Aspekte toponymischer Volksetymologie
Das Beispiel des Kantons Bern (deutschsprachiger Teil)
0817
2011
978-3-7720-5420-4
978-3-7720-8420-1
A. Francke Verlag
This Michel Fetzer
Das Buch entstand aus der Arbeit am Ortsnamenbuch des Kantons Bern. Es ergänzt das Ortsnamenbuch um einen spezifischen Blickwinkel, der dort so bisher nicht vorkommt. Die Studie betrachtet die volksetymologische Deutung geografischer Namen aus zwei Blickwinkeln: einerseits klassisch als Analogieerscheinung bei der Remotivierung isolierter Wörter, die Untersuchung von Toponymen als »Paradefeld« der Volksetymologie ergibt eine exemplarische Geschichte der volksetymologischen Deutung in unterschiedlichen Kategorien, aber kein konsistentes Einteilungssystem. Andererseits wird Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons untersucht, eine Verknüpfung, die bisher praktisch unberücksichtigt blieb, sich aber für beide Seiten als befruchtend erweisen könnte.
<?page no="1"?> Aspekte toponymischer Volksetymologie <?page no="3"?> This Michel Fetzer Aspekte toponymischer Volksetymologie Das Beispiel des Kantons Bern (deutschsprachiger Teil) <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. Von der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern als Inauguraldissertation angenommen im Oktober 2009 auf Antrag von Prof. Dr. Elke Hentschel und Prof. Dr. Beat Siebenhaar. Gedruckt mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, des Lotteriefonds des Kantons Bern und der UniBern Forschungsstiftung. © 2011 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Printed in Germany ISBN 978-3-7720-8420-1 <?page no="5"?> Dank Von vielen Seiten habe ich beim Schreiben dieser Dissertation Unterstützung erhalten, für die ich mich herzlich bedanken möchte. Zu Dank verpflichtet bin ich dem Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF), der meine Anstellung als Doktorand des Ortsnamenbuchs des Kantons Bern (BENB) erst ermöglicht hat. Ein großes Dankeschön geht an Frau Prof. Dr. Elke Hentschel. Sie hat mich bei der Themenwahl, bei der Untersuchung und beim Schreiben gefördert und auch gefordert und mit stetem Interesse den wichtigen germanistischen Blick auch von außerhalb der Toponomastik auf die entstehenden Resultate geworfen. Ihr verdanke ich interessante Beispiele ebenso wie die Anregung zu wichtigen Überlegungen. Ebenso danke ich dem Zweitgutachter Prof. Dr. Beat Siebenhaar. Dankbar bin ich auch Dr. Thomas Franz Schneider und Dr. Erich Blatter, die mich in der Forschungsstelle für Namenkunde der Universität Bern ins BENB eingeführt, mir das Material zugänglich und mich mit den grundlegenden Kenntnissen und Techniken der Toponomastik vertraut gemacht haben. Sie haben mein Interesse kanalisiert und auf einen guten Weg geleitet, mir stets Anregungen zu meiner Arbeit gegeben und auch mit konstruktiver Kritik nicht gespart: Sie waren meine toponomastischen Lehrer. Ebenfalls danken möchte ich meinen Kolleginnen und Kollegen von der Forschungsstelle. Im Gespräch mit Martin Clausen, Roland Hofer, Michael Pawlus und Noëmi Wili sind manche Ideen entstanden und gereift. Alle haben sie mir auch bei der Datensammlung geholfen, volksetymologische Beispiele gesucht und so zum Gelingen beigetragen. Besonders danke ich Dr. Inga Schneider vom BENB, die meine Arbeit sorgfältig gegengelesen und mir entscheidende Hinweise gegeben hat. Ein großer Dank geht an meine Schwester Fanni Fetzer. Sie hat meinen Text gelesen, um mich nach meiner langen Beschäftigung mit immer wieder denselben Abschnitten auf sprachliche Wiederholungen und Verbesserungsmöglichkeiten hinzuweisen. Als langjährige Kulturredakteurin war sie auch eine kritische Leserin des Fachjargons und hat mich darauf hingewiesen, wenn etwas unklar war. Ohne sie wäre meine Dissertation wesentlich unlesbarer. Meine Eltern Silvia und Werner Fetzer-Ruffner haben meine Bildung 26 Jahre verfolgt, ohne je ungeduldig zu werden. Stets haben sie mich in meinen Interessen unterstützt und sich über Erfolge gefreut, oft genug war ich auch auf ihre finanzielle Hilfe angewiesen. Ich erinnere mich an einen Zettel, der bei uns an der Wand hing und auf dem für ein Elterngespräch mit <?page no="6"?> Dank 6 einem Primarschullehrer stand, was ich nach der Schule machen könnte. »Etwas mit Sprache«, hatten meine Eltern da notiert, und sie hatten schon damals Recht. Ohne sie wäre ich nie hier gelandet, und mögen sie auch manchmal daran gezweifelt haben, dass es klappen würde: Sie freuen sich heute sicher genauso wie ich. Mein Bruder Jost Fetzer war und ist mir ein ruhiger Begleiter, der mich aus der Linguistik in eine andere Lebensrealitität zurückholt. Auch ihm bin ich dankbar, ebenso wie Verwandten, Freundinnen und Freunden in großer Zahl in Graubünden, Bern und anderswo. Danke, lieber Christoph, dass du mit mir bis hierher gekommen bist. Du hast mich nicht nur in technischen Dingen unterstützt, selbst wenn ich nicht immer einsehen wollte, wozu der Aufwand gut sein sollte. Ich sehe es jetzt am Resultat. Nein, du hast auch immer zugehört, wenn ich mit Begeisterung von meinen Namen erzählte, und das nicht nur mit Geduld, sondern mit echtem Interesse. Hätte ich dich nicht, ich wüsste gar nicht, wem ich abends von meinen Namenerlebnissen berichten sollte. <?page no="7"?> Inhaltsverzeichnis Dank ................................................................................................................ 5 Abkürzungen ............................................................................................. 11 Lautverzeichnis und Hinweise zu Schreibweise und Darstellung ................................................................................................. 13 Karte des Untersuchungsgebiets ................................................... 15 1 Einleitung und Aufgabenstellung .......................................... 17 Terminologie der Toponomastik ..................................................... 19 2 Forschungsstand ................................................................................ 21 2.1 Etymologie als wissenschaftliche Disziplin ....................... 21 2.2 Volksetymologie ........................................................................... 22 2.2.1 Volksetymologie als Begriff: Ursprünge......................... 22 2.2.2 Volksetymologie als Begriff: Entwicklung von Verständnis und Einschätzung ........................................ 23 2.2.3 Volksetymologie als Begriff: Terminologie .................... 38 2.2.4 Volksetymologie in der fremdsprachigen Forschung... 39 2.3 Was ist Volksetymologie? ......................................................... 40 2.3.1 Bedingungen für Volksetymologie.................................. 40 2.3.2 Unterscheidungskriterien der Volksetymologie............ 43 2.3.3 Verwandte Phänomene..................................................... 46 2.3.4 Typologie ............................................................................ 48 2.3.5 Definition von Volksetymologie ...................................... 51 2.4 Toponymie und Etymologie .................................................... 52 2.4.1 Besonderheiten der Wortkategorie Namen.................... 53 2.4.2 Toponomastische Auseinandersetzung mit Volksetymologie ................................................................ 59 2.4.3 Zum Verständnis der Volksetymologie in der Toponomastik..................................................................... 61 3 Volksetymologie in der Toponymie ..................................... 65 3.1 Die Erhebung von Daten zur Volksetymologie ............... 65 3.1.1 Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Forscherin/ Forscher und Forschungsgegenstand ........ 68 3.1.2 Offenheit des Untersuchungsgegenstands..................... 69 <?page no="8"?> Inhaltsverzeichnis 8 3.2 Das Datenmaterial ....................................................................... 70 3.2.1 Das Untersuchungsgebiet................................................. 71 3.2.2 Das Berner Namenbuch: Anlage der Datensammlung 73 3.2.3 Weitere Daten..................................................................... 76 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten ............................................................ 77 3.3.1 Isolation............................................................................... 78 3.3.2 Sprachliche Ebene: Semantik............................................ 87 3.3.3 Sprachliche Ebene: Laut .................................................... 95 3.3.4 Sprachliche Ebene: Morphologie ..................................... 111 3.3.5 Außersprachliches Referenzobjekt .................................. 124 3.3.6 Sprachen.............................................................................. 130 3.3.7 Geografische Verteilung ................................................... 139 3.3.8 Entstehungszeitpunkt ....................................................... 142 3.3.9 Urheberschaft ..................................................................... 164 3.3.10 Medium ............................................................................... 180 3.3.11 Volksetymologie mit Appellativen und Namen ........... 183 3.3.12 Vermeintliche Volksetymologie....................................... 188 3.3.13 Volksetymologie in Verbindung mit Legenden und Wappen ............................................................................... 189 3.3.14 Intendierte Volksetymologie ............................................ 198 3.3.15 Mehrfache Volksetymologie............................................. 200 3.3.16 Rückblick............................................................................. 202 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons .................................................................................................. 205 4.1 Das mentale Lexikon ................................................................... 207 4.2 Die Bedeutung des mentalen Lexikons für die Erforschung toponymischer Volksetymologie .................. 212 4.2.1 Volksetymologie als Sprachrezeptionsphänomen ........ 212 4.2.2 Namen im mentalen Lexikon ........................................... 214 4.3 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons: Untersuchung anhand des Berner Namenbuchs ............. 221 4.3.1 Untersuchungseinheit und Testpersonen....................... 222 4.3.2 Versuchsanordnung .......................................................... 224 4.3.3 Verschriftlichungstest........................................................ 226 4.3.4 Assoziationstest.................................................................. 230 4.3.5 Auswertung ........................................................................ 241 <?page no="9"?> Inhaltsverzeichnis 9 5 Abschluss und Ausblick ............................................................... 245 5.1 Bedeutung der Volksetymologie in der Toponymie ...... 245 5.2 Ausblick ........................................................................................... 250 Index ................................................................................................................ 253 Literatur ......................................................................................................... 271 Quellen .......................................................................................................... 291 Anhang A ..................................................................................................... 297 Anhang B ...................................................................................................... 305 Anhang C ..................................................................................................... 313 Anhang D ..................................................................................................... 319 <?page no="11"?> Abkürzungen A - Österreich a.a.O. - am angegebenen Ort aengl. - altenglisch afrkpr. - altfrankoprovenzalisch afrz. - altfranzösisch AG - Kanton Aargau ahd. - althochdeutsch AI - Kanton Appenzell Innerrhoden alem. - alemannisch AR - Kanton Appenzell Ausserrhoden arab. - arabisch B - Belgien bair. - bairisch BE - Kanton Bern berndt. - berndeutsch bes. - besonders BL - Kanton Basel-Landschaft BO - Berner Oberland BS - Kanton Basel-Stadt bzw. - beziehungsweise CH - Schweiz chin. - chinesisch D - Deutschland d.h. - das heißt dt. - deutsch engl. - englisch etc. - et cetera F - Frankreich f. - feminin f(f). - folgend(e) FR - Kanton Fribourg (Freiburg) fries. - friesisch frnhd. - frühneuhochdeutsch frkpr. - frankoprovenzalisch frz. - französisch gall. - gallisch gallorom. - galloromanisch germ. - germanisch GL - Kanton Glarus GR - Kanton Graubünden hd. - hochdeutsch hebr. - hebräisch Hg. - Herausgeber(in) hg. - herausgegeben I - Italien ie. - indoeuropäisch IRL - Irland ital. - italienisch Jh. - Jahrhundert(e) JU - Kanton Jura kelt. - keltisch lad. - ladinisch lat. - lateinisch LU - Kanton Luzern m. - maskulin mengl. - mittelenglisch mhd. - mittelhochdeutsch mnd. - mittelniederdeutsch n. - neutrum nd. - niederdeutsch ndl. - niederländisch NE - Kanton Neuchâtel (Neuenburg) nengl. - neuenglisch nhd. - neuhochdeutsch niederalem. - niederalemannisch NL - Niederlande Nr. - Nummer nschwzd. - neuschweizerdeutsch o.ä. - oder ähnlich OW - Kanton Unterwalden ob dem Wald r - recto (bei Seitenzahlen) rät. - rätisch rätorom. - rätoromanisch rom. - romanisch russ. - russisch S. - Seite s. - siehe s.o. - siehe oben s.u. - siehe unten schwzd. - schweizerdeutsch sem. - semitisch SG - Kanton St. Gallen SH - Kanton Schaffhausen slaw. - slawisch SO - Kanton Solothurn süddt. - süddeutsch <?page no="12"?> Abkürzungen 12 südfrz. - südfranzösisch TH - Kanton Thurgau TI - Kanton Ticino (Tessin) türk. - türkisch u. - und u.a. - und andere/ unter anderem u.ä. - und ähnliche UK - Großbritannien ung. - ungarisch UR - Kanton Uri v - verso (bei Seitenzahlen) v.a. - vor allem VD - Kanton Vaud (Waadt) vgl. - vergleiche voralem. - voralemannisch vordt. - vordeutsch vorgerm. - vorgermanisch vorröm. - vorrömisch VS - Kanton Valais (Wallis) vs. - versus z.B. - zum Beispiel z.T. - zum Teil ZH - Kanton Zürich zit. - zitiert ° Das Zeichen entstammt dem BENB und bezeichnet dort Siedlungsnamen, deren Schreibung amtlich geregelt ist und die im Ortschaftenverzeichnis der Schweiz aufgeführt sind (BENB I/ 4: IX). Der jeweils aktuellste Stand des Verzeichnisses ist online beim Bundesamt für Statistik verfügbar (Ortschaftenverzeichnis). Die entsprechenden Ortsnamen erhalten im BENB in der Regel ein eigenes Lemma. Es handelt sich um die Namen größerer Siedlungen. <?page no="13"?> Lautverzeichnis und Hinweise zu Schreibweise und Darstellung Der vorliegende Text ist in der gültigen deutschen Rechtschreibung gesetzt, in Zitaten wird jedoch die Originalschreibweise verwendet. Ausgenommen davon sind Interpretamente aus Wörterbüchern, wo ß gegebenenfalls durch Doppel-s ersetzt ist. In schwzd. Wörtern wird wie in der Schweiz heute allgemein üblich dt. ß konsequent durch Doppel-s wiedergegeben, ß steht lediglich in historischen Schweizer Belegen. Aktuelle mündliche Namenbelege werden mehrheitlich in einer normalisierten Schreibweise wiedergegeben, die sich an den Regeln des BENB (I/ 4: 781) orientiert. Normalisierte Namenformen beginnen im Allgemeinen mit Majuskel. Nur wo es für die Argumentation unverzichtbar ist, sind mündliche Belege mit Sonderzeichen möglichst lautnah geschrieben. Die entsprechenden Namen beginnen immer mit Minuskel. Die Verwendung von Sonderzeichen richtet sich dabei nach derjenigen des BENB (I/ 4: XIf.), die wiederum auf dem Transkriptionssystem des Sprachatlasses der Deutschen Schweiz (SDS) und seiner Darstellungsweise von Qualität und Quantität basiert: Vokalismus Doppelt geschlossen geschlossen neutral offen überoffen kurz lang kurz Lang kurz lang kurz lang kurz Lang / →/ / ↓/ / i/ / ⁿ/ / ▪/ / ▫/ / Π/ / Ρ/ / ü/ / Κ/ / Ϋ/ / ά/ / Ǿ/ / ǿ/ / u/ / ŷ/ / Ό/ / Ό/ / Ť/ / ı/ / Ŕ/ / e/ / Ń/ / ů/ / Ő/ / / / / / ŋ/ / ō/ / ö/ / ĸ/ / ũ/ / Ū/ / ĝ/ / Ā/ / o/ / ē/ / ī/ / Ĭ/ / a/ / ć/ / ę/ Konsonantismus Phonem / x/ / k/ / kx/ / ό/ / ε/ / ks/ / ts/ Normalgraphem ›ch‹ ›gg‹ ›k‹, ›ck‹ ›ng‹ ›sch‹ ›x‹ ›z‹, ›tz‹ <?page no="14"?> Lautverzeichnis und Hinweise zu Schreibweise und Darstellung 14 Erläuterungen, besondere Qualitäten / ę / offenes, gegen / ī/ hin verdumpftes a / / entspricht dem Normalgraphem ›ä‹ / ″/ Reduktionslaut ›Schwa‹, näher bei ›e‹, z.B. in bīd″ ›Boden‹ / α / Reduktionslaut ›Schwa‹, näher bei ›a‹, z.B. in mΌtt α ›Mutte‹ / õ/ nasalierter Vokal Die in den Belegen vorkommenden historischen Sonderzeichen decken sich mit den Schreibweisen in den entsprechenden Quellen. Im Gegensatz zum Schweizerischen Idiotikon (Id.) (und mit ihm dem BENB) verzichte ich darauf, etymologische Laute, die im Schwzd. heute allgemein ausgefallen sind (etwa auslautendes -n), zu bezeichnen. Schwzd. Längen gebe ich, wo nicht mit den Sonderzeichen von SDS und BENB, durch Buchstabenverdopplung (etwa aa) statt durch Dehnungsstrich (ć) an. Deckt sich ein schwzd. Namenelement weitgehend mit dem ent sprechenden nhd. Wort, so wird auf die Angabe der Herkunftssprache und des Interpretaments verzichtet. Eingerückt dargestellt sind im Text neben längeren Zitaten auch Aufzählungen sowie (onymische und appellativische) Beispiele. Letztere sind zusätzlich kursiv. Wird ein Name eingehender besprochen, so ist er fett gesetzt. Ich habe im Text nach Möglichkeit immer die feminine und die maskuline Form für Akteurinnen und Akteure verwendet, wo nicht ohnehin nur eines der beiden Genera zutraf (etwa bei einzelnen historischen Schreibern). Mir ist bewusst, dass linguistische Geschlechtergerechtigkeit in wissenschaftlichen Texten üblicherweise durch einen einleitenden Verweis auf die Gültigkeit der maskuline Form für beide Geschlechter herzustellen versucht wird. Dieses Vorgehen befriedigt mich nicht und ich habe mich daher für eine durchgehende Schreibung beider Formen entschieden. Nach meiner Erfahrung schränkt dies den Lesefluss nicht wesentlich ein, der Stil wird kaum beeinträchtigt. Dies insbesondere im Vergleich mit dem Wissenschaftsjargon, von dem ich wohl weiß, dass er oft unvermeidlich ist, um terminologische Exaktheit herzustellen. Auf die Verwendung des femininen Genus habe ich dagegen bei historischen Belegen verzichtet, weil hier mit größter Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass sie von Männern geschrieben wurden. - <?page no="15"?> Karte des Untersuchungsgebiets Die Karte zeigt die fünf Sektoren, in die das BENB das Untersuchungsgebiet gliedert (BENB I/ 4: XIV). Die Grenzen der Amtsbezirke sind mit reduzierter Deckkraft, ihre Namen in Kapitälchen gesetzt. Nicht mit Kapitälchen eingezeichnet sind zusätzlich die bedeutendsten (regionalen) Zentrumgsgemeinden (Bern, Biel/ Bienne, Burgdorf, Interlaken, Langenthal und Thun) und die Namen der großen Seen im Untersuchungsgebiet und in der nahen Umgebung (Bieler-, Brienzer-, Murten-, Neuenburger- und Thunersee). Ebenfalls mit reduzierter Deckkraft und als gestrichelte Linien sind in stark begradigter Form die wichtigsten Verkehrswege (Straßen und Eisenbahnlinien) eingetragen, um die Orientierung auf der Karte zu erleichtern. <?page no="16"?> Karte des Untersuchungsgebiets 16 Sektor I (Seeland) Amtsbezirke Aarberg, Biel, Büren, Erlach, Nidau Sektor II (Oberaargau, unteres Emmental) Amtsbezirke Aarwangen, Burgdorf, Fraubrunnen, Trachselwald, Wangen Sektor III (Mittelland, Emmental und Voralpengebiet) Amtsbezirke Bern, Konolfingen, Laupen, Schwarzenburg, Seftigen, Signau, Thun Sektor IV (westliches Berner Oberland) Amtsbezirke Frutigen, Niedersimmental, Obersimmental, Saanen Sektor V (östliches Berner Oberland) Amtsbezirke Interlaken, Oberhasli. Zur ungefähren geografischen Orientierung steht im Text bei jedem besprochenen Namen die Gemeinde mit der entsprechenden ektorennummer. Die Amtsbezirke Courtelary, Moutier und La Neuveville im Berner Jura sind nicht Teil des Untersuchungsgebiets. Die 26 Amtsbezirke des Kantons Bern wurden im Januar 2010 durch eine neue Verwaltungsgliederung ersetzt. Diese Neugliederung berührt die Sektoreneinteilung des BENB nicht. S <?page no="17"?> 1 Einleitung und Aufgabenstellung Der erste Anstoß zur Beschäftigung mit Volksetymologie dürfte für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler derselbe sein wie für Laien: Man stolpert über sie und wundert sich darüber, was in der lebendigen Sprache möglich ist. Entsprechend wird Volksetymologie oft als schillerndes Phänomen wahrgenommen; Panagl (1982: 20) spricht von der »Schmunzelecke der Sprachwissenschaft«. Amüsant erscheint Volksetymologie vor allem dadurch, dass man sich bei ihrer Betrachtung leicht auf Fälle konzentriert, in denen durch Umdeutung eines Worts, eines Namens ein fremder, unpassender Sinn entsteht oder doch mitschwingt. Es ist daher nicht erstaunlich, dass eine der ersten Publikationen, die sich (auch) mit toponymischer Volksetymologie befasst, den Titel Topographischer Volkshumor aus Schleswig-Holstein trägt (Handelmann 1866). 1 In der Linguistik genoss die Volksetymologie allerdings anfänglich weniger den Ruf einer amüsanten Angelegenheit als den eindeutig negativen Ruf des Fehlerhaften, ja eines pathologischen Phänomens. Diese Einschätzung hat sich im Lauf der Forschungsgeschichte grundlegend gewandelt. Damit verbunden war u.a. die Abkehr von der Vorstellung, Volksetymologie sei etwas, was ausschließlich von Laien produziert werde. Heute wird Volksetymologie als eines von vielen Phänomenen der aktiv genutzten Sprache verstanden und auch im Rahmen umfassenderer Theorien beschrieben (etwa von Harnisch 2004 im Rahmen der Grammatikalisierungstheorie). Die vorliegende Arbeit verfolgt mehrere Absichten: Sie soll zeigen, dass onymische Volksetymologie 2 nicht nur, ja nicht einmal in erster Linie die Erscheinung amüsanter Sinnentstellungen ist, als die sie leicht wahrzunehmen ist und die daher üblicherweise der Illustration dient. Die Auswahl der Untersuchungskategorien und konkreten Fälle soll aufzeigen, wie Volksetymologie gerade auch in Kleinigkeiten aufscheint, die der Sprecherin, dem Hörer ebenso wie der Forscherin, dem Forscher leicht entgehen. Anhand von Beispielen, die nicht zweifelsfrei als Volksetymologie einzustufen sind, soll zudem gezeigt werden, wie schwer die Grenzen zwischen 1 Ein Beispiel daraus ist die Interpretation des Namens der Stadt Konstanz (am Bodensee) als Kostnitz in der Redewendung Dat is von Kostnitz! ›Das kostet nichts‹ (Handelmann 1866: 33; das TGNB II/ 2: 339f. gibt als Mundartlautung für den Stadtnamen abweichend Choste(n)z an und verzeichnet Kostnitz lediglich im Gewässernamen Kostnitzersee). 2 Die oft als Paradefeld der Volksetymologie genannt wird, so Antos (1996: 217f.). S. auch 2.4.2. <?page no="18"?> 1 Einleitung und Aufgabenstellung 18 der Volksetymologie und anderen, verwandten Phänomenen zu ziehen sind. Daneben will diese Arbeit auch eine Sammlung von Volksetymologien im Untersuchungsgebiet sein. Wie Sanders (1980: 207f.) es formuliert: »Die vordringlichste Aufgabe besteht […] offensichtlich weniger in der Formulierung neuer Theorien […] als vielmehr in einer grundlegenden, systematischen Sammlung und Aufarbeitung der konkreten deutschen Volksetymologien.« 3 Weil es aber bisher niemandem gelungen ist, eine Definition aufzustellen, die klar und eindeutig zwischen Volksetymologie und anderen Erscheinungen unterscheidet; weil Volksetymologie tatsächlich so allgemein verbreitet ist, dass letztlich jeder Name irgendwann volksetymologisch beeinflusst sein könnte und nur die Beweise dafür fehlen; und weil es schließlich im Einzelfall immer eine Ermessensfrage bleibt, ob man die Entwicklung eines Namens als Volksetymologie einstuft oder nicht: Aus all diesen Gründen versteht sich diese Arbeit ausdrücklich nicht als umfassendes Namenbuch bzw. Lexikon der Volksetymologien im deutschsprachigen Teil des Kantons Bern. Sie will vielmehr das Spektrum volksetymologischer Erscheinungen im geografischen Namengut eines klar umgrenzten Untersuchungsgebiets mit konkreten Beispielen ausloten. Entsprechend enthält die Arbeit auch keine statistischen Auswertungen zur Volksetymologie. Wohl lassen sich Aussagen über relative Häufigkeiten und die Wahrscheinlichkeit der Volksetymologie unter bestimmten Umständen machen; Auszählungen und Berechnungen scheinen mir aber nicht angebracht, weil sie bei der unsicheren Datenbasis eine Scheingenauigkeit vorspiegeln. Der Titel dieser Arbeit, Aspekte toponymischer Volksetymologie, ist von Panagls Vortrag Aspekte der Volksetymologie (1979 gehalten, 1982 gedruckt) inspiriert, in dem er Beispiele einer relativ kleinen Sammlung von Volksetymologien unter verschiedenen (funktionalen) Gesichtspunkten beleuchtete und daraus einige sprachwissenschaftliche Schlüsse zog. Der Titel ist doppelt zu verstehen: Auf der einen Seite beziehen sich die Aspekte auf die klassische Volksetymologieforschung, die wie Panagl eine Sammlung volksetymologischer Fälle unter einer Vielzahl unterschiedlicher Gesichtspunkte betrachtet (Olschansky 1996: 58) und entsprechende Kategorien bildet, um ihren Untersuchungsgegenstand in erster Linie praktisch und daneben auch theoretisch zu fassen. Diese klassische Vorgehensweise habe ich für den ersten Untersuchungsteil (Kapitel 3) der vorliegenden Arbeit gewählt. Ihm geht eine forschungsgeschichtliche Einleitung (Kapitel 2) voraus, die aufzeigen soll, wie sich die Forschung zur Volks- 3 Dem ersten Teil seiner Aussage möchte ich allerdings widersprechen; tatsächlich hat sich seit Erscheinen seiner Bibliografie die Theorie der Volksetymologie maßgeblich weiterentwickelt. <?page no="19"?> 1 Einleitung und Aufgabenstellung 19 etymologie entwickelt hat, welches die Fragestellungen und die theoretischen Einordnungen waren, in welchen Bereichen Volksetymologie praktisch untersucht wurde und mit welchen der bereits angesprochenen Kategorien die Forschung versucht hat, ihren Untersuchungsgegenstand fassbar zu machen. Nur vor dem forschungsgeschichtlichen Hintergrund war es mir möglich, die Untersuchungskategorien für meine eigene Arbeit aufzustellen, nach denen der entsprechende Untersuchungsteil (Kapitel 3) gegliedert ist. Aspekte heißt in diesem Zusammenhang auch, dass nie abschließend alle möglichen Blickwinkel auf den Untersuchungsgegenstand berücksichtigt werden können. Auf der andern Seite sind mit Aspekten neben diesen praktischen Kategorien auch die größeren theoretischen Zusammenhänge gemeint, in die Volksetymologie eingeordnet werden kann. Die beiden Untersuchungsteile der vorliegenden Arbeit nehmen sich das Phänomen unter zwei ganz unterschiedlichen Perspektiven vor: Die klassische Herangehensweise in Kapitel 3, bei der Volksetymologie ausgehend von Beispielen untersucht wird, berücksichtigt die Theoriebildung von den Anfängen der Forschung bis zur Gegenwart. Dieser Perspektive folgt mit der Untersuchung zum mentalen Lexikon in Kapitel 4 ein Blickwinkel, dem weder von der Toponomastik noch von der Volksetymologieforschung bisher viel Beachtung geschenkt wurde. Er rückt weniger das Was und Wann (Welche Namen werden unter welchen Umständen umgedeutet? ) als das Wie und Warum der Volksetymologie (Wieso existiert sie überhaupt, wie funktioniert sie? ) ins Zentrum. Die Betrachtungsweise in zwei separaten Untersuchungseinheiten ist beabsichtigt. Der Begriff des mentalen Lexikons ist für die Volksetymologieforschung noch so sehr Neuland, dass es mir nicht angemessen scheint, es zur Grundlage einer Untersuchung zur Volksetymologie zu machen. Stattdessen möchte ich mit dem mentalen Lexikon, das ich ohnehin nur in Form relativ allgemeiner Überlegungen einbringen kann, eine mögliche zukünftige Forschungsrichtung andenken. Einstweilen steht das entsprechende Kapitel nach demjenigen mit der klassischen Herangehensweise und lässt damit offen, ob in Zukunft Erkenntnisse der Forschung zum mentalen Lexikon die Volksetymologieforschung lediglich ergänzen oder zu ihren Voraussetzungen gehören werden oder ob sich letztlich wenig Berührungspunkte zwischen den beiden Bereichen finden. Terminologie der Toponomastik Die Toponomastik arbeitet mit einem umfangreichen terminologischen Repertoire, das in der Literatur nicht immer eindeutig bzw. konsistent angewendet wird - angefangen bei der Bezeichnung der Teildisziplin selbst (vgl. Greule 1978: 322f.; s. grundlegend zur Terminologie, zur weite- <?page no="20"?> 1 Einleitung und Aufgabenstellung 20 ren Untergliederung und zur Einbettung der Onomastik in die Sprachwissenschaft Brendler/ Brendler 2004). Allgemein ist die Unterscheidung von Nomina propria (Eigennamen) und Nomina appellativa (Gattungsbezeichnungen; Appellative); diese grundlegenden Begriffe werden auch hier angewendet. Die Termini Toponymie und Toponomastik können bedeutungsgleich eingesetzt werden; es bietet sich jedoch an, mit Toponomastik die wissenschaftliche Disziplin, also die Forschung zu geografischen Namen zu bezeichnen und unter Toponymie die Gesamtheit des geografischen Namenmaterials zu verstehen. Die Toponomastik unterscheidet eine Vielzahl verschiedener Namentypen entsprechend dem Bezeichneten (Denotat), so Siedlungsnamen (Oikonyme), Gewässernamen (Hydronyme), Raumbzw. Landschafts- und Ländernamen (Choronyme), Berg- und Gebirgsnamen (Oronyme), Straßennamen (Urbanonyme). Manche dieser Kategorien lassen sich weiter aufteilen, etwa Gewässernamen in Seen- und Fließgewässernamen oder Siedlungsnamen in Stadt-, Dorf-, Gemeinde-, Orts- und Hof- oder Heimetnamen. Nicht immer ist eine genaue Abgrenzung zwischen den einzelnen Kategorien möglich. Flurnamen (Mikrotoponyme) bezeichnen mehrere der oben genannten Namentypen (Gewässernamen, Bergnamen); umgangssprachlich werden sie eher für das (kultivierte) Land im Gegensatz zu den Siedlungen verwendet. Die Gesamtheit dieser Namenkategorien in Abgrenzung gegen Nomina propria anderer Art (etwa Personennamen, Warennamen) lässt sich mit Förstemann (II) als geografische Namen oder alternativ als Toponyme bezeichnen. Im Folgenden werde ich vor allem diesen Überbegriff verwenden, wo ich nicht einfach von Namen spreche. Verwiesen sei hier bereits auf die lange andauernde Diskussion über den richtigen Terminus für die Volksetymologie selbst (vgl. 2.2.3). Olschansky (1996) kapituliert trotz Bedenken mehr oder weniger vor der Bezeichnung: Sie hält sie aufgrund ihrer allgemeinen Verbreitung für kaum austauschbar und schlägt vor, allenfalls die weniger sprechende Abkürzung VE zu verwenden. In der vorliegenden Arbeit wird dennoch der Terminus Volksetymologie verwendet. Man darf vielleicht hoffen, dass der Terminus irgendwann der von Harnisch beschriebenen Tendenz zur Lexikalisierung (vgl. 2.2.2.7) unterliegt und zunehmend weniger mit dem in vielerlei Hinsicht schwierigen Begriff des Volks in Verbindung gebracht wird. Weitere Fachtermini werden im Folgenden angewendet, wo es sinnvoll erscheint; oft stammen sie aus einem einzelnen Werk, in dem das damit bezeichnete Phänomen beschrieben wird. Diese Termini beziehen sich also auf den entsprechenden Literaturverweis. <?page no="21"?> 2 Forschungsstand 2.1 Etymologie als wissenschaftliche Disziplin Am Anfang der Volksetymologieforschung steht die Entstehung der modernen Sprachwissenschaft: Nur in deren Rahmen konnte Volksetymologie überhaupt zum Forschungsobjekt werden. In der Sprachwissenschaft, wie sie sich in der Antike, seit der Zeit der Renaissance und der Aufklärung und dann vor allem im 19. Jh. mit dem sprunghaften Aufschwung sprachwissenschaftlicher Theorie und Forschung unter Forschern wie Humboldt, Bopp und Grimm entwickelte, hat die Geschichte der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Volksetymologie ihre Wurzeln. Erst im Sprach(wissenschafts)diskurs unterschiedlicher Jh. entstand über die Zeit eine Vorstellung des Gegensatzes zwischen Laien und Wissenschaftlern (bzw. Wissenschaftlerinnen) ebenso wie von deren jeweiligem Sprachwissen. 4 Von besonderer Bedeutung sind Potts Etymologische Forschungen (1833/ 1836), die den Anfang der etymologischen Forschung als sprachwissenschaftlicher Teildisziplin markieren (Olschansky 1996: 6). Dies nur schon deshalb, weil vieles, was in früheren Jh. an etymologischer Theorie und Forschungspraxis auf dem Stand der jeweiligen wissenschaftlichen Praxis geleistet wurde, mit der Abgrenzung des Begriffs Volksetymologie gegenüber der wissenschaftlichen Etymologie wo nicht der Volks-, so doch nach Förstemann der gelehrten Etymologie (1852: 2; Olschansky 1996: 7 spricht von vorwissenschaftlicher Etymologie) zuzurechnen ist. 5 Ein Überblick über die Geschichte der Sprachwissenschaft und der Etymologie würde den Rahmen der vorliegenden Dissertation sprengen. Er ist auch gar nicht nötig, weil eine breite Literatur zur Geschichte der Sprachwissenschaft im Allgemeinen und der Etymologie(forschung) im Besonderen vorliegt: Zu nennen sind für die Etymologie etwa die Monografie Die Etymologie. Geschichte - Fragen - Methode des Romanisten Pisani (1975), die von Schmitt (1977) herausgegebene Sammlung Etymologie mit Aufsätzen unterschiedlichster Autoren des 20. Jh. zu Wesen und Bedeutung der Etymologie, Wege der Etymologie von Trier (1981), dem Begründer der Wortfeldforschung, sowie Meiers (1986) ebenfalls aus romanistischer Sicht verfasstes Grundlagenwerk Prinzipien der etymologischen Forschung. Ebenso wenig ist hier der Raum für eine umfassende Geschichte der Volksetymologie bzw. der wissenschaftlichen Beschäftigung mit ihr. Ziel 4 Vgl. exemplarisch für die frühe Neuzeit Klein (1992). 5 Eichler (1995: 3) erwähnt etwa Etymologien mittelalterlicher Chronisten als Pseudobzw. Volksetymologien. <?page no="22"?> 2 Forschungsstand 22 dieses Kapitels (2) ist es einzig, die wichtigsten theoretisch-geschichtlichen Wurzeln und die Entstehung des Volksetymologiemodells aufzuzeigen, das der Untersuchung von Volksetymologie im Namenmaterial des Berner Namenbuchs (Kapitel 3) zugrunde liegt. Für eine umfassende Geschichte der Volksetymologie verweise ich ausdrücklich auf Olschanskys umfangreiche Bibliografie Volksetymologie (1996), die ein Standardwerk zum Thema nicht nur im deutschsprachigen Raum ist. Eine kürzere Geschichte der Volksetymologie bietet die im selben Jahr erschienene Laien-Linguistik (Antos 1996: 216-237). Auf Forschungsrichtungen, die seit Erscheinen von Olschanskys Werk aktuell wurden, weise ich an entsprechender Stelle speziell hin. Im Folgenden werde ich aus der Vielzahl von Autorinnen und Autoren, die sich auf praktischer oder theoretischer Ebene mit Volksetymologie auseinandergesetzt haben, lediglich exemplarisch einzelne herausgreifen, deren Werke die Entwicklung der etymologischen Wissenschaft wesentlich beeinflusst haben, etwa indem sie neue Unterscheidungskriterien aufstellten, die auf breite Rezeption stießen. 2.2 Volksetymologie 2.2.1 Volksetymologie als Begriff: Ursprünge Nach vorherrschender Meinung markiert die Publikation von Förstemanns bekanntem Aufsatz Über deutsche volksetymologie (1852) als erster Artikel der Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen den Anfang der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit einem Phänomen, zu dessen theoretischer Eingrenzung und terminologischer Fassung weiter unten (2.2.2 und 2.2.3) mehr zu sagen sein wird. Tatsächlich stammt der Terminus Volksetymologie nicht von Förstemann. Erstmals verwendet wurde er von Schmeller, der in seinen Mundarten Bayerns schon 1821 von der »lebendige[n] Volks-Etymologie« als wesentlichem Bestandteil der Identität einer Sprache schreibt (1821: 163). 1844 publiziert Schmeller Des böhmischen Herrn Leo’s von Rožmital Ritter-, Hof- und Pilger- Reise durch die Abendlande 1464-1467, beschrieben von zweien seiner Begleiter, der ein frühes Beispiel für Volksetymologie enthält: Ein Reisender sagt »Von Sant Jacob ritt wir auß gem Finstern Stern, als des dann die bauren nennen, es heißt aber Finis terrae« (1844: 177). Obwohl er Schmeller nicht zitiert (Harnisch 2000/ 2001: 44), dürfte Förstemann dessen Beitrag zur Volksetymologieforschung bekannt gewesen sein: Nur von hier kann er das Beispiel von Finis terrae kennen, das er in seinem Aufsatz (1852) ebenfalls anführt. Zwar nennt Schmeller das Phänomen an dieser Stelle eine Bauern-Etymologie (a.a.O.), doch ist davon aus- <?page no="23"?> 2.2 Volksetymologie 23 zugehen, dass Förstemann nicht nur Schmellers Publikation von 1844, sondern auch jene von 1821 kannte. Begrifflich konnte auch Schmeller möglicherweise auf Vorarbeiten anderer Autoren zurückgreifen: Anders als der zugehörige Terminus ist der ideengeschichtliche Begriff der Volksetymologie über längere Zeit entstanden. Olschansky (1996: 401f.) nennt ein 1827 unter dem Pseudonym Belemnon erschienenes Curiöses Bauern-Lexicon, eine Wörtersammlung, als ältestes Zeugnis der Reflexion über Wörter, die volksetymologisch beeinflusst sind. Noch älter ist nach Harnisch (2000/ 2001: 45) die anonym veröffentlichte Schrift Paradoxa von 1710. Als weitere Schriften, die vor Förstemanns Aufsatz erschienen sind und der Volksetymologie einen Schwerpunkt widmen, sind schließlich noch Heinzelmanns Sprachverähnlichung (1798) und Maßmanns Ueber Sprachreinheit (1848) zu nennen. Der Begriff der Volksetymologie hat also im Lauf des 18. und 19. Jh. Eingang in die Sprachwissenschaft gefunden, wogegen der Terminus nach heutigem Kenntnisstand von Schmeller 1821 erstmals eingebracht, doch noch nicht als dauerhafter Fachterminus, sondern lediglich alternativ mit anderen Termini verwendet wurde. Förstemann war es, der mit seinem berühmten Aufsatz (1852) den Terminus prägte, der als Lehnübersetzung 6 auch in anderen Sprachen die Diskussion bestimmt und heute trotz verbreiteter Kritik an der Bildung des Ausdrucks und vielfältiger Versuche, alternative Termini zu etablieren, quasi unangefochten die Stellung behauptet. Seinen Sinn erhält der durch Förstemanns Aufsatz bis heute wirksam gewordene Terminus Volksetymologie erst aus der begrifflichen Abgrenzung von Volksgegen wissenschaftliche Etymologie - eine Bezeichnung, die Förstemann gleichzeitig einführt (1852: 2). Historisch gesehen hält Förstemann das Phänomen der Volksetymologie für bedeutend älter als dasjenige der wissenschaftlichen Etymologie. 7 Erst durch die im 19. Jh. einsetzende institutionalisierte wissenschaftliche etymologische Tätigkeit lässt es sich aber unter einen Begriff fassen: Volksetymologie gehört zur nichtwissenschaftlichen Beschäftigung mit Etymologie, die Förstemann (1852: 2) weiter in volkstümliche und gelehrte Etymologie gliedert. 2.2.2 Volksetymologie als Begriff: Entwicklung von Verständnis und Einschätzung Da Förstemann mit seinem ›Initialaufsatz‹ (Olschansky 1996: 1) Über deutsche volksetymologie (1852) in der Forschung als Ausgangspunkt und Referenz für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Volksetymologie 6 Etwa frz. étymologie populaire, engl. folk etymology (Olschansky 1996: 108). 7 So kann man etwa die Etymologien in Platons sprachphilosophischem Dialog Kratylos aus heutiger Sicht durchaus als Volksetymologien bezeichnen. <?page no="24"?> 2 Forschungsstand 24 etabliert ist, beginnen auch die meisten Übersichten zur Entwicklung der Theorie der Volksetymologie mit Förstemann. Die weniger bekannten Vorarbeiten, auf die sich zumindest teilweise auch Förstemann gestützt haben dürfte (vgl. 2.2.1), werden allenfalls punktuell in die Entwicklung eines Modells der Volksetymologie einbezogen. 2.2.2.1 Erste Belege für Wahrnehmung von Volksetymologie Der oben erwähnte Reisebericht aus dem 15. Jh. (Schmeller 1844) ist nicht der erste Beleg von Volksetymologie in der Geschichte. Es ist aber nach Harnisch (2000/ 201: 44) wohl das erste Mal, dass ein Autor (also der Berichtschreiber im 15. Jh.) mehr oder weniger bewusst zwischen diachron korrekter und synchron hergestellter Etymologie unterscheidet, indem er nicht, wie es bis zu diesem Zeitpunkt und noch lange danach durchaus dem Wissensstand entsprochen hätte, ›Finsterer Stern‹ als zutreffende Etymologie von Finis terrae 8 versteht. Von einer Theorie der Volksetymologie kann an dieser Stelle aber noch keine Rede sein, über die Erwähnung dieser Bauernetymologie geht der Bericht nicht hinaus. Die Paradoxa von 1710 machen dann schon im Titel klar, dass sie eigentlich eine Abhandlung über Volksetymologie sind: Oder Seltsam klingende Doch klar und wahr gemachte Redens-Arten […] (Harnisch 2000/ 2001: 45). Auch Belemnons Curiöses Bauern-Lexicon (1728) spricht schon im Titelzusatz (worinnen die meisten in unserer teutschen Sprache vorkommende fremde Wörter erkläret, so dann, wie ketzerlich solche von vielen ausgesprochen, angedeutet und endlich bey jedem Wort e. lästerliche bäuerischod. jüdische Redens-Art beygefüget wird) ein wesentliches Merkmal der Volksetymologie an, nämlich die ketzerliche, »das heißt am etymologischen Ausgangswort gemessen ›falsche‹ Aussprache und ›Andeutung‹« (Harnisch 2000/ 2001: 44f.). Heinzelmann mit seiner Sprachenverähnlichung (1798) bringt dann weitere Einsichten in das Phänomen. In heutigen wissenschaftlichen Termini gesprochen bestehen für Volksetymologie folgende Voraussetzungen: Isolation des Ausgangsworts als Anlass für die Umformung; das Bedürfnis der Sprecherin, des Sprechers, ein Wort als motiviert, also von einem Stamm, einer Wortfamilie abgeleitet zu verstehen; die lautliche Ähnlichkeit mit einem andern Zielwort, an das sich ein Ausgangswort bei der volksetymologischen Umformung anlehnt (Harnisch 2000/ 2001: 45). Schmeller schließlich ist nicht nur der erste, der - für einen Einzelfall - den Terminus Volks-Etymologie verwendet, er gibt im Formenteil seiner 8 Dass dieser älteste greifbare Beleg einer als solchen wahrgenommenen Volksetymologie aus der Toponymie stammt, ist vermutlich ein Hinweis auf das Bedürfnis, Namen zu verstehen, als Motivation für Volksetymologie. Dies erlaubt keinen Rückschluss auf die tatsächliche Verbreitung des Phänomens in der Onomastik, insbesondere der Toponymie. <?page no="25"?> 2.2 Volksetymologie 25 Mundarten Bayerns auch bereits eine Beschreibung des Phänomens über diesen Einzelfall hinaus: Es sei »das angewohnte Erkennen bestimmter Bedeutungen und Worttheile und Wortformen, was eine Sprache von Jahrhundert zu Jahrhundert, der Hauptsache […] nach in ihrer Identität erhält. So viel ist sicher, daß ein Volk, welches gewohnt ist, die Bedeutung der Wörter gewissermaßen aus deren Bestandtheilen abzunehmen, mit Ausdrücken, die ihm, in verständliche Theile und Formen unzersetzbar und ein leerer Klang sind, nicht zu verfahren weiß. Es hält sie nur mit Mühe, nur unvollkommen, und nur an dem fest, was ihm eben auffällt, und dabei vielleicht ganz unwesentlich ist. […] Manche fremde, ihn auf keine Weise ansprechende Ausdrücke verdreht der gemeine Mann in bekanntere, mit welchen er schon irgend einen Sinn zu verbinden gewohnt ist.« (Schmeller 1821: 163, 168). Als Grund dafür sieht Schmeller das »Bedürfnis des Volkes, in jedem Wort einen bestimmten Sinn zu finden« (1821: 169). Damit liefert er schon drei Jahrzehnte vor Förstemann Bausteine zu einer Theorie der Volksetymologie (Harnisch 2000/ 2001: 47) und stimmt darin im Groben bereits mit Förstemanns späterem Ansatz überein (Olschansky 1996: 13). Auch Grimm in seiner Deutschen Grammatik (1822-1837) und Pott in den Etymologischen Forschungen (1833/ 1836) beschäftigen sich noch vor Förstemann am Rand mit dem Phänomen, allerdings noch ohne den Terminus zu verwenden. Als »eine eigenthümliche Art der Verdeutschung, welche zu allen Zeiten der gemeine Mann bei uns ausgeübt hat, der sich nicht denken mag, daß ein Fremdling in seine Wälder und Hütten zu dringen versuche ohne Deutsch zu verstehen; d.h. er nahm, gastfreundlich und treuherzig, jeden Fremdling […] für einen ehrlichen deutschen Michel und handhabte das Wort so lange, bis es erträglichen deutschen Klang und Sinn annahm.« (Maßmann 1848, zit. nach Harnisch 2000/ 2001: 45). beschreibt schließlich Maßmann das Phänomen bezogen auf Fremdwörter. Mayer (1962: 8) kommt aufgrund dieser nicht geringen Anzahl Publikationen, die sich zumindest stellenweise mit Volksetymologie beschäftigen, zum Schluss, dass das Thema zu Förstemanns Zeit richtiggehend populär war. Dass die Volksetymologie (verstanden als die Etymologie des (Laien-) Volks) gerade in spätromantisch-frührealistischer Zeit ins Blickfeld der damals jungen historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft rückt, ist nach Bernhard (2004: 1) nicht überraschend: Dies ist sowohl die Epoche, in der Wissenschaft und Laienwissen stärker gegeneinander abgegrenzt wurden, als auch die Zeit der Beschäftigung mit Volksliedern, Volkskunde und Volkskunst. <?page no="26"?> 2 Forschungsstand 26 2.2.2.2 Förstemann Förstemann (1852: 2) unterscheidet drei Richtungen etymologischer Tätigkeit: »die volksthuemliche, die gelehrte und die wissenschaftliche etymologie; die erste ist die älteste und niedrigste, die dritte die neuste und hoechste stufe.« Die drei stehen nicht in einem eigentlich chronologischen Verhältnis zueinandern, sondern treten nebeneinander auf, wobei die volkstümliche, also die Volksetymologie, als erste auftritt: »Zunächst nämlich waren es nicht die sprachforscher, sondern das volk selbst, welches etymologisirte, d.h. sich den grund der entstehung seiner wörter klar zu machen suchte. […] Dann kamen die gelehrten hinzu […] oft zeugnisse eines gewaltigen wissens, aber eben so oft einer gewaltigen unkritik, sind ihre resultate großentheils ein wust unzusammenhängender notizen ohne system und entwicklung […]. Unser jahrhundert hat das verdienst diese richtung, deren fast einziges resultat jene der etymologie zu theil gewordene verachtung ist, zu grabe getragen zu haben.« (Förstemann 1852: 2). Anders als frühere etymologische Versuche, die sich in ihrer Zeit durchaus als wissenschaftlich verstanden, basiert die wissenschaftliche Etymologie im Rahmen der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft fest auf den Lautgesetzen und der Erforschung der Sprachverwandtschaft. In der Volksetymologie ist aber gewissermaßen die Keimzelle der etymologischen Wissenschaft zu sehen: »Es liegt nämlich im wesen auch des ungebildeten volksgeistes, wenn auch dunkel und unbewusst, das streben, sich den ursprung der wörter und den zusammenhang derselben unter sich klar zu machen.« (Förstemann 1852: 3). Zusammenfassend lässt sich Förstemanns Unterscheidung folgendermaßen umschreiben: Volksetymologie ist der unreflektierte Versuch, unverständliche Wörter mit verständlichen zu erklären und sie dabei diesen auch anzugleichen; 9 die vorwissenschaftliche Etymologie ist zwar eine Wissenschaft insofern, als sie reflektiert und dabei häufig Bezüge zu anderen Wissenschaftsbereichen herstellt, insbesondere zu den klassischen Sprachen; es fehlt ihr aber noch am Werkzeug der wissenschaftlichen Etymologie, nämlich den Erkenntnissen der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft über Sprachverwandtschaft und Lautgesetze. Ihre Resultate gleichen daher häufig viel mehr der Volksetymologie, indem sie Bezüge herstellt, die modernen wissenschaftlichen Kriterien nicht genügen. Förstemann äußert sich auch bereits zu den Bedingungen, unter denen Volksetymologie auftritt: »entartung der sprache von ihrem ursprünglichen zustande« und »berührung des volks mit fremden völkern« (Förste- 9 Weder Förstemann noch die ersten Autoren, die ihm folgen, unterscheiden zwischen Volksetymologie als Prozess der Deutung (und allenfalls Angleichung) einerseits und dem Produkt des umgedeuteten Worts andererseits. <?page no="27"?> 2.2 Volksetymologie 27 mann 1852: 4). Je »entarteter« eine Sprache ihrem »ursprünglichen« Zustand ist, desto größer ist das Bedürfnis der Sprecherinnen und Sprecher nach Deutung. Letztlich nimmt Förstemann hier mit anderer Terminologie die moderne Theorie der Remotivierung vorweg (vgl. 2.2.2.7). Eine grundlegende Einteilung führt Förstemann auch ein, wenn er zwischen äußerer (lautlicher) und innerer (semantischer) Veränderung unterscheidet: Volksetymologie kann auch dann vorliegen, wenn keine lautliche Veränderung stattgefunden hat, wie das Beispiel des Friedhofs zeigt, der volksetymologisch als ›Hof des Friedens‹ gedeutet wird, historisch aber ein ›eingefriedeter Hof‹ ist (Förstemann 1852: 6f.). Schließlich unterscheidet Förstemann zwischen sporadischer, je nachdem nur bei einer einzelnen Sprecherin, einem einzelnen Sprecher auftretender Volksetymologie und dauerhaften Umdeutungen bei einer ganzen Sprachgemeinschaft (Förstemann 1852: 22) und grenzt Volksetymologie gegen verwandte Phänomene wie etwa Sprachspiele (1852: 24) ab. In den neuen Methoden der wissenschaftlichen Etymologie sieht Förstemann ein Mittel zur Emanzipation der Etymologie von ihrem im 19. Jh. schlechten Ruf als Wissenschaft, die die Dinge zurechtbiege, wie es ihr gefalle. Zu diesem schlechten Ruf hätten die vorwissenschaftlichen Etymologien maßgeblich beigetragen. Die eigentlichen Volksetymologien dagegen rehabilitiert Förstemann gewissermaßen, indem er sie zur ältesten Stufe der Etymologie erklärt und als natürliches Streben des Volksgeists versteht, auch wenn dieser terminologisch zum ungebildeten Volksgeist wird. Im Selbstverständnis, ein neues Forschungsgebiet gerade erst eröffnet zu haben, denkt Förstemann verschiedene Fragestellungen und die Wahrscheinlichkeit für Volksetymologie unter bestimmten sprachlich-kulturellsozialen Bedingungen an, verzichtet aber auf eine systematische Auflistung. 1877 ergänzt Förstemann seinen Aufsatz aus Anlass seines 25jährigen Jubiläums um eine gleichnamige Arbeit, die weitere Volksetymologien aus verschiedenen Sprachen enthält. 2.2.2.3 Die ersten Texte zur Volksetymologie Die erste Arbeit nach Förstemann, die spezifisch der Volksetymologie gewidmet ist, ist Malinowskis Aufsatz Zur volksetymologie (1870), eine Sammlung polnischer Phänomen-Repräsentanten. 1876 veröffentlicht Andresen sein Buch Über deutsche Volksetymologie (5. Auflage 1899) im Bewusstsein, die erste Monografie zum Thema vorzulegen. Obwohl dem Werk eine systematische Einordnung, Modellierung oder theoretische Verortung des Phänomens und der Begrifflichkeit fehlt, präsentiert es neben einer Fülle an konkretem Material auch wichtige Diskussionspunkte und, wenn auch eher implizit und selten ausformuliert, Definitionen. <?page no="28"?> 2 Forschungsstand 28 So ist nach Andresen »Grund aller volkstümlichen Erklärungen […] das Sprachbewusststein, welches sich dagegen sträubt, dass der Name leerer Schall sei […]. Die Kräfte des menschlichen Geistes verfahren dabei instinktiv und naiv, ohne Reflexion.« Die Volksetymologie »deutet das Unverstandene nicht nach der Wahrheit (Etymon), sondern nach dem mehr oder minder verführerischen Schein oberflächlich« (Andresen 1899: 2). Unter einem Oberbegriff Assimilation versammelt Andresen verschiedene Phänomene wie »Anlehnung, Umbildung, Zurechtlegung, Umdeutung und, für Fremdwörter, Umdeutschung mit dem Resultat entstellter und verdunkelter Wörter und von Mißverständnissen« (1899: 1). An volksetymologischen Kategorien erwähnt Andresen (1899: 108) vulgäre und literarische Volksetymologien. Zur ersten gehören Fälle wie radikal > rattekahl, zur zweiten etwa die Armbrust. Andresen streicht heraus, dass diese Unterscheidung lediglich gradueller Art sei: Der Unterschied der beiden Arten von Volksetymologie bestehe lediglich in der heutigen Geltung. Die volksetymologische Deutung von Armbrust sei längst in die Schriftsprache eingedrungen und habe allgemeine Akzeptanz gefunden, was bei neu entstehenden Volksetymologien nicht mehr leicht möglich sei. Ursache und Entstehungsweise der beiden Volksetymologien seien aber dieselben. Zur Frage, welche Wörter besonders häufig volksetymologisch umgedeutet würden, erwähnt Andresen bereits, dass »überaus viele deutsche Namen von Städten, Dörfern, Burgen […] auf Umbildung, Zurechtlegung und Umdeutung [beruhen] oder […] vermöge ihrer entstellten Form überhaupt volkstümlichen Missverständnissen ausgesetzt [sind].« (1899: 212). Deutlich spricht sich Andresen dafür aus, den sprachlichen Wert der Volksetymologie anzuerkennen und in ihr die »Beweglichkeit und Bildsamkeit der Sprache, ihr wunderbares Wirken und Walten wahrzunehmen« (Andresen 1899: 3) statt sie als sprachliche Fehlleistung abzutun. In negativen Versuchen von Sprachpuristen zur Vermeidung von Volksetymologien sieht Andresen oft die größere Verunstaltung. Außerdem weist bereits Andresen (1899: 5f.) darauf hin, dass auch, wer wissenschaftliche Etymologie betreibt, der Volksetymologie unterliegen kann. »Es bedarf keines Beweises, daß der in dem Namen Volksetymologie enthaltene Begriff des Volkes nicht jenen niedrigen Standpunkt einnimmt, welcher nach dem Sprachgebrauche manchen andern ebendaher gebildeten Wörtern innewohnt, z.B. auch der Volkssprache im Gegensatze zur gebildeten Sprache.« (Andresen 1899: 108). Andresen publiziert sein Buch in der Annahme, die einzige Vorarbeit zur Volksetymologie sei Förstemanns Aufsatz von 1852, dessen Terminus Volksetymologie er trotz seiner Einordnung des Phänomens als Assimilationserscheinung unhinterfragt übernimmt. Nach Olschansky (1996: 13) ist <?page no="29"?> 2.2 Volksetymologie 29 es Andresens Monografie zu verdanken, dass Volksetymologie als Forschungsobjekt endgültig bekannt wurde. 2.2.2.4 Von Andresen zur Gegenwart Nach Andresen, um die Wende zum 20. Jh., erscheint eine Reihe von Texten zur Volksetymologie. Gerade im dt. Sprachraum erreicht die Beschäftigung mit dem Phänomen einen ersten Höhepunkt. Zu dieser Zeit herrscht die Sammlung und Darstellung von Beispielen gegenüber der theoretische Diskussion vor (Olschansky 1996: 20f.), etwa in Lindströms Unetymologische Auflösung französischer Ortsnamen (1898). Eine theoretische Weiterentwicklung bringt Paul in seinen Principien der Sprachgeschichte (1880/ 1886) insofern, als er Volksetymologie vom Volksgeist trennt und auf das allgemeine Sprachgefühl zurückführt, das keiner bestimmten Sprechergruppe zugewiesen werden kann (1880/ 1886: 179-181). Volksetymologie hat also einen »Akt von Sprachperzeption, -verstehen und -reproduktion als Ursache; den Terminus Volk erwähnt er nicht, weil es jeden Sprecher betrifft.« (Olschansky 1996: 23f.). Weiter findet sich bei Paul die Unterscheidung der Volksetymologie nach ausschließlich semantischer Umdeutung und lautlich-semantischer Veränderung (1880/ 1886: 182). In der Hinwendung zur Sprachperzeption als Basis für Volksetymologie anstelle des Volks bzw. einer Sprecherschicht, wie sie bei Förstemann angelegt wurde, erkennt Olschansky (1996: 25) junggrammatischen Einfluss. Der erste, der in der Volksetymologie eine Analogieerscheinung sieht, ist Steinthal in seiner Geschichte der Sprachwissenschaft (1863). Diese Einschätzung wird von Gaidoz in seiner Rezension Ueber deutsche Volksetymologie (1883) zu Andresens Werk und in Behaghels Publikaton Deutsche Sprache (1886) weitergeführt. 1900 veröffentlicht Wundt seine Untersuchung Völkerpsychologie und nimmt damit wieder einen mehr auf das Volk als bestimmte Sprechergruppe zentrierten Blickwinkel ein. Interessant ist seine Abhandlung insbesondere, weil sie erstmals Förstemanns Terminologie in Frage stellt. Wundt prägt den Terminus lautlich-begriffliche Wortassimilation, der sich jedoch nicht durchsetzt. Mit dem Strukturalisten de Saussure wird Anfang des 20. Jh. die Unterscheidung von diachroner und synchroner Sprachwissenschaft zu einem Thema in der Volksetymologieforschung. De Saussure grenzt Volksetymologie als Phänomen der diachronen Sprachwissenschaft von der Analogie ab; in der Volksetymologie sieht er eine pathologische, negative Erscheinung (1967; vgl. zur späteren Rezeption dieser Einschätzung auch Chambon 1986: 38). Demgegenüber erkennt der Romanist und Sprachgeograf Gilliéron in seinen Etudes sur la Défectivité des Verbes (1919: 62f.) in der étymologie populaire eine wichtige Ursache des synchronen Sprachwandels. <?page no="30"?> 2 Forschungsstand 30 Obwohl die Volksetymologie bei Hjelmslev, wie de Saussure Strukturalist, eine etwas positivere Einschätzung erfährt (1966: 82), wird sie vorerst weiterhin als eine Art sprachlicher Krankheit oder auch als linguistische Komik betrachtet (Chambon 1986: 38). Unter Gilliérons Einfluss veröffentlicht in der ersten Hälfte des 20. Jh. von Wartburg verschiedene Arbeiten zur Volksetymologie, etwa Was das Volk in die Sprache hineindenkt (1924) und Zur frage der volksetymologie (1925). Er geht dabei verstärkt synchron an das Phänomen heran. Die erste »explizite Ausweisung von Volksetymologie als Erscheinung sprachlicher Motivation« (Olschansky 1996: 42) stammt dann von Orr in seinen Homonymics (1939). In der Folge setzt sich das Verständnis von Volksetymologie als synchroner Motivierungsprozess generell durch, was auch dazu führt, dass Volksetymologie als funktionales Organisationsprinzip der Sprache verstanden und damit positiver bewertet wird (Olschansky 1996: 42). So behandelt von Wartburgs in seiner Einführung in die Problematik und Methodik der Sprachwissenschaft (1943: 117-124) Volksetymologie explizit, wenn auch ohne weitere Ausführung, als Motivierung der Wörter. Im Übrigen lehnt von Wartburg nicht nur de Saussures negative Einschätzung der Volksetymologie ab, sondern auch Gilliérons Absicht, die historische Etymologie, die versagt habe (Gilliéron 1919), durch die Volksetymologie zu ersetzen (Wartburg 1943: 117): Die beiden könnten einander nicht kontradiktorisch gegenübergestellt werden, da sie nicht auf einer Ebene lägen und Volksetymologie jede Sprecherin, jeden Sprecher betreffe. Das modernste theoretische Verständnis dessen, was Volksetymologie ist (nicht jedoch, wer sie schafft), hat sich gemäß Olschansky (1996: 43) mit Mayers Dissertation Sekundäre Motivation (1962) etabliert. Nach ihm (1962: 127) muss man sich Volksetymologie vorstellen als mehrstufigen Prozess, der mit der lautlichen Ähnlichkeit zweier Wörter beginnt, worauf eine semantische Verknüpfung folgt, die schließlich zur lautlichen Assimilation führt. Olschansky betont allerdings auch, dass sich dieses theoretische Verständnis in der spezialisierten Volksetymologieliteratur noch nicht vollständig durchgesetzt habe (1996: 47). Gerade Untersuchungen unter speziellen Perspektiven dominieren aber ab der zweiten Hälfte des 20. Jh. die Auseinandersetzung (Olschansky 1996: 51f.) neben theoretischen Betrachtungen, die bei von Wartburg anfangen und weiterführen zu Bebermeyers Zur Volksetymologie: Wesen und Formen (1974) und Panagls Aspekte der Volksetymologie (1982). Ullmann stellt in seinem Werk Semantik Volksetymologie auf eine Stufe mit Metonymie, Metapher und Ellipse (1973: 130f.). Blank setzt diese vier Arten des Bedeutungswandels in Das verwaiste Wort (1995: 44)) folgendermaßen in eine Matrix um: <?page no="31"?> 2.2 Volksetymologie 31 Kontiguität Similarität Sinn« (Inhalt) Metonymie Metapher »Name« (Ausdruck) Ellipse Volksetymologie 1986 warnt Meier in seinen Prinzipien der etymologischen Forschung (104) davor, die eigene Fantasie für die Fantasiekraft des Volks zu halten, um damit dunkle Wörter zu verknüpfen, und bringt so zwei weitere Punkte in die Diskussion ein: Einerseits kritisiert er die Volksetymologie als überstrapaziert, andererseits weist er explizit auf die Gefahr hin, auch in der so genannten wissenschaftlichen Etymologie persönlichen volksetymologischen Vorstellungen aufzusitzen, stellt also implizit die Grenze zwischen wissenschaftlicher und Volksetymologie in Frage. Mit seinem Diktum, Etymologie sei von Natur aus probabilistisch (1986: 8), muss in der neueren Wissenschaft auch die Möglichkeit der Unterscheidung von Volksetymologie und wissenschaftlicher Etymologie zunehmend relativiert werden (vgl. auch 3.3.9.12). Schreiner mit seiner Bibliographie zur Volksetymologie (1987) ist dann der Ansicht, die theoretische Beschreibung des Phänomens Volksetymologie sei abgeschlossen, ein Konsens darüber, was Volksetymologie sei, bestehe. Seine Bibliografie versteht er daher als abschließenden Überblick, weitere Publikationen sollten sich nur noch dem Sammeln neuen Materials sowie der Abgrenzung von Volksetymologie gegen verwandte Sprachphänomene widmen - bei dieser Abgrenzung und im Bereich der Terminologie sei die Konsensfindung noch nicht abgeschlossen. Antos warnt in seiner Laien-Linguistik davor, Volksetymologie als Gegensatz und Konkurrenz zur wissenschaftlichen Etymologie zu verstehen. Erstere habe als synchrone etymologische Kompetenz (Augst 1975) in erster Linie für semantische Durchsichtigkeit zu sorgen und erfülle daher nicht denselben Zweck wie Letztere (1996: 229; vgl. schon von Wartburg 1943: 117). Weil die beiden im wissenschaftlichen Betrieb aber durchweg auf eine Ebene gestellt würden, habe die wissenschaftliche Etymologie ein Problem mit Volksetymologien, wenn sie von an sich hochgeachteten Autoren (wie Plato, Goethe) stammten (1996: 217). Insgesamt stellt Olschansky fest, dass »Volksetymologie [im 20. Jh. bis zur Gegenwart] zunehmend weniger pauschal umfassend als Phänomen und weniger in bezug auf reine Repräsentanten- Registrierung Interesse [findet]. Statt dessen wird Volksetymologie nun vermehrt unter speziellen Perspektiven betrachtet, in Herausgreifung einzelner Aspekte des Phänomens durchdrungen.« (Olschansky 1996: 58). <?page no="32"?> 2 Forschungsstand 32 Das Thema beschäftigt dabei nicht nur Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, sondern häufig auch die Volkskunde (Olschansky 1996: 104; vgl. Schoof 1917 in Zeitschrift des Vereins für Volkskunde). Nicht explizit im Hinblick auf Volksetymologie, sondern allgemein in Bezug auf Laienansätze der Linguistik 10 fasst Zuckermann (2005: 226f.) zusammen, dass die anfänglich mehrheitlich negative Einschätzung solcher Ansätze (vgl. insbesondere de Saussure) im Lauf der Zeit einem offeneren (Forschungs-)Interesse gewichen sei. Zu demselben Schluss kommt Antos (1996: 217) für neuere Ansätze der Volksetymologieforschung. 2.2.2.5 Olschansky Olschansky legte mit ihrer Dissertation Volksetymologie (1996) ein bis heute gültiges Standardwerk zur Volksetymologie vor. Ihren ersten Teil nennt sie meta(sprach)wissenschaftlich (1996: 1). Dieser sprachwissenschaftsgeschichtliche Teil zeigt die Entwicklung der Volksetymologieforschung und des Begriffs der Volksetymologie auf und enthält eine umfassende Bibliografie. In einem zweiten Teil nimmt sie außerdem eine Verortung des Phänomens im Rahmen der modernen Sprachwissenschaft vor und schlägt ein Modell zur Beurteilung von Volksetymologien vor (vgl. 2.3.4). Olschanskys Bibliografie folgt nur wenige Jahre nach derjenigen Schreiners (1987; vgl. 2.2.2.4), die sich laut Olschansky schnell als lückenhaft erwiesen hatte. Olschanskys umfassende Arbeit würdigt auch viele eher unbekannter Autorinnen und Autoren und ihre Werke zur Volksetymologie. Olschansky zeigt auf, wie in der Volksetymologieforschung nach Förstemann und bis in die Gegenwart unter Volksetymologie zumeist ein Fehlgehen, also in der Diachronie falsche Umdeutungen und Umformungen verstanden werden. Sie betont aber, dass sich seit der Mitte des 20. Jh. eindeutig das theoretische Verständnis von Volksetymologie als Phänomen der Remotivierung isolierter Wörter durchgesetzt hat, auch wenn dieser an sich breite Konsens gerade bei einzelnen Autorinnen und Autoren spezieller Volksetymologieforschungen noch nicht vollständig akzeptiert sei (Olschansky 1996: 47; vgl. 2.2.2.4). 2.2.2.6 Vennemann gen. Nierfeld Vennemann gen. Nierfeld (1999: 272f.) kritisiert in Volksetymologie und Ortsnamenforschung Förstemanns Einteilung der Volksetymologie in drei Kategorien, weil eine scharfe Abgrenzung zwischen wissenschaftlicher und nichtwissenschaftlicher Etymologie unmöglich sei. Obwohl zwischen naiven und fundierten Etymologien unterschieden werden könne, seien sie 10 Als Beispiel aus der Etymologie nennt Zuckermann die Laienannahme, ein Wort könne selbstverständlich mehrere Etymologien haben. <?page no="33"?> 2.2 Volksetymologie 33 nur als Pole auf einem Kontinuum zu verstehen; die Herangehensweise einer einzelnen etymologisierenden Person könne sich im Lauf der wissenschaftlichen Rezeption von einem Extrem zum anderen bewegen. Zudem habe Olschansky (1996: 154-165) gezeigt, dass Volksetymologie gerade nicht in erster Linie in den tieferen, sondern in den höheren Bildungsschichten auftrete. Vennemann gen. Nierfeld schlägt stattdessen eine grundsätzliche Einteilung der Volksetymologie auf Grundlage einer Dichotomie vor, die er zu seinem Erstaunen in der bisherigen wissenschaftlichen Diskussion (wie bei Olschansky 1996 dargestellt) nicht sieht: Die erste Kategorie fasst er mit dem Terminus Volksetymologie als Spracherwerb zusammen. Sie entsteht bei der Sprachaneignung unbewusst, indem Wörter oder Wortbestandteile einem etymologisch nicht verwandten Etymon zugeordnet werden (fehlgehende Wortgruppenbildung). Diese Volksetymologie tritt beim Erstwie beim Zweitspracherwerb und auch beim Fremdwörtererwerb auf und läuft nach den Regeln der Organisation des mentalen Lexikons (vgl. 4) ab. Zu dieser Kategorie gehören insbesondere Volksetymologien ohne lautliche Veränderung, basierend etwa auf Homonymen (vgl. 3.3.2.4 und 3.3.3.1). Die zweite Kategorie nennt Vennemann gen. Nierfeld Volksetymologie als Etymologie: die Etymologie als (bewusste) Besinnung auf den eigentlichen Sinn von Wörter oder Wortbestandteilen (wobei unter dem eigentlichen Sinn unterschiedliche Entitäten vorstellbar sind). Zu dieser Etymologie gehören insbesondere die unvollständigen Volksetymologien (vgl. 3.3.3.4) und bewusste Deutungsversuche von Gewährspersonen. Als grundlegende Konzepte für beide Arten der Volksetymologie nennt Vennemann gen. Nierfeld (1999: 276) die auf Wundt (1900) zurückgehende lautliche und die begriffliche Assoziation. Gemeinsam ist den beiden Kategorien die Tatsache, dass sie naiv sind: Die erste, indem sie gar keinen etymologischen Zugang sucht, die zweite, indem sie die etablierten etymologisch-wissenschaftlichen Kenntnisse in die Etymologie nicht einbezieht (Vennemann gen. Nierfeld 1999: 276). In die erste Kategorie fällt die Mehrheit der Fälle, die Förstemann zur Volksetymologie zählt. Weil sie gar keinen etymologischen Zugang suchen, kommt Vennemann gen. Nierfeld zum Schluss, dass Förstemanns Volksetymologie streng genommen keine Etymologie ist. Anhand dreier Etymologien des dt. Siedlungsnamens Bad Kissingen zeigt Vennemann gen. Nierfeld dann allerdings, inwiefern doch auch Volksetymologie als Spracherwerbserscheinung als Etymologie angesehen werden kann (1999: 279). Obwohl Vennemann gen. Nierfeld darüber erstaunt ist, dass seine Dichotomie bisher niemandem aufgefallen sei, begnügt er sich damit, die grundsätzliche Unterscheidungsmöglichkeit aufzuzeigen, und schlägt vor, <?page no="34"?> 2 Forschungsstand 34 sich den Unterschied lediglich vor Augen zu halten, die beiden Formen der Volksetymologie aber nicht grundsätzlich auch terminologisch zu unterscheiden (1999: 279). Der eingebürgerte Terminus Volksetymologie, der beide Formen umfasse, sei nicht weiter zu gliedern, weil im Verwendungszusammenhang ohnehin kein Zweifel darüber bestehe, welche Form gemeint sei. Und wenn es nicht klar sei, ob eine wissenschaftlich nicht zutreffende Wortgruppenbildung (1. Kategorie) oder eine naive bewusste Deutung (2. Kategorie) vorliege, sei die fehlende Unterscheidung auch von Vorteil, weil sie dann beide Möglichkeiten umfasse. Vennemann gen. Nierfelds Unterscheidung lässt sich auch als Unterscheidung zwischen Volksetymologie als manifestes Resultat (Volksetymologie des Spracherwerbs) und Volksetymologie als Prozess (Volksetymologie als Etymologie) fassen. 11 Vennemann gen. Nierfelds Unterscheidung wird im Folgenden für die Untersuchung (Kapitel 3) nicht angewendet. Wie die Grenzen zwischen den beiden Kategorien verschwimmen, zeigen die Überlegungen zum mentalen Lexikon (Kapitel 4): Es ist oft kaum zu bestimmen, ob eine Deutung als Prozess, ausgelöst durch die explizite Frage nach einer Etymologie, oder als manifestes Resultat auf Grundlage der mentalen Organisation des Lexikons ist. 2.2.2.7 Remotivierung und Grammatikalisierungstheorie: Lehmann und Harnisch Lehmann (2002: 1) ordnet das Phänomen der Volksetymologie, verstanden als Remotivierung isolierter Wörter, dem Komplex der Grammatikalisierungstheorie ein: »[…] lexicalization and grammaticalization are processes that have much in common and are, to a certain extent, parallel. The mirror image of grammaticalization is degrammaticalization, and the mirror image of lexicalization is folk etymology«. Nach Harnisch (2004) bedeutet Grammatikalisierung, dass ursprünglich analytische Konstruktionen zunehmend synthetisch verstanden und nicht mehr mit ihrem Ursprung in Verbindung gebracht werden, also ihre lexikalische Bedeutung allmählich verlieren und zunehmend als morphosyntaktischer Marker verwendet werden. 12 11 Dass der Unterschied tatsächlich darin liegt, beschreibt auch Vennemann gen. Nierfeld anhand des appellativischen Beispiels Puffärmel. Eine Sprecherin bezieht ihre Benennung auf das Appellativ Puff m. ›Bordell‹, obwohl ein begrifflicher Zusammenhang nicht besteht. Ob hier eine manifeste Volksetymologie (eine Volksetymologie schon beim Spracherwerb) vorliegt oder eine aktuelle etymologische Analyse zur volksetymologischen Deutung führt, ist nicht feststellbar (Vennemann gen. Nierfeld 1999: 280f.). 12 Die erste Definition der Grammatikalisierung stammt gemäß Diewald (1997: 5f.) von Meillet (1926: 130f.), der zeigt, dass grammatische Formen (Grammeme im Gegensatz <?page no="35"?> 2.2 Volksetymologie 35 Als typisches Beispiel dafür nennt Harnisch den Übergang von Verben zu Hilfsverben., z.B. des engl. to go, wenn es gebraucht wird, um ein kurz bevorstehendes Ereignis auszudrücken, und dabei seine lexikalische Bedeutung ›gehen‹ verliert: We are going to leave ›Wir werden aufbrechen‹ vs. We are going to London ›Wir gehen nach London‹ (Harnisch 2004: 210f.). Noch deutlicher wird dies bei den Suffixen, mit denen das frz. Futur markiert wird: je parlerai ›ich werde sprechen‹, nous parlerons ›wir werden sprechen‹ ist aus den entsprechenden Formen des Indikativ Präsens des Verbs avoir ›haben‹ entstanden: j’ai ›ich habe‹, nous avons ›wir haben‹. Der Grammatikalisierung auf morphologischer Ebene entspricht in diesem Modell die Lexikalisierung auf lexikalischer Ebene. Komplexe Wörter können allmählich demotiviert werden, d.h. die etymologische Verwandtschaft mit anderen Wörtern einer Wortfamilie verliert ihre unmittelbare Erkennbarkeit, das betreffende Wort wird am Ende als isoliertes Einzelwort wahrgenommen (Lehmann 2002: 13). Die ursprüngliche Grammatikalisierungstheorie postuliert Unidirektionalität bzw. Irreversibilität dieses Vorgangs, so Lehmann in seinem Modell von 1989. Die früheste Forderung, Theorien zur Grammatikalisierung und Lexikalisierung um die gegenteilige Tendenz zu ergänzen, sieht Harnisch schon bei Jespersen, der als Ergänzung zur Verschmelzungstheorie (also der Theorie, dass Wörter verschmelzen, lautlich schrumpfen und demotiviert werden) eine Ausscheidungs- (Sekretions-)Theorie vorschlägt: »Unter ausscheidung verstehe ich die erscheinung, daß ein ursprünglich unselbständiger bestandteil eines eigentlich unteilbaren wortes zu einer […] bedeutung kommt, die er anfänglich nicht hatte und die dann als etwas zu dem wort selbst erst beigefügtes empfunden wird […]; sie zeigt sich in ihrer vollen kraft, wenn der auf diese art abgetrennte bestandteil an andere wörter angesetzt wird, die ihn ursprünglich nicht besaßen.« (Jespersen 1925: 370). Zusätzlich zu Jespersens deskriptiv-phänomenologischer Umreißung möchte Harnisch auch die sprecherpsychischen Gründe für die geschilderten Vorgänge untersucht haben: »Aus dem Material geht jedenfalls hervor, dass es offensichtlich ein stark ausgeprägtes sprecherseitiges Bedürfnis gibt, ausdrucksseitigen Überschuss (›junk‹) semantisch (wieder und anders als ursprünglich) zu nutzen (zu ›exaptieren‹). Es geht also um einen Spezialfall von Form-Inhalt-Beziehungen, genauer gesagt von Beziehungen zwischen ausdrucksseitiger Merkmalhaltigkeit und semantischer Markiertheit« (Harnisch 2004: 222). Konkret läuft der konstruktioneller Ikonismus genannte Prozess dann folgendermaßen ab, wenn eine natürliche Form-Inhalt-Beziehung ursprünglich nicht vorliegt, aber ein Sprecherbedürfnis danach besteht: Es kann semanzu Lexemen) entweder als Analogiebildungen oder eben durch Grammatikalisierung etntstehen. <?page no="36"?> 2 Forschungsstand 36 tischer Gehalt vorliegen, der nicht angemessen ausgedrückt ist. Ein bei Harnisch so genannter Heilungsprozess führt dann zum Ausdruck dieser Inhalte. Oder es kann formale Substanz vorliegen, die ursprünglich mit keiner Bedeutung belegt ist. Ein »Heilungsprozess« führt dann zu einer semantischen Interpretation dieser Substanz (Harnisch 2004: 223). »Auch nach Desegmentierung und Bedeutungsabbau verlangt das Prinzip des (re)konstruktionellen Ikonismus einen Heilungsprozess, doch gewissermaßen umgekehrt. Nicht eine vorhandene, sozusagen überschüssige formale Substanz wird mit Inhalt belegt, sondern vorhandene Inhalte, deren Ausdrucksseite geschwächt oder zerstört wurde, werden mit neuer formaler Substanz versehen.« (Harnisch 2004: 226). Lexikalisierung und Delexikalisierung sind also letztlich Kreislaufbewegungen von Reparaturen im gestörten Verhältnis von Form und Inhalt, wobei Desegmentierung und Demotivierung eher Sprecher-, Resegmentierung und Remotivierung (Volksetymologie) eher Hörerbedürfnisse sind (Harnisch 2004: 228). In seinem neueren Modell von 2002 berücksichtigt Lehmann beide Richtungen dieser Vorgänge auf den beiden Ebenen Morphologie und Lexikon. Das Modell, das Harnisch schließlich übernimmt, sieht dann folgendermaßen aus: Degrammatikalisierung Statusanhebung Bedeutungsspezifizierung Grammatikalisierung Statusminderung Desemantisierung Lexikalisierung Desegmentierung Demotivierung Delexikalisierung (»Volksetymologie«) Resegmentierung Remotivierung Komplexitätsgrad holistisch analytisch irregulär regulär opak transparent <?page no="37"?> 2.2 Volksetymologie 37 Grammatikalisierung verläuft von höheren zu niedrigeren Konstruktionsebenen (Phrase - Wort - Morphem - Submorphem - pure lautliche Substanz), Degrammatikalisierung (bisher allerdings kaum nachgewiesen; Lehmann 2002: 15) in umgekehrter Richtung - es geht also um Statusminderung bzw. -anhebung. (De-)Lexikalisierung spielt sich dagegen auf einer Skala unterschiedlich komplexer Ausdruck-Inhalt-Beziehungen ab; Lexikalisierung verläuft »von eher analytischen Gebilden mit transparenten Strukturen und Segmenten in regulärer Anordnung zu eher holistischen Gebilden mit opaker Gestalt und höherem Irregularität- / Idiosynkrasiegrad, wie er eher lexikalischen Gebilden eigen ist.« (Harnisch 2004: 212). Volksetymologie ist mit Harnisch also als Delexikalisierung und damit als eine Art Umkehrprozess bzw. (re)konstruktioneller Ikonismus zu interpretieren. 13 Trotz dieser Modellergänzung finden nach Harnisch (2004: 213) in der Literatur Abschwächungs-, Verschmelzungs- und Demotivierungsprozesse, also Lexikalisierung und Grammatikalisierung, weitaus größere Beachtung, möglicherweise, weil sie viel häufiger auftreten. Diese Fixierung auf eine Richtung kritisiert Harnisch (2004: 220f.). Im heute etablierten und mit Harnisch theoretisch gut eingebetteten Verständnis der Volksetymologie als Motivationsphänomen sieht Olschansky eine klar positive Einschätzung des Phänomens: »In einem synchronischen Sprachsystem ist die sekundäre Motivation weit davon entfernt, die Einheitlichkeit zu beeinträchtigen. Im Gegenteil, sie fördert sie nach Kräften. Als Gegenbewegung gegen die Dissoziation und als Korrektiv der Vielzahl einzeln stehender Wörter dämmt sie die übermäßige Zersplitterung ein. […] Damit wird sie zu einem unschätzbaren ordnenden Prinzip […].« (Olschansky 1996: 144f.). Diese positive Sicht der Volksetymologie nach Olschansky (1996: 145) wird allerdings nicht allgemein geteilt. Anderer Meinung sind etwa Trier (1981) und Gipper/ Schwarz (1966-1985). Dennoch ist Augst (2002: 144) der Ansicht, dass in der neueren Sprachwissenschaft die abwertende Einschätzung der Volksetymologie abnehme. 14 Dagegen habe die historische Sprachwissenschaft Volksteymologie mit einer Portion Überheblichkeit betrachtet und negativ eingeschätzt, obwohl ihre Voraussetzung, die Demotivierung der Wörter, durchaus neutral aufgenommen worden sei. 13 Die Bezeichnung Reparaturprozess scheint mir problematisch, weil sie eine Wertung der zu reparierenden Einheit beinhaltet. Allerdings können isolierte, nicht verständliche, lexikalisierte Namen tatsächlich als gewissermaßen defekt und (durch Volksetymologie) reparaturbedürftig wahrgenommen werden (s. 4.2.2). 14 Und dies, obwohl die Wissenschaft sich hier nicht auf de Saussure berufen könne. <?page no="38"?> 2 Forschungsstand 38 2.2.3 Volksetymologie als Begriff: Terminologie Die Einführung des Terminus Volksetymologie als Normalbezeichnung für das Phänomen geht auf Förstemann zurück (vgl. 2.2.2.2), der damit das Etymologisieren des wissenschaftlich nicht gebildeten »Volks« bezeichnete, »wobei der ›Volk‹-Begriff und damit auch das Phänomen selbst durch die Verbindung mit dem Epitheton ungebildet ›romantisch‹ zeitbedingt als durchaus ambivalent konnotiert gelten kann« (Olschansky 1996: 8). Erste Versuche einer alternativen Terminologie gingen teils mit einer Kritik an Förstemanns Verständnis des Phänomens einher, waren teils aber auch die Folge einer nicht-sprachwissenschaftlichen oder einer nicht zentral auf die Volksetymologie fokussierten Herangehensweise ans Phänomen aus entsprechend anderer Warte. Wackernagel schlägt in Die Umdeutschung fremder Wörter (1861) für Volksetymologien auf Basis von Fremdwörtern den Terminus Umdeutschung vor, Tobler spricht in Die fremden Wörter in der deutschen Sprache (1872) von Umdeutung, Müller im Aufsatz Giebt es Juden in Cornwall? (1872) von einem metamorphischen Proceß. Wundt prägt in seiner Völkerpsychologie (1900) den bereits erwähnten Terminus der lautlich-begrifflichen Wortassimilation. Obwohl eine Wirkung dieses Terminus bei Houtzagers Unconscious soundand sense-assimilations (1935) schon im Titel erkennbar ist, hat sich auch dieser Terminus nicht durchgesetzt (Olschansky 1996: 109). Zu den bis in die Gegenwart vorgeschlagenen weiteren neuen Termini für das Phänomen Volksetymologie gehören Angleichung, Associative Etymology, assoziative Bedeutung, attraction homonymique, attraction paronymique, Attraktion, Eindeutung, étymologie seconde, etymological reinterpretation, étymologie statique, ›evolutive‹ oder ›synchronische‹ Etymologie, falsche Etymologie, Fehletymologie, geistige Etymologie, metaphysische Etymologie, motivierende Angleichungen, Nachdeutung, naive Etymologien, Paretymologie, Pseudoetymologie, Pseudosemantisierung, Reinterpretation, Rück- oder Volksetymologie, Rücketymologisierungen, scheinbare sekundäre semantische Verankerung (SSSV), Scheinsemantisierungen, sekundäre Assoziation, sekundäre Motivation, sekundäre semantische Motivierung (SSM), Sekundärmotivation, schöpferische Mißverständnisse, Umdeutung, Volksdeutung, Volkssemasiologie, Volksumdeutung (alphabetisch geordnet; Baldinger 1973: 7f.; Rentenaar 1996: 1013; Olschansky 1996: 109-114; Godglück 2001: 137; Bernhard 2004: 91; Dalberg 2004: 411). In den Termini (Re-)Motivierung und sekundäre semantische Motivierung sieht Harnisch (2004) andere Bezeichnungen für Volksetymologie, die unter sich austauschbar sind. Neben dieser Vielzahl an Benennungen für den Gesamtbereich der Volksetymologie stehen zusätzlich auch noch zahlreiche Termini für einzelne Resultate volksetymologischer Vorgänge (Olschansky 1996: 111). Viele der genannten terminologischen Vorschläge lassen eine Wertung des <?page no="39"?> 2.2 Volksetymologie 39 Phänomens erkennen, oft auch den Versuch, es gerade möglichst wertfrei zu untersuchen und damit den als unglücklich empfundenen Volksbezug auszuklammern. Die große Anzahl der Vorschläge macht aber auch deutlich, wie uneinheitlich die Einschätzung des Phänomens in seiner Bedeutung bleibt und wie übermächtig der von Förstemann geprägte Terminus ist: Keiner dieser Vorschläge hat über die Publikationen seiner Schöpferin, seines Schöpfers hinaus allgemeine Verbreitung gefunden. Gründe dafür sind nach Olschansky (1996: 112f.) zu große Abstraktheit, fehlende Exaktheit oder zu große Komplexität des Ausdrucks. Um dem Dilemma mit der allgemein bekannten, aber als unpassend empfundenen Benennung zu entkommen, schlagen Rundblad/ Kronenfeld (2003: 120) vor, zwar den Terminus Volksetymologie beizubehalten, ihn aber präzisierend zu umschreiben als regular processes in folk word construction and interpretation - ein meines Erachtens etwas komplizierter Vorschlag, der wiederum kaum allgemeine Anerkennung finden dürfte. Olschansky (1996: 1) zieht aus der terminologischen Diskussion der letzten beiden Jh. das Fazit, dass der Terminus Volksetymologie zwar »in seinem Aufschlußwert (in morphologischer Motivation) fehlweisend geworden«, aber gleichzeitig so eingebürgert sei, dass es trotz zahlreicher Vorschläge nicht möglich sei, ihn durch einen anderen Terminus zu ersetzen. Obwohl sich also zeigt, dass die Bezeichnung Volksetymologie - gerade als Kompositum (vgl. 2.3.1.3) - eben nicht in de Saussurschem Sinn arbiträr ist, sondern eine Bedeutung trägt, die den heutigen wissenschaftlichen terminologischen Ansprüchen nicht genügt, gibt es keine valable Alternative für den Terminus. Olschansky selbst versucht dem Dilemma zu entgehen, indem sie den Bezug auf das Volk durch konsequente Verwendung der Abkürzung VE quasi versteckt. 2.2.4 Volksetymologie in der fremdsprachigen Forschung Ein Begriff des Phänomens Volksetymologie hat sich im 19. Jh. ungefähr zeitgleich in der wissenschaftlichen Diskussion in vielen Sprachgebieten entwickelt. In der frz. Forschung setzen erste Untersuchungen zum Thema etwa schon vor der Festlegung des (dt.) Terminus ein (Hasenkamp 2002: 590-594). Gegen die verbreitete Vorstellung, Förstemann sei allein prägend gewesen, führt Olschansky (1996: 12) das Beispiel Kirwins an, der in seiner Folk Etymology (1985: 18) die Wurzeln der Volksetymologieforschung einzig in Wedgewoods On False Etymologies (1855) sieht und dem Förstemann überhaupt unbekannt zu sein scheint. Die Tatsache, dass sich der Terminus Volksetymologie (als Lehnwort) in vielen Sprachen findet, zeigt allerdings die große Wirkung, die die deutschsprachige Sprachwissenschaft in diesem Bereich hatte (Hasenkamp 2002: 593). <?page no="40"?> 2 Forschungsstand 40 2.3 Was ist Volksetymologie? Was macht also Volksetymologie aus, welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Volksetymologie als Prozess und Resultat möglich sind, welche Kräfte wirken dabei? 2.3.1 Bedingungen für Volksetymologie 2.3.1.1 Isolation/ Remotivierung Als erste Voraussetzung dafür, dass Wörter der Volksetymologie unterliegen, gilt ihre Isolation; diese Bedingung nennt schon Förstemann in seinem Aufsatz (1852). In der älteren Literatur werden dafür auch die Termini unverständlich oder undurchsichtig verwendet (Olschansky 1996: 114f.). Nach Bebermeyer lässt sich Isolation folgendermaßen definieren: »Wörter sind dann isoliert, wenn sie für die große Mehrheit der Sprecher einer Sprache […] undurchsichtig sind.« (Bebermeyer 1974: 157). Unter diese Definition fallen auch die vor allem in der frühen Forschung (etwa schon bei Förstemann 1852: 13, aber auch noch bei Blank 1993: 53) als Paradebeispiele genannten Fremdwörter, die ja per Definition für die Sprecherin, den Sprecher einer andern Sprache nicht verständlich und daher für Andresen (1899: 88) auch nicht von isolierten muttersprachlichen Wörtern unterscheidbar sind. 15 Bebermeyer unterscheidet die Isolation nativer Wörter weiter nach verschiedenen Isolationsursachen und analog dazu nach Volksetymologietypen: 1. Wörter, die als einzige einer Wortfamilie übrig geblieben sind (z.B. die Verben wetterleuchten und frohlocken, die beide auf das Verb mhd. leichen ›hüpfen‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 1863) zurückgehen; 1974: 158); 2. Wörter, die isoliert sind, weil sie aus einer Mundart in eine andere oder die Hochsprache gelangt sind und dort keine Verwandten haben bzw. deren Verwandtschaft aufgrund Lautveränderungen auf einer der Sprachebenen nicht erkannt wird (z.B. das Verb nhd. verkorksen, das nicht zum Appellativ Kork m., sondern zum Verb nd. gorksen ›pfuschen‹ gehört; 1974: 159); 3. Komposita, die isoliert sind, weil ihr Grundwort durch Lautentwicklung klanggleich mit anderen, unverwandten wurde (z.B. die 15 Auch Augst (2002: 146) weist noch einmal darauf hin, dass für die Mitglieder einer Sprachgemeinschaft ein Wort motiviert oder nicht motiviert sein kann, dass aber nicht zwischen unterschiedlichen Arten bzw. Graden der Motiviertheit unterschieden wird. <?page no="41"?> 2.3 Was ist Volksetymologie? 41 Adjektive mühselig, leutselig, trübselig, die etymologisch nicht mit dem Adjektiv selig verwandt sind; 1974: 160); 4. Restgruppe, für die 1. bis 3. nicht zutrifft (z.B. das Appellativ Geflügel f., mhd. noch gevügel(e) n. ›Geflügel‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 969); 1974: 160). Verbreitet ist die Ansicht, die dt. Sprache sei für Volksetymologie besonders empfänglich, weil sie relativ stark nach dem Prinzip von Wortfamilien organisiert sei. So seien Wortfamilien in Fällen wie Schlüssel, Schloss, schließen, aufschließen leicht zu erkennen. Sprecherinnen und Sprecher des Dt. erwarteten daher grundsätzlich, dass Wörter motiviert seien, und würden isolierte Wörter bereitwillig volksetymologisch remotivieren (Wartburg 1943: 122; Bebermeyer 1974: 157; Trier 1981: 34; Olschansky 1996: 200). Demgegenüber seien isolierte Wörter im Frz. viel verbreiteter, Wortfamilien weniger bedeutend, isolierte Einzelwörter, hier etwa clé, serrure, fermer, ouvrir, nicht außergewöhnlich (Bally 1944, zit. nach Béguelin 2000: 9). Gegenteiliger Ansicht ist Béguelin (2000: 9): Gerade weil die Wörter im Frz. isoliert seien und gleichzeitig viele Homonyme bestünden, würden semantisch halbwegs zusammenpassende Wörter volksetymologisch verknüpft. Isolation kann also zu Remotivierung führen, sie muss aber nicht. Selbst wenn ein isoliertes Wort lautlich mit einer etymologisch nicht verwandten Wortfamilie zusammenfällt, kann die Volksetymologie ausbleiben: Obwohl das Verb befehlen isoliert ist und sich lautlich mit dem unverwandten Verb fehlen deckt, wird zwischen den beiden allgemein keine Verbindung wahrgenommen bzw. hergestellt (Andresen 1899: 5). Die Perspektive, Volksetymologie als (Re-)Motivierung unmotivierter, d.h. isolierter Wörter ohne Anschlussmöglichkeit an eine Wortfamilie zu verstehen, hat sich seit Mitte des 20. Jh. allgemein durchgesetzt. 16 Dass Namen besonders häufig volksetymologisch umgedeutet werden, wie immer wieder betont wird (Olschansky 1996: 107; vgl. 2.4.2), dürfte zu einem guten Teil daran liegen, dass sich viele Namen eben nicht an eine Wortfamilie anschließen lassen, dass sie also häufiger als Appellative isoliert sind. Dies wiederum geht zumindest teilweise darauf zurück, dass Namen häufig konservativer als Appellative sind und damit alte Lautstände bewahren, die sich in den entsprechenden Appellativen längst verschliffen oder durch Lautwandel verändert haben (Gottschald 1971: 147f.). 2.3.1.2 Analogiebildung Eine irgendwie gelagerte Ähnlichkeit von Wörtern oder Strukturen mit andern, die Möglichkeit zu analogischer Umbildung und Angleichung 16 S. auch 2.2.2.4 für Ausnahmen nach Olschansky (1996: 47). <?page no="42"?> 2 Forschungsstand 42 wird durch die ganze Literatur hindurch immer wieder als wichtige Bedingung für das Entstehen von Volksetymologie genannt. 17 In der frühen Forschung wird Volksetymologie zuweilen überhaupt als Analogieerscheinung behandelt (Steinthal 1863: 163; Gaidoz 1883: 132; Behaghel 1886: 73-78; vgl. 2.2.2.4). Klar in Abgrenzung von der Analogie versteht dagegen de Saussure die Volksetymologie: »[D]ie Analogie [setzt] immer voraus, daß die frühere Form vergessen wird […]. Die Analogie bezieht nichts von der Substanz der Zeichen, die sie ersetzt. Die Volksetymologie dagegen ist zurückzuführen auf eine Auslegung der alten Form; die - vielleicht nur verworrene - Erinnerung an diese ist der Ausgangspunkt für die Verunstaltung, die sie erleidet. So ist im einen Fall die Erinnerung, im andern Fall das Vergessen die Grundlage der Analyse, und dieser Unterschied ist entscheidend.« (Saussure, de 1967: 210). Mayer sieht Volksetymologie »unbedenklich als besondere Ausprägung der Analogie« (1962: 321). Kluge/ Seebold (1989: XXXVI) zufolge kann Analogie »übergreifend […] gelten als Prozess, der sprachliche Veränderungen bewirkt, indem ›bestimmte Muster als Vorbild genommen und auf andere Fälle übertragen‹ [werden]«. Nach Olschansky (1996: 107) kann der in der Voksetymologie sich vollziehende »Anlehnungs-, Identifikations- Prozeß […] als eine Erscheinung von Analogie im weiten Sinne gesehen werden« - je nach Definition des Begriffs Analogie (1996: 225f.). Harnisch schließlich äußert sich folgendermaßen: »[B]ei allen (Wieder-)aufbau-Prozessen […] [ist] Analogie ein Faktor - wenn nicht als Auslöser von (Re-)Segmentierung/ semantisierung, so doch als Richtungsweise für die formale Ausprägung der ›aufgebesserten‹ Bildungen und als Katalysator der Aufbesserungsprozesse in dem Sinne, dass Analogie die Befriedigung des Bedürfnisses nach (Wieder-)Herstellung von konstruktionellem Ikonismus sichert.« (Harnisch 2004: 229). In neuster Zeit wird das Merkmal der Analogie etwa von Godglück (2001: 136f.) betont, der in der Volksetymologie insofern eine Analogieerscheinung sieht, als Analogien die nicht lautgesetzlichen Entwicklungen einer Sprache zusammenfassten. 2.3.1.3 Andere Bedingungen Andresen stellte in seiner Sammlung von Volksetymologien (1899) fest, dass zu zwei Dritteln Substantive, in weit geringerem Umfang in absteigender Reihenfolge Verben, Adjektive, Partikeln der Volksetymologie unterlägen (Olschansky 1996: 138f.). Von 100 volksetymologisch beeinfluss- 17 Vgl. Rundblad/ Kronenfeld (2003: 120f.) zur Diskussion, ob Volksetymologie tatsächlich als Analogie betrachtet werden kann. <?page no="43"?> 2.3 Was ist Volksetymologie? 43 ten Wörtern gehörten in einer Untersuchung von Rundblad/ Kronenfeld (2003: 132) 85 zur Nominalklasse, davon viele Komposita. Dass Komposita einen großen Anteil der volksetymologisch gedeuteten Wörter ausmachen, stellt schon Paul (1880/ 1886) fest. Als einen Grund dafür erkennt Bebermeyer: »Komposita […] sind im Grunde syntaktische Gebilde, geben die Vorstellung wieder, die man von einem Gegenstand, einem Vorgang hat, versuchen ein Gesamtbild von ihm zu zeichnen. Die meisten Komposita können von daher als motiviert gelten, und der heimische Sprecher erwartet von ihnen deshalb automatisch, daß sie etymologisch durchsichtig sind.« (Bebermeyer 1974: 164). Neben der Wortbildungsstruktur erkennt schon Paul (1880/ 1886) in der Wortlänge an sich einen Faktor, der das Auftreten Volksetymologie beeinflusst, zumal lange Wörter eher als Komposita wahrgenommen werden (Olschansky 1996: 137). Die Isolation eines Worts (2.3.1.1) ist gemäß Mayer (1962: 13f.) nur gekoppelt an die Häufigkeit der Verwendung eines Worts ein Auslöser für Volksetymologie. Ein sehr oft verwendetes Wort wird kaum so befremdlich wirken, dass es volksetymologisch umgedeutet wird, nur ein seltenes Wort unterliegt diesem Prozess. Gegen diese Vorstellung wendet Olschansky allerdings ein, dass gerade in ländlichen Gegenden, wo bei Tier- und Pflanzennamen Denotat wie Name als (im Verhältnis zu städtischen Sprecherinnen und Sprechern) bekannter vorausgesetzt werden dürfen, diese Namen starker volksetymologischer Beeinflussung unterliegen. Olschansky überlegt sich daher, ob nicht vielmehr ein »intensives Sprecher- Denotat-Verhältnis und dementsprechend häufige Verwendung der korrellierenden Bezeichnung für den Vollzug volksetymologischer Umbildung von Bedeutung sein könnte.« (Olschansky 1996: 141f.). 2.3.2 Unterscheidungskriterien der Volksetymologie 2.3.2.1 Laut und Semantik Während in der Forschung eine gewisse Einigkeit darüber herrscht, dass lautliche Ähnlichkeit zwischen Ausgangs- und Zielappellativ bzw. -namen(element) Voraussetzung für Volksetymologie ist, besteht kein Konsens darüber, welche Bedeutung eine semantische bzw. gedankliche Anpassungsmöglichkeit für Volksetymologie hat (Vennemann gen. Nierfeld 1999: 282f.). Manche Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass die semantische Ähnlichkeit insofern von untergeordneter Bedeutung ist, als sie sich nach einer Umdeutung auch neu konstruieren lässt. Olschansky kommt zum Schluss, dass Volksetymologie ohne einfache Bedeutungsassoziation jedenfalls häufiger sei als Volksetymologie, die lautlich schwierig herzustellen sei (1996: 132f.). Blank (1993: 56) schließt aus seiner Untersuchung dagegen, dass Volksetymologie sehr wohl fast immer <?page no="44"?> 2 Forschungsstand 44 auf einer semantischen Beziehung zwischen Ursprung und Ziel beruhe, und sei diese auch noch so vage. Allerdings zählt er zu den semantischen Beziehungen auch solche, die lediglich von der Produzentin, dem Produzenten einer Volksetymologie hergestellt werden. Diese lassen sich durch entsprechende Legenden leicht begründen, sollte ihr Zusammenhang nicht auf der Hand liegen (vgl. 3.3.13). 2.3.2.2 Einzelne Sprechende vs. Sprachgemeinschaft Voraussetzung für Volksetymologie ist die Isolation eines Worts, die häufig einen großen Teil der Sprachgemeinschaft bzw. alle Sprecherinnen und Sprecher betrifft und dann zu allgemeiner Volksetymologie führen kann. Es gibt jedoch auch Volksetymologie auf der Ebene einzelner Sprechender, wenn ihnen ein Wort so weit isoliert scheint, dass sie es nicht mehr anschließen können und entsprechend remotivieren. Schon Förstemann spricht denn auch von der Volksetymologie auf der Ebene des Individuums (1852: 22). Olschansky (1996: 166) versucht, diese Unterscheidung mit den Sprachebenenen langue und parole zu verknüpfen, wobei sie allerdings - den beiden Ebenen durchaus entsprechend - weniger zwischen einzelnen Sprechenden und der Sprechergruppe als zwischen dauerhafter und nur vorübergehender Isolation unterscheidet. Volksetymologien, die auf langue- Ebene stattfinden, sind wiederholbar und damit vermutlich dauerhaft, während die parole-Volksetymologie (Terminus nach Olschansky 1996: 166) vermutlich ein einmaliges, punktuelles Ereignis bleibt, die ihre Urheberin, ihr Urheber schon beim nächsten Gebrauch des betreffenden Worts wieder vergessen haben kann (vgl. auch 3.3.9.11 und 2.2.2.6). Allgemein wird Volksetymologie (im Sinn einer üblichen, verbreiteten Umdeutung) meistens als Phänomen der Sprachebene langue verstanden: Langue-Volksetymologien können im Gegensatz zu parole-Volksetymologien der ganzen Sprachgemeinschaft präsent sein, ein zwingender Zusammenhang besteht allerdings nicht; selbst Volksetymologien, die eine einzelne Sprecherin, eine einzelner Sprecher für selbstverständlich hält, werden unter Umständen nur von einer Minderheit in einer Sprachgemeinschaft wahrgenommen (vgl. Mailand, 3.3.9.11). 2.3.2.3 Intention Nach Olschansky (1996: 171) wird Volksetymologie traditionell als absichtsbzw. intentionslos bestimmt. Pisani (1975) dagegen geht von der Intention desjenigen, der eine volksetymologische Umdeutung vornimmt, aus. Tatsächlich kann Intention nicht ausgeschlossen werden, wenn etwa mit Absicht »fehlgehende sog. gelehrte Etymologie« betrieben wird (z.B. zum Zweck theologischer Beweisführung), aber auch, wenn man verschie- <?page no="45"?> 2.3 Was ist Volksetymologie? 45 dene Wortspiele als Unterart der Volksetymologie betrachten will (Olschansky 1996: 171). In der Folge kann eine so entstandene Volksetymologie jedoch von einer Sprachgemeinschaft ohne Intention übernommen werden (vgl. auch 3.3.9). 2.3.2.4 Weitere Unterscheidungskategorien Immer wieder werden Volksetymologien nach der Herkunftssprache eines von Volksetymologie betroffenen Worts kategorisiert. Gegen eine grundlegende Unterscheidung in Fremd- und Erbwörteretymologie spricht sich jedoch schon Andresen (1899: 4) aus, denn »für den, der es nicht kennt und nicht versteht, ist auch das Heimische ein Fremdes« (vgl. 2.3.1.1). Dennoch gehören laut Andresen (1899) fast alle Wörter, die im Ahd. und Mhd. durch Anlehnung und Umdeutung entstellt worden sind, »wofern nicht ein bloßes Spiel vorliegt, einer fremden Sprache an, während das Nhd. sehr viele aufweist, die auf heimischem Boden erwachsen sind. Dies ist begreiflich vermöge der großen Entartung des Neud.[eutschen] zum Altd.[eutschen].« (Andresen 1899: 88). Die Isolation dt. Wörter fand also anscheinend vor allem beim Übergang vom Mhd. zum Nhd. statt. Neben Fremdwörtern scheinen auch nicht-standardsprachliche Varietäten für Volksetymologien anfällig zu sein, manchmal auch im Austausch mit einer Standardsprache (Olschansky 1996: 103; vgl. dazu etwa die Volksetymologien, die bei der Verschriftlichung dialektaler Namen durch Amtspersonen ohne fundierte Dialektkenntnisse entstehen, 3.3.8.7; s. auch Bebermeyer, 2.3.1.1). Unterschieden wird Volksetymologie schließlich nach der Urheberschaft. Schon Förstemann stellt Volksetymologie und gelehrte (vorwissenschaftliche) Etymologie einander gegenüber (Förstemann 1852: 2). Orr (1954: 136) und Mayer (1962: 17f.) sehen einen Zusammenhang zwischen dem Bildungsstand der Urheberin, des Urhebers und der Tendenz zu Volksetymologie: Wer mit der geschriebenen Sprache und mit Fremdsprachen besser vertraut ist, macht weniger Fehlleistungen. Gegenteiliger Ansicht ist Olschansky (1996: 164), die mit zunehmender Bildung mehr Möglichkeiten volksetymologischer Bezüge sieht. 18 Ein weiteres Kategorisierungskriterium ist das Medium. Andresen (1899: 3f.) betont die Nähe von Volksetymologie und Orthografie und unterscheidet je nach Medium zwischen vulgärer (mündlicher) und literarischer (schriftlicher) Volksetymologie (1899: 108). 19 Bei schriftlichen Volksetymologieerscheinungen ist möglicherweise ein höherer Grad an 18 Werden diese Bezüge bewusst hergestellt, wäre eher von gelehrter Etymologie zu sprechen; größeres Wissen kann aber auch unbewusste Volksetymologien ermöglichen. 19 Vgl. dazu auch die Rechtschreibreform und die mit ihr neu zugelassenen volksetymologischen Schreibweisen wie Quäntchen für Quentchen, Albtraum für Alptraum. <?page no="46"?> 2 Forschungsstand 46 bewusster Überlegung der Produzentin, des Produzenten anzunehmen (Rohde 1986: 51; Olschansky 1996: 203). 20 Die Unterscheidung von Volksetymologien bei Appellativen (Nomina appellativa) und bei Namen (Nomina propria; Olschansky 1996: 204) wird verschiedentlich genannt, wobei nach Sanders (1975: 1) »als eigentliche und unbestrittene Domäne des mit dem sprachwissenschaftlichen Terminus ›Volksteymologie‹ umschriebenen Phänomens […] das - personale und toponymische - Namengut [gilt].« (S. ausführlicher 2.4.2). Manche Autorinnen und Autoren unterscheiden zwischen Motivation und Interpretation. Motivation bedeutet, dass der Prozess der Umformung mit Bezugnahme auf den Sinnbegriff des Lexems geschieht, Interpretation dagegen, dass der neue Ausdruck ohne Bezugnahme auf einen Inhalt und erst in Abhängigkeit von der Ausdrucksebene entsteht (Olschansky 1996: 146, 210f.). Motivation ist nach dieser Einteilung anders als Interpretation Volksetymologie mit semantischer Ähnlichkeit des Ausgangs- und des Zielworts (vgl. 2.3.2.1). Schließlich könnte Volksetymologie geografisch ungleichmäßig verteilt auftreten. Fraglich ist, ob in Sprachgrenzlagen eine gewisse Prädisposition für Volksetymologie herrscht, weil tendenziell mehr fremdsprachige Wörter in die eigene Sprache integriert weden müssen, oder ob genau das Wissen um (unverständliche) Fremdwörter die Isolation von Wörtern ohne Remotivierung eher erlaubt. 2.3.3 Verwandte Phänomene In der Literatur herrscht keine Einigkeit darüber, welche Phänomene eindeutig unter dem Begriff Volksetymologie versammelt werden können und welche lediglich als verwandte Phänomene zu gelten haben; die Abgrenzung geschieht je nach Haltung zu den oben skizzierten volksetymologischen Kategorisierungen. Als eigentliche Nicht-Volksetymologie gilt vielen die bewusste bzw. wortspielerische Schöpfung (vgl. 2.3.2.3), die durchaus verbreitet ist (Baldinger 1973: 35; Olschansky 1996: 173f.). Schreiner (1987: 7f.) erwähnt an entsprechenden Phänomenen etwa das Wortspiel (vgl. schon Andresen 1988: 88) und den Wortwitz (»Verbal(l)hornungen«). Demgegenüber schließt Hornung (1998: 119; s. auch 2.4.3) auch Deutungen, die nur mehr oder weniger oder auch gar nicht geglaubt und demnach als bewusste Deutungen tradiert werden, nicht kategorisch von den Volksetymologien aus. Während allgemein die Möglichkeit zu analogischer Umbildung als eine der wichtigsten Voraussetzungen für Volksetymologie gilt (vgl. 2.3.1.2), 20 Auch wenn Orr (1954) und Mayer (1962) von der schriftlichen Sprachkompetenz und nicht vom Medium an sich sprechen (vgl. vorangehenden Absatz), stehen sie damit gewissermaßen im Widerspruch zu Olschanskys und Rohdes Aussage. <?page no="47"?> 2.3 Was ist Volksetymologie? 47 können umgekehrt nicht alle Analogieerscheinungen zu den Volksetymologien gezählt werden. So geht man etwa davon aus, dass die Vokallänge in nhd. Tag m. (tćg) < mhd. tac m. (tak bzw. tñk) in Analogie zu flektierten Formen entstanden sind, deren Stammvokal in offener Silbe von mhd. tages (tages bzw. tñges) frnhd. zu tages (tćges) gedehnt wurde. Auch der nhd. Übergang von der starken zur schwachen Konjugation kann als Analogie aufgefasst werden: Der Ersatz von (älter) wob (zu weben) durch webte ist eine Analogiebildung zu Formen wie lebte (zu leben). Lat. quinque ›fünf‹ muss nach den Lautgesetzen der ie. Sprachen einen Vorgänger *pinque haben. Die Form mit anlautendem quwird als Analogiebildung zu lat. quattuor ›vier‹ verstanden (Coates 1987: 332; Croft 2000: 67). Analogiebildungen stellen also in erster Linie eine Regelmäßigkeit her (Godglück 2001: 136f.). Aus diesem Grund wird etwa die Angleichung der Endung eines Toponyms an eine typische Ortsnamenendung (z.B. -ingen; s. dazu etwa das Beispiel von Albligen, 3.3.4.2) nicht von allen Forschenden als Volksetymologie angesehen: In diesen Fällen ist unter Umständen lediglich ein lautlicher Ausgleich zu sehen, aber keine Umdeutung. Meines Erachtens können dennoch auch diese Fälle im Rahmen der Volksetymologie zumindest betrachtet werden: Auch wenn das Zielelement (der lat. Anlaut qu-, die Ortsnamenendung -ingen) für sich allein keine volle Bedeutung trägt, basieren diese beiden Analogiefälle doch eindeutig auf einer semantischen Verwandtschaft von Ausgangs- und Zielwort. Beim lat. Beispiel handelt es sich eben beide Male um Zahlwörter und nicht um beliebige Appellative, und genau diese Information scheint der Anlaut (volksetymologisch) zu tragen. Beim Ortsnamen scheint die (zum Zeitpunkt der Analogiebildung) semantisch nicht (mehr) voll ausgebaute Endung (ein Derivationssuffix) immerhin noch die Information ›Siedlung, Ort‹ bzw. ›Siedlungsname‹ zu transportieren. Der Zielname lautet daher Albligen und nicht *Albling oder *Albli, obwohl die Suffixe -(l)ing und -li in appellativischem Zusammenhang mindestens so verbreitet sind. Als weitere ähnlich gelagerte Phänomene erwähnt Bebermeyer (1974: 175f.) ›Fehl- oder Falschübersetzungen‹. Es handelt sich dabei um zwei Arten volksetymologischer Übersetzungen: Die Zuordnung eines Wortes zu einem andern Wort derselben Sprache (analog der Volksetymologie in der Muttersprache, also eigentlich als Volksetymologie in einer Zweitsprache), und so genannte Falsche Freunde (zwischensprachliche Volksetymologie). Ein Beispiel für den ersten Fall ist das Appellativ dt. Vatermörder m., das eine Übersetzung aus frz. parasite (eigentlich) ›Schmarotzer‹ m. ist, wobei darin fälschlicherweise frz. parricide m. ›Vatermörder‹ wahrgenommen wurde. <?page no="48"?> 2 Forschungsstand 48 Für den zweiten Fall nennt Olschansky das Beispiel der Übersetzung von engl. Alsation Dog als Elsässische Dogge f. mit Identifikation von engl. dog und dt. Dogge statt als Deutscher Schäferhund (1996: 201f.). Weitere Stichwörter verwandter Phänomene sind Malapropismen (Schreiner 1987: 7; Olschansky 1996: 221f.), Agglutination und Deglutination (Olschansky 1996: 222f.; vgl. 3.3.4.3), Kontamination bzw. Wortkreuzung oder Wortmischung, »die bewußt bzw. effektintentional oder unbewußt bzw. nicht effektintentional vorgenommen [wird]« (Meier 1986: 15; Olschansky 1996: 223f.); Rückbildung/ Back-formation (Olschansky 1996: 225; Croft 2000: 67), Schallwörter (Meier 1986: 145) bzw. Onomatopoesie (Meier 1986: 15), Ablenkung (Koch 1963: 166-168; zu verstehen als Analogie im oben beschriebenen Sinn), Verblümung (Meier 1986: 115), Tabuvermeidung (Meier 1986: 18). Einige dieser Phänomene werden an entsprechender Stelle im Untersuchungsteil 3 erwähnt. 2.3.4 Typologie Die grundlegende Typologie bzw. Klassifikation der Volksetymologie basiert auf Pauls (1880/ 1886) Kriterium der lautlichen Veränderung (ja/ nein). Diese Klassifikation wird u.a. von Houtzager (1935: 15-23), Lenkowa (1959: 139f.), Gipper/ Schwarz (1966-1985: 1142), Sanders (1972: 5-9), Bebermeyer (1974: 163) und Panagl (1982: 13) weitergeführt. Weiter wird verschiedentlich nach dem Kriterium der Bedeutungsveränderung (ja/ nein) unterschieden. Bedeutungsveränderung bezeichnet dabei je nach Autorin bzw. Autor zwei unterschiedliche Dinge: Entweder die (vermutlich seltenere) 21 Veränderung des Gesamtlexeminhalts, also der Referenz des Lexems (bezogen auf die Toponymie des Referenzobjekts), oder lediglich die (häufigere) sekundäre Motivation/ Interpretation ohne Referenzveränderung (Baldinger 1973: 23; Olschansky 1996: 178). 22 Für Olschansky (1996: 179f.) muss eine konsequente, für Volksetymologie adäquate Typologie die Kriterien lautliche Veränderung und Veränderung des Gesamtlexeminhalts (signifié), also Referenzänderung umfassen, woraus sich vier Typen der Volsketymologie ergeben: 23 21 Der Ansicht, dass eine Veränderung des Denotats normalerweise nicht auftritt, ist u.a. Baldinger (1973: 18f.): Volksetymologie führt ihm zufolge lediglich zu einer intensionalen, nicht aber zu einer extensionalen Veränderung. 22 Ein toponymisches Beispiel für das erste Verständnis ist die Rankwog (SO) (s.u.). Der zweite Fall wird repräsentiert durch das bekannte Beispiel des Maulwurfs, dessen mehrfach volksetymologisch beeinflusste Bezeichnung trotz aller Bedeutungsveränderung am Anfang wie am Ende dieselbe Tierart benennt. 23 Die Einteilung deckt sich weitgehend mit derjenigen von Ullmann (1973: 130f.): [1] formaler Wandel ohne Bedeutungswandel (aengl. brydguma, wörtl. ›Brautsmann‹ > bridegroom ›Bräutigam‹ (von groom ›Jüngling‹); [2] formaler Wandel und Bedeutungswandel (ahd. sinvluot ›allumfassende Flut‹ > nhd. Sintflut/ Sündflut ›Flut als Sündenstrafe‹); [3] Wandel nur in der Grafie, wobei hypertrophe Buchstaben auf- <?page no="49"?> 2.3 Was ist Volksetymologie? 49 Volksetymologie mit lautlicher Veränderung ohne lautliche Veränderung 1 ohne Inhaltsveränderung 24 2 mit Inhaltsveränderung 3 ohne Inhaltsveränderung 4 mit Inhaltsveränderung Olschansky selbst ergänzt das Modell um eine Differenzierung der Volksetymologien ohne lautliche, aber mit Inhaltsveränderung (Typ 4) in konventionelle und nicht konventionelle Volksetymologien (1996: 181), was sie quantitativ auf die Sprachgemeinschaftsmitglieder bezieht: 25 Volksetymologie mit lautlicher Veränderung ohne lautliche Veränderung 4 mit Inhaltsveränderung 1 ohne Inhaltsveränderung 26 2 mit Inhaltsveränderung 3 ohne Inhaltsveränderung 4a konventionell 4b nicht konventionell Maulwurf kritteln mundtot Friedhof dämlich Der verbreitetste Typ ist nach Bebermeyer (1974: 164) Typ 1. Fälle des Typs 4 sind eigentlich nur in Befragungen fassbar, es fehlt ihnen an Offensichtgrund falscher Analogie eingefügt werden (mengl. iland > nengl. island (unter Einfluss von isle)); [4] morphologische Neumotivierung ohne formalen Wandel, aber mit Bedeutungswandel (fr. jour ouvrable ›Werktag‹ > ›Öffnungstag‹ (unter Einfluss von ouvrir)). 24 Inhaltsveränderung bedeutet in diesem Modell nur Veränderung des Gesamtlexeminhalts. 25 Unklar bleibt, weshalb sie diese zusätzliche Unterscheidung nur auf die Volksetymologien ohne lautliche, aber mit Inhaltsveränderung (Typ 4) anwendet und nicht auch auf jene ohne lautliche und ohne Inhaltsveränderung (Typ 3; die Typen 1 und 2 wurden durch die Volksetymologie lautlich verändert, können also als konventionell gelten). 26 Inhaltsveränderung bedeutet in diesem Modell nur Veränderung des Gesamtlexeminhalts. <?page no="50"?> 2 Forschungsstand 50 lichkeit (Bebermeyer 1974: 168) - ob eine Volksetymologie des Typs 4 bei einer Mehrheit der Sprecherinnen und Sprecher einer Sprache als solche wahrgenommen wird, ob sie also konventionell oder nicht-konventionell ist, ist dann schwer feststellbar. Untersuchungsresultate zeigen, dass selbst vermeintlich allgemeine Volksetymologien wie die Verbindung von Abenteuer n. mit dem Appellativ Abend m. bzw. dem Adjektiv teuer bestenfalls von einer Mehrheit der Sprechenden so wahrgenommen werden (Bebermeyer 1974: 166; Olschansky 1996: 188). Zu Typ 4 erwähnt Olschansky außerdem, dass das Phänomen häufig mit der Existenz »verschiedener Bräuche, Mythen, Sagen, Glaubensbzw. Aberglaubensmeinungen zusammenhängt. Dieses - v.a. volkskundlich interessante - Phänomen besteht primär darin, daß Appellative (z.B. Tage-Bezeichnungen in der sog. Tagewählerei) und Eigennamen (oft die von Heiligen; vgl. Blank 1993: 55) volksetymologisch ausgedeutet werden und diese Ausdeutung spezifische Bräuche, Gewohnheiten, Mythen, Sagen, Glaubensbzw. Aberglaubensmeinungen betreffend das bezeichnete oder benannte Denotat bedingt.« (Olschansky 1996: 198; vgl. dazu auch 3.3.13). Für die Volksetymologie in der Toponymie fallen Olschanskys Kategorien 2 und 4 fast gänzlich außer Betracht: Das Denotat, der Referenzwert ändert sich durch die volksetymologische Umdeutung eines Toponyms selten vollständig. 27 Eine Ausnahme bildet die Rankwog in Trimbach/ Winznau (SO) (alle Angaben nach Kully 2005). Sie bezeichnete zuerst (1528) als anntwog einen Abschnitt der Aare, ist mit dem Appellativ mhd. wâc m. ›bewegtes Wasser, Strömung‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 III: 623f.) und dem Präfix mhd. ant- ›gegen, entgegen‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 79; vgl. ent-, Pfeifer 1993 I: 286f.) benannt und stand für eine heute nicht mehr sichtbare Gegenströmung. Bereits 1528 steht die genannte Schreibweise u.a. als Korrektur neben antkwag, das wohl als *ankwâg zu lesen ist. Dieser nicht mehr verständliche Name wurde später als ankenwag (1797) u.ä. remotiviert, dessen Elemente schwzd. Anke m. ›Butter‹ (Id. I: 341f.) und schwzd. Waag f. (in SO auch Woog) ›Waage‹ (Id. XV: 669: 675) sind. Das Material des SONB verzeichnet verschiedene Toponyme mit dem Bestimmungswort Anke m. für fruchtbare Höfe, Wiesen und Weiden. Tatsächlich wurde der neu motivierte Name auf das Gelände am Ufer der Aare übertragen. 1857 taucht dann erstmals der Name Rankwage auf, dessen Bestimmungswort in schwzd. Rank m. ›Kurve, Biegung‹ (Id. VI: 1133-1138) umgedeutet ist. In dieser Form wurde der Name kartografisch auf einem steilen Felsband an der Grenze zwischen Trimbach und 27 Häufiger ist eine Verschiebung des Bereichs, für den ein Name gilt. Nicht mit einer Veränderung des Denotats zu verwechseln sind Nachbenennungen und Namenübertragungen (vgl. 3.3.11.2). Ebenfalls nicht mit dem Wechsel des Denotats eines (bereits bestehenden) Namens zu verwechseln ist die Tatsache, dass sich die Namenhaftigkeit von Namen häufig gerade darin zeigt, dass das, was mit den Namenelementen appellativisch benannt wurde, für das Denotat eines entstehenden Namens nicht (mehr) gilt (vgl. dazu Schäferei, 2.4.1.2). <?page no="51"?> 2.3 Was ist Volksetymologie? 51 Winznau eingetragen, weil auf dem Kartenwerk (LK 2007: 1088) nur dort Platz war. Nach Kully ist es damit nur eine Frage der Zeit, dass nach der zweifachen Umdeutung des Toponyms auch eine zweite Verschiebung des Namengeltungsbereichs im Gelände eintritt. Die Umdeutung und der Wechsel des Referenzobjekts können also auch unabhängig voneinander eintreten. Ein vergleichbarer Fall ist in BE das Bettehölzli in II Langenthal, das im TA (1882-1913: 178) als Bettenhölzli eine Weide bezeichnet. Beim Bau einer landwirtschaftlichen Schule wurde das Gebiet in Waldhof umbenannt, der Name Bettehölzli ungefähr 400 m ostwärts verschoben, offenbar (BENB Dok.), weil man sich daran störte, dass mit Hölzli n. eine heute unbewaldete Fläche bezeichnet wurde. 28 Schließlich kommt die Änderung des Denotats relativ oft vor, wenn Siedlungen nach Gewässern benannt werden und Letztere später neue Namen bekommen. Reichenbach, im Dialekt Riichebach, eine Siedlung in der Gemeinde III Zollikofen, ist nach einem ehemaligen Namen des Bachs, an dem es liegt, benannt (BENB Dok.). Der Bach heißt heute Chräbsbach (BENB I/ 2: 497). 2.3.5 Definition von Volksetymologie Olschansky stellt folgende umfassende Definition von Volksetymologie auf: »Volksetymologie ist ein Vorgang, bei dem ein synchron isoliertes und als solches unmotiviertes Wort bzw. eine solche Wortkonstituente durch Anlehnung an ein lautähnliches oder (partiell) lautgleiches nicht-isoliertes 29 bekanntes Wort (Wortfamilie) ohne Beachtung phonetisch-phonologischer und morphologischer Gesetzmäßigkeiten, in etymologischer, diachroner Hinsicht nicht korrekt - eventuell mit lautlicher Umbildung - neuzugeordnet, somit neu bzw. sekundär motiviert, interpretiert und de-isoliert wird, wobei das Lexem, das Produkt des volksetymologischen Prozesses ist, neue morphologische, morphologischsemantische oder semantische Deutung und Deutbarkeit besitzt. Der sich vollziehende Anlehnungs-, Identifikations-Prozeß kann als eine Erscheinung von Analogie im weiten Sinne gesehen werden. Der Volksetymologie unterliegt entlehntes Wortmaterial, das in der Zielsprache oft per se isoliert ist, und indigenes Wortmaterial, das durch verschiedene Ursachen isoliert worden ist; Volksetymologie betrifft Appellativa und - wahrscheinlich öfter (vgl. Koch 1963: 162 und Sanders 1975: 1) - propriales Material, das der Tendenz zur Isolation in besonderem Maße ausgesetzt ist.« (Olschansky 1996: 107). Die Diskussion, ob »einerseits lautliche Ähnlichkeit oder andererseits gute semantische Beziehbarkeit zwischen den historisch nicht zusammengehö- 28 Diskussionswürdig ist die Frage, ob es sich nach einer derartigen Verschiebung überhaupt noch um denselben Namen oder lediglich um einander zeitlich folgende Homonyme handelt. Die Überlegung führt hier zu weit. S. grundlegend zu Fragen der Namenidentität Brendler (2008). 29 Im Prinzip ist wohl auch vorstellbar, dass die Remotivierung hin zu einem seinerseits ebenfalls isolierten Wort geht; This Fetzer. <?page no="52"?> 2 Forschungsstand 52 rigen Elementen wichtiger für das Eintreten volksetymologischer Prozesse sei«, erübrige sich mit der heute herrschenden Definition von Volksetymologie (Olschansky 1996: 229). Diese ausführliche und weite Definition von Volksetymologie liegt auch der nachfolgenden Untersuchung zugrunde, mit der Abweichung, dass auch die Volksetymologie nicht-isolierter Toponyme untersucht wird. Definierte man Volksetymologie enger, schlösse also eine Vielzahl der folgenden Fälle aus, wäre meines Erachtens kaum zu erklären, weshalb Volksetymologie zwar im Rahmen von Theorien wie der Grammatikalisierung theoretisch stark verankert ist, dann aber aufällig selten aufträte. 2.4 Toponymie und Etymologie Im Lauf der Etymologiegeschichte setzt die Beschäftigung mit der Onomastik nur langsam ein. Die grundsätzliche Unterscheidung von Wörtern in Nomina appellativa (Appellative) und - im Sprachsystem in vielerlei Hinsicht anders gestellte und andern sprachlichen Regeln unterliegende (Gerhardt 1949/ 1950: 5; vgl. 2.4.1) - Nomina propria (Eigennamen) wird erst lange nach den Anfängen der modernen theoretischen Beschäftigung mit Etymologie konsequent angewendet. Es fällt jedoch auf, dass ein sehr großer Anteil der frühen etymologischen Versuche mit Nomina propria, insbesondere mit Toponymen arbeitet. Dies liegt vermutlich daran, dass Eigennamen per se häufig unmotiviert wirken und sich an keine Wortfamilie eindeutig anschließen lassen. Gerade weil Eigennamen isoliert stehen, ›sprachliche Versteinerungen‹ (Leys 1966: 120f.) mit unverstandenem altem Wortgut sein können (Olschansky 1996: 205), unterliegen sie zusätzlich leicht lautlicher Veränderung, die ihre Zugehörigkeit zu einer Wortfamilie weiter verdunkelt. Gleichzeitig herrscht bei den Sprecherinnen und Sprechern ein besonderes Verhältnis zu Eigennamen, ein Bewusstsein für ihre (mögliche) Bedeutungshaftigkeit und das Bedürfnis, sie zu verstehen (Bebermeyer 1974: 181; Boesch 1981: 128-131; Panagl 1982: 11; Antos 1996: 229), wie schon das Beispiel Finis terrae aus dem 15. Jh. gezeigt hat (vgl. 2.2.1, 2.2.2.1). Ein aktuelles Beispiel für die Neigung, Toponyme volksetymologisch zu deuten, bietet die Zeitschrift Micky Maus. 30 Sie führt eine regelmäßige Rubrik mit Ortsschildern und Wegweisern, deren Namen Anlass zu witzigen Assoziationen und volksetymologischen Deutungen geben. Die Fotos dazu werden von Leserinnen und Lesern des Magazins eingeschickt. Der Gemeindename Jucken in Deutschland wird mit »Floh-Party? Kratz! Kratz! « kommentiert. 30 Den Hinweis und die Beispiele verdanke ich meiner Doktormutter Prof. Dr. Elke Hentschel. <?page no="53"?> 2.4 Toponymie und Etymologie 53 Der Name der ebenfalls deutschen Gemeinde Ohne spricht für die Redaktion für sich: Sie schreibt dazu »Ohne Worte! « Pfannenstiel als Ziel eines Wegweisers kommentiert die Redaktion nicht. 31 2.4.1 Besonderheiten der Wortkategorie Namen Dass alte Namen fast durchgehend auf Appellative zurückgeführt werden können, zeigt eindrücklich Förstemanns Altdeutsches Namenbuch (1966- 1968) als namenkundliches Grundlagenwerk. Es ist eines der wichtigsten Werkzeuge der deutschsprachigen Onomastik. Ein Überblick über die Literatur zum Verhältnis von Appellativen und Nomina propria würde den Rahmen jeder Arbeit, die sich nicht explizit als entsprechende Bibliografie versteht, sprengen. Die sprachwissenschaftliche und sprachphilosophische Beschäftigung mit der Stellung von Namen im Wortschatz hat zu einer umfangreichen Literatur geführt, die hinreichend bekannt und erschlossen ist. Hier ist nicht der Raum, die Diskussion auch nur ansatzweise zu reproduzieren, sie zu erweitern oder eigene Schlussfolgerungen zu ziehen. Im Folgenden werden lediglich einige wichtige Eckpunkte der Diskussion kurz angeschnitten, soweit sie für volksetymologische Prozesse von Bedeutung sind. 2.4.1.1 Appellativ und Name Jespersen (1922; zit. nach Müller/ Kutas 1997: 153; vgl. Jespersen 1925) vertritt die Ansicht, Eigennamen seien die ersten Nomina (Substantive) oder überhaupt die ersten Wörter der Sprachgeschichte gewesen. Sprache sei ursprünglich zur Individualerkennung eingesetzt worden, und dazu seien Eigennamen verwendet worden. Erst daraus habe sich dann der allgemeine Sprachgebrauch ergeben. Demgegenüber stellt sich Müller (1891; zit. nach Müller/ Kutas 1997: 153) auf den Standpunkt, die ersten Wörter hätten eine breite, unscharfe Bedeutung und eher allgemeine Ideen repräsentiert, Eigennamen als trennscharfe Bezeichnung von Individuen hätten sich daraus erst später ergeben. Dass Eigennamen grundsätzlich in den meisten Fällen aus Appellativen entstehen, gilt heute als unbestritten (Koß 1995: 458 mit Verweis auf weiterführende Literatur; Wiesinger 1995: 463). Wiesinger (a.a.O.) weist richtig darauf hin, dass neben Appellativen auch Adjektive und - in geringerem Ausmaß - Verb Grundlage von Namen sein können. Schließlich enthält eine große Gruppe von Toponymen mit dem Personennamen einer Besitzerin, eines Besitzers im Bestimmungswort (vgl. 3.3.11) ein weiteres übli- 31 Dem Aussehen des Wegweisers nach zu schließen liegt der Pfannenstiel in der Schweiz, wo langgestreckte Örtlichkeiten verschiedenenorts so heißen (Id. XI: 242f.; am bekanntesten ist der Pfannenstiel bei Meilen (ZH)). <?page no="54"?> 2 Forschungsstand 54 ches, nicht appellativisches Namenbildungselement. 32 Auch dass Namen als Wörter in der Sprache eine besondere Stellung einnehmen, ist in der Forschung relativ unumstritten. Dagegen herrscht wenig Einigkeit darüber, inwiefern sich Namen von Appellativen unterscheiden: Die Gemeinsamkeiten verschiedener Namentheorien erschöpften sich in der Erkenntnis, Namen dienten »als Bezeichnung für ein Individuum, im Gegensatz zum Appellativ, das als Klassenbezeichnung fungiert« (Brendler 2004: 51f.). Eine Definition von Namen und Appellativen in scharfer Abgrenzung ist schwierig: Neben der Entstehung von Namen aus Appellativen können auch Namen zu Appellativen bzw. als solche verwendet werden. Van Langendonck (2007: 7; 11) schlägt zur besseren Unterscheidung vor, zwischen isolierten Lemmata (Appellativen) und proprialen Lexemen (als Appellative verwendete Namen) einerseits und proprialen Lemmata (den eigentlichen Namen) andererseits zu unterscheiden. Beispiele für die drei Kategorien finden sich in folgenden Sätzen: 1. John attended a meeting today. 2. The emperor Napoleon was defeated at Waterloo. 3. You are talking about a different John. 4. He is becoming a second Napoleon. In den ersten beiden Sätzen gelten John, Napoleon und Waterloo als Namen. Im dritten Satz wird John bereits als propriales Lexem verwendet, es verweist nicht auf den einen und einzigen John. Im vierten Satz ist Napoleon dabei, ein Appellativ zu werden (van Langendonck 2007: 11). 33 32 Zur kleinen Gruppe der Namen, deren Grundlage nicht zum Entstehungszeitpunkt vor Ort gebräuchliche Appellative oder Namenbildungselemente sind, gehören Nachbenennungsnamen (s. Rentenaar 1984, 1986; für das Untersuchungsgebiet Fetzer 2009) und Namen, die mit fremdsprachigen Appellativen gebildet werden, beispielsweise mit Allee oder Eremitage (Bach 1954 II/ 2: § 536). Im Gegensatz zu den Nachbenennungsnamen verweisen Letztere nicht auf ein eindeutiges Namenvorbild bzw. treten in der Herkunftssprache möglicherweise gar nicht namenbildend auf. Vielfach handelt es sich dabei um Modenamen (Dalberg 2004: 412, mit Verweis auf Pamp 1991), etwa bei Namen mit fremdsprachigen Abstrakta im Grundwort (Bach 1954, II/ 2: § 532), im BENB vertreten mit Landsitznamen wie Monbijou (I/ 3: 308; Jochum-Godglück (2002: 145) spricht hier von metaphorischen Bildungen). Weil die wichtigste Trennlinie allgemein zwischen Namen und Appellativ gezogen wird, spreche ich im Folgenden allgemein von der appellativischen Grundlage von Namen und meine damit auch Namen, die mit Adjektiv oder Verb gebildet sind. 33 Bekannt ist vor allem auch die appellativische Verwendung von Produktnamen als Gattungsnamen für das Produkt. In Deutschland wird der Produktname Tesa für ein Klebeband der gleichnamigen Firma appellativisch für Klebeband verwendet; dieselbe Produktgattung wird in Österreich Tixo genannt, wobei es sich ebenfalls um einen Produktnamen handelt. <?page no="55"?> 2.4 Toponymie und Etymologie 55 Van Langendonck beschränkt sich auf die Definition von Namen als Substantive, die (pragmatisch) eine einzige Entität bezeichnen (2007: 6), und verweist zusätzlich auf die Schwierigkeit, Substantive, Substantivphrasen, Pronomina und Namen klar abzugrenzen (2007: 17). Für die Untersuchung onomastischer Volksetymologie sind diese Definitionsschwierigkeiten von untergeordneter Bedeutung: Selbst in den raren Fällen, wo ein Toponym als Appellativ verwendet werden könnte, wäre es für die Untersuchung irrelevant, weil es damit eine andere Denotation annähme und eben kein Toponym mehr wäre, also aus der Untersuchungsgesamtheit herausfiele. 2.4.1.2 Bedeutung Das Hauptproblem der Namenstheorie erkennt Hansack (2004: 52) in der Frage der Bedeutung von Namen. In der Diskussion zur Bedeutungshaftigkeit von Namen lassen sich drei Hauptrichtungen unterscheiden (Koß 1995: 458; Hansack 2004: 52-65): 1. Die Ansicht, Namen hätten keine Bedeutung, d.h. sie verwiesen lediglich auf das Bezeichnete (ein Einzelobjekt). Hauptvertreter dieser Haltung war John Stuart Mill. Grundlage dieser Ansicht ist eine scholastische Bedeutungsvorstellung, die Bedeutung als Summe der (konnotativen) Begriffsmerkmale einer Objektklasse versteht. Definitionsgemäß können nach dieser Auffassung nur Appellative Bedeutung tragen, da der scholastische Klassenbegriff nur auf Appellative anwendbar ist. 2. Die von der Sprechakttheorie beeinflusste Ansicht, Namen hätten eingeschränkte Bedeutung, seien also semantisch reduziert. 3. Die seit Otto Jespersen verbreitete Auffassung, Namen trügen volle Bedeutung. Nach dieser Auffassung ist insbesondere die scholastische Vorstellung abzulehnen, Namen hätten keine in Merkmale zerlegbare Bedeutung wie Appellative. Entscheidend ist nach Hansack (2004: 56) die Erkenntnis, dass ein Name nicht für einen Gegenstand steht: Wie ein Appellativ eine Informationsmenge über die entsprechende Objektklasse umfasst, steht ein Name für eine Informationsmenge über das bezeichnete Denotat. Der Unterschied zwischen Appellativ und Name ist dann rein quantitativ; die Anzahl der semantischen Merkmale eines Namens (Wissen) kann sogar prinzipiell größer sein als diejenige der semantischen Merkmale von Appellativen (Merkmale), weil bei ihm neben die grundlegenden Merkmale auch noch individuelle, bei Appellativen nicht vorhandene Merkmale treten. 34 34 Neben grundlegende Merkmale wie ›weiblich‹, ›menschlich‹ tritt für den Namen Anni Ruffner auch das individuelle Merkmal ›Großmutter des Autors dieser Arbeit‹, das im Unterschied zu den grundlegenden Merkmalen für das Appellativ Frau nicht gilt. Ernst (2005: 42) weist auf die aus diesen Erkenntnissen resultierende interessante <?page no="56"?> 2 Forschungsstand 56 Koß (1995: 459) spricht diesbezüglich von denotativen und konnotativen Merkmalen des Benannten: Der Name einer bestimmten Straße weckt in jeder Rezipientin, jedem Rezipienten mehr oder weniger konform die denotative Vorstellung eines Verkehrswegs; die Konnotation ist je nach Person die Vorstellung einer konkreten, mehr oder weniger schönen, befahrenen, grünen oder grauen, bebauten oder übers Land führenden Straße. Die Konnotation trägt stark subjektive, von der Namenbenutzerin bzw. vom Namenbenutzer abhängige Züge (Hansack 2004: 61). Auf Siedlungsnamen übertragen hieße dies, dass alle Hörerinnen und Hörer (soweit ihnen dieser Ort überhaupt bekannt ist) mit Oppligen die denotative Vorstellung eines Dorfs verbinden. Unterschiedlich dürften die weiteren konnotativen Vorstellungen von diesem Dorf sein: Die einen verbinden es mit ihrer Jugend, andere mit einem schlechten Erlebnis, jemand findet das Dorf schön, eine andere Person dagegen unangenehm. Eine abweichende Terminologie verwendet van Langendonck, der diese beiden Sphären nicht Denotation und Konnotation, sondern Denotation und Bedeutung nennt; die Bedeutung - so der Name eine habe - determiniere die Denotation nicht (2007: 6). Im Folgenden gilt die Terminologie von Hansack und Koß, die auch Lötscher (1995) verwendet. Hansack (2004: 56) zieht das Fazit, aus sprachtheoretischer Sicht gebe es nur einen einzigen grundlegenden Unterschied zwischen Appellativen und Namen: Namen bezeichnen Objekte aus Klassen mit nur einem Objekt, während Appellative Objekte aus offenen Klassen bezeichnen. Wenn Namen Individuen bezeichen, tragen mehrere Objekte desselben Namens (z.B. mehrere Gemeinden namens Diessbach) also nicht eigentlich denselben Namen. 35 Die etwas undifferenzierte Auffassung, Namen trügen keine eigentliche Bedeutung, lehnt Hansack ab. Einerseits ist nach den oben kurz vorgestellten neueren theoretischen Konzepten zur Bedeutung auch die Denotation eines Namens eine Bedeutungseinheit. Andererseits ist es auch auf der Ebene der Konnotation nur theoretisch denkbar, dass ein Name keine Bedeutung trägt. 36 Diskussion, ob Namen leichter vergessen oder besser memoriert werden als Appellative. 35 Die Namen sind nicht identisch, vielmehr handelt es sich um Homonyme oder Fälle von Isophänie (Brendler (2008: 31), der jedoch darauf verweist, dass das Phänomen auch unter den Bezeichnungen Gleichnamigkeit und Namengleichheit besprochen wird). Zwischen Namenidentität und Namengleichheit wird häufig nicht sauber unterschieden (Brendler 2008: 171). 36 Praktisch ist wohl auch das nicht möglich: Selbstverständlich weckt auch ein absolut undeutbarer, singulärer, isolierter Name bei der Sprecherin, dem Sprecher bzw. der Rezipientin, dem Rezipienten neben der Vorstellung des Denotats Konnotationen, und sei es nur die auffällige Unverständlichkeit. Sonderegger (1987) erläutert diese Bedeutsamkeit (Debus 1966: 16) am Beispiel literarischer Namen, Koß (1995: 459) dis- <?page no="57"?> 2.4 Toponymie und Etymologie 57 Während Hansack zwischen Appellativen und Namen also keinen Unterschied bezüglich Bedeutungshaftigkeit erkennt, teilen manche Onomastikerinnen und Onomastiker auch heute noch die Ansicht der Bedeutungslosigkeit von Namen (so Coates 2005, zit. nach Anderson 2007: 116). Die klassische Vorstellung der Toponomastik besagt, dass Namen keine eigentliche Bedeutung tragen müssen. Im Vordergrund steht für die Toponomastik vielmehr die Bezeichnungsfunktion (Denotation) von Namen für Individuen (im Fall der Toponomastik also Einzelobjekte wie Siedlungen, Berge etc.; so z.B. Wiesinger 1995: 463). Koß (1995: 458) illustriert dies anhand des klassischen Beispiels der Schäferei (Förstemann 1863: 3 37 ): Die Einrichtung der Schäferei ›Schafzucht(anstalt), Schafherde‹ (DWB VIII: 2004f.) wurde irgendwann aufgelassen, ihre Bezeichnung lebt aber als Straßenname Schäferei weiter, der nur eine Straße bezeichnet, keine Schäferei. Aus der motivierten Funktionsbezeichnung wurde so ein unmotivierter Name, der einzig eine Stelle bezeichnet. Die Toponomastik nimmt also oft zumindest implizit an, dass ein Großteil der Toponyme keine Bedeutung trägt, sondern nur etwas bezeichnet. Dies betrifft alle Toponyme (bzw. toponymischen Elemente), die isoliert sind. Sie haben, wie Debus (1966: 14f.) sagt, nur eine etymologische, aber keine lexikalische Bedeutung. Nach Anderson (2007: 84) ist die Beschäftigung mit der Bedeutung von Namen seit der Antike im Prinzip nur als Beschäftigung mit dem Verhältnis von Namen und ihren appellativischen Quellen zu verstehen, die Frage, inwieweit Namen eine Bedeutung tragen, also aus der etymologischen Diskussion weitgehend ausgeklammert. Tatsächlich fragt die Toponomastik eigentlich nicht nach der Bedeutung der untersuchten Namen im Allgemeinen, sondern lediglich nach der Bedeutung der Elemente, aus denen diese Namen bestehen, also insbesondere der Appellative. 2.4.1.3 Bedeutung und Volksetymologie Dass Namen in irgendeiner Weise Bedeutung tragen, steht für die Untersuchung von Volksetymologie in der Toponymie außer Frage. Spätestens nach einer Umdeutung ist Bedeutung auf der einen oder anderen Ebene nicht abzustreiten; Volksetymologie befreit Namen gewissermaßen aus ihrem unsicheren Bedeutungsstatus (van Langendonck 2007: 6), der Terminus Umdeutung spricht für sich. kutiert sie für Straßen, die in ehrender Absicht nach Personen benannt sind, womit möglicherweise Bedeutsamkeit hergestellt werden solle. 37 Förstemann erwähnt nicht, wo die Schäferei liege; wahrscheinlich handelt es sich um ein fiktives Beispiel. <?page no="58"?> 2 Forschungsstand 58 Für die Untersuchung toponymischer Volkstetymologie lässt sich aus den obigen Überlegungen schließen: Die denotative Bedeutung eines Namens liegt in den entscheidenden Merkmalen, für die der Name gilt. Die Denotation von Toponymen kann in erster Linie als geografische Bestimmung gefasst werden. Sie ist nicht gleichzusetzen mit einem allenfalls homonymen Appellativ, selbst wenn der Name aus diesem entstanden ist. Die denotative Bedeutung von Fäldmoos (Gemeinde IV Aeschi bei Spiez) ist eben nicht ›Moos im Feld‹ (mit schwzd. Moos n. ›Moor, feuchtes, sumpfiges Land‹; Id. IV: 469f.; BENB I/ 3: 324), sondern ›Heimet, das diesen Namen trägt‹, d.h. ein bestimmtes Heimet an bestimmter Stelle. Dass dort zumindest früher feuchte Felder waren, die das Benennungsmotiv lieferten, ist lediglich Konnotation. Oder am Beispiel der Schäferei: Zum Namen wurde das Appellativ gerade durch den Untergang der Einrichtung. Die Denotation eines Namens wird im sprachlichen Material im Sinn der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens nicht unbedingt markiert: Der Name Mönch drückt auf Zeichenseite nicht aus, dass es sich um einen Berg handelt und wo dieser gelegen ist (BENB I/ 3: 365f.). 38 Eine konnotative Bedeutung kann im Fall des Bergnamens (Oronyms) z.B. Mönch ›Klosterbruder‹ (Id. IV: 318f.) sein. Isolierte Namen sind sprachlich nicht bzw. kaum konnotiert. 39 Am Beispiel der Siedlungsnamen illustriert heißt das: Bern bedeutet in etwa ›städtische Siedlung an der Aare im Berner Mittelland, Hauptstadt des Kantons Bern und Schweizer Bundesstadt‹. Kirchdorf dagegen bedeutet im Kern ›Dorf im Berner Amt Seftigen zwischen Aare- und Gürbetal, zwischen den Dörfern Mühlethurnen und Jaberg, Mühleberg und Noflen‹. Konnotativ liegt in Kirchdorf der Gedanke an die Appellative Kirche und Dorf nahe, weil sie im Sprachmaterial realisiert sind. In Bern hingegen mag nur eine Einzelsprecherin, ein Einzelsprecher einen Bären erkennen und zum Schluss kommen, Bern habe mit Bären zu tun. Volksetymologie geht nur in seltenen Fällen wie der solothurnischen Rankwog (vgl. 2.3.4) mit einer Veränderung der Denotation von Toponymen einher. Sie tritt fast ausschließlich bei der subjektiven Konnotation auf. Volksetymologie geschieht auf der Ebene von Appellativen, mit denen der Name tatsächlich gebildet ist bzw. die - diachron unzutreffend - im Namen wahrgenommen werden. 38 Ausnahmen bilden etwa Siedlungsnamen, deren Grundwort ein Appellativ mit der Bedeutung ›Siedlung‹ ist, wie Dorf, Stadt in III Lohnstorf oder Neuenstadt (dt. Exonym für La Neuveville (BE)). Auch hier muss das Grundwort die denotative Bedeutung jedoch nicht in jedem Fall ausdrücken: II Burgdorf ist kein Dorf, sondern eine Stadt. 39 Insbesondere individuelle konnotative Elemente wie persönliche Sympathien und Erlebnisse schlagen sich im sprachlichen Material natürlich nicht nieder. <?page no="59"?> 2.4 Toponymie und Etymologie 59 Im Folgenden wird unter Umdeutung bzw. Volksetymologie oder auch Remotivierung eine Veränderung auf Ebene der Konnotation verstanden, die mit oder ohne lautliche Veränderung auftritt. In den meisten Fällen muss offen bleiben, wie allgemein diese Deutung bzw. Motivierung wahrgenommen wird. Die manchmal postulierte prinzipiell mögliche Bedeutungslosigkeit von Toponymen (vgl. 2.4.1.2) ist genauer zu fassen als Möglichkeit, dass ein Name sprachlich isoliert sein kann, über die denotative Bedeutung hinaus sicher aber auch Konnotationen (sprachlicher oder nicht-sprachlicher Art) trägt. Toponyme können aus vielerlei Gründen isoliert werden und dennoch als Namen problemlos funktionieren (Anderson 2007: 86). Gerade Ortsnamen und Siedlungsnamen (vgl. auch 3.3.5) sind im Untersuchungsgebiet (wie auch in vielen anderen Sprachgebieten) nicht grundsätzlich ›sprechend‹, sondern für synchron denkende Laien oft unverständlich. Diese Tatsache ist den Sprechenden wohl unterbewusst klar und verhindert eine systematische Remotivierung unverständlicher Namen. 2.4.2 Toponomastische Auseinandersetzung mit Volksetymologie Auch die toponomastische Literatur zur Volksetymologieforschung ist ziemlich umfangreich. Im 20. Jh. kommt Volksetymologie »überaus häufig in onomastischen Arbeiten zur Sprache« (Olschansky 1996: 103). In der Onomastik sehen viele geradezu ein Paradefeld der Volksetymologie (Koch 1963: 162; Schoof 1968: 22; Sanders 1975; Wiesinger 1995: 463; Antos 1996: 217f.; Rundblad/ Kronenfeld 2003: 131 sprechen von folk onomastics). »Volksetymologie betrifft Appellativa und - wahrscheinlich öfter […] - propriales Material« (Olschansky 1996: 107). Auch Sanders gilt »als eigentliche und unbestrittene Domäne des mit dem sprachwissenschaftlichen Terminus ›Volksetymologie‹ umschriebenen Phänomens […] das - personale und toponymische - Namengut.« (1975: 1). Schon Paul merkt zur Volksetymologie ohne lautliche Veränderung an: »Eigennamen widerstreben einer solchen lediglich an den laut sich haltenden secundären beziehung am wenigsten […].« (1886/ 1880: 181). Dies hat einerseits damit zu tun, dass, wie erwähnt (2.3.1.1), propriales Sprachmaterial aufgrund seiner häufigen Isolation für lautliche Veränderungen relativ anfällig ist (Olschansky 1996: 103, 107), andererseits aber eine gewisse Erwartung besteht, dass auch sie eine Bedeutung tragen (Wartburg 1943: 117). 40 Allerdings ist einzuschränken, dass Sprecherinnen und Sprecher gerade bezüglich Toponymen aufgrund ihrer Alltagserfah- 40 Dieses Streben nach - muttersprachlicher - Deutung unverständlicher Namen wurde in der Vergangenheit und wird z.T. heute noch politisch vereinnahmt. Mit Hilfe der Toponymie wurde versucht, historische Sprachgrenzen zu den eigenen Gunsten auszulegen. Vgl. etwa Hornung (1998: 122) und, für die dt.-frz. Sprachgrenze, Schneider/ Siegfried (2008). <?page no="60"?> 2 Forschungsstand 60 rung auch ein Bewusstsein haben, dass sie synchron ohne erkennbaren Sinn sein können. Eine Ursache für die Verbreitung von Volksetymologie in der Toponymie kann nach Bebermeyer (1974: 181) auch sein, dass Namen »unmittelbar in den Bereich der gesprochenen Sprache [gehören], da sie lange nicht eindeutig schriftlich festgelegt und in ganz besonderem Maße von nicht exaktem Hören und Verstehen betroffen waren. Oft kann man von Zerreden sprechen.« Festzuhalten ist, dass die meisten Arbeiten, die sich explizit mit Volksetymologie in der Toponymie beschäftigen, nur sehr eng umrissene Phänomene bzw. Einzelfälle behandeln oder einfach Sammlungen einiger volksetymologisch beeinflusster Namen in einem bestimmten Gebiet ohne weitere theoretische Einordnung sind. Im Folgenden werden einige dieser Arbeiten kurz vorgestellt. Der älteste greifbare neuzeitliche Beleg einer Volksetymologie, die bereits mehrfach erwähnte Umdeutung von lat. Finis terrae in Finsterer Stern in einem Reisebericht aus dem 15. Jh. (Schmeller 1844: 177), gehört bereits der Toponymie an. Dieser einzelne Beleg darf zwar nicht als Hinweis darauf gewertet werden, dass das Phänomen gerade in der Toponymie besonders häufig auftritt; es ist aber immerhin ein Hinweis auf das Bedürfnis, Toponyme zu verstehen, als Motivation für Volksetymologie. Förstemann spricht dann in seinem Aufsatz von der Angleichung von Toponymen an andere Toponyme (1852: 14f.). Auch Andresen in seiner ersten großen Monografie zur Volksetymologie bringt bereits eine ganze Reihe von Beispielen zu deutschsprachigen Ortsnamen, die aus kelt. umgedeutet wurden, so Mertloch aus Martiliacum als ›Märtyrer-Loch‹ (1899: 229f.). Seit diesen ersten Publikationen ist die sprachwissenschaftliche und volkskundliche Beschäftigung mit Volksetymologie im geografischen Namengut nicht mehr abgebrochen, wie Olschansky in ihrer Bibliografie (1996) aufzeigt. Schoof thematisiert in Volksetymologie und Sagenbildung (1917; vgl. auch 3.3.13) aus volkskundlicher Perspektive »Sagen, die aus unverständlichen Flurnamen entstanden sind«. Houtzagers Unconscious soundand sense-assimilations (1935) beschäftigt sich zu einem guten Teil mit Toponymen und enthält auch eine Sammlung volksetymologischer engl. Topoyme. Der Artikel Volkstümliche Wortschöpfung in Flurnamen 41 von Schoof (1951) beschäftigt sich mit volkstümlichen Wortschöpfungen in Flurnamen. 41 Das Schreiben des Worts volkstümlich im Zusammenhang mit Volksetymologie fiel mir besonders schwer; erst nach mehreren Versuchen konnte ich die Schreibweise volkstymlich, die sich mir unmittelbar in den Weg stellte und natürlich von der Volksetymologie beeinflusst ist, endlich wegschieben. <?page no="61"?> 2.4 Toponymie und Etymologie 61 1952 erscheint Johansens Volksetymologie und Ortsnamenkunde, erläutert am Beispiel Livlands. Eine weitere deutschsprachige Publikation ist Wesches Volksetymologie und Verballhornung in niederdeutschen Flurnamen (1959/ 1960). Ihr folgt 1961 Pickls »Wanzenbichl« und »Saurüssel«. Von merkwürdigen Berg-, Flur- und Hausnamen im Semmeringgebiet, eine populär ausgerichtete Vorstellung volksetymologisch beeinflusster Toponyme. Neuffers beschäftigt sich 1966 mit Folk Etymology in South Carolina Place Names. 1971 veröffentlicht Bilek seinen Aufsatz Volksetymologisch umgedeutete Ortsnamen aus Mecklenburg. 1981 erscheint Richs volkskundlicher Artikel Landscapes and the Imagination: The Interplay of Folk Etymology and Place Names, in dem er vor allem volksetymologisch beeinflusste Namen sammelt, wobei es sich dabei oft nicht um Volksetymologien, sondern um folk explanations, also Erklärungen ohne Veränderung des lexikalischen Materials (Olschansky 1996: 348; vgl. auch 3.3.13.3), handelt. 1986 folgen Lochner von Hüttenbachs Volksetymologische Umformungen von Ortsnamen slawischer Herkunft im Ostalpenraum zu Ortsnamen in Kärnten. Von demselben Autor stammt auch der Beitrag Nur scheinbar echte Tiernamen in Ortsbezeichnungen der Steiermark (1990). Vennemann gen. Nierfeld (1999: bes. 287) schließlich spricht von einer eigentlichen Volksonomastik, ja Volkstoponomastik. 2.4.3 Zum Verständnis der Volksetymologie in der Toponomastik Verschiedene Autorinnen und Autoren arbeiten Unterschiede zwischen toponymischer und allgemeiner (meistens appellativischer) Volksetymologie heraus: »Viel mehr als bei Appellativa steht die Volksetymologie bei Propria in Zusammenhang mit ätiologischen Sagen, (Aber-) Glaubensmeinungen, Bräuchen etc., die in Anschluß an volksetymologische Prozesse oder in Verbindung mit diesen entstehen«, erkennt Olschansky (1996: 207). Dementsprechend räumt schon Mackensen in seinem Name und Mythos (1927) in der Untersuchung Orts- und Geschlechtsnamensagen (9-18) den von ihm so genannten Flurnamensagen die Hälfte des Raums ein. Koch vertritt in Volksetymologie und ihre Zusammenhänge die Ansicht, Volksetymologie in Ortsnamen sei genau nicht der Versuch, unverständliche Ortsnamen zu deuten. Vielmehr sei das Kennzeichen der Volksetymologie in Ortsnamen das Widersinnige und Ungereimte (1963: 166). Dieser Widersinn, so ist aus seiner Aussage wohl zu schließen, wird durch entsprechende Legenden (vgl. 3.3.13) erläutert und gestützt. Adolf Bach führt in seiner Deutschen Namenkunde für Volksetymologie in Ortsnamen eine achtgliedrige Einteilung ein: 1. Volksetymologische Umdeutungen, die ohne lautliche Umgestaltung des betreffenden Ausdrucks vollzogen werden, sowie solche <?page no="62"?> 2 Forschungsstand 62 mit Umgestaltung des Wortkörpers (II/ 2: § 732, S. 535f.). Olschansky (1996: 206) erkennt darin trotz fehlender Charakterisierung durch Bach den ›Normalfall‹ der Volksetymologien; 2. Absichtsvoll scherzhafte Volksetymologie (II/ 2: § 733, S. 536f.); 3. Volksetymologie, die durch Verwaltungs- oder Vermessungsbeamte in entsprechender Verhochdeutschung bei falscher begrifflicher Deutung entstanden ist (II/ 2: § 734.1, S. 537f.); 4. Gelehrte Volksetymologie (II/ 2: § 734.2, S. 538); 5. Bewußt und mit humoristischer Absicht gestaltete Volksetymologie (II/ 2: § 734.3, S. 538); 6. Absichtliche euphemistische Umdeutungen im Stil der Volksetymologie (II/ 2: § 734.4, S. 539.); 7. Wappenbildende Volksetymologie (, II/ 2: § 735, S. 539); 8. Mythenbildende Volksetymologie (II/ 2: § 736, S. 539-541). Olschansky kommentiert dazu, dass »die Beispiele der Gruppen 3)-6), die als O[rts]N[amen]-Volksetymologien deklariert sind, übergreifend charakterisiert werden als ›nicht in den Mutterschichten des Volkes selbst entstanden‹. Insgesamt überzeugt Bachs Gliederung nicht, da er hier ohne konkrete Angabe von Differenzierungskriterien heterogene Erscheinungen, für die nicht durch eine übergreifende Definition Zusammengehörigkeit festgestellt ist, als Volksetymologie-Gruppen […] ausweist« (Olschansky 1996: 206). Als Hinweis auf einige Besonderheiten der Volksetymologie in der Toponymie ist Bachs Gliederung aber trotz fehlender Trennschärfe allemal hilfreich. So zeigt er auf, dass gerade bei - oft per se nicht verschriftlichten Flurnamen - die amtliche Verschriftlichung Volksetymologien die Türen öffnet. Auch die Wappenvolksetymologie ist eine Besonderheit der Volksetymologie in der Onomastik. 42 Auf die häufige Verbindung von Sagen bzw. Mythen und Volksetymologie in der Toponymie weist schon die relativ große Zahl der (volkskundlichen) Publikationen aus diesem Bereich (vgl. 3.3.13). Bebermeyer arbeitet dagegen für die toponymische Volksetymologie mit einer sechsteiligen Kategorisierung: 1. Volksetymologische Orts- und Flurnamen […] aus Fremdnamen (1974: 184); 42 Sie kommt nicht nur bei Gemeindenamen, sondern ebenso im Bereich der Familiennamen vor. <?page no="63"?> 2.4 Toponymie und Etymologie 63 2. Volksetymologien auf der Grundlage heimischen Wortguts (1974: 184); 3. Volksetymologien ohne gute Assoziationsmöglichkeiten, d.h. mit nur lautlicher Motivierung (1974: 184f.); 4. Volksetymologien mit Folgelegenden, mit sich anschließender Sage (1974: 185f.); 5. Unsichere Volksetymologien (1974: 186); 6. Volksetymologien ohne lautliche Veränderung (1974: 186). Bebermeyers Kategorien decken sich teilweise mit allgemein oft verwendeten Kategorien für Volksetymologien, etwa die Unterscheidung in ›heimisches‹ und ›fremdes‹ Wortgut. Auch ihre Kategorien sind aber nicht ausschließend. Eine Kategorisierung auf einer anderen Ebene nimmt Hornung (1998: 119) vor. Sie unterscheidet verschiedene Gruppen von Volksetymologien, wie sie häufig von Gewährspersonen berichtet werden. Die erste Gruppe machen echte Deutungsversuche aus, die die Gewährspersonen selbst glauben bzw. die volkstümliches Allgemeingut sind und sich in Sagen und Erzählungen tradieren. Daneben gibt es Deutungen, die zwar tradiert werden, aber auch für die Gewährspersonen unglaubwürdig sind. Die dritte Gruppe bilden schließlich Volksetymologien, die von vornherein als Scherz gedacht sind (und von anderen Forscherinnen und Forschern wegen ihrer Intention nicht als Volksetymologien gezählt werden). Diese Versuche zeigen, dass es bis heute nicht gelungen ist, eine Kategorisierung toponymischer Volksetymologie aufzustellen, die allgemeine Akzeptanz gefunden hätte. Die vorliegenden Modelle beschreiben die Fälle, die sie untersuchen, nach relativ uneinheitlichen Kriterien, es fehlt ihnen an Trennschärfe; sie ermöglichen lediglich Gruppierungen von Volksetymologien nach dem einen oder anderen Gesichtspunkt. Im Folgenden verzichte ich daher auf die konsequente Anwendung einer dieser Kategorisierungen, stelle aber punktuell den Bezug her. <?page no="65"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie Sanders formuliert in Nochmals Volksetymologie zu den Aufgaben der modernen Volksetymologieforschung: »Die vordringlichste Aufgabe besteht […] offensichtlich weniger in der Formulierung neuer Theorien, wie ich meine, als vielmehr in einer grundlegenden, systematischen Sammlung und Aufarbeitung der konkreten deutschen Volksetymologien. Denn was diese Materialbasis angeht, stehen wir heute noch immer so gut wie auf dem Stande des […] Werkes von K. G. Andresen […], das neben den wieder und wieder zitierten Paradebeispielen viel längst Veraltetetes bietet, die Masse des nach meiner Kenntnis in zahllosen sprachwissenschaftlichen, speziell dialektologischen Untersuchungen verstreuten volksetymologischen Materials jedoch eben nicht enthält.« (Sanders 1980: 207f.). Diese Aufgabe stellt auch Olschansky (1996: 230) als Ausblick und Auftrag ans Ende ihrer Arbeit; sie hat seither nicht an Bedeutung verloren. Die vorliegende Arbeit soll für ein geografisch eng umgrenztes und doch sprachlich vielgestaltiges Gebiet eine möglichst umfangreiche Sammlung von Volksetymologien aus dem geografischen Namengut sein. Ich weise jedoch ausdrücklich darauf hin, dass sich die Arbeit in keiner Weise als abschließende Sammlung versteht. Vielmehr sollen die hier dargestellten Volksetymologien verschiedene Aspekte der Volksetymologie illustrieren. Eine Sammlung weiterer Namen, die volksetymologisch beeinflusst sind oder für die Volksetymologie zumindest zu erwägen ist, findet sich in Anhang A. 3.1 Die Erhebung von Daten zur Volksetymologie Ruoff (2000: 19) nennt drei Voraussetzungen, die nötig sind, um die Herkunft von Toponymen zu bestimmen und daraus eine ›richtige‹ (Hervorhebung This Fetzer) Schreibweise abzuleiten: 1. die Realprobe vor Ort; 2. die Kenntnis der örtlichen mundartlichen Aussprache; 3. das Studium historischer Namenbelege, um Namenveränderungen und -umdeutungen zu erkennen. Entsprechend werden Namen für toponomastische Namenbücher allgemein in drei Schritten erhoben: 43 Zuerst werden im Feld bei lokalen Gewährspersonen lebendige Namen erhoben, geografisch verankert, in einer 43 S. für das Untersuchungsgebiet BENB (I/ 1: 9*f.). <?page no="66"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 66 möglichst sprechernahen (phonetischen) Lautung notiert und mit der zugehörigen Sachbezeichnung versehen. Gleichzeitig werden Archivauszüge gemacht, um historische Namenbelege zu sammeln. Die Auswahl der relevanten historischen Urkunden und Dokumente hat verständlicherweise einen entscheidenden Einfluss auf die entstehende Namensammlung und ihre Auswertung. Im nächsten Schritt werden historische und aktuelle Namen zusammengeführt und unter einem Lemma vereinigt. In sehr vielen Fällen ermöglicht erst eine chronologisch möglichst weit zurückreichende Belegreihe eine gültige Etymologie für einen aktuellen Namen. Eine Untersuchung zu Volksetymologie in der Toponymie muss auf einer vergleichbaren Sammlung basieren. Sie kann - wie die vorliegende Arbeit mit dem BENB - eine umfassendere toponymische Sammlung ausziehen. Kann die Etymologie eines Namens ohne historische Belege oft nicht sicher festgestellt werden, so gilt dies für die Volksetymologie erst recht. Zwar lassen auffallende aktuelle Einzelbelege mit Elementen, die in Toponymen sonst eher nicht vorkommen, an Volksetymologie denken, ohne historische Belege bleibt dies aber ungewiss. Der Opferstockacher (heute überbaut und als Name erhalten im Opferstockweg) in I Büren an der Aare ist erstmals 1921 als Opferstockacker belegt (GE). Bei der Deutung wurde an eine frühere Klosterkirche gedacht, für die Hinweise jedoch fehlen (BENB I/ 4, unveröffentlicht.); der Kanton Bern ist seit dem 16. Jh. reformiert (HLS digital: Bern (Kanton), 2008-12-17). Andernorts kommen ähnliche Bildungen vor: In Pfeffingen (BL) liegt ein Opferstockfels (BLNB Pfeffingen: 24). Opfer-Flurnamen in Hessen gehen laut Mittelhessischem Flurnamenbuch (MHFB digital: Opfer, 2009-05-06) darauf zurück, dass die entsprechenden Landstücke früher mit einer Abgabe zugunsten der Kirche belastet waren. Der Pfeffinger Opferstockfels ähnelt einem Opferstock m. offenbar in dreidimensionaler Hinsicht, wogegen der Opferstockacher in Büren an der Aare flaches Gelände bezeichnet. Das hessische Namenmotiv kann ebenfalls ausgeschlossen werden, da der Bürener Name ja nicht nach dem Opfer, sondern nach dem Opferstock benannt ist. Das Namenmotiv muss damit als unsicher gelten. Neben einer Benennung nach dem urkundlich nicht belegten Standort eines Opferstocks für das nahe gelegene frühere Siechenhaus ist auch eine scherzhafte volksetymologische Umdeutung (vgl. 3.3.14.) eines früheren Stockackers m. denkbar. Dieser Name ist im Untersuchungsgebiet sehr verbreitet und bedeutet eigentlich ›Acker mit Baumstrünken‹ (BENB I/ 1: 5f.; Dok.). Die Erklärung wäre elegant, ihr Schönheitsfehler ist aber, dass auch sie sich durch keinerlei historischen Beleg stützen lässt. Eine andere Schwierigkeit zeigt sich bei historischen Volksetymologien. Sie treten nicht erst zwischen den historischen Belegen und der aktuellen Lautung eines Namens auf, sondern schon in den historischen Belegen. Wer historische Volksetymologien untersucht, kann keine Gewährspersonen fragen, ob eine Remotivierung tatsächlich vorliegt, sondern muss sich auf ihre/ seine Kenntnisse der betreffenden Sprachstufe verlassen und sicher- <?page no="67"?> 3.1 Die Erhebung von Daten zur Volksetymologie 67 stellen, dass sie/ er historische Namen nicht nhd. (bzw. nschwzd.) interpretiert. Ein heute nicht mehr bekanntes Toponym vermutlich in der Nähe von I Erlach ist 1265 als Hyrlant (FRB II: 628), 1274 als Irlant (FRB III: 79), 1376 als Illant (FRB IX: 486, 487) überliefert (BENB I/ 2: 354). Das FRB (IX: 700) vermutet darin eine Form des im 13. und 14. Jh. Inselgau genannten Berner Seelands (Sektor I; BENB I/ 2: 350). Mit nhd. Wissen scheint der Beleg von 1274 sich an den Ländernamen Irland anzulehnen. Dass dies aber auch mhd. schon zutraf, ist zumindest fraglich. Historische Volksetymologien dürften besonders schwer zu bestimmen sein, wenn sie mit der sprachlichen Entwicklung seit dem betreffenden historischen Beleg wieder verschwunden sind (Namen, die nur historisch belegt sind) bzw. erneut isoliert oder umgedeutet wurden. Der Name Burk(h)alte zweier Heimet in II Rüegsau ist ein Kompositum mit dem Bestimmungswort Burg f. und dem Grundwort schwzd. Halte f. ›Bergabhang‹ (Id. II: 1174ff.; BENB I/ 2: 188-191). Die Verhärtung -rg- > -rktritt schon im Erstbeleg Rоdolf von Burkhalton 1344 (FRB VII: 4) auf (wohl analogisch zur Verhärtung -ng- > -nk-; Zinsli 1960: 150-153; bzw. als Resultat einer Assimilation mit nachfolgendem -h-). 44 Daneben heißt es 1495 vom burgkalten (U65: 15). Handelt es sich bei dieser Schreibung ohne -hum eine historische Umdeutung in das Adjektiv kalt oder ist -gklediglich Wiedergabe des tatsächlichen Lautwerts? Auch bei zahlreichen Namen mit historischen Schreibweisen Offen im Bestimmungswort ist es unmöglich abzuschätzen, ob hier lediglich die schwzd. bis heute bewahrte mhd. Vokalkürze im Appellativ nhd. Ofen m. (Id. I: 109-111) ausgedrückt werden soll oder ob eine Umdeutung in das Adjektiv offen vorliegt, das in Toponymen kaum belegt ist (BENB I/ 4: 86-89). Für die bloße Schreibvariante sprechen das Fehlen heutiger Namen mit Geminate sowie die Tatsache, dass andere Schweizer Namenbücher keine Namen mit dem Adjektiv anführen. Der bisher nicht gedeutete Siedlungsname IV Därstetten taucht 1228 erstmals als Tarenchat (CL: 18) auf (vgl. 3.3.4.2 für weitere Belege). 45 Der vordt., bisher nicht gedeutete Name (LSG 2005: 288) wird im Lauf der Zeit an andere Siedlungsnamen mit dem Bestimmungswort -stetten angeglichen. Nicht von der Hand zu weisen ist aber die Möglichkeit, dass das offenbar unverständliche Namenglied zwischenzeitlich (zumindest in den schriftlichen Belegen) in das mhd. Appellativ schate m. ›Schatten‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 II: 671f.) im für Ortsnamen typischen Dativ Plural umgedeutet wurde. Das Appellativ ist in La- 44 Ob spätere Schreibungen mit -g- (1389 R 2: 643; 1566 C3: 1; 1838 D neben -k- Schreibung) als Rückanlehnung an das ursprüngliche Appellativ (vgl. 3.3.2.3) zu verstehen sind oder als konservative Schreibungen eine noch mitschwingende alte Lautung repräsentieren, ist kaum zu klären. 45 Ein bekanntes Problem alter Siedlungsnamenbelege sind Schreiberformen, die von auswärtigen Schreibern stammen und den vor Ort tatsächlich üblichen Lautwert nur ungenau abbilden. Sie können die Etymologisierung wesentlich erschweren. <?page no="68"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 68 gebezeichnungen nicht selten (vgl. den Siedlungsnamen Schattenhalb; LSG 2005: 805). 46 Die größte Schwierigkeit der toponomastischen Volksetymologieforschung ist also die Frage, wie Volksetymologie überhaupt festgestellt wird. Viele Forschende umgehen das Problem mehr oder weniger, indem sie nur mit Fällen arbeiten, in denen - etwa durch eine nicht lautgesetzliche Lautveränderung - klar scheint, dass eine Umdeutung tatsächlich vorliegt. Sammlungen von Volksetymologien beschäftigen sich in erster Linie mit auffälligen, häufig komischen und lustigen Volksetymologien (vgl. für die Toponymie 2.4.2). Aber selbst in diesen Fällen lässt sich nicht eindeutig festlegen, wie allgemein eine Umdeutung wahrgenommen wird. 3.1.1 Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Forscherin/ Forscher und Forschungsgegenstand Um eine Volksetymologie festzustellen, muss ein ›Anfangsverdacht‹ bestehen: Wenn nicht eine Gewährsperson einen Hinweis gibt, muss die Forscherin, der Forscher eine Volksetymologie vermuten und untersuchen. Viele Namen, für die nur aktuelle Belege bestehen, können nämlich volksetymologisch entstanden sein, ohne dass dies jemals erkannt würde. Die Konsequenz ist eine Schwierigkeit der Abgrenzung von Forschungsgegenstand und Forscherin bzw. Forscher. Vermutet eine Wissenschaftlerin, ein Wissenschaftler, dass ein Name volksetymologisch umgedeutet oder sogar verändert wurde, handelt sie bzw. er vorerst als Teil der Sprachgemeinschaft, deren Verhalten zu untersuchen ist. 47 Eine Möglichkeit, diese Verzerrung zu umgehen, bestünde darin, zu jedem einzelnen Namen eine Befragung unter Gewährspersonen durchzuführen, um festzustellen, ob und wie sie ihn deuten. Diese Methode übersteigt jedoch die Kapazitäten der Toponomastik. Das Datenmaterial des BENB enthält lediglich Deutungsvorschläge der Gewährspersonen, soweit diese sich spontan dazu geäußert haben. Eine Methode, die im Einzelfall zum Abschätzen der Möglichkeiten durchaus sinnvoll sein kann, ist die Aufforderung an eine Gewährsperson, ihr Verständnis, ihre Deutung des Namens anzugeben. Diese Methode führt selbst aber auch zu einer Verzerrung, indem sie die Befragten dazu verleitet, auch Namen zu deuten, die sie normalerweise als Wörter der Kategorie Namen (vgl. 2.4.1) ungedeutet wahrgenommen haben. Im günstigeren Fall wird die befragte Person eine Deutung angeben, die sie zwar 46 Allerdings befindet sich Därstetten nicht an einem Schattenhang. 47 Vennemann gen. Niermann (1999: 305) kritisiert denn auch nicht ganz zu Unrecht einen gewissen ›Wildwuchs‹ der Volksetymologie in der Toponomastik, die jeden noch so unwahrscheinlichen lautlichen und sachlichen Bezug zulasse. Auf die Schwierigkeit weist auch Béguelin (2000: 3) hin. <?page no="69"?> 3.1 Die Erhebung von Daten zur Volksetymologie 69 spontan nicht genannt hätte und vermutlich beim Gebrauch des Namens nicht regelmäßig aktualisiert (Aitchison 2003: 232f.; 1997: 278), die als Spontanäußerung aber durchaus möglich wäre. Im ungünstigeren Fall wird sie sich anstrengen und für einen Namen, den sie immer ungedeutet verwendet, eine Deutung finden, die als Spontannennung ausgeschlossen ist und allein aufgrund der Frage zu Stande kommt. Im Extremfall hätte dann jeder erfragte Name eine klare Deutung, selbst wenn es wissenschaftlich nicht gelingt, seine Etymologie zu erhellen. Ein Großteil dieser Deutungen wäre zwar Volksetymologie, aber sie wäre für eine Untersuchung ungeeignet, da sie unter zu künstlichen Bedingungen entstanden wäre. 3.1.2 Offenheit des Untersuchungsgegenstands Eine weitere Schwierigkeit der Volksetymologieforschung ist die Offenheit des Untersuchungsgegenstands. Anders als ein Toponym an sich kann eine Volksetymologie nicht allein durch Quellenexzerption und Befragung von Gewährspersonen festgestellt werden. Die Menge der Toponyme ist relativ eindeutig bestimmbar, die Menge der Toponyme mit Volksetymologie ist es mitnichten. Für jedes Toponym ist im Prinzip eine Vielzahl unterschiedlicher Volksetymologien denkbar (vgl. etwa das später isolierte Appellativ mhd. hor n. ›Kot, Schmutz‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 1337f.) und seine vielfältigen Umdeutungen in Toponymen; 3.3.8.3). Das oben (3.1.1) angesprochene Experiment der Befragung zur Etymologie von Namen würde zeigen, dass verschiedene Sprecherinnen und Sprecher denselben Namen ganz unterschiedlich deuten. Der Gemeindename V Meiringen wird von manchen Sprechenden als Bildung mit einem allgemein bekannten, dem Sinn nach nicht notwendigerweise genauer definierten Siedlungsnamensuffix -ingen und dem in der aktuellen Sprechsprache nicht mehr gebräuchlichen Appellativ Meier m. ›grundherrlicher Beamter, Dorfvorsteher‹ (Id. IV: 11-15) bzw. eher noch dem davon abgeleiteten Familiennamen Meier interpretiert. Der Name lässt sich volksetymologisch aber ebenso deuten als - anders segmentierte - Bildung mit den beiden Appellativen schwzd. Mai, Mei m. ›Monatsname‹ (Id. IV: 1-8) und Ring m. Manche Volksetymologien sind zweifellos allgemein und manifest. Der Gemeindename I Finsterhennen, im Dialekt Feisterhenne, wird heute allgemein als Bildung mit dem Adjektiv schwzd. feister ›dunkel, verborgen‹, der Lautung von finster unter Einwirkung von Staubschem Gesetz (Id. I: 873f.; SDS II: 126), interpretiert (LSG 2005: 357). Dass der Name jedoch ursprünglich mit dem Adjektiv schwzd. feiss(t) ›fett‹ (Id. I: 1071f.) gebildet wurde, zeigen die lat. Erstbelege apud Pinguem-gallinam 1263/ 1264 (FRB II: 586) mit lat. pinguis ›fett‹ (Georges 1967 II: 1711) und de Grassa gallina 1345 (FRB VII: 145) mit lat. crassus ›fett, feist‹ (Georgs 1967 I: 1731f.). Offenbar leuchtete eine Bildung mit dem Ad- <?page no="70"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 70 jektiv feiss(t) 48 im stark flektierten Nominativ Singular der Komparationsstufe feister den Sprecherinnen und Sprechern semantisch wie morphologisch weniger ein als der reinterpretierte stark flektierte Nominativ Singular Positiv des Adjektivs feister. 49 Eine große Anzahl von Volksetymologien erreicht aber keinen derartigen Grad der Allgemeinheit; sie werden lediglich von Teilen der Sprachgemeinschaft oder auch nur von Einzelpersonen wahrgenommen, manche dürften auch einmalige Spontanäußerungen 50 sein. Verschiedene Forscherinnen und Forscher haben vorgeschlagen, zwischen allgemeinen und nur individuellen, unsicheren Volksetymologien zu unterscheiden (vgl. etwa Olschansky 1996: 181; vgl. 2.3.4). Wie diese Unterscheidung durchgeführt werden soll, ist jedoch unklar. Selbst die offensichtlichsten Volksetymologien werden nicht von allen Sprechenden einer Gruppe als solche wahrgenommen: Wer möchte sagen, ob beim wohl bekanntesten dt. Beispiel einer Volksetymologie, dem Appellativ Maulwurf (vgl. 3.3.15), wirklich die Mehrheit der Sprechenden an die nhd. Appellative Maul n. und Wurf m. denkt und das Tier als eines versteht, das mit seinem Maul etwas wirft (Kluge/ Seebold 2002: 606f.)? Tests zeigen, dass selbst in solchen Fällen höchstens eine relative Mehrheit die volksetymologische Deutung wahrnimmt (vgl. dazu das Beispiel Mailand; 3.3.9.11). Die Unterscheidung müsste demnach willkürlich beispielsweise bei 50 Prozent aller Sprecherinnen und Sprecher angesetzt werden und würde eine Befragung mit den oben (3.1.1) erwähnten Schwierigkeiten voraussetzen. 3.2 Das Datenmaterial Weil die Anzahl der Volksetymologien im Namengut eines Untersuchungsgebiets also gar nicht bestimmbar ist und Interferenzen der bzw. des Forschenden fast unausweichlich sind, ist es auch ein Ding der Unmöglichkeit, alle Volksetymologien in Form eines Namenbuchs mehr oder weniger abschließend darzustellen. Mit der vorliegenden offenen Untersuchungsanlage sollen vielmehr verschiedene volksetymologische Kategorien anhand von Beispielen dargestellt werden, um einen möglichst unverzerrten Einblick zu gewähren. Statistische Auswertungen sind unter diesen Umständen nicht sinnvoll. Die relative Häufigkeit, mit der die untersuchten Phänomene auftreten, kann nur Hinweise auf deren Bedeutung geben. 48 Das heute zudem gegenüber dem Adjektiv dick im Rückzug ist. 49 In den ersten dt. Belege kommen auch noch Dativformen veisten vor (BENB I/ 1: 142f.). 50 Darunter sind nicht die unter 3.1.2 genannten Deutungsvorschläge auf Nachfrage zu verstehen, sondern Etymologien, die auch die Gewährsperson nur zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem Namen erkennt. <?page no="71"?> 3.2 Das Datenmaterial 71 Im Übrigen sei auf das BENB verwiesen, dessen Aufgabenstellung im Gegensatz zur vorliegenden Arbeit die vollständige Sammlung, Reihung und Deutung der Toponymenbelege des Untersuchungsgebiets umfasst (BENB I/ 1: 5*). Grundlage der folgenden Untersuchung ist das Material des BENB (3.2.2). Diesem Material ist in den meisten Fällen der erste Hinweis auf die Möglichkeit einer Volksetymologie zu verdanken. Grundsätzlich habe ich Volksetymologien bevorzugt, auf deren Existenz eine Gewährsperson oder die historische Belegreihe hinwiesen. Manchmal musste ich zur Illustration eines Phänomens aber auch weniger wahrscheinliche oder rein hypothetische Beispiele heranziehen. Diese Beispiele sind entsprechend gekennzeichnet. Manche Toponyme werden in der Untersuchung mehrmals angesprochen. Dies ist kein Hinweis darauf, dass es im Untersuchungsgebiet nicht genügend verschiedene volksetymologisch gedeutete Namen gäbe. Vielmehr verdeutlicht es, dass die besprochenen Volksetymologien eben unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden können, die sich gegenseitig nicht ausschließen. Eine Vielzahl weiterer Toponyme, die im Hinblick auf Volksetymologie zumindest genau zu betrachten wären, findet sich in Anhang A. Eine Volksetymologie ist kaum eindeutig feststellbar, wenn nicht für denselben Namen auch eine wissenschaftliche Etymologie erstellt wird. Für die untersuchten Namen wird daher auch immer eine Kurzetymologie nach dem BENB angegeben, soweit sie schon erstellt ist. Für die Fälle, die vom BENB noch nicht gedeutet wurden, werden weitere Werke herangezogen. Dazu wird für jeden Namen der erste greifbare urkundliche Beleg aufgelistet. Weitere urkundliche Belege sind angegeben, wenn sie für die Entwicklung des Namens von Interesse sind. 3.2.1 Das Untersuchungsgebiet Das Untersuchungsgebiet der vorliegenden Arbeit deckt sich mit demjenigen des BENB (3.2.2): Es ist, wie es dessen Titelzusatz sagt, der alte Kantonsteil des Kantons Bern (BENB I/ 1: 5*). »Unter dem alten Kantonsteil versteht man die Bereiche des ehemaligen Stadtstaates Bern, soweit er nach der französischen Invasion seit 1798 - nach der Abtrennung der Untertanengebiete im Waadtland [VD] und im untern Aargau [AG] - noch reichte.« (BENB I/ 1: 20*, Anmerkung 1). Damit deckt sich das Untersuchungsgebiet mit dem deutschsprachigen Teil des Kantons, wie er sich nach Übertritt des Bezirks Laufen vom Kanton Bern zum Kanton Basel- Landschaft 1994 (HLS digital: Laufen, 2009-03-13) präsentiert. Drei Sonderfälle des BENB-Untersuchungsgebiets sind zu nennen: Der zweisprachige Amtsbezirk Biel mit den Gemeinden I Biel/ Bienne und I Evilard (dt. Magglingen) wird ebenfalls in die Untersuchung einbezogen, <?page no="72"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 72 obwohl er erst 1815 mit Teilen des Fürstbistums Basel zum Kanton Bern geschlagen wurde. Der Weiler Schafis (frz. Chavannes), Teil der Gemeinde La Neuveville im gleichnamigen Amtsbezirk, liegt nicht im Untersuchungsgebiet, obwohl er heute wie die Nachbargemeinde Ligerz eine deutschsprachige Mehrheit hat (HLS digital: Chavannes, 2009-03-13). Die Gemeinden Schelten und Seehof im französischsprachigen Amtsbezirk Moutier sind zwar mehrheitlich deutschsprachig, vom restlichen deutschsprachigen Kantonsgebiet aber durch den Kanton Solothurn getrennt. Auch sie werden vom BENB nicht erfasst. Das BENB gliedert sein Untersuchungsgebiet unabhängig von politischen Verwaltungsgrenzen in fünf Sektoren (BENB I/ 1: 14*; I/ 3: XV-XXI; s. auch Karte des Untersuchungsgebiets): I Seeland (Amtsbezirke Aarberg, Biel, Büren, Erlach, Nidau) II Oberaargau, unteres Emmental (Amtsbezirke Aarwangen, Burgdorf, Fraubrunnen, Trachselwald, Wangen) III Mittelland, Emmental und Voralpengebiet (Amtsbezirke Bern, Konolfingen, Laupen, Schwarzenburg, Seftigen, Signau, Thun) IV westliches Berner Oberland (Amtsbezirke Frutigen, Niedersimmental, Obersimmental, Saanen) V östliches Berner Oberland (Amtsbezirke Interlaken, Oberhasli). Die sprach- und siedlungshistorische Einordnung und Einschätzung des Gebiets lässt sich mit dem BENB folgendermaßen umschreiben: »Die besondere Bedeutung unseres Untersuchungsgebietes und seiner Namenwelt liegt in helvetischen Bezügen wohl darin, dass es das eigentliche Herzstück der westlichen deutschen Schweiz ist und damit als repräsentativ auch für weiterreichende Landesgegenden im Westen gelten darf - dass unser Raum, der bei den Juraseen beginnt, über das flache, fruchtbare Mittelland und durch typische Voralpenbereiche bis an die höchsten Gipfel und Gräte führt, eine Vielfalt sehr verschiedenartiger Landschaften mit besondern Naturgegebenheiten und damit auch mit unterschiedlichen Wohn- und Wirtschaftsverhältnissen umfasst, die teilweise eine eigene toponomastische Terminologie hervorgebracht haben müssen. Zudem sind diese Gegenden historisch gestuft von Böden mit schon frühgeschichtlichen Niederlassungen, ferner Räumen der ersten alemannischen Landnahme über Gegenden des ältern und jüngern Siedlungsausbaus bis in noch heute menschenleere Hochgebirgsregionen. Geschichtlich bemerkenswert bleibt […] ferner, dass die ganze westliche Flanke im Strahlungsbereich der dt.frz. Sprachgrenze liegt und im südlichen Teil noch die langandauernde Ausei- <?page no="73"?> 3.2 Das Datenmaterial 73 nandersetzung alemannischen Sprachtums mit dem alpinromanischen der Vorsiedler nachklingt.« (BENB I/ 1: 5*). 51 Ergänzend lässt sich sagen, dass vordt. Namenschichten gerade auch im Bereich der heutigen Sprachgrenze im Berner Seeland (I) von großer Bedeutung sind, wo sich auch heute noch teilweise Verschiebungen ergeben und wo in vielen Namen frkpr. Substrat zu erkennen oder doch zu vermuten ist (Kristol 2002). Wie sich die Sprachgeschichte im Einzelnen zugetragen hat und wie die heutigen Sprachgrenzen ausgebildet wurden, ist weiterhin Gegenstand der historischen Forschung (s. etwa Kristol 2006 mit weiterführender Literatur). Die Toponomastik trägt dabei mit ihren Erkenntnissen und Vorstellungen zum Verständnis der Siedlungs- und Sprachgeschichte bei. 3.2.2 Das Berner Namenbuch: Anlage der Datensammlung Das Berner Namenbuch (BENB) wird von der Forschungsstelle für Namenkunde an der Universität Bern publiziert. Eine rechtliche Grundlage der Forschungsstelle ist ein Beschluss des Schweizer Bundesrats von 1938, der alle Kantone zur Ernennung von Nomenklaturkommissionen verpflichtete. Diese Kommissionen sollten alle Toponyme des jeweiligen Kantons in einer der ortsüblichen Aussprache möglichst nahen Form festhalten, damit sie so in den Landeskarten eingetragen werden konnten. 52 Die Forschungsstelle an der Universität Bern nahm ihre Arbeit im Winter 1942/ 1943 auf. In den ersten Jahren wurden dem Bundesratsbeschluss entsprechend Namen im Feld erhoben. Das Gros der aktuellen Namen im Material des BENB stammt aus den 1940er Jahren mit einer größeren Nachtragserhebung in den 1960er Jahren. Diese Arbeit wird jedoch bis heute fortgesetzt, jährlich kommen zur Sammlung weitere Namen dazu, die im Rahmen der amtlichen Vermessung der Gemeinden erhoben werden. Die Gewährspersonen bei der Erhebung aktueller Namen sind üblicherweise Personen, die seit ihrer Geburt im Ort leben, den lokalen Basisdialekt sprechen und die lokalen Toponyme gut kennen. Die meisten Gewährspersonen des BENB sind bzw. waren Landwirte und Mitglieder von Gemeindebehörden, weil diese Personengruppen einen besonders engen Bezug zur Mikrotoponymie haben und damit als Auskunftspersonen be- 51 Ein paar der wichtigsten Quellen zur Sprach- und Siedlungsgeschichte des Untersuchungsgebiets sind (in chronologischer Reihenfolge) Gamillscheg (1934/ 1970), Howald/ Meyer (1940), Staehelin (1948), Sonderegger (1963), Archäologie der Schweiz (1978ff.), das Archäologische Hinweisinventar (1982), Drack/ Fellmann (1988), Müller/ Lüscher (2004). Regional enger begrenzt sind die Werke von Weigold (1943), Zinsli (1965), Schwab (1973), Glatthard (1977), Christen (1986), Hofer (2001). 52 Zu den politischen Rahmenbedingungen und zur Berner Forschungsstelle s. ausführlich BENB (I/ 1: 5*-9*); zur Entwicklung des rechtlichen Stands s. Weisungen (1977) bzw. Verordnung (1999) und Verordnung (2008). <?page no="74"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 74 sonders geeignet sind. Auf der Grundlage der Angaben der Gewährspersonen erarbeitet die Forschungsstelle für die neu erhobenen Namen Vorschläge zur Verschriftlichung. Daneben wurden in den ersten Jahren der Forschungsstelle relevante Archivbestände exzerpiert. Die Sammlung der historischen Namenbelege umfasst heute die Jahre von den Anfängen (älteste Belege aus Inschriften der Antike) bis ins 16. Jh. mit Nachträgen aus dem 19. Jh. (Durheim). Insgesamt besteht das Material des BENB aus mehreren Hunderttausend aktuellen und historischen Belegen, die nach Gemeinden und nach Lemmata doppelt geordnet sind. Die Publikation des BENB ist auf drei Bände angelegt, von denen bis zur Ausarbeitung der vorliegenden Arbeit 2009 die drei Teilbände I/ 1 bis I/ 3 und bis 2011 zusätzlich der Teilband I/ 4 publiziert wurden. Sie umfassen die Dokumentation und Deutung der Namen in Lemmata mit den Anfangsbuchstaben A, Ä/ E, F, G, H, I/ J, K/ CH, L, M, N, O und B/ P. Die Bände II, siedlungsgeschichtliche Auswertung, und III, Sammlung des heute lebendigen Namenguts nach Gemeinden mit Lokalisierung und Beschreibung, sind noch nicht publiziert. Vorarbeiten von Ramseyer (unveröffentlicht) bestehen dagegen für einen Personennamenband. Das BENB führt die aktuellen Namenbelege in einer Notation, die sich auf die Schreibweise des SDS stützt und insbesondere bei den Vokalen eine sehr genaue Unterscheidung von Öffnungsgrad und Länge erlaubt. Für die vorliegende Arbeit ist eine derart feine Abstufung nur in den Ausnahmefällen notwendig, wenn gerade regionale oder lokale lautliche Besonderheiten für Volksetymologien von Bedeutung sind. 53 Die Darstellung folgt daher dem Prinzip einer Notation, die auf dem Normalalphabet basiert. Diese Notation entspricht der lautlichen Normalisierung der Namen, wie sie im Index des BENB (I/ 4: 781-838) angewendet wird. Die Arbeit mit dem Material des BENB ist in manchen Bereichen problematisch. Weil für die Sammlung mit Ausnahme Durheims (1838-1845) keine Dokumente nach dem 16. Jh. exzerpiert wurden, endet die Überlieferung für viele Namen im 16. Jh., häufig mit einem historischen Einzelbeleg, der nicht zu deuten ist. Gleichzeitig gibt es eine Reihe aktueller Einzelbelege (etwa von seit dem 16. Jh. entstandenen Besitzernamen) ohne historische Belege, denn erst mit den seit dem 19. Jh. konsequent geführten Grundbüchern sind Grundstücksnamen durchgehend belegt. Der Beizug früher Grundbuchpläne war jedoch nur sehr vereinzelt möglich. Ist für Namen ohne historische Belege ohnehin nur schwer eine verlässliche Etymologie zu erstellen, erschwert es diese historische Lücke auf- 53 Etwa wenn der Öffnungsgrad eines Vokals oder eine Monophthongierung einen Hinweis auf eine Volksetymologie geben. In den wenigen Fällen, wo eine möglichst phonetische Schreibweise für die Erklärung von Bedeutung ist, wird der Sonderzeichensatz des BENB angewendet; s. dazu Lautverzeichnis. <?page no="75"?> 3.2 Das Datenmaterial 75 grund der sprachlichen Entwicklung der vergangenen Jh. (Verschleifungen, regionale lautliche Weiterentwicklungen) zusätzlich, aktuelle und historische Namenbelege zusammenzubringen. Namen, die nur zwischen dem 16. und 19. Jh. Bestand hatten, fehlen in den Daten des BENB ganz. Der Deutung vieler Namen, die nicht unmittelbar von einem Appellativ ableitbar sind, haftet ein gutes Maß an Spekulation an. Selbst bei Einzelbelegen mit scheinbar ganz klarem appellativischem Bezug kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie das Resultat einer Volksetymologie sind. Eine zweite Schwierigkeit betrifft ausschließlich die aktuellen Namen. Ihre Sammlung spiegelt die Namenlandschaft Mitte des 20. Jh. wieder. 54 Gerade die Zeit seit der Grunderhebung des BENB zeichnet sich aber durch einen schnellen, tief greifenden Strukturwandel der landwirtschaftlichen Welt aus: Die Anzahl der Höfe und damit der bäuerlichen Bevölkerung ist deutlich zurückgegangen. Die bäuerliche Wirtschaft hat sich ebenso verändert wie ihre Arbeitsgeräte und -techniken, landwirtschaftliche Produkte wurden durch andere abgelöst und Güter sind großflächig zusammengelegt worden (HLS digital: Landwirtschaft, 2009-03-12; Güterzusammenlegung, 2008-11-20). Die enge Verbundenheit vieler Menschen in einer zunehmend durch Mobilität geprägten Welt mit dem Landwirtschaftsland und seinen Mikrotoponymen hat nachgelassen (Kully 2003: 88). In der Folge dieser Entwicklungen ist eine Vielzahl von Toponymen seit der Erhebung abgegangen (Kully 2003: 86f.). Für die im Material des BENB als aktuell bezeichneten Namen ist es bei Unklarheiten heute oft unmöglich, eine Gewährsperson zu finden, die noch Auskunft geben kann: Die Gewährspersonen der Ersterhebung Mitte des 20. Jh. leben mehrheitlich nicht mehr. Nicht immer lässt sich so feststellen, was ein Name bezeichnet hat, wenn das Denotat bei der Erhebung aus Versehen nicht angegeben wurde. Es ist nicht einmal immer eindeutig, ob ein Name noch lebendig ist. 55 Weite Gebiete, die zur Zeit der Erhebung noch Landwirtschaftsland waren, sind heute überbaut, die älteren Toponyme allenfalls als Gebiets- oder Straßenname erhalten. Andere Toponyme sind dabei, unverständlich zu werden, weil die Appellative, die ihnen zugrunde liegen, mit dem Strukturwandel verschwinden. Gerade durch den schnellen Wandel seit der Erhebung der aktuellen Namen könnten viele Namen isoliert und damit für Volksetymologie anfällig geworden sein. Das Material des BENB lässt dazu keine Aussage zu. Eines der wichtigsten Instrumente für die Deutung ist das Schweizerische Idiotikon (Id.), das eine große Menge von schwzd. Appellativen verzeich- 54 Eine Ausnahme bilden Gemeinden, die seither neu vermessen wurden, wenn dadurch zu den damals erhobenen Namen neue dazugekommen sind. 55 Abgegangene Namen werden durch Neuvermessungen nicht dokumentiert. <?page no="76"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 76 net, die heute vermutlich der Mehrheit der Sprecherinnen und Sprecher nicht mehr bekannt sind. 56 Schließlich glaube ich, dass das Gewährspersonensystem des BENB (das für Namenbücher durchaus üblich ist) an sich schon zu einer Verzerrung führt. Es geht davon aus, dass die Toponyme im Untersuchungsgebiet grundsätzlich aus bäuerlicher Landnutzung, bäuerlichem Landbesitz entstanden sind. Der oben erwähnte landwirtschaftliche Strukturwandel hat zu einem massiven Rückgang der bäuerlichen Bevölkerung geführt. Es ist meines Erachtens problematisch, heute weiterhin nur von Namen auszugehen, die in bäuerlichen Schichten entstanden sind. Auch wenn im Rahmen des Strukturwandels (durch Güterzusammenlegungen) die Anzahl der Toponyme insgesamt stark zurückgegangen ist, muss es Namen geben, die in anderen Bevölkerungsschichten geprägt werden. Diese Namen werden im Allgemeinen weder von Namenbüchern noch von Grundbüchern erfasst. 57 Kully erwähnt diesbezüglich in erster Linie Straßennamen (2003: 92f.), aber auch die Namen von Gemeinden, die durch Fusionen neu entstehen (2003: 90), subkulturelle Namen (etwa von Kletterern und Tauchern; 2003: 93-95), inoffizielle Scherz-, Spott- oder Programmnamen (2003: 95f.) und selbst für Aussiedlerhöfe geprägte neue landwirtschaftliche Namen (2003: 90f.). Abgesehen von den Straßennamen erlangten sie jedoch keinen offizialisierten Status (2003: 98). 3.2.3 Weitere Daten Genauso, wie es eine Utopie bleibt, eine vollständige Sammlung der Volksetymologien im Untersuchungsgebiet mit dem Material des BENB zu erstellen, ist es auch unmöglich, alle denkbaren externen Volksetymologiequellen in die Arbeit einzubeziehen. Autorinnen und Autoren mit den unterschiedlichsten Zielsetzungen berichten in ihren Werken von Volksetymologien bzw. produzieren solche selbst. Weitere Werke habe ich daher nur fallweise beigezogen. Verziehen sei mir, wenn hier volksetymologische Deutungen einzelner Namen nicht vorkommen, die der einen oder andern Leserin, dem einen oder andern Leser bekannt sind. 56 Es gibt auch Faktoren, die gegen eine Zunahme der Volksetymologie gerade in den letzten 50 Jahren sprechen. Die vielen Namen, die in dieser Zeitspanne aus der lebendigen Sprache verschwunden sind, wurden damit einer potenziellen Umdeutung entzogen. Gleichzeitig war es das Ziel der Namenerhebung, sie schriftlich zu fixieren. Die Verschriftlichung dürfte einer Umdeutung dann entgegengewirkt haben (vgl. auch 3.3.10.4), wenn die schriftliche Namenform bei der Sprachgemeinschaft eine gewisse Verbreitung genießt. Sie ebnet den Weg dann eher der Isolierung ohne Umdeutung. 57 Eine Ausnahme sind im BENB etwa die frz. Namen von Landsitzen von Berner Patriziern. <?page no="77"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 77 Wo es mir sinnvoll erschien, habe ich auch Beispiele herangezogen, die nicht aus dem Untersuchungsgebiet stammen - weil für ein Phänomen im Material des BENB kein Beleg vorkommt oder um auf Parallelen hinzuweisen. Für Vergleiche zur Volksetymologie und ihrer Rezeption in der Namenkunde außerhalb des Untersuchungsgebiets des BENB stehen zahlreiche in- und ausländische Namenbücher zur Verfügung. Da die hier besprochenen Phänomene nicht primär an eine Einzelsprache gebunden sind, können auch Namenbücher für fremdsprachige Gebiete herangezogen werden. Die Namenbücher, die zum Vergleich von Einzelnamen verwendet wurden, sind im Text erwähnt. Einige Texte zu Volksetymologien in anderen Gegenden habe ich genauer exzerpiert. Sie tauchen an entsprechender Stelle im Text häufiger auf. Ihre Auswahl erfolgte relativ zufällig und lässt keine Rückschlüsse auf grundsätzliche Parallelen zwischen den Untersuchungsgebieten zu. Der Grund dafür liegt im Allgemeinen in einer direkten Namenparallele. 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten Wie sich in der Literatur zeigt, ist eine feste Kategorisierung der Volksetymologie kaum möglich; Forschende haben Kategorien auf der Grundlage ihres Materials geschaffen, ohne dass diese für andere Materialien in allen Bereichen uneingeschränkt geeignet wären (vgl. 2.4.3). Eine allgemeingültige Kategorisierung steht aus bzw. ist vermutlich nicht zu erreichen. Das Ziel der folgenden Untersuchung ist keine neue Kategorisierung, sondern eine Präsentation der im Material des BENB auftretenden volksetymologischen Phänomene anhand einzelner Beispiele. Die Kategorieauswahl spiegelt sprachliche und historische Umstände, die im Untersuchungsgebiet für die Volksetymologie günstig waren bzw. sind. Sie ist als allgemeingültig weder für für die Volksetymologie insgesamt noch auch nur für das Untersuchungsgebiet zu verstehen; die Abschnitte überschneiden sich zum Teil erheblich und unterscheiden sich nur im Blickwinkel. Auf Parallelen einzelner Kategorien bzw. Kriterien wird an entsprechender Stelle hingewiesen, weitere Kategorien sind möglich. Die Reihenfolge der Kategorien soll kein Hinweis auf ihre Bedeutung sein. Im ersten Teil von Kapitel 3 bespreche ich hauptsächlich Kategorien, die schon von anderen Forscherinnen und Forschern angewendet wurden. Im Mittelteil stehen weitere Kategorien, die sich aus dem Material des BENB deutlich ergaben. Gegen Ende folgen schließlich einige Kategorien mit mehrheitlich nicht sehr vielen Beispielen, die als Sondergesichtspunkte zu verstehen sind. Grundsätzlich vorausschicken möchte ich, dass eine Umdeutung natürlich nicht erst bei einem Namen auftreten, sondern schon das appellativische Material betreffen kann, mit dem dieser gebildet ist. Liegt die Umdeu- <?page no="78"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 78 tung schon vor der Namenprägung vor, kann man konsequenterweise eigentlich nicht von toponymischer Volksetymologie sprechen; allerdings ist es im Einzelfall kaum möglich, die Abgrenzung vorzunehmen. Der Verboust, ein Stück Kulturland in I Walperswil und ein Heimet in II Wyssachen (BENB Dok.), ist mit dem Appellativ schwzd. Verbunst m. ›Missgunst, Neid‹ (Id. IV: 1395) gebildet. Persönlich habe ich in diesen beiden Namen, ohne das Bezeichnete zu kennen, eine Art Verbauung f. wahrgenommen. Diese Deutung ignoriert natürlich den Lautwandel nach Staubschem Gesetz (SDS II: 124- 136a; Werlen 1977), wie er sich in den beiden Namen präsentiert. Dieselbe Lautung gilt aber ebenso für das Appellativ, in dem eine Art Verbauung im Sinn eines ›Hindernisse in den Weg Legens‹ wahrgenommen werden kann. 3.3.1 Isolation Isolation gilt als wichtigste Voraussetzung für Volksetymologie (vgl. 2.3.1.1). In der Toponymie bedeutet sie weniger Isolation des Namens als eines oder mehrerer seiner Bestandteile (vgl. 2.4.1). In den meisten Fällen betrifft dies ein Grundwort oder Bestimmungswort, manchmal aber auch morphologische Elemente wie Suffixe. Häufig geht mit der Remotivierung isolierter Namenelemente auch eine Resegmentierung einher, die Simplicia oder Komposita als neue Komposita mit neuen Kompositionsfugen reinterpretiert (vgl. auch 3.3.4). Die wenigen Fälle, in denen Volksetymologie ohne Isolation des betroffenen Namenbestandteils vorkommt, gehören zur Volksetymologie bei Homonymie (vgl. 3.3.2.4) oder zu den intendierten Volksetymologien (vgl. 3.3.14), wobei unterschiedliche Motive in Betracht kommen. Isolation ist ein Phänomen der Sprachwie der Sachgeschichte. Viele alte Namen enthalten lexikalische Elemente, die schon vor langer Zeit außer Gebrauch gekommen sind. Dazu gehören typische Elemente zur Bildung von Siedlungsnamen, die einen direkten Rückschluss auf die ungefähre Zeit der Namenprägung (und damit auf die Siedlungsgründung) ermöglichen (Zinsli 1975). Beispiele sind die Grundwörter -wil, -hausen oder das Suffix -ingen. 58 Diese lexikalischen Elemente treten üblicherweise als Bestandteile von Namenkomposita auf. Soweit es sich nicht nur um Flexikonsmorpheme (etwa der in Toponymen 58 -wil ist dem Lat. bzw. einer rom. Nachfolgesprache entlehnt (vgl. grundlegend Pitz 1997 für Gebiete nördlich der Schweiz); das Grundwort Hausen ist ein alter Plural des Appellativs nhd. Haus; -ingen ist als Dativ Plural eines Suffixes -ing ›Besitz des Genannten‹, d.h. in den Siedlungsnamen üblicherweise ›Angehöriger des Genannten‹ zu interpretieren und bedeutet also in etwa ›bei den Leuten der genannten Person‹ (Bach II/ 1: § 106, S. 188; Munske 1964; vgl. für die Siedlungsnamen grundlegend Boesch 1961). Die ursprüngliche appellativische Bedeutung dieser Grundwörter kann schon früh als Ortsnamensuffix erstarrt sein, so dass sie schon zu Zeiten der Namenprägung nicht mehr aktualisiert worden sein muss. Weitere typische Grundwörter s. 3.3.5.1. <?page no="79"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 79 häufige erstarrte Dativ Plural -en in lokativischer Funktion, etwa ›bei den genannten Dingen‹) ohne voll ausgebaute lexikalische Bedeutung (Diewald 1997: 2) handelt, können sie in geringerem Ausmaß auch als Simplicia auftreten: Wil ist ein verbreiteter Siedlungsname, auch Hausen ist bekannt (in der Schweiz Hausen am Albis (ZH) und Hausen (AG)). Aber auch Appellative, die in Namen frei zur Bildung von Simplicia oder Komposita verwendet werden können, verschwinden aus dem allgemeinen Wortschatz und werden durch andere Appellative ersetzt. Au f., jünger Öi f. oder entrundet Ei war eine mhd. und als aue f. noch frühnhd. Bezeichnung für ›(Halb-)Insel, Gelände an einem Gewässer‹ (Id. I: 5f.; Frühnhd. Wörterbuch II: 306-310; BENB I/ 1: 48f.; BENB I/ 4: 117-143). Das Appellativ war lange Zeit äußerst produktiv, wie die lange Belegreihe im BENB zeigt. Seit mehreren Jh. ist es aber nur noch in Toponymen belegt und als Appellativ höchstens noch literarisch bekannt. Stalden m. ist ein altes Wort für ›ansteigender Weg‹ (Id. XI: 335-338). Im Kanton Graubünden ist es ein einziges Mal in der Walserkolonie St. Martin als Toponym belegt (RNB: 497). Es wurde also von den Walsern bei ihrer Wanderung nach Graubünden kaum noch appellativisch mitgebracht. Das Id. vermutet das Aussterben des Worts als Appellativ im 16. Jh. In Toponymen ist es dagegen noch sehr verbreitet (Zinsli 1975: 76f.), etwa in den Straßennamen (Alter) Aargauerstalden und (Grosser und Kleiner) Muristalden in der Stadt III Bern (Weber 1990: 218-220). Dieses häufige Auftreten als Namenelement dürfte dazu beigetragen haben, dass das Appellativ weder stark verschliffen wurde noch regelmäßig volksetymologisch umgelautet und -gedeutet begegnet. 59 Diese lexikalischen Elemente wurden im appellativischen Sprachgebrauch sprachgeschichtlich durch semantisch entsprechende, etymologisch abweichende andere Elemente ersetzt. Als Namenelemente können sie umgedeutet werden. Das Appellativ schwzd. Louch f. ›Name von Bergübergängen, Lücke eines Felsgrates‹, ›wellenförmiges Terrain im Gebirge‹ soll bis in jüngere Vergangenheit zumindest im Kanton Wallis noch appellativisch bekannt gewesen sein (Id. III: 1006; Zinsli 1946: 329; BENB I/ 3: 159-161). Wo es nicht mehr bekannt ist, liegt eine Umdeutung in das Appellativ schwzd. Louch m. ›allium porrum (Gemüsesorte)‹ (Id. III: 1006) trotz unterschiedlichen Genus’ nahe. In einer Vielzahl anderer Fälle ist die Ursache des Verschwindens von Appellativen nicht in der sprachlichen Entwicklung, sondern im Kulturwandel zu suchen: Ihre Isolation als Namenbestandteile resultiert aus dem Verschwinden ihres Denotats. Dieser kulturelle Wandel betrifft im Bereich der Toponyme in erster Linie bäuerliche Lebens- und Arbeitsweisen, die in den letzten Jh. einer schnellen Veränderung ausgesetzt waren (vgl. auch 59 Stark abweichende Lautungen wie Staule, Stulle in manchen Gebieten des Kantons Bern entsprechen der regulären Lautentwicklung vor Ort; vgl. die Lautentwicklung von Halde (BENB I/ 2: 188). <?page no="80"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 80 3.2.2). Wie dramatisch dieser Wandel war und ist, zeigt ein Blick in den SDS (besonders die Bände VI bis VIII zur Wortgeografie der Umwelt, von Haus und Hof und der Haustiere, der Wald- und Landwirtschaft): Die Appellative wurden von den Gewährspersonen in der Deutschschweiz in der ersten Hälfte des 20. Jh. erfragt. In der Zwischenzeit dürfte ein sehr großer Teil von ihnen veraltend, veraltet oder bereits einer Mehrheit der Sprachgemeinschaft unbekannt sein, vor allem, weil die so bezeichneten Gegenstände, Techniken, Arbeitsweisen nicht mehr bestehen. Schwzd. Tschugge m. ›Felsblock, einzelner Stein‹ wird schon vom Id. (XIV: 1718- 1720) als nur noch teilweise halbappellativisch, im Allgemeinen aber nur noch in Toponymen vorhanden erwähnt. Der SDS (VI: 65) kennt das Appellativ außer in Relikten nur noch in den Walsergebieten der Kantone Wallis und Graubünden sowie in norditalienischen Sprachinseln, aber mehrfach im BO als Toponym. Schwzd. Gufer m./ n. bedeutet ›kleinerer Felsblock, Geröll‹ (Id. II: 132f.; BENB I/ 2: 133f.). Dieses Appellativ wird vom SDS (VI: 70) in den Walsergebieten, aber auch im BO, im Churer und St. Galler Rheintal und im Kanton Obwalden mit leicht abweichenden Bedeutungen noch als lebendig verzeichnet. Ich vermute, dass es heute weitgehend ausgestorben ist. 60 Treie f./ m. o.ä. bedeutet in den Dialekten des BO, des Wallis, der Kantone Ob- und Nidwalden und Graubünden (bis ins St. Galler Rheintal) ›Fußweg‹, besonders aber ›Vieh-, Kuhweg‹ (Id. XIV: 714-717; SDS VI: 73). 61 In der Gegend um Thun heißt der ›Garbenboden über der großen Tenne‹ (SDS VII: 219) bzw. ein ›Platz zur Bereitstellung und Aufbewahrung von Vorräten, Geräten‹ Reiti f. (Id. VI: 1649-1652). Dasselbe heißt dagegen im Berner Mittelland verbreitet (Tänn-)Soller m. (Id. VII: 783f.). Beide Wörter dürften mit dem Wandel in der Landwirtschaft und im Hausbau weitgehend verschwunden sein und zumindest der nichtbäuerlichen Bevölkerung nicht mehr bekannt sein. Juucherte f. oder Juuferte f. heißt schließlich in den meisten Gebieten des Kantons Bern ein altes, heute nicht mehr gebräuchliches Flächenmaß (SDS VIII: 209; Id. III: 8f.). Viele alte Toponyme enthalten Appellative aus dieser alten bäuerlichen Lebenswelt. Mit dem Untergang der Appellative wurden die Elemente der entsprechenden Namen innert kurzer Zeit isoliert und damit für Volksetymologie grundsätzlich offen (vgl. auch 3.3.8.8). 62 Die Isolation als Voraussetzung für Volksetymologie steht in engem Zusammenhang mit dem Entstehungszeitpunkt (3.3.8) von Volksetymolo- 60 Meine Herkunft aus einem Ort, in dem es der SDS mit der Bedeutung ›Geröllhalde‹ verzeichnet, spricht jedenfalls zumindest für ein Zurückweichen: Dieses Appellativ ist mir trotz einheimischer Familie unbekannt. 61 Dieses Wort ist mir passiv noch bekannt. 62 Ein Eintrag dieser Appellative als noch lebendig im Id. ist bei dessen langer Entstehungsgeschichte kein Hinweis darauf, dass sie heute noch verständlich sein müssen. <?page no="81"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 81 gien: Aus dem oben Gesagten lässt sich schließen, dass einerseits alte Namenbestandteile mit größerer Wahrscheinlichkeit appellativisch außer Gebrauch geraten und damit isoliert sind, weil die Wörter durch andere ersetzt wurden. Andererseits ist möglicherweise in der Neuzeit mit einer größeren, ja zunehmenden Anzahl von Volksetymologien zu rechnen, weil der kulturelle Wandel heute schneller zur Isolation alter Wörter führt. Naawannu heißt ein Heimet in III Mühledorf, für das keine historischen Belege existieren. Nach BENB (I/ 4: 15f.) handelt es sich dabei um eine Form des Appellativs schwzd. A(n)wander, Anwandel m. ›Randzone; Schmalseite eines Ackers; Ackerrandstück, das bei fehlendem Pflugwenderecht auf dem Nachbargrundstück ungepflügt bleibt; Ackerstück, auf dem den Anrainern Pflugrecht gewährt werden muss‹ (Id. XVI: 399-403; DRW I: 776f.; BENB I/ 1: 36f.). Der Name aus Mühledorf enthält das agglutinierte auslautende -n einer Präposition/ eines Artikels (*an/ *den Anwander > Na(n)wander). Die Lautentwicklung -nd- > -ng-, regional -nnist berndt. ebenso regulär wie die Vokalisierung des auslautenden -l (SDS II: 11, 147). Eine Parallele hat der Name in einem schon 1575 mit Agglutination als Nawandel belegten Flurnamen in Sachseln (OW) (Reber 2006: 64). Laut Gewährsperson ist das Heimet dagegen nach einer wannenförmigen Vertiefung benannt. Offenbar ist ihr das heute nicht mehr gebräuchliche Appellativ Anwandel unbekannt, das Appellativ Wanne f. schiebt sich in den Vordergrund, obwohl die Realprobe vor Ort zeigt, dass das Heimet nicht in einer wannenförmigen Vertiefung, sondern im Gegenteil sogar auf einer Kuppe steht (vgl. auch Noangel, 3.3.9.7). Isolierte Wörter werden natürlich nicht zwingend umgedeutet. Sie können auch ungedeutet, undeutbar stehen bleiben, gerade als Bestandteil eines Namens (vgl. auch 2.4.1). Bulestu heißt ein Weiler in III Arni (BENB I/ 4: 706). Die historischen Belege machen deutlich, dass es sich beim Namen um eine Bildung mit dem Grundwort Tal m. und einem ahd. Personennamen, wohl Baldrat (Förstemann I: 240) handelt: de Baldratztal 1314 (FRB IV: 580), von Balderstal 1322 (FRB V: 281). Mit Konsonantenausfall und Mittelsilbenerhöhung entwickelt sich der Name weiter zu Baldistal 1661 (A: Signau). Die Vokalisierung eines abgeschwächten auslautenden -tel zu -tu ist in der Gegend um Arni regulär (SDS IV: 21f.; SDS II: 147). Die lautliche Weiterentwicklung der Lautgruppe Baldzu Bulim mündlichen Gebrauch findet eine Parallele in nhd. Halde f., in der Gegend von Arni hΌǾ″ (BENB I/ 2,188-191; im Appellativ mit ebenfalls vokalisiertem -l-). Das Resultat der lautlichen Entwicklung ist ein heute zumindest im Bestimmungswort vollständig isolierter, unverständlicher Name. Dagegen finden sich einzelne historische Umdeutungen vom 16. bis ins 19. Jh. 1735 heißt es zu Baldistahl (A: Signau). Vermutlich handelt es sich hier um eine Schreibvariante für älter schwzd. Stal m. ›Stelle, Platz; Raum zur Unterbringung <?page no="82"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 82 von Vieh‹ (Id. XI: 4-14) mit unterschiedlicher Vokalquantität. 63 Dieselbe Umdeutung findet sich wohl auch in Baldistall 1772 (A: Signau). Zur Problematik der beiden Grundwörter Stall und Tal vgl. auch 3.3.4.1. Daneben gibt es eine Reihe von Fällen, in denen ein allmählich nicht mehr verständliches Namenelement mit einem Zusatz in pleonastischer Weise verdeutlicht (bzw. übersetzt; Zinsli 1977: 86) oder ein schwer verständliches Element durch ein semantisch gleichwertiges ersetzt wurde. Lettschpere ist der Name einer Felspartie mit Viehsperre in V Bönigen. Das BENB (I/ 3: 93) führt den Namen auf schwzd. letze ›hemmen, aufhalten, hindern‹ (Id. III: 1556f.) zurück. Lettschpere sei eine pleonastische und lautlich assimilierte Bildung aus Letzsperre in der Bedeutung ›Hemmsperre‹. Die drei Heimet Minzlimee in III Walkringen tragen nach Ausweis des Erstbelegs Mittzliß medacher 1530 (U132: 142) im Bestimmungswort wahrscheinlich den Superlativ mittlist des Adjektivs mittel in einer affrizierten Form (s. weiter BENB I/ 3: 295). Das Grundwort, selbst ursprünglich ein Kompositum, könnte eine verschliffene Form des in Walkringen historisch nachgewiesenen Flurnamens Mettmenacher (BENB I/ 3: 250) sein, dessen Bestimmungswort schwzd. mëttme ›mittler(er)‹ bedeutet (Id. IV: 555; nur noch in Namen nachgewiesen). Minzlimee ist demnach möglicherweise eine (historische, heute durch Verschleifung wieder isolierte) verdeutlichende, pleonastische Zusammensetzung. Das Grundwort -ach zu ahd. -aha f. ›Fluss, Strom‹ (Starck/ Wells: 17) kann zur Verdeutlichung nicht mehr verständlicher Gewässernamen eingesetzt werden. Im aktuell nicht mehr belegten Gewässernamen Luppach(en) in III Amsoldingen/ III Niederstocken/ III Oberstocken wird damit (oder mit einem assimilierten Grundwort Bach m.) ein in Europa häufiger vordt. Gewässername deutlich gemacht (BENB I/ 3: 185f.; vgl. etwa die Lippe (D) und die Luppe (D); Krahe 1964: 99f.). Ein ähnlicher Vorgang liegt möglicherweise in den Namen der beiden benachbarten Gemeinden V Unterseen und V Interlaken vor: Der als ursprünglich anzusetzende gall. Name *enter lopćs o.ä. ›zwischen den Seen‹ (der die topografische Lage des so genannten Bödelis zwischen Brienzer- und Thunersee beschreibt) ist in der bis in die Gegenwart überlieferten alem. Form Inderlappe(n) (LSG 2005: 463f.) erhalten. Unterseen wird dagegen als Übersetzung gedeutet (BENB I/ 2: 352-354; LSG 2005: 902), wobei die Präposition hier die mhd. Bedeutung ›zwischen‹ trägt (Lexer 1872-1878/ 1970 II: 1777f.; Id. I: 324f.). 64 63 Die Schreibweise mit unetymologischem -hfindet sich für das Appellativ Stal etwa auch 1743 in Franz Alois Schumachers Volksschauspielparodie Isaac (Zeilen 521 und 919; zit. nach Haas 1975: 244 und 292; Id. XI: 7). 64 Ich halte Unterseen eher für eine Neuprägung zu einer Zeit, als der alte Name Interlappen bereits nicht mehr verständlich war. Die semantische Analogie der beiden Namen erklärt sich durch die Offensichtlichkeit der geografischen Lage zwischen zwei Seen. Die lat. Namenform dagegen dürfte eine mhd. klösterliche Neuprägung sein, s.u. <?page no="83"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 83 Inderlappe(n) muss auf eine Form zurückgehen, die gall. -pp- (gegenüber lat. -c-) bewahrt. 65 Eine Übername auf Grundlage eines ins Rom. übersetzten Namens *Interlacus hätte wohl zu einer (erst im 16. Jh. belegten, s.u.) alem. Form Interlache(n) o.ä. geführt, die insofern naheliegend gewesen wäre, als schwzd. Lache f. ›Pfütze, Pfuhl, Sumpf‹ (Id. III: 1004; seinerseits nur möglicherweise eine Entlehnung aus dem lat. Appellativ; Kluge/ Seebold 2002: 552) semantisch nicht ganz fremd ist. 66 Der Beleg Ein … closter genennt Inter Lacos in latin, auf welsche spraach Interlac. Diser welsch namm wirt in teütscher spraach verbösert, und Interlappen geheißen von 1548 (Stumpf 1548, zit. nach Gagliardi II: 220) könnte immerhin ein Hinweis darauf sein, dass eine ins Rom. übersetzte Namenform bestand, die sich im frz. Exonym Interlac aus der voralem. Zeit gehalten hätte. 67 Ins Lat. übersetztes Interlacus u.ä. ist in der - schriftlichen - Tradition des Augustinerklosters Interlaken (HLS digital: Interlaken (Kloster, Amtsbezirk), 2008-12-19) seit dem 11. Jh. nachgewiesen. 68 Das Grundwort des alem. Namens Interlappe(n) bleibt offenbar bis ins 16. Jh. ungedeutet, 69 während das Bestimmungswort zuweilen in die Präposition hinter umgedeutet erscheint, erstmals 1590 in kloster Hinderlappen (UT: 520). Schöpf (1577: T. 1 S. 109) resegmentiert den Namen dagegen in Jn der lappen, Jnn der lappen mit Präposition und Artikel. Erst Ende des 16. Jh. treten dann Belege der Art Interlacken (1599/ 1600 A), Hinderlachen (1663/ 1670 C4) auf. Sie sind wohl als (gebildete) Verdeutlichung des Namens zu werten: Das schwer verständliche Grundwort des alem. Namens wird auf der Grundlage des lat. durchsichtigen Namens durch das Appellativ 65 Sie muss außerdem nach der ahd. Lautverschiebung von -ppzu -pfins Alem. entlehnt worden sein, die im Oberdt. um 800 abgeschlossen war (Tschirch I: 183; Bach 1970: 79). 66 Hubschmied (1943) schließt daraus auf eine direkte Übernahme des gall. Namens ins Alem. und sieht darin ein Zeugnis für das späte Aussterben des Kelt. in abgelegenen Gebieten des BO. Der sonst sehr skeptische Pokorny (1953) gibt ihm in diesem Punkt Recht. Nach gegenwärtigem Forschungsstand ist allerdings auszuschließen, dass alem. Siedler im BO noch direkt auf Kelten stießen (vgl. 3.3.6). Gerade die Etymologie dieses Namens hat die entsprechende Diskussion lange Zeit angeregt (u.a. Hubschmied 1938a: 55; Pokorny 1948/ 1949: 238; Zinsli 1976: 81). Vgl. dazu BENB (I/ 2: 352-354). Nimmt man für älteres Inderlappe(n) eine lediglich lautlich angepasste romanisierte Form *Interlappus o.ä. anstelle einer Übersetzung Interlacus zur Grundlage, ließe sich der Widerspruch möglicherweise auflösen. 67 Das Exonym ist heute nicht mehr bekannt; vielleicht ist es auch nur eine Extrapolation Stumpfs selbst, der ja den alem. Namen nur für eine Verschleifung des rom. hält. 68 Sie setzt nicht vor der Klostergründung ein und geht damit kaum auf eine alte Tradition zurück. Es dürfte sich vielmehr um eine Neuprägung handeln, die sich wiederum auf den - zu diesem Zeitpunkt eigentlich unverständlichen - alem. Ortsnamen stützt und ihn semantisch durchsichtig remotiviert. 69 Kaum zu denken ist an eine historische Umdeutung in schwzd. Lappe m. ›kleiner Lappen‹, aber auch ›Narr‹ (eigentlich eine deklinierte Form von Lapp(i)) ›Narr‹; Id. III: 1349, 1350f.). <?page no="84"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 84 Lache f. ›Pfütze‹ (s.o.) ersetzt. Die lautliche Ähnlichkeit des alten alem. und des lat. Namens begünstigt diesen Ersatz. Obwohl bis in die Gegenwart Inderlappe(n) als mündliche Form tradiert wird, wird 1891 die lat. Namenform für die Gemeinde V Interlaken zur offiziellen Namenform der bis dahin auch Aarmühle genannten Gemeinde (vgl. 3.3.8.5). Das BENB (I/ 2: 353) stellt diese offizielle Benennung in Zusammenhang mit dem aufkommenden Fremdenverkehr. Die lat. Namenform schien als eleganter zu gelten. Im alem. Namen Unterseen dagegen kann die Präposition mhd. under ›zwischen‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 II: 1777f.; Id. I: 324f.; vgl. Unterbäch (VS); LSG 2005: 897) heute zu einer Umdeutung als ›der Ort unterhalb des (Brienzer-)Sees‹ führen. In anderen Fällen wird die Präposition entsprechend ersetzt: Waser (1995: 41f.) berichtet von einer kleinen Siedlung namens Zwüschewassere im Entlebuch (LU), die bis ins 16. Jh. Unterwasser u.ä. genannt wurden, 1640 einmal älter als vnder wasern, einmal neuer als zwüschen den wasern und seither nur noch mit dem neuern Namen belegt sind. Als auffällige Namenform sei hier noch die kontaminierte Form Hindersewen für das Städtchen Unterseen erwähnt, die das Id. (II: 1418) aus einer spätmittelalterlichen Chronik (Bh) zitiert. 3.3.1.1 Isolation fremdsprachiger Namen Grundsätzlich isoliert sind ursprünglich fremdsprachige Namen (s. ausführlicher 3.3.6.1). Ausnahmen bilden lediglich fremdsprachige Namen, die mit einem Appellativ gebildet sind, das als Fremdwort auch in der Zielsprache bekannt ist, sowie allenfalls Namen in Sprachen, die als Fremdsprache bei den Sprecherinnen und Sprechern der Zielsprache verbreitet sind. Letzteres trifft vermutlich vor allem auf Regionen mit einem hohen Anteil zweisprachiger Bewohnerinnen und Bewohner zu. Im Untersuchungsgebiet dürften fast alle fremdsprachigen Namen isoliert sein, da selbst die ursprünglich rom. Namen nicht standardfrz., sondern frkpr. Herkunft sind. Frkpr.-Kenntnisse sind bei den heutigen alem. Sprecherinnen und Sprechern auszuschließen. Die morphologische Struktur unverständlicher fremdsprachiger Appellative und Namen ist für die Sprecherinnen und Sprecher einer Sprache schwer zu analysieren. Entsprechende Toponyme können daher besonders gut volksetymologisch resegmentiert werden (vgl. 3.3.4). Der verbreitete Name Guggernäll enthält das gleichlautende schwzd. Appellativ mit der Bedeutung ›Dachfenster, kleines Fenster auf dem Estrich‹ (Id. II: 190), das laut Id. vermutlich eine Hybridbildung aus schwzd. gugge ›schauen‹ (Id. II: 182f.) und afrz. crénel m. ›Zinne, Schießscharte‹ (Meyer-Lübke 1992: 2311) ist (BENB I/ 2: 137). Volksetymologisch wird es segmentiert in schwzd. Gugger m. <?page no="85"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 85 ›Kuckuck‹ (Id. II: 184-189) und Näll(e) f. ›Spitze, Scheitel‹ (nur in Toponymen; Id. IV: 715f.; BENB I/ 4: 7f.). 70 Es kommt durchaus auch vor, dass die Morphologie eines Kompositums richtig wahrgenommen und nur ein Element umgedeutet wird: Jolimont heißt ein bewaldeter Hügelzug zwischen I Erlach und I Gampelen. Das BENB (I/ 2: 374) deutet den Namen noch als ursprünglich alem. Bildung: Nach einer Phase mit einer älteren Benennung mit Cerlier, dem frz. Exonym für Erlach, heißt es 1360 uff dem berge von Erlach (FRB VIII: 331), 1364 Ze Erlach рf dem berge (FRB VIII: 562). 1571 trete der Name als Sullemund, Sullymundt, Sus le mont ›auf dem Berg‹ (Fehler in der Quelle des BENB) ins Frz. übersetzt auf. Diese Etymologie wird später (BENB I/ 3: 309f.) revidiert: Es handle sich um eine Bildung mit dem frkpr. Exonym Chules für die Gemeinde I Gals. Ungeachtet der Etymologie des Bestimmungsworts erkennt jede Sprecherin, jeder Sprecher mit Frz.- Kenntnissen im Namen richtig das Grundwort frz. mont m. ›Berg‹. Das Bestimmungswort ist heute umgedeutet in das Adjektiv frz. joli ›hübsch‹ und verdrängt als εolimõ älteres tεΠlimõ. 3.3.1.2 Isolation von Namen mit anderen Namen als Bestandteil Mittelalterliche Personennamen und bestimmte andere Toponyme als Namenbestandteile sind besonders stark von Isolation betroffen (vgl. auch 3.3.8.1 und 3.3.11). Ein sehr großer Anteil der Toponyme im Untersuchungsgebiet enthält einen Personennamen als Besitzernamen im Bestimmungswort eines Kompositums. Insbesondere bei den Siedlungsnamen handelt es sich meistens um relativ alte Bildungen aus der Zeit der alem. Besiedlung der heutigen Schweiz. Die entsprechenden Personennamen sind mehrheitlich ahd. 71 und heute großenteils nicht mehr gebräuchlich, die mit ihnen gebildeten Toponyme isoliert und für Volksetymologie empfänglich (vgl. auch 3.3.8.1). Toponyme mit Personennamen im Bestimmungswort und einem heute noch weitgehend verständlichen Grundwort können partieller Volksetymologie unterliegen, wobei nur ein Teil des Namens umgedeutet wird. Ein Rebberg namens Chrankwil in I Twann enthält ein eigentlich für Siedlungsnamen typisches Grundwort, das nicht als isoliert bezeichnet werden kann. Dagegen ist das Bestimmungswort isoliert: Anzunehmen ist ein ahd. Personenname *Kranko (kein Eintrag bei Förstemann I) im schwachen Genitiv als Besitzername, dessen Genitivendung schon in den Erstbelegen Franchwile, 70 Streng genommen kann man hier nicht eindeutig von fremdsprachigen Namen sprechen, weil die Grundlage dieser Namen möglicherweise auch ein Lehnappellativ ist. 71 In geringerem Ausmaß auch schon anderen Sprachen entlehnt (Förstemann I, passim; Kaufmann 1968, passim). In vordt. Siedlungsnamen finden sich auch vordt. Personennamen. Zu den Fragen, ab wann alem. Siedler auftraten und wie sich die heutige Sprachgrenze ausbildeten Kristol (2005) mit weiterer Literatur. <?page no="86"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 86 Kankwile 1369, Krankwile 1372, Kranchwile 1373 und Krauchwil 1378 (FRB IX: 167, 295, 345 u. 635) geschwunden ist. Der Personenname wäre etymologisch zu derselben Wurzel zu stellen wie das Adjektiv krank (BENB I/ 22: 503), die heute naheliegende Deutung mit dem Adjektiv (Friedli V: 176) entsprechend nicht abwegig, aber insofern diachron unzutreffend, als sie keinen Personennamen beinhaltet. Im 15. und 16. Jh. treten überdies Umdeutungen in ein vermeintlich frz. Toponym auf, etwa 1427 als grandwÿler mit dem Adjektiv frz. grand ›groß‹ (Weigold 1943: 131, der darin allerdings die ursprüngliche Etymologie sieht). Der Küssebärg ist ein runder Hügel bei I Seedorf. Er ist schon 1386 als Kрssenberg belegt ( FRB X: 371) und wohl nach einem Personennamen Cus(s)o (Förstemann I: 383; Kaufmann 1968: 87) benannt. Später wurde er nach BENB (I/ 2: 540) doppelt umgedeutet in schwzd. Chüssi n. ›Kissen‹ (Id. III: 529) bzw. schwzd. chüsse ›küssen‹ (Id. III: 528f.). Die letztere Umdeutung ist mit einer Legende verbunden, dass hier ein Galgen gestanden habe, wo die Verurteilten den Boden küssen mussten. Beide Umdeutungen sind in der Lautung des Toponyms (kxΫss″b rg) nur annähernd repräsentiert. Weniger verbreitet sind Toponyme, die anstelle eines Personennamens ein anderes Toponym enthalten (vgl. 3.3.11). Für diese Namen ist Isolation des an sich schon toponymischen Namenbestandteils relativ unwahrscheinlich, wenn es sich um den Namen aus der näheren Umgebung handelt, weil den Sprecherinnen und Sprechern der Zusammenhang in den meisten Fällen bewusst bleiben dürfte. Dazu gehören insbesondere Toponyme, die im Bestimmungswort den Namen einer benachbarten Siedlung enthalten. Sie verdeutlichen die Lage in Richtung des im Bestimmungswort genannten Orts oder auch Besitzverhältnisse. Eine Ausnahme bilden Namen, die ein Exonym enthalten, wenn dieses den Sprecherinnen und Sprechern der Erstsprache nicht bekannt ist, etwa weil es veraltet ist. 72 Jolimont mit dem Exonym Chules für Gals (vgl. 3.3.1.1) gehört zu diesen insgesamt sehr seltenen Toponymen. Leichter isoliert werden Toponyme als Namenelemente, wenn sie indirekt, durch Personennamen oder Familiennamen vermittelt auftreten: Sie können aus größerer Entfernung stammen, der Zusammenhang der beiden Toponyme den Sprecherinnen und Sprechern dadurch nicht immer klar sein. Der Weiler Bärfischenhaus in den Gemeinden III Mühleberg/ III Neuenegg trägt als Bestimmungswort das dt. Exonym Bärfischen der heute mehrheitlich französischsprachigen (HLS digital: Barberêche, 2009-03-12) Gemeinde Barberêche (FR), deren Name erstmals 1154 als Barbereschi überliefert ist (LSG 2005: 120; zur Umdeutung und der lautlichen Problematik des Exonyms s. Glatthard 1977: 150f.). 72 Tatsächlich wird der Gebrauch von Exonymen von den Vereinten Nationen nicht empfohlen; in der Schweiz geht der Bekanntheitsgrad der Exonyme kleinerer Orte stark zurück (Kully 2003: 87f.). <?page no="87"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 87 Die historischen Belege zeigen jedoch, dass das Berner Toponym ursprünglich eine Bildung mit einem wohl vom Siedlungsnamen abgeleiteten Personennamen *Berverescher o.ä. war: 1389-1460 Berfersershus (Ud: 210), 1430 Berferschers hus (U78: 525). Im mündlichen Gebrauch hat sich der Name schnell abgeschliffen. Schon im 16. Jh. mit Befershuss (UP: 27) dürfte der Name isoliert gewesen sein, die heutige, so seit dem 18. Jh. belegte f-lose Form Bärschehuus ist nicht verständlich. Der Beleg BШrtschennhus 1531 (U97: 106r) könnte eine Anlehnung an den Familiennamen Bärtschi im Genitiv sein, wahrscheinlicher ist eine Schreibvariante für Bärschehuus. In der deutlich an das Exonym erinnernden Form Bärvischenhuss erscheint der Name dann erstmals 1605/ 1607 (C3: IX: 457). Anstelle eines vom Exonym abgeleiteten Personennamens enthält diese bis heute nur schriftlich gültige Namenform allerdings das Exonym selbst. Sie dürfte auf einen Schreiber zurückgehen, der Zugang zu älteren schriftlichen Belegen hatte, den dort enthaltenenen Personennamen aber in das Toponym umdeutete. Wiesinger (1995: 468) präsentiert vergleichbare österreichische Fälle, in denen obsolet gewordene Personennamen durch andere Personennamen oder durch Appellative ersetzt wurden. Maxlmos in Oberösterreich geht auf den ahd. Personennamen Marzo zurück und ist 1180 erstmals als Merczenmos belegt. Der niederösterreichische Siedlungsname Königstetten heißt im Erstbeleg 971 Chunihohestetin und ist mit dem Personennamen Chunihôh gebildet, wird aber später ins Appellativ König umgedeutet. 3.3.2 Sprachliche Ebene: Semantik Semantische Veränderung ist der Kern der Volksetymologie: Remotivierung eines nicht verständlichen Wortes beeinflusst den semantischen Gehalt eines Worts unabhängig davon, ob die Volksetymologie auch eine Inhaltsveränderung (einen Wechsel des außersprachlichen Referenzobjekts, also des Denotats) umfasst (vgl. 2.3.4). Volksetymologien können ohne jede lautliche Veränderung auftreten, die Konnotation der betroffenen Wörter verändert sich immer. Demgegenüber hält Vennemann gen. Nierfeld (1999: 287) rein phonologische Volksetymologien ohne begriffliche Assoziation offenbar für möglich. Er sieht in der mittelalterlichen Umdeutung des Stadtnamens Füssen in Bayern (vgl. auch 3.3.3.1), die sich im Stadtwappen mit drei Beinen zeigt, eine auf rein lautlichen Gründen beruhende phonologische Volksetymologie und spricht erst der gegenwärtigen Deutung als toponomastische Metapher einen semantischen Gehalt zu. Diese Unterscheidung scheint mir jedoch reichlich konstruiert, die mittelalterlichen Sprecherinnen und Sprecher mussten den ansonsten isolierten Stadtnamen doch schon begrifflich <?page no="88"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 88 mit dem Appellativ Fuß m. assoziiert haben, um ein entsprechendes Wappen zu prägen. In einem Kapitel zu Volksetymologie und Semantik könnten folglich ausnahmslos alle untersuchten Volksetymologien aufgeführt werden, das Kapitel würde zu einem eigentlichen Namenbuch für sich allein. Das ist natürlich nicht meine Absicht. Hier werden daher nur einige Beispiele aufgeführt, die jedoch alle auch in mindestens einem der anderen Kapitel behandelt werden könnten, weil sie auch andere Aspekte der Volksetymologie betreffen. Das Appellativ schwzd. Ried, Riet n. ›Riedpflanze‹ bedeutet als häufiges toponymisches Grundwort ›mit Schilf, Sumpfgras bewachsener Grund, Moor‹ (Id. VI: 1729-1735). Lautlich ist es nicht vom etymologisch unverwandten Appellativ in der Bedeutung ›Rodung‹ (Id. VI, a.a.O.; vgl. das damit etymologisch und semantisch verwandte Rüti, 3.3.4.2) zu trennen, weil Lenis und Fortis im Auslaut durcheinander gehen können (SDS II: 172-176). Eine Umdeutung ist also in beide Richtungen problemlos möglich und wird vermutlich noch begünstigt durch das Trockenlegen alter Rieder. Die Schwierigkeit der eindeutigen Identifizierung zeigt das Beispiel von V Oberried am Brienzersee: Das LSG (2005: 668) entscheidet sich aufgrund der Lage des Dorfs am See für eine Deutung mit ›Moor‹. Das BENB (I/ 4: 79) hält entgegen, dass das Dorf erhöht auf einem steil zum See abfallenden Gelände liege. Eine ähnliche Schwierigkeit bieten die beiden Appellative schwzd. Mad n., sekundär Maad n. (in Toponymen) ›Boden, wo Gras gemäht und gedörrt wird‹ (Id. IV: 71-73) und Matt(e) f. ›ebene Grasfläche, Wiese‹ (Id. IV: 548). Die beiden Appellative sind etymologisch verwandt (BENB I/ 3: 207-209, 246-249) und können ebenfalls ineinander überführt werden: Der Name des Dorfs Meiersmaad (III Sigriswil) ist ursprünglich mit Matte f. gebildet, wie der Erstbeleg an Meÿers Mattenn 1563 (U143: 57v) zeigt. Schon 1622 heißt es dann Meÿersmaad (U162a: 932). 3.3.2.1 Polysemie Polysemie bezeichnet den Umstand, dass ein einzelnes Wort mehrdeutig ist (Metzler Lexikon Sprache 2000: 537; Bußmann 2002: 524f.; s. etwa Aitchison 2003: 161 mit dem Hinweis darauf, dass dies durchaus der Normalfall ist). Polysemie kann diachron dazu führen, dass ein einzelnes Appellativ als mehrere, unter Umständen etymologisch völlig eigenständige Appellative (vgl. 3.3.2.2) wahrgenommen wird. 73 Namen, die mit entsprechenden Appellativen gebildet sind, können volksetymologisch so umgedeutet werden, dass Ursprungs- und Zielappellativ etymologisch identisch, aber semantisch abweichend sind. 73 Die Unterscheidung von Polysemie und Homonymie ist ein grundlegendes Problem der Lexikografie: Ab welchem Zeitpunkt sind zwei Bedeutungen eines Worts so abweichend, dass sie separate Lexikoneinträge erhalten sollen? <?page no="89"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 89 Das Adjektiv blind bedeutet neben ›ohne Augenlicht‹ auch ›ohne Ausblick‹ und ›trübe, undurchsichtig‹ (Id. V: 109-112; TGNB II/ 2: 78). Ein Seitengraben namens Blindebach in III Rüderswil und mehrere nach ihm benannte Heimet sowie ein nur 1497-1524 belegter blindenbach in IV Därstetten (U167: 112b) sind daher weder Bäche, die nichts sehen, noch haben sie etwas mit dem entsprechenden substantivierten Adjektiv schwzd. Blindi (im schwachen Nominativ Plural), Blinde (Dativ Plural) ›Blinde‹ zu tun. Die Bäche sind vielmehr als trübe Bäche benannt (BENB I/ 4: 403-405). Ein heute als Lindebach bekannter Bach in III Rüschegg/ III Wahlern ist 1533/ 1542 als lindennbach belegt (U128: 7f.). Von 1076 (möglicherweise aber eine Fälschung des 12. Jh.) liegt ein Beleg Cecus fluvius ›blinder Bach‹ mit lat. caecus ›blind‹ vor (FRB I: 333; Georges I: 896). Es ist nicht zu bestimmen, ob die lat. Form des Namens nur die Übersetzung des falsch verstandenen Gewässernamens ist oder ob der Bach tatsächlich ursprünglich (nicht belegt) *Blindenbach hieß und erst nachträglich zu Lindenbach (mit dem Baumnamen Linde f.; s. BENB I/ 3: 109-111) umgedeutet wurde. Ebenso hat der Blindewäg in IV Spiez nichts mit Blinden zu tun, sondern er verbindet (für Einheimische sicher selbstverständlich) die Quartiere Blinden und Salzbrunnen. S. für weitere Blind(e)-Namen BENB I/ 4 (403-405). Das LUNB (I/ 1: 128f.) deutet die Blindei, ein ehemaliges Heimwesen in abgeschlossener Lage, als Bildung mit blind in der weiteren Bedeutung ›versteckt‹. Ein anderes Beispiel für Volksetymologie, die auf Polysemie beruht, ist die Scheidegg, deren Name das Verb scheiden enthält. Dieses Verb trägt neben der Bedeutung ›trennen‹ auch die Bedeutung ›eine Ehe auflösen‹, die heute dominanter sein dürfte: Der Brockhaus-Wahrig (V: 533f.) führt sie noch vor Allgemeinerem ›trennen‹. Die Scheidegg bezeichnet ursprünglich den Pass, der zwei Täler trennt: das Reichenbachtal (V Schattenhalb) und das Tal von V Grindelwald im Fall der Grossen Scheidegg, das Tal von V Grindelwald und das Lauterbrunnental (V Lauterbrunnen) im Fall der Kleinen Scheidegg. Der lexikalische Wandel könnte zu volksetymologischer Remotivation als ›Ort, der etwas mit Scheidungen zu tun hat‹ führen. Gerade in der Toponymie nehmen manche Appellative durch die Verbindung mit topografischen Gegebenheiten im Lauf der Zeit Bedeutungen an, die sich verfestigen können und auf dem Weg zu eigenständigen Appellativen sind (s. Zinsli 1946, passim, und Szadroswky 1943/ 1944, passim, für Beispiele). Verbreitet ist dieses Phänomen bei metaphorischen Übertragungen von Appellativen auf Geländeformen, soweit sie eine gewisse Verbreitung gewonnen haben, also überhaupt von einer Sonderbedeutung des Appellativs gesprochen werden kann. Verlieren diese Appellative mit toponymischer Sonderbedeutung ihre Bekanntheit, so ist eine Umdeutung (allenfalls Rückdeutung) in eine andere Bedeutung des Appellativs wahrscheinlich. Schwzd. Braaw(e), Brau(w)e f. ›Braue‹ und daraus toponymisch ›Rand, Kante‹ (Id. V: 1027-1030) nimmt in der Toponymie als metaphorische Übertragung <?page no="90"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 90 nach der Form die Bedeutung ›Bergrücken, -grat, dem Wind senkrecht zugekehrte Felswand‹ an (Zinsli 1946: 314). Diese Bedeutung dürfte heute weitgehend nicht mehr verstanden werden, der Name unterliegt der Umdeutung in schwzd. Broue f. ›Augenbraue‹. Polysemie kann auch nur vermeintlich auftreten, wenn zwei homophone Wörter in Wahrheit etymologisch unverwandte Homonyme (vgl. 3.3.2.4) sind. Nach Béguelin (2000: 9) neigen Laien dazu, Homonyme als polysemes Wort zu interpretieren. Südfrz. aze ›Esel‹ geht auf lat. asinus m. ›Esel‹ zurück, während südfrz. aze ›Brombeere‹ auf lat. acinus ›Beere‹ basiert. Die vermeintliche Polysemie hat nach Baldinger (1973: 29) dazu geführt, die Bedeutung ›Brombeere‹ auch auf südfrz. saumo ›Esel‹ (zu lat. sagma ›Saumsattel‹) zu übertragen. Die historische Entwicklung der Bedeutung von Appellativen kann unabhängig von Polysemie dazu führen, dass die heutige Bedeutung eines Appellativs als Namenbestandteil erheblich von der Bedeutung zum Zeitpunkt der Namenprägung abweicht. Wird in einem entsprechenden Toponym die aktuelle Bedeutung des Appellativs wahrgenommen, ist sinnvollerweise nicht von Volksetymologie, sondern allenfalls von einer Umdeutung des Benennungsmotivs (vgl. auch 3.3.13.3) zu sprechen. Viele Toponyme im Untersuchungsgebiet sind mit dem Appellativ schwzd. Pfaff m. ›verächtlich für Geistlicher‹ (Id. V: 1058-1062) gebildet (BENB I/ 4: 290-294). In mhd. phaffe m. ›Weltgeistlicher, Priester‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 II: 220) trägt dieses Appellativ noch keine verachtliche Nebenbedeutung. Diese kommt erst mit Luther auf, der mit dem Appellativ ›katholische Priester‹ bezeichnet (DWB XIII: 1584). Entsprechende Namen, die schon vorreformatorisch belegt sind, bedeuten also ursprünglich ›Besitz eines Geistlichen‹ o.ä., nicht ›Besitz eines Pfaffen (in schwzd., nhd. Bedeutung)‹. Dies betrifft etwa die Pfaffehalte, einige Heimet in III Steffisburg, die schon 1358 als Pfafenhalton nachgewiesen sind (FRB IV: 320), den Pfaffemaatbrunne in III Oberhofen am Thunersee, dessen Name erstmals 1435 als im Beleg Pfaffen Madt (Uk2: 5. Januar; Kopie 2. Hälfte 17. Jh.) erscheint, sowie eine Weide Pfaffebüel in IV Kandergrund/ IV Kandersteg, die 1380 im Beleg unser gоt gelegen inront Pfaffenbкle erwähnt wird (FRB X: 93). 3.3.2.2 Exkurs: Etymologisch verwandte Appellative Etymologisch verwandte Appellative sind unterschiedliche Appellative mit einer gemeinsamen Wurzel (Brendler 2008: 33 spricht von etymologischer Identität). Die Möglichkeit von Umdeutungen auf Basis etymologisch verwandter Appellative ergibt sich durch die semantische Entwicklung von Etyma im Lauf der Sprachgeschichte, die dazu führt, dass wurzelverwandte Wörter stark voneinander abweichende Bedeutungen (sowohl bezüglich Denotation als auch bezüglich Konnotation) annehmen können, also polyseme und schließlich unabhängige Appellative werden. <?page no="91"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 91 Namen, die mit einem solchen Appellativ gebildet sind, sind anfällig für die Umdeutung in andere Appellative mit derselben Wurzel, wenn das ursprüngliche Namenelement appellativisch außer Gebrauch gerät. Die Umdeutung liegt umso näher, als sich die Wurzelverwandtschaft oft in großer lautlicher Ähnlichkeit des Ursprungs- und Zielappellativs zeigt. Diese Anknüpfung an etymologisch verwandte Appellative ist nicht eigentlich als etymologisch inkorrekt zu bezeichnen. Dennoch handelt es sich nach Olschansky (1996: 127, 170f.) um Volksetymologie, wenn der Sprecherin, dem Sprecher die Verbindung nicht bekannt ist. Interpretiert eine Sprecherin, ein Sprecher den Wochentag Freitag als Frei-Tag mit dem Adjektiv nhd. frei, handelt es sich trotz etymologisch korrekter Anknüpfung um Volksetymologie, weil die etymologische Verbindung der Sprecherin, dem Sprecher nicht bekannt sein dürfte. Etymologische Verwandtschaft ist besonders häufig gegeben zwischen einem (nicht mehr bekannten) Personennamen im Bestimmungswort und einem auf derselben Wurzel basierenden Appellativ. Die Gemeinde III Kienersrüti, erst 1676 als Kienersrütte (A: Thun) erstmals belegt, trägt eine Berufsbezeichnung Kiener m. oder einen daraus entstandenen gleichlautenden Familiennamen im Bestimmungswort. Beide gehen auf mhd. kien(boum) m. ›Nadelbaum, Kiefer‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 1568), schwzd. Chien m. ›Kiefer‹ (Id. III: 320) zurück und bedeuten ›Hersteller von Kienspänen, Kienfackeln‹ (Ramseyer, unveröffentlicht). Der Familienname ist im Kanton Bern an verschiedenen Orten heimatberechtigt (FNB III: 233f.), nicht jedoch in Kienersrüti selbst. Nach Untergang des Berufs und bei Unkenntnis des Familiennamens ist es durchaus möglich, im Toponym eine Form des Appellativs Kien wahrzunehmen. Im Unterschied zu Polysemie kann etymologische Verwandtschaft auch über die Grenzen von Einzelsprachen hinaus wirksam werden. Wenn ein Name, der ursprünglich einer anderen Sprache entstammt, in ein etymologisch verwandtes germ. Appellativ umgedeutet wird (vgl. etwa Langenthal, 3.3.2.3), sind Ursprungs- und Zielappellativ über die voreinzelsprachliche Wurzel miteinander verbunden. 3.3.2.3 Exkurs: Rückanlehnung Als Rückanlehnung bezeichne ich den Sonderfall der Volksetymologien, deren Ursprungs- und Zielappellativ im Gegensatz zur Polysemie und etymologischen Verwandtschaft (vgl. 3.3.2.1 und 3.3.2.2) nicht nur etymologisch verwandt, sondern auch semantisch deckungsgleich sind. Es handelt sich dabei also quasi um eine Rückführung eines nicht mehr verständlichen (oder eines zwischenzeitlich umgedeuteten) Namens zu seinem Ursprung. Im Prinzip kann dieser Prozess jede sprachgeschichtliche Stufe betreffen: Ein aktueller Name, der auf ein ie. Appellativ zurückgeht, kann in ein <?page no="92"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 92 etymologisch verwandtes und semantisch gleichwertiges alem. Appellativ umgedeutet und damit auch rückangelehnt werden. Das Bestimmungswort des Siedlungsnamens II Langenthal, im Dialekt heute noch Langete, wird interpretiert als Adjektiv lang, das Bestimmungswort als Tal n. Der Name wird also zu einer Konstruktion *(beim) langen Tal. Tatsächlich lässt sich für den Siedlungsnamen mit den Erstbelegen Langatum 861 (FRB I: 233) und in Langatun 894 (FRB I: 256) eine ursprüngliche kelt. Form *Langodŷnon oder Langćdŷnon ›Siedlung am Fluss Langć‹ mit einem voreinzelsprachlichen Gewässernamen rekonstruieren (BENB I/ 3: 38-40; Greule 1973: 128). Zum kelt. Grundwort dieses Kompositums s. die in der Nähe liegende Siedlung Murgenthal (3.3.8.4). Der Gewässername ist mit dem ie. Ajd. *(d)longho-s ›lang‹ (IEW: 197) gebildet, auf dem auch das dt. Adjektiv basiert. Der daraus mit regulärer Lautentwicklung entstandene alem. Siedlungsname Langete ist ohne lautliche Anpassung schwer zu deuten. 74 Der umgedeutete Siedlungsname Langenthal dagegen ist im Bestimmungswort eine Rückanlehnung an das ursprüngliche, semantisch und lautlich passende kelt. Adjektiv bei gleichzeitiger Umdeutung des Grundworts. 75 Häufiger ist die Rückanlehnung innerhalb einer Einzelsprache zu finden. Einerseits sind im Untersuchungsgebiet Namen auf germ. Basis sehr viel verbreiteter. Andererseits dürften alem. Namen ihren zugrunde liegenden germ. (alem.) Appellativen lautlich in vielen Fällen ähnlicher sein als etymologisch verwandten vorgerm. Rückanlehnung kann in Form einer spontanen Volksetymologie geschehen (wie im Beispiel Langenthal), wo der Sprecherin, dem Sprecher der Bezug zur kelt. Sprache nicht bewusst ist. Die Identität von Ausgangs- und Zielelement ist dann letztlich zufällig. Rückanlehnung kann aber auch bewusst durchgeführt werden, wenn die Nähe zum Ursprungs- und Zielappellativ mehr oder weniger bewusst herausgearbeitet wird und sich anschließend durchsetzt (vgl. dazu auch 3.3.8.5-3.3.8.7). Der Weiler Emdthal in IV Aeschi bei Spiez heißt im Dialekt Meentel. Vom BENB (I/ 1: 81) wird er vorsichtig als *Emit-Tal ›Emdtal‹ mit dem Appellativ schwzd. Emmet, Emd n. ›zweiter Grasschnitt‹ (Id. I: 213) gedeutet, wobei das Bestimmungswort schon im Erstbeleg Emital 1352 (FRB VII: 630) abgeschliffen wäre. Mit Durheim (II: 78) setzt dann die Schreibweise Emdthal ein, die heute amtlich ist. Ob der Name bewusst rückangelehnt wurde, ist nicht erkennbar, die historischen Belege des BENB lassen nicht eindeutig auf das Appellativ Emd n. schließen. Vgl. auch 3.3.8.5. Nur bedingt unter die Definition der Rückanlehnung fällt folgender Name: 74 Er ließe sich allenfalls volksetymologisch deuten als Bildung mit dem rom.-alem. Lehnsuffix -ete zur Bezeichnung von Stellen, an denen etwas häufig vorkommt. 75 Heute heißt auch das Gewässer, das durch Langenthal fließt, Langete. Es handelt sich dabei um eine Rückübertragung des Siedlungsnamens in alem. Lautung. <?page no="93"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 93 Bärfischenhaus (vgl. 3.3.1.2) lehnt sich nicht an ein ursprüngliches Namenelement an; vielmehr ist das mutmaßliche ursprüngliche Namenelement (ein Personenname Berverser o.ä.) eine Ableitung des Toponyms, an das sich der heutige Name anlehnt, das Exonym Bärfischen für die Gemeinde Barberêche (FR). Die Rückanlehnung gilt lediglich im schriftlichen Gebrauch (vgl. auch 3.3.10). Obwohl es sich bei diesem Namen im strengen Sinn also nicht um eine Rückanlehnung handelt, ist er hier aufgeführt, da der ursprüngliche Namenbestandteil wie das Resultat der Volksetymologie deutlich auf den Freiburger Siedlungsnamen verweisen und damit eine gewisse semantische Einheit wahren. 3.3.2.4 Homonymie Wie erwähnt (3.1) kann ein Name je nach Sprecherin oder Sprecher unterschiedlich gedeutet werden, ja selbst eine einzelne Person kann denselben Namen zu unterschiedlichen Zeitpunkten verschieden interpretieren. Bei Namen ohne lautliche Veränderung, die auf Volksetymologie schließen lässt (3.3.3.1), gibt es zwei Gründe, die zu unterschiedlichen Deutungen führen können: Einerseits lassen sich manche Namen unterschiedlich segmentieren (s. ausführlicher 3.3.4). Die Lammbergere ist ein Vorsass, die Lammbergmatte ein Heimet in IV Saanen (BENB I/ 3: 21-23). Der einzige historische Beleg Lambergsmatten 1735 (QSA: Spittal Buch am Gstaad: 1) verdeutlicht eine Bildung mit dem Familiennamen des Freiburger Geschlechts Lamberger, das im 17. Jh. in Saanen verschiedene Amtsleute stellte (Ramseyer, unveröffentlicht). Da dieser Familienname heute nicht mehr nachgewiesen ist (kein Eintrag im FNB), liegt es nahe, die Namen statt Lammberger-e (als moviertes Femininum; Szadrowsky 1938) und Lammberg-matte in Lamm-Bergere und Lamm-Berg-Matte zu resegmentieren und die Tierbezeichnung Lamm n. darin wahrzunehmen. Das Kompositum Osterstall bezeichnet Kulturland in II Ersigen (BENB I/ 4: 110) und lässt sich auf zwei unterschiedliche Weisen analysieren: Als Oster-Stal mit dem Grundwort schwzd. Stall, Staal m. in älterer Bedeutung ›Stelle, Standort‹, in Flurnamen ›Wohnstelle, Siedlung‹ (Id. XI, 4-13, 13f.; Kluge/ Seebold 2002: 847, 880), oder als Osters-Tal mit dem Grundwort Tal n. Im ersten Fall ist das Bestimmungswort eine Richtungsangabe mit dem Adjektiv mhd. ôster ›im Osten, östlich‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 II: 176), im zweiten Fall ein Personenname Ost(h)er(i) (Förstemann I, 213) im Genitiv. Wie der Name entstanden ist, lässt sich nicht sicher feststellen, für eine Bildung mit der Richtungsanzeige spricht vielleicht ein nur im 15. und 16. Jh. belegtes Sunderholz ›südliches Holz‹ ebenfalls in Ersigen (s. BENB Dok.). Dagegen ist das Bestimmungswort schon mhd. mit dem Appellativ ôster f. ›Ostern‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 II. 176, 178) zusammengefallen, das heute eine entsprechende Umdeutung wahrscheinlich macht. Dieselbe Entscheidungsschwierigkeit stellt sich bei weiteren Namen (vgl. 3.3.4.1). <?page no="94"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 94 Andererseits gibt es Toponyme, in denen sich mehrere homophone, d.h. gleichlautende, aber etymologisch unverwandte Appellativ (Metzler Lexikon Sprache 2000: 280; Bußmann 2002: 283f.) wahrnehmen lassen. Die Homonymie kann schon auf einer älteren Sprachstufe (vordt.) oder erst in jüngerer Zeit eingetreten sein. Godglück (2001: 139-141) spricht im Zusammenhang mit Homonymie (unter Umständen auf dialektaler Basis) von lesartenreduzierender Volksetymologie: Das Verb nhd. wetterleuchten scheint vom Leuchten am Himmel bei entsprechender Wetterlage zu stammen. Historisch nachgewiesen ist in rheinfränkischen Dialekten ein gleichbedeutendes Verb mhd. wetterleichen, das mhd. leichen ›hüpfen‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 1863) enthält, wogegen mhd. *wetterleuchten nicht nachgewiesen ist. Weil die rheinfränkischen Dialekte von eu zu ei entrunden, fällt in ihnen älteres (es) wetterleicht ›das Wetter tanzt, also es wetterleuchtet‹ zusammen mit daraus neu erschlossenem *(es) wetterleucht(e)t, das Verb wird also mehrdeutig, wobei sich auf Dauer die Neumotivierung als ›leuchten‹ durchsetzt, zumal leichen ›tanzen‹ zunehmend isoliert wird (vgl. 2.3.1.1). Diese lesartenreduzierende Volksetymologie will Godglück (2004: 148) strikt von so genannter ätiologischer Volksetymologie (vgl. dazu auch 3.3.13) als Kern der Volksetymologie trennen: Während Letztere eine Reinterpreation, eine erklärende Motivation enthält, geschehe die lesartenreduzierende Volksetymologie ohne Bewusstsein der Sprecherin, des Sprechers beim Wechsel von Sprechergenerationen. 76 Namen mit Homonymen werden mit einiger Wahrscheinlichkeit mit dem Appellativ, das der Sprecherin, dem Sprecher am geläufigsten ist, gedeutet. Ist das Ausgangsappellativ überhaupt nur noch aus Toponymen bekannt, folgt die Umdeutung fast unausweichlich. Das Appellativ Louch f. ›Bergübergang‹ (vgl. 3.3.1), das im Untersuchungsgebiet nur am Jurasüdfuß (II) belegt ist, dürfte heute bereits weitgehend unbekannt sein, die entsprechenden Namen der Umdeutung in Lauch m. ›allium porrum (Gemüsesorte)‹ offenstehen, wobei die unterschiedlichen Genera die Umdeutung vielleicht behindern. Schwzd. Luus f. ›Laus‹ (Id. III: 1350-1452) ist kein für Toponyme typisches Appellativ, aber zumindest teilweise homophon mit schwzd. Lus(s) m. ›durch das Los bestimmter Anteil an Grund und Boden‹, ›Flächenmaß‹ (Id. III: 1455), das auch in Toponymen vorkommt. Weil Letzteres im Schwzd. appellativisch heute weitgehend durch nhd. Los n. verdrängt ist, wird die Umdeutung entsprechender Toponyme möglich. Wahrscheinlich ist auch die Umdeutung von schwzd. Luuss f. ›Lauer, speziell auf Hasen‹ (Id. III: 1455) in Luus f. ›Laus‹, weil sie nicht genuswirksam ist (Zinsli 1972). Das BENB (I/ 3: 187-193, bes. 191) erwähnt allerdings auch schwankendes oder wechselndes Genus, das die Umdeutung von Lus(s) m. verdeutlicht. Es stellt die 76 Godglücks Unterscheidung geht in eine ähnliche Richtung wie diejenige Vennemanns (vgl. 2.2.2.6). <?page no="95"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 95 Mehrheit der verbreiteten Namen zu Lus(s) m. ›Los‹, bemerkt aber, dass eine Zuweisung der Namen zu einem der Appellative nicht sicher möglich ist. Luus f. ›Laus‹ als früher gefürchtetes Ungeziefer, zu dessen Bannung mancherlei Brauchtum ausgeübt worden sei, sei nur vereinzelt namengebend gewesen. Dennoch wiesen verschiedene Gewährspersonen auf einen Zusammenhang von Toponymen mit dem Schädlingsnamen hin. Obwohl das Benennungsmotiv eher der Fantasie der Gewährspersonen entspringe, sei damit häufig eine pejorative Bewertung des bezeichneten Geländestücks als minderwertig oder abgelegen verbunden (BENB I/ 3, a.a.O.; vgl. 3.3.13). Während die Umdeutung eines isolierten Namenelements in ein noch gebräuchliches Homonym nahe liegt, ist Volksetymologie schwieriger festzustellen, wenn zwei homonyme Appellative gleich gebräuchlich sind. Nur eine Befragung könnte in diesem Fall zur sicheren Feststellung der Umdeutung führen. Die beiden homonymen Appellative schwzd. Ried, Riet n. ›Riedpflanze; mit Schilf, Sumpfgras bewachsener Grund, Moor‹ und ›Rodung‹ (Id. VI: 1729-1735; vgl. 3.3.2) sind heute vermutlich beide vielen Sprecherinnen und Sprechern nur noch aus Toponymen geläufig. Stellt eine Sprecherin, ein Sprecher überhaupt einen appellativischen Bezug her, so kann dieser von Nennung zu Nennung zwischen den beiden Appellativen schwanken. Sind zum Umdeutungszeitpunkt beide involvierten Appellative noch halbwegs bekannt und produktiv, trifft die allgemein als Grundvoraussetzung für Volksetymologie genannte Isolation (vgl. 2.3.1.1) nicht zu. 3.3.3 Sprachliche Ebene: Laut Wohl am grundlegendsten unterscheiden lassen sich Volksetymologien nach solchen, in denen das betreffende Wort (der Name bzw. das Namenelement) lautlich verändert auftritt, und solchen, wo eine lautliche Veränderung nicht eingetreten ist. Die Unterscheidung entspricht den Kategorien 1 und 2 (mit lautlicher Veränderung) bzw. 3 und 4 (ohne lautliche Veränderung) nach Olschansky (1996: 179f.; vgl. 2.3.4). Duchá č ek (1964: 65) spricht diesbezüglich von attraction lexicale und étymologie populaire: Die Erstere zeichnet sich dadurch aus, dass die Umdeutung ohne lautliche Veränderung auskommt, während die zweite eine lautliche Anpassung mit sich bringt. 3.3.3.1 Volksetymologie ohne lautliche Veränderung Mayers (1962: 127) letzte Stufe der Volksetymologie, die lautliche Assimilation (s. 2.2.2.4), kann ausfallen, wenn zwischen Ausgangs- und Zielappellativ Homonymie (3.3.2.4) vorliegt. Wenn ein Namenelement in der Sprachgemeinschaft an Bekanntheit verliert, begünstigt Homonymie mit einem andern Appellativ die Umdeutung gegenüber dem isolierten Erhalt des <?page no="96"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 96 Elements. Sie kann aber auch in anderen Fällen ausfallen, wenn die Sprechenden eine volksetymologische Verbindung zwischen Wörtern herstellen, obwohl sie lautlich nicht genau zueinander passen (vgl. 3.3.3.4). Bei Namen, die ohne lautliche Veränderung auftreten, fehlt jeglicher personenunabhängige Indikator für das Feststellen von Volksetymologie, wie auch Mayer (a.a.O.) bemerkt. Hier kann einzig ein Hinweis von Gewährspersonen oder eine Vermutung der bzw. des Forschenden eine Untersuchung auslösen. Mit einiger Sicherheit festzustellen sind solche Volksetymologien nur, wenn das ursprüngliche Appellativ in der Gegenwartssprache ausgestorben ist (die fehlende lautliche Veränderung liegt dann zwischen dem ausgestorbenen und einem noch produktiven Appellativ). Das Malzgräbli, ein Bach in III Hilterfingen, enthält vermutlich ein Adjektiv schwzd. malz ›faulig, verdorben, in Folge von Feuchtigkeit‹ (Id. IV: 223f.) oder mhd. malz ›weich, sanft, schlaff, kraftlos‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 2021; hier bezogen auf aufgeweichten, sumpfigen Boden; BENB I/ 3: 218). Beide Adjektive sind heute kaum mehr gebräuchlich, der Name kann ohne lautliche Anpassung in das Appellativ Malz n. ›angekeimtes und gedarrtes Getreide‹ umgedeutet werden. Liebifure heißt ein Stück Kulturland in I Meikirch, Liebiberg ein Heimet in Ferenberg (Gemeinde III Bolligen). Letzterer ist erstmals 1365 als Liebenberg bezeugt (FRB VIII: 647). Der Liebistei ist ein Felskopf in IV Kandersteg. Und das Dorf Liebiwil (amtlich Liebewil) in III Köniz wird erstmals 1273/ 1274 als in Libenwile (FRB III: 92) erwähnt. Alle diese Toponyme sind vermutlich Bildungen mit dem ahd. Personennamen Liebo (Förstemann I: 1018-1030, bes. 1020) oder einem ähnlichen Personennamen im schwachen Genitiv Lieben, der später mit Mittelsilbenerhöhung und regulärem Ausfall des auslautenden -n (ähnlich etwa in Gemeindenamen wie III Eggiwil, BENB I/ 1: 65; LSG 2005: 315; und III Zäziwil, LSG 2005: 983) lautlich mit schwzd. Liebi f. ›Liebe‹ (Id. III: 991f.) zusammenfällt (BENB I/ 3: 98-100). Im Gegensatz zu diesen Namen sind die Toponyme Liebegg in II Wiggiswil und III Bern als neuere Modenamen (Dalberg 2004: 412) tatsächlich mit dem Adjektiv lieb gebildet. Dasselbe Adjektiv enthalten die Liebfrouebrünne in I Pieterlen, die ohne historische Belege allerdings nicht sicher auf eine Liebfrauenkirche zurückgeführt werden können. Immerhin ist 1453 in Pieterlen ein Marienaltar belegt (Moser 1958: 37). Schließlich enthält das weit verbreitete Toponym Holiebi ›schön, angenehm gelegene An- oder Berghöhe‹, das bis ins 20. Jh. als Appellativ lebendig blieb (Zinsli 1969: 258), und von ihm abgeleitet der Quartiername Liebefeld ›Feld unter der Holiebi‹ in III Köniz das Appellativ Liebe f. (BENB I/ 3: 98-100). 77 77 Der Personenname Liebo geht auf dieselbe Wurzel zurück wie das heutige Appellativ Liebe, die Volksetymologie ist insofern als Volksetymologie zwischen etymologisch verwandten Appellativen (3.3.2.2) zu verstehen. <?page no="97"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 97 In vielen Fällen liegt entsprechenden Namen nicht Homonymie bzw. Polysemie zwischen einem historischen und einem aktuellen, sondern zwischen zwei aktuellen Appellativen zugrunde (vgl. 3.3.2.2, 3.3.2.4). Es ist dann kaum eindeutig feststellbar, welche Wortbedeutung bzw. welches Appellativ die Sprechenden im Namen wahrnehmen. Würde man dazu eine Befragung durchführen, liefe man Gefahr, die Befragten auf die Problematik überhaupt erst aufmerksam zu machen und damit die Antworten zu verzerren. Vennemann gen. Nierfeld (1999: 280) nennt Volksetymologie ohne lautliche Veränderung Phonologische Volksetymologie und erwähnt eine weitere Möglichkeit, solche Volksetymologien sicher zu erkennen: Wenn sie aus einer anderen Sprache stammen, aber in der gegenwärtig vor Ort gesprochenen Sprache ohne lautliche Anpassung sinnvoll deutbar sind. Die bayerische Stadt Füssen wird im 4. Jh. erstmals in der Inschrift praepositus militum Fotensium ›Offizier der Soldaten von Füssen‹ genannt. Der sicher vorröm. Name ist bis heute ungedeutet. Aus lat. Fotina entwickelt sich lautlich einwandfrei heutiges Füssen bzw. dialektales Fiese, das, wie das Stadtwappen mit drei Beinen (süddt. Fueß ›Bein‹) zeigt, volksetymologisch umgedeutet wurde (Vennemann gen. Nierfeld 1999: 281f.). Diese Möglichkeit begegnet auch im Untersuchungsgebiet: Bellmund ist der Name einer Gemeinde im Seeland (I) und eines Vorsasses in IV Saanen (auch Permunt genannt). Der Name ist eine späte Entlehnung aus rom. *bellum mont(em) ›schöner Berg‹ (Glatthard 1977: 101; LSG 2005: 136f.). Die Auslautlenisierung -t > -d ist für beide Orte heute appellativisch nicht belegt, sie liegen aber relativ nah an lenisierenden Gegenden (SDS II: 176, 178). Der Gemeindename Bellmund wird heute als Bämung (mit Lautwandel -nd > -ng; SDS II: 119f.) ausgesprochen. Erstmals belegt ist er 1107 als Bellum-Montem (FRB I: 360), in einer deutschsprachigen Urkunde 1335 als Belmont (FRB VI: 188), mit lenisiertem Auslaut 1398 als Bellmund (Rq I/ 3: 263/ 19). Der erste lenisierte Beleg für das Saaner Vorsass ist 1659 uff Bellmund (U152: 1). Nehmen wir an, dass die Auslautlenisierung in diesen Gebieten früher regulär war, ergab sich für das Bestimmungswort der Namen Homonymie mit dem Appellativ Mund m. (Id. IV: 321f.) und die Möglichkeit, den fremdsprachigen und damit tendenziell isolierten Namen zu remotivieren. 78 3.3.3.2 Lautentwicklungen als Auslöser von Volksetymologie Die reguläre lautliche Entwicklung einer Sprache (bzw. eines Dialekts) kann zu unverwandten Homonymen, die Grundlage einer volksetymolo- 78 Weil das Appellativ heute im Schwzd. durch Muul n. verdrängt ist, ist gegenwärtig eine entsprechende Volksetymologie mit dem nur nhd. und damit ohne Lautwandel -nd > -ng bekannten Appellativ weniger wahrscheinlich. Nimmt man aber an, dass diese Gemeinde auch früher keine Auslautlenisierung kannten, könnte die aktuelle Lautung sogar das Resultat einer entsprechenden Volksetymologie sein. <?page no="98"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 98 gischen Umdeutung werden können. 79 Nach Wiesinger (1995: 466) ist der häufigste entsprechende Fall derjenige der regulären dialektalen Aussprache, die erst bei nhd. Verschriftlichung (3.3.8.7 und 3.3.10.2) zur Umdeutung führt. Zur tatsächlichen Umdeutung führt nach Mayer (1962: 86) dann eine Wortgläubigkeit, die zum Wunsch führe, Wörter nicht nur phonologisch, sondern auch semantisch zu motivieren. Die Gemeinde II Bleienbach, im Dialekt Bleibech (BENB I/ 4: 393f.) wird 1194 erstmals als Blaichinbach (FRB I: 490) erwähnt. 1267 heißt es Henricus Blechenbach (FRB N), 1267 Bleichenbach (FRB II: 701). Nach einer Reihe weiterer Belege erscheint der Name erstmals 1577 auf Bleienbach reduziert (Sch: 189b), der nächste entsprechende Beleg ist 1787 Bleyenbach (A: Wangen). Das LSG (2005: 164) deutet den Namen mit der Nebenform Bleichi f. zu schwzd. Bleiki f. ›Bleiche, Ort, wo gebleicht wird‹ (Id. V: 60). Der Schwund des intervokalischen -ch-, wie er wenig östlich von Bleienbach heute regulär ist (SDS II: 111f.), führt zu einer Namenform, die mit Blei n. identifiziert werden kann. Die Kürzung um den Auslautvokal des Bestimmungsworts stellt dann erst recht Homonymie mit diesem Appellativ her. Betroffen sind unter anderem ahd. Personennamen. Wie Kaufmann (1965) nachweist, erfahren viele von ihnen eine von der allgemeinen abweichende Lautentwicklung. Gerade die im Vergleich zu Appellativen relativ geringe Bedeutung der etymologischen Zusammenhänge in einer Wortfamilie führt bei Namen häufiger als bei anderen Wörtern zu einer phonologischen Entwicklung, die nicht mit der allgemeinen Entwicklung verläuft (Anderson 2007: 86). In der Folge können sich einige von Ihnen als Elemente von Toponymen lautlich an etymologisch unverwandte Appellative annähern und schließlich in diese umgedeutet werden. 80 Frittebach heißt ein Heimet in III Lauperswil/ III Rüderswil, Der under und Der ober Frittebach sind zwei Seitentäler zur Emme in III Lauperswil/ III Rüderswil und III Langnau (BENB I/ 1, 168f.). Das Bestimmungswort des Namens dürfte eine ahd. Personennamenkurzform Fritto (im schwachen Genitiv) sein, eine Nebenform zu nhd. Personennamen mit dem Grund- oder Bestimmungswort Fried, deren Wurzel *frithuist (Förstemann I: 526-539, bes. 528). Kaufmann (1965: 12, 18) lehnt Förstemanns Annahme ab, die lautliche Abweichung des Personennamens vom auf dieselbe Wurzel zurückgehenden Appellativ nhd. Friede m. sei als Angleichung an eine - nicht belegte - Nebenform *Fridio zu erklären. Stattdessen handelt es sich hier nach Kaufmann (1965: 14f.) um eine expressive Gemination (selbsttätige, ausdrucksbedingte oder aus- 79 Homonymie ist selbstverständlich keine Garantie für Volksetymologie; sie macht eine Umdeutung aber wahrscheinlich, wenn das ursprüngliche Appellativ veraltet. 80 Dessen ungeachtet sind ahd. Personennamen als Elemente von Toponymen ohnehin anfällig für die Umdeutung, sobald sie als Personennamen außer Gebrauch geraten oder in Komposita verschliffen werden (vgl. 3.3.1.1 und 3.3.11). <?page no="99"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 99 drucksvolle Mitlautdehnung), wie sie für die Kurzformen altdt. Rufnamen typisch sei. 81 Der etymologische Zusammenhang mit dem Appellativ nhd. Friede m. ist so in der Gegenwart nicht mehr unmittelbar zu erkennen. Stattdessen eröffnet die heutige Lautform die Möglichkeit der Umdeutung des Namens in umgangssprachlich nhd. Fritte f. ›fritiertes Kartoffelstäbchen, Pommes frites‹ (meist nur im Plural gebraucht; Brockhaus Wahrig II: 864; Küpper 1987: 257). Im neueren Schwzd. bedeutet das Appellativ eher ›Frisur‹, auch ›Gesicht‹ in der Wendung in die Fritte schlagen/ hauen (kein Eintrag in Wörterbüchern; Internetrecherche nach i(n) d Fritte auf Websites der Top-Level-Domain .ch). Durch lautliche Entwicklungen entsteht Homonymie natürlich nicht nur zwischen Toponymen und Appellativen, sondern schon zwischen verschiedenen Appellativen. Entsprechende appellativische Homonymie ist dann der Ausgangspunkt volksetymologischer Umdeutung eines Namens, wenn das ursprüngliche Appellativ veraltet und in der Deutung durch sein Homonym ersetzt wird. Der Straßenname Bollwerk in III Bern (Weber 1990: 87) wird mit der für weite Teile des Berner Mittelands heute üblichen Vokalisierung von geminiertem bzw. silbenauslautendem -l(-) zu -u(-) (SDS II: 147) als Bouwä(ä)rch ausgesprochen. Sprecherinnen und Sprecher, denen das veraltende Appellativ Bollwerk nicht mehr bekannt ist, könnten den Namen Bouwä(ä)rch statt als Bollwerk n. ›Schutzbau (Werk) aus Bohlen‹ (dem Ndl. entlehnt, Kluge/ Seebold 2002: 138; Lexer 1872-1878/ 1970 I: 324; kein Eintrag im Id.) heute als Bauwerk deuten, da mhd. -û > nhd. -au im Silbenauslaut in den Dialekten des Berner Mittellands als -ou realisiert wird (SDS I: 152-155). Die Appellative Bollwerk und Bauwerk fallen in den entsprechenden Dialekten lautlich also zusammen. Vgl. 3.3.10.4. Das Appellativ schwzd. Bank f., älter m. ›Sitzbank‹, in Toponymen ›Terrasse, Fluhband‹ (Id. IV: 1380-1384; Zinsli 1946: 118, 312), erhält in großen Teilen der Schweiz mit Staubschem Gesetz (SDS II: 124-136a; Werlen 1977) eine Lautform der Art Bauch, Bäich u.ä. (Id. IV, a.a.O.). Wird das Appellativ zu Baach, liegt es lautlich so nah am Appellativ Bach m., dass nur die Vokalquantität die beiden Appellative noch unterscheidet. Wenn die (heute im Rückzug begriffene) Lautform Baach für Bank nicht mehr bekannt ist, findet nach Zinsli (1946, a.a.O.) die Umdeutung statt. 82 Vielbringen heißen ein Dorf in III Worb und drei Heimet in II Kirchberg. Die Namen sind mit dem ahd. Personennamen Vilmar (Förstemann I: 506) gebildet, wie die historischen Belege aus Worb zeigen: 1250-1256 heißt es für diesen Ort Vilmeringen (FRB II: 539, 686), 1294 und 1295 de Vilmaringen (FRB III: 581, 630). 81 Die lautliche Entwicklung ist also bezogen auf die germ. Wurzel fürs Deutsche irregulär. Dennoch wird sie hier zur regulären lautlichen Entwicklung gestellt, weil sie für die Personennamenkurzformen, wie Kaufmann zeigt, durchaus den Rang eines Lautgesetzes beanspruchen kann. Vgl. zum Phänomen auch Bach (I/ 1: § 93.1) und Sonderegger (1958: § 242). 82 Im Sinn einer lautlich nicht passenden Volksetymologie (3.3.3.4) kann er auch die alte Länge beibehalten. <?page no="100"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 100 Der Siedlungsname hat eine Parallele im heutigen Siedlungsnamen Villmergen (AG; Zehnder 1990: 449f.; LSG 2005: 934). Die zweite, schwächer betonte Silbe dieses Personennamens verliert im Lauf der Entwicklung ihren Vokal, es entsteht ein Siedlungsname *Vilmringen, der dann als reine Assimilation von -mrzu -brregulär in Vilbringen umgewandelt wird, erstmals belegt als vil bringen 1531 (U60: 94r). Dass danach tatsächlich eine Umdeutung in einen Satznamen (Gottschald 2006: 55-59; vgl. zum Phänomen auch 3.3.4.3) *vil bringe ›viel bringen‹ mit schwzd. vil ›viel‹ (Id. I: 774f.) und dem Verb bringen stattfindet, zeigt die heute geltende Schreibweise mit nhd. viel trotz Vokalkürze im Schwzd. (BENB I/ 1: 134f.). Der Rechtsbegriff nhd. Bann m., schwzd. Ba(n), Baan(n) m. bezeichnet ursprünglich u.a. ein obrigkeitliches Verbot unter Strafandrohung, etwa des Baumfällens, des Jagens und Fischens, des Betretens eines Gebiets (DRW I: 1192-1203; Id. IV: 1270- 1276; BENB I/ 4: 190-194). Mit abnehmender Bedeutung und Kenntnis des in Toponymen sehr häufigen Rechtsbegriffs und der in der Schweiz an sehr vielen Orten unter Schwund des auslautenden -n und (Ersatz-)Dehnung (TGNB II/ 2: 52f.) 83 entstandenen Lautung Baa m. kann das Appellativ besonders als Bestimmungswort von Komposita, in denen es nicht genuswirksam ist, in das Appellativ schwzd. Baa(n) f. ›Bahn‹ (Id. IV: 1268f.) umgedeutet weden (BENB I/ 4: 190). Der alte Rechtsbegriff kann jedoch auch Zielappellativ einer Volksetymologie sein: Der Name der Gemeinde II Bannwil enthält möglicherweise einen in dieses Appellativ umgedeuteten ahd. Personennamen (s. ausführlicher 3.3.8.1). Im westlichen Berner Mittelland wird auslautendes -nd nicht wie sonst verbreitet im Kanton Bern zu -ng, sondern zu -nn (SDS II: 120). Hier kann also ein Toponym, das das Appellativ Band n. (BENB I/ 4: 194f.) enthält, in Bann m. (ohne Schwund des auslautenden -n und Dehnung) umgedeutet werden. Die für weite Teile des Kantons Bern reguläre Lautentwicklung nd zu ng (SDS II: 119f.) ermöglicht Umdeutungen auch bei Namen mit dem Appellativ Wand f., und zwar in zwei Richtungen: Namen mit dem Element Wand f., im genannten Gebiet Wang f. können als Bildungen mit dem zwar ausgestorbenen, aus Toponymen aber bestens bekannten Appellativ mhd. Wang ›Wiesenabhang, Halde‹ (DWB XIII: 1747-1749; Id. XVI: 650-653; s. verschiedene Gemeindenamen Wangen, LSG 2005: 955f.) interpretiert werden. Umgekehrt können Wang-Namen als regulär weiterentwickelte Namen mit dem Element Wand gedeutet werden. Das Appellativ Wang als Bestimmungswort eines Kompositums kann daneben auch mit Inlautverhärtung (Zinsli 1960: 150f.) zu Wank werden, was Deutungen mit dem Verb wanken ermöglicht. Streng genommen ließen sich die eben genannten Fälle von Volksetymologie zur Volksetymologie ohne lautliche Veränderung (3.3.3.1) zählen, denn die lautliche Veränderung ist vor der Umdeutung bereits auf Stufe des Appellativs abgeschlossen. Sie sind hier dennoch unter dem Phänomen der Umdeutung als Folge einer Lautentwicklung aufgeführt, weil die Umdeu- 83 Die Dehnung ist allerdings schon vor dem -n-Schwund nachweisbar (Id. VI: 1270- 1276). <?page no="101"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 101 tung vielfach erst beim Toponym eintritt, nachdem das Appellativ nicht mehr verständlich ist. In einem besonderen Fall erscheint das Geschehen in umgekehrter Reihenfolge als nur vermeintliche Lautentwicklung des Toponyms: Das Dorf Enggistein in III Worb wird erstmals 1325 als ze Entcosten genannt (FRB V: 462, 463). 1473 taucht erstmals die Schreibweise ze Enggenstein auf (Rq6: 52,16). Das BENB (I/ 1: 85f.) deutet den Namen als wahrscheinliche Bildung mit einem früh nicht mehr verständlichen Personennamen Enggost (vgl. den Familiennamen Enggist) im schwachen Genitiv. Die Monophthongierung ei > Ŕ (ee) im Dialekt von Worb (SDS I: 109) habe dann dazu geführt, im genitivischen Toponym Entcosten eine ursprüngliche (tatsächlich hyperkorrekte) Bildung *Enggistein mit dem Appellativ Stein m. zu vermuten. Die Monophthongierung ist mhd. vor Nasal verbreitet (Boesch 1946: § 16); dass dies nicht nur eine Schreibweise ist, zeigt ein Beleg Mendly 1453 für heutiges Mendli, das Sonderegger (1958: § 118, S. 290) auf *gi-meinidlîn ›kleine Nutzungsgemeinde‹ zurückführt. In diesem Fall hätte die lautliche Entwicklung also nicht zur Homonymie des Toponyms mit einem Appellativ geführt, sondern umgekehrt eine reguläre Lautentwicklung zur Homonymie des Appellativs mit einem (diachron falsch analysierten) Element des Toponyms. Gegen diese volksetymologische Umdeutung spricht allerdings die für die das Flexikonsmorhem der Genitivendung vorauszusetzende Vokalkürze. Nach Kaufmann (1965: 1) müsste eine Personennamenvollform, wie sie für den Namen wohl anzusetzen wäre, außerdem stark flektieren. Greule (1996b: 359) kritisiert die Übernahme der Personennamenetymologie durch Burri (1995: 70-72) und schlägt alternativ eine Deutung mit lat. costa f. ›Halde, Hang‹ vor. Auch außerhalb des Kantons Bern enstehen durch lautliche Entwicklungen Homonyme mit der Möglichkeit einer Remotivierung. Für das Pustertal im Südtirol nennen Antenhofer/ Götsch (2006: 156) das Beispiel des in Toponymen verbreiteten Appellativs Rait. Die entsprechenden Namen sind entrundete Formen des Appellativs Reut ›Rodung‹ (vgl. Rüti, 3.3.4.2). Mit der Entrundung fallen sie lautlich zusammen mit reit-, der Stammsilbe des Verbs reiten. Die Umdeutung scheint verbreitet zu sein; dass es sich tatsächlich um eine Umdeutung handelt, ergibt sich nach Antenhofer/ Götsch (2006, a.a.O.) schon aus der Tatsache, dass Bauern ihre Pferde früher nicht zum Reiten, sondern als Arbeitstiere einsetzten. Dagegen seien die Herren, die als einzige geritten seien, kaum in abgelegene Bergtäler gekommen. Regionale Lautentwicklungen können gerade auch Sprecherinnen und Sprechern anderer Sprachvarietäten Anlass zu Volksetymologie geben, denen diese Entwicklungen weniger bewusst sind als den Sprecherinnen und Sprechern des lokalen Basisdialekts. Eine solche Entwicklung ist die Vokalisierung von geminiertem bzw. silbenauslautendem -l(-) zu -u(-) (SDS II: 147) im Berner Mittelland und am Jurasüdfuß. 84 84 Die Entwicklung ist relativ jung und geht vom Emmental aus; Zyro (1853: 453) erwähnt explizit, dass das Adjektiv und Adverb schwzd., nhd. alt im Emmental auwt <?page no="102"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 102 Die Gemeinde II Ballmoos (Fusion mit II Jegenstorf 2010) heißt im Dialekt Báumis mit l-Vokalisierung und Abschwächung und Hebung des Vokals im zweiten Kompositionsglied (Sonderegger 1958: § 24; vgl. BENB I/ 3: 322-331, bes. 325 mit den Siedlungsnamen Birmes < Birrmoos und Roormis < Rohrmoos). Das LSG (2005: 117) deutet das Bestimmungswort des Namens mit den historischen Belegen de Banmos 1269 (FRB II: 719) und von Balmis 1388 (FRB X: 479) mit dem Rechtsbegriff Bann m. (s. auch oben sowie Bannwil, 3.3.8.1). Die lautliche Entwicklung verläuft von Banmos zu assimiliertem *Bam-Mos und weiter als Dissimiliation oder (vgl. den Beleg balmmoos 1437; C2: 725) als historische Umdeutung in das heute mehrheitlich ausgestorbene Appellativ schwzd. Balm f. ›Felshöhle; Felswand‹ (Id. IV: 1215f.; Zinsli 1946: 311f.) mit anschließender Verschleifung zu Ballmoos (vgl. auch BENB I/ 4: 181-187). Der Zwischenschritt der Isolation vor der volksetymologischen Umdeutung kann bei diesem Namen ausfallen, weil es keine Phase gab, in der der Name völlig undeutbar gewesen wäre: Die schriftliche Form Ballmoos kann von auswärtigen Sprecherinnen und Sprechern ohne Kenntnis der dialektalen Lautform leicht als Bildung mit dem Appellativ nhd. Ball m. interpretiert werden. Die mündliche Form mit l-Vokalisierung lässt sich dagegen umdeuten in eine Bildung mit dem Appellativ Baum m. (in Ballmoos selbst Boum m.; SDS I: 124) und einer als solche wahrgenommenen Ortsnamenendung -is, wie sie für Gebiete der rom.-germ. Sprachgrenze typisch ist (Zinsli 1966; vgl. 3.3.4.2). Daneben gibt es auch den Fall, dass eine nicht einheimische Lautentwicklung die Umdeutung nur auswärtigen Sprecherinnen und Sprechern ermöglicht. Ein Dorf in der Gemeinde II Hasle bei Burgdorf trägt den Namen Schafhuse, amtlich Schafhausen im Emmental. Die Etymologie des Namens ist noch nicht geklärt, eine Parallelbildung zum - ebenfalls nicht eindeutig bestimmten - Namen der Stadt Schaffhausen im gleichnamigen Kanton ist auf Grundlage der ältesten sicheren Belege immerhin denkbar: Schafhausen wird 1240 als de Schafusin (FRB II: 216), 1250-1256 als Scafusin (FRB II: 536) erwähnt, 85 Schaffhausen 1170 als Scafhusin (LSG 2005: 803). Während für einheimische Sprecherinnen und Sprecher von der Schreibweise klar auf eine Lautung εafhús″ zu schließen ist, stellt sich einer Sprecherin, einem Sprecher mit einem Nordbzw. Ostschweizer Dialekt die Frage, ob sie bzw. er den Namen als εafhus″ bzw. εafhŷs″ ungedeutet lassen, als εaf(h)ſs″ an den Namen der Stadt angleichen oder als εĬfhŷs″ mit schwzd Schaaf(f), Schoof(f) n. ›Schaf‹ (Id. VIII: 285-296) in Zusammenhang bringt, weil in ihrem bzw. seinem Dialekt mhd. â verdumpft ist (SDS I: 61f.). ausgesprochen werde. Baumgartner (1922: §§ 9 u. 155) berichtet aus dem Seeland noch von älteren Personen, die nicht vokalisierten. Zum Zeitpunkt der Aufnahmen für den SDS im Kanton Bern (1939, 1944-1946, 1951; SDS Abschlussband 2003: 5-9) galt die Vokalisierung in Wörtern wie dem Verb schwzd. folge ›folgen‹ und dem Appellativ schwzd. Strääl m. ›Haarkamm‹ (Id. XI: 2215) schon für das ganze Berner Mittelland mit wenigen Ausnahmen (SDS II: 147, 149).c 85 Ein Erstbeleg Henricus de Safuîan 1231/ 1232 (FRB: N) ist nicht sicher dem Ort zuzuschreiben. <?page no="103"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 103 Toponyme auf fremdsprachiger Basis (vgl. auch 3.3.6.1) sind generell meistens isoliert. Führt ihre reguläre lautliche Entwicklung nach der Übernahme ins Alem. zu Homonymie mit einem alem. Appellativ, ist ihre Umdeutung umso wahrscheinlicher. Betroffen davon sind etwa alte Siedlungsnamen (vgl. auch 3.3.5). Die Stadt I Biel trägt heute offiziell den dt.-frz. Doppelnamen Biel/ Bienne. Die ersten urkundlichen Erwähnungen sind Bielna 1141 (MhEB1: 281), vineas apud Belnam 1142 (FRB I: 415), de Byelne oder de Bielno 1148 (FRB N). Beide gegenwärtigen Namenformen lassen sich lautgesetzlich aus kelt. *Belenć herleiten, das den Namen einer Gottheit enthält (LSG 2005: 153f.; BENB I/ 4: 313-316). Die alem. lautliche Entwicklung führt zu Homonymie des Siedlungsnamens mit dem Appellativ schwzd. Biel n. ›Beil‹ (Id. IV: 912f.). Dass der dt. isolierte Name tatsächlich in dieses Appellativ umgedeutet wurde, beweist das Wappen der Stadt, das zwei Beile abbildet (LSG 2005: 153; vgl. auch 3.3.13.5). Sehr viel häufiger führt die reguläre lautliche Entwicklung von Toponymen nicht zu Homonymie. Dennoch kann eine Umdeutung durchgeführt werden, wenn zumindest lautliche Ähnlichkeit besteht (vgl. auch 3.3.3.4). Der oben genannte Name der Stadt Biel ist nur annähernd homonym mit dem schwzd. Namen des Werkzeugs Beil n., das im Seeland allgemein Bieli n. heißt (SDS VIII: 140). Neben regulären können selbstverständlich auch irreguläre lautliche Entwicklungen die Voraussetzung für Volksetymologie schaffen. Dazu gehören die Verschleifung längerer Wörter, teilweise zu verstehen als Ökonomisierung, und unorganische Sprosslaute. Sie entstehen nicht auf der Grundlage von Lautgesetzen, sondern relativ spontan, und sind schon vordt. nachweisbar. Das Appellativ nhd. Obst n. geht über mhd. obez und ahd. obaz auf vordt. *ubaљtaz n. ›Dazu-Essen‹ zurück (Kluge/ Seebold 1989: 662). Bereits ahd. ist das Appellativ so verschliffen, dass es nicht mehr als Kompositum wahrgenommen wird. Von diesen Effekten sind auch verschiedene Toponyme betroffen. Das Dorf Rosshäusern (Gemeinde III Mühleberg), im Dialekt Rosshüsere, wird zuerst 1261 im Personennamenbeleg Uol. de Rodolfhüsern (FRB II: 533) erwähnt. Bereits in der zweiten Erwähnung 1310 heißt es dann ze Rоfshusren (FRB IV: 449) mit der Personennamenkurzform Ruef(f) (Id. VI: 629). So, als Rufhüseren (16. Jh.; UP Band 27) oder ähnlich wird der Ort bis ins 16. Jh. dokumentiert. Erstmals taucht dann 1479-1563 die Namenform Ross-hкsern (Ar I+II: 36, 39) auf. Noch 1677 heißt es Rоffs- oder Roßheüsern (Rq 7: 294). Ansonsten wird der Ort seit dem 17. Jh. durchgehend als Rosshäusern o.ä. überliefert, mit Ausnahme einer Schreibung Großhüseren 1740 (Rq 5: 329) (vgl. dazu auch 3.3.9). Der Name ist ganz offensichtlich als Besitzername mit dem Personennamen Ruodolf (Förstemann I: 885-920, bes. 919) entstanden. Das Bestimmungswort wird <?page no="104"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 104 in einem ersten Schritt abgeschwächt zur üblichen Personennamenkurzform, die vermutlich mit einem zum Monophthong tendierenden Vokal ausgesprochen wurde. Die daran anschließende Umdeutung in schwzd. Ross n. ›Pferd‹ (Id. VI: 1412-1417) kann aufgrund der allgemeinen Bekanntheit des Personennamens nicht als Umdeutung eines isolierten, nicht mehr verständlichen Personennamens (vgl. 3.3.1.2) verstanden werden. 86 Vielmehr führte die - anders als im Personennamen selbst - verschliffene Aussprache des Siedlungsnamens zur Homonymie mit dem Appellativ und damit zur Umdeutung. Bei irregulärer lautlicher Entwicklung können Ursache und Wirkung schwierig zu bestimmen sein: Folgt die Umdeutung einer nicht lautgesetzlichen Entwicklung, die zu Homonymie führt (s.u. 3.3.3.3), oder ist die Lautanpassung die Folge der Umdeutung in ein Zielappellativ? Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, vorsichtig davon auszugehen, dass irreguläre Lautveränderungen nicht spontan auftreten, sondern eher die Folge einer Umdeutung sind. In der Gemeinde II Seeberg gibt es ein Dorf namens Grasswil, das im Dialekt Grosswíl genannt wird. Erstmals belegt ist es 1250-1256 als Graolzwile (FRB II: 536), der erste monophthongische Beleg lautet de Graswile 1311 (FRB IV: 450). Ab dem 16. Jh. treten Formen mit o auf: Grosswill 1520 (UP: 188). Das BENB U(I/ 2: 99f.) erkennt im Namen eine Bildung mit einem ahd. Personennamen Graolt < *Grawolt < *Grawo-walt (Förstemann I: 688). Die weitere Entwicklung läuft nach BENB über Extremverdumpfung mhd. a (hier entstanden aus ao) > o in Verbindung mit volksetymologischer Anlehnung an das Adjektiv groß, mhd. grôκ (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 1093f.). Die Extremverdumpfung bis zum Ā ist für die Gegend um Seeberg vereinzelt nachgewiesen (SDS I: 61f.). Im vorliegenden Fall müsste allerdings eine zwischengeschaltete Lautentwicklung angenommen werden: Weil die Extremverdumpfung nur Langvokale betrifft, wurde entweder -aozu mhd. -âmonophthongiert, dann verdumpft und anschließend irregulär gekürzt (der aktuelle Name enthält einen Kurzvokal) oder es muss eine irreguläre Extremverdumpfung bei kurzem ñ (SDS I: 11) angenommen werden. Weil historische Belege mit eindeutiger Vokallänge fehlen, scheint mir Letzteres eher zuzutreffen. Die irreguläre Extremverdumpfung könnte direkt mit der Umdeutung zusammenhängen. Die Umdeutung in das Adjektiv groß ist allerdings unvollständig (s. 3.3.3.4), da sie lautlich (in der Vokalquantität) nicht ganz umgesetzt ist. 87 86 Weil die Umdeutung erst spät eintritt, wird der Name nicht unter 3.3.8.1 besprochen. 87 Eher auszuschließen ist eine sekundäre Verkürzung in Komposita wie Großmutter nach Brandstetters Gesetz (Brandstetter 1890: § 70, S. 258; SDS II: 79f.). Diese Verkürzung betrifft die Silbe mit Hauptakzent, während Grasswil den Hauptakzent wie fast alle Berner Gemeindenamen mit -wil auf dem Grundwort trägt (LSG: 1004f.; Ausnahmen bilden nur diejenigen Namen, bei denen das Grundwort zu -(b)u verschliffen ist, sowie Walterswil). <?page no="105"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 105 3.3.3.3 Lautliche Veränderung als Folge von Volksetymologie Volksetymologien, in deren Folge Namen lautlich verändert werden, lassen sich anhand der historischen Belegreihe bestimmen: Bei der Umdeutung tritt ein nicht lautgesetzlicher Wandel ein. Ursache und Wirkung sind wie oben (3.3.3.2) erwähnt nicht immer leicht zu bestimmen; während Assimilation und Dissimilation auch ohne Remotivierung verbreitet sind, dürften andere ungesetzliche Phänomene eher die Folge einer Umdeutung sein. Mayer (1962: 54) spricht diesbezüglich von einer Klasse von Volksetymologien als phonologischer Angleichung an bestehende Wortformen, um phonologisch unmotivierte, d.h. nicht in die phonologische Struktur der betreffenden Sprache passende Wörter wieder einzugliedern. Umdeutung tritt ihm zufolge dabei allerdings nur sekundär auf. Männlichen, auch Männlechen ist der Name eines Berggipfels in Itramen (V Grindelwald)/ Wengen (V Lauterbrunnen)/ V Lütschental. Der Name wurde von einer Alp übertragen, die schon 1398 als Menlicha (Rq8: 99) erwähnt wird. Der Name wird von Gatschet (1867: 21) zu schwzd. Mann(s)le(c)he(n) n. u.ä., mhd. manlê(he)n n. ›nur im Mannesstamm vererbliches Lehen‹ (Id. III: 1238; Lexer 1872-1878/ 1970 I: 2033) gestellt. Dieser Deutung schließen sich Zinsli (1960: 157) und vorsichtig das BENB (I/ 3: 223f.) an. Die lautliche Entwicklung von *mannl xen, das auf dem Bestimmungswort zumindest einen Nebenakzent trägt, zu m nnl▪x″n/ m nnl″x″n erklärt sich meines Erachtens am zwanglosesten als Umdeutung des Kompositums in das Adjektiv nhd. männlich, mhd. mannenlich, menlich (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 2033) mit dem Suffix -lich. Ein recht verbreitetes Phänomen ist die Deglutination (s. ausführlicher 3.3.4.3). Sie nährt sich aus dem Wissen, dass gerade Mikrotoponyme, deren appellativischer Charakter oft noch sehr deutlich ist, häufig mit Artikel/ Präposition verwendet werden. Die lautliche Veränderung präsentiert sich bei der Deglutination als Verkürzung des betroffenen Namens um den Anlaut oder um eine anlautende Silbe. Formal handelt es sich um die Resegmentierung eines Namens als (vermeintlicher) Artikel/ (vermeintliche) Präposition plus Name. Die Umdeutung betrifft also den Namenteil, der nach der Umdeutung nicht mehr zum Namenkern gehört, während der danach als eigentlicher Name empfundene Teil vor wie nach der Umdeutung isoliert sein kann. 88 Ein Wald namens Ieschberg in II Alchenstorf heißt in den ersten Belegen von 1470/ 1490 mÿestberg, miestberg, mкsperg, müstberg, кstberg (U44: 107, 109, 119, 88 Wenn man mit van Langendonck (2007: 18) davon ausgeht, dass selbst in Nominalphrasen wie Der Rhein (ein Name, der nicht artikellos verwendet wird) der Artikel nicht zum eigentlichen Namen gehört, könnte man also streng argumentieren, dass die Deglutination keine Umdeutung des Namens, sondern lediglich eine Deutung des deglutinierten Namenelements als Artikel/ Präposition ist. <?page no="106"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 106 121, ). Schon hier deutet sich die Deglutination eines vermeintlichen am (Artikel und Präposition im Dativ Singular) an. Das Bestimmungswort des Namens ist schwzd. Mies, Miesch n./ m. ›Moos, am Boden und an Bäumen‹ (Id. IV: 467f.; BENB I/ 2: 339f.; I/ 3: 288f.). Dieses Appellativ wurde hier (wohl auf Grund eines in den Erstbelegen auftretenden unorganisch angetretenen -t-, das in den späteren Belegen jedoch wieder fehlt) ohnehin nicht mehr verstanden und unterlag in der Folge der Deglutination. Der Name nach der Deglutination bleibt isoliert und ungedeutet. Die Deglutination kann auch zu einer Umdeutung des übrig bleibenden Namenteils führen bzw. die Deutbarkeit nach der Deglutination kann diese erst auslösen. Ein Stadtberner (III) Quartier an der Aare heißt Marzili und wird von BENB (I/ 3: 242) mit einem Erstbeleg eines P. Marsili 1295 (FRB III: 604; tatsächlich wird schon 1273 im Zusammenhang mit der Berner Stadtmühle ein Uolricus Marsili genannt; FRB III: 31) als Besitzername im Simplex gedeutet, wobei die Entstehung der heutigen affrizierten Form, nachgewiesen erst seit dem 16. Jh., ungeklärt bleibt. Der nicht verständliche Name hat zu verschiedenen Deutungsversuchen Anlass gegeben, die sich teilweise auch im Schriftbild niederschlugen. 1572 heißt es Marckzilli, 1574 Markzili (C3: 434, 436), worin allenfalls eine pleonastische Umdeutung (vgl. 3.3.1) in schwzd. March f. ›abgegrenztes Gebiet, besonders einer Mark- oder Dorfgenossenschaft‹ (Id. IV: 388f.), allerdings mit gegenüber dem Schwzd. unverschobenem germ. -k (vgl. mhd. march, mark f. ›Grenze‹; Lexer 1872-1878/ 1970 I: 2048) und Zil n. (u.a.) ›Grenze, begrenztes Gebiet‹ (Schwäb. Wb. VI: 1197-1200) 89 zu erkennen ist (vgl. auch die Wendung Alles in Zihl und Markht in einem Churer Kaufbrief von 1691, zit. nach Id. VI: 389). 90 Bei Durheim (I: 22; II: 1) heißt das Quartier dann im Aarziele, eine Bezeichnung, die den eigentlichen Namen Marzili offenbar für eine agglutinierte Form (s. dazu unten) hält. Diese Benennung ist nicht Durheims Erfindung, sondern reflektiert den Namen gemäß offizieller Stadteinteilung des 18. Jh. (Weber 1976: 238f.). Der Name ist zu verstehen als Pluralkompositum aus dem Namen der Aare (die allerdings im Gegensatz zum Marzili mit Langvokal gesprochen wird) und dem Appellativ nhd. Ziel n., im Plural Ziele, weil die Aare hier ihr Ziel, die Stadt Bern, erreicht hat (bis ins 19. Jh. traf sie im Marzili erstmals direkt auf Berner Siedlungsgebiet). Die Bezeichnung war so verbreitet, dass 1820 die Marzilistrasse in Aarzielestrasse umbenannt wurde, wogegen das Marzili bis in die 1870er Jahre offiziell Marzieli geschrieben wurde (Weber 1990: 200, 201). Im Unterschied zum oben genannten Namen Ieschberg war hier nicht die Umdeutung des anlautenden min einen Artikel Auslöser der Veränderung, sondern die Umdeutung des nach der Deglutination verbleibenden Namens. Richtig volkstümlich wurde der Name nicht; die Straße heißt heute wieder Marzilistrasse. 89 Der entsprechende Band des Id. ist noch nicht erschienen. 90 Unwahrscheinlich ist dagegen eine Umdeutung in das Appellativ Markt m., das in Bern Märit heißt (Id. IV: 409-412). <?page no="107"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 107 Das Gegenphänomen zur Deglutination, die Agglutination (vgl. auch 3.3.4.3), ist ebenfalls häufig: Artikel oder Präposition (bzw. ihr Auslaut) werden als Elemente des Namens wahrgenommen. Der Name der Gemeinde III Zäziwil mit dem verbreiteten Grundwort -wil kann nach LSG (2005: 983) auf zwei Formen zurückgehen: Im Bestimmungswort findet sich entweder der ahd. Personenname Zazo, Zez(z)o (Förstemann I: 1392) oder der ahd. Personenname Azo, Adso, E(t)zo (Förstemann I: 219) im schwachen Genitiv. Im zweiten Fall wäre eine mhd. Präposition ze, zuo ›zu, in, an, bei‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 III: 1036f.; schwzd. als Ortspräposition für Gemeindenamen in der Bedeutung ›in‹ heute noch gebräuchlich) agglutiniert. Die so entstandene Form wird kaum weiter gedeutet. Die Beleglage lässt keine eindeutige Entscheidung zu, spricht aber für den Personennamen Zazo: Seit dem Erstbeleg in Cezzenwile 1299 (FRB III: 752) lautet der Siedlungsname stets konsonantisch an, erst 1577 heißt es erstmals Zezenwyl vel zuo Etzenwyl vicus (Sch: 14b). Nicht immer ist die lautliche Veränderung infolge der Umdeutung von Namen auffällig; einige Namen scheinen auf den ersten Blick lautlich unverändert zu sein. Bei genauerem Hinschauen zeigen sich jedoch geringfügige vokalische Anpassungen und verschobene Akzente, wie sie auch Mayer (1962: 61) in Zusammenhang mit Volksetymologie nennt. 91 Das Opital, ein Heimet in der Gemeinde IV Lenk, ist mit dem Erstbeleg von dem Oppental 1502 (U157: 97) als eine Bildung mit dem Grundwort Tal n. und einem ahd. Personennamen *Oppo o.ä. (Förstemann I: 1173) im schwachen Genitiv (mit späterer Mittelsilbenerhöhung) in der Bedeutung ›Tal des Oppo‹ zu deuten (BENB I/ 4: 97). Ungewöhnlich ist die aktuelle Betonung des Namens als Opitál statt eigentlich zu erwartenden Ópitals. Die plausibelste Erklärung dafür ist eine Umdeutung in das Appellativ frz. hôpital m. ›Krankenhaus, Spital‹ (in diesem Fall eine fremdsprachige Volksetymologie; vgl. 3.3.6.2). 92 3.3.3.4 Unvollständige Volksetymologie Manche Volksetymologien stimmen lautlich nicht: Das Zielappellativ einer Umdeutung ist im betroffenen Namen lautlich gar nicht repräsentiert. Die Kollision zwischen zwei Wortfamilien, wie Baldinger (1973: 26) sie nennt, führt nicht zwangsläufig bis zur tatsächlichen Homonymie. Es handelt sich bei diesen Volksetymologien also um Volksetymologien ohne lautliche Veränderung (vgl. 3.3.3.1) bzw. ohne vollständige Angleichung. 93 91 Vgl. zu derartigen geringfügigen Veränderungen auch 3.3.4 mit Fällen, bei denen nur ein Genuswechsel auf eine Umdeutung hinweist. 92 Eine ursprüngliche rom. Bildung mit lat. *hospitale n. ›Herberge‹ (REW 1992: 4186; vgl. den Gemeindenamen Hospental UR; URNB II: 275-282) ist aus lautlichen und historischen Gründen auszuschließen (BENB I/ 4, unveröffentlicht). 93 Der Unterschied zwischen unvollständigen Volksetymologien und Volksetymologien ohne lautliche Anpassung liegt darin, dass bei Letzteren eine lautliche Veränderung gar nicht nötig ist, weil Ursprungs- und Zielappellativ (oder Name) ohnehin homo- <?page no="108"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 108 Rundblad/ Kronenfeld (2003: 124f.) sprechen diesbezüglich von folk etymology with a tendency to preserve rather than change the form […] of the word als einem Großteil aller Volksetymologien. Diese Volksetymologien entsprechen nach Rundblad/ Kronenfeld Vennemann gen. Nierfelds zweiter Kategorie der Volksetymologie als Etymologie (vgl. 2.2.2.6), bei der eine Deutung von der Sprecherin, dem Sprecher hergestellt werden muss, weil sie sich nicht selbstverständlich ergibt. Mayer (1963spricht von semantischer Motivation im Gegensatz zu rein phonologischer Motivation (bei der Wörter phonologisch irregulär verändert werden, ohne dass eine eigentliche Umdeutung entsteht) und phonologischsemantischer Motivation (bei der lautliche Anpassung und semantische Motivation gemeinsam auftreten). 94 Bernhard (2004: 93, 97f.) erwähnt unterschiedliche Grade der Motivierung von der Teilangleichung (ohne lautliche Übereinstimmung) bis hin zur Vollmotivierung, bei der das gesamte betreffende Wort deutbar ist. Ein appellativisches Beispiel für eine solche unvollständige Volksetymologie ist das Appellativ nhd. Brosamen m./ f. Plural, das mhd. noch ein Simplex brosem, brosme f. ›Brosame, Krume‹ ist und in dem heute verbreitet ein Kompositum aus den beiden Appellativen nhd. Brot n. und nhd. Samen m. wahrgenommen wird (Kluge/ Seebold 2002: 152; Lexer 1872-1878/ 1970 I: 359; Krämer/ Sauer 2001: 17). Die Schweizer Namenbücher, so auch das BENB, sprechen im allgemeinen nicht von Volksetymologie, sondern unspezifisch von Anlehnung an andere Appellativ, wenn ein Name Anzeichen der Umdeutung zeigt, lautlich aber nicht recht zum Zielappellativ passt, oder wenn eine Umdeutung nicht dauerhaft bzw. allgemein ist. Die Unterscheidung in Volksetymologie und Anlehnung ist dabei recht unscharf. Der Name der Gemeinde I Meikirch, 1208 (eventuell spätere Fälschung) erstmals überliefert als villa, que dicitur Mиnchilcha (FRB I: 500), 1263 als Mдchilchun (FRB II: 580), tritt 1353 erstmals in der entrundeten Form Mekilch auf (FRB VIII: 30). Das BENB (I/ 3: 264) erkennt in der weiteren Entwicklung verschiedene volksetymologische Umdeutungen und im 19. Jh. das Entstehen der heutigen diphthongierten Schreibform in Anlehnung an den Monatsnamen Mai m. Dass der Gemeindename nicht wie der Monatsname mit (erst nhd.) -aigeschrieben wird, ist eher als Bestreben zu werten, die Umdeutung in den Monatsnamen in der Schreibweise nicht zu repräsentieren (Homonymenflucht; nym sind (vgl. das Beispiel Friedhof), während sich Ursprungs- und Zielelement bei Ersteren nicht decken. 94 In der engl. Sprache, die Mayer untersucht, scheint dies viel leichter aufzutreten, weil etymologisch verwandte Wörter (Elemente einer Wortfamilie) je nach Betonungsverhältnissen im Engl. lautlich deutlicher von einander abweichen können als im Dt. (vgl. die beiden Sprachen gemeinsamen Wörter Nation und national in jeweiliger Aussprache). <?page no="109"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 109 Metzler Lexikon Sprache 2000: 280; Bußmann 2002: 283), nicht als nur teilweise Umdeutung. Anlehnung kann im Verständnis des BENB also nur bedingt als eine abgeschwächte, unvollständige Variante der Volksetymologie angesehen werden; je nach Verwendungszusammenhang bezeichnet der Terminus durchaus dasselbe wie Volksetymologie. Tatsächlich ist die vom BENB Anlehnung genannte Umdeutung des Gemeindenamens Meikirch mit dem Monatsnamen sehr naheliegend, ihre Unvollständigkeit liegt nur im Schriftbild. In etwas anderem Zusammenhang verwendet das BENB den Terminus Anlehnung beim Namen Milke für einen Weiler mit Käserei in III Wahlern (I/ 3: 291f.). Vermutlich sei dieser, erstmals 1338 in Johans von Milchon belegt (FRB VI: 401), mit schwzd. Milch n. (hier) ›Gesamtheit der Käse, die während des Sommers auf einer Alp gemacht werden‹ (Id. IV: 198-201). Die spätere Schreibung, nachgewiesen seit 1433 als Milkon (U78: 893, 921), könne sowohl von der nahen Sprachgrenze beeinflusst als auch eine Anlehnung an schwzd. Molke f. ›das Gemolkene, Gesamtertrag an Milch‹ (Id. IV: 212) sein und habe vermutlich als heute ausgestorbenes Appellativ regional ›Käserei‹ bedeutet. Allerdings ist nach Boesch (1946: § 28, S. 161) für das 13. Jh. für -k nach lauch die Schreibweise ch nachgewiesen, der Wandel der Schreibweise muss also keine lautliche Anpassung und damit keine Anlehnung oder Umdeutung repräsentieren. Namen mit berndt. Mole n./ m./ f. ›Molch‹ (Id. IV: 172f.) zeigen nach BENB (I/ 3: 307) verschiedentlich Anlehnung an schwzd. Ma(a)l, Mo(o)l n. ›Fleck‹ (Id. IV: 172f.) - hier würde ich eindeutig von Volksetymologie sprechen. Bei der neueren Lautung Luderflue für älteres Luederflue in III Bolligen (ohne historische Belege) spricht das BENB (I/ 3: 174f.) von euphemistischer Anlehnung an den Familiennamen Luder (FNB III: 393) anstelle des ursprünglichen schwzd. Appellativs Lueder n. ›Aas, Tierkadaver, Lockspeise; schlechter, liederlicher Mensch, bes. weibliche Person, die ein unsittliches Leben führt‹ (Id. III: 1104f.). Auch in diesem Fall scheint Anlehnung synonym mit Volksetymologie zu sein. Daneben verwendet das BENB den Terminus Anlehnung auch dann, wenn keine Umdeutung stattfindet, sondern lediglich die morphosyntaktischen Gegebenheiten angepasst werden. Das Namenelement schwzd. Laagel, Loogel n. ›längliches Fass‹ (Id. III: 1167ff.) trug noch in mhd. lâgel(e), lægel(e) f. Genus. Der Genuswechsel ist nach BENB (I/ 3: 17) und Id. (a.a.O.) als Anlehnung an das synonyme Appellativ Fass n. zu verstehen. Ich schlage vor, den Terminus Unvollständige Volksetymologie zu verwenden, wenn eine Umdeutung in Laut- oder Schriftbild nicht dem Zielappellativ entspricht: Anlehnung setzt in jedem Fall eine semantische Identifizierung zumindest bei der Einzelsprecherin, dem Einzelsprecher (vgl. 3.3.9) voraus. Die relevante Größe sehe ich in der fehlenden Anpassung im Laut- <?page no="110"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 110 bild. 95 In manchen Fällen ist die Unvollständigkeit einer Volksetymologie (oder die Volksetymologie an sich; vgl. 3.3.10.2) auch lediglich ein Phänomen der Verschriftlichung und im mündlichen Namengebrauch gar nicht feststellbar, wie der Siedlungsname Meikirch zeigt. Die Tatsache, dass bei einer Umdeutung die lautliche Anpassung unterblieben ist, kann einen Hinweis darauf geben, dass eine Volksetymologie nicht allgemein und konventionell ist, sondern nur von einzelnen Sprecherinnen und Sprechern realisiert wird. Die lautliche Differenz zwischen einem Toponym und dem volksetymologisch wahrgenommenen Namenelement erklären sie sich unter Umständen als spätere verdunkelnde Verschleifung oder Veränderung, die den Namen von seinem Ursprung entfernt hat. Manchmal ist die Abweichung zwischen dem wahrgenommenen Appellativ und dem Namen lautlich so groß oder die Bedeutung des Appellativs so überraschend, dass die Erklärung mit Legenden gestützt wird (vgl. 3.3.13). Der Siedlungsname Allmendingen tritt im Raum der Stadt Bern zweimal auf: Einmal als Name eines 1920 in III Thun eingemeindeten Dorfs, einmal als 1993 von III Rubigen losgelöste Gemeinde im Aaretal. Der erste Name ist erstmals 1287 als de Almendingen (FRB III: 423) belegt. Einen Hinweis auf seine Bildungsweise gibt der Beleg geschach dis ze Alwandingen 1308 (FRB N). Im 15. und 16. Jh. erscheint der Name auch als Albeldingen, Almeldingen u.ä., danach nur noch als Almendingen u.ä. (BENB I/ 1: 19f.). Der zweite Name erscheint zuerst 1240 als Alwandingen (FRB II: 201), 1252 als Alwedenges (FRB II: 351), 1263 als Alminding (FRB II: 584), ab Mitte des 15. Jh. dann nur noch als Almendingen u.ä. (BENB I/ 1: 19). Das BENB (a.a.O.) stellt den Aaretaler Siedlungsnamen zu einem ahd. Personennamen Alwand (kein Eintrag bei Förstemann I und Kaufmann 1968). Beim Thuner Siedlungsnamen überlegt sich das BENB alternativ auch eine Bildung mit dem Appellativ schwzd. Allme(i)nd f. ›noch ungeteilter Grundbesitz einer Gemeinde, gemeinsam genutztes Weideland‹ (Id. I: 190-192) in Zusammenhang mit der schon 1375 erstmals erwähnten, bekannten Thuner Allmend (BENB I/ 1: 18f.). Seit Mitte des 14. Jh. hätten sich die Schreibweisen der beiden nah beieinander gelegenen Orte gegenseitig beeinflusst, das Aaretaler Allmendingen sei an das Appellativ Allmend angelehnt worden. Im Dialekt werden heute beide Toponyme als áum″diό″ ausgesprochen. Zumindest in der Gegenwart scheint die Umdeutung in das Appellativ also unvollständig zu sein: In Thun heißt das Appellativ Allmid (SDS IV: 83; daraus zu erschließen im Dialekt wohl áumid); für das Aaretal ist das Appellativ nicht nachgewiesen, die Umdeutung müsste also entweder wie in Thun auf Allmid oder auf gemeinschwzd. Allme(i)nd mit Erstsilbenbetonung beruhen. Der Name von III Amsoldingen ist ebenfalls nicht vollständig umgedeutet. In den Erstbelegen nach 1175 heißt es dederit illud ecclesie Ansoltingensi (FRB I: 456), 95 Man könnte dieses Phänomen auch Partielle Volksetymologie nennen. Der Terminus scheint mir aber nicht zutreffend, da die Umdeutung bei den Personen, die sie vornehmen, nicht partiell, sondern zumindest vorübergehend vollständig ist. <?page no="111"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 111 Chunradus dictus Sprangli de Ansoltingen (FRB I: 457). Die späteren Formen zeigen eine teilweise Angleichung an den Vogelnamen schwzd. Amsle f. ›Amsel‹ (Id. I: 241), der sich im Schriftbild jedoch nicht völlig durchsetzte: 1412 ist erstmals die Rede von Amsolltingen (U 165: 7b). Das -oder unbetonten Nebensilbe bleibt im Schriftbild bis in die Gegenwart erhalten. Es ist daher entgegen BENB (I/ 1: 29f.) nicht auszuschließen, dass es sich hier lediglich um eine lautliche Assimilation und nicht um eine Umdeutung (bei Resegmentierung von Amsoldingen zu Amsel-dingen) handelt. Im heutigen mündlichen Gebrauch ist der Nebensilbenvokal abgeschwächt und mit nachfolgendem -lzu -uvokalisiert, das auslautende -n der Erstsilbe geschwunden, womit der Name heute asǾd▪όe lautet und eine Umdeutung nicht nahe legt. 96 Vgl. auch Volksetymologien, die nur von Einzelpersonen realisiert werden und keine allgemeine Verbreitung genießen (vgl. 3.3.9). 3.3.4 Sprachliche Ebene: Morphologie Die morphologische Struktur eines Namens kann Volksetymologie begünstigen und sogar auslösen. In Siedlungsnamenkomposita ist häufig das Grundwort klar erkennbar, das Bestimmungswort dagegen isoliert. Dies betrifft insbesondere Siedlungsnamen (vgl. 3.3.5.1), deren Grundwort appellativisch wie -berg leicht verständlich oder wie -ingen oder -wil zwar isoliert, aber eindeutig als Grundwort eines Siedlungsnamens erkennbar sind. 97 Volksetymologie in Komposita kann mit einer Reanalyse der morphologischen Struktur von Namen (Resegmentierung) 98 einhergehen, wenn etwa Simplicia als Komposita reinterpretiert werden oder umgekehrt. Volksetymologie auf morphologischer Ebene kann neben lexikalischen Elementen (Lexemen) auch Derivationssuffixe und reine Flexikonsmorpheme betreffen. 3.3.4.1 Komposita Komposita sind für die Untersuchung von Volksetymologie von besonderem Interesse. Aufgrund ihrer Länge gelten sie als anfällig für die Umdeutung, wenn sie von den Sprechenden nicht mehr als Komposita, sondern als Simplicia wahrgenommen werden und dadurch isoliert dastehen. Die 96 Dagegen habe ich persönlich von Dialektsprechenden, die nicht unmittelbar aus Amsoldingen stammen, die Lautung amsǾd▪όe gehört, die eine Umdeutung zumindest möglich erscheinen lässt. 97 Die große Mehrheit der alten Siedlungsnamen auf -wil ist mit einem (ahd.) Personennamen im Bestimmungswort gebildet ist. Es wäre daher zu überlegen, ob neuere Prägungen mit einem Appellativ im Bestimmungswort (etwa Aarwil; s. 3.3.8.1) nicht überhaupt erst durch die Umdeutung älterer Namen in Bildungen mit Appellativen ermöglicht wurden. 98 Mayer (1962: 62, 79) spricht von der neuen Aufgliederung eines Worts. <?page no="112"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 112 Reanalyse von Komposita als Simplicia findet natürlich nicht nur bei Toponymen, sondern auch auf der Ebene von Appellativen statt. Betroffen sind etwa sehr alte (vordt.) Komposita. 99 Umgekehrt kann ein mehrsilbiges Simplex auch in ein Kompositum umgedeutet werden, insbesondere wenn ein Teil des Wortes lautlich an ein Appellativ (oder an ein anderes Toponym; vgl. Coates 1987: 321; Rundblad/ Kronenfeld 2003: 133) anklingt. 100 Coates (a.a.O.) nennt als engl. Beispiel das dem Lat. entlehnte Simplex asparagus ›Spargel‹, das im 19. Jh. als sparrow-grass ›Spatzengras‹ reanalysiert wurde. Ein dt. Beispiel dafür ist Tol(l)patsch m., das mit Tölpel m. ›Klotz, grober Mensch‹ und dem Verb patschen ›ins Wasser schlagen‹ in Verbindung gebracht wird, ursprünglich aber ›ungarischer Fußsoldat‹ bedeutete und auf das Adjektiv ung. talpas ›breitfüßig‹ zurückgeht (Kluge/ Seebold 2002: 919, 687). Wie diese beiden Beispiele zeigen, tritt die Reanalyse eines Simplex als Kompositum gern bei Fremdbzw. Lehnwörtern auf, wenn Kompositionen der Ursprungssprache nicht mehr als solche wahrgenommen werden, doch kommt sie auch im ererbten Wortschatz vor. 101 Im Material des BENB sind echte Reanalysen von Simplicia als Komposita kaum vertreten. Verbreiteter ist die Reanalyse vordt. Komposita und von Ableitungen (3.3.4.2). Chämmmatte (Plural) heißt ein Stück Kulturland in II Fraubrunnen. Seit dem ersten sicheren Beleg Kennmatten 1513 (Zryd 1942: 50) scheint der Name ein Kompositum mit dem Bestimmungswort schwzd. Matt(e) f. ›ebene Grasfläche, Wiese‹ (Id. IV: 548) zu sein. Dennoch stellt das BENB (I/ 2: 407f.) den Namen in eine Reihe mit einem Beleg apud Cheminatum 1258 (FRB II: 475), der wahrscheinlich aus der Gegend Fraubrunnen stammt, und deutet den Namen mit ahd. keminćta f. ›heizbares Zimmer‹, mhd. kemenate f. ›Gemach mit Feuerstätte, besonders Schlafgemach; Frauengemach; Wohnzimmer; Gerichtsstube; Wohnhaus‹, aus dem schwzd. Chämmete f. ›Gerichtsstube‹ entstand (Starck/ Wells: 326; Lexer 1872-1878/ 1970 I: 1545; Id. III: 260f.; Kluge/ Seebold 2002: 483). Dieses Simplex ist eine Entlehnung von lat. caminata f. ›Raum mit einer Feuerstelle, Schlafzimmer, Feuerstelle‹, seinerseits eine Suffixbildung zu caminus m. ›beheizbarer Raum‹ (Niermeyer 1976: 120f.). In manchen Fällen ist die Volksetymologie mit einer Resegmentierung bestehender Komposita in andere Komposita verbunden, wobei die Kompositionsfuge verschoben wird (Baldinger 1973: 38). Der Name der Gemeinde II Münchringen geht mit der Reihe der ältesten historischen Belege Munderchingen 1261-1263 (FRB II: 537), 1264 (Qs: XV/ 1/ II: 14) zu- 99 Vgl. etwa Obst n. (3.3.3.2). 100 Bernhard (2004, passim) spricht von nicht-vollständiger Motivierung, wenn nur ein Teil eines Kompositums umgedeutet wird. 101 Vgl. etwa Brosamen m./ f. Plural (3.3.3.4). <?page no="113"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 113 rück auf eine Bildung mit dem ahd. Personennamen *Mundarich, Munderich (Förstemann I: 1135) und dem Siedlungsnamensuffix -ingen. Bereits seit dem dritten Beleg in Mкnrkingen 1300 (FRB IV: 27) tritt der Name durchgehend um eine Silbe gekürzt auf. 1312 erscheint erstmals die Metathese zu Mрnchringen (FRB IV: 535), um 1350 heißt es auch ze Mрrnchingen (FRB N). Nach mehreren Erwähnungen als Mрnchingen im 14. Jh. ist die Silbenstruktur dann ab dem 15. Jh. mit Münch(e)ringen o.ä., 1531 Mulchringen, Mülchringen (U59: 141), festgelegt (BENB I/ 3: 367f.). Die ursprüngliche Kompositionsfuge liegt nach der Metathese Mundarich > *Mun(d)ch(a)r im verschliffenen, isolierten Personennamen zwischen -r- und -i-: Münchr-ingen. Diese Silbenstruktur ist dem Dt. fremd und führt zur Resegmentierung in Münch-ringen. Geht man von einer Lautform *Müncheringen mit (im Schriftbild erst im späten 15. und 16. Jh. belegtem) Vokal e (Schwa) aus, wäre die Silbenstruktur *Mün-che-ring-en. In beiden Fällen führt die Silbenstruktur fast zwangsläufig zu einer Reinterpretation des Siedlungsnamens als Bildung mit dem Appellativ (älter) schwzd. Münch m. ›Mönch, Klosterbruder‹ (Id. IV: 318f.; BENB I/ 3: 364-366). Das Grundwort kann ungedeutet als -ingen belassen werden, wobei das -rdann unmotiviertes, überschüssiges Sprachmaterial wäre; es kann auch als Ring m. remotiviert werden, womit der Siedlungsname in etwa als *bei den Münchringen ›bei den Ringen des Mönchs‹ zu verstehen wäre. 102 Beispiele für historische Volksetymologie an der Kompositionsfuge sind verschiedene Toponyme mit einem Grundwort, das nicht eindeutig feststellbar ist: Toponyme wie Lampistal (II Wohlen-Säriswil; BENB I/ 3: 26), Magistall (IV Reutigen; BENB I/ 3: 212), Mattstall (II Oberburg, II Sumiswald, III Bleiken, III Köniz-Liebefeld, III Konolfingen-Gysenstein, III Oberdiessbach (nur historisch), III Oberthal, III Worb; BENB I/ 3: 248f.), Mechlistall (IV Diemtigen; BENB I/ 3: 256), Nettstall (IV Reichenbach-Scharnachtal; BENB I/ 4: 21f.), Wärgistal (V Grindelwald; BENB Dok.) und Zitistal (II Heimiswil; BENB Dok.) können sowohl mit dem Grundwort schwzd. Stall, Staal m. in älterer Bedeutung ›Stelle, Platz‹, in Flurnamen ›Wohnstelle, Siedlung‹, mhd. stal m. (Genitiv stalles) ›Steh-, Sitz-, Wohnort‹ (Id. IV, 4f., 13f.; Lexer 1872-1878/ 1970 II: 1130; Kluge/ Seebold 2002: 847, 880) oder mit dem Grundwort Tal n. gebildet sein. Im ersten Fall wäre das Bestimmungswort ein Appellativ, der Name bedeutete ›Stelle mit dem Genannten‹, im zweiten Fall wäre im Bestimmungswort ein Personenname im starken Genitiv zu vermuten, die Bedeutung wäre ›Tal der genannten Person‹. Das Genus des Kompositums müsste an sich zweifelsfrei auf eines der beiden Grundwörter schließen lassen. Weil die betreffenden Namen im Material des BENB 102 Ebenso kann das Grundwort von Siedlungsnamen auf -ingen, deren Bestimmungswort in der aktuellen Form auf -r, -s oder -d auslautet, umgedeutet werden: Münsingen kann als Mün-Singen mit dem Verb singen im Grundwort, Allmendingen als Allmen-Dingen mit dem Appellativ Ding n. im Grundwort resegmentiert werden. Die Umdeutung wird jedoch verhindert, wenn die mündlichen Form auf -ige statt -inge endet. Vgl. auch die hyperkorrekte Schreibweise der Siedlungsnamen Bätterkinden und Gomerkinden, die eine Umdeutung in schwzd. Chind n. ermöglicht (3.3.4.2). <?page no="114"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 114 nur in Präpositionalgefügen mit Im überliefert sind, ist dieser Rückschluss aber nicht möglich. Für die aktuellen Belege ist Umdeutung der Stal-Namen in das etymologisch verwandte, aber semantisch abweichende Appellativ (vgl. auch 3.3.2.1) schwzd., nhd. Stall m. ›Raum zur Unterbringung von Vieh‹ anzunehmen, da die mhd. Bedeutung des Appellativs ausgestorben ist. Offen bleibt die Frage, ob ein isoliertes Element eines Kompositums anfälliger für Volksetymologie wird, wenn es in Kombination mit einem verständlichem Element auftritt. 103 Einerseits kann das Bewusststein, dass ein entsprechender Name zumindest teilweise aus einem Appellativs gebildet ist, dazu führen, auch den unverständlichen Namenteil als Appellativs zu remotivieren. Andererseits kann die Umdeutung unverständlicher Namenelemente gerade dadurch verhindert werden, dass nach allgemeinem Sprachwissen Toponyme oft unverständlich sind (vgl. 2.4.1). 3.3.4.2 Ableitungen Derivationssuffixe können Ausgangs- oder Zielpunkt von Volksetymologie sein. Rü(ü)ti ist ein sehr verbreitetes Verbalabstraktum mit dem ahd. Suffix -ⁿ(n), schwzd. -i (Henzen 1965: § 110; Sonderegger 1958: § 257, bes. S. 500). Schwzd. Rü(ü)ti f., mhd. riute n./ f. ›Rodung‹ entspricht dem schon ahd. riuti n. ›Rodeland‹ zum Verb ahd. riuten ›roden‹ (Kluge/ Seebold; Lexer 1872-1878/ 1970 II: 471; Id. VI: 1811-1816; Starck/ Wells: 489; Schützeichel 2004 VII: 449). Diese Verbalabstrakta sind Feminina (vgl. ahd. toufⁿ f. ›Taufe‹, welⁿ f. ›Wahl‹; Starck/ Wells: 630, 708). Einzig das Verbalabstraktum Rüti ist ahd. ausschließlich, mhd. auch mit n. Genus belegt. Der Übergang vom noch appellativischen Flurnamen zum (verbreiteten) Siedlungsnamen Rüti ist seit den frühesten deutschsprachigen Dokumenten gut belegt. Der Gemeindename von I Rüti bei Lyssach tritt erstmals 1346 als lit ze Rмti (FRB N; LSG 2005: 774; BENB Dok.) auf. Als (potenziell n.) Siedlungsname tritt der Name artikellos mit der typischen Präposition ze auf. Neben diversen f. Belegen enthält das Material des BENB ganz vereinzelt auch Belege, in denen das Appellativs n. Genus trägt. Während das Rúti gegen Bоbemberg úber 1352 in III Köniz (FRB VII: 664) vermutlich noch das schwankende mhd. Genus zeigt, kann man davon beim Beleg Uff dem Rдuti 1535 (U101: 312b) in Liebewil (ebenfalls III Köniz) kaum mehr ausgehen: im 16. Jh. tragen schon alle entsprechenden Namen im Material des BENB f. Genus. Das Genus kann hier auch nicht dem Wandel vom (f.) Flurnamen zum (n.) Siedlungsnamen entspringen. Eher lässt das Genus darauf schließen, dass der Schreiber im Namen nicht das Suffix zur Bildung von Verbalabstrakta wahrgenommen hat, sondern 103 Bei primären Siedlungsnamen (vgl. 3.3.5.1) ist häufig das Grundwort leicht zu deuten, das Bestimmungswort dagegen nicht; der umgekehrte Fall ist mir im Material des BENB nicht begegnet. <?page no="115"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 115 ein homophones Suffix, mit dem schwzd. Diminutiva gebildet werden. Appellative mit diesem Diminutivsuffix schwzd. -i (heute nur noch im BO bekannt; SDS III: 149-154) haben n. Genus. Möglich ist auch, dass der Schreiber an das Suffix ahd. -ahi (Henzen 1965: § 88.3, S. 139f.) dachte, mit dem Kollektiva, vor allem Stellen, an denen eine im Namen genannte Pflanze verbreitet ist, bezeichnet wurden und das ebenfalls zu n. Genus führt. Nach Sonderegger (1958: § 247) lautet dieses Suffix noch mhd. -ach, -ech-, -ich und wird erst dann zu -i reduziert. Verkürzte Belege sind aber schon im 14. Jh. zu finden, etwa 1320-1491 im Namen Eschibechli in II Huttwil/ Ufhusen (LU) (Rq I/ 2: 50) oder 1234 im Beleg P. de Esche 1234 (FRB II, 144) für den heutigen Gemeindenamen Aeschi bei Spiez (LSG 2005: 101). 104 Es lässt sich darüber streiten, ob der Ersatz eines Derivationssuffixes (d.h. eines Derivativs, keines freien Lexems) durch ein gleichlautendes anderes überhaupt zur Volksetymologie gezählt werden soll. Kennzeichen dieser Fälle ist es denn auch, dass sie nur indirekt erkennbar werden, hier am Genuswechsel. Neben dem Suffixaustausch kann ein Suffix nicht mehr als solches, sondern als vollwertiges Lexem wahrgenommen werden. Es bildet dann das Grundwort eines Kompositums, dessen ursprüngliches Grundwort zum Bestimmungswort wird. Die Kompositionsfuge zwischen Zielbestimmungswort und Zielgrundwort kann dabei von derjenigen zwischen ursprünglichem Appellativ und Suffix abweichen, die Umdeutung also mit einer Resegmentierung verbunden sein. Die Umdeutung von Derivationssuffixen in (potenziell freie) lexikalische Morpheme geschieht wohl durchweg über die ursprüngliche Fuge zwischen Grundwort und Suffix hinaus, weil Suffixe allein in den meisten Fällen zu kurz sind, um für Lexeme gehalten zu werden. Ein Beispiel dafür ist der Name der Gemeinde II Bätterkinden, erstmals erwähnt 1243 als in Beterkingen, Beterhingen (US I: 242), der mit einem ahd. Personennamen Paterich, Bet(t)erich o.ä. (Förstemann I: 229f.) gebildet ist (BENB I/ 4: 251f.; LSG 2005: 127). Hier wurde das Siedlungsnamensuffix -ingen umgedeutet, obwohl es so häufig ist, dass es andernorts sogar das Ziel von Umdeutungen ist (s.u. Albligen). Grundlage der Umdeutung ist das Wissen um die für weite Teile des Kantons Bern typische Velarisierung mhd. nd > ng (SDS II: 119f., 123; vgl. auch 3.3.3.3). Eine davon abgeleitete hyperkorrekte Schreibweise ist zuerst 1419 als Betterkinden belegt (UP III: 210), wobei es sich vermutlich um eine spätere Kopie handelt. 1532 heißt es dann Betterchinden (U62: 139v). 104 Ob überhaupt eine Umdeutung und nicht einfach ein Fehler des Schreibers vorliegt, ist ungewiss; Roland Hofer, Forschungsstelle für Namenkunde an der Universität Bern, weist darauf hin, dass Rü(ü)ti in manchen Dialekten trotz fehlender Belege im Id. (VI: 1811-181) heute noch n. Genus trage. Das Beispiel steht hier dennoch zur Illustration der Möglichkeit einer entsprechenden Art der Umdeutung, die wenig belegt ist. <?page no="116"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 116 Bruckner (1945: 97f.) sieht in solchen eigentlich mundartfremden Formen die Folgen von Buchdruck und Humanismus. Eine eigentliche Umdeutung muss bis hierhin noch nicht stattgefunden haben. Dennoch sieht das BENB (I/ 2: 81) beim vergleichbaren Siedlungsnamen Gomerkinden (Gemeinde II Hasle), mit einem ahd. Personennamen Gumarich o.ä. (Förstemann I: 692) gebildet und erstmals belegt 894 als Comirichingun (FRB I: 256), als Gomerkinden ab 1500 (U48: 405), in der hyperkorrekten Schreibweise die Folge und nicht die Voraussetzung einer Umdeutung. Auf jeden Fall eröffnet die Schreibweise dann die Möglichkeit einer Resegmentierung in Bätter-Kinden mit Umdeutung des Grundworts zu schwzd. Chind n. ›Kind‹ (Id. III: 336-343) mit dem allgemeinen Wissen, dass viele Siedlungsnamen eine Endung -en (im Dialekt -e) aufweisen, auch wenn das aktuelle Grundwort diese Endung in der Flexion nicht kennt (der Dativ Plural des schwzd. Appellativs ist älter Chind(e), in der Gegenwartssprache bedrängt durch Chinder; vgl. den ähnlichen Fall des Plurals von schwzd. Maa ›Mann‹, SDS I/ 3: 171). Die umgedeuteten Name wären also zu verstehen als *›(bei den) *Bätter- Kindern‹ bzw. *›bei den *Gomer-Kindern‹ o.ä., wobei das so entstandene Bestimmungswort in beiden Fällen isoliert, aber vielleicht als Familienname zu verstehen wäre. Vor Ort werden die beiden Namen heute als Pätterchinge, Gomerchinge ausgesprochen, die Umdeutung ist also nicht allgemein durchgeführt, sondern lediglich schriftlich angelegt (vgl. auch 3.3.10). In gleicher Weise umdeutbar sind weitere -ingen-Namen, deren erstes Namenelement auf nhd. -k, schwzd. -ch endet. Nur schriftliche Gültigkeit hat die Umdeutung eines Suffixes schwzd. -ete im Namen des Weilers Gammete (II Sumiswald) in das Appellativ Tal: Der Weiler heißt offiziell Gammenthal, wird aber Gammete genannt. Das BENB (I/ 2: 14) deutet den Siedlungsnamen, Erstbeleg 1389 von Gammetton (R2: ) mit einem germ. Appellativ Gamm- (ohne Bedeutungsangabe) und dem aus dem Rom. entlehnten alem. Kollektivsuffix -ete (Szadrowsky 1933: § 32; Henzen 1965: § 113) als ›Gruppe von Hütten‹, schließt aber immerhin auch Kontraktion eines Kompositums Gamm(en)matten nicht aus. Ein vergleichbares Beispiel aus dem Bereich der Familiennamen ist Fahrni. Der Werbespruch Fahr nie ohne Pneu Fahrni für die Firma Pneu Fahrni 105 ist ein Wortspiel mit der nhd. Imperativform des Verbs fahren und dem Adverb nie. Die (im Wortspiel natürlich nur angedeutete) Remotivierung des Familiennamens wäre im Sinn eines Satznamens (vgl. Nie, BENB I/ 4: 30; zum Phänomen vgl. 3.3.4.3) durchaus auch für den gleichlautenden Namen der Gemeinde III Fahrni möglich. Dieser liegt dem Familiennamen wohl zugrunde und geht auf den Pflanzennamen Farn mit dem Kollektivsuffix schwzd. -i, ahd. -ahi (Henzen 1965: § 88.3, S. 139f.) zurück (BENB I/ 1: 119f.). Die Schreibweise des Gemeindenamens mit -hlegt eine Umdeutung auf Grundlage des Verb anstelle des Pflanzennamens durchaus nahe. 105 http: / / www.pneufahrni.ch (2009-03-23). <?page no="117"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 117 Schließlich kann auch ein Namenelement, das ursprünglich ein freies Lexem war, in ein gebundenes Element (z.B. ein Derivationssuffix) umgedeutet werden. Dieser Vorgang entspricht gewissermaßen der Grammatikalisierung (vgl. 2.2.2.7), betrifft aber nur ein einzelnes Wort (einen einzelnen Namen) und tritt nicht systematisch für alle gleichlautenden Elemente auf. Im Material des BENB ist er zu meinem Erstaunen kaum belegt. Der Gemeindename Albligen lautet im Erstbeleg von 1148 Albennon (FRB I: 426) und erstmals 1346 Alblingen (FRB VII: 199). Ein nicht mehr verständliches Namenelement wurde also in das in Siedlungsnamen überaus häufige Element -ingen, durch Grammatikalisierung aus einem Dativ Plural entstanden, umgedeutet, der in Siedlungsnamen ungefähr die Bedeutung ›bei den Leuten des Genannten‹ trägt (Bach II/ 1: § 106, S. 188). Dieses Element dürfte in Siedlungsnamen früh erstarrt sein. 106 Der ursprüngliche Name ist nicht eindeutig zu deuten, das LSG (2005: 81) als neuste Publikation schlägt einen lat. Personennamen Albinius in einer flektierten Form als (elliptischer) Siedlungsname vor (das BENB I/ 1: 14 verweist dagegen auf lat.-rom. albus ›weiß‹). Der Name bedeutete dann ›(Besitz des) Albinius‹. Legt man diese Deutung zugrunde, ist die Umdeutung in einen -ingen-Namen natürlich keine Umdeutung eines freien Lexems in ein Derivationssuffix, sondern eines (flektierten) Derivationssuffixes in ein anderes Derivationssuffix. Es ist jedoch immerhin nicht auszuschließen, dass der Name ursprünglich als Kompositum gebildet war. Wolfei heißt ein Heimet in IV St. Stephan, erstmals belegt 1488 als Wolffдy (Rq1: 4: 443; U156: 2r). Das Grundwort des Namens ist schwzd. Öi, Ei f. ›(Halb-)Insel, Gelände an einem Gewässer‹ (Id. I: 5f.; vgl. 3.3.1), das Bestimmungswort entweder der Tiername oder ein entsprechender Familienname. Ein einziges Mal, 1524-1580, heißt es dafür in der wдlffly (U169: 181). Dieser Beleg scheint statt des Bestimmungsworts ein Diminutivsuffix zu enthalten. Ob tatsächlich Umdeutung, nicht nur Verschreibung vorliegt, ist zweifelhaft: Hätte der Schreiber tatsächlich das Diminutivsuffix schwzd. -li gemeint, müsste es eigentlich im oder in dem wдlffly heißen; die wohl als Umlaut zu lesende Schreibweise wдlffentspricht andererseits dem Umlaut, der durch das Diminutivsuffix ausgelöst wird. Die Umdeutung in das verbreitete Siedlungsnamensuffix -ingen ist auch aus anderen Gegenden bekannt. Die Gemeinde Schneisingen (AG) wird erstmals 839 als in Sneisanwang, vor 1100 als Sneisanuuanc erwähnt (Zehnder 1991: 384-387; LSG 2005: 813). Der Name ist eine Bildung mit dem Appellativ Wang m., auch f./ n. ›Wiesenabhang, Halde‹ (DWB XIII: 1747-1749; s. dazu 3.3.8.3). Eichler (1990) berichtet von der Angleichung ursprünglich slaw. Siedlungsnamen im dt.-slaw. Kontaktgebiet an das Suffix -ingen. Neben den hier angesprochenen (derivativen) Suffixen können natürlich auch reine Flexionsmorpheme Teil einer Umdeutung sein. Die Möglichkeit 106 In anderen Zusammenhängen, etwa zur Bezeichnung der Angehörigen einer Sippe bzw. Familie, soll das Suffix dagegen bis in die Gegenwart produktiv (gewesen) sein (Bachmann 1919). <?page no="118"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 118 zur Umdeutung besteht ebenso bei Präfixen, doch tritt sie seltener auf, weil Substantive wie Namen im Dt. seltener Präfixe als Suffixe tragen. 107 Ein Beispiel für die Möglichkeit zur Umdeutung mit Präfix sind die Toponyme Gri(i)t(t) (BENB Dok.). Christen (1986: 84) erkennt im Gritt n. bzw. Grittwald in Säriswil (Gemeinde III Wohlen) eine entrundete Form des verbreiteten Namens G(e)rüüt n. ›Rodung‹ (Id. VI, 1805), Kollektivbildung zu Rüüt n. ›Rodung‹ (Id. VI, 1804; nur in Toponymen). Entrundung ü > i ist heute für das östliche BO regulär (SDS I: 52), reichte aber früher auch aus der Region Basel in den Kanton Bern hinein (Henzen 1924: 148). Die ältesten Belege sind 1531 stost hinden an das geritt (U97: 263 r) für den Namen in Wohlen und 1518 Im gerytt, Jm grÿtt (U74: 188, 208), 1573/ 74 Jm Gritt (U77a: 526a) für heutiges Grütt (mit rückgängig gemachter Entrundung) in II Rumisberg. Alte Länge (mhd. iu) wurde im Kanton Bern abgesehen vom östlichen BO vor Plosiv gekürzt (SDS II: 77). Diese Kürzung hatte nicht überall einen kurzen, geschlossenen Vokal zur Folge (SDS II: 78), mancherorts wurde der Vokal bei der Kürzung geöffnet, wie entsprechende Toponyme (etwa in II Aarwangen, II Inkwil, II Mötschwil, II Seeberg, II Thunstetten, II Ochlenberg) belegen. Je nach lautlicher Lage wird der entrundete Name damit umdeutbar in schwzd. Griit, Gritt f. ›weiblicher Taufname: Margareta, Gertrud‹ (Id. II, 826): In Säriswil heißt das Toponym im gr▪tt; die infolge der Kürzung erfolgte Öffnung des Vokals verhindert die Umdeutung. In V Brienzwiler und V Schattenhalb scheitert die Umdeutung des Toponyms im grⁿd (Weide bzw. Heimet) an einer Auslautlenisierung (SDS II, 176). Dagegen lautet der entsprechende Name in V Grindelwald (obwohl der SDS auch dort Auslautlenisierung verzeichnet) im krⁿt, einer Umdeutung stünde also nichts entgegen, wäre nicht hier der Anlaut bei der Mehrheit der Gewährspersonen eine Fortis (die für die Kollektivbildung ohnehin zu erwarten wäre, aber fast in der ganzen Schweiz fehlt; Id. VI, 1805). 108 Nicht immer lässt sich eine klare Grenze ziehen zwischen frei verfügbaren Lexemen einerseits und Derivations- oder morphologischen Elementen andererseits. Um eindeutig festzustellen, wie groß der semantische Gehalt des Zielelements zum Zeitpunkt der volksetymologischen Veränderung noch war, müsste man nachweisen, ob das morphologische Zielelement zum Zeitpunkt seines ersten Auftretens im fraglichen Namen noch als freies Lexem produktiv sein konnte. Der Gemeindename Därstetten ist erstmals 1228 als Tarenchat (CL: 18) überliefert. In der Folge wechseln verschiedene Schreibweisen wie Ternschat 1233 (FRB I: 133), Trenchetton 1257 (FRB II: 462), Obertêrenschaton, Terenschaton, Therenscha- 107 Entsprechend führt das LSG (1010-1012) zwar eine Liste der Suffixe in Toponymen, aber keine solche der Präfixe. 108 Die Umdeutung bleibt insgesamt spekulativ; Zeichen der Umdeutung wäre neben der richtigen Lautung auch eine Anpassung des Genus an den f. Personennamen, wenn man keinen elliptischen Namen der Art *Im Gritt[guet] annimmt. Dagegen gibt es im Namen aus V Schattenhalb eine Interferenz des etymologisch verwandten Appellativs Ried (Id. VI: 1731). <?page no="119"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 119 ton 1276 (FRB III: 185), Ternschatten 1313 (FRB IV: 559), Ternschaten 1396 (FRB IX: 157) ab, bis 1380 in der ersten deutschsprachigen Quelle erstmals der Name Ternstatten auftaucht (FRB X: 83). Erst im 15. Jh. setzt sich die Schreibweise mit -stetten endgültig durch (BENB Dok.; LSG 2005: 288). Der Name ist wohl vordt. und in seiner ersten Form bisher ungedeutet. Die Umdeutung hin zu einem Grundwort schwzd. Statt f. ›Stätte‹ (Id. XI, 1676-1716) in einer vorauszusetzenden Form *(bei den) Stetten im Dativ Plural ist offensichtlich. Sie setzte eine appellativische Bedeutung *›bei den *Tern-Stätten‹ o.ä. voraus. Für den Namen einer Siedlung, die im 14. Jh. schon als solche Bestand hatte, ist dies natürlich nicht zu erwarten. Das Bestimmungswort Tern bleibt ungedeutet, welche Stätten gemeint sein könnten, wird nicht geklärt. Der Name ist damit - obwohl sein Grundwort semantisch deutbar wäre - eine reine Angleichung an andere Siedlungsnamen mit dem Grundwort Stetten (Altstätten (SG), Kriegstetten (SO), Mettmenstetten (ZH); LSG 2005: 288). In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die Umdeutung direkt hin zu einem Element führte, das in diesem Zusammenhang als Derivationssuffix zu verstehen ist: Siedlungsnamen auf -stetten, die anders als -ingen-Siedlungsnamen mit Appellativ im Bestimmungswort gebildet sind, stammen aus dem 8. bis 10. Jh. (Glatthard 1965: 117). Im Kanton Bern zählt Glatthard (1965: 127) zwölf dieser Namen, die alle im Berner Mittelland liegen. Bei der alem. Besiedlung des Alpenraums scheint das Appellativ also in Siedlungsnamen nicht mehr produktiv gewesen zu sein. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass morphologische Elemente, die nicht frei auftreten (Derivationssuffixe, Flexikonsmorpheme) als solche für die Sprecherin, den Sprecher wohl keine praktische Relevanz haben und sich daher auch nicht grundlegend anders verhalten als lexikalische Morpheme (Lexeme; Diewald 1997: 2): Umgedeutet werden isolierte Namen(elemente) unabhängig von ihrer ursprünglichen sprachstrukturellen Stellung. 3.3.4.3 Andere Häufige volksetymologische Veränderungen sind Agglutination und Deglutination, bei denen die morphologische Struktur über die Wortgrenze hinaus resegmentiert wird. Bei der Agglutination wird eine vorausgehende Präposition oder ein Artikel (bzw. ein Teil davon) als Namenelement betrachtet und fest mit dem Namen verbunden, bei der Deglutination ein anlautendes Namenelement als Präposition oder Artikel wahrgenommen und abgetrennt. 109 Der Vorgang betrifft also nicht primär den semantischen Kern des Namens, sondern die morphologische Struktur, und gilt daher allgemein weniger als Volksetymologie denn bloß als verwandtes Phänomen (vgl. auch 2.3.3 und 3.3.3.3). Umgedeutet wird der durch diesen Prozess ange- 109 Der Vorgang tritt in Sonderggers (1958: § 240.1) Untersuchungsgebiet, den beiden Kantonen Appenzell, häufiger bei Präpositionen als bei Artikeln auf. <?page no="120"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 120 fügte oder abgetrennte Namenteil. Dagegen wird der Namen(teil), an den ein agglutiniertes Element tritt bzw. von dem ein deglutiniertes Element abgetrennt wurde (der Namenkern), dabei tendenziell isoliert. I der Oggehüsere heißt ein Heimet in II Niederbipp. Der Erstbeleg von 1423 lautet Toggenhußren, ein manwerk ze Toggenhûssren (UBS: 27, 66). 1518 heißt es ze Tockenhúsrenn (U74: 274), 1632 Doggenhüseren (A: Bipp), ab 1780-1782 dann Oggenhäusern (C3: 711). Das Grundwort des Namens ist schwzd. Huus n. ›Haus‹ im Plural Hüsere(n), das in primären Siedlungsnamen verbreitet ist (Glatthard 1977: 333-339). Das Bestimmungswort ist eine Personennamenkurzform Tokko o.ä. (BENB I/ 4: 89). Die artikellose Verwendung der Präposition ze im Erstbeleg ze Toggenhûssren 1423 illustriert, dass es sich beim Namen um einen primären Siedlungsnamen handelt. In der Folge fällt der Anlaut des weder als Personenname noch als Appellativ deutbaren Bestimmungsworts mit der für die Gegend üblichen Anlautlenisierung t- > d- (SDS II: 165) lautlich mit dem schwzd. f. Artikel d ›die‹ (Id. XIII: 1126) zusammen und wird als solcher interpretiert und in der Akkusativkonstruktion *i d Oggehüsere (formal ein Plural, vermutlich aber als Singular wahrgenommen) deglutiniert. Der semantische Kern des Namens bleibt unberührt (Ursprungswie Zielbestimmungswort bleiben ungedeutet), lediglich die morphologische Konstruktion wird resegmentiert. Der vom Namen deglutinierte Artikel ist in der davon abgeleiteten f. Dativ-Singular-Konstruktion i der Oggehüsere des heutigen Toponyms erhalten und hat sogar zu einem dauerhaften Genuswechsel des Namens geführt. Dies ist umso bemerkenswerter, als das verbreitete und verständliche Grundwort Huus n. diese Angleichung nicht verhindert hat. Das Dorf Einigen in IV Spiez ist 1228 als Ceningen (FRB II: 92) erstmals erwähnt. Bis in die Gegenwart lauten fast alle Belege konsonantisch an, schon 1440 heißt es aber erstmals von Einingen (UT: 258). Das BENB (I/ 1: 73f.) erkennt im Namen eine Bildung mit einem ahd. Personennamen Zeino (Förstemann I: 1378) mit späterer Deglutination. Der Prozess zieht sich hier über Jh. hin und scheint erst in der Gegenwart zum Abschluss zu kommen: In den 1960er Jahren soll die ältere Generation noch Zeinige gesagt haben, während die jüngere Generation diese Namenform nur ironisch verwendete und normalerweise von Einige sprach (BENB Dok.). Letztere Form ist heute amtlich. Vgl. auch den Gemeindenamen Zeiningen (AG) (Zehnder 1991: 485f.; LSG 2005: 984). De- und Agglutination können jedoch mittelbar zur Volksetymologie gehören, wenn der Prozess durch eine volksetymologische Umdeutung ausgelöst wird oder eine solche zur Folge hat, der debzw. agglutinierte Name also volksetymologisch deutbar wird. Der Name des Dorfs Ortschwaben in I Meikirch/ III Kirchlindach ist 1185 (FRB I: 478) erstmals erwähnt als Nortsuaben, ab 1466 (UT: 315) dann fast durchgehend deglutiniert als Ortschwaben. Das BENB (I/ 4: 103f.) legt mit Bezug auf Krieger (1972: 354) schlüssig dar, dass im Namen ein Ethnonym in der Bedeutung ›Schwaben‹ zu finden sein könnte, dass die Siedlungsgründer also vermutlich aus Schwaben stammten, wobei das Motiv für die Benennung mit ahd./ mhd. nort m./ n. ›Norden, das Nördliche‹ (Starck/ Wells: 443; Lexer II: 102) offen bleibt. Nach Deglutination des anlautenden nwird das Bestimmungswort <?page no="121"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 121 leicht umgedeutet in schwzd. Ort m. ›Punkt oder Teil eines Raumes; Wohnort, Ortschaft; Ecke, Ende‹ (Id. I: 480-486; BENB I/ 4: 101-103). Ob die Umdeutung (des verbleibenden Kernnamens, nicht des vermeintlichen Artikels) der Deglutination folgt oder umgekehrt, lässt sich nicht feststellen. Ein Kuriosum ist der Name Karolina für ein Gebiet mit einigen Häusern und einer Sportanlage in I Aarberg (BENB I/ 2: 427) neben dem Aarweg. Er ist als Besitzername mit dem Personennamen Karolina zu verstehen. Das Mehrzweckgebäude in Besitz der Stadt Aarberg dagegen heißt heute offiziell Aarolina. Formal handelt es sich dabei um eine deglutinierte Form von Karolina. Allerdings gibt es keine Präposition und keine Artikelform, die entsprechend deglutiniert werden könnte. Vielmehr wurde hier der Anlaut bewusst deglutiniert, um einen Anklang an den Gewässernamen herbeizuführen. Zinsli (BENB Dok.) spricht von einer namenverbessernden Umbenennung (vgl. 3.3.8.6). Der so entstandene Name erscheint dabei (wohl ohne Kenntnis der historischen Belege) als Bildung mit der im 7. Jh. belegten rom. Gewässernamenform Arola ›Aare‹ (Greule 1973: 101-104; Grossenbacher Künzler 1999: 56f.; BENB I/ 1: 39f.) und einem Diminutivsuffix rom. -ina (vgl. RNB II: 1032). Der Anklang, der sich durch die Deglutination ergibt, passt sachlich ganz gut: der pseudorom. Name Aarolina dürfte als ›kleine Aare‹ zu verstehen sein. Die Aarolina liegt neben der Alten Aare, die im Vergleich zur Aare, die seit dem 19. Jh. über den Hagneckkanal in den Bielersee abfließt, tatsächlich klein ist. Der Nächsthuswald, ein Wald in der Gemeinde I Rapperswil, ist 1528 erstmals als дchthuß holtz belegt (U2: 253r). Erst bei Durheim (I: 472) erscheint erstmals der Name Nächsthauswald. Hier scheinen die Agglutination des auslautenden -n einer Präposition und eine vokalische Anpassung zu einer Umdeutung von *Nüechthuswald oder *Nöchthuswald in Nächsthuswald mit dem Superlativ nächst des Adjektivs schwzd. naa(ch) ›nahe‹ (Id. IV: 634-638) geführt zu haben (BENB I/ 4: 2). Ein Weiler und Wildbach in IV Oberwil im Simmental trägt den Namen Im Wüestebach oder Im Zwüestebach (BENB Dok.). Sein Bestimmungswort scheint das Adjektiv schwzd. wüest ›wüst, leer, öde; garstig‹ (Schwäb. Wb. VI: 1010- 1012) 110 zu sein, die Form Zwüestebach eine Form mit agglutinierter Ortspräposition schwzd. z ›in‹ (vgl. mhd. ze, zuo; Lexer 1872-1878/ 1970 III: 1036f.). Tatsächlich heißt der Name im Erstbeleg von 1323 Wкstenbach (FRB V: 384). 1360-1368 ist er als ob Zwдstenbach belegt (FRB N), danach wechseln sich Formen mit und ohne anlautendes zab. Bereits im ersten agglutinierten Beleg scheint der Laut aber nicht mehr präpositional verstanden worden zu sein, da er ja eine weitere Präposition trägt. Namenformen wie Zweistenbach 1486 (U166: 26r) sprechen für eine vorübergehende völlige Isolierung des Bestimmungsworts. Das heutige Nebeneinander von Im Wüestebach und Im Zwüestebach ist daher wohl als volksetymologische Rückanlehnung (vgl. auch 3.3.2.3) eines eigentlich nicht oder kaum mehr verständlichen Namens zu sehen, obwohl die erste der beiden Formen zum Ursprung zurückführt. 110 Der entsprechende Band des Id. ist noch nicht erschienen. <?page no="122"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 122 Ein Felsvorsprung in V Oberried trägt den Namen Tutternollen oder auch nur Tutter. Das Grundwort des Kompositums ist schwzd. Nolle m. ›rundlicher Berggipfel, Fels, Bergvorsprung; rundlicher Felskopf‹ (Id. IV: 716; Zinsli 1946: 47f.), das auf mhd. nol m. ›Spitze, Scheitel, Kopf‹ basiert (Lexer 1872-1878/ 1970 II: 99). Für den Namen gibt es keine historischen Belege (BENB I/ 4: 49). Während eine Gewährsperson angibt, das Bestimmungswort sei Tutter m. ›Dotter‹ (Id. XIII: 2076f.), weil der Vorsprung die Form eines Eidotters habe, gibt eine andere Gewährsperson an, der Fels heiße eigentlich d Utternolle, womit er vermutlich schwzd. Uter n. ›Euter‹ (Id. I: 606) enthielte. Die Dok. des BENB verweist zusätzlich auf ein Verb ustuttere ›ausräumen, herabreißen‹ (tuttere bedeutet nach Id. XIII: 2077-2079 ›pochen, klopfen‹) und Tutte f. ›weibliche Brustwarze‹ (Id. XIII: 2088-2090). Sonderegger (1958: § 240.3) führt für die Deglutination etwa 1802 Elsterbüehl für heutiges Melsterbüel (AI/ AR) an, entstanden aus *melkstar ›einfache Hütte auf den Alpen‹. Er weist in diesem Fall allerdings eine historische Umdeutung in den Vogelnamen Elster f. zurück, weil der Vogel im Dialekt nicht so heißt (Sonderegger 1958: § 241). Die Agglutinationen mit Umdeutung belegt er mit der Alpweide Grossgarte an, deren Name durch Agglutination (hier nicht einer Präposition oder eines Artikels, sondern auf andere Art) aus einem Rossgarten entstanden ist. Auf ein interessantes Phänomen verweist Stricker, der eine auffallende Vielzahl von Toponymen mit agglutinierter Präposition in drei eng begrenzten Gebieten am Walensee (Kanton St. Gallen) und im Rheintal (Kanton St. Gallen, Fürstentum Liechtenstein) bzw. am Eingang zum Walgau (Vorarlberg, Österreich) untersucht. Er kommt zum Schluss, dass das Auftreten der agglutinierten Toponyme nicht räumlich, sondern zeitlich begrenzt war (1976: 175). Die Hauptphase der Agglutination in seinem Untersuchungsgebiet sei im 13. Jh. wahrzunehmen (1976: 180), die Ursache liege in der zu dieser Zeit noch aktiven alem. Akzentverschiebung auf die erste Silbe: In den Regionen, die genau im 13. Jh. alemannisiert wurden, hätten die Akzentverhältnisse der aus dem Rom. übernommenen Toponyme zur Agglutination der Präposition mit einem Nebenakzent geführt, um den alem. Akzentbedürfnissen Rechnung zu tragen (1976: 174). In den benachbarten Regionen, die erst später alemannisiert wurden, sei die alem. Regel der Erstilbenbetonung bereits nicht mehr produktiv gewesen, die Toponyme konnten mit den bestehenden Akzentverhältnissen ins Alem. übernommen werden. Im Material des BENB war eine derart massive Häufung vordt. Toponyme mit agglutinierter alem. Präposition bisher nicht festzustellen. Möglicherweise ist daraus vorsichtig zu schließen, dass im von Stricker genannten Zeitraum im Untersuchungsgebiet kein verbreitetes Bedürfnis nach alem. Akzentverhältnissen bei voralem. Toponymen bestand. Dies könnte wiederum auf relativ stabile Sprachverhältnisse im 13. Jh. hinweisen. <?page no="123"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 123 Ein anderes Phänomen ist die Umdeutung über Wortarten hinweg. Auffällig wird sie besonders, wenn Namen, die Appellative oder Adjektive enthalten, in Satznamen (Gottschald 2006: 55-59) mit Verb umgedeutet werden. 111 Der Name der Gemeinde III Wichtrach (2004 durch Fusion der Gemeinde Ober- und Niederwichtrach entstanden; HLS digital: Wichtrach, 2009-03-19) wird im Dialekt auch zu Wiftrech (BENB Dok.) dissimiliert. Er ist zuerst 1180 und 1236 als Wichtracho belegt (FRB I: 465; II: 163), 1246 als Wictrache (FRB II: 278). 1250 heißt es Wihtrache (FRB II: 323). Im 16. Jh. tritt mehrfach eine Umdeutung des Namens in ein Grundwort Dorf n. auf: Etwa 1529 Wichdorff, Wichtdorff neben Wichtrach (U92: 235a, 255a). 112 Das LSG (2005: 650f., 672) deutet den Siedlungsnamen als gallorom. Bildung mit dem lat. Personennamen Victorius oder Victrius in einer Bildung *Vict(o)riacum ›(Landgut des) Vict(o)rius‹. Vor Ort hält sich jedoch eine Sage, die den Namen alem. deutet: Hier habe vor langer Zeit ein Drache gehaust, den man bekämpft und schließlich mit dem Ausruf Wiich, Drach! ›weiche, Drache! ‹ vertrieben habe (Oberwichtrach 1991: 29; s. zu solchen sagenhaften Deutungen auch 3.3.13). 113 Solche Satznamen sind auch außerhalb des Kantons Bern verbreitet. Antenhofer/ Götsch erwähnen für das Südtiroler Pustertal Im Do a, den Namen eines Felds in Toblach, das als elliptische Form von *Da ist auch mein Grund zu verstehen sei (2006: 154). Die Felswände und das Weidegebiet Herzengern in Rein (Sand) im Pustertal seien danach benannt, dass dort viele Edelweiß wachsen, die man für Mädchen pflücke, die man »von Herzen gern« habe (Antenhofer/ Götsch 2006: 189). 111 Meines Erachtens könnte man Satznamen auch als phraseologische Namen bezeichnen: Burger/ Buhofer/ Sialm (1982: 1) definieren Phraseologismen als »eine Verbindung von zwei oder mehr Wörtern […], wenn (1) die Wörter eine durch die syntaktischen und semantischen Regularitäten der Verknüpfung nicht voll erklärbare Einheit bilden, und wenn (2) die Wortverbindung in der Sprachgemeinschaft, ähnlich wie ein Lexem, gebräuchlich ist«. Satznamen bestehen, wie es ihr Name sagt, aus mehreren Wörtern, und ihr semantischer Gehalt, d.h. das Denotat, das sie bezeichnen, lässt sich aus der Verbindung nicht voll erklären (erst recht nicht, wenn der Satzname erst durch Volksetymologie entstanden ist). Die Verbindung ist so eng, dass Satznamen im Dt. wie das Beispiel Wichtrach zusammengeschrieben werden, während onymische Phraseologismen getrennt geschrieben werden können wie das Weiße Haus (Burger 2007: 49f.). Den Unterschied zwischen onymischem Phraseologismus und Satznamen könnte man darin sehen, dass ein Satzname zwingend ein Verb enthalten muss, doch spricht van Langendonck (1995: 1228f.) auch von Satznamen, die aus Adjektiv und Substantiv bestehen. Die Termini Satzname und onymischer Phraseologismus bezeichnen also lediglich zwei unterschiedliche Blickwinkel auf dasselbe Phänomen. 112 Ein Zusammenhang zwischen diesen Formen mit -ffür -chin der zweiten Silbe und der späteren Dissimilierung in der ersten Silbe scheint möglich. 113 Auf die volksetymologische Deutung des Siedlungsnamens spielt der Name der Dorfzeitung Drachepost an. In ihrer Ausgabe 1 (September 2004: 3; http: / / www.wichtrach.ch/ jwa/ VFS-DFA-40760-drachepost_1.pdf) bringt auch sie die Sage vom Drachen. <?page no="124"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 124 Der Wiener Stadtteil Lainz wird im Dialekt Lands genannt. Der Name ist slaw. Ursprungs, wird örtlich aber legendenhaft gedeutet als Ausruf eines Herrschers, der hier einst auf der Jagd innegehalten, seine Lanze gegen einen Baum gelehnt und Do lands! ›Da lehnt sie! ‹ gerufen habe (Hornung 1998: 119f.). Fallweise tritt bei günstiger lautlicher Voraussetzung auch Umdeutung in weitere Wortarten auf. Ein Siedlungsname Ohne aus Deutschland wird in der Zeitschrift Micky Maus als Präposition ohne identifiziert. 114 3.3.5 Außersprachliches Referenzobjekt Im Kapitel Semantik (3.3.2) stand die Semantik der Appellative, aus denen Namen gebildet werden, im Zentrum. Untersuchungsmenge waren dabei Namen, die volksetymologisch verändert sind, untersucht wurde unabhängig vom Signifié der Namen an sich, wie sich die Semantik ihrer Elemente verändert. Im vorliegenden Kapitel stehen dagegen verschiedene Gruppen von Referenzobjekten (Denotaten) im Zentrum, wobei das außersprachliche Referenzobjekt der denotativen Semantik des Namens (vgl. 2.4.1.2) entspricht. Als Untersuchungskategorie für Volksetymologie liegt das außersprachliche Referenzobjekt eines Namens auf der Hand: Je nachdem, was ein Name bezeichnet, ist Volksetymologie mehr oder weniger wahrscheinlich. Diese Wahrscheinlichkeit ist sozusagen die abhängige Variable unabhängiger Variablen wie des Alters eines Namens und damit verbunden seiner Ursprungssprache (vgl. 3.3.6.1), der Namenbildungsweise (Morphologie; vgl. 3.3.4), aber auch des Mediums (vgl. 3.3.10). Die nachfolgenden Beispiele könnten daher alle auch an anderer Stelle untergebracht werden. 3.3.5.1 Siedlungsnamen Bezüglich Volksetymologiewahrscheinlichkeit sind Siedlungsnamen und andere Toponyme grundlegend zu unterscheiden. Siedlungsnamen unterliegen aus mehreren Gründen eher einer volksetymologischen Veränderung: Sie gehören (neben den Gewässernamen, die an der Zahl deutlich geringer sind) zu den ältesten Namen im Untersuchungsgebiet. Entsprechend stammen sie häufiger aus anderen Sprachen und sind nicht unmittelbar verständlich, soweit sie nicht übersetzt wurden. 115 114 Das Beispiel verdanke ich Prof. Dr. Elke Hentschel; vgl. 2.4. 115 Übersetzte Siedlungsnamen sind im Kanton Bern selten; ein Beispiel dafür ist der Name der Gemeinde III Münchenwiler, die erst im 18. Jh. den Sprachwechsel vollzog. Das Besimmungswort des Gemeindenamens war verständlich und wurde übersetzt, aus Villars-les-Moines wurde Münchenwiler. <?page no="125"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 125 Beispiele dafür sind im Untersuchungsgebiet etwa die bereits genannten Siedlungsnamen Murgenthal (s. ausführlicher 3.3.8.4) und Biel/ Bienne (vgl. 3.3.3.2). Wie diese beiden stammen auch die Namen der beiden benachbarten Gemeinden III Mühlethurnen und III Kirchenthurnen, deren Bestimmungswörter lediglich der Unterscheidung dient, vermutlich aus einer vorröm., kelt. Namenschicht und sind mit kelt. dŷnon, lat. dŷnum ›umwallte Burg, Festung‹ (Holder I: 1375; Greule 1973: 128; Zinsli 1975: 19; vgl. Thun; LSG 2005: 873) gebildet (BENB I/ 3: 347; I/ 2: 460; LSG 2005: 624, 482). Ihre Erstbelege lauten Muliturnden 1343 (FRBVI: 743) und Rиdolfus de Thornon 1201 (FRB I: 498). Anders als für Mühlethurnen ist der unterscheidende Zusatz für Kirchenthurnen also nicht von Anfang an belegt. Für mhd. Zeit scheint eine Umdeutung der beiden Namen in mhd. turn m. ›Turm‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 II: 1582f.) in einer Art erstarrtem Dativ Plural, wie er für Siedlungsnamen typisch ist, zumindest möglich: Für Kirchenthurnen erscheint 1360 erstmals die Schreibweise in Turnen (FRB VIII: 320; ein Beleg ze Turnen von 1224, FRB II: 54, wird vom BENB nicht erfasst, gehört aber wohl ebenso hierher), 1373 erscheint zu Kilchturnen (FRB IX: 334), worin sich zwanglos eine Umdeutung von Kirchen-Thurnen (d.h. derjenige der beiden Orte mit Namen Thurnen, in dem die Kirche der gemeinsamen Kirchgemeinde steht; HLS digital: Kirchenthurnen 2009-03-22) in mhd. kirch(en)turn m. ›Kirchturm‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 1582, 1586; vgl. auch die Nebenform mhd. kilche f.; Lexer 1872- 1878/ 1970 I: 1570) erkennen lässt. Die Umdeutung wurde durch die erstarrte konservative Form mit mhd. turn m. ›Turm‹ später wieder isoliert. Daneben sind primäre Siedlungsnamen sehr häufig mit einem typischen Grundwort und einem Personennamen gebildet und tragen dann in etwa die Bedeutung ›Dorf, Siedlung oder Besitz der genannten Person‹: Je nach Epoche wurden primäre Siedlungsnamen im Untersuchungsgebiet bevorzugt mit den Grundwörtern -ing(en), -ikofen/ -ikon (-inghofen), -hof(en)/ -höfen -wil(er), -stetten, -dorf, -büren, -haus(en)/ -hus(en)/ -häuser(e)n/ -hüser(en) gebildet (vgl. 3.3.1). 116 Möglicherweise trägt die Kombination eines verständlichen Grundworts (oder eines in späterer Zeit an sich unverständlichen Grundworts wie -ingen, in dem aber eindeutig ein typisches Siedlungsnamenelement erkennbar bleibt; vgl. 3.3.4.2) zur Interpretation, Remotivierung und damit volksetymologischen Umdeutung von Siedlungsnamen bei. 117 Tatsächlich sind die (ahd.) Personennamen, mit denen viele dieser Siedlungsnamen gebildet sind, besonders häufig unverständlich geworden, weil sie als Personennamen nicht mehr gebräuchlich sind. In diesem Fall ist eine Umdeu- 116 Die ebenfalls häufigen Siedlungsnamen auf -tal sind dagegen als sekundäre Siedlungsnamen aus primären Flurnamen entstanden; das (heutige) Grundwort -berg kann sowohl auf einen Berg als auch auf eine Burg hinweisen. 117 S. zur Frage, ob dem so sei oder nicht, 3.3.4.1; zur Frage, ob Komposita generell anfälliger für Volksetymologien seien, 2.3.1.3. <?page no="126"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 126 tung in ein etymologisch verwandtes Appellativ (3.3.2.2) oder auch in ein anderes lautähnliches Appellativ naheliegend. Büelikofe heißen zwei Heimet in III Zollikofen. Ihr Name ist wie viele andere Siedlungsnamen mit -inghofen gebildet, das in etwa ›bei den Höfen der Leute der genannten Person‹ bedeutet (vgl. Zollikofen; LSG 2005: 989). Erstmals belegt ist ihr Name als Bрllikofen 1279 (FRB III: 251). Das BENB (Dok.) geht von einer Bildung mit schwzd. Buel, im Diminutiv Büeli, ›Liebhaber‹ in der Bedeutung von mhd. buole m. ›naher Verwandter, Geliebter, Liebhaber‹ (Id. IV: 1187; Lexer 1872-1878/ 1970 I: 388; vgl. nhd. Nebenbuhler, Kluge/ Seebold 2002: 647) aus, zu denken ist aber vielleicht eher an einen ahd. Personennamen Pualo o.ä., wie er in St. Gallen im 9. Jh. belegt ist (Förstemann I: 326). Die Gewährsperson, der offenbar weder Personenname noch Appellativ bekannt sind, verweist dagegen eindeutig volksetymologisch auf zwei auffällige Erhebungen bei den Heimet, identifiziert in deren Namen also schwzd. Büel m. ›(kleine) Erhöhung, Hügel‹ (Id. IV: 1094-1098). Auch in eigentlichen Flurnamen (vgl. 3.3.5.3) und daraus entstandenen sekundären Siedlungsnamen sind Bildungen des Typs Personenname und Grundwort als Besitzernamen verbreitet. Volksetymologie hat hier aber weniger Gewicht, weil primäre Flurnamen weniger oft als primäre Siedlungsnamen mit Personennamen gebildet sind. Schließlich wirkt auf Siedlungsnamen die amtliche Verschriftung früher als auf Flurnamen ein (vgl. auch 3.3.8.7). Sie hat in vielen Fällen direkt zu volksetymologischer Umdeutung geführt, die sich dank des amtlichen Gebrauchs später auch mündlich durchzusetzen beginnt. 118 Die schriftlichen Fixierung eines Toponyms kann einen Namen außerdem aus der allgemeinen lautlichen Entwicklung herausreißen, womit er mittelbis langfristig stärker isoliert wird als nur mündlich tradierte Namen. 119 Dies kann volksetymologische Umdeutungen begünstigen. Gegen die regelmäßige Umdeutung von Siedlungsnamen ist vorzubringen, dass die häufige Isolierung des Bestimmungsworts von Ortsnamen der durchschnittlichen Sprecherin, dem durchschnittlichen Sprecher vermutlich bewusst ist und sie diese Namen nicht grundsätzlich leichter remotivieren (vgl. 2.4.1.3). 118 Dagegen hatte die frühe und oft konservative Verschriftlichung der Siedlungsnamen in Kaiserurkunden wohl keinen wesentlichen Einfluss auf den tatsächlichen, damals wesentlich mündlichen Namengebrauch. 119 Mit der Publikation des Topographischen Atlasses (TA) im 19./ 20. Jh. und der Landeskarte der Schweiz (LK) in der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg erfasst die Verschriftlichung zunehmend auch Mikrotoponyme, allerdings mehrheitlich in einer möglichst mundartnahen Schreibweise (vgl. 3.2.2). <?page no="127"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 127 3.3.5.2 Gewässernamen Differenziert zu beurteilen sind die Gewässernamen. Ein Großteil der Namen kleinerer Fließgewässer, der Bachnamen, ist relativ jung. Sie enthalten sehr oft das Grundwort Bach m. (oder sind als Simplex überhaupt mit diesem Appellativ benannt) und ein leicht zu deutendes Appellativ oder einen Namen (Personenname, Toponym) im Bestimmungswort. Diese Gewässernamen erlangten häufig erst sehr spät Gültigkeit für das ganze Gewässer, mancherorts tragen heute noch verschiedene Strecken eines Bachs unterschiedliche Abschnittsnamen (Greule 1996a: 1534; Grossenbacher Künzler 1999: 218). Demgegenüber gehören die Namen der größeren Flüsse zur ältesten überhaupt greifbaren Namenschicht im Untersuchungsgebiet, den ie. Gewässernamen. Greule (1973) untersucht die vordt. Namen der Zuflüsse des Oberrheins, darunter auch entsprechende Gewässernamen im Untersuchungsgebiet der vorliegenden Arbeit: Aare (Greule 1973: 101-104; BENB I/ 1: 39f.), Emme (Greule 1973: 113-115; BENB I/ 1: 80), Langete (Greule 1973: 127-129; BENB I/ 3: 41f.), Murg (Greule 1973: 139-141, bes. 140; BENB I/ 3: 385-387) und Önz (Greule 1973: 143; BENB I/ 4: 95f.). Es fehlen in Greules Untersuchung ebenfalls ie. Gewässernamen wie Ilfis (BENB I/ 2: 341f.), Ösch (BENB I/ 4: 105-107) und Zihl (BENB Dok.); die Kander (BENB I/ 3: 411f.) wird zwar nicht behandelt, ist jedoch etymologisch der Kander in Baden-Württemberg (Greule 1973: 199) gleichzustellen. Umdeutungen sind bei dieser relativ kleinen Gruppe von Gewässernamen kaum auszumachen. Denkbar ist eine Umdeutung der Zihl, die über die älteste überlieferte Form Tela auf ie. *tℓl(a) ›schmelzen, langsam fließen‹ zurückgehen soll (LSG 2005: 872, mit den ältesten Belegen des gleichwertigen Siedlungsnamens Thielle, dt. Zihlbrücke, Gemeinde La Tène (NE)), woraus sich lautgesetzlich die frz. Form Thielle wie die alem. Form Zihl ergeben. Für sie bietet sich bei Lautgleichheit die Umdeutung in nhd. Ziel n. oder auch in schwzd. Zil n. (u.a.) ›Grenze, begrenztes Gebiet‹ (Schwäb. Wb. VI: 1197-1200) 120 an. Eine historische Umdeutung ist möglicherweise im Gewässernamen Aare zu erkennen. Ihr Name ist seit der Antike überliefert (BENB I/ I: 39f.; Greule 1973, a.a.O.). Auszugehen ist von einem ursprünglichen Namen *Arura (*Orura). Die heutige schwzd. Lautung Aar(e) kann auf zwei Arten entstanden sein: Einerseits kann sie auf germ. Verkürzung von Arura zu *Arra beruhen. Andererseits ist die frühmittelalterliche rom. Form Arula belegt (vgl. älter frz. Arole), die als dissimilierte Lautung das doppelte -rvon Arura vermeidet. Ihre Endung -ula kann dann als Diminutivsuffix (eigentlich *›kleine Ara‹) gedeutet worden und später weggefallen sein, woraus sich ebenfalls Ara ergibt. 120 Der entsprechende Band des Id. ist noch nicht erschienen. <?page no="128"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 128 Dass diese alten Gewässernamen nicht häufiger umgedeutet werden, dürfte an ihrer Kürze liegen, die wenig Umdeutungsmöglichkeiten eröffnet. Ebenfalls eher geringen Alters sind die Namen der Seen; sie tragen meistens ein Toponym (häufig einen Siedlungsnamen) aus der näheren Gegend im Bestimmungswort und sind mit dem Grundwort See m. gebildet. 3.3.5.3 Flurnamen Bruckner (1945: 127) geht davon aus, dass Flurnamen prinzipiell leicht verständlich seien, es sei denn, sie enthielten im Dialekt ausgestorbene Wörter. Der Grund dafür liegt darin, dass die eigentlichen Flurnamen größtenteils relativ jung sind und höchstens auf das Spätmittelalter zurückgehen (Sonderegger 1960: 181). Wie Förster (1998: 187) erklärt, fungierten Flurnamen zu Zeiten des Pergaments und allgemeiner Schreib- und Leseunkundigkeit als eine Art Katasterersatz und mussten in erster Linie Besitzlinien oder Nutzungsverhältnisse markieren. Daraus ergibt sich, dass Flurnamen bei Besitzerwechseln bzw. Neueinteilungen oder Umnutzungen auch neu appellativisch benannt wurden. Nach Förster (a.a.O.) setzte ein Wandel erst mit dem Aufkommen des Papiers im 13./ 14. Jh. und in der Folge mit dem Buchdruck ein: Seither konnten auch Flurnamen schriftlich festgehalten werden, Güter- und Zinsregister wurden zu den neuen Grundlagen des Katasters, Flurnamen auf eine reine Kennzeichnungsfunktion reduziert. Erst danach konnte auch ein Name, dessen appellativische Bedeutung nicht mehr zutraf, an einem Denotat haften bleiben. Die Umdeutung von Flurnamen nahm dann nach Förster (a.a.O.) vor allem im 19. Jh. durch amtliche Schreiber mit städtischem Hintergrund zu (vgl. 3.3.8.7). Ein Acker namens Mischelstude in III Mühleberg wird erstmals 1870 als Mistelstuden erwähnt (TA: 316). Das BENB (I/ 3: 297) erkennt darin eine volksetymologische Umdeutung in den Pflanzennamen Mistel f., wobei der Name ursprünglich am ehesten zu schwzd. Mischel m. ›Mischgetreide‹ (Id. IV: 504) zu stellen sei. Eine Gewährsperson habe angegeben, an dieser Stelle habe man früher verschiedene Getreidesorten zu Futterzwecken gesät. 121 Im Prinzip unterliegen primäre Flurnamen, die als Besitzernamen mit einem Personennamen gebildet sind, derselben Wahrscheinlichkeit für volksetymologische Umdeutung wie entsprechende primäre Siedlungsnamen (s. 3.3.5.1). Einschränkend ist allerdings zu sagen, dass sie tendenziell jünger sind als jene und damit auch jüngere Formen von Besitzerna- 121 Meines Erachtens kann die Umdeutung jedoch auch in umgekehrter Richtung vonstatten gegangen sein. Auffällig ist zudem, dass der TA hier das Grundwort in schwzd. Lautung belässt, statt es wie üblich nhd. zu notieren. <?page no="129"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 129 men (etwa aktuelle Familiennamen) enthalten können, die weniger unverständlich sind. Zinsli (1977) gibt einen Hinweis darauf, dass die Umdeutungswahrscheinlichkeit von Flurnamen von ihrer Siedlungsnähe abhängen kann. Am Beispiel der Gemeinde Salgesch (VS) zeigt er, dass in Gegenden mit spätem Sprachwechsel in erster Linie die siedlungsnahen Toponyme der älteren Sprache (hier Frkpr.) entstammen (und damit tendenziell isoliert sind), weil sie - wie Zinsli vermutet - einfach präsenter seien (1977: 348). Daraus ist zu schließen, dass für die weiter entfernten Denotate demnach eher neue, noch appellativisch verständliche Toponyme geprägt werden. 122 Dass jedoch auch Namen, die der Sprachgemeinschaft präsent sind, ersetzt werden können, zeigt Zinsli ebenfalls für Salgesch: Soweit sie appellativisch noch verständlich waren, konnten sie hier beim Sprachwechsel auch übersetzt werden. In Salgesch wurde aus älterem frkpr. Fontani (Plural) nach dem Sprachwechsel alem. Brinnju ›Brunnen‹ (Zinsli 1977, a.a.O.). Da die Unverständlichkeit fremdsprachiger Namen (vgl. auch 3.3.6.1) mit derjeniger isolierter Namen aus der eigenen Sprache vergleichbar ist, müssten Zinslis Aussagen über die Entfernung eines Toponyms von der Siedlung unabhängig von der Ursprungssprache auch auf Gemeinden zutreffen, die keinen rezenten Sprachwechsel durchgemacht haben: Auch hier müssten isolierte Namen für Denotate in größerer Entfernung vom Dorf tendenziell durch neue, noch appellativisch verständliche Namen ersetzt werden. Tatsächlich werden siedlungsferne bzw. im Onomastikon der Sprechenden wenig präsente Toponyme im Fall von Isolation nicht unbedingt appellativisch neu benannt, sondern manchmal auch volksetymologisch remotiviert. Der Guetwüschgrabe ist ein Wildbach in IV Oberwil im Simmental, für dessen Namen historische Belege fehlen. Ein gleichlautender Name wird dagegen 1524- 1593 in IV St. Stephan erwähnt: ein mad genant die gоt wusey, genant die gоt wüsti, die gоtten wкste (U168: 53b, 54b, 181). Beide Namen gehören zu den ziemlich verbreiteten volksetymologischen Umdeutungen des mhd. Appellativs wuotgüsse f. ›Wolkenbruch, gewaltige Überschwemmung‹ (BMZ I, 542; III, 537; Lexer 1872-1878/ 1970 III, 1005). In den Berner Belegen liegt eine Metathese Wuotgüsse > *Guetwüsse mit Umdeutung des Bestimmungsworts zum Adjektiv guet ›gut‹ (Id. II: 535) vor. Das Grundwort wird unterschiedlich umgeformt. In St. Stephan wird daraus Wusey, das wohl als fiktives Wus-Ei seinerseits als Kompositum mit einem nicht zu bestimmenden Bestimmungswort und dem Grundwort Ei f., entrundet aus Öi f. ›Insel, am Wasser gelegene Wiese‹ (Id. I, 18), zu verstehen ist. Daneben stehen Umformungen zum Grundwort schwzd. Wüesti f. ›Wüste‹ 122 Neue, dt. Namen wurden in Salgesch auch für neugewonnenes Land in der Schwemmebene der Rhone geprägt. <?page no="130"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 130 (Schwäb. Wb. VI: 1012) 123 . In Oberwil im Simmental wurde das Grundwort dagegen an das Verb schwzd. wüsche ›wischen, kehren‹ angeglichen (BENB I/ 2: 131). Die allgemeine Umdeutung des Namens dokumentiert auch das Id. (II: 473) mit den Luzerner Belegen wuotgosse, wuotgussen, wotgusse, wytgus, witgusse, wegus, wägis aus dem 13. bis 15. Jh. In seiner Untersuchung stellt Zinsli (1977) eine wichtige Überlegung zu den eigentlichen Flurnamen an: ihre mentale Präsenz bei den Sprecherinnen und Sprechern. Nicht nur, was siedlungsnah liegt, sondern auch, was große Bedeutung für die Dorfgemeinschaft hat, dürfte im Onomastikon präsenter sein. Toponyme unterliegen vermutlich keiner Umdeutung, solange die damit benannte Einrichtung noch in Betrieb ist, weil der Name dann noch (halb)appellativisch verwendet wird. Die Thematik illustriert Förstemanns Schäferei (allerdings ohne Umdeutung des nicht mehr motivierten Namens; Förstemann 1863: 3; vgl. 2.4.1.2). Zinsli spricht nur von der Ursprungssprache der Toponyme, nicht von ihrer Prädisposition für Volksetymologie. Er verallgemeinert seine Ergebnisse aus Salgesch auch nicht. Ob also Namen von Denotaten in Dorfnähe allgemein präsenter (und damit älter, also eher isoliert) sind als solche fernab der Siedlung, bleibt ungewiss. Trifft dies zu, dürften sie im Vergleich zu anderen Toponymen sicher leichter remotiviert werden. 3.3.6 Sprachen Die Toponyme des Untersuchungsgebiets wurden je nach Besiedlungsgeschichte (vgl. auch 3.2.1 und BENB I/ 1: 5*) in unterschiedlichen Phasen von Sprecherinnen und Sprechern verschiedener Sprachen geprägt. Alter und Herkunft der Toponyme aus verschiedenen Sprachen haben einen Einfluss auf ihre Verständlichkeit bzw. Isolation. Über einer Schicht heute als ie. gedeuteter Gewässernamen (vgl. 3.3.5.2) liegen Namen kelt. Herkunft vornehmlich für Siedlungen, aber auch als Flurnamen. 124 Sie finden sich in einem großen Teil des Untersuchungsgebiets mit Ausnahme des vor dem Mittelalter kaum besiedelten Emmentals und einzelner Alpentäler, die nicht an Alpenübergängen liegen. Weit mehr Namen finden sich dann aus der Zeit nach der Eingliederung des Untersuchungsgebiets ins Römische Reich. Sie haben eine gallorom. Grundlage. 125 Gesichert ist eine gallorom. Besiedlung im heute alem. 123 Der entsprechende Band des Id. ist noch nicht erschienen. 124 Z.T. auch als heutige Flurnamen, die als Wüstungsnamen aus ursprünglichen Siedlungsnamen entstanden sind. 125 Mit Gallorom. wird die rom. Vorstufe der (u.a.) frkpr. Dialekte auf kelt. (gall.) Substrat bezeichnet. Die meisten der - heute fast ausnahmslos vom Standardfrz. verdrängten - frz. Dialekte der Schweiz gehören zum Frkpr. Für die ehemaligen rom. Dialekte in heute alem. Gebieten verwende ich hier die Bezeichnung Gallorom. an- <?page no="131"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 131 Gebiet für große Teile des Seelands (I; entlang dem Aarelauf bzw. dem Jurasüdfuß, dem schon die römische Straße von Aventicum (Avenches VD)) nach Salodurum (Solothurn SO)) und weiter über den Jura nach Basel folgte). Die Sprachgrenze in diesem Gebiet hat sich am nördlichen Bielerseeufer noch im 18. Jh. zu Gunsten des Schwzd. verschoben (Weigold 1948: 23f.; Zimmerli I: 43f.). Urkundlich gesichert ist eine ursprünglich gallorom. Bevölkerung auch für das Gemeindegebiet von IV Saanen, wo erste alem. Siedler erst im 12. Jh. nachweisbar sind (Zwahlen 1959: 115). Diese alem. Siedler dürften durch das Simmental (IV) nach Saanen gelangt sein, und auch in diesem Tal ist eine früher gallorom. Bevölkerung gewiss. Mit Sicherheit ebenfalls auf gallorom. Besiedlung geht auch das Gebiet westlich der Stadt Bern zurück, wo die Gemeinde III Münchenwiler noch im 18. Jh. zur schwzd. Sprache wechselte (Schmalz 1947: 14f.). Wie jung der Sprachwechsel in dieser Gegend ist, zeigt der Gemeindename Clavaleyres. Diese Kleinstgemeinde, die heute offiziell deutschsprachig ist, kennt weder ein dt. Exonym noch eine schwzd. Lautform des Gemeindenamens (BENB I/ 3: 468f.; LSG 2005: 249). Hubschmied versuchte in seinem Aufsatz Zeugen für das späte Aussterben des Gallischen (1938a) aufzuzeigen, dass die Alemannen bei ihrem Zug über den Rhein im Gebiet der heutigen Schweiz noch auf Kelten getroffen seien und manche Toponyme auf kelt. Grundlage direkt, ohne gallorom. Vermittlung, von diesen übernommen hätten. Er geht davon aus, dass in den Alpentälern bis ins 9., möglicherweise sogar bis ins 11. Jh. keltischsprachige Bevölkerungsanteile anwesend gewesen seien. 126 Demgegenüber glaubt Bruckner (1945: 93f.), dass die alem. Siedlerinnen und Siedlerin der heutigen Deutschschweiz (HLS digital: Alemannen, 2009-03-20) auf weitgehend unbesiedeltes Gebiet getroffen seien, in diesem Bereich also kaum vordt. Toponyme aufträten, während es im Bereich der heute rom. Schweiz nie einen Besiedlungsunterbruch gegeben habe. Kristol (2005) arbeitet die Frage, wie lange Kelten in den Alpen, wie lange das Kontinentalkeltische überlebt habe, auf. Hubschmieds Irrtum liegt nach ihm in der heute veralteten Annahme einer Einwanderung von Alemannen schon im 5. Jh. Ende des 6. Jh. sind Alemannen erst in der Gegend um Basel und am Bodensee nachgewiesen, die Haupteinwanderung fand ab dem 7. Jh. statt (Kristol 2005: 24). Die Gegend südlich von Thun stelle von Frkpr. Da die ehemaligen rom. Dialekte, um die es hier geht, meist nur aus Toponymen erschließbar sind, würde ihre Benennung als Frkpr. eine Bestimmungsgenauigkeit vorspiegeln, die nicht zutrifft. 126 Hubschmieds Aufsatz löste ein großes Echo und seit den 1940er Jahren weitherum Ablehnung aus, darunter von Pokorny (1948/ 1949: 220-267) und Boesch (1961: 162f.); vgl. dazu die Diskussion über den Namen Interlaken (3.3.1). <?page no="132"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 132 dürfte nicht vor dem 9. Jh. germanisiert worden sein (Glatthard 1977; Zinsli 1977; Kristol 2005: 26; 2006: 24). Tatsächlich halten nach Kristol (2005: 27) nicht nur Hubschmieds Annahmen über die Siedlungsgeschichte, sondern auch seine kelt. Etymologien einer modernen wissenschaftlichen Prüfung nicht stand. Damit misslingt Hubschmied aus heutiger Sicht der Nachweis eines langen Überlebens des Kelt.: Mit kelt. Resten bei der Einwanderung der Alemannen in die heutige Schweiz ist nicht zu rechnen. 127 Damit ist auch für weite Gebiete des Berner Mittellands und selbst der inneren Alpentäler von einer früher gallorom. Bevölkerung auszugehen. 128 Nur eine gallorom. Bevölkerung, die eine Siedlungskontinuität von vorröm. Zeit bis ins Mittelalter herstellte, kann die oben erwähnten Siedlungsnamen auf kelt. Grundlage (z.B. Murgenthal in II Wynau an der Aare im Mittelland; vgl. 3.3.8.4; BENB I/ 3: 385-387; LSG 2005: 631f.; III Thun am Eingang zu den Alpentälern; BENB Dok.; LSG 2005: 873; V Interlaken im BO; vgl. 3.3.1) an die spätere alem. Bevölkerung vermittelt haben. Aus Kristols Ausführungen lässt sich also schließen, dass das gesamte Gebiet der heutigen Schweiz vor Ankunft der Alemannen mehr oder weniger dicht rom. besiedelt war. Nicht im Detail geklärt ist bisher das Ausmaß der Siedlungskontinuität von der Antike zur Neuzeit: Hat die alemannische Bevölkerung die romanische verdrängt, gab es gemischte Siedlungen oder haben alemannische Sippen in erster Linie neue Siedlungen gegründet? 129 Von den alem. Siedlerinnen und Siedlern schließlich stammt die weitaus größte Zahl der Toponyme im Untersuchungsgebiet: vor allem die eigentlichen Flurnamen, die aus dem landwirtschaftlichen Gebrauch des Landes hervorgegangen und oft relativ jung sind (vgl. 3.3.5.3), aber auch 127 Selbst für die im 5. Jh. in der heutigen Westschweiz nachgewiesenen germ. Burgunder ist ein direkter Sprachkontakt mit Kelten (etwa durch hybride Toponyme) nicht nachgewiesen (Kristol 2005: 42). Weil Kristol fast alle kelt. Etymologien von Hubschmied strikt ablehnt, fragt er sich, wie ein anerkanntermaßen großer Linguist mit seinen Etymologien so falsch liegen konnte. Er stellt dafür fünf Gründe fest: 1. fehlende urkundliche Formen, 2. Fehler in der Argumentation betreffend die historische Phonetik, 3. spekulative Argumentation mit nicht belegten Formen als ›spätgall.‹, 4. Benennungsmotive, die der Realprobe nicht standhalten, 5. Zirkelschlüsse (2005: 30). 128 Vgl. auch Kristol (2002, 2006). 129 Kristol geht in seiner kurzen Übersicht über die Einwanderung der Alemannen ins Gebiet der heutigen Schweiz (2006: 24) davon aus, dass die Ansiedlung friedlich, geregelt und obrigkeitlich bewilligt stattfand. Durch ein gewaltsames Verdrängen der ansässigen Romanen hätten die Alemannen kaum deren Siedlungsnamen übernehmen können, wie dies häufig geschah. Zumindest in der Nordwestschweiz muss es außerdem vom 7. bis ins 9. Jh. eine Region mit rom. Sprachinseln als Resten der älteren Sprachsituation gegeben haben (Kristol 2005: 25f.). Das Rom. könnte hier nach Kristol ähnlich wie heute das Rätorom. in Graubünden über einen längeren Zeitraum verdrängt worden sein (Kristol 2006: 24). <?page no="133"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 133 Siedlungsnamen und als eine der jüngeren Namenkategorien die meisten Bergnamen. 3.3.6.1 Ursprungssprache Dass Namen je nach Sprache, in der sie ursprünglich gebildet wurden, mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit volksetymologisch umgeformt oder umgedeutet werden, liegt auf der Hand: Fremdsprachige Namen sind den Sprechenden einer Sprache als Appellative a priori unbekannt und unverständlich, sofern sie diese Sprache nicht als Zweitsprache beherrschen. 130 Vennemann gen. Nierfeld (1999: 288) spricht in solchen Fällen von volksetymologischer Neuanbindung, Blank (1993: 54) belegt eine Reihe entsprechender Siedlungsnamen. Die Ursprungssprache eines Namens steht daneben in direktem Zusammenhang mit seinem Entstehungszeitpunkt. Ursprünglich kelt. Namen sind allein schon augrund ihres Alters stärker isoliert worden, weil zwischen ihrer Entstehung und der Gegenwart mehrere Sprachwechsel und auch längere Phasen mit lautlichen Entwicklungen innerhalb der einzelnen Sprachen liegen. Auch die (weiter von der heutigen Sprachgrenze entfernt) gallorom. bzw. (in der Nähe der heutigen Sprachgrenze) frkpr. Namen im Untersuchungsgebiet sind meistens älter als der Großteil der alem. Toponyme. Sprecherinnen und Sprecher, die sich bewusst sind, dass sie es mit einem ursprünglich fremdsprachigen Namen zu tun haben, können mit ihm wie mit einem Fremdwortappellativ umgehen: Sie können den Namen entsprechend seiner Lautung in der Ursprungssprache aussprechen und damit deutlich machen, dass sie sich der Namenherkunft bewusst sind. Andernfalls werden sie ihn lautlich in ihre eigene Sprache integrieren und dabei als isoliert wahrnehmen oder remotivieren. 131 Über die Einzelsprecherin, den Einzelsprecher hinaus werden die meisten fremdsprachigen Namen nicht als solche im Bewusstsein der Sprechenden verankert sein und damit lautlicher Anpassung unterliegen. Ausnahmen bilden vielleicht Namen, deren Lautung offensichtlich von der Lautstruktur der Zielsprache abweicht. Dies betrifft vor allem jüngere Namen. 130 Bebermeyer (1974: 184) führt Volksetymologie mit fremdsprachigen Namen entsprechend als eigene Kategorie; auf das volksetymologische Eindeutschen fremder Namen weist auch Bach (II/ 2: § 710, S. 507) hin. 131 Zinsli (1976: 86) weist auf die Möglichkeit von Namenpleonasmen hin, bei denen ein Namenelement aus einer vor Ort nicht mehr gesprochenen Sprache zur Verdeutlichung übersetzt wird. Ein doppeltes Beispiel ist der Crapsasserstein in Tschiertschen (GR), der aus einem vorom., einem rom. und einem alem. Appellativ gebildet ist, die alle ›Stein‹ bedeuten. <?page no="134"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 134 Monbijou ist der Name eines Quartiers in der Stadt III Bern (BENB I/ 3: 308). Es wurde nach einem 1775 erbauten Landhaus benannt (Weber 1976: 166), der erste Namenbeleg des BENB stammt von 1838 (Durheim II: 222). Der Name bedeutet in etwa ›mein Schmuckstück‹. Das Bewusstsein für die fremdsprachige Herkunft eines Namens dürfte daneben auch vom Bekanntheitsgrad seiner Herkunftssprache in der Sprachgemeinschaft der Zielsprache abhängen. Für Nachbenennungsnamen (vgl. auch 3.3.11) weist Rentenaar (1996: 1014) darauf hin, dass eine Sprachgemeinschaft mit zunehmendem Weltwissen (in seinem Fall historisch-politisches Wissen) Zugang zu einem immer größeren Repertoire für neue Nachbenennungsnamen hat. Damit können auch exotische Namen mit Bewusstsein der Sprechenden als solche vergeben werden und erhalten bleiben. Allgemein gesehen bedeutet dies, dass größeres Wissen (in diesem Fall verbreitetere Fremdsprachenkenntnisse) dazu führt, dass fremdsprachige Namen als solche erkannt werden und in ihrer fremdsprachlichen Lautung erhalten bleiben können. Die vordt. Toponyme des Untersuchungsgebiets können ie., kelt. und rom. Prägungen sein. Im Folgenden werde ich nur auf die rom. Namen eingehen, weil die vorrom. Toponyme über rom. Vermittlung ins Alem. gelangt sind (vgl. 3.3.6) und sich in der Wahrnehmung der Sprecherinnen und Sprecher des Alem. damit nicht von der Isolation anderer Namen unterscheiden. Erkennbar frz. Toponyme kommen im Untersuchungsgebiet vor allem als neuere Benennungen vor, etwa von Landsitzen, die frz. benannt wurden. Morillon bezeichnet ein Landgut und davon abgeleitet ein Quartier sowie die Morillonstrasse in III Bern (BENB I/ 3: 319; Weber 1990: 211). Der Mehrheit der Sprecherinnen und Sprecher dürfte klar sein, dass es sich um einen frz. Namen handelt, obwohl er appellativisch nicht verständlich ist. 132 Auch die Lorraine ist ein Quartier in der Stadt III Bern (BENB I/ 3: 147f.). Sie wird schon 1736-1738 estmals als Lorraine-Gutt erwähnt (C3 IX: 13). und war vermutlich ursprünglich der Name eines Herrensitzes (Weber 1976: 151). Der Name der Lorraine hat sich, übertragen auf das Quartiere, länger erhalten als der Landsitz selbst. Das Bewusstsein für seine Herkunft bei den Sprecherinnen und Sprechern führt dazu, dass das Toponym Morillon vermutlich frz. realisiert wird, bis hin zu uvularer Artikulation des r, das in Bern üblicherweise alveolar ist. 133 Die Lorraine dagegen ist lautlich leichter zu integrieren, gänzlich fremde Laute enthält der Name nicht; das auslautende -e wird als Schwa realisiert und nicht wie frz. ausgestoßen. Der Name scheint also insgesamt besser ins 132 Die im Alem. ungewöhnlichen frz. Laute des Namens können problemlos durch eine alem. Aussprache ersetzt werden, ohne das Wissen um die fremdsprachliche Namenherkunft zu beeinflussen. 133 Abgesehen vielleicht von der alteingesessenen Burgerschaft (SDS II: 153). <?page no="135"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 135 Schwzd. integriert und unterliegt der populären volksetymologischen Deutung als i der Lohr äne ›in der Lohr drüben‹ (Weber 1976: 150) mit dem Appellative schwzd. Loore f. ›Haufen zusammengelesener Steine‹, in Toponymen häufig für Waldgebiete (Id. III: 1374; BENB I/ 3: 145-147). Diese Toponyme sind bewusste Benennungen eines zweifellos überdurchschnittlich gebildeten Sprecherkreises. Das Gros der vordt. Namen im heute alem. Untersuchungesgebiet ist dagegen nicht als neuere, bewusste Benennung, sondern aus appellativischem Sprachgebrauch einer früher gallorom. oder frkpr. Bevölkerung entstanden. Diese Toponyme auf älterer rom. Grundlage sind nicht in dieser Deutlichkeit frz. erhalten, sondern wurden isoliert und mehr oder weniger ins Alem. integriert. Dies betrifft selbst die Gegenden am Bielersee (I) und im westlichen Berner Mittelland (III), wo der Sprachwechsel erst spät stattfand und eine längere Phase der verbreiteten Zweisprachigkeit angenommen werden muss (zur Verbreitung der Zweisprachigkeit bei manchen Bevölkerungsgruppen s. Furrer 2006: 322). 134 Schmalz (1947) präsentiert in seiner Abhandlung über die Gemeinde III Münchenwiler, die erst im 18. Jh. den Sprachwechsel zum Alem. vollzog, historische Belege für verschiedene Flurnamen. Ein Beispiel illustriert den üblichen Umgang mit frkpr. Namen nach dem Sprachwechsel: Der noch im 20. Jh. lebendige, mittlerweile abgegangene Flurname im Mürsi ist kein alem. Name, obwohl er auf den ersten Blick eine alem. Bildung zu sein scheint. Lautlich ist eine alem. Interpretation kein Problem, ein zugrunde liegendes alem. Appellativ ist aber nicht auszumachen. Vielmehr geht der Name auf eine agglutinierte Form von frkpr. vurzi o.ä. (ohne Genusangabe) ›Korbweide, Salweide, Grünerle‹ (FEW XIV: 633; Durheim 1856/ 1972: 230) zurück (BENB I/ 3: 394f.), wie der Erstbeleg In Vursj 1721 (S) zeigt. Schmalz stellt fest, dass die rom. Toponyme von Münchenwiler in den meisten Fällen lautlich in die alem. Sprache integriert, nicht aber durch alem. Namen ersetzt wurden. 135 Offensichtlich wurden die Namen dabei auch nicht verstärkt umgedeutet, obwohl die Isolation dieser fremdsprachigen Namen eigentlich eine gute Voraussetzung dazu schüfe. Eine dem Kanton Bern sprachhistorisch vergleichbare Situation findet sich im Kanton Graubünden, wo seit dem Spätmittelalter in weiten Gebieten ein Sprachwechsel vom Rätorom. zu alem. Dialekten stattgefunden hat. 134 Ich will an dieser Stelle nicht darüber spekulieren, welchen Einfluss die Differenz zwischen den frkpr. Westschweizer Dialekten und der frz. Standardsprache auf die Isolation der frkpr. Toponyme hatte, ob also die Zweitsprache der alem. Sprecherinnen und Sprecher eher Standardfrz. als Frkpr. war. 135 Vgl. dazu die Angaben von Zinsli (1977: 348) zur Neubenennung von Toponymen in Salgesch (VS) (3.5.1). Zinsli spricht von der Entfernung der Namen vom Dorf, einer Kategorie, die für die Kleinstgemeinde Münchenwiler irrelevant ist. <?page no="136"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 136 Zinsli (1976) weist hier verschiedenenorts volksetymologische Umdeutungen nicht mehr verstandener Namen mit alem. Zielappellativen nach. Eines von Zinslis (1976: 91) Beispielen stammt aus Tamins: Tomalis Wisli ist ein Flurname, der auf das Appellative rätorom. tumba ›Hügel‹ zurückgeht und alem. in einen Besitzernamen mit dem Personennamendiminutiv Tomali, wohl zum Personennamen Thomas, umgedeutet wurde. Ein weiteres Beispiel fügt er aus Küblis an: Fröschenei heißt hier ein Heimwesen. In dessen Namen erkennt er lat. fraxinŃtum m. ›Eschenhain‹ (RNB II: 152) und eine alem. Umdeutung in den Tiernamen Frosch m. (schwzd. auch Frösch; vgl. auch Schorta 1949: 21). In Graubünden scheinen diese Umdeutungen ziemlich verbreitet zu sein, Szadrowsky (1942) bringt unter dem Titel Verkappte Rätoromanen eine ganze Reihe von ihnen, besonders oft aus Walsersiedlungsgebieten. Von ähnlichen Beispielen berichtet auch Lochner von Hüttenbach (1986) aus dem dt.slaw. Sprachgrenzgebiet in Kärnten. Dagegen enthält das Material des BENB abgesehen von pseudofrz. Volksetymologien (s. 3.3.6.2) bemerkenswert wenige Fälle, bei denen Volksetymologie mit alem. Zielappellativ eindeutig auf den Sprachwechsel zurückzuführen ist. Die Ursache für diesen Unterschied ist mir unbekannt; ich vermute sie etwa darin, dass der Sprachwechsel in großen Teilen des Untersuchungsgebiets früher als im Kanton Graubünden stattfand (vgl. Kristol 2006), also mehr alte Flurnamen durch neuere ersetzt worden sein dürften (vgl. 3.3.5.3), und dass ursprünglich rom. Namen aufgrund fehlender alter Belege auch vom BENB alem. gedeutet werden. Zudem hat Frz. im Kanton Bern in der Nähe der Sprachgrenze bis in die Gegenwart als Verkehrssprache eine relativ große Bedeutung und ist einem Großteil der Bevölkerung noch bekannt, während das Rätorom. in den von Zinsli angesprochenen Regionen Graubündens, wo es als Muttersprache ausgestorben ist, seither vermutlich so gut wie keine Bedeutung mehr hat. Diese unterschiedliche praktische Relevanz der Substratsprache 136 führt zwar wie oben gezeigt nicht dazu, dass Namen, die ihr entstammen, als fremdsprachige erhalten bleiben. Die relative Bedeutung des Frz. im Kanton Bern könnte aber zu einem Bewusstsein für die rom. Herkunft isolierter Namen führen, das ihre Remotivierung zumindest einschränkt. Dieses Bewusstsein zeigt sich auch in Fällen von Toponymen, wo eine Umdeutung unter Fremdspracheneinfluss stattfindet (vgl. 3.3.6.2). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass fremdsprachige Namen tendenziell in die Zielsprache integriert und nicht als fremdsprachig wahrge- 136 Zwar haben die entsprechenden Toponyme frkpr. Grundlagen; das Bewusstsein einer rom. Substratsprache könnte aber unabhängig vom Unterschied zwischen dem Frkpr. und dem Frz. im Untersuchungsgebiet größer (gewesen) sein als in manchen Gebieten des Kantons Graubünden. <?page no="137"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 137 nommen werden, wenn sie nicht - ein vor allem neuzeitliches Phänomen - durch eine schriftliche Form gestützt werden. Die Siedlungsnamen in Nähe der heutigen Sprachgrenze, etwa im Seeland (I), illustrieren dies deutlich: Sie sind trotz einiger Auffälligkeiten etwa bei den Suffixen (Zinsli 1974: 78- 81), z.T. auch in den Akzentverhältnissen in die alem. Sprache integriert und damit großteils isoliert. Fremdsprachige Namen sind also fast immer isoliert und damit prinzipiell offen für Remotivierung. 3.3.6.2 Fremdspracheneinflüsse Vereinzelt treten im Untersuchungsgebiet fremdsprachige Volksetymologien auf: Namen, die das Resultat eines volksetymologischen Wandels sind, der nicht in der Erstsprache der Sprecherinnen und Sprecher stattfand. Diese Volksetymologien setzen voraus, dass ein guter Teil der Sprachgemeinschaft der Ausgangssprache (hier also des Alem.) die fremde Zielsprache der Volksetymologie als Zweitsprache beherrscht. Darüber hinaus funktioniert sie auch, wenn den Sprecherinnen und Sprechern das Zielappellativ als Fremdwort geläufig ist oder die Umdeutung zu einem Toponym führt, das der Sprachgemeinschaft als Name bekannt ist. Rentenaar (1996: 1014; vgl. auch 3.3.6.1) stellt für Nachbenennungsnamen fest, dass derartige Vorgänge eine gewisse Bildung voraussetzen. Die auffälligen Beispiele aus dem Material des BENB sind Umdeutungen auf frz. Basis, die ich pseudofrz. nennen möchte. Mumplischuur ist der Name der obersten Partie des Chapf in I Twann. Der Name ist tatsächlich eine rom. Bildung und geht auf frz. *mont Blaise ›Berg des Blasius‹ bzw. eine entsprechende lokale Form zurück (BENB I/ 3: 363f.; s. ausführlicher 3.3.9.6). Die Deutung als Mont Plaisir ›Freudenberg‹ (Z I: 42f.) oder Mon Bijou ›Mein Schmuckstück‹ 2002 (LK 2006: 1145) sind zwar ebenfalls frz., aber Volksetymologien in einer Fremdsprache, die meines Erachtens dem Bewusstsein entsprungen ist, dass der Name rom. sein müsse. Beide Deutungen tragen Züge eines Modenamens (Dahlberg 2004: 412), der mit einem fremdsprachigen Abstraktum gebildet ist (Bach 1954 II/ 2: § 536; vgl. auch 2.4.1.1), und dürften auf einzelne Urheber, etwa amtliche Vermesser (vgl. 3.3.8.7), zurückgehen. Tatsächlich ist der Name aus Twann deutlich älter als derartige Namen des 19. Jh. Auch der Jolimont, ein Hügelzug zwischen I Erlach und I Gampelen, ist so ein Fall (s. ausführlicher und mit historischen Belegen 3.3.1.1). Die Bildungsweise des Namens ist weder eindeutig alem. noch rom.: Zwar ist das Wortmaterial mit dem Grundwort frz. mont m. ›Berg‹ und dem Exonym Chules für Gals rom., aber die Komposition mit dem Grundwort in finaler Stellung deutet auf einen frühen alem. Einfluss. 137 Historische Belege für einen alem. *Galsberg fehlen jedoch. Die 137 Vgl. etwa den Gemeindenamen Delémont (JU) (LSG: 291), der im Bestimmungswort einen Personennamen trägt und dessen Grundwort ebenfalls die rom. untypische Endstellung einnimmt. <?page no="138"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 138 spätere Umdeutung in das Adjektiv frz. joli ›hübsch‹ ist vermutlich ebenfalls als Erscheinung unter dem Einfluss von Modenamen zu verstehen. Denkbar sind neben diesen fremdsprachigen Volksetymologien mit Namen auf rom. Basis auch solche mit Namen auf alem. Basis, doch habe ich dafür im Material des BENB keine Belege gefunden. Die obigen Beispiele fremdsprachiger Volksetymologien von alem. Sprecherinnen und Sprechern stammen aus der Sprachgrenzregion am Bielersee (I). Der Rückgriff auf das Frz. ist hier leicht verständlich. Prinzipiell sind aber gerade mit zunehmenden Fremdsprachenkenntnissen auch Volksetymologien mit anderen Sprachen denkbar, etwa engl. (vgl. 4.3.4.4). 3.3.6.3 Neuhochdeutsche Interferenzen Ein Sonderfall der fremdsprachigen Volksetymologien sind nhd., vom Alem. abweichende Volksetymologien. Sie sind insofern ein Sonderfall, als alle Sprecherinnen und Sprecher des Alem. auch nhd. sprechen und in der Schweiz eine Situation der Diglossie herrscht (Rash 2002: 46-73, bes. 46- 49). 138 Nhd. Volksetymologien sind Interferenzerscheinungen, wobei ich die etwas negative Definition von Interferenz als »störende Einwirkung einer Sprache auf die andere, wie sie bei Zweisprachigkeit eines Sprechers oder einer Sprachgemeinschaft von der einen auf die andere Sprache erfolgen kann« (Schützeichel 1950: 146) neutraler einfach als Einwirkung einer Sprache bzw. einer Sprachvarietät (Schützeichel 1950: 147) auf eine andere verstehen möchte (Metzler Lexikon Sprache 2000: 310; Bußmann 2002: 314). Nhd. Interferenz kann eintreten, wenn ein Name ein schwzd. Element enthält, das nicht (mehr) bekannt ist, während ein homophones oder doch ähnliches nhd. Element sich anbietet. Bim Batthaus heißt ein Stück Kulturland am Hang bei Galmis in II Niederbipp. Historisch ist es nur 1827/ 1828 als Batt-Hansen Reuti belegt (P). Die Gewährsperson interpretiert den Namen eindeutig als Bildung mit dem Grundwort nhd. Haus n. Dieser Deutung steht jedoch die mhd. Diphthongierung entgegen, die im etymologisch identischen schwzd. Pendant Huus n. fehlt. Der historische Beleg lässt vielmehr auf eine Bildung mit dem Doppelpersonennamen Batt-Haus ›Beat-Hans‹ schließen, dessen Lautung durch n-Vokalisierung nach Staubschem Gesetz (SDS II: 124-136a; Werlen 1977) entstanden ist (Id. II: 1468-1471; üblicher ist Hausi; zum Personennamen Batt s. Id. IV: 1844). Diese lautliche Besonderheit des lokalen Dialekts war der Gewährsperson anscheinend nicht bekannt, sonst 138 Von medialer Diglossie spricht etwa Ramseier (1988: 17). Rash (2002: 47) bevorzugt die Bezeichnung funktionale Diglossie, weil die Sprecherinnen und Sprecher in der Deutschschweiz je nach Funktion und Sprechsituation zwischen den Varietäten wechselten. S. Rash (2002) auch zur generellen Kritik an der Verwendung des Terminus Diglossie für die Deutschschweizer Situation. Vgl. auch Schützeichel (1950: 5, 110). <?page no="139"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 139 hätte sie kaum den Bezug zum mit Sicherheit auch für sie auffällig anders lautenden nhd. Appellativ hergestellt. Dieser Bezug ist so auffällig, dass er vermutlich nicht von der Mehrheit der Sprachgemeinschaft vor Ort hergestellt wird, es sich also um eine individuelle Volksetymologie handelt. Ähnliche Beispiele führt Förster (1998: 178) für den nd. Sprachraum an. Er schlägt vor, Fuchs-Fluren nicht mit dem nhd. Tiernamen zu deuten, sondern mit mnd. vucht ›Feuchtigkeit, Nebel‹. Die aktuelle Lautung wäre dann als lautlich angepasste Volksetymologie zu verstehen. Man könnte vermuten, volksetymologische Angleichung alem. an nhd. Appellative gebe einen Hinweis auf lexikalischen Sprachwandel. Dies trifft jedoch kaum zu; der Rückgriff auf ein nhd. Appellativ ist lediglich als Zeichen der Diglossie zu werten, die die Sprechenden überhaupt an Appellative aus dem Nhd. denken lässt. Die Umdeutung auf nhd. Basis ist damit weniger ein Zeichen des Sprachals des Kulturwandels, der insbesondere den bäuerlichen Wortschatz tiefgreifend verändert (vgl. 3.2.2). Zu vermuten steht allerdings, dass derartige Remotivierungsmöglichkeiten heute bei zunehmenden aktiven und passiven Kenntnissen des Nhd. bei Sprecherinnen und Sprechern des Alem. verbreiteter sind als früher, die Anzahl nhd. Appellative als Interpretamente alem. Namen in Zunahme begriffen sein dürfte. 3.3.7 Geografische Verteilung Unter geografischer Lage können bei der Untersuchung von Volksetymologie unterschiedliche Dinge verstanden werden: 1. Die Lage von Toponymen in lokalem Zusammenhang (auf Ebene einzelner Gemeinden oder kleiner Gebiete): Bezeichnet ein Name Siedlungsgebiet, (siedlungsnahes oder auch -fernes) Kulturland oder wirtschaftlich nicht genutztes Gebiet (z.B. in den Bergen) fernab der Siedlung? Vgl. zu dieser Unterscheidung nach dem außersprachlichen Referenzobjekt 3.3.5. 2. Die Lage von Toponymen in regionalem Zusammenhang (auf Ebene größere Gebiete mit relativ einheitlicher sprach- und siedlungsgeschichtlicher Entwicklung). Ich beziehe mich hier auf die regionale Lage von Toponymen, die sich als Kategorie für die Untersuchung toponymischer Volksetymologie anbietet. Wie schon zu sehen war (3.3.6), stehen regionale Lage, Alter und Ursprungssprache von Toponymen in einem Wechselverhältnis, die Toponymie spiegelt also die Besiedlungs- und Sprachgeschichte des Untersuchungsgebiets wieder. Nachfolgend werde ich ein paar dieser Punkte aus dem Blickwinkel der regionalen Verteilung (noch einmal) kurz ansprechen. <?page no="140"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 140 Das geografisch stark gegliederte Untersuchungsgebiet reicht vom Jurasüdfuß im Norden über das relativ flache Mittelland zum hügeligen Emmental und den Hochgebirgstälern des BO, deren Besiedlungsgeschichte sich teils erheblich unterscheidet (s. ausführlicher 3.2.1). Sind im Berner Seeland (Sektor I) und am Jurasüdfuß (I und II) frühgeschichtliche Siedlungsspuren zu finden, so ist im abseits alter Durchgangswege gelegenen Emmental (Sektor III) vor dem Mittelalter keine Besiedlung nachweisbar. Manche Alpenübergänge wurden nach Ausweis archäologischer Funde (Archäologisches Hinweisinventar 1982; Archäologie im Kanton Bern) schon zu vorgeschichtlicher Zeit begangen, abgelegene Alpentäler ohne wirtschaftlich bedeutsame Pässe wie das hintere Lauterbrunnental (HLS digital: Lauterbrunnen, 2009-03-20) wurden aber erst im Spätmittelalter dauerhaft besiedelt. In der westlichen Deutschschweiz ist von einer gewissen Siedlungskontinuität seit der Antike auszugehen, wobei heute alem. Sprachgebiet zwischenzeitlich von einer rom. Bevölkerung besiedelt war. Ursprünglich kelt. Toponyme wie der Siedlungsname Murgenthal (II Wynau/ AG; s. ausführlicher 3.3.8.4) zeigen, dass auch weiter östlich eine gewisse Siedlungskontinuität geherrscht haben muss (vgl. 3.6). Grob gesagt sind in den spät besiedelten Gebieten im Emmental und in den gekammerten Tälern des BO (Sektoren IV, V) kaum vordt. Namen zu erwarten, soweit sie nicht mit Lehnappellativen gebildet oder halbappellativische Lehnnamen sind. Dagegen ist im Mittelland (Sektor III) und entlang des Jurasüdfusses insbesondere in der Makrotoponymie (Namen von Landschaften, Siedlungen, größeren Fließgewässern; vgl. 3.3.5) mit den ältesten Toponymen des Untersuchungsgebiets zu rechnen: rom. und rom. vermittelten kelt. und vereinzelt ie. Namen. 139 Nach Westen und Nordwesten nimmt die Dichte vordt. Toponyme zu. Der enge Zusammenhang von Besiedlungsgeschichte und Toponymie zeigt sich darin, dass die Toponomastik Rückschlüsse auf die historische Entwicklung der rom.-germ. Sprachgrenze zulässt (s. ausführlicher 3.3.6) und zur Rekonstruktion historischer Besiedlungsvorgänge beiträgt. In Gebieten mit alten Toponymen ebenso wie in solchen, in denen im Lauf der Geschichte ein Sprachwechsel stattfand, ist die Wahrscheinlichkeit isolierter Toponyme größer als in spät besiedelten Gebieten mit sprachlicher Kontinuität. Die Voraussetzungen für die volksetymologische Umdeutung von Toponymen sind in Ersteren günstiger. 139 In Namen von Fließgewässern können diese Namen auch in die oben genannten Gebiete hineinreichen, in denen keine vordeutschen Namen zu erwarten sind, wie das Beispiel der Emme zeigt: Der Fluss, dessen Name auf ie. *am- ›Flussbett, Graben‹ basiert (Greule 1973: 113-115; BENB I/ 1: 80; Grossenbacher Künzler 1999: 57f.) müsste demnach an seinem Unterlauf benannt worden sein, sein Name wäre erst in späterer Zeit auf den gesamten Flusslauf ausgedehnt worden. <?page no="141"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 141 Chäsitz ist die mundartliche Lautung für den Namen der Gemeinde III Kehrsatz. Erstmals belegt ist er 1270 als Cerrisaz (FRB II: 743). 1277 heißt es Kesaz (FRB III: 214), 1281 Kersaz (FRB III: 302), 1284 Cherzaz (FRB III: 357). Seither ist die Schreibweise relativ konstant. Das LSG (2005: 477) lehnt die Deutung des BENB (I/ 2: 438) auf lat. Grundlage ceresŃtum n. ›Kirschbaumhain‹ mit ahd. Verschiebung von anlautendem c- (k-) zu ch- und postvokalischem -t zu -tz ab, weil anlautendes lat. cvor -eschon im 2. oder 3. Jh. palatalisiert worden sei. Auch das LSG kann jedoch keine sichere Deutung angeben; zu denken sei vielleicht an eine Bildung mit lat. cćrice ›Riedgras‹ und einem nicht identifizierten Suffix. Allen Deutungsansätzen gemeinsam ist jedoch, dass sie den Namen auf eine vordt. Bildung zurückführen. Die heute schriftlich gültige Namenform hat Anlass zu Volksetymologien gegeben: Hubschmied (1938a: 75) erklärt sie als Übersetzung des (seinerseits problematischen) Namens der nahe gelegenen Gemeinde III Belp aus schwzd. Kehr m. ›Wendung‹ (Id. III: 430-433; bezogen auf die Schlaufen der Gürbe) und schwzd. Satz m. ›Felsstufe, schmale Terrasse‹ (Id. VII: 1517-1526, bes. 1526; Zinsli 1946: 335; das Appellativ ist in dieser Bedeutung nur für das BO belegt). 140 Dass diese Volksetymologie nicht volkstümlich ist, zeigt schon die heutige Mundartlautung mit überoffenem -ä- und meistens fehlendem -r-, die gegen das Appellativ Kehr m. mit neutralem -espricht. Anzunehmen wäre also, dass Volksetymologie im Untersuchungsgebiet vor allem im Westen und Nordwesten auftritt: am Jurasüdfuß (Seeland), im Mittelland, an der westlichen Kantonsgrenze und in einigen Tälern des BO. Eine auffällige Häufung volksetymologisch umgedeuteter Toponyme in diesen Gegenden ist jedoch nicht festzustellen, wie oben (3.3.6.1) schon angesprochen wurde. Eindeutige Gründe dafür sind nicht auszumachen. Sicher von Bedeutung ist, dass auch viele alem. Toponyme in der Zeit seit ihrer Prägung isoliert wurden und damit eine Voraussetzung für Volksetymologie erfüllen. Andererseits konnten Toponyme in Gebieten mit Sprachwechsel auch bis in neuere Zeit hinein aus appellativischem Gebrauch neu geprägt werden, womit isolierte Namen verschwanden (vgl. Zinsli 1977: 348; Förster 1995: 187). Mit der Feststellung, dass ein historischer Sprachwechsel im Untersuchungsgebiet nicht generell zur Verbreitung der Volksetymologie beigetragen hat, verzichte ich hier auf die Nennung weiterer Beispiele aus (älteren und neueren) Sprachgrenzlagen; sie sind an anderer Stelle zu finden. 140 Hubschmieds Deutung entspringt wohl zumindest teilweise dem Wunsch, den Beweis zu erbringen, dass die Alemannen im Kanton Bern noch auf Kelten gestoßen seien (vgl. 3.3.6): Den Siedlungsnamen Belp deutet Hubschmied kelt. als ›Windung‹ (1938a: 75; LSG: 137f.; BENB I/ 4, unveröffentlicht). <?page no="142"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 142 3.3.8 Entstehungszeitpunkt Generell lässt sich zum Entstehungszeitpunkt von Volksetymologien sagen: Je älter ein Name ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er Volksetymologie unterliegt. Dafür gibt es mehrere Gründe: Die ältesten Namen im Untersuchungsgebiet sind vordt. und damit ohnehin unverständlich und isoliert (vgl. 3.3.6.1). Manche dieser Namen wurden schon in vordt. Zeit umgedeutet. 141 Eine mögliche frühmittelalterliche Umdeutung betrifft den Namen des Flusses Aare. Der ursprünglich anzusetzende Name *Arura wurde möglicherweise zu Arula dissimiliert und anschließend als Diminutiv empfunden, worauf das vermeintliche Diminutivsuffix -ula abgetrennt und der Fluss *Ara genannt wurde (vgl. ausführlicher 3.3.5.2). Auch für Namen auf germ. (alem.) Grundlage gilt prinzipiell, dass ihr Alter einen Einfluss auf die Möglichkeit von Volksetymologie hat. Alte Prägungen sind häufiger mit Appellativen gebildet, die im heutigen Wortschatz der Sprachgemeinschaft fehlen, und sie sind oft auch stärker verschliffen. In beiden Fällen sind die Toponyme isoliert und erfüllen so eine Voraussetzung für Volksetymologie (vgl. 3.3.1). An den ältesten überlieferten Namen auf germ. Grundlage haben Siedlungsnamen einen großen Anteil. Siedlungsnamen scheinen - wie schon das Beispiel der vorgerm. Toponyme zeigt - als Namen einer größeren, dauerhafteren Struktur länger überliefert zu werden, während etwa landwirtschaftlich genutztes Land durch Handwechsel, Neufaufteilungen und veränderte Nutzung eher neu benannt wurde (Zinsli 1977: 348; Förster 1995: 187). Im Folgenden stelle ich anhand einiger Beispiele dar, wie (z.T. außersprachliche) historische Umstände zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Entstehung von Volksetymologien begünstigen konnten. Es handelt sich bei diesen Faktoren um eine Auswahl, die keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. 142 141 Dass die vordt. Herkunft der Namen nicht per se zu einer massiven Häufung volksetymologischer Deutungen führt, wurde oben (3.3.6.1, 3.3.7) erörtert. 142 Historische Volksetymologien sind besonders schwierig festzustellen (vgl. 3.1): Einerseits fehlen häufig alte Belege, die für eine Volksetymologie sprechen; entsprechende Namen erscheinen möglicherweise schon im ersten Beleg umgedeutet. Andererseits kann es schwierig sein, den historischen volksetymologischen Bezug festzustellen, wenn das Zielappellativ einer historischen Volksetymologie seither untergegangen ist. Schließlich können volksetymologisch veränderte Namen in der Zeit seit der Umdeutung verschliffen worden sein und sich heute isoliert präsentieren. Ein grundlegendes Problem betrifft die Tatsache, dass aus historischer Zeit nur schriftliche Belege vorliegen, die sich mit dem tatsächlichen, mündlichen Namengebrauch nicht decken müssen. <?page no="143"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 143 3.3.8.1 Frühe Umdeutung als Folge der Verschleifung von Personennamen in Siedlungsnamen Zu den frühesten greifbaren Umdeutungen gehören die - auch später noch umgedeuteten - ahd. Personennamen als Bestimmungswörter von Siedlungsnamen (vgl. auch 3.3.1.2, 3.3.11). Sie bestanden ursprünglich meist aus zwei vollwertigen Namengliedern (Förstemann I; Kaufmann 1965). Schon seit karolingischer Zeit (751-911; HLS digital: Frankenreich, 2009-04- 29) wurden solche Personennamen offenbar umgedeutet. Gleichzeitig wurde ihr zweites, unbetontes Glied häufig lautlich verschliffen und damit isoliert. In mhd. Zeit setzt dann die Tradition der Benennung Neugeborener nach Ahnen ein. Seither werden keine neuen zweigliedrigen Personennamen aus dem großen ahd. Namenrepertoire mehr gebildet, die Anzahl der produktiven Personennamen nahm rapide ab. Schließlich gelangen seit dem 12. Jh. auch Personennamen aus der Bibel ins dt. Personennamenrepertoire (Kunze 2004: 29-33). Die Folge dieser Entwicklungen im Bereich der Personenbenennung ist die Isolation eines großen Teils der ahd. Personennamen und der mit ihnen gebildeten Siedlungsnamen. Ahd. Personennamen in Toponymen sind uns etwa in Bildungen auf -wil überliefert. Im Material des BENB sind die entsprechenden Siedlungsnamen zu einem guten Teil erst ungefähr ab dem 12./ 13. Jh. erstmals belegt. Weil sie zu diesem Zeitpunkt oft schon erheblich verschliffen sind, ist es oft schwierig, treffsicher einen Personennamen zu finden, der unter Wahrung der bekannten Lautgesetze zum vorliegenden Resultat führte. 143 Häufig stehen mehrere Personennamen zur Diskussion. Nicht selten sind auch Personennamen, die Förstemann (I) seinerseits nur aus Siedlungsnamen erschließt. Mit den Berner Belegen als einzigem Material wären manche dieser Ortsnamen unter Umständen zur kleinen Gruppe der Siedlungsnamen auf -wil zu rechnen, die nicht als primäre Siedlungsnamen mit einem Personennamen, sondern als sekundäre Siedlungsnamen mit einem Appellativ gebildet sind. Manche dieser Siedlungsnamen erinnern im heutigen bzw. dem historischen Schriftbild stark an Siedlungsnamen aus dem Elsass (F) und aus Baden (D). Für diese niederalem. Namen, deren Belegreihe manchmal weiter zurückreicht (Stoffel 1876; Krieger 1972), lässt sich in einzelnen Fällen zeigen, wie ihre spätere Form als Grundlage volksetymologischer Umdeutung durch Kontraktion oder Reduktion einer älteren Form entstanden ist. Durch den Vergleich der Berner mit den niederalem. Siedlungsnamen 143 Selbstverständlich treten auch kaum verkürzte Personennamenformen auf. Vgl. Ostermundigen (3.3.8.2). <?page no="144"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 144 kann so auch für den Kanton Bern eine frühe volksetymologische Umformung zumindest in Erwägung gezogen werden. 144 Der Name der Gemeinde II Bannwil ist erstmals 1302-1304 als Banwilr belegt (FRB N), danach im 14. Jh. vornehmlich als Bawil(e), 1522 dann als Banwil (U41: 49) und 1550 als Bauwyl (A: Aarwangen). Im Dialekt heißt der Ort heute bćΌ, älter bćǾwΌ/ bćǾΌ. Die Entwicklung des Grundworts findet im Untersuchungsgebiet zahlreiche Parallelen. 145 Das auslautende -n des Bestimmungsworts des Namens ist bei gleichzeitiger Ersatzdehnung geschwunden (SDS II: 155); diese Entwicklung entspricht derjenigen des Rechtsbegriffs nhd. Bann m., ›obrigkeitliches Verbot‹, schwzd. Ba(a)(n) m. auch ›Gemeindegebiet‹ (Id. IV: 1270-1276; DWB I: 1113-1115). Zu diesem Appellativ stellt das LSG (2005: 119) den Gemeindenamen. Das BENB (I/ 4: 201) geht demgegenüber davon aus, dass es sich wie bei der Mehrzahl der -wil-Namen um einen primären Siedlungsnamen mit einem ahd. Personennamen handle, der in den frühesten Belegen schon kontrahiert und volksetymologisch in den Rechtsbegriff umgedeutet auftrete. Der älteste Beleg Banwilr wäre demnach als schwacher Genitiv eines ahd. Personennamens aufzufassen. Mit den Berner Belegen lässt sich die These eines Personennamens nicht erhärten, die Gleichung der Berner und der niederalem. Siedlungsnamen eröffnet aber eine Möglichkeit: der oberelsässische Siedlungsname Banvillars ist im 14. Jh. als Banviler, Bavilliers belegt (Stoffel 1876/ 1974: 26 und 32). Eine Erklärung für beide Siedlungsnamen könnte der Name der Siedlung Bannholz in Baden aufzeigen: Dieser Siedlungsname ist 871 als Ballinholz, 894 als Ballenholz überliefert, ab 1266 dann als Baneholz, Banholtz und ab 1360 als Bannholtz (Krieger: 128). Bei diesem Siedlungsnamen handelt es sich klar um eine Bildung mit dem ahd. Personennamen Ballo (Förstemann I: 243) mit späterer Kontraktion und Umdeutung. Für den Berner Namen Bannwil bleibt diese Bildungsweise ohne entsprechende Quellen spekulativ, sie ist aber immerhin zu überlegen. Aus den Belegen des BENB selbst lässt sich eine solche Kontraktion für den Namen der Gemeinde II Bäriswil nachweisen. Er tritt zuerst 861 und 894 als Perolteswilare auf (FRB I: 233 und 256). 1229 ist er dann in Burcardus de Bereswilen (FRB N) bereits deutlich kontrahiert. In Belegen aus dem 14. Jh. (de Berolswile 1310, 1217, FRB IV: 418, 763; ze Berolswile 1351, FRB VII: 570) ist noch ein Perso- 144 Den Hinweis auf die Gleichung der niederalem. und der Berner Siedlungsnamen verdanke ich Dr. Inga Siegfried. Sie regt die Überlegung an, ob sich durch derartige Vergleiche vielleicht viele der erst seit mhd. Zeit belegten Siedlungsnamen auf -wil, in denen Appellative statt Personennamen zu erkennen sind, letztlich doch auf Personennamen zurückführen ließen, die lediglich in den ältesten historischen Belegen nicht mehr erkennbar wären. Siedlungsnamen auf -wil mit Appellativ im Bestimmungswort wären dann eher neuzeitliche Prägungen wie Aarwil für einen Dorfteil von III Muri, der an der Aare liegt und historisch nicht belegt ist (s. auch 3.3.4.1). 145 Vgl. etwa Huttwil, im Dialekt hΌttǾ (BENB I/ 2: 336). <?page no="145"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 145 nenname (ursprünglich Bero(a)ld; BENB I/ 4: 235f.) 146 feststellbar, im Beleg ze Beriswile 1389 (R2: 631) könnte die Umdeutung aber bereits eingesetzt haben. Dass der Name spätestens im 20. tatsächlich mit dem Tiernamen Bär m. gedeutet wurde, belegt nach LSG (2005: 122f.) das im 20. Jh. geschaffene Gemeindewappen (vgl. auch 3.3.13) mit einem stehenden Bären. 147 Neben dem oben genannten Aspekt der sich wandelnden Personennamengebung kann auch die Länge der Namen zu Verschleifungen im Sinn einer Ökonomisierung führen, gerade auch bei den oft vielgliedrigen Siedlungsnamenkomposita. Reichardt (2004) führt diesbezüglich den betonungsabhängigen Schwund schwachtöniger Silben an. Anhand eines Siedlungsnamenbeispiels zeigt Wagner (2008: 167-172) auf, wie Mittelvokale nach langer Silbe synkopiert werden. Den Beleg Ohsnofurt für die Stadt Ochsenfurt 1062-1066 aus der Gegend bei Würzburg (D) bestimmt er als eine synkopierte Form von Ohsonofurt (so belegt 833/ 839). Hier liegt kein unverständlich gewordener ahd. Personenname vor, sondern eine Bildung mit einem Appellativ, die durchaus noch verständlich war. 3.3.8.2 Exkurs: Volksetymologie als Verhinderungsgrund für Verschleifung Die Verschleifung mehrgliedriger alter Personennamen in Toponymen ist so allgemein, dass ihr Ausbleiben auffällt. Die Gemeinde III Ostermundigen liegt unmittelbar im Osten der Stadt Bern, das Dorf Ostermanigen (Gemeinde I Radelfingen) etwa 15 km Luftlinie nordwestlich davon. Beide Siedlungsnamen sind klassische alem. Bildungen mit einem Personennamen und dem Suffix -ingen. Eine Auswahl historischer Belege zeigt, dass die Namen beider Siedlungen über lange Zeit gleich lauteten: Mit unsicherer Zuweisung zu einer der beiden Siedlungen steht 1300-1335 Winterlich von Ostermundigen, Tachegger ze Ostermundigen (FRB IV: 449), 1328 advocaciam meam de Ostermundingen (FRB V: 614). Für Ostermundigen (im Dialekt Ostermundige oder verkürzt Mundige) heißt es 1239 Chonradus laicus de Ostermundingin (FRB II: 185), 1258 in Ostermundingen (FRB II: 466), 1354 ze Ostermondingen (FRB VIII: 75), 1357 in dem obern Ostermundingen (FRB VIII: 32), 1360 in Nieder-Ostermundingen (FRB VIII: 338), 1367 ze Ober Ostermondigen (FRB IX: 41), 1380 ze Nider Ostermondigen (FRB X: 53), 1396 von Ostermonding, 1397 Heinrich von Ostermunt (Rq1/ 3: 3030/ 7), 1577 Ostermundingen pagus (Sch: T. 1 S. 9), 1784-1789 Ostermannigen (C3 IX: 500), 1838 Ostermun- 146 Dr. Inga Siegfried weist darauf hin, dass auch in anderen Berner Siedlungsnamen insbesondere ahd. Personennamen mit Zweitglied -olt (seinerseits verkürzt aus bald- oder wald-; Förstemann I: 233f., 1496f.) verkürzt sind, wenn dies auch nicht unmittelbar zu volksetymologischer Umdeutung führt: Sumiswald, Madiswil und weitere. 147 Die Form Bäris entspricht keiner Form im Flexionsparadigma des Tiernamens Bär. Es handelt sich also um eine unvollständige bzw. lautlich nicht richtig passende Volksetymologie (vgl. auch 3.3.3.4). <?page no="146"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 146 dingen (Dorf und Landsitz mit 1 Schule) (Ostermanigen) (Durheim I: 28), 1857 Ostermundigen, gew.[öhnlich] Ostermanigen (JCh: 603). 148 Die ältesten Belege für Ostermanigen (im Dialekt Ostermanige, älter Ostermannige) sind 1285 Oesternude (unsichere Zuweisung des Belegs; FRB III: 385), 1343 von Ostermundingen (FRB VI: 772), 1529 Ostermundingen (U92: 59a), 1636 Ostermanigen (A: Aarberg), 1733/ 34 Ostermannigen (C3 IX: 10), 1757 Ostermonigen (GLS III: 689), 1838 Ostermanigen (Dorf) (Durheim I: 4). Die historischen Belege lassen auf eine Bildung mit dem Personennamen *Ostermund schließen (vgl. Ostremund; Förstemann I: 216; s. zur Etymologie weiter BENB I/ 4: 111-113; LSG 2005: 689). Die vollständige Bewahrung des dreisilbigen Personennamens in beiden Siedlungsnamen bis ins 20. Jh. (die verkürzte Form Mundige für Ostermundige ist eine aktuelle Entwicklung) ist außergewöhnlich. Sie erklärt sich am ehesten durch volksetymologische Resegmentierung des Ortsnamens in *Oster-Mundingen mit dem Adjektiv bzw. Adverb mhd. ôster ›östlich‹ oder dem christlichen Osterfest (Lexer 1872-1878/ 1970 II, 176 u. 178). Die irreguläre spätere Lautentwicklung -u- > -amit d-Schwund ist dann wohl als Umdeutung in mhd. mân(e), môn(e) m./ f. › Mond‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 I, 2026) zu deuten (vgl. auch die Formen mit -oim 14. Jh. und älter schwzd. Maa(n) m. › Mond‹ , SDS VI: 1 ). Die Umdeutung wird semantisch gestützt durch den Umstand, dass Himmelsrichtungen im Schwzd. seit dem 16. Jh. hauptsächlich mit den Tageszeiten bezeichnet wurden (Zinsli 1946: 174f.). Eine verdeutlichende Assoziation eines veraltenden Adjektivs oster mit dem Appellativ Mond m. (verstanden als Symbol für Abend/ Nacht) lag damit nahe. 149 Schmalz (1983: 7) erwägt dagegen eine volksetymologische Anlehnung an ein Appellativ Ostermann m., ohne dafür eine Bedeutung anzugeben (vielleicht denkt er an den Familiennamen Ostermann). Der Beleg Heinrich von Ostermunt (1397) scheint zudem eine Umdeutung in das Appellativ frz. mont m. ›Berg‹ zu sein, das als Grundwort von Siedlungsnamen bekannt ist (vgl. den Namen der Gemeinde I Bellmund; BENB I/ 4: 465f.; LSG 2005: 136f.; Romont (BE) mit dem alten dt. Exonym Rot(h)mund; LSG 2005: 754f.). Für Ostermundigen setzt sich im 20. Jh. die Schriftform in der Lautung wieder durch. Sie eröffnet damit im Prinzip die Möglichkeit einer erneuten Umdeutung hin zum nhd., schwzd. durch Muul n. verdrängten Appellativ Mund m. (Id. IV, 21; vgl. auch 3.3.6.3). Im Einzelfall von Ostermundigen/ Ostermanigen erweist sich also gerade die Volksetymologie als entscheidender Faktor, der die Verschleifung eines ahd. Personennamens in einem vielsilbigen Toponym verhindert (BENB I/ 4: 111- 113). 148 Ein von Schmalz (1983: 7) genannter Beleg Ostermanningen von 1486 als Erstbeleg mit -mund- > -man(n)- (RmB) war nicht identifizierbar. 149 Zwar steht der Osten eher für den Morgen, der Mond für die Nacht. Derartige Konjunkte zeigen im mentalen Lexikon jedoch besonders enge Verbindungen (Aitchison 2003: 101). <?page no="147"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 147 3.3.8.3 Umdeutung von Namen mit früh ausgestorbenen Appellativen Neben einer vordt. Herkunft (vgl. 3.3.8, 3.3.6.1) und der Bildung mit nicht mehr gebräuchlichen Personennamen im Bestimmungswort (vgl. 3.3.8.1) können auch alte germ. bzw. alem. Appellative als Elemente von Toponymen deren Isolation fördern. Viele dieser Appellative sind im aktiven Sprachgebrauch mittlerweile untergegangen und in Namen als Reliktwörter erhalten geblieben (vg. 3.3.1). Das Appellativ mhd. hor n. (Genitiv horwes) ›Kot, Schmutz‹ (Lexer 1872- 1878/ 1970 I: 1337f.) ist heute nur noch in Toponymen präsent (Id. II: 1592f.). Neben verbreiteten Toponymen, die das Appellativ in einer lautgesetzlich weiterentwickelten Form Horbals Bestimmungswort enthalten, kommt eine Vielzahl von Umdeutungen eines Kompositums mit dem Grundwort Schwärzi f. ›schwarze Färbung‹, verbreitet in Toponymen (Id. IX: 2212f.) vor (BENB I/ 2: 288-290). Hoschwerzi heißt ein Stück Kulturland in I Büren an der Aare. Neben mehrfacher historischer Nennung der Art Horschwerzi ist es 1479 als hochschwertzi belegt (U11: 19), worin wohl ebenso wie in der heutigen Lautung eine Umdeutung in das Adjektiv hoch, schwzd. ho(o)(ch) (Id. II: 972-977) zu erkennen ist. Denselben Namen (historisch nicht belegt) trägt auch ein Stück Kulturland in I Rapperswil. Nur historisch belegt sind folgende Umdeutungen des Kompositums (BENB I/ 2: 288f.): Hochschwertzi u.ä. 1533 (U23: 3r, 56r, 73v, 82r) in I Siselen; hochschwertzi 1530 (U95: 72v) bzw. hoffschwertzi (mit dem Appellativ Hof m.) 1530 (U95: 65r), 1531 (U144: 234) in III Amsoldingen; Hochschwertzi 1531 (U97: 12v) in III Gerzensee; hofschwertzi 1531 (U97: 470v) bzw. hornschwertze 1542 (U104: 88, 93) in Ferenberg (Gemeinde III Bolligen); hornschwertze mit dem Bestimmungswort Horn n. 1532 in I Lyss (U4: 295; neben mehreren Belegen horschwerzi u.ä.); Hornschwertze 1663 (U115: 90) in Bümpliz (Gemeinde III Bern); hornschwertzi 1531 (U97: 263r) in Säriswil (Gemeinde III Wohlen). Auch Wang m., auch f./ n. ›Wiesenabhang, Halde‹ (DWB XIII: 1747-1749), aus ahd. wanc m. ›Krümmung, Biegung‹ (Starck/ Wells: 695), ist als Appellativ ausgestorben und wird bereits in mhd. Wörterbüchern (Lexer 1872-1878/ 1970; BMZ) nicht mehr verzeichnet. Das Id. (XVI: 650-653) kennt das Appellativ nur noch als Element von Toponymen. 150 Als solches ist es jedoch sowohl als Simplex als auch als Grundwort bzw. (seltener) Bestimmungswort in einfacher oder flektierter Form weit verbreitet. In Toponymen wurde Wang oft umgedeutet. Das LSG verzeichnet neben Gemeindenamen, in denen das Appellativ als Grundwort verschliffen wurde und isoliert blieb (LSG 2005: 1009), u.a. folgende Namen, in denen das Element um- 150 Die appellativische Bedeutung des Namenelements soll u.a. nach Studer (1896: 272) allerdings im bair. und alem. Raum noch im 19. Jh. bekannt gewesen sein; tatsächlich dürfte es sich dabei eher um eine appellativische Erklärung von Toponymen handeln, nicht um appellativische Verwendung des Worts. In Alpendialekten verzeichnet Zinsli (1946: 340) das Appellativ noch im 20. Jh. als lebendig. <?page no="148"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 148 gedeutet bzw. einem verbreiteten Ortsnamensuffix angeglichen wurde: Berlingen (TG), 894 in Berenwanc (TGNB I/ / 1: 261f.; LSG 2005: 142); Berneck (SG), 895 in Farniwang (LSG 2005: 144); Holderbank (AG), 1259 in Halderwange (Kopie 14. Jh.; Zehnder 1991: 199-201; LSG 2005 450f.); Holderbank (SO), 1226 in villa Halderwanc (SONB I: 397-383; LSG 2005: 451); Lengnau (AG), 798 in inferiori Lenginwanc (Zehnder 1991: 245-247; LSG 2005: 521); Lupfig (AG), um 1273 Lupfanch (Zehnder 1991: 257f.; LSG 2005: 552); Meisterschwanden (AG), 1173 in Meistersvanc (Kopie 14. Jh.; Zehnder 1991: 265f.; LSG 2005: 585); Rümlang (ZH), 924 in Rumelanch (LSG 2005: 769); Schneisingen (AG), 839 in Sneisanwang (Zehnder 1991: 384-387; LSG 2005: 812f.); Schöftland (AG), um 1212 Schofftellang (Zehnder 1991: 387-389; LSG 2005: 813); Tägerig (AG), 12. Jh. ad Tegrank (Kopie 14. Jh.; Zehnder 1991: 418f.; LSG 2005: 863f.); Weisslingen (ZH), 745 Hwisinwan (LSG 2005: 961). Vgl. zur Umdeutung in typische Siedlungsnamenendungen Albligen (3.3.4.2). Der Name der Gemeinde II Hindelbank ist erstmals 1250-1256 als Hindelwanch verzeichnet (FRB II: 537; falsch datiert auf 1261-1263). In den älteren Urkunden tritt das Grundwort nur vereinzelt mit anlautendem bstatt wauf: 1370 Johans von Hindelbanck (FRB IX: 208), Hindelbank im 15. Jh. (U47: 92r), 1577 Hindelbanck pagus (Sch1: 41), 1637 Hindelbanck (Rq1/ 3: 429/ 41). Das BENB (I/ 2: 252; vgl. auch LSG 2005: 445f.) deutet den Namen als Kompositum mit dem Grundwort Wang und einer ahd. Diminutivform *hintila f. des Tiernamens Hind(e) f. ›Hirschkuh‹ (Id. II: 1410). Der Auslöser der Umdeutung im Grundwort ist hier vermutlich die reguläre lautliche Entwicklung mhd. -lw- > -lb-, -rw- > -rb- (vgl. mhd. ar(e)weiκ f. > nhd. Erbse f.; mhd. varwe f. > nhd. Farbe; BENB I/ 4: 119f.; Lexer 1872-1878/ 1970 I: 91 u. 98; Lexer 1872-1878/ 1970 III: 26) in Verbindung mit der Isolierung des Appellativs Erst seit dem 17. Jh. erscheint der Name durchgehend umgedeutet in schwzd. Bank m. ›Sitzbank‹ (Id. IV: 1380-1384), toponymisch ›Bergterrasse‹ (Zinsli 1946: 118). Auch das Heimet Lidibouch/ Lidibank in III Wattenwil, erstmals erwähnt 1351 als Leidenwanch (FRB VIII: 666), und der Weiler Nesselbank in III Vechigen, 1379 Nesselwanch (FRB X: 20), unterliegen derselben Umformung und Umdeutung. Sie sind ursprünglich mit dem Grundwort Wang und dem Adjektiv leid ›missgestaltet, misslich‹ (Id. III: 1079-1083; BENB I/ 3: 71) bzw. dem Pflanzennamen schwzd. Nessle(n) f. (Id. IV: 805f.; BENB I/ 4: 18-20) gebildet. Der Name aus Wattenwil unterliegt zudem nach Staubschem Gesetz dem Schwund des Nasals -nvor Frikativ (hier aus germ. k entstanden) und Diphthongierung (SDS II: 124- 136a; Werlen 1977). 151 Vgl. zur Umdeutung auch die beiden Gemeinden namens Holderbank (AG, SO) oben. Vgl. auch die Möglichkeit der Umdeutung zwischen dem Appellativ Wand f. und dem hier besprochenen Appellativ Wang (vgl. 3.3.3.2). Die Schwierigkeit bei ausgestorbenen Appellativen liegt darin, sie als Namenelemente überhaupt zu erkennen: Wo das Appellativ nicht durch die Verbreitung in Toponymen gestützt wird, können Verschleifung bzw. 151 Nach Ausweis isolierter Toponyme, die lautlich vom heutigen Appellativ abweichen, reichte diese lautliche Weiterentwicklung historisch weiter nach Norden als heute (BENB I/ 4, Bank, unveröffentlicht). <?page no="149"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 149 Remotivierung umso stärker gewirkt haben; ohne eindeutige historische Belege sind diese Appellative kaum mehr feststellbar. Der Name der Gemeinde III Thunstetten ist erstmals 1220 als domus hospitalis in Tunchsteten (FRB II: 29) belegt. Aus dem 13. Jh. sind weitere Belege mit -c(h)überliefert (BENB Dok.), bevor 1256 erstmals Bernardus de Thunstetten (FRB II: 425) auftaucht. Noch 1430 liegt eine Form ze tungstetten (U38: 4) und 1464 ze Tuncstetten (U38a: 15r) vor. Zinsli (1961: 200) schlägt für das Bestimmungswort des Namens unter anderen folgende Möglichkeiten vor: schwzd. Tung m. ›Dünger‹ (Id. XIII: 593), aber anscheinend auch ›Tuffstein‹, und ahd. tung m. ›Webstube, unterirdisches Gemach‹ (Starck/ Wells: 641), mhd. tunc m./ f. ›unterirdisches (mit Dünger bedecktes) Gemach zur Winterwohnung, zum Weben, zur Aufbewahrung der Feldfrüchte‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 II: 1568f.). Daneben könne er aber mit dem heute nur in den Niederlanden bekannten Appellativ nl. donk m. gebildet sein, das als alem. *tung m. ›feste, trockene Erhebung in sumpfigem Gelände‹ in Flurnamen verbreitet sei (Langenbeck 1958). 152 Die lautliche Entwicklung erklärt Glatthard (1965: 118) als Linie tunc- > tung- > tum- > tunmit folgender alem. Dehnung des einsilbigen Worts. Er schließt aber auch eine humanistisch-gelehrte Schreiberumdeutung des bäuerlichen, semantisch undurchsichtigen Tung/ Tun in das aus anderen Siedlungsnamen bekannte kelt. dŷnon (in alem. Siedlungsnamen mit ahd. Lautverschiebung von anlautendem Dzu T-; vgl. Murgenthal, 3.3.8.4) nicht aus. Das LSG (2005: 874) schlägt außerdem einen ahd. Personennamen Dung, Dungi, Dungo (Förstemann I: 434) vor. Ohne ältere Belege lässt sich das Bestimmungswort nicht genau bestimmen. Entgegen Glatthards sehr gelehrter Umdeutung schlage ich vor, eine Identifizierung des Namens der Stadt III Thun 153 ins Auge zu fassen (der freilich auf dasselbe kelt. Appellativ zurückgeht), wobei schwer zu sagen ist, ob die Umdeutung der lautlichen Entwicklung folgt oder umgekehrt. Deren Name wird mit Ausnahme eines lat. Erstbelegs aus dem 6. Jh. (LSG 2005: 873; BENB Dok.) durchgehend mit anlautendem Tgeschrieben. Dagegen tauchen für Thunstetten vom 13. bis ins 16. Jh. Schreibweisen mit anlautendem Dauf. Dies spiegelt wahrscheinlich die für den Jurasüdfuß (mit I Seeland und II Oberaargau) typische Lenisierung von anlautendem Tzu D- (SDS II: 164f.; vgl. den Beleg ze Solodorn 1256 für die Stadt Solothurn, deren Name mundartlich auch heute mit Lenisierung gesprochen wird; SONB I: 611). Das spätere Rückgängigmachen dieser Entwicklung ist meines Erachtens nur durch Anlehnung an den Siedlungsnamen Thun zu erklären, die auch Glatthard (1965: Anmerkung 14) erwägt. Vielfach wurden isolierte Appellative als Namenelemente jedoch nicht verschliffen, sondern ohne große lautliche Anpassung umgedeutet (bzw. isoliert und ungedeutet belassen). 152 Zur Deutung bzw. Erklärung des nicht-alem. Appellativs s. die Diskussion bei Glatthard (1965: 122f.) 153 Vergleichbare Paarnamen sind ja nicht unüblich, wenn sie auch üblicherweise deutlich näher gelegene Siedlungen betreffen, die anders als Thunstetten und Thun historische Verbindungen haben. Vgl. etwa Brienz und Brienzwiler. <?page no="150"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 150 Die Gemeinde II Affoltern im Emmental wird erstmals 1146 als [de] Affoltron erwähnt (FRB I: 421). 154 Die Belege der folgenden Jh. zeigen lediglich die für den Übergang zum Mhd. übliche Abschwächung der Nebensilbenvokale zum Schwa (BENB I/ 1: 10, 11; LSG 2005: 76). Der Name ist als erstarrter Dativ Plural des Baumnamens ahd. affoltra f., affaltar m. ›Apfelbaum‹ (Starck/ Wells: 15, XXXVII) zu verstehen und bedeutet eigentlich ›bei den Apfelbäumen‹. Die Baumbezeichnung ist schon mhd. durch apfelboum m. ersetzt (Lexer 1872- 1878/ 1970 I: 86). Die heutige Schreibweise lässt eine Umdeutung in das Verb schwzd. foltern zumindest denkbar erscheinen, auch wenn die Wappen der Gemeinde Affoltern im Emmental und Grossaffoltern Apfelbäume zeigen (LSG, a.a.O.). 3.3.8.4 Volksetymologien aus früher Verschriftlichung Viele Volksetymologien gehen auf die Verschriftlichung von Namenformen zurück (vgl. 3.3.10). Eichler (1995: 3) weist darauf hin, dass in mittelalterlicher Zeit dank überlieferter Urkunden nicht nur die Namenzeugnisse an sich häufiger werden, sondern auch erste Volksetymologien (bzw. nach Eichler Pseudoetymologien) als Produkt der Verschriftlichung auftauchen. Sie illustrieren das Interesse der Chronisten an der Etymologie von Namen. 155 Während die Mehrheit der frühen schriftlichen Umdeutungen nur bei einzelnen Schreibern, d.h. ein einziges Mal, auftritt und keinerlei Wirkung auf den allgemeinen Namengebrauch hatte (vgl. 3.3.9), haben einzelne dieser schriftlichen Volksetymologien zumindest teilweise früh eine gewisse Verbreitung gefunden und sich im mündlichen Gebrauch durchgesetzt. Obermurgenthal ist der Name einer Siedlung in II Wynau. Die benachbarte Siedlung im Kanton Aargau, die dort einer Gemeinde den Namen gab, heißt Murgenthal. Der Erstbeleg für den Siedlungsnamen ist bona iuxta Murgatun 1254 (US II: 61). Der Name wird allgemein auf kelt. *Morgio-dŷnon ›befestigte Anlage am Gewässer namens *Morgić‹ zurückgeführt, wobei der Gewässername *Morgić im heutigen Gewässernamen Murg weiterlebt. Das Grundwort des Namens ist kelt. dŷnon, spätlat. dŷnum ›befestigte Siedlung‹ (Holder I: 1375; Greule 1973: 128; Zinsli 1975: 19; vgl. Thun; LSG 2005: 873; BENB Dok.). Über eine gallorom. Form *Morgio-dŷnon wurde aus diesem Namen heutiges alem. Murgete (s. zur Etymologie und weiterführenden Literaturangaben ausführlicher Zehnder 1991: 293-295; LSG 2005: 631f.; BENB I/ 3: 385-387). 154 Nicht zweifelsfrei möglich ist die Zuweisung der ältesten Belege zur Gemeinde Affoltern im Emmental oder zur Gemeinde II Grossaffoltern (BENB I/ 2: 116; LSG 2005: 414); für die Deutung spielt dies jedoch keine Rolle. 155 Mit Förster (1998: 187) müsste man wohl annehmen, dass nicht nur die Verschriftlichung an sich zu Volksetymologien führt, sondern auch die Tatsache, dass dank ihr isolierte Namen länger erhalten bleiben (vgl. 3.3.5.3). <?page no="151"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 151 Im Alem. wurde der fremdsprachige Siedlungsname mit der Zeit nicht mehr als Kompositum, sondern als Simplex wahrgenommen, der Vokal des auslautenden -tun, zuweilen auch -ton, zu Schwa abgeschwächt. Noch bevor sich diese allgemein-mhd. Entwicklung 1464 als Murgaten (U38a: 4r, 43r, 75v) erstmals im Schriftbild niederschlägt, erscheint bereits 1456 mit in der Murgental (Rq12: 420/ 4) der erste Beleg für eine Umdeutung des Grundworts in das Appellativ Tal n. Die entsprechende Schreibweise setzt sich bereits im 17. Jh. durch. Ungefähr zu derselben Zeit erscheinen zudem Schreibweisen wie in der Morgenthall 1622 (A: Aarwangen), deren Bestimmungswort vermutlich eine Umdeutung in das Appellativ Morgen m. repräsentieren. 156 Laut Gewährsperson hieß die Siedlung Mitte des 20. Jh. bei den Einheimischen weiterhin Murgete. Dass sich amtliches Murgenthal längerfristig auch mündlich durchsetzen wird, dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein. 3.3.8.5 Sprachpflegerische Ansätze Sprachpurismus betrifft als Tendenz vor allem die Reinhaltung einer Sprache von Fremdworteinfluss (Polenz III: 265; Metzler Lexikon Sprache 2000: 561) mit dem Ziel, fremdsprachige Appellative durch (in deutschsprachigem Kontext) dt. Appellative bzw. Neologismen auf dt. Grundlage zu ersetzen. Ein klassisches Feld des Sprachpurismus ist der Ersatz fremdsprachiger Wörter im Gebrauch der Verwaltungssprache, also bei Post, Bahn, Heer und im Rechtswesen (Polenz III: 268f.; Metzler Lexikon Sprache 2000: 561), wie eine Liste dt. Ersatzwörter für Fremdwörter von Kirkness (1975: 430-438) zeigt. Der Sprachpurismus, der im deutschsprachigen Raum seit dem 17. Jh. mit Sprachpflegegesellschaften auftritt, nimmt im 19. Jh. deutlich nationalistische Züge an (vgl. etwa Maßmann 1848); in Deutschland ist er für das Entstehen des Nationalbewusstseins von einiger Bedeutung (Polenz III: 265). Als Fremdwortpurismus verstanden ist Sprachpurismus für die toponymische Volksetymologie von untergeordneter Bedeutung. Er wird etwa bei der Bildung und beim Gebrauch von Exonymen wirksam. Wie die Etymologie von Toponymen und das Verhältnis von Endo- und Exonymen in der Schweiz an der dt.-frz. Sprachgrenze zum Politikum werden konnte, zeigen Schneider/ Siegfried (2008) anhand eines Konflikts über die Toponymie im Jura, bei dem beide Seiten ihre sprachterritorialen Ansprüche zu untermauern versuchten. 157 156 Das wiederholt f. Genus dieser Belege erklärt sich vielleicht am ehesten durch den Namen des Gewässers, der vom 15. bis ins 18. Jh. an den Siedlungsnamen angeglichen Murgeten u.ä. hieß (BENB I/ 3, a.a.O.) und immer f. Genus trug. 157 Die amtliche Festlegung der Schreibweise von Gemeindenamen im 19. Jh. führte in erster Linie zur Entscheidung für eine Variante bei Namen, die in zwei sprachlichen Varianten (vgl. Bruckner 1940) vorliegen. Im (damals noch) rätorom. Gebiet des Kantons Graubünden war dies oft das dt. Exonym. Für den Kanton Bern ist für eine einzige Gemeinde der Wechsel von einer frz. zu einer dt. Namenform belegt: La Scheulte <?page no="152"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 152 Sprachpurismus ist aber als allgemeine Sprachkritik nicht nur eine Frage des Umgangs mit Fremdwörtern (Polenz 3: 564): Er ist auch Ausdruck eines allgemeinen Sprachbewusstseins, das über die Fremdwortproblematik hinausgeht. Ich spreche hier daher von Sprachpflege und verstehe darunter umfassender die bewusste Auseinandersetzung mit der (eigenen) Sprache mit dem Ziel, sie in einem bestimmten Zustand zu erhalten bzw. einen bestimmten als erstrebenswert angesehen Zustand zu erreichen. 158 Sprachpflegerische Bestrebungen können so zu Volksetymologien führen, die im alltäglichen, unreflektierten Sprachgebrauch nicht entstanden wären, sondern der bewussten (vgl. 3.3.14) Reflexion über Namen entspringen. Vermehrt tritt dies im Zug der amtlichen Verschriftlichung von Toponymen, insbesondere der amtlichen Fixierung der Gemeindenamen (3.3.8.7), seit dem 19. Jh. auf: Verschriftlichung und Reflexion gemeinsam können die Grundlage für volksetymologische Umdeutungen isolierter Namen bilden. Der Weiler Emdthal in VI Aeschi bei Spiez heißt im Dialekt Meentel und ist erstmals 1352 als Emital belegt (FRB VII: 630). Nach dem 14. Jh. heißt es durchgehend (agglutiniert? ) Menthal u.ä., etwa 1788 (C3: 481). Seit Durheim (II: 78) ist dann die Schreibung Emdthal belegt. Deutet man mit dem BENB (I/ 1: 81) den Namen mit schwzd. Emmet, Emd n. ›zweiter Grasschnitt‹ (Id. I: 213), handelt es sich dabei um eine Rückanlehnung (vgl. 3.3.2.3) bzw. nach Polenz (1999: 390) um eine Archaisierung. Allerdings ist nicht klar, ob Durheim bzw. ein ihm vorausgehender Schöpfer dieser Namenform den Namen bewusst rückanlehnte, da keiner der historischen Belege des BENB das Appellativ Emd n. eindeutig enthält. Möglich scheint auch eine volksetymologische Paarbildung mit dem Namen des benachbarten Gebiets Heustrich in IV Aeschi bei Spiez/ IV Reichenbach im Kandertal/ IV Wimmis. Dessen Namen, erstmals 1430 als heinstrich (U78: 599, 706, 718) belegt, führt das BENB (I/ 2: 249) auf eine Bildung mit mhd. heister m. ›junger Buchenstamm‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 1224), ahd. *heistar, mit dem Kollektivsuffix ahd. -ahi (Henzen 1965: § 88.3, S. 139f.) zurück. Er hätte also ursprünglich ›Stelle mit vielen Buchen(stämmen)‹ bedeutet (BENB I/ 2: 231f.). Schon 1524- 1580 erscheint er erstmals als hдystrich (U168: 233b), 1543 als Höuwstrich (U154: 12). Ob hier von Anfang an eine Umdeutung in Heu n. vorliegt oder ob diese heute manifeste Umdeutung lediglich die Folge einer Rundung ist, ist nicht feststellbar. 1558 taucht zudem die Schreibweis Eystrich (UP15) auf, die eine Umdeutung in das Appellativ schwzd. Ei f. ›(Halb-)Insel, Gelände an einem Gewässer‹ (Id. I: 5f.; vgl. 3.3.1) suggeriert. (HLS digital: Schelten, 2009-03-23; außerhalb des Untersuchungsgebiets gelegen) wurde 1914 in Schelten umbenannt, weil die Bevölkerungsmehrheit schon damals deutschsprachig war. Erst 2005 wurde die Stadt III Biel in Biel/ Bienne umbenannt. 158 Insofern können auch die folgenden Kapitel (3.3.8.6 bis 3.3.8.8) zumindest teilweise als Sprachpflege verstanden werden. <?page no="153"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 153 Wie weit es sich bei diesen Namen um absichtsvolle volksetymologische Umdeutungen mit sprachpflegerischer Absicht handelt und welcher Name allenfalls die Umdeutung beim anderen auslöste, muss offen bleiben. Wie Sprachpflege gerade auch bei gelehrten Sprecherinnen und Sprechern (vgl. 3.3.9.12) mit bewusster Umbildung einhergehen kann, führt Zuckermann (2005) aus. Er nennt das Phänomen Phono-Semantische Abgleichung und bezeichnet damit das Vermeiden von Fremdwörtern durch die Schöpfung von Neologismen. Diese Neologismen werden mit Material der Zielsprache gebildet, das lautlich an das zu vermeidende Fremdwort anklingt und diesem auch semantisch zumindest ähnlich ist. Bei der Wiederbelebung des biblischen Hebr. in Form des Israeli (Zuckermanns bevorzugter Bezeichnung für das Neuhebräische oder Ivrit) konnten so sprachliche Lücken ohne viele Fremdwörter geschlossen werden und gleichzeitig (ein Grund, den Zuckermann für nicht zu unterschätzen hält) nicht mehr gebräuchliche Wörter zu neuem Leben erweckt werden. In anderen Sprachen wird dieses Prinzip auch auf fremdsprachige Toponyme angewendet. Mustafa Kemal Atatürk persönlich wird die Phono-Semantische Abgleichung von Niagara (Kanada/ USA) zu türk. Ne yaygara ›Niagara‹ zugeschrieben (Lewis 1999: 43, zit. nach Zuckermann 2005: 246). Dieses artifizielle Exonym besteht morphologisch aus der Interjektion türk. ne ›was für, welch ein (als Ausruf)‹ und dem Appellativ türk. yaygara ›Heulen, Rufen, Radau, Wirbel‹, bedeutet also in etwa ›Was für ein Tumult! ‹, ›Was für ein Lärm! ‹. Unvermeidlich ist diese Art der semantischen Motivierung fremdsprachiger Namen in Sprachen mit phono-logographischer Schrift wie dem Chin. (Zuckermann 2005: 223): Weil hier jeder Name mit einem Zeichensatz geschrieben werden muss, von dem jedes Einzelzeichen semantische Bedeutung trägt, wird jeder fremdsprachige Name zu einem sprechenden Namen. Bei der Transkription bleibt lediglich die Wahl zwischen (z.T. homophonen) Zeichen mit unterschiedlicher Bedeutung. Die USA (Amerika) heißen so auf Chin. m ě iguó und sind mit den Wörtern m ě i ›schön, hübsch‹ und guó ›Staat, Land‹ gebildet (Zuckermann 2005: 249). 3.3.8.6 Tabuvermeidung und Nobilitierung Soziale Aufwertung durch Tabuvermeidung und Nobilitierung ist ein verbreiteter Prozess der dt. Gegenwartssprache (Gasser-Mühlheim 1972) und ein Teilbereich der Sprachpflege (3.3.8.5). Dabei werden Denotate, deren Bezeichnungen irgendwie tabuisiert oder stigmatisiert sind, neu bezeichnet, die Konnotation durch eine andere Wortwahl verbessert (Gasser-Mühlheim 1972: 15). Bezogen auf die Toponymie entspricht dies einer Umbenennung im Fall negativer Konnotationen. Der Dürrbachgrabe, ein Tal und Gemeindeteil von II Trachselwald, wurde 1968 offiziell in Heimisbach umbenannt. Der neue Name lehnt sich an Bildungen mit <?page no="154"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 154 dem Grundwort Bach m. und einem ahd. Personennamen, hier (hypothetisch) Heimo (Förstemann I: 735), in Toponymen verbreitet (BENB I/ 2: 226-228), an. Mit dem neuen Namen sollte einerseits der Schriftsteller Simon Gfeller (1868- 1943) geehrt werden, der aus Trachselwald stammte und den literarischen Namen Heimisbach 1911 für sein Werk Heimisbach. Bilder u Bigäbeheiten us em Pureläbe schuf (HLS digital: Gfeller, Simon, 2009-03-23). Andererseits sollte dieser Name auch die negative Konnotation des bisherigen Namenelements Graben m. verdrängen (BENB I/ 2: 229; Dok.; Neue Zürcher Zeitung, 11. Dezember 1967). Die Gemeinde verwies bei ihrem Gesuch um Namenänderung auf die nahe Gemeinde II Wyssachen, die ihren Namen Wyssachengraben bereits 1908 anpasste (HLS digital: Wyssachen, 2003-03-23). Ähnliche Überlegungen spielten eine Rolle, als die Gemeinde V Aarmühle ihren Namen 1891 in Interlaken änderte (BENB I/ 1: 42): Der neue Name schien zu Zeiten des aufkommenden Tourismus eingängiger zu sein (HLS digital: Interlaken, Aarmühle, 2009-03-23). 1959 benannte sich die Gemeinde III Dicki in Kriechenwil um (HLS digital: Kriechenwil, 2009-03-23). Auch bei dieser Umbenennung könnten ähnliche Motive mitgespielt haben, um eine Deutung mit dem Adjektiv dick zu vermeiden. Allerdings gab eine Gewährsperson an, dass gerade der aktuelle Name in der mundartlichen Lautung Chriechwil Anlass zu Spöttereien gegeben haben. Im Namen ist ein Adjektiv ahd. kriah ›griechisch‹ (Starck/ Wells: 357), wohl als Übername, (BENB I/ 2: 508) oder ein ahd. Personenname Criach (Förstemann I: 377; LSG 2005: 489) zu erkennen. Der Name wurde später als Bildung mit dem Verb kriechen gedeutet, dieses in gleichbedeutend schwzd. schnaagge (Id. IX: 1174-1177) übersetzt und damit der Übername Schnaaggiwil gebildet (LSG 2005, a.a.O.). Laut Gewährsperson heißen die Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinde daher auch Schnaggewiler. Vergleichbare Fälle sind auch aus anderen Gebieten bekannt. Thalheim an der Thur (ZH) ist der 1878 bewusst gewählte Name einer Gemeinde (Kläui/ Schobinger 1989: 94), die noch 1848 Dorlikon (1523 Thorlicken, 1166 Torlinchovin) hieß (Meyer 1848: 129). Der Name wurde anscheinend gewählt, um Spöttereien mit dem Appellativ Thor m. ›Schwachsinniger, Dummkopf‹ (Id. XIII: 1238f.; LSG 2005: 870f.) zu entgehen: Vo(n) Torlike sii(n) bedeutet ›nichts wissen, verstehen‹, die Frage Bist du vo(n) Torlike? ›Bist du ein Narr! ‹ (Id. XIII: 1293f.), wobei diese Spöttereien ihrerseits auf einer volksetymologischen Deutung des Namens beruhen: Dorlikon ist eine Bildung mit einem ahd. Personennamen und der in der Gegend typischen Siedlungsnamenendung -ikon, entstanden aus -inghofen. Schützeichel (1996: 78) berichtet von einem Dorf in Deutschland namens Pissenheim, dessen Name ursprünglich mit einem ahd. Personennamen gebildet war und 1934 aus dem »in der Neuzeit stärker hervorgetretenen Bestreben, unschöne, derbe und abstoßende Namen zu verfeinern«, in Werthhoven umbenannt wurde. Nicht nur bei Gemeindenamen, sondern auch bei Flurnamen kommt die Umbenennung zur Vermeidung als unschön empfundener Namen vor. <?page no="155"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 155 Eine Siechenmatt in I Aarberg wurde von der Gemeinde im 20. Jh. in Sunnmatt umbenannt (BENB Dok.). Das Bestimmungswort des ursprünglichen Namens war schwzd. Siech m. ›Kranker‹ und davon abgeleitet auch ›rohes Schimpf- und Kraftwort auf Menschen‹ (Id. VII: 193-196). In heutiger Sprache ist vor allem die zweite Bedeutung lebendig, Anlass zur nobilitierenden Umdeutung können aber sicher beide Bedeutungen gegeben haben. Waser (1995: 44) berichtet unter der Bezeichnung Verschönerung von einem Namen aus dem Entlebuch (LU): Ein 1848 als Lochhüsli belegter Hofname sei in den 1970er Jahren für eine Hochzeitsanzeige in Sonnheim umbenannt worden und dieser Name sei dann haften geblieben. Verbreitet ist neben der Umbenennung (die nur insofern als Volksetymologie anzusehen ist, als die zu vermeidende Deutung auf einer Volksetymologie beruhen kann) die (bewusste) volksetymologische Umbildung zum Zweck der Tabuvermeidung. Sie unterscheidet sich von den obigen Beispielen mit sozialer Aufwertung insofern, als das tabuisierte Element durch ein lautähnliches Element ersetzt wird. Das Denotat des Namens bleibt selbstverständlich erhalten, die Konnotationen der Namenelemente können sich aber deutlich unterscheiden. In I Rapperswil ist 1528 der Name uff das langen löli (U2: 255, 264), 1528, 1531 vff das LannglЎ lÿ (U97: 341r) für ein Stück Kulturland belegt (BENB I/ 4: 98f.). Er ist eine Bildung mit dem Grundwort schwzd. Lööli n., Diminutivform zu Loo m. ›Wald, Wäldchen‹ (Id. III: 951; BENB I/ 3: 125-128) und dem Adjektiv lang (BENB I/ 3: 32-36). Zwischen dem 16. Jh. und der Gegenwart (Belege für die Zeit zwischen 1531 und heute fehlen) wurde der Name grundlegend umgedeutet: Aus dem langen Lööli wurde ein Langenööri (BENB I/ 4: 98f.). Dessen Grundwort ist schwzd. Öri n. ›Handhabe an Körben, Gefäßen; Henkel; Handhabe an Werkzeugen‹ (Id. I: 418), eine heute veraltende Ableitung von Ohr n., bzw. je nach Umdeutungszeitpunkt eine lautlich nicht ganz passende Form von Ohr n. Der Grund für die Umdeutung liegt in der Homonymie des Ausgangsappellativs Lööli n. ›Wäldchen‹ mit dem unverwandten Appellativ Löli m. ›Dummkopf, Einfaltspinsel‹, einer Nebenform zu gleichbedeutend schwzd. Lool m. (Id. III: 1260). Die (spätere) manifeste Umdeutung von Langenlöli zu Langenööri erklärt sich nur durch vorausgehende Umdeutung von Löli n. ›Wäldchen‹ zu Löli m. ›Dummkopf‹, die sich eigentlich an einem Genuswechsel zeigen müsste. Die nachfolgende Umdeutung von Löli m. ›Dummkopf‹ in das Appellativ Öri n. ›Henkel‹ bzw. ›Öhrchen‹ macht einen Genuswechsel dann hinfällig. Weil diese Appellative heute beide noch lebendig sind, kann eine mehr oder weniger bewusste nobilitierende Umdeutung angenommen werden. Luderflue heißt heute eine Fluh in III Bolligen, deren Name früher Luederflue war (historische Belege fehlen, der Hinweis stammt von einer Gewährsperson). Der Name geht auf das Appellativ schwzd. Lueder n. ›Aas, Tierkadaver‹, auch ›Lockspeise‹ zurück. Dieses bedeutet übertragen auch ›ausgelassene Fröhlichkeit‹ und davon abgeleitet ›schlechter, liederlicher Mensch von beiden Geschlechtern, besonders aber weibliche Person, die ein unsittliches Leben führt‹ (Id. III: 1104). <?page no="156"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 156 Das BENB (I/ 3: 174f.) vermutet im Bergnamen eine Benennung für einen Berg, von dem Tiere stürzten oder wo Lockfutter ausgelegt wurde, mit späterer euphemistischer Umdeutung in den - in Bolligen allerdings nicht vor 1800 heimatberechtigten (FNB III: 393) - Familiennamen Luder. Ungerbärg oder Unterberg ist der Name dreier Heimet in II Fraubrunnen. Erstmals genannt werden sie 1389 (R2: 630) bzw. 1389-1460 (Ud: 94) als Hungerberg, 1530-1563 in hyperkorrekter Form Hünderberg (Ar II: 283). 159 Noch 1838 werden sie als Hungerberg erwähnt (Durheim II: 162), gleichzeitig erfolgt der erste Hinweis auf die umgedeutete Benennung Unterberg (Durheim I: 352). Die in Toponymen verbreitete Benennung mit dem Appellativ Hunger m. bezieht sich auf den mageren, schlechten Ertrag, den hungrigen, durchlässigen Boden (BENB I/ 2: 318f.). Den entsprechenden Namen tragen die Fraubrunner Heimet heute noch in der Nachbargemeinde II Etzelkofen, während in Fraubrunnen selbst nur noch der umgedeutete Name Unterbärg bzw. seine velarisierte Form Ungerbärg gilt. Neben Unterbärg bzw. Ungerbärg bestehen auch zwei Heimet namens Der unger Unterbärg ›der untere Unterberg‹. Ihr Name zeigt eine doppelt hyperkorrekte Form, denn die Präposition nhd. unter heißt schwzd. under (> berndt. unger; Id. I: 324f.): Hungerberg wurde in berndt. Ungerbärg umgedeutet, woraus hyperkorrekt schwzd. *Underbärg und schließlich nhd. Unterbärg entstand. Auch in III Aeschlen/ Oberdiessbach kommt der Name Hungerbärg mit Umdeutung vor: Anders als die Gewährsperson nennt hier der Besitzer sein Kulturland mit Wald Ungerbärg (BENB, a.a.O.). Nicht umgedeutet ist der Name Hungerberg dagegen für einen Dorfteil in I Jens. Kosthofen, im Dialekt Chosthofe ist ein Dorf in der Gemeinde I Grossaffoltern, dessen Name erstmals 1226 als Gozechofen auftritt (FRB II: 76) und mit Kotzkofen u.ä. ab 1337 (FRB VI: 360) anlautendes Kaufweist. Das BENB (I/ 2: 496) deutet den Namen als Bildung mit dem ahd. Personennamen Chozzo o.ä. (Socin 1903/ 1966: 148; Förstemann I: 611). Offenbar wurde dieses Namenelement später als das Appellativ mhd. kotze m. ›Kotze‹ oder auch kotze f. ›Hure‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 1691, 1690) identifiziert. Erstmals 1771 (C3 IX: 498) erscheint dann die Namenform Kosthofen, die eine »(amtliche? ) Verschönerung« (BENB I/ 2, a.a.O.) des Namens wohl mit dem Appellativ Kost f. darstellt. Adelrain ist ein Heimet in IV Frutigen. 1382 heißt es dafür noch im Agelrain (FRB X: 174, 237), worin das BENB (I/ 1: 11) eine Bildung mit dem Appellativ schwzd. Agle f., einer Nebenform von Ägle f. ›Egel‹ erkennt. 1425 scheint das Bestimmungswort im Beleg Agoldrein (UT: 558) in einen ahd. Personennamen *Agold o.ä. umgedeutet zu sein 160 (vgl. Agiold, Egolt; Förstemann I: 25f.), bereits 1493 heißt es dann erstmals im adelrein (U84: 49). Neben dieser Form besteht heute mit der Lautung Magelrain eine Form mit einem agglutinierten Artikel. 159 Die hyperkorrekte Schreibweise vermeidet eine vermeintliche, für den Kanton Bern typische Velarisierung -nd- > -ng- (SDS II: 119f.); im Dokument heißt es daneben korrigiert Hüngerberg. 160 Wenn es sich nicht ohnehin ursprünglich um eine Bildung mit einem Personennamen handelt. <?page no="157"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 157 Ein Straßenzug in III Riggisberg trägt den Namen Edelstei. Der einzige historische Beleg dafür ist zem Egerstein 1392 (K10: 91v). Das BENB (I/ 1: 57, 58) stellt den Namen als deglutinierte Form zum Adjektiv ahd. *tëger (Bach II/ 1: § 396) mit späterer Umdeutung in das Adjektiv edel. Aus dem Kanton Solothurn liegt ein entsprechender Fall der nobilitierenden Umdeutung eines Gemeindenamens vor: Das Dorf Ammannsegg (Teil der Gemeinde Lohn-Ammannsegg) ist eine Bildung mit dem ahd. Personennamen Amanolt und dem Appellativ Eich(e) f., wie die historischen Belege der Art Amelzeich (vor 1264) zeigen (SONB I: 162-165). Ab 1766 tauchen Schreibungen der Art Ammansegg auf, die das Grundwort in schwzd. Egg n./ m. ›Ecke‹, in der Toponymie Egg f./ n. ›vorspringende Anhöhe‹ (Id. I: 155-157; Zinsli 1946: 317; BENB I/ 1, 64) umdeuten. Der Grund dafür ist die Resegmentierung des Namens in ein Kompositum mit dem Grundwort Seich m. ›Harn‹ (Id. VII: 138f.). Heute hat sich die Umdeutung auch mündlich durchgesetzt. Das BENB erkennt in Umdeutungen dieser Art eine allgemeine Tendenz zur Namenaufwertung. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass manche dieser Namen auch als ›gewöhnliche‹ Volksetymologien isolierter Namenelemente ohne nobilitierende Absicht entstanden sein können. Die Vermeidung von Tabus durch volksetymologische Umdeutung fällt in die Kategorie der intendierten Volksetymologie (vgl. 3.3.14). Bach (II/ 2: §§ 734.3, 734.4) spricht von Volksetymologie mit humoristischer und euphemistischer Volksetymologie. Arbeitet man mit einer Defition von Volksetymologie als Umdeutung isolierter Wörter, fallen diese Namen streng genommen nicht unter den Begriff (vgl. 2.3.5). Die absichtliche Umdeutung einer Einzelperson kann allerdings in der Folge allgemeine Geltung erreichen: Die Grenze der Unterscheidbarkeit von bewusster und unbewusster Umdeutung wird unscharf. So auffällig die genannten Beispiele tabuvermeidender bzw. nobilitierender Volksetymologien sind, sie scheinen kein allgemeines Bedürfnis der Sprecherinnen und Sprecher zu sein. Das BENB (I/ 1: 44) führt verschiedene aktuelle Toponyme auf, die das Appellativ Arsch m. ›der Hintere von Tieren; von Menschen nur in gemeiner, roher oder derber Sprache‹ (Id. I: 466f.) enthalten: Den Simplexnamen Arsch tragen ein Weidhubel in IV Boltigen und der Fuß des First in IV Kandersteg. Die Bergweide Ars in Isenfluh (Gemeinde V Lauterbrunnen) bewahrt mhd. Lautung (Lexer I: 97; teilweise auch im Schwzd. noch anzutreffen). Arshubel werden in V Grindelwald zwei Örtlichkeiten genannt: ein Heugut auf Alp Itramen sowie eine Weide auf der Bussalp. Arschmaad ist der Name einer Heumahd in IV Frutigen, Arsblatten derjenige eines Felsens in Isenfluh (Gemeinde V Lauterbrunnen). Schließlich gibt es in IV Adelboden eine Arschbütscha genannte wannenförmige Mulde, auf der Bussalp (Gemeinde V Grindelwald) einen als Arswald bezeichneten Wald und im Kiental (Gemeinde IV Reichenbach im Kandertal) eine Sömmerung namens Ars(ch)weid. Die Benennung dieser Namen sei metaphorisch <?page no="158"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 158 nach der Form erfolgt (BENB I/ 1, a.a.O.; Förster 1999: 184 sieht als Benennungsmotiv eher die abseitige Lage von Flurstücken). Tatsächlich findet hier die Tabuvermeidung seitens des BENB statt, das als Denotat für Arsch nur die lat. Bezeichnung podex m. anführt und für das Lemma die mhd. Form ars (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 97) ansetzt. Mehrere Toponyme, die den Arsch als Bestanteil führen, geben auch Antenhofer/ Götsch (2006: 221f.) für ihr Südtiroler Untersuchungsgebiet an: in Pfunders zwei Hügel namens Bleckarsch (Pleckorsch) und Arschleckleil (Orschleckleil), daneben die Arschlochleite (Ouschlöchleite), auch Arschlochseite in St. Peter (alle im Pustertal). Ebenfalls nicht nobilitiert wurden verschiedene Toponyme, die das Appellativ schwzd. Fud f. ›primäre weibliche Geschlechtsorgane‹ (Id. I: 682) bzw. Fudi n., Füdle n. < Füdloch n. ›Öffnung im After‹ (Id. III: 1023) oder Futz f. ›primäre weibliche Geschlechtsorgane‹ (Id. I: 1158) enthalten (BENB I/ 1: 173, 180). Nur die für das Untersuchungsgebiet nicht zu erwartende aktuelle Lautung Fudeloch in Rapperswil für 1595 belegtes fudi loch (U54: 226a) ist möglicherweise als tabuisierende Isolierung zu deuten. Vielmehr lässt sich an den oben dargestellten Toponymen möglicherweise sogar das Gegenteil einer Nobilitierung, eine Art Verrohung illustrieren: Geht man davon aus, dass mhd. ars m. primär noch neutraler ›der Hintere‹ 161 bedeutete und die Benennung einiger der Toponyme metaphorisch nach dieser mhd. Bedeutung des Appellativs geschah (die frühesten Belege des BENB stammen aus dem 16. Jh.), ist eine (heutige) Umdeutung zumindest des Benennungsmotivs in ›(derb für: ) Hintern‹ anzunehmen. Als Vergröberung bezeichnet Waser (1995: 44) die Veränderung einer Mühle Lochmüli im Entlebuch (LU) in Füdlemüli. Das Gegenteil einer Nobilitierung findet sich möglicherweise im Namen Arschloch (mit nicht genau bestimmtem Denotat westlich des Louwenesees) in IV Lauenen. Fehlende historische Belege verunmöglichen es, das Benennungsmotiv sicher zu bestimmen. Zu überlegen ist jedoch, ob der Name nicht eine scherzhafte, derbe Erweiterung des 1724 genannten im Loch (C6: 2) ist. 162 Ein Phänomen, das mir im Material des BENB nicht begegnet ist, möchte ich hier dennoch am Rand erwähnen: Aus nobilitierenden Motiven kann man Namen natürlich auch rein lautlich aufwerten. Das entsprechende Stichwort heißt Euphonie und ist bei der Personennamengebung von großer Bedeutung (vgl. Kunze 2004: 55, Wohlklang), vielleicht auch bei der Prägung neuer Toponyme (vgl. frz. Stadtberner Landsitznamen wie Lorrai- 161 Ob dem so war, lässt sich nicht zweifellos erschließen: Die mhd. Wörterbücher ihrerseits geben mit Einträgen wie ars m. ›Gesäß‹ (BMZ I: 62f.) im Allgemeinen keine Auskunft zur Frage, ob die Bedeutung tatsächlich neutraler war oder nur die nhd. Übersetzung. 162 Die Annahme bleibt unsicher, weil der Beleg von 1724 nicht genau lokalisiert ist. <?page no="159"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 159 ne, Monbijou und Morillon; 3.3.6.1). Bei Umdeutungen scheinen dagegen lautästhetische Gründe nicht ausschlaggebend zu sein: Emdthal klingt nicht schöner als Mentel (3.3.8.5), Montplaisir nicht schöner als Mumplischuur (3.3.6.2). Schließlich gibt es Fälle tabuvermeidender Isolierung von Namen. Der Name der Gemeinde Arisdorf (BL) bewahrt eine 1387 erstmals bewahrte Schreibung Arisdorff als kontrahierte Form eines vorauszusetzenden *Arnoldesdorf ›Dorf des Arnold‹ (erstmals belegt als Arnolstorf 1154; LSG 2005: 96; BLNB Arisdorf). Im Dialekt heißt der Ort Arschdef. Die konservativere Schreibweise verhindert hier die volksetymologisch fast unausweichliche Reinterpretation als Arsch-Dorf. Allerdings lässt sie sich nicht eindeutig als Tabuvermeidung interpretieren: Konservative Schreibweisen sind für viele Gemeindenamen typisch. Aus dem Untersuchungsgebiet sind derartige tabuvermeidende Namenformen, die eine entsprechende Volksetymologie genau verhindern, kaum bekannt. Sie treten sicher in erster Linie schriftlich auf und sind damit bis ins 20. Jh. fast ausschließlich auf Siedlungsnamen beschränkt. 3.3.8.7 Verschriftlichung als Verwaltungsaufgabe im 19. Jahrhundert Mit der modernen und zentralisierten Verwaltung des Landes im 19. Jh. (HLS digital: Verwaltung, 2009-03-24; vgl. auch Bern (Kanton), 2009-03-24) setzt auch die verstärkte Verschriftlichung von Toponymen ein (Bach II/ 2: § 734.1, bes. S. 537f., 3. Kategorie). Einerseits werden jetzt vermehrt auch Mikrotoponyme verschriftlicht, andererseits gewinnen die schriftlichen Formen zunehmend allgemeine Verbreitung und Gültigkeit, die Schwankungen der Schriftweisen nehmen ab. Die Urheber dieser verschriftlichten Namenformen sind Verwaltungsangestellte, die Namen im Feld erhoben und erheben, sowie Kartografinnen und Kartografen, die sie in Kartenwerke eintragen. Die Verschriftlichung der Namen kleinerer Siedlungseinheiten und von Fluren, von denen ein Großteil vor dem 19. Jh. nur mündlich in Gebrauch war (Wiesinger 1995: 464), konnte zur (Re-)Motivierung führen. Solche volksetymologischen Deutungen von Siedlungsnamen sind seit dem 12. Jh. nachweisbar (Wiesinger 1995, a.a.O.) und nehmen im 19. Jh. deutlich zu. Neuzeitliche Kartografinnen und Kartografen bemühten (und bemühen) sich, dialektale Namenformen verständlich zu machen, und können so zu volksetymologischen Verballhornungen der Namen beitragen (Reiffenstein 1995: 300, der diesen Einfluss insbesondere bei Bergnamen sieht). Ruoff (2000: 18f.) berichtet von Karl Bohnenberger, der das erste Blatt der Topographischen Karte 1: 25000 des Königreichs Württemberg nach seinem Erscheinen 1898 bezüglich der Namenschreibung kritisierte und in der Folge das Württembergische Flurnamenarchiv gründete. In Korres- <?page no="160"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 160 pondenz mit Gewährsleuten entmythologisierte er diverse Schreibungen der Karte und deckte reihenweise amtliche Umdeutungen auf. Die kartensprachliche Doma, eine römische Göttin, entzifferte er als Daumen. Aus der Lehmgrube, schwäb. Leimtelle bzw. Loidäll, war auf den Karten Sankt Landolin geworden, das Mähdle als Mägdelein verschriftlicht, die Sengernen (Rodungswiesen) erschienen als Sängerinnen. Die Tatsache, dass Volksetymologien bei der Verschriftlichung entstehen, kann einem größeren Bedürfnis von Verwaltungsbeamten nach Verständlichkeit der Namen nur insofern zugeschrieben werden, als der Verschriftlichungszwang bei jenen zu einer verstärkten Reflexion über die Namen und zum Vergleich mit lautähnlichen, etymologisch durchsichtigen Toponymen führt. Demgegenüber nutzen Landbesitzerinnen und -besitzer Toponyme in erster Linie mündlich und können sich leicht mit der geografisch identifizierenden Funktion der einzelnen Namen zufriedenstellen, ohne isolierte Toponyme mit anderen Namen zu vergleichen. Förster (1999: 173, 185f.) sieht zwei andere Hauptgründe für Umdeutungen von Flurnamen bei der Verschriftlichung im 19. Jh., die beide auf einen Stadt-Land-Gegensatz zurückzuführen sind: Kartografen hätten Namen bei der Vermessung des Landes schlicht missverstanden, weil sie die lokalen oder regionalen Dialekte kaum sprachen und verstanden. Zudem hätten sie auch grundlegend andere, urbane Vorstellungen von Namenmotiven gehabt. Während in vorindustrieller Zeit einzig die existenziellen Fragen der Besitzverhältnisse und Nutzungsmöglichkeiten Namenmotive abgegeben hätten, hätten dem bäuerlichen Leben entfremdete Städter romantische Vorstellungen auf das Land projiziert und Namen entsprechend umgedeutet und auch nobilitiert (vgl. 3.3.8.6). Ein Buchenberg im deutschen Solling heißt nd. Bokeberg. Förster (1998: 176) lehnt eine Deutung des heute zweifellos so verstandenen Namens als ›Berg, der mit Buchen bestanden ist‹ als volksetymologisch ab: Die Buche als häufigster Baum in dieser Gegend kann nicht als Orientierungshilfe dienen, eine entsprechende alte Benennung wäre demnach nutzlos. Vielmehr führt der periodische Zweitname Bützenberg (zu mhd. butzen ›stoßen‹; Lexer 1872-1878/ 1970 I: 291 schreibt biuκen, bûκen) zu einer Deutung mit nd. bok m. ›Zusammenstoß im Sinne einer Grenzlage‹ (mhd. buc ›Schlag, Stoß‹; Lexer 1872-1878/ 1970 I: 375). 163 Entsprechende amtliche Umdeutungen gibt es auch im Untersuchungsgebiet. Sie finden sich auf den Blättern des Topographischen Atlasses der Schweiz (Siegfriedkarte, TA; vgl. HLS digital: Kartografie, 2009-03-24), der in der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jh. publiziert wurde. 163 Auch eine Deutung mit mhd. boch ›Biegung‹ oder mhd. buk, buge ›Hecke, Verhau, Landwehr‹ sei möglich. <?page no="161"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 161 Der Wabersch sch sch schacher in III Köniz, heute überbautes Gebiet, ist etymologisch noch nicht geklärt (BENB Dok.). Alte historische Belege fehlen; auf dem TA (1870, 1882: 319) ist der Name ursprünglich als Wabersacker eingetragen. Später (TA 1895, 1896, 1917: 319) wird er aber zum Wäbersacker. Dieser Wechsel lässt sich nur durch eine Vermessungsbzw. Kartografenetymologisierung erklären: Entweder war der betreffenden Person der Name überhaupt unverständlich und sie lehnte ihn an den Familiennamen Wäber (in der Stadt seit 1544 heimatberechtigt; FNB VI: 141) an, obwohl auch der Familienname Waber im Kanton Bern heimatberechtigt ist (FNB VI: 140). Oder sie wollte eine mögliche Assoziation des Flurnamens mit Wabern (einer Siedlung in der Gemeinde III Köniz, in deren Richtung die heutige Wabersackerstrasse von Köniz aus führt) verhindern, weil ihr die Bildung mit dem Siedlungsnamen im (vermeintlichen oder tatsächlichen) Genitiv als Bestimmungswort zu Recht auffällig und ungewöhnlich erschien. Wäbersacker hat sich mündlich nicht durchgesetzt, und ab 1925 (TA 1925, 1931, 1939, 1946: 319) wird der Name wieder als Wabersacker eingetragen. Ämmematt heißt ein Heimet bei III Belp. Gleich lautende Namen tragen auch ein kleines Dorf in III Lauperswil und einige Heimet in III Schangnau (beide im Emmental) in unmittelbarer Nähe der Emme f. Deren Gewässername wird über eine frühahd. Gewässernamenform *Ammia auf eine ie. Wurzel *am ›Flussbett, Graben‹ zurückgeführt (Krahe 1964: 42; Greule1973: 113-115; BENB I/ 1: 80; Grossenbacher Künzler 1999: 57f.; die überoffene e-Lautung ist noch ungekärt). Der Gewässername kommt auch andernorts vor, etwa in Vorarlberg als Emme(bach) (Geiger 1965: 126f.) oder in Norddeutschland als Ems, anno 60 Amisia (Greule 1973: 114). Für den Namen aus Belp schreibt der TA in allen Ausgaben von 1870 bis 1946 (322) durchgehend Ammenmatt, erst die LK (2000: 1167) verzeichnet Ämmematt. Das Fehlen von Belegen aus der Zeit vor dem 19. Jh. verunmöglicht eine sichere Deutung: Entweder wurde ursprünglicheres Ämmematt im 19. Jh. für die Karte in Ammenmatt mit dem Bestimmungswort Amme f. umgedeutet oder die heutige Ämmematt ist umgekehrt eine Umdeutung einer älteren Ammenmatt. Die Verbreitung entsprechender Namen und die Lage der Belper Ämmematt in der Ebene zwischen den Flüssen Gürbe und Aare machen eine Deutung des Namens mit der ie. Gewässernamenwurzel zumindest prüfenswert. Die Umdeutung von Ämmematt zu Ammenmatt scheint mir glaubwürdiger: Die Ämmematt liegt weitab der Emme, eine Umdeutung einer durchaus deutbaren *Ammenmatt in den Gewässernamen ist kaum zu erwarten. Dagegen könnte gerade die Lage abseits der bekannten Emme einen Kartografen des 19. Jh. dazu gebracht haben, diesen ihm unsinnig scheinenden Bezug durch die Schreibweise Ammenmatt zu unterdrücken. 164 164 Nicht ganz auszuschließen ist ein Hörmissverständnis: Stammt der Explorator, der den Namen erstmals notiert hat, aus einer Gegend, in der für den Kanton Bern übliches überoffenes (< germ. e, mhd. ë bzw. als Sekundärumlaut) als ů und mhd. a hell als ⁴ realisiert wird, kann er den Namen als Amme(n)matt missverstanden haben. Die Kombination ließe auf Herkunft des Explorators aus der Nordostschweiz schließen (SDS I: 11, 21). <?page no="162"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 162 Wassoltregg ist der Name einiger Weiden an der südöstlichen Flanke des Färmeltals in IV St. Stephan. Hier befindet sich auch der Wassolt(e)regggrabe. Der erste Beleg für den Namen stammt von Durheim (II: 213) und lautet Massoltereck (2 zerstr. Häuser). Wenn Durheim hier nicht einen unverständlichen Namen gedeutet hat, dürfte die heutige Lautung eine deglutinierte Form von *im Massoltereck sein. 165 Er ist dann zu erklären als Bildung mit dem Baumnamen schwzd. Massholder m. ›Feldahorn‹ (BENB I/ 3: 245; Id. II: 1187), bei der Lage der Wassoltregg auf über 1000 Metern über Meer vermutlich eher ›Bergahorn‹ (Durheim 1856/ 1972: 153). Während die LK (1998: 1246) den isolierten Namen Wassoltregg angibt, deutet der TA (1874-1935) diesen mit dem Pflanzennamen Wacholder und schreibt Wachholderegg. Nach Gewährsperson wurde früher auch Wachsoltregg geschrieben. Auch der heute allgemein gültige Name Ewigschneehorn für einen Berggipfel in V Innertkirchen/ V Guttannen ist auf eine Kartenform zurückzuführen; wie Gewährspersonen trotz fehlender urkundlicher Belege versichern, hieß der Berg früher ds schneewwige Hore ›das schneeige Horn‹. Offenbar hat hier die lokale dialektale Aussprache des Adjektivs, die die mhd. Lautung snêwic (Lexer 1872- 1878/ 1970 II: 1026) wahrt, beim Übertrag auf die Karte (TA 1874: 397) für Verwirrung und eine etwas romantische Deutung gesorgt (BENB I/ 1: 104). Volksetymologien, die bei der Verschriftlichung auftreten, müssen nicht zwingend von der erhebenden Person geprägt worden sein, sie können auch eine mündliche Tradition weiterführen (vgl. auch 3.3.10.1 und 3.3.10.2). Das Stadtquartier Marzili in III Bern trägt einen Personennamen Marsili(us), der im 13. Jh. in Bern genannt wird (FRB III: 31, 604), wurde im Lauf seiner Geschichte aber mehrfach anders gedeutet (BENB I/ 3: 242; s. ausführlicher 3.3.3.3). Der TA schreibt Aarziehle (1870: 319) bzw. Aarziele (1882: 319) und erst ab 1895 (319) Marzili. Diese Schreibweise erscheint erstmals bei Durheim (I: 22; II: 1) und deutet das Quartier als Ziel der Aare (weil sie hier auf die Altstadt trifft). Durheim hat die Deutung aber nicht geschaffen, sondern bezog sich auf die offizielle Stadteinteilung des 18. Jh. (Weber 1976: 238f.). Die Anzahl der Volksetymologien, die durch amtliche Verschriftlichung entstanden sind, ist im Untersuchungsgebiet weitaus geringer, als sie Bohnenberger für Württemberg rapportiert. Während er seine Gewährspersonen aufforderte, keine weiteren Fälle falscher Verschriftlichung mehr einzureichen, weil das ein endloses Unterfangen sei (Ruoff 2000: 18f.), handelt es sich beim TA und anderen Quellen des BENB um Einzelfälle. 166 165 Die Deglutination müsste unter Einschub von -wfolgendermaßen verlaufen sein: i(m) Massoltereck > *im Wassoltereck. 166 Bedeutender sind in der Schweiz die - etymologisch oft durchaus korrekten - Verneuhochdeutschungen, die mit der neuen Schweizer Landeskarte nach dem Zweiten Weltkrieg ins Visier gerieten und heute weit seltener auf Karten zu finden sind (vgl. die rechtlichen Grundlagen nach Weisungen (1977) bzw. Verordnung (1999) und Verordnung (2008)). Allerdings könnte sich die Gegenwart als Epoche erweisen, in der Flurnamen wie schon länger Siedlungsnamen und Personennamen als häufig <?page no="163"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 163 3.3.8.8 Gegenwart Die Gegenwart könnte sich als die Epoche erweisen, in der Volksetymologie große Entfaltung erfährt. Die Landwirtschaft unterliegt in den letzten Jahrzehnten einem großen Wandel auf vielen Ebenen; Arbeitsgeräte, Techniken, aber auch angebaute Kulturen und Produkte wandeln sich. Dieser Wandel beeinflusst den landwirtschaftlichen Wortschatz, der sich in der Toponymie spiegelt (vgl. 3.2.2, 3.3.1). Er führt dazu, dass eine Vielzahl noch vor wenigen Jahrzehnten allgemein verständlicher Appellative in Namen zu Relikten geworden ist, die isoliert dastehen und damit die Grundvoraussetzung für Volksetymologie erfüllen. Weil das BENB Durheim (1838-1845) als letzte historische Quelle systematisch auszieht, können hier sinnvollerweise keine rezenten Volksetymologien angegeben werden: Eine Umdeutung, die sich zwischen Durheim und der Gegenwart zeigt, kann irgendwann in den letzten 200 Jahren entstanden sein, ein Zusammenhang mit jüngeren Entwicklungen ist ungewiss. Eine allgemeine Welle der Volketymologie dürfte sich aber auch gar nicht zeigen. Einerseits hält das Material des BENB die Namenlandschaft fest, wie sich sich in der Mitte des 20. Jh. präsentierte, zu einem Zeitpunkt also, als die großen Umwälzungen gerade erst einsetzten. Und selbst wenn man neuere Namendaten zur Verfügung hätte, ist die Zeitspanne seit dem Aussterben vieler Appellative wahrscheinlich zu kurz, als dass sich Umdeutungen schon manifestierten. 167 Andererseits hat der landwirtschaftliche Strukturwandel mit Gesamtmeliorationen (großflächigen Güterzusammenlegungen; HLS digital: Güterzusammenlegung, 2008-11-20) seit den 1970er Jahren die kleinräumige Geländestruktur vielfach grundlegend verändert; neue, große Bearbeitungsflächen sind entstanden, die Notwendigkeit vieler Toponyme zur Unterscheidung ging verloren. Selbst die landwirtschaftliche Bevölkerung, für die Namen aus der Landwirtschaft unmittelbare Bedeutung haben, kommt heute mit einer weit geringeren Anzahl Namen aus. 168 Die zunehmende nicht-landwirtschaftliche Bevölkerung dagegen dürfte ohnehin eine geringere Anzahl von Toponymen verwenden und andere undurchsichtig wahrgenommen und (anders als Familiennamen) nicht remotiviert werden. 167 Viele heute vermutlich ausgestorbene oder doch veraltete Wörter verzeichnet der SDS, dessen Daten in der ersten Hälfte des 20. Jh. erhoben wurden, noch im lebendigen Sprachgebrauch (vgl. 3.3.1). 168 Bei der Bearbeitung der Namen für das BENB ist es mitunter notwendig, in einer Gemeinde nachzufragen, was ein bestimmter Name bezeichnet, wo der Namenbereich liegt. Sehr oft können dann selbst Einheimische keine Auskunft geben, weil sie die Namen nicht mehr kennen. Von den im BENB als aktuell geführten Namen (zum Erhebungszeitraum s. 3.2.2 und BENB I/ 1: 5*-8*) ist ein nicht genauer quantifizierbarer, aber auch nicht zu vernachlässigender Teil in Wahrheit heute nicht mehr lebendig. <?page no="164"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 164 Ansprüche an sie haben. 169 Für sie ist sogar zu vermuten, dass sie im Einzelfall von den offiziellen Toponymen abweichende neue, wieder eindeutig appellativische Namen prägt, um ihre Umwelt geografisch zu strukturieren. 170 3.3.9 Urheberschaft Nach Rundblad/ Kronenfeld (2003: 129) oft, nach Wiesinger (1995: 464) sogar stets gehen Volksetymologien letzlich auf eine einzelne Person zurück. In den meisten Fällen lässt sich die Urheberin, der Urheber einer Volksetymologie schon deshalb nicht genau bestimmen, weil die Umdeutung aus mündlichem Gebrauch entstanden und ihr genaues Alter unbekannt ist. In der Schreibung manifestiert sie sich erst, wenn sie sich allgemein durchgesetzt hat (Wiesinger 1995: 464). Dagegen steht die Urheberin, der Urheber einer Volksetymologie fest, wenn sie ein rein schriftliches Produkt ist, ein einziges Mal auftaucht und sich im Sprachgebrauch nicht durchsetzt (vgl. 3.3.9.11). Für die Siedlung Rosshäusern (Gemeinde III Mühleberg; s. ausführlicher 3.3.3.2) tritt 1740 (Rq 5: 329) ein einziges Mal die Schreibweise Grosshäusern auf. Offenbar hat hier ein Schreiber schwzd. Ross n. ›Pferd‹ (Id. VI: 1412-1417) in das Adjektiv groß umgedeutet (vermutlich als Hörfehler). Die Gemeinde I Müntschemier, erstmals belegt 1185 als Munchimur (FRB I: 478), geht auf rom. *mons Camerii ›Berg des Camerius‹ zurück (BENB I/ 3: 379f.). 1716 wird ihr Name als Müntschenweyer erwähnt (A: Schwarzenburg). Hier dürfte eine Umdeutung der mit fallendem Diphthong 171 gesprochenen Endsilbe in das zweisilbige Appellativ schwzd. Wiier m. ›Weiher‹, mit Hiatusdiphthongierung Weier m. (Id. XV: 63-69; SDS I: 148-159), vorliegen (BENB I/ 3: 379f.). In beiden Fällen ist die Volksetymologie einer Person zuzuordnen, die den Namenbeleg verfasst hat, wobei hier unbekannt ist, wer das war. Auch bei manchen Umdeutungen, die mündlich entstanden sind, sowie bei schriftlichen Volksetymologien, die sich von der Schrift in die Mündlichkeit 169 Vgl. etwa die romantisierende Motivierung von Namen durch urbane Angestellte im 19. Jh. (Förster 1998: 174; vgl. 3.3.8.7). 170 Nur eine Untersuchung unter der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung in einem eng gesteckten Untersuchungsgebiet könnte Aufschluss darüber geben, ob in den letzten Jahrzehnten parallel zum Schwund alter Namen auch neue Namen ohne Bezug zur Landwirtschaft entstanden sind; Hinweise darauf geben Alpinistennamen für bisher eher unbenannt gebliebene hochalpine Gebiete wie Kletterrouten (Kully 1991; Schorta 1991: 52-54). Für Talgebiete sind ähnliche Prozesse durchaus zu erwarten, aber unerforscht. 171 Die Terminologie wird nicht einheitlich verwendet. Mit Bußmann (2002: 167f.) ist ein fallender Diphthong einer, dessen zweite Phase in der Artikulation einen größeren Öffnungsgrad aufweist. <?page no="165"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 165 durchgsetzt haben, ist es manchmal möglich, die Urheberschaft zu bestimmen. Im Folgenden präsentiere ich anhand einiger Beispiele eine kleine Auswahl eindeutig identifizierbarer Urheberinnen und Urheber von Volksetymologien in chronologischer Reihenfolge. Selbstverständlich gibt es eine Vielzahl weiterer Personen, die Volksetymologien mit mehr oder weniger Erfolg geprägt haben und die ich hier nicht berücksichtigen kann. 3.3.9.1 Gewährspersonen Bei Toponymen, deren Umdeutung nicht an einer lautlichen Veränderung erkennbar ist (3.3.3.1), geben oft Gewährspersonen den Hinweis auf die volksetymologische Deutung. Sie schlagen manchmal auch Deutungen vor, denen das Lautmaterial des betreffenden Namens widerspricht (3.3.3.4). Der Name Muessache, Muesseche für zwei Heimet in II Dürrenroth/ II Walterswil ist erst 1786 (A: Sumiswald) als Mußachen erstmals belegt. Nach BENB (I/ 3: 342) ist sein Bestimmungswort wohl am ehesten zu deuten als Bildung mit mus(s) f., einer Nebenform zu mhd. mos n. ›Moos‹, basierend auf ahd. mussa f. ›Sumpf‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 2208f.; Starck/ Wells: 428). Das Grundwort -ache, bisher ungeklärt (BENB I/ 1: 4f.), dürfte hier ahd. aha f. ›Fluss, Strom‹ (Starck/ Wells: 17; vgl. BENB I/ 1: 4f.) sein, der Name ursprünglich also in etwa ›Sumpfbach‹ bedeutet haben. In der aktuellen diphthongierten Form ist eine Umdeutung in schwzd. Mues n. ›Speise aus dem Gewächsreich, breiartige Speise‹ (Id. IV: 488ff.) zu sehen, das in Toponymen ebenfalls nicht selten ist und Land bezeichnet, dessen Ertrag zur Zubereitung von Mus diente. 172 In Walterswil deutet eine Gewährsperson den bereits umgedeuteten Namen als Satznamen (vgl. 3.3.4.3) muess ache ›muss hinunter‹ mit dem Verb schwzd. müesse ›müssen‹ (Id. IV: 499f.) und dem Adverb schwzd. ache ›hinunter‹ (Greyerz/ Bietenhard 1976: 20f.), weil man dort hinuntergehen müsse, wenn man von Walterswil herkomme. Diese Umdeutung ist zweifellos nicht allgemeingültig, umso weniger, als der Name Múessache erstsilbenbetont ist, während die Phrase muess áche auf der zweiten Silbe betont wird. Hornung (1998: 119; vgl. 2.4.3) weist einschränkend darauf hin, dass Gewährspersonen ihre eigenen Deutungsversuche oft nicht uneingeschränkt glauben. 3.3.9.2 Anonymer Schreiber des 14. Jahrhunderts Einer der ältesten individuell bestimmbaren Urheber einer volksetymologischen Deutung eines Siedlungsnamens im Untersuchungsgebiet ist ein 172 Dieselbe Umdeutung des nicht mehr verstandenen mhd. mus(s) f. in schwzd. Mues liegt auch in der Muesmatt (heute ein Quartier) in der Stadt III Bern vor (BENB I/ 3: 342f.; Kully 1997: 309f.). <?page no="166"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 166 anonymer Schreiber des 14. Jh., dessen Zehntenzählung von Clouzot (1940) zusammen mit einem Visitationsbericht von 1228 und zwei weiteren Zehntenzählungen des 13. Jh. veröffentlicht wurde. Die Zehntenzählungen in der Diözese Lausanne umfassen auch das Dekanat Bern. 173 Der nicht namentlich bekannte Schreiber frz. Muttersprache konnte ganz offensichtlich kaum Dt. (Mhd.). Beim Niederschreiben hat er ihm unverständlichen Toponymen oft eine Form gegeben, die den Lautwert, wie er ihn hörte, in einer rom. Schreibung wiedergibt, aber weder im Dt. noch im Frz. eine Bedeutung trägt. Die Gemeinde III Blumenstein, im Dialekt Bluemistei, erstmals 1230 als de Blоminstein (FRB: N) belegt (BENB Dok.), ist ein ursprünglicher Burgname und als Prunkname mit dem Appellativ Blume f. gebildet (LSG 2005: 165). Der Schreiber des 14. Jh. notiert dafür Curatus de Blosmeteyn (Cl: 141). Die Gemeinde III Kirchdorf, erstmals belegt 1228 als Chilthorf (FRB II: 92), heißt bei ihm im 14. Jh. Clistors (Cl: 141). Neben diesen unverständlichen Namen findet sich diesem Schreiber auch ein Toponym, das deutliche Züge einer Umdeutung trägt. Der Name der Gemeinde V Grindelwald ist ein Kompositum aus dem Appellativ schwzd. Grindel m. ›Riegel, Querriegel‹ (Id. II: 757-759) und dem Appellativ Wald m. (BENB I/ 2: 110). Erstmals wird der Name 1146 als fundum in Grindelwalt genannt (FRB I: 422). Der Schreiber des 14. Jh. führt diesen Namen in zwei sehr unterschiedlichen Formen auf: Rector de Guindeval und Grande Walt (Cl: 142). Offensichtlich hat er beide Elemente des Kompositums nicht verstanden bzw. möglicherweise gar kein Kompositum wahrgenommen, auch wenn seine beiden Schreibungen ebenfalls Komposita sein dürften. Seine erste Version enthält möglicherweise das Appellativ frz. val f. ›Tal‹ als Bestimmungswort. 174 In der zweiten Nennung wird das alem. Bestimmungswort Grindel in die fem. Form des Adjektivs frz. grand(e) ›groß‹ umgedeutet, das Bestimmungswort bleibt ungedeutet. 175 Das Auftreten zweier so unterschiedlicher Namenformen zeigt deutlich, dass der Schreiber den Namen ganz bewusst zu deuten versucht hat: Sie sind zwei verschiedene Vorschläge für eine Etymologie dieses Namens, 173 Zur Zugehörigkeit der links der Aare gelegenen Gebiete des heutigen Kantons Bern zu dieser Diözese s. HLS digital (Lausanne (Diözese), 2009-03-25). 174 Bekannt sind in der Literatur die umgekehrten Fälle, in denen rom. val in alem. Feld(en) umgedeutet wurden: Grandval im Berner Jura trägt das alte alem. Exonym Granfelden (LSG: 405) Erstfeld (UR) ist möglicherweise ebenfalls zu diesem Etymon zu stellen (LSG: 334). 175 Obwohl in den rom. Sprachen das Adjektiv eigentlich dem Substantiv folgt, kommt im Frz. bei einigen Adjektiven (darunter grand(e)) auch die umgekehrte Reihenfolge vor. Der Widerspruch zwischen der f. Form des frz. Adjektivs und dem m. alem. Appellativ, auf das es sich bezieht, ist wohl der Tatsache geschuldet, dass der Schreiber das Appellativ Wald gar nicht verstand. <?page no="167"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 167 der ihm in der Form, in der er ihn hörte, unverständlich war. In Rechnung zu stellen ist natürlich, dass er den Gepflogenheiten der Zeit folgend nicht die moderne wissenschaftliche Vorstellung einer Etymologie hatte, die sich lautgesetzlich einwandfrei mittels historischer Belege nachweisen lassen soll. Nach zeitgenössischem Verständnis war das deutliche Abweichen der beiden Vorschläge ganz unproblematisch. 176 3.3.9.3 Berner Stadtarzt im 16. Jahrhundert: Thomas Schöpf 1577/ 1578 publizierte der Berner Stadtarzt Thomas Schöpf (HLS digital: Schöpf, Thomas [unveröffentlicht]; HBLS Supplement: 154) in zwei Tafeln seine Karte Inclitæ Bernatum urbis der Republik Bern mit einer zweibändigen Legende von 1577, die jedoch nicht gedruckt wurde (s. auch Herzig 1992; BENB I/ 1: 15*). Die im Korrespondenzverfahren erstellte Karte enthält verschiedene Volksetymologien, die jedoch eher nicht von Schöpf selbst stammen, sondern von seinen Gewährlseuten stammen dürften und von ihm lediglich publiziert wurden. Unsicher ist die Urheberschaft der Volksetymologie im Fall der Siedlung Nessental in V Gadmen insofern, als die Nennung der (sehr späte) Erstbeleg für das Toponym ist. Die Häusergruppe heißt bei Schöpf Nesselnthal (Sch: T. 1, 76b). Das Kompositum mit dem Grundwort Tal n. trägt im Bestimmungswort vermutlich einen ahd., nicht genau bestimmbaren Personennamen (etwa Nazo; Förstemann I: 1154) im schwachen Genitiv (BENB I/ 4: 18f.). Nicht auszuschließen ist auch eine Etymologie, wie sie der Beleg Nesenthal 1642-1644 (A: Oberhasle) nahelegt: *(der) Nesen Tal ›Tal der Nesa‹ mit dem Personennamen Neesa, Neesi ›Agnes‹ (Id. IV: 804f.). Schöpf deutet den Namen als ›Tal mit Nesseln‹ mit dem Pflanzennamen Nessel f. und führt ihn in eine entsprechende Schreibweise über. Obwohl diese Schreibweise von der tatsächlich verwendeten Lautform abweicht (vgl. 3.3.3.4), dürfte diese Umdeutung auch für heutige Sprecherinnen und Sprecher durchaus naheliegend sein. Häufiger als Volksetymologien sind auf Schöpfs lat. abgefasster Karte Latinisierungen, die man ebenso wie eine einzelne Gräzisierung 177 als eine Form der historischen, gelehrten Nobilitierung (vgl. 3.3.8.6) ansehen kann. 176 Zuckermann (2005: 226f.) nennt das moderne wissenschaftliche Verständnis, nach dem ein lexikalischer Ausdruck notwendigerweise nur ein einziges Etymon haben könne, konservativ-strukturell. Für jemanden, der nicht nach wissenschaftlichen Kriterien der Gegenwart arbeite, sei es dagegen insbesondere in einer Sprachkontaktsituation problemlos möglich, einem Wort mehrere Etymologien zuzugestehen. Zuckermann vergleicht das wissenschaftliche Verständnis der Etymologie mit dem Sprachstammbaummodell des 19. Jh., demzufolge eine Sprache nur eine Quelle haben könne. Im Unterschied zu Letzterem hat die Vorstellung, dass ein Wort nur eine Etymologie haben könne, heute jedoch durchaus noch wissenschaftliche Gültigkeit, abgesehen von Fällen der Neologismenbildung, wie sie Zuckermann berichtet. 177 Vgl. die Gräzisierungen bayerischer Ortsnamen (v. Reitzenstein 1995). <?page no="168"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 168 Diese Phänomene erschöpfen sich im Allgemeinen in einer antikisierenden Schreibweise ohne Deutung. Mit seiner Gräzisierung schafft Schöpf dagegen eine humanistisch-gelehrte Umdeutung. Der Name der Gemeinde I Vinelz wird erstmals 1072 mit Burchardus de Fenis (FRB I: 325) genannt und auf das Appellativ afrkpr. *fenils (Plural) ›Heuställe‹ zurückgeführt (Zinsli 1966: 586; LSG 2005: 936). 1095/ 1096 heißt es S. Manegoldi de Fenils (US: 22). Die Schreibweise de Fenix (FRB III: 392) taucht erstmals 1285 auf, 1416/ 1417 heißt es ecclesiam Parochialem de Fenix (K9a: 15). Wohl auf Grundlage dieser Formen schreibt Schöpf (1577: 178b) Vinels vel Phoenoltz pagus parochialis […] quae fuit appellata Phoenix, hinc derivatum est Vinels quod tamen Phoenoltz scribi debetat […] (BENB I/ 1: 140) und deutet den Siedlungsnamen damit mit der griechischen Mythenfigur, ohne jedoch anzugeben, was die Motivation für einen derartigen Namen sein könnte. 3.3.9.4 Lexikograf und Historiker des 19. Jahrhunderts: Karl Jakob Durheim 1838-1845 erscheinen die drei Bände Die Ortschaften des eidgenössischen Freistaates Bern […] des Berner Beamten, Politikers, Historikers und Lexikografen Karl (auch Carl) Jakob Durheim (HLS digital: Durheim, Karl Jakob, 2009-03-25). Das umfassende Verzeichnis u.a. der Siedlungen und Alpen im Kanton Bern ist sorgfältig bearbeitet. Der dritte Band enthält sogar eine Abteilung Ursprüngliche und ältere Benennungen und Schreibart (sic! ) von Ortschaften (1845: 219-236). Viele der von Durheim aufgeführten Namen tragen eine Form, die sich ans Nhd. anlehnt. Schwzd. Namen, die auf Schwa enden, sind meist mit -en verschriftlicht, fallende schwzd. (mhd.) Diphthonge 178 werden mehrheitlich in entsprechende nhd. Langvokale umgewandelt, schwzd. (mhd.) Langvokale als entsprechende nhd. steigende Diphthonge notiert. Das heutige Quartier Mälchebüel in III Bern/ Gümligen (Gemeinde III Muri) (BENB I/ 3: 271) schreibt schon Durheim Melchenbühl (I: 39). Das heutige Mueshüttli in III Langnau (BENB I/ 3: 342) wird bei ihm als Mußhüttli aufgeführt (I: 257). Die Gemeinde V Lauterbrunnen, schwzd. Luterbrunne (BENB I/ 3: 65), wird Lauterbrunnen geschrieben (I: 125). 179 178 Mit größerem Öffnungsgrad bei der Artikulation der zweiten Phase (Bußmann 2002: 167f.). 179 Alle drei Phänomene treten auch schon vor Durheim auf und nehmen die spätere und bis heute geltende amtliche Schreibweise der Gemeindenamen vorweg. Durheim wendet das System jedoch nicht konsequent an. So schreibt Durheim für den Weiler Lueg in III Fahrni den fallenden schwzd. Diphthong. Ebenfalls in Langnau führt Durheim (II: 236) außerdem ein Mushüttli (sehr kleines Heimwesen) auf, das von BENB (I/ 3: 397) wohl wegen Durheims Hinweis auf die Größe zu schwzd. Mu(u)s f. ›Maus‹ (Id. IV: 473) gestellt wird. Eben weil Durheim im Allgemeinen auch die <?page no="169"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 169 Mit Deutungen beschäftigt sich Durheim dagegen nicht aktiv (BENB I/ 1: 16*). Dennoch lassen seine Schreibweisen im Einzelfall darauf schließen, dass er Namen volksetymologisch deutet. Natershus, im Dialekt nat″rεhŷs, ist der Name dreier Heimwesen in III Neuenegg. Erstmals belegt ist er 1430 als Ze natershus (U78: 525), in den folgenden Jh. wird er stets Nat(t)ershus u.ä. geschrieben (BENB I/ 4: 13f.). Das Bestimmungswort des Namens ist vermutlich ein Besitzername, der auf der Berufsbezeichnung mhd. nâter m. (Id. IV: 849), Nebenform zu natære m. ›Schneider, Kürschner‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 II: 39), basiert und seit dem 14. Jh. im Kanton Bern als Familienname vielfach belegt ist (FRB). Bei Durheim heißt es 1838 dann Naternhaus (Natershaus) (I: 162). Wieso Durheim hier die Umdeutung mit dem anzunehmenden Bestimmungswort schwzd. Na(a)tere f. ›Natter‹ (Id. IV: 849), als ›Schlangenhaus‹ vorschlägt, ist schwer zu erklären. Dass die Heimwesen nicht so genannt werden, scheint auch ihm bekannt gewesen zu sein, da er ja eine zweite (übliche) Lautung beifügt. Ich vermute, dass er die Deutung des Namens mit dem (etymologisch nicht verwandten) Gemeindenamen Naters (VS) (LSG 2005: 636) verhindern wollte und in Natershaus eine verschliffene Form von Naternhaus sah. Die Deutung als Homonym des Walliser Gemeindenamens liegt auch heute noch nahe. Niggidei heißen mehrere Heimet in I Seedorf. Der Name ist bisher nicht schlüssig gedeutet. Zu denken ist in dieser Seeländer Gemeinde an eine vordt. Etymologie, doch ergibt sich aus den Erstbelegen Nicodey 1267 (FRB II: 693; eventuell eine spätere Fälschung) und von Nicadey 1304 (FRB IV: 198) keine frz./ frkpr. Etymologie. Das BENB I/ 2 (491) erklärt den Namen noch als ›Ei des Nikodemus‹ mit dem Grundwort schwzd. Ei ›(Halb-)Insel, Gelände an einem Gewässer‹ (Id. I: 5f.; vgl. 3.3.1), eine Erklärung, die in BENB I/ 4 (40f.) wieder verworfen wird. Durheim führt die Höfe 1838 unter dem Namen Nikodey (Niklaus-Au, Niggidey, Niggisau) (I: 8), Nidtey gibt er als alte Benennung an (III: 229). Seine Schreibungen lassen klar das Grundwort Ei f. erkennen, obwohl mündliches Im Niggidei auf m. oder n. Genus schließen lässt. Das Bestimmungswort deutet Durheim in mehreren Versuchen als eine Form des Personennamens Nik(o)laus (Id. III: 687- 697, IV: 705; BENB I/ 2: 467f.; I/ 4: 40f.). Die nur von ihm überlieferte alte Benennung Nidtey aus einer Urkunde von 1609 ist dagegen wohl als Angleichung an die Präposition schwzd. nid ›unter(halb)‹ (Id. IV: 669), die sich auch im Namen der nahe gelegenen Gemeinde Nidau (LSG 2005: 644; BENB I/ 4: 26f.) findet. Bald in’s Tal ist bei Durheim (II: 17) Variante für Baldistall, heute Baldistal und bezeichnet den Weiler Bulestu in II Arni (BENB I/ 4: 706; s. ausführlicher 3.3.1). Die Umdeutung basiert auf einer Resegmentierung in das (ursprüngliche) Grundwort Tal n., das Adverb bald sowie die Präposition in und den Artikel schwzd. (d)s ›das‹ (Id. XIII: 1122-1200, bes. 1125f.). Die Umdeutung ist als Satzname *Bald in’s Tal [gehen o.ä.] zu verstehen (vgl. 3.3.4.3). schwzd. Langvokale als entsprechende nhd. steigende Vokale notiert, möchte ich das Mushüttli hier lediglich als Schreibvariante neben Mußhüttli (Durheim I: 257) stellen. <?page no="170"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 170 Zwei Alpen in IV Niederstocken heißen Lingital. Ihr Name erscheint erstmals 1531 in den Belegen des Bergs Lingenthalls und das Lingenthell (U144: 294; Nachtrag von 1563). Das BENB (I/ 3: 113) erkennt darin eine Komposition mit einer ahd. Personennamenkurzform Lingo (Förstemann I: 1060; Kaufmann 1965: 237) im schwachen Genitiv. Durheims Schreibung Lindenthalberg (1845: 172) mit dem Baumnamen Linde f. ist als hyperkorrekte Form mit Vermeidung der Velarisierung -nd- > -ngzu verstehen. Diese Velarisierung führt tatsächlich zu Namenlautungen wie dialektal Linge für die Gemeinde III Linden. Für Niederstocken ist die Velarisierung allerdings nicht nachgewiesen (SDS II: 191-23). 3.3.9.5 Schriftsteller des 19. Jahrhunderts: Jeremias Gotthelf Jeremias Gotthelf (1797-1854; HLS digital: Gotthelf, Jeremias, 2009-03-25) misst den literarischen Personennamen und Ortsnamen in seinem Werk große Bedeutung zu: Er benutzt sie, um Abstand und Nähe zu markieren, um Kritik zu üben oder Empathie auzudrücken (Schweingruber 1990: 7). In seinem Werk Die drei Brüder (Gh VII: 257-294) ist ihm ein realer Flurname Vorbild für einen fiktiven Flurnamen, für den er gleich zwei Deutungen vorschläg. Der Münneberg ist ein Wald mit einer alten Fliehburg in II Lützelflüh/ II Sumiswald. Die Erstnennung des Namens erfolgt erst 1850 als Münnenberg (JBe: 432). Nach BENB (I/ 3: 375) handelt es sich beim Namen wahrscheinlich um eine Bildung mit dem ahd. Personennamen Muno (Förstemann I: 1336) mit expressiver Gemination (Kaufmann 1965: 14f.) zu *Munno, eine abschließende Deutung ist aber nicht möglich. Gotthelf schreibt zum Namen: »Da sieht man weit hin in’s Emmenthal, sagte hier Einer und dort Einer, was war wohl hier, ein Anderer und endlich kam’s Einem in den Sinn zu fragen, wie man dem Berg auch sage. […] Münneberg sagt man ihm, antwortete Einer; das wird wohl eigentlich Münchenberg heißen sollen, bemerkte ein Anderer, sei ja dort drüben der Pfaffenboden, und wo ein Pfaffenboden sei, werde ein Münchenberg nicht weit sein. - Einer aber, alter Reden und Schriften wohl kundig, sagte, er zweifle an dieser Auslegung. Auf keinem alten Pergament stehe etwas von einem Schloss, das hier gestanden, oder gar von einem Kloster. Er glaube, Münneberg solle eigentlich heißen Mühleberg […].«(Gh VII: 264). Die Deutung des Namens als Münchenberg fände eine Parallele im Münnenberg (LU) (LUNB I/ 2: 706), der über seine historischen Belege tatsächlich auf Münchenberg zurückgeführt werden kann. Bei der Deutung als Mühlenberg bezieht sich Gotthelf auf die Sage der untergegangenen Stadt Sumiswald, die einst bis an den Münneberg gereicht haben soll. Der Name Münneberg leitet sich von den angeblich hier, an der Grüne gelegenen Stadtmühlen ab (Wahlen 1962: 35). Diese Deutung wird von BENB (I/ 3, a.a.O.) aus lautlichen Gründen abgelehnt. Gotthelf , der seine Figuren über die rechte Namendeutung streiten lässt, ist natürlich nicht an einer wissenschaftlichen Etymologie gelegen; Friedli <?page no="171"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 171 (I: 10) sagt denn auch, dass Gotthelf die Wortform dem Inhalt seiner Erzählung zu Gefallen wählen konnte. 3.3.9.6 Romanist und Germanist im 19. und 20. Jahrhundert: Jakob Zimmerli Jakob Zimmerli (1863-1940; HLS digital: Zimmerli, Jakob, 2009-03-25) ist der Verfasser des dreibändigen Werks Die deutsch-französische Sprachgrenze in der Schweiz (1891-1899). Von ihm stammt eine auffällige Volksetymologie aus dem Seeland. Mumplischuur heißt die oberste Partie des Chapfs in I Twann unmittelbar an der heutigen Sprachgrenze. Die Lautung des Namens scheint auch Einheimischen nicht ganz klar zu sein, denn als aktuelle Lautung gilt je nach Explorator mīmbiε΄r, Ώmpl▪εǿr (BENB I/ 3: 363f.) oder mΏmpl▪εǿr bzw. (r)Ώmp″l▪εǿr (Z I: 42f.; Wg: 101). Der erste Beleg des Namens stammt erst von 1787 und lautet Montblijou (Wg: 101). 1808 heißt es dann Mont Bijout (Z I: 42f.; Wg: 101), 1838 schließlich Montbijou (Landgütchen) (D I: 173). Die LK (2003: 1146) verzeichnet Mon Bijou. Grundlage des Namens ist frz. mont m. ›Berg‹, im Bestimmungswort ist vermutlich der frz. Personenname Blaise, lokal Blyézou (BENB I/ 3, a.a.O.) zu finden. Die Namenbedeutung war ursprünglich also ›Berg des Blasius‹. Die undurchsichtige Bildung hat zu einer Reihe volksetymologischer Umdeutungen geführt. Zimmerli (Z I: 42f.) scheint Durheims (vgl. auch 3.3.9.4) volksetymologische frz. Schreibweise Montbijou (eigentlich ›Kleinodberg‹, d.h. wohl ›hübscher Berg‹) nicht bekannt gewesen zu sein. Kritik übt er dagegen an der Schreibweise Mont Bijout auf einem Gemeindeplan von 1808, die er explizit als falsch ablehnt. Richtig sei Mont Plaisir. Die mundartliche Lautung, die er selbst überliefert, muss er demnach für eine Verschleifungsform gehalten haben. Das BENB (a.a.O.) weist darauf hin, dass die umgedeutete Form Montbijou heute auch in gesprochener Sprache die ältere Form Mumplischuur verdränge. Vgl. auch 3.3.6.2. 3.3.9.7 Laienhistoriker im 20. Jahrhundert: Max Schweingruber Der Lehrer und Laienhistoriker Max Schweingruber (1907-2000) hat sich während Jahrzehnten mit der Geschichte seiner Wohngemeinde Krauchthal beschäftigt (Zwahlen 2000). 1949 erschien seine Sammlung Siedelungs- und Flurnamen der Gemeinde Krauchthal, 1971 die Neubearbeitung Die Flur- und Siedelungsnamen der Gemeinde Krauchthal. Mit dem Namen Noangel wird in II Krauchthal ein Stück Kulturland bezeichnet. Der Name ist 1531 als vf dem annwander (U97: 465r), 1756 als Anwander oder Nowangel (U116a, Seitenangabe unbekannt, persönliche Mitteilung von Max Schweingruber 1970) belegt. Das BENB (I/ 4: 15f.) stellt ihn als agglutinierte Variante zu zahlreichen Flurnamen der Art A(n)wander m. ›Randzone; Schmalseite eines Ackers‹ (s. ausführlicher Naawannu, 3.3.1). Schweingruber (Sg1: 21) sieht in ihm dagegen eine Bildung mit dem Appellativ Angel m. ›Ecke, Winkel‹ (Id. I: <?page no="172"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 172 329). Der Name komme von der dreieckigen Geländeform und habe ursprünglich Drnoangel geheißen, weil die Fläche erst drno (vgl. schwzd. derna(ch) ›später‹ (Id. IV: 639), also später als die Umgebung gerodet worden sei. In der Neubearbeitung seiner Sammlung wiederholt er diese Deuutung (Sg2: 56, 58, 60), weist neu aber auch auf das Appellativ Anwander m. hin (Sg2: 60), ohne einer Deutung den Vorzug zu geben. In ähnlicher Weise als Satznamen (vgl. 3.3.4.3) deutet Schweingruber auch den Namen Sandhole für ein Wohngebiet in II Krauchthal. Für diesen Namen gibt es keine historischen Belege (BENB Dok.), doch ist er zweifellos als Kompositum aus dem Appellativ Sand m. und dem Appellativ schwzd. Hole f. ›Einsenkung, Höhlung‹ (Id. II: 1156) zu deuten. Schweingruber zufolge heißt das Gebiet aber so, weil es am Weg zur nahe gelegenen Sandgrube liege, wo man Sand holen gegangen sei (Sg1: 20). 1971 (Sg2: 68) korrigiert er seine Deutung und nennt das Appellativ schwzd. Hole f. 3.3.9.8 Linguist des 20. Jahrhunderts: Alfred Brunner Alfred Brunner (1908-1987) war ein promovierter Sprachforscher, der die Wissenschaft mit seiner These einer sem. Herkunft der Räter als vorrömischer Alpenbewohner provozierte. Er hat eine Vielzahl von ihm so genannter rät. Toponyme (d.h. Toponyme in der Gegend des heutigen Kantons Graubünden und der umgebenden Gebiete) auf sem. Wurzeln zurückzuführen versucht. 180 Obwohl Brunners Untersuchungsgebiet den Kanton Bern nicht tangiert, führe ich im Folgenden einige wenige Beispiele seiner Etymologien an, um zu illustrieren, wie auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihre Karriere auf einem allgemein anerkannten Weg begonnen haben, zu Schlüssen kommen können, die sich mit der anerkannten Wissenschaft nicht immer decken. Zur Kritik an Brunners Erkenntnissen s. Schorta (1988). Dass Brunners Fachgebiet ursprünglich kaum die Onomastik war, zeigen vielfältige Ungenauigkeiten schon in der Schreibweise heutiger Toponyme. Brunner verzichtet zumindest im mir zugänglichen Artikel (1987) auch auf die für eine verlässliche Etymologie unerlässliche Arbeit mit historischen Belegen. Das LSG (2005: 299f.) führt beide Formen des zweisprachigen Namens der Gemeinde Domat/ Ems im Churer Rheintal (GR) auf eine einzige Form zurück, deren Wurzel jedoch nicht sicher bestimmt werden könne. Demgegenüber geht Brunner (Br: 49) von hebr. amet ›Festigkeit, Sicherheit‹ aus, eine Deutung, die das LSG (2005, a.a.O.) als abstrus ablehnt. 180 Genaueres über seinen Werdegang konnte ich nicht herausfinden; die Angaben zu seinem Leben und Wirken sowie zu seiner wissenschaftlichen Stellung entstammen einem Nachruf der Redaktion von helvetia archaeologica zu Brunner (1987: 55). <?page no="173"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 173 Der Name der Gemeinde Pfäfers im St. Galler Rheintal (SG) geht nach LSG (2005: 700f.) wahrscheinlich auf eine Bildung mit lat. *fñbaria f., *fñvćrℓa f. ›Bohnenfeld‹ zurück. Auch hier glaubt Brunner (Br: 52) an sem. Herkunft, indem er den Namen zu arab. fawwćra ›Quelle, Springbrunnen‹ stellt. Diese Deutung wird vom LSG (2005, a.a.O.) ebenfalls als abstrus bezeichnet. 3.3.9.9 Forscher im 20. und 21. Jahrhundert: Christoph Pfister Ganz außerhalb der etablierten Wissenschaft stellt sich Christoph Pfister mit Publikationen wie Der Vesuv ist überall. Die vesuvianische Ortsnamenprägung der Schweiz (2005). Ein eigenes Kapitel widmet er dem Thema Die wissenschaftliche Ortsnamenforschung und ihre Irrwege (60-68). Die wissenschaftliche Ortsnamenforschung krankt ihm zufolge hauptsächlich an drei Punkten: Erstens sei sie eine Sklavin der herrschenden Chronologie und Geschichte, die ihrerseits ebenso unzutreffend sei. Zweitens arbeite sie mit mittelalterlichen Urkunden, die jedoch allesamt Fälschungen seien. Drittens verwende sie Wörterbücher je nach Bedarf und schaffe so einen namenkundlichen Flickenteppich (61). Nach Pfister sind die Ortsnamen im Untersuchungesgebiet zu einem großen Teil religiös motiviert und gehen auf den Namen Jesus zurück. In vielen Namen soll außerdem die italienische Stadt Napoli (dt. Neapel), in anderen der Name des Vesuvs stecken. Zu einer kritischen Würdigung von Pfisters Arbeit s. von Graffenried (2003). Der Name der Gemeinde III Gerzensee, erstmals belegt 1228 als Gercentse (FRB II: 92), wird vom BENB (I/ 2: 47) als Bildung mit dem Grundwort See m. und einem Personennamen Gerzo (einer Koseform zu ahd. Gerhard bzw. nach LSG 2005: 384 zu Gero; Förstemann I: 573) gedeutet. Pfister (Pf: 80) dagegen arbeitet nur mit den Konsonanten, wonach Gerzen = CRSM = CHRISTUM, Christus sei. Auch den Namen der Gemeinde II Limpach deutet er ähnlich: LIM-Bach > (V)LM = VOLUSIUM, VESUVIUM, Vesuvius. Das BENB (I/ 3: 107) erkennt im Namen, erstmals 1275 als Limpach belegt (FRB N), ein Kompositum aus dem Baumnamen Linde f. und dem Gewässernamengrundwort Bach m. An anderer Stelle deutet Pfister auch den Namen des Münnebergs in II Lützelflüh/ II Sumiswald (vgl. auch 3.3.9.5). Auch dieser Name sei ohne Vokale zu lesen. MNM sei eine deglutinierte Form von (R)MNM = ROMANUM. Auf dem Münneberg habe sich eine Römerburg befunden. 181 Das Archäologische Hinweisinventar (1982: 1148) spricht an dieser Lage im Emmental, wo römische Funde fast vollständig fehlen, von Erdwerk, das HLS (digital: Lützelflüh, 2008-12-20) von einer hochmittelalterlichen, urkundlich jedoch nicht belegten Burgstelle. 181 http: / / www.dillum.ch/ html/ muennenberg_emmental_erdburg.htm (2009-03-23). Dieselbe Etymologie gelte im Übrigen auch für das Appellativ nhd. Mann m., das eigentlich die Bedeutung ›Römer‹ habe, weil nur Römer vollwertige Bürger gewesen seien. <?page no="174"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 174 3.3.9.10 Schülerinnen und Schüler im 21. Jahrhundert: Schule Meikirch Im Jahr 2007 beschäftigte sich die Mittel- und Oberstufe der Schule Meikirch mit Flurnamen der Gemeinde I Meikirch. In Gruppen wählten die Schülerinnen und Schüler jeweils einen Flurnamen aus und bereiteten ihn für eine Ausstellung im August 2007 im Kulturspycher Meikirch vor. Sie fotografierten die jeweilige Örtlichkeit und schrieben eine Geschichte zur Deutung des entsprechenden Toponyms. Diese Deutungen tragen - hier durchaus beabsichtigt - Züge der Legendenbildung (vgl. 3.3.13). Manche von ihnen deuten den betreffenden Namen volksetymologisch um. 182 Das Appellativ schwzd. Iischlag (Id. IX: 220-226) ist in Flurnamen sehr verbreitet und bedeutet ›eingezäuntes Gelände‹ (TGNB II/ 2: 316). Für den entsprechenden Namen eines Stücks Ackerland in I Meikirch fehlen historische Belege (BENB Dok.). Die Schülerinnen und Schüler von Meikirch deuten den Namen folgendermaßen: »Einst liess der Herrscher von Grächwil das Haus einer als Hexe verschrienen Frau abbrechen, um an seiner Stelle ein neues Haus für sich selbst bauen zu lassen. Die erboste Hexe verfluchte das Haus und liess es durch einen Blitzschlag zerstören. Die Stelle, an der die Häuser standen, heisst heute noch Ischlag. Seither wurde dort kein Haus mehr gebaut.« Das landwirtschaftliche Appellativ Iischlag m. ist den Schülerinnen und Schülern nicht mehr bekannt. Als Namenelement ersetzen sie es durch das homonyme und auch etymologisch gleichwertige Appellativ schwzd. Ischlag m., ›Einschlag‹, bezogen auf die Stelle, an der ein Blitz einschlägt. Die Gluure bezeichnet in I Meikirch ein Heimet. Historisch ist der Name 1529 als glur acher (U92: 99a), 1531 als gluracher (U3: 73) belegt. Als Etymologie gibt das BENB (I/ 2: 71) den schwzd. Pflanzennamen Gluure f. ›galeopsis tetrahit; gemeiner Hohlzahn‹ (Id. III: 1379f.) an. Die Meikircher Schülerinnen und Schüler erklären den Namen so: »Ein Mann hatte sich in eine Frau verliebt, die einsam in einem Häuschen im Wald lebte. Stundenlang stand er vor ihrem Häuschen und gluurte hinein, getraute sich aber nicht, sie anzusprechen. Als sie ihn eines Tages entdeckte, verzauberte sie ihn in Sand, der in einer Linie niederfiel und seither das Sandgässli bildet.« Diese Deutung ist insofern ungewöhnlich, als hier das Verb schwzd. gluure ›scharf sehen, ausspähen‹ (Id. III: 1377) als Simplex zum Toponym geworden sein soll. Verben sind im Material des BENB fast nur in Satznamen (3.3.4.3) zu finden (vgl. aber einzelne Verbalableitungen wie Blase, BENB I/ 4: 366-368). Offensichtlich ließ sich der Name an kein anderes Wort aus dem Lexikon der Schülerinnen und Schüler anbinden. Der Leehubel ist eine Kiesgrube und historisch nicht belegt (BENB I/ 3: 4-13, bes. 11; der TA: 141 führt 1880 die Form Leehubel). Das Kompositum trägt im Grundwort schwzd. Hubel m. ›kleine runde Erderhöhung, Hügel‹ (Id. II: 948ff.; BENB I/ 2: 302-305) und im Bestimmungswort das Rechtswort schwzd. Lee(n), Le(c)he(n) n. ›Pacht, Lehen‹ (Id. III: 1236f.; BENB I/ 3: 4-13). Auch dieses Bestimmungswort ist den Schülerinnen und Schülern nicht mehr geläufig. Sie deuten den Namen wie folgt: »Als ganz Meikirch von den Chinesen besetzt war, leistete 182 Die Ausstellung war nicht mit einer Publikation verbunden, sämtliches hier verwendete Material beruht auf persönlichen Abschriften in der Ausstellung. <?page no="175"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 175 nur das Quartier Hubel Widerstand. Der Anführer war Lee, selbst ein Chinese, der schon vor der Invasion zugezogen war und sich gegen die Besatzung engagierte. Unter seiner Führung wurde Meikirch befreit und ihm zu Ehren der Hubel in Leehubel umbenannt.« Hier liegt eine Umdeutung des Bestimmungsworts in einen Familiennamen vor. 183 Selbstverständlich ist den Schülerinnen und Schülern klar, dass Meikirch nie von Chinesen besetzt war und ihre Etymologie nicht zutrifft (es liegt also eine intendierte Volksetymologie vor; vgl. 3.3.14). Der Lämmlisbüel, eine Wiese, ist 1528 als lamlissbuel belegt (U2: 279). Gemäß BENB (I/ 3: 23) handelt es sich wohl um eine Bildung mit einem Familiennamen Lämmli als Besitzernamen im Genitiv, der seinerseits auf den Tiernamen zurückgehen dürfte und im Kanton Bern vor 1800 in III Ferenbalm heimatberechtigt war (FNB III: 318). 1532 ist der Familienname auch in im nahen II Bangerten nachgewiesen (Ramseyer, unveröffentlicht). Gemäß den Schülerinnen und Schülern von Meikirch kam die Wiese folgendermaßen zu ihrem Namen: »Ein Hirte wollte ein schwaches Lamm auf dem Bühl aussetzen und es sterben lassen, doch ein Engel schlug ihm einen Tauschhandel Lamm gegen Hügel vor, worauf der Hirte den Hügel dem Lamm zu Ehren benannte.« Die Volksetymologie zeigt sich in diesem Fall in der Umdeutung eines Familiennamens in ein etymologisch verwandtes Appellativ (vgl. 3.3.11.1). Der Chielibach wird 1528 als kielibach, kielenbach (U2: 91v, 246v) erstmals erwähnt und ist nach BENB (I/ 2: 449) wahrscheinlich mit dem Personennamen Kielo (Förstemann I: 986) gebildet. Die Meikircher Schulkinder erklären diesen Namen wie folgt: »Eine Kuh hatte so grossen Hunger, dass sie eine Schneise in den Waldboden frass und einen ganzen See leer trank. Danach musste sie so viel pissen, dass aus der Schneise der Chüelibach entstand.« Der Name wird mit einer lautlichen Entwicklung erklärt, die tatsächlich im Gemeindenamen Meikirch selbst historisch nachgewiesen ist (BENB I/ 3: 264): der Entrundung (vgl. 3.3.3.3). Die Schülerinnen und Schüler machen die im Namen vermeintlich vorliegenden Entrundung rückgängig und interpretieren Chieli so hyperkorrekt als schwzd. Chüeli n. ›kleine Kuh‹ (Id. III: 85-92). Das BENB (I/ 2: 449) weist den Gewässernamen anders als die Ausstellung der Schule Meikirch auch mit der Lautung Chüelibach nach. Letztere sei sekundär durch Umdeutung in das Adjektiv schwzd. chüel ›kühl‹ (Id. III: 214) oder in das Appellativ schwzd. Chüeli n. entstanden. Von 14 Namen, die die Schülerinnen und Schüler von Meikirch in ihrer Ausstellung thematisierten und deuteten, erweisen sich fünf in irgendeiner Weise volksetymologisch umgedeutet. Die Aufforderung, die Namen zu erklären, hat sicher zu Deutungen geführt, die im alltäglichen Gebrauch dieser Toponyme nicht aufträten. Die Umdeutungen zeigen aber deutlich, wie viele früher lebendige Wörter aus dem heutigen Wortschatz ver- 183 Zu denken ist wohl am ehesten an den aus Filmen bekannten Kampfsportler Bruce Lee (1940-1973), wie auch das Motiv des Kampfes nahelegt. Die Aussprache des Familiennamens dürfte von den Schülern nicht richtig wiedergegeben worden sein. Die Wahl eines außereuropäischen Familiennamens gibt einen interessanten Einblick in das sprachlich-kulturelle Repertoire der Schülerinnen und Schüler. <?page no="176"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 176 schwunden sind und die betreffenden Namen tendenziell der Umdeutung unterliegen. 3.3.9.11 Dauerhaftigkeit und Durchsetzung Nicht die Volksetymologien aller Urheberinnen und Urheber setzen sich dauerhaft durch; viele bleiben einmalige Versuche. Den Deutungen des anonymen Schreibers im 14. Jh. (Grindelwald; 3.3.9.2) fehlte es schon deshalb an Durchsetzungskraft, weil sie für die Diözesanverwaltung und damit für ein Publikum weitab von Grindelwald und dazu in einer vor Ort gar nicht gesprochenen Sprache geprägt wurden. Die verschiedenen Varianten, die er für ein einziges Toponym präsentiert, zeigen auch, dass er selbst noch keine gültige, befriedigende Form des Namens gefunden hat. Seine Deutungen entspringen dem Augenblick. Daneben stehen Volksetymologien einzelner Personen, die nicht aus dem Augenblick heraus entstehen, sondern im Onomastikon ihrer Schöpferinnen und Schöpfer dauerhaft präsent sind. Hierzu können wir vielleicht Schöpfs Nesselnthal (3.3.9.3) zählen. Die Assoziation des synchron isolierten Namenelements *Nessen zu Nesseln liegt nahe und würde vermutlich von vielen Sprecherinnen und Sprechern akzeptiert. Der Übergang zur konventionellen, allgemeinen Volksetymologie wird beim Namen Mumplischuur/ Montbijou (3.3.9.6) deutlich: Hier zeigen sogar die mündlichen Aufnahmen des BENB (I/ 3: 363f.), dass der umgedeutete und lautlich angepasste Name den älteren, isolierten Namen verdrängt. Dass jedoch selbst Volksetymologien, die ganz offensichlich scheinen, keine allgemeine Akzeptanz genießen müssen, illustriert Bernhard (2004: 99) anhand eines Tests: Bei einer Umfrage mit Studierenden aus Marburg und Regensburg assoziierten nur etwa 50 % der Befragten das Exonym Mailand für Milano (I) mit dem Monatsnamen Mai. Nur etwa 30 % wunderten sich über das Namenelement Land n. für eine Stadt. Offenbar war hier die denotative Bedeutung ›Stadt in Norditalien‹ dominant genug, um die Deutung ›Land‹ (quasi als Gegenteil von ›Stadt‹) nicht aufkommen zu lassen. 3.3.9.12 Zwischen naiver und wissenschaftlicher Volksetymologie Urheberinnen und Urheber wie die Schulkinder von Meikirch, einzelne historische Schreiber oder Forscherinnen und Forscher wie Alfred Brunner verfolgen mit ihren Etymologien ganz unterschiedlichen Absichten. Den einen wurde die Aufgabe gestellt, Namen zu deuten, ohne dass sie sich davor jemals Gedanken zu Etymologie gemacht hätten. Andere mussten Namen in eine schriftliche Form bringen, sie möglicherweise von anderen Namen unterscheidbar machen. Sie erfüllten eine Verwaltungsaufgabe. Laienforscherinnen und -forscher noch mehr als Teilnehmerinnen und <?page no="177"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 177 Teilnehmer des universitären Wissenschaftsbetriebs verfolgen ihre Mission manchmal mit dem Ziel, eine vorgefasste Meinung zu beweisen. Wenn sie dabei eine einseitige Materialauswahl verwenden, um ihre Zielsetzung zu erreichen, bewegen sie sich außerhalb wissenschaftlicher Gepflogenheiten: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten mit den Instrumenten ihrer Wissenschaft möglichst ergebnisoffen umgehen. Obwohl Ruoff fast ein Jh. später forscht als Buck (1931), ist er sich mit Letzterem einig, was die Etymologien der von ihnen so genannten Hobbynamenkundlerinnen und -namenkundler angeht: Sie seien abzulehnen, weil sie von abenteuerlichen Einfällen und historischen Unmöglichkeiten strotzten, ja eine philologische Abendbelustigung seien (2000: 20f.). Ruoff präsentiert eine ganze Reihe solcher wissenschaftlich unhaltbarer Etymologien und nennt sie abstrus (2000: 22). Dennoch: Bei allen Differenzen in den Voraussetzungen und Zielen unterschiedlicher Urheberinnen und Urheber von Volksetymologien liegt zwischen den Umdeutungen selbst nur ein gradueller Unterschied, lassen sich naive, gelehrte und wissenschaftliche Volkestymologie (Förstemann, vgl. 2.2.2.2; vgl. auch Bach II/ 2: § 734.2, S. 538) nicht grundsätzlich gegeneinander abgrenzen, wie schon Andresen (1899: 108) feststellt. Vielmehr stellen sie ein Kontinuum dar. 184 Pfister sucht in den Toponymen scheinbar beliebig nach Beweisen für den Namen Vesuv nördlich der Alpen (3.3.9.9). Die Schulkinder aus Meikirch sehen im Leehubel entgegen jeder wissenschaftlichen Erkenntnis einen Chinesen namens Lee (3.3.9.10). Der frz. Schreiber des 14. Jh. macht aus dem Namen einer Siedlung, die von Alemannen in vorher unbesiedeltem Gebiet gegründet wurde, einen rom. Namen (3.3.9.2). Brunner sucht, im wissenschaftlichen Betrieb weitgehend allein, nach sem. Spuren in den Toponymen der Schweiz (3.3.9.8). Manche von ihnen wenden nicht nur Methoden an, die die Toponomastik ablehnt, sondern gehen auch von grundlegend anderen Vorstellungen der Namengenese aus. 185 Aber selbst ein Schreiber wie Jahn (1811-1900; HLS digital: Jahn, Albert, 2009-03-26), der als Philologe und Archäologe nach relativ modernen wissenschaftlichen Maßstäben arbeitet, erkennt im Namen der Gemeinde III Thunstetten eine Bildung mit dem kelt. Grundwort dŷnon (1967: 451; vgl. Murgenthal, 3.3.8.4), obwohl ihm die ältesten urkundlichen Formen (s. ausführlicher 3.3.8.3), die eindeutig gegen diese Etymologie sprechen, bekannt 184 Diese Aussage widerspricht nicht jener von Antos (1996: 229), Volksetymologie und wissenschaftliche Etymologie lägen nicht auf einer vergleichbaren Ebene: Während Antos von der Funktion der jeweiligen Etymologie spricht, ist hier von der Vorgehensweise beim Etymologisieren die Rede (s. 2.2.2.4). 185 Vgl. etwa das oben (3.3.9.2) genannte Verständnis, nach dem ein Wort durchaus mehrere Etymologien haben könne (Zuckermann 2005: 226f.) <?page no="178"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 178 sind - weil ihm, so Glatthard (1965: 119), sein auf das klassische Altertum gerichteter Blick die vorurteilsfreie Prüfung des Namens verunmöglicht. Namenbücher wie das BENB, die nach modernen wissenschaftlichen Methoden arbeiten, müssen oft genug feststellen, dass sie keine gesicherte Etymologie angeben können, sondern mehrere Möglichkeiten bestehen. Legen sie sich auf eine Etymologie fest und stellt sich diese nachträglich als falsch heraus, so ist sie in demselben Maß historisch unzutreffend und aufgrund falscher Annahmen erstellt wie Volksetymologie (Antos 1996: 216). 186 Wiesinger (1995) präsentiert eine Vielzahl wissenschaftlicher Volksetymologien aus allen Epochen: Aus der Antike ebenso wie aus den Jh. seit dem Wiedereinsetzen etymologischer Texte mit Isidor von Sevilla im 6. Jh. und aus der Epoche der modernen Sprachwissenschaft. Anders als Ruoff (2000, a.a.O.) hält er diese fortgesetzt populären Volksetymologien durchaus für funktional: Im Gegensatz zu den ohnehin oft genug unsicheren wissenschaftlichen Etymologien wirkten sie anschaulicher und damit auch glaubwürdiger (1995: 465). Treffend bemerkt Meier (1986: 8), dass Etymologie von Natur aus probabilistisch sei, die Wissenschaft abgesehen von selbstverständlichen bzw. allgemein anerkannten Etymologien nur Vorschläge geben könne, und verweist auf eine Aussage von Diez (1887: VII): »Das höchste, was der etymologe erreicht, ist das bewußtsein wissenschaftlich gehandelt zu haben […]. Darum bescheidenheit, selbst wo alles unsere deutungen zu unterstützen scheint! « Das Bewusstsein, als Wissenschaftlerin bzw. Wissenschaftler wissenschaftliche Etymologien zu erstellen, muss auch das Bewusstsein umfassen, dass die Vorstellung von Wissenschaftlichkeit dem Wandel unterliegt. Vennemann gen. Nierfeld (1999: 275f.) umschreibt das Problem folgendermaßen: Natürlich sei er selbst überzeugt, seine eigene etymologische Arbeit gehöre eindeutig zur wissenschaftlichen Etymologie, der nach Förstemann (1852: 2) neusten und höchsten Stufe der Etymologie. Derselben Ansicht sei auch Förstemann bezüglich seiner eigenen Arbeit gewesen, und dennoch könne man dessen Arbeit aus heutiger Sicht auch als Spätromantikeretymologie bezeichnen. 187 Ein anschauliches Beispiel für die Wirkung gebildeter Volksetymologie ist der Niesen in IV Reichenbach im Kandertal/ IV Wimmis: Dieser Berg ist das mar- 186 An anderer Stelle betont Antos allerdings, dass Volksetymologie einen grundlegend anderen Zweck erfülle als wissenschaftliche Etymologie und daher nicht auf einer gemeinsamen Ebene anzusiedeln sei (1996: 229; vgl. 2.2.2.4). 187 Ähnlich urteilt Kristol (2005: 30) über die Arbeit von Hubschmied, dessen kelt. Etymologien er mehrheitlich ablehnt (vgl. 3.3.6): Die Verdienste Hubschmieds würden dadurch nicht geschmälert, wenn man sich bewusst mache, dass jede Wissenschaftlerin, jeder Wissenschaftler ein Kind ihrer bzw. seiner Zeit sei. <?page no="179"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 179 kante Ende der zwischen Simmental und Kandertal auf den Thunersee zulaufenden und nach ihm benannten Niesenkette. Sein Name wird früh erstmals genannt: 1352 daz gИt im Stoki under dem Miesen (FRB VII: 630; mit agglutiniertem Auslaut einer Präposition/ eines Artikels; von den FRB fälschlich als Niesen transkribiert), 1357 ein vierteil an yesen (FRB VIII: 172), 1360 under dem Yesen (FRB VIII: 374). Ab 1524-1580 (ii küe weyd am niesen; U169: 162b) treten dann wieder agglutinierte Formen auf. Letztmals wird 1784 der Iesen genannt (A: Frutigen). Der für einen Bergnamen frühe Erstbeleg erklärt sich dadurch, dass der Name offenbar zuerst eine unterhalb des Gipfels gelegene Alp bezeichnet hat und dann auf den Gipfel übertragen wurde. Der Name ist nicht abschließend gedeutet (BENB I/ 4: 34-38). Die erste bekannte Deutung des Namens stammt von Bendicht Aretius (1561), demgemäss der Name vom Pflanzennamen Nieswurz f. ›Helleborus‹ (Durheim 1856/ 1972: 38) abstammt. Diese Deutung übernimmt 1758 Leu (XIV: 139) in seinem Lexikon: »Er soll den Namen von den vielen darauf wachsenden Nieswurzen haben.« Auch Gatschet (1880: 182f.) führt diese Deutung weiter, ohne sie zu hinterfragen: »Der Umstand, daß auf der obern Staldenalp am Niesen noch jetzt Nießwurz vorkommt, läßt uns die Herleitung von diesem Ausdruck als die richtige erscheinen […].« Schritt für Schritt wird diese Deutung quasi wissenschaftlich legitimiert, so dass auch Hubschmied (1940: 18, 22 u. Anmerkung 53) unter ihrem Einfluss steht. Zwar lehnt er die Etymologie mit der Nieswurz ab. Die Idee der Benennung nach einer Pflanze behält er aber bei und führt den Namen über mehrere Rekonstruktionsstufen auf lat. gentiana f. ›Enzian‹ (Durheim 1856/ 1972: 35f.; ebenfalls mit agglutiniertem Artikel/ agglutinierter Präposition) zurück. 188 Die ursprüngliche Nieswurz-Etymologie für den Niesen war eine eher naive Volksetymologie. Durch ihr Weitertragen wurde sie jedoch zu einer gelehrten (und ursprünglich durchaus den wissenschaftlichen Gepflogenheit ihrer Zeit entsprechende) Volksetymologie, die schließlich den Anstoß zur wissenschaftlichen Enzian-Volksetymologie gab. An Letzterer lässt sich zeigen, wie umgekehrt auch die wissenschaftliche (Volks-)Etymologie im Laienwissen wirksam sein kann. Hubschmieds wissenschaftliche volksetymologische Deutung des Niesens als ›Enzian‹ hat große Verbreitung gefunden: Zwar wird kein sprachwissenschaftlicher Laie von Bergnamen auf den lat. Pflanzennamen schließen. Dennoch hat sich diese Deutung im allgemeinen Bewusstsein festgesetzt und wird u.a. auf Informationstafeln auf dem Gipfel angegeben. Die Wirkung der Wissenschaft auf das Laienwissen ist umso größer, als es eine scharf von der wissenschaftlichen Linguistik zu trennende Volkslinguistik (Brekle 1986: 35-36) heute gar nicht gibt und Expertentum und -wissen durch eine Verwissenschaftlichung des Alltags auch bei Laien 188 Gegen die Benennung des Gipfels mit dem Namen des Enzians lassen sich neben der ohnehin sehr konstruierten Etymologie auch sachliche Argumente anbringen: Förster (1998: 176) argumentiert, dass eine Benennung ihren Zweck nicht erfülle, wenn sie ein überall in Massen vorkommendes Namenmotiv (hier den Enzian) trage. Jeder Berg in dieser Höhenlage könnte demnach Niesen heißen. <?page no="180"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 180 wirken (Antos 1996: 18). Es bleibt festzuhalten, dass Volksetymologien nur dann sicher feststellbar sind, wenn auch - was bekanntlich oft genug nicht der Fall ist - eine gesicherte wissenschaftliche Etymologie zu einem Namen besteht. 3.3.10 Medium Im Rahmen der kantonalen Vermessung werden im Kanton Bern sämtliche Toponyme erhoben und in eine verbindliche schriftliche Form gebracht (vgl. 3.2.2). Im Bewusstsein der Sprecherinnen und Sprecher bleiben jedoch gerade die Mikrotoponyme in erster Linie Namen ohne (verbindlich geregelte) schriftliche Form in primär mündlicher Verwendung. Eine Vielzahl von Volksetymologien treten daher nur im mündlichen Gebrauch auf. Daneben gibt es viele Volksetymologien, die nur in schriftlicher Form vorliegen. Einen großen Anteil an diesen Fällen haben Volksetymologien, die nur ein einziges Mal auftreten, weil eine Schreiberin, ein Schreiber einen Namen falsch verstanden und entsprechend notiert hat (vgl. auch 3.3.9). Das Phänomen falsch verstandener Namen lässt sich anhand vieler Toponyme belegen, für die in den Urkunden oder in aktuellen Dokumenten einzelne stark abweichende Belege auftreten. Oft führt das Falschverstehen zu einem isolierten, ungedeuteten Namen, in manchen Fällen aber auch zu einem klar umgedeuteten. Die Sulgeneckstrasse in der Stadt III Bern ist mit dem Namen des Landhauses an der Sulgeneckstrasse 44 gebildet (Weber 1976: 248), der sich aus dem Namen der ehemaligen Siedlung Sulgen (Weber 1990: 291; 1976: 247) und dem Appellativ schwzd. Egg n./ m. ›Ecke‹, in der Toponymie Egg f./ n. ›vorspringende Anhöhe‹ (Id. I: 155-157; Zinsli 1946: 317; BENB I/ 1, 64), in nhd. Schriftform Eck n. zusammensetzt. Auf Briefumschlägen wurde die Straße verschiedentlich als Sulgenackerstrasse geführt. Die Deutung mit dem Appellativ Acker m. dürfte auf einem Hör- oder Lesefehler basieren. Das Appellativ Egg f./ m. bzw. Eck n. ist zumindest als Namenelement wohl noch allgemein bekannt. 189 Die Substituierung durch Acker m. ist demnach die Folge einer Lautbzw. Schriftbildähnlichkeit der beiden Appellative. Diese Volksetymologie kann ebenso auf einem Hörwie auf einem Lesefehler beruhen. Die Sulgeneckstrasse ist meine persönliche Wohnadresse; als Sulgenackerstrasse wurde sie einmal von einer Versicherung geschrieben, der ich die Adresse schriftlich mitgeteilt hatte, ein andermal von einem Freund, dem ich mündlich gesagt hatte, wo ich wohne. Bei manchen Volksetymologien ist das Medium, in dem sie enstanden, dagegen eindeutig bestimmbar. 189 In appellativischem Gebrauch wird es heute möglicherweise durch die zweisilbige Form Egge n./ m., unter nhd. Einfluss auch f., verdrängt. <?page no="181"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 181 3.3.10.1 Primär mündliche Volksetymologie Viele Volksetymologien, die sich im Schriftbild zeigen, sind in mündlichem Gebrauch entstanden. Ihr allmählicher sekundärer Eingang in die schriftliche Verwendung ist ein Zeichen ihrer verbreiteten Akzeptanz. Die schriftliche Fixierung der Volksetymologie kann ihrerseits dann zu allgemeiner Gültigkeit der Deutung führen. Vielbringen heißen ein Dorf in III Worb und drei Heimet in II Kirchberg. Beide Toponyme sind mit dem ahd. Personennamen Vilmar (Förstemann I: 506) gebildet (s. ausführlicher 3.3.3.2). Mit Kontraktion von Vilmeringen 12560-1256 (Worb; FRB II: 539, 686) zu *Vilmringen und Assimilation -mr- > -brwird daraus Vilbringen, als vil bringen schon 1531 belegt (U60: 94r). Zweifellos umgedeutet erscheint der Name erstmals 1786 in Kirchberg als Vielbringen (C3 IX: 759). 3.3.10.2 Primär schriftliche Volksetymologie Im Gegensatz zu den primär mündlichen Volksetymologien mit sekundärer schriftlicher Verwendung stehen Volksetymologien, die bei der Verschriftlichtung von einzelnen Schreiberinnen zw. Schreibern geschaffen und später Allgemeingut werden. Dies betrifft vor allem Schreibweisen, die durch die moderne Verwaltung und Vermessung seit dem 19. Jh. entstanden sind (3.3.8.7); sie sind jedoch schon seit dem 12. Jh. nachweisbar (Wiesinger 1995: 465). Dass sich volksetymologische Verschriftlichungen längerfristig auch im mündlichen Gebrauch durchsetzen, zeigen am deutlichsten Gemeindenamen, die am stärksten amtlich geregelt 190 und den Benutzerinnen und Benutzern besonders stark in einer schriftlichen Form im Gedächtnis präsent sind. 191 Der Effekt ist aber auch bei anderen Toponymen nachweisbar. Obwohl ihr Name in Dokumenten seit dem 15. Jh. in Murgental umgedeutet erscheint und heute als Murgenthal (AG) für eine Gemeinde im Kanton Aargau amtlich ist, heißt die Siedlung Obermurgenthal in II Wynau nach dem Material des BENB im Dialekt noch heute Obermurgete (s. ausführlicher 3.3.8.4). Das Material des BENB stützt sich auf einheimische Gewährspersonen, im Gebrauch Zugezogener dürfte der Name heute eher Murgetal bzw. mit Vokalisierung des auslautenden -l (SDS II: 11, 147) Murgetu lauten. Das Ewigschneehorn, ein Berggipfel in V Innertkirchen/ V Guttannen, hieß nach Gewährsperson ursprünglich ds schneewwige Hore ›das schneeige Horn‹ (s. ausführlicher 3.3.8.7). Die Kartenform (TA 1874: 397) hat heute allgemeine Gültigkeit. 190 Vgl. die Verordnung (2008) zu den geografischen Namen insgesamt und die Verordnung (1999) zu den Orts- und Gemeindenamen. 191 Das Ortschaftenverzeichnis der Schweiz ist die Liste der Schweizer Siedlungsnamen mit amtlich geregelter Schreibung (BENB I/ 3: IX). <?page no="182"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 182 Diskrepanz zwischen mündlichem und schriftlichem Sprachgebrauch zeigen dagegen Volksetymologien, die dauerhaft in die schriftliche Form eingedrungen sind, sich mündlich aber nicht allgemein durchgesetzt haben. Der Name der Gemeinde V Habkern wird erstmals 1275 als Habcherron erwähnt (FRB III: 142), 1303-1307 als Habicherron (Qs XIV/ 1: 481). Das BENB (I/ 2: 174) deutet ihn als Bildung aus schwzd. Habich m. ›Habicht‹ (Id. II: 936f.) und dem Suffix schwzd. -ere zur Bezeichnung von Stellen, wo das Genannte vorkommt (Henzen 1965: § 101) als ›Ort, wo sich Habichte aufhalten‹. Das LSG (2005: 425) sieht in der modernen Schriftform eine volksetymologische Umdeutung in das Appellativ nhd. Kern m., die sich in der Mundartlautung Habchere jedoch nicht ausdrücke (die Lautung Chäre(n) m. ist für den Kanton BE nicht nachgewiesen; Id. III: 465-467). Derartige Volksetymologien mit ausschließlich schriftlicher Gültigkeit weist Rentenaar (1986: 79f.) auch für die Niederlande nach. Der fries. Siedlungsname Surch wurde ndl. als Zurich verschriftlicht. Bath ist ein Dorf in der niederländischen Provinz Zeeland. Nach den Regeln der ndl. Orthografie müsste der Name *Bat geschrieben werden, die Schreibweise Bath ist nicht als archaisierend zu erklären. 192 Vielmehr handelt es sich bei diesen beiden Fällen um Schreibweisen, die sich an den ausländischen Toponymen Zürich (CH) und Bath (UK) orientieren (vgl. auch 3.3.11). 3.3.10.3 Verschriftlichung ohne Volksetymologie als Voraussetzung und Hindernis für Volksetymologie Manche Toponyme wurden ohne volksetymologische Deutung verschriftlicht und erst später umgedeutet. Die Verschriftlichung von Namen fixiert ein aktuelles Schriftbild und entzieht einen Namen damit mittelbis längerfristig tendenziell der regulären lautlichen Entwicklung. Sie kann zu Isolation führen und so eine Voraussetzung für Volksetymologie schaffen. Gerade die Siedlungsnamen (3.3.5.1), die am stärksten amtlich regulierte Toponymengruppe, könnten daher für volksetymologische Deutungen besonders empfänglich sein. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass auch schriftlich fixierte Toponyme an der weiteren lautlichen Entwicklung teilnehmen. Der Name der Gemeinde II Mötschwil wird im Dialekt als mũtεw↕u ausgesprochen (BENB I/ 3: 334), obwohl seine schriftliche Form schon im 19. Jh. mehr oder weniger feststand (Durheim I: 59 notiert Mötschwyl (Metschwyl)) und die für für das Berner Mittelland typische l-Vokalisierung (SDS II: 147, 149) damals erst einsetzte (Zyro 1853: 453). 192 Die Schreibweise von Schweizer Gemeindenamen ist häufig archaisierend, vgl. etwa II Krauchthal, III Oberthal, III Teuffenthal. <?page no="183"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 183 Die l-Vokalisierung tritt aber auch bei Namen auf, die nicht durch ein verbreitetes Namenelement wie oben -wil gestützt werden: Die Gemeinde III Bolligen (deren Name synchron ohnehin isoliert ist) heißt im Dialekt bouig″ (BENB Dok.). Dass Toponyme durch ihre schriftliche Festlegung isoliert und offen für Volksetymologie werden, scheint eine eher theoretische Möglichkeit mit längerfristigen, heute noch nicht sichtbaren Auswirkungen zu sein. Einen Sonderfall der Volksetymologie als Folge der Verschriftlichung bilden Straßennamen. Da sie sehr häufig zwar auf schwzd. Toponyme zurückgehen, aber eine nhd. Form tragen, besteht die Möglichkeit der Volksetymologie durch nhd. Interferenz (vgl. 3.3.6.3). Taubenstrasse ist der Name einer Straße in der Stadt III Bern. Gemäß Weber (1976: 249; 1990: 295) ist sie nach dem ehemaligen Landgut Taube an der Taubenstrasse 18 benannt. Das Landgut trug zweifellos den Vogelnamen schwzd. Tu(u)be f. ›Taube‹ (Id. XII: 129-141; Greyerz/ Bietenhard 1976: 300). Die nhd. Schreibweise des Namens führt allerdings zu Homonymie mit dem Adjektiv schwzd. taub, toub ›zornig; taub‹ (Greyerz/ Bietenhard 1976: 293; kein Eintrag im Id.). Es liegt hier an der Benutzerin, dem Benutzer des Straßennamens, ihn schwzd. oder nhd. zu interpretieren. 193 Die Verschriftlichung von Toponymen kann Volksetymologie nicht nur begünstigen, sondern ebenso behindern. Bollwerk, der Name einer Straße in III Bern (Weber 1990: 87), kann in dialektaler Aussprache als Bouwä(ä)rch mündlich sowohl an das Kompositum Bollwerk n. wie auch an das Kompositum Bauwerk n. angeschlossen werden (s. ausführlicher 3.3.3.2). Die Präsenz von Straßenschildern mit dem Schriftzug Bollwerk verhindert aber vermutlich für die große Mehrheit der Sprecherinnen und Sprecher eine Umdeutung in Bauwerk. Der Name der Siedlung Nessental in V Gadmen wurde 1577 von Schöpf (T1, 76b) als Nesselnthal ›Thal mit Nesseln‹ interpretiert (s. ausführlicher 3.3.9.3). Diese Umdeutung ist trotz lautlicher Abweichung vom Pflanzennamen Nessel f. auch heute noch naheliegend. Längerfristig könnte sie sich sogar in einer lautlichen Anpassung auswirken, wenn sie nicht durch den offiziellen Status der Schreibweise Nessental behindert würde. 3.3.11 Volksetymologie mit Appellativen und Namen Am häufigsten sind Toponyme auf der Grundlage von Appellativen (bzw. Adjektiven, Verben) gebildet (vgl. 2.4.1.1). Sehr viele Toponyme im Untersuchungsgebiet enthalten jedoch neben einem appellativischen Grundwort einen anderen Namen bzw. eine Ableitung von einem Namen im Bestimmungswort. 193 Dass die Interpreation mit dem Adjektiv taub nicht ganz abwegig ist, zeigt die Taubstummengasse in Wien (A). <?page no="184"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 184 Das Grundwort des Namens Maussholz für ein Heimet mit Wald in III Mühleberg ist das Appellativ Holz n. Sein Bestimmungswort ist kein Appellativ, sondern der Name des ebenfalls zu III Mühleberg gehörigen Dorfs Mauss (BENB I/ 3: 255). Der Muemedalerweier, ein Weiher in II Aarwangen, ist nach dem Dorfteil Mumenthal, im Dialekt Muemedal, in derselben Gemeinde benannt (BENB I/ 3: 362f.). Deren Name tritt hier in einer Ableitungsform auf. Ein Graben namens Moritzgrabe an der Lenk (IV) ist mit dem Personennamen Moritz gebildet (BENB I/ 3: 236f.). Der Wald Matiiserein in I Biel trägt im Grundwort das Appellativ Rain m., im Bestimmungswort den Personennamen Mattiis (Id. IV: 533) bzw. entsprechenden Familiennamen Mat(t)hys, der in vielen Berner Gemeinden einheimisch ist (FNB IV: 57, 61; BENB I/ 3: 246). In dieser Bildung steht der Personenname, wie üblicher, im Genitiv. Verbreitet sind insbesondere Toponyme mit einem Personennamen, der (ehemaligen) Besitz anzeigt (vgl. 3.3.1.2 und 3.3.8.3). Manche Toponyme tragen einen (Besitzer-)Personennamen als Simplex oder als elliptisch gekürztes ursprüngliches Kompositum mit einem Personennamen im Genitiv (s. zu Letzterem Kaufmann 1961). Das Heimet Im Moritz in IV Zweisimmen ist nach einem früheren Besitzer benannt (BENB I/ 3: 236f.). Der Name der Gemeinde III Eriz ist erstmals 1320 als im Erarze (FRB V: 183) belegt. Nach BENB (I/ 1: 93) ist der Name als elliptischer Genitiv aus *im Er(h)artes guot o.ä. mit dem Personennamen Erhart (Förstemann I: 772) entstanden. Genauso wie Appellative können auch Namen Ausgang und Ziel von Volksetymologien sein. 3.3.11.1 Umdeutung onymischer Namenelemente in Appellative Seit ahd. Zeit haben sich die Gewohnheiten der Personennamengebung stark verändert (vgl. 3.3.8.1). Das Gros der ahd. Personennamen ist heute nicht mehr gebräuchlich, die übrigen haben sich so stark gewandelt, dass sie als heutige Personennamen im Normalfall keine unmittelbar erkennbare appellativische Bedeutung mehr haben. Ein nhd. Personenname wie Waltraud wird von heutigen Sprecherinnen und Sprechern kaum mit den nhd. Wörtern walten und traut in Verbindung gebracht, obwohl sie dieselben Wurzeln *vald- und *thrŷdhihaben (Förstemann I: 1496- 1512, 421-427; Kaufmann 1968: 397f., 98f.; Kluge/ Seebold 2002: 971, 927). Als Bestimmungswort von Toponymen wurden die unverständlich gewordenen ahd. Personennamen in der Folge oft stark verschliffen. Hubschmied (1938b: 746) führt für die Gegend um II Burgdorf eine große Zahl <?page no="185"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 185 entsprechender Toponyme an, von denen einige später remotiviert wurden. Diebstal, im Dialekt Diebstu, ist der Name eines Walds der Burgergemeinde Burgdorf in II Heimiswil (Hubschmied 1938b: 745). Hubschmied führt ihn mit starker Verkürzung als *Dietboldstal auf den ahd. Personennamen Dietbold, Diotbald (Förstemann I: 1409-1454, bes. 1417-1420) zurück (historische Belege fehlen; BENB Dok.). Die dialektale Aussprache mit kurzem Vokal im Grundwort widerspricht Hubschmieds Verschriftlichtung als Diebstahl (statt *Diebstal) allerdings ein Stück weit: Sie ist als Abschwächung der unbetonten Nebensilbe mit gleichzeitiger l- Volkalisierung (SDS II: 147) zu erklären und aus anderen Toponymen mit dem Grundwort Tal bekannt (vgl. etwa Bulestu < *Baldratstal in III Arni; BENB Dok.; s. auch 3.3.1) Das Grundwort des Appellativs Diebstahl m. ›Raub, Diebsbeute‹ (Id. XI: 1) bleibt dagegen ungekürzt erhalten, ergäbe also im Dialekt eher ein Diebstaau (Id. XI: 1). Dass die Umdeutung trotz dieser lautlichen Diskrepanz möglich ist, zeigt Hubschmied durch seine Schreibweise persönlich. Wenig verbreitet ist die Umdeutung von Toponymen als Bestandteil anderer Toponyme. Dies dürfte maßgeblich damit zu tun haben, dass es sich meistens um die Namen nahe gelegener Fluren oder Siedlungen handelt, die Namenherkunft also eher bekannt bleibt. Aus dem Material des BENB ist mir keine entsprechende Volksetymologie bekannt (vgl. aber das von einem Toponym abgeleitete Bestimmungswort von Bärfischenhaus, 3.3.1.2, und den Jolimont, 3.3.1.1 und 3.3.1.2). 3.3.11.2 Umdeutung appellativischer Namenelemente in Namen Die Umdeutung von Appellativen in Namen beschreibt schon Baldinger (1973: 34). Auch im Material des BENB kommen Namen vor, die nicht in Appellative, sondern in andere Namen aus dem Onomastikon der Sprachgemeinschaft vor Ort umgedeutet wurden. Das Ziel der Umdeutung kann sowohl ein Toponym als auch ein Personenname sein, aus dem Material des BENB sind mir jedoch vor allem Fälle der Umdeutung in ein anderes Toponym bekannt. 194 Damit sich die Umdeutung durchsetzen kann, muss der Zielname vermutlich einer Mehrheit der Sprachgemeinschaft bekannt sein. 195 Nicht zu diesen Volksetymo- 194 Eine historische Umdeutung in einen Personennamen ist vielleicht im Beleg Agoldrain 1425 (UT: 558) für den heutigen Adelrain zu erkennen (s. 3.3.8.6). Nicht aus dem Material des BENB stammt die Umdeutung eines Appellativs in einen Personennamen, genauer einen Familiennamen, beim Leehubel in I Meikirch, den die Schülerinnen und Schüler von Meikirch (3.3.9.10) als Hubel eines Chinesen namens Lee deuten. S. auch Schmalz (1983: 7) Überlegung einer historischen volksetymologischen Anlehnung des Siedlungsnamens Ostermundigen an Ostermann (s. 3.3.8.2). 195 Rentenaar (1996: 1014) weist darauf hin, dass eine Sprachgemeinschaft mit zunehmendem Weltwissen Zugang zu einem immer größeren Namenrepertoire hat. Selbst exotische Umdeutungen sind daher heute möglich. <?page no="186"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 186 logien zu zählen sind bewusste Nachbenennungen. 196 Bei ihnen bestand die Identifikation eines neu vergebenen Namens mit dem Namenvorbild von Anfang an. Umdeutungen von Appellativen in Namen können den ganzen Namen wie auch nur ein Element eines tatsächlichen oder durch Resegmentierung sekundär hergestellten Kompositums betreffen. Holand bezeichnet in I Schüpfen ein, in IV Adelboden mehrere Heimet. Der Name ist als Bildung mit dem Adjektiv hoch und dem Appellativ Land n. zu verstehen (BENB I/ 2: 261-264; I/ 3: 26-29, bes. 27; Dok.), historische Belege fehlen für beide Namen. Die heutige Lautung der beiden Namen lässt mühelos an den Ländernamen Holland denken. Das BENB (I/ 2: 261-264; vgl. auch I/ 3: 27) geht dagegen eher von *Hoch-Land aus, das lediglich eine volksetymologische Umdeutung zum Ländernamen Holland ermöglicht. Der Name der Gemeinde II Münchenbuchsee ist erstmals 1180 als de Buhse belegt (FRB I: 464) und wird als Bildung mit lat. buxus f., buxum n. ›Buchsbaum‹ (Georges 1967 I: 881) und allenfalls dem Suffix ahd. -ahi (Henzen 1965: § 88.3, S. 139f.) zur Bezeichnung von Kollektiva gedeutet (BENB I/ 2: 246; I/ 3: 366f.; LSG 2005: 627). Erst 1350 wird der Name erstmals erweitert als Münchenbuchs genannt (FRB VII: 537). Diese Erweiterung dient der Unterscheidung mehrerer gleichnamiger Orte. Das Bestimmungswort ist schwzd. Münch m. ›Mönch, Klosterbruder‹ (Id. IV: 318f.). Im heutigen Namen lässt sich jedoch auch eine Bildung mit dem bekannten Namen der (etymologisch identischen) Stadt München in Deutschland wahrnehmen, zumal schwzd. Münch m. durch Mönch m. bedrängt wird. Die Schwierigkeit liegt im Einzelfall darin zu erkennen, ob tatsächlich eine Umdeutung in einen anderen Namen vorliegt. Wie die obigen Beispiele zeigen, können diese Namen oft genauso vor Ort als Originale entstanden sein. Die Umdeutung ist dann ungewiss, wenn sie sich nicht durch eine deutliche lautliche Anpassung zeigt. Neufundland bezeichnet in I Büetigen Kulturland, das nach der Juragewässerkorrektion im 19. Jh. entstand. Neben dieser Lautung gilt auch die Lautung Neugfund(e)land, die deutlich macht, dass der Name als ›neu gefundenes Land‹ geprägt wurde und die Deutung mit Neufundland in Amerika lediglich Volksetymologie ist. 197 196 Nachbenennung bezeichnet die Benennung eines Orts mit einem andernorts bestehenden Toponym, ohne dass zwischen den beiden Denotaten ein innerer Zusammenhang bestünde (Rentenaar 1984, 1996). Die Nachbenennung unterscheidet sich im letzten Punkt von der Namenübertragung, die einen Zusammenhang zwischen den beiden Denotaten voraussetzt und etwa vorkommt, wenn der Name einer Burg auf eine Siedlung übertragen wird. Zu Nachbenennungsnamen im Material des BENB s. Fetzer (2009). 197 Ob die als ursprünglicher vorauszusetzende Prägung Neugfundeland ihrerseits in Anlehnung an das amerikanische Toponym entstand, muss offen bleiben. <?page no="187"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 187 Der Name Bethlehem für einen Stadtteil von III Bern ist erstmals 1688 auf einem Plan (nach einem Marchbrief von 1508; BENB I/ 4: 285f.) nachgewiesen. Seine Herkunft ist bisher nicht geklärt. Das BENB überlegt sich u.a. eine Bildung *Pettiloheim mit einem ahd. Personennamen Pettilo (Försteman I: 226) Bertel, einer verkürzten Form von Bertold. Dieser Name wäre sekundär in den biblischen Siedlungsnamen umgedeutet worden. Der Name des Bälliz, eines Stadtteils von III Thun, wird erstmals 1358 mit in Bellentz (UdT: 84) genannt. Die frühen Namenbelege ähneln auffällig denjenigen des dt. Exonyms Bellenz für Bellinzona (TI) (LSG 2005: 134-136). Vermutlich handelt es sich um eine Nachbenennung nach dem Tessiner Vorbild; eine bewusste Angleichung bzw. Umdeutung eines älteren Namens ist aber nicht ausgeschlossen (BENB I/ 4: 178-180). Auch der Name der Stadt III Bern, erstmals belegt 1191 als Berno, Berna (FRB I: 486), ist nach BENB (I/ 4: 277-280) ein Nachbenennungsname, dessen Vorbild das dt. Exonym Bern für Verona in Italien ist. Es könnte sich beim Namen immerhin auch um einen angepassten, nicht belegten älteren Namen handeln, wie ihn etwa das LSG (2005: 143) vermutet. Ziemlich unklar sind die Verhältnisse schließlich bei den Namen der Gemeinde III Ostermundigen und des Dorfs Ostermanigen (Gemeinde I Radelfingen), die beide in Nähe der Stadt Bern liegen. Ihre urkundlichen Namenformen (vgl. 3.3.8.2) lassen sich schwer unterscheiden. Für beide Siedlungsnamen ist von einer Bildung mit einem ahd. Personennamen *Ostermund auszugehen. In späterer Zeit sind beide Namen als Ostermanigen u.ä. belegt. Es ist kaum zu entscheiden, inwiefern hier Beeinflussung eines der beiden Namen durch den andern vorliegt und ob bei der späteren Rückkehr zur älteren Form für Ostermundigen der Wunsch der besseren Unterscheidbarkeit mitspielten (BENB I/ 4: 111-113; LSG 2005: 689). Besonders schwer nachzuweisen sind historische Umdeutungen von Appellativen in Namen. Dies trifft umso mehr zu, als der historische Zielname heute seinerseits außer Gebrauch geraten sein kann. Ougstal ist der Name eines Heimets in III Landiswil. Historisch ist es 1771 und 1778 als Augstall belegt (A: Signau). Das m. Genus des Namens lässt auf ein mhd. Kompositum Ougst-stal m. mit dem Grundwort schwzd. Stall, Staal m. ›Stelle, Standort‹, in Flurnamen ›Wohnstelle, Siedlung‹ (Id. XI, 4-13, 13f.) und dem Bestimmungswort schwzd. Ougst m. ›Monat August‹ (Id. I: 153) schließen. Das BENB (I/ 1: 50f.) vermutet, dieser Name sei in das heute nicht mehr gebräuchliche dt. Exonym Augstal für Aosta in Italien umgedeutet worden. Ein der Umdeutung von Appellativen in Namen(elemente) vergleichbares Phänomen ist die Umdeutung eines Namenelements in ein für Toponyme typisches Grundwort bzw. Suffix, etwa im Fall von Därstetten und Albligen (vgl. 3.3.4.1). <?page no="188"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 188 3.3.11.3 Umdeutung onymischer Namenelemente in andere Namen Den vermutlich seltenen Fall der Umdeutung eines Namens als Element eines Toponyms in einen anderen Namen 198 erwähnt Kaufmann (1965: 1). Der heutige Siedlungsname Seibertenrod wird historisch als Sigebrachtesrote erwähnt. Es handelt sich offensichtlich um einen Siedlungsnamen mit einem ahd. Personennamen im Genitiv im Bestimmungswort, der im aktuellen Beleg schwach flektiert ist. Weil ahd. Personennamen mit zwei vollen Namengliedern fast ausnahmslos stark flektiert werden, kann der aktuelle Beleg Seibertenrod nicht einfach eine Variante des historischen Belegs sein. Vielmehr wurde der Personenname nach Kaufmann früh umgedeutet in einen gleichlautenden Familiennamen, denn Familiennamen flektierten schon damals schwach. 3.3.12 Vermeintliche Volksetymologie Eher zu den Kuriosa gehören Etymologien, die von Sprecherinnen und Sprechern für Volksetymologien gehalten werden, obwohl sie es nicht sind. Die Stadt II Burgdorf, im Dialekt Burdlef, ist nach ihrer Burg benannt, wie die historischen Belege zeigen: 1175 de Burtorf (FRB I: 454), 1201 de Burcdorf (FRB I: 498), 1210 in castello Burgdorf (FRB I: 506). Die heutige Stadt wurde im 12. Jh. von den Zähringern bei der schon früher erbauten Burg gegründet (HLS digital: Burgdorf, 2008-12-03). Die Namenelemente sind das Grundwort Dorf n. und das Bestimmungswort Burg f. Die Herkunft des frz. Exonyms Berthoud ist umstritten: Entweder geht der Name wie die alem. Mundartlautung auf die dissimilierte, auf -olf auslautende Nebenform (erstmals erwähnt 1324 als opidum Burtolf; FRB V: 466) mit im Frz. regelmäßig vokalisiertem -lzurück (Meyer-Lübke I: § 169; LSG 2005: 204), oder der frz. Name basiert auf dem Namen des Stadtgründers Berchtold IV (Bruckner 1945: 61; Sonderegger 1977: 284). Das frz. Exonym trägt zum verbreiteten Glauben bei, (auch) der dt. Stadtname sei ursprünglich nach ihrem Gründer gebildet und später volksetymologisch in die Appellative Burg und Dorf umgedeutet worden. 199 Den Heiligacher, Kulturland in V Grindelwald (Milibach), hält eine Gewährsperson für eine volksetymologische Umdeutung aus lat. acer n. ›Ahornbaum, Ahorn (als Baum u. als Holz)‹ (Georges 1967: 73). Tatsächlich enthält der Name das Appellativ schwzd. Acher m. ›Acker, Pflugland‹ (Id. I: 66-69; BENB I/ 1: 6; I/ 2: 225f.). Obwohl im Material des BENB Angaben dazu fehlen, dürfte die Gewährsperson sich hier einen heiligen Baum denken, wohl im Wissen um heilige Bäume (Zihlmann 1973: 87-110). Das Englendergräbli in V Lauterbrunnen, nur aktuell belegt, trägt nach Gewährsperson einen Ereignisnamen und heißt so, weil dort einst ein Engländer 198 Im Material des BENB ist mir diese Umdeutungsart nicht begegnet. 199 Vgl. die tatsächlich belegte umgekehrte Umdeutung eines Personennamenglieds zum Grundwort Dorf: Im nur im 16. Jh. belegten Flurnamen Leidorf in III Kirchlindach vermutet das BENB (I/ 3: 71f.) einen Personennamen Leidolf, Leitolf o.ä. (Förstemann I: 998). S. auch Hof (3.3.15.1). <?page no="189"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 189 abgestürzt sei (BENB I/ 1: 86). Eine andere Gewährsperson sieht darin jedoch eine Volksetymologie: Der Name sei ursprünglich nicht mit der Personenbezeichnung Engländer m. gebildet gewesen, sondern habe Engelgräbli geheißen, sei also ursprünglich mit dem Appellativ Engel m. gebildet worden. Erst nach dem tödlichen Sturz des Engländers sei der Graben umgedeutet worden. Vorausgesetzt, das namengebende Ereignis fand überhaupt statt, ist die Erklärung der zweiten Gewährsperson nicht uneingeschränkt als Volksetymologie aufzufassen. Man kann ebenso von einer Neubenennung bzw. von einem Namenwechsel sprechen, wobei die lautliche Ähnlichkeit von Ausgangs- und Zielappellativ sicher günstig wirkte. In solchen Fällen vermeintlicher Volksetymologie sind die angeblich ›richtigen‹ Etymologien der Gewährspersonen selbst volksetymologische Deutungen. Vgl. auch die unvollständigen Volksetymologien (3.3.3.4), bei denen Sprecherinnen und Sprecher im betreffenden Namen eine spätere Verdunklung durch Verschleifung oder unorganische Zuwüchse vermuten. 3.3.13 Volksetymologie in Verbindung mit Legenden und Wappen Volkstümliche Vorstellungen von (übernatürlichen) Wesen und Ereignissen haben ihren Niederschlag auch in Toponymen gefunden. Wie wichtig diese Vorstellungen für die Bevölkerung früher waren bzw. heute noch sein mögen, ist anhand der Toponyme nicht eindeutig feststellbar. Frühere Annahmen über die Verbreitung von Götternamen und Dämonen in der Toponymie (Hubschmied 1947) werden heute eher abgelehnt. Die üblichen Benennungsmotive für Toponyme scheinen im Normalfall eher nüchterner Art zu sein. 200 Eine Ausnahme bildet der Name der Stadt Biel (vgl. 3.3.3.2), der allgemein auf den Namen einer Gottheit zurückgeführt wird. Der historisch nicht belegte Friesenweg, ein ehemaliger Weg in IV Saanen, wurde vermutlich in neuerer Zeit nach der bekannten Sage der Friesen im BO (Lienert 1914: 18-21) benannt (BENB I/ 1: 167f.). Unbestritten ist dagegen der Zusammenhang von Volksetymologie und erklärenden Sagen, den schon Schoof (1917) beschreibt. Die Verflechtung vieler Volksetymologien mit (oft ätiologischen) Sagen ist so eng, dass manche Forscherinnen und Forscher mythenbildende Volksetymologien als eigene Kategorie führen (Bach II/ 2: § 736, S. 539; Bebermeyer 1974: 185f.). Olschansky (1996: 207) weist zusätzlich auf Bräuche und (Aber-)Glauben in Verbindung mit Volksetymologie hin. 200 Verbreitet sind einzig ekklesiogene Toponyme, die Bezug auf Kirchenpatrozinien nehmen und damit einen realen Hintergrund haben (s. dazu etwa Jochum-Godglück 2008). <?page no="190"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 190 Viele Erklärungen von Gewährspersonen sind keine ausformulierten, bekannten Sagen, enthalten aber doch sagenartige Elemente. Es ist daher sinnvoll, weniger eng gefasst von der legendenhaften Deutung vieler Toponyme zu sprechen. Nach Koch (1963: 166) sind solche Deutungen oft widersinnig. Der Name der Gemeinde II Madiswil ist als Bildung mit dem ahd. Personennamen *Madalwalt, belegt als Madalolt (Förstemann I: 1115), zu verstehen (BENB I/ 3: 209f.). Der Erstbeleg von 795 zeigt noch Madalestwilare (FRB I: 216), schon 1322 tritt erstmals die Lautform Madiswîle mit starker Kürzung des Personennamens auf (FRB V: 305). In ihrem Wappen (vgl. 3.3.13.5) führt die Gemeinde einen Linksmähder, der auf eine lokale Sage zurückgeht. In Madiswil soll vor langer Zeit ein reicher Bauer gewohnt haben, dessen einzige Tochter dem armen Ueli, einem geschickten Linksmähder, gefiel. Der Vater wollte ihm seine Tochter zur Frau geben, wenn er es schaffe, zwischen Sonnenauf- und -untergang ein Kreuz in eine Wiese am Dorfrand zu mähen. Ueli machte sich unter den Augen der neugierigen Zuschauer an die Arbeit. Einer von ihnen war aber von Uelis Nebenbuhler geschickt und gab ihm einen vergifteten Trunk. Zwar schaffte es Ueli beim letzten Sonnenstrahl, das Kreuz zu vollenden, doch danach sank er tot hin und seine Braut stürzte vor Schreck tot an seine Seite. Der Sagenstoff ist für Madiswil erstmals 1847 in einem Schüleraufsatz belegt (Kuert 1995: 514f.). In späteren literarischen Bearbeitungen wurde er mit den Freiherren von Grünenberg und Gutenburg (HLS digital: Grünenberg, von; Gutenburg, von, 2009-03-27) in Verbindung gebracht und ins 14. Jh. verlegt. Obwohl ein Zusammenhang zwischen dem Linksmähder und dem Gemeindenamen weder von den Gewährspersonen noch von Kuert (1995: 507-522) und Wahlen (1962: 80f.) hergestellt wird, glaubt Keckeis (1986: 80f.) an eine Sage, die ursprünglich den Siedlungsnamen erklären sollte. Erst seit 1946 ziert das Wappen der Gemeinde Madiswil offiziell der Linksmähder (Kuert 1995: 511f.); er soll das Andenken an die treue Liebe der beiden Sagenfiguren bewahren (Wahlen 1962, a.a.O.). Die Ursprünge der Wappendarstellung liegen im Dunkeln, reichen aber vermutlich weit zurück. Bereits 1737 schenkte die Kirchgemeinde Madiswil der nahen Kirche Melchnau eine Wappenscheibe mit einem (allerdings noch rechtshändigen) Mähder (Kuert 1995: 512; es ist unbekannt, worauf dieses Motiv zurückgeht). Trotz fehlender historischer Dokumentation ist anzunehmen, dass das Wappenmotiv vor dem 20. Jh. für Madiswil geschaffen wurde. Die Sage und das Wappen deuten den an sich nicht verständlichen Siedlungsnamen Madiswil als *Mäderswil, obwohl das entsprechende Namenelement Madis- und das Appellativ schwzd. Mäder m. ›Mähder‹ (Id. IV: 75) lautlich nicht übereinstimmen (vgl. 3.3.3.4). Die Deutung wird gestützt durch das Appellativ <?page no="191"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 191 schwzd. Mad n. ›Mähen; das zu Mähende‹ (Id: IV: 71-73). Madiswil wäre demnach legendenhaft zu deuten als ›der Ort des (Links-)Mäders‹. 201 Sagenverbundene Volksetymologien berichet etwa Kranzmayer (1969) für Kärntner Bergnamen. Antenhofer/ Götsch (2006: 95f.) führen aus dem Südtirol (I) die Norgg an, eine Stelle an einem Bach in Plaus im Vinschgau, wo die Frauen früher gewaschen haben. Hier sollen sie von den Nörggelen erschreckt worden sein, deren Name von lad. Orco ›kleiner Unhold, Wichtel, Männlein‹ stammt. Dass die volksetymologische Legende, mit der ein Name erklärt wird, durchaus auf nicht umgedeuteten Wurzeln basieren kann, zeigt Hornung (1998: 120f.) am Namen einer Wallfahrt. Das Ebenausgehen führt verschiedene Wiener Pfarreien am Ostermontag in eine benachbarte Kirche. Die Wallfahrt ist nach dem biblischen Dorf Emmaus benannt, wohin einige Jünger Jesu am Ostermontag wanderten. Mit Umdeutung der Benennung auf bair. Basis führt die Wiener Wallfahrt stets ebenaus. Die Legende hat also einen von der Umdeutung unabhängigen Hintergrund (die Wanderung der Jünger), der den Teilnehmenden anscheinend auch noch bewusst ist. 202 Godglück (2001: 145) spricht von den außersprachlichen Folgen von Volksetymologie; im Fall des Ebenausgehens äußern sie sich darin, dass der Weg der Wallfahrt eben keine Steigungen aufweisen darf. Zu Legendenbildung neigen insbesondere Namen, die aufgrund eines markanten Ereignisses vergeben wurden (Förster 1999: 177): Wenn später das Ereignis selbst in Vergessenheit gerät, wird das Benennungsmotiv dieser Namen unklar. Ihre besondere Bildungsweise mit Elementen, die für Toponyme nicht typisch sind, kann dann durch eine Sage oder Legende gestützt und erklärt werden. Oft ist kaum feststellbar, ob das angebliche Namenmotiv dem tatsächlichen Ereignis entspricht oder eine nachträgliche Legendenbildung ist. Der Majorsegge in IV Saanen, historisch nicht belegt, soll gemäß einer Gewährsperson danach benannt sein, dass während des Aktivdiensts an dieser Stelle drei Majore beim Skifahren zusammengestoßen und gestürzt seien. 3.3.13.1 Volksetymologie und Sage als gemeinsame Entwicklung Bebermeyer (1974: 185) sieht in erklärenden Legenden die Folge von Volksetymologien. Oft enstehen die beiden aber gemeinsam und bedingen sich gegenseitig. Semantisch auffällige Volksetymologien können sich kaum ohne eine Legende zur Erklärung des verblüffenden Zusammen- 201 Derselbe Sagenstoff, allerdings ohne volksetymologische Umdeutung, findet sich auch in Sumiswald (Wahlen 1962: 80). 202 Eine ganze Reihe ähnlicher volksetymologischer Deutungen von Heiligennamen und Legenden sowie daraus folgender Volksbräuche listet Baldinger (1973, bes. 17) auf. <?page no="192"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 192 hangs behaupten. Wiesinger (1995: 465, 470) und Ruoff (2000) sprechen von der Motivierung seltsam anmutender Namenelemente mittels ätiologischer Herkunftslegenden. 203 Das Ottelüijebad in III Guggisberg, eine Weide mit einem Bad, ist mit einem Familiennamen Ott (FNB IV: 234-236) und dem Appellativ schwzd. Lüü(w)i, Leui f. ›Rast, Ruheplat‹ (Id. III: 1545f.) sowie dem Grundwort Bad n. gebildet (BENB I/ 3: 139f.). Die hiatusdiphthongierte Lautung Leui, die eine Umdeutung in den Tiernahmen Leu m. ›Löwe‹ (Id. III: 950; BENB I/ 3: 136-138) leicht ermöglichte, ist für Guggisberg nicht bezeugt (SDS I: 156). Dennoch erwähnt Friedli (III: 507f.) eine Sage, dergemäß das Ottelüijebad nach einem Löwen namens Otto benannt worden sein soll. Umdeutung und Sage bedingen sich in diesem Fall gegenseitig. Ein Stück Kulturland namens Lindrein in II Hindelbank ist erstmals 1528 als lindenrein belegt (U2: 290). Der Name ist mit dem Baumnamen Linde f. sowie dem Appellativ Rain m. gebildet. Jahn schreibt dagegen die Form Lindach (1967: 413). Einen lautgleichen Namen trägt die Gemeinde III Kirchlindach. Diesen deutet das BENB (I/ 3: 108f.; I/ 2: 460) als lat. Bildung *(fundus) Lentinićcus ›(Landgut des) Lentinius‹ mit einem lat. Personennamen. 204 Dieselbe Deutung gibt auch Jahn für den Hindelbanker Namen an. Der Sage nach solle dies der Name einer ehemals großen Stadt gewesen sein, die hier gestanden habe. Tatsächlich ist diese Stadt weder urkundlich noch archäologisch nachgewiesen, die gelehrte Umdeutung des heutigen Namens in einen antiken Namen ist ohne den Kern der Sage nicht denkbar: Ein antiker Name bedingt auch eine antike Siedlung. Auch in Fällen, in denen die Umdeutung vom Ursprungszum Zielappellativ lautlich nicht vollständig nachvollzogen wird (vgl. 3.3.3.4), können Umdeutung und Sage direkt aufeinander bezogen entstehen. Das bekannteste Beispiel dafür ist der Namen der Stadt III Bern, ein Nachbenennungsname, dessen Vorbild das dt. Exonym Bern für Verona in Italien ist (BENB I/ 4: 277-280; vgl. 3.3.11.2). Nach verbreiteter Ansicht enthält das Toponym den Tiernamen Bär m. Der Name sei vom Stadtgründer, dem Zähringer Berchtold (oder Bertold) V. (gestorben 1218; HBLS VII: 622-624), folgendermaßen gewählt worden: Er habe auf der Aareschlaufe, an Stelle der späteren Stadt, zur Jagd geblasen und beschlossen, die Stadt nach dem ersten erlegten Tier zu benennen. Dies sei ein Bär gewesen (Keckeis 1986: 45f.). Sämtliche Belege für den Stadtnamen, von den Erstnennungen bis zum vor Ort als Bärn ausgesprochenen aktuellen Namen, sprechen gegen eine Benennung mit dem Tiernamen. Die Gemeinde III Wichtrach geht auf ein gallorom. benanntes antikes Landgut zurück, das den Namen *Vict(o)riacum ›(Landgut des) Vict(o)rius‹ zurück. Vor Ort wird der Name jedoch auch alem. gedeutet: Hier habe vor langer Zeit ein Drache gehaust, den man bekämpft und schließlich mit dem Ausruf Wich, Trach! 203 Wobei das betreffende Namenelement selbst durchaus erhalten bleiben kann (vgl. 3.3.13.3). 204 Das Gemeindewappen mit Lindenblättern ist also volksetymologisch geprägt (LSG: 483). <?page no="193"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 193 ›weiche, Drache! ‹ vertrieben habe (s. ausführlicher 3.3.4.3). Diese Deutung mit einer Imperativform des Verbs schwzd. wiiche ›weichen‹ (Id. XV: 215-220) und dem Appellativ schwzd. Trach(e) m. ›Drache‹ (Id. XIV: 240-244) führt zu einem Satznamen (vgl. 3.3.4.3), einer relativ seltenen Namenart. Im Wissen darum, dass hier natürlich kein Drache wohnte, kann sich diese Deutung ohne entsprechende Sage nicht halten. 205 Die Gemeinde II Melchnau ist erstmals 1099 als Melchenouue belegt (FRB I: 355). Ihr Name wird vom BENB (I/ 3: 271) als Bildung mit einem Personennamen *Melcho (vgl. Förstemann II/ 2: 265) erklärt, das LSG (2005: 586) denkt eher an die Kurzform Melch des Heiligennamens Melchior (Id. IV: 198). Das Grundwort ist Au f. ›(Halb-)Insel, Gelände an einem Gewässer‹ (Id. I: 5f.; Frühnhd. Wörterbuch II: 306-310; BENB I/ 1: 48f.; BENB I/ 4: 117-143). Der Sage nach hat die Gemeinde ihren Namen aber von einer Riesenkuh, die dort einst lebte und so lang war, dass man zu Fuß eine Viertelstunde brauchte, um ihre Seite abzuschreiten, und deren Milch einen heute nicht mehr vorhandenen Weiher spies. Obwohl der Gemeindename eher an das Verb schwzd. mälche (Id. IV: 195f.) als an Milch f. anklingt, soll Letztere dem Dorf den Namen gegeben haben (Keckeis 1986: 74). Anderson (2007: 86) führt ein engl. Beispiel eines in Verbindung mit einer Legende volksetymologisch umgedeuteten Toponyms an. Eine Gewährsperson möchte den Siedlungsnamen Haltwhistle (Northumberland) entschieden (als Satznamen) auf den Anführer schottischer Invasionstruppen zurückgeführt sehen, der an dieser Stelle seinen Truppen Halt! I hear a whistle ›Halt! Ich höre eine Pfeife! ‹ zugerufen habe. 3.3.13.2 Sagen als Folge volksetymologischer Umdeutung In vielen Fälle ist die Frage der Reihenfolge von Umdeutung und Legende von zweitrangiger Bedeutung: Die Umdeutung ist semantisch unauffällig und auch ohne erklärende Legende möglich. Die Gemeinde II Wolfisberg, erstmals erwähnt 1332 als Wolfisperg (FRB VI: 24), trägt im Namen neben dem Grundwort Berg m. einen ahd. Personennamen Wolfi o.ä. (Förstemann I: 1643; LSG 2005: 977) im Genitiv. Volksetymologisch wird der Gemeindename mit dem Tiernamen Wolf m. gedeutet. Der Sage nach wurde in der Nähe von Wolfisberg einst ein Wolf erlegt; noch heute hänge in der Dorfkirche ein Wolfsgarn (›starkes, großes Netz zum Fang der Wölfe, gewöhnlich Eigentum der Gemeinde‹; Id. II: 245; BENB Dok.). Formal handelt es sich bei dieser Volksetymologie um die Umdeutung eines Personennamens in ein etymologisch verwandtes Appellativ (vgl. 3.3.11.1, 3.3.2.2). Heute manifestiert sich die Umdeutung auch im Gemeindewappen, auf dem ein Wolf zu sehen ist. Geissberger m. ist ein schwzd. Appellativ mit der Bedeutung ›erratischer Block‹, dessen Etymologie unklar ist (Id. IV: 1558; XI: 872). In II Attiswil und V 205 Es handelt sich bei dieser Volksetymologie zusätzlich um eine unvollständige Volksetymologie (3.3.3.4): Der Siedlungsname Wichtrach enthält ein kurzes, offenes -i-, während die Imperativform schwzd. wiich! ein langes, geschlossenes -ihat. <?page no="194"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 194 Brienzwiler heißen heute Gebiete mit Findlingen Geissberger. In IV Saanen (wo das Appellativ allerdings in der Toponymie nicht belegt ist) wird die Seltenheit von Geissbergern mit der Sage erklärt, sie kämen von einer sehr entlegenen Alp, die nur mit Geissen bestoßen werde. Der Name wird also als Alpname *Geissberg als Bildung aus den Appellativen schwzd. Geiss f. ›Ziege‹ (Id. II: 454-461) und Berg m. reinterpretiert. 3.3.13.3 Sagen als Umdeutung des Benennungsmotivs Baldinger (1973: 26) weist im Zusammenhang mit Appellativen darauf hin, dass erklärungsbedürftige Wörter (wozu unter anderem solche, die durch Volksetymologie entstanden sind, zählen können) nach einer nachträglichen (volksetymologischen) Benennungsmotivierung verlangen können. Er schlägt vor, diese Fälle nur bedingt als Volksetymologien zu betrachten, da hier nicht mehrere Wortfamilien betroffen seien (1973: 35). Auch Olschansky (1996: 348) spricht in diesem Zusammenhang nicht von Volksetymologie, sondern - bezogen auf einen engl. Artikel von Rich (1981; vgl. 2.4.2) - von folk explanations. Der schwzd. Nüsslisalat m. ›Feldsalat‹ ist die alem. Übersetzung von frz. cresson à la noix ›Nusskresse‹, seinerseits eine volksetymologische Umdeutung von cresson orlenois. Der ursprüngliche frz. Name sei mit einem (von Baldinger leider nicht genannten) Toponym gebildet. Die seltsame, auffällige Bezeichnung sei im Schwzd. sekundär als Benennung nach dem nussigen Geschmack des Salats erklärt worden (1973: 26f.). 206 Auch in der Toponymie existieren zu manchen Namen Sagen, die nicht mit einer Volksetymologie einhergehen, sondern lediglich das Benennungsmotiv umdeuten, indem sie etwa einen auf ›normalem‹ Weg entstandenen Namen zum Ereignisnamen umdeuten. Der Martisdruck, eine Wegstelle in V Grindelwald, ist erstmals 1850 belegt (Jahn 1850/ 1967: 329). Der Sage nach hat hier der heilige Martin mit seinem Stock ein Loch in den Berg gebohrt, durch das jährlich zweimal die Sonne scheint (BENB Dok.). Das nicht-legendenhafte Benennungsmotiv ist unbekannt, anzunehmen ist eine Benennung nach dem Vorbild des bekannteren Martinsloch in Elm (GL), durch das ebenfalls zweimal jährlich die Sonne scheint. Auch eine Benennung mit dem Personennamen/ Familiennamen Marti(n) ist möglich, letzterer ist im Kanton Bern weit verbreitet (FNB IV: 45). Mit dem Appellativ berndt. Mürder m. ›Mörder‹ (Id. IV: 398) werden Stellen bezeichnet, die in irgendeiner Weise mörderisch, d.h. gefährlich oder besonders anstrengend sind. Der Mürder in III Guggisberg ist eine Stelle, an der früher Rinder abstürzen konnten, der Mürderhubel in III Thun eine sehr steile Wegstelle. Oft 206 Als Kind besuchte ich einmal mit meiner Familie ein Restaurant in St. Gallen. Ich erinnere mich noch gut an die Enttäuschung einiger Deutscher am Nebentisch, als sie ihre Teller bekamen: Sie hatten Nüsslisalat offensichtlich in Erwartung einer Schweizer Spezialität mit Nüssen bestellt. <?page no="195"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 195 wird diese Bedeutung verdeutlicht durch Namen wie Chüemörder in II Hasle für eine Stelle, wo Kühe abstürzen können, oder Holzmürderschleif in V Iseltwald/ Bönigen für eine Stelle, wo Holz beim Transport splitterte. Rossmörder, Rossmürder in I Bühl, II Rüdtligen und II Kirchberg steht für Ackerland, das für Pferde schwer zu pflügen war. In Sufers (GR) heißt ein steiler Fußweg Beimörder (RNB II: 461), im Rhein zwischen Stein und Bibern (Ramsen) (SH) eine gefährliche Stelle Mörder. Das Benennungsmotiv dieser Namen wird leicht umgedeutet. Entsprechende Legenden berichten dann von Mördern, die sich an den genannten Stellen aufhielten. In Thun soll die Wegstrecke auch nach den dort verbreiteten Fuchsbauten benannt sein, wobei Mörder im Toponym eine wenig schmeichelhafte Umschreibung für Fuchs ist (BENB I/ 3: 313f.). Ein passartiger Übergang in III Arni, auf der Strecke von Obergoldbach (Gemeinde II Hasle) nach III Biglen, heißt der Cheib. Wenn der kleine Übergang nicht nach der ursprünglichen Bedeutung von schwzd. Cheib m. ›Aas‹, in Toponymen auch ›Gerichtsstätte, Schindanger‹ (Id. III: 100-103) benannt ist, dann liegt eine Benennung mit dem vom Appellativ abgeleiteten gleichlautenden Schimpfwort Cheib m. ›verhasster Mensch‹ vor, das hier affektivisch ein steiles, nur unter Anstrengung zu überwindendes Wegstück bezeichnet (BENB I/ 2: 438f.). In Biglen erzählt man sich dagegen folgende Sage: Die Bigler hätten zum Bau ihrer Kirche die Hilfe des Teufels angenommen, der u.a. versprochen habe, einen besonders großen und schweren Stein für das Fundament aus der Emme bei II Lützelflüh herbeizutragen, wenn die Bigler ihre fertige Kirche dafür ihm vermachten. Diesen war nicht wohl dabei und sie machten zur Bedingung, dass er den Stein herbeischaffe, ohne ihn ein einziges Mal abzusetzen. Im Morgengrauen sei der Teufel völlig entkräftet auf dem heutigen Cheib angekommen. Da habe er den Stein mit dem Ausruf »Cheib, du! « fallen lassen. Der Stein ist heute noch zu sehen und wird Teufelsburdi genannt (Wahlen 1962: 61-63). 3.3.13.4 Sagen ohne Umdeutung Nicht unerwähnt lassen möchte ich Namen, die unabhängig von Volksetymologie, aber in Verbindung mit einer Sage stehen. Hier ist das Motiv der Sage häufig nicht mehr feststellbar; manche der Namen dürften aber überhaupt erst mit der Sage entstanden sein. Das Bestimmungswort Lugi in Toponymen ist entweder als das Adjektiv ahd. lugⁿn ›lügnerisch‹ (Graff 1963 II: 136) oder als das Appellativ schwzd. Lugi f. ›Lüge, Unwahrheit‹ (Id. III: 1219) zu deuten. Entsprechende Namenmotive sind nach BENB (I/ 3: 179-181) vor allem Wasserläufe und Quellen, die nur temporär Wasser führen. Das Benennungsmotiv für den Lugistein, einen großen Stein in V Brienz, ist unbekannt. Gemäß der Sage vom Follenküher (Hartmann 1910: 81) soll im Lugistein der Abdruck von drei zum Schwur erhobenen Fingern zu sehen sein. Hochmuet, der Name eines Heimets im Eriz (III), ist ohne historische Belege im Benennungsmotiv nicht sicher zu deuten. Das BENB (I/ 3: 343) denkt an einen Pflanzennamen Hochmuet m. (Id. IV: 584; Marzell II: 114-116) oder an einen Familiennamen, der in der Schweiz jedoch nicht belegt ist. Die Gewährsperson <?page no="196"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 196 sagt demgegenüber, der Name sei als Paarbildung mit dem Heimetnamen Fall (BENB I/ 1: 109) zu sehen; gemeinsam bildeten die beiden Namen das Sprichwort Hochmuet chunt vor em Fall. Das Wideli von Österrich bezeichnet eine Stelle am Thunersee in V Beatenberg, ist erstmals 1757 als Weideli von Oesterreich belegt (A: Thun) und mit dem Ländernamen schwzd. Ö(ö)striich ›Österreich‹ (Id. VI: 158) gebildet (BENB I/ 4: 109- 111). Gemäß der Sage bezeichnete die Staude die Grenze des österreichischen Einflussbereichs im BO, und seit es stehe, sei es weder gewachsen noch verblüht. Weil kein anderes Namenmotiv zu sehen ist, muss hier daran gedacht werden, dass der Name überhaupt erst mit der Sage vergeben wurde. Der nur aktuell belegte Häxemilcher in Isenfluh (Gemeinde V Lauterbrunnen) bezeichnet eine Wiese, deren Kraut der Sage zufolge früher große Milcherträge einbrachte, heute aber verhext ist und vom Vieh gemieden wird (BENB I/ 2: 218; I/ 3: 289-291). Ein Appellativ bzw. Kompositum, aus dem der Name unter Einwirkung von Volksetymologie entstanden sein könnte, ist hier nicht erkennbar. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Sagenmotiv hier zum Namenmotiv wurde. Ebenfalls in Isenfluh (Gemeinde V Lauterbrunnen) liegt der Maammilcher bzw. Maammilchblätz, eine Weide mit Bodenaushöhlung. Dem Namen liegt das Appellativ schwzd. Maanmilch f. ›Berg-, Mondmilch, weißliche, schaumartige Masse in den Klüften der Kalkalpen, Galaktit‹ (Id. IV: 234ff. u. 203; HDA VI: 538f. u III: 256f.) zugrunde. Man glaubte früher, diese als Heilmittel eingesetzten Flüssigkeiten würden aus dem Mond gemolken (BENB I/ 3: 219). 3.3.13.5 Wappen So genannte sprechende Wappen können Volksetymologien besonders deutlich veranschaulichen. Für Familiennamen weist Kunze (2004) anhand von Wappen selbst Volksetymologien nach, die aus dem Lautbzw. Schriftbild des Namens nur schwer zu erschließen sind. Eine (vermutlich aus dem nd. Raum stammende) Familie Corvey, deren Name auf ein Toponym zurückgeht, trägt im Wappen einen Korb mit Eiern (Kunze 2004: 183). Während Kleinstrukturen in der Toponymie meistens wappenlos sind, führt in der Schweiz heute jede Gemeinde ein Wappen: 1939 wurden für die Landesausstellung Wappen für die letzten wappenlosen Schweizer Gemeinden geschaffen (HLS digital: Wappen, 2009-05-09). 207 Die Gemeinde I Arch ist erstmals 1236 als villa que Archo nominatur belegt (FRB II: 164) belegt. Das BENB (I/ 1: 39) gibt als wahrscheinlichste Namenherkunft lat. arcus m. ›Brückenbogen, Wölbung‹ (Georges 1967 I: 549f.) an, das LSG (2005: 95) bestätigt diese Etymologie, führt den Namen allerdings auf eine Form arcum n. 207 Das LSG ist gewissermaßen als Fortsetzung des ›Fahnenwalds‹ der Landesausstellung 1939 zu verstehen: Es entstand aus dem Projekt ONOMA an der Landesausstellung 2002 (expo.02; LSG: 34-36). <?page no="197"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 197 ›Bogen, bogenförmige Krümmung‹, im Namen ›Brückenbogen, Wölbung‹ zurück. Der Ort ist vermutlich nach einer römerzeitlichen Brücke über die Aare benannt. Das Gemeindewappen, das eine Arche und eine Taube schmücken, verdeutlicht dagegen die Umdeutung des Namens in das Appellativ Arche f., wobei wohl an die biblische Arche zu denken ist. Die volksetymologische Umdeutung des Namens der Gemeinde II Wolfisberg von einer Bildung mit dem ahd. Personennamen Wolfi o.ä. in einen Namen mit dem Tier Wolf zeigt sich nicht nur in einer zugehörigen Sage (vgl. 3.3.13.2), sondern auch im Wappen. Vergleichbar ist die Umdeutung des Namens der Gemeinde II Bäriswil. Die historischen Belege (vgl. 3.3.8.1) zeigen, dass der Name ursprünglich mit einem später verschliffenenen ahd. Personennamen Beroald o.ä. gebildet war (BENB I/ 4: 235f.; LSG 2005: 122f.). Die Umdeutung in den Tiernamen Bär illustriert das Gemeindewappen ebenso wie dasjenige der Stadt III Bern (vgl. 3.3.13.1). Die Volksetymologie zeigt auch das Wappen der Stadt I Biel/ Bienne (vgl. 3.3.3.2) mit seinen zwei Beilen an. Bei Landshut, im Dialekt Landshuet, schließlich liegt eine wappenbildende Volksetymologie vor, obwohl der Name keine Gemeinde bezeichnet. Der ursprüngliche Burgname, 1253 als apud Landeshuotte belegt (FRB II: 365), ging später auf das daneben liegende Dorf in der Gemeinde II Utzenstorf über. Das Grundwort des Namens ist schwzd. Huet f. ›Aufsicht, Bewachung, Behütung‹ (I. II: 1793); entsprechende Burgnamen sind relativ verbreitet (BENB I/ 3: 31f.). Die spätere Umdeutung des Namens in schwzd. Huet m. ›Hut, Kopfbedeckung‹ (Id. II: 1793) illustriert das Wappen der Burg, auf dem ein silberner Eisenhut zu sehen ist (HBLS IV: 597). 208 Viele Gemeindewappen wurden erst im 19. oder 20. Jh. geschaffen (HLS digital: Wappen, 2009-12-03) und sind damit nicht traditionell. Diese per Beschluss spät geschaffenen Wappen wurden von Einzelpersonen ausgearbeitet (vgl. 3.3.9). In ihnen enthaltene wappenbildende Volksetymologie (Bach II/ 2: § 735) muss kein Zeichen dafür sein, dass eine Namendeutung konventionell und allgemein ist. 209 Einen Fall von wappenbildender Volksetymologie aus Österreich berichtet Wiesinger (1995). Das Wappen von Himberg bei Wien zeigte ursprünglich eine Hirschkuh, mhd. hinde f., hinte f. ›Hinde, Hirschkuh‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 1292, 1300), die jedoch im 19. Jh. durch eine Hündin ersetzt wurde (1995: 466, 470). 208 Der Genuswechsel fällt hier kaum ins Gewicht, weil der Name schon früh artikellos die Siedlung bezeichnet. Ziel- und Ursprungsappellativ sind etymologisch verwandt (Kluge/ Seebold 2002: 428f.; vgl. 3.3.2.2). 209 Glatthard (1977: 141f.) weist dies etwa am Wappen der Gemeinde Faoug (VD) nach, das einen Pfau zeigt. Dieser entspringt dem volksetymologisch gedeuteten dt. Exonym Pfauen. <?page no="198"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 198 3.3.14 Intendierte Volksetymologie Intendierte, d.h. mit Absicht geschaffene Volksetymologie unterteilt Bach in seine Kategorien absichtsvoll scherzhafte Volksetymologie (II/ 2: § 733, S. 536f.), bewußt und mit humoristischer Absicht gestaltete Volksetymologie (II/ 2: § 734.4, S. 538) und euphemistische Volksetymologie (II/ 2: § 734.4, S. 539), ohne jedoch sein Verständnis dieser Gruppen zu erklären. Hält man sich an eine strenge Definition von Volksetymologie, die unter anderem verlangt, dass der umzudeutende bzw. umgedeutete Name vor der Umdeutung isoliert sein soll (vgl. 2.3.5), sind intendierte Volksetymologien eine Unmöglichkeit. Vennemann gen. Nierfeld (1999: 273) spricht denn auch mit Verweis auf Wiesinger (1995: 470) von der Neudeutung von Namen in humoristischer Absicht als von einer völlig eigenen Kategorie. Dennoch behandeln auch Blank (1993: 55) und Wiesinger (1995: 470) Neumotivierungen in humoristischer Absicht als Volksetymologien, während Olschansky (1996: 107) in ihrer Definition der Volksetymologie den Aspekt der Intention gänzlich ausblendet (vgl. 2.3.5). Ich schließe hier auch intendierte Volksetymologien ein, weil sie in ihrer Wirkung nicht scharf von ›echten‹ Volksetymologien zu trennen sind: In beiden Fällen wird ein Name umgedeutet und möglicherweise lautlich angepasst. Der größte Teil der intendierten Volksetymologien betrifft Namen, bei denen durch die Umdeutung Tabus vermieden werden bzw. der Name nobilitiert wird (vgl. 3.3.8.6). Auch bei der amtlichen Verschriftlichung von Toponymen (vgl. 3.3.8.7) können intendierte Volksetymologien auftreten. Gerade weil das Ausgangselement solcher Volksetymologien nicht zwingend isoliert ist, sind sie oft relativ einfach zu erkennen. Das Resultat einer amtlichen Umdeutung ist der Straßenname Holzikofenweg in III Bern. Im Bereich dieser Straße lag ursprünglich ein Landgut namens Hölziger Ofen, das nach einem auffälligen hölzernen Bureaumöbel benannt war, das in seiner Form und Bemalung vorspiegelte, das Gegestück zu einem echten Turmofen im Nachbarzimmer zu sein (Weber 1976: 113; Labhart/ Kehrli 2003: 21-23). Als die Straße angelegt wurde, benannte man sie nach dem Landgut. Allerdings wählte man dafür nicht die Form *Hölzigofenweg oder *Holzigofenweg, sondern den Namen Holzikofenweg (Weber 1990: 161). Dieser Name präsentiert sich als Bildung mit einem imaginären Siedlungsnamen *Holzikofen, der nach dem Vorbild mehrerer Siedlungen rund um Bern (Zollikofen, Jetzikofen und andere; BENB I/ 2: 371, I/ 4: 86-89.; LSG 2005: 989f.) gebildet ist. Diese Siedlungsnamen sind jeweils mit einem ahd. Personennamen und der in Siedlungsnamen verbreiteten Endung -ikofen, gekürzt aus -inghofen (LSG 2005: 1011), gebildet. Für *Holzikofen wäre ein ebenso imaginärer Personenname *Holzo o.ä. anzusetzen. 210 210 Im vergleichbaren Gemeindenamen Holziken (AG) lässt sich der ahd. Personenname nicht sicher bestimmen (Zehnder 1991: 201f.; LSG 2005: 452). <?page no="199"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 199 Wieso die verantwortliche Behörde sich gegen den eigentlich naheliegenden Namen *Hölzigofenweg für ein zwar vertraut klingendes, aber real nicht abgestütztes Konstrukt entschied, ist unbekannt. 211 Ebenfalls als intendiert können historisierende Volksetymologien bezeichnet werden. Allerdings zeigen sich im Material des BENB wenige entsprechende Volksetymologien. Ein entsprechender Fall ist die Deutung des Kulturlands Lindach in II Hindelbank als angeblich antikes Toponym Lentinićcus (vgl. 3.3.13.1). Auch die Deutung des Heiligacher in V Grindelwald (Milibach) mit lat. acer n. ›Ahornbaum, Ahorn (als Baum u. als Holz)‹ vgl. 3.3.12) könnte historisierende Motive haben. Bei Autoren (und wo vorhanden Autorinnen) früherer Jh. ist es oft kaum möglich, zwischen (unbewusster) Volksetymologie und absichtlicher, ernsthafter, aber vorwissenschaftlicher Deutung zu unterscheiden (vgl. 3.3.9.12). Schöpf deutet den Namen der Gemeinde I Vinelz 1577 als Phoenix (vgl. 3.3.9.3). Wie sehr er diese Etymologie für zutreffend hielt, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Wenig vertreten sind im Material des BENB auch die von Bach in erster Linie genannten humoristischen Volksetymologien. 212 Der Name der Siedlung Niederscherli in der Gemeinde III Köniz wird erstmals 1318 als im niderosten Scherle (FRB N; Vidimus von 1554), 1452 als nider scherle (U79: 114) genannt. Er ist nach BENB (I/ 4: 33) vermutlich mit dem ahd. Personennamen Skerilo (Förstemann I: 1305; II/ 2: 773) im elliptischen Genitiv gebildet. Daneben besteht ein geläufiger Scherzname Tschedernierli, dessen Elemente das Verb schwzd. tschäd(e)re ›schnarren, klappern, rasseln, klirren‹ und der Diminutiv des Appellativs Nierli n. zu Niere f. sind (Id. VIII, 189-191; IV, 789). Hier liegt eine Wortspielerei mit Metathese vor. Auch im Guetwüschgrabe in IV Oberwil im Simmental (vgl. 3.3.5.3) könnte man eine humoristische Umdeutung aus älterem *Wuetgüsse vermuten. Die Tatsache, dass dasselbe Toponym an unterschiedlichen Orten umgedeutet wurde, spricht allerdings eher gegen eine humoristische Deutung. Untersuchungen zu Volksetymologie und Verballhornungen bei Toponymen liegen vor allem aus dem Ausland vor. Wesche (1959/ 1960) unter- 211 Am ehesten denkbar scheint mir der Wunsch, Fehlschreibungen eines *Höl zigofenwegs als Hölzikofenweg zuvorzukommen. Der Ersatz von -ödurch -oist wohl als Verneuhochdeutschung von schwzd. hölzig ›hölzern‹ (Id. II. 1266) als holzig (Kluge/ Seebold 2002: 420) zu verstehen. 212 Der Grund für ihr weitgehendes Fehlen kann darin liegen, dass das Material fast ausschließlich Erstnamen enthält und etwa Gemeindeübernamen bzw. Verballhornungen und Spottnamen nicht erfasst. - <?page no="200"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 200 sucht das Phänomen bei niedersächsischen Flurnamen, Handelmann (1866) bei solchen aus Schleswig-Holstein. Aus Österreich führt Wiesinger die scherzhafte Umdeutung des Bundeslands Steiermark in St. Eiermark an (1995: 470). 3.3.15 Mehrfache Volksetymologie Manche Wörter werden mehrfach volksetymologisch umgedeutet. Bei der mehrfachen Volksetymologie von Toponymen entspricht jede einzelne dieser Umdeutungen mindestens einer der bisher besprochenen volksetymologischen Kategorien. Wird ein bereits einmal umgedeutetes Wort zu einem späteren Zeitpunkt erneut umgedeutet, kann man von serieller Volksetymologie sprechen. Das bekannteste dt. Beispiel dafür ist der Tiername Maulwurf m.: Die ursprüngliche Bezeichnung dürfte ein fürs Ahd. nicht belegtes Appellativ aengl. mŷwa, mŷha, mŷga ›Hügel, Haufen‹ enthalten haben. Das ahd. Kompositum mŷ(l)werf m. u.ä. (Starck/ Wells: 429) bedeutete demnach anfänglich ›Haufenwerfer‹. Als mhd. moltwërf(e) m. (Lexer 1872-1878/ 1970 I: 2195) wurde sein Bestimmungswort als mhd. molt(e) f. ›Staub, Erde‹ verstanden, der Tiername als ›Erdwerfer‹ remotiviert. Nhd. wird das Bestimmungswort des Kompositums erneut umgedeutet, so dass das Tier heute als ›Maulwerfer‹, d.h. Tier, das mit dem Maul Haufen wirft, erscheint (Kluge/ Seebold 2002: 606). Auch manche der Namen im Material des BENB wurden über die Zeit mehrfach umgedeutet. Die Mehrheit dieser Umdeutungen sind Schreiberdeutungen (vgl. 3.3.9), die jeweils nur ein einziges Mal in einem historischen Dokument erscheinen und keine Verbreitung fanden. Die späteren Deutungen haben daher nicht, wie beim Maulwurf, die früheren zur Grundlage. Der Name der Gemeinde I Meikirch ist erstmals 1208 (eventuell spätere Fälschung) als villa, que dicitur Mиnchilcha (FRB I: 500) überliefert (vgl. 3.3.3.4). 1528 erscheint in einer Urkunde die Schreibweise Meßkilchen (Rq7: 178), 1595 Meerkilchenn (Uk 2: 678), 1619 Mehrkilchen (A: Aarberg) und 1838 Meykirch bzw. Maykirch (Durheim II: 220; I: 4, II: 217). Einzelne dieser Schreibweisen scheinen den Namen mit schwzd. mee(r) ›mehr‹ (Id. IV: 362-368) zu deuten (BENB I/ 3: 264). Die stark divergierenden Formen schließen eine Umdeutung auf Basis einer jeweils vorausgehenden Form aus. Bamershalte, Bomershalte heißt ein Heimet in III Rüeggisberg. 1316 ist es als Wamburghalta bzw. (in einer Dorsualnotiz Walburghalta erstmals überliefert (FRB IV: 714). 1425 wird der Name in pro pascuis de warmehalta (K10: 133v), 1487 in j weÿd heist wannenhalt, das gоtt genannt wannenhalten (K10: 211r, 225v), 1533 als Ein ochsenweid genant Wammer- oder bammerhalten, wammer oder bammerhallten (U133: 80v, 81) erwähnt. Das BENB (I/ 4: 745-747) deutet den Namen ausgehend vom ersten bekannten Beleg vorsichtig als Bildung mit dem f. Personennamen <?page no="201"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 201 Wal(d)burg (Förstemann I: 347, 1502). Das in kurzen zeitlichen Abständen folgende Nebeneinander der Namenformen mit dem Adjektiv warm, dem Appellativ Wanne f. und schließlich als isolierter Namen zeigt, dass eine Deutung keinen Bezug auf die vorhergehenden nahm, sondern einen unverständlichen Namen jeweils unabhängig übernahm. Die heutige Namenform scheint eine formale Angleichung an Toponyme mit einem Besitzernamen im Genitiv im Bestimmungswort zu sein (BENB I/ 4, a.a.O.). Daneben bestehen aber Toponyme, die in relativ großem zeitlichem Abstand mehrfach umgedeutet wurden, wobei eine Umdeutung eine frühere voraussetzt. Hof ist der heutige Name zweier Heimet in II Bätterkinden. Eine urkundliche Nennung In Albineswilare et Perchtoldespuron 894 (FRB I: 256) ist vermutlich die Ersterwähnung des Namens. 1267 heißt es apud Bertorf (FRB II: 684), 1275 Berchtorf (FRB III: 134), 1380 von Berchdorf und von Berchtolf (FRB X: 102, 104). Bis ins 17. Jh. wechseln sich Nennungen auf -dorf und -dolf ab (BENB I/ 4: 276f.). 1603 wird der Hof Berdorff genannt (A: Landshut), 1664 der Hoof Berchdorff (A: Landshut), 1715/ 1739 erstmals der Berchdorffhoof, Berchdolfhoff (C3 IX: 664). 1784/ 1785 heißt es Bärtelshof, Berchtolds Hofen (C3 IX: 568), 1850 Berchtolshof, früher Berchdorf oder Berchdorfhof (JBe: 420, 511). Der TA verzeichnet 1879 den Berchtelshof (128), die LK nur noch den Hof (2000: 1127) das HLS dagegen weiterhin den Berchtoldshof (HLS digital: Bätterkinden, 2009-03-29). Gehört der Erstbeleg wirklich hierhin, 213 ist der Name eine Bildung mit dem Grundwort Büren, dem erstarrten Dativ Plural von ahd. bŷr n. ›(kleines) Haus, Wohnung, (Vorrats-)Kammer‹ (Starck/ Wells: 85) und dem ahd. Personennamen Berchtold (Förstemann I: 295f.) Das zweite Personennamenglied wurde früh in das Appellativ Dorf n., ein häufiges Grundwort von Siedlungsnamen, umgedeutet. Nach dem Abfall des ursprünglichen Grundworts Büren schwankt das jetzt als Grundwort wahrgenommene Namenglied zwischen diesem Appellativ und dem lautähnlichen Personennamenglied (t)-old (vgl. für einen ähnlichen Fall mit umgekehrten Vorzeichen Burgdorf, 3.3.12). Nachdem mit Hof (s. BENB I/ 2, 266ff.) ein weiteres lautähnliches Grundwort angehängt wird (das im heutigen Namen als einziger Bestandteil erhalten ist), setzt sich das Personennamenglied -told gegenüber dem Appellativ -dorf durch. Eine andere Form mehrfacher Volksetymologie ist die parallele Volksetymologie, bei der mehrere Elemente eines Namens separat umgedeutet werden. S. dazu 3.3.4.1. 213 Er könnte sich auch auf den Namen der Gemeinde II Büren zum Hof beziehen (LSG: 203). Da für jenen Namen jedoch anders als für den heutigen Hof in Utzenstorf kein weiterer entsprechender Beleg besteht, stellt ihn das BENB (I/ 4, unveröffentlicht) zu Letzterem. <?page no="202"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 202 3.3.16 Rückblick In Kapitel 3.3 wurden volksetymologische Beispiele im Untersuchungsgebiet anhand von Kategorien klassischer Prägung untersucht. Diese Kategorien sind nicht ausschließend, sondern vielmehr Einzelaspekte toponymischer Volksetymologie, wie die Nennung verschiedener Toponyme in mehr als einem Unterkapitel zeigt. Sie spiegeln die Geschichte des Untersuchungsgebiets seit seiner Besiedlung und beanspruchen keine generelle Gültigkeit für Untersuchungsgebiete mit historisch anderer Entwicklung. Kategorien ähnlicher Weise dürften sich aber für jedes andere Untersuchungsgebiet ebenso aufstellen lassen. Die Kategorien sind relativ eng gesteckt. Dennoch ist im vorliegenden Rahmen auch für diese klar umrissenen Kategorien eine Quantifizierung der entsprechenden Fälle nicht möglich. Einerseits bleibt die Schwierigkeit, eine Volksetymologie überhaupt sicher zu erkennen, auch bei einer genau definierten Untersuchungsgröße unverändert bestehen. Andererseits sind für manche (Unter-)Kategorien die Fallzahlen im Untersuchungsgebiet zu gering, um eine Aussage zu treffen. Ich habe auf Zahlenangaben grundsätzlich verzichtet, die Beispiele verstehen sich ausschließlich als Illustrationen der besprochenen Kategorien, die Untersuchung ist - wie in Kapitel 1 vermerkt - keine umfassende Volksetymologiesammlung. Dennoch sind in den einzelnen Kapiteln Aussagen über Auftretenshäufigkeiten bzw. -wahrscheinlichkeiten möglich. Wo es mir sinnvoll schien, habe ich auf die relative Auftretenswahrscheinlichkeit einer Kategorie im jeweiligen Abschnitt hingewiesen. Manche Konstellationen historischer sprachlicher, kultureller und wirtschaftlicher Umstände haben sich in der Untersuchung als fruchtbar für die Volksetymologie erwiesen, wobei gerade außersprachliche Faktoren in bestimmten historischen Phasen die volksetymologische Remotivierung begünstigen können (3.3.8). Mit Abstand am häufigsten volksetymologisch beeinflusst sind Toponyme, die im Bestimmungswort einen Personennamen enthalten (3.3.11). Dies trifft insbesondere auf alte Siedlungsnamen zu (3.3.5.1). Weniger häufig umgedeutet sind Flurnamen (3.3.5.3). Viele der volksetymologisch remotivierten Toponyme weisen eine lautliche Anpassung auf, die nicht-lautgesetzlich ist (3.3.3). Sie kann die Umdeutung sowohl auslösen als auch ihre Folge sein. Volksetymologien können aber auch relativ allgemein wahrgenommen werden, ohne dass das lautliche Material sie richtig stützt. Ein häufiges Phänomen ist die Reanalyse von Namen über die ursprünglichen Grenzen von Kompositionselementen hinaus: Insbesondere können Komposita als Simplicia gedeutet werden und umgekehrt (3.3.4). Üblicherweise gilt Isolation des Ausgangsworts (bzw. Namenelements; 3.3.1) als Voraussetzung für die Remotivierung. In der Untersuchung hat <?page no="203"?> 3.3 Volksetymologische Kategorien und Untersuchungseinheiten 203 sie sich jedoch nicht immer als unerlässlich erwiesen. Dies gilt insbesondere für intendierte Volksetymologien (3.3.14), wenn man sie wie in der vorliegenden Untersuchung aufgrund ihrer späteren Wirkung überhaupt zur Volksetymologie zählt (Olschansky 1996 klammert Intention in ihrer Definition von Volksetymologie gänzlich aus; s. 2.3.5). Voraussetzung der volksetymologischen Nobilitierung (3.3.8.5-3.3.8.7) ist geradezu ein Name, der appellativisch noch verständlich ist. Sehr verbreitet ist die Legitimierung einer Deutung mittels (ätiologischer) Sage oder in einem sprechenden Wappen (3.3.13). Auf diese Weise lassen sich auch semantisch abwegige Etymologien stützen. Neben die häufigsten Volksetymologien, deren Zielelement Appellative (bzw. Adjektive, Verben, selten andere Wortarten) sind, treten einzelne Fälle von volksetymologischer Umdeutung eines Namens bzw. Namenelements in einen anderen Namen (3.3.11). Während einzelne Volksetymologien allgemeine Gültigkeit erlangt haben, treten viele Deutungen nur bei einzelnen Sprecherinnen und Sprechern auf (3.3.9), manchmal auch bei diesen nur zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dazu gehören neben Angaben von Gewährspersonen (die manchmal Deutungen präsentieren, die überhaupt erst durch Nachfrage einer Exploratorin, eines Explorators entstehen) auch einmalige historische Schreibungen. Die besprochenen Urheberinnen und Urheber von Volksetymologien haben Toponyme aus ganz unterschiedlichen Motiven und unter Bedingungen, die stark von einander abweichen, gedeutet. Sie illustrieren dabei ein zentrales Element der Volksetymologie: Eine wirklich strikte Unterscheidung in (naive) Volksetymologie und wissenschaftliche Etymologie ist auf der Ebene der Vorgehensweise beim Etymologisieren kaum möglich (3.3.9.12). Die Anwendung der Untersuchungskategorien zeigt auch, wieso solche nicht ausschließend konstruiert werden können: Manche der Kategorien stehen in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis und fokussieren mit unterschiedlicher Perspektive auf einen gemeinsamen aussersprachlichen Zustand. So sind viele primäre Siedlungsnamen nicht nur älter als Flurnamen oder als sekundäre, aus primären Flurnamen entstandene Siedlungsnamen, sondern enthalten auch Personennamen, die in der Folge isoliert und damit offen für Volksetymologie wurden. Ebenso steht die Ursprungssprache eines Toponyms in Relation mit seinem Alter: Vordt. Toponyme (3.3.6) sind im größten Teil des Untersuchungsgebiets relativ alt (eine Ausnahme bildet der äußerste Westen), während alem. Namen bis in die Gegenwart gebildet werden. Der vordt. Ursprung von Toponymen seinerseits führt zu Isolation und damit möglicherweise zu Volksetymologie, doch ist diese Wirkung nicht zu unterscheiden von der Isolation alem. Namenelemente. Auch die geografische <?page no="204"?> 3 Volksetymologie in der Toponymie 204 Verteilung volksetymologisch beeinflusster Toponyme hängt tendenziell mit den historischen Sprachverhältnissen zusammen. Die in Kapitel 3.3 untersuchten Volksetymologien sind mehrheitlich nur schriftlich dokumentiert, Ausnahmen bilden die Angaben von Gewährspersonen (3.3.10). Die vorwiegend schriftliche Präsenz der untersuchten Namen übt selbstverständlich auch bedeutenden Einfluss auf ihre Wahrnehmung aus, der allerdings im Material des BENB kaum zu kontrollieren ist. Im folgenden Kapitel zu Namen im mentalen Lexikon stehen demgegenüber Namen in mündlicher Verwendung im Zentrum. War in Kapitel 3.3 die zentrale Frage das Was und Wann (Welche Namen werden wann, wo, von wem volksetymologisch verändert? ), so wechselt die Perspektive jetzt zum Wie und Warum (Wie funktioniert Volksetymologie bzw. wieso tritt sie überhaupt auf? ). Der Unterschied lässt sich auch fassen als Auslöser (Kapitel 3.3) und Mechanismen von Volksetymologie (Kapitel 4). <?page no="205"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons Der Untersuchungsgegenstand von Kapitel 3 waren die konkreten Auftretensformen toponymischer Volksetymologie (Welche Namen werden unter welchen Umständen volksetymologisch beeinflusst? ), steht im Zentrum von Kapitel 4 die Frage nach dem Wie der Remotivierung. Die Toponomastik geht implizit von einer relativ statischen Vorstellung des Lexikons (bzw. Onomastikons) aus, das als gegeben und unproblematisch angeschaut wird: Namen wie Appellative sind im Hirn gespeichert und abrufbar, die Art ihrer Speicherung und mögliche Verknüpfungen sind kaum ein Untersuchungsgegenstand. Bei der Erforschung von Namen interessiert die Toponomastik im Normalfall nicht die einzelne Äußerung, bei der ein Name physisch produziert, also ausgesprochen (oder geschrieben) wird, sondern eine als allgemeingültig vorgestellte bzw. eine ideale Version des entsprechenden Namens. 214 Dass toponymischeVolksetymologien tatsächlich nicht ausschließlich auf einer abstrakten, statischen Ebene zu untersuchen sind, haben schon Beispiele in den bisherigen Kapiteln gezeigt. Vielfach treten Volksetymologien von Namen nicht allgemein auf. Manche Volksetymologien sind puntkuelle Ereignisse, wenn eine Sprecherin, ein Sprecher aufgefordert wird, einen Namen zu deuten, den sie/ er normalerweise ohne bewusste Deutung verwendet, oder zwar dauerhaft, aber nur bei einzelnen Sprecherinnen bzw. Sprechern. Auch bei den schriftlichen historischen Namenbelegen treten einmalige Volksetymologien auf, die einem einzelnen Schreiber (allenfalls einer Schreiberin) zuzuordnen sind: als Hörmissverständnisse bzw. als volksetymologische Erklärungen unverstandener Namen. 214 Die Problematik dieser Annahme ergibt sich schon bei der Sammlung: Eine Gewährsperson gibt eine Namenlautung an, die vom Explorator möglichst mundartnah, d.h. phonetisch notiert wird. Nennt eine zweite Gewährsperson denselben Namen, resultiert daraus nicht selten eine abweichende Lautung. Lautabweichungen resultieren aber selbst bei einzelnen Gewährspersonen bei mehrfacher Befragung, wie Komposita mit gemeinsamem Element zeigen. So gibt es in II Krauchthal neben dem áεbi (Wald) und dem aεbilóx (Kulturland), auch haεp▪lóx, den (h)aεp▪axx″r (ebenfalls Kulturland), die im Grundwort zweifellos alle das Toponym Aspi ›Stelle mit Espen‹ (BENB I/ 1: 47) tragen. Auch die Unterschiede zwischen dem Dorf l▪″biw↕u und dem Quartier li″bif ud, die im Abstand von etwa 5 km beide in der Gemeinde III Köniz liegen, erklärt sich kaum durch tatsächliche Ausspracheunterschiede. Vgl. auch die verschiedenen Formen für Mumplischuur (3.3.9.6). Es handelt sich also nur um Abweichungen in der Aussprache der Gewährspersonen Die Annahme einer gültigen Lautform der Toponyme erweist sich als grundlegend problematisch. <?page no="206"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 206 Volksetymologieforschung und Onomastik sind sich einig, dass Namen im synchronen Sprachgebrauch von ihrer diachronen Etymologie abweichen, d.h. isoliert oder volksetymologisch verändert werden können und so gesehen zumindest diachron nicht statisch sind. Solche ›Fehlleistungen‹ können, wenn sie von einer Sprechergruppe übernommen werden, zu einer dauerhaften Veränderung von Namen bzw. ihrer Deutung führen. Volksetymologie wird sprachwissenschaftlich als sekundäre Motivation oder auch als Delexikalisierung beschrieben. Die Namenforschung als philologische Disziplin beschäftigt sich üblicherweise kaum mit Kognition, mit der Repräsentation der Sprache bzw. von Wörtern im Hirn, den Mechanismen des Abrufens von Wörtern beim Sprechen, Hören, Schreiben und Lesen, den Prozessen der Wortbildung, mit Psycholinguistik. 215 Zumindest für die philologische Toponomastik lässt sich sagen, dass die kognitive Wende der 1960er Jahre (Bernhard 2004: 92) bisher kaum Auswirkungen hatte: Sie hat bisher nicht nach den psycholinguistischen Ursachen von Phänomenen wie der Volksetymologie und dabei möglicherweise auftretenden Regelmäßigkeiten gefragt, sondern Regelmäßigkeiten an der Oberfläche gesucht und kategorisiert. Im Folgenden möchte ich aufzeigen, wie die Theorie des mentalen Lexikons gerade im Bereich der Volksetymologie Gewinn bringend auf die Toponomastik anwendbar sein könnte. Wenn Grundannahmen zum mentalen Lexikon stimmen, dann ist die Speicherung von Namen in einem Netzwerk mit anderen Namen und vor allem Appellativen Tatsache, die Umdeutung isolierter Namen zumindest bei einzelnen Sprecherinnen oder Sprechern quasi unvermeidbar. Es ließen sich dann möglicherweise sogar gewisse Vorhersagen über die Anlehnung von Namen an Appellative machen. Umgekehrt dürfte die Beschäftigung mit Namen als besonderer Wortkategorie (vgl. 2.4.1) auch für die Forschung zum mentalen Lexikon interessant sein: Gerade Toponyme sind mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit Lexikoneinträge, deren Wortart und Bedeutung eine Rezipientin, ein Rezipient (Hörerin, Leser) sich zuerst erschließen muss. Handelt es sich um einen appellativisch nicht verständlichen Namen, dürfte erst spät die Feststellung erfolgen, dass es sich um ein (der Rezipientin, dem Rezipienten unter Umständen bisher unbekanntes) Toponym handelt. 216 Namen könnten sich also eignen, Mechanismen der mentalen Speicherung und des Abrufens aufzuzeigen. Die Relevanz der Volksetymologie für die Forschung zum mentalen Lexikon zeigt Béguelin (2000: 2) anhand eines appellativischen Beispiels: 215 Eine Ausnahme bilden etwa Ernst (2005) und Ernst (2008). 216 Nachdem alle im Lauf der Wahrnehmung des Worts verfügbaren Informationen nicht zur Erkenntnis einer appellativischen Verwendbarkeit des Worts geführt haben (Aitchison 2003: 235; 1997: 283). <?page no="207"?> 4.1 Das mentale Lexikon 207 Sie berichtet von einem Franzosen, der die Appellative tennisman m. ›Tennisspieler‹ und mélomane m. ›Musikliebhaber‹ als etymologisch zusammengehörig analysiert. Zwar liegt er dabei diachron falsch, doch zeigt er auch auf, wie lexikalisches Wissen organisiert ist. Legt man einer Arbeit zur Volksetymologie die Theorie des mentalen Lexikons zugrunde, beeinflusst dies den Aufbau der gesamten Untersuchung. Ich habe bewusst darauf verzichtet, das mentale Lexikon ins Zentrum der vorliegenden Dissertation zu stellen. Vielmehr können die beiden Untersuchungsteile (Kapitel 3 und 4) als getrennte Untersuchungen gesehen werden, deren Thema (Volksetymologie) und Untersuchungseinheiten (die einzelnen Namen) sich decken. Die traditionelle und die neuere Herangehensweise stehen nebeneinander, ohne dass eine für die Volksetymologie noch nicht ausgereifte Perspektive die gewohnte Sichtweise ersetzt. 4.1 Das mentale Lexikon Das mentale Lexikon ist der menschliche Wortspeicher, das Lexikon im Kopf, in dem jeder Mensch alle Wörter, die er beim Sprechen und Schreiben, beim Hören und Lesen braucht, ebenso wie die Elemente für alle Wörter, die er jemals brauchen könnte, speichert. 217 Grundfragen der Forschung sind: Wie ist es möglich, dass Menschen Tausende von Wörtern in ihrem Gedächtnis so speichern, dass sie als Sprachproduzentinnen bzw. -produzenten (beim Sprechen oder Schreiben) im Normalfall nicht zuerst nach ihnen suchen müssen? Wie funktioniert es, dass Rezipientinnen bzw. Rezipienten (Hörerinnen, Leser) Wörter selbst dann ohne langes Überlegen erkennen, wenn sie verstümmelt sind? Und wie können mit diesem Wissen unbegrenzt viele neue Wörter sowohl gebildet als auch verstanden werden, obwohl sie noch nie zuvor ein Mensch verwendet hat? 217 Der Terminus mentales Lexikon stützt sich auf das Bild eines gedruckten Wörterbuchs bzw. Lexikons. Die Forschung der vergangenen Jahrzehnte hat jedoch gezeigt, dass man sich die mentale Organisation des Lexikons nicht wie ein gedrucktes Wörterbuch mit seinen starken Vereinfachungen (etwa der alphabetischen Auflistung und der unveränderlichen Laut-Buchstaben-Zuordnung) vorstellen kann. Das mentale Lexikon ist ein hochkomplexes System. Die Benennung als Lexikon hat nach heutigem Verständnis etwas Irreführendes, doch hat sich der Begriff in der Diskussion so weit eingebürgert, dass er nicht einfach ersetzt werden kann. »Der Begriff ›mentales Lexikon‹ sollte in zunehmendem Maße als blosse Metapher betrachtet werden. Das Gewimmel von aufblitzenden und wieder verblassenden lexikalischen Verbindungen im Kopf ist weit entfernt von dem, was wir uns normalerweise unter einem Wörterbuch oder Lexikon vorstellen.« (Aitchison 2003: 248; 1997: 300f.). Diese terminologischen Schwierigkeiten finden eine Parallele in den fast unbegrenzten Vorschlägen zu einer Neubenennung des Phänomens Volksetymologie (2.2.3). <?page no="208"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 208 Die Forschung zum mentalen Lexikon ist ein Teilbereich der Psycholinguistik, entsprechende Untersuchungen basieren größtenteils auf Experimenten bzw. auf Sammlungen von Sprachfehlern im spontanen Sprachgebrauch und bei Aphasikerinnen und Aphasikern. 218 In ihrer Einführung ins mentale Lexikon kommt Aitchison (2003) 219 nach der Auswertung zahlreicher Studien zu folgenden zentralen Erkenntnissen betreffend Aufbau und Funktionsweise des mentalen Lexikons: 220 • Wörter sind im mentalen Lexikon als Ganzes gespeichert (sie werden also nicht beim Sprechen aus separat gespeicherten Phonemen oder Morphemen gebildet). Nur Flexikonsmorpheme sind vermutlich als eigene Einträge gespeichert (2003: 134; 1997: 169f.). • Das Lemma eines Worts (Bedeutung und Wortart) und die Wortform (die zugehörige Lautung) sind als eng verknüpfte ›Module‹ gespeichert. Fehler bei der Wortsuche (Fälle, in denen einer Sprecherin, einem Sprecher semantisch klar ist, was sie/ er sagen möchte, sie/ er aber die entsprechende Lautfolge (das Wort) dafür nicht findet) zeigen, dass Bedeutung und Lautung nicht als Einheit gespeichert sind (2003: 220; 1997: 263). • Neben den Modulen für Lemma und Wortform umfasst das mentale Lexikon ein Modul für die Wortbildung (2003: 175f.; 1997: 206f.). • Manche Merkmale der einzelnen Module sind im mentalen Lexikon tiefer eingeprägt als andere. So kann man sich an Anfang und Ende der Lautung eines Worts besser erinnern als an den Mittelteil (2003: 138; 1997: 175); manche Bedeutungskomponenten eines Worts sind im Lexikon leichter auffindbar als andere (2003: 65; 1997: 79f.). Ausgehend von diesen im Lexikon leichter auffindbaren Wortkomponenten werden Wörter bei der Produktion wie bei der Rezeption erschlossen. • Die Wörter innerhalb eines Moduls (Bedeutung und Wortart bzw. Lautform) sind in einem vielgestaltigen Netz angeordnet, wobei die 218 S. Rummer/ Engelkamp (2005: 1713) für einen Überblick über den Forschungsstand zum mentalen Lexikon und die Erkenntnise sowie zu den allgemeinpsychologischen, neurophysiologischen und neuropsychologischen Versuchsanlagen (insbesondere im Zusammenhang mit Personen mit Aphasien), mit denen versucht wird, Annahmen zur Struktur des mentalen Lexikons zu überprüfen. 219 Das Buch arbeitet ausschließlich mit mündlichem Sprachmaterial, das mentale Lexikon ist aber natürlich auch auf schriftliche Sprache anwendbar. Die deutsche Übersetzung der zweiten Auflage von 1994 durch Martina Wiese (Aitchison 1997) ist um deutsche Beispiele ergänzt. 220 Hier aufgelistet werden nur Aspekte, die für die folgende Untersuchung von Interesse sind bzw. sein können. Wo nicht anders vermerkt, beziehe ich mich in der folgenden Aufzählung auf Aitchison (2003), ergänzt durch zusätzliche Literaturangaben. <?page no="209"?> 4.1 Das mentale Lexikon 209 Wörter keine im Gehirn klar lokalisierbaren Speicherplätze haben. Manche Verbindungen sind dauerhaft, andere werden punktuell hergestellt. Auf semantischer Ebene sind Wörter in semantischen Feldern angeordnet, wie Assoziationstests zeigen. Besonders enge Verbindungen zeigen Konjunkte (Salz, Pfeffer und Senf; rot und blau; Montag und Dienstag) und kollokative Verbindungen (Salz und Wasser) (2003: 101; 1997: 125). Auf Lautebene sind vor allem Wörter mit gleicher Wortlänge, gleichem Rhythmus und ähnlicher Lautung eng beieinander gespeichert (2003: 147; 1997: 188). • Außersprachliche Hintergrundinformationen zu Wörtern werden in einem Nebenspeicher abgelegt (2003: 135f.; 1997: 171). Z.B. gibt es Menschen engl. Muttersprache, die im Siedlungsnamen Plymouth nicht die Bedeutung ›Stadt an der Mündung des Flusses Plym‹ mit dem Gewässernamen Plym und dem Appellativ engl. mouth ›Mündung‹ erkennen. Das Wort wird von ihnen nicht analysiert, sondern als Gesamtheit wahrgenommen. Dieselben Personen können Dartmouth und Exmouth dagegen richtig als Städte an den Mündungen von Dart und Exe erkennen. Sobald sie aber auf einer Landkarte den Fluss Plym sehen, analysieren sie den Namen entsprechend und speichern diese Information im Nebenspeicher ab, der sich also ständig weiterentwickelt. • Es gibt sprachspezifische Unterschiede im mentalen Lexikon, die sich wahrscheinlich durch den Sprachtyp (z.B. flektierend, agglutinierend) oder den Sprachrhythmus erklären lassen (2003: 254f.; 1997: 306-308). 221 221 Auf einige grundlegende sprachspezifische Eigenheiten weist Zuckermann (2005: 223, 237-240) hin: In Sprachen wie dem Israeli (der Bezeichnung, die er für das Neuhebräische oder Ivrit bevorzugt) erlaubt es die Apophonie (die konsequente Anwendung des Ablauts in sem. Sprachen), Wörter mit gleichen Konsonantenwurzeln leicht auch mit etymologisch nicht verwandten Wörtern mit ähnlichen Konsonantenwurzeln in Verbindung zu bringen. In Sprachen mit phono-logographischer Schrift (z.B. dem Chin.) ist es aufgrund des immer schon sinnhaften Zeicheninventars gar nicht möglich, Neologismen ohne semantische Bezugnahme auf andere, bereits existierende Wörter zu schaffen. Diese Tatsache wurde in China gerade bei den Ländernamen lange Zeit in einer dem betreffenden Land schmeichelnden Weise angewandt (vgl. 3.3.8.5), während man heute dazu eher ungebräuchliche Schriftzeichen gleichen Lautwerts verwendet, um semantische Verwirrung zu minimieren (Zuckermann 2005: 248f.). <?page no="210"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 210 • Sprachversuche mit semantischem Priming 222 (Bahnen) zeigen, dass das Umfeld, in dem ein Wort geäußert wird, dessen Wahrnehmung beeinflussen kann: Der Kontext aktiviert bestimmte Wortbedeutungen bzw. die Wahl bestimmter Wörter vor (2003: 24f.; 1997: 30f.). Tests zeigen jedoch, dass bei polysemen bzw. homonymen Wörtern selbst im Kontext völlig unsinnige Bedeutungen voraktiviert werden (2003: 234; 1997: 282). • Produzieren und Erkennen von Wörtern sind gewissermaßen Spiegelbilder: Beim Produzieren wählt man die Bedeutung vor der Lautung, beim Erkennen erschließt man sich die Bedeutung aus der Lautung (2003: 2215; 1997: 257). • Während beim Sprechen die Schwierigkeit darin besteht, einer Bedeutung die richtige Lautfolge zuzuweisen (woraus Sprechfehler entstehen), liegt die Schwierigkeit des Hörens in der unvollständigen Lautwahrnehmung: Eine Sprecherin, ein Sprecher kann pro Sekunde deutlich mehr Lautsegmente produzieren, als das Hirn einer Hörerin, eines Hörers verarbeiten kann. Entsprechend basiert Verstehen zu einem guten Teil auf Vermuten und Erraten (2003: 227f.; 1997: 272f.), Fehler und Qualitätsmängel im Sprachsignal (nichtoptimale Bedingungen der Kommunikation) können ›überhört‹ und ausgeglichen werden (Herrmann/ Fiebach 2005: 13). • Die Worterkennung besteht aus zwei Aufgaben: Einerseits muss der Redefluss in Wörter segmentiert, andererseits müssen diese Wörter danach identifiziert werden. Aus der Tatsache, dass Verhörer meistens nur Einzelwörter und nicht Phrasen betreffen, ist zu schließen, dass vor allem die zweite Stufe schwierig ist (2003: 229; 1997: 274). 223 • Nach heute gängiger Lehrmeinung werden Wörter, die in Frage kommen, beim Hören nicht seriell im mentalen Lexikon abgefragt und geprüft, sondern parallel. Dabei schränkt sowohl die zunehmende Kenntnis des Wortlauts (die, wie Tests zeigen, nicht so eindeutig ist, wie man meinen könnte; 2003: 227f.; 1997: 272f.) die semantische Auswahl ein als auch umgekehrt (2003: 237; 1997: 285). 222 Ein Verfahren, das ursprünglich aus der Psychologie stammt (vgl. seine Anwendung in der Sozialpsychologie; Bargh/ Chen/ Burrows (1996)). Dabei wird in einer Gesprächssituation ein semantischer Kontext geschaffen. Anschließend wird die Reaktionszeit auf bestimmte Wörter (Dauer bis zum Erkennen bzw. bis zum Ablehnen von Pseudowörtern) gemessen. Passt ein Wort in den Kontext, verkürzt sich die Reaktionszeit, andernfalls nicht. 223 Allerdings gibt es wie gezeigt eine Reihe von Namen, die von Gewährspersonen als Phrasen resegmentiert wurden, obwohl sie diachron gesehen nur Komposita sind. Die Identifikation der Wörter ist also nicht frei von Schwierigkeiten. <?page no="211"?> 4.1 Das mentale Lexikon 211 • Die erste wichtige Information für das Verarbeiten von Sprache scheint die syntaktische zu sein, sie geht der semantischen voraus (Herrmann/ Fiebach 2005: 40). • Das Verstehen von Wörtern fängt also schon an, bevor ein Wort zu Ende gehört (bzw. gelesen) wurde. Gating nennt sich ein Testverfahren, bei dem Testpersonen nur 25-Millisekunden-Segmente von Wörtern vorgespielt werden, um herauszufinden, zu welchem Zeitpunkt sie welche Wörter erkennen (2003: 25; 1997: 32). • 200 Millisekunden nach Beginn der Präsentation eines Worts unterscheidet sich die Verarbeitung existierender Wörter noch nicht von derjenigen von (aussprechbaren) Pseudowörtern (Herrmann/ Fiebach 2005: 30f.). • Lautzeichen mit (im Mittel) nicht mehr als sieben Segmenten können als solche im Kurzzeitgedächtnis gut memoriert werden. Längere akustische Ketten werden für das Kurzzeitgedächtnis in der Regel segmentiert, entweder in Silben oder bereits in Morpheme und Lexeme mit Bedeutungshaftigkeit. Letzteres heißt nicht zwingend, dass die Bedeutung für die Speicherung im Kurzzeitgedächtnis dominant wird (Bernhard 2004: 93). Vielmehr besteht eine »natürliche Erwartung, in einem Worte, welches seiner Lautgestalt nach den Eindruck eines Kompositums macht, auch bekannte Elemente zu finden.« (Paul 1886: 219). • Die Identifikation bekannten Sprachmaterials in neuem Sprachmaterial (etwa in fremdsprachigen Ausdrücken) lässt sich als eine Art sprachliche Primärökonomie verstehen (Bernhard 2004: 96). • Die Identifikation eines Signifiants in einem Wort muss nicht auch zur Gleichsetzung der Signifiés führen: ital. marzapane und frz. massepain ›Marzipan‹, die das jeweilige Signifiant für ›Brot‹ enthalten, erleichtern in erster Linie die Speicherung des Worts im Langzeitgedächtnis, ohne dass die Bedeutung ›Brot‹ dominant werden muss (Bernhard 2004: 95). • Das mentale Lexikon funktioniert mit einer so hohen Geschwindigkeit, dass sie selbst mit modernen bildgebenden Verfahren nicht abgebildet werden kann (Herrmann/ Fiebach 2005: 24). • Die Kenntnis von Zweitsprachen hat einen - in seinem Ausmaß nicht ganz klaren (Rummer/ Engelkamp 2005: 1719) - Einfluss auf das mentale Lexikon der Erstsprache (2003: 255; 1997: 308f.). Ebenfalls nicht ohne Einfluss bleiben dürften Kenntnisse verschiedener Sprachvarietäten wie mehrerer Dialekte. <?page no="212"?> 4.2 Die Bedeutung des mentalen Lexikons für die Erforschung toponymischer Volksetymologie Das mentale Lexikon ist ein Forschungsgebiet, das von einer Vielzahl Forschender seit vielen Jahren untersucht wird. Entsprechend umfangreich ist die Literatur zum Thema, und die Forschung hat sich in spezifische Untergebiete ausdifferenziert. Während die Psycholinguistik auch schon einige Untersuchungen zu Namen im mentalen Lexikon vorgelegt hat, betritt die Toponomastik hier noch Neuland. Im Folgenden möchte ich Überlegungen dazu anzustellen, wo sich aus Sicht der Toponomastik Anknüpfungspunkte an das mentale Lexikon ergeben. Für ein tieferes Vordringen in den bisher noch kaum bearbeiteten Überschneidungsbereich der beiden wissenschaftlichen Disziplinen ist der Rahmen meiner Dissertation dagegen zu eng gesteckt. Die folgenden Annahmen zu toponymischer Volksetymologie als Untersuchungsgegenstand des mentalen Lexikons verstehen sich daher nicht als ausgereifte Theorie. Sie sind vielmehr erste Überlegungen, inwiefern die Erkenntnisse der Forschung zum mentalen Lexikon die toponymische Volksetymologieforschung beeinflussen und welche neuen Erkenntnisse daraus resultieren könnten. Die Beschäftigung mit toponymischer Volksetymologie unter Gesichtspunkten des mentalen Lexikons dürfte dazu führen, dass einige Resultate der bisherigen Beschäftigung mit Volksetymologie revidiert werden müssen. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Herangehensweise liegt aber nicht in den zu erwartenden Untersuchungsresultaten, sondern in der Fragestellung selbst: War die interessierende Größe bis hierher das Was (Wann), steht jetzt das Wie (Warum) im Zentrum. 4.2.1 Volksetymologie als Sprachrezeptionsphänomen Bei der Untersuchung toponymischer Volksetymologie als Phänomen des mentalen Lexikons ist von einem Auslöser auf Seiten der Sprachrezeption auszugehen: 224 Eine Sprachproduzentin, ein Sprachproduzent mag einen Namen objektiv so verändern, dass ihn jede einzelne Hörerin, jeder einzelne Hörer entsprechend interpretieren würde. Die Gründe dafür wären psycholinguistisch zu untersuchen. Die Hauptfehlerkategorien sind Montage- und Selektionsfehler (Aitchison 2003: 19; 1997: 23). Ein heute Mettmestiig genanntes Heimet in III Sigriswil wird 1314 als ze Mentmenstig (FRB IV: 597) erstmals erwähnt. Das BENB (I/ 3: 249f.) deutet den Na- 224 Auf Grundlage der Grammatikalisierungstheorie kommt auch Harnisch (2004: 226) zum Schluss, Volksetymologie sei ein Hörer-, kein Sprecherbedürfnis (vgl. 2.2.2.7). 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 212 <?page no="213"?> 4.2 Die Erforschung toponymischer Volksetymologie 213 men mit dem Adjektiv ahd. mëtemo ›mittler(er)‹ (Starck/ Wells: 411). Der Schreiber, der 1524-1580 sechs Jucharten ackers und mad genantt mettmans stig (U169: 110b) schrieb, hat im Namen offenbar einen Familiennamen oder Personennamen Mettmann im Genitiv wahrgenommen (der allerdings historisch im Kanton Bern nicht belegt ist). Nur historisch belegt ist ein etymologisch bisher nicht sicher gedeuteter Name aus I Finsterhennen: 1525 heißt es ein halb Juchart genant Pfungenried (U20: 394). Seine Nennung als Im gefundenen Ried 1533 (U24: 140v) dürfte jedenfalls eine Volksetymologie sein (BENB I/ 4: 305). 225 Diese ›Fehler‹ können nicht erst beim Produzieren entstanden sein, sondern müssen schon in der Rezeption (Bernhard 2004: 94 spricht von akustischer Primärwahrnehmung) der (späteren) Produzenten angelegt worden sein. 226 Handelte es sich bei einer veränderten Namenform lediglich um einen Versprecher (bzw. eine Verschreibung), dürfte der Sprecherin, dem Sprecher diese ›Fehlleistung‹ bewusst sein (der Schreiber von mettmans stig hätte sich also korrigieren können): Eine Sprachproduzentin, ein Sprachproduzent selektiert zuerst die Bedeutung, die sie/ er ausdrücken will (im Beispiel: ›Toponym, das den Ort Mettmestiig bezeichnet‹) und gibt ihr dann eine Lautbzw. Schriftform. Die Bedeutung verändert sich für sie/ ihn durch die Wahl der Form nicht. Die Umdeutung kann nur in der Rezeption stattfinden. Schreibt der Produzent also mettmans stig statt Mettmenstig , Im gefundenen Ried statt Pfungenried , gibt er damit auch einen Hinweis auf die semantischen Strukturen, in denen er den Namen (als ursprünglicher Rezipient) eingebunden hat (Béguelin 2000: 6): Er verbindet das Appellativ mhd. Au f. ›Gelände am Wasser‹ mit dem lautlich ähnlichen Appellativ lat. aqua f. ›Wasser‹. 227 Der Hinweis zeigt, in welche Zielrichtung eine Umdeutung denkbar ist. Aber er ist ein einmaliger ›Fehler‹, der die Bedeutung des ganzen Namens nicht tangiert. Demgegenüber geht die Sprachrezipientin, der Sprachrezipient von der ihr/ ihm repräsentierten Lautform (bzw. der Schriftform) aus und kann tatsächlich den Namen appellativisch interpretieren. Korrigiert sie/ er sich und erkennt einen Namen, hat er seine Elemente dennoch semantisch mit ähnlich lautenden Appellativen in einem Netzwerk gespeichert, wie das 225 Selbstverständlich sind neben diesem schriftlichen auch mündliche Beispiele möglich; da jedoch im Material des BENB Spontannennungen mit entsprechenden Fehlern fehlen, bleiben nur konstruierte Beispiele. Denkbar wäre etwa, dass eine Sprecherin, ein Sprecher statt von Mühledorf von *Mühlestadt spräche. 226 Vorausgesetzt, es war nicht die bewusste Entscheidung des Schreibers, dem (ihm möglicherweise unverständlichen) Namen eine neue bzw. eindeutige Bedeutung zu geben. Diese bewusste Etymologisierung ist durchaus nicht ausgeschlossen. 227 Vermutlich beruht der Fehler nicht auf der semantischen, sondern auf der lautlichen Ähnlichkeit der beiden Appellative, sofern es sich nicht ohnehin um eine Übersetzung handelt. <?page no="214"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 214 obige Beispiel der Sprecherin bzw. des Sprechers (die/ der ja zuerst auch eine Hörerin/ ein Hörer war) zeigt. Im Ortsverzeichnis von BENB (I/ 1: 36*; I/ 2: 26*; I/ 3: XXIX) findet sich ein aktueller, wenn auch schriftlicher Fehler: An Stelle von Gottstatt (Gemeinde I Orpund) steht dort die Fehlschreibung Gottstadt. Der Fehler manifestiert sich zwar erst beim Schreiben, die Umdeutung muss die Schreiberin, der Schreiber aber schon vorher durchgeführt haben, als sie/ er selbst den Namen rezipierte. Deutlicher wird das in Fällen, wo die Sprecherin, der Sprecher nur undeutlich spricht bzw. ein der Hörerin/ dem Hörer unbekanntes Wort (einen Namen) sagt. Resultiert daraus ein appellativisch verständliches Wort (ein in seinen Komponenten verständlicher Name), liegt die Interpretationsleistung eindeutig bei der Rezipientin, beim Rezipienten. 4.2.2 Namen im mentalen Lexikon Man muss sich vermutlich vorstellen, dass Namen im mentalen Lexikon eine eigene Ausprägung des Moduls ›Bedeutung/ Wortart‹ bilden. Präziser: Eigennamen sind ein Teil der Wortklasse Nomina (Substantive), bilden aber innerhalb der Subklasse der Konkreta eine Sub-Subklasse. Die Ergebnisse psycholinguistischer Untersuchungen zu Namen können das zwar allein nicht beweisen, sind aber immerhin ein gewichtiger Hinweis (Müller/ Kutas 1997: 147, 166): Eigennamen zeigen eine besondere Anfälligkeit für Gedächtnisfehler. Während man sich an andere biografische Details einer Person gut erinnert, ist es schwieriger, sich ihren Namen zu merken (Müller/ Kutas 1997: 154). Eine Reihe von Fallbeschreibungen beschäftigt sich mit Aphasikerinnen und Aphasikern, die nach einer Hirnschädigung unter einer spezifischen Beeinträchtigung des Namengedächtnisses litten (Müller/ Kutas 1997: 148). Bekannt und in der Literatur gut beschrieben ist insbesondere die so genannte Color-name aphasia. Betroffene haben bei der Wahrnehmung von Farben keine Schwierigkeiten (sind also nicht farbenblind oder -schwach), können diese jedoch nicht benennen (Geschwind/ Fusillon 1997: 272f.). Empirische Evidenz weist also darauf hin, dass die Einteilung in Namen und Appellative tatsächlich kognitiven Strukturen entspricht, Namen separat repräsentiert und verarbeitet werden (Ernst 2005: 43, Anmerkung 4). Die bis in die Antike zurückreichende sprachtheoretische und philosophische Sonderstellung der Eigennamen lässt sich damit durchaus kognitionswissenschaftlich rechtfertigen (Müller/ Kutas 1997: 147; vgl. auch. 2.4.1). Eigennamen ihrerseits lassen sich in mehrere Untergruppen aufteilen (Müller/ Kutas 1997: 149): • einfache Propria (z.B. der Vorname Elke); • Komposita (z.B. Kurfürstendamm); <?page no="215"?> 4.2 Die Erforschung toponymischer Volksetymologie 215 • Eigennamen, die aus Gattungsbezeichnungen entstanden sind (z.B. Schneider); • zu Eigennamen gewordene Kombinationen von Adjektiv und Appellativ (z.B. der Große Wagen); • phraseologische Eigennamen (z.B. Kap der Guten Hoffnung); • Warennamen (z.B. Tempo; aus ihnen können auch Gattungsbezeichnungen werden; vgl. 2.4.1.1). Der Großteil der Toponyme, insbesondere die Mehrheit der eigentlichen Flurnamen, ist zu den Eigennamen, die aus Gattungsbezeichnungen entstanden sind, zu zählen. Namen im Lexikon haben mehrere Stufen von Markern. Für Personennamen wird z.B. das Genus abgespeichert. Toponyme sind im Namenspeicher mit dem Marker {loc} ›Toponym‹ gespeichert, der seinerseits Untermarker haben kann. Die Repräsentation von Germany ›Deutschland‹ im Lexikon muss man sich also folgendermaßen vorstellen: { R {loc{country}}}, wobei R ›Name‹ bedeutet, loc ›Toponym‹ und country ›Ländername‹ (alles nach Anderson 2007: 295, 303). Je tiefer eingeschachtelt eine Information ist, desto weniger zentral ist sie für einen Namen. 228 Zurückkehrend zu den Beispielen von 2.4.1.3 bedeutet das: Bern wird repräsentiert als { R {loc}city}}, tiefere Verschachtelungen würden dann die genaue Stadt ausweisen. Zu den im Nebenspeicher abgelegten Hintergrundinformationen zu Namen gehört das Wissen, dass Toponyme appellativisch nicht verständlich sein müssen (vgl. 2.4.1.2). Damit ließe sich erklären, wieso selbst bis heute problemlos verständliche Toponyme verschliffen und isoliert werden. Das Bestimmungswort des Solothurner Gemeinde names Flumenthal ist heute unverständlich. Bis ins 14. Jh. heißt der Ort Blumental u.ä. Der Name wird vom SONB (I: 292-297) als Bildung mit dem Appellativ ahd. bluomo m. ›Ertrag einer Wiese‹, bluoma f. ›Blume‹ oder einem ahd. Personennamen *Bluomo m. (nach LSG 2005: 361 möglicherweise auch Bluoma f.) gedeutet. Als *Blumenthal wäre der Name bis heute in der Bedeutung ›Tal mit Blumen‹ verständlich. Die Hintergrundinformationen zu Namen umfassen aber ebenso das Wissen, dass Toponyme vielfach appellativisch verständlich sind. Andernfalls ist schwer erklärbar, wieso isolierte, unverständliche Namen remotiviert 228 Anderson (2007, a.a.O.) weist interessanterweise auf Sprachen hin, in denen die genannten Marker durch ein entsprechendes Phonem bzw. Semem im Laut ausgedrückt werden, Toponyme also immer als solche zu erkennen sind. <?page no="216"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 216 werden, wenn sie im Kontext längerfristig (also nicht beim einmaligen Gebrauch) als Namen erkennbar sind. 229 Zum Hintergrundwissen über Toponyme dürfte schließlich die Kenntnis typischer toponymischer Elemente gehören, insbesondere von Grundwörtern bzw. Suffixen wie -ach, -bach, -berg, -hausen, -häuser(e)n, -heim, -hofen, -iko(fe)n, -i(n)gen, -tal, aber auch von Zusätzen wie Hinter-, Nieder-, Ober-, Vorder-, Unter-. Die Umdeutung von Namen zu einem dieser Elemente hin muss durch Priming ausgelöst werden: Nur der toponymische Kontext lässt bei ansonsten appellativisch unverständlichen Wörtern an diese Elemente statt an allgemeine Appellative denken. Dieses Hintergrundwissen erklärt etwa die Schreibweise Hinterfingen für die Gemeinde III Hilterfingen in einem Dokument des Kantons Bern. 230 Eine Umdeutung mit demselben Ziel tritt historisch auch für den Namen der Gemeinde V Interlaken auf (vgl. 3.3.1). Der Name der Gemeinde II Heimenhausen, laut BENB (I/ 2: 229) mit einem ahd. Personennamen Haimo (Förstemann I: 731) gebildet, lässt sich vermutlich problemlos in eine (pleonastische) Bildung mit dem Appellativ schwzd., nhd. Heim n. umdeuten, das als Grundwort von Siedlungsnamen verbreitet ist. Versuche zur Untersuchung von Toponymen im mentalen Lexikon könnten zu folgenden Ergebnissen führen: • Der Rezipientin, dem Rezipienten unbekannte Toponyme, die appellativisch nicht verständlich 231 sind (Beispiel: Bätterich), müssten bei völlig kontextloser Nennung zu einer längeren Reaktionszeit und letztlich zu einer Ablehnung als Pseudowörter führen. • Dieselben Toponyme in einem Kontext ohne semantisches Priming (Beispielsatz: »Ich sehe Bätterich.«) müssten nach einer etwas verkürzten, aber im Vergleich zu Appellativen immer noch längeren Reaktionszeit zu einer Bestätigung als Wort führen. • Dieselben Toponyme in einem Kontext mit Bahnung (Beispielsatz: »Zwischen Unterseen und der Beatenbucht liegt Bätterich«) müssten zu einer relativ kurzen Reaktionszeit führen, weil das Kontextwissen über Toponyme aktiviert ist. 229 Allerdings weist schon Andresen (1899: 5; vgl. 2.3.1.1) darauf hin, dass selbst Homonymie zwischen einem isolierten Wort und einem etymologisch nicht verwandten anderen Wort nicht zwingend zu einer Identifikation des isolierten Worts mit der fremden Wortfamilien führen muss. 230 http: / / www.jgk.be/ ch/ site/ agr_aktuell_raumplanung_publikationstext.pdf (2009- 03-23); nach Ausweis einer Internetrecherche auch in anderen Fällen belegt. 231 Sie dürften den (aussprechbaren) Pseudowörtern entsprechen; appellativisch verständlich meint hier nicht ausschließlich eine diachron korrekte Etymologie, sondern ebenso appellativische Verständlichkeit durch Remotivierung. <?page no="217"?> 4.2 Die Erforschung toponymischer Volksetymologie 217 Müller/ Kutas (1997) haben empirische Versuche zu (engl.) Personennamen durchgeführt. Testpersonen wurden Sätze vorgelesen, die mit einem Appellativ oder einem Personennamen begannen. Jedes dieser Wörter dauerte je 200 bis 1000 Millisekunden. Die Reaktionen auf die Wörter wurden in einem Elektroenzephalogramm dargestellt. Die ersten Unterschiede in der Verarbeitung von Namen und Appellativen waren dabei nach 125 Millisekunden zu messen, als die Ausschläge bei Eigennamen größer als bei Appellativen waren. Herrmann/ Fiebach (2005: 32) interpretieren in einer Studie zu echten und zu Pseudowörtern den stärkeren Amplitudenausschlag bei Pseudowörtern (allerdings erst nach 400 Millisekunden) als verstärkte Suche nach einem passenden Wort im Lexikon. Auf Müller/ Kutas angewendet hieße dies: Bereits nach 125 Millisekunden haben die Testpersonen festgestellt, dass das präsentierte Wort kein Appellativ ist, und suchen verstärkt nach Alternativen. Tatsächlich haben Müller/ Kutas (1997: 165) in einem Gatingexperiment gezeigt, dass schon 120 Millisekunden reichen, um Personennamen von Gattungsbezeichnungen zu unterscheiden. Als mögliche Gründe für das (überraschend) frühe Erkennen der Eigennamen (nach 125 Millisekunden waren maximal zwei Phoneme zu hören gewesen) geben Müller/ Kutas an, es könnten auf phonologischer Ebene versteckte Hinweise auf Eigennamen zu finden gewesen sein. So könnten bestimmte Phonemkonstellationen am Wortanfang für engl. Personennamen typisch sein. Auch könnte die Sprecherin, der Sprecher unbewusst entsprechende Signale ausgesendet haben. Syntaktische Informationen (etwa Artikel) sind bei der satzinitialen Stellung der Testwörter als Ursache dagegen auszuschließen. Die Personennamentests von Müller/ Kutas lassen sich nicht eins zu eins auf Toponyme übertragen, weil Toponyme im mentalen Lexikon durch den Marker {loc} getrennt von anderen Namenarten repräsentiert sind. Während (engl. und auch dt.) Personennamen mehrheitlich einer einigermaßen geschlossenen Gruppe angehören, die für Laien appellativisch überhaupt nicht verständlich ist, 232 ist ein Großteil der (alem.) Toponyme aus heute noch problemlos verständlichen Appellativen gebildet, die einer relativ offenen Klasse mit sehr viel mehr Einzeleinträgen entstammen. Sprachrezipientinnen und -rezipienten müssten also durchaus eine gewisse Bereitschaft zeigen, in Toponymen anders als in Personennamen Bedeutung wahrzunehmen bzw. Toponyme im ersten Anlauf appellativisch zu deuten. Leider fehlt empirische Evidenz zu toponymischer Apha- 232 Dies trifft auf andere Sprachen nicht zu, in denen sprechende Namen üblich sind; vgl. das oben Gesagte zum Chin. (4.1). Es trifft weniger auf dt. Familiennamen zu, bei denen Volksetymologien ebenfalls sehr verbreitet sind. <?page no="218"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 218 sie bzw. Gating mit Toponymen, die eine gesonderte Speicherung von Toponymen und Personennamen belegen könnte. 233 Eine Sprachrezipientin, ein Sprachrezipient beginnt ein Wort wie ausgeführt schon zu interpretieren, bevor sie/ er es zu Ende gehört (oder gelesen) hat. Dabei wird das Kontextwissen zur Wortkategorie Namen vermutlich nicht leicht aktiviert, weil Namen sowohl im Lexikon als auch im effektiven Sprachgebrauch einen relativ geringen Teil der Wörter ausmachen. 234 Es wird bei Toponymen erst recht nicht leicht aktiviert, wenn dieselbe Lautfolge auch als Appellativ analysierbar ist. Die Rezipientin, der Rezipient wird ein Toponym also syntaktisch richtig als Substantiv deuten, es ohne Bahnung aber anders als einen Personennamen primär appellativisch verstehen: 235 Neue Reize werden nach Ernst (2005: 41) mit bestehenden Strukturen verglichen und gegebenenfalls an sie angeglichen (Assimilation). Dies ist die Grundlage der Umdeutung eines Toponyms in ein (lautgleiches) Appellativ. Insgesamt scheinen Toponyme schwieriger zu identifizieren zu sein als Appellative und Personennamen. 236 Dies dürfte insbesondere auf die Toponyme zutreffen, die mit leicht erkennbaren Appellativen gebildet sind (seien sie diachron etymologisch korrekt oder nicht). Ihre appellativische Interpretation wird lediglich in einem späteren Schritt korrigiert, wenn sich herausstellt, dass es sich um ein Toponym handelt. In einem psycholinguistischen Test ohne Bahnung (wie bei Müller/ Kutas) dürfte die Amplitude bei appellativisch interpretierbaren Toponymen also weniger stark von derjenigen von Appellativen abweichen, als das bei Müller/ Kutas’ Versuch mit Personennamen der Fall war. Umgedeutet und verändert werden können dagegen nicht, nicht eindeutig oder nicht leicht verständliche Toponyme. Bei ihnen ist davon auszugehen, dass das Kontextwissen eher aktiviert wird (die Amplitude im Test also wiederum größer ausfiele), weil sie appellativisch nicht einzuordnen sind. Dass sie im Umdeutungsfall nicht isoliert stehen bleiben, ist dem Kontextwissen der verbreiteten Verständlichkeit von Toponymen zu 233 Die Literatur zu Störungen in der Memorisierung von Eigennamen beschränkt sich hauptsächlich auf Personennamen, etwa Stachowiak (1982). Auch Goodglass/ Wingfield (1997) sprechen Toponyme (als geographical Names) nur sehr am Rand an; Semenza (1997: 130) weist allerdings darauf hin, dass bei Namenaphasie Toponyme seltener als Personennamen betroffen seien, und vermutet, dass die engere Verbindung von Toponymen mit Adjektiven bei der Memorisierung unterstützend wirke (1997: 130). S. auch Müller/ Kutas (1997) für bibliografische Angaben. 234 Immerhin gibt Aitchison (2003: 8; 1997: 10) den Hinweis darauf, dass Wörter, deren Lautstruktur sprachlich möglich scheint, die jedoch keine Bedeutung zu haben scheinen, möglicherweise leicht für Familiennamen gehalten werden. 235 Das Kontextwissen zu Namen wird leichter aktiviert, wenn der Kontext durch Bahnung Namen erwarten lässt (vgl. Rummer/ Engelkamp-2005: 1715). 236 Ihrerseits sind Personennamen, allerdings nur geringfügig, schwieriger zu evozieren als Appellative (Stachowiak 1982: 335f.; Knobloch 1992: 470). <?page no="219"?> 4.2 Die Erforschung toponymischer Volksetymologie 219 verdanken: Dieses Wissen nährt sich aus der nachträglichen Korrektur von ursprünglich als Appellative gedeuteten Wörtern in appellativisch verständliche Toponyme. Mit diesem Sprachrezeptionsmechanismus lassen sich auch Resegmentierungen von Namen erklären, wenn sie zu einer leichteren appellativischen Deutung führen. Umdeutungen laufen nicht primär über semantische Netzwerke, weil - wie oben beschrieben - bei der Sprachrezeption der Laut der Bedeutung vorgeht. Entsprechend sind sich bei volksetymologisch umgedeuteten Namen Ursprung und Ziel fast ausnahmslos lautlich sehr ähnlich. Der Berg Niesen wird vielleicht als Verb niesen interpretiert. Eine Umdeutung in *Husten ist aber kaum anzunehmen. Die breit diskutierte Frage (vgl. 2.3.2.1, 2.3.5) der Bedeutung semantischer und lautlicher Ähnlichkeit zwischen Ausgangs- und Zielappellativ für das Entstehen von Volksetymologie (vgl. 2.3.2) dürfte also zugunsten einer größeren Bedeutung der Lautähnlichkeit beantwortet werden. Während die Umdeutung von Namen die Semantik der Namenbestandteile ganz wesentlich verändern kann, betreffen größere lautliche Veränderungen vor allem häufig auftretende Buchstabenverstellungen. Der Siedlungsname Thunstetten, historisch Tuncsteten u.ä. (vgl. 3.3.8.3), wird 1285 einmal Stuncteten geschrieben (FRB III: 395). 237 Allem bis hierher zur Stellung von Namen im im mentalen Lexikon Gesagten zum Trotz stellt sich meines Erachtens die Frage, weshalb Namen (Toponyme) über den (punktuellen) Einzelfall hinaus dauerhaft umgedeutet werden. Den Angehörigen einer Sprachgemeinschaft ist die ›Namenhaftigkeit‹ ihrer Toponyme bewusst. Beim normalsprachlichen Gebrauch dieser Toponyme besteht also bei Sprecherinnen und Sprechern wie Hörerinnen und Hörern Bahnung, die das Hintergrundwissen zu Toponymen aktiviert. Dieses Priming sollte es zulassen, dass isolierte Toponyme als solche stehen bleiben. Umdeutungen isolierter Namen sollten unter diesen Bedingungen vornehmlich zu Angleichungen an die oben genannten typischen Grundwörter bzw. Suffixe von Toponymen führen. Man kann sich den Einfluss außenstehender Sprachrezipientinnen und -rezipienten 238 auf die Umdeutung von Toponymen in andere, nicht toponymietypische Appellative überlegen. Bei der Anlage heutiger Ortsnamenbücher werden die Einflüsse dieser Sprachteilnehmenden nicht berücksichtigt, entsprechende Daten fehlen. Wäre es möglich, dass isolierte Namen zuerst von Außenstehenden gedeutet werden und die Sprachgemeinschaft, 237 Diese Umstellung führt jedoch nicht zu verbesserter Deutbarkeit. 238 Personen, die einen Namen nicht kennen bzw. nicht regelmäßig benützen; Letzteres würde auch Mikrotoponyme betreffen, die in einer Sprachgemeinschaft nur einer Minderheit (Besitzer) geläufig sind. <?page no="220"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 220 in deren Bereich das Benannte liegt, diese Deutung anschließend übernimmt? Die Empirie lässt diesen Schluss eher nicht zu: Schon 1480 tritt der Siedlungsname Murgenthal mit dem zum Appellativ Tal umgedeuteten Grundwort auf (vgl. 3.3.8.4). Im lokalen Dialekt heißt der Name bis heute Murgete, obwohl hier der Einfluss des umgedeuteten Namens durch die schriftliche Form besonders dominant ist. Folgt man den Aussagen von Bernhard (2004: 95), ist zudem die Identifikation eines Signifiants in einem Wort keinesfalls gleichzusetzen mit einer Umdeutung. Zu welchem Zeitpunkt eine Umdeutung tatsächlich vorliegt, lässt sich nicht feststellen, die Überlegung führt zurück zur Frage, welche Volksetymologien allgemein und konventionell gelten, welche nur individuell (vgl. 2.3.4). Wie wird eine individuelle mentale Verknüpfung zu einer kollektiven, allgemein gültigen Repräsentation (Rundblad/ Kronenberg 2003: 129) und Volksetymologie? Nach Rundblad/ Kronenberg (2003: 129) ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sie nützlich ist, nämlich indem sie die Memorisierung erleichtert und in die bestehenden linguistischen Muster passt. Aber trifft dies auf volksetymologisch umgedeutete Toponyme zu? Inwiefern ist es leichter, sich an Chabisberg, eine Zusammensetzung mit schwzd. Chabis m. ›weißer Kopfkohl‹ (Id. III: 98f.) zu erinnern als an Chaschisberg, die laut Gewährspersonen ursprüngliche Form, die mit einer Form des Personennamens Kaspar (Id. III: 532f.) gebildet ist? Rundblad/ Kronenfeld (2003: 136) kommen zum Schluss, dass Volksetymologien für eine Sprachgemeinschaft dann sinnvoll sind, wenn sie eine für Laien auffällige, unregelmäßig wirkende wissenschaftliche Etymologie verhindern. 239 Als einzige Erklärung, wieso ein Wort (bzw. ein Name) überhaupt gedeutet werden soll, können auch sie nur ein allgemeines kulturelles Bedürfnis nach Deutung anbieten, das durch ethnografische und ethnologische Erfahrung als gesichert gelten könne (125, Anmerkung 10; vgl. zu dieser Annahme etwa auch Anderson 2007: 87). Die Ursache von Umdeutungen ist vielleicht exakter zu fassen nicht nur als allgemeines Bedürfnis nach Bedeutung, d.h. Motivierung von Namen. Vielmehr könnte dahinter ein eigentliches Empfinden der Störung bei isolierten Namen stehen, eine Wahrnehmung, dass diese Namen sich von einem appellativisch verständlichen Zustand entfernt haben und damit gewissermaßen defekt sind. Isolierte Namen würden nicht nur als unverständlich, sondern als nicht mehr verständlich wahrgenommen. Insofern wäre Volksetymologie dann für die Sprechenden tatsächlich eine Art Heilung oder Aufwertung, isolierte Namen wären gewissermaßen als noch nicht umgedeutet zu verstehen, insbesondere, wenn sie zu einer Namenart gehö- 239 Vgl. allerdings Koch (1963: 166), demzufole das Merkmal der Ortsnamenvolksetymologie gerade das Widersinnige der Erklärungen ist. <?page no="221"?> 4.3 Untersuchung anhand des Berner Namenbuchs 221 ren, deren Repräsentanten sonst häufig appellativisch verständlich sind bzw. erscheinen. Eine Wiese namens Herbstwil in III Mühleberg wird erstmals 1434 als hдtzwil genannt (U120: 37) und vom BENB (I/ 2: 242) als Bildung mit einem ahd. Personennamen Hazo oder Hezo (Förstemann I: 803) gedeutet. Alle weiteren historischen Belege zeigen ein isoliertes Bestimmungswort. Die spätere Umdeutung in Herbstwil mit dem Appellativ Herbst m. wäre demnach nicht allein der sich anbietenden Umdeutungsmöglichkeit geschuldet, sondern der Wahrnehmung, dass mit der in der in unterschiedlicher Schreibweise repräsentierten Lautung Hötzwil, Hettschwil u.ä. etwas nicht stimmt. Grundlage sowohl der Umdeutung (in typische toponymische Elemente wie -i(n)gen, aber auch in nicht toponymietypische Elemente) als auch des isolierten Stehenlassens von Namen ist die normalsprachliche Bahnung, das diese beiden Möglichkeiten zulässt. Richtungsbestimmend sind dann die Strukturen des mentalen Lexikons, wie sie sich in Sprachsituationen ohne Bahnung zeigen. Auch auf Grundlage des mentalen Lexikons lässt sich aber letztlich nicht voraussagen, welche Namen von Volksetymologie betroffen sein könnten bzw. in Richtung welches Ziels eine Umdeutung geht. Ebenso wenig lässt sich feststellen, wann eine Assoziation zur Umdeutung wird und wann diese allgemeine Gültigkeit erlangt. 4.3 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons: Untersuchung anhand des Berner Namenbuchs Eine experimentelle Versuchsanordnung, wie sie für die Erforschung des mentalen Lexikons üblich ist, ist durchaus auch für Namen im mentalen Lexikon denkbar. Entsprechende Fragestellungen könnten etwa sein: • Wie verändert Priming die Reaktion auf Toponyme bzw. die Reaktionszeit? • Geben Assoziationen zu Toponymen einen Hinweis auf eine Deutung dieser Namen? • Hat Priming einen Einfluss auf Assoziationen zu einem Namen? Wenn man annimmt, dass der Kontext, in dem eine Hörerin, ein Hörer bzw. eine Sprecherin, ein Sprecher einen Namen zum ersten Mal wahrgenommen hat, als Hintergrundinformation in seinem Nebenspeicher abgelegt wird, dürfte dieser Zusammenhang auch einen Einfluss auf die Speicherung des Namens an sich ausüben. Das Verständnis von Namen dürfte also in einem Experiment unterschiedlich sein, je nachdem, welche Angaben über den entsprechenden Namen für die Testperson verfügbar sind: Weiß sie, dass es sich <?page no="222"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 222 um einen Namen handelt bzw. um welche Art von Namen (Flurname, Siedlungsname)? Kennt sie die Lage des Denotats (Region, relative Lage zu anderen Namenbereichen)? • Wie lange dauert es in einem Gatingexperiment, bis Testpersonen ein Toponym als Element der entsprechenden Wortkategorie erkennen? Welche möglichen Wörter beziehen sie dabei in die Auswahl ein? Wie sich die (philologische) Namenforschung bisher kaum für Kognition interessiert, wird in der Toponomastik m.W. bis heute keine experimentelle Namenforschung betrieben. 240 Die nötigen Kenntnisse fehlen ebenso wie die technischen Einrichtungen, mit denen die Kognitionsforschung Annahmen über das mentale Lexikon emprisch prüft. Entsprechende Fragestellungen werden bisher weder untersucht noch auch nur formuliert. Ich muss mich im Folgenden daher erneut mehrheitlich auf Überlegungen und zwei Pilottests beschränken. 4.3.1 Untersuchungseinheit und Testpersonen Im Rahmen eines Kolloquiums von Prof. Dr. Elke Hentschel im Frühlingssemester 2009 habe ich mit Kolleginnen und Kollegen zwei Tests zu Toponymen im mentalen Lexikon durchgeführt. Die Untersuchungseinheit der Tests waren Namen aus dem BENB. Die Erkenntnisse des mentalen Lexikons lassen annehmen, dass jeder einzelne Name semantisch wie lautlich in einem Netzwerk gespeichert wird, dass also prinzipiell für jeden Namen eine Umdeutung möglich ist. Es schien mir daher gerechtfertigt, aus der sehr großen Zahl der Namen im Untersuchungsgebiet des BENB nur einen Auszug zu wählen. Die Wahl fiel auf Namen in Lemmata 241 , die mit Lanlauten: Sie sind bearbeitet und liegen in BENB (I/ 3) publiziert vor. Im Sinn eines Pilotversuchs schien mir bei der großen Namenanzahl auch eine zusätzliche Beschränkung auf Siedlungsnamen berechtigt. Als Siedlungsnamen definiert sind dabei alle Namen, deren Sachbezeichnung ›Weiler‹, ›Siedlung‹, ›Dorf‹, ›Ort(schaft)‹, ›Wohngebiet‹, ›Quartier‹, ›Ge- 240 Dass andere Richtungen der Onomastik sich sehr wohl mit Kognition und experimenteller Namenforschung beschäftigen, zeigen die bereits erwähnte Untersuchung von Müller/ Kutas (1997) und Goodglass/ Wingfield (1997). 241 Der Aufbau des BENB basiert auf Lemmata, von denen jedes einzelne mehrere Namen einzelner Denotate umfassen kann, deren normalisierte Form das Lemma als Simplex, Grundwort oder Bestimmungswort enthält. Diese normalisierten Namen ihrerseits können mehrere (historische wie aktuelle) Namenbelege umfassen. Das Lemma Hell-/ Höll- (BENB I/ 2: 233-236) enthält also neben der (aktuell belegten) Höll (u.a. in I Brüttelen) auch die (ebenfalls aktuell belegte) Geisshell in II Krauchthal und die (nur historisch belegte) Hellhalde in II Ruppoldsried. <?page no="223"?> 4.3 Untersuchung anhand des Berner Namenbuchs 223 meinde‹ (Gemeinde), ›Stadt(gebiet)‹ ist. 242 Weil Sachbezeichnungen bei den historischen Belegen mit Ausnahme derjenigen Durheims fehlen, beschränkt sich der Test auf aktuelle Namen. Eine gewisse Breite der Namen bezüglich unterschiedlicher Namenelemente, Entstehungszeitalter, Lautung und semantischen Gehalts ist gewährleistet, weil viele der gewählten Namen als sekundäre Siedlungsnamen aus primären Flurnamen entstanden sind. Ein Vorteil der Siedlungsnamen liegt darin, dass sie (wie in Kapitel 3 zu sehen war) einen großen Teil der Toponyme bilden, die volksetymologisch beeinflusst sind. Die Siedlungsnamen bieten sich als Untersuchungseinheit zudem an, weil vor allem für sie etymologische Texte anderer Autorinnen und Autoren zum Vergleich vorliegen. Schließlich ist die überwältigende Mehrheit der echten Flurnamen appellativisch so verständlich, dass eine Untersuchung dieser Namen keinen Sinn ergäbe. Eine Problematik der Siedlungsnamen besteht darin, dass bei ihnen Einflüsse einer schriftlichen Namenform besonders stark sein dürften und also Hörphänomene, die als grundlegend für Volksetymologie anzusehen sind, überlagert sind. Auf eine Untergliederung der beiden Tests nach dem Denotat habe ich verzichtet, weil die Versuchsanlage eine derart feine Unterscheidung ohnehin nicht gestützt hätte. Eine Liste sämtlicher Siedlungsnamen der Lemmata mit L findet sich in Anhang B. Die Testpersonen waren insgesamt zwölf Teilnehmende des Kolloquiums. Aufgrund der fachlichen Ausrichtung von Prof. Dr. Hentschel war ein großer Anteil von ihnen nicht dt. Muttersprache. Um die Anzahl der Testpersonen nicht zu verringern, habe ich die fremdsprachigen Teilnehmenden nicht von den Tests ausgeschlossen. Die Teilnahme fremdsprachiger Testpersonen muss kein Problem sein, sie kann vielmehr auch zu einer qualitativen Ausweitung der Resultate führen, weil für diese Testpersonen vermutlich grundsätzlich alle Namen in den Tests isoliert sind. Die mündlich präsentierten Namen waren in ihrer dialektalen Lautung ohnehin auch für die Testpersonen mit schwzd. Muttersprache zumindest teilweise schwer verständlich. Die Testpersonen deklarierten auf den Testblättern ihre eigene Muttersprache: 1 Schwzd. 2 Schwzd. (Toponomastiker, Resultate möglicherweise verzerrt) 3 Nhd. mit Schwzd.-Kenntnissen 242 Ausgeschlossen sind aufgrund ihrer großen Anzahl die Namen von Heimet, obwohl der Unterschied zwischen den Sachbezeichnungen ›Heimet‹ und ›Weiler‹ im BENB nicht systematisch ist, wie das Beispiel von Leggiswil zeigt: Die eigentliche Sachbezeichnung im Text spricht von einem Heimet, die Etymologie von einem kleinen Weiler. <?page no="224"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 224 4 Russ. 5 Russ. 6 Unbekannt (keine Angabe) 7 Nhd. ohne Dialekt 8 Ung. 9 Schwzd. 10 Nhd. 11 Nhd. (Süddeutschland) 12 Nicht dt. Die Testsituation war deutlich durch semantisches Priming geprägt: Allen Teilnehmenden war klar, dass es bei den Tests um Toponyme ging. Normalsprachlicher Kontext, der das Erkennen von Toponymen erfordert hätte, war nicht gegeben. Wie eine Testteilnehmerin hinterher berichtete, war das Priming so dominant, dass sie (als Sprecherin eines nicht-alem. dt. Dialekts) in den Testeinheiten unausweichlich nach Grundwörtern und Suffixen anderer Dialekte suchte. Eine weitere mögliche Verzerrung ergab sich daraus, dass die Teilnehmenden als Linguistinnen und Linguisten aufgrund ihrer Vorbildung und ihrer Vorerfahrungen zumindest teilweise anders auf die präsentierten Toponyme reagierten als Laien (etwa indem sie mhd. Wörter assoziieren, die Laien unbekannt sind). Diese Einschränkung wiegt meines Erachtens allerdings weniger schwer, da die Teilnehmenden im Test doch in erster Linie als Sprachbenutzerinnen und -benutzer und nicht als reflektierende Sprachwissenschaftlerinnen bzw. -wissenschaftler agierten (vgl. auch 3.1.1). In aller Deutlichkeit sei hier noch einmal gesagt: Weder die Auswahl der Untersuchungseinheiten und der Testpersonen noch die Testdurchführung kann den wissenschaftlichen Ansprüchen der Kognitionsforschung und Psycholinguistik genügen. Die Versuche können mit eingeschränkter Aussagekraft lediglich als Pilottests dienen, die zeigen sollen, ob das mentale Lexikon für die toponymische Volksetymologie in philologischer Perspektive überhaupt von Interesse ist. 4.3.2 Versuchsanordnung Die Versuchsanordnung umfasste die folgenden Experimente: 1. Verschriftlichungstest : Den Testpersonen wurden appellativisch nicht eindeutig deutbare Namen im Dialekt vorgelesen. Anschließend sollten sie die gehörten Namen in eine schriftliche, normalalphabetische Form bringen. <?page no="225"?> 4.3 Untersuchung anhand des Berner Namenbuchs 225 2. Assoziationstest : Den Testpersonen wurden Namen im Dialekt vorgelesen. Die Namen lagen ihnen in phonetischer Notierung auch schriftlich vor. Zu jedem Namen sollten sie ihre erste Assoziation notieren. Unter den vorgelegten Namen waren sowohl appellativisch verständliche als auch nicht verständliche Namen. 243 In beiden Tests kann ein Einfluss durch mich als Vorleser (Sprecher eines nicht-berndt. alem. Dialekts) auf die Resultate trotz möglichst dialektgerechten Vorlesens nicht ausgeschlossen werden. Dieser Einfluss ist insofern nicht entscheidend, als eine normale Sprechsituation ohnehin durch nichtoptimale Umstände gekennzeichnet ist. Die Tests dauerten insgesamt ungefähr eine halben Stunde. Als mögliche Resultate der beiden Tests wurden erwartet: 1. Verschriftlichungstest : Nicht verständliche Namenelemente werden zumindest teilweise mit Appellativen oder mit bekannten Namenelementen gedeutet. Verschriftlichtungen, die Namenelemente völlig ungedeutet lassen, dürften die Mehrheit der nicht eindeutig verständlichen Namen bilden, aber weniger häufiger vorkommen als solche Namenelemente selbst. 2. Assoziationstest : Assoziationen zu verständlichen Namen könnten andere (existierende) Toponyme sein (z.B. Mattenhof ›Stadtberner Quartier‹ (Weber 1976: 160) *> Länggasse ›Berner Stadtquartier‹ (Weber 1976: 144)). Dieses Resultat wahrte die Wortkategorie Toponym. Voraussetzung dafür ist das - im Versuch gegebene -Wissen der Testpersonen, dass es sich um Toponyme und nicht um Appellative handelt. Assoziationen zu verständlichen Namen könnten auch auf die semantische Speicherung jenseits von Toponymen hinweisen (z.B. Ussermatt *> *Innerwiese, wobei Innerwiese kein existierendes Toponym ist). 244 Kaum zu erwarten sind nur lautliche Assoziationen (z.B. Milzbrandwäg (III Kiesen; BENB I/ 3: 292) *> *Malzbrauerwäg). Assoziationen zu nicht verständlichen Namen könnten ebenfalls andere Toponyme sein, wenn das abgefragte Toponym bekannt ist (was im Versuch mehrheitlich nicht der Fall war). Ansonsten weisen diese Assoziationen vermutlich in erster Linie auf eine anzunehmende phonetische Speicherstruktur hin (z.B. Köniz *> König; so von einer Gewährsperson außerhalb des Kolloquiums genannt). Möglicherweise sind auch auf dieser 243 Mit appellativisch verständlich sind erneut neben leicht diachron korrekt etymologisierbaren Namen auch Namen gemeint, die durch Reanalyse appellativisch verständlich werden. Die Einteilung unterliegt natürlich meinem Verständnis als Testdesigner und ist nicht objektivierbar. Das konkrete Material zeigt jedoch, dass die große Mehrheit der betreffenden Namen entweder deutlich oder überhaupt nicht verständlich ist. Ausnahmen bilden lediglich einige dialektale Phänomene. 244 Diese nicht toponymische, sondern allenfalls topografische semantische Assoziation dürfte sich auch zeigen, wenn eine Testperson ohne Bahnung gar kein Toponym erkennt. <?page no="226"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 226 phonetischen Speicherung basierende semantische Assoziationen zu erwarten (z.B. Köniz *> Prinzessin). Beide Tests: Eine Konsistenz der Resultate unverständlicher Namen bei mehren Testpersonen gibt einen Hinweis auf allgemeine Assoziationszusammenhänge bzw. ein allgemeines Verständnis von Namen. Hier könnten Unterschiede zwischen Sprecherinnen und Sprechern des Schwzd. und solchen anderer Muttersprachen auftreten. Aus Schreibweisen bzw. Assoziationen, die von mehreren Teilnehmenden genannt werden und sich nicht mit der diachronen Etymologie des entsprechenden Namens decken, lässt sich vermutlich das Ziel einer möglichen Umdeutung ablesen. 4.3.3 Verschriftlichungstest Die folgenden 18 Toponyme wurden den Testpersonen in der angegebenen Reihenfolge vorgelegt. Der fett gedruckte Name entspricht einer normalisierten Namenform, wie sie im Register von BENB (I/ 3: 407-458) steht. Den Testpersonen wurden weder normalisierte Namenform noch Sachbezeichnung, Lage oder Etymologie bekannt gegeben. Holee: hīlŹ (Wohngebiet, Ackerland), VI Spiez (BENB I/ 2: 261-264; I/ 3: 4-13, bes. 10); Langete: láόό″t″, láόό″tu, láόό″dču (Stadt), II Langenthal ° (BENB I/ 3: 38-40); Leubringe: lũ▪br▪ό″ (Dorf, Gemeinde), I Leubringen ° (BENB I/ 3: 93f.); Ligerz: l▪g″rts (Dorf, Gemeinde), I Ligerz ° (BENB I/ 3: 105); Lööli: lŪl▪ (Quartier, Kulturland), II Herzogenbuchsee (BENB I/ 3: 125-128, bes. 126); Liebifeld: li″bif ud (Dorf), Liebefeld ° (Gemeinde III Köniz, BENB I/ 1: 124f.; I/ 3: 100); Loreene: lĭrŐn″ (Dorfteil zw. Bätterkinden und Kräiligen), II Bätterkinden; lĭrŃn″, d (Quartier, Kiesboden), II Herzogenbuchsee; , lĭrŐn″ (Wohngebiet, Vorort von Wynigen), II Wynigen; lĭrŃn″, d (Stadtquartier) III Bern (BENB I/ 3: 147f.); Luchli: lΌxli, ▪m (Wohngebiet und Kulturland), IV Frutigen (BENB I/ 3: 129-132, bes. 130); Ällouinen: Zllīuwin″n (Weiler), V Grindelwald (BENB I/ 1: 74f.; I/ 3: 161-169, bes. 163); Lünschberg: lΫnεb″rg (Weiler), II Oeschenbach (BENB I/ 3: 184); <?page no="227"?> 4.3 Untersuchung anhand des Berner Namenbuchs 227 Laariou: lćriou (Rebe, Dorfpartie), I Ligerz (BENB I/ 3: 51); Traggselouene: tręks″lou″n α (Sommersiedlung), Stechelberg (Gemeinde V Lauterbrunnen, BENB I/ 3: 161-169, bes. 164); Lebacher: lebaxx″r (Quartier), III Tägertschi (BENB I/ 1: 6; I/ 3; 66); Lyss: l↓ss (Dorf, Gemeinde), I Lyss ° (BENB I/ 3: 203f.); Lupach: lΌpáx (Weiler), Laubbach ° (Gemeinde III Guggisberg (BENB I/ 3: 61f.); Leggiswil: lekiswíu (Heimet [Weiler]), II Wynigen (BENB I/ 3: 69f.); Loupe: līǾp″ (Dorf, Gemeinde), III Laupen ° (BENB I/ 3: 62-64); Luperswil: lΌp″rεw↓u (Dorf, Gemeinde), III Lauperswil ° (BENB I/ 3: 64). Die Testteilnehmenden berichteten bei diesem Test von der Schwierigkeit, dass ihnen nicht klar war, wie genau sie die Namen, die ihnen vorgelesen wurden, normalalphabetisch verschriftlichen sollten: Möglichst mundartnah oder in einer möglichst dem Nhd. angenäherten Variante? Die schon vor Beginn des Tests gestellte Frage ließ sich nicht eindeutig klären, der Vorschlag, Namen in der Form, in der man sie auf einer Karte finden würde, musste als nicht praktikabel abgelehnt werden, weil die Nomenklatur der Schweizer Landeskarten ihrerseits eine am Dialekt orientierte Schreibweise vorsieht. 245 Lediglich bei den verschriftlichten Formen der Namen Leubringe, Ligerz, Liebifeld und Laariou ließen sich keine nenneswerten Auffälligkeiten feststellen bzw. die Namen waren so unverständlich, dass die Verschriftlichung zu disparaten Ergebnissen führte. Die Übrigen werden nachfolgend vorgestellt. Für eine ausführliche Etymologie zu den folgenden Toponymen s. die entsprechende Stelle in BENB (I/ 3). Hier werden lediglich Elemente etymologisch erläutert, die in der Verschriftlichtung abweichend vom Eintrag in BENB auftreten, soweit sie sich nicht von selbst verstehen. Die Resultate des Tests nach Testpersonen und Toponymen geordnet findet sich im Anhang C. 245 Ausgenommen sind einzig die Namen größerer Siedlungen, deren amtliche Schreibweise sich am Nhd. orientiert. <?page no="228"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 228 4.3.3.1 Typische Namenelemente Manche Verschriftlichungsformen enthalten typische toponymische Namenelemente, die in den präsentierten Namen tatsächlich nicht vorkommen. hīlŹ (Holee) wurde von den Testpersonen 7 und 11 als Holei verschriftlicht. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ist in dieser Schreibweise das in Toponymen verbreitete Grundwort schwzd. Ei ›(Halb-) Insel, Gelände an einem Gewässer‹ (Id. I: 5f.) statt das Rechtswort schwzd. Lee(n), Le(c)he(n) n. ›Pacht, Lehen‹ zu erkennen. Testperson 7 erkannte dasselbe Appellativ im Assoziationstest im Namen lŃ problemlos, während Testperson 11 dort mit Loh m./ n. ›Wald, Holz‹ (DWB VI: 1127; BENB I/ 3: 125-129) assoziierte. Dass láόό″t″ (Langete) von den Testpersonen 7, 8 und 11 als Langent(h)al verschriftlicht wurde, dürfte vor allem der Bekanntheit der Stadt II Langenthal unter ihrem amtlichen Namen zuzuschreiben sein und keiner spontanen Deutung. Testperson 11 schrieb Allohingen für Zllīuwin″n (Ällouinen), machte daraus also einen Ortsnamen mit dem typischen Suffix -ingen (vgl. dazu etwa Albligen, 3.3.4.2). Der Name lΫnεb″rg (Lünschberg) ist mit dem Grundwort Berg und vermutlich einem Personennamen gebildet. Die Abschwächung des Grundwortvokals zum Schwa machte das Erkennen des Grundworts schwierig: Die Testpersonen 6 und 7 schrieben für den Namen Lunschbrück bzw. Lynchbrück, erkannten also statt des Bergs berndt. Brügg ›Brücke‹ (Id. V: 537-545), das als Grundwort von Siedlungsnamen ebenfalls verbreitet ist. Für den lebaxx″r (Lebacher) schrieb Testperson 11 Lehbach; sie resegmentierte also Leb-acher mit dem Grundwort schwzd. Acher m. ›Acker‹ und dem Bestimmungswort schwzd. Lee(w) m. ›kleiner Hügel, Anhöhe‹ in Leh- Bach mit dem Grundwort Bach und dem schon oben genannten Rechtswort schwzd. Lee(n), Le(c)he(n) n. ›Pacht, Lehen‹ im Bestimmungswort. Schließlich verschriftlichte ebenfalls Testperson 11 den lΌpáx (Laubbach) als Lohbach mit dem bereits erwähnten Bestimmungswort Loh m./ n. ›Wald, Holz‹. 4.3.3.2 Andere Elemente mit lautlicher Anpassung Verschiedene Verschriftlichungen zeigen eine lautliche Anpassung an appellativisch verständliche Elemente, die nicht typisch für Toponyme sind. Nur einzelne dieser Schreibweisen geben Hinweise auf mögliche Assoziationen bzw. Umdeutungen. <?page no="229"?> 4.3 Untersuchung anhand des Berner Namenbuchs 229 Testperson 8 notierte für den frz. Namen lĭrŃn″ (Lorraine) die Form Loreal, möglicherweise inspiriert durch den ebenfalls frz. Markennamen L’Oréal. Von den Testpersonen 1, 4, 5, 7, 8 und 11 wurde das lΌxli (Luchli) als Lautvariante von schwzd. Löchli erkannt und entsprechend bzw. als Löchlein normalisiert. Die Schreibweise Lünspeck für lΫnεb″rg (Lünschberg) bei Testperson 5 ist vermutlich nicht als Identifikation mit dem Appellativ Speck m. zu verstehen, sondern nur als möglichst genaue Lautwiedergabe einer Nichtmuttersprachlerin. Auch die Schreibweise Liess (Testpersonen 5 und 6) für l↓ss (Lyss) ist wohl eher als typische Schreibweise für langes i denn als Verbindung mit dem Präteritum des Verbs lassen aufzufassen. Testperson 11 schrieb Laube für līǾp″ (Laupen) und machte damit aus der flektierten Namenform nhd. Laupen einen Nominativ Singular Laube f. ›Gartenlaube, Laubhütte‹. Dieses Appellativ ist zwar mit Laupen etymologisch gleichzusetzen, im Siedlungsnamen aber eigentlich nicht mehr zu erkennen. Die Schreibweise Lupenschwer für lΌp″rεw↓u (Lauperswil) bei Testperson 8 ist eine Angleichung an das Appellativ Lupe f. und das Adjektiv schwer, die beide für Toponyme ungewöhnlich sind. Die Schreibweise Dachsenlouwena für tręks″lou″n α (Traggselouene) bei Testperson 2 entspricht wahrscheinlich einer Identifizierung des Bestimmungsworts mit dem Tiernamen Dachs m. in einer Form *Dachse(n)louene, wie der Anlaut mit Dstatt T- (ansonsten bei neun von elf Testpersonen T-) zeigt. 4.3.3.3 Anderes Den Namen lŪl▪ (Lööli) verschriftlichte Testperson 6 als Lörli, Testperson 11 als Leuli. Testperson 6 nimmt hier eine nhd., im Berndt. unübliche Vokalisierung von -r nach Vokal mit anschließender Abschwächung bzw. Ausfall an und bringt dies in der Schreibung zum Ausdruck. Testperson 11 erkennt eine offene Lautung von schwzd. -üü-, das nhd. -euergibt (mhd. u- Umlaut iu; SDS I: 109), oder geht von einer dialektalen Monophthongierung -eu-/ -öü- > -ööaus. Testperson 3 schrieb Holé für hīlŹ (Holee). Wenn sie damit nicht nur den Wortakzent ausdrücken wollte, hat sie wohl statt eines Kompositums ein Simplex wahrgenommen und aufgrund der Betonung auf der Endsilbe (dem eigentlichen Grundwort) an einen frz. Namen gedacht. <?page no="230"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 230 4.3.4 Assoziationstest Folgende 48 Toponyme wurden in der angegebenen Reihenfolge abgefragt. Der fett gedruckte Name entspricht einer normalisierten Namenform, wie sie im Register von BENB (I/ 3: 407-458) steht. Den Testpersonen wurden weder normalisierte Namenform noch Sachbezeichnung, Lage oder Etymologie bekannt gegeben. Lade: lad″, tsΌ (Weiler), III Guggisberg (BENB I/ 3: 14f.); Lerchefeld: lérx″f ud (Quartier), II Herzogenbuchsee (BENB I/ 3: 48-51, bes. 49); Landshuet: lęndshΌ″t (Schloss und gleichnamiges kleines Dorf), Landshut ° (Gemeinde II Utzenstorf, BENB I/ 3: 31f.); Liimgruebe: l↓mgrǾ″b″, d (Kulturland, Weiler, oberhalb früherer Kiesgrube), III Konolfingen (BENB I/ 3: 73-80, bes. 75); Wältschland: w utεland (Dorfteil, Anhöhe, Acker), II Thunstetten (BENB I/ 3: 26-29, bes. 27); Lache: laxxe (Wohnquartier), III Golaten (BENB I/ 3: 3f.); Lädeli: l d″li, ▪m (Quartier), III Heimberg (BENB I/ 3: 14f.); Landgarbe: laόkćrb″, d (Weiler in Mulde), III Neuenegg (BENB I/ 3: 26-29, bes. 28); Längeschache: l ό″εáx″ (Wohngebiet), III Oberhofen am Thunersee (BENB I/ 3: 32-37, bes. 35); Längebach: l ό″bax (Weiler), Längenbach ° (Gemeinde III Lauperswil, BENB I/ 3: 37); Längebüel: lůό″bü″Ό (Gemeinde), III Längenbühl ° (BENB I/ 3: 37); Landstuel: landεtu″u (Weiler mit Schulhaus, früher Gerichtsstuhl von Sternenberg), III Neuenegg (BENB I/ 3: 26-29, bes. 28); Luuterbrunnen: lǿt″rbrΌnn″n (Dorf, Gemeinde), V Lauterbrunnen ° (BENB I/ 3: 65); (Kirch-)Lindach: l▪ό″x (Dorf, Gemeinde), III Kirchlindach ° (BENB I/ 3: 108f.; BENB I/ 2: 460); Louperg: loup″rg, lĀp″rg, Όf″m (Heusiedlung), II Münchenbuchsee (BENB I/ 3: 155-158, bes. 156); Oberlangenegg: ĭb″rlaό″nèk (Gemeinde), III Oberlangenegg ° (BENB I/ 3: 38); <?page no="231"?> 4.3 Untersuchung anhand des Berner Namenbuchs 231 Lengebode: leό″bod″, im (Ortschaft), III Rüschegg (BENB I/ 3: 32-36, bes. 34); Langersite: laό″rsit″, in d″r (Weiler, ein paar Häuser), IV Lenk (BENB I/ 3: 40f.); Linde: l▪ό″ (Weiler), II Leimiswil/ II Ochlenberg; l▪ό″, b▪ d″ drıi (Quartier), II Langenthal; l▪ό″, i d″r (Dorfzentrum), III Eriz (BENB I/ 3: 109-111, bes. 109f.); Lammi: lamm▪ (Weiler, Steinbruch), V Schattenhalb (BENB I/ 3: 21-23, bes. 22); Loonstorf: lĮεt″rf/ lĮnεtĬrf (Dorf, Gemeinde), III Lohnstorf ° (BENB I/ 3: 136); Lueg: lu″g (Weiler auf Anhöhe), III Fahrni (BENB I/ 3: 178); Landerswil: lęn″rswíu (Ortschaft), Landerswil ° (Gemeinde I Radelfingen, BENB I/ 3: 29f.); Landiswil: laό→sw↔Ǿ (Ortschaft), III Landerswil ° (BENB I/ 3: 29f.); Langnou: láόnīu (Dorf), III Langnau im Emmental ° (BENB I/ 3: 44f.); Lyssach: l↓ss″x (Dorf, Gemeinde), II Lyssach ° (BENB I/ 3: 204-206); Lee: lŃ, ds (mehrere Wohnhäuser, Dorfteil), V Habkern (BENB I/ 3: 4-13, bes. 7); Lützelflüe: lΫtsuflü″/ lΫts″flü″ (Dorf), II Lützelflüh ° (BENB I/ 3: 202); Lenk: lůόk, ann d″r (Dorf, Gemeinde), IV Lenk ° (BENB I/ 3: 89f.); Lanzebüel / Länzibüel: lants″bΫ″Ǿ/ l ntsibΫ″Ǿ (Hubelquartier), II Herzogenbuchsee (BENB I/ 3: 46); Louitor: līǾitēr (Stadtgebiet), III Thun (BENB I/ 3: 161-169, bes. 167); Leiere: lŕi″r″, Όf d Ǿs″ (Dorfteil), I Schüpfen (BENB I/ 3: 72f.); Lütiwil: lΠt→w↔Ǿ (Weiler mit 5 Heimet), III Arni (BENB I/ 3: 195f.); Holiebi: hól▪″bi (Wohngebiet, an aussichtsreichem Hangvorsprung), III Mühlethurnen (BENB I/ 3: 98-100, bes. 99); <?page no="232"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 232 Latterbach: lát″rbax (Dorf), Latterbach ° (Gemeinde IV Erlenbach, BENB I/ 3: 59); Liebiwil: l▪″biw↕u (Dorf), Liebewil ° (Gemeinde III Köniz, BENB I/ 3: 100); Länti: l nti (Wohnquartier), II Schwarzhäusern (BENB I/ 3: 45); Linter: l▪nt″r, ▪m (Streusiedlung, Bäuert), IV Frutigen (BENB I/ 3: 115); Lättere: l tt″r″ (Weiler), III Rüschegg; l tt″r″ (Quartier), III Steffisburg; l tt″r″ (Quartier und Lehmgrube), III Zollikofen (BENB I/ 3: 57f.); Lattige: lęttig″ (Weiler), Lattigen ° (Gemeinde IV Spiez, BENB I/ 3: 60); Lattrige: látr▪g″ (Ortschaft), Lattrigen ° (Gemeinde Sutz- Lattrigen, BENB I/ 3: 60f.); Lüftere: lΫft″r″, ▪ d″r (Villenquartier), III Zollikofen (BENB I/ 3: 178f.); Leische: lŤεε″, a d″r (Dorfteil, leicht ansteigend), IV Frutigen (BENB I/ 3: 80f.); Lüscherz: lüε″rds (Ortschaft, Gemeinde), I Lüscherz ° (BENB I/ 3: 193f.); Leissige: lıissig″, älter lŔssig″ (Dorf), V Leissigen ° (BENB I/ 3: 81f.); Leuzige: lūits→g″ (Dorf), I Leuzigen ° (BENB I/ 3: 95); Littisbach/ Littesbach: l▪tt→sbax, l▪tt″sbax (Weiler), IV Boltigen (BENB I/ 3: 124); Lobsige: lĭbs→g″ (Dorf, Viertels-Gemeinde), Lobsigen ° (Gemeinde I Seedorf, BENB I/ 3: 128f.); Lütschetal / Litschital: lΫtε″tćl/ l▪tε▪tćl, ▪m (Gemeinde, Talabschnitt), V Lütschental ° (BENB I/ 3: 199). Manche Testteilnehmende beklagten nach diesem Test eine ungenaue Definition dessen, was unter Assoziation zu verstehen sei. Während manche Testpersonen wirklich frei assoziierten, sahen andere die Aufgabe darin, mögliche Namenbedeutungen zu notieren. Eine Fragestellung, die nach möglichen Bedeutungen gesucht hätte, hätte vermutlich aussagekräftigere Resultate erbracht. Allerdings hätte sie auch zu einer Verzerrung geführt, weil sie zur Deutung von Namen angeregt hätte, die ansonsten vielleicht isoliert geblieben wären. <?page no="233"?> 4.3 Untersuchung anhand des Berner Namenbuchs 233 Die Testpersonen nicht-dt. Muttersprache (Nr. 4, 5, 8 und 12) haben die Aufgabe in derselben Weise gelöst wie den Verschriftlichungstest, ihre Ergebnisse sind also ähnlich zu werten wie in jenem. Auch bei den andern Testpersonen resultierten teilweise keine eigentlichen Assoziationen, sondern eher Verschriftlichungen. Auch sie geben jedoch Hinweise auf die mentalen Vorgänge bei der Aufgabe. Manche Assoziationen sind nur indirekt erschließbar, wenn man die Angaben der Testpersonen als Umschreibungen für ihre ursprüngliche, dem Ausgangsnamen lautlich näher stehende Assoziation betrachtet. So ist die Assoziation spitzer Hügel für Länzebüel (vgl. 4.3.4.3) sicher über eine Assoziation Lanze f. zustande gekommen. Nur zu den fünf Namen Lerchefeld, Liimgruebe, Längenbach, Oberlangenegg und Linde hatten die Testpersonen keine Assoziationen, die für die Untersuchung von Interesse sind. Sie werden im Folgenden nicht weiter beachtet. Für eine ausführliche Etymologie zu den folgenden Toponymen s. die entsprechende Stelle in BENB (I/ 3). Hier werden lediglich die assoziierten Elemente etymologisch erläutert, soweit sie sich nicht von selbst verstehen. Die Resultate des Tests nach Testpersonen und Toponymen geordnet findet sich im Anhang D. 4.3.4.1 Typische (Namen-)Elemente Die freiere Aufgabe der Assoziation führte dazu, dass nur in wenigen Fällen typische toponymische Elemente wahrgenommen wurden. Die Assoziation von Testperson 10 zu l▪ό″x (Lindach) ist Langes Eck, dessen Grundwort Egg f. (n.) ›Winkel, Kante, Bergspitze‹ in Toponymen sehr häufig ist (BENB I/ 1: 61-64). Zu loup″rg, lĀp″rg Όf″m (Loubberg) schrieb Testperson 6 auf dem Laupen, Testperson 11 Lohberg. Testperson 6 liefert damit keine eigentliche Assoziation, Laupen hat keine erkennbare Bedeutung. 246 Stattdessen hat sie den Namen resegmentiert und an Stelle der Endung des Grundworts ein in Toponymen sehr verbreitetes Flexionsmorphem -(e)n, hier zu verstehen als (in Toponymen häufiger, z.T. auch erstarrter) Dativ Singular m., angefügt, ihn also syntaktisch eingeordnet, wie es die Präposition vorgab. Testperson 11 hat dagegen anstelle des Bestimmungsworts schwzd. Loub n. ›Laub‹ das Bestimmungswort Loh m./ n. ›Wald, Holz‹ (DWB VI: 1127; BENB I/ 3: 125- 129) gesetzt, wobei nicht klar ist, ob dies eine Assoziation oder ein Verschriftlichungsversuch ist. 246 Unwahrscheinlich ist eine Anlehnung an den Gemeindenamen Laupen, der nicht mit Artikel und Präposition verwendet wird. <?page no="234"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 234 Dasselbe Appellativ Loh m./ n. hat Testperson 11 auch für lŃ, ds (Lee) gesetzt. Hier handelt es sich eindeutiger um eine lautliche Assoziation: Das Testwort hatte ein eindeutig erkennbares Genus, das mit demjenigen der Assoziation nicht übereinstimmt. Schließlich setzt Testperson 11 auch für lĮεt″rf/ lĮnεtĬrf (Lohnstorf) als Assoziation Lohsdorf (neben Lohnsdorf) . S. auch Holee (4.3.3.1). Die hól▪″bi (Holiebi) lässt Testperson 11 Hochliebig assoziieren. Vermutlich deutet sie die semantischen Elemente etymologisch richtig, allerdings macht sie aus dem Appellativ schwzd. Liebi f. ›Liebe‹ ein Adjektiv *liebig mit dem zu -ig verkürzten, für Toponyme und Personennamen typischen Suffix -ing (Munske 1964). 247 4.3.4.2 Diachron etymologisch korrekte Assoziationen Recht häufig nannten die Testpersonen zu den Namen Assoziationen, die auf eine diachron korrekte Deutung zumindest eines Namenelements in Übereinstimmung mit der wissenschaftlichen Etymologie schließen lassen und eigentliche Umschreibungen des entsprechenden Namenelements mit einem semantisch vergleichbaren Wort sind. 248 Die im Lauf des Tests abnehmende Häufigkeit ›korrekter‹ Assoziationen kann zwei Gründe haben: Eine gewisse Ermüdung im Suchen von Assoziationen und die Sortierung der Namen, die nach meinem subjektiven Verständnis ungefähr von leichter verständlichen zu schwer verständlichen angeordnet waren. Das w utεland (Wältschland) umschreibt Testperson 3 passend mit dem Adjektiv französisch. Zu laxxe (Lache) wurde schwzd. Glungge f. ›Pfütze, Untiefe im Wasser‹ (Id. II: 635; Testperson 1), Lache f., Pfütze f. (3), Wasser, Pfütze, nasses Gebiet (9) assoziiert. Weitere Nennungen der Art Lache(n) waren nicht eindeutig zu deuten: War hier auch die ›Pfütze‹ gemeint oder eher das Verb lachen? Beim l d″li (Lädeli) denkt Testperson 3 an ein Kaufhaus mit Milch. Testperson 1 notierte zum landεtu″u (Landstuel) Bank, Sitzgelegenheit. Zu lǿt″rbrΌnn″n (Lauterbrunnen) notierte Testperson 1 Wasserfall. l ό″εáx″ (Längeschache) führte ebenfalls bei Testperson 1 zur Asoziation einer länglichen Wiese. 247 Allenfalls ist auch an das eher nicht-toponymische Suffix -ig (Kluge/ Seebold 2002: 433) zu denken. 248 Die Unterscheidung in diachron etymologisch korrekte und tendenziell volksetymologische Assoziationen (vgl. 4.3.4.3) muss natürlich dann fließend bleiben, wenn die Etymologie nicht zweifelsfrei geklärt ist. Dagegen waren manche Namen so verständlich, dass eine etymologisch korrekte Assoziation problemlos möglich war. <?page no="235"?> 4.3 Untersuchung anhand des Berner Namenbuchs 235 Der loup″rg, lĀp″rg (Loubberg) ließ Testperson 3 an Wald und Buchen denken, Testperson 9 an einen bewaldeten Berg. Zum leό″bod″ (Lengebode) fiel Testperson 1 das Stichwort Agrarland ein, Testperson 3 Acker, Testperson 9 flaches Gebiet, grosse Ausdehnung. Bei der laό″rsit″ (Langersite) dachte Testperson 3 an eine Bergflanke, Testperson 9 an schmales, langes Gebiet. Die lu″g (Lueg) brachten mehrere Testpersonen mit dem Verb schwzd. luege ›schauen‹ (Id. III: 1221-1225) in Verbindung: Ausguck (Testperson 1), Schau! Pass auf! (Testperson 3), guck mal (Testperson 7), Erhöhung (d.h. wohl mit Ausblick; Testperson 9). Die Assoziation bot sich trotz der Seltenheit von Verben in Toponymen als einzige im Sinn eines phraseologischen Onyms (bzw. Satznamens; vgl. Vielbringen, 3.3.3.2) an. Zu láόnīu (Langnau) assoziierte Testperson 1 Weidland, Testperson 3 Feuchtgebiet, Testperson 9 Fluss, Wald. Bei lΫtsuflü″/ lΫts″flü″ (Lützelflüh) dachten Testpersonen 7 und 10 an einen kleinen Floh, 249 erkannten also nur das Bestimmungswort etymologisch korrekt (vgl. auch 4.3.4.3). Testperson 9 notierte dagegen für Fluh zutreffend Erhebung, Hügel. Die lůόk (Lenk) ließ Testperson 7 an die Länge, Testperson 9 an eine lange, schmale Fläche und Testperson 10 an die Seite denken. Die Assoziation von Testperson 10 zu lants″bΫ″Ǿ/ l ntsibΫ″Ǿ (Lanzebüel/ Länzibüel) war Lanzenfeld, womit sie das Grundwort durch ein sachverwandtes ersetzt, das Bestimmungswort aber vermutlich mit der Waffenbezeichnung gleichsetzt. Das līǾitēr (Louitor) assoziierte Testperson 1 passend mit Dorfeingang. Durch ihre Assoziation Schiffslente zu l nti (Länti) gab Testperson 3 zu erkennen, dass sie den Sinnzusammenhang des Namens erkannt hat. In der lΫft″r″ (Lüftere) erkannten mehrere Testpersonen das Appellativ Luft f.: windexponiertes Gebiet (Testperson 1), Luft (Testperson 7), Erhebung (Testperson 9), in den Lüften (Testperson 10). 4.3.4.3 Freie Assoziationen Interessanter sind die Fälle freier Assoziation, die keine Rücksicht auf die Etymologie der präsentierten Toponyme nehmen. Sie geben einen Hinweis darauf, wie die betreffenden Namen im mentalen Lexikon verknüpft werden. Mit über 100 entsprechenden Notizen sind diese Assoziationen überraschend häufig. 249 Das BENB (I/ 1: 148) vermutet Umdeutung von Fluh f. in Floh m. im Flööbach in V Ringgenberg sowie in der Flööbalma in IV Kandergrund. <?page no="236"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 236 Zum Namen lad″, tsΌ (Lade) assoziierte Testperson 3 zu laden, offenbar eine Infinitivform des Verbs laden, ausgelöst durch die ungewöhnliche Präposition Dagegen dachte Testperson 10 an Lade, Testperson 11 an Latte. Etymologisch ist Laden m. zwar verwandt mit Latte f., doch haben sich die beiden Appellative lautlich und semantisch so weit von einander entfernt, dass sicher von zwei getrennten Lexikoneinträgen gesprochen werden muss. Lade f. und laden sind ihrerseits miteinander verwandt, aber nicht mit Laden m. (Kluge/ Seebold 2002: 553 u. 559). Der Name lęndshΌ″t (Landshut) ließ mehrere Testpersonen neben dem Appellativ Land n. auch an Hut denken. Sie (Testpersonen 1, 2, 3 und 6) gaben nicht an, ob sie Hut f. oder Hut m. meinten, die etymologisch verwandt sind, aber meines Erachtnes eher als Homonyme denn als polysemes Appellativ zu betrachten sind. Aufgrund der weit größeren Verbreitung von Hut m. dürfte aber ohne Hinweis auf das andere Appellativ von der Assoziation mit Hut m. auszugehen sein. Zur l↓mgrǾ″b″ (Liimgruebe) assoziierte Testperson 11 Leimgraben. Auch Leim m. und Lehm m. sowie Grube f. und Graben m. sind etymologisch verwandt, aber nicht identisch (Kluge/ Seebold 2002: 367, 375, 565, 568). Der Grund für die Assoziation dürfte die gleichzeitige lautliche und semantische Ähnlichkeit der beiden Bestimmungswörter und Grundwörter sein. Testperson 6 fiel zu laxxe (Lache) der in Toponymen sicher seltene Tiername Lachs m. ein. Der Name laόkćrb″ (Landgarbe) ist mit dem schwzd. Kompositum Landgarbe f. ›Zinsabgabe, gewöhnlich bestehend in der 7. (5., 6.) Fruchtgarbe‹ (Id. II: 413; BENB I/ 2: 22) gebildet, enthält also das Appellativ Garbe f. nur noch mittelbar. Dennoch assoziierten die Testpersonen 1 Garbe (Weizen), 2 Garbe. Das Kompositum ist offenbar so unbekannt, dass es auch sonst zu semantisch stark abweichenden Assoziationen einlädt: Testperson 2 und 11 notierten auch das Adjektiv lang, Testperson 6 das Appellativ Kalb, Testperson 7 Landkerbe, Testperson 8 Landgraben. In diesen Assoziationen scheint schon der Kern einer Umdeutung, die Suche nach einer Deutung des auffälligen Namens zu stecken. Beim landεtu″u (Landstuel) fielen Testperson 3 als Assoziation neben dem Appellativ Land auch die Appellative Schule und darauf basierend Lehrer ein. Testperson 6 notierte dagegen Landstreu. Der Name lǿt″rbrΌnn″n (Lauterbrunnen) ließ manche Testpersonen nicht an einen lauteren, also klaren Brunnen (Id. III: 1513-1515), sondern an einen besonders lauten Brunnen, rauschenden Bach (Testpersonen 3 und 6; Id. III: 1505) bzw. an lauter, d.h. viele (Kluge/ Seebold 2002: 562) Brunnen und ein nasses Gebiet (Testperson 9) denken. <?page no="237"?> 4.3 Untersuchung anhand des Berner Namenbuchs 237 Zu l ό″εáx″ (Längeschache) schreiben die Testpersonen langer Schacht (3 und 7), langer Sack (6) bzw. Langenschatten (8). Die Notizen scheinen weniger (lautliche) Assoziationen als schon Reparatur- oder Deutungsversuche zu sein, das Grundwort schwzd. Schache m. ›mit Buschwerk bestandenes Ufer‹ (Id. VIII: 102-108) ist wohl der Mehrheit der Testpersonen unbekannt. Zu l▪ό″x (Lindach) assoziierte (ohne Berücksichtigung der berndt. Velarisierung nd > ng; SDS II: 119-123) Testperson 1 Leinen, Testperson 3 Leintuch (vgl. Liin, BENB I/ 3: 108). Der loup″rg, lĀp″rg (Louperg) wurde von Testperson 7 mit einem Loipenberg assoziiert, dessen Bestimmungswort wohl das Lehnwort Loipe f. ›gebahnte Spur für Skilanglauf‹ (Kluge/ Seebold 2002: 581) ist. 250 Für den Namen laό″rsit″ (Langersite) notierte Testperson 6 in der langen Sitte. Unklar ist, ob damit wirklich das Appellativ nhd. Sitte f. anstelle des schwzd. Si(i)te f. ›Seite‹ (Id. VII: 1448-1454) gemeint war. Die Assoziation zu lamm▪ (Lammi) war verbreitet der Tiername Lamm n.: Testperson 1 schrieb Lamm, Weidland, Testpersonen 3 und 7 notierten Lämmer, Testperson 10 assoziierte Lämmchen. Auch in diesem Fall dürfte das zugrunde liegende Appellativ schwzd. Lamm f. ›vom Wasser ausgehöhlte und durchströmte Felskluft‹ mit unklarer Etymologie (Id. III: 1266; Zinsli 1946: 329) den Testpersonen schlicht unbekannt gewesen sein, die Homonymie mit dem Tiernamen schon die Umdeutung vorwegnehmen. Zum Namen der lu″g (Lueg) schrieb Testperson 6 Lügen. Die Siedlungsnamen lęn″rswíu (Landerswil) und laό→sw↔Ǿ (Landiswil), beide mit ahd. Personennamen gebildet, führten bei den Testpersonen zu denselben Assoziationen (mit Ausnahme von Testperson 1, die nur den ersten der beiden Namen berücksichtigt): längliches Siedlungsgebiet (1), lang (2, 3, 6, 7), Fläche (9) bzw. Langeweile (10). Hier steht zu vermuten, dass dieselbe Aufgabe in schriftlicher Form eher die Assoziation Land n. geweckt hätte. Zu láόnīu (Langnau) schreibt Testperson 8 Langlau(f). l↓ss″x (Lyssach) entlockt der Testperson 7 die Assoziation »lis« Ach, die wohl als leise Ach ›leises Gewässer‹ zu verstehen ist. Das Adjektiv leiser (Komparativ) assoziiert auch Testperson 9. Eine andere Testperson notierte dazu Wald, eine Assoziation, die mir nicht verständlich ist, die aber vielleicht wie andere Notizen nur die eigentliche Assoziation paraphrasiert. Zum lŃ (Lee) fällt Testperson 1 die Assoziation Lee/ Luv ein. 250 Ich bespreche den Fall nicht unter den fremdsprachigen Assoziationen (4.3.4.4), weil mir das Lehnwort im Dt. integriert scheint. <?page no="238"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 238 Zwei Testpersonen (7, 10) haben zu lΫtsuflü″/ lΫts″flü″ (Lützelflüh) kleiner Floh notiert. Beide haben das Bestimmungswort also mit Mhd.-Kenntnissen semantisch korrekt umschrieben, für das Grundwort aber eine semantisch komplett abweichende, nur lautlich passende Assoziation gewählt (vgl. auch 4.3.4.2). Auch der Siedlungsname lants″bΫ″Ǿ/ l ntsibΫ″Ǿ (Lanzebüel/ Länzibüel) ist mit einem Personennamen oder einem Familiennamen gebildet. Die Assoziationen der Testpersonen sind Lanze/ Speer (1), Lanze (2 und 3), spitzer Hügel (9) und Landsbüro (6). Beim līǾitēr (Louitor) denkt Testperson 10 an ein laues Tal. Die Assoziationen zur lŕi″r″ (Leiere) führen einerseits zum Musikinstrument Leier f. (Testpersonen 1, 3), andererseits zur Leere f. (Testperson 6) und sogar zur Lauer f. (Testperson 10). Weitere Leier-Nennungen sind vermutlich ebenfalls als Assoziation mit dem Musikinstrument zu verstehen, können aber ohne entsprechenden Hinweis nicht sicher eingeordnet werden. Die Etymologie der Leiere ist nicht eindeutig geklärt, die drei Assoziationsstränge liegen aber nach Ausweis der historischen Formen sicher außerhalb des zu Erwartenden. Im Bestimmungswort des Siedlungsnamens lΠt→w↔Ǿ (Lütiwil) ist erneut ein ahd. Personenname zu sehen. Die Mehrheit der Assoziationen zielt auf schwzd. Lü(ü)t Plural ›Leute‹: Leute (Testpersonen 2 und 7), Siedlung mit Menschen (Testperson 9). Auch schwzd. Lü(ü)ti f./ n. ›Klingel‹ (kein Eintrag im Id.) kommt jedoch vor (Testperson 3), daneben lauter Weil (s.o. Lauterbrunnen; im Grundwort ist hier vielleicht Weil(e) f. zu sehen; Testperson 10) und nd. lütt (›klein‹; ohne Bedeutungsangabe der Testperson 11). Zu hól▪″bi (Holiebi) assoziiert Testperson 7 hohle Liebe, also ein Adjektiv, das demjenigem im Namen lautlich, aber nicht semantisch ähnlich ist. Während die Testpersonen das Grundwort von lát″rbax (Latterbach) als Bach m. stehen lassen, notieren sie zum Bestimmungswort Ratte f. (6), glatter Bach (7), flacher Bach (10). l▪″biw↕u (Liebiwil), ein weiterer Siedlungsname mit einem ahd. Personennamen, wird im Grundwort als typischer Siedlungsname erkannt. Das Bestimmungswort führt zu den Assoziationen lieb (Testpersonen 2, 7), Liebe (Testpersonen 3, 10) und schönes Gebiet (Testperson 9). Zu l nti (Länti) notiert Testperson 6 Ländchen n., das zwar etymologisch mit schwzd. Länd(t)i ›Landungsplatz‹ verwandt ist, sich semantisch aber doch deutlich unterscheidet. Möglicherweise hat der schwzd. Auslaut -i die Testperson an ein Diminutivsuffix erinnert. Mehrfach wurde zu lęttig″ (Lattigen), einem weiteren Siedlungsnamen mit ahd. Personennamen, das Appellativ Latte f. assoziiert (Testpersonen 2, 3 und 7). <?page no="239"?> 4.3 Untersuchung anhand des Berner Namenbuchs 239 Auch zu látr▪g″ (Lattrigen) assoziierte Testperson 2 Latte f. Anders Testperson 3: Ihr fiel dazu Latrine f., Klo n. ein. Auch Testperson 7 dachte an latrinig (von Latrine), widerlich, aber auch an ledrig. Die Assoziation zu lŤεε″ (Leische) war bei Testperson 3 neben Lescha (ohne Bedeutungsangabe und vermutlich eher eine Verschriftlichung) Leiste f. Testperson 9 fühlte sich an irgendeinen Baum erinnert; sie gab nicht an, ob sie einen bestimmten Baum meint, dessen Name dann vermutlich lautähnlich wäre. lıissig″, älter lŔssig″ (Leissigen) führte zu den Assoziationen fleißig (Testperson 3) und lässig (Testpersonen 7 und 11). Zu lūits→g″ (Leuzigen) schrieb Testperson 2 das Verb schwzd. läutsche ›ziellos, müßig umher-streichen‹ auf. Bei lĭbs→g″ (Lobsigen), erneut einem Siedlungsnamen mit einem ahd. Personennamen, dachten die Testpersonen 2 und 3 an Lob n., Testperson 9 dagegen an eine monophthongierte Form von Laub n. (für die Gegend nicht nachgewiesen; SDS I: 121) und damit an Wald. Die Assoziation von Testperson 10 zu lΫtε″tćl/ l▪tε▪tćl (Lütschental) ist im kleinen Tal. Offenbar verbindet sie das Bestimmungswort des Toponyms mit mhd. lützel ›klein‹ (Lexer 1872-1878/ 1970 II: 1999), das nur noch in Toponymen vorkommt (vgl. oben Lützelflüh). 251 4.3.4.4 Fremdsprachige Assoziationen Anders als beim Verschriftlichungsversuch führte das freie Assoziieren auch zu fremdsprachigen Assoziationen. Den Testpersonen war bei diesen Assoziationen mit Sicherheit bewusst, dass sie sich mit der (diachronen) Etymologie der entsprechenden Namen nicht decken. Wie oben (4.3.4.2) erwähnt, nahmen diese Assoziationen mit der Dauer des Tests zu, wobei eine Ermüdung ebenso wie die Sortierung der Namen mit zunehmend schwieriger Deutbarkeit die Ursache sein können. Zu l nti (Länti) assoziierte Testperson 10 langsam. Ich vermute darin eine Übersetzung von frz. lent(ement) ›langsam‹. Ebenfalls Testperson 10 notierte zur l tt″r″ (Lättere) die Assoziation Brief m. Hier ist eindeutig eine lautliche Assoziation mit frz. lettre m. bzw. engl. letter ›Brief‹ zu erkennen. lüε″rds (Lüscherz) ließ Testperson 6 an engl. lizard ›Eidechse‹ denken. 251 Dr. Inga Siegfried weist darauf hin, dass die Testperson vielleicht an das Appellativ Lüttsche f. ›kleines Mädchen‹ aus einem (nd.? ) Dialekt gedacht habe. Dieses Appellativ dürfte etymologisch verwandt sein, in Wörterbüchern habe ich es jedoch nicht gefunden. <?page no="240"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 240 Bei l▪tt→sbax, l▪tt″sbax (Littisbach/ Littesbach) dachte Testperson 7 an einen Bach mit Littering, also an das erst vor Kurzem aus dem Engl. entlehnte Littering n. ›Wegwerfen bzw. Liegenlassen von Abfall‹ (kein Eintrag im WDG). Zwei Testpersonen notierten engl. Assoziationen zu lĭbs→g″ (Lobsigen): das Adjektiv lopsided ›einseitig, schief‹ (7) und Hummer m. (10). Letzteres ist die Übersetzung von engl. lobster. Eine exotische Assoziation hatten zwei Testpersonen schließlich zu lΫtε″tćl/ l▪tε▪tćl (Lütschental): Testperson 7 dachte an Tal der Lychee (engl. Form für dt. Litschi; Brockhaus-Wahrig IV: 499, 503 u. 544), Testperson 9 mit der Assoziation indische Frucht vermutlich ebenso. 4.3.4.5 Anderes Mehrere Testpersonen haben zu den präsentierten Namen andere Toponyme assoziiert. Das w utεland (Wältschland) brachte Testperson 8 zum Namen Deutschland. Zum Gemeindenamen l↓ss″x (Lyssach) assoziierte Testperson 11 Lyssbach, den Namen des Bachs in der Gemeinde II Lyss. Die Assoziation dürfte eindeutig lautlich motiviert sein. Testperson 11 fiel zu lĭbs→g″ (Lobsigen) ein bekannter Ort Lobsingen ein, von dem sie allerdings nicht sagen konnte, wo er liegt. 252 Ebenfalls Testperson 11 notierte zu lΫtε″tćl/ l▪tε▪tćl (Lütschental) den Namen des Walliser Tals Lötschental. Testperson 1 war die einzige, die auch nicht-sprachliche Assoziationen aufschrieb. 253 Bei lΫtsuflü″/ lΫts″flü″ (Lützelflüh) notierte sie Gotthelf und brachte den Ort damit in Verbindung mit Jeremias Gotthelf, der dort von 1832 bis zu seinem Tod 1854 Pfarrer war (HLS digital: Gotthelf, Jeremias, 2009-03-03). In ähnlicher Weise assoziierte sie zur lůόk (Lenk) die Stichwörter Berge, Skifahren, weil die Lenk eine bedeutende Wintersportstation ist (HLS digital: Lenk, 2009-03-03). Schließlich nahm Testperson 11 beim Namen lΫft″r″, ▪ d″r (Lüftere) eine dialektale Entwicklung an, die im Untersuchungsgebiet tatsächlich vorkommt: das movierte Femininum auf -ere statt schwzd. -i (n.), nhd. -in (z.B. 252 Kaum anzunehmen ist, dass sie Lobsi(n)gen, eines der alten dt. Exonyme für Lucens VD (LSG 2005: 546), meinte. 253 Vermutlich ein Hinweis darauf, dass die Testpersonen wohl nicht völlig frei assoziierten, sondern tendenziell wie im ersten Test Verschriftlichungsversuche machten. <?page no="241"?> 4.3 Untersuchung anhand des Berner Namenbuchs 241 Bärnere ›Bernerin‹; SDS III: 159-162). Testperson verbindet daher den Namen mit einem movierten Appellativ Lüfterin, nicht mit einem schwzd. Lehnsuffix -ere f., mit dem Stellenbezeichnungen gebildet werden (Szadrowsky 1938; Sonderegger 1958: § 249). 4.3.5 Auswertung Die Resultate, die bei den beiden Versuchen erwartet wurden (4.3.2), haben sich zumindest teilweise eingestellt: Im Verschriftlichungstest (4.3.3) wurden relativ viele nicht leicht verständliche Namenelemente durch andere, teilweise typisch toponymische Elemente ersetzt. Noch etwas häufiger waren nicht toponymietypische Elemente. Typische Namenelemente (4.3.3.1) Fälle Testpersonen Fälle/ Testperson 10 3 1-5 Nicht-typische Namenelemente (4.3.3.2) Fälle Testpersonen Fälle/ Testperson 13 8 1-3 Anderes (4.3.3.3) Fälle Testpersonen Fälle/ Testperson 3 3 1 Der Assoziationstest führte nur teilweise zu den erwarteten Resultaten: Nur ein geringer Teil der Assoziationen betraf andere Toponyme oder für Namen typische Elemente. Die überwältigende Mehrheit der Assoziationen waren stattdessen Wörter des allgemeinen Sprachgebrauchs. Typische Namenelemente (4.3.4.1) Fälle Testpersonen Fälle/ Testperson 6 3 1-4 <?page no="242"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 242 Etymologisch korrekte Assoziationen (4.3.4.2) Fälle Testpersonen Fälle/ Testperson 38 6 1-10 Freie Assoziationen (4.3.4.3) Fälle Testpersonen Fälle/ Testperson 107 9 5-19 Fremdsprachige Assoziationen (4.3.4.4) Fälle Testpersonen Fälle/ Testperson 8 4 1-3 Anderes (4.3.4.5) Fälle Testpersonen Fälle/ Testperson 7 4 1-2 Die Grundlage dieser Assoziationen war fast ausschließlich eine lautliche Ähnlichkeit mit dem präsentierten Toponym. Semantisch wichen die Assoziationen dagegen deutlich von der (teilweise durchaus erkennbaren) appellativischen Bedeutung des betroffenen Namenelements ab; manche Assoziationen waren Wörter, die in Toponymen kaum auftreten. Die herausragende Bedeutung der Lautähnlichkeit zeigt sich bei Assoziationen, die auf den ersten Blick weder lautlich noch semantisch erklärbar scheinen: Die Assoziation Hummer zum Siedlungsnamen Lobsigen erklärt sich nur über eine vorauszusetzende Zwischenstufe engl. lobster, deren Übersetzung Hummer ist (vgl. dazu das hypothetische Beispiel Köniz > *Prinzessin, 4.3.2). Diese größere Bedeutung der Lautähnlichkeit für die Assoziation deckt sich mit dem Wissen, dass Rezipientinnen, Rezipienten primär vom Laut auf die Bedeutung schließen und nicht umgekehrt (vgl. 4.1). Manche der Assoziationen wahrten nicht einmal die Wortklasse Substantiv Diese Assoziationen über die Wortartgrenzen betreffen Substantive und Adjektive als übliche Bestandteile von Toponymen wie auch Verben, z.B. schwzd. läutsche als Assoziation zu Leuzigen. Nicht selten wurden die <?page no="243"?> 4.3 Untersuchung anhand des Berner Namenbuchs 243 Namen für die Assoziationen auch morphologisch resegmentiert und in ursprünglich nicht vorhandene Kompositionselemente aufgetrennt. Viele Assoziationen waren deutlich appellativisch, wobei den Testpersonen in manchen Fällen sicher bewusst war, dass sie nicht der (diachronen) Etymologie der Toponyme entsprechen. Dies trifft etwa auf die fremdsprachigen Assoziationen zu. Das Interessante der freien Assoziationen liegt darin, dass sie Rückschlüsse darauf erlauben, in welchen Zusammenhängen die entsprechenden Namen von den Befragten im mentalen Lexikon vermutlich gespeichert werden: In erster Linie eben über lautliche Nähe, nicht über semantische Vergleichbarkeit, und das selbst unter gebahnten Bedingungen. Allerdings können die Verschriftlichungen und Assoziationen der Testpersonen selbstverständlich nicht mit tatsächlichen Umdeutungen gleichgesetzt werden: Assoziationen sind keine Deutungen, wie die nicht sprachlichen Assoziationen von Testperson 1 (Gotthelf für Lützelflüh, Skifahren für Lenk) zeigen. Manche Assoziationen sind so überraschend, dass jeder Testperson klar ist, dass sie für ein Toponym zumindest unüblich sind (z.B. Floh für Lützelflüh). Dazu gehören etwa die assoziierten Verben Sie sind so auffällig, dass sie reine mehrheitlich lautliche Assoziation ohne Umdeutung zu sein scheinen. Auch die (wenigen) Assoziationen der Testpersonen mit nicht-dt. Muttersprache lassen natürlich keine Rückschlüsse auf die Namenrepräsentation bei muttersprachlichen Sprecherinnen und Sprechern zu. Dennoch sind auch sie von Interesse: Weil für fremdsprachige Rezipientinnen und Rezipienten fast jeder Name unverständlich ist, zeigen sie mit einer gewissen Überzeichnung den Prozess des Umgangs mit unverständlichen Namen. Die Rezipientin, der Rezipient versucht, sie lautlich zu verknüpfen. Die Testperson 8 mit ung. Muttersprache assoziiert so zum Siedlungsnamen Langnau das Appellativ Langlauf. Ähnliches widerfährt selbst Sprecherinnen und Sprechern anderer Dialekte derselben Sprache. Eine Grenze zwischen Assoziationen und tatsächlicher Umdeutung ist allerdings kaum zu ziehen: Auch sehr auffällige Assoziationen finden im Material des BENB Parallelen, z.B. Guetwüschgrabe (vgl. 3.3.5.3). Zweifellos nimmt hier die durchschnittliche Sprachteilnehmerin, der durchschnittliche Sprachteilnehmer als Elemente tatsächlich das Adjektiv schwzd. guet ›gut‹ und das Verb schwzd. wüsche ›wischen‹ wahr und wird an dieser Deutung nicht zweifeln, auch wenn sie bzw. er feststellt, dass das Toponym irgendwie auffällig ist. Als Fazit lässt sich festhalten, dass Assoziationen einen Hinweis darauf geben können, welche Umdeutungen für einen Namen denkbar sind. Die Resultate der beiden Tests decken sich mit einigen zentralen Ergebnissen aus Kapitel 3: Verschriftlichungen und Assoziationen sind teilweise mit <?page no="244"?> 4 Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons 244 einer morphologischen Resegmentierung verbunden (3.3.4), es sind Fremdspracheneinflüsse wahrzunehmen (3.3.6.2), vor allem Personennamen in Namen führen zu etymologisch nicht zutreffenden Assoziationen (3.3.11.1), vereinzelt werden auch andere Toponyme assoziiert (3.3.11.3). Die Erfahrungen mit den beiden Pilottests zeigen: In einem Test mit dem Ziel quantitativer Auswertung wäre es unabdingbar, semantisches Priming zu kontrollieren, um neutralere Testergebnisse zu erreichen. Den Testpersonen müssten die Namen so präsentiert werden, dass sie ihre ›Namenhaftigkeit‹ nicht erkennen. Dies könnte etwa in einem normalsprachlichen Kontext geschehen. Nicht-toponymische Kontrollwörter könnten die Effekte verdeutlichen. Wünschenswert wäre daneben eine geprimte Kontrollgruppe, deren Testpersonen wissen, dass es sich um einen Test zum Thema Toponyme handelt. Der Vergleich dieser beiden Gruppen könnte für die Untersuchung der Funktionsweise des mentalen Lexikons im Bereich der Toponyme besonders aufschlussreich sein. Zu interessanten Resultaten könnte auch ein Assoziationstest führen, bei dem den Testpersonen verständliche und unverständliche Namen präsentiert werden, um herauszufinden, ob verständliche Namen vielleicht eher als unverständliche zu semantischen statt primär zu lautlichen Assoziationen neigen. Schließlich wäre eine neurolinguistische Versuchanlage anzustreben, die den Übergang von der Assoziation zur Umdeutung aufzeigen kann. Für alle diese Tests wäre auf eine Auswahl von Testpersonen zu achten, die den lokalen Dialekt zumindest problemlos verstehen; Testpersonen, die andere Dialekte sprechen, müssten gesondert betrachten werden. Die Aufgabenstellung müsste in einem größeren Assoziationsversuch noch präzisiert werden, um entweder wirklich freie Assoziationen oder aber wie im Verschriftlichungstest normalalphabetische Schreibweisen zu erzielen . <?page no="245"?> 5 Abschluss und Ausblick 5.1 Bedeutung der Volksetymologie in der Toponymie Sanders (1980: 207f.) formulierte den Wunsch, die zukünftige Volksetymologieforschung möge sich weniger auf die Ausarbeitung weiterer theoretischer Feinheiten konzentrieren als vielmehr grundlegend und systematisch Volksetymologien sammeln, da die Materialbasis bis heute auf dem Stand von Andresen (1899) verharre (s. Kapitel 1). Sanders’ Wunsch kann die vorliegende Arbeit nur teilweise erfüllen, und die Suche nach dem Grund dafür führt zurück zur theoretischen Fassung der Volksetymologie. Volksetymologie ist nicht einfach das schillernde Phänomen der - oft mit amüsantem Resultat - auffällig veränderten (oder je nach Blickwinkel auch entstellten) Wörter. Viele Sammlungen von Volksetymologien stützen sich mehrheitlich oder ausschließlich auf solche Fälle, weil sie leicht zu identifizieren sind, sich zur Illustration des Phänomens vermeintlich besonders gut eignen und erst noch auf großes Publikumsinteresse stoßen. Theoretisch ist diese Auswahl meines Erachtens jedoch kaum zu begründen. 254 Zu unklar sind die Grenzen zwischen Volksetymologien, die ohne jede lautliche Anpassung auskommen (Liebiwil), solchen, denen das (schriftliche, lautliche) Sprachmaterial widerspricht und die doch verbreitet wahrgenommen werden (Allmendingen), und solchen, in deren Folge ein Wort mehr oder weniger deutlich verändert wurde (Aarolina). Zu ungewiss bleibt auch in jedem Fall, wie allgemein eine volksetymologische Deutung wirklich gilt, welcher Anteil einer Sprachgemeinschaft eine Deutung überhaupt erkennt. Zu unklar ist schließlich, wie präsent die appellativische Bedeutung der untersuchten Namenelemente den Sprecherinnen und Hörern im Gebrauch der Namen überhaupt ist und ob sie nicht von der denotativen Bedeutung des Namens, der Referenz auf ein Objekt, klar überlagert wird. Und nicht zuletzt führte eine enge Definition der Volksetymologie dazu, dass diese zwar theoretisch sehr gut eingebettet ist, aber auffällig selten aufträte. Die vorliegende Untersuchung arbeitet daher mit einer breit gefassten Volksetymologiedefinition (2.3.5). Untersucht werden nicht nur Fälle, in denen Wörter bei ihrer volksetymologischen Remotivierung in einer den Lautgesetzen nicht entsprechenden Weise verändert werden, sondern auch Volksetymologien, die sich weder im Schriftnoch im Lautbild zeigen und solche, die nur von Einzelpersonen hergestellt werden. Untersucht werden 254 Antos (1996: 217f., 229) kritisiert dieses verbreitete Auswahlkriterium grundlegend: Es diene dazu, Volksetymologie als wissenschaftlich falsche Etymologie zu denunzieren. <?page no="246"?> 5 Abschluss und Ausblick 246 manifeste Volksetymologien, die für viele Mitglieder der Sprachgemeinschaft dauerhaft gelten, genauso wie Einzeldeutungen: Deutungen von Gewährspersonen, die einen Namen sonst isoliert verwenden und nur auf Nachfrage eine einmalige Deutung angeben, und einzelne volksetymologische historische Schreibweisen (3.3.9). Selbst bewusste, intendierte Umdeutungen (3.3.14), die vielen nicht als Volksetymologien gelten, sind nicht ausgeschlossen. Der Untersuchungsgegenstand ist also überaus offen (3.1.2) und im Prinzip kann jeder Name der Volksetymologie unterliegen, wie es Rundblad/ Kronenfeld (2003) im Titel ihrer Arbeit The inevitability of folk etymology ausdrücken. Volksetymologie wird vom sprachlichen Randphänomen zu einer Erscheinung im Zentrum des Sprachgebrauchs. Sie zeigt sich nicht nur in auffälligen Namen bzw. Appellativen, sondern kann auch ein stilles Phänomen sein, das der Untersuchung beinahe verschlossen ist, weil es schwer fassbar ist. Und Volksetymologie muss auch Teil der wissenschaftlichen Etymologie sein: Selbst wenn man sie streng als diachron falsche Etymologie versteht, kann sie längerfristig die Wortbzw. Namengeschichte dauerhaft beeinflussen. Das zeigt der heute Hof genannte Weiler, der ursprünglich vermutlich Perchtoldespuron hieß, heute jedoch ganz eindeutig mit dem Appellativ Hof zu deuten ist (3.3.15). Die veränderte Wahrnehmung und Einschätzung der Volksetymologie spiegelt sich in der Forschung der vergangenen 150 Jahre. Galt sie noch Anfang des 20. Jh. manchen als eine Art sprachlicher Krankheit und Fehlleistung, setzte sich mit der Zeit die Einschätzung durch, dass sie (in pragmatischer Sicht) durchaus sprachfunktional sein kann. In der praktischen Forschung hat die veränderte Wahrnehmung aber noch wenig Niederschlag gefunden. Bisher lautet die grundlegende Frage bei der Untersuchung von Volksetymologie: »Welche Namen sind volksetymologisch beeinflusst? « Mit dem Bewusstsein, dass Volksetymologie ein starkes Element der lebendigen Sprache ist und jeden Namen betreffen kann, wäre ergänzend zu fragen: »Welche unterschiedlichen volksetymologischen Anknüpfungen eines Namens sind denkbar, und welche davon lassen sich (z.B. mittels Tests) belegen? « Ja, man könnte sogar von der Gegenseite her anfangen: »Welche für einen Namen möglichen Volksetymologien treten nicht auf und was sind die Gründe dafür? « Eine so offene Definition des Untersuchungsgegenstands birgt natürlich die Gefahr der Beliebigkeit: Alles ist Volksetymologie, und wenn man sie lange genug sucht, findet man sie auch. Um dennoch Anhalts- und Einstiegspunkte für eine Untersuchung zu haben, empfiehlt es sich daher auch im Wissen um die allgemeine Verbreitung von Volksetymologie, Kategorien zu definieren und zu untersuchen. Kapitel 3 der vorliegenden Arbeit ist eine Untersuchung nach solchen klassisch definierten Kategorien. Die Analyse der einzelnen Kategorien <?page no="247"?> 5.1 Bedeutung der Volksetymologie in der Toponymie 247 zeigt deutlich, dass sie - wie erwartet - nicht ausschließend sind, sondern sich immer wieder überschneiden: Für das Untersuchungsgebiet zeigt sich etwa, dass insbesondere die schon genannten Siedlungsnamen volksetymologisch beeinflusst sind. Ebenfalls häufig umgedeutet sind Personennamen als Bestandteil von Toponymen. Von unerwartet geringer Bedeutung erweist sich dagegen die Ursprungssprache der Namen. Der Grund dürfte darin liegen, dass fremdsprachige Namen in gleicher Weise isoliert sind wie manche alten Namen aus der Sprache der Sprachgemeinschaft. Die Untersuchung von Volksetymologien zu unterschiedlichen historischen Zeitpunkten ergibt, dass es wohl Phasen gab, in denen Volksetymologien zumindest mit größerer Wahrscheinlichkeit auftraten. Die Ursachen dafür sind jedoch mehrheitlich außerhalb der Sprache zu suchen: Im Wandel der Personennamegebung, in der Verschriftlichung und vor allem im kulturellen Wandel. Die meisten der untersuchten Kategorien bewirken Volksetymologie indirekt, indem sie zur Isolation von Namen führen. Kapitel 4 ergänzt diese klassische Vorgehenweise nach Untersuchungskategorien durch eine Untersuchung zur Volksetymologie als Erscheinung des mentalen Lexikons. Hier ist der Ausgangspunkt die Annahme, Volksetymologie sei eine fast unausweichliche Erscheinung des Onomastikons als Teil des mentalen Lexikons. Als ursächlicher Grund für toponymische Volksetymologie wird oft das Bedürfnis, Namen zu verstehen, gesehen (dem freilich auch das Wissen gegenübersteht, dass viele Namen unverständlich sind). Besser zu fassen ist dieses Bedürfnis vielleicht als Wahrnehmung, dass isolierte Namen gewissermaßen defekt sind, weil sie sich von einem ursprünglichen, nicht isolierten Zustand entfernt haben. Volksetymologie kann sie aus diesem Zustand befreien. Die Forschung zum mentalen Lexikon zeigt, wie Wörter im Hirn strukturiert gespeichert werden. Ihre Erkenntnisse lassen annehmen, dass Namen ebenso wie Appellative in semantischen und lautlichen Netzwerken abgelegt werden und bei der Suche nach einem Namen bzw. beim Versuch, einen Namen als solchen zu erkennen und zu verstehen, immer auch andere Wörter im Gehirn aktiviert werden. Vor diesem Hintergrund führt das Missverstehen isolierter Wörter und Namen fast unausweichlich dazu, sie mit anderen, ähnlichen Wörtern in Verbindung zu bringen. Die volksetymologische Remotivierung oder sogar Umformung von Namen ist also nicht uneingeschränkt einem nicht genauer definierten Bedürfnis nach Deutbarkeit zuzuordnen, sondern möglicherweise schlicht die Folge der kognitiven Struktur des Hirns. Die mit Testpersonen durchgeführten Tests zum Onomastikon im mentalen Lexikon verstehen sich als eine erste Anwendung im Gebiet der Toponymie, die lediglich Hinweise darauf geben soll, wie Toponyme im Hirn organisiert sein könnten. Bei aller nötigen Vorsicht in der Interpretation <?page no="248"?> 5 Abschluss und Ausblick 248 der Resultate lässt sich dennoch festhalten: Die Testpersonen haben im Verschriftlichungstest unverständliche Namenelemente durch deutbare ersetzt, von denen einige typisch toponymisch sind. Der Assoziationstest zeigte, wie Assoziationen der Hörerin, des Hörers in erster Linie über das Lautmaterial ablaufen, womit gerade zu unverständlichen Namen auch semantisch auffällige Assoziationen möglich sind. Die beiden Untersuchungen in Kapitel 3 und 4 ergänzen sich. Das mentale Lexikon gibt Anhaltspunkte dazu, was die kognitiven Grundlagen der Volksetymologie sind, die Kategorien der Untersuchung in Kapitel 3 zeigen für das Untersuchungsgebiet die Kristallisationspunkte auf, an denen Volksetymologie tatsächlich auftritt. Anders ausgedrückt geht es um die Ursachen (mentales Lexikon) und die Auslöser (klassische Kategorien) von Volksetymologie. Diese Einteilung erklärt auch, wieso die bisherigen Kategorien von Volksetymologien nicht ausschließend waren, sondern sich stets überkreuzt haben: Eine Umdeutung kann durch mehrere Faktoren ausgelöst werden, mehrere Faktoren können sich gegenseitig bedingen. Als über das Untersuchungsgebiet hinausreichende Erkenntnisse beider Untersuchungsteile lassen sich festhalten: • Volksetymologieforscherinnen und -forscher werden kritisiert, sie nähmen jeden noch so geringen Hinweis auf eine Volksetymologie zu ernst, manche Volksetymologien seien nichts als das Produkt ihrer Fantasie (etwa Vennemann gen. Nierfeld 1999: 305). Nach Volksetymologien zu suchen ist jedoch nicht falsch, auch wenn sie nicht offensichtlich sind: Sowohl Versuche mit Testpersonen (4) als auch die deutlichen Hinweise in Sagen und Gemeindewappen (3.3.13) zeigen, dass Assoziationen als Ausgangspunkt bzw. Anzeichen einer Deutung selbst dann möglich sind, wenn die lautliche Ähnlichkeit relativ gering ist (3.3.3.4) und die Umdeutung semantisch absurd scheint. Die verbreitete Beschränkung auf die eindeutigen Fälle auffälliger Volksetymologie hat demgegenüber mit dazu beigetragen, Volksetymologie als ein sprachliches Randphänomen ohne große Bedeutung einzuschätzen. Erst die Arbeit mit schwieriger erkennbaren Fällen macht deutlich, wie allgemein verbreitet Volksetymologie ist. • Die Untersuchung hat gezeigt, dass die allgemein als Grundvoraussetzung für Volksetymologie gehaltene Isolation (2.3.1.1) nicht unerlässlich ist. Manche Umdeutungen geschehen ausgehend von einem durchaus noch verständlichen Appellativ, teilweise bewusst, teilweise auch nicht, und erlangen später den Status einer unzweifelhaften Volksetymologie. • Bei einer Umdeutung ist immer eine Ähnlichkeit im Laut- oder Schriftbild von Ausgangs- und Zielpunkt festzustellen. <?page no="249"?> 5.1 Bedeutung der Volksetymologie in der Toponymie 249 • Die Grenze zwischen Volksetymologie und wissenschaftlicher Etymologie lässt sich in der Praxis nicht so scharf ziehen, wie dies theoretisch möglich scheint: Zwischen naiven Herangehensweisen an die Etymologie und der wissenschaftlichen Arbeit gibt es eine Vielzahl von Zwischenstufen und jede wissenschaftliche Arbeit kann sich nachträglich auch als volksetymologisch herausstellen. Der Unterschied liegt eher in der Funktion als in der Art, wie die Etymologie zustande kommt. • Will man Volksetymologien kategorisieren, bieten sich meines Erachtens zwei grundlegende Kategorien an, die ich manifeste und unsichere Volksetymologien nennen würde. Unter verschiedenen Aspekten wurden schon Kategorisierungen vorgeschlagen, die sich mit dieser Dichotomie zumindest teilweise decken. Olschansky spricht von Volksetymologien mit und ohne lautliche Veränderung (wobei auch eine Volksetymologie ohne lautliche Anpassung durchaus manifest sein kann (2.3.4)). Vennemann gen. Nierfeld (2.2.2.6) spricht von der Volksetymologie als Spracherwerb (die hier mit manifester Volksetymologie gleichzusetzen wäre) und Volksetymologie als Etymologie (der aktiven Deutung). Im Einzelfall kann es allerdings fast unmöglich sein festzustellen, ob eine Volksetymologie (bei einer Einzelperson oder einer Sprachgemeinschaft) manifest oder nur (bei einer Einzelperson) ad hoc gebildet ist. Dies, obwohl die in Namenbüchern erwähnten Volksetymologien glauben lassen, man könne toponymische Volksetymologien eindeutig als allgemeine Deutungen feststellen. • Volksetymologie ist kein erratisches Phänomen, eine Öffnung in Richtung verwandter Phänomene wäre zu begrüssen. Manche der untersuchten Namen beinhalten wohl eine Art der Umdeutung. Das Ziel der Umdeutung ist aber manchmal nur eine andere Bedeutung eines als Appellativ polysemen Namenbestandteils (3.3.2.1). Ob man hier schon von Volksetymologie sprechen soll, ist fraglich: Wo beginnt die Deutung? Noch fraglicher wird es, wenn Ursprungs- und Zielappellativ zweifellos identisch sind, aber das Benennungsmotiv umgedeutet wird (3.3.13.3). Diese Fälle führen eher zu den Populären Kulturen (bzw. älter Volkskunde) oder zur Volksliteratur. • In den letzten Jahrzehnten sind im Untersuchungsgebiet sehr viele Toponyme verschwunden (3.2). Die verbleibenden sind in der heutigen nachagrarischen Gesellschaft kein in erster Linie bäuerliches Gut mehr: Es muss heute auch Toponyme geben, die bei einer nichtbäuerlichen Gesellschaft in Gebrauch sind. Über diese Benennungen existieren sehr wenig Daten. Wir wissen daher nicht, ob die Namen, wie sie im Fall des BENB Mitte des 20. Jh. erhoben wurden, weiter- <?page no="250"?> 5 Abschluss und Ausblick 250 hin so in Gebrauch sind, ob sie durch neue Benennungen anderer Bevölkerungsgruppen überlagert wurden (und also verbreitete Mehrnamigkeit herrscht). Wir wissen auch nicht, ob sich durch Isolation eine breite Umdeutung vorhandener Namen abzeichnet, wie sie theoretisch möglich scheint, oder ob Flurnamen zunehmend wie schon Siedlungsnamen als undurchsichtig, isoliert und unverständlich wahrgenommen werden. • Ohnehin hat sich gezeigt, dass die Arbeit allein mit landwirtschaftlich geprägten Gewährspersonen der Toponymie nicht gerecht wird, weil sie nicht alle Namen und Deutungen erfassen kann: In manchen Fällen sind es gerade andere Personen, etwa Auswärtige, die ein Toponym in volksetymologischer Weise deuten. • Offen bleibt meines Erachtens die Frage, ob die Onomastik wirklich das Paradegebiet der Volksetymologie ist (2.4.2). Die Resultate der Untersuchung sind nicht eindeutig: Namen sind zwar häufiger als der allgemeine Wortschatz isoliert, können dies aber auch leichter ohne Remotivierung sein. Auf jeden Fall ist die Aussage nach verschiedenen Namentypen zu differenzieren. • Die grundlegende Schwierigkeit der Volksetymologieforschung ist und bleibt es, Volksetymologien zu erkennen, wenn man sie nicht per Testverfahren erfragt. Es fehlt weiterhin an einem Prüfkriterium zur einwandfreien Feststellung von Volksetymologie ebenso wie zu ihrer Verbreitung. Auch mit dem mentalen Lexikon lässt sich nicht vorhersagen, welcher Name wann und wie umgedeutet wird: Wo ist der Übergang von der Assoziation und der verknüpften mentalen Speicherung zur manifesten Deutung? Wie erkennt man, wie allgemein ein Name auf eine bestimmte Weise gedeutet wird? Und wieso werden einige isolierte Namen wiederholt oder in mannigfaltiger Weise umgedeutet (3.3.15), während andere isoliert blieben? 5.2 Ausblick In Kapitel 3 wurden Volksetymologien aus dem Material des BENB nach verschiedenen sprachlichen und außersprachlichen Kriterien untersucht und mit Beispielen illustriert. Aus Gründen der oben genannten Schwierigkeit, Volksetymologien überhaupt eindeutig zu identifizieren, muss eine mehr oder weniger abschließende Sammlung aller Volksetymologien, die zu einer dieser ohnehin nicht trennscharfen Kategorien gehören, ein Wunsch bleiben. Möglich wäre es dagegen, einzelne dieser Kategorien vertieft zu untersuchen. <?page no="251"?> 5.2 Ausblick 251 Bei einer weiteren Eingrenzung der Untersuchungseinheit könnte es gelingen, vorsichtig ein Lexikon der dabei zu untersuchenden Art von Volksetymologie zu erstellen. Ich denke etwa an den Entstehungszeitpunkt, an Schreibervolksetymologien in einem bestimmten Jh., an Volksetymologien bestimmter Personen im 19., 20. und 21. Jh. im Vergleich, an toponymische Volksetymologien mit Personennamen, an ein noch enger begrenztes geografisches Gebiet (ein Sektor oder auch nur einzelne Gemeinden). Die Kategorien, die ich für die vorliegende Untersuchung aus dem Material gebildet habe, könnten für vertiefte Untersuchungen zumindest Anhaltspunkte bieten. Von besonderem Interesse wäre der Vergleich zweier Gemeinden in ehemals rom. Sprachgebiet, die zu unterschiedlichem Zeitpunkt die Sprache wechselten: Lässt sich hier nachzeichnen, dass früher Sprachwechsel eher zu Neubenennungen führte, während späterer Sprachwechsel zu isolierten Namen führte? Und falls ja: Lassen sich Volksetymologien finden, die auf diese isolierten Namen zurückgehen, oder bleibt es eher bei den isolierten Namen? Auch eine Untersuchung zum Suffixwechsel bzw. zur Angleichung an bekannte Ortsnamensuffixe und -grundwörter könnte zu interessanten Resultaten führen. Zu Vergleichszwecken müsste für eine vertiefte Detailuntersuchung noch verstärkt weitere Literatur beigezogen werden. Aus Gegenden außerhalb des Untersuchungsgebiets müssten sowohl Namen mit denselben Elementen als auch Namen, die in jeweils ähnlicher Weise volksetymologisch beeinflusst sind, verglichen werden. Unbedingt zu vertiefen wären die Untersuchungen zu Toponymen im mentalen Lexikon. Meines Wissens liegen zu diesem Thema bisher überhaupt keine Untersuchungen vor, Kapitel 4 hat lediglich einen Einstieg zu weisen versucht. Weitere Überlegungen dazu dürften sowohl für das mentale Lexikon als auch für die Volksetymologieforschung von Interesse sein. Entsprechende Untersuchungen unter den Bedingungen der Kognitionsforschung gäben für die Volksetymologieforschung wertvolle Hinweise auf die tatsächliche Verbreitung der Volksetymologie. Volksetymologie hat Parallelen jenseits der Etymologie, wie Fälle gezeigt haben, in denen lediglich das Benennungsmotiv von Toponymen umgedeutet wurde. Diese Zusammenhänge von Volksetymologie als sprachwissenschaftlicher Erscheinung und vergleichbarer Phänomene in anderen Disziplinen, insbesondere den Populären Kulturen (früher Volkskunde), wären eine vertiefte Auseinandersetzung wert: Welche volkstümlichen Deutungs- und Erklärungsmuster gibt es außerhalb der Etymologie? Welche Bedeutung messen ihnen die Populären Kulturen zu? Könnte sich hier sogar ein Ausweg aus dem terminologischen Problem mit der Bezeichnung Volksetymologie weisen? Schließlich wäre ein spannendes Untersuchungsgebiet meiner Ansicht nach die heutige Entwicklung der Mikrotoponymie. Es reicht nicht festzu- <?page no="252"?> 5 Abschluss und Ausblick 252 stellen, dass viele Toponyme in den letzten Jahrzehnten verschwunden sind. Hier öffnet sich ein Feld für neue Fragestellungen: Welche neuen Namen entstehen? Wer prägt welche Namen zu welchem Zweck, wie setzen sie sich durch? Ich bin überzeugt, dass die heutige Mikrotoponymie weniger statisch ist, als klassische Namenbücher mit ihren Gewährspersonen dies suggerieren und durch ihre Arbeit für die amtliche Nomenklatur und die Kartografie auch festsetzen. Entsprechende Resultate wären daher nicht nur im Hinblick auf Volksetymologie von Interesse. Spannend wäre es meines Erachtens, Personen ohne agrarischen Hintergrund nach ihrer Namennutzung zu fragen. Auch die Benennungen fremdsprachiger Migrantinnen und Migranten wären eine Untersuchung wert. Die hier möglicherweise anzutreffenden Namenschichten können einen Hinweis auf die Verbreitung von Mehrnamigkeit geben. Sie können aber auch eine Namenwelt aufzeigen, die gerade erst aus appellativischem Gebrauch am entstehen ist: Ein Labor der Gegenwartstoponymie. Vor allem wäre es aber lohnenswert, für ein kleines Untersuchungsgebiet die im Material des BENB vorhandenen Namen noch einmal zu untersuchen, um festzustellen, wie sich der Namenbestand seit der Erhebung verändert hat und ob diese Namen seither der Volksetymologie unterlegen sind. <?page no="253"?> Index Der Index enthält in normalalphabetischer Sortierung alle besprochenen Toponyme grundsätzlich in aktueller Lautung. Siedlungsnamen, die im Ortschaftenverzeichnis stehen (°), sind in dieser Form verzeichnet. Historische Namenformen sind im Fall historischer Volksetymologien eingetragen. Ebenfalls verzeichnet sind die Elemente bzw. Wurzeln, mit denen die Toponyme ursprünglich gebildet wurden, und die Zielelemente von Umdeutungen. Für Kapitel 4 sind daneben auch die Assoziationen der Testpersonen eingetragen. Alle Toponyme sind in einer nach den Regeln des BENB (I/ 3: 407) normalisierten (schwzd.) Form notiert. Appellative und andere Wortarten sind grundsätzlich in unflektierterter Form verzeichnet, schwzd. Lautungen finden nur da Verwendung, wo kein etymologisch verwandtes gebräuchliches nhd. Wort besteht oder die Lautung so stark abweicht, dass das Auffinden erschwert würde. Um einen Eintrag zu finden, empfiehlt es sich daher stets, für E auch unter Ä zu schauen, für CH unter K, für B unter P, für D unter T und umgekehrt. Ein einfacher Indexeintrag ohne Zusatz bedeutet, dass es sich bei der Belegstelle um ein Toponym bzw. um ein toponymisches Element (Grundwort, Suffix) handelt. Bei Toponymen von außerhalb des Untersuchungsgebiets ist die Lage in Klammer angegeben. Appellative, Adjektive und andere Wortarten sind mit einem entsprechenden Vermerk gekennzeichnet, ebenso Personennamen und andere Namenarten. Die Herkunftssprache bzw. die Sprachform der verzeichneten Wörter wird angegeben, ausgenommen schwzd. und nhd. Fettdruck der Seitenzahl (nur für Toponyme aus dem Untersuchungsgebiet) bedeutet, dass der Name an der entsprechenden Stelle ausführlicher besprochen wird. Die Vokalquantität (kelt., lat. und ahd.) ist im Index nicht bezeichnet. An Beispielen illustriert bedeutet das: bald (Adverb) ....................................................... 169 verweist auf das Adverb bald (nhd. oder schwzd.) in nichttoponymischer Verwendung; cresson à la noix (Appellativ frz.)...................... 194 verweist auf das Appellativ frz. cresson à la noix ›Feldsalat‹ in nicht-toponymischer Verwendung; <?page no="254"?> Index 254 Delémont .............................................................. 137 verweist auf das Toponym Delémont im Kanton Jura; Kirchlindach ................................................. 192, 230 verweist auf das Toponym Kirchlindach im Untersuchungsgebiet. Auf S. 230 wird der Name eingehender besprochen. Aare 106, 121, 127, 142 , 144, 162 Aargauerstalden 79 Aarmühle 84, 154 Aarolina 121 , 245 Aarwil 111, 144 Abend (Appellativ) 50, 146 Abenteuer (Appellativ) 50 acer (Appellativ lat.) 188, 199 -ache 82, 165, 216, 237 ache (Adverb) 165 Acker (Appellativ) 180, 188, 228, 235 Adelrain 156 , 185 Adso (Personenname) 107 Aeschi bei Spiez 115 affaltar (Appellativ ahd.) 150 Affoltern im Emmental 150 affoltra (Appellativ ahd.) 150 Agiold (Personenname) 156 Agnes (Personenname) 167 Agold (Personenname) 156 Agrarland (Appellativ) 235 Albinius (Personenname) 117 Albligen 47, 115, 117 , 148, 187, 228 Albtraum (Appellativ) 45 albus (Adjektiv lat.) 117 Allee (Appellativ) 54 Allmend 110 Allmend (Appellativ) 110 Allmendingen 110 , 113, 245 Ällouinen 226 , 228 Alptraum (Appellativ) 45 Alsation Dog (Appellativ engl.) 48 Altstätten (SG) 119 Alwand (Personenname) 110 am (Appellativ ie.) 140, 161 Amanolt (Personenname) 157 Amerika (USA) 153 amet (Appellativ hebr.) 172 Ammannsegg (SO) 157 Amme (Appellativ) 161 Ämmematt 161 Amsel (Appellativ) 111 Amsoldingen 110 , 111 an (Präposition) 106 Angel (Appellativ) 171 Anke (Appellativ) 50 Anni (Personenname) 55 ant- (Präfix mhd.) 50 Anwandel (Appellativ) 81 Anwander (Appellativ) 81, 171, 172 Aosta (I) 187 aqua (Appellativ lat.) 213 Arch 196 Arche (Appellativ) 197 arcum (Appellativ lat.) 196 arcus (Appellativ lat.) 196 Arisdorf (BL) 159 Armbrust (Appellativ) 28 Arnold (Personenname) 159 Arole 127 Ars 157 Arsblatten 157 Arsch 157 Arsch (Appellativ) 158 Arschbütscha 157 Arschleckleil (I) 158 Arschloch 158 Arschlochleite (I) 158 Arschlochseite (I) 158 <?page no="255"?> Index 255 Arschmaad 157 Arschweid 157 Arshubel 157 Arswald 157 Arsweid 157 asparagus (Appellativ engl.) 112 Aspi 205 Aspiacher 205 Aspiloch 205 Au 79 Au (Appellativ) 193, 213 aufpassen (Verb) 235 aufschließen (Verb) 41 Augstal ((I) 187 August (Appellativ) 187 Ausdehnung (Appellativ) 235 Ausguck (Appellativ) 235 avoir (Verb frz.) 35 Awander (Appellativ) 171, 172 aze (Appellativ frz.) 90 Azo (Personenname) 107 Bach 99, 216 Bach (Appellativ) 82, 99, 127, 173, 228, 236, 238, 240 Bad (Appellativ) 192 Bad Kissingen (D) 33 Bahn (Appellativ) 100 bald (Adverb) 169 Baldistal 169 Baldrat (Personenname) 81 Ball (Appellativ) 102 Bälliz 187 Ballmoos 102 Ballo (Personenname) 144 Balm (Appellativ) 102 Bamershalte 200 Bämung 97 Band (Appellativ) 100 Bank 99 Bank (Appellativ) 99, 148, 234 Bann 100 Bann (Appellativ) 100, 102, 144 Bannholz (D) 144 Bannwil 100, 102, 144 Banvillars (F) 144 Bär (Appellativ) 58, 145, 192, 197 Barberêche (FR) 86, 93 Bärfischen (FR) 86, 93 Bärfischenhaus 86 , 93 , 185 Bäriswil 144 , 197 Bärnere (Appellativ) 241 Bärschehuus 87 Bärtschi (Familienname) 87 Bath (NL) 182 Batt (Personenname) 138 Bätterich 216 Bätterkinden 113, 115 , 116 Batthaus 138 Baum (Appellativ) 102, 239 Baumis 102 Bauwerk (Appellativ) 99, 183 Beat (Personenname) 138 befehlen (Verb) 41 Beil (Appellativ) 103, 197 Beimörder (GR) 195 Bellenz (TI) 187 Bellinzona (TI) 187 Bellmund 97 , 146 Belp 141 Berchtold (Personenname) 201 Berchtold IV, Zähringer (Herzog) 188 Berchtoldshof 201 Berg 111, 125, 216 Berg (Appellativ) 85, 125, 193, 194, 228, 235, 240 Bergflanke (Appellativ) 235 Berlingen (TG) 148 Bern 58, 187 , 192 , 197 , 215 Bern (I) 187, 192 Berneck (SG) 148 Beroald (Personenname) 145, 197 Bertel (Personenname) 187 Berthoud 188 Bertold (Personenname) 187 Beterich (Personenname) 115 Bethlehem 187 Bettehölzli 51 Betterich (Personenname) 115 bewaldet (Adjektiv) 235 Biel(i) (Appellativ) 103 Biel/ Bienne 103 , 125, 152, 189 , 197 <?page no="256"?> Index 256 bijou (Appellativ frz.) 137, 171 Birmes 102 Birrmoos 102 Blaise (Personenname) 137, 171 Blase 174 blau (Adjektiv) 209 Bleckarsch (I) 158 Blei (Appellativ) 98 Bleibech 98 Bleienbach 98 blind (Adjektiv) 89 Blind(e) 89 Blinde (Appellativ) 89 Blindebach 89 Blindei (LU) 89 Blindewäg 89 Blume (Appellativ) 166, 215 Blumenstein 166 Bluoma (Personenname) 215 bluomo (Appellativ ahd.) 215 Bluomo (Personenname) 215 Blyézou (Personenname) 171 boch (Appellativ mhd.) 160 bok (Appellativ nd.) 160 Bokeberg (D) 160 Bolligen 183 Bollwerk 99 , 183 Bollwerk (Appellativ) 99, 183 Bomershalte 200 Braue 89 , 90 bridegroom (Appellativ engl.) 48 Brief (Appellativ) 239 Brienz 149 Brienzwiler 149 bringen (Verb) 100 Brinnju (VS) 129 Brosamen (Appellativ) 108, 112 Brot (Appellativ) 108 Brücke (Appellativ) 228 Brunnen (Appellativ) 236 Buche (Appellativ) 160, 235 Buchenberg (D) 160 Buel (Appellativ) 126 Büeli (Appellativ) 126 Büelikofe 126 buge (Appellativ mhd.) 160 Bühl (Appellativ) 126, 175 buk (Appellativ mhd.) 160 Bulestu 81 , 169, 185 bur (Appellativ ahd.) 201 Burdlef 188 -büren 125 Büren 201 Büren zum Hof 201 Burg (Appellativ) 67, 125, 188 Burgdorf 58, 188 , 201 Burkhalte 67 Büro (Appellativ) 238 butzen (Verb mhd.) 160 Bützenberg (D) 160 buxum (Appellativ lat.) 186 buxus (Appellativ lat.) 186 Camerius (Personenname) 164 carice (Appellativ lat.) 141 ceresetum (Appellativ lat.) 141 Cerlier 85 Chabis (Appellativ) 220 Chabisberg 220 Chämmete (Appellativ) 112 Chämmmatte 112 Chaschisberg 220 Chäsitz 141 Cheib 195 Cheib (Appellativ) 195 Chielibach 175 Chozzo (Personenname) 156 Chräbsbach 51 Chrankwil 85 Christus (Religion) 173 Chüelibach 175 Chüemörder 195 Chules 85, 86, 137 Chunihôh (Personenname) 87 Clavaleyres 131 clé (Appellativ frz.) 41 Corvey (Familienname) 196 costa (Appellativ lat.) 101 Crapsasserstein (GR) 133 crénel (Appellativ afrz.) 84 cresson à la noix (Appellativ frz.) 194 <?page no="257"?> Index 257 cresson orlenois (Appellativ frz.) 194 Criach (Personenname) 154 Cuso (Personenname) 86 Cusso (Personenname) 86 Dachs (Appellativ) 229 dämlich (Adjektiv) 49 Därstetten 67 , 68, 118 , 187 Dart (UK) 209 Dartmouth (UK) 209 das (Artikel) 169 Daumen (D) 160 Delémont (JU) 137 dernach (Adverb) 172 Deutscher Schäferhund (Appellativ) 48 Deutschland (D) 240 dick (Adjektiv) 70, 154 Dicki 154 die (Artikel) 120 Diebstahl (Appellativ) 185 Diebstal 185 Dienstag (Appellativ) 209 Dietbold (Personenname) 185 Ding (Appellativ) 113 Diotbald (Personenname) 185 Do a (I) 123 dog (Appellativ engl.) 48 Dog, Alsation (Appellativ engl.) 48 Dogge (Appellativ) 48 Dogge, Elsässische (Appellativ) 48 Doma (D) 160 Domat/ Ems (GR) 172 donk (Appellativ nl.) 149 Dorf 58, 125 Dorf (Appellativ) 58, 123, 188, 201 Dorfeingang (Appellativ) 235 Dorlikon (ZH) 154 Dotter (Appellativ) 122 Drache (Appellativ) 123, 192, 193 Drachepost (Zeitung) 123 Dung (Appellativ) 149 Dung(i) (Personenname) 149 Dungo (Personenname) 149 dunon (Appellativ kelt.) 125, 149, 150, 177 dunum (Appellativ lat.) 125, 150 Dürrbachgrabe 153 ebenaus (Adverb) 191 Ebenausgehen (Religion) 191 Eck (Appellativ) 157, 180, 233 edel (Adjektiv) 157 Edelstei 157 Egel (Appellativ) 156 Eggiwil 96 Egolt (Personenname) 156 Ei 79 Ei (Appellativ) 117, 129, 152, 169, 196, 228 Eiche (Appellativ) 157 Eidotter (Appellativ) 122 Einigen 120 Einschlag (Appellativ) 174 Elke (Personenname) 214 Elsässische Dogge (Appellativ) 48 Elster (Appellativ) 122 Emd (Appellativ) 92, 152 Emdthal 92 , 152 , 159 Emmaus (biblisch) 191 Emme 127, 140, 161 Emme(bach) (A) 161 Emmet (Appellativ) 92, 152 Ems (D) 161 -en (Grammem) 79, 116, 168, 233 Engel (Appellativ) 189 Engelgräbli 189 Enggist (Familienname) 101 Enggistein 101 Enggost (Personenname) 101 Engländer (Appellativ) 188, 189 Englendergräbli 188 Enzian (Appellativ) 179 Erbse (Appellativ) 148 -ere (Suffix) 182, 240, 241 Eremitage (Appellativ) 54 Erhart (Personenname) 184 Erhebung (Appellativ) 235 Erhöhung (Appellativ) 235 Eriz 184 Erlach 85 Erstfeld (UR) 166 Eschibechli 115 <?page no="258"?> Index 258 -ete (Suffix) 92, 116 Etzo (Personenname) 107 Euter (Appellativ) 122 Ewigschneehorn 162 , 181 Exe (UK) 209 Exmouth (UK) 209 Ezo (Personenname) 107 fabaria (Appellativ lat.) 173 fahren (Verb) 116 Fahrni 116 Fahrni (Familienname) 116 Fäldmoos 58 Fall 196 Fall (Appellativ) 196 Faoug (VD) 197 Farbe (Appellativ) 148 Farn (Appellativ) 116 Fass (Appellativ) 109 favaria (Appellativ lat.) 173 fawwara (Appellativ arab.) 173 fehlen (Verb) 41 feiss(t) (Adjektiv) 69, 70 Feisterhenne 69 Feld (Appellativ) 166, 235 fenils (Appellativ afrkpr.) 168 fermer (Verb frz.) 41 Feuchtgebiet (Appellativ) 235 Finis terrae (fiktiv) 22, 24, 52, 60 finster (Adjektiv) 69, 70 Finsterhennen 69 flach (Adjektiv) 235, 238 Fläche (Appellativ) 237 fleißig (Adjektiv) 239 Floh (Appellativ) 235, 238, 243 Flööbach 235 Flööbalma 235 Fluh (Appellativ) 235 Flumenthal (SO ) 215 Fluss (Appellativ) 235 folgen (Verb) 102 foltern (Verb) 150 Fontani (VS) 129 französisch (Adjektiv) 234 Frau (Appellativ) 55 fraxinetum (Appellativ lat.) 136 frei (Adjektiv) 91 Freitag (Appellativ) 91 Friede (Appellativ) 98, 99 Friedhof (Appellativ) 27, 49, 108 Friesen (Ethnonym) 189 Friesenweg 189 Fritte (Appellativ) 99 Frittebach 98 Fritto (Personenname) 98 frohlocken (Verb) 40 Frosch (Appellativ) 136 Fröschenei (GR) 136 Frucht (Appellativ) 240 Fuchs (D) 139 Fud 158 Fudeloch 158 Fudi (Appellativ) 158 Füdle (Appellativ) 158 Füdlemüli (LU) 158 Fuß (Appellativ) 88, 97 Füssen (D) 87, 97 Futz (Appellativ) 158 Gals 85, 86, 137 Gamm- (Appellativ germ.) 116 Gammenthal 116 Gammete 116 Garbe (Appellativ) 236 Geflügel (Appellativ) 41 gehen (Verb) 169 Geiss (Appellativ) 194 Geissberger (Appellativ) 193, 194 Geisshell 222 gentiana (Appellativ lat.) 179 Gerhard (Personenname) 173 Germany (D) 215 Gero (Personenname) 173 Gerzensee 173 Gerzo (Personenname) 173 glatt (Adjektiv) 238 Glungge (Appellativ) 234 Gluure 174 Gluure (Appellativ) 174 gluure (Verb) 174 go (Verb engl.) 35 Gomerkinden 113, 116 gorksen (Verb nd.) 40 Gotthelf, Jeremias (Schrifsteller)243 <?page no="259"?> Index 259 Gotthelf, Jeremias (Schriftsteller) 240 Gottstatt 214 Graben (Appellativ) 154, 236 grand (Adjektiv frz.) 86, 166 Grandval (Be) 166 Granfelden (BE) 166 Graolt (Personenname) 104 Grasswil 104 Grindel (Appellativ) 166 Grindelwald 166 , 176 Grit (Personenname) 118 Gritt 118 Grittwald 118 groß (Adjektiv) 104, 164, 235 Grossaffoltern 150 Grosse Scheidegg 89 Grossgarte (AI/ AR) 122 Großmutter (Appellativ) 104 Grosswil 104 Grube (Appellativ) 236 Grüt (Appellativ) 118 Grütt 118 gucken (Verb) 235 Guetwüschgrabe 129 , 199, 243 Gufer (Appellativ) 80 gugge (Verb) 84 Gugger (Appellativ) 84 Guggernäll 84 Gumarich (Personenname) 116 guó (Appellativ chin.) 153 gut (Adjektiv) 129, 243 Habicht (Appellativ) 182 Habkern 182 Haimo (Personenname) 216 Halde (Appellativ) 79, 81 halt (Verb engl.) 193 Halte (Appellativ) 67 Haltwhistle (UK) 193 Hans (Personenname) 138 Haspiacher 205 Haspiloch 205 Haus 120 Haus (Appellativ) 78, 120, 138 -hausen 78, 79, 125, 216 Hausen (AG) 79 -häuser(e)n 125, 216 Hausi (Personenname) 138 Häxemilcher 196 Hazo (Personenname) 221 Heiligacher 188 , 199 Heim 216 Heim (Appellativ) 216 Heimenhausen 216 Heimisbach 153 Heimo (Personenname) 154 heister (Appellativ mhd.) 152 Hellhalde 222 Herbst (Appellativ) 221 Herbstwil 221 Herzengern (I) 123 Heu (Appellativ) 152 Heustrich 152 Hexe (Appellativ) 196 Hezo (Personenname) 221 Hilterfingen 216 Himberg (A) 197 Hind(e) (Appellativ) 148, 197 Hindelbank 148 Hinter- 216 hinter (Präposition) 83 hoch (Adjektiv) 147, 186 Hochmuet 195 Hochmut (Appellativ) 195, 196 Hof 188, 201 , 246 Hof (Appellativ) 147 -hof(en) 125, 216 -höfen 125 hohl (Adjektiv) 238 Holand 186 Holderbank (AG) 148 Holderbank (SO) 148 Hole (Appellativ) 172 Holee 226 , 228, 229, 234 holen (Verb) 172 Holiebi 96, 231 , 234, 238 Höll 222 Holland (NL) 186 hölzern (Adjektiv) 198 holzig (Adjektiv) 199 Hölziger Ofen 198 Holziken (AG) 198 <?page no="260"?> Index 260 Holzikofenweg 198 , 199 Hölzli 51 Holzmürderschleif 195 hôpital (Appellativ frz.) 107 hor (Appellativ mhd.) 69, 147 Horb 147 Horn (Appellativ) 147, 162, 181 Hoschwerzi 147 Hospental (UR) 107 hospitale (Appellativ lat.) 107 Hubel (Appellativ) 174, 175 Hügel (Appellativ) 235, 238 Hummer (Appellativ) 240, 242 Hündin (Appellativ) 197 Hunger (Appellativ) 156 Hungerberg 156 hungrig (Adjektiv) 156 -husen 125 Hut (Appellativ) 197, 236 Huttwil 144 -i (Suffix) 114, 115, 116, 240 Ieschberg 105 , 106 -ig (Suffix) 234 -ikofen 125, 198, 216 -ikon 125, 154, 216 Ilfis 127 in (Präposition) 169 -in (Suffix) 240 -ina (Suffix rom.) 121 Inderlappe(n) 82, 83, 84 indisch (Adjektiv) 240 -ing(en) 47, 69, 78, 111, 113, 115, 116, 117, 119, 125, 145, 216, 221, 228, 234 -inghofen 125, 126, 154, 198 Inselgau 67 Interlaken 82 , 84, 131, 132, 154 , 216 Irland (IRL) 67 -is 102 Ischlag 174 Ischlag (Appellativ) 174 island (Appellativ engl.) 49 Jesus (Religion) 173 Jetzikofen 198 John (Personenname) 54 joli (Adjektiv frz.) 85, 138 Jolimont 85 , 86 , 137 , 185 jour ouvrable (Appellativ frz.) 49 Jucharte (Appellativ) 80 Jucken (D) 52 Kalb (Appellativ) 236 kalt (Adjektiv) 67 Kander 127 Kander (D) 127 Kap der Guten Hoffnung (Südafrika) 215 Karolina 121 Karolina (Personenname) 121 Kaspar (Personenname) 220 Kaufhaus (Appellativ) 234 Kehr (Appellativ) 141 Kerbe (Appellativ) 236 Kern (Appellativ) 182 Kielo (Personenname) 175 Kien (Appellativ) 91 Kiener (Familienname) 91 Kienersrüti 91 Kind (Appellativ) 113, 116 Kirchdorf 58, 166 Kirche (Appellativ) 58, 125 Kirchenthurnen 125 Kirchlindach 192, 230 Kirchturm (Appellativ) 125 Kissen (Appellativ) 86 kissen (Verb) 86 Kissingen, Bad (D) 33 klein (Adjektiv) 235, 238 Kleine Scheidegg 89 Klo (Appellativ) 239 König (Appellativ) 87, 225 Königstetten (A) 87 Köniz 225, 226, 242 Konstanz (D) 17 Korb (Appellativ) 196 Kork (Appellativ) 40 Kost (Appellativ) 156 Kosthofen 156 Kostnitzersee (D) 17 kotze (Appellativ mhd.) 156 Kotze (Appellativ) 156 krank (Adjektiv) 86 Kranko (Personenname) 85 <?page no="261"?> Index 261 Krauchthal 182 kriah (Adjektiv ahd.) 154 kriechen (Verb) 154 Kriechenwil 154 Kriegstetten (SO) 119 kritteln (Verb) 49 Kuh (Appellativ) 175 kühl (Adjektiv) 175 Kühlein (Appellativ) 175 Kurfürstendamm (D) 214 Küssebärg 86 küssen (Verb) 86 L’Oréal (Markenname) 229 La Neuveville (BE) 58 La Scheulte 151 Laagel 109 Laariou 227 Lache 230 , 234, 236 Lache (Appellativ) 83, 84, 234 lachen (Verb) 234 Lachs (Appellativ) 236 Lade 230, 236 Lade (Appellativ) 236 Lädeli 230 , 234 Laden (Appellativ) 236 laden (Verbs) 236 Lainz (A) 124 Lamberger (Familienname) 93 Lamm (Appellativ) 93, 175, 237 Lammbergere 93 Lammbergmatte 93 Lämmchen (Appellativ) 237 Lammi 231 , 237 Lämmli (Familienname) 175 Lämmlisbüel 175 Lampistal 113 Land (Appellativ) 176, 186, 236, 237 Ländchen (Appellativ) 238 Landerswil 231 , 237 Landgarbe 230 , 236 Landgarbe (Appellativ) 236 Ländi (Appellativ) 238 Landiswil 231 , 237 Landshut 197 , 230 , 236 Landstuel 230 , 234, 236 Ländti (Appellativ) 238 lang (Adjektiv) 92, 155, 233, 235, 236, 237 Länge (Appellativ) 235 Längenbach 230 , 233 Längenbühl 230 Langenööri 155 Langenthal 91, 92 , 226, 228 Langersite 231 , 235, 237 Längeschache 230 , 234, 237 Langete 92, 127, 226 , 228 Langeweile (Appellativ) 237 Länggasse 225 Langlauf (Appellativ) 237, 243 länglich (Adjektiv) 234, 237 Langnau 231 , 235, 237, 243 Länti 232 , 235, 238, 239 Lanze (Appellativ) 233, 235, 238 Lanzebüel 231 , 235, 238 Länzibüel 231 , 235, 238 Lapp (Appellativ) 83 Lappe (Appellativ) 83 Lappi (Appellativ) 83 lassen (Verb) 229 lässig (Adjektiv) 239 Latrine (Appellativ) 239 latrinig (Adjektiv) 239 Latte (Appellativ) 236, 238, 239 Latterbach 232 , 238 Lättere 232 , 239 Lattigen 232 , 238 Lattrigen 232 , 239 lau (Adjektiv) 238 Laub (Appellativ) 233, 239 Laubbach 228 Laube (Appellativ) 229 Lauch (Appellativ) 79, 94 Lauer (Appellativ) 238 Laupen 227 , 229, 233 Lauperswil 229 laut (Adjektiv) 236 lauter (Adjektiv) 236, 238 Lauterbrunnen 168, 230 , 234, 236, 238 läutsche (Verb) 239, 242 Lebacher 227 , 228 leben (Verb) 47 <?page no="262"?> Index 262 ledrig (Adjektiv) 239 Lee 234 Lee (Appellativ) 228, 237 Lee (Familienname) 175, 185 Lee (Familiennamen) 177 Lee, Bruce (Kampfsportler) 175 Leehubel 174 , 175, 177, 185 Leere (Appellativ) 238 Leew (Appellativ) 228 Leggiswil 223, 227 Lehm (Appellativ) 236 Lehmgrube (D) 160 Lehn 231 , 237 Lehn (Appellativ) 174, 228 lehnen (Verb) 124 Lehrer (Appellativ) 236 leichen (Verb mhd.) 40, 94 leid (Adjektiv) 148 Leidolf (Personenname) 188 Leidorf 188 Leier (Appellativ) 238 Leiere 231 , 238 Leim (Appellativ) 236 Leimtelle (D) 160 Leinen (Appellativ) 237 Leintuch (Appellativ) 237 Leische 232 , 239 leise (Adjektiv) 237 Leissigen 232 , 239 Leiste (Appellativ) 239 Leitolf (Personenname) 188 Lengebode 231 , 235 Lengnau 213 Lengnau (AG) 148 Lenk 231 , 235, 240, 243 lent(ement) (Adjektiv/ Adverb frz.) 239 Lentinius (Personenname) 192, 199 Lerchefeld 230 , 233 letter (Appellativ engl.) 239 lettre (Appellativ frz.) 239 Lettschpere 82 letzen (Verb) 82 Letzsperre (Appellativ) 82 Leubringen 226 , 227 Leuchten (Appellativ) 94 Leui (Appellativ) 192 Leute (Appellativ) 238 leutselig (Adjektiv) 41 Leuzigen 232 , 239, 242 -li (Suffix) 47, 117 -lich (Suffix) 105 Lidibank 148 Lidibouch 148 lieb (Adjektiv) 96, 238 Liebe (Appellativ) 96, 234, 238 Liebefeld 96, 205, 226 , 227 Liebegg 96 Liebewil 96, 205, 232 , 238, 245 Liebfrouebrünne 96 Liebiberg 96 Liebifure 96 Liebistei 96 Liebiwil 96 Liebo (Personenname) 96 Ligerz 226 , 227 Liimgruebe 230 , 233, 236 Liin 237 Limpach 173 Lindach 199, 230 , 233, 237 Linde 231 , 233 Linde (Appellativ) 89, 170, 173, 192 Lindebach 89 Linden 170 Lindrein 192 -ling (Suffix) 47 Lingital 170 Lingo (Personenname) 170 Linter 232 Lippe (D) 82 Litschi (Appellativ) 240 Littering (Appellativ) 240 Littesbach 232 , 240 Littisbach 232 , 240 lizard (Appellativ engl.) 239 Lob (Appellativ) 239 Lobsigen 232 , 239, 240, 242 Lobsigen (VD) 240 Lobsingen (D/ A) 240 Lobsingen (VD) 240 lobster (Appellativ engl.) 240, 242 Loch 158 <?page no="263"?> Index 263 Lochhüsli 155 Löchlein (Appellativ) 229 Löchli (Appellativ) 229 Lochmüli (LU) 158 Loh (Appellativ) 155, 228, 233, 234 Löhli (Appellativ) 155 Lohnstorf 58, 231 , 234 Lohr 135 Loidäll (D) 160 Loipe (Appellativ) 237 Löli (Appellativ) 155 Loogel 109 Lool (Appellativ) 155 Lööli 226 , 229 Loore (Appellativ) 135 lopsided (Adjektiv engl.) 240 Lorraine 134 , 159, 226 , 229 Los (Appellativ) 94 Lötschental (VS) 240 Loubberg 230 , 233, 235, 237 Louch 79 , 94 Louitor 231 , 235, 238 Löwe (Appellativ) 192 Lucens (VD) 240 Luchli 226 , 229 Luder (Appellativ) 109 Luder (Familienname) 109, 156 Luderflue 109 , 155 Lueder (Appellativ) 155 Luederflue 109, 155 Lueg 168, 231 , 235, 237 luege (Verb) 235 Luft (Appellativ) 235 Lüftere 232 , 235, 240 Lüfterin (Appellativ) 241 Lügen (Appellativ Plural/ Verb) 237 Lugi 195 Lugi (Appellativ) 195 lugin (Adjektiv ahd.) 195 Lugistein 195 Lünschberg 226 , 228, 229 Lupach 227 Lupe (Appellativ) 229 Lupfig (AG) 148 Luppach(en) 82 Luppe (D) 82 Lus(s) (Appellativ) 94, 95 Lüscherz 232 , 239 Lütiwil 231 , 238 Lütsche (Appellativ nd.? ) 239 Lütschental 232 , 239, 240 lütt (Adjektiv nd.) 238 lützel (Adjektiv mhd.) 239 Lützelflüh 231 , 235, 238, 239, 240, 243 Luus 94 Luus (Appellativ) 94, 95 Luuss (Appellativ) 94 Lüüti (Appellativ) 238 Lüüwi (Appellativ) 192 Luv (Appellativ) 237 Lychee (Appellativ engl.) 240 Lyss 227 , 229 Lyssach 231 , 237, 240 Lyssbach 240 Maammilchblätz 196 Maammilcher 196 Maanmilch (Appellativ) 196 Mad 88 Mad (Appellativ) 191 Madalolt (Personenname) 190 Madalwalt (Personenname) 190 Madiswil 145, 190 , 191 Mägdelein (D) 160 Magelrain 156 Magistall 113 Mähder (Appellativ) 190 Mähdle (D) 160 Mai (Appellativ) 69, 108, 176 Mailand (I) 44, 70, 176 Majorsegge 191 Mal (Appellativ) 109 malz (Adjektiv) 96 Malz (Appellativ) 96 Malzgräbli 96 Mann (Appellativ) 116, 173 Männlechen 105 Mannlehen (Appellativ) 105 männlich (Adjektiv) 105 Männlichen 105 March (Appellativ) 106 <?page no="264"?> Index 264 Markt (Appellativ) 106 Marsili (Personenname) 106, 162 Marti(n) (Personenname/ Familienname) 194 Martin (Religion) 194 Martinsloch (GL) 194 Martisdruck 194 marzapane (Appellativ ital.) 211 Marzili 106 , 162 Marzilistrasse 106 Marzo (Personenname) 87 massepain (Appellativ frz.) 211 Massholder (Appellativ) 162 Mat(t)hys (Familienname) 184 Matiiserein 184 Matt(e) 88 Matte (Appellativ) 88, 112 Mattenhof 225 Mattiis (Personenname) 184 Mattstall 113 Maul (Appellativ) 70, 97, 146 Maulwurf (Appellativ) 48, 49, 70, 200 Maus (Appellativ) 168 Mauss 184 Maussholz 184 Maxlmos (A) 87 Mechlistall 113 Meentel 92, 152 mehr (Adverb) 200 m ě i (Adjektiv chin.) 153 Meier (Appellativ) 69 Meier (Familienname) 69 Meiersmaad 88 m ě iguó (USA) 153 Meikirch 108 , 109, 110, 175, 200 Meiringen 69 Meisterschwanden (AG) 148 Melch (Personenname) 193 Melchenbühl 168 Melchior (Personenname) 193 Melchnau 193 Melcho (Personenname) 193 melken (Verb) 193 melkstar (Appellativ mhd.? ) 122 mélomane (Appellativ frz.) 207 Melsterbüel (AI/ AR) 122 Mendli (AI/ AR) 101 Mensch (Appellativ) 238 Mentel 159 Mertloch (D) 60 mëtemo (Adjektiv ahd.) 213 mëttme (Adjektiv) 82 Mettmenstetten (ZH) 119 Mettmestiig 212 , 213 Mies (Appellativ) 106 Milano (I) 176 Milch (Appellativ) 109, 193, 234 Milke 109 Milzbrandwäg 225 Minzlimee 82 Mischel (Appellativ) 128 Mischelstude 128 Mistel (Appellativ) 128 mittel (Adjektiv) 82 Mole 109 Mombischur 171 mon (Pronomen frz.) 137 Monbijou 54, 134 , 159 Mönch 58 Mönch (Appellativ) 58, 113, 170, 186 Mond (Appellativ) 146, 196 mont (Appellativ frz.) 85, 137, 146, 164, 171 Montag (Appellativ) 209 Montbijou 171 Montplaisir 159 Moos (Appellativ) 58, 165 Mörder 194 Mörder (Appellativ) 195 Mörder (SH) 195 mörderisch (Adjektiv) 194 Morgen (Appellativ) 151 Morillon 134 , 159 Morillonstrasse 134 Moritz 184 Moritz (Personenname) 184 Moritzgrabe 184 Mötschwil 182 mouth (Appellativ engl.) 209 Mueshüttli 168 <?page no="265"?> Index 265 Muesmatt 165 Muessache 165 Mühle (Appellativ) 170 Mühledorf 213 Mühlethurnen 125 mühselig (Adjektiv) 41 Mumenthal 184 Mumenthalerweiher 184 Mumplischuur 137 , 159, 171 , 176, 205 München (D) 186 Münchenbuchsee 186 Münchenwiler 124 Münchringen 112 Mund (Appellativ) 97, 146 Mundarich (Personenname) 113 Munderich (Personenname) 113 Mundige 145, 146 mundtot (Adjektiv) 49 Münneberg 170 , 173 Münnenberg (LU) 170 Munno (Personenname) 170 Muno (Personenname) 170 Müntschemier 164 Mürder 194 Mürderhubel 194 Murg 127, 150 Murgenthal 92, 125, 132, 140, 149, 150 , 151, 177, 181 , 220 Murgenthal (AG) 150, 181 Murgete 150, 151, 220 Muristalden 79 Mürsi 135 Mus (Appellativ) 165 müssen (Verb) 165 Naawannu 81 , 171 Nächsthuswald 121 Nacht (Appellativ) 146 nahe (Adjektiv) 121 Näll(e) (Appellativ) 85 Napoleon (Appellativ) 54 Napoleon (Personenname) 54 Napoli (I) 173 nass (Adjektiv) 234, 236 nâter (Appellativ mhd.) 169 Naters (VS) 169 Natershus 169 Nation (Appellativ) 108 national (Adjektiv) 108 Natter (Appellativ) 169 Nawandel (OW) 81 Nazo (Personenname) 167 ne (Pronomen türk.) 153 Neapel (I) 173 Nebenbuhler (Appellativ) 126 Neesa (Personenname) 167 Neesi (Personenname) 167 Nessel (Appellativ) 148, 167, 176, 183 Nessental 167 , 176, 183 Nettstall 113 Neuenstadt (BE) 58 Neufundland 186 Neufundland (Kanada) 186 Neugfund(e)land 186 Niagara (Kanada/ USA) 153 nid (Präposition) 169 Nidau 169 nie 116 nie (Adverb) 116 Nieder- 216 Niederscherli 199 Niederwichtrach 123 Nierchen (Appellativ) 199 Niere (Appellativ) 199 Niesen 178 , 179, 219 Niesen (Appellativ) 179 niesen (Verb) 219 Nieswurz (Appellativ) 179 Niggidei 169 Niklaus (Personenname) 169 Nikolaus (Personenname) 169 Noangel 81, 171 Nolle (Appellativ) 122 Nord (Appellativ) 120 Norgg (I) 191 Nörggelen (Appellativ Plural) 191 Nuss (Appellativ) 194 Nüsslisalat (Appellativ) 194 Ober- 216 Oberlangenegg 230 , 233 Obermurgenthal 150 , 181 <?page no="266"?> Index 266 Obermurgete 181 Oberried am Brienzersee 88 Oberthal 182 Oberwichtrach 123 Obst (Appellativ) 103, 112 Ochsenfurt (D) 145 Ofen 198 Ofen (Appellativ) 67 Offen 67 offen (Adjektiv) 67 Oggehüsere 120 Ohne (D) 53, 124 Ohr (Appellativ) 155 Öi 79 Öi (Appellativ) 117, 129 Önz 127 Opfer 66 Opfer (Appellativ) 66 Opferstock (Appellativ) 66 Opferstockacher 66 Opferstockfels 66 Opferstockweg 66 Opital 107 Oppligen 56 Oppo (Personenname) 107 Orco (Appellativ lad.) 191 Öri (Appellativ) 155 Ort (Appellativ) 121 Ortschwaben 120 Ösch 127 ôster (Adjektiv mhd.) 93, 146 oster (Adjektiv) 146 Oster(i) (Personenname) 93 Ostermanigen 146, 187 Ostermann (Appellativ) 146 Ostermann (Familienname) 146, 185 Ostermund (Personenname) 146, 187 Ostermundigen 143, 145 , 146, 185, 187 Ostern (Appellativ) 93, 146 Österreich (A) 196 Österrich, Wideli von 196 Osterstall 93 Osther(i) (Personenname) 93 Ostremund (Personenname) 146 Ott (Familienname) 192 Ottelüijebad 192 Otto (Personenname) 192 Ougstal 187 ouvrir (Verb frz.) 41, 49 parasite (Appellativ frz.) 47 parler (Verb frz.) 35 parricide (Appellativ frz.) 47 Paterich (Personenname) 115 patschen (Verb) 112 Permunt 97 Pettilo (Personenname) 187 Pfäfers (SG) 173 Pfaff 90 Pfaff (Appellativ) 90 Pfaffebüel 90 Pfaffehalte 90 Pfaffemaadbrunne 90 Pfannenstiel (ZH) 53 Pfau (Appellativ) 197 Pfauen (VD) 197 Pfeffer (Appellativ) 209 Pfungenried 213 Pfütze (Appellativ) 234 Phoenix (Sagenfigur) 168, 199 Pissenheim (D) 154 plaisir (Appellativ frz.) 137, 171 Plym (UK) 209 Plymouth (UK) 209 Prinzessin (Appellativ) 226, 242 Pualo (Personenname) 126 Puff (Appellativ) 34 Puffärmel (Appellativ) 34 Quäntchen (Appellativ) 45 quattuor (Numerale lat.) 47 Quentchen (Appellativ) 45 quinque (Numerale lat.) 47 radikal(Adjektiv) 28 Rain (Appellativ) 184, 192 Rait (I) 101 Rank (Appellativ) 50 Rankwog (SO) 48, 50, 58 Ratte (Appellativ) 238 rauschend (Adjektiv) 236 Reichenbach 51 <?page no="267"?> Index 267 reiten (Verb) 101 Reiti (Appellativ) 80 Reut (Appellativ) 101 Rhein 105 Ried 88 , 95 Ried (Appellativ) 88, 118 Riet 88 , 95 Riet (Appellativ) 88 Ring (Appellativ) 69, 113 Rohrmoos 102 romanum (Adjektiv lat.) 173 Römer (Appellativ) 173 Romont (BE) 146 Roormis 102 Ross (Appellativ) 104, 164 Rossgarten (AI/ AR) 122 Rosshäusern 103 , 164 Rossmörder 195 Rossmürder 195 rot (Adjektiv) 209 Rothmund (BE) 146 Rotmund (BE) 146 Ruef(f) (Personenname) 103 Ruffner (Familienname) 55 Rümlang (ZH) 148 Rumpelischuur 171 Ruodolf (Personenname) 103 Rüt (Appellativ) 118 Rüti 88, 101, 114 Rüti (Appellativ) 114, 115 Rüti bei Lyssach 114 Sack (Appellativ) 237 Salz (Appellativ) 209 Samen (Appellativ) 108 Sand (Appellativ) 172, 174 Sandgässli 174 Sandhole 172 Sängerinnen (D) 160 Sankt Landolin (D) 160 Satz (Appellativ) 141 saumo (Appellativ frz.) 90 Schache (Appellativ) 237 Schacht (Appellativ) 237 Schaf (Appellativ) 102 Schäferei (Appellativ) 57 Schäferei (D) 50, 57, 58, 130 Schäferhund, Deutscher (Appellativ) 48 Schaffhausen (SH) 102 Schafhausen im Emmental 102 Schatten (Appellativ) 67, 237 Schattenhalb 68 schauen (Verb) 235 Scheidegg 89 scheiden (Verb) 89 Schelten 152 Schiffslände (Appellativ) 235 schließen (Verb) 41 Schloss (Appellativ) 41 Schlüssel (Appellativ) 41 schmal (Adjektiv) 235 schnaagge (Verb) 154 Schnaaggiwil 154 schneeig (Adjektiv) 162, 181 Schneeighorn 162, 181 Schneider (Familienname) 215 Schneisingen (AG) 117, 148 Schöftland (AG) 148 schön (Adjektiv) 238 Schule (Appellativ) 236 Schwaben (D) 120 Schwaben (Ethnonym) 120 Schwärzi (Appellativ) 147 schwer (Adjektiv) 229 See (Appellativ) 128, 173 Seibertenrod (D) 188 Seich (Appellativ) 157 Seite (Appellativ) 235, 237 selig (Adjektiv) 41 Senf (Appellativ) 209 Sengernen (D) 160 serrure (Appellativ frz.) 41 Siech (Appellativ) 155 Siechenmatt 155 Siedlung (Appellativ) 237, 238 singen (Verb) 113 Sintflut (Appellativ) 48 Sitte (Appellativ) 237 Sitzgelegenheit (Appellativ) 234 Skerlilo (Personenname) 199 Skifahren (Appellativ) 240, 243 Soller (Appellativ) 80 <?page no="268"?> Index 268 Solothurn (SO) 149 Sonnheim 155 Speck (Appellativ) 229 Speer (Appellativ) 238 spitz (Adjektiv) 238 Stadt 58 Stadt (Appellativ) 58 Stalden 79 Stalden (Appellativ) 79 Stall (Appellativ) 81, 82, 93, 113, 114, 187 Statt (Appellativ) 119 Steiermark (A) 200 Stein (Appellativ) 101 -stetten 67, 119, 125 Stockacker 66 Strähl (Appellativ) 102 Streu (Appellativ) 236 Sulgen 180 Sulgeneckstrasse 180 Sumiswald 145 Sunderholz 93 Sunnmatt 155 sur (Präposition frz.) 85 Surch (NL) 182 Tag (Appellativ) 47 Tägerig (AG) 148 Tal 125, 216 Tal (Appellativ) 81, 82, 92, 93, 107, 113, 116, 151, 167, 169, 185, 220, 238 talpas (Appellativ ung) 112 Tännsoller (Appellativ) 80 taub (Adjektiv) 183 Taube (Appellativ) 183 Taubenstrasse 183 Taubstummengasse (A) 183 Taufe (Appellativ) 114 tëger (Adjektiv ahd.) 157 Tempo (Warenname) 215 tennisman (Appellativ frz.) 207 Tesa (Warenname) 54 teuer (Adjektiv) 50 Teufelsburdi 195 Teuffenthal 182 Thalheim an der Thur (ZH) 154 Thielle 127 Thielle (NE) 127 Thomas (Personenname) 136 Thor (Appellativ) 154 Thun 125, 132, 149, 150 Thunstetten 149 , 177, 219 til(a) (Verb ie.) 127 Tixo (Warenname) 54 Tokko (Personenname) 120 Tollpatsch (Appellativ) 112 Tölpel (Appellativ) 112 Tomali (Personenname) 136 Tomalis Wisli (GR) 136 Traggselouene 227 , 229 traut (Adjektiv) 184 Treie (Appellativ) 80 trübselig (Adjektiv) 41 tschädere (Verb) 199 Tschedernierli 199 Tschugge (Appellativ) 80 tumba (Appellativ rätorom.) 136 tunc (Appellativ mhd.) 149 tung (Appellativ ahd.) 149 turn (Appellativ mhd.) 125 Tutte (Appellativ) 122 Tutter 122 tuttere (Verb) 122 Tutternollen 122 -ula (Suffix rom.) 127, 142 Umplischuur 171 Ungerberg 156 Unter- 216 unter (Präposition) 84, 156 Unterbäch (VS) 84 Unterberg 156 Unterseen 82 , 84 ustuttere (Verb) 122 Utternolle 122 val (Appellativ frz.) 166 Vatermörder (Appellativ) 47 Verballhornung (Appellativ) 46 Verbauung (Appellativ) 78 Verboust 78 Verbunst (Appellativ) 78 verkorksen (Verb) 40 Verona (I) 187, 192 <?page no="269"?> Index 269 Vesuv (I) 173, 177 Victorius (Personenname) 123, 192 viel (Adjektiv) 100 Vielbringen 99 , 181 , 235 Villars-les-Moines 124 Villmergen (AG) 100 Vilmar (Personenname) 99, 181 Vinelz 168 , 199 Volksetymologie (Appellativ) 60 volkstümlich (Adjektiv) 60 Vorder- 216 vucht (Appellativ mnd.) 139 vurzi (Appellativ frkpr.) 135 Waage (Appellativ) 50 Waber (Familienname) 161 Wäber (Familienname) 161 Wabern 161 Wabersacker 161 Wabersackerstrasse 161 Waberschacher 161 wâc (Appellativ mhd.) 50 Wacholder (Appellativ) 162 Wachsoltregg 162 Wagen, Großer (Gestirnname) 215 Wal(d)burg (Personenname) 201 Wald 235 Wald (Appellativ)166, 235, 237, 239 Waldhof 51 Wälschland 230 , 234, 240 walten (Verb) 184 Walterswil 104 Waltraud (Personenname) 184 Wand (Appellativ) 100, 148 Wang 100, 147 Wang (Appellativ) 100, 117, 147, 148 Wangen 100 wanken (Verb) 100 Wanne (Appellativ) 81, 201 Wärgistal 113 warm (Adjektiv) 201 Wasser (Appellativ) 209, 234 Wasserfall (Appellativ) 234 Wassolt(e)regggrabe 162 Wassoltregg 162 Waterloo (B) 54 weben (Verb) 47 weichen (Verb) 123, 192, 193 Weidland (Appellativ) 235, 237 Weiher (Appellativ) 164 Weil(e) (Appellativ) 238 Weißes Haus (USA) 123 Weisslingen (ZH) 148 Weizen (Appellativ) 236 weli (Appellativ ahd.) 114 werfen (Verb) 70, 200 Werthhoven (D) 154 Wetter (Appellativ) 94 wetterleichen (Verb mhd.) 94 wetterleuchten (Verb) 40, 94 whistle (Appellativ engl.) 193 Wichtrach 123 , 192 , 193 Wideli von Österrich 196 widerlich (Adjektiv) 239 Wiese (Appellativ) 234 Wiftrech 123 -wil 78, 79, 104, 107, 111, 125, 143, 144, 183 -wiler 125 windexponiert (Adjektiv) 235 wischen (Verb) 130, 243 Wolf (Appellativ) 193, 197 Wolfei 117 Wolfi (Personenname) 193, 197 Wolfisberg 193 , 197 Wüestebach 121 wuotgüsse (Appellativ mhd.) 129 Wurf (Appellativ) 70 wüst (Adjektiv) 121 Wüste (Appellativ) 129 Wyssachen 154 Wyssachengraben 154 yaygara (Appellativ türk.) 153 Zäziwil 96, 107 Zazo (Personenname) 107 Zeinige 120 Zeiningen (AG) 120 Zeino (Personenname) 120 Zez(z)o (Personenname) 107 Ziel (Appellativ) 106, 127, 162 Zihl 127 Zihlbrücke (NE) 127 <?page no="270"?> Index 270 Zil (Appellativ) 106, 127 Zitistal 113 Zollikofen 126, 198 zu (Präposition) 107, 120, 121 Zurich (NL) 182 Zürich (ZH) 182 Zwüestebach 121 Zwüschewassere (LU) 84 <?page no="271"?> Literatur Aitchison, Jean (1994): Words in the Mind. An Introduction to the Mental Lexicon. 2. Auflage. Oxford. dies. (1997): Wörter im Kopf. Eine Einführung in das mentale Lexikon. Aus dem Englischen von Martina Wiese. Tübingen. dies. (2003): Words in the Mind. An Introduction to the Mental Lexicon. 3. Auflage. Malden, MA/ Oxford/ Carlton. Alemannisches Jahrbuch: Alemannisches Jahrbuch. Freiburg i. Br. 1953ff. Anderson, John M. (2007): The Grammar of Names. New York. Andresen, Karl Gustav (1899): Über deutsche Volksetymologie. 5., verbesserte und vermehrte Auflage der Ausgabe von 1876. Heilbronn. Anonym (1710): Paradoxa, Oder Seltsam klingende Doch klar und wahr gemachte Redens- Arten: In sich haltend Geistliche Betrachtungen An der zahl hundert; Zu der Ehre Gottes […] Gebunden fürgestellet In Zwey besondere Theile verfasset / Von einem Der mit Thoma unablässig seuffzet: Mein Herr Vnd Gott! Regensburg. Antenhofer, Christina/ Götsch, Thea (2006): Flurnamengeschichten Vinschgau - Pustertal. Innsbruck. Antos, Gerd (1996): Laien-Linguistik. Studien zu Sprach- und Kommunikationsproblemen im Alltag. Am Beipiel von Sprachratgebern und Kommunikationstrainings (= Reihe Germanistische Linguistik 146). Tübingen. Archäologie der Schweiz: Archäologie der Schweiz. Mitteilungsblatt der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte - SGUF. Basel 1978 ff. Archäologie im Kanton Bern: Archäologie im Kanton Bern. Fundberichte und Aufsätze. Schriftenreihe der Erziehungsdirektion des Kantons Bern, hg. vom Archäologischen Dienst des Kantons Bern. Bern 1990ff. Archäologisches Hinweisinventar (1982): Archäologisches Hinweisinventar (für den Kanton Bern). Hg. vom Archäologischen Dienst des Kantons Bern und vom Planungsamt des Kantons Bern. Bern. Aretius, Bendicht (1561): »Stocc-Hornii et Nessi in Bernatium Heluetiorum ditione montium, et nascentium in eis stirpium brevis descriptio, à Benedicto Aretio Graecae et Hebraicae linguarum in schola Bernensi professore clarißimo dicta«. In: Simesusius, Valerius Cordus (1561): Annotationes in Pedacii Dioscoridis Anazarbei de Media Materia libros V. Straßburg: 132 ff. Augst, Gerhard (1975): Untersuchungen zum Morpheminventar der deutschen Gegenwartssprache. Tübingen. ders. (2002): »Volksetymologie und synchrone Etymologie. Zu Peter Godglück: Eigenwissen und Fremdverstehen. Über die sogenannten Volksetymologien. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 31 (2001): 137-149«. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 32: 144-147. Bach, Adolf: Deutsche Namenkunde. Bände I/ 1 u. I/ 2: Die deutschen Personennamen. Bände II/ 1 u. II/ 2: Die deutschen Ortsnamen. Band III: Register. Bearbeitet von Dieter Berger. Heidelberg 1952-1956. ders. (1970): Geschichte der deutschen Sprache. 9., durchgesehene Auflage. Heidelberg. <?page no="272"?> Literatur 272 Bachmann, Adolf (1919): »Eine alte schweizerische Patronymikabildung«. In: (o. Hg.) (1919): Festgabe Adolf Kaegi von Schülern und Freunden dargebracht zum 30. September 1919. Frauenfeld: 218-240. Baldinger, Kurt (1973): Zum Einfluß der Sprache auf die Vorstellungen des Menschen (Volksetymologie und semantische Parallelverschiebung). Vorgetragen am 11. November 1972. Heidelberg. Bally, Charles (1944): Linguistique générale et linguistique française. 2. Auflage. Bern. Bargh, John A./ Chen, Mark/ Burrows, Lara (1996): »Automaticity of Social Behavior: Direct Effects of Trait Construct and Stereotype Activation on Action«. Journal of Personality and Social Psychology 71: 230-244. Baumgartner, Heinrich (1922): Die Mundarten des Berner Seelandes (= Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik 14). Frauenfeld. Bebermeyer, Renate (1974): »Zur Volksetymologie: Wesen und Formen«. In: Möckelmann, Jochen (Hg.) (1974): Sprache und Sprachhandeln. Festschrift für Gustav Bebermeyer zum 80. Geburtstag am 16. 10. 1970. Arbeiten aus seinem Freundes- und Schülerkreis. Hildesheim/ New York: 156-187. Béguelin, Marie-José (2000): »Etymologie ›populaire‹ et construction du savoir lexical«. Studi italiani di linguistica teorica ed applicata 29: 365-383. Behaghel, Otto (1886): Die deutsche Sprache. Das Wissen der Gegenwart (= Deutsche Universal-Bibliothek für Gebildete Band 54). Leipzig/ Prag. Beiträge zur Namenforschung: Beiträge zur Namenforschung. Heidelberg 1949/ 1950- 1965. Beiträge zur Namenforschung Neue Folge: Beiträge zur Namenforschung Neue Folge. Heidelberg 1966ff. Belemnon (1728): Curiöses Bauern-Lexicon: worinnen die meisten in unserer teutschen Sprache vorkommende fremde Wörter erkläret, so dann, wie ketzerlich solche von vielen ausgesprochen, angedeutet und endlich bey jedem Wort e. lästerliche bäuerischod. jüdische Redens-Art beygefüget wird. Freystatt. BENB: Ortsnamenbuch des Kantons Bern (alter Kantonsteil). Begr. von Paul Zinsli. Band I: Dokumentation und Deutung. 1. Teil: A-F. Hg. von Paul Zinsli in Zusammenarbeit mit Rudolf Ramseyer und Peter Glatthard. 2. Teil: G-K/ CH. Hg. von Paul Zinsli und Peter Glatthard in Zusammenarbeit mit Rudolf J. Ramseyer, Niklaus Bigler und Erich Blatter. 3. Teil: L-M. Hg. von Thomas Franz Schneider und Erich Blatter unter der Leitung von Elke Hentschel. 4. Teil: N-B/ P. Hg. von Thomas Franz Schneider und Erich Blatter unter der Leitung von Elke Hentschel. Bern/ Basel/ Tübingen 1976ff. BENB Dok: Ungedruckte Dokumentation des Ortsnamenbuchs des Kantons Bern. Benzerath, Michael (1914) Die Kirchenpatrone der alten Diözese Lausanne im Mittelalter. Freiburg. Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde. Bern 1939ff. Digitale Version: www.bzgh.ch. Bernhard, Gerald (2004): »Schwierige Wörter, Motivierung und Volksetymologie«. In: Lebsanft, Franz/ Gleßgen, Martin-Dietrich (Hg.) (2004): Historische Semantik in den romanischen Sprachen (= Linguistische Arbeiten 483). Tübingen: 91-101. Bertholet, Alfred (1940): Wortanklang und Volksetymologie in ihrer Wirkung auf religiösen Glauben und Brauch. Berlin 1940. Besse, Maria (1997): Namenpaare an der Sprachgrenze. Eine lautchronologische Untersuchung zu zweisprachigen Ortsnamen im Norden und Süden der deutsch-französischen <?page no="273"?> Literatur 273 Sprachgrenze (= Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 267). Tübingen. Bilek, Julius (1971): »Volksetymologisch umgedeutete Ortsnamen aus Mecklenburg«. In: Witkowski, Teodolius (Hg.) (1971): Forschungen zur slawischen und deutschen Namenkunde (= Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Veröffentlichungen des Instituts für Slawistik Nr. 55). Berlin: 121-128. Blank, Andreas (1993): »Das verwaiste Wort. Zum Bedeutungswandel durch Volksetymologie«. In: Foltys, Christian/ Kotschi, Thomas (Hg.): Berliner Romanistische Studien. Für Horst Ochse (= Neue Romania 14). Berlin: 43-61. BLNB: Namenbuch der Gemeinden des Kantons Basel-Landschaft. Hg. von der Stiftung für Orts- und Flurnamen-Forschung Baselland. 86 gemeindeweise Hefte. Liestal 2002-2007. BMZ: Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke. Ausgearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bände. Leipzig 1854-1861. Boesch, Bruno (1946): Untersuchungen zur alemannischen Urkundensprache des 13. Jahrhunderts. Laut- und Formenlehre. Bern. ders. (1958): »Ortsnamen und Siedlungsgeschichte am Beispiel der -ingen-Orte der Schweiz«. Alemannisches Jahrbuch: 1-50. ders. (1961): »Schichten der als Ortsnamen verwendeten Lehnwörter am Beispiel der alemannischen Besiedlung der Ostschweiz«. In: Rohlfs, Gerhard (Hg.) (1960): Kongreßberichte des 6. Internationalen Kongresses für Namenforschung München 24.-28. August 1958. Band II: Kongreßchronik und Sektionsvorträge 1-50. München: 160-168. ders. (1981): Kleine Schriften zur Namenforschung 1945-1981. Zum siebzigsten Geburtstag hg. von seinen Schülern (= Beiträge zur Namenforschung Neue Folge, Beiheft 20). Heidelberg. Brandstetter, Renward (1890): »Prolegomena zu einer urkundlichen Geschichte der Luzerner Mundart«. Geschichtsfreund 16: 200-283. Brechenmacher, Josef Karlmann: Etymologisches Wörterbuch der Deutschen Familiennamen. 2., von Grund auf umgearbeitete Aufl. der Deutschen Sippennamen. 2 Bände. Limburg a.d. Lahn 1957/ 1963. Brekle, Herbert E. (1986): »Einige neuere Überlegungen zum Thema Volkslinguistik«. In: Brekle, Herbert E./ Maas, Utz (Hg.) (1986): Sprachwissenschaft und Volkskunde. Perspektiven einer kulturanalytischen Sprachbetrachtung. Opladen. Brendler, Andrea/ Brendler, Silvio (Hg.) (2004): Namenarten und ihre Erforschung. Ein Lehrbuch für das Studium der Onomastik. Hamburg. Brendler, Silvio (2008): Nomematik. Identitätstheoretische Grundlagen der Namenforschung. Hamburg. Brockhaus-Wahrig: Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden. Hg. von Gerhard Wahrig, Hildegard Krämer, Harald Zimmermann. Wiesbaden/ Stuttgart 1980-1984. Bruckner, Wilhelm (1940): »Doppelsprachige Ortsnamen der Schweiz«. Jährliche Rundschau des deutschschweizerischen Sprachvereins 1940: 15-30. ders. (1945): Schweizerische Ortsnamenkunde. Eine Einführung (= Volkstum der Schweiz 6). Basel. Buck, Michael Richard (1931): Oberdeutsches Flurnamenbuch. Ein alphabetisch geordneter Handweiser für Freunde deutscher Sprach- und Kulturgeschichte. Bayreuth. Burger, Harald (2007): Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. 3. Auflage. Berlin. <?page no="274"?> Literatur 274 Burger, Harald/ Buhofer, Annelies/ Sialm, Ambros (1982: ) Handbuch der Phraseologie. Berlin/ New York. Burri, Andreas (1995): Die Siedlungs- und Flurnamen der Gemeinde Worb. Ein Beitrag zur Namengrammatik (= Sprache und Dichtung Neue Folge 42). Bern/ Stuttgart/ Wien. Bußmann, Hadumod (2002): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. Auflage. Stuttgart. Chambon, Jean-Pierre (1986): »Remarques sur la notion d’étymologie populaire«. Tranel Travaux Neuchâtelois de Linguistique 11: 37-50. Christen, Bernhard (1986): Wohlen. Eine toponomastische Untersuchung der Siedlungsgeschichte. Unveröffentlichte Lizenziatsarbeit Universität Bern. Clouzot, Étienne (1940): Pouillés des provinces de Besançon, de Tarentaise et de Vienne. Paris. Coates, Richard (1987): »Pragmatic Sources of Analogical Reformation«. Journal of Linguistics 23: 319-340. ders. (2005): »A new theory of properhood«. In: Brylla, Eva/ Wahlberg, Mats (Hg.) (2005): Proceedings of the 21st International Congress of Onomastic Sciences, Uppsala, 19-24 August, 2002. 5 Bände. Uppsala: Band 1: 125-137. Croft, William (2000): Explaining Language Change. An Evolutionary Approach. Harlow et al. Dalberg, Vibeke (2004): »Zur Diskussion der toponymischen Analogie, Musternamengebung und Musternamenbildung«. In: van Nahl, Astrid (Hg.) (2004): Namenwelten (= Reallexikon der Germanistischen Altertumskunde Ergänzungsband 44). Berlin/ New York: 409-420. Debus, Wilhelm (1966): Aspekte zum Verhältnis Name - Wort. Rede uitgesproken bij de officiële aanvaarding van het Ambt van Gewoon Hoogleraar in de Middeleeuwse Duistse Letterkunde en de Duitse Taalkunde aan de Rijksuniversiteit te Groningen op dinsdag, 4 Oktober 1966. Groningen. Diewald, Gabriele (1997): Grammatikalisierung. Eine Einführung in Sein und Werden grammatischer Formen (= Germanistische Arbeitshefte 36). Tübingen. Diez, Friedrich (1887): Etymologisches Wörterbuch der romanischen Sprachen. 5. Auflage. Bonn. Drack, Walter/ Fellmann, Rudolf (1988): Die Römer in der Schweiz. Stuttgart/ Jona. DRW: Deutsches Rechtswörterbuch (Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache). Hg. von der Preussischen Akademie der Wissenschaften. Weimar 1914ff. Digitale Version: www.rzuser.uni-heidelberg.de/ ~cd2/ drw. Duchá č ek, Otto (1964): »L’attraction lexicale«. Philologiea pragensia 7: 65-76. Durheim, Carl Jakob: Die Ortschaften des eidgenössischen Freistaates Bern. Band I: Verzeichnis der Städte, Flecken, Pfarr- und anderen Dörfer […] der Bevölkerung nach der letzten Zählung, der Schulkommissariats- und der Militär-Kreise. Band II: Register der Ortschaften und Alpen. Band III: Supplement. Bern 1838-1845. ders. (1856/ 1972): Schweizerisches Pflanzen-Idiotikon. Ein Wörterbuch von Pflanzenbenennungen in den verschiedenen Mundarten der deutschen, französischen und italienischen Schweiz nebst deren lateinischen, französischen und deutschen Namen; zum Gebrauch für Mediciner, Pharmaceuten, Lehrer, Droguisten und Botaniker. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Bern 1856. Walluf-Wiesbaden. DWB: Deutsches Wörterbuch. Hg. von Jacob und Wilhelm Grimm et al. 16 Bände. Leipzig 1854-1954. Eichler, Ernst (1990): »Über unechte Ortsnamen auf -ingen«. In: Verein der Freunde der im Mittelalter von Österreich aus besiedelten Sprachinseln/ Kommission für <?page no="275"?> Literatur 275 Mundartkunde und Namenforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Hg.) (1990): Mundart und Name im Sprachkontakt. Festschrift für Maria Hornung zum 70. Geburtstag (= Beiträge zur Sprachinselforschung Band 8). Wien: 335-339. ders. (1995): »Entwicklung der Namenforschung«. In: HSK 11/ 1: 1-7. Ernst, Peter (2005): »Wörter und Namen im mentalen Lexikon: Namenkunde und kognitive Linguistik«. In: Brendler, Andrea/ Brendler, Silvio (Hg.) (2005): Namenforschung morgen. Ideen, Perspektiven, Visionen. Hamburg: 37-44. ders. (Hg.) (2008): Namenarten in Österreich und Bayern. Vorträge auf der 4. Tagung des Arbeitskreises für bayerisch-österreichische Namenforschung am 28. und 29. September 2006 in Wien. Wien. Fetzer, This: »Nachbenennungsnamen im Berner Namengut«. In: Ahrens, Wolfgang (Hg.) (2009): Names in Multi-Lingual, Multi-Cultural and Multi-Ethnic Context. Proceedings of the 23rd International Congress of Onomastic Sciences, August 17-22, York University Toronto, Canada. Toronto: 408-420. FEW: Französisches Etymologisches Wörterbuch. Eine Darstellung des galloromanischen Sprachschatzes. Hg. von Walther von Wartburg. 25 Bände. Bonn/ Paris/ Basel 1928-2003. FNB: Familiennamenbuch der Schweiz. 6 Bände. 2. Auflage. Zürich 1968-1971. Förstemann, Ernst (1852): »Ueber deutsche Volksetymologie«. Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen 1: 1-25. ders. (1863): Die deutschen Ortsnamen. Nordhausen. ders. (1877): »Ueber deutsche volksetymologie«. Zeitschrift für Vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete der indogermanischen Sprachen (= Kuhns Zeitschrift) 3: 375-384. ders.: Altdeutsches Namenbuch. Band I: Personennamen. Nachdruck der 2. Ausgabe Bonn 1900. München/ Hildesheim 1966; Bände II/ 1 u. II/ 2: Orts- und sonstige geographische Namen. Nachdruck der 3. Ausgabe Bonn 1913-1916. München/ Hildesheim 1967. Förster, Manfred (1998): »Gedanken zur möglichen Entstehung und Bedeutung von Flurnamen«. Beiträge zur Namenforschung Neue Folge 33: 171-190. Friedli, Emanuel: Bärndütsch als Spiegel bernischen Volkstums. Band I: Lützelflüh; Band II: Grindelwald; Band III: Guggisberg; Band IV: Ins (Seeland 1. Teil); Band V: Twann (Seeland 2. Teil); Band VI: Aarwangen; Band VII: Saanen. Bern 1905-1927. Frühnhd. Wb.: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Begründet von Ulrich Goebel und Oskar Reichmann. Hg. von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Berlin/ New York 1989ff. Furrer, Norbert (2006): »Mehrsprachigkeiten«. In: Holenstein, André (Hg.) (2006): Berns mächtige Zeit: das 16. und 17. Jahrhundert neu entdeckt. Bern: 320-324. Gagliardi, Ernst/ Müller, Hans/ Büsser, Fritz (Hg.): Johannes Stumpfs Schweizer- und Reformationschronik. 2 Bände. Basel 1952-1955. Gaidoz, Henri (1883): »Ueber deutsche Volksetymologie, von Karl Gustav Andresen«. Revue critique d’histoire et de littérature 17: 131-133. Gamillscheg, Ernst (1934/ 1970): Romania Germanica. Sprach- und Siedlungsgeschichte der Germanen auf dem Boden des alten Römerreichs. 3 Bände. Berlin/ Leipzig 1934- 1936. 2. Auflage von Band 1. Berlin. Gasser-Mühlheim, Margareta (1971): Soziale Aufwertungstendenzen der deutschen Gegenwartssprache. Bern. <?page no="276"?> Literatur 276 Gatschet, Albert Samuel (1867): Ortsetymologische Forschungen als Beiträge zu einer Toponomastik der Schweiz. Bern. ders. (1880): »Lokalbenennungen aus dem Berner Oberlande und dem Oberwallis«. Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 9: 373-410. Geiger, Theodora: »Die ältesten Gewässernamen-Schichten im Gebiet des Hoch- und Oberrheins«. Beiträge zur Namenforschung 14 (1963): 213-229; Beiträge zur Namenforschung 15 (1964): 26-54, 123-141; Beiträge zur Namenforschung 16 (1965): 113-136, 233-263. Geographisches Lexikon der Schweiz: Geographisches Lexikon der Schweiz. Hg. unter der Leitung von Charles Knapp, Maurice Borel und Victor Attinger. 6 Bände. Neuenburg 1902-1910. Georges, Karl Ernst (1967): Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch. Nachdruck der 8. Auflage von 1913. 2 Bände. Basel. Gerhardt, Dietrich (1949/ 1950): »Über die Stellung der Namen im lexikalischen System«. Beiträge zur Namenforschung 1: 1-24. Geschwind, Norman/ Fusillo, Michael (1997): »Color-Naming Defects in Association with Alexia«. In: Byrne, Alex/ Hilbert, David R. (Hg.) (1997): Readings on Color. Band 2: The Science of Color. Cambridge (Mass.): 262-275. Gilliéron, Jules (1919): Etudes sur la Défectivité des Verbes. La Faillite de l’Etymologie phonétique. Résumé de conférences faites à l’école pratique des hautes études. Neuvevillle. Gipper, Helmut/ Schwarz, Hans: Bibliographisches Handbuch zur Sprachinhaltsforschung. 2 Teile. Opladen 1966-1985. Glatthard, Peter (1965): »Zum Namen Thunstetten«. Jahrbuch des Oberaargaus 8: 115- 130. ders. (1977): Ortsnamen zwischen Aare und Saane. Namengeographische und siedlungsgeschichtliche Untersuchungen im westschweizerdeutschen Sprachgrenzraum (= Sprache und Dichtung Neue Folge 22). Bern/ Stuttgart. Glück, Helmut (2000): Metzler Lexikon Sprache. Hg. von Helmut Glück. Stuttgart/ Weimar. Godglück, Peter (2001): »Eigenwissen und Fremdverstehen. über die so genannten Volksetymologien«. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 122: 136- 149. Goodglass, Harold/ Wingfield, Arthur (Hg.) (1997): Anomia. Neuroanatomical and Cognitive Correlates. San Diego et al. Gottschald, Max (1971): Deutsche Namenkunde. Unsere Familiennamen nach ihrer Entstehung und Bedeutung. 4. Auflage. Berlin. ders. (2006): Deutsche Namenkunde. 6. Auflage. Berlin/ New York. Graff, Eberhard Gottlieb (1963): Althochdeutscher Sprachschatz oder Wörterbuch der althochdeutschen Sprache. 6 Bände. Berlin 1834-1842. Neudruck Darmstadt 1963. Greule, Albrecht (1973): Vor- und frühgermanische Flußnamen am Oberrhein. Ein Beitrag zur Gewässernamengebung des Elsass, der Nordschweiz und Südbadens (= Beiträge zur Namenforschung Neue Folge, Beiheft 10). Heidelberg. ders. (1978): »Namenkunde im germanistischen Grundstudium«. In: Debus, Friedhelm/ Puchner, Karl (Hg.) (1978): Name und Geschichte. Henning Kaufmann zum 80. Geburtstag. München: 321-330. ders. (1996a): »Gewässernamen. Morphologie, Benennungsmotive, Schichten«. In: HSK 11/ 2: 1534-1539. <?page no="277"?> Literatur 277 ders. (1996b): »Rezension zu Burri, Andreas: Die Siedlungs- und Flurnamen der Gemeinde Worb. Ein Beitrag zur Namengrammatik. Bern/ Stuttgart/ Wien 1995«. Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 63: 357-359. ders. (2004): »Schichten vordeutscher Namen im deutschen Sprachgebiet«. In: HSK 2/ 4: 3460-3468. Greyerz, Otto von/ Bietenhard, Ruth (1976): Berndeutsches Wörterbuch. Bern. Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. 4 Bände. Neuer vermehrter Abdruck der 2. Ausgabe Göttingen 1822-1837 besorgt durch Wilhelm Scherer und Gustav Roethe. Berlin 1878-1898. Grimm, Jacob/ Grimm, Wilhelm et al.: Deutsches Wörterbuch. 16 Bände. Leipzig 1854ff. Grossenbacher Künzler, Barbara (1999): Die Namenlandschaft des Wasseramtes. Namenschwund und Namenwechsel in einer veränderten Landschaft (= Solothurnisches Orts- und Flurnamenbuch, Beiheft 3). Solothurn. Haas, Walter (1975): Franz Alois Schumachers »Isaac«. Eine Volksschauspielparodie aus dem 18. Jahrhundert. Text und Untersuchungen. Luzern. Handelmann, Heinrich (1866): Topographischer Volkshumor aus Schleswig-Holstein. Kiel. Hansack, Ernst (2004): »Das Wesen des Namens«. In: Brendler, Andrea/ Brendler, Silvio (Hg.) (2004): Namenarten und ihre Erforschung. Ein Lehrbuch für das Studium der Onomastik (Festschrift Karlheinz Hengst). Hamburg: 51-65. Harnisch, Rüdiger (2000/ 2001): »Johann Andreas Schmeller und die Frühgeschichte der volksetymologischen Forschung«. In: Scherm, Ilona (Hg.) (2000/ 2001): Miscellanea Schmelleriana. Jahrbuch der Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft. Wiesbaden: 44-48. ders. (2004): »Verstärkungsprozesse. Zu einer Theorie der ›Sekretion‹ und des ›Rekonstruktionellen Ikonismus‹«. Zeitschrift für germanistische Linguistik 32: 210- 232. Hartmann, Hermann (1910): Berner Oberland in Sage und Geschichte. Band I: Sagen. Bümpliz. Hasenkamp, Wiltrud (2002): »Fr. ›étymologie populaire‹ ›Volksetymologie‹ und seine Terminusgeschichte«. Zeitschrift für romanische Philologie 118: 587-597. HBLS: Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz. Hg. von Heinrich Türler, Marcel Godet, Victor Attinger. 7 Bände und 1 Supplementband Neuenburg 1921-1934. Heinzelmann, Heinrich Christoph Wilhelm (1798): Proben einer Sprachenverähnlichung an den fremden Wörtern im Deutschen. Stendal. Helleland, Botolv (1996): »Traditionen der Ortsnamengebung«. In: HSK 11/ 2: 1386- 1392. Henzen, Walter (1924): »Einige Wechselbeziehungen zwischen Entrundung und Rundung«. Zeitschrift für deutsche Mundarten 19: 145-148. ders. (1965): Deutsche Wortbildung (= Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte. B, Ergänzungsreihe 5). 3. Auflage. Tübingen. Herrmann, Christoph/ Fiebach, Christian (2005): Gehirn und Sprache. Frankfurt am Main 2005. Herzig, Heinz E. (1992): »Thomas Schoepfs ›tabula actographica‹ als Beitrag zum bernischen Selbstverständnis«. Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 54: 164-172. Hjelmslev, Louis (1966): Le langage: une introduction. Paris. <?page no="278"?> Literatur 278 HLS: Historisches Lexikon der Schweiz. Hg. von der Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz. Basel 2002ff. Digitale Version: www.dhs.ch. Hofer, Roland (2001): Die Siedlungsnamen des bernischen Napfgebiets. Ein toponomastischer Beitrag zur Siedlungsgeschichte. Unveröffentlichte Lizenziatsarbeit Universität Bern. Holder, Alfred: Alt-celtischer Sprachschatz. 3 Bände. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1896-1907. Graz 1961-1962. Hornung, Maria (1998): »Rund um die Volketymologie«. In: Bauer, Werner/ Scheurigner, Hermann (Hg.) (1998): Beharrsamkeit und Wandel. Festschrift für Herbert Tatzreiter zum 60. Geburtstag. Wien: 119-122. Houtzager, Maria Elisabeth (1935): Unconscious soundand sense-assimilations. Amsterdam. Howald, Ernst/ Meyer, Ernst (1940): Die römische Schweiz. Texte und Inschriften mit Übersetzung. Zürich. HSK 2: HSK Sprachgeschichte: Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationsforschung Band 2). Hg. von Werner Besch et al. 4 Bände. 2. Auflage. Berlin/ New York 1998-2004. HSK 11: HSK Namenforschung: Ein internationales Handbuch zur Onomastik (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationsforschung Band 11). Hg. von Ernst Eichler et al. 2 Bände und Registerband Berlin/ New York 1995-1996. HSK 21: HSK Lexikologie: Ein internationales Handbuch zur Struktur von Wörter und Wortschätzen (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationsforschung Band 21). Hg. von D. Alan Cruse et al. 2 Bände. Berlin/ New York 2002-2005. Hubschmied, Johannes Ulrich (1938a): »Sprachliche Zeugen für das späte Aussterben des Gallischen«. Vox romanica. Annales helvetici explorandis linguis romanicis destinati 3: 48-155. ders. (1938b): »Über Ortsnamen des Amtes Burgdorf und der Gemeinden Bätterkinden und Utzenstorf«. In: Lehrerschaft des Amtes Burgdorf (Hg.) (1938): Heimatbuch des Amtes Burgdorf und der Kirchgemeinden Utzenstorf und Bätterkinden. Band II. Burgdorf: 711-750. ders. (1940): Über Ortsnamen des Amtes Frutigen. Frutigen. ders. (1943): Die Namen Unterseen, Interlaken, Inderlappen. Sonderdruck aus: Jahrbuch vom Thuner- und Brienzersee 1943. Interlaken. ders. (1947): Bezeichnungen von Göttern und Dämonen als Flussnamen. Antrittsrede gehalten am 1. Dezember 1945. Bern. Id.: Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache. Begonnen von Friedrich Staub und Ludwig Tobler und fortgesetzt unter der Leitung von Albert Bachmann, Otto Gröger, Hans Wanner, Peter Dalcher, Peter Ott und Hans- Peter Schifferle. Frauenfeld 1881ff. IEW: Indogermanisches etymologisches Wörterbuch. Hg. von Julius Pokorny. 2 Bände. Bern/ München 1959-1969. Jahn, Albert (1850/ 1967): Der Kanton Bern, deutschen Theils, antiquarisch-topographisch beschrieben, mit Aufzählung der helvetischen und römischen Alterthümer und mit Bezugnahme auf das älteste Ritter- und Kirchenwesen, auf die urkundlichen Ortsnamen und die Volkssagen. Ein Handbuch für Freunde der vaterländischen Vorzeit. Nachdruck der einzigen Auflage von 1850. Bern. Jespersen, Otto (1922): Language: its nature, development and origin. London. <?page no="279"?> Literatur 279 ders. (1925): Die Sprache. Ihre Natur, Entwicklung und Entstehung. Übersetzt von Rudolf Hittmair und Karl Waibl (= Indogermanische Bibliothek IV. Abteilung: Sprachgeschichte, 3). Übersetzung von Jespersen, Otto: Language: its nature, development and origin, London 1922. Heidelberg. Jochum-Godglück, Christa (2002): »Industrialisierung und Siedlungsnamen im saarländisch-lothringischen Raum: die (früh)neuzeitliche Besiedlung des Warndts«. In: Ernst, Peter/ Hausner, Isolde/ Schuster, Elisabeth/ Wiesinger, Peter (Hg.) (2002): Ortsnamen und Besiedlungsgeschichte. Akten des Symposiums in Wien vom 28.-30. September 2000. Heidelberg: 136-147. Jochum-Godglück, Christa (2008): »Zwischen den Konfessionen. Ekklesiogene Siedlungsnamen im frühneuzeitlichen Lothringen«. In: Greule, Albrecht et al. (Hg.) (2008): Studien zu Literatur, Sprache und Geschichte in Europa. Wolfgang Haubrichs zum 65. Geburtstag gewidmet. St. Ingbert: 317-326. Johansen, Paul (1952): »Volksetymologie und Ortsnamenkunde, erläutert am Beispiel Livlands«. Suomalais-ugrilaisen seuran aikauskirja/ Journal de la Société finno-ougrienne 4. Kaufmann, Henning (1961): Genetivische Ortsnamen (= Grundfragen der Namenkunde 2). Tübingen. ders. (1965): Untersuchungen zu altdeutschen Rufnamen (= Grundfragen der Namenkunde 3). München. ders. (1968): Ernst Förstemann. Altdeutsches Namenbuch. Band I: Personennamen. Ergänzungsband. München/ Hildesheim. Keckeis, Peter (1986): Sagen der Schweiz. Bern. Zürich. Kirkness, Alan (1975): Zur Sprachreinigung im Deutschen 1789-1871: eine historische Dokumentation (= Forschungsbericht des Instituts für deutsche Sprache Band 26). Tübingen. Kirwin, William (1985): »Folk Etymology: Remarks on Linguistic Problem-Solving and who does it«. Lore and Language 4: 18-24. Kläui, Hans/ Schobinger, Viktor (1989): Zürcher Ortsnamen. Zürich. Klappenbach, Ruth/ Steinitz, Wolfgang: Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. 6 Bände. Berlin 1964-1977. Klein, Wolf Peter (1992): Am Anfang war das Wort. Theorie- und wissenschaftsgeschichtliche Elemente frühneuzeitlichen Sprachbewusstseins. Berlin. Kluge, Friedrich/ Seebold, Elmar (2002): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearbeitet von Elmar Seebold. 24., durchgesehene und erweiterte Auflage. Berlin/ New York. Knobloch, Clemens (1992): »Eigennamen als Unterklasse der Nomina und in der Technik des Sprechens«. Sprachwissenschaft 17: 221-230. Koch, Max (1963): »Volksetymologie und ihre Zusammenhänge«. Beiträge zur Namenforschung 14: 162-168. Koß, Gerhard (1995): »Die Bedeutung der Eigennamen: Wortbedeutung/ Namenbedeutung«. In: HSK 11/ 1: 458-463. Krämer, Walter/ Sauer, Wolfgang (2001): Lexikon der populären Sprachirrtümer. Mißverständnisse, Denkfehler und Vorurteile von Altbier bis Zyniker. Frankfurt am Main. Krahe, Hans (1964): Unsere ältesten Flußnamen. Wiesbaden. Kranzmayer, Eberhard (1969): »Sagengebundene Kärntner Bergnamen«. Das Kärntner Jahrbuch 1969: 65-93. <?page no="280"?> Literatur 280 Krieger, Albert (1972): Topographisches Wörterbuch des Großherzogtums Baden. 2 Bände. Hg. von der Badischen Historischen Kommission, bearbeitet von Albert Krieger. 4. Auflage. Walluf. Kristol, Andres Max (2002): »Traces toponymiques du francoprovençal submergé en Suisse alémanique occidentale«. Vox romanica. Annales helvetici explorandis linguis romanicis destinati 61: 1-23. ders. (2005): »La survivance du gaulois dans l’espace helvétique: nouvelles contributions toponymiques à une vieille question«. Revue de linguistique romane 69: 19-51. ders. (2006): »Von Romanen und Alemannen. Bis wann wurde in der Region Bern (Alt-)Romanisch gesprochen? « Libernensis. Zeitschrift der Stadt- und Universitätsbibliothek Bern 2006/ 1: 24. Küpper, Heinz (1987): Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. Stuttgart. Kuert, Simon (1995): 1200 Jahre Madiswil. Die Geschichte einer Landgemeinde. Unter Mitarbeit der Arbeitsgruppe Chronik (Fritz Wälchli, Erwin Wittwer, Urs Wenger, Ernst Zehnder). Langenthal 1995. Kully, Rolf Max (1991): »Hadeswand und Glitzertor. Zur Benennung von Kletterrouten und Höhlengängen«. Beiträge zur Namenforschung Neue Folge 26: 336-357. ders. (1997): »Moos, Mösli, Müsli«. Beiträge zur Namenforschung Neue Folge 32: 309f. ders. (2003): »Neue Entwicklungen in den deutschschweizerischen Orts- und Flurnamen.« In: Dittli, Beat/ Häcki Buhofer, Annelies/ Haas, Walter (Hg.): Gömmer MiGro? Veränderungen und Entwicklungen im heutigen SchweizerDeutschen. Freiburg (Schweiz): 85-103. ders. (2005): »Rankwog, Ankewog, Antwog«. Beiträge zur Namenforschung Neue Folge 40: 263-270. Kunze, Konrad (2004): dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im deutschen Sprachgebiet. 5. Auflage. München. Labhart, Toni P./ Kehrli, Manuel (2003) Kamine aus bernischen Marmoren. Jegenstorf. Langenbeck, Fritz (1958): »Die TUNG- und HURST-Namen im Oberrheinland«. Alemannisches Jahrbuch 6: 51-108. Lehmann, Christian (1989): »Grammatikalisierung und Lexikalisierung«. Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 42: 11-19. ders. (2002): »New reflections on grammaticalization and lexicalisation«. In: Wischer, Ilse/ Diewald, Gabriele Maria (Hg.) (2002): New Reflections on Grammaticalization. Amsterdam/ Philadelphia: 1-18. Lenkowa, A. F. (1959): »Die sogenannte Volksetymologie«. Muttersprache 69: 137- 141. Leu, Hans Jacob: Allgemeines, helvetisches, eydgenössisches oder schweitzerisches Lexicon. 20 Bände. Zürich 1747-1765. Supplement von Hans Jakob Holzhalb. 6 Bände. Zug 1786-1795. Lewis, Geoffrey (1999): The Turkish Langage Reform: A Catastrophic Success. Oxford. Lexer, Matthias (1872-1878/ 1970): Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bände. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1872-1878. Stuttgart 1970. Leys, Odo (1966): »Der Eigenname in seinem formalen Verhältnis zum Appellativ«. Beiträge zur Namenforschung Neue Folge 1: 112-123. Lienert, Meinrad (1914): Schweizer Sagen und Heldengeschichten: der Jugend erzählt. Stuttgart. Lindström, P. E. (1898): Unetymologische Auflösung französischer Ortsnamen. Stockholm. <?page no="281"?> Literatur 281 Lochner von Hüttenbach, Fritz (1986): »Volksetymologische Umformungen von Ortsnamen slawischer Herkunft im Ostalpenraum - Beispiele aus der Kärntner Toponymie«. Onomastica Slavogermanica X 71: 135-144. ders. (1990): »Nur scheinbar echte Tiernamen in Ortsbezeichnungen der Steiermark«. In: Verein der Freunde der im Mittelalter von Österreich aus besiedelten Sprachinseln/ Kommission für Mundartkunde und Namenforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Hg.) (1990): Mundart und Name im Sprachkontakt. Festschrift für Maria Hornung zum 70. Geburtstag (= Beiträge zur Sprachinselforschung Band 8). Wien: 319-334. Lötscher, Andreas (1995): »Der Name als lexikalische Einheit: Denotation und Konnotation«. In: HSK 11/ 1: 448-458. LSG (2005): Lexikon der schweizerischen Gemeindenamen. Hg. vom Centre de Dialectologie an der Universität Neuchâtel unter der Leitung von Andres Kristol. Frauenfeld. LUNB: Luzerner Namenbuch. Band I: Entlebuch: Die Orts- und Flurnamen des Amtes Entlebuch. Hg. und bearbeitet von Erika Waser. Band II: Rigi: Die Orts- und Flurnamen der Luzerner Rigigemeinden. Hg. und bearbeitet von Erika Waser in Zusammenarbeit mit Alex Baumgartner und Peter Mulle. Hitzkirch/ Altdorf: 1996ff. Mackensen, Lutz (1927): Name und Mythos. Sprachliche Untersuchungen zur Religionsgeschichte und Volkskunde (= Form und Geist, Arbeiten zur germ. Philologie, 4). Leipzig. Malinowski, Lucian (1870): »Zur volksetymologie«. Beiträge zur vergleichenden sprachforschung auf dem gebiete der arischen, celtischen und slawischen sprachen 6: 300-305. Marzell, Heinrich: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen. Bearbeitet von Heinrich Marzell unter Mitwirkung von Wilhelm Wissmann und Wolfgang Pfeifer. 4 Bände und 1 Registerband (Bände III und IV aus dem Nachlaß hg. von Heinz Paul). Leipzig/ Stuttgart/ Wiesbaden 1943-1979. Maßmann, Ferdinand (1848): »Ueber Sprachreinheit«. Neues Jahrbuch der Berlinischen Gesellschaft für Deutsche Sprache und Alterthumskunde 8: 138-174. Mayer, Erwin (1962): Sekundäre Motivation. Untersuchungen zur Volksetymologie und verwandten Erscheinungen im Englischen. Köln. Meier, Harri (1986): Prinzipien der etymologischen Forschung. Heidelberg. Meillet, Antoine (1926): »L’évolution des formes grammaticales«. In: Meillet, Antoine (1926): Linguistique historique et linguistique générale. Paris: 130-148. Metzler Lexikon Sprache (2000): Metzler Lexikon Sprache. Hg. von Helmut Glück. Stuttgart/ Weimar. Meyer-Lübke, Wilhelm: Historische Grammatik der französischen Sprache. 2 Bände. Heidelberg 1908/ 1966. ders. (1992): Romanisches etymologisches Wörterbuch. 6. Auflage des Nachdrucks der 3., vollständig neubearbeitete Aufl. von 1935. Heidelberg 1992. Meyer, Heinrich (1848): Die Ortsnamen des Kantons Zürich. Aus den Urkunden gesammelt und erläutert von Heinrich Meyer (= Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 6. Band, 3. Heft). Zürich. MHFB: Mittelhessisches Flurnamenbuch. Hg. vom Mittelhessischen Flurnamenarchiv Gießen im Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen und vom Mittelhessischen Landesamt für gescshichtliche Landeskunde in Marburg. Digitale Version: cgi-host.uni-marburg.de/ ~hlgl/ mhfb/ mhfb_rs.html. <?page no="282"?> Literatur 282 Moser, Andres (1958): Die Patrozinien der bernischen Kirchen im Mittelalter. Sonderdruck aus: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 52: 27-47. Müller, Felix/ Lüscher, Geneviève (2004): Die Kelten in der Schweiz. Stuttgart. Müller, Friedrich Max (1891): The science of language, founded on lectures delivered at the Royal Institution in 1861 an 1863. New York. Müller, Horst M./ Kutas, Marta (1997): »Die Verarbeitung von Eigennamen und Gattungsbezeichnungen. Eine elektrophysiologische Studie«. In: Rickheit, Gert (Hg.) (1997): Studien zur klinischen Linguistik. Modelle, Methoden, Intervention. Opladen: 147-169. Müller, Max (1872): »Giebt es Juden in Cornwall? « In: Müller, Max (1872): Essays. Band 3.: Beiträge zur Literaturgeschichte, Biographik und Altertumskunde. Aus dem Englischen mit Autorisierung des Verfassers ins Deutsche übertragen von Felix Liebrecht. Leipzig: 253-278. Munske, Horst Haider (1964): Das Suffix *-inga/ -unga in den germanischen Sprachen. Seine Erscheinungsweise, Funktion und Entwicklung dargestellt an den appellativen Ableitungen. Marburg. Muttersprache: Muttersprache. Vierteljahresschrift für deutsche Sprache. Wiesbaden 1925ff. Neuffer, Claude Henry (1966): »Folk Etymology in South Carolina Place Names«. American Speech. A Quarterly of Linguistic Usage 41: 274-277. Niederdeutsches Wort: Niederdeutsches Wort. Beiträge zur niederdeutschen Philologie. Münster 1960ff. Niermeyer, Jan Frederik (1976): Mediae Latinitatis Lexicon Minus. Leiden. Oberwichtrach (1991): Oberwichtrach. Eine Ortschronik. Hg. von der Gemeinde Oberwichtrach. Oberwichtrach. Olschansky, Heike (1996): Volksetymologie (= Reihe Germanistische Linguistik 175). Tübingen. Orr, John (1939): »On Homonymics«. In: (o. Hg.) (1939): Studies in French Language and Mediæval Literature. Presented to Mildred K. Pope by Pupils, Colleagues and Friends (= Publications of the University of Manchester No. 268). Manchester: 253-297. ders. (1954): »L’Etymologie populaire«. Revue de linguistique romane 18: 129-142. Ortschaftenverzeichnis: Ortschaftenverzeichnis der Schweiz. Hg. vom Bundesamt für Statistik. Digitale Version: www.bfs.admin.ch/ bfs/ portal/ de/ index/ infothek/ nomenklaturen/ blank/ blank/ gem_liste/ 04.html. Pamp, Bengt (1991): »Onomastisk analogi«. In: Albøge, Gordon/ Villarsen Meldgaard, Eva/ Weise, Liis (Hg.) (1991): Analogi i navngivning. Tiende nordiske navneforskerkongres. Brandbjerg 20.-24. maj 1989 (= NORNA-Rapporter 45). Uppsala: 157-174. Panagl, Oswald (1982): Aspekte der Volkstymologie. Votrag, gehalten am 8. Februar 1979 auf Einladung der Innsbrucker Sprachwissenschaftlichen Gesellschaft (= Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft. Vorträge und Kleine Schriften 30). Innsbruck. Paradoxa (1710): Paradoxa, Oder Seltsam klingende Doch klar und wahr gemachte Redens-Arten: In sich haltend Geistliche Betrachtungen An der zahl hundert; Zu der Ehre Gottes […] Gebunden fürgestellet In Zwey besondere Theile verfasset / Von einem Der mit Thoma unablässig seuffzet: Mein Herr Vnd Gott! Anonym. Regensburg. Paul, Hermann (1886): Principien der Sprachgeschichte. 2., veränderte Auflage. Halle. <?page no="283"?> Literatur 283 Pfeifer, Wolfgang (Hg.) (1993): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2. Auflage. 2 Bände. Erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer. Berlin. Pickl, Othmar (1961): »›Wanzenbichl‹ und ›Saurüssel‹. Von merkwürdigen Berg-, Flur- und Hausnamen im Semmeringgebiet«. Neue Chronik zur Geschichte und Volkskunde der innerösterreichischen Alpenländer. Eigenbeilage zu Nr. 152 der Südost-Tagespost. Graz: 66. Pisani, Vittore (1975): Die Etymologie. Geschichte - Fragen - Methode. München. Pitz, Martina (1997): Siedlungsnamen auf -villare (-weiler, -villers) zwischen Mosel, Hunsrück und Vogesen. Untersuchungen zu einem germanisch-romanischen Mischtypus der jüngeren Merowinger- und der Karolingerzeit. 2 Bände. Saarbrücken. Pokorny, Julius (1948/ 1949): »Keltische Namenkunde und Etymologie«. Vox romanica. Annales helvetici explorandis linguis romanicis destinati 10: 220-267. ders. (1953): Keltologie, Wiss. Forschungsberichte (= Geisteswissenschaftliche Reihe Band 2). Bern. ders.: Indogermanisches etymologisches Wörterbuch. 2 Bände. Bern/ München 1959- 1969. Polenz, Peter von: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. 3. Bände. Berlin 1991-2000. Pott, August Friedrich: Etymologische Forschungen auf dem Gebiete der indogermanischen Sprachen, mit besonderem Bezug auf die Lautumwandlung im Sanskrit, Griechischen, Lateinischen, Littauischen und Gothischen. 2 Bände. Lemgo 1833/ 1836. Pult, Jon (1947): Die Bezeichnungen für Gletscher und Lawine in den Alpen. Samedan- St. Moritz. Ramseier, Markus (1988): Mundart und Standardsprache im Radio der deutschen und rätoromanischen Schweiz: Sprachformgebrauch, Sprach- und Sprechstil im Vergleich. Aarau. Ramseyer, Rudolf J. (unveröffentlicht): Vorarbeiten zu einem Personennamenbuch des Kantons Bern. Unveröffentlichte Daten. Staatsarchiv Bern. Rash, Felicity (2002): Die deutsche Sprache in der Schweiz. Mehrsprachigkeit, Diglossie und Veränderung. Bern et al. Reber, Jacqueline (2006): Flurnamen der Gemeinde Sachseln (OW). Studie zu einem Namenbuch. Unveröffentlichte Lizenziatsarbeit Universität Basel. Reichardt, Lutz (2004): »Schwachtonige Silben in Ortsnamen«. In: Schneider, Thomas Franz/ Jeker Froidevaux, Claudia (Hg.) (2004): Freude an der Wissenschaft. Festschrift für Rolf Max Kully zur Feier seines 70. Geburtstages am 20. September 2004 (= Veröffentlichungen der Zentralbibliothek Solothurn Nr. 27). Solothurn: 259- 277. Reiffenstein, Ingo (1995): »Namenfehlschreibungen als sprachgeschichtliche Quelle«. In: HSK 11/ 1: 300-304. Reitzenstein, Wolf-Armin Frhr. von (1995): »Die Gräzisierung bayerischer Ortsnamen«. In: Otfisch, Michaela/ Zinko, Christian (Hg.) (1995): Studia onomastica et indogermanica. Festschrift für Fritz Lochner von Hüttenbach zum 65. Geburtstag. Graz: 215-227. ders. (1996): »Berg- und Gebirgsnamen«. In: HSK 11/ 2: 1521-1524. Rentenaar, Robert (1984): Vernoemingsnamen. Een onderzoek naar de rol van de vernoeming in de nederlands toponymie (= Publikaties van het P. N. Meertens-Instituut voor Dialectologie, Volkskunde en Naamkunde van de Koninklijke Nederlands Akademie van Wetenschappen, 5). Amsterdam. <?page no="284"?> Literatur 284 ders. (1986): »Namenwechsel und Namenänderung bei Nachbenennungsnamen. Einige Beispiele aus den Niederlanden«. In: Schützeichel, Rudolf (Hg.) (2007): Ortsnamenwechsel. Bamberger Symposion 1. bis 4. Oktober 1986 (= Beiträge zur Namenforschung Neue Folge, Beiheft 24). Heidelberg: 71-82. ders. (1996): »Namen im Sprachaustausch: Toponymische Nachbenennung«. In: HSK 11/ 2: 1013-1018. Revue de linguistique romane: Revue de linguistique romane. Paris/ Strasbourg 1925ff. REW: Romanisches etymologisches Wörterbuch. Hg. von Wilhelm Meyer-Lübke. 6. Nachdruck der 3., vollständig neubearbeitete Aufl. von 1935. Heidelberg 1992. Rich, John Stanley (1981): »Landscapes and the Imagination: The Interplay of Folk Etymology and Place Names«. Southern Folklore Quarterly 45: 155-162. RNB: Rätisches Namenbuch. Begr. von Robert von Planta und Andrea Schorta. Band I: Materialien; Band II: Etymologien. Bearbeitet und hg. von Andrea Schorta; Band III: Die Personennamen Graubündens. Bearbeitet und hg. von Konrad Huber. / Leipzig/ Zürich/ Bern 1939-1986. Rohde, Wolfgang (1986): »Die Volksetymologie und ihr Umfeld«. Obst. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 33: 49-68. Rummer, Ralf/ Engelkamp, Johannes (2005): »Das mentale Lexikon: ein Überblick«. In: HSK 21/ 2: 1713-1722. Rundblad, Gabriella/ Kronenfeld, David B. (2003): »The inevitability of folk etymology: a case of collective reality and invisible hands«. Journal of pragmatics 35: 119- 138. Ruoff, Arno (1995): »Naive Zugänge zur Namenforschung«. In: HSK 11/ 1: 360-367. ders. (2000): »Das weite Feld der Orts- und Flurnamen«. In: Sieber, Ulrich (Hg.) (2000): Ortsnamenforschung in Südwestdeutschland. Eine Bilanz. Festkolloquium anlässlich des 65. Geburtstages von Dr. Lutz Reichardt am 10. Dezember 1999. Stuttgart: 16-23. Sanders, Willy (1971): »Zur deutschen Volksetymologie. 1. Terminologische Prolegomena«. Niederdeutsches Wort. Beiträge zur niederdeutschen Philologie 11: 1-6. ders. (1972): »Zur deutschen Volksetymologie. 2. Linguistische Analyse volksetymologischer Erscheinungsformen«. Niederdeutsches Wort. Beiträge zur niederdeutschen Philologie 12: 1-15. ders. (1975): »Zur deutschen Volksetymologie. 3. Volksetymologie und Namenforschung«. Niederdeutsches Wort. Beiträge zur niederdeutschen Philologie 15: 1-5. ders. (1977): »Grundzüge der Etymologie«. In: Schmitt, Rüdiger (Hg.) (1977): Etymologie (= Wege der Forschung 373). Darmstadt: 7-49. ders. (1980): »Nochmals zur deutschen Volksetymologie«. Niederdeutsches Wort. Beiträge zur niederdeutschen Philologie 20: 202-208. Saussure, Ferdinand de (1967): Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Hg. von Charles Bally und Albert Sechehaye unter Mitarbeit von Albert Riedlinger, übersetzt von Herman Lomme. 2. Auflage. Berlin. Schmalz, Karl Ludwig (1947): Münchenwiler (= Berner Heimatbücher 31). Bern. ders. (1983): »Vom einstigen Ostermundigen«. In: Einwohnergemeinde Ostermundigen (Hg.) (1983): Ostermundigen. Geschichte, Gemeindeentwicklung, alte Ansichten. Ostermundigen: 5-52. Schmeller, Johann Andreas (1821): Die Mundarten Bayerns grammatisch dargestellt: beigegeben ist eine Sammlung von Mundart-Proben, d.i. kleinen Erzählungen, Gesprächen, Sing-Stücken, figürlichen Redensarten u. dergl. in den verschiedenen Dialekten des Königreichs. München. <?page no="285"?> Literatur 285 ders. (1844): Des böhmischen Herrn Leo’s von Rožmital Ritter-, Hof- und Pilger-Reise durch die Abendlande 1464-1467, beschrieben von zweien seiner Begleiter. Hg. von Johann Andreas Schmeller. Stuttgart. Schmitt, Rüdiger (Hg.) (1977): Etymologie (= Wege der Forschung 373). Darmstadt. Schneider, Thomas Franz/ Siegfried, Inga (2008): »Wann wird ein Name zum Politikum? Die Toponyme der deutschsprachigen Täufer im französischsprachigen Berner Jura«. In: Eller, Nicole/ Hackl, Stefan/ L’upták, Marek (Hg.) (2008): Namen und ihr Konfliktpotential im europäischen Kontext. Regensburger Symposium, 11.-13. April 2007. Regensburg: 133-151. Schöpf, Thomas (1577): Inclitæ bernatum vrbis cum omni ditionis suæ agro et prouincijs delineatio chorographica. Bern: Staatsarchiv DQ 725 und 726 (ungedruckt). ders. (1577/ 1578): Inclitæ Bernatum urbis, cum omni ditionis suæ agro et provinciis delineatio chorographica secundum cuiusque loci iustiorem longitudinem et latitudinem coeli. Bern. Schoof, Wilhelm (1917): »Volksetymologie und Sagenbildung«. Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 27: 216-232. ders. (1951): »Volkstümliche Wortschöpfung in Flurnamen«. Muttersprache 69: 134- 141. ders. (1968): Flurnamenstudien eines Germanisten. Neue Ergebnisse auf volkskundlicher Grundlage. Gießen. Schorta, Andrea (1949): Romanische Flurnamen im Prättigau. Vortrag gehalten am 18. Februar 1949 in Jenaz vor der Kreislehrerkonferenz Mittelprättigau. Separatabzug aus der Prättigauer Zeitung 1949 Nr. 53, 56, 59, 61, 67, 76. ders. (1988): »Eine kritische Stellungnnahme zum Buch ›Die rätische Sprache - enträtselt‹ von Linus Brunner und Alfred Toth«. Bündner Monatsblatt 1988/ 4: 247-261. ders. (1991): Wie der Berg zu seinem Namen kam. Kleines Rätisches Namenbuch mit zweieinhalbtausend geographischen Namen Graubündens. Chur und Bottmingen/ Basel 1991. Schreiner, Markus (1987): Bibliographie zur Volksetymologie. Münster. Schützeichel, Rudolf (1950): Interpretationsinterferenzen. Sonderdruck aus: Sprachliche Interferenz. Festschrift für Werner Betz zum 65. Geburtstag. Tübingen: 146-158. ders. (1996): »Probleme der Identifizierung von urkundlichen Ortsnamen«. Germanistische Linguistik 129-130 (1996): 71-80. ders. (2004): Althochdeutsches Wörterbuch. 5. Auflage. Tübingen. Schwab, Hanni (1973): Die Vergangenheit des Seelandes in neuem Licht. Archäologische Entdeckungen und Ausgrabungen bei der 2. Juragewässerkorrektion. Freiburg/ Schweiz. Schwäb. Wb.: Schwäbisches Wörterbuch. Auf Grund der von Adelbert v. Keller begonnenen Sammlungen und mit Unterstützung des Württembergischen Staates bearbeitet von Hermann Fischer. Zu Ende geführt von Wilhelm Pfleiderer. 6 Bände. 2. Auflage. Tübingen 1904-1936. Schweingruber, Max (1990): Die Namen in Gotthelfs Werken. Burgdorf. SDS: Sprachatlas der Deutschen Schweiz. Begr. von Heinrich Baumgartner und Rudolf Hotzenköcherle. Hg. von Rudolf Hotzenköcherle in Zusammenarbeit mit Konrad Lobeck, Robert Schläpfer, Rudolf Trüb und unter Mitwirkung von Paul Zinsli. Band I: Lautgeographie. Vokalqualität. Bearbeitet von Rudolf Hotzenköcherle und Rudolf Trüb; Band II: Lautgeographie. Vokalqualität, Konsonantismus. <?page no="286"?> Literatur 286 Bearbeitet von Doris Handschuh, Rudolf Hotzenköcherle und Rudolf Trüb; Band III: Formengeographie. Bearbeitet von Doris Handschuh, Rudolf Hotzenköcherle und Rudolf Trüb; Band IV: Wortgeographie I. Der Mensch, Kleinwörter. Bearbeitet von Doris Handschuh et al.; Band V: Wortgeographie II. Menschliche Gemeinschaft, Kleidung, Nahrung. Bearbeitet von Doris Handschuh et al.; Band VI: Wortgeographie III. Umwelt. Bearbeitet von Walter Haas et al.; Band VII: Wortgeographie IV: Haus und Hof. Unter der Leitung von Rudolf Trüb bearbeitet von Doris Handschuh et al.; Band VIII: Wortgeographie V: Haustiere, Wald- und Landwirtschaft. Unter der Leitung von Rudolf Trüb bearbeitet von Hans Bickel et al. Bern/ Basel/ Tübingen 1962-2003. Semenza, Carlo (1997): »Proper-Name-Specific Aphasias«. In: Goodglass, Harold/ Wingfield, Arthur (Hg.) (1997): Anomia. Neuroanatomical and Cognitive Correlates. San Diego et al.: 115-134. Socin, Adolf (1903/ 1966): Mittelhochdeutsches Namenbuch. Nach oberrheinischen Quellen des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Basel 1903. Darmstadt. SONB: Solothurnisches Namenbuch. Band I: Solothurnische Ortsnamen. Die Namen des Kantons, der Bezirke und der Gemeinden. Gesammelt und bearbeitet von Rolf Max Kully, unter Mitarbeit von Markus Gasser, Barbara Grossenbacher Künzler, Dagmar Gunn-Hamburger, Pia Imbach, Claudia Jeker Froidevaux und Thomas Franz Schneider. 2. Auflage. Solothurn 2005. Sonderegger, Stefan (1958): Die Orts- und Flurnamen des Landes Appenzell. Band I: Grammatische Darstellung (= Beiträge zur schweizerdeutschen Mundartforschung 8). Frauenfeld. ders. (1960): »Das Alter der Flurnamen und die germanische Überlieferung«. Jahrbuch für fränkische Landesforschung 20: 181-201. ders. (1963): »Die althochdeutsche Schweiz. Zur Sprach- und Siedlungsgeschichte der deutschen Schweiz«. In: Zinsli, Paul/ Bandle, Oskar (Hg.) (1963): Sprachleben der Schweiz. Festschrift für Rudolf Hotzenköcherle. Bern: 23-55. ders. (1977): »Sprachgrenzen und Sprachgrenzlandschaften in der Schweiz«. In: Organisationskomitee des 12. Internationalen Kongresses für Namenforschung 1975 (Hg.) (1977): Beiträge zur Schweizer Namenkunde. 14 Referate gehalten am 12. Internationalen Kongreß für Namenforschung in Bern (August 1975). Bern: 70-105. ders. (1987): »Die Bedeutsamkeit der Namen«. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 17: 11-23. ders. (1995): »Namenforschung in der Schweiz«. In: HSK 11/ 1: 124-140. Stachowiak, Franz-Josef (1982): »Zur Referenz und Bedeutung von Eigennamen aus psycholinguistischer Sicht«. In: Seiler, Hansjakob/ Stachowiak, Franz-Josef (Hg.) (1982): Apprehension: Das sprachliche Erfassen von Gegenständen. Band II. Tübingen: 309-342. Staehelin, Felix (1948): Die Schweiz in römischer Zeit. 3. Auflage. Basel. Starck, Taylor/ Wells, J. C.: Althochdeutsches Glossenwörterbuch (mit Stellennachweis zu sämtlichen gedruckten althochdeutschen und verwandten Glossen). Zusammengetragen, bearbeitet und hg. von Taylor Starck und J. C. Wells. Heidelberg 1971-1990. Steinthal, H. (1863): Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern mit besonderer Rücksicht auf die Logik. Berlin. <?page no="287"?> Literatur 287 Stoffel, Georg (1876/ 1974): Topographisches Wörterbuch des Ober-Elsasses, die alten und neuen Ortsnamen enthaltend. Hg. von Georg Stoffel. Unveränderter Nachdruck der 2. Ausgabe Mülhausen 1876. Walluf-Wiesbaden. Stricker, Hans (1976): Eine Besonderheit der unterrätischen Namenlandschaft. Zur Agglutination deutscher Ortspräpositionen an romanische Flurnamen. Separats ord las Annalas da la Società retorumantscha Annada LXXXIX. Mustér. Studer, Julius (1896): Schweizer Ortsnamen. Ein historisch-etymologischer Versuch. Zürich. Stumpf, Johannes (1548): Gemeiner loblicher Eydgnoschafft Stetten, Landen und Völckeren Chronick wirdiger Thaaten Beschreybung. Hierin wirt auch die Gelegenheit der gantzen Europe […] fürgestellt […]. Zürich. Neuausgabe als Johannes Stumpfs Schweizer- und Reformationschronik von Ernst Gagliardi, Hans Müller und Fritz Büsser. 2 Bände. Basel 1952-1955. Szadrowsky, Manfred (1938): »Lateinisch ā ria in der alemannischen Schweiz«. Zeitschrift für Namenforschung 14: 31-56. ders. (1942): Verkappte Rätoromanen. Sonderabdruck aus: Die Alpen XVIII (1942). Bern. ders. (1943/ 1944): Wunderliche Wortwesen in Gebirgsmundarten. Sonderabruck aus: Die Alpen 1943 und 1944. O.O. TGNB: Thurgauer Namenbuch. Band I: Die Siedlungsnamen des Kantons Thurgau. Hg. von Eugen Nyffenegger und Oskar Bandle. Bände II und III: Die Flurnamen des Kantons Thurgau. Hg. von Eugen Nyffenegger und Martin H. Graf. Frauenfeld/ Stuttgart/ Wien 2003/ 2007. Tobler, Ludwig (1872): Die fremden Wörter in der deutschen Sprache. Vortrag. Basel. Trier, Jost (1981): Wege der Etymologie (= Philologische Studien und Quellen Heft 101). Berlin. Tschirch, Fritz: Geschichte der deutschen Sprache. Band 1: Die Entfaltung der deutschen Sprachgestalt in der Vor- und Frühzeit. 2., verbess. Auflage Berlin 1971. Band 2: Entwicklung und Wandlungen der deutschen Sprachgestalt vom Hochmittelalter bis zur Gegenwart. Berlin 1969. Ullmann, Stephen (1973): Semantik. Eine Einführung in die Bedeutungslehre. Frankfurt. URNB: Urner Namenbuch: Die Orts- und Flurnamen des Kantons Uri. Hg. von Albert Hug und Viktor Weibel. 4 Bände. Altdorf 1988-1991. van Langendonck, Willy (1995): »Bynames«. In: HSK 11/ 1: 1228-1232. ders. (2007): Theory and Typology of Proper Names (= Trends and in Linguistics. Studies and monographs 168). Berlin/ New York. Vennemann gen. Nierfeld, Theo (1999): »Volksetymologie und Ortsnamenforschung. Begriffsbestimmung und Anwendung auf ausgewählte, überwiegend bayerische Toponyme«. Beiträge zur Namenforschung Neue Folge 34: 269-322. Verordnung (1999): Verordnung über Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen vom 30. Dezember 1970 (Stand am 16. Februar 1999). Digitale Version: http: / / www.admin.ch/ ch/ d/ gg/ cr/ 1970/ 19700302.html. Verordnung (2008): Verordnung über die geografischen Namen (GeoNV) vom 21. Mai 2008 (Stand am 1. Juli 2008). Digitale Version: http: / / www.admin.ch/ ch/ d/ sr/ 5/ 510.625.de.pdf. von Graffenried, Thomas (2003): »Buchbesprechung zu Pfister, Christoph: Der antike Berner Bär. Die Vorgeschichte einer mächtigen Stadt. 2. Auflage Fribourg: Dillum Verlag des Autors 2002«. Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 65: 215-216. <?page no="288"?> Literatur 288 Vox romanica: Vox romanica. Annales helvetici explorandis linguis romanicis destinati. Bern 1936ff. Wackernagel, Wilhelm (1861): Die Umdeutschung fremder Wörter. Basel. Wagner, Norbert (2008): »Pernopah und Ohsnofurt. Zur Synkope von Mittelvokalen nach langer Silbe«. Beiträge zur Namenforschung Neue Folge 43: 167-172. Wahlen, Hermann (1962): Emmentaler Sagen. Bern. Wartburg, Walther von (1924): »Was das Volk in die Sprache hineindenkt«. Der kleine Bund, Sonntagsbeilage des ›Bund‹. 5. Jahrgang. Bern: 109-111, 115-117. ders. (1925): »Zur frage der volksetymologie«. In: (o. Hg.) (1925): Homenaje ofrecido a Menéndez Pidal. Miscelánea de estudios lingüisticos, literarios e históricos. Madrid: Band 1: 17-27. ders.: Französisches Etymologisches Wörterbuch. Eine Darstellung des galloromanischen Sprachschatzes. Bonn 1928ff. ders. (1943): Einführung in Problematik und Methodik der Sprachwissenschaft. Tübingen. Waser, Erika (1995): »Namenwechsel dargestellt an Ortsnamenbeispielen einer deutschschweizerischen Voralpenlandschaft (Amt Entlebuch)«. In: Kully, Rolf Max (Hg.) (1995): Dauer im Wechsel. Akten des namenkundlichen Symposiums auf dem Weissenstein bei Solothurn vom 21. bis zum 23. September 1995. O.O: 35-45. WDG: Klappenbach, Ruth/ Steinitz, Wolfgang (Hg.): Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. 6 Bände. Berlin 1964-1977. Weber, Berchtold (1976): Historisch-topographisches Lexikon der Stadt Bern. Bern. Digitale Version: www.digibern.ch/ weber/ index.html. ders. (1990): Strassen und ihre Namen am Beispiel der Stadt Bern. Bern. Wedgewood, Hensleigh (1855): »On False Etymologies«. Transactions of the Philological Society 6: 62-72. Weigold, Hermann (1948): Untersuchungen zur Sprachgrenze am Nordufer des Bielersees auf Grund der lokalen Orts- und Flurnamen (= Romanica Helvetica 24). Bern. Weisungen (1977): Weisungen für die Erhebung und Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen in der deutschsprachigen Schweiz (Ausführungsbestimmungen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartemens vom 27. Oktober 1948) (Stand am 1. April 1977). Digitale Version: http: / / www.lokalnamen.ch/ bilder/ wei-sungen_1948.pdf. Werlen, Iwar (1977): »Das ›Staubsche Gesetz‹ im Schweizerdeutschen«. Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 44: 257-281. Wesche, Wilhelm (1959/ 1960): »Volksetymologie und Verballhornung in niedersächsischen Flurnamen«. In: Verein für Niedersächsisches Volkstum (Hg.) (1959/ 1960): Festschrift Diedrich Steilen (= Heimat und Volkstum, Bremer Beiträge zur niederdeutschen Volkskunde 6/ 7). Bremen: 62-72. Wiesinger, Peter (1995): »Die Bedeutung der Eigennamen: Volksetymologien«. In: HSK 11/ 1: 463-471. Wundt, Wilhelm (1900): Völkerpsychologie. Eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache, Mythus und Sitte. Band 1: Die Sprache. Leipzig. Zehnder, Beat (1991): Die Gemeindenamen des Kantons Aargau. Historische Quellen und sprachwissenschaftliche Deutungen (= Argovia 100/ 2). Aarau/ Frankfurt a. M./ Salzburg. Zeitschrift für deutsche Mundarten: Zeitschrift für deutsche Mundarten. Berlin 1906- 1924. Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Wiesbaden 1969ff. <?page no="289"?> Literatur 289 Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (LiLi). Stuttgart 1971ff. Zeitschrift für romanische Philologie: Zeitschrift für romanische Philologie. Halle/ Tübingen 1877ff. Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen: Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen. Berlin 1851-1874. Zihlmann, Josef (1973): »Heilige Bäume. Ein Kapitel religiöser Volkskunde aus dem Luzerner Hinterland«. Heimatkunde des Wiggertales 31: 87-110. Zimmerli, Jakob: Die deutsch-französische Sprachgrenze in der Schweiz. Teil I: Die Sprachgrenze im Jura; Teil II: Die Sprachgrenze im Mittellande, in den Freiburger-, Waadtländer- und Berner-Alpen; Teil III: Die Sprachgrenze im Wallis. Basel/ Genf 1891-1899. Zinsli, Paul (1946): Grund und Grat. Die Bergwelt im Spiegel der schweizerdeutschen Alpenmundarten. Bern. ders. (1960): »Lautlich abgewandelte Flurnamenpaare in der westlichen deutschen Schweiz (Kt. Bern)«. Zeitschrift für Mundartforschung 27: 143-160. ders. (1961): »Die Orts- und Flurnamensammlung des Kantons Bern und ihre Probleme (Ein Zwischenbericht)«. Berner Schulpraxis 50/ 10: 189-216. ders. (1965): »Das Berner Oberland als frühe alemannische Siedlungsstaffel im westlichen schweizerdeutschen Sprachgrenzraum nach dem Zeugnis von Streuung und Lautstand der Ortsnamen«. In: Schützeichel Rudolf/ Zender, Matthias (Hg.) (1965): Namenforschung. Festschrift für Adolf Bach zum 75. Geburtstag. Heidelberg: 330-358. ders. (1966): »Eine Suffixlandschaft im westschweizerdeutschen Ortsnamenbereich«. In: Blok, Dirk Peter (Hg.) (1966): Proceedings of the eighth International Congress of Onomastic Sciences. The Hague/ Paris: 581-595. ders. (1969): »Hohliebi. Ein bergschweizerdeutscher Beitrag zum Verhältnis von Flurname und Appellativ«. Beiträge zur Namenforschung Neue Folge 4: 255-271. ders. (1972): »›Lügen‹ und ›Läuse‹ in alemannischen und romanischen Flurnamen«. In: Hornung, Maria/ Hornung, Herwig (Hg.) (1972): Aus dem Namengut Mitteleuropas. Festgabe zum 75. Geburtstag von Eberhard Kranzmayer. Klagenfurt: 95-116. ders. (1974): »Über Ortsnamen im Amt Erlach«. In: Heimatkundekommission Seeland des Bern. Lehrervereins (Hg.) (1974): Aus der Geschichte des Amtes Erlach. Biel: 67-90. ders. (1975): Ortsnamen. Strukturen und Schichten in den Siedlungs- und Flurnamen der deutschen Schweiz (= Schriften des Deutschschweizerischen Sprachvereins 7). 2. Auflage. Frauenfeld. ders. (1976): »Spuren sprachverschiedener Begegnung in den Ortsnamen der schweizerdeutschen Alpentäler«. In: Draye, Henri (Hg.) (1976): Kongreßberichte des 12. Internationalen Kongresses für Namenforschung Bern 25.-29. August 1975. Band I: Kongreßchronik - Generalvorträge - Schweizer Sektionsvorträge (= Onoma XX). Leuven: 70-105 ders. (1977): Ortsnamenschichten und Namenstruktur in der deutschen Schweiz. Sonderdruck aus: Steger, Hugo (Hg.) (1977): Probleme der Namenforschung im deutschsprachigen Raum. Darmstadt: 327-374. Zuckermann, Ghil’ad (2005): »Phono-Semantische Abgleichung«. In: Langer, Stefan/ Schnorbusch, Daniel (Hg.) (2005): Semantik im Lexikon. Tübingen: 223-267. <?page no="290"?> Literatur 290 Zwahlen, Jan Roelof Dirk (1959): »Alte Flur- und Personennamen in Saanen«. Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 21: 115-135. Zwahlen, Ulrich (2000): »Nachruf Max Schweingruber-Bergmann«. Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 62: 191-192. Zyro, Ferdinand Friedrich (1853): »Proben eines bernischen Idiotikons mit Vergleichung der verwandten Mundarten«. Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen 2: 435-455. <?page no="291"?> Quellen Hier aufgeführt sind in alphabetischer Folge ihrer Siglen nur Quellen des BENB, die für die Arbeit verwendet wurden. Eine ausführliche Liste aller Quellen des BENB findet sich in BENB (I/ 3: XXXIV-XLVII). A: Amtsrechnungen des Kantons Bern. Staatsarchiv Bern. Datierung: 16.-18. Jh. Ar: Ausburger Rödel der Stadt Bern. Staatsarchiv Bern B XIII.23, 25, 26. Datierung: 1442-1469, 1479-1563. Bh: Bosshart-Goldschmid, Laurenz (1905): Die Chronik des Laurencius Bosshart von Winterthur 1185-1532. Hg. von Kaspar Hauser. Basel 1905. Datierung: 1185-1532. Br: Brunner, Linus (1987): »Sprache und Ortsnamen der Räter«. helvetia archaeologica. Archäologie in der Schweiz 18: 46-55. Datierung: 1987. C3: Turmbücher, Criminal Proceduren. Staatsarchiv Bern. Datierung: 16.-18. Jh. C4: Chorgerichtsmanuale Oberhasli. Staatsarchiv Bern. Datierung: 17.- 19. Jh. C6: Chorgerichtsmanuale Lauenen und Saanen. Staatsarchiv Bern. Datierung: 17.-19. Jh. Cl: Clouzot, Étienne (1940): Pouillés des provinces de Besançon, de Tarentaise et de Vienne. Paris. Datierung: 13./ 14. Jh. D: Durheim, Carl Jakob: Die Ortschaften des eidgenössischen Freistaates Bern. Band I: Verzeichnis der Städte, Flecken, Pfarr- und anderen Dörfer […] der Bevölkerung nach der letzten Zählung, der Schulkommissariats- und der Militär-Kreise. Band II: Register der Ortschaften und Alpen. Band III: Supplement. Bern 1838-1845. Datierung: 1838, 1845. FRB: Fontes Rerum Bernensium. Berns Geschichtsquellen. Bern 1877-1956. Datierung: 3. Jh. v.Chr.-1390. FRB N: Fontes Rerum Bernensium. Berns Geschichtsquellen. Nachträge. Bern: Staatsarchiv (ungedruckt). Datierung nach Eintrag. GE: Grundbucheintrag. Grundbuchämter. Datierung nach Ersteintrag. Gh: Gotthelf, Jeremias (1861): Jeremias Gotthelfs (Albert Bitzius) gesammelte Schriften. Neue wohlfeile Ausgabe. 24 Bände. Berlin. Datierung: 1861. GLS: Geographisches Lexikon der Schweiz. Hg. unter der Leitung von Charles Knapp, Maurice Borel und Victor Attinger. 6 Bände. Neuenburg 1902-1910. Datierung: 1902-1910. HM: Howald, Ernst/ Meyer, Ernst (1940): Die römische Schweiz. Texte und Inschriften mit Übersetzung. Zürich 1940. Datierung: 6. Jh. v.Chr.-7. Jh. n.Chr. JBe: Jahn, Albert (1850/ 1967): Der Kanton Bern, deutschen Theils, antiquarischtopographisch beschrieben, mit Aufzählung der helvetischen und römischen Alterthümer und mit Bezugnahme auf das älteste Ritter- und Kirchenwesen, auf die urkundlichen Ortsnamen und die Volkssagen. Ein Handbuch für Freunde der vaterländischen Vorzeit. Nachdruck der einzigen Auflage von 1850. Bern. Datierung: 1850. JCh: Jahn, Albert: Chronik oder geschichtliche, ortskundliche und statistische Beschreibung des Kantons Bern, alten Theils, in alphabetischer Ordnung, von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Bern/ Zürich 1857. Datierung: 1857. K9a: Die Lausanner Kirchenvisitation von 1416/ 1417 (= Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 16 (1902)). Datierung: 1416/ 1417. <?page no="292"?> Quellen 292 K10: Cartulaire du Prieuré de Rueggisberg. Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg i. Ue. L 390. Datierung: 1392, 1425, 1487. LK: Landeskarte der Schweiz im Massstab 1: 25’000. Hg. vom Bundesamt für Landestopografie (swisstopo). Wabern-Bern. Datierung nach Kartenblatt. MhEB1: Monuments de l’histoire de l’ancien évêché de Bâle. Recueillis et publiés par ordre du Conseil-Éxécutif de la République de Berne par Josef Trouillat. Band I. Porrentruy 1852. Datierung: 60 v. Chr.-1259 n. Chr. P: Pläne. Diverse Archive. Datierung nach Plan. Pf: Pfister, Christoph (2005): Der Vesuv ist überall. Die vesuvianische Ortsnamenprägung der Schweiz. Mit einer Einführung über die Vesuv-Namen Europas. O.O. Datierung: 2005. Qs: Quellen zur Schweizer-Geschichte. Band 14: Das habsburgische Urbar (1894); Band 15: Das Kiburger Urbar (1899). Basel 1877-1906. Datierung: 1303-1307, 1250-1256. QSa: Quellen aus dem Gemeindearchiv Saanen: - Neuw Allmussen Buch der Landtschafft und Kilchöri Sanen (1662) - Spithal Buch im Dorf anno (1688) - Urbahr umb die Güllt- und Zinsbrieffen, So da Ughh. und Oberen lobl. Stadt Bern von wegen dess Amts Sanen zugehören - Spittal Buch am Gstaad (1735) - Spittalbuch im Dorf (1742) - Urbahr der Gültbrieffen einer Ehrenden Landschaft Sanen - Sondersiechen-Buch der Landschafft Sanen, angefangen in dem Jenner des 1712ten Jahrs - Vermögensverwaltungen auswärtiger Saaner (1715) - Cahier über den Wasserschaden 1778 in den Aemtern Zweysimmen und Saanen. Datierung: 17.-18. Jh. Qw: Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Abt. I: Urkunden. Band l (1933). Abt. II: Urbare und Rodel. Band 2: Engelberger Urbar (1943). Aarau 1933-1943. Datierung: bis 1291 (Abt. I), bis 1400 (Abt. II). R2: Die Tellbücher der Stadt Bern aus dem Jahre 1389. Hg. von Friedrich Emil Welti. (= Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 14 (1896)). Datierung: 1389. RmB: Bern in seinen Rathsmanualen 1465-1565. Band 1-3. Hg. vom Historischen Verein des Kantons Bern, bearbeitet von Berchtold Haller. Bern 1900-1902. Datierung: 1465-1565. Rq: Die Rechtsquellen des Kantons Bern. Rq1: Stadtrechte Bern und Biel (Bände I/ 1- I/ 13). Bearbeitet von Friedrich Emi Welti, Hermann Rennefahrt und Paul Bloesch. Rq2: Obersimmental (Band II/ 1). Bearbeitet von Ludwig Samuel von Tscharner. Rq3: Niedersimmental (Band II/ 1). Bearbeitet von Ludwig Samuel von Tscharner. Rq4: Frutigen (Band II/ 2). Bearbeitet von Hermann Rennefahrt. Rq5: Saanen (Band II/ 3). Bearbeitet von Hermann Rennefahrt. Rq6: Konolfingen (Band II/ 4l). Bearbeitet von Ernst Werder. Rq7: Laupen (Band II/ 5). Bearbeitet von Hermann Rennefahrt. Rq8: Interlaken und Unterseen (Band II/ 6). Bearbeitet von Margret Graf-Fuchs. Rq9: Oberhasli (Band II/ 7). Bearbeitet von Josef Brülisauer. Rq10: Emmental (Band II/ 8). Bearbeitet von Anne-Marie Dubler. Rq11: Burgdorf (Band II/ 9). Bearbeitet von Anne-Marie Dubler. Rq12: Oberaargau (Band II/ 10). Bearbeitet von Anne-Marie Dubler. Rq13: Thun (Band II/ 11). Bearbeitet von Anne-Marie Dubler. Aarau 1902ff. Datierung: 13.-19. Jh. S: Sammlung Karl Ludwig Schmalz. BENB. Datierung: 1940 (Orts- und Flurnamen der Gemeinde Münchenwiler), 1699, 1721, 1737 (Auszüge aus historischen Quellen, Gemeinde Münchenwiler), 17./ 18. Jh. (Auszüge aus historischen Quellen, Gemeinde Bolligen). Sch: Schöpf, Thomas (1577): Inclitæ bernatum vrbis cum omni ditionis suæ agro et prouincijs delineatio chorographica. Bern: Staatsarchiv DQ 725 und 726 (ungedruckt). Datierung: 1577. <?page no="293"?> Quellen 293 Schule Meikirch: Ausstellung der Schule Meikirch (ohne Publikation). Datierung: 2007. Sg1: Schweingruber, Max (1949): Siedelungs- und Flurnamen der Gemeinde Krauchthal. Langnau. Datierung: 1949. Sg2: Schweingruber, Max (1971): »Die Flur- und Siedelungsnamen der Gemeinde Krauchthal (mit Ortsgemeinde Lindental)«. In: Lehrerschaft des Amtes Burgdorf/ Kirchgemeinde Utzenstorf/ Kirchgemeinde Bätterkinden/ Gemeinde Krauchthal (Hg.) (1971): Krauchthal/ Thorberg. Ein Heimatbuch. Band I. Burgdorf: 38-111. Datierung: 1971. TA: Topographischer Atlas der Schweiz im Massstabe der Originalaufnahmen 1: 25000 und 1: 50000 (Siegfried-Atlas). Hg. vom Eidgenössischen Topographischen Bureau. Bern 1870-1949. Datierung nach Blatt. U2: Urbarbuch aller Zinsen und Gülten, Güter, Äcker, Hölzer und Wälder, dem Kloster Frienisberg zuständig. Staatsarchiv Bern, Amt Aarberg: Nr. 76. Datierung: 1528. U3: Urbar des Hauses Detligen über Grund- und Pfennigzinsen, Zehnten usw. Staatsarchiv Bern, Amt Aarberg: Nr. 56 (2 Ex.). Datierung: 1531. U4: Bodenzinsurbar Aarberg. Staatsarchiv Bern, Amt Aarberg: Nr. 1 (2 Ex.). Datierung: 1532. U11: Urbar St. Johannsen, die Gegend von Büren betreffend. Staatsarchiv Bern, Amt Büren: Nr. 24. Datierung: 15./ 16. Jh. U20: Bodenzinsurbar der Herrschaft Erlach. Staatsarchiv Bern, Amt Erlach: Nr. 4. Datierung: um 1525. U23: Urbar der zinsbaren Güter zu Siselen, Täuffelen, Epsach, Hermrigen, Bühl und Mörigen, vom Kloster St. Johannsen herrührend. Staatsarchiv Bern, Amt Erlach: Nr. 7. Datierung: 1533. U24: Urbar der zinsbaren Lehen guter des Klosters St. Johannsen zu Müntschemier, Treiten, Brüttelen, Finsterhennen. Staatsarchiv Bern, Amt Erlach: Nr. 75. Datierung: 1533. U38: Urbar der Rechte der Freiherren von Grünenberg im Amt Aarwangen. Staatsarchiv Bern, Amt Aarwangen: Nr. 1. Datierung: 1430. U38a: Urbar Langenthal, ausgestellt vom Kloster St. Urban. Staatsarchiv Luzern, Nr. 80. Datierung: 1464. U41: Zinsbuch der Grafschaft und des Schlosses Aarwangen. Staatsarchiv Bern, Amt Aarwangen: Nr. 1. Datierung: 1522. U44: Urbar Thorberg-Koppigen. Staatsarchiv Bern, Amt Burgdorf: Nr. 26. Datierung: 1470-1490. U54: Dokumenten-, Dominium-, Bodenzins- und Zehnturbar von Burgdorf. Staatsarchiv Bern, Amt Burgdorf: Nr. 3. Datierung: 1595. U59: Dominium-, Waldung-, Bodenzins- und Zehnturbar Fraubrunnen. Staatsarchiv Bern, Amt Fraubrunnen: Nr. 3 (2 Ex.). Datierung: 1531. U60: Urbar, die Gegend von Bern nach Thun und weiter aufwärts betreffend. Staatsarchiv Bern, Amt Fraubrunnen: Nr. 4. Datierung: 1531. U62: Gerechtigkeit-, Bodenzins- und Zehnturbar Landshut. Staatsarchiv Bern, Amt Freaubrunnen: Nr. 33 (2 Ex.). Datierung: 1532. U65: Urbar und Heischrodel über die Bodenzinsen und Gefälle des Frauenklosters Rüegsau. Staatsarchiv Bern, Fach Trachselwald. Datierung: 1495. U74: Zins- und Zehnturbar des Schlosses und der Herrschaft Bipp. Staatsarchiv Bern, Amt Wangen: Nr. 22. Datierung: 1518. U77a: Urbar Schloss Bipp. Stadtarchiv Wiedlisbach. Datierung: 1573/ 1574. U78: Bernisches Urbar aus dem 15. Jh. Stadtarchiv Bern, Nr. 525. Datierung: 15. Jh. <?page no="294"?> Quellen 294 U79: Rechnungsbuch des Deutschordenhauses Bern. Staatsarchiv Bern, Amt Bern: Bern II, Nr. 1. Datierung: 1452-1457. U84: Zinsrodel des Stiftsschaffners zu Thun. Staatsarchiv Bern, Amt Bern: Bern II, Nr. 5. Datierung: 1493. U92: Bodenzins- und Zehnturbar des St. Johanniterhauses in Bern. Staatsarchiv Bern, Amt Bern: Bern I, Nr. 42. Datierung: 1529. U95: Urbar der bisherigen Stiftsschaffnereien Thun, Niedersimmental, Rüti b. Büren, Burgdorf und Rüderswil. Staatsarchiv Bern, Amt Bern: Bern II, Nr. 12. Datierung: 1530. U97: Urbar der Einkünfte der Stift sowie ihrer sonstigen Rechtsame an Gerichten und Hölzern. Staatsarchiv Bern, Amt Bern: Bern II, Nr. 13. Datierung: 1531. U101: Bodenzinsurbar des Mushafens. Staatsarchiv Bern, Amt Bern: Bern IV, Nr. 1 und Nr. 2. Datierung: 1535. U104: Urbar der Renten, Gülten, Zinsen und Zehnten des Interlakenhauses in Bern. Staatsarchiv Bern, Amt Bern: Bern I, Nr. 13. Datierung: 1542. U115: Urbar des Grund- und Bodenzinses von Gutem zu Niederwangen in der Herrschaft Bümpliz. Staatsarchiv Bern, Amt Bern: Bern II, Nr. 90. Datierung: 1663. U116a: Grosses Bodenzins-Urbar der Stift. Staatsarchiv Bern, Amt Bern: Bern II, Nr. 23. Datierung: 1745. U120: Rodel und Zinsbuch des Klosters Frauenkappelen. Staatsarchiv Bern, Amt Laupen: Nr. 40. Datierung: 1434, 1528. U128: Urbar für das Haus Rüeggisberg über Zinsen, Gülten und Zehnten zu Guggisberg und Schwarzenburg. Staatsarchiv Bern, Amt Schwarzenburg: Nr. 28. Datierung: 1533-1542. U132: Urbar für Augustin von Luternau über Einkünfte in der Herrschaft Belp. Staatsarchiv Bern, Amt Seftigen: Nr. 3. Datierung: 1530. U133: Urbar des Hauses Rüeggisberg. Staatsarchiv Bern, Amt Seftigen: Nr. 9 und Nr. 10. Datierung: um 1533. U143: Rebenurbar von Thun, Steffisburg, Oberhofen, Ansolmingen [sic! ], Gunten und Aeschlen. Staatsarchiv Bern, Amt Thun: Nr. 24. Datierung: um 1530. U144: Urbar der Herrschaft Thun. Staatsarchiv Bern, Amt Thun: Nr. 3. Datierung: 1531. U152: Urbar der Landschaft Saanen (Saanen, Gsteig, Lauenen; Gemeindearchiv Saanen). Staatsarchiv Bern, Amt Saanen. Datierung: 1656. U154: Urbar des Schlosses Wimmis. Staatsarchiv Bern, Amt Niedersimmental: Nr. 1. Datierung: 1543. U157: Zinsbuch für das Obersimmental. Staatsarchiv Bern, Amt Obersimmental: Nr. 2. Datierung: 1502. U162: Rebenurbar. Staatsarchiv Bern, Amt Interlaken: Nr. 3 (2 Ex.). Datierung: 1611. U166: Mannlehenurbar Spiez. Staatsarchiv Bern, Mannlehenurbar Spiez: Nr. 2. Datierung: 1488-1514. U167: Oberländisches Mannlehenurbar. Staatsarchiv Bern, Oberländisches Mannlehenurbar: Nr. 1 (mit Nachträgen bis 1550). Datierung: 1497-1524. U168: Oberländische Mannlehenurbare. Staatsarchiv Bern, Oberländische Mannlehenurbare: Nr. 2 und 6. Datierung: 1524-1580. U169: Mannlehenurbar Interlaken. Staatsarchiv Bern, Mannlehenurbar Interlaken: Nr. l (Empfahenschafft-Buoch). Datierung: 1524-1580. UBS: Das bernisch-solothurnische Urbar von 1423. Hg. von Rudolf Baumgartner. Solothurn 1938. Datierung: 1423. <?page no="295"?> Quellen 295 Ud: Älteres Udelbuch der Stadt Bern. Staatsarchiv Bern: B XIII.28. Datierung: 1389- 1460. Uk2: Pergament- und Papierurkunden aus dem ehem. Herrschaftsarchiv Spiez. Staatsarchiv Bern. Datierung: 12.-15. Jh. UP: Unnütze Papiere (Sammlung von Akten). Staatsarchiv Bern. Datierung: 14.-18. Jh. US: Solothurner Urkundenbuch. Band 1. Bearbeitet von Ambros Kocher. Solothurn 1952. Datierung: 742-1245. UT: Die Urkunden der historischen Abteilung des Stadtarchivs Thun. Hg. von Carl Huber. Thun 1931. Datierung: 1236-1819. Wg: Weigold, Hermann (1948): Untersuchungen zur Sprachgrenze am Nordufer des Bielersees auf Grund der lokalen Orts- und Flurnamen (= Romanica Helvetica 24). Bern. Datierung nach Weigold. Z: Zimmerli, Jakob: Die deutsch-französische Sprachgrenze in der Schweiz. Teil I: Die Sprachgrenze im Jura; Teil II: Die Sprachgrenze im Mittellande, in den Freiburger-, Waadtländer- und Berner-Alpen; Teil III: Die Sprachgrenze im Wallis. Basel/ Genf 1891-1899. Datierung: 1891-1899. Zryd 1942: Zryd, Paul: Grafenried zur Zeit der Dreifelderwirtschaft. Bern 1942. Datierung nach Zryd. <?page no="297"?> Anhang A Viele Toponyme des Untersuchungsgebiets wurden in den beiden Untersuchungsteilen (Kap. 3 und 4) nicht angesprochen, sind möglicherweise aber ebenfalls in der einen oder andern Weise volksetymologisch beeinflusst. Die folgende Liste versteht sich als Sammlung solcher Namen, für die Volksetymologie zumindest zu prüfen wäre. Soweit bekannt, habe ich eine (historische) Belegstelle bzw. die Stelle, an der ein Name vom BENB behandelt wird, angegeben. Ebenfalls angegeben ist ein erster Hinweis auf die möglichen Ursprungs- und Zielelemente einer Volksetymologie, jedoch abgesehen von wenigen Ausnahmen ohne weiterführende Literatur. Ab dem Buchstaben Q war das Material des BENB zum Zeitpunkt der Drucklegung noch nicht nach Lemmata geordnet, Hinweise auf die Etymologie von Namen (und mögliche Volksetymologien) fehlten noch. Auch die vorliegende Liste erhebt daher keinen Anspruch auf eine irgendwie geartete Vollständigkeit. BENB I/ 4 wurde nach Erstellung der vorliegenden Arbeit publiziert, die entsprechenden Hinweise werden hier aber dennoch zusammen mit der Belegstelle gegeben. Weil viele der Namen vom BENB noch gar nicht lemmatisiert sind, verzichte ich auf die wissenschaftliche alphabetische Reihungsweise des BENB, bei der etwa Ä und E, B und P, CH und K oder D und T beieinander stehen, und wende hier eine normalalphabetische Reihung an. Aarmühle: Zum Gewässernamen Aare oder zu einem Präfix? BENB I/ 1: 42. Ablass: Zu schwzd. Laas(s) m./ n. ›Rinne‹ oder zu Ablass m.? BENB I/ 3: 54). Alfermée: Trotz frz. Schreibweise zu schwzd. mee ›mehr‹? BENB I/ 1: 16f. Allenwil: Zu einem Personennamen? BENB I/ 1: 18. Ällgäu: Zu Elch m. oder zum Allgäu (D)? BENB I/ 1: 77. Alpligen: Zu rom. alpicula f. ›Älpchen‹ oder zu Alp f. und zum Verb liegen? BENB I/ 1: 22f. Amisbüel: Zu schwzd. Amis f. oder zu einem Personennamen? BENB I/ 1: 27. Amthoupt: Zu einem mhd. Präfix ant- oder zu Amt n.? BENB I/ 1: 35. Äugst: Zu ahd. awist n. ›Schafstall‹ oder zu August m.? BENB I/ 1: 102f. Auswil: Zur Präposition aus statt zu ahd. awist m. ›Schafstall‹? BENB I/ 1: 52. Baadele: Als Boodele zu Boden m. statt frz.? BENB I/ 4: 167f. Baaligusse: Zu frz. belle côte (Friedli VII: 138)? BENB I/ 4: 174. Bachofe: Zu Ofen m. oder Hof m.? BENB I/ 4: 86-89. Balkiswil: Zu Balken m. oder zu einem Personennamen? BENB I/ 4: 175. Ballenberg: Zu Ballen m. oder zu einem Personennamen? BENB I/ 4: 177. Bällig: Als historisch Bälliz zum Bälliz in Thun? BENB I/ 4: 178. Balz: Zu Balz f. oder zu einem Personennamen? BENB I/ 4: 188f. Bangerte: Als historisch Bahn-Garten zu Bahn n. statt Bann m.? BENB I/ 4: 196-198. Bänzebüel: Als Änzebüel zu einem Familiennamen statt zu Bänz m. ›Schaf‹? BENB I/ 4: 271-283. <?page no="298"?> Anhang A 298 Bär: Zum Tierstatt einem entsprechenden Familiennamen/ Wirtschaftsnamen? BENB I/ 4: 205-211. Bart: Zum Appellativ statt zum Personennamen? Bassbelt: Als historisch Passwil zu einem Grundwort -wil statt zu lat. pascuum n. ›Weideland‹? BENB I/ 4: 245f. Batlisstrüel: Als Batlistrüeb (Durheim I: 323) zum Adjektiv trüb? BENB I/ 4: 247 Beatenberg: Zum ahd. Personennamen Batto statt Beatus (Gottfried Buchmüller (1945): »Beatenhöhlen, Beatenverehrung und Beatenkirchlein, was sie uns aus alten und neuen Tagen zu erzählen wissen«. Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 7: 78-89)? BENB I/ 4: 255-257f. Beichi: Als Birchi zu schwzd. Birch f. ›Birke‹ (TA)? BENB I/ 4: 260. Beisatz: Zu schwzd. Bei n. ›Bein‹ oder zu älter schwzd. Beiji n. ›Biene‹? BENB I/ 4: 329. Bellmund: Zu Mund m. statt zu rom. mont m. ›Berg‹? BENB I/ 4: 265f. Bermoos: Zu Ber m. ›Eber‹ oder zu Bär m.? BENB I/ 4: 273. Bettenhausen: Zu Bett n. oder zu einem Personennamen? BENB I/ 4: 288. Biberen: Als historisch Biberach zum Gewässernamengrundwort -ach? BENB I/ 4: 307-310. Bindehuus: Als Bienenhaus (Durheim II: 27) zu Biene f.? BENB I/ 4: 333. Binetschisreben: Zu schwzd. Binätsch m. ›Spinat‹ oder zu einem unbekannten Etymon? BENB I/ 4: 334. Bire: Zu schwzd. Bire f. ›Birne‹ oder einer homophonen Bezeichnung von Berggipfeln? BENB I/ 4: 345-349. Bittwil: Zu Bitte f. statt zu einem Personennamen? BENB I/ 4: 356. Blauestei: Zum Adjektiv blau und zu Stei m. statt zu einem Personennamen/ Familiennamen? BENB I/ 4: 392. Bon-: Zum Personennamen Bono oder zu Bohne f.? BENB I/ 4, 470f. Borisried: Zur Personennamen-Kurzform Bori oder zum Personennamen Boris? BENB I/ 4, 474f. Bort: Zu schwzd. Bort n. ›Bord‹ oder zu frz. port m. ›Hafen‹? BENB I/ 4: 476-480. Bösel: Zu Bösel m. ›Pinsel‹? BENB I/ 4: 482. Brandis: Zu Brand m.? BENB I/ 4: 526f. Brechershäusern: Zum Verb brechen statt zu einem Personennamen? BENB I/ 4: 534f. Bremgarten: Zu schwzd. Bräme f. ›Bremse (Insekt)‹? BENB I/ 4: 552-554. Brenzikofen: Zum Adjektiv brenzlig? BENB I/ 4: 558. Brotheiteri: Zu Brot n.? BENB I/ 4: 569f. Brünig: Zum Adjektiv braun statt zu einem Personennamen? BENB I/ 4: 601f. Buchs: Zu einem der entsprechenden Siedlungsnamen statt zum Pflanzennamen? BENB I/ 4: 636d. Büchse: Zu schwzd. Büchs f. ›Dose‹ statt älter ›Gewehr‹? BENB I/ 4: 637f. Büf(f)el: Zum Tiernamen? BENB I/ 4: 702f. Bundkofen: Zu Bund m. statt einem Personennamen? BENB I/ 4: 723. Burgiineli: Zu frz. bourquin? BENB I/ 4: 751f. Busematt: Zu Busen m. statt einem Personennamen? BENB I/ 4: 761-763. Bussalp: Zu Bus m. (bei Auswärtigen; einheimisch: Buessalp)? BENB I/ 4: 761-763. Buu: Zu frz. bois m. ›Wald‹ oder alem. Buu m. ›Bau‹? BENB I/ 4: 633 u. 778-780. Büüne: Zu schwzd. Bünde f. oder zu nhd. Bühne? BENB I/ 4: 714-721. Chalchofe: Als historisch Kalchhoff zu Hof m.? BENB I/ 2: 395-398. Chäller: Zu Keller m. statt schwzd. Chäle f. ›Kehle, Schlund‹? BENB I/ 4: 401f. <?page no="299"?> Anhang A 299 Champfgrat: Zu Kampf m. und Grat m. statt Kamm m. und Rad n.? BENB I/ 2: 409f. Chäsere: Zu schwzd. Chäsere f. ›Käserin‹ statt zu einem lat. Suffix? Chauperg: Historisch zum Adjektiv kalt statt zu schwzd. Chäle f. ›Kehle, Schlund‹? BENB I/ 2: 403. Chind: Zu Kind n. statt zu schwzd. Chi(nn) n. ›Spalte im Erdreich, Schlucht‹? BENB I/ 2: 455f. Chläbi: Zum Verb kleben statt zu ahd. klëb n. ›Vorgebirge‹? BENB I/ 2: 464f. Chlempe: Zu schwzd. Chlempe f. ›Ameise‹ statt zum Adjektiv germ. *klamb- ›eng‹? BENB I/ 2: 471. Chramburg: Zu Kram m. oder zu Krähe f., Kran(ich) m.? BENB I/ 2: 502f. Chuttelgrabe: Zu Kutteln (Plural) statt zum Verb schwzd. chutte ›tosen, brausen‹? BENB I/ 2: 540. Chutze: Zu Kotze f. statt schwzd. Chutz m. ›Kauz‹ (Geschichte der Gemeinde Vechigen (1995): 51f.)? BENB I/ 2: 541f. Dampfwil: Zu Dampf m. statt einem Personennamen? Eggerdingen: Zu Ecke f. statt einem Personennamen? BENB I/ 1: 64. Eggiwil: Zu Ecke f. statt einem Personennamen? BENB I/ 1: 65. Eichholz: Zu Eiche f. oder schwzd. Ei f. ›Halbinsel, Gelände am Wasser‹? BENB I/ 1: 66-77, I/ 4, unveröffentlicht. Eigenried: Historische Schreibweise für Ei ›Halbinsel, Gelände am Wasser‹ oder zu Eigen n. ›Eigengut‹? BENB I/ 1: 66-68, 71f. Eiger: Zu einem Personennamen oder zum Adjektiv schwzd. hei ›hoch‹ und zu Ger m.? Oder (engl.) zu ogre ›Menschenfresser‹ (Robert Hixson Julyan (1984): Mountain Names. Seattle: 83f.)? BENB I/ 1: 72. Eligret: Als historisch Elendgreth zum Adjektiv elend? BENB I/ 1: 76. Engstlige: Zum Adjektiv ängstlich statt vorrom.? BENB I/ 1: 88. Erlach: Zu Erle f. statt zu einem Personennamen? Esch: Zu Esche f. oder zu Esch/ Ösch n. ›Saatfeld‹? BENB I/ 1: 96-98. Falbbach: Zum Adjektiv falb oder zum Verb fallen? BENB I/ 1: 107f. Fehlmatt: Zu Fell n., zu Feld n. oder zum Verb fehlen? BENB I/ 1: 124-125. Fleischwang: Zu Fleisch n. oder zu schwzd. Fliisch m. ›Schiefer‹? BENB I/ 1: 146f., 148. Flugbrunnen: Zu Flug m. statt Pflug m. (bei Auswärtigen; einheimisch: Fluegbrunne)? Frau: Zu Frau f. statt Fron f.? BNEB I/ 1: 161f. Frauchigen: Zu Frau f. statt einem Personennamen? BENB I/ 1: 162. Freimettigen: Zum Adjektiv frei statt einem Personennamen? BENB I/ 1: 164. Freischeberg: Alternativform Fleischeberg zu Fleisch n.? Freudigen: Zu Freude f. statt einem Personennamen? BENB I/ 1: 163. Frienisberg: Zum Adjektiv früh statt einem Personennamen? BENB I/ 1: 167. Fründe: Zu Freund m. statt lat. frons f. ›Stirne‹? BENB I/ 1: 171f. Gaffertschingge: Zu schwzd. Tschingg m. ›Italiener‹ statt Tschingge m. ›Zinken‹? BENB I/ 2: 4f. Gallstein: Zu Galle f. ›Körperorgan‹ statt zu Galle f. ›Verhärtung im Felsen‹? BENB I: 8. Ganztal: Zum Adjektiv ganz (historisch als Gansthal zu Gans f.) statt zu Ganda f. ›Geröllhang‹? BENB I/ 2: 15f. Gärstere: Zu Gerste f. statt Gerst ›Name hoher Gipfel‹? BENB I/ 2: 24f. Gasgrabe: Zu Gas n. statt Gasse f.? BENB I/ 2: 27. Gastlose: Zu Gast m. statt rom. castellum n.? BENB I/ 2: 32. <?page no="300"?> Anhang A 300 Ghei: Zum Verb schwzd. gheie ›fallen‹ statt zu schwzd. Ghei ›Gehege‹? BENB I/ 2: 218f. Gisshübel: Zum Verb giessen oder zu Geiss f. und zu Hubel m. statt zu einem ahd. Appellativ? BENB I/ 2: 60. Gol: Zu engl. Goal ›Tor (Fußball)‹ statt zu schwzd. Gol m. ›Steinschutt‹? BENB I/ 2: 75f. Gold: Zu Gold n. statt zu schwzd. Gol m. ›Steinschutt‹? BENB I/ 2: 77f. Goldere: Zu Gold n. statt zu schwzd. Gol m. ›Steinschutt‹? BENB I/ 2: 79. Goldswil: Zu Gold n. statt zu einem Personennamen? BENB I/ 2: 80. Göttibach: Zu schwzd. Götti m. ›Patenonkel‹ statt zu einem Personennamen? BENB I/ 2: 87. Grad: Zu Grad n. statt Grat m.? BENB I/ 2: 100f. Grindel: Zu Grind m. ›Kopf‹ statt zu Grindel m. ›Riegel‹? BENB I/ 2: 109f. Güezischwängi: Zu schwzd. Güezi ›Keks‹ statt einem Personennamen? BENB I/ 2: 132. Gufelät: Zu schwzd. Lätt m. ›Lehm‹ statt einem rom. Suffix? BENB I/ 2: 132f. Güggihöi: Zu Heu n. statt schwzd. Hau m. ›Hieb‹? BENB I/ 2: 297f. Gump: Zum Verb schwzd. gumpe ›springen‹ statt Gunte f. ›Pfütze‹? BENB I/ 2: 148- 150. Günstli: Zu Gunst f. statt einem Personennamen? BENB I/ 2: 153. Gutenburg: Zu Burg f. oder Berg m.? Zum Adjektiv gut oder zu einem Personennamen? BENB I/ 2: 166. Hagbart: Zu Bart m. oder zu Garten m.? BENB I/ 2: 204, I/ 4, unveröffentlicht. Handegg: Zu Hand f. oder zum Verb schwzd. hange ›hängen‹? BENB I/ 2: 198. Harasse: Zu schwzd. Harass m. ›Kiste‹ oder zu mhd. *har-roeze f. ›Flachs-Röste‹? BENB I/ 2: 205. Hard: Zum Adjektiv hart oder zu Hard m./ f./ n. ›Gemeindetrift‹? BENB I/ 2: 205f. Härz: Zu Herz n. statt einem Personennamen? BENB I/ 2: 211. Häutligen: Zu Haut n. statt einem Personennamen? Heiter: Zum Adjektiv heiter oder zu Heite f. ›niedriges Gesträuch‹? BENB I/ 2: 232. Herzogenbuchsee: Zu See m. statt Buchsi ›Stelle mit Buchsbäumen‹? BENB I/ 2: 246. Hilfig: Zu Hilfe f. statt einem Personennamen? BENB I/ 2: 250. Holemätz: Als Holemess zu Messe f.? BENB I/ 2: 281. Holinger: Zum Adjektiv hoch und zu Linde f. (Gewährsperson) statt einem Personennamen (im Genitiv oder als -ingen-Bildung? ) BENB I/ 2: 278. Höll: Zu Hölle f. oder zum Adjektiv hell? BENB I/ 2: 233-236. Holligen: -ingen-Bildung statt zu Land n.? BEN I/ 2: 281f. Homüedig: Zum Adjektiv müde statt zu einem Personennamen? BENB I/ 2: 286. Huer: Zu Hure f. oder zu mhd. hor n. ›Kot, Schmutz‹? BENB I/ 2: 310. Hungache: Als historisch hundachen zu Hund m. (oder nur hyperkorrekt)? BENB I/ 2: 317f. Hungerschwand: Zu Hunger m. statt zu einem Personennamen? BENB I/ 2: 319. Hünglisacher: Als historisch hungeracher zu Hunger m. statt zu einem unbekannten Etymon? BENB I/ 2: 319f. Hünibach: Zu Hüne m. statt einem Personennamen (Stefan Sonderegger (1956): ›Gehört Hüni u.ä. im Vorderglied schweizerischer Ortsnamen zu Hüne ›Riese‹, und gibt es anschließend an solche Ortsnamen oder an Hünen-Gräber volkstümliche Überlieferungen über Riesen? ‹ Schweizer Volkskunde. Korrespondenzblatt der Schweiz. Gesellschaft für Volkskunde 46: 77-79)? BENB I/ 2: 320. <?page no="301"?> Anhang A 301 Hunne: Zu Hunne m. oder zu Hund m.? BENB I/ 2: 321. Hunzige: Als Hunzike mit Suffixwechsel? BENB I/ 21: 322. Innertkirchen: Zu Kirche f. statt einem vordt. Etymon? BENB I/ 2: 346. Jaberg: Zum Adverb ja statt zum Verb jagen? BENB I/ 2. BENB I/ 2: 361. Jassbach: Zu schwzd. Jass m. ›Kartenspiel‹ statt zum Verb schwzd. jëse ›gären‹? BENB I/ 2: 366f. Jodel: Zum Verb jodeln statt zum Heiligennamen St. Joder (Zinsli 1974: 84)? BENB i/ 2: 372f. Kalchstätten: Zu Kalk m. statt lat. castellum m. (historisch auch zum Adjektiv kahl)? BENB I/ 2: 398. Kallnach: Als historisch Kalchnach zu Kalk m.? BENB I/ 2: 402f. Kartafel: Zu Tafel f. satt lat. catabulum n. ›Holzschneise‹? BENB I/ 2: 32f. Katefeld: Zu Feld statt lat. catabulum n. ›Holzschneise‹? BENB I/ 2: 32f. Katerweg: Zu Kater m. statt zum Numerale frz. quatre ›vier‹? BENB I/ 2: 434. Kaufdorf: Zum Verb kaufen statt zu einem Personennamen? BENB I/ 2: 437. Kernenried: Zu Kern m. statt zu einem Personennamen? BENB I/ 2: 446. Kühlewil: Zum Adjektiv kühl statt zu einem Personennamen? BENB I/ 2: 532. Laam: Zu frz. l’âme ›die Seele‹ (Gewährsperson) statt zum Adjektiv lahm? BEBN I/ 3: 20. Laariou: Zu schwzd. Ou f. ›Au‹ statt rom.? BENB I/ 3: 51f. Labratoor: Zu Labrador m. statt Laboratorium n.? BENB I/ 3: 3. Lämpematt: Zu schwzd. Lämpe (Plural) ›Streit‹ (Emmentaler Wochenzeitung) statt ›Wamme‹? BENB I/ 3: 24f. Lampere: Als historisch Lampbrandt zu Brand m. statt zu einem unbekannten Etymon? BENB I/ 3: 25. Landorf: Zu Dorf n. statt zu einem Personennamen? BENB I/ 3: 31. Lärche: Zu Lärche f. oder zu Lerche f.? BENB I/ 3: 48-51. Leich: Zu Laich m oder zu Leich m. ›gewohnter Gang‹ BENB I/ 3: 70. Leim: Zu Leim m. oder zu Lein m.? BENB I/ 3: 73-80. Leimiswil: Zu Leim m. oder zu einem Personennamen? BENB I/ 3: 80. Legnau: Als historisch Longa-aqua zu lat. aqua f. statt zu dt. Au f.? BENB I/ 3: 88f. Lenz: Zu Lenz m. statt einem Personennamen? BENB I/ 3: 91. Lerche: Zu Lerche f. oder zu Lärche f.? BENB I/ 3: 48-51. Liecht: Zu schwzd. Liecht n. ›Licht‹ oder zum Adjektiv schwzd. liecht ›leicht‹? BENB I/ 3: 101f. Loch: Zu Loch n. oder zu Loh m.? BENB I/ 3: 129-132. Locke: Zu Lache f. ›Pfütze‹, schwzd. Laach(en) m./ f./ n. ›Grenzzeichen‹ oder zu Locke f.? BENB I/ 3: 133. Looguet: Als historisch Lohngut zu Lohn m. statt Loh m.? BENB I/ 3: 125-128. Lung(e): Zu schwzd. Lung m. ›Pflock‹ oder zu Lunge f.? BENB I/ 3: 183. Lunzi: Zum Verb schwzd. lunze ›faulenzen‹ statt zu einem Personennamen? BENB I/ 3: 185. Lutsche: Zu schwzd. Lutsch f. ›Hündin‹, zu schwzd. Lisch(e) f. ›Riedgras‹ oder zum Verb lutschen? BENB I/ 3: 198f. Mamishaus: Zu Mami f. ›Mutter‹ statt einem Personennamen? BENB I/ 3: 219. Mändig: Zu schwzd. Mäntig m. ›Montag‹ statt zum Verb schwzd. menne ›das Zugvieh antreiben‹? BENB I/ 3: 273. Mannried: Zu Mann m. statt einem Personennamen? BENB I/ 3: 224. März: Zu März m. oder zu einem Personennamen/ Familiennamen? BENB I/ 3: 241f. <?page no="302"?> Anhang A 302 Me-: Zum Adjektiv schwzd. mee ›mehr‹ statt zu Gemeinde f.? BENB I/ 3: 255f. Meienried: Zu Mai m. statt zu einem Personennamen? BENB I/ 3: 260. Meierli: Als Weierli zu Weiher m.? BENB I/ 3: 260f. Meis: Zu Mais m. statt einem Personennamen? BENB I/ 3: 267. Meise: Zu Meise f. oder zu einem Personennamen? BENB I/ 3: 268. Michel: Zum Personennamen oder zum Adjektiv mhd. michel ›groß‹? BENB I/ 3: 287f. Möntschele: Zu schwzd. Mönsch m. ›Mensch‹ statt zu schwzd. Manse ›Rind vor der ersten Trächtigkeit‹? BENB I/ 3: 311f. Morgengab: Zu Morgen m. statt Morgengabe f. ›Hochzeitsgabe‹? BENB I/ 3: 315f. Mörigen: Als historisch Muoringun zu ahd. muor n. ›Moor‹ statt einem Personennamen? BENB I/ 3: 317f. Mort: Zum Adjektiv lat. mortuus ›tot‹ statt einer andern ie. Wurzel? BENB I/ 3: 320- 322. Möschberg: Zu schwzd. Mösch n. ›Messing‹ statt zu einem Personennamen? BENB I/ 3: 332f. Motzi: Zum Verb motzen statt zu schwzd. Motz m. ›verschnittenes männliches Schwein‹? BENB I/ 3: 335. Muntel: Als historisch Munthal (TA 1876: 124) zu Tal n.? Muntlig: Als historisch Mundtlipp zu Mund m. und Lippe f. statt zu rom. mont m. ›Berg‹? BENB I/ 3: 308-311. Nachtigallewäldli: Zu schwzd. Gade m. ›Dachkammer, Heuschober‹ statt zu Nachtigall f.? BENB I/ 4: 2f. Nägeli: Zu schwzd. Nägeli n. ›Nelke‹ oder zu einem Familiennamen? BENB I/ 4: 5f. Nastel: Als historisch Nasenthal zu Nase f. und Tal n. statt zu Nacht f. und Stall m. (Gatschet 1880: 390)? BENB I/ 4: 2. Nellebalm: Zu schwzd. Näll(e) f. ›Spitze, Scheitel‹ oder als historisch Sant Peter Nellen zu St. Peter statt zu St. Petronella? BENB I/ 4: 16f. Nestlefang: Zu Nest n. statt einem Familiennamen? BENB I/ 4: 21. Niederscherli: Zu Schere f. statt einem Personennamen? BENB I/ 4: 33. Niesenhorn: Als historisch Nasenhorn zu Nase f.? BENB I/ 4, unveröffentlicht. Not: Zu Not f. statt rom./ vorrom.? BENB I/ 4: 51-53. Nüesche: Zu schwzd. Gnüel n. ›Durcheinander‹ statt zu einem Personennamen? BENB I/ 4: 54f. Nüün: Zum Numerale neun oder zum Adjektiv neu? BENB I/ 4: 57. Oberscherli: Zu Schere f. statt einem Personennamen? BENB I/ 4: 80. Ochsenwald: Als historisch Ochsenwohl zum Adjektiv wohl statt einer lokalen Form von Wald m.? BENB I/ 4: 83-85. Oggenfingeracher: Als historisch Roggenfingeracher zu Roggen m.? BENB I/ 4: 89f. Öigi: Zu Auge n. (Gewährsperson) oder zu Aue f. (›Schaf‹)? BENB I/ 1: 50. Oltscherren: Als historisch Alt Schären zum Adjektiv alt? BENB I/ 4: 94f. Orpund: Als historisch Ohrtbund zu Bund m.? BENB I/ 4: 99-101. Ort: Zu Ort m. statt lat. hortus m.? BENB I/ 4: 101-104. Palezei: Zu schwzd. Ei f. ›Halbinsel, Gelände am Wasser‹ oder zu einem (vordt.? ) Suffix? BENB I/ 4: 173. Panggor: Zu Ohr n. statt einem unbekannten Etymon? BENB I/ 4: 198. Pasge(r)t: Zu Garten m. statt zu frkpr. pasquer m. ›Weide‹? BENB I/ 4: 243. Pfäffer: Zu Pfeffer m. statt zu Pfaff m.? BENB I/ 4: 294. Pfäffrigen: Zum Adjektiv pfeffrig statt einem Familiennamen? BENB I/ 4: 290-294. <?page no="303"?> Anhang A 303 Pfeid: Mhd. zu pheit n. ›Hemd‹ statt einem rom. Etymon? BENB I/ 4, unveröffentlicht. Pieterlen: Als historisch de Bietherloch zu Loch n./ Loh m.? BENB I/ 4: 318f. Port: Zu schwzd. Bort n. ›Bord‹ oder zu frz. port m. ›Hafen‹? B Reichenbach: Zum Adjektiv reich statt einem Personennamen? Rein: Zum Adjektiv rein statt zu Rain m.? Rindfleisch: Zu Fleisch n. oder zu schwzd. Fliisch m. ›Schiefer‹? BENB I/ 1: 146f., 148. Rockhall: Zu Rock m. oder zu frz. rocaille? Roggwil: Zu Roggen m. statt einem Personennamen? Rosenlaui: Zu Rose f. statt einem vordt. Etymon (Pult 1947: 35-38)? Rot: Zum Verb roden oder zum Adjektiv rot (Christen 1986: 114)? Rüfenacht: Zu schwzd. Rüfe ›Murgang‹ statt zu einem Personennamen? Saane: Zu Sahne f. (nur nhd.) statt einem ie. Etymon? Schachmatte: Zum Schachbegriff statt zu Schachen m. und Matte f.? Scherzligen: Zu Scherz m. statt zu einem Personennamen? Schuepisse: Zu Schuh m. statt zu Schueposs u.ä. ›Bauerngut‹? Sense: Zu Sense f. statt einem ie. Gewässernamen? Simmental: Als historisch Sibenthal zum Numerale sieben? Spitalnolle: Als historisch Spitalnonne zu Nonne f.? BENB I/ 4, unveröffentlicht Stechelberg: Zu Stachel m. statt zum Adjektiv schwzd. stëchel ›steil‹? Steckholz: Zu Stecken m. oder zu Steg m.? Sul: Als historisch Saul zur biblischen Figur? Sulgen: Als historisch Suligen zu einer -ingen-Bildung? Thun: Zum Verb tun statt einem lat./ kelt. Etymon? Treiten: Zu frz. traître ›Verräter‹ oder trahison f. ›Verrat‹ (BENB Dok.) statt einem ungesicherten Etymon? Triegendorf (heute Egge): Zu Drei-Ecken-Dorf (Jahrbuch des Oberaargaus 1966: 84)? Tüftige: Als Teufstige, Taufsteigen (Geschichte der Gemeinde Vechigen (1995): 51f.) zum Adjektiv schwzd. töif ›tief‹ oder zu Taufe f. und zu Steig m. statt einem Personennamen? Tuftstein: Zu Duft m. statt zu Tuff m.? Uebeschi: Suffixangleichung (LSG: 893)? Waltwil: Als historisch Waldwil zu Wald m.? Wildemaa: Zum Adjektiv wild und zu Mann m. statt zu frz. Videman (Alp Videmanette)? Wimmis: Als historisch Windmiss zu Wind m.? Winkel: Als Weichel zum Adjektiv weich? Würzbrunnen: Zu schwzd. Würze f. ›Wurzel‹ (Sage von einer Stadt, die bis auf die Wurzeln abbrannte)? Wynau: Zu schwzd. Wii m. ›Wein‹ statt einem Personennamen? Wynigen: Zu schwzd. Wii m. ›Wein‹ statt einem Personennamen? Zielebach: Zu Ziel n. statt zu einem Personennamen (bei Auswärtigen; einheimisch mit Diphthong)? Zwingei: Zum Verb zwingen statt zu Wind m.? <?page no="305"?> Anhang B Liste der Siedlungsnamen der mit Lanlautenden Lemmata in BEBN (I/ 3, alphabetische Sortierung nach Lemmata). Lache: laxxe (Wohnquartier), III Golaten (BENB I/ 3: 3f.); Lache: laxxe, a d″r (Quartier am See), III Thun (BENB I/ 3: 3f.); Leen: lŃn, im (Weiler), II Niederbipp (BENB I/ 3: 4-13, bes. 6); Lee: lŃ, ds (mehrere Wohnhäuser, Dorfteil), V Habkern (BENB I/ 3: 4-13, bes. 7); Leen: lŐn, ęm (Dorfteil mit vielen Häusern), Wengen (Gemeinde V Lauterbrunnen, BENB I/ 3: 4-13, bes. 7); Leen: lŐn, am (Dorfteil mit vielen Häusern), V Wilderswil (BENB I/ 3: 4-13, bes. 7); Hinderleengrabe: h▪ό″rlŃngrab″ (Wohnquartier), III Bowil (BENB I/ 3: 4-13, bes. 10); Holee: hīlŹ (Wohngebiet, Ackerland), IV Spiez (BENB I/ 3: 4-13, bes. 10); Lade: lad″, tsΌ (Weiler), III Guggisberg (BENB I/ 3: 14f.); Lädeli: l d″li, ▪m (Quartier), III Heimberg (BENB I/ 3: 14f.); Lammi: lamm▪ (Weiler, Steinbruch), V Schattenhalb (BENB I/ 3: 21-23, bes. 22); Lammiboden: lamm▪bod″n (Weiler), V Schattenhalb (BENB I/ 3: 21- 23, bes. 22); Wältschland: w utεland (Dorfteil, Anhöhe, Acker), II Thunstetten (BENB I/ 3: 26-29, bes. 27); Landgarbe: laόkćrb″, d (Weiler in Mulde), III Neuenegg (BENB I/ 3: 26-29, bes. 28); Landstuel: landεtu″u (Weiler mit Schulhaus, früher Gerichtsstuhl von Sternenberg), III Neuenegg (BENB I/ 3: 26-29, bes. 28); Landerswil: lęn″rswíu (Ortschaft), Landerswil ° (Gemeinde I Radelfingen, BENB I/ 3: 29f.); Landiswil: laό→sw↔Ǿ (Ortschaft), Landerswil ° (Gemeinde I Radelfingen, BENB I/ 3: 29f.); <?page no="306"?> Anhang B 306 Landshuet: lęndshΌ″t (Schloss und gleichnamiges kleines Dorf), II Utzenstorf (BENB I/ 3: 31f.); Lengebode: leό″bod″, im (Ortschaft), III Rüschegg (BENB I/ 3: 32-36, bes. 34); Lengerein: lèό″rrZin, uf″m (Dorfteil), V Guttannen (BENB I/ 3: 32-37, bes. 35); Längeschache: l ό″εáx″ (Wohngebiet), III Oberhofen am Thunersee (BENB I/ 3: 32-37, bes. 35); Längebach: l ό″bax (Weiler), Längenbach ° (Gemeinde III Lauperswil, BENB I/ 3: 37); Längebüel: lůό″bü″Ό (Gemeinde), III Längenbühl ° (BENB I/ 3: 37); Oberlangenegg: ĭb″rlaό″nèk (Gemeinde), III Oberlangenegg ° (BENB I/ 3: 38); Unterlangenegg: úό″rlaό″nèk (Gemeinde), III Unterlangenegg ° (BENB I/ 3: 38); Langete: láόό″t″, láόό″tu, láόό″dču (Stadt), II Langenthal ° (BENB I/ 3: 38-40); Langersite: laό″rsit ″, in d″r (Weiler, ein paar Häuser), IV Lenk (BENB I/ 3: 40f.); Langnou: láόnīu (Dorf), III Langnau im Emmental ° (BENB I/ 3: 44f.); Länti: l nti (Wohnquartier), II Schwarzhäusern (BENB I/ 3: 45); Lanzebüel / Länzibüel: lants″bΫ″Ǿ/ l ntsibΫ″Ǿ (Hubelquartier), II Herzogenbuchsee (BENB I/ 3: 46); Lanzehüsere: lants″hüs″r″ (Weiler), Lanzenhäusern ° (Gemeinde III Wahlern, BENB I/ 3: 47); Länzlige: l ntslig″ (Weiler), III Grosshöchstetten (BENB I/ 3: 47f.); Lerchefeld: lérx″f ud (Quartier), II Herzogenbuchsee (BENB I/ 3: 48-51, bes. 49); Lerchebüel: lerx″bΚ″u, ▪m (Schulheim, Quartier), II Burgdorf (BENB I/ 3: 48-51, bes. 50); Laariou: lćriou (Rebe, Dorfpartie), I Ligerz (BENB I/ 3: 51); Lättere: l tt″r″ (Weiler), III Rüschegg (BENB I/ 3: 57f.); Lättere: l tt″r″ (Quartier), III Steffisburg (BENB I/ 3: 57f.); <?page no="307"?> Anhang B 307 Lättere: l tt″r″ (Quartier und Lehmgrube), III Zollikofen (BENB I/ 3: 57f.); Latterbach: lát″rbax (Dorf), Latterbach ° (Gemeinde IV Erlenbach, BENB I/ 3: 59); Oberlatterbach: ób″rlat″rbax, ▪m (Dorfteil), IV Erlenbach (BENB I/ 3: 59); Latterbach: lát″rbax, ▪m Όss″r (Dorf), Latterbach ° (Gemeinde IV Erlenbach, BENB I/ 3: 59); Lattige: lęttig″ (Weiler), Lattigen ° (Gemeinde IV Spiez, BENB I/ 3: 60); Lattrige: látr▪g″ (Ortschaft), Lattrigen ° (Gemeinde I Sutz- Lattrigen, BENB I/ 3: 60f.); Lupach: lΌpáx (Weiler), III Guggisberg (BENB I/ 3: 61f.); Louene: louw″n″, d/ louw″n″dörfli, ds Louwene (Gemeinde, Dorf und Tal), IV Lauenen bei Gstaad ° (BENB I/ 3: 62); Loupe: līǾp″ (Dorf, Gemeinde), III Laupen ° (BENB I/ 3: 62-64); Loupemüli: lóup″mΫli (Quartier, früher Mühle), III Laupen (BENB I/ 3: 62-64, bes. 63); Luperswil: lΌp″rεw↓u (Dorf, Gemeinde), III Lauperswil ° (BENB I/ 3: 64); Luterbach: l΄t″rbax, d″r (Weiler, Bach, Enklave), Gemeinde II Lützelflüh (BENB I/ 3: 64); Luuterbrunnen: lǿt″rbrΌnn″n (Dorf, Gemeinde), V Lauterbrunnen ° (BENB I/ 3: 65); Lebacher: lebaxx″r (Quartier), III Tägertschi (BENB I/ 3; 66); Leiere: lŕi″r″, Όf d Ǿs″ (Dorfteil), I Schüpfen (BENB I/ 3: 72f.); Leggiswil: lekiswíu (Heimet [Weiler]), II Wynigen (BENB I/ 3: 69f.); Liimgruebe: l↓mgrǾ″b″, d (Kulturland, Weiler, oberhalb früherer Kiesgrube), III Konolfingen (BENB I/ 3: 73-80, bes. 75); Leime: leim″, Όό″r▪ (Dorfteil, ca. zehn Häuser), I Täuffelen (BENB I/ 3: 73-80, bes. 76); Leimere: leim″r″ (Wohngebiet), I Pieterlen (BENB I/ 3: 73-80, bes. 77); <?page no="308"?> Anhang B 308 Leimere: leim″r″ (Dorfteil), Schwarzenburg (Gemeinde III Wahlern, BENB I/ 3: 73-80, bes. 78); Leimere: lůim″r″ (Wohngebiet, Acker-, Wiesland), IV Spiez (BENB I/ 3: 73-80, bes. 78); Leimiswil: leimiswíu (Dorf, Gemeinde), II Leimiswil ° (BENB I/ 3: 80); Leische: lŤεε″, a d″r (Dorfteil, leicht ansteigend), IV Frutigen (BENB I/ 3: 80f.); Leissige: lıissig″, älter lŔssig″ (Dorf), V Leissigen ° (BENB I/ 3: 81f.); Längnou: lZόnou; (Dorf, Gemeinde), I Lengnau (BENB I/ 3: 88f.); Lenk: lůόk, ann d″r (Dorf, Gemeinde), IV Lenk ° (BENB I/ 3: 89f.); Lerchefeld: lerx″f ud (Quartier), Lerchenfeld ° (Gemeinde III Thun, BENB I/ 3: 92); Leubringe: lũ▪br▪ό″ (Dorf, Gemeinde), I Leubringen ° (BENB I/ 3: 93f.); Leuzige: lūits→g″ (Dorf), I Leuzingen ° (BENB I/ 3: 95); Liebegg: li″bék (Quartier, urspr. Landhaus aus dem 18. Jh.), III Bern (BENB I/ 3: 98-100, bes. 98); Holiebi: hól▪″bi (Wohngebiet, an aussichtsreichem Hangvorsprung), III Mühlethurnen (BENB I/ 3: 98-100, bes. 99); Liebifeld: li″bif ud (Dorf), Liebefeld ° (Gemeinde III Köniz, BENB I/ 3: 100); Liebiwil: l▪″biw↕u (Dorf), Liebewil ° (Gemeinde III Köniz, BENB I/ 3: 100); Ligerz: l▪g″rts (Dorf, Gemeinde), I Ligerz ° (BENB I/ 3: 105); Limpach: l▪mp″x (Dorf, Gemeinde), II Limpach ° (BENB I/ 3: 107); (Kirch-)Lindach: l▪ό″x (Dorf, Gemeinde), III Kirchlindach ° (BENB I/ 3: 108f.; BENB I/ 2: 460); Niederlindach: n→d″rl▪ό″x (Dorf), III Kirchlindach (BENB I/ 3: 108f.); Oberlindach: ob″rl▪ό″x (Dorf), III Kirchlindach (BENB I/ 3: 108f.); Linde: l▪ό″ (Weiler), II Leimiswil/ II Ochlenberg (BENB I/ 3: 109-111, bes. 109); <?page no="309"?> Anhang B 309 Linde: l▪ό″, i d″r (Dorfzentrum), III Eriz (BENB I/ 3: 109- 111, bes. 109); Linde: l▪ό″, b▪ d″ drıi (Quartier), II Langenthal (BENB I/ 3: 109-111, bes. 110); Lindefeld: l▪ό″f ud (Dorfteil), II Bleienbach (BENB I/ 3: 109-111, bes. 110); Lindeholz: l▪ό″houts (Weiler), Lindenholz ° (Gemeinde II Leimiswil, BENB I/ 3: 111); Linde: l▪ό″, d (Dorf, Gemeinde), III Linden ° (BENB I/ 3: 111); Lindetal: l▪ό″tǾ, ds (Dorf), Lindental bei Boll ° (Gemeinde III Vechigen, BENB I/ 3: 112); Linter: l▪nt″r, ▪m (Streusiedlung, Bäuert), IV Frutigen (BENB I/ 3: 115); Littiwil: l▪tt→w→Ǿ (Dorf), Littwil ° (Gemeinde III Vechigen, BENB I/ 3: 123f.); Littisbach/ Littesbach: l▪tt→sbax, l▪tt″sbax (Weiler), IV Boltigen (BENB I/ 3: 124); Lööli: lŪl▪ (Quartier, Kulturland), II Herzogenbuchsee (BENB I/ 3: 125-128, bes. 126); Lobsige: lĭbs→g″ (Dorf, Viertels-Gemeinde), Lobsigen ° (Gemeinde I Seedorf, BENB I/ 3: 128f.); Lochi: līxi (Weiler), IV Frutigen (BENB I/ 3: 129-132, bes. 130); Luchli: lΌxli , ▪m (Wohngebiet und Kulturland), IV Frutigen (BENB I/ 3: 129-132, bes. 130); Lohnstorf: lĮεt″rf/ lĮnεtĬrf (Dorf, Gemeinde), III Lohnstorf ° (BENB I/ 3: 136); Loreene: lĭrŐn″ (Dorfteil zw. Bätterkinden und Kräiligen), II Bätterkinden (BENB I/ 3: 147f.); Loreene: lĭrŃn″, d (Quartier, Kiesboden), II Herzogenbuchsee (BENB I/ 3: 147f.); Loreene: lĭrŐn″ (Wohngebiet, Vorort von Wynigen), II Wynigen (BENB I/ 3: 147f.); Loreene: lĭrŃn″, d (Stadtquartier), Bern III (BENB I/ 3: 147f.); Lotzwil: lĭtsbΌ (Gemeinde und Dorf), II Lotzwil ° (BENB I/ 3: 154); <?page no="310"?> Anhang B 310 Loup§erg: loup″rg, lĀp″rg, Όf″m (Heusiedlung), II Münchenbuchsee (BENB I/ 3: 155-158, bes. 156); Loubere: löub″růn, d (oberster Dorfteil des Oberdorfs), V Schwanden bei Brienz (BENB I/ 3: 155-158, bes. 157); Louene: lou″n″ (ehem. Weiler, heute Quartier), III Thun (BENB I/ 3: 161-169, bes. 162); Louene: lou″n″, d (Dorfteile, Wiesen), V Oberried am Brienzersee (BENB I/ 3: 161-169, bes. 163); Ällouinen: Zllīuwin″n (Weiler), V Grindelwald (BENB I/ 3: 161- 169, bes. 163); Burglouenen: bΌrglĭu″n″n (Weiler), V Grindelwald (BENB I/ 3: 161-169, bes. 164); Sichellouene: s▪xx″lóu″n α (hinterste Siedlung im Talgrund; Lawine mit sichelförmigem Zug), Stechelberg (Gemeinde V Lauterbrunnen, BENB I/ 3: 161-169, bes. 164); Traggselouene: tręks″lou″n α (Sommersiedlung), Stechelberg (Gemeinde V Lauterbrunnen, BENB I/ 3: 161-169, bes. 164); Louitor: līǾitēr (Stadtgebiet), III Thun (BENB I/ 3: 161-169, bes. 167); Loueli: līΌ″li (Wohngebiet, Kluturland; steil), III Oberhofen am Thunersee (BENB I/ 3: 161-169, bes. 168); Loueli: lou″li (Dorfteil, Rain mit Rutschungen), III Wahlern (BENB I/ 3: 161-169, bes. 168); Worbloufe: wĬrblĀf″ (großer Weiler), III Ittigen (BENB I/ 3: 169f.); Lueg: lu″g (Weiler auf Anhöhe), III Fahrni (BENB I/ 3: 178); Lüftere: lΫft″r″, ▪ d″r (Villenquartier), III Zollikofen (BENB I/ 3: 178f.); Lünschberg: lΫnεb″rg (Weiler), II Oeschenbach (BENB I/ 3: 184); Lüscherz: lüε″rds (Ortschaft, Gemeinde), Lüscherz ° (BENB I/ 3: 193f.); Lütiwil: lΠt→w↔Ǿ (Weiler mit 5 Heimet), III Arni (BENB I/ 3: 195f.); Lütschetal / Litschital: lΫtε″tćl/ l▪tε▪tćl, ▪m (Gemeinde, Talabschnitt), V Lütschental ° (BENB I/ 3: 199); <?page no="311"?> Anhang B 311 Lütschene: lΫtε″n″, n″t d″r (Dorfteil NW der Lütschine), V Bönigen (BENB I/ 3: 200f.); Zweilütschinen: tswéilΫtε▪n″n (Weiler, Station), Zweilütschinen ° (Gemeinde V Lütschental, BENB I/ 3: 200f.); Lutzematt: lΌts″mát, i d″r (Kulturland, Wohngebiet, Friedhof), II Brügg (BENB I/ 3: 201f.); Lützelflüe: lΫtsuflü″/ lΫts″flü″ (Dorf), II Lützelflüh ° (BENB I/ 3: 202); Lyss: l↓ss (Dorf, Gemeinde), I Lyss ° (BENB I/ 3: 203f.); Lyssach: l↓ss″x (Dorf, Gemeinde), II Lyssach ° (BENB I/ 3: 204-206); Lyssachschache: l→ss″xεáxx″ (Quartier), II Lyssach (BENB I/ 3: 204- 206). <?page no="313"?> Anhang C Resultate des Verschriftlichungstests (4.3.3) nach Testpersonen und Toponymen. hīlŹ hīlŹ hīlŹ hīlŹ láόό″t″ láόό″t″ láόό″t″ láόό″t″ , láόό″tu láόό″tu láόό″tu láόό″tu , láόό″dču láόό″dču láόό″dču láόό″dču lũ▪br▪ό″ lũ▪br▪ό″ lũ▪br▪ό″ lũ▪br▪ό″ 1 Schwzd. Holee Langenthal Leubringen 2 Schwzd. Holeh Langenthal Leubringen 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Holé Langente Leubringen 4 Russisch Hohle Lanneta Leubringe 5 Russisch Kole Lanete Läubringe 6 ? Hole Langete Leubringe 7 Nhd. Holei Langental/ Langete Leubringen 8 Ungarisch Chole Langenthal Läubringer 9 Alem. Holee Langeten Leubringen 10 Nhd. Holee Langete Läubringen 11 Dt. Holei Langenthal Loibringen 12 nicht dt. Pole Langete Leubringe <?page no="314"?> Anhang C 314 l▪g″rts l▪g″rts l▪g″rts l▪g″rts lŪl▪ lŪl▪ lŪl▪ lŪl▪ li″bif li″bif li″bif li″bif ud ud ud ud 1 Schwzd. Liget Löli Liebefeld 2 Schwzd. Ligerz Löhli Liebefeld 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Ligertz Löli Liebefeld 4 Russisch Likerz Löli Libifaut 5 Russisch Likerts Löhli Lierbefaut 6 ? Likos Lörli Bifaul 7 Nhd. Lickerts löli Liebifalt 8 Ungarisch Ligertz Löhli Liebefeld 9 Alem. Liggerts Leuli Liebifeld 10 Nhd. Lickertz Löli Liebefeld 11 Dt. Lickerts Leuli Liebefeld 12 nicht dt. Lickers Lölli Miyabifaut <?page no="315"?> Anhang C 315 lĭrŃn″, d lĭrŃn″, d lĭrŃn″, d lĭrŃn″, d lΌxli , ▪m lΌxli , ▪m lΌxli , ▪m lΌxli , ▪m Zllīuwin″n Zllīuwin″n Zllīuwin″n Zllīuwin″n 1 Schwzd. Lorraine Im Lochli Ällouinen 2 Schwzd. Lorraine Im Luchli Ällouwinen 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Lorraine im Luchli Eloinen 4 Russisch Lariela Im Löchli Allaüinnen 5 Russisch Lorenä Im Löchli Elauin 6 ? Loränne Im Luchli Alowinen 7 Nhd. Lorraine im Lochli Äloinen 8 Ungarisch Loreal Im Lochli Eulinen 9 Alem. Lorraine Im Luchli Eloinen 10 Nhd. Lorraine Im Luchli Ellauinen 11 Dt. Lorraine Im Löchlein Allohingen 12 nicht dt. Loreyna Im Lukhli Allauinen <?page no="316"?> Anhang C 316 lΫnεb″rg lΫnεb″rg lΫnεb″rg lΫnεb″rg lćriou lćriou lćriou lćriou tręks″lou″n tręks″lou″n tręks″lou″n tręks″lou″n α 1 Schwzd. Lünschberg Laariou Trachsellouene 2 Schwzd. Lünsberg Lariou Dachselouwena 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Lüntschberg Lariou Trachselouna 4 Russisch Leinspirng Lario Traxelorio 5 Russisch Lünspeck Lario Traxeleulä 6 ? Lünschbrück Lario Trakzelona 7 Nhd. Lynchbrück Lariot Draxeloena 8 Ungarisch Lönschberg Lariel Tra… 9 Alem. Lüntschberg Lareau Drachsenellnau 10 Nhd. Lünschberg Lario Draxelauener 11 Dt. Lundsberg Lar… Traxelhohenrain 12 nicht dt. Lünspurk Larion Trakselauner <?page no="317"?> Anhang C 317 lebaxx lebaxx lebaxx lebaxx″ ″″ ″r rr r l↓ss l↓ss l↓ss l↓ss lΌpáx lΌpáx lΌpáx lΌpáx 1 Schwzd. Lebacher Lyss Lubach 2 Schwzd. Lebacher Lyss Lupach 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. lebacher Lis Lugbach 4 Russisch Lewachr Lies Leibach 5 Russisch Lävachr Liess Löbach 6 ? Lebacher Liess Lubach 7 Nhd. Lebacher Lyss Lubach 8 Ungarisch Lebacher Lies Loebach 9 Alem. Lebacher Lies Lupbach 10 Nhd. Lebacher Lyss Lubach 11 Dt. Lehbach Lyss Lohbach 12 nicht dt. Lebakher Lies Lubakh <?page no="318"?> Anhang C 318 lekiswíu lekiswíu lekiswíu lekiswíu līǾp″ līǾp″ līǾp″ līǾp″ l ll lΌ ΌΌ Όp″r p″r p″r p″rε εε εw↓u w↓u w↓u w↓u 1 Schwzd. Leggiswil Laupen Lauperswil 2 Schwzd. Leggiswil Laupen Lauperswil 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Legiswil Laupen Luberswil 4 Russisch Leckeswio Löpa Lüpperschwiu 5 Russisch Legiswiu Loup Luperschliu 6 ? Lokiswiu Laupe Luperswiu 7 Nhd. Legiswil Laupen Luperschwil 8 Ungarisch Legiswieh Laupen Lupenschwer 9 Alem. Leggiswyl Laupen Lupperswyl 10 Nhd. Leggiswyl Laupen Lupperswyl 11 Dt. Leckeswil Laube Luberswil 12 nicht dt. Lekisviu Laupa Lupperschiu <?page no="319"?> Anhang D Resultate des Assoziationstests (4.3.4) nach Testpersonen und Toponymen. lad″ lad″ lad″ lad″ , ts ts ts tsΌ ΌΌ Ό lérx″f lérx″f lérx″f lérx″f ud ud ud ud lęndshΌ″t lęndshΌ″t lęndshΌ″t lęndshΌ″t 1 Schwzd. Laden Lerche (Vogel) Hut 2 Schwzd. Laden Lärche, Feld Land, Hut 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. zu laden Lärche, Feld Land, Hut 4 Russisch zu lade lerchefald langzwot 5 Russisch zu Lade Lerchefeud Landshuet 6 ? Laden Lerche Land, Hut 7 Nhd. zum Laden (›beim Laden‹) Lerchenfeld Landshut 8 Ungarisch zu laden Lärchenfeld Landshut 9 Alem. zum Geschäft? Feld voller Lärchen Ende/ Ecke eines Gebiets 10 Nhd. zur Lade Lerchenfeld Landshut 11 Dt. zur Latte Lärchenfeld Landshut 12 nicht dt. zu late lehrefaut lanshuet <?page no="320"?> Anhang D 320 l↓mgrǾ″b″, l↓mgrǾ″b″, l↓mgrǾ″b″, l↓mgrǾ″b″, d dd d w utεland w utεland w utεland w utεland laxxe laxxe laxxe laxxe 1 Schwzd. Lehm Welsch, frankophon Glungge 2 Schwzd. Leim, Grube Welsch, Land Lache 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Leim, Grube Französisch Lache, Pfütze 4 Russisch limgrode wautschland lahhe 5 Russisch Liemgrüebe Wautschland llache 6 ? Grub weites Land Lachs 7 Nhd. Lehmgrube Welschland Lachen 8 Ungarisch Liemgrube Deutschland lachen 9 Alem. Grube mit Lehm Siedlung von Welschen Wasser, Pfütze > nasses Gebiet 10 Nhd. Lehmgrube Welschland Lache 11 Dt. Leimgraben, der Welschland Lachen 12 nicht dt. lingrube vautschland lache <?page no="321"?> Anhang D 321 l d″li, ▪m l d″li, ▪m l d″li, ▪m l d″li, ▪m laόkćrb″, d laόkćrb″, d laόkćrb″, d laόkćrb″, d l ό″bax l ό″bax l ό″bax l ό″bax 1 Schwzd. Laden Garbe (Weizen) langer Bach 2 Schwzd. Laden lang, Garbe lang, Bach 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Kaufhaus, Milch Landwirtschaft langer Bch, Fluss 4 Russisch im lageli d lankkerde 5 Russisch im Lädeli Lankorba Längebach 6 ? Latt Kalb langer Bach 7 Nhd. im Lädeli/ Lädchen Langkerbe Längenbach - der lange Bach 8 Ungarisch im Lädli der Landgraben Langebach 9 Alem. s. zu Laden langer Fluss? 10 Nhd. im Lädchen die Landgarbe Längebach 11 Dt. Leiterlein Lang… Längenbach 12 nicht dt. im ladelli klangkarbe langebach <?page no="322"?> Anhang D 322 landεtu″u landεtu″u landεtu″u landεtu″u lǿt″rbrΌnn″n lǿt″rbrΌnn″n lǿt″rbrΌnn″n lǿt″rbrΌnn″n l ό″εáx″ l ό″εáx″ l ό″εáx″ l ό″εáx″ 1 Schwzd. Bank, Sitzgelegenheit Wasserfall Wiese, länglich 2 Schwzd. Land, Stuhl luter, Brunnen läng, Schache 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Land, Schule, Lehrer lauter Brunnen, rauschender Bch langer Schacht, Tunnel 4 Russisch luterbrünnen langeschache 5 Russisch Landstueu Lüterbrunnen Längeschache 6 ? Landstreu lauter Brunnen langer Sack 7 Nhd. Landstuhl Lauterbrunnen - lauterer Brunnen (lauter = klar, Trinkwasser) langer Schacht 8 Ungarisch Landstun Lauterbrunnen Langenschatten 9 Alem. Stuhl viele Brunnen > nasses Gebiet 10 Nhd. Landstuhl Lauterbrunnen 11 Dt. Landstuhl Lauterbrunnen Längenschach 12 nicht dt. landstul luterbronnen langeschake <?page no="323"?> Anhang D 323 l▪ό″x l▪ό″x l▪ό″x l▪ό″x loup″rg, loup″rg, loup″rg, loup″rg, lĀp″rg, Όf″m lĀp″rg, Όf″m lĀp″rg, Όf″m lĀp″rg, Όf″m ĭb″rlaό″nèk ĭb″rlaό″nèk ĭb″rlaό″nèk ĭb″rlaό″nèk 1 Schwzd. Leinen Laub, Hügel (kein Berg) 2 Schwzd. Lind-ach Laub, Berg ober, lang, Egg 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Leintuch auf dem Laubberg, Wald, Buchen über der langen Ecke 4 Russisch lingech ufen loperg oberlangenek 5 Russisch Lienech ufem Lauperg Oberlangeneck 6 ? auf dem Laupen 7 Nhd. auf dem Loipenberg Ober langen Eck (das obere lange Eck) 8 Ungarisch Lingen auf dem Laupfberg ober Langeneck 9 Alem. auf dem Laubberg > bewaldet über dem langen Eck 10 Nhd. langes Eck auf dem Laubberg ober langes Eck 11 Dt. Lingech auf dem Lohberg Oberlangeneck 12 nicht dt. lingeh ufem leupberg obenlangenek <?page no="324"?> Anhang D 324 leό″bod″, im leό″bod″, im leό″bod″, im leό″bod″, im la la la laό όό ό″rsit″ ″rsit″ ″rsit″ ″rsit″ , in d″r in d″r in d″r in d″r l▪ l▪ l▪ l▪ό όό ό″ ″″ ″ , i d″r i d″r i d″r i d″r 1 Schwzd. Agrarland 2 Schwzd. langer Boden lange Seite Linde 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. langer Boden, Acker in der langen Seite, Bergflanke in der Linden, neben Oberdiessbach 4 Russisch im lengebode in der langersite in der linge 5 Russisch im Lengebode in der Langersite in der linge 6 ? im langen Boden in der langen Sitte in der Ling 7 Nhd. im langen Boden in der langen Seite 8 Ungarisch im Langenboden in der Langenseite in der Linge/ Lange 9 Alem. flaches Gebiet > grosse Ausdehnung schmales, langes Gebiet 10 Nhd. im langen Boden in der langen Seite in der 11 Dt. im Längeboden in der Langerseite in der Linge 12 nicht dt. im längebote in der langesitte inderlinke <?page no="325"?> Anhang D 325 lamm▪ lamm▪ lamm▪ lamm▪ lĮεt″rf lĮεt″rf lĮεt″rf lĮεt″rf / lĮnεtĬrf lĮnεtĬrf lĮnεtĬrf lĮnεtĬrf lu″g lu″g lu″g lu″g 1 Schwzd. Lamm, Weidland Gewerbe- / Siedlungsgebiet Ausguck 2 Schwzd. Lamm ›Schlucht‹ Lohn, Dorf luegen 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Lämmer Lohns-Dorf Schau! Pass auf! 4 Russisch lammi löschtonstorf lüg 5 Russisch lammi loschterf, longstorf lueg 6 ? Lamm Lohnstoff Lügen 7 Nhd. Lämmer Lohnsdorf lueg (›guck mal‹) 8 Ungarisch Lammi Lonschdorf Luerg 9 Alem. Erhöhung 10 Nhd. Lämmchen 11 Dt. Lämmi Lohnsdorf, Lohsdorf Lueg 12 nicht dt. lammi lostif lueg <?page no="326"?> Anhang D 326 lęn″rswíu lęn″rswíu lęn″rswíu lęn″rswíu la la la laό όό ό→ →→ →sw↔Ǿ sw↔Ǿ sw↔Ǿ sw↔Ǿ láόnīu láόnīu láόnīu láόnīu 1 Schwzd. längliches Siedlungsgebiet Siedlung, von Weidland umsäumt 2 Schwzd. lang, Wil lang, Wil lange Au 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. langer Viler das gleiche lange Au? In Feuchtgebiet 4 Russisch langerswiu langiswiu langnau 5 Russisch langerswiu langiswiu langnou 6 ? lange Viu langes Viu langnau 7 Nhd. langer Weiler langer Weiler lange Au 8 Ungarisch Langesw… Langlau(f) 9 Alem. Fläche Fläche Au > Fluss/ Wald 10 Nhd. Langeweile Langeweile Lange Au 11 Dt. Langerswil Langeswil Langnau 12 nicht dt. langerswiu Langeswiu langnau <?page no="327"?> Anhang D 327 l↓ss″x l↓ss″x l↓ss″x l↓ss″x l ll lŃ ŃŃ Ń , ds ds ds ds lΫtsufl lΫtsufl lΫtsufl lΫtsuflü″ ü″ ü″ ü″ / lΫts lΫts lΫts lΫts″ ″″ ″fl fl fl flü″ ü″ ü″ ü″ 1 Schwzd. Lyssbach lee wie Luv und Lee/ windexponiert Gotthelf 2 Schwzd. Lyss-ach Leh lützel ›klein‹, Fluh 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Lützelfluh, Fluh 4 Russisch lissech ds le lützufüe 5 Russisch liessech ds le lüzuflüe 6 ? 7 Nhd. die »lis« Ach zum Lehen kleiner (lützel) Floh 8 Ungarisch Liesach das Lee Lützfluss 9 Alem. Wald Erhebung, Hügel 10 Nhd. leiser das Lee kleiner Floh 11 Dt. Lyssach das Loh Lützelflüh 12 nicht dt. liisse stne lütsuführe <?page no="328"?> Anhang D 328 lů lů lů lůόk όk όk όk , ann d″r ann d″r ann d″r ann d″r lants″b lants″b lants″b lants″bΫ ΫΫ Ϋ″Ǿ ″Ǿ ″Ǿ ″Ǿ / l ll l ntsib ntsib ntsib ntsibΫ ΫΫ Ϋ″Ǿ ″Ǿ ″Ǿ ″Ǿ līǾitēr līǾitēr līǾitēr līǾitēr 1 Schwzd. Berge/ Skifahren Lanze/ Speer Tor, Dorfeingang im Gebirge 2 Schwzd. lenken Lanze, Bühl Loui ›Lawine‹, Tor 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. an der Lenk, lenken Lanze, Bühl Ort in Thun, Handelsschule 4 Russisch an der lenk lanzebüe lauitor 5 Russisch an der lenk lanzebüeu louitor 6 ? an der Lenken landsbüro Tor 7 Nhd. an der Länge Lanzenbühl ? + Tor 8 Ungarisch an der Lenk Lands(e)bühl Loutor 9 Alem. lange Fläche, schmale Fläche spitzer Hügel 10 Nhd. An der Seite Lanzenfeld laues Tal 11 Dt. an der Lenk Lentisbühl/ Lanzenbühl 12 nicht dt. an der leng lanschibür Lauitor <?page no="329"?> Anhang D 329 lŕi″r″ lŕi″r″ lŕi″r″ lŕi″r″ , Όf d Ǿs″ Όf d Ǿs″ Όf d Ǿs″ Όf d Ǿs″ l ll lΠ ΠΠ Πt→w↔Ǿ t→w↔Ǿ t→w↔Ǿ t→w↔Ǿ hól▪″bi hól▪″bi hól▪″bi hól▪″bi 1 Schwzd. Leier, Musikinstrument hübsches, idyllisches Fleckchen Land 2 Schwzd. Leier Leute, Wil hoch, lieb 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. auf der Leier, Musikinstrument Lüti = Klingel hohe Liebe 4 Russisch uf d leiere lütiwiu holiebi 5 Russisch uf d leiere lütiwiu holiebi 6 ? auf der Leere 7 Nhd. auf der Leier Leute-Weiler hohle Liebe 8 Ungarisch auf der Leier 9 Alem. Siedlung mit Menschen Lieblich 10 Nhd. auf der Lauer lauter Weil hohe Liebe 11 Dt. Leier Lüttiwil (nd. Lütt + Wil) Hochliebig 12 nicht dt. uf läiere lütiwiu holiabi <?page no="330"?> Anhang D 330 lát″rbax lát″rbax lát″rbax lát″rbax l▪″biw↕u l▪″biw↕u l▪″biw↕u l▪″biw↕u l nti l nti l nti l nti 1 Schwzd. Siedlung am Wasserlauf 2 Schwzd. Latte, Bach lieb, Wil Land, Ländte 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Latterbach Liebe Vil Lente, Schiffslente 4 Russisch laterbach liebeiwiu lenti 5 Russisch laterbach liebiwiu länti 6 ? Ratte Bach Ländchen 7 Nhd. glatter Bach lieber Weiler Land 8 Ungarisch Latterbach Liebew… Lenti 9 Alem. schönes Gebiet 10 Nhd. flacher Bach Liebesweiler langsam 11 Dt. Latterbach Liebwil Landi 12 nicht dt. laterbach liebiwiu lanti <?page no="331"?> Anhang D 331 l▪nt″r l▪nt″r l▪nt″r l▪nt″r , ▪m ▪m ▪m ▪m l ll l tt tt tt tt″ ″″ ″r rr r″ ″″ ″ l ll lę ęę ęttig ttig ttig ttig″ ″″ ″ 1 Schwzd. 2 Schwzd. lind Lätt Latte 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. im Linter, Behälter Lett = Lehm Lattigen, Latte = Brett 4 Russisch im linter lettere lattige 5 Russisch im linter lättere lattige 6 ? 7 Nhd. im ? Letterer Latte + ? 8 Ungarisch im Linter Latterer Lattiger 9 Alem. Letterer 10 Nhd. Brief 11 Dt. im Lenter Latterein Lattigen 12 nicht dt. im linter lattre lattige <?page no="332"?> Anhang D 332 látr▪g″ látr▪g″ látr▪g″ látr▪g″ l ll lΫ ΫΫ Ϋft″r″ ft″r″ ft″r″ ft″r″ , ▪ d″r ▪ d″r ▪ d″r ▪ d″r lŤ lŤ lŤ lŤεε εε εε εε″ ″″ ″ , a d″r a d″r a d″r a d″r 1 Schwzd. windexponiertes Gebiet 2 Schwzd. Latte Luft, lüften Lische 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Latrine, Klo in der Lüftung Lescha, Leiste 4 Russisch latrige in der lüftere an der leische 5 Russisch latrige in der lüftere a der leschsche 6 ? in der Luft an der Lesse 7 Nhd. latrinig (von Latrine), ledrig, widerlich in den Lüften 8 Ungarisch Lattriger in der Lüfterer an der Läsche 9 Alem. Erhebung an irgendeinen Baum 10 Nhd. in den Lüften an der … 11 Dt. Lattrigen in der Lüfterin Läsche 12 nicht dt. lattrige i der lüftere a der liesse <?page no="333"?> Anhang D 333 lüε″rds lüε″rds lüε″rds lüε″rds lı lı lı lıissig″ issig″ issig″ issig″ , älter lŔssig″ lŔssig″ lŔssig″ lŔssig″ lūits→g″ lūits→g″ lūits→g″ lūits→g″ 1 Schwzd. 2 Schwzd. Lische löitsche ›umherziehen‹ 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Lüscherz am Bielersee Leissige, fleissig Loitsch 4 Russisch lüscherds leissige löitschige 5 Russisch lüscherds leissige löizige 6 ? Lizard Lessinger Loitschiger 7 Nhd. der Lässige d Leutschige 8 Ungarisch Lüscherz Lässiger Leutschiger 9 Alem. 10 Nhd. 11 Dt. Lüscherz Lässigen Lötschingen 12 nicht dt. lüscherz lässige oder läissigee leustige <?page no="334"?> Anhang D 334 l▪tt→sbax l▪tt→sbax l▪tt→sbax l▪tt→sbax , l▪tt″sbax l▪tt″sbax l▪tt″sbax l▪tt″sbax lĭbs→g″ lĭbs→g″ lĭbs→g″ lĭbs→g″ lΫt lΫt lΫt lΫtε″tćl ε″tćl ε″tćl ε″tćl / l▪tε▪tćl l▪tε▪tćl l▪tε▪tćl l▪tε▪tćl , ▪m ▪m ▪m ▪m 1 Schwzd. Bach Tal mit Wasserlauf 2 Schwzd. -bach Lob Lische, Tal 3 Hd. mit Berndt.- Kenntn. Littisbach Lob Lütschental 4 Russisch littisbach lobsige im lütschtal 5 Russisch littisbach lobsige im Lütschetal, Litschitl 6 ? Lobsinger im Litschital 7 Nhd. Bach mit Littering Lopside (engl). im Tal der Lychee 8 Ungarisch Littisbach Loebsiger im Lütschital 9 Alem. Fluss, Wasser Laub > Wald indische Frucht 10 Nhd. kleiner Bach Hummer im kleinen Tal 11 Dt. Littisbach Lobsingen (Assoziation mit bekanntem Ort in ? ) im Lötschental 12 nicht dt. littisbach lobsige lichital <?page no="336"?> Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@francke.de • www.francke.de NEUERSCHEINUNG APRIL 2011 JETZT BESTELLEN! Thomas Franz Schneider Erich Blatter (Hrsg.) Ortsnamenbuch des Kantons Bern [Alter Kantonsteil] I: Dokumentation und Deutung Vierter Teil: N-B/ P 2011, 512 Seiten, €[D] 98,00/ SFr 128,00 ISBN 978-3-7720-8383-9 Unter den Namenbuchprojekten der deutschen Schweiz nimmt das von dem Dialektologen und Volkskundler Paul Zinsli begründete Ortsnamenbuch des Kantons Bern eine zentrale Stelle ein. Die Präsentation und Deutung der Orts- und Flurnamen des deutschsprachigen Teils des Kantons Bern kann sich auf eine umfangreiche Belegsammlung stützen, mit deren Erhebung noch in der ersten Hälfte des 20. Jh. begonnen worden war. Das siedlungsgeschichtlich sehr komplexe Untersuchungsgebiet umfasst voralpines und alpines Gelände sowie große Teile des Schweizer Mittellandes und berührt im Westen die Romandie. Der 4. Teilband des Ortsnamenbuches des Kantons Bern enthält die Buchstaben N-O-B/ P mit rund 900 Lemmaeinträgen, darunter z.B. Niesen, Nugerol †, Orpund, Ostermundigen, Bach, Bärg, Belp, Bern, Biel, Piz Gloria, Brienz, Brünig, Büel, Bümpliz und Burgdorf. 033411 Auslieferung April 2011 20 08.04.11 13: 53
