (Sap 10 , 9 ), von den Gewalten der Natur werden sie gegeißelt (Sap 16 , 16 . 18 ) und erbarmungsloser Zorn ergeht über sie (Sap 19 , 1 ). Die Ursache dieser katastrophalen Lage der Gottlosen ist u. a. in der ab Sap 2 , 1 b sich anschließenden Rede der Gottlosen Thema. Statt sich auf den Herrn (Sap 1 , 1 b) zu besinnen und seine Gerechtigkeit zu lieben (Sap 1 , 1 a), kreisen die Gottlosen nur um sich selbst und benennen ihre eigene Stärke Gerechtigkeit (Sap 2 , 11 ). Sie verstoßen damit gegen die vorangehenden Aufforderungen (Sap 1 , 1 - 15 ). So wie das Lieben der Gerechtigkeit und die Unvergänglichkeit in einem Zusammenhang stehen (Sap 1 , 1 . 15 ), bedingen sich für die Gottlosen Gottlosigkeit und Tod. Diese in Sap 1 , 16 hergestellte Verbindung zwischen dem ἀσεβής und θάνατος , die u. a. bereits in Prov 1 , 19 149 und Ez 18 , 28 150 belegt ist, hat für den folgenden Abschnitt programmatische Bedeutung. Zwar wird in Sap 1 , 16 θάνατος nicht expressis verbis genannt, doch leidet es keinen Zweifel, dass das Pronomen αὐτός anstelle von θάνατος steht, auch wenn dieser Bezug aus dem im vorangehenden Vers Sap 1 , 15 stehenden Adjektiv ἀθάνατος abzuleiten ist. 151 Der offene Wi- 146 Zum Beispiel Am 1 , 3 . 6 . 9 . 11 . 13 ; 2 , 1 . 4 . 6 . 147 TestXII.Rub 3 , 14 f; TestXII.Jos 5 , 2 ; 6 , 9 . 148 Sap 1 , 9 . 16 ; 3 , 10 ; 4 , 3 . 16 ; 5 , 14 ; 10 , 6 . 20 ; 11 , 9 ; 12 , 9 ; 16 , 16 . 18 ; 19 , 1 . Ferner wird in Sap 14 , 16 die Praxis des Kaiserkultes als τὸ ἀσεβὲς ἔθος bezeichnet. 149 τῇ γὰρ ἀσεβείᾳ τὴν ἑαυτῶν ψυχὴν ἀφαιροῦνται . 150 καὶ ἀπέστρεψεν ἐκ πασῶν τῶν ἀσεβειῶν αὐτοῦ ὧν ἐποίησεν ζωῇ ζήσεται οὐ μὴ ἀποθάνῃ . 151 Perrenchio, Sapienza 1 , 16 - 2 , 24 e 5 , 1 - 23 , S. 7 f, hat ausführlich die Argumente für und wider diesen Bezug von αὐτός auf θάνατος dargelegt. Er argumentiert für einen solchen Bezug mit dem Verweis auf einen ähnlichen zudem noch eindeutigeren Fall. Da in Sap 1 , 6 das dreimalige αὐτός auf ἄνθρωπος zu beziehen ist, obwohl ἄνθρωπος nicht explizit genannt ist, sondern aus dem Adjektiv φι λάνθρωπος abzuleiten ist, kann Gleiches auch für Sap 1 , 16 gelten. Perrenchio vermutet hierbei eine »nota stilistica dell’autore« (S. 7 ). Daher ist es gerechtfertigt, Reeses Vermutung zu widersprechen, dass sich αὐτός in Sap 1 , 16 auf ᾅδης aus Sap 1 , 14 d bezieht, obwohl dies grammatisch durchaus möglich wäre (Vgl. Reese, Plan, S. 394 ). 83 <?page no="84"?> derspruch des Verhaltens der Gottlosen zu den Eingangsaufforderungen zeigt sich darin, dass ihr Verhalten als ein Herbeirufen des Todes durch die eigenen Hände und Worte beschrieben wird. Die in Sap 1 , 12 ausgesprochene Warnung, dem Tod nicht nachzueifern und das Verderben nicht »mit den Werken der Hände« ( ἐν ἔργοις χειρῶν ) herbeizuziehen, wird von den Gottlosen missachtet. Das Herbeirufen des Todes »mit Händen und Worten« ( ταῖς χερσὶν καὶ τοῖς λόγοις ) ist somit eine Karikatur von Sap 1 , 12 . Die instrumentalen Dative χερσίν und λόγοις heben die Verantwortung der Gottlosen hervor. Damit liegt die Herkunft des Todes im Denken und Handeln der Gottlosen begründet. Sie selbst rufen ihn zu sich herbei. 152 Die Rede der Gottlosen steht nach Ansicht des kommentierenden Verfassers der Sap somit unter dem Verdikt des selbstverschuldeten Todes. Die enge Beziehung von Sap 1 , 16 a zu dem vorangehenden Abschnitt Sap 1 , 11 - 15 spricht dafür, in dem von den Gottlosen herbeigerufenen Tod denselben Tod zu sehen, vor dem in Sap 1 , 12 so nachdrücklich gewarnt wurde. Das mit »aber« übersetzte δέ zu Beginn von Sap 1 , 16 deutet diesen Kontrast prägnant an. Auch das Pronomen αὐτός , dessen Bedeutung nur durch die vorangehenden Verse erschlossen werden kann, verweist auf die enge Verzahnung von Sap 1 , 16 mit Sap 1 , 11 - 15 . Obwohl vor dem Tod, d. h. vor der Gottesferne, 153 gewarnt wird (Sap 1 , 12 ) und dieser Tod auch explizit von den Schöpfungswerken Gottes ausgenommen wird (Sap 1 , 13 ), rufen ihn die Gottlosen trotzdem herbei. Damit steht der Rede der Gottlosen eine Ätiologie des Todes voran. Das als Reaktion auf irdische Vergänglichkeit sich hoffnungslos und ethisch verwerflich gebärdende Handeln und Reden der Gottlosen, wie sie es selbst in ihrer Rede präsentieren, wird somit in Sap 1 , 16 a als Grund für deren Tod in ewiger Gottesferne genannt. 4 . 5 . 2 Sap 1 , 16 b. Freunde des Todes statt Freunde Gottes φίλον ἡγησάμενοι αὐτὸν ἐτάκησαν sie hielten ihn für einen Freund und begehrten ihn Das Verhältnis der Gottlosen zum Tod wird polemisch als ein Liebesverhältnis charakterisiert, womit der Kontrast zu Sap 1 , 11 - 15 betont wird. 154 Die in Sap 1 , 11 - 15 gemeinsam mit θάνατος stehenden Synonyme ὄλεθρος , ἀπώλεια und ᾅδης finden sich in Sap 1 , 16 nicht wieder. Stattdessen erscheint der Tod in der Wahrnehmung der Gottlosen als »Freund« ( φίλος ), der begehrt 152 Im Unterschied zu den Gottlosen, die den Tod herbeirufen, ruft Salomon den Herrn an. Als Gabe empfängt er daraufhin die Weisheit ( ἐπεκαλεσάμην καὶ ἦλθέν μοι πνεῦμα σοφίας Sap 7 , 7 ). 153 Vgl. hierzu besonders die Auslegung von Sap 1 , 12 . 154 Wie schon in Sap 1 , 16 a ist αὐτός auf θάνατος zu beziehen. 84 <?page no="85"?> wird. Damit unterscheiden sich die Gottlosen von den Gerechten fundamental, wie die neben Sap 1 , 16 einzige weitere Verwendung von φίλος in Sap zeigt. Während die Gottlosen sich nach Freundschaft mit dem Tod verzehren (Sap 1 , 16 ), werden die Seelen der Heiligen durch die Weisheit von Generation zu Generation zu »Freunden Gottes« ( φίλους θεοῦ ) und Propheten gemacht (Sap 7 , 27 ). Mit τήκομαι (»schmelzen, sich verzehren«) wird eine erotische Sprache aufgenommen, die das Verhalten der Gottlosen als Begehren des Todes charakterisiert. 155 Die negative Konnotation von τήκω wird besonders in Sap 6 , 23 deutlich: Wer sich »verzehrendem Neid« ( φθόνῳ τετηκότι ) hingibt, steht nicht mit der Weisheit in Gemeinschaft. Eine auffällige Parallele besteht innerhalb der Sap hinsichtlich des Gebrauchs erotischer Sprache zwischen den Gottlosen und dem gerechten Salomon. Ebenso wie in der Beschreibung des todbringenden Verhaltens der Gottlosen, lässt sich auch in der Schilderung des Werbens Salomons um seine Braut, die Weisheit, erotischer Sprachgebrauch feststellen (Sap 8 , 2 f). 4 . 5 . 3 Sap 1 , 16 c. Der Todesbund der Gottlosen καὶ συνθήκην ἔθεντο πρὸς αὐτόν Sie schlossen einen Bund mit ihm Das Verhalten der Gottlosen wird nicht nur als Freundschaft von möglicherweise vorübergehender Dauer beschrieben, sondern kommt einer vertraglich abgeschlossenen dauerhaften Abmachung gleich. Das Motiv des Bundesschlusses mit dem Tod ist dabei aus Jes 28 , 15 . 18 , einer Auseinandersetzung mit den ungläubigen Spöttern des Herrn, übernommen. Jes 28 , 15 Denn ihr (sc. die Spötter) sagt: Wir haben einen Bund mit dem Hades geschlossen und mit dem Tod einen Vertrag ( ἐποιήσαμεν διαθήκην μετὰ τοῦ ᾅδου καὶ μετὰ τοῦ θανάτου συνθήκας ). Wenn der starke Sturm daherfegt, wird er uns nicht treffen, denn wir haben Lüge zu unserer Hoffnung gemacht und uns in Lüge geborgen. Eingebettet ist diese Aussage der Gottlosen in ein »Wort des Herrn« ( λόγος κυρίου ), das in Jes 28 , 14 eingeleitet und in Jes 28 , 16 - 29 ausformuliert wird. 155 Weitere Belege für τήκω : Sap 6 , 23 ; 16 , 22 . 27 . 29 . Der erotische Sprachgebrauch ist in der paganen griechischen Literatur bei Theokritos belegt, der mit dem Verb τήκω ein sich verzehrendes Liebesverhältnis bezeichnen kann (Theokr. 1 , 91 ; 2 , 28 f). In der Septuaginta sind diese erotischen Konnotationen trotz der 51 Belege, die sich relativ gleichmäßig auf die einzelnen Bücher der Septuaginta verteilen, gänzlich unbekannt. Auch bei Philo, in der pseudepigraphen jüdischen Literatur und im Neuen Testament findet sich dieser erotische Sprachgebrauch nicht. - Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 132 , führt weitere Belege für den erotischen Sprachgebrauch von τήκω in paganen Texten auf. 85 <?page no="86"?> Die Antwort Gottes auf den Bundesschluss der Spötter mit dem Tod folgt in Jes 28 , 18 und lautet: Jes 28 , 18 Und euer Bund mit dem Tod ( ἡ διαθήκη τοῦ θανάτου ) wird aufgehoben, und eure Hoffnung auf den Hades wird nicht bestehen bleiben, wenn der große Sturm kommt, werdet ihr von ihm niedergedrückt. Die Nähe von Sap 1 , 16 zu Jes 28 , 15 ist mit Händen zu greifen, zumal sich das Motiv eines Bundesschlusses mit dem Tod sonst nicht im Alten Testament findet. 156 Auch das Motiv der Unsterblichkeit ist in Jes 28 angedeutet. Angesichts der Bedrohung durch einen gewaltigen Sturm wähnen sich die Spötter in Jes 28 in Sicherheit, sie halten sich gar für unverwundbar, ja für unsterblich 157 während der sie bedrohenden Gefahr. Garantiert sei ihnen diese Unangreifbarkeit, wie sie meinen, durch ihren Bund mit dem Tod. Der scheinbare Nutzen dieser vertraglichen Übereinkunft liegt in den Augen der Spötter in der Immunität gegenüber der anstehenden Strafe. Dass dies ein Trugschluss ist, zeigt sich, sobald der große Sturm über sie hereinbricht und auch der Bund mit dem Tod kein Schutz mehr sein kann. Hinter dem Vorwurf an die Spötter steht die Kritik, angesichts von drohender Gefahr einen Bund mit Tod und Hades einzugehen und nicht auf Hilfe zu hoffen, die von Gott ausgeht. 158 Für die Betrachtung von Sap 1 , 16 c sind zwei Aspekte aus Jes 28 , 15 . 18 hervorzuheben. Erstens werden διαθήκη und συνθήκη 159 in Jes 28 , 15 . 18 syn- 156 Vgl. in Abwandlung Sir 14 , 12 μνήσθητι ὅτι θάνατος οὐ χρονι εῖ καὶ διαθήκη ᾅδου οὐχ ὑπεδείχθη σοι . »Bedenke, dass der Tod nicht auf sich warten lässt und dass dir kein Bund mit dem Hades dargelegt wird.« 157 Eine von den Gottlosen erhoffte temporäre Unsterblichkeit folgert Kaiser, Jesaja, S. 200 , aus dem Bundesschluss der Spötter mit dem Tod und der Unterwelt. Dieser Ansicht widerspricht Wildberger, Jesaja, S. 1073 , vehement mit dem Hinweis, dass Unsterblichkeitsvorstellungen ein sehr junges Phänomen im Alten Testament seien und daher in Jes 28 kaum zugrunde liegen können. Trotz dieses Einwandes ist Kaiser zuzustimmen, da es sich in Jes 28 nicht um eine ewige Unsterblichkeitshoffnung wie in den jüngsten Teilen der Septuaginta handelt, sondern »lediglich« um eine Unsterblichkeit angesichts einer konkreten Bedrohung. Insofern sich die Spötter erhoffen, vorübergehend durch ihren Todesbund vor den Gefahren von Sturm und Flut geschützt zu sein, kann durchaus mit Kaiser behauptet werden, dass eine Unsterblichkeit auf Zeit Gegenstand ihrer Hoffnung ist. 158 Jes 28 , 16 ( ὁ πιστεύων ἐπ’ αὐτῷ οὐ μὴ καταισχυνθῇ »Wer an ihn glaubt, schämt sich nicht«) bringt diese Position in Anlehnung an Jes 7 , 9 ( ἐὰν μὴ πιστεύσητε οὐδὲ μὴ συνῆτε »Wenn ihr nicht glaubt, so versteht ihr nicht«) formelhaft auf den Punkt. 159 Die 13 Belege für συνθήκη in der Septuaginta nehmen sich gegenüber der Fülle von Belegen für διαθήκη eher bescheiden aus. Allein in Gen ist διαθήκη 26 Mal belegt. συνθήκη findet sich überwiegend in den Spätschriften der Septuaginta: 1 Mac 10 , 26 ; 86 <?page no="87"?> onym gebraucht. 160 Die Annahme, Sap 1 , 16 verwende bewusst den Begriff der συνθήκη statt der διαθήκη , um den Vertragsabschluss als Ergebnis zweier gleichberechtigter Verhandlungspartner darzustellen, wobei der Tod auf der einen Seite und die Gottlosen auf der anderen Seite zu jeweils gleichen Teilen agieren, 161 wurde von Scarpat widerlegt. Scarpat hat diese Ansicht mit dem Hinweis entkräftet, dass auch innerhalb der Sap συνθήκη und διαθήκη synonym verwendet werden können 162 und sich deren jeweilige Bedeutung nur vom dazugehörigen Verb erschließt. 163 So weist auch in Sap 1 , 16 das Verb τίθημι 164 auf das einseitige Gefälle, das dem Bundesschluss zugrunde liegt. Es sind die Gottlosen, die die treibende Kraft hinter ihrem Bundesschluss mit dem Tod sind. Jes 28 , 15 wirft zweitens die Frage nach der hinter dem Bundesschluss stehenden Absicht, nach dem erhofften Vorteil der freiwilligen Todesverbundenheit auf. Für die Spötter in der jesajanischen Vorlage ist dies leicht zu erkennen, sind sie doch der Überzeugung, dadurch von der Bedrohung des starken Sturmes verschont zu bleiben. Anders dagegen die Gottlosen in Sap 2 , 1 - 20 . In ihrer Rede lässt sich kein erhoffter Gewinn erkennen, möge er noch so gering sein. Sie selbst wissen, dass sich Tod und Vergänglichkeit nicht aufhalten oder gar umgehen lassen. Ihr Leben bleibt trotz dieses den alttestamentlichen Bundesgedanken pervertierenden Paktes kurz und trau- 2 Mac 12 , 1 ; 13 , 25 ; 14 , 20 . 26 . 27 ; Sap 1 , 16 ; 12 , 21 ; PsSal 8 , 10 ; Jes 28 , 15 ; 30 , 1 ; Dan 11 , 6 . 17 . In den pseudepigraphen Schriften des Judentums und im Neuen Testament finden sich keine Belege für συνθήκη . Auch bei Philo ist συνθήκη nur zwei Mal belegt (Congr 78 ; LegGai 37 ). 160 Vgl. ferner den synonymen Gebrauch von θάνατος und ᾅδης . 161 Nach Hegermann, Art. διαθήκη , Sp. 719 , bezeichnet διαθήκη die letztwillige Verfügung, das Testament, einen von einer Person einseitig festgelegten Bund. Dagegen steht συνθήκη für »eine zweiseitige [Hvh. v. Vf.], vertragliche Abmachung unter gleichrangigen Partnern«. 162 Vgl. Sap 12 , 21 ( μετὰ πόσης ἀκριβείας ἔκρινας τοὺς υἱούς σου ὧν τοῖς πατράσιν ὅρκους καὶ συνθήκας ἔδωκας ἀγαθῶν ὑποσχέσεων. »Mit wie viel größerer Sorgfalt richtest du deine Söhne, deren Vätern du Eid und Bund voll guter Verheißungen gegeben hast.«) und Sap 18 , 22 ( ἐνίκησεν δὲ τὸν χόλον οὐκ ἰσχύι τοῦ σώματος οὐχ ὅπλων ἐνεργείᾳ ἀλλὰ λόγῳ τὸν κολάζοντα ὑπέταξεν ὅρκους πατέρων καὶ διαθήκας ὑπομνήσας . »Er überwand die Plage, nicht mit Körperkraft noch mit Waffengewalt, sondern mit dem Wort unterwarf er den Züchtiger, indem er ihn an Eid und Bund mit den Vätern erinnerte.«). 163 So wird in Sap 12 , 21 die Bedeutung von συνθήκαι durch das Verb δίδωμι präzisiert. Da Gott den Bund gegeben hat, ist es ausgeschlossen hier an zwei gleichrangige Vertragspartner zu denken. Wären die zwei Vertragspartner ebenbürtig, könnte kaum von einem Geben des Bundes die Rede sein, setzt eine gebende aktive Partei doch zugleich immer eine empfangende passive Partei voraus. Vgl. Scarpat, Sapienza, S. 79 . 164 In Verbindung mit συνθήκη steht τίθημι in der Septuaginta nur in Sap 1 , 16 . Von den zahlreichen Belegen, in denen τίθημι den Bundesschluss in Verbindung mit διαθήκη bezeichnet, seien hier nur einige wenige aufgeführt: Gen 9 , 13 ; 17 , 2 ; Ex 34 , 27 ; Sir 44 , 18 ; Jer 34 , 13 ( 41 , 13 ). 87 <?page no="88"?> rig (Sap 2 , 1 ). Daher sticht ihre Gier nach Lust, Gewalt und Unterdrückung, ihre materialistische hedonistische Ethik umso mehr ins Auge (Sap 2 , 6 - 20 ). Genau dieses kurzsichtige Verhalten wertet der Eingangskommentar, der mit Sap 1 , 16 c seinen Höhepunkt erreicht, als Bündnis mit dem Tod. Dabei hält sich derselbe Duktus durch, der bereits Sap 1 , 16 ab bestimmt. So rufen die Gottlosen mit Händen und Worten den Tod herbei (Sap 1 , 16 a), sie verzehren sich geradezu nach seiner Nähe (Sap 1 , 16 b) und schließen schließlich noch selbständig einen Bund mit ihm (Sap 1 , 16 c). Die Verwendung der Bundesmetaphorik beabsichtigt somit, die aktive Rolle der Gottlosen bzgl. ihrer Todesnähe bzw. Gottesferne hervorzuheben. Von einem passiven Erleiden des Todesschicksals kann nach der Darstellung in Sap 1 , 16 keinesfalls die Rede sein, sondern vielmehr von einem eigenen Mitwirken der Gottlosen, das zu ihrer Todesverbundenheit führt. 4 . 5 . 4 Sap 1 , 16 d. Würdige Teilhabe am Tod ὅτι ἄξιοί εἰσιν τῆς ἐκείνου μερίδος εἶναι weil sie es wert sind, ihm anzugehören Die dreigliedrige Bewertung der folgenden Rede wird in Sap 1 , 16 d durch eine mit ὅτι angefügte Begründung abgeschlossen. Das Verhalten der Gottlosen wird demnach darauf zurückgeführt, dass sie des Todes 165 würdig 166 sind. Darin unterscheiden sie sich von den Gerechten, die Gott seiner würdig finden wird (Sap 3 , 5 ). Der Grundbedeutung folgend kann ἄξιος auch mit »gleichwertig« wiedergegeben werden. 167 Zieht man diese der Auslegung von Sap 1 , 16 d hinzu, so wird deutlicher, wie eng verbunden das Leben und Verhalten der Gottlosen mit dem Tod ist. Die Verbindung der Gottlosen mit dem Tod wird durch das Substantiv μερίς ausgedrückt. Im profanen Griechisch bezeichnet μερίς nicht nur den »Gegensatz zum Ganzen«, 168 sondern auch die »politische Partei«. 169 In der 165 Das Demonstrativpronomen ἐκεῖνος in Sap 1 , 16 d ist wie schon das dreimalige αὐτός in Sap 1 , 16 abc in einer Interpretation ad sensum auf θάνατος ( ἀθάνατος Sap 1 , 15 ) zu beziehen. 166 Besonders die Sapientia und die Makkabäerbücher verwenden ἄξιος mit besonderer Vorliebe. Von den 40 Belegen für ἄξιος in der Septuaginta entfallen elf auf die Sap ( 1 , 16 ; 3 , 5 ; 6 , 16 ; 9 , 12 ; 12 , 7 . 26 ; 13 , 15 ; 15 , 6 ; 16 , 9 ; 18 , 4 ; 19 , 4 ) und insgesamt 16 auf 1 Mac, 2 Mac und 4 Mac. Für Schmitt, Weisheit 1986 , S. 12 , ist ἄξιος daher eine der »[c]harakteristische[n] Vokabeln, die das Gesamtwerk durchziehen und prägen.« Dieser Befund wird von Schmitt als Argument für die Einheitlichkeit der Sap vorgebracht. Fichtner, Weisheit, S. 6 , bestimmt ἄξιος als eines der »Leitmotivworte« der Sap. Vgl. das Kapitel »Die literarische Einheit«. 167 Vgl. Foerster, Art. ἄξιος , S. 378 . Mit dieser Bedeutung steht ἄξιος z. B. in Röm 8 , 18 . 168 Plat. soph. 266 a. 169 Plat. leg 692 b. 88 <?page no="89"?> Septuaginta ist μερίς breit bezeugt und hat ein weites Bedeutungsspektrum, was sich in den verschiedenen Übersetzungen für μερίς widerspiegelt. So bestehen folgende Übersetzungen: Ein »Stück Land« (Gen 33 , 19 ), der »Lohn« (Gen 14 , 24 ), das »Erbteil« (Num 18 , 20 ), der »Besitz« oder die »Gabe« (Sir 26 , 3 ), die »Bestimmung« oder das »Gesetz« (Sir 16 , 26 ). Außerdem findet sich μερίς auch in Verbindung mit Zahlen und dient wie z. B. in Jos 18 , 5 zur Bezeichnung einer Bruchzahl. Schließlich kann durch μερίς auch die enge Beziehung zwischen Gott und dem Einzelnen ( ψ 72 , 26 ( 73 , 26 ); 141 , 6 ( 142 , 6 )) oder zwischen Gott und seinem Volk Israel zum Ausdruck gebracht werden (Dtn 32 , 9 ; PsSal 14 , 5 ; Sir 17 , 17 ). Diesem weit gefächerten Gebrauch entspricht weitgehend auch die Verwendung von μερίς in den Pseudepigraphen des antiken Judentums. 170 Die enge Beziehung zwischen dem einzelnen und Gott wird wie in den angeführten Psalmen auch in TestXII.Ben 6 , 3 durch μερίς ausgedrückt. Dabei wirkt der Kontext TestXII.Ben 6 , 1 - 4 wie der Gegenentwurf zur Rede der Gottlosen in Sap 2 . Das »Trachten des guten Mannes« ( τὸ διαβούλιον τοῦ ἀγαθοῦ ἀνδρός TestXII.Ben 6 , 1 ) ist nicht durch Beliars Geist zu verführen, da der Engel des Friedens seine Seele leitet. Reichtum, Sinneslust und Vergnügungssucht sind ihm keine Freude, auch betrübt er nicht den Nächsten. Dieses Verhalten des guten Mannes liegt darin begründet, dass »der Herr sein Teil ist« ( κύριος γάρ ἐστι μερὶς αὐτοῦ TestXII.Ben 6 , 3 ). Damit ist die Teilhabe an Gott ausschlaggebend für das Verhalten des guten Mannes. Das Verhalten derjenigen, die dagegen Teil des Todes sind (Sap 1 , 16 d), veranschaulicht die Rede der Gottlosen in Sap 2 . Ihr Streben ist ausschließlich auf Lustmaximierung und Gewaltmissbrauch ausgerichtet. Neben Sap 1 , 16 d steht μερίς in der Sap nur noch an zwei weiteren Stellen. Wie bereits erwähnt, wird μερίς im Abschlussrahmenstück der Rede wieder aufgenommen (Sap 2 , 24 ), wo es ebenfalls mit dem auf θάνατος zu beziehenden Pronomen ἐκεῖνος verbunden ist. Auch dort dient es zur Beschreibung der innigen Todesverbundenheit der Gottlosen. Ein dritter und letzter Beleg ist Sap 2 , 9 innerhalb der ersten Rede der Gottlosen. Die dort aus alttestamentlicher Tradition aufgenommene Verbindung von μερίς und κλῆρος 171 drückt eine sehr enge Übereinstimmung der Gottlosen mit ihrer selbst gewählten hedonistischen Handlungsmaxime aus, 172 die aus ihrer innigen Verbindung mit dem Tod resultiert (Sap 1 , 16 ; 2 , 24 ). Aus den auf- 170 Vgl. TestXII.Lev 2 , 12 ; 14 , 5 ; TestXII.Iss 5 , 5 : μερίς in der Bedeutung »Anteil«. In Sib 3 , 114 wird μερίς ebenfalls zur Bezeichnung einer Bruchzahl verwendet. 171 Deut 14 , 27 ; 18 , 1 ; Jes 57 , 6 . Vgl. Act 8 , 21 . 172 Die Verbindung von μερίς und κλῆρος (Sap 2 , 9 ) steht hier für die ungeteilte Hingabe der Gottlosen zum Tod. Beide Begriffe begegnen jeweils drei Mal in der Sap ( μερίς Sap 1 , 16 ; 2 , 9 . 24 und κλῆρος Sap 2 , 9 ; 3 , 14 ; 5 , 5 ) und können sowohl die Zugehörigkeit der Gottlosen zum Tod ( μερίς Sap 1 , 16 ; 2 , 9 . 24 und κλῆρος Sap 2 , 9 ) als auch des gerechten Eunuchen zum Tempel des Herrn ( κλῆρος Sap 3 , 14 ) und des Gerechten zu den Heiligen ( κλῆρος 89 <?page no="90"?> gezeigten Parallelstellen zeigt sich die Tragweite der Todesverbundenheit der Gottlosen. Die Einstufung der Gottlosen als würdige Teilhaber des Todes weist auf die umfassende Verblendung der Gottlosen hin. Nicht etwa nur teilweise, sondern ganz und gar gehören sie dem Tod an. Dabei lässt sich ein Doppelaspekt erkennen. Der Tod ist einerseits ihr Anteil, mit dem sie aufgrund ihrer verblendeten Weltwahrnehmung kollaborieren, aber zugleich auch andererseits ihr Schicksal, dem sie trotz des Bundesschlusses ausgeliefert sind und sich selbst preisgeben. 173 4 . 5 . 5 Sap 2 , 1 a. Krumme Gedanken εἶπον γὰρ ἐν ἑαυτοῖς λογισάμενοι οὐκ ὀρθῶς Denn sie sagten unter sich, indem sie falsch räsonierten Sap 2 , 1 a leitet vom Kommentar zur Rede der Gottlosen über. Dabei wird mit γάρ angezeigt, dass sich nun die Begründung für die Ausführungen des drastischen Eingangskommentars in Sap 1 , 16 anschließt. Die bisher nur über die Gottlosen gesprochenen Worte erhalten im Folgenden dadurch ihre Legitimation, dass die Gottlosen selbst zu Wort kommen. Allerdings ist mit der Partizipialkonstruktion λογισάμενοι οὐκ ὀρθῶς noch ein letzter Kommentar angefügt, der erneut die Verwerflichkeit der Rede der Gottlosen unterstreicht. Das dazu verwendete Verb λογίζομαι ist in der Septuaginta breit bezeugt und relativ gleichmäßig über die einzelnen Bücher verteilt. 174 Die beiden profangriechischen Bedeutungen von λογίζομαι »Berechnen eines Wertes / Anrechnen einer Schuld« 175 und »bedenken / schließen« 176 werden in der Septuaginta aufgenommen. Allerdings tritt die aus der Handelswelt stammende erste Bedeutung gegenüber der zweiten in den Hintergrund. In der Septuaginta erfährt die zweite Bedeutung des Verbes zudem eine signifikante Akzentverschiebung. Gegenüber der Verwendung von λογίζομαι bei Platon als »typische[r] Begriff für das affektfreie Denken des Philosophen«, 177 das objektive Erkenntnis erstrebt, zeichnet sich in der Septuaginta ein modifizierter Gebrauch ab. Da λογίζομαι in der Septuaginta häufig Übersetzung für das hebräische בשׁח ist, 178 erhält es eine subjektive Prägung. Das eigene Sinnen und Planen kann durch λογίζομαι beschrieben werden Sap 5 , 5 ) bezeichnen. Eine mit μερίς und κλῆρος beschriebene Beziehung des Menschen ist in der Sap also immer Ausdruck einer ganzheitlichen Zugehörigkeit entweder zum Tod oder aber zum Tempel des Herrn bzw. zu den Heiligen. - Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 183 , bemerkt dazu treffend: »[I] due termini uniti [ μερίς + κλῆρος ] significano in definitiva: tutto quello che uno ha e potrebbe avere«. 173 Vgl. zu diesem »Doppelaspekt« Engel, Weisheit, S. 65 . 174 Vgl. Heidland, Art. λογί ζομαι . 175 Demosth. or. 27 , 39 . 46 . 176 Plat. Phaid. 65 c; Demosth. or. 5 , 12 . 177 Heidland, Art. λογί ζομαι , S. 287 . 178 Zum Beispiel Mi 2 , 3 ; ψ 139 , 3 ( 140 , 3 ); I Sam 18 , 25 . 90 <?page no="91"?> (Jes 10 , 7 ) ebenso wie das eigene Werturteil (Jes 53 , 4 ). Dabei kann das Sinnen und Trachten der λογιζόμενοι durchaus auch durch böse Absichten geprägt sein ( ψ 139 , 3 ( 140 , 3 )). 179 In der Sap begegnen das Verb λογίζομαι 180 und das Substantiv λογισμός 181 in verschiedenen Kontexten und Bedeutungen. Betrachtet man die Verse, in denen λογίζομαι / λογισμός mit »räsonieren / Räsonieren« zu übersetzen ist, so fällt bis auf die Ausnahme Sap 8 , 17 die jeweils deutlich negative Konnotation auf. In Sap 2 , 1 a wird das Räsonieren der Gottlosen durch ein adverbiales Attribut ( οὐκ ὀρθῶς ) und in Sap 2 , 21 durch ein zweites Prädikat ( καὶ ἐπλανήθησαν ) zudem negativ bestimmt. Die Folge von »krummen Gedanken« ( σκολιοὶ λογισμοί ) malt bereits Sap 1 , 3 aus. Wer sich falschem Räsonieren hingibt, ist von Gott getrennt. Auch Sap 3 , 10 stellt einen Zusammenhang zwischen den Gedankenirrungen der Gottlosen und deren distanzierten Gottesverhältnis her und kündigt eine ihrem Räsonieren entsprechende Bestrafung an. Als Grund dieser Strafe wird ihr unrechtes Räsonieren genannt, das sich im Missachten des Gerechten und in der Apostasie vom Herrn zeigt. 182 Damit ist auf die Distanz zwischen den Gottlosen und Gott hingewiesen, die aus ihrem Dasein und Verharren in ihren selbstherrlichen Gedanken resultiert. Dass es sich in Sap 2 , 1 a bei der Verwendung von λογίζομαι nicht um die Beschreibung eines neutralen Nachsinnens der Gottlosen handelt, 183 sondern um ein irregeleitetes und in seinen Folgen bösartiges Räsonieren, verdeutlicht also nicht nur die nähere Bestimmung οὐκ ὀρθῶς , sondern auch der Gesamtkontext. 4 . 6 Fazit zu Sap 1 , 16 - 2 , 1 a Dieser Einleitungskommentar schafft den Übergang vom Buchproömium hin zur Rede der Gottlosen, deren Verhalten in Sap 1 , 16 - 2 , 1 a knapp umrissen und bewertet wird. Gleich zu Beginn des Kommentars wird die Diskrepanz 179 Vgl. Bartsch, Art. λογί ζομαι , Sp. 874 f. - In den pseudepigraphen Schriften des hellenistischen Judentums findet sich λογί ζομαι in der Bedeutung »bedenken / nachsinnen« (TestXII.As 1 , 7 ; Arist 211 ) und »anrechnen (von Sünde)« (TestXII.Zab 8 , 5 ; 9 , 7 ; JosAs 11 , 10 ). Denis, Concordance, S. 520 f, zählt insgesamt 17 Vorkommen für λογί ζομαι in den Pseudepigraphen. 180 »Räsonieren«: Sap 2 , 1 . 21 ; 3 , 10 ; 8 , 17 . »Halten für, gelten als (Passiv), gerechnet werden zu«: Sap 2 , 16 ; 3 , 2 . 17 ; 5 , 4 ; 7 , 9 ; 9 , 6 ; 14 , 20 ; 15 , 2 . 12 . 15 ; 17 , 12 . 181 »Räsonieren / Gedanke«: Sap 1 , 3 . 5 ; 9 , 14 ; 11 , 15 ; 12 , 10 ; 19 , 3 . »Vernunft«: Sap 17 , 11 . 182 Sap 3 , 10 οἱ δὲ ἀσεβεῖς καθὰ ἐλογίσαντο ἕξουσιν ἐπιτιμίαν οἱ ἀμελήσαντες τοῦ δικαίου καὶ τοῦ κυρίου ἀποστάντες. »Aber die Gottlosen werden die ihrem Räsonieren entsprechende Strafe empfangen, denn sie haben den Gerechten missachtet und sind vom Herrn abgewichen.« 183 So bereits Grimm, Weisheit, S. 66 . 91 <?page no="92"?> zwischen der Eingangsaufforderung zum Lieben der Gerechtigkeit (Sap 1 , 1 ) und dem Lebenswandel der Gottlosen beschrieben. Das Leben der ἀσεβεῖς gleicht einem Bündnis mit dem Tod. Die Warnung, dem Tod nicht in der Verirrung des Lebens nachzueifern (Sap 1 , 12 ), wird von den Gottlosen nicht wahrgenommen. Gravierend ist deren Fehlorientierung, wie die folgende Rede zeigen wird. Ihr darin geschildertes Verhalten angesichts von irdischer Vergänglichkeit und Sterblichkeit wird bereits vorab als Begründung ihres eschatologischen Todes herausgestellt. In der Darstellung des Eingangskommentars werden allein die Gottlosen und noch nicht der Neid des Teufels (vgl. Sap 2 , 24 ) mit dem Ursprung des Todes in Verbindung gebracht. Sie selbst sind es, die ihren ewigen Tod in Gottesferne durch ihr moralisch höchst verwerfliches Verhalten zu irdischen Lebzeiten verantworten müssen. 184 Das ziellose Handeln und Denken der Gottlosen wird in den Versen vor ihrer Rede sehr negativ bewertet, indem beides als ein in Freundschaft und Sehnsucht mit dem Tod geschlossener Bund dargestellt wird. Der Bundesgedanke wird damit in dieser polemischen Darstellung bewusst pervertiert. Der Gottlosen Zugehörigkeit zur Welt des Todes ist ganzheitlich und umfassend, nicht etwa nur teilweise und temporär. Der Hauptvorwurf, der den Gottlosen dabei in diesen Versen gemacht wird, besteht darin, dass sie keinerlei Verbindung zu Gott haben und in Trennung von ihm existieren. 4 . 7 Sap 2 , 1 b- 20 . Die Rede der Gottlosen Die Rede der Gottlosen gliedert sich in zwei Abschnitte. Den Auftakt bildet die Klage der Gottlosen über ihre irdische Vergänglichkeit (Sap 2 , 1 b- 5 ). Daran angeschlossen sind die ethischen Konsequenzen, die für die Gottlosen aus der menschlichen Sterblichkeit resultieren (Sap 2 , 6 - 20 ). Dieser zweite Abschnitt lässt sich in zwei Unterabschnitte aufteilen. Die erste Konsequenz lautet Carpe diem (Sap 2 , 6 - 9 ), die zweite Gewalt und Unterdrückung der Schwächeren (Sap 2 , 10 - 20 ). Sap 2 , 10 f fungieren dabei als Übergangsverse. 185 184 Für Hübner, Weisheit, S. 75 , ist dieses Verhalten der Gottlosen »eschatologischer Selbstmord«. 185 Dieselbe Gliederung schlagen auch Grimm, Weisheit, S. 66 - 81 , Engel, Weisheit, S. 64 - 76 , Schmitt, Weisheit 1986 , S. 43 f, Fichtner, Weisheit, S. 15 - 17 , vor. Ebenso auch Hübner, Weisheit, S. 36 - 45 , der allerdings den Einleitungskommentar Sap 1 , 16 - 2 , 1 a mit Sap 2 , 1 b- 5 zu Sap 1 , 16 - 2 , 5 zusammenfasst. Daneben finden sich Varianten zur Einteilung der Rede. Feldmann, Weisheit, S. 30 - 35 , unterteilt in Sap 1 , 16 - 2 , 5 ; 2 , 6 - 9 ; 2 , 10 - 20 . Vílchez, Sapienza, S. 170 - 188 , und Gilbert, Sapienza, S. 43 , teilen die Rede in Sap 2 , 1 - 5 ; 2 , 6 - 9 ; 2 , 10 - 16 ; 2 , 17 - 20 . Die differenzierteste Einteilung bietet Larcher, Sagesse, Bd. 1 , S. 211 : Sap 2 , 1 - 3 ; 2 , 4 - 5 ; 2 , 6 - 9 ; 2 , 10 f; 2 , 12 - 16 ; 2 , 17 - 20 . Winston, Wisdom, S. 4 . 114 , unterteilt hingegen Sap 2 , 1 - 20 nicht in Unterabschnitte. 92 <?page no="93"?> 1 . Teil: Sap 2 , 1 b- 5 Lamentatio angesichts der Vergänglichkeit 2 . Teil: Sap 2 , 6 - 20 Ethische Folgerungen a) Sap 2 , 6 - 9 Carpe diem b) Sap 2 , 10 - 20 Leben auf Kosten anderer In dieser fiktiven Rede offenbaren die Gottlosen ihr nihilistisches Weltbild und illustrieren, weshalb die rahmenden Kommentare Sap 1 , 16 - 2 , 1 a und Sap 2 , 21 - 24 zu einer so negativen Bewertung ihres Denkens und Handelns kommen. Die in poetischer Sprache verfasste Rede lässt erkennen, warum ihr Tun und Reden als Bundesschluss mit dem Tod gewertet wurde (Sap 1 , 16 ). Ihre Ausführungen zeigen, dass ihr Horizont auf die Wahrnehmung dieser Welt begrenzt ist. Dass die physische Sterblichkeit für sie das Ende alles Seins bedeutet, führen sie eindrücklich im ersten Teil der Rede aus. Darin offenbaren sie ihre falsche Einschätzung des physischen Todes (Sap 2 , 1 b- 5 ) und infolgedessen auch ihre ebenso fehlgeleiteten Pläne für die ihnen noch verbleibende Lebenszeit. Diese bestehen in sinnlichen Ausschweifungen (Sap 2 , 6 - 9 ) und unterdrückerischen Gewaltphantasien (Sap 2 , 10 - 20 ). Ihre falsche Bewertung des eigenen Todes führt gar zu dem Versuch, dem Leben des Gerechten ein Ende zu bereiten (Sap 2 , 20 ). All dies wird im Schlussrahmenstück als Blindheit und Verirrung verurteilt (Sap 2 , 21 ). Durchzogen ist die Rede der Gottlosen von verschiedenen Anspielungen an zentrale biblische Traditionen, aber auch an philosophische Schulrichtungen. 186 Der mehrfach unternommene Versuch, die Gottlosen anhand dieser Andeutungen einer bestimmten Schulrichtung zuzuordnen, ist jedoch bislang gescheitert. Stattdessen handelt es sich bei den Gottlosen in Sap 2 , 1 b- 20 höchstwahrscheinlich um Apostaten der jüdischen Gemeinde, die allerdings kaum näher bestimmt werden können. 187 186 Vgl. zu den Anspielungen an griechisch-römische Traditionen in Sap 2 , 1 b- 20 Schmitt, Weisheit 1986 , S. 45 - 49 , und Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 136 - 160 . 187 Vgl. Gilbert, Sapienza, S. 46 - 51 . Gilbert diskutiert vier Möglichkeiten, die Gottlosen mit einer konkreten Gruppe zu identifizieren, und kommt zu dem Schluss, dass die Gottlosen der vierten Gruppe der jüdischen Apostaten zuzuordnen sind. ( 1 ) Die Anklänge des Carpe diem Motivs an Koh (vgl. Sap 2 , 6 - 9 mit Koh 2 , 24 ; 3 , 12 f. 22 ; 5 , 17 - 19 ; 8 , 15 ; 9 , 9 f; 11 , 7 - 10 ) haben dazu geführt, Sap 2 als Kritik an Koh bzw. an den Anhängern der in Koh vertretenen Lebensmaximen zu sehen. Jedoch wird bei dieser Identifizierung ein gravierender Unterschied zwischen Koh und Sap 2 übersehen. Zwar bestehen in den jeweiligen Aufrufen zum Genuss der Lebensfreuden zweifellos Parallelen, aber die in Koh 12 , 7 getroffene Aussage, dass der Geist des Menschen von Gott gegeben ist und zu Gott zurückkehrt ( τὸ πνεῦμα ἐπιστρέψῃ πρὸς τὸν θεόν ὃς ἔδωκεν αὐτό ), ist gewiss nicht mit den nihilistischen Ansichten der Gottlosen in Sap 2 , 2 abc ( ὅτι αὐτοσχεδίως ἐγενήθημεν καὶ μετὰ τοῦτο ἐσόμεθα ὡς οὐχ ὑπάρξαντες ὅτι καπνὸς ἡ πνοὴ ἐν ῥισὶν ἡμῶν ) zu vereinbaren, denen jeglicher Gottesbezug fehlt. Ebenso ist der Aufruf 93 <?page no="94"?> Die Struktur der Rede der Gottlosen ähnelt dem Aufbau von Sap 7 . Auch dort wird nach der Beschreibung der Sterblichkeit des Menschen (Sap 7 , 1 - 6 ) eine Schlussfolgerung gezogen. Allerdings ist die Beschreibung der menschlichen Vergänglichkeit in Sap 7 , 1 - 6 keineswegs so negativ gefärbt wie in Sap 2 , 1 b- 5 . In Sap 7 liegt eher eine neutrale Schilderung des menschlichen Lebens von seiner Entstehung bis zu seinem irdischen Ende vor. Auch wird hier nicht als Folge menschlicher Sterblichkeit zu zügellosem Hedonismus aufgerufen. Vielmehr wird als Konsequenz der menschlichen Sterblichkeit ein Gebet um den Erhalt von Einsicht und Weisheit gesprochen. 188 Die Auslegung der Rede der Gottlosen fällt gegenüber den umfangreicheren Exegesen zu Sap 1 , 11 - 15 ; 1 , 16 - 2 , 1 a; 2 , 21 - 24 kürzer aus. Diese quantitative Differenz ergibt sich aus zwei Gründen. ( 1 ) Nur im ersten Teil der Rede liegt der thematische Schwerpunkt auf der Klage über die irdische Vergänglichkeit des menschlichen Lebens (Sap 2 , 1 b- 5 ). Den ethischen Folgerungen im zweiten und längeren Teil der Rede (Sap 2 , 6 - 20 ) liegt das Thema »Tod« natürlich zugrunde, wird hierin aber nicht mehr eigens aufgegriffen und reflektiert. ( 2 ) Als zweiter Grund ist die deutliche Trennung zwischen der deskriptiven Rede und den theologisch reflektierten Rahmenstücken zu nennen. Da im Vergleich zur Rede in Einleitungs- und Schlusskommentar (Sap 1 , 16 - 2 , 1 a; 2 , 21 - 24 ) wie auch im Übergangsstück Sap 1 , 11 - 15 ein höheres Reflexionsniveau vorliegt, nimmt deren Auslegung einen größeren Umfang ein. Die Frage nach dem Ursprung des Todes steht nicht im Mittelpunkt der zur Unterdrückung und gar zum Mord des Gerechten (Sap 2 , 10 . 20 ) in keiner Weise mit der Theologie des Koh zu vereinbaren. ( 2 ) Auch der Versuch, die Gottlosen als Sadduzäer zu identifizieren, kann nicht überzeugen. Die Verbindung zu den Sadduzäern wird darin gesehen, dass diese die Auferstehung der Toten leugnen (Lk 20 , 27 ) und damit eine ähnliche Position vertreten wie die Gottlosen in Sap 2 , 1 b- 5 . Selbst wenn dies so wäre, könnten Mordaufrufe wie in Sap 2 , 20 kaum den Sadduzäern zuzuweisen sein. ( 3 ) Ebenso ist aus der epikureischen Verneinung eines Jenseits nicht abzuleiten, dass es sich bei den Gottlosen um Epikuräer handelt. Auch dieser Zuordnung widersprechen der extreme Hedonismus und die ausgeprägte Gewaltbereitschaft der Gottlosen in Sap 2 , die kaum mit epikureischer Lehre in Einklang zu bringen ist. Gleiches gilt für die Anhänger der Stoa. ( 4 ) Als letzte mögliche Alternative führt Gilbert jüdische Apostaten an. Da die Gottlosen in Sap 2 , 12 befürchten, vom Gerechten ihre Vergehen gegen das »Gesetz« ( νόμος ) vorgehalten zu bekommen, ist anzunehmen, dass die »Tora« ( νόμος ) für sie trotz aller Apostasie (vgl. Sap 3 , 10 ) eine Autorität darstellte. Damit ist auf eine jüdische Gruppe von Apostaten zu schließen, die jedoch nicht näher bestimmt werden kann. Vgl. ferner Schmitt, Weisheit 1986 , S. 44 f. Schmitt kommt in dieser Frage zu dem Ergebnis, dass es sich in Sap 2 um die Beschreibung typischer Merkmale gottloser Personen handelt, die nicht einer spezifischen Gruppe zugeordnet werden können. 188 Sap 7 , 7 διὰ τοῦτο εὐξάμην καὶ φρόνησις ἐδόθη μοι ἐπεκαλεσάμην καὶ ἦλθέν μοι πνεῦμα σοφίας . Vgl. hierzu die Auslegung von Sap 2 , 22 a. 94 <?page no="95"?> Rede, sondern wird in den vorangehenden und sich anschließenden Versen aufgenommen. Deshalb wird innerhalb dieser Untersuchung, die nach der Ätiologie des Todes in der Sap fragt, Sap 2 , 1 a- 20 nur relativ knapp behandelt, indem nur einzelne Begriffe hieraus kommentiert werden. 189 4 . 7 . 1 Sap 2 , 1 b- 5 . Lamentatio angesichts der Vergänglichkeit Die Gottlosen beginnen ihre Rede, indem sie Kürze und Traurigkeit ihres Lebens beklagen. 190 Im Unterschied zum Gerechten, der sich durch den Erhalt der Weisheit Zuspruch bei Sorgen und Trauer erhofft (Sap 8 , 9 ), gibt es für die Gottlosen keinerlei Trost angesichts des drohenden irdischen Endes. Während das Leben des Gerechten auch trotz eines zu frühen Todes noch ein erfülltes Leben sein kann ( τελειωθεὶς ἐν ὀλίγῳ ἐπλήρωσεν χρόνους μακρούς Sap 4 , 13 ), stellt der physische Tod für die Gottlosen die völlige Infragestellung ihrer gesamten Existenz dar. Da an dieser Stelle der Begriff βίος und nicht ζωή gebraucht wird, ist die eschatologische Blindheit der Gottlosen unterstrichen. Es ist hier der klassische griechische Sprachgebrauch zu beobachten, wonach βίος oft die Lebensdauer des individuellen Lebens ausdrückt. 191 Weder in ihrer ersten noch in der zweiten Rede (Sap 2 , 1 a- 20 ; Sap 5 , 4 - 13 ) differenzieren die Gottlosen zwischen βίος und ζωή , indem sie ausschließlich βίος zur Bezeichnung ihres Lebens verwenden, 192 während in den übrigen Teilen der Sap zwischen beiden Begriffen differenziert wird. Der Horizont der Gottlosen bietet nur Raum für eine zeitlich begrenzte Vorstellung des Lebens, das mit dem physischen Tod ganz und gar sein Ende erfährt. Angesichts dieser Geisteshaltung verwundert ein Klagen über die Vergänglichkeit dieses irdischen Lebens keinesfalls, sondern stellt lediglich die Konsequenz dieser Lebenshaltung dar. Der Gebrauch von βίος und ζωή außerhalb der Reden der Gottlosen ist vielfältig und keinesfalls auf eine simplifizierende Unterscheidung zwischen physischem ( βίος ) und ewigem ( ζωή ) Leben zu reduzieren. Sowohl in der Sap als auch in weiteren Schriften des hellenistischen Judentums können βίος und ζωή synonym für das physische Leben gebraucht werden (Sap 15 , 12 ; 2 Mac 7 , 9 ; 4 Mac 12 , 18 ). Der für die erste wie die zweite Rede der Gottlosen entscheidende Befund ist jedoch die ausschließliche Verwendung von βίος in den Reden der Gottlosen. Damit ist der semantische Gehalt des Lexems ζωή , der über die bloße physische Existenz auf dieser Erde hinausgeht und auch 189 Eine umfangreiche Zusammenstellung mehrerer Septuagintaparallelen zu Sap 2 , 1 b- 5 . 6 - 9 bietet Kolarcik, Ambiguity, S. 114 - 116 . 190 Vgl. zu Sap 2 , 1 b- 5 Kolarcik, Ambiguity, S. 70 f. 191 Vgl. Bultmann, Art. ζάω , S. 837 . Bertram, Art. ζάω , S. 853 f, stellt ebenso fest: »Auch im hellenistischen Teil des AT (Sap, 2 , 3 Mac) ist βίος meistens Lebenslänge.« 192 Sap 2 , 1 . 4 . 15 ; 5 , 4 . 95 <?page no="96"?> das ewige Leben umfassen kann (Sap 5 , 15 ; 16 , 13 ) in den Reflexionen der Gottlosen von vornherein ausgeschlossen. Zu Beginn der ersten Rede steht so diese auf das irdische Leben begrenzte Grundhaltung der Gottlosen, die in den folgenden Versen Sap 2 , 1 c- 5 in verschiedenen Bildern weiter ausgeführt wird. In Anlehnung an Prov 29 , 1 und Jer 14 , 19 ist in Sap 2 , 1 c die Wendung οὐκ ἔστιν ἴασις aufgenommen. Am Ende ihres Lebens - so die Gottlosen - ist Heilung ausgeschlossen. Der Konkordanzbefund lässt erkennen, dass ἴασις in der Septuaginta sowohl physische Heilung ( ψ 37 , 4 . 8 ( 38 , 4 . 8 )) als auch eschatologische Rettung (Prov 29 , 1 ; Jer 14 , 19 ) bezeichnen kann. 193 In Sap 2 , 1 c wird von den Gottlosen eine Rettung, die das Ende 194 des physischen Lebens übertrifft, ausgeschlossen, sodass sie in ihrem Denken ausschließlich in der Immanenz verhaftet bleiben. In dieser Negation zeigt sich erneut die Unfähigkeit der Gottlosen, über den physischen Tod hinauszudenken. Desgleichen gilt für den Teilvers Sap 2 , 1 d, der gemeinsam mit Sap 2 , 1 c in bewusstem Kontrast zu ψ 29 , 3 f ( 30 , 3 f) steht. Im Gegensatz zum Beter des Psalms ist den Gottlosen niemand bekannt, der aus dem Hades 195 erlöst. In der Betonung der Zufälligkeit ( αὐτοσχεδίως ) menschlicher Existenz (Sap 2 , 2 a) opponieren sie gegen den biblischen Schöpfungsgedanken, wie er sich im anschließenden Rahmenstück der Rede findet (Sap 2 , 23 ). Das Hapaxlegomenon in der Septuaginta αὐτοσχεδίως verleiht dieser Gegenposition zur biblischen Schöpfungstheologie besonderen Nachdruck. Auch Sap 2 , 2 b negiert jede Form der menschlichen Existenz, die über das hier und jetzt hinausgeht, sodass sich der Eindruck verstärkt, die Lamentatio zeichne bewusst die Negativfolie, von der sich Sap 2 , 21 - 24 im Anschluss an die Rede abgrenzt. Der alttestamentliche Gedanke der Einhauchung des »Lebensodems« ( πνοὴ ζωῆς Gen 2 , 7 ) durch Gott wird in Sap 2 , 2 c aufgenommen und zugleich pervertiert. Nicht göttlichen Odem meinen die Gottlosen zu besitzen, sondern nur einfachen »Rauch« ( καπνός Sap 2 , 2 c). Ein göttlicher Ursprung ist nach Ansicht der Gottlosen für die πνοή ausgeschlossen. Auch hier spielt Sap wieder auf den Sprachgebrauch der Septuaginta an, der πνοή synonym für Mensch gebrauchen kann (z. B. I Reg 15 , 29 ; ψ 150 , 6 ( 150 , 6 )). Wird nun in Sap 2 , 2 c die πνοή zu bloßem καπνός herabgestuft, unterstreicht dies die bisher gewonnene Erkenntnis, dass das menschliche Leben für die Gottlosen nichts als Schall und Rauch ist. Auch in den Psalmen findet sich der Gebrauch dieser Metapher, um das Ende der Gottlosen zu umschreiben ( ψ 36 , 20 ( 37 , 20 ); 193 Vgl. Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 138 f. 194 Es finden sich in Sap neben dem hier gebrauchten τελευτή mehrere Synonyme für θάνατος : ὄλεθρος ( 1 , 12 ); ἀπώλεια ( 1 , 13 ); ᾅδης ( 1 , 14 ; 2 , 1 ); μετὰ τοῦτο ( 2 , 2 ); ἔκβασις ( 2 , 17 ); ἔξοδος ( 3 , 2 ); πορεία ( 3 , 3 ); τέλος ( 3 , 19 ); τελειόω ( 4 , 13 ). 195 Zu ᾅδης vgl. die Auslegung zu Sap 1 , 14 d. 96 <?page no="97"?> 67 , 3 ( 68 , 3 )). Allerdings führt hier jeweils der Psalmbeter dieses Bild an, um das Ende der Gottlosen ( οἱ ἁμαρτωλοί ) zu umschreiben (vgl. Sap 5 , 14 c). In Sap 2 , 2 c sind es dagegen die Gottlosen selbst, die sich in ihrem Nihilismus zu einem spurlosen Vergehen gleich dem Verwehen des Rauches bekennen. Nichts wird ihren Tod überdauern. Die Vorlage, von der sich die Gottlosen in Sap 2 , 2 c bewusst distanzieren, ist in Hi 27 , 3 zu finden. 196 Die materialistische Grundüberzeugung der Gottlosen zeigt sich in einer weiteren Facette in Sap 2 , 2 d. 3 . Das »Denken« ( λόγος ) des Menschen ist nur ein Funke, der durch den Schlag des Herzens 197 entsteht. Vergeht dieser Funke, wird der ganze Leib bzw. der ganze Mensch zu Asche und der Geist wird wie dünne Luft verweht. Hier klingt der Leib-Seele-Dualismus im Munde der Gottlosen an, der auch bei den Gottlosen die Vorstellung eines göttlichen Funkens im Menschen bzw. eines unvergänglichen λόγος oder einer den leiblichen Tod überdauernden Seele vermuten ließe. Doch nichts dergleichen trifft zu. Zwar sind die Gottlosen hier in der Lage zwischen λόγος , σπινθήρ , σῶμα und πνεῦμα zu differenzieren, aber diese Unterscheidung gilt nur bis zum Moment des physischen Todes, in dem gemeinsam mit dem Funken sowohl Leib als auch Geist vergehen. Bemerkenswert ist jedoch das Abhängigkeitsverhältnis, das zwischen dem Funken und der Existenz des Menschen besteht. Sobald der Funke erlischt, vergeht der Leib zu Asche und der Geist verweht wie dünne Luft. Nach Ansicht der Gottlosen ist also der durch den Funken des Herzschlags bedingte λόγος die Voraussetzung für das Bestehen von Leib und Geist. 198 Mit dieser Vorstellung des vom Menschen selbst hervorgebrachten und am Leben gehaltenen Geistes ( πνεῦμα ) widersprechen die Gottlosen erneut der Schöpfungstheologie, wie sie sich in den theologischen Exkursen im dritten Teil der Sap zeigt. In allem Leben ist das göttliche πνεῦμα , das keineswegs abhängig von Funken des menschlichen Herzens ist. Es vergeht auch nicht wie dünne Luft, sondern ist unvergänglich (Sap 12 , 1 ). Gott ist derjenige, der das πνεῦμα ζωτικόν eingibt (Sap 15 , 11 ) und es dem Menschen verleiht (Sap 15 , 16 ). Dem entspricht die Aussage von Sap 2 , 23 , dass Gott den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen hat. Die fundamentale Differenz zwischen den anthropologischen Überzeugungen 196 Hi 27 , 3 ἦ μὴν ἔτι τῆς πνοῆς μου ἐνούσης πνεῦμα δὲ θεῖον τὸ περιόν μοι ἐν ῥισίν »Solange noch irgendetwas von meinem Atem in mir ist und Gottes Hauch in meiner Nase«. 197 Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 174 f, und Winston, Wisdom, S. 117 , weisen darauf hin, dass das Herz sowohl nach biblischer als auch nach griechischer Überzeugung Sitz des Denkens und Fühlens ist, ja sogar bei einigen Stoikern das Zentrum des Lebens selbst. 198 Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 139 - 143 , weist auf die epikureischen und sadduzäischen Parallelen hin, die hinter den Gedanken der Gottlosen zur menschlichen Endlichkeit stehen. Allerdings bestehen in den Moralvorstellungen deutliche Differenzen zwischen den Gottlosen der Sap auf der einen und den Epikureern und Sadduzäern auf der anderen Seite. 97 <?page no="98"?> der Gottlosen und der Bestimmung des Menschen zur Unvergänglichkeit tritt erneut hervor. Auch die Feststellung der Gottlosen, ihr Name werde in Zukunft in Vergessenheit geraten und nichts werde mehr an ihre Taten erinnern (Sap 2 , 4 a.b), ist alttestamentlichem Denken entlehnt und spiegelt eine frühe Phase der Auseinandersetzung mit Tod und Sterben wider. Im Kern des Alten Testaments finden sich noch keine Auferstehungshoffnungen und Unvergänglichkeitsvorstellungen, wie sie erst im Judentum der hellenistisch-römischen Zeit begegnen. Stattdessen ist das Fortleben des Namens des Verstorbenen in seinen Nachkommen integraler Bestandteil älterer Reflexionen über den Tod (Gen 21 , 12 ; 48 , 16 ). In Sap 2 , 4 a.b distanzieren sich die Gottlosen nun nicht nur von der Unvergänglichkeitsvorstellung, wie sie im abschließenden Rahmenstück der Rede begegnet (Sap 2 , 23 ), sondern auch von der uralttestamentlichen Hoffnung auf ein fortwährendes Erinnern des Namens. Erinnern und Vergessen stehen in der Sap wie auch in der Septuaginta für die Kontinuität bzw. Diskontinuität des menschlichen Lebens im Angesicht des Todes. So ist dem Beter von ψ 30 , 13 ( 31 , 13 ) sein Schicksal, in Vergessenheit geraten zu sein, gleichbedeutend mit dem Tode. 199 Die eigene Vorhersage der Gottlosen, niemand werde ihre Werke erinnern (Sap 2 , 4 b; vgl. Koh 9 , 5 ), findet in Sap 4 , 19 ihre Bestätigung. Die Erinnerung an sie wird wirklich vergehen. Sap 2 , 4 c- 5 a beschreibt in weiteren Bildern die Vergänglichkeit des Lebens. Das konsequente Fazit ihres Räsonierens ziehen die Gottlosen in Sap 2 , 5 bc selbst. Sie schließen ihre Lamentatio, indem sie explizit eine Rückkehr von ihrem Tod zurück zum Leben ausschließen. Niemand kann nach ihrer Überzeugung vom alles versiegelnden Tod wieder zum Leben zurückkehren. 4 . 7 . 2 Sap 2 , 6 - 9 . Ethische Folgerungen: Carpe diem Nach der grundsätzlichen Darlegung des Todesverständnisses der Gottlosen im ersten Teil der Rede (Sap 2 , 1 b- 5 ) werden in den beiden weiteren Abschnitten (Sap 2 , 6 - 9 . 10 - 20 ) die daraus resultierenden ethischen Folgerungen gezogen. Die Rede geht vom deskriptiv-theoretischen Eingangsteil (Sap 2 , 1 b- 5 ) zu den handfesten Folgerungen über. 200 Da die Wahrnehmung der Gottlosen einzig und allein auf diese Welt begrenzt ist (Sap 2 , 1 - 5 ) und für eine über den irdischen Tod reichende Hoffnung auf Unvergänglichkeit bei ihnen kein Platz ist (Sap 2 , 22 f), beabsichtigen sie, die Trauer über ihre begrenzte Lebenszeit durch völlige Hingabe an die Sinnesfreuden zu kompensieren. Das Fazit ihrer Analyse menschlicher Sterblichkeit hebt mit δεῦτε 199 ψ 30 , 13 ( 31 , 13 ) ἐπελήσθην ὡσεὶ νεκρὸς ἀπὸ καρδίας ἐγενήθην »In Vergessenheit bin ich geraten, aus dem Herzen fort wie ein Toter.« 200 Vgl. Vílchez, Sapienza, S. 176 . 98 <?page no="99"?> οὖν an, was folgt, ist ein Aufruf zum Genuss. 201 Kostbarer Wein und Salböl mögen ihnen fließen, auch keine Frühlingsblume, d. h. keine hübsche Frau, möge ihnen entgehen (Sap 2 , 7 ). In ausgelassenem Übermut wollen sie jede Gelegenheit zu ausschweifendem Genuss nutzen (Sap 2 , 8 f). 4 . 7 . 3 Sap 2 , 10 - 20 . Ethische Folgerungen: Leben auf Kosten anderer Der Textabschnitt Sap 2 , 10 - 20 ist aufgrund der darin geäußerten Intention der Gottlosen vom vorangehenden Carpe-diem-Aufruf in Sap 2 , 6 - 9 abzugrenzen. Der Bruch ist mit inhaltlichen Beobachtungen zu begründen. Formal sind Sap 2 , 6 - 9 und Sap 2 , 10 - 20 u. a. durch wiederholte Selbstaufforderungen im Konjunktiv Aorist verbunden. 202 Jedoch ist ein Wechsel in der Thematik unbestreitbar. Nachdem die erste Reaktion der Gottlosen auf den unausweichlichen physischen Tod der Aufruf zum Genuss in vollen Zügen war, folgt nun eine zweite Reaktion, die ab Sap 2 , 10 den »Gerechten« ( δίκαιος ) ins Visier nimmt. 203 Ab Sap 2 , 10 schlägt die Genusssucht der Gottlosen in das Planen der Unterdrückung der Gerechten um. Den armen Gerechten wollen sie unterdrücken, die Witwe nicht verschonen und auch vor dem Greis nicht scheuen (Sap 2 , 10 ). In dieser Missachtung der personae miserae offenbaren die Gottlosen das gesamte Ausmaß ihrer Inhumanität. Als Karikatur der Eingangsaufforderung, Gerechtigkeit zu lieben und auf Gott gesinnt zu sein (Sap 1 , 1 ), postulieren die Gottlosen ihre eigene Stärke als Gesetz der Gerechtigkeit (Sap 2 , 11 ). Daher wollen sie dem unbequemen Gerechten, der ihnen ihre Vergehen gegen die »Tora« ( νόμος ) vorhält, auflauern (Sap 2 , 12 ). Auch die Gottesbeziehung des Gerechten ist ihnen ein Dorn im Auge (Sap 2 , 13 - 16 ). Da der Gerechte behauptet, ein Kind Gottes zu sein (Sap 2 , 13 ), wollen sie ihn 201 Vgl. die klassische Ausbildung des Carpe-diem-Motivs bei Horaz, dem Zeitgenossen Caesars und Augustus’, carm. I, 11 , 8 : carpe diem, quam minimum credula postero. »Ergreife den Tag, vertraue am wenigsten dem, der da kommt.« Auch werden Anklänge an das Carpe-diem-Motiv in Koh 3 , 10 - 15 deutlich. Eine Zusammenstellung weiterer außerbiblischer Paralleltexte zum Carpe-diem-Motiv finden sich bei Engel, Weisheit, S. 68 - 70 , und Kaiser, Carpe diem, S. 185 - 188 . Die dort in chronologischer Reihenfolge aufgeführten Texte beginnen jeweils mit einem Auszug aus einem ägyptischen Harfnerlied sowie aus dem Gilgameschepos und reichen bis in hellenistisch-römische Zeit. 202 Insgesamt 15 Mal drücken die Gottlosen ihre Vorhaben im Konjunktiv Aorist aus. Davon fünf Mal in Sap 2 , 6 - 9 ( ἀπολαύσωμεν + χρησώμεθα Sap 2 , 6 ; πλησθῶμεν Sap 2 , 7 ; στεψώμεθα Sap 2 , 8 ; καταλίπωμεν Sap 2 , 9 ) und zehn Mal in Sap 2 , 10 - 20 ( καταδυναστεύσωμεν + φεισώμεθα + ἐντραπῶμεν Sap 2 , 10 ; ἐνεδρεύσωμεν Sap 2 , 12 ; ἴδωμεν + πειράσωμεν Sap 2 , 17 ; ἐτάσωμεν + γνῶμεν + δοκιμάσωμεν Sap 2 , 19 ; καταδικάσωμεν Sap 2 , 20 ). Ferner steht in Sap 2 , 7 eine Aufforderung im Imperativ Aorist ( παροδευσάτω ) sowie in Sap 2 , 11 im Imperativ Präsens ( ἔστω ). 203 Dass Sap 2 , 10 ein Übergangsvers innerhalb der Rede ist, wurde oft bemerkt. Vgl. z. B. Vílchez, Sapienza, S. 176 . 99 <?page no="100"?> gewaltsam unterdrücken. Sie wollen prüfen, ob Gott den Gerechten, seinen Sohn, aus ihrer Macht erretten wird (Sap 2 , 18 ). 204 Die Gottlosen schrecken bei ihren Plänen nicht vor Folter zurück (Sap 2 , 19 ) und verdammen den Gerechten schließlich zu einem unehrenhaften Tod (Sap 2 , 20 ). Damit gipfeln die ethischen Folgerungen im Anschluss an ihre Lamentatio der eigenen Sterblichkeit in dem Beschluss, den Gerechten zu töten. Erneut sei der Kontrast zu Sap 7 , 1 - 6 in Erinnerung gerufen. Auf die eindrückliche Beschreibung der menschlichen Vergänglichkeit ( 7 , 1 - 6 ; vgl. Sap 2 , 1 b- 5 ) folgt für Salomon die Bitte um Weisheit (Sap 7 , 7 f; 9 , 1 - 18 ), durch die er Unsterblichkeit erhalten wird (Sap 8 , 13 ). Die Gottlosen bleiben stattdessen mit ihrer Reaktion auf ihre Sterblichkeit ganz in dieser Welt verhaftet und ergehen sich einzig und allein in Lust- und Gewaltexzessen. 4 . 8 Sap 2 , 21 - 24 . Das abschließende Rahmenstück zur Rede der Gottlosen: Unvergänglichkeit contra Tod Nach Abschluss der Rede zieht Sap 2 , 21 - 24 ein Fazit, in dem das Räsonieren der Gottlosen als völlig abwegig verurteilt wird. Dabei unterscheidet Sap 2 , 21 - 24 in der negativen Bewertung der Rede nicht zwischen der in Teilen an Kohelet erinnernden Lamentatio der Gottlosen angesichts der Vergänglichkeit (Sap 2 , 1 b- 5 ) und den daraus für die Gottlosen resultierenden abstrusen, hedonistischen und zügellosen Moralvorstellungen (Sap 2 , 6 - 20 ). Die resignierten Gedankenirrungen der Gottlosen, die sie angesichts der irdischen Vergänglichkeit allen Lebens entspinnen, werden in Sap 2 , 21 - 24 aufgegriffen und grundlegend reflektiert. Der einzig auf das Diesseits beschränkten Sichtweise der Gottlosen wird die Aussage über die Bestimmung des Menschen zur Unvergänglichkeit (Sap 2 , 23 ) gegenübergestellt. Die Schilderung vom Ursprung des Todes kontrastiert zum Abschluss diese Unvergänglichkeitsbestimmung (Sap 2 , 24 ). Damit nimmt Sap 2 , 21 - 24 die Aussagen der Gottlosen auf und führt diese auf die zentrale theologische Grundfrage von Unvergänglichkeit und Tod zurück. Die Argumentation ist in Sap 2 , 21 - 24 klar strukturiert. Auf die negative Bewertung der Rede durch das knappe, aber unmissverständliche ταῦτα ἐλογίσαντο καὶ ἐπλανήθησαν folgen mehrere Begründungen für dieses Irren. Durch γὰρ (Sap 2 , 21 b) ist ein erster viergliedriger Begründungsgang angeschlossen. Darin wird zuerst die κακία der Gottlosen (Sap 2 , 21 b) als Grund für das Abirren der Gottlosen genannt. Es folgen die drei weiteren mit καί angeschlossenen Gründe. Die Gottlosen räsonieren falsch, weil sie die Ge- 204 Zur Auslegungsgeschichte von Sap 2 , 10 - 20 als Prophetie auf die Passion Christi vgl. Larcher, Sagesse, Bd. 1 , S. 258 f. 100 <?page no="101"?> heimnisse Gottes nicht erkennen (Sap 2 , 22 a), nicht auf Lohn für Frömmigkeit hoffen (Sap 2 , 22 b) und die Gaben für untadelige Seelen nicht wertschätzen (Sap 2 , 22 c). Darauf folgt ab Sap 2 , 23 a mit ὅτι eingeleitet der zweite Begründungsgang. Die Gottlosen irren sich in ihrem Reden, da Gott den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen (Sap 2 , 23 a) und ihn als Abbild seines eigenen Wesens gemacht hat (Sap 2 , 23 b). 205 Da die Gottlosen diese anthropologische Grundbestimmung eines jeden Menschen missachten, täuschen sie sich in ihrem Klagen über die Kürze und Traurigkeit menschlicher Existenz. In Sap 2 , 24 schließt sich verbunden durch die Konjunktion δέ die Rede vom Tod an. Zwar ist der Mensch zur Unvergänglichkeit geschaffen, aber durch den Neid des Teufels ist der Tod in die Welt gekommen. 4 . 8 . 1 Sap 2 , 21 . Die Bewertung der Rede Sap 2 , 21 leitet das Abschlussrahmenstück mit einer Wertung der Rede ein (Sap 2 , 21 a). Die eigentliche negative Bewertung steckt lediglich in einem Wort: ἐπλανήθησαν »sie gingen in die Irre«. Wie schon das einleitende Rahmenstück hebt auch das Schlussrahmenstück den Irrsinn der Gedanken der Gottlosen hervor. Mit γὰρ ist eine Begründung direkt angeschlossen, die das Abirren auf die κακία der Gottlosen und das damit verbundene Erblinden zurückführt (Sap 2 , 21 b). Sap 2 , 21 a. Irregeleitetes Räsonieren der Gottlosen ταῦτα ἐλογίσαντο καὶ ἐπλανήθησαν Über diese Dinge räsonierten sie und gingen in die Irre Das Verb λογίζομαι wird wie schon zu Beginn (Sap 2 , 1 a) auch am Ende der Rede zur Bezeichnung des egozentrischen Denkens der Gottlosen verwendet. 206 Nachdem das Eingangsrahmenstück mit λογισάμενοι οὐκ ὀρθῶς (Sap 2 , 1 a) schloss, eröffnet Sap 2 , 21 a mit ταῦτα ἐλογίσαντο καὶ ἐπλανήθησαν den Schlusskommentar. Durch das Demonstrativpronomen ταῦτα wird der Anschluss an die gesamte Rede geschaffen. Wie schon in Sap 2 , 1 a so ist auch in Sap 2 , 21 a mit λογίζομαι Entscheidendes über die Qualität der Gedanken der Gottlosen gesagt. Die Verwendung von λογίζομαι in anderen Kontexten verdeutlicht, dass in diesem Verb bereits eine erste Kritik an den Gedanken der Gottlosen impliziert ist. So führen σκολιοὶ λογισμοί zur Trennung von Gott (Sap 1 , 3 ) und die Gottlosen werden ihrem Räsonieren entsprechend ( καθὰ ἐλογίσαντο Sap 3 , 10 ) bestraft werden. Mit dem Verb πλανάω folgt im Vergleich dazu eine explizitere Kritik an der Rede der Gottlosen. 205 Hübner, Weisheit, S. 47 , nennt Sap 2 , 23 daher eine »theologische Begründung«. 206 Vgl. die Ausführungen zu λογί ζομαι in Sap 2 , 1 a. 101 <?page no="102"?> Im griechischen Sprachgebrauch heißt πλανάω »irreführen«, 207 πλανάομαι »irregehen«. 208 Aber auch die übertragene, nicht lokale Bedeutung ist für das Lexem πλανbelegt. So kann die Wortgruppe auch das »verfehlte Erkennen, Reden oder Tun« bezeichnen. 209 Ein Schuldgedanke ist damit allerdings nicht verbunden. 210 Neben dieser Verwendung in erkenntnistheoretischen Kontexten kann πλανάω auch in religiös-metaphysischen Zusammenhängen verwendet werden. So existiert die Vorstellung der Seele, die durch die Sinne des Leibes zum Schwanken, Irren und trunkenen Taumeln gezogen wird. 211 Diejenigen, die ohne φρόνησις und ἀρετή durchs Leben »schwanken« ( πλανῶνται ), stehen aufgrund der Beeinflussung durch sinnliche Lüste in keinerlei Beziehung »zum wahrhaften Oben« ( πρὸς τὸ ἀληθῶς ἄνω ). 212 Daher ergeht die Aufforderung, die »schwankenden Gedanken« ( τὰς ἐν ἡμῖν πεπλανημένας ) an den »festen« ( ἀπλανής ) Bahnen der Gestirne auszurichten. 213 In der Septuaginta werden diese Grundbedeutungen aufgenommen. 214 Während der wörtliche lokale Gebrauch unverändert bestehen bleibt, 215 ist für die übertragene Verwendung des Verbes eine theologische Erweiterung festzustellen. Diese besteht darin, dass mit dem Gebrauch von πλανάω zumeist eine (Götzen-) Kritik einhergeht. 216 Zudem ist die nichtreligiöse Bedeutung kaum 217 und die ausschließlich erkenntnistheoretische Ausrichtung überhaupt nicht in der Septuaginta belegt. 218 Die Gründe für das Abirren vom Weg der Wahrheit sind in der Septuaginta vielfältig. Sie können in menschlicher Bosheit, falscher Herzenshaltung bzw. Willensentscheidung oder gar im Wirken Gottes liegen. 219 Die Existenz einer äußeren widergöttlichen Macht, die den Menschen zu solchem Irren verleitet, ist der Septuaginta fremd. Nur I Chr 21 , 1 benennt den Satan als denjenigen, der David »reizt« ( ἐπισείω statt πλανάω ) und somit zur Durchführung der Volkszählung führt. 220 207 Aischyl. Prom. 573 . 208 Plat. epist. XI 358 e. 209 Plat. rep. VI 484 b; polit. 263 a; soph. 230 b. 210 Vgl. Braun, Art. πλανάω , S. 233 . 211 Plat. Phaid. 79 c. 212 Plat. rep. IX 586 a. 213 Plat. Tim. 47 c. 214 Nach Braun, Art. πλανάω , S. 235 , ist πλανάω 121 Mal in der Septuaginta belegt und übersetzt dabei 42 Mal die hebräische Wurzel העת . Keine der vielen weiteren hebräischen Entsprechungen ist annähernd häufig als Vorlage für πλανάω belegt. 215 Dtn 27 , 18 ; Gen 21 , 14 ; Ex 14 , 3 ; 23 , 4 . 216 Dtn 30 , 17 ; II Reg 21 , 9 ; ψ 94 , 10 ( 95 , 10 ); Hos 4 , 12 ; Am 2 , 4 ; Mi 3 , 5 ; Jes 3 , 12 . 217 πλανάω im Sinne eines »profanen Täuschens«: Jdc 16 , 10 . 13 ; II Reg 4 , 28 . 218 Vgl. Braun, Art. πλανάω , S. 235 . 219 Dtn 11 , 28 ; 30 , 17 ; ψ 57 , 4 f ( 58 , 4 f); 94 , 10 ( 95 , 10 ); 106 , 40 ( 107 , 40 ); Prov 12 , 26 ; 21 , 16 ; 28 , 10 ; Hi 12 , 24 ; Hos 9 , 17 ; Jes 3 , 12 ; 29 , 24 ; 35 , 8 ; 63 , 17 ; Jer 31 , 9 ( 38 , 9 ). 220 Erst in nachbiblischen Texten des Judentums (Hen(aeth) 10 , 7 - 16 ; 1 QS 1 , 21 - 24 ; 3 , 20 - 25 ; TestXII.Rub 2 , 1 f; 3 , 2 . 7 ; TestXII.Sim 2 , 7 ; 3 , 1 ; 6 , 6 ; TestXII.Jud 14 , 8 ; 19 , 4 ; 20 , 1 ) und schließlich im Neuen Testament ( 1 Joh 3 , 7 f; Apk 12 , 9 ; 20 , 2 f. 7 f. 10 ) werden dämonische Mächte und der Teufel für das Abirren vom Weg der Wahrheit verantwortlich gemacht. Vgl. die Ausführungen zu Sap 2 , 24 a. 102 <?page no="103"?> In den pseudepigraphen Schriften des antiken Judentums sind πλανάω und πλάνη häufig belegt, wobei eine besondere Konzentration auf die Testamente der zwölf Patriarchen auffällt. 221 Wie auch in der Septuaginta ist der wörtliche Gebrauch relativ selten 222 gegenüber der übertragenen Bedeutung bezeugt. In übertragenem Sinne bezeichnet πλανάω / πλάνη das »Abirren vom Herrn«, das sich vor allem im Götzenkult sowie mangelnder Gesetzesobservanz 223 zeigt. Dieser Abfall vom Herrn wird besonders in der Darstellung der TestXII durch die Geister der Verirrung 224 oder durch Beliar 225 provoziert. Ebenso können irdische Versuchungen wie Geldgier, Wein und die Schönheit der Frauen zum Verirren führen. 226 Die dem Wortfeld πλανάω / πλάνη naheliegende Verknüpfung mit der Wegmetaphorik findet sich in Sib. 227 Als Konsequenz des Abirrens vom Weg des Unsterblichen ( ἡμεῖς δ’ ἀθανάτοιο τρίβου πεπλανημένοι ἦμεν ) benennt auch Sib 3 , 721 f den Götzenkult. Da das Abirren in Form der πορνεία von Gott trennt und letztlich in den Hades führt (TestXII.Rub 4 , 6 ), ergeht die Aufforderung, die Worte der Wahrheit zu hören, um Gerechtigkeit und das Gesetz des Höchsten zu tun, und sich nicht vom Geist des Hasses zu bösem Handeln verführen zu lassen ( μὴ πλανᾶσθαι TestXII.Gad 3 , 1 ). Wer sich in seinem Leben rechtschaffen verhält, ist immun für das Treiben der Geister der Verirrung (TestXII.Is 4 , 2 - 4 ). Ebenso irrt derjenige, der mit ganzer Kraft die Gesetze des Höchsten erforscht und in ihnen wandelt, nicht vom Weg der Wahrheit ab (TestXII.As 5 , 4 ). So kann Joseph in seinem Testament bezeugen, trotz der Konfrontation mit Neid und Tod in seinem Leben nicht vom Weg der Wahrheit abgeirrt zu sein (TestXII.Jos 1 , 3 ). Der Kontrast von Abirren und Wahrheit findet sich ferner in JosAs 8 , 9 . In einem Gebet Josephs wird Gott als derjenige angerufen, der von der Finsternis ins Licht, vom Irrtum in die Wahrheit und vom Tod ins Leben rief. Ein schöpfungstheologischer Aspekt erscheint in der Verwendung von πλανάω in PsSal 18 . Seitdem die Gottesfürchtigen von Gott geschaffen worden sind, irren sie nicht vom Weg des Herrn ab (PsSal 18 , 12 ). Bei Philo sind πλανάω und πλάνη relativ häufig belegt. 228 Neben dem auch bei Philo überlieferten wörtlichen lokalen Verirren 229 ist auch die übertragene Bedeutung bezeugt. In diesem Sinne kann derjenige, der wahre religiöse Praxis mit mechanischem Frondienst vertauscht, bezichtigt werden, den Weg der Frömmigkeit verfehlt zu haben (Det 20 f). Begründet wird das Abirren an dieser Stelle mit der Unfähigkeit, den rechten Weg zu sehen (Det 22 ). Damit sind sowohl die Wegmetaphorik als auch die Beschreibung mangelhaften Sehens in diesem Kontext mit dem Verb 221 Denis zählt in seiner Konkordanz der griechischen Pseudepigraphen des Alten Testaments 52 Belege für πλανάω und 32 für πλάνη . Davon entfallen 13 Belege für πλανάω und 25 für πλάνη auf die TestXII. Vgl. Denis, Concordance, S. 65 . 222 ParJer 5 , 9 - 12 ; PsSal 17 , 17 . 223 TestXII.Rub 4 , 6 ; TestXII.Lev 10 , 2 ; 16 , 1 f; Sib 3 , 29 f; ApcMos 42 , 7 . 224 TestXII.Dan 5 , 5 ; TestXII.Naph 3 , 3 ; TestXII.As 6 , 2 ; TestXII.Sim 3 , 1 . 225 Sib 3 , 63 - 68 ; TestXII.Ben 6 , 1 - 3 ; TestXII.Jud 25 , 3 . 226 TestXII.Jud 17 , 1 ; 14 , 1 - 8 ; 19 , 1 . 227 Sib 3 , 231 - 233 ; 273 - 279 ; 721 - 723 . 228 Borgen, Index, S. 283 , zählt für πλανάω 34 und für πλάνη acht Belegstellen. 229 Det 5 . 10 . 17 . 103 <?page no="104"?> πλανάω verbunden. Ebenso verwendet Philo in Migr 132 f die Wegmetaphorik. In diesem Abschnitt illustriert Philo anhand des Beispiels Abrahams, wie man Gott näher kommt. Die Wegmetaphorik wird an dieser Stelle mit einer Tugendlehre verbunden, um der Aufforderung Nachdruck zu verleihen, Gott in den Tugenden der Frömmigkeit und des Glaubens zu folgen und nicht vom mittleren und geraden Weg abzuirren. Wer auf diese Weise Gott anhängt, wird - wie es mit einer Sap 4 , 1 f ähnlichen Wettkampfmetaphorik ausgedrückt wird - die verdienten Kränze und Siegespreise erhalten. In der Sap ist πλανάω acht und πλάνη zwei Mal belegt. 230 Mit πλανάω / πλάνη wird immer ein Irren beschrieben, das Gottes eigentlichem Plan für die Menschen widerspricht. Diejenigen, die irren, kommen vom Weg der Wahrheit ab (Sap 5 , 6 ), halten scheußliche Tiere für Götter (Sap 12 , 24 ), erkennen Gott nicht (Sap 14 , 22 ) oder bleiben in ihrer Suche nach Gott ohne Erfolg (Sap 13 , 6 ). Der Grund für das Abirren liegt in der Schlechtigkeit der Gottlosen (Sap 2 , 21 ), in unverständigem Räsonieren, das eigener Ungerechtigkeit entstammt (Sap 11 , 15 ), arglistigem Planen (Sap 15 , 4 ) oder der Unfähigkeit, sich belehren zu lassen (Sap 17 , 1 ). Auch in Sap 1 , 12 verweist die im Imperativ ausgesprochene Aufforderung, dem Tod nicht nachzueifern, auf die »Verirrung des Lebens« ( ἐν πλάνῃ ζωῆς ). Wer den Tod mit all seinem Eifer zu erlangen versucht - so die Deutung der Lebenseinstellung der Gottlosen -, befindet sich auf dem Irrweg. Das Abirren wird hier innerhalb des zur Rede der Gottlosen überleitenden Scharnierstückes Sap 1 , 11 - 15 als inniges Verlangen, dem Tod zugehörig sein zu wollen, interpretiert. Darin ist auf die entscheidende Gegenüberstellung von Leben und Tod hingedeutet, die auch im Schlusskommentar zur Rede in Sap 2 , 21 mitgehört werden muss. Die Verbindung von πλάνη und θάνατος in Sap 1 , 12 legt es nahe, auch in Sap 2 , 21 beim Gebrauch von πλανάω an ein tödliches Abirren vom Leben zu denken. In dieselbe Richtung weist der Gebrauch von πλανάω in der Reuerede der Gottlosen, in der sie bekennen müssen, vom Weg der Wahrheit abgeirrt zu sein (Sap 5 , 6 ). 231 Nachdem sie in Sap 5 , 4 reumütig ihre willkürlichen Gewalttaten gegen den Gerechten eingestanden haben, kommen sie selbst zu der späten Erkenntnis, sich in ihrem selbstherrlichen Gebaren gegenüber dem Gerechten fundamental geirrt zu haben. Nach einer Begründung für ihr Abirren vom Weg der Wahrheit sucht man im direkten Anschluss an Sap 5 , 6 a allerdings vergeblich. Zwar folgen in den direkt anschließenden 230 πλανάω : Sap 2 , 21 ; 5 , 6 ; 11 , 15 ; 12 , 24 ; 13 , 6 ; 14 , 22 ; 15 , 4 ; 17 , 1 . πλάνη : Sap 1 , 12 ; 12 , 24 . 231 Sap 5 , 6 ἄρα ἐπλανήθημεν ἀπὸ ὁδοῦ ἀληθείας, καὶ τὸ τῆς δικαιοσύνης φῶς οὐκ ἔλαμψεν ἡμῖν, καὶ ὁ ἥλιος οὐκ ἀνέτει λεν ἡμῖν· »Also sind wir vom Weg der Wahrheit abgeirrt, und das Licht der Gerechtigkeit hat uns nicht geleuchtet, und die Sonne ist uns nicht aufgegangen.« 104 <?page no="105"?> Stichoi potentielle Gründe, jedoch sind diese mit καί parataktisch angeschlossen. So konstatieren die Gottlosen in Sap 5 , 6 bc, dass ihnen weder das Licht der Gerechtigkeit geschienen habe, noch die Sonne aufgegangen sei. Eine kausale Verknüpfung zum Abirren vom Weg der Wahrheit fehlt dabei jedoch gänzlich, so dass die Schlussfolgerung, sie seien in Ermangelung des Lichtes in Finsternis vom Weg der Wahrheit abgeirrt, hier nicht gezogen werden kann. 232 Darin unterscheidet sich Sap 5 , 6 von Sap 2 , 21 , wo das Verirren der Gottlosen seine durch γάρ angefügte Begründung darin findet, dass ihre Schlechtigkeit sie geblendet hat. 233 Bemerkenswert ist aber trotz der fehlenden kausalen Verknüpfung in Sap 5 , 6 die Verwendung der Licht-Finsternis-Metaphorik im unmittelbaren Kontext von πλανάω . Dabei leidet es keinen Zweifel, dass mit der Wendung »Licht der Gerechtigkeit« nur das unvergängliche Licht des Gesetzes, d. h. der Tora (Sap 18 , 4 ), gemeint sein kann, das in Opposition zur Finsternis steht und ihnen nicht geleuchtet hat. 234 Es besteht also eine inhaltliche Nähe zwischen dem Abirren vom Weg der Wahrheit bzw. des Lebens (vgl. Sap 1 , 12 ) und dem Licht des Gesetzes, auch wenn deren Verhältnis - zumindest in Sap 5 , 6 - nicht genauer bestimmt werden kann. 235 In Bezug auf die Auslegung von Sap 2 , 21 ist aber festzuhalten, dass sowohl Sap 2 , 21 ( πλανάω + ἀποτυφλόω ) als auch Sap 5 , 6 ( πλανάω + φῶς / ἥλιος ) die jeweilige Aussage über das Irren der Gottlosen in ihrem Räsonieren bzw. über ihr Abirren vom Weg der Wahrheit mit der Lichtmetaphorik verbinden, die ihrerseits wiederum auf das Gesetz hinweist, wie Sap 18 , 4 ( τὸ ἄφθαρτον νόμου φῶς ) verdeutlicht. Darüber hinaus ist die in Sap 5 , 6 aufgenommene Wegmetaphorik für die Bestimmung des semantischen Gehaltes von πλανάω zu beachten. Die sich aus der Verwendung der Wegmetaphorik ergebende ethische Perspektive 232 Hübner weist darauf hin, dass eine mögliche »Selbstentschuldigung« (Weisheit, S. 72 ) der Gottlosen keinen Bestand haben könnte. Die Gottlosen sind nicht vom Weg der Wahrheit abgeirrt, weil sie sich in der Finsternis nur zwangsläufig täuschen konnten. Vielmehr ist ihr Abirren vom wahren Weg bzw. »das sie blind machende Dunkel [. . .] das Resultat ihrer eigenen unsagbaren Bosheit« (Weisheit, S. 73 ). Dies hebt auch Sisti, Sapienza, S. 176 , hervor: »[G]li empi possono dire di non aver conosciuto la loro luce, nel senso che hanno rifiutato di accettarla (cfr. Gb. 24 , 13 ; Gv. 3 , 19 - 20 ).« 233 Sap 2 , 21 b ἀπετύφλωσεν γὰρ αὐτοὺς ἡ κακία αὐτῶν . 234 Anders dagegen Mazzinghi, Memoria, S. 176 : »La Legge non è più ,norma‘ in senso legale; è espressione di un evento salvifico fondamentore, l’esodo«. Nach Mazzinghi bezeichnet νόμος nicht die Tora, sondern Gottes rettendes Wirken in Israels Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Von dieser Rettung irren die Gottlosen ab. 235 In der gesamten Bußrede findet sich keine einzige grammatikalisch eindeutige Begründung für das Abirren der Gottlosen vom Weg der Wahrheit. Einzig für ἐν δὲ τῇ κακίᾳ ἡμῶν κατεδαπανήθημεν (Sap 5 , 13 ) ist eine kausale Übersetzung zu erwägen, die jedoch von Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 333 , bestritten wird, da vielmehr ein lokaler und temporaler Sinn vorliege. 105 <?page no="106"?> von πλανάω ist offensichtlich. Die Tatsache, dass die Gottlosen von dem in Wahrheit zu beschreitenden Weg abgeirrt sind, 236 ist metaphorischer Ausdruck für deren verfehltes Leben, das nur auf Lustgewinn ausgerichtet war. Hierbei ist die reiche alttestamentliche Wegmetaphorik, die z. B. in ψ 1 , 6 ( 1 , 6 ), Prov 8 , 20 ; 12 , 28 ; 16 , 17 zwischen dem Weg des Gerechten und dem des Gottlosen differenziert, aufgenommen. Die Gottlosen müssen sich in ihrer Reuerede eingestehen, vom Weg der Wahrheit und des Lebens 237 in ihrem Wahn von Gewalt und Unterdrückung abgeirrt zu sein. Neben der Gegenüberstellung von Leben und Tod ruft πλανάω somit auch das Moment der Entscheidung zwischen dem wahren und dem falschen Weg hervor. Die Wegmetaphorik findet sich auch in der griechischen Literatur. Das prominenteste Beispiel hierfür ist die Fabel von Herakles am Scheideweg aus dem Prodikosmythos (Xen. mem. 2 , 1 , 21 - 34 ). Zwei Wege stehen dem jungen Herakles offen. Er kann sich entweder für den beschwerlichen und mühsamen »Weg« ( ὁδός ) der »Tugend« ( ἀρετή ) entscheiden, der zu »vollkommener Glückseligkeit« ( μακαριστοτάτη εὐδαιμονία ) führt, oder aber für den angenehmen und bequemen Weg der »Laster« ( κακία ), der zu leichtem Leben mit »reichlichem Genuss« ( τὸ τερπνόν ) an den Sinnesfreuden und (falscher) »Glückseligkeit« ( εὐδαιμονία ) führt. Auch in Mt 7 , 13 f ist die Zwei-Wege-Lehre aufgenommen. Breit ist der von vielen beschrittene Weg ( εὐρύχωρος ἡ ὁδός ), der in die Verdammnis führt, während der von wenigen gegangene Weg, der zum Leben führt, schmal ist ( τεθλιμμένη ἡ ὁδός ). Für Sap 2 , 21 ist aber erneut zu betonen, dass auch die Verwendung der Wegmetaphorik in Sap 5 , 6 keinen Aufschluss darüber gibt, weshalb die Gottlosen vom Weg der Wahrheit abgeirrt sind. 238 Schließlich sei auf ein letztes Motiv hingewiesen, das nicht nur in Sap 2 , 21 f in Verbindung mit πλανάω anklingt, sondern auch in Sap 14 , 22 auftritt. Es handelt sich hierbei um die Erkenntnis Gottes, die γνῶσις τοῦ θεοῦ , von der sowohl die Gottlosen in Sap 2 , 21 f als auch die Götzendiener in Sap 14 , 22 abirren. Das Abirren von der Gotteserkenntnis bezeichnen die Götzendiener sogar noch als Frieden, womit der Friede, der die Gerechten nach ihrem physischen Tod erwarten wird (Sap 3 , 3 ), geradezu karikiert wird. 239 Fasst man die hier für den Gebrauch von πλανάω gewonnenen Ergebnisse zusammen, so sticht die Dichte der in Sap 2 , 21 mit diesem Motiv verbunde- 236 Vgl. Prov 21 , 16 ἀνὴρ πλανώμενος ἐξ ὁδοῦ δικαιοσύνης ἐν συναγωγῇ γιγάντων ἀναπαύσεται »Der Mann, der vom Weg der Gerechtigkeit abirrt, wird in der Versammlung der Giganten ruhen.« 237 Vgl. Joh 14 , 6 . 238 Für die von Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 325 , postulierte Annahme, den Weg der Wahrheit wählen zu können, besteht in Sap 5 , 6 kein Anlass. Die Bußrede der Gottlosen liefert dafür jedenfalls keinen Hinweis. 239 Sisti, Sapienza, S. 337 , sieht im Abirren von der Erkenntnis Gottes in Sap 14 , 22 zu Recht dieselbe Verfehlung, die auch in Sap 1 , 12 ; 2 , 21 ; 5 , 6 f; 17 , 1 dem Verfehlen des rechten Weges bzw. der Pläne Gottes zugrunde liegt. 106 <?page no="107"?> nen Aspekte ins Auge. Die semantische Untersuchung des Verbes πλανάω hat mehrere Aspekte erkennen lassen, die dessen Bedeutungsgehalt bestimmen. Das Besondere der Verwendung in Sap 2 , 21 ist, dass sich all diese Aspekte entweder direkt in Sap 2 , 21 - 24 , oder aber in der vorangehenden und durch πλανάω abgewerteten Rede wiederfinden. Darin zeigt sich das umfassende und zugleich gravierende Ausmaß der Verirrung der Gottlosen. Sie verwechseln Tod und Leben (Sap 1 , 12 ; vgl. Sap 1 , 16 ; 2 , 24 ), das Licht des Gesetzes scheint ihnen nicht (Sap 5 , 6 ; 18 , 4 ; vgl. Sap 2 , 11 ) und statt Licht haben sie nur Finsternis um sich herum (Sap 5 , 6 ; 18 , 4 ; vgl. 2 , 21 ). Ferner kann die Wegmetaphorik auch ethische Verfehlungen zusammenfassen (Sap 5 , 6 ; vgl. Sap 2 , 6 - 20 ), und schließlich findet das Abirren von der Erkenntnis Gottes im Götzendienst seinen Ausdruck (Sap 14 , 22 ; vgl. Sap 2 , 22 ), der Anfang, Grund und Höhepunkt alles Schlechten ist (Sap 14 , 27 ). Wie ein Leben aussieht, das nicht in die Verirrung abgleitet, beschreibt Sap 15 , 1 - 4 . Wer sich nicht von arglistigen menschlichen Einfällen und Götzenbildern zum falschen Kult verführen lässt ( οὔτε γὰρ ἐπλάνησεν Sap 15 , 4 a) und so dem Gott Israels treu bleibt (Sap 15 , 4 ) 240 , wird dessen vollkommene Gerechtigkeit und die Wurzel der Unsterblichkeit erkennen (Sap 15 , 3 ). 241 Sap 2 , 21 b. Die erste Begründung des Irrens: Die Schlechtigkeit ἀπετύφλωσεν γὰρ αὐτοὺς ἡ κακία αὐτῶν denn ihre Schlechtigkeit blendete sie Das Verb ἀποτυφλόω bringt die bereits erwähnte Licht-Finsternis-Metaphorik in Sap 2 , 21 - 24 ein. 242 Dabei lässt der klare Satzbau in Sap 2 , 21 b die Blendung durch die eigene Schlechtigkeit als den ersten von insgesamt vier Gründen des Abirrens der Gottlosen erkennen, die durch die Konjunktion γάρ an Sap 2 , 21 a angeschlossen sind. Im Gegensatz zum häufiger in der Septuaginta begegnenden Nichthören als Ursache für Abirrungen vom rechten Weg wird in Sap 2 , 21 die Verblendung, das Nichtsehen, als Grund des irren Räsonierens und Verirrens angeführt. 243 Dieser Beobachtung entspricht, dass 240 Sap 15 , 4 ab οὔτε γὰρ ἐπλάνησεν ἡμᾶς ἀνθρώπων κακότεχνος ἐπίνοια οὐδὲ σκιαγράφων πόνος ἄκαρπος »Denn die arglistigen Einfälle der Menschen haben uns nicht verführt noch die unnütze Arbeit der Maler.« 241 Sap 15 , 3 τὸ γὰρ ἐπίστασθαί σε ὁλόκληρος δικαιοσύνη καὶ εἰδέναι σου τὸ κράτος ῥί ζα ἀθανασίας »Denn dich kennen ist vollkommene Gerechtigkeit, und von deiner Macht wissen ist die Wurzel der Unsterblichkeit.« 242 Grimm, Weisheit, S. 11 , erkennt in der Blendung durch Schlechtigkeit dieselbe Verfehlung, vor der bereits Sap 1 , 5 gewarnt hat. »Der Vf. spricht sonach in dem Bisherigen den bedeutsamen Gedanken aus, daß Unsittlichkeit in Gesinnung und Handlung unfähig mache, das Höhere und Göttliche zu erkennen und den Sinn dafür abstumpfe«. 243 Vgl. Braun, Art. πλανάω , S. 238 . 107 <?page no="108"?> das Verb ἀποτυφλόω in der Septuaginta nur noch in Tob (S) 2 , 10 und Sir 20 , 29 belegt ist. In Tob (S) 2 , 10 wird mit ἀποτυφλόω ein physisches Erblinden beschrieben, während in Sir 20 , 29 ein übertragener Gebrauch vorliegt. 244 Allerdings können aus diesen beiden Belegstellen kaum Schlüsse für den Gebrauch von ἀποτυφλόω in Sap 2 , 21 b gezogen werden. In der pseudepigraphen Literatur des hellenistischen Judentums, bei Philo und im Neuen Testament ist ἀποτυφλόω zudem gänzlich unbekannt. Auch τυφλόω ist ähnlich rar belegt. 245 In Tob (S) 7 , 7 bezeichnet τυφλόω wie schon ἀποτυφλόω in Tob (S) 2 , 10 ein physisches Erblinden. In Jes 42 , 19 liegt dagegen ein metaphorischer Gebrauch vor, der Israels Blindheit mit dem Abweichen von den Wegen des Herrn und dem Nichthören seines Gesetzes in Relation setzt (Jes 42 , 24 ). Der in Sap 2 , 21 zugrundeliegende kausale Zusammenhang von »verirren« ( πλανάω ) und »erblinden« ( ἀποτυφλόω ) findet sich auch in den Testamenten der zwölf Patriarchen. Ein metaphorisch verstandenes Erblinden wird hierin auf die Geldgier, die als Herrscher der Verirrung bezeichnet wird (TestXII.Jud 19 , 4 ), 246 und auf den Geist des Zorns, der das Netz der Verirrung wirft (TestXII.Dan 2 , 4 ), 247 zurückgeführt. Weitere Motive sind mit τυφλόω in TestXII verbunden. So führen Hurerei und Habsucht vom Gesetz Gottes ab und verfinstern das Trachten der Seele (TestXII.Jud 18 , 3 ), 248 sodass derjenige, dessen Seele verfinstert ist, auch am Tag wie in der (dunklen) Nacht wandelt (TestXII.Jud 18 , 6 ). Schließlich lobt derjenige, dessen Seele vom Geist des Hasses verfinstert ist, auch denjenigen nicht, der das Gesetz des Herrn befolgt (TestXII.Gad 3 , 2 f). Im Neuen Testament wird τυφλόω verwendet, um entweder ein defizitäres Gottesverhältnis (Joh 12 , 40 ; II Kor 4 , 4 ) oder eine gestörte Beziehung zum Nächsten zu deuten (I Joh 2 , 11 ). Als Grund für die verfehlte Erkenntnis Gottes bzw. für den Hass auf den Nächsten wird in diesen neutestamentlichen Stellen die Verblendung genannt. Da ἀποτυφλόω in Sap ein Hapaxlegomenon ist, soll dessen semantischer Gehalt durch eine Analyse der anverwandten Wortfelder innerhalb des 244 Sir 20 , 29 a ξένια καὶ δῶρα ἀποτυφλοῖ ὀφθαλμοὺς σοφῶν »Geschenke und Gaben blenden die Augen der Weisen.« 245 In der Septuaginta steht τυφλόω nur in Tob (S) 7 , 7 und Jes 42 , 19 , in den jüdischen Pseudepigraphen ausschließlich in TestXII (TestXII.Sim 2 , 7 ; Jud 11 , 1 ; 18 , 3 . 6 ; 19 , 4 ; Dan 2 , 4 ; Gad 3 , 3 ) und im Neuen Testament in Joh 12 , 20 ; II Kor 4 , 4 ; I Joh 2 , 11 . Vgl. bei Philo All 3 , 231 ; Ebr 108 ; VitCont 61 . 246 TestXII.Jud 19 , 4 ἐτύφλωσε γάρ με ὁ ἄρχων τῆς πλάνης »Denn der Herrscher der Verirrung verfinsterte mich.« Auch TestXII.Sim 2 , 7 stellt eine kausale Abhängigkeit zwischen dem »Herrscher der Verirrung« ( ὁ ἄρχων τῆς πλάνης ) und dem Erblinden, in diesem Falle des Verstandes, her. 247 TestXII.Dan 2 , 4 περιβάλλει γὰρ αὐτὸν τὸ πνεῦμα τοῦ θυμοῦ τὰ δίκτυα τῆς πλάνης καὶ τυφλοῖ τοὺς φυσικοὺς ὀφθαλμοὺς αὐτοῦ »Der Geist des Zorns wirft das Netz des Irrtums um ihn und verfinstert seine natürlichen Augen.« 248 TestXII.Jud 18 , 3 ὅτι ταῦτα ἀφιστᾷ νόμου θεοῦ καὶ τυφλοῖ τὸ διαβούλιον τῆς ψυχῆς »Denn dies macht abwendig vom Gesetz Gottes und verfinstert das Trachten der Seele.« 108 <?page no="109"?> Buches erschlossen werden. Dafür sind die Motive Sehen / Nichtsehen und Licht / Finsternis im Folgenden zu untersuchen. S ehen / N ichtsehen Bei der Analyse dieses Motivs zeigt sich mehrfach der defizitäre Charakter des Sehvermögens der Gottlosen. Diese unvollkommene Sinneswahrnehmung der Gottlosen wird in der Beschreibung des eschatologischen Schicksals der Gerechten gleich im Anschluss an die erste Rede der Gottlosen deutlich. So ist es den Gottlosen nicht möglich, zu erkennen, dass die Gerechten nach ihrem physischen Tod in Gottes Hand (Sap 3 , 1 ) bzw. in Frieden sein werden (Sap 3 , 3 ). In den Augen der Toren 249 scheinen die Gerechten dagegen gestorben ( τεθνάναι ) zu sein (Sap 3 , 2 ), was ihrer Ansicht nach gleichbedeutend mit Übel und Untergang ist. Es fehlt ihnen jegliche Einsicht für ein Sein, das über den physischen Tod hinausgeht. Wie schon in Sap 2 , 21 so steht auch in Sap 3 , 2 das mangelhafte Sehen in unmittelbarer Verbindung mit dem verirrten Räsonieren. Die Gerechten scheinen in den Augen der Toren tot zu sein und ihren Ausgang aus der irdischen Existenz halten sie für ( λογίζομαι ) ein Übel. Ebenso wird auch in Sap 4 , 14 . 17 f innerhalb der abschließenden Gegenüberstellung der eschatologischen Schicksale der Gerechten und der Gottlosen das bloß fragmentarische Sehvermögen der Gottlosen thematisiert. In Anspielung an den jesajanischen Verstockungsauftrag (Jes 6 , 9 ) artikuliert Sap 4 , 14 das Vergehen der Gottlosen, 250 zwar das frühe Sterben des Gerechten zu sehen, aber trotzdem nicht in der Lage zu sein, dessen dahinter stehendes eigentliches Schicksal zu verstehen. Ähnlich stellt auch Sap 4 , 17 fest, dass die Gottlosen das, was Gott für den Gerechten beschlossen hat, nicht zu erkennen vermögen, obwohl sie dessen physisches Ende sehen. Damit bleibt ihnen das eigentliche Schicksal des vorzeitig gestorbenen Gerechten verborgen, das in dessen Sein an einem Ort der Ruhe bestehen wird (Sap 4 , 7 ). Ihr Blickfeld reicht lediglich bis zum irdischen Ende des Gerechten, darüber hinaus erstreckt sich ihr Horizont nicht, 251 weil sie nicht den hinter der Schöpfung stehenden Gott wahrnehmen. In diesem Sinn ist auch der Schlusskommentar zur ersten Rede der Gottlosen zu verstehen (Sap 2 , 21 ). Sicherlich können die Gottlosen bis zu einem bestimmten Punkt ihre Umwelt wahrnehmen und z. B. erkennen, dass ihr Leben kurz und traurig ist (Sap 2 , 1 b), für eschatologische Belange jedoch sind sie schlechthin blind. 249 ἄφρων ist in Sap 3 , 2 synonym mit ἀσεβής . 250 Dass οἱ λαοί hier die Gottlosen bezeichnet, legt sich aus der erneuten Gegenüberstellung der Gottlosen und Gerechten in Sap 4 , 16 f nahe. Vgl. ebenso Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 288 . 251 Vgl. bereits Sap 3 , 2 . 109 <?page no="110"?> Erst im Gericht, das die Gottlosen angesichts ihrer Vergehen erzittern lässt (Sap 4 , 20 ), wird sich ihr Blick schärfen. Dann sehen sie die in ihren Augen paradoxe Rettung des Gerechten und werden in Furcht geraten (Sap 5 , 2 ). In dieser Gerichtssituation wird das Sehen der Gottlosen eine neue Qualität erlangen, die sich von der vorherigen defizitären Wahrnehmung in der darauf folgenden Reaktion unterscheidet. Die Aufnahme des Partizips ἰδόντες in Sap 5 , 2 aus Sap 4 , 14 unterstreicht diese bewusste Gegenüberstellung des Sehens vor und während des Gerichts. Während der Anblick der Entrückung des Gerechten nur Unverständnis zur Folge hatte (Sap 4 , 14 ), wird der Anblick der Geretteten im Gericht zu Einsicht und Umdenken bei den Gottlosen führen (Sap 5 , 2 f), jedoch erst dann, wenn es schon zu spät ist. Damit hat sich gegenüber den bisher genannten Parallelen (Sap 2 , 1 ; 3 , 2 ; 4 , 14 . 16 f) eine Entwicklung vollzogen, die es auch den Gottlosen ermöglicht, über den irdischen Tod hinauszuschauen. Der Preis für diese Justierung der Sehschärfe ist allerdings kein geringerer als das künftige Gericht. L icht / F insternis Neben der Untersuchung des Wortfeldes Sehen / Nichtsehen ist auch der Gebrauch der mit ἀποτυφλόω angedeuteten Licht-Finsternis-Metaphorik zu beachten. In der bereits genannten Perikope über die Entrückung des Gerechten (Sap 4 , 7 - 14 ) wird diese im dritten von insgesamt vier Argumenten zur Begründung der Entrückung aufgenommen. 4 , 11 ἡρπάγη, μὴ κακία ἀλλάξῃ σύνεσιν αὐτοῦ ἢ δόλος ἀπατήσῃ ψυχὴν αὐτοῦ· 12 βασκανία γὰρ φαυλότητος ἀμαυροῖ τὰ καλά, καὶ ῥεμβασμὸς ἐπιθυμίας μεταλλεύει νοῦν ἄκακον. 4 , 11 Er wurde weggenommen, damit nicht Schlechtigkeit seinen Verstand verkehre oder List seine Seele täusche. 12 Denn die Boshaftigkeit des Bösen 252 verdunkelt das Gute, und der Wirbel der Begierde verwandelt den arglosen Geist. Alle vier Argumente, die für diese Präventivmaßnahme Gottes zu Gunsten des Gerechten ins Feld geführt werden, betonen dessen Bedrohung durch Schlechtigkeit, List, Böses oder Begierde, die eine Gefahr für seinen Verstand und seine Seele darstellen. Die Funktion der in Sap 4 , 10 - 14 aufgenommenen Henochperikope (vgl. Gen 5 , 21 - 24 ) erschließt sich durch den Rückbezug 252 Zur Übersetzung von φαυλότητος vgl. Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 285 . 110 <?page no="111"?> auf Sap 4 , 7 . Der frühzeitige Tod des Gerechten, der einem Ausruhen gleichkommt (Sap 4 , 7 ), wird durch die angeschlossene Entrückungserzählung als Schutzmaßnahme Gottes gedeutet. 253 Der Gerechte ist dank seines als Entrückung gedeuteten Todes nicht mehr den in der Welt lauernden Gefahren ausgesetzt und somit vor möglichen moralischen Verfehlungen geschützt. 254 Daher kann u. a. die Gefahr der Verdunklung des Guten durch das Böse, die durchaus auch für den Gerechten eine reale Bedrohung darstellt, diesen nun nicht mehr treffen. Damit wird eine Antwort auf die in Sap 4 , 7 aufgeworfene Theodizeefrage gegeben, die sich angesichts des frühen Todes eines Gerechten stellt. Dabei wird mit dem Verb ἀμαυρόω (Sap 4 , 12 ) die Licht-Finsternis- Metaphorik aufgenommen, mit der die Macht des Schlechten über den Menschen, über den Gerechten und den Gottlosen gleichermaßen, ausgedrückt wird. Der Gerechte erblindet aber dank seiner Entrückung nicht, sodass er weder von der Finsternis seines Sehvermögens beraubt wird noch vom Weg der Wahrheit abirrt (Sap 5 , 6 ). Die Möglichkeit, dass auch der Gerechte erblindet und seine Sinne nicht mehr auf Gott ausrichten kann, ist damit zumindest für den vor der Gefahr der κακία Entrückten ausgeschlossen (Sap 4 , 11 ). Der Ertrag dieser Untersuchung der Wortfelder Sehen / Nichtsehen und Licht / Finsternis besteht darin, dass zwar die Gottlosen und die Gerechten gleichermaßen der Bedrohung durch die Finsternis ausgesetzt sind, allerdings ausschließlich die Wahrnehmung der Gottlosen dadurch beeinträchtigt wird. Infolgedessen sind sie blind für das, was über den physischen Tod hinausgeht. Eschatologische Hoffnungen und Vorstellungen bleiben ihnen verschlossen. Welches Licht durch diese Finsternis verdunkelt wird, hat bereits die Untersuchung zu πλανάω gezeigt. Es konnte dort mit Bezug auf Sap 18 , 4 nachgewiesen werden, dass die Finsternis Umschreibung für den Mangel des Lichtes des Gesetzes ist. Hell und strahlend im Vergleich zu dieser gesetzlosen Finsternis scheint dagegen die Weisheit, die von denen leicht gesehen werden kann, die sie lieben und von denen gefunden wird, die sie suchen (Sap 6 , 12 ). Sie ist das Licht, das alle wahre Erkenntnis erst ermöglicht und vor dem Dunkel bewahrt (Sap 7 , 29 f). Der Grund für die Verblendung der Gottlosen liegt in Sap 2 , 21 in »deren Schlechtigkeit« ( ἡ κακία αὐτῶν ). 253 Im Vergleich zu Gen 5 , 22 - 24 verwundert diese Beobachtung, da Henoch in der Genesisvorlage aufgrund seiner Wohlgefälligkeit gegenüber Gott entrückt wird und nicht, um einer Gefahr zu entkommen. 254 Vgl. Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 269 . 273 , und Vílchez, Sapienza, S. 229 . Letzterer verweist auf die Jugend (Sap 4 , 16 ) des gestorbenen Gerechten und folgert daraus, dass der Gerechte noch zu jung ist, um den Bedrohungen durch Schlechtigkeit etc. zu trotzen. Daher meint Vílchez, den vorzeitigen Tod als »un atto amorevole della provvidenza divina« deuten zu können. 111 <?page no="112"?> In der Septuaginta wird mit κακία zumeist das hebräische הער übersetzt. 255 Sowohl im masoretischen als auch im griechischen Text ist mit diesen beiden Begriffen ein weites Bedeutungsspektrum verbunden, das sich jeweils in zwei Hauptbedeutungen unterteilen lässt. Einerseits bezeichnen הער und κακία das »Böse« bzw. das »Übel«, 256 andererseits aber auch das jeweilige »ethische Vergehen des Einzelnen«. 257 Auch in den pseudepigraphen Schriften des Judentums 258 findet sich dieser doppelte Gebrauch für κακία , wobei jedoch die Belege mit ethischer Bedeutung eindeutig überwiegen. Deutlich häufiger als das Böse bzw. das Übel, das Macht über den Einzelnen ausübt, 259 bezeichnet κακία die ethisch verantwortungslose schlechte Tat des Einzelnen. 260 In diesem Sinne wird etwa die Apostasie vom Herrn den Wandel in »Bosheit« ( κακία ) zur Folge haben (TestXII.Dan 5 , 5 ). Auch in TestXII.Zab 8 , 5 werden mit κακία τοῦ ἀδελφοῦ die »schändlichen Taten des Bruders« bezeichnet. Bei Philo ist κακία sehr häufig und breit bezeugt. 261 Exemplarisch für das Textcorpus Philos soll der Gebrauch von κακία in der Schrift ›De Opificio Mundi‹ untersucht werden. In dieser Auseinandersetzung Philos mit dem Schöpfungsbericht der Genesis fällt der Begriff κακία 13 Mal. 262 Diese 13 Belege verteilen sich auf die beiden Teile dieses Werkes. Im ersten Teil (§§ 1 - 133 ), der Auslegung zu den sechs Schöpfungstagen nach Gen 1 , finden sich neun und im zweiten Teil (§§ 134 - 172 ), der Auslegung des zweiten Schöpfungsberichts und des Sündenfalls nach Gen 2 f, vier Belege für κακία . Das erste Mal begegnet der Begriff κακία im Kontext der Auslegung von Gen 1 , 26 . 263 In direkter Rede äußert Gott in Gen 1 , 26 die Absicht, dass »wir den Menschen schaffen wollen«. Da in Gen 1 , 1 - 25 ausschließlich Gott im Singular als das handelnde Subjekt auftritt, 264 ist die Pluralform ποιήσωμεν in 255 Nach Hatch / Redpath, Concordance, Bd. 2 , S. 708 , ist κακία in der Septuaginta 150 Mal belegt. 112 Mal ist κακία in den Büchern mit hebräischer Vorlage Übersetzung eines hebräischen Begriffs. 88 Mal übersetzt κακία das hebräische הער . 256 I Sam 20 , 7 ; II Reg 14 , 10 f. 257 I Reg 2 , 44 ; Hos 7 , 2 ; Jer 1 , 16 . 258 Auffällig ist am Konkordanzbefund für κακία in den pseudepigraphen Schriften des Judentums die starke Häufung der Belege für die TestXII. Denis, Concordance, S. 448 , zählt 30 Belege für κακία , von denen 18 auf TestXII entfallen. 259 ApcMos 19 , 3 ; TestXII.Ben 7 , 1 . 260 PsSal 4 , 5 ; Arist 133 ; 188 ; TestXII.Lev 14 , 1 ; 16 , 3 ; TestXII.Zab 8 , 5 ; 9 , 7 ; TestXII.Dan 1 , 3 ; 5 , 5 ; TestXII.Gad 6 , 7 ; TestXII.As 2 , 1 ; 3 , 1 . 2 ; TestXII.Jos 5 , 3 ; 6 , 6 . 7 ; TestXII.Ben 8 , 1 . 261 Borgen, Index, S. 183 f, zählt 312 Belege für κακία in Philos Schriften, die sich zwar nicht auf alle, so aber doch auf die Mehrzahl seiner Werke verteilen. - Zum Verhältnis der Sap zu Philo vgl. Winston, Wisdom, S. 59 - 63 . Winston zeigt hier in dem Abschnitt »Wisdom of Solomon and Philo of Alexandria« eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten auf, die zwischen der Sap und Philo bestehen. Auf eine Bestimmung einer möglichen literarischen Abhängigkeit der Sap von Philo oder vice versa legt sich Winston darin allerdings nicht fest. 262 Op 73 ( 4 x); 74 ; 75 ( 2 x); 79 ; 81 ; 149 ; 168 ( 2 x); 170 . 263 Gen 1 , 26 καὶ εἶπεν ὁ θεός ποιήσωμεν ἄνθρωπον κατ’ εἰκόνα ἡμετέραν καὶ καθ’ ὁμοίωσιν »Und Gott sprach: Lasst uns den Menschen machen nach unserem Ebenbild und uns ähnlich.« 264 In Gen 1 , 1 - 26 ist Gott Subjekt zu folgenden Verben in der 3 . Person Singular: ἐποίησεν , ἐκάλεσεν , εἶδεν , ἔθετο , εἶπεν und ηὐλόγησεν . 112 <?page no="113"?> Gen 1 , 26 auffällig. Philo fühlt sich durch diese Textbeobachtung veranlasst, hierzu einen Erklärungsversuch anzubieten. Dazu führt er in §§ 72 - 76 eine Erklärung an, in der der Gegensatz von ἀρετή und κακία von grundlegender Bedeutung ist. Die Argumentation beruht auf der Feststellung, dass die existierenden Dinge ( τά ὄντα ) in drei Gruppen aufgeteilt werden können (§ 73 ). Das Kriterium der Einteilung der geschaffenen Dinge in diese drei Gruppen ist deren jeweiliges Verhältnis zu ἀρετή und κακία . Die erste Gruppe, die »Pflanzen« ( φυτά ) und die »unvernünftigen Tiere« ( ζῷα ἄλογα ), besitzen weder ἀρετή noch κακία . Da Geist und Vernunft das Haus darstellen, in dem Tugend und Schlechtigkeit wohnen, die ζῷα ἄλογα jedoch weder Geist noch Vernunft besitzen, sind die Tiere jederzeit ohne ἀρετή und κακία . Für die Pflanzen gilt desgleichen, da sie als seelenlose Wesen kein Vorstellungsvermögen haben. Eine zweite Gruppe bilden die »Gestirne« ( οἱ ἀστέρες ), die als rein »vernünftige Lebewesen« ( ζῷα νοερά ) ausschließlich die ἀρετή in sich aufnehmen. An der κακία haben sie keinerlei Anteil, da sie für diese unempfänglich sind. Schließlich besteht eine dritte Gruppe von »Mischwesen« ( τὰ τῆς μικτῆς φύσεως ), die alle Gegensätze in sich aufnimmt. Als Beispiel dieser Gruppe wird der Mensch genannt, 265 der u. a. Verstand und Unverstand, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Gutes und Böses sowie Tugend und Schlechtigkeit in sich vereint. Im Anschluss an diese Einteilung der Schöpfung kann Philo in §§ 74 - 75 erklären, warum der Mensch nicht von Gott allein geschaffen worden ist. Der Plural ποιήσωμεν ist darauf zurückzuführen, dass Gott einzig Ursprung des Guten und Tugendhaften ist (§ 74 ). Da der Mensch aber ein Mischwesen ist und auch Anteil an der κακία hat, brauchte Gott bei der Erschaffung des Menschen die »Mithilfe anderer als Mitarbeiter« ( συμπαράληψιν ἑτέρων ὡς συνεργῶν ), auf die der nicht tugendhafte Teil des Menschen zurückzuführen ist (§ 75 ). Auch im zweiten Teil in § 149 nimmt Philo diesen Gedanken wieder auf. Wie schon in §§ 72 - 75 ist auch hier das Bestreben zu erkennen, den Anteil des Bösen am Menschen nicht mit Gott in Verbindung zu bringen. Die Denkkraft im Menschen ist auf eine selbständige Bewegung, d. h. auf menschliche Willensfreiheit, zurückzuführen. Fehler, die der Mensch begeht, liegen demnach nicht in Gott begründet. Auch das Leben der ersten Menschen ist nach Philo dadurch charakterisiert, dass sie anfangs unschuldig und einfältig lebten, später jedoch die κακία der ἀρετή vorzogen (§ 170 ). Aus diesen Beobachtungen lassen sich zwei Schlüsse ziehen. Erstens weist Philo die Existenz der κακία nicht dem Schöpfungswerk Gottes zu. 266 Durch die Auslegung des Plurals ποιήσωμεν vermag er es, die Existenz des Bösen in der Welt Gottes Mitarbeitern bei der Schöpfung zuzuweisen, auch wenn diese Mitarbeiter nicht näher bestimmt werden. Zweitens ist festzuhalten, dass die Opposition von κακία und ἀρετή bei Philo deutlich angelegt ist. Die Spannung zwischen diesen beiden Eigenschaften stellt das Spezifikum der menschlichen Existenz gegenüber den 265 Andere Wesen als den Menschen nennt Philo freilich nicht. 266 Dieselbe Intention liegt in Sap 1 , 13 zugrunde. Die Aussage, Gott habe den Tod nicht gemacht, verweist auf eine Herkunft des Todes, die außerhalb von Gottes Wirken liegt. Wie die Auslegung von Sap 1 , 13 gezeigt hat, bezeichnet θάνατος in Sap 1 , 13 allerdings nicht den »physischen Tod«, sondern die »ewige Gottesferne« nach dem irdischen Ableben des Menschen. 113 <?page no="114"?> anderen von Gott geschaffenen Dingen dar. Nur der Mensch besitzt als Mischwesen die Freiheit, in seinem ethischen Verhalten zwischen ἀρετή und κακία zu wählen. In der Sap ist κακία acht Mal belegt 267 und bezeichnet entweder den Gegenbegriff zu ἀρετή , 268 oder aber die Macht der Schlechtigkeit. 269 In Sap 2 , 21 b begegnet mit ἡ κακία αὐτῶν die bei Philo markant hervorgehobene Opposition von ἀρετή und κακία , auch wenn ἀρετή nicht unmittelbar genannt ist. Die Verwendung von κακία in der zweiten Rede der Gottlosen, die auf die erste Rede Bezug nimmt, lässt jedoch darauf schließen, dass κακία in Sap 2 , 21 b ethisch konnotiert ist. In ihrer zweiten Rede (Sap 5 , 4 - 13 ) nehmen die Gottlosen auf ihre vorherigen Ausführungen in der ersten Rede Bezug und ziehen ein resigniertes, selbstkritisches und reumütiges Fazit ihres vormaligen Räsonierens und Handelns. War es im Zusammenhang ihrer ersten Rede noch dem Kommentar (Sap 2 , 21 - 24 ) vorbehalten, das Räsonieren und In-die-Irre-Gehen als κακία αὐτῶν zu bewerten, so sind es in der zweiten Rede die Gottlosen selber, die ihren vormaligen Lebenswandel als κακία ἡμῶν bezeichnen. 270 Im Schlussvers dieser eschatologischen Rede bekennen sie sich zu ihrer Schlechtigkeit (Sap 5 , 13 ). Statt auf Zeichen der Tugend verweisen zu können ( ἀρετῆς μὲν σημεῖον οὐδὲν ἔσχομεν ) bleibt ihnen nur das Eingeständnis, sich in ihrer Schlechtigkeit ( ἐν δὲ τῇ κακίᾳ ἡμῶν ) verzehrt zu haben. Wie schon in Sap 2 , 21 b verdeutlicht auch in Sap 5 , 13 ein Possessivpronomen die enge Verbindung der Gottlosen mit ihrer κακία . Die Tatsache, dass die Gottlosen selbst in ihrer zweiten Rede die Opposition ihrer eigenen Schlechtigkeit zur Tugend herausstellen, zeigt ihr nun geschärftes Bewusstsein. Jetzt erkennen sie angesichts ihrer Vergänglichkeit, dass das von ihrer κακία bestimmte Handeln besser von ἀρετή hätte bestimmt sein sollen. Aufgrund ihres Lebens ohne ἀρετή bleibt ihnen die Unsterblichkeit verwehrt, die demjenigen beschieden ist, der die Erschwernisse der irdischen Existenz μετὰ ἀρετῆς ertragen hat (Sap 4 , 1 ). Anknüpfend an Sap 1 , 1 kann Sap 8 , 7 formulieren, dass die Mühen desjenigen, der die Gerechtigkeit liebt, Tugenden sind. Da aber bei den Gottlosen weder Tugend noch Gerechtigkeitsliebe vorhanden sind, kommt ihr Verhalten einem Bundesschluss mit dem Tode gleich (Sap 1 , 16 c). Die Vorstellung, dass die Verbindung eines Menschen mit der κακία auch rückgängig gemacht werden kann, liegt der Kanaanperikope in Sap 12 , 2 - 21 zugrunde. Wie schon in Sap 2 , 21 und Sap 5 , 13 findet sich hier die Verknüpfung von κακία mit einem Possessivpronomen. Von den Kanaanäern heißt es 267 Neben den acht Vorkommen für das Substantiv κακία (Sap 2 , 21 ; 4 , 11 ; 5 , 13 ; 7 , 30 ; 12 , 2 . 10 . 20 ; 16 , 14 ) finden sich sieben Belege für das Adjektiv κακός ( 14 , 22 . 27 ; 15 , 6 . 12 . 18 ; 16 , 8 ; 17 , 6 ). 268 Sap 2 , 21 ; 5 , 13 ; 12 , 2 . 10 . 20 ; 16 , 14 . 269 Sap 4 , 11 ; 7 , 30 . 270 Zum Verhältnis der ersten (Sap 2 , 1 b- 20 ) und der zweiten (Sap 5 , 4 - 13 ) Rede der Gottlosen vgl. die Ausführungen zu Sap 2 , 24 b. 114 <?page no="115"?> dort sogar, dass sie bereits von Geburt an mit ihrer Schlechtigkeit verbunden seien ( ἔμφυτος ἡ κακία αὐτῶν Sap 12 , 10 ). Als Rahmung zu dieser Aussage stehen die beiden an die Kanaanäer gerichteten Aufforderungen, von der Schlechtigkeit abzulassen (Sap 12 , 2 . 20 ), die jeweils das Verb ἀπαλλάσσω verwenden. Obwohl diese beiden Rahmenverse nicht explizit κακία mit einem Possessivpronomen verbinden, ist eine gewisse Plausibilität einer interpretierenden Übersetzung, die in Sap 12 , 2 . 20 jeweils αὐτῶν ergänzt, nicht von der Hand zu weisen. 271 Schwer fällt in diesem Zusammenhang jedoch die Entscheidung der Verhältnisbestimmung zwischen Sap 12 , 10 und Sap 12 , 2 . 20 . An den beiden bereits genannten Schlüsselwörtern ἔμφυτος und ἀπαλλάσσω entzündet sich die Frage nach der Qualität der den Kanaanäern angeborenen Schlechtigkeit. Angesichts ihrer verkehrten Natur wirkt die Möglichkeit einer Überwindung ihrer Schlechtigkeit zunächst fraglich. Bei isolierter Betrachtung scheint die Spitzenaussage, ihnen sei ihre Schlechtigkeit angeboren (Sap 12 , 10 ), in der Tat eine ausweglose Lage zu beschreiben, die gar eine Prädestination zur Schlechtigkeit im Blick zu haben scheint. Doch lassen sich gute Gründe dafür geltend machen, die einer vorschnellen Vereinnahmung des Hapaxlegomenon ἔμφυτος als Hinweis auf eine Prädestinations- 272 oder eine Erbsündenlehre Einhalt gebieten. Zunächst wäre der gesamte Kontext (Sap 12 , 2 - 21 ) ad absurdum geführt, wenn es sich hier tatsächlich um die Grundlegung einer ewigen Vorherbestimmung der Kanaanäer zur Schlechtigkeit handelte. Die ausdrücklich betonte Zeit und Gelegenheit zur Umkehr (Sap 12 , 20 ) würde zu einer Farce degradiert, wenn eine »wirkliche Möglichkeit« zur Neuausrichtung des Lebens gar nie bestanden hätte. Mit einer solchen Interpretation wäre also dem Gesamtduktus der Kanaanperikope widersprochen, der im einleitenden Vers in komprimierter Form zusammengefasst ist. Gott bestraft die Sünder 273 demnach nur in abgeschwächter Form, damit sich diese von der Schlechtigkeit lossagen können und zum Glauben an den Herrn kommen (Sap 12 , 2 ). Da Sap 12 , 3 durch die Konjunktion γὰρ an den vorangehenden Vers angeschlossen ist, dient die Kanaanperikope somit als veranschaulichendes Beispiel der grundsätzlichen Darlegung aus 271 In diesem Sinne fügt Hübner, Weisheit, S. 158 . 162 , sowohl in Sap 12 , 2 als auch in Sap 12 , 20 das Pronomen zu κακία hinzu. Heinisch, Weisheit, S. 215 , und Fichtner, Weisheit, S. 44 , ergänzen nur in Sap 12 , 2 das Possessivpronomen, während Georgi, Weisheit, S. 446 , diese Ergänzung lediglich in Sap 12 , 20 vornimmt. Diese inhaltlich sicherlich naheliegende Hinzufügung findet sich auch in den für Sap 12 , 2 bezeugten Textvarianten, die αὐτοῦ oder αὐτῶν an dieser Stelle ergänzen. 272 Wenn überhaupt, könnte die Wendung οὐκ ἀγνοῶν in Sap 12 , 10 sowieso nur auf ein Vorherwissen und keinesfalls auf ein Vorherbestimmen Gottes hinweisen. 273 Dass τοὺς παραπίπτοντας hier mit »Sünder« zu übersetzen ist, erschließt sich aus dem synonymen Gebrauch des unmittelbar folgenden Verbes ἁμαρτάνω . 115 <?page no="116"?> Sap 12 , 2 , was eine Bezugnahme von Sap 12 , 10 hierauf rechtfertigt. 274 Eine Lesart von ἔμφυτος im Sinne einer Erbsündenlehre widerspräche infolgedessen dem Aufruf, von der Schlechtigkeit abzulassen, fundamental. Die Schlechtigkeit der Kanaanäer, die in ihrer Lebenskonzeption und in ihren Unsitten begründet liegt, lässt ihnen die κακία gleichsam zur zweiten Natur und in diesem Sinne zur angeborenen Schlechtigkeit werden. 275 Der Kontext von Sap 12 , 10 verdeutlicht, dass mit ἔμφυτος die eigenverantwortlich übernommene Ausrichtung der Kanaanäer zur Bosheit angedeutet ist. 276 So bestätigt Sap 12 , 11 a, dass ἔμφυτος nicht auf eine Erbsündenlehre hinweisen will. Auch wenn dieser direkt anschließende Vers den Anschein erweckt, eine Erbsündenlehre zu propagieren, indem die Kanaanäer für »von Anfang an« ( ἀπ’ ἀρχῆς ) verflucht erklärt werden. Doch statt auf einen etwaigen ewigen Ratschluss Gottes zur Verfluchung der Kanaanäer verweist ἀπ’ ἀρχῆς auf einen vorausgehenden innerbiblischen und nach Auffassung des Verfassers der Sap zugleich innergeschichtlichen Anfang, der wie so oft in Sap in der Genesis zu finden ist und für Sap 12 , 10 f in der Verfluchung Hams, des Ahnvaters der Kanaanäer, durch Noah liegt (Gen 9 , 25 ). Das Verhältnis der Kanaanäer zur κακία ist also dadurch bestimmt, dass sie sich von ihr abkehren können und sollen. Da in Sap 12 , 2 - 21 für eine Abkehr von der κακία geworben wird, ist davon auszugehen, dass diese auch möglich ist. Auch in der Perikope von der Entrückung des Gerechten (Sap 4 , 7 - 14 ) wird deutlich, dass das Verhältnis des einzelnen zur κακία nicht starr und unwandelbar ist. Selbst der Gerechte ist der Bedrohung der κακία ausgeliefert. Im Unterschied zu Sap 2 , 21 , Sap 5 , 13 und Sap 12 , 2 . 10 . 20 ist jedoch ein signifikanter Unterschied festzustellen. Anders als die Gottlosen ist der Gerechte in Sap 4 , 11 (noch) nicht mit der κακία verbunden. Ein Possessivpronomen sucht man in Sap 4 , 10 - 14 vergeblich, das die κακία zum Teil des Gerechten machen würde. Auch erscheint die κακία in Sap 4 , 11 nicht als eine vom Menschen wählbare Eigenschaft, sondern als eine eigenständige den Gerechten von außen bedrohende Macht. Damit wird in Sap 4 , 11 ein anderer Aspekt von κακία betont als in Sap 2 , 21 b. Nicht die innige Verbindung des Menschen mit der κακία , die diesen wie im Fall der Gottlosen (Sap 2 , 21 ) von innen heraus bestimmen kann, wird in Sap 4 , 11 betont, sondern die (noch) außerhalb des Menschen stehende κακία , die als böse Macht bestrebt ist, diesen für sich einzunehmen. 274 Vgl. Engel, Weisheit, S. 201 . 275 Vgl. Vílchez, Sapienza, S. 387 f. 276 Engel, Weisheit, S. 206 f: »Es geht im Kontext um eine selbstverschuldete oder freiwillig übernommene, alles durchwirkende Prägung durch Bosheit, nicht unmittelbar um die Erbsündenproblematik oder gar um eine Prädestination [. . .] zum Bösen.« 116 <?page no="117"?> Neben diesen anthropologischen Aussagen wird κακία in Sap 7 , 30 in einem anderen Kontext gebraucht. Wie auch in Sap 2 , 21 ist κακία hier mit der Lichtmetaphorik verbunden. 277 Sap 7 , 29 f malt aus, um wie viel strahlender als die Sonne die Weisheit ist. Im Unterschied zum Licht der Sonne, worauf die Nacht folgt, leuchtet die Weisheit unaufhörlich und wird nie durch Schlechtigkeit überwunden. κακία steht dabei in einem Parallelismus Membrorum synonym mit νύξ , die in der Sap Ort und Zeitraum der Bedrohung (Sap 17 , 5 ), der Bestrafung (Sap 17 , 2 . 14 f. 21 ) und des Todes (Sap 18 , 6 . 14 f) ist. Diesen Zusammenhang erkennt Salomon noch bevor er in seinem Gebet um den Erhalt der Gabe der Weisheit bittet. Diese ermöglicht es ihm, die Tugenden der Besonnenheit, Klugheit, Gerechtigkeit und Tapferkeit zu finden (Sap 8 , 7 ), die die Gottlosen in ihrer Verbindung mit der Schlechtigkeit gänzlich vermissen lassen (Sap 5 , 13 ). Der Ausblick auf Sap 4 , 11 und Sap 7 , 30 hat gezeigt, dass κακία in der Sap durchaus eine den Menschen bedrohende Macht bezeichnen kann. Aufgrund der Gegenüberstellung von κακία und ἀρετή in der zweiten Rede der Gottlosen (Sap 5 , 13 ) erscheint es allerdings wenig plausibel ausschließlich von einer Macht des Bösen zu sprechen, die die Gottlosen in Sap 2 , 21 b blendet und so in die Irre gehen lässt. Vielmehr handelt es sich in Sap 2 , 21 b vor allem um die eigene und selbst verantwortete Schlechtigkeit der Gottlosen. Die bereits bei Philo mit der Unterscheidung von ἀρετή und κακία verbundene Willensfreiheit der Gottlosen bezüglich ihres Handelns und Denkens findet sich somit auch in Sap 2 , 21 wieder. Gegenüber der Darstellung bei Philo fällt allerdings auf, dass die Sap keine menschlichen Mischwesen nachzeichnet, die im Spannungsfeld von Tugend und Schlechtigkeit existieren. Stattdessen begegnet in der Sap die literarisch stilisierte Unterscheidung in die beiden Gruppen »böse Gottlose« und »gute Gerechte«. Diese literarische Fiktion geschieht im Hinblick auf die Intention der Sap. Um der Eingangsaufforderung zum Lieben der Gerechtigkeit (Sap 1 , 1 ) Nachdruck zu verleihen, werden die Gottlosen und die Gerechten als völlig konträre Charaktere gezeichnet. Da es die Intention der Sap ist, jeden Leser zu einem Leben in Gerechtigkeit zu motivieren, kann es kaum im Interesse des Verfassers sein, die Begründung für das Verhalten der Gottlosen ausschließlich auf eine äußere, ihnen fremde Macht der κακία zu reduzieren. Damit wären sie für ihre fehlende Gerechtigkeitsliebe gleichsam entschuldigt. Es ist daher plausibel, κακία in Sap 2 , 21 b besonders als das eigene Mittun der Gottlosen an ihrer Verblendung zu verstehen, von 277 Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 160 : »La κακία è personificata anche in 7 , 30 , raffigurata nella notte, mentre la σοφία è la luce. Questo è uno dei concetti basilari di tutto il nostro testo: la notte, l’accecamento e lo smarrimento s’impossessano dell’empio che viene abbandonato dalla Sapienza, la luce che guida (cfr. Rom. 1 , 21 ). Questa κακία è considerata una colpa [. . .].« 117 <?page no="118"?> dem sie sich abwenden sollen (vgl. Sap 12 , 2 . 20 ). 278 Geschieht diese Abwendung, so steht ihrer Hinwendung zur Gerechtigkeit nichts mehr im Wege. 4 . 8 . 2 Sap 2 , 22 . Drei Beispiele für die Verblendung der Gottlosen Nachdem in Sap 2 , 21 b der Grund für das Abirren der Gottlosen mit dem Erblinden aufgrund ihrer Schlechtigkeit genannt wurde, schließen sich nun drei konkrete Beispiele an, die dieses Erblinden veranschaulichen. Der Anschluss des gesamten Verses Sap 2 , 22 an Sap 2 , 21 b geschieht durch ein explikatives καί , 279 wodurch sich Sap 2 , 22 als Auslegung von Sap 2 , 21 b erweist. In ihrer Struktur verlaufen die drei Teilverse Sap 2 , 22 abc parallel. Subjekt sind weiterhin die Gottlosen, auch wenn sie nicht explizit genannt werden. In allen drei Teilversen ist ein Prädikat jeweils mit einem Akkusativobjekt verbunden, das wiederum durch ein Genitivattribut näher bestimmt wird. Zudem sind alle drei Stichoi Negationen, die die mangelhafte Erkenntnisfähigkeit der Gottlosen aufgrund der Blendung durch ihre Schlechtigkeit hervorheben. Da Sap 2 , 22 abc einen dreigliedrigen Parallelismus Membrorum bilden und somit eine enge literarische Verknüpfung aufweisen, sind sie auch in ihrer Auslegung unmittelbar aufeinander zu beziehen. Sap 2 , 22 a. Eschatologische Geheimnisse καὶ οὐκ ἔγνωσαν μυστήρια θεοῦ Und sie erkannten nicht die Geheimnisse Gottes Im ersten Beispiel wird mit οὐκ ἔγνωσαν wie schon in Sap 2 , 21 b ( ἀπετύφλωσεν ) die ungenügende Sinneswahrnehmung der Gottlosen thematisiert. Die Blendung durch ihre Schlechtigkeit äußert sich zunächst darin, dass sie nicht in der Lage sind, die Geheimnisse Gottes zu erkennen. Im Unterschied zu ἀποτυφλόω ist das Verb γινώσκω in der Sap häufig belegt. 280 Das Wortfeld ist darüber hinaus noch mehrfach bezeugt. 281 Es begegnen dazu das Synonym νοέω 282 und das Antinym ἀγνοέω . 283 Gegenstand des Erkennens kann innerhalb der Sap der Plan Gottes (Sap 9 , 17 ), das, was Gott wohlgefällig ist (Sap 9 , 10 ), das Gute (Sap 10 , 8 ) oder die Strafe Gottes an den Gottlosen (Sap 11 , 9 ) sein. Auch die im dritten Buchteil (Sap 11 , 2 - 19 , 22 ) in der ersten 278 Vílchez, Sapienza, S. 190 , sieht den Ursprung der κακία ausschließlich beim Menschen, in dessen Herz. Demnach ist der Mensch allein für seine eigene Schlechtigkeit verantwortlich. 279 Vgl. Blass, Grammatik, § 442 . 6 . 280 Es finden sich 17 Belege, die relativ gleichmäßig über das gesamte Buch verteilt sind: Sap 2 , 1 . 19 . 22 ; 3 , 13 ; 4 , 1 ; 7 , 21 ; 8 , 21 ; 9 , 10 . 13 . 17 ; 10 , 5 . 8 . 12 ; 11 , 9 . 16 ; 13 , 3 ; 16 , 22 . 281 ἐπιγινώσκω Sap 5 , 7 ; γνῶσις Sap 1 , 7 ; 2 , 13 ; 6 , 22 ; 7 , 17 ; 10 , 10 ; 14 , 22 . 282 Sap 4 , 14 . 17 ; 13 , 4 . 283 Sap 5 , 12 ; 7 , 12 ; 12 , 10 ; 14 , 18 ; 15 , 11 ; 18 , 19 ; 19 , 14 . 118 <?page no="119"?> Digression (Sap 11 , 15 - 12 , 27 ) eingeschobene Abhandlung über Gottes Art zu strafen ist auf einen Erkenntnisprozess ausgerichtet. Gottes Strafe an den Götzendienern geschieht, damit sie den Grundsatz, dass man damit gestraft wird, worin man gesündigt hat, erkennen mögen (Sap 11 , 16 ). Bezüglich des Erkennens unterscheidet die Sap zwei Gruppen von Menschen. Solche, die erkennen, 284 und solche, die nicht erkennen. 285 Die entscheidende Differenz zwischen diesen beiden Gruppen, d. h. zwischen erkennenden Gerechten und nicht erkennenden Gottlosen, besteht in ihrem Verhältnis zur Weisheit. Nur diese ermöglicht wahre Erkenntnis aller verborgenen und offenbaren Dinge (Sap 7 , 21 f). 286 Gottes Plan kann nur derjenige erkennen, dem Weisheit gegeben und der heilige Geist aus der Höhe geschickt wurde (Sap 9 , 17 ). 287 Wer hingegen achtlos an der Weisheit vorübergeht, erleidet Schaden, da er das Gute nicht erkennt (Sap 10 , 8 ). 288 Den Gottlosen bleibt das Erkennen daher in Ermangelung der Weisheit fremd. Erst in der Gerichtssituation können sie in ihrer Reuerede rückblickend eingestehen, ohne Kenntnis der Wege des Herrn gelebt zu haben (Sap 5 , 7 ; vgl. 12 , 27 ). 289 Die Fähigkeit des Erkennens ist allein den Gerechten eigen. Bemerkenswert ist im Fall des gerechten Salomon der Ausgangspunkt für dessen Bitte um Weisheit, die die Grundvoraussetzung des Erkennens darstellt. Ebenso wie die Gottlosen in Sap 2 , 1 b- 5 sieht sich auch Salomon mit der menschlichen Sterblichkeit konfrontiert (Sap 7 , 1 - 6 ). In eindrücklichen Bildern beschreibt er seine menschliche Existenz, die auch er als König mit allen anderen Menschen teilt (Sap 7 , 5 ). Er ist ein »sterblicher Mensch« ( θνητὸς ἄνθρωπος Sap 7 , 1 ), gezeugt und geboren auf dieselbe Art und Weise wie jeder Mensch (Sap 7 , 2 f) und wie jedes Baby in Windeln gelegt (Sap 7 , 4 ). Sowohl sein Eingang als 284 Zum Beispiel Sap 7 , 21 ; 8 , 21 ; 9 , 10 ; 10 , 12 ; 11 , 9 . 16 . 285 Zum Beispiel Sap 2 , 1 ; 5 , 7 ; 7 , 12 ; 10 , 8 ; 15 , 11 . 286 Sap 7 , 21 f ὅσα τέ ἐστιν κρυπτὰ καὶ ἐμφανῆ ἔγνων· ἡ γὰρ πάντων τεχνῖτις ἐδίδαξέν με σοφία »Alles Verborgene und alles Offenbare habe ich erkannt; denn es lehrte mich die Weisheit, die Meisterin aller Dinge.« 287 Sap 9 , 17 βουλὴν δέ σου τίς ἔγνω εἰ μὴ σὺ ἔδωκας σοφίαν καὶ ἔπεμψας τὸ ἅγιόν σου πνεῦμα ἀπὸ ὑψίστων »Wer hat je deinen Plan erkannt, wenn du ihm nicht Weisheit gegeben und deinen heiligen Geist aus der Höhe gesandt hast? « 288 Sap 10 , 8 σοφίαν γὰρ παροδεύσαντες οὐ μόνον ἐβλάβησαν τοῦ μὴ γνῶναι τὰ καλά, ἀλλὰ καὶ τῆς ἀφροσύνης ἀπέλιπον τῷ βίῳ μνημόσυνον, ἵνα ἐν οἷς ἐσφάλησαν μηδὲ λαθεῖν δυνηθῶσιν »Denn die, die an der Weisheit vorbeigingen, schadeten nicht nur sich selbst dadurch, dass sie das Gute nicht erkannten, sondern hinterließen der Welt auch ein Denkmal ihrer Torheit, damit sie nicht verborgen bleiben könnten in ihrem Irrtum.« 289 Sap 5 , 7 ἀνομίας ἐνεπλήσθημεν τρίβοις καὶ ἀπωλείας καὶ διωδεύσαμεν ἐρήμους ἀβάτους, τὴν δὲ ὁδὸν κυρίου οὐκ ἐπέγνωμεν »Bis zum Überdruss gingen wir die Pfade des Unrechts und des Verderbens und wanderten durch weglose Wüsten, aber den Weg des Herrn erkannten wir nicht.« - Zu den textkritischen Entscheidungen in Sap 5 , 7 gegen Zieglers Göttinger Sapientiaausgabe vgl. Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 314 . 325 - 328 . 119 <?page no="120"?> auch sein Ausgang ins Leben gleichen denen eines jeden Menschen (Sap 7 , 6 ). Im Unterschied zu den von ihrer Schlechtigkeit geblendeten Gottlosen kann Salomon aber seine physische Vergänglichkeit als Teil der menschlichen Existenz annehmen. 290 Anders als bei den Gottlosen folgt für ihn aus dieser unabwendbaren conditio humana (Sap 7 , 1 - 6 ) kein von Gewalt, Lust und Machtmissbrauch getriebener Lebenswandel. Salomons Reaktion auf die Feststellung der Kürze und Unvollkommenheit seiner irdischen Existenz ist seine Hinwendung zu Gott im Gebet ( διὰ τοῦτο εὐξάμην Sap 7 , 7 ), in dem er um den »Geist der Weisheit« ( πνεῦμα σοφίας Sap 7 , 7 ) bittet. Entsprechend formuliert er auch in Sap 9 , 10 seine Bitte an Gott, die Weisheit aus dem heiligen Himmel herabzuschicken, damit er erkenne, was Gott angenehm ist (Sap 9 , 10 ). 291 Während sich die Gottlosen als Reaktion auf die menschliche Sterblichkeit ausschließlich weltlichen Lüsten hingeben, sucht Salomon die Gottesbeziehung. Diesen Kontaktaufnahmeversuch äußert Salomon im Gebet um Weisheit (Sap 9 , 1 - 18 ), indem er den Erhalt der Weisheit von Gott erfleht (Sap 9 , 4 a). 292 Interessanterweise kann Salomon bereits ohne die Weisheit erhalten zu haben erkennen, dass ihm diese nur als Gnadengabe zueigen werden kann (Sap 8 , 21 ). 293 Es ist daher festzustellen, dass der Gerechte sich zwar wie der Gottlose mit demselben Phänomen der menschlichen Sterblichkeit konfrontiert sieht. Der Gerechte kann aber angesichts dieser Situation erkennen, dass wahre Erkenntnis nur in der Gottesbeziehung existiert, die er sich durch die Erkenntnis ermöglichende Weisheit erhofft. Dem Denken und Handeln der Gottlosen ist dagegen jegliches Bestreben, einen Gottesbezug zu suchen, fremd. Ihre Sinneswahrnehmung ist aufgrund ihrer Schlechtigkeit ausschließlich auf die Wahrnehmung diesseitiger Dinge beschränkt. 294 290 Larcher, Études, S. 300 , bezeichnet den physischen Tod aus der Sicht der Gerechten als die letzte Prüfung, die sie auf ihrem irdischen Lebensweg zu bestehen haben, ehe sie in die Unsterblichkeit eingehen. Für die Gottlosen, so Larcher, bedeutet der physische Tod hingegen den Eintritt in einen Status voller Leiden und Schmerzen. 291 Sap 9 , 10 ἐξαπόστει λον αὐτὴν ἐξ ἁγίων οὐρανῶν καὶ ἀπὸ θρόνου δόξης σου πέμψον αὐτήν, ἵνα συμπαροῦσά μοι κοπιάσῃ, καὶ γνῶ τί εὐάρεστόν ἐστιν παρὰ σοί »Sende sie vom heiligen Himmel und schick sie vom Thron deiner Herrlichkeit, damit sie bei mir sei und alle Mühe mit mir teile und damit ich erkenne, was dir gefällt.« 292 Sap 9 , 4 a δός μοι τὴν τῶν σῶν θρόνων πάρεδρον σοφίαν »Gib mir die Weisheit, die bei dir auf deinem Thron sitzt.« 293 Sap 8 , 21 γνοὺς δὲ ὅτι οὐκ ἄλλως ἔσομαι ἐγκρατής, ἐὰν μὴ ὁ θεὸς δῷ, καὶ τοῦτο δ’ ἦν φρονήσεως τὸ εἰδέναι τίνος ἡ χάρις, ἐνέτυχον τῷ κυρίῳ καὶ ἐδεήθην αὐτοῦ καὶ εἶπον ἐξ ὅλης τῆς καρδίας μου »Als ich aber erkannte, dass ich die Weisheit nicht anders erlangen könnte, als dass Gott sie mir gibt - und es war schon Klugheit, zu wissen, von wem diese Gnadengabe kommt -, da wandte ich mich an den Herrn und sprach von ganzem Herzen.« 294 Auf einen anderen Aspekt macht Scarpat, Salomone, aufmerksam. Er betont in seiner Untersuchung zu Sap 7 , 1 - 7 weniger den Makrokontext der Sap. Die hier zugrundelie- 120 <?page no="121"?> Aufgrund dieser Wahrnehmungsstörung bleiben den Gottlosen auch die »Geheimnisse Gottes« ( μυστήρια θεοῦ ), die in Sap 2 , 22 a Objekt zu οὐκ ἔγνωσαν sind, verborgen. μυστήριον ist in der Sap vier Mal belegt und begegnet in Sap 2 , 22 a erstmalig. 295 Da die μυστήρια durch das Genitivattribut θεοῦ näher qualifiziert sind, die Sinne der Gottlosen also für Gottes Geheimnisse unempfänglich sind, wird die bisherige Beobachtung der Gottesferne der Gottlosen bestätigt (vgl. Sap 1 , 3 ; 2 , 1 . 21 ). Eine nähere Beschreibung der Geheimnisse Gottes sucht man im unmittelbaren Kontext vergeblich. Aufgrund der Einbindung von Sap 2 , 22 a in den dreigliedrigen Parallelismus Membrorum Sap 2 , 22 abc ist aber anzunehmen, dass das Akkusativobjekt »Geheimnisse Gottes« ( μυστήρια θεοῦ ) ein ähnliches Phänomen beschreibt wie die korrespondierenden Akkusativobjekte in den parallelen Versteilen Sap 2 , 22 bc. Die Wendungen »Lohn der Frömmigkeit« ( μισθὸν ὁσιότητος Sap 2 , 22 b) und »Ehrengeschenk für untadelige Seelen« ( γέρας ψυχῶν ἀμώμων Sap 2 , 22 c) erweisen sich demnach als aufschlussreich für die Interpretation des Ausdrucks »Geheimnisse Gottes«. Sowohl Sap 2 , 22 b als auch Sap 2 , 22 c deuten auf einen künftigen Zeitpunkt, an dem der Lohn der Frömmigkeit erhalten und das Ehrengeschenk den untadeligen Seelen gegeben wird. Doch soll an dieser Stelle nicht der Auslegung von Sap 2 , 22 bc vorausgegriffen werden. Es besteht jedoch Grund zur Annahme, dass die Geheimnisse Gottes mit einem künftigen Ereignis verbunden sind. Exkurs μυστήριον Die drei weiteren Belege für μυστήριον stehen in Sap 6 , 22 ; 14 , 15 . 23 . Innerhalb des Übergangsstücks Sap 6 , 22 - 25 , das vom ersten Abschnitt (Sap 1 , 1 - 6 , 21 ) zum Mittelteil (Sap 7 , 1 - 11 , 1 ) überleitet, kündigt Salomon an, er werde dem Leser im Folgenden die Geheimnisse der Weisheit nicht verbergen ( οὐκ ἀποκρύψω ). Ihrem Ursprung will gende Differenz zwischen die Weisheit suchenden Gerechten und verirrten Gottlosen hebt er weniger hervor. Vielmehr profiliert er Sap 7 , 1 - 7 vor allem als die jüdischalexandrinische Antwort auf die religionspolitischen Auswüchse Caligulas, der die Vergöttlichung des Kaisers offensiver als seine Vorgänger vorantrieb. Von den Juden wurde dieser Größenwahn als große Provokation wahrgenommen. Waren die in die Zeit des Augustus zurückreichenden Anfänge der Divination des Kaisers für die Juden anfangs noch zu tolerieren (LegGai 154 - 158 ), so stellte der von Philo in LegGai 162 überliefert Ausspruch Caligulas, dass er nicht nur sage, sondern auch glaube, ein Gott zu sein ( Γάιος [. . .] οὐ λέγων μόνον ἀλλὰ καὶ οἰόμενος εἶναι θεός ), für die Juden den Höhepunkt der Provokation dar. Vor diesem Hintergrund deutet Scarpat, Salomone, S. 496 , Sap 7 , 1 - 7 . Salomon wird hier zugleich als König und Mensch dargestellt. Den Anspruch, ein Gott zu sein, hat er in keiner Weise, wie durch die Betonung seiner menschlichen Niedrigkeit hervorgehoben wird. Anders als Caligula erkennt Salomon an, dass er als Mensch in dieser Welt den Prozessen des Werdens und Vergehens ausgesetzt ist. 295 Die drei weiteren Belege finden sich in Sap 6 , 22 ; 14 , 15 . 23 . 121 <?page no="122"?> er nachgehen und die Kenntnis von ihr offenbaren ( θήσω εἰς τὸ ἐμφανές Sap 6 , 22 ). 296 Statt weiterer Geheimhaltung beabsichtigt Salomon, die Geheimnisse der Weisheit kundzutun. Die hier im Kontext von μυστήριον verwendete Offenbarungsmetaphorik besitzt Anklänge an apokalyptische Vorstellungen. Verborgenes soll offenbar werden. Allerdings fehlen in der gesamten Sap und somit auch im Kontext von Sap 6 , 22 wesentliche Züge der Apokalyptik. Eine Periodisierung der Geschichte, die Beschreibung eines eschatologischen Kampfes mit Untergang und Erneuerung der Welt, einen Deute- und Völkerengel sowie Auferstehungsvorstellungen sucht man in der Sap ebenso vergeblich wie Visionen und Bilderwelten. Auch ein eschatologischer Kampf zwischen einer guten und einer bösen Macht wird in der Sap nicht geschildert. 297 Es gibt daher keinen Anhalt, in Sap 6 , 22 von einer apokalyptischen Offenbarung der Geheimnisse der Weisheit zu sprechen. Die beiden weiteren Belege für μυστήριον stehen in Sap 14 , 15 . 23 im Kontext der Auseinandersetzung mit den Götzendienern. Anklänge an apokalyptische Vorstellungen finden sich auch hier nicht. Stattdessen bestehen eindeutige Bezüge zur Sprache der Mysterienkulte. In Sap 14 , 15 wird der frühe Tod eines Kindes beschrieben, der dazu führte, dass dessen Vater ein »Bildnis« ( εἰκών ) anfertigte. Sein verstorbenes Kind verehrte er infolgedessen wie einen Gott und führte bei seinen Untergebenen μυστήρια καὶ τελετάς (»geheime Kulte und mysteriöse Bräuche«) ein. 298 Diese Verbindung von τελετή und μυστήριον , die sich auch in Sap 14 , 23 in der weiteren Auseinandersetzung mit den Götzendienern findet, hat eine deutliche Nähe zur Terminologie der Mysterienkulte. 299 In Schilderungen von Mysterienkulten ist von τελετή und μυστήριον die Rede. Diodorus Siculus beschreibt im 1 . Jahrhundert v. Chr. die Dionysosmysterien in Ägypten als τελετή und μυστήρια . 300 Den Sakralbau der Eleusinischen Mysterien, die als die Mysterien schlechthin zu gelten haben, bezeichnet Plutarch als τελεστήριον . 301 Diese Terminologie der Mysterienkulte war dem Verfasser der Sap wohlvertraut und wird von ihm in Sap 14 , 15 . 23 bewusst rezipiert. 296 Sap 6 , 22 τί δέ ἐστιν σοφία καὶ πῶς ἐγένετο, ἀπαγγελῶ καὶ οὐκ ἀποκρύψω ὑμῖν μυστήρια, ἀλλὰ ἀπ’ ἀρχῆς γενέσεως ἐξιχνιάσω καὶ θήσω εἰς τὸ ἐμφανὲς τὴν γνῶσιν αὐτῆς καὶ οὐ μὴ παροδεύσω τὴν ἀλήθειαν »Was aber die Weisheit ist und wie sie entstand, will ich verkündigen und euch ihre Geheimnisse nicht verbergen, sondern nach ihr forschen von Anfang der Schöpfung an und will die Kenntnis von ihr ans Licht bringen und will an der Wahrheit nicht vorbeigehen.« 297 Zu diesen Charakteristika der Apokalyptik vgl. Hellholm, Art. Apokalyptik, und Kratz, Art. Apokalyptik. 298 Sap 14 , 15 ἀώρῳ γὰρ πένθει τρυχόμενος πατὴρ τοῦ ταχέως ἀφαιρεθέντος τέκνου εἰκόνα ποιήσας τόν ποτε νεκρὸν ἄνθρωπον νῦν ὡς θεὸν ἐτίμησεν καὶ παρέδωκεν τοῖς ὑποχειρίοις μυστήρια καὶ τελετάς »Bedrückt durch allzu frühe Trauer ließ ein Vater von seinem Kind, das gar schnell hinweggerafft wurde, ein Bildnis machen; so ehrte er einen toten Menschen als Gott und führte bei seinen Leuten geheime Kulte und festliche Bräuche ein.« 299 Zur Verbindung von τελετή und μυστήριον in der Terminologie der antiken Mysterienkulte vgl. Burkert, Mysterien, S. 16 f. - Eine knappe Einführung zu den Mysterienkulten findet sich bei Clauss, Mithras, S. 24 f. 300 Diod. 1 , 23 , 2 . Vgl. Diod. 3 , 63 , 2 ; Plat. Phaidr. 265 b. 301 Plut. Pericl. 13 , 7 . 122 <?page no="123"?> Außerhalb der Sap ist μυστήριον in der Septuaginta nur in den Büchern Jdt, Tob, 2 Mac, Sir und Dan belegt. In den meisten Fällen werden mit μυστήριον profane Geheimnisse beschrieben, wie z. B. ein »politisches« (Tob 12 , 7 ), ein »militärisches« ( 2 Mac 13 , 21 ) oder ein »privates Geheimnis« (Sir 27 , 21 ). Anders dagegen Dan 2 , wo sich die größte Belegdichte für μυστήριον innerhalb der Septuaginta findet. Alle acht Belege sind hier Übersetzung für das persische Lehnwort הזר . 302 Gegenüber dem profanen Gebrauch von μυστήριον hat sich in Dan 2 ein Bedeutungswandel vollzogen. μυστήριον wird hier mit eschatologischem Sinn gebraucht. So kann Gott nach Dan 2 , 28 Geheimnisse offenbaren und kundtun, was »am Ende der Tage« ( ἐπ’ ἐσχάτων τῶν ἡμερῶν ) geschehen wird (vgl. Dan 2 , 29 ). Die dem König Nebukadnezar in einer Vision erschienenen Geheimnisse haben eindeutig eschatologische Geschehnisse zum Inhalt. Zu deren Deutung bedarf es einer Offenbarung Gottes, die in diesem Falle an Daniel ergeht. Im Verlauf der Schilderung (Dan 2 , 31 - 45 ), die die Beschreibung und Deutung der Vision des gewaltigen Standbildes umfasst, wird deutlich, dass es sich beim Begriff μυστήριον um das »Geheimnis des Gottesreiches« 303 handelt. So läuft in Dan 2 , 44 die Deutung des Geheimnisses auf den Aspekt des »ewigen Gottesreiches« ( αὐτὴ (sc. ἡ βασιλεία ) στήσεται εἰς τὸν αἰῶνα ) zu, das Gott errichten wird. Aufgenommen ist dieser Zusammenhang im einzigen Beleg für μυστήριον in den neutestamentlichen Evangelien. In Mk 4 , 11 (parr. Mt 13 , 11 ; Lk 8 , 10 ) ist einzig den Jüngern das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben. 304 Ähnlich wie in Sap 2 , 22 a provoziert das μυστήριον auch in Mk 4 , 11 eine Scheidung in zwei Gruppen. Während den Zwölfen die Geheimnisse des Reiches Gottes bereits gegeben sind ( δέδοται Passiv), bleibt es für diejenigen, die draußen sind, nur in Gleichnissen beschreibbar. Anders ist die Verwendung von μυστήριον in den neutestamentlichen Briefen, in denen μυστήριον stark christologisch gedeutet wird. Wie in Sap 2 , 22 gibt es Belege für die Wendung μυστήριον / μυστήρια θεοῦ . 305 In I Kor 2 , 1 kann das Geheimnis Gottes Gegenstand der paulinischen Verkündigung sein. Verkündigungsinhalt ist dabei Jesus Christus (I Kor 2 , 1 ; 4 , 1 ). Am deutlichsten formuliert diesen Zusammenhang Kol 2 , 2 . Die Anstrengungen des Apostels werden in diesem deuteropaulinischen Schreiben als Bemühungen für die Gemeinde dargestellt, »damit [diese] das Geheimnis Gottes, Christus, erkennen möge« ( εἰς ἐπίγνωσιν τοῦ μυστηρίου τοῦ θεοῦ, Χριστοῦ ). Bei Philo ist μυστήριον 14 Mal belegt. 306 Die Wendung »Geheimnisse Gottes« begegnet zwei Mal. 307 Beim Gebrauch von μυστήριον zeigt sich, dass Philo damit 302 Dan 2 , 18 . 19 . 27 . 28 . 29 . 30 . 47 ( 2 x). 303 Koch, Daniel, S. 166 . 304 Mk 4 , 11 καὶ ἔλεγεν αὐτοῖς· ὑμῖν τὸ μυστήριον δέδοται τῆς βασι λείας τοῦ θεοῦ· ἐκείνοις δὲ τοῖς ἔξω ἐν παραβολαῖς τὰ πάντα γίνεται »Und er sagten ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben. Aber jenen, die draußen sind, wird alles in Gleichnissen zuteil.« 305 I Kor 2 , 1 ; 4 , 1 ; Kol 2 , 2 . Vgl. Apk 10 , 7 . 306 All 1 , 104 ; 3 , 3 . 27 . 71 . 100 ; Cher 48 . 49 ; Imm 61 ; Sacr 33 . 60 . 62 ; SpecLeg 1 , 319 ; 3 , 40 ; VitCont 25 . 307 αἱ γὰρ ζητητικαὶ τῶν ἀφανῶν θεοῦ μυστηρίων (All 3 , 3 ) und τὰ τοῦ κυρίου μυστήρια μυῆται (All 3 , 71 ). 123 <?page no="124"?> bewusst die Terminologie der Mysterienkulte aufnimmt. Im unmittelbaren Kontext der 14 Belegstellen für μυστήριον finden sich weitere Anleihen aus der Begrifflichkeit der Mysterienkulte. Beispielhaft seien μύστης , 308 μυστικός , 309 μύστις , 310 μυέω , 311 τελετή , 312 τελέω , 313 ὄργια 314 und ἀπόρρητος 315 genannt. Dabei fällt auf, dass Philo diese Terminologie verwenden kann, um die eigene jüdische Lehre darzustellen. So kann die Aufforderung, den Schöpfer und die Tugend zu erkennen, im Gewand der Sprache der heidnischen Mysterienreligionen formuliert werden (Cher 48 f). Auch die Auslegung von Gen 18 , 6 geschieht in Sacr 60 - 62 auf ähnliche Art und Weise. Trotz durchaus vorhandener expliziter und strikter Abgrenzungen von den Mysterienkulten (SpecLeg 1 , 319 ; 3 , 40 ) besitzt Philo aber die Freiheit, deren Terminologie für seine eigenen Zwecke zu übernehmen. In den pseudepigraphen Schriften des hellenistischen Judentums ist μυστήριον relativ breit bezeugt. 316 Sowohl profaner 317 als auch eschatologischer 318 Gebrauch sind belegt. In JosAs 16 , 14 kann μυστήριον verwendet werden, um eine besondere Nähe der Aseneth zu Gott auszudrücken. Da ihr »die unsagbaren Geheimnisse des Höchsten« ( τὰ ἀπόρρητα μυστήρια τοῦ ὑψίστου ) offenbart wurden, steht sie in einer privilegierten Beziehung zu Gott. 319 Die Sprache der Mysterienkulte klingt hier an. In ApcBar(gr) 1 , 6 . 8 ; 2 , 6 sind die apokalyptischen Züge bei der Verwendung von μυστήριον stärker ausgeprägt. Baruch wird durch einen Engel mit den »Geheimnissen Gottes« ( τὰ μυστήρια τοῦ θεοῦ ApcBar(gr) 1 , 8 ) vertraut gemacht, indem er vom Engel in den ersten Himmel geführt wird und dort die zu Tiergestalten verwandelten Erbauer des Turms von Babel sieht. Vor der Führung Baruchs durch den zweiten Himmel kündigt der Engel an, ihm noch »größere Geheimnisse« ( μείζονα μυστήρια ApcBar(gr) 2 , 6 ) zeigen zu wollen. Im zweiten Himmel werden Baruch daraufhin die Planer des babylonischen Turmbaus präsentiert. Der Exkurs zur Verwendung des Begriffes μυστήριον in zeitgenössischen Schriften der Sap hat gezeigt, in wie unterschiedlichen Kontexten und mit welch unterschiedlichen Bedeutungen das Lexem verwendet werden kann. Es können profane, apokalyptische und eschatologische Geheimnisse als μυστήριον bezeichnet werden. Außerdem gibt es mehrere Belege, die μυστήριον mehr oder weniger direkt als Teil der Terminologie der Mysterienkulte aufnehmen. Für die Auslegung von Sap 2 , 22 a folgen hieraus zwei 308 Cher 48 . 49 ; Sacr 60 ; SpecLeg 1 , 320 . 309 SpecLeg 1 , 319 . 310 Sacr 60 . 311 All 3 , 71 . 100 ; Cher 49 ; Sacr 62 ; Imm 61 . 312 Cher 48 ; Sacr 60 ; 62 ; SpecLeg 1 , 319 ; 3 , 40 . 313 Cher 48 ; SpecLeg 1 , 319 ; VitCont 25 . 314 Sacr 60 . 315 Sacr 60 ; All 3 , 27 . 316 Denis, Concordance, S. 557 , zählt 43 Belege. 317 TestXII.Jud 12 , 6 ; TestXII.Zab 1 , 6 ; TestXII.Gad 6 , 5 . 318 TestXII.Lev 2 , 10 ; ParJer 9 , 22 . 28 . 319 Vgl. ApcMos 3 , 2 ; 34 , 1 ; TestAbr A 3 , 4 .TestAbr B 3 , 4 . 124 <?page no="125"?> Schlüsse. So wird erstens die oben geäußerte Annahme, die μυστήρια τοῦ θεοῦ weisen auf ein zukünftiges Ereignis voraus, dadurch bestärkt, dass μυστήριον auch in zeitgenössischen Schriften in diesem eschatologischen Sinn Verwendung finden kann. Dieser oben allein auf textimmanenten Beobachtungen beruhenden eschatologischen Lesart kommt durch die traditionsgeschichtlichen Untersuchungen eine höhere Plausibilität zu. Zweitens ist in Erwägung zu ziehen, ob nicht auch in Sap 2 , 22 a eine Anspielung an die Terminologie der Mysterienkulte vorliegt. 320 Zwar finden sich im unmittelbaren Kontext keine weiteren hierfür typischen Begriffe, doch weisen die übrigen drei Belege für μυστήριον in der Sap eine eindeutige (Sap 14 , 15 . 23 ) bzw. eine gewisse (Sap 6 , 22 ) Affinität zur Sprache der Mysterienkulte auf. Da es neben Sap 6 , 22 z. B. auch bei Philo durchaus üblich scheint, diese Terminologie für Aussagen mit genuin jüdischem Inhalt zu verwenden, könnte dies auch in Sap 2 , 22 a der Fall sein. Mit der Wendung »Geheimnisse Gottes« würde demnach eine deutliche Abgrenzung von heidnischen Irrlehren, wie z. B. den Mysterienkulten, erfolgen. Diese eschatologischen Geheimnisse könnten die Gottlosen erkennen, wenn sie nicht von ihrer Schlechtigkeit geblendet würden. 321 Die Deutung der μυστήρια τοῦ θεοῦ als eschatologische Ereignisse entspricht der bereits getroffenen Feststellung, dass die Wahrnehmung der Gottlosen nicht über den irdischen Tod hinausreicht. Da sie dazu nicht in der Lage sind, können sie folgerichtig auch nicht die das Eschaton betreffenden Geheimnisse Gottes erkennen. 322 Sap 2 , 22 b. Künftiger Lohn οὐδὲ μισθὸν ἤλπισαν ὁσιότητος sie hofften nicht auf den Lohn der Frömmigkeit In Sap 2 , 22 b folgt das zweite Beispiel, das die Begründung des falschen Räsonierens und Abirrens der Gottlosen illustrieren soll. Nachdem Sap 2 , 22 a eine erste Ausführung dafür gegeben hat, fügt Sap 2 , 22 b hierzu eine zweite mit οὐδὲ angeschlossene Explikation an. Von der Schlechtigkeit geblendet zu sein (Sap 2 , 21 ), bedeutet, nicht auf den Lohn der Frömmigkeit zu hoffen. Auch wenn das Verb ἐλπίζω ein Hapaxlegomenon in der Sap ist, tritt das Motiv des Hoffens an mehreren Stellen in der Sap auf. Das Substantiv ἐλπίς wird neun Mal verwendet, 323 um die Hoffnungen der Gerechten und der 320 Für Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 197 , besteht kein Zweifel, dass mit dem Wort μυστήριον die Sprache der Mysterienkulte in Sap 2 , 22 anklingt, auch wenn hierauf kein expliziter Verweis wie in Sap 6 , 22 ; 14 , 15 . 23 auszumachen ist. 321 Vgl. Vílchez, Sapienza, S. 190 . 322 Nach Hübner, Weisheit, S. 46 , ist »das eigentliche Geheimnis Gottes [. . .] der Mensch, [. . .] dessen Heil«. 323 Sap 3 , 4 . 11 . 18 ; 5 , 14 ; 13 , 10 ; 14 , 6 ; 15 , 6 . 10 ; 16 , 29 . 125 <?page no="126"?> Gottlosen bzw. der Götzendiener zu beschreiben. Innerhalb der Gegenüberstellung von Gerechten und Gottlosen in Sap 1 , 16 - 5 , 23 werden die Gerechten dadurch näher bestimmt, dass ihre Hoffnung trotz des physischen Todes voller Unsterblichkeit ist (Sap 3 , 4 ). Die Gottlosen sind im Unterschied dazu angesichts ihrer begrenzten irdischen Zeit ohne Hoffnung (Sap 3 , 18 ). Nicht »voller Unsterblichkeit« ( ἀθανασίας πλήρης Sap 3 , 4 ), sondern »vergeblich« ( κενή Sap 3 , 11 ) ist ihre Hoffnung. Wie Staub vom Wind verweht wird, so vergeht die Hoffnung der Gottlosen (Sap 5 , 14 ). Der Begriff ἐλπίς begegnet in diesen Vergleichen von Gerechten und Gottlosen immer im Kontext von Aussagen, die den physischen Tod betreffen, sodass die beschriebenen Hoffnungen stets in Relation zur irdischen Vergänglichkeit zu sehen sind. Mit der Aufnahme von μισθός als Objekt zu ἐλπίζω wird der Lohngedanke in den Text eingebracht. Da die Gottlosen heillos von der eigenen Schlechtigkeit geblendet sind, können sie keinen Lohn erhoffen. Im Unterschied zu den Gottlosen können die Gerechten nicht nur auf Lohn hoffen, ihnen ist er sogar zu Teil geworden. Er besteht darin, dass sie ewig leben werden (Sap 5 , 15 ). 324 Diesen eschatologischen Lohn 325 vermögen die Gottlosen nicht einmal zu erhoffen. Die Vorstellung eines ewigen Lebens in der Gemeinschaft mit Gott ist für sie nicht vorstellbar. Ein dritter und letzter Beleg für μισθός in der Sap findet sich in Sap 10 , 17 . Gegen Ende des Lobliedes auf das Wirken der Weisheit in Israels Geschichte wird von dieser gesagt, sie habe »den Heiligen den Lohn« ( ὁσίοις μισθὸν ) ihrer Mühen gegeben. Dieser Lohn bestand darin, dass Israel während des Auszuges aus Ägypten Beistand vonseiten der Weisheit zuteil wurde. Wie in Sap 2 , 22 b wird dabei auch in Sap 10 , 17 ein Zusammenhang zwischen Frömmigkeit / Heiligkeit und Lohn hergestellt. Die Mühen der Heiligen werden belohnt. Im Unterschied zu Sap 2 , 22 b und Sap 5 , 15 liegt der Zeitpunkt der Entlohnung in Sap 10 , 17 aber bereits in der Vergangenheit. In Sap 2 , 22 b handelt es sich stattdessen um einen zukünftigen Lohn, der von den Gottlosen erhofft werden könnte, wären sie nicht vor Schlechtigkeit blind. Ebenso ist der Lohn eines ewigen Lebens in Sap 5 , 15 auf die Zukunft ausgerichtet. Inhaltlich wird der Lohn in Sap 2 , 22 b als Lohn »der Frömmigkeit« ( ὁσιότης ) bestimmt. ὁσιότης ist Teil eines in der Sap breit bezeugten Wortfeldes von dem neben dem Substantiv ὁσιότης 326 das Adjektiv ὅσιος , 327 das Adverb 324 Sap 5 , 15 Δίκαιοι δὲ εἰς τὸν αἰῶνα ζῶσιν, καὶ ἐν κυρίῳ ὁ μισθὸς αὐτῶν, καὶ ἡ φροντὶς αὐτῶν παρὰ ὑψίστῳ »Aber die Gerechten werden ewig leben, und im Herrn ist ihr Lohn, und der Höchste sorgt für sie.« 325 Auch Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 163 , streicht den eschatologischen Charakter von μισθός heraus. Vgl. ebenso Winston, Wisdom, S. 120 f. 326 Sap 2 , 22 ; 5 , 19 ; 9 , 3 ; 14 , 30 . 327 Sap 4 , 15 ; 6 , 10 ; 7 , 27 ; 10 , 15 . 17 ; 18 , 1 . 5 . 9 . 126 <?page no="127"?> ὁσίως 328 und das Verb ὁσιόω 329 in der Sap belegt sind. 330 Die Wendung μισθὸς ὁσιότητος impliziert einen Kausalzusammenhang, wonach künftige Entlohnung Folge frommen Lebenswandels ist (Sap 2 , 22 b). Zu frommer Lebensführung wird in Sap 9 , 3 gemahnt, indem der Auftrag des Schöpfers an den Menschen ergeht, die Welt »in Heiligkeit und Gerechtigkeit« ( ἐν ὁσιότητι καὶ δικαιοσύνῃ Sap 9 , 3 ) zu verwalten. Diese Forderung nach einem vollendeten Verhalten, das mit den göttlichen Geboten konform geht, findet ihren Widerhall in Sap 6 , 10 . Wer »das Heilige« ( τὰ ὅσια ) »heilig hält« ( φυλάσσω ), heißt es da, wird geheiligt werden. 331 τὰ ὅσια steht dabei in Sap 6 , 10 synonym für νόμος , wie sich aus dem Rückbezug auf die Verbindung von νόμος / φυλάσσω in Sap 6 , 4 erkennen lässt. In der Septuaginta ist ὁσιότης nur acht Mal bezeugt, davon allein vier Mal in der Sap. 332 In den Belegen außerhalb der Sap bezeichnet ὁσιότης zumeist die »persönliche Frömmigkeit«. 333 Deutlich zahlreicher als in der Septuaginta sind die Belege für ὁσιότης bei Philo mit 72 Vorkommen. Philo verwendet ὁσιότης als Oppositionsbegriff zu ἀσέβεια . Zum Beispiel wird das Schaffen des Götzenbildners in Ebr 109 darauf zurückgeführt, dass dieser sich durch »Gottlosigkeit« ( ἀσέβεια ) statt »Frömmigkeit« ( ὁσιότης ) hat leiten lassen. Auch der Vorwurf, die Midianiter verleiten Israel zum Abfall von der Verehrung des Einzigen und wirklich Seienden, kann als Versuch umschrieben werden, »von der Frömmigkeit zur Gottlosigkeit« ( πρὸς ἀσέβειαν ἐξ ὁσιότητος Virt 34 ) zu verführen. Wie aufgrund der Opposition zu ἀσέβεια zu erwarten ist, dient ὁσιότης zur Bezeichnung der Ausrichtung des Menschen auf Gott. Dies zeigt sich besonders in der philonischen Fassung des Doppelgebotes der Liebe. Die Summe der Einzelgebote fasst Philo in SpecLeg 2 , 63 in zwei Grundlehren zusammen, deren erste »in Bezug auf Gott durch Gottesfurcht und Frömmigkeit« ( τὸ τε πρὸς θεὸν δι’ εὐσεβείας καὶ ὁσιότητος ) konkretisiert wird. Die zweite sich unmittelbar anschließende Grundlehre fordert »in Bezug auf den Menschen Menschenliebe und Gerechtigkeit« ( καὶ τὸ πρὸς ἀνθρώπους διὰ φιλανθρωπίας καὶ δικαιοσύνης SpecLeg 2 , 63 ). Erfüllt wird das Doppelgebot von Abraham, bei dem man »Frömmigkeit gegen 328 Sap 6 , 10 . 329 Sap 6 , 10 . 330 Vgl. auch die Untersuchung von Ziener, Begriffssprache, S. 59 - 62 , die einen Überblick über den Gebrauch von ἅγιος und ὅσιος im profanen Griechisch, in der Septuaginta und in der Sap bietet. Für Sap 2 , 22 b betont Ziener, dass » ὁσιότης eine Tugend [ist], durch welche sich der Mensch einen Lohn im Himmel verdient«. Auch Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 197 , hebt hervor, dass in der Septuaginta ὁσιότης die Tugend des frommen Israeliten bezeichnet, die ihren Ausdruck im Befolgen der Tora findet. 331 Sap 6 , 10 a οἱ γὰρ φυλάξαντες ὁσίως τὰ ὅσια ὁσιωθήσονται »Denn wer das Heilige heilig hält, der wird geheiligt werden.« 332 Dtn 9 , 5 ; I Sam 14 , 41 ; I Reg 9 , 4 ; Prov 14 , 32 ; Sap 2 , 22 ; 5 , 13 ; 9 , 3 ; 14 , 30 . Im Neuen Testament ist ὁσιότης nur in Lk 1 , 75 und Eph 4 , 24 belegt. Auch in den pseudepigraphen Schriften des hellenistischen Judentums ist ὁσιότης nur ein Mal in Arist 18 bezeugt. 333 Dtn 9 , 5 ; I Reg 9 , 4 ; Prov 14 , 32 . In I Sam 14 , 41 heißt eines der beiden Lose, die entscheiden sollen, ob Saul und Jonathan oder das Volk schuldig ist, ὁσιότης . 127 <?page no="128"?> Gott und Gerechtigkeit gegen die Menschen« ( ὁσιότης μὲν πρὸς θεόν, δικαιοσύνη δὲ πρὸς ἀνθρώπους Abr 208 ) findet. Auch in VitMos 2 , 167 besteht eine enge Verbindung zwischen der Beziehung zu Gott und der Frömmigkeit des einzelnen, sodass das Bekenntnis zum Herrn Prüfstein der Frömmigkeit werden kann. 334 Ihren konkreten Ausdruck findet die Frömmigkeit in der Tora, besonders in der ersten Tafel des Dekalogs, wie SpecLeg 2 , 224 ausführt. Demnach zielen die ersten vier Gebote auf »Gottesfurcht und Frömmigkeit« ( πρὸς εὐσέβειαν καὶ ὁσιότητα ) ab. In diesem Sinn ist auch der Schlusssatz von ›De Opificio Mundi‹ zu lesen. Wer sich zu dem einen und einzigen Gott, der die Welt geschaffen hat und für sie Sorge trägt, bekennt, der wird ein glückliches und seliges Leben führen und von den Lehren der »Gottesfurcht und Frömmigkeit durchdrungen sein« ( εὐσεβείας καὶ ὁσιότητος χαραχθείς Op 172 ). ὁσιότης kann somit zum Ausdruck des Bekenntnisses zum Gott Israels werden und daher auch als höchste aller Tugenden bezeichnet werden. 335 Der Gewinn eines Lebens in Gottesfurcht und Frömmigkeit ist nach Op 155 kein geringerer als das unsterbliche Leben ( εὐσεβείας δὲ καὶ ὁσιότητος ὀλιγωροῦσαν, ἐξ ὧν ἡ ἀθάνατος ζωὴ περιγίνεται ). Mit dieser Spitzenaussage verknüpft Philo Frömmigkeit, d. h. das Bekenntnis zum Gott Israels, und die eschatologische Vorstellung der Unsterblichkeit. An diesem Punkt berühren sich die Vorstellungen Philos mit denen der Sap. Die Vorstellung Philos, dass sich Frömmigkeit und unsterbliches Leben bedingen, findet sich auch in der Sap. So stellt besonders pointiert Sap 6 , 18 c fest, dass Unvergänglichkeit durch das Befolgen der Gesetze bekräftigt wird ( προσοχὴ δὲ νόμων βεβαίωσις ἀφθαρσίας ). Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass die in Sap 2 , 22 a dargelegte eschatologische Dimension der Blendung der Gottlosen durch ihre Schlechtigkeit in Sap 2 , 22 b aufgenommen und weiter ausgeführt wird. Wie bereits die Wendung »Geheimnisse Gottes« weist auch die Lohnvorstellung auf die eschatologischen Konsequenzen der Verblendung der Gottlosen. Die Lohnvorstellung ermöglicht es, einen Kausalzusammenhang zwischen irdischer Frömmigkeit und zukünftigem Schicksal herzustellen. Frömmigkeit bedeutet dabei nichts anderes als das Bekenntnis zum einen und einzigen Gott. Seinen konkreten Ausdruck findet dieses Bekenntnis in der Befolgung der Tora. Sap 2 , 22 c. Künftige Geschenke οὐδὲ ἔκριναν γέρας ψυχῶν ἀμώμων noch glaubten sie an ein Ehrengeschenk für die untadeligen Seelen In Sap 2 , 22 c folgt die dritte und letzte Konkretion für das durch Schlechtigkeit provozierte Erblinden der Gottlosen. Der Schlussvers des dreigliedrigen Parallelismus Membrorum attestiert den Gottlosen Ignoranz gegenüber dem Ehrengeschenk für untadelige Seelen. Die einzelnen Versteile laufen in Sap 2 , 22 c nicht nur parallel mit Sap 2 , 22 ab, sondern sind darüber hinaus mit 334 Vgl. Sacr 37 . 335 SpecLeg 2 , 259 ; 4 , 135 . Vgl. Praem 66 . 160 . 128 <?page no="129"?> Sap 2 , 22 b synonym. 336 Der Auftakt mit οὐδέ ist Sap 2 , 22 bc gemeinsam. Noch deutlicher als die Verben ἐλπίζω (»hoffen auf« Sap 2 , 22 b) und κρίνω (»etwas halten von/ für, wert achten« Sap 2 , 22 c) entsprechen sich die beiden Akkusativobjekte μισθός (»Lohn« Sap 2 , 22 b) und γέρας (»Ehrengeschenk« Sap 2 , 22 c) sowie die daran jeweils angefügten Genitivattribute ὁσιότης (»Frömmigkeit« Sap 2 , 22 b) und ψυχῶν ἀμώμων (»untadelige Seelen« Sap 2 , 22 c). Sap 2 , 22 bc bilden somit innerhalb des dreigliedrigen Parallelismus Membrorum eine eigene Einheit, die nicht nur eine Konkretion von Sap 2 , 21 darstellt, sondern außerdem Erklärung zu den μυστήρια θεοῦ aus Sap 2 , 22 a ist. Der bereits Sap 2 , 22 b bestimmende Kausalzusammenhang zwischen persönlicher Frömmigkeit und künftigem Lohn prägt somit auch Sap 2 , 22 c. Das Verb κρίνω ist daher nicht wie normalerweise in der Sap und der Septuaginta mit »richten«, 337 sondern mit »wertschätzen, etwas halten von, glauben an« zu übersetzen. Statt der üblichen biblischen Verwendung von κρίνω nimmt 2 , 22 c damit den Sprachgebrauch der klassischen Gräzität auf. 338 Der Gegenstand der Wertschätzung wird durch das direkt auf ἔκριναν folgende Objekt γέρας (»Ehrengeschenk, Lohn«) benannt, womit der in Sap 2 , 22 b mit μισθός formulierte Lohngedanke unterstrichen wird. 339 Der Begriff γέρας impliziert wie μισθός einen Kausalzusammenhang zwischen dem menschlichen Handeln und einer daraus resultierenden Entlohnung. 340 Die beiden weiteren Belege für γέρας in der Septuaginta (Num 18 , 8 ; Est 3 , 13 ) kennen diesen Gedanken allerdings nicht. Auch in Ps-Phok 221 , der einzigen Belegstelle für γέρας in der pseudepigraphen Literatur des hellenistischen Judentums, ist dieser Lohngedanke fremd. 341 Im Neuen Testament steht γέρας kein einziges Mal. In 1 Clem 6 , 2 haben die Glaubensmärtyrer aufgrund ihrer Schwachheit einen »Lohn« ( γέρας ) erhalten. Sehr zahlreich sind gegenüber diesen wenigen Bezeugungen dagegen die Belegstellen bei Philo mit 72 Vorkommen. 336 Vgl. Vílchez, Sapienza, S. 191 . 337 So fast alle übrigen Belege für κρίνω in der Sap: Sap 1 , 1 ; 3 , 8 ; 6 , 4 ; 9 , 3 ; 11 , 9 ; 12 , 10 . 13 . 18 . 21 . 22 ( 2 x). Lediglich in Sap 8 , 9 ist κρίνω mit »beschließen« zu übersetzen. In der Septuaginta steht κρίνω fast immer mit Bedeutung »richten«. Zumeist wird dabei die hebräische Rechtssprache - vor allem טפשׁ , aber auch יד und ביר - mit κρίνω übertragen: Gen 15 , 14 ; Ex 5 , 21 ; Num 35 , 24 ; Dtn 16 , 18 ; I Sam 4 , 18 ; I Chr 16 , 33 ; Prov 22 , 23 ; Koh 3 , 17 ; Hi 8 , 3 ; Jes 2 , 4 ; Jer 11 , 20 u. ö. 338 Vgl. Büchsel, Art. κρίνω , S. 921 , und Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 197 . Vgl. ferner Liddell- Scott, S. 996 , κρίνω II, 7 . 339 Liddell-Scott, S. 345 , gibt als erste Übersetzung für γέρας »a gift of honour« an. Daneben kann γέρας u. a. auch »the last honours of the dead« bezeichnen. 340 Empfangen wird das »Ehrengeschenk« ( γέρας ) ebenso wie der »Lohn« ( μισθός ) der Frömmigkeit erst nach dem irdischen Tod. Vgl. Vílchez, Sapienza, S. 191 . 341 In den Sentenzen des Pseudo-Phokylides ergeht stattdessen innerhalb einer Mahnung zur Solidarität in der Familie die Weisung, dem Greisen »Ehrenplätze und Ehrenbezeigungen« ( γέρας ) zukommen zu lassen. 129 <?page no="130"?> Das Lexem γέρας kann Philo in sehr unterschiedlichen Kontexten aufnehmen. Es kann die »Gabe« ( γέρας ) des Menschen beschreiben, Gott zu loben (Som 1 , 35 ), oder aber das »Ehrengeschenk« ( γέρας ), das sich »der Weise« ( ὁ σοφός ) im Unterschied zum Bösen vom ewigen Gott erwirbt (Conf 30 ). Auch Menschen können sich untereinander »Ehrengeschenke« ( γέρας ) verleihen (Sobr 37 ). Ebenso ist die dem Menschen von der Natur vermachte »Vernunft« ( λόγος ) ein »Ehrengeschenk« ( γέρας Aet 68 ). Recht häufig findet sich die Vorstellung, dass das Priesteramt als »Belohnung« ( γέρας ) verliehen wird. Die Einsetzung in das Priesteramt kann als Lohn für tugendhaftes Handeln (Virt 53 ) oder auch für vorbildliches Streiten für Gottes Ehre vergeben werden (VitMos 2 , 173 ). 342 Daneben finden sich Belege für ein Kausalverhältnis, das γέρας und ἀρετή in Beziehung zueinander setzt. Auf tugendhaftes Handeln folgt der Erhalt einer »Belohnung« ( γέρας ). 343 Was für die Tugend gilt, trifft ebenso auf die Frömmigkeit zu. Der »fromme Lebenswandel« ( εὐσέβεια ) Abrahams wird mit einem »Ehrengeschenk« ( γέρας ) entlohnt (Abr 98 ). In Entsprechung zur Gerechtigkeit und jeder anderen Tugend wird auch die »Frömmigkeit« ( ὁσιότης ) sich selbst ein vollkommener »Lohn« ( γέρας ) sein (SpecLeg 2 , 258 ). 344 Auf derselben Linie liegt die Feststellung, dass das Nichtglauben an fremde Götter und die Nichtanfertigung von Götzenbildern keiner weiteren »Belohnung« ( γέρας ) bedürfen, da in der Befolgung dieser Gebote bereits der beste und vollkommenste »Lohn« ( γέρας ) liegt (SpecLeg 2 , 258 ). Das Bekenntnis des Proselyten zum Gott Israels ist mit dem »Lohn« ( γέρας ) verbunden, einen sicheren Platz im Himmel empfangen zu haben (Exsecr 152 ). Ferner erhält derjenige, der sich Gerechtigkeit zu Eigen macht, eine »Belohnung« ( γέρας ) für seine Gerechtigkeit, die darin besteht, beim allgemeinen Untergang gerettet zu werden (Praem 22 ). 345 Bemerkenswert ist ebenso der von Jakob erlangte »Ehrenpreis« ( γέρας ), das Schauen Gottes (Praem 36 ). Schließlich können auch Unvergänglichkeit und Unsterblichkeit als »Lohn« ( γέρας ) verliehen werden, die von der »Seele« ( ψυχή ) empfangen werden. So kann »der heilige Logos« ( ὁ ἱερὸς λόγος ), beeindruckt vom Kampf der Seele um das Gute, diese mit einer ausgewählten »Gabe« ( γέρας ) und »unsterblichem Besitz« ( κλῆρος ἀθάνατος ) beschenken, der in ihrer »Zuordnung zum unvergänglichen Geschlecht« ( ἡ ἐν ἀφθάρτῳ γένει τάξις ) besteht (Congr 108 ). Doch ist γέρας nicht ausschließlich mit dem Lohngedanken verbunden. In VitMos 1 , 205 kann das fürsorgliche Handeln Gottes an seinem Volk während des Exodus als γέρας bezeichnet werden. Diese breite Bezeugung von γέρας bei Philo und die Verwendung in z. T. ähnlichen Kontexten wie in Sap 2 , 22 b zeigt einmal mehr die Nähe der Sprachwelt der Sap zu ihrem alexandrinischen Zeitgenossen. Um die Vorstellung, dass auf »Frömmigkeit« ( εὐσέβεια / ὁσιότης ) eine »Belohnung« ( γέρας ) folgt, auszudrücken, benutzen Philo und die Sap dasselbe Vokabular. Auch die 342 Vgl. zur Qualifizierung der Priesterwürde durch γέρας ferner Plant 63 ; SpecLeg 1 , 57 . 79 . 117 . 122 ; 2 , 183 . 343 Plant 42 ; Praem 2 . 90 . 120 ; SpecLeg 2 , 259 . 261 f; Virt 53 . Vgl. Ferner Congr 37 ; Exsecr 152 ; VitMos 2 , 17 . 344 In Fug 37 ist γέρας Lohn für rechtes Handeln im praktischen Leben. 345 Vgl. VitMos 1 , 236 . 130 <?page no="131"?> Überzeugung Philos, eine im Kampf um das Gute bewährte Seele werde als Lohn Anteil an unsterblichem Besitz und an Unvergänglichkeit teilhaben, weist eine große Nähe zu Sap 2 , 22 f auf. Diese Nähe besteht darin, dass in Sap 2 , 22 c das Ehrengeschenk ebenfalls für die Seelen, genauer für die »untadeligen Seelen« ( ψυχαὶ ἄμωμοι ) bestimmt ist. Wie das parallele Genitivattribut in Sap 2 , 22 b ( ὁσιότητος ) wird auch mit der Wendung ψυχῶν ἀμώμων eine Eigenschaft des Menschen aufgenommen. Für »untadeliges« ( ἄμωμος ) Handeln zu irdischen Lebezeiten wird man Lohn erhoffen können, solange man nicht wie die Gottlosen von Schlechtigkeit geblendet ist. Das tadellose Verhalten bezeichnet wie die Frömmigkeit im vorangehenden Teilvers (Sap 2 , 22 b) eine Eigenschaft des irdischen Menschen. In ihrer platonisch gefärbten Terminologie wird dieses Ehrengeschenk aber ausschließlich den Seelen zugesprochen. Die »untadeligen Seelen« ( ψυχαὶ ἄμωμοι ) und nicht die untadeligen Menschen erhalten den eschatologischen Lohn. Damit wird das bereits in Sap 1 , 11 begegnende platonisch beeinflusste Seelenverständnis wieder aufgenommen. 346 Die Hoffnung, dass die Seele des untadelig lebenden Menschen ein Ehrengeschenk, d. h. Lohn für tadelloses irdisches Leben, erhalten wird, begegnet erneut in Sap 3 , 1 . Unmittelbar nach dem Kommentar zur Rede der Gottlosen (Sap 2 , 21 - 24 ) wird der zu erwartende Lohn konkretisiert. Der in Sap 2 , 22 c angekündigte eschatologische Lohn wird nach Sap 3 , 1 darin bestehen, dass die Seelen in Gottes Hand sein werden. Qualifiziert sind die Seelen für solchen Lohn aufgrund moralischer Tadellosigkeit. Aus der Struktur des Parallelismus Membrorum heraus legt sich der Schluss nahe, dass ἄμωμος ähnlich wie das korrespondierende ὁσιότης in Sap 2 , 22 b die ungetrübte Gottesbeziehung bezeichnet. Während ἄμωμος in der Sap Hapaxlegomenon ist, sind in der Septuaginta 83 Vorkommen für ἄμωμος belegt. Zumeist ist das Lexem Übersetzung des hebräischen מת (»ganzheitlich, vollkommen«) 347 und wird besonders für die Beschreibung von makellosen Opfertieren verwendet. 348 In der pseudepigraphen Literatur des hellenistischen Judentums ist ἄμωμος nur drei Mal bezeugt. Die beiden Belege in TestXII sind zudem nur bedingt aussagekräftig, da sie textkritisch umstritten 349 sind (TestXII.Jos 19 , 3 ) oder in einer Doxologie auf das »schuldlose« ( ἄμωμος ) Lamm Gottes, das zum Heil für die Welt hingegeben wurde, deutliche Spuren späterer christlicher Redaktion 350 aus dem 2 . Jahrhundert aufweisen (TestXII.Ben 3 , 8 ). Die Verwendung von ἄμωμος beim Tragiker Ezechiel entspricht auf ganzer Linie dem Gebrauch von ἄμωμος in den Opfervorschriften 346 Vgl. hierzu die Ausführungen zu Sap 1 , 11 . 347 Nach Kedar-Kopfstein, Art. מת , Sp. 690 , wird מת ca. 50 Mal mit ἄμωμος übersetzt. 348 Zum Beispiel Ex 29 , 1 ; Lev 1 , 3 . 10 ; 9 , 3 ; 14 , 10 ; 22 , 19 ; Num 29 , 26 . 349 Zur Diskussion vgl. Becker, Die Testamente der zwölf Patriarchen, S. 129 , Anm. XIX 2 b. 350 Vgl. Becker, Die Testamente der zwölf Patriarchen, S. 132 , Anm. III 8 b. 131 <?page no="132"?> in Lev. 351 Das Schaf und das Kalb, die am Vorabend des Auszugs aus Ägypten zu schlachten sind, sollen »tadellos« ( ἄμωμα ) sein. In diesem Sinn kann auch Philo ἄμωμος zur Bezeichnung von makellosen Opfertieren (Som 1 , 62 ; SpecLeg 1 , 268 ) und fehllosen Priestern (Som 2 , 185 ) verwenden. Häufiger ist unter den insgesamt 17 Vorkommen bei Philo aber ein übertragener Gebrauch des Lexems, mit dem nicht allein die kultische Reinheit als unversehrte äußerliche Makellosigkeit beschrieben wird. Stattdessen kann er das Bild von der Darbringung eines »fehlerlosen« ( ἄμωμος ) und herrlichen Opfers zur Bezeichnung des Gottvertrauens verwenden (Cher 85 ). 352 Für unsinnig hält es Philo, von Priestern und Opfertieren »Makellosigkeit« ( ἄμωμα ) zu fordern, aber zugleich die Lehre von Gott verwirren zu lassen (Agr 130 ). Demjenigen, der ein Opfer darbringen will, gibt er dementsprechend den Rat, nicht auf »die Fehlerlosigkeit des Opfertiers« ( τὸ ἱερεῖον ἄμωμον ) zu schauen, sondern auf die vollkommene Reinheit der eigenen Gesinnung (SpecLeg 1 , 283 ). Als »fehlerlose Opfergaben« ( ἄμωμα ἱερεῖα ) bezeichnet er die schuldlosen und gereinigten Seelen (Fug 80 ). Lev 2 , 1 f deutet er derart, dass das von der körperlosen Seele - also nicht von der aus Sterblichem und Unsterblichem bestehenden Masse - darzubringende tadellose Mehlopfer das Symbol einer durch die Lehren der Bildung gereinigten Gesinnung darstellt (Som 2 , 72 f). Auch Tugenden und tugendhaftes Handeln kann Philo als vollkommene und untadelige Opfer ( τέλεια γὰρ καὶ ἄμωμα ἱερεῖα αἱ ἀρεταί ) umschreiben (Fug 18 ). 353 Verabscheut werden solche tadellosen Opfer, d. h. Tugenden, von den Toren ( ἄμωμα [. . .] ἱερεῖα, ἃ βδελύττεται πᾶς ἄφρων Sacr 51 ). Dieser Befund weist erneut auf die große terminologische und inhaltliche Nähe zwischen Philo und der Sap hin. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Geheimnisse Gottes durch die beiden Konkretionen Sap 2 , 22 b und Sap 2 , 22 c erläutert werden. Es handelt sich um eschatologische Geheimnisse, die als Lohn für irdische Frömmigkeit (Sap 2 , 22 b) bzw. als Ehrengeschenk für untadeliges Leben (Sap 2 , 22 c) bezeichnet werden können. Durch die Aufnahme von ψυχή wird die bereits in Sap 1 , 11 eingebrachte Differenzierung zwischen Leib und Seele bekräftigt. Auf das Verhalten des irdischen Menschen in seiner Einheit von Leib und Seele wird eine Belohnung folgen, die ausschließlich der Seele gelten wird. Die weisheitliche Grundvorstellung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs wird damit zugleich überwunden und beibehalten. Auf der einen Seite ist die Vorstellung, dass irdisches Wohlverhalten eine adäquate Entlohnung im Hier und Jetzt erfahren wird, in der Sap an keiner Stelle auszumachen. Doch wird auf der anderen Seite am Kerngedanken des Tun-Ergehen-Zusammenhangs insofern festgehalten, als dass auf das Verhalten des irdischen Menschen auf eine eschatologische Entlohnung bezogen ist. Diese Neuformulierung traditionellen weisheitlichen Denkens transzendiert den Tun-Ergehen-Zusammenhang. Auf diese Weise ist es der 351 Eus., Pr. Ev. IX, 29 , 13 . 352 Vgl. All 1 , 50 . 353 Vgl. SpecLeg 1 , 201 . 132 <?page no="133"?> Sap möglich, trotz der mit der Krise der Weisheit aufgeworfenen Probleme an einer Lohnvorstellung festzuhalten. Nicht in dieser Welt wird gerechtes Tun seinen Lohn erhalten, sondern erst nach dem irdischen Tod. 354 4 . 8 . 3 Sap 2 , 23 . Die zweite Begründung des Irrens: Gottes Schöpfungsplan In Sap 2 , 23 wird eine zweite Begründung für das falsche Räsonieren und das Verirren der Gottlosen (Sap 2 , 21 a) genannt. Nachdem sich an die negative Bewertung der Rede der Gottlosen bereits in Sap 2 , 21 b eine erste Begründung angeschlossen hat, erfolgt in Sap 2 , 23 erneut ein kausaler Anschluss. Im Unterschied zur ersten mit γὰρ angefügten Begründung in Sap 2 , 21 b, die den Grund des verirrten Räsonierens der Gottlosen bei diesen selbst ausmacht, wechselt die durch die Konjunktion ὅτι angefügte Erklärung die Perspektive. Das Irren der Gottlosen wird nun in Beziehung zu Gottes Schöpfungsplan gesetzt, dem sie in ihren irren Gedanken widersprechen. Ihre Einschätzung des eigenen Lebens als kurz und traurig (Sap 2 , 1 b) ist weit davon entfernt zu erkennen, dass Gott den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen (Sap 2 , 23 a) und ihn als Ebenbild seines eigenen Wesens gemacht hat (Sap 2 , 23 b). Die beiden Teilverse Sap 2 , 23 a und Sap 2 , 23 b bilden dabei einen synthetischen Parallelismus Membrorum. 355 Die aufgenommene Schöpfungsterminologie lässt deutliche Anklänge an Gen 1 , 26 f erkennen, die durch die Aufnahme des Begriffs der ἀφθαρσία um einen nicht in der Genesisvorlage enthaltenen Aspekt erweitert sind. Literarisch ist Sap 2 , 23 durch die Wiederaufnahme der Einleitung ὅτι ὁ θεός mit Sap 1 , 13 verbunden. Der Bezug zu dem Übergangsstück Sap 1 , 11 - 15 wird für die Auslegung von Sap 2 , 23 zu berücksichtigen sein. Sap 2 , 23 a. Unvergänglichkeit ὅτι ὁ θεὸς ἔκτισεν τὸν ἄνθρωπον ἐπ’ ἀφθαρσίᾳ Denn Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit 356 geschaffen Die zweite Begründung des Irrens der Gottlosen wird durch die aus Sap 1 , 13 wieder aufgenommene Wendung ὅτι ὁ θεός eingeleitet. Im Anschluss an den ersten Begründungsgang, der als Ursache für das Abirren der Gottlosen deren Verstrickung in Schlechtigkeit genannt und deren negative Folgen mit dem dreigliedrigen Parallelismus Membrorum in Sap 2 , 22 illustriert hat, wird 354 Vgl. Hübner, Weisheit, S. 47 , und Collins, Art. Weisheit, S. 506 f. 355 Vgl. Vílchez, Sapienza, S. 193 . 356 Reese, Influence, S. 66 , Anm. 158 , bestreitet dagegen, dass es sich hier um einen finalen Dativ handelt und schlägt vor »in oder mit Unvergänglichkeit« zu übersetzen. 133 <?page no="134"?> in Sap 2 , 23 a eine zweite Erklärung für die negative Bewertung der Rede gegeben. Darin wird dem verblendeten Räsonieren der Gottlosen die Schöpfungsabsicht Gottes für den Menschen gegenübergestellt. Der Resignation der Gottlosen über ihr kurzes und trauriges Leben (Sap 2 , 1 b), das in ihren Augen nur zufällig geworden (Sap 2 , 2 ) sowie spurlos wie Wolken und Nebel zu vergehen scheint (Sap 2 , 4 ), liegt eine grundsätzliche Fehleinschätzung zugrunde. Nicht kurz, traurig und zufällig ist das menschliche Leben, sondern von Gott geschaffen und auf das Ziel der »Unvergänglichkeit« ( ἀφθαρσία ) ausgerichtet. 357 Die besonders in Sap 2 , 1 b- 5 ausgeführten Ansichten der Gottlosen werden mit dem Terminus ἀφθαρσία kontrastiert und als Fehldeutung qualifiziert. Die engen literarischen, inhaltlichen und kompositionellen Beziehungen zwischen Sap 1 , 11 - 15 und Sap 2 , 21 - 24 sind in Sap 2 , 23 besonders augenfällig. Wie schon erwähnt, handelt es sich bei der Einleitung ὅτι ὁ θεός um eine Wiederaufnahme aus Sap 1 , 13 . Die in Sap 1 , 13 negativ formulierte Aussage, Gott habe den Tod nicht gemacht, wird in Sap 2 , 23 durch die Aussage, der Mensch sei von Gott zur Unvergänglichkeit geschaffen worden, positiv umformuliert. Da für Sap 1 , 11 - 15 nachgewiesen werden konnte, dass θάνατος ebenso wie die Synonyme ὄλεθρος und ἀπώλεια nicht das physische Vergehen, sondern ein eschatologisches Schicksal bezeichnet, ist Gleiches auch von der ἀφθαρσία anzunehmen. 358 Da ferner in den bisherigen Ausführungen über das eschatologische Schicksal der Seele und nicht des Menschen die Rede war, wirkt Sap 2 , 23 zunächst sperrig. Sowohl die Vorstellung, die Seele töten zu können (Sap 1 , 11 ), als auch die Hoffnung vom Ehrenpreis für untadelige Seelen (Sap 2 , 22 ) sprechen im Bezug auf das eschatologische Schicksal von der ψυχή . Die Formulierung, der »Mensch« ( ἄνθρωπος ) sei zur Unvergänglichkeit geschaffen, scheint die bisher beobachtete Differenzierung zwischen der irdischen Existenz des Menschen und dem eschatologischen Geschick 357 Ein hebräisches Äquivalent für ἀφθαρσία existiert nicht. Der Begriff ἀφθαρσία ist vom Verb φθείρω abgeleitet, dem in der profanen Gräzität ein breites Bedeutungsspektrum zugrunde liegt (Vgl. Harder, Art. φθείρω , S. 94 - 97 ). So kann φθείρω im Aktiv »verderben, zugrunde richten, vernichten, töten, verführen« und im Passiv »zugrunde gehen, vernichtet werden, umkommen, sterben« bedeuten. Prägend ist der bereits bei Platon greifbare Gegensatz von γίγνεσθαι und φθείρεσθαι , von »werden und vergehen« (Phaid. 95 e; rep. VIII 546 a). 358 Anders dagegen Dochhorn, Apokalypse, S. 430 . In seiner Exegese zu ApcMos 28 , 2 - 4 legt Dochhorn ApcMos 28 , 3 als Beleg für die jüdische Vorstellung, dass der Mensch von Gott keineswegs zu physischer Unsterblichkeit geschaffen worden sei, aus. Paraphrasierend übersetzt er ApcMos 28 , 3 : Adam »solle nicht auch noch unsterblich sein« ( ἀθάνατος ἔσῃ εἰς τὸν αἰῶνα ), sobald er vom Baum des Lebens isst. Adam hat demzufolge ursprünglich vorher zu keinem Zeitpunkt physische Unsterblichkeit besessen. Dagegen führt Dochhorn aber Sap 2 , 23 a als Beleg für die jüdische Vorstellung einer prälapsarischen physischen Unsterblichkeit des Menschen an. 134 <?page no="135"?> der ψυχή des Menschen zu sprengen. Von insgesamt 32 Belegen für ἄνθρωπος in der Sap steht ἄνθρωπος jedoch lediglich in Sap 2 , 23 in einem unmittelbaren eschatologischen Kontext. In ähnlichen Aussagen wie z. B. in Sap 1 , 11 ; 2 , 22 und auch in Sap 3 , 1 . 13 ; 4 , 11 . 14 wird in Bezug auf das künftige Geschick von der ψυχή gesprochen. Daher ist für Sap 2 , 23 anzunehmen, dass ἄνθρωπος hier synonym für ψυχή gebraucht wird. Der Befund, dass in Sap 2 , 23 in einer eschatologischen Aussage ausnahmsweise ἄνθρωπος statt ψυχή steht, lässt sich durch die Aufnahme von Gen 1 , 26 f in Sap 2 , 23 erklären. Sowohl Gen 1 , 26 359 als auch Gen 1 , 27 360 sprechen davon, dass Gott den »Menschen« ( ἄνθρωπος ) gemacht hat. Um der Vorlage aus der Genesis möglichst eng zu folgen, formuliert Sap 2 , 23 a konsequenterweise: ὅτι ὁ θεὸς ἔκτισεν τὸν ἄνθρωπον ἐπ’ ἀφθαρσίᾳ . Indem der Genesisvorlage in Sap 2 , 23 a noch hinzugefügt wird, der Mensch sei mit dem »Ziel der Unvergänglichkeit« ( ἐπ’ ἀφθαρσίᾳ ) geschaffen, entsteht der Eindruck, der irdische Mensch sei ursprünglich zu ewiger irdischer Existenz bestimmt worden. Die Widerlegung der Einschätzung der Gottlosen, das Leben auf Erden sei kurz und traurig (Sap 2 , 1 ), würde demnach auf dieselbe immanente Ebene abzielen, auf die die Wahrnehmung der Gottlosen in ihrer Lamentatio begrenzt ist. Doch legt die Hinzufügung der Bestimmung ἐπ’ ἀφθαρσίᾳ diesen Schluss keinesfalls zwingend nahe. 361 Für die Aussage, Gott habe den Tod nicht geschaffen (Sap 1 , 13 ), konnte gezeigt werden, dass θάνατος nicht den physischen Tod, sondern die Gottesferne beschreibt. In Entsprechung dazu gilt von der ἀφθαρσία , dass sie Synonym für die Nähe bei Gott ist. Dies wird explizit mit den beiden weiteren Vorkommen von ἀφθαρσία in Sap 6 , 18 f ausgeführt. Die Unvergänglichkeit, die durch Gesetzestreue bekräftigt werden kann ( προσοχὴ δὲ νόμων βεβαίωσις ἀφθαρσίας Sap 6 , 18 ), bewirkt Nähe zu Gott ( ἀφθαρσία δὲ ἐγγὺς εἶναι ποιεῖ θεοῦ Sap 6 , 19 ). 362 Der Klage der Gottlosen über die Vergänglichkeit irdischer Existenz setzt Sap 2 , 23 also den Hinweis der Bestimmung des Menschen zur Gottesnähe gegenüber und verlässt damit die ausschließlich immanente Wahrnehmungsebene der Gottlosen. Das Phänomen menschlicher Beschwerlichkeiten auf Erden wird mit dem Hinweis auf die Unvergänglichkeit aber keineswegs bestritten. Vielmehr wendet sich Sap 2 , 23 a gegen die Sichtweise der Gottlosen, die nicht in der Lage sind, über ihre völlig in der Immanenz verhaftete 359 Gen 1 , 26 καὶ εἶπεν ὁ θεός ποιήσωμεν ἄνθρωπον κατ’ εἰκόνα ἡμετέραν »Und Gott sprach, wir wollen den Menschen machen nach unserem Bild.« 360 Gen 1 , 27 καὶ ἐποίησεν ὁ θεὸς τὸν ἄνθρωπον κατ’ εἰκόνα θεοῦ ἐποίησεν αὐτόν »Und Gott machte den Menschen, nach Gottes Bild machte er ihn.« 361 Vgl. die Ausführungen zu Sap 1 , 12 f, in denen dargestellt wird, dass der physische Tod von Beginn an Teil des menschlichen Lebens ist. 362 Vgl. zum Begriff der ἀφθαρσία den Exkurs zu I Petr 1 , 4 »›Unvergänglich, unbeschmutzt, unverwelklich‹ - Rezeption und Transformation metaphysischer Gottesprädikate im 1 Petr«, in: Feldmeier, Brief, S. 49 - 51 . 135 <?page no="136"?> Wahrnehmungsebene hinauszublicken. Das Leben ist nicht kurz und traurig, es ist nicht vergänglich für denjenigen, der trotz irdischer Endlichkeit den Bezug zu Gott sucht und in der Gottesnähe Unvergänglichkeit hat. Sap 3 , 1 - 9 wird diese Überzeugung in der Schilderung des Schicksals des Gerechten eindrücklich ausführen. Die Meinung der Toren, die Gerechten seien bereits tot (Sap 3 , 2 ), ist auf deren irdische Existenz begrenzt. Sie vermögen nicht zu erkennen, dass sich die »Seelen der Gerechten in Gottes Hand« ( Δικαίων δὲ ψυχαὶ ἐν χειρὶ θεοῦ Sap 3 , 1 ) befinden und die Gerechten »in Frieden sind« ( οἱ δέ εἰσιν ἐν εἰρήνῃ Sap 3 , 3 ). 363 Pointiert formuliert auch Sap 5 , 15 diese Vorstellung: »Die Gerechten leben ewig« ( Δίκαιοι δὲ εἰς τὸν αἰῶνα ζῶσιν Sap 5 , 15 ) trotz irdischer Vergänglichkeit. Hierbei zeigt sich ein recht zwangloser synonymer Gebrauch von ψυχαὶ δικαίων und δίκαιοι . So kann die Sap angesichts des irdischen Todes vom künftigen Schicksal der Seelen der Gerechten bei Gott sprechen (Sap 3 , 1 ), im nächsten Atemzug aber das Schicksal der Gerechten - also scheinbar nicht nur der Seelen der Gerechten - in den Blick nehmen. Die Tatsache, dass die Sap ψυχαὶ δικαίων (Sap 3 , 1 ) und δίκαιοι (Sap 5 , 15 ) synonym verwenden kann, bestärkt die oben getroffene Auslegung zu Sap 2 , 23 a, dass ἄνθρωπος dort synonym für ψυχή stehen kann, d. h. die Schöpfungsbestimmung zur Unvergänglichkeit nicht auf den physischen Menschen, sondern auf die Seele des Menschen zu beziehen ist. In der Septuaginta ist die Neuformulierung der Schöpfungsgeschichte durch die Aufnahme von ἀφθαρσία genuin. Der Konkordanzbefund weist ἀφθαρσία als einen Begriff der jüngsten Teile der Septuaginta aus. 364 Neben den drei Belegen in Sap 2 , 23 ; 6 , 18 . 19 gibt es nur noch zwei weitere Vorkommen in 4 Mac 9 , 22 ; 17 , 12 innerhalb der Schilderung und theologischen Deutung des Märtyrerschicksals der sieben Brüder und ihrer Mutter. Der Martertod des ältesten Bruders wird in 4 Mac 9 , 22 als dessen durch Feuer bewirktes Umgestalten hin zur Unvergänglichkeit beschrieben ( ἐν πυρὶ μετασχηματιζόμενος 365 εἰς ἀφθαρσίαν ). Der physische Tod stellt hierbei die Voraussetzung der Umformung zur Unvergänglichkeit dar. Unmittelbar vor Beginn der Schilderung der Märtyrertode äußern alle sieben Brüder gemeinsam ihre feste Überzeugung, am Gesetz der Väter festhalten zu wollen, und 363 Man erwartet in Sap 3 , 3 eigentlich eher ein auf ψυχαί (Sap 3 , 1 ) zu beziehendes αἱ statt ein auf δίκαιοι (Sap 3 , 1 ) zurückweisendes οἱ . 364 Gleiches gilt für das Adjektiv ἄφθαρτος , das in der Septuaginta nur in Sap 12 , 1 ; 18 , 4 vorkommt. In Sap 12 , 1 wird Gottes Geist, der seiner ganzen Schöpfung innewohnt, als unvergänglich charakterisiert ( τὸ γὰρ ἄφθαρτόν σου πνεῦμά ἐστιν ἐν πᾶσιν ), in Sap 18 , 4 ist das Licht des Gesetzes unvergänglich ( τὸ ἄφθαρτον νόμου φῶς ). 365 μετασχηματί ζω ist Hapaxlegomenon in der Septuaginta. Im Neuen Testament finden sich fünf Belege (I Kor 4 , 6 ; II Kor 11 , 13 . 14 . 15 ; Phil 3 , 21 ). Nach Phil 3 , 21 wird Jesus Christus den menschlichen Leib der Niedrigkeit in den Leib der Herrlichkeit »umwandeln« ( μετασχηματίσει ). 136 <?page no="137"?> lieber um der Frömmigkeit willen in den Tod zu gehen als das Gesetz der Väter zu verraten ( 4 Mac 8 , 27 - 9 , 9 ). Sie hoffen, infolge ihrer Bekenntnistreue einen »Siegpreis der Tugend« ( τὰ τῆς ἀρετῆς ἆθλα 4 Mac 9 , 8 ) zu erhalten und bei Gott zu sein ( ἐσόμεθα παρὰ θεῷ 4 Mac 9 , 8 ). Diese hier anklingende Sprache des Sportwettkampfes begegnet auch im Kontext des zweiten Vorkommens von ἀφθαρσία . In 4 Mac 17 , 12 werden die Märtyrer nach ihrem Foltertod als »Siegpreis« ( τὸ νῖκος ) die »Unvergänglichkeit« ( ἀφθαρσία ) »in lange währendem Leben« ( ἐν ζωῇ πολυχρονίῳ ) erhalten. Wenige Verse vor diesem zweiten Beleg für ἀφθαρσία wird das Sterben als einzig gangbarer Weg angesichts eines möglichen Übertretens des Gebotes Gottes dargestellt ( 4 Mac 16 , 25 f). Wer um Gottes willen stirbt, wird wie Abraham, Isaak, Jakob und alle Patriarchen bei Gott leben. 366 Somit ist die Zuspitzung aus Sap 6 , 19 , dass Unvergänglichkeit Nähe bei Gott bewirkt, auch in 4 Mac - allerdings in literarisch lockerer Zusammenstellung - anzutreffen. Die Unvergänglichkeit wird nicht durch den physischen Tod aufgehoben, sondern folgt erst auf diesen. Ähnlich wie Sap 6 , 19 kann also auch 4 Mac den Zustand nach dem irdischen Sterben sowohl als Unvergänglichkeit als auch als Leben bei Gott bezeichnen. Ebenso wie ἀφθαρσία kommt auch das Synonym ἀθανασία innerhalb der Septuaginta nur in Sap und 4 Mac vor. 367 Die fünf Belege für ἀθανασία in der Sap verteilen sich auf alle drei Buchteile. Unsterblichkeit kommt den Gerechten (Sap 3 , 4 ; 4 , 1 ), dem um Weisheit bittenden Salomon (Sap 8 , 13 . 17 ) und demjenigen, der Gott erkennt (Sap 15 , 3 ) zu. Die Gottlosen sind von der ἀθανασία ausgenommen. Ebenso gibt es keine Verbindungen von ἀθανασία und ψυχή . Die Vorstellung der Unsterblichkeit jeder menschlichen Seele ist der Sap fremd. »Unsterblichkeit« ( ἀθανασία ) ist stattdessen wie auch »Unvergänglichkeit« ( ἀφθαρσία ) Ausdruck der postmortalen Gottesnähe der Gerechten. Die Hoffnung der Gerechten ist voller Unsterblichkeit, obwohl ihr Zustand in den Augen der Menschen als Bestrafung erscheint (Sap 3 , 4 ). Diese Aussage ist durch die kausale Konjunktion γάρ an den Abschnitt Sap 3 , 1 - 3 angefügt und erläutert diesen. Dass die Seelen der Gerechten nach dem irdischen Tod in Gottes Hand (Sap 3 , 1 ) und in Frieden sein werden (Sap 3 , 3 ), gibt den Gerechten bereits während ihrer irdischen Existenz Grund zur Hoffnung auf Unsterblichkeit. Ihr künftiges Sein bei Gott nach »ihrem Exodus« ( ἡ ἔξοδος αὐτῶν Sap 3 , 2 ) aus diesem Leben ist für die Gottlosen gleichbedeutend mit »Unsterblichkeit« ( ἀθανασία ). Zwei weitere Belege für ἀθανασία stehen im Kontext der Bitte Salomons um Weisheit. Ein enger Bezug besteht nach Salomons Überzeugung zwischen Weisheit und Unsterblichkeit. Durch den künftigen Erhalt der Weisheit er- 366 4 Mac 16 , 25 οἱ διὰ τὸν θεὸν ἀποθνῄσκοντες ζῶσιν τῷ θεῷ ὥσπερ Αβρααμ καὶ Ισαακ καὶ Ιακωβ καὶ πάντες οἱ πατριάρχαι . 367 Sap 3 , 4 ; 4 , 1 ; 8 , 13 . 17 ; 15 , 3 ; 4 Mac 14 , 5 ; 16 , 13 . 137 <?page no="138"?> hofft er sich Unsterblichkeit ( ἕξω δι’ αὐτὴν ἀθανασίαν Sap 8 , 13 ). Das Verhältnis der Weisheit zur Unsterblichkeit ist für Salomon ein verwandtschaftliches ( ἀθανασία ἐστὶν ἐν συγγενείᾳ σοφίας Sap 8 , 17 ). Da der Ausgangspunkt der Bitte Salomons um die Unsterblichkeit gewährende Weisheit die Erkenntnis seiner eigenen irdischen Sterblichkeit ist (Sap 7 , 1 ), liegt in Sap 8 , 13 . 17 nicht die Vorstellung physischer Unsterblichkeit zugrunde. Vielmehr erhofft sich Salomon trotz seiner Sterblichkeit den Erhalt der Unsterblichkeit als Folge der Gabe der Weisheit. Neben diesen Hoffnungen auf eschatologische, den physischen Tod überdauernde Unsterblichkeit, wird ἀθανασία auch verwendet, um die Folge tugendhaften Lebens in Bezug auf die Mitmenschen auszudrücken. So hat Kinderlosigkeit, die mit Tugend verbunden ist, »Unsterblichkeit« ( ἀθανασία ) zur Folge (Sap 4 , 1 ). Der fünfte und letzte Beleg für ἀθανασία steht in Sap 15 , 3 in einer der zentralen theologischen Aussagen der Sap. Gott zu kennen, wird hier sowohl als vollkommene Gerechtigkeit als auch als Wurzel der Unsterblichkeit bezeichnet. 368 Die Beziehung zu Gott im Diesseits wird damit zum Grundstein für die den physischen Tod überdauernde Gottesbeziehung. Die Kenntnis von Gott und das Wissen um seine Macht stehen dem Menschen in dieser Welt offen. Wer diese Möglichkeit der Gotteserkenntnis ergreift, besitzt bereits die Wurzel der Unsterblichkeit. Wie in Sap werden ἀφθαρσία und ἀθανασία ebenfalls in 4 Mac synonym gebraucht. Das Erleiden des Foltertodes der sieben Brüder kommt nach 4 Mac 14 , 5 einem Lauf hin zur Unsterblichkeit gleich ( ὥσπερ ἐπ’ ἀθανασίας ὁδὸν τρέχοντες ). Dabei werden sie »von der unsterblichen Seele der Frömmigkeit« ( ὑπὸ ψυχῆς ἀθανάτου τῆς εὐσεβείας ) geleitet. Um der Frömmigkeit willen gehen sie in den Tod ( 4 Mac 14 , 6 ). Der zweite Beleg für ἀθανασία steht im Kontext der Reflexion über die Sicht der Mutter auf den Märtyrertod ihrer sieben Söhne in 4 Mac 16 , 12 - 25 . In Form einer Rede rät die Mutter ihren Söhnen nicht vom Martyrium ab. Anstatt in Trauer und Klage zu verharren bittet sie ihre Söhne flehentlich, lieber den Tod als Zeichen der Frömmigkeit auf sich zu nehmen und damit am Gesetz der Väter festzuhalten als das Martyrium zu scheuen. Diese Einstellung der Mutter wird in der kommentierenden Einleitung zur Rede als ein Wiedergebären ihrer Söhne zur Unsterblichkeit ( εἰς ἀθανασίαν ἀνατίκτουσα 4 Mac 16 , 13 ) umschrieben. Der Befund in 4 Mac für ἀθανασία gleicht damit dem für ἀφθαρσία , insofern beide Begriffe ein Fortbestehen nach dem irdischen Tod kennzeichnen. Konstitutiv für Unvergänglichkeit und Unsterblichkeit ist die praktizierte Frömmigkeit, die sich im Fall der Märtyrer in der Treue zum Gesetz Gottes, zur Tora, erweist. 368 Sap 15 , 3 τὸ γὰρ ἐπίστασθαί σε ὁλόκληρος δικαιοσύνη καὶ εἰδέναι σου τὸ κράτος ῥί ζα ἀθανασίας »Denn dich zu kennen ist vollkommene Gerechtigkeit und von deiner Stärke zu wissen ist die Wurzel der Unsterblichkeit.« 138 <?page no="139"?> In den pseudepigraphen Schriften des hellenistischen Judentums ist ἀφθαρσία nur drei Mal in JosAs belegt (JosAs 8 , 5 ; 15 , 5 ; 16 , 16 ). 369 Gemeinsam mit ἀφθαρσία finden sich in diesen drei Versen auch die drei einzigen Belege für ἀθανασία in der jüdischen Pseudepigraphie. Beide Begriffe werden verwendet, um die Zugehörigkeitskriterien zum Judentum zu beschreiben und stehen synonym für ζωή . Wer »das gesegnete Brot des Lebens isst« ( ἐσθίει ἄρτον εὐλογημένον ζωῆς ), »vom gesegneten Kelch der Unsterblichkeit trinkt« ( πίνει ποτήριον εὐλογημένον ἀθανασίας ), »mit der gesegneten Salbe der Unvergänglichkeit gesalbt wird« ( χρίεται χρίσματι εὐλογημένῳ ἀφθαρσίας JosAs 8 , 5 ) und sich von heidnischen Bräuchen fernhält, gehört zur jüdischen Gemeinschaft. Da die Heidin Aseneth ursprünglich statt an jüdischen Mahlen an heidnischen Götzenmahlen partizipierte, wirft sie sich vor, dass ihr Mund befleckt sei ( τὸ στόμα μου μεμίαται JosAs 11 , 9 f. 16 ; 12 , 5 ). Aus diesem Grund lehnt es Joseph zunächst auch ab, die ihm von ihrem Vater Pentephres dargebotene schöne Heidin Aseneth zu küssen. Aseneths Essgewohnheiten unterscheiden sich von denen des Juden Josephs fundamental, da »sie mit ihrem Mund tote und stumme Götzenbilder segnet« ( εὐλογεῖ τῷ στόματι αὐτῆς εἴδωλα νεκρὰ καὶ κωφά ) »vom Brot der Erwürgung isst« ( ἐσθίει ἐκ τῆς τραπέζης αὐτῶν ἄρτον ἀγχόνης ), »den Kelch des Hinterhalts trinkt« ( πίνει ἐκ τῆς σπονδῆς αὐτῶν ποτήριον ἐνέδρας ), und »sich mit der Salbe des Verderbens salbt« ( χρίεται χρίσματι ἀπωλείας 370 JosAs 8 , 5 ). Im Laufe des Romans setzt ein Konversionsprozess bei Aseneth ein. Sie bekennt ihre Sünden und bittet um Annahme bei Gott (JosAs 11 , 19 - 13 , 15 ), bis ihr diese schließlich von einem Engel mitgeteilt wird. Der Engel offenbart ihr, dass ihr Name im Himmel im Buch der Lebenden bis in Ewigkeit eingeschrieben ist (JosAs 15 , 4 ). Mit der Konversion wird Aseneth »wieder erneuert« ( ἀνακαινισθήσῃ ), »wieder geformt« ( ἀναπλασθήσῃ ) und »wieder lebendig gemacht« ( ἀναζωοποιηθήσῃ ). Von diesem Tag an wird sie »das gesegnete Brot des Lebens« ( ἄρτον εὐλογημένον ζωῆς ) essen, »den gesegneten Kelch der Unsterblichkeit« ( ποτήριον εὐλογημένον ἀθανασίας ) trinken und sich »mit der gesegneten Salbe der Unvergänglichkeit« ( χρίσματι εὐλογημένῳ τῆς ἀφθαρσίας JosAs 15 , 5 ) salben. Einer Hochzeit mit Joseph steht damit nichts mehr im Wege (JosAs 15 , 6 ). In JosAs 16 , 16 werden die Folgen dieser Unvergänglichkeits- und Unsterblichkeitsstärkung genannt. Aseneth wird strotzen wie Blumen des Lebens, 369 Das Adjektiv ἄφθαρτος hat nur zwei Vorkommen in JosAs 12 , 15 und ApkEsr 4 , 36 . ApkEsr 4 , 36 ist allerdings mit Müller, Esra-Apokalypse, S. 89 , einer christlichen Redaktion der ApkEsr zuzuweisen. - Der romanhaften Erzählung JosAs liegen als Grundlage wenige Verse aus der Josephsnovelle zugrunde. Die in Gen 41 , 45 (vgl. Gen 41 , 50 - 52 ; 46 , 20 ) erwähnte Ehe zwischen Joseph und der Heidin Aseneth, Tochter eines ägyptischen Götzenpriesters, wirkte in der spätptolemäisch-frührömischen Entstehungszeit von JosAs anstößig. Aus diesem Grund wird in JosAs eine Apologie der Verbindung des Juden Joseph mit der Heidin Aseneth geboten, indem die Schilderung von Buße und Konversion der Aseneth zum Judentum der Ehe mit Joseph vorgeschaltet wird. 370 Der gesegneten Salbe der »Unvergänglichkeit« ( ἀφθαρσία ) wird die Salbe des »Verderbens« ( ἀπωλεία ) gegenübergestellt. Auch in den aufeinander zu beziehenden Versen Sap 1 , 13 und Sap 2 , 23 stehen sich die Begriffe ἀφθαρσία und ἀπωλεία kontrastiv gegenüber. 139 <?page no="140"?> ihre Gebeine werden gedeihen wie Zedern des Paradieses, ihre Jugend wird das Alter nicht sehen und dergleichen mehr. 371 Dieser Befund ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Erstens handelt es sich bei der Aufnahme der beiden Begriffe ἀφθαρσία und ἀθανασία in JosAs um einen singulären Befund in den jüdischen Schriften aus hellenistischrömischer Zeit, die nicht Eingang in die Septuaginta gefunden haben. In anderen zu diesen Schriften des Judentums gehörenden Texten sind beide Worte nicht belegt. Zweitens werden ἀφθαρσία und ἀθανασία in JosAs im Unterschied zu Sap und 4 Mac in einem anderen Kontext verwendet. In den drei stilisierten Dreierreihungen (JosAs 8 , 5 ; 15 , 5 ; 16 , 16 ), die das Essen vom Brot des Lebens, das Trinken vom Kelch der Unsterblichkeit und das Salben mit der Salbe der Unvergänglichkeit als Zugangskriterien zum Judentum benennen, dienen ἀφθαρσία und ἀθανασία zur Kennzeichnung der Zugehörigkeit des Einzelnen zum Gott des Lebens und damit zur Bestimmung der Zugehörigkeit zum Judentum. Eine Auseinandersetzung über die Existenz des Menschen angesichts des Todes findet in JosAs anders als in Sap und 4 Mac in diesem Zusammenhang nicht statt. Unvergänglichkeit und Unsterblichkeit werden in JosAs zu Charakteristika der Zugehörigkeit zum Gott Israels in dieser Welt, nicht aber zur Bestimmung der Existenz des Einzelnen nach seinem physischen Tod. Trotz dieser unterschiedlichen Verwendung von ἀφθαρσία und ἀθανασία in den drei genannten Schriften besteht eine grundlegende Gemeinsamkeit darin, dass eine neue ursprünglich griechisch-hellenistische Terminologie für die Neuformulierung dezidiert jüdischer Glaubensinhalte übernommen wird. Sowohl die Zugehörigkeit zum Gott Israels (JosAs) als auch die Hoffnung in Bezug auf die Existenz nach dem irdischen Leben (Sap; 4 Mac) können mit derselben Begrifflichkeit ausgedrückt werden. Die Tatsache, dass neue Vorstellungen und Terminologie auf ganz unterschiedliche Weise Einzug in die Schriften des antiken Judentums gehalten haben, offenbart dessen Facettenreichtum. Es zeigt sich die Bereitschaft, sich neuen Traditionen auf verschiedene Weise zu öffnen und diese in jeweils eigener Form zu übernehmen. 371 Zur Diskussion, worauf sich die Dreierreihung »gesegnetes Brot des Lebens, gesegneter Kelch der Unsterblichkeit und gesegnete Salbe der Unvergänglichkeit« konkret bezieht, vgl. Burchard, Joseph und Aseneth, S. 605 - 608 . Burchard nennt drei Vorschläge zur Deutung: ( 1 ) Essen, Trinken und Salben bezeichnen das tägliche Essen im Kreis der jüdischen Familie. ( 2 ) Es handelt sich um besondere Mahlzeiten, die eventuell einer jüdischen Sondergruppe zuzuweisen sind. ( 3 ) Es handelt sich um besondere Mahlzeiten, wie z. B. beim Übertritt zum Judentum. - Burchard tendiert zur ersten Deutung. Brot, Kelch und Salbe stehen für Korn, Wein und Öl und bezeichnen pars pro toto die Gesamtheit des landwirtschaftlichen Ertrages. Das Besondere liegt gegenüber den Heiden nun nicht an der jüdischen Zusammenstellung des Diätplans, sondern im Segen, der in den Lobsprüchen über die Nahrungsmittel gesprochen wird. 140 <?page no="141"?> Neben diesen bisher nicht sehr zahlreichen Belegen für ἀφθαρσία fällt die relative Fülle von Belegstellen bei Philo auf. 372 Die 25 Belege für ἀφθαρσία verteilen sich über mehrere Schriften Philos. Mit sieben Vorkommen ist die Belegdichte in ›De Aeternitate Mundi‹ am größten. Es lassen sich drei Gruppen von Unvergänglichkeitsaussagen unterscheiden. So kann erstens mehr oder weniger direkt von der Unvergänglichkeit des Menschen bzw. der menschlichen Seele, zweitens von der Unvergänglichkeit der Götter und drittens von der Unvergänglichkeit der Welt gesprochen werden. Von der Unvergänglichkeit der menschlichen Seele ist wie in Sap 2 , 23 auch in Op 153 f die Rede. Philo nimmt hier wie die Sap die Schöpfungsgeschichte aus der Genesis auf und verknüpft diese mit dem Begriff der ἀφθαρσία . Diese Verknüpfung geschieht allerdings nicht wie in Sap 2 , 23 unmittelbar in Bezug auf die Schöpfungsbestimmung des Menschen, sondern in der näheren Charakterisierung der im Garten Eden befindlichen Pflanzen, deren Früchte u. a. gesundes Leben und »Unvergänglichkeit« ( ἀφθαρσία ) gewähren. Diese Aussage will Philo nicht wörtlich, sondern »sinnbildlich« ( συμβολικῶς ) verstanden wissen. Demzufolge deutet der Baum des Lebens auf die »Gottesfurcht« ( θεοσέβεια ) hin, auf die größte aller Tugenden, »durch die die Seele unsterblich wird« ( δι’ ἧς ἀθανατίζεται ἡ ψυχή Op 154 ). In Sacr 5 wird von Abraham gesagt, er genieße nach seinem irdischen Ableben ἀφθαρσία , worin er den körperlosen Engeln gleich geworden ist. Unvergänglichkeit ist also auch hier der Seele vorbehalten und kann zudem erst nach dem physischen Tod erlangt werden. Den Zusammenhang von Unvergänglichkeit und Tugenden deutet Philo in Som 2 , 258 an. Der Seele wird hier nach deren Trennung vom Körperlichen ein »Los« ( κλῆρος ) in Aussicht gestellt, das diese gemeinsam »mit den unvergänglichen und der Unvergänglichkeit würdigen Tugenden« ( μετὰ τῶν ἀφθάρτων καὶ ἀφθαρσίας ἀξίων ἀρετῶν ) erhalten wird. Dass die Natur der Tugenden »unvergänglich« ( ἄφθαρτος ), die des Mensch aber »vergänglich« ( φθαρτός ) ist, wird in Abr 55 mit Nachdruck hervorgehoben. Als Feind der Unvergänglichkeit nennt Philo in diesem Kontext den »Tod« ( θάνατος ). Ziel menschlicher auf Erden wandernder Tugend ist es, zum Himmel vorzudringen, um dort die ἀφθαρσία zu genießen und ohne Leid zu sein (Her 35 ). Hin zur Unvergänglichkeit führen »Standhaftigkeit« ( καρτέρησις Agr 100 ) 372 Borgen, Index, S. 60 , zählt für ἀφθαρσία 25 Vorkommen. Für das Adjektiv ἄφθαρτος verzeichnet Borgen sogar 120 Belege. - Zur Verwendung von ἀφθαρσία im Frühjudentum, unter besonderer Berücksichtigung der Belegstellen bei Philo, vgl. Feldmeier, Θεὸς ζῳοποιῶν , S. 87 - 89 . In diesem Aufsatz hat Feldmeier nachgewiesen, dass das Prädikat ἄφθαρτος / ἀφθαρσία , das im paganen Bereich der Beschreibung der Exklusivität und Weltunabhängigkeit der Götter vorbehalten war, in der jüdischen Rezeption einen Wandel bzw. eine Erweiterung erfahren hat. Bei Philo kann das Lexem sowohl zur Bezeichnung Gottes als auch der Menschen dienen. So wird Gott als ὁ ἄφθαρτος (All 3 , 31 . 36 u. ö.) bezeichnet, während - so Feldmeiers Deutung - zugleich auch der Mensch aufgrund seiner Gottebenbildlichkeit Unvergänglichkeit besitzt; »von Natur aus ist er unvergänglich« ( ἄφθαρτος φύσει Op 134 ). Vgl. Feldmeier, Brief, S. 49 - 51 . Es ist m. E. jedoch fraglich, ob nach Op 134 der sinnlich wahrnehmbare Mensch jemals - also auch ante lapsum - Unvergänglichkeit besessen hat. Vgl. hierzu unten die Ausführung zu Sap 2 , 23 b. 141 <?page no="142"?> und »Zucht« ( παιδεία Ebr 140 ), während »Lust« ( ἡδονή Agr 100 ) und »Zuchtlosigkeit« ( ἀπαιδευσία Ebr 140 ) den Tod zur Folge haben. In der Auslegung von Dtn 4 , 4 373 verbindet Philo die Treue zu Gott mit der Unvergänglichkeit. Wer sich in der Not schutzsuchend zu Gott gewandt hat, hat Unvergänglichkeit, während die anderen tot sind (Fug 56 ). Der Zweck des Zitates und der Auslegung von Dtn 4 , 4 in Fug 56 besteht darin, den Zusammenhang von moralisch gutem und tugendhaftem Verhalten des Menschen mit ewiger Unsterblichkeit zu betonen. Mit dieser Absicht legt Philo die Wendung ζῆτε πάντες ἐν τῇ σήμερον aus Dtn 4 , 4 als synonymen Ausdruck für ἀφθαρσία aus. Wer sich zu Gott wendet, wird am heutigen Tag, d. h. für Philo in Unvergänglichkeit, leben. Im Anschluss hieran legt Philo das Sterben der Priester Nadab und Abiud im Angesichte Gottes ( ἀπέθανον ἔναντι κυρίου Lev 10 , 2 ) als symbolische Bezeichnung der Unvergänglichkeit aus ( τὰ σύμβολα τῆς ἀφθαρσίας Fug 59 ). Ihr Tod wird als Tausch des sterblichen Lebendigseins für ein unvergängliches Leben gedeutet. Philo argumentiert dort, dass kein Toter vor Gott sein kann, das Sterben im Angesichte Gottes folglich nicht Tod, sondern Leben bedeutet. In VitMos 2 , 61 findet sich für die Unvergänglichkeit des Menschen eine andere Begründung, indem die »Ähnlichkeit« ( ὁμοιότης ) mit Gott als Garant der ἀφθαρσία genannt wird. Die den Arten innewohnende Unvergänglichkeit wird aufgrund dieser Ähnlichkeit auch nach dem physischen Tod Bestand haben. Eine zweite Art von Unvergänglichkeitsaussagen treffen in Aet 46 f törichte Heiden, die den Göttern Unvergänglichkeit zusprechen. Schließlich lassen sich Aussagen zur Unvergänglichkeit der Welt als eine dritte Gruppe zusammenfassen. Der Nachweis der »Unvergänglichkeit der Welt« ( ὑπὲρ ἀφθαρσίας τοῦ κόσμου 374 Aet 1 ) soll in ›De Aeternitate Mundi‹ mit Bezug auf Gott den Schöpfer geschehen. Als Zeugen für seine Überzeugung führt Philo in Aet 27 Platon an, allerdings ohne sich dabei auf einen bestimmten Text zu beziehen. In Aet 76 weiß Philo sogar von den beiden Stoikern Boethos von Sidon und Panaitios zu berichten, dass sie sich von ihrer Lehre der Weltverbrennung und Welterneuerung zur »Lehre der Unvergänglichkeit der Welt« ( δόγμα τὸ τῆς ἀφθαρσίας τοῦ κόσμου ) bekehrt haben. Aus diesem Befund können drei Schlüsse gezogen werden. ( 1 ) Philo verwendet den Begriff ἀφθαρσία zumeist, um von der Unvergänglichkeit der Seele zu sprechen. ( 2 ) Verbunden sind Philos Ausführungen zu dem Schicksal der Seele nach dem physischen Tod des Menschen häufig mit Aussagen über die Tugenden. Der Zusammenhang von tugendhaftem Leben und Unvergänglichkeit der Seele ist für ihn zentral. ( 3 ) Die Unvergänglichkeit des Menschen kann Philo auf die Ähnlichkeit des Menschen mit Gott zurückführen. In diesem Punkt ähnelt er Sap 2 , 23 . Nach der Betrachtung der Verwendung von ἀφθαρσία in Texten des Judentums der Zeitenwende soll schließlich ein Ausblick ins Neue Testament 373 Dtn 4 , 4 ὑμεῖς δὲ οἱ προσκείμενοι κυρίῳ τῷ θεῷ ὑμῶν ζῆτε πάντες ἐν τῇ σήμερον »Ihr aber, die ihr dem Herrn, eurem Gott, anhinget, seid heute alle am Leben.« 374 Im Schlussabschnitt Aet 150 wird mit der Wendung περὶ ἀφθαρσίας τοῦ κόσμου Aet 1 wieder aufgenommen. 142 <?page no="143"?> erfolgen. Die sieben neutestamentlichen Belege für ἀφθαρσία finden sich ausschließlich in paulinischen und deuteropaulinischen Briefen. 375 In I Kor 15 benutzt Paulus den Begriff ἀφθαρσία , um die Art und Weise der Auferstehung der Toten zu beschreiben und verwendet ihn in diesem Kontext vier Mal, jeweils zwei Mal in Gegensatzpaaren zu ἡ φθορά (I Kor 15 , 42 . 50 ) und τὸ φθαρτόν (I Kor 15 , 53 . 54 ). In I Kor 15 , 42 eröffnet das Gegensatzpaar φθορά / ἀφθαρσία eine viergliedrige Charakterisierung des Auferstehungsleibes. Während »in Vergänglichkeit gesät wird« ( σπείρεται ἐν φθορᾷ ), wird »in Unvergänglichkeit auferweckt« ( ἐγείρεται ἐν ἀφθαρσίᾳ ). Parallel dazu schließen sich in I Kor 15 , 43 f drei weitere Bestimmungen unmittelbar an, die jeweils in der Form »gesät wird ( σπείρεται ) . . . auferweckt wird ( ἐγείρεται ) . . . « angefügt sind. Gesät wird »in Unehre« ( ἐν ἀτιμίᾳ ), »in Schwachheit« ( ἐν ἀσθενείᾳ ) und ein »irdischer Leib« ( σῶμα ψυχικόν ). Auferweckt wird hingegen »in Herrlichkeit« ( ἐν δόξῃ ), »in Kraft« ( ἐν δυνάμει ) und ein »geistlicher Leib« ( σῶμα πνευματικόν ). Dass der Auferstehungsleib nicht dem irdischen gleicht, wird auch in I Kor 15 , 50 hervorgehoben. Ebenso wie »Fleisch und Blut nicht das Reich Gottes erben können« ( σὰρξ καὶ αἷμα βασιλείαν θεοῦ κληρονομῆσαι οὐ δύναται ), vermag auch »die Vergänglichkeit nicht die Unvergänglichkeit zu erben« ( οὐδὲ ἡ φθορὰ τὴν ἀφθαρσίαν κληρονομεῖ ). Während Fleisch und Blut synonym für das Vergängliche stehen, wird das Reich Gottes im zweiten Versteil von I Kor 15 , 50 mit ἀφθαρσία umschrieben. Der Gegensatz zwischen irdischer Leiblichkeit und Unvergänglichkeit ist unmissverständlich und unvereinbar. Im Fortlauf der Argumentation stellt Paulus fest, dass im Zuge der Auferstehung »das Vergängliche« ( τὸ φθαρτόν ) »die Unvergänglichkeit« ( ἀφθαρσία ) und »das Sterbliche« ( τὸ θνητόν ) »die Unsterblichkeit« ( ἀθανασία ) anziehen muss. Wenn dies geschieht, wird dem Tod der Sieg genommen sein (I Kor 15 , 54 f). Wie diese Verwandlung in die Unvergänglichkeit geschehen wird, ist nicht näher beschrieben. Fest steht jedoch, dass der irdische Leib der Vergänglichkeit preisgegeben ist und auf keinen Fall die Unvergänglichkeit erhalten kann. Ähnlich wie in der Sap ist also auch im I Kor nicht von einer Unvergänglichkeit im Sinne einer ewig fortdauernden irdischen Existenz die Rede. Mit ἀφθαρσία kennzeichnet Paulus in I Kor also die Andersartigkeit des künftigen verwandelten Auferstehungsleibes. Ebenfalls wie die Sap kann er ἀφθαρσία und ἀθανασία synonym verwenden. Neben dieser Gemeinsamkeit mit der Sap zeigt sich bei Paulus aber auch ein signifikanter Unterschied. Anders als in der Sap wird die Teilhabe an der ἀφθαρσία bei Paulus nicht mit der Gesetzesobservanz (Sap 6 , 18 f) verbunden, sondern rein christologisch begründet. Den Sieg über den Tod, d. h. die Unvergänglichkeit, gibt Gott durch den Herrn Jesus Christus ( τὸ νῖκος διὰ τοῦ κυρίου ἡμῶν ᾽ Ιησοῦ Χριστοῦ I Kor 15 , 57 ). 376 Entscheidend für die Teilhabe des Menschen an der Unvergänglichkeit ist bei Paulus das Kreuzesgeschehen. 375 Röm 2 , 7 ; I Kor 15 , 42 . 50 . 53 . 54 ; Eph 6 , 24 ; II Tim 1 , 10 . 376 Vgl. Feldmeier, Θεὸς ζῳοποιῶν , S. 90 . 143 <?page no="144"?> Von den drei übrigen Belegen für ἀφθαρσία im Neuen Testament (Röm 2 , 7 , Eph 2 , 24 ; II Tim 1 , 10 ) können kaum weitere Schlüsse gezogen werden. In II Tim 1 , 10 wird ebenfalls der Kontrast zwischen »Tod« ( θάνατος ) und »Unvergänglichkeit« ( ἀφθαρσία ) unterstrichen. Unvergänglichkeit wird hier zudem synonym für »Leben« ( ζωή ) verwendet. In Röm 2 , 7 wird denjenigen, die ἀφθαρσία erstreben, verheißen, dass Gott ihnen »ewiges Leben« ( ζωὴ αἰώνιος ) geben werde. Der Epheserbrief endet in Eph 6 , 24 mit dem Wunsch, dass die Gnade mit allen sei, die unseren Herrn Jesus Christus lieben in Unvergänglichkeit. 377 Als Ergebnis der Untersuchung von Sap 2 , 23 a ist festzuhalten, dass die Schöpfungsgeschichte aus der Genesis aufgenommen wird und diese mit dem Schlüsselwort ἀφθαρσία verbunden wird. Damit gelingt es der Sap, bisher wenig rezipiertes Traditionsgut der Tora mit hellenistischer Terminologie zu aktualisieren und auf gegenwärtige Fragen zu beziehen. Anhand der Verwendung von ἀφθαρσία in zeitnah zur Sap entstandenen Schriften konnte gezeigt werden, dass diese neue langsam in jüdische und christliche Schriften eindringende Begrifflichkeit variabel in unterschiedlichen Kontexten mit verschiedenen Intentionen aufgenommen wurde. Die in Sap 2 , 23 a durch die Verbindung von Gen 1 mit ἀφθαρσία neu konstruierte Aussage wird als Argument gegen das falsche Räsonieren der Gottlosen verwendet. Der Klage der Gottlosen über ihre irdische Vergänglichkeit stellt die Sap eine Schöpfungsaussage gegenüber, der zufolge der Mensch zur Unvergänglichkeit bestimmt ist. Damit soll allerdings nicht die physische Sterblichkeit geleugnet werden, sondern auf eine kategoriale Fehlorientierung der Gottlosen hingewiesen werden. Dass irdisches Leben kurz und traurig sein kann, gilt selbst für den zur Unvergänglichkeit Bestimmten (Sap 7 , 1 ). So widerspricht die Aussage, der Mensch sei zur Unvergänglichkeit geschaffen (Sap 2 , 23 a), keineswegs der Existenz des physischen Todes. Vielmehr geht es in diesem Kommentar zur Rede der Gottlosen darum, dass das irdische Ableben nicht die letztgültige Bestimmung Gottes für den Menschen ist. Trotz des physischen Todes ist der Mensch zur Unvergänglichkeit bestimmt, die sich für die Gerechten darin äußern wird, dass sie nach ihrem irdischen Tod in Gottes Hand sein werden (Sap 3 , 1 ). 378 377 Eph 6 , 24 ἡ χάρις μετὰ πάντων τῶν ἀγαπώντων τὸν κύριον ἡμῶν ᾽ Ιησοῦν Χριστὸν ἐν ἀφθαρσίᾳ . 378 Die Vorstellung, dass der Mensch die Möglichkeit zur Unsterblichkeit besitzt, findet sich in dem ins 2 . Jahrhundert n. Chr. zu datierenden ersten Traktat des Corpus Hermeticum (Zur Datierung vgl. Colpe, Corpus Hermeticum, Bd. 1 , S. 3 ). Darin heißt es Herm. Trism. 1 , 28 : »Warum habt ihr euch, ihr erdgeborenen Menschen, dem Tod ausgeliefert, obwohl ihr die Möglichkeit besitzt, an der Unsterblichkeit teilzuhaben ( ἐξουσία τῆς ἀθανασίας )? Werdet anderen Sinnes, ihr, die ihr dem Weg des Irrtums gefolgt seid und Gemeinschaft mit dem Unwissen pflegtet. Befreit euch von dem Licht der Finsternis, werdet teilhaftig der Unsterblichkeit ( ἀθανασία ) und lasset die Sterblichkeit ( φθορά ) hinter euch.« 144 <?page no="145"?> Sap 2 , 23 b. Ebenbildlichkeit καὶ εἰκόνα τῆς ἰδίας ἰδιότητος 379 ἐποίησεν αὐτόν und er hat ihn zum Abbild seines Wesens gemacht Sap 2 , 23 b führt den in Sap 2 , 23 a begonnenen zweiten Begründungsgang für das verblendete Räsonieren der Gottlosen fort. Wie schon in Sap 2 , 23 a ist weiterhin die Rede der Gottlosen (Sap 2 , 1 b- 20 ) Gegenstand der Betrachtung. Nach der Schöpfungsbestimmung des Menschen zur Unvergänglichkeit (Sap 2 , 23 a) wird nun auf die Gottebenbildlichkeit des Menschen verwiesen. Durch καί ist Sap 2 , 23 b an Sap 2 , 23 a angeschlossen, sodass sich auch die zweite Vershälfte auf das den Vers einleitende ὅτι bezieht. Das Irren der Gottlosen liegt also neben der Ignoranz gegenüber der Schöpfungsbestimmung zur Unvergänglichkeit auch darin begründet, dass sie nicht erkennen, selbst Abbild des göttlichen Wesens zu sein. Da ihnen diese Erkenntnis verwehrt bleibt, verirren sie sich in ihren verblendeten Gedanken und den daraus resultierenden Konsequenzen. Das Pronomen αὐτός bezieht sich auf ἄνθρωπος in Sap 2 , 23 a und bezeichnet ebenso wie ἄνθρωπος in der vorangehenden Vershälfte nicht den physischen Menschen, sondern dessen ψυχή . Wie schon in Sap 2 , 23 a wird auch in Sap 2 , 23 b auf die Urgeschichte aus der Genesis (Gen 1 , 26 f) rekurriert. Die Anspielung an die Schilderung der Schöpfung des Menschen in Gen 1 , 26 f wird besonders durch die Aufnahme von εἰκών und ποιέω deutlich. 380 Die Intention der Genesisrezeption ist dieselbe wie in Sap 2 , 23 a. Die Weltwahrnehmung der Gottlosen soll durch den Verweis auf die Schöpfungsgeschichte als trügerisch und verirrt entlarvt werden. Dass der Mensch nicht nur von Elend, Vergänglichkeit und Zufälligkeit bestimmt ist (Sap 2 , 1 b- 5 ), wird sowohl durch den Verweis auf die Schöpfungsbestimmung zur Unvergänglichkeit widerlegt (Sap 2 , 23 a) als auch mit dem Hinweis seiner Ebenbildlichkeit mit dem Wesen Gottes (Sap 2 , 23 b). Außer in Sap 2 , 23 steht εἰκών noch weitere sieben Mal in Sap. 381 Aber nur in Sap 7 , 26 wird εἰκών wie in Sap 2 , 23 zur Bezeichnung einer 379 Zu der hier zu treffenden textkritischen Entscheidung, die zwischen den beiden Lesarten ἰδιότητος und ἀϊδιότητος zu wählen hat, vgl. die überzeugende Argumentation Scarpats, Sapienza, Bd. 1 , S. 198 f, für die Übernahme der lectio difficilior ἰδιότητος . Die Textvariante ἀϊδιότητος lässt sich als Versuch erklären, eine Parallelität von Sap 2 , 23 b zu Sap 2 , 23 a ( ἀφθαρσία ) zu konstruieren. Bereits Grimm, Weisheit, S. 7 , hat darauf verwiesen, dass das sperrige ἰδίας ἰδιότητος keineswegs ungewöhnlich für den Sprachgebrauch der Sapientia ist, da häufig Worte desselben Stammes in enger Verbindung stehen können (vgl. Sap 1 , 8 ; 9 , 3 ; 12 , 12 . 15 ; 13 , 19 ; 14 , 17 ; 17 , 8 ; 19 , 21 ). Vgl. ferner Larcher, Sagesse, Bd. 1 , S. 268 . 380 Gen 1 , 26 καὶ εἶπεν ὁ θεός ποιήσωμεν ἄνθρωπον κατ’ εἰκόνα ἡμετέραν . Gen 1 , 27 καὶ ἐποίησεν ὁ θεὸς τὸν ἄνθρωπον κατ’ εἰκόνα θεοῦ . 381 Sap 2 , 23 ; 7 , 26 ; 13 , 13 . 16 ; 14 , 15 . 17 ; 15 , 5 ; 17 , 21 . 145 <?page no="146"?> göttlichen Herkunft verwendet. So wie der Mensch ein Abbild von Gottes Wesen ist, ist auch die »Weisheit« ( σοφία ) das »Abbild von Gottes Güte« ( εἰκὼν τῆς ἀγαθότητος αὐτοῦ Sap 7 , 26 ). Die übrigen Belege von εἰκών in der Sap stehen bis auf eine Ausnahme 382 in der zweiten großen Einfügung über die Torheit des Götzendienstes (Sap 13 , 1 - 15 , 19 ) innerhalb des dritten Buchteils und dienen zur Beschreibung menschengemachter Götzenbilder. Beim Vergleich dieser Belegstellen fällt auf, dass allein in Sap 2 , 23 und Sap 7 , 26 durch die Aufnahme von εἰκών ein Bezug zur Schöpfungsgeschichte hergestellt wird. Gegenüber dem eher losen Verweis auf die Schöpfungsgeschichte in Sap 7 , 26 ist der Bezug von Sap 2 , 23 auf Gen 1 , 26 f durch die doppelte Stichwortaufnahme ( εἰκών + ποιέω ) ausgeprägter. Neben diesen acht Belegen für εἰκών in der Sap finden sich in der Septuaginta weitere 32 Vorkommen, von denen allein 15 auf das Danielbuch (Dan 2 f) entfallen. In Dan 2 wird das aus Gold, Silber, Bronze, Eisen und Ton bestehende »Standbild« aus der Vision Nebukadnezars als εἰκών bezeichnet (Dan 2 , 31 . 34 . 35 ). Ebenso wird in Dan 3 das von Nebukadnezar errichtete »Standbild«, das von jedermann in seinem Reich anzubeten ist, als εἰκών benannt (Dan 3 , 1 . 2 . 3 . 5 . 7 u. ö.). Die Verwendung von εἰκών für Götzenbilder findet sich auch in anderen Büchern der Septuaginta. 383 Außerdem kann εἰκών in Jes 40 , 19 f in einer neutralen Beschreibung der Handwerkskunst verwendet werden. Gänzlich unterschieden hiervon ist der Gebrauch von εἰκών in der Genesis. Vier der fünf Belege dienen in Gen zur unmittelbaren Bezeichnung der Gottebenbildlichkeit des Menschen (Gen 1 , 26 . 27 ; 5 , 1 ; 9 , 6 ). 384 Die Aussage, dass der Mensch »nach dem Bilde Gottes« ( κατ’ εἰκόνα ἡμετέραν Gen 1 , 26 ; κατ’ εἰκόνα θεοῦ Gen 1 , 27 ) gemacht ist, wird in Gen 5 , 1 zu Beginn der Adamgenealogie wieder aufgegriffen. In Gen 9 , 6 wird die Warnung, kein Menschenblut zu vergießen, mit der Gottebenbildlichkeit begründet. Angesichts dieser exponierten und prominenten Verwendung von εἰκών in der Genesis verwundert die sehr geringe Rezeption, die der Begriff εἰκών in Verbindung mit dem Motiv der Gottebenbildlichkeit in der Septuaginta erfahren hat. Außer in Sap 2 , 23 findet sich dieser Zusammenhang lediglich noch ein weiteres Mal bei Jesus Sirach. In Sir 17 , 3 wird in der Aussage, Gott habe die Menschen nach seinem Bilde gemacht, Gen 1 , 26 f aufgenommen. Dabei wird wie in Sap 2 , 23 neben εἰκών auch das Verb ποιέω übernommen ( κατ’ εἰκόνα αὐτοῦ ἐποίησεν αὐτούς Sir 17 , 3 ). Aus diesem Befund für εἰκών wird deutlich, 382 In Sap 17 , 21 wird die die Frevler überkommende Nacht als »Bildnis« ( εἰκών ) der Finsternis beschrieben. 383 Ez 7 , 20 ; 16 , 17 ; 23 , 14 ; Hos 13 , 2 ; Dtn 4 , 16 ; II Reg 11 , 18 ; II Chr 33 , 7 . 384 In Gen 5 , 3 wird εἰκών zur Beschreibung von Adams Sohn Set gebraucht, den »Adam sich selbst ähnlich und nach seinem Bilde zeugte« ( ἐγέννησεν [sc. Adam] κατὰ τὴν ἰδέαν αὐτοῦ καὶ κατὰ τὴν εἰκόνα αὐτοῦ ). Jacob, Genesis, S. 163 , deutet die erste menschliche Zeugung als Übertragung der Gottebenbildlichkeit von Adam auf Set. 146 <?page no="147"?> welche Besonderheit die Rezeption der Schöpfungsgeschichte in Sap 2 , 23 innerhalb der Septuaginta darstellt. Gemeinsam mit Sir 17 , 3 stellt Sap 2 , 23 in der Septuaginta einen vollkommen isolierten Einzelfall der expliziten Wiederaufnahme der Gottesebenbildlichkeit von Gen 1 , 26 f dar. 385 Erst in der jüdischen Literatur aus hellenistisch-römischer Zeit, also in Schriften, die derselben Epoche wie die Sap entstammen, wird die in Gen 1 , 26 formulierte Gottebenbildlichkeit des Menschen breiter rezipiert. So wird Gen 1 , 26 f z. B. in der Apokalypse des Mose aufgenommen, indem der Mensch sechs Mal Abbild Gottes genannt wird. 386 Um vom Menschen zu reden, wird die mit ἄνθρωπος synonyme Wendung εἰκών θεοῦ (ApcMos 10 , 3 ( 2 x); 12 , 1 . 2 ) bzw. εἰκών σου (ApcMos 33 , 5 ; 35 , 2 ) verwendet. Noch deutlicher ist der Rückgriff auf Gen 1 , 26 f in TestXII.Naph 2 , 5 , indem hier der Mensch dadurch näher beschrieben wird, dass er ein von Gott geschaffenes Abbild ist ( κύριος πάντα γὰρ ἄνθρωπον ἔκτισε κατ’ εἰκόνα ἑαυτοῦ ). Auf ähnliche Weise nimmt auch Sib 3 , 8 die Gottebenbildlichkeit des Menschen auf, wenn es dort heißt, die »Menschen haben eine von Gott geschaffene Gestalt im Abbild« ( ἄνθρωποι θεόπλαστον ἔχοντες ἐν εἰκόνι μορφήν ). Daneben findet sich im Aristeasbrief aber auch die Verwendung von εἰκών als Bezeichnung für Götzenbilder (Arist 135 ). Bei Philo ist εἰκών 120 Mal belegt. Aufgrund dieses umfangreichen Befundes sollen an dieser Stelle allein einige der insgesamt 16 Belege in ›De opificio mundi‹ untersucht werden. 387 In diesem Werk, das den Auftakt der philonischen Auslegung der Tora bildet, steht die Auseinandersetzung mit der Schöpfungsgeschichte nach Gen 1 - 3 im Mittelpunkt. 388 385 Das Motiv der Gottebenbildlichkeit des Menschen findet sich in Abwandlung in Ps 8 , 6 ( ψ 8 , 6 ). Allerdings übersetzt die Septuaginta an dieser Stelle das hebräische טעמ והרסחתו יהלאמ mit ἠλάττωσας αὐτὸν βραχύ τι παρ’ ἀγγέλους . Eine explizite Aufnahme von Gen 1 , 26 f liegt hier in keinem Fall vor. 386 Diese sechs Vorkommen für εἰκών sind zugleich die einzigen in der ApcMos. Denis, Concordance, S. 298 , zählt auch ApcMos 29 , 9 zum wahrscheinlichen Originaltextbestand und kommt daher auf insgesamt sieben Belege für εἰκών . Nach der Textausgabe von Dochhorn wird ApcMos 29 , 9 jedoch nicht zum Grundtext der ApcMos gerechnet, da es sich bei diesem Vers um eine sekundäre Interpolation handele. Vgl. Dochhorn, Apokalypse, S 60 f. Vgl. ebenso Merk / Meiser, Leben, S. 841 . 387 Op 17 ; 25 ( 4 x); 31 ; 69 ( 2 x); 71 ( 2 x); 72 ; 78 ; 100 ; 134 ( 2 x); 146 . 388 Vgl. zu Philos Rezeption von Gen 1 , 26 f Jervell, Imago, S. 52 - 70 . Vgl. darin besonders den Abschnitt »C. Der Idee-Mensch und Gen 1 , 27 «, S. 64 - 66 . Jervell macht in diesem Unterabschnitt seiner Untersuchung zur Aufnahme von Gen 1 , 26 f im Judentum, in der Gnosis und in den paulinischen Briefen eine entscheidende hermeneutische Bemerkung, die für das Verständnis von ›De opificio mundi‹ unerlässlich ist. Hinter »dem platonischen Schema νοητά αἰσθητά « (S. 64 ), das in ›De opificio mundi‹ bestimmend ist, erkennt er die Absicht Philos, die Superiorität von Gen 1 gegenüber der platonischen Schöpfungslehre, so wie sie im Timaios dargelegt ist, zu zeigen. 147 <?page no="148"?> Grundlegend für das Verständnis der philonischen Rezeption der beiden Schöpfungsberichte der Gen ist die von Philo vorgenommene Unterscheidung zwischen der Erschaffung der »intelligiblen Welt« ( κόσμος νοητός Op 15 ) und der wirklichen, »sinnlich wahrnehmbaren Welt« ( κόσμος ὁρατός Op 16 bzw. κόσμος αἰσθητός Op 19 ). 389 Die während des ersten Schöpfungstages geschaffene intelligible Welt stellt nach Philo das Idealbild, das Produkt des »göttlichen Logos« ( θεῖος λόγος Op 20 ) dar. 390 Vor diesem hermeneutischen Hintergrund deutet Philo den Begriff εἰκών in seiner Auslegung von Gen 1 , 26 . Seiner Interpretation von Gen 1 , 26 zufolge ist die Beschreibung des Menschen als εἰκών Gottes nicht auf den sinnlich wahrnehmbaren Menschen zu beziehen, sondern auf die Idee des Menschen begrenzt. Diese »Ebenbildlichkeit« ( εἰκών ) kommt nicht dem physischen Menschen zu, sondern nur dem jeden Menschen innewohnenden Führer der Seele, dem »Geist« ( νοῦς Op 69 ). 391 Die Erschaffung des physischen Menschen weist Philo daher dem zweiten Schöpfungsbericht zu. In der plastischen Schilderung der Erschaffung des Menschen in Gen 2 , 7 sieht er den Beleg dafür, dass ein Unterschied zwischen dem jetzt aus Erde geformten (Gen 2 , 7 ) und dem zuvor nach dem »Abbild« ( εἰκών ) Gottes gemachten Menschen besteht (Gen 1 , 26 ). Der aus Erde geformte Mensch ist »sinnlich wahrnehmbar« ( αἰσθητός ), besteht aus Leib und Seele, ist Mann oder Frau und von Natur aus »sterblich« ( θνητός ). Dagegen ist der nach dem Ebenbild Gottes geschaffene Mensch eine »Idee« ( ἰδέα ), ein »Gattungsbegriff« ( γένος ) oder ein »Siegel« ( σφραγίς ), dem die Eigenschaften des sinnlich wahrnehmbaren Menschen nicht zukommen, da er nur »gedacht« ( νοητός ) ist, keinen Körper hat, weder Mann noch Frau ist und »unsterblich« ( ἄφθαρτος ) ist (Op 134 ). In seiner Auslegung zu Gen 1 , 27 fügt Philo in Op 25 ohne exegetische Begründung den Gedanken eines doppelten Abbildes ein. Da der Logos Abbild Gottes ist ( τὸ παράδειγμα, ἀρχέτυπος ἰδέα τῶν ἰδεῶν ὁ θεοῦ λόγος ), ist der Mensch als Abbild eines Abbildes geschaffen ( μίμημα θείας εἰκόνος ). Diese Vorstellung des Menschen als Abbild eines Abbildes wird allerdings an keiner weiteren Stelle in Op wieder aufgegriffen. Auch in den 389 Zu Philos Interpretation des ersten Schöpfungstages als Ursprung der intelligiblen Welt vgl. den Exkurs »Philo and the doctrine of the ideas as God’s thoughts«, in: Runia, Philo, S. 151 f. Im Anschluss daran (S. 153 f) gibt Runia noch einen Überblick über das »Nachleben« von Philos Exegese zu »day one« der Schöpfung in frühen christlichen und jüdischen Texten. 390 Vgl. Op 71 ; Plat Tim. 29 e- 30 b. 391 Eine positivere Beurteilung des menschlichen Körpers findet sich in Op 145 f. Sowohl »Seele« ( ψυχή ) als auch »Körper« ( σῶμα ) sind »schön« ( κάλλος Op 145 ). Zwar wird nur dem »Geist« ( διάνοια ) eines jeden Menschen eine Affinität zur »göttlichen Vernunft« ( θεῖος λόγος ) zugewiesen, deren »Abglanz« ( ἀπαύγασμα Op 146 ) er ist. Aber auch dem Körper wird eine besondere Herkunft als »Abbild« ( εἰκών Op 146 ) bescheinigt. Es ist dies das einzige Mal in Op, dass εἰκών für den Körper des Menschen verwendet wird. Philo lässt an dieser Stelle allerdings offen, wessen Abbild der physische Mensch ist. Vgl. Runia, Philo, S. 330 - 334 . Für die positivere Bewertung des menschlichen Körpers in Op 136 - 147 weist Runia, Philo, S. 332 , ferner darauf hin, dass auch Platon nicht immer nur negativ über den Körper geurteilt hat, wie das positive Urteil hierzu in Plat. Tim 87 c- 89 c verdeutlicht. 148 <?page no="149"?> beiden Abschnitten Op 69 . 134 , die Anlass gäben, diese singuläre Auffassung erneut aufzunehmen, begegnet sie nicht. 392 Als Ergebnis der Betrachtung zur Verwendung von εἰκών in Philos ›De opificio mundi‹ ist zunächst eine Gemeinsamkeit mit der Sap festzuhalten. Ebenso wie die Sap greift auch Philo die Aussagen über die Gottebenbildlichkeit des Menschen aus Gen 1 , 26 f auf. Diese Beobachtung ist angesichts der sehr geringen Aufnahme von Gen 1 , 26 f innerhalb der Septuaginta hervorzuheben. Im Unterschied zu den beiden knappen Aufnahmen von Gen 1 , 26 f innerhalb der Septuaginta in Sap 2 , 23 und Sir 17 , 3 liefert Philo eine umfangreiche Exegese dieser beiden Verse aus der Gen. Gemeinsam ist der Rezeption von Gen 1 , 26 f in Op und in der Sap, dass in beiden Schriften die Gottebenbildlichkeit nicht auf den physischen Menschen bezogen wird. Im Neuen Testament kommt εἰκών 23 Mal vor. Eine direkte Aufnahme von Gen 1 , 26 f findet sich allerdings nur zwei Mal (I Kor 11 , 7 ; Kol 3 , 10 ). In I Kor 11 , 7 wird im Kontext der Bestimmungen zur rechten Ordnung in der Gemeinde das Verhältnis zwischen Frau und Mann auf Gen 1 , 26 f zurückgeführt. Darin wird »der Mann als Abbild und Abglanz Gottes« ( ᾽ Ανὴρ [. . .] εἰκὼν καὶ δόξα θεοῦ ὑπάρχων ) beschrieben, während »die Frau Abglanz des Mannes ist« ( ἡ γυνὴ δὲ δόξα ἀνδρός ἐστιν ). Diese Reduzierung der Gottebenbildlichkeit auf den Mann in I Kor 11 , 7 ist auf eine Verschränkung von Gen 1 , 26 f mit dem zweiten Schöpfungsbericht zurückzuführen. Paulus reiht sich hierin in die Tradition jüdischer Auslegungen zu Gen 1 , 26 f ein, die דא / ἄνθρωπος nicht als übergreifenden Gattungsbegriff verstehen, sondern nur als Bezeichnung für den Mann lesen. Damit wird die erst im zweiten Schöpfungsbericht begegnende Unterscheidung von Mann ( דאה / Αδαμ ) und Frau ( השׁא / γυνή ) von Paulus auf Gen 1 , 26 f übertragen und in I Kor 11 , 7 übernommen. 393 Etwas weniger deutlich ist die Anspielung auf Gen 1 , 26 f in Kol 3 , 10 . In einer ethischen Ermahnung, die sich an den durch Christus zum neuen Menschen gewordenen Christusgläubigen richtet, greift der Verfasser des Kolosserbriefes auf Gen 1 , 26 f zurück. Diejenigen, die den alten Menschen samt seinen Taten abgelegt (Kol 3 , 9 ) und den neuen angezogen haben (Kol 3 , 10 ), sind zu einem neuen Menschen geworden, der erneuert wird »zur Erkenntnis nach dem Bilde seines Schöpfers« ( εἰς ἐπίγνωσιν κατ’ εἰκόνα τοῦ κτίσαντος αὐτόν 392 Vgl. Runia, Philo, S. 149 f. - Nicht unerwähnt soll die Verwendung von εἰκών in Op 100 bleiben. In einer Auslegung zur Zahl Sieben bezeichnet Philo dort die Sieben als Abbild ( εἰκών ) Gottes. Vgl. Runia, Philo, S. 274 f. 298 - 300 . 393 Vgl. Kuhli, Art. εἰκών , Sp. 945 . Auch Wolff, Brief, S. 251 verweist darauf, dass Paulus den Singular דאה in Gen 1 , 27 nicht als Kollektivum für die Gattung Mensch, sondern allein als Bezeichnung des Mannes im Gegensatz zur Frau versteht. - Belege für diese zur Zeit des Paulus ebenfalls in jüdischen Texten begegnende Interpretation von Gen 1 , 26 f finden sich bei Jervell, Imago, S. 107 - 112 . 149 <?page no="150"?> Kol 3 , 10 ). Der in Kol ethisch besetzte Begriff »Erkenntnis« ( ἐπίγνωσις ) 394 lässt erkennen, welche Art der Ebenbildlichkeit hier im Blick ist. So geschieht die Aufnahme von Gen 1 , 26 f in Kol 3 , 10 nicht, um eine anthropologische Grundaussage zu treffen, sondern um die auf die fortwährende Erneuerung des durch Christus neu gewordenen Menschen zu beschreiben. Die Mehrzahl der Belege für εἰκών im Neuen Testament ist nur bedingt bzw. gar nicht mit Gen 1 , 26 f in Verbindung zu bringen. 395 Die einzigen Belege in den Evangelien finden sich bei den Synoptikern in der Perikope über die Steuerfrage (Mk 12 , 16 ; parr. Mt 22 , 20 ; Lk 20 , 24 ). εἰκών bezeichnet hier »das Münzbild des Kaisers«. Ebenso findet hier aber auch eine Übertragung auf den Menschen statt. So kann angenommen werden, dass auf die schöpfungstheologische Aussage angespielt wird, dass der Mensch nach Gottes Bild geprägt ist, auch wenn sich diese Aussage in der Perikope der Steuerfrage nicht explizit findet. 396 Die mit Abstand meisten Belege im Neuen Testament finden sich in Apk. 397 Alle zehn Vorkommen von εἰκών bezeichnen in Apk ähnlich wie in Dan 3 ein Kult- oder Götzenbild, das angebetet werden soll. Neben dieser Verwendung für plastische Bilder lassen die übrigen acht neutestamentlichen Belege für εἰκών ein weites Bedeutungsspektrum erkennen. 398 Das Verhalten der Menschen, die Gott nicht erkennen, sondern sich durch Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit auszeichnen (Röm 1 , 18 - 22 ), wird in Röm 1 , 23 als ein Verwandeln der Herrlichkeit Gottes »in ein Gleichnis eines Bildes vom vergänglichen Menschen« ( ἐν ὁμοιώματι εἰκόνος φθαρτοῦ ἀνθρώπου ) beschrieben. Nach Röm 8 , 29 sind die Christusgläubigen dazu bestimmt, εἰκών Christi zu sein. In gleicher Weise steht εἰκών in II Kor 3 , 18 : Die an Christus Glaubenden werden in dasselbe »Bild« ( εἰκών ) des Herrn verwandelt. Mit εἰκών soll hier kein Abbild bezeichnet werden, sondern das Wesen des Herrn. 399 Auch der Hebräerbrief verwendet εἰκών in diesem Sinne. Nach Hebr 10 , 1 hat das Gesetz nur einen »Schatten« ( σκιά ) von den zukünftigen Dingen, nicht aber »der Dinge Ebenbild« ( εἰκών τῶν πραγμάτων ), nicht deren Wesen. 400 Auch im Auferstehungskapitel I Kor 15 wird mit εἰκών das Wesen bezeichnet. Paulus bezeichnet hier in V. 49 mit den beiden Wendungen »Bild des Irdischen« ( εἰκών τοῦ χοϊκοῦ ) und »Bild des Himmlischen« ( εἰκών τοῦ ἐπουρανίου ) das jeweilige Wesen des »irdischen Leibes« ( σῶμα ψυχικόν ) und »geistlichen Leibes« ( σῶμα πνευματικόν ). Dabei greift Paulus in I Kor 15 auf Gen 1 - 3 zurück, indem er zwischen dem ersten und dem letzten Adam (I Kor 15 , 45 ) differenziert. 401 Schließ- 394 Vgl. Schweizer, Brief, S. 148 , und Kol 1 , 9 f. 395 Vgl. zur Verwendung von εἰκών im Neuen Testament Eltester, Eikon, S. 22 - 25 . 396 Vgl. Wiefel, Matthäus, S. 381 , in seiner Kommentierung von Mt 22 , 20 . 397 Apk 13 , 14 . 15 ( 3 x); 14 , 9 . 11 ; 15 , 2 ; 16 , 2 ; 19 , 20 ; 20 , 4 . 398 Kuhli, Art. εἰκών , Sp. 943 f, ordnet die Vorkommen von εἰκών bei Paulus drei unterschiedlichen Verhältnisbestimmung zu. ( 1 ) Der Mann als εἰκών Gottes. ( 2 ) Christus als εἰκών Gottes. ( 3 ) Die Christusgläubigen als εἰκών Christi. Aufgrund dieses Befundes mahnt Kuhli berechtigterweise zu Zurückhaltung bezüglich einer Harmonisierung und Systematisierung der einzelnen εἰκών Belege bei Paulus. 399 Vgl. Kuhli, Art. εἰκών , Sp. 948 f, und Eltester, Eikon, S. 24 . 400 Zur Gegenüberstellung von σκιά und εἰκών in Hebr 10 , 1 vgl. Gräßer, Hebräer, S. 206 f. 401 I Kor 15 , 47 ὁ πρῶτος ἄνθρωπος ἐκ γῆς χοϊκός, ὁ δεύτερος ἄνθρωπος ἐξ οὐρανοῦ »Der erste Mensch ist von der Erde, irdisch, der zweite Mensch vom Himmel.« 150 <?page no="151"?> lich gibt es im Neuen Testament auch christologische Aussagen, in denen εἰκών verwendet wird. So wird Christus in II Kor 4 , 4 und Kol 1 , 15 als »Abbild Gottes« ( εἰκών τοῦ θεοῦ ) bezeichnet. 402 Dieser kurze Überblick über die neutestamentliche Verwendung von εἰκών zeigt, dass die mit dem Stichwort εἰκών verbundene Aufnahme von Gen 1 , 26 f bis ins Neue Testament reicht. Der Befund für das Neue Testament ähnelt dem für die Septuaginta stark. Nur an einigen wenigen Stellen (I Kor 11 , 7 ; 15 , 49 ; Kol 3 , 10 ; vgl. Sir 17 , 3 ; Sap 2 , 23 ) wird mittels εἰκών auf die Schöpfungsgeschichte der Genesis rekurriert, während das Lexem am häufigsten zur Bezeichnung von Kultbildern dient. 403 Wie an den beiden Aufnahmen von Gen 1 , 26 f in I Kor 11 , 7 ; 15 , 49 und Kol 3 , 10 gezeigt werden konnte, besteht auch im Neuen Testament ein Interpretationsspielraum in den Aussagen zur Gottebenbildlichkeit des Menschen. Aufgrund der obigen Untersuchung zur Verwendung von εἰκών in den Werken der kanonischen und nichtkanonischen Literatur, die in relativer zeitlicher Nähe zur Sap entstanden sind, lässt sich zunächst feststellen, dass die Rezeption von Gen 1 , 26 f ein sehr spätes Phänomen innerhalb der jüdischen Schriftauslegung ist, dessen älteste Spur in der Septuaginta in Sir 17 , 3 vorliegt. Neben den ersten vereinzelten Aufnahmen setzt erst in der parabiblischen Literatur eine stärkere Aufnahme dieser prominenten Verse aus der Genesis ein. Am eindrücklichsten und umfangreichsten wird Gen 1 , 26 f bei Philo, dem Zeitgenossen des Verfassers der Sap, aufgenommen. Im Neuen Testament ist die Rezeption zwar auch nachzuweisen, aber ebenfalls wie in der Septuaginta nicht sonderlich breit. Insgesamt lässt sich kein starres Interpretationsmuster für Gen 1 , 26 f in den genannten Schriften nachweisen, das etwa auf Sap 2 , 23 zu übertrage wäre. Stattdessen besteht ein breites Spektrum mit jeweils individuellen Auslegungen von Gen 1 , 26 f. Wie in den textkritischen Anmerkungen zu Sap 2 , 23 b bereits erwähnt wurde, ist der Mensch als Abbild des göttlichen »Wesens« ( ἰδιότης ) gemacht. 404 Dies impliziert für den Menschen die Teilhabe an spezifisch göttlichen Eigenschaften. Auf welche göttliche Wesenseigenschaft an dieser Stelle Bezug genommen wird, lässt sich allerdings nur vermuten. 405 Aufgrund der Struk- 402 Vgl. zur christologischen Verwendung von εἰκών Eltester, Eikon, S. 130 - 152 . 403 Vgl. hierzu die zehn neutestamentlichen Belege für εἰκών in Apk mit den 15 Belegen in der Septuaginta in Dan 2 f. 404 In den Kommentaren zur Stelle finden sich folgende Übersetzungen für τῆς ἰδίας ἰδιότητος : Hübner, Weisheit, S. 45 , und Grimm, Weisheit, S. 82 : »seines eigenen Wesens«; Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 171 : »della propria natura«; Larcher, Sagesse, Bd. 1 , S. 266 : »de sa propre particularité«; Winston, Wisdom, S. 112 : »of his own proper being«; Vílchez, Sapienza, S. 188 : »del suo proprio essere«. 405 Feldmann, Weisheit, S. 35 , folgert aus der Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gottes Wesen, dass Gott den Menschen »zur Teilnahme an seinen Vollkommenheiten, Erkenntnis und Liebe« bestimmt habe. Gründe, warum gerade die Eigenschaften der Erkenntnis 151 <?page no="152"?> tur des Parallelismus Membrorum in Sap 2 , 23 ist es naheliegend, ἰδιότης von ἀφθαρσία her zu deuten. 406 Die in Sap 2 , 23 a getroffene Aussage, der Mensch sei von Gott zur Unvergänglichkeit geschaffen worden, wird dieser Deutung zufolge in Sap 2 , 23 b mit anderen Worten wiederholt. Aus der Verwendung von ἰδιότης in anderen Schriften des Judentums und in der Septuaginta können keine weiterführenden Rückschlüsse für die Deutung von Sap 2 , 23 b gezogen werden, da ἰδιότης hier bis auf die Ausnahmen 3 Mac 7 , 17 und Arist 97 kein weiteres Mal belegt ist. Auch im Neuen Testament existieren keine Belege. Zwar ist ἰδιότης auch in 3 Mac 7 , 17 mit Eigenschaft oder Wesen zu übersetzen, jedoch als Teil einer topographischen Erläuterung, sodass keine Rückschlüsse darauf möglich sind, welches besondere Wesensmerkmal von Gottes Wesen in Sap 2 , 23 b gemeint ist. Gleiches gilt für die 25 Belege bei Philo, die ebenfalls stets mit Wesen, Eigenschaft oder Charaktermerkmal zu übersetzen sind, aber kein einziges Mal Gottes Wesen näher bestimmen. Auch der einzige Beleg für ἰδιότης in den nichtkanonischen jüdischen Schriften aus hellenistischer Zeit (Arist 97 ) lässt keine weiteren Schlüsse für die Auslegung von Sap 2 , 23 b zu, da in Arist 97 lediglich auf das »Spezifikum« ( ἰδιότης ) der Farblichkeit bestimmter Edelsteinen verwiesen wird. 4 . 8 . 4 Sap 2 , 24 . Die zweite Ätiologie des Todes Nach den Ausführungen über die Unvergänglichkeit schließt der Kommentar zur Rede der Gottlosen in Sap 2 , 24 mit einem Kontrapunkt, indem die Herkunft des Todes thematisiert wird. Der Gegensatz zu den vorangehenden Ausführungen wird durch ein adversatives δέ verdeutlicht. Wie schon in Sap 2 , 21 - 23 wird auch in Sap 2 , 24 auf Sap 1 , 11 - 15 Bezug genommen. Nachdem in Sap 1 , 13 die negative Aussage getroffen wurde, Gott habe den Tod nicht gemacht, erfolgt in Sap 2 , 24 ein weiterer Erklärungsversuch für die Existenz des Todes, der über die erste Ätiologie des Todes in Sap 1 , 16 407 hinausgeht. Weder Gott 408 noch die Gottlosen (Sap 1 , 16 ) werden in Sap 2 , 24 für das Hineintreten des Todes in die Welt verantwortlich gemacht, sondern der Neid des Teufels. Zur Ätiologie des Todes in Sap 1 , 16 besteht eine klare literarische Verbindung, da die dortige Wendung τῆς ἐκείνου μερίδος unverändert in Sap 2 , 24 b wieder aufgenommen wird und ebenfalls auf θάνατος zu beziehen ist. Nachdem in Sap 1 , 16 der Tod dem handfesten und wortgewaltigen Wirken der Gottlosen zugeschrieben wurde, nimmt der Verfasser der Sap und der Liebe aus der Ebenbildlichkeit mit Gottes Wesen für den Menschen folgen, nennt Feldmann aber nicht. 406 Dies wird auch der Grund für die varia lectio sein, die ἀϊδιότης anstelle von ἰδιότης liest. 407 Vgl. Larcher, Sagesse, Bd. 1 , S. 271 . 408 Dass Gott den Tod nicht gemacht hat, steht bereits in Sap 1 , 13 . 152 <?page no="153"?> in Sap 2 , 24 einen erneuten Anlauf, sich auch am Schluss der Rede mit der Herkunft des Todes auseinanderzusetzen. Statt auf menschliches Handeln und Reden wird der Tod nun auf den Neid des Teufel zurückgeführt. Hierbei handelt es sich wie bereits bei der Ätiologie des Todes in Sap 1 , 16 um einen Erklärungsversuch für den Ursprung des eschatologischen Todes. 409 Bezüglich der Übersetzung sei auf zwei Probleme hingewiesen. Während der erste Halbvers (Sap 2 , 24 a) keine Probleme bereitet, sind in Sap 2 , 24 b gleich zwei diskussionswürdige Entscheidungen bei der Übersetzung zu treffen. So sind der ungewöhnliche Gebrauch von πειράζω und die mehrfachen Beziehungsmöglichkeiten der Pronomen αὐτός und εἰκεῖνος zu erwähnen. 410 Eindeutig ist jedoch die enge Verzahnung beider Vershälften durch diese beiden Pronomen. Sap 2 , 24 a. Der Tod kommt durch den Teufel φθόνῳ δὲ διαβόλου θάνατος εἰσῆλθεν εἰς τὸν κόσμον Aber durch den Neid des Teufels ist der Tod in die Welt hineingekommen Sap 2 , 24 a ist an Sap 2 , 23 mit adversativem δέ angeschlossen 411 und zeigt den Gegensatz auf, der zwischen der für alle Menschen intendierten Unvergänglichkeit und dem einige Menschen, nämlich nur die Gottlosen, betreffenden Tod besteht. Die Existenz des Todes wird auf den Neid des Teufels zurückgeführt. Worauf sich der Neid des Teufels richtet, wird nicht explizit gesagt. Angesichts der Gegenüberstellung von Unvergänglichkeit (Sap 2 , 23 ) und Tod (Sap 2 , 24 ) ist anzunehmen, dass es sich hierbei um die Unvergänglichkeit des Menschen handelt, die beim Teufel den Neid erweckt. 412 Entscheidend ist, dass der Grund des Todes außerhalb Gottes in einer widergöttlichen Macht liegt. Der Tod ist damit explizit aus den Schöpfungswerken Gottes ausgegliedert. Obwohl nach Sap 1 , 14 alles zu Gottes Schöpfung gezählt wird, ist der Tod hiervon ausgenommen. Der in Sap 1 , 14 stehende Zusatz, dass Gott alles geschaffen habe, dass es sei, macht es geradezu unumgänglich, den Ursprung für die Existenz des Todes außerhalb von Gott zu suchen ( ἔκτισεν γὰρ εἰς τὸ εἶναι τὰ πάντα Sap 1 , 14 ). Noch zwingender legt Sap 1 , 13 die Zuordnung des Todes zu einer widergöttlichen Macht nahe. Die negative Aussage, Gott habe den Tod nicht gemacht ( ὁ θεὸς θάνατον οὐκ ἐποίησεν Sap 1 , 13 ), nötigt geradezu zu einer Ätiologie des Todes, die den Ursprung des Todes einem anderen Grund als Gott zuweist. Wie bereits erwähnt, liefert 409 Dagegen wurde die Meinung, θάνατος bezeichne in Sap 2 , 24 die »physische Sterblichkeit«, jüngst von Dochhorn, Kain, S. 150 f, wieder bekräftigt. 410 Vgl. jeweils die Diskussion unten zu Sap 2 , 24 b. 411 Ebenso ist auch Sap 1 , 16 mit adversativem δέ an Sap 1 , 11 - 15 angefügt. 412 So auch Hübner, Weisheit, S. 48 , Vílchez, Sapienza, S. 195 , und Grimm, Weisheit, S. 84 . 153 <?page no="154"?> schon Sap 1 , 16 hierfür eine schlüssige Antwort, indem die Herkunft des herbeigerufenen ( προσκαλέω ), also vorher nicht dagewesenen Todes dem Verhalten der Gottlosen zugeschrieben wird. Ebenfalls als Konsequenz von Sap 1 , 13 f erscheint aber auch die Zuweisung der Herkunft des Todes an den Teufel. Auch die Sap 1 , 13 f wieder aufnehmende Argumentation in Sap 2 , 24 a macht als Konsequenz der in Sap 1 , 13 f getroffenen Schöpfungsaussagen nicht Gott, sondern den Neid des Teufels für den Ursprung des Todes verantwortlich und kreiert damit eine vollkommen neue, bis dahin in den Schriften der Septuaginta gänzlich unbekannte Vorstellung. 413 In keinem anderen Buch der Septuaginta ist das Motiv vom Neid des Teufels auch nur ansatzweise belegt. Selbst das Substantiv φθόνος (»Neid«) ist der Septuaginta im Wesentlichen fremd. Erst in einigen Spätschriften, in den Makkabäerbüchern und in der Sap, ist es vier Mal belegt. Lediglich in Sap 2 , 24 ist φθόνος als teuflischer Neid qualifiziert. Die drei weiteren Vorkommen von φθόνος handeln hingegen vom menschlichen Neid ( 1 Mac 8 , 16 ; 3 Mac 6 , 7 ; Sap 6 , 23 ). So endet das große Lob auf die Römer in 1 Mac 8 , 1 - 16 mit der Feststellung, dass es im politischen System der Römer weder »Neid noch Eifersucht« ( φθόνος οὐδὲ ζῆλος 1 Mac 8 , 16 ) auf die Herrschenden gibt. Auch in 3 Mac 6 , 7 ist von menschlichem Neid die Rede. Eleasar führt in seinem Gebet ( 3 Mac 6 , 1 - 15 ), das einen ausgewählten Abriss der Geschichte Israels beinhaltet, das Hinabwerfen Davids in die Löwengrube auf den Neid zurück, der hinter den haltlosen Anschuldigungen gegen ihn steht. Umstritten ist, ob der Beleg für φθόνος in Sap 6 , 23 ebenfalls als Neid des Menschen, in diesem Fall des in Sap 6 , 22 - 25 in der ersten Person redenden Salomon, zu deuten ist, oder wie in Sap 2 , 24 als Neid des Teufels. Die Meinungen der Kommentare hierzu gehen auseinander. 414 Sicher ist jedoch, dass in Sap 6 , 23 der auch bei Philo zu beobachtende Gegensatz von φθόνος und σοφία prägend ist. Salomon will mit »verzehrendem Neid« ( φθόνῳ τετηκότι ) keine Gemeinschaft haben, da dieser nichts mit der »Weisheit« ( σοφία ) gemein hat (Sap 6 , 23 ). Betrachtet man den Makrokontext von Sap 2 , 24 , so steht die Opposition von φθόνος und σοφία auch hinter dem Abschlusskommentar zur Rede der Gottlosen. Die hedonistische Reaktion der Gottlosen auf ihre irdische Vergänglichkeit hat die Verwirkung der im Menschen von Gott angelegten Unvergänglichkeit zur Folge (Sap 1 , 16 ). Im Schlusskommentar wird dieses Verwirken der von Gott intendierten eschatologischen Bestimmung des Menschen auf den Neid des Teufels zurückgeführt, der Ursprung des ewigen Todes ist. Hingegen ist bei Salomon als Reaktion auf seine natürliche Sterblichkeit 413 Zum Verhältnis der ersten (Sap 1 , 16 ) zur zweiten (Sap 2 , 24 ) Ätiologie des Todes vgl. die Ausführungen am Schluss der Untersuchungen zu Sap 2 , 24 a. 414 Hübner, Weisheit, S. 91 , legt Sap 6 , 23 strikt vom näheren Kontext her aus. Salomon ist nach Hübners Deutung nicht neidisch auf das Glück anderer, sodass er auch diese an dem mit dem Erhalt der Weisheit verbunden Glück teilhaben lässt. In gleicher Weise legt auch Grimm, Weisheit, S. 135 , Sap 6 , 23 aus. Vgl. ferner Larcher, Sagesse, Bd. 2 , S. 438 , und Feldmann, Weisheit, S. 54 . - Vílchez, Sapienza, S. 276 , legt Sap 6 , 23 dagegen stärker von Sap 2 , 24 aus, indem er hervorhebt, dass der Neid dem Teufel und dem Tod zuzuordnen ist. 154 <?page no="155"?> (Sap 7 , 1 - 6 ) eine starke Hinwendung zur Weisheit zu beobachten. Aufgrund seiner irdischen Vergänglichkeit bittet er um den Erhalt der Weisheit (Sap 7 , 7 ; 9 , 4 ), da er sich von ihr Unsterblichkeit erhofft ( ἕξω δι’ αὐτὴν ἀθανασίαν Sap 8 , 13 ), die den physischen Tod überdauern wird. Während der Neid des Teufels Tod, d. h. eschatologische Gottesferne, nach sich zieht, wird Weisheit Unsterblichkeit, d. h. eschatologische Gottesnähe, mit sich bringen. 415 Bei Philo ist diese Gegenüberstellung von Neid und Weisheit, aber auch von Neid und den guten Tugenden, häufig belegt. So finden sich unter den insgesamt 45 Belegen für φθόνος in Philos Schriften Auslegungen, in denen der Kontrast zwischen Neid und Weisheit eindrücklich aufgezeigt wird. Als erstes Beispiel hierfür sei die Gegenüberstellung von φθόνος und σοφία innerhalb der umfangreichen Kommentierung der kurzen Notiz von Sets Geburt (Gen 4 , 25 ) in Post 124 - 169 erwähnt. Ausgangspunkt der Argumentation ist eine für Philo typische Etymologie, in diesem Fall zur Bedeutung des Namens Set, die wie so häufig bei Philo unzutreffend, aber trotz allem bemerkenswert ist. Seiner Ansicht nach ist der Name Set ( תשׁ ) auf die Wurzel התשׁ (»trinken«) zurückzuführen und bedeutet Tränken (Post 124 ). 416 Dieses Tränken beinhaltet drei Aspekte: ( 1 ) Das Tränken der Seele durch das Nass der Weisheit, 417 was für die Seele zu Fortschritten im Guten führt. ( 2 ) Das Tränken der Sinne durch den Geist (Post 126 ) und ( 3 ) das Tränken der Tugend durch Gottes Vernunft (Post 128 f). Zur Illustration führt Philo drei Beispiele an, u. a. eine Abhandlung zur Begegnung von Rebekka und Isaak am Brunnen (Gen 24 , 16 - 20 ). 418 Allegorisch deutet Philo Rebekkas Wasserschöpfen am Brunnen als ein Schöpfen vom Quell der Weisheit (Post 136 ). Auf Isaaks Bitte, ihm von dem geschöpften Wasser zu trinken zu geben, lässt Rebekka eilends den Krug herab und gibt ihm bereitwillig aus eigenem Entschluss, von dem Neid ausdrücklich ausgeschlossen ist, 419 vom Wasser zu trinken. Rebekka gewährt Isaak somit ohne jeglichen Neid Anteil an der Weisheit, da ihr Neid fremd ist. Noch deutlicher wird die Opposition von Neid und Weisheit in SpecLeg 4 , 75 . Dort heißt es, dass alle, die aus dem Quell der Weisheit geschöpft haben, den Neid aus ihrer Seele verbannt haben. 420 Ebenso pointiert bekennt Philo in prob. 13 unter Berufung auf die hochheilige Autorität 415 Vgl. Prov 8 , 36 οἱ δὲ εἰς ἐμὲ ἁμαρτάνοντες ἀσεβοῦσιν τὰς ἑαυτῶν ψυχάς καὶ οἱ μισοῦντές με ἀγαπῶσιν θάνατον »Diejenigen aber, die gegen mich (sc. die Weisheit) sündigen, leben gottlos. Alle, die mich hassen, lieben den Tod.« 416 Zur Diskussion, inwiefern Philo der hebräischen Sprache mächtig war, vgl. Sandmel, Knowledge. Sandmel kommt in seinem kurzen Aufsatz zu dem Ergebnis, dass Philo durchaus geringe Kenntnisse der hebräischen Sprache gehabt haben mag. Für die Bedeutung seiner Bibelauslegungen sei es allerdings irrelevant, dass Philos Gebrauch des Hebräischen und die damit verbundenen Etymologien höchstwahrscheinlich nicht auf profunder Sprachkenntnis fußen und etymologisch falsch sind. 417 Post 125 ἡ ψυχή, καθάπερ φαίνεται, ὅταν νάματι ποτίμῳ σοφίας ἄρδηται. 418 Das Tränken Ismaels durch Hagar (Gen 21 , 16 - 20 ) und das Wasserwunder in Mara (Ex 15 , 22 - 24 ) sind die anderen beiden Beispiele. 419 Post 140 ἧς ὑπερόριος ἐκτετόξευται φθόνος . 420 SpecLeg 4 , 75 ὅσοι μεν γὰρ ἀπὸ πηγῶν ἠρύσαντο τῶν σοφίας, φθόνον ὑπερόριον τῆς διανοίας ἐληλακότες . 155 <?page no="156"?> Platons, 421 dass Neid keinen Platz im göttlichen Chor hat, sondern Weisheit das Göttlichste und das allen am meisten zur Verfügung Stehende ist. 422 φθόνος steht bei Philo aber nicht nur als Gegensatz zu σοφία , sondern auch zu ἀρετή . So definiert Philo »Tugend« ( ἀρετή ) als »neidlose« ( ἄφθονος ) und zum Schenken bereite Tat (Post 151 ). Ferner charakterisiert Philo den »Neid« ( φθόνος ) als »die Tugend hassend« ( μισάρετος ) und »das Schöne hassend« ( μισόκαλος Migr 183 ), weshalb »Neid von der Tugend zu trennen ist« ( φθόνος γὰρ ἀρετῆς διῴκισται SpecLeg 1 , 320 ). 423 Des Weiteren bewirkt Neid böses Handeln (VitMos 1 , 246 ). Philo kann Neid als das größte Übel (SpecLeg 3 , 3 ) und als starken und schwer abzuwehrenden Feind (Som 1 , 223 ; vgl. Jos 5 ) bezeichnen. Rettung erfahren vom Herrn nur diejenigen, bei denen der Neid entweder überhaupt keine Stätte findet oder schnell verfliegt (Praem 87 ). An diesen zahlreichen Belegen zeigt sich, dass der Begriff φθόνος bei Philo in unterschiedlichen Kontexten vorkommt, jedoch nie wie in Sap 2 , 24 in Verbindung mit dem Teufel gebracht wird. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Neid von Rettung (Praem 87 ), Weisheit (prob. 13 ) und Tugend (Migr 183 ) ausschließt. Damit stehen Philos Aussagen zum Neid durchaus in einer gewissen Nähe zu Sap 1 , 16 ; 2 , 24 . Die Gottlosen, die durch ihr Verhalten und Reden den Tod herbeigerufen haben und dem durch den Neid des Teufels in die Welt gekommenen Tod anhängen, stehen zweifelsohne fern von Rettung, Weisheit (Sap 3 , 11 ) und Tugend (Sap 5 , 13 ). Der Zuweisung des Todes zum Bereich des Teufels, also zu einer widergöttlichen Macht, in Sap 2 , 24 ähnelt die Ansicht Philos, dass Gott in seinem Wesen gütig und menschenfreundlich ist, den Neid aber von sich fern hält ( ὁ θεός φθόνον ἐληλακὼς ἀφ’ ἑαυτοῦ Abr 203 ). Im Neuen Testament wird φθόνος nur als Bezeichnung des menschlichen Neides verwendet. Die meisten Belege finden sich in Lasterkatalogen. 424 In den Evangelien gibt es nur ein Vorkommen von φθόνος . Pilatus führt die Auslieferung Jesu an ihn auf den Neid der Hohenpriester zurück (Mk 15 , 10 ; par. Mt 27 , 18 ). 425 Für die jüdische Literatur aus hellenistischer Zeit weist Denis für φθόνος 22 Belege aus, 426 davon allein 17 in TestXII, die in ihrer Grundschicht ins frühe 2 . Jahrhundert v. Chr. zu datieren sind. 427 Auf die in sich geschlossene Abhandlung über den Neid bzw. den bösen Geist des Neides in TestXII.Sim entfallen allein neun 421 Prob. 13 κατὰ τὸν ἱ ερώτατον Πλάτωνα . Vgl. zu prob. 13 die Ausführungen bei Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 373 . Vgl. Phaidr. 247 a. 422 Zum Gegensatz von Neid und Weisheit vgl. ferner Congr. 13 . 122 ; Fug 154 . 423 Zum Gegensatz von Neid und Tugend vgl. ferner Abr 191 ; Agr 121 ; Migr 151 . 424 Röm 1 , 29 ; Gal 5 , 21 ; I Tim 6 , 4 ; Tit 3 , 3 ; I Petr 2 , 1 . Auch Sib 3 , 377 nennt den Neid in einem Lasterkatalog. 425 Vgl. ferner Phil 1 , 15 ; Jak 4 , 5 . 426 Denis, Concordance, S. 776 . 427 Zur Datierung der TestXII vgl. Becker, Testamente, S. 17 . 25 . Die spätere christliche Überarbeitung ist leicht von der jüdischen Grundschrift abzuheben. - Denis, Concordance, S. 776 , listet folgende Belege für φθόνος auf: TestXII.Sim 1 ; 2 , 13 ; 3 , 1 . 2 . 4 . 6 ; 4 , 5 . 7 ; 6 , 2 ; TestXII.Dan 2 , 5 ; TestXII.Gad 4 , 5 ; TestXII.Jos 1 , 3 . 7 ; 10 , 3 ; TestXII.Ben 7 , 2 . 5 ; 8 , 1 ; Bar 13 , 4 ; Arist 224 ; Sib 3 , 337 . 662 ; FJub 10 , 1 . 156 <?page no="157"?> Belege für φθόνος . 428 Hier lässt sich eine große thematische und begriffliche Nähe zur Sap erkennen. So sind die Belege für φθόνος eingebunden in Aussagen über den »Herrscher der Verirrung« ( ὁ ἄρχων τῆς πλάνης ; vgl. Sap 2 , 21 : ἐπλανήθησαν ) und den »Geist der Eifersucht« ( τὸ πνεῦμα τοῦ ζήλου TestXII.Sim 2 , 7 ). Nachdem Simon erkannt hat, dass sein Handeln von diesen bösen Geistern bestimmt ist, »tut er Buße« ( μετανοήσας ) und bittet, vor Befleckung, Neid und Unbesonnenheit zurückgehalten zu werden (TestXII.Sim 2 , 13 ). Als Motivation für seine vormalige Absicht, Joseph nicht an die Ismaeliten zu verkaufen, sondern ihn zu töten, benennt Simon den Neid. Er bekennt sich des Neides auf den jüngeren vom Vater Jakob bevorzugten Bruder schuldig ( φθονήσας αὐτῷ TestXII.Sim 2 , 14 ). Infolgedessen ergeht in TestXII.Sim 3 , 1 die Aufforderung, sich vor dem Geist der Verirrung und des Neides zu hüten. 429 Diese Warnung wird damit begründet, dass der Neid Macht besitzt, über die ganze Gesinnung des Menschen zu herrschen. 430 Dieser den Menschen vereinnahmende Neid lässt nicht zu, dass der Mensch isst, trinkt oder etwas Gutes schafft (TestXII.Sim 3 , 2 ). Doch besteht in der Gottesfurcht auch die Möglichkeit der Erlösung vom Neid. 431 Wer sich »zum Herrn flüchtet« ( ἐπὶ κύριον καταφύγῃ ), wird sich des bösen Geistes entledigen und einen freien und »unbeschwerten Geist« ( διάνοια κούφη TestXII.Sim 3 , 5 ) haben. In der Gottesfurcht ist es dem Menschen zudem möglich, Ruhe 432 vor der Gefahr des Neides zu erlangen ( παύεται τοῦ φθόνου TestXII.Sim 3 , 6 ). Die bereits angedeuteten Gemeinsamkeiten in einzelnen Formulierungen, die zwischen TestXII.Sim und Sap bestehen, treten in TestXII.Sim 4 , 5 besonders deutlich hervor. Auch hier wird dazu ermahnt, sich vor Eifersucht und Neid zu hüten 433 und in Einfalt der Seele und mit gutem Herzen zu wandeln, 434 damit Gott Gnade, Ehre und Segen gebe. Das Befolgen der Bruderliebe 435 wird dazu führen, dass sich der Geist des Neides entfernen wird. In einem eschatologischen Ausblick wird in TestXII.Sim 6 , 2 - 7 schließlich eine Heilszeit beschrieben, die auf das Ablegen des Neides und aller Herzenshärte folgen wird. U. a. werden dann alle Geister der Verführung zum Zertreten gegeben und die Menschen werden über die bösen Geister, also auch über den Geist des Neides, herrschen (TestXII.Sim 6 , 6 ). 428 Hollander / De Jonge, Testaments, S. 109 f, erkennen im Neid das zentrale Thema in TestXII.Sim, was sie darin bestätigt sehen, dass bereits in einer Reihe von Handschriften περὶ φθόνου als Thema von TestXII.Sim genannt wird. In dem Abschnitt » φθόνος as central theme« verweisen sie auch auf die z. T. synonyme Verwendung von φθόνος / φθονεῖν und ζῆλος / ζηλοῦν in TestXII.Sim. 429 TestXII.Sim 3 , 1 φυλάξασθε ἀπὸ τῶν πνευμάτων τῆς πλάνης καὶ τοῦ φθόνου . Vgl. den Imperativ φυλάξασθε in Sap 1 , 11 , der ebenfalls eine Mahnung vor moralischer Fehlorientierung einleitet. 430 TestXII.Sim 3 , 2 ὁ φθόνος κυρι εύει πάσης τῆς διανοίας τοῦ ἀνθρώπου . 431 TestXII.Sim 3 , 4 ἡ λύσις τοῦ φθόνου διὰ φόβου θεοῦ γίνεται . 432 Zum Motiv der Ruhe und des Ausruhens vgl. Sap 4 , 7 ; 8 , 16 . 433 TestXII.Sim 4 , 5 φυλάξασθε [. . .] ἀπὸ παντὸς ζήλου καὶ φθόνου . Vgl. auch hier Sap 1 , 11 : φυλάξασθε . 434 TestXII.Sim 4 , 7 πορεύεσθε ἐν ἁπλότητι ψυχῆς καὶ ἐν ἀγαθῇ καρδίᾳ . Vgl. Sap 1 , 1 bc φρονήσατε περὶ τοῦ κυρίου ἐν ἀγαθότητι καὶ ἐν ἁπλότητι καρδίας ζητήσατε αὐτόν »Denkt über den Herrn nach in Güte und mit aufrichtigem Herzen sucht ihn.« 435 TestXII.Sim 4 , 7 ἀγαπήσατε ἕκαστος τὸν ἀδελφὸν αὐτοῦ . 157 <?page no="158"?> Aus der Darstellung der Belege für φθόνος in TestXII.Sim wird ersichtlich, dass nicht erst in der Sap das Motiv des Neides mit einer dem Menschen gegenüberstehenden Macht verbunden wird. Indem sich der Mensch an seinen Gott hält, ist es ihm aber möglich von der Macht des Neides befreit zu werden. Bezüglich der Terminologie besitzt die Darstellung der TestXII diesbezüglich noch eine gewisse Offenheit, da entweder vom Geist des Neides (z. B. TestXII.Sim 3 , 1 ) oder aber auch nur vom Neid, der nicht näher durch ein Genitivattribut bestimmt ist (z. B. TestXII.Sim 2 , 13 ), die Rede sein kann. Eine explizite Identifizierung mit dem Teufel findet in TestXII aber nicht statt, obwohl in dem textkritisch umstrittenen Abschnitt TestXII.Ben 7 , 2 f eine gewisse Verbindung von »Neid« ( φθόνος ) und »Beliar« ( Βελιάρ ) hergestellt wird. Der Aufruf, vor Beliar zu fliehen, wird hier damit begründet, dass dieser ein Schwert vergibt, das Mutter der sieben Übel ist, deren erster der Neid ist. 436 Von auffallender begrifflicher Nähe zu Sap 2 , 24 und auch zu Sap 2 , 21 erweist sich TestXII.Jos 1 , 3 . ἐγὼ εἶδον ἐν τῇ ζωῇ μου τὸν φθόνον καὶ τὸν θάνατον καὶ οὐκ ἐπλανήθην ἐν τῇ ἀληθείᾳ κυρίου. Ich sah in meinem Leben den Neid und den Tod, aber ich irrte nicht in der Wahrheit des Herrn. Sowohl die in der Septuaginta einmalige Verbindung von φθόνος und θάνατος (Sap 2 , 24 ) als auch das in Sap 2 , 21 den Abschlusskommentar zur Rede der Gottlosen einleitende Verb πλανάω sind in TestXII.Jos 1 , 3 unmittelbar miteinander verbunden. Neid und Tod beschreiben in TestXII.Jos 1 , 3 die Bedrohungen und Anfeindungen, die Joseph in seinem Leben widerfahren sind. φθόνος wird dabei wie auch an anderen Stellen in TestXII synonym für μῖσος verwendet. Das Verhalten der Brüder gegenüber Joseph war von Neid und Hass bestimmt, wie auch aus dem folgenden Vers TestXII.Jos 1 , 4 ersichtlicht wird ( οἱ ἀδελφοί μου οὗτοι ἐμίσησάν με ). 437 Mit dem Stichwort θάνατος werden die verschiedenen Mordversuche, die gegen Joseph erdacht wurden, zusammengefasst. 438 In diesem Punkt unterscheidet sich TestXII.Jos 1 , 3 trotz der großen terminologischen Nähe grundlegend von Sap 2 , 24 . Während in Sap 2 , 24 der durch den Neid des Teufels bewirkte Tod ein eschatologischer Tod ist, der für die Gottlosen Gottesferne bedeutet, bezeichnet θάνατος in TestXII.Jos 1 , 3 die Bedrohungen an Leib und Leben des Joseph in dieser Welt. Eine nicht nur terminologische, sondern auch inhaltliche Nähe besteht hingegen in der jeweiligen Verwendung von πλανάω in TestXII.Jos 1 , 3 und Sap 2 , 21 . Die Gottlosen in Sap 2 beklagen ihre irdische Vergänglichkeit und ziehen daraus den Schluss, alle Sinneslüste voll auszukosten und selbst vor Gewalt und Unterdrückung des Schwächeren 436 Hollander / De Jonge, Testaments, S. 432 , lesen in TestXII.Ben 7 , 2 das von den Handschriften gut bezeugte φθόνος , während Charles, Testaments, S. 224 , Anm. 9 , aufgrund der folgenden sechs Übel, die als Folgen des Krieges zusammengefasst werden können, vorschlägt, φόνος zu lesen. 437 Weitere Belege für die synonyme Verwendung von φθόνος und μῖσος in TestXII finden sich bei Hollander / De Jonge, Testaments, S. 368 f. 438 Vgl. Gen 37 , 20 ; TestXII.Jos 1 , 4 ; TestXII.Jos 3 , 1 ; TestXII.Ben 3 , 4 . 158 <?page no="159"?> nicht zurückzuschrecken. Dieses Verhalten wird ihnen in Sap 2 , 21 als Verirren ( ἐπλανήθησαν ) vorgehalten. In TestXII.Jos 1 , 3 ruft die Bedrohung durch verschiedene Mordversuche bei Joseph stattdessen kein Verirren hervor, sondern vielmehr ein Beharren in der Wahrheit des Herrn. 439 Damit zeigt sich, dass bereits TestXII.Jos 1 , 3 dieselben Motive und Begrifflichkeiten wie Sap 2 , 21 - 24 zusammenführt, allerdings ohne dabei die Rede vom Tod zu eschatologisieren wie dies in Sap 2 , 24 geschieht. Als letzte Belege für φθόνος in TestXII seien die beiden direkt aufeinander folgenden Verse TestXII.Ben 7 , 5 ; 8 , 1 genannt. Hier begegnet die Vorstellung von Kain als Prototyp einer neidischen und hassenden Person. Wer neidet oder seinen Bruder hasst, gleicht hierin Kain. 440 Einmal mehr ergeht in TestXII.Ben 8 , 1 der Aufruf, vor Bösem, Neid und Bruderhass zu fliehen und der Güte und Liebe anzuhängen. Neben den aufgezeigten Parallelen des Neidmotivs in der jüdischen und frühen christlichen Literatur ist auch auf den griechischen Topos des Neides der Götter zu verweisen. Gemäß griechischem Denken können menschliches Unglück, Missgeschick und Verhängnis mit dem Neid der Götter begründet werden. So berichtet in Aischylos’ Tragödie ›Die Perser‹ ein Bote, dass die fatalen Schlachtpläne Xerxes’ auf menschliche List und den Neid der Götter zurückgehen. Xerxes bleiben List und Neid verborgen und er beschließt seine verhängnisvollen Angriffspläne. 441 Da Xerxes u. a. vom Neid der Götter getäuscht war, resultierten seine militärischen Unternehmungen gegen die Griechen in einer verheerenden Katastrophe (Aischyl. Pers. 386 - 514 ). Sein erfolgloses militärisches Agieren wird somit durch den Neid der Götter begründet. Auch bei Herodot ist das Motiv der neidischen Gottheit belegt. Anhand des Schicksals des Polykrates, dem auf vielfältige Weise Glück und Erfolg beschieden war, zeigt sich, wie dicht beieinander Wohlwollen und Neid der Götter liegen. Polykrates, Herrscher von Samos, gilt bis nach Ägypten als ein erfolgreicher, geschätzter und wohlhabender Mann. Glück und Geschick sind ihm bei all seinen Kriegen und Unternehmung derart im Übermaß treu, dass es bei seinem ägyptischen Freund König Amasis Unbehagen auslöst. Daher schreibt dieser an Polykrates, er sei gar nicht erfreut, vom übermäßigen Wohlergehen seines Freundes zu hören, da er wisse, wie neidisch die Gottheit sei. 442 Da zuviel Glück ein böses Ende geradezu heraufbeschwöre, gibt Amasis den Rat, Polykrates solle sich selbst seines wertvollsten Gegenstandes berauben. Polykrates befolgt den Rat seines ägyptischen Freundes und wirft weit ab von der Küste seinen goldenen Siegelring ins offene Meer. Wenige Tage später jedoch erhält Polykrates von einem Fischer einen besonders prächtigen Fisch geschenkt, in dessen Bauch der goldene Siegelring gefunden wird. Polykrates berichtet Amasis von diesem schicksalhaften Fund. Dieser erkennt daraufhin, dass kein Mensch einen anderen vor dessen Schicksal bewahren kann (Hdt. 3 , 43 ). Um 439 Vgl. zur Verwendung von πλανάω in Sap 2 , 21 und TestXII.Jos 1 , 3 auch die Auslegung zu Sap 2 , 21 a. 440 TestXII.Ben 7 , 5 οἱ ὁμοιούμενοι τῷ Κάιν ἐν φθόνῳ εἰς τὴν μισαδελφίαν . 441 Aischyl. Pers. 361 f οὐ ξυνεὶς δόλον ῎ Ελληνος ἀνδρὸς οὐδὲ τὸν θεῶν φθόνον »Nichts ahnend von der List des Manns aus Hellas noch auch von der Götter Neid«. 442 Hdt. 3 , 40 ἐμοὶ δὲ αἱ σαὶ μεγάλαι εὐτυχίαι οὐκ ἀρέσκουσι, τὸ θεῖον ἐπισταμένῳ ὡς ἔστι φθονερόν . 159 <?page no="160"?> nicht selbst vom drohenden Unglück getroffen zu werden, kündigt er Polykrates die Freundschaft und bricht jeden Kontakt zu ihm ab. Amasis’ Anfangsbefürchtung, dass zuviel Glück den Neid der Gottheit provoziere, bewahrheitet sich schließlich, indem Polykrates einen grausamen Tod stirbt (Hdt. 3 , 125 ). 443 Es zeigt sich an diesem Punkt einmal mehr die Synthese, die das hellenistisch geprägte Judentum mit griechischen Vorstellungen eingegangen ist. Ein Anklang an das griechische Motiv vom Neid der Gottheit kann für Sap 2 , 24 kaum bestritten werden. An die Stelle der neidischen Gottheit tritt in Sap 2 , 24 der Neid des Teufels, der das Unglück des Todes bereitet. Aus den bisherigen Untersuchungen zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund des Neidmotivs wurde bereits deutlich, dass die Verbindung von Neid und Teufel in Sap 2 , 24 ein Novum in der jüdischen Literatur darstellt. Aber auch Belege, in denen διάβολος nicht mit dem Neidmotiv verbunden ist, sondern allein steht, sind in der Septuaginta relativ rar. Dieser Befund wird auf die zentrale alttestamentliche Vorstellung, dass allein der Gott Israels Macht besitzt, zurückzuführen sein. Für eine widergöttliche Macht, wie z. B. für den Teufel, ist im Kern der Schriften der Septuaginta kein Platz. 444 Dennoch gibt es einige wenige Belege für διάβολος in der Septuaginta. Neben dem einen Vorkommen in der Sap (Sap 2 , 24 ) ist διάβολος insgesamt noch weitere 21 Mal belegt, davon allein 13 Mal in Hi 1 f. 445 Die drei Vorkommen in Est 7 , 4 ; 8 , 1 ; 1 Mac 1 , 36 sind aus der Betrachtung auszuschließen, da διάβολος hier nicht mit »Teufel«, sondern mit »Bedrängnis« zu übersetzen ist. Auch in ψ 108 , 6 ( 109 , 6 ) ist mit διάβολος nicht der »Teufel« bezeichnet, sondern der »Ankläger vor Gericht«. Den übrigen Vorkommen ist gemeinsam, dass διάβολος jeweils als Bezeichnung eines Gott zugewiesenen und ihm unterstehenden Wesens gebraucht wird. 446 Im Prolog zum Hiobbuch (Hi 1 f) wird »der Teufel« ( ὁ διάβολος ) zu »den Boten Gottes« ( οἱ ἄγγελοι τοῦ θεοῦ Hi 1 , 6 ) gerechnet. Ihm kommt die Aufgabe zu, Hiobs Treue gegenüber Gott zu prüfen. Bei aller Verfügungsgewalt, die der Teufel über Hiob besitzt, bleibt eine klare Unterordnung des Teufels unter Gottes Macht jedoch eindeutig bestehen. Der Teufel ist nur deshalb in der Lage, Hiob Leid zuzufügen, weil Gott ihn dazu befähigt hat (Hi 1 , 12 ; 2 , 6 ). Bei all den gegen Hiob vom Teufel bewirkten Schicksalsschlägen handelt dieser nur bedingt eigenmächtig, bleibt aber letztlich unter der Kontrolle Gottes. Trotz dieser Abhängigkeit besteht die Intention der Teufelsvorstellung an dieser Stelle darin, die Verantwortung für Unheil, Übel und Böses möglichst außerhalb von Gott zu verorten 447 und nicht wie in Jes 45 , 7 als Teil Gottes erscheinen zu lassen. Dabei steht διάβολος im Hiobbuch 443 Vgl. Schmitt, Weisheit 1986 , S. 53 , für weitere Belege zum griechischen Motiv der neidischen Gottheit. 444 Vgl. etwa den strengen Monotheismus in Deuterojesaja (z. B. Jes 45 , 7 ), der neben Gott keinen Raum für die Existenz eines Teufels lässt. 445 I Chr 21 , 1 ; Est 7 , 4 ; 8 , 1 ; 1 Mac 1 , 36 ; ψ 108 , 6 ( 109 , 6 ); Hi 1 , 6 . 7 ( 2 x). 9 . 12 ( 2 x); 2 , 1 . 2 ( 2 x). 3 . 4 . 6 . 7 ; Sach 3 , 1 . 2 ( 2 x). 446 Im Hebräischen steht in den genannten Versen stets טשׂ . 447 Vgl. Hesse, Hiob, S. 28 . 160 <?page no="161"?> immer mit Artikel und wird somit noch nicht als Eigenname gebraucht. Gleiches gilt von den drei Belegen in Sach 3 , 1 . 2 . Auch hier erscheint der Teufel als Teil des Hofstaates Gottes und fungiert an dessen Seite als Ankläger gegen den Hohenpriester Josua, der vermutlich wegen des Vorwurfs der Unreinheit angeklagt werden soll. Eigene Macht besitzt der Teufel auch in Sach 3 , 1 . 2 nicht, sondern bleibt in seiner Machtausübung auf den von Gott ihm zugewiesenen Bereich beschränkt. 448 Eine weitere Entwicklungsstufe stellt I Chr 21 , 1 dar. Wird in der Vorlage II Sam 24 , 1 noch der »Zorn Gottes« ( ὀργὴ κυρίου ) dafür verantwortlich gemacht, David zur Veranlassung der Volkszählung gereizt zu haben, so wird in der Überarbeitung in I Chr 21 , 1 die verwerfliche Volkszählung nicht auf den Zorn Gottes, sondern auf den Teufel zurückgeführt. 449 Da διάβολος hier nicht mehr wie in Sach und Hi mit Artikel steht, ist davon auszugehen, dass es sich um einen Eigennamen handelt. 450 Der Teufel nimmt die in II Sam 24 , 1 noch Gott selbst zugedachte Position ein und wird dessen Gegenspieler. Anders als bei Sacharja und Hiob agiert der Teufel in I Chr 21 , 1 von Gott unabhängig und eigenmächtig. 451 Für die pseudepigraphe Literatur des antiken Judentums führt Denis 24 Belege für διάβολος auf, 452 sieben davon für die ApcMos. 453 Wie in Sap 2 , 24 findet der Teufel auch in der ApcMos Eingang in eine Ätiologie des Todes. 454 Im Rahmen einer umfangreichen Rezeption von Gen 3 verbindet ApcMos die Erzählung vom Sündenfall mit der Figur des Teufels. Der Schilderung des Sündenfalls vorangestellt ist eine Beschreibung von Adams zum Tode führender Krankheit. Adam selbst ist es, der Eva für seinen baldigen 448 Vgl. C. und E. Meyers, Haggai, S. 184 . 449 Dochhorn, Apokalypse, S. 290 f, Anm. 3 , nennt für das Phänomen, dass Versuchung bzw. Schlechtes nicht wie in der Septuagintavorlage Gott, sondern einem teuflischen Wesen zugewiesen wird, weitere Beispiele aus der frühjüdischen Literatur. Vgl. z. B. Ex 4 , 24 / Jub 48 , 2 (Mastema) und Gen 22 , 1 - 19 / Jub 17 , 15 - 18 ; 18 , 1 - 19 (Mastema). 450 Dagegen stellt Japhet, 1 Chronik, S. 347 , in Frage, ob I Chr 21 , 1 wirklich als »das Endstadium in der Herausbildung der Gestalt des Satan als Verkörperung des Bösen und als die biblische Stelle, die einer dualistischen Gottesauffassung am nächsten kommt«, gelten kann. Als Begründung führt sie u. a. an, dass der in I Chr 21 , 1 fehlende Artikel keineswegs ein hinreichendes Argument für den Eigennamen sei. Vgl. auch Nielsen, Art. Teufel, S. 116 . 451 Vgl. Myers, I Chronicles, S. 147 . 452 Vgl. Denis, Concordance, S. 256 f. Von den insgesamt 24 Belegen entfallen sieben auf Fragmente u. a. zu AssMos, Jub und MartIs, die an dieser Stelle nicht mit in die Untersuchung eingeschlossen werden. 453 ApcMos 15 , 3 ; 16 , 1 . 2 . 5 ; 17 , 4 ; 21 , 3 ; 29 , 12 . 454 Dochhorn, Apokalypse, S. 230 - 249 , spricht in Bezug auf ApcMos 7 f von einer Ätiologie der Krankheit und nicht des Todes, da er das in ApcMos 7 , 1 doppelt belegte δι ’ ἧς καὶ ἀποθνῄσκομεν für sekundär hält, obwohl es jeweils für den Archetyp gesichert ist (S. 231 ). Seiner Ansicht nach handelt es sich hierbei um eine »sehr früh anzusetzende« Interpolation, die den Spannungsbogen, der die beiden Erwähnungen des Todes durch Adam in ApcMos 5 , 2 und ApcMos 14 , 2 verbindet, »durch die vorzeitige Erwähnung des Todes zerstört« (S. 271 , Anm. 26 ). 161 <?page no="162"?> Tod verantwortlich macht und sie auf dem Sterbebett liegend zur Rede stellt. Da sie ihm - so seine Argumentation - vom verbotenen Baum im Paradies zu essen gegeben hat, müsse er nun seine schwere Krankheit ertragen und infolgedessen auch sterben (ApcMos 7 , 1 f; vgl. 5 , 2 ). 455 Doch nicht nur ihn wird der Tod treffen, sondern die gesamte von Adam und Eva abstammende Menschheit (ApcMos 14 , 2 ). 456 Als Reaktion auf diese Anschuldigung schildert Eva in einer ausführlichen Erzählung den Sündenfall, in den das Auftreten des Teufels integriert ist. Darin wird die Verführung durch die Schlange auf das Wirken des Teufels zurückgeführt, der in dem Adam zugewiesenen Paradiesbezirk weilt (ApcMos 15 , 3 ). 457 Dort sucht der Teufel das Gespräch mit der Schlange (ApcMos 16 , 1 ) und versucht sie für seinen Plan zu gewinnen, Adam und Eva aus dem Paradies herauszuwerfen (ApcMos 16 , 2 f). Trotz anfänglicher Bedenken und Furcht vor dem Zorn Gottes (ApcMos 16 , 4 ) wird die Schlange schließlich zum »Werkzeug« ( σκεῦος ) des Teufels (ApcMos 16 , 5 ), sodass der Teufel durch ihren Mund mit Eva reden kann (ApcMos 17 , 4 ) und sie zum Essen vom Baum der Erkenntnis überredet (ApcMos 17 , 5 - 19 , 3 ). Da die Schlange Eva per Eid dazu verpflichtet hat, auch Adam von der Frucht des Baumes zu essen zu geben (ApcMos 19 , 2 ), überredet Eva auch Adam, hiervon zu essen. Dabei redet der Teufel durch Evas Mund (ApcMos 21 , 3 ), wie er es zuvor bereits im Gespräch mit Eva durch den Mund der Schlange getan hat. Infolge des Essens vom verbotenen Baum 455 ApcMos 7 , 1 Εἶπε δὲ αὐτῷ ὁ ᾽ Αδάμ· ὅτε ἐποίησεν ἡμᾶς ὁ θεός, ἐμέ τε καὶ τὴν μητέρα ὑμῶν, δι’ ἧς καὶ ἀποθνῄσκομεν, ἔδωκεν ἡμῖν πᾶν φυτὸν ἐν τῷ παραδείσῳ· περὶ ἑνὸς δὲ ἐνετεί λατο ἡμῖν μὴ ἐσθί ειν ἐξ αὐτοῦ, δι’ ἧς καὶ ἀποθνῄσκομεν »Adam aber sagte zu ihm: ›Als Gott uns geschaffen hatte, mich und eure Mutter, durch die wir auch sterben, gab er uns jeden Baum im Paradies; bei einem aber gebot er uns, nicht von ihm zu essen, durch die wir auch sterben.‹« Knittel, Leben, S. 206 , liest statt des sperrigen δι ’ ἧς am Ende von ApcMos 7 , 1 das in einigen Handschriften bezeugte glättende δι ’ οὗ . Jedoch spricht der Handschriftenbefund, wie Dochhorn, Apokalypse, S. 231 f, nachgewiesen hat, eher für das sperrige, aber besser bezeugte δι ’ ἧς . 456 ApcMos 14 , 2 Λέγει δὲ ᾽ Αδὰμ τῇ Εὔᾳ· ὦ Εὔά τί κατειργάσω ἐν ἡμῖν; ἐπήνεγκας ἐφ’ ἡμᾶς ὀργὴν μεγάλην, ἥτις ἐστὶ θάνατος κατακυρι εύων παντὸς τοῦ γένους ἡμῶν »Adam aber sagt zu Eva: ›O Eva, was hast du uns angetan? Du hast auf uns großen Zorn gebracht, nämlich den Tod, der über unser ganzes Geschlecht herrscht.‹« 457 Zum Aufenthaltsort des Teufels und auch der Schlange gibt es in ApcMos unterschiedliche Angaben. Nach ApcMos 15 , 3 ; 16 , 1 befinden sich Teufel und Schlange in Adams Paradiessektor, in dem alle männlichen Tiere ( ὁ ὄφις ) weilen. Demgegenüber verwundert, dass sich Teufel und Schlange unmittelbar im Anschluss hieran außerhalb des Paradieses befinden, obwohl mit keinem Wort erwähnt wurde, dass sie dessen verwiesen wurden (ApcMos 16 , 3 ; 17 , 1 ). Es ist hier nicht der Ort, eine literarkritische Untersuchung zur ApcMos auszuführen. Verwiesen sei in dieser Frage auf Dochhorn, Apokalypse, S. 292 - 297 , besonders S. 293 - 295 . Dochhorn plädiert aufgrund der starken inhaltlichen Verzahnung für die literarische Einheitlichkeit des Abschnitts und weist die sich widersprechenden Aussagen, wonach Schlange und Teufel einerseits innerhalb (ApcMos 15 , 3 ) andererseits außerhalb (ApcMos 16 , 3 ; 17 , 1 ; 19 , 1 ) des Paradieses sind, demselben Erzähler zu. Diese Diskrepanz erklärt er folgenderweise: »Der Erzähler vergißt gelegentlich, was er zuvor gesagt hatte« (S. 295 ). 162 <?page no="163"?> erkennt Eva, dass sie durch ihre Tat der Gerechtigkeit entkleidet wurde, die sie zuvor besaß. 458 Auch Adam erkennt infolgedessen, dass er nackt ist 459 und Eva ihn der Herrlichkeit Gottes entfremdet hat. 460 Die unmittelbare Schlussfolgerung, dass Adams nahender Tod die Konsequenz des Essens von der Frucht des verbotenen Baumes ist, wird in Evas Erzählung vom Sündenfall allerdings nicht explizit gezogen. Jedoch ist der Zusammenhang zwischen Adams Tod und dem Sündenfall durch den einleitenden Rahmen impliziert. Da sich Evas Schilderung des vom Teufel initiierten Sündenfalls an Adams Anschuldigung, sie habe den Tod auf ihn und ihre Kindeskinder gebracht (ApcMos 14 , 2 f), anschließt, kann in Bezug auf ApcMos 15 , 1 - 30 , 1 durchaus von einer Ätiologie des Todes gesprochen werden. Adams bedrohliche Krankheit und sein baldiger Tod gründen somit in dem hinterlistigen Agieren des Teufels. Damit ist ein signifikanter Berührungspunkt mit Sap 2 , 24 gegeben. In diesen beiden relativ zeitnah entstandenen Texten des Judentums wird der Ursprung des Todes durch den Teufel begründet. Sowohl die Ätiologie des physischen Todes bzw. der Sterblichkeit Adams (ApcMos) als auch die Ätiologie des eschatologischen Todes (Sap 2 , 24 ) erklären den Tod jeweils mit dem Wirken des Teufels. Die Intention ist ähnlich, da die Herkunft des Todes durch die Einführung des Teufels einer externen Macht zugewiesen wird. Neben dieser gemeinsamen Einbindung des Teufels in die jeweilige Ätiologie des Todes berühren sich ApcMos und Sap in einem weiteren Punkt. Während die implizite Folge des Sündenfalls in der ApcMos der Tod ist, bemerken Eva und Adam unmittelbar, dass sie fortan ohne Gerechtigkeit (ApcMos 20 , 1 ) und Herrlichkeit Gottes sind (ApcMos 21 , 6 ). Die Macht, die der Tod über Adam und Eva inklusive ihrer Nachkommen fortan besitzt, geht folglich mit einem Mangel an Gerechtigkeit und göttlicher Herrlichkeit einher. Dieser Zusammenhang findet sich in Abwandlung auch in der Sap. Wer die unsterbliche Gerechtigkeit liebt und daher zu den Gerechten gehört (Sap 1 , 1 . 15 ), braucht den Tod nicht zu fürchten und wird ewig leben (Sap 5 , 15 ). Derjenige, dem dagegen das Licht der Gerechtigkeit nicht scheint, wird im Gericht nicht bestehen (Sap 5 , 6 ). Weitere Belege für διάβολος in der parabiblischen Literatur finden sich in TestXII. 461 Zwei Mal steht διάβολος hier in einer Gegenüberstellung derer, die das Gute tun, mit demjenigen, der das Gute nicht tut (TestXII.Naph 8 , 4 . 6 ). Denjenigen, die »das Gute« ( τὸ καλόν ) tun, wird u. a. verheißen, dass Menschen und Engel sie segnen werden, Gott durch sie unter den Völkern verherrlicht wird, der Teufel vor ihnen fliehen 458 ApcMos 20 , 1 ἔγνων, ὅτι γυμνὴ ἤμην τῆς δικαιοσύνης . 459 ApcMos 21 , 5 ἔγνω τὴν γύμνωσιν αὐτοῦ . 460 ApcMos 21 , 6 ἀπηλλοτρίωσάς με τῆς δόξης τοῦ θεοῦ . 461 TestXII.Naph 8 , 4 . 6 . Die beiden weiteren von Denis, Concordance, S. 256 , angegebenen Belege TestXII.Naph 3 , 1 ; TestXII.As 3 , 2 sind textkritisch unsicher und wahrscheinlich sekundär. Vgl. Charles, Testaments, S. 149 . 176 , jeweils Anm. 11 . Vgl. ebenso Becker, Testamente, S. 115 , Anm. III 2 a. 163 <?page no="164"?> wird ( ὁ διάβολος φεύξεται ἀφ’ ὑμῶν ) und schließlich, dass Gott sie lieben wird ( ὁ κύριος ἀγαπήσει ὑμᾶς TestXII.Naph 8 , 4 ). Im Anschluss hieran wird antithetisch demjenigen, der das Gute nicht tut, genau Gegenteiliges verheißen. Engel und Menschen werden ihn verfluchen, Gott wird durch ihn unter den Völkern verachtet werden, »der Teufel wird ihn wie sein eigenes Gefäß bewohnen« ( ὁ διάβολος οἰκειοῦται αὐτὸν ὡς ἴδιον σκεῦος ) und »Gott wird ihn hassen« ( ὁ κύριος μισήσει αὐτόν TestXII.Naph 8 , 6 ). In dieser dualistischen Aufteilung findet eine eindeutige Zuordnung des Individuums entweder zu Gott oder zum Teufel statt. Zum entscheidenden Kriterium wird diesbezüglich das ethische Verhalten des einzelnen. Gutes zu tun garantiert die Liebe Gottes und die Abwesenheit des Teufels, während Gutes nicht zu tun, Gottes Hass provoziert und dazu führt, dem Teufel eine Wohnstatt zu bereiten. Daran, was das Gute ist, lässt TestXII.Naph keinen Zweifel: »Die Gebote des Gesetzes« ( αἱ ἐντολαὶ τοῦ νόμου TestXII.Naph 8 , 7 ). Die Schlussparänese formuliert ganz im Duktus der Sap: 462 »Werdet nun weise in Gott und verständig, erkennt die Ordnung seiner Gebote und die Gesetze jeder Handlung, damit der Herr euch lieben wird.« 463 Abschließend seien die drei Belege für διάβολος aus dem Testament Hiobs erwähnt. 464 In TestJob 3 , 3 wird ein Götze, dem Trank- und Brandopfer dargebracht werden, dezidiert nicht als Gott, sondern als »Kraft des Teufels« ( ἡ δύναμις τοῦ διαβόλου ) beschrieben, durch den die menschliche Natur verführt wird. An anderer Stelle beschreibt Hiob den Teufel als Widersacher, der sein Herz erkannte und gegen ihn, Hiob, einen weiteren Anschlag ersann. 465 Schließlich wird der Teufel bezichtigt, Gedanken zu verwirren und zum Bösen zu verführen. 466 Damit zeigen sich einmal mehr typische Motive, die auch in anderen Texten mit der Figur des Teufels verbunden sind. Es besteht eine deutliche Opposition zwischen Gott und Teufel (TestJob 3 , 3 ). Der Teufel agiert - anders als noch in der Vorlage des Hiobbuchs - eigenmächtig und sein Ziel ist es, in Hiobs Umgebung Zerstörung anzurichten (TestJob 17 , 1 ). Im Unterschied zur Sap, in der die Verirrung auf die eigene Schlechtigkeit zurückgeführt wird, 467 gründet in TestJob 26 , 6 das Verwirren der Gedanken und das Verführen zum Tun des Bösen direkt im Wirken des Teufels. Eine auffallende Parallele zu Sap 2 , 24 ist in ApcBar(gr) 4 , 8 belegt. Dort wird der Baum, von dem es Adam im Paradies zu essen verboten war, als Weinstock identifiziert. Gepflanzt wurde dieser Weinstock durch den Engel Samael. Gott war 462 Vgl. Sap 1 , 1 ; 6 , 4 . 9 - 11 . 17 - 21 . 463 TestXII.Naph 8 , 10 Γίνεσθε οὖν σοφοὶ ἐν θεῷ, τέκνα μου, καὶ φρόνιμοι, ἰδόντες τάξιν ἐντολῶν αὐτοῦ καὶ θεσμοὺς παντὸς πράγματος, ὅπως ἀγαπήσει ὑμᾶς ὁ κύριος . 464 Zur Verortung von TestJob als Werk der jüdischen Diaspora, das zwischen dem 1 . Jahrhundert v. Chr. und dem 2 . Jahrhundert n. Chr. entstanden ist, vgl. Schaller, Testament, S. 309 - 312 . 465 TestJob 17 , 1 Τότε ὁ διάβολος ἐγνωκώς μου τὴν καρδίαν κατεμηχανήσατό με . 466 TestJob 26 , 6 ἆρα σὺ οὐχ ὁρᾷς τὸν διάβολον ὄπισθέν σου στήκοντα καὶ ταράσσοντα τοὺς διαλογισμούς σου, ὅπως καὶ ἐμὲ ἀπατήσῃ; »Siehst du denn nicht den Teufel hinter dir stehen und deine Gedanken verwirren, damit er auch mich verführt? « 467 Sap 2 , 21 ταῦτα ἐλογίσαντο καὶ ἐπλανήθησαν ἀπετύφλωσεν γὰρ αὐτοὺς ἡ κακία αὐτῶν »Über diese Dinge räsonierten sie [sc. die Gottlosen] und gingen in die Irre. Denn ihre Schlechtigkeit blendete sie.« 164 <?page no="165"?> dadurch erzürnt und verfluchte sowohl Samael als auch den Weinstock. Aus diesem Grund war es Adam verboten, hiervon zu essen zu nehmen. »Daher verführte der Teufel aus Neid durch seinen Weinstock den Adam« ( καὶ διὰ τοῦτο φθονήσας ὁ διάβολος ἠπάτησεν αὐτὸν διὰ τῆς ἀμπέλου αὐτοῦ ). Die Ähnlichkeit mit Sap 2 , 24 ist frappierend. Die Verbindung von Teufel und Neid hat deutliche Anklänge an Sap 2 , 24 . Auch die Verortung dieser Motivkombination innerhalb einer Rezeption von Gen 3 muss als Parallele zu Sap 2 , 24 gelten. Jedoch stellt die Texteinheit ApcBar(gr) 4 , 8 - 17 einen sekundären Einschub dar, 468 sodass ApcBar(gr) 4 , 8 zwar eine große inhaltliche Nähe zu Sap 2 , 24 aufweist, zeitlich jedoch in zu großem Abstand zur Sap stehen dürfte, als dass hieraus Rückschlüsse für die Auslegung von Sap 2 , 24 gezogen werde könnten. 469 Der Konkordanzbefund für διάβολος in den erhaltenen Werken Philos ist überraschend eindeutig negativ, da sich kein einziger Beleg für das Substantiv findet. Nur das Adjektiv διάβολος (»verleumderisch, gehässig«) ist ein Mal in einem sehr ausführlichen Lasterkatalog erhalten (Sacr 32 ), der zur Beschreibung dessen, der zum Anhänger der Lust geworden ist, dient. Auch die beiden Synonyme für διάβολος , βελιάρ und σατανᾶς , kommen in den Schriften Philos an keiner Stelle vor. Exkurs Satan / Teufel im Neuen Testament Im Neuen Testament ist διάβολος 34 Mal bezeugt. 470 Die Belege verteilen sich auf die johanneischen Schriften ( 12 x), 471 Mt ( 6 x), 472 Lk ( 5 x), 473 die deuteropaulinischen Briefe ( 5 x) 474 und Act ( 2 x). 475 Dazu noch jeweils ein Beleg in Hebr 2 , 14 , Jak 4 , 7 , I Petr 5 , 8 und Jud 9 . Synonym mit διάβολος wird im Neuen Testament 36 Mal σατανᾶς verwendet. Die Vorkommen für σατανᾶς sind ähnlich breit gestreut wie die Belege für διάβολος . So ist σατανᾶς in den johanneischen Schriften ( 9 x), 476 bei Mt ( 4 x), 477 Mk ( 6 x), 478 Lk ( 5 x), 479 Act ( 2 x), 480 sowie in den paulinischen ( 7 x) 481 468 Vgl. Hage, Baruch-Apokalypse, S. 25 . 469 Zur Datierung der Grundschicht der ApcBar(gr) in das 2 . Jahrhundert n. Chr. vgl. Hage, Baruch-Apokalypse, S. 19 f. Hage macht darauf aufmerksam, dass christliche Fortschreibungen zur ApcBar(gr) bis ins frühe Mittelalter reichen könnten. 470 Zusätzlich ist das Adjektiv διάβολος drei Mal in den Pastoralbriefen belegt: I Tim 3 , 11 ; II Tim 3 , 3 ; Tit 2 , 3 . 471 Joh 6 , 70 ; 8 , 44 ; 13 , 2 ; I Joh 3 , 8 ( 3 x). 10 ; Apk 2 , 10 ; 12 , 9 . 12 ; 20 , 2 . 10 . 472 Mt 4 , 1 . 5 . 8 . 11 ; 13 , 39 ; 25 , 41 . 473 Lk 4 , 2 . 3 . 6 . 13 ; 8 , 12 . 474 Eph 4 , 27 ; 6 , 11 ; I Tim 3 , 6 . 7 ; II Tim 2 , 26 . 475 Act 10 , 38 ; 13 , 10 . 476 Joh 13 , 27 ; Apk 2 , 9 . 13 ( 2 x). 24 ; 3 , 9 ; 12 , 9 ; 20 , 2 . 7 . 477 Mt 4 , 10 ; 12 , 26 ( 2 x); 16 , 23 . 478 Mk 1 , 13 ; 3 , 23 ( 2 x). 26 ; 4 , 15 ; 8 , 33 . 479 Lk 10 , 18 ; 11 , 18 ; 13 , 16 ; 22 , 3 . 31 . 480 Act 5 , 3 ; 26 , 18 . 481 Röm 16 , 20 ; I Kor 5 , 5 ; 7 , 5 ; II Kor 2 , 11 ; 11 , 14 ; 12 , 7 ; I Thess 2 , 18 . 165 <?page no="166"?> und deuteropaulinischen Briefen ( 3 x) 482 belegt. 483 Besonders an der Perikope von Jesu Versuchung in der Wüste, in der in allen drei Fassungen zusammen διάβολος / σατανᾶς zehn Mal vorkommt (Mk 1 , 12 f; parr. Mt 4 , 1 - 11 ; Lk 4 , 1 - 13 ), lässt sich die synonyme Verwendung beider Begriffe erkennen. Anstelle des »Satans« ( σατανᾶς Mk 1 , 13 ), der in der älteren markinischen Vorlage Jesus in die Versuchung führt, agiert in den jüngeren synoptischen Parallelen vorwiegend der »Teufel« ( διάβολος Mt 4 , 1 ; Lk 4 , 2 u. ö.), wobei Mt in seiner Version der Versuchungsgeschichte auch beide Begriffe nebeneinander stellen kann ( διάβολος Mt 4 , 1 . 5 . 8 . 11 ; σατανᾶς Mt 4 , 10 ). Noch offensichtlicher ist der synonyme Gebrauch in Apk 12 , 9 ; 20 , 2 , wo διάβολος und σατανᾶς jeweils bedeutungsgleich unmittelbar gegenübergestellt werden. Die Tendenz, dass in den älteren Schriften des Neuen Testaments überwiegend σατανᾶς , in den jüngeren dagegen eher διάβολος steht, ist auch in den neutestamentlichen Briefen zu beobachten. So ist σατανᾶς überwiegend in den älteren, 484 διάβολος hingegen vorzugsweise in den jüngeren Briefen belegt. So kommt διάβολος beispielsweise mehrfach in den deuteropaulinischen Briefen vor, 485 in den echten Paulusbriefen dagegen kein einziges Mal. Die Zusammenschau der neutestamentlichen Belege für διάβολος / σατανᾶς ergibt ein weites Feld von Vorstellungen und Motiven, die mit der Gestalt des Teufels verbunden sind. Der sich in den Spätschriften der Septuaginta und in den pseudepigraphen Schriften des Judentums herauskristallisierende Gebrauch von διάβολος / σατανᾶς zur Bezeichnung des Widersachers Gottes findet sich auch im Neuen Testament, wie die Perikope von der Versuchung Jesu durch den Teufel in den synoptischen Evangelien zeigt. Allerdings bildet Mk 4 , 12 f par. nicht den Auftakt für eine den gesamten Evangelienaufriss bestimmende Konfrontation Jesu mit dem Teufel. Nur an einigen Stellen wird auf den Teufel verwiesen. So sieht sich Jesus dem Vorwurf ausgesetzt, vom Beelzebul 486 besessen zu sein. Mit seiner Reaktion hierauf, dass der Satan nicht vom Satan ausgetrieben werden könne, hebt Jesus die deutliche Differenz hervor, die zwischen ihm und dem Satan besteht (Mk 3 , 22 - 30 ; parr. Mt 12 , 26 ; Lk 11 , 18 ). Im Gleichnis vom Sämann ist der Satan / Teufel derjenige, der das Aufgehen des gesäten Wortes verhindert (Mk 4 , 15 ; parr. Mt 13 , 39 ; Lk 8 , 12 ). Besonders plastisch wird die widergöttliche Absicht des Satans im Anschluss an die erste Leidensankündigung beschrieben. Als Reaktion auf die Worte des Petrus 482 II Thess 2 , 9 ; I Tim 1 , 20 ; 5 , 15 . 483 In der Septuaginta ist σατανᾶς nur in Sir 21 , 27 belegt. Dort jedoch als Bezeichnung für einen menschlichen Widersacher. 484 Röm 16 , 20 ; I Kor 5 , 5 ; 7 , 5 ; II Kor 2 , 11 ; 11 , 14 ; 12 , 7 ; I Thess 2 , 18 . In den jüngeren deuteropaulinischen Briefen gibt es drei Belege für σατανᾶς : II Thess 2 , 9 ; I Tim 1 , 20 ; 5 , 15 . 485 Eph 4 , 27 ; 6 , 11 ; I Tim 3 , 6 . 7 ; II Tim 2 , 26 . 486 Βεελζεβούλ ist sieben Mal im Neuen Testament bezeugt. Allein sechs Belege finden sich in der Perikope, die in der Lutherbibel (Lk 11 ) »Jesus und die bösen Geister« überschrieben ist: Mk 3 , 22 ; parr. Mt 12 , 24 . 27 ; Lk 11 , 15 . 18 . 19 . Der Wechsel zwischen Satan und Beelzebul innerhalb dieser Perikope (z. B. Mk 3 , 22 f; Mt 12 , 26 f) lässt erkennen, dass Βεελζεβούλ ein weiteres Synonym für διάβολος / σατανᾶς ist, wobei Βεελζεβούλ eher wie ein Eigenname verwendet wird. In der Septuaginta ist Βεελζεβούλ kein einziges Mal belegt. - Vgl. ferner den siebten Beleg für Βεελζεβούλ im Neuen Testament in Mt 10 , 25 . 166 <?page no="167"?> fordert Jesus den Satan auf, von ihm zu weichen, da dieser nicht Gottes Willen, sondern den der Menschen verfolgt (Mk 8 , 33 ; Mt 16 , 23 ). Auffällig ist, dass es in den Evangelien lediglich eine einzige Wundergeschichte gibt, in der eine Befreiung von der Macht des Satans beschrieben wird. So wird einzig die sog. verkrümmte Frau von den Fesseln des Satans geheilt (Lk 13 , 16 ). Stattdessen schildern andere Wundergeschichten eine Befreiung z. B. von Krankheit (Mk 2 , 11 f; 3 , 5 ; Lk 5 , 15 u. ö.), unreinen (Mk 1 , 23 ; 7 , 25 ) und stummen Geistern (Mk 9 , 17 ) sowie von Dämonen (Mk 1 , 34 ; Lk 13 , 11 ). Auch in den neutestamentlichen Totenauferweckungsgeschichten findet sich keinerlei Rekurs auf den Teufel (Mk 5 , 21 - 43 ; par. Mt 9 , 18 - 26 ; par. Lk 8 , 40 - 56 ; Lk 7 , 11 - 17 ; Joh 11 , 1 - 44 ). Angesichts der engen Verbindung von Tod und Teufel in Sap 2 , 24 ist dieser Befund bemerkenswert und unterstreicht einmal mehr die Besonderheit von Sap 2 , 24 . Innerhalb des lukanischen Doppelwerks veranschaulicht die Heilung der verkrümmten Frau von den Fesseln des Satans (Lk 13 , 16 ) die trotz der relativ geringen Bezeugung für διάβολος / σατανᾶς fortwährende literarische Auseinandersetzung zwischen der Macht Gottes und der des Teufels. An einigen wenigen Stellen begegnet dieser Verdrängungskampf, der gegen den Teufel / Satan geführt wird, wieder. So stellt auch die knappe Notiz, dass der Satan vom Himmel auf die Erde gefallen ist (Lk 10 , 18 ; vgl. Apk 12 , 7 - 12 ), einen Hinweis auf die Verdrängung des Satans dar. In der Apostelgeschichte kann Jesu Auftreten ebenfalls der Macht des Teufels gegenübergestellt werden, indem Jesu Wirken als ein Gesundmachen von der Gewalt des Teufels gedeutet wird (Act 10 , 38 ). 487 Im Lukasevangelium ist der Satan über die Personen des Judas (Lk 22 , 3 ) und des Simon Petrus (Lk 22 , 31 ) in die Passionsgeschichte integriert. Diese Verbindung von Satan und Passion unterscheidet Lk von den beiden anderen synoptischen Evangelien, in denen der Satan / Teufel nur in der Zeit vor dem Beginn der Passionsgeschichte agiert. Der im Lukasevangelium in Lk 22 , 3 über die Person des Judas hergestellte Zusammenhang zwischen Jesu Passion und Satan / Teufel ist dagegen im Johannesevangelium für alle vier Belege von διάβολος / σατανᾶς bestimmend. Bereits in Joh 6 , 70 f bezeichnet Jesus in einem Ausblick auf die Passion Judas als Teufel, da dieser ihn ausliefern werde. Auch dem Vorwurf an die Söhne Abrahams, dass sie den Teufel zum Vater haben (Joh 8 , 44 ), gehen zwei Verweise auf die Passion voraus. So ist sich Jesus bewusst, dass sie die Absicht verfolgen, ihn zu töten (Joh 8 , 37 . 40 ). Seine scharfe Äußerung über die Teufelssohnschaft seiner Verächter ist somit eine Reaktion auf deren gewaltsame Ablehnung seiner Botschaft. Ebenso ist der dritte Beleg von διάβολος / σατανᾶς in Joh 13 , 2 mit einem Ausblick auf die Passion verbunden. Jesus wusste bereits, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen (Joh 13 , 1 ), als der Teufel dem Judas ins Herz gegeben hatte, ihn auszuliefern (Joh 13 , 2 ). Damit erweist sich Jesus zumindest in der Kenntnis seines Schicksals unabhängig von dem in Judas wirkenden Teufel. Eine ähnliche Beobachtung lässt sich auch bei der vierten und letzten Verwendung von διάβολος / σατανᾶς in Joh 13 , 27 machen. Erst nachdem Jesus durch das Zeichen des eingetauchten Brotes Judas als denjenigen gekennzeichnet hatte, der ihn ausliefern werde, fährt der Satan in ihn. Daraufhin fordert Jesus den Judas auf, das, was er 487 Vgl. Bovon, Lukas, S. 196 f. 167 <?page no="168"?> tut, möglichst bald zu tun. In dieser Aufforderung zeigt sich Jesu selbstbestimmter Umgang mit der in Judas wirkenden teuflischen Macht. Bei aller verbleibenden Souveränität Jesu im Ungang mit dem Teufel ist anzunehmen, dass hinter der Einbindung der Gestalt des Teufels in die Ausblicke auf die Passionsgeschichte in Joh die Intention steht, die Verantwortung für Jesu Tod dem Teufel zuzuweisen. 488 Der in Lk 10 , 18 nur kurz beschriebene Sturz des Satans vom Himmel ist in Apk 12 , 7 - 9 weiter ausgeführt. Die Schilderung des Kampfes zwischen dem Engel Michael und dem »Drachen« ( δράκων Apk 12 , 7 ), 489 der zugleich als »Schlange« ( ὄφις ) bezeichnet wird und zudem Σατανᾶς und Διάβολος heißt (Apk 12 , 9 ), geht dem Sturz auf die Erde voraus. Die Tätigkeit des gefallenen Satans besteht darin, den gesamten Erdkreis »in Versuchung zu führen« ( πλανάω Apk 12 , 9 ; vgl. 20 , 10 ). Diese Verbindung von πλανάω mit διάβολος / σατανᾶς findet sich weder in einer anderen Schrift des Neuen Testaments noch in der Septuaginta. Das Wirken des vormaligen »Anklägers« ( ὁ κατήγωρ ) der Menschen vor Gott (Apk 12 , 10 ; vgl. Hi 1 f; Sach 3 , 1 f) ist auf eine kurze Zeit begrenzt (Apk 12 , 12 ). Ein vom Himmel herabkommender Engel wird den Teufel für 1 000 Jahre in Fesseln legen (Apk 20 , 2 ). Nach einem letzten Kampf wird er schließlich im Feuer vernichtet (Apk 20 , 10 ). Die Macht des Teufels ist also eine begrenzte und endliche. Der Blick ist in der Apk somit auf die Endzeit gerichtet. Anders als in der Sap werden in der Apk keine schöpfungstheologischen Aussagen mit der Figur des Teufels verbunden. In der gesamten neutestamentlichen Briefliteratur stellt sich der Befund ähnlich wie in den Evangelien dar. Die Belegdichte für διάβολος / σατανᾶς ist relativ hoch ( 13 x διάβολος und 10 x σατανᾶς ). Eine konzentrierte Abhandlung über den Teufel wie in Apk 12 und Apk 20 sucht man hier aber ähnlich wie in den Evangelien vergeblich. Die meisten Vorkommen finden sich in den paränetischen Abschnitten der Briefe. Teufel / Satan wird hier verwendet, um vor den Gefährdungen zu warnen, mit denen die Glaubenden konfrontiert werden (I Kor 7 , 5 ; II Kor 2 , 11 ; II Thess 2 , 9 ; Eph 4 , 27 ; 6 , 11 ; I Tim 3 , 6 f; II Tim 2 , 26 ; Jak 4 , 7 ; I Petr 5 , 8 ). Aber auch die Sphäre außerhalb der Gemeinde kann mit σατανᾶς gekennzeichnet werden (I Kor 5 , 5 ; I Tim 1 , 20 ; 5 , 15 ). Schließlich kann mit διάβολος / σατανᾶς eine »feindliche Wirklichkeitserfahrung« 490 gedeutet werden (II Kor 12 , 7 ; I Thess 2 , 18 ; I Joh 3 , 8 - 10 ). So macht Paulus den Engel des Satans für den ihm gegebenen Stachel im Fleisch verantwortlich (II Kor 12 , 7 ). Auch eine verhinderte Reise kann Paulus mit dem Wirken des Satans begründen, allerdings ohne Näheres über dessen Wirken zu berichten (I Thess 2 , 18 ). Nur ein einziges Mal wird im Neuen Testament ein Zusammenhang zwischen der »Sünde« ( ἁμαρτία ) und dem Teufel hergestellt (I Joh 3 , 8 - 10 ). Wer Sünde tut, ist vom Teufel, da dieser »von Anfang an« ( ἀπ’ ἀρχῆς ) sündigt (I Joh 3 , 8 ). Die zeitliche Einordnung ἀπ’ ἀρχῆς scheint auf den Sündenfall in Gen 3 zu rekurrieren. 491 Damit ist ähnlich 488 Vgl. Barrett, Johannes, S. 439 . Gleiches gilt auch für die Erwähnung des Satans in der lukanischen Passionsgeschichte (Lk 22 , 3 . 31 ). 489 Vgl. Jud 9 . 490 Feldmeier, Brief, S. 165 . 491 Vgl. Klauck, Johannesbrief, S. 191 . Klauck hebt hervor, dass nach I Joh 3 , 8 der Teufel ἀπ’ ἀρχῆς und nicht ἐν ἀρχῇ existiert. Der Teufel ist folglich nicht präexistent. Seine Existenz ist erst mit der Schöpfung möglich. 168 <?page no="169"?> wie in Sap 1 , 11 - 2 , 24 die Aufnahme des Motivs des Teufels mit einer Rezeption der Urgeschichte verbunden. Im Gegensatz zu I Joh 3 , 8 - 10 findet sich in den Abhandlungen des Paulus über die Sünde kein einziger Verweis auf den Teufel / Satan, obwohl die wahrscheinliche Aufnahme von Sap 2 , 24 in Röm 5 , 12 allen Anlass dazu gegeben hätte. So wird der Teufel / Satan im gesamten Römerbrief nur ein einziges Mal in einem Trostwort am Briefschluss erwähnt, in dem verheißen wird, dass Gott den Satan in Kürze zerbrechen werde (Röm 16 , 20 ). 492 Während Paulus es im Römerbrief vermeidet, einen Zusammenhang zwischen Tod und Teufel herzustellen, ist dieser im Hebräerbrief, wenn auch nur ein Mal, bezeugt. Dem Teufel, der Gewalt über den Tod hat, wurde - so Hebr 2 , 14 - durch Christi Tod die Macht genommen. 493 Die Untersuchung zum Gebrauch von διάβολος / σατανᾶς im Neuen Testament hat gezeigt, dass die sich in den Spätschriften der Septuaginta herauskristallisierende Vorstellung einer widergöttlichen Macht des Teufels / Satans in den neutestamentlichen Schriften in Abwandlung rezipiert wird. Dabei wird διάβολος / σατανᾶς trotz der zusammen 70 Belege im Neuen Testament nicht zum alleinigen Widersacher Gottes. Ebenso wenig wird διάβολος / σατανᾶς bis auf knappe Anklänge (I Joh 3 , 8 ; Hebr 2 , 14 ) nicht zum Grund alles Bösen und Schlechten oder gar des Todes (Röm 5 , 12 ; vgl. Sap 2 , 24 ). Die Absicht des Teufels / Satans ist es, den Gottesbezug des Menschen zu zerstören. Während die Dämonen darauf aus sind, den Selbst- und Weltbezug des Individuums zu korrumpieren, trachtet der Teufel danach, den Menschen für sich zu vereinnahmen und aus der Gottesbeziehung herauszulösen. 494 In diesem grundsätzlichen Punkt gleicht das Wirken des Teufels im Neuen Testament dem in Sap 2 , 24 . Die Intention, den Menschen weg von Gottes Seite hin zur eigenen teuflischen Machtsphäre zu ziehen, ist auch in Sap 2 , 24 zu erkennen. Da der vom Neid des Teufels bewirkte Tod gleichbedeutend mit eschatologischer Gottesferne ist, kann diese Parallele gezogen werden. Das Wirken des Teufels bewirkt Entfremdung von Gott. 495 Diese Beobachtung gilt sowohl für Sap 2 , 24 als auch für das Neue Testament, auch wenn die Verbindung von Neid und Teufel in den neutestamentlichen Schriften gänzlich unbekannt ist. Der Tod, der durch den Neid des Teufels in die Welt gekommen ist, ist nicht, wie bereits mehrfach erwähnt, der physische Tod, sondern der 492 Vgl. Feldmeier, Brief, S. 165 . 493 Hebr 2 , 14 ᾽ Επεὶ οὖν τὰ παιδία κεκοινώνηκεν αἵματος καὶ σαρκός, καὶ αὐτὸς παραπλησίως μετέσχεν τῶν αὐτῶν, ἵνα διὰ τοῦ θανάτου καταργήσῃ τὸν τὸ κράτος ἔχοντα τοῦ θανάτου, τοῦτ’ ἔστιν τὸν διάβολον »Weil nun die Kinder von Fleisch und Blut sind, hat auch er es gleichermaßen angenommen, damit er durch seinen Tod die Macht nähme dem, der Gewalt über den Tod hatte, nämlich dem Teufel.« 494 Vgl. Feldmeier, Brief, S. 166 . 495 Vgl. z. B. I Joh 3 , 8 . 169 <?page no="170"?> eschatologische Tod, d. h. die ewige Gottesferne. 496 Die Gründe für diese Interpretation sind an anderer Stelle bereits ausführlich dargelegt worden. 497 In Ergänzung hierzu sei an dieser Stelle angemerkt, dass auch Philo den Begriff θάνατος in mehrfacher Bedeutung verwendet und zwischen natürlicher physischer Sterblichkeit und dem Tod der Seele unterscheiden kann (All 1 , 105 - 107 ). Philo bemerkt in seiner Auslegung des Sündenfalls, dass die Drohung, das Essen vom Baum der Erkenntnis werde den Tod nach sich ziehen (Gen 2 , 17 ), offensichtlich nicht auf den physischen Tod zu beziehen sei, da Adam und Eva nach Genuss der Frucht noch lange Zeit weiterleben und sogar Nachkommen zeugen. Daher schließt Philo, es müsse einen doppelten Tod geben, einen des Menschen und einen der Seele. 498 Von diesem eschatologischen Tod heißt es nun im weiteren Verlauf von Sap 2 , 24 , er sei »in die Welt gekommen« ( εἰσῆλθεν εἰς τὸν κόσμον ). Dabei bleibt zunächst offen, ob κόσμος auf die ganze Schöpfung, oder aber nur die Menschheit zu beziehen ist. 499 Angesichts des unmittelbaren Kontextes kann κόσμος allerdings nur auf die Menschheit bezogen werden. 500 Die Wendung εἰσῆλθεν εἰς τὸν κόσμον wird wörtlich in Sap 14 , 14 wieder aufgenommen. Dort wird die Herkunft der Götzenbilder, die nicht von Anfang an gewesen sind und auch nicht in Ewigkeit bestehen werden (Sap 14 , 13 ), mit der eitlen Ruhmsucht des Menschen begründet. 501 Sap 2 , 24 b. Der teuflische Tod trifft nur die Gottlosen πειράζουσιν δὲ αὐτὸν οἱ τῆς ἐκείνου μερίδος ὄντες und ihn [sc. den Tod] erfahren diejenigen, die zu ihm [sc. dem Tod] gehören Der Schluss des Kommentars zur Rede der Gottlosen bereitet bei der Übersetzung Schwierigkeiten. So kann das Verb πειράζω hier wohl kaum mit der Hauptbedeutung »auf die Probe stellen, versuchen, prüfen, in Versuchung 496 So auch Schmitt, Weisheit 1986 , S. 54 . Vgl. außerdem Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 166 , Larcher, Études, S. 285 - 300 . 497 Vgl. hierzu vor allem die Ausführungen zu Sap 1 , 12 a. 498 All 105 ὅτι διττός ἐστι θάνατος, ὁ μὲν ἀνθρώπου, ὁ δὲ ψυχῆς ἴδιος . Im Neuen Testament ist die Vorstellung eines »zweiten Todes« ( δεύτερος θάνατος ) nur vier Mal in Apk 2 , 8 ; 20 , 6 . 14 ; 21 , 8 belegt. Mit δεύτερος θάνατος wird die Zugehörigkeit zur ewigen Verdammnis bzw. der Ausschluss von der Auferstehung der Toten bezeichnet. Der physische Tod ist somit der erste Tod, den jeder Mensch durchschreiten muss. Diejenigen, die sich zu irdischen Lebzeiten zu Christus bekannt haben, werden mit ihm im tausendjährigen Reich regieren, und nicht diesen zweiten Tod sterben (Apk 20 , 6 ). Das ewige Leben steht ihnen somit offen. Vgl. Lohse, Offenbarung, S. 103 . 499 Vgl. Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 199 . 500 So auch Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 199 , Grimm, Weisheit, S. 82 , Hübner, Weisheit, S. 48 . 501 Sap 14 , 14 κενοδοξίᾳ γὰρ ἀνθρώπων εἰσῆλθεν εἰς τὸν κόσμον . 170 <?page no="171"?> führen« 502 übersetzt werden. Vielmehr ist hier - wie auch in Sap 12 , 26 ; 19 , 5 ; Sir 39 , 4 - mit »erfahren« 503 zu übersetzen. 504 Ein weiteres Problem liegt in den mehrfachen Beziehungsmöglichkeiten der beiden Pronomen αὐτός und εἰκεῖνος , die Sap 2 , 24 b eng mit Sap 2 , 24 a verbinden. Da es im voranstehenden Teilvers Sap 2 , 24 a mit φθόνος , διάβολος , θάνατος und κόσμος gleich vier maskuline Substantive gibt, sind die Bezugsmöglichkeiten vielfältig. Bezieht man αὐτός auf das letzte und εἰκεῖνος auf das vorletzte vorangehende maskuline Substantiv, so ergibt sich die kaum sinnvolle Konstellation, in der αὐτός auf κόσμος und εἰκεῖνος auf θάνατος verweist. Die daraus resultierende Übersetzung ist kaum sinnvoll, ganz gleich für welche Bedeutung von πειράζω man sich entscheidet. 505 Wesentlich plausibler ist es dagegen, ( 1 ) αὐτός auf θάνατος und εἰκεῖνος auf διάβολος , oder ( 2 ) gar beide Pronomen auf θάνατος zu beziehen. 506 Für letztere Variante spricht, dass αὐτός kaum auf κόσμος bezogen werden kann und als nächststehendes 502 In dieser Bedeutung in Sap 1 , 2 ; 2 , 17 ; 3 , 5 ; 11 , 9 . 503 Eine ausführliche Darstellung zu dieser Übersetzung liefert Lyonett, sens. Vgl. dagegen Dubarle, tentation. 504 So auch fast alle Kommentare. Vgl. Vílchez, Sapienza, S. 188 , Winston, Wisdom, S. 113 . 123 , Larcher, Sagesse, Bd. 1 , S. 266 , Engel, Weisheit, S. 78 , Grimm, Weisheit, S. 84 , Fichtner, Weisheit, S. 16 f, Reider, Wisdom, S. 71 , Clarke, Wisdom, S. 25 . 28 . Auch Schmitt, der die Einheitsübersetzung bietet, übernimmt kommentarlos deren Übersetzung »erfahren« (Schmitt, Weisheit 1986 , S. 42 ). Schon Grimm, Weisheit, S. 84 , hat darauf aufmerksam gemacht, dass » πειράζειν hier in der bei den Classikern bis jetzt nicht nachgewiesenen Bed. erfahren« steht. Hübner, Weisheit, S. 45 , und Feldmann, Weisheit, S. 35 , übersetzen sehr ähnlich mit »erleiden«, allerdings jeweils ohne diese Übersetzung zu kommentieren. Georgi, Weisheit, S. 409 , übersetzt »erproben«. In einer Anmerkung bemerkt allerdings auch er, dass an Stelle von »erproben« eventuell besser »erfahren« zu übersetzen sein könnte, obwohl diese Bedeutung für das Verb im Aktiv nicht belegt ist. Vgl. Liddell-Scott, S. 1354 . - So ist Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 165 f. 171 , der einzige, der πειράζω mit der Hauptbedeutung »auf die Probe stellen / mettere alla prova« übersetzt. 505 Diesen Weg geht allein Scarpat, Sapienza, Bd. 1 , S. 164 - 167 . 171 , mit seiner Übersetzung: »Ma per l’invidia del diavolo entrò la morte nel mondo, il quale viene messo alla prova da coloro che a lei appartengono.« Aus dem Aktiv πειράζουσιν wird in Scarpats Übersetzung notgedrungen ein Passiv. 506 Für eine dieser beiden Möglichkeiten optieren die meisten Übersetzungen. Es bleibt allerdings fast immer unklar, ob die jeweilige Übersetzung Option ( 1 ) oder ( 2 ) bevorzugt. Beispielhaft seien einige Kommentare zur Stelle genannt. Georgi, Weisheit, S. 409 , übersetzt: »Aber durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt. Es erproben ihn aber die, die seines Teils sind.« Die genaue Beziehung der Pronomen bleibt hier offen. Auch die Übersetzung von Winston, Wisdom, S. 113 , bleibt diesbezüglich ungenau: »[I]t was through the devil’s envy that Death entered into the cosmic order, and they who are his own experience him.« Ebenso bleibt Hübner, Weisheit, S. 45 , an diesem Punkt unpräzise: »Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt, [u]nd den erleiden die, welche zu ihm gehören.« Ebenso unklar bleibt Fichtner, Weisheit, S. 16 : »[D]urch die Mißgunst des Teufels aber kam der Tod in die 171 <?page no="172"?> maskulines Substantiv θάνατος in Frage kommt. Der Bezug von εἰκεῖνος auf θάνατος ergibt sich daraus, dass in Sap 2 , 24 ( τῆς ἐκείνου μερίδος ὄντες ) fast dieselbe Wendung wie in Sap 1 , 16 ( τῆς ἐκείνου μερίδος εἶναι ) vorliegt. Da εἰκεῖνος in Sap 1 , 16 eindeutig auf θάνατος zu beziehen ist und Sap 1 , 16 mit Sap 2 , 24 eine Inklusion um die Rede der Gottlosen bildet, kann davon ausgegangen werden, dass diese wieder aufgenommene Formulierung erneut auf den Tod zu beziehen ist. 507 Daraus ergibt sich eine Einschränkung. Nicht alle Menschen sind von diesem Tod, der in die Welt gekommen ist, betroffen, sondern nur diejenigen, die seines Teils sind. Es können hier nur die »Gottlosen« ( ἀσεβεῖς Sap 1 , 16 a) gemeint sein, die von diesem Tod betroffen sind. Das kontrastierende δικαίων δὲ ψυχαί im unmittelbaren Anschluss in Sap 3 , 1 verdeutlicht diesen Blickwinkel. Während Sap 2 , 24 noch ausschließlich das Schicksal der Gottlosen beleuchtet, stehen erst ab Sap 3 , 1 wieder die Gerechten im Mittelpunkt. Die gleiche Gegenüberstellung geschieht auch direkt nach der zweiten Rede der Gottlosen. Angesichts ihres trostlosen und hoffnungslosen Endes gelangen die Gottlosen darin zu zu später Einsicht und Reue (Sap 5 , 1 - 14 ). Die Beziehungen zwischen der ersten (Sap 2 , 1 b- 20 ) und der zweiten Rede der Gottlosen (Sap 5 , 4 - 13 ) sind vielfältig. 508 In beiden Fällen handelt es sich um fiktive Reden, die den Gottlosen in den Mund gelegt sind (Sap 2 , 1 b- 20 ; 5 , 4 - 13 ). Umfasst sind die Reden jeweils von Rahmenstücken (Sap 1 , 16 - 2 , 1 a; 2 , 21 - 24 + 4 , 20 - 5 , 3 ; 5 , 14 - 23 ). Beide Reden sind durch Gegenüberstellungen der Gerechten mit den Welt, und ihn erfahren, die zu ihm gehören.« Larcher, Sagesse, Bd. 1 , S. 266 : »Mais par l’envie du diable la mort est entrée dans le monde et ils en font l’experience ceux qui sont du parti de cet être-là.« - Vgl. mit einer weiteren Variante Vílchez, Sapienza, S. 188 . 507 Vgl. hierzu bereits die beiden Abschnitte ›Die Rahmung der Rede Sap 1 , 16 - 2 , 1 a und Sap 2 , 21 - 24 ‹ und ›Sap 1 , 16 d. Würdige Teilhabe am Tod‹. 508 Vgl. zum Verhältnis dieser beiden Reden zueinander bei den Abhandlungen zu den Einleitungsfragen den Abschnitt »Inhalt und literarische Struktur«. - Einen detaillierten Vergleich beider Reden liefert Perrenchio, Sapienza 1 , 16 - 2 , 24 e 5 , 1 - 23 . Im dritten Abschnitt seiner Untersuchung (S. 33 ) listet er 17 Worte auf, die in Sap 1 , 1 - 6 , 21 nur in den beiden Redenkomplexen bezeugt sind (z. B. ὁδός Sap 2 , 16 ; 5 , 6 . 7 ; πλανάω Sap 2 , 21 ; 5 , 6 ; κτίσις Sap 2 , 6 ; 5 , 17 ; ἀναλύω Sap 2 , 1 ; 5 , 12 ; καπνός Sap 2 , 2 ; 5 , 14 ; σκιά 2 , 5 ; 5 , 9 ; υἱός 2 , 18 ; 5 , 5 ; μισθός Sap 2 , 22 ; 5 , 15 ; ὁσιότης Sap 2 , 22 ; 5 , 19 ). Hinzu kommen noch sechs weitere Worte desselben Stammes, die ebenfalls innerhalb von Sap 1 , 1 - 6 , 21 nur in beiden Reden vorkommen (z. B. νεφέλη Sap 2 , 4 + νέφος Sap 5 , 21 ; ὀνειδί ζω Sap 2 , 12 + ὀνειδισμός Sap 5 , 4 ; ἀλαζονεύομαι Sap 2 , 16 + ἀλαζονεία 5 , 8 ). Darüber hinaus führt Perrenchio weitere zwölf Worte auf, die ebenfalls in beiden Reden vorkommen, aber auch außerhalb dieser in Sap 1 , 1 - 6 , 21 belegt sind (z. B. ἀσεβής Sap 1 , 9 ; 1 , 16 ; 3 , 10 ; 4 , 3 . 16 ; 5 , 14 ; κακία Sap 2 , 21 ; 4 , 11 ; 5 , 13 ; κλῆρος Sap 2 , 9 ; 3 , 14 ; 5 , 5 ; βίος Sap 2 , 1 . 4 . 15 ; 4 , 9 ; 5 , 4 ). Den Abschluss dieser Auflistung bilden drei Wortstämme, die in beiden Reden, aber auch außerhalb dieser in Sap 1 , 1 - 6 , 21 vorkommen (z. B. ἐλπί ζω Sap 2 , 22 + ἐλπίς Sap 3 , 4 . 11 . 18 ; 5 , 14 ). - Auch Schmitt, Komposition, hebt die literarischen und kompositorischen Gemeinsamkeiten der ersten und der zweiten Rede der Gottlosen hervor. 172 <?page no="173"?> Gottlosen geprägt. Inhalt sind jeweils Einschätzungen der Gottlosen über Tod und Vergänglichkeit. Während ihr Blickwinkel in der ersten Rede allein in der Immanenz verhaftet ist und sie für eschatologische Belange gänzlich blind sind, ist ihre Wahrnehmung hierfür in der zweiten Rede geschärft. Allerdings ist für diese Korrektur nicht weniger als die Gerichtssituation Voraussetzung, in der sie sich vor dem Angesicht des Gerechten (Sap 5 , 1 ) für ihre Sünden verantworten müssen ( ἐλεύσονται ἐν συλλογισμῷ ἁμαρτημάτων αὐτῶν Sap 4 , 20 ). Nun beklagen sie, dass ihr Hochmut und Reichtum ohne Nutzen sind (Sap 5 , 8 ). Ihre Klage über die Nutzlosigkeit ihres vormaligen Verhaltens ist in ähnlich poetischer Form gehalten wie die Klage über die Vergänglichkeit jeder Kreatur in der ersten Rede (Sap 2 , 1 b- 5 ; 5 , 9 - 12 ). 509 Die Gottlosen zeigen zu spät Reue (Sap 5 , 3 ) und müssen in dieser Gerichtssituation bekennen, keine Zeichen der Tugend vorweisen zu können (Sap 5 , 13 ). Im unmittelbaren Anschluss an die zweite Rede der Gottlosen erfolgt auch hier wie schon nach der ersten Rede der kontrastierende Vergleich der Gottlosen mit den Gerechten. Deren Existenz wird nicht wie die der Gottlosen wie ein Schatten vergehen (Sap 5 , 9 ), sondern ewig sein. Die Gerechten, so heißt es als Reaktion auf die zweite Rede der Gottlosen, werden in Ewigkeit leben. 510 Nicht Angst und furchtvolles Zittern wie die Gottlosen (Sap 4 , 20 ; 5 , 2 ) erwartet die Gerechten nach ihrem physischen Tod, sondern ewiges Leben (Sap 5 , 15 ). Hierin besteht wiederum eine Verbindung zum Schlusskommentar der ersten Rede. Zur Unvergänglichkeit sind alle Menschen bestimmt (Sap 2 , 23 ), doch nur die Gerechten werden ewig leben. Diese scharfe Gegenüberstellung von Gottlosen und Gerechten ist für die Auslegung von Sap 2 , 24 zu berücksichtigen. Da Sap 1 , 16 mit ἀσεβεῖς δέ den Eingangskommentar einleitet und erst nach Abschluss des Schlusskommentars in Sap 3 , 1 die Perspektive wieder zu den Gerechten wechselt ( δικαίων δὲ ψυχαί Sap 3 , 1 ), ist davon auszugehen, dass auch die zweite Ätiologie des Todes (Sap 2 , 24 ) wie schon die erste (Sap 1 , 16 ) ausschließlich auf die Gottlosen zu beziehen ist. 4 . 9 Fazit zu Sap 2 , 21 - 24 Der Abschnitt Sap 2 , 21 - 24 kommentiert die Rede der Gottlosen und verweist auf die Fehlorientierung der Gottlosen. Diese vermögen nicht zu erkennen, dass jeder Mensch von Gott auf Unvergänglichkeit hin angelegt ist. Diese Bestimmung und die damit verbundene Hoffnung auf eschatologischen Lohn und Geschenke für untadeliges Verhalten sind den Gottlosen fremd. Die Fähigkeit, über ihre irdische Existenz hinauszublicken, besitzen sie nicht, weshalb sie als Teilhaber des Todes bezeichnet werden (Sap 2 , 24 b; vgl. 509 Vgl. beispielsweise die jeweiligen mit ὡς eingeleiteten Vergleiche in Sap 2 , 1 b- 5 ; 5 , 9 - 12 . 510 Sap 5 , 15 δίκαιοι δὲ εἰς τὸν αἰῶνα ζῶσιν . 173 <?page no="174"?> Sap 1 , 16 d). Aufgrund ihrer Verblendung und moralischen Fehlorientierung verwirken sie die auch in ihnen ursprünglich angelegte Unvergänglichkeit. Diese Unvergänglichkeit, das Sein in Gottes Nähe über den irdischen Tod hinaus, verwirken die Gottlosen durch ihr Verhalten zu irdischen Lebzeiten. Sie illustrieren damit das, wovor bereits in Sap 1 , 11 - 15 gewarnt wurde: Sie eifern mit ihrem verwerflichen Verhalten dem Tod nach (Sap 1 , 12 ). Im Anschluss daran wurde in Sap 1 , 16 das Tun und Reden der Gottlosen als Grund für den herbeigerufenen Tod benannt. Damit ist die menschliche Unmoral der Grund für den von Gott entfremdenden Tod. Angesichts dieser ersten und in sich geschlossenen Ätiologie des Todes bedarf es einer Erklärung, warum in Sap 2 , 24 eine zweite Ätiologie des Todes folgt. Hierzu bestehen zwei Erklärungsmöglichkeiten. ( 1 ) Der Neid des Teufels, auf den nach Sap 2 , 24 der Tod zurückgeht, ist nichts anderes als eine Personifikation des menschlichen Fehlverhaltens, das in Sap 1 , 16 als Grund für die Existenz des Todes genannt wird. ( 2 ) In Sap 2 , 24 liegt mehr als eine bloße Umformulierung von Sap 1 , 16 vor. Mit dem Neid des Teufels wird tatsächlich auf eine widergöttliche Macht verwiesen, die sowohl außerhalb Gottes als auch außerhalb der Unmoral der Gottlosen steht. Es besteht demnach in Sap 2 , 24 eine Ergänzung zu Sap 1 , 16 . Die ausschließlich auf dem Tun und Reden gründende erste Ätiologie des Todes (Sap 1 , 16 ) bedarf einer Ergänzung, die in Sap 2 , 24 durch die Figur des Teufels angeschlossen wird. Die traditionsgeschichtlichen Untersuchungen zum Neid des Teufels lassen die zweite Deutungsvariante als die plausiblere erscheinen. Da der Teufel in sämtlichen untersuchten Paralleltexten in der Septuaginta, in den jüdischen Pseudepigraphen und im Neuen Testament immer als eine Gott widerstrebende Macht dargestellt wird, ist dies auch für Sap 2 , 24 stark anzunehmen. Betrachtet man die Belege für διάβολος / σατανᾶς in chronologischer Reihenfolge beginnend im Hiobbuch und bei Sacharja bis hin zu den neutestamentlichen Vorkommen, so lässt sich erkennen, dass der Teufel zunehmend an Macht und Selbständigkeit gewinnt. Der in Hi 1 f noch den Anweisungen Gottes unterstehende Teufel erlangt in jüngeren Texten immer mehr Souveränität. Es wäre angesichts dieses Befundes außergewöhnlich, wenn in Sap 2 , 24 der Teufel nicht eine solche Gott widerstrebende Macht bezeichnen würde. Es legt sich daher der Schluss nahe, dass Sap 2 , 24 das bezeichnet, was noch über das Handeln und Reden der Gottlosen hinausgeht. Die allein auf menschliches Tun und Denken verweisende erste Ätiologie des Todes (Sap 1 , 16 ) bedarf also insofern einer Erweiterung, als dass sie allein nicht hinreichend ist. Der am Schluss der Rede der Gottlosen eingefügte Mythos vom Neid des Teufels liefert eine Ätiologie des Todes, die sich nicht auf das unmoralische Handeln der Gottlosen stützt. In gewisser Weise liegt darin eine Entschuldigung für das todeswürdige Verhalten der Gottlosen. Nicht das 174 <?page no="175"?> eigene Tun und Denken, sondern die Gott und Menschen entzogene Macht des Teufels ist verantwortlich für die Existenz des Todes (Sap 2 , 24 ). Hierin besteht eine Spannung. Der eschatologische Tod gründet somit zugleich in menschlicher Verfehlung (Sap 1 , 16 ) und teuflischer Macht (Sap 2 , 24 ). Der traditionsgeschichtliche Vergleich mit der ApcMos lässt erkennen, dass es sich in Sap 2 , 24 um eine sehr knappe Genesisrezeption und -interpretation handelt. Aus Sap 2 , 24 selbst ist kein unmittelbarer Bezug zur Schöpfungs- und Sündenfallgeschichte aus Gen 1 - 3 zu erkennen. Da jedoch in der wahrscheinlich zeitgleich mit der Sap entstandenen ApcMos der Teufel in eine ausführliche Aufnahme der ersten Kapitel der Genesis gestellt ist, kann auch für Sap 2 , 24 erwogen werden, dass hier eine verkürzte Rezeption der Sündenfallgeschichte vorliegt. Aufgrund der engen Verbindung von Teufel und Schlange in der ApcMos soll auch für Sap 2 , 24 angenommen werden, dass ebenfalls ein Bezug beider Gestalten vorausgesetzt ist. So ist der Teufel, in diesem Fall der Neid des Teufels, in Sap 2 , 24 an die Stelle der Schlange aus Gen 3 getreten. Dass das Wirken des Teufels in dessen Neid gründet, zeigt einmal mehr, wie selbstverständlich die Sap sogar in der Auseinandersetzung mit einer theologisch so brisanten Fragestellung wie dem Grund des Todes auf griechisches Gedankengut zurückgreift. Die Anspielung an das pagane griechische Motiv des Neides der Götter, aus dem in Sap 2 , 24 in Anpassung an jüdische Theologie der Neid des Teufels wird, ist dabei unverkennbar und zeugt von dem kreativen Umgang mit allgegenwärtigen hellenistischen Traditionen. 175 <?page no="177"?> 5 E R G E B N I S Die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Ursprung des Todes hat zu der Differenzierung zwischen physischem und eschatologischem Tod geführt. Physischer Tod bezeichnet die menschliche Sterblichkeit in dieser Welt, während eschatologischer Tod die Gottesferne nach dem irdischen Ableben beschreibt. Anhand der idealtypischen Gegenüberstellung von Gerechten und Gottlosen konnte gezeigt werden, dass der physische Tod jeden trifft, den Gerechten ebenso wie den Gottlosen. Der entscheidende Unterschied zwischen Gerechten und Gottlosen besteht im jeweiligen Umgang mit dieser von Anbeginn der Schöpfung angelegten conditio humana. Der Gerechte wendet sich angesichts seiner Sterblichkeit zu Gott und bittet ihn um die Gabe der Weisheit, von der er sich Unsterblichkeit erhofft (Sap 8 , 13 ). Synonym für Unsterblichkeit steht Unvergänglichkeit, zu der Gott jeden Menschen geschaffen hat (Sap 2 , 23 ). Jedoch vermögen nur diejenigen, die die Weisheit suchen und die Gebote der Tora halten, diese Veranlagung zu bekräftigen (Sap 6 , 18 ). Die Reaktion der Gottlosen blendet jegliche potentielle Unvergänglichkeit aus. Ihr Blick ist angesichts irdischer Endlichkeit ausschließlich auf Genuss und Machtmissbrauch begrenzt. Dieses Verhalten der Gottlosen wird als Bundesschluss mit dem eschatologischen Tod gewertet (Sap 1 , 16 ). Doch besteht neben dieser ersten noch eine zweite Erklärung für die Verbundenheit der Gottlosen mit dem eschatologischen Tod. Nicht nur auf sie selbst, sondern auch auf den Neid des Teufels ist ihr eschatologischer Tod zurückzuführen. Damit ist ein Gegenpol benannt. Die Gottesferne der Gottlosen gründet nicht nur in ihrem ethisch verantwortungslosen Verhalten, sondern auch in der fremden Macht des Teufels. Anhand der Auslegung von Sap 1 , 11 - 2 , 24 konnte gezeigt werden, inwiefern sich das stark in der eigenen Tradition verwurzelte Judentum mit den Einflüssen des Hellenismus auseinandergesetzt hat. In den Einzelexegesen wurde die Doppelstrategie der Sap nachgewiesen, sich zwischen Anpassung und Abgrenzung zu positionieren. So geht das Festhalten an zentralen jüdischen Traditionen mit der Übernahme modifizierter griechischer Auffassungen und Terminologie einher. Es zeigt sich die Synthese jüdischer und griechischer Vorstellungen darin, dass die Schöpfungs- und Sündenfallgeschichte aus Gen 1 - 3 aufgenommen und mit ontologischer Sprache verbunden wird. Zudem wird die platonische Seelenlehre in diesem Kontext adaptiert und erhält Einzug in die Septuaginta. Doch auch bereits bestehende 177 <?page no="178"?> jüdische Traditionen werden in diesem Zusammenhang erstmals zusammengeführt, wie die Verbindung der Rezeption von Gen 1 - 3 mit der Figur des Teufels verdeutlicht. Dieses Zusammenspiel von Anpassung und Abgrenzung gegenüber hellenistischen Einflüssen einerseits, sowie von Rezeption und Weiterentwicklung jüdischer Traditionen andererseits führt dazu, dass etwas Neues entsteht, eine jüdisch-hellenistische Theologie. 178 <?page no="179"?> L I T E R AT U RV E R Z E I C H N I S Die Abkürzungen folgen: Schwertner, S. M., Theologische Realenzyklopädie, Abkürzungsverzeichnis, Berlin/ New York 2 1994 . 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Zieht man im Rahmen eines interdisziplinären Ansatzes zusätzlich die relevanten Ergebnisse der kognitiven Gedächtnispsychologie und die Forschungen zur Traditionsvermittlung in mündlichen Kulturen (Oral Poetry) heran, zeigt sich: Um dem Verhältnis zwischen den synoptischen Evangelien in seiner ganzen Komplexität historisch gerecht zu werden, ist der Einfluß eines mündlichen Faktors (bzw. eines Gedächtnisfaktors) wesentlich höher zu veranschlagen als gemeinhin angenommen. Als wahrscheinlichstes Lösungsmodell zur synoptischen Frage erweist sich im Zuge des hier gewählten interdisziplinären Zugangs die klassische Traditionshypothese. Armin D. Baum Der mündliche Faktor und seine Bedeutung für die synoptische Frage Analogien zur synoptischen Frage aus der antiken Literatur, der Experimental-psychologie, der Oral poetry-Forschung und dem rabbinischen Traditionswesen Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter 49 2008, XVIII, 526 Seiten, €[D] 78,00/ Sfr 132,00 ISBN 978-3-7720-8266-5