Essen als Christusgläubige
Ritualtheoretische Exegese paulinischer Texte
1207
2011
978-3-7720-5421-1
978-3-7720-8421-8
A. Francke Verlag
Soham Al-Suadi
Die Studie leistet einen wichtigen Beitrag zur Grundlagenforschung zum Thema frühchristlicher Identitätsausbildung. Es wird erörtert, wie Paulus zum einen das hochkomplexe Gemeinschaftsmahl und zum anderen die Identität der Mahlgemeinschaft "kommentiert". Da es bei Paulus nicht bei der Kommentierung bleibt, wird mit sozialgeschichtlichen, exegetischen und ritualtheoretischen Methoden herausgearbeitet, wie er auf die Mahlgemeinschaften Einfluss nimmt. Durch diese detaillierte Analyse wird die Pluralität sowohl der antiken Mahlpraxis als auch der frühchristlichen Identitäten gewürdigt.
Soham Al-Suadi Essen als Christusgläubige Ritualtheoretische Exegese paulinischer Texte Essen als Christusgläubige TANZ 55 Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter herausgegeben von Klaus Berger, Matthias Klinghardt, Günter Röhser, Stefan Schreiber und Manuel Vogel Soham Al-Suadi Essen als Christusgläubige Ritualtheoretische Exegese paulinischer Texte Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. © 2011 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Druck und Bindung: Ilmprint, Langewiesen Printed in Germany ISSN 0939-5199 ISBN 978-3-7720-8421-8 Meiner Familie Vorwort Die vorliegende Studie wurde im Sommersemester 2010 als Dissertation von der Theologischen Fakultät der Universität Basel angenommen. Für die Publikation bei TANZ wurde sie geringfügig überarbeitet und ergänzt. Mein Interesse an Studien zum hellenistischen Mahl im Zusammenhang mit sozialgeschichtlicher neutestamentlicher Arbeit wurde von Prof. Dr. Ekkehard W. Stegemann und seinem Bruder Prof. Dr. Wolfgang Stegemann auf meiner ersten Reise zur Society of Biblical Literature 2007 nach San Diego (USA) geweckt. Meine Teilnahme an dieser und weiteren Konferenzen ließen mich erleben, wie motivierend und bereichernd der internationale Austausch sein kann. Umso größer war die Freude, als ich die Möglichkeit erhielt, im SNF-Forschungsprojekt ephagon mit Prof. Dr. Luzia Sutter Rehmann und Dr. Esther Kobel zum Thema „Tischgemeinschaften. Orte religiöser Praxis und Identität im Judentum zur Zeit des Zweiten Tempels und im frühen Christentum“ zu arbeiten. Bereichert wurde diese intensive Forschungszeit durch einen fünfmonatigen Aufenthalt am Union Theological Seminary (NY) bei Prof. Dr. Hal Taussig und Prof. Dr. Brigitte Kahl. Diese Studie wäre ohne die großzügige und engagierte Unterstützung durch verschiedene Personen und Institutionen nicht zu realisieren gewesen. Ihnen gebührt mein besonderer Dank. Der Auslandsaufenthalt am Union Theological Seminary wurde durch die Josef und Olga Tomcsik- Stiftung, die Schweizerische Studienstiftung und die Freiwillige Akademische Gesellschaft Basel im Rahmen von Nachwuchsbzw. Forschungsstipendien ermöglicht. Das Union Theological Seminary wurde für mich zu einem Ort wissenschaftlicher Inspiration und persönlicher Bereicherung. Dazu trugen neben der administrativen Unterstützung auch die Bibliotheken vom Union Theological Seminary (Burke Library) und der Columbia University (Butler Library) bei. Ich danke Prof. Dr. Hal Taussig, der mir ein aufmerksamer Mentor und Freund wurde. Internationale Unterstützung erhielt ich auch von den Mitgliedern der „Greco-Roman Meals Group“, der „Ritual in the Biblical World Unit“ und der „Context Group“ der Society of Biblical Literature. Der Austausch mit Prof. Dr. Dennis Smith, Prof. Dr. Angela Standhartinger, Prof. Dr. Christian Strecker und Prof. Dr. Richard DeMaris bei jährlichen Treffen in den USA und Europa trug dazu bei, entscheidende Fragen meiner Dissertation zu klären. Zu Mentoren wurden mir auch Dr. Kathy Ehrensperger und Dr. William Campbell, welche die Entwicklung der Dissertation begleiteten. Bei meinen Philo-Studien unterstützte mich Prof. Dr. René Bloch, dessen motivierende Anregungen mir sehr halfen. Vor allem gilt mein Dank Prof. Dr. Wolfgang Stegemann. Sein Anliegen, das Neue Testament sozialgeschichtlich zu interpretieren, um sowohl den gesellschaftlichen Bedingun- Vorwort 8 gen der Antike als auch denen der Gegenwart gerecht zu werden, motivierten mich bereits als Studentin. In Basel wurde der institutionelle Rahmen für meine Arbeit von der Theologischen Fakultät der Universität Basel geschaffen. Der Dekan der Fakultät, Prof. Dr. Albrecht Grözinger (2008-2010), unterstützte mich sowohl beim Studienabschluss als auch während der Promotion mit seinen ihm zur Verfügung stehenden materiellen und formalen Mitteln. Mein Dank gilt auch der Geschäftsführerin der Theologischen Fakultät Basel, Sabine Müller-Schneider, da mich ihre administrative Weitsicht in meiner Arbeit entlastete. Als Stipendiatin der Schweizerischen Studienstiftung wurde ich von Prof. Dr. Barbara Schellewald persönlich betreut und konnte das großzügige Bildungsangebot und die materielle Unterstützung der Schweizerischen Studienstiftung in Anspruch nehmen. Auch das Mentorat von Prof. Dr. Max Bergman und das Coaching im Diss + -Mentoringprogramm der Universität Basel halfen mir, meine Ziele zu verfolgen. Die neutestamentliche Oberassistentin der Theologischen Fakultät Basel, Dr. Gabriella Gelardini, förderte mich stets als Nachwuchswissenschaftlerin. Der größte Dank gebührt Prof. Dr. Ekkehard Stegemann, der mich als Doktorvater in meiner akademischen Laufbahn immer großzügig und engagiert unterstützte und sowohl das Projekt als auch die Dissertation ermöglichte. Sein Interesse an wissenschaftlichen Fragestellungen, die anleiten, das Neue Testament verantwortet zu interpretieren und kritisch zu hinterfragen, war mir beim Forschen und Schreiben ein Vorbild. Die Aufnahme der Dissertation in die TANZ-Reihe ist eine große Ehre für mich. Ich verdanke die Realisierung Prof. Dr. Klaus Berger, Prof. Dr. Matthias Klinghardt, Prof. Dr. Günter Röhser, Prof. Dr. Stefan Schreiber und Prof. Dr. Manuel Vogel sowie Susanne Fischer vom Narr Francke Attempto Verlag. Mein Dank gebührt auch meiner Familie und meinen Freunden im In- und Ausland. KollegInnen der Universität Basel und Bern sind mir in den vergangenen Jahren zu FreundInnen geworden. Insbesondere Sonja Kellers Zusprache und Interesse an meiner Arbeit haben mich motiviert. Meiner Mutter, meiner Großmutter und meiner Patin, die mich fortwährend in meiner persönlichen und wissenschaftlichen Entwicklung unterstützt haben, ist diese Arbeit gewidmet. Basel, im September 2011 Soham Al-Suadi Inhaltsverzeichnis I. Der Gegenstand der Untersuchung A. Einleitung .............................................................................. 15 B. Voraussetzungen der Untersuchung ................................. 19 C. Neutestamentliche Mahlforschung.................................... 22 D. Grundelemente des hellenistischen Mahls ....................... 33 1. Teilnehmer ....................................................................................... 35 2. Sitzordnung ..................................................................................... 40 3. Verhalten .......................................................................................... 42 4. Verlauf .............................................................................................. 43 E. Weiterführende Fragestellungen ........................................ 45 II. Ritualtheoretische Forschung III. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese A. Kulturelle Kontextualisierung des Textes ........................ 65 1. Der Sarapiskult................................................................................ 66 2. Priester, Gläubige und Vereine..................................................... 68 3. Die kli÷nh des Sarapis ..................................................................... 70 4. Zusammenfassung.......................................................................... 71 B. Korporealität der Mahlgemeinschaften ............................. 72 1. Das Mahl der Therapeuten bei Philo ........................................... 74 2. Die Korporealität der Mahlteilnehmer ........................................ 75 3. Philos Anthropologie im Zusammenhang mit dem Essen....... 77 4. Die materielle Realität der Nahrungsmittel................................ 81 5. Die (Korpo-)Realität Gottes ........................................................... 83 6. Zusammenfassung.......................................................................... 86 C. Transformationen im Mahlgeschehen ............................... 89 1. Die Bedeutung des Gemeinschaftsmahls in JosAs .................... 90 2. Rituelle Transformation ................................................................. 93 3. Zusammenfassung.......................................................................... 96 D. Heterotopie der Mahlgemeinschaft ................................... 97 1. Die vielfältigen Interpretationen des Aristeasbriefes .............. 100 2. Die „Übersetzung“ jüdisch-hellenistischer Kultur .................. 103 3. Das Gastmahl „in-between“........................................................ 105 4. Zusammenfassung........................................................................ 106 E. Zusammenfassung .............................................................. 108 Inhaltsverzeichnis 10 IV. Ritualtheoretische Exegese A. Einleitung ............................................................................ 113 B. Identitätsausbildung der Teilnehmer .............................. 114 1. Performanz im Neuen Testament .............................................. 115 2. Ritualtheoretische Grundlagen zu kollektiven Identitäten .... 127 3. Kollektive Identität der Mahlteilnehmer................................... 132 4. Ritualtheoretische Exegese der paulinischen Texte................. 137 5. Zusammenfassung........................................................................ 147 6. Tabelle: Identitätsausbildung der Teilnehmer ......................... 149 C. Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl ................... 150 1. Gemeinschaft und Einzelne im Neuen Testament .................. 150 2. Ritualtheoretische Grundlagen zur Identitätsausübung einer Gruppe............................................................................................ 156 3. Sitzordnung im Gemeinschaftsmahl ......................................... 159 4. Ritualtheoretische Exegese der paulinischen Texte................. 162 5. Zusammenfassung........................................................................ 172 6. Tabelle: Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl .............. 175 D. Rollenverhalten der Teilnehmer ...................................... 176 1. Imitatio Christi im Neuen Testament ........................................ 176 2. Ritualtheoretische Grundlagen des Rollenverhaltens............. 182 3. Der Symposiarch der Mahlgemeinschaften.............................. 184 4. Ritualtheoretische Exegese der paulinischen Texte................. 185 5. Zusammenfassung........................................................................ 192 6. Tabelle: Rollenverhalten der Teilnehmer .................................. 194 E. Verlauf des Gemeinschaftsmahls ..................................... 195 1. Verlauf des hellenistischen Mahls im Neuen Testament........ 195 2. Ritualtheoretische Grundlagen zum Verlauf des hellenistischen Mahls .............................................................................................. 198 3. Deipnon/ Symposion - Essen und/ oder Nicht-Essen? .............. 203 4. Ritualtheoretische Exegese der paulinischen Texte................. 204 5. Zusammenfassung........................................................................ 208 6. Tabelle: Verlauf des Gemeinschaftsmahls ................................ 209 F. Sprache des Gemeinschaftsmahls ..................................... 210 1. Sprachliche Besonderheiten des Neuen Testaments ............... 210 2. Ritualtheoretische Grundlagen zur sprachlichen Vielfalt und Dynamik......................................................................................... 218 3. Sprachformen im hellenistischen Mahl ..................................... 221 4. Ritualtheoretische Exegese der paulinischen Texte................. 229 5. Zusammenfassung........................................................................ 235 6. Tabelle: Sprache des Gemeinschaftsmahls................................ 237 Inhaltsverzeichnis 11 V. Paulinischer Kontext A. Galaterbrief.......................................................................... 241 1. Einleitung zur Fragestellung Gal 2,11-14 .................................. 241 2. Exegetische Interpretationen zu Gal 2,11-14............................. 242 3. Zusammenfassung........................................................................ 253 B. Römerbrief und 1. Korintherbrief..................................... 255 1. Einleitung zur Fragestellung Röm 14,1-15,7, 1Kor 8-10 und 1Kor 11............................................................................................ 255 2. Exegetische Interpretationen zu Röm 14,1-15,7 ....................... 257 3. Zusammenfassung Röm 14,1-15,7 .............................................. 271 4. Exegetische Interpretationen zu 1Kor 8-10 ............................... 272 5. Zusammenfassung 1Kor 8-10...................................................... 288 6. Vergleich zwischen Röm 14,1-15,7 und 1Kor 8-10 ................... 289 7. Exegetische Interpretationen zu 1Kor 11,17-34 ........................ 291 8. Zusammenfassung 1Kor 11,17-34............................................... 307 VI. Zusammenfassung A. Die ritualtheoretische Exegese ......................................... 310 B. Der Paulinische Kontext..................................................... 315 VII. Bibliographie VIII. Register T EIL I D ER G EGENSTAND DER U NTERSUCHUNG I. Der Gegenstand der Untersuchung A. Einleitung Gemeinsame Mahlzeiten dienen in Zeiten, die sozialen, politischen und religiösen Veränderungen unterliegen, nicht nur der Identitätsvergewisserung und der Bekräftigung gemeinsamer Werte, sondern auch als Medien gesellschaftlicher Erneuerungen. Im Zusammenspiel der Befriedigung körperlicher Bedürfnisse mit der Anwesenheit von mehreren Mahlteilnehmern und dem geschützten Raum für gesellschaftliche oder persönliche Themen unterstützt das gemeinsame Mahl in der Antike die Bekräftigung kollektiver und individueller Identitäten sowie die Veränderung derselben. Scheinbar feste Bestandteile wie die Vor- und Nachbereitungen für das gemeinsame Mahl und das Mahlgeschehen selbst sind hochkomplexe kulturelle Leistungen, die gesellschaftlich etabliert sind und doch eine hohe Variabilität aufweisen. Durch diese Variabilität bildet sich eine Bedeutungsvielfalt aus, die nicht universal, sondern auf den entsprechenden Kontext bezogen ist. Die Bestandteile und Formen des gemeinsamen Mahls zu betrachten bedeutet, die Performanz sozialer, politischer und religiöser Inhalte einer Gemeinschaft zu analysieren. Diese Form der Betrachtung reflektiert folglich sowohl Fragen zur Mahlorganisation als auch zur gesellschaftlichen Bedeutung. Je nach Kontext unterscheiden sich die Fragen und der entsprechende Umgang mit ihnen. So zeichnet sich die Vielfalt des gemeinsamen Mahls auch gerade darin aus, dass nicht unbedingt alle möglichen sozialen, politischen und religiösen Themen gleichermaßen behandelt werden. Dass das gemeinsame Essen für christliche Gemeinschaften einen hohen Stellenwert hat, lässt sich vor allem in der Tradition des Abendmahls oder der Eucharistie erkennen. Doch nicht nur kirchliche Traditionen bekunden die Bedeutsamkeit gemeinsamer Mahlzeiten bis ins 21. Jh. Die hellenistisch-jüdischen Texte innerhalb und außerhalb des Kanons des Neuen Testaments zeugen von vielfältigen literarischen und politischen Inhalten über gemeinsame Mahlzeiten. In der neutestamentlichen Diskussion wird, abgesehen von Studien, welche die kirchlichen Werte des Abendmahls, die Eucharistie oder die Liturgie reflektieren, wieder vermehrt sozialgeschichtlich über Mahlgemeinschaften bzw. Gemeinschaftsmähler geforscht. 1 Das liegt vor allem an dem Interesse, im Diskurs um das 1 Die Diskussion der hellenistischen Mähler, ihrer soziologischen sowie sozialgeschichtlichen Merkmale und ihrer Bedeutung für die neutestamentliche Mahlforschung ist in erster Linie durch Matthias Klinghardt gekennzeichnet. Diesem folgte im amerikanischen Diskurs Dennis Smith und kürzlich, unter dem ritualtheoreti- Der Gegenstand der Untersuchung 16 Abendmahl die Verwendung der Quellen auf ihre Kontinuität bzw. Diskontinuität bezüglich der antiken Mahlgemeinschaften zu prüfen. So werden nicht nur Mahlgemeinschaften der Antike, sondern auch der Gegenwart in ihrem Bezug zum neutestamentlichen Herrenmahl untersucht. Aber auch der Diskurs über alltägliche Handlungen und ihre Bedeutungen für soziale, politische und religiöse Entwicklungen spielt in der neutestamentlichen Diskussion über Mahlgemeinschaften eine wichtige Rolle. Der sozialgeschichtliche und kulturanthropologische Fokus darauf, dass im alltäglichen Geschehen Selbstwerte einzelner Personen und Gruppen dargestellt, verändert oder verworfen werden und dass diese Transformationen über längere Zeit unterschiedliche Phasen einnehmen, rückt vor allem das hellenistische Gemeinschaftsmahl ins Zentrum der Betrachtung. Das hellenistische Gemeinschaftsmahl dient den neutestamentlichen Studien nicht nur als Hintergrundinformation zur alltäglichen Praxis der frühchristlichen Gemeinschaften, sondern wird als Ort der Transformationen dieser Gemeinschaften verstanden. Während historische Studien häufig ausschließlich Grundlagenforschung zu den Charakteristika des Gemeinschaftsmahls betreiben, wird in jüngerer neutestamentlicher Forschung das Mahl als Ort der sozialen, politischen und religiösen Identitätsentwicklung angesehen. Die Perspektive, derzufolge das Christentum nicht auf einen Religionsstifter zurückblicken kann, sondern sich sukzessive relational zum Kontext der Gemeinschaften entwickelte, verleiht dem hellenistischen Mahl einen besonderen Stellenwert. In diesem Sinne integriert die Frage nach der antiken Mahlpraxis die Fragen nach den Anfängen des Christentums ebenso wie die Fragen nach den sozialen, politischen und religiösen Gesichtspunkten der antiken Gesellschaft. Diese Arbeit widmet sich ausgewählten Abschnitten der paulinischen Briefe und erörtert, inwieweit Paulus durch seine Briefe das Gemeinschaftsmahl und gleichzeitig die Identität der Mahlgemeinschaft und ihrer Teilnehmer einerseits kommentiert und andererseits zu beeinflussen versucht. Der methodologische Schwerpunkt liegt auf ritualwissenschaftlichen und exegetischen Betrachtungsweisen, um herauszustellen, in welcher Form Text und Kontext des hellenistischen Mahls, welches vielfältige soziale, politische und religiöse Varianten aufweist, von Paulus für seine Argumentation herangezogen werden. Diesbezüglich leistet diese Studie einen Beitrag zur sozialgeschichtlichen und exegetischen Grundlagenforschung, welche sowohl die Pluralität der antiken Mahlpraxis als auch die Pluralität der frühchristlichen Identitäten würdigt. Die Arbeit gliedert sich in sechs Teile, die aufeinander aufbauen. Teil I dient der Besprechung der neutestamentlichen Mahlforschung. Es werden sowohl sozialgeschichtliche und exegetische Studien zum Thema Mahlgeschen Aspekt, Hal Taussig. Vgl. zum Bezug auf die täglichen Mahlzeiten S TEGEMANN 1990, 133. Stegemann würdigt nicht nur die „heiligen Mahlzeiten“, sondern auch die täglichen Mahlzeiten als Orte hoher sozialer und religiöser Identifikation. Einleitung 17 meinschaften in der Antike als auch liturgiewissenschaftliche, soziologische und kulturanthropologische Studien berücksichtigt. Außerdem werden die sozialgeschichtlichen Voraussetzungen für das Verständnis des hellenistischen Mahls in der Antike besprochen. Dieser Teil stellt eine allgemeine Beschreibung der angenommenen Mahlteilnehmer, der zentralen Sitzordnung derselben, deren Verhalten und des Verlaufs des Mahls dar. Weiterführende Fragestellungen schließen die Beschreibung des Gegenstandes der Untersuchung ab und leiten in die folgenden Teile über. Methodisch liegt der Schwerpunkt dieser Studie auf Ritualtheorien, die in Teil II in ihrer Entwicklung seit den 1960er Jahren beschrieben werden. Ritualtheorien eignen sich für die Fragestellung nach der Beziehung zwischen Text und Kontext nicht nur, weil das hellenistische Mahl als Ritual bezeichnet werden kann, sondern auch, weil in kulturanthropologischen Untersuchungen die Kontextualität von Schrift und rituellem Handeln diskutiert wird. In Teil III wird die Kombination aus Ritualtheorien und Exegese beschrieben. Vier Schwerpunkte der ritualtheoretischen Exegese (die kulturelle Kontextualisierung, die körperliche Präsenz der Mahlteilnehmer, die Transformation der Mahlgemeinschaft und die Realisierung eines spezifischen Ortes für die Normen und Werte der Gemeinschaft) werden anhand von Mahlgemeinschaften im religionsgeschichtlichen Umfeld der paulinischen Texte illustriert. Die kulturelle Kontextualisierung wird anhand des ägyptischen Sarapiskults in Griechenland veranschaulicht, da daran deutlich wird, wie variabel sich die Elemente des hellenistischen Mahls in der sich verändernden kollektiven Identität von Einzelnen und Gruppen anpassen sowie diese gleichzeitig gestalten. Um zu zeigen, dass das Gemeinschaftsmahl soziale, politische und religiöse Facetten aufweist, welche kollektiv abgebildet und verändert werden können, wird Philos Beschreibung der Therapeuten diskutiert. Dass Mahlgemeinschaften sowohl als literarische als auch als soziale Topoi für religiöse Transformationen verstanden werden können, zeigt der antike Roman Joseph und Aseneth. Doch die Beschreibung vom und die Partizipation am hellenistischen Mahl diente vor allem auch dazu, soziale, politische und religiöse Heterotopien aufzubauen. Im Unterschied zu anderen literarischen oder theologischen Konzepten beschreibt der Aristeasbrief das Mahl als Realisierung transformierter Werte im Rahmen eines anderen und doch so präsenten Geschehens. Da bisherige sozialgeschichtliche bzw. exegetische Studien nur sehr vereinzelt dazu beitrugen, die paulinischen Texte zum Gemeinschaftsmahl in der Spannung zwischen neutestamentlichen Interpretationen und Kontext zu untersuchen, wird in Teil IV die ritualtheoretische Exegese auf die paulinischen Abschnitte angewendet. Die ritualtheoretische Exegese setzt sich aus verschiedenen Arbeitsschritten zusammen. Im Zentrum der Analyse stehen die identifizierten Einheiten des hellenistischen Mahls - die Identitätsausbildung der Teilnehmer, die Identitätsausübung während des Mahls, das Rollenverhalten der Mahlteilnehmer, der Verlauf des Mahls Der Gegenstand der Untersuchung 18 und die sprachlichen Besonderheiten desselben. Die Einheiten des hellenistischen Mahls werden in dieser Reihenfolge und nach einem gemeinsamen Schema besprochen. Da es sich um eine neutestamentliche Studie handelt, werden zuerst allgemeine neutestamentliche Grundlagen dargestellt, die eine Diskussion über die jeweilige Einheit des hellenistischen Mahls zu führen erlauben. Meist handelt es sich um neutestamentliche Topoi, die in der Wissenschaftsgeschichte bereits direkt oder indirekt mit dem relevanten Aspekt der Mahlgemeinschaft diskutiert wurden. In einem weiteren Schritt werden ritualtheoretische Zusammenhänge erläutert, welche die neutestamentlichen Texte methodisch verorten. Hierin werden Ritualtheoretiker und weitere wissenschaftliche Studien herangezogen, die detailliert diskutiert werden. In einem dritten Schritt wird die jeweilige Einheit des hellenistischen Mahls vor dem neutestamentlichen und ritualtheoretischen Hintergrund besprochen. An dieser Stelle werden die neutestamentlichen und theoretischen Voraussetzungen vorerst sozialgeschichtlich verortet, um die ritualtheoretische Exegese der paulinischen Texte vorzubereiten. Da es oft nicht möglich sein wird, alle Facetten eines Charakteristikums des hellenistischen Mahls zu besprechen, werden nur besonders relevante Teilaspekte erörtert. Im Paragraph über die Identitätsausbildung der Teilnehmer des hellenistischen Mahls wird deren kollektive Identität besprochen, im Abschnitt über die Identitätsausübung während des Mahls wird die Sitzordnung fokussiert und bei der Diskussion über das Rollenverhalten der Mahlteilnehmer wird die Rolle des Symposiarchen besprochen. Im Paragraph über den Verlauf des Mahls wird der Wechsel zwischen Deipnon und Symposion behandelt und in der Diskussion über die sprachlichen Besonderheiten des Mahls wird auf die liminale Sprache des Rituals eingegangen. Die Besprechung jeder Einheit des hellenistischen Mahls endet mit der ritualtheoretischen Exegese der paulinischen Texte. In dieser Analyse wird auf der Basis der neutestamentlichen, theoretischen und sozialgeschichtlichen Studien gefragt, wie Paulus sich über die Thematisierung der Mahlgemeinschaft an die Gemeinschaften wendet. Im Zentrum stehen die in der ritualtheoretischen Exegese ausgewählten Abschnitte Gal 2,11-14; 1Kor 8,1.4.7-13; 1Kor 9,3-4.7.13; 1Kor 10,7.14-25.27-28.31; 1Kor 11,17-34 und Röm 14,1-15,1.7. 2 Diese Abschnitte wurden aufgrund ihrer inhaltlichen Relevanz für das Thema anderen Abschnitten vorgezogen. Paulus spricht in diesen Abschnitten die frühchristlichen Mahlgemeinschaften auf ihren Umgang mit der hellenistischen Mahlpraxis an und bettet diese in seine Argumentation ein. Ferner spricht er bezüglich der Mahlgemeinschaft wichtige theologische Themen an. Über die ritualtheoretischen Zusammenhänge kann darauf folgend gezeigt werden, welche identitätsbildenden Prozesse Paulus in den Gemeinschaften angesprochen, diskutiert 2 Wenn nicht anders angegeben, handelt es sich bei den Bezügen zu Gal 2, 1Kor 8-10, Röm 14,1-15,7 und 1Kor 11 immer um Gal 2,11-14; 1Kor 8,1.4.7-13; 1Kor 9,3-4.7.13; 1Kor 10,7.14-25.27-28.31; Röm 14,1-15,1.7 und 1Kor 11,17-34. Voraussetzungen der Untersuchung 19 und/ oder ermöglicht hat. Im Zentrum der ritualtheoretischen Exegese steht neben der sozialen, politischen und religiösen Relevanz der hellenistischen Mahlgemeinschaft die Diskussion über frühchristliche Identifikationsmöglichkeiten. Mit dieser Methode sollen die vielfältigen Vernetzungen zwischen sozialer Performanz und neutestamentlichen Texten verständlicher werden, um damit die Pluralität des hellenistischen Mahls sowie der gesellschaftlichen Identitäten zu würdigen. Hierin geht es vor allem darum, unterschiedliche Identifikationsangebote zu beschreiben, aber gleichzeitig auf die soziale, politische und religiöse Befähigung, solche Identifikationsangebote annehmen zu können, einzugehen. Teil V orientiert sich der Form nach am klassischen exegetischen Kommentar, ist aber inhaltlich auf die Anwendung der ritualtheoretischen Exegese bezogen. Hier wird auf die kontextuellen Besonderheiten der paulinischen Briefe aufmerksam gemacht und es werden die unterschiedlichen Bezüge zum hellenistischen Mahl in der paulinischen Argumentation diskutiert. In diesem Kapitel wird exegetisch angewendet, was zuvor an den Charakteristika des hellenistischen Mahls in der ritualtheoretischen Exegese erarbeitet wurde. B. Voraussetzungen der Untersuchung Wie jede Studie unterliegt auch diese Arbeit gewissen Grenzen und Einschränkungen. Diese ergeben sich einerseits aufgrund der Fragestellung und andererseits aufgrund ihres limitierten Umfangs. Die Fragestellung bezieht sich ausschließlich auf die paulinischen Briefe, wobei selbstverständlich andere Schriften als historische Bezugsquellen berücksichtigt werden. Obgleich viele Texte über das Mahlverhalten nicht tatsächliches Mahlverhalten abbilden, sondern in fiktiver Sprache und literarischer Übertreibung die „Wirklichkeit“ einer aristokratischen sozio-ökonomischen Oberschicht vermitteln, können diese Texte dennoch als indirekte historische Quellen ernst genommen werden. 3 Da mit dieser Fragestellung davon ausgegangen wird, dass die paulinischen Briefe im hellenistischjüdischen Kulturraum entstanden sind, wird keine differenzierte Analyse jüdischer bzw. hellenistischer Mahlgemeinschaften vorgenommen. Diese Entscheidung impliziert vor allem die Annahme, dass in der Antike keine homogenen Gruppen in einem abgeschlossenen kulturellen Raum zu erkennen sind. In dieser Arbeit werden die allgemeinen Charakteristika des hellenistischen Mahls diskutiert, welche sowohl für jüdische als auch für hellenistische und frühchristliche Gemeinschaftsmähler gelten. Da verschiedene Studien bereits die religionsgeschichtliche Verortung im neutestamentlichen Zeitalter vorgenommen haben, wird diese Studie auf die Ergebnisse 3 T AUSSIG 2009, 44f. Der Gegenstand der Untersuchung 20 verweisen und in der Besprechung auf diesen aufbauen. Es ist daher nicht Teil der Studie, die Praxis des Gemeinschaftsmahls religionsgeschichtlich zu verorten. 4 Ebenso kann nicht im Detail die Rolle von Frauen, Kindern und Sklaven diskutiert werden, da, wie gesagt, lediglich allgemeine Charakteristika besprochen werden. Nur dort, wo ihre Rollen ritualtheoretisch, sozialgeschichtlich oder exegetisch signifikant sind, werden sie diskutiert. Das sozialgeschichtliche Spektrum wird dann auf spezifische Fragestellungen erweitert, wenn Paulus sie im Rahmen des Mahlgeschehens aufgreift. Da aus historischer Perspektive kein Unterschied zwischen vor- und nachösterlichen Mahlpraktiken angenommen wird, beziehen sich die Ergebnisse auf die Zeit des frühen Christentums und des Judentums des zweiten Tempels. Welche Voraussetzungen damit für die Studien der synoptischen Evangelien oder der Frage nach dem historischen Jesus gebildet werden, sollte in weiterführenden Arbeiten herausgestellt werden. Methodisch wird ausschließlich mit Ritualtheorien und exegetischen Methoden gearbeitet, da das hellenistische Mahl grundsätzlich als Ritual bezeichnet werden kann. Die Aktionen der Mahlteilnehmer, die im Ritual stattfinden, werden als rituelle Handlungen oder (rituelle) Performanz verstanden. Sprachlich zeichnet sich diese Studie dadurch aus, dass nicht von „Christen“, sondern von „Christusgläubigen“ die Rede ist, da der Begriff der Christusgläubigkeit sozialgeschichtlich zu begründen ist. Christusgläubigkeit verdeutlicht die Perspektive der Gemeinschaften im 1. Jh. n. Chr. und geht davon aus, dass Menschen sich aufgrund unterschiedlicher sozialer, politischer und religiöser Beweggründe zu Christus, aber nicht zu einer Religion im modernen Sinne zugehörig fühlten. Unter dem Vorbehalt, dass sowohl die Unterscheidung zwischen sozialen, politischen und religiösen gesellschaftlichen Paradigmen als auch die Begriffe „Gesellschaft“, „Politik“ und „Religion“ moderne Kategorien einschließen, werden diese dennoch verwendet. Statt von „sakralen“ oder „sakramentalen Feiern“ zu sprechen, wird sprachlich berücksichtigt, dass im hellenistischen Mahl kein Unterschied zwischen religiösen und nicht-religiösen Anteilen gemacht werden kann. Von daher werden die Begriffe „Gemeinschaftsmahl “ und „Mahlgemeinschaften“, „Mahl“, „gemeinschaftliches Mahl“ und „Mahlfeier“ synonym gebraucht. Die Begriffe „Gemeinschaftsmahl“ und „Mahlgemeinschaften“ schließen ihre Verschiedenheit zu täglichen Mahlzeiten ein und verdeutlichen, dass das gemeinsame festliche Essen nicht täglich, aber doch im alltäglichen Verständnis der Mahlteilnehmer zu verorten ist. Da diese Arbeit im Kapitel VI vor allem von der Übersetzung der relevanten Abschnitte und der exegetischen Untersuchung gekennzeichnet ist, spiegeln sich die Ergebnisse der Übersetzung 4 Zu den religionsgeschichtlichen Grundlagen siehe die einleitenden Kapitel von C OUTSOUMPOS 2005, K LAUCK 1982, K LINGHARDT 1996, K OBEL 2011, K OLLMANN 1990, L IETZMANN 1926, M C G OWAN 1999, S TEIN 2008, W ICK 2003. Voraussetzungen der Untersuchung 21 auch im Sprachgebrauch der Arbeit wider. Begriffe wie „Götze“, „Götzendienst“ oder „Heiden“ bzw. „Nicht-Juden“ werden vermieden; stattdessen werden die Begriffe „andere“ oder „fremde Götter“, „Gottesdienst für andere“ oder „für fremde Götter“ sowie „Menschen aus den Nationen“ verwendet. Um auch in theologischen Bezügen der Perspektive der Gemeinschaften gerecht zu werden, wird die Verwendung von „Abendmahl“, „Kultmahl“ oder „Eucharistie“ vermieden. Vom exegetischen Befund und den sozialgeschichtlichen Kenntnissen ausgehend steht die Bezeichnung „Herrenmahl“ in Analogie zum griechischen Terminus kuriako\n dei pnon. Der Gegenstand der Untersuchung 22 C. Neutestamentliche Mahlforschung Neutestamentliche Studien über antike Mahlgemeinschaften werden vor allem aus liturgiewissenschaftlichen, theologischen und sozialgeschichtlichen Perspektiven verfasst, die selten im Austausch miteinander stehen, da sie einem vermeintlich anderen Ziel dienen. 5 Während liturgiewissenschaftliche Fragestellungen darum bemüht sind, die Gottesdienstformen der Eucharistie theologiegeschichtlich zu verorten, sind theologische und soziologische Studien häufig vergleichende Studien, die nicht selten religionsgeschichtlich arbeiten. Selbstverständlich nehmen liturgiewissenschaftliche, theologische und soziologische Studien auf den Text des Neuen Testaments Bezug und verwenden diesen unter Berücksichtigung verschiedener wissenschaftlicher Methoden. Kulturanthropologische und sozialgeschichtliche, narrative und performative sowie systematische und empirische Methoden sind nur wenige Beispiele aus dem Methodenkanon. In dieser kurzen forschungsgeschichtlichen Darstellung soll die Entwicklung der neutestamentlichen Mahlforschung kurz beschrieben werden. Hans Lietzmann wird häufig als paragdimatischer Vertreter von liturgiewissenschaftlichen Studien betrachtet, 6 da er mit seiner Arbeit Messe und Herrenmahl von 1926 zwei Typen der liturgischen Mahlpraxis voneinander unterscheidet. 7 Er differenziert zwischen einem eschatologischen Mahl (Freudenmahl) und einem Erinnerungsmahl (Totengedächtnismahl), welche sich in der Antike einerseits in das Agapemahl und andererseits in die Eucharistie entwickelten. Nach Lietzmann hat sich das Agapemahl, welches in Jerusalem begann, bis zur östlichen Liturgie des Serapion (Ägypten 4. Jh.) weiterentwickelt. Die sakramentale Eucharistie, die dagegen aus der hellenistisch-paulinischen Tradition stammt, kann auf Hippolyt zurückgeführt werden (Rom 3. Jh.). 8 Abgesehen von den verschiedenen Entstehungsorten unterscheiden sich die beiden Mahlpraktiken in ihrem Verständnis des Sakraments und in ihrer Bewertung der liturgischen Bedeutung von Jesu Worten voneinander. Da das Agapemahl in der täglichen Mahlpraxis verortet war, wurde in ihm auch das tägliche Mahl Jesu mit seinen Jüngern als Ausdruck von Freude und Freundschaft gesehen. Im Gegensatz dazu wurde in der Eucharistie die nachösterliche Tradition unter Beeinflussung der hellenistisch-paulinischen Tradition erinnert. Dabei stand der Tod Jesu und das letzte Mahl mit seinen Jüngern im Zentrum. 9 Dennoch trennt Lietzmann zwischen dem historischen Jesus und 5 Vgl. S TEIN 2008, 4f, der mit dieser Beobachtung seinen Forschungsüberblick beginnt. 6 So auch in S TEIN 2008, 5. Stein zählt zur Liturgiewissenschaft auch K LINGHARDT 1996, M ESSNER 2000, T HEIßEN 2007. 7 L IETZMANN 1926. 8 L IETZMANN 1926, 174-197. 9 L IETZMANN 1926, 249-255. Neutestamentliche Mahlforschung 23 dem Christus, da sich der historische Jesus in seinem letzten Mahl mit seinen Jüngern nicht als Herr des Herrenmahls offenbarte. In Lietzmanns Interpretation war es nicht der historische Jesus, der seinen Jüngern die charakterisierende Identität als spätere Christen gab, sondern Paulus, denn Paulus verband das Essen von Brot und das Trinken von Wein mit dem Tod und der Auferstehung Christi. An dieser Stelle wird deutlich, dass Lietzmann die Jerusalemer Tradition nicht mit dem Segen über Brot und Wein in Verbindung gebracht hat, da „von der Feier der Jerusalemer Urgemeinde keine Brücke zu dem Gleichniswort von Brot und Leib [führt]“. 10 Lietzmanns Argumentation legt folglich nahe, dass es eine offensichtliche Trennung zwischen der jüdischen Tradition in Jerusalem und der hellenistischen Tradition in Rom gegeben haben muss, die dazu führte, dass Juden und „Christen“ sich in ihrer Mahlpraxis unterschieden. Theologen wie Joachim Jeremias, Reginald Fuller, Martin Hengel, Michael Theobald und Gerd Theißen sind nur wenige Autoren, die diese Zwei-Typen- Unterscheidung fortführen. 11 Oscar Cullmann entwickelt diese Zwei- Typen-Unterscheidung ebenfalls weiter, obgleich sein Fokus auf den österlichen Erscheinungsmählern liegt. 12 Aus der Apostelgeschichte (Apg 10,41) leitet Cullmann ab, dass „die ersten Erscheinungen des auferstandenen Christus gerade bei Tische stattgefunden haben“. 13 Anders als bei Lietzmann besteht für Cullmann zwischen dem letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern und den Erscheinungsmählern eine Verbindung, „da die ersten eucharistischen Mahlfeiern der Gemeinde auf diese Ostermahlzeiten zurückblicken“. 14 Paulus hat dann im eucharistischen Mahl den richtigen Akzent gesetzt, indem er an das zukünftige Kommen Christi und die Verknüpfung mit seinem Tod erinnerte. 15 Demzufolge leitet Cullmann eine Diskussion ein, die sich auf „historische“ Forschung bezieht und dennoch die Diskussion der Osterereignisse einbezieht. 16 Eine Studie, die sehr viel mehr an dem religionsgeschichtlichen Hintergrund der frühchristlichen Mahlfeiern interessiert ist, ist Hans-Joseph Klaucks Habilitationsschrift Herrenmahl und Hellenistischer Kult von 1980. 17 Nach seiner sehr ausführlichen Forschungsgeschichte spricht sich Klauck dafür aus, Vergleichsmaterial zum frühchristlichen Mahl systematisch zu 10 L IETZMANN 1926, 253. 11 S TEIN 2008, 6 Anm. 19. Vgl. dazu auch M ARXSEN 1952/ 53, für den der historische Kern nur in Jesu Mahlzeiten mit Jüngern, Zöllnern und Sündern besteht und die theologische Bedeutung erst nachösterlich entfaltet wird. In einer „innergemeindlichen Genese“ hat Marxsen beschrieben, wie das stoffliche Denken des Hellenismus von der Gemeinde am Ende zu der „Realpräsenz des Kyrios in der heiligen Speise“ wurde (K LAUCK 1982, 12f). 12 C ULLMANN 1962. 13 C ULLMANN 1962, 18f. 14 C ULLMANN 1962, 18. 15 C ULLMANN 1962, 21. 16 Siehe dazu K LAUCK 1982, 12. 17 K LAUCK 1982. Der Gegenstand der Untersuchung 24 erfassen. In diesem Sinne werden besonders jüdische Analogien nicht mehr konkurrierend zu hellenistischen Kultmählern verstanden. 18 So erarbeitet Klauck eine synthetische Interpretation des frühchristlichen Mahls und beschreibt den Entstehungsprozess in 20 zusammenfassenden Punkten. 19 Er spannt den Bogen vom Abschiedsmahl Jesu mit seinen Jüngern bis zu der Vorstellung von Joh 6,52-58 und beschreibt eine fortschreitende Isolierung von Brot und Wein zur Stilisierung zu einem bloßen Kultakt. 20 Da Analogien zu anderen Mahltypen schwierig sind, bezieht er sich auf Kommunionsopfer und Theophagie, da dort eine enge Mahlgemeinschaft zwischen Mensch und Gott angestrebt wird und die Theophagie damit rechnet, dass der Kultgott sich in der Mahlmaterie verkörpert und in denjenigen eingeht, der davon isst. 21 Klauck unterscheidet verschiedene Mahlformen voneinander und fragt grundsätzlich bei der Unterscheidung zwischen Bündnis-, Bundes-, Toten-, Mysterienmahl und dem täglichen Mahl nach der Relevanz von Sättigung und der äußeren Gestalt des Mahls. Das Herrenmahl beinhaltet nach Klauck die äußere Gestalt vom Vereinsmahl und dem Totengedächtnismahl und integriert tragende Elemente aus dem Mysterienmahl. 22 Religionsgeschichtlich ist für Klauck der hellenistische Einfluss auf das Judentum im 3. Jh. v. Chr. entscheidend, da im hellenistischen Diasporajudentum der Vereinscharakter adaptiert wurde und diesem weitere jüdische Modelle zugrunde liegen. 23 Daher war, nach Klauck, auch Jesu Abschiedsmahl ein jüdisches Festmahl, das der Mahlpraxis der „irdischen“, also der nicht-kultischen Mahlpraxis im Freundeskreis und der Familie entsprach. 24 Erst nachösterlich wurde in Korinth ein starker Sakramentsrealismus ausgebildet, der von der Teilnahme der „Christen“ an hellenistischen Mählern nicht unabhängig war. 25 Auf Paulus führt Klauck eine Ausformulierung des Sakramentsbegriffes zurück, da dieser die Rede von pneumatischer Speise und pneumatischem Trank und von der Trennung von Sättigungsmahl und reinem Kultakt initiierte. 26 In diesem Sinne sind die vier Wesensmerkmale des Herrenmahles die prinzipale Personalpräsenz, da der ku/ rioß personal zugegen ist, die kommemorative Aktualpräsenz, da das Geschehen im erinnerten Rückblick gegenwärtig wird, die proleptische Finalpräsenz, da das Mahl eine eschatologische Ausrichtung besitzt, und die somatische Realpräsenz, da der Leib und das Blut 18 K LAUCK 1982, 29. 19 K LAUCK 1982, 365-374. Klaucks abschließende Zusammenfassung geht vom 1Kor aus, betrachtet dann im phänomenologischen Vergleich die unterschiedlichen Mahltypen, diskutiert Abhängigkeiten und Einflussmöglichkeiten und schließt mit einem systematisch orientierten Ausblick. 20 K LAUCK 1982, 365. 21 K LAUCK 1982, 366. 22 K LAUCK 1982, 368. 23 K LAUCK 1982, 369. 24 K LAUCK 1982, 370. 25 K LAUCK 1982, 371. 26 K LAUCK 1982, 371f. Neutestamentliche Mahlforschung 25 in Brot und Wein gegenwärtig sind und die anderen Seinsweisen sowie die Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft umspannen. 27 Obgleich Klauck religionsgeschichtliche Einflüsse auf die Mahlpraxis der frühen christlichen Gemeinschaften einräumt und hierin keine definitive Trennung zwischen Christentum und Judentum vornimmt, verbleibt die Trennung zwischen sog. vor- und nachösterlichen Bedeutungszusammenhängen, die mit der Trennung von Kultakt und Mahlzeit identisch ist. Paulus wird so zum Religionsstifter, der den Gemeinschaften trotz des hellenistischen Pluralismus zu einer christlichen Identität verholfen hat. Vergleichbar mit Klauck konstruiert Bruce Chilton in seiner Studie A Feast of Meanings: Eucharistic Theologies from Jesus through Johannine Circles eine sechsstufige Entwicklung vom historischen Jesus bis zur johanneischen Gemeinschaft. 28 Jesus, der zwar noch in Relation zum Königreich Gottes das Mahl mit seinen Jüngern feierte, hat dennoch im Mahl eine substantielle Kritik am Tempel verortet, um den jüdischen Kult zu ersetzen. Nachösterlich wurde diese Form der Kritik von Petrus weitergeführt. In diesem Mahl war es auch den Menschen aus den Nationen erlaubt, am Mahl teilzunehmen. Die Jünger des Jakobus haben dagegen das Passamahl gefeiert und keine Menschen aus den Nationen zum Mahl zugelassen. Die Trennung zwischen jüdischen und christlichen Praktiken ist für Chilton folglich auch zwischen Paulus und den Synoptikern sowie der johanneischen Gemeinschaft zu erkennen. Während Paulus und die Synoptiker das Mahl auf die Erlösung und den Verrat bezogen, wurde in der johanneischen Gemeinschaft das Brot und das Blut auf den Körper und das Blut Christi bezogen, so dass diesem ein übernatürliches Wesen zugeschrieben wurde. 29 Abgesehen von den theologischen und religionswissenschaftlichen Hypothesen, die Chilton mit seinem Ansatz realisiert, unterstützt er die Annahme, dass eine definitive Trennung zwischen Judentum und Christentum im Neuen Testament zu erkennen ist. Die Texte für eine derartige Rekonstruktion gegeneinander auszuspielen, entspricht weder dem kulturellen Kontext noch der Pluralität der Texte selbst. Auch Interpretationen, welche die Vielfalt der frühen christlichen Mahlfeiern einschließen, sind nicht frei von einer Trennung zwischen vor- und nachösterlichen Mahlpraktiken. Bernd Kollmann wiederholt diese Unterscheidung in seiner Dissertation Ursprung und Gestalten der frühchristlichen Mahlfeiern, in der er die Anfänge der christlichen Mahlpraxis auf den historischen Jesus bezieht, dessen Handlungen nachösterlich, durch hellenistische Kultmahlzeiten und Mysterienkulte, in Einsetzungsworte umformuliert wurden. 30 Die Vielfalt, die Kollmann einräumt, bezieht sich darauf, dass alle frühchristlichen Mahlfeiern als religiös qualifizierte Kultmähler 27 K LAUCK 1982, 373f. 28 C HILTON 1994. 29 C HILTON 1994, 146-158. 30 K OLLMANN 1990, 252. Der Gegenstand der Untersuchung 26 begriffen werden. Hier kann nicht im Detail auf seine Unterscheidung zwischen einer pneumatisch orientierten Mahlfeier und zwei christologischen Mahlfeiern eingegangen werden. Es soll an dieser Stelle genügen, dass sich Kollmann inhaltlich nur auf religiöse Aspekte des christlichen Mahls bezieht und keine Kontextualisierung in einer alltäglichen Praxis vornimmt. Grundsätzlich ist Kollmann, zusammen mit Klauck und Chilton, in seinem Bemühen, einen christlichen Ursprung und eine Trennung zwischen Judentum und Christentum im 1. Jh. n. Chr. zu identifizieren, zu kritisieren. Selbst wenn sich die Differenzierung auf innerchristliche Gemeinschaften bezieht, berücksichtigen diese Studien nicht, dass im 1. Jh. n. Chr. nicht innerchristlich und schon gar nicht zwischen jüdischen und christlichen Praktiken definitive Unterscheidungen möglich waren. Selbst wenn der Textbestand dazu verleitet, lediglich Unterschiede und Differenzen wahrzunehmen, ist es verfehlt, diese allein auf religiöse Zusammenhänge zu beziehen. Vielmehr handelt es sich um relationale Unterschiede zum entsprechenden Kontext. Zudem ist davon abzusehen, die Unterschiede und Differenzen auf ein singuläres Ereignis (Ostern) zu beziehen, da dies theologische Entscheidungen der späteren Kirchengeschichte widerspiegelt. Es ist darüber hinaus verfehlt, den hellenistischen Einfluss nur für die frühen christlichen Gemeinschaften anzunehmen und somit eine kulturelle, soziale, politische und religiöse Trennung zu implizieren. Matthias Klinghardt hat die Fragestellung bezüglich der ersten christlichen Mahlfeiern mit seiner Studie Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft: Soziologie und Liturgie frühchristlicher Mahlfeiern deutlich verändert. Er verortet Mahlfeiern generell im Vereinswesen und differenziert in diesem Privat- und Vereinsmähler. 31 Klinghardt führt wertvolle Grundlagenforschung durch, indem er in einer ersten phänomenologischen Orientierung die äußere Gestalt von Mahlfeiern betrachtet, um in einem weiteren Schritt aufzuzeigen, dass die hellenistischen Gemeinschaftsmähler den Hintergrund zur Deutung frühchristlicher Mähler bilden. Klinghardt bricht mit dieser Forschungsarbeit mit Vorurteilen gegenüber einer „historisierenden Relativierung“ und vermeidet es, eine Dichotomie zwischen hellenistischpaganem „Fremdeinfluss“ und jüdischen Analogien auszusprechen. 32 Ausgehend von den „sozialgeschichtlichen Nachrichten“ über hellenistische Gemeinschaftsmähler erarbeitet er die Frage der Organisation und des Selbstverständnisses frühchristlicher Gemeinden. 33 In diesem Zusammenhang betrachtet er auch jüdische Gemeinschaftsmähler, welche vor allem für die Verknüpfung zwischen Mahl und synagogalem „Gottesdienst“ 31 Siehe H ARLAND 2003 sowie A SCOUGH 1993, A SCOUGH 1998, A SCOUGH und C ANADI- AN C ORPORATION FOR S TUDIES IN R ELIGION 2005. Vgl. auch E BEL 2004 zum antiken Vereinswesen. Eine ausführliche Untersuchung zu der Geschichte des griechischen Vereinslebens mit detailliertem Quellenstudium findet sich bei P OLAND 1909. 32 K LINGHARDT 1996, 11. 33 K LINGHARDT 1996, 12f. Neutestamentliche Mahlforschung 27 herangezogen werden. Bei Klinghardt handelt es sich folglich um eine sozial- und liturgiewissenschaftliche Arbeit, welche die vorangehende Forschung in vielen Punkten kritisiert. So sind es vor allem die Verortung im alltäglichen Vereinsleben und die sozialgeschichtlichen Bezüge der hellenistischen Kultur, die den vorangehenden Studien widersprechen. Klinghardts Grundlage, dass sich hellenistisch-pagane und jüdische Gemeinschaftsmähler nicht voneinander unterscheiden, widerspricht der Auffassung, dass die frühchristlichen Mähler innerhalb ihrer Kultur unverwechselbare Charakteristika aufwiesen. In diesen Zusammenhang fällt auch die Kritik an Ansätzen, die davon ausgehen, dass der historische Jesus oder Paulus die jüdischen bzw. hellenistisch-paganen Mahlpraktiken theologisch qualifiziert hätten. In welcher Weise das Selbstverständnis frühchristlicher Gemeinschaften über die Wahl der Speisen beeinflusst wird, beschreibt Andrew McGowan in seiner Studie Ascetic Eucharists: Food and Drink in early Christian ritual Meals. 34 McGowan widmet sich der Bedeutung der einzelnen Speisen und betont, dass die Wahl der Speisen Ausdruck von Machtdiskursen ist. Darüber hinaus verortet er die Auswahl und den Verzehr der Speisen in rituellen Handlungen. Seine Diskussion über eine Wasser-Brot-Tradition wird in der Besprechung von Philos Therapeuten eine wichtige Rolle spielen. An dieser Stelle soll der Hinweis genügen, dass sich McGowan sehr ausführlich mit der Vielfältigkeit antiker Mahlpraktiken auseinandergesetzt hat. Von besonderem sozialgeschichtlichem Interesse ist, dass sich asketische Traditionen vor dem Hintergrund einer Kritik an Gast- oder Vereinsmählern lesen lassen. Es ist nicht zu unterschätzen, dass diese Kritik nicht nur gegenüber der genannten kulturellen Praxis verübt wurde, sondern dass sie vor allem gegenüber den sozialen, politischen und religiösen Werten ausgesprochen wurde. Sozialgeschichtlich, aber dezidiert auf die antike jüdische Kultur bezogen, ist Peter Wicks Studie Die urchristlichen Gottesdienste: Entstehung und Entwicklung im Rahmen der frühjüdischen Tempel-, Synagogen- und Hausfrömmigkeit. 35 Wie der Titel schon sagt, verortet Wick das frühchristliche Mahl innerhalb der jüdischen Hausfrömmigkeit. Damit bietet Wick eine alternative Verortung des Gemeinschaftsmahls zu den Privat- oder Vereinsmählern an. Wicks These, dass sich mit den Mahlgemeinschaften im familiären Kontext ein unkultischer Ort entwickelt hat, ist interessant, wird aber von Studien, die Lebensmitteln generell eine Verbindung zum Kult unterstellen, infrage gestellt. Es wird am Einzelfall zu prüfen sein, ob Paulus für die Gemeinschaften in der Diaspora eine generelle Unabhängigkeit von jeglichen Kultpraktiken annehmen konnte. Wicks Studie bereichert die Forschung zu frühchristlichen Mahlgemeinschaften in jedem Fall um die jüdische Perspektive, doch sollte grundsätzlich gefragt werden, ob der Fokus 34 M C G OWAN 1999. 35 W ICK 2003. Der Gegenstand der Untersuchung 28 auf eine religiöse Identität (frühjüdische Frömmigkeit) für die frühchristlichen Gemeinschaften adäquat ist. Die Vielfältigkeit, die das Gemeinschaftsmahl an sozialen, politischen und religiösen Bezügen aufweisen kann, reflektiert Dennis Edwin Smith in seiner Studie From Symposium to Eucharist: The Banquet in the early Christian World. 36 Indem Smith die unterschiedlichen Formen der antiken Mahlgemeinschaften unter dem kulturellen Begriff der Bankett-Tradition zusammenfasst, gelingt es ihm, scheinbar divergierende Interpretationen wieder miteinander ins Gespräch zu bringen. Smith spricht nicht mehr ausschließlich von sozial, politisch oder religiös motivierten Mahlgemeinschaften, da er alle Formen des Gemeinschaftsmahls einer gemeinsamen Tradition unterordnet. Davon ausgehend definiert er die Charakteristika einzelner Gemeinschaftsmähler. Er unterscheidet zwischen dem allgemeinen hellenistisch-römischen Bankett, dem philosophischen Bankett, dem Opferbankett, dem Clubbankett und dem jüdischen Bankett. In diesem Rahmen führt er die Diskussion über den Ort der Mahlgemeinschaften und unterscheidet zwischen den sozialen, politischen und religiösen Besonderheiten. Dennoch steht für Smith fest, dass alle Gemeinschaften die hellenistische Mahlpraxis ausübten und sich nur durch bewusst inszenierte Charakteristika voneinander unterschieden. 37 In einem weiteren Teil seiner Studie bespricht Smith die Bankette der paulinischen Gemeinschaften und der Evangelien und stellt heraus, dass die beschriebenen Mahlgemeinschaften und die Auseinandersetzungen über diese auf eine gemeinsame Tradition zurückgreifen. 38 Durch die präzise sozialgeschichtliche Analyse gelingt es Smith, den kulturellen Hintergrund zu den biblischen Abschnitten zu ergänzen und in seinem letzten Kapitel die Verbindung zwischen christlicher Theologie und den Banketten zu diskutieren. Hierin verdeutlicht er erneut, dass die christlichen Wurzeln nicht bei einer einzelnen Person oder einer einzelnen kulturellen Praxis lagen. Vielmehr bestätigt sich für Smith in einer frühen christlichen Theologie die soziale, politische und religiöse Pluralität der christlichen Gemeinschaften. 39 Die Fähigkeit frühchristlicher Gruppen, neue soziale Beziehungen zueinander aufzubauen, sich von anderen Gemeinschaften zu unterscheiden und gleichzeitig eine Gemeinschaft von „Gleichen“ zu sein, bezieht er auf die Praktizierung des hellenistischen Mahls. 40 In diesem Zusammenhang versteht Smith auch die Ausübung einer sozialen Ethik und anderer sozialer Werte, die sich vor allem 36 S MITH 2003. 37 S MITH 2003, 150. 38 Speziell auf die Situation in Korinth bezieht sich C OUTSOUMPOS 2005. Er arbeitet vor allem mit soziologischen Fragestellungen vor dem Hintergrund der weit verbreiteten hellenistischen Mahlpraxis. Hierin verortet er 1Kor 11,17-26 und stellt heraus, dass Paulus die gemeinsame kulturelle Praxis nutzt, um die eschatologischen Bezüge zum Tod und zur Auferstehung Jesu Christi zu verorten. 39 S MITH 2003, 279. 40 S MITH 2003, 282f. Neutestamentliche Mahlforschung 29 aufgrund des Verhaltens während eines idealisierten Gemeinschaftsmahls entwickelten. 41 Hal Taussig führt die Studien von Klinghardt und Smith in beachtlicher Weise fort, indem er genauer fragt, wie die Gemeinschaften im hellenistischen Mahl ihr Selbstverständnis entwickelten. Seine Studie In the Beginning was the Meal: Social Experimentation and early Christian Identity befasst sich mit der These, dass sich dieses Selbstverständnis über eine Form des sozialen Experimentierens in den Gemeinschaften etablierte. 42 Taussig setzt die sozialgeschichtlichen Untersuchungen über den Verlauf und die Form von Klinghardt und Smith voraus, öffnet aber den Blick auf die dahinterliegenden Strukturen der Identitätsentwicklungen. Mit Hilfe von Ritualtheorien etabliert er ein methodisches Referenzsystem, in welchem deutlich wird, dass die frühchristliche Identität kein Produkt esoterischer Wunschvorstellungen oder kultischer Übertreibung war. 43 Ferner handelte es sich um eine Form der Identität, die aus einer sozialen Praxis heraus entstand. 44 An Taussigs These des sozialen Experimentierens ist zentral, dass das hellenistische Mahl keine abgeschlossenen Identitäten schuf, sondern durch die relativ einheitliche Form einen stabilen kulturellen Ort für Abweichungen und Veränderungen sozialer, politischer oder religiöser Normen darstellte. 45 Obgleich Taussig nicht mit Studien zur Performanz arbeitet, stellt er heraus, dass die Performanz einer veränderten Identität ein wichtiges Merkmal der frühchristlichen Gemeinschaften war. 46 Der Rahmen des hellenistischen Mahls gab den Teilnehmern den entsprechenden Raum dafür. Taussig fasst in seiner Studie viele Ergebnisse von Klinghardt und Smith zusammen und diskutiert die Formen der frühen christlichen Identität in den unterschiedlichen sozialen, politischen und religiösen Lebensbereichen der Teilnehmer. Taussigs Überlegungen gehen weit über das bisher Behandelte hinaus und verorten die sozialgeschichtlichen Fragen zum hellenistischen Mahl bei den Untersuchungen zu den Anfängen des Christentums. Und doch fehlt es seiner Arbeit an exegetischen Fragestellungen, die über die sozialgeschichtlichen Grundlagen hinaus eine Form des Experimentierens und der Entwicklung widerspiegeln könnten. Taussig setzt in dieser Studie zwar voraus, dass das hellenistische Mahl den Texten des Neuen Testaments zugrunde liegt, doch er verortet die Charakteristika des Mahls nicht exegetisch am Text. Seine methodische 41 S MITH 2003, 283. 42 T AUSSIG 2009. 43 T AUSSIG 2009, 56. 44 T AUSSIG 2009, 181; siehe dazu auch E BNER und L EINHÄUPL -W ILKE 2007. In diesem Sammelband finden sich vor allem Aufsätze, die sich mit den Identitätskonstruktionen des Gemeinschaftsmahls befassen. Allerdings handelt es sich vielfach um eine Rekonstruktion dessen, was das „Christentum“ im Kern ausmacht, um anhand der antiken Differenzen heutige interkonfessionelle Unterschiede konstruktiv zu verorten. 45 T AUSSIG 2009, 183. 46 T AUSSIG 2009, 191. Der Gegenstand der Untersuchung 30 Herangehensweise über verschiedene Ritualtheorien ist demzufolge auch nicht über exegetische Beobachtungen mit den sozialgeschichtlichen Studien verbunden. Das hat zur Folge, dass Taussig zwar antike Identifikationsangebote charakterisiert, aber nicht hinterfragt, in welcher Weise die Mahlteilnehmer dazu befähigt waren, diese Angebote wahrzunehmen. Vergleichbar verfährt auch Richard DeMaris in seiner Studie The New Testament in its ritual World. 47 In seiner Arbeit dokumentiert er anhand von Eingangsbzw. Ausgangsriten, dass in der Umwelt der Entstehung der neutestamentlichen Texte viele rituelle Praktiken vollzogen wurden, die für die Identität einer Gemeinschaft zuträglich waren. DeMaris geht infolge dieser Beobachtungen auch davon aus, dass die Texte und die Rituale miteinander verknüpft sind und einander gegenseitig beeinflusst haben. 48 Die Mahlgemeinschaft gehört nicht zu den Ritualen, die DeMaris im Detail betrachtet, und doch gibt er zu verstehen, dass hier Werte der Solidarität und Gemeinschaft bestimmt wurden. 49 DeMaris gelingt es mit seinem Ansatz, Rituale als Teil des kulturellen Verständnisses der Antike zu beschreiben, welche nicht nur das soziale Verhalten der Gemeinschaften, sondern auch ihr Bedürfnis nach entsprechender Architektur und Literatur beeinflussten. Er stellt sehr überzeugend fest, dass archäologische und literarische Zeugnisse miteinander in Verbindung stehen und über die rituellen Vollzüge Auskunft geben. Dennoch fehlt es der Studie an exegetischer Tiefe, da mit der Betrachtung von Eingangs- und Ausgangsriten sehr viel Aufmerksamkeit in deren kulturelle Verortung investiert wird. Die kulturelle Verortung anhand der Gestalt und Bedeutung frühchristlicher Mahlfeiern zu betrachten, ist auch das Ziel von Hans Joachim Stein. Seine Dissertation mit dem Titel Frühchristliche Mahlfeiern: Ihre Gestalt und Bedeutung nach der neutestamentlichen Briefliteratur und der Johannesoffenbarung bezieht sich nicht nur auf die Vielfalt in der Deutung der Mahlfeiern, sondern auch auf die vielfältige Gestaltung derselben. 50 Er berücksichtigt, dass lineare Herleitungen vom historischen Jesus zu den frühchristlichen Mahlgemeinschaften wenig gewinnbringend für die sozio-historische Forschung waren und bemüht sich daher, die Mahlgemeinschaften anhand ihrer jüdischen und nichtjüdischen Pendants zu besprechen. Dies führt er bis zur Beschreibung des „unverwechselbaren Profils“ frühchristlicher Gemeinschaften fort. 51 Methodisch ist es ihm ein Anliegen, dass es zu einer Vernetzung theologischer und soziologischer Erkenntnisse kommt. 52 Dieses Anliegen ist sicherlich gerade in der deutschsprachigen Diskussion ein sehr wichtiges und zeichnet Steins Arbeit aus. In diesem Sinne gelangt er 47 D E M ARIS 2008. 48 D E M ARIS 2008, 5f. Hier bezieht sich DeMaris auf S TRECKER 1999. 49 D E M ARIS 2008, 29. 50 S TEIN 2008, 19. 51 S TEIN 2008, 20; siehe dazu auch S CHRÖTER 2006, der an der Unverwechselbarkeit christlicher Mahlfeiern festhält. 52 S TEIN 2008, 20. Neutestamentliche Mahlforschung 31 zu dem Ergebnis, dass die äußere Gestalt der Mahlfeier Spiegel des Selbstverständnisses der feiernden Mahlgemeinschaft ist. 53 Stein weist dieses Selbstverständnis detailliert anhand der Mahlorganisation, dem Verlauf und der inhaltlichen Gestaltung nach. Obgleich es sinnvoll ist, die linearen Herleitungen der christlichen Eucharistiefeiern nicht mehr fortzuführen, beginnt Stein mit einer nachösterlichen Betrachtung der Gemeinschaftsmähler, mit der er dem sozialgeschichtlichen Befund einer kulturellen Bedeutung der Mahlgemeinschaften nicht gerecht wird. Implizit setzt er dementsprechend die Trennung zwischen vor- und nachösterlichen Praktiken erneut voraus und es wird zu fragen sein, ob es unter sozialgeschichtlichen Bedingungen gerechtfertigt ist, eine Trennung zwischen vor- und nachösterlichen Ritualen zu postulieren. Auch an der Interaktion zwischen Theologie und Praxis, vor allem aber an den Evangelien orientiert ist Peter-Ben Smits Studie Fellowship and Food in the Kingdom. 54 Smit untersucht vor allem die eschatologischen Mahlszenen im Neuen Testament und verortet sie im sozialgeschichtlichen Geschehen. Hierbei beachtet er die (literarische) Historizität ebenso wie das theologische Profil der Erzählungen. Die kulinarische Fülle und die Beschreibung der utopischen Hoffnungen früher christlicher Gemeinschaften bilden für Smit wichtige Anhaltspunkte. Für Smit gestaltet Paulus die Negativfolie zu den Evangelien, da er gleichwohl theologische Implikationen mit dem Mahlgeschehen verbindet, aber der Reichhaltigkeit des Essens an vielen Stellen skeptisch gegenüber steht. 55 Damit gibt Smits Studie folglich wichtige Hinweise zu den paulinischen Texten. Weniger sozio-historisch als biblisch ist die Dissertation von Valeriy Alikin. Seine Studie mit dem Titel The earliest History of the Christian Gathering: Origin, Development, and Content of the Christian Gathering in the first to third Centuries erörtert vor allem anhand eines jüdisch-christlichen Differenzschemas die Entwicklung christlicher Mahlgemeinschaften. 56 Obgleich er sich an Klinghardts Typologie orientiert und eine kulturelle Mahlpraxis voraussetzt, identifiziert er genuin christliche Eigenschaften des Mahls. Dafür beschäftigt er sich detailliert mit dem Lesen von Schriften während des Mahls, den „Predigten“ und dem Singen und Beten. Leider führen seine Untersuchungen nicht zu einer Betrachtung der hellenistischen Vielfalt jüdischer bzw. frühchristlicher Gemeinschaften, sondern zu einer postulierten Differenz zwischen solchen. 57 Diese kurze Beschreibung der Forschungsgeschichte zu den frühen christlichen Mahlgemeinschaften konnte zeigen, dass viele Studien, die eine Synergie zwischen unterschiedlichen Methoden anstreben, um der 53 S TEIN 2008, 328. 54 S MIT 2008. Die Studie Fellowship and Food in the Kingdom wurde 2005 als Dissertation an der Universität Bern unter dem Titel Fellowship and Food in Paradise angenommen. 55 S TEIN 2008, 19 Anm. 141 und 33. 56 A LIKIN 2009. 57 A LIKIN 2009, 175. Der Gegenstand der Untersuchung 32 kulturellen Vielfalt der Umwelt des Neuen Testaments gerecht zu werden, von der Sonderstellung der christlichen Gemeinschaften ebenso wenig Abstand nehmen konnten wie Interpreten der Zwei-Typen-Klassifizierung. Andere Studien, wie die von Klinghardt, Smith und Taussig, unterliegen durch ihren deutlich sozialgeschichtlichen Ansatz nicht dieser „Notwendigkeit“. Doch sie beschränken sich in ihren exegetischen Ausführungen auf ein Minimum. Grundelemente des hellenistischen Mahls 33 D. Grundelemente des hellenistischen Mahls Das Besondere am hellenistischen Mahl im 1. Jh. n. Chr. ist, dass es in diversen Bevölkerungsschichten im Mittelmeerraum praktiziert wurde. 58 Es stellte für Arme, Reiche, die Elite, Kaufleute und Arbeiter eine Möglichkeit dar, sich miteinander zu treffen. So ist anzunehmen, dass sich auch die ersten christusgläubigen Gemeinschaften in diesem Rahmen trafen und sich beim gemeinsamen Essen unterwiesen, die Briefe der Apostel lasen und gemeinsam sangen und spielten. 59 Daher ging es bei dem Mahl und der gemeinsamen Teilnahme um weit mehr als nur um das Essen bzw. die Sättigung. Teil einer Mahlgemeinschaft zu sein, bedeutete, regelmäßig an einem gemeinsamen Mahl teilzunehmen, so dass der Alltag und die sozialen, politischen und religiösen Beziehungen von den Themen des Mahls beeinflusst wurden. 60 Wie in dieser sozialgeschichtlichen Darstellung gezeigt werden kann, waren die Gemeinschaftsmähler aufgeladen mit Sinngehalt und erlaubten soziale, politische und religiöse Identifikation, Interaktion und Partizipation. Die Grundlage des hellenistischen Mahls bilden mindestens fünf Charakteristika, die in jedem hellenistischen Mahl identifiziert werden können: Die Sitzordnung, die es vorsah, dass mehr oder weniger alle Mahlteilnehmer sich zum Mahl auf Kissen oder Sofas legten, um so am Abend mehrere Stunden zusammen zu essen und zu trinken. Die Reihenfolge von Deipnon und Symposion, wobei während des Deipnon gegessen wurde, das Symposion dagegen dem Trinken, den Gesprächen und/ oder Vorführungen vorbehalten war. Eine zeremonielle Libation (vorwiegend mit Wein), die den Übergang zwischen Deipnon und Symposion markierte. Die Leitung durch einen „Präsidenten“ (Symposiarchen), der nicht immer derselbe Mahlteilnehmer war und dessen Rolle Wechseln und Diskussionen unterlegen war. Eine Vielzahl von Begleitpersonen (Diener, nicht eingeladene Gäste, Künstler und Hunde). 61 Obgleich es Unterschiede hinsichtlich der Speisen oder des Mahlverlaufs zwischen den einzelnen religiösen Gemeinschaften gab, besteht bezüglich 58 T AUSSIG 2009, 2. Zum kulturellen Kontext siehe auch die Studien von M URRAY 1990, S LATER 1991, S TEIN -H ÖLKESKAMP 2005. 59 T AUSSIG 2009, 36: „Again here there is little dispute in scholarship that the writings of the first hundred years were read primarily at the meals of these communities.“ 60 T AUSSIG 2009, 23. Zur Allgegenwart des Gastmahls siehe auch S TEIN -H ÖLKESKAMP 2005, 25-28. Stein-Hölkeskamp beschreibt, dass die römischen convivia der rituellen Selbstvergewisserung und der sinnstiftenden Transzendierung dienten (28). 61 T AUSSIG 2009, 68f. Zu den Aufgaben von Hunden in der Antike siehe u.a. B REWER , C LARK und P HILLIPS 2001. Der Gegenstand der Untersuchung 34 dieser fünf Charakteristika kein Unterschied zwischen hellenistischpaganen und jüdischen Gemeinschaftsmählern. 62 Abgesehen von dieser Dichotomie ist es auch nicht sinnvoll, zwischen privaten und nichtprivaten Gemeinschaftsmählern zu unterscheiden, 63 da sowohl die Gemeinschaft als auch das Mahl einen semiprivaten Status innerhalb der Gesellschaft einnahmen. 64 Klinghardt hat mit seiner Studie den Beitrag geleistet, das Mahl nicht mehr über Differenzkriterien zu definieren, sondern über seine Wertvermittlung. So identifiziert er, dass im hellenistischen Mahl die drei Werte koinwni÷a, i˙sonomi÷a bzw. fili÷a und ca¿riß ausgedrückt werden. 65 Für Klinghardt und Taussig verkörpert koinwni÷a die sozialen Werte einer Gemeinschaft, die sich über die Zusammensetzung der Speisen, die Sitzordnung und das Teilen der Leitung, der Kosten und des Mahls selbst ausdrücken. 66 Was die Werte der Freundschaft (fili÷a) und der Gleichheit (i˙sonomi÷a) betrifft, so war es im hellenistischen Mahl möglich, diese abzubilden, obgleich sie außerhalb der Gemeinschaft mit Konflikten über sozialen Status oder Ehre und Prestige verbunden waren. 67 Großzügigkeit (ca¿riß) impliziert dagegen hauptsächlich Eigenschaften, die direkt mit dem Mahl verbunden sind. Dazu gehören Festlichkeit und Freude (qa¿leia, eujfrosu/ nh), Besonnenheit (swfrosu/ nh), die Ordnung des Guten (eujko/ smia, ko/ smoß) sowie Friede (ei˙rh/ nh) und Reichtum (plouvtoß). 68 Darüber hinaus stand das Mahl für eine Gesellschaft, die alles Nötige hatte und alle Bedürfnisse der Teilnehmer befriedigte. 69 Es verkörperte aber nicht nur das Nötigste einer Gesellschaft, sondern auch das Beste, da es gleichzeitig das Potential besaß, soziale, politische und religiöse Grenzen zu überschreiten und eine soziale Ordnung aufzubauen, die für die jeweilige Mahlgemeinschaft spezifisch war. 70 Diese soziale Ordnung musste keinesfalls mit der sozialen Ordnung außerhalb der Mahlgemeinschaft übereinstimmen. Von daher wird mit dem hellenistischen Mahl auch das Potential verbunden, soziale Strukturen aufzuzeigen, mitunter umstrittene 62 K LINGHARDT 1996, 24-25. 63 K LINGHARDT 1996, 24-25. 64 T AUSSIG 2009, 35. Zum semiprivaten Status siehe folgende Besprechung der Teilnehmer des hellenistischen Mahls. 65 K LINGHARDT 1996, 153-173. 66 T AUSSIG 2009, 27. Für Taussig und Klinghardt gewinnt das hellenistische Mahl mit dem schwindenden Einfluss der klassischen griechischen Kultur umso mehr an Bedeutung, da sich im Mahl die Hoffnungen auf eine hellenistische Gemeinschaft bündeln. 67 T AUSSIG 2009, 27f. 68 T AUSSIG 2009, 28 zitiert K LINGHARDT 1996, 173. Zu ca¿riß siehe auch K LINGHARDT 2004. Klinghardt illustriert hier den ästhetischen Aspekt der Wortbedeutung und weist darauf hin, dass der Tanz der Chariten die Teilhabe an Tugenden und dem Guten gewährleistet. K LINGHARDT 2004, 30f. 69 T AUSSIG 2009, 28. 70 S MITH 2003, 11. Grundelemente des hellenistischen Mahls 35 Beziehungen einzugehen bzw. zu unterbinden und die schwierige Aufgabe anzunehmen, eine Gleichheit unter Gleichen herzustellen. 71 Aus diesen Zusammenhängen entnimmt Taussig, dass das Gemeinschaftsmahl neue soziale Alternativen erleben ließ, so dass die Teilnehmer das Gefühl hatten, selbst Teil einer neuen sozialen Ordnung zu sein. Sowohl als Gruppe als auch als Individuum erlebten die Teilnehmer das Leben in einer anderen Welt, so dass Imagination und Transformation des Teilnehmers, der Gruppe und der Makrogesellschaft gleichzeitig stattfanden. So erhielt das Mahl religiöse Qualitäten und regte zu sozialen Experimenten an. 72 Inwieweit dies sozialgeschichtlich und exegetisch nachvollziehbar ist, werden die späteren Kapitel zeigen. Wichtig ist an dieser Stelle, die Charakteristika des hellenistischen Mahls zu betrachten, um deren Variabilität in den unterschiedlichen Kontexten anzumerken. Die fünf Charakteristika, die Taussig mit Smith und Klinghardt angeführt hat, sind sinnvoll, um ein allgemeines Verständnis des Mahlgeschehens zu bekommen. Für die detaillierte ritualtheoretische Analyse müssen die Kategorien allerdings an einigen Stellen erweitert bzw. näher bestimmt werden, so dass sie mit ritualtheoretischen Begriffen zu untersuchen sind. Es ist vorerst sinnvoll, über die Teilnehmer und ihren Zugang zum Mahl zu sprechen. Im Anschluss wird die Sitzordnung beschrieben, die eine bestimmte Identitätsausübung begünstigt. Erst dann werden das mögliche Verhalten und der Verlauf des hellenistischen Mahls dargestellt. 1. Teilnehmer Nach den Teilnehmern an dem Gemeinschaftsmahl zu fragen, gestaltet sich in vielerlei Hinsicht schwieriger, als es auf den ersten Blick scheint. Selbstverständlich ist lediglich, dass sich die Teilnehmer als eine Gruppe zusammenfanden und sich über ihre Partizipation individuelle und gesellschaftliche Bedingungen des Mahls ausbildeten. Die Diskussion der paulinischen Briefe wird ausreichend auf die Fragen der religiösen, sozialen und politischen Zugehörigkeit eingehen. An dieser Stelle soll geklärt werden, welche gesellschaftliche Voraussetzung dem Menschen den Zugang zur Teilnahme am hellenistischen Mahl ermöglichte. Taussig charakterisiert als gesellschaftliche Voraussetzung vor allem die Hellenisierung des Römischen Reiches, die er dafür verantwortlich macht, dass sich das hellenistische Mahl als kulturelle Performanz etablieren konnte. „First, the Roman empire undertook successfully to spread ‘Greek’ culture throughout the entire Mediterranean. Secondly, what was most likely an almost 71 T AUSSIG 2009, 31 bezieht sich auf die Studie von S MITH 2003. 72 T AUSSIG 2009, 54. Der Gegenstand der Untersuchung 36 exclusively upper class meal phenomenon in classical Greece spread substantially during the Hellenistic era to non-elite classes.“ 73 Dementsprechend arbeiten Klinghardt und Smith ausführlich heraus, dass die Gründung von Vereinen dazu führte, dass das Gemeinschaftsmahl gesellschaftlich in sehr unterschiedlichen sozialen Schichten abgehalten wurde. 74 Klinghardt beginnt seine Studie zum Gemeinschaftsmahl und zur Mahlgemeinschaft mit der Unterscheidung zwischen Privat- und Vereinsmahl. Mit Privatmahl wird in diesem Zusammenhang nicht impliziert, dass allein mit der Familie oder mit Freunden gegessen wurde, sondern dass das Mahl privat finanziert wurde. 75 Das Vereinsmahl bezieht sich auf das Gemeinschaftsmahl eines Vereins, der sich vor allem zum gemeinsamen Essen öffentlich treffen konnte. Obgleich Klinghardt diese Kategorien aufstellt, wird sehr schnell deutlich, dass die Grenzen zwischen einem privat und einem nicht privat finanzierten Mahl fließend waren. So haben Privatmähler zwar in privaten Häusern stattgefunden. Sie waren aber doch über ihren kulturgeschichtlichen Einfluss nicht von Opfermahlzeiten zu trennen ebenso wenig wie ihre öffentliche Bedeutung nicht von der Makrogesellschaft zu trennen war. 76 Es war folglich keine Trennung von Privatsphäre und Öffentlichkeit im modernen Sinn bezüglich der Teilnahme am Mahl auszumachen. Auch was die Kosten betrifft, so lässt sich nicht immer zwischen privaten und öffentlichen Kosten unterscheiden. Klinghardt stellt heraus, dass es Mahlgemeinschaften gab, die von einer Einzelperson finanziert wurden, andere, die zwar privat organisiert waren, aber in öffentlichen Heiligtümern, Tempeln oder Vereinslokalen stattfanden, und solche, bei denen die Teilnehmer die Kosten untereinander teilten. 77 Bei den Vereinsmählern wird selbstverständlich eine gewisse Organisation vorausgesetzt, welche die finanziellen Beiträge oder Naturalleistungen verwaltete. 78 Die Organisation der Vereine war sehr unterschiedlich und stellt ein eigenes Forschungsfeld dar - grundsätzlich 73 T AUSSIG 2009, 33. 74 T AUSSIG 2009, 33f. Zu der Vereinskultur siehe auch A SCOUGH 1993, A SCOUGH 1998, A SCOUGH und C ANADIAN C ORPORATION FOR S TUDIES IN R ELIGION 2005, E BEL 2004, H ARLAND 2003. 75 K LINGHARDT 1996, 29. Er gibt in § 2 (35-40) einen Überblick über die unterschiedlichen organisierten Syssitien (1. Gentilizische Familien- und Stiftungsvereine - zum Andenken der Stifter; 2. Hetairien - überwiegend politische Vereinigungen; 3. Kultvereine - mit dazugehörigen Opfermählern; 4. Speise- und Geselligkeitsvereine - mit dazugehörigen Vereinssyssitien bzw. -symposien; 5. Künstler- und Technitenvereine - zwischen Kultvereinen und reinen Berufsgenossenschaften; 6. collegia tenuiorum, collegia funeraticia - nicht ausschließlich funeräre Verpflichtungen; 7. Semitische Kultgenossenschaften - mit dazugehörigen kultischen Mahlzeiten, Opferfeiern, gemeinschaftlicher Besitzverwaltung etc.). Zu den Namen und Arten der Vereine siehe auch P OLAND 1909, 5-172. 76 K LINGHARDT 1996, 29f. 77 K LINGHARDT 1996, 31. 78 K LINGHARDT 1996, 32. Grundelemente des hellenistischen Mahls 37 gilt aber, dass das Vereinsmahl die wichtigste und in vielen Fällen auch die einzige Form antiken Vereinslebens war. 79 Taussig schildert zusammenfassend, dass sich mit der wachsenden Bedeutung des hellenistischen Mahls einerseits traditionelle Gruppen auflösten und sich andererseits ein Widerstand gegen politisch initiierte Institutionen aufbaute. Diese Mahlgemeinschaften stellten Wahlgemeinschaften dar, an denen die Menschen freiwillig teilnehmen konnten. 80 Taussig beschreibt sogar, dass das hellenistische Mahl in gewisser Weise Versammlungen als Clan, erweiterte Familie oder staatliche Versammlungen ersetzte. 81 In Taussigs Studien wird daher die Unterscheidung zwischen privat und öffentlich nicht mehr gemacht, da diese Differenzierung nicht den sozialgeschichtlichen Gegebenheiten gerecht werden kann. Für ihn handelt es sich um semi-private Versammlungen. Dieser Begriff ist angemessener, da er die Gleichzeitigkeit von individuellen und gesellschaftlich relevanten Eigenschaften beschreibt und die Verortung des Mahls nicht von den Strukturen des Vereinswesens abhängig ist. So beschreibt Taussig die „gefühlte“ Realität der Mahlteilnehmer, die sich einerseits einer vom römischen Staat dominierten Gesellschaft entziehen konnten, andererseits aber nicht mit dem gesellschaftlichen Habitus brachen. 82 Die Mahlgemeinschaft war somit ein Ort, an dem auf sozialer Ebene experimentiert werden konnte, ohne gesellschaftliche Tabus zu brechen. 83 Zusammenfassend heißt es bei Taussig: „The semiprivate, constructed setting of the Hellenistic meals provided a stable and protected setting in which participants could ‘perfect’ (J.Z. Smith) the structures and relationships under more contingent construction in Hellenistic society itself.“ 84 In diesem Sinne gestaltet sich auch der Zugang zur Teilnahme am hellenistischen Mahl in semi-privaten Kategorien. Das Lesen von Briefen oder Schriften bzw. die Ausbildung von gemeinschaftlichen Themen und Zielen stand im Mittelpunkt semi-privater Vereinigungen. So wurden auch die ersten Schriften an die christusgläubigen Gemeinschaften für den semiprivaten Raum verfasst und in diesem gelesen, aufgeführt oder gesungen. 85 Es ist folglich davon auszugehen, dass die Teilnehmer mit dem Zugang 79 K LINGHARDT 1996, 33. 80 T AUSSIG 2009, 34; vgl. N ERNEY und T AUSSIG 2002, 11-12. 81 T AUSSIG 2009, 34f. 82 T AUSSIG 2009, 35. 83 T AUSSIG 2009, 35: „The semiprivate nature of the meals suggests that they were in some ways social laboratories. They were protected enough to allow for real experiments yet open enough for the larger society to notice what occurred within them. Hellenistic society straddled an historical gap in which neither the artificially and forcefully imposed social institutions of Rome nor the decimated social remains of national or tribal associations held sway. In this gap, the meal developed a strong loyalty and an extended field of influence.“ 84 T AUSSIG 2009, 68. 85 T AUSSIG 2009, 36: „Again, here there is little dispute in scholarship that the writings of the first hundred years were read primarily at the meals of these communities.“ Der Gegenstand der Untersuchung 38 zum Mahl gleichzeitig Zugang zu den dort dargestellten Texten hatten. Nicht unwahrscheinlich ist demnach, dass die Struktur des Mahls nicht nur die Partizipation der Teilnehmer, sondern auch die Form und den Inhalt der Texte beeinflusste. 86 Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Teilnehmer über den semi-privaten Charakter des Mahls und die verbreitete gesellschaftliche Anerkennung Zugang zu den Mahlgemeinschaften hatten. Auf welchen sozialgeschichtlichen Bedingungen sich die Identität der Teilnehmer ausbilden konnte, werden die folgenden Beobachtungen zeigen. Andere Merkmale des hellenistischen Mahls sind beispielsweise die Partizipation von Frauen, Kindern und Sklaven. 87 Grundsätzlich wurde die Mitgliedschaft von Frauen und Kindern für die Vereinssyssitien diskutiert und es stellte sich vor allem die Frage, ob ihre Erwähnung auf regionale Unterschiede bzw. ihre fehlende Erwähnung auf ihre Inklusivität bei männlichen Familienangehörigen zurückzuführen ist. 88 Bereits 1909 schrieb Franz Poland, dass Frauen Männern in Bezug auf Abstimmungen, Beiträgen usw. völlig oder nahezu gleichgestellt waren oder nur in losen Beziehungen zu den Genossenschaften der Männer standen. Sofern sie nur lose mit dem Vereinswesen assoziiert waren, taten sie sich als Wohltäterinnen hervor oder wurden als nächste Verwandte in die Aktivitäten mit einbezogen. 89 Diese Perspektive auf die Beteiligung von Frauen hat vor allem Kathleen Corley erweitert. Ihre Studien haben gezeigt, dass nicht nur die hellenistisch-römischen Mahlpraktiken ständigen Veränderungen unterlegen waren, sondern vor allem auch religiöse und philosophische Gruppen so wie frühe christliche und jüdische Gemeinschaften. 90 Auf die frühen christlichen Gruppen bezogen hält sie fest: „... [W]omen were not only among the earliest converts to early Christian groups, but that these Christian women gathered with men for meals in their public worship and discourse. Ideals concerning women’s behavior at meals therefore helped determine the position of women in early Christian groups. Thus, the development of early Christian groups into communities ‘at table’ greatly influenced the position of women in these gospel communities.“ 91 86 T AUSSIG 2009, 39. 87 Siehe dazu R OLLER 2006. Zu den Sklaven siehe auch D'A RMS 1991, 171-183. D’Arms unterscheidet zwischen Sklaven, die in Städten beim Mahl dienten, und solchen, die an anderen Orten des Imperiums Sklaven waren. Er kritisiert die generelle Annahme, dass Sklaven im urbanen Kontext eine bessere Stellung hatten als woanders (179). 88 K LINGHARDT 1996, 91f. P OLAND 1909 berichtet am ausführlichsten über Frauenmitgliedschaften in griechischen Vereinen und ergänzt damit die Studien von F OUCART 1873. 89 P OLAND 1909, 289. 90 C ORLEY 2002, 3 und C ORLEY 1993. Siehe zu Frauen beim Mahl auch S TEIN - H ÖLKESKAMP 2005, 80-86. 91 C ORLEY 2002, 4. Grundelemente des hellenistischen Mahls 39 Mit der Berücksichtigung der Partizipation von Frauen am hellenistischen Mahl revidiert Corley die Annahme, dass es die frühe christliche Theologie war, die diese Gemeinschaften für Frauen und Sklaven attraktiv machte. 92 Dementsprechend arbeitet Angela Standhartinger heraus, dass die Teilnahme von Frauen nicht im Zusammenhang von religiösen oder familiären Mahlgemeinschaften Beachtung erfuhr, sondern vor allem in sozialen Gemeinschaften. In diesem sozialen, nicht theologischen Rahmen wurden ideologische Diskurse über die Teilnahme von Frauen geführt. 93 Selbstverständlich sagt die intellektuelle Auseinandersetzung in Texten noch nicht genug über die tatsächliche Praxis, doch geht man davon aus, dass Frauen bei religiösen Zeremonien und Familienfeiern (vor allem bei Beerdigungsfeiern) anwesend waren und soziale und religiöse Verantwortung trugen, 94 dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass Frauen an den Mahlgemeinschaften sitzend oder liegend teilnahmen. 95 In welcher Form dies die gesellschaftlichen Vorstellungen provoziert und verändert hat, wird vor allem von Taussig diskutiert. In dieser Untersuchung wird in der ritualtheoretischen Exegese erörtert, durch welche Facetten des hellenistischen Mahls die Teilnahme von Frauen begünstigt wurde. Auch Kinder werden in den Inschriften und Urkunden der Mahlgemeinschaften genannt. 96 Als Unmündige werden sie in Bezug auf den Gottesdienst als Teil der Familie mit aufgeführt. Doch auch unfreie Kinder wurden für den Dienst herangezogen. Jugendliche Knaben dagegen wurden bereits formell aufgenommen. Poland bemerkt in seinem Quellenstudium, dass es wohl von der Zahlungsbereitschaft der Jugendlichen abhing, ob sie als Vollmitglieder aufgenommen wurden. 97 Abgesehen vom Weingenuss hatten die Kinder auch Anteil am Festmahl und erhielten zu religiösen Feiern des Mysterienfestes Kränze. 98 Zu der Partizipation von Sklaven wurden vergleichbare sozialgeschichtliche Studien unternommen. Poland kommt zu dem Ergebnis, dass Sklaven in griechischen Vereinen weniger Möglichkeiten zugesprochen wurden als in römischen Vereinen und äußert sich zurückhaltend, wenn es um die Einflussnahme von Sklaven in Vereinen geht. 99 Nancy Evans korrigiert diese Einschätzung und hält dazu zusammenfassend fest, dass - obgleich Sklaven als Ressourcen und Besitz angesehen wurden und sie in den griechischen bzw. römischen Haushalten im Hintergrund der Mahlgemeinschaften beschäftigt waren - sie vor allem auf dem Land die Möglich- 92 C ORLEY 2002, 5. 93 S TANDHARTINGER 2005, 22. 94 S TANDHARTINGER 2005, 22. 95 T AUSSIG 2009, 71. 96 Sehr ausführlich besprochen in P OLAND 1909, 301-303. 97 P OLAND 1909, 302. 98 P OLAND 1909, 302f bezieht sich vor allem auf die griechische Vereinspraxis. 99 P OLAND 1909, 328f. Der Gegenstand der Untersuchung 40 keiten hatten, während alljährlicher Feste an Mahlgemeinschaften teilzunehmen: 100 „The Kronia, Rural Dionysia, Anthesteria, and Hyacinthia in Greece, and in Rome the Lectisternium, the festival of Fortuna and the idealized vision of Cicero - all assumed that since slaves and slaveholders once labored side by side, they could also recline side by side. These few festivals gave slaves a day of relative freedom, and presented slaves with opportunities to recline, drink and celebrate as though they really were free.“ 101 Mit der verstärkten Urbanisierung profitierten auch die Sklaven von der gesellschaftlichen Veränderung. So waren es nicht nur die Städte, die sich umstrukturierten, sondern es war auch die rituelle Praxis selbst. Evans geht in diesem Sinne davon aus, dass neue freiwillige soziale Gemeinschaften auch den Sklaven in den Städten offen standen. So entzogen sich die Sklaven der körperlichen Kontrolle, die ihre Besitzer üblicherweise ausübten, und nahmen an Mahlgemeinschaften teil. Es ist daher nicht zu unterschätzen, dass diese Partizipation ebenso zum alltäglichen Leben eines Sklaven gehören konnte. 102 2. Sitzordnung Als ein Charakteristikum des hellenistischen Mahls hat Taussig die Sitzordnung der Mahlteilnehmer diskutiert. Die Sitzordnung, die vorsah, dass mehr oder weniger alle Mahlteilnehmer sich zum Mahl auf Kissen oder Sofas legten, um so am Abend mehrere Stunden zusammen zu essen und zu trinken, kann auch als metonymischer Begriff für das gesamte Mahl verstanden werden. 103 Sich zum Mahl zu legen, ist Ausdruck festlicher Freude und eines gehobenen Status. 104 Sich dagegen zum Mahl zu setzen, wird als weniger festlich bzw. als ein Ausdruck von Trauer verstanden. 105 Schon diese Differenzierung zeigt, dass die Sitzordnung in der Mahlgemeinschaft besondere Funktionen erfüllt. Hier soll der Hinweis genügen, dass die Sitzordnung vor allem der Sicherstellung der Gemeinschaft diente und gleichzeitig im semi-privaten Raum ständigen Veränderungen unterlegen war. 106 Die Art und Weise des Sich-Legens veränderte sich dagegen nur wenig. Während beim griechischen Symposion die Plätze entlang der Wand des Raumes aufgestellt wurden und die Köpfe der Mahlteilnehmer 100 E VANS 2008, 14. So heißt es zu Beginn des papers: „Even though slaves were culturally constructed as available bodies, Roman and Greek cultic practices made room at the public banquet for slaves, albeit in very circumscribed circumstances.“ E VANS 2008, 1. 101 E VANS 2008, 14. 102 E VANS 2008, 14. 103 T AUSSIG 2009, 45. 104 T AUSSIG 2009, 45; siehe auch K LINGHARDT 1996, 75. 105 K LINGHARDT 1996, 76. 106 T AUSSIG 2009, 27. Vgl. K LINGHARDT 1996, 155f. Grundelemente des hellenistischen Mahls 41 in die Richtung der Füße des Nächsten zeigten, lagen die Mahlteilnehmer in römischen Banketten mit den Köpfen zur Mitte des Raumes hin. In beiden Fällen standen die Tische vor den Speisenden und die Mitte ließ genügend Platz für künstlerische Darbietungen. 107 Die Mahlteilnehmer stützten sich auf den linken Arm, so dass der rechte zum Essen und Trinken diente. Das römische triclinium war -förmig und umfasste an jeder Seite mindestens drei Plätze. Die Hierarchie steigerte sich von links nach rechts. 108 Derjenige, der am äußersten rechten Platz lag, war der Gastgeber, der Symposiarch oder der Gast mit dem höchsten Status (innerhalb der Mahlgemeinschaft). Auch Frauen nahmen an den Mahlgemeinschaften teil. Sie bekleideten entweder eigene Liegen oder lagen mit einem Partner. 109 Das griechische Symposion wurde beispielsweise in Korinth in einem viereckigen Raum dargestellt, so dass die Liegen auch in einem Viereck angeordnet waren. 110 Darin unterscheiden sich die griechischen und die römischen Anordnungen. Doch ansonsten gelten für beide Sitzordnungen dieselben Charakteristika. Von Bedeutung ist diese Ähnlichkeit im Hinblick auf die kulturellen Codes, die mit dem Einnehmen der Sitzordnung verbunden sind. Smith stützt sich auf Studien von Jean-Marie Dentzer, die ikonographische Gemeinsamkeiten zwischen griechischen und assyrischen Abbildungen identifiziert. 111 Smith zufolge hat Dentzer insbesondere darauf aufmerksam gemacht, dass die Sitzordnung vor allem symbolisch für die Annahme eines neuen sozialen Codes steht. In diesem Sinne änderten sich nicht nur die Sitzposition vom Sitzen zum Liegen, sondern der soziale Code und andere Verhaltensweisen, die damit assoziiert waren. So wurde das Mahl vom Mittag in den Abend verlegt sowie die Speisen und die Etikette geändert. 112 Insofern stellt auch die Entscheidung über die Reihenfolge der Sitze einen kulturellen Code dar, der genauer zu betrachten ist. Wie bereits bemerkt, war der Platz zur Rechten des Symposiarchen am begehrtesten, da dieser Sitz die Ehrung des Symposiarchen ausdrückte. 113 Diese Ehrung musste allerdings nicht mit dem sozialen Status außerhalb der Mahlgemeinschaft korrespondieren und musste auch nicht immer gleich vergeben worden sein. 114 Auf den Bruch mit den alltäglichen sozialen Realitäten einerseits und das Experimentieren mit den Verhältnissen außerhalb der 107 Zu gebrauchten Möbeln siehe B OARDMAN 1990 und W ALLACE -H ADRILL 2008. 108 Neben der gesellschaftlichen Stellung war auch das Alter ein entscheidendes Kriterium für die Sitzordnung. Siehe dazu B OOTH 1991, 105-120. Booth diskutiert vor allem die Zulassung junger Männer zu griechischen bzw. römischen Gastmählern. 109 Siehe Abbildung 4 in S MITH 2003, 17; K LINGHARDT 1996, 75-83. 110 Siehe Abbildung 3 in S MITH 2003, 16. Zu weniger standardisierten Speiseräumen siehe B ERGQUIST 1990. Bergquist analysiert optimale Raumverhältnisse, die verschiedene Atmosphären für Mahlgemeinschaften kreieren. 111 S MITH 2003, 18 bezieht sich auf D ENTZER 1982. 112 S MITH 2003, 18. 113 T AUSSIG 2009, 69. 114 S MITH 2003, 11. Der Gegenstand der Untersuchung 42 Mahlgemeinschaft andererseits wird im Verlauf der ritualtheoretischen Exegese noch eingegangen werden, da hier wichtige Problemfelder innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft zu erkennen sind. 115 Zusammenfassend kann folglich davon ausgegangen werden, dass soziale Codes über das Verhalten der Individuen bzw. der Gruppe abgebildet und verändert werden, so dass die Frage nach der Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl anhand der Sitzordnung erörtert werden kann. 3. Verhalten Um über das Mahlverhalten zu sprechen, ist es sinnvoll, sich an den Grundzügen des hellenistischen Mahls zu orientieren. Taussig unterscheidet daher allgemeine Tätigkeiten von denen des Deipnon bzw. Symposion und identifiziert diese im Neuen Testament. 116 Zu den allgemeinen Tätigkeiten zählt er das vorher besprochene Einnehmen der Sitzordnung, welche das Mahl und das Verhalten der Teilnehmer grundsätzlich definiert (vgl. Lk 12,19; Joh 21,9; Apk 4,2 oder Mt 9,10; 22,10; 22,11; 26,7; 26,20; Mk 6,26; 14,18; 16,14; Lk 22,27; Joh 6,11; 12,2; 12,3; 18,28). Das Waschen der Füße (Joh 13; 1Tim 5,10 und Lk 7,36-50), ein vorangehendes Bad oder eine Massage waren auch Tätigkeiten, die mit dem Mahl sehr eng verbunden waren. 117 Zu denjenigen, die am Mahl teilnahmen, gehörten auch immer diejenigen, welche die Teilnehmer bedienten (Mk 10,43). Diener und Sklaven gehörten mit ihren Aufgaben, das Mahl zu bereiten, die Speisen und Getränke zu servieren und die künstlerischen Darbietungen vorzutragen, zu einem festen Bestandteil des Mahls. 118 Zu Beginn des Deipnon war das Segnen und Brechen des Brotes eine typische Handlung (1Kor 11; Mk 14,22; Lk 24,30.31 und Apg 2,46; 20,7.11; 27,35) 119 , während das Symposion üblicherweise mit einer Weinlibation begann (1Kor 11,25). 120 Ebenso gehörten auch der Gesang (Kol 3,18-19) und das Reden in Zungen (1Kor 14) zu den typischen Aktivitäten während des Symposion. 121 Alikin untersucht in seiner Dissertation darüber hinaus noch den „heiligen Kuss“, das Handauflegen, die Sammlung für die Armen, das Heilen und die Exorzismen sowie liturgische Lobgesänge. Auch seine Belege aus dem Neuen Testament und den Schriften der Apostolischen Väter zeigen, dass diese rituellen Handlungen von frühen christusgläubigen Gemeinschaften ebenso vollzogen wurden wie in griechisch-römischen Vereinen und Gemeinschaften. 122 115 T AUSSIG 2009, 31. 116 T AUSSIG 2009, 45. 117 K LINGHARDT 1996, 47-49; T AUSSIG 2009, 47. 118 T AUSSIG 2009, 46. 119 Vgl. T AUSSIG 2009, 46f. 120 Vgl. T AUSSIG 2009, 47. 121 Vgl. T AUSSIG 2009, 47. 122 A LIKIN 2009, 261 (bzw. Kapitel 7). Grundelemente des hellenistischen Mahls 43 In den folgenden Betrachtungen wird, vor allem in der ritualtheoretischen Exegese, detaillierter auf einzelne Rollen während des Symposion eingegangen. Die Betrachtung der Position des Symposiarchen als Leiter des Mahls bietet sich sowohl sozialgeschichtlich als auch ritualtheoretisch für solche Betrachtungen an. Hier soll zusammenfassend ausreichen, dass das Mahlverhalten sowie die Einflussnahme auf andere Teilnehmer und den Verlauf des Mahls sehr unterschiedlich sein konnten und diese Verantwortung von verschiedenen Personen getragen wurde. 4. Verlauf Der Verlauf eines Deipnon gefolgt von einem Symposion ist ein wichtiges Charakteristikum des hellenistischen Mahls. Dies schließt auch die Weinlibation ein, die den Übergang zwischen Deipnon und Symposion markiert. In diesen Zusammenhang fallen sowohl die Einbettung des Mahls in andere soziale Praktiken als auch der Verlauf des Mahls selbst. Vor allem in der ritualtheoretischen Exegese wird auf den Verlauf des Mahls selbst eingegangen und herausgearbeitet, wie Deipnon und Symposion zueinander standen und welches Essbzw. Trinkverhalten für diese Teile des Mahls relevant war. An dieser Stelle soll auf die sehr unterschiedlichen Verläufe des hellenistischen Mahls im 1. Jh. n. Chr. hingewiesen werden. Klinghardt geht auf diese Unterschiede ein und diskutiert dabei auch die literarischen und sozialgeschichtlichen Differenzen. Soweit erkennbar beginnt das Mahl unmittelbar mit den Vorspeisen, so dass davon abzusehen ist, ein Mahleingangsgebet in der paganen Antike als festen Bestandteil zu verstehen. 123 Unklar ist dagegen, ob es einen Begrüßungs- oder Mahleröffnungstrunk gegeben hat. 124 Die Unklarheit rührt daher, dass nicht eindeutig ist, ob bereits zum Essen unvermischter Wein getrunken wurde, „denn der Wein während der Mahlzeit ist gar kein ‘richtiger’ Wein, sondern das mulsum, das eben besonders mild und bekömmlich ist.“ 125 Gegessen wurden mindestens drei Gänge (Vorspeise, Hauptspeise, Nachspeise), in denen Menge und Qualität der Speisen dem Anlass und den finanziellen Möglichkeiten entsprachen. 126 Es ist davon auszugehen, dass vor allem Brot (bzw. Fladen) mit verschiedenen Gemüsen und möglicherweise Fisch, seltener Fleisch, serviert wurde(n). 127 Unwahrscheinlich sind Mahlgemeinschaften, die nur Brot oder nur Brot und Wasser/ Wein gewährten, da Brot und Wein in den Texten exemplarisch für weitere Speisen stehen. Wenn tatsächlich nur Brot gegessen wurde, dann handelte es sich um ausgesprochen arme Verhält- 123 K LINGHARDT 1996, 58. Seine Grundlage sind vor allem pagane Quellentexte. 124 K LINGHARDT 1996, 59. 125 K LINGHARDT 1996, 59f. 126 K LINGHARDT 1996, 54.56f. 127 K LINGHARDT 1996, 56. Siehe dazu auch B ERGER 1993. Zur Bedeutung von Fleisch siehe B RUIT 1990, 163.165. Der Gegenstand der Untersuchung 44 nisse beim Mahl im Familienkreis - und selbst dann waren es in den meisten Fällen nur die Knechte und Mägde, die ausschließlich Brot aßen. Für ein Gemeinschaftsmahl sind diese Verhältnisse auszuschließen. 128 Wie bereits mehrfach erwähnt, wurde das Deipnon mit einer Libation beendet, bei der ein wenig Wein vergossen und ein wenig Wein getrunken wurde. 129 In der Regel wurden drei einzelne Spenden durchgeführt, bei denen es nicht ganz eindeutig war, in welchem Verhältnis die einzelnen Becher zueinander standen. 130 Auch zum Mahlabschluss wurde eine Libation gespendet, die mit einem gesungenen Hymnus (paia¿n) begleitet wurde. Klinghardt bemerkt in diesem Zusammenhang, dass die Verbindung zwischen Libation und Hymnus selbstverständlich war und daher nur gelegentlich erwähnt wird. 131 Auf eine sehr alte Tradition weist die Bekränzung und Ehrung der Symposiasten hin, da die Bekränzung mit der Libation im Zusammenhang steht und dies vor allem in den Vereinssymposien eine außergewöhnlich große Rolle spielte. 132 Die Bekränzung zeigt, dass dem Ereignis der Ehrung eine „religiöse“ Dimension zugeschrieben wird, die vor allem durch das Nebeneinander von verschiedenen Libationsformen ersichtlich ist. Hierbei handelt es sich um das „Zutrinken“ zu Ehren eines Mahlteilnehmers und eine Libation auf eine Gottheit. 133 Entscheidend ist auch für Klinghardt, dass beide Libationsformen nicht klar voneinander zu unterscheiden waren und es zu einer möglicherweise beabsichtigten Ambivalenz zwischen der Ehrung eines Menschen und einer Apotheose zu Lebzeiten eines Menschen kam. Auf die Libationszeremonien zum Mahlabschluss folgte das eigentliche Symposion, zu dem auch die Nachspeise gereicht wurde. Gegessen wurde Süßes sowie Salziges, das nicht mehr zur Sättigung diente, sondern den Weingenuss anregen sollte. 134 In der ritualtheoretischen Exegese und der Kommentierung der paulinischen Abschnitte wird detaillierter auf die einzelnen Speisen eingegangen. An dieser Stelle kann zusammenfassend festgehalten werden, dass gerade der Verlauf des Mahls von sozialen, politischen und religiösen Codes geprägt war und dass häufig eine Ambivalenz zwischen diesen gesellschaftlichen Kategorien bestand. 128 K LINGHARDT 1996, 57. 129 K LINGHARDT 1996, 101f. 130 Siehe K LINGHARDT 1996, 102ff zu der detaillierten Beschreibung der Libationsbecher. 131 K LINGHARDT 1996, 106. 132 K LINGHARDT 1996, 109. 133 K LINGHARDT 1996, 110f. 134 K LINGHARDT 1996, 111. Weiterführende Fragestellungen 45 E. Weiterführende Fragestellungen Weiterführende Fragen stellen sich dann, wenn konsequent sozialgeschichtlich geforscht und gedacht wird. Dies schließt nicht nur die Annahme ein, dass es keine Trennung zwischen religiösen und nichtreligiösen Inhalten des hellenistischen Mahls gab, sondern auch die, dass sich grundsätzlich keine Trennung zwischen hellenistisch-paganen, hellenistisch-jüdischen oder hellenistisch-frühchristlichen Mahlgemeinschaften ausmachen lässt. Konsequent sozialgeschichtlich zu arbeiten, erfordert auch die Unterscheidung zwischen vorbzw. nachösterlich qualifizierten Handlungen zu unterlassen, da im 1. Jh. n. Chr. von keinen unverwechselbar christlichen Gemeinschaften gesprochen werden kann. Infolgedessen kann auch das hellenistische Mahl nicht einzig als Rahmenbedingung für soziale, politische oder religiöse Identifikation mit dem entstehenden Christentum betrachtet werden. Vielmehr soll geprüft werden, inwieweit die kulturelle Pluralität die Rahmenbedingungen des hellenistischen Mahls verändert. Gleichbedeutend sollte von einer sozialen, politischen und religiösen Vielfalt gesprochen werden, die in sozialgeschichtlichen Relationen interpretiert werden muss, um das hellenistische Mahl als Medium der Veränderung zu charakterisieren. 1) Wenn davon auszugehen ist, dass die Mahlgemeinschaften kulturell von sozialer, politischer und religiöser Vielfalt geprägt waren, dann richten sich weiterführende Fragen an die wissenschaftlichen Methoden, die angewendet werden, um sozialgeschichtlich sowohl diese Vielfalt abzubilden als auch das hellenistische Mahl als Ritual in dieser Kontextualisierung zu verstehen. Das hellenistische Mahl als Ritual zu verstehen und es mit einer Auswahl von Ritualtheorien zu analysieren, stellt dafür einen angemessenen theoretischen Rahmen dar. Ritualtheorien ermöglichen es, die Mahlgemeinschaften in ihrer sozialen, politischen und religiösen Funktion zu erfassen. 2) Wenn angenommen werden kann, dass das hellenistische Mahl gesellschaftlich so etabliert war, dass es dazu diente, kulturelle Codes einerseits abzubilden und andererseits zu verändern, dann richten sich weiterführende Fragen an das Verständnis von kulturellen Codes, die über die Praktizierung des hellenistischen Mahls verhandelt wurden. Um zu verdeutlichen, dass über das hellenistische Mahl verschiedene gesellschaftliche Codes diskutiert und verändert wurden, muss das hellenistische Mahl als soziale Praxis charakterisiert werden und in einem weiteren Schritt in verschiedenen Kontexten abgebildet werden. Dazu dienen hellenistisch-jüdische Kontexte zwischen dem 2. Jh. v. und dem 2. Jh. n. Chr. Der Gegenstand der Untersuchung 46 3) Wenn es stimmt, dass Texte und Kontexte einander gegenseitig beeinflussen und Texte nicht nur das Selbstbild frühchristlicher Mahlgemeinschaften prägen, sondern Teil des Mahls an sich sind, dann richten sich weiterführende Fragen an die Beziehung zwischen sozialgeschichtlichen Ergebnissen, ritualtheoretischen Grundlagen und den Texten selbst. Mit Hilfe sozialgeschichtlicher Detailanalysen zu wichtigen Aspekten des hellenistischen Mahls sollen ritualtheoretische Methoden und exegetische Untersuchungen dazu beitragen, den kulturellen Kontext des Neuen Testaments näher zu bestimmen. Dies findet in der ritualtheoretischen Exegese statt und dient dazu, sozialgeschichtliche Forschung, ritualtheoretische Methoden und neutestamentliche Exegese zusammenzuführen. 4) Wenn davon auszugehen ist, dass Paulus als Autor der Briefe an die Gemeinschaften in Korinth, Rom und Galatien sowohl die Texte als auch die Kontexte des hellenistischen Mahls kannte und mit seinem Wissen das Selbstbild der Gemeinschaften und ihrer Mitglieder als Christusgläubige beeinflusste, dann richten sich weiterführende Fragen an die Erarbeitung der Unterschiede zwischen und innerhalb der genauen Inhalte der Briefe an die Gemeinschaften. Um sowohl die kontextuellen Unterschiede der Praxis des hellenistischen Mahls wahrzunehmen als auch auf die mannigfachen Identifikationsmöglichkeiten der christusgläubigen Gemeinschaften und der Individuen einzugehen, wird diese Studie mit exegetischen Interpretationen zu den relevanten Abschnitten der paulinischen Briefe abgerundet. T EIL II R ITUALTHEORETISCHE F ORSCHUNG II. Ritualtheoretische Forschung 1993, nachdem schon viele Jahrzehnte über Rituale und das Schreiben über Rituale nachgedacht wurde, äußerte sich auch Catherine Bell zu zentralen Fragen der Ritualtheorie. In Studia liturgica werden unter dem Titel The Authority of Ritual Experts Catherine Bells Antworten auf einige Fragen bezüglich der Ritualforschung und ihrer Forscher veröffentlicht. Es geht darum, in welcher Weise Ritualtheorien sowohl dem sozialen Hintergrund der Teilnehmer als auch dem der Theoretiker gerecht werden, wie die inneren Dynamiken des Rituals und die äußeren Einflüsse in den Theorien aufgegriffen werden - und wie sich das Zweite Vatikanische Konzil bezüglich der Macht der Rituale auf die katholische Identität auswirkte. 1 Um diese Fragen zu beantworten, fragt Bell zuerst, welche Charakteristika Ritualwissenschaftler überhaupt beschreiben. Erste Hinweise auf die Rolle des Ritualwissenschaftlers liegen in der Vorstellung von ethnographischen Informanten - doch „the role of ritual experts in devising and decreeing rites is in fact much more widespread, dynamic, and complicated than most current models would lead us to suppose“ 2 . Für Bell liegt im Selbstverständnis des Ritualwissenschaftlers der Schlüssel zum Sprechen über das Ritual. Beispielsweise versuchen viele Wissenschaftler sowohl die Praxis als auch das Verstehen des Rituals durch ihre harmonisierenden Ansichten zu beeinflussen. Viel zu oft wird das Ritual von den Wissenschaftlern als unveränderlich, spontan und doch harmonisch wahrgenommen. 3 Besonders in diesen Interpretationen, so Bell, wird die Abhängigkeit der Wissenschaftler von ihrer eigenen Kultur sehr deutlich, denn sie befinden sich in kulturellen Zusammenhängen, die kulturelle Werte an die Verschriftlichung der Praxis binden. Die Vorstellung, dass nur diejenigen das Ritual verändern können, die Zugang zu dem Text haben, entspricht somit dem kulturellen Hintergrund dieser Ritualwissenschaftler. Doch auch die Teilnehmer an den entsprechenden Ritualen geben sich mit ihrer Unmündigkeit ab und provozieren damit eine rigide Ritualpraxis. 4 Des Weiteren unterscheidet Bell zwischen „säkularen“ Wissenschaftlern, die versuchen, die Rituale von den (religiösen) Teilnehmenden zu differenzieren, und „liturgischen“ Wissenschaftlern, die an den kirchlich-liturgischen Strukturen der Rituale interessiert sind. Beide werden dem Charakter der Rituale, so Bell, nicht gerecht. 5 Es erstaunt nicht, dass Bell die Beantwortung der drei Fragen mit der Feststellung schließt, dass die Rituale allein nicht all 1 B ELL 1993. 2 B ELL 1993, 100. 3 B ELL 1993, 104. 4 B ELL 1993, 107f. 5 B ELL 1993, 113. Ritualtheoretische Forschung 50 das tun können, was Liturgiewissenschaftler wollen, und auch nicht allem gerecht werden können, was Sozialwissenschaftler in ihnen sehen wollen. 6 Dass Bell sich so kritisch mit ihrer eigenen Disziplin und ihrem Forschungsschwerpunkt auseinandersetzen konnte, liegt sicherlich an dem breiten Diskurs, auf den sie ihre Beobachtungen stützt. Nicht zuletzt waren es vor allem Mary Douglas, Victor Witter Turner, Roy Rappaport, Pierre Bourdieu, Johnathan Z. Smith 7 und viele andere, die eine Pluralität der Debatte ermöglichten. In dieser Arbeit können nicht alle Theoretiker besprochen werden - es werden nur diejenigen vorgestellt, die für die Analyse der Mahlgemeinschaften relevant erscheinen. Um die Entwicklung des Diskurses zu skizzieren, werden die Theoretiker und ihre Studien chronologisch vorgestellt. Die 1960er Jahre waren vor allem von Studien von Douglas und Turner geprägt. Mit Douglas Monographie Purity and Danger: An Analysis of Concepts of Pollution and Taboo hat sie unzählige Wissenschaftler dazu bewogen, irrtümlich Getrenntes wieder zusammen zu denken - in diesem Fall das Ritual und die Unreinheit. 8 Für Douglas steht im Vordergrund, dass Unreinheit nur verstanden werden kann, wenn Reinheitskonzepte einbezogen werden, da sich Reinheitsrituale und Unreinheitsrituale in der Erfahrung der Praktizierenden vereinen. 9 Dabei ist für Douglas die Verbindung von Unordnung mit Unreinheit wenig sinnvoll, da sie nicht die Trennung zwischen „profan“ und „heilig“ beschreibt. Unordnung wird von ihr folglich nicht als unrein bezeichnet, obwohl Unordnung aus Ordnungskategorien herausfällt. 10 Vielmehr bezieht sie sich auf das Heilige als das Ganze. Douglas stützt sich vor allem auf ihre Interpretation von Leviticus, die sie verstehen lässt, dass Unreinheit niemals ein abgeschlossenes System war. 11 In diesem Sinne kann sie folgern, dass der Mensch per se ein rituelles Wesen ist, weil er ein soziales Wesen ist. 12 Insofern betont auch Douglas die kognitiven Funktionen des Rituals, durch die der Mensch die Gegenwart mit der relevanten Vergangenheit verbinden kann. 13 Obgleich ihre Äußerungen zum Wesen des Menschen an vielen Stellen sehr plakativ erscheinen, ist es gerade für die ritualtheoretische Betrachtung von Mahlgemeinschaften entscheidend, dass Douglas in ihrer Studie dem Ritual die Fähigkeit zuspricht, sich zwischen Form und Formlosigkeit zu bewegen. Dadurch, dass in dem Ritual die Wahrscheinlichkeit von Unordnung integriert wird, kann es spielend zwischen Formen und Formlosigkeit wech- 6 B ELL 1993, 120. 7 Auf Dennis Edwin Smith wird mit Smith verwiesen und auf Jonathan Z Smith mit J. Z. Smith. 8 D OUGLAS 1966, 28. 9 D OUGLAS 1966, 2. 10 D OUGLAS 1966, 35. 11 D OUGLAS 1966, 53; siehe auch D OUGLAS 1999. 12 D OUGLAS 1966, 62. 13 D OUGLAS 1966, 64. Ritualtheoretische Forschung 51 seln. Auch die Körperlichkeit der Teilnehmer wird von Douglas in Betracht gezogen, wenn sie abschließend formuliert: „The rituals enact the form of social relations and in giving these relations visible expression they enable people to know their own society. The rituals work upon the body politic through the symbolic medium of the physical body.“ 14 Auf die Betrachtung von Reinheit und Unreinheit bezogen, bedeutet das, dass Schmutz nicht immer zerstörerisch wirken muss, sondern auch kreative Momente in sich vereint. 15 Douglas ’ gleichzeitige Nennung von Körperlichkeit, Symbolik, sozialen Beziehungen und Ritualen sollte den Diskurs noch viele Jahre prägen. Vor allem aber auch ihr kulturanthropologischer Ansatz, zwischen emischen und etischen Interpretationen zu unterscheiden, beeinflusste die Debatte. Ein Jahr später, 1967, veröffentlichte Turner seine Studie The forest of symbols: Aspects of Ndembu ritual. 16 Zusammen mit The ritual process: Structure and anti-structure 17 von 1969 (Dt.: Ritual) 18 schuf er eine beachtliche Grundlage für die Ritualtheorie. Selbstredend befindet sich Turner im selben „Sprachraum“ wie Douglas, indem er kulturanthropologisch auf die Beziehung zwischen Symbolik, Ritual und Gesellschaft eingeht. The forest of symbols: Aspects of Ndembu Ritual bringt theoretische und deskriptive Aufsätze von Turner in einem Sammelband zusammen und leistet wichtige Vorarbeiten für die späteren Publikationen. Die Rituale der Ndembu (nord-westl. Sambia) dienen Turner immer wieder zur Illustration seiner theoretischen Schlussfolgerungen. So unterscheidet Turner zwischen „lifecrisis rituals“ und „rituals of affliction“. Bei den „life-crisis rituals“ handelt es sich um Rituale, die auf einen wichtigen Moment in der physischen oder sozialen Entwicklung eines Menschen hinweisen (Geburt, Pubertät, Tod), während es sich bei den „rituals of affliction“ um Rituale handelt, die eine Befreiung von unreinen Geistern und eine damit gewonnene Autorität beschreiben. 19 Im Verlauf des Bandes definiert Turner das Ritual wie folgt: „By ‘ritual’ I mean prescribed formal behaviour for occasions not given over to technological routine, having reference to beliefs in mystical beings or powers. The symbol is the smallest unit of ritual which still retains the specific structure in a ritual context.“ 20 Die Definitionen des Rituals und der Bezug zur Symbolik sollen auch bei Turner sehr vielfältig werden, denn schon zwei Jahre später äußert er sich in The ritual process: Structure and anti-structure sehr viel differenzierter zu diesen Begriffen. Turner entwickelt seine ritualtheoretische Arbeit aus 14 D OUGLAS 1966, 128. 15 D OUGLAS 1966, 159. 16 T URNER 1967. 17 T URNER 1969. 18 T URNER 1989. 19 T URNER 1967, 7-11. 20 T URNER 1967, 19. Ritualtheoretische Forschung 52 Arnold van Genneps Übergangsriten. 21 Zur Charakterisierung der Übergangsriten legt van Gennep ein Schema zugrunde, welches aus drei Phasen besteht, einer Trennungsphase (Separation) gefolgt von einer Schwellenbzw. Übergangsphase, auch liminale Phase genannt, 22 und einer Wiedereingliederungsphase (Aggregation). 23 Turner interpretiert vor allem die liminale Phase von Ritualen, da für ihn in dieser die eigentliche Transformation des rituellen Subjekts stattfindet. In Ritual heißt es: „Die Eigenschaften des Schwellenzustands (der ‘Liminalität’) oder von Schwellenpersonen (‘Grenzgängern’) sind notwendigerweise unbestimmt, da dieser Zustand und diese Person durch das Netz der Klassifikationen, die normalerweise Zustände und Positionen im kulturellen Raum fixieren, hindurchschlüpfen.“ 24 In der ritualtheoretischen Anwendung kann detaillierter auf diese Arbeit von Turner eingegangen werden. Zentral ist an dieser Stelle, dass Turner im Diskurs mit Douglas die Frage von „profan“ und „heilig“ wieder aufnimmt. Mit dem Begriff Communitas möchte er keine simple Unterscheidung zwischen „säkular“ und „sakral“ machen, sondern vielmehr auf „die Anerkennung einer essentiellen und generellen menschlichen Beziehung, ohne die es keine Gesellschaft gäbe“, aufmerksam machen. 25 Für Turner impliziert der Schwellenzustand, dass es kein Oben ohne ein Unten gibt und dass der, der oben ist, erfahren muss, was es bedeutet, unten zu sein. 26 In der Berücksichtigung der gesellschaftlichen Verhältnisse unterscheidet sich Turner erheblich von Douglas. Er beschreibt die Communitas als eine Beziehung zwischen konkreten, historischen, idiosynkratischen Individuen, die nicht in Rollen oder Statuspositionen aufgeteilt sind, sondern sich als „Ich und Du“ 27 zueinander verhalten. 28 Im späteren Verlauf seiner Studien widmet sich Turner weniger den Individuen und der einen liminalen Phase des Rituals, sondern charakterisiert vielmehr liminale Gesellschaftsentwicklungen und bezeichnet das ganze Ritual als liminal. 29 Liminalität 21 G ENNEP 2005. Zur Kritik an van Genneps Bezeichnung rite de passage siehe B OURDIEU 1982, der diese Phasen als rites d’institution bezeichnen würde, da mit dieser Bezeichnung ausgedrückt wird, dass es einen Unterschied gibt zwischen denen, die von den Phasen betroffen sind, und denen, die nicht davon betroffen sind. „The institution is an act of social magic, which can create the difference ex nihilo or rather - and this is the case more often than not - by exploiting in some way preexisting differences such as the biological differences between the sexes.“ B OURDIEU 1982 übersetzt in B OURDIEU und T HOMPSON 1991, 58f. 22 limen = Schwelle. 23 G ENNEP 2005, 27. 24 T URNER 1989, 95. 25 T URNER 1989, 96f. 26 T URNER 1989, 96f. 27 Formulierung von Martin Buber. 28 T URNER 1989, 129. Siehe auch T URNER und T URNER 1985, 190: „Communitas is the implicit law of wholeness arising out of the relations between totalities.“ 29 S TRECKER 1999, 47f. Ritualtheoretische Forschung 53 wird, so Turner, für die Gesellschaft zum Motor der Transformation existierender sozialer Strukturen und ermöglicht die Entwicklung alternativer Lebensstile. 30 Schon mit seiner Publikation von 1968, aber besonders mit seinen Veröffentlichungen in den 1970er Jahren antwortet Roy Rappaport auf diesen ritualtheoretischen Diskurs. Auch er beginnt seine Studien kulturanthropologisch, indem er die Tsembaga, ein Volk in Neu Guinea, für seine Beobachtungen heranzieht. Seine Monographie Pigs for the Ancestors: Ritual in the Ecology of a New Guinea People fragt nicht nach der Bedeutung des Rituals für die individuellen Beziehungen, sondern für die Gemeinschaft. 31 Rappaports spätere Fokussierung auf Modelle und Strukturen kann hier schon erkannt werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass Rappaport das Ritual als Mechanismus ansieht, der die Beziehung der Tsembaga untereinander und in Bezug auf ihre Umwelt bestimmt. 32 Mit Umwelt (environment) wird von ihm durchaus auch die ökologische Einbettung angesprochen. 33 1971 folgt Rappaports Aufsatz Ritual, Sancticy, and Cybernetics. 34 Hier argumentiert er dafür, dass das Heilige in menschlicher Kommunikation und in der Regulation sozialer und ökologischer Systeme durch das Ritual erkannt werden kann. In jeder Hinsicht sind für ihn rituelle Inhalte und rituelle Anhaltspunkte in Kommunikationsformen enthalten, so dass die Beziehung zwischen dem Heiligen und der menschlichen Kommunikation darin liegt, dass das Signal nicht mit seinem Referenten identisch sein muss. 35 Die Beziehung zwischen dem Heiligen und der Kommunikationsform führt ihn zu dem Schluss, dass eine Beziehung zwischen dem Heiligen und seiner Regulation bestehe. Das Heilige mache demzufolge eine symbolische Kommunikation möglich und sei in dieser Hinsicht auch soziale bzw. ökologische Ordnung. 36 Rappaport bleibt dem Fokus auf das Heilige auch in seinen folgenden Publikationen treu. In seinem Aufsatz The obvious Aspects of Ritual beschreibt er zwar das Ritual als „basic social act“ und charakterisiert die Formalität sowie die Performanz des Rituals als äußere Kennzeichen. 37 Allerdings exemplifiziert er diese Grundzüge an liturgischen Ordnungen, da der Darsteller in der liturgischen Ordnung das akzeptiert, was er für sich selbst und für andere ausdrückt. 38 Seine theologische Position wird umso deutlicher, wenn er das 30 In seinem Aufsatz Liminality and the Performative Genres (T URNER 1984) vervollständigt Turner seinen Liminalitätsbegriff über die Analogie zur Subjektivität. Darüber hinaus verbindet er die Begriffe mit seinem Interesse an gesellschaftlichen Prozessen und begründet öffentliche Liminalität mit öffentlicher Subjektivität. 31 R APPAPORT 1968, 1. 32 R APPAPORT 1968, 4. 33 R APPAPORT 1968, 237f. 34 R APPAPORT 1971. 35 Vgl. Review zu R APPAPORT 1971, in K REINATH 2006, Vol. 2, 331f. 36 Vgl. Review zu R APPAPORT 1971, in K REINATH 2006, Vol. 2, 332. 37 R APPAPORT 1974, 5-8. 38 R APPAPORT 1974, 31. Ritualtheoretische Forschung 54 Heilige aus der liturgischen Beständigkeit erwachsen sieht. 39 Rappaport fasst das Ritual folgendermaßen zusammen: „It is the structure that ritual is distinctive and it is from the structure that the unique function arise. Its world-founding properties derive from the simple relationship at its center: That of the performer to his own performance of an invariant, non-instrumental emotionally significant order that he himself did not encode.“ 40 Rappaport wird in seinen Studien dem Bild des unmündigen Menschen gegenüber einem von Gott gegebenen Ritual verbunden bleiben. Auch 1978 widmet er sich den „beständigen“ liturgischen Ordnungen in seinem Aufsatz Adaption and the Structure of Ritual. 41 An dieser Stelle bezieht er sich, wie auch schon 1974, auf die Beziehung zwischen dem Numinosen und dem Ritual. Er berücksichtigt für seine Beobachtungen in dieser Hinsicht immer, dass sich im Ritual das Numinose als Produkt von Emotionen und das Heilige als Produkt von Sprache miteinander verbinden. 42 Insofern ist verständlich, warum für Rappaport Rituale nicht nur symbolisch soziale Handlungen darstellen, sondern diese geradezu verkörpern. 43 An Rappaports Studien ist besonders deutlich zu erkennen, wie sich der Diskurs von anthropologischen Untersuchungen in kleinen Systemen auf die Betrachtung von performativen Akten in großen gesellschaftlichen Bezügen verschoben hat. Nicht nur die Frage der Performanz, sondern auch die Beziehung zwischen Sprache und (ritueller) Handlung wird bei Rappaport thematisiert. Doch die Besprechung von Symbolen und Ritualen kann nicht allein Rappaport zugeschrieben werden. Besonders Turner und Douglas nehmen sich dieses Themas an. Turner befasst sich ausführlich mit Symbolen und Ritualen in seinen Publikationen Dramas, Fields, and Metaphors: Symbolic Action in human Society (1974), Symbols and social Experience in religious Ritual (1974), Liminal to Liminoid in Play, Flow, and Ritual: An Essay in Comparative Symbology (1974), Ritual as Communication and Potency: A Ndembu Case Study (1975), The ritual Process: Structure and Anti-structure (1977) und Dramatic Ritual/ Ritual Drama: Performative and Reflexive Anthropology (1979). 44 Die Arbeiten von Turner sind in den 1970er Jahren sehr zahlreich und umfassen unzählige Beiträge zu verschiedenen Diskursen. In der folgenden Diskussion werden die Aspekte besprochen, die ritualtheoretisch am nächsten zu der Betrachtung von Mahlgemeinschaften und 39 R APPAPORT 1974, 55. 40 R APPAPORT 1974, 63f. 41 R APPAPORT 1978. 42 R APPAPORT 1978, 95. 43 R APPAPORT 1978, 86. 44 T URNER 1969, T URNER 1974, T URNER 1974, T URNER 1974, T URNER 1975, T URNER 1979. Ritualtheoretische Forschung 55 Gemeinschaftsmählern stehen. In Dramas, Fields, and Metaphors: Symbolic Action in human Society definiert Turner das Konzept der Liminoidität: „In the evolution of man’s symbolic ‘cultural’ action, we must seek those processes which correspond to open-endedness in biological evolution. I think we have found them in those liminal, or ‘liminoid’ (postindustrial-revolution), forms of symbolic action, those genres of free-time activity, in which all previous standards and models are subjected to criticism, and fresh new ways of describing and interpreting sociocultural experience are formulated. The first of these forms are expressed in philosophy and science, the second in art and religion.“ 45 Turner definiert damit konkreter, was er 1969 begonnen hat. Wieder in Analogie zu van Gennep charakterisiert er die unterschiedlichen Phasen des Rituals. 46 Aus dem Titel Dramas, Fields, and Metaphors: Symbolic Action in human Society erläutert er, dass in den „fields“ die kulturellen Parameter formuliert und aufgebaut werden und miteinander in Konflikte geraten. Da diese Denkmuster Regeln enthalten, die immer wieder erneuert bzw. ausgeschlossen werden, ist ersichtlich, dass Konflikte beim Ausschließen solcher Regeln entstehen. „Areas“ dagegen sind sozialpolitische Bereiche, in denen Denkmuster zu Metaphern transformiert werden, um in „social dramas“ infrage gestellt zu werden. 47 Turners Besprechung der Symbole gestaltet sich sehr viel komplexer, da Turner bezüglich der Vielsprachigkeit („multivocal“) eines Symbols ähnlich argumentiert wie in Bezug auf Metaphern. Ein Symbol ist für Turner dann vielsprachig, wenn es ikonisch ist, also viele Bedeutungen hat, die zugleich über die erste Bedeutung hinausweisen. 48 Diese Charakterisierung hat, so Turner, zur Folge, dass bei der Performanz eines vielsprachigen Symbols die Beobachter das vielsprachige Symbol als einsprachig annehmen und davon ausgehen, dass alle Dinge in der Welt letztendlich zu verstehen sind. 49 Gerade in Bezug auf verschriftlichte religiöse Symbole, die performativ dargestellt werden, wird deutlich, dass soziale Dramen („social dramas“) von Turner phänomenologisch nachgezeichnet werden. Sie 45 T URNER 1974, 15. 46 Vgl. auch T URNER 1974. Turner versucht, über die Theorie von van Gennep, ein Konzept der vergleichenden Symbolik („comparative symbology“) zu etablieren. Diese vergleichende Symbolik soll dazu dienen, die Interpretationen von Symbolen in unterschiedlichen Disziplinen miteinander ins Gespräch zu bringen. So auch T URNER 1969. 47 T URNER 1974, 17. Siehe auch T URNER und T URNER 1985, 203: „Now I see the social drama, in its full formal development, its full phase structure, as a process of converting particular values and ends, distributed over a range of actors, into a system (which may be temporary or provisional) of shared or consensual meaning. The regressive phase, in which feedback is provided by the scanning mechanisms of law and religious ritual, is a time in which an interpretation is put upon the events leading up to and constructing the phase of crisis.“ 48 T URNER 1974, 8. 49 T URNER 1974, 19. Ritualtheoretische Forschung 56 haben den Vorteil intuitiv - und nicht konzeptionell - verstanden zu werden. 50 Auch die Bedeutung von Kommunikationsformen wird von Turner aufgegriffen und mit den Ndembu exemplifiziert. Am Beispiel eines Jagdrituals, Mukaala, erläutert Turner in Ritual as Communication and Potency: A Ndembu Case Study, dass rituelles Verhalten nicht nur kognitiv ist, sondern neben der semantischen und symbolischen Struktur auch eine zielgerichtete und eine vorbildliche Struktur bietet. Alle diese Strukturen sind mit dem Ziel verbunden, über das Ritual sowohl mit der Jagd an sich als auch mit dem Dorf, dem Stammesfürstentum und dem Urwald in gemeinsamen Kontakt zu treten. Solche Strukturen, wie die Bedeutung des Mukaala, stellen für Turner im Endeffekt sowohl die Frage nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Effizienz. 51 Wenig später spricht sich auch Turner gegen die Trennung von Ethnographie und Performanz und damit gegen die Trennung von Subjekt und Objekt aus. In seiner Aufforderung an die Ethnodramatiker, diejenigen, die selbst an den Ritualen, welche sie beschreiben, teilnehmen oder in anderer Hinsicht performativ arbeiten, ernst zu nehmen, greift er einen Metadiskurs auf, den auch Liturgiewissenschaftler wie Rappaport unterstützten. 52 Wie ernst der menschliche Körper zu nehmen ist, wenn man über Rituale spricht, hat nicht zuletzt Douglas schon 1970 mit ihrer Studie Natural symbols: Explorations in Cosmology ergründet. Da symbolisches Verhalten meist über den Körper ausgetragen wird, geht Douglas davon aus, dass hierin unterschiedliche soziale Konditionen ausgedrückt werden. 53 Für Douglas ist es aus sozialanthropologischer Perspektive erstrebenswert, eine Klassifikation von körperlichem Ausdruck in Ritualen zu erstellen, die für verschiedene Gesellschaften gültig ist. In ihrer These, dass die Schwächen und Potentiale des menschlichen Körpers mit den Schwächen und Potentialen der Gesellschaft einhergehen, lässt sie nicht unbeachtet, dass nicht jede symbolische Handlung auch ein rituelles Handeln ist. Um sich folglich vor falschen Annahmen hinsichtlich der symbolischen Bedeutung von Körperlichkeit zu schützen, sieht sie den bestimmenden Faktor von Ritualen in der Kommunikation gegeben. 54 Gerade im Hinblick auf die antike Philosophie erläutert Douglas, dass die körperliche Kontrolle auch als gesellschaftliche Kontrolle bewertet werden kann. 55 Die Kommunikation zwischen unausgesprochenen sozialen Ordnungen und Individuen gestaltet sich folglich über den symbolischen Ausdruck körperlicher Dissoziation. 56 Insofern wird das Verhältnis zwischen dem Selbst und der Ge- 50 T URNER 1974, 20. 51 T URNER 1975, 78. 52 Vgl. auch T URNER 1982. 53 D OUGLAS 1970, vii. 54 D OUGLAS 1970, 20. 55 D OUGLAS 1970, 70f. 56 D OUGLAS 1970, 74.81. Ritualtheoretische Forschung 57 sellschaft durch das Verhältnis zwischen dem gesellschaftlichen Netzwerk und der Gruppe bestimmt. Douglas beschreibt, dass, je enger die Beziehung ist, die Idee der formalen Übertretung und deren Konsequenzen desto stärker ist und das Recht auf die freie Darstellung des Selbst umso schwächer empfunden wird. 57 Wie sich bei Turner und Douglas gezeigt hat, wird der Kommunikationsbegriff häufig verwendet, um rituelle Prozesse zu beschreiben. Eine erste Kritik an dieser sprachlichen Herangehensweise unternimmt Pierre Bourdieu 1975 in seinem Aufsatz Language and symbolic Power. 58 Bourdieu macht in diesem Aufsatz darauf aufmerksam, dass der Diskurs über die Autorität nicht geführt werden kann, wenn nur ihre Bedeutung verstanden werden soll. Vielmehr ist Autorität davon abhängig, dass sie wahrgenommen wird. Diese Wahrnehmung ist wiederum davon abhängig, dass der Diskurs über die Autorität von den Personen geführt wird, die das Recht haben, darüber zu sprechen, und dass er in einer angemessenen Situation und entsprechender Form geführt wird. 59 Hier beurteilt Bourdieu den Zirkelschluss zwischen dem Diskurs über Autorität und der Autorität selbst als positiv, denn die autoritäre Sprache ist nicht ohne die existent, die von ihr bestimmt werden. 60 In den 1980er Jahren führte Turner seine Studien, trotz Bourdieus Kritik an linguistischen Analogien, in diesem Sinne fort und spezifizierte seinen Ansatz in einzelnen Aufsätzen. 61 Ein wirklich neuer Ansatz zu den Ritualtheorien kommt hingegen von J.Z. Smith. In seinem Aufsatz The bare Facts of Ritual fragt er nach der Beziehung zwischen dem Ideal und der Realität. J.Z. Smith geht davon aus, dass in einem Ritual eine idealisierte, perfektionierte Realität praktiziert wird. „... [A]mong other things, ritual represents the creation of a controlled environment where the variables [...] of ordinary life have been displaced precisely because they are felt to be so overwhelmingly present and powerful. Ritual is a means of performing the way things ought to be in conscious tension to the way things are in such a way that this ritualized perfection is recollected in the ordinary, uncontrolled, course of things.“ 62 Zentral für diese Annahme ist, dass das Ritual nicht als kongruent mit einer anderen Sache, beispielsweise der Sprache, der Liturgie oder der Gesellschaft, angesehen werden kann. Vielmehr steht das Ritual für eine Nichtübereinstimmung. Dieser Gedanke wird von J.Z. Smith auch auf die Diskussion von rituellen Orten übertragen. Auch diese dienen, wie bei- 57 D OUGLAS 1970, 102. 58 B OURDIEU und T HOMPSON 1991. Original: B OURDIEU 1975. 59 B OURDIEU 1975, 187. 60 B OURDIEU 1975, 187. 61 Vgl. M AC A LOON , I NSTITUTE FOR THE S TUDY OF H UMAN I SSUES und W ENNER -G REN F OUNDATION FOR A NTHROPOLOGICAL R ESEARCH .1984, T URNER und B RUNER 1986, T URNER 1988, T URNER 1988. 62 S MITH 1980, 124f. Ritualtheoretische Forschung 58 spielsweise der Tempel, als „Vergrößerungsglas“, da innerhalb des Tempels das Gewöhnliche besonders wird. Das Gewöhnliche wird folglich einfach aus dem Grund „heilig“, weil es sich im Tempel befindet. So verhält es sich auch bei rituellen Handlungen, die im Tempel ausgeführt werden. J.Z. Smith folgert: „From this point of view, there is nothing that is inherently sacred or profane. These are not substantive categories, but rather situational ones. Sacrality is, above all, an assertion of category of emplacement.“ 63 Mit diesem Ansatz setzt J.Z. Smith der Diskussion um Rituale ganz neue Vorzeichen. Die Relationalität, in der Objekte und Handlungen verstanden werden sollen, fordert die Ritualtheoretiker dazu auf, den rituellen Kontext genauer anzuschauen. Dort, wo Anthropologen begonnen haben, Mahlgemeinschaften zu analysieren, werden sie aufgefordert, unter anderen Bedingungen wieder anzufangen - bei den situativen Kontexten. Dieses Mal tun sie es nicht mit dem Anspruch, eine allgemeine rituelle Gültigkeit zu ermitteln, sondern die rituelle Verschiedenheit zu würdigen. In seinem Aufsatz The Domestication of Sacrifice fasst er zusammen: „[I]n culture, there is no text, it is all commentary; [...] there is no primordium, it is all history; [...] all is application. ... [W]e are dealing with historical processes of reinterpretation, with tradition.“ 64 In diesem Sinne leitet J.Z. Smith den Diskurs in die 1990er Jahre über, der sich in diesem Jahrzehnt erneut verändert. Bell nimmt in ihren Publikationen The ritual Body and the Dynamics of ritual Power (1990), Ritual Theory, ritual Practice (1992), Ritual: Perspectives and Dimensions (1997) und Performance (1998) die alte Fragestellung von Körperlichkeit, Macht, praktischer Methodik, Beziehung zwischen Ritual und Gesellschaft und Performanz neu auf. 65 Doch anders als ihre Vorgänger untersucht Bell die Abhängigkeit dieser Begriffe zueinander und verneint damit, dass das Ritual eine innere, universal gültige Kategorie oder Eigenschaft menschlichen Verhaltens ist. 66 Um nicht in kulturelle oder historische Konstruktionen des Rituals zu verfallen, benutzt Bell nicht den Begriff „Ritual“, sondern „Ritualisierung“. „... [B]asic to ritualization is the inherent significance it derives from its interplay and contrast with other practices. From this viewpoint, there would be little content to any attempt to generate a cross-cultural or universal meaning of ritual. 63 S MITH 1987, 104. 64 B URKERT , H AMERTON -K ELLY , G IRARD und S MITH 1987, 196. J.Z. Smith erläutert diese Fähigkeit, die Realität immer zu kommentieren, mit dem Hinweis auf Translokationen, die das Ritual ausmachen. Die Fähigkeit, gewöhnliche Bezeichnungen zu verändern, um die potentiellen Konnotationen zu vergrößern, ist ein Grund, warum das Ritual als „heilig“ bezeichnet werden kann. Transposition ist, nach J.Z. Smith, ein paradigmatischer Prozess in einer syntaktischen Reihe von Handlungen, die das Ritual charakterisieren (S MITH 1998, 18). 65 B ELL 1990, B ELL 1992, B ELL 1997 und B ELL 1998. 66 B ELL 1997, 91. Ritualtheoretische Forschung 59 Likewise, this view suggests that the significance of ritual behavior lies not in being an entirely separate way of acting, but in how such activities constitute themselves as different and in contrast to other activities. [...] Acting ritually is first and foremost a matter of nuanced contrasts and the evocation of strategic, value-laded distinctions.“ 67 Sie versteht das Ritual folglich nicht als bestimmte Handlungen, sondern als Handlungsweise („way of acting“). 68 Mit diesem Umgang bezieht sich die Ritualisierung nicht nur auf eine Nichtübereinstimmung zwischen Ideal und Realität, sondern auf einen Widerspruch zwischen der kulturellen Ordnung und der Bedingung des historischen Moments. 69 Besonders in Situationen, in denen Widersprüche etabliert werden, um soziale Konstruktionen von begrenzter Machtausübung zu stabilisieren, eignet sich der Begriff der Ritualisierung. 70 Bell bezieht sich damit auf Glauben, Werte und personale Identität. 71 Die Abhängigkeit dieser oben genannten Begriffe voneinander begründet sich für Bell in der Annahme, dass alle Kategorien, in denen rituelle Handlungen stattfinden können, konstruiert und dekonstruiert werden können. 72 Ritualisierung stellt daher vor allem eine Strategie dar, um Machtkonstellationen innerhalb einer bestimmten sozialen Organisation zu erlauben. 73 Das gilt auch für die Ritualisierung der ritualtheoretischen Debatte, die sich in einem komplexen Zirkelschluss von gegenseitiger Abhängigkeit bewegt, der, so Bell, nicht immer gewaltfrei geführt wurde. 74 Sie vertritt daher den Standpunkt, dass die Diskussion über die Rituale eigentlich eine Übung für die Reflexion historischer und vergleichender Analysen darstellt - und diese oft mehr über den Sprecher als über das Besprochene aussagt. 75 67 B ELL 1992, 90. 68 B ELL 1990, 302. 69 B ELL 1990, 310. 70 B ELL 1990, 311. 71 B ELL 1990, 311. 72 B ELL 1992, 170. 73 B ELL 1992, 197. 74 B ELL 1997, 265f. 75 B ELL 1997, xf. T EIL III G RUNDLAGEN DER R ITUALTHEORETISCHEN E XEGESE III. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese Die neutestamentliche Mahlforschung steht methodologisch vor der Herausforderung, Texte und ihre Kontexte sinnvoll miteinander in Verbindung zu setzen und (post-)moderne Methoden zu wählen, die auch den antiken Zusammenhängen gerecht werden. Ausgehend von der religions- und liturgiewissenschaftlichen Betrachtung der sog. Einsetzungsworte, wurde der neutestamentliche Mahlforschungsdiskurs durch die soziologischen und sozialgeschichtlichen Methoden erweitert. Die konkreten Umstände der Mahlteilnehmer und die Verortung der Texte innerhalb der alltäglichen Performanz der Mahlgemeinschaften wurden mit Hilfe von kulturanthropologischen Methoden, Ritualwissenschaften und Identitätsmodellen in den Blick genommen. Das hellenistische Mahl als Grundlage für die rituellen Handlungen und den Spielraum für Identitätsentwicklungen anzunehmen, ist eine wichtige Errungenschaft der Studien von Klinghardt, Smith und Taussig. Der Erkenntnisfortschritt, der damit generiert wurde, liegt vor allem in einer soziologischen Vergleichbarkeit der antiken Gemeinschaften und deren Texte. Indem rituelle Handlungen als soziologisch tragend und in gleichem Maße transformierend wahrgenommen wurden, öffnete sich mit Taussig der Diskurs wieder für spezifische Besonderheiten. Die Erkenntnis, dass Gemeinschaften relational zum eigenen kulturellen Kontext gesellschaftliche Relevanz gewinnen und die Fähigkeit ausbilden, unterschiedliche soziale, politische und religiöse Facetten zu repräsentieren, fordert die neutestamentliche Mahlforschung nun auf verschiedenen Ebenen heraus. Erstens müssen Methoden angewendet werden, die das historische Material sinnvoll strukturieren, ohne dass die Erweiterung des Quellenmaterials eingeschränkt wird. Zweitens müssen Methoden verwendet werden, die nicht nur im post-modernen Wissenschaftsdiskurs anschlussfähig sind, sondern auch den antiken Kontexten gerecht werden. Das ist vor allem dann entscheidend, wenn Texte in ihrem Kontext interpretiert werden sollen. Schließlich müssen die Ergebnisse der Studien auch durch andere Methoden nachvollziehbar bzw. überprüfbar sein. Die neutestamentliche Arbeit mit Ritualtheorien hat sich in dieser Hinsicht bereits bei Taussig als sehr wertvoll erwiesen. Taussigs Studie konnte zeigen, dass die detaillierte Analyse des hellenistischen Mahls als Ritual Raum schafft, um die Prozesse innerhalb der Mahlgemeinschaften besser zu verstehen. Doch dort, wo die Ritualtheorien den Blick auf das historische Material geschärft haben, haben sich zugleich weiterführende Fragen ergeben. Im Zentrum der methodologischen Herausforderung steht die systematische Strukturierung der neutestamentlichen Mahlszenen im Rahmen des hellenistischen Mahls. Das bedeutet, dass gezeigt werden muss, inwiefern sich exegetisch nachweisen lässt, was ritualtheoretisch bereits aufgezeigt wurde. In diesem Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 64 Zusammenhang ist somit auch die Prüfung der Ergebnisse durch die Erweiterung des Quellenmaterials und der antiken Kontexte außerhalb des Neuen Testaments notwendig. Das führt wiederum dazu, dass innerhalb des ritualtheoretischen Rahmens sozialgeschichtliche und kulturanthropologische Ansätze weiterentwickelt werden müssen. Weder bei den neutestamentlichen noch bei den kulturanthropologischen Studien wurde bisher detailliert auf die Wechselwirkung zwischen Text und Kontext eingegangen. Obgleich ein Bezug zwischen Text und Kontext immer wieder hergestellt wird, wurde exegetisch noch zu wenig untersucht, ob sich die gegenseitige Abhängigkeit von literarischer und kultureller Performanz auch im Text nachweisen lässt. Die Beschäftigung mit der Wechselwirkung zwischen der alltäglichen Lebenswirklichkeit der Mahlteilnehmer und den darin entstandenen Texten steht definitiv noch aus. Martin Ebner formuliert in diesem Zusammenhang treffend: „Wir haben also auf der einen Seite die Alltagswirklichkeit der Gastmähler und auf der anderen Seite deren literarische Darstellung. In einem Fall müssen die Zeitgenossen die Signale, die über ein Gastmahl vermittelt werden sollen, selbst wahrnehmen, im anderen Fall wird von vornherein nur das gesagt bzw. erzählt, was der Leser an einem bestimmten Mahl wahrnehmen soll.“ 1 Gerade in dieser Spannung zwischen alltäglicher Praxis und literarischer Produktivität liegt die Stärke der Kombination aus Ritualtheorien und neutestamentlicher Exegese. Ritualtheorien verorten das Geschehen in den Alltag der Gemeinschaft und öffnen den Blick auf gesellschaftliche Relevanz von sozialen Orten, in denen mit bestehenden sozialen, politischen und religiösen Voraussetzungen experimentiert werden kann. Die neutestamentliche Exegese hingegen berücksichtigt die literarische Komplexität der Texte und weist auf den identitätsstiftenden Einfluss der Texte auf die Gemeinschaften hin. Die methodologische Verknüpfung erlaubt es folglich, einen Standort des Interpreten außerhalb des Textes bzw. des Autors und außerhalb der Lebenswirklichkeit der Gemeinschaften einzunehmen, um die soziale Funktion des Rituals kontextspezifisch zu würdigen. Im Gegensatz zu hermeneutischen Interpretationen leistet diese Studie einen Beitrag zur historischen Grundlagenforschung, da sie über die Ritualtheorien und die Exegese Zusammenhänge verdeutlicht, die bisher nicht diskutiert wurden. In diesem Sinn möchte die Studie ritualtheoretische Erkenntnisse exegetisch untersuchen und das Interesse der sozialgeschichtlichen und kulturanthropologischen Beobachtungen zum hellenistischen Mahl spezifizieren. Dieses Bemühen schließt ein, dass Fragen an die Quellen gerichtet werden, die sowohl das ritualisierte Handeln als auch den Umgang mit Texten umfassen. Um die Verknüpfung zwischen Text und Kontext detaillierter untersuchen zu können, werden, einleitend zur ritualtheoretischen Exegese 1 E BNER 2007, 69 hat hier die literarische Darstellung des Therapeutenmahls vor Augen. Kulturelle Kontextualisierung des Textes 65 der paulinischen Mahltexte, Themenbereiche beschrieben, in denen rituelles Handeln im Mahl zu Identitätsprozessen Einzelner oder einer Gemeinschaft beiträgt. Für die ritualtheoretische Exegese sind die kulturelle Kontextualisierung der Gemeinschaften, die körperliche Präsenz der Mahlteilnehmer, die Realisierung der Transformationsprozesse und die Gestaltung einer gemeinschaftlichen Realität (Heterotopie), die spezifische Normen und Werte der Mahlgemeinschaft aufnimmt, zentral. Vorerst wird auf das religionsgeschichtliche Umfeld der paulinischen Texte eingegangen, um diese Themengebiete zu erörtern. Dafür werden Untersuchungen zum ägyptischen Sarapiskult, zu den Therapeuten, zu Joseph und Aseneth und dem Aristeasbrief herangezogen. Es soll damit veranschaulicht werden, dass auf der ritualtheoretischen Grundlage des hellenistischen Mahls auch andere historische Quellen über Mahlgemeinschaften Anlass dazu geben, sowohl exegetisch als auch sozialgeschichtlich und kulturanthropologisch detaillierte Studien durchzuführen. Die oben genannten Schwerpunkte, die auch für die Betrachtung der paulinischen Mahlgemeinschaften und Texte wesentlich sind, werden hier in Betracht gezogen. Hierzu gehören erstens die kulturelle Kontextualisierung des Mahlgeschehens, die maßgeblich von Texten getragen wird, zweitens die Verknüpfung der alltäglichen Umstände der Mahlgemeinschaften mit deren Texten, drittens die Abbildung von Transformationsprozessen der Mahlgemeinschaften und viertens die Etablierung von einem spezifischen Ort, in dem die Werte der Mahlgemeinschaft realisiert werden können. A. Kulturelle Kontextualisierung des Textes Für die ritualtheoretische Exegese ist die kulturelle Kontextualisierung der Texte zentral, weil nicht nur die Texte der Gemeinschaften von ihrem Umfeld geprägt sind, sondern dies auch für ihre Mahlpraxis gilt. Berücksichtigt wird nicht nur das sozialgeschichtliche, sondern auch das literarische Umfeld, das die Gemeinschaften maßgeblich beeinflussen kann. Es geht folglich darum, Wechselwirkungen zwischen Text und Kontext abzubilden, die sich während des Mahlgeschehens realisieren. Ausgehend von der kulturellen Vielfalt des antiken Mittelmeerraums, eignet sich die Betrachtung der Mahlgemeinschaften dann, wenn eine dynamische und flexible Anpassung eines Kultes an die sozialen, politischen und religiösen Umstände seiner Teilnehmer beobachtet werden kann. In der Entwicklungsgeschichte des ägyptisch-hellenistischen Sarapiskultes zwischen 330 v. Chr. und 30 n. Chr. können detaillierte Untersuchungen der Mahlgemeinschaften angeführt werden, um die Wechselwirkung zwischen Text und Kontext im Mahlgeschehen zu verdeutlichen. Kennzeichnend für die wechselseitige Beeinflussung ist die Quellenpluralität. Nicht nur literarische Quellen und Inschriften, sondern auch Hymnen zu Ehren der Gottheiten müssen für die Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 66 Fragestellung berücksichtigt werden. Das Interesse an der kulturellen Kontextualisierung ist vor allem davon bestimmt, dass die Hellenisierung des ägyptischen Kultes sich unter anderem auch in der Präsenz des Gottes beim Mahl erkennen lässt. 1. Der Sarapiskult Bei der Betrachtung von ägyptischen Religionen bzw. Gottheiten wird besonders Isis sehr viel Aufmerksamkeit zuteil. Doch Isis tritt nicht alleine auf - an ihrer Seite befindet sich Osiris und später Sarapis. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Alexander Sarapis verehrte, als er Alexandria gründete - mit großer Wahrscheinlichkeit aber wurden Sarapis ’ hellenistischer Name und seine hellenistische Erscheinung in Ägypten unter der Herrschaft von Ptolemaios I verehrt. 2 In dieser Zeit verbreitete sich der Isiskult rasant, wobei Alexander Isis und Osiris noch als Götterpaar verehrte; erst später wurde Osiris durch Sarapis ersetzt. 3 Der Kult, der, in Memphis begründet, Apis und Osiris miteinander ins Verhältnis setzt, erfuhr große Aufmerksamkeit unter Ptolemaios I. Auch im hellenistischen und römischen Kulturraum Griechenlands breitete sich der Kult aus, indem er sich ständigen Veränderungen unterzog. 4 Eine wegweisende Veränderung ergab sich durch die Hellenisierung des ägyptischen Kultes in Ägypten und im Mittelmeerraum. Da diese Veränderungen nicht ohne Veränderungen bei den Anhängern vonstatten gingen, muss immer gefragt werden, wer den Kult verbreitete und auf welche Weise der Kult verbreitet wurde. Im Zentrum dieser Fragestellung steht die Betrachtung der Anhänger selbst. Zu welchen Kreisen gehörten sie? Wie waren sie organisiert? Inwieweit waren die Ägypter selbst die treibende Kraft bei der Verbreitung? Auch muss in Erfahrung gebracht werden, wie und warum der Isis- und Sarapiskult zu einer Religion des hellenistisch-römischen Reiches wurde. Ladislav Vidman erörtert diese Fragen vor allem anhand von Inschriften. 5 . Auf die Frage, warum es zu einer Verbreitung des Isis- und Sarapiskultes außerhalb Ägyptens und unter Griechen in Ägypten gekommen ist, antwortet Vidman: „Schon in vorhellenistischer Zeit hatte [...] der Isis- und Osiriskult einen solchen Charakter, dass er auch den griechischen Vorstellungen entsprechen konnte.“ 6 Zu diesen Charakteristika gehören das Wesen als Allgott in menschlicher Gestalt, die Fähigkeit des Heilens und die Unterstützung der staatlichen Machthaber. 7 Gerade Letzteres ist für Thomas Brady ein wichtiger Grund für die Annahme des ägyptischen 2 S TAMBAUGH 1972, 88. 3 V IDMAN 1970, 10. 4 C OLUMBIA E LECTRONIC E NCYCLOPEDIA . 5 V IDMAN 1970, 8. 6 V IDMAN 1970, 12. 7 B RADY und M ULLETT 1978, 12. Kulturelle Kontextualisierung des Textes 67 Kultes unter Griechen in Ägypten. Für ihn ist besonders relevant, dass die griechischen Immigranten in Ägypten vor allem auf die Gunst der Machthaber angewiesen waren und häufig in der Armee dienten. Von daher hatten sie aus ihrer Profession heraus eine große Affinität zu Kulten, die politische und militärische Macht gewährleisteten. 8 Bereits im 3. Jh. v. Chr. nahmen die Griechen in Ägypten den Kult an und gaben ihm eine eigene Bedeutung. Isis und Sarapis wurden in hellenistischer Form abgebildet und Isis wurde zur Frau von Sarapis, während im ägyptischen Kult Osiris Isis ’ Mann war. 9 Bemerkenswert ist, dass Sarapis nicht als neuer Gott angebetet, sondern als neue griechische Manifestation des traditionellen Osiris wahrgenommen wurde. 10 Am Ende des 3. Jh. v. Chr. waren die Götter Isis und Sarapis komplett hellenisiert und fester Bestandteil des griechischen Pantheon, wohlgemerkt neben den Göttern Zeus, Hera, Demeter und Aphrodite. 11 Brady sieht die Verbreitung des Kultes in Griechenland vor allem aus politischen Gründen gegeben, da die Athener den ägyptischen Herrschern durch das Aufstellen von Statuen des Ptolemaios II. und der Arsinoe ihre Dankbarkeit erwiesen. 12 Vidman kritisiert in seiner Studie die frühe Datierung der Verbreitung des Sarapiskultes im hellenistischen Raum aufgrund von imperialen Notwendigkeiten. Gegen die „imperialistischen“ Theorien spricht vor allem, so Vidman, dass Quellen über eine mögliche Installierung in Sizilien um 300 v. Chr. falsch interpretiert wurden. So weiß man über die Ehe zwischen dem sizilianischen Agathokles mit der ägyptischen Theoxena lediglich, dass sie vor seinem Tode mit ihren Kindern zu ihrem Vater Ptolemaios geschickt wurde, nicht aber, dass durch sie und Agathokles der ägyptische Kult nach Sizilien kam. 13 Für Vidman ist viel entscheidender, dass Sarapis das Vermögen zur Heilung zugesprochen wurde und er mit dieser Eigenschaft eine immer größere Beliebtheit genoss - mit Hilfe dieser Eigenschaft kann die Verehrung sogar in das 4. Jh. v. Chr. datiert werden. 14 Vergleichbar argumentiert auch John Stambaugh, der in seiner Studie betont, dass Sarapis immer mehr Eigenschaften anderer Götter zugesprochen wurden und er somit ausgesprochen leicht für große Bevölkerungsschichten zugänglich war. Stambaugh hält sich allerdings mit Urteilen zurück, die eine Vielseitigkeit mit imperialer Einflussnahme verbinden, da diese auch zu einer Vagheit des Gottes geführt hätten. Für ihn ist die sich entwickelnde Vagheit durch die theologische Entwicklung nur insofern intentional zu verstehen, als dass breitere Bevölkerungsschichten von Sarapis angesprochen wurden. Klarheit in die Frage der Datierung oder der politischen Intention zu bringen, gehört si- 8 B RADY und M ULLETT 1978, 11f. 9 B RADY und M ULLETT 1978, 14. 10 S TAMBAUGH 1972, 88. 11 B RADY und M ULLETT 1978, 16. 12 B RADY und M ULLETT 1978, 20. 13 V IDMAN 1970, 29. 14 V IDMAN 1970, 32. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 68 cherlich nicht zu den Aufgaben dieser Studie. Bemerkenswert ist allerdings, dass sich die Charakteristika des Sarapis relational zum Kontext entwickelten und sich an diesem Kult eine Veränderung mit wachsender Hellenisierung beobachten lässt. 2. Priester, Gläubige und Vereine Zu den äußeren Eigenschaften des Kultes gehörten ohne Zweifel die jährlich wechselnden Priester. Seit der offiziellen Anerkennung des Kultes (zwischen 166 und 148/ 9 v. Chr. 15 ) wird nicht nur von ägyptischen Priestern, die das Amt ihr Leben lang innehatten, berichtet, sondern auch von jährlich wechselnden Priestern. 16 Während aus dem römischen Raum mehrere Grabsteine von Priesterinnen bekannt sind, sind sie im griechischen Raum viel seltener vertreten. Vor der Kaiserzeit sind keine Hinweise auf Priesterinnen belegt. 17 Die jährlich wechselnden Sarapispriester amtierten in den hellenistischen Städten immer allein und unterschieden sich kaum von den anderen Personen. 18 Für die Griechen waren vor allem die jährlich wechselnden Priester typisch, und nicht etwa Priesterkollegien, wie in Ägypten. Vielmehr versammelten sich die gläubigen Griechen zu Kultvereinen. 19 Auch der Unterhalt eines Tempels bedurfte nicht nur eines Priesters, sondern auch niederer Priester, Tempelwächter, Verantwortlicher für den heiligen Herd, Aufseher und Hilfspersonal bzw. Sklaven. 20 Einen sehr lebendigen Eindruck über die Rahmenbedingungen im Tempel vermittelt der Brief des Ptolemaios an seine Eltern über die Kosten für eine kli÷nh (Gemeinschaftsmahl) des Sarapis. Ptolemaios, der seinem Vater schon früher mitgeteilt hat, dass er von Sarapis zur kli÷nh aufgefordert worden ist, informiert seinen Vater über die 22 Drachmen pro Person und die zusätzlichen 24 Drachmen Eintrittsgebühr für die Teilnahme als Novize. Ptolemaios schreibt, dass es eine Sonderregelung für den Veranstalter (aÓgorano/ moß) gibt, die besagt, dass dieser keine der beiden Gebühren bereitstellen muss, sofern er das Holz beisteuert. Er hat sich nun entschieden, die Rolle des Veranstalters zu übernehmen, und bittet seinen Vater um fünf Eselladungen Holz. Ptolemaios fügt hinzu, dass er den Vater entlohnen wird, falls er selbst mit dem Holz kommt; ansonsten würde er mit zwei Freun- 15 B RADY und M ULLETT 1978, 43. 16 V IDMAN 1970, 48. An dem Wechsel der Priester lässt sich vor allem ein Generationswechsel erkennen. Während die ersten Sarapispriester im griechischen Raum, die das Amt lebenslang innehatten, noch sehr oft gebürtige Ägypter waren, hatten die jährlich wechselnden Priester keinerlei Beziehung zu Ägypten. 17 V IDMAN 1970, 49. Aus der Kaiserzeit belegen dann Grabsteine, dass es Isispriesterinnen gegeben hat. Es ist davon auszugehen, dass sie bis zu ihrem Todestag Priesterinnen waren. 18 V IDMAN 1970, 51f. 19 V IDMAN 1970, 170. 20 V IDMAN 1970, 64f. Kulturelle Kontextualisierung des Textes 69 den das Holz abholen. 21 Aus diesem Brief geht deutlich hervor, dass Ptolemaios das Gemeinschaftsmahl des Sarapis unter keinen Umständen ablehnen konnte, er aber mit hohen Kosten (46 Drachmen oder fünf Eselladungen Holz) rechnete. Es bestätigt sich zusätzlich, dass die Rollen während des Mahls flexibel gestaltet wurden und sich den sozialen Realitäten der Teilnehmenden anpassten. Auf diese Weise konnte Ptolemaios dem Mahl vorstehen, weil er über große Mengen Holz verfügte. In der Beschreibung wird deutlich, dass oft kaum zu unterscheiden war, wer Priester, wer Gläubiger und wer Initiierter war. 22 Zur Hellenisierung des Kultes gehörte ebenfalls, dass sich die Gläubigen in Kultvereinen assoziierten. Vidman unterscheidet zwischen drei verschiedenen Formen der Partizipation am Sarapiskult. Er identifiziert zum einen Gläubige, die entweder in gar keinem oder in einem recht losen Verband organisiert waren. Die mittlere Stufe bilden für ihn Gläubige, die in einem fest organisierten Kultverein waren, dem ein Priester vorstand. Die höchste Stufe besteht seines Erachtens aus denjenigen, die so hohe Funktionen bekleideten, dass sie fast mit den Priestern gleichgesetzt werden konnten. 23 Lose Vereine nannten sich häufig koino/ n und wurden je nach Kontext unterschiedlich geleitet. Die Bezeichnung koino/ n kommt auch auf Thasos vor, wo die Sarapisten von einem Priester geleitet wurden. Dieser wurde von Personal, darunter einem Schreiber, bei den Kultmählern unterstützt. 24 In nicht fest organisierten Vereinen nannten sich die Gläubigen Therapeuten, selbst wenn sie ihren losen Verein mit koino/ n bezeichneten. 25 Des Weiteren werden Melanephoren bezeugt, die sich von den Therapeuten darin unterschieden, dass sie höhere Funktionen bekleideten, ein schwarzes Gewand trugen und einen geschlossenen Verein bildeten. 26 Die Liste der Bezeichnungen für Kultmitglieder oder Kultvereine ist sehr lang und unterscheidet sich je nach Kontext. So finden sich Bezeichnungen wie sacrorum oder Isidis sacrorum, die hinter dem Namen einer betreffenden Person stehen. Letztgenannten Titel führten beispielsweise meistens Frauen. 27 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Bezeichnungen und Titel relational zum Kontext verliehen wurden und sich in diesem Sinne regionale und kulturelle Unterschiede identifizieren lassen. 21 T OTTI 1985, 128f. 22 V IDMAN 1970, 65 bezieht sich in seinen Beobachtungen auf „Funktionäre“, die in der Lage waren, die Priester „wirksam zu unterstützen und sogar ihre Aufgaben zu supplieren“. 23 V IDMAN 1970, 66. 24 V IDMAN 1970, 67. 25 V IDMAN 1970, 69. 26 V IDMAN 1970, 69f.74. 27 V IDMAN 1970, 88. Siehe ausführlich 66-105. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 70 3. Die kli÷nh des Sarapis Die kli÷nh 28 oder das Gemeinschaftsmahl gehörte, ebenso wie die Prozessionen und die gesellschaftliche Bedeutung, zu den festen Bestandteilen des hellenistischen Sarapiskultes. Festmahle fanden am zehnten Tag des Monats statt und wurden auch mit den Mysterien verbunden. 29 Die Einladungen wurden in der Form eines Briefes des Gottes an seine Diener ausgestellt, in welchem der Gott den Menschen auffordert, zur kli÷nh zu kommen. 30 Das Besondere am Mahl des Sarapis war, dass der Gott gleichzeitig Gastgeber und Gast des Mahls war. Ailios Aristeides schreibt: „Und ferner feiern auch die Menschen mit diesem Gott allein in besonderer Weise die Opfergemeinschaft im wahren Sinne des Wortes: sie laden ihn zum Mahl, geben ihm als Tischherren und Gastgeber den besten Platz, so dass dieser, während an den anderen Festmahlen bald der, bald jener Gott teilnimmt, gleicherweise bei allen die ehrende Krone bedeutet, indem er als Symposiarch waltet inmitten derer, die sich in seinem Namen sammeln. Wie nach Homer Athene selbst die Spende vergoss und zugleich die einzelnen Bitten erfüllte, so ist dieser Gott Spendengeber und Spendenempfänger in einem, ist zum Jubelfest Kommender und zugleich die Festteilnehmer zu sich Ladender; unter seiner Führung tanzen sie ohne Furcht vor Schaden den Festesreigen, mit den Kränzen nehmen sie auch den wahren Frohsinn nach Hause mit und antworten in der Wiederkehr der Strophe ihm mit einer Gegeneinladung.“ 31 Für die Mahlgemeinschaften galt, dass sie sich manchmal in privaten Häusern, manchmal im Tempel trafen. Aristeides beschreibt Tänze und sicherlich sind auch Libationen Teil des Mahls gewesen. Herbert C. Youtie macht in seinem Aufsatz die Trennung zwischen kultischen und sozialen Anlässen deutlich und bezieht sich dabei auf Einladungen zu sozialen Anlässen wie Hochzeiten oder Jahresfeiern bzw. Opferhandlungen in Sarapistempeln und anderen Tempeln. 32 Und auch Anton Höfler nimmt sich in seinem Kommentar zum Aristides-Hymnus der Frage an, wie die Verbindung zwischen Tempel und Privathäusern ausgesehen haben mag. Da die überlieferten Einladungen zur kli÷nh ausschließlich private Einladungen sind, wurde vermutet, dass Aristeides dem Festhalten des Kultmahles widerspreche. 33 Höfler verneint diese These, da Anteile am Mahl für den Priester festgelegt wurden und dies einer rein privaten Veranstaltung widerspräche. 34 Höfler hat sicherlich richtig erkannt, dass die religiösen und privaten bzw. sozialen Veranstaltungen nicht voneinander zu trennen waren. Dies war allerdings nicht deshalb der Fall, weil Aspekte des Tem- 28 V IDMAN 1970, 170 schreibt, dass der Terminus kli÷nh nur im Westen bekannt war. 29 V IDMAN 1970, 127.170. 30 T OTTI 1985, 124. 31 Übersetzt von H ÖFLER 1935, 18f. 32 Y OUTIE 1948, 14. 33 H ÖFLER 1935, 95 über S ALA 1914, Sp.253. 34 H ÖFLER 1935, 95. Kulturelle Kontextualisierung des Textes 71 pels überall zu finden waren, sondern weil es grundsätzlich keine Unterscheidung zwischen diesen kulturellen Performanzen gegeben hat. Aus einleitend beschriebenen Gründen kann folglich nicht davon ausgegangen werden, dass es eine Trennung zwischen sozialen und religiösen Anteilen eines Mahls gegeben hat. Eben diese Annahme bestätigt sich in der zweifachen Präsenz des Sarapis. Nur weil soziale, politische und religiöse Inhalte zusammenfallen, kann Sarapis auf unterschiedlichen Ebenen von der Mahlgemeinschaft wahrgenommen werden. In diesem Sinne kann er Gastgeber und Gast zugleich sein. 4. Zusammenfassung Mit dieser kurzen Betrachtung des Sarapiskultes und der Präsenz des Gottes im Mahl konnte gezeigt werden, dass die relationale Kontextualisierung des Kultes für die Anpassung an soziale, politische und religiöse „Realien“ entscheidend ist. Da diese „Realien“ auch immer Veränderungen unterliegen, bietet sich ein vielseitiges System gegenseitiger Einflussnahmen. Das Interesse galt vor allem der kulturellen Kontextualisierung, hier der Hellenisierung des ägyptischen Gottes. Die Fähigkeit, immer mehr „hellenistische“ Charakteristika auf sich zu vereinen und damit für breite Bevölkerungsschichten zugänglich zu werden, war für die Verbreitung des Kultes entscheidend. Auch in den äußeren Charakteristika zeigte sich, dass der Kult äußerst anpassungsfähig war. So wurde Ptolemaios zum Vorsteher des Mahls, weil er das Brennholz besorgte. So wie sich individuelle Identitäten relational zum Kontext ausbildeten, gestalteten sich auch die kollektiven Identitäten, da Gläubige in unterschiedlichen Konstellationen ihre Beziehung zum Kult gestalteten. Die Performanz des Gottes war davon nicht ausgenommen. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 72 B. Korporealität der Mahlgemeinschaften Wie bereits bei der kulturellen Kontextualisierung des Sarapiskultes gezeigt werden konnte, lassen sich die Wechselwirkungen zwischen Text und Kontext auf unterschiedliche Weise abbilden. Zentral war die Verknüpfung zwischen dem sozialgeschichtlichen und dem literarischen Umfeld der Mahlgemeinschaften. Die sozialgeschichtlichen Realitäten für die Kontextualisierung des Kultes heranzuziehen, leitet über in ein weiteres Themengebiet, das für die ritualtheoretische und für die exegetische Untersuchung der paulinischen Mahltexte und -gemeinschaften wichtig ist - die Korporealität der Mahlgemeinschaften. Über die Korporealität, also die Berücksichtigung der Leiblichkeit der Mahlteilnehmer, zu sprechen, bedeutet, nicht nur die körperliche Präsenz der Mahlteilnehmer, sondern auch ihre körperliche Bedürftigkeit zu berücksichtigen. Das führt zu einer Betrachtung des Umgangs mit Speisen im sozialgeschichtlichen und literarischen Rahmen. In der antiken Mahlforschung wurde für den Umgang mit Speisen vor allem auf die asketischen Gemeinschaften verwiesen, da diese über die Infragestellung der Sättigung vielschichtige Identitätsdebatten führten. Eine wichtige Quelle für die Beschreibung der asketischen Mahlgemeinschaft ist selbstverständlich Philos De Vita Contemplativa (Philo cont.). Doch auch Eusebius und Josephus können als Quellen bezüglich des historischen Kontextes von Philos Therapeuten herangezogen werden. 35 Schon in der Diskussion über die Namensgebung, die für die Philoforschung immer von großer Bedeutung war, wird deutlich, dass sich die asketischen qerapeutai÷ einerseits auf die Anbetung des sich selbst offenbarenden Gottes und anderseits auf die Zuversicht in die Heilung der Seele bezogen. 36 Die Therapeuten, die eher Anhänger bzw. Verehrer Gottes waren als dessen Diener 37 , sorgten dafür, dass in der Gottesbeziehung die Verunreinigung der Seele und deren Folgen geheilt werden konnten. Die Mahlgemeinschaft der Therapeuten kann als realisierter Ort der Gottesbeziehung verstanden werden und bietet vielfältige Anhaltspunkte, wie die Körperlichkeit der Mahlteilnehmer in Bezug auf ihre (religiöse) Identität verstanden werden kann. Ritualtheoretisch und exegetisch ist dies von Bedeutung, da die asketischen Standards als Teil der Identitätsentwicklung der Mahlgemeinschaft dargestellt werden und Philos Schrift darüber Auskunft gibt. 35 Flav.Jos.Ant.; Eus.h.e. Sehr detailliert ist Per Bildes Aufsatz The Essenes in Philo and Josephus, in dem er zu dem Schluss kommt, dass die Therapeuten durchaus mit den Essenern assoziiert werden können. Er unterstützt mit seiner Position Vermes, der sich für das Verständnis analog zweier Seiten einer Medaille ausgesprochen hat. B IL- DE 1998, 65. 36 Vgl. B ELLERMANN 1821 und V ERMES 1962; so auch C OUTSOUMPOS 2005, 31. 37 T AYLOR 2003, 62. Korporealität der Mahlgemeinschaften 73 Die folgenden Erörterungen widmen sich ausschließlich den Mahlgemeinschaften der Therapeuten. Für die nähere Betrachtung der ägyptischen Therapeuten ist es wichtig, die Unterschiede zu und die Gemeinsamkeiten mit den Essenern in Judäa zu beschreiben. Beide Gruppen nahmen gemeinsame Mahlzeiten ein. Beide hatten keine Sklaven, regulierten das Essen, verzichteten auf die Ehe, entwickelten hohe moralische Standards und zeigten Respekt und Ehrerbietung gegenüber dem Gesetz des Moses. Obwohl sie in aller Bescheidenheit gekleidet waren, verteidigten sie sich gegen Räuber. Darüber hinaus lebten sie nicht in Städten, sondern außerhalb. Sie trafen sich zum gemeinsamen Essen und Beten im gemeinschaftlichen Zentrum. Essener und Therapeuten heiligten den Sabbat und interpretierten die Bibel allegorisch. Darüber hinaus übten sie das Morgengebet zur Sonne gerichtet aus, schrieben eigene heilige Texte und Hymnen und vollzogen körperliche und geistige Heilungen. 38 Während der Gottesdienste herrschte absolutes Schweigen in beiden Gemeinschaften. Die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen sind dagegen aussagekräftig genug, um den Therapeuten im Einzelnen Aufmerksamkeit zu schenken. Auch im Alltag verzichteten die Therapeuten auf Fleisch, Wein und großzügige Mahlzeiten. Bezüglich der Lokalisation ist nicht unerheblich, dass die Therapeuten in Ägypten in der Nähe von Alexandria angesiedelt waren, wobei die Essener in Palästina siedelten und eine große Gemeinschaft bildeten. Kennzeichnend ist für die Therapeuten, dass sie Frauen in ihrer Gemeinschaft wie Männer betrachteten und über keinen Besitz verfügten. Des Weiteren setzt diese Studie voraus, dass die Hierarchie unter „Gleichen“ dafür sorgte, dass die Älteren von den Jüngeren im Alltag und bei den Zusammenkünften versorgt wurden. David M. Hay beschreibt die Therapeuten treffend wie folgt: „They pursue wisdom by reading the scriptures allegorically, considering the sacred text resembles an animal whose body consists of literal ordinances and whose soul is the invisible mind (nouvß) presented in the words (Contemp. 28-29, 78; cf. 66). They pray for ‘heavenly daylight’ and clear apprehension of the truth, as well as for relief from the press of senses (27,89). ... [T]hey keep God constantly in mind, even in their dreams (26). Philo ends his account by asserting that the Therapeutae ‘live in the soul (yuch/ ) alone’ and thereby have risen to the ‘very summit of felicity’ having become ‘citizens of heaven and the world’ through their lives of contemplation and virtue (90).“ 39 Hay beschreibt weiter, dass die Gemeinschaft der Physis des menschlichen Körpers dahingehend Aufmerksamkeit schenkte, dass die Mitglieder ver- 38 Zu den Hymnen der Therapeuten siehe G ORDLEY 2007, 106. Auch Klinghardt beschreibt, dass der „Besitz“ eines Hymnus der Bedeutung des Tragens von priesterlichen Gewändern glich. „Beides erforderte eine bestimmte Heiligkeit, die nicht jedem zusteht.“ Dies sei nicht nur für Philos Therapeuten relevant, sondern für die pneumatischen Hymnen überhaupt. Er bezieht sich in diesem Abschnitt auf 1Kor 14,26. (K LINGHARDT 1996, 124f.) 39 H AY 2004, 138. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 74 suchten, ihre Körper so weit wie möglich zu transzendieren, indem sie sehr wenig aßen und in einfachen Kleidern und Häusern wohnten. 40 In Philo cont. 32 schildert Philo, dass Frauen Männern gleich am Leben der Gemeinschaft teilhatten, wobei die meisten Frauen Jungfrauen oder Witwen waren und sich zum Fest von den Männern getrennt in einem Raum für Frauen aufhielten (gunaikwni tiß). Keine Unterschiede zwischen männlich und weiblich zu machen, schien Ausdruck von höchstem spirituellen Leben gewesen zu sein. 41 1. Das Mahl der Therapeuten bei Philo Am Sabbat trafen die Therapeuten zum Gottesdienst zusammen. An jedem siebten Sabbat trugen sie weiße Kleider, feierten und saßen miteinander. Die Sitzordnung orientierte sich am Alter der Teilnehmer und das Mahl bestand aus Brot und Wasser. Philo beschreibt, dass es kein Fleisch gab und auch kein Wein getrunken wurde, um die Reinheit zu bewahren und die Heiligung ein Leben lang zu erhalten. 42 Bemerkenswert ist, dass das einfachste und reinste Essen den Priestern gegeben wurde, um ihnen für ihre Dienste zu danken und die Vergegenwärtigung des Tempels aufrecht zu erhalten. 43 „ 81 Wenn jeder seinen Hymnus zu Ende gesungen hat, tragen die Jünglinge den vor kurzem erwähnten Tisch hinein. Auf ihm befindet sich die hochheiligste Speise, nämlich gesäuertes Brot mit Salz als Zukost, dem Hysop beigemischt ist. Solche Speise verwenden sie aus Ehrfurcht vor dem geweihten Tisch, der in der heiligen Vorhalle des Tempels aufgestellt ist. Auf diesem nämlich liegt Brot und Salz ohne Gewürze; das Brot ist ungesäuert, dem Salz ist nichts beigemischt. 82 Es gebührte sich nämlich, dass die einfachste und reinste Speise dem besten Stand, den Priestern, zuerteilt wurde als Belohnung für ihren Dienst, während die anderen zwar nach Ähnlichem streben, vom Gleichen aber ablassen, damit die Besseren ihren Vorzug behalten.“ (Philo cont. 81f) 44 Panayotis Coutsoumpos bemerkt bezüglich dieses Abschnitts treffend, dass es sich bei den Therapeuten um eine Laiengemeinschaft handelte, die ihrem Mahl denselben kultischen Charakter gab wie der Feier in Jerusalem. Damit unterstützt er zu Recht die These, dass hier ein geheiligtes Mahl gefeiert wurde. 45 Dieses Mahl bezeichnete Philo in Philo cont. 83 als to\ dei pnon, obwohl in seinen Berichten deutlich wird, dass die Sättigung der Mahlteilnehmer nicht im Vordergrund des Essens stand. Der Fokus liegt 40 H AY 2004, 138. Teilt man die Ansicht Taylors, dann ist diese Bescheidenheit in einer Umwelt, die exklusiver nicht sein könnte, umso bemerkenswerter. T AYLOR 2003, 77.90. 41 H AY 2004, 138f. 42 Philo cont. 74. 43 Philo cont. 82. 44 Nach P HILO J UDAEUS 1909-1964, VII. 45 C OUTSOUMPOS 2005, 32f. Korporealität der Mahlgemeinschaften 75 auf der geheiligten Feier, welche die ganze Nacht über andauerte (meta» de« to\ dei pnon th\n i˚era»n a‡gousi pannuci÷da). Das wird umso deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, wie detailgetreu Philo das Lesen der Schrift beschreibt und darauf hinweist, dass das Singen von eigenen Hymnen und das Zuhören eine wichtige Bedeutung einnahmen. Nicht unwesentlich ist dabei die Ordnung der Gemeinschaft, die sich am Alter orientierte (Senioritätsprinzip). 46 „... [W]enn die Gäste sich dann in der beschriebenen Reihenfolge niedergelassen und die Diener sich in gehöriger Ordnung, bereit zur Dienstleistung, aufgestellt haben, <tritt tiefstes Schweigen ein>. Man könnte fragen, wann denn nicht alle schweigen. Aber zu diesem Zeitpunkt herrscht noch tieferes Schweigen als vorher, so dass keiner einen Laut von sich zu geben oder heftiger als gewöhnlich zu atmen wagt. <Sodann geht ihr Vorsteher> einem Problem nach, das sich aus den heiligen Schriften ergibt, oder erörtert eine Frage, die von einem aufgeworfen wurde. Hierbei achtet er nicht auf glanzvolle Vortragsweise - denn er strebt nicht nach Ruhm, der auf großer Beredsamkeit beruht -, sondern ihm geht es darum, bezüglich einiger Punkte eine genauere Erkenntnis zu gewinnen und, wenn ihm das gelingt, sie den anderen nicht vorzuenthalten, die das gleiche Verlangen nach Verständnis besitzen, wenn sie auch nicht so scharfsinnig sind wie er.“ (Philo cont. 75) 47 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Nicht-Satt-Werden und auch das Nicht-über-Essen-Sprechen bezeichnend im Hintergrund der Erzählung stehen. Selbstverständlich wird dem Gebet und der Ordnung der Gemeinschaft bei Philo viel Aufmerksamkeit geschenkt, doch liegt die Vermutung nahe, dass diese geheiligten Handlungen der Mahlteilnehmer nur deshalb im Vordergrund stehen können, weil von sozialen, ökonomischen und kultischen Auseinandersetzungen bezüglich der Speisen, des Reichtums oder des gesellschaftlichen Einflusses abgesehen wird. Auch die Unterschiede zwischen Männern und Frauen wurden von den Therapeuten minimiert, um die rechte Beziehung zu Gott aufrecht zu erhalten. Bemerkenswert konsequent ist Philo darin, sich den möglichen Konflikten nicht detailliert zu widmen, sondern sie lediglich in allegorischen Anspielungen zu beschreiben. 2. Die Korporealität der Mahlteilnehmer Die eben beschriebene Abstinenz von gesellschaftlichem Konfliktpotential bei den Therapeuten soll in den folgenden Abschnitten ausgeführt werden, 46 Bsp. Philo cont. 67: „[...] Nach den Gebeten lassen die Ältesten sich nieder, entsprechend der Reihenfolge ihrer Aufnahme in die Gemeinschaft. Als Älteste betrachten sie nämlich nicht die Hochbetagten und Grauhaarigen [, sondern noch als ganz junge Kinder], wenn sie erst spät diese Lebensführung liebgewannen, sondern die, welche von den frühesten Lebensjahren an ihre Jugend und Mannesblüte dem betrachtenden Teil der Philosophie widmeten, welcher in der Tat der schönste und göttlichste ist.“ Nach P HILO J UDAEUS 1909-1964, VII. 47 Nach P HILO J UDAEUS 1909-1964, VII. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 76 denn es stellt sich die Frage, welche Form der politischen, philosophischen und körperlichen Präsenz Philo als Ideal der Mahlteilnehmer darstellt. Erstens wird folglich der Frage nach der Materialität der Körper nachgegangen, um zweitens über die Anthropologie Philos im Zusammenhang mit dem Essen bei den Therapeuten auf die (Korpo-)Realität der Nahrungsmittel sowie die (Korpo-)Realität Gottes zu sprechen zu kommen. Welches Verständnis hatten die Therapeuten von ihrem Körper, der über die Abstinenz von Sättigung einen reineren Status gegenüber Gott erhalten konnte? Oder anders gefragt: In welcher kultischen und politischen Funktion traten die Mahlteilnehmer beim geheiligten Mahl der Therapeuten auf? Die Beantwortung dieser Fragen bedarf einiger Vorbemerkungen. Grundsätzlich setzt diese Studie voraus, dass die Frage nach dem Körper eine Frage der öffentlichen Performanz eines Einzelnen in kultischen und politischen Zusammenhängen ist. Somit ist auch die Frage nach dem Essen keine Frage, die das Privatleben der Menschen betrifft, sondern eine, welche die öffentliche Funktion von Speisen nachzeichnen kann. Folglich kann auch davon ausgegangen werden, dass die Korporealität der Mahlteilnehmer eng mit dem Zeichen- und Codesystem der Speisen und deren Verspeisung zusammenhängt. Dennoch sollte es vermieden werden, die Speisen ausschließlich als Zeichen oder Codes für etwas anderes, wie Sexualität oder Macht, zu verstehen. Eben dadurch, dass Brot und Wasser Brot und Wasser bleiben, bewahren diese Speisen ihre Verknüpfung zu anderen fundamentalen Belangen und Verhaltensweisen. 48 In diesem Zusammenhang wird nicht angestrebt, das individuelle Körperempfinden der Mahlteilnehmer zu rekonstruieren, sondern es soll nach der Bedeutungsvielfalt neuer sozialer und kultischer Präsenz der Therapeuten im Zusammenhang mit dem Mahl gefragt werden. McGowan schreibt in diesem Zusammenhang treffend, dass viele Elemente des Mahls in der Lage waren, Beziehungen zwischen Mahlteilnehmern auszudrücken oder sogar hervorzubringen. Die Quantität, Qualität und Vielfalt der Speisen und Getränke wiesen auf den Wohlstand, den Geschmack und die Großzügigkeit des Gastgebers und seiner Gäste hin. Bezüglich der Öffentlichkeit hatten die Elemente des Mahls die Funktion, für Gleichberechtigung und Abgrenzung gegenüber anderen Eliten zu sorgen. 49 Folgerichtig beobachtet McGowan jedoch, dass in jedem Bemühen um Gleichheit und Gleichberechtigung einige Mahlteilnehmer „gleicher“ wurden als andere. 50 Auf die Situation der Therapeuten übertragen erkennt man deutlich, dass auch hier Hierarchien innerhalb einer scheinbar gleichberechtigten Situation etabliert wurden, allerdings nicht mit luxuriö- 48 Vgl. M C G OWAN 1999, 33. 49 M C G OWAN 1999, 48. 50 M C G OWAN 1999, 49. Die Ironie liegt folglich darin, dass jemand nicht „gleicher“ sein kann als ein anderer. Entweder etwas ist gleich oder es ist nicht gleich. Korporealität der Mahlgemeinschaften 77 serem, sondern mit asketischerem Essverhalten. Den Priestern wurde am wenigsten zu essen gegeben. Hierin bestätigt sich, dass dem Essen von Brot und dem Trinken von Wasser weniger Bedeutung zugesprochen worden wäre, wenn die Mahlteilnehmer nicht auch reichhaltiger hätten essen und trinken können. 51 Das Essen und Trinken, das gerade nicht die sättigende Funktion übernehmen kann, gewinnt allein dadurch an politischem und kultischem Ausdruck, dass die Körper der Mahlteilnehmer diesen Bedeutungshorizont ausdrücken. Diese Form der Askese erhält durch die neuen sozialen und kultischen Bezüge der Mahlteilnehmer eine qualitative und eine quantitative Funktion. Qualitativ ist diese Askese dadurch, dass sich die Teilnehmer durch den Verzicht auf Sättigung ihrer Reinheit und Gottesbeziehung vergewissern, und quantitativ ist sie, weil das Essen von Brot und Wasser gleichermaßen das Nicht-Essen von Speisen ausdrückt, welche die Therapeuten in der Stadt hätten essen können. 52 Hier verbinden sich also kultische und soziale Interessen in der Wahl, asketisch zu leben. Mit anderen Worten zeichnet sich die neue gesellschaftliche und kultische Präsenz gerade dadurch aus, dass sie qualitative und quantitative Funktionen miteinander in Beziehung setzt, da die kultische und soziale Performanz in veränderter Form ausgeübt wird und nicht ohne die tatsächlichen nicht-sättigenden Eigenschaften von Brot und Wasser existieren kann. Brot und Wasser können daher ebenso wenig wie die von der Askese „betroffenen“ Körper der Mahlteilnehmer in unbedeutende Zeichensysteme übersetzt werden. Im Verlauf dieser Untersuchung wird herausgearbeitet, dass sich dies bei der Wahl der Speisen konkretisiert. Doch vorerst ist es wichtig, Philos Anthropologie im Zusammenhang mit dem Essen zu charakterisieren. 3. Philos Anthropologie im Zusammenhang mit dem Essen Joan E. Taylor diskutiert in ihrer Studie, dass Juden in Alexandria und anderswo das Judentum durchaus als Philosophie betrachtet haben. 53 Zu ergänzen ist, dass der Identifikation des Judentums mit einer Philosophie nur dann kultische Relevanz zugesprochen werden kann, wenn man davon ausgeht, dass filosofi÷a eine Lehre war, die in ihrer ethischen und philosophischen Ausrichtung soziale und kultische Veränderungen aufzeigte. Ähnlich, wie über Identity- und Boundary-Marker verhandelt wurde, sind diese Veränderungen als Kennzeichen von ethischen, politischen und kultischen (Misch-)Gemeinschaften zu verstehen. Eine dualistische Trennung von dem, was heute unter Wissen und Handeln verstanden 51 Vgl. M C G OWAN 1999, 45. 52 M C G OWAN 1999, 68 verdeutlicht an der qualitativen und quantitativen Funktion der Askese, dass sich die Askese der Antike deutlich von dem monastischen Phänomen der späteren Kirchengeschichte (4. Jh.) unterscheidet und nicht als Synonym für monastische Speisevorschriften gebraucht werden darf. 53 T AYLOR 2003, 120. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 78 wird, ist für das antike Verständnis der filosofi÷a nicht nur nicht anzunehmen, sondern auszuschließen. Der Bezug zwischen dem, was durch das Studieren von Mose oder anderen Philosophen erkannt wurde, und dem leiblichen Zustand, der Ausdruck der Repräsentation in der Öffentlichkeit war, ist eindeutig. Dies kann anhand des besonderen Fokus auf Gesundheit und des Wunsches nach der Verfügung über die Seele erläutert werden. Taylor hat in ihren Studien herausgearbeitet, dass es sich Philo zufolge bei den Therapeuten um eine Gemeinschaft handelte, die starkes Interesse an der Gesundheit und einem gottgerechten Leben hatte. 54 Es ist, gerade bezüglich der deutlichen Abgrenzung der Therapeuten gegenüber der Stadt, nicht unberechtigt, davon auszugehen, dass die Therapeuten eine Gemeinschaft waren, die wohlhabend genug war, um ihre Feierlichkeiten dementsprechend asketisch zu begehen. Sie waren wohlhabend genug, um sich über die Askese in einer idealen ökologischen und ökonomischen Lage zu einer Kontrolle über sich selbst zu verhelfen, die wiederum zu einem gottgerechten Leben führen sollte. Wie bereits eingangs beschrieben, diskutiert Philo mit einer platonischen Interpretation philosophische Fragestellungen. Eine dieser Fragestellungen in der Antike war die der Selbstverfügung. 55 Sie ist unmittelbar mit den Begriffen aÓkrasi÷a (Philo cont. 6) - Unenthaltsamkeit, Unkeuschheit, Unmäßigkeit, Zügellosigkeit; aJgno/ ß (Philo cont. 65) - Reinheit; paidei÷a - Lehre, Unterweisung; paradi÷dwmi; paqhto/ ß, pa¿qoß - Leidenschaften, Emotion und fro/ nhma - Gesinnung, Geist konnotiert. Wie unmittelbar deutlich wird, so handelt es sich vor allem um Begriffe, die einen negativen Zustand beschreiben oder in ihrer positiven Ausrichtung gefährdet sein könnten. Es geht um das Bändigen 54 T AYLOR 2003, 76.93. 55 S TOWERS 1994 beschreibt das Interesse am Judentum in der Antike ausgehend von dem Interesse an der Selbstverfügung. Er rekonstruiert ein implizites soziokulturelles System, das der paulinischen Theologie in Röm 8 zu Grunde liegt. Er legt zuerst fest, dass Paulus der historische Autor ist, der an eine Gemeinde in Rom schreibt. Diese Gemeinde besteht aus sog. Gentiles. Das sind Menschen, die keine Juden sind, sondern dem römischen oder griechischen Vielgötterglauben nachgehen. Charakteristisch ist, dass sie Interesse am Judentum haben; vermutlich, weil sie den Gott Israels fürchten und weil sie generell Unterweisung bezüglich der Kontrolle ihrer Leidenschaften erhalten möchten. S TOWERS nimmt folglich an, dass die Frage der Selbstverfügung und die Frage der religiösen Orientierung sozio-kulturelle Themen zur Zeit des Apostels waren. Gestützt wird seine These außerdem durch die Aufnahme des Medea-Diskurses bei vielen antiken Autoren. Medea, die weiß, dass sie ihren Kindern nicht das Leben nehmen soll, beschreibt in ihrem Monolog, wie sie dennoch dazu verleitet ist, den Mord aus Rache an ihrem Mann Jason zu begehen. Zweimal, in Eurip. Medea 1040-48 und 1056-58, ist sie sich unschlüssig über ihren Mordplan und denkt über andere Möglichkeiten nach, sich an ihrem Mann zu rächen. Doch schlussendlich weiß sie, dass ihr Wunsch nach Rache größer ist als ihr Wunsch nach Vergebung. Schon in der Antike wurde dieser Monolog zur Schlüsselstelle in der philosophischen Diskussion über die Selbstverfügung (260f.). Korporealität der Mahlgemeinschaften 79 von Begehren, Leidenschaften und das Zurückgeworfensein auf sich selbst und die Abhängigkeit von Gott, der die Menschen sich selbst überlässt. Diese Spannung muss der Mensch nicht zufällig erleiden. Hay gibt Aufschluss über die interessanten Zusammenhänge zwischen Philos Anthropologie und der Schöpfungstheologie des antiken Judentums. In seinem Aufsatz Philo´s Anthropology and a Possible Connection with Corinth widmet er sich detailliert Philos Interpretation der Schöpfung. Kennzeichnend ist, dass Philo die beiden Schöpfungsberichte als Berichte über zwei verschiedene Menschen verstand. In Philo opif. 134-147, einer Passage über die Gabe des Gesetzes, schreibt Philo: „Hierauf sagte er: ‘Gott bildete den Menschen, indem er Staub von der Erde nahm, und blies ihm ins Angesicht den Hauch des Lebens’ (1 Mos. 2,7). Hiermit zeigt er ganz klar, dass ein sehr großer Unterschied besteht zwischen dem Menschen, der jetzt gebildet wurde, und dem, der früher nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen war; denn der jetzt gebildete Mensch war sinnlich wahrnehmbar. Hatte schon eine bestimmte Beschaffenheit, bestand aus Körper und Seele, war Mann und Weib und von Natur sterblich; dagegen war der nach dem Ebenbilde Gottes geschaffene eine Idee oder ein Gattungsbegriff oder ein Siegel, nur gedacht, unkörperlich, weder männlich noch weiblich, von Natur unvergänglich.“ (Philo opif. 134) 56 Philo geht weiter davon aus, dass der Mensch (A-1), von dessen Erschaffung in Gen 1,26-27 die Rede ist, himmlischen Ursprungs ist und dem Angesicht Gottes gleicht. Er wurde gemacht oder auch ausgestanzt und erhält keinen Namen, da er eine Idee, ein Archetypus, ist. Er besteht allein aus Denken, das geisterfüllt und selbst erschlossen ist. Er ist daher nicht körperlich, unsterblich und weder männlich noch weiblich. Sein moralischer Charakter ist perfekt, da er ihn von Gott erhielt. Der Mensch allerdings, von dessen Erschaffung in Gen 2,7 die Rede ist (A-2), kommt aus der Erde. Er wurde nicht wie A-1 gemacht, sondern aus der Erde modelliert. Er trägt daher den Namen „Adam“ und ist seiner Natur nach der erste Mensch. 57 Er ist körperlich, vereint in sich Körper und Seele. Doch anstatt über ein geisterfülltes Denken zu verfügen, ist in seinem Verstand nur Luft. Jegliches Wissen wurde ihm beigebracht, er ist männlich oder weiblich und befindet sich auf der Grenze zwischen Sterblichkeit und Unsterblichkeit. Sein Problem besteht darin, dass er weder gut noch schlecht ist und so immer versuchen muss, Gott zu loben. Darin scheitert er und ist von der höchsten Ehre ausgeschlossen. 58 Das Einzige, das A-2 zugutegehalten wird, 56 Nach P HILO J UDAEUS 1909-1964, I. 57 Man könnte an dieser Stelle vermuten, dass Philo den Körper nicht ausschließlich für schlecht hält, da Adam als erster Mensch allen anderen Menschen zum Leben verholfen hat. Die Menschheit ist mit Adam verbunden und er stellt in gewisser Weise ein Ideal dar, das für viele erstrebenswert ist - nur nicht für die Therapeuten. S ELAND 2004, 259 zitiert R UNIA 2001, 332. 58 Philo legat. 1.31.54.42.88.90.92.94-96; Philo opif. 69.76.134.135.144; Philo cont. 146; Philo QG I.4; 8,2; 62; Philo virt. 203-205 aus H AY 2004, 132f. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 80 ist, dass er unsterblich sein kann, da seine Seele oder sein Verstand aus göttlichem Atem bestehen oder aus diesem entsprungen sind. 59 A-2 wird zum Prototyp des Menschen, den Philo vor Augen hatte - nur Moses wurde als einziger Mensch körperlos, denn er wurde, im Gegensatz zu A-2, wiedergeboren. Die Frage nach der Körperlichkeit der beiden Menschen erlangt bei der Erörterung des Bösen zentrale Bedeutung. Philo beschreibt, dass Gott weder bei A-1 noch bei A-2 für die Eigenschaften verantwortlich ist. Zwar hat Gott auch den Verstand von A-2 geformt, aber nicht dafür gesorgt, dass dieser unvernünftig ist. Gott ist nur für das Gute oder Beste verantwortlich. Mit Hay kann davon ausgegangen werden, dass Philo dies einführt, um den Körper als die Quelle des menschlichen Übels zu charakterisieren: „[...] Endlich gibt es Wesen von gemischter Natur, wie der Mensch, der alle Gegensätze in sich aufnimmt: Verstand und Unverstand, Sittsamkeit und Zuchtlosigkeit, Tapferkeit und Feigheit, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, um es kurz zu sagen, Gutes und Böses, Schönes und Hässliches, Tugend und Laster.“ (Philo opif. 73) 60 Was hat diese Unterscheidung mit den Therapeuten zu tun? Hay arbeitet heraus, dass die zentralen Eigenschaften von A-1 und A-2 in Philos Texten über die Therapeuten verhandelt werden. Wie A-1 lebten die Therapeuten allein im Geist (Philo cont. 90). Sie sind zwar nicht körperlos, aber sie messen der Körperlichkeit keine Bedeutung zu. Sie leben ohne privaten Besitz in kleinen Häusern, besitzen wenig Kleider und Essen und verzichten auf Sexualität. Bei Philo ist Sexualität nicht per se schlecht, doch das Verlangen führt zur Sünde. Die Therapeuten werden nicht als weder männlich noch weiblich beschrieben, sondern sie sprechen Frauen die Fähigkeit zu, das höchste Leben zu führen und andere Frauen darin anzuleiten (Philo cont. 32.82). Sexualität und Sünde werden folglich nicht unbedingt mit den Frauen assoziiert. Da es nicht Gott ist, der für das Schlechte im Menschen verantwortlich ist, sondern seine „Helfer“, wird sowohl A-1 als auch A-2 zugesprochen, Gott zu verehren oder sich von ihm abzuwenden. Wie sich die Therapeuten Gott gegenüber verhalten, ist für Philo eindeutig; sie sind von ihrer bedingungslosen Liebe zu Gott getrieben (Philo cont. 11-12), üben sich in Selbstkontrolle, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Sie agieren wie in einem Familienmodell, während andere Menschen einander mit Gewalt begegnen (Philo cont. 72). Bei den Therapeuten beweist sich, dass Unsterblichkeit durch Philosophie errungen werden kann, denn sie betrachten ihr Leben auf der Erde bereits als vergangen und streben ein unendliches Leben des Geistes an (Philo cont. 13). 61 Diese Bezüge so detailliert auszuformulieren, macht deutlich, dass Gott in diesem Text nicht mit 59 H AY 2004, 132f. Unsterblichkeit kann ein Mensch allerdings auch durch Philosophie erreichen (Philo opif. 77). 60 Nach P HILO J UDAEUS 1909-1964, I; vgl. H AY 2004, 134f. 61 H AY 2004, 136. Korporealität der Mahlgemeinschaften 81 dem Körper assoziiert werden kann, erst recht nicht mit dem menschlichen Körper. 62 Die Beschreibungen gehen sogar so weit, dass Philo den platonischen Wortwitz über den Körper (sw ma) als Grab (shvma) anführt. 63 Verbindet man diese philosophische Anthropologie mit dem asketischen Essverhalten, dann sprechen alle ethischen und kultischen Konsequenzen dieser Philosophie für die Askese der Therapeuten. Ein Mensch, der die Körperlichkeit hinter sich gelassen hat, hat auch das Streben nach Sättigung überwunden. Diese Thematik hat Philo damit aber noch lange nicht hinter sich gelassen. Wissenschaftler werten die übermäßige Diskussion von Speisevorschriften, den Unterschied zwischen der Seele und dem Körper und die Idealisierung des Lebens der Therapeuten als ambivalent. Vor allem wird festgestellt, dass sich Philo in einem Dilemma befunden haben muss, da er nicht das Sterben des Körpers propagieren konnte, weil der Körper auf der einen Seite als Träger der Seele der Fürsorge bedarf, auf der andern Seite aber die Gefahr der Sünde in sich trägt. 64 Philos philosophische Anthropologie weist folglich weniger auf ein Dilemma als auf die Debatte der Selbstverfügung hin, da denjenigen in der Gemeinschaft eine besondere Ehrung zuteilwird, die dem Geist näher als dem Körper sind und daher während des geheiligten Mahles nur Wasser und Brot zu sich nehmen. Philo macht in seinen Ausführungen über die Handlungsperspektiven des Menschen sehr deutlich, dass es sich beim Essverhalten entscheidet, wem der Mensch näher steht - der fahrlässigen Sünde oder Gott und seinen Mitmenschen. Die materielle Realität, die Philo den Nahrungsmitteln zusprechen kann, verdeutlicht die These, dass sich ethische und kultische Konsequenzen, also korporeale Konsequenzen, vom Essverhalten ableiten lassen. 4. Die materielle Realität der Nahrungsmittel Wird die Korporealität der Gruppenmitglieder während des geheiligten Mahls als eine Performanz verstanden, die ethische und kultische Konsequenzen aufzeigt, dann liegt es nahe, neben dem asketischen Essverhalten, das durch die praktische Philosophie des Essens begründet ist, die Bedeutung der Lebensmittel näher zu betrachten. Wie in der Beschreibung der therapeutischen Askese schon anklang, so ist es wichtig, welche Lebensmittel Teil der Korporealität der Mahlteilnehmer wurden. Ja, die Lebensmittel werden Teil des korporealen Vollzuges während des Mahls, das durch die Philosophie des Essens geprägt ist, also auch der Selbstverfügung, die zu einer höheren Gottesbeziehung führen soll. McGowans Studie ist eine sehr aufschlussreiche Arbeit über den Zusammenhang zwischen den Lebensmitteln und der religiösen Praxis. Seine 62 H AY 2004, 137. 63 Philo legat. 1.107-108; H AY 2004, 137; P EARCE 2007, 86. 64 R UNIA 2001. Die Aufwertung des Körperlichen bei Philo wird detailliert bei S ELAND 2004, 260f diskutiert. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 82 Beobachtungen zu Wasser und Brot in kultischen Vollzügen sollen die Basis dieser Ausführungen darstellen. Er beginnt das Kapitel The Cuisine of Sacrifice treffend mit folgender Einschätzung: „The provision of food served not only to express and establish power in the most obvious senses [...], but also to bring religion to the table, and with it a whole set of issues, not simply religious in the modern sense but political as well, related to the practice of sacrifice.“ 65 Da Opferhandlungen vor Göttern im griechischen Kult kosmische Hierarchien etablierten, waren sie eigentlich politische Aktivitäten. Oft war es nur freien Männern gestattet, direkte Opferhandlungen zu vollziehen. 66 McGowan zeichnet die Gegenüberstellung von Wein und Wasser sowie Fleisch und Brot ausführlich nach, so dass seine folgende Argumentation auf diesen Beobachtungen aufbaut. 67 Wein war im griechisch-römischen Kult das meist gewählte Element zur Kennzeichnung der Opferhandlung. Obwohl die Produktion von Wein nicht religiös ritualisiert war, sondern nur sein Konsum, kennzeichnete Wein den religiösen Charakter jeder Mahlzeit. Ein Bankett ohne Libation des Weines war unvorstellbar. 68 Fleisch war eindeutiger mit Opferhandlungen konnotiert, denn beim Fleisch stellte bereits die Schlachtung Teil eines kultischen Rituals dar. Die Tempel waren häufig mit Essbereichen ausgestattet, was darauf schließen lässt, dass das Essen des Fleisches ein wichtiger Bestandteil des Opferns war. Auch die indirekten Bezüge zu Fleisch in den Tempeln weisen auf das Opfer hin. So war es beispielsweise üblich, das Fleisch mit nach Hause zu nehmen oder es als Einnahmequelle der Priester zu verkaufen. 69 Kein Lebensmittel war so eng mit Opferhandlungen verbunden wie Fleisch. Brot und Wasser waren folglich die kultischen Gegenstücke zu Fleisch und Wein. Obwohl Wasser auch als natürlich und rein betrachtet wurde und damit für den kultischen Vollzug geeignet war, wurde Wasser nicht zur Libation verwendet. Nur in Ausnahmefällen, bei bestimmten Göttern, wurden Wasser, Milch und Honig verwendet. 70 Brot war zwar das Hauptelement der meisten Mahlzeiten des größten Teils der Bevölkerung, so dass es heutigen Beobachtungen schwer fällt, den normalen vom kultischen Verbrauch zu unterscheiden. Die entscheidende Frage nach den vielfältigen Bedeutungen dieser Speise bleibt jedoch evident. McGowan arbeitet heraus, dass es gerade der eschatologische Zusammenhang ist, in dem jüdische und frühe christliche Autoren die Bedeutung des Brotes beschreiben. Das Korn wurde als göttliche Ernte verstanden, so dass sogar 65 M C G OWAN 1999, 60. 66 M C G OWAN 1999, 61. 67 M C G OWAN 1999, 41f.43f. 68 M C G OWAN 1999, 64. 69 M C G OWAN 1999, 62f. 70 M C G OWAN 1999, 65 bezieht sich auf Hom.Od. 10.519; Aisch., Eumenides, 107; zur Ausnahme siehe Plut.mor. 132E.464C. Korporealität der Mahlgemeinschaften 83 das Bild von Brot-Bäumen entwickelt wurde. Das Brot selbst verkörperte das göttliche Versprechen an die Menschen. 71 McGowan bezieht seine Schlussfolgerungen auf die frühen christlichen Gruppen, die durch die Konnotation von Wein und Fleisch mit dem griechisch-römischen Kult davon abgehalten waren, an sozialen, politischen oder ökonomischen Vorteilen zu partizipieren. 72 Das Wissen um die korporealen Konsequenzen der Mahlteilnehmer, die an einem griechischrömischen Opferkult partizipierten, hat auch die Therapeuten, die sich eindeutig von der Kultpraxis distanzierten, davon abgehalten, ihr Mahl mit Fleisch und Wein zu feiern. 73 Doch nicht nur, dass sie diese Nahrungsmittel nicht zu sich genommen hätten; sie haben Wasser und Brot sogar so konnotiert, dass ihre eigene eschatologische Erwartung mit diesen Nahrungsmitteln verbunden wurde. Bemerkenswert ist, dass Wasser und Brot, obgleich sie an Reinheit und Distanz zur Idolatrie nicht zu übertreffen sind, auch zu den wenigen Nahrungsmitteln gehören, die am wenigsten körperliche Arbeit erfordern. Abgesehen von der Mühe, das Brot zu backen, waren die Therapeuten bei der Zubereitung mit wenig Aufwand belastet. Die Wahl von Wasser und Brot gestaltete sich als Teil der Askese, die nicht nur die fehlende Sättigung, sondern auch die geringe körperliche Arbeit einbezog. Auf die Therapeuten bezogen argumentiert Martin Ebner in seinem Aufsatz zur Vita Contemplativa, dass Brot und Salz sowie klares Wasser anstelle von Nachtisch und gemischtem Wein gereicht wurden. Die Hauptmahlzeit wurde, so Philo cont. 75-79, durch den Lehrvortrag ersetzt, so dass am Ende einer asketischen Studienwoche Brot, Salz und Wasser das „Mahl“ abschlossen. 74 Philo schildert ein Bild einer Gemeinschaft, die in diesem Punkt die qualitativen und quantitativen Aspekte der Korporealität einbezog, zum einen qualitativ, weil sie sich bewusst gegen die sozialen, politischen oder ökonomischen Vorteile des griechisch-römischen Kultes richtete, und zum anderen quantitativ, weil sie die Bezugspunkte zu dem, was körperlich ist, radikal minimierte. 5. Die (Korpo-)Realität Gottes Von einer Korporealität Gottes zu sprechen, ist keine einfache Aufgabe, denn Gott wird nur indirekt durch seine Handlungen mit Materiellem in 71 M C G OWAN 1999, 93f bezieht sich u.a. auf Papias, in Iren.haer. 5.33.3-4 und Did 9,4.10,5-6. 72 M C G OWAN 1999, 65. 73 Philo wendet sich vor allem gegen die Unzivilisiertheit, den Luxus und die Perversionen des griechisch-römischen Kultes (Philo cont. 40-63). 74 E BNER 2007, 73-75. Die Reihenfolge des Therapeutenmahls ist somit Stille/ Lehrvortrag - Lobgesang auf Gott - Brot und Salz/ klares Wasser - (evtl. Exodustanz). Damit unterscheidet sich das asketische Mahl von der üblichen Reihenfolge Begrüßung/ Händewaschen/ Platzanweisung/ Vorspeise - Hauptmahlzeit mit mehreren Gängen - Abräumen der Tische/ Libation/ Lobgesang auf Götter - Nachspeise/ gemischter Wein/ Gespräch/ weitere Gäste. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 84 Verbindung gebracht. Gott handelt, nach Philos Lehre von der Theodizee, immer gut an den Menschen. Die ethischen und kultischen Konsequenzen der von den Menschen erstrebenswerten Beziehung zu Gott tragen allein die Menschen. Sie sind es auch, die mit ihren Verfehlungen umgehen müssen, sich ihrer Körperlichkeit im besten Fall entledigen müssen, um ein rechtes Verhältnis zu Gott zu erlangen. Gott ist alles andere als menschlich, körperlich. Und dennoch bleibt die Frage nach der (körperlichen) Präsenz Gottes im Raum. Um Philo nicht zu unterstellen, Gott anthropomorph darzustellen, was Philo in jeder Weise abgelehnt hätte, ist es wichtig festzuhalten, dass in dem Augenblick, in dem Gott nicht fleischlich wird, sondern der Mensch göttlich, die Frage nach der Körperlichkeit Gottes wieder neu gestellt werden muss. Welche Vorstellung von der Korporealität Gottes hatten die Therapeuten, wenn sie sich, durch die Askese, mit Gottes Präsenz im Mahl identifizieren konnten? Dass es sich nicht um eine Körperlichkeit wie jene der Menschen handelt, ist selbstverständlich; ob Gott bei Philo jedoch korporeale Züge aufweist, wird zu erörtern sein. Dahingehend kann gefragt werden, ob Philo davon ausging, dass Gott im geheiligten Mahl der Therapeuten eine Korporealität annimmt, und wenn ja, ob seine Anhänger in jeglicher Hinsicht ihre asketische Korporealität vorantreiben. Spricht man über Aussagen, die über eine Korporealität Gottes Auskunft geben können, ist es wichtig, sich neben der allegorischen Sprache auch Philos Sinn für die literale Bedeutung von Worten vor Augen zu führen. 75 Er verbindet das literale Schreiben mit der Vorstellung, die Schrift wieder-schreiben zu können anstatt sie nur zu kommentieren. 76 Diese Annahme führt zu einer weiteren Gattung von Texten, die Philo geschrieben hat - zu seinen Torakommentaren. Seine Schrift Quaestiones in Exodum beschreibt Gottes lo/ goß, in dem das Motiv der apotheosis oder des apophantismos, wie bei den griechischen Helden, herangezogen wird. Philo identifiziert den Engel in Ex 23,21 als Gottes lo/ goß und schreibt, dass er von Gott gesandt ist, um den Menschen spirituell in die Philosophie hinaufzuführen und somit zu der Präsenz Gottes selbst. 77 Bezüglich Ex 24,11 wird das Fragen Philos konkreter und bezieht sich dabei sogar auf eine Mahlsituation: „What is the meaning of the words, ‘They appeared to God in the place and they ate and drank’ (Ex 24,11b)? Having attained to the face of the Father, they do not remain in any mortal place at all, for all such (places) are profane and polluted, but they send and make a migration to a holy and divine place which is called by another name, logos. Being in this place through the steward they see the 75 P EARCE 2007, 33 bezieht sich in ihrer Passage über die literale Interpretation Philos auf M ACK 1972, 258-259, 261-262 und B IRNBAUM 1996, 17. 76 P EARCE 2007, 33. 77 S EGAL 1977, 172. Korporealität der Mahlgemeinschaften 85 master in a lofty and clear manner, envisioning God with the keensighted eyes of the mind [...] (39)“. 78 Dieser Text ist besonders aufschlussreich, da der Ort, an dem sich Moses und Aaron, Nadab und Abihu und siebzig von den Ältesten Israels mit Gott treffen, um gemeinsam zu essen und zu trinken, als lo/ goß bezeichnet wird. Zugleich assoziiert Philo mit dem Ort, an dem sie sich noch befinden, Sterblichkeit, während der lo/ goß mit Reinheit und dem Sehen Gottes assoziiert wird. Die Begriffe lo/ goß und „Ort“ werden nun genauer beschrieben, da sie beide mit Materialität assoziiert werden. Alan F. Segal führt aus, dass lo/ goß bei Philo im stoischen und nicht im platonischen Sinne (nouvß) verwendet wird. Er spricht den Verstand Gottes an, in dem alle Ideen und Formen der Welt erschaffen sind. Das bedeutet, dass der Verstand Gottes, der lo/ goß, gleich der verstehbaren Welt ist. Interessant ist jedoch, dass Philo noch von einer weiteren Instanz des lo/ goß spricht, nämlich von einer außer-göttlichen. Diese Hypostase kann, obwohl sie nicht körperlich ist, einerseits die Gedanken Gottes transportieren und andererseits die Ideen und Formen der ganzen Welt in sich bergen. In diesem Sinne gelingt es Philo, philosophisch zu argumentieren und gleichzeitig die Anthropomorphismen der Bibel zu erklären. Segal schreibt: „The logos becomes an actual figure of God, who appears like a man in order that men may know His power.“ 79 Segal erarbeitet die Zusammenhänge noch etwas konkreter: Auch, was den „Ort“ betrifft, greift Philo auf materielle Konzepte der griechischen Philosophie zurück, um erklären zu können, wie genau der menschliche Wunsch nach Unsterblichkeit und die göttliche Eigenschaft der Unveränderlichkeit zusammen gedacht werden können. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich Philos Exegese auf die Übersetzung der Septuaginta bezieht. 80 Mit dem „Ort Gottes“ bezeichnet Philo drei unterschiedliche Bedeutungen, die sich alle von „Beth-El“ ableiten. Die erste Definition bezieht sich auf den tatsächlichen, materiellen Ort. Die zweite Definition korrespondiert mit der Bedeutung des lo/ goß und die dritte meint Gott selbst. 81 In allen drei Definitionen wird deutlich, dass es dem Menschen an diesem Ort möglich ist, etwas Göttliches zu erfahren, das für ihn relevant ist. Obwohl es für den Menschen unmöglich ist, Gott zu sehen, können Moses, Aaron, Nadab, Abihu und siebzig von den Ältesten Israels ein Bildnis Gottes oder Gott von hinten erkennen (Ex 33,23). Segal zieht nun zwischen lo/ goß und Gott einen weiteren Zusammenhang in Betracht. Wenn mit lo/ goß eine Hypostase Gottes gemeint sein kann, dann funktioniert dieser Begriff als zweiter Gott, der auch den Titel „Herr“ (ku/ rioß = 78 Zitiert nach S EGAL 1977, 172. 79 S EGAL 1977, 165. 80 S EGAL 1977, 161; P EARCE 2007, 25. 81 S EGAL 1977, 161f. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 86 JHWH) tragen kann (vgl. Philo mut. 8-10). 82 Vergleichbar mit seiner Ansicht von der Schöpfung, die beinhaltet, dass Gott zwei Menschen schuf, geht Philo hier davon aus, dass der lo/ goß eine separate, zweite Hypostase Gottes ist. Laut Segal wiederholt sich Gott somit mit der Formulierung „Ort Gottes“, da Philo „Ort“ nicht mit einem Pronomen zu „mein Ort“ verknüpft, sondern dem lo/ goß einen eigenen Status gewährt. 83 So, wie sich A-2 zu A-1 verhält, so verhält sich der lo/ goß zu Gott. Segals Verdacht, dass Philo ein besonderes Interesse daran hat zu zeigen, dass in der Bibel ein kluger Gott beschrieben wird, um die griechischen Intellektuellen zu bereichern, ist nachvollziehbar. Vor dem Hintergrund, dass der Anthropomorphismus und die Unveränderlichkeit Gottes sein größtes „Problem“ waren, musste er einen Gott beschreiben, der sich nicht verändert und dennoch für den Menschen erreichbar ist. Philo gelingt dies durch den Zugang des Menschen zu Gott in seiner materiellen Welt. 84 Es stellt sich heraus, dass im Zusammentreffen mit Menschen Gott als lo/ goß agieren kann. Das heißt, dass er als eine Hypostase anwesend ist, die der für die Menschen verstehbaren Welt entspricht. Im Rahmen eines geheiligten Mahles, das der Ort des Erkennens Gottes ist, kann der Mensch tatsächlich Gott begegnen, aber selbstverständlich nur, wenn er sich durch asketische Selbstverfügung in der Lage dazu befindet. Und so ist der Mensch erneut auf die Ideen und Formen, auf die Realität von Wasser und Brot angewiesen, um über eine Hypostase Gottes Gott selbst zu begegnen. Er begegnet Gott im lo/ goß tatsächlich, da das bindende Element zwischen ihm und dem lo/ goß die fehlende Körperlichkeit ist. Der Vollzug dieser Begegnung kann von beiden Seiten als korporeal bezeichnet werden, da sich sowohl der Mensch als auch Gott in einem ihnen „fremden“ Zustand befinden. Dort, wo der Mensch an Materialität verliert, um die ethischen und kultischen Vollzüge der Begegnung mit Gott zu verwirklichen, da nimmt Gott durch seinen „zweiten Gott“ an „Materialität“ zu. 6. Zusammenfassung Diese Beobachtungen zu Philo zeigen, dass Philo mit der Mahlgemeinschaft der Therapeuten auf denkbar unterschiedlichen Ebenen Themen der griechisch-jüdischen Welt- und Gotteswahrnehmung aufnimmt, um eine ideale Lebensgemeinschaft zu charakterisieren. Verbunden mit seiner Kritik an den Städten, die nur Unmoral, Übertreibung und Idolatrie verkörpern, beschreibt er eine ideale Mahlgemeinschaft, die eine Philosophie lebt, welche in der Lage ist, dem Menschen, den Nahrungsmitteln und sogar in gewissem Rahmen Gott eine neue Bedeutung zu verleihen. Die Menschen üben sich in asketischer Selbstverfügung, die Wahl von Wasser und Brot 82 S EGAL 1977, 162. 83 S EGAL 1977, 162. 84 S EGAL 1977, 179. Korporealität der Mahlgemeinschaften 87 verdeutlicht die soziale, ökonomische und kultische Kritik gegenüber der römischen Herrschaft und Gott wird für den guten und reinen Menschen durch den lo/ goß, seine eigene Hypostase, erlebbar. Das Mahl wird zum Beweis der rettenden Lage einer besonderen Gemeinschaft, die sowohl das Mosaische Gesetz heiligt als auch die Vorzüge der griechischen Philosophie nutzen kann. Dies ist keine einfache Kombination zweier kultischer und philosophischer Systeme, wie es das Ringen um die Anthropomorphismen und die Unveränderlichkeit Gottes gezeigt hat; doch Philo arbeitet mit den Traditionen so, dass es zu einer Aufwertung beider Systeme kommt. Dem Jüdischen wird Philo gerecht, weil sich die Therapeuten auf dem besten Weg zu einem vergleichbaren Status des Mose befinden, und der griechischen Philosophie, indem in der Askese und der lo/ goß- Interpretation philosophische Idealzustände praktiziert werden. Korporeal ist diese Praxis vor allem deshalb, weil über den Verzicht auf Sättigung, die Bindung an Gott über den lo/ goß und den Ausdruck dessen in der Wahl der Speisen qualitativ und quantitativ neue soziale und kultische Vollzüge aufgezeigt werden. Dabei ist immer zu betonen, dass die neue Realität der Therapeuten in einer Welt, zu der sie nicht mehr gehören, nach außen nur durch Rituale und die veränderte Körperlichkeit ausgedrückt werden kann, solange die entgegengesetzten körperlichen und kultischen Praktiken in Hintergrund lebendig gehalten werden. Wasser und Brot erfüllen ihre neue Bedeutung nur im Gegensatz zu Wein und Fleisch, die zu Begriffen der Idolatrie wurden. Askese ist nur dann Askese, wenn Habende Verzicht üben, und der lo/ goß ist nur dann Hypostase Gottes, wenn er, wie im griechischen Kult Dionysos, tatsächlich anwesend ist. Bemerkenswert ist, dass Philo das Mahl der Gemeinschaft als einen sich regelmäßig wiederholenden rituellen Vollzug beschreibt, was der Situation die utopische Qualität sichert. Und dennoch ist Philos Schrift nicht frei von Kritik an jüdischen und griechischen kulturellen Praktiken. Maren Niehoff arbeitet im Hinblick auf Philos Kontextualisierung heraus, dass Philo mit Philo cont. seine jüdische Identität vor allem in Hinblick auf Rom beschreibt. Da Philo sich kulturell zwischen Alexandria und Rom befindet, beschreibt er ein Symposion als Identitätsmarker, welches jüdische Bedürfnislosigkeit von griechischer Überschwänglichkeit unterscheidet und sich damit deutlich an römischen Interpretationen sowohl der jüdischen als auch der griechischen Kultur ausrichtet. 85 Niehoff macht Analogien zu Rom und römischen antiken Schriftstellern in Philos Philo cont. besonders an seiner Beschreibung der Gegensätzlichkeit zu ausschweifender griechische Kultur, den Details über einfachste Möbel und spartanisches Essen und dem sehr kontrollierten und privaten Gesprächsstil fest. 86 Grundsätzlich ist demzufolge festzuhalten, 85 N IEHOFF 2010, 95f.98. 86 N IEHOFF 2010, 98. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 88 dass Philo mit seiner Schrift einen Beitrag zur nationalen Identitätsentwicklung und zur Vergegenwärtigung der angestammten Werte geleistet hat. 87 87 N IEHOFF 2010, 116. Transformationen im Mahlgeschehen 89 C. Transformationen im Mahlgeschehen Wie bereits in der ritualtheoretischen Forschung ersichtlich wurde, eignet sich das Mahlgeschehen, um es mit Beschreibungen von Transformationen der Mahlteilnehmer oder der Gruppen zu verbinden. Für die ritualtheoretische Exegese ist die Analyse von Transformationen zentral, weil damit eine Wechselwirkung zwischen Text und Kontext beschrieben werden kann, die über den Text hinaus auf die sozialgeschichtlichen Verhältnisse verweist. Selbstverständlich lassen sich Transformationen, die in Texten beschrieben werden, nicht eins zu eins auf den sozialen Kontext der Mahlteilnehmer übertragen, doch die geschilderten Szenen verweisen auf Entwicklungsmöglichkeiten, die vorstellbar bzw. erlebbar waren. Ein häufig analysierter Text ist Joseph und Aseneth (JosAs), der im deutschsprachigen Raum vor allem durch Christoph Burchard und seine „Schüler“ diskutiert wird, die sich auf die Studien von Joachim Jeremias und Pierre Batifoll beziehen. Obgleich der Text in vielfältiger Weise interpretiert wird, sind Fragen zur Datierung, zum Textumfang, zum Abfassungsort und zur Abfassungszeit nach wie vor ungeklärt und werden rege diskutiert. 88 Burchard und die Mehrheit der Exegeten gehen davon aus, dass der griechische Archetyp von JosAs spätestens am Anfang des 2. Jh. n. Chr. in Ägypten 89 verfasst wurde. 90 Unverkennbar orientiert sich die Geschichte nicht nur in ihrer Sprache, ihrem Satzbau und ihrer Idiomatik an der Septuaginta, sondern auch am inhaltlichen Rahmen der Josephserzählung. 91 Der erste Teil JosAs 1-21 orientiert sich an Gen 41,45f.50 und der zweite Teil JosAs 22-29 an Gen 41,53f und 46. 92 Es ist nicht untertrieben, wenn man die hellenistisch-jüdische Erzählung mit den Worten zusammenfasst, dass berichtet wird, „wie die männerfeindliche ägyptische Priestertochter Aseneth Josephs Frau und Mutter von Ephraim und Manasse wurde und wie der erstgeborene Sohn Pharaos sie zu entführen versuchte, wobei er zu Tode kam“. 93 Diese entscheidende Wendung in der Biographie Aseneths hat viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in den unterschiedlichsten Formen beschäftigt. Standhartinger betrachtet zum Beispiel das Frauenbild und macht sich die ungeklärte Textgrundlage zunutze, indem sie zwei verschiedene Frauenbilder charakterisiert. 94 Die beschriebene Aseneth im Kurztext ist laut Standhartinger eine ökonomisch unabhängige 88 Vgl. D OCHERTY 2004, 31-33; F INK 2008, 7-13. 89 B URCHARD 1970, B URCHARD und B URFEIND 1996, 5. 90 F INK 2008, 8; B URCHARD 1970, B URCHARD und B URFEIND 1996, 5. 91 B URCHARD 1970, B URCHARD und B URFEIND 1996, 4. 92 B URCHARD 2005, 316f. 93 B URCHARD 2005, 316. 94 S TANDHARTINGER 1995. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 90 Frau, welche Weisheit und Ethik vermitteln kann. Die Aseneth im Langtext dagegen wird von einer arroganten jungen Dame zu einer sittsamen Hausfrau. 95 Rees Conrad Douglas beschreibt die Entwicklung der Arseneth dagegen ritualtheoretisch und analysiert die geschilderten Veränderungen mithilfe von van Genneps und Turners Theorien. 96 Neben den feministischen und ritualtheoretischen Ansätzen, die Transformation von Aseneth zu beschreiben, werden auch die Gliederung und die Rhetorik des Textes sowie die Diskussion um das Genre als Erklärungsmodelle herangezogen. Um Gliederung und Rhetorik ist vor allem Edith McEwan Humphrey bemüht, die zwei Studien zur Transformation und der rhetorischen Qualität dieser Beschreibung verfasste. 97 In dieser kurzen Beschreibung wird vor allem das gemeinsame Essen betrachtet, welches immer wieder eine wichtige Rolle in der Transformation der Aseneth spielt, um zu diskutieren, in welcher Form Hinweise auf das tägliche rituelle Essen gegeben werden. 1. Die Bedeutung des Gemeinschaftsmahls in JosAs Das erste Mahl, das in JosAs geschildert wird, dient der Beschreibung der Ankunft Josephs im Haus des ägyptischen Priesters Pentephres von Heliopolis. Aseneth ist seine Tochter, achtzehn Jahre alt, wunderschön und als Ehefrau vom Erstgeborenen des Pharaos begehrt. Sie ist den Männern allerdings nicht zugeneigt, sondern lebt in einem Turm des Palastes ihres Vaters mit sieben Jungfrauen, die in derselben Nacht geboren wurden wie sie. Dort ist sie umgeben von dem Kult für andere Götter, schönen Kleidern und Schmuck sowie ausreichenden Vorräten. In JosAs 3,6 98 fordert Pentephres seine Dienerschaft auf, ein reichhaltiges Deipnon vorzubereiten, da er seine Tochter Joseph zur Frau geben möchte. Als Deipnon werden auch die Festmähler in 10,4; 13,7; 18,2; 21,6 und 21,8 bezeichnet. Bevor aber das Deipnon für Joseph beschrieben wird, wird Aseneth zu den Eltern geladen und mit reichlich feinem Essen (Früchten, Weintrauben, Datteln, Tauben, Granatäpfeln und Feigen) verwöhnt. 4,3-7 schildert, wie Aseneth das Essen mit den Eltern genießt, bevor der Vater sie von seinen Plänen unterrichtet. Aseneth ist von der geplanten Heirat mit Joseph entsetzt, da sie keinen Hirten aus Kanaan heiraten möchte. Erbost verlässt sie das Essen mit den Eltern und zieht sich zurück in ihren Turm. Von oben allerdings sieht sie Joseph im Hof ankommen und verliebt sich in ihn. Obgleich sie sich sofort in ihn verliebt, geht sie nicht zurück zur Mahlgemeinschaft. Diese wird vom Erzähler nach hellenistischer Tradition beschrieben. Jo- 95 B URCHARD und B URFEIND 1996, xvi. Siehe hier auch zur Beschreibung vom Langbzw. Kurztext. 96 D OUGLAS 1988. 97 H UMPHREY 1995, H UMPHREY 2000. 98 Wenn nicht anders vermerkt, richtet sich die Vers- und Kapitelzählung nach David Cook und ist bezogen aus der Software Accordance 8.4.1. 2009. Der griechische Text stammt aus F INK 2008, 171-197. Transformationen im Mahlgeschehen 91 seph kommt in das Haus und setzt sich auf einen Thron (e˙ka¿qisene˙pi« qro/ nou), so dass ihm die Füße gewaschen werden können und ein eigener Tisch vor ihn hingestellt werden kann (7,1). An dieser Stelle erklärt der Autor weiter, dass Joseph einen eigenen Tisch erhält, da er nicht mit den Ägyptern essen wollte. Obgleich er in einem ägyptischen Haus eingeladen ist, isst er nicht mit seinen Gastgebern von einem Tisch und verlangt, dass die Ägypter, abgesehen von seinen Gastgebern, den Hof verlassen. Interessanterweise verwendet der Erzähler sunesqi÷w, um das gemeinsame Essen an unterschiedlichen Tischen zu verdeutlichen. 99 Tief beeindruckt von Joseph entwickelt Aseneth den Wunsch, seine Sklavin zu sein, und wird ihm von ihrem Vater als seine Schwester vorgestellt, nachdem Joseph sich ihrer Keuschheit und Jungfräulichkeit vergewissert hat. Nur diese Eigenschaften erlauben es ihr, überhaupt im Hof anwesend zu sein, da Joseph sich vor sexueller Belästigung ägyptischer Frauen fürchtet und er alle Fremden vom Hof entfernen lässt. Als Schwester ist es Aseneth erlaubt, Joseph zu begrüßen. Doch als sie von ihrem Vater aufgefordert wird, Joseph zu küssen, lehnt er dies vehement ab. In 8,5 erklärt er, dass ein Mann, der seinen Gott anbetet, diesen mit seinem Mund huldigt und das Brot des Lebens und den Kelch der Unsterblichkeit trinkt, keine fremde Frau küssen darf. Diese würde mit ihrem Mund die toten und stummen Götter anbeten, das Brot des seelischen Leidens (a‡rton aÓgco/ nhß) von ihrem Tisch essen und die Libation der Auflehnung (poth/ rion e˙ne÷draß) trinken. Da sie auch mit dem Öl der Vernichtung gesalbt ist (cri÷etai cri÷smati aÓpwlei÷aß), schließt sich jeder Kontakt zwischen ihm und ihr aus. Die anderen Götter (ei¶dwlon) werden in 8,5 an zentraler Stelle genannt, denn sie sind nur noch zum Anfang der Schrift in 3,10 erwähnt, wo das Zimmer der Aseneth beschrieben wird, und in der Mitte der Erzählung in 12,5f, wo Aseneth sich von den fremden Göttern abwendet. Joseph entlässt Aseneth mit einem Gebet an seinen Gott, in dem er um die Annahme Aseneths bittet (8,10f). Während Aseneth noch glücklich von den Worten Josephs in ihrem Turm verweilt, isst und trinkt Joseph bei ihren Eltern (9,3). Doch mit dem Verlassen Josephs wird Aseneth das Ausmaß ihres Zustandes bewusst. Das zehnte Kapitel beschreibt Aseneths Reue und ihre Abkehr von den anderen Göttern. Allein mit den Jungfrauen zieht sie sich in ihren Turm zurück, ohne zu essen, ohne zu trinken und ohne zu schlafen (10,2). Der Kontrast zu dem festlichen Mahl, das sie zuvor mit ihren Eltern einnahm, dem Mahl, das auch Joseph zuteilwurde, und ihrer Abkehr von den anderen Göttern wird in 10,14 besonders deutlich. Hier schildert der Erzähler, wie 99 Sunesqi÷w wird nur an dieser Stelle in JosAs verwendet; e˙sqi÷w dagegen in JosAs 8,5.11; 9,3; 10,2; 13,8; 15,4.14; 16,7-9; 20,5; 22,6. Siehe auch die Besprechung von Gal 2,12 in der herausgearbeitet wird, dass sunesqi÷w als Zeichen gegenseitiger Anerkennung (vgl. Gen 43,32; Ex 18,12; 2Sam 12,17) verstanden werden kann. Gegenseitige Anerkennung bedeutet folglich nicht, dass diese nur an einem gemeinsamen Tisch ausgesprochen werden kann. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 92 Aseneth ihr königliches Mahl (to\ dei pnon aujthvß to\ basiliko/ n), die Masttiere, den Fisch und das Fleisch sowie alle Opferspeisen und Libationsweine (spondh/ ) aus dem Fenster wirft, so dass es die Hunde zu fressen bekommen. So überschwänglich, wie die Mahlzeiten mit ihren Eltern und für Josephus beschrieben werden, so überschwänglich wird auch die Abkehr von diesen Zuständen charakterisiert. Aseneth verharrt in diesem Zustand für sieben Tage und nimmt an keinerlei Genuss Anteil (10,20: geu/ omai). Mit der Abkehr von ihren Göttern befindet sich Aseneth in einem liminalen Zustand, der sich nur durch Mut überbrücken lässt. Es bedarf einiger Überwindung, bis Aseneth es wagt, den Gott der Gerechten um Hilfe anzurufen (Riessler 11,14). 100 In ihrem Gebet in Kapitel 12 wiederholt Aseneth ihre Vergehen gegenüber Gott, als ob sie schon zuvor zu ihm zugehörig war. So nimmt sie auch Bezug auf ihren Mund, der von anderen Göttern (ei˙dw¿lwn) erfüllt war und mit dem sie am Tisch der Götter der Ägypter (qew n tw n Ai˙gupti÷wn) saß. Erst in 15,4 ist wieder vom Essen die Rede. In 15,4 spricht ein Mensch Gottes (a‡nqrwpoß) zu ihr, der von Gott, der ihr Gebet erhört hat, gesandt worden ist. Er versichert ihr die gelungene Transformation, die sich dadurch bestätigt, dass sie das Brot des Lebens essen und den Kelch der Unsterblichkeit trinken wird. Nachdem Aseneth in 15,6 ihren neuen Namen „Zufluchtsstadt“ (po/ liß kata fughvß) erhält und erfährt, dass der Mensch Gottes Joseph von ihr berichten wird, bietet Aseneth dem Menschen ein Essen an (15,14). Es handelt sich lediglich um Brot und wohlriechenden Wein. In 16,6 (nach Riessler) bestätigt sich, dass Aseneth an dem neuen Mahl teilgenommen hat. In 16,16 heißt es: „Da spricht zu ihr der Engel: ‘Jetzt hast Du Lebensbrot gegessen sowie den Becher der Unsterblichkeit getrunken, bist auch mit Öl der Unverweslichkeit gesalbt. Dein Fleisch lässt aus des Höchsten Korn jetzt Lebensblumen sprießen und Dein Gebein gedeiht den Zedern im Wonneparadiese Gottes gleich und frische Kräfte werden Dich erfüllen.’ [...]“. 101 Nach acht Tagen kündigt sich erneut die Ankunft Josephs an, so dass Aseneth anordnet, für ihn ein gutes Festmahl auszurichten (18,2). In der Übersetzung von Paul Riessler und dem rekonstruierten Text von Uta Barbara Fink wiederholt Aseneth in 19,5 gegenüber Joseph, wer sie ist und was mit ihr in den vergangenen Tagen geschehen ist. So heißt es: „Sie sprach zu ihm: ‘Ich bin, Herr, Deine Sklavin Asenath; die Götzenbilder all hab ich von mir entfernt; sie sind nicht mehr. So kam vom Himmel heut zu mir ein Mensch und reichte mir das Lebensbrot; ich aß und trank auch den geweihten Kelch.’“ 102 100 R IESSLER und G ETZENY 1979, 510. 101 R IESSLER und G ETZENY 1979, 519. 102 R IESSLER und G ETZENY 1979, 523. Transformationen im Mahlgeschehen 93 Das zwanzigste Kapitel schildert nun das Mahl in Aseneths Haus. Joseph wird in Aseneths Haus eingeladen und an seiner rechten Hand in das Haus geführt (20,1). Anders als beim ersten Mahl mit Aseneths Eltern sitzt Joseph jetzt nicht auf irgendeinem Thron, sondern auf dem des Vaters Pentephres. Auch seine Füße werden gewaschen - diesmal von Aseneth, die bekundet, dass ihre Hände und Füße auch seine Hände und Füße seien (20,2). Nachdem Joseph Aseneth die rechte Hand geküsst hat und sie seinen Kopf, kommen die Eltern wieder zurück zum Hof (20,4.5). Als sie Joseph und Aseneth (in Hochzeitskleidern) beisammensitzen sehen, danken sie Gott (to\n qeo/ n) und halten das Mahl ab (20,5). Erst nach dem Essen trifft Pentephres mit Joseph Absprachen über die Hochzeit und die Mitteilung an den Pharao (20,6-8). Die Hochzeit wird vom Pharao durchgeführt und mit einem siebentägigen Festmahl gefeiert (21,6-7). Schon dieser kurze Überblick zeigt, dass das Essen mit unterschiedlichen Fragen der sozialen, politischen und religiösen Identität der Protagonisten verknüpft ist. Sozial ist Aseneth vor ihrer Transformation als Tochter, Jungfrau und Sklavin beschrieben, während sie nach ihrer Transformation als Ehefrau und Sklavin identifiziert wird. In ihrer politischen Identifikation ist sie nun nicht mehr dem Erstgeborenen des Pharao zugehörig, sondern Joseph; ihre religiöse Identität wird nicht mehr von anderen Göttern, sondern vom Gott Israels bestimmt. Bemerkenswert ist hieran, dass sich keine essentiellen Kategorien für diese Identitäten und ihre Entwicklungen bestimmen lassen. Mit anderen Worten handelt es sich immer um dasselbe Essen, um denselben Mund und um dieselben Kleider, die diese sehr verschiedenen Identifikationen veranschaulichen können, dasselbe Essen mit jeweils anderer relationaler Konnotation. Besonders am Bild der Aseneth wird diese variable Konnotation deutlich. Aseneth verändert weder den Speiseplan noch die Korporealität ihres Mundes und auch nicht ihre Kleiderherstellung. So ist es vor und nach ihrer Transformation möglich, dass sie und Joseph mit ihrer Familie zusammen essen und sie ihre Körperlichkeit bzw. ihre Kleidung der religiösen Identität anpasst. Es sollte in diesem Zusammenhang genauer geprüft werden, inwieweit die Einbindung in alltägliche Rituale für die wechselnde Konnotation verantwortlich ist. 2. Rituelle Transformation Randall Chesnutt analysiert in seiner Studie zur Konversion in JosAs zehn Elemente, die in der Schrift auf eine rituelle Form der Konversion Aseneths hinweisen. 103 Er untersucht das fürsprechende Gebet, die Abkehr von Idolatrie, die Askese und das Gebet, die Eintragung in das Buch des Lebens, den Kleidungswechsel, das Waschen von Händen und Füßen, den 103 C HESNUTT 1995, 118-150. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 94 Namenswechsel, das Essen (Brot, Kelch, Salbung, Honig), die physische Transformation und die drei Küsse. Chesnutt erörtert sehr detailliert die Bedeutung von Brot, Kelch, Salbung und Honig. 104 Mit Burchard, Schnackenburg, Sänger, Collins und Lindars stimmt Chesnutt darin überein, dass die Besprechung der Speisen nicht ausschließlich innerhalb der jüdischen Rituale stattfinden muss, sondern sich auf gewöhnliche jüdische Speisen bzw. eine jüdische Lebensweise beziehen soll. 105 Chesnutt beschreibt richtig, dass die Gegenüberstellung von Brot, Kelch, Honig und Salbung in 8,5 und in ähnlicher Form auch in 8,9 und Kapitel 21 zur Differenzierung zwischen Juden und Menschen aus den Nationen dient. 106 Obgleich diese Differenzierung zwischen Juden und den Menschen aus den Nationen auch in rituellen Handlungen relevant ist, betont Chesnutt, dass in JosAs keine initiierenden Rituale beschrieben werden. Ganz im Gegenteil, es handelt sich um die Beschreibung einer gewissen Lebensführung und nicht eines einzelnen Rituals. 107 Mit dieser Interpretation wird nicht gesagt, dass das erste Mahl als Jüdin bzw. Jude nicht von besonderer Bedeutung ist, sondern lediglich, dass es keine spezielle rituelle Form für dieses Mahl gegeben haben muss. 108 Die Diskussion über die Bedeutung des Gemeinschaftsmahls deutete schon an, dass Strukturen des hellenistischen Mahls in der Erzählung zu identifizieren sind. Insbesondere in Kapitel 7, 9, 20 und 21 werden Charakteristika des hellenistischen Mahls beschrieben. In 7,1 wird bei der ersten Ankunft Josephs bei Pentephres geschildert, wie die Sitzordnung eingenommen wird, wie Joseph die Füße gewaschen werden und wie Joseph ein eigener Tisch bereitet wird. 9,3 nimmt die Beschreibung wieder auf und bezeugt das gemeinsame Essen und Trinken. Kapitel 20 beschreibt das Gastmahl zur zweiten Ankunft Josephs. Es werden die Einnahme der Sitzordnung, die Fußwaschung durch Aseneth, die gegenseitige Anerkennung von Joseph und Aseneth durch Küsse auf Hand und Stirn, das elterliche Dankgebet an Gott, das Essen und Trinken und die darauffolgenden Hochzeitspläne beschrieben. Hier erkennt man sehr deutlich die Struktur von Deipnon und Symposion - das Deipnon besteht aus dem Einnehmen der Plätze, der gegenseitigen Anerkennung, dem Lob und dem Essen und dem Trinken, während im Symposion die Unterredungen und Verhandlungen stattfinden. 3,6 und 18,2 beschreiben mit der Ankündigung des Gastmahls zur Ankunft von Joseph, dass Vorbereitungen für das Mahl getroffen werden müssen. 104 Zur Bedeutung des Honigs als Symbol der Transformation in ein neues Leben siehe H UBBARD 1997. 105 C HESNUTT 1995, 128. Gegen Kilpatrick, Kuhn, Delcor, Philonenko, Holtz, Smith, Kee vgl. C HESNUTT 1995, 20-64. Vgl. auch D OUGLAS 1988. 106 C HESNUTT 1995, 129f. 107 C HESNUTT 1995, 130, im Gegensatz zu H UBBARD 1997, 107f., der sich in seiner Besprechung des Honigs eindeutig für die feste rituelle Form der initiierten Neugeburt ausspricht. 108 C HESNUTT 1995, 133f. Transformationen im Mahlgeschehen 95 In 21,6-7 wird eine Angabe zur Dauer des Hochzeitsmahls gemacht. Es dauert sieben Tage und wird beim Pharao abgehalten. Das Hochzeitsmahl ist womöglich das einzige Mahl, das keine Alltäglichkeit widerspiegelt. Doch die anderen Textstellen schildern das alltägliche, wenn auch nicht tägliche, Mahlverhalten beim hellenistischen Mahl. Diese Anhaltspunkte verorten auch die nötigen Lebensmittel innerhalb des täglichen Kontexts. Der Erzähler spricht von Früchten, Weintrauben, Datteln, Tauben, Granatäpfeln und Feigen (4,3-7) sowie vom königlichen Mahl (to\ dei pnon aujthvß to\ basiliko/ n), von Masttieren, Fisch und Fleisch (10,14). Um die These zu differenzieren, dass in JosAs keine rituelle Form beschrieben wird, sondern rituelles Handeln, sollte festgehalten werden, dass ein Deipnon zwar nicht ausschließlich kultische Rituale beinhaltet, aber dennoch aus rituellen Handlungen besteht. 109 Von rituellem Handeln zu sprechen, dass das Leben in Ägypten jüdischer macht („more judaico“ 110 ), scheint in diesem Zusammenhang eine gelungene Darstellung zu sein. Doch ist zu prüfen, ob dies auch für das Essen während der Transformation Aseneths gilt. Grundsätzlich gilt festzuhalten, dass das gemeinschaftliche Essen mit Aseneths Eltern oder mit Joseph nicht deutlich von kultisch konnotierten Speisen zu trennen ist. Dass jede Speise in dem einen oder anderen Sinn kultische Bedeutung tragen kann, verdeutlichen die Textbelege. In 8,5 wird der Mund zum Essen bzw. zum Küssen sozial, politisch und religiös konnotiert, Aseneths generelles Fasten wird in 10,2 zum Zeichen ihrer Transformation (es wird kein Unterschied zwischen Opferspeisen und anderen Speisen gemacht), in 10,14 verweigert Aseneth sich dem bisherigen Essen und den Opferspeisen. 10,20 verdeutlicht, dass ihr Fasten eine verweigerte Sinnlichkeit impliziert, 12,5 markiert mit Aseneths Gebet ihre Transformation und das Ende der liminalen Phase, in 15,4 wird Aseneth das neue Leben verheißen (inklusive dem neuen Essen von Brot und Wein), in 16,16 (nach Riessler) folgt die Bestätigung der Aggregation im neuen Leben durch den Menschen Gottes und in 19,5 (nach Riessler) schildert Aseneth Joseph ihre Transformation. Obgleich in Kapitel 10 zwischen Opferspeisen und anderen Speisen unterschieden wird und der Mensch Gottes von Brot, Wein, Honig und Öl spricht, sollte davon ausgegangen werden, dass diese Begriffe paradigmatisch für das Essen im neuen Leben Aseneths stehen. Diese Speisen umfassen immer, im alltäglichen hellenistischen Mahl sowie in eindeutigeren kultischen Zusammenhängen, die rituelle Konnotation mit einer religiösen Identität. Doch sind religiöse und nicht religiöse Speisen sinnvollerweise ebenso wenig voneinander zu trennen wie rituelle und nicht rituelle Formen. Es schließt sich allerdings die Frage an, ob generell von einer statischen jüdischen bzw. paganen Religion gesprochen werden kann, wenn solche 109 Vgl. S ÄNGER 1980, 172. 110 C HESNUTT 1995, 135. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 96 Schriften wie JosAs zeigen, dass soziale, politische und religiöse Identitäten relational zum Kontext verhandelt werden. 111 3. Zusammenfassung Zusammenfassend soll zu dieser kurzen Besprechung von JosAs festgehalten werden, dass die Untersuchungen von Chesnutt und anderen Exegeten sehr hilfreich sind, um zwischen alltäglicher Lebensführung und initiierendem Ritual zu differenzieren. Es kann bestätigt werden, dass sowohl bei den alltäglichen Mahlgemeinschaften als auch bei den Speisen, die während der Transformation von Aseneth erwähnt werden, der Unterschied zwischen religiös und nicht-religiös konnotierten Speisen nicht zu bestimmen ist. Ergänzend zu Chesnutts Studien hat die Kontextualisierung im hellenistischen Mahl gezeigt, dass die rituellen Elemente Teil der alltäglichen Praxis waren. Für die Einbeziehung der Transformationsanalyse in die ritualtheoretische Exegese ist wichtig, dass erkennbare Charakteristika des hellenistischen Mahls identifiziert werden können und dass gezeigt werden kann, dass die erwähnten Speisen für vielseitige soziale, politische und religiöse Identifikationen verwendet werden. Gerade in diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, dass die erwähnten Speisen, Korporealitäten und Kleider dieselben bleiben, aber sie sich in unterschiedlichen rituellen Handlungen voneinander unterscheiden lassen. 111 In diesem Zusammenhang bemerkt Chesnutt in einem früheren Aufsatz, dass JosAs seinen Studien zu Folge an eine jüdische Gemeinschaft gerichtet war, die sich über die Aufnahme von Konvertiten einigen sollte. In diesem Sinne ist JosAs keine Missionsliteratur, sondern erinnert die Empfänger an ihren privilegierten Status als gebürtige Juden (C HESNUTT 1988, 42f). Es mag durchaus sein, dass sich Juden Konvertiten gegenüber im Vorteil empfanden, doch sollte m.E. der Schwerpunkt nicht auf die Definition einer Religion gelegt werden, sondern darauf, dass JosAs die Ermächtigung des sozialen, politischen und religiösen Identitätswechsels aufzeigt. Heterotopie der Mahlgemeinschaft 97 D. Heterotopie der Mahlgemeinschaft Die Analyse der Transformationsprozesse konnte bereits beschreiben, wie sehr Texte auf den sozialgeschichtlichen Kontext verweisen und diesen in ihre Narration einbeziehen. Bei der Beschreibung des hellenistischen Mahls konnte bereits angedeutet werden, dass der Ort des Mahlgeschehens von großer Bedeutung ist. Der Ort entscheidet über die Gestaltung der richtigen Proportionen des Speiseraumes oder die optimale Anordnung der Sitze. Orte sind aber nicht nur materielle Größen, sondern auch Symbole für soziale, politische oder religiöse Verhältnisse. Mahlgemeinschaften sind folglich unweigerlich mit einem Ort verbunden, an dem Werte und Normen der Teilnehmer aktualisiert und realisiert werden. Ob in einem privaten Haus, im Rahmen einer Vereinstätigkeit oder in einem Tempel - die Mahlteilnehmer treffen sich zum Mahl und realisieren damit ihre Gemeinschaft. In der neutestamentlichen Mahlforschung wurde die Realisation der gemeinschaftlichen Werte vor allem als Utopie bezeichnet. Taussig deutet die von Klinghardt beschriebene ca¿riß als Ausdruck von utopischen politischen Werten und verbindet Klinghardts Analyse mit Smith sowie verschiedenen Ritualtheortikern. 112 „Matthias Klinghardt identified the ‘utopian’ character of the meals, while Dennis Smith paid attention to the way meal gestures and vocabulary seemed to have an ‘idealized’ character to them. This lines up well with J.Z. Smith’s understanding of ritual as ‘perfection,’ Bourdieu’s sense that ritual breaks the ordinary boundaries of social order, and Turner’s ritual liminality that leads to communitas. That Klinghardt and Dennis Smith have observed this utopian or idealized dimension to Hellenistic meal gesture confirms in another way the aptness of using ritual theory to understand the meals. On the other hand, the terminology of ‘utopian/ idealized’ does not do complete justice to the deep ambivalence and contradictory representations within the meal. Only ritual theory can explain both the utopian hopes and the contradictory values within these meals.“ 113 Taussigs Entwicklung des Begriffes „Utopie“ hängt folglich mit der Idealisierung bzw. Liminalität der rituellen Handlungen zusammen. Utopisch ist für Taussig das, was in der rituellen Handlung einerseits perfektioniert und andererseits immer wieder in Frage gestellt wird. Somit wird Taussig den sozialen Spannungen und Prozessen innerhalb der Mahlgemeinschaft gerecht. Was sein Ansatz nicht leistet, ist, über diese Ambivalenz selbst eine Konstante auszubilden. Das heißt, dass Taussigs Wahl der Begriffe bisher nicht ausdrückt, dass die Gemeinschaft in ihrer Mahlgemeinschaft einen anderen Ort, der unter anderen Bedingungen funktioniert, dauerhaft etabliert. Mit anderen Worten ist die Assoziation von „Utopie“ zwischen 112 T AUSSIG 2009, 27. 113 T AUSSIG 2009, 71. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 98 Idealisierung und Perfektion zu wenig konkret, um auf die Kontinuität der vielfältigen Mahlgemeinschaft zu verweisen. Eine sinnvolle Alternative zur Utopie ist der von Michel Foucault gebrauchte Begriff „Heterotopie“. In literaler Abgrenzung zur Utopie, die einen (bisher) nicht realisierten Ort beschreibt, bezieht sich die Heterotopie auf Orte, die nach eigenen Regeln funktionieren. Foucault definiert heterotope Orte wie folgt: „[...] wirkliche Orte, wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können.“ 114 Diese anderen Orte sind in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung nicht statisch und wurden von Foucault diskursanalytisch untersucht. Kennzeichnend ist, dass die von ihm betrachteten Orte ganz anders sind als die Orte, die sie reflektieren. „Weil diese Orte ganz andere sind als alle Plätze, die sie reflektieren oder von denen sie sprechen, nenne ich sie im Gegensatz zu den Utopien die Heterotopien.“ 115 Obgleich Foucault keine universelle Heterotopie festhalten kann, macht er deutlich, dass es sich bei Heterotopien um eine Konstante in jeder menschlichen Gruppe handelt. Er hält außerdem fest, dass Heterotopien in der Gesellschaft eine ganz bestimmte Funktion innehaben, welche aber nach der Synchronie der Kultur unterschiedlich funktionieren kann. Ein weiteres Merkmal ist, dass sich in Heterotopien unterschiedliche „Räume“ miteinander verbinden können. Gemeint sind hier gesellschaftliche Realitäten, die außerhalb der Heterotopie unvereinbar erscheinen. Hierin liegt auch der Bruch, den Heterotopien im individuellen und gesellschaftlichen Ablauf verursachen können. Sie brechen somit mit der herkömmlichen Zeit und der Chronologie der gesellschaftlichen Abläufe. Zudem ist der Zugang zu heterotopen Orten nicht jedem zugänglich. Sie sind gleichzeitig isoliert und durchdringlich, da die Teilnehmer mit ihrem Eintritt gleichzeitig von anderen Vorgängen ausgeschlossen sind. Foucault bezieht sich hier explizit auf religiöse Reinigungsaktivitäten. 116 Das letzte Charakteristikum ist auch für die Betrachtung der Mahlgemeinschaften von zentraler Bedeutung. Foucault schreibt den Heterotopien zu, dass sie „gegenüber dem verbleibenden Raum eine Funktion haben. Diese entfaltet sich zwischen zwei extremen Polen. Entweder haben sie einen Illusionsraum zu schaffen, der den gesamten Realraum, alle Plazierungen, in die das menschliche Leben gesperrt ist, als noch illusorischer denunziert. [...] Oder man schafft einen 114 F OUCAULT 1993, 39. 115 F OUCAULT 1993, 39. 116 F OUCAULT 1993, 40-44. Heterotopie der Mahlgemeinschaft 99 anderen Raum, einen anderen wirklichen Raum, der so vollkommen, so sorgfältig, so wohlgeordnet ist wie der unsrige ungeordnet, mißraten [sic.] und wirr ist. Das wäre also nicht die Illusionsheterotopie, sondern die Kompensationsheterotopie [...].“ 117 Ausgehend von der Definition der Heterotopie als wirklichen Ort, der etwas Beunruhigendes an sich hat, wird die sozialgeschichtliche Kontextualisierung, welche die Mythenbildung verweigert, deutlich erkennbar. 118 Was Wolfgang Stegemann zu den Reich-Gottes-Texten im Neuen Testament erarbeitet, gilt auch für die Analyse der Mahlgemeinschaften. Die Erwartungen, die mit einer relationalen Kontextualisierung oder mit einer Transformation verknüpft waren, waren vor allem Erwartungen an die Veränderung sozialer Ordnungen zu Gunsten der genannten Gruppen. Stegemann bemerkt richtig, dass diese gesellschaftlichen Veränderungen immer eine makrogesellschaftliche Größe voraussetzen. 119 Für die Reich- Gottes-Texte beschreibt er das Volk Israel als makrogesellschaftliche Größe. Stegemann folgert in diesem Zusammenhang, dass Jesu Verkündigung der nahen Herrschaft Gottes eine soziale Heterotopie für Israel entwirft. In den hier diskutierten Texten sind es vor allem jüdisch-hellenistische makrogesellschaftliche Größen, in denen die Texte soziale Heterotopien entwerfen. Für die ritualtheoretische und die exegetische Untersuchung der antiken Texte ist es wichtig, die konstanten Heterotopien in den antiken Gesellschaften aufzuzeigen. Der Aristeasbrief eignet sich für eine derartige Betrachtung, da er gesellschaftliche Realitäten beschreibt, die für eine spezifische Gemeinschaft etabliert werden. Der Brief wird nicht selten von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen für textkritische, religionsgeschichtliche oder theologische Fragen herangezogen. Textkritisch fallen besonders die Studien im Zusammenhang der Septuagintaforschung auf, welche die Bezüge des Briefes zur Genesis untersuchen. Nicht zuletzt wird dieser Zusammenhang deshalb untersucht, weil der Mythos von der Übersetzung der Tora im Aristeasbrief verschriftlicht wurde. Selbst wenn die Schilderung der Übersetzung der Tora keinen großen Teil des Briefes einnimmt, so bildet diese Erzählung des Aristeas an seinen Bruder Philokrates über eine Gesandtschaft an den Hohenpriester Eleazar in Jerusalem mit dem Ziel, 72 Übersetzer nach Alexandria einzuladen, den literarischen Rahmen. Um sowohl den hebräischen Text als auch die Übersetzer vom Hohenpriester zu erhalten, erzählt Aristeas seinem wissbegierigen Bruder, dass der König 100000 jüdische Gefangene in Ägypten aus der Sklaverei freigekauft hat, und dokumentiert dieses bürokratische Geschehen in Erlassen und Briefwechseln (§§ 22-25; §§ 29-32). 120 Ausführlich werden auch die mitgegebenen Geschenke und die Reise nach Jerusalem beschrieben (§§ 117 F OUCAULT 1993, 45. 118 S TEGEMANN 2009, 324 Anm. 754. Er bezieht sich auf F RANK 2005, 64ff, der den Aufsatz von F OUCAULT 2005 heranzieht. 119 S TEGEMANN 2009, 330. 120 Nach M EISNER 1975. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 100 51-82; §§ 83-120). Für religionsgeschichtliche Studien ist dieser Zusammenhang besonders relevant, weil in utopischen Berichten der Tempel und der Tempeldienst, die Jerusalemer Burg und die Stadt sowie ganz Judäa aus hellenistischer Perspektive beschrieben werden, die einerseits über die hellenistisch-jüdischen, aber andererseits auch über die hellenistischägyptischen Beziehungen Auskunft geben. 121 Von theologischem Interesse sind vor allem die Unterredungen zwischen Aristeas und dem Hohenpriester über jüdische Gesetze, deren tieferer Sinn erläutert wird (§§ 128- 170). Mehr als ein Drittel des Briefes beschäftigt sich allerdings mit einem siebentägigen Festmahl, das der König für die 72 Übersetzer vor der Übersetzung der Tora abhält. Währenddessen wird jeder Übersetzer vom König zu einem Thema seines Regierens oder seiner Person befragt (§§ 187-192). Da dieser Teil des Briefes keine überraschenden sozialgeschichtlichen Facetten beschreibt, wurde er, vor allem als literarische Gattung, in die Symposiumsliteratur verortet. 122 Der Brief endet mit einem kurzen Verweis auf die folgende 72-tägige Übersetzung und endet mit dem öffentlichen Vorlesen der Septuaginta und der Verabschiedung von den Übersetzern. Allein in dieser kurzen Übersicht zum geschilderten Hergang der Übersetzung werden viele Themen angeschnitten. Es wird in diesem Rahmen nicht möglich sein, dieser Vielfalt auch nur annähernd gerecht zu werden. In Bezug auf das hellenistische Mahl wird der hellenistische Kontext der in Alexandria lebenden Juden, die als Adressaten betrachtet werden können, beschrieben. Zudem ist es von Bedeutung, auf die vom Brief geleisteten kulturellen „Übersetzungen“ einzugehen und das Wechselspiel zwischen hellenistischer und jüdischer Kultur während des Gastmahls zu veranschaulichen. 1. Die vielfältigen Interpretationen des Aristeasbriefes Der Verfasser gibt sich als Hofbeamter Ptolemaios’ II., Philadelphos, aus und nennt sich Aristeas oder Aristaios. 123 Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Autor des Aristeasbriefes nicht zur selben Zeit gelebt hat, in der er zu schreiben vorgibt. 124 Die Datierung der Schrift bewegt sich zwischen 145 und 100 v. Chr. bzw. zwischen 127 und 118 v. Chr. 125 Für Norbert Meisner ist „unbestritten, dass der Verfasser ein alexandrinischer Jude und das Werk demnach ein echtes Pseudepigraphon ist.“ 126 In diesem Zusammenhang wird häufig gefolgert, dass der Aristeasbrief ein Werk eines jüdischen Apologeten ist und sich an eine hellenistische Hörerschaft richtet. Victor 121 B EAVIS 1987 zum ägyptischen Kontext. 122 Vgl. H ADAS 1951, H ONIGMAN 2003. 123 M EISNER 1975, 37. 124 M EISNER 1975, 42. 125 Genaue Einschätzungen der Datierung nehmen M EISNER 1975, 42f; W OSCHITZ 2005, 174f vor. 126 M EISNER 1975, 37. Heterotopie der Mahlgemeinschaft 101 Tcherikover erläutert in seinem Aufsatz The Ideology of the Letter of Aristeas, dass die Schrift lange als Rechtfertigung des Judentums in Alexandria und der jüdischen Propaganda interpretiert wurde. 127 Diese Interpretation wurde seit den 1950er Jahren weitestgehend revidiert, da zum einen die Hellenisierung der jüdischen Bevölkerung in Alexandria im 2. Jh. v. Chr. soweit vorangeschritten war, dass davon auszugehen ist, dass jüdische Schriftsteller in Alexandria auf Griechisch über jüdische Themen an Juden schrieben. 128 Zum anderen soll, so Tcherikover, nicht unterschätzt werden, dass die „Apologie“, die im Aristeasbrief zu vernehmen ist, sich doch erheblich von einer jüdischen Apologie des Philo oder des Josephus unterscheidet. Auch ist der Hinweis auf jüdische Propaganda genauer zu betrachten. Tcherikover macht darauf aufmerksam, dass sich von der politischen Situation der Juden in Alexandria keine Entstehung von apologetischer Propaganda herleiten lässt, da sich keine Verfolgungen nachweisen lassen. 129 Zudem dient auch das pseudepigraphische Schreiben nicht der Propaganda, sondern der Annäherung an die Legende der Septuagintaentstehung und der hellenistisch-jüdischen Identität. 130 Berücksichtigt man die dargestellte hellenistisch-jüdische Identität einer Gemeinschaft in Alexandria, so wird ersichtlich, warum jüdische Gebote in einem neuen Zusammenhang erläutert und diskutiert werden. Der Abschnitt des Briefes über die jüdischen Gebote (§§ 128-170) dient somit nicht der jüdischen Propaganda, sondern der Entwicklung einer neuen hellenistisch-jüdischen Identität der Gemeinschaft. 131 „Aristeas“ repräsentiert folglich eine Gruppe von hellenistisch gebildeten Juden, die von der hellenistischen philosophischen Literatur ebenso beeinflusst war wie vom Judentum. 132 Es lohnt sich in diesem Zusammenhang die jüdische Gemeinschaft in Alexandria näher zu betrachten, da diese im 2. Jh. v. Chr. sozial-politischen Veränderungen unterlegen war. Tcherikover beschreibt, dass sich bereits unter Ptolemaios I. eine jüdische Gemeinschaft in Alexandria ansiedelte. 133 Diese bestand ursprünglich aus Soldaten und Kriegsgefangenen und vergrößerte sich später durch Emigranten. Mit dem Wachstum der Gemeinschaft wuchs auch deren gesellschaftlicher Einfluss, der sich auf den Handel, den Schiffsbau und die Vermögensverwaltung bezog. Zwischen 180 und 145 v. Chr. wurden Juden von Ptolemaios VI., Philometor, und seiner Frau Kleopatra mit offiziellen Ämtern im Militär, dem Gerichtswesen und der Stadt- 127 T CHERIKOVER 1958, 59. 128 T CHERIKOVER 1958, 60. 129 T CHERIKOVER 1958, 61; dazu auch G RUEN 2008, 139. 130 T CHERIKOVER 1958, 61f. 131 T CHERIKOVER 1958, 62f: „We shall analyze this book on the assumption that it was composed not for propaganda among the Greeks, but for the needs of the Jewish reader.“ 132 T CHERIKOVER 1958, 66. 80ff. 133 T CHERIKOVER 1958, 80: „Mercenary soldiers and prisoners of war, freed from slavery, were, it seems, its first members. The big and busy city attracted emigrants from all sides, and the Jewish community developed at a rapid pace.“ Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 102 bewachung betraut. Für Tcherikover liegt auf der Hand, dass die Juden sich mit dem wachsenden Vermögen und dem wachsenden Einfluss immer mehr an die griechische Kultur annäherten. Diese Annäherung bezieht sich auf die Sprache, die Bildung, die Bürgerschaft, die Kultur und die Gesellschaft. Selbstverständlich, so korrigiert sich Tcherikover selbst, partizipierten nicht alle Juden in Alexandria an der hellenistischen Kultur. 134 Mit anderen Worten waren nicht alle Juden in Alexandria mit der Frage konfrontiert, über eine intellektuelle Auseinandersetzung ihre jüdische Identität mit einer hellenistischen Kultur und Gesellschaftsordnung in Verbindung zu bringen. Nicht alle Juden waren in der gesellschaftlichen Position, die dies verlangte, und nicht alle Juden standen der hellenistischen Kultur und Gesellschaft so offen gegenüber - nicht alle Juden waren sich der hellenistischen Kultur und Gesellschaft in diesem Ausmaß bewusst. 135 Und doch ist es für Tcherikover unvorstellbar, dass Juden in Alexandria in einer spirituell abgeschlossen Kultur und in keinem Bewusstsein der hellenistischen Welt lebten. 136 In diesem Sinne ist für jeden eine Synthese der Kulturen vonnöten, da ein Jude auf der einen Seite seine jüdische Identität erhalten und auf der anderen Seite an der hellenistischen partizipieren wollte. 137 Insbesondere die Schilderung des Symposion, aber auch der Reisebericht und die Diskussion der jüdischen Gebote sprechen nicht ausschließlich für eine Verortung des Briefes in der gesellschaftlichen Oberschicht. Wie Taussig und andere zeigen konnten, dient das Gemeinschaftsmahl der experimentellen Identifikation über die gesellschaftliche Trennung hinweg. Selbst wenn also die intellektuellen Diskurse während des Symposion nicht von allen Hörern verstanden wurden, da nur wenige über die nötige Bildung und über den gesellschaftlichen Stand verfügten, um davon Nutzen zu tragen, so ist dennoch davon auszugehen, dass der kulturelle Rahmen von breiten Bevölkerungsschichten verstanden wurde. Von daher ist die Verortung in der jüdischen Oberschicht in Alexandria für die Kontextualisierung des Aristeasbriefes unbedingt notwendig. Diese Kontextualisierung sollte allerdings nicht dazu führen, die sozialgeschichtlichen Implikationen allein auf eine gesellschaftlich Oberschicht zu reduzieren und somit anzunehmen, dass der Aristeasbrief eine Sammlung von literarischen Genres in sich vereint, die nur für den hellenistisch gebildeten Juden zu verstehen sind. In der sozialgeschichtlichen Verortung dieses Briefes kann davon ausgegangen werden, dass der Brief soziale, politische und religiöse Elemente des täglichen Lebens einer breiten Bevölkerungsschicht beschreibt, weil auch die „Übersetzung“ jüdisch-hellenistischer Kultur ein gesellschaftlicher Topos war. So wenig, wie der Aristeasbrief hauptsächlich für die Darstellung der Septuagintalegende verfasst wurde, 134 Siehe dazu auch G RUEN 2008, 138f. 135 T CHERIKOVER 1958, 81. 136 Dazu auch G RUEN 2008, 139. 137 T CHERIKOVER 1958, 81; dazu auch G RUEN 2008, 140. Heterotopie der Mahlgemeinschaft 103 so wenig ist er hauptsächlich für die Ergänzung der Symposiumsliteratur geschrieben worden. 138 Vielmehr liegt das Anliegen des Briefes in politischen und religiösen Äußerungen, die über gesellschaftlich anerkannte Handlungen transportiert wurden. 139 2. Die „Übersetzung“ jüdisch-hellenistischer Kultur Die Frage nach der „Übersetzung“ jüdisch-hellenistischer Kultur wird vor allem von Ronald Charles thematisiert. In seinem 2009 erschienenen Aufsatz Hybridity and the Letter of Aristeas wendet er die post-kolonialistische Theorie der Hybridität von Homi K. Bhabha auf den Aristeasbrief an. 140 Charles ’ Diskussion über die Inkorporation zweier Kulturen und Bildungssysteme und über den sozialen Ort kalkulierter Verhandlung, verantwortungsvoller Bindung und idealisierter Erinnerung ist sehr aufschlussreich und soll an dieser Stelle diskutiert werden. In Charles ’ post-kolonialistischer Perspektive versteht er den Aristeasbrief als jüdische Schrift, die in dem Sinne hybrid ist, dass sie das Beste zweier Kulturen in sich vereinen möchte, aber immer in der Gefahr steht, von den Juden bzw. Griechen für diese Hybridität abgelehnt zu werden. 141 Das Bedürfnis, eine hellenistisch-jüdische Schrift zu verfassen und die besten Aspekte beider Kulturen zu berücksichtigen, leitet Charles vom Umstand ab, dass der Autor zu Beginn und am Ende seines Briefes auf seine Glaubwürdigkeit hinweist, obgleich der Brief, trotz seiner historischen Bezüge, vor allem fiktiv ist. 142 Sowohl der spärliche Bezug auf die eigentliche Übersetzung der Tora als auch das siebentägige Gastmahl und die idealisierte Beschreibung der 72 Übersetzer deuten für Charles darauf hin, dass der Autor fiktive Maskeraden der historischen Ereignisse vornimmt und sich damit seinem eigenen Bedürfnis nach Glaubwürdigkeit widerspricht. 143 Das Beste zweier Kulturen in sich zu vereinen, scheint notwendig zu sein, um seine jüdische Identität auch im hellenistischen Verhalten zu bewahren. 144 Als Orte für kontrollierte Verhandlungen („calculated negotiations“) werden für Charles besonders die Beziehungen zwischen den jüdischen Übersetzern und dem König relevant. Diese sind, so Charles, ambivalent, da sie sich zwischen Bewunderung und Verweigerung, Akzeptanz und Herausforderung bewegen. 145 Diese Ambivalenz ist beispielsweise an dem 138 Vgl. H ADAS 1951, 42 und H ONIGMAN 2003, 18. 139 Vgl. M EISNER 1975, 38. 140 Zu Homi K. Bhabha siehe C HARLES 2009, 246-248 und 248-251. 141 C HARLES 2009, 243. 142 C HARLES 2009, 243: „The Letter starts with a problematic claim. It purports to give a‚ trustworthy narrative’ (1) of how the event of the translation of the Septuagint took place.“ 143 C HARLES 2009, 243f. 144 C HARLES 2009, 244. 145 C HARLES 2009, 250. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 104 Bild von der hellenistischen Macht und dem jüdischen Gott ersichtlich. Die hellenistische Macht, die im Aristeasbrief beschrieben wird, ist nicht nur zu befolgen, sondern gereicht auch den jüdischen Übersetzern zum Vorteil, da diese den „Tausch“ von Gefangenen gegen Übersetzer ermöglichten. 146 Auf der anderen Seite wird dem jüdischen Volk in Alexandria sehr viel Macht zugesprochen. Dies wird vor allem durch die Freilassung der Gefangenen und die kostbaren Geschenke an den Hohenpriester in Jerusalem deutlich. Charles bemerkt hierzu, dass diese Situation der imperialen Politik Roms gleicht. 147 Sehr überzeugend legt er dar, dass diese Ambivalenz die Verhandlungen sozialer Rollen als Herrscher innerhalb der jüdischen Gemeinschaft ausdrücken kann. 148 Verantwortungsvolle Bindung („prudent affiliation“) an die hellenistische Kultur wird, so Charles, vor allem mit dem Übersetzungsprojekt selbst ausgedrückt. Hierin zeigt sich nämlich, dass es auch für einen Juden in der Diaspora möglich war, genuin jüdisch zu leben. 149 Versteht man „Übersetzungen“ als Performanz kultureller Kommunikation, wie Homi K. Bhabha, dann wird ersichtlich, dass die eigentliche Übersetzung nicht die Übersetzung der Tora, sondern die Übersetzung zwischen den zwei Kulturen ist. 150 Unter einer idealisierten Erinnerung („idealized memory“) versteht Charles die Anspielungen des Briefes auf eine gemeinsame jüdische Herkunft, das Land, den Tempel und die Bedeutung des Hohenpriesteramtes. 151 Idealisiert wird aber nicht nur die kollektive Erinnerung, sondern auch die erlebte Realität in Alexandria. Für Charles werden im Aristeasbrief hybride Träume der Realität dargestellt, die sich vom tatsächlichen Bild des Hellenismus oder Judentums deutlich unterscheiden können. Gerade in den Antworten während des siebentägigen Gastmahls wird deutlich, dass hierin jüdische und hellenistische Elemente ein hybrides Ganzes bilden. 152 Charles bietet mit dieser Interpretation eine interessante Alternative zu den Studien, die in den Antworten der Übersetzer auf die Fragen des Königs den Triumph jüdischer Weisheit 146 C HARLES 2009, 250. 147 C HARLES 2009, 251. 148 C HARLES 2009, 251. 149 C HARLES 2009, 252. 150 Vgl. C HARLES 2009, 252. 151 C HARLES 2009, 254. Siehe dazu auch H ACHAM 2005, der den Aristeasbrief mit dem Exodus kontextualisiert und den Brief als religiöse Rechtfertigung des jüdischen Widerstandes in Ägypten versteht. Zum Exodus-Motiv auch C HARLES 2009, 255f: „Contrary to the biblical account of the Exodus, this king let the slaves go freely, but these Jews in Alexandria under Ptolemy II did not feel any compulsion to go out of the country. Far from leaving Egypt in order to adore their ancestral deity, in this replica of the Exodus the Jews bring Torah and the worship of their God to Egypt to signify the victory of God over the king of Egypt at last. The land of Alexandria was home. But not quite.“ 152 C HARLES 2009, 257. Heterotopie der Mahlgemeinschaft 105 über die hellenistische Kultur verorten. 153 Er unterscheidet sich auch von Ansätzen, die eine Ausgewogenheit zwischen jüdischer und hellenistischer Kultur im Symposion vermuten. 154 Die Alternative, die Charles in seiner Interpretation anbietet, besteht gerade darin, den liminalen Status sozialer, politischer und religiöser Identifikation zu würdigen. Für Charles wird im Aristeasbrief ein sozio-religiöses, politisches und kulturelles „in-between“ beschrieben, das nuanciert und riskant ist. In diesem Zustand ist es der Gesellschaft erlaubt, gesunde Kritik und konstruktive Reflexion zu üben, um Intoleranz und Vorurteile zu vermeiden. Diese Position wird vom Autor so weit fortgetrieben, dass man sich bisweilen sogar wundert, ob er selbst frei von seinen eigenen Lügen und seinen Chauvinismen ist. 155 In diesem Sinne sieht Charles im Aristeasbrief das Potential verortet, einen neuen Ort zu begehen, eine neue Sprache zu sprechen, ohne die eigene Kultur und Religion zu verlieren. Als „‘thirdspace’ of breathing ‘inbetween’“ dient der gesamte Brief einer gesellschaftlichen Erneuerung. 156 3. Das Gastmahl „in-between“ Wie bereits angedeutet, wurde dieses Gastmahl im wissenschaftlichen Diskurs vor allem im Genre der Symposiumsliteratur verortet. Diese Einordnung ist nachvollziehbar, wenn man die siebentägige Konversation bestehend aus Frage und Antwort als breitgestreuten „Fürstenspiegel“ betrachtet, in dem enzyklopädisch von Weltbzw. Lebensorientierung gesprochen wird. 157 Es ist nicht zu übersehen, dass die Antworten der Übersetzer den König zu Gottesfurcht, Gerechtigkeit und Harmonie auffordern und dass dies eine inszenierte Logik zur Nachahmung Gottes etabliert. 158 Diese inszenierte Logik verweist auf die Frage nach dem perfekten Gastmahl. Am siebten Tag fragt der König den neunten Übersetzer: „Wie muss man Gastmähler gestalten? “ Er antwortete: „Indem man Leute einlädt, die lernbegierig sind und das, was für die Regierung und das Leben der Untertanen wichtig ist, ins Gedächtnis rufen können: Du dürftest wohl kaum etwas finden, was harmonischer und schicklicher wäre! Denn diese sind von Gott (qeo/ ß) geliebt, da sie sich bestens gebildet haben - wie auch du es tust, da Gott alle deine Handlungen lenkt.“ (§§ 286f) 159 Viele verschiedene Aspekte der hellenistisch-jüdischen Kommunikation werden in diesen zwei Versen angesprochen. Zentral ist das „in-between“, das die 153 So W OSCHITZ 2005, 174f oder auch T CHERIKOVER 1958, der den König als Proselyten charakterisiert (T CHERIKOVER 1958, 82); siehe auch M ENDELS 1979, 130.136, der den jüdischen Auftrag im hellenistischen Mahl verortet. 154 H ONIGMAN 2003, 20. 155 C HARLES 2009, 258. 156 C HARLES 2009, 259. 157 W OSCHITZ 2005, 166. 158 W OSCHITZ 2005, 166. 159 Übersetzung aus M EISNER 1975, 81. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 106 Verbindung aus Utopie und Gastmahl einleitet. Tcherikover bemerkte schon 1958, dass der griechische Einfluss nicht nur im Reisebericht zu erfassen ist, sondern sich vor allem im Symposion beschreiben lässt. 160 Da hier philosophische und moralische Probleme ohne poetische Einflüsse besprochen werden, folgert Tcherikover, dass das Symposion auch den hellenistischen Strukturen folgt. 161 Das Symposion einzig auf die literarischen Einflüsse zu beschränken, erscheint mir allerdings nicht ausreichend, wenn man den sozialgeschichtlichen Ort der Erzählung betrachtet. Erich Gruen untersucht die Fragen und Antworten etwas genauer und stellt heraus, dass sie nicht frei von Ironie sind. 162 Auf die erste Frage des Königs bezogen wird die Ironie besonders deutlich, denn der König fragt, wie er sein Königreich bis zum Ende (seines Lebens) intakt halten kann. Er erhält darauf die Antwort, dass er Gottes immerwährende Milde imitieren soll, so dass er großmütiger mit den Schuldigen umgehe, damit diese anstatt Schlechtigkeit Reue empfinden (§§ 187f). Gruen weist zu Recht darauf hin, dass diese Antwort im Widerspruch zu den Hinrichtungen von Denunzianten steht, die zuvor im Text erwähnt werden (§§ 166f). Diese Ambivalenz wird auch später noch einmal aufgegriffen, als der König darauf hingewiesen wird, dass er seine Macht über Leben und Tod nicht unbedingt ausnutzen muss (§ 253). Nicht alle Antworten provozieren den König in diesem Maße. Viele sind subversiver - und doch überschreiten sie eine Grenze. 163 Auch in der Frage zum Gastmahl sind eine ironische Verzerrung und eine Überschreitung der Grenzen zu vernehmen. Einerseits wird dem König geraten, Leute einzuladen, die lernbegierig sind, und andererseits sollen sie genug Kapazitäten mitbringen, um das, was für die Regierung und das Leben der Untertanen wichtig ist, ins Gedächtnis zu rufen. Ironisch ist diese Antwort, weil die Übersetzer nicht diejenigen sind, die in diesem Gastmahl die Lernenden sind. Es ist der König, der in seiner sozialen, politischen und religiösen Orientierung von den Übersetzern lernt. Entscheidend ist, dass er nicht nur den Dienst der Übersetzung in Anspruch nimmt, sondern auch ihrer mitgebrachten Tora bedarf. Über die erwarteten Grenzen geht diese Situation hinaus, weil der hellenistische König als jemand dargestellt wird, der von (dem jüdischen) Gott gelenkt wird. 4. Zusammenfassung Angesichts dieser Zusammenhänge stellt sich natürlich die Frage, ob der Aristeasbrief tatsächlich Kritik bzw. eine konstruktive Reflexion gegenüber dem König anregt. Der König antwortet lediglich erfreut und bekundet seine Dankbarkeit. Die schon fast plakative Figur des Königs scheint folg- 160 T CHERIKOVER 1958, 64. 161 T CHERIKOVER 1958, 64f. 162 G RUEN 2008, 145. 163 G RUEN 2008, 147. Heterotopie der Mahlgemeinschaft 107 lich weder Kritik noch Reflexion zu initiieren oder weiterzuführen. Geht man davon aus, dass die Hörer alexandrinische Juden waren, dann handelt es sich wohl eher um ein mutiges Experimentieren mit Kritik und Reflexion. Ob sich die Kritik und die Reflexion auf den König bzw. die eigene Gemeinschaft beziehen und in welchem Maße sie „gesund“ und konstruktiv sind, lässt sich aus dem Brief leider nicht ableiten. Die Studien zu den paulinischen Briefen eröffnen in dieser Hinsicht ein weites Spektrum. Festzuhalten ist zum Aristeasbrief im Hinblick auf die ritualtheoretische Exegese auf jeden Fall, dass auch mit dem Gastmahl ein liminaler Status beschrieben wird, der soziale, politische und religiöse Realitäten ebenso abbildet wie die Vorstellung einer neuen gesellschaftlichen Konstitution. Wir haben es folglich mit einem neu geschaffenen wirklichen Raum zu tun, der Teilnehmern einerseits den Zugang zu neuen gesellschaftlichen Diskursen erlaubt, aber andererseits eine sich von anderen Gruppen unterscheidende Reflexion integriert. Grundlagen der Ritualtheoretischen Exegese 108 E. Zusammenfassung Die vier exemplarisch ausgewählten Schriften haben unter verschiedenen Voraussetzungen gezeigt, dass das Gastmahl ein Ort für kulturelle „Übersetzungen“ darstellt. Es ist ein rituelles performatives Handeln, das von Einzelpersonen und Gruppen so verändert bzw. beschrieben werden kann, dass es einer relationalen Kontextualisierung gerecht wird. Das bedeutet, dass über die Partizipation an Mahlgemeinschaften soziale, politische und religiöse Bedeutungszusammenhänge verdeutlicht und verändert werden können. Im Sarapiskult konnte die Hellenisierung nachgezeichnet werden, die es erlaubte, große Bevölkerungsschichten anzusprechen. Auch der Aristeasbrief bezieht sich bei näherer Betrachtung nicht nur auf die elitäre Delegation jüdischer Übersetzer und den König, sondern richtet sich an große und vernetzte jüdische Gemeinschaften, die sich im Kontext der hellenistischen und ägyptischen Lebenswelt über den Topos des hellenistischen Mahls Orientierung verschaffen. Ähnliches gilt auch für die Gemeinschaft der Therapeuten, welche exemplarisch einen asketischen Umgang mit sozial, politisch und religiös konnotierten Realien pflegen. Die Kontextualisierung und die „Einschreibung“ neuer sozialer, politischer und religiöser Werte in Realien wie Lebensmittel und Kleider sowie in rituelle Handlungen im Alltag wurden besonders bei Joseph und Aseneth deutlich. Alle vier Texte weisen folglich über die literarische Verwirklichung des Topos Symposion hinaus und implizieren eine sozialgeschichtliche Relevanz. Bemerkenswert ist bei den Texten auch, dass in der Wechselwirkung zwischen dem Text und der sozialen Praxis eine Verzerrung der Realität stattfindet. Die Verzerrung findet meist zu Gunsten des Utopischen statt. Im Sarapiskult ist Sarapis gleichzeitig Gast und Gastgeber, bei den Therapeuten wird die Korporealität der Mahlteilnehmer, des Essens und Gottes qualitativ und quantitativ verändert, bei JosAs erlebt die Proselytin Aseneth eine Transformation, die sich über ihren Mund verdeutlicht, und im Aristeasbrief sind sowohl der erzählerische Rahmen als auch die Inhalte von liminalen Prozessen gekennzeichnet. Es ist leicht ersichtlich, dass in allen vier Schriften einerseits das Überschreiten gegenwärtiger Erfahrungen vorausgesetzt wird und andererseits die Visionen des kommenden Neuen und Anderen in der Sprache und vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Erfahrungen ausgedrückt werden. 164 Ohne an dieser Stelle exegetisch ins Detail gegangen zu sein, wurde bei der Betrachtung der Mahlgemeinschaften im Umfeld des Neuen Testaments deutlich, dass das historische Material sinnvoll mit ritualtheoretischen und exegetischen Methoden untersucht werden kann. Die ritualtheoretische Exegese ist folglich eine sinnvolle methodische Kombination, um 164 S TEGEMANN 2009, 332. Zusammenfassung 109 die Spannung zwischen alltäglicher Praxis und der literarischen Beschreibung der Mahlgemeinschaften auf konkrete Fragen hin zu untersuchen. Die Einbeziehung der Ritualtheorien unter dem Gesichtspunkt der Kontextualisierung der Gemeinschaften, der körperlichen Präsenz der Mahlteilnehmer, der Transformationsprozesse und der Erschaffung eines heterotopen Ortes für die geschützte Identitätsentwicklung begründet sich in dem Erkenntnisgewinn der soziologischen Vergleichbarkeit der spezifischen Kontexte. In der folgenden Untersuchung wird es nun darum gehen, diese Zusammenhänge auch exegetisch zu überprüfen und in der paulinischen Korrespondenz zu verorten. In den folgenden Kapiteln wird die kulturelle Kontextualisierung der Gemeinschaften, die körperliche Präsenz der Mahlteilnehmer, die Realisierung der Transformationsprozesse und die Gestaltung einer heterotopen Realität in den paulinischen Mahltexten ritualtheoretisch und exegetisch analysiert. Den Rahmen der ritualtheoretischen Exegese bildet das hellenistische Mahl mit seinen Grundelementen. T EIL IV R ITUALTHEORETISCHE E XEGESE IV. Ritualtheoretische Exegese A. Einleitung Nachdem in den Teilen I-III die sozialgeschichtlichen, kulturanthropologischen und methodischen Voraussetzungen besprochen wurden, wird nun die ritualtheoretische Exegese zeigen, inwieweit die neutestamentlichen Texte Teile ihres sozio-kulturellen Kontextes widerspiegeln, diskutieren und verändern. Die ritualtheoretische Exegese setzt sich aus verschiedenen Arbeitsschritten zusammen. Im Zentrum der Analyse stehen die identifizierten Einheiten des hellenistischen Mahls - die Identitätsausbildung der Teilnehmer, die Ausübung ihrer Identität im Gemeinschaftsmahl, das Rollenverhalten der Mahlteilnehmer, der Verlauf des Mahls und die sprachlichen Besonderheiten des Mahls selbst. Die Einheiten des hellenistischen Mahls werden in dieser Reihenfolge und nach einem gemeinsamen Schema besprochen. Da es sich um eine neutestamentliche Studie handelt, werden zuerst allgemeine neutestamentliche Grundlagen erörtert, die eine Diskussion über die jeweilige Einheit des hellenistischen Mahls erlauben. Meist handelt es sich dabei um neutestamentliche Topoi, die in der Wissenschaftsgeschichte bereits direkt oder indirekt mit dem relevanten Aspekt der Mahlgemeinschaft diskutiert wurden. In einem weiteren Schritt werden ritualtheoretische Zusammenhänge angefügt, die den neutestamentlichen Bestand methodisch verorten. Hierin wird auf die in Kapitel 1 aufgeführten Ritualtheoretiker und weitere wissenschaftliche Studien detaillierter eingegangen. In einem dritten Schritt wird die zu besprechende Einheit des hellenistischen Mahls vor dem neutestamentlichen und ritualtheoretischen Hintergrund eingeordnet. An dieser Stelle werden die neutestamentlichen und theoretischen Voraussetzungen vorerst sozialgeschichtlich angewendet, um die ritualtheoretische Exegese der paulinischen Texte vorzubereiten. Von der jeweiligen Einheit des hellenistischen Mahls werden besonders relevante Teilaspekte diskutiert. Im Paragraph über die Identitätsausbildung der Teilnehmer des hellenistischen Mahls wird deren kollektive Identität besprochen. Bei der Untersuchung der Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl wird die Sitzordnung betrachtet, während bei der Diskussion über das Rollenverhalten der Mahlteilnehmer nur die Rolle des Symposiarchen besprochen wird. Im Paragraph über den Verlauf rückt der Wechsel zwischen Deipnon und Symposion in den Vordergrund und in der Diskussion über die sprachlichen Besonderheiten wird auf die liminale Sprache des Rituals eingegangen. Die Besprechung jeder Einheit des hellenistischen Mahls wird mit der ritualtheoreti- Ritualtheoretische Exegese 114 schen Exegese der paulinischen Texte beendet. In dieser Analyse wird auf der Basis von neutestamentlichen, theoretischen und sozialgeschichtlichen Studien gefragt, wie Paulus über die Thematisierung der Mahlgemeinschaft seine Botschaft an die Gemeinschaften vermittelt. Die ritualtheoretische Exegese widmet sich ausgewählten paulinischen Texten: Gal 2,11-14; 1Kor 8,1.4.7-13; 1Kor 9,3-4.7.13; 1Kor 10,7.14-25.27-28.31; 1Kor 11,17-34; Röm 14,1-15,1.7. Diese Abschnitte wurden aufgrund ihrer inhaltlichen Relevanz für das Thema anderen Abschnitten vorgezogen. Die ritualtheoretische Exegese identifiziert neutestamentliche und sozialgeschichtliche Begriffe und zeigt über die ritualtheoretischen Zusammenhänge, welche identitätsbildenden Prozesse Paulus in den Gemeinschaften angesprochen, diskutiert und/ oder ermöglicht hat. Im Zentrum der ritualtheoretischen Exegese steht neben der sozialgeschichtlichen Identifikation und Relevanz der hellenistischen Mahlgemeinschaft die Diskussion über frühchristliche Identifikationsmöglichkeiten. Die Zusammenfassung und die Tabelle zu jeder Einheit des hellenistischen Mahls runden die ritualtheoretische Diskussion jeweils ab. Die folgenden neutestamentlichen, ritualtheoretischen und exegetischen Beobachtungen sollen dazu dienen, die vielfältige Vernetzung zwischen sozialer Performanz und neutestamentlichen Texten zu verstehen. B. Identitätsausbildung der Teilnehmer Über die Identitätsausbildung der Teilnehmer des hellenistischen Mahls zu sprechen, scheint in vielerlei Hinsicht selbstverständlich zu sein. Schließlich finden sich die Teilnehmer als eine Gruppe zusammen und prägen durch individuelle und gesellschaftliche Merkmale das Erscheinungsbild des Mahls. Nicht nur antike Texte, sondern auch Wandbilder und archäologische Funde bezeugen ein vielseitiges Erscheinungsbild der Mahlteilnehmer. 1 In diesem Zusammenhang kann gefragt werden, welche sozialen Schichten beschrieben oder abgebildet wurden, wie das Verhältnis zwischen Männern und Frauen war, ob Männer und Frauen zusammen aßen, ob auch Sklaven am Mahl teilnahmen oder welche Rolle Kinder spielten. Auch ökonomische und soziale Unterschiede zwischen den Teilnehmern wurden in die Diskussion einbezogen. Gerade in Diskussionen über jüdische und nicht-jüdische Ethnien wurde in der Vergangenheit häufig gefragt, wie sich die Teilnehmer eines Mahls diesbezüglich zusammensetzten. In dieser Studie soll die Fragestellung anders ausgelegt werden. Die Identitätsausbildungen der Mahlteilnehmer werden weniger deskriptiv behandelt. Vielmehr wird nach der Befähigung der Mahlteilnehmer zur Ausbildung von kollektiven Identitäten gefragt. Somit wird die Annahme vertreten, dass das plurale Erscheinungsbild des Mahls die kollektive Iden- 1 Vgl. R OLLER 2006. Identitätsausbildung der Teilnehmer 115 tität von Einzelnen und der Gruppe widerspiegelt. Des Weiteren bildet die Annahme, dass Identitäten konstruiert werden und sich durch tägliche Performanz bestätigen, verändern und korrigieren, eine weitere Grundlage dieser Untersuchung. In diesem Sinne sollen Männlich- oder Weiblichkeit ebenso wie die ökonomischen, religiösen und sozialen Realitäten als Ergebnis der Performanz angesehen werden. Um sich den Voraussetzungen für performatives Verhalten zu nähern, werden kollektive Identitäten Einzelner und kollektive Gruppenidentitäten diskutiert. Grundsätzlich kann angenommen werden, dass es sich bei der Diskussion um Identitätsmodelle in der Antike immer um kollektive Identitäten handelt. Das bedeutet, dass sowohl Einzelne als auch Gruppen nicht nur entsprechend einer Identität agieren, sondern verschiedene Identitäten in sich vereinen und je nach Kontext dementsprechend handeln. Um folglich nach den Voraussetzungen bzw. Befähigungen für die Ausbildung und Ausübung kollektiver Identitäten von Einzelnen und Gruppen zu fragen, wird deren performatives Handeln betrachtet. Die neutestamentliche Grundlage für die Diskussion performativen Verhaltens bildet die Untersuchung von korporealen und rhetorischen Topoi. Korporeale und rhetorische Topoi sollen dahin gehend voneinander unterschieden werden, dass sie auf unterschiedlichen Ebenen eine Befähigung für die Performanz kollektiver Identitäten ausbilden. Ritualtheoretische Grundlagen von Judith Lieu bilden die Basis für das Verständnis von kollektiven Identitäten der Mahlteilnehmer als Gruppe. Da in dieser Studie sowohl die kollektiven Identitäten von Gruppen als auch die des Einzelnen untersuchen werden, sind neben Lieu die Studien von Eckhard Stephan besonders wichtig. In der ritualtheoretischen Exegese werden die neutestamentlichen Topoi mit den ritualtheoretischen und sozio-historischen Ergebnissen diskutiert, um zu klären, welche Akzente Paulus bei der Befähigung des kollektiven Verhaltens in den unterschiedlichen Gemeinschaften, an die sich seine Briefe richten, setzt. Obgleich die Diskussion über die Identitätsausbildung der Teilnehmer einer Mahlgemeinschaft als eine Selbstverständlichkeit erscheint, wird die Diskussion um die Befähigung der Mahlteilnehmer zur Ausbildung von kollektiven Identitäten einen neuen Akzent setzen. Über die Untersuchung von korporealen und rhetorischen Performanzen wird folglich nicht das äußere Erscheinungsbild der Mahlgemeinschaft, sondern die Befähigung zur Ausbildung von kollektiven Identitäten herausgearbeitet. 1. Performanz im Neuen Testament Einleitend wurde beschrieben, dass die Voraussetzungen bzw. Befähigungen für die Ausbildung kollektiver Identitäten über die Performanz von Mahlteilnehmern untersucht werden können. Diese Annahme besagt bezüglich der Arbeit an den neutestamentlichen Schriften, dass sowohl eine korporeale als auch eine rhetorische Befähigung zu performativem Verhalten der Teilnehmer im Mahl vorliegt. Ritualtheoretische Exegese 116 Dass die Korporealität in der Betrachtung von performativem Verhalten mitberücksichtigt werden muss, wurde in der jüngsten Vergangenheit besonders durch Studien zu Sexualität und Identitäten in der Antike betont. 2 Auch in theologischen Fragestellungen wurde der „körperlichen“ Sprache wiederholt Aufmerksamkeit zugesprochen. 3 Den Körper in Beziehung zu Speisen oder Mahlgemeinschaften zu betrachten, ist erst eine jüngere Entwicklung, die vor allem mit der Frage der Askese verbunden ist. Vincent L. Wimbush und Richard Valantasis veröffentlichten 1995 einen Sammelband zur Askese, der aus einer internationalen Konferenz zu asketischen Dimensionen in religiösem Leben und religiöser Kultur am Union Theological Seminary 1993 entstanden ist. 4 1999 erschien McGowans Monographie Ascetic Eucharists: Food and Drink in early Christian ritual Meals, die auf die Bedingungen von Körperlichkeit konzentriert ist. Diese Studien sind von großem Wert, was den sozio-historischen und religiösen Hintergrund für das Interesse am Essverhalten in antiken Schriften angeht. Sie berücksichtigen allerdings nicht die Frage nach der Verbindung zwischen Essverhalten, Körperlichkeit und kollektiver Identität. In dieser Studie wird nicht die Beschreibung gesellschaftlicher oder theologischer Identität im Mittelpunkt stehen. Sie ist vielmehr daran interessiert, die körperliche Verfassung überhaupt zu erörtern, um Aussagen über den Umgang mit körperlichen Verhältnisbestimmungen, wie z.B. die der Askese, vorzubereiten. Der Fokus liegt des Weiteren auf den Unterschieden zwischen der Performanz des Einzelnen und der Kontribution von Körperlichkeit zu einer kollektiven Gruppenidentität. Studien, die in diese Richtung forschen, sind vor allem klassische, geschichtswissenschaftliche Studien, die sozial-historisch arbeiten. 5 Um die Körperlichkeit in den neutestamentlichen Briefen zu erfassen, werden sw ma, sa¿rx , a‡rtoß , ai-ma und aÓpoqnhØ / skw untersucht. Die rhetorischen Stilmittel, die Aussagen über Voraussetzungen bzw. Befähigungen für die Ausbildung kollektiver Identitäten erlauben, wurden bisher sehr ausführlich von Stanley Stowers untersucht. 6 Es handelt sich dabei um die „Diatribe“ und die „Personenrede“ („speech-in-character“). Stowers verbindet die Untersuchung der rhetorischen Stilmittel mit der Frage nach den Adressaten des Römerbriefes und bringt damit Rhetorik mit der Beurteilung der jüdischen bzw. hellenistischen Leserschaft in Verbindung. Im Zentrum stehen die „Diatribe“ und die „Personenrede“, mit denen Paulus Gesprächspartner für seine Rede an die hellenistische Gemeinschaft rhetorisch inszeniert. Emma Wasserman greift die Untersuchung der rhetorischen Stilmittel auf und bezieht diese auf die hellenisti- 2 M AY 2004; B ROWN 2008 Orig.: New York 1988. 3 A TTFIELD 2004, B REED 1985, D UNN 2002, K IM 2008, R OBINSON 1952, S CROGGS 1996, W OHLMUTH 2007. 4 W IMBUSH und V ALANTASIS 1995. 5 S TEPHAN 2002 und konkret zu Mahlgemeinschaften R OLLER 2006. 6 S TOWERS 1994. Identitätsausbildung der Teilnehmer 117 sche Moralphilosophie. 7 Es ist eine sehr wertvolle Untersuchung für die Verortung der rhetorischen Stilmittel im hellenistischen Kulturraum. Im Gegensatz zu Stowers charakterisiert Wasserman Paulus als einen Moralpsychologen und bringt seinen Brief an die Römer weniger mit theologischen oder ethnischen Fragen als vielmehr mit moralischen in Verbindung. Die Auseinandersetzung mit der „Diatribe“ und der „Personenrede“ wird auch bei dieser Fragestellung eine wichtige Rolle spielen. Die rhetorischen Stilmittel sind Ausdruck von Dynamik und Variabilität innerhalb einer kollektiven Identität Einzelner und innerhalb von Gruppen. Ausgehend von diesem Anspruch stellen sich Fragen nach der Verwendung von Personalpronomen, die im Neuen Testament und insbesondere bei Paulus herangezogen werden, um unterschiedliche rhetorische Perspektiven einzunehmen. Für die Diskussion der kollektiven Identitätsausbildung der Teilnehmer wird in den folgenden Abschnitten davon ausgegangen, dass für das performative Verhalten der Teilnehmer im Mahl ebenso eine korporeale Befähigung wie eine rhetorische Befähigung zu identifizieren ist. So können unterschiedliche Befähigungen zu performativem Verhalten über korporeale und rhetorische Topoi untersucht werden. a) Korporeale Befähigung Die Begriffe sw ma, sa¿rx , a‡rtoß , ai-ma und aÓpoqnhØ / skw werden in dieser Reihenfolge auf ihre Bedeutungsvielfalt untersucht, um Aussagen über die korporeale Befähigung zu performativem Verhalten machen zu können. Dabei wird paarweise vorgegangen, so dass sw ma mit sa¿rx und a‡rtoß mit ai-ma zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. ApoqnhØ / skw wird einzeln besprochen. Sw ma und sa¿rx können wegen ihres gemeinsamen Begriffsfeldes von „Körper“, „Leib“ und „Fleisch“ in vieler Hinsicht miteinander und gegeneinander ins Verhältnis gesetzt werden. Die Verwendung der beiden Begriffe wird auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin untersucht. Diese Untersuchung soll dazu dienen, die korporeale Befähigung zur Performanz der Mahlteilnehmer näher zu betrachten. Sw ma und sa¿rx werden im NT in Röm 8,12-13; 1Kor 5,3-5; 6,16; Eph 2,14-16; 5,29-30; Kol 1,21-23.24-29; 2,11-13.18-19.21-23 und Hebr 10,19-25 gemeinsam thematisiert. In diesen Abschnitten fällt auf, dass sw ma und sa¿rx in der Rede über Leben und Tod gegeneinander gestellt werden (Röm 8,12-13; 1Kor 5,3-5). Obgleich Eph 5,29 von dem Menschen erwartet, sein Fleisch (sa¿rx) zu nähren und zu pflegen, wird es in Eph 2,14-16 auch als ein Medium zur Beseitigung der Feindschaft beschrieben. Im Kol stehen sw ma und sa¿rx im Zusammenhang mit Tod und Auferstehung Christi und der Hoffnung der Gemeinschaft auf Versöhnung. Auch in Hebr 10 7 W ASSERMAN 2008. Ritualtheoretische Exegese 118 stehen sw ma und sa¿rx dahin gehend miteinander in Verbindung, dass durch Jesu Fleisch die Herzen vom bösen Gewissen befreit werden und der Leib mit reinem Wasser gewaschen wird. Auffallend ist in diesen Beschreibungen von sw ma und sa¿rx, dass beide miteinander ins Verhältnis gesetzt werden, um auf etwas Drittes hinzuweisen - meist die Überwindung von Tod und Sünde in der sa¿rx für eine gemeinsame Identifikation im sw ma. Während in den oben genannten Abschnitten oft verschiedenartige Gegensätze beschrieben werden, können sw ma und sa¿rx auch für gegensätzliche Qualitäten einer Sache stehen. Beide Begriffe können in diesem Sinne für das Verständnis von Sexualität verwendet werden. 8 Besonders in 1Kor 6,16 fällt auf, dass sw ma und sa¿rx beide für die sexuelle Verbundenheit zwischen Mann und Frau verwendet werden, sw ma allerdings im paulinischen Zitat von Gen 2,24 und sa¿rx als abwertende Beschreibung der Verbundenheit eines Mannes zu einer Prostituierten. Es ist zu Recht anzunehmen, dass sw ma und sa¿rx keine äußerlichen Eigenschaften des Menschen beschreiben, sondern darauf Bezug nehmen, was den Menschen relational zum eigenen Kontext charakterisiert. 9 Darüber hinaus wurde sowohl sw ma als auch sa¿rx als eine Umschreibung eines Personalpronomens aufgefasst. John Arthur Thomas Robinson erwägt diese Möglichkeit in Bezug auf Röm 6,12f; 2Kor 4,10-12 und die Parallelität zwischen 1Kor 6,15 und 12,27. Diese Einschätzung basiert auf der Annahme, dass pa sa sa¿rx als Beschreibung „einer“ Person in LXX; Lk 3,6 (Jes 40,5); Joh 17,2; Apg 2,17 (Jo 3,1); 1Petr 1,24 (Jes 40,6) verstanden werden kann. 10 So könne auch „keiner“ in Mt 24,22; Mk 13,20; Röm 3,20 (Ps 142,2 pa ß zw n); 1Kor 1,29 (mh/ ); Gal 2,16 mit ouj pa sa sa¿rx beschrieben werden. 11 Bei genauerem Hinsehen ist fraglich, ob der einfache Tausch von sw ma mit einem Personalpronomen möglich ist, vor allem, weil sw ma in den Kontexten immer näher bestimmt werden muss. Anders als ein Personalpronomen, welches eine allgemeine Bestimmung aufweist, wird sw ma nicht allein genannt. Sw ma dient vielmehr als Anhaltspunkt für eine nähere Bestimmung - z.B. des Körpers als Ausdrucksform einer Person. 12 In diesem Sinne spezifiziert Paulus sw ma als ta» qnhta» sw¿mata in Röm 8,10 oder als sw ma yuciko/ n und sw ma pneumatiko/ n in 1Kor 15,44. Sieht man folglich von einer strikten Analogisierung zwischen sw ma und Personalpronomen ab, dann ist umso mehr anzunehmen, dass sw ma und sa¿rx, im Gegensatz zu Personalpronomen, Mittel der starken rhetorischen Hervorhebung sind. Bezieht man in die Betrachtung mit ein, dass sw ma auch den toten Körper bezeichnen kann (Mt 14,12 v. l.; 27,59; Mk 8 R OBINSON 1952, 28. 9 R OBINSON 1952, 28 schreibt, „was den Menschen tatsächlich ausmacht“. 10 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, 915. 11 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, 915. 12 L ORENZEN 2008, 174 Anm. 128. Identitätsausbildung der Teilnehmer 119 15,45 v. l.; Lk 17,37; Apg 9,40) 13 , so wird auch die Verbindung zwischen sa»rx und ai-ma deutlicher. Mt 16,17; Gal 1,16 und Eph 6,12 nehmen diesen Bezug ebenso auf wie Hebr 2,14 und 1Kor 15,50 - nichtsdestoweniger wird an diesen Stellen der Gegensatz zwischen der menschlichen und der göttlichen Natur angesprochen. 14 Obgleich diese Gemeinsamkeiten der Begriffe sw ma und sa¿rx, gerade was ihre Bedeutung für die kollektive Identität Einzelner und der von Gruppen betrifft, beeindruckend sind, soll auch die unterschiedliche Verwendung nicht unterschätzt werden. Während in den Evangelien sw ma vorwiegend den toten (Mt 14,12; 27,59; Mk 15,45; Lk 17,37; Apg 9,40) 15 oder lebendigen (Mt 5,29f; 6,22f; 26,12; Mk 5,29; 14,8; Lk 11,34abc; Joh 2,21) 16 Körper bezeichnet, und damit dem materiellen Verständnis von sa¿rx als Fleisch oder dem physischen Körper viel näher ist, wird sw ma in den Episteln vor allem als Bezeichnung der christlichen Gemeinschaft verstanden (oi˚ polloi« e n sw ma¿ e˙smene˙n Cristw ˆ Röm 12,5; 1Kor 10,17; 12,13.27; Eph 1,23; 2,16; 4,12.16; 5,23.30; Kol 1,18.24; 2,19; 3,15) 17 . Die Verbindung zu der christlichen Gemeinschaft wird vor allem wegen der Befähigung des sw ma für das Erben des Reiches Gottes (1Kor 15,50) angenommen, während sa¿rx diese Befähigung nicht zugesprochen wird. 18 Robinson begründet diese mangelnde Transformationsmöglichkeit damit, dass sa¿rx für den Menschen steht, der ein distanziertes Verhältnis zu Gott aufweist, während sw ma den Menschen beschreibt, der in seiner Körperlichkeit Gott nahe ist. 19 Er, der besonders die Körperlichkeit von sw ma betont und in diesem Ausdruck die Bezogenheit auf Gott versteht, verortet sw ma demzufolge wörtlich. Die Gemeinde (sw ma Cristouv) wird von ihm als physischer Auferstehungskörper verstanden. 20 Robinson antwortet mit seiner These eines Gemeinschaftsaspektes im sw ma-Begriff auf Rudolf Bultmanns Vorstellung, dass der Mensch kein sw ma hat, sondern sw ma ist. 21 Somatisch ist der Mensch dann, wenn er sich selbst zum Objekt seines Tuns machen kann oder sich selbst als Subjekt eines Geschehens, eines Erleidens erfährt. 22 Obgleich diese Introspektion des Menschen unabhängig von anderen Beziehungen des Menschen erscheint, bezieht Bultmann den somatischen Zustand des Menschen auch auf seine Beziehung zu Gott. Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch ist nämlich von der Zerrissenheit bzw. integrierten Identität des Menschen abhängig. Zerrissen ist der 13 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, 983. 14 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, 915. 15 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, 983. 16 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, 983. 17 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, 984. 18 R OBINSON 1952, 31. 19 R OBINSON 1952, 31. 20 R OBINSON 1952, 33. 21 B ULTMANN 1984, 195 zitiert in L ORENZEN 2008, 174. 22 B ULTMANN 1984, 196 zitiert in L ORENZEN 2008, 174. Ritualtheoretische Exegese 120 Mensch dann, wenn er nicht als sw ma bezeichnet werden kann, also kein identisches Verhältnis zu sich selbst hat. Es wird deutlich, dass dort, wo Robinson das wörtliche Verständnis des sw ma-Begriffes als Kollektiv zu sehr betont, Bultmanns Deutung die individualistische Beziehung zwischen Gott und Mensch unverhältnismäßig stark in den Vordergrund stellt. Um aus dieser interpretatorischen Zwickmühle heraus zu kommen, sind die Ansätze hilfreich, die sw ma bzw. sa¿rx kontextualisieren und als Relationalität und Performanz verstehen. James D. G. Dunn geht in diesem Sinne von einem „embodiment“ aus, in dem sw ma relational zum Kontext als Verkörperung der Person angesehen wird. 23 Stefanie Lorenzen geht in ihrer Betrachtung noch etwas weiter, da sie sw ma als „Medium“ versteht. In Analogie zu ei˙kw¿n existiert sw ma nur in seiner jeweiligen Realisierung, nicht aber als Abstraktum. 24 „Die Art der Realisierung entscheidet sich durch die Relation, die in den jeweiligen Genitivattributen zum Ausdruck kommt. ‘Körper’ und ‘Bild’ sind also mediale Größen, in denen bestimmte Beziehungen anschaulich werden. Der Mensch ist daher nicht einfach nur Körper, sondern Bildkörper, weil sich in seinem Körper die Zugehörigkeit (zu Adam oder zu Christus) manifestiert. Der Ausdruck sw ma bezeichnet also das ‘Medium’, in dem die Bildlichkeit des Menschen zum Ausdruck kommt.“ 25 Bereichernd ist an Lorenzens Ansatz, dass sie den sw ma-Begriff von der Betrachtung und Beurteilung der menschlichen Innerlichkeit befreit und auf eine Kontextualisierung anspricht, die immer relational ist. Es findet somit weder bei sw ma noch bei sa¿rx eine menschliche Entfremdung statt, da sie wie ein Bild nur medial existieren. Lorenzen unterschätzt aber m.E., dass sich diese medial existierenden Begriffe in der Performanz der Menschen realisieren und daher konkrete Gestalt annehmen. Lorenzen gelingt es, den sw ma-Begriff auf einer neuen wissenschaftliche Ebene zu diskutieren, doch sollte nicht unterschätzt werden, dass die Realisierung nicht nur auf einer linguistischen Ebene mit Hilfe von Genitivattributen, sondern vor allem im sozialen, politischen und religiösen Kontext zum Ausdruck kommt. Diese Kontexte sind dann wiederum von individuellen und kollektiven Merkmalen geprägt. Klinghardt formuliert daher treffend, dass der Begriff „Leib“ für eine soziale Gruppe gebräuchlich ist. Er präzisiert den literarischen Gebrauch als „usuelle Metapher, deren metaphorischer Charakter allerdings noch erkennbar ist.“ 26 Es soll folglich nicht unterbewertet werden, dass Paulus in seinen Briefen konkrete, sich in Relation zu ihrer Umwelt befindliche Individuen und Gruppen vor Augen hatte. 23 D UNN 2005, 56 zitiert in L ORENZEN 2008, 177. 24 L ORENZEN 2008, 173. 25 L ORENZEN 2008, 173. 26 K LINGHARDT 2000, 215. Klinghardt begründet diese Annahme mit einem Vergleich mit der Menenius-Agrippa-Fabel. Identitätsausbildung der Teilnehmer 121 Für diese Studie ist es wichtig, a‡rtoß und ai-ma gemeinsam zu besprechen, weil beide Begriffe entgegen ihrer literalen Bedeutung vielerorts metaphorisch verwendet werden. Im Allgemeinen bezeichnet a‡rtoß gewöhnliches Brot, welches für die meisten Menschen Grundnahrungsmittel war. Das Essen von Brot und das Trinken von Wein stellte folglich nichts Ungewöhnliches dar. 27 Obgleich Brot diese tägliche Verwendung hatte, wurden ihm symbolische Werte zugesprochen. In diesem Sinne wurde es für Opferhandlungen im Tempel verwendet (Ex 40,23; 1Sam 21,7; 1Chr 9,32; 23,29; 2Chr 4,19) oder bewusst als Schaubrot mit religiösen Handlungen verbunden (Mt 12,4; Mk 2,26; Lk 6,4; Hebr 9,2). 28 Bei ai-ma verhält es sich ähnlich. Wenn nicht der literale Sinn gemeint ist (Mk 5,25; Lk 8,43f; Mk 5,29; Lk 22,44; Joh 19,34; Apk 19,13), handelt es sich um metaphorische Sinnzusammenhänge, welche die besondere Bedeutung des Lebens ausdrücken. Ai-ma kann in diesem Sinne den Beginn des Lebens (Mt 23,35; Lk 11,51), aber auch das grausame Ende beschreiben (Eph 1,7; Röm 5,9). 29 ⁄Artoß und ai-ma verbindet daher nicht nur, dass sie metaphorisch gebraucht werden, sondern auch, dass ihre metaphorische Verwendung auf religiöse Sinnzusammenhänge und transzendente Bedeutungsverschiebungen hinweist. Es liegt nahe, in diesem Zusammenhang auch aÓpoqnhØ / skw zu behandeln. Das Verb wird im NT 111 Mal verwendet und wird ebenfalls sowohl im literalen (Mt 9,24; 22,24 [Dtn 25,5]; Mk 5,35.39; 9,26; Lk 8,42) als auch im metaphorischen Sinn gebraucht (Röm 8,13; Apk 3,2; Röm 6,8; vgl. 2Kor 5,14; Kol 3,3). 30 Von den 34 Versen, in denen Paulus aÓpoqnhØ / skw verwendet, bezieht er das Verb in 16 Versen auf Christus und die damit assoziierte Gemeinschaft der Christusgläubigen. Wie dieser Zusammenhang im Einzelnen hergestellt wird, wird die ritualtheoretische Exegese zeigen. Zusammenfassend soll auf die Variabilität in der Verwendung der Begriffe hingewiesen werden. Dadurch, dass sie einerseits Begriffe des sozialen Alltags sind, eignen sie sich besonders für ein kollektives Verständnis von metaphorischen Inhalten. Die Metaphorisierung und Kontextualisierung von körperlichen Verhältnisbestimmungen spielt dahin gehend eine wichtige Rolle, zumal die Begriffe abweichend von ihrer alltäglichen Verwendung verortet werden, um neue Sinnzusammenhänge entstehen zu lassen. Diese Sinnzusammenhänge liegen vor allem im religiösen, sozialen und politischen Bereich. b) Rhetorische Stilmittel Bei der Verwendung der rhetorischen Mittel zeichnet sich eine ähnliche Abstraktionsfähigkeit ab, da die Stilmittel der „Diatribe“ und der „Perso- 27 M C G OWAN 1999, 93. 28 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, 136. 29 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, 26f. 30 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, 111. Ritualtheoretische Exegese 122 nenrede“ alltägliche Gesprächssituationen für einen metaphorischen Sinn abstrahieren. Meine Kenntnisse zu den Stilmitteln der „Diatribe“ und der „Personenrede“ orientieren sich vor allem an den Studien von Stanley Stowers, Thomas Schmeller und Emma Wasserman. Die „Diatribe“ ist ein antikes rhetorisches Stilmittel, das dadurch gekennzeichnet ist, dass sich der Autor einem anderen Gesprächspartner zuwendet und ein Gespräch geschildert wird, in dem Gegenpositionen dialogisch und in rhetorischen Fragen ausgedrückt werden. Mit „Personenrede“ wird eine rhetorische Figur bezeichnet, in der ein Sprecher eine Rede produziert, in der nicht er oder sie selbst, sondern eine andere Person spricht. Die Begriffe werden in Anführungszeichen geschrieben, weil nicht angenommen wird, dass die „Diatribe“ und die „Personenrede“ als bereits in der Antike ausgebildete literarische Formen zu verstehen sind. Schneller macht im Unterschied zu Stowers deutlich, dass die „Diatribe“ zunächst eine mündliche und erst sekundär eine schriftlich niedergelegte Vorlesung oder Diskussion mit Sitz im Unterricht darstellte. 31 „Unterricht“ ist aber nicht in den modernen Kategorien zu verstehen, sondern im weiteren Sinne, keineswegs aber, so Schmeller, als einen geregelten Schulbetrieb. 32 Nur unter diesem Vorbehalt sind Stowers, Schmeller und Wasserman als Vertreter der sozialwissenschaftlichen Bibelkritik zu verstehen, da sie die Texte analysieren und sie als Endprodukte von erlernten Bedeutungssystemen deuten. Stowers versteht die neutestamentlichen Texte in diesem Sinne als Endprodukte von Versprachlichung ursprünglicher Kommunikationssituationen. Stowers ist jedoch bezüglich der rhetorischen Strategien der paulinischen Briefe nicht an kollektiven Identitäten interessiert, sondern an der Entwicklung der paulinischen Theologie. 33 „Diatribe“ und „Personenrede“ werden von Stowers in Beziehung zu der Leserschaft des Römerbriefes gebracht, die Teil des theologischen Diskurses ist. Zum theologischen Diskurs gehört für Stowers auch das antike Bedürfnis körperlicher Kontrolle. Von daher dienen „Diatribe“ und „Personenrede“ Stowers zur Analyse der sog. Selbstverfügung. Stowers erläutert, dass im 1. Jh. n. Chr. der Wunsch nach körperlicher Kontrolle besonders stark war. Dieses wichtige Thema der Antike spiegelt sich nach Stowers auch in den neutestamentlichen Texten wider. Davon ausgehend ist die Frage nach der Selbstverfügung bei Paulus für die neutestamentliche Wissenschaft vor allem mit den Begriffen aÓkrasi÷a - Unenthaltsamkeit, Unkeuschheit, Unmäßigkeit, Zügellosigkeit (1Kor 7,5); paidei÷a - Lehre, Unterweisung; paradi÷dwmi - dahingeben 31 S CHMELLER 1987, 21. 32 S CHMELLER 1987, 21. 33 Zur Entwicklung der paulinischen Theologie gehört für Stowers auch, dass sich die „Diatribe“ auf den Schulvortrag bezieht und nicht auf die Wanderpredigt. In diesem Zusammenhang wird den paulinischen Briefen der Status innerhalb einer Schule zugesprochen, welche die „Diatribe“ als rhetorisches Mittel nutzte. Schmeller kritisiert diese Interpretation, da sich die „Diatribe“ weder in der Antike noch in der Moderne auf den Schulvortrag beschränkt (S CHMELLER 1987, 21.51). Identitätsausbildung der Teilnehmer 123 (Röm 1,24); pa¿qh aÓtimi÷aß - schändliche Leidenschaften (Röm 1,28); o¢pla aÓdiki÷aß - Werkzeuge der Ungerechtigkeit (Röm 6,13); e˙piqumi÷a - Begehren, Verlangen (Röm 7,7); fro/ nhma - Gesinnung, Geist (Röm 8,7) verbunden. Wie unmittelbar deutlich wird, so handelt es sich vor allem um Begriffe, die einen negativen Zustand des Menschen beschreiben. Es geht um das Bändigen von Begehren, Leidenschaften und das Zurückgeworfensein auf sich selbst und die Abhängigkeit von Gott. Stowers fasst diesen paulinischen Diskurs unter dem Begriff „self-mastery“ zusammen. 34 Um die Zusammenhänge zu illustrieren, wird ein Überblick die relevanten Abschnitte zur Selbstverfügung bei Paulus skizzieren. 35 Der Überblick wird dazu dienen, ein besseres Verständnis der Voraussetzungen bzw. Befähigungen der kollektiven Identität zu erhalten. 36 Im Gegensatz zu Stowers, der diese Debatte mit der Frage der Hörerschaft des Römerbriefes verbindet, wird in dieser Studie die Frage der Selbstverfügung innerhalb der kollektiven Identität des Einzelnen thematisiert und darüber hinaus in die kollektive Gruppenidentität verortet. Es handelt sich bei den relevanten Abschnitten um Röm 1,18-32; 2,17-4,22; 6,12-14; 7,7-25; 8,12-14; 13,8-14; 15,4-13; 1Kor 9,24-27. 37 Nachdem sich Paulus in den ersten Versen seines Briefes an die Gemeinschaft in Rom als Apostel der Nationen charakterisiert und seine Sehnsucht nach Rom schildert hat, schreibt er in Röm 1,18-32 über die Gottlosigkeit und deren Folgen. Paulus beginnt in 1,18.19 mit der Überzeugung, dass Gottes Zorn über alle gottlosen und ungerechten Menschen ergeht, welche die Wahrheit niederhalten, obwohl das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist. Die Frage, was das Erkennbare ist, das unter ihnen offenbar wurde, beantwortet Paulus umgehend, denn es handelt sich 34 In den folgenden Beschreibungen wird die deutsche Bezeichnung „Selbstverfügung“ verwendet. Alternativ käme auch der deutsche Begriff „Selbstbeherrschung“ in Betracht. 35 Dass Paulus überhaupt über die „Diatribe“ als rhetorisches Mittel verfügte, ist eine Annahme, die sich nur bekräftigen lässt, wenn man davon ausgeht, dass Paulus sowohl in Tarsus als auch in Jerusalem eine Bildung von gewisser hellenistischer Prägung erhalten konnte. In welcher Weise seine spezielle Kenntnis der „Diatribe“ vermittelt wurde, wird allerdings nicht zu klären sein. S CHMELLER 1987, 91f. 36 Dieser Überblick wurde in ähnlicher Form für meine Masterarbeit erarbeitet. 37 Schmeller klassifiziert Analogien zur „Diatribe“ in den Paulinischen Briefen. So ergeben sich besonders deutliche Analogien in Röm 1,18-2,11; 8,31-39; 11,1-24; 1Kor 4,6-15; 9,1-18; 15,29-49, deutliche Analogien in Röm 2,17-24; 7,7-25; 9,19-21; 1Kor 3; 6,12-20; 12,12-31a. 31b-13,13; 2Kor 11,16-33, entfernte Analogien in Röm 3,1-8.9a-c. 27- 31; 4,1-12; 6,1f.15; 9,14.30-33; 10,18f; 12,3-8; 13,3b-4. 11-14; 14,4.10-12; 1Kor 6,1-11; 9,19- 23.24-27; 10,14-22.23-30; 14,6-25; 2Kor 4,7-12; 6,3-10.14-7,1; 6,11-13; 7,2-4; 12,6-10; Gal 2,17; 3,1-5.21a-b; 4,12-20; 5,7-12.19-23; Phil 3,12-14; 4,11b-13; 1Thess 2,5-7; 5,3-8; Phlm 10b-12. S CHMELLER 1987, 407f. Obgleich es Überschneidungen zwischen den ausgewählten Passagen und Schmellers Klassifizierung gibt, ist deutlich, dass die Abschnitte nicht ausschließlich wegen ihrer Analogie zur „Diatribe“ ausgewählt wurden, sondern vor allem wegen ihrer thematischen Nähe zur körperlichen Kontrolle und zur Performanz. Vgl. dazu W ASSERMAN 2008. Ritualtheoretische Exegese 124 um ein unsichtbares Wesen, das seit Erschaffung der Welt mittels des Geschaffenen wahrgenommen wird (V20). Auf diese Weise nimmt Paulus den Konflikt der Menschen auf, die Gott wohl kannten, aber ihn dennoch nicht verehrten (V21). Paulus knüpft hier an das Medeamotiv seiner Zeit an und verortet sich somit in der allgemeinen Diskussion über die Selbstverfügung, da er schildert, wie der Mensch gegen sein besseres Wissen handelt. Röm 2 beginnt mit einer Ansprache an einen Leser, die in 2,17-4,22 in eine lange Diskussion mit einem jüdischen Lehrer überleitet. Eine Veranschaulichung des antiken Lehrers führt Paulus in 1Kor 9,24-27 an, denn hier ist die antike Rennbahn die Analogie im Kampf um die Selbstverfügung. Nicht nur, dass Paulus den Wettbewerb um e˙gkrateu/ omai (über sich selbst verfügen) aufgreift; er bezieht sich auch auf seine besondere Verantwortung als Lehrer, der sich nicht selbst verwirft, wenn er zu anderen predigt. Im 1Kor wird das aufgenommen, was zu Röm 1,32 bereits angedeutet wurde. Paulus identifiziert sich als vorbildlicher Lehrer und passt sich so dem Bemühen seiner Leserschaft an. Bemerkenswert ist in Röm 2, dass Paulus von „wir“ spricht und sich dabei direkt mit der Person des Lehrers identifiziert. Bevor sich Paulus im sechsten Kapitel wieder der Selbstbeherrschung zuwendet, versichert er an dieser Stelle, dass Gott wahrhaftig ist (3,4) und alle Menschen von Gott abweichen (3,12), bis Gottes Gerechtigkeit durch Jesus Christus für alle, die glauben, offenbar wird (3,22). Der nächste Abschnitt zur Selbstverfügung befindet sich in Röm 6,12- 14. Hier warnt Paulus davor, dass die Sünde den sterblichen Leib dominiert, wenn er seinen Begierden gehorcht. Die Gegenüberstellung der Möglichkeiten, entweder Werkzeug der Ungerechtigkeit oder der Gerechtigkeit zu sein, macht diese Verse besonders bedeutsam. Gefolgt von der Annahme, nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade zu sein, können diese Verse als Weiterführung von 1,18-32 verstanden werden. Die Beziehung zwischen Kapitel 1 und 6 wird deutlich, wenn man 6,17-22 (7,5) und 1,24-28 betrachtet. In beiden Abschnitten schreibt Paulus von den vergangenen Lebensformen der Leser, da sie von Gott ihren Leidenschaften übergeben worden sind (6,12-14). Röm 7,7-25 gelten, zusammen mit Röm 1,18-32, als die Schlüsselverse bezüglich der Selbstverfügung. 38 In Röm 7,7 heißt es: „Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber die Sünde hätte ich nicht erkannt als nur durch Gesetz. Denn auch von der Begierde hätte ich nichts gewusst, wenn nicht das Gesetz gesagt hätte: ‘Du sollst nicht begehren! ’“. Allein in diesem Vers werden von Paulus die wichtigsten Fragen zur Selbstverfügung, zum Verhältnis von Gesetz und Sünde/ Begierde und zum Wissen gestellt. Abermals nimmt Paulus eine starke Identifizierung 38 Siehe dazu W ASSERMAN 2008. Identitätsausbildung der Teilnehmer 125 mit wechselnden Personalpronomen „ich“, „wir“ und „du“ vor. Egw¿ wird in Röm 7 weder als individuell-biographisches „ich“, noch als kollektives „ich“ für „die Juden“ o.Ä. gebraucht, sondern ist als „ich“ zu verstehen, das mit der sa¿rx identisch ist. Stowers charakterisiert das „ich“ als stilistisches Mittel der „Personenrede“, welches an dieser Stelle sowohl auf die Vergangenheit der Nationen von Kapitel 1 als auch auf die Vergewisserung der göttlichen Gerechtigkeit Bezug nehmen kann. Kennzeichnend sind die Wechsel der Sprecherperspektive, die sowohl Analogien zur antiken Unterweisung als auch zu antiken philosophischen Diskursen erlauben. Prägnant ist die Betrachtung von Begierden und Sünden, von Leben und Tod sowie des einen und des anderen Gesetzes. Es ist auffällig, dass Paulus in Röm 7,7-25 eine inhaltliche und stilistische Kongruenz herstellt. Inhalte werden vor allem von den Versen 10.13-25, in denen die Bezüge zu Leben und Tod, zum Ringen mit der Selbstverfügung, dem Gesetz und dem Fleisch einander abwechseln, kongruent. V10 bezieht sich auf den Tod und das Sterben, wobei die Sünde in V13 als todbringend charakterisiert wird. Es folgen nun zwei Argumentationsketten, die sich aufeinander stützen. Paulus beginnt mit den Topoi von Fleisch (V14), „Medea“ (V15), Gesetz (V16) und Sünde (V17), gefolgt von einem zweiten Bezug auf das Fleisch und „Medea“ in VV18.19 sowie auf Sünde in V20 und Gesetz in V21. 39 Die beiden Abfolgen enden mit dem Wohlgefallen am Gesetz Gottes (V22) trotz der Gewissheit des anderen Gesetzes (V23), so dass in V24, obgleich fragend, die Rettung vor dem Tod ausgesprochen wird. Röm 7,7- 25 zeigt sehr eindrücklich, dass das rhetorische Vermögen die Zusammenschau von vergangenem und zukünftigem Status des Menschen gegenüber Gott erlaubt - es ist Paulus in diesem Sinne mit der „Personenrede“ möglich, die Gewissheit der göttlichen Gerechtigkeit mit dem Ringen um die körperliche Selbstverfügung zu materialisieren. In Kapitel 8 verfasst Paulus eine ähnliche Argumentation. In V12-14 nimmt er die Entwicklung vom Fleisch zum Leben über den Geist, der die Handlungen des Leibes tötet, wieder auf. Schon im ersten Kapitel des Römerbriefes spricht Paulus von den Begierden der Herzen, die zu Schändungen des Leibes führen. An dieser Stelle bezieht er sich abermals auf die Handlungen des Leibes, von denen der Mensch durch Christus und den Geist Gottes befreit werden kann. Röm 13,8-14 wird ebenfalls als Teil der Selbstverfügungsfrage verstanden, denn hier wird die Gesetzeserfüllung durch Liebe im Wesentlichen zusammengefasst. Der Bezug auf Röm 1 wird durch die Nennung der Gebote verstärkt, so dass zu fragen ist, ob die Liebe als ethisches Prinzip der Nationen die neue Erfüllung des Lebens darstellt. 39 Vgl. Gal 5,16-23: Beeindruckend ist Gal 5,16-23 bezüglich des Medea-Diskurses, denn hier formuliert Paulus den Grundkonflikt, dass man nicht das tut, was man will, und leitet zur Aufzählung der Werke des Fleisches über, wie er sie in Röm 1 vergleichbar beschreibt. Ritualtheoretische Exegese 126 Die Verse 4-13 im 15. Kapitel sollen mit angeführt werden, da sie auf den Status der Nationen verweisen. Dort, wo Hoffnung auf Gleichheit im Geist ausgedrückt werden kann, dort wird Gott verherrlicht und den Menschen ermöglicht, einander anzunehmen, wie Christus die Menschen angenommen hat. Paulus macht den Zusammenhang zwischen Christus, der als „Mittelsmann der Beschneidung“ gekommen ist, und den Nationen überaus deutlich, indem er die „Nationen“ aus V9 und V12 rahmend um „die Nationen mit seinem Volk“ (V10) und „alle Nationen mit allen Völkern“ (V11) stellt. Röm 15 verdeutlicht folglich umso mehr, dass mit der Selbstverfügungsdebatte auch die Frage nach gegenseitiger Annahme gestellt werden kann. Abschließend kann zu den rhetorischen Stilmitteln festgehalten werden, dass diese Stilmittel eine Tendenz zur Alltagssprache aufweisen und Dialogelemente, Anekdoten und Zitate in einem lebhaften Ton wiedergeben. Schmeller verortet die Verwendung der „Diatribe“ bei Paulus nach seinen synthetischen Überlegungen in der Missionstätigkeit des Apostels. „Aufgrund synthetischer Überlegungen scheint es naheliegend, dass Paulus als Missionar Elemente des ‘Diatribenstils’ verwendet hat, die er z. T. selbst entwickelte, z. T. übernahm. Synthetische Argumente sprechen ferner dafür, dass die Briefe in etwa die Art der paulinischen Briefe widerspiegeln. Man wird deshalb vermuten dürfen, dass die Analogien zur ‚Diatribe‘ in Briefteilen, die irgendwie in die Nähe einer Missionssituation kommen, letztlich aus der mündlichen Missionspredigt stammen.“ 40 Es fällt auf, dass Paulus dieses Stilmittel an Stellen einsetzt, in denen er die rationale und abstrakte Argumentation eindringlicher und subjektiver gestalten möchte. Während Stowers auf die Identifizierung der Nationen und der Christusgläubigen eingeht, soll grundsätzlich bemerkt werden, dass „Diatribe“ und „Personenrede“ rhetorische Mittel zu Voraussetzungen bzw. Befähigungen der kollektiven Identität sind, weil sie rhetorisch Personen relational in ihrem Umfeld kontextualisieren. Es konnte anhand der korporealen und der rhetorischen Strategien der Texte aufgezeigt werden, in welcher Hinsicht sie zur Ausbildung einer kollektiven Identität beitragen. In beiden Fällen wird von dem alltäglichen Gebrauch eine Metaphorisierung und Kontextualisierung zu Gunsten einer gemeinsamen Identifikation vorgenommen. Sei es die Benennung des Körperlichen als sw ma oder sa¿rx, die Variabilität in der Bedeutung von a‡rtoß , ai-ma und aÓpoqnhØ / skw oder die Verwendung von „Diatribe“ bzw. „Personenrede“; die korporealen und die rhetorischen Strategien zeigen, dass kollektive Identitäten angesprochen, verhandelt und ausgebildet werden, so dass neue Sinnzusammenhänge für die Gemeinschaften erfahrbar werden. 40 S CHMELLER 1987, 96. Identitätsausbildung der Teilnehmer 127 2. Ritualtheoretische Grundlagen zu kollektiven Identitäten Um ritualtheoretische Grundlagen für das Verständnis von kollektiven Identitäten zu bilden, wird in dieser Studie vorausgesetzt, dass sich kollektive Identitäten über korporeale oder rhetorische Performanzen ausbilden, und gefragt, welche Charakteristika diese kollektiven Identitäten aufweisen. Ritualtheoretisch werden vor allem die Studien von Lieu herangezogen, die mit ihrem Verständnis der „sozialen Grammatik“ („Social Grammar“) einen wichtigen Beitrag leistet. 41 Zu den Charakteristika der kollektiven Identitäten werden die historischen Studien von Stephan herangezogen, der zu kollektiven Identitäten innerhalb der Oberschicht des kaiserlichen Kleinasiens arbeitet. 42 In der Diskussion über „kollektive Identitäten“ muss vorerst die Terminologie geklärt werden. Grundsätzlich ist zwischen der kollektiven Identität Einzelner und kollektiver Gruppenidentität zu unterscheiden. In den nächsten zwei Absätzen wird auf beide Ausdrucksformen kollektiver Identität eingegangen. Die Diskussion über das Zusammenkommen antiker oder auch gegenwärtiger Gemeinschaften ist sehr umfangreich. Zunächst ist es wichtig, auf die Diskussion der Begriffe „Gruppe“, „Nation“ und „Ethnizität“ einzugehen. Lieu weist in ihrer Einleitung zu Christian Identity in the Jewish and Graeco-Roman World darauf hin, dass es das allgemeine Verständnis von „Gruppen“, „Nation“ und „Ethnizität“ durchaus erlaubt, diese Begriffe voneinander zu unterscheiden. In diesem Sinne ist es leicht zu sagen, dass nicht alle Ethnien Nationen bilden, dass Nationen in den wenigsten Fällen aus nur einer Ethnie bestehen - oder dass Gruppen eine Identität artikulieren, die der einer Ethnie entspricht. 43 Dennoch führt das allgemeine Verständnis dieser Bezeichnungen oft zu unklaren Definitionen - nicht selten werden Definitionen von Nationalitäten für das Verständnis von Ethnizitäten oder Identitäten herangezogen. 44 Es ist Lieu darin zuzustimmen, dass das Übereinkommen darüber, dass es sich bei jeder der vorgeschlagenen Bezeichnungen um eine wissenschaftliche Konstruktion handelt, die Untersuchungen einfacher gemacht haben. 45 Lieu befürchtet, dass die Missachtung wissenschaftlicher Kategorien dazu führt, dass Identitäten zu essentiellen Kategorien werden, dass Nationen zugesprochen wird, politische Inhalte zu transportieren, und dass Ethnien als Träger kultureller Werte verstanden werden. Versteht man diese Begriffe allerdings als wissenschaftliche Kategorien, dann öffnet sich ein Verständnis für die Dynamik und die Variabilität von Gemeinschaften. 46 Lieu folgert 41 L IEU 2004. 42 S TEPHAN 2002. 43 L IEU 2004, 13. 44 L IEU 2004, 13 Anm. 31 bemerkt, dass A NDERSON 1991, obgleich sie Nationalitäten untersucht, für Studien zur Ethnizität oder Identität herangezogen wird. 45 L IEU 2004, 14. 46 L IEU 2004, 14. Ritualtheoretische Exegese 128 dementsprechend, dass die Anerkennung von dynamischen und sich verändernden Identitäten nicht nur für die Diskussion der Anfänge von Gemeinschaften relevant ist, sondern auch für die Betrachtung der Mechanismen, die diese Dynamik und Variabilität erlauben. 47 Für die Frage nach einer kollektiven Gruppenidentität oder der kollektiven Identität des Einzelnen bedeutet die Betrachtung von Lieu, dass politische, soziale und ökonomische Inhalte sich ebenso wenig essentialistisch beschreiben lassen wie die Begriffe „Gruppe“, „Nation“ und „Ethnizität“. a) Kollektive Gruppenidentität Bereits in ihrer Einleitung bemerkt Lieu, dass die Frage nach dem, was die Texte machen, der Frage nach den theologischen Inhalten vorgezogen werden sollte. Dahin gehend wird in ihrer Studie Christian Identity in the Jewish and Graeco-Roman World nicht nur die Performanz, sondern auch die Vorstellung von Geschlecht und Körperlichkeit einbezogen. Die Verbindung zwischen Textkörpern und menschlichen Körpern ergibt sich mit dieser Perspektive dahin gehend, dass die Texte die Vorstellung von Körperlichkeit prägen. 48 Wie bereits erwähnt, soll hier nicht die Konstruktion von Geschlechteridentitäten nachgezeichnet werden. Es wird vielmehr auf die Frage eingegangen, wie das, „was die Texte machen“, sowohl an den Texten als auch an der sozialen Praxis ersichtlich gemacht werden kann. Lieus Studie stärkt die Annahme, dass Körperlichkeit sowohl für Texte als auch für die Performanz zentral ist. In diesem Sinne definiert sie ihren Versuch, die Grammatik der Praxis („Grammar of Practice“) herauszuarbeiten. Es geht Lieu darum zu untersuchen, wie Gemeinschaften etwas aufbauen und wie sie sich selbst durch eine Maske der Ähnlichkeit („mask of similarity“) definieren. Lieu geht davon aus, dass sich diese Ähnlichkeit über Symbole, über Praktiken und in Interpretationsmustern ausdrückt. Häufig, so Lieu, repräsentieren diese Ähnlichkeiten ein vorbewusstes Wissen, so dass die Individuen, obgleich sehr divergent in ihren bewussten Ansichten und Praktiken, dennoch in gemeinsamen Mustern sozialisiert werden können. 49 Um ihre Vorstellung von vorbewusstem Wissen, das Individuen in kollektive Identitäten sozialisiert, theoretisch zu unterstützen, bezieht sich Lieu auf Bourdieus Habitus-Begriff. Sie fasst ihn folgendermaßen für ihre Zwecke zusammen: „... [M]ore influential [than Keck] has been Pierre Bourdieu’s concept of ‘habitus’ or ‘dispositions’, the apparently ingrained patterns or interpretation and understanding that shape the way people articulate their experience and deter- 47 L IEU 2004, 14. Das bedeutet selbstverständlich auch, über die Fähigkeit der Teilnehmer zum gegenseitigen Erkennen zu diskutieren. Diese Fragen werden in den folgenden Abschnitten aufgegriffen. 48 Ergänzend zu den Texten ist es auch die Architektur, welche die Vorstellung und Performanz der Körper beeinflusst. Siehe dazu R OLLER 2006. 49 L IEU 2004, 148. Identitätsausbildung der Teilnehmer 129 mine their responses and their actions. These dispositions are inculcated in us within a social context, often but not necessarily, that into which we are born and brought up; they are implicit rather than explicit, with the result that the responses that they generate are rarely premediated, yet they are necessarily also constrained by the specific historical contexts in which they are expressed.“ 50 Lieu versteht unter habitus eine Dynamik, die gemeinsame soziale Praktiken gestaltet, aber zur gleichen Zeit von ihnen gestaltet wird. 51 Bourdieus Begriff der „embodied history“ wird von Lieu ebenfalls herangezogen, um die binäre Trennung zwischen Gedanken und Praktiken zu Gunsten aufeinander bezogener Gedanken und Praktiken aufzulösen. 52 Trennt man sich folglich von der binären Gegenüberstellung der beiden menschlichen Vorgänge, dann gibt man in seiner Interpretation Raum für dynamische Interaktionen zwischen Handlungen und Empfindungen. In diesem Sinne versteht Lieu Bourdieu auch im Zusammenhang mit multidimensionalen Beziehungen innerhalb und außerhalb kollektiver Gemeinschaften. Lieu bekräftigt, dass Individuen oder Untergruppen kollektive Identitäten entfalten, wenn verschiedene Elemente in verschiedenen Kontexten deutlich werden. 53 Nicht selten sind diese Identitäten mit der Interaktion zwischen idealen Standards und tatsächlichem Verhalten konfrontiert, wobei das Letztere nicht notwendigerweise weit von den Idealen entfernt sein muss. 54 Soziale Normen und soziale Praktiken sind in dieser Hinsicht beide von Definitionen, Manipulationen, Interpretationen, Gewalt und Wiederholungen beeinflusst. 55 In Lieus Studien zur Grammar of Practice schließt sie an diese Bemerkungen einen längeren Abschnitt zur Körperlichkeit an. Denn gerade das Bild des Körpers kann Verbundenheit und Reziprozität in gleicher Weise wie Subordination transportieren. 56 In dieser Hinsicht versteht sie die Vergegenwärtigung Jesu Christi im NT. Durch die Vergegenwärtigung seiner Person und, damit zusammenhängend, auch seines Todes, wird die Grundlage für das Nachdenken der Glaubenden über seinen Körper gelegt. Für Lieu ist es folglich nicht überraschend, dass bei dem Nachdenken 50 L IEU 2004, 148f. 51 L IEU 2004, 149: „[H]abitus is a social process that both shapes shared practices and perceptions and is shaped by them as they evolve.“ 52 L IEU 2004, 153. 53 L IEU 2004, 155. Beispielsweise finden sich sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen Juden und Nationen in Kleinasien - nicht nur eine gemeinsame Sprache oder Terminologie, sondern auch ein gemeinsames Verständnis der Beziehung zwischen Mensch und Gott, der Notwendigkeit von Buße und Frömmigkeitsmustern. 54 L IEU 2004, 159. 55 L IEU 2004, 159. 56 L IEU 2004, 170. Ritualtheoretische Exegese 130 über die eigene Körperlichkeit auch das Nachdenken über bzw. die Verweigerung von Sexualität eine Folge ist. 57 Geht man mit Lieu davon aus, dass multidimensionale Ähnlichkeiten zwischen unterschiedlichen kollektiven Identitäten bestehen, dann ist es nur richtig, die Debatte um die Selbstverfügung auch in diesem Sinne zu verstehen. „Concerns of self-mastery and anxiety about the body have been seen as a common trait in the early Empire, in which Christians participated as well as to which they contributed from a distinctive direction.“ 58 Es ist dahin gehend nachzuvollziehen, dass die unterschiedlichen Aussagen über Körperlichkeit im NT darauf zurückzuführen sind, dass Interpretationen des Körpers in den verschiedenen Ausdrucksformen einer christlichen Identität einbezogen waren und diese wiederum die Verworrenheit und Dynamik des eigenen Kontexts widerspiegelten. 59 Lieus Ausführungen zu kollektiven Identitäten und deren Dynamik sind für das ritualtheoretische Verständnis von besonderer Bedeutung, weil Lieu versucht, über die soziale Grammatik unausgesprochene soziale Codes in ihrer Variabilität zu erfassen. Die Variabilität einer kollektiven Identität wird vor allem dadurch aufrechterhalten, dass sich Ähnlichkeit immer über Symbole sowie Praktiken und in Interpretationsmustern ausdrückt. Diese Interpretationsmuster werden als soziale Normen und Praktiken von unterschiedlichen bis hin zu sich widersprechenden Einflüssen bestimmt. Dynamik und Variabilität werden also zu den Mechanismen, welche die Interaktion zwischen und unter kollektiven Identitäten erlauben. Den Habitus-Begriff von Bourdieu zu verwenden, um die Trennung von Gedanken und Praktiken aufzuheben, und auf die wechselseitige Beeinflussung zu sprechen zu kommen, ist einleuchtend und regt dazu an, auch die Präsenz der Texte in die Wechselwirkungen mit einzubeziehen, nicht zuletzt deshalb, weil mit habitus ausgedrückt wird, dass eine Dynamik gemeinsame soziale Praktiken gestaltet, aber zugleich auch von ihnen gestaltet wird. Es wurde darüber hinaus deutlich, dass der soziale Kontext zur Körperlichkeit und die verschiedenen Interpretationen und Praktiken in diesem Zusammenhang bei den ersten christlichen Gemeinschaften eine große Rolle spielten. Obgleich Lieu betont, dass der soziale Kontext die unterschiedlichen Gruppen, Ethnien und Nationalitäten in eine deutlichere Ähnlichkeit versetzt, als es den Wissenschaftlern bisher bewusst war, versucht sie in ihrer Studie keine subjektive Position einzunehmen. Mit anderen Worten möchte sie aus der Position der bereits existierenden, wenn auch dynamischen Identitäten argumentieren. 57 L IEU 2004, 170 bezieht sich auf 1Kor 6,13-20; 11,3-8.27-30; 12,12-27; 15,35-44. Bedauerlicherweise verbleibt Lieu in der klassischen Assoziation von Körperlichkeit und Sexualität, welche durch das Nachdenken über den Tod Christi angeregt wird. 58 L IEU 2004, 176. 59 L IEU 2004, 210. Identitätsausbildung der Teilnehmer 131 b) Kollektive Identität des Einzelnen Während Lieu die kollektive Identität aus einer objektiven Perspektive betrachtet, wählt Stephan bewusst die subjektive Betrachtungsweise. Stephan definiert kollektive Identitäten in seinem „stark subjekt-orientierten“ Zugang als „das Selbstverständnis eines Individuums als Mitglied einer bestimmten - wie auch immer gearteten - menschlichen Gruppe.“ 60 Es ist wichtig zu bemerken, dass in Stephans Definition „nicht das Bild der Gruppe, sondern das Bewusstsein, einem bestimmten Kollektiv anzugehören“, im Zentrum steht. 61 Demzufolge sind kollektive Identitäten eine Frage der persönlichen Selbstdefinition. 62 Stephan macht deutlich, dass kollektive Identitäten auch von außen zugesprochen werden. Dennoch sieht er das Annehmen dieser Fremddefinition als Teil des Bewusstseins und damit als subjektive Realität an. Des Weiteren versteht er kollektive Identitäten als Konstrukte und bezieht sich mit dieser Komponente auf Studien von Frederik Barth, der eine Untersuchung kollektiver Identitäten anhand „objektiver“ äußerlicher Kriterien wie Kultur, Sprache oder Lebensweise für unmöglich hält. 63 Ebenso wie Lieu berücksichtigt er, dass kollektive Identitäten je nach Situation wechseln können. 64 Mit Stephan kann festhalten werden, dass (1) kollektive Identitäten primär subjektorientiert, als Bewusstsein, einer menschlichen Gruppe zuzugehören, verstanden werden; (2) Menschen nicht nur eine kollektive Identität haben; (3) die Äußerung und Aktualisierung stark von der Situation abhängig ist; (4) kollektive Identitäten nicht nur vom eigenen Selbstverständnis, sondern auch von der Kategorisierung durch andere abhängig sind, obgleich auch die Einordnung durch andere keine objektiven äußeren Kriterien bildet (5); (6) die Inanspruchnahme einer kollektiven Identität und das Verständnis der Gruppenmitglieder von ihrer Identität fließend ist; (7) kollektive Identitäten sozial vermittelt sind und (8), dass nicht nur ihre Perpetuierung, sondern auch die kollektiven Identitäten selbst Konstrukte sind. 65 Stephans Charakteristika der kollektiven Identitäten eignen sich besonders für die ritualtheoretische Verortung, da er davon ausgeht, „dass alle Versuche, kollektive Identitäten an Hand objektiver äußerer Kriterien zu untersuchen, von vornherein zum Scheitern verurteilt sind“. 66 Sein Hinweis darauf, dass kollektive Identitäten nicht im Allgemeinen, sondern nur in bestimmten Kontexten und Kommunikationssituationen analysiert werden können, 67 legt es nahe, das Ritual, welches als soziale Performanz in einem 60 S TEPHAN 2002, 13. 61 S TEPHAN 2002, 13. 62 S TEPHAN 2002, 27. 63 S TEPHAN 2002, 27. 64 S TEPHAN 2002, 28. 65 S TEPHAN 2002, 29f. Diese acht Punkte stellen für Stephan die wichtigsten Ergebnisse seiner theoretischen Überlegungen dar. 66 S TEPHAN 2002, 31. 67 S TEPHAN 2002, 31. Ritualtheoretische Exegese 132 bestimmten Kontext und in bestimmten Kommunikationssituationen stattfindet, als Performanz kollektiver Identitäten zu verstehen. In diesem Sinn ist es selbstverständlich, dass nicht nur die Äußerung kollektiver Identität, sondern auch deren Zusammenhang angeschaut werden muss. 68 Stephans Ausführungen haben Lieus Studien zu frühen christlichen Identitäten um den wertvollen Bezug auf die subjektiven Äußerungen ergänzt. Es ist gerade beim Arbeiten mit den neutestamentlichen Schriften unerlässlich, dass man sich der subjektiven Konstruktion und Variabilität bewusst ist. Wie bereits in den korporealen und rhetorischen Untersuchungen des NTs gezeigt wurde, lassen sich eindeutige Hinweise auf kollektive Identitäten Einzelner und kollektive Gruppenidentitäten im NT herausarbeiten. Zusammenfassend bleibt, dass die kollektiven Identitäten als subjektbezogene Performanzen verstanden werden können, die aufgrund ihrer Konstruktivität in Relation zum sozialen Kontext dynamisch und variabel sind. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die kollektiven Identitäten sowohl rhetorisch als auch korporeal abgebildet und verhandelt werden können. Die folgende subjekt-orientierte sozio-historische Untersuchung der Mahlteilnehmer wird diesen ersten Teil um die Kontextanalyse ergänzen. Es wird Aufgabe der ritualtheoretischen Exegese sein, die Kontexte und die Kommunikationssituationen miteinander zu verbinden. 3. Kollektive Identität der Mahlteilnehmer Die kollektive Identität der Mahlteilnehmer zu untersuchen, bedeutet einzubeziehen, dass kollektive Identitäten subjektive und variable Konstruktionen in bestimmten sozialen Kontexten und Kommunikationssituationen sind. Es wird aufgrund dessen herausgearbeitet, inwieweit die Wechselwirkung zwischen Texten und Praktiken in Ritualen, hier dem hellenistischen Mahl, ausgeübt wird. Rituale sind dahin gehend der geeignete soziale Hintergrund, da hier Kontexte und Kommunikationssituationen sehr eng miteinander verbunden sind. Die neutestamentliche Betrachtung vom performativen Ausüben der kollektiven Identität hat gezeigt, dass korporeale und rhetorische Hinweise in die Studie einbezogen werden müssen. Auch die ritualtheoretische Untersuchung hat dargestellt, dass das subjektive Verständnis von Körperlichkeit eine sehr hohe Dynamik und Variabilität aufweist, je nachdem, in welchem Kontext oder welcher Kommunikationssituation davon gesprochen wird. An dieser Stelle werden die kollektiven Identitäten der Mahlteilnehmer gezielt betrachtet, da davon auszugehen ist, dass die Kategorie der (rituellen) Performanz, aufgrund ihrer Dynamik und Situationsgebundenheit, die geeignete Analysekategorie für diese Untersuchung ist. 69 Wie sich bereits herausgestellt hat, ist 68 S TEPHAN 2002, 31. 69 Vgl. dazu T AUSSIG 2009, 19. Identitätsausbildung der Teilnehmer 133 wichtig zu betonen, dass sich Bedeutungszusammenhänge von Texten und Identitäten gleichermaßen verändern können. 70 Die Vielfältigkeit und Variabilität kollektiver Identitäten ernst zu nehmen, ist ein großer Gewinn, da man in den Studien nicht an „objektive“ Kategorien gebunden ist bzw. an ihnen scheitert. Der soziale Status und dessen Performanz werden als Teil der kollektiven Identität verstanden. In diesem Zusammenhang werden nicht nur die gesellschaftlich-sozialen, sondern auch die religiösen und die geschlechtsbezogenen Bedingungen berücksichtigt. So wie davon ausgegangen wird, dass kollektive Identitäten Konstrukte sind, so wird auch davon ausgegangen, dass der soziale Status, die religiöse Performanz und die korporealen Bedingungen Konstrukte sind, die sich situationsbedingt verändern können. Um sich dem Thema des sozialen Status in Mahlgemeinschaften zu nähern, soll mit Taussig grundlegend festgehalten werden, dass die semiprivate, konstruierte Situation, in der das Mahl stattfindet, einen stabilen und doch geschützten Rahmen bildet, der es den Teilnehmern erlaubt, Strukturen und Beziehungen zu perfektionieren. 71 Taussig beschreibt in diesem Zusammenhang, dass der Wechsel zwischen stabilen und wechselhaften sozialen Verbundenheiten und Grenzen zum alltäglichen habitus des hellenistischen Mahls werden. 72 Den alltäglichen habitus des hellenistischen Mahls betrachtet Matthew Roller in seiner Monographie Dining Posture in ancient Rome: Bodies, Values, and Status. Darin verfolgt er das Interesse, den sozialen Status von Männern, Frauen und Kindern anhand von Texten, Sarkophagen und Bildern zu untersuchen. Er widmet sich zu diesem Zweck den antiken Sitzordnungen und wertet Unterschiede sozialer gesellschaftlicher Schichten anhand von Texten, Sarkophagen und Bildern aus. Er vergleicht nicht nur die Repräsentation von Männern, Frauen und Kindern innerhalb einer sozialen Schicht, sondern auch deren Repräsentation in den unterschiedlichen Medien der verschiedenartigen sozialen Schichten. Rollers Quellen stammen von ca. 200 v. Chr. bis 200 n. Chr. und werden auch in ihrer Entstehungsbzw. Wirkungszeit miteinander verglichen. Der Umfang seiner Studie ist sehr ausführlich. Einige seiner Ergebnisse können sinnvoll in dieser Fragestellung verortet werden, denn es soll gezeigt werden, dass der soziale Status als Teil der kollektiven Identität subjekt-orientiert ist und in seiner Konstruktion von einer großen Variabilität und Dynamik gekennzeichnet ist. Roller bestätigt, dass Machtpositionen unter den Gästen ausgehandelt, offengelegt und sichtbar gemacht werden. Vor allem wird diese Performanz über die Anordnung der Gäste, die Qualität des Essens und die Un- 70 Vgl. dazu T AUSSIG 2009, 19. 71 T AUSSIG 2009, 68 bezieht sich auf J.Z. Smith. Taussig schildert exemplarisch, wie Sklaven und Freie an demselben Mahl teilnehmen konnten, obgleich ihr sozialer Status außerhalb der Mahlsituation diese Egalität nicht erlauben würde. 72 T AUSSIG 2009, 68. Ritualtheoretische Exegese 134 terhaltung abgebildet. Roller sieht dies in Beziehung zur Körperlichkeit, welche mit der Konstruktion von sozialer Hierarchie einhergeht. 73 Da der Körper von ihm als Instrument nonverbaler Kommunikation angesehen wird, bezieht sich Roller auf Bourdieus habitus, um zu zeigen, dass sowohl Gesten als auch Positionen nonverbale Kommunikationstechniken sind. 74 Es soll an dieser Stelle abermals erwähnt werden, dass Roller in seinem sozio-historischen Ansatz auf die Betrachtung der Kontexte und der Kommunikationssituationen angewiesen ist. Das bedeutet für ihn, dass auch ideologische Kategorien, wie Urteile über banale, ernsthafte oder unangenehme Kontexte und Kommunikationssituationen, in der sozialen Praxis Veränderungen unterliegen. 75 Betrachtet man folglich die Sitzordnung als sozialen Code, in dem soziale Kategorien verhandelt werden, dann liegt es vorerst auf der Hand, das Liegen beim Mahl, zumindest für Männer der Oberschicht, als Zeichen von Wohlstand, Wohlergehen und Privilegien anzusehen. Liegen wird im Gegensatz zum Stehen als Zeichen des hohen sozialen Status angesehen, während Stehen mit sozialer Unterordnung verbunden ist. 76 Roller stellt sehr beeindruckend dar, dass sich Frauen über den gesamten Zeitraum ebenso wie Männer zum Mahl legten. Schaut man auf Freie der gehobenen Mittelschicht und der Elite, dann lässt sich zusammenfassen, dass Frauen und Männer dann zusammen beim Mahl lagen, wenn sie in einem erotischen Verhältnis zueinander standen. 77 Das bedeutet, dass Frauen dieselben Privilegien wie Männer empfingen. 78 Allerdings, und hier nehmen Rollers Studien Bezug auf soziale Dynamik und Variabilität, werden Frauen der gehobenen Mittelschicht auf Sarkophagen nicht liegend, sondern sitzend abgebildet. 79 Des Weiteren werden Frauen, wie Männer, auf Wandbildern ebenso mit freiem Torso abgebildet. 80 Wie lässt sich dieser Unterschied erklären? Sitzende Frauen sind auf Sarkophagen von ihrem Partner, dem Essen und dem Wein physisch distanziert abgebildet, obgleich sie auf Wandbildern Positionen einnehmen, die eine deutliche Nähe zu ihrem Partner und zu Speisen und Wein ausdrücken. Roller erklärt sich diese Unterschiede über die Diskrepanz zwischen verschiedenen Kontexten und Kommunikationssituationen. Er arbeitet heraus, dass die Mahlsituation in unterschiedlichen Medien unterschiedlich abge- 73 R OLLER 2006, 4. 74 R OLLER 2006, 9f. 75 R OLLER 2006, 18f: „The tension in this formualtion between allowing negotia to intrude from one diner, yet not allowing this instrusion to impinge upon the otium of the other diners, is palpable.“ Roller bezieht sich hier auf Plutarchs Diskussion (Plut.mor. 619D-F) über den sog. locus consularis, den Verweis des Ehrengastes auf den letzten Platz der mittleren Couch, da der Gastgeber mit anderen Gästen während des Mahls Geschäftliches zu erledigen hat. 76 R OLLER 2006, 22. 77 R OLLER 2006, 176. 78 R OLLER 2006, 176. 79 R OLLER 2006, 135f. 80 R OLLER 2006, 128. Identitätsausbildung der Teilnehmer 135 bildet wird. 81 Grabsteine bilden die Erinnerungen an den/ die Verstorbene(n) und die Familie ab. Sie erinnern nicht nur an den/ die Verstorbene(n), sondern an ganze Familien und sind häufig von Kindern, Ehepartnern oder anderen Verwandten gestiftet. Es ist bedeutsam, dass Sarkophage nicht nur den Verstorbenen repräsentieren, sondern für die freien Hinterbliebenen auch eine Methode darstellen, soziale Integration und Zugehörigkeit zu Rom auszudrücken. 82 In diesem Sinne repräsentieren die Sarkophage den familiären Anspruch auf gesellschaftliche Zugehörigkeit und zeigen die Frau sitzend anstatt liegend. So wird vermieden, die Frau einerseits (nur) in einem erotischen Verhältnis zum Mann bzw. andererseits sie zu sehr mit „männlichen“ Privilegien zu assoziieren. 83 Wandbilder dienen dagegen nicht nur der Abbildung, sondern beschreiben auch die Räumlichkeiten und das, was darin passiert oder passieren soll. 84 Für die gehobene Mittelschicht war es wichtig, sich über die Wandbilder mit der Elite zu identifizieren. Materialismus und die Identifikation mit Wünschen, Verhaltensweisen und Werten der Elite stellen die Funktion der Wandbilder dar. 85 Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, welche Situationen für den Betrachter erstrebenswert und welche eher abstoßend sind. Da die Bilder in sehr unterschiedliche Extreme gehen (von der lesenden Frau zu dem sich erbrechenden Mann), versucht Roller zu ergründen, wo der subjektive Mehrwert des Betrachters liegt. Obgleich die Kontexte und Kommunikationssituationen von Sarkophagen und Wandbildern sehr unterschiedlich sind und daher auch unterschiedliche Bilder transportiert werden, dienen sie, so Roller, zur Selbstreflexion des Betrachters. Die Thematisierung der Selbstreflexion leitet in spannende Beobachtungen über. Roller beschreibt in seiner Analyse der Wandbilder, dass sich in römischen Häusern häufig hellenistisch-mythologische Motive befanden. Anstatt diese Motive als griechische Motive zu verstehen, die das Symposion darstellen, geht Roller davon aus, dass diese Motive in ihrem eigenen römischen Kontext und ihrer eigenen römischen Kommunikationssituation konstruiert und interpretiert wurden. 86 Sie erfüllen damit nicht hellenistische soziale Erwartungen, sondern sind integraler Bestandteil der sozialen Erwartungen und des römisch kulturellen Horizonts des Hausbesitzers und seiner Gäste. 87 In diesem Sinne folgert Roller, dass der Betrachter diese Motive nicht als fremd bzw. hellenistisch wahrgenommen hat. 88 Davon ausgehend, dass vermeintlich fremde Motive zum eigenen kulturellen Kontext werden können, betrachtet Roller die idealisierten Darstellungen 81 R OLLER 2006, 148. 82 R OLLER 2006, 148. 83 R OLLER 2006, 148f. 84 R OLLER 2006, 149. 85 R OLLER 2006, 149. 86 R OLLER 2006, 65. 87 R OLLER 2006, 65. 88 R OLLER 2006, 66. Ritualtheoretische Exegese 136 der Köper. Idealisiert werden die Mahlteilnehmer auf den Wandbildern als Männer mit nackten, perfekten Oberkörpern dargestellt. Ähnlich, wie die Darstellung des „hellenistischen“ Symposion, sind auch diese Motive römisch und repräsentieren zeitlose, essentialistische Verhaltensweisen, Werte und Vergnügungen. 89 In diesem Zusammenhang gehört für Roller zur Selbstreflexion sowohl die Darstellung hellenistisch-mythologischer Motive in den Speiseräumen als auch die Idealisierung des Körperlichen. Selbstreflexion beginnt für Roller in dem Moment, wo einerseits das Mahlverhalten der Gemeinschaft mit den Handlungen auf den Bildern übereinstimmt, dieses Mahlverhalten aber andererseits durch fehlendes Essen oder nackte (mythologische konnotierte) Oberkörper verfremdet wird. 90 Es ist folglich die Kombination aus „familiarity plus distance“ 91 („entfremdete Familiarität“), die zur Selbstreflexion anregt. Mit Roller haben wir gesehen, dass die Darstellung von körperlichen Motiven der gehobenen Mittelschicht in unterschiedlichen Medien unterschiedlichen Zwecken dient. Ausgehend davon, dass die subjektiven kollektiven Identitäten von Dynamik und Variabilität geprägt sind, konnte gezeigt werden, dass diese Beweglichkeit notwendig ist, um in der Spannung zwischen Vertrautem und Fremdem neue Verhaltensweisen und Werte zu konstruieren und zu interpretieren. Dort, wo kollektive Identitäten dynamisch und variabel sind, dort ist es auch die geschlechterbezogene Performanz. Von daher ist die körperliche Präsenz der Frau ein Beispiel für die Abhängigkeit von den unterschiedlichen Kontexten und Kommunikationssituationen. Dieselbe Dynamik und Variabilität gelten auch für die religiösen Bedeutungszusammenhänge eines Mahls. Zum einen waren Mahlgemeinschaften keine exklusiven Gemeinschaften eines einzelnen Gottes und zum anderen vermischten sich säkulare und nicht-säkulare Aktivitäten innerhalb eines Mahls. 92 Taussig fasst diesen Sachverhalt in folgender Weise zusammen: „... [O]nly in a minority of the cases did these religious expressions represent exclusive devotion to a particular god. They did, rarely, oblige the meal participants to ongoing relationship to the particular religious activities, and often those dining would switch religious loyalties from one meal to another. In addition, the meals were also full of what moderns would see as completely secular and often sacrilegious speech and behavior. It was not unusual for prayers to a god, sexual licentiousness, conversation about ordinary daily routines, and parlor games to occur side by side at the meals. Religious expression belonged to every meal, but so did a whole range of what moderns would consider secular activities.“ 93 89 R OLLER 2006, 67. 90 R OLLER 2006, 76. 91 R OLLER 2006, 76. 92 Siehe T AUSSIG 2009, 32. 93 T AUSSIG 2009, 32. Identitätsausbildung der Teilnehmer 137 Zusammenfassend ist zu kollektiven Identitäten der Mahlteilnehmer festzuhalten, dass die „soziale Grammatik“ (Lieu) über eine dynamische und variable körperliche Verhaltensweise gelebt wird. Mit Bourdieus Vorstellung vom habitus kann der Körper als Instrument nonverbaler Kommunikation verstanden werden, die in der semiprivaten, konstruierten Situation des Mahls stattfindet. Mit dem Mahl bildet sich ein stabiler und doch geschützter Rahmen aus, der es dem Teilnehmer in der Spannung zwischen „familiarity plus distance“ erlaubt, einen subjektiven Mehrwert zu generieren. Es konnte gezeigt werden, wie über die Körperlichkeit die Spannung zwischen Vertrautem und Fremden aufrechterhalten wird und in den Medien und in den Verhaltensweisen unterschiedliche Charakteristika dessen gelebt werden. Wie viel Vertrautes bzw. Fremdes in der Darstellung der unterschiedlichen Medien der verschiedenen sozialen Schichten enthalten ist, lässt sich freilich nicht mit Gewissheit sagen. Was allerdings deutlich herauszustellen ist, ist die Subjektivität dieser Quellen, die Kontexte und Kommunikationssituationen konstruiert und interpretiert. Wie Paulus die kollektive Identität der Mahlteilnehmer interpretiert und in welcher Hinsicht er deren Identität konstruierte, wird sich in der ritualtheoretischen Exegese zeigen. 4. Ritualtheoretische Exegese der paulinischen Texte Um in der Exegese mit ritualtheoretischen Mitteln zu zeigen, wie Paulus mit den kollektiven Identitäten der Mahlteilnehmer umgeht, werden die korporealen Charakteristika und die rhetorischen Stilmittel untersucht. Zu der korporealen Performanz gehören die Begriffe sw ma, sa¿rx , a‡rtoß , ai-ma und aÓpoqnhØ / skw - und zu den rhetorischen Stilmitteln die „Diatribe“ und die „Personenrede“. Die korporealen und die rhetorischen Besonderheiten werden jeweils gemeinsam in dem entsprechenden Abschnitt diskutiert. a) Gal 2,11-14 In Gal 2,11-14 werden von Paulus keine Aussagen über sw ma, sa¿rx , a‡rtoß , ai-ma oder aÓpoqnhØ / skw gemacht. Obgleich die Verse von entsprechenden Belegen eingerahmt sind, wird auf sie bei der Schilderung der Handlungen in Antiochia nicht mehr Bezug genommen. Sw ma wird im Galaterbrief nur in Gal 6,17 verwendet; hier steht es für Paulus, der die Malzeichen Jesu trägt. Thematisch steht Gal 6,17 im Galaterbrief in Verbindung zu sa¿rx in Gal 6,8.12-13. Sa¿rx wird von Paulus, mit Ausnahme von Gal 1,16, in allen Versen (Gal 2,16.20; 3,3; 4,13-14.23.29; 5,13.16-17.19.24; 6,8.12-13) negativ konnotiert. Während „sarki« kai« aiºmati“ in Gal 1,16 als Ausdruck für den Menschen allgemein verstanden Ritualtheoretische Exegese 138 werden kann 94 , wird sa¿rx in den übrigen Versen mit mangelnder Rechtfertigung (2,16), der notwendigen Verknüpfung mit Glauben (2,20), der Diskrepanz zwischen dem Geist und dem Fleisch (3,3; 4,29; 5,17), Schwachheit und Versuchung (4,13-14; 5,16), Unfreiheit (4,23; 5,13), Unzucht, Unreinheit, Ausschweifung (5,19) und Leidenschaften und Begierden (5,24) in Verbindung gebracht. Obgleich aÓpoqnhØ / skw nur in 2,19.21 gebraucht wird, finden sich in den Abschnitten, die über sw ma, sa¿rx und ai-ma sprechen, immer wieder Hinweise auf den Tod Jesu oder seine Kreuzigung (2,20; 6,12.17). Es ist auffällig, dass Paulus seine Argumentation durch Bezüge zu seiner eigenen Person untermauert. In 1,16 schildert Paulus, wie sich der Sohn Gottes an ihm offenbart. Was Gal 2,11-14 betrifft, so ist bemerkenswert, dass Paulus in der Schilderung des Konflikts in Antiochia nicht explizit von sich spricht. Ohne Zweifel ist, dass diese Verse aus seiner Perspektive geschrieben sind - doch es mangelt an Verbformen in der ersten Person Sg. (nur in Gal 2,11 und Gal 2,14 spricht Paulus über sich in der ersten Person Sg.). Auch gibt es keine Hinweise auf „Diatribe“ und „Personenrede“ wie im Römerbrief. Das su/ in Gal 2,14 ist zwar von hoher rhetorischer Relevanz, da es den Lesern die Auseinandersetzung zwischen Paulus und Kephas sehr lebendig vor Augen führt, doch ist es nicht Kennzeichen von „Diatribe“ oder „Personenrede“. Es ist vielmehr als Hinweis auf den ermahnenden Unterton des Galaterbriefes zu verstehen. 95 Wie ist diese Abwesenheit von so starken korporealen Bezügen und rhetorischen Stilmitteln zu verstehen? Was die korporealen Bezüge angeht, so weist deren Abwesenheit darauf hin, dass es in Gal 2,11-14 um einen anderen Diskurs geht als um den der Selbstverfügung als Ausdruck kollektiver Identitätsausbildung. Die Abwesenheit der rhetorischen Stilmittel „Diatribe“ und „Personenrede“ und auch die mangelnden Bezüge zu Paulus selbst zeigen darüber hinaus, dass hier weniger die kollektive Identität Einzelner angesprochen wird, sondern dass eher innerjüdische Konflikte zwischen verschiedenen Gruppenidentitäten thematisiert werden. Obgleich Paulus keine korporealen Bezüge wählt, die auf eine dynamische und variable Performanz hinweisen, ist dieser Abschnitt nicht frei von Bemerkungen zum Körper. In Gal 2,12 verwendet Paulus den Ausdruck „tou\ß e˙kperitomhvß“ für diejenigen, vor denen sich Kephas fürchtet. Der Ausdruck dient eindeutig zur Abgrenzung gegenüber der paulinischen Position und repräsentiert daher keine Korporealität, die eine Dynamik oder Variabilität würdigt. Die Abwesenheit von neutestamentlichen Topoi oder ritualtheoretischen Charakteristika wird in den folgenden Einheiten der ritualtheoretischen Exegese ein häufiges Phänomen sein. Wir werden sehen, wie Paulus auch über die Abwesenheit bekannter sozialer Codes die Identität der Gemeinschaft zu beeinflussen versucht. In Gal 2,11-14 geht Paulus jedenfalls nicht auf korporeale oder rhetorische Phänomene ein, die 94 B ETZ 1988, 146. 95 S TOWERS 1986, 102 vergleicht Gal 2 mit Plinius ’ Brief an Avitus. Identitätsausbildung der Teilnehmer 139 seine Position stärken könnten. Stattdessen setzt er inhaltliche Grenzen zu subjektiven Entscheidungen einer kollektiven Identität des Einzelnen, indem er das dynamische und variable Verhalten von Kephas scharf kritisiert. Aus ritualtheoretischer Sicht ist dies eine Intervention, die trotz heftiger Emotionen ins Leere laufen wird, weil die Teilnahme an einem gemeinsamen Mahl immer subjektiv konstruierbar und interpretierbar ist. Vor dem Hintergrund von Lieus Studien kann vermutet werden, dass Paulus in Gal 2,11-14 die „soziale Grammatik“ dahin gehend unterschätzt, dass er sie weder anerkennt noch sie sich zu Nutzen macht. b) 1Kor 8-9 Paulus beginnt seine Ausführungen über den Umgang mit Opferfleisch anderer Götter in 1Kor 8-9 mit einer starken Formulierung der gemeinsamen Identität. Der Ausspruch „Was aber das Opferfleisch anderer Götter betrifft, so wissen wir, dass wir alle Erkenntnis haben“ (1Kor 8,1 - Elberfelderbibel) bildet den Auftakt zu seinen verschiedenen Hinweisen und Beispielen an die Gemeinschaft in Korinth. Paulus wiederholt diese Rhetorik in 1Kor 8,4 und greift abermals in 1Kor 8,8 darauf zurück. In den ersten Versen 1Kor 8,1-8 wird das Bedürfnis einer kollektiven Gruppenidentität sehr deutlich. Erst in 1Kor 8,10.11, als Paulus auf das individuelle Verhalten eingeht, wendet er sich an einen anderen Gesprächspartner. Paulus führt das Gespräch mit dem anderen Gesprächspartner allerdings nicht weiter, so dass die „Diatribe“ hier nicht vollständig entfaltet wird. Es soll aber bemerkt werden, dass Paulus das Gespräch mit einer zweiten Person eröffnet, die sich an dem Mahl in einem anderen Tempel beteiligt. In den Ausführungen über die Mahlteilnahme hat sich gezeigt, dass ein solches Verhalten für die kollektive Identität des Einzelnen durchaus normal war. Paulus scheint sie allerdings für schädlich zu halten, wenn sie einen anderen Bruder, also die kollektive Gruppenidentität, in Gefahr bringt. 1Kor 8,11 schließt die Rede an den anderen Gesprächspartner bereits ab - mit einer deutlichen Warnung, die durch den Tod Christi gerechtfertigt wird. Der Abschnitt endet in 1Kor 8,13 mit der Gegenüberstellung von Paulus mit einem anderen Gesprächspartner. Während dieser durch seine Erkenntnis den anderen Bruder in Gefahr bringt, so würde Paulus für das Wohl der Gemeinschaft in Ewigkeit auf Fleisch verzichten. Mit Paulus persönlichem Einsatz gegen seine Ankläger greift er seine Position in der Frage nach dem Umgang mit Opferfleisch anderer Götter in 1Kor 9,3 wieder auf. Es handelt sich um seine persönliche Verteidigung mit deutlichen Analogien zur „Diatribe“ 96 , welche für die dialogische Belehrung der Gemeinschaft steht. Schmeller schreibt allgemein zu 1Kor 9,1-18 sehr treffend: „Auch dieser Text erzielt aber eine gewisse persönliche Wirkung durch die vielen rhetorischen Fragen, alltäglichen Vergleiche, persönlichen Mitteilungen des 96 S CHMELLER 1987, 407. Ritualtheoretische Exegese 140 Paulus (letzteres bes. in 15-18), durch die Bezugnahme auf die Gemeindegründung (1d.2.11f) und die Kürze der Sätze.“ 97 Die rhetorische Frage, ob sie nicht das Recht haben zu essen und zu trinken, schafft vergleichbar mit 1Kor 8,1 eine Identifikation über die kollektive Identität des Einzelnen hinaus. In 1Kor 8-9 sind die rhetorischen Mittel und die Verweise auf den Tod Christi eindeutig mit dem Bemühen um eine Gruppenidentität verbunden. Wie schon zu Gal 2 angedeutet wurde, zeichnet sich in 1Kor 8-9 eine deutlichere Tendenz zur Gruppenidentität als zur kollektiven Identität des Einzelnen ab. Es wird an den folgenden Abschnitten zu untersuchen sein, ob die paulinische Rhetorik direkt gegen die Performanz der kollektiven Identität des Einzelnen argumentiert oder ob die Gemeinschaft der subjektiven Performanz nur indirekt vorgezogen wird. c) 1Kor 10 1Kor 10 ist für die Beantwortung der Frage nach der Identitätsausbildung der Mahlteilnehmer ein sehr zentrales Kapitel, weil es das Verhalten Einzelner mit den Konsequenzen für die Gruppe ins Verhältnis setzt. Ritualtheoretisch wird untersucht, ob korporeale bzw. rhetorische Besonderheiten auch auf eine Diskussion zwischen der kollektiven Identität des Einzelnen und der Gruppenidentität hinweisen. 1Kor 10,14 eröffnet die Diskussion über den Gottesdienst für andere Götter („Idolatrie“) mit einer sehr charaktervollen persönlichen Aussage des Apostels, da sich Paulus hier warnend vor dem Dienst an anderen Göttern an seine Geliebten wendet. Bezieht man 1Kor 10,15 mit ein, dann sind die Geliebten des Paulus seine Verständigen. 1Kor 10,16.17 werden in den meisten neutestamentlichen Kommentaren für das Verständnis der Eucharistie herangezogen. In dieser Untersuchung soll die Frage nach der körperlichen Präsenz der Mahlteilnehmer der Frage nach der Identifizierung des Mahls vorgezogen werden. Erst in den exegetischen Interpretationen wird auf die Diskussion über die eucharistischen Interpretationen eingegangen. Zu Beginn konnte festgestellt werden, dass sw ma und sa¿rx häufig miteinander ins Verhältnis gesetzt werden, um auf etwas Drittes hinzuweisen, und ferner, dass meist die Überwindung von Tod und Sünde in der sa¿rx einer gemeinsame Identifikation im sw ma dient. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sw ma und sa¿rx relational zum Kontext als Verkörperung korporealer Performanz verstanden werden können. Auffallend ist, dass die Diskrepanz zwischen sw ma und sa¿rx dem Verständnis der korporealen Identität dient und sw ma in den Episteln vor allem als Bezeichnung der christlichen Gemeinschaft verstanden werden kann. Zentral ist darüber hinaus, dass sa¿rx die Befähigung zum Erben des Reiches Gottes nicht zugesprochen wird (1Kor 15,50). 97 S CHMELLER 1987, 406. Identitätsausbildung der Teilnehmer 141 In 1Kor 10,16.17 sind sowohl Bezüge zur Gemeinschaft als auch zu Christus auszumachen. Während 1Kor 10,16 die Teilnahme an Christus ausdrückt, indem Kelch und Brot die Konkretisierung der Gemeinschaft durch das Blut Christi oder die Teilhabe am Leib Christi darstellen, demonstriert Paulus aus 1Kor 10,17 die so begründete Einheit der Gemeinschaft über die Gemeinschaft mit dem einen Brot. Ei-ß a‡rtoß ist eine metaphorische Verwendung für die Einheit einer Gruppe, die Mahlgemeinschaft ausdrückt. 98 Dieser Eindruck gewinnt auch in Hinblick auf ai-ma an Bedeutung, denn ai-ma steht wie ei-ß a‡rtoß für die Einheit der Gemeinschaft, da ai-ma hier und in 1Kor 11 den Bundesschluss verdeutlicht. 99 Es bestätigt sich folglich, dass körperliche Verhältnisbestimmungen medial (Lorenzen) gebraucht werden. Der mediale Gebrauch ermöglicht einerseits Distanz von der körperlichen Materialität und weist andererseits auf neue Identitätsmodelle hin. Mit Roller ausgedrückt schafft diese mediale Metaphorik „familiarity plus distance“ 100 innerhalb der körperlichen Verhältnisbestimmungen. Bezüglich der Identitätsbestimmung ist zu beachten, dass Paulus in 1Kor 10 sich erneut kritisch gegenüber der Performanz einer kollektiven Identität des Einzelnen ausspricht. Gerade 1Kor 10,20.21 weisen darauf hin, dass Paulus die Identität der Gruppe der dynamischen und variablen Identität des Einzelnen vorzieht. In diesem Sinne stellt er in Frage, dass jemand in gleicher Weise den Kelch des Herrn wie den Kelch der Dämonen trinken bzw. am Tisch des Herrn und am Tisch der Dämonen sitzen kann (1Kor 10,21). d) 1Kor 11,17-34 Wie bereits besprochen, dient der medial vermittelte metaphorische Gebrauch des Körperlichen dazu, die Familiarität zu verfremden, um neue Sinnzusammenhänge zuzulassen. Ritualtheoretisch konnte herausgearbeitet werden, dass diese Entfremdung dynamische und variable Identifikationen erlaubt. Im Gegensatz zu einer grundsätzlich positiven Wertschätzung von Entfremdungsprozessen innerhalb des Rituals von Theoretikern und Geschichtswissenschaftlern äußert sich Paulus in seinen Briefen an die Gemeinschaften nicht uneingeschränkt positiv. Im Gegenteil - in Gal 2 versucht er eine Dynamik, welche durch Kephas ’ wechselndes Verhalten charakterisiert wird, zu unterbinden. 1Kor 11,17-34 verbindet sehr viel mit den vorher besprochenen Abschnitten. Abgesehen davon, dass sich hier, wie auch in Gal 2 und 1Kor 10, keine Hinweise auf „Diatribe“ oder „Personenrede“ finden, wird auch hier korporeale Metaphorik für die Verdeutlichung der Gruppenidentität verwendet. Wie bereits in 1Kor 10 nimmt Paulus Bezug auf sw ma (1Kor 98 K LINGHARDT 1996, 310. Zur metaphorischen Verwendung siehe auch K LINGHARDT 2011. 99 S CHRAGE 1999, 38. 100 R OLLER 2006, 76. Ritualtheoretische Exegese 142 11,24.27.29) und a‡rtoß (1Kor 11,26-28). Im Unterschied zu 1Kor 10 verhandelt Paulus die Begriffe sw ma und a‡rtoß ohne sa¿rx. Auffällig ist auch, dass in 1Kor 11,17-34, ebenso wie in Gal 2, 1Kor 8-9 und 1Kor 10, der Bezug zu Paulus’ eigener Person sehr stark ist. Die ritualtheoretische Exegese wird nun dazu dienen, sich über die korporealen Bestimmungen bewusst zu werden, und wird erfragen, in welcher Hinsicht die kollektiven Identitäten angesprochen werden. Die Begriffe sw ma und a‡rtoß sind in 1Kor 11,23-29 (ohne V25) auf sehr komplizierte Art und Weise miteinander verknüpft. Paulus beginnt mit einer stark materiellen Beschreibung dessen, dass Jesus in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot nahm, welches nach dem Dank von ihm gebrochen wurde. Bereits im nächsten Vers 1Kor 11,24 findet die mediale Metaphorisierung statt. Das Brot bekommt als Leib einen relational kontextualisierten Bedeutungszusammenhang. Diesen erklärt V26 - diese Handlung dient zur Verkündigung des Todes des Herrn. V27 fasst die Argumentation logisch zusammen, indem die Handlung mit der Konsequenz bei Missachtung in Verbindung gebracht wird, während die Verantwortlichkeit für unrechtes Handeln beim Mahlteilnehmer liegt. Ai-ma (1Kor 11,25.27), sofern es nicht mit sw ma zu einem Begriffspaar assoziiert wird, bildet in Bezug auf diaqh/ kh eine Kelchmetaphorik aus. Wie Klinghardt in seiner Studie herausarbeitet, kann es sich unmöglich um eine Becher-Inhalt-Metonymie handeln. Das bedeutet, dass ai-ma nicht als Inhalt des Bechers verstanden wird, sondern als Metapher für den Bund, dessen gemeinschaftsstiftende Dimension durch das gemeinsame Trinken dargestellt wird. Folglich steht der gemeinschaftlich getrunkene (und gesegnete) Kelch (und nicht der darin enthaltene Wein) für die Verkündigung des neuen Bundes. 101 In 1Kor 11,27.29 nimmt Paulus erneut auf sw ma als den Leib des Herrn Bezug. Obgleich ein Bedeutungsunterschied zwischen sw ma in 1Kor 11,24 und 1Kor 11,27.29.29 aus theologischen Gründen wünschenswert ist 102 , spricht die ritualtheoretische Betrachtung für eine integrative Betrachtung. Es ist aus ritualtheoretischer Sicht nicht einleuchtend, warum zwei verschiedene Bedeutungen von sw ma angenommen werden sollten. Vielmehr liegt es nahe, einen inneren Bedeutungszusammenhang anzunehmen, der darauf hinweist, dass über die Korporealität eine Gemeinschaft gebildet wird, die befähigt ist, das Reich Gottes zu repräsentieren. Eine detaillierte Exegese wird an einem anderen Ort dieser Studie unternommen; hier soll auf die ritualtheoretischen Besonderheiten aufmerksam gemacht werden. Es gelang ritualtheoretisch darzustellen, dass die Anerkennung von dynamischen und sich verändernden Identitäten nicht 101 K LINGHARDT 1996, 317. 102 K LINGHARDT 1996, 316 spricht sich gegen einen Bezug zwischen 1Kor 11,24 und 1Kor 11,29 aus, weil mit dem direkten Bezug zum Tod Jesu eine Sühnevorstellung vermittelt wird. Aus ritualtheoretischer Sicht besteht diese Gefahr nicht, da sw ma korporeal und nicht theologisch betrachtet wird und in diesem Sinne für die Befähigung der Gemeinschaft steht und nicht für deren theologische Ausrichtung. Identitätsausbildung der Teilnehmer 143 nur für die Diskussion der Anfänge von Gemeinschaften relevant ist, sondern auch für die Betrachtung der Mechanismen, die diese Dynamik und Variabilität erlauben. Des Weiteren haben wir gesehen, wie der medial vermittelte metaphorische Gebrauch von alltäglichen Begriffen zu „familiarity plus distance“ (Roller) in der „sozialen Grammatik“ (Lieu) führt. In 1Kor 11 werden sowohl die vertrauten Mechanismen als auch die medial vermittelten metaphorischen Verzerrungen sichtbar. Die Komposition von sw ma, ai-ma und a‡rtoß deutet darauf hin, dass Paulus mit seinem medial vermittelten metaphorischen Gebrauch des „Familiären“ (Leiblichkeit, Blut und Brot) eine soziale Grammatik ausdrückt, die auf die Befähigung der Gemeinschaft zur Gemeinschaft als Leib Christi hinweist. Es ist eine Befähigung, die in erster Linie für die Bildung einer kollektiven Gruppenidentität spricht. Diese Vorstellung wird in 1Kor 12 wieder aufgegriffen. Es ist allerdings keine Befähigung des Einzelnen und auch keine Unterstützung für eine dynamische und variable Identität des Einzelnen. In dieser Hinsicht bilden sich Gemeinsamkeiten zwischen Gal 2, 1Kor 8-9.10 und 1Kor 11 aus, die sich in Röm 14,1-15,7 so nicht identifizieren lassen. e) Röm 14,1-15,7 Röm 14,1-15,7 ist aus ritualtheoretischer Sicht ein besonders interessanter Abschnitt, da hier gezeigt werden kann, in welcher Hinsicht die „Diatribe“ gebraucht wird, um die kollektive Identität der Gruppe über den Begriff pi÷stiß näher zu bestimmen. Es ist bemerkenswert, dass Paulus die Rede an einen anderen Gesprächspartner, mit dem die Adressaten des Briefes gemeint sind, in Röm 14,1-15,4 über die ganze Diskussion zum Opferfleisch anderer Götter aufrechterhält. Paulus spricht sein Gegenüber in den Versen Röm 14,4.10.15.21-22; 15,3 direkt an und nutzt, vergleichbar mit Röm 2,1-5.17-24; 9,19-21 und 11,17-24, die „Diatribe“ als rhetorisches Stilmittel. Stowers macht an dieser und den anderen Stellen deutlich, dass Paulus über den anderen Gesprächspartner einen Weg findet, mit seiner Hörerschaft zu kommunizieren, da der Gesprächspartner in seinem Standpunkt nicht weit von der Position der Hörerschaft entfernt ist. 103 In Stowers Studie The Diatribe and Paul´s Letter to the Romans zeichnet er die paulinische Argumentationslinie wie folgt nach: In Röm 14,4 beginnt Paulus mit der rhetorischen Frage zum gegenseitigen Richten. Nicht nur, dass er mit der Frage: „Wer bist du, der du den Hausknecht eines anderen richtest? “ seine Unzufriedenheit bezüglich der individuellen Überheblichkeit ausdrückt - nein, er nutzt diese Anfrage auch, um, im Sinne des ersten Gebotes, die Alleinherrschaft Gottes zu bekräftigen. Gleichzeitig dient Paulus ’ Anfrage den Adressaten als Warnung vor einem vergleichbaren Verhalten. Diese Warnung wird in Röm 14,10 103 S TOWERS 1981, 100. Ritualtheoretische Exegese 144 sehr konkret ausgesprochen: Derjenige, der seinen Bruder richtet oder verachtet, wird (wie alle) vor den Richterstuhl Gottes gestellt (Röm 14,10). Es ist anzunehmen, dass es sich bei dem su/ von Röm 14,4 und Röm 14,10 um dieselbe unrechte und arrogante Person handelt. 104 Röm 14,15 dient als Beispiel für das unrechte und arrogante Verhalten des anderen Gesprächspartners. Wenn der Bruder wegen einer Speise betrübt ist, dann verhält er sich nicht mehr der Liebe Gottes entsprechend. „Su\ pi÷stin e¶ceiß“ (Röm 14,22) ist eine konkrete, wenn auch rhetorische Frage, wenn man sich vor Augen hält, dass pi÷stiß mit dem Wohlergehen des anderen Bruders zusammenhängt. Gerade in der Frage des Fleischgenusses, der zu Gunsten des anderen eingestellt werden soll, nimmt Röm 15,3 die wichtigsten Aspekte des Gespräches mit dem anderen Gesprächspartner wieder auf. Christus ist der moralische Gegenpart zum su/ , denn Christus hat sich nicht selbst gefallen, sondern sich in die Lage dessen versetzt, der von dem anderen Gesprächspartner geschädigt wird. Geht man mit Stowers davon aus, dass die „Diatribe“, als Kommunikationsform zwischen Lehrer und Schüler, eine gewisse Ambiguität aufweist, da der Lehrer nicht auf direktem, sondern auf indirektem Wege Kritik an dem Verhalten seiner Schüler übt, 105 dann finden sich diese Charakteristika auch in der Kommunikationssituation von Röm 14,1-15,7 wieder. Paulus initiiert einen anderen Gesprächspartner, um seine Kritik und Warnungen an die Gemeinschaft zu vermitteln. Es soll an dieser Stelle daran erinnert werden, dass die „Diatribe“ in philosophischen Schulen vor allem als pädagogisches Mittel verwendet wurde - sie diente in erster Linie zur moralischen Unterweisung. 106 Paulus verwendet die „Diatribe“ ähnlich. Er zeigt durch den anderen Gesprächspartner auf unrechte, arrogante Personen, die sich gegen Gott stellen und deren Verhalten sich ändern muss, weil sie die Einheit von Juden und Nationen gefährden. 107 In Röm 14,1-15,7 wird diese Gefahr sehr deutlich an der gemeinsamen Mahlgemeinschaft exemplifiziert. Die nächsten Fragen in dieser Hinsicht lauten, mit welchen Begriffen sich die (gefährdete) Gemeinschaft beschreiben lässt und welche kollektiven Qualitäten diese Gemeinschaft aufweist. Mit anderen Worten: Erlaubt Paulus dynamisches und variables Verhalten von Mitgliedern in dieser Gemeinschaft? Oder argumentiert er in Röm 14,1-15,7, wie in Gal 2, 1Kor 8-9.10 und 1Kor 11, gegen das ausgeprägte Handeln entsprechend der kollektiven Identität des Einzelnen? Um dieser Frage näher zu kommen, ist es wichtig, auf die Verwendung von pisteu/ w und pi÷stiß zu schauen. Pisteu/ w wird von Paulus zu Beginn der „Diatribe“ in Röm 14,2 und pi÷stiß beim Abschließen der Unterredung mit dem anderen Ge- 104 Zum Römerbrief S TOWERS 1981, 110-115. Zu Röm 14 S.115. 105 S TOWERS 1981, 110. 106 S TOWERS 1981, 116. 107 S TOWERS 1981, 116f. Identitätsausbildung der Teilnehmer 145 sprächspartner verwendet (Röm 14,22.23). In Röm 14,1 heißt es sehr eindrücklich, dass derjenige, der schwach in pi÷stiß ist, aufgenommen werden soll, und Röm 14,22.23.23 positioniert pi÷stiß als Gegenpart zur Sünde, ebenso, wie Christus der Gegenpart zum Sünder ist. Die Diskussion über die konkrete Bedeutung von pi÷stiß und seinem Begriffsfeld ist sehr umfangreich. Um diesen Zusammenhang zwischen „Diatribe“ und pi÷stiß besser zu verstehen, soll auf Christian Streckers Studie zur soziokulturellen Verortung des Begriffes verwiesen werden. Strecker macht in seinem Aufsatz Fides - Pistis - Glaube darauf aufmerksam, dass der paulinische pi÷stiß-Begriff nicht nur theologisch, sondern auch in seinem politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Kontext verstanden werden soll. Er verdeutlicht, dass in der theologischen Interpretation pi÷stiß vornehmlich als Glaube oder Vertrauen verstanden wird und diese Interpretation dezidiert christlich wird, wenn angenommen wird, dass erst mit dem Christentum Glaube und Vertrauen auf breiter Ebene in das Zentrum der Religion gerückt wurde (Bultmann). 108 So dient, obgleich von Bultmann in vielerlei Hinsicht verschieden, der pi÷stiß-Begriff Dunn als neues christliches Identitätszeichen. 109 Dagegen sieht sich Strecker durch die „neue Paulusperspektive“ aufgefordert, den pi÷stiß-Begriff zu überdenken und schlägt vor, ihn mit dem römischen Fides-Begriff zu kontextualisieren, da fides im Griechischen durchaus mit pi÷stiß übersetzt wurde. Insofern liegt es für Strecker nahe, dass es zu einer Bedeutungsanreicherung des griechischen Begriffs gekommen ist. In diesem Sinne wird pi÷stiß für die Gewährung von politischem Schutz bzw. für die Verschonung bei einer politischen Unterwerfung verwendet. 110 Diese Gewährleistung bedeutet nicht nur Sicherheit, sondern vor allem die Einbindung der Nationen ins Imperium Romanum. 111 Es ist bemerkenswert, dass pi÷stiß vor allem in den paulinischen Briefen und in diesen vornehmlich im Galater- und Römerbrief verwendet wird. 112 Galatien, als kaiserliche Provinz, und Rom, als Zentrum der Fides Romana, bilden folglich die Orte, in denen die politische, kulturelle und gesellschaftliche Übersetzung mit „Einbindung“ durchaus auf Verständnis stößt. In der Betrachtung von Röm 1; 3,1-5,2 und Gal 2-3 erkennt Strecker, dass Paulus mit dem pi÷stiß-Begriff die Annahme der Nationen thematisiert, obgleich fides im politisch-römischen Kontext in anderer Hinsicht religiös aufgeladen ist. Strecker fasst diesen ambivalenten Gebrauch wie folgt zusammen: 108 S TRECKER 2005, 224. 109 S TRECKER 2005, 225. 110 S TRECKER 2005, 239. 111 S TRECKER 2005, 239. 112 S TRECKER 2005, 239f arbeitet mit folgender Statistik: 62 der insgesamt 92 paulinischen Belege finden sich im Galaterbzw. Römerbrief; davon befinden sich 40 allein im Römerbrief, was ihn zu Recht als „großen Glaubensbrief“ (Morna Hooker) bezeichnen lässt. Ritualtheoretische Exegese 146 „In die römische Identitätskategorie der fides wird bei Paulus mithin eine Art jüdisch-messianische Differenz eingetragen, die den Begriff fides/ pi÷stiß neu besetzt und das römische Selbstverständnis, das allbekannte und gepriesene Volk der fides zu sein, unterspült.“ 113 Des Weiteren bezieht Strecker den pi÷stiß-Begriff auf Röm 1,16; 10,8.17; 1Kor 1,21; 2,4f; 15,1f.11b.14 Gal 1,23; 3,2. 5 und 1Thess 2,13 und folgert aus den Belegstellen, dass pi÷stiß auch für die Annahme der Predigt und einer neuen Lebensform stehen kann. 114 In diesem Verständnis dient pi÷stiß nicht der hierarchischen Strukturierung, wie im Römischen Reich, sondern führt (in der Taufe) zu einer rituell grundlegenden Relativierung ethnischer, sozialer und geschlechtlicher Differenzen. 115 Da pi÷stiß an verschiedenen Orten (Röm 4,17.24; 6,8; 1Kor 15,11.14.17; 2Kor 4,13f und 1Thess 4,14) auch mit der Auferweckung Jesu Christi von den Toten und der Teilhabe der Christusgläubigen an der kommenden Auferstehung verbunden wird, sieht Strecker im pi÷stiß-Begriff auch die Annahme des Kommenden ausgedrückt. 116 Strecker plädiert in seinem Aufsatz folglich für eine soziopolitische Lesart des pi÷stiß-Begriffes, die pi÷stiß in einer Theologie der Annahme verortet. Überzeugend ist diese Interpretation aufgrund der klaren Bezüge zum neutestamentlichen Kontext und den verschiedenen Kommunikationssituationen. Ritualtheoretisch ist an Streckers Beobachtung interessant, dass er den alltäglichen politisch-religiösen Kontext aufgreift und ihn rituell verortet. Obgleich aus ritualtheoretischer Perspektive nicht davon ausgegangen werden kann, dass die grundlegende Relativierung ethnischer, sozialer und geschlechtlicher Differenzen der Dynamik und Variabilität des Rituals gerecht wird, gewinnt diese Deutung in der Verortung im sozio-politischen Kontext. Besonders hinsichtlich der Einbindung in den sozio-politischen Kontext ist es wichtig, auf die Reziprozität des pi÷stiß-Begriffes aufmerksam zu machen. Dort, wo von pi÷stiß die Rede ist, ist sowohl von dem, der über pi÷stiß verfügt, als auch von seinem/ ihrem Gegenüber die Rede. Ritualtheoretisch ist der reziproke Bezug untereinander in einer Gemeinschaft besonders zentral. So wird in Röm 14,1-15,7 deutlich, dass der Starke nicht nur für sich allein stark ist, sondern die Stärke nur in Rücksichtnahme auf den Schwachen leben darf. Es ist folglich die Einbindung in den sozialen Kontext, die verdeutlicht, dass sich über pi÷stiß eine rituelle Praxis der Annahme gestaltet. Dies ist bezüglich Röm 14,1-15,7 von besonderem Interesse, da Paulus das hellenistische Mahl als Ort der alltäglichen Annahme des Bruders heranzieht. Im Gegensatz zu Gal 2 und 1Kor 8-9.10.11 ist Paulus in Röm 14,1-15,7 wesentlich offener gegenüber Dynamik und Variabilität des Rituals. Es ist ihm bewusst, dass es Schwache im Glauben gibt, die angenommen werden 113 S TRECKER 2005, 247. 114 S TRECKER 2005, 247. 115 S TRECKER 2005, 248. 116 S TRECKER 2005, 248f. Identitätsausbildung der Teilnehmer 147 sollen, und es dient ihm ebenfalls in seiner Argumentation, dass es Starke in der Gemeinschaft gibt, die sich mit ihm identifizieren können (Röm 15,1). Zu beachten ist jedoch, dass die Dynamik und Variabilität eine sehr starke Pragmatik aufweist. Röm 14,2 könnte es treffender nicht sagen: „Einer glaubt, er dürfe alles essen; der Schwache aber isst Grünzeug“. Die Frage, ob Paulus dynamisches und variables Verhalten in der römischen Gemeinschaft zulässt, kann eingeschränkt mit Ja beantwortet werden. Die Einschränkung begründet sich mit seinem deutlichen Bemühen, über pi÷stiß zu einer gegenseitigen Annahme zu gelangen, die weniger Vielfalt als Einfalt darstellt. Und dennoch lassen sich im römischen Kontext Anzeichen für eine „soziale Grammatik“ (Lieu) finden, die über dynamische und variable körperliche Verhaltensweise gelebt und diskutiert wird, denn einerseits werden Stärke und Schwäche thematisiert und andererseits wird dem anderen Gesprächspartner die Möglichkeit zugesprochen, sein Verhalten zu ändern. 5. Zusammenfassung In Röm 14,1-15,7 konnte deutlich aufgezeigt werden, dass pi÷stiß im Bedeutungshorizont der Annahme in seiner alltäglichen Bestätigung durch das gemeinsame Mahl nur begrenzt die Dynamik und Variabilität der Gemeinschaft zulässt. Die Analyse dieses Abschnittes hat gezeigt, dass Paulus über die „Diatribe“ einen anderen Gesprächspartner einführt, der einerseits für sein Unrecht und seine Arroganz getadelt wird, aber andererseits durch die mögliche Änderung seines Verhaltens als Teil der Gemeinschaft angesehen wird. Paulus beschreibt damit eine „soziale Grammatik“, welche die kollektive Identität des Einzelnen berücksichtigt, um auf eine Identität der Gruppe hinzuweisen. Diese Identität tut sich vor allem durch gegenseitige Annahme hervor, in der allerdings die Relativierung von Differenzen zu einem utopischen rituellen Ziel wird. In Gal 2, 1Kor 8-9.10 und 1Kor 11 widmet sich Paulus weniger der kollektiven Identität des Einzelnen als der kollektiven Gruppenidentität. In Gal 2,11-14 geht Paulus weder auf korporeale noch auf rhetorische Phänomene ein. Stattdessen subjektiviert er kollektive Gruppenidentitäten und kritisiert dynamisches und variables Verhalten. Obgleich Paulus in 1Kor 8-9 von der „Diatribe“ Gebrauch macht, sind die rhetorischen Mittel und die Verweise auf den Tod Christi eindeutig mit dem Bemühen zur Etablierung einer gemeinsamen Identität der Gruppe verbunden. Vergleichbar mit 1Kor 10.11, wo der metaphorische Gebrauch der korporealen Begriffe als Medium der Identifikation genutzt wird, weisen die Abschnitte im Korintherbrief auf Paulus ’ Bemühen hin, die Gemeinschaft zu einer Identität als Leib Christi zu befähigen. Im Vordergrund steht nicht die Dynamik und Variabilität der Einzelnen im rituellen Vollzug des gemeinsamen Mahls, sondern die Befähigung der Gemeinschaft, eine neue Identität als Leib Christi anzunehmen. „Familiarity plus distance“ kennzeichnet eine soziale Grammatik, die mit Ritualtheoretische Exegese 148 Hilfe der Metaphorik korporeale Bezüge für eine neue Identität medial vermittelt und transformiert. In den folgenden Untersuchungen zur Identitätsausübung, zum Rollenverhalten der Mahlteilnehmer und zum Verlauf des Mahls wird genauer geprüft werden, ob diese soziale Praxis die kollektive Identität des Einzelnen hinreichend wahrnimmt. Identitätsausbildung der Teilnehmer 149 6. Tabelle: Identitätsausbildung der Teilnehmer Identitätsausbildung der Teilnehmer Korporeale Befähigung Rhetorische Stilmittel sw ma (5) sa¿rx (1) a‡rtoß (7) aÓpoqnhØ / skw (7 in 5 Versen) ai-ma (3) e˙gw¿ (10) su/ (12) Gal 2,11-14 su/ Gal 2,14 1Kor 8,1.4.7-13 aÓpoqnhØ / skw 1Kor 8,11 e˙gw¿ 1Kor 8,13 su/ 1Kor 8,10 1Kor 9,3-4.7.13 e˙gw¿ 1Kor 9,3 1Kor 10,7.14- 25,27-28.31 sw ma 1Kor 10,16-17 sa¿rx 1Kor 10,18 a‡rtoß 1Kor 10,16-17 ai-ma 1Kor 10,16 e˙gw¿ 1Kor 10,14 Röm 14,1-15,1-7 pisteu/ w Röm 14,2 pi÷stiß Röm 14,1.22-23 su/ Röm 14,4.10.15.21-22; 15,3 1Kor 11,17-34 sw ma 1Kor 11,24.27.29 a‡rtoß 1Kor 11,23.26-28 ai-ma 1Kor 11,25.27 e˙gw¿ 1Kor 11,23-24.33 Ritualtheoretische Exegese 150 C. Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl Der Versuch, die Identitätsausübung innerhalb einer sozialen Praktik zu verstehen, stellt das Bemühen dar, die zugrunde liegenden Ausdrucksformen zu untersuchen, welche die soziale Praxis im alltäglichen Leben einer Gemeinschaft aufrechterhalten. Ausgehend von der Annahme, dass die kollektive Identität der Gruppe über soziale Codes abgebildet wird, die wiederum in Performanz ihren Ausdruck finden, ist die Frage nach der Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl zentral. In diesem Abschnitt wird nicht die Sequenz oder Abfolge des gesamten Mahls betrachtet, sondern das Ordnungsverhältnis der Teilnehmer untereinander, das die Ausübung von individuellen oder kollektiven Identitäten gewährleistet. Die Sitzordnung der Mahlgemeinschaften eignet sich für die Betrachtung der Ausübung von individuellen oder kollektiven Identitäten in besonderem Maße, da sie einerseits eine alltägliche soziale Praxis repräsentiert und andererseits Kennzeichen kollektiver Identitäten widerspiegelt. Es geht darüber hinaus darum, anhand der Sitzordnung der Teilnehmer zu analysieren, wie sich Gemeinschaften gegenüber Einzelnen ausbilden und wie sich diese beiden Formen sozialen Verhaltens aufeinander beziehen. Diese Betrachtungen werden mit der Analyse des Begriffsfeldes der Gemeinschaft und der Einzelnen im NT begonnen und sie werden ritualtheoretische Grundlagen für das Verstehen der Sitzordnung im hellenistischen Mahl legen, die wiederum dazu dienen, die ritualtheoretische Exegese an den relevanten paulinischen Abschnitten anzuwenden. 1. Gemeinschaft und Einzelne im Neuen Testament In den Abschnitten über die Mahlgemeinschaft wird die Zusammensetzung der Gemeinschaft und die Charakterisierung der Einzelnen von Paulus differenziert geschildert. Der Begriff der Gemeinschaft kann am besten verstanden werden, wenn man die Begriffe koinwni÷a, mete÷cw, kata¿keimai und sune÷rcomai und den Topos sw ~ ma touv Cristouv miteinander ins Verhältnis setzt. Das Begriffsfeld der Einzelnen kann in diesem Zusammenhang am besten herausgearbeitet werden, wenn man aÓdelfo/ ß und koinwno/ ß miteinander untersucht. a) Die Gemeinschaft Aktuelle Diskurse über Kirchenverfassungen, ökumenische Vorstellungen von „der Kirche“ und systematisch-theologische Monographien spiegeln wider, dass mit koinwni÷a die (ideale) Kirche beschrieben werden soll. 117 In 117 B EST , G ASSMANN und W ORLD C OUNCIL OF C HURCHES . C OMMISSION ON F AITH AND O RDER 1994; L EE und G ROS 2005; B REYTENBACH und F REY 2007. Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl 151 neutestamentlichen Studien wird der Begriff der koinwni÷a vor allem bei der Frage nach den Ursprüngen der Kirche herangezogen und nicht selten auf die erste Gemeinde in Jerusalem bezogen. 118 In diesem Zusammenhang wird gefragt, ob es sich bei Paulus ’ Kirchenbegriff um eine soziale oder transzendente Kategorie handelt. 119 In sozial-historischen Betrachtungen wird ferner in Erwägung gezogen, dass Paulus die koinwni÷a als Teil des römischen Gesetzes ansieht 120 - oder dass sich Paulus auf den antiken Freundschafts-Begriff bezieht. 121 Wird auf die koinwni÷a im Zusammenhang mit 1Kor 10 referiert, dann wird häufig davon ausgegangen, dass es sich bei dem Verweis in 1Kor 10,16 um den frühesten ekklesiologischen Beleg handelt und sich die Kirche aufgrund der Nennung von Brot und Wein als eucharistische Gemeinschaft verstehen sollte. 122 Obgleich die Bezüge zur koinwni÷a im NT sehr unterschiedlich sind 123 , soll bei der Sichtung der Sekundärliteratur angefragt werden, inwieweit der koinwni÷a-Begriff in seinem hellenistischen Bedeutungsspektrum interpretiert wurde, oder, anders gefragt, ob die Interpretationen nicht bereits eine kirchengeschichtliche Entwicklung des Begriffes vorausgesetzt haben. So ist, in Referenz zu den Mahlgemeinschaften, der Hinweis auf die eucharistische Gemeinschaft in 1Kor 10,16 eindeutig von der späteren kirchengeschichtlichen Entwicklung geprägt, die rückwirkend davon ausging, dass es sich beim kuriako\n dei pnon um die Feier der Eucharistie handelte. 124 Koinwni÷a wird im NT 19 Mal in 17 Versen gebraucht. Der Begriff steht vor allem für die Beschreibung einer engen Gemeinschaft, die durch gemeinsame Interessen verbunden ist. 125 Paulus attribuiert koinwni÷a häufig durch Genitivkonstruktionen. 126 Von besonderem Interesse für die Frage nach der Gemeinschaft sind 1Kor 1,9 und 2Kor 13,13, wo Paulus die koinwni÷a auf den Sohn Gottes oder den Heiligen Geist bezieht. Die Frage, ob es sich bei den Genitivkonstruktionen koinwni÷a touv ui˚ouv und koinwni÷a touv aJgi÷ou pneu/ matoß um einen Gen. subj., qual. oder obj. handelt, stellt sich, wenn man die Genitivkonstruktionen als deskriptiven Ausdruck ver- 118 M ITCHELL 1992, 255-275 diskutiert die Belege in der Apostelgeschichte (Apg 2,44-47 und 4,32-37). 119 R EUMANN 2007, 79 Anm. 27. 120 S AMPLEY 1980. 121 C APPER 1993, 196. 122 Z IZIOULAS 1985. 123 Apg 2,42; Röm 15,26; 1Kor 1,9; 10,16; 2Kor 6,14; 8,4; 9,13; 13,13; Gal 2,9; Phil 1,5; 2,1; 3,10; Phlm 6; Hebr 13,16; 1Joh 1,3.6-7. 124 Vgl. M C G OWAN 1999. 125 Vgl. “POxy 1473, 33; 3 Macc 4: 6; Jos., Ant. 1, 304; Did., Gen 235, 18“ (A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, koinwni÷a,1.552). 126 1Kor 1,9: koinwni÷an touv ui˚ouv; 1Kor 10,16: koinwni÷a e˙sti«n touv aiºmatoß touv Cristouv, koinwni÷a touv sw¿matoß; 2Kor 8,1: koinwni÷an thvß diakoni÷aß thvß ei˙ßtou\ß aJgi÷ouß; 2Kor 13,13: koinwni÷a touv aJgi÷ou; Phil 2,1: koinwni÷a pneu/ matoß; Phil 3,8: koinwni÷an [tw n] paqhma¿ twn aujtouv; Phlm 6: koinwni÷a thvß pi÷stew¿ß sou. Vgl. B AUMERT 2003, 181-189. Ritualtheoretische Exegese 152 steht. Nur in den deskriptiven Kategorien werden die koinwni÷a, der Sohn Gottes und der Heilige Geist dahin gehend personifiziert, dass das Verhältnis zwischen diesen Größen von der Verwendung des Genitivs her verstanden werden muss. Sieht man die koinwni÷a alternativ als performativen Akt, dann wird, wie in Phil 2,1, die Gemeinschaft in den Vordergrund gestellt, die sich ebenso aufeinander wie auf den Sohn Gottes oder den Heiligen Geist bezieht. In Phil 1,5 kann in diesem Sinne auch die Gemeinschaft als eujagge÷lion bezeichnet werden, während Paulus in Röm 15,26 die Gemeinschaft auf die Armen ausweitet. Gerade Gal 2,9 verweist mit der Formulierung dexia»ß koinwni÷aß dido/ nai tini÷ darauf, dass es sich bei der koinwni÷a um einen Begriff handelt, der soziale und religiöse Verbundenheit ausdrücken soll. Dem Begriff koinwni÷a wird über die individuelle Bedürftigkeit hinaus eine gemeinschaftliche Verbundenheit zugeschrieben. Es ist sogar anzunehmen, dass koinwni÷a auch den „guten Willen“ bzw. Altruismus impliziert und so für das Gemeinschaftsgefühl selbst steht (vgl. 2Kor 9,13). 127 Eine weitere Möglichkeit ist, koinwni÷a als Zeichen der Gemeinschaft oder als Beweis der Gemeinschaft zu verstehen. Röm 15,26 und 1Kor 10,16 weisen darauf hin, dass die koinwni÷a auch als öffentlicher Akt verstanden werden kann. In weiteren Belegen bestätigt sich, dass mit der koinwni÷a keine passive soziale oder religiöse Funktion gemeint ist, sondern dass es sich um aktive Partizipation handelt. 128 2Kor 8,4; 13,13 und 1Kor 10,16 weisen darauf hin, dass die Beteiligung an der Gemeinschaft eine wichtige Rolle spielt. Mit J. Y. Campbell ist zusammenfassend festzuhalten, dass koinwni÷a in erster Linie nicht die Gemeinschaft untereinander, sondern die Teilhabe an einer Gemeinschaft meint. 129 Koinwni÷a bezeichnet folglich die Gemeinschaft mit jemandem durch die gemeinsame Teilhabe an etwas, in unserem Fall die Teilnahme am hellenistischen Mahl. 130 Es stellt einen feinen, aber entscheidenden Perspektivenwechsel dar, koinwni÷a als Teilhabe an einer Gemeinschaft und nicht als Gemeinschaft untereinander zu verstehen. Diesen Perspektivenwechsel zu berücksichtigen, bedeutet, die Performanz der Gruppe zu betonen und anzunehmen, dass das Wechselspiel der Beteiligten der koinwni÷a nicht um seiner selbst willen praktiziert wird, sondern um die Partizipation an einer Gemeinschaft auszudrücken. Es ist gerade für die Interpretation von 1Kor 10, wo die koinwni÷a dem Gottesdienst für andere Götter gegenübergestellt 127 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, koinwni÷a, 2.553. 128 In diesem Sinne geht Baumert davon aus, dass koinwn- (i÷a, oi÷) als terminus medius zu verstehen ist. Er bezieht sich auf 1Kor 11,27 und belegt damit, dass die Christi- Blut/ Leib-Gemeinde im Bechersegen bzw. Brotbrechen repräsentiert sind. Das heißt, dass die Gemeinschaft schon vorher bestand. B AUMERT 2003, 439. 129 C AMPBELL 1932, 353. Campbell unterstützt seine These mit der exegetischen Beurteilung, dass koinwni÷a, koinwne÷w und koinwno/ ß in Genitivkonstruktionen verwendet werden (1Kor 10,18; 2Kor 1,7; 8,4; Phil 3,10; Phlm 6; Hebr 2,14; 1Petr 5,1 und 2Petr 1,4) und nur sehr selten in Dativkonstruktionen (Lk 5,10; Gal 6,6 und Phil 4,15), die auf die Berücksichtigung der Person hindeuten würden. 130 Vgl. H AINZ 1982. Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl 153 wird, wichtig, zwischen der Partizipation an der koinwni÷a und der Interaktion in der koinwni÷a zu unterscheiden. Zum Begriffsfeld der Gemeinschaft gehören auch die Verben kata¿keimai und sune÷rcomai, da sie beide die Partizipation der anderen an der Handlung mit einschließen. Kata¿keimai, am Tisch liegen oder die Sitzordnung für ein Mahl einnehmen, ist ohne Zweifel die Partizipation an einer Handlung, dem Mahl, die von mehreren Teilnehmern begangen wird. Paulus gebraucht kata¿keimai nur ein Mal (1Kor 8,10), während es im gesamten NT 12 Mal verwendet wird. Bezieht sich kata¿keimai nicht auf das Daniederliegen eines oder mehrerer Kranker (Mk 1,30; 2,4; Lk 5,25; Joh 5,3.6; Apg 9,33; 28,8), so wird damit die Teilhabe an einer Mahlgemeinschaft beschrieben (Mk 2,15; 14,3; Lk 5,29; 7,37; 1Kor 8,10). Es ist bemerkenswert, dass die Belege in Zusammenhang mit Kranken, die liegen bzw. von ihrem Liegen aufstehen, gegenüber den Belegen zu Mahlgemeinschaften überwiegen. Kata¿keimai kann daher im NT nicht generell als „ausruhen“ verstanden werden, da es gleichermaßen für das Daniederliegen aus Krankheitsgründen und für das Liegen am Tisch steht. Es handelt sich in beiden Fällen um Handlungen der Partizipation, die relational zum Kontext differenziert werden. Sune÷rcomai wird im NT 30 Mal verwendet, wobei Paulus sieben Mal (1Kor 11,17-18.20.33-34; 14,23.26) von diesem Verb Gebrauch macht. Sune÷rcomai beschreibt das Zusammenkommen in einer Gruppe, gemeinsames Reisen oder sexuellen Verkehr. Paulus verwendet sune÷rcomai nur im 1Kor und auch dort ausschließlich für die Beschreibung der Gruppe. Auffällig ist dabei, dass fünf der sieben Belege in den Ausführungen über die Mahlgemeinschaft vorkommen (1Kor 11,17-18.20.33-34). In der ritualtheoretischen Exegese wird detaillierter zur Sprache gebracht werden, in welcher Weise sich Paulus ’ Ausführungen über das Zusammenkommen als Gruppe im 1Kor bei den Abhandlungen über die Mahlgemeinschaft geradezu zuspitzen. An dieser Stelle kann festgehalten werden, dass sune÷rcomai von Paulus gezielt verwendet wird und bezüglich der Partizipation an einer Gruppe eine besondere Stellung einnimmt. Ein weiterer Begriff, der zu der Beschreibung der Gemeinschaft heranzuziehen und zu erörtern ist, ist sw ~ ma touv Cristouv, der von Paulus in Röm 7,4; 1Kor 10,16; 12,27 und Eph 4,12 verwendet wird. In Vorbereitung zur ritualtheoretischen Betrachtung soll nun die Vielfalt des Terminus herausgearbeitet werden. Damit wird gleichzeitig auf die rituelle Verortung hingewiesen. Strecker charakterisiert den Topos sw ~ ma touv Cristouv über „ritologische“, „ekklesiologische“ und „christologische“ Aspekte. 131 Strecker macht damit die Verbundenheit von Ekklesiologie und Christolo- 131 S TRECKER 1999, 336. Ritualtheoretische Exegese 154 gie über das Ritual deutlich. 132 Das Verhältnis zwischen Ekklesiologie und Christologie wird von Klinghardt noch präziser beschrieben: „Die Gemeinde ist also nicht in erster Linie Leib Christi und deshalb eben auch Leib (an sich), von dem dann bestimmte Eigenschaften (wie Rücksichtnahme, Solidarität, Sympathie usw.) auszusagen wären, sondern sie ist derjenige besondere (soziale) Leib, der seine Existenz erst durch Christus erhält: Die ekklesiologischen Bestimmungen sind nicht aus der Christologie deduziert, sondern werden durch die (verkürzte) Spitzenaussage 12,27 christologisch erläutert.“ 133 Klinghardt macht in der Interpretation von 1Kor 12,27 deutlich, dass die christologischen Aussagen eine Erläuterung der Ekklesiologie darstellen. Diese Beschreibung funktioniert im Erklärungsmodell der Metapher ebenso wie in der performativen Abbildung derselben. So dient der Topos der koinwni÷a der sozial-historischen Realisierung von sw ~ ma touv Cristouv. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass sw ~ ma touv Cristouv korporeale Bedeutung zukommt, und der Begriff von Paulus mit anderen Ritualen (beispielsweise der Taufe) in Verbindung gebracht wird - und damit soziale und religiöse Funktionen veranschaulicht. Die korporeale Bedeutung wird besonders in Röm 7,4 betont, wobei Paulus sw ~ ma touv Cristouv mit dem irdischen Kreuzesleib Christi in Verbindung bringt. 134 In 1Kor 10,16 und 11,24.27 steht vor allem das kuriako\n dei pnon im Mittelpunkt des Abschnittes. Da Paulus im 1Kor über rituelle, wenn auch nicht sakramentale Praktiken spricht 135 , kann gefolgert werden, dass der rituelle Vollzug, der eindeutig auf Christus bezogen ist, hier im Vordergrund steht. Es ist bemerkenswert, dass Paulus ’ Aussagen über die korporealen und rituellen Facetten des Topos in 1Kor 12,27 den Hintergrund für die soziale Bedeutung desselben bilden. Strecker hält zum rituellen Hintergrund von 132 Die ekklesiologische Interpretation von sw ~ ma wird u.a. von K ONRADT 2003 und W OLTER 2006 bestritten. Konradt sieht im sw ~ ma-Begriff vor allem die Christologie repräsentiert, da die Parallelität von sw ~ ma und ai-ma in 1Kor 11,24.27 dies unterstreicht. Er geht davon aus, dass Paulus selbst den “Sühnetodgedanken” in dieser Parallelität ausdrückt. K ONRADT 2003, 418f. Wolter widerspricht der ekklesiologischen Deutung, indem er das ethische Zusammengehörigkeitsgefühl in den Vordergrund rückt. Er liest in 1 Kor 11, dass hier eine ethische Pluralität angesprochen wird, die der Gemeinschaft nicht entgegensteht. W OLTER 2006, 216. Beide Interpretationen sind in ihrem Rahmen nachvollziehbar. Deutlich erkennbar stellen sie den Text unter größere Themen wie die Sühnetodvorstellung, Christologie oder Ethik. Indem diese Ansätze die ekklesiologische Deutung ablehnen, verneinen sie auch die Tatsache, dass die Mahlelemente für den größeren Zusammenhang des rituellen Geschehens stehen und nicht auf Einzelheiten in der Gemeinschaft verweisen. 133 K LINGHARDT 2000, 215. 134 S TRECKER 1999, 336. Der Bezug zum Tod Jesus dient allerdings nicht dem kollektiven Gedenken, sondern dem rituellen Handeln; vgl. K LINGHARDT 2011, 55. 135 S TRECKER 1999, 336 sieht in 1Kor 10,16 und 11,24.27 die sakramentale, also eucharistische Bedeutung von sw ~ ma touv Cristouv ausgedrückt und verweist mit dieser „vertikalen Dimension“ auf die Taufpraxis, mit der die Christusgläubigen „persönlich in das somatische Schicksal Christi“ einbezogen wurden, in dem sie Christus „anzogen“. Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl 155 sw ~ ma touv Cristouv fest, dass „die Einheit der Gemeinde als ‘Leib Christi’ bei Paulus offenkundig durchgängig in einen rituellen Kontext eingebunden [ist]“ 136 . Es ist folglich mit Strecker zusammenfassend festzuhalten, dass sw ~ ma touv Cristouv „prinzipiell für eine zumal vom rituellen Handeln her vereinte Gemeinschaft steht“ 137 . Das Begriffsfeld der Gemeinschaft, das sich aus dem Nomen koinwni÷a, den Verbformen kata¿keimai und sune÷rcomai und aus dem Topos sw ~ ma touv Cristouv zusammensetzt, schließt folglich die Partizipation an einer Handlung gemeinsam mit anderen ein. Diese gemeinschaftliche Handlung ist in erster Linie eine rituelle Handlung, die neben korporealen auch soziale und religiöse Aspekte integriert. b) Die Einzelnen Die Einzelnen werden bei Paulus mit den Begriffen aÓdelfo/ ß und koinwno/ ß bezeichnet. Während die Partizipation an der Gemeinschaft durch den Nominativ koinwni÷a ausgedrückt wird, dient der Nominativ koinwno/ ß der Beschreibung des Einzelnen. Koinwno/ ß wird im NT 10 Mal gebraucht und von Paulus fünf Mal verwendet. Zwei Mal steht es für den Gefährten (2Kor 8,23; Phlm 17), ein Mal für die gemeinsame Teilhabe am Leid und am Trost (2Kor 1,7) und zwei Mal nutzt Paulus diesen Begriff, um zwei Gruppen einander gegenüberzustellen (1Kor 10,18.20). In 1Kor 10,18 sind es diejenigen, die Schlachtopfer essen, und in 10,20 diejenigen, die Gemeinschaft mit den Dämonen haben. Paulus äußert sich ebenso häufig über die koinwni÷a wie über die koinwnoi÷ - allerdings in dezidiert entgegengesetzten Zusammenhängen. Demgegenüber stehen seine Aussagen über die Gemeinschaft, die sich als koinwni÷a, als sw ~ ma touv Cristouv versteht, und seine Aussagen über die koinwnoi÷, die am Gottesdienst für andere Götter partizipieren. In der ritualtheoretischen Exegese wird detailliert darauf hinzuweisen sein, wie sich der unterschiedliche Gebrauch erklärt. An dieser Stelle soll lediglich erwähnt werden, dass koinwno/ ß im Gegensatz zu koinwni÷a den Einzelnen meint, der mit einem anderen interagiert. Die koinwnoi÷ sind folglich Personen, die in einem Gemeinschaftsverhältnis zueinanderstehen, weil sie über ihre Interaktion an etwas Anteil haben. 138 Die paulinische Verwendung von aÓdelfo/ ß deutet in eine vergleichbare Richtung. Paulus verwendet den Begriff in den relevanten Abschnitten 10 Mal, während er von ihm insgesamt 113 Mal verwendet wird. Adelfo/ ß ist mit 343 Belegen im NT ein sehr häufiger Begriff, der hier nur ansatzweise diskutiert werden kann. Er kann für die Bezeichnung des leiblichen Bruders verwendet werden (Mt 1,2.11; 4,18.21 et al.) oder eine Person beschreiben, die einem sehr nahe ist. So nennt Jesus seine Jünger in Mt 12,50 und Mk 3,35 Brüder; auch Christusgläubige nennen sich untereinander 136 S TRECKER 1999, 338. 137 S TRECKER 1999, 338. 138 Vgl. H AINZ 1982. Ritualtheoretische Exegese 156 Brüder (1Kor 5,11, Eph 6,23 sowie 1Tim 6,2). 139 Zu bemerken ist, dass aÓdelfo/ ß die Verhältnisbestimmung innerhalb einer durch Geburt, Status oder Religion miteinander verbundenen Gemeinschaft ausdrückt. Das Begriffsfeld von aÓdelfo/ ß und koinwno/ ß macht sehr deutlich, dass hier Formen der Interaktion und nicht der Partizipation im Mittelpunkt der Aussagen stehen. Obgleich dem Einzelnen ein hohes Maß an Verbundenheit mit anderen zugesprochen wird, welche im Gottesdienst für andere Götter gerade als problematisch empfunden wird, ist auffällig, dass diese Verbundenheit Ausdruck von Interaktion ist. Christusgläubige nennen einander aÓdelfo/ ß, weil sie miteinander in sozialer Interaktion stehen. Es wird ritualtheoretisch zu fragen sein, in welcher Weise sich die Partizipation am Mahl von der Interaktion der Mahlteilnehmer differenzieren lässt. Zuerst werden ritualtheoretische Grundlagen über die Performanz von Gruppen gegenüber den sozialen Realitäten geklärt werden, um in einem weiteren Schritt die sozialgeschichtliche Realisierung dieser Vorgaben in der Sitzordnung zu betrachten, welche die Realität der Einzelnen ebenso wie das Ideal der Gruppe reflektiert. 2. Ritualtheoretische Grundlagen zur Identitätsausübung einer Gruppe Ritualtheoretisch kann nun festgestellt werden, wie das Verhalten einer Gruppe im Alltag im theoretischen Diskurs sichtbar gemacht werden kann. Die Gruppe ist nicht selten durch problembeladene Einzelne und idealisierende, zuweilen perfektionierende Tendenzen der Gruppe gekennzeichnet. „Alltag“ meint in den Zusammenhängen dieser Studie nicht täglich, sondern bezieht sich auf gewöhnliche Verhaltensweisen. Werden tägliche Handlungen angesprochen, werden sie von mir als täglich und nicht als alltäglich bezeichnet. Die ritualtheoretische Grundlage für die Untersuchung der Partizipation an einer Gemeinschaft bzw. die Interaktion zwischen teilhabenden Personen bilden die Studien von J.Z. Smith und Catherine Bell. Mit Taussig kann festgehalten werden: J.Z. Smith Studien eignen sich für die ritualtheoretische Betrachtung daher, weil J.Z. Smith dem Ritual die Funktion zuschreibt, dass es innerhalb spezifischer und relativer symbolischer Anordnungen für bestimmte Situationen Ordnung und Bedeutung etabliert. 140 „Ritual provides an occasion for reflection and rationalization on the fact that what ought to have been done was not done, what ought to have taken place did not occur.” 141 J.Z. Smith sieht im Ritual einen Ort der Reflexion und der Rationalisierung. Er bezieht sich in seinen theoretischen Studien auf Sigmund Freud und 139 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, 18. 140 T AUSSIG 2009, 59. 141 S MITH 1982, 63. Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl 157 Claude Lévi-Strauss, die beide davon ausgehen, dass rituelle Handlungen alltägliche Handlungen modifizieren und diese dabei nicht ausufern lassen, sondern vielmehr minimieren. Rituelle Handlungen qualifizieren in diesem Sinne alltägliches Handeln. 142 Taussig beschreibt drei Dimensionen von J.Z. Smiths Theorie 143 , die in unterschiedlicher Weise für die Frage nach Ordnungsstrukturen ritueller Handlungen von Bedeutung sind. Zum einen geht J.Z. Smith davon aus, dass Rituale grundsätzlich auf problematische Ereignisse oder Verhaltensweisen aufmerksam machen. In diesem Sinne erlaubt das Ritual, problembehaftete Muster des Alltags zu fokussieren - es funktioniert quasi wie ein „Vergrößerungsglas“. 144 Des Weiteren findet für J.Z. Smith in rituellen Handlungen eine „Anpassung“ der Realität statt. Er spricht von dem Wunsch der Teilnehmer, die gegebenen Umstände zu perfektionieren und Probleme besser erscheinen zu lassen, als sie sind. 145 Es geht ihm bei der Perfektionierung allerdings nicht um eine grundlegende Veränderung, sondern um die Fähigkeit, die realen, problembelasteten Umstände in gleicher Weise präsent zu machen wie die utopischen, perfektionierten Umstände. Hier wird kein Entweder-Oder ausgedrückt, sondern eine Gleichzeitigkeit der verschiedenen Realitäten. Drittens fungiert das Ritual als Vergewisserung der Unterschiede innerhalb der Gemeinschaft. 146 Es geht an dieser Stelle nicht um die Eliminierung der Unterschiede und Differenzen, sondern um deren Anerkennung innerhalb der Gruppe. Rituelle Symbole spielen bei der Anerkennung der Verschiedenheit eine wichtige Rolle, denn anstatt endgültige Lösungen zu erwarten, erlauben die verschiedenen Symbole die indirekte Anerkennung der Unterschiede. 147 Für die Frage nach den Ordnungsstrukturen ritueller Handlungen sind J.Z. Smiths Studien von besonderer Relevanz, weil er die Gemeinschaft nicht als eine extravagante Zusammensetzung betrachtet, sondern sie im täglichen Leben verortet. Indem die Gruppe auf problembeladene Verhaltensweisen aufmerksam wird, verliert sie nach J.Z. Smith, trotz der Unterschiede und Differenzen, nicht ihre Integrität. Im Gegenteil wird ihr bei aller Vielfältigkeit der Situation eine gewisse Kontinuität zugesprochen. Diese Kontinuität wird vor allem dadurch aufrecht erhalten, dass die Gemeinschaft die Fähigkeiten aufweist, ihre problematischen Ereignisse oder Verhaltensweisen zu bemerken, eine „Anpassung“ der Realität vorzunehmen und sich der Unterschiede zu vergewissern. Auch der Wunsch nach dieser Perfektionierung der Gruppendynamik ist an den Briefen des Apostels leicht abzulesen. Das Ritual dient somit nicht nur als „Vergrößerungsglas“ der Probleme, sondern auch als überge- 142 B URKERT , H AMERTON -K ELLY , G IRARD und S MITH 1987, 194. 143 T AUSSIG 2009, 60f. 144 S MITH 1982, 64. 145 S MITH 1982, 63. 146 S MITH 1987, 101. 147 S MITH und T AUSSIG 1990, 102f. Ritualtheoretische Exegese 158 ordnete Kategorie der kollektiven Ideale. Zur Idealisierung der Gegenwart schreibt Bell: „Most simply, for Smith, ritual portrays the idealized way that things in the world should be organized, although participants are very aware that real life keeps threatening to collapse into chaos and meaninglessness.“ 148 An Bells Studien ist auffallend, dass in der Diskussion um J.Z. Smiths These die Metaphorik des Körpers der Gemeinschaft an vielen Stellen aufgehoben wird. Bell schreibt über J.Z. Smith in Ritual Theory, ritual Practice: „Jonathan Z. Smith focusses on the ritual dynamics of demarcating a ‘controlled environment’ - to the point of suggesting the role of each place in generating the temporal realities of the ritual calendar itself.“ 149 Bell führt die Diskussion weiter und verbindet den metaphorischen Gebrauch des Körpers mit dem korporealen, indem sie von der Interaktion des Körpers mit der Umwelt spricht („body’s interaction with his environment“). 150 Sie geht dabei davon aus, dass diese Interaktion des Körpers mit der Umwelt in einer zirkulierenden Bewegung stattfindet. Darin projizieren die Körper Bilder der Ordnung auf den Raum und die Zeit und absorbieren gleichzeitig diese Ordnungen als natürliche Ordnungen. 151 In diesem Sinne werden solche Ordnungen zu instinktiven Automatismen der Körper und zu impliziten Strategien, um Machtbeziehungen zu verändern. 152 In ihren Ausführungen bezieht sie sich zusätzlich zu J.Z. Smith auf Roy Rappaport. Um zu verdeutlichen, wie die korporealen und die metaphysischen Bedeutungszusammenhänge ineinander übergehen, schildert Bell das Beispiel des knieenden Beters aus Rappaports Studien. Rappaport stellt zu Recht fest, dass das Knien beim Gebet keine Geste der Subordination, sondern ein Zeichen eines Menschen ist, der sich mit der Subordination identifiziert. 153 An diesem Beispiel wird deutlich, dass der metaphorische Gebrauch des Körpers in den rituellen übergegangen ist, denn die körperliche Präsenz innerhalb einer größeren Umwelt spiegelt keine inneren Befindlichkeiten wider, sondern den Akt selbst. 154 Es ist genau diese Partizipation am rituellen Handeln, die einerseits Teilhabe des Einzelnen einfordert und andererseits Idealisierung und Sicherstellung des Rituals anstrebt. Bell verdeutlicht in ihren Studien, dass der Wunsch nach Perfektion des Rituals immer Ausdruck kollektiver Ideale ist. Eine Realisierung der kollektiven Ideale findet in der Performanz und Interaktion zwischen dem Körper und seiner Umwelt statt. Vor diesem Hintergrund lässt sich leicht der Unterschied zwischen Subordination und der Identifikation mit 148 B ELL 1997, 12. 149 B ELL 1992, 99. 150 B ELL 1992, 99. 151 B ELL 1992, 99. 152 B ELL 1992, 99. 153 B ELL 1992, 99f. 154 B ELL 1992, 100. Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl 159 der Subordination verstehen, so dass auch die korporeale Performanz als Identifikationsmittel verstanden werden kann. J.Z. Smiths Beitrag zum Verständnis korporealer Realisierung von kollektiven Idealen leistet eine gelungene Zusammenfassung der Erträge, da er den Übergang zwischen metaphorischer Rede und aktueller Realisierung körperlicher Präsenz in alltäglichen Ritualen verortet. Alltägliche Rituale spiegeln für J.Z. Smith in gleichem Maße den Wunsch nach Perfektionierung der Realität und die Akzeptanz der Probleme und Differenzen der Realität wider. Mit anderen Worten wird mit J.Z. Smith deutlich, dass die Interaktion der Einzelnen, also das Sichtbarmachen der Probleme und Differenzen, ebenso Teil des Rituals ist wie die Partizipation an dem Ideal. Um dies an der Mahlsituation zu verdeutlichen, wird nun die Sitzordnung erörtert. Das Einnehmen der Plätze für ein hellenistisches Mahl ist in hohem Maße von sich verändernder körperlicher Präsenz geprägt, die im alltäglichen Vollzug auf problematische Situationen der Teilnehmer eingeht, sich der Unterschiede vergewissert und gleichzeitig eine heterotope Idealisierung vornimmt. 3. Sitzordnung im Gemeinschaftsmahl Die Sitzordnung kann als das zentrale Element des hellenistischen Mahls verstanden werden, weil darin individuelle und kollektive Facetten sozialer Performanz ausgedrückt werden. Taussig geht in diesem Sinne davon aus, dass das gesamte hellenistische Mahl durch das Begriffsfeld der Sitzordnung kodiert ist. So verwenden antike Autoren, wenn sie über das Mahl sprechen, immer wieder Begriffe aus dem Zusammenhang der Sitzordnung. 155 Diese These berücksichtigt, dass Wortfelder zu bestimmten Ausdrücken sehr groß sein können, und ist vor allem deshalb überzeugend, weil die alltäglichen gemeinschaftlichen Handlungen mit unterschiedlichen Akzenten beschrieben werden, es sich aber in jedem Fall um Hinweise auf die Mahlgemeinschaft handelt. Wichtig ist bei dieser Beobachtung, dass in diesem Sinne das gesamte Mahl durch das Einnehmen der Sitzordnung umschrieben werden kann. Wenn das Wortfeld der Sitzordnung der typischen Beschreibung des Mahls dient, dann steht diese Sprachregelung im Dienste der Beschreibung des Verhaltens der Mahlteil- 155 T AUSSIG 2009, 45 Anm. 74: „Klino, keimai (Luke 12: 19; John 21: 9; Rev. 4: 2), keisthai, and (occasionally) pipto, often as composite verbs with prepositional prefixes of ana, (anakeimai = Mtt. 9: 10; 22: 10; 22: 11; 26: 7; 26: 20; Mark 6: 26; 14: 18; 16: 14; Luke 22: 27; John 6: 11; 12: 2; 12: 3; 18: 28) (anaklino = Mtt. 8: 11; 14: 19; Mark 6: 39; 12: 37; 13: 29) (anapipto = Mtt. 15: 35; Mark 6: 40; 8: 6; Luke 11: 37; 14: 10; 17: 7; 22: 14; John 6: 10a; 6: 10b; 13: 12; 13: 25; 21: 20), syn (synanakeimai = Mtt.14: 9; Mark 2: 15; 6: 22; Luke 14: 10; 14: 15), kata (katakeimai = Mark 2: 15; 14: 3; Luke 5: 29; 7: 37; I Cor 8: 10) (kataklino = Luke 7: 36; 9: 14; 9: 15; 14: 8; 24: 30).“ Ritualtheoretische Exegese 160 nehmer, 156 genauer gesagt, für die typischen Verhaltensweisen der frühen christlichen Zusammenkünfte. 157 Die Sitzordnung erfüllt in der Mahlgemeinschaft besondere Funktionen. Vorerst ist festzuhalten, dass die Sitzordnung einen bestimmten Zweck erfüllen muss. Die Teilnehmer, die sich legen oder setzen, sollen sich ausruhen und gleichzeitig essen können. 158 Damit wird noch keine Aussage über den Anspruch der Mahlgemeinschaft auf sozialen Status o.Ä. gemacht, sondern lediglich der Zweck dieser Anordnung beim Essen bestimmt. Mehr oder weniger alle Teilnehmer liegen oder sitzen für mehrere Stunden zum Essen und Trinken in einem Raum. 159 Zu diesem Zweck erfüllt die Sitzordnung bestimmte soziale, politische und religiöse Funktionen. Dazu gehört vor allem die Sicherstellung der Gemeinschaft. Um eine Gemeinschaft intakt zu halten, muss über die Anordnung der Sitze ebenso entschieden werden wie über die Aufteilung der Portionen, die Reihenfolge der Ehrungen, die Benennung des Symposiarchen und über die finanzielle Unterstützung der Zusammenkünfte. 160 Obgleich sich griechische und römische Sitzordnungen in der Anordnung der Sitze unterscheiden, ist ihnen gemeinsam, dass es begehrte und weniger begehrte Plätze gibt. Von besonders prominenter Bedeutung ist der Platz zur Rechten des Symposiarchen, da dieser Sitz die Ehrung des Symposiarchen ausdrückt - am wenigsten anerkannt ist der Platz hinter dem Symposiarchen. 161 Es ist jedoch zu beachten, dass die Reihenfolge der Sitzordnung nicht mit dem sozialen Status in der Gesellschaft korrespondieren muss. Smith hält fest: „Clubs and associations were organized in such a way that individuals from a lower status in society could achieve a higher status designation at the club banquets based on their rank within the club.” 162 Wenn es also Teilnehmern aus niedrigeren sozialen Verhältnissen erlaubt ist, innerhalb der Mahlgemeinschaft einen höheren sozialen Rang einzunehmen, dann wird durch diesen Bruch mit den alltäglichen sozialen Realitäten einerseits das soziale Verhältnis außerhalb der Mahlgemeinschaft abgebildet und andererseits mit ihm experimentiert. 163 Abgebildet wird das soziale Verhältnis direkt durch den vermeintlichen Anspruch auf eine korrespondierende soziale Position innerhalb der Mahlgemeinschaft und 156 T AUSSIG 2009, 45. 157 So auch T AUSSIG 2009, 45. 158 T AUSSIG 2009, 23. 159 T AUSSIG 2009, 26. Neben dem Einnehmen der Sitze gehören auch das Deipnon und das Symposion, der Übergang zwischen den beiden Teilen des Mahls durch die Libation, die Rolle des Symposiarchen und die Personenkreise in der Minderheit (Diener, unerwartete Gäste, Entertainer und Hunde) zu der Typologie des hellenistischen Mahls. 160 T AUSSIG 2009, 27. Vgl. K LINGHARDT 1996, 155f. 161 T AUSSIG 2009, 69. 162 S MITH 2003, 11. 163 T AUSSIG 2009, 31. Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl 161 indirekt über die Variabilität, die in der Sitzordnung möglich ist. Allein die Möglichkeit, dass der beste Platz nicht von dem eingenommen werden muss, der außerhalb der Gruppe den höchsten sozialen Rang einnimmt, spielt mit sozialen Verhältnisbestimmungen. Die Sitzordnung ist folglich ritualtheoretisch signifikant für die Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl, da sie im Alltag der Teilnehmenden stattfindet und über ihre Variabilität der Anordnung wichtige Problemfelder innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft erkennen lässt. Über die sich verändernde tatsächliche körperliche Präsenz der Teilnehmer wird, durch zirkulierende Machtpositionen, eine Vergewisserung der Problemfelder und die „Anpassung“ der Realität angestrebt. Taussig bezieht sich auf Bells Studien, mit denen er darauf hinweist, dass in Mahlgemeinschaften soziale Werte verhandelt werden - nicht nur die der Gruppe, sondern auch die der Gesellschaft. 164 So fasst er in diesem Sinne zusammen: „The activity of eating at the Hellenistic meal becomes a complex rhythm of social gestures, relational patterns, and subtle oppositions to what ordinary eating would be in and of itself. Adding reclining, libation, and symposial activities to eating per se interweaves a number of basic human schemes of eating and drinking, leisure, ranking, and speaking in order to ‘provide a sense of objective reality’ that allows the appropriation of some experience, the rejection of other experience, and the conditioning of still other experience. The interweaving of these basic schemes creates an environment that is experienced as both an objective reality of something larger and a source of important values.“ 165 Mit J.Z. Smith kann Taussig zu Recht behaupten, dass Unterschiede und Differenzen gegenüber der Gesellschaft beim Einnehmen der Sitzordnung markiert und bemerkt werden, da es nicht unwahrscheinlich ist, dass nur wenige Teilnehmer außerhalb der Mahlgemeinschaft in den Genuss der Ruhe und der reichlichen Speisen kommen. 166 Eine objektive Realität zu kreieren, die innerhalb der Mahlsituation gültig ist, und ihre Fähigkeit, Probleme und Differenzen gegenüber der Realität außerhalb der Mahlgemeinschaft aufzuzeigen, sind die zentralen Leistungen der Anordnung der Sitze. Kein anderes Element des hellenistischen Mahls hat die Fähigkeit, in so verdichteter Form über realisierte körperliche Performanz eine idealisierte, einheitliche und damit heterotope Gemeinschaft erleben zu lassen. Dies verbindet sich mit J.Z. Smiths Verständnis für Perfektionierung und trifft auf die neutestamentlichen Spannungen zwischen der Identität der Einzelnen und der Gruppe zu. Es konnte gezeigt werden, dass das Wortfeld der Sitzordnung der typischen Beschreibung des Mahls dient, da die Sitzordnung in der Mahlgemeinschaft besondere soziale und gesellschaftliche 164 T AUSSIG 2009, 59. 165 T AUSSIG 2009, 59. 166 T AUSSIG 2009, 69. Ritualtheoretische Exegese 162 Funktionen erfüllt. Besonders zentral ist die Entscheidung über die Sitzordnung, genauer über die Variabilität der Anordnung, die wichtige Problemfelder innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft erkennen lässt. So wird eine objektive Realität kreiert, die innerhalb der Mahlsituation gültig ist und dennoch die Realität außerhalb nicht verleugnet. Die ritualtheoretische Exegese wird zeigen, wie Paulus die Spannung zwischen den Einzelnen und der Gemeinschaft in den Abschnitten über die Mahlgemeinschaften thematisiert. 4. Ritualtheoretische Exegese der paulinischen Texte Die ritualtheoretische Exegese wird berücksichtigen, dass Paulus in der Beschreibung des kuriako\n dei pnon die idealisierte Form des hellenistischen Mahls in der Spannung zwischen der Realität des Einzelnen und der Gruppe darstellt und den performativen Akt der alltäglichen Sitzordnung als erlebbare Instanz heranzieht. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass Paulus in seinem Vokabular über die Mahlgemeinschaften die Sitzordnung impliziert hat. Das bedeutet, dass die Darstellung der Probleme und Differenzen, die Paulus beschreibt, im Rahmen der Sitzordnung zu suchen sind. Mit anderen Worten ist die Sitzordnung der sozialhistorische Hintergrund, vor dem verstanden werden kann, auf welche Weise Paulus die Probleme und Differenzen zwischen Interaktionen unter Einzelnen und Partizipationen an der Gemeinschaft ansprechen kann. a) Gal 2,11-14 Gal 2,11-14 ist in besonderer Weise von den Konflikten zwischen Einzelnen und Gruppen geprägt und nimmt hinsichtlich der benutzten Begriffe abermals eine Sonderstellung ein. Einzelne und Gruppen werden hier von Paulus entgegen den anderen Abschnitten mit Namen genannt. Während Paulus in den anderen Briefen koinwni÷a und aÓdelfo/ ß bzw. koinwno/ ß gegenüberstellt, benennt er im Galaterbrief Gruppen und Einzelne sehr konkret. Gruppen sind die ta» e¶qnh (Gal 2,12.14), tou\ß e˙kperitomhvß (Gal 2,12), oi˚ loipoi« Ioudai oi (Gal 2,13). Es ist auffallend, dass diese Gruppen von Paulus fast einheitlich negativ bewertet werden. Es spricht vieles dafür, dass ta» e¶qnh für Paulus kein positiv besetzter Begriff ist. Brigitte Kahl legte in ihrem Vortrag auf der SBL 2008 in Boston dar, dass ta» e¶qnh im neutestamentlichen Gebrauch ohne Zweifel negativ konnotiert war. Sie schreibt: „Ethnikos, in fact, does have a negative connotation in every single one of the four other New Testament occurrences. The term - 3 times in Matthew (6: 7; 18: 17) and once in 3John 1: 7clearly signifies the out-group, the non-brothers of the ekklesia. In Mt 5: 47 e.g. it refers to ‘ordinary’ decent behavior practiced even by tax collectors and ethnikoi: loving those who love you, and greet only your brothers - whereas Jesus requires extraordinary gestures of inclusion towards the Others, even enemies. Out-group behavior that doesn’t practice the radical Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl 163 messianic inclusion of Jew and Gentiles, Self and Other would well fit into Paul’s ‘Diatribe’ against Peter at Antioch.” 167 Mit ta» e¶qnh wird folglich die “andere” Gruppe bezeichnet, die nur für sich und ihresgleichen existiert und nicht an der messianischen Botschaft beteiligt ist. Durch die Wiederholung in Gal 2,14 wird deutlich, dass Paulus sich der Sprache seiner Widersacher annimmt und diese ironisch konnotiert. Wie die ta» e¶qnh zu leben, bedeutet, der Idolatrie näher zu sein als der Gemeinschaft in Christus, und es bedeutet gleichermaßen, auch das Jüdisch-Sein dieser Gemeinschaft vorzuziehen. 168 In diesem Sinne sind auch die Bezeichnungen tou\ß e˙kperitomhvß (Gal 2,12) und oi˚ loipoi« Ioudai oi (Gal 2,13) nicht positiv konnotiert, da diese Ausdrücke in dem Konflikt in Antiochia verdeutlichen, dass sich Kephas, anstatt für die Gemeinschaft der Christusgläubigen, unter Druck für die „comfort zone“ des homogenen Gemeinschaftsmahls entschieden hat. 169 Die Gruppen, die Paulus in Gal 2,11-14 anspricht, sind folglich keine idealen Gemeinschaften, welche mit der koinwni÷a zu vergleichen wären. Und auch die Einzelnen - Kephas (Gal 2,11), einer von Jakobus (Gal 2,12) und Barnabas (Gal 2,13) - werden von Paulus nicht in ein positives Licht gerückt. Kephas verurteilte sich selbst durch sein Verhalten (Gal 2,11), zog sich zurück und sonderte sich aus Furcht von der Gemeinschaft ab (Gal 2,12). Barnabas verlor sich in Heuchelei und sonderte sich von der Gemeinschaft ab. Von welcher Gemeinschaft sonderte er sich ab? Wo ist die koinwni÷a, wenn dieser Abschnitt ausschließlich von konfliktbeladener Interaktion geprägt ist? Die koinwni÷a findet im gemeinsamen Mahl statt, im sunesqi÷ein, dem Zusammensitzen von Juden und Nationen, das gegen alle Logik der vorherrschenden Mächte zum Trotz in Antiochia praktiziert wird. 170 Gleich der Transformation, die Paulus in Damaskus erlebt hat, spricht er dieser Mahlgemeinschaft, genauer dieser Sitzordnung, zu, die Mahlgemeinschaft des kuriako\n dei pnon zu sein, oder, mit Kahl gesprochen: „[H]e [Paul] had to bring Jews and Gentiles together at the One table that transforms One and Other into One-an(d)-Other: the table of the new creation.“ 171 Ritualtheoretisch lässt sich zusammenfassend feststellen, dass Paulus in Gal 2,11-14 die Probleme außerhalb der Mahlgemeinschaft aufzeigt, welche den Hintergrund seiner idealisierten Erzählung bilden. Mit J.Z. Smith wird aufgrund einer weiteren Perspektive der Betrachtung von Gal 2,11-14 deutlich, dass Paulus in seinem Brief die Probleme und Differenzen einer Realität aufzeigt, die noch nicht in seinem Interesse perfektioniert wurde. Reale körperliche Präsenz in Mahlgemeinschaften, aber auch das Urteil über die Beschneidung werden von Paulus in dem Maße betont, dass sie sich ge- 167 K AHL 2008, 2. 168 K AHL 2005, 42. 169 K AHL 2005, 42. 170 Vgl. K AHL 2005, 40. 171 K AHL 2005, 41. Ritualtheoretische Exegese 164 genseitig ausschließen. Für die alltägliche Realisierung des kuriako\n dei pnon ist eine Sitzordnung von Juden und Nationen entscheidend - nicht aber die Beschneidung der Menschen aus den Nationen. An Gal 2,11-14 ist deutlich geworden, dass Paulus in Antiochia die Ausübung einer Identität im kuriako\n dei pnon durch die Interaktionen Einzelner nicht aufrechterhalten sieht. b) Röm 14,1-15,7 und 1Kor 8-10 Im 1Kor ist die Identifizierung von Einzelnen und Gruppen nicht namentlich, statt dessen unterscheidet Paulus die Einzelnen und die Gemeinschaft über die Begriffe koinwni÷a, kata¿keimai, sune÷rcomai, sw ~ ma touv Cristouv und aÓdelfo/ ß bzw. koinwno/ ß. Während der Begriff aÓdelfo/ ß in 1Kor 8.11 paradigmatisch verwendet wird, wird er in 1Kor 10 nicht verwendet. Stattdessen wählt Paulus in 1Kor 10 koinwno/ ß. Das Begriffsfeld der Gemeinschaft ist wesentlich vielfältiger. Auffallend ist, dass es keine übereinstimmenden Formulierungen gibt. Kata¿keimai wird in 1Kor 8, sw ~ ma touv Cristouv und koinwni÷a in 1Kor 10 und sune÷rcomai in 1Kor 11 verwendet. Aufgrund der inhaltlichen Nähe wird 1Kor 8-10 gemeinsam mit Röm 14 besprochen. Es wird allerdings mit Röm 14 begonnen, da Paulus hier vergleichbar mit Gal 2,11-14 nur von der Interaktion, nur von aÓdelfo/ ß spricht. c) Röm 14,1-15,7 Adelfo/ ß wird von Paulus insgesamt 10 Mal in den relevanten Abschnitten gebraucht, fünf Mal in Röm 14 (Röm 14,10.13.15.21), vier Mal in 1Kor 8,11- 13 und ein Mal in 1Kor 11. Röm 14,10.13.15.21können ritualtheoretisch als Ausdruck von konfliktbelasteter Interaktion gelesen werden. Ein Bruder kann gerichtet und verachtet werden (Röm 14,10), er kann Anstoß oder Ärgernis verursachen (Röm 14,13) und man kann ihn mit Speisen betrüben (Röm 14,15.21). Liest man Röm 14,10 zusammen mit 14,11-12, wird deutlich, dass Paulus den Einzelnen, der für sich selbst Rechenschaft abgeben muss, so in den Vordergrund stellt, dass seine Selbstverfügung einerseits geschätzt und andererseits, wenn sie sich gegen den anderen richtet, abgewertet wird. Paulus lässt dem über sich selbst verfügenden Bruder demzufolge die Möglichkeit offen, eine Interaktion mit einem anderen Bruder zu gestalten, die sich zu einer Partizipation am Gemeinschaftsmahl entwickeln kann, allerdings nur, wenn Probleme und Differenzen anerkannt werden. Diese Unterschiede in der Interaktion, die zu der Zerstörung des anderen und der Gemeinschaft führen können, werden in Röm 14 und 1Kor 8-10 unter den Topoi „Starke“ und „Schwache“ behandelt. In 14,13 wird ersichtlich, dass das Austragen der Probleme und Differenzen zur Zerstörung der Gemeinschaft führt. 14,15-17 macht das noch deutlicher: Die Gemeinschaft kann sich nur als ein Leib verstehen, wenn sich Interaktionen zu Partizipationen wandeln, denn die Mahlgemeinschaft existiert Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl 165 immer in Abhängigkeit von der Beeinflussung des anderen Bruders. Essen soll ein Teil der Partizipation am kuriako\n dei pnon werden, ohne dass es zur Betrübung des Bruders führt. Bemerkenswert ist, dass Paulus trotz der Darstellung der Gefahren implizit von einer idealen Situation ausgeht. Um aus dieser idealen Realität eine heterotope Realität zu kreieren, muss allerdings die richtige Ordnung eingehalten werden. Taussigs These, dass die Sitzordnung als Topos für das gesamte Mahl angesehen werden kann, verdeutlicht sich in der Betrachtung von Röm 14, denn nur durch die richtige Anordnung der Teilnehmer kann verhindert werden, dass Interaktion zwischen den Teilnehmern zum gegenseitigen Richten, zu Verachtung, Anstoß, Ärgernis und Trübsal wird. d) 1Kor 8 Inhaltlich sehr nahe, aber mit einem anderen ritualtheoretischen Akzent sind die Kapitel 1Kor 8.10. In 1Kor 8,10-13 benutzt Paulus vier Mal aÓdelfo/ ß zusammen mit der einmaligen Nennung von kata¿keimai in 1Kor 8,10. Kata¿keimai wird in 1Kor 8,10 für die Partizipation am Tisch des Tempels anderer Götter verwendet. Als Auftakt zu 1Kor 8,11-13, wo Paulus vor der Vernichtung des Bruders warnt, ist kata¿keimai Teil einer ironischen Argumentationskette an die Korinther. Ironisch ist die Argumentationskette deshalb, weil der Sitzordnung im Tempel des anderen Gottes die Form von Partizipation zugesprochen wird, die auch die Mahlgemeinschaft beim kuriako\n dei pnon erreichen könnte. Die Irritation besteht für Paulus nicht während der Partizipation am Mahl des anderen Gottes, sondern zwischen den Brüdern, die in der Gemeinschaft der Christusgläubigen sind und durch das Verhalten des anderen in hohem Maße gestört werden. „Störung“ trifft nicht Paulus Worte - er redet von „Vernichtung“, „Sünde“ und „Ärgernis“. Kata¿keimai ist folglich auch Ausdruck von Partizipation - für die Christusgläubigen allerdings nicht die richtige, da die Partizipation am Tisch des anderen Gottes die Partizipation aller am kuriako\n dei pnon stören kann. Die Verweise auf den schwachen Bruder in 1Kor 8,11-13 zeigen, wohin die Interaktion zwischen den Brüdern führen kann. Paulus lehnt diese Streitigkeiten strikt ab und geht sogar so weit, selbst vom Fleisch abzusehen, wenn es die Partizipation am und damit die Ordnung im kuriako\n dei pnon sicher stellt. Ritualtheoretisch gesprochen schildert Paulus in 1Kor 8, dass die „Anpassung“ der Realität nur unter gewissen Umständen möglich ist. Es reicht für die Gemeinschaft in Korinth nicht aus, sich der Unterschiede zu vergewissern, sondern es wird von ihnen gefordert, Konsequenzen aus den Problemen und Differenzen zu ziehen - notfalls auch persönliche Konsequenzen, wie die völlige Abstinenz von Fleisch. Die Perfektionierung ihrer Mahlsituation kann folglich nur dann gelingen, wenn die Teilnehmer am kuriako\n dei pnon nicht zusätzlich an Idolatrie partizipieren. In diesem Sinne werden von Paulus die Bedingun- Ritualtheoretische Exegese 166 gen für eine gelungene Perfektionierung der eigenen Sitzordnung gestellt, die er in 1Kor 10 thematisieren wird. e) 1Kor 10 Im Zentrum von 1Kor 10 steht für die ritualtheoretische Betrachtung der Identifikationsausübung innerhalb des Mahls die Formulierung in 1Kor 10,16. Hier beschreibt Paulus die koinwni÷a als die des Blutes und des Leibes Christi. Die Kombination von koinwni÷a und sw ~ ma touv Cristouv bzw. ai-ma touv Cristouv hat über mehrere Generationen die neutestamentliche Wissenschaft beschäftigt. Hier werden nur die Studien betrachtet, die 1Kor 10,16ff mit dem kuriako\n dei pnon in Verbindung bringen und danach fragen, inwieweit sw ~ ma touv Cristouv bzw. ai-ma touv Cristouv zur Identität der Gemeinschaft als koinwni÷a beigetragen haben. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang Ernst Käsemanns Monographie Leib und Leib Christi: Eine Untersuchung zur paulinischen Begrifflichkeit von 1933. 172 Käsemann ist in dieser Studie darum bemüht, die gnostischen Einflüsse in der Christologie des Paulus zu identifizieren. Käsemanns christozentrische Aussagen wurzeln in der Idee, dass Speise als Gemeinschaft am Christusleib verstanden wird. Dahin gehend kann er feststellen, dass in der „Identität der sakramentalen Speise mit dem Christusleib eben nicht die Menschen den Leib konstituieren.“ 173 In der Gegenüberstellung von mete÷cw stellt er fest, dass sich koinwni÷a und mete÷cw in einem abgestuften Verhältnis zueinander befinden, da in der koinwni÷a die Partner nicht Menschen im „Ich-Du Verhältnis“ sind, sondern Christus, Geist, Glaube, Evangelium, Dienst und objektive Realitäten darstellen. 174 Aus dem sakramental begründeten „Anteilsein“ leitet er ab, dass mit koinwni÷a immer ein Schuld-, Dienst- oder Gnaden-Verhältnis einhergeht. 175 Käsemann argumentiert in einem weiteren Schritt, dass der paulinischen Formulierung ein jüdischer Terminus zu „Fleisch und Blut“ zu Grunde liegt, die er für seine Zwecke „modifiziert“ hat. 176 Er betont hierin, dass zwischen 1Kor 10,16 und 1Kor 10,17 der Fokus geändert wird. Während 1Kor 10,16 für Käsemann noch die urchristliche Tradition mit der paulinischen Modifikation aufrechterhält, so bezieht sich Paulus in 1Kor 10,17 allein auf a‡rtoß, das die koinwni÷a mit dem Christusleib symbolisiert. 177 Obgleich die Akzente aus ritualtheoretischen Überlegungen anders gesetzt sind, da der Gegenüberstellung von koinwni÷a und mete÷cw keine heuristische Aufgabe zuge- 172 K ÄSEMANN 1933, 162.174-179. 173 K ÄSEMANN 1933, 162. 174 K ÄSEMANN 1933, 175. Er übersetzt koinwni÷a daher nicht mit „Gemeinschaft“, sondern mit „Teilhabe“ und betont damit die untergeordnete Rolle des Menschen gegenüber Christus. 175 K ÄSEMANN 1933, 175. 176 K ÄSEMANN 1933, 176. 177 K ÄSEMANN 1933, 176. Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl 167 sprochen und auch das sakramentale Verständnis hinterfragt wird, kann man mit Käsemann darin übereinstimmen, dass Paulus ein „Ich-Du Verhältnis“ der koinwni÷a gegenüberstellt. Ungeachtet der Theologie, die hinter Käsemanns Interpretation von Röm 15,27 steht, kann aus ritualtheoretischer Sicht betont werden, dass gerade in der koinwni÷a Machtverhältnisse verhandelt werden. Mit Studien zur Sitzordnung kann festgestellt werden, dass es Paulus in 1Kor 10,16 zum Kreieren einer objektiven Realität für nötig hält, das „Ich-Du Verhältnis“ aus der koinwni÷a auszuschließen. In diesem Sinne wird Käsemanns Aufmerksamkeit gegenüber der „Modifizierung“ verstanden, ohne dass von einer Modifizierung des Judentums ausgegangen werden muss. Käsemann äußert sich schon fast ritualtheoretisch mit seinen abschließenden Bemerkungen, dass „es Paulus so sehr auf die Ordnung des Herrenmahls ankommt: Eine Proklamation muss sich ‘rite’ vollziehen, um wirksam zu werden. Andernfalls wird man schuldig oder setzt sich dem Gericht aus. Hat man doch den Unterschied zwischen der alten Weltordnung und der neuen Heilsordnung nicht beachtet, das Gebaren der Welt nicht von dem wirklich geordneten Christusleibe ‘unterschieden’“. 178 Im selben Jahr wie Käsemanns Monographie erschien Heinrich Seesemanns Studie Der Begriff KOINONIA im Neuen Testament 179 . Seesemann verortet die Bestimmung des Begriffs sw ~ ma touv Cristouv in der Fragestellung nach dem irdischen (bzw. erhöhten) Herrn oder dem pneumatischen, mystischen Leib Christi. In seiner Studie grenzt er sich gegen von Soden und Schweizer ab, die darin Anhaltspunkte für den pneumatischen, mystischen Leib Christi bestätigt sehen. Abgesehen von diesem Diskurs der theologischen Schulen ist Seesemanns Argumentation für den irdischen, geschichtlichen Bezug auch ritualtheoretisch von Bedeutung. In seiner Arbeit zu 1Kor 10,16 zieht er den Kolosserbrief zu Rate, da er hierin nähere Erläuterungen zu dem Begriff sw ~ ma touv Cristouv findet. Für Seesemann wird in diesen beiden Briefen die Relevanz einer doppelten Beziehung des Ausdruckes betont. Zum einen steht sw ~ ma touv Cristouv für den „Leib des irdischen, geschichtlichen Herrn, aber dann auch für die Gemeinde“. 180 Seesemann hält an diesem Paradigma fest und überträgt es auf 1Kor 11. Er macht erkennbar, dass sich sw ma immer auf „den Leib des geschichtlichen Herrn“ bezieht, da ein Wechseln zwischen dem geschichtlichen und dem pneumatischen Bezug Jesu von Paulus deutlicher hervorgehoben werden müsste. 181 Daher ist es für ihn ausgeschlossen, dass sw ma in 1Kor 10 und 178 K ÄSEMANN 1933, 179. 179 S EESEMANN 1933, 35-86. Seesemann schreibt gleichzeitig zu J.Y. Campbell, dessen Studie zum Thema 1932 erschien. Seesemann nimmt Campbells Veröffentlichung vor seiner zur Kenntnis und würdigt die Diskussion nicht-biblischer Schriften (siehe: B AUMERT 2003, 11). 180 S EESEMANN 1933, 36. 181 S EESEMANN 1933, 38. Ritualtheoretische Exegese 168 11 eine andere Bedeutung tragen könnte. 182 Anders, nämlich dass sw ma für die Person steht und dass damit auch ai-ma einen Teil der Person, das Blut, beschreibt, kann Seesemann sich den Parallelismus zwischen sw ma und ai-ma nicht erklären. 183 Ai-ma wird demgemäß als „Lebensstoff“ verstanden. 184 Zum anderen spricht sich Seesemann, vergleichbar mit Käsemann, dafür aus, dass koinwni÷a aus der Unterscheidung zu mete÷cw verstanden werden sollte. Koinwni÷a umfasst gegenüber mete÷cw ein weitaus größeres Bedeutungsspektrum, das über „Anteil haben“ hinaus auch das „Verbundensein“ mit einschließt, und koinwni÷a e¶stin steht für das Mittel zur Erlangung der Gemeinschaft. 185 „Bei dieser Auffassung der koinwni÷a besagt v. 16 [sic.], dass das Trinken des Kelches und das Essen des Brotes ein Anteilhaben an, ein Einswerden mit dem Blut und Leib Christi vermitteln.“ 186 Wo Seesemann die Beziehung zwischen sw ma und ai-ma noch klären konnte, da kommt er bei sw ma und a‡rtoß an seine Grenzen. Wie Paulus diese Verbindung in 1Kor 10,16 gedacht hat, ist für Seesemann nicht mit Sicherheit auszumachen, obgleich für ihn vieles darauf hindeutet, dass 1Kor 10,16 auf den geistlichen Leib hinweist. 187 Es ist an Seesemanns Studie sehr deutlich zu erkennen, dass sich Seesemann, verwickelt in die theologischen Streitigkeiten um den irdischen (bzw. erhöhten) Herrn oder den pneumatischen, mystischen Leib Christi, in seiner Argumentation kaum Spielraum schaffen kann. Spannend sind dennoch die Stellen, in denen er Stärken seiner Position, die den pneumatischen, mystischen Leib Christi ablehnt, betont und Kompromisse eingeht. Sehr überzeugend ist sein Hinweis auf die geschichtlichen Bezüge, die m.E. nicht durch die historische Rekonstruktion, sondern durch den Hinweis auf das Alltägliche an Relevanz gewinnen. Deutlich zu machen, dass sw ~ ma touv Cristouv für den „Leib des irdischen, geschichtlichen Herrn“ und auch für die Gemeinde stehen kann, verortet 1Kor 10,16 aus ritualtheoretischer Sicht bei dem Christus, welcher der Gemeinschaft in seinem rituellen Verhalten als Vorbild gereicht. Seesemanns Argumentation gewinnt durch die nötigen Kompromisse, die er aufgrund des Textes eingehen muss. Seesemann bestätigt, dass koinwni÷a und mete÷cw viele Inhalte miteinander teilen - und bestätigt damit die ritualtheoretische Annahme, dass koinwni÷a eine Form der Partizipation ausdrückt. Seesemann kommt freilich an seine Grenzen, wenn er zu erklären versucht, wie sw ma und a‡rtoß zueinanderstehen, da er das kuriako\n dei pnon als theologisches Konzept und nicht als hellenistisches Ritual auf- 182 S EESEMANN 1933, 38. 183 S EESEMANN 1933, 38f: „Wenn sw ma = Person ist, so umschließt es doch alles, was zur Person gehört, d. h. auch das Blut! “ 184 S EESEMANN 1933, 39. 185 S EESEMANN 1933, 43. 186 S EESEMANN 1933, 44. 187 S EESEMANN 1933, 46. Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl 169 fasst. Doch der „Ordnungsgedanke“, den er mit T. Schmidt wahrnimmt, der „immer doch zugleich eine Beziehung auf Christus“ 188 einschließt, könnte die Interpretation innerhalb eines Rituals nicht besser beschreiben. Die Auseinandersetzungen um den irdischen (bzw. erhöhten) Herrn oder den pneumatischen, mystischen Leib Christi werden unerheblich, da ritualtheoretisch ersichtlich ist, dass Paulus auf das hellenistische Ritual Bezug nimmt. In diesem Sinne findet im Ritual sowohl die Vergewisserung des Historischen im Alltäglichen als auch die utopische Relevanz des Perfektionierten statt. Die Möglichkeit sw ma und a‡rtoß so miteinander in Verbindung zu setzen, ist ein eindeutiges Zeichen für das rituelle Vermögen, Alltägliches mit dem Perfektionierten in Verbindung zu bringen. Eine weitere sehr wichtige Studie wurde 1942 von Ernst Percy mit dem Titel Der Leib Christi (Soma Christou) in den Paulinischen Homologumena und Antilegomena veröffentlicht. Auch Percy beschäftigt sich mit der scheinbaren Differenz zwischen dem Leib des Auferstandenen (Phil 3,21) und dem Leib, an dem die Gläubigen Anteil haben (1Kor 10,16; 11,24.29), und fragt sich, wie beide Begriffe als Leib Christi bezeichnet werden können. 189 Seine Antwort bekräftigt, dass die Gemeinschaft als sw ~ ma touv Cristouv zusammen mit e˙n Cristwˆ verstanden werden muss. 190 Percy spricht im Gegensatz zu Käsemann und Seesemann nicht von „Anteil haben“ oder „Verbundensein“, sondern benutzt christozentrische Formulierungen wie etwa die von der „Einwohnung Christi in den Gläubigen“. 191 Er geht davon aus, dass die Gemeinde als Leib Christi nur in Christus existiert und mit ihm identisch ist. 192 Spannend ist, dass Percy mit dieser Existenz der Gemeinschaft ihr Sichtbarwerden assoziiert. Obgleich sie in „ihrer Eigenschaft etwas für die Welt Unsichtbares“ ist, sind ihre verschiedenen Glieder für die Welt dennoch sichtbar. Sofern die unterschiedlichen Glieder für die Welt sichtbar sind, sind auch die Träger samt ihren Wirkungen sichtbar. 193 Percy wurde für die ritualtheoretische Exegese an diesem Punkt herangezogen, weil er mit dem Sichtbarwerden der unterschiedlichen Glieder für die Welt die Performanz der koinwni÷a betont. Ritualtheoretisch ist dieser Aspekt des Mahls wichtig, da das Sichtbarmachen der Probleme und Differenzen ebenso Teil des Rituals ist wie auch die Partizipation an der Heterotopie der Gemeinschaft. Zusammenfassend ist zu dem Verständnis von koinwni÷a in 1Kor 10,16 festzuhalten, dass hier nicht das „Mittel zur Erlangung der Gemeinschaft“ beschrieben wird, sondern die Gemeinschaft durch Teilhabe an etwas, hier dem hellenistischen Mahl. 194 Hier wurde die Interpretation von mete÷cw 188 S EESEMANN 1933, 47. 189 P ERCY 1942, 17. 190 P ERCY 1942, 44. 191 P ERCY 1942, 44. 192 P ERCY 1942, 45. 193 P ERCY 1942, 45. 194 Vgl. H AINZ 1982, 19. Ritualtheoretische Exegese 170 wichtig, denn in diesem Sinne dient mete÷cw als Bekräftigung der Teilhabe und konkretisiert die Teilhabe am hellenistischen Mahl in 1Kor 10,17.21. Mit Josef Hainz wird davon ausgegangen, dass die gesamte Teilhabe an diesem einen Brot zugleich das Einswerden der Vielen in einem Leib bedeutet. 195 Liest man koinwni÷a und mete÷cw gemeinsam als Umschreibung der Partizipation an etwas, dann erübrigt sich die klassische Gegenüberstellung der beiden Begriffe. Diese Interpretation wird auch durch neuere Forschungen zu den Begriffen bestätigt, so durch Norbert Baumert, der in seiner Studie festhält, dass in 1Kor 10,16 Wein und Brot symbolisch die Gemeinde darstellen. 196 Das Zusammendenken von koinwni÷a und mete÷cw ermöglicht es auch, diese beiden Begriffe innerhalb eines größeren Wortfeldes zu interpretieren, das die gemeinschaftliche Partizipation an etwas, hier dem hellenistischen Mahl, beschreibt. Man ist mit anderen Worten nicht mehr gezwungen, koinwni÷a von den anderen Begriffen zu isolieren und koinwni÷a als paulinische „Modifikation“ (Käsemann) zu betrachten. Die ritualtheoretische Exegese hat es am Beispiel von 1Kor 10,16 auch möglich gemacht, die Differenz zwischen den historischen und den mystischen Kategorien in der Diskussion um den irdischen (bzw. erhöhten) Herrn oder dem pneumatischen, mystischen Leib Christi aufzuheben. Wenn die Gemeinschaft in diesem Sinne Leib Christi ist, dann verbindet sich im alltäglichen Ritual die Vergewisserung der Verbindung von alltäglicher Performanz und heterotoper Perfektion. Koinwni÷a steht damit, wie alle weiteren Begriffe, für die gemeinschaftliche Partizipation und nicht für die Interaktion zwischen den Teilnehmern. 197 Eine Differenzierung soll aus diesem Grund besser zwischen koinwni÷a und koinwno/ ß (1Kor 10,18.20) erfolgen. 198 1Kor 10,18.20) spricht folglich nicht von dieser koinwni÷a. Gerade in den inhaltlichen Bezügen wird deutlich, dass Paulus koinwnoi÷ bewusst der koinwni÷a gegenüberstellt, denn diejenigen, die Schachtopfer essen und Gemeinschaft mit den Dämonen haben, haben Teil an Idolatrie - und Idolatrie steht der Partizipation am Leib Christi diametral gegenüber. Ritualtheoretisch bestätigt sich, dass das die Gegensätzlichkeit ist, die Pau- 195 H AINZ 1982, 19. 196 B AUMERT 2003, 197: “Dann ‘ist’ das Brot der ekklesiale ‘Leib Christi’, der allein berechtig ist, dieses Brot zu brechen und zu essen.” Vgl. auch S. 391. Baumert interpretiert auch die Verse 10,1-5 nicht sakramental, sondern bezieht die “Taufe” als Symbolhandlung und das Mahl auf die Volkbzw. Kirchwerdung. 197 B AUMERT 2003, 310 formuliert in diesem Zusammenhang seine These: Koinwni÷a heißt entweder Gemeinschaft oder Mitteilung. Mit „Gemeinschaft“ wird es übersetzt, wenn es bei Sachbegriffen um eine Verbindung geht (etwas „haben“), und mit „Mitteilung“ dann, wenn es um die „Mitteilung“ neuer Perspektiven geht. Er sieht „Mitteilung“ besonders für 1Kor 1,9, Phil 2,1; 3,10 und 2Kor 13,13 bestätigt. Für die ritualtheoretischen Studien ist besonders der Bedeutungszusammenhang der „Gemeinschaft der Besitzer“ relevant. Besitz wird allerdings kein materielles Gut, sondern die gemeinschaftliche Partizipation am Mahl. 198 Der koinwno/ ß ist folglich kein „Teilhaber“, sondern ein „Gefährte“ (B AUMERT 2003, 321). Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl 171 lus in 1Kor 10 ausdrückt, da die Partizipation am kuriako\n dei pnon den Gottesdienst für andere Götter ausschließt. Für 1Kor 10,16 und 1Kor 10,17 gilt also, dass die Gemeinschaft in V16 grundgelegt und in V17 expliziert wird. 199 Die Gemeinschaft mit Christus besteht aus Partizipienten, die sich gemeinsam als Leib Christi konstituieren und daher nicht am Gottesdienst für andere Götter teilnehmen können. 1Kor 10,16 als Teil des hellenistischen Rituals zu sehen, in dem die Sitzordnung als „Ordnungsgedanke“ den Charakter des Mahls bestimmt, ermöglicht es zu verstehen, warum Paulus alltägliche Handlungen der Gemeinschaft und ihre perfektionierenden Tendenzen nutzt, um mit dem Sichtbarmachen der Performanz die Identität als Leib Christi zu bekräftigen. In diesem Sinne etabliert Paulus eine Heterotopie, die sich in der Identität der Mahlteilnehmer als Leib Christi manifestiert. f) 1Kor 11,17-34 1Kor 11 ist deutlich von sune÷rcomai geprägt . Von den sieben Belegen in den paulinischen Briefen finden sich fünf in den Abschnitten zum kuriako\n dei pnon (1Kor 11,17-18.20.33-34). Wie bereits erwähnt, steht sune÷rcomai bei Paulus für das Zusammenkommen der Gruppe und wird von Paulus bewusst gebraucht. Vergleichbar mit kata¿keimai wird sune÷rcomai von Paulus für das „Zusammenkommen zum Schlechteren“ verwendet. Hier, wie auch in 1Kor 8,10, wird von ihm nicht angezweifelt, dass es die Partizipation an einem Mahl eines anderen Gottes oder an etwas Schlechtem geben kann; Paulus ist lediglich dagegen, dass die Gemeinschaft als Leib Christi in diesem Sinne zusammenkommt. V18 bestätigt diesen Hinweis dahin gehend, dass Paulus die Spaltungen als Gefahr für die Gemeinschaft versteht. Wie in Röm 14 wendet sich Paulus sehr schroff gegen das Verhalten der Gruppe und es erscheint bald so, als verkenne er, dass das Sichtbarmachen von Konfliktfeldern Teil des Rituals ist. In diesem Sinne bildet 1Kor 11,20 die Spitze seiner Ansprache, indem er der Gemeinschaft das Zusammenkommen im kuriako\n dei pnon abspricht. In 1Kor 11,33 nimmt Paulus die Warnung vor den Spaltungen wieder auf. Sie richtet sich an seine Brüder, denen er zuvor zugetraut hat, gegen die jeweils anderen Brüder zu sündigen und ihnen ein Ärgernis zu sein (1Kor 8,11-13). 1Kor 11,33.34 beschreiben nun sehr genau, welche Ordnungen eingehalten werden müssen, um zum gemeinsamen Mahl und damit zur gemeinsamen Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl zusammen zu kommen. Es soll aufeinander gewartet werden und man soll nicht hungrig zum Mahl kommen. Die weiteren Hinweise lässt Paulus offen, so dass sich nur vermuten lässt, welche Anordnungen er bezüglich der Sitzordnung noch hätte geben können. Möglicherweise hätte er fordern können, dass die Teilnehmer den Aufforderungen des Symposiarchen folgen, dass sie 199 H AINZ 1982, 26. Ritualtheoretische Exegese 172 essen und trinken, wie es die Mahlordnung verlangt, dass sie ihre Plätze nicht tauschen, dass sie keine ungeladenen Gäste hineinlassen und dass sie sich beim Essen und Trinken beherrschen. Das alles bleibt ungeklärt. Deutlich ist nur, dass Paulus die Störungen des kuriako\n dei pnon minimieren will. Ritualtheoretisch ist in 1Kor 11 auffällig, dass Paulus zwar auf problematische Ereignisse oder Verhaltensweisen aufmerksam macht, sie aber nicht als Teil der Verhandlungen zur objektiven Realität ansieht. In 1Kor 11,17.18.20 wird deutlich, dass Paulus die Balance zwischen dem Sichtbarmachen der Differenzen und Probleme und dem Urteil über die Interaktion der Mahlteilnehmer nur schwer halten kann. Man gewinnt den Eindruck, dass er die Grenze zwischen einer problematischen Interaktion des Einzelnen, der beispielsweise hungern muss, und der gelungenen Partizipation am kuriako\n dei pnon nicht deutlich ziehen kann, weil sich Interaktion und Partizipation durch bestimmte Lebensumstände nicht voneinander trennen lassen. Ist jemand hungrig, so kann er nur dann zu Hause essen, wenn er auch etwas zum Essen zu Hause hat. Ansonsten wird er diesen Konflikt mit zum kuriako\n dei pnon bringen, welches nicht in erster Linie der Sättigung dient. Eventuell wird er damit die Ordnung durch sein Verhalten stören. Zusammenfassend schildert Paulus in diesen wenigen Versen (1Kor 11,17.18.20.33-34), dass es Grenzen der Partizipation gibt, die verhindern, dass eine neu realisierte körperliche Performanz eine idealisierte, einheitliche, ja heterotope, Gemeinschaft erleben lässt. 5. Zusammenfassung Die ritualtheoretische Exegese hat sich, auch was die Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl angeht, als eine besonders geeignete Methode erwiesen, um zu zeigen, inwieweit soziale Praktiken in den Texten verarbeitet und verhandelt werden. An der Sitzordnung konnte gezeigt werden, dass Gruppen im alltäglichen Ritual sowohl Probleme und Differenzen als auch perfektionierende Tendenzen aufweisen können. Die Sitzordnung, die auch als Bezeichnung für das gesamte Mahl herangezogen werden kann (Taussig), dient auch in den paulinischen Briefen als das Tor zum Verständnis seiner Aussagen über Ordnungsverhältnisse. In Gal 2,11-14 erfährt der Leser nichts über die perfektionierte Performanz der Mahlteilnehmer, wohl aber darüber, dass das Mahl für die alltägliche Realisierung des kuriako\n dei pnon die Sitzordnung von Juden und Nationen an einem Tisch möglich machte und diese dabei auch praktiziert wurde. Darüber hinaus erfährt die Gemeinschaft in Galatien von den zerstörerischen Konsequenzen, die, laut Paulus, die Absonderung des Kephas zur Folge hatte. Röm 14 ist ausschließlich von Drohungen gegen die Missachtung der richtigen Ordnung des Mahls geprägt. Paulus bezieht sich an dieser Stelle ausnahmslos auf die Folgen von individueller Interaktion, die zu gegenseitigem Richten, zu Verachtung, Anstoß, Ärgernis und Trübsal führen Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl 173 können. Doch er lässt die Gemeinschaft im Ungewissen über die „Anpassung der Realität“, die er von der Gemeinschaft in Korinth für die Teilhabe am kuriako\n dei pnon fordert. In 1Kor 8 fordert er nicht nur, sich der Unterschiede zu vergewissern, sondern auch, sich der Konsequenzen der Absage an den Gottesdienst für andere Götter bewusst zu sein. Durch die ritualtheoretische Exegese konnte bestätigt werden, dass es sich bei der koinwni÷a um den Bezug einer Gruppe auf Christus handelt. Der Begriff Partizipation eignet sich am besten, um herauszustellen, dass es bei der koinwni÷a nicht um das Verhältnis Einzelner untereinander, sondern um den Bezug zu etwas anderem handelt. Wir haben gesehen, dass über die Partizipation am kuriako\n dei pnon die Gemeinschaft der Leib Christi ist und sich für die Gemeinschaft dadurch die Partizipation an Mahlgemeinschaften von anderen Göttern ausschließt. Idolatrie und die Missachtung des ersten Gebotes gelten Paulus als große Gefahren für die Gemeinschaft. Davon ausgehend hat die ritualtheoretische Exegese den Bezug zum alltäglichen Leben der frühen christlichen Gemeinschaften hergestellt, die weder den historischen noch den mystischen Jesus Christus zu ihrem Vorbild hatten, sondern den, der wie sie am rituellen Vollzug des hellenistischen Mahls partizipierte. Dabei ist anzumerken, dass die Gleichzeitigkeit des Aufzeigens der Probleme und Differenzen ebenso wie die Perfektionierung der Partizipation Teil des Charakteristikums der Sitzordnung und damit des hellenistischen Mahls ist. Diese ritualtheoretische Exegese konnte zudem darstellen, an welchen Stellen Paulus offensichtlich nicht von der Notwendigkeit der Sichtbarmachung der Probleme und Differenzen überzeugt war. Besonders in Röm 14, aber auch in 1Kor 11 macht Paulus zwar auf problematische Ereignisse aufmerksam; er scheint sie aber nicht als Teil der rituellen Performanz wahrzunehmen. Während er in Gal 2 nicht leugnet, dass die Sitzordnung zwischen Juden und Nationen problematisch sein kann, er in 1Kor 8 durch eigene Handlungen die Partizipation am kuriako\n dei pnon verbessern möchte und in 1Kor 10 die koinwni÷a zur Heterotopie der Gemeinschaft aus vielen verschiedenen Gliedern wird, gibt er in Röm 14 und 1Kor 11 keinen Hinweis darauf, dass Verhandlung Teil des alltäglichen Rituals war. Es wird deutlich, dass Paulus die störenden Interaktionen in seinen Briefen an die Gemeinschaften sehr unterschiedlich einschätzt. Mit anderen Worten liegt die Vermutung nahe, dass Paulus die Balance zwischen dem Sichtbarmachen der Differenzen und Probleme sowie dem Urteil über die Interaktion schwer halten kann. Vielleicht unterschätzt Paulus das Ritual und präsentiert dem Leser/ Hörer deshalb in Röm 14 nur Anklagen und in 1Kor 11 eine schroffe Gegenüberstellung vom kuriako\n dei pnon und i¶dion dei pnon. Warum Paulus der Eigendynamik des Rituals an diesen Stellen misstraut, ist schwierig zu klären. Festzuhalten ist jedoch, dass die ritualtheoretische Exegese zeigen konnte, dass die Sitzordnung im hellenistischen Mahl über die körperliche Präsenz der Teilnehmenden eine Partizipation am Ritual aufrecht hält, die über die Mahlsituation hinaus religiöse Identifikationen zulässt. Paulus Ritualtheoretische Exegese 174 gestaltet diese Identifikation aktiv, indem er die Gemeinschaft als Leib Christi agieren lässt und bestimmte Anforderungen zur Teilnahme am kuriako\n dei pnon an sie heranträgt. Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl 175 6. Tabelle: Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl Identitätsausübung im Gemeinschaftsmahl Einzelne Gemeinschaft aÓdelfo/ ß (10) koinwno/ ß (2) Touv sw¿matoß touv Cristouv (1) (Röm 7,4; 1Kor 10,16; 12,27; Eph 4,12) koinwni÷a (2) kata¿keimai (1) sune÷rcomai (5) mete÷cw (2) Gal 2,11-14 1Kor 8,1.4.7-13 aÓdelfo/ ß 1Kor 8,11-13 kata¿keimai (1) 1Kor 8,10 1Kor 9,3-4.7.13 1Kor 10,7.14-25.27-28.31 koinwno/ ß 1Kor 10,18.20 sw ~ ma touv Cristouv 1Kor 10,16 koinwni÷a 1Kor 10,16 mete÷cw 1Kor 10,17.21 Röm 14,1-15,1-7 aÓdelfo/ ß Röm 14,10.13.15.21 1Kor 11,17-34 aÓdelfo/ ß 1Kor 11,33 sune÷rcomai 1Kor 11,17-18.20.33-34 Ritualtheoretische Exegese 176 D. Rollenverhalten der Teilnehmer Nachdem bereits die Identitätsausbildung der Teilnehmer und ihre Ausübung in der Mahlgemeinschaft erörtert wurden, folgt nun die Betrachtung des konkreten Rollenverhaltens der Gemeinschaft. Abermals wird ein Aspekt des Mahls betrachtet, der für die Identität der Gemeinschaft von besonderer Bedeutung ist. Dafür bietet sich insbesondere die Betrachtung der Position des Symposiarchen, als Leiter des Mahls, an. An seiner Position kann ritualtheoretisch herausgearbeitet werden, inwieweit seine Rolle die soziale Performanz der Gruppe beeinflussen kann. Der neutestamentliche Topos, der sich für das Verständnis von sozialer, politischer und religiöser Performanz besonders eignet, ist die imitatio, da sie sozial-ethische und identitätsbildende Praktiken miteinander verbindet. Ritualtheoretisch bildet sich diese Dynamik durch die Unterscheidung zwischen dem Ritual und der Ritualisierung ab. In der ritualtheoretischen Exegese wird auf diesem Hintergrund zu zeigen sein, wie über das paulinische Verständnis der imitatio eine Ritualisierung der Leitung des Mahls stattfindet und wie die Rolle des Symposiarchen für die frühen christlichen Gemeinschaften identitätsbildend ist. 1. Imitatio Christi im Neuen Testament Die imitatio Christi ist ein Topos, der als ethischer Topos in der neutestamentlichen Wissenschaft häufig in Bezug auf die Evangelien diskutiert wird. 200 In den Studien der paulinischen Briefe steht vor allem die Frage nach der Beziehung zwischen Paulus und Jesus bzw. Christus und die Diskussion über den historischen Jesus oder auferstandenen Christus im Mittelpunkt. 201 In den Untersuchungen wird nach der Bedeutung der Mimesis in der Theologie des Paulus gefragt und versucht, diesbezüglich die Zusammenhänge von 1Thess 1,6; 2,14; Phil 3,17 und 1Kor 4,16 sowie 1Kor 11,1 zu klären. Es wird ausschließlich im Wortfeld der Mimesis 202 gearbeitet, wobei die Unterschiede zwischen der Nachfolge Jesu in den Evangelien und in der Theologie des Paulus analysiert werden. Unterschiede werden insofern gesehen, als dass Jesus in den Evangelien zur ethischen Nachfolge auffordert, während Paulus die Teilnahme am Heilsgeschehen proklamiert und keine ethischen Aussagen macht. 203 Die Diskussion über die Unterschiede zwischen den Evangelien und den Paulinischen Briefen kann an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden. Dies liegt zum einen daran, dass 200 S CHNEIDER 1992, 143-154.155-167. 201 M ERK 1998, 302-336 bietet eine sehr ausführliche Wissenschaftsgeschichte des 20. Jh. zu diesem Thema. 202 Mime÷omai, mimhth/ ß, tu/ poß. 203 Vgl. B ETZ 1967. Rollenverhalten der Teilnehmer 177 das Wortfeld der imitatio nicht auf das Wortfeld der Mimesis reduziert werden soll, und zum anderen daran, dass die imitatio nicht als theologisches Konzept angesehen wird, sondern als Ausdruck sozial-ethischer Performanz. Daher werden nicht die klassischen Belege zur Mimesis bzw. imitatio bei Paulus erörtert. Vielmehr wird danach gefragt, inwieweit die Bezüge zu Christus und dem ku/ rioß bei Paulus Teil der imitatio Christi sind, wobei diese wiederum über die imitatio Pauli vermittelt werden. 204 In den Studien zur imitatio ging man bisher mit Bultmann davon aus, dass „Paulus das geschichtliche Leben und Wirken Jesu zur konkreten Orientierung des Christenlebens kaum herangezogen hat. Erst recht ist jeder Versuch eine Kopie oder Imitation des Lebens Jesu, die Jesus als Modell betrachtet, nicht paulinisch.“ 205 Die Vorbildfunktion Christi besteht somit in der Entäußerung für den anderen und ist bei Paulus im Wesentlichen von Tod und Auferweckung Jesu Christi zu denken. 206 Behält man diesen Grundgedanken bei und fokussiert die Analyse auf die Heilsgeschichte, so fällt es schwer, an dieser Stelle keine dogmatischen Loci, wie die Korrelationen zwischen Kreuz und Wort 207 , die Ekklesiologie oder die Sakramente 208 , zu identifizieren. Da bei solchen Identifikationen immer die Gegenüberstellung von Historizität und Heilsgeschehen zugrunde gelegt wird, kann der imitatio keine sozial-ethische Bedeutung beigemessen werden. Die ritualtheoretische Exegese bietet eine Möglichkeit, die Gegenüberstellung von Historizität und Heilsgeschichte nicht weiter fortzusetzen. Obgleich sich bestätigt, dass die imitatio Christi bei Paulus keine Aufforderung zur konkreten Orientierung am historischen Jesus ist, soll dennoch hervorgehoben werden, dass Paulus durch die imitatio der Gemeinschaft soziale, politische und religiöse Orientierung gab. Statt vom historischen Jesus zu sprechen, bezieht sich Paulus auf den sozialen, ja „rituellen“ Jesus, welcher der Gemeinschaft als Vorbild galt und dessen soziales Rollenverhalten sie über die rituelle Performanz annehmen konnte. Dieser rituelle Bezug weitet den Kreis der Belege auf die Belege der Mahlgemeinschaften aus, denn hier wird der imitatio Christi von Paulus soziale Relevanz beigemessen. In den ausgewählten Texten zu Mahlgemeinschaften wird deutlich, dass soziale Bedeutung nicht mit der Frage nach dem historischen Jesus gleichzusetzen ist, sondern viel eher als Teil der rituellen Praxis verstanden werden sollte. 204 Die imitatio Pauli wird von Paulus vier Mal ausgedrückt (1Thess 1,6; Phil 3,17 und 1Kor 4,16 und 11,1) - die imitatio Christi wird zwei Mal, und jedes Mal über die imitatio Pauli, formuliert (1Kor 11,1 und 1Thess 1,6). 205 S CHRAGE 1982, 199 zitiert in M ERK 1998, 316. 206 M ERK 1998, 334. 207 M ERK 1998, 336. 208 S CHNEIDER 1992, 153. Ritualtheoretische Exegese 178 Hinweise auf eine soziale rituelle Praxis geben die Studien, die sowohl eine imitatio Christi als auch eine imitatio Pauli herausarbeiten. Gerade im 1Kor werden von Exegeten Analogien zwischen der imitatio Christi und der imitatio Pauli wahrgenommen, die im Zusammenhang der Vorbildfunktion des Apostels zu diskutieren sind. In dieses Themenfeld gehören auch die Diskussion über Kreuz und Auferstehung und ihre Relevanz für die Vorbildfunktion des Apostels. Ein sehr interessanter Ansatz zur Relevanz von Kreuz und Auferstehung wurde kürzlich von Lary L. Welborn veröffentlicht. Sein Aufsatz trägt den Titel „Extraction from the mortal Site“: Badiou on the Resurrection in Paul und bezieht sich einerseits auf die psycho-sozialen Effekte von Paulus ’ Rede von Kreuz und Auferstehung und andererseits auf Alain Badious Interesse an Paulus Rede von der Auferstehung als wahres Ereignis. Die psycho-soziale Interpretation Welborns beschreibt, wie Paulus es wagen konnte, die bekannte Lücke („situated void“) aus der Realität von Sklaven zu benennen, und wie es ihm damit gelang, die Unterdrückten für sich zu gewinnen, deren Identitäten von Schande und dem vernichtenden Kreuz gezeichnet waren. 209 Mit der bekannten Lücke bezieht sich Welborn auf die starke Verknüpfung zwischen göttlicher Macht und dem Tod. Welborn charakterisiert für das erste Jahrhundert Herrschervorstellungen, die beinhalten, dass der Herrscher dem eigenen Tod sehr nahe war, und arbeitet heraus, dass auch die Vorstellung von lebendigen Toten („death-in-life“) bei Ovid, Philo und Seneca nicht ungewöhnlich, sondern vorherrschend war. 210 Für jemanden aus der Oberschicht, wie Gaius, bedeutete die Verknüpfung zwischen göttlicher Macht und menschlichem Tod im Messias, dass er aus Paulus Reden verstehen konnte, dass dieser Welt ein Ende gesetzt wird. „The promise that the Messiah would reign, enthroned in heaven, until he subjugated every inimical authority (1 Cor 15,24-25), must have signified that corrupt human power over the world had been broken, shorn, and undone.“ 211 Aus der Sicht der gesellschaftlichen Unterschicht ist es allerdings verwunderlich, dass zwar der Tod und das Herrschen im Neuen Testament thematisiert werden, das Kreuz allerdings nicht häufig genannt wird. Dass das Kreuz in den kanonischen Schriften selten genannt wird, obgleich es die allgemeine Bestrafung von Sklaven darstellte, bezieht Welborn auf die sozialen und ästhetischen Werte der Schreiber aus der Oberschicht. Welborn macht deutlich, dass Paulus, wenn er von der Kreuzigung spricht, 209 W ELBORN 2009, 295. Auf S. 298 erläutert er: „Badiou recognizes that a break emerges insofar as the norms of the socialized human animal are articulated around a void: ‘You might ask what it is that makes the connection between the event and that “for which” it is an event. This connection is the void of the earlier situation. What does that mean? It means that at the heart of every situation, as the foundation of its being, there is a “situated void”, around which is organized the plentitude (or the stable multiples) of the situation in question’.“ Welborn zitiert hier B ADIOU 2001, 68. 210 W ELBORN 2009, 303. 211 W ELBORN 2009, 304. Rollenverhalten der Teilnehmer 179 nicht nur von der Kreuzigung von Verrätern oder Rebellen spricht, sondern von der täglichen Gefahr für die Sklaven. 212 In seinem Aufsatz arbeitet Welborn ausführlich heraus, dass die Kreuzigung nicht den Alltag der Oberschicht definierte, sondern zur Grundlage des römischen Herrschersystems gehörte. Sie war „material density within the situated void around which Roman power was constructed“. 213 Der Erfolg, den Paulus mit seiner Rede vom gekreuzigten Messias in der Bevölkerung hatte, generiert sich nicht aus der Oberschicht, sondern aus der Unterschicht. Damit widerspricht Welborn Martin Hengel, der Paulus Kreuzestheologie an die Oberschicht gerichtet sah, weil sich die Sklaven zu sehr vor diesem Bild fürchteten. Gerade das Teilen des Schicksals verdeutlicht, so Welborn, dass sich die Sklaven von der paulinischen Botschaft angesprochen fühlten. 214 Der Kritik an Badiou schließt sich die an Hengel an. Dort, wo Badiou den Fokus auf die Auferstehung legt und weniger die Kreuzigung des Messias berücksichtigt, wird er von Welborn scharf kritisiert. Der Tod am Kreuz und die Auferstehung können in der paulinischen Botschaft nicht voneinander getrennt werden. 215 In diesem Sinne schließt Welborn: „Paul’s final exhortation to Christians in the tenements of Trastevere who, beyond honor and shame, beyond the holy and the profane, beyond all superego inculpation, are enjoined to ‘ensalve’ themselves to the Messiah and seek to please not themselves but one another, the powerful ones being obligated the ‘bear the weaknesses of the powerless ones’ (Rom 14.18; 15.1-3).“ 216 Im Gegensatz zur Interpretation der imitatio in den Evangelien wurden der imitatio bei Paulus bisher keine Konsequenzen bezüglich des ethischen Handelns zugeschrieben, was vor dem Hintergrund der psycho-sozialen Interpretation von Welborn ziemlich unzulänglich erscheint. 217 Denn nicht zuletzt spricht Paulus den Sklaven, die sich mit dem gekreuzigten und auferstandenen Messias identifizieren können, die Macht zu, über ihre Versklavung selbst zu entscheiden. Indem sie sich dem Messias zum Sklaven machen und nicht sich selbst, sondern dem Bruder gerecht werden, übernehmen die Sklaven soziale Verantwortung. Konkret wird diese Verantwortung, wenn man sie in dem Mahlkontext liest, denn hier können Sklaven eben diese veränderten Gesellschaftsstrukturen als Teil des Leibes 212 W ELBORN 2009, 308. 213 W ELBORN 2009, 309. 214 W ELBORN 2009, 312. 215 W ELBORN 2009, 313. 216 W ELBORN 2009, 314. Zur Rezeption des Apostels bei den Philosophen siehe auch S TRECKER und V ALENTIN 2011. In diesem Aufsatzband werden die Interpretationen von Giorgio Agamben, Jacob Taubes und Daniel Boyarin, aber auch Friedrich Nietzsche und Martin Heidegger diskutiert. 217 S CHNEIDER 1992, 153. Auch Gerhard Schneider sieht in der Nachfolge, die in den Paulinischen Briefen beschrieben wird, eine Nachfolge, die über eine „Vorbild-Ethik“ hinausgeht. Ritualtheoretische Exegese 180 Christi repräsentieren. Eine gelungene Brücke zwischen den Sklaven und dem gekreuzigten und auferstandenen Christus ist die imitatio Pauli. Dass die imitatio Pauli eine Herausforderung für die Interpreten darstellt, zeigt nicht zuletzt Hans Conzelmanns Kommentar zum 1Kor. Conzelmann schreibt in seinem Kommentar zum 1Kor zwar, dass Paulus in 1Kor 11,1 zur imitatio Pauli auffordert, weil er selbst die imitatio Christi vorbildlich gestaltet, 218 doch obgleich Paulus seine eigene Person stark betont, liegt für Conzelmann der imitatio Pauli ein doppeltes Paradoxon zu Grunde. Zum einen macht Paulus sich nicht stärker als Christus - er erhebt sich nicht über das Handeln Christi - und zum anderen geht es ihm nicht um die imitatio der Lebensführung Christi, sondern um die Teilhabe am Heilswerk. 219 Mit 1Kor 11,2 bezieht Paulus in diesem Sinne die imitatio Pauli auf das Ganze seiner „Amtsführung“ und bezieht somit seine Lehre auf die jüdisch-hellenistische Tradition. 220 Obgleich diese Widersprüche zu betonen sind, wird Conzelmann in seinem Kommentar dem Text nicht gerecht, wenn er die Beziehung zwischen Paulus und Christus in der imitatio minimiert. Er klärt damit nicht die Frage, wie sich die Teilhabe am Heilswerk äußert und warum diese Teilhabe keine ethischen Konsequenzen nach sich ziehen soll. Es bleibt unverständlich, warum die imitatio Pauli, wenn sie doch in Christus wurzelt, keine ethische Dimension aufweisen kann. Willis Peter De Boer unterstützt dieses kritische Hinterfragen und betont, dass 1Kor 11,1 die Zusammenfassung der Äußerungen über Mahlgemeinschaften in 1Kor 8.9 und 1Kor 10 ist. „He [Paul] had made his illustration still more emphatic by turning it into a straightforward and climatic call for action: ‘Be ye imitators of me.’ Here was the point toward he was moving.“ 221 Es ist korrekt anzunehmen, dass die imitatio keine Verbindung zum historischen Jesus darstellt, sie aber dennoch eine Korrelation ist, die soziale Implikationen aufweist. In diesem Sinne erklärt sich der Zusammenhang zwischen Paulus und Jesus am ehesten über eine soziale Praxis. Angenommen, es geht Paulus nicht um die imitatio des historischen Jesus, dann geht es ihm bei der imitatio um die Teilnahme an dem Ritual, an dem schon Jesus teilgenommen hat. Obschon der historische Jesus nicht das Rollenmodell für die Gemeinschaft darstellt, schließt die ritualtheoretische Interpretation die Diskussion über ethisches Verhalten nicht aus. Im späteren Verlauf wird zu zeigen sein, dass Paulus ’ eigene Vorbildfunktion Teil der rituellen Praxis der imitatio Christi ist, die Jesus als Symposiarchen ausweist, und zwar nicht den historischen Jesus, sondern den 218 Weitere Belege der imitatio Pauli in Phil 2,1ff; 3,17; 4,8f; 1Kor 4,16; 1Thess 1,6; 2,14; Röm 15,1-3; vgl. C ONZELMANN 1981, 220 Anm. 41. 219 C ONZELMANN 1981, 220. 220 C ONZELMANN 1981, 222. 221 D E B OER 1962, 161. Rollenverhalten der Teilnehmer 181 „rituellen“ Jesus - mit dem die Gemeinschaft über das Ritual als Leib Christi verbunden ist. Hinweise auf eine rituelle Verortung der imitatio geben auch Studien, die innerpaulinische Zusammenhänge zum „In-Christus-Sein“ aufzeigen. Sie sind damit der sozialgeschichtlichen Verortung der Briefe als Ausdruck ritueller Transformation sehr nahe. Gerhard Schneider hat richtig erkannt, dass Paulus durch die imitatio Christi eine Gemeinschaft vermittelt, die mit den Formulierungen „Sein-in-Christus“ oder auch „Christus-Anziehen“ verbunden werden kann. 222 Schneider verbindet diese Formulierungen mit der nachösterlichen Christusgemeinschaft, die über den Glauben und die Taufe das Todesschicksal Jesu für die christliche Existenz zur Sprache bringt. Schneider interpretiert diese Zusammenhänge sowohl ekklesiologisch als auch sakramental, indem er von einer „Tauftheologie“ spricht. Unabhängig davon, dass ekklesiologische oder sakramentale theologische Zusammenhänge bei Paulus nicht als Tradition vorausgesetzt werden können, ist es richtig, dass Scheider den rituellen Vollzug in den paulinischen Formulierungen festgehalten hat. 223 De Boer formuliert diese Nähe zwischen Paulus und Christus in seiner Monographie über die imitatio Pauli dahin gehend, dass es unwahrscheinlich sei, dass Paulus in der imitatio seiner Person einen großen Unterschied zu der imitatio Christi sehe. Viel eher bestätige sich für Paulus, dass beide imitationes demselben Ziel dienten - der Identität der Gemeinschaft als Leib Christi. 224 De Boer spricht von „patterns“, die dem Glaubenden erlauben, über Paulus in einem weiteren Schritt den Status „in-Christus“ zu erlangen. 225 Es liegt auf der Hand, diese „patterns“ als Rituale zu identifizieren, hier die Rituale der Mahlgemeinschaft. Darüber hinaus sind Studien, welche die imitatio als ethisches Motiv herausarbeiten, von großem Wert für einen ritualtheoretischen Zusammenhang. Hinweise darauf gibt erneut Schneider, der in seinem Artikel Imitatio Dei als Motiv der ‘Ethik Jesu’ griechische und jüdische Quellen heranzieht. Über Platon, der die Angleichung an Gott für erstrebenswert hielt, weil dies die einzige Möglichkeit war, sich vollends vom Bösen zu trennen, schreibt Schneider, dass der Platoniker Areios mit Phytagoras verdeutlichte, dass er die Ähnlichkeit mit Gott als wahrhaftig und als Wohltat ansah. 226 Während nach Cicero die Verähnlichung mit den Göttern durch die Tugenden erfolgt, betont Seneca, dass der Mensch sich mit Gott verähnlichen muss, da er als einziges Wesen Gott erkennen kann und ihm nur durch die Verähnlichung gefallen kann. 227 Für die Beschreibung der imitatio in jüdischen Traditionen verweist Schneider auf das rabbinische Judentum, 222 S CHNEIDER 1992, 153. 223 S CHNEIDER 1992, 153. 224 D E B OER 1962, 166. 225 D E B OER 1962, 168-169. 226 S CHNEIDER 1992, 157: „Platon: Thearetet, 176 a.b.; Areios: Var. hist. XII 59“. 227 S CHNEIDER 1992, 157: „Cicero: de nat. deorum II 153; Seneca: De ira II 16“. Ritualtheoretische Exegese 182 in dem die Nachahmung nicht mit der Gottebenbildlichkeit, sondern mit dem Handeln des Bundesgottes begründet wird. 228 Auch im Aristeasbrief wird der Herrscher aufgefordert, Gott in seiner Güte und Milde nachzuahmen. 229 Selbst wenn die Unterscheidung zwischen dem hellenistischen und dem jüdischen Kulturkreis bezüglich der rituellen Performanz zweitrangig erscheint, gibt diese kurze Übersicht Kenntnis darüber, dass die Assoziationen der imitatio mit sozialem Handeln nicht ungewöhnlich waren. Es ist naheliegend, dass dies auch für die paulinischen Briefe gilt. Zusammenfassend kann zur imitatio festgehalten werden, dass die imitatio Christi den Gemeinschaften über die imitatio Pauli vermittelt wird und in ritualtheoretischen Zusammenhängen eine differenziertere Bedeutung erlangt. Die imitatio ist ein performativer Prozess, der innerhalb des Rituals nicht an den historischen Jesus, sondern an die soziale Performanz der Gemeinschaft gekoppelt ist. So wird sie zu einem Ausdruck bewusster und aktiver Beteiligung der Christusgläubigen an der Gemeinschaft, welche sich im gemeinsamen Mahl konstituiert. 2. Ritualtheoretische Grundlagen des Rollenverhaltens Auf das Rollenverhalten der Mahlteilnehmer einzugehen und dafür eine übergeordnete Kategorie zu finden, nämlich die imitatio Christi, bedeutet, ritualtheoretisch zu erklären, wie in einem Ritual die Spannung zwischen einmaliger und immer wiederkehrender Handlung aufrecht erhalten werden kann. Im Folgenden wird die Dynamik der einzelnen Handlungen, die eine Rolle ausbilden, identifiziert. Bell umschreibt diesen veränderten Fokus mit dem Unterschied zwischen dem „Ritual“ und der „Ritualisierung“. Bell arbeitet heraus, dass das Ritual eine wichtige Rolle in der Bewahrung des kulturellen Wissens spielt. 230 Abgesehen davon, dass es der einfachste soziale Akt ist („the basic social act“) 231 , dient es auch dazu, das kulturelle Verständnis über Texte, deren Bedeutung auf den ersten Blick eindeutig erscheint („‘texts’ that ‘reek for meaning’“) 232 , zu studieren. „Ritualisierung“ bedeutet darüber hinaus nicht mehr nur Differenzierungen und Unterschiede verschiedener Religionen und Kulturen wahrzunehmen, sondern auch eine kulturelle Praxis zu beschreiben. 233 Bells Umgang mit „Ritualisierung“ beruht auf der Annahme, dass mit der „Ritualisierung“ besondere Beziehungen ihre Form erhalten und in diesem Sinne die Legitimation und Initialisierung dieser Beziehungen und ihrer Werte voranbringen. 234 „Ritualisierung“ findet z.B. 228 S CHNEIDER 1992, 159: „Tanch. bchqti § 6 [59a]“. 229 S CHNEIDER 1992, 160: „Arist. 187f.190.192.205.207.210.281“. 230 B ELL 1992, 54. 231 B ELL 1992, 54 zitiert R APPAPORT 1979, 174. 232 B ELL 1992, 54. 233 So auch T AUSSIG 2009, 58. 234 B ELL 1992, 89. Rollenverhalten der Teilnehmer 183 statt, wenn „Christen“ das Abendmahl feiern, das, obgleich es an Mahlzeiten erinnert, nicht dieselben Funktionen wie andere Mahlzeiten hat. Es dient nicht der Sättigung, wird nicht täglich unternommen und ist dennoch Teil des christlichen Alltags. Ein weiteres Beispiel ist das Kaufen von Strümpfen. Kauft man normalerweise Tennissocken und für besondere Gelegenheiten gemusterte Strümpfe, dann findet „Ritualisierung“ dahin gehend statt, dass man sein Kaufverhalten differenziert, ihm einen anderen Wert beimisst und für eine bestimmte Gelegenheit legitimiert. 235 In ihren Studien spielt die Frage nach der Unterscheidung zwischen der „Ritualisierung“ und anderen sozialen Praktiken sowie die Frage nach dieser Umsetzung der Unterscheidung eine wichtige Rolle. Bell schreibt: „... [T]he significance of ritual behavior lies not in being an entirely separate way of acting, but in how activities constitute themselves as different and in contrast to other activities.“ 236 Anders ausgedrückt ist die „Ritualisierung“ Produkt ihrer eigenen Differenzierung, da sie rituelles Verhalten innerhalb ihrer eigenen kulturellen Praxis differenziert. 237 Bell führt diesen Gedanken noch weiter und kommt zu dem Schluss, das Ausmaß der Differenzierung sei davon abhängig, dass das Ritual an eine Situation und an eine gewisse Strategie im Gruppenverhalten gebunden ist. Ritualisierung ist also nicht nur das Produkt seiner eigenen Differenzierung, sondern auch im hohen Maße von der sozialen Praxis abhängig, die wiederum auf spezifische Gegebenheiten strategisch reagiert. 238 „Ritualisierung“ wird somit zu einer Fähigkeit ausgeweitet, die eine Gruppe in die Lage versetzt, sich anders auszudrücken, bekannte Kennzeichen des Rituals zu verändern und grundlegende Schemata in ihrer Konstitution zu manipulieren. Damit wird die „Ritualisierung“ nicht in universalistischen Kategorien verortet, sondern in sozialen Netzwerken und Beziehungen. 239 Bell führt diese Gebundenheit der „Ritualisierung“ auf die sozialen Strukturen zurück. „The strategies of ritualization are particularly rooted in the body, specifically, the interaction of the social body within a symbolically constituted spatial and temporal environment. [...] Ritualization is embedded within the dynamics of the body and defined within the symbolically structured environment.“ 240 Taussig zeigt sehr deutlich, dass im hellenistischen Mahl die Verbindung zwischen sozialer Abhängigkeit und einem hohen Grad an Differenzierung zu erkennen ist. Er beschreibt, dass die Sitzordnung, die Libation, die Aktivitäten des Symposion und das Essen an sich grundsätzliche Strukturen im Verhalten der Mahlteilnehmer sind - und dass diese die Möglichkeit offen 235 B ELL 1992, 90f. 236 B ELL 1992, 90. 237 B ELL 1992, 90. 238 B ELL 1992, 92. 239 Dies ist besonders relevant für Taussigs Studien. Siehe T AUSSIG 2009, 58. 240 B ELL 1992, 93. Ritualtheoretische Exegese 184 halten, als objektive Realitäten differenziert zu werden. Er würdigt diese Strukturen zusätzlich darin, dass ihr Zusammenspiel eine Grundlage schafft, größere Zusammenhänge der objektiven Realität wahrzunehmen und wichtige Werte der Gruppe voranzubringen. 241 Stellen also die äußeren Umstände des Mahls die Grundlagen für Differenzierungen der kulturellen Praxis dar, wird in einem weiteren Schritt zu fragen sein, durch welches Verhalten diese „Ritualisierung“ als soziale Performanz bewusst und aktiv ausgeführt wird. Die Rolle des Symposiarchen rückt bei dieser Fragestellung in den Vordergrund, denn der Symposiarch, als Leiter des Mahls, ist in hohem Maße an die Situation der Mahlgemeinschaft gebunden und verkörpert mit seinen bewussten und aktiven Handlungen das Verhalten der Gruppe, die sich mit der imitatio Christi einem größeren Zusammenhang unterstellt und dennoch Differenzierungen der eigenen sozioreligiösen Realität vornehmen kann. 3. Der Symposiarch der Mahlgemeinschaften Die Performanz des Symposiarchen ist in hohem Maße von der Gemeinschaft, der er angehört und dessen Mahl er leitet, abhängig und weist durch seine Sonderstellung dennoch eine hohe Differenzierung auf. Für die Gemeinschaft ist es nicht ungewöhnlich, den Symposiarchen kurz vor Beginn des Mahls zu ernennen. 242 Die leitende Position gibt dem Symposiarchen, der nicht zwingend mit dem Gastgeber identisch sein muss, Rechte und Pflichten. Dazu gehören Entscheidungen über die Ehrenplätze, über das Mischverhältnis von Wasser und Wein sowie Entscheidungen bezüglich des Verlaufes des Mahls. Der Symposiarch ist für den reibungslosen Ablauf des Mahls verantwortlich und vollzieht mindestens eine Libation. 243 Dieser reibungslose Ablauf ist nicht immer gewährleistet. 244 Es gibt viele Situationen, in denen die Entscheidungen des Symposiarchen Unzufriedenheit und Unruhe bei den Mahlteilnehmern auslösen oder das Mahl durch ungebetene Gäste gestört wird. Aus der Verantwortung für den 241 T AUSSIG 2009, 59. 242 T AUSSIG 2009, 79. 243 T AUSSIG 2009, 79. S MITH 2003, 30 beschreibt, wie diese Libation vollzogen wurde. Der Gastgeber oder der Symposiarch nennt den Namen des Gottes und spritzt etwas Wein in das Feuer oder auf den Boden. Danach nimmt er einen Schluck und gibt den Becher an die Gäste, die der Reihe nach aus dem Becher trinken, wobei sie den Namen des Gottes im Genitiv sagen. 244 S ANDNES 2002, 90 schildert, dass im sog. Letter of Courtesans, Epist. 4: 13, die Gemeinschaft inoffiziell zusammenkam, da kein Symposiarch den Weinkonsum kontrollierte. Auch die Schilderung in Platons Symposien weisen darauf hin, dass das Mahl gewöhnlicherweise von einem Symposiarchen geleitet wurde und nur in diesem speziellen Fall Agathon auf den Symposiarchen verzichtet. Offensichtlich ernennt sich später Alkibiades zum Symposiarchen; doch vor seiner Ankunft wurden die Verantwortlichkeiten des Symposiarchen durch die Gruppe selbst getragen (S MITH 2003, 33). Rollenverhalten der Teilnehmer 185 reibungslosen Ablauf des Mahls ist abzuleiten, dass Mahlgemeinschaften der Ort sind, an dem soziale Interaktion reguliert, kontrolliert und ausgeglichen wird, so dass individuelle und soziale Machtverhältnisse in einem geschützten Rahmen begrenzt und zugleich ausgelebt werden können. 245 Obgleich dem Symposiarchen viel Verantwortung zuteilwird und ohne ihn die Mahlgemeinschaft an Struktur verlieren würde, ist seine Rolle im hohen Maße vom kulturellen Konsens über den Ablauf des Mahls sowie von seiner Verantwortung abhängig. Mit anderen Worten ist es nicht die persönliche Qualifikation, die einen Mahlteilnehmer zu einem Symposiarchen für einen Abend macht, sondern die Erwartung der Gemeinschaft, die Struktur und den Charakter des Mahls von einem Symposiarchen „verwalten“ zu lassen. 246 Der Symposiarch ist in diesem Sinne kennzeichnend für das Verhalten der Gruppe und kann als Repräsentant der sozialen Interaktion verstanden werden. Daraus ist mit Taussig abzuleiten, dass die persönlichen Merkmale des Symposiarchen gegenüber der Dynamik innerhalb der Gruppe weniger bedeutend sind und dass die gelebte Kreativität der Gruppe eine wichtige Rolle spielt. 247 Die Handlungen des Symposiarchen sind somit von einer Ambivalenz geprägt, die sich dadurch ausbildet, dass er zwar Entscheidungen über den Verlauf des Mahls zu treffen hat, diese aber nicht seine persönlichen Entscheidungen sind, sondern die kulturelle Erwartung einerseits und die Differenziertheit der Gruppe andererseits repräsentieren. 248 Seine Rolle drückt die Verbundenheit von alltäglichem Verhalten und den kulturellen Werten aus, die durch die Erwartungen der Gruppe gekennzeichnet sind. Man kann also Taussig darin bestätigen, dass durch das Verhalten des Symposiarchen Ritualisierung innerhalb der Gruppe stattfindet, die von der Dynamik der Gruppe abhängig ist. 249 Für die Betrachtungen der paulinischen Aussagen ist es demzufolge wichtig, ein Verständnis von der von ihm vermittelten Gemeinschaft zu erhalten und zu beschreiben, inwieweit die imitatio Christi die Dynamik der Gruppe beeinflusst. 4. Ritualtheoretische Exegese der paulinischen Texte Ziel der ritualtheoretischen Exegese ist es in diesem Zusammenhang, die imitatio Christi, die in den paulinischen Aussagen über Mahlgemeinschaften über die imitatio Pauli vermittelt wird, mit dem ritualisierten Rollenverhalten des Symposiarchen in Verbindung zu bringen. Aus dieser Perspektive ist es von besonderer Bedeutung, dass die Leitung des Mahls von der Dynamik der Mahlteilnehmer abhängig ist, da Mahlgemeinschaften 245 S ANDNES 2002, 80. 246 Ähnlich T AUSSIG 2009, 79. P OLAND 1909, 392 erwägt es bereits 1909, die sumposi÷arcoß, sumposia¿rchß bzw. oi˙noposia¿rchß als Vereinsvorsitzenden zu verstehen. 247 T AUSSIG 2009, 80. 248 T AUSSIG 2009, 80. 249 T AUSSIG 2009, 81. Ritualtheoretische Exegese 186 der Ort sozialer Interaktion sind und diese dort reguliert, kontrolliert und ausgeglichen werden. In 1Kor 11,23 wird Jesus zum ersten Mal im Neuen Testament als Symposiarch bezeichnet. 250 Paulus macht diese Identifikation sehr stark, indem er das Leitmotiv ku/ rioß mit Ihsouvß verbindet (oJ ku/ rioß Ihsouvß). Ku/ rioß wird im Neuen Testament insgesamt 717 Mal in 660 Versen belegt, wobei mehr als ein Viertel aller Stellen (188 Mal in 168 Versen) in den paulinischen Briefen zu finden sind (1Thess: 24 Mal; 1Kor: 66 Mal; 2Kor: 29 Mal; Gal: sechs Mal; Röm: 43 Mal; Phil: 15 Mal; Phlm: fünf Mal). Es ist anzunehmen, dass das Ku/ rioß-Motiv vor allem auf den gegenwärtig Erhöhten hinweist und die traditionelle Formel aus 1Kor 8,6, „ein Herr, durch den alle Dinge sind und wir durch ihn“, in den Briefen aufrechterhalten wird. 251 Wird ku/ rioß als Leitmotiv von Paulus verwendet, so handelt es sich vor allem um Äußerungen, die das Herrenmahl betreffen, oder um ethische Komponenten, die das tägliche Leben exemplifizieren. 252 Ku/ rioß wird von Paulus in 1Kor 10,7.14-25,27-28.31, Röm 14,1-15,1.7 und 1Kor 11,17-34 12 Mal in 20 Versen verwendet. Bezieht man kuriako/ ß und kurieu/ w in die Analyse mit ein, dann sind es 14 Belege. Bemerkenswerterweise finden sich keine Formulierungen mit ku/ rioß in Gal 2,11-14, 1Kor 8,1.4.7-13 und 1Kor 9,3-4.7.13. Während im Römerbrief fast gleichwertig ku/ rioß und Cristo/ ß verwendet werden (sechs Mal zu sieben Mal), wird Cristo/ ß in 1Kor 11,17-34 gar nicht verwendet. Cristo/ ß ist im Gegensatz zu ku/ rioß mit Aussagen über das gesamte Heilsgeschehen verbunden. 253 Während Cristo/ ß mit Ihsouvß und ku/ rioß mit Ihsouvß von Paulus verwendet wird, findet sich bei Paulus nicht die Zusammenstellung von ku/ rioß und Cristo/ ß. 254 Paulus bildet folglich in den Abschnitten über Mahlgemeinschaften beide hier relevanten Bedeutungszusammenhänge im Blick auf Jesus ab und verdeutlicht damit umso mehr, dass die Trennung zwischen religiösen und ethischen Bezügen im NT nicht ausgeprägt war. a) Gal 2,11-14 Paulus ’ Beschreibung der Situation in Antiochia wird von ihm weder mit ku/ rioß noch mit Cristo/ ß oder qeo/ ß in Verbindung gebracht. Paulus verwendet ku/ rioß, Cristo/ ß, Ihsouvß oder qeo/ ß nicht. Abgesehen von dem langen Abschnitt in Gal 2,11-15, in dem Paulus von diesen Bezügen keinen Gebrauch macht, werden sie auch in Gal 2,7-10.11-15; Gal 4,10-20 (ohne V19); 21-31 und Gal 5,11-23 nicht als Leitmotive verwendet. In der Absenz der Bezüge zu ku/ rioß, Cristo/ ß, Ihsouvß oder qeo/ ß bildet sich eine Ge- 250 T AUSSIG 2009, 79. Die Evangelien nennen Jesus nicht als Symposiarchen. 251 S CHNELLE 2003, 498. 252 S CHNELLE 2003, 499. 253 S CHNELLE 2003, 497. 254 Kata» Cristo\n Ihsouvn (Röm 15,5); e˙n kuri÷wˆ Ihsouv (Röm 14,14); touv kuri÷o uhJmw n Ihsouv Cristouv (Röm 15,6) und o u/ rioß Ihsouvß (1Kor 11,23). Rollenverhalten der Teilnehmer 187 meinsamkeit zwischen der Anerkennung des Paulus in Jerusalem (Gal 2,7- 10), dem Zwischenfall in Antiochia (Gal 2,11-14), der Erinnerung an Paulus als den Apostel der Gemeinschaft (Gal 4,10-20 [ohne V19], dem Zeugnis der Schrift (Gal 4,21-31) und der Liebe als Frucht des Geistes (Gal 5,11- 23). 255 In diesen Abschnitten kann man nicht von einer Aufforderung zur imitatio Christi sprechen, doch legen diese Abschnitte nahe, über die Bedeutung der imitatio Pauli nachzudenken. Die imitatio Pauli wird gerade vor dem Hintergrund von Gal 2,20 (zw de« oujke÷tie˙gw¿, zhØ v de« e˙ne˙moi« Cristo/ ß) deutlich. Zum einen schildert Paulus in Gal 2, wie er in die Gemeinschaft der Apostel aufgenommen wurde (Gal 2,7-10) und wie er in seiner Autorität durch Petrus ’ Verhalten in Antiochia verletzt wurde, zum anderen erinnert er die Gemeinschaft in Galatien daran, dass er ihr Apostel ist und dass sie seinem Beispiel folgen sollen (Gal 4,12: Gi÷nesqe wJß e˙gw¿ ist eine Aufforderung zur imitatio Pauli). Die Auseinandersetzung mit der Tradition (Gal 4,21-31) wird auch in den anderen Briefen, in denen er Bezug auf ku/ rioß, Cristo/ ß, Ihsouvß oder qeo/ ß nimmt, noch eine große Bedeutung gewinnen , allerdings nicht in so deutlichen Analogiebildungen. Für Gal 2,11-14 lässt sich folglich formulieren, dass - obgleich von Paulus keine direkten Bezüge zu ku/ rioß, Cristo/ ß, Ihsouvß oder qeo/ ß hergestellt werden - die Präsenz seiner eigenen Person sehr deutlich wird. So finden sich immer wieder Aufforderungen zur imitatio Pauli, die ritualtheoretisch darauf hinweisen, dass eine differenzierte Ritualisierung in der sozialen Performanz der Gemeinschaft erwartet werden kann. b) 1Kor 8-10 In 1Kor 8,11-12 wird weniger Paulus als Christus in den Mittelpunkt der Argumentation gerückt. Hier wird in wenigen Worten die Verbindung des Einzelnen und der Gemeinschaft zu Cristo/ ß beschrieben. Der Bruder, der einzelne Schwache, für den Christus gestorben ist, wird umkommen, wenn gegen ihn gesündigt wird, denn dies ist nicht nur eine Sünde gegen den Bruder, sondern auch gegen Christus. Zu bemerken ist, dass sich V11 auf V10 bezieht, in dem der Einzelne vor dem Anstoß gewarnt wird, den er beim Essen im Tempel anderer Götter auslösen kann, während V12 sich auf die Gemeinschaft bezieht, die selbstredend mit dem Verhalten des Einzelnen assoziiert wird. Wie der Einzelne den Bruder umbringen kann, so ist die Sünde aller gegen die Brüder eine Sünde gegen Christus. Auf ku/ rioß nimmt Paulus keinen Bezug; stattdessen bezieht sich Paulus auf das erste Gebot - der eine Gott dient in 1Kor 8 als Mittel der Abgrenzung gegenüber anderen Göttern (1Kor 8,4) und als Orientierung in der Bewertung von Speisen (1Kor 8,8). 255 In Gal 1,2.5.8-9.11.14.16-18.21.23; Gal 2,1-3.5.7-10.11-15.18; Gal 3,2- 5.7.9.10.12.15.19.23.25; Gal 4,2-3.5.10-11.12-13.15-18.20.21-31; Gal 5,3.5.7-9.11-12.13- 20.22-23.25-26; Gal 6,1.3-5.6.8-10.11.13.15 befinden sich keine Belege von ku/ rioß, Cristo/ ß, Ihsouvß oder qeo/ ß. Ritualtheoretische Exegese 188 In den für die Mahlgemeinschaft relevanten Versen in 1Kor 9 bezieht sich Paulus ebenfalls nicht auf ku/ rioß, Cristo/ ß, Ihsouvß oder qeo/ ß. 1Kor 9,3 stellt eine persönliche Stellungnahme dar, die mit den Analogien zum Essen und Trinken exemplifiziert wird. 1Kor 9,7.13 dienen dann als weitere Beispiele aus dem alltäglichen Umfeld von Paulus ’ Leserschaft. In 1Kor 8 und 9 konnte ritualtheoretisch herausgearbeitet werden, dass die Dynamik innerhalb der Gruppe, zwischen den Brüdern in ihrem alltäglichen Umfeld, von sehr differenzierten Verhaltensweisen abhängig ist. Nicht nur grenzt sich die Gemeinschaft in Christus gegen andere Götter und andere Speisen ab; Paulus urteilt auch über fehlerhaftes Verhalten untereinander und weist damit darauf hin, dass die soziale Interaktion nicht nur durch den Bezug auf Christus, sondern vor allem über das Verhalten untereinander bestimmt wird. Vergleichbar mit der Rolle des Symposiarchen, die vorrangig nicht von seinen persönlichen Qualitäten, sondern vom sozialen Kontext geprägt ist, verhält es sich auch mit dem Bezug zu Christus. Auch in diesem Fall bedarf es nicht einer persönlichen Qualifikation gegenüber Christus, sondern des rechten Verhaltens gegenüber dem schwachen Bruder. In 1Kor 10 bezieht sich Paulus ebenso wie in Röm 14,1-15,7 auf ku/ rioß, Cristo/ ß und qeo/ ß. Beginnend mit 1Kor 10,16 (Cristo/ ß) folgen Bezüge auf den ku/ rioß in 1Kor 10,21-22, die parallel zu 1Kor 8 von Aussagen über Gott gerahmt werden. Doch vorerst zu 1Kor 10,16. Dies ist der einzige Vers, in dem Cristo/ ß in 1Kor 10 genannt wird. Dieser Vers stellt das Kernstück des Abschnitts 1Kor 10,14-22 dar und bezieht sich eindeutig auf die vorher beschriebenen Rituale. Im Zentrum dieses Abschnitts steht, dass sich die Gemeinschaft über die Segnung des Kelches und das Brechen des Brotes konstituiert. Hier geht es nicht mehr um die einzelnen Brüder, sondern um die Gemeinschaft, die durch das Essen und Trinken zur Gemeinschaft des Blutes und des Leibes Christi wird und somit an ihm und nicht an anderen Göttern partizipiert. Christus ist hier nicht das Vorbild für die imitatio; vielmehr beschreibt die Gemeinschaft ihr Verhalten durch die imitatio. Sie ist durch ihre Segnung des Kelches und das Brechen des Brotes zur Mahlgemeinschaft geworden. Wie bereits angedeutet, rahmen die Bezüge zum ersten Gebot die Verse, in denen Paulus erneut über die Mahlgemeinschaft spricht. Gott ist wie in 1Kor 8 derjenige, dem als einzelnen Gott nicht wie den vielen anderen Göttern geopfert werden darf. 1Kor 10,20 macht den Unterschied zwischen dem einen Gott und den vielen anderen Göttern sehr deutlich. In 1Kor 10,31 greift Paulus, wie in 1Kor 8,8, die Relativierung des Essens auf. Essen, Nicht-Essen oder ein anderes Verhalten darf nur zur Ehre des einen Gottes geschehen (1Kor 10,31). 1Kor 10,21-22 bezieht sich erneut auf die Handlungen der Gemeinschaft, die über ihr Verhalten dem ku/ rioß verpflichtet ist, da die Einzelnen weder aus dem Kelch der Dämonen trinken noch am Tisch der Dämonen liegen können, wenn sie den ku/ rioß nicht herausfordern wollen. In 1Kor 10 legt Paulus Wert auf das rechte Verhalten der Gemeinschaft, die zwischen den vielen Göttern und Rollenverhalten der Teilnehmer 189 dem einen Gott als Leib Christi nicht anders kann, als sich von Ritualen fern zu halten, die nicht mehr der eigenen Identität entsprechen. Ritualtheoretisch gesprochen, reflektiert Paulus in 1Kor 10 die Ritualisierung der Gemeinschaft, die sich von ihrem Umfeld unterscheidet und differenziertes Verhalten ausweist. Diese Gemeinschaft als Leib Christi ist durch ihre Handlungen des Segens und des Brotbrechens in sich differenziert und in hohem Maße nicht nur von der eigenen, sondern auch von der sozialen Praxis ihrer Umwelt abhängig, auf die sie reagiert. Paulus ermahnt sie zur Abgrenzung vom Gottesdienst für andere Götter mit der Warnung vor Fehlverhalten gegenüber Gott. c) Röm 14,1-15,7 In Röm 14,1-15,7 ist schwer auszumachen, welches Leitmotiv Paulus für die Rede an die Gemeinde in Rom favorisiert. Das Netz aus ku/ rioß, Cristo/ ß, Ihsouvß und qeo/ ß ist so dicht, dass es nicht leicht fällt, darin eine Struktur zu identifizieren. Röm 14,3 beginnt mit einer Charakterisierung Gottes als einen, der den Starken aufnimmt, auch wenn er sich aufgrund fehlgeleiteter Stärke über den Bruder erhebt. In Röm 14,6 werden Gott und der ku/ rioß in einem Vers über das Mahlverhalten in Beziehung gesetzt. Frone÷w deutet schon auf die imitatio hin, die in Röm 14,8.9 durch die Bezüge von Leben und Tod noch deutlicher wird. Es ist der tatsächliche Vollzug des rituellen Lebens und Sterbens, der hier von Paulus in den Blick genommen wird. Röm 14,10-12 bezieht sich auf Gott, obgleich das Zitat aus der Septuaginta (Jes 49,18; Jer 22,24 256 ) „zw e˙gw . le÷geiku/ rioß“ beibehalten wurde. „ ˙Enkuri÷wˆ Ihsouv“ in Röm 14,14 ist neben 1Kor 11,23 die einzige Paarung von ku/ rioß und Ihsouvß in dem zu Grunde liegenden Abschnitt. Wie 1Kor 11,23, so spiegelt auch Röm 14,14 das Wissen und die Überzeugung des Apostels wider. Hier artikuliert Paulus, dass die imitatio Pauli durch den ku/ rioß Ihsouvß legitimiert ist und direkt mit der Position des Symposiarchen verbunden ist. Röm 14,15 erinnert parallel zu 1Kor 8,11 daran, dass die Handlungen bei Mahlgemeinschaften über das Verderben des Einzelnen und das Überleben der Gemeinschaft entscheiden. Röm 14,17-20 fokussiert vermehrt Gott, wobei Cristo/ ß in den heilsgeschichtlichen Zusammenhang mit dem Reich Gottes gesetzt wird. Paulus bleibt in eindeutiger Weise der Thematik des Essen und des Trinkens treu. Dahin gehend verortet Paulus mit der Parallelität zwischen hJ basilei÷a touv qeouv und to\ e¶rgon touv qeouv das Heilsgeschehen in der Mahlpraxis. Doch auch wenn im Reich Gottes nicht über Essen und Trinken entschieden wird, so kann das Werk Gottes doch durch die Speise zerstört werden. Paulus nimmt seine Rede über Gott, an den der Einzelne glauben soll, in Röm 14,22 wieder auf. Röm 15,7 beendet diesen Abschnitt vergleichbar mit sei- 256 So auch in Num 14,28; Zeph 2,9; Jer 26,18; Ez 5,11; 14,16.18.20; 16,48; 17,16; 18,3; 20,31.33; 34,8 und 35,6.11. Ritualtheoretische Exegese 190 nem Anfang in Röm 14,1, doch nun ist Cristo/ ß derjenige, der im Namen Gottes die Gemeinschaft aufnimmt. Paulus wird in Röm 14 konkreter, was die imitatio und das Verhalten der Gemeinschaft als Leib Christi angeht. Die Orientierung an Gott dient auch Paulus in Röm 14 zur Nachahmung Christi. Paulus verortet diese Nachahmung eindeutig im Mahlgeschehen und zeigt damit, dass über die imitatio die Ritualisierung einer sozialen Praxis stattfindet, die an dieser Stelle von Paulus eindeutig als Mahlgemeinschaft ausgewiesen wird. 1Kor 11 wird die soziale Praxis noch stärker betonen und außer einem Vers, in dem Paulus auf Gott Bezug nimmt, einzig vom ku/ rioß sprechen. d) 1Kor 11,17-34 Um 1Kor 11 nach dem Verhalten der Mahlteilnehmer zu befragen, ist es vorerst notwendig, die Charakterisierung der Gruppe anzuschauen. Für Paulus ’ Anrede der Korinther ist es nicht ungewöhnlich, sie als e˙kklhsi÷a touv qeouv anzusprechen oder sie mir ihr zu vergleichen. Abgesehen von 1Kor 11,22 wählt Paulus diese Beschreibung in 1Kor 1,2; 10,32; 11,16 und 1Kor 15,9. Er verwendet diesen Terminus acht Mal in seinen Briefen (fünf Mal im 1Kor, ein Mal im 2Kor, ein Mal im Gal und ein Mal im 1Thess - nicht im Röm! ). Es ist bemerkenswert, dass Paulus diesen Terminus, abgesehen von der Anrede in 1Kor 1,2, wählt, wenn er die Gemeinschaft vor Konflikten warnt. Er warnt die Gemeinschaft davor, anstößig zu sein (1Kor 10,32); er stellt sicher, dass die Gemeinschaft nicht streitsüchtig ist (1Kor 11,16); er warnt vor Verachtung der Gemeinschaft (1Kor 11,22) und er klagt sich selbst als Verfolger der Gemeinschaft Gottes an (1Kor 15,9 257 ). Der Terminus e˙kklhsi÷a touv qeouv wird in dem Abschnitt über das kuriako\n dei pnon bereits in 1Kor 11,17 eingeleitet, da Paulus schon dort die Spaltungen innerhalb der Gemeinschaft (e˙kklhsi÷a) offen anspricht. Es ist auffällig, in welcher Weise Paulus diesen Terminus nutzt, um Konflikte zu benennen und über diese Benennung Werte der Gemeinschaft einzufordern, die das Konfliktpotential innerhalb der Gruppe reduzieren sollen. Mit 1Kor 11,22 leitet Paulus die konkrete Beschreibung des kuriako\n dei pnon ein, wobei Paulus im folgenden Vers Jesus als den ku/ rioß näher bestimmt und in diesem Sinne bestätigt, dass es sich bei dem kuriako\n dei pnon um das Gemeinschaftsmahl handelt, welches von Jesus als dem ku/ rioß geleitet wird. Der Symposiarch ist Jesus, der ku/ rioß, und nicht Jesus, der Cristo/ ß. 258 Die nachfolgenden Verse zeigen, wie sich Jesus als Symposiarch verhalten hat. Er nahm Brot, dankte, brach es und sprach zu der Gemeinschaft (1Kor 11,23). In gleicher Weise verfuhr er mit dem Kelch und richtete sich 257 Vgl. Gal 1,13. 258 Diese Identifizierung von Jesus als ku/ rioß dient Paulus an dieser Stelle als soziale Identifikation und bedeutet selbstverständlich nicht, dass für andere Zusammenhänge die Verbindung zwischen Jesus und Cristo/ ß in Frage gestellt werden soll. Rollenverhalten der Teilnehmer 191 an die Gemeinschaft (1Kor 11,25). In 1Kor 11,26 formuliert Paulus wieder seine Rede an die Gemeinschaft, indem er das Mahl mit dem Tod des ku/ rioß in Verbindung bringt. Sollte ein Bezug zwischen dem ku/ rioß und dem Cristo/ ß zu finden sein, dann an dieser Stelle. Die folgende Mahnung ist wieder auf die Gemeinschaft und den ku/ rioß bezogen, demgegenüber man durch Unwürdigkeit schuldig werden kann (1Kor 11,27). 1Kor 11,32 fasst die Konsequenzen der Verantwortlichkeit kurz zusammen: Der ku/ rioß richtet und unterrichtet, damit die Gemeinschaft nicht von der Welt verurteilt wird. Bei der Untersuchung der Verwendung von e˙kklhsi÷a touv qeouv hat sich herausgestellt, dass Paulus in 1Kor 11 sowohl die Benennung der Konfliktfelder als auch die erstrebenswerten Ideale der Gemeinschaft formuliert. Ritualtheoretisch wird nun untersucht, ob Paulus die Konfliktfelder und Spannungen der Gemeinschaft reguliert und/ oder kontrolliert, um einen Ausgleich zu schaffen. Regulierungen und Kontrolle können ausgeübt werden, indem Jesus, der ku/ rioß, als Symposiarch des Mahls eingeführt wird. Berücksichtigt man, dass die Position des Symposiarchen ein wechselnder Vorsitz ist, ist die Nennung von Jesus, dem ku/ rioß, auffällig. Hier stellt Paulus der Gemeinschaft in Aussicht, die imitatio von Jesus aufzunehmen. Warum gerade Jesus und nicht Cristo/ ß? Auffällig ist, dass das kuriako\n dei pnon nicht über die imitatio Pauli vermittelt wird, sondern dass Paulus davon spricht, es vom ku/ rioß empfangen zu haben. Ausgehend von der Beobachtung, dass die imitatio Christi der imitatio Pauli folgt, fällt an dieser Stelle auf, dass Jesus als Symposiarch und als Mitglied der Gemeinschaft beschrieben wird. Paulus braucht an dieser Stelle mit anderen Worten keine imitatio Christi, die durch die imitatio Pauli vermittelt wird, denn Jesus als ku/ rioß wird über seine rituelle Performanz zu einem Mitglied der Gemeinschaft. In diesem Sinn ist „Jesu persönliche Präsenz und Mitteilung“ der Inhalt von 1Kor 11,27. 259 Obgleich die Konkretisierung „in der Nacht, in der er überliefert wurde“ immer wieder als Bezug zum historischen Jesus gedeutet wurde, dient m.E. dieser Nebensatz viel eher dazu, die „Ritualisierung“, also die differenzierte Performanz, zu betonen. Das stellt deutlich heraus, dass Paulus das Mahl nicht erfunden hat und 259 B AUMERT 2003, 471. Otfried Hofius geht in seinem Aufsatz Gemeinschaft am Tisch des Herrn davon aus, dass Jesus vor seinem Tod das Mahl gestiftet hat. Daher folgert er, „dass der Gekreuzigte im Mahl nicht tot und vergangen ist, sondern als der lebendige, erhöhte und in seiner Gemeinde gegenwärtige Herr das Mahl bereitet und die sakramentalen Gaben austeilt, wo immer und wann immer es seiner Stiftung gemäß gefeiert wird.“ H OFIUS 2008, 170f. Das zutreffende Erkennen, dass Jesus sowohl vor als auch nach seinem Tod dem Mahl vorstehen kann, wird hier leider durch die theologische „Stifter-Metaphorik“ überlastet. So auch schon 1988 und 1998. Hofius geht von einer Stiftung aus und formuliert trotzdem: „Anders gesagt: es ist der gekreuzigte Christus selbst, der dies tut.“ H OFIUS 1988, 407. H OFIUS 1998, 320 postuliert auch weitere zehn Jahre später die Stiftung des Abendmahls. Ritualtheoretische Exegese 192 auch die Mähler Jesu, einschließlich seines letzten, der Gemeinschaft bereits in einer ritualisierten Form vorlagen. 260 Bezieht man in die Exegese mit ein, dass Paulus in seinen Äußerungen über die Mahlgemeinschaft für das kuriako\n dei pnon Jesus als Symposiarchen einsetzt, dann ist nicht zu unterschätzen, dass dies nicht impliziert, dass Jesus der einzige Symposiarch für die Gemeinschaft ist. Ganz im Gegenteil - die Rolle des Symposiarchen wechselt, so dass bei einem nächsten Mahl ein anderes Mitglied der Gemeinschaft an Jesu Stelle die Rolle des Symposiarchen einnehmen kann, ganz ähnlich der imitatio, die zwar über Paulus vermittelt wird, schlussendlich aber in eine imitatio Christi mündet, die eine neue Gemeinschaft formuliert. Jeder ist über die imitatio Christi mit dem anderen verbunden, so dass sich die Gemeinschaft über das gemeinsame Ritual konstituiert. Zusammenfassend wird an 1Kor 11 deutlich, dass es sich bei dem kuriako\n dei pnon um eine alltägliche Praxis handelt, die durch die imitatio Christi sozial-ethisch und religiös konnotiert wird. Es verdichten sich die Anzeichen, dass das Mahl als ritueller Vollzug die Dynamik innerhalb der Gruppe reguliert, kontrolliert und anpasst, da im kuriako\n dei pnon die imitatio Christi als soziale Performanz angestrebt wird. Dies ist eine soziale Performanz, die ein Gelingen nicht über theologische Konzepte anstrebt, sondern die Verantwortlichkeit für ein Gelingen an alltägliche Handlungen knüpft. Gelingen oder Scheitern ist darüber hinaus nicht an individuelle Qualitäten, sondern an die Interaktion der Gemeinschaft gebunden. 5. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die imitatio nicht als theologisches Konzept angesehen werden kann, sondern als Teil sozialer Performanz, die sich im alltäglichen Leben der Gemeinschaften ausdrückt. Obgleich Paulus nicht das geschichtliche Leben und Wirken Jesu zur konkreten Orientierung der Gemeinschaften heranzieht, nimmt er doch Bezug auf das kontextuell rituelle Leben von Jesus. Ihm gelingt dies vor allem dadurch, dass er sich im selben kulturellen Zusammenhang befindet, welcher die soziale Praxis von Jesus mit seiner eigenen und der seiner Gemeinschaften verbindet. Dies ist ihm über die imitatio gelungen, die seine eigene Vorbildfunktion als Teil der rituellen Praxis der imitatio Christi vermittelt. Wenn die imitatio als ein performativer Prozess nicht an den historischen Jesus, sondern an die soziale Performanz der Gemeinschaft gekoppelt ist, wird sie zu einem Ausdruck bewusster und aktiver Beteiligung der Christusgläubigen an der Gemeinschaft, welche sich im gemeinsamen Mahl konstituiert. Das zieht Differenzierung, die Benennung von Konflikten und deren Regulierung, Kontrolle und Anpassung mit sich (Ritualisierung). Es handelt sich 260 K LINGHARDT 2011, 51 eröffnet in diesem Sinn seine Beobachtungen zum Leib in den paulinischen Mahltexten. Rollenverhalten der Teilnehmer 193 um eine Ritualisierung, die in hohem Maße von der sozialen Praxis abhängig ist und die auf spezifische Gegebenheiten strategisch reagiert. Die Handlungen des Symposiarchen bieten den idealen Spielraum für diese Ritualisierung. Seine Handlungen sind von einer Ambivalenz geprägt, die sich dadurch ausbildet, dass er zwar Entscheidungen über den Verlauf des Mahls zu treffen hat, dass diese aber nicht seine persönlichen Entscheidungen sind, sondern einerseits die kulturelle Erwartung und andererseits die Kreativität der Gruppe repräsentieren. Im kuriako\n dei pnon ist Jesus der Symposiarch, der als ku/ rioß das Mahl als einer aus der Gemeinschaft leitet und in diesem Sinne die Ritualisierung der Mahlgemeinschaft vorantreibt, da beim nächsten Mal ein anderer Mahlteilnehmer die Leitung übernimmt. Ritualtheoretische Exegese 194 6. Tabelle: Rollenverhalten der Teilnehmer Rollenverhalten der Teilnehmer Christus ku/ rioß, Jesus Gott Cristo/ ß (11/ 10 Verse) kuriako/ ß (1) kurieu/ w (1) ku/ rioß (20/ 12 Verse) Ihsouvß (4/ 4) qeo/ ß (18/ 7 Verse) Gal 2,11-14 1Kor 8,1. 4.7-13 Cristo/ ß 1Kor 8,11-12 qeo/ ß 1Kor 8,4. 8 1Kor 9,3- 4.7.13 1Kor 10,7.14-25. 27-28.31 Cristo/ ß 1Kor 10,16 ku/ rioß 1Kor 10,21-22 qeo/ ß 1Kor 10,20.31 Röm 14,1- 15,1.7 Cristo/ ß Röm 14,9.15.18; 15,3.5-7 kata» Cristo\n Ihsouvn Röm 15,5 kurieu/ w Röm 14,9 ku/ rioß Röm 14,6.8.14; 15,6 e˙n kuri÷wˆ Ihsouv Röm 14,14 qeo/ ß Röm 14,3.6.10- 12.17-18.20.22; 15,5-7 1Kor 11,17- 34 ku/ rioß 1Kor 11,23.26- 27.32 oJku/ rioß Ihsouvß 1Kor 11,23 kuriako/ ß 1Kor 11,20 qeo/ ß 1Kor 11,22 Verlauf des Gemeinschaftsmahls 195 E. Verlauf des Gemeinschaftsmahls Nachdem bereits die Ausbildung und Ausübung der Identitäten der Mahlteilnehmer und das Rollenverhalten während des Mahls diskutiert wurden, ist es in einem weiteren Schritt notwendig, den Verlauf des Mahls zu untersuchen. Mit dem Verlauf des Mahls ist sowohl die Einbettung des Mahls in andere soziale Praktiken als auch der Verlauf des Mahls selbst gemeint. Diese Verankerung des Mahls in andere soziale Praktiken ist von besonderem Interesse, weil in dem Zusammenhang dieser Arbeit gefragt wird, wann in neutestamentlichen Narrationen vom hellenistischen Mahl die Rede ist und welche Bedeutung diese Erwähnung in der Erzählung hat. Die Darstellung bezieht sich auf den Verlauf des Mahls selbst und arbeitet heraus, wie Deipnon und Symposion zueinander stehen und welches Essbzw. Trinkverhalten für diese Teile des Mahls relevant ist. Wie in den ersten drei Abschnitten der ritualtheoretischen Betrachtungen wird zuerst auf den Verlauf des hellenistischen Mahls im Neuen Testament eingegangen, bevor ritualtheoretische Grundlagen für die sozial-historischen und exegetischen Betrachtungen diskutiert werden. 1. Verlauf des hellenistischen Mahls im Neuen Testament Das Gemeinschaftsmahl besteht aus verschiedenen Einheiten und ist in andere soziale Praktiken integriert. Somit ist das Mahl Teil einer komplexen Dynamik, die Initiativen, soziale Interaktionen, vorangehende Erlebnisse und gemeinsame Ideen voraussetzt. 261 In den einleitenden Teilen dieser Studie wurde aufgezeigt, dass das hellenistische Mahl, unabhängig davon, welche Gemeinschaft es hält, grundsätzliche Charakteristika aufweist. Klinghardt definiert auf dieser Einsicht aufbauend Erkennungsmerkmale des hellenistischen Mahls. Er bezeichnet diese Merkmale als „Realien im Umfeld von Mählern“ und bezieht sich auf „Zeiten, Orte und Anlässe, Formen und Verlauf, Speisen und Speisefolgen, Funktion des Gastgebers, das soziale Gefüge der Mahlteilnehmer untereinander und das Verhältnis zu den Bediensteten, sowie die Frage, wie die Gemeinschaftsmähler finanziert wurden“. 262 An dieser Stelle wird untersucht, inwieweit sich diese „Realien“ aus den neutestamentlichen Schriften herausarbeiten lassen und in welches Verhältnis zueinander sie gesetzt werden können. Um über die Belege zum kuriako\n dei pnon (1Kor 11,23-25; Mt 26,26-28; Mk 14,22-25 und Lk 22,15-20) hinaus Aussagen über die Einbettung der Mahlgemeinschaften machen zu können, ist es wichtig, neben den synopti- 261 T AUSSIG 2009, IX. 262 K LINGHARDT 1996, 24. Ritualtheoretische Exegese 196 schen Evangelien auch das Johannesevangelium, die Offenbarung und die Didache zu betrachten. Im Zentrum stehen unter anderem die alltäglichen Zusammenhänge der sozialen Praxis, die Rolle von Essenden und Trinkenden, der Ort, der variable Ablauf des Mahls, das wechselnde Verhalten der Mahlteilnehmer und die Handlungsspielräume von Frauen, Kindern und Hunden. Abschnitte, die sehr eindrücklich über den Verlauf des Mahls Auskunft geben, sind Apg 2,46-47 und Lk 10,1-12. In Apg 2,46-47 heißt es, dass das tägliche Verharren im Tempel und das Essen in der Mahlgemeinschaft sich abwechseln - und sich auch andere Menschen der Mahlgemeinschaft anschließen. Auch Lk 10,1-12 macht die Einbettung in andere Aktivitäten sehr deutlich. Jesus sendet die 70 aus, dass sie sich Häuser suchen, in denen sie versorgt werden. Genauer gesagt sollen sie Essende und Trinkende sein (e˙sqi÷onteß kai« pi÷nonteß) und im Haus verbleiben (Lk 10,7). Zum Verweilen sowie zum Essen und Trinken gehört, dass sie heilen und über das Reich Gottes sprechen (Lk 10,9). Die Anweisungen, die den Ausgesandten gegeben werden, zeigen, dass Essen und Trinken sehr eng mit anderen Aktivitäten verbunden sind und dass sich die 70 von den Gastgebern in einer gewissen Abhängigkeit befinden. Werden die Ausgesandten nicht aufgenommen, dann werden damit auch ihre Tätigkeiten abgewiesen. Darüber hinaus wird der Stadt Unheil verkündet (Lk 10,12). In Mk 14,12-16 erfahren wir, dass der Ort des Mahls frei gewählt werden kann. Nach anfänglichem Fragen findet das Mahl von Jesus und seinen Jüngern schlussendlich in einem Speiseraum (kata¿luma; vgl. 1Sam 1,18; 9,22; Sir 14,25) statt. Dass die Mahlgemeinschaft Teil des Alltags war, zeigen Apg 27,33-38, Lk 14,1-3, Lk 24,28-35. Wie in Apg 2,46 bezieht sich der Erzähler auf den Nährwert der Speise (trofh/ ), auf welche die 267 Mitreisenden von Paulus nicht länger als 14 Tage verzichten dürfen (Apg 27,33). Paulus fordert die Reisenden zum Essen auf und dankt Gott (Apg 27,35). Die Rettung manifestiert sich sogleich in Wohlgefühl (Apg 27,36) und in der Unabhängigkeit vom Weizen, der von der Mannschaft ins Meer geworfen wird (Apg 27,38). In Lk 14 und Lk 24 wird dadurch, dass das Mahl am Sabbat abgehalten wird und eine Form der Gastfreundschaft gegenüber Fremden darstellt, bestätigt, dass es Teil des Alltags ist. Eine weitere Darstellung des Verlaufs des Mahls im Alltag sind Erzählungen, die das Dienen und das Essen eng miteinander in Verbindung bringen. Taussig diskutiert diese Zusammenhänge verbunden mit der Frage nach der Teilnahme und Bedeutung der Frauen für die Mahlgemeinschaften. 263 Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Mk 1,31, Lk 4,38-39, Joh 12,1 und Mk 8,15 diakone÷w als (Tisch-)Dienst für die Mahlgemeinschaft verwenden. 264 Bemerkenswert ist, dass sowohl Mt, Mk und Lk beto- 263 T AUSSIG 2009, 48. 264 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, 229b: „... of attention at meals wait on someone (tini÷ ) at table (Menand., fgm. 272; Pyrgion [Hellenistic times]: 467 fgm. 1 Jac. [a communal Verlauf des Gemeinschaftsmahls 197 nen, dass die Mahlsituation von der Frau mit dem Salböl unterbrochen wird. Während Mt 26,6-13 und Mk 14,3-9, abgesehen von der unüblichen Praxis der Salbung durch eine Frau während des Mahls, keine weiteren Auskünfte über den Verlauf der Mahlgemeinschaft machen, informiert Lk 7,36-50 mittels der Rede Jesu an Simon über alternative Verläufe der Mahlgemeinschaft. Jesus bemängelt, dass Simon ihm nicht die Füße gewaschen hat und ihm nicht das Haupt bzw. die Füße mit Öl gesalbt worden sind. Auch Abschnitte, die von Beeinflussungen anderer Teilnehmer bzw. Beobachter sprechen, wie Mk 2,15-17, geben viele Hintergrundinformationen zu Abschnitten, in denen der Verlauf des Mahls diskutiert wird. Apk 3,20 betont das Eintreten der Teilnehmer und den Beginn der Mahlgemeinschaft. In Mk 7,24-30 verständigt sich Jesus mit der Syrophonizierin über den Verlauf des Mahls und die Rolle der Hunde und Kinder und auch Mk 10,35-45 dient zur Klärung der Sitzordnung unter Jakobus und Johannes, obgleich Jesus diese Frage mit dem Trinken des Kelches verbindet. Die Platzwahl und die damit verbundenen Schwierigkeiten und Variabilitäten sind auch in Lk 14,7-11 präsent. Hier kommentiert Jesus die ungleiche Platzwahl, die sich dem Ankommen der Mahlteilnehmer im Haus anschließt. Die parallelen Überlieferungen vom letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern in Mt 26,26-28 und Mk 14,22-25 schildern die Reihenfolge von Brot und Wein, die im frühen lukanischen Evangelium (Lk 22,15-20) umgekehrt wird, während im späten lukanischen Evangelium das Brot von zwei Kelchen gerahmt wird. 265 Obgleich die Reihenfolge in Lk und auch die in Did 9-10 (hier folgt dem Kelch mit Wein und dem Brechen des Brotes ein Gebet) nicht derjenigen des 1Kor oder Mt bzw. Mk entspricht, befindet sich der Verlauf dennoch innerhalb des Rahmens des hellenistischen Mahls. 266 Wie variabel der Verlauf des Mahls ist, schildern vor allem Lk 14 und Joh 13,1-11. In Lk 14 wird nach dem Ankommen (Lk 14,1) eine Heilung (Lk 14,4) geschildert und nach der Platzwahl (Lk 14,7) ein Rat an alle gegeben (Lk 14,8-11), dem sich ein Rat an den Gastgeber (Lk 14,12-14) anschließt. Anstatt das Essen zu beschreiben, werden eine Konversation und ein Gleichnis an einen Teilnehmer (Lk 14,15-24) wiedergegeben. In Joh 13,1-11 wird auch der „klassische“ Mahlverlauf zugunsten des abweichenden Verhaltens von Jesus geändert. Jesus unterbricht den klassischen Verlauf, wechselt seine Kleidung und wäscht den Jüngern (erneut) die Füße, die er mit seinem Leinengewand trocknet. Danach zieht er wieder seine Oberkleider an und beginnt die Unterhaltung mit seinen Jüngern (Joh 13,12). Das Mahl wird durch Jesu Verlassen (Joh 13,30) beendet. Nach dem Mahl meal in Crete]; Diod. S. 4, 36, 2; 5, 28, 4; Philo, Vi. Cont. 70; TestJob 12: 1 al.; Jos., Ant. 11, 163; 166) Lk 12: 37; 17: 8. Abs. 10: 40; J 12: 2; GJs 6: 3. In imagery wJß oJ diakonw n waiter Lk 22: 26f.“ 265 T AUSSIG 2009, 42. 266 K LINGHARDT 1996, 379-406. Ritualtheoretische Exegese 198 schließt sich die Frage an, wohin man geht (Joh 13,36). In Joh 13 enthält Jesus Simon Petrus diese Auskunft vor. Die ausgewählten neutestamentlichen Abschnitte haben gezeigt, wie Handlungen Jesu oder des Apostels Paulus den bekannten Verlauf des Mahls verändern. Zudem wird immer wieder von Störungen während des Mahls geschrieben, die der folgenden Handlung, beispielsweise der einer Frau, besonders viel Beachtung zukommen lassen. Die Betonung liegt in vielerlei Hinsicht auf dem täglichen Ablauf des Mahls, der durch Veränderungen, ergänzende Beschreibungen oder eine präzise Wortwahl für die Narration betont wird. 2. Ritualtheoretische Grundlagen zum Verlauf des hellenistischen Mahls Der neutestamentliche Überblick konnte zeigen, welche Bedeutung dem Verlauf des Mahls im Neuen Testament zugesprochen wird. Ritualtheoretisch über die Bedeutung des Verlaufs des Mahls nachzudenken, bedeutet, sich vor allem auf ethologische und anthropologische Studien zu beziehen, da bei diesen der Fokus auf die Einbettung und den Verlauf des Mahls besonders relevant ist (Mary Douglas, Dorothea Baudy). Darüber hinaus werden aber auch Theorien zur kommunikativen Struktur von Ritualen und deren Analogien zu Sprechakten diskutiert (Roy A. Rappaport). Besonders im Hinblick auf die ritualtheoretische Exegese ist dies der Ort, an dem die vermeintliche Analogie zwischen dem Ritual und dem Sprechakt detailliert betrachtet werden muss. Baudy stellt am Ende ihrer Ausführungen zur Ethologie der Rituale im gleichnamigen Aufsatz fest, dass jede Geste Bedeutungen und Intentionen beinhaltet, welche die Adressaten provozieren. Insofern obliegt jedem typischen Element des rituellen Verlaufs („sequence“) normalerweise eine bestimmte Signalwirkung. 267 Baudy fasst schließlich zusammen: „... [ R ] itual elements, which I call ‘lexemes’, are mostly constituents of a greater action pattern that is itself included in a part of a more complex entity.“ 268 Baudys Ziel ist es, ausgehend von der Berücksichtigung, dass rituelle Elemente in größere Verhaltensweisen eingebettet sind, eine ethologische Grammatik religiösen Verhaltens zu skizzieren. Die Grundvoraussetzung dazu bildet die Annahme, dass rituelle Strukturen universell zu beobachten sind. 269 Obgleich vorzugsweise nicht von „Strukturen“, sondern von Sequenzen oder Verläufen zu sprechen ist, bietet der Ansatz von Baudy eine wertvolle Grundlage für das Einbeziehen ritueller Verläufe in die ritualtheoretische Betrachtung. Dass die Sequenz verschiedener Handlungen in einem Ritual zu den Bedingungen des Rituals gehört, bestätigt auch 267 B AUDY 2006, 358. 268 B AUDY 2006, 358. 269 B AUDY 2006. 358. Verlauf des Gemeinschaftsmahls 199 Jens Kreinath, der dies in seinem Aufsatz zur Semiotik im Sammelband Theorizing Rituals festhält. Sequentialität fasst er zusammen als „[...] how ritual acts and utterance are related to one another in a particular way and function therefore as specific vectors and not as abstract variables.” 270 Was Kreinath „specific vectors“ nennt, greift sein Kollege Michael Houseman mit der Formulierung auf, dass die Qualität einer Performanz nicht hauptsächlich von einer vorbereiteten Sequenz („pre-established sequence“), sondern vielmehr von einer relationalen Konfiguration ausgeht. 271 In diesem Sinne spricht Houseman von einer höheren Ordnung, die interaktiv integriert, wobei die Partizipation unterschiedlicher Parteien systematisch wie in einem Orchester angeordnet ist. Rituelle Beziehungen entfalten sich daher experimentell und setzen sich progressiv fort. 272 Er zeichnet damit ein äußerst positives Bild von relationaler Integration und Konfiguration, die auch als Aktionssequenzen beschrieben werden, welche sich dynamisch entfalten. Auch Dietrich Harth beschreibt den rituellen Verlauf als eine sich entfaltende Dynamik, die interaktiv hervorgebracht wird, der Situation entsprechend agiert und dennoch gut geordnet und sinnlich geformt ist. 273 Auffallend ist, dass von einer Dynamik gesprochen wird, die nicht nur aus sich selbst heraus Bestand hat. Im Aufsatz Ritual in Society von Ursula Rao wird der Bezug des Rituals zur Gesellschaft in Augenschein genommen. Sie fasst zusammen, dass Rituale niemals völlig unabhängig von anderen sozialen Prozessen sind. In dieser Hinsicht äußert sie sich auch über die Dynamik des Rituals in der Gesellschaft: „... [A]uthority within the ritual is established with reference to other social contexts and has an effect on them. Second, occurrences and transformations effected by rituals are relevant for the rearrangement of relations. Third, the meaning given to rituals or sequences within rituals are part of a cultural repertoire in which connections between the various domains of life are established and negotiated. Thus rituals are always embedded activities. They exit subsequent to other occurrences that make them necessary, give them meaning, or generate their effects.“ 274 Dieser Ansatz der dynamischen Interaktion mit der Gesellschaft führt meine ritualtheoretische Betrachtung weiter zu den Aufsätzen von Douglas. Obgleich Douglas vor allem durch ihre anthropologische Studie Purity and Danger (1966) bekannt geworden ist, in der sie über die Kategorien der Reinheit und Unreinheit arbeitet, stehen für diese Untersuchung zwei ihrer Aufsätze von 1972 und 1999 im Mittelpunkt des Interesses. 1972 bezieht sie sich in ihrem Aufsatz Deciphering a Meal insbesondere auf die Sprache als kulturellen Code und auf die Analyse von (alltäglichen) Mahlzeiten. 270 K REINATH 2006, 469. 271 H OUSEMAN 2006, 419. 272 H OUSEMAN 2006, 419f. 273 H ARTH 2006, 23f. 274 R AO 2006, 159. Ritualtheoretische Exegese 200 „If food is treated as a code, the message it encodes will be found in the pattern of social relations being expressed“ - dieser Satz steht paradigmatisch für ihr Bemühen, die sozialen Strukturen hinter den Mahlzeiten aufzudecken. 275 Douglas kritisiert mit ihrem Ansatz Studien, die eine universelle Bedeutungen von Speisen ergründen wollen (Douglas meint hiermit Theorien von Claude Lévi-Strauss). 276 Stattdessen bevorzugt sie solche Studien, die versuchen, Speisen und Mahlzeiten in linguistischen Kategorien zu fassen (Michael Halliday). 277 Mit beeindruckender Vielfalt werden von Douglas Hallidays Kategorien für das Beschreiben des Essens aufgeführt, die grammatikalischen Anordnungen entsprechen. Dies ist nicht der Rahmen, in dem diese grammatikalische Anordnung detailliert nachvollzogen werden kann. Dennoch kann festgehalten werden, dass Douglas, mit Hallidays Analyse der Komposition einer Mahlzeit, der grundsätzlich unendlichen Vielfalt der Mahlzeit sehr viel Bedeutung zuspricht. Es werden daher primäre und sekundäre Strukturen gebildet, in dem jedes Element der Mahlzeit (z.B. Vorspeise, Hauptspeise, Käse, Nachspeise) in seinem Aufbau separat diskutiert wird. In einem weiteren Schritt bezieht Douglas diese Speisekategorien auf die sozialen Kategorien und diskutiert den sozialen und rituellen Unterschied zwischen Essen und Trinken. 278 Diese von ihr bemerkten Unterschiede werden in der Diskussion über das Deipnon und das Symposion wieder aufgegriffen. Grundsätzlich werden Mahlzeiten von Douglas sozial höher bewertet, da sie voraussetzungsreicher sind und eine intensivere soziale Interaktion voraussetzen („Those we know at meals we also know at drinks“). 279 Abgesehen von den äußerlichen Bedingungen, die ein Essen erfüllen muss (Sitzordnung, limitierte Bewegungsfreiheit und Beschäftigungsgrad mit anderen Dingen 280 ), müssen laut Douglas auch die Speisen selbst bestimmte Bedingungen erfüllen. Douglas berücksichtigt vor allem die sozialen Anforderungen, die eine Mahlzeit erfüllen muss. „If I wish to serve anything worthy of the name of supper in one dish it must preserve the minimum structure of a meal. Vegetable soup so long as it had noodles and grated cheese would do, or poached eggs on toast with parsley.“ 281 Des Weiteren betont Douglas, dass eine Mahlzeit („meal“) nicht ohne Bezug zu anderen Mahlzeiten wahrgenommen werden kann, da die Bedeutung der Mahlzeit in einem System von Analogien verankert ist. So trägt jede Mahlzeit die Bedeutung von anderen Mahlzeiten und jede Mahlzeit ist ein soziales Ereignis, welches andere soziale Ereignisse nach eigenem Vor- 275 D OUGLAS 1972, 61. 276 D OUGLAS 1972, 62. 277 D OUGLAS 1972, 62. 278 D OUGLAS 1972, 64f. 279 D OUGLAS 1972, 66. 280 D OUGLAS 1972, 66. 281 D OUGLAS 1972, 68. Verlauf des Gemeinschaftsmahls 201 bild strukturiert. 282 Die Genese von Problemen bezüglich Mahlzeiten und sozialen, insbesondere religiösen, Strukturen ist Douglas nicht fremd. Sie leitet die Problematik davon ab, dass die „pure Metaphysik“ nicht dafür bestimmt ist, im täglichen Leben realisiert zu werden. Schwierigkeiten entstehen, wenn Geschöpfe Gottes die rigide Klassifikation ablehnen oder ihre Biologie den Klassifikationen nicht entspricht. 283 Ohne Zweifel nimmt Douglas hier eine Interpretation der Tora vor, die von ihr 1999 noch weiter geführt werden soll. In ihrem Aufsatz The Eucharist: Its Continuity with the Bread Sacrifice of Leviticus möchte sie herausarbeiten, dass die Eucharistie tatsächlich in Kontinuität mit der biblischen Unterweisung steht und dass die Grundlage für Brotopfer in Leviticus zu finden ist. 284 Douglas wendet sich in diesem Essay gegen die Annahme, dass die christliche Eucharistie eine neue Institution darstellt und keine Verbindung zur Hebräischen Bibel aufweist. In dieser Hinsicht interpretiert sie das Herrenmahl als Passahmahl. 285 Drei Gesichtspunkte stehen in ihrer Studie im Vordergrund. Erstens versteht sie aus Lev 17,4.14, dass das Leben der Tiere mit dem Leben der Menschen gleichgesetzt wird. Tiere und Menschen befinden sich im selben göttlichen Plan, so dass das Vergießen von Tierblut, wie das von Menschenblut, Rechtfertigung gegenüber Gott bedarf. Zweitens stellt sie in den Vordergrund, dass es immer Getreideopfer im biblischen Opfersystem gegeben hat. Diese Getreideopfer wurden als ergänzend zum Fleischopfer verstanden und hatten daher einen separaten, autonomen und heiligen Status mit konventionellen Implikationen. 286 Drittens betont Douglas den spirituellen Charakter der Opferhandlungen in Leviticus. Sie zeigt, dass der Begriff „Körper“ („body“) viele Bezüge zum Mikrokosmos des Tempels und des göttlichen Universums aufweist. Darüber hinaus bezieht sie in ihre These ein, dass biblische Begriffe über geistiges und materielles Essen, Brot und Fleisch, Wein, Blut, Leben und die Seele austauschbar sind. 287 Ihr Aufsatz markiert den Wunsch, eine Kontinuität zwischen dem (levitischen) Judentum und dem Christentum herzustellen. Douglas sieht diese Kontinuität vor allem auf der Ebene der sozialen Praxis und der linguistischen Bedeutungsvielfalt. Von daher folgt sie auch 1999 ihrer bekannten These von 1972: „If food is treated as a code, the message it encodes will be found in the pattern of social relations being expressed“. 288 Douglas’ methodische Entscheidungen regen dazu an, über die Analogien zwischen Sprache und rituellen Handlungen nachzudenken. Dieser Ansatz wird vor allem von Roy Rappaport und Stanley Tambiah vertreten. Sie haben das Konzept der abhängigen Bedeutungen („indexical sign“) in 282 D OUGLAS 1972, 69f. 283 D OUGLAS 1972, 77f. 284 D OUGLAS 1999, 209. 285 D OUGLAS 1999, 209. 286 D OUGLAS 1999, 210. 287 D OUGLAS 1999, 210. 288 D OUGLAS 1972, 61. Ritualtheoretische Exegese 202 die Ritualtheorie aufgenommen. Von abhängigen Bedeutungen ist insofern zu sprechen, als dass Rappaport symbolische Relationen zwischen zwei sich überlappenden, aber unterschiedlichen rituellen Kommunikationsformen vornimmt und dass Tambiah Symbole als Charakteristika für die rituelle Wirksamkeit in Performanzen heranzieht. 289 Bemerkenswert ist hierbei, dass Rappaport die äußere Form des Rituals als den offensichtlichsten Teil versteht und damit die spezifischen Elemente des Rituals charakterisiert. 290 Er definiert demzufolge das Ritual als „the performance of more or less invariant sequences of formal acts and utterances not entirely encoded by the performers.“ 291 Er versteht das Ritual folglich als Kommunikation und geht auch davon aus, dass sich die Teilnehmer ihrem sozialen Status, der von dem Ritual vorgegeben wird, unterordnen. Da die Teilnehmer am Ritual allein durch diese Teilnahme an dasselbe gebunden sind, negiert Rappaport den Unterschied zwischen Übermittler und Empfänger von sozialen Handlungen und bewertet die Form des Rituals höher als seine symbolische Bedeutung. 292 Die Besonderheit des Rituals liegt nach Rappaport vornehmlich in der strukturierten und unveränderlichen Form und nicht in einer prozessorientierten und variablen Dynamik. Dennoch dient das Ritual der Repräsentation sich verändernder Konditionen und überdauernder kosmischer Ordnungen. 293 Zu bezweifeln ist an Rappaports Ansatz, dass die rituelle Kommunikation einzig der Übermittlung liturgischer Ordnung dient, dass er dem Ritual kein Potential zur Transformation, sondern lediglich zur Wiederholung zugesteht, dass er die Partizipation als Subordination versteht und dass er nur die Beziehung zwischen dem Ausführenden und seiner Performanz berücksichtigt. 294 Diese zugegebenermaßen ambivalente Anerkennung von sich verändernden sozialen Konditionen und Ordnungen kann nur vor dem Hintergrund der Analogisierung zwischen Sprache und ritueller Performanz verstanden werden. Rituelle Performanz wird von vielen Ritualtheoretikern in linguistischen Metaphern ausgedrückt. Carlo Severi schreibt in seinem Aufsatz Language überzeugend, dass Geräusche, Gesten, Bilder etc. immer als in loco verbi (Claude Lévi-Strauss) verstanden werden. 295 Problematisch ist dies vor allem deshalb, weil die Sprache als strukturierte Ordnung einer sozialen Handlung angesehen wird, die außer Klassifikationen, Oppositionsbildungen und Projektionen keine anderen Elemente zulässt. Mit dieser Analogiebildung soll demzufolge ein Modell gebildet werden, das Widersprüchlichkeiten überwindet. Rituale als Orte sozialer Experimente zu sehen (Taussig), ist nur eine Möglichkeit, dieser rigiden Analogisierung zu ent- 289 K REINATH 2006, 457. 290 K REINATH 2006, 457. 291 R APPAPORT 1999, 24 zitiert bei L AIDLAW und H UMPHREY 2006, 270. 292 L AIDLAW und H UMPHREY 2006, 270. 293 H ANDELMAN 2006, 40f. 294 K REINATH 2006, 460. 295 S EVERI 2006, 593. Verlauf des Gemeinschaftsmahls 203 kommen. Darüber hinaus die Sprachfähigkeit ritueller Handlungen zu würdigen, gelingt m.E. Severi sehr gut, der nicht mehr von den Handlungen in loco verbi, sondern von verba in loco actus spricht. 296 Zusammenfassend lässt sich folglich über den Verlauf des Rituals und die Einbettung in die soziale Umwelt sagen, dass es wichtig ist, sich mit linguistischen Analogien, die eine rigide Struktur abbilden, zurückzuhalten, um dem dynamischen und variablen Charakter des Ritualverlaufes zu entsprechen. Einem Verständnis von interaktiver Integration von rituellen und sozialen Prozessen wird man nur gerecht, wenn man eine Sprache wählt, die nicht nur sich selbst abbildet, sondern als verba in loco actus fungiert. In diesem Sinne ist es m.E. angemessen, die äußere Form des Rituals als einen gesellschaftlichen (Schutz-)Raum für die interaktive Integration sozialer, politischer oder religiöser Einflüsse zu verstehen. 3. Deipnon / Symposion - Essen und/ oder Nicht-Essen? Im hellenistischen Mahl ist die Unterscheidung zwischen Deipnon und Symposion aus vielerlei Gründen zentral. Wie bereits in den einleitenden Kapiteln erarbeitet wurde, so kann zwischen Deipnon und Symposion aufgrund der Verhaltensweisen und der vorhandenen Lebensmittel unterschieden werden. 297 Grundsätzlich besteht das hellenistische Mahl aus dem Deipnon, welches der Sättigung dient, gefolgt vom Symposion, welches als Trinkgelage mit Konversation und künstlerischen Darbietungen verstanden werden kann. 298 In diesem Teil der Untersuchung wird gezielt der Verlauf des Mahls bezüglich des Essens und des Trinkens betrachtet. Genauer gesagt wird gefragt, wann gegessen bzw. nicht gegessen und wann getrunken bzw. nicht getrunken wird und wie Essen und Trinken sich im Verlaufe des Mahls zueinander verhalten. Wie bereits gezeigt, findet das sättigende Deipnon am Abend nach vollzogener Arbeit und nach einem Bad statt. 299 Da das Bad neben der Reinigung und der Salbung bzw. Massage auch sozial integrative Funktionen enthält, ist deutlich, dass die Verbindung zwischen Bad und Deipnon nicht zu unterschätzen ist. Klinghardt geht sogar davon aus, dass die Einnahme des gustus (Vorspeise) im Bad als etwas Normales vorausgesetzt werden kann. 300 Dem Bad, das meist in öffentlichen Badehäusern oder Thermen stattfindet 301 , folgt das Deipnon. Es ist bemerkenswert, dass auch in bescheidenen Haushalten die Reihenfolge des Deipnon aus Vorspeise, Hauptspeise und Nachspeise eingehalten wird. 302 Dabei besteht jedes einzelne 296 S EVERI 2006, 593. 297 Vgl. T AUSSIG 2009, 44-47. 298 T AUSSIG 2009, 26. 299 K LINGHARDT 1996, 47; S MITH 2003, 21f. 300 K LINGHARDT 1996, 48 Anm. 16. 301 K LINGHARDT 1996, 47. 302 K LINGHARDT 1996, 53. Ritualtheoretische Exegese 204 Gericht aus verschiedenen Gängen. 303 Unklar ist, so Klinghardt, ob es zu Beginn des Deipnon einen Begrüßungs- oder Mahleröffnungstrunk gegeben hat. 304 Zweifelhaft ist dies, weil generell der Weingenuss beim Deipnon umstritten ist. Hier ist es wichtig, zwischen „richtigem“, also unvermischtem, und „nicht-richtigem“ Wein zu unterscheiden. Während der „richtige“ Wein sehr stark ist und nur in kleinen Mengen zu den Libationen zwischen Deipnon und Symposion verköstigt wird, wird der „nicht-richtige“ Wein mit Honig oder Wasser gemischt. Milder Wein mit Honig wird vor allem während der Vorspeise (gustus) und eventuell während der Hauptmahlzeit getrunken. Der Wein der Nachspeise (comissatio) wird in jedem Fall mit Wasser gemischt (3: 1, 2: 1 oder 3: 2). Die Nachspeise kann auch als einzelne Speise gezählt werden, da sie nach der Libation während des Symposion gereicht wird. 305 Das bedeutet, dass während der Vorspeise und der Nachspeise Wein getrunken wird, während der Hauptspeise hingegen nicht. 306 Größere Mengen Wein werden demzufolge nur gemischt getrunken, entweder zur Vorspeise mit Honig oder zur Nachspeise mit Wasser. Es ist daher bemerkenswert, dass Wein nur mit Wasser verdünnt zur Nachspeise während des Symposion gereicht wird. Ob unvermischt zur Libation oder auch vermischt zur Vor- oder Nachspeise, wird Wein demgemäß nur mit nicht-sättigenden Speisen serviert. 307 4. Ritualtheoretische Exegese der paulinischen Texte In der ritualtheoretischen Exegese wird herausgearbeitet, wann in den relevanten Abschnitten vom Essen bzw. Nicht-Essen und wann vom Trinken bzw. Nicht-Trinken gesprochen wird und wie sich Essen und Trinken im Verlauf der Narration zueinander verhalten. Aufgrund der Ergebnisse der sozialgeschichtlichen Beobachtung zum Verhältnis zwischen Deipnon und Symposion wird besonders auf die Kontextualisierung von Aussagen über oder gegen das Essen eingegangen. Es liegt die These nahe, dass Paulus den sozialen, politischen und religiösen Sinnzusammenhang über Aussagen vom Essen bzw. Nicht-Essen bewusst gestaltet hat. Welche Sinnzusammenhänge die relevanten Verse in Gal 2, 1Kor 8-10, Röm 14 und 1Kor 11 miteinander verbinden oder trennen, wird die ritualtheoretische Exegese herausarbeiten. 303 K LINGHARDT 1996, 54. 304 K LINGHARDT 1996, 59. 305 K LINGHARDT 1996, 46; ebd. Anm. 6. 306 K LINGHARDT 1996, 59f. Klinghardt schließt daher auf das Passamahl als hellenistisches Mahl, da man zwischen dem ersten und dem dritten Becher zusätzlich trank, danach aber nicht mehr. (K LINGHARDT 1996, 60.) 307 Dennoch ist eine Verbindung zwischen dem Weinkonsum und der Sättigung nicht abzusprechen, da reine Symposien, ohne vorhergehende Mahlzeiten, nicht belegt sind. (K LINGHARDT 1996, 99.) Verlauf des Gemeinschaftsmahls 205 a) Gal 2,11-14 In Gal 2,12-14 bietet nur sunesqi÷w (Gal 2,12) einen Anhaltspunkt, um Aussagen über den Mahlverlauf in Antiochia zu machen. Wie bereits mehrfach erwähnt, impliziert sunesqi÷w das gemeinsame Essen. Wie Hans Dieter Betz treffend erwähnt, ist von der Imperfektform abzuleiten, dass das gemeinsame Essen zwischen Kephas und der Gemeinschaft in Antiochia regelmäßig stattfand. 308 Da Betz und die von ihm aufgeführten Autoren von der Trennung zwischen religiösen und nicht-religiösen Mahlgemeinschaften bzw. -zeiten ausgehen, bemerkt er folgerichtig, dass das Verb sunesqi÷w keine Aussage darüber macht, ob eine gewöhnliche Mahlgemeinschaft oder das Herrenmahl abgehalten wurde. 309 Sich in der Dichotomie zwischen eucharistischen und nicht-eucharistischen Unterscheidungen aufzuhalten, erscheint mir wenig sinnvoll. Deutlich ist, dass sich von sunesqi÷w auch keine Aussagen über den Verlauf des gemeinsamen Essens ableiten lassen. Es ist lediglich zu vermuten, dass das Mahl dem kulturellen Kontext entsprechend ablief. Das bedeutet, dass sich im gemeinsamen Essen die ethnische Vielfältigkeit im hellenistisch geprägten Kulturraum widerspiegelte und dass das Essen zwischen Juden und den Nationen als nicht ungewöhnlich angesehen wurde. b) 1Kor 8-10 und Röm 14,1-15,7 In der ritualtheoretischen Exegese werden Aussagen untersucht, die das Essen bzw. Nicht-Essen in den Narrationen betonen. Es ist auffällig, dass in den relevanten Abschnitten (1Kor 8,1.4.7-13; 1Kor 9,3-4.7.13; 1Kor 10,7.14- 25.27-28.31; Röm 14,1-15,7; 1Kor 11,17-34) e˙sqi÷w oder pi÷nw in 11 Versen u.a. mit mh/ , ouj oder mhde÷ in negierenden Formulierungen verwendet werden. In acht Versen werden e˙sqi÷w oder pi÷nw in „bejahenden“ Zusammenhängen gebraucht. In 1Kor 8-10 und Röm 14 wird dem Essen von (Opfer-)Fleisch in 1Kor 8,7.10; 9,4.7.13; 10,18.25.27 aus vielerlei Gründen zugestimmt, während das Essen in 1Kor 8,8.13; 10,7.21.28.31; Röm 14,2-3.6.21 abgelehnt wird. c) 1Kor 8-10 In 1Kor 8-10 wird von Paulus u.a. der Zusammenhang zwischen Essen und dem Gewissen thematisiert. 1Kor 8,7 bestätigt, dass manche, die bis jetzt an die anderen Götter gewöhnt waren, weiterhin das Opferfleisch anderer Götter essen, obgleich ihr schwaches Gewissen davon befleckt wird. In 1Kor 8,10 und 1Kor 10,21.28 greift Paulus die Frage nach dem schwachen Gewissen wieder auf, wobei 1Kor 8,10 nicht aus der Perspektive des Essenden, sondern desjenigen, der wie der Essende über ein schwaches Ge- 308 B ETZ 1984, 107. 309 B ETZ 1984, 107. Ritualtheoretische Exegese 206 wissen verfügt und zum Opferfleisch anderer Götter greift, angeregt wird. 1Kor 8,10 „bejaht“ das Essen von Opferfleisch anderer Götter dahin gehend, dass dort nicht das Essen, sondern das Gewissen des Beobachters zum Problem gemacht wird. 1Kor 10,21.28und Röm 14,23 sind im Vergleich zu 1Kor 8,10 wesentlich deutlicher gegen das Essen (von Opferfleisch anderer Götter) gerichtet. Während Paulus in 1Kor 10,21 das Essen und Trinken mit dem Herrn gegen das Essen und Trinken mit den Dämonen thematisiert, berücksichtigt Paulus in 1Kor 10,28 warnend denjenigen, dem Opferfleisch angeboten wird. Dieser soll das Fleisch nicht essen, da er den Anbietenden und das Gewissen bedenken soll. 1Kor 9,13 und 1Kor 10,18.25.27 spiegeln dagegen eine Selbstverständlichkeit im alltäglichen Umgang mit dem Fleisch aus dem Tempel oder vom ma¿kellon wider. Diejenigen, die im Tempel ihren heiligen Dienst tun, essen auch aus dem Tempel (1Kor 9,13), und diejenigen, die Schlachtopfer essen, befinden sich in Gemeinschaft mit dem Altar (1Kor 10,18). 1Kor 10,25 spiegelt ebenfalls den integrativen Umgang von Paulus mit dem Alltag der Gemeinschaft wider, da er dem Essen von Fleisch vom ma¿kellon zustimmt. In diesem Sinne ist auch 1Kor 10,27 zu verstehen, in dem Paulus dem Essen von Fleisch während einer Einladung in einem fremden Haus zustimmt. Die beiden rhetorischen Fragen in 1Kor 9,4.7 stellen eine Sonderposition dar, denn hier negiert Paulus das Essen rhetorisch und weist damit auf die Alltäglichkeit des Essens hin, zum einen mit der Frage nach dem Recht zu essen und zu trinken und zum anderen mit der Frage nach der Beteiligung am Wein vom (eigenen) Stock und an der Milch von einer (eigenen? ) Herde. In den rhetorischen Fragen werden von Paulus die überzogenen Vorstellungen vom Nicht-Essen ad absurdum geführt, um sich deutlich für das Essen auszusprechen. In welcher Relation diese Verse „bejahend“ sind, geben 1Kor 8,8.13 und 1Kor 10,7.31 zu verstehen, da Paulus sich hier sehr drastisch gegen das Essen ausspricht. In 1Kor 8,8 schreibt Paulus eindringlich, dass Speise (brw ma) den Menschen nicht „angenehmer“ vor Gott macht - weder Essen noch Nicht-Essen entscheiden über den Status des Menschen gegenüber Gott. 1Kor 10,31 fasst 1Kor 8,8 noch einmal zusammen, indem Paulus alle Handlungen nur als Ehrungen Gottes für sinnvoll erachtet (vgl. Röm 14,6). d) Röm 14,1-15,7 In Röm 14,23 wird entgegen 1Kor 8-10 nicht das Gewissen als Relation aufgeführt, sondern der Zweifel, der den Menschen beim Essen verurteilt. Ritualtheoretisch ist an diesen Versen auffällig, dass Paulus das Essen von Opferfleisch anderer Götter nicht generell ablehnt, sondern es ob des schwachen Gewissens nicht empfiehlt. Hier wird sehr schön verständlich, dass das Essen soziale, politische und religiöse Bedeutungen trägt und in dem jeweiligen Bedeutungszusammenhang relational (zum Gewissen des Verlauf des Gemeinschaftsmahls 207 anderen) verstanden werden muss. Röm 14,2-3 und Röm 14,20 können in diesem Zusammenhang von „Nicht-Essen und der Beziehung zu Gott“ gelesen werden. Essen bzw. Nicht-Essen wird von Paulus direkt thematisiert und am Ende im Aufgenommensein von Gott (Röm 14,3) bzw. im Werk Gottes (Röm 14,20) aufgelöst. In 1Kor 10,7 wird die Frage des Essens bzw. Nicht-Essens auf den Gottesdienst für andere Götter bezogen. An dieser Stelle ist Paulus eindeutig und präzise: Diener anderer Götter sollen die Mahlteilnehmer nicht werden und in dieser Hinsicht auch nicht essen und nicht trinken. Mit 1Kor 8,13 und auch in Röm 14,21 schließt Paulus seine Rede in dieser Hinsicht ab. Für ihn kommt nur das Nicht-Essen in Frage, sofern das Essen seinem Bruder zu einem „Ärgernis“ wird. e) Zusammenfassung: 1Kor 8-10 und Röm 14,1-15,7 In der ritualtheoretischen Betrachtung konnte gezeigt werden, dass Rituale als verba in loco actus fungieren und damit niemals völlig unabhängig von anderen sozialen Prozessen sind. In 1Kor 8-10 ist diese Funktion von Ritualen besonders ersichtlich, weil Paulus seine Aussagen über das Essen bzw. Nicht-Essen in Relation zu den anderen sozialen Prozessen gestaltet. 1Kor 8,7.10 haben gegenüber 1Kor 10,21.28 und Röm 14,23 gezeigt, dass in Relation zum Gewissen des anderen entweder für das Essen oder dagegen gesprochen werden kann. 1Kor 9,13; 10,18.25.27, die sehr deutlich im Alltag der Gemeinschaften die integrierende Dynamik in Gemeinschaften betonen, stehen für das Essen von Fleisch jeglicher Art. Auch die rhetorischen Fragen in 1Kor 9,4.7 spiegeln den dynamischen Umgang mit dem Thema wider. Während sich 1Kor 10,7 deutlich gegen den Gottesdienst für andere Götter und 1Kor 8,13 und Röm 14,21 sich gegen die Verletzung des Bruders aussprechen, relativieren 1Kor 8,8; 10,31 und Röm 14,2-3.6 das Essen und Trinken in Beziehung zu Gott. Da Paulus in einem Abschnitt eine „bejahende“ und in einem anderen eine negierende Aussage machen kann, bestätigt sich, dass seine Worte verba in loco actus sind und das relationale Handeln der Mahlteilnehmer bestimmen. f) 1Kor 11,17-34 1Kor 11 wird gesondert von Gal 2 und 1Kor 8-10 und Röm 14 besprochen, da sich in diesem Kapitel viele Formulierungen zum Essen bzw. Nicht- Essen überschneiden. Während Paulus in den vorangehenden Abschnitten an die Korinther Essen bzw. Nicht-Essen für grundsätzlich möglich hielt, spricht er der Gemeinschaft eben diese Fähigkeit in 1Kor 11,20 ab. Wenn Paulus sagt, dass es der Gemeinschaft nicht möglich ist, das kuriako\n dei pnon zu essen, dann lässt er keine relationale Anpassung gelten. Ganz im Gegenteil - das Essen, das in 1Kor 11,22 negativ konnotiert ist, soll nur in den Häusern stattfinden. Bereits in diesen wenigen Versen wird deutlich, dass die Abhängigkeit von anderen Prozessen (Hunger, Trunkenheit, Ritualtheoretische Exegese 208 Reichtum etc.) von Paulus unterbunden werden soll. Die Offenheit, mit der Paulus in 1Kor 8-10 und Röm 14 das Essen integrativ an die sozialen, politischen und religiösen Bedingungen anzupassen vermag, scheinen in 1Kor 11 keine Relevanz zu haben. Vergleichbar mit 1Kor 8,8; 10,31 und Röm 14,6 beendet er die Mahnung an die Gemeinschaft mit der Warnung vor der Verantwortlichkeit gegenüber dem Herrn (1Kor 11,27) und dem nahestehenden Gericht (1Kor 11,29.33). 5. Zusammenfassung Rituale als verba in loco actus zu verstehen, bedeutet auch, wie die ritualtheoretische Exegese gezeigt hat, über die Frage der Relationalität nachzudenken. Nicht nur die neutestamentlichen, sondern auch die sozialgeschichtlichen und die ritualtheoretischen Beobachtungen konnten zeigen, dass das Mahl Teil einer komplexen Dynamik ist, die Initiativen, soziale Interaktionen, vorangehende Erlebnisse und gemeinsame Ideen voraussetzt. 310 Dass die sog. „Realien“ aus den neutestamentlichen Schriften relationale Konfigurationen sind und interaktiv hervorgebracht werden, konnte die ritualtheoretische Exegese im Vergleich zwischen 1Kor 8-10; Röm 14 und 1Kor 11 herausarbeiten. Zu differenzieren ist folglich, dass Paulus in vergleichbaren sozialen, politischen und religiösen Kontexten die Interaktion zwischen den Mitgliedern der Gemeinschaft unterschiedlich bewertet. Gerade das Verhältnis zwischen Essen und Nicht-Essen hat dies veranschaulichen können. In welcher Weise diese Interaktion die Texte prägt, wird in den exegetischen Interpretationen zu den relevanten Abschnitten detaillierter betrachtet. Zusammenfassend ist gesichert, dass sich rituelle Handlungen und soziale, politische und religiöse Kontexte interaktiv zueinander verhalten. 310 T AUSSIG 2009, IX. Verlauf des Gemeinschaftsmahls 209 6. Tabelle: Verlauf des Gemeinschaftsmahls Verlauf des Gemeinschaftsmahls Negierende Formulierungen Bejahende Formulierungen Gal 2,11-14 sunesqi÷w Gal 2,12 1Kor 8,1.4.7-13 relational zu Gott 1Kor 8,8 relational zum Bruder 1Kor 8,13 relational zum Gewissen 1Kor 8,7.10 1Kor 9,3-4.7.13 relational zum Alltag 1Kor 9,4.7 (rhetorisch) 1Kor 9,13 1Kor 10,7.14-25,27-28.31 relational zum Gottesdienst für andere Götter 1Kor 10,7 relational zum Gewissen 1Kor 10,21.28 relational zu Gott 1Kor 10,31 relational zum Alltag 1Kor 10,18.25.27 Röm 14,1-15.1.7 relational zu Gott Röm 14,2-3.6 relational zum Bruder Röm 14,21 relational zum Gewissen Röm 14,23 1Kor 11,17-34 keine Relation 1Kor 11,20.22 relational zu Gott 1Kor 11,29.33 Ritualtheoretische Exegese 210 F. Sprache des Gemeinschaftsmahls Im letzten Kapitel wurde konkret erörtert, wie Rituale als verba in loco actus verstanden werden können. Dies ist nicht der erste Zusammenhang gewesen, in dem die Beziehungen zwischen Sprache, Text und hellenistischem Mahl diskutiert wurden. Auch in den vorangehenden Erörterungen wurde immer wieder darauf Bezug genommen, wie Rituale sich in der Sprache verwirklichen und umgekehrt. In der Diskussion über die Identitätsausbildung der Teilnehmer am hellenistischen Mahl wurde die korporeale und rhetorische Befähigung analysiert, die den Mahlteilnehmern rituelles Handeln ermöglicht. Auch die Diskussionen über den Verlauf des Mahls und das Mahlverhalten nahmen in der ritualtheoretischen Exegese immer Bezug zu den konkreten sprachlichen Ausformulierungen und Bildungen des hellenistischen Mahls im paulinischen Text. Nun wird ausschließlich die Sprache betrachtet, da die sprachlichen Besonderheiten nicht nur für das Neue Testament, sondern auch für das hellenistische Mahl besonders kennzeichnend sind. 1. Sprachliche Besonderheiten des Neuen Testaments Sprachliche Besonderheiten des Neuen Testaments zu besprechen, scheint in einer exegetischen Studie selbstverständlich zu sein. Dennoch soll hier der heterogene und dynamische Charakter der neutestamentlichen Schriften besonders gewürdigt werden. Der Fokus liegt auf den paulinischen Briefen, von denen aus Parallelen zu den anderen Schriften des NT gezogen werden. Man braucht nicht lange in der Wissenschaftsgeschichte zurückzublicken, um mitten in der Diskussion über den „Wert“ der paulinischen Schriften gegenüber den anderen Schriften anzugelangen. Der „Wert“ wird zu Beginn des 20. Jh. von G. Adolf Deissmann mit der Unterscheidung zwischen sog. unliterarischen und literarischen Briefen festgelegt. Dieser Beurteilung, welche die paulinischen Briefe als unliterarische Briefe der literarischen Kunstform der Epistel (kath. Briefe (Jak, 1Petr, 2Petr, Jud), Hebr und Apg) gegenüberstellt, liegt das Verständnis zu Grunde, dass der antike Brief (vergleichbar mit dem modernen) nur als Korrespondenz zwischen Getrennten angesehen wurde. 311 Diese These scheint in Anbetracht dessen, dass sich der antike Brief deutlich von dem modernen unterscheidet, überholt, wie die Identifikation zahlreicher literarischer Kunstformen in den paulinischen Briefen gezeigt hat. 312 Ob „das Vorlesen im Gottesdienst und damit für die Öffentlichkeit“ 313 und die Länge der paulinischen 311 D EISSMANN 1923, 194. 312 S CHNELLE 2005, 51. 313 S CHNELLE 2005, 51. Sprache des Gemeinschaftsmahls 211 Briefe gegenüber anderen antiken Briefen die entscheidenden Kriterien für die Aufwertung der paulinischen Schriften sind, sei dahingestellt. Schließlich wird mit dieser These nicht nur impliziert, dass der christliche Gottesdienst eine andere literarische Form gegenüber der Umwelt verlangte, sondern es wird zudem das moderne Verständnis von „wertvoller Literatur“ auf die antiken Texte angewandt. 314 Zum modernen Verständnis von der Klassifizierung literarischer Schriften gehört auch die Unterscheidung zwischen öffentlichen (z.B. offiziellen oder geschäftlichen) und privaten (familiären) Briefen. 315 Auch von dieser Trennung kann abgesehen werden, da die Briefliteratur nicht aufgrund der Vorstellung von privaten Gottesdiensten, sondern vor dem Hintergrund der semiprivaten Mahlgemeinschaften verortet wird. Dies hat zur Folge, dass weder bei den Mahlgemeinschaften noch bei den Texten, die der Gestaltung der Mahlgemeinschaft dienten, die Unterscheidung zwischen privat und öffentlich, jüdisch und christlich bzw. religiös und nicht-religiös gemacht werden kann. 316 In der Charakterisierung dessen, was sprachlich in den Briefen ausgedrückt wird, ist die Unterteilung von Stowers in sechs verschiedene Briefgattungen ein Anfang, die bekannten Dichotomien zu unterbrechen. Er unterscheidet Freundschaftsbriefe, Familienbriefe, Briefe, die loben oder tadeln, ermahnende Briefe, Empfehlungsbriefe und apologetische Briefe. 317 Da sich die paulinischen Briefe nicht eindeutig mit diesen Formen identifizieren lassen, 318 ist es sinnvoll, auf die Analyse der unterschiedlichen und gemeinsamen Sprachformen des Neuen Testaments einzugehen. In Marius Reisers einleitender Studienausgabe Sprache und literarische Formen des Neuen Testaments werden neben Sprache und Stil auch die literarischen Formen des Neuen Testaments beschrieben. 319 In seinem zweiten Teil zu den literarischen Formen unterscheidet er Großformen (Biographische Erzählung, Geschichtsschreibung, Brief und Apokalypse) von Kleinformen (Erzählformen, Erzählmuster, Redeformen und Stiltypen). In seiner Beschreibung der einzelnen Kleinformen arbeitet er heraus, wo sie im Einzelnen zu identifizieren sind. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass unter den Erzählformen die Anekdoten, Wundergeschichten und Genealogien in den Evangelien zu finden sind, während Gleichnisse im gesamten NT enthalten sind. 320 Bei den Redeformen finden sich Abschiedsreden und Gebete vor- 314 In diesem Sinne schließt S CHNELLE 2005, 53 und 53 Anm. 78 mit einem Hinweis auf A UNE 1987, 203 und unterstützt seine Aussage, dass Paulus keine antike Briefgattung übernimmt, sondern sich an antike Briefkonventionen anlehnt und diese zugleich eigenständig variiert. Von daher sind frühe christliche Briefe unter eigenen Charakteristika zu untersuchen. 315 S CHNELLE 2005, 52. 316 Vgl. K LINGHARDT 1996, 11. 317 S TOWERS 1986, 49ff. 318 R EISER 2001, 124. 319 R EISER 2001. 320 Versteht man Genealogien generell als hybride Genealogien, wie Ekkehard Stegemann in seinem Vortrag Apokalyptik - eine Universalgeschichte avant la lettre (Studien- Ritualtheoretische Exegese 212 nehmlich in den Evangelien, Haustafeln und Bekenntnisformen in den Briefen und Vorworte, Sprüche, Kataloge, Hymnen, liturgische Formen und Gebetswendungen sowie Akklamationen im gesamten NT. Bezüglich der Stiltypen äußert sich Reiser nur zu „Diatribe“ und Paränese, die er der Briefliteratur zuspricht. Um den Bezug zu den paulinischen Briefen nicht zu verlieren, werden Formen untersucht, die Reiser sowohl den Evangelien als auch den Briefen des Apostels zuspricht. Dazu gehören die Gleichnisse, Vorworte, Sprüche, Kataloge, Hymnen, liturgische Formen und Gebetswendungen und Akklamationen. a) Gleichnisse Reiser verortet Gleichnisse innerhalb der Gruppe der Metaphern. Er verbindet das Gleichnis mit der Metapher dahin gehend, dass er einen Satz mit konsistenter Metaphorik als Bildwort bezeichnet und einen längeren Text mit konsistenter Metaphorik als Gleichnis. 321 Für die detailliertere Betrachtung seines Ansatzes ist es wichtig, Reisers Ansatz, der wie so viele mit einem Bezug zu Aristoteles beginnt, 322 kurz in die Landschaft der Metapherntheorien einzuordnen. Ausgehend von Aristoteles, teilen sich die meisten theoretischen Studien in zwei Gruppen. Die eine Gruppe beinhaltet die Vergleichstheorien, die andere die Vertreter semantischer Wechselwirkungen. Unter die Vergleichstheorie fallen solche Ansätze, die Vergleiche zwischen zwei oder mehr Gegenständen hervorheben. Hier können neben dem Vergleich auch Ähnlichkeiten zum Tragen kommen, wie bei der Substitutionstheorie. Bei den Theorien, welche die semantische Wechselwirkung beschreiben, wird der semantische Gegensatz oder die Wechselwirkung zwischen zwei semantischen Gegenständen ins Spiel gebracht. Es geht dabei häufig auch um die Wechselwirkung des als metaphorisch bezeichneten Ausdruckes mit dem als wörtlich charakterisierten sprachlichen Umfeld. Es fällt auf, dass bei der Klassifizierung diese Beobachtungen hauptsächlich auf die Wortebene zurückgeführt werden. Aussagen über einen Vergleich oder eine Substitution beschreiben, was eine Metapher ist oder nicht ist. Es geht dabei vornehmlich um Kennzeichen der Metaphern und nicht so sehr um die theoretische Grundlage oder Kontextualität der Metapher. Mit semantischen Untersuchungen dagegen kommt man der Funktion der Metapher schon etwas näher, denn diese liefert die Grundlage für tag mit den Basler Ehrendoktoren Hubert Cancik und Hildegard Cancik-Lindemaier zu „Religion und Universalgeschichte“ 21.08.2009), dann können Genealogien als Universalgeschichte verstanden werden. Ausgehend von dem Anspruch, dass hybride Genealogien Imperiumslegitimationen darstellen, finden sich, so Stegemann, deutliche Parallelen zwischen den Genealogien in Mt und Lk als Welthistorie und dem paulinischen Römerbrief. 321 R EISER 2001, 141f. 322 Vgl. R OLF 2005, 9; B UNTFUß 1997, 16ff. Sprache des Gemeinschaftsmahls 213 eine umfassende Hermeneutik der Metapher. I.A. Richards arbeitet als Kennzeichen der Metapher heraus, dass sie aus mehreren Komponenten besteht. 323 Damit schafft er die Distanz zum Ähnlichkeitsaxiom und jeder Form der Vergleichs- und Substitutionstheorie und öffnet Theoretikern wie Max Black die Diskussion über metaphorische Wechselwirkungen und Spannungen. 324 Hat man also als Ziel, die Metapher in ihrer Redebzw. Textebene zu erfassen, sollte man den Blick von der Unterscheidung durch die Zugehörigkeit zu Kategorien auf die Unterscheidung durch die Funktion im Text richten. Es ist nicht ausreichend, die Metapher allein als Wort im Vergleich, in der Substitution oder auch in der Wechselwirkung mit einem anderen Wort zu betrachten, wenn man nicht die kontextuelle Relevanz der Metapher berücksichtigt. 325 Ein weiterführender Umgang mit Metaphern ist die Metapherntheorie von Max Black. Für Black beschreibt eine Metapher einen Vorgang, nämlich den Vorgang der Kombination zweier Begriffe, in dem durch die Übertragung ein Wort in einen ungewöhnlichen Zusammenhang gestellt wird. Bei dieser Definition einer Metapher geht es nicht so sehr um das Ergebnis, sondern vielmehr um den Vorgang selbst. Black hat dieses Geschehen als Interaktionstheorie beschrieben und nicht nur theoretisch aufgezeigt, dass es eine metaphorische Handlung an zwei Gegenständen gibt, sondern auch ein schnell nachvollziehbares System aufgestellt, mit dem jeder diese metaphorische Handlung nachvollziehen kann. Es ist bereits das Vorhandensein eines Primärgegenstandes, der den Zuhörer dazu reizt, einige wenige Merkmale des Sekundärgegenstandes auszuwählen. Ohne für den Primärgegenstand ein System von Dingen aufzustellen, wie man es für den Sekundärgegenstand tut, werden Prädikate des Sekundärgegenstandes als Eigenschaften des Primärgegenstandes ausgewählt. Der Sprecher und der Zuhörer konstruieren einen Implikationszusammenhang, der sowohl auf den Primärals auch auf den Sekundärgegenstand passt. An diesem Punkt wird deutlich, wie wichtig der kulturelle Hintergrund des Sprechers und des Zuhörers ist. Die Kultur beeinflusst die Partner so sehr, dass sich Gemeinplätze für das Interaktionssystem nur bilden können, wenn die Beteiligten zumindest eine Sprachgemeinschaft darstellen. Diese simple, aber alles entscheidende Voraussetzung für die Interaktionstheorie sollte nicht unbeachtet bleiben, da mit der Flexibilität, die Black den Metaphern zuschreibt, auch Bedingungen verknüpft sind, die universale Vergleiche oder Substitutionen ausschließen. Im nächsten Schritt der Implikation zweier Gegenstände folgt die parallele Veränderung der Gegenstände. Man erkennt beim Sprechen und auch beim Schreiben, dass die Metapher auf die Gegenstände wirkt und ein semantisches System erstellt, das eben nur in 323 R OLF 2005, 9. 324 B UNTFUß 1997, 27f. 325 Die Metapherntheorie von Black wirkt folglich den Vorurteilen entgegen, die Begriffe (z.B. sw ma) als nicht realistisch bzw. als mystisch zu verstehen (so K ONRADT 2003, 423f). Ritualtheoretische Exegese 214 dieser Kombination aus Primär- und Sekundärgegenstand funktioniert. Ändert sich die Zusammensetzung der Objekte, ändert sich auch die Interaktion. Die Metapher bleibt somit eine dynamische sprachliche Handlung, die Veränderungen unterlegen ist. 326 Ausgehend von der Metapherntheorie von Black ist es nicht sinnvoll, Gleichniserzählungen als „fiktive Geschichten“ abzutun. Sie sind auch nicht ausschließlich auf die formalen Ähnlichkeiten mit Märchen und in ihrer Funktion auf die Unterscheidung zwischen Beispielerzählungen und Allegorien zu reduzieren. 327 Mit der Annahme von der Interaktion zwischen Primär- und Sekundärgegenstand kann der Metapher mehr Relevanz im kulturellen Kontext zugesprochen werden als einer fiktiven Geschichte. Es ist diesbezüglich auch nicht notwendig, eine Unterscheidung zwischen der metaphorischen Rede in den Evangelien und in den Briefen des NT vorzunehmen. Reiser identifiziert bei Paulus lediglich metaphorische Rede, die er von „durchgeformten Gleichnissen“ unterscheidet. 328 Insofern werden das sog. „Ölbaumgleichnis“ (Röm 11,17-24), das Gleichnis vom Leib mit vielen Gliedern (1Kor 12,12-27 und Röm 12,4-8), die Rede vom Wettkampf im Stadion (1Kor 9,24. 27; Phil 3,13f; 2Tim 4,7) und weitere Texte in 1Kor 3,10-15, Röm 13,11-14 und Gal 4,1-7 auch als interaktive Metaphern verstanden. b) Vorworte Vorworte, also Proömien, zu identifizieren, ist weniger eine Frage der Interpretation und Theoriebildung als der stilistischen Aufmerksamkeit. Zu nennen sind Lk 1,1-4 und Apk 1,1-3 im Vergleich zu den Proömien der Briefliteratur. Während die Proömien bei Lk und in der Offenbarung des Johannes dazu dienen, Gegenstand, Absicht und Anlass der Schrift darzulegen, 329 dient ein Proömium in den Briefen als Danksagung und ist ein „formal und funktional eigenständiger Briefteil, der nach dem Verbum des jeweiligen Hauptsatzes eujcaristei n“ 330 dem Präskript folgt. Das Proömium in den paulinischen Briefen lässt sich in zwei Grundtypen unterscheiden, da sich dem Hauptsatz mit eujcaristei n entweder Partizipien, die das Verb modifizieren, gefolgt von einem Finalsatz (vgl. Phil 1,3-11; 1Thess 1,2- 10; Phlm 4-7), anschließen oder sich ein o¢ti- Satz, gefolgt von einem Konsekutivsatz, anschließt (vgl. 1Kor 1,4-9). 331 Obschon diese Unterscheidung in zwei Grundtypen möglich ist, ist der Übergang zum Kontext unsicher. 326 B LACK 1968; vgl. auch H AVERKAMP 1983, H AVERKAMP 1998. 327 R EISER 2001, 142f. 328 R EISER 2001, 147. „Durchgeformt“ verweist auf die Erzähltechnik der Gleichnisse Jesu, die sich durch ihre Knappheit, Eigenständigkeit, Kontrastierung sowie Dreier- und Drei-plus-Eins-Strukturen in dramatischen Wiederholungen und Steigerungen auszeichnen. 329 R EISER 2001, 151. 330 S CHNELLE 2005, 56. 331 S CHNELLE 2005, 57. Sprache des Gemeinschaftsmahls 215 Udo Schnelle argumentiert überzeugend mit F. Schnider und W. Stenger, dass das Ende des Proömiums dort beginnt, wo sich die Perspektive ändert. Dann, wenn Paulus nicht mehr die Adressaten im Blick hat, sondern den Leser bzw. Hörer auf sich, den Briefschreiber selbst, lenken will, kann das Ende vom Proömium festgestellt werden. 332 Im Unterschied zu Lk und Apk wird deutlich, dass der paulinische Dank an Gott nicht vollständig mit dem Gegenstand, der Absicht und dem Anlass seines Schreibens gleichgesetzt werden kann. Gemeinsam haben die Schriften allerdings, dass sie ihren Anfang in einer spezifischen sprachlichen Form ausdrücken. c) Sprüche Gnomen bzw. Sentenzen werden von Reiser als kurze, prägnant formulierte Erkenntnisse über das menschliche Leben, Gott und die Welt verstanden, die Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben und für sich selbst zitierbar sind. 333 Demgegenüber unterscheiden sich Sprichworte von den Gnomen nur durch ihre Anonymität. 334 Jesus werden in den Evangelien über 100 Gnomen zugesprochen, die häufig im Parallelismus membrorum überliefert sind und zu denen auch die Seligpreisungen gezählt werden können. 335 In den paulinischen Briefen können 1Kor 3,19; 1Thess 5,21; Gal 6,2 und 6,7 als Sprüche klassifiziert werden. d) Kataloge Aufzählungen finden sich in sehr verschiedenen Formen im Neuen Testament. Als Kataloge können Genealogien (Mt 1,1-17; Lk 3,23-37), Tugendbzw. Lasterkataloge (Gal 5,19-23; Kol 3,5-17), Aufzählungen von Eigenschaften (1Tim 3,2-8.9-13; 2Tim 2,24-26; Tit 1,7-9) und Peristasenkataloge (Röm 8,35; 2Kor 6,4) gelten. 336 Allein dieser Überblick macht deutlich, dass die Aufzählung ein willkommenes rhetorisches Stilmittel war, um den Katalog, dem Kontext entsprechend, sozial, politisch oder religiös zu verorten. e) Hymnen Hymnen, die besonders für die sozialgeschichtlichen Zusammenhänge in diesem Kapitel wichtig sein werden, können grundsätzlich als gesungene Gebete verstanden werden, die nicht nur in religiösen Bezügen Verwen- 332 S CHNELLE 2005, 56. 333 R EISER 2001, 153. 334 R EISER 2001, 154. 335 R EISER 2001, 155-159. 336 R EISER 2001, 164-167. Ritualtheoretische Exegese 216 dung fanden. 337 Gemein ist den Hymnen, dass sie in Versform abgefasst sind und dieselbe dreiteilige Form wie Gebete aufweisen (Anrufung des Gottes, erzählender oder begründender und argumentativer Teil mit Preisung, Bitte oder Dank). 338 Im NT zeugen 1Kor 14,26 sowie Kol 3,16 und Eph 5,19 davon, dass die frühen christlichen Gemeinschaften Hymnen sangen. Die „moderne Forschung“, die von Reiser heftig kritisiert wird, 339 geht von einer größeren Präsenz der Hymnen im NT aus, als bisher angenommen. Wie die sozialgeschichtliche Betrachtung noch zeigen wird, liegt das vor allem an der kontextuellen Verortung der neutestamentlichen Schriften. Diese Verortung muss an jedem einzelnen Text geprüft werden, wenn davon ausgegangen wird, dass neben den sog. Cantica (Lk 1,47-55; Lk 1,68-79 und Lk 2,29-32) auch der Philipperhymnus (Phil 2,6-11), 1Tim 3,16, Joh 1,1-18, Röm 11,3-36, 1Kor 15,54f und das „hohe Lied der Liebe“ (1Kor 13) grundsätzlich eine performative Offenheit ausdrücken. Das bedeutet für die Kontextualisierung im hellenistischen Mahl, dass sie in unterschiedlichen Teilen des hellenistischen Mahls zur Anwendung kamen, zumal auch die strikte Unterscheidung zwischen einem mahlorientierten und einem wortorientierten Teil des Mahls nicht gegeben war. 340 Mit anderen Worten ist es m.E. sinnvoller, sich stärker an sozialgeschichtlichen Kontexten als an strikten Ausschlusskriterien bezüglich der Form zu orientieren. 341 f) Liturgische Formen und Gebetswendungen Zu den liturgischen Formen und Gebetswendungen zählen Aussprüche wie „Amen“ (129 Mal im NT bezeugt), „Halleluja“ (vier Mal in Apk 19,1.3- 4.6 bezeugt) und „Hosanna“ (sechs Mal in Mt 21,9.15; Mk 11,9-10; Joh 12,13 bezeugt). Sie repräsentieren die alttestamentliche Tradition von liturgischen Formen und Gebetswendungen. Darüber hinaus werden noch die aramäischen Wendungen abba oJ path/ r (Mk 14,36; Röm 8,15; Gal 4,6) und mara¿naqa¿ (1Kor 16,22) zu diesen Formen gezählt. Geht man von der Didache 10,6 ( Elqe÷tw ca¿riß kai« parelqe÷tw oJ ko/ smoß ou toß. ÔWsanna\ twˆ qewˆ Daui÷d. Ei¶ tiß a‚gio/ ß e˙stin, e˙rce÷sqw ei¶ tiß oujk e˙sti÷, metanoei÷tw Maranaqa¿. Amh/ n.) aus, dann sind „Amen“, „Hosanna“ und „Maranatha“ Ausdrücke für den gottesdienstlichen Sitz im Leben. Mit Did 10,8 lässt sich auch die Doxologie, die durch die Ewigkeitsformel und eventuell ein res- 337 Vgl. R EISER 2001, 173, der die christlich theologische Unterscheidung zwischen Gott und einem Gott vornimmt und nicht von religiösen, sondern von kultischen Liedern spricht. 338 R EISER 2001, 173f. 339 R EISER 2001, 174. 340 So auch S TEIN 2008, 120f. 341 R EISER 2001, 174-178 kritisiert vor allem, dass außer den Cantica die Verse erst im Laufe der Zeit durch die Praxis zu Hymnen wurden oder keine Hymnen sind, weil sie weder klare poetische Merkmale wie Rhythmus oder Metrum aufweisen noch den Parallelismus membrorum verwenden. Sprache des Gemeinschaftsmahls 217 pondierendes „Amen“ abgeschlossen wird, identifizieren. 342 Im Zusammenhang mit der Doxologie können Parallelen zu Lk 2,14 und Lk 19,39 gezogen werden. Des Weiteren finden sich vergleichbare Formen bei Lk und Paulus in den „Briefeingangseulogien“ (Eujloghto\ß oJqeo/ ß), die in 2Kor 1,3, Eph 1,3 und 1Petr 1,3 sowie analog zum Benediktus in Lk 1,68-79 aufzufinden sind. 343 g) Akklamationen Reiser versteht unter Akklamationen Zurufe, die von einer Menge sprechchorartig vorgetragen werden, welche Freude, Wünsche, Lob und Missbilligung zum Ausdruck bringen. 344 In diesem Sinne sind Apg 12,22 sowie 1Kor 8,6; 1Kor 12,3 und Röm 10,9 Akklamationen. 345 Auch Phil 2,11 endet mit einer Akklamation, was vermuten lässt, dass der Philipperhymnus in eine soziale Performanz eingebunden war, wenn auch die Verwendung nicht klar umschrieben wurde. 346 h) Zusammenfassung sprachlicher Besonderheiten im Neuen Testament Die Zusammenschau der sprachlichen Besonderheiten hat gezeigt, dass es an vielen Orten auf sehr viel theoretisches und philologisches Feingefühl ankommt, um die sprachlichen Formen ihrem Kontext entsprechend zu interpretieren. Es konnte gezeigt werden, wie nah sich die neutestamentlichen Schriften sind, da sie im selben sozialen, politischen und religiösen Kontext geschrieben wurden - und dass sie dennoch über Eigenheiten in eben diesen Kontexten verfügen, die ihre Unterschiede in der sprachlichen Verwendung markieren. Jürgen Roloffs Definition der Formgeschichte ist in diesem Sinne treffend. Er schreibt in seinem Arbeitsbuch zum Neuen Testament: „Formgeschichte (bzw. Formkritik) ist die übergreifende Beziehung für jene Arbeitsmethode, die aus dem gegebenen Zusammenhang zwischen einem Text oder einer geprägten sprachlichen Einheit und einem bestimmten soziokulturellen Kontext Folgerungen zieht hinsichtlich der Herkunft, der Entwicklungsgeschichte und des Aussagegehalts von Texten. [...] Formgeschichte setzt Literarkritik voraus. Sie soll, wie jene, zwar das Verständnis eines Textes erschließen helfen, doch unterscheidet sie sich darin von ihr, dass ihr Gegenstand nicht der Text als Text, sondern als Produkt überindividueller Lebensvorgänge und Entwicklungsprozesse ist.“ 347 342 R EISER 2001, 179. 343 R EISER 2001, 180. 344 R EISER 2001, 181. 345 R EISER 2001, 182f. 346 Vgl. R EISER 2001, 183, der die Verwendung im urchristlichen Gottesdienst oder bei einer anderen Gelegenheit nicht abzuschätzen weiß. 347 R OLOFF 1985, 14.20. Ritualtheoretische Exegese 218 2. Ritualtheoretische Grundlagen zur sprachlichen Vielfalt und Dynamik Um ritualtheoretische Grundlagen für das Verständnis von der Bedeutung einer sprachlichen Vielfalt und Dynamik im rituellen Handeln zu schaffen, wird nun die Beziehung zwischen Anthropologie und Text/ Literatur bzw. Exegese betrachtet. Zentral sind dabei die Studien von van Gennep und Turner und ihre Anwendung in theologischen (Christian Strecker) und ritualtheoretischen (Edmund Ronald Leach) Untersuchungen. Roloff bezieht sich in seiner Definition von Formgeschichte auf den Zusammenhang zwischen Text und einem bestimmten soziokulturellem Kontext. Wie dieser Zusammenhang genau aussieht und unter welchen Bedingungen er als solcher angesehen werden kann, arbeitet Strecker heraus. In seiner Dissertation Die liminale Theologie des Paulus: Zugänge zur paulinischen Theologie aus kulturanthropologischer Perspektive verhandelt er die Beziehung zwischen Anthropologie und Text/ Literatur in vier Punkten. 348 Erstens geht er davon aus, dass das anthropologische Quellenstudium und die Auswertung der Quellen nach wie vor eine wichtige Rolle spielen. 349 Zweitens besteht zwischen Anthropologie und Literaturwissenschaft eine zunehmende Verständigung und Zusammenarbeit. Als „literary anthropology“ wird eine anthropologische Disziplin verstanden, die einerseits Literatur als Quelle anthropologisch bedeutsamer Informationen ansieht und andererseits untersucht, welche Werte und Einstellungen von dem Schriftsteller in das Werk eingeflossen sind. 350 Drittens beschäftigen sich Anthropologen vermehrt selbstkritisch mit der ethnographischen Arbeit ihrer Disziplin. Sie beginnen, ihre Studien unter literaturwissenschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten, und entwickeln Möglichkeiten, die das Schreiben dem Gegenstand angemessener machen. 351 Viertens verstehen Anthropologen auch die Kultur als Texte und denken mit dieser von Clifford Geertz geprägten Metapher über soziokulturelle Ausdrucksformen als Text nach. 352 Mit Geertz kann Strecker die Beziehung zwischen Anthropologie und Exegese treffend beschreiben. Strecker zitiert Geertz, dass die Ethnographie dem Versuch gleiche, ein Manuskript zu lesen - lesen im Sinne der Entwicklung einer Lesart. Dass es dem Anthropologen und dem Exegeten im Kern also um Deutung geht, ist neben der Tatsache, dass beide schriftstellerische Arbeit mit und an Texten leisten und es beiden um ein adäquates Erfassen der Texte geht, eine wichtige Gemeinsamkeit. Strecker fasst zusammen: „So wie Anthropologen die Deutung der soziokulturellen Wirklichkeit durch ihre Informanten bzw. durch ein bestimmtes Handeln (z.B. ein Ritual) interpretie- 348 S TRECKER 1999, 34-38. 349 S TRECKER 1999, 34. 350 S TRECKER 1999, 35. 351 S TRECKER 1999, 35. 352 S TRECKER 1999, 35. Sprache des Gemeinschaftsmahls 219 ren, so interpretieren Exegeten die Deutung der Wirklichkeit durch die biblischen Schriftsteller.“ 353 Auf die Beziehung zwischen dem Ritual und der Sprache geht Leach in seinem kurzen Aufsatz Ritualization in man in Relation to conceptual and social Development von 1966 ein. Darin hält er drei Punkte fest: „(1) In ritual, the verbal part and the behavioural part are not separable. (2) As compared with written or writable speech the 'language' of ritual is enormously condensed; a great variety of alternative meanings being implicit in the same category sets. This is also an attribute of mathematics. Primitive thought is transformational in the sense that mathematics is transformational. (3) We tend to think this odd because of our own speech habits, but in fact our writable speech contains a vast amount of redundancy.“ 354 1968 werden seine Ausführungen konkreter. Er schreibt: „All speech is a form of customary behaviour, but, likewise, all customary behaviour is a form of speech, a mode of communicating information. [...] The action of ‘saying things’ in this way are not as a rule intrinsically different from those that ‘do things’“. 355 Leach spricht damit aus, was Strecker in seiner Beurteilung über die Beziehung zwischen Anthropologie und Text/ Literatur auch beobachtet hat: Ethnographische Studien reflektieren nicht nur die Sprache ihrer Informanten oder die des Handelns (hier der Rituale), sondern auch ihre eigene Sprache. Seine Kulturanthropologie geht über diese Beobachtung allerdings noch hinaus, da für ihn das Ritual nicht nur Form der sozialen Verständigung ist, sondern der Terminus „Ritual“ am besten für die Kommunikation im sozialem Verhalten überhaupt verwendet wird. 356 Sicherlich bezieht sich Leach indirekt auf die Studie Übergangsriten von van Gennep aus dem Jahr 1909. 357 Es ist van Gennep gewesen, der auf die sog. Übergangsriten in Gesellschaften aufmerksam machte. Grundsätzlich geht er davon aus, dass sich Menschen in strikt voneinander abgegrenzten sozialen Gruppierungen bzw. statischen Lebensbereichen befinden. Da das Leben aber dynamisch ist, ergibt sich für Individuen und Gruppen immer wieder die Notwendigkeit, Grenzen zu überschreiten. In diesem Sinne ist die Veränderung von Altersgruppenzugehörigkeit, Status und Lokalgruppen zwingend. Van Gennep arbeitet heraus, dass es gesellschaftlich notwendig ist, Riten zum Begehen der Übergänge zu praktizieren, damit die Gesellschaft nicht an den Grenzüberschreitungen zerbricht. Zur Charakterisierung der Übergangsriten legt van Gennep ein Schema zugrunde, welches aus drei Phasen besteht: 1) Trennungsphase (Separation), 2) Schwellenbzw. Übergangsphase (auch liminale Phase) und 3) Wiederein- 353 S TRECKER 1999, 37. 354 L EACH 1966, 408 355 L EACH 1968, 523. 356 K REINATH 2006, 267. 357 T URNER 1989, 94; vgl. auch S TRECKER 1999, 42f. Ritualtheoretische Exegese 220 gliederungsphase (Aggregation). In der Trennungsphase wird das rituelle Subjekt von einer bestimmten Rolle oder einem bestimmten Status in der jeweiligen Sozialstruktur losgelöst, so dass es in der Schwellen- oder Übergangsphase „zwischen zwei Welten schwebt“ 358 und in der Wiedereingliederungsphase in einen relativ stabilen Zustand zurückkehren kann. Nach dem Übergangsritus befindet sich das rituelle Subjekt wieder in einem klar definierten sozialen Status mit genau strukturierten Rechten und Pflichten, die sich selbstverständlich von den vorhergehenden unterscheiden. Für Turner, so Strecker, ergibt sich aus diesem 3-Phasenmodell eine logische Beziehung zwischen Ritual und Literatur, da es eine Art Plot rituellen Handelns darstellt. 359 Sehr nahe an Leach interpretiert Turner auf der Basis von van Gennep, dass alle kulturellen Darstellungsformen letztlich aus dem performativen Reichtum des Rituals hervorgegangen sind. 360 Turner widmet sich vor allem der liminalen Phase, da in dieser die eigentliche Transformation des rituellen Subjekts stattfindet. Hierin, so Turner, wird sowohl der Schwellenzustand als auch die Person in diesem Zustand beschrieben: „Die Eigenschaften des Schwellenzustands (der ‘Liminalität’) oder von Schwellenpersonen (‘Grenzgängern’) sind notwendigerweise unbestimmt, da dieser Zustand und diese Person durch das Netz der Klassifikationen, die normalerweise Zustände und Positionen im kulturellen Raum fixieren, hindurchschlüpfen.“ 361 Da Turner sich auf Personen und Zustände bezieht, kann er den liminalen Zustand auch auf Gesellschaften ausweiten. Zentral ist für Turner der Begriff communitas, bei dem er sich auf die lateinische Bedeutung bezieht. „Ich ziehe das lateinische Wort Communitas dem Wort ‘Gemeinschaft’ vor, weil ich diese Form der Sozialbeziehung vom Bereich des Alltagslebens unterscheiden möchte.“ 362 Es geht Turner bei der Beschreibung dieser Communitas nicht um eine simple Unterscheidung zwischen „säkular“ und „sakral“, „sondern vielmehr um die Anerkennung einer essentiellen und generellen menschlichen Beziehung, ohne die es keine Gesellschaft gäbe. Der Schwellenzustand impliziert, dass es kein Oben ohne ein Unten gibt und dass der, der oben ist, erfahren muss, was es bedeutet, unten zu sein.“ 363 Wegen Turners starkem Interesse an der Beziehung zwischen den Individuen beschreibt er die Communitas als eine Beziehung zwischen konkreten, historischen, idiosynkratischen Individuen, die nicht in Rollen oder Status- 358 G ENNEP 2005, 27. 359 S TRECKER 1999, 76. 360 S TRECKER 1999, 76 über T URNER 1989, 129. 361 T URNER 1989, 95. 362 T URNER 1989, 96. 363 T URNER 1989, 96f. Sprache des Gemeinschaftsmahls 221 positionen aufgeteilt sind, sondern sich als „Ich und Du“ 364 zueinander verhalten. 365 Im späteren Verlauf seiner Studien widmet sich Turner weniger den Individuen und der einen liminalen Phase des Rituals, sondern charakterisiert vielmehr liminale Gesellschaftsentwicklungen und bezeichnet das ganze Ritual als liminal. 366 Liminalität wird für die Gesellschaft zum Motor der Transformation existierender sozialer Strukturen und ermöglicht die Entwicklung alternativer Lebensstile. 367 Strecker sieht zu Recht, dass Turner über die Grenzen der Anthropologie hinaus mit diesem Ansatz bekannt wurde, weil er den ganzheitlichen Charakter der Transformation in der Liminalität herausstellt. Turner berücksichtigt, dass eine moralische wie kognitive und gleichsam eine ontologische Wandlung des Individuums ebenso zu erkennen ist wie eine gesellschaftliche Erneuerung. 368 Dem Ritual dieses Vermögen zuzuschreiben, wird bei der ritualtheoretischen Exegese die Grundlage für die Identifikation der unterschiedlichen Phasen bilden. Doch bevor im Detail auf die paulinischen Texte eingegangen wird, wird sozialgeschichtlich aufzuzeigen sein, in welcher Form die Sprachfähigkeit des hellenistischen Mahls für ein ganzheitliches Verständnis von Transformationsprozessen eine Rolle spielt. 3. Sprachformen im hellenistischen Mahl Mit Stein ist davon auszugehen, dass keine Unterscheidung zwischen einer mahlorientierten und einer wortorientierten Zusammenkunft unternommen werden kann, da das Gemeinschaftsmahl Essen, Trinken, Rede, Gesang und andere rituelle Handlungen in sich vereinte. 369 Um sich mit den unterschiedlichen Sprachformen während des hellenistischen Mahls zu beschäftigen, wird anhand der Charakteristika des Mahls die Bedeutung der Sprachstile erörtert. Im Zentrum stehen die schon vielfach genannten Charakteristika, die in Taussigs Buch In the Beginning was the Meal: Social Experimentation and early Christian Identity skizziert wurden. Es handelt sich um die Sitzordnung, das Deipnon und das Symposion, die Libation(en), den Symposiarchen und die Begleitpersonen. 370 364 Formulierung von Martin Buber. 365 T URNER 1989, 129. 366 S TRECKER 1999, 47f. 367 S TRECKER 1999, 48. 368 S TRECKER 1999, 48. 369 S TEIN 2008, 120f vertritt diese Ansicht u.a. mit S MITH 2003, 200-202 und K LINGHARDT 1996, 334-347. 370 T AUSSIG 2009, 26. Ritualtheoretische Exegese 222 a) Sprachformen zu Beginn des Mahls und während des Deipnon Den Epilog widmet Taussig Überlegungen zum Gottesdienst im 21. Jh. und schildert Gottesdienste aus dem Union Theological Seminary (NYC). Seine einleitenden Sätze lauten: „Under the high, arched ceiling held up by massive stone pillars reminiscent of European cathedrals, worshippers sit around ten tables with decorative cloths holding a variety of food. Most everyone is eating and talking animatedly with one another around their respective tables. Although there is an impressive organ whose pipes are splayed across the front of the sanctuary, a jazz piano is playing in the background. Occasionally, someone will stand up from one or another table and ask everyone in the room to sing a song together or to speak of something on their heart. At one point during the thirty-minute gathering, a story is told to everyone and is referred to each table for conversation and response.“ 371 Es ist in dieser einleitenden Schilderung ganz offensichtlich, dass das unkonventionelle Gespräch Teil eines gemeinsamen Essens ist. Auffallend ist, dass Taussig die unkonventionellen Gespräche der Teilnehmer gleichberechtigt zu der Jazzmusik, dem Singen oder dem Erzählen von persönlichen Anliegen oder Geschichten erwähnt. Die wissenschaftlichen Ausführungen zu den hellenistischen Mahlgemeinschaften nehmen die Betrachtung des unkonventionellen Gesprächs allerdings oft nicht in die Untersuchungen auf. 372 Die Vermutung liegt nahe, dass das unkonventionelle Gespräch als zu selbstverständlich gilt bzw. dass keine Quellen über diese Gespräche Auskunft geben. Sicherlich entsprechen diese Vermutungen dem Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses und dem Quellenmaterial, doch muss darauf hinwiesen werden, dass das gesteigerte Interesse am koordinierten Sprachgebrauch in Form von Hymnen, Gebeten u.Ä. während des Symposion auf die fehlleitende Trennung zwischen einer mahlorientierten und einer wortorientierten Zusammenkunft zurückzuführen ist. Die Rekonstruktion von Sprachformen während des Einnehmens der Plätze und des Deipnon ist denkbar schwierig. Ein Anhaltspunkt, der auf die Bedeutung der Sprache hinweist, findet sich in Ben Sira, wo es in 12,12 heißt, dass bei der Sitzordnung beachtet werden sollte, den Feind nicht neben sich zu platzieren, da er dem Gastgeber überlegen sein könnte. Diese Überlegenheit könnte in Folge ausgenutzt werden, um den Platz des Gastgebers einzunehmen. Es ist denkbar schwierig, sich so eine „Machtübernahme“ ohne eine bestimmte Sprachform vorzustellen. Weitere Hinweise auf (unkonventionelle) Gespräche bieten selbstverständlich die Abbildungen auf Wänden und Sarkophagen. Wie bereits im Abschnitt über die Teilnehmer erläutert, lagen die Mahlteilnehmer durchaus zu zweit auf den Liegen, so dass sie sich miteinander unterhalten konnten. Es ist davon 371 T AUSSIG 2009, 193. 372 Vgl. T AUSSIG 2009, 104.121 zu Hymnen, die er nur im Symposion verortet. Sprache des Gemeinschaftsmahls 223 auszugehen, dass sie in private oder geschäftliche Gespräche involviert waren, während sie aßen. In den paulinischen Briefen werden in 1Kor 14 die „wortorientierten“ Anteile sehr differenziert aufgeführt - und es ist nicht auszuschließen, dass diese auch während des Deipnon stattfanden. Stein fasst folgende Sprachformen zusammen: „In der in 1Kor 14 beschriebenen Versammlung werden Lehrvorträge (14,6.26), Offenbarungsreden (14,6.26), Prophetien (14,1.3), Psalmgesänge (14,15.26), Gebete (14,14f. ), ekstatische Reden (14,3f.26f.) und deren Auslegung (14,26-30), Lobpreis und Danksagung (14,16f.) zu Gehör gebracht.“ 373 b) Sprachformen während des Symposion und die Rolle des Symposiarchen Wie bereits erwähnt wurde, ist das Schreiben über die unterschiedlichen Sprachformen während des Symposion eine beliebte Kategorie der Wissenschaftler, in der über Reden, Prophetien, Gesänge, Gebete und andere Ausdrucksformen geschrieben wird. Dem Symposion wird nicht nur in den wissenschaftlichen Studien, sondern auch im hellenistischen Mahl selbst sehr viel Wert beigemessen. Taussig bewertet treffend, dass es das Symposion war, das den Teilnehmern besonders wichtig war. „It was the symposion that participants cared about most, whether that be in terms of the serious teaching and discussion possible at some meals or the hilarity and entertainment at others.“ 374 In Taussigs Beurteilung wird die plurale Gestaltung des Symposion sehr deutlich. Neben Unterweisungen und Diskussionen kamen auch freudige Unterhaltungen und Musik zum Ausdruck. Gerade im Unterschied zu den individuellen Gesprächen zu Beginn des Mahls oder während des Deipnon ist festzuhalten, dass während des Symposion die meiste soziale Interaktion innerhalb der Mahlgemeinschaft stattfand. 375 Typischerweise begannen die Symposien mit einer Libation, die als Ehrung eines Gottes oder mehrerer Götter verstanden wurde und die häufig vom Symposiarchen durchgeführt wurde. 376 Mit der Libation, aber auch mit dem Symposion verbinden sich Lieder bzw. Hymnen. Bei der Libation wurden die Hymnen gemeinsam gesungen, während beim Symposion die Hymnen und Lieder meist von professionellen Musikern vorgetragen wurden. 377 Zu den Gesängen beim Symposion schreibt Stein in Bezug auf Klinghardt 378 : 373 S TEIN 2008, 120. 374 T AUSSIG 2009, 75. 375 T AUSSIG 2009, 47. 376 T AUSSIG 2009, 74. 377 S TEIN 2008, 44. 378 K LINGHARDT 1996, 121. Ritualtheoretische Exegese 224 „Sie wurden reihum in wettbewerbsartiger Manier gesungen und thematisierten die dem Symposion zugrunde liegenden Werte im Modus des Lobpreises: ‘Freundschaft, Loyalität, Treue, Gleichberechtigung, aber auch die Warnung vor der Gefährdung dieser Werte durch Neid und Missgunst’.“ 379 Dass das Symposion viel Gesang einschloss, überliefern auch Joh 1,1-4.8- 14.16-18; Kol 1,15-20; Phil. 2,6-11, die als Hymnen von Mahlgemeinschaften angesehen werden können. 380 Zum Ort der Hymnen im hellenistischen Mahl schreibt Taussig, dass die Lieder an verschiedenen Stellen des hellenistischen Mahls gesungen wurden. In seiner Studie bezieht er sich vor allem auf frühe christliche Gesänge, in denen Christus in die kosmischen Hymnen aufgenommen wurde. „These cosmic hymns were not, however, sung just at the point of libation. Rather, as noted earlier in the general descriptions of the Hellenistic meal and of the songs’ place at the meal, such songs were sung in many parts of the symposion—that is, this singing celebration of the cosmic reign of Jesus/ Christ continued in the longer, leisurely portion of the meal, in which often teaching was done, discussion among the participants occurred, some performances may have been presented, occasional ecstatic speaking erupted, and general festivity prevailed.“ 381 Zu den Sprachformen gehörten wohl aber auch Zungenreden und andere ekstatische Ausdrucksformen, die nicht nur in 1Kor 14, sondern auch für den Dionysoskult und andere Symposien belegt sind. 382 Wie bei den Gesängen schon erwähnt, spielen die (philosophischen) Gesprächsthemen eine wichtige Rolle, da nicht nur in den Liedern Werte des Symposion aufgegriffen werden, sondern weil auch Gäste Themen zu Werten des Symposion zur Diskussion stellen können. 383 Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch Auseinandersetzungen eine Form des Ausdrucks darstellen und sich Unstimmigkeiten nicht nur in körperlichen Konfrontationen, sondern auch in sprachlichen widerspiegelten. Taussig bezieht diese Auseinandersetzungen auf den Weingenuss während des Symposion. 384 Schaut man allerdings auf die konfrontative bis verletzende Sprache des Apostels, liegt die Vermutung nahe, dass eine sprachliche Konfrontation nicht vom Weingenuss abhängig war, sondern als „sprachliches Thema“ vorausgesetzt werden konnte. Aber auch nicht-sprachliche Vorführungen und Spiele waren Teil des Symposion und verkörperten einen Umgang mit Sprache, der sehr vielfältig war. Taussig bezieht sich auf Pantomime und Tanz, in denen dramatisch 379 S TEIN 2008, 44. 380 T AUSSIG 2009, 47.104-107. 381 T AUSSIG 2009, 112. 382 T AUSSIG 2009, 47. 383 S MITH 2003, 201: „This is reminiscent of the philosophical banquets attended by Aulus Gellius where each guest brought a topic for discussion at the symposium.“ 384 T AUSSIG 2009, 28. Sprache des Gemeinschaftsmahls 225 die Beziehung zu den Göttern reflektiert wurde. 385 Des Weiteren wurde während der Symposien gespielt. Belegt sind Rätsel-, Würfel- oder Brettspiele, 386 die sicherlich auch von Unterhaltungen begleitet wurden. Wie bereits bei der Rolle des Symposiarchen erörtert wurde, so war es seine Aufgabe, Entscheidungen über die Ehrenplätze, über das Mischverhältnis von Wasser und Wein und Entscheidungen bezüglich des Verlaufs des Mahls zu treffen. Der Symposiarch war für den reibungslosen Ablauf des Mahls verantwortlich, der von vornherein nicht immer gewährleistet war. 387 Es ist davon auszugehen, dass nicht nur die Entscheidungen des Symposiarchen Unzufriedenheit und Unruhe bei den Mahlteilnehmern auslösten, sondern auch, dass das Mahl durch ungebetene Gäste gestört wurde. Eine Verbindung zwischen den unterschiedlichen Sprachformen des Symposion und der Rolle des Symposiarchen sieht Klinghardt im Charisma der dia¿krisiß pneuma¿twn („Unterscheidung der Geister“, siehe 1Kor 12,10 und 1Kor 14,29). Klinghardt sondert die Unterscheidung der Geister vom Verstehen der Zungenrede ab und lokalisiert sie in der Nähe der Beurteilung der Geister. 388 Da er den 1Kor auf die Symposiarchie bezieht, folgert er, „dass sich in der Fähigkeit zur Beurteilung von Offenbarungen so etwas wie ein (Leitungs-) Amtscharisma äußert [...].“ 389 Diese kybernetische Relevanz bedeutet für weitere Überlegungen, dass Paulus „überhaupt nicht zwischen Gemeindeorganisation und Auferbauung durch Hymnodie und Prophetie - oder: zwischen Skoliengesang und Beratung - unterscheidet: Beides geschieht bei derselben Gelegenheit, und beides scheint auch gattungsmäßig zusammenzugehören: Die Geistoffenbarungen, die beurteilt werden müssen, können sehr wohl Psalmen, Hymnen, Oden oder (übersetzte) Glossolalien, Lehren sowie Offenbarungen gewesen sein.“ 390 Klinghardt macht deutlich, dass die Reihenfolge der Redebeiträge die Hierarchie widerspiegelte und die Redeordnung, so sie sich denn entwickelte, den Symposiarchen ersetzte. 391 385 T AUSSIG 2009, 37f. Zum Tanz hat Klinghardt 2004 detailliert herausgearbeitet, wie die Tanzkritik der Patristiker zu verstehen ist. Er betont, dass Tanzen nicht in erster Linie religiöse Gefühle oder religiöses Bewusstsein zum Ausdruck bringt, sondern die religiöse Erfahrung in besonderer Weise vermittelt. Tanz bewirkt somit Inspiration und Offenbarung und wird daher als Form der Zugehörigkeit zu anderen Kulten kritisiert. Wichtig ist, dass nicht der Tanz, sondern die Verbindung zu anderen Offenbarungen bei den Patristikern auf Widerspruch stößt. K LINGHARDT 2004, 28-30. 386 S TEIN 2008, 44. 387 S ANDNES 2002, 90; S MITH 2003, 33. 388 K LINGHARDT 1996, 362. 389 K LINGHARDT 1996, 362. 390 K LINGHARDT 1996, 363. 391 K LINGHARDT 1996, 363. Ritualtheoretische Exegese 226 Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, warum die gesamten Texte des NT im Mahlkontext gelesen werden können. Die Abhängigkeit zwischen den sozialen, politischen und religiösen Rollen und dem rituellen Handeln ist sehr groß und spiegelt sich in den Texten wider. Taussig fasst diese Abhängigkeit treffend zusammen: „These (eventually written) teachings and narratives could have been parts of symposion teachings and stories at oral stages of development (for example, generated or retold at the meals), at oral-scribal stages (for example, revised orally from documents read at the meal or documents at the base of performance or ritual events), or as written letters or narratives read at meals. This opens the entire corpus of early Christian literature up to having been told, read, or performed during meal symposia.“ 392 c) Sprachformen während der Libation Wie bereits in den vorangehenden Beobachtungen zum Verhältnis von Essen und Trinken bzw. Nicht-Essen und Nicht-Trinken herausgearbeitet wurde, nimmt die Libation eine besondere Stellung innerhalb des Mahls ein. Von Bedeutung ist nicht nur, dass sie beim Übergang zwischen Deipnon und Symposion abgehalten wird, sondern auch, dass während der Libation Wein vergossen wird sowie Hymnengesänge gesungen und Ehrbezeugungen abgehalten werden. Sie hat folglich ihren Ort als Übergangsritual zwischen Mahlzeit und Trinkgelage. 393 Die Libation wird, im Unterschied zu den Opferhandlungen während des Deipnon, nicht regelmäßig von Speiseopfern begleitet. Sie schließt aber die Ehrung von mindestens drei Göttern ein. Obgleich auch die Libation für andere Götter überliefert ist, wird vor allem die Trias Agathodaimon, Hygieia und Zeus Soter geehrt. 394 Bemerkenswert ist, dass die Weihung nicht eindeutig auf eine Gottheit bezogen ist. „Während die Zeus-Soter-Spende eindeutig eine Weihung an Zeus impliziert, ist der Bezug auf eine Gottheit beim Agathodaimonbzw. Hygieia-Kelch keineswegs sicher. Da Agathodaimon keine selbstständige Gottheit ist, kann es sich dabei, wie es auch für die Hygieia-Spende naheliegt, um das sog. Zutrinken der Mahlgenossen untereinander handeln.“ 395 Diese Ambivalenz, dass Ehrung sowohl als Weiterentwicklung des Zutrinkens zu Ehren eines Mahlteilnehmers als auch als Opferhandlung an eine Gottheit verstanden werden kann, 396 wird nicht nur bei der Libation, sondern auch bei den Hymnengesängen eine wichtige Rolle spielen. Anwesende wie auch Abwesende konnten, nachdem der chorische Festhymnus 392 T AUSSIG 2009, 139. 393 S TEIN 2008, 40. 394 S TEIN 2008, 40; K LINGHARDT 1996, 101ff. 395 K LINGHARDT 1996, 103. 396 S TEIN 2008, 41f; K LINGHARDT 1996, 110f. Sprache des Gemeinschaftsmahls 227 von allen gesungen und von Flötenspielen und Tänzen begleitet worden war, geehrt werden. 397 Das galt nicht nur für Gottheiten, sondern auch für politische Würdenträger. Taussig widmet sich durch seinen Bezug auf die anti-imperialen Schauplätze während der Mahlgemeinschaft auch den Gebeten, die während der Libation gesprochen wurden. Häufig baten die begleitenden Gebete einen Gott um Hilfe, insbesondere um Heilung. Andere Gebete waren Dankgebete, häufig für Siege. In diesem Sinne verbanden sich die Gebete an Apollo mit einem Bezug zum Kaiser. 398 Es ist folglich richtig, dass der politische und religiöse Kontext auch die sozialen Rollen der Mahlteilnehmer beeinflusste und die Libation zu einem Ort der sozialen Identifizierung wurde. „That songs were sung by all the meal participants during the libation and passing of the libational cup made the issue of social identity all the more dramatic and pointed.“ 399 Anhand dieser Dramaturgie stellt Taussig fest, dass die Libation erstens eine soziale Identität durch die Mischung und Selektion von verschiedenen bzw. mehreren Göttern zum Thema hatte 400 - und dass sie zweitens einen relativ sicheren Umgang mit der Entscheidungsfreiheit gegenüber dem römischen Staat versprach. Die von Seiten des Kaisers erwarteten Libationen zu seinen Ehren ließen folglich Möglichkeiten offen, um mit Nähe und Distanz zum Kaiser zu experimentieren, da die Teilnahme an der Libation sowie ihre Durchführung variabel war. 401 Taussig bemerkt in diesem Zusammenhang, dass die kosmischen frühen christlichen Lieder auch soziale Visionen einer alternativen Welt transportierten. 402 Aus ritualtheoretischer Perspektive kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die besondere Bedeutung der Libation, die wechselnde Bedeutung und Praktizierung der Kernelemente (Anzahl der Libationen, Ehrungen der Götter oder der Gäste, Wechsel der geehrten Götter) und die gleichzeitige feste Form der Libationen ausgesprochen gut mit dem Begriff der Liminalität von Turner beschrieben werden können. 403 397 S TEIN 2008, 41f. 398 T AUSSIG 2009, 75. 399 T AUSSIG 2009, 109. 400 T AUSSIG 2009, 109. 401 T AUSSIG 2009, 110. 402 T AUSSIG 2009, 109. 403 Vgl. T AUSSIG 2009, 75. Taussig bezieht diese Charakteristika auf die Wertebildung der frühen christlichen Gemeinschaften. „Ritual theorizing about libation at the meals must take a number of elements into account: (1) the “centrality” of the libation in the meal structure; (2) the fluidity of the practice of this pivotal element (for example, how many libations? To gods and guests? To which god or gods? ); and (3) the simultaneous formality and inattentiveness of the libation(s). Whatever the meaning of the early Christian cup at the meal, the meaning of libation in the more inclusive category of Hellenistic meals plays an important role in that early Christian meaning making.“ Ritualtheoretische Exegese 228 d) Sprachformen der Begleitpersonen Die Sprachformen der Begleitpersonen werden ebenso schwierig wie die Sprachformen zu Beginn des Gemeinschaftsmahl und des Deipnon zu rekonstruieren sein. Es ist in jedem Fall davon auszugehen, dass sich die Sklaven beim Bedienen miteinander und mit den Gästen unterhielten. Lieder und Hymnen, die von Künstlern vorgetragen wurden, wurden bereits erwähnt. Und auch die Hunde, die zwischen Deipnon und Symposion die Brotreste vom Boden aufaßen, mussten für einen hohen Geräuschpegel gesorgt haben. Sklaven sorgten nicht nur für die Bewirtung während des Mahls, sondern überbrachten auch die Einladungen. 404 Zudem wurden sie nicht nur gleichberechtigt zu den Mahlversammlungen (u.a. der cultores Dianae et Antino) zugelassen, sofern ihre Herren oder Herrinnen einwilligten, 405 sondern konnten auch hellenistischen Mahlgemeinschaften vorstehen. 406 Dass Sklaven und Frauen an den Mahlgemeinschaften teilnahmen, führt Taussig auf das soziale Experimentieren zurück, da ihre Teilnahme immer noch eine Ausnahme darstellte. 407 Wie bereits angemerkt, wurden zum Symposion Künstler angestellt. 408 Taussig geht dabei von drei verschiedenen Gruppen aus - Musikern (hauptsächlich, aber nicht ausschließlich Flötenspielerinnen), Sängern und Sprechern von Unterweisungen und Literatur. 409 Auch die nicht eingeladenen Gäste, seien sie gänzlich ohne Einladung, zu spät oder von einem Mahlteilnehmer mitgebracht, stehen für unterschiedliche Sprachformen während des Mahls. Alle drei Typen werden als störend beschrieben, weil sie die Diskussion manchmal sogar mit Absicht störten oder den Gastgeber um zusätzliches Essen und Trinken baten. 410 Zu Störungen kam es auch, wenn die nicht eingeladenen oder unerwarteten Gäste sich nicht hinlegen konnten, sondern stehen mussten, sich deshalb ungerecht behandelt fühlten und anderen Mahlteilnehmern den Platz strittig machten. Auch wird überliefert, dass sie sich über den Symposiarchen lustig machten und Auseinandersetzungen initiierten. 411 404 S TEIN 2008, 32. 405 S TEIN 2008, 53. 406 T AUSSIG 2009, 89.100. 407 T AUSSIG 2009, 30: “[T]he general taboo against women and slaves reclining seems to have been quite regularly violated in a kind of social experimentation.“ 408 Zum “künstlerischen” Anspruch der sog. akletoi, die zur Erheiterung der Gäste beitrugen, siehe F EHR 1990. 409 T AUSSIG 2009, 82. 410 K LINGHARDT 1996, 84-88 unterscheidet zwischen dem akletos (dem Gast, der keine Einladung hatte), dem eingeladenen, aber zu spät kommenden Gast und dem epikletos (dem Gast, der von einem eingeladenen Gast mitgebracht wurde). 411 T AUSSIG 2009, 83. Taussig bezieht sich auf Plut. Questiones Conviviales, 43-47. „Plutarch’s stories never acknowledged these uninvited guests as problems, but his instructions on how invited guests can help straighten things out ended up being a clear recognition of the problems. Although Plato also idealized the uninvited and Sprache des Gemeinschaftsmahls 229 Selbst wenn das Nachdenken über die Sprachformen der Begleitpersonen einer Mahlgemeinschaft nur durch zaghafte Spekulationen vonstattengehen kann, zeigen sich doch in den literarischen Genres der Symposien Hinweise auf die Sprache der nicht eingeladenen oder zu spät erscheinenden Gäste. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Quellenlage genauere Aussagen über die Sprache der Begleitpersonen leider nicht zulässt, es sich aber dennoch lohnt, auch diesen Stimmen, soweit es geht, Gehör zu verschaffen. Begonnen haben damit die Wissenschaftler, die mit Untersuchungen über Sklaven und Freie in Mahlgemeinschaften nicht mithilfe der etablierten Vorurteile über die Rolle der Sklaven argumentieren. Vergleichbar sind auch Studien zur Rolle von Frauen und Kindern. 4. Ritualtheoretische Exegese der paulinischen Texte Die Betrachtung der sprachlichen Besonderheiten des Neuen Testaments konnte einerseits zeigen, wie nah sich die neutestamentlichen Schriften sind, da sie im selben sozialen, politischen und religiösen Kontext geschrieben wurden, und andererseits demonstrieren, dass sie dennoch über Eigenheiten in eben diesen Kontexten verfügen, die ihre Unterschiede in der sprachlichen Verwendung markieren. Ritualtheoretisch wurde herausgearbeitet, dass diese Sprachformen als Zeichen einer ganzheitlichen Transformationsfähigkeit durch die umfassende Liminalität verstanden werden können. Die Untersuchung der Sprachformen während des hellenistischen Mahls haben in diesem Sinne die Liminalität des Rituals bestätigt. In der ritualtheoretischen Exegese wird an den ausgewählten paulinischen Abschnitten gezeigt, dass Turner zu Recht dem gesamten Ritual Liminalität zuspricht. Es ist davon auszugehen, dass van Genneps Phasen - 1) Trennungsphase (Separation), 2) liminale Phase und 3) Wiedereingliederungsphase (Aggregation) - in den neutestamentlichen Texten zu identifizieren sind. Um diese Phasen am Text aufzeigen zu können, werden jeder Phase charakteristische Begriffe zugeordnet. late guests, it is much less clear whether these guests disturbed the meals as much in classical Greece as they did in later Hellenistic times. It may well have been that Plato’s time experienced substantially fewer of these uninvited or late guests.“ Ein sehr bekanntes Motiv des nicht eingeladenen Gastes ist Platons Alkibiades (im Bezug zum hellenistischen Mahl siehe S MITH 2003, 22f). Ritualtheoretische Exegese 230 Separation Liminale Phase Aggregation e˙xouqene÷w verachten; verächtlich zurückweisen oder behandeln (2) skandali÷zw zur Sünde verführen, Pass.: verführt werden, abfallen; ärgern, empören (zwei Mal in einem Vers) pro/ skomma der Anstoß (3) sci÷sma eigentl. der Riss; übertr. die Meinungsverschiedenheit, der Zwiespalt (1) aiºresiß die Schule, die Partei; die Lehr-, Schulmeinung (1) kataginw¿skw verurteilen (1) uJposte÷llw Akt.: zurückziehen; Med.: zurückweichen, sich scheuen; verschweigen (1) aÓfori÷zw absondern, trennen; auswählen, bestimmen zu (1) koinwno/ ß der Teilhaber, der Beteiligte, der Gefährte; der Mitbetroffene (2) diakri÷nw Akt.: unterscheiden, beurteilen, entscheiden; Med.: streiten, zweifeln (3) katakri÷nw verurteilen (2) dia¿krisiß die Unterscheidung; der Streit (1) kri÷nw scheiden, den Vorzug geben; urteilen, halten für; entscheiden, beschließen; richten, verurteilen, prozessieren, kritisieren, schlecht maiºsthmi trans.: stellen; aufrichten, intr.: stehen; (fest-) stehen (2 Mal in einem Vers) aÓnqi÷sthmi sich widersetzen, widerstehen, entgegentreten, standhalten (1) sumfe÷rw zusammentragen; meistens unpers.: es ist besser, es ist nützlich, es ist von Vorteil (1) peripate÷w umhergehen, gehen, wandern; wandeln, seinen Weg gehen, sein Leben führen (1) aÓni÷sthmi trans.: aufstehen, machen; erwecken, auferwecken; intrans.: aufstehen, sich erheben; auferstehen; auftreten (1) pari÷sthmi trans.: bereitstellen, zur Verfügung stellen; darstellen, vorstellen; vorführen; vor Gericht stellen; (eine Anschuldigung) beweisen (eine Anschuldigung); intrans.: herantreten, dabeistehen; helfen, beistehen; dabeistehen, anwesend sein (2) za¿w leben; lebendig sein; am Leben bleiben; wieder lebendig werden (8 Mal in fünf Versen) oi˙kodome÷w bauen, aufbauen, errichten; proslamba¿nomai aufnehmen, empfangen (als Gast); beiseite nehmen; nehmen, einnehmen (Nahrung); holen, zusammenbringen (vier Mal in drei Versen ) aÓgaqo/ ß gut, brauchbar, nützlich, passend, gesund (Baum); fruchtbar (Feld, Land); glücklich, günstig (Tag); in sittlicher Hinsicht: recht, gerecht, gütig, freigebig, großzügig, rein (Gewissen); vollkommen (1) dikaiosu/ nh die Gerechtigkeit, dem Willen Gottes entsprechendes Verhalten; die Aufrichtigkeit; das richtige Verhältnis zu Gott; die Frömmigkeit, die relig. Pflicht (1) ei˙rh/ nh der Frieden; die Eintracht; die Ruhe; das Heil, das Wohlbefinden, Wohlergehen (häufig als Gruß gebraucht) (2) cara¿ die Freude, der Gegenstand/ Anlass der Freude (1) do/ kimoß erprobt; bewährt; anerkannt; bestätigt; angesehen Sprache des Gemeinschaftsmahls 231 chen (11 Mal in neun Versen) aÓnakri÷nw befragen, untersuchen; beurteilen, prüfen (3) kri÷ma der Prozess; der Beschluss; das Richten, das Gericht; das (richtende) Urteil; die Verurteilung, die Strafe; das Urteil(en) der Menschen (2) sunupokri÷nomai mitheucheln (1) uJpo/ krisiß die Heuchelei, die Verstellung (1) ska¿ndalon der Anlaß zur Sünde; der Fallstrick, das, was zu Fall bringt, der Anstoss, das Ärgernis, das, was vom Glauben abbringt, das, woran man sich stößt (1) wiederaufbauen; reifen lassen, kräftigen; fördern; stärken, weiterhelfen (3) oi˙kodomh/ der Aufbau (die Erbauung); der Bau, das Gebäude (1) sunei÷dhsiß das Gewissen; das Bewusstsein (6) (2) dokima¿zw etwas prüfen; bewähren; für geeignet halten (2) aÓga¿ph die Liebe; der Liebeserweis, die Wohltat, die tiefe Zuneigung; das Liebesmahl (2) aÓgaphto/ ß geliebt, einziggeliebt, beliebt, geschätzt (1) koinwni÷a die Gemeinschaft, die enge Verbindung, die innige Beziehung; die Anteilnahme; der Gemeinsinn, das Zusammenhalten; der Beitrag, die Gabe (2) sune÷rcomai zusammen mit jd. kommen/ gehen, begleiten; zusammenkommen, sich versammeln; die Ehe eingehen (5) sunesqi÷w zusammen mit jd. essen (1) Ritualtheoretische Exegese 232 a) Gal 2,11-14 Gal 2,11-14 zeugt auf sehr interessante Art und Weise von der Liminalität des hellenistischen Rituals. Obgleich nur in Gal 2,12 auf die Mahlgemeinschaft eingegangen wird, können in diesem Abschnitt separative, liminale und aggregative Strukturen identifiziert werden. Die vier Verse ordnen sich konzentrisch um Gal 2,12 mit dem aggregativen Begriff sunesqi÷w. Sunesqi÷w wird von den separativen Begriffen kataginw¿skw in V11, uJposte÷llw und aÓfori÷zw in V12 sowie sunupokri÷nomai und uJpo/ krisiß in V13 gerahmt. Der Abschnitt wird durch die liminalen Begriffe aÓnqi÷sthmi in V11 eingeleitet und za¿w in V14 beendet. Es ist bemerkenswert, dass diese konzentrische Anordnung von separativen, liminalen und aggregativen Begriffen dazu führt, dass sich innerhalb der einzelnen Verse die Phasen verschieben. In Gal 2,11 geht die liminale Phase in die separative über. In Gal 2,12 wechselt die aggregative Phase zur separativen, welche in V12 und V13 weiter entfaltet wird. Gal 2,14 schließt diesen Abschnitt liminal ab. Auch inhaltlich lässt sich in Gal 2,11-14 diese Phasenverschiebung erkennen. Wie später in den exegetischen Interpretationen noch ausführlicher behandelt wird, so transportieren aÓnqi÷sthmi und za¿w durch ihre Verwendung verschiedene Bezüge. Das Verb aÓnqi÷sthmi beschreibt daher den persönlichen Widerstand eines Menschen gegenüber einem anderen. Allerdings, und das ist für den liminalen Zustand entscheidend, schwingt dabei mit, dass dieser Widerstand ein von Gott gelenkter ist (vgl. Dtn 7,24; 9,2; 12,25). 412 Za¿w kann nicht ohne Ioudaiœkw ß gelesen werden. Folglich kann man weder von einem System des Judentums noch des Hellenismus ausgehen, welches normative Strukturen ausweist. Setzt man aber voraus, dass sich jüdische und hellenistische Einflüsse gegenseitig bedingen, dann wird sehr deutlich, inwiefern diese Beeinflussung die liminale Phase charakterisiert. Liminal sind auch die Identifikationsmuster, da die Identifikation mit sozialen, politischen und religiösen Systemen wechselhaft ist. Die separativen Begriffe kataginw¿skw in V11, uJposte÷llw und aÓfori÷zw in V12 sowie sunupokri÷nomai und uJpo/ krisiß in V13 sind dagegen in ihrer Ausrichtung eindeutig. Hier liegen die möglichen Lesarten nicht „zwischen zwei Welten“, sondern hier wird von Paulus ganz klar Ablehnung signalisiert. In welcher Form sunesqi÷w für die Aggregation spricht, wurde bereits vielfach erwähnt. „Wiedereingliederung“ findet dort statt, wo Christusgläubige miteinander essen - Kephas hat diese Phase verlassen. 412 W ECHSLER 1991, 311 Anm. 89. Sprache des Gemeinschaftsmahls 233 b) 1Kor 8-10 In 1Kor 8,1.4.7-13; 9,3-4.7.13 und 1Kor 10,7.14-25.27-28.31 ist die Struktur der liminalen Phasen des Rituals weitaus schlechter zu bestimmen als in Gal 2,11-14. Es lassen sich neun charakteristische Begriffe in 1Kor 8,1.4.7- 13, ein charakteristischer Begriff in 1Kor 9,3-4.7.13 und zwölf charakteristische Begriffe in 1Kor 10,7.14-25.27-28.31 identifizieren. Auffällig ist, dass nur drei aggregative Begriffe (aÓga¿ph in 1Kor 8,1; aÓgaphto/ ß in 1Kor 10,14 und koinwni÷a in 1Kor 10,16) immer wieder von separativen Begriffen beantwortet werden. So steht aÓga¿ph in 1Kor 8,1 pro/ skomma in 1Kor 8,9 und skandali÷zw in 1Kor 8,13 gegenüber. Die Überleitung zwischen Kapitel 8 und 10 stellt 1Kor 9,3 mit dem separativen Begriff aÓnakri÷nw dar. Agaphto/ ß in 1Kor 10,14 wird von kri÷nw in 1Kor 10,15 beantwortet und koinwni÷a mit den direkten Gegenbildern von koinwno/ ß in 1Kor 10,18 und 1Kor 10,20. Dieser Abschnitt umfasst ebenfalls zwölf liminale Begriffe, die in 1Kor 8,1.7.8 sowie 1Kor 8,10.12 im Block zu dritt und in 1Kor 10,7.28 allein, in 1Kor 10,23 zwei Mal und in 1Kor 10,25.27 im Wechsel mit separativen Begriffen vorkommen. Die Blöcke in 1Kor 8 bilden oi˙kodome÷w , sunei÷dhsiß und pari÷sthmi (1Kor 8,1.7.8) sowie sunei÷dhsiß , oi˙kodome÷w und sunei÷dhsiß (1Kor 8,10.12). 1Kor 8,10.12 wird gerahmt von pro/ skommain 1Kor 8,9 und skandali÷zwin 1Kor 8,13. 1Kor 10,25 und 1Kor 10,27 weisen einen Wechsel zwischen aÓnakri÷nw und sunei÷dhsiß auf. Inhaltlich ist dieser Abschnitt von der engen Verknüpfung zwischen aÓga¿ph in 1Kor 8,1 und den folgenden liminalen Begriffen gekennzeichnet. Dass die Liebe aufbaut, steht ritualtheoretisch nicht für eine solide, feste Form, sondern für eine Form, die sich nach Separation und Liminalität nur in einem relativ stabilen Zustand befindet. Dieser Zustand kann allerdings durch Separation und folgender Liminalität weiter transformiert werden. Diese ständige Bewegung von Separation, Liminalität und Aggregation zeigen die Verse in 1Kor 8-10 deutlich auf. Das Gewissen (sunei÷dhsiß), das in diesem Abschnitt fünf Mal genannt wird, spiegelt die Liminalität treffend wider. Es kann schwach sein (1Kor 8,7) oder in die falsche Richtung bestärkt werden (1Kor 8,10). Es kann verletzt werden (1Kor 8,12) und um seinetwillen müssen unter bestimmten Umständen Untersuchungen angestrebt werden (1Kor 10,25.27.28). Sehr deutlich wird an diesem liminalen Begriff, dass er zwischen den separativen und den aggregativen Begriffen angesiedelt ist, tatsächlich „zwischen zwei Welten“, die sich durch das Verhalten an und mit dem Gewissen gleichsam realisieren können. Nützlichkeit und Erbauung bilden in 1Kor 10,23 einen Parallelismus, der liminal verstanden werden kann, da auch diese beiden Begriffe für die jeweilige andere Phase des Rituals wirksam gemacht werden können. Die Erbauung und Nützlichkeit eines Einzelnen entspricht nicht unbedingt der aggregativen Struktur der koinwni÷a, sondern kann auch für separative Strukturen verwendet werden. Ritualtheoretische Exegese 234 In der Besprechung der Gemeinschaft wurde der Gegensatz zwischen koinwni÷a und koinwno/ ß bereits ausführlich behandelt. In dieser ritualtheoretischen Exegese zeigt sich noch einmal vor dem Hintergrund des liminalen Rituals, dass die koinwnoi÷ mit den Untersuchungen, Anstößen, Beurteilungen und Ärgernissen assoziiert werden können. Abschließend kann zu 1Kor 8-10 festgehalten werden, dass die Abhängigkeit unter den einzelnen Phasen des Rituals äußerst wechselhaft ist. Es ist eine Frage der sozialen Dynamik, welche Phase an welcher Stelle des Rituals zum Ausdruck kommt und ob diese eine Stabilität aufweist, die sich nicht sofort wieder verändert. Es wurde deutlich, dass diese Phasen ausgehandelt werden müssen und keineswegs vorher zu bestimmen sind. c) Röm 14,1-15,7 Röm 14 ist wie kein anderer Abschnitt von vielen aggregativen Begriffen geprägt. Proslamba¿nw rahmt mit einem Beleg in Röm 14,1.3 und Röm 15,7 den Zusammenhang zum rituellen Geschehen und gestaltet in diesem Sinne den Charakter des Abschnitts. Ausformuliert wird der aggregative Charakter durch die starke Formulierung „dikaiosu/ nhkai« ei˙rh/ nhkai« cara¿ “ in Röm 14,16, welche von den Begriffen aÓga¿ph (Röm 14,15), aÓgaqo/ ß (Röm 14,16), do/ kimoß (Röm 14,18) sowie dokima¿zw in Röm 14,22 begleitet wird. Die liminale Phase wird, abgesehen von iºsthmi in Röm 14,4, pari÷sthmi in Röm 14,10, peripate÷w in Röm 14,15 und oi˙kodomh/ in Röm 14,19, vor allem durch die Verwendung von za¿w in Röm 14,7.8.9.11 bestimmt. Za¿w wird in diesem Abschnitt sieben Mal verwendet, davon sechs Mal im Präsens und ein Mal im Aorist - vier Mal im Plural und drei Mal im Singular, so dass die Rolle des Einzelnen in der Gemeinschaft sehr differenziert beschrieben werden kann. Die separative Phase wird von dem Wortstamm kri÷nw beschrieben, in Röm 14,23 mit diakri÷nw und katakri÷nw sowie des Weiteren in Röm 14,3-5.10.13.22 mit kri÷nw selbst. Auch ermöglichen dia¿krisiß in Röm 14,1, pro/ skomma in Röm 14,13.20 sowie e˙xouqene÷w in Röm 14,3.10, den separativen Charakter des Rituals zu beschreiben. In Röm 14,1-15,1.7 zeigt sich, dass das Zentrum der ritualtheoretischen Exegese Röm 14,17 ist, welches von Röm 14,1.3. und Röm 15,7 gerahmt wird. In den Versen Röm 14,1-3.4-14.19-23 wechseln sich separative und liminale Beschreibungen ab, wobei die Liminalität vom Begriff za¿w dominiert wird. Die Verse Röm 14,3.10.13.20-23 wirken wegen der inhaltlichen Dominanz von za¿w als mahnende Zwischenrufe, welche die Gemeinschaft davor bewahren soll, die separativen Elemente stärker zu betonen. In diesem Sinne werden die separativen Redewendungen verneinend eingeführt; die Brüder sollen sich „nicht verachten“ (Röm 14,3) und „nicht richten“ (Röm 14,3.13.22) und einander „keinen Anstoß geben“ (Röm 14,13). Ritualtheoretisch ist an diesem Abschnitt sehr interessant, dass hier die religiöse Aggregation in den Mittelpunkt gesetzt wird. Dadurch, dass das Sprache des Gemeinschaftsmahls 235 Reich Gottes von Paulus als ein Reich beschrieben wird, das nicht Essen und Trinken ist, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist, legt Paulus das Gewicht deutlich auf die religiöse Identifikation im Unterschied zur sozialen oder politischen. Wie es zu dieser eindeutigen Positionierung kommt, werden die exegetischen Interpretationen erläutern. Hier soll vorerst festgehalten werden, dass die Akzentsetzung innerhalb jeder Phase variabel sein kann. Ob die Phasen des liminalen Rituals einen eindeutigen Akzent im sozialen, politischen oder religiösen Kontext aufweisen, hängt in großem Maße vom sozio-historischen Kontext ab. d) 1Kor 11,17-34 Die ritualtheoretische Exegese wirft noch einmal einen ganz anderen Blick auf den Abschnitt 1Kor 11,17-34, denn in der Betrachtung der rituellen Liminalität können nur die Verse 1Kor 11,17-20 und 1Kor 11,28-34 berücksichtigt werden. Paulus ’ Ermahnungen an die Gemeinschaft und die Vergegenwärtigung des Herrenmahls gewinnen keine Relevanz in der liminalen Ausgestaltung des Rituals, da diese Verse über keine charakteristischen Begriffe verfügen. Auffällig ist ferner, dass 1Kor 11,17-34 auch keine liminalen Begriffe im engeren Sinne aufweist. Stattdessen stehen sich separative und aggregative Begriffe in den Versen gegenüber, in 1Kor 11,18 sune÷rcomai und sci÷sma, in 1Kor 11,19 aiºresiß und do/ kimoß und in 1Kor 11,34 kri÷ma und sune÷rcomai. Besonders relevant ist der mehrfache Rekurs auf sune÷rcomai in 1Kor 11,17.18.20.33-34), welcher das Thema aus ritualtheoretischer Sicht verdeutlicht - im Zentrum dieses Abschnitts steht das Zusammenkommen der Gemeinschaft im (hellenistischen) Mahl. Die separativen Gegenüberstellungen gründen besonders in der Verwendung des Stammes krin* (diakri÷nw in 1Kor 11,29.31, katakri÷nw in 1Kor 11,32, kri÷ma in 1Kor 11,29.34 und kri÷nw in 1Kor 11,31-32). Es ist deutlich geworden, dass die Aufmerksamkeit dieser ritualtheoretischen Exegese nicht auf die bekannten Ermahnungen an die Gemeinschaft wegen des i¶dion dei pnon, sondern auf 1Kor 11,17-20 und 1Kor 11,28- 34 beschränkt ist. Dies macht umso deutlicher, dass für die rituelle Phasenentwicklung nicht immer kulturell geprägte Aussagen oder Narrationen von Bedeutung sind, sondern sich die Phasen des Rituals über Begriffe stabilisieren, die auch außerhalb der Texte über das Mahl liegen können. 5. Zusammenfassung Vielfach hat die ritualtheoretische Exegese den Fokus des Interesses auf Verse und Zusammenhänge gerichtet, die ohne die Kenntnisse über das hellenistische Mahl als Ritual nicht möglich gewesen wären. In Gal 2 konnte gezeigt werden, dass die Reihenfolge der Phasen durchaus von der idealen Reihenfolge von Separation, Schwellenphase und Aggregation abweichen kann. Der Bericht über den Zwischenfall in Antiochia zeigte ebenfalls, Ritualtheoretische Exegese 236 dass rituelles Mahlgeschehen durch die Liminalität auch in Texten abgebildet werden kann, die nicht auf der narrativen Sprachebene vom Mahlgeschehen berichten. Es wurde gerade mit Bezug zu 1Kor 11 veranschaulicht, dass der Text über das Mahl noch lange nicht die liminale Dynamik während des Mahls beeinflussen muss. In 1Kor 11 wurde ersichtlich, dass sich Liminalität über Begriffe stabilisiert, die auch außerhalb der Texte über das Mahl liegen können. Das bedeutet sicher nicht, dass die Texte über das Mahl für die Gestaltung keine Rolle spielen - ganz im Gegenteil. Für die Fragen nach dem Verlauf, der Leitung des Gemeinschaftsmahls oder aber der Identifikation der Mahlteilnehmer sind diese Abschnitte von großer Bedeutung. Die ritualtheoretische Exegese der sprachlichen Formen hat allerdings zeigen können, dass Texte über das Mahl für die liminale Dynamik weniger maßgeblich sind (vgl. 1Kor 11). Des Weiteren konnte bewiesen werden, dass die liminalen Phasen in sich selbst variabel sind und ihre Bezüge zu sozialen, politischen oder religiösen Kontexten je nach Situation ausgehandelt werden müssen (vgl. 1Kor 8-10). Es handelt sich folglich nicht um eine feste Reihenfolge ritueller Handlungen, sondern um verba in loco actus. Sprache des Gemeinschaftsmahls 237 6. Tabelle: Sprache des Gemeinschaftsmahls Sprache Separation Schwellenphase Aggregation Gal 2,11- 14 uJposte÷llw Gal 2,12 aÓfori÷zw Gal 2,12 sunupokri÷nomai Gal 2,13 uJpo/ krisiß Gal 2,13 kataginw¿skw Gal 2,11 aÓnqi÷sthmi Gal 2,11 za¿w Gal 2,14 sunesqi÷w Gal 2,12 1Kor 8,1.4.7-13 skandali÷zw 1Kor 8,13 pro/ skomma 1Kor 8,9 pari÷sthmi 1Kor 8,8 oi˙kodome÷w 1Kor 8,1.10 sunei÷dhsiß 1Kor 8,7.10.12 aÓga¿ph 1Kor 8,1 1Kor 9,3- 4.7.13 aÓnakri÷nw (3) 1Kor 9,3 1Kor 10,7.14- 25.27- 28.31 kri÷nw 1Kor 10,15 aÓnakri÷nw 1Kor 10,25.27 koinwno/ ß 1Kor 10,18.20 aÓni÷sthmi 1Kor 10,7 oi˙kodome÷w 1Kor 10,23 sunei÷dhsiß 1Kor 10,25.27-28 aÓgaphto/ ß 1Kor 10,14 koinwni÷a 1Kor 10,16 Röm 14,1- 15,1.7 dokima¿zw Röm 14,22 diakri÷nw Röm 14,23 katakri÷nw Röm 14,23 e˙xouqene÷w Röm 14,3.10 kri÷nw Röm 14,3- 5.10.13.22 dia¿krisiß Röm 14,1 pro/ skomma Röm 14,13.20 ska¿ndalon Röm 14,13 peripate÷w (1) Röm 14,15 iºsthmi Röm 14,4 staqh/ setai de÷, dunatei ga»r oJku/ rioßsthvsaiaujto/ n. Röm 14,4 pari÷sthmi Röm 14,10 za¿w Röm 14,7-9.11 oi˙kodomh/ Röm 14,19 proslamba¿nw Röm 14,1.3; 15,7 aÓgaqo/ ß (2) Röm 14,16 „dikaiosu/ nhkai« ei˙rh/ nhkai« cara» “ Röm 14,17 do/ kimoß Röm 14,18 aÓga¿ph Röm 14,15 Ritualtheoretische Exegese 238 1Kor 11,17-34 dokima¿zw 1Kor 11,28 diakri÷nw 1Kor 11,29.31 katakri÷nw 1Kor 11,32 kri÷nw 1Kor 11,31-32 kri÷ma 1Kor 11,29.34 sci÷sma 1Kor 11,18 aiºresiß 1Kor 11,19 do/ kimoß 1Kor 11,19 sune÷rcomai 1Kor 11,17- 18.20.33-34 T EIL V P AULINISCHER K ONTEXT V. Paulinischer Kontext Nachdem in der ritualtheoretischen Exegese vielfache Charakteristika des hellenistischen Mahls mit den sozialgeschichtlichen, ritualtheoretischen und exegetischen Besonderheiten beschrieben wurden, ist es nun erforderlich, die relevanten Abschnitte der Paulinischen Briefe im Detail exegetisch zu betrachten. Exegetische Studien zum Neuen Testament tragen häufig dazu bei, dass hermeneutische Ansätze am Text selbst überprüft bzw. korrigiert werden. Nicht selten öffnen sie den Blick auf textkritische Schwierigkeiten, die eine lange Rezeptionsgeschichte und Auskunft über die Kontextualisierung der Texte beinhalten. Obgleich die Methoden der Exegese ein zuverlässiges Referenzsystem bilden, um weltweit über die Texte ins Gespräch zu kommen, sind die Ergebnisse dennoch von den (theologischen) Überzeugungen der Interpreten geprägt. Diese exegetische Interpretation ist an den Ergebnissen der ritualtheoretischen Exegese orientiert, bietet aber exegetische Bezüge, die über die bisherige Betrachtung hinausgehen. Thematisch orientiert sich die exegetische Interpretation an den differenzierten Situationen der adressierten Gemeinschaften und reflektiert, in welcher Form Paulus die Vielfältigkeit des hellenistischen Mahls für die Ausbildung einer christusgläubigen Identität verwendete. Die Betrachtung der paulinischen Texte beginnt mit Gal 2 und Röm 14,1-15,7. Sie wird mit 1Kor 8-10 und 1Kor 11 fortgesetzt. A. Galaterbrief 1. Einleitung zur Fragestellung Gal 2,11-14 Die Speisefragen bei Paulus wurden im wissenschaftlichen Diskurs oft genutzt, um den Anfang christlicher kultureller Riten in Abgrenzung zu jüdischen Speisevorschriften zu beschreiben. Nicht selten wird Paulus eine deutliche Distanzierung von der Tora und Israel zugesprochen, die damit gerechtfertigt wird, dass die Parteien in Gal 2,11-14 auf der einen Seite deutlich als Juden aus Jerusalem und auf der anderen Seite eindeutig als „Christen“ in den Gemeinden der Diaspora identifiziert werden, obgleich die Parteien auch als „Juden-Christen“ bzw. „Heiden-Christen“ bezeichnet werden können. 1 Aus einer innerjüdischen Streitfrage wird ein jüdischchristlicher Konflikt, in dem das gemeinsame Essen als Überschreiten der 1 L ÖHR 2003, 28. Paulinischer Kontext 242 „Trennlinie“ zwischen Juden und „Christen“ gewertet wird. 2 Zum Thema der Diskussion wird die Trennung zwischen Judentum und Christentum aufgrund von Speisevorschriften. Nimmt man allerdings an, dass man für das 1. Jh. n. Chr. noch nicht von einer klaren religiösen Unterscheidung zwischen Juden und „Christen“ sprechen kann, dann bleibt der beschriebene Konflikt in Gal 2,11-14 ein innerjüdischer. In diesem Sinne stellen sich die Fragen nach den genannten Parteien wieder neu, so dass die Zielsetzung nicht die Identifikation von christlichen oder jüdischen Elementen des Konflikts ist, sondern die Erörterung eines innerjüdischen Konfliktpotentials zwischen Jerusalem und den Gemeinden in der Diaspora. In welcher Weise dieser Konflikt von Paulus zugunsten einer Identifikation mit dem Gesalbten nutzbar gemacht wird, stellt sich erst in einem weiteren Analyseschritt heraus. Zunächst wird die beschriebene Situation als innerjüdisch gewertet und erst in einem zweiten Schritt auf das Christusgeschehen angewandt. Nach einem Forschungsüberblick werden die bisher aufgeworfenen Fragestellungen in exegetischen Interpretationen zusammengeführt und erneut ausgewertet. 2. Exegetische Interpretationen zu Gal 2,11-14 Die exegetischen Interpretationen werden im Zusammenspiel der Wortbedeutungen aus der Sicht des Apostels zeigen, dass in erster Linie das Zusammenkommen der separierten Juden und Menschen aus den Nationen aus der Sicht der Jakobus-Leute ein Problem darstellte. Es wird auch berücksichtigt werden, welche Position Petrus in der Gemeinschaft einnahm und warum seine „Absonderung“ von Paulus als Heuchelei beschreiben wurde, die ihn zu einem Verurteilten machten. Obwohl sich die Frage nach Essen und Toraobservanz stellt, steht im Vordergrund des Kommentars der neutestamentliche Text und seine kontextuelle Verortung. Die Thematisierung der Lebensmittel wird erst in der Beurteilung der paulinischen Position wieder eine Rolle spielen, da diese indirekt auf die korporeale Transformation der Glaubenden verweist. ›Ote de« als Präposition in Gal 2,11 zu gebrauchen, verweist nicht nur auf die Verknüpfung mit der folgenden Argumentation, sondern auch auf das paulinische Wirken. Da die Verwendung in Gal 1,15; 2,14 und Gal 4,4 ebenfalls auf eine Veränderung des geschilderten Geschehens schließen lässt, wird auch davon auszugehen sein, dass eine zeitliche Abfolge der Ereignisse ausgedrückt wird. 3 Mit dieser Interpretation wird sogleich festgehalten, dass der Antiochenische Zwischenfall zeitlich nach dem Apostelkonvent in Jerusalem stattfand. 4 Es ist nicht auszuschließen, dass der Zwischenfall in Antiochia daher zustande kam, weil in Jerusalem über den 2 B ETZ 1988, 197.201. 3 W ECHSLER 1991, 297. 4 Anders schon Augustinus, Z AHN 1894, S ANDAY 1908, M UNCK 1954, L ÜDEMANN 1980, H ESTER 1984 und H OLTZ 1986, vgl. B ETZ 1988, 199. Galaterbrief 243 Umgang zwischen Juden und „Christen“ aus den Nationen entschieden wurde, in dieser Gemeinschaft in Antiochien aber das Problem zwischen Judenchristen und Juden aufkam. 5 Auch ist es möglich, dass das gemeinsame Essen in Jerusalem als Problem verkannt wurde, da nur in der Diaspora Juden gemeinsam mit „Christen“ aus den Nationen lebten. 6 Alle diese Erklärungsmodelle laufen auf die Frage hinaus, warum Jerusalem nach dem Apostelkonvent weniger Macht in der Diaspora hatte und der Aussendung der „Leute“ von Jakobus als politisches Druckmittel bedurfte. Eine mögliche Erklärung ist eine Machtverschiebung in Jerusalem von Petrus zu Jakobus, eine Hungersnot, die den Fokus auf die Völkermission verringerte, oder die späte Emanzipation von Paulus, von der generellen Freiheit der Tora Gebrauch zu machen. 7 Die Interpretationsversuche verweisen in unterschiedliche Richtungen. Von lokalpolitischen Machtverschiebungen in Jerusalem über die Toratreue in der Diaspora hin zur Eigenständigkeit des Apostels sind alle Interpretationsspielräume ausgeschöpft worden. Zu wenig beachtet wird, dass in V11 keiner dieser Zusammenhänge angedeutet wird und sie auch nicht notwendig sind, um die Beziehung zwischen Paulus und Kephas zu beschreiben. Es ist an dieser Stelle nötig, nicht vorschnell über die Zusammenkunft der beiden Apostel zu urteilen und bei der Perspektive des Paulus zu bleiben. ›Ote de« weist sicherlich auf die zeitliche Abfolge zu den vorhergehenden Berichten und auch auf die Nachzeitigkeit zum Apostelkonvent hin, aber im Bericht des Paulus steht es für die Einleitung einer Erzählung von etwas Vergangenem, das für die Gemeinschaft in Galatien relevant ist. „Damals, aber ...“ - so beginnt der paulinische Bericht von einem Ereignis, das für die Gemeinschaft in Galatien unter allen Umständen in der Vergangenheit liegt und dennoch von großer Bedeutung ist, da Paulus Kephas mit seiner Präsenz konfrontiert und ihn als einen Verurteilten (seiner selbst) betrachtet. 8 Wie bereits in der ritualtheoretischen Exegese angedeutet, steht aÓnqi÷sthmi für den persönlichen Widerstand eines Menschen gegenüber einem anderen. Allerdings schwingt dabei mit, dass dieser Widerstand ein von Gott gelenkter ist - so, wie das Volk Israel in militärischen Auseinandersetzungen von Gott gelenkt ist (Dtn 7,24; 9,2; 12,25). 9 Vielseitiger sind die Interpretationen von kategnwsme÷noß h™n. Andreas Wechsler diskutiert zwei Möglichkeiten, zum einen, dass Kephas durch sein eigenes Verhalten zu einem Verurteilten wurde, und zum anderen, dass er durch Gott zu 5 W ECHSLER 1991, 298. 6 W ECHSLER 1991, 300. 7 W ECHSLER 1991, 301f. 8 Wie viel Zeit zwischen Apostelkonvent und dem Antiochenischen Zwischenfall liegt, bleibt sicherlich ungeklärt. Die Zeitspanne zwischen 44 oder 48 bis 50 entspricht einer realistischen Überlegung. Vgl. W ECHSLER 1991, 304. 9 W ECHSLER 1991, 311 Anm. 89. Paulinischer Kontext 244 einem Verurteilten wurde. 10 Zu wenig Beachtung wird an dieser Stelle der Position von Paulus zugesprochen. Er ist es, welcher der Gemeinschaft in Galatien vermittelt, dass Kephas zu einem Verurteilten wurde und dieser Zustand während der Begegnung der beiden Apostel anhielt. Paulus ist auch derjenige, der mit kategnwsme÷noß h™n den Zustand Kephas ’ beschreibt und damit eine vergleichbare Aussage wie der Autor von 1Joh 3,20 trifft. Kephas hat sich selbst verurteilt. Das Plusquamperfekt zeigt an, dass Kephas von vornherein ein Verurteilter war - noch „ehe Pl den Mund auftat“. 11 Die Verurteilung ist ein innerer Zustand, zu dem sein eigenes Verhalten in Bezug zu Gott, der den Weg der Wahrheit des Evangeliums fordert, geführt hat. Paulus wird dies in den folgenden Versen ausführen, indem er neben den separativen Begriffen kataginw¿skw in V11, uJposte÷llw und aÓfori÷zw in V12 sowie sunupokri÷nomai und uJpo/ krisiß in V13 in seine Argumentation einbezieht. Die Diskussion über die Singularbzw. Pluralformen, welche von Wechsler mit dem Begriff HLQEN -Hypothese auf Gal 2,12ba reduziert wurde 12 , bewegt nicht nur textkritische Auseinandersetzungen, sondern auch inhaltliche. Für die inhaltliche Diskussion ist die Entscheidung bezüglich der textkritischen Varianten von entscheidender Bedeutung. Grundsätzlich bestehen drei verschiedene Möglichkeiten der Argumentation. Entweder spricht man sich für die Variante des rekonstruierten Textes gemäß der 27. Auflage des Novum Testamentum Graece von Nestle-Aland aus, zu dem die Formen tinaß, sunh/ sqien und h™lqon ( txt A C D2 H ¥ 0278 . 1739 . 1881  ar f r vg sy co) gehören sollen, oder man spricht sich teilweise bzw. ganz für die Bezeugung einzelner oder aller Singularformen aus 46 aus. Die Diskussion um die Singularformen wird meist mit dem Hinweis unterbrochen, dass es sich bei den Singularformen um „alte Schreibfehler“ handelt. 13 Ob es sich um Schreibfehler handelt, die aufgrund der Schreibweise in Gal 2,11a (›Ote de« h™lqen Khfa ß) oder auf Verwendungen auf -en im Kontext (uJpe÷stellen kai« aÓfw¿rizen) entstanden sind, können viele Kommentatoren nicht entscheiden. Enno Edzard Popkes erläutert schon in seiner Darstellung des Diskussionsspektrums kurz, dass „diese Argumentation jedoch sowohl hinsichtlich der inneren als auch der äußeren Textkritik Probleme aufwirft. Zum einen kann die Dignität der Zeugen für die Singularvarianten nicht marginalisiert werden. Zum anderen kann man schwerlich eine bessere Kontextstimmigkeit der Pluralformen postulieren. Die 10 W ECHSLER 1991, 314f. Dass Kephas sich selbst verurteilt habe, wird vor allem von B ETZ 1988, 121 vertreten, während W ILCKENS 1969, 568, P ESCH 1980, 90 und H OLTZ 1986 eindeutig für die Verurteilung durch Gott plädieren. 11 Z AHN 1922, 114. 12 W ECHSLER 1991, 317. 13 P OPKES 2004, 254f. In Anm. 4 bezieht Popkes diese Aussage u.a. auf Z AHN 1905, M ETZGER und U NITED B IBLE S OCIETIES 1994, B ETZ 1984, H OLTZ 1986 und M USSNER 1988. Galaterbrief 245 Singularformen könnten gerade als lectio difficilior die ursprüngliche Textgestalt bieten.“ 14 Unterschiede zwischen den textkritischen Gewichtungen von 46 zu machen, spricht für die separate Betrachtung der Alternativlesarten. Dies schließt jedoch aus, dass die Bezeugung von 46 in Gal 2,12ba äußerst stark ist und ein Abweichen in Gal 2,12aa lediglich inkonsequent wäre. Es ist darüber hinaus auch davon auszugehen, dass äußere Kriterien durch innere Kriterien plausibel gemacht werden können. 15 Popkes führt eindrücklich aus, dass die inhaltlichen Differenzen zwischen Gal 2 und Apg 15 nicht größer sind als deren Zusammenhänge. So beschreibt er, dass neben dem Verweis auf das Alter von 46 auch die bisher vernachlässigte Pluralform sunh/ sqion in 46 darauf hinweist, dass Petrus nicht alleine, sondern mit einer Gruppe Tischgemeinschaft mit den Nationen pflegte. 16 Hierfür spricht nicht nur der Folgevers, in dem Petrus dafür getadelt wird, weitere Juden und Barnabas mit seinem Verhalten beeinflusst zu haben, sondern auch die Tatsache, dass diese Pluralform inmitten der Singularformen (tina und h™lqen) die lectio difficilior darstellt. 17 Während Apg 15,1 von einer Gruppe spricht, die sich von der Jerusalemer Gemeinde emanzipiert hat und ohne ihr Einverständnis handelt, spricht Paulus in Gal 2,11-14 nicht von einer Gruppe, die den Antiochenischen Zwischenfall ausgelöst hat, sondern von einer Einzelperson. Dass Apg 15,1 von einer Gruppe spricht und nicht, wie Gal 2,12, von einer Einzelperson, liegt an der theologischen Intention des auctor ad Theophilium und nicht an den Schilderungen des Apostels. 18 Popkes ist darin zuzustimmen, und es sollte ergänzt werden, dass neben der inneren und der äußeren Textkritik auch die sozialgeschichtlichen Zusammenhänge darauf hinweisen, dass es sich bei der gemeinsamen Tischgemeinschaft nicht um eine singuläre Aberration des Petrus gehandelt hat, sondern um eine weitverbreitete Gewohnheit in jüdisch-hellenistischen Gemeinschaften. 19 In diesem Sinne ist es auch aus sozialgeschichtlicher Perspektive sinnvoller, davon auszugehen, dass Kephas nicht als Einzelperson beim Essen mit den Menschen aus den Nationen genannt wurde, sondern dass eine Gruppe gemeint war (sunh/ sqion) - und dass Kephas durch sein Verhalten des Rückzugs die Mahlgemeinschaft gestört hat. Paulus warnt vor dem gemeinsamen Essen mit Sündern (Lk 15,2), Unbeschnittenen (Apg 11,3), unzüchtigen, habsüchtigen, götzendienenden, lästernden, trunkenen oder raubenden Brüdern (1Kor 5,11) sowie mit Men- 14 P OPKES 2004, 255. 15 P OPKES 2004, 256f zitiert M ANSON 1962, 168-89.179. 16 P OPKES 2004, 258. 17 P OPKES 2004, 258. 18 P OPKES 2004, 263. 19 W ECHSLER 1991, 306.324 beschreibt, dass Tischgemeinschaft zwischen Juden und Hellenen auch schon vor Paulus in Antiochia üblich war. Er rekonstruiert diese Begebenheit aus Apg 11,26 und Apg 13. Paulinischer Kontext 246 schen aus den Nationen (Gal 2,12). In den meisten Kommentaren wird dies auf die Reinheit bzw. Unreinheit der anderen Mahlteilnehmer hin gedeutet. In neueren Auslegungen werden die Probleme mit dem gemeinsamen Essen auf die Bedeutung der Nahrungsmittel für unterschiedliche kultische Zusammenhänge bezogen. Dass sich Petrus über diese „jüdischen“ Gesetze hinweggesetzt hat, weil er sich der bereits bestehenden Sitte 20 , gemeinsam mit den Nationen zu essen, angeschlossen hat, verschafft ihm einen Sonderstatus in der Auslegungstradition. Wechsler erkennt an, dass es etwas Besonderes gewesen sein musste, dass er, als Jünger Jesu, Tischgemeinschaft mit den Nationen pflegte. 21 Die Jakobusleute dagegen bestanden auf einer christlichen Mahlfeier unter den jüdischen Speisegeboten. 22 Sehr schnell wird an dieser Stelle der Unterschied zwischen „(Juden)-Christen“ und paulinischen „Christen“ am Umgang mit jüdischen Speisegeboten, die sich auf die Bewahrung der Reinheit beziehen, festgehalten. Nicht zuletzt wird diese Argumentation mit dem Hinweis begründet, dass Paulus die genannten Gruppen, ta» e¶qnh (Gal 2,12.14), tou\ß e˙k peritomhvß (Gal 2,12), oi˚ loipoi« Ioudai oi (Gal 2,13), fast einheitlich negativ bewertet. Es spricht folglich vieles dafür, dass ta» e¶qnh für Paulus kein positiv besetzter Begriff war, denn wie ta» e¶qnh zu leben, bedeutete, der Idolatrie näher zu sein als der Gemeinschaft in Christus. Was sich auch ritualtheoretisch als heuristisch fruchtbar erwiesen hat, soll an dieser Stelle noch durch einen anderen Blickwinkel ergänzt werden. Sunesqi÷w wird im hellenistischen Judentum auf bemerkenswert andere Weise gebraucht, so dass die Fokussierung auf die Speisegebote der unterschiedlichen Gruppen in den Hintergrund rückt. In der Septuaginta wird Ps 100,5 ( l` Dk…wa aâ øl w# øtOaŒ ) mit tou/ twˆ ouj sunh/ sqion übersetzt. 23 Sunh/ sqion wird von der Septuaginta in der 1. Pers. Sg. Impf. a. ind. gebraucht, wohingegen Paulus nach dieser Textkritik die 3. Pers. Pl. Impf. a. ind. benutzt. Sunh/ sqion wird vom Psalmisten als deutliche Abwehr gegenüber den Gottlosen und Übeltätern gebraucht. Ps 100,5 lautet: „Wer seinen Nächsten heimlich verleumdet, den will ich stumm machen. Wer stolze Augen und ein hochmütiges Herz hat, mit dem will ich nicht zusammen essen“. Aus Ps 100 ist bekannt, dass derjenige, der ein verkehrtes und hochmütiges Herz hat (Ps 100,4.5), der seinen Nächsten heimlich verleumdet (Ps 100,5), der stolze Augen hat, der Trug übt und lügt (Ps 100,7), als Gottloser und 20 Z AHN 1905, 113 meint, dass es sich bei der Tischgemeinschaft nicht um einen vereinzelten Ausnahmefall gehandelt haben muss, sondern um eine gewisse Regelmäßigkeit. 21 W ECHSLER 1991, 323. 22 W ECHSLER 1991, 325. 23 Tou/ twˆ ouj sunh/ sqion geht auf eine Variante in der Peschitta zurück: (Í) tou/ twØ ouj sunh/ sqion = l` Dk…wa aâ øl w# øtOa . Im MT steht allerdings nicht l` Dk…wa aâ øl w# øtOa, sondern lEkOwa øal Ow; tIa . Es ist davon auszugehen, dass die Vokalisation lEkOwa von lka der Vokalisation lEkOwa von lky vorzuziehen ist, die Variabilität der Vokalisation von lkwa zu lEkOwa von lka oder lEkOwa von lky weist schon an dieser Stelle darauf hin, dass die Septuaginta das Essen als Repräsentation sozialer Anerkennung der Umschreibung mit lky vorgezogen hat. Galaterbrief 247 Übeltäter bezeichnet wird (Ps 100,8). Dem Gottlosen steht derjenige gegenüber, der einsichtig handelt (Ps 100,2), ein lauteres Herz hat (Ps 100,2), keine heillosen Dinge ins Auge fasst und keine Übertretungen begeht (Ps 100,3), der das Böse nicht kennen will (Ps 100,4) und auf vollkommenem Weg wandelt (Ps 100,6). Die Gottlosen und Übeltäter werden von ihm stumm gemacht (Ps 100,5.8); mit ihnen wird nicht zusammen gegessen (Ps 100,5) und zu guter Letzt werden sie ausgerottet (Ps 100,8). Paulus gestaltet mit Gal 2,11-13 eine intertextuelle Verknüpfung zu Ps 100,5. Sunesqi÷w steht als gemeinsames Essen für das Essen unter denjenigen, die ein lauteres Herz haben etc. Gemeinsam essen bedeutet folglich, unter Gleichen zu essen, die soziale Gemeinschaft miteinander zu pflegen; es bedeutet nicht unbedingt, vom gemeinsamen Essen zu essen. In Ps 100 wird nur mit demjenigen gegessen, der seinen Nächsten nicht heimlich verleumdet, keine stolzen Augen, kein hochmütiges Herz hat etc. Sunesqi÷w ist also Zeichen gegenseitiger Anerkennung (vgl. Gen 43,32; Ex 18,12; 2Sam 12,17). Paulus ’ Problem mit Kephas ist eben dies. Er wurde zu einem Verurteilten seiner selbst (Gal 2,11ba kataginw¿skw), sonderte sich ab (Gal 2,12bb uJposte÷llw), separierte sich (Gal 2,12bb aÓfori÷zw) und heuchelte (Gal 2,13aa sunupokri÷nomai), weil er sich von der Tischgemeinschaft (sunesqi÷w) zurückzog. Nicht mehr gemeinsam zu essen (in Gal 2,12 mit den Nationen) bedeutete, nicht mehr zu denen zu gehören, die ein lauteres Herz haben. Eben dies zeigt sich an Petrus. Er zog sich vom gemeinsamen Essen zurück und wurde zu einem der Gottlosen und Übeltäter, mit denen nicht mehr gemeinsam gegessen werden konnte. Ouj sunh/ sqion wird zu einem Zeichen gegenseitiger Ablehnung und zum Entzug der sozialen Gemeinschaft. Den Entzug der sozialen Gemeinschaft forderte wohl auch der Gesandte von Jakobus. Er ängstigte Kephas, so dass sich dieser von der Tischgemeinschaft zurückzog. „Tou\ß e˙kperitomhvß“ wird von Paulus für diejenigen verwendet, vor denen sich Kephas fürchtete. Aus ritualtheoretischer Sicht dient der Ausdruck eindeutig zur Abgrenzung gegenüber der paulinischen Position und repräsentiert keine Korporealität, die eine Dynamik oder Variabilität würdigt. Weder Kephas noch der Gesandte von Jakobus gehören durch die Bedrohung, Heuchelei und Separation zu denen, die eine heterogene Tischgemeinschaft eingehen. Vielmehr repräsentieren sie die Trennung der Tischgemeinschaft und stehen auf der Seite der Gottlosen und Übeltäter. Indem einer von Jakobus fordert, dass Petrus sich der Gemeinschaft mit den Nationen entzieht und sich damit von der Gruppe derjenigen abwendet, die für die Tischgemeinschaft und mithin für diejenigen stehen, die ein lauteres Herz haben, wird er selbst zu einem, der aus Sicht des Paulus ein Verurteilter ist, weil er sich nicht auf dem Weg der Wahrheit des Evangeliums befindet. Paulus antwortet auf diesen Missstand mit der Assoziation, dass sunesqi÷w nur von einem ausgeübt werden kann, der hinsichtlich der Wahrheit des Evangeliums auf dem Weg ist. Sunh/ sqion oder ouj sunh/ sqion stehen einerseits für das Verhalten dem anderen gegenüber und andererseits für die Gruppe Paulinischer Kontext 248 der Gerechten bzw. der Gottlosen. Sunesqi÷w ist folglich für Paulus ebenso erstrebenswert wie für den Psalmisten, denn es kann nur mit dem gegessen werden, der den Weg der Wahrheit des Evangeliums geht. In Gal 2,14 greift Paulus auf die Wegmetaphern des Psalms zurück, indem er mit ojrqopodouvsin pro\ß th\n aÓlh/ qeian touv eujaggeli÷ou auf me dieporeuo/ mhn e˙n aÓkaki÷aˆ kardi÷aß (Ps 100,2), aujtou\ß met e˙mouv poreuo/ menoß e˙n oJdw ˆ aÓmw¿mwˆ (Ps 100,6) rekurriert. Erkennt man, dass die Übeltäter ein verkehrtes und hochmütiges Herz haben und ihre Nächsten verleumden, dann wird deutlich, warum Kephas ein Verurteilter seines Herzens wurde und ihm in V13 Heuchelei vorgeworfen wird. Mit sunesqi÷w greift Paulus auf die doppelte Bedeutung des Verbs zurück und zeigt auf, dass nicht mehr miteinander zu essen sehr viel Schlimmeres bedeutet, als es die kultische Trennung wert sein könnte. Nicht mehr miteinander zu essen, bedeutet, sich aus der Gruppe der Gerechten zu separieren. Es handelt sich folglich nur vordergründig um die Problematik des gemeinsamen Essens zwischen Juden und den Menschen aus den Nationen, da sunesqi÷w aus dem Verständnis des 100. Psalms für die Gruppenzugehörigkeit der Gerechten steht. Im Lichte des Psalms identifiziert Paulus Kephas als denjenigen, der aus Angst zu einem wurde, welcher den Weg der Wahrheit des Evangeliums verließ und so selbst zu einem Verurteilten wurde. „Die aus der Beschneidung“ sind gemäß dieser Auslegung diejenigen Juden, die sich der sozialen Gemeinschaft mit den Nationen entziehen. Sie sind es, die von Petrus die Absonderung fordern. In dieser Weise beschreibt auch Tacitus die Juden. 24 Die Juden werden dort als eine Gemeinschaft beschrieben, die sich von der sozialen Gemeinschaft am Tisch absondern, separiert schlafen, jegliche Lust verachten und sich von fremden Frauen fernhalten. Für Tacitus steht fest, dass bei den Juden niemand ohne ein Gesetz auskommt. 25 Es ist sicherlich verfehlt, „die aus der Beschneidung“ mit den Juden gleich zu setzen, von denen Tacitus hier spricht, aber es liegt nahe zu vermuten, dass die Separation vom Tisch, also der Entzug der sozialen Gemeinschaft, eine Handlung war, die in der antiken Gesellschaft bemerkt wurde. Entweder wurde sie eingefordert oder abgelehnt. In jedem Fall aber war es ein Verhalten, dass soziale Gemeinschaft erwartete oder verhinderte. Zusammenfassend lässt sich für V12 sagen, dass es einer von Jakobus war, der Petrus dazu brachte, die Tischgemeinschaft mit den Nationen zu beenden. Das bedeutet, dass die soziale Gemeinschaft, die durch sunh/ sqion ausgedrückt wird, eine bestehende Praxis in Antiochia war. Zusätzlich zu den exegetischen Erwägungen können im Wissen um die Praxis des hellenistischen Mahls die Lesart von 46 der Lesart der 27. Auf- 24 Tac., Hist.V,5,2: „Separati epulis, discreti cubilibus, proiectissima ad libidinem gens, alienarum concubitu abstinent; inter se nihil inlicitum.“ 25 Vgl. B LOCH 2002, 93.131. Galaterbrief 249 lage von Nestle-Aland vorgezogen werden. In der hellenistischen Mahlpraxis ist das Erscheinen des nicht eingeladenen Gastes, der die Mahlgemeinschaft stört, ein vielfach verwendetes Motiv, um Differenzen oder Konflikte darzustellen. 46 bildet diesen Sachverhalt ab - viele Mahlteilnehmer werden durch den Gesandten von Jakobus gestört, was ein Ende der Mahlgemeinschaft provoziert. Gemeinsam an einem Tisch zu sitzen, bedeutet hingegen, die Befähigung aufzubringen, die sozialen, politischen und religiösen Differenzen innerhalb der Gemeinschaft zu überwinden. 26 Die Befähigung, mit anderen an einem Tisch zu sitzen, ist das Vermögen, die Legitimation des anderen in der sozialen Gemeinschaft aufrecht zu halten. Weder auf Speisen noch auf Menschen bezogen, ist es in erster Linie das Vermögen, über Reinheit oder Unreinheit zu entscheiden. V13 wird diesen Gedanken weiterführen und mit der „Heuchelei“ sowohl Kritik am Entzug von der Gemeinschaft als auch, wie in V11, eine Verurteilung dieser Praxis ausdrücken. Mit V13 wird von Paulus negativ bewiesen, welche Tragweite der Bruch des Petrus mit der Tischgemeinschaft hatte. Die separativen Begriffe sunupokri÷nomai und uJpokri÷nomai werden von Paulus nur als Verben benutzt und auch nur an dieser Stelle verwendet. Große Aufmerksamkeit kommt diesem Hapaxlegomenon in der Studie von Ulrich Wilckens zu, der aus dem Sprachgebrauch der Septuaginta herausarbeitet, dass es sich hier nicht um die Beschreibung einer Schauspielerei oder um Heuchelei handelt, sondern um Frevel, Abfall bzw. Widerspruch gegen Gott. 27 Die Schärfe, die Wilckens der Beschreibung von Paulus semantisch zuschreibt, rechtfertigt sich auch aus den Belegen in der Septuaginta. In 2Makk 6,21.24 (vgl. 4Makk 6,14-15) steht uJpokri÷nomai im Zusammenhang mit dem Essen von Schweinefleisch, zu dem Eleazaros, ein hoher Schriftgelehrter, vom König gezwungen wurde. Bemerkenswerterweise steht uJpokri÷nomai für das Angebot seiner Verbündeten, die ihm die Gelegenheit bieten, statt am Schweinefleisch zu sterben, sein eigenes Fleisch zu essen und nur so zu tun, als ob er Schweinefleisch essen würde. Eleazaros lehnt dieses Angebot ab und sagt, dass ein Leben als Heuchler nicht in Frage kommt (Ouj ga»r thvß hJmete÷raß hJliki÷aß a‡xio/ n e˙stin uJpokriqhvnai). Mit uJpokri÷nomai spricht Eleazaros sowohl seine Kritik am Vorschlag seiner Bekannten aus als auch sein Urteil über ein Leben, das dieser Heuchelei bedarf. In 2Makk und 4Makk wird deutlich, dass nicht die Personen, sondern die Handlung des Heuchelns kritisiert und verurteilt wird. Paulus verstärkt diesen Bezug auf die Handlung, indem er die Präposition su/ n vor uJpokri÷nomai und aÓpa¿gw setzt. Barnabas tritt folglich, wie bei Theodor Zahn beschrieben, 26 Sunh/ sqion deutet diese Zusammenhänge in der sozialen Gemeinschaft an, da in der Septuaginta lkwa zu lEkOwa lka vokalisiert und übersetzt wurde, lkwa aber in gleicher Weise zu lEkOwa von lky vokalisiert und übersetzt werden kann. 27 W ILCKENS 1969, 564. Paulinischer Kontext 250 nicht mit den Personen, sondern mit seinem Verhalten in die Gemeinschaft der Heuchler ein. 28 Die Auslegungsgeschichte zu V14 ist vielseitig und verweist auf die unterschiedlichen Fragen der neutestamentlichen Exegese in ihrer Zeit. Während Ausleger in der Antike nach „kirchenpolitischen“ Konsequenzen der Aussprache zwischen Paulus und Petrus fragten 29 , widmen sich heute viele dem Unterschied zwischen Juden und Menschen aus den Nationen bzw. Juden und „Christen“ oder stellen diese Gegenüberstellung in Frage. Bevor solche Entscheidungen getroffen werden, ist es nötig, den Textbefund näher anzuschauen. Hierfür ist es durchaus sinnvoll, zwischen Gal 2,14bb und Gal 2,14bg zu unterscheiden. In Gal 2,14bb formuliert Paulus den Zustand von Kephas, der als Jude wie die Menschen aus den Nationen lebt - und in Gal 2,14bg formuliert Paulus eine rhetorische Frage an Kephas. In der ritualtheoretischen Exegese wurde schon erwähnt, dass das su/ in Gal 2,14bb zwar von hoher rhetorischer Relevanz ist, da es den Lesern die Auseinandersetzung zwischen Paulus und Kephas lebendig vor Augen führt, doch auch, dass es nicht ein Kennzeichen von „Diatribe“ oder „Personenrede“ ist. Es ist vielmehr als Hinweis auf den ermahnenden Unterton des Galaterbriefes zu verstehen. 30 Dieser ermahnende Unterton wird vor allem durch die Spannung zwischen „Jude sein“ und „wie die Nationen leben“ aufrecht erhalten. Exegeten werden damit auf die Frage zurückgeworfen, warum Paulus vor allen formulieren kann, dass Kephas wie die Menschen aus den Nationen lebt, obwohl er sich von der Tischgemeinschaft abgesondert hat. 31 Die Grundsätzlichkeit, die Paulus an dieser Stelle ausdrückt, wird mehr oder weniger radikal interpretiert. Von Paul Böttger wird sie auf den Unterschied zwischen Juden und Menschen aus den Nationen bezogen. So geht Böttger davon aus, dass Petrus zum orthodoxen Judentum zurückkehren wollte, darin scheiterte und auf die Stufe des Heidentums zurücksank. Dies bedeutete für Petrus, dass er ohne Vorrechte und Verheißungen Israels, ja ohne Gott lebte. 32 Es wird nicht mit letzter Gewissheit zu klären sein, warum die präsentische Form an dieser Stelle von Paulus gewählt wurde; mit dieser Formulierung aber auf generelle Unterschiede zwischen Juden und Menschen aus den Nationen hinzuweisen, scheint heutzutage überholt. Eine gemäßigte Interpretation bezieht sich auf die Unterschiede zwischen Juden und Menschen aus den Nationen bezüglich der Reinheitsvorschriften und geht davon aus, dass Christusgläubige aus den Nationen zur Aufnahme einer jüdischen Lebensweise aufgefordert wurden, mit der sie bestimmte Toragebote übernahmen. 33 In diesem Zusammenhang ist die Annahme üblich, dass Paulus als „Anwalt der Chris- 28 Z AHN 1905, 116. 29 M EISER 2007, 101. Z. B. Hieronymus, adv. Rufin. 3,2 (SC 303,216). 30 S TOWERS 1986, 102. 31 W ECHSLER 1991, 351. 32 B ÖTTGER 1991, 81. 33 W EHNERT 1997, 127. Galaterbrief 251 ten aus den Nationen“ auftritt und sich in seinem Vorwurf unmittelbar darauf bezieht, dass Petrus die Menschen aus den Nationen nötigte, jüdische Sitten anzunehmen. 34 Welche Sitten damit gemeint sein könnten, wird nicht gesagt, und somit ist es in jedem Fall verfehlt, davon auszugehen, „dass jemand als jüdischer Konvertit verpflichtet wird, die ganze Tora zu halten (vgl. 5,3)“. 35 Diese Interpretation mag an geeigneter Stelle richtig sein, trifft aber nicht das Problem von Gal 2,14. In Gal 2,14 stellt Paulus fest, dass Kephas als Jude wie die Menschen aus den Nationen lebt. ˙Eqnikw ß bildet als Adverb einen Ist-Zustand ab, der ungeachtet Kephas ’ Absonderung von der Mahlgemeinschaft gilt. 36 Vor dem Hintergrund von Gal 2,12, indem sunh/ sqion für das Praktizieren der Mahlgemeinschaft steht, wird verständlich, warum e˙qnikw ß eine vergleichbare Kontinuität nahe legt. Mit der Partizipation an der heterogenen Mahlgemeinschaft hat Kephas keine andere Wahl mehr als diejenige, wie die Menschen aus den Nationen zu leben. Es ist sinnvoll, von Gal 2,14bb auf Gal 2,14bg zu schauen und sich zu fragen, was mit dem ausgeübten „Zwang auf die Nationen zu judaisieren“ intendiert war. Dabei dreht sich die Diskussion um das Verständnis von Ioudai oß, Ioudaiœkw ß und i˙oudaiŒzw. Wie bereits für Gal 2,14bb dargestellt wurde, wird auch für Gal 2,14bg vielerorts angenommen, dass i˙oudaiŒzein bedeutet, jüdische Sitten in Form von Reinheitsgeboten anzunehmen. In neueren Studien wird allerdings viel grundlegender gefragt, ob von einem System des Judentums ausgegangen werden kann, in dem Formen des Lebens für die Mitglieder obligatorisch gelten konnten. Steve Mason zeigt deutlich, dass es so ein System des Judentums nicht gegeben haben kann. „That Ioudaiœsmo/ ß did not yet mean ‘Judaism’ as a comprehensive system and way of life (an English -ism) seems clear because throughout the first two centuries no other Christian text used the term: not the gospels of Matthew, Mark, Luke, or John, the letter to the Hebrews, Justin (even in the Dialogue with Trypho, a Ioudaios), Melito (even in the Paschal Homily), Irenaeus, the apologists, or Clement of Alexandria—though the issue was often precisely what we incline to call ‘Judaism’. Late-antique Christian and modern-critical scholarly commentaries to these texts are filled with references to “Judaism,” but there is no corresponding term in the Greek texts.“ 37 Für Mason ist in seinem Aufsatz zentral, dass die moderne Interpretation des Judentums als -ismus weder emisch noch etisch zu vertreten ist, emisch nicht, weil in den antiken Quellen solche Bezeichnungen noch nicht zu finden sind, und etisch nicht, weil die Wissenschaftler nicht genau ar- 34 Z AHN 1905, 117. 35 B ETZ 1988, 211. 36 Vgl. Z AHN 1922, 119, der davon ausgeht, dass mit dem Präsens ein regelmäßiges Verhalten ausgedrückt wird, „weil nur so der Selbstwiderspruch aufgedeckt wird, den Pl aufdecken will“. 37 M ASON 2007, 471. Paulinischer Kontext 252 beiten, die Quellen über-interpretieren oder falsch liegen. 38 Mason plädiert für eine Auslegung, die sowohl emischen als auch etischen Kategorien gerecht wird, und schaut zuerst auf die parallelen Gebrauchsweisen von i˙oudaiŒzw, um zu zeigen, dass damit nicht die Annahme eines ganzen praktischen und ideologischen Systems gemeint sein kann. 39 Er verweist auf 2Makk 2,21 und stellt fest, dass „ Ioudaiœsmo/ ß is not a general term for ‘Judaism,’ but rather a certain kind of activity over against a pull in another, foreign direction.“ 40 Es handelt sich um eine fortdauernde Handlungsweise, die nur in Abgrenzung zu einer anderen Gruppe ausgeführt werden kann (z.B. gegen das Hellenisieren). 41 Doch auch diese Abgrenzung ist keine gegen ein geschlossenes System des Hellenismus, sondern gegen eine Kultur - der Jude wird mit Ioudaiœsmo/ ß also wieder zu seiner Kultur zurückgeführt und muss sich nicht von einem System gegen das andere absetzen. 42 Von entscheidender Bedeutung ist, dass Mason den Terminus auf identitätsstiftende Handlungen innerhalb einer pluralen ethnischen Gemeinschaft verwenden kann, in der Judebzw. Heide-Sein die Zugehörigkeit zu einer kulturellen Performanz einer ethnischen Identität darstellt. Zu ergänzen ist, dass nicht nur die Abgrenzung zwischen unterschiedlichen kulturellen Praktiken ausgedrückt werden kann, sondern auch die gegenseitige Legitimierung. Dort, wo ein Jude die Menschen aus den Nationen in seine kulturellen Bezüge aufnimmt, muss nicht zwangsläufig eine Diskreditierung der hellenistischen Kultur ausgedrückt werden. Mit anderen Worten ist davon auszugehen, dass i˙oudaiŒzw nicht meint, dass Menschen aus den Nationen jüdische Gebräuche übernehmen, sondern dass sie jüdische Praktiken in ihrem Umfeld legitimieren. Auf die Mahlsituation bezogen heißt das, dass gastgebende Menschen aus den Nationen den Juden das Essen ihrer Speisen unter Einhaltung ihrer Speise- und Reinheitsgebote ermöglichen und umgekehrt. Gal 2,14bg ist folglich nur in diesen Zusammenhängen zu verstehen, denn ansonsten wird die Frage von Paulus an Kephas ironisch verzerrt, da Menschen aus den Nationen gar keine Judaisierung vornehmen können. Judaisierung, im Sinne einer sozialen, politischen oder religiösen Veränderung, kann nur umgekehrt, von Juden zu Menschen aus den Nationen, stattfinden. Interpretiert man i˙oudaiŒzw als gegenseitige Legitimierung, wird deutlich, dass dies im Zusammenhang mit sunh/ sqion und e˙qnikw ß für eine kontinuierliche Legitimierung der gegenseitigen Praxis im Mahlverlauf steht. 38 M ASON 2007, 459. 39 M ASON 2007, 465. Gegen Martin Hengel (Hengel, Judaism and Hellenism [trans. J. Bowden; Philadelphia: Fortress, 1974], 1.2. und Yehoshua Amir (Amir, “The Term Ioudaiœsmo/ ß [IOUDAISMOS], A Study in Jewish-Hellenistic Self-Identification,” Immanuel 14 [1982]: 38.) 40 M ASON 2007, 466. 41 M ASON 2007, 461.466. 42 M ASON 2007, 467. Galaterbrief 253 3. Zusammenfassung Es konnte mit der exegetischen Betrachtung von Gal 2,11-14 gezeigt werden, dass es sich beim Antiochenischen Zwischenfall um einen innerjüdischen Konflikt handelt, in dem vordergründig weder Speise- oder Reinheitsvorschriften noch die Bedeutung einzelner Lebensmittel diskutiert werden; es handelt sich stattdessen um die Auseinandersetzung bezüglich der Legitimierung des Lebens der Nationen bzw. des jüdischen Lebens seitens der jeweils anderen kulturellen Gemeinschaft. Diese Legitimierung wird nicht zuletzt von der imitatio Pauli unterstützt, da von Paulus keine direkten Bezüge zu ku/ rioß, Cristo/ ß, Ihsouvß oder qeo/ ß hergestellt werden. Während Legitimation auch von der „anderen“ kulturellen Gruppe ausgesprochen werden kann, findet Identifikation nur innerhalb der „eigenen“ Gruppe statt. Wenn Paulus Petrus auf diese Widersprüche aufmerksam macht, verbindet er seinen Vorwurf selbstredend mit der Beschneidung und dem Einhalten der Tora (Gal 2,12.21), doch nur, um deutlich zu machen, dass sich die Christusgläubigen, durch ihre plurale Partizipation am Leben der Menschen aus den Nationen und den jüdischen Praktiken, bereits innerhalb der Legitimation dieser verschiedenen Lebensweisen befinden. Sie befinden sich auf dem Weg der Wahrheit des Evangeliums. Das bedeutet, dass sie nicht in die Konfliktbewältigung von Reinheit und Unreinheit involviert sind, da Tischgemeinschaft zwischen Juden und Menschen aus den Nationen durchaus möglich war. Sie gehörten vielmehr zu einer Gemeinschaft, die sich selbst als Leib Christi verstand. Zusammenfassend lässt sich mit Stein formulieren, dass Paulus mit der Konfliktbeschreibung in Antiochia während der gemeinsamen Mahlpraxis nicht Reinheits- oder Speisevorschriften verhandelt, sondern einen Ebenenwechsel zu „ekklesiologischen“ Fragen vorgenommen hat. Stein formuliert treffend: „Es ging ihm letztlich nicht einmal um den Gegensatz von nichtjüdischen und jüdischen Tischsitten, sondern im Kern um die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Mahlfeier als Ausdrucksform dafür, dass in Christus Juden und Nichtjuden zu einer neuen Gemeinschaft miteinander zusammengeschlossen sind.“ 43 Obwohl Paulus also mit Begriffen arbeitet, die direkt auf die Materialität des Konfliktes hinweisen, ergänzt er seine Sprache dahin gehend, dass vordergründige Interessen (Reinheit, Speisewahl, Sättigung, kultische Praxis beim Mahl) aus dem Fokus geraten. Sehr eindrücklich ist dies bei sunesqi÷w, das aus su/ n und e˙sqi÷w zusammengesetzt wurde und damit nicht mehr alleinig auf das Essen, sondern vielmehr auf die Gemeinschaft verweist. Aber auch sein Gebrauch von i˙oudaiŒzw zeigt an, dass Paulus die kulturelle Legitimation innerhalb einer Gemeinschaft vor Augen hatte und weniger die gegenseitige Abgrenzung. Mit Stein lässt sich abschließend formulieren, dass 43 S TEIN 2008, 99. Paulinischer Kontext 254 „[...] es beim gemeinsamen Essen und Trinken nicht nur und nicht einmal in erster Linie um Sättigung, sondern vor allem um die Übersetzung des Glaubens in eine sichtbare Sozialgestalt und Handlungsgröße geht. Mahlkonflikte sind demnach für Paulus kein Adiaphoron, sondern stellen eine Bedrohung der Gemeinschaft in ihrem tiefsten Wesen dar.“ 44 Welche Bedeutungen das für die konkrete Mahlpraxis hat, werden die folgenden Texte zeigen. 44 S TEIN 2008, 100. Römerbrief und 1. Korintherbrief 255 B. Römerbrief und 1. Korintherbrief 1. Einleitung zur Fragestellung Röm 14,1-15,7, 1Kor 8-10 und 1Kor 11 In Röm 14 wird mit den „Starken“ und den „Schwachen“ eine Assoziation zur Selbstverfügungsdebatte aus Röm 7 hergestellt. Dies geschieht einerseits thematisch und andererseits stilistisch. Thematisch erfolgt die Assoziation dadurch, dass die Schwachen gegenüber den Starken kein Fleisch essen dürfen und die Tage voneinander unterscheiden. Über das Essen und die Unterscheidung der Wochentage werden die Speisegesetze und das Einhalten der Festtage zu relevanten Topoi des kulturellen Codes der antiken Gemeinschaften. Innerhalb der adressierten Gemeinschaften ermöglichen diese Themen, das Gemeinsame in einer pluralen Gemeinschaft auszudrücken. Es geht nicht nur darum, dass sich Paulus gegen eine soziale, ökonomische oder religiöse Front zwischen Juden und Menschen aus den Nationen ausspricht, sondern auch darum, die Gastlichkeit gegenüber der Halacha hervorzuheben. Da für Paulus das Reich Gottes nicht Essen und Trinken ist, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist, rät Paulus den Starken, auf die Schwachen Rücksicht zu nehmen. Dass die Starken vom Fleisch essen können, qualifiziert sie in der Kontrolle ihrer sa¿rx. Stilistisch bezieht sich Röm 14 auf Röm 2, denn Paulus argumentiert rhetorisch mit der „Diatribe“, die ihm bereits dazu diente, in einem imaginierten Dialog seine Position durch hyperbolischen Sprachgebrauch zu kommunizieren. In 1Kor 8-10 werden die Ausführungen von Röm 14 in ähnlicher Weise behandelt, doch sehr viel präziser mit der Identität der Hausgemeinde als voneinander abhängige Einheit beschrieben. Über drei Kapitel wendet sich Paulus immer wieder der Gegenüberstellung von Starken und Schwachen bezüglich des Essens zu. Es sind vor allem 1 Kor 8,1-13; 9,3-4.13-14; 10,1- 4.7.14.23-11,1, wo sich Paulus differenziert zu Opferfleisch anderer Götter (ei˙dwloqu/ ta) und Gottesdienst für andere Götter (ei˙dwlolatri÷a) äußert und über die Analogie von Starken und Schwachen seine Lehre von Jesus Christus veranschaulicht. An vielen Stellen wird gerade im Korintherbrief deutlich, dass Paulus sich selbst zu den Starken zählt - denn Erkenntnis führt zur Selbstverfügung und gefährdet somit nicht den eigenen Bruder. Im Vergleich von Röm 14 und 1Kor 8-10 wird gezeigt werden, mit welcher Gewissheit Paulus den kulturellen Code der Selbstverfügung im Rahmen des hellenistischen Mahls nutzt, um seine Vorstellung von einer Gemeinschaft in Christus zu kommunizieren. In den vorangegangen Kapiteln wurde der komplexe Zusammenhang von Körperlichkeit und identitätsbildenden Prozessen durch Analogien zu Paulinischer Kontext 256 gemeinsamen Essen betrachtet, indem die Repräsentation der Hausgemeinde als Leib Christi und die Bewahrung der Identität der Heiligkeit dieser Gemeinschaft in den Blick genommen wurden. Von besonderer Bedeutung ist, dass die Gemeinschaft durch die Macht des Evangeliums aufrechterhalten wird, so dass im sw ma Cristouv die Ekklesia, die aus der Umwelt herausgenommen wird, indem sie die Heiligkeit der Endzeit auf der Erde erlebt, nach außen wirkmächtig sein kann. In diesem Sinne beschreibt Paulus eine Gemeinschaft, die sich einerseits durch ihre Leiblichkeit in Christus konstituiert und sich andererseits in kontinuierlicher Transformation befindet. Auf 1Kor 11 bezogen, bedeutet dies, dass Indikatoren der kontinuierlichen Transformation der Gemeinde herausgearbeitet werden können, da diese gerade in Konfliktsituationen von Paulus bekräftigt werden. Grundsätzlich gilt, dass Paulus durch die Benennung der Konfliktsituation über das Herrenmahl den gemeindeethischen Konsequenzen der Transformation der Glaubenden Aufmerksamkeit schenkt. 45 Da die Kennzeichen der Transformation im Vordergrund der paulinischen Intervention in Korinth herausgearbeitet werden sollen, kann grundsätzlich gefragt werden, ob auch die korporealen Bedingungen der Leiblichkeit des Menschen davon betroffen sind. Dies würde bedeuten, dass sich die Korporealität der Glaubenden dahin gehend verändert, dass sie in der Gemeinschaft, durch die sie zum Leib Christi werden, auf die materielle Versorgung ihres Leibes verzichten können. Sie müssen sogar darauf verzichten, da eine Leiblichkeit, die Essen und Trinken bedarf, schadhafte ethische Konflikte in sozial divergent zusammengesetzten Gemeinschaften birgt. Es kann folglich in Frage gestellt werden, ob für Paulus das Herrenmahl grundsätzlich aus gemeinsamer Sättigung und sakramentaler Feier besteht 46 , wenn er das Ziel hatte, die Leiblichkeit, welche Nahrungsmittel bedarf, in Zusammenkünften der Christusanhänger zu minimieren. Diese These befasst sich mit der paulinischen Verwendung von dei pnon, welches nicht mit dem Passamahl gleichgesetzt werden sollte 47 , aber auch nicht selbstverständlich der Sättigung dienen sollte. Diese These fragt auch nach der paulinischen Ethik, denn sie geht davon aus, dass sich im Zusammenkommen der Gemeinde korporeale Veränderungen gegenüber der öffentlichen Korporealität einstellen, so dass von Paulus gemeindeethische Konsequenzen außer- 45 S CHRAGE 1999, 9 geht auch davon aus, dass nicht das Herrenmahl, sondern die ekklesiologischen und gemeindeethischen Konsequenzen das Thema Pauli sind; allerdings bezieht er diese Konsequenzen nicht auf die Transformation „In-Christus“. 46 S CHRAGE 1999, 13f. Nimmt man an, dass das Herrenmahl aus Sättigungsmahl und sakralem Mahl besteht, dann werden lediglich Unterscheidungen der Reihenfolge festgemacht. Die meisten Auslegungen beziehen sich auf die Reihenfolge Agape - Eucharistie (B ORNKAMM 1985; K LAUCK 1982; N EUENZEIT 1960), während sich Schrage für die Reihenfolge Privatmahl - Brotkommunion - Agape - Weinkommunion ausspricht. 47 Anders Otto B ETZ 1990, 231f. Römerbrief und 1. Korintherbrief 257 halb und eschatologische Konsequenzen innerhalb der Gemeinde angesprochen werden. Zusammenfassend lautet die These, dass mit der korporealen Transformation der Glaubenden eine Leiblichkeit konstituiert wird, die für die gemeinsamen Treffen nicht auf die Stillung der körperlichen Bedürfnisse angewiesen ist, sondern als Leib Christi die Heiligkeit der Endzeit auf der Erde erlebt, welche unabhängig von ethischen Konflikten ist, die mit Sättigung oder Hunger verknüpft sind. Paulus ’ Engagement in 1Kor 11 bezüglich des Essens und des Trinkens dient folglich nicht einfach der sozialkritischen Regulation zwischen Arm und Reich, sondern zwischen denen, die bereits „in Christus“ transformiert sind, und denen, die es noch nicht sind. 2. Exegetische Interpretationen zu Röm 14,1-15,7 Auch wenn es im Römerbrief die Gegenüberstellung von Starken und Schwachen oder Juden und Menschen aus den Nationen gibt, werden diese vermeintlichen Gegensätze nicht wegen des Gegensatzes selbst gemacht. Sie exemplifizieren vielmehr soziale, politische und religiöse Aussagen des Apostels. In Röm 14,1-15,7 wird von Paulus die Pluralität der Gemeinschaft als Leib Christi, die er in Röm 12,3-8 grundsätzlich beschreibt, auf Starke und Schwache bezogen und am Beispiel der Halacha und der Gemeinschaftlichkeit beschrieben. Deutlich ist zu erkennen, dass Paulus hinsichtlich der Gemeinschaft in Rom seine Lehre von Christus auf ihre Bedürfnisse abstimmt. Im Spiegel des kulturellen Codes der Selbstverfügung, der stilistisch und inhaltlich aufgenommen wird, konkretisiert Paulus seine Botschaft an die Gemeinschaft in Rom. Röm 14,1-12 beschreibt, dass weder die Starken noch die Schwachen einander verurteilen dürfen, da der Herr allein das Recht hat, die Stärke oder die Schwäche des Glaubenden zu beurteilen. Während also das gesellschaftlich akzeptierte Urteil über die Stärke bzw. Schwäche des Menschen ihn an der absoluten Selbstverfügung misst, unterbricht Paulus den gesellschaftlichen Habitus durch die Herrschaft Gottes und die Konstitution der Gemeinschaft als Leib Christi. Folglich tragen die Starken gegenüber den Schwachen eine Verantwortung im Glauben, da sie sich freier über die Topoi der Selbstverfügung hinwegsetzen können. Bemerkenswert ist in diesem Abschnitt, dass ku/ rioß als Leitmotiv verwendet wird. Diese Tatsache legt nahe, dass die Mahlgemeinschaft sich nicht zu einem gewöhnlichen Essen triff und Paulus das Ritual daher mit dem Oberbegriff kuriako\n dei pnon bezeichnen kann. Röm 14,13-23 beschreibt, dass Dispute, die für das Erreichen und die Stabilisierung der Selbstverfügung notwendig sind, das Reich Gottes gefährden und verhindern, dass sich Liebe und Verantwortung für die anderen in der Gemeinschaft manifestieren. In Röm 15,1 wird das ausgedrückt, was Paulus in Röm 14 impliziert - er gehört zu den Starken, der mit Röm 15,7 sagen kann, dass die Menschen im Glauben einander aufnehmen sollen, wie Paulinischer Kontext 258 Christus sie aufgenommen hat. 48 Der Fokus der folgenden exegetischen Interpretationen wird auf Röm 14,1.2-3.15.17.20.21.23 und Röm 15,1.7 liegen und einbeziehen, dass die Diskussion über die Selbstverfügung der Mahlteilnehmer innerhalb des Rituals des gemeinsamen Essens geführt wird, das von Paulus bereits im Brief an die Korinther als kuriako\n dei pnon beschrieben wird. a) Röm 14 Röm 14,1 gestaltet den Auftakt zu den folgenden Abschnitten und dient in vielerlei Hinsicht als soziales Leitmotiv für das Verhalten der Mitglieder der Gemeinschaft und insbesondere für die Mahlteilnehmer, deren Verhalten im späteren Verlauf dezidiert abgelehnt wird. Den Schwachen im Glauben aufnehmen, deutet schon ritualtheoretisch auf soziale Verbindlichkeiten hin, die über Anerkennung hinaus gehen (Aggregation). 49 Des Weiteren ist es nicht unerheblich, danach zu fragen, in welcher Hinsicht die Schwachen schwach sind. 50 Grundsätzlich ist mit Charles Kingsley Barrett festzuhalten, dass die Schwachen im Glauben schwach waren, aber dennoch über Glauben verfügten. Barrett schreibt dazu: „The Weak are weak in faith [sic.]; they are weak, but they have faith; they have faith, but they do not draw from it all the inferences that they should draw”. 51 Asqene÷w bildet im NT Wortbedeutungen zwischen Krankheit und Schwachheit ab. 52 Gründe für Krankheit oder Schwachheit sind körperliche 48 Bezieht sich in Röm 15,11 ta» e¶qnh laoi÷ 49 Die Bedeutung von proslamba¿nw geht auch in den weiteren elf Belegen über das gegenseitige Annehmen hinaus. Während es in Mt 16,22 und Mk 8,32 eher auf eine Unterweisung hinweist, impliziert der Gebrauch in Apg 17,5; 18,26; 28,2 eine gegenseitige Identifizierung. In Apg 27,33.36 wird proslamba¿nw sogar für die Aufnahme von Nahrung verwendet. In Röm 14,1-15,7 bildet das Verb einen eigenen Sinnzusammenhang, da das Aufnehmen der Schwachen (14,1) nicht ausschließt, dass Gott den Starken aufgenommen hat (14,3), was wiederum zum gegenseitigen Aufnehmen nach dem Vorbild Christi gereicht (15,7). Auch Phlm 17 weist darauf hin, dass die Aufnahme des anderen über die Akzeptanz hinausgeht. Vgl. auch die Belege der LXX 1Sam 12,22, 2Makk 8,1; 10,15, Belege in den Psalmen (17,17; 26,10; 64,5; 72,24) und SapSal 17,10, in denen eindeutig mehr impliziert wird als Anerkennung bzw. Akzeptanz. Vgl. dazu auch S HOGREN 2000, 240: „The middle voice of proslamba¿nw here means to ‘receive or accept in one's society, in (to) one's home or circle of acquaintances tina¿ someone’ (BDAG).“ So verdeutlicht proslamba¿nw über das gegenseitige Annehmen hinaus ein “zu sich ziehen”. 50 Paulus spricht von nur einer Person. Diese eine Person repräsentiert in diesem Fall eine Gruppe. Vgl. M OO 1996, 835 Anm. 36. 51 B ARRETT 1991, 236. 52 Mt 10,8; 25,36.39; Mk 6,56; Lk 4,40; Joh 4,46; 5,3.7; 6,2; 11,1-3.6; Apg 9,37; 19,12; 20,35; Röm 4,19; 8,3; 14,1-2; 1Kor 8,11-12; 2Kor 11,21.29; 12,10; 13,3-4.9; Phil 2,26-27; 2Tim 4,20; Jak 5,14 Römerbrief und 1. Korintherbrief 259 Beeinträchtigung, soziale oder wirtschaftliche Unterlegenheit sowie Machtverlust jeglicher Art. 53 Vor dem Hintergrund des religiösen Pluralismus in Rom ist nicht auszuschließen, dass mit der Attribuierung thØ v pi÷stei die religiöse Schwäche gegenüber der jüdischen oder paganen Religion angedeutet wird. 54 Für Robert Jewett sind die Schwachen folglich diejenigen, die entweder den jüdischen Speisegesetzen oder einer paganen Askese anhängen, obwohl sie an der Gemeinschaft der „Christen“ partizipieren. 55 Es ist selbstverständlich nicht unwahrscheinlich, dass die Starken hauptsächlich „Christen“ aus den Nationen waren 56 und die Schwachen „Judenchristen“; doch sollte der religiöse Pluralismus in der Betrachtung der paulinischen Argumentation nicht unterschätzt werden. Zum einen richtet sich Paulus an Mahlgemeinschaften, die keine ethnische Trennung aufweisen, zum anderen adressiert er die Konflikte zwischen zwei Parteien und ergründet nicht die (ethnischen) Ursachen für die Auseinandersetzungen. Die folgenden Verse unterstützen die Annahme, dass Paulus Starke und Schwache in allen sozialen und religiösen Verhältnissen identifizierte. In diesem Sinne bildet V1 den Übergang zu Mahnungen an die Mahlgemeinschaft, die aus Glaubenden unterschiedlicher sozialer, ökonomischer und religiöser Herkunft bestand. Es ist folglich auch möglich, dass die Schwachen bezüglich ihres Essverhaltens innerhalb und außerhalb dieser christlichen Mahlfeiern schwach waren. Die Verse Röm 14,2.3 beginnen mit einer ungewöhnlichen Konstruktion von pisteu/ w + Infinitiv, wie sie nur noch in Apg 15,11 zu finden ist. Charles Ernest Burland Cranfield und Dunn haben versucht, diese Formel in den theologischen Zusammenhang des Briefes zu stellen. In ihrer Argumentation ist für Jewett zentral, dass der Glaube mit Sicherheit erlaubt, alles zu essen - oder dass es das Vertrauen auf Gott ist, das erlaubt, alles zu essen. 57 In der Gegenüberstellung zu der Formulierung, dass derjenige, der schwach ist, la¿cana isst, bekommt auch Röm 14,2aa die Färbung einer unausweichlichen Ironie. Denn ebenso wenig, wie die „Vegetarier“ ausschließlich Grünzeug essen, isst ein „Nicht-Vegetarier“ alles. 58 Indem Paulus folglich den Bogen auf beiden Seiten überspannt, schafft er eine Inklusion aller Parteien seiner Leserschaft. Es ist offensichtlich, dass seine Leser bzw. Hörer sich nicht eindeutig einer der beiden Parteien zuordnen lassen. Durch die Formulierung macht Paulus deutlich, dass es weder ganz und 53 J EWETT 2007, 834. 54 Kol 2,7 belegt das diametrale Verhältnis zum Glauben mit der Wendung bebaiou/ menoi thØ v pi÷stei; so auch expliziter Tit 2,2 mit uJgiai÷non taß thØ v pi÷stei oder Hebr 4,2 mit einer negativen Formulierung mh\ sugkekerasme÷nouß thØ v pi÷stei. 55 J EWETT 2007, 835. 56 Vgl. M OO 1996, 835. 57 J EWETT 2007, 837 bezieht sich auf C RANFIELD 1975, 2.698 und D UNN 1988, 2.799. 58 J EWETT 2007, 837: „Ancient vegetarians did not restrict their diet to green leafy vegetables and herbs grown in the garden, as implied by Paul’s choice of the word la¿cana.“ Paulinischer Kontext 260 gar Schwache noch ganz und gar Starke gab. Die inkludierende Wirkung wird von Jewett treffend beschrieben: „The rhetorical effect of placing these parameters so far beyond the likeley, actual behaviour of the groups in Rome is to enable each group to smile and feel included in the subsequent argument.“ 59 Röm 14,3 verdeutlicht neben der Beharrlichkeit, mit der Paulus die separative Konfliktsituation darlegt, dass es eine intensive Konkurrenz zu Machtverhältnissen in der römischen Gemeinschaft gegeben haben muss. Mh\ e˙xouqenei÷tw ist eine starke Wendung, die besagt, dass sich die Machthabenden als Teil der Mehrheit verstehen, welche die Minderheit in vielfacher Weise unterdrückt, zum einen dadurch, dass sie sich durch ihr Essverhalten als stärker repräsentiert, zum anderen dadurch, dass sie die Minderheit als minderwertig disqualifiziert. Paulus ’ Argumentation, die bis dahin deutlich an die Starken gerichtet war, nimmt in diesem Vers eine interessante Wendung. Obwohl er den Starken durchaus vorwirft, dass sie sich den Schwachen gegenüber überheblich zeigen, spricht er auch den Schwachen Hochmut gegenüber den Starken zu. ÔO qeo\ß ga»r aujto\n prosela¿beto bezieht sich auf den Starken, der mit seiner Unzulänglichkeit dennoch von Gott aufgenommen wird. 60 Verachtung und Missbilligung und das Urteil über Gottes Anerkennung sind Verhaltensweisen, die beide Gruppierungen vorweisen, da das Essen bzw. Nicht-Essen in gleicher Weise als Stärke gegenüber Gott ausgelegt werden kann. Abgesehen davon, dass das Richten über das Verhalten anderer in Mahlgemeinschaften Teil der Konfliktsituation war, ist an dieser Stelle festzustellen, dass es den Mahlteilnehmern möglich war, über das Essen bzw. Nicht-Essen zu entscheiden. Es wird in den Kommentaren nicht ausreichend darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit zur Wahl ein wichtiges Kennzeichen sozialer Mahlgemeinschaften war. Selbstverständlich kommt es bei unterschiedlicher Priorisierung zu Konflikten innerhalb der Gruppe. Geht man davon aus, dass man im rituellen Vollzug des gemeinsamen Essens individuelle Entscheidungen einbezog, wie beispielsweise die Entscheidung über die Teilnahme an der Libation oder das Einnehmen der Sitzordnung, dann scheint auch die Entscheidung über das Essen bzw. Nicht-Essen Teil der semi-privaten Entscheidungsfindung gewesen zu sein. Paulus wertet diese Entscheidungsfindung nicht ab - er bezieht sich lediglich auf die entstandenen Konflikte und berührt die Gründe für das Konfliktpotential nicht. Der Vers endet mit einer Charakterisierung Gottes als einen, der den Star- 59 J EWETT 2007, 838. 60 Vgl. M OO 1996, 839; anders J EWETT 2007, 841. Er sieht, dass sich aujto/ n auf den Starken und den Schwachen bezieht, da es sich hier um eine generische Formulierung handelt. Auch wenn eine generische Verwendung nicht unwahrscheinlich für die paulinische Rhetorik ist, ist diese Verwendung hier unwahrscheinlich, da sich 3c auf 3b bezieht. Ebenso unwahrscheinlich ist somit der Bezug auf die Schwachen (vgl. D UNN 1988, 2.803). Römerbrief und 1. Korintherbrief 261 ken aufnimmt, auch wenn er sich, aufgrund fehlgeleiteter Stärke, über den Bruder erhebt. In dieser Zusammenschau von separativen und aggregativen Termini leitet der Vers über zu Röm 14,4, in dem vor allem der liminale Charakter zwischen den Mahlteilnehmern betont wird. Röm 14,4 ist im Zusammenhang der Selbstverfügungsdebatte in Bezug auf das kuriako\n dei pnon vor allem deshalb relevant, weil hier die Diatribe aus Röm 2,1 wieder aufgenommen wird. Paulus fordert an dieser Stelle jeden heraus, der sich erlaubt, ein Urteil über den Haushalt des anderen zu fällen. An dieser Stelle wird deutlich, dass das Haus als Medium verstanden wird, in dem durch seine inneren Strukturen die Strukturen außerhalb abgebildet werden. Das Haus und alles, was darin stattfindet, werden in diesem Abschnitt als Dechiffrierung für die Aufnahme Gottes aufgeführt, ohne dass die gegebenen Machtverhältnisse aufgegeben werden. Paulus verwendet das Bild des Hauses als Ort der individuellen und gesellschaftlichen Bedeutung und verdeutlicht mit seiner Diatribe, dass mit dieser Rhetorik das Verhandeln über individuelle, gesellschaftliche und religiöse Positionen in gleicher Weise möglich ist. 61 Bezüglich des ku/ rioß als Leitmotiv wird zusätzlich die Dialektik zwischen der gesellschaftlichen und der religiösen Dimension hergestellt. Während sich Röm 14,4b auf den Herrn des Hauses, also den Herrn in seiner gesellschaftlichen Position als Herr über Sklaven, bezieht, spricht Röm 14,4cb über Christus als den ku/ rioß. Vergleichbar mit 1Kor 11 bringt Paulus folglich den Unterschied zwischen i¶dioß und ku/ rioß ins Gespräch. Auch diese beispielhafte Rede verdeutlicht, dass der ku/ rioß allein die Möglichkeit und die Macht dazu hat, den Starken bzw. Schwachen aufzunehmen. Während in 2-3 dieser Sachverhalt an der Wahl der Speise verdeutlicht wird, bezieht sich Paulus in Röm 14,4 auf den Umgang innerhalb der Machtverhältnisse eines Haushaltes. In Röm 14,5 und Röm 14,6 wird einerseits zum Thema des Essens sowie der Machtverhältnisse im Haushalt die Diskussion über das Achten der Tage hinzugefügt und andererseits die Beschreibung von Starken und Schwachen weiter exemplifiziert. Die Dispute über das Achten der Tage werden von Paulus nicht weiter konkretisiert. Mit Douglas J. Moo ist davon auszugehen, dass sich Paulus auf die Halacha bezieht, obwohl in der Auslegungsgeschichte auch auf die Einflüsse der paganen Umwelt hingewiesen wird. 62 Auch wenn viele weitere Bezugspunkte nicht ausgeschlossen sind und sich Paulus in den seltensten Fällen auf einen Aspekt der Religionsausübung beschränken lässt, worauf Jewett eindrücklich hinweist 63 , spricht die Intertextualität für den Bezug auf den Sabbat, vor allem, da neben den Speisegesetzen das Einhalten des Sabbats zur Identifikation 61 Die Diatribe ist dadurch gekennzeichnet, dass 1) der Autor sich plötzlich einem anderen imaginierten Gesprächspartner zuwendet, 2) unmittelbar eine Antwort gegeben wird, die der Position des Gesprächspartners entspricht und 3) dieses Gespräch rhetorische Fragen enthält (S TOWERS 1981, 79-118.) 62 M OO 1996, 842 so Käsemann. 63 J EWETT 2007, 844f. Paulinischer Kontext 262 eines Juden im ersten Jahrhundert beigetragen hat und es im Umfeld weitere Konflikte über das Einhalten des Sabbats gegeben haben muss (Gal 4,10; Kol 2,16). 64 Zu diesem Zeitpunkt weiß der Leser über die Eigenschaften der Starken und der Schwachen Bescheid und ist erstaunlicherweise weder als der Starke noch als der Schwache bekräftigt worden. Der Starke glaubt, alles essen zu können (2), wird von Gott auch für den Fall von Überheblichkeit aufgenommen (3), betrachtet alle Tage als gleichwertig (5) und isst in Dankbarkeit Gottes (6). Der Schwache dagegen isst Kraut (2), unterscheidet die Tage voneinander in Respekt gegenüber dem Herrn (5) und sagt Gott Dank (6). Entscheidend in Bezug auf die Selbstverfügungsdebatte im kulturellen Umfeld der Leser ist, dass Paulus ihnen ihr Verhalten und ihre Fähigkeit zu diesem Verhalten in keiner Weise abspricht. Die Mahlteilnehmer waren in der Lage, über ihr Verhalten in der Gemeinschaft zu entscheiden. Ebenso wie ihre Freiheit, die Speise zu wählen, die sie essen wollten, konnten sie über die Einhaltung des Sabbats entscheiden. Sie waren auch in der Lage, den anderen Knecht zu richten, wobei dies das einzige Verhalten war, das Paulus in seinem exemplarischen Argument nicht legitimiert. Bei den Speisen und dem Sabbat aber lässt er den Lesern ihre individuelle Entscheidung, die für die Gemeinschaft nur solange tragbar ist, solange sie nicht zu Überheblichkeit oder Abwertung des anderen führt. Nur unter diesen Bedingungen also ist es legitim, sich seiner Stärke im Sinne der Selbstverfügung bewusst zu sein. Die Stärke bzw. Schwäche in gesellschaftlichen Diskursen der Selbstverfügung darf allerdings nicht auf die Beziehung des selbstverfügenden Starken oder Schwachen zu Christus übertragen werden. Paulus spricht sich an dieser Stelle folglich gegen eine Mischung der Diskurse aus. Sein entscheidendes Argument, dass es nicht der Mensch ist, der über Aufnahme und Anerkennung Gottes entscheidet, wird sich in den folgenden Versen weiter entfalten. Der Syllogismus in Röm 14,7-9 bezieht sich laut Jewett inhaltlich auf V6 und richtet sich auf den Maßstab aus, dass „Christen“ ihr Verhalten in Bezug auf Gott prüfen sollen. 65 Ritualtheoretisch wurde bereits festgehalten, dass Paulus die Orientierung am ku/ rioß in Röm 14 zur Nachahmung Christi dient. Paulus verortet diese Nachahmung eindeutig innerhalb des Mahlgeschehens und zeigt damit, dass über die imitatio die Ritualisierung einer sozialen Praxis stattfindet, die an dieser Stelle von Paulus eindeutig als Mahlgemeinschaft ausgewiesen wird. Es scheint, als ob die Hörerschaft von Starken und Schwachen aus den vorangehenden Versen noch nicht groß genug war, denn mit den beiden Prämissen aus V7 spricht Paulus jedes Mitglied der Gemeinschaft in Rom an. Nicht unbegründet legt Jewett dar, dass Paulus sich nicht um die Selbstgerechtigkeit des Einzelnen bemüht, sondern das Leben und Sterben zum Anlass nimmt, über die Grup- 64 Vgl. auch D UNN 1988 und B ARRETT 1991. 65 J EWETT 2007, 846. Römerbrief und 1. Korintherbrief 263 penidentität der „Christen“ zu schreiben. 66 Die Parallelität zu 2Kor 5,15 und die Bezüge zu Röm 6,8-11 sind für ihn stark genug, um den Einzelnen nicht als Individuum gegenüber Christus anzusehen, sondern als Sklaven eines Haushaltes, der selbst bei seinem physischen Tod nicht den eigenen Tod stirbt. 67 So sehr sich die Identifikation als Gruppe an dieser Stelle auch anbietet, da tatsächlich nicht von dem Begriffsfeld der „Selbstgerechtigkeit“ oder der „Selbstzentriertheit“ aus dem 17. Jh. gesprochen werden kann 68 , so sehr unterscheidet Paulus jedoch zwischen dem Individuellen, was nicht dem Göttlichen entspricht, und dem Göttlichen, zu dem Christus und die Menschen, die sich als ein Leib mit ihm verstehen, gehören. Das Individuelle ist folglich nicht individuell im modernen Sinne, sondern auch eine Beschreibung eines Kollektivs, das sich vom Göttlichen unterscheidet. In jeder dieser Positionen kann aber der Einzelne am Kollektiv mitwirken, was allein die Entscheidungsfreiheit bei der Wahl der Speisen oder der Lebensweise repräsentiert. Mit Christus leben und sterben bedeutet selbstverständlich einen neuen Kontext für die Mahlteilnehmer - es bedeutet aber nicht, dass sie in diesem Kontext ihrer kollektiven Individualität beraubt werden. Es bedeutet vielmehr, dass sich die Ziele anderer kollektiver Identitäten nicht mit der Identität als Leib Christi vermischen. Paulus setzt den Syllogismus aus V8 in V9 fort und nimmt darin auf die Paronomasie aus den Versen 6 und 8 Bezug. Die Superiorität des Herrn ist in Vers 8 immanent. Ebenso wie die Beispiele aus Röm 14,2-6 bezieht sich auch das Leben und Sterben auf die Zugehörigkeit zu Christus. Basierend auf dieser Beziehung und Erfahrung der Identität in Christus fasst für Jewett V9 die vorangehenden Erörterungen mit der erweiterten Bekenntnisformel (Röm 3,34; 1Kor 15,3-4; 2Kor 5,15) zusammen. 69 Es liegt für ihn daher nahe, der paulinischen Logik an dieser Stelle zu folgen und anzuerkennen, dass Paulus die Verse 2-9 hierarchisch aufgebaut hat. Christus ist demnach umso mehr der Herrscher über die Speisen und das Einhalten der Tage, als ihm Leben und Tod zustehen. 70 Paulus wird seine Argumentation nicht in dieser Formulierung enden lassen, was dem Leser nicht gestattet, sich aus der täglichen Verantwortung für den Nächsten zu entziehen. Die beiden letzten Verse dieses Abschnitts, Röm 14,10-12, leiten die herausfordernden Fragen an die Hörer wie Röm 14,4 mit einer direkten Anrede ein. Su\... als Kennzeichen für die Rede an einen anderen Gesprächspartner, die rhetorischen Fragen und die umfassende Antwort, die parallel zu Röm 2,5-16, auf die universelle Macht Gottes verweist, charakterisieren erneut die „Diatribe“. In V11 nimmt Paulus Röm 14,10b wieder auf und vertieft seine Argumentation durch Zitate aus Jes 49,18 und 66 J EWETT 2007, 847. 67 J EWETT 2007, 847f. 68 J EWETT 2007, 847. 69 J EWETT 2007, 849. 70 J EWETT 2007, 849. Paulinischer Kontext 264 45,23. 71 Die Zitate sind von Paulus so kontextualisiert, dass nicht Gottes rettende Macht, sondern sein alleiniges und endgültiges Gericht und Herrschen im Vordergrund stehen. 72 Paulus verurteilt mit seinem Fokus auf die Alleinherrschaft Gottes nicht nur die Menschen, die glauben, an Gottes Stelle den anderen richten zu können, sondern er verurteilt auch deren Glauben an ihre Eigenmächtigkeit. Obgleich er die Stärke der Menschen schätzt, weil sie erlaubt, ohne Irritationen ein gottgerechtes Leben zu führen, so verurteilt er doch das selbstverfügte Leben, wenn es gegen den anderen genutzt wird. V12 fasst Paulus ’ Urteil über die Verurteilenden zusammen, denn es gilt, Gott Rechenschaft über das Verhalten gegenüber anderen abzulegen, unabhängig davon, ob man zu den Starken oder zu den Schwachen zählt. Es ist an dieser Stelle bemerkenswert, wie Paulus den Einzelnen, der für sich selbst Rechenschaft abgeben muss, so in den Vordergrund setzt, dass einerseits die kollektive Identität des Einzelnen geschätzt und andererseits, wenn sie sich gegen den anderen richtet, abgewertet wird. In diesem Sinne richtet sich Paulus im nächsten Abschnitt an die Gemeinschaft. Mit dem Abschnitt Röm 14,13-14 adressiert Paulus direkt die plurale Situation der Gemeinschaft, in der es destruktives Verhalten zu vermeiden gilt. Statt übereinander zu richten, soll eben dieses Verhalten untereinander gerichtet werden. Paulus urteilt nicht nur über diejenigen, die aus ihrer eigenen Stärke heraus den anderen als schwach herabsetzen oder schwach sind und den anderen ob seiner Stärke infrage stellen, sondern in V14 auch über das selbstgerechte Urteil. Wieder richtet sich sein Appell an die Starken und die Schwachen, denn beide stellen die Gewissheit ihres eigenen Urteils nicht infrage. Mit Robert Jewett und Mark Reasoner ist auch davon auszugehen, dass Paulus jegliche Art der Verurteilung ausschließen möchte, und unwahrscheinlich ist, dass Paulus gewisse Verurteilungen des Anderen für angemessen hielt. 73 V14 fasst viele Aspekte des zuvor Genannten zusammen. Zum einen steht e˙n kuri÷wˆ Ihsouv in Analogie zu e˙n Cristwˆ , welches die Gemeinschaft als Leib Christi beim Mahl repräsentiert; zum anderen verdeutlicht sich, auch durch die Parallelität zu Mk 7,2.5.15, der Hinweis auf ein gesellschaftlich relevantes Thema. Die Formulierung, dass nichts an sich selbst gemein ist, reflektiert die Konflikte bei den Mahlgemeinschaften. 74 In diesem Sinne formuliert Christina Tuor-Kurth, dass Paulus sich an der jüdischen Klassifizierung orientiert: 71 Zw e˙gw¿, le÷gei ku/ rioß (Jes 49,18) und o¢ti e˙moi« ka¿myei pa n go/ nu kai« pa sa glw ssa e˙xomologh/ setai twˆ qewˆ (Jes 45,23); vgl. J EWETT 2007, 851. 72 J EWETT 2007, 851. 73 J EWETT 2007, 857 mit R EASONER 1999, 196f gegen R OETZEL 1972, 134 und G LAD 1995, 217. 74 J EWETT 2007, 859 verweist auf Gal 2,11-13; Apg 10,9-16; 11,1-18. Römerbrief und 1. Korintherbrief 265 „Bestimmte Dinge gelten nach der Torah als unrein, eine Trennung, die in der Tischgemeinschaft unter Christusgläubigen, falls sie gezogen wird, zu respektieren ist (vgl. V.20)“. 75 Röm 14,14 gibt viele Hinweise darauf, dass das gemeinsame Essen ein Ort war, an dem soziale Konflikte betrachtet wurden und an Lösungen gearbeitet werden konnte. Paulus ’ Lösung erschien bereits in der ritualtheoretischen Exegese der Pluralität der Gemeinschaft nicht angemessen, denn er macht keine Vorschläge für angemessene Kritik noch differenziert er zwischen den gesellschaftlichen Kategorien, in denen sich Menschen (und Speisen) befinden können. Stark oder schwach, gemein oder speziell sind keine Mittel der Differenzierung zwischen den Mahlteilnehmern beim kuriako\n dei pnon. Auf die Besonderheiten des kuriako\n dei pnon kommt Paulus in den nächsten Versen zu sprechen. Dass es sich in Röm 14 und Röm 15 nicht um irgendeine Mahlgemeinschaft, sondern um die Mahlgemeinschaft während des kuriako\n dei pnon handelt, wird nicht nur durch die Nähe zu 1Kor 8 und 11 deutlich, sondern auch durch die inhaltliche Intervention, die Paulus in Röm 14,15-17 vornimmt. Schon Frédéric Louis Godet betonte 1883, dass es sich beim Mahl um das „love-feast“ handelt. Er schreibt: „The whole scene supposed by this verse is infinitely better understood if it is placed in the full love-feast, than if the strong and the weak are supposed taking their meal at their own houses. The following verses (10-19) complete by some secondary considerations the principal motive which has been expressed at the end of ver. 15 [sic.].“ 76 Godet stellt an dieser Stelle richtig fest, dass die beschriebene Situation in den Versen 10-19 nicht mehr nur mit dem Verständnis über Starke und Schwache zu klären ist. Weder geht es darum, dass die Starken oder Schwachen ihr Mahl zu Hause einnehmen sollen, noch darum, seine Position gegenüber dem anderen in den Vordergrund zu stellen - hier bespricht Paulus erneut das Verhalten beim kuriako\n dei pnon, welches zum Topos der Mahlgemeinschaft geworden ist, die Paulus für die Gemeinschaften für angebracht hält. Das Liebesmahl („love-feast“) oder, wie Paulus es in 1Kor 11,20 selbst benennt, das kuriako\n dei pnon verlangt von den Teilnehmern, dass sie sich der Auswirkungen ihres Essverhaltens auf den anderen bewusst werden. Sie können, wenn sie ihren Bruder mit ihrer Speise betrüben, ihren Bruder verderben, um dessentwillen Christus gestorben ist. Hier wird sehr deutlich, dass sich die Gemeinschaft wie ein Leib versteht, in dem es keine Handlungen des einen gibt, die den anderen unbeeinflusst lassen. Apo/ llumi in der 2. Pers. Sg. Imperativ Präsens Aktiv stützt die Auslegung, dass es sich nicht um eine eschatologische Zerstörung des anderen handelt, sondern dass Paulus von einem heterotopen 75 T UOR -K URTH 2009, 238. 76 G ODET 1883, 461. Paulinischer Kontext 266 Geschehen spricht. 77 Liest man Röm 14,15 nicht nur in Beziehung zu 1Kor 11,20, sondern auch zu Gal 2, dann versteht man, warum einer den anderen mit seiner Speise ruinieren kann. So wie Petrus seine persönliche Integrität und seine „personal unity“ 78 , also sein persönliches Ganzes, verloren hat, indem er sich von der Mahlgemeinschaft mit Menschen aus den Nationen zurückgezogen und seine bisherige Praxis verleugnet hat, so verliert auch derjenige seine Integrität, der den anderen mit seiner Speise ruiniert. Abgesehen davon, dass die persönliche Integrität verletzt werden kann, wird an dieser Stelle deutlich, dass ein persönliches Eintreten für die kollektive Identität des Einzelnen grundsätzlich möglich war. Es stellt sich folglich nicht die Frage, ob eine kollektive Identität des Einzelnen für Paulus denkbar war, sondern die Frage nach der Qualität des persönlichen Ganzen. Wieder einmal ist nicht auszuschließen, dass Paulus den kulturellen Code der Selbstverfügung kannte und deshalb darauf hinweist, dass die falsche Stärke nicht im Sinne der Gemeinschaft als Leib Christi ist. Röm 14,16 verweist mit dem aggregativen Begriff to\ aÓgaqo/ n folglich nicht nur auf die Freiheit des Starken 79 , sondern auch auf die vielfältige Fähigkeit, eine persönliche Integrität im Sinne der Qualität, die das kuriako\n dei pnon abverlangt, zu erreichen. 80 Es bestätigt sich mit dieser Interpretation, dass „das Gute“ von dem jeweiligen Kontext abhängig ist, oder, wie Robert A. J. Gagnon es formuliert: „A ‘good’ in some circumstances is not a ‘good’ in all circumstances. ... [T]he ideal ‘good’ of the strong is not a ‘good’ for the weak who condemn themselves because of their lack of faith concerning freedom from food taboos. [...] Here there are two ‘good’ states but one is preferable. [...] In short, what ‘good’ refers to is very much a context-bound issue.“ 81 Röm 14,17 umfasst mit der Antithese über das Reich Gottes weit mehr als Paulus ’ Aussagen über die Starken bzw. Schwachen in den Abschnitten zuvor. Jewett fasst treffend zusammen, dass das Reich Gottes von vielen Wissenschaftlern nur am Rande der Paulinischen Theologie betrachtet wird, weil Paulus an keiner Stelle auf die basilei÷a touv qeouv der Synoptiker eingeht. 82 Dieser Sachverhalt führt viele Exegeten dazu, Paulus als 77 J EWETT 2007, 861 und D UNN 1988, 2.821. 78 J EWETT 1982, 55. 79 J EWETT 2007, 862. 80 Die Auslegungsmöglichkeiten sind vielfältig. Sie wurden von G AGNON 1998, 677 in folgende Kategorien unterteilt: “I. The ‘charism’ option: the faith of the strong to eat all things; II. The ‘Christian’ options: an element common to both the weak and the strong: A. Soteriological solutions: 1. The totality of Christian salvation, 2. The kingdom of God, 3. The inclusion of the Gentiles into Gods promise to Abraham, 4. The gospel; B. Ethical solution: the love and peace among Christians.” Hier besteht leider nicht die Möglichkeit, auf alle Auslegungen einzugehen. Meine Auslegung kann in dieser Kategorisierung unter II.B aufgeführt werden. 81 G AGNON 1998, 683f. 82 J EWETT 2007, 862f. Römerbrief und 1. Korintherbrief 267 Urheber dieser Formulierung zu betrachten. 83 Zu dem Gebrauch von basilei÷a touv qeouv bei Paulus schreibt Wolfgang Stegemann: „Die paulinischen Texte sind im aktuellen Zusammenhang insofern interessant, als sie einerseits die Königsherrschaft Gottes als zukünftig erwarten (vgl. nur 1Kor 15,50 und Gal 5,21), andererseits, weil sie nicht mit dem irdischen Jesus, d.h. seiner Verkündigung und seinem Wirken im Land Israel, in Verbindung gebracht werden. Allerdings ist auffallend, dass auch in den Paulusbriefen die Königsherrschaft Gottes umfassende soziale bzw. gesellschaftliche Ziele formuliert: Gerechtigkeit (dikaiosyne), Frieden (eirene) und Freude (chara). Diese Ziele hebt Paulus von materiellen Bedürfnissen - Essen und Trinken - ab (Röm 14,17). Der nähere Kontext dieser Aussage, in dem es um die Frage der Einhaltung bzw. Nichteinhaltung von Speisevorschriften geht, deutet aber darauf hin, dass Paulus nicht damit rechnet, dass in der Königsherrschaft Gottes Essen und Trinken aufgehört haben. Vielmehr: Sie sind kein Thema mehr für kulturelle Reglements bzw. Unterschiede.“ 84 Mit anderen Worten treten bestimmte Speisevorschriften gegenüber der Aufrechterhaltung der Gemeinschaft zurück. 85 Es spricht viel dafür, dass der Terminus basilei÷a touv qeouv so in den Sprachgebrauch der Gemeinschaft eingegangen ist, dass gemeinsame soziale Ziele, wie Gerechtigkeit, Frieden und Freude, die alle Charakteristika der Mahlgemeinschaft sind, an materiellen Bedürfnissen konkretisiert wurden. Ritualtheoretisch wurde dieser Vers über die Parallelität zwischen hJ basilei÷a touv qeouv und to\ e¶rgon touv qeouv in das Heilsgeschehen der Mahlpraxis verortet. Es bestätigt sich an dieser Stelle, dass Paulus mit seinen Briefen an die Gemeinschaft in Rom mit dem Hinweis, dass Konflikte über Essen und Trinken nicht Thema des Reiches Gottes sind, deutlich macht, dass diese Konflikte auch nicht Teil der Gemeinschaft sein sollen. „Kulturelle Reglements bzw. Unterschiede“ sollen ebenso wenig wie im Königreich Gottes Thema der gegenwärtigen Gemeinschaften sein, denn sie repräsentieren als Leib Christi die Heiligkeit der basilei÷a touv qeouv. Dikaiosu/ nh, ei˙rh/ nh und cara¿ eignen sich für Paulus ’ Diskurse über die ideale Gemeinschaft, da sie auch Kennzeichen des idealen Symposion sind und in der hellenistischen Kultur weit verbreitete Kategorien darstellen. 86 Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist veranschaulichen umso mehr, dass sich die basilei÷a touv qeouv bei Paulus nicht nur auf das zukünftige Reich, sondern auch auf gegenwärtige soziale, politische und religiöse Heterotopien bezieht. Es ist sinnvoll, diesen Vers vor dem Hintergrund des kuriako\n dei pnon zu lesen, denn dies ist der Ort, an dem Gerechtigkeit, Friede und 83 S HOGREN 2000, 238. 84 S TEGEMANN 2009, 326f. 85 Vgl. S MIT 2007, 45. 86 S MIT 2007, 52. Paulinischer Kontext 268 Freude im Heiligen Geist durch die sozialen Werte der Mahlgemeinschaft (koinwni÷a, i˙sonomi÷a bzw. fili÷a und ca¿riß) verkörpert werden. 87 Vergleichbar mit den Versen 7-9 und den Versen 13-14 unterbrechen die Verse 18-19 die Beschreibung des kuriako\n dei pnon, um das vorher Genannte für die Gemeinschaft relevant zu machen. ˙En tou/ twˆ hat in diesem Fall eine doppelte rhetorische Bedeutung. Zum einen verweist es auf das zuvor Genannte und zum anderen bezieht es sich auf das Thema, welches zur Diskussion steht - in diesem Fall das kuriako\n dei pnon. 88 Mit euja¿restoß twˆ qewˆ bezieht sich Paulus gleichzeitig auf Röm 12,1, wo er die Gemeinschaft dazu ermahnt, sich selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen. Euja¿restoß beinhaltet in Röm 12,1 und Röm 14,18 folglich mehr als nur Wohlgefallen. Auch do/ kimoß, das sich bei Paulus gewöhnlich nicht auf Menschen bezieht, wird an dieser Stelle für die Gemeinschaft relevant. 89 Paulus betont damit erneut, dass diese Gemeinschaft nicht unabhängig von Christus agieren kann, sondern sich vielmehr im kuriako\n dei pnon auf ihn beziehen muss. In Röm 14,19 stellt sich Paulus nicht nur in die Reihe der Missionare, die mit ihm Vorbilder im Streben nach der Gemeinschaft sind 90 , sondern ebenfalls in die Reihe seiner Adressaten, mit denen er als Teil des Leibes Christi auch in Beziehung steht. Erneut richtet sich Paulus an die Starken und die Schwachen, indem er sie auffordert, einander zur gegenseitigen Erbauung zu dienen. Im Gegensatz zu Röm 14,13, wo Paulus vom gegenseitigen Richten spricht, formuliert er in V19, dass die Gemeinschaft sich untereinander stärken soll (Aggregation). Die nächsten Verse werden die zerstörerische Kraft des einen gegenüber dem anderen wieder aufnehmen, doch an dieser Stelle verdeutlicht Paulus mit dem liminalen Begriff oi˙kodomh/ , dass Stärke nicht nur zur Unterdrückung, sondern auch zur Erbauung dienen kann. Röm 14,20 führt das fort, was in den Versen 15-17 bereits angesprochen wurde - der Fokus liegt auf Gott, wobei Cristo/ ß in den heilsgeschichtlichen Zusammenhang zum Reich Gottes gesetzt wird. Das Werk Gottes, mag es eine Struktur, ein Gebäude, in jedem Fall aber die pluralistische Gemeinschaft repräsentieren, ist nicht durch die Konflikte über Speisevorschriften zu zerstören. 91 V20b und V21 verdeutlichen, dass rhetorisch über 87 Vgl. K LINGHARDT 1996, 153-173; S MIT 2007, 41: „… [A]ll three concepts [ dikaiosu/ nh, ei˙rh/ nh, and ca¿riß ] are also parts of contemporary symposiastic ideology, which means that, despite Rom. 14: 17a, Rom. 14: 17b draws on the image of a(n ideal) symposium as the blueprint for the communal life of the community in Rome, just as much as 1 Cor. 11: 17 - 34 does.“ 88 J EWETT 2007, 864 bezieht e˙n tou/ twˆ mit D UNN 1988, 2.824 mit Referenz zu 1Kor 11,22 nur auf das kuriako\n dei pnon. Sie unterschätzt allerdings die interne Struktur von Kap. 14. 89 W ILCKENS 1982, 94 in J EWETT 2007, 864 Anm. 130. 90 J EWETT 2007, 865. 91 J EWETT 2007, 866. Jewett geht hier von einem metaphorischen Gebrauch der „Baubegriffe“ aus. Römerbrief und 1. Korintherbrief 269 gut und schlecht entschieden werden kann und und dass es von dieser Entscheidung abhängt, wie man sich seinem Bruder gegenüber verhält. Wie in den vorangehenden Versen betont Paulus erneut, dass das Essen eine Frage der Verantwortung gegenüber dem anderen ist. Im Unterschied zu Röm 14,2 und Röm 14,15 deutet Paulus mit Röm 14,20bb an, dass der Schaden auch selbstreflexiv sein kann. Schaden können folglich auch diejenigen nehmen, die mit schlechtem Gewissen essen. Es stellt sich natürlich die Frage, ob die Starken nach den vorhergehenden Ausführungen, mit dem Wissen um die Gefahr des Nächsten und der Gemeinschaft, noch ohne schlechtes Gewissen essen können. In Röm 14,21 verweisen Fleisch und Wein in erster Linie auf den sozialhistorischen Hintergrund des Briefes. Es ist bei der weitverbreiteten Kenntnis von Fleisch und Wein in Bezug auf Opferhandlungen erstaunlich, dass es hierfür nur so wenige neutestamentliche Belege gibt. Kre÷aß wird nur von Paulus in diesem Vers und in 1Kor 8,13 verwendet und oi•noß, abgesehen von 33 Belegen außerhalb der paulinischen Briefe, nur an dieser Stelle. Da das Selbstverständliche im kulturellen Verständnis auch von Paulus nicht explizit erklärt wird, kann mit Jewett davon ausgegangen werden, dass Paulus Fleisch und Wein daher als Risiko für den anderen und die Gemeinschaft ansieht, weil beides mit dem griechisch-römischen Kult assoziiert wurde. 92 Auch Röm 14,22 integriert ein selbstreflexives Moment in die Anweisungen des Apostels, denn einerseits soll der Glaube nicht gegen den anderen gerichtet werden und andererseits soll man auch sich selbst mit seinem Glauben nicht richten. Die Aufforderung, seine Stärke im Glauben nicht gegen den anderen zu nutzen, ist folglich auch eine Erleichterung des eigenen Gewissens. Gott richtet den Starken ebenso, wie er ihn aufnimmt (Röm 14,3.21). Röm 14,23 schließt Kapitel 14 ab und summiert die Diskussionen über Speisevorschriften unter der Thematik des Zweifels, der dem Glauben gegenübersteht. Zweifel und ein schlechtes Gewissen können nicht Elemente des Glaubens sein, da sie sowohl den Zweifelnden als auch die Gemeinschaft schwächen. Jewett sieht zu Recht, dass sich der Vers an alle richtet, die versuchen, eine „Einheit“ durch ihre Dominanz dem anderen gegenüber zu erreichen. Problematisch an V23 ist lediglich die Gegenüberstellung mit V1, wo es heißt, dass der Schwache aufgenommen werden soll. 93 Es ist Paulus nicht abzusprechen, dass ihm die Position der Starken näher als die der Schwachen liegt. Die Starken werden somit auf der einen Seite zur Verantwortung gezogen und auf der anderen Seite gegenüber den Schwachen bevorzugt. Eine „Einheit“ mit der pluralen Gemeinschaft, die auch diese Position einbezieht, ist innerhalb des kuriako\n dei pnon als Ort der realisierten sozialen Heterotopie denkbar. Das verbindliche Ele- 92 J EWETT 2007, 868. 93 J EWETT 2007, 872. Paulinischer Kontext 270 ment des kuriako\n dei pnon ist auch diesem Vers zufolge nicht das Essen, sondern der Glaube und die Abwesenheit von Sünde gegenüber sich selbst oder dem Bruder. b) Röm 15 Röm 15,1 bestätigt, dass Paulus sich selbst zu den Starken zählt, und wiederholt das Dilemma, in dem sich die Starken befinden. Zum einen müssen sie die Schwachen tragen und sich gleichsam in ihrer Stärke gegenüber den anderen zurückhalten. 15,1 erinnert sehr an 14,1, da beide Verse deutlich aus der Perspektive der Starken geschrieben sind und eine ethische Verantwortung ausdrücken. Die Diskurse über honor & shame sind besonders vor dem Hintergrund der Selbstverfügungsdebatte besser zu verstehen. Die Thematik von honor & shame schließt ein, dass die Diskussionen als Teil der sozialen Realität in allen gesellschaftlichen Schichten verstanden werden konnten. Jewett geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass alle sozialen Schichten verstanden haben, dass Paulus mit den gesellschaftlichen Normen spielt. Nicht die Schwachen tragen die Starken, sondern die Starken tragen die Schwachen. 94 Ohne Zweifel ist dies eine Wende, die den Hörern und Lesern auffällt - auffallend ist aber wahrscheinlich auch, dass Paulus zusätzlich die Selbstgefälligkeit kritisiert. Das Gefallen an der eigenen Person geht m.E. über die Debatte von honor & shame hinaus, da hier nicht nur dem Starken die Macht, seine eigene Stärke zu behalten, zugesprochen wird, sondern auch die Freude über die kollektive Identität seitens der eigenen Person. Gerade mit den Techniken der Selbstverfügung wurde das Gefallen an der kollektiven Identität der eigenen Person, zusätzlich zur privilegierten Position in der Gesellschaft, gefördert. Röm 15,7 fasst viele Aspekte des vorher Ausgeführten zusammen. Wieder ist es ein ethischer Appell an die Gemeinschaft, einander aufzunehmen, was nicht die Akzeptanz aus der Ferne, sondern die Aufnahme in den engsten Kreis bedeutet. Analog zur Aufnahme des anderen ist die Aufnahme Christi. Sieht man diese Verse aus der Perspektive des 14. Kapitels, dann wird deutlich, dass das kuriako\n dei pnon den engsten Kreis der Gemeinschaft beschreibt, für die Christus auch im 1Kor als Vorbild herangezogen wurde. Proslamba¿nw steht sehr deutlich, wie in Röm 14,1, für die Aufnahme des anderen in das eigene Haus und die gemeinsame Teilnahme am kuriako\n dei pnon. 95 Dies gilt, wie in Röm 14,13.19, für die Starken und Schwachen gleichermaßen, um Konflikte, welche die Gemeinschaft gefährden, zu verhindern. 96 Röm 15,7 ist ein bemerkenswerter Abschluss der Diskussion über die Speisevorschriften in der Gemeinschaft und das Verhältnis von Starken und Schwachen, denn er stellt sehr klar die Pluralität der Gemeinschaft heraus, die sich nach dem Vorbild Christi im 94 J EWETT 2007, 877. 95 J EWETT 2007, 888 spricht nicht vom kuriako\n dei pnon, sondern vom „love feast“. 96 J EWETT 2007, 888. Römerbrief und 1. Korintherbrief 271 kuriako\n dei pnon zur Herrlichkeit Gottes versammeln kann. Der Sieg wird nicht durch die Dominanz des Starken über den Schwachen verdeutlicht, sondern im konfliktfreien kuriako\n dei pnon. 3. Zusammenfassung Röm 14,1-15,7 Das kuriako\n dei pnon als sozial-historischen Hintergrund zu Röm 14,1- 15,7 zu verstehen, beruht selbstverständlich auf der Annahme der Integrität von Röm 16 und der Voraussetzung, dass Paulus über die Entwicklungen in der Gemeinschaft Bescheid wusste. 97 Nur unter diesen Bedingungen kann vorausgesetzt werden, dass die hellenistische Mahlpraxis, soweit sie bekannt und etabliert war, eine deutliche Akzentverschiebung der gängigen Mahlpraxis darstellte. Das gemeinsame Mahl als gängige soziale Praxis im Brief an die Gemeinschaft in Rom aufzunehmen und anhand der Konfliktfelder das kuriako\n dei pnon als soziale, politische und religiöse Heterotopie und gleichzeitige Realisierung der Nachfolge Christi zu etablieren, erlaubt es Paulus, vor allem Aussagen über die individuelle und die kollektive Identität der Mahlteilnehmer zu machen. In einem weiteren Schritt verdeutlicht Paulus die Beziehung dieser Identitäten zu Christus, der als Alleinherrscher über der Gemeinschaft steht und in dessen Namen die Gemeinschaft zum Mahl zusammenkommt, was wiederum auf die Gemeinschaft, die sich als Leib Christi identifiziert, zurückzuführen ist. Zum Verhältnis zwischen individueller und kollektiver Identität der Mahlteilnehmer wird bereits in Röm 14,1 offensichtlich, dass das Zusammen-Essen eine große Relevanz in der sozialen Struktur der Gemeinschaft einnimmt. Smit beschreibt Paulus ’ Intervention treffend mit den Worten: „Paul, however, contrasts the significance of what is eaten with the aim of eating together: (earthly) fellowship (= meal fellowship), which Paul describes by using a symbol of ideal community: the kingdom of God (Rom. 14: 17), the (eschatological and pneumatological) 'space' within which the ecclesiastical life of mutual service should take place (Rom. 14: 18).“ 98 Mit anderen Worten wird fühlbar, dass die individuelle Teilnahme am gemeinsamen Essen zum Ausdruck von Christi Nachfolge wird, so dass das kuriako\n dei pnon gleichzeitig die ideale und damit heterotope Gemeinschaft auf Erden repräsentiert. Es ist daher nicht angemessen, dass jeder in der Gemeinschaft seiner üblichen Mahlpraxis nachgeht, die Eitelkeiten oder Selbstsucht repräsentiert. Paulus kritisiert sozial-ethisches Fehlverhalten bei Starken und Schwachen aus allen sozialen, politischen und religiösen Verhältnissen, um individuelle und gesellschaftliche Unzulänglichkeiten ungeachtet der Herkunft der Mahlteilnehmer zu benennen. Das kuriako\n dei pnon eignet sich für die Argumentation vor allem des- 97 Vgl. S HOGREN 2000, 240. 98 S MIT 2007, 53 Paulinischer Kontext 272 halb so gut, weil Essen bzw. Nicht-Essen Teil der semi-privaten Entscheidungsfindung eines Einzelnen im gesellschaftlichen Kollektiv ist. Mit der Entscheidung über Lebensmittel und die Teilnahme an einem Mahl positionieren sich die Teilnehmer innerhalb einer sozialen Praxis, die einerseits an bekannte kulturelle Normen anschließt und andererseits offen für soziale Heterotopien und Experimente ist. Paulus ’ Exemplifikationen in Röm 14 spiegeln diesen doppelten Bezug sehr gut wider. So beschreibt er Regelungen im Haus, das als Ort der individuellen und gesellschaftlichen Bezüge aufgeführt wird. Aber auch die Frage nach dem Einhalten des Sabbats ist eine Frage der individuellen und kollektiven Identifikation. Paulus bündelt seine Beispiele, indem er Christus als den Herrscher über die Speisen und das Einhalten der Tage einsetzt und das Leben und den Tod der Mitglieder der Gemeinschaft mit ihm in Verbindung bringt. Die Beziehung zu Christus wird vor allem an den Stellen deutlich, an denen Paulus die Einzelnen davor warnt, im Namen Christi den anderen zu verurteilen. Dort, wo gesellschaftliche Anerkennung für den selbstverfügten Starken ausgesprochen wird, dort ist nicht unbedingt damit zu rechnen, dass diese Stärke auch im Namen Christi gelebt wird. Sie wird nur dann im Namen Christi gelebt, wenn die Alleinherrschaft Gottes nicht angezweifelt und der Schwache in der Gemeinschaft aufgenommen wird. Und so ist es gerade das kuriako\n dei pnon, in dem dikaiosu/ nh, ei˙rh/ nh und cara¿ so praktiziert werden können, dass sie die sozialen Ideale koinwni÷a, i˙sonomi÷a bzw. fili÷a und ca¿riß in einer pluralen Gemeinschaft evozieren. Das kuriako\n dei pnon eignet sich dementsprechend sowohl dazu, sozial-ethisches Fehlverhalten der Gemeinschaften zu adressieren, als auch dazu, theologische Implikationen weiterzugeben, da der Rahmen des gemeinsamen Mahles innerhalb der festen Strukturen sehr flexibel ist. Inwieweit sich dies auf die Realisierung der Nachfolge Christi beziehen lässt, wird sich in den Interpretationen zum 1. Korintherbrief zeigen. 4. Exegetische Interpretationen zu 1Kor 8-10 Die exegetischen Interpretationen werden sich in diesem Rahmen nicht auf alle Verse der Kapitel 8 und 10 beziehen können. Der Schwerpunkt liegt auf den Versen 1Kor 8,1.4.7-13, 1Kor 9,3-4.7.13 und 1Kor 10,7.14-25.27- 28.31. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Kapitel 8-10 nicht getrennt voneinander betrachtet werden sollen, da die Teilnahme an paganen Gastmählern und das Essen von Opferfleisch anderer Götter zusammengehören. 99 Obgleich die tragenden Begriffe von Kapitel 8 gnw siß und aÓga¿ph sind, wird das Kapitel immer wieder von der Diskussion über die 99 So auch S CHRAGE 1995, 212. Schrage geht von einer thematischen, rhetorischen und theologischen Einheit aus, die durch unterschiedliche Gesichtspunkte nicht abgeschwächt wird. Römerbrief und 1. Korintherbrief 273 Teilnahme an paganen Kultmählern beim Tempelbesuch (1Kor 8,10), die Realität der anderen Götter (1Kor 8,4f) und das Essen von Opferfleisch anderer Götter unterbrochen (1Kor 8,13). Die Spannung, die zwischen den beiden Teilen 1Kor 8-10 liegt, nimmt der Leser aufgrund der komplizierten Argumentation gegen Idolatrie auf der einen und gegen das absolute Verbot, Opferfleisch anderer Götter zu essen, auf der anderen Seite wahr. Eine Brücke bilden die Verse 1Kor 9,3-4.7, die als beispielhafte Rede das Essen wieder aufgreifen, ohne explizit vom Opferfleisch anderer Götter zu sprechen. An diesem Punkt geht es weder darum, ob Paulus in 1Kor 8 und 1Kor 10,23-11,1 aus Sicht der „Starken“ und in 1Kor 10,1-22 aus Sicht der „Schwachen“ argumentiert, noch darum, ob Paulus vom Sakrament oder vom Opferfleisch anderer Götter spricht. 100 Die Kapitel 8-10 als eine Einheit wahrzunehmen, bedeutet, sie in einem einheitlichen sozialen Umfeld zu lokalisieren. Wegen der unterschiedlichen Perspektiven, die Paulus in diesen zwei Kapiteln einnimmt, eignet sich der ritualtheoretische Ansatz umso mehr. Die Vielfalt, welche die Mahlgemeinschaft auffangen kann, indem sie eine aus vielen einzelnen Ritualen zusammengesetzte soziale Praxis verkörpert, wird in den drei Kapiteln herausgearbeitet. Ausgehend von der ritualtheoretischen Exegese wird zu zeigen sein, was die Kapitel 8-10 für die Gemeinschaft als Mahlgemeinschaft bedeuten und wie sie die Divergenz unter den Teilnehmern diskutieren. Die Gliederung lässt sich entsprechend vornehmen: 1Kor 8,1 eröffnet diesen Abschnitt mit der Gegenüberstellung von gnw siß und aÓga¿ph, wobei der Liebe tragende Fähigkeiten (für die Gemeinschaft) zugesprochen werden. In 1Kor 8,4 wird die Frage des Opferfleisches anderer Götter direkt mit der Realität anderer Götter und der Alleinherrschaft Gottes verbunden. Diese Analogie zu schließen, ist nicht ungewöhnlich, beachtet man, dass das Fleisch in den religiösen Ritualen vom Gott für die Menschen freigegeben wird und es damit direkt mit der Identität des Gottes oder der anderer Götter verbunden ist. 1Kor 8,7-13 ist nicht nur ein Beispiel für die Überordnung der Liebe, sondern beschreibt vor allem das Verhalten der Mahlteilnehmer untereinander während des kuriako\n dei pnon. Die Verse 1Kor 9,3-4.7, bilden, wie bereits angedeutet, eine Brücke zwischen den Kapiteln 8 und 10, wobei das Essen in anderen sozialen Zusammenhängen (Verteidigungsrede und Umgang mit eigenem Besitz) exemplarisch aufgenommen wird. 1Kor 10,7 leitet in die Debatte über den Gottesdienst für fremde Götter ein, der in 1Kor 10,14-22 deutlich von dem kuriako\n dei pnon unterschieden wird. In 1Kor 10,23-25 bezieht sich Paulus auf Fragen der Legitimation für das Verhalten, in dem er die sozialen Verhältnisse der Gemeinschaften in 1Kor 10,25.27-28 berücksichtigt. 1Kor 10,31 bildet den Abschluss der Rede über die Bedeutung des Opferfleischs anderer Götter und des entsprechenden Götzendienstes für die Teilnehmer des kuriako\n dei pnon und bestätigt die Alleinherrschaft Gottes, die in 1Kor 8,4 bereits betont worden ist. 100 Zuzustimmen ist hier S CHRAGE 1995, 214. Paulinischer Kontext 274 a) 1Kor 8 Paulus beginnt diesen Abschnitt mit dem bereits aus 1Kor 7,1 bekannten Auftakt peri« de÷, das u.a. Wolfgang Schrage darauf schließen lässt, dass Paulus aus dem Brief der Gemeinschaft in Korinth zitiert. 101 Das ist besonders mit dem Verweis auf 1Kor 8,7 nicht unwahrscheinlich, weil Paulus scheinbar widersprüchlich über die Inbesitznahme der gnw siß spricht. Während es sich bei 1Kor 8,1ab um ein Zitat aus der Korrespondenz handelt und dies die einzige Stelle ist, bei der gnw siß mit dem Verb e¶cw verbunden wird, bezweifelt Paulus in 1Kor 8,7, dass jeder die Fähigkeit der gnw siß anzuwenden weiß. Gnw siß wird von Paulus in jedem Fall nicht in spekulativ-mythologischen Zusammenhängen verwendet, sondern bezieht sich auf die „geistgewirkte Erleuchtung“. 102 Doch gerade vor dem Hintergrund der Selbstverfügungsdebatte ist nicht auszuschließen, dass diese Erleuchtung, die das Wissen um die Nichtexistenz anderer Götter einschließt, der Fähigkeit zur Selbstverfügung vorausgeht. Vorausgesetzt ist, dass die Liebe, von der Paulus spricht, eine Liebe ist, die im Wissen verankert ist - eine Liebe, die von der Regelmäßigkeit und der Vorbildfunktion des Verhaltens Christi geprägt ist. 103 Die inklusive Sprache des Apostels in 1Kor 8,1.4.6 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der Kontrolle über die eigenen Handlungen und der Zugehörigkeit zu Christus, da sich Paulus, vergleichbar mit Röm 15,1, zur Gruppe der Starken zählt, die über Wissen verfügen und in ihren Handlungen das Opferfleisch anderer Götter nicht fürchten müssen. Diese harsche Realität der körperlichen Kontrolle einerseits und die starke Bindung an Christus wurde auch ritualtheoretisch reflektiert. Ritualtheoretisch fiel bereits auf, dass die drei aggregativen Begriffe in 1Kor 8-10 (aÓga¿ph in 1Kor 8,1; aÓgaphto/ ß in 1Kor 10,14 und koinwni÷a in 1Kor 10,16) immer wieder von separativen Begriffen beantwortet werden. So steht aÓga¿ph in 1Kor 8,1 pro/ skomma in 1Kor 8,9 und skandali÷zw in 1Kor 8,13 gegenüber. Die folgenden Verse werden zeigen, dass nicht nur die Debatte der körperlichen Kontrolle, sondern auch die Warnung vor Hybris und Erniedrigung des Bruders im paulinischen Appell zur Mahlgemeinschaft im Sinne des kuriako\n dei pnon mit inbegriffen sind und dieser immer wieder in der oben genannten Gegenüberstellung aufgegriffen wird. In 1Kor 8,4 wird die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Umgang mit Opferfleisch anderer Götter wieder aufgenommen, wobei sie in 1Kor 8,8 eine Wiederholung erfährt. Paulus skizziert die Ambivalenz in der Diskussion durch seine faszinierende Rhetorik, mit der er die Spannung zwischen V4 und V5 ebenso stehen lässt wie zwischen V1 und V7. Während es in V1 und V7noch um den relativen Besitz des Wissens geht, schildert Paulus in V4 und V5 die relative Existenz anderer Götter. Glaubt man 101 S CHRAGE 1995, 226; H ORRELL 1997, 85. 102 S CHRAGE 1995, 228. 103 H ORRELL 1997, 87 bezieht sich auf 2Kor 8,9; 1Kor 1,4-6; 2,11-16; 2Kor 2,14; 4,6. Römerbrief und 1. Korintherbrief 275 gemäß V4, dass es kein Opferfleisch anderer Götter geben kann, wenn es keine anderen Götter gibt, so verdeutlicht V5, dass es durchaus sogenannte Götter und Herren gibt. 104 Erneut wird der Leser dazu aufgefordert, sich der Macht fremder Götter zu entziehen, weil der eine Gott einerseits als Mittel zur Abgrenzung gegenüber anderen Göttern dient (1Kor 8,4) und andererseits als Orientierung bei der Bewertung von Speisen (1Kor 8,8) herangezogen wird. Das bedeutet, von der Existenz der anderen Götter und deren Speisen zu wissen, sie aber nicht für sich anzuerkennen. Anerkennung bzw. die Verweigerung dessen thematisiert Paulus immer wieder in seinen Aufforderungen an die Gemeinschaft. Es wird schon in Röm 14 und Gal 2 deutlich, dass Anerkennung weit mehr bedeutet als Akzeptanz. Die Entscheidung für die Anerkennung anderer Götter erlaubt die reale Wirkmacht der Götter in bestimmten Zusammenhängen, so dass die Verweigerung dessen auch die Existenz der Götter in Frage stellt, weil ihnen die Wirkmacht nicht zugesprochen wird. Paulus macht gerade auch im Hinblick auf V6 deutlich, dass im kuriako\n dei pnon die Gemeinschaft, zu der sich auch Paulus zählt, den anderen Göttern ihre Wirkmacht auf die Teilnehmer oder die Lebensmittel abspricht. Wie in der Einleitung bereits angedeutet wurde, so exemplifiziert Paulus in 1Kor 8,7-13 nicht nur die Überordnung der Liebe, sondern beschreibt vor allem auch das Verhalten der Mahlteilnehmer während des kuriako\n dei pnon untereinander. Die Mahlteilnehmer werden wieder eingebunden in die Verantwortung für andere Mitglieder der Gemeinschaft. Für Schrage zeigt sich in diesem Abschnitt besonders eindrücklich, dass die gnw siß die Anwendung auf die Praxis mit einbezieht. 105 Der mahnende Charakter an die Starken in diesem Abschnitt ist, zusammen mit der Aufforderung, das Verhalten gegenüber den Schwachen zu überdenken, sehr eindeutig. In diesem Sinne lassen sich die Verse gliedern, denn die mahnenden Worte aus 1Kor 8,7a.8.9.12 wechseln sich mit Begründungen (1Kor 8,7b.8b.10aa), Hinweisen auf die Konsequenzen (1Kor 8,11), einer rhetorischen Frage (1Kor 8,10ab) und einem Verweis auf das persönliche vorbildliche Beispiel (1Kor 8,13) ab. 106 1Kor 8,7 eröffnet die Argumentationskette mit der Differenzierung zwischen denen, die ihre gnw siß insoweit in die Tat umsetzen können, dass sie beim Essen des Opferfleisches anderer Götter kein schlechtes Gewissen mehr bekommen. Es geht, so Schrage, an dieser Stelle nicht darum, den schwachen „Christen“ zu unterstellen, sie würden immer noch die anderen Götter anerkennen. 107 Vielmehr macht Paulus die Gemeinschaft darauf aufmerksam, dass das Gewissen befleckt wird, wenn man dem Opferfleisch anderer Götter die gewohnte religiöse Bedeutung zuspricht. 108 In 104 S CHRAGE 1995, 236.238. 105 S CHRAGE 1995, 252 Anm. 242 zitiert W EIß 1910, 227. 106 So auch S CHRAGE 1995, 253. 107 Vgl. S CHRAGE 1995, 254. 108 S CHRAGE 1995, 254; H ORRELL 1997, 88. Paulinischer Kontext 276 jedem Fall aber spricht Paulus über „Starke“, über Mahlteilnehmer, die essen und dennoch in Konflikte mit ihrem Gewissen geraten. Paulus schildert nicht, dass manche zum Fleischgenuss verführt werden, sondern dass ihre alte Gewohnheit nicht ans neue Gewissen gekoppelt ist. Mit anderen Worten lautet die praktische Folgerung aus dem Verstehen, dass das Essen von Fleisch ihr Gewissen nicht mehr trüben kann, da sie am kuriako\n dei pnon partizipieren, nicht die Abstinenz vom Fleisch, sondern das Essen unter veränderten Bedingungen. Unter unveränderten Umständen befinden sich die Mahlteilnehmer in „Gewohnheit“ miteinander, die keine Trennung zwischen dem Opferfleisch anderer Götter und dem Gottesdienst für andere Götter zulässt. Sunei÷dhsiß ist demzufolge der Ort, an dem das Bewusstsein für die eigene Person und das eigene Verhalten geprüft wird. 109 Ritualtheoretisch wurde die Prüfung des eigenen Verhaltens und das gleichzeitige Bewusstsein dessen als Liminaliät beschrieben. Wie bereits ausgeführt, spiegelt sunei÷dhsiß die Liminalität sehr treffend wider. Hier wird verdeutlicht, was es bedeutet, sich „zwischen zwei Welten“ zu befinden, die sich durch das Verhalten an und mit dem Gewissen gleichsam realisieren können. Die Begründung dafür führt Paulus in 1Kor 8,8a aus, indem er der Gemeinschaft versichert, dass der Umgang mit Speise gegenüber Gott keine Legitimation verspricht. In diesem Sinne schreibt er eindringlich, dass Speise den Menschen nicht „angenehmer“ vor Gott macht - weder Essen noch Nicht-Essen entscheiden über den Status des Menschen gegenüber Gott. Ritualtheoretisch wird auf 1Kor 10,31 verwiesen, da hier 1Kor 8,8 noch einmal zusammengefasst wird, indem Paulus alle Handlungen nur als Ehrungen Gottes für sinnvoll erachtet (vgl. Röm 14,6). Dies ist eine Überzeugung, die Paulus durchaus mit seinen Lesern teilt, so dass die Frage nach einem korinthischen Zitat keine heuristische Funktion hat. 110 Die Übersetzung von pari÷sthmi ist an dieser Stelle schwierig, weil die Eindeutigkeit einer forensischen Übersetzung nicht im gleichen Maße gegeben ist wie in Röm 14,10. Schrage wendet sich in seinem Kommentar gegen die forensische Übersetzung, da er den inhaltlichen Zusammenhängen des Textes, nämlich, dass Paulus den Schwachen nicht rät, den Starken nachzueifern, den Vorrang gibt. Er übersetzt pari÷sthmi als „nahebringen“ bzw. „vorbringen“. 111 Schrage nimmt damit differenzierte Argumentationsketten wahr, denn Paulus betont an dieser Stelle, ähnlich wie in Röm 15,17, dass vor Gott die Frage der Speisenauswahl nicht entscheidend ist. Damit sagt Paulus nicht, dass die Wahl der Speise nicht zu einer Frage der Rechtfertigung werden kann. Sie könnte zu einer Frage der Rechtfertigung 109 S CHRAGE 1995, 258. Sunei÷dhsiß wird von Schrage einerseits als „selbstständiger Zeuge“ (vgl. Röm 2,15) verstanden und andererseits als nicht absolut bzw. definitiv beschrieben. So dient sunei÷dhsiß als prüfende Instanz des Menschen, um sein Verhalten zu beurteilen. 110 H ORRELL 1997, 89. 111 S CHRAGE 1995, 260. Römerbrief und 1. Korintherbrief 277 werden - dann, wenn das Fehlverhalten gegenüber den Brüdern zu einer Befleckung des Gewissens führt. Es geht folglich zu weit, wenn man mit pari÷sthmi sogleich forensische Analogien übersetzt, und es ist dennoch richtig, dass die Verantwortung gegenüber dem schwachen Bruder eine Verantwortung gegenüber Gott ist, denn Christus ist um dessentwillen gestorben (V11). M.E. bezieht sich das Essen bzw. Nicht-Essen damit indirekt auf Gott und das eigene Heil, da die erste Instanz die Rechtfertigung des eigenen Gewissens und die zweite die Verantwortung gegenüber dem Bruder ist, welche beide nicht von der Beziehung zu Gott getrennt werden können. Der Blick auf den anderen Christusgläubigen ist ebenso der Blick auf Christus wie auf sich selbst. V9 fasst den Aspekt der Verantwortung gegenüber dem Schwachen zusammen und leitet in eine Begründung über, die mit einer rhetorischen Frage in 1Kor 8,10ab endet. 112 Ritualtheoretisch wurde zu 1Kor 8,10.11 ausgeführt, dass Paulus an dieser Stelle auf das individuelle Verhalten eingeht, indem er sich an einen anderen Gesprächspartner wendet. Obgleich Paulus das Gespräch mit dem anderen Gesprächspartner nicht weiterführt, wird an dieser Rede deutlich, dass die Teilnahme an einem anderen Mahl in einem anderen Tempel durchaus zur Diskussion stand. In diesem Sinne verweist 1Kor 8,10 schon auf 1Kor 10,1-6 und 1Kor 10,14-22, da mit dem Besuch im Tempel, der an keiner Stelle von Paulus kritisiert wird, 113 die Zusammenhänge zwischen dem kuriako\n dei pnon und den außergemeindlichen Mahlgemeinschaften angedeutet werden. Stein, der zu dieser wenig ausgeführten Situation bei Paulus schreibt, ist darin zuzustimmen: „Worauf es ihm ankommt, ist einzig, dass der Mahlteilnehmer als solcher von anderen Gemeindegliedern wahrgenommen, identifiziert und zum Anstoß werden kann (8,9.12f.).“ 114 In diesem Zusammenhang sollte es nicht unterlassen werden, abermals auf den Gebrauch von kata¿keimai einzugehen. In 1Kor 8,10 wird kata¿keimai für die Partizipation am Tisch des Tempels anderer Götter verwendet. Wichtig ist die Differenzierung, dass grundsätzlich nicht die Partizipation am Mahl eines anderen Gottes zu Irritationen führt. Irritationen entstehen vielmehr durch die Konsequenzen, die diese Teilnahme zwischen den Brüdern auslösen könnte. Kata¿keimai ist folglich auch Ausdruck von Partizipation - für die Christusgläubigen allerdings nicht die richtige, da 112 Es ist nicht notwendig in V10, ebenso wenig wie in den Versen 8 und 9, die Mahnungen auf Schwache zu beziehen, die ihr Gewissen kontinuierlich unterschätzen (vgl. S CHRAGE 1995, 261.262.265). Hier geht es nicht um Schwache, die sich verleiten lassen, sondern um Starke, welche die Brüder mit ihrem Verhalten gefährden. Auch in V7 geht es nicht um das Verleiten der „Schwachen“, sondern um die Überschätzung der „Starken“. 113 S CHRAGE 1995, 262f. 114 S TEIN 2008, 102. Paulinischer Kontext 278 die Partizipation am Tisch des anderen Gottes die Partizipation aller am kuriako\n dei pnon stören kann. Dass es sich beim Verzehr von Opferfleisch anderer Götter, das entweder zu einer Befleckung des eigenen Gewissens oder zum Anstoß des Bruders führen kann, nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern um eine ernstzunehmende Schwierigkeit innerhalb der Gemeinschaft handelt, 115 macht V11 sehr eindrücklich klar. Es führt zum Sterben des Schwachen, für den Christus gestorben ist. Adelfo/ ß ist erkennbares Thema der Verse 11-13, da es vier Mal in wiederholendem Charakter vorkommt. 116 Zuerst wird der Bruder als einer beschrieben, für den Christus gestorben ist. Dieser Berührungspunkt zwischen Christus und dem Bruder wird noch gesteigert, denn nicht nur Christus ist für ihn gestorben, sondern es ist darüber hinaus auch eine Sünde gegen Christus, wenn man den Bruder schwächt (V12). Es ist die einzige Stelle, an der Paulus über die Sünde gegenüber Christus spricht - und es ist sehr überzeugend, dass Paulus diese Formulierung so wählt, weil sich die Gemeinschaft als Leib Christi empfindet. 117 Paulus beendet diesen Abschnitt mit der hyperbolischen Formulierung, dass er selbst den Fleischgenuss für seinen Bruder aufgeben würde, damit er seinem Bruder kein Ärgernis wäre (V13). 118 Paulus hat mit den Versen 7-13 eine eindeutige Position für die bewusste Verantwortung gegenüber sich selbst und den Brüdern eingenommen. Er argumentiert als einer der Starken, die abgesehen davon, dass sie beim Fleischgenuss kein schlechtes Gewissen bekommen, für den Schutz des Bruders auf das Essen von Fleisch verzichten würden. Er zählt sich nicht zu denen aus V7, welche die Transformation zum Leib Christi noch nicht komplett vollzogen haben - und auch nicht zu denen, die vom Fleischessen der Brüder irritiert werden. Zusammenfassend formuliert Stein richtig, dass Paulus in 1Kor 8,1-13 eine „Einheit der Gemeinde nach innen“ 119 einfordert, die sich im kuriako\n dei pnon ausdrücken wird. Doch bevor Paulus in 1Kor 11 die Bedingungen des kuriako\n dei pnon darlegt, beschreibt er seine Sicht auf die Mahlgemeinschaften anderer religiöser Gemeinschaften in Kapitel 10. b) 1Kor 9 Die Verse 3-4.7.13 des neunten Kapitels bilden in der Diskussion über den Umgang mit Opferfleisch anderer Götter und deren Dienst den Übergang zu Kapitel 10. Das Essen wird in anderen sozialen Zusammenhängen (Verteidigungsrede, Umgang mit eigenem Besitz und Tempeldienst) exempla- 115 S TEIN 2008, 104. 116 H ORRELL 1997, 90 zitiert O'C ONNOR 1978, 266, der dies als „calculated repetition“ bezeichnet. 117 O'C ONNOR 1978, 563-565. 118 H ORRELL 1997, 90. 119 S TEIN 2008, 104. Römerbrief und 1. Korintherbrief 279 risch aufgenommen und fügt sich in den größeren Kontext der Rede über das Recht auf das Apostelamt und den Lebensunterhalt ein. Paulus führt seine persönliche Rede aus 1Kor 8,13 in Kapitel 9 fort und beschreibt sich als exemplum für die Gemeinschaft. Im Vordergrund steht, dass sein Beispiel den Korinthern als Vorbild dienen soll, um Christus zu imitieren (vgl. 1Kor 4,16; 1Kor 11,1). 120 Doch ehe Paulus durch die ausführliche Beschreibung seiner Rolle in Kapitel 11 auf Christus zu sprechen kommt, beschreibt er seine eigene Position als Apostel. Er ist derjenige, der sich vor einem menschlichen Forum rechtfertigen muss. Die Rechtfertigung ist durch die Exemplifizierung und die rhetorischen Fragen allerdings keine, die zurückblickt, sondern eine, die sich gezielt auf die imitatio Christi richtet, die als ritualisierte Praxis weit über die Verteidigung seiner eigenen Person hinausgeht. 121 In der folgenden Betrachtung wird die Einbettung der Verse 3.4.7 in die Frage nach dem rechten Umgang mit anderen Mahlgemeinschaften diskutiert und dargestellt, dass die imitatio Christi ein selbstbestimmtes Verhalten der Mahlteilnehmer voraussetzt. V3.4 lassen keinen Zweifel daran, dass Paulus ’ Apostelamt aus der Gemeinschaft selbst kritisiert wurde. 122 Der Inhalt der Kritik wurde von Exegeten häufig in Vers 4 hineingelesen. So wurde angenommen, dass sich das Essen speziell auf Opferfleisch anderer Götter bezieht (Strobel) oder dass Essen und Trinken in Opposition zum Fasten oder zu den jüdischen Speisevorschriften stehen. 123 Dass das Essen und das Trinken nicht gegen den Zusammenhalt der Gemeinschaft gerichtet sein sollen, ist zweifelsohne eine richtige Interpretation, doch wird dabei die Argumentation der vorherigen Verse unterschätzt. V4 ist ebenso wie 1Kor 8,1-13 aus der Sicht der Starken geschrieben, die sich für den Anstoß, den sie bei den schwachen Brüdern hervorrufen, rechtfertigen müssen. Sie haben das Recht zu essen und zu trinken, doch nur, wenn sie im Rahmen des kuriako\n dei pnon den anderen Bruder nicht gefährden. Dafür hat sich Paulus in Kapitel 8 eingesetzt und dies wird er im Kapitel 11 konkretisieren. Laut Schrage ist 1Kor 9,7 nur der Anfang einer Kette an Beweisgründen für das Recht auf Lebensunterhalt. 124 Mit Beispielen aus dem täglichen Leben von Soldaten, Weinbauern und Hirten verortet Paulus seine Argumentation im kulturellen Umfeld einer pluralen Gesellschaft. Das bedeutet nicht, dass Soldaten, Weinbauern und Hirten zwangsläufig Mitglieder der Gemeinschaft waren, zeigt aber in jedem Fall, dass der Umgang mit eigenem Besitz für die Gemeinschaft ein relevantes Thema war. Paulus vermittelt seinen Lesern immer, dass sie eine relevante Verantwortung für die Praxis ihres sowie seines Lebensunterhalts tragen, um an der imitatio Christi zu partizipieren. Ehe Paulus aber auf die rechte imitatio eingeht, zieht er 120 So auch S CHRAGE 1995, 280. 121 Vgl. S CHRAGE 1995, 281. 122 S CHRAGE 1995, 290 Anm. 70. 123 S CHRAGE 1995, 291. 124 S CHRAGE 1995, 295. Paulinischer Kontext 280 deutliche Grenzen zur Partizipation am Gottesdienst für andere Götter, wenn sie auf Kosten der Gemeinschaft geht. 1Kor 9,13 gilt in diesem Sinne als Grundlage seiner Argumentation, da hier „aus dem Tempel essen“ mit „Anteil am Altar“ haben parallelisiert wird. Die Nachahmung des parallelismus membrorum schließt eine synonyme Bedeutung von Tempel- und Altardienst nicht aus. Doch an dieser Stelle ist es unwahrscheinlich, dass dies die vorherrschende Aussage der paulinischen Rhetorik ist. Vielmehr wird über die Selbstverständlichkeit vom Essen im Tempel und vom Anteil am Altar verdeutlicht, dass mit der Partizipation am Tempel oder am Altar Identifikation stattfindet. So blickt das erste Glied auf das Tempelpersonal und das zweite auf die Priester, die durch ihre Handlung an dem Geschehen im Tempel bzw. am Altar partizipieren. Obgleich qusiasth/ rion im NT und in der Septuaginta ausschließlich vom Heiligtum in Jerusalem spricht, 125 gilt die Anteilnahme, also die Identifikation durch die Partizipation, für die jüdischen wie auch die griechisch-römischen Tempel. Paulus wird diese Argumentation in 1Kor 10,13 wieder aufnehmen, doch vorerst widmet er sich der Warnung vor dem Gottesdienst für andere Götter. c) 1Kor 10 Auch 1Kor 10,7 ist Teil der beispielhaften Paränese, die Paulus im 9. Kapitel angefangen hat. In 1Kor 10,1-13 warnt Paulus vor dem Gottesdienst für andere Götter, Unzucht, Murren und der Treulosigkeit gegenüber Gott wegen Versuchungen. Es ist hier, wie auch an den anderen Beispielen aus Kapitel 9, wichtig aufzuzeigen, dass Paulus nicht über Sakramente, den Alltag von Soldaten, Weinbauern oder Hirten spricht. Vielmehr bleiben diese Beispiele Illustrationen, um die Gemeinschaft zu Selbstdisziplin und rechtschaffenem Verhalten gegenüber dem Bruder und Gott aufzufordern. 126 1Kor 10,7 ist die erste von vier Warnungen in 1Kor 10,1-13. Die Warnung, Diener eines anderen Gottes zu werden, schmückt Paulus mit dem Zitat Ex 32,6 aus der Septuaginta aus, wobei er nur den Aorist pei n zu piei n verändert. Paulus zieht folglich Analogien zum Opfermahl für das Goldene Kalb, das mit Tänzen, denen kultisch-orgiastische Ausmaße zugesprochen werden, endete. 127 V7 ist nicht nur der Auftakt zu den weiteren Warnungen, sondern leitet gleichzeitig auch die Diskussion über die Teilnahme am Gottesdienst für andere Götter ein, wie sie bereits in 1Kor 8,10 angedeutet wurde. Während in 1Kor 8,10 noch kein Urteil über die Teilnahme an Mahlgemeinschaften in einem anderen Tempel vorgenommen wurde, ist Paulus in 1Kor 10,7 entschieden gegen den Gottesdienst für andere Götter. Zum Verhältnis der Integrität der beiden Aussagen wurden 125 S CHRAGE 1995, 307. 126 Vgl. S CHRAGE 1995, 381f. 127 S CHRAGE 1995, 398. Römerbrief und 1. Korintherbrief 281 bisweilen sehr unterschiedliche Meinungen geäußert. So spricht sich Johannes Weiß beispielsweise dafür aus, dass Paulus in 1Kor 10,23f (1Kor 10,7 wird bereits mit einbezogen) sehr viel rigoroser den völligen Bruch mit den Lebensgewohnheiten der Menschen aus den Nationen einfordert. 128 Es ist wahrscheinlicher, dass es in dieser Diskussion nicht um einen mehr oder weniger starken Rigorismus geht, sondern, wie Schrage es ausführt, um die Warnung vor dem Mitfeiern bei anderen Kulten. 129 Ob die Korinther am Opfer anderer Götter oder „nur“ an den Mahlfeiern im Tempel der anderen Götter teilnahmen, ist anhand der Schilderungen nicht zu klären. Es sollte in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, dass diese beiden Handlungen vielerorts nicht voneinander zu trennen waren, da Menschen bereits mit dem Kauf von Fleisch mit Opferhandlungen verbunden waren. Wie viel mehr waren folglich Mahlgemeinschaften in Tempeln anderer Götter mit Opferhandlungen verbunden? ! In diesen Fragen ist ein Vorankommen schwierig, da Paulus widersprüchliche Aussagen macht. Auf der einen Seite erlaubt er den Starken das Essen von Opferfleisch anderer Götter, wenn sie ihre Brüder damit nicht gefährden, und geht davon aus, dass Christusgläubige in Tempeln anderer Götter zu Tisch lagen; auf der anderen Seite verurteilt er den Gottesdienst für andere Götter scharf. Es ist hilfreich, bei der Interpretation zu berücksichtigen, dass für Paulus dort der Gottesdienst für andere Götter anfängt, wo ein Bruder davon gefährdet bzw. sein Gewissen betrübt wird. Dies ist eine Annahme, die der variablen Grenze zwischen dem Fleischesser, ob zu Hause oder im Tempel, und dem Diener eines anderen Gottes entspricht, da die Beurteilung immer von der Gemeinschaft abhängig ist. Die Gemeinschaft, die darüber urteilt, wird in 1Kor 10,14-22 von Paulus gezielt angesprochen. In 1Kor 10,14-22 fließen viele Inhalte zusammen, die in den vorherigen Abschnitten diskutiert wurden. Es werden von Paulus aber auch Themen angesprochen, die erst in den folgenden Abschnitten voll entfaltet werden. Inhalte, die dem Leser/ Hörer bereits bekannt sind, sind die Bezugnahmen auf den Tempel und den Altar (1Kor 8,10.13; 9,13; 10,18), auf das Opferfleisch anderer Götter (1Kor 8,1.4.7.10; 10,19) und auf Idolatrie und andere Götter (1Kor 10,14; 8,4.7; 10,19). Darüber hinaus fasst Paulus seine Warnungen über die Rücksichtnahme auf den anderen Bruder mit seinen Aussagen über die Gemeinschaft in V16 zusammen. Dort, wo Paulus in Kapitel 8 (1Kor 8,11.12.13) vom Bruder spricht, spricht er in V16 von der koinwni÷a. Schrage deutet an, dass die koinwni÷a und die Reihenfolge Kelch-Brot, statt Brot-Kelch, eine ekklesiologische Zielrichtung hat. In jedem Fall ist Schrage darin zuzustimmen, dass die Verse 16f keine Belehrung über das Herrenmahl, sondern über die Unvereinbarkeit mit der Teilnahme am Mahl anderer Götter ausdrücken. 130 Doch es bleibt zu bezweifeln, dass hier eine kirch- 128 S CHRAGE 1995, 382 Anm. 1. 129 S CHRAGE 1995, 382 Anm. 1. 130 S CHRAGE 1995, 431. Paulinischer Kontext 282 liche Interpretation die andere ablösen muss. Stattdessen beschreibt das Gemeindeverständnis, das sich sicherlich von den Aussagen über den Bruder von V16 zu V17 steigert, einen religiösen Ritus, der sich gegen den Dienst an fremden Göttern abgrenzt. 131 In Kapitel 11 wird Paulus diesen Ritus kuriako\n dei pnon nennen, die Reihenfolge Kelch-Brot umkehren und ihn gegenüber „eigenen“ Riten verteidigen, doch hier, in Kapitel 10, dient der Bezug auf die Gemeinschaft und auf Christus auch der Abgrenzung gegenüber dem Dienst an fremden Göttern. 1Kor 10,14 dient als Überschrift für die folgenden Verse und könnte nicht eindeutiger sagen, was in V7 bereits angesprochen wurde. Stilistisch hat V14 eine doppelte Funktion als Schlusswarnung und als Eingangsparänese. 132 Flucht vor dem Dienst an fremden Göttern ist eine sehr starke Formulierung, die so nur noch in Mt 10,23 verwendet wird und auf die tatsächliche Flucht bei Verfolgung anspricht. Flucht ist in dieser Hinsicht mehr als verweigerte Anerkennung oder Akzeptanz - sie schließt ein, den eigenen Standpunkt zu verändern. In V15 wird abermals deutlich, welche Zielgruppe Paulus vor Augen hat. Es sind seine „Geliebten“, diejenigen, die sich nicht selbst für klug halten (Röm 11,25; 12,16), sondern stattdessen „klug in Christus“ sind (1Kor 4,10). Damit gelingt Paulus ein hervorragender Bogen zwischen seiner Wertschätzung der gnw siß, die in der Liebe verankert ist (1Kor 8,1- 11), seiner Partei für die Starken und seinen impliziten Hörern. Sie sind mit Paulus die Starken, diejenigen, die über Wissen verfügen und sich von denen, die Paulus kritisieren (1Kor 9,3), darin und in ihren Handlungen unterscheiden. 1Kor 10,16 bildet das Kernstück des Abschnitts und regte Exegeten zu den vielfältigsten Interpretationen an. Auffallend ist, dass sich spätestens mit diesem Vers die Aufmerksamkeit auf das Mahl richtet; vielerorts allerdings nicht auf das historische Gemeinschaftsmahl (kuriako\n dei pnon). Unabhängig von dieser Auslegungstradition kann der Vers vor dem Hintergrund der vorangehenden Verse und innerhalb des hellenistischen Rituals der Mahlgemeinschaft gelesen werden. Der Kelch, der so nur noch bei Lk vor dem Brot erwähnt wird, wird in diesem Vers „Kelch des Segens“ genannt. Diese Genitivkonstruktion ist wie viele Ausdrücke, die Paulus für die Beschreibung des kuriako\n dei pnon zusammensetzt, ein Hapaxlegomenon. Doch so einfach lassen sich die Analogien zu Kapitel 11 noch nicht feststellen. Ritualtheoretisch wurde bereits betont, dass in 1Kor 10,16 vor allem die Gemeinschaft betont wird, die sich mit einer Segenshandlung des Kelchs zusammenfindet. Poth/ rion wird medial wie a‡rtoß zu einem Ob- 131 T AUSSIG 2009, 92 schreibt zu koinwni÷a als ethische Kategorie der Mahlgemeinschaft: „The koinonia roots of the ‚body of Christ‘ imagery are striking. I Corinthians is the earliest existing literary reference to the body of Christ, and in I Corinthians Paul explicitly interpreted this body of Christ imagery in direct relation to both the meal and to communal belonging (at the meal).“ 132 S CHRAGE 1995, 435 Anm. 312. Römerbrief und 1. Korintherbrief 283 jekt der Segenshandlung. 133 Schrage beobachtet damit sehr richtig, dass die Betonung des Verses nicht auf dem Kelch oder auf dem Brot liegt, sondern auf der Gemeinschaft, die Gemeinschaft des Blutes und des Leibes Christi ist. Durch das Essen und das Trinken werden die Christusgläubigen Teil der Gemeinschaft des Blutes und des Leibes Christi - das bedeutet, dass sie an Christus partizipieren. Ritualtheoretisch, aber auch in dieser kontextuellen Betrachtung, wird deutlich, dass Paulus die Gemeinschaft mit Christus als aus Partizipierenden bestehend beschreibt. Sie konstituieren sich gemeinsam als Leib Christi und werden daher nicht am Gottesdienst für andere Götter teilnehmen können. 1Kor 10,16 wurde als Teil des hellenistischen Rituals beschrieben, da mit dieser alltäglichen Handlung der Gemeinschaft die Identität als Leib Christi verstanden werden konnte. In diesem Sinne etabliert Paulus eine Heterotopie, die sich in der Identität der Mahlteilnehmer als Leib Christi manifestiert. Während Paulus in den vorangehenden Kapiteln die Gemeinschaft untereinander betont, geht dieser Vers über die gemeinschaftlichen Handlungen von Essen und Trinken hinaus. In dieser Konsequenz geht er auch über die Frage nach der tatsächlichen Aufnahme von Blut hinaus, denn hier wird weder von einem Juden verlangt, Blut zu sich zu nehmen, noch wird erwartet, das Fleisch Christi zu verspeisen. 134 Vor dem Hintergrund der Warnungen zum Dienst an anderen Göttern ist es auch nicht notwendig, bereits an dieser Stelle über die Durchführung der Realisierung zu spekulieren, denn hier wird der Bezug zu Christus hergestellt, um die Bezüge zu dem Dienst an anderen Göttern zu unterbinden. Paulus macht mit V16 deutlich, dass bereits der Wein und das Brot im rituellen Vollzug der Mahlgemeinschaft Zeichen der Partizipation an Christus sind - wie kann jemand, der bereits in Christus ist, noch Diener anderer Götter sein? Dies ist ebenso unmöglich wie die Anerkennung des Opferfleisches anderer Götter. Es ist davon abzusehen, hier eine sakramentale Handlung in ekklesiologischen Bezügen zu deuten, da es um die Bestätigung einer rituellen Handlung geht, die sich in erster Linie auf die Abgrenzung zum Dienst an anderen Göttern richtet. Die koinwni÷a besteht aus den Brüdern, die durch das Essen und Trinken die Gemeinschaft des Blutes und des Leibes Christi bilden und somit an ihm und nicht an anderen Göttern partizipieren. Die Einheit, die mit Vers 17 beschrieben wird, wird in vielen Kommentaren als die Einheit der Kirche verstanden. Die Analogien zwischen der Taufe, welche die Glaubenden in den Leib Christi eingliedert, und dem kuriako\n dei pnon, das durch die sakramentale koinwni÷a die Christusgläubigen mit dem Leib Christi und untereinander verbindet, ist schnell gemacht. Ohne die dogmatischen Legitimierungen an dieser Stelle vorzutragen, sollte stattdessen betont werden, dass koinwni÷a, i˙sonomi÷a bzw. fili÷a und ca¿riß soziale Werte der Mahlgemeinschaft bezeichnen. Es sind 133 S CHRAGE 1995, 436. 134 S CHRAGE 1995, 438. Paulinischer Kontext 284 daher weniger theologische Begriffe, die hier abgebildet werden, als soziale Verantwortlichkeiten innerhalb der Mahlgemeinschaft. V17 bestätigt in diesem Sinne die soziale Verbundenheit der Mahlteilnehmer untereinander und kann als Bestätigung von V16 gelesen werden. 135 Ritualtheoretisch wurde schon festgehalten, dass 1Kor 10,16 die Teilnahme an Christus ausdrückt, indem Kelch und Brot die Gemeinschaft des Blutes bzw. des Leibes Christi darstellen, und dass Paulus aus 1Kor 10,17 folgert, dass die Einheit der Gemeinschaft über die Gemeinschaft mit dem einen Brot hergestellt wird. In diesem Zusammenhang konnte gezeigt werden, wie sich die existente Bedeutung von sw ma medial in der Leiblichkeit der Gemeinschaft realisiert. Den Realitätsgewinn in der Jenseitigkeit der Kirche zu sehen (Bultmann), ist nur ein Versuch, mit der Leiblichkeit der Gemeinschaft umzugehen. Es ist aus den sozialen Bedingungen der koinwni÷a sicherlich von Vorteil, keine eindeutig eschatologischen oder eindeutlich ekklesiologischen Deutungen vorzunehmen. Vielmehr kann sich diese soziale Einheit als Realität konkreter Weltherrschaft Christi (Käsemann) ausdrücken, wobei auch an dieser Stelle auf den lokalen Stellenwert der sozialen Einheit Bezug genommen werden sollte. Soziale Einheiten repräsentieren als Mahlgemeinschaften sowohl gesellschaftliche Kritik am Imperium als auch an gesellschaftlichen Einheiten anderer sozialer Art, wie beispielsweise an den Ordnungen innerhalb von Haushalten. Von daher bildet 1Kor 10,17 einen Aspekt der heterotopen Gemeinschaft aus, die nicht in eschatologischen, sondern in präsenten Kategorien das Reich Gottes repräsentiert. 136 Bei den sozialen Kategorien dieser Einheit zu bleiben, bestätigt sich bereits im nächsten Vers, der oft zur Gegenüberstellung zwischen der Kirche und dem geschichtlichen Israel verwendet wird. 137 „Israel nach dem Fleisch“ bezieht sich auf soziale und religiöse Gemeinschaften, die sich dem Dienst an anderen Göttern zugewandt haben, wie es in den Versen 6- 10 beschrieben wird. 138 Wichtig ist darüber hinaus Schrages Hinweis, dass Paulus nicht den religiös legitimierten Opferkult kritisiert, sondern den für andere Götter, der (vgl. V7) sowohl im jüdischen als auch im paganen Kult zur Gefährdung der sozialen Einheit werden kann. 139 Ein anderer Gott verliert in einer Gemeinschaft, die nicht nur dem Leib Christi gleicht, sondern der Leib Christi ist, seinen Realitätsbezug und somit seine Wirkung auf den Einzelnen und die Gruppe. Dass ein anderer Gott bzw. sein Bild nicht relevant ist, ist die logische Konsequenz aus V18, 135 G ODET 1883, 57. 136 C LERICI 1966, 94 interpretiert Did 9,4 im Zusammenhang mit 1Kor 10,17. Nach Clerici deutet das Brot in Did auf die Einheit der verstreuten Gottesgemeinde am Ende der Tage. 1Kor 10,17 bildet die Grundlage für die Deutung des Brotes als Einheit der Mahlteilnehmer, die eine gegenwärtige und mystische Einheit der Gläubigen in Christus darstellt. 137 S CHRAGE 1995, 442 Anm. 362. 138 S CHRAGE 1995, 443. 139 S CHRAGE 1995, 443. Römerbrief und 1. Korintherbrief 285 die in V19 ausgedrückt wird. In 1Kor 10,18.20 wurde ritualtheoretisch vor allem die Differenzierung zwischen koinwni÷a und koinwno/ ß angeführt, da in den inhaltlichen Bezügen klar herausgestellt wurde, dass Paulus koinwnoi÷ bewusst der koinwni÷a gegenüberstellt, denn diejenigen, die Schlachtopfer essen und Gemeinschaft mit den Dämonen haben, haben Teil an Idolatrie - und Idolatrie steht der Partizipation am Leib Christi diametral gegenüber. Ritualtheoretisch bestätigte sich, dass das die Gegensätzlichkeit ist, die Paulus in 1Kor 10 ausdrückt, da die Partizipation am kuriako\n dei pnon die Teilhabe am Gottesdienst für andere Götter ausschließt. 1Kor 10,20 bekräftigt die verschiedenen Optionen, anderen Göttern zu dienen. Die Unterscheidung zwischen anderen Göttern und Dämonen wird in 1Kor 8,4f wieder aufgenommen, so dass die Warnung vor der Gemeinschaft mit Dämonen in V20b eindrücklicher nicht sein könnte. Der Gemeinschaft mit den Dämonen wird die Gemeinschaft mit Christus gegenübergestellt. Die Gemeinschaft mit den Dämonen wird ebenso verurteilt wie der Dienst an anderen Göttern oder das Verletzen des Bruders durch das eigene Verhalten. 1Kor 10,21 wiederholt die vorangegangenen Aussagen und exemplifiziert die Konsequenzen der Verbote am konkreten Handeln der Gemeinschaft. Zu bemerken ist, dass Paulus nicht den Einzelnen anspricht, der die Gemeinschaft gefährden könnte, sondern die Mahlgemeinschaft als eine Einheit. Ausgangspunkt ist das kuriako\n dei pnon, das diese Einheit bestimmt. In diesem Sinne zeigt Paulus mit seiner Kritik auch an, dass die Bindung an Dämonen, andere Götter und ebenso an Christus über die Mahlgemeinschaften eingegangen wird, in denen die Einzelnen mit ihren Brüdern eine soziale und religiöse Einheit bilden. Die Mahlteilnehmer werden folglich durch die communio mit den Dämonen, anderen Göttern oder Christus in deren Herrschaft einbezogen. 140 1Kor 10,22 ist ein weiterer Appell an die Starken, die Mahlgemeinschaften mit anderen Göttern nicht zu unterschätzen, da eine Teilnahme Christus zur Eifersucht reizen würde. Während den Starken wohl die Fähigkeit zugesprochen wird, vom Opferfleisch anderer Götter zu essen, hält Paulus es für unmöglich, eigene Stärke gegen ganze Mahlgemeinschaften aufzubringen, da die koinwni÷a die Bindung an die Herrschaft des Dämon oder des anderen Gottes unweigerlich verstärkt. Die Verse 14-22 haben einen weiteren Bezug der Christusgläubigen aufgezeigt. Zum einen verhandelt Paulus die kollektive Performanz der koinwni÷a im kuriako\n dei pnon und legt die Grenzen des Einzelnen als Teil der Gemeinschaft fest. Während der Einzelne ohne den Bezug zur koinwni÷a im kuriako\n dei pnon noch vom Opferfleisch anderer Götter essen konnte, wird ihm die Teilnahme am Opfermahl anderer Götter untersagt. Das deutet darauf hin, dass das gemeinsame Mahl für die Gemein- 140 S CHRAGE 1995, 447. Paulinischer Kontext 286 schaft in Bezug zur Gottheit von einer anderen Qualität ist als das Essen des Fleisches in anderen Zusammenhängen. Mit anderen Worten macht einen das Essen von Opferfleisch anderer Götter nicht zwangsläufig zum Diener anderer Götter - die Partizipation an der communio eines anderen Gottes oder Dämon allerdings schon. Zudem hat Paulus mit diesen Versen die Gemeinschaft deutlich von ihrer Umwelt abgegrenzt. Stein formuliert treffend, dass in „10,14-22 die fehlende Abgrenzung der Gemeinde nach außen auf dem Spiel [steht]. Sie äußert sich in der Verletzung der Exklusivität der Christusgemeinschaft gegenüber konkurrierenden kultischen Bindungen. In diesem Zusammenhang lehnt Paulus den Verzehr von Opferfleisch anderer Götter aus Gründen eines fehlenden Abgrenzungsverhaltens ab. Die exklusive Christusgemeinschaft, die sich in der Teilnahme an den Mählern der Gemeinde dokumentiert, erfordert eine radikale Abkehr von den kultischen Sitten und Gebräuchen der eigenen paganen Herkunftssozialisation.“ 141 Die folgenden Ausführungen werden zeigen, dass die Differenzierung zwischen dem Einzelnen, der sich in der Lage sieht, Opferfleisch anderer Götter zu kaufen und zu essen, und der Gemeinschaft, die keine andere religiöse Bindung eingehen soll, beibehalten wird. Für die Verse 23-25 gilt, was auch für den gesamten Schlussabschnitt (1Kor 10,23-31) gilt - Paulus geht zu den grundsätzlichen Aussagen von Kapitel 8-10,22 zurück. 142 Was die Mahlgemeinschaften betrifft, spricht er erneut das Gewissen an (1Kor 10,25-27; 8,7.10.12), kritisiert die Eigenmacht des Starken (1Kor 10,25ff; 8,1) und legt Wert auf die Erbauung (1Kor 10,23; 8,1). Anders als Schrage sehe ich, dass Paulus auch Bezüge zu 1Kor 10,23 aufnimmt, da mit seiner Betonung des Fleischkaufes deutlich wird, dass dies ein religiöser Zusammenhang ist, der, entgegen der Mahlgemeinschaften der anderen Götter oder Dämonen, nicht als Dienst an anderen Göttern aufgefasst werden kann. Paulus geht mit V23 und V25 auf gesellschaftliche Bedingungen ein, die es nicht erlaubten, zwischen religiösem und nichtreligiösem Umgang mit Fleisch zu unterscheiden. Es wird offenbar werden, dass die Entscheidung über den Dienst an anderen Göttern von der Teilhabe an einer kollektiven Identität abhängt, die im Gegensatz zum Tempel auf dem Fleischmarkt nicht gegeben ist. V23 spielt mit der Aussage von 1Kor 6,12, da hier der Fokus nicht auf dem Freien selbst, sondern auf seiner Eingebundenheit innerhalb der Gruppe liegt. Die Freiheit, die Paulus mit V23 beschreibt, ist eine Freiheit, die an der Erbauung der Gemeinschaft gemessen wird - und ist damit eine Freiheit, welche sich in der koinwni÷a zum Leib Christi realisiert. Schrage beschreibt, dass sie darüber hinaus eine Freiheit ist, die beim anderen ihre Grenzen hat, sofern sie seine Freiheit nicht fördert. 143 141 S TEIN 2008, 104. 142 S TEIN 2008, 460 bezieht sich nur auf die grundsätzlichen Aussagen von Kapitel 8. 143 S CHRAGE 1995, 463. Römerbrief und 1. Korintherbrief 287 Mit V24 folgt auf 1Kor 10,23 sogleich eine Handlungsanweisung, wie schon zwischen V20/ 21, 8,7a/ 7b, 8,8a/ b, 8,9/ 10, 8,12/ 13, 9,4/ 7. Besonders angesichts des Wunsches nach gesteigerter Selbstverfügung wird ersichtlich, warum Paulus auch in seinen resümierenden Versen gegen die Verwirklichung des Eigenen auf Kosten des anderen argumentiert. V25 scheint direkt auf V23 zu verweisen, denn dieser nimmt den Anspruch auf die Freiheit wieder auf. Da weder der Konsum noch der Erwerb von Fleisch ohne die religiösen Bezugnahmen verstanden werden können, lohnt es sich, über das ma¿kellon detaillierter nachzudenken. Dietrich-Alex Koch hat in seinem Aufsatz „Alles, was en makello verkauft wird, esst ...“: Die macella von Pompeji, Gerasa und Korinth und ihre Bedeutung für die Auslegung von 1 Kor 10,25 herausgearbeitet, dass die Präsenz des Kaiserkultes im ma¿kellon nicht zu unterschätzen ist. 144 Auch Schrage hält fest, dass eine Kapelle für den Kaiserkult in der rechteckigen Säulenhalle eingerichtet wurde. 145 Wie ersichtlich ist, kann auch dieser Fleischerwerb nicht vom Kult getrennt werden; er wird von Paulus aber nicht als Dienst an anderen Göttern verstanden, obwohl die Kapelle für den Kaiserkult eindeutig mit der Opferung für den Kaiser verbunden war. Dass Paulus diese soziale Praxis nicht als Dienst an anderen Göttern versteht, sondern das Kaufen aus dem ma¿kellon erlaubt, obwohl dort auch den anderen Göttern gedient wird, lässt sich nur mit den unterschiedlichen Bedingungen für die individuelle und kollektive Performanz erklären. Paulus’ Erlaubnis ist nur dann schlüssig, wenn man davon ausgeht, dass er dem Einzelnen im Kollektiv, also als Teilnehmer einer Mahlgemeinschaft, das Essen verbietet, da er dies als Dienst an anderen Göttern versteht, während er es dem Einzelnen außerhalb der Mahlgemeinschaft erlaubt. Zu Recht ist zu fragen, wann die Mahlgemeinschaft zu einer identitätsstiftenden Mahlgemeinschaft wurde; schließlich aß niemand das Fleisch alleine. In Anbetracht des Pluralismus ist auf diese Frage zu antworten, dass der Dienst an anderen Göttern dann nicht erlaubt wurde, wenn sich die Gemeinschaft zum kuriako\n dei pnon versammelte. Wenn Einzelne aus der Gemeinschaft der Christusgläubigen in einem anderen Tempel zu Tisch lagen, befanden sie sich folglich außerhalb der Gemeinschaft des kuriako\n dei pnon. Erneut kommt Paulus in 1Kor 10,27-28 auf die Gelegenheiten zu sprechen, bei denen ein Christusgläubiger bei „Ungläubigen“, also welchen, die nicht das kuriako\n dei pnon feierten, zum Essen eingeladen wurde. Es bleibt unklar, ob diese Einladung im Tempel (8,10) oder in einem Privathaus stattfand. 146 Es ist jedoch eindeutig, dass Paulus das Essen von Fleisch erlaubte - doch wieder nur unter der Bedingung, dass sich der Nächste nicht davon gestört fühlte. V27 macht deutlich, dass alles gegessen werden 144 K OCH 1999. 145 S CHRAGE 1995, 465. 146 S CHRAGE 1995, 468f. Paulinischer Kontext 288 konnte und dass es keine Frage des Gewissens war, darüber zu entscheiden. Paulus knüpft damit unmittelbar an V25 an, bezieht sich aber auch auf Röm 14,20 und 1Kor 8,12. Mit 1Kor 10,28 wiederholt Paulus die Diskussion von 1Kor 8, da er den Schutz des anderen vor den Fleischgenuss stellt. Durchaus eine Besonderheit in V28 ist der Ausdruck i˚ero/ qutoß, der nur an dieser Stelle im NT gebraucht wird. ÔIro/ qutoß drückt eindeutig die Herkunft des Fleisches aus dem Tempel aus, während ei˙dwlo/ qutoß auch Fleisch bezeichnen kann, das zwar aus dem Tempel kommt, aber auf dem Markt verkauft wird. 147 Wer in V28 sagt, dass es sich um Opferfleisch handelt, ist unklar. 148 1Kor 8-10 und der unmittelbare Kontext in V29 legen es nahe, dass es sich bei dieser Person um einen schwachen Bruder handelt, der entweder mit eingeladen ist oder den starken Bruder nachträglich auf die Herkunft des Fleisches aufmerksam macht. 149 Wieder einmal ist das eigene Essverhalten vom Gewissen des anderen abhängig, der nicht nur der Bruder, sondern in der koinwni÷a auch ein Teil des Leibes Christi ist. Ein nachdrücklicheres Schlusswort könnte Paulus den Kapiteln 8-10 nicht geben. Einerseits nimmt er die Diskussion über Essen und Trinken wieder auf, indem er die Optionen von Essen oder Trinken - oder alle Handlungsmöglichkeiten dazwischen - wieder aufführt, und andererseits greift er hier den entscheidenden Bezug zu Gott wieder auf. Die besondere Nähe zu Röm 15,7 und 1Kor 6,20 bestätigt, dass die Ehre Gottes durch den Leib, also in sozial-praktischen Vollzügen, aufrechterhalten werden soll. 5. Zusammenfassung 1Kor 8-10 Die exegetischen Interpretationen zu den Kapiteln 8-10 haben gezeigt, dass die Differenzierung zwischen dem Dienst an anderen Göttern und dem Essen von Opferfleisch anderer Götter sehr vielschichtig und höchstwahrscheinlich von der konkreten sozialen und kultischen Situation abhängig ist. Die zusammenfassende Frage lautet folglich, was für Paulus den Dienst an anderen Göttern zu Dienst an anderen Göttern machte, wenn das Essen von Fleisch, das immer religiös assoziiert war, grundsätzlich nicht verboten wurde. Schaut man sich erneut an, dass dem Starken das Essen von Opferfleisch anderer Götter erlaubt wird (1Kor 8,1), der Starke im Tempel anderer Götter zu Tisch liegen darf (1Kor 8,10), Essen und Trinken nicht eingeschränkt werden (1Kor 9,4; 10,31) sowie das Fleisch vom ma¿kellon gekauft werden soll, dann wird ersichtlich, dass diese Ermächtigungen für den Einzelnen gelten und dies nur mit dem Einvernehmen des Bruders. Besteht dieses Einvernehmen nicht zwischen den Brüdern, wird auch das 147 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, ei˙dwlo/ qutoß, 280. 148 S CHRAGE 1995, 469 geht auf die Möglichkeit ein, dass ein Heide (u.a. vertreten von Lietzmann, Bultmann), der Gastgeber (u. a. vertreten von Grotius, Semler) oder ein miteingeladener heidnischer Gast es in guter Absicht dem anwesenden Christen gesagt haben könnten. Besonders V32 legt diese Interpretation nahe. 149 S CHRAGE 1995, 469f geht von einem „Mitchristen“ aus. Römerbrief und 1. Korintherbrief 289 Essen von Opferfleisch anderer Götter verboten (1Kor 8,13; 10,28; vgl. auch 1Kor 5,9-13). Es handelt sich bei der Frage nach dem Essen oder Nicht- Essen dementsprechend nicht um ein kategorisches Nein des Apostels. Kategorisch wird seine Warnung vor dem Essen von Opferfleisch anderer Götter innerhalb einer anderen Mahlgemeinschaft (1Kor 10,7.21). Sich an den Tisch der Dämonen zu setzen, ist gleichbedeutend mit dem Eintritt in den Herrschaftsbereich des anderen Gottes. Die Wirkung der anderen Macht ist nach Paulus nicht vom Fleisch abhängig, sondern von der Gemeinschaft. Jemand, der sich in der koinwni÷a mit Christus befindet und ein Teil seines Leibes geworden ist, kann unmöglich in gleicher Weise an der koinwni÷a mit einem anderen Gott partizipieren. Mit anderen Worten kann während eines kuriako\n dei pnon nie Opferfleisch anderer Götter gegessen werden, während der Einzelne es im i¶dion dei pnon durchaus kann, solange er den schwachen Bruder nicht in Gefahr bringt. Es ist folglich bereits in 1Kor 8-10, im Hinblick auf Kapitel 11, hilfreich, zwischen dem i¶dion dei pnon und dem kuriako\n dei pnon zu unterscheiden. Auf die Frage, ob Opferfleisch anderer Götter in den Mahlgemeinschaften des kuriako\n dei pnon gegessen werden dürfe, sagt Paulus „Nein“. 150 Im i¶dion dei pnon ist es vom Gewissen des Bruders abhängig. 151 Neben der deutlichen Abgrenzung gegenüber dem Dienst an anderen Göttern bestimmt sich der Graubereich seiner Argumentation auf die unterschiedlichen Gegebenheiten beim i¶dion gegenüber dem kuriako\n dei pnon. Damit gewährt Paulus soziale Einheit im rituellen Vollzug der Mahlgemeinschaft. Nach innen schützt sich die Gemeinschaft vor Zerrüttung durch die Achtung des Gewissens und nach außen schützt sich die Gemeinschaft als Leib Christi vor dem Machtbereich anderer Götter oder Dämonen (der Kaiserkult ist von dieser Abgrenzung nicht ausgeschlossen). Fest steht in jedem Fall, dass Paulus auch in 1Kor 8-10 generell nicht wollte, dass Essen die Beziehungen in der Gemeinschaft gefährdet. 152 6. Vergleich zwischen Röm 14,1-15,7 und 1Kor 8-10 Das allgemeine Interesse von Röm 14,1-15,7 und 1Kor 8-10 bezüglich des Essens ähnelt sich auf den ersten Blick sehr. Paulus möchte die Einheit der Gemeinschaft nicht durch Auseinandersetzungen über Mahlgemeinschaf- 150 T AUSSIG 2009, 322 schreibt: „... [H]is vehement opposition to eating such meat only occurred in relationship to what he called ‘the Lord’s table’.“ 151 T AUSSIG 2009, 77 stellt dieselbe Frage, kommt aber auf unterschiedliche Zusammenhänge. Er sieht auch, dass Paulus sich in 10,14-21 gegen das Essen von Opferfleisch anderer Götter ausspricht. Für Taussig stehen die Aussagen in 10,31-33 allerdings für das Fleischessen, damit es den Gastgeber nicht verletzt, obwohl es die Gemeinschaft entzweien könnte. 10,23-30 ist auch bei ihm als Warnung verstanden, nicht gegen das Gewissen des Bruders Fleisch zu essen. Diese Interpretation Taussigs rührt daher, dass er den „anderen“ in V28 für den Gastgeber hält. 152 T AUSSIG 2009, 321 erweitert den Kreis der Angesprochenen auch auf diejenigen, die sich nicht zu den Christusgläubigen zählen. Paulinischer Kontext 290 ten riskieren. Die Starken sollen dabei auf die Schwachen Rücksicht nehmen und den Fleischgenuss zurückstellen, falls sie eine Belastung des Gewissens des anderen riskieren. 153 Dieser Vergleich wird auf die Parallelen der beiden Abschnitte eingehen, die in diesem „ritualtheoretischen“ Kommentar herausgearbeitet wurden, da sie auf den Aussagen über das kuriako\n dei pnon als sozial-historische Praxis einer Gemeinschaft beruhen. Dieser Vergleich wird auch eine Möglichkeit sein, die Unterschiede zu benennen und Gründe für Spannungen und Widersprüche auszumachen. Schon an dem synoptischen Vergleich erkennt man, dass die meisten Parallelen zwischen Röm 14,13-23 und 1Kor 8,7-13 dort bestehen, wo Paulus den Starken nur gewährt, Fleisch zu essen, wenn es den Bruder nicht gefährdet. Paulus stellt in diesen Abschnitten die Freiheit des Einzelnen nur innerhalb der Bezüge zur Gruppe dar und argumentiert seinerseits als einer der Starken 154 , ja mehr noch, er wählt die „überindividuelle Perspektive des stellvertretenden Sühnetodes Christi (1Kor 8,12; Röm 14,15) und der daraus sich ergebenden Verpflichtung zur christlichen Nächstenliebe (1Kor 8,1b; Röm 14,15)“. 155 Beide Abschnitte verdeutlichen, dass der Bezug zur Gemeinschaft soziale Realitäten dahin gehend verändern kann, dass das Essen von Opferfleisch anderer Götter gegenüber einem schwachen Bruder nicht möglich ist - und schon gar nicht während des kuriako\n dei pnon. Volker Gäckle nimmt zu Recht wahr, dass das Gewissen des anderen zur endgültigen Entscheidung über das Essen oder Nicht-Essen von Fleisch herangezogen wird und dass Paulus dies in diesem Sinne innerhalb seiner Liebesethik ausdrückt. 156 Vor dem Hintergrund der Mahlgemeinschaft als Sinnbild der sozial-ethischen Werte der koinwni÷a, i˙sonomi÷a bzw. fili÷a und ca¿riß sind auch die sozialen Hintergründe einer praktizierten Liebesethik deutlich zu erkennen. Obgleich Paulus in 1Kor 8-10 sehr viel präziser argumentiert als in Röm 14, wird in beiden Abschnitten offensichtlich, dass der Einzelne nur an dieser Ethik partizipieren kann, wenn er seine individuelle Freiheit den Bedingungen der Gemeinschaft unterstellt. Nur unter diesen Bedingungen kann die Gemeinschaft das kuriako\n dei pnon miteinander feiern, welches sich von anderen Mahlpraxen unterscheidet. Die Absenz von Konkretisierungen, wie wir sie in 1Kor 8-10 über Opfer, Dienst und das Wesen von anderen Göttern bzw. Dämonen finden, ist der größte Unterschied zwischen den beiden Abschnitten. 157 Wiederholt Paulus in Röm 14 nur die Essenz aus seinem Brief an die Korinther oder generalisiert er seine Aussagen? Obschon die Ausführungen im 1Kor sehr anschaulich sind, sollte nicht unterschätzt werden, dass sich Paulus im Röm viel ausführlicher über die Schwachen äußert. Nur im Röm spricht er die Schwachen direkt 153 S MIT 2007, 40. 154 Vgl. G ÄCKLE 2004, 442. 155 G ÄCKLE 2004, 441. 156 G ÄCKLE 2004, 442. Vgl. 1Kor 8,1.3 und Röm 14,15. 157 G ÄCKLE 2004, 442. Römerbrief und 1. Korintherbrief 291 an und schildert ihre vehemente Position für das Einhalten der Speisegebote. 158 Es sind daher deutliche Unterschiede im Ausdruck des Paulus zu beobachten, da die Charakterisierung der Schwachen im Röm dazu führt, dass sich Paulus zwar als einer der Starken positioniert, aber nicht deren Sprachgebrauch übernimmt. Gäckle bemerkt, dass Begriffe aus dem 1Kor wie gnw siß, e˙xousi÷a und e˙leuqeri÷a in den ausgewählten Abschnitten im Röm nicht aufgenommen werden. 159 Stattdessen bezieht sich Paulus auf die imitatio Christi, die den utopischen Charakter der Gemeinschaft betont. Dass sich die Gemeinschaft der anderen Mahlgemeinschaften durch ihre Nachfolge Christi unterscheidet, wird im Röm sehr viel deutlicher hervorgehoben als im 1Kor. Im 1Kor wird die Relevanz Christi lediglich für den Sühnetod genannt, der vor Fehlern am Bruder bewahren soll. Die Unterscheidung zu anderen Gemeinschaften wird im 1Kor nicht theologisch, sondern anhand von sozialen Bedingungen aufgeführt, so dass Paulus die Unterschiede zwischen dem i¶dion und dem kuriako\n dei pnon ausdrücken kann. Der Röm ist an diesem Punkt theoretischer und liest sich wie eine „theologische Visitenkarte“. 160 Doch abgesehen davon, dass die linguistischen Parallelen beeindruckend sind, 161 macht Paulus deutlich, dass individuelle Entscheidungen über das Essen das Verhalten der Gruppe beeinflussen und daher die Realisierung der Gemeinschaft als Leib Christi positiv oder negativ bestimmen. 7. Exegetische Interpretationen zu 1Kor 11,17-34 a) 1Kor 11,17-22 Bereits in V17 wird deutlich, dass das Zusammenkommen der Gemeinde als Leib Christi gefährdet ist. Wie bereits in der ritualtheoretischen Exegese herausgearbeitet wurde, verdeutlicht sune÷rcomai die aggregative Phase der rituellen Praxis. Obgleich die Aggregation der separativen und liminalen Phase folgt, wird in V17 ersichtlich, dass sie keineswegs stabiler ist als die anderen Phasen des Rituals. Im Gegensatz zu den vorangehenden Phasen bilden sich zwar Kennzeichen klar heraus, doch sind diese in ihrer Qualität durchaus variabel. Für 1Kor 11,17 gilt, dass sune÷rcomai als terminus technicus für die sich ausbildende gottesdienstliche Versammlung verstanden werden kann, wie es Schrage in seinem Kommentar beschreibt, denn es wird nicht in Frage gestellt, dass die Gemeinde sich trifft, doch es ist noch zu klären, wie sie sich trifft. 162 In diesem Sinne werden auch die Adjektive krei sson und h¢sswn als Beschreibung der Art und Weise des 158 G AGNON 1998, 681 Anm. 15. 159 G ÄCKLE 2004, 443. 160 G ÄCKLE 2004, 444. 161 Siehe G AGNON 1998, 681 Anm. 15. 162 S CHRAGE 1999, 18. Paulinischer Kontext 292 Zusammenkommens übersetzt. Selbstverständlich ist sune÷rcomai nicht auf gottesdienstähnliche Versammlungen festgelegt, doch die Nähe zu Philo, der damit die Zusammenkünfte der Therapeuten beschreibt, sowie zu den Essenern, zu Synagogengottesdiensten und zu Eusebius kennzeichnen den Bezug auf die Gemeinschaft. 163 In 1Kor 11,17 etabliert Paulus einen qualitativen Unterschied der sich treffenden Gemeinschaft, der in 1Kor 11,18.20.33.34 wieder aufgenommen wird, um einen Rahmen für die Beschreibung der Gefahr im Zusammenkommen zu bilden. Paulus Bemühen um die Qualität der Treffen zeigt sich darin, dass er nicht die Quantität der Treffen kritisiert, sondern das, was die Gemeinschaft nach innen verkörpert. Während V17 nur darauf hinweist, dass die Gemeinschaft zu ihrem Schaden zusammenkommt, bestätigen 1Kor 11,33 und 1Kor 11,34 die Ausführungen über das gemeinsame Essen, das der Gemeinschaft auch zum Gericht dienen kann. In V18 beginnt Paulus, die Konsequenzen der „schlechteren Weise des Zusammenkommens“ zu erläutern, während er erst an späterer Stelle auf die „bessere Weise des Zusammenkommens“, das kuriako\n dei pnon, eingeht. In 1Kor 11,18 wird sune÷rcomai als Partizip Präsens wieder aufgegriffen und mit e˙ne˙kklhsi÷aˆ auf die Teilnehmer der Mahlgemeinschaft bezogen. 164 Die personalen Bezüge, die Paulus mit sunercome÷nwn uJmw n und sci÷smata e˙n uJmi n macht, lassen darauf schließen, dass die beiden Teilsätze in einem konditionalen Zusammenhang stehen. Daher wird übersetzt: „Wenn ihr als Gemeinschaft zusammenkommt, (dann) sind Spaltungen unter euch“. Dies ist gerade im Hinblick auf V19 eine leicht zugängliche Übersetzung, da hier die Spannungen als Parteiungen ausgewiesen werden. V17 geht jedoch im Unterschied zu V18, in dem die Spannungen den Namen „Parteiungen“ tragen, nicht auf Details der problematischen Situation der Gemeinschaft ein. Wo sich diese sci÷smata ausdrücken und welcher Art sie sind, wird hier noch nicht erwähnt - lediglich, dass es Spannungen sind, welche die Gemeinschaft betreffen. Es ist an dieser Stelle wichtig, bewusst offen zu lassen, ob die Spannungen außerhalb oder innerhalb der Gemeinschaft entstehen. In jedem Fall wird mit V17 das Wissen von 1Kor 11,20.22 vorausgesetzt, nämlich, dass diese Spannungen in Form von sozial-ethischen Differenzen die Gemeinschaft gefährden. Der separative Begriff sci÷sma, der im klassischen griechischen Sprachgebrauch vor allem als „das Gespaltene“, „der Riss“ oder „der Spalt“ verstanden wird, kann auch in religiös-politischen Zusammenhängen gebraucht werden. So wird die Gemeinschaft des Zeus Hypsistos davor gewarnt, dass es bei Missachtung der politischen Machtverhältnisse zu Fraktionsbildungen, Spannungen und Trennungen kommen kann. 165 Sci÷sma kann wie das 163 S CHRAGE 1999, Anm. 386. 164 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, e˙kklhsi÷a, 303.3ba. 165 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, sci÷sma, 981.2; vgl. auch xxiv zu „aÓpocwre÷w = ‘fall away, desert’: Sb 7835 [I BC] the cult brotherhood of Zeus Hypsistos forbids its mem- Römerbrief und 1. Korintherbrief 293 Bestehlen und Belügen der Brüder, das untersagt ist, unter Strafe gestellt werden. 166 Auch die jüdischen und die neutestamentlichen Belege weisen darauf hin, dass es sich bei einem sci÷sma um mehr als soziale Differenzen handelt. Besonders in jüdischen Quellen ist belegt, dass es sich bei Spaltungen, die als t®qølSjAm (1Chr 27,6) bezeichnet werden, um Kompetenzfragen bezüglich der Grundentscheidungen des jüdischen Glaubens handelt. Persönliche Rechthaberei und Insubordination gefährden damit den inneren Zusammenhalt des Volkes. Im Neuen Testament finden sich diese Stimmen vor allem bei Johannes wieder, wo das Auftreten Jesu zu Spaltungen unter den Zuhörern führt, da sie sich über die Beurteilung seiner Herkunft (Joh 7,43), seiner Taten (Joh 9,16) und seiner Worte (Joh 10,19) nicht einig werden können. 167 V19 wird diese Spannungen in der Gemeinschaft als Parteiungen ausweisen und so versuchen, ihnen einen Sinngehalt zuzusprechen. Im 1Kor wird die Nähe der sci÷smata in V18 zu den ai˚re÷seiß in V19 besonders deutlich. Interpretiert man sci÷smata einzig als sozial-ethische Spannungen, dann liegt es fern, aiºresiß einzig als kultische Spannung anzusehen. 168 Selbstverständlich ist der Begriff aiºresiß noch nicht als Häresie bzw. Irrlehre zu verstehen wie in der späteren Theologiegeschichte. 169 Der Begriff aiºresiß steht im Zusammenhang sozial konnotierter Schwierigkeiten der Gemeinschaft und bezieht sich ebenfalls auf den sozialen Bereich des Lebens der Mahlteilnehmer. Da das soziale Handeln nicht vom religiösen Handeln zu trennen ist, liegt ein weiterer Bedeutungszusammenhang von aiºresiß in kultischen Bereichen und bezeichnet Gegensätze des religiös-sozialen Verstehens bzw. Praktizierens. 170 In diesem Sinne stehen die beiden separativen Begriffe sci÷smata und ai˚re÷seiß bei Paulus für Konfliktsituationen einer Gemeinschaft, in denen grundlegende Irrlehren den sozialen Zusammenhalt gefährden. Die Nähe zwischen sci÷sma und aiºresiß verdeutlicht die Nähe zwischen dem Sozialen und dem Kultischen in der Antike. Gerade im 1Kor 11,11f bezieht Paulus die Gefährdung der Gemeinschaft auf den Leib Christi, so dass nur in der Überwindung der sozialen und kultischen Spannungen der Einzelne in den Leib Christi eingebettet sein kann. Wenn gemeinsames Denken und Reden gefährdet ist (1Kor 1,10), ist auch das gemeinsame Zusammentreffen gefährdet (1Kor bers to desert the (monarchic) hJgou/ menoß, to whom they all owe obedience, and thus to cause sci÷smata.“ 166 M AURER 1964, 963. 167 M AURER 1964, 964f. 168 S CHRAGE 1999, 21. 169 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, aiºresiß, 28.1b notiert „Iren. 1, 11, 1 [Harv. I 98, 5]; Orig., C. Cels. 5, 54, 9.” 170 K LAUCK 1982, 289. Bei S CHLIER 1933, 182 werden ai˚re÷seiß im Gegensatz zu sci÷smata deutlich in ihrer Bedeutung gesteigert, da sie „das Fundament der Kirche“ berühren. Diese Aussage ist nur begründet, wenn man von einem starken Gegensatz zwischen den beiden Begriffen ausgeht und das „Fundament der Kirche“ vor allem als bereits existent und des Weiteren als gefährdet betrachtet. Paulinischer Kontext 294 11,18), so dass nicht nur der menschliche Leib (1Kor 12,25), sondern auch der Leib Christi gespalten ist. 171 Die eschatologische Notwendigkeit, die in V19 nicht nur mit dem dei , sondern vor allem mit dem Offenbarwerden der Rechtschaffenen ausgedrückt wird, überträgt sich auf die Zusammenhänge in V20 und die objektive Unmöglichkeit (oujk e¶stin [...] fagei n) des Herrenmahls unter den vorher geschilderten Umständen. 172 Zusätzlich wird in V20 der Gen. absolutus (sunercome÷nwn) aus V18 wiederholt, so dass der Text mit ou™n auf das eigentliche Thema zurückgreift. Es ist insbesondere die Ausweglosigkeit, die Paulus der Gemeinschaft an dieser Stelle vor Augen hält, da er ihr nicht zugesteht, gemeinsam im Namen des Herrn zu essen. Das dei pnon erlangt durch die Attribuierung mit kuriako/ ß nicht nur eine Besonderheit, weil es nicht des Menschen, sondern des Herrn ist, sondern auch, weil es sich damit auch gegenüber anderen religiösen Mählern innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft abgrenzt. Geht man davon aus, dass die sozialen Spannungen in der Gemeinschaft Ausdruck von Missachtungen der Zugehörigkeit am Leib Christi sind, dann spiegeln die Verse 21 und 22 eben dies wider. Aus dem kuriako\n dei pnon ist ein i¶dion dei pnon geworden. Doch was würde das kuriako\n dei pnon zu einem Mahl machen, das zum Herrn gehörig ist? Mithilfe der ritualtheoretischen Exegese konnte herausgearbeitet werden, dass Paulus in seinen Äußerungen über die Mahlgemeinschaft für das kuriako\n dei pnon Jesus als Symposiarchen einsetzt. Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil Jesus nicht der einzige Symposiarch für die Gemeinschaft ist. Ferner wurde gezeigt, dass wegen der wechselnden Rolle des Symposiarchen vorausgesetzt wird, dass bei einem nächsten Mahl ein anderes Mitglied der Gemeinschaft an Jesu Stelle die Rolle des Symposiarch einnehmen kann. Es wurde zusammenfassend deutlich, dass es sich beim kuriako\n dei pnon um eine alltägliche Praxis handelt, die durch die imitatio Christi sozial-ethisch und religiös konnotiert wird und die ein Gelingen nicht über theologische Konzepte anstrebt, sondern die Verantwortlichkeit für ein Gelingen an alltägliche Handlungen knüpft. Exegetisch soll nun herausgearbeitet werden, dass das Gelingen oder das Scheitern nicht an individuelle Qualitäten, sondern an die Interaktion der Gemeinschaft gebunden sind. Es ist an dieser Stelle sinnvoll, die Interaktion zwischen den Begriffen kuriako/ ß und dei pnon sowie i¶dion und dei pnon zu betrachten. Bei dieser Analyse soll vermieden werden, kuriako/ ß und i¶dion einzig über soziale Unterschiede voneinander zu differenzieren. Vielmehr sollen religiöse Differenzierungen angestrebt werden, die kuriako/ ß auf Jesus und i¶dion 171 M AURER 1964, 965. 172 A RNDT , D ANKER und B AUER 2000, ei˙mi÷ , 285.7: Zu oujk e¶stin [...] fagei n siehe auch: „Hom. et al.; UPZ 70, 23 [152/ 151 BC] oujk e¶sti aÓnaku/ yai me pw¿pote [...] uJpo\ thvß ai˙scu/ nhß; 4Makk 13,5; Weis 5,10; Sir 14,16; 18,6; EpJer 49 al.; EpArist 163; Jos., Ant. 2,335; Ath. 22,3 e¶stin ei˙pei n.“ Römerbrief und 1. Korintherbrief 295 auf einen anderen Gott beziehen. Dies soll ermöglichen, die Partizipation der Mahlteilnehmer am kuriako\n dei pnon entsprechend der sozialen, politischen und religiösen Verantwortung zu würdigen und sie nicht ausschließlich im i¶dion dei pnon negativ zu bewerten. In V21 wird der Leser erfahren, dass das i¶dion dei pnon mit sozialen Spannungen assoziiert ist, da das i¶dion dei pnon eine Körperlichkeit voraussetzt, welche die Einheit der Gemeinschaft beim Mahl gefährdet. Bei der Untersuchung vom Hapaxlegomenon kuriako\n dei pnon wird zu prüfen sein, wovon Paulus eine gelungene Performanz der Mahlteilnehmer abhängig macht. Wenn es sich tatsächlich so verhält, dass Paulus mit dem Essen bzw. dem Verlangen nach Essen soziale Spannungen in Verbindung bringt, dann ist erneut zu fragen, welche Alternativen Paulus den Christusgläubigen anbietet. Das Syntagma kuriako\n dei pnon fungiert als eine Metapher, die Paulus an dieser Stelle gemäß seines kulturellen Verständnisses von sozialreligiösen Ritualen etabliert. Der Bedeutungszusammenhang aus kuriako\n dei pnon ist nur in der Kombination dieser beiden Worte zu verstehen, da die Interaktion der beiden Begriffe in dieser besonderen Kombination einzigartig ist. Welche sprachlichen Besonderheiten von kuriako/ ß das Bedeutungsspektrum von dei pnon determinieren, wird im Folgenden diskutiert. Es ist davon auszugehen, dass kuriako/ ß das dei pnon näher bestimmt und sich so die Bedeutungszusammenhänge beider Begriffe aufeinander beziehen. Davon ausgehend können Einschränkungen im vielfältigen Bedeutungsspektrum beider Begriffe vorgenommen werden, um zu beschreiben, wie sich durch die Determinierung, die bei der Zusammenstellung von kuriako/ ß und dei pnon stattfindet, Sinnzusammenhänge anbieten bzw. ausschließen. 173 Ku/ rioß kann als Adjektiv Sachen oder Personen bezeichnen. Kuri÷a e˙kklhsi÷a ist die regelmäßig stattfindende Volksversammlung und touvt e¶stwkuri÷a steht für die Redewendung „dies soll gelten“. Personen werden ebenfalls als gewaltig, gebietend und bevollmächtigt verstanden. Jemand, der Herr über sich selbst ist, kann als aujto\ß aujtouv ku/ rioß w‡n bezeichnet werden, und im militärischen Sinn steht kuriw¿tatoß thvß duna¿mewß für den obersten Anführer. 174 Kuriako/ ß ist eine Form des Adjektivs ku/ rioß und befindet sich im selben Bedeutungsspektrum. Was die außerbiblischen Befunde betrifft, so beziehen sich Deissmann und William Hatch auf das Dekret des Präfekten von Ägypten Ti. Julius Alexander, der 68 n. Chr. mit „kuriako\n lo/ gon“ auf die kaiserliche Kasse aufmerksam machte. Hier zeigt sich deutlich eine Besonderheit gegenüber dem neutestamentlichen Sprachgebrauch. 175 Auch weitere Belege aus Inschriften und 173 Der Begriff der Metapher beruht auf der Metapherntheorie von Max Black. Der Primärgegenstand, der den Zuhörer dazu reizt, einige wenige Merkmale des Sekundärgegenstandes auszuwählen, ist in diesem Fall dei pnon. Der Sekundärgegenstand ist kuriako/ ß, welches sich von ku/ rioß ableitet. 174 G EMOLL 2006, 488. 175 D EISSMANN 1897, 44 und H ATCH 1908, 138. Paulinischer Kontext 296 Papyri zeigen, dass sich kuriako/ ß auf den Kaiser bezieht. 176 Bei Josephus und Philo wird der Stamm kuri* hauptsächlich zur Bildung von Verbalformen verwendet, bei Philo mit neun Belegen von kurieu/ w und bei Josephus mit sechs Belegen von kurieu/ w. Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass auch bei Josephus und Philo die Verbformen mit Herrschaftsverhältnissen gebraucht werden. Wie schon gezeigt, so ist die Kombination aus kuriako/ ß und dei pnon einzigartig, ein Hapaxlegomenon. Sie ist sogar derart einzigartig, dass Adolf Jülicher vermutete, es handle sich bei kuriako/ ß um eine neue Wortschöpfung des Paulus. 177 In der Tat sind die neutestamentlichen Belege für kuriako/ ß rar. Einzig in Apk 1,10 wird das Adjektiv noch gebraucht, und zwar in Verbindung mit hJme÷ra, so dass die Verknüpfung zwischen dem Mahl des Herrn und dem Tag des Herrn offensichtlich wird. 178 In diesem Sinne ist es nicht verwunderlich, wenn der christliche Terminus kuriakh/ als Bezeichnung für den Sonntag, analog zu kuriako\n dei pnon, gebildet wurde. 179 Die Suche nach Analogien scheint bei den geringen Textbelegen die einzige Hilfe zu sein, der sich die Exegeten bemächtigen konnten, denn auch Deissmann etabliert eine großzügige Analogie - in diesem Fall zur Kaiserzeit. Für ihn steht kuriako\n dei pnon in Verbindung mit sebasth/ , dem ersten Tag des Monats, der gleichzeitig der Kaisertag ist. Mit kuriako\n dei pnon wird für Deissmann die Verschiebung vom Kaiser zu Christus innerhalb des gesamten Sprachraumes von ku/ rioß evident. 180 Sicherlich bezieht Deissmann ein, dass kuriako/ ß außerbiblisch als „dem Herrn, dem Herrn eigen“ verstanden wurde, und weist mit der Analogie zum Kaiser darauf hin, dass im Sprachraum von ku/ rioß nicht nur ein dem Herrn zugesprochenes Mahl, sondern auch ein Mahl beschrieben wird, das dem Herrn eigen ist. Entscheidender als Analogiebildungen ist jedoch die evidente Bedeutungsvielfalt von ku/ rioß. Die Umschreibung „zum Herrn gehörig“ 181 ist im neutestamentlichen Gebrauch durchaus naheliegend, weil Paulus in 1Kor 11,20 direkt auf V23 (oJ ku/ rioß Ihsouvß) Bezug nimmt. „Herr“ steht in diesem Fall eindeutig für Jesus Christus, der als der Auferstandene neben Gott verehrt wird. Er sitzt zu seiner Rechten (Ps 110,1; vgl. Mk 12,36; Apg 2,34f; 1Kor 15,25) und partizipiert an göttlicher Macht. Der Stamm kuri* wird im Neuen Testament unterschiedlich verwendet. Während es über 700 Einträge zu der nominalen Verwendung von ku/ rioß gibt, finden sich nur insgesamt 22 anderweitige Belege, darunter 14 176 D EISSMANN 1897, 44f; siehe auch D EISSMANN 1923, 304. Deissmann macht auf die Verwendung während der Kaiserzeit aufmerksam - z.B. in „Herrnkasse = kaiserliche Kasse“ und „Herrndienst = kaiserlicher Dienst“. 177 J ÜLICHER 1894, 31. 178 Vgl. die parallelen Zusammenhänge in Röm 14. 179 H OLTZMANN 1895, 583. 180 D EISSMANN 1897, 45f. 181 B AUER 1988, 906. Römerbrief und 1. Korintherbrief 297 Verbalformen, sechs nominale Verwendungen der Verbalformen und zwei adjektivische Belege (kuriako/ ß im 1Kor und Apk). Am häufigsten wird also das Verb kurieu/ w verwendet, was mit „herrschen über“ oder „dominieren“ übersetzt werden kann. Es bietet sich auch die Ableitung vom Nomen ku/ rioß an, so dass „(be)herrschen“ und „stark sein“ relevant wird. Im Kontext des Römerbriefes wird deutlich, dass sich Formen des Stammes kuri* nicht nur auf Christus beziehen müssen. Während in Röm 6,9 der Tod herrscht, ist es in Röm 6,14 die Sünde und in Röm 7,1 das Gesetz. Nur in Röm 14,9 wird kurieu/ w auf Christus bezogen. Dieser neutestamentliche Befund steht dem außerbiblischen Kontext nicht diametral gegenüber, da sich dieser auf den kaiserlichen bzw. imperialen Sprachgebrauch bezieht. Diese Beschreibung des außerbiblischen und biblischen sprachlichen Kontextes soll verdeutlichen, dass der außerbiblische Gebrauch an dieser Stelle mit dem biblischen Kontext korrespondiert. Beide Kontexte weisen darauf hin, dass ku/ rioß Herrschaftsverhältnisse ausdrückt, die biblisch auf Christus bezogen werden können, aber ebenso weltliche Ordnungen und Hierarchien etablieren. Kuriako/ ß mag eine sprachliche Wendung des Apostels sein, die in den Bedeutungszusammenhang der außerbiblischen und biblischen Verwendung des Stammes kuri* fällt. Der Analyse nach korrespondieren in der sprachlichen Verknüpfung aus kuriako/ ß und dei pnon isomorphe Merkmale innerhalb der Bedeutungsspektren der beiden Begriffe miteinander. Spannend ist an dieser Stelle, dass sowohl in biblischen als auch außerbiblischen Quellen dei pnon viel häufiger vorkommt als kuriako/ ß. 182 Dei pnon ist ein Begriff, der in den Texten sehr häufig nähere Beschreibungen erfährt. Dei pnon wird durch narrative Bezüge, aber vor allem durch Präpositionen, Verbalkonstruktionen und Parallelisierungen in Bezug auf vergleichbare soziale Gegebenheiten beschrieben. Es ist als Hauptmahlzeit oder Gastmahl zu verstehen. 183 In welcher Weise hier gegessen wurde, lässt sich nur im jeweiligen Kontext klären. In jedem Fall werden im Neuen Testament sechs von 22 Belegen des Stammes deip* mit allgemeinen Verben verbunden. Diese Verben sind poie÷w (Mk 6,21, Lk 14,12.16, Joh 12,2), gi÷nomai (Joh 13,2), eJtoima¿zw (Lk 17,8), prolamba¿nw (1Kor 11,20) und ejsqi÷w (1Kor 11,20). In den übrigen Fällen dient der Stamm deip* als zeitliche Beschreibung, so in 1Kor 11,25 (meta» to\ deipnhvsai), oder mit einer Präposition als Anzeige sozialer Interaktion wie in Mt 23,6; Mk 12,39; Lk 20,46 und Joh 21,20 mit e˙n toi ß dei÷pnoiß. Nur in 1Kor 11,20 wird dei pnon ein Adjektiv vorangestellt. Kuriako\n dei pnon fagei n und to\ i¶dion dei pnon prolamba¿nei stellen also nicht nur bezüglich der näheren Beschreibung des Mahls, sondern auch bezüglich der Auswahl der Verben eine Besonderheit dar. 182 20 Mal deipne÷w oder dei pnon im NT, sechs Mal als Nomen bei Philo und 62 Mal als deipne÷w oder dei pnon bei Philo. 183 B AUER 1988, 344. Paulinischer Kontext 298 Doch zurück zur determinierenden Funktion von kuriako/ ß in Bezug auf dei pnon. Bei dei pnon handelt es sich grundsätzlich um ein sättigendes Mahl, dessen nähere Beschreibung im Kontext vorgenommen wird. Hier werden mit dei pnon zeitliche Abfolgen, soziale Zugehörigkeiten und andere besondere Umstände verknüpft. Ohne Frage ist das kuriako\n dei pnon eines, das dem Herrn eigen ist. Auch wird nicht bezweifelt, dass der Bezug zu Jesus an dieser Stelle eindeutig ist. Doch die Beantwortung der Frage, was dieses kuriako\n dei pnon tatsächlich darstellt, erschließt sich nur in der Kombination aus der Analogie zwischen ku/ rioß und Jesus und der metaphorischen Zusammenstellung aus ku/ rioß und dei pnon. Ein Mahl, in dem Jesus der Symposiarch ist und das durch kuriako/ ß näher bestimmt wird, wird zu einem Mahl, das (be)herrschend und stark ist. In einem zweiten Bezug können diese Attribute auf Jesus bezogen werden, da auch dieser als ku/ rioß Herr der neuen Gemeinde ist und durch den Gebrauch von ku/ rioß aus der Menschenwelt herausgehoben oder von ihr abgerückt wird. In erster Linie aber ist es das dei pnon, das einen neuen Charakter bekommt. Als (be)herrschendes, starkes und entscheidendes Mahl hat es die Fähigkeit, die Gegebenheiten in der Gemeinschaft der Glaubenden in Korinth zu verändern. Durch die Analogie zur Rolle des Symposiarchen ist es in der Lage, neue Bedingungen zu etablieren, die nicht zu beherrschen, schwach oder unwichtig sind. In diesem Sinne ist ernsthaft zu fragen, ob Paulus bei den vielfältigen Konflikten, die sich mit dem Essen in Korinth verbanden, davon ausging, dass diese schwachen Elemente der Gemeinschaft beim kuriako\n dei pnon mitbedacht werden sollten. Durch kuriako/ ß werden die Merkmale von dei pnon, einem alltäglichen oder festlichen Sättigungsmahl, der Selektion, Betonung, Unterdrückung und Ordnung unterzogen, so dass als einzige isomorphe Implikationszusammenhänge zwischen kuriako/ ß und dei pnon die beherrschenden, starken und entscheidenden Elemente verbleiben. Deutlich wurde, dass es sich nicht um eine körperliche Stärkung handeln kann 184 , denn diese ist mit Konflikten der Gemeinschaft verbunden - es handelt sich um eine kultische und soziale Stärkung, dadurch, dass das Mahl gleichzeitig von dem oder für den Herrn (Jesus) ist. Es liegt nahe, das kuriako\n dei pnon auch aus der Gegenüberstellung zu i¶dion dei pnon aus 1Kor 11,21 zu verstehen. Dieser Zusammenhang macht deutlich, dass aus dem Mahl, das des Herrn war, ein Mahl wurde, das den Menschen zu eigen ist. 185 Ebenso, wie kuriako/ ß die Grundbestimmungen des dei pnon beschreibt, das beherrschend und stark für die Gemeinschaft ist, zeigt i¶dion, dass das eigene, einem anderen Gott zugehörige Mahl den Bedürfnissen der Gemeinschaft als Leib Christi gegenübersteht. In diesem Vers verbinden sich viele Elemente, die darauf hinweisen, 184 Charakteristisch dafür, dass es Paulus beim kuriako\n dei pnon nicht um das Essen geht, ist zusätzlich, dass neben dem dei pnon auch das e˙sqi÷w verneint wird. 185 S CHRAGE 1999, 23. Römerbrief und 1. Korintherbrief 299 dass Paulus das Essen mit sozialen Konflikten assoziierte. Zur zeitlichen Bestimmung des Essens benutzt Paulus in V21 das Verb prolamba¿nw, welches in seiner Bedeutungsvielfalt für „etwas vor der üblichen Zeit tun, etwas vorwegnehmen“, für „sich vornehmen“ oder an dieser Stelle auch als „Einnehmen einer Mahlzeit“ verstanden werden kann. 186 Prolamba¿nw verbindet demnach die zeitliche mit der performativen Eigenschaft des Gemeinschaftsmahls, da das gemeinsame Essen an eine bestimmte Zeit und an einen bestimmten Ort gebunden ist. Unterstützt wird diese Mehrfachbedeutung darin, dass sich e˙ntwˆ fagei n auf ein anderes Essen bezieht. Forschungsgeschichtlich wurde mit prolamba¿nw eine Vorzeitigkeit impliziert, die das kuriako\n dei pnon nicht nur zeitlich, sondern auch performativ von den hellenistisch-jüdischen Gemeinschaftsmählern unterscheidet. 187 Diese Unterscheidung ist aufgrund der ritualgeschichtlichen Untersuchung hinfällig, denn diese gibt keinen Hinweis auf die Praxis eines ungleichzeitigen Mahlbeginns. 188 Genauer gesagt gibt es keinen Hinweis auf einen ungleichzeitigen Mahlbeginn, der eine neue religiöse Praxis implizieren könnte. Paulus, der mit der hellenistisch-jüdischen Mahlpraxis vertraut ist und dennoch zeitliche (1Kor 11,21) und räumliche Unterschiede (1Kor 11,22.34) markiert, unterscheidet folglich aus anderen Gründen zwischen den zwei Deipnon. Um die zeitliche und performative Qualität des prolamba¿nw sowie die Ortsverschiebung in die Häuser in die Interpretation zu integrieren, ist es sinnvoll, Paulus’ Ausgangslage zu berücksichtigen. Mit Sicherheit leistet das pagane Material die Grundlage für sein Verständnis vom Mahlverlauf, welcher vorsieht, dass das Mahl von einem Eingangsgebet zu Beginn und einer Libationshandlung sowie dem Symposium zum Abschluss gerahmt wird. Paulus setzt diese Abfolge voraus und bettet seine Argumentation darin ein. Für Paulus ist es wichtig, dass die Gemeinschaft aufeinander wartet und dass die Sättigung nicht im Vordergrund stehen darf. Das temporale prolamba¿nw und die Aufforderung zur räumlichen Trennung sind paulinische Ansprüche, die dem ritualgeschichtlichen Material bewusst zu widersprechen scheinen. Sie widersprechen der alltäglichen Praxis jedoch nicht, um eine neue religiös konnotierte rituelle Praxis zu etablieren, sondern um im Ausdruck übertreibend auf die Unzulänglichkeiten der Gemeinschaft hinzuweisen. Paulus’ Anspruch ist daher nur 186 B AUER 1988, 1404. 187 S CHRAGE 1999, 24 verortet es vor dem kuriako\n dei pnon. Er kommt zu der Reihenfolge: vorweggenommenes Privatmahl - Brotkommunion - Agape - Weinkommunion. So auch K OLLMANN 1990, S CHMELLER 1995. Das Vorausgehen der Sättigungsmahlzeit nehmen u.a. C ONZELMANN 1981 und K LAUCK 1982 an. Klinghardt bestreitet hingegen die Vorzeitigkeit, da es vor dem Hintergrund des paganen Materials keine Hinweise darauf gibt (K LINGHARDT 1996, 281.286f; so u.a. auch gegen: H OFIUS 1988, 383). 188 Siehe dazu ausführlich K LINGHARDT 1996, 281.286f; K LINGHARDT 2011, 51. Klinghardt übersetzt prolamba¿nw mit „(Speisen) einnehmen/ zu sich nehmen“. Paulinischer Kontext 300 im Sinn einer uJperbolh/ zu verstehen. In seiner Übertreibung postuliert Paulus sogar, dass, wenn während des kuriako\n dei pnon nicht gegessen wird, auch keine Konflikte zwischen den Mahlteilnehmern entstehen können. 189 Voraussetzung ist zusätzlich, dass sich das kuriako\n dei pnon zeitlich und räumlich von dem i¶dion dei pnon unterscheidet. Paulus versteht das i¶dion dei pnon als Problemanzeige der sozial-religiösen Situation der Gemeinschaft, denn bei anderen Göttern, wo Sättigung sein oder nicht sein kann, beherrschen die Gegensätze der Glaubenden das Bild. 190 Abgesehen von diesen Verschiebungen fordert Paulus keine performativen Veränderungen, sondern bezieht die Grundelemente des Mahls in seine Argumentation ein (1Kor 11,23-26). In diesem Sinn ist richtig, dass Paulus die Reihenfolge des Mahls nicht verändert haben will und doch die Debatte um das sättigende Essen als Gefahr für die Gemeinschaft betrachtet. Ohne gravierende performative Veränderungen in den rituellen Handlungen anzustreben und ohne eine neue religiöse Praxis zu begründen, bietet Paulus den Christusgläubigen Ausweichmöglichkeiten an - zeitliche und räumliche. Dies bestätigt, dass das Problem beim i¶dion dei pnon in der Aufhebung der Gemeinschaft als Leib Christi liegt und nicht in der Manifestation möglicher sozialer Unterschiede zwischen armen und reichen Mahlteilnehmern. 191 Ritualtheoretisch konnte herausgearbeitet werden, dass Paulus in 1Kor 11,22 die konkrete Beschreibung des kuriako\n dei pnon einleitet, wobei er im folgenden Vers Jesus als den ku/ rioß näher bestimmt und in diesem Sinne bestätigt, dass es sich beim kuriako\n dei pnon um das Gemeinschaftsmahl handelt, welches von Jesus als dem ku/ rioß geleitet wird. Der Symposiarch ist Jesus, der ku/ rioß, und nicht Jesus, der Cristo/ ß. Diese religiöse Konnotation bestätigt sich in der Beobachtung, dass Paulus die sozialen Konsequenzen des unterschiedlichen Essens nicht außer Acht lässt, ihnen aber keine heuristische Funktion für das Verständnis des kuriako\n dei pnon zuspricht. Die rhetorischen Fragen zeigen eindrücklich, dass soziale Unterschiede ausgedrückt werden können, sie aber dennoch nicht in einen Zusammenhang mit dem kuriako\n dei pnon gebracht werden sollen. Paulus verdeutlicht mit den rhetorischen Fragen bezüglich i¶dion und kuriako\n dei pnon hyperbolisch, dass die sozial-religiösen Probleme dort zu lösen sind, wo sie ihren Platz haben - außerhalb des kuriako\n 189 Folglich bezieht sich Paulus mit e˙sqi÷w auf die Sättigung, die nicht im kuriako\n dei pnon stattfinden soll. 190 Die englische King James Bibelübersetzung kommt dieser Akzentverschiebung näher, indem sie den V21 mit „For in eating everyone taketh before other his own supper: and one is hungry, and another is drunken“ übersetzt. Hier wird deutlich, dass es um das Essen (e˙ntwˆ fagei n) geht, welches Glieder des Leibes Christi als betrunken oder hungrig hinterlassen kann. 191 Vgl. C ONZELMANN 1981, 237f. Römerbrief und 1. Korintherbrief 301 dei pnon in den Häusern. 192 Und obwohl sich die Fragen an diejenigen richten, die zu den „Habenden“ gezählt werden können, bestreitet Paulus nicht das Ungleichgewicht in der Gemeinschaft außerhalb des kuriako\n dei pnon. Er unterstreicht es im Gegenteil sogar, um die Möglichkeit der Konfliktfreiheit im kuriako\n dei pnon zu gewährleisten. Sättigung inklusive aller Konfliktfelder, die damit einhergehen, sollen außerhalb zu einer anderen Zeit geschehen; innerhalb der Gemeinschaft soll nach Paulus der Bezug zum Gemeinsamen im kuriako\n dei pnon hergestellt werden. b) 1Kor 11,23-26 In den Versen 23-25 zitiert Paulus wieder die Abendmahlsparadosis, die den Korinthern bereits bekannt ist, und ermöglicht es ihnen, die imitatio von Jesus aufzunehmen. Diese Verse zeigen, wie sich Jesus als Symposiarch verhalten hat. Er nahm Brot, dankte, brach es und sprach zur Gemeinschaft (1Kor 11,23). In gleicher Weise verfuhr er mit dem Kelch und richtete sich an die Gemeinschaft (1Kor 11,25). Den Sinn der Wiederholung der Abendmahlsparadosis zu ergründen, ist vor dem sozialgeschichtlichen Hintergrund nicht weiter schwierig, denn die imitatio, die zwar über Paulus vermittelt wird, mündet schlussendlich in eine imitatio Christi, die eine neue Gemeinschaft formuliert. Jeder ist durch die Teilnahme am kuriako\n dei pnon über die imitatio Christi mit dem anderen verbunden, so dass sich die Gemeinschaft über das gemeinsame Ritual konstituiert. Paulus selbst ist es, der für die Autorität des ku/ rioß steht und mit dem Bezug zum erhöhten Herrn die Gültigkeit der Tradition gewährleistet. 193 Diese Gewährleistung wird durch den soteriologischen Charakter der paradi÷dwmi- Belege unterstützt, die wiederum darauf hinweisen, dass dieses einzige Wort zu einer „verdichtete [ n ] Kurzformel für die gesamte Passion Jesu“ wird. 194 Relevant ist weiterhin, dass 1Kor 11,23 keine Anspielungen auf einen Passacharakter des letzten Mahles Jesu enthält und damit auch nicht mit Typologien oder sogar jüdischen Erwartungen des Messias in der 192 K LINGHARDT 1996, 99 macht darauf aufmerksam, dass auch den griechischen Symposien immer eine Mahlfeier vorausging. Es ist durchaus möglich, dass Paulus dieses sättigende i¶dion dei pnon dem gemeinsamen Mahl vorangestellt sah - nur eben nicht in Gemeinschaft, sondern in den Häusern. Vgl. auch T HEIßEN 1982, 159-160: „When the community in Corinth came together for the common kuriakon deipnon there was some, in addition, an idiom deipnon containing something in addition to bread and wine. Baked goods, fish, and meat would be candidates for such a supplementary dish [...]. Wealthier Christians ate other food in addition to bread and wine.“ 193 S CHRAGE 1999, 30f. Bekräftigt wird dies durch die Zeugen (außer B und pc), die nicht ku/ rioß ( Ihsouvß), sondern nur ku/ rioß wiedergeben. Die Betonung des ku/ rioß weist an dieser Stelle auf V 20, in dem das kuriako\n dei pnon maßgebend für die Versammlung der Gemeinschaft ist. 194 S CHRAGE 1999, 31. Schrage wendet sich gegen die Auslegungen, in denen paradi÷dwmi nur auf den Verrat des Judas bezogen wird. Diese Auslegungen schließen damit den Heilscharakter aus, der in Röm 4,25; 8,32; Gal 2,20 und Mk 9,11; 10,33; 14,10 deutlich wird. Paulinischer Kontext 302 Passanacht verknüpft werden kann. 195 Bindet man die Frage nach dem Passacharakter an die oben entfaltete These, dass es in der gesamten Perikope nicht um die Sättigung der Mahlteilnehmer geht, dann verlieren die Entsprechungen zu den jüdischen Mahlsitten nicht ihre Präsenz, sondern werden als soziale und religiöse Sitten bekräftigt, nicht aber in erster Linie wegen ihrer sättigenden Funktion. In 1Kor 11,24 führt Paulus die Tradition dahin gehend weiter, dass sw ma, ai-ma und a‡rtoß miteinander verbunden werden können. Ritualtheoretisch wurde der Fokus sowohl auf die vertrauten Mechanismen als auch auf die medial vermittelten metaphorischen Verzerrungen der drei Begriffe gelegt. Die Komposition von sw ma, ai-ma und a‡rtoß deutet darauf hin, dass Paulus mit seinem medial vermittelten metaphorischen Gebrauch des „Familiären“ 196 (Leiblichkeit, Blut und Brot) eine soziale Grammatik ausdrückt, die auf die Befähigung der Gemeinschaft zur Gemeinschaft als Leib Christi hinweist. Es ist eine Befähigung, die in erster Linie für die Bildung einer kollektiven Gruppenidentität spricht, welche befähigt ist, das Reich Gottes zu repräsentieren. Es ist also ein neuer Bund, in dem die Leiblichkeit, die sowohl von sw ma als auch von ai-ma ausgedrückt wird, nicht im Vordergrund stand, jedenfalls nicht, wenn das kuriako\n dei pnon gefeiert wurde. M.E. ist gerade die Leiblichkeit in sw ma entscheidend, um zu verstehen, wie sich bei der Transformation der Glaubenden der Leib selbst zu einem Teil des Bundes entwickelt und eine neue Gestalt annimmt. Und natürlich ist es von besonderer Bedeutung, dass „sw ma öfter den Menschen bezeichnet, der das Sterben erleidet“ 197 , so dass offensichtlich gleichermaßen auf die leibhaftige Selbsthingabe Jesu Christi und auf die veränderte Leiblichkeit im Tod hingewiesen wird. Die wohl am häufigsten diskutierte Formel in 1Kor 11,25 ist meta» to\ deipnhvsai, denn mit der Interpretation von meta» entscheidet sich, ob der Becher die Mahlfeier abschließt oder Teil der Mahlfeier ist. Versteht man deipnhvsai als sättigende Speise, dann wird mit meta» to\ deipnhvsai der Unterschied zwischen einem mahl- und einem wortorientiertem Teil impliziert. Zu beachten ist allerdings, dass Paulus deipne÷w aus V25 nicht ohne die Verknüpfung von kuriako/ ß und dei pnon sowie seine Ausführungen aus 1Kor 11,17-22 versteht. Sicherlich bezeichnet deipne÷w in anderen Zusammenhängen das sättigende Essen und schließt auch das Trinken mit ein, doch an dieser Stelle steht es bereits für das Gemeinschaftsmahl, welches räumlich und zeitlich von anderen Mählern getrennt ist. Es hat nichts mit paulinischer Unmoral zu tun, dass es beim kuriako\n dei pnon nicht um kulinarische Köstlichkeiten geht, sondern nur um Brot und Wein. Und so sind es gerade nur Brot und Wein, die in ihrer Spartanität beim Wort ge- 195 S CHRAGE 1999, Anm. 474. 196 Vgl. Roller 2006. 197 S CHRAGE 1999, 34. Römerbrief und 1. Korintherbrief 303 nommen werden sollten. 198 Meta» to\ deipnhvsai bedeutet in diesem Sinne nicht, dass dem Teilen des Bechers ein großes Sättigungsmahl vorausgeht, sondern, dass der Becher den Segen und die Freude in Beziehung zum Bund setzt. 199 Brot und Wein stehen nicht für eine mehr oder weniger ausgleichende Sättigung zwischen Armen und Reichen in der Gemeinschaft, sondern vielmehr für weniger soziale Konflikte unter den Gemeinschaftsteilnehmern. 200 In diesem Sinne ist es nicht relevant, zwischen mahl- und wortorientiertem Teil der Zusammenkunft zu unterscheiden, denn es zählt einzig die konfliktfreie Gemeinschaft als Leib Christi. Doch auch dann, wenn weder Brot noch Wein für Sättigung stehen, ist die Zäsur durch das meta¿ zu erklären. Hier hilft ein Blick auf die Verwendung bei Philo und Josephus, da die Formulierung meta» to\ dei pnon oder andere Formulierungen, die darauf schließen lassen, dass die eigentliche Entscheidung oder eine weitere Handlung nach dem Essen stattfindet, aufschlussreich für die lukanische und paulinische Besonderheit sind. Es lässt sich besonders bei den Werken von Josephus beobachten, dass Josephus den Stamm deip* gebraucht, um auszudrücken, dass wichtige Entscheidungen oder Handlungen nach dem Essen stattfinden. So schreibt Josephus zum Beispiel in Flav.Jos.Ant. 1,252, dass der Diener Abrahams bei Laban nach dem Essen Abrahams Wunsch nach einer Schwiegertochter aus diesem Hause verkündet. 201 Diese Beobachtungen zeigen, dass in den genannten Stellen nicht die Sättigung, sondern die soziale Funktion des Miteinander-Seins im Vordergrund steht. Das bedeutet freilich nicht, dass nicht gegessen wurde, doch der Fokus der Erzählung liegt eindeutig nicht auf der Sättigung. Strecker bezieht sich bei seinen Interpretationen zu Gal 2 auf den rituellen Charakter der Mahlgemeinschaften, die das Mahl vom sättigenden Bezug entfernen. Er bezieht sich auf Grimes’ Katalog ritueller Qualitäten, in denen das gemeinsame Mahl zu einem institutionalisierten Vorgang wird. Wir erkennen diese Institutionalisierung in der Wiederholung, dergemäß sich Paulus an die Gemeinschaft wendet. Als zweites ist zu bemerken, dass es sich um eine kollektive bzw. öffentliche Handlung handelt. Dies drückt Paulus dadurch aus, dass er die privaten Häuser, in denen die Menschen essen und trinken sollen, von der sich als Leib Christi treffenden 198 T HEIßEN 1989, 303 und K LAUCK 1982, 294. 199 S CHRAGE 1999, 37. 200 G ÄCKLE 2004, 151 bezieht sich in seiner Konfliktbeschreibung in Korinth auf vergleichbare Gemeinschaften, in denen es zu Klagen über unterschiedliches Fehlverhalten von Gästen kam, welche die gute Atmosphäre beeinträchtigten, so dass sogar Ausschreitungen befürchtet werden mussten. 201 Flav.Jos.Ant. 1,252: ÔWß ou™n tou/ tou genome÷nou parhvge to\n xe÷non ta»ß me«n kamh/ louß aujtouv paralamba¿nonteß oi˚ Laba¿nou qera¿ponteß e˙thme÷loun aujto\ß de« deipnh/ swn ei˙sh/ geto su\n aujtwˆ kai« meta» to\ dei pno/ n fhsi pro/ ß te aujto\n kai« th\n mhte÷ra thvß ko/ rhß ›Abramoß Qe÷rrou me÷n e˙stin ui˚o/ ß suggenh\ß d uJme÷teroß Nacw¿rhß ga»r oJ tou/ twn w° gu/ nai tw n pai÷dwn pa¿ppoß aÓdelfo\ß h™n ÔAbra¿mou oJmopa¿trio/ ß te kai« oJmomh/ trioß; Vgl. auch Flav.Jos.Ant. 1,271; 2,312; 5,242 und 18,74. Paulinischer Kontext 304 Gemeinschaft separiert. Es ist drittens die referentielle bzw. symbolische Qualität, die von Paulus thematisiert wird, da im Mittelpunkt die Gruppenidentität und nicht die mit Problemen behaftete Nahrungsaufnahme steht. Die religiöse Konnotation ist über den direkten Bezug zum ku/ rioß gegeben, der von Paulus eingeführt wird. Auch im 1Kor erkennt man eine dramatische Qualität, denn Paulus nutzt rhetorische Fragen und Stilmittel, um seine narrative Belehrung kundzutun. Die pragmatische Qualität, die der veränderten Mahlgemeinschaft zu eigen ist, ist an der Begriffsklärung von kuriako\n dei pnon deutlich geworden. Nur das (be)herrschende, starke und entscheidende Mahl kann als Repräsentation des Leibes Christi dienen. 202 Abgesehen vom rituellen Charakter des kuriako\n dei pnon in Korinth bekräftigt die Formulierung meta» to\ deipnhvsai auch, was man in anderen kultischen Mahlfeiern beobachten konnte: „[W]ährend die religiösen Dimensionen oft nur im eigentlichen Opferritus greifbar waren, war der soziale Kontakt und Umgang ein zentrales Element bei allen Mahlfeiern.“ 203 Es wundert nicht, wenn über kultische Mahlfeiern in der Antike ausgesagt wird, dass sie „eine von der Konvention geforderte familiäre und gesellschaftliche Verpflichtung“ waren. 204 Je deutlicher in den Vordergrund gestellt wird, dass die gesellschaftliche und soziale Bedeutung der Opferfeste nicht zu unterschätzen ist, umso deutlicher wird die paulinische Kritik, die mit der Abendmahlsparadosis ausdrückt, dass es beim kuriako\n dei pnon nach dem rituell verstandenen Aufnehmen des Brotes als Leib Christi auch weiterhin nicht um Sättigung ging, sondern um die Fortführung der Transformation der Glaubenden durch das Teilen des Bechers. In diesem Sinne verbindet sich mit dem von Paulus beschriebenen Mahl zweierlei - zum einen die Kritik an der übermäßigen Sättigung bei anderen religiösen Mählern 205 und zum anderen die Kritik an der sozialen Verpflichtung, denn in der apokalyptischen Erwartung soll die Gemeinschaft nicht durch soziale Konfliktpotentiale in ihrer neuen Repräsentation als Leib Christi gestört werden. Bestärkt wird dieser Eindruck durch die Vorstellung der aÓna¿mnhsiß, die „primär Vollzug und Vergegenwärtigung einer repräsenta- 202 S TRECKER 1999, 39 Anm. 38 bezogen auf Gal 2,11-14. 203 G ÄCKLE 2004, 143. 204 M ERKLEIN 2005, 168f zitiert in G ÄCKLE 2004, 43. 205 G ÄCKLE 2004, 148 beschreibt, dass öffentliche Opferfeste für eine weite Bevölkerungsgruppe eine Gelegenheit waren, sich an Fleisch satt zu essen, weil das Fleisch entweder nicht nach Hause genommen werden durfte und somit im Tempelbezirk gegessen werden musste oder gerade dazu bestimmt war, nach Hause mitgenommen zu werden. In dem paulinischen kuriako\n dei pnon eine Kritik an dem Niedergang der religiösen Bedeutung der Opfer zugunsten der nachfolgenden Feste festzumachen, bestätigt sich auch dadurch, dass man diese Tendenz bereits im 3. Jh. v. Chr. wahrnahm. P RICE 1984, 229. Römerbrief und 1. Korintherbrief 305 tiven Vergangenheit in Worten und Handlungen und nicht eine geistige Rückschau und Rückerinnerung“ 206 meint. In diesem Sinne ist der Herr selbst anwesend, nicht aber durch eine communio mit den Mahlteilnehmern, sondern durch deren Repräsentation als Leib Christi. 1Kor 11,26 nimmt wieder eindeutig auf das vorher Gesagte Bezug und schafft eine Situation, in der sich Paulus gezielt an die Gemeinschaft wenden kann. Der Vers ist eingebettet in die Bezüge aus 1Kor 10, da Paulus erneut Bezug auf sw ma (1Kor 11,24.27.29) und a‡rtoß (1Kor 11,26-28) nimmt. Der Unterschied, dass in 1Kor 10 die Begriffe sw ma und a‡rtoß ohne sa¿rx angesprochen werden, wurde schon in der ritualtheoretischen Exegese besprochen. Bemerkenswert ist in diesem Vers, dass Paulus seine Rede an die Gemeinschaft formuliert, indem er das Mahl mit dem Tod des ku/ rioß in Verbindung bringt. ÔOsa¿kißga»r e˙a»n e˙sqi÷hteto\n a‡rton ist eine wiederholende Einleitung der folgenden Verse, die sich auf VV23-25 beziehen. Auffallend ist natürlich, dass katagge÷llete mit dem Tod Jesu verbunden wird und die Auferweckung Jesu unerwähnt bleibt. Ob das eine Kritik an der korinthischen Herrlichkeitschristologie ist 207 oder nicht, wird in dieser Besprechung nicht zu klären sein. In jedem Fall wird den Mahlteilnehmern mit a‡criou e¶lqhØ eine umfassende Perspektive ihres Handelns gegeben - die Gemeinschaft repräsentiert sowohl die Zukunft ihres Herrn als auch ihre eigene Verantwortung dafür. 208 c) 1Kor 11,27-34 Ritualtheoretisch wurde bereits deutlich, dass 1Kor 11,27 die Argumentation logisch zusammenfasst, indem die Handlung mit der Konsequenz bei Missachtung in Verbindung gebracht wird, während die Schuldigkeit für unrechtes Handeln beim Mahlteilnehmer liegt. Für die Konsequenzen der korinthischen Verfehlungen ist entscheidend, dass die zeitliche und räumliche Verortung der Mahlpraxis kritisiert wird, nicht aber die Mahlteilnehmer selbst kritisiert werden. So kommt es nicht nur zu einer in Schuld verstrickten Gemeinschaft, sondern auch zu einem Schuldigsein am Leib und Blut des Herrn. 209 Wenn die Genitive touv sw¿matoß kai« touv aiºmatoß und touv kuri÷ou die Schuld, die Strafe oder aber denjenigen beschreiben können, gegen den man gesündigt hat, dann fehlt in dieser christozentrischen Auslegung die differenzierte Aufmerksamkeit für den Genitiv touv kuri÷ou, der in den Handschriften å, D 2 , L 326 . 1505 al sy h , Ambst eingefügt wurde. Besonders mit sw ma kann er als Genitivus qualitatis verstanden werden. 210 Dies macht deutlich, dass Schuld nicht in erster Linie gegenüber dem am Kreuz gestorbenen Christus besteht, sondern gegen den Leib und 206 S CHRAGE 1999, 41. 207 S CHRAGE 1999, 46. 208 Vgl. S CHRAGE 1999, 47f. 209 S CHRAGE 1999, 49. 210 B LASS , D EBRUNNER und R EHKOPF 2001, 136f. Paulinischer Kontext 306 das Blut Christi, zu dem die Gemeinschaft selbst geworden ist. Dahingehend ist die Schuld am Leib und am Blut Christi eine Schuld an der Gemeinschaft. 211 Dass dokima¿zw den Lesern von 1Kor 11,28 eine Aufforderung und Warnung zugleich ist, wird umso deutlicher, wenn man auf das diakri÷nw in V29 schaut, denn auch hier wird der Mensch zum rechten Beurteilen aufgefordert. Dokimaze÷tw bildet mit kri÷ma und diakri÷nwn einen separativen Schwerpunkt der Verse 28 und 29, der durch die Relation zu Gott beim Essen und Trinken noch verstärkt wird. Touv kuri÷ou in V29 ist wieder eine Ergänzung, die nicht von allen Zeugen belegt wird. Daher ist es abwegig, bei der Beurteilung der Mahlteilnehmer auch die Beurteilung des Leibes einzubeziehen. Es geht, wenn man die Gemeinschaft konsequent als Leib Christi versteht, nicht um die Unterscheidung von sakralem oder profanem Leib, sondern um die Prüfung der eigenen Zugehörigkeit zum Leib Christi. So wurde schon ritualtheoretisch festgestellt, dass die Verwendung von sw ma in V24 und V29 integrativ zu verstehen ist, da sie in beiden Fällen den Bedeutungszusammenhang der Gemeinschaft als Reich Gottes abbildet. In diesem Sinne hat die Gemeinschaft als Leib Christi einen ekklesiologischen Charakter anzunehmen, um dem gegenwärtigen Gerichtshandeln nicht zu begegnen. 212 1Kor 11,30 bündelt noch einmal die Konsequenzen für die Gemeinschaft, denn das kuriako\n dei pnon betrifft alle Aspekte der Leiblichkeit. Als Teil des Leibes Christi ist der Mensch in seiner gesamten Korporealität betroffen und kann sich durch Verfehlungen in der Mahlpraxis in dieser bis zum Tod schwächen. Die Verse 31-34 eröffnen dem Leser einen Ausweg aus der beschriebenen Lage in Korinth, obgleich die separativen Begriffe zusammen mit aggregativen Begriffen genannt werden. Folglich ist die kritische Selbstüberprüfung möglich, weil die Beziehung zu Christus über die communio mit Christus hinausgeht. Dem verdammenden Urteilsspruch kann nur entgangen werden, wenn die Gemeinschaft als Leib Christi über die Konfliktpotentiale der sozialen und kultischen Strukturen erhaben ist. Die Menschen, die bereits Leib Christi sind, können, so V32, gar nicht mehr mit der Welt verurteilt werden. Das Warten, zu dem Paulus die Gemeinschaft in den VV33.34 auffordert, macht umso deutlicher, dass es sich beim i¶dion und kuriako\n dei pnon um zwei verschiedene, zeitlich und räumlich voneinander getrennte Mähler handelt. Wenn die Gemeinschaft zusammenkommt, um das kuriako\n dei pnon miteinander zu feiern, soll auf diejenigen ge- 211 Es erübrigt sich, in dieser Argumentation einerseits von einer Präsenz von Leib und Blut Christi in Brot und Wein zu sprechen und andererseits die unwürdig Essenden mit den „Weltmächten“ in Verbindung zu bringen, die Jesus gekreuzigt haben. Vgl. die Diskussion bei S CHRAGE 1999, 49. 212 S CHRAGE 1999, 51 verbindet mit sw ma zusätzlich zu dem ekklesiologischen den sakramentalen Zusammenhang, denn die Ausrichtung der Eucharistie auf die Gemeinde als den durch das Mahl konstituierten Leib Christi wurde von der Gemeinschaft in Korinth verkannt. Römerbrief und 1. Korintherbrief 307 wartet werden, die das i¶dion dei pnon in ihren Häusern feiern. Einander gastfreundlich aufzunehmen, bezieht sich daher auf ein anderes Mahl, bei dem sich die Mahlteilnehmer untereinander helfen. Hier ist der Ort, an dem soziales Ungleichgewicht ausgeglichen werden kann, so dass es während des kuriako\n dei pnon keine Relevanz mehr besitzt. In jedem Fall sollen diese beiden Formen des Miteinanders nicht miteinander vermischt werden, weil das dem Leib Christi und damit auch der Gemeinschaft nicht gerecht wird. Fest steht, dass man sich bei jedem Gemeinschaftsmahl „zum Gericht essen“ kann - je nachdem, welchen Verfehlungen man nachgeht. 8. Zusammenfassung 1Kor 11,17-34 Die Interpretationen zu 1Kor 11,17-34 begannen mit der Begriffsbestimmung von sune÷rcomai, welcher als aggregativer Begriff als topos des Abschnitts bezeichnet werden kann. Sune÷rcomai, der terminus technicus für die sich ausbildende gottesdienstliche Versammlung, verdeutlicht, dass nicht in Frage gestellt wird, dass die Gemeinde sich trifft, sondern wie sie sich trifft. Auch ritualtheoretisch bestätigte sich, dass im Zentrum dieses Abschnitts das Zusammenkommen der Gemeinschaft im (hellenistischen) Mahl steht und dem Bezug auf sune÷rcomai in 1Kor 11,17.18.20.33.34 dabei zentrale Bedeutung zugesprochen wird. Dass in 1Kor 11,17-34 die sozialreligiösen Zusammenhänge in der Argumentation eine entscheidende Rolle einnehmen, hat nicht nur die Verwendung von sci÷sma in V18 gezeigt, sondern auch die von ai˚re÷seiß in V19. Beide Begriffe zeigen an, dass es sozial-religiöse Spannungen gibt, welche die Gemeinschaft betreffen, da durch sie die Nähe zwischen dem Sozialen und dem Religiösen in der Antike ausgedrückt wird. Das kuriako\n dei pnon, in dem Jesus der Symposiarch des Mahls ist, wird von Paulus in V20 als das Mahl beschrieben, an dem sich die Gemeinschaft zu orientieren hat. Andernfalls entsprechen die Mahlteilnehmer der geschilderten Ausweglosigkeit, die Paulus der Gemeinschaft an dieser Stelle vor Augen hält, da er ihr nicht zugesteht, gemeinsam im Namen der Herren zu essen. Orientierung bietet beim kuriako\n dei pnon, bei dem es sich um eine alltägliche Praxis handelt, die imitatio Christi, da diese sozial-ethisch und sozial-religiös konnotiert wird. Sie wird sozial-ethisch konnotiert, weil Jesus nicht der einzige Symposiarch für die Gemeinschaft ist, und sozial-religiös, weil sich das kuriako\n dei pnon vom i¶dion dei pnon abgrenzt. Während das kuriako\n dei pnon eindeutig Jesus gewidmet ist und dieser selbst am Mahl teilnimmt, ist das i¶dion dei pnon nicht zu ihm gehörig, sondern vielmehr zu einem anderen, einem „privaten“ Gott, bei dem auch der soziale Unterschied zwischen den Mahlteilnehmern deutlich wird. V21 schildert eindrücklich, dass das i¶dion dei pnon als eine Problemanzeige der sozialen Situation der Gemeinschaft verstanden werden kann, weil dort, wo Sättigung sein oder nicht sein kann, die Gegensätze der Glaubenden so sehr das Bild beherrschen, dass die Mahlteilnehmer nicht mehr den Leib Christi repräsentieren. Paulus Paulinischer Kontext 308 negiert die sozialen Unterschiede in der Gemeinschaft nicht, sondern verortet sie außerhalb des kuriako\n dei pnon. V22 legt im Widerspruch zur allgemeinen Mahlpraxis dar, dass die sozialen Probleme dort zu lösen sind, wo sie ihren Platz haben - außerhalb des kuriako\n dei pnon in den Häusern. Ritualtheoretisch heißt dies, dass Paulus keine relationale Anpassung gelten lässt, sondern im Gegenteil das Essen negativ konnotiert und nur in den Häusern erlaubt. Der mahnende, hyperbolische Unterton wird zudem immer präsenter in diesem Abschnitt, zumal Paulus e˙kklhsi÷a touv qeouv verwendet. Paulus gebraucht diesen Terminus häufig, wenn er die Gemeinschaft vor sozio-religiösen Konflikten warnt. Zur imitatio Christi, die der Gemeinschaft als Orientierung dient, führt Paulus vor allem sich selbst als Übermittler der Autorität des ku/ rioß an. Die Verse 23-25 machen deutlich, dass Paulus selbst für die Gültigkeit der Tradition steht. Verbunden wird dies durch die Transformation der Glaubenden in den Leib Christi und die Teilhabe am neuen Bund. In der ritualtheoretischen Exegese wurde herausgearbeitet, dass Paulus über die Beschreibungen davon, dass Jesus in der Nacht, in der er überliefert wurde, Brot nahm, welches er nach dem Dank brach, zu einer medialen Metaphorisierung überleitet. Das Brot wird als Leib mit dem Tod des Herrn verknüpft, so dass sich bei der Transformation der Glaubenden der Leib selbst zu einem Teil des Bundes entwickelt und eine neue Gestalt als Leib Christi annimmt. V27 warnt in diesem Sinne vor der Schuld, die nicht in erster Linie gegenüber dem am Kreuz gestorbenen Christus besteht, sondern gegenüber dem Leib und dem Blut Christi, zu dem die Gemeinschaft selbst geworden ist. Das sw ma vermittelt folglich die Korporealität einer Gemeinschaft, die befähigt ist, das Reich Gottes zu repräsentieren (V28). Dass Essen für Paulus generell im Verdacht steht, die Gemeinschaft zu gefährden, vermitteln die abschließenden Verse des Abschnitts. Bei jedem Zusammenkommen kann das Essen oder Nicht- Essen dem Leib Christi und damit auch der Gemeinschaft nicht gerecht werden, da man sich in beiden Fällen „zum Gericht essen“ kann. Deutlich wird, dass Paulus die Störungen des kuriako\n dei pnon mit seinen provokanten Warnungen und hyperbolischen Aufforderungen minimieren will, da es Grenzen der Partizipation gibt, die verhindern, dass eine neu realisierte körperliche Performanz eine idealisierte, einheitliche, ja heterotope Gemeinschaft erleben lässt. VI. Zusammenfassung In dieser Studie wurden auf vielfältige Weise unterschiedliche wissenschaftliche Fragestellungen zu (antiken) Mahlgemeinschaften und zu frühen (christlichen) Identitätsausbildungen ins Gespräch gebracht. Es wurde nicht nur sozialgeschichtlich, exegetisch oder ritualtheoretisch gearbeitet, sondern die Methoden wurden auch hinsichtlich der Frage nach der paulinischen Realisierung des hellenistischen Mahls angewandt. In diesem Sinne wurden gemeinsame Anwendungsgebiete verschiedener wissenschaftlicher Methoden formuliert, die zuvor nicht ausreichend miteinander verknüpft worden waren. Neben dem neutestamentlichen Arbeiten wurden andere geisteswissenschaftliche Methoden und Theorien, vor allem aus der ritualwissenschaftlichen Forschung, herangezogen. Das Interesse an kulturanthropologischen Zusammenhängen, gesellschaftlichen Machtkonstellationen im sozialen, politischen und religiösen Raum verbindet sich sowohl mit der Analyse des Textes als auch des Kontextes. Fig. 1: Methodische Komposition der ritualtheoretischen Exegese. Die Verortung der Rituale in gesellschaftlichen Zusammenhängen und die Frage nach der wechselseitigen Beeinflussung von gesellschaftlicher Performanz und Gesellschaft verbinden die geisteswissenschaftlichen Theo- Zusammenfassung 310 rien und Methoden mit der sozialgeschichtlichen Untersuchung des Neuen Testaments. Ritualtheoretisch bestätigte sich, dass Paulus’ Texte Teil eines Re-Interpretationsprozesses waren, da Paulus die Praxis des Gemeinschaftsmahls als Grundlage für seine Argumentation gegenüber den Gemeinschaften nutzte. Für die paulinischen Texte gilt, was J.Z. Smith zu den Ritualtheorien festgehalten hat: „... [I]n culture, there is no text, it is all commentary; [...] there is no primordium, it is all history; [...] all is application. ... [W]e are dealing with historical processes of reinterpretation, with tradition.“ 1 Um die historischen Prozesse bzw. die entstehende Tradition des frühen Christentums kulturgeschichtlich zu verorten, wurden bestimmte Merkmale der ritualtheoretischen und exegetischen Untersuchung an andere Texte über Mahlgemeinschaften herangetragen. Es bestätigte sich bei der Betrachtung des hellenisierten Sarapiskultes, bei Philos Therapeuten, bei JosAs und dem Aristeasbrief, dass Text und Kontext eng miteinander verbunden sind und dass dies unter Berücksichtigung der geeigneten Fragestelllungen aufgezeigt werden kann. In diesem Sinn wurde beleuchtet, dass die kulturelle Kontextualisierung des Mahlgeschehens eine tragende Rolle für die sich entwickelnde Identitätsausbildung der Gemeinschaft und der Teilnehmer hat. Die Debatte um die alltäglichen Umstände der Mahlgemeinschaft und deren Thematisierung in den Texten stellte sich bei der Besprechung des Therapeutenmahls als zentral heraus. Die ritualtheoretische Exegese beruht somit auf der antiken Metaphorisierung des Alltags, über die Transformationsprozesse der Mahlgemeinschaften evoziert werden. Dass Transformationsprozesse von literarischen Protagonisten Fragestellungen der Gemeinschaften aktualisieren und diskutieren, zeigte vor allem die Betrachtung von JosAs. Für die ritualtheoretische Exegese ist zudem entscheidend, dass sowohl die Texte als auch die kulturelle Praxis einen geschützten Raum für die Gemeinschaftsentwicklung aufbauen. Was in vielen Studien als eschatologisches Wunschdenken interpretiert wurde, stellte sich unter ritualtheoretischen Gesichtspunkten als tatsächliche Realisierung eines spezifischen Ortes heraus. Auf dieser Grundlage kann diese gemeinschaftliche Leistung als Heterotopie bezeichnet werden. A. Die ritualtheoretische Exegese Die Methodik der ritualtheoretischen Exegese wurde in Teil IV in zweierlei Hinsicht angewendet, zum einen bezüglich der kulturellen Praxis und zum anderen anhand der paulinischen Texte. Die Beschreibung der Grundelemente des hellenistischen Mahls in Teil I.D stellte heraus, dass es einige Bestandteile gibt, die für die Anfänge des Christentums im Gemeinschaftsmahl von zentraler Bedeutung sind. Dazu 1 B URKERT , H AMERTON -K ELLY , G IRARD und S MITH 1987, 196. Die ritualtheoretische Exegese 311 gehören die Identitätsausbildung der Teilnehmer, die Ausübung der gewonnenen Identität im Gemeinschaftsmahl, das Rollenverhalten der Mahlteilnehmer, der Verlauf des Mahls und die Sprache des Mahls. Die ritualtheoretische Exegses gliederte sich also wie folgt: Identitätsausbildung der Teilnehmer Identitätsausübung der Teilnehmer Rollenverhalten der Teilnehmer Verlauf des Gemeinschaftsmahls Sprache des Gemeinschaftsmahls Performanz im Neuen Testament Gemeinschaft und Einzelne im Neuen Testament Imitatio Christi im Neuen Testament Verlauf des hellenistischen Mahls im Neuen Testament Sprachliche Besonderheiten des Neuen Testaments Ritualtheoretische Grundlagen Kollektive Identitäten der Mahlteilnehmer Sitzordnung im Gemeinschaftsmahl Der Symposiarch der Mahlgemeinschaft Deipnon/ Symposion Sprachformen im hellenistischen Mahl Ritualtheoretische Exegese der paulinischen Texte In der ritualtheoretischen Exegese wurden aufgrund der Komposition der Fragestellungen folgende Ergebnisse generiert. 1) Um die Identitätsausbildung der Teilnehmer zu erläutern, wurde das Augenmerk auf die Texte des Neuen Testaments gelegt, die eine Form der körperlichen oder rhetorischen Befähigung zum Handeln ausdrücken. Körperlichkeit wurde anhand der Begriffe sw ma, sa¿rx , a‡rtoß , ai-ma und aÓpoqnhØ / skw untersucht, so dass die klassischen Bedeutungszusammenhänge des menschlichen Körpers im Mahl aufgegriffen wurden. Es stellte sich für diese Begriffe heraus, dass sie in den Texten als Metaphorisierung und Kontextualisierung von körperlichen Verhältnisbestimmungen dienen. Sie erlauben somit für die Identitätsausbildung der Mahlteilnehmer, dass diese sich einerseits mit den korporealen Bezugsgrößen identifizieren, aber andererseits über die Metaphorisierung neue Positionen einnehmen können. Die rhetorische Befähigung zur Identitätsausbildung über die „Diatribe“ bzw. „Personenrede“ gestaltete sich ähnlich. Auch hier bietet der Text dem Leser einen alltäglichen Bezug, um ihm in einem neuen Zusammenhang Sicherheit in der Identitätsausbildung zu gewährleisten. Die ritualtheoretischen Grundlagen zu den neutestamentlichen Beobachtungen betonten noch einmal die Wechselwirkung zwischen Text und Kontext. Eine wichtige Unterscheidung ist, ob die Texte oder auch die Mahlsituation die Identität der Gruppe oder eines Einzelnen beschreiben. Für beide Fälle gilt aber, dass kollektive Identitäten als subjektbezogene Performanzen verstanden werden können, die aufgrund ihrer Konstruktivität in Relation zum sozialen Kontext dynamisch und variabel sind. So bestätigte sich auch Zusammenfassung 312 in der sozialgeschichtlichen Betrachtung des hellenistischen Mahls, dass die Ausbildung einer (neuen) Identität mit Hilfe der dynamischen Anpassung des Mahls an die kontextuellen Gegebenheiten möglich war. Dies verdeutlichte sich besonders an der Präsenz der Frau und ihren unterschiedlichen Positionen im hellenistischen Mahl. Auf diesem Hintergrund wurden dann die paulinischen Texte nach den Spielräumen für Dynamik und Variabilität zu Gunsten einer Identitätsausbildung befragt. Es stellte sich heraus, dass Paulus in Röm 14,1-15,7 weitaus weniger Gruppendynamik impliziert, da er von der Identität des Einzelnen auf die Identität der Gruppe weist. In Gal 2, 1Kor 8-9.10 und 1Kor 11 liegt der Fokus hingegen auf der Gruppe und ihrer Befähigung, eine neue Identität als Leib Christi anzunehmen. 2) Der Frage nach der Identitätsausbildung folgte die nach der ausübung. Im Anschluss an die Erörterung der individuellen und kollektiven Identitäten wurde der neutestamentliche Text auf die Bezüge zur Gemeinschaft bzw. zu Einzelnen überprüft. Der Begriff der Gemeinschaft wurde über die Begriffe koinwni÷a, mete÷cw, kata¿keimai und sune÷rcomai und den Topos sw ~ ma touv Cristouv untersucht, während das Begriffsfeld der Einzelnen über aÓdelfo/ ß und koinwno/ ß erläutert wurde. Da den Begriffen korporeale Bedeutung zukommt und sie von Paulus mit anderen Ritualen in Verbindung gebracht werden, wird der Leib Christi als rituell hergestellte sozial-ekkelsiologische Größe verstanden. Die Bezüge zur Gemeinschaft unterscheiden sich von den Begriffen über Einzelne insofern, als dass sie von Partizipation und nicht von Interaktion sprechen, denn Interaktion, so stellte sich bei der Betrachtung von aÓdelfo/ ß und koinwno/ ß heraus, birgt sehr viel mehr Ambivalenz. Obgleich Interaktion zwischen Brüdern als positiv bewertet werden kann, kann diese auch negativ bewertet werden. Ritualtheoretisch lassen sich rituell hergestellte soziale Interaktionen am besten über die Verortung der Rituale im Alltag erklären, denn alltägliche Rituale spiegeln in gleichem Maße den Wunsch nach Perfektionierung der Realität wider. Zugleich dienen sie aber auch der Akzeptanz der Probleme und Differenzen der Realität (J.Z. Smith). Sozialgeschichtlich kann der Wunsch nach Perfektion besonders an der Organisation der Sitzordnung veranschaulicht werden. Kennzeichnend an der Sitzordnung ist, dass sie wichtige Problemfelder innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft erkennen lässt und so die Spannungen der sozialen Ekklesiologie ausbalanciert. Die ritualtheoretische Exegese der paulinischen Texte zeigte, dass Paulus dieser rituellen Balance zu wenig vertraute. Dass auch das Sichtbarmachen von Problemen und Differenzen zur Identitätsausübung der Gemeinschaft gehörte, wird von Paulus besonders in Röm 14, aber auch in 1Kor 11 nicht als Teil der rituellen Performanz wahrgenommen. An anderen Stellen versucht Paulus die Balance zu seinen Gunsten wieder herzustellen. So leugnet er in Gal 2 nicht, dass die Sitzordnung zwischen Juden und Menschen aus den Nationen problematisch sein kann und versucht in Die ritualtheoretische Exegese 313 1Kor 8 durch eigene Handlungen die Partizipation am kuriako\n dei pnon zu verbessern. 3) Die Betrachtung der Ausübung der (kollektiven) Identität wies schon darauf hin, dass sie über verschiedene Mittel beeinflusst werden kann. Auch Paulus versucht, die soziale Interaktion der Gemeinschaften beim Mahl zu beeinflussen. Auf dem Hintergrund der sozialen Praxis ist die Rolle des Symposiarchen von besonderem Interesse, da er als Leiter des Mahls die Verantwortung für den reibungslosen Ablauf innehat. Eine bestimmt Rolle einzunehmen, bedeutet auch, sich bestimmte Verhaltensweisen für einen besonderen Zweck anzueignen. Neutestamentlich lässt sich dieses Bemühen an der imitatio veranschaulichen, da sie sozial-ethische und identitätsbildende Praktiken miteinander verbindet. So konnte herausgearbeitet werden, dass Paulus die imitatio Christi den Gemeinschaften über die imitatio Pauli vermittelt. Die imitatio ist folglich ein performativer Prozess, der innerhalb des Rituals nicht an den historischen Jesus, sondern an die soziale Performanz der Gemeinschaft gekoppelt ist. Ritualtheoretisch wurde dieser Zusammenhang als „Ritualisierung“ (Bell) beschrieben. Mit „Ritualisierung“ geht eine Fähigkeit einher, die eine Gruppe in die Lage versetzt, sich anders auszudrücken, bekannte Kennzeichen des Rituals zu verändern und grundlegende Schemata in ihrer Konstitution zu manipulieren. Verantwortungsträger ist in hohem Maße der Symposiarch, der als Leiter des Mahls an die Situation der Mahlgemeinschaft gebunden ist und mit seinen bewussten und aktiven Handlungen das Verhalten der Gruppe verkörpert. Kennzeichnend für die Rolle des Symposiarchen ist außerdem seine rituelle Ambivalenz, da er zwar Entscheidungen über den Verlauf des Mahls zu treffen hat, diese aber nicht seine persönlichen Entscheidungen sind, sondern die kulturelle Erwartung einerseits und die Differenziertheit der Gruppe andererseits repräsentieren. In der ritualtheoretischen Exegese wurde deutlich, dass Paulus sich selbst und Christus für die soziale „Ritualisierung“ heranzieht. Schon die wenigen Verse in Gal 2,11-14 illustrieren seine Präsenz. In 1Kor 10 führt Paulus aus, dass Christus hier nicht das Vorbild für die imitatio ist; vielmehr beschreibt die Gemeinschaft ihr Verhalten durch die imitatio. Was das bedeutet, illustriert Paulus konkreter in Röm 14. Hier dient die Orientierung an Gott zur Nachahmung Christi, welche im Mahlgeschehen verortet ist. Über die imitatio findet also die Ritualisierung einer sozialen Praxis statt, die an dieser Stelle von Paulus eindeutig als Mahlgemeinschaft ausgewiesen wird. In 1Kor 11 wird Jesus als Symposiarch vorgestellt und damit gleichzeitig als Mitglied der Gemeinschaft beschrieben. Das bedeutet, dass er als ku/ rioß das Mahl als einer aus der Gemeinschaft leitet und in diesem Sinne die Ritualisierung der Mahlgemeinschaft vorantreibt. Die Verantwortung für das nächste Mahl kann somit auch von einem anderen Teilnehmer übernommen werden. 4) Die Besprechung des Verlaufs des Gemeinschaftsmahls integriert nun die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten in den Gesamtablauf des Zusammenfassung 314 Mahls. Es werden sowohl die Einbettung des Mahls in andere soziale Praktiken als auch der Verlauf des Mahls selbst behandelt. Die neutestamentlichen Texte gehen sehr detailliert auf die Einbettung des Mahls in andere soziale Praktiken oder Narrationen ein. Handlungen Jesu oder des Apostels Paulus gewinnen in den Texten dadurch Relevanz, dass sie den bekannten Verlauf des Mahls verändern. Grundlage ist immer der tägliche Ablauf des Mahls, der durch Veränderungen, ergänzende Beschreibungen oder präzise Wortwahl für die Narration betont wird. Ritualtheoretisch konnte gezielt auf diese Wechselwirkung zwischen Text und Kontext eingegangen werden. So ist es kein Zufall, dass die neutestamentlichen Texte auf der Basis einer sozialen Praxis ihre Narrationen vermitteln. Verba in loco actus (Severi) stehen dafür, dass der dynamische und variable Charakter der Identitätsausbildung auch dem Charakter des Ritualverlaufes entspricht. In der sozialgeschichtlichen Betrachtung des Mahls ist es vor allem der Wechsel zwischen Deipnon/ Symposion, der einen Wechsel im Verlauf des Mahls und damit auch einen Wechsel in den Identifikationsmöglichkeiten darstellt. In der ritualtheoretischen Exegese konnte die Trennung zwischen Essen und Nicht-Essen auch in den paulinischen Texten nachgewiesen werden. Während Paulus sich in Gal 2 und 1Kor 8-10 und Röm 14 eher „bejahend“ gegenüber dieser Differenz ausdrückt, negiert er in 1Kor 11, dass die Gemeinschaft die Fähigkeit hat, zwischen den unterschiedlichen Bedürfnissen zu differenzieren. 5) Die Untersuchung der besonderen sprachlichen Mittel führte die ritualtheoretische Exegese wieder näher an die konkrete Wechselwirkung zwischen Sprache und Performanz. Auf die Frage, wie sich die Wechselwirkung zwischen Text und Kontext in den Schriften nachweisen lässt, antwortet diese Untersuchung mit der Identifikation sprachlicher Signale. In den paulinischen Texten wurden, wie auch in den anderen neutestamentlichen Schriften, vor allem die Metaphern hervorgehoben, die dafür sorgen, dass die beteiligten Leser/ Hörer zumindest eine Sprachgemeinschaft bilden. Geht man nun davon aus, dass die paulinischen Texte im Verlauf des Mahls gelesen wurden, bildete sich nicht nur eine Sprachgemeinschaft, sondern auch eine Wertegemeinschaft aus. Dass sich diese Gemeinschaft über die Sprache transformiert und dass sie damit immer wieder liminale Phasen durchläuft (Turner), wurde in der ritualtheoretischen Darstellung betrachtet. So stellte sich heraus, dass der sprachliche Ausdruck das Zentrum für eine liminale Gemeinschaft ausbildet, die existierende soziale Strukturen transformiert und die Entwicklung alternativer Lebensstile ermöglicht. Sozialgeschichtlich wurden unterschiedliche Sprachformen während des hellenistischen Mahls identifiziert, um in der ritualtheoretischen Exegese auf die paulinischen Texte zu verweisen. In dieser wurden van Genneps Phasen 1) Trennungsphase (Separation), 2) liminale Phase und 3) Wiedereingliederungsphase (Aggregation) in den neutestamentlichen Texten identifiziert. Es stellte sich heraus, dass ein rituelles Mahlgeschehen durch seine Liminalität auch in Texten abgebildet Der Paulinische Kontext 315 werden kann. Entscheidend ist hierbei, dass die Narration vom Mahlgeschehen dies nicht unbedingt widerspiegeln muss (Gal 2). So gilt auch für 1Kor 11, dass der Text über das Mahl noch lange nicht die liminale Dynamik während des Mahls beeinflussen muss. Es zeichnet sich folglich eine starke Relationalität zum Kontext ab, da Bezüge zu sozialen, politischen oder religiösen Kontexten je nach Situation ausgehandelt werden müssen (vgl. 1Kor 8-10). B. Der Paulinische Kontext Sozialgeschichtlich wurden die sozialen, politischen und religiösen Verhältnisse der Gemeinschaften betrachtet, wie Paulus sie in seinen Texten beschreibt. Die jeweiligen Unterschiede in der Thematisierung des hellenistischen Mahls spiegeln die Unterschiede in den kulturellen Codes wider. Es konnte sowohl sozialgeschichtlich als auch exegetisch herausgearbeitet werden, dass die Diskussion über die Praxis des hellenistischen Mahls nicht nur die Vielfalt des Gemeinschaftsmahls, sondern auch die der christusgläubigen Gemeinschaften verdeutlicht. Besonders im Hinblick auf die Frage nach den Anfängen des Christentums konnte gezeigt werden, dass kollektive Identitäten nicht nur von Gemeinschaften, sondern auch von Einzelnen entwickelt werden konnten. Um die Befähigung zur Identitätsentwicklung zu untersuchen, wurden die klassischen exegetischen Methoden angewendet, mit denen Text, Form und Gebrauch der paulinischen Briefe betrachtet wurden. Die Analyse der Bedeutung und Einflussnahme von Texten stellt die Verknüpfung zu den geisteswissenschaftlichen Theorien und Methoden dar, denn sowohl die neutestamentliche Exegese als auch die ritualtheoretische Fragestellung reflektieren die Wirkmacht dieser Texte. Teil V bildet somit die Zusammenschau der vorher generierten Ergebnisse und prüft, ob die ritualtheoretische Exegese auch für die Interpretation der ganzen Abschnitte Sinn ergibt. 1) Der antiochenische Konflikt im Galaterbrief stellt den literarischen Rahmen für die Äußerungen des Apostels zum Gemeinschaftsmahl dar. Die Analyse hat ergeben, dass es sich um einen innerjüdischen Konflikt handelt, der nicht die Speise- oder Reinheitsvorschriften noch die Bedeutung einzelner Lebensmittel diskutiert. Vielmehr geht es um die gegenseitige Legitimation seitens der jeweils anderen kulturellen Gemeinschaft. Paulus führt diese Debatte mit der Terminologie des Gemeinschaftsmahls und integriert in den Konflikt seine Bemühungen um eine funktionierende Gemeinschaft. 2) In Röm 14,1-15,7 wird Paulus’ ekklesiologisches Bemühen noch stärker in den Vordergrund gebracht. In seinem Brief an die Gemeinschaft in Rom verdeutlicht er, dass die individuelle Teilnahme am gemeinsamen Essen der Ausdruck ihrer Christusgläubigkeit ist. Das kuriako\n dei pnon repräsentiert gleichzeitig die ideale und damit heterotope Gemeinschaft Zusammenfassung 316 auf Erden. Das Mahl wird dementsprechend zu einem Ort, an dem die christliche Identität in der unmittelbaren Gemeinschaft ausgelebt werden kann und doch in Relation zu anderen Teilhaben an Gemeinschaften in Rom steht. Paulus wendet sich in diesem Abschnitt an den Einzelnen und warnt ihn davor, im Namen Christi den anderen zu verurteilen. Das Gemeinschaftsmahl wird folglich zu einem Ort der ekklesiologischen Tragfähigkeit der Gemeinschaft 3) Was in Röm 14 noch sehr theoretisch klingt, wird von Paulus in 1Kor 8-10 praktisch illustriert. Dienst an anderen Göttern ist nur dann Dienst an anderen Göttern, wenn er einen anderen Bruder verletzt oder innerhalb einer anderen Gemeinschaft stattfindet. Das Essen von Opferfleisch, das Fleisch vom ma¿kellon und auch das zu Tisch liegen ist demjenigen erlaubt, der von Paulus als „stark“ bezeichnet wird. „Schwach“ hingegen ist derjenige, dem dieses Verhalten zu nahe geht - durch diese Interaktion der Brüder wird die Gemeinschaft gefährdet. Die Betrachtung von 1Kor 8-10 unterstreicht die Ergebnisse der ritualtheoretischen Exegese, da Paulus deutlich macht, dass die Identifikation innerhalb einer anderen Mahlgemeinschaft (1Kor 10,7.21) für Christusgläubige nicht möglich ist. 4) Das Mahl, das für Paulus den Maßstab einer christusgläubigen Gemeinschaft verkörpert, ist das kuriako\n dei pnon, in dem Jesus der Symposiarch des Mahls ist. In 1Kor 11 differenziert Paulus unterschiedliches Mahlverhalten voneinander. Während das kuriako\n dei pnon als Mahl Jesu der Ort der Transformation der Glaubenden als Leib Christi und der Teilhabe am neuen Bund ist, warnt Paulus die Gemeinschaft vor Konflikten beim i¶dion dei pnon. Vor allem durch die Streitigkeiten über das Essen befähigt das i¶dion dei pnon die Gemeinschaft nicht dazu, die Korporealität anzunehmen, die das Reich Gottes repräsentiert. In 1Kor 11 wird deutlich, dass Paulus nicht zu performativen Veränderungen aufgefordert hat, damit die Gemeinschaft als Leib Christi das kuriako\n dei pnon praktiziert, sondern zu zeitlichen und räumlichen. Er hat Grenzen markiert, in denen sich die ekklesiologischen Identifikationen der Gemeinschaft abspielen sollen. Damit schließt sich der Kreis von methodischen, sozialgeschichtlichen und exegetischen Überlegungen dieser Studie, mit der aufgezeigt werden konnte, dass das hellenistische Mahl dem Essen der Christusgläubigen viel Raum für die Realisierung ihrer Identität gegeben hat. VII. Bibliographie Abkürzungen nach: REDAKTION DER RGG : Abkürzungen Theologie und Religionswissenschaft nach RGG , Uni-Taschenbücher 2868, Stuttgart 2007. A LIKIN , V. 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Sach- und Personenregister A aÓdelfo/ ß__ 150, 155, 162, 164, 165, 312 Ägypten ___ 22, 66, 68, 73, 89, 95, 99, 104, 295 Ägypter _______ 66, 68, 91, 92 ai-ma __ 116, 117, 137, 142, 168, 311 Akklamationen _______ 212, 217 Alexandria ___ 66, 73, 77, 87, 99, 101, 104 Alikin, V. __________________ 42 Alltag ___ 16, 20, 26, 27, 33, 40, 41, 63, 64, 65, 73, 93, 95, 96, 108, 121, 122, 126, 133, 139, 143, 146, 147, 150, 156, 157, 159, 160, 162, 164, 170, 172, 173, 179, 183, 188, 192, 196, 199, 206, 207, 280, 283, 294, 298, 299, 307, 310, 311, 312 aÓpoqnhØ / skw___ 116, 117, 121, 126, 137, 138, 311 Aristeasbrief ___ 17, 65, 99, 100, 103, 104, 106, 108, 182, 310 a‡rtoß ___ 116, 117, 121, 126, 137, 141, 142, 143, 166, 168, 282, 302, 305, 311 Askese___ 27, 72, 77, 78, 81, 83, 84, 86, 93, 108, 116, 259 Aune, D. E. _______________ 211 Autorität ___ 51, 57, 187, 301, 308 B Badiou, A. ________________ 179 Barrett, C. K. ______________ 258 Baudy, D. ________________ 198 Baumert, N. ______ 151, 152, 170 Befähigung ____ 19, 114, 115, 119, 140, 142, 143, 147, 149, 249, 302, 311, 315 korporeal _______________ 117 rhetorisch ___ 115, 117, 210, 311 Begleitpersonen __ 33, 221, 228, 229 Bekleidung ___ 74, 80, 90, 93, 96, 108, 197 Bell, C. __ 49, 50, 58, 59, 156, 158, 161, 182, 183, 313 Bergquist, B. _______________ 41 Betz, H. D. ________________ 205 Black, M. _________ 213, 214, 295 Blut Christi__ 24, 25, 141, 143, 166, 168, 305, 306, 308 Booth, A. __________________ 41 Böttger, P. ________________ 250 Bourdieu, P. ____ 50, 52, 57, 128, 129, 130, 134, 137 Brady, T. A. ________________ 66 Bultmann, R. ______ 119, 145, 177 Burchard, C._____________ 89, 94 C Campbell, J. Y. ________ 152, 167 ca¿riß __ 34, 97, 216, 268, 272, 283, 290 Charles, R. ____ 103, 104, 258, 259 Chesnutt, R. D. _______ 93, 94, 96 Chilton, B. ______________ 25, 26 communitas ___________ 52, 220 Conzelmann, H. _______ 180, 299 Corley, K. _______________ 38, 39 Coutsoumpos, P._________ 28, 74 Cranfield, C. E. B. __________ 259 Cullmann, O. _______________ 23 D D’Arms, J. H. _______________ 38 De Boer, W. P. _________ 180, 181 Deissmann, G. A. __ 210, 295, 296 DeMaris, R. ________________ 30 Register 330 Dentzer, J.-M. ______________ 41 Diaspora ______ 27, 104, 241, 243 Diatribe ____ 116, 121, 122, 123, 126, 137, 138, 139, 141, 143, 144, 147, 163, 212, 250, 255, 261, 263, 311 Douglas, M. ____ 50, 51, 52, 54, 56, 57, 198, 199, 200, 201, 261 Douglas, R. C.______________ 90 Drei-Phasen-Modell Aggregation __ 52, 95, 220, 229, 232, 233, 234, 235, 258, 268, 291, 314 Begriffe ____ 34, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 162, 163, 164, 166, 168, 169, 170, 171, 173, 205, 232, 233, 234, 235, 247, 248, 253, 267, 268, 272, 274, 281, 282, 283, 285, 286, 288, 289, 290, 291, 292, 306, 307, 312 Liminalität ___ 18, 52, 53, 55, 92, 95, 97, 105, 108, 113, 219, 220, 221, 227, 229, 232, 233, 234, 235, 261, 268, 276, 291, 314 Begriffe __ 232, 233, 234, 243, 268, 276 Separation ____ 52, 219, 229, 233, 235, 247, 248, 314 Begriffe __ 150, 152, 155, 156, 162, 164, 170, 225, 232, 233, 234, 235, 244, 247, 249, 274, 285, 292, 293, 306, 307, 312 Dunn, J. D. ___ 120, 145, 259, 268 Dynamik des Mahls ____ 117, 127, 129, 130, 132, 133, 134, 136, 138, 141, 143, 146, 147, 176, 182, 185, 188, 192, 195, 199, 202, 207, 208, 218, 234, 236, 247, 312, 315 E Ebner, M.____________ 29, 64, 83 e˙kklhsi÷a__ 190, 191, 292, 295, 308 Elite __________________ 33, 134 Essen und Trinken ____ 41, 77, 94, 160, 172, 188, 189, 196, 200, 203, 204, 206, 207, 226, 228, 235, 254, 255, 256, 267, 279, 283, 288, 306 Ethnizität ________________ 127 Evans, N. _______________ 39, 40 F Fink, U. B. _________________ 92 Fleisch vgl. Opfer ____ 43, 73, 74, 82, 83, 87, 92, 95, 139, 144, 165, 206, 207, 255, 269, 273, 276, 278, 281, 286, 287, 288, 289, 290, 304 Foucart, P. F. _______________ 38 Foucault, M. _______________ 98 Frauen ____ 38, 39, 41, 69, 73, 74, 75, 80, 91, 114, 133, 134, 196, 228, 229, 248 Freude___ 22, 34, 40, 235, 255, 267, 270, 303 Freundschaft ____ 22, 34, 151, 224 G Gäckle, V. _________ 290, 303, 304 Gagnon, R. S. J. ____________ 266 Galatien ____ 46, 145, 172, 187, 243, 244 Geertz, C. _________________ 218 Gennep, v. A. ___ 52, 55, 90, 218, 219, 229, 314 Gesang ________ 42, 221, 223, 224 Hymnen ____ 44, 65, 73, 74, 75, 212, 215, 216, 217, 222, 223, 224, 225, 226, 228 Lieder ___ 216, 223, 224, 227, 228 Lobgesänge ______________ 42 Gleichberechtigung ___ 76, 80, 224, 228 Gleichheit___________ 34, 76, 126 Gleichnis _____ 197, 211, 212, 214 Godet, F. L. _______________ 265 Gottesdienst für andere Götter__ 83, 86, 93, 140, 153, 155, 156, 163, 165, 170, 171, 173, 189, 207, 246, 255, 273, 276, 280, 281, 283, 285 Gruen, E. S. _______________ 106 H Habitus___ 128, 129, 130, 133, 134, 137 Hainz, J. __________________ 170 Hatch, W. _________________ 295 Hay, D. M. ___________ 73, 79, 80 Sach- und Personenregister 331 Hellenisierung ___ 35, 66, 67, 69, 71, 101, 108, 310 Hellenistisches Mahl ___ 159, 204 Deipnon ____ 18, 33, 42, 43, 44, 90, 94, 95, 113, 160, 195, 200, 203, 204, 221, 222, 223, 226, 228, 299, 314 Diener ___ 33, 42, 70, 72, 75, 160, 207, 280, 283, 286 Libation ____ 33, 42, 43, 44, 82, 83, 91, 160, 183, 184, 204, 221, 223, 226, 227, 260 Mahlteilnehmer ____ 15, 17, 30, 33, 37, 40, 63, 64, 65, 72, 74, 75, 76, 81, 83, 89, 97, 108, 109, 113, 114, 115, 117, 132, 136, 137, 140, 142, 148, 156, 160, 171, 172, 182, 183, 184, 185, 190, 193, 195, 196, 197, 207, 210, 222, 225, 227, 228, 236, 246, 249, 258, 260, 262, 263, 265, 271, 273, 275, 276, 277, 279, 283, 284, 285, 293, 295, 300, 302, 305, 306, 307, 311 Sitzordnung ____ 17, 18, 33, 34, 40, 41, 42, 74, 94, 113, 134, 150, 153, 156, 159, 160, 161, 162, 163, 164, 165, 167, 171, 172, 173, 183, 197, 200, 221, 222, 260, 312 Sprache ____ 18, 113, 210, 211, 217, 229, 295 Symposiarch ____ 18, 33, 41, 70, 113, 160, 171, 176, 180, 184, 185, 186, 188, 189, 190, 192, 193, 221, 223, 225, 228, 294, 313, 316 als Leiter des Mahls ___ 43, 176, 184, 313 Symposion ____ 18, 33, 40, 41, 42, 43, 44, 87, 94, 102, 105, 106, 108, 113, 135, 160, 183, 195, 200, 203, 204, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 228, 267, 314 Verhalten ____ 17, 29, 30, 35, 42, 56, 103, 115, 116, 117, 129, 139, 140, 141, 144, 147, 150, 156, 159, 163, 165, 168, 171, 172, 180, 183, 185, 187, 188, 190, 196, 197, 233, 250, 258, 260, 262, 264, 265, 273, 275, 276, 277, 279, 280, 285, 291, 313, 316 Verlauf ____ 17, 29, 31, 33, 35, 42, 43, 44, 51, 77, 113, 148, 180, 185, 193, 195, 196, 197, 198, 199, 203, 204, 205, 210, 225, 236, 252, 258, 299, 311, 313, 314 Hofius, O._____________ 191, 299 Höfler, A. __________________ 70 Houseman, M._____________ 199 Hubbard, M. _______________ 94 Humphrey, E. M. ___________ 90 I Identität___ 16, 23, 25, 28, 29, 30, 38, 59, 72, 87, 93, 95, 101, 103, 113, 116, 119, 123, 127, 130, 137, 139, 140, 141, 143, 147, 161, 164, 166, 171, 176, 181, 189, 227, 241, 252, 255, 256, 263, 266, 270, 271, 273, 283, 311, 313, 316 Einzelner___ 17, 76, 115, 116, 121, 123, 127, 128, 132, 139, 140, 141, 143, 144, 147, 150, 155, 156, 158, 159, 161, 162, 164, 172, 188, 189, 262, 264, 266, 272, 285, 286, 287, 288, 290, 311, 312, 315, 316 Gruppenidentität ____ 115, 116, 123, 127, 132, 138, 139, 140, 141, 143, 147, 263, 302, 304 Identitätsausbildung ____ 17, 113, 114, 115, 138, 140, 176, 210, 310, 311, 312, 314 Identitätsausübung __ 17, 35, 42, 113, 148, 150, 161, 171, 172, 312 i¶dion dei pnon ____ 173, 235, 289, 291, 294, 297, 298, 300, 301, 306, 307, 316 Imitatio Christi ____ 176, 177, 178, 180, 181, 182, 184, 185, 187, 191, 192, 279, 291, 294, 301, 307, 313 Pauli __ 177, 178, 180, 181, 182, 185, 187, 189, 191, 253, 313 Isis ________________________ 66 i˙sonomi÷a __ 34, 268, 272, 283, 290 Register 332 J Jesus als Symposiarch ____ 28, 99, 118, 137, 167, 180, 186, 190, 191, 192, 197, 294, 298, 300, 301, 307, 313, 314, 316 historischer Jesus ___ 22, 25, 27, 30, 142, 154, 155, 176, 177, 180, 182, 192, 267, 300, 313 Jewett, R. ___ 259, 260, 261, 262, 263, 264, 266, 269, 270 Jülicher, A. _______________ 296 K Kahl, B. ______________ 162, 163 Käsemann, E. ___ 166, 167, 169, 170, 284 kata¿keimai___ 150, 153, 155, 164, 165, 171, 277, 312 Kataloge _________ 212, 215, 303 Kelch ____ 91, 92, 94, 141, 142, 168, 188, 190, 197, 282, 284, 301 Kinder _________ 39, 75, 114, 197 Klauck, H.-J. ____ 23, 24, 25, 26, 299 Klinghardt, M. ___ 15, 26, 29, 31, 32, 34, 35, 36, 43, 44, 63, 73, 97, 120, 142, 154, 195, 203, 223, 225, 228, 299, 301 Koch, D.-A. _______________ 287 koinwni÷a ___ 34, 150, 151, 152, 154, 155, 162, 163, 164, 166, 168, 169, 170, 173, 233, 234, 268, 272, 274, 281, 282, 283, 285, 286, 288, 289, 290, 312 koinwnoi÷ _____ 155, 170, 234, 285 koinwno/ ß ___ 150, 152, 155, 156, 162, 164, 170, 233, 234, 285, 312 Kollmann, B. ____________ 25, 26 kollektive Identität ___ 17, 18, 71, 113, 114, 115, 117, 119, 122, 123, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 136, 137, 138, 141, 142, 143, 150, 264, 266, 270, 271, 286, 311, 312, 315 Kriterien _______________ 131 Kommunikation ____ 53, 56, 104, 105, 143, 202, 219 nonverbale __________ 134, 137 Konradt, M. _______________ 154 Korinth ____ 24, 28, 41, 46, 139, 165, 173, 256, 303, 304, 306 Kreinath, J. ________________ 199 kuriako\n dei pnon ____ 151, 154, 162, 163, 164, 165, 166, 168, 171, 172, 173, 174, 190, 191, 192, 193, 195, 207, 257, 258, 261, 265, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 278, 279, 282, 283, 285, 287, 289, 290, 291, 292, 294, 295, 296, 298, 299, 300, 301, 302, 304, 306, 307, 308, 313, 315, 316 ku/ rioß ___ 24, 85, 177, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 193, 253, 257, 261, 262, 295, 296, 297, 298, 300, 301, 304, 305, 308, 313 L Leach, E. R. ___________ 218, 219 Lebensmittel Brot ____ 23, 24, 25, 42, 43, 74, 76, 77, 81, 82, 83, 86, 91, 92, 94, 95, 121, 141, 142, 143, 151, 168, 170, 188, 190, 197, 201, 282, 284, 301, 302, 303, 304, 306, 308 Honig _________ 82, 94, 95, 204 Wasser ___ 43, 74, 76, 77, 81, 82, 83, 86, 118, 184, 204, 225 Leib Christi ___ 23, 24, 117, 118, 120, 141, 142, 143, 147, 154, 155, 166, 167, 168, 170, 171, 173, 181, 189, 190, 253, 256, 257, 263, 264, 266, 267, 271, 278, 283, 284, 286, 288, 289, 291, 293, 294, 298, 300, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 312, 316 Liegen ___ 40, 41, 121, 134, 153, 160, 188, 222, 232, 235, 252, 288, 316 Lietzmann, H. ______________ 22 Lieu, J.___ 115, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 137, 139, 143, 147 Liturgie__________ 15, 22, 57, 216 lo/ goß ____________ 84, 85, 86, 87 Lorenzen, S. ___________ 120, 141 Sach- und Personenregister 333 M Mahlgemeinschaft ___ 16, 17, 24, 28, 30, 31, 33, 34, 35, 36, 40, 41, 42, 44, 65, 68, 70, 71, 72, 86, 90, 97, 102, 113, 115, 141, 144, 150, 153, 159, 160, 161, 163, 164, 165, 171, 172, 176, 181, 184, 185, 188, 190, 192, 193, 195, 196, 205, 211, 221, 223, 227, 228, 229, 232, 245, 249, 251, 257, 259, 262, 265, 267, 273, 274, 282, 283, 285, 287, 289, 290, 292, 294, 300, 302, 304, 307, 310, 313, 315, 316 Mahlpraxis ____ 16, 18, 22, 24, 28, 31, 65, 189, 249, 253, 254, 267, 271, 299, 305, 306, 308 Marxsen, W. _______________ 23 Mason, S. _________________ 251 McGowan, A. ____ 27, 76, 77, 81, 82, 83, 116 Meisner, N. _______________ 100 Menschen aus den Nationen ___ 25, 94, 164, 242, 245, 246, 248, 250, 252, 253, 255, 257, 266, 281 Metapher ____ 55, 120, 121, 122, 126, 141, 142, 143, 147, 154, 158, 159, 202, 212, 213, 214, 218, 268, 295, 298, 302, 308, 310, 311, 314 Metapherntheorie _____ 213, 295 mete÷cw ___ 150, 166, 168, 169, 312 Methodik ____ 22, 31, 45, 46, 63, 108, 241, 309, 310, 315 Moo, D. J. ________________ 261 Mose _________ 73, 78, 80, 85, 87 N Nahrungsmittel ____ 76, 83, 246, 256 Nation ___________________ 127 Niehoff, M. ________________ 87 Normen ____ 17, 29, 65, 97, 130, 178, 270, 272 O Opfer Brot ___________________ 201 Fleisch ____ 139, 143, 205, 206, 255, 272, 274, 275, 278, 279, 281, 283, 285, 286, 288, 289, 290, 316 Opferhandlungen ___ 70, 82, 121, 201, 226, 269, 281 Osiris __________________ 66, 67 P Partizipation __ 17, 33, 35, 38, 39, 40, 69, 83, 102, 108, 152, 153, 155, 156, 158, 159, 164, 165, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 199, 202, 251, 253, 259, 276, 277, 279, 280, 283, 285, 286, 289, 290, 295, 308, 312 Percy, E. __________________ 169 Perfektionierung ___ 37, 57, 97, 133, 156, 157, 158, 159, 161, 163, 165, 169, 170, 172, 173, 312 Performanz ___ 15, 19, 29, 35, 53, 54, 55, 56, 58, 63, 64, 71, 76, 77, 81, 104, 114, 115, 116, 117, 120, 123, 128, 131, 132, 133, 136, 137, 138, 140, 141, 150, 152, 156, 158, 159, 161, 169, 170, 172, 173, 176, 177, 182, 184, 187, 191, 192, 199, 202, 217, 252, 285, 287, 295, 299, 308, 309, 312, 313, 314 Personenrede ___ 116, 122, 125, 126, 137, 138, 141, 250, 311 fili÷a ______ 34, 268, 272, 283, 290 Philo Anthropologie ____ 76, 77, 79, 81, 221 Therapeuten ____ 17, 27, 65, 69, 72, 73, 74, 75, 76, 78, 79, 80, 83, 84, 86, 108, 292, 310 pi÷stiß ____ 143, 144, 145, 146, 147 Poland, F. ____________ 36, 38, 39 Popkes, E. E. __________ 244, 245 Price, S. R. F. ______________ 304 R Rao, U. ___________________ 199 Rappaport, R. A. ____ 50, 53, 54, 56, 158, 198, 201 Reasoner, M. ______________ 264 Reich Gottes ____ 142, 189, 196, 235, 255, 257, 266, 268, 284, 302, 306, 308, 316 Register 334 Reinheit __ 51, 74, 77, 78, 83, 85, 199, 246, 249, 253 Reiser, M. ____ 211, 212, 214, 215, 216, 217 Richards, I. A. _____________ 213 Riessler, P. _________________ 92 Ritualisierung ___ 58, 59, 176, 182, 183, 184, 185, 187, 189, 190, 191, 192, 262, 313 Ritualtheoretische Exegese __ 17, 65, 89, 96, 107, 108, 113, 121, 142, 150, 162, 169, 170, 172, 173, 177, 198, 204, 208, 235, 310, 312, 314, 315 Heterotopie ____ 17, 65, 98, 99, 159, 161, 165, 169, 171, 172, 173, 267, 269, 271, 283, 308, 310, 315 Korporealität (Korpo-)Realität ____ 72, 76, 81, 83, 84, 86, 87, 93, 96, 108, 115, 116, 117, 126, 127, 132, 133, 137, 138, 140, 141, 142, 147, 148, 154, 155, 158, 159, 210, 241, 256, 257, 306, 308, 311, 312, 316, Körper ____ 25, 51, 56, 58, 72, 73, 76, 77, 79, 80, 83, 84, 85, 86, 87, 93, 116, 117, 118, 119, 120, 128, 129, 130, 132, 134, 137, 138, 158, 201, 255, 295, 311 Körperliche Präsenz __ 17, 65, 72, 109, 136, 140, 158, 159, 161, 163, 173 Kulturelle Kontextualisierung 17, 26, 65, 71, 72, 87, 96, 99, 102, 108, 109, 120, 121, 204, 216, 310, 311 Rituelle Transformation __ 17, 90, 92, 93, 94, 95, 96, 99, 108, 181, 202 Ritualtheorien _____ 17, 29, 45, 49, 51, 57, 63, 64, 109, 202, 310 Robinson, J. A. T. ______ 118, 119 Rollenverhalten ____ 16, 17, 27, 33, 44, 49, 68, 90, 113, 114, 117, 121, 130, 148, 152, 157, 160, 176, 177, 182, 184, 185, 188, 192, 195, 196, 197, 220, 221, 224, 225, 229, 234, 294, 298, 311, 313 Roller, M. B. ___ 38, 128, 133, 134, 136, 141, 143 Roloff, J. ______________ 217, 218 Rom ____ 22, 37, 46, 78, 87, 123, 135, 145, 189, 257, 259, 262, 267, 268, 271, 315 S Sabbat ______ 73, 74, 196, 261, 272 Sandnes, K. _______________ 184 Sarapiskult ____ 17, 65, 66, 68, 69, 70, 71, 72, 108, 310 Prieser __________________ 68 Sarkophage _______ 133, 134, 222 sa¿rx _ 116, 117, 118, 119, 120, 125, 126, 137, 140, 142, 255, 305, 311 Sättigung ____ 24, 33, 44, 72, 74, 76, 77, 81, 83, 87, 172, 183, 203, 204, 253, 254, 256, 257, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 307 sci÷sma _______ 235, 292, 293, 307 Schlier, H._________________ 293 Schmeller, T. __ 122, 123, 126, 139 Schneider, G. ______________ 181 Schnelle, U. _______________ 215 Schrage, W. __ 256, 272, 274, 275, 276, 277, 279, 281, 283, 284, 286, 287, 291, 299, 301, 306 Schröter, J. _________________ 30 Seesemann, H. _____ 167, 168, 169 Segal, A. F. _________________ 85 Severi, C. _____________ 202, 314 Shogren, G. S. _____________ 258 Sitzen _________ 41, 141, 160, 249 Sklaven ____ 38, 39, 40, 42, 68, 73, 114, 133, 178, 179, 228, 229, 261, 263 Smit, P.-B. _________ 31, 268, 271 Smith, D. ____ 15, 28, 29, 32, 35, 36, 41, 63, 97, 156, 160, 184, 224 Smith, J. Z. ___ 50, 57, 58, 133, 156, 157, 158, 159, 161, 163, 310, 312 Social Grammar ____ 127, 130, 137, 139, 143, 147, 302 sw ma ____ 81, 116, 117, 118, 119, 120, 126, 137, 138, 140, 142, 143, Sach- und Personenregister 335 167, 168, 213, 256, 284, 302, 305, 306, 308, 311 sw ma touv Cristouv ___ 119, 150, 151, 153, 154, 155, 164, 166, 167, 168, 169, 186, 312 Soziale und kulturelle Codes__ 41, 42, 44, 45, 76, 130, 134, 138, 150, 199, 255, 257, 266, 315 Sozialer Status _ 34, 40, 41, 76, 86, 87, 96, 133, 134, 156, 160, 181, 202, 206, 219, 276 Soziales Experimentieren__ 37, 41, 64, 107, 160, 228 Speisen __ 27, 33, 34, 41, 42, 43, 44, 72, 75, 76, 87, 94, 95, 96, 116, 134, 161, 164, 187, 188, 195, 200, 204, 249, 252, 262, 263, 265, 272, 275 Hauptspeise__ 43, 200, 203, 204 Nachspeise ___ 43, 44, 83, 200, 203, 204 Vorspeise__43, 83, 200, 203, 204 Stambaugh, J. E. ____________ 67 Standhartinger, A. _______ 39, 89 Stegemann, E. W. __________ 211 Stegemann, W. _________ 99, 267 Stein, H. J.___ 22, 30, 221, 223, 253, 277, 278, 286 Stein-Hölkeskamp, E. _______ 33 Stephan, E. ___ 115, 127, 131, 132 Stowers, S. K. __ 78, 116, 122, 125, 126, 143, 144, 211, 261 Strecker, C. ____ 145, 146, 153, 154, 218, 219, 221, 303 su/ _______ 138, 144, 249, 250, 253 sune÷rcomai __ 150, 153, 155, 164, 171, 235, 291, 292, 307, 312 sunesqi÷w _____ 91, 232, 246, 247 Symbolik ___ 41, 51, 54, 55, 56, 94, 156, 170, 183 T Tanz ______________ 34, 224, 225 Taussig, H. ____ 16, 29, 32, 34, 35, 37, 39, 40, 42, 63, 97, 102, 133, 136, 156, 157, 159, 161, 165, 172, 183, 185, 196, 202, 221, 222, 223, 224, 226, 227, 228, 282, 289 Taylor, J. E. _____________ 77, 78 Tcherikover, V.________ 101, 106 Tempel ___ 25, 58, 68, 70, 82, 97, 100, 104, 121, 139, 165, 187, 196, 206, 277, 280, 281, 286, 287, 288 Text und Kontext _ 16, 17, 64, 65, 72, 89, 310, 311, 314 Theißen, G. ____________ 23, 301 Tuor-Kurth, C. ____________ 264 Turner, V. W.__ 50, 51, 52, 54, 55, 56, 57, 90, 218, 220, 227, 229, 314 Transformation ____ 52, 53, 220, 221 U Übergangsriten ____________ 219 Unreinheit ____ 50, 51, 138, 199, 246, 249, 253 Utopie ____ 31, 97, 98, 100, 106, 147, 157, 291 V Vereine _____ 26, 36, 38, 68, 69, 97 Vermes, G. _________________ 72 Vidman, L. ___________ 66, 68, 69 Vorworte _____________ 212, 214 W Wandbilder ___________ 114, 134 Wasserman, E._____ 116, 122, 123 Wechsler, A. ______ 243, 244, 246 Wein__ 23, 24, 33, 43, 44, 73, 74, 82, 83, 87, 92, 95, 121, 134, 142, 151, 170, 184, 197, 201, 204, 206, 225, 226, 269, 283, 302, 303, 306 Weiß, J. ___________________ 281 Welborn, L. L. _________ 178, 179 Werte__ 15, 17, 27, 28, 30, 34, 49, 59, 65, 88, 97, 108, 121, 127, 135, 136, 161, 178, 182, 184, 185, 190, 224, 268, 283, 290, 314 Wick, P. ___________________ 27 Wilckens, U. ______________ 249 Wimbush, V. ______________ 116 Wolter, M. ________________ 154 Y Youtie, H. C. _______________ 70 Z Zahn, T. __________ 246, 249, 251 Register 336 B. Biblische Bücher und außerkanonische Schriften 1. Altes Testament Gen Gen 1,26-27 _________________ 79 Gen 2,7_____________________ 79 Gen 2,24___________________ 118 Gen 41,45f __________________ 89 Gen 41,50___________________ 89 Gen 41,53ff _________________ 89 Gen 43,32_______________ 91, 247 Gen 46 _____________________ 89 Ex Ex 18,12 ________________ 91, 247 Ex 23,21 ____________________ 84 Ex 24,11 ____________________ 84 Ex 32,6 ____________________ 280 Ex 40,23 ___________________ 121 Lev Lev 17,4 ___________________ 201 Lev 17,14 __________________ 201 Num Num 14,28_________________ 189 Dtn Dtn 7,24 _______________ 232, 243 Dtn 9,2 ________________ 232, 243 Dtn 12,25 ______________ 232, 243 1Sam 1Sam 1,18 _________________ 196 1Sam 9,22 _________________ 196 1Sam 12,22 ________________ 258 1Sam 21,7 _________________ 121 2Sam 2Sam 12,17 _____________ 91, 247 Jes Jes 40,5 ___________________ 118 Jes 40,6 ___________________ 118 Jes 45,23 __________________ 264 Jes 49,18 ______________ 189, 263 Jer Jer 22,24 __________________ 189 Jer 26,18 __________________ 189 Ez Ez 5,11 ___________________ 189 Ez 14,16 __________________ 189 Ez 14,18 __________________ 189 Ez 14,20 __________________ 189 Ez 16,48 __________________ 189 Ez 17,16 __________________ 189 Ez 18,3 ___________________ 189 Ez 20,31 __________________ 189 Ez 20,33 __________________ 189 Ez 34,8 ___________________ 189 Ez 35,6 ___________________ 189 Ez 35,11 __________________ 189 Jo Jo 3,1 _____________________ 118 Zeph Zeph 2,9 __________________ 189 Ps Ps 17,17 ___________________ 258 Ps 26,10 ___________________ 258 Ps 64,5 ____________________ 258 Ps 72,24 ___________________ 258 Ps 100 ____________________ 247 Ps 100,2 _______________ 247, 248 Ps 100,3 ___________________ 247 Ps 100,4 _______________ 246, 247 Ps 100,5 _______________ 246, 247 Ps 100,6 _______________ 247, 248 Ps 100,7 ___________________ 246 Ps 100,8 ___________________ 247 Biblische Bücher und außerkanonische Schriften 337 Ps 110,1 ___________________ 296 Ps 142,2 ___________________ 118 1Chr 1Chr 9,32 __________________ 121 1Chr 23,29 _________________ 121 1Chr 27,6 __________________ 293 2Chr 2Chr 4,19 __________________ 121 2. Außerkanonische Schriften neben dem Alten Testament Arist Arist 22-25 __________________ 99 Arist 29-32 __________________ 99 Arist 51-82 _________________ 100 Arist 83-120 ________________ 100 Arist 128-170 ___________ 100, 101 Arist 163 __________________ 294 Arist 166f __________________ 106 Arist 187-192 _______________ 100 Arist 187f ______________ 106, 182 Arist 190 __________________ 182 Arist 192 __________________ 182 Arist 205 __________________ 182 Arist 207 __________________ 182 Arist 210 __________________ 182 Arist 253 __________________ 106 Arist 281 __________________ 182 JosAs JosAs _____________________ 310 JosAs 1-21 __________________ 89 JosAs 3,6 ________________ 90, 94 JosAs 3,10 __________________ 91 JosAs 4,3-7_______________ 90, 95 JosAs 7 _____________________ 94 JosAs 7,1 ________________ 91, 94 JosAs 8,5 ________________ 91, 94 JosAs 8,9 ___________________ 94 JosAs 8,10 __________________ 91 JosAs 8,11 __________________ 91 JosAs 9 _____________________ 94 JosAs 9,3 ________________ 91, 94 JosAs 10 ____________________ 95 JosAs 10,2 _______________ 91, 95 JosAs 10,4 __________________ 90 JosAs 10,14 ______________ 91, 95 JosAs 10,20 _________________ 95 JosAs 12,5 __________________ 95 JosAs 12,5f _________________ 91 JosAs 13,7 __________________ 90 JosAs 13,8 __________________ 91 JosAs 15,4 ____________ 91, 92, 95 JosAs 15,6 __________________ 92 JosAs 15,14 ______________ 91, 92 JosAs 16,6 __________________ 92 JosAs 16,7-9 ________________ 91 JosAs 16,16 _________________ 92 JosAs 18,2 ____________ 90, 92, 94 JosAs 19,5 _______________ 92, 95 JosAs 20 ___________________ 94 JosAs 20,1 __________________ 93 JosAs 20,2 __________________ 93 JosAs 20,4 __________________ 93 JosAs 20,5 _______________ 91, 93 JosAs 20,6-8 ________________ 93 JosAs 21 ___________________ 94 JosAs 21,6 __________________ 90 JosAs 21,6-7 _____________ 93, 95 JosAs 21,8 __________________ 90 JosAs 22,6 __________________ 91 JosAs 22-29_________________ 89 2Makk 2Makk____________________ 249 2Makk 2,21________________ 252 2Makk 6,21________________ 249 2Makk 6,24________________ 249 2Makk 8,1_________________ 258 2Makk 10,15_______________ 258 4Makk 4Makk____________________ 249 4Makk 6,14-15 _____________ 249 4Makk 13,5________________ 294 SapSal SapSal 17,10 _______________ 258 Sir Sir 12,12 __________________ 222 Sir 14,16 __________________ 294 Sir 14,25 __________________ 196 Sir 18,1 ___________________ 294 Register 338 3. Neues Testament Mt Mt 1,1-17 __________________ 215 Mt 1,2 _____________________ 155 Mt 1,11 ____________________ 155 Mt 4,18 ____________________ 155 Mt 4,21 ____________________ 155 Mt 5,29f ___________________ 119 Mt 6,22f ___________________ 119 Mt 8,11 ____________________ 159 Mt 9,10 _________________ 42, 159 Mt 9,24 ____________________ 121 Mt 10,8 ____________________ 258 Mt 10,23 ___________________ 282 Mt 12,4 ____________________ 121 Mt 12,50 ___________________ 155 Mt 14,9 ____________________ 159 Mt 14,12 _______________ 118, 119 Mt 14,19 ___________________ 159 Mt 15,35 ___________________ 159 Mt 16,17 ___________________ 119 Mt 16,22 ___________________ 258 Mt 21,9 ____________________ 216 Mt 21,15 ___________________ 216 Mt 22,10 ________________ 42, 159 Mt 22,11 ________________ 42, 159 Mt 22,24 ___________________ 121 Mt 23,6 ____________________ 297 Mt 23,35 ___________________ 121 Mt 24,22 ___________________ 118 Mt 25,36 ___________________ 258 Mt 25,39 ___________________ 258 Mt 26,6-13 _________________ 197 Mt 26,7 _________________ 42, 159 Mt 26,12 ___________________ 119 Mt 26,20 ________________ 42, 159 Mt 26,26-28 ____________ 195, 197 Mt 27,59 _______________ 118, 119 Mk Mk 1,30 ___________________ 153 Mk 1,31 ___________________ 196 Mk 2,4 ____________________ 153 Mk 2,15 _______________ 153, 159 Mk 2,15-17_________________ 197 Mk 2,26 ___________________ 121 Mk 3,35 ___________________ 155 Mk 5,25 ___________________ 121 Mk 5,29 _______________ 119, 121 Mk 5,35 ___________________ 121 Mk 5,39 ___________________ 121 Mk 6,21 ___________________ 297 Mk 6,22 ___________________ 159 Mk 6,26 ________________ 42, 159 Mk 6,39 ___________________ 159 Mk 6,40 ___________________ 159 Mk 6,56 ___________________ 258 Mk 7,2 ____________________ 264 Mk 7,5 ____________________ 264 Mk 7,15 ___________________ 264 Mk 7,24-30 ________________ 197 Mk 8,6 ____________________ 159 Mk 8,15 ___________________ 196 Mk 8,32 ___________________ 258 Mk 9,11 ___________________ 301 Mk 9,26 ___________________ 121 Mk 10,33 __________________ 301 Mk 10,35-45 _______________ 197 Mk 10,43 ___________________ 42 Mk 11,9-10 ________________ 216 Mk 12,36 __________________ 296 Mk 12,37 __________________ 159 Mk 12,39 __________________ 297 Mk 13,20 __________________ 118 Mk 13,29 __________________ 159 Mk 14,3 _______________ 153, 159 Mk 14,3-9 _________________ 197 Mk 14,8 ___________________ 119 Mk 14,12-16 _______________ 196 Mk 14,18 __________________ 159 Mk 14,22 ___________________ 42 Mk 14,22-25 ___________ 195, 197 Mk 14,36 __________________ 216 Mk 15,45 __________________ 119 Mk 16,46 __________________ 159 Lk Lk 1,1-4 ___________________ 214 Lk 1,47-55 _________________ 216 Lk 1,68-79 _____________ 216, 217 Lk 2,14 ___________________ 217 Lk 2,29-32 _________________ 216 Lk 3,6 ____________________ 118 Lk 3,23-37 _________________ 215 Lk 4,38-39 _________________ 196 Lk 4,40 ___________________ 258 Lk 5,10 ___________________ 152 Biblische Bücher und außerkanonische Schriften 339 Lk 5,25 ____________________ 153 Lk 5,29 ________________ 153, 159 Lk 6,4 _____________________ 121 Lk 7,36 ____________________ 159 Lk 7,36-50 ______________ 42, 197 Lk 7,37 ________________ 153, 159 Lk 8,42 ____________________ 121 Lk 8,43 ____________________ 121 Lk 9,14 ____________________ 159 Lk 9,15 ____________________ 159 Lk 10,1-12 _________________ 196 Lk 10,7 ____________________ 196 Lk 10,9 ____________________ 196 Lk 10,12 ___________________ 196 Lk 11,34 ___________________ 119 Lk 11,37 ___________________ 159 Lk 11,51 ___________________ 121 Lk 12,19 ________________ 42, 159 Lk 14 _________________ 196, 197 Lk 14,1 ____________________ 197 Lk 14,1-3 __________________ 196 Lk 14,4 ____________________ 197 Lk 14,7 ____________________ 197 Lk 14,7-11 _________________ 197 Lk 14,8 ____________________ 159 Lk 14,10 ___________________ 159 Lk 14,12 ___________________ 297 Lk 14,12-14 ________________ 197 Lk 14,15 ___________________ 159 Lk 14,15-24 ________________ 197 Lk 14,16 ___________________ 297 Lk 15,2 ____________________ 245 Lk 17,7 ____________________ 159 Lk 17,8 ____________________ 297 Lk 17,37 ___________________ 119 Lk 19,39 ___________________ 217 Lk 20,46 ___________________ 297 Lk 22,14 ___________________ 159 Lk 22,15-20 ____________ 195, 197 Lk 22,27 ________________ 42, 159 Lk 22,44 ___________________ 121 Lk 24 _____________________ 196 Lk 24,28-35 ________________ 196 Lk 24,30 ________________ 42, 159 Lk 24,31 ____________________ 42 Joh Joh 1,1-4 ___________________ 224 Joh 1,1-18 __________________ 216 Joh 1,8-14 __________________ 224 Joh 1,16-18 ________________ 224 Joh 2,21 ___________________ 119 Joh 4,46 ___________________ 258 Joh 5,3 ________________ 153, 258 Joh 5,6 ____________________ 153 Joh 5,7 ____________________ 258 Joh 6,2 ____________________ 258 Joh 6,10 ___________________ 159 Joh 6,11 ________________ 42, 159 Joh 6,52-58 _________________ 24 Joh 7,43 ___________________ 293 Joh 9,16 ___________________ 293 Joh 10,19 __________________ 293 Joh 11,1-3 _________________ 258 Joh 11,6 ___________________ 258 Joh 12,1 ___________________ 196 Joh 12,2 ____________ 42, 159, 297 Joh 12,3 ________________ 42, 159 Joh 12,13 __________________ 216 Joh 13 _________________ 42, 198 Joh 13,1-11 ________________ 197 Joh 13,2 ___________________ 297 Joh 13,12 ______________ 159, 197 Joh 13,25 __________________ 159 Joh 13,30 __________________ 197 Joh 13,36 __________________ 198 Joh 17,2 ___________________ 118 Joh 18,28 _______________ 42, 159 Joh 19,34 __________________ 121 Joh 21,9 ________________ 42, 159 Joh 21,20 ______________ 159, 297 Apg Apg 2,17 __________________ 118 Apg 2,34f _________________ 296 Apg 2,42 __________________ 151 Apg 2,44-47 _______________ 151 Apg 2,46 _______________ 42, 196 Apg 2,46-47 _______________ 196 Apg 4,32-37 _______________ 151 Apg 9,33 __________________ 153 Apg 9,37 __________________ 258 Apg 9,40 __________________ 119 Apg 10,9-16 _______________ 264 Apg 10,41 __________________ 23 Apg 11,1-8 ________________ 264 Apg 11,3 __________________ 245 Apg 11,26 _________________ 245 Apg 12,22 _________________ 217 Apg 13 ___________________ 245 Register 340 Apg 15 ____________________ 245 Apg 15,1 __________________ 245 Apg 15,11 _________________ 259 Apg 17,5 __________________ 258 Apg 18,26 _________________ 258 Apg 19,12 _________________ 258 Apg 20,7 ___________________ 42 Apg 20,35 _________________ 258 Apg 27,33 _____________ 196, 258 Apg 27,33-38 _______________ 196 Apg 27,35 ______________ 42, 196 Apg 27,36 _____________ 196, 258 Apg 27,38 _________________ 196 Apg 28,2 __________________ 258 Apg 28,8 __________________ 153 Röm Röm __________________ 186, 190 Röm 1_____________________ 145 Röm 1,16 __________________ 146 Röm 1,18 __________________ 123 Röm 1,18-32 ___________ 123, 124 Röm 1,18-2,11 ______________ 123 Röm 1,19 __________________ 123 Röm 1,20 __________________ 124 Röm 1,21 __________________ 124 Röm 1,24 __________________ 123 Röm 1,24-28 _______________ 124 Röm 1,28 __________________ 123 Röm 1,32 __________________ 124 Röm 2_________________ 124, 255 Röm 2,1 ___________________ 261 Röm 2,1-5 _________________ 143 Röm 2,5-16 ________________ 263 Röm 2,15 __________________ 276 Röm 2,17-24 ___________ 123, 143 Röm 2,17-4,22 __________ 123, 124 Röm 3,1-5,2 ________________ 145 Röm 3,1-8 _________________ 123 Röm 3,4 ___________________ 124 Röm 3,9 ___________________ 123 Röm 3,12 __________________ 124 Röm 3,20 __________________ 118 Röm 3,22 __________________ 124 Röm 3,27-31 _______________ 123 Röm 3,34 __________________ 263 Röm 4,1-12 ________________ 123 Röm 4,17 __________________ 146 Röm 4,19 __________________ 258 Röm 4,24 __________________ 146 Röm 4,25__________________ 301 Röm 5,9___________________ 121 Röm 6,1f. _________________ 123 Röm 6,8_______________ 121, 146 Röm 6,8-11 ________________ 263 Röm 6,9___________________ 297 Röm 6,12-14 ___________ 123, 124 Röm 6,12f _________________ 118 Röm 6,13__________________ 123 Röm 6,14__________________ 297 Röm 6,15__________________ 123 Röm 6,17-22 _______________ 124 Röm 7 ____________________ 255 Röm 7,1___________________ 297 Röm 7,4_______________ 153, 154 Röm 7,5___________________ 124 Röm 7,7_______________ 123, 124 Röm 7,7-25 ________ 123, 124, 125 Röm 7,10__________________ 125 Röm 7,13__________________ 125 Röm 7,13-25 _______________ 125 Röm 7,14__________________ 125 Röm 7,15__________________ 125 Röm 7,16__________________ 125 Röm 7,17__________________ 125 Röm 7,18__________________ 125 Röm 7,19__________________ 125 Röm 7,20__________________ 125 Röm 7,21__________________ 125 Röm 7,22__________________ 125 Röm 7,23__________________ 125 Röm 7,24__________________ 125 Röm 8 ____________________ 125 Röm 8,3___________________ 258 Röm 8,7___________________ 123 Röm 8,10__________________ 118 Röm 8,12-13 _______________ 117 Röm 8,12-14 ___________ 123, 125 Röm 8,13__________________ 121 Röm 8,15__________________ 216 Röm 8,31-39 _______________ 123 Röm 8,32__________________ 301 Röm 8,35__________________ 215 Röm 9,14.30-33 ____________ 123 Röm 9,19-21 ___________ 123, 143 Röm 10,8__________________ 146 Röm 10,9__________________ 217 Röm 10,17_________________ 146 Röm 10,18f ________________ 123 Röm 11,1-24 _______________ 123 Biblische Bücher und außerkanonische Schriften 341 Röm 11,3-36 _______________ 216 Röm 11,17-24 ______________ 214 Röm 11,25 _________________ 282 Röm 12,1 __________________ 268 Röm 12,3-8 ____________ 123, 257 Röm 12,4-8 ________________ 214 Röm 12,5 __________________ 119 Röm 12,16 _________________ 282 Röm 13,3-4 ________________ 123 Röm 13,11-14 __________ 123, 214 Röm 13,8-14 ___________ 123, 125 Röm 14___ 164, 165, 172, 173, 190, 204, 207, 208, 255, 257, 262, 265, 269, 272, 275, 290, 312, 313, 314, 316 Röm 14,1 _ 145, 190, 234, 258, 259, 270, 271 Röm 14,1-2 ________________ 258 Röm 14,1-3 ________________ 234 Röm 14,1-12 _______________ 257 Röm 14,1-15,1.7 _ 18, 114, 186, 234 Röm 14,1-15,4 ______________ 143 Röm 14,1-15,7 _ 143, 144, 146, 147, 188, 189, 205, 241, 257, 258, 271, 289, 312, 315 Röm 14,2 ______ 144, 147, 259, 269 Röm 14,2-3 ________ 205, 207, 258 Röm 14,2-3.6 _______________ 207 Röm 14,2-6 ________________ 263 Röm 14,2-9 ________________ 263 Röm 14,3 _ 189, 207, 234, 258, 259, 260, 269 Röm 14,3-5 ________________ 234 Röm 14,4 _ 123, 143, 144, 189, 234, 261, 263 Röm 14,4-14 _______________ 234 Röm 14,5 __________________ 261 Röm 14,6 _ 189, 205, 206, 208, 261, 276 Röm 14,7 ______________ 234, 262 Röm 14,7-9 ____________ 262, 268 Röm 14,8 __________ 189, 234, 263 Röm 14,8-11 _______________ 197 Röm 14,9 ______ 189, 234, 263, 297 Röm 14,10 143, 144, 164, 234, 263, 276, 301 Röm 14,10-12 ______ 123, 189, 263 Röm 14,11 _____________ 234, 263 Röm 14,11-12 ______________ 164 Röm 14,12 _________________ 264 Röm 14,13_____ 164, 234, 268, 270 Röm 14,13-14 __________ 264, 268 Röm 14,13-23 __________ 257, 290 Röm 14,14_____ 186, 189, 264, 265 Röm 14,15___ 143, 144, 164, 189, 234, 258, 266, 269, 290 Röm 14,15-17 ______ 164, 265, 268 Röm 14,16_____________ 234, 266 Röm 14,17_ 234, 258, 266, 267, 268, 271 Röm 14,17-20 ______________ 189 Röm 14,18______ 42, 179, 234, 268 Röm 14,18-19 ______________ 268 Röm 14,19_________ 234, 268, 270 Röm 14,19-23 ______________ 234 Röm 14,20___ 207, 234, 258, 268, 269, 288 Röm 14,20-23 ______________ 234 Röm 14,21_ 164, 205, 207, 258, 268, 269 Röm 14,21-22 ______________ 143 Röm 14,22_ 144, 145, 189, 234, 269 Röm 14,23_ 145, 153, 206, 207, 234, 258, 269 Röm 15 ___________________ 265 Röm 15 ___________________ 126 Röm 15,1______ 147, 257, 270, 274 Röm 15,1-3 ____________ 179, 180 Röm 15,1.7 ________________ 258 Röm 15,3______________ 143, 144 Röm 15,4-13 ___________ 123, 126 Röm 15,5__________________ 186 Röm 15,6__________________ 186 Röm 15,7__ 189, 234, 257, 258, 270, 288 Röm 15,9__________________ 126 Röm 15,10_________________ 126 Röm 15,11_____________ 126, 258 Röm 15,12_________________ 126 Röm 15,17_________________ 276 Röm 15,26_____________ 151, 152 Röm 15,27_________________ 167 Röm 16 ___________________ 271 Röm 16,14__________________ 42 1Kor 1Kor _________ 180, 186, 190, 304 1Kor 1,2 __________________ 190 1Kor 1,4-6 _________________ 274 1Kor 1,4-9 _________________ 214 Register 342 1Kor 1,9 _______________ 151, 170 1Kor 1,10 __________________ 293 1Kor 1,21 __________________ 146 1Kor 1,29 __________________ 118 1Kor 2,4f __________________ 146 1Kor 2,11-16 _______________ 274 1Kor 2,13 __________________ 119 1Kor 2,27 __________________ 119 1Kor 3 ____________________ 123 1Kor 3,10-15 _______________ 214 1Kor 3,19 __________________ 215 1Kor 4,6-15 ________________ 123 1Kor 4,10 __________________ 282 1Kor 4,16 ______ 176, 177, 180, 279 1Kor 5,3-5 _________________ 117 1Kor 5,9-13 ________________ 289 1Kor 5,11 ______________ 156, 245 1Kor 6,1-11 ________________ 123 1Kor 6,12 __________________ 286 1Kor 6,12-20 _______________ 123 1Kor 6,13-20 _______________ 130 1Kor 6,15 __________________ 118 1Kor 6,16 ______________ 117, 118 1Kor 6,20 __________________ 288 1Kor 7,1 ___________________ 274 1Kor 7,5 ___________________ 122 1Kor 8 __ 164, 165, 173, 180, 187, 188, 233, 265, 273, 288, 313 1Kor 8-9 __ 139, 140, 142, 143, 144, 146, 147, 312 1Kor 8-10 _ 164, 204, 205, 206, 207, 208, 233, 234, 236, 241, 255, 272, 273, 274, 288, 289, 290, 314, 315, 316 1Kor 8-10,22 _______________ 286 1Kor 8,1 __ 139, 140, 233, 273, 274, 281, 286, 288, 290 1Kor 8,1-8 _________________ 139 1Kor 8,1-11 ________________ 282 1Kor 8,1-13 ________ 255, 278, 279 1Kor 8,1.4.7-13 _ 18, 114, 186, 205, 233, 272 1Kor 8,3 ___________________ 290 1Kor 8,4 __ 139, 187, 273, 274, 275, 281, 285 1Kor 8,4f __________________ 273 1Kor 8,5 _______________ 274, 275 1Kor 8,6 _______ 186, 217, 274, 275 1Kor 8,7 __ 205, 207, 233, 274, 275, 277, 278, 281, 286, 287 1Kor 8,7-13 ____ 273, 275, 278, 290 1Kor 8,8 __ 139, 187, 188, 205, 206, 207, 208, 233, 274, 275, 276, 277, 287 1Kor 8,9 __ 233, 274, 275, 277, 287 1Kor 8,10 _ 139, 153, 159, 165, 171, 187, 205, 206, 207, 233, 273, 275, 277, 280, 281, 286, 287, 288 1Kor 8,10-13 _______________ 165 1Kor 8,11 _ 139, 187, 189, 275, 277, 278, 281 1Kor 8,11-12 ___________ 187, 258 1Kor 8,11-13 ___ 164, 165, 171, 278 1Kor 8,12 _ 187, 233, 275, 278, 281, 286, 287, 288, 290 1Kor 8,12f _________________ 277 1Kor 8,13 _ 139, 205, 206, 207, 233, 269, 273, 274, 275, 278, 279, 281, 287, 289 1Kor 9 ________________ 180, 188 1Kor 9,1-18 ____________ 123, 139 1Kor 9,3 __ 139, 188, 233, 279, 282 1Kor 9,3-4 _________ 255, 273, 278 1Kor 9,3-4.7.13 __ 18, 114, 186, 205, 233, 272 1Kor 9,4 __ 205, 206, 207, 279, 287, 288 1Kor 9,7 __ 188, 205, 206, 207, 273, 278, 279, 287 1Kor 9,13 _ 188, 205, 206, 207, 278, 280, 281 1Kor 9,13-14 _______________ 255 1Kor 9,19-23 _______________ 123 1Kor 9,24 _________________ 214 1Kor 9,24-27 ___________ 123, 124 1Kor 9,27 _________________ 214 1Kor 10 ___ 140, 141, 142, 143, 144, 146, 147, 151, 164, 165, 166, 167, 171, 173, 180, 188, 278, 305, 312, 313 1Kor 10,1-4 ________________ 255 1Kor 10,1-5 ________________ 170 1Kor 10,1-6 ________________ 277 1Kor 10,1-13 _______________ 280 1Kor 10,1-22 _______________ 273 1Kor 10,6-10 _______________ 284 1Kor 10,7 _ 205, 206, 207, 233, 255, 273, 280, 281, 282, 289, 316 1Kor 10,7.14-25.27-28.31__ 18, 114, 186, 205, 233, 272 Biblische Bücher und außerkanonische Schriften 343 1Kor 10,14 ___ 140, 233, 255, 274, 281, 282 1Kor 10,14-21 ______________ 289 1Kor 10,14-22 _ 123, 188, 273, 277, 281, 285, 286 1Kor 10,15 _________ 140, 233, 282 1Kor 10,16 140, 141, 151, 152, 153, 154, 166, 167, 168, 169, 170, 171, 188, 233, 274, 281, 282, 283, 284 1Kor 10,16ff________________ 166 1Kor 10,17 ___ 119, 140, 141, 166, 170, 171, 282, 283, 284 1Kor 10,18 ___ 152, 155, 170, 205, 206, 207, 233, 281, 285 1Kor 10,19 _____________ 281, 285 1Kor 10,20 ___ 141, 155, 170, 188, 233, 285, 287 1Kor 10,21 ___ 141, 170, 205, 206, 207, 285, 287, 289, 316 1Kor 10,21-22 ______________ 188 1Kor 10,22 _________________ 285 1Kor 10,23 _____ 233, 281, 286, 287 1Kor 10,23-25 __________ 273, 286 1Kor 10,23-30 __________ 123, 289 1Kor 10,23-31 ______________ 286 1Kor 10,23-11,1 _________ 255, 273 1Kor 10,24 _________________ 287 1Kor 10,25 ___ 205, 206, 207, 233, 273, 286, 287, 288 1Kor 10,25-27 ______________ 286 1Kor 10,25ff________________ 286 1Kor 10,27 _ 205, 206, 207, 233, 287 1Kor 10,27-28 __________ 273, 287 1Kor 10,28 ___ 205, 206, 207, 233, 288, 289 1Kor 10,29 _________________ 288 1Kor 10,31 ___ 188, 205, 206, 207, 208, 273, 276, 288 1Kor 10,31-33 ______________ 289 1Kor 10,32 _____________ 190, 288 1Kor 11 __ 42, 143, 144, 146, 147, 154, 164, 167, 168, 171, 172, 173, 190, 191, 192, 204, 207, 208, 236, 241, 256, 261, 265, 278, 279, 289, 312, 313, 314, 315, 316 1Kor 11,1 ______ 176, 177, 180, 279 1Kor 11,2 __________________ 180 1Kor 11,3-8 ________________ 130 1Kor 11,11f ________________ 293 1Kor 11,16 _________________ 190 1Kor 11,17 __ 172, 190, 235, 291, 292 1Kor 11,17.18.20.33.34 ______ 307 1Kor 11,17-18 __________ 153, 171 1Kor 11,17-20 ______________ 235 1Kor 11,17-22 ______________ 302 1Kor 11,17-24 ______________ 143 1Kor 11,17-26 _______________ 28 1Kor 11,17-34 ___ 18, 114, 141, 142, 186, 205, 235, 268, 307 1Kor 11,18 __ 172, 235, 292, 293, 294, 307 1Kor 11,19 __ 235, 292, 293, 294, 307 1Kor 11,20 __ 153, 171, 172, 207, 235, 265, 266, 292, 294, 296, 297, 301, 307 1Kor 11,21 __ 294, 295, 298, 299, 300, 307 1Kor 11,22 __ 190, 207, 268, 292, 294, 299, 300, 308 1Kor 11,23 __ 186, 189, 190, 296, 301 1Kor 11,23-25 __ 195, 301, 305, 308 1Kor 11,23-26 ______________ 300 1Kor 11,23-29 ______________ 142 1Kor 11,24 __ 142, 154, 169, 302, 305, 306 1Kor 11,25 _ 42, 142, 191, 297, 301, 302 1Kor 11,26 ________ 142, 191, 305 1Kor 11,26-28 __________ 142, 305 1Kor 11,27 142, 152, 154, 191, 208, 305, 308 1Kor 11,27-30 ______________ 130 1Kor 11,28 ____________ 306, 308 1Kor 11,28-34 ______________ 235 1Kor 11,29 __ 142, 169, 208, 235, 305, 306 1Kor 11,30 ________________ 306 1Kor 11,31 ________________ 235 1Kor 11,31-32 ______________ 235 1Kor 11,31-34 ______________ 306 1Kor 11,32 ____________ 191, 235 1Kor 11,33 ____ 171, 208, 292, 306 1Kor 11,33-24 ______________ 171 1Kor 11,33-34 ______ 153, 172, 235 1Kor 11,34 171, 235, 292, 299, 306 1Kor 12 ___________________ 143 1Kor 12,3 _________________ 217 Register 344 1Kor 12,10 _________________ 225 1Kor 12,12-27 __________ 130, 214 1Kor 12,12-31 ______________ 123 1Kor 12,25 _________________ 294 1Kor 12,27 _________ 118, 153, 154 1Kor 12,31-13,13 ____________ 123 1Kor 13 ___________________ 216 1Kor 14 ____________ 42, 223, 224 1Kor 14,3f _________________ 223 1Kor 14,6 __________________ 223 1Kor 14,6-25 _______________ 123 1Kor 14,14f ________________ 223 1Kor 14,15 _________________ 223 1Kor 14,16f ________________ 223 1Kor 14,26 ______ 73, 153, 216, 223 1Kor 14,26f ________________ 223 1Kor 14,26-30 ______________ 223 1Kor 14,29 _________________ 225 1Kor 15,1f _________________ 146 1Kor 15,3-4 ________________ 263 1Kor 15,9 __________________ 190 1Kor 15,11 _________________ 146 1Kor 15,14 _________________ 146 1Kor 15,17 _________________ 146 1Kor 15,24-25 ______________ 178 1Kor 15,25 _________________ 296 1Kor 15,29-49 ______________ 123 1Kor 15,35-44 ______________ 130 1Kor 15,44 _________________ 118 1Kor 15,50 _________ 119, 140, 267 1Kor 15,54f ________________ 216 1Kor 16,22 _________________ 216 2Kor 2Kor __________________ 186, 190 2Kor 1,3 ___________________ 217 2Kor 1,7 _______________ 152, 155 2Kor 2,14 __________________ 274 2Kor 4,6 ___________________ 274 2Kor 4,7-12 ________________ 123 2Kor 4,10-12 _______________ 118 2Kor 4,13f _________________ 146 2Kor 5,14 __________________ 121 2Kor 5,15 __________________ 263 2Kor 6,3-10 ________________ 123 2Kor 6,4 ___________________ 215 2Kor 6,11-13 _______________ 123 2Kor 6,14 __________________ 151 2Kor 6,14-7,1 _______________ 123 2Kor 7,2-4 _________________ 123 2Kor 8,1 __________________ 151 2Kor 8,4 ______________ 151, 152 2Kor 8,9 __________________ 274 2Kor 8,23 _________________ 155 2Kor 9,13 _____________ 151, 152 2Kor 11,16-33 ______________ 123 2Kor 11,21 ________________ 258 2Kor 11,29 ________________ 258 2Kor 12,6-10 _______________ 123 2Kor 12,10 ________________ 258 2Kor 13,3-4 ________________ 258 2Kor 13,9 _________________ 258 2Kor 13,13 ________ 151, 152, 170 Gal Gal___________________ 186, 190 Gal 1,2____________________ 187 Gal 1,5____________________ 187 Gal 1,8-9 __________________ 187 Gal 1,11___________________ 187 Gal 1,13___________________ 190 Gal 1,14___________________ 187 Gal 1,15___________________ 242 Gal 1,16___________ 119, 137, 138 Gal 1,16-18 ________________ 187 Gal 1,21___________________ 187 Gal 1,23_______________ 146, 187 Gal 2 _ 140, 141, 142, 143, 144, 146, 147, 173, 187, 204, 207, 235, 245, 266, 275, 303, 312, 314, 315 Gal 2-3 ___________________ 145 Gal 2,1-3 __________________ 187 Gal 2,5____________________ 187 Gal 2,7-10 _____________ 186, 187 Gal 2,9________________ 151, 152 Gal 2,11___ 138, 163, 232, 242, 243, 244, 247, 249 Gal 2,11-13 ____________ 247, 264 Gal 2,11-14 _ 18, 114, 137, 138, 139, 147, 162, 163, 164, 172, 186, 187, 232, 233, 241, 242, 245, 253, 304, 313 Gal 2,11-15 ____________ 186, 187 Gal 2,12___ 91, 138, 162, 163, 205, 232, 244, 245, 246, 247, 248, 251, 253 Gal 2,12-14 ________________ 205 Gal 2,13___ 162, 163, 232, 244, 246, 247, 248, 249 Biblische Bücher und außerkanonische Schriften 345 Gal 2,14 __ 138, 162, 163, 232, 242, 246, 248, 250, 251, 252 Gal 2,16 ___________ 118, 137, 138 Gal 2,17 ___________________ 123 Gal 2,18 ___________________ 187 Gal 2,19 ___________________ 138 Gal 2,20 _______ 137, 138, 187, 301 Gal 2,21 _______________ 138, 253 Gal 3,1-5 __________________ 123 Gal 3,2 ____________________ 146 Gal 3,2-5 __________________ 187 Gal 3,3 ________________ 137, 138 Gal 3,5 ____________________ 146 Gal 3,7 ____________________ 187 Gal 3,9 ____________________ 187 Gal 3,10 ___________________ 187 Gal 3,12 ___________________ 187 Gal 3,15 ___________________ 187 Gal 3,19 ___________________ 187 Gal 3,21 ___________________ 123 Gal 3,23 ___________________ 187 Gal 3,25 ___________________ 187 Gal 4,1-7 __________________ 214 Gal 4,2-3 __________________ 187 Gal 4,4 ____________________ 242 Gal 4,5 ____________________ 187 Gal 4,6 ____________________ 216 Gal 4,10 ___________________ 262 Gal 4,10-11 ________________ 187 Gal 4,10-20 ____________ 186, 187 Gal 4,12 ___________________ 187 Gal 4,12-13 ________________ 187 Gal 4,12-20 ________________ 123 Gal 4,13-14 ____________ 137, 138 Gal 4,15-18 ________________ 187 Gal 4,20 ___________________ 187 Gal 4,21-31 ____________ 186, 187 Gal 4,23 _______________ 137, 138 Gal 4,29 _______________ 137, 138 Gal 5,3 ____________________ 187 Gal 5,5 ____________________ 187 Gal 5,7-9 __________________ 187 Gal 5,7-12 _________________ 123 Gal 5,11-12 ________________ 187 Gal 5,11-23 ____________ 186, 187 Gal 5,13 _______________ 137, 138 Gal 5,13-20 ________________ 187 Gal 5,16 ___________________ 138 Gal 5,16-17 ________________ 137 Gal 5,16-23 ________________ 125 Gal 5,17___________________ 138 Gal 5,19_______________ 137, 138 Gal 5,19-23 ____________ 123, 215 Gal 5,21___________________ 267 Gal 5,22-23 ________________ 187 Gal 5,24_______________ 137, 138 Gal 5,25-26 ________________ 187 Gal 6,1____________________ 187 Gal 6,2____________________ 215 Gal 6,3-5 __________________ 187 Gal 6,6________________ 152, 187 Gal 6,7____________________ 215 Gal 6,8____________________ 137 Gal 6,8-10 _________________ 187 Gal 6,11___________________ 187 Gal 6,12___________________ 138 Gal 6,12-13 ________________ 137 Gal 6,13___________________ 187 Gal 6,15___________________ 187 Gal 6,17_______________ 137, 138 Eph Eph 1,3 ___________________ 217 Eph 1,7 ___________________ 121 Eph 1,23 __________________ 119 Eph 2,14-16 _______________ 117 Eph 2,16 __________________ 119 Eph 4,12 ______________ 119, 153 Eph 4,16 __________________ 119 Eph 5,19 __________________ 216 Eph 5,23 __________________ 119 Eph 5,29 __________________ 117 Eph 5,29-30 _______________ 117 Eph 5,30 __________________ 119 Eph 6,12 __________________ 119 Eph 6,23 __________________ 156 Phil Phil ______________________ 186 Phil 1,3-11 ________________ 214 Phil 1,5 _______________ 151, 152 Phil 2,1 ___________ 151, 152, 170 Phil 2,1ff __________________ 180 Phil 2,6-11 ____________ 216, 224 Phil 2,11 __________________ 217 Phil 2,26-27 _______________ 258 Phil 3,8 ___________________ 151 Phil 3,10 __________ 151, 152, 170 Phil 3,12-14 _______________ 123 Phil 3,13f _________________ 214 Register 346 Phil 3,17 ___________ 176, 177, 180 Phil 3,21 ___________________ 169 Phil 4,8f ___________________ 180 Phil 4,11-13 ________________ 123 Phil 4,15 ___________________ 152 Kol Kol 1,15-20 ________________ 224 Kol 1,18 ___________________ 119 Kol 1,21-23 ________________ 117 Kol 1,24 ___________________ 119 Kol 1,24-29 ________________ 117 Kol 2,7 ____________________ 259 Kol 2,11-13 ________________ 117 Kol 2,16 ___________________ 262 Kol 2,18-19 ________________ 117 Kol 2,19 ___________________ 119 Kol 2,21-23 ________________ 117 Kol 3,3 ____________________ 121 Kol 3,5-17 _________________ 215 Kol 3,15 ___________________ 119 Kol 3,16 ___________________ 216 Kol 3,18-19 _________________ 42 1Thess 1Thess ________________ 186, 190 1Thess 1,2-10_______________ 214 1Thess 1,6 _________ 176, 177, 180 1Thess 2,5-7________________ 123 1Thess 2,13 ________________ 146 1Thess 2,14 ____________ 176, 180 1Thess 4,14 ________________ 146 1Thess 5,3-8________________ 123 1Thess 5,21 ________________ 215 1Tim 1Tim 3,2-8 _________________ 215 1Tim 3,9-13 ________________ 215 1Tim 3,16 __________________ 216 1Tim 5,10 ___________________ 42 1Tim 6,2 ___________________ 156 2Tim 2Tim 2,24-26 _______________ 215 2Tim 4,7 ___________________ 214 2Tim 4,20 __________________ 258 Tit Tit 1,7-9___________________ 215 Tit 2,2 ____________________ 259 Phlm Phlm _____________________ 186 Phlm 4-7 __________________ 214 Phlm 6 _______________ 151, 152 Phlm 10-12 ________________ 123 Phlm 17 ______________ 155, 258 Hebr Hebr 2,14 _____________ 119, 152 Hebr 4,2 __________________ 259 Hebr 9,2 __________________ 121 Hebr 10 ___________________ 117 Hebr 10,19-25______________ 117 Hebr 13,16 ________________ 151 Jak Jak 5,14 ___________________ 258 1Petr 1Petr 1,3 __________________ 217 1Petr 1,24 _________________ 118 1Petr 5,1 __________________ 152 2Petr 2Petr 1,4 __________________ 152 1Joh 1Joh 1,3 ___________________ 151 1Joh 1,6-7 _________________ 151 1Joh 3,20 __________________ 244 Apk Apk 1,1-3 _________________ 214 Apk 1,10 __________________ 296 Apk 3,2 ___________________ 121 Apk 3,20 __________________ 197 Apk 4,1 ___________________ 159 Apk 4,2 ____________________ 42 Apk 19,1 __________________ 216 Apk 19,3-4 ________________ 216 Apk 19,6 __________________ 216 Apk 19,13 _________________ 121 Antike Schriftsteller 347 4. Außerkanonische Schriften neben dem Neuen Testament Did 9-10 ___________________ 197 Did 9,4 _________________ 83, 284 Did 10,5-6 __________________ 83 Did 10,6 ___________________ 216 Did 10,8 ___________________ 216 C. Antike Schriftsteller Eus.h.e. _____________________ 72 Flav.Jos.Ant. 1,252___________ 303 Flav.Jos.Ant. 1,271___________ 303 Flav.Jos.Ant. 2,312___________ 303 Flav.Jos.Ant. 2,335___________ 294 Flav.Jos.Ant. 5,242___________ 303 Flav.Jos.Ant. 18,74___________ 303 Iren.haer. 5.33.3-4 ____________ 83 Philo cont. 6 _________________ 78 Philo cont. 11-12 _____________ 80 Philo cont. 13 ________________ 80 Philo cont. 26 ________________ 73 Philo cont. 27 ________________ 73 Philo cont. 28-29 _____________ 73 Philo cont. 32 _____________ 74, 80 Philo cont. 40-63 _____________ 83 Philo cont. 65 ________________ 78 Philo cont. 66 ________________ 73 Philo cont. 67 ________________ 75 Philo cont. 72 ________________ 80 Philo cont. 74 ________________ 74 Philo cont. 75 _______________ 75 Philo cont. 75-79 _____________ 83 Philo cont. 78 _______________ 73 Philo cont. 81f_______________ 74 Philo cont. 82 ____________ 74, 80 Philo cont. 83 _______________ 74 Philo cont. 90 ____________ 73, 80 Philo cont. 146 ______________ 79 Philo legat. 1.31 _____________ 79 Philo legat. 1.42 _____________ 79 Philo legat. 1.54 _____________ 79 Philo legat. 1.88 _____________ 79 Philo legat. 1.90 _____________ 79 Philo legat. 1.92 _____________ 79 Philo legat. 1.94-96 ___________ 79 Philo legat. 1.107-108 _________ 81 Philo mut. 8-10 ______________ 86 Philo opif. 69________________ 79 Philo opif. 73________________ 80 Philo opif. 76________________ 79 Philo opif. 77________________ 80 Philo opif. 134_______________ 79 Philo opif. 134-147 ___________ 79 Philo opif. 135_______________ 79 Philo opif. 144_______________ 79 Philo QE 39 _________________ 85 Philo QG I.4 ________________ 79 Philo QG I.8,2 _______________ 79 Philo QG I.62 _______________ 79 Philo virt. 203-205 ___________ 79 Plut.mor. 132E ______________ 82 Plut.mor. 464C ______________ 82 Plut.mor. 619 ______________ 134
