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Der hoffende Mensch

Anthropologie und Ethik menschlicher Sinnsuche

0215
2012
978-3-7720-5428-0
978-3-7720-8428-7
A. Francke Verlag 
Ralf Lutz

Die Tugend der Hoffnung für menschliche Handlungspraxis als notwendig auszuweisen und damit deren moralische Relevanz unter Beweis zu stellen, ist zentrales ziel der vorliegenden Arbeit. anhand einer interdisziplinären Erschließung einschlägiger Einsichten aus Philosophie, Theologie und empirischen Humanwissenschaften wurde eine integrative Theorie der Hoffnungspraxis, eine Ethik der Hoffnung, entwickelt, die zeigt, dass der Hoffnungsvollzug eine tiefe naturale Verankerung im Menschen und ein anthropologisches Fundament besitzt.

<?page no="0"?> Ralf Lutz Der hoffende Mensch Anthropologie und Ethik menschlicher Sinnsuche <?page no="1"?> Der hoffende Mensch <?page no="2"?> Tübinger Studien zur Theologie und Philosophie Herausgegeben von Franz-Josef Bormann und Johannes Brachtendorf Band 25 <?page no="3"?> Ralf Lutz Der hoffende Mensch Anthropologie und Ethik menschlicher Sinnsuche <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustim mung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Printed in Germany ISSN 1432-4709 ISBN 978-3-7720-8428-7 <?page no="5"?> „Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes.“ [Röm 15,13] <?page no="6"?> Die Hoffnung (Spes) 1 PIETER BRUEGEL Jucundissima est spei persuasio et imprimis Necessaria, inter tot aerumnas paeneque intolerabiles Am meisten erfreulich ist die Unterweisung der Hoffnung, ja, lebensnotwendig ist sie, inmitten so vieler fast unerträglicher Qualen. 1 Quelle: Cabinet des Estampes, Bibliothèque Royale Albert I., Brüssel. <?page no="7"?> Hoffnung und Zuversicht (Spes) 2 JACOB MATHAM nach HEINDRICK GOLTZIUS Maerentes recreo, / vitae ne taedeat aegrae, Adversae praebens / solatia dulcia sortis. Ich bin Trauernden Trost, / dass niemand wegwirft sein Leben. Widerwärtig war’s, / doch lindernd gewähre ich Labsal. 2 Quelle: Cabinet des Estampes, Bibliothèque Royale Albert I., Brüssel. <?page no="8"?> Vorwort Die vorliegende Arbeit stellt die geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation dar, die im WS 2009/ 2010 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Eberhard- Karls-Universität Tübingen angenommen wurde. An dieser Stelle sei dem Betreuer der vorliegenden Dissertation, Herrn P ROF . D R . GERFRIED WERNER HUNOLD, für seine besondere Unterstützung zur Realisierung und seine sensible Begleitung dieses Projekts gedankt. Seine Ermutigung und seine maieutischen Impulse im Rahmen regelmäßiger Dispute waren am Gelingen dieser Arbeit ganz erheblich beteiligt. Herrn P ROF . D R . FRANZ-JOSEF BORMANN danke ich für die bereitwillige und kooperative Begleitung beim Abschluss des Projekts und für die Erstellung des Zweitgutachtens. Weiter gilt mein Dank dem CUSANUSWERK für die Gewährung eines Promotionsstipendiums und den Herausgebern der Reihe „Tübinger Studien zur Theologie und Philosophie“, Herr Prof. Dr. FRANZ-JOSEF BORMANN und Herr Prof. Dr. JOHAN- NES BRACHTENDORF, für die Aufnahme meiner Dissertation in die Reihe. Der Diözese Rottenburg Stuttgart sei für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses gedankt. Daneben sind anregende Gespräche und Kontakte zu nennen, die wichtige Impulse für die Arbeit gegeben haben, wofür ich sehr zu Dank verpflichtet bin, allen voran mit JÜRGEN MOLTMANN, THOMAS PRÖPPER und EUGEN BISER, aber auch mit PE- TER BECKER, VERENA KAST und WOLFRAM KURZ. Schließlich möchte ich Frau IRENE KOSEL von Herzen danken für die konzise, engagierte und prompte Korrektur des gesamten Manuskriptes. Ein Dank ganz eigener Art gebührt meinen Eltern, ohne deren Unterstützung ich diese Arbeit nicht hätte beenden können. Schließlich möchte ich auch meiner Frau GABRIELE LUTZ von Herzen danken, die mich in all den Jahren mit ihrer Zuversicht und mit ihrer Geduld begleitet hat und eigentlich nie einen Zweifel daran gelassen hat, dass es Grund zur Hoffnung gibt. Ihr sei dieses Buch gewidmet. Tübingen, Oktober 2011 Ralf Lutz <?page no="9"?> 0. Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................................ 8 I. Prolog ....................................................................................................................... 17 II. Einleitung und Hinführung .................................................................................. 18 III. Problemaufriss ........................................................................................................ 22 1. Fragestellung und leitendes Erkenntnisinteresse ........................................ 22 2. Disziplinäre Verortung des Fragehorizontes ............................................... 25 3. Kontexte einer Ethik der Hoffnung .............................................................. 27 a) Die sozialethische Signatur der Hoffnung. Eine gesellschafts- und kulturgeschichtliche Skizze ....................................................................... 27 b) Die Anti-Utopie als gesellschaftliche Räson der Gegenwart ................ 28 IV. Methodologischer Abriss ...................................................................................... 32 1. Interdisziplinarität als Ethos .......................................................................... 32 a) Interdisziplinäre Hoffnung ....................................................................... 32 b) Interdisziplinäre Moraltheologie.............................................................. 36 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität - Anthropologie und Ethik und die Unverfügbarkeit als Anthropologem der Hoffnung....................................................................... 42 a) Das Verhältnis von Anthropologie und Ethik ....................................... 46 b) Das Verhältnis von Empirie und Normativität...................................... 55 3. Hermeneutische Prämissen............................................................................ 72 4. Zur Epistemologie der Hoffnung .................................................................. 79 a) Orientierung am Guten ............................................................................. 81 b) Orientierung an einer Offenbarungstheologie und der rationalen Verantwortung religiöser Überzeugungen ............................................. 85 c) Orientierung an einer Freiheitsanalytik und einer Subjektphilosophie ..................................................................................... 87 d) Orientierung am Rational der Hoffnung und der Hoffnungsstruktur der Vernunft ............................................................. 88 e) Orientierung an Letztbegründungsversuchen........................................ 89 f) Orientierung an der Phänomenologie menschlicher Selbsttranszendentalität ............................................................................. 90 g) Orientierung an einer Transzendentalphilosophie ............................... 91 h) Sinnfrage und Hoffnungszusammenhänge ............................................ 91 <?page no="10"?> 0. Inhaltsverzeichnis 10 5. Tugendlehre und (Fundamental-)Anthropologie des hoffenden Menschen.......................................................................................................... 93 a) Die Situation des handelnden Menschen in der Welt. Sinnentwürfe und Erfüllungsgestalten .................................................... 94 b) Der Tugendbegriff und seine Aufgaben .................................................. 97 c) Hoffnung als Tugend ............................................................................... 102 6. Das Koordinatensystem und der „Grundriss“ der Hoffnung - Strukturgitter.................................................................................................. 109 a) Akt, Ziel und Grund der Hoffnung ....................................................... 112 b) Die Strukturgitter der Hoffnung und ihre Integration ....................... 115 c) Ertrag: Der hoffende Mensch und der anthropologische Ort einer Ethik der Hoffnung .................................................................................. 118 V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung ........................................................................................................ 122 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I: Handlungspraktische Hoffnungsstrukturen in Theologie, Philosophie und Geistesgeschichte des Abendlandes .............................. 122 a) Die Struktur der (christlichen) Hoffnung ............................................. 124 b) Theologische Erkenntnistheorie und Phänomenologie...................... 126 c) Zeitlichkeit, Moralität und der phylogenetische Ursprung der Hoffnung ................................................................................................... 129 d) Hoffnung und moraltheologische Zeittheorie ..................................... 131 e) Das Interdisziplinäre Gespräch mit den Humanwissenschaften....... 133 f) Menschliche Selbstreflexion und die Frage nach dem höchsten Handlungsziel (Glück, höchstes Gut, Sinn).......................................... 134 g) Vernunft .................................................................................................... 136 h) Freiheit ....................................................................................................... 137 i) Hoffnung und Handlungstheorie .......................................................... 138 j) Handlungsmotivation und moralische Motivation............................. 140 k) Ethik und Eschatologie ............................................................................ 145 l) Praktische Theologie, Ekklesiologie, Spiritualität und Kultur der Hoffnung ................................................................................................... 147 m) Hoffnungsspannungen und die Dialektik und Antinomik der Existenz. Die Analogie von Theologie und Anthropologie ................ 149 n) Hoffnung und Erlösung - Hoffnung und Bestimmung ..................... 153 o) Hoffnung und Heilung - Therapeutische Hoffnung .......................... 155 p) Ausblick ..................................................................................................... 156 2. Etymologische, begriffliche und religionswissenschaftliche Einlassungen................................................................................................... 158 a) Etymologisch-Semantische Vorstudien ................................................ 158 <?page no="11"?> 0. Inhaltsverzeichnis 11 α Hoffnung .............................................................................................. 159 β Ertrag..................................................................................................... 163 γ Sinn........................................................................................................ 164 δ Ertrag..................................................................................................... 168 b) Differenzierung verwandter Begriffe und erste definitorische Annäherung .............................................................................................. 169 c) Religionswissenschaftliche und interreligiöse (Dialog-) Hinweise ... 175 3. Griechisch-Römische Antike - Entdeckung der Zukunft als Erwartung ....................................................................................................... 181 a) Lyrik, Prosa und die attische Tragödie .................................................. 183 b) PLATON.................................................................................................... 186 c) ARISTOTELES ......................................................................................... 192 d) Die PANDORA-Sage ............................................................................... 201 e) Antike Zeitphilosophie ............................................................................ 203 f) Ertrag.......................................................................................................... 204 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung - Zukunft als Verheißung ..................................................................................................... 208 a) Altes Testament ........................................................................................ 208 α Sprachliche Beobachtungen............................................................... 208 β Sitz im Leben........................................................................................ 211 γ Alttestamentliche Vorstellungen von Zeit....................................... 216 δ Systematische Einlassungen zu einer alttestamentlichen Ethik der Hoffnung ....................................................................................... 218 b) Neues Testament ...................................................................................... 225 α Sprachliche Beobachtungen............................................................... 225 β Neutestamentliche Vorstellungen von Zeit..................................... 229 γ Elemente neutestamentlicher Hoffnung und deren Sitz im Leben ..................................................................................................... 231 δ Systematische Einlassungen zu einer neutestamentlichen Ethik der Hoffnung ............................................................................. 234 c) Ertrag.......................................................................................................... 251 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre - Zwischen Griechentum und Christentum: Personalität, Voluntarität und Transzendentalität .......................................................... 255 a) Zeitlichkeit und Willentlichkeit der Hoffnung - AUGUSTINUS ..... 256 α Verzeitlichung und Subjektivierung................................................. 258 β Willensbegriff....................................................................................... 260 b) Hoffnung und der Weg zum (göttlichen) Glück - THOMAS VON AQUIN ............................................................................................. 264 <?page no="12"?> 0. Inhaltsverzeichnis 12 c) Die Unbestimmtheit der Hoffnung - MARTIN LUTHER ................. 280 d) Ertrag.......................................................................................................... 285 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung - Hoffnung, Erwartung und die Prognostik von Welt ..................................................................................... 286 a) Das Rational der Hoffnung oder die Hoffnungsstruktur praktischer Vernunft - IMMANUEL KANT ........................................ 287 α Hoffnung als Vernunftprinzip .......................................................... 289 β Postulatorische Hoffnung .................................................................. 297 γ Moralische Motivation - Hoffnung und Handeln ......................... 302 δ Das höchste Gut und der Endzweck................................................. 310 ε Das Glück und das Böse ..................................................................... 318 ζ Desiderate ............................................................................................. 326 η Ertrag..................................................................................................... 332 b) Das Existential der Hoffnung - SÖREN KIERKEGAARD, MARTIN HEIDEGGER ........................................................................... 336 α Hoffnung und Selbstwahl................................................................... 337 β Hoffnung als existentiale Stimmung ................................................ 340 c) Die Ontologie des Noch-Nicht-Seins - ERNST BLOCH .................... 342 d) Hoffnung zwischen transzendentaler und politischer Eschatologie............................................................................................... 354 α Christliche Hoffnung und die Realität der Welt. Das Kommen Gottes - JÜRGEN MOLTMANN ...................................................... 355 β Absolute Zukunft und die Unverfügbarkeit Gottes in der Hoffnung - KARL RAHNER ............................................................. 362 γ Politische Theologie und Memoria passionis ................................. 367 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie - die normative Struktur des Zeiterlebens: das Handlungssubjekt in der Dialektik von „Schon“ und „Noch-nicht“ .................................................................... 373 a) Hoffnung und Zeit - Der Mensch im Gegenüber seiner Zukunft .... 375 b) Hoffnung und Raum - Der Raum der Hoffnung ................................ 382 c) Hoffnung und Eschatologie .................................................................... 384 d) Ertrag.......................................................................................................... 398 8. Zwischenreflexion II: Hoffnung und Freiheit - Die transzendentale Dialektik menschlichen Freiheitsvollzugs .................................................. 400 9. Zwischenreflexion III: Hoffnung zwischen Gelingen und Scheitern, Immanenz und Transzendenz, Tod und Leben, Kreuz und Auferstehung .................................................................................................. 412 <?page no="13"?> 0. Inhaltsverzeichnis 13 VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften - Strukturäquivalente der Hoffnung in Psychologie und Psychotherapie ...... 422 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II - Sach- und Problemstand einer (Moral-) Psychologie des sinnorientierten Zukunftsdenkens ........................................................................................... 422 a) Psychologie zwischen Empirie, Theorie und Weltdeutung................ 423 b) Konzepte und deren Operationalisierung............................................. 424 c) Kontexte ..................................................................................................... 428 α Wahrnehmungspsychologie .............................................................. 428 β Krankheitsbewältigung, Resilienz und Psychotraumatologie....... 429 γ Paläoanthropologie und psychogene Todesfälle, inflationäre Hoffnungslosigkeit und Suizid .......................................................... 431 δ Kognitive Psychologie und Metakognition ..................................... 434 ε Psychiatrie ............................................................................................ 436 ζ Psychologische Motivationstheorien................................................ 436 η Psychologie der Sinnfrage - oder: Praktische Philosophie und Psychotherapie zur Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit ....................................................................... 437 ϑ Erwartung und Kontrolle ................................................................... 439 ι Placebo .................................................................................................. 441 κ Frühkindliche Entwicklung, Bindungs- und Persönlichkeitspsychologie ................................................................ 442 λ Psychotherapieforschung und Psychologie der Beratung ............. 443 μ Paartherapie ......................................................................................... 444 ν Emotionspsychologie.......................................................................... 445 ξ Psychoanalyse der Hoffnung ............................................................. 446 2. Sozial- und Persönlichkeitspsychologie ..................................................... 448 a) Motivationspsychologie........................................................................... 448 α Allgemeine Motivationspsychologie ................................................ 449 β Leistungsmotivation - Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg ............................................................................................. 451 b) Psychologie des Zukunftsdenkens ......................................................... 459 c) Selbstwirksamkeit - Antizipation subjektiver Wirkmöglichkeiten... 460 d) Kontrolle und Kontrollüberzeugungen - Generalisierte Erwartungen bzgl. dem Ort der Verstärkerkontrolle .......................... 461 e) Einstellungen - Psychische Heuristiken zur Organisation und Orientierung von Bewertungen und Erwartungen.............................. 462 f) Selbstkonzept und Selbstwert - Selbsttheorien und deren inhärente Erfahrungs- und Erwartungsannahmen ............................. 463 <?page no="14"?> 0. Inhaltsverzeichnis 14 g) Placebo und self-fulfilling-prophecy - Erwartungen schaffen Wirklichkeit............................................................................................... 464 h) Ertrag.......................................................................................................... 466 3. Gesundheitspsychologie ............................................................................... 467 a) Seelische Gesundheit................................................................................ 468 b) Salutogenese - Kohärenzsinn, Resilienz, Widerstandsfähigkeit, Attributionsstil und die Rolle der Religion........................................... 469 c) Positive Illusions ....................................................................................... 473 d) Generalisierte Ergebniserwartungen, Optimismus, Coping und Stressbewältigung ..................................................................................... 473 e) Schutz vor Traumatisierung - „Trotzmacht des Geistes“ .................. 477 f) Ertrag.......................................................................................................... 480 4. Psychotherapie und Beratung ...................................................................... 481 a) Unspezifische Psychotherapiefaktoren ................................................. 481 b) Logotherapie.............................................................................................. 482 c) Allgemeine Psychotherapie ..................................................................... 484 d) Gelernte Hilflosigkeit - Gelernter Optimismus ................................... 488 e) Lösungsorientierte Beratung................................................................... 490 f) Kognitive Psychotherapie........................................................................ 492 5. Zur „Biologie“ der Hoffnung ....................................................................... 493 a) Zur Frühgeschichte des Menschen und zur Phylogenese der Hoffnung ................................................................................................... 493 b) Totstellreflex und Vagustod.................................................................... 494 c) Tierexperimentelle Studien ..................................................................... 496 d) Neuronale Korrelate der Zukunftsantizipation und die Macht der inneren Bilder ........................................................................................... 497 e) Ertrag.......................................................................................................... 499 VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn .................................................................................... 501 1. Modalitäten der Hoffnung ........................................................................... 504 a) Hoffnung zwischen Wirklichkeit, Möglichkeit und Notwendigkeit........................................................................................... 504 b) Hoffnung und Erwartung. Das zweifache Verhältnis des Menschen zur Zukunft - Zwischen Wissen und Gewissheit ............. 509 α Hoffnung und Erfahrung ................................................................... 509 β Hoffnung und Erwartung .................................................................. 510 γ Hoffnung und Kontrolle .................................................................... 515 δ Antizipation und Extrapolation ........................................................ 516 ε Offenheit und Befristung der Zeit..................................................... 517 <?page no="15"?> 0. Inhaltsverzeichnis 15 ζ Zusammenfassung .............................................................................. 517 c) Hoffnung als (theologische) Tugend. Neuinterpretation von Glaube - Liebe - Hoffnung ..................................................................... 518 d) Hoffnung und der Zeitpfeil. Erinnerung und Hoffnung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. ............................................. 520 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute - Das Gute als moralisch dekontextualisierter Sinn ....................... 526 a) Hoffnung und die Bestimmung des Menschen.................................... 528 α Das Gelingen des Menschen zwischen Sinn, Glück und Moral ... 530 β Menschliche Selbstauslegung im Spiegel des Verhältnisses von Sollen, Wollen und Können............................................................... 535 γ Hoffnung und Hoffnungszusammenhänge. ................................... 538 δ Zusammenfassung .............................................................................. 538 b) Der Horizont der Hoffnung und ihre sittliche Struktur ..................... 539 α Hoffnung und das Gute...................................................................... 541 β Das höchste Gut des Menschen zwischen Sinn, Glück und Moral..................................................................................................... 547 γ Hoffnung und menschliches Dasein. Zwischen Affirmation und Verwandlung ............................................................................... 550 δ Das Scheitern des Menschen, die Verführbarkeit menschlichen Hoffnungspotentials zum Bösen und die Verantwortbarkeit von Hoffnungen................................................. 552 ε Zusammenfassung .............................................................................. 556 c) Grenzdialektik der Hoffnung und die Finalität des Handelns........... 557 α Möglichkeit und Notwendigkeit von Letztbegründung? .............. 558 β Apokatastasis und Gerechtigkeit....................................................... 558 d) Die Vernunft der Hoffnung: Theoretische und praktische Vernunft .................................................................................................... 560 e) Das Hoffnungspotential des Menschen und seine moralische (Meta-) Motivation zum Handeln ......................................................... 566 α Die Selbsttranszendentalität humaner Hoffnung ........................... 570 β Hoffnung und Handlungstheorie ..................................................... 571 γ Offenheit und Ausgang der Hoffnung. Orientierung durch Hoffnung und Gebet........................................................................... 572 δ Personale Hoffnung und solidarische Hoffnung in Verantwortung für Welt und Mensch. Stellvertretende Hoffnung zwischen Subjekt und Objekt .......................................... 573 ε Die Einheit der Hoffnung .................................................................. 575 f) Leben aus der Hoffnung und dem Vertrauen auf den Sinn des Guten.......................................................................................................... 577 <?page no="16"?> 0. Inhaltsverzeichnis 16 3. Hoffnung als Therapeutikum ...................................................................... 579 4. Christlich integrale Hoffnung ...................................................................... 584 a) Grundstrukturen - Hoffnung als verantwortete Freiheit ................... 584 b) Zwischen Aktivität, Passivität und Donativität, zwischen Wissen und (Un-) Gewissheit .............................................................................. 591 c) Zusammenschau....................................................................................... 592 d) Abschlussgedanke..................................................................................... 597 VIII. Ausblick. Die Zukunft der Hoffnung ................................................................ 598 1. Bausteine einer therapeutisch-konsiliaren Ethik - Der handelnde Mensch in der Hoffnung auf Sinn zwischen Konsiliarpraxis und selbstsorgerischer Aneignung ...................................................................... 598 2. Die Disziplin der Theologischen Ethik und die humane Frage nach Hoffnung und Sinn........................................................................................ 603 a) Zwischen Disziplinarität und Existenzialität........................................ 603 b) Theologische Spannungslehre ................................................................ 608 IX. Epilog ..................................................................................................................... 613 X. Literaturverzeichnis ............................................................................................. 614 XI. Abbildungsverzeichnis ........................................................................................ 681 XII. Personenregister ................................................................................................... 682 XIII. Sachregister ........................................................................................................... 685 <?page no="17"?> I. Prolog „Mich beschäftigt noch die Behauptung - die bei ihm [Dostojewski; R.L.] ja bestimmt keine Phrase ist -, dass kein Mensch ohne Hoffnung leben könne, und dass Menschen, die wirklich alle Hoffnung verloren haben, oft wild und böse werden. Es bleibt dabei offen, ob hier Hoffnung = Illusion ist. Gewiss ist auch die Bedeutung der Illusion für das Leben nicht zu unterschätzen; aber für den Christen kann es sich doch wohl nur darum handeln, begründete Hoffnung zu haben. Und wenn schon die Illusion im Leben der Menschen eine so große Macht hat, dass sie das Leben in Gang hält, wie groß ist dann erst die Macht, die eine absolut begründete Hoffnung für das Leben hat und wie unbesiegbar ist so ein Leben.“ 1 1 BONHOEFFER, D., Widerstand und Ergebung, hrsg. v. E. BETHGE, München 1951, 252. <?page no="18"?> II. Einleitung und Hinführung „Denn bei allen Lebendigen ist, was man wünscht: Hoffnung.“ [Koh 9,4] er heute über die Kategorie der Hoffnung nachdenkt - zumal mit Blick auf die ganze Bedeutungsbreite und Bedeutungstiefe der Zeugnisse aus den unterschiedlichsten Epochen und kulturellen wie wissenschaftlichen Provenienzen - sieht sich einer fast drei Jahrtausende währenden Reflektionsgeschichte gegenüber: Diese reicht von literarisch-künstlerischen, begriffsgeschichtlichen, mentalitätsgeschichtlichen, philosophischen, historischen, exegetisch-theologischen, systematisch-theologischen, praktisch-theologischen, bis hin zu dezidiert kulturtheoretischen Spekulationen, die seit geraumer Zeit um empirisch-naturwissenschaftliche Arbeiten - speziell aus dem sozialwissenschaftlichen, psychologischen und psychotherapeutischen Bereich - erweitert wurden. Darüber hinaus haben sich Desiderate der Hoffnung auch im kulturellen Gedächtnis der Alltagssprache niedergeschlagen, die eine Fülle von diesbezüglichen Wendungen und Sprichwörtern kennt, was aus moraltheologischer Perspektive auf eine breite anthropologische Basis schließen lässt, wenn es etwa heißt: „Solange ich atme, hoffe ich! “; „die Hoffnung nicht verlieren“; „guter Hoffnung sein“; oder auch: „Die Hoffnung stirbt zuletzt! “. Der Begriff der Hoffnung ist auf diesem Hintergrund als Zentralkategorie des abendländischen Denkens zu bezeichnen und dabei mindestens implizit, meistens auch explizit immer präsent; vielfache Metamorphosen und Differenzierungen können beobachtet werden, insbesondere durch die Reflexionen der griechischen Antike, durch die Begegnung von hellenistischem und jüdisch-christlichem Geist, durch die Wirkungsgeschichte spezifisch christlicher Hoffnungstheorien im Kontext von Patristik und Scholastik, ferner die Versuche aus der Zeit der Aufklärung und des Rationalismus, aber auch in der Folge davon durch das Aufkommen der empirischen Wissenschaften und nicht zuletzt durch den Kontext einer sich zunehmend säkularisierenden (Post-) Moderne, die sich nachmetaphysisch versteht. Die Hoffnungskategorie scheint daher eine begriffliche Notwendigkeit des menschlichen Selbstverständnisses zu sein und ist quasi als anthropologische Konstante des Nachdenkens des Menschen über sich selbst in den Wortschatz der humanen Selbstreflexion aufgenommen worden. Die Frage ist allerdings, warum das so sein muss. Warum kommt der Mensch nicht aus, ohne sich immer wieder als einen Hoffenden zu entdecken - allen Versuchungen der Hoffnungslosigkeit und der Kritik zum Trotz? Aus welchen Gründen findet sich die Hoffnungskategorie durch die Epochen hindurch in wechselnden Gestalten in praktisch allen gesellschaftlich-kulturellen Ausdrucksformen des Menschen wieder? In Philosophie, Religion, Kunst, Kultur und Wissenschaft. Selbst die empirischen Wissenschaften entdecken die Hoffnung zunehmend als Forschungsgegenstand und können dabei mit Erkenntnissen aufwarten, die fruchtbringend mit den klassischen Hoffnungskonzepten auf eine integrative Gestalt hin verbunden werden können. Darüber hinaus haben sich zentrale Gehalte der Hoffnung auch im kulturellen Gedächtnis der Alltagssprache niedergeschlagen, die eine Fülle von diesbezüglichen Wendungen und Sprichwörtern kennt, was aus moraltheologischer Perspektive eine breite anthropologi- W <?page no="19"?> II. Einleitung und Hinführung 19 sche Basis vermuten lässt. Blickt man dagegen nicht allein darauf, was der Mensch als Gegenstand seiner Hoffnung hegt, sondern wie und warum er überhaupt hofft, so wird man mit Erstaunen feststellen, dass die Antwortversuche an Zahl und Inhalt deutlich bescheidener ausfallen. Erst recht, wenn nach den anthropologischen Grundlagen und Strukturgesetzlichkeiten gefragt wird, die die Hoffnungstheologie und Hoffnungsphilosophie sowohl mit der vitalen Handlungspraxis des Menschen, als auch mit den Strukturen seiner humanen Sittlichkeit und seines Bezugs zur Transzendenz zu verbinden sucht. Wiewohl Hoffnung aufseiten der Moraltheologie als theologische Tugend betrachtet wird und damit ihren festen Ort im Konzert der moraltheologischen Traktate hat, sind nach wie vor nur Bausteine einer Ethik der Hoffnung im engeren Sinne formuliert, die sich grundlegenden Fragen nach der Struktur und dem Vollzug von Hoffnung aufseiten des Handlungssubjekts stellt und daraus ein Konzept einer sowohl anthropologisch fundierten, als auch christlich prononcierten Hoffnungsethik entwickelt. Insgesamt harrt eine solche Ethik der Hoffnung, die die Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit in ihren empirischen wie transzendentalen Voraussetzungen ausreichend würdigt und sich konzeptionell im Kontext einer Handlungstheorie verortet, nach wie vor auf reflexive Durchdringung. Die vorliegende Studie versucht, auf dieses Desiderat zu antworten, indem sie aus der überwältigenden Fülle des Materials und auf dem Hintergrund einer interdisziplinären Fragestellung das Konzept einer handlungspraktischen Ethik der Hoffnung zu entwickeln und vorzustellen sucht, indem sie (mindestens) ein Doppeltes verfolgt: Zunächst wurde eine ausführliche anthropologische Fundierung der Hoffnungskategorie angestrebt, wobei insbesondere die Disziplinen der Psychologie, Psychotherapie und Psychosomatik auf empirische Einsichten und daraus abgeleitete Hoffnungsaspekte im weitesten Sinne befragt wurden, aber auch Paläoanthropologie, Medizin und verwandte Humanwissenschaften sind in den Fokus genommen worden. Als deren Ergebnis wurde schließlich das Konzept einer integrativen Hoffnungsgestalt entwickelt, das vorrangig strukturell angelegt ist. Davon ausgehend konnten schließlich einige Praxisfelder näher beleuchtet werden, deren Verständnis auf dem Hintergrund dieser Konzeption von Hoffnung teils deutliche Korrekturen erfuhr. Darüber hinaus wurde der Versuch unternommen, handlungstheoretische und handlungspraktische Aspekte einer integrativen Hoffnungskonzeption zu formulieren, so dass das Wie des praktischen Hoffens in wichtigen Elementen expliziert und für die menschliche Handlungswirklichkeit insgesamt eine Hoffnungsstruktur freigelegt werden konnte. Diese zeigte sich durch enge systematische Verbindungen der Hoffnungskategorie mit (moralischer) Handlungsmotivation, mit der Sinnkategorie und in ihrer Wirkung als Therapeutikum. Möglich wurde dies durch eine Sichtung des Materials beider disziplinärer Schwerpunkte, Philosophie und Theologie der Hoffnung auf der einen Seite und (empirische) Humanwissenschaften auf der anderen Seite, jeweils bereits aus der Perspektive der anvisierten Hoffnungskonzeption, weswegen nicht allein eine Integration der Disziplinen ermöglicht wurde entlang zweier Strukturgitter der Hoffnung, die dann ineinander geführt wurden, sondern eine kategoriale Erschließung der Disziplinen füreinander anhand der Hoffnung. Auf diesem Wege konnten schließlich entlang der einen Perspektivierung die (vitalen) moralpsychologischen und therapeutischen Strukturgesetzlichkeiten der Hoffnungstheologie und Hoffnungsphilosophie aufgedeckt werden, ebenso wie entlang der anderen Perspektivierung die dezidiert (theologisch-) ethisch-moralischen Implikationen empirisch greifbarer Strukturäquivalente und Präfigurationen der Hoffnung. <?page no="20"?> II. Einleitung und Hinführung 20 Quasi en passant wurde durch diesen Entwurf auch eine disziplinäre Neuausrichtung der Theologischen Ethik ermöglicht, indem der völlig zurecht geforderte Impetus zu interdisziplinärer Forschung für die Moraltheologie neu aufgenommen und exemplarisch weitergeführt wurde und indem die Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit in moraltheologische Handlungstheorien eingeschrieben wurde und Theologische Ethik damit als Disziplin zur Explikation begründeter (Handlungs-) Hoffnung aufgefordert ist. Ungeachtet der Tatsache, dass wohl auch Gesellschaften als Ganze ein Leitbild ihrer je eigenen Zukunft und dabei insbesondere eine in Verbindung und Korrespondenz mit der langsam Gestalt gewinnenden Weltgesellschaft entworfenen Zukunft brauchen, um nicht langfristig zu degenerieren, hat sich die vorliegende Arbeit zum Ziel gesetzt, den perspektivischen Schwerpunkt auf das einzelne Handlungssubjekt zu legen, das daraufhin befragt werden soll, welche strukturellen Voraussetzungen im Rahmen individueller Lebensführung Hoffnung für die je eigene Lebenssituation zu konstituieren vermögen. Wiewohl die gesellschaftlich-kulturellen Implikationen und Bedeutungen auf der Hand liegen, soll hier die Hoffnungskategorie auf das einzelne Subjekt des Handelns und dessen Selbstvollzug bezogen werden. D.h. nicht unabhängig, aber doch unterschieden von den eher geschichtlich-gesellschaftlich-politisch akzentuierten Theorien der Hoffnung nimmt die vorliegende Arbeit den individualethischen Nahbereich menschlicher Handlungskonstitution in den Blick. Es soll daher darum gehen, unter einer dezidiert moraltheologischen Perspektive die Bedeutung der Hoffnung für das Handlungssubjekt herauszuarbeiten, wobei eine anthropologische Fundierung der Hoffnung angestrebt wurde und darauf aufbauend ein integratives Konzept von Hoffnung entworfen wurde, das den Graben zwischen den Disziplinen, mithin auch zwischen Empirie und Normativität, zu schließen vermag und das Handlungssubjekt als Hoffnungssubjekt zu identifizieren erlaubt. Daneben können durch die interdisziplinäre Anlage der Studie auf der einen Seite die therapeutischen Potentiale der philosophischen und theologischen Hoffnungskonzepte heraus gearbeitet werden und auf der anderen Seite die die humanwissenschaftlichen Disziplinen weit überschreitenden ethischen Implikationen, die sich aus entsprechenden Forschungen ergeben, herausgearbeitet werden. In dieser Mehrdimensionalität der Fragestellung kann das eigentlich innovatorische Potential der vorliegenden Studie angesiedelt werden. Mit dieser Arbeit möge dazu beigetragen werden, im Kontext theologisch-ethischer Forschung die strukturellen Voraussetzungen und Quellen der einen menschlichen Hoffnung, die fontes spei, freizulegen, auf die der Mensch in seiner unaufgebbaren Suche nach sinnerfüllter Lebensgestaltung angewiesen ist. Nicht umsonst stellt daher die Verknüpfung der Hoffnungskategorie mit der Sinnverwiesenheit menschlichen Daseins und dessen Konsequenzen für die Handlungspraxis eine wichtige Brücke zwischen den Disziplinen dar. Inhaltlich wird in einem ersten Schritt die interdisziplinäre Konzeption der vorliegenden Arbeit in einem Problemaufriss (Kapitel III) dargestellt werden, gefolgt von einer ausführlichen Darlegung der methodologischen Voraussetzungen und epistemologischen Notwendigkeiten zur Durchführung des anvisierten Projektes (Kapitel IV). Nach einem ersten Forschungsbericht, der auf den Sachstand zur Fragestellung hinweist und ersten Reflexionen zur tugendethischen Verortung des zu entwerfenden Konzeptes und dessen Architektur, werden im Anschluss dezidiert moral-theologische Grundperspektiven der Hoffnungsreflexion auf dem Hintergrund der angestrengten Fragestellung auf <?page no="21"?> II. Einleitung und Hinführung 21 ein integratives, anthropologisch fundiertes Konzept von Hoffnung hin vorgestellt (Kapitel V), wobei neben den biblischen Grundlagen exemplarisch philosophische und theologische Reflexionen aus Antike, Mittelalter und Neuzeit bedacht wurden - insbesondere da, wo sie strukturell für die anvisierte (therapeutische) Hoffnungsgestalt einträglich waren. Es folgt schließlich eine ausführliche Darlegung einschlägiger moralpsychologischer Erkenntnisse zur Struktur von Hoffnung, wobei diese Einsichten vorrangig empirischer Natur sind und mitunter eine völlig voneinander differierende Nomenklatur tragen. Sie stammen aus den Bereichen Sozial- und Persönlichkeitspsychologie (Kapitel VI.2), Gesundheitspsychologie (Kapitel VI.3), sowie Psychotherapie und (psychologischer) Beratung (Kapitel VI.4). Daneben finden auch tierexperimentelle, paläoanthropologische und neurophysiologische Erkenntnisse Beachtung (Kapitel VI.5), da sie erste Hinweise für eine „Biologie“ der Hoffnung liefern können. In einem letzten großen Abschnitt wird schließlich eine systematische Integration der interdisziplinär erhobenen Erkenntnisse angestrebt (Kapitel VII), die auf eine Konzeption der Hoffnung als Antizipationsform von (Lebens-) Sinn fokussiert ist. Dabei wird auf das Verhältnis von Hoffnung und Sinn abgehoben, auf die Bedeutung der Hoffnung für die Handlungsmotivation und die „therapeutischen“ Qualitäten der Hoffnung. Schließlich wird ausgehend von dieser Integration ein abschließender Ausblick auf zwei mögliche „Hoffnungsorte“ gewagt (Kapitel VIII), die zu zeigen vermögen, wie handlungspraktisch eine anthropologisch fundierte, integrale und christliche Hoffnungsgestalt werden kann: Es werden erste Bausteine einer konsiliaren Ethik vorgestellt und die Bedeutung der Einsichten dieser Arbeit für das Selbstverständnis der Theologischen Ethik als Disziplin expliziert. <?page no="22"?> III. Problemaufriss „Dum spiro, spero“ - „Solange ich atme, hoffe ich.“ [Lat. Sprichwort] 1. Fragestellung und leitendes Erkenntnisinteresse ie mit dieser Arbeit anvisierte Fragestellung, der ihr zugrundeliegende Forschungsimpetus, die ihr inhärente Methodologie, samt deren Einbettung in den größeren Kontext des Faches der Theologischen Ethik selbst, stößt auf eine wissenschaftliche aber auch eine gesellschaftliche Leerstelle. Wiewohl die Disziplinen der philosophischen und theologischen Ethik in den kulturellen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskursen unserer Zeit eine ungeahnte Konjunktur 1 entfaltet haben, existieren fundamentale ethische Kategorien, die einer interdisziplinären Aufarbeitung dringend harren - die Kategorie der Hoffnung gehört dazu, insbesondere ihre anthropologische Fundierung, ihre lebens- und handlungspraktische Relevanz und ihre Verankerung in der individuellen Sinnsuche des Menschen, genauso wie in den institutionalisierten Kontexten von professioneller Beratung und Psychotherapie. Die klassisch im tugendethischen Traktat unter dem Stichwort der drei göttlichen Tugenden (Glaube, Hoffnung, Liebe) rubrizierte Haltung der Hoffnung fristet innerhalb dezidiert moraltheologischer Reflexion ein Schattendasein: als eine exegetisch konstatierte 2 , dogmatisch immer schon vorausgesetzte 3 , praktisch-theologisch geforderte 4 , aber moraltheologisch selten in ihrer visionären Kraft, ihrem rationalen Gehalt, ihrem handlungsvorbereitenden und handlungsorientierenden, aber auch handlungsinitiierenden 1 Die schiere Anzahl an Veröffentlichungen, Handreichungen und Expertisen, die Bildung regionaler und nationaler, politischer und wissenschaftlicher Ethik-Kommissionen spricht dieselbe Sprache: in Zeiten der Orientierungssuche innerhalb eines pluralen Raumes an Werten, Überzeugungen und Normen wird der Ruf nach Ethik als jener Disziplin laut, die die Entstehung von Werteinsichten reflektiert und die Begründung von Geltungsansprüchen erforscht; auf diesen Ruf will geantwortet sein im Sinne einer doppelten Bewegung - Bewahrung und Vertiefung des spezifisch Humanen im Raum von Politik und individueller Lebensgestaltung. Vgl. etwa mit paradigmatischem Titel HÖFFE, O., Moral als Preis der Moderne. Ein Versuch über Wissenschaft, Technik und Umwelt, Frankfurt am Main 2 1993 oder ARNTZ, K., „Salz der Erde - Licht der Welt“ Zum Profil theologischer Ethik in pluraler Gesellschaft, in: ARNTZ, K. / HAF- NER, J.E. / HAUSMANNINGER, T. (Hrsg.), Mittendrin statt nur dabei. Christentum in pluraler Gesellschaft, Regensburg 2003, 47-69. 2 Vgl. WESTERMANN, C., Das Hoffen im AT, in: ThViat 4 (1952/ 53), 19-70 (Theol Bibl 24 1964, 219 f.); NEBE, G., „Hoffnung“ bei Paulus. Elpis und ihre Synonyme im Zusammenhang der Eschatologie, Göttingen 1983; NEBE, G., ἐ λπ ίς (Art.): in: COENEN, L. / HAACKER, K. (Hrsg.), theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament Bd. I, Wuppertal 1997, 993 / 997- 1004. 3 Vgl. NITSCHE, B. (Hrsg.), Atem des sprechenden Gottes. Einführung in die Lehre vom Heiligen Geist, Regensburg 2003. 4 Vgl. FUCHS, O., Neue Wege einer eschatologischen Pastoral, in: Theologische Quartalschrift 179 (1999) 4, 260-288. D <?page no="23"?> 1. Fragestellung und leitendes Erkenntnisinteresse 23 Potential und ihrer therapeutischen Kraft gewürdigte und v.a. im Gespräch mit den Humanwissenschaften kaum reflektierte Kategorie. Dieser Herausforderung stellt sich die vorliegende Arbeit dezidiert mit mehreren Zielvorgaben im Sinne der klassischen Quaestiones, wobei exemplarisch, problemorientiert und im Vorgriff vorgegangen werden soll. Als argumentationsleitend können folgende Fragen gelten, die einen ersten thematischen Korridor vorgeben: Handelt ein hoffender, ein hoffnungsvoller Mensch auf spezifische Weise? Wie gestaltet er seine wesentlichen Existenzverhältnisse, d.h. den Umgang mit sich selbst, der Welt, seinen Mitmenschen und der Transzendenz? Anders gefragt: Wie verhält sich der Mensch als Hoffender zu sich selbst, zu seiner Umwelt, zu seinen Mitmenschen und zu Gott? Welche Konsequenzen hat ein solches Leben aus Hoffnung? Und: Wie wirkt Hoffnung und worin gründet sie? Wie strukturiert ein aus Hoffnung Handelnder sein Verhältnis zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft? Woraus schöpft ein Mensch, der Hoffnung hat, seine Hoffnung? Und: Wie lässt sich christliche und humane Hoffnung abgrenzen von profanen Hoffnungen und Derivaten und Surrogaten? Was „will“ Hoffnung letztlich beziehungsweise worauf zielt sie? Wie ist der Zusammenhang und das Verhältnis von Hoffnung und Handeln zu denken? Welche anthropologischen Strukturen kennzeichnen den hoffenden und dabei nach Sinn suchenden Menschen und was können wir darüber empirisch wissen? Schließlich mit Blick auf die interdisziplinäre Anlage der vorliegenden Studie: Wie lassen sich die Einsichten der Humanwissenschaften zur Hoffnungskategorie im weitesten Sinne zugleich integrieren und aus der eigenen Perspektive kritisieren, wenn die Autonomie der entsprechenden Wirklichkeitszugänge gewahrt bleiben soll? Zusammenfassend heißt das: Welche strukturell-anthropologischen Voraussetzungen müssen für die Entstehung von handlungsrelevanter, das heißt handlungsinitiierender und die Handlungsfähigkeit erhaltender Hoffnung erfüllt sein? Zur Einlösung dieses Fragehorizontes sind mehrere Fragenkomplexe zu bearbeiten: Es wird der Versuch unternommen, die alt- und neutestamentlichen Reflexionen zur Kategorie der Hoffnung samt einschlägigen Erkenntnissen über den antiken Hoffnungsbegriff und entsprechenden Beständen aus Mittelalter und Neuzeit ins Gespräch zu bringen mit Einsichten der Etymologie und der Humanwissenschaften, allen voran der Psychologie und Psychotherapie 5 , um eine breite empirische Fundierung der entsprechenden systematischen Reflexionen voranzutreiben bzw. diese eigens einer innovativen Systematisierung im theologisch-ethischen Diskurs zuzuführen. Entlang eines problemorientierten Zugriffes sollen die Bestände traditioneller antiker und christlichtheologischer Hoffnungs-Reflexion in einer spezifisch kombinatorischen 6 und interdisziplinären Argumentation auf methodisch kontrolliertem Wege, analog der Suche nach Kategoriengemeinschaften 7 , mit empirischen Äquivalenten und Desideraten der Hoffnung aus Psychologie und Psychotherapie auf Strukturgleichheit untersucht und ihre 5 Vgl. zum wissenschaftstheoretischen Status der Psychotherapie etwa PRITZ, A. (Hrsg.), Psychotherapie - eine neue Wissenschaft vom Menschen, Wien / New York 1996. 6 Vgl. zur kombinatorischen Theoriebildung als Wegweiser zu einem neuen Typus empiriebezogener Ethik KORFF, W., Wie kann der Mensch glücken? Perspektiven der Ethik, München 1985, 65 ff. 7 Vgl. dazu anhand der Kategorie der Versöhnung in sozialethischer Perspektive WÜSTEN- BERG, R.K., Die politische Dimension der Versöhnung. Eine theologische Studie zum Umgang mit Schuld nach den Systemumbrüchen in Südafrika und Deutschland, Gütersloh 2004. <?page no="24"?> III. Problemaufriss 24 moraltheologische Essenz im Sinne von unhintergehbaren Strukturen des hoffenden Menschen erhoben werden. Anvisiert sind erste Bausteine einer anthropologisch fundierten, handlungspraktisch gewendeten und moraltheologisch perspektivierten Ethik der Hoffnung. Es soll ferner der Versuch unternommen werden, die Bedeutung der Hoffnung und ihrer modernen Äquivalente für die konkrete, um Sinn ringende Lebensführung 8 argumentativ auszuweisen, allen voran deren (therapeutische) Valenz für das handelnde Subjekt auf der Suche nach einer sinnorientierten und sinnerfüllten Gestaltung seines Lebens trotz aller körperlichen und seelischen Versehrungen, Krisen und Nöte. Dabei wäre auch ein Vorstoß auf das Feld einer konsiliaren Ethik, einer Ethik der Beratung 9 , nötig und möglich, nachdem es zur genuinen Tradition abendländischer Ethik seit Sokrates 10 gehört, den in seiner Lebensführung verunsicherten und gehemmten Menschen zur Selbstsorge anzuhalten und ihn darin reflexiv zu begleiten, wenn also das beraterischpraktische Geschäft einer Befreiung 11 aus Handlungsnot selbst als „ethische Tätigkeit“ 12 zu verstehen ist. Die argumentationsleitende Kategorie der Hoffnung wird mithin in ihren anthropologischen Grundlagen erhellt, in den (moral-) theologischen Diskurs integriert, in ihrer handlungspräfigurierenden Kraft erläutert und innovativ auf eine integrale Theorie der Hoffnung als Antizipationsform von (Lebens-) Sinn erweitert werden, wobei Hinweise zu einer Ethik des Gebets, zu einer Konsiliatorik und einer Kulturtheorie abgeleitet und entwickelt werden sollen. In der Konsequenz erfährt auch die Disziplin der Theologischen Ethik eine Neuausrichtung, da sie zur Explikation (sittlich) begründeter Hoffnung zu dienen vermag und auf dem Hintergrund einer neu entwickelten Methodologie des interdisziplinären Gesprächs, anhand sogenannter Strukturgitter, auf der einen Seite Theologumena, wie das der Hoffnung, mit diesbezüglichen Einsichten anderer Disziplinen verknüpfen und andererseits moraltheologische Implikationen entsprechender empirischer Forschungen aufdecken kann. Dieser historisch-systematisch-interdisziplinären Aufgabe soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit insofern exemplarisch nachgekommen werden, da nachwievor vielfache Forschungsdesiderate zur Hoffnungskategorie vorliegen, die sowohl 8 Vgl. dazu einschlägig LAUBACH, T., Lebensführung. Annäherungen an einen ethischen Grundbegriff, Frankfurt am Main et al. 1999. 9 Vgl. KRÄMER, H., Soll und kann die Ethik beraten? , in: SCHNEIDER, J.H.J. (Hrsg.), Ethik - Orientierungswissen? , Würzburg 2000, 31-44. 10 Vgl. zur Aufnahme der „Sokratischen Gesprächsführung“ in die professionelle Therapie und Beratung STAVEMANN, H.H., Sokratische Gesprächsführung in Therapie und Beratung. Eine Anleitung für Psychotherapeuten, Berater und Seelsorger, Weinheim / Basel / Berlin 2002. Die hier formulierte Forderung nach praktischer Philosophie vonseiten psychotherapeutisch arbeitender Berater stößt genau auf das Desiderat der vorliegenden Arbeit: der interdisziplinären Verknüpfung von Psychotherapie und Ethik, Empirie und Normativität - mit Blick auf eine therapeutisch-beraterische Ethik anhand der handlungspraktisch gewendeten Kategorie der Hoffnung. 11 Vgl. STEGMAIER, W., Ethik als Hemmung und Befreiung, in: ENDREß, M. (Hrsg.), Zur Grundlegung einer integrativen Ethik, Frankfurt a.M. 1995, 19-39. 12 Vgl. MAßHOF-FISCHER, M., Ethik als konsiliare Praxis der Lebenshilfe zur persönlichen Identitätsfindung. Pastorale Lebensberatung als integraler Teil ethischen Selbstverständnisses, in: LAUBACH, T. (Hrsg.), Ethik und Identität (FS für G.W. Hunold zum 60. Geburtstag), Tübingen / Basel 1998, 55. <?page no="25"?> 2. Disziplinäre Verortung des Fragehorizontes 25 historischer und exegetischer, als auch systematischer Natur sind, so dass für diese Auseinandersetzungen, die eine Fülle von Material bereithalten, eine notwendige Konzentration unverzichtbar ist. 2. Disziplinäre Verortung des Fragehorizontes Moraltheologie steht in pluraler Gesellschaft unter anderem im Dienste der Lebensdeutung und Lebensführung 13 und lässt sich in diesem Sinne ihr Formal- und Materialobjekt von der handlungsleitenden Lebenspraxis des Menschen selber vorgeben, der um einen sinnvollen Vollzug seines Daseins ringt. Als Materialobjekt soll daher der handelnde Mensch, das Handlungssubjekt, ausgewiesen werden, als Formalobjekt eine bestimmte Perspektivität auf dieses Handlungssubjekt - als eines, das in aller gebrochenen Selbsterfahrung unaufgebbar darauf angewiesen ist, den Raum seiner Zukunft handlungsmäßig vorwegzunehmen und den Ausgang dieser Vorwegnahme als glückend zu projektieren bzgl. den intendierten Zielen, um überhaupt handlungsinitiierend in der Gegenwart werden zu können. Der Mensch lebt in diesem Sinne aus der Zukunft, um in der Gegenwart handlungsfähig zu sein. Das Medium, in dem er diese seine Zukunft als eine sinnvolle antizipiert und handlungsrelevant werden lässt, ist in der klassischen Kategorie der Hoffnung zu fassen. Im Rahmen eines umfassenden Verständnisses soll Hoffnung als eine Form der Antizipation von Sinn aufgefasst werden bzw. umgekehrt die Erfahrung von Sinn als Konstitutivum und Telos für jegliche Hoffnung entfaltet werden. Die notwendige Interdisziplinarität in der Bearbeitung der anvisierten Thematik einer integralen Theorie der Hoffnung spiegelt sich wissenschaftstheoretisch in der Dialektik der Fächer von Theologischer Ethik auf der einen Seite und Psychologie bzw. Psychotherapie auf der anderen Seite, sie ist inhaltlich zwischen den Polen von ethischer Sinnvermittlung bzw. Sinneruierung 14 und therapeutischer Sinnhilfe 15 ausgespannt, zwischen der Sinnerfahrung als psychischem Geschehen und der Sinnvermittlung als therapeutischem Geschäft. Das Verbindungsglied, das missing link zwischen beiden Seiten stellt nun, so die zu verifizie- 13 Vgl. dazu wiederum: ARNTZ, K., „Salz der Erde - Licht der Welt“ Zum Profil theologischer Ethik in pluraler Gesellschaft, in: ARNTZ, K. / HAFNER, J.E. / HAUSMANNINGER, T. (Hrsg.), Mittendrin statt nur dabei. Christentum in pluraler Gesellschaft, Regensburg 2003, 47- 69 und ausführlich LAUBACH, T., Lebensführung. Annäherungen an einen ethischen Grundbegriff, Frankfurt a.M. 1999. 14 KLAUS ARNTZ plädiert in seiner Habilitationsschrift auf dieser Linie dafür, Moraltheologie als „handlungsleitende Sinnwissenschaft“ zu verstehen. Vgl. ARNTZ, K., Melancholie und Ethik. Eine philosophisch-theologische Auseinandersetzung mit den Grenzen sittlichen Subjektseins im 20. Jahrhunderts (ratio fidei 11), Regensburg 2002. Die Nähe zu der im nächsten (methodisch orientierten) Kapitel beschriebenen kombinatorischen Theorienbildung und deren (moraltheologischer) Zielperspektive einer handlungsbezogenen Logik des Ganzen sind unübersehbar, wenn gilt, dass der Frage nach dem Sinn eine Tendenz zur Selbsttranszendenz auf das je Größere (Ganze) inhärent ist. Vgl. dazu auch BILLER, K., Der Sinn-Begriff als zentrales Theorem der Logotherapie, in: KURZ, W. / SEDLACK, F. (Hrsg.), Kompendium der Logotherapie und Existenzanalyse. Bewährte Grundlagen, Neue Perspektiven, Tübingen 1995, 99-116. 15 Vgl. paradigmatisch FRANKL, V.E., Der Wille zum Sinn. Ausgewählte Vorträge über Logotherapie, München 1991; Ders., Ärztliche Seelsorge. Grundlagen der Logotherapie und Existenzanalyse, Wien 4 1994; Ders., Der leidende Mensch. Anthropologische Grundlagen der Psychotherapie, Bern 2 1996; Ders., Sinn als anthropologische Kategorie, hrsg. und übersetzt von DUBOIS, J.M., Heidelberg 2 1998. <?page no="26"?> III. Problemaufriss 26 rende These, die Vermittlung von Hoffnung dar: Wiederherstellung bzw. Etablierung der Handlungsfähigkeit auf positive Sinnziele hin im Modus der Hoffnung. Der Bezugs- und Konvergenzpunkt dieser Argumentation ist mithin der handelnde Mensch selbst, er steht im Mittelpunkt als einer, der in seiner Suche nach gelingendem Leben auf einen offenen Handlungshorizont angewiesen ist, den er als einen positiven antizipatorisch im Medium der Hoffnung vorwegnimmt. Dabei gehe ich zunächst von der These 16 aus, dass der Mensch nicht anders handeln kann, als sich immer wieder von bestimmten Hoffnungen darin (sittlich) orientieren und motivieren zu lassen. Hoffnung wird hier als komplexe Kategorie verstanden, die jede Form einer positiv konnotierten Aussichtigkeit 17 umfasst, also auch das, was man Utopie, Vision, etc. nennt und was begrifflich davon unterschieden werden muss. Es lässt sich aber insgesamt nicht übersehen, dass die Hoffnung zu einer Kategorie geworden ist, die sich historisch überlebt zu haben scheint und als deren letztes Reservat das private kleine Glück übrig geblieben ist. Umso deutlicher bedarf es der kritischen Reflexion auf dieses Phänomen, das offensichtlich nicht dispensierbar ist, weil es unverzichtbar zur conditio humana selbst gehört. Wer also über Hoffnung reden will, muss über den Menschen reden, der hofft, dessen Hoffnungen Triumphe feiern oder auch enttäuscht werden können und der trotz oder gerade aufgrund der Widerständigkeit und Abgründigkeit seiner Wirklichkeitserfahrung und trotz aller Hoffnungslosigkeiten nicht müde wird, sich immer wieder Hoffnungen über sich und die Welt zu machen. Hoffnung ist daher als eine zentrale Leitkategorie aller menschlichen Existenzverhältnisse zu bezeichnen, da alle diese Verhältnisse, sowohl die Beziehung zu sich selbst, als auch die Beziehung zur Welt bzw. zu den Mitmenschen und die Beziehung zur Transzendenz, sich fundamental durch eine Hoffnungsstruktur auszeichnen, d.h. so von der Kategorie der Hoffnung bestimmt gedacht werden müssen, dass ihr Selbstvollzug ohne Hoffnung nicht denkbar ist. Insofern stellt das anvisierte Thema einer integralen Hoffnungstheorie auf der Basis des Gesprächs von Moraltheologie und Humanwissenschaft im Kontext moderner moraltheologischer Forschung durchaus innovatives Potential bereit. Nicht zuletzt sollen darüber hinaus mit der Arbeit auf argumentativem Wege Gründe gegen einen gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und medialen Trend vorgebracht werden, der sich in einer zunehmenden Neigung zur Rekonstruktion des Misslingens und Scheiterns von humanem Leben fassen lassen könnte. Gegen diese resignativen Tendenzen ist begründet zu argumentieren, dass sich niemand für eine Zukunft einsetzt, die ihn schwarz sehen lässt; kein Mensch tut, was er könnte, kein Mensch kann tun, was er tun könnte, wenn er nicht eine positive Zukunft dabei vor Augen hat - kurz: wenn er nicht hofft. 18 16 Die für dieses Vorhaben notwendige Klärung eher methodologischer Fragen, die der Hoffnung einen begründeten und der neuzeitlichen Vernunftkritik standhaltenden epistemischen Status zuweist, ist auf das nächste Kapitel zu verweisen. 17 Vgl. WOSCHITZ, K.M., Elpis - Hoffnung. Geschichte, Philosophie, Exegese, Theologie eines Schlüsselbegriffes, Wien 1979. In der griechischen Antike kam dem Hoffnungsbegriff zunächst und ursprünglich nicht die eindeutig positive Bedeutung zu, die ihm später aufgrund des Einflusses zentraler semitisch-christlicher Verheißungen zugewachsen ist, sondern anfangs ist von einer grundsätzlich ambivalenten Hoffnung auszugehen. 18 Vgl. KURZ, W., Auf der Suche nach Sinn, in: Ders. / HADINGER, B., Sinnvoll leben lernen, Tübingen 1999, 3-42. <?page no="27"?> 3. Kontexte einer Ethik der Hoffnung 27 So ist der vorliegenden Studie vorrangig daran gelegen, aus dezidiert moraltheologischer Perspektive 19 eine Neuinterpretation der Hoffnungskategorie anhand einer anthropologischen Fundierung, einer handlungspraktischen Orientierung und einer systematischen Integrierung der perspektivisch gewonnenen Einsichten zu formulieren. Die damit anvisierte Ethik der Hoffnung kann nun sowohl als fundamentaltheologische, als auch als moraltheologische Aufgabe verstanden werden, wobei an dieser Stelle die dezidiert subjektphilosophischen und freiheitsanalytischen Implikationen zugunsten einer anthropologischen Fundierung und handlungspraktischen Grundierung nur skizzenhaft erwähnt werden können. 3. Kontexte einer Ethik der Hoffnung a) Die sozialethische Signatur der Hoffnung. Eine gesellschafts- und kulturgeschichtliche Skizze Der Mensch ist seit geraumer Zeit vorsichtig geworden, über (große) Hoffnungen zu reden, erst recht, sie sich als kollektiv verbindende Ideen und moralisch verbindliche Orientierungen zu eigen zu machen. Nicht ohne Wehmut scheint sich der Mensch der Gegenwart große Hoffnungen bezüglich seiner selbst nicht mehr erlauben zu wollen. Die Konsequenz? Der Verzicht auf leitende Hoffnungen führt zu einer fundamentalen Irritation über seine Bestimmung und seine praktischen Handlungsmöglichkeiten und Handlungsnotwendigkeiten. Der (postmoderne) Mensch sieht sich in der Folge genötigt, seinen Welt- und Zeitbezug rein pragmatisch, quasi verfahrenstechnisch zu gestalten - in der unausgewiesenen „Hoffnung“, dadurch die Zukunft 20 und sich selbst kontrollieren zu können, um zumindest eine relative Gewissheit über die eigene ungesicherte Zukunft zu erlangen. Aber was soll er tun, woran sein Handeln grundlegend orientieren, wenn er gar nicht mehr recht zu wissen scheint, wer er hoffen kann zu werden, was also seine ideale Gestalt als Mensch ist beziehungsweise sein könnte? Mehr noch: Hoffnung wird in der Moderne geradezu unter Ideologieverdacht 21 gestellt. Der Gründe mögen viele sein. Sicher gehören die katastrophalen Erfahrungen dazu, die nicht allein im 20. Jahrhundert 19 Zur disziplinären Abgrenzung zur Dogmatik ist Folgendes zu sagen: Dogmatik dient bekanntlich der Explikation des christlichen Glaubens, wohingegen Theologische Ethik eine Explikation menschlicher Handlungswirklichkeit von diesem Glauben her vor Augen hat. Dogmatik vermag daher Theologumena mitunter unabhängig von spezifischen Handlungskontexten zu erörtern, während Theologische Ethik diese einzuzeichnen hat in menschliche Handlungswirklichkeit. Hoffnung ist nun das Medium der Vergegenwärtigung des Geglaubten oder umgekehrt die Vergewisserung des Erhofften - unter anderem in die Handlungswirklichkeit des Menschen hinein, weswegen es zwar zu den angestammten Aufgaben der Theologischen Ethik zu zählen hat, eine Ethik der Hoffnung zu formulieren, weswegen aber eine anthropologisch fundierte und handlungspraktisch situierte Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit so vergleichsweise wenig theoretische Beachtung gefunden hat bisher. So kann etwa die systematische Verhältnisbestimmung christlicher Hoffnung zur Idee des höchsten Gutes als Desiderat (nicht allein) moraltheologischer Forschung gelten. Vgl. in diesem Sinne aufschlussreich KELLER, D., Der Begriff des höchsten Guts bei Immanuel Kant. Theologische Deutungen, Paderborn 2008. 20 Vgl. HÖLSCHER, L., Die Entdeckung der Zukunft, Frankfurt am Main 1999. 21 Vgl. MANNHEIM, K., Ideologie und Utopie, Frankfurt am Main 3 1952. <?page no="28"?> III. Problemaufriss 28 destruktive Utopien beziehungsweise utopisch besetzte Mythologeme und Ideologien verursacht haben. Nach den Katastrophen des letzten Jahrhunderts und in der Post- Moderne insgesamt hat den Menschen daher ein abgründiges Entsetzen gegenüber der eigenen Natur und deren diabolischen Möglichkeiten beschlichen, in dessen Folge es zu einer Art protologischen Selbstbescheidung kam. Der Mensch hat versucht, mit Rationalisierung und Kontrolle auf diese Selbstbedrohung zu antworten. Nicht nur wurde ihm seine Verführbarkeit bewusst, die im Übrigen auch mit bestimmten Verheißungen aufwartete, die allerdings ideologisch zutiefst verblendet waren. Die zerstörerischen Potentiale der Utopie sollten - quasi im Sinne einer Deeskalationsstrategie - eingedämmt werden, indem die positiven Gehalte der Utopie in vernünftige und pragmatische Funktionszusammenhänge überführt wurden. 22 Damit wurde die komplexe Kategorie der Hoffnung genauso wie ihr gesellschaftlich-soziales Pendant der Utopie in der Moderne faktisch pragmatisiert und funktionalisiert und damit in ihren offenen, letztlich transzendentalen Dimensionen für rational überwunden erklärt und höchstens noch in religiösen Nischen für legitim erachtet. Dabei war es noch für O.Y GASSET eine Ehre und Auszeichnung des Menschen, ein „utopisches Wesen“ 23 zu sein, das sich eben gerade nicht aus den Bedingungen und Bedingtheiten der Gegenwart allein verstehen lässt. b) Die Anti-Utopie als gesellschaftliche Räson der Gegenwart Der Auszug aus den Ideologien, zu denen fälschlicherweise auch die Hoffnung und deren Derivate gezählt werden, das heißt Utopien, Visionen, etc., schien spätestens seit der Aufklärung unumgänglich. Denn war es nicht zentraler Teil des aufklärerischen Pathos, den Menschen zu befreien aus vermeintlich unbegründeten und voraussetzungsreichen Bindungen und Ideen, die nicht einer bestimmten rationalistischen Vorstellung gehorchten? Grundlage war dabei ein negativ orientierter Freiheitsbegriff. Dem gegenüber ahnen wir heute, dass dieser nicht ausreicht und eine inhaltliche, positiv-sittliche Bestimmung der Freiheit vonnöten ist, um genügend Handlungsorientierung und Handlungsmotivation bereit zu stellen. Sittlich qualifizierte und begründete Hoffnung leistet genau dies. Das wurde lange verdeckt von gesellschaftlichen Großprojekten, welche die globalen Hoffnungspotentiale auf sich gezogen haben: Herausbildung des Nationalstaates, Industrialisierung und Fortschrittsglaube, Weltkriege, Systemkonkurrenzen zwischen Kapitalismus und Kommunismus beziehungsweise Marxismus und vieles andere mehr. Jetzt, nach ihrem historischen Zusammenbruch und dem „Ende der Utopien“, die sie verkörperten, beziehungsweise der vermeintlichen „Erschöpfung der utopischen Energien“ 24 ist einzig ein pragmatisches bis pragmatistisches Verständnis von Politik geblieben und ein ernüchtertes, wenn nicht desillusioniertes Verständnis davon, was oder wer schließlich Geschichte (aus-) macht. Moralisch gesehen ist das Großprojekt der Gerechtigkeit 25 ge- 22 Vgl. paradigmatisch HABERMAS, J., Theorie des kommunikativen Handelns Bd. 1: Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung, Bd. 2: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft, Frankfurt am Main 4 1987. 23 Vgl. GASSET, J.O.Y, Vom Menschen als utopischem Wesen, Zürich 2005. 24 Vgl. KASPER, W. KARDINAL, Religion und die Zukunft des Menschen, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio, 36. Jg. (2007), 300. 25 Vgl. als wohl prominentesten Vertreter RAWLS, J., A theory of justice, Cambridge 1971. <?page no="29"?> 3. Kontexte einer Ethik der Hoffnung 29 blieben und die Idee der auf universaler Menschenwürde basierenden Menschenrechte 26 , die vielleicht noch darüber hinaus ahnen lässt, dass hier große Menschheitshoffnungen konkretisiert werden sollen. Aber auf wen und vor allem auf was? Und woraus Motivation, Kraft und Ressourcen schöpfen zu deren Realisierung? Die vergangenen Jahrhunderte haben aus christlicher Hoffnung gesellschaftlichhistorisch betrachtet eine säkularisierte Form derselben hervorgebracht, die sich - in Ermangelung eines umgreifenden Sinnzusammenhangs - jetzt wesentlich aus dem Projekt einer gesellschaftlichen und in ersten Ansätzen auch globalisierten Gerechtigkeit speist. Allerdings bringt diese Form der „menschlichen Selbstbescheidung“ was die Formulierung großer Hoffnung anbelangt eine Fülle von Surrogaten hervor und besitzt ihrerseits deutlich mehr Hoffnungsanteile, als sie auszuweisen bereit ist. Ganz abgesehen davon, dass die Verwandtschaft mit biblischen Verheißungen kaum zu übersehen ist. 27 Was hier bereits mit dem Gerechtigkeitsmotiv anklingt, ist die basale Hoffnung auf das Gute als eine Form der Handlungsmotivation gegenüber einer Zukunft, die radikal offen erscheint. Zugleich wird an dieser Stelle klar: Berechtigte und notwendige Ideologiekontrolle kann nicht die Verabschiedung von Weltanschauung und Weltdeutung insgesamt bedeuten. Es gibt keinen weltanschaulichen Nullpunkt, keine weltanschaulich neutrale Perspektive auf Welt und Mensch. Denn es fällt auf: Praktisch alle großen Erzählungen und Dokumente der Menschheit beschreiben niemals lediglich Gegenwart, sondern beschwören immer zugleich eine Zukunft. Diese stellt dem Menschen vor Augen, zu was er im besten Sinne bestimmt sein könnte. 28 Wenn nun der für entwickelte Gesellschaften durchaus immer noch dominierende Fortschrittsglaube (weiter) brüchig wird und die Skeptiker weiter auf dem Vormarsch sind, dann gehen der spätmodernen Gesellschaft die letzten Zukunftsbilder verloren, an denen sie sich grundlegend orientiert und motiviert und aus denen sie humanisierende Kraft geschöpft hat. Behielten die „Dunkelseher“ 29 die Oberhand, befänden wir uns zeitdiagnostisch in der Tat in einem epochalen Wandel: Die großen modernen System-Hoffnungen gelten dann als überwunden und gescheitert, mindestens jedoch als zutiefst ideologieanfällig, während eine neue Form verbindender und verbindlicher Handlungsorientierung, die sich ihres notwendigen Zukunftsbezugs gewiss wäre, einer Zukunft also, die verantwortet zu werden hat, noch nicht in Sicht ist. 26 Vgl. HILPERT, K., Menschenrechte und Theologie. Forschungsbeiträge zur ethischen Dimension der Menschenrechte, Freiburg im Breisgau 2001. 27 Vgl. SCHOCKENHOFF, E., Grundlegung der Ethik. Ein theologischer Entwurf, Freiburg im Breisgau 2007, 190f. 28 Vgl. HEER, F. / FREITAG, S. / GÜNTHER, K. (Hrsg.), Für eine gerechte Welt. Große Dokumente der Menschheit, Darmstadt 2004. 29 Vgl. ASSHEUER, T., Die Dunkelseher. Ob Stefan George oder Oswald Spengler. Intellektuelle Untergangspropheten haben Konjunktur. Was macht sie so faszinierend? , in: DIE ZEIT 36 / 2007, 47 (30. August 2007). Systematisch ist hier von einer einseitigen Tendenz zur Rekonstruktion des Scheiterns menschlichen Lebens zu sprechen - in praktisch allen kulturschaffenden Bereichen. Denn wo finden sich in der modernen Kunst, Literatur, Film, Musik, etc. identifikationsfähige Bilder gelingenden Lebens - ohne dass diese in den Kitsch abwandern würden? Die einseitige Tendenz zur Rekonstruktion misslingenden Lebens, die durchaus mit berechtigten anamnetischen Interessen belegt ist, man denke nur an die memoria passionis, muss ausbalanciert werden durch ihr Gegenteil, sonst lähmt sie grundlegend menschliche Handlungsfähigkeit. Woher nähme der Mensch sonst die Kraft, das Misslingen konstruktiv zu bewältigen? <?page no="30"?> III. Problemaufriss 30 Deshalb plädiere ich im Folgenden für den Versuch, Hoffnung als eine zentrale Handlungskategorie auszuweisen. Natürlich sollen die bisherigen Erfahrungen und Zweifel nicht ignoriert werden. Aber sie sollen in den Kontext einer christlichen Ethik der Hoffnung gestellt werden. Wird dabei zugleich das „Elend des Anti-Utopismus“ 30 bedacht, der den Versuch unternahm, die Zukunft des Menschen rational unter Kontrolle zu bekommen, dann wird schnell einsichtig, dass ein solcher Versuch, von der Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit auszugehen, keineswegs anachronistisch ist. Nicht nur vermag diese zu zeigen, dass Hoffnungsvollzüge quasi ein Anthropologem darstellen, sie verdeutlicht auch, dass es statt um ihre vermeintliche Überwindung um eine je neue Begründung und Fundierung gehen muss, ganz abgesehen davon, dass sie nachhaltige Handlungsmotivation bereitzustellen vermag. Der Versuch der rationalen Kontrolle und pragmatischen Domestizierung der Zukunft des Menschen, wie es kennzeichnend für modernes Selbstverständnis 31 ist, hat zwar große Erfolge zu verzeichnen, aber gelang nur teilweise, da der offene Zukunftsbezug auf anderen Wegen wieder den Weg in die Gesellschaft zurückgefunden hat, aus der er nie wirklich ausgezogen war. Er tritt allerdings unter veränderten Bedingungen und mitunter ohne religiöse Vorzeichen auf, wodurch kaum überschätzbare Handlungsenergien drohen, ungerichtet verloren zu gehen, die für die bleibende Humanisierung einer Gesellschaft dringend gebraucht werden. Ganz abgesehen davon, dass der Fortschrittsglaube selbst inzwischen brüchig geworden ist und längst die Frage im Raum steht, was an seine Stelle treten könnte. So ist es nicht verwunderlich, dass bestimmte gesellschaftliche Utopien 32 als historisch überwunden erscheinen, so unter anderem der (National-) Sozialismus, der Kommunismus, der Marxismus, gar das „Ende der Geschichte“ 33 , das heißt das Ende gesellschaftlich-geschichtlicher (Neu-) Utopien, ausgerufen wurde, sich in postmodernen Gesellschaften aber eine Fülle von Hoffnungsfiguren und utopischen Potentialen finden lassen. Die Zukunftsoffenheit und die prinzipielle Verwiesenheit des Menschen auf ein existentielles Verhältnis zu seiner Zukunft ist damit gerade nicht obsolet geworden, sondern als Folge von Enttraditionalisierung, Säkularisierung und Pluralisierung in der Gestalt säkularer Heils- und Hoffnungsformen allgegenwärtig. 34 Demgegenüber sind die klassischen, meist religiösen Hoffnungsbilder und politisch-sozialen Utopien weitgehend zurückgedrängt worden. Dabei ist die Utopie besser als ihr Ruf, gerade wenn sie unter Kontrolle der kritischen Vernunft gestellt wird und dadurch sogar ideologiekritisches Potential zu entfalten vermag. Sie kann auf diese Weise die utopische Kraft des Men- 30 Vgl. LENK, K., Das Elend des Anti-Utopismus, in: Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte 04 / 2005, 33-38. 31 Und dennoch steht das Prinzip Hoffnung einem „planen“ Leben gegenüber, existiert ein Überdruss, eine Tristesse mitsamt den Formen der Kompensation in Aktionismus und Eventing angesichts dem weit verbreiteten Utopiedefizit. Ohne mit begründeter Hoffnung und Utopie verknüpfte Offenheit für das Unerwartete, das unerwartet Sinnvolle, bleiben wir immer festgelegt auf uns selbst. Vgl. erneut LENK, Das Elend des Anti-Utopismus, 33-38. 32 Vgl. SAAGE, R., Politische Utopien der Neuzeit, Darmstadt 1991. 33 Vgl. FUKUYAMA, F., Das Ende der Geschichte: Wo stehen wir? , München 1992. Nach der Zerschlagung des Faschismus und dem Scheitern des Kommunismus müsse nach Meinung des Autors, der im Bedürfnis nach Anerkennung den Motor aller Entwicklung sieht, die liberale Demokratie als Endpunkt der ideologischen Evolution der Menschheit betrachtet werden. Die Praxis der Demokratie sei zwar noch verbesserungsbedürftig, nicht aber ihr Ideal. 34 Vgl. KNOBLOCH, S., Verkündigung angesichts heutiger Lebenskontexte und Lebenskonzepte. Versuch einer Annäherung, in: Trierer Theologische Zeitschrift 114 (2005) 265-278. <?page no="31"?> 3. Kontexte einer Ethik der Hoffnung 31 schen auf sich ziehen und so vor unpolitischen und schleichenden utopischen Ideologien bewahren. Da sich nun die Sozialformen des Zusammenlebens reflexiv auf unser moralisches Selbstverständnis als Individuen auswirken, hängt auch zunehmend das individuelle Handlungssubjekt der Vorstellung an, ein Lebensverständnis und einen Lebensvollzug praktisch ohne einen starken Begriff von Hoffnung entwerfen zu können. So ist die in dieser Studie vertretene These, wonach Hoffnung eine der zentralen Handlungskategorien darstellt, für beide Perspektiven in ihrer Relevanz zu prüfen, sowohl für das Individuum, als auch für eine Gesellschaft, wobei eine individualethische Fokussierung den klaren Vorrang hat. <?page no="32"?> IV. Methodologischer Abriss „Er ist uns zuvorgekommen, er hat begonnen: Gott hat auf uns gehofft - soll es denn heißen, wir hofften jedoch nicht auf ihn? “ 1 1. Interdisziplinarität als Ethos a) Interdisziplinäre Hoffnung nterdisziplinarität ist zum vielfach geforderten, aber in ihrem Anspruch innerhalb des Ringens um Lösung komplexer Sachprobleme nur langsam eingeholtes ethisches Desiderat eines in Bewegung geratenen Wissenschaftsbetriebes geworden, der zunehmend unter das Diktat der Verwertbarkeit gestellt wird. So ist nicht nur eine punktuelle Zusammenarbeit der Einzelwissenschaften gefordert, sondern ein kontinuierlicher Dialog dieser Einzeldisziplinen, der sich den ungeheuren Innovationsmöglichkeiten der modernen Wissenschaften stellt. Insbesondere eine Theologische Ethik hat auf die Innovationswelle des Wissens, der wir gegenwärtig beiwohnen, zu reagieren, will sie ihrem Selbstverständnis als einer am Zielwert des Humanen orientierten und sich von dort her konstituierenden „Integrationswissenschaft“ 2 treu bleiben. Neben einer grundsätzlich 1 Vgl. Péguy, C., Das Mysterium der Hoffnung, Wien / München 3 1983, 106. 2 Vgl. AUER, A., Autonomie und christlicher Glaube, 2. Auflage mit einem Nachtrag zur Rezeption der Autonomievorstellungen in der katholisch-theologischen Ethik, Düsseldorf 1995, 44ff., 189ff. W. HUBER beschreibt im Handbuch christlicher Ethik die inzwischen klassisch gewordenen Versuche einer als Vermittlung von ethischem Subjekt mit dessen natürlicher und geschichtlicher Lebenswelt verstandenen Integration als bleibende Aufgabe der Ethik. Es werden fünf z.T. kritisch zu bewertende Modelle ausgewiesen: (1) deduktive Verknüpfung von Glaubenserfahrung und Welterfahrung, nach der aus Glaubensinhalten Grundelemente des Verhaltens abgeleitet werden; (2) Verfahren der doppelten Begründung, das eine Kohärenz von aus der Offenbarungswahrheit deduzierten Wahrheiten und Grundstrukturen des Lebens erreichen will; (3) die Leistungen des ethischen Subjekts (z.B. Selbstbewusstsein) werden theologisch interpretiert und auf funktional-strukturelle Entsprechungen zwischen Welt- und Glaubenserfahrung untersucht; (4) Unterscheidung zwischen ethischen Grundeinstellungen, die sich aus Grundinhalten christlichen Glaubens ergeben, und operationalisierbaren Zielvorstellungen; (5) zwischen Grundbestimmungen christlichen Glaubens und Normen, durch die sich das Subjekt zur Welt vermittelt, besteht ein Verhältnis von Analogie und Differenz zugleich. Die einseitig offenbarungstheologischen Argumentationen, die versuchen aus dem depositum fidei Normen abzuleiten, die dann zur Integration dienen sollen, verhindern gerade die Etablierung einer rationalen Evidenz möglicher Integrationen, indem auf der Basis eines Deduktionsverfahrens der Eigengestalt natürlicher und gesellschaftlicher Lebenswelten zu wenig Rechnung getragen wird (1-4) und die Kommunikation im binnenchristlichen Raum (zurück-) gehalten bleibt, statt immer zugleich den Beitrag der mitunter in Analogie und Differenz dazu stehenden Wirklichkeiten und Erfahrungen (5) als solche und in ihrer ethischen Valenz zu würdigen. Vgl. HUBER, W., Anspruch und Beschaffenheit theologischer Ethik als Integrationswissenschaft, in: HERTZ, A. / KORFF, W. / RENDTORFF, T. / RINGELING, H. (Hrsg.), Handbuch der christlichen Ethik Bd. 1, Freiburg im Breisgau 1978, 391-406. I <?page no="33"?> 1. Interdisziplinarität als Ethos 33 hermeneutischen Ausrichtung und Argumentation der anvisierten Arbeit, die den jeweiligen Vorverständnissen und Verständnisvoraussetzungen innerhalb eines umfassenden hermeneutischen Prozesses Rechnung zu tragen hat, unternimmt die vorliegende Arbeit daher den Versuch, ihren entscheidenden Erkenntnisgegenstand, die Hoffnung als Handlungskategorie bzw. das hoffende Handlungssubjekt, auf dem Wege einer Integration zweier Bezugsebenen im Rahmen eines interdisziplinären Verfahrens zu erhellen. Der Durchgang durch das thematische Material ist methodologisch durch zwei perspektivische Pole bestimmt, der Spannung von Empirie und Normativität, aber nur auf eine Kategorie, ein Formalobjekt, die Hoffnungskategorie, bezogen. Er speist sich aus zwei Sachbereichen, Psychologie, Psychotherapie und Humanwissenschaften auf der einen Seite, Theologie und Philosophie auf der anderen Seite, hat aber nur ein Materialobjekt vor Augen, den handelnden und um eine sinnvolle Lebensgestalt bedachten Menschen. Werden beide Objekte, Formalwie Materialobjekt, zusammengeführt, so wird das Heil des Menschen bzw. die fundamentale Sinnsuche des Menschen im Modus der Hoffnung zum Gegenstand der Reflexion gemacht, wovon wiederum eine Reihe von Ableitungen gemacht werden können, beispielsweise in Richtung einer hoffnungstheoretisch begründeten Spiritualität, Kulturtheorie oder auch Konsiliatorik. Diese Argumentationsstruktur entspricht dabei dem formalen Aufbau der anvisierten Arbeit. Zentrales Ziel der Arbeit, mit dem auch ein zentrales methodologisches Verfahren hermeneutisch bestimmt werden soll, ist es, die der Hoffnungskategorie inhärente Anthropologie herauszuarbeiten. Auf der einen Seite ist somit der dezidiert theologische und philosophische Besitzstand zur Thematik systematisch, aber exemplarisch zu erheben - mithin Theologumena und Philosophumena, auf der anderen Seite sind empirische Erkenntnisse des dezidiert psychologischen Besitzstandes freizulegen, das heißt begrifflich und systematisch anschlussfähig zu machen - mithin die Psychologumena. Beide Problemebenen sind zu beachten und die entscheidenden missing links im Zuordnungsverhältnis beider disziplinärer Schwerpunkte sind so zu benennen, dass die anvisierte interdisziplinäre kategoriale Anschlussfähigkeit ermöglicht wird. Damit wird zugleich die Voraussetzung dafür geschaffen, der Mehrdimensionalität der komplexen Kategorie der Hoffnung Rechnung zu tragen. Dennoch darf dabei das begriffliche Kontinuum und die Einheit der Hoffnungskategorie nicht aus den Augen verloren werden, ebenso wie die Einheit des Handlungssubjekts selbst. 3 Die problemorientierte Benennung von (positiven) Hoffnungsstrukturen und entsprechenden (negativen) Fehlbeständen erfolgt zunächst theologie- und philosophieintern, schließlich auch psychologieintern, um den jeweiligen Ursprungshermeneutiken ausreichend Rechnung zu tragen. Diese Bestände werden dann nachfolgend in einem integralen Konzept von Hoffnung platziert, erweitert um notwendige systematische Einlassungen, wobei eine zentrale, wenngleich nicht die einzige, Verbindung die in beiden Paradigmen zu rekonstruierende Sinnorientierung menschlichen Handlungsvollzugs darstellt. 4 Der hier zur Entfaltung anstehende Konnex von Hoffnung und Sinn kann 3 Vgl. HONNEFELDER, L. (Hrsg.), Die Einheit des Menschen. Zur Grundfrage der philosophischen Anthropologie, Paderborn 1994, insbesondere die Beiträge von ders. und G. HAEFF- NER. 4 Im Hintergrund kann der argumentative Dreischritt von ALFONS AUER wiederentdeckt werden, der (1) von der Humanwissenschaftlichen Grundlegung, (2) von der Anthropologischen Integrierung und (3) von der Ethischen Normierung spricht. Vgl. AUER, A., Autonome Moral und christlicher Glauben, Düsseldorf 2 1995, 39ff., wobei die Normative Analyse aufgrund der <?page no="34"?> IV. Methodologischer Abriss 34 sowohl binnentheologisch und (-philosophisch), als auch binnenpsychologisch, im weiteren Sinne sogar humanwissenschaftlich, als anthropologische Grundkonstante menschlicher Selbstverständigung in der Welt gelten. Somit wird überwiegend systematisch und historisch-ideengeschichtlich vorgegangen und nur nachrangig textphilologisch. Die dezidierte Verankerung der anthropologischen Fundierung der Hoffnungskategorie in der Handlungspraxis vermag dabei vitale Quellen der Hoffnung freizulegen, ohne seine christliche Hochform als gnadengewirkte Hinordnung des Menschen auf Vollendung zu unterminieren. Dafür ist es notwendig, dass zwei kategoriale Struktur-Gitter aufgerichtet werden auf dem Hintergrund des Durchgangs durch im Wesentlichen zwei Sachbereiche und entlang des methodologischen Fokus von sowohl empirischen, als auch transzendentalen und normativen Zugängen zum einen Handlungssubjekt Mensch, wobei eine interdisziplinär-historisch-systematische Erarbeitung angestrebt ist, die auf ein Summarium orientiert ist, das als verbindenden Fluchtpunkt vonseiten Theologischer Ethik das umfassende Heil des Menschen vor Augen hat. Wenn christliche Erlösung auch die Vollendung der Menschwerdung des Menschen, des ganzen Menschen in seinen leiblich-seelisch-geistigen Bezügen umfasst, dann wird auch freizulegen sein, an welchen naturalen Strukturen diese sich vollzieht. Als kategoriale Klammer der Disziplinen kann eine Ethik des Sinns dienen, die allerdings nicht die Hoffnungskategorie säkular beerben will, wiewohl es gute Gründe dafür gibt, anzunehmen, dass mindestens partiell in der (Post-) Moderne Sinn als „säkulare Heilskategorie“ 5 fungiert. Vielmehr ist sie als zentrale anthropologische Kategorie, die eine der Grundfragen menschlicher Existenz überhaupt formuliert, in beiden Erkenntnisperspektiven anzutreffen und vermag auf diese Weise dort, wo es um Verbindung der Bereiche geht, die begriffliche Anschlussfähigkeit sicher zu stellen - nicht aber den einen Begriff (der Hoffnung) durch den anderen (des Sinns) zu ersetzen, was weder der These der Arbeit entspräche, wonach Hoffnung als Antizipation von Sinn zu begreifen ist, noch sachlich angemessen wäre, wie zu zeigen sein wird. Kurz gesagt übernimmt der Sinnbegriff die Funktion, als eine Konvergenzformel der Interdisziplinarität anhand der handlungspraktisch reformulierten Hoffnungskategorie zu fungieren und so eine partielle Transposition einer Theologie der Hoffnung in eine Ethik des Sinns zu ermöglichen - und wieder zurück, schließlich ist es das eigentliche Ziel, über die Brücke des Sinnbegriffs eine interdisziplinär angereicherte integrative Theorie der Hoffnung zu formulieren. Auf dem Weg dorthin werden sich dann genau diejenigen Strukturen einer solchen Hoffnungstheorie eruieren lassen, die interdisziplinär von Interesse sind: Motivation, Vertrauen, Orientierung, Heilung, Identität, Würde, Anerkennung, etc. - letztlich die Lebensfähigkeit und die Handlungsfähigkeit des bleibend nach Sinn fragenden Menschen, genauso wie die Lebensbefähigung und Lebensbewältigung des versehrten und angefochtenen Menschen, genauso wie die Selbsttranszendenz des Menschen auf ein letztes Gelingen hin, wohlwissend, dass im Hintergrund, aber mitunter äußerst handlungsnah, ungezählte Hoffnungen das entscheidende Agens darstellen. Wo die Humanwissenschaften von Therapie und Heilung sprechen, da thematisiert die Theologie ein umfassendes vorliegenden Fragestellung von nachrangigem Interesse ist, wohlwissend darum, dass das Verhältnis der Schritte zueinander von AUER nicht hinreichend geklärt wurde und somit eine klare Kriteriologie zur entsprechenden Gewichtung von Argumenten fehlt. Vgl. dazu HILPERT, K., Ethik und Rationalität. Untersuchungen zum Autonomieproblem und zu seiner Bedeutung für die theologische Ethik, Düsseldorf 1980, 563ff. 5 Vgl. KNOBLOCH, Verkündigung angesichts heutiger Lebenskontexte und Lebenskonzepte. <?page no="35"?> 1. Interdisziplinarität als Ethos 35 und ganzheitliches Heil von Welt und Mensch im Rahmen einer Heilsgeschichte. Der Konnex von beiden Perspektiven kann anhand der Hoffnungskategorie gezeigt werden: Zum einen die welthafte, naturale Seite dessen, auf das sich das christliche Heil bezieht und zum anderen die begründete Finalisierung dessen, was natürliche Hoffnung eo ipso nicht einlösen und verbürgen kann. So geht es darum, strukturale 6 Grundelemente der Hoffnung in ihrer Bedeutung für die Handlungswirklichkeit des Menschen ausfindig zu machen und dabei auch umgekehrt diese Grundelemente als Subtext der (moralischen) Frage des Menschen nach sich selbst zu identifizieren, die sich im Hintergrund der Hoffnungsthematik identifizieren lässt. Anhand derjenigen Disziplin, von der letztlich ausgegangen wird und auf die hin wiederum argumentiert wird, die Moraltheologie, lässt sich daher zeigen, dass im Rahmen der menschlichen Selbstverständigung über sich selbst die Belange des Menschen sich in unterschiedlichsten Ursprungskontexten und Disziplinen doch immer wiederfinden lassen und der Mensch sich als das eine Handlungssubjekt insofern treu bleibt. Wie kann nun gerade diese Anlage des Themas begründet werden? Was ist das Novum der vorliegenden Fragestellung und dessen Beantwortung? Zum Einen ist das der Konnex von Ethik und Psychotherapie anhand der Kategorie der Hoffnung durch systematische Konvergenz der interdisziplinär erhobenen Kategorienaspekte aus den jeweiligen Ursprungshermeneutiken heraus und damit gerade nicht im Sinne einer Standesethik, für die es selbstredend ausgearbeitete Konzepte 7 gibt. Zum anderen ist es der dezidiert handlungstheoretische Ansatz, der Strukturen der Hoffnung und des Hoffnungsvollzugs in eine Handlungstheorie einzeichnen will. Was hat die erwähnte Konvergenz der Kategorien und Disziplinen bezüglich der Hoffnung motiviert? Die Erkenntnis, dass im Nahbereich des menschlichen Selbstumgangs, insbesondere mit Blick auf Erkenntnisse aus den Bereichen der Psychologie und Psychotherapie, eine Fülle von Einsichten bereitliegen, die im weitesten Sinne zu den naturalen Grundlagen der einen Hoffnung in den vielfältigen Hoffnungsformen des Menschen gezählt werden können und dringend der systematischen Integration harren, um deren therapeutische, energetisierende, vitalisierende und orientierende Wirkungen mit den großen Hoffnungsfiguren des christlichen Glaubens zu verbinden und beides wieder der moralisch qualifizierten Handlungswirklichkeit des Menschen zurückzugeben. Die materialen Strukturen sollen dabei aneinander angenähert werden und zugleich die Methodologie der theologisch-philosophischen und der psychologischen Erkenntnisperspektiven interdisziplinär füreinander erschlossen werden. Die neue Fragestellung unterschiedlicher interdisziplinärer Perspektiven passt sich dabei mitsamt der Brücke über die säkulare Sinnkategorie exakt in die Theologie ein. Die diesbezügliche Einheit ist 6 Vgl. MIETH, D. Begründungsversuche von Ethik, in: DEMMER, K. / DUCKE, K.-H. (Hrsg.), Moraltheologie im Dienst der Kirche (FS W. ERNST), Leipzig 1992, 42-43, hier 42. Das Programm eines strukturalen Vorgehens kann mit HEINRICH ROMBACH dahingehend präzisiert werden, „dass alle einschlägigen Handlungsbedingungen und Handlungsdispositionen zueinander in ein wechselseitiges Förderungsverhältnis gelangen“, sodass eine wirkliche und systematische Integrierung von Teilperspektiven im Sinne der Konvergenzargumentation von J.H. NEWMAN mehr ist als eine schlichte Addierung der jeweiligen Teile. Damit werden nicht alle anderen relevanten Handlungsbegründungen und Handlungskonstituenten relativiert, sondern diese können durch möglichst umfängliche Integration allererst angemessen gewichtet werden. 7 Vgl. HUTTERER-KRISCH, R. (Hrsg.), Fragen der Ethik in der Psychotherapie. Konfliktfelder, Machtmissbrauch, Berufspflichten, Wien 2 2001. <?page no="36"?> IV. Methodologischer Abriss 36 darzulegen. Aufgrund der Materialfülle ist nicht allein die entsprechende Methodenwahl zur Bearbeitung der Fragestellung auf Effizienz zu prüfen, sondern die Materialdurchsicht ebenso. Dennoch wird eine notwendige Perspektivierung unumgänglich sein und immer wider auf eine indirekte Verweiserhebung zurückgegriffen werden müssen. b) Interdisziplinäre Moraltheologie „Die Offenheit der Theologie zu den Wissenschaften hin und darum auch die Reflexion auf ihre eigene Wissenschaftlichkeit gehören zum Wesen christlicher Theologie.“ 8 Gerade unter der Voraussetzung einer Pluralität der Wissenschaften, die keine systematischen Monopolisierungen auf die Erfassung der Wirklichkeit mehr zulässt, deren Einzeldisziplinen aber mit der Moraltheologie mitunter dasselbe Materialobjekt kennen, den handelnden Menschen, ist diese auf das interdisziplinäre Gespräch aus dem eigenen Selbstverständnis heraus ohne Alternative angelegt. Das Verhältnis von Christentum, respektive (Moral-) Theologie und Neuzeit ist und wird entscheidend geprägt werden vom Verhältnis zu den anderen Wissenschaften 9 und den darin aufscheinenden Einsichten zur (Handlungs-) Wirklichkeit des Menschen. Ohne nun alle bisher einschlägigen Stationen moraltheologischer Forschung zum Themenkomplex hier im Einzelnen nachzeichnen zu können, was ein eigenes lohnendes Forschungsdesiderat darstellt, ist mindestens zu verweisen auf die wegweisenden Arbeiten von WERNER SCHÖLLGEN 10 und THEODOR MÜNCKER 11 im Handbuch der katholischen Sittenlehre, ebenso ALFONS AUER 12 , WILHELM KORFF 13 , DIETMAR MIETH 14 , GERFRIED W. HUNOLD 15 , aber auch KLAUS DEMMER 16 und LEO 8 Vgl. EBELING, G., Überlegungen zur Theologie in der interdisziplinären Forschung, in: METZ, J.B. / RENDTORFF, T., Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, Düsseldorf 1971, 35-43, hier 35. Weiter heißt es: „Die systematische Ausbildung dieser Wesenszüge erfolgte freilich erst in der Scholastik und stand hier unter kulturellen Bedingungen, welche die Problematik in Schranken hielten: und zwar sowohl durch die Traditionsgebundenheit der Wissenschaften als auch durch die harmonisierende Autorität der Theologie. Beides verfiel der Auflösung. Die Wissenschaften emanzipierten sich nicht nur von der Theologie, sondern auch von der herrschenden Philosophie, dem traditionsgebundenen Wissenschaftsverständnis sowie dem Traditionsbestand der einzelnen Disziplinen. Sie haben sich daraufhin explosionsartig entwickelt.“ 9 Vgl. FISCHER, H., Erwägungen zur Stellung und Aufgabe einer bikonfessionell und interdisziplinär orientierten Theologie, in: METZ / RENDTORFF, Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, 77-80. 10 Vgl. SCHÖLLGEN, W., Die soziologischen Grundlagen der katholischen Sittenlehre (HKS V), Düsseldorf 1953. SCHÖLLGEN, W., Konkrete Ethik, Düsseldorf 1961. 11 Vgl. MÜNCKER, T., Die psychologischen Grundlagen der katholischen Sittenlehre (HKS II), Düsseldorf 1953. 12 Vgl. AUER, A., Autonomie und christlicher Glaube, 2. Auflage mit einem Nachtrag zur Rezeption der Autonomievorstellungen in der katholisch-theologischen Ethik, Düsseldorf 1995, 39- 46. 13 Vgl. KORFF, W., Wege empirischer Argumentation, in: Handbuch der christlichen Ethik (HCE) Bd. I, hrsg. von HERTZ, A. / KORFF, W. / RENDTORFF, T. / RINGELING, H., Freiburg im Breisgau 2 1978, 83-107. Ebenso KORFF, W., Die naturale und geschichtliche Unbeliebigkeit menschlicher Normativität, in: Handbuch christlicher Ethik Bd. I, hrsg. von HERTZ, A. / KORFF, W. / RENDTORFF, T. / RINGELING, H., Freiburg im Breisgau 2 1978, 147-164. 14 Vgl. MIETH, D., Moral und Erfahrung. Beiträge zur theologisch-ethischen Hermeneutik (SThE 2), Freiburg im Breisgau 1977, 42-71 (‚Empirische‘ Grundlagen der Ethik). <?page no="37"?> 1. Interdisziplinarität als Ethos 37 SCHEFFCZYK 17 u.a., ganz zu schweigen von entsprechenden Bemühungen aus theologischen Nachbardisziplinen wie der praktischen Theologie, etwa durch die sog. Empirische Theologie 18 , oder der Religionspädagogik 19 , nicht zu vergessen die differenzierten Debatten um die (Re-) Formulierung einer zeitgemäßen Naturrechtskonzeption, die die normativ unbeliebige Natur des Menschen jenseits von formalistischen, rationalistischen oder einseitig metaphysizistisch-essentialistischen Konzeptionen des natürlichen Sittengesetzes philosophisch zu würdigen 20 versucht. Diese Versuche sind allerdings für ein differenziertes Gespräch der Moraltheologie insbesondere mit dem empirischen Selbstverständnis der Erfahrungswissenschaften (noch) nicht suffizient, mitunter zu formal und zu negativ auf Abgrenzung gepolt, weswegen ein solches Konzept im Folgenden in einigen wenigen Zügen angedeutet werden soll, während eine ausführliche Entwicklung im Rahmen einer eigenen moraltheologischen Methoden- und Erkenntnislehre zu erfolgen hat. 21 Bereits an diesem ersten groben Aufriss deutet sich an, dass die vorliegende Fragestellung auch das Selbstverständnis der Moraltheologie als Disziplin tangiert und nach einer entsprechenden Reformulierung verlangt, was an verschiedenen Stellen der vorliegenden Studie immer wieder geschehen soll. 22 Insgesamt wird es darum gehen, zu zeigen, dass Moraltheologie u.a. auf dasjenige Gelingen des Menschen handlungspraktisch zu reflektieren versucht, das sich in der christlichen Hoffnung als Verheißung zu erkennen gibt. Zur Einlösung dieses Programms ist nun zunächst eine formale Explizierung dessen vonnöten, was HELMUT PEUKERT im Rahmen seines Projekts einer fundamentalen Theologie die „Logik der interdisziplinären Forschung“ 23 genannt hat, die programmatisch immer wieder gefordert wird, aber bislang nur in rudimentären Zügen ausgearbei- 15 Vgl. HUNOLD, G.W., Zur Moralfähigkeit des Menschen. Selbstkonzept, Selbstwahrnehmung und Selbstbewertung als Verstehenswege der Gewissenskompetenz, in: ThQ 174 (1994), 34-45. Ebenso HUNOLD, G.W. / BECKMANN, D. (Hrsg.), Grenzbegehungen. Interdisziplinarität als Wissenschaftsethos, Frankfurt am Main 1995. 16 Vgl. DEMMER, K., Das interdisziplinäre Gespräch, in: Ders., Moraltheologische Methodenlehre, Freiburg Schweiz / Freiburg im Breisgau 1989, 193-219. 17 Vgl. aus glaubensethischer Perspektive einseitig kritisch gegenüber interdisziplinären Integrationsversuchen SCHEFFZYCK, L., Die Theologie und das Ethos der Wissenschaften, in: MThZ 25 (1974), 336-358. Ebenso SCHEFFZYCK, L., Die Theologie und die Wissenschaften, Aschaffenburg 1979. 18 Vgl. DINTER, A. (Hrsg.), Einführung in die Empirische Theologie. Gelebte Religion erforschen, Göttingen 2007. Ebenso FUCHS, O., Wie funktioniert die Theologie in empirischen Untersuchungen? , in: ThQ 180 (2000), 191-210. BUCHER, R., Über Stärken und Grenzen der „Empirischen Theologie“, in: ThQ182 (2002), 128-154. FUCHS, O., „Komparative Empirie“ in theologischer Absicht, in: ThQ 182 (2002), 167-188. 19 Vgl. KIESSLING, K., „Ich hatte die Psychiatrie nicht dazu benutzt, die Menschen zu Gott zu führen…“ - Interdisziplinarität: Entwicklung von Kriterien eines Dialogs zwischen Psychotherapie und Seelsorge, in: Ders., Seelsorge bei Seelenfinsternis, Depressive Anfechtung als Provokation diakonischer Mystagogie, Freiburg im Breisgau 2002, 117-278. 20 Vgl. BORMANN, F.-J., Natur als Horizont sittlicher Praxis. Zur handlungstheoretischen Interpretation der Lehre vom natürlichen Sittengesetz bei Thomas von Aquin, Stuttgart 1999. 21 Vgl. als einen der letzten Versuche DEMMER, K., Moraltheologische Methodenlehre, Freiburg Schweiz / Freiburg im Breisgau, 1989, besonders 193-223 („Das interdisziplinäre Gespräch“). 22 In Kap. VIII 2 ist diesen Fragen noch ein eigenes Kapitel gewidmet. 23 Vgl. PEUKERT, H., Zur Frage einer „Logik der interdisziplinären Forschung“, in: METZ / RENDTORFF, Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, 65-71. <?page no="38"?> IV. Methodologischer Abriss 38 tet wurde. Wiewohl die fundamentale Theologie von PEUKERT exakt entlang der thematischen Stoßrichtung der vorliegenden Arbeit interpretiert werden kann, wonach wir im Kontext der ethischen Begründungsproblematik „den Grund und den Sinn von Ethik nur verstehen, wenn wir auch einen Grund zur Hoffnung haben“ 24 , sind entscheidende Wegmarken zum Verständnis interdisziplinärer Forschung im Kontext von (Moral-) Theologie konzeptionell allererst zu entwickeln, zumal insbesondere das interdisziplinäre Verhältnis der (theologischen) Ethik zu den empirischen Wissenschaften von negativen Abgrenzungen bestimmt ist und ein eklatanter Mangel an entsprechenden positiven Konzepten besteht. 25 Denn eine theologia naturalis ist wohl von keiner Einzeldisziplin mehr im angestammten Sinne zu leisten, wiewohl es zu den bleibenden Aufgaben der Theologie insgesamt gehört, ihre je eigene Vernünftigkeit aus sich selbst heraus zu begründen, insbesondere die Verhältnisbestimmungen von Gnade und Natur, gnoseologisch von Glaube und Welt, Glaube und Vernunft, Theologie und Philosophie, etc. Dabei ist immer wieder vom homo theologicus zum homo christianus und zum homo humanus vorzustoßen, um einseitige Hermetisierungen zu vermeiden. Um nun diese Spannungsverhältnisse nicht rationalistisch oder fideistisch aufzulösen, sondern je wieder aufs Neue anzuzeigen, benötigt Theologie (immer schon) ein Bewusstsein und eine Vorstellung von Natur und von Welt, letztlich entscheidend eine Vorstellung von der Natur und der Welt des Menschen, eine Anthropologie 26 . So gesehen kann ein notwendiger interdisziplinärer Impetus innerhalb der Theologie selbst ausgemacht werden. 27 Es gehört nachgerade zu ihrer Identität, sodass von einem Zusammenhang zwischen Interdisziplinarität als Teil des theologischen Selbstverständnisses und theologischer Identität 28 ausgegangen werden muss. 24 Vgl. MIETH, D. Begründungsversuche von Ethik, in: DEMMER, K. / DUCKE, K.-H. (Hrsg.), Moraltheologie im Dienst der Kirche (FS W. ERNST), Leipzig 1992, 37-56, hier 49, wo es weiter heißt: „Dieser Grund zur Hoffnung liegt im Vertrauen auf die personale Intensität und universale Extensität der Liebe Gottes zu den Menschen, die sich jedes beschädigten und zerstörten Lebens wirksam erinnert. Die transzendentale Reflexion über die Bedingungen der Befreiung gibt dieser Überlegung auch eine philosophische Eröffnung.“ 25 Vgl. GOERTZ, S., Moraltheologie unter Modernisierungsdruck. Interdisziplinarität und Modernisierung als Provokationen theologischer Ethik - im Dialog mit der Soziologie Franz-Xaver Kaufmanns, Münster 1999, 125: „Es scheint einfacher zu sein, anzugeben, was empirisch nicht zu begründen ist, als ihren positiv-produktiven Beitrag im ethischen Diskurs präzise zu bestimmen.“ 26 Das Umgekehrte gilt freilich aus moraltheologischer Perspektive in einem unthematischen Sinne genauso. Vgl. RAHNER, K., Theologie im Gespräch mit den modernen Wissenschaften, in: METZ / RENDTORFF, Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, 31: „Gerade die Theologie geht von der Voraussetzung aus, dass jeder Mensch im Grunde gar nicht vermeiden könne, ein Theologe zu sein, mindestens unthematisch, wenn man unter Theologie das Bedenken der menschlichen Existenz als ganzer und solcher über alle regionale Wissenschaftlichkeit hinaus und in deren Verwiesenheit auf das absolute Geheimnis versteht.“ 27 Vgl. METZ, J.B., Zu einer interdisziplinär orientierten Theologie auf bikonfessioneller Basis. Erste Orientierungen anhand eines konkreten Projektes, in: METZ / RENDTORFF, Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, 20: „Dieses Spannungsverhältnis drückt immerhin aus, dass Theologie sich nicht einfach aus sich selbst reproduzieren kann, dass sie - um ihrer Identität und Eigenart willen - ständig eine Art kognitiver Fremdbestimmung bei sich haben muss, ein nicht rein innertheologisch herstellbares und formulierbares ‚Bewusstsein der Zeit‘. In diesem Sinne war Theologie auch bislang eigentlich nicht rein interdisziplinär bestimmt.“ 28 Vgl. RÖSSLER, D., Interdisziplinäre Forschung als theologisches Programm, in: METZ / RENDTORFF, Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, 73-75. <?page no="39"?> 1. Interdisziplinarität als Ethos 39 Dabei ist eine doppelte Stoßrichtung zu beachten: Zum einen geht es ja um die Aneignung von Einsichten aus zunächst nichttheologischen Disziplinen, deren Integration oder Kritik, zum anderen aber auch um die Herausarbeitung des eigenen Theologischen im zunächst Nichttheologischen. Genau deshalb hat die Theologie eine begriffliche Sensibilität dafür zu entwickeln, „wie ihr eigenes Interesse in den Fragehinsichten anderer Wissenschaften […] bereits präsent ist.“ 29 Insgesamt ist die Theoriebildung der jeweiligen am interdisziplinären Gespräch beteiligten Disziplinen zu betrachten, sodass deren Ursprungshermeneutiken nicht quasi übersprungen werden, sondern bei der Aufnahme entsprechender Einsichten zunächst in Rechnung gestellt werden, wobei „Theoriebildung schon in den streng empirischen Wissenschaften einen mehrdimensionalen Prozess darstellt“ 30 , deren Komponenten (Basis, Theorie, Theoriesprache, theoretische Begriffe, Modell, Reduktionssystem, etc.) nicht einfach aufeinander reduzierbar oder voneinander ableitbar sind. Entsprechende Theorien enthalten daher immer auch Elemente, die nur partiell empirisch interpretierbar sind. Auch liegt keine in sich vollständig schlüssige induktive Logik vor, die unterstellt werden müsste. Weit eher ist von einer Konkurrenz von Theorien auszugehen, die ein Ringen um Plausibilität voraussetzt und auf diese Weise die Struktur wissenschaftlicher Rationalität bestimmt. Die entscheidenden Argumente können dabei einen empirischen oder auch einen begrifflichen Schwerpunkt haben. Zu wenig bedacht scheint mir in diesem Zusammenhang insgesamt die Unterscheidung von Kondisziplinarität und Pluridisziplinarität zu sein, wonach eine Gleichgerichtetheit der Forschungsperspektiven von unterschiedlichen Standpunkten aus aber auf ein gemeinsam im Erkenntnisfokus liegendes Materialobjekt schon methodologisch nicht identisch ist mit einer Vielperspektivität auf ein mitunter noch gar nicht ausreichend erkennbares Erkenntnisobjekt. Die bisherigen Ausführungen dürften gezeigt haben, dass ein interdisziplinärer Forschungsprozess, etwa der, eine komplexe theologische Kategorie wie die der Hoffnung interdisziplinär aufzubereiten, „erst da in Gang kommt und die ‚dialogische Kompetenz‘ erst da erreicht ist, wo die Mehrdimensionalität einer Wissenschaft im Blick bleibt.“ 31 So kann auch im vorliegenden Fall die Pluriformität der Zugänge zum Erkenntnisobjekt nicht allein als Indiz für die Mehrdimensionalität der Moraltheologie, sondern auch der Hoffnungskategorie selbst verstanden werden. Alle relevanten Methoden können dabei als „in Feststellungsverfahren umgeformte Theorien“ 32 definiert werden. Einzelergebnisse werden dadurch methodologisch zunächst unter den Bedingungen der jeweiligen Disziplin verhandelt und interpretiert. Geht es allerdings um die Voraussetzungen und Grundbedingungen, auch um die Folgen einer Disziplin, werden deren immanente Grenzen überschritten. Die Frage wird sein, ob Kriterien bereitgestellt werden können, um anzugeben, woraufhin die je eigenen Grenzen überschritten werden sollen: Der Erfahrungsbegriff der „Erfahrungswissenschaften“ verlangt daher „eine Reflexion auf die Totalität, auf die hin Erfahrungswissenschaften sich entwerfen, zugleich eine Reflexion 29 Vgl. RENDTORFF, T., Was heißt „interdisziplinäre Arbeit“ für die Theologie? Elemente einer Orientierung, in: METZ / RENDTORFF, Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, 45-56, hier 51. 30 Vgl. PEUKERT, H., Zur Frage einer „Logik der interdisziplinären Forschung“, in: METZ / RENDTORFF, Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, 65. 31 Vgl. ebd. 70. 32 Vgl. SAUTER, G., Möglichkeiten der Theoriebildung in der Theologie, in: METZ / REND- TORFF, Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, 58-64, hier 60. <?page no="40"?> IV. Methodologischer Abriss 40 auf den Vorgang und die ermöglichenden Voraussetzungen solcher Erfahrung.“ 33 Denn genau an dieser Stelle hat die Theologie eine ihrer je eigenen Kompetenzen ins Spiel zu bringen. Gegen „die Gefahr der Vereinzelung der Methoden als Ausdruck eines Wirklichkeitsverlustes von Wissenschaften“ 34 ist nämlich vonseiten der Theologie dringend Einspruch geboten, insbesondere, wenn in der Theologie an der Wahrheitsfrage festgehalten wird: „Fundamentale Entscheidungen fallen […] an der Frage, was in der Konkurrenz der Wirklichkeitsaspekte für das Verständnis der Wirklichkeit im Ganzen den Ausschlag gibt, was also letztlich für wahr zu halten ist, und das heißt, was dazu nötigt und befreit, das Leben in der Welt verantworten zu müssen und zu können. An diesem Zusammenhang von Wissenschaft und Leben, von Erkenntnis und Gewissen, von Wirklichkeit und Wahrheit rührt notwendig ein aufs Ganze gehendes interdisziplinäres Gespräch.“ 35 Gegen weltanschauliche Reduktionismen, Hermetisierungen und Monopolisierungen aller Art hat (Moral-) Theologie im Sinne eines umfassenden Verständnisses von Wirklichkeit eine offene, je neu zu bestimmende und einer letzten Definierbarkeit sich entziehende Wirklichkeit des Menschen und insbesondere seiner Handlungssphäre zu reklamieren und reflexiv auszuweisen, wobei methodische Positivismen, die innerdisziplinär verortet sind, dafür nicht gefährlich sind. Hier entsteht allerdings eine Asymmetrie, die mit einem logischen Zirkel interdisziplinärer (theologischer) Hermeneutik zu tun hat, der wiederum nicht aufgelöst werden, sondern nur methodisch integriert werden kann: Theologie hat sich einerseits von den Humanwissenschaften belehren zu lassen über die Natur ihres Materialobjekts, zugleich hat sie andererseits die hermeneutische Kompetenz in Anspruch zu nehmen, allererst Kriterien zur Interpretation von Erkenntnissen empirischer Wissenschaften bereitzustellen im Sinne der erwähnten Sachwalterschaft für eine umfassende Vorstellung humaner Wirklichkeit - freilich ohne sich dabei die Kompetenz der jeweiligen Einzeldisziplin selbst anzumaßen: „Wer, wie die Theologie, die Totalität des Erfahrbaren denkt oder wenigstens bedenken will, setzt sich selbst den korrigierenden Eingriffen anderer Wissenschaftler aus, die ihm bei diesen nichttheologischen Wissenschaften untersagt sind.“ 36 Wenn Theologie auf diese Weise menschliche Handlungswirklichkeit zu bedenken versucht, dann wird sie sich permanent der (theoretischen) Spannung zwischen der Abstraktion philosophischer und theologischer Anthropologie auf der einen Seite und der Konkretion menschlicher Lebens- und Handlungswelten andererseits auszusetzen haben, auf die jeweils hin und aus der heraus sie sich immer wieder zu begreifen hat. Weder eine konkretistische Konzeption, auch nicht im Mantel eines scheinempirischen Nimbus, noch in abstrakter Spekulation kann Moraltheologie dem Menschen als sinnlich-sittlichem Wesen gerecht werden. Mit anderen Worten: „Dass die interdisziplinäre Rechenschaft um der Konzentration auf die Sache der Theologie willen notwendig ist, muss durch die Feststellung ergänzt und erläutert werden, dass sie um die Konkretion der 33 Vgl. PEUKERT, H., Zur Frage einer „Logik der interdisziplinären Forschung“, in: METZ / RENDTORFF, Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, 65-71, hier 69. 34 Vgl. RENDTORFF, T., Was heißt „interdisziplinäre Arbeit“ für die Theologie? Elemente einer Orientierung, in: METZ / RENDTORFF, Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, 45-56, hier 45. 35 Vgl. EBELING, G., Überlegungen zur Theologie in der interdisziplinären Forschung, in: METZ / RENDTORFF, Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, 35-43, hier 42. 36 Vgl. SCHIFFERS, N., Voranzeigen für ein interdisziplinäres Gespräch zwischen Naturwissenschaftlern und Theologen, in: METZ / RENDTORFF, Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, 89-92, hier 91. <?page no="41"?> 1. Interdisziplinarität als Ethos 41 Sache der Theologie willen notwendig ist. Sie dient dazu, den Wirklichkeitsbezug theologischer Aussagen zu explizieren. Dieser Wirklichkeitsbezug ist jedoch nicht etwa erst nachträglich hinzuzufügen. Er macht geradezu die Sache der Theologie aus. Sie ist dasjenige Geschehen, das sich unter Berufung auf Jesus in dem Zusammentreffen von Gott und Welt vollzieht. Diese Polarität lässt um dessentwillen, was sich in ihr ereignet, das genuine theologische Interesse auf den umfassenden Wirklichkeitsbezug des Redens von Gott gerichtet sein. Denn das Reden von Gott betrifft die Wirklichkeit der Welt. Darum liegt die Konfrontation mit allem, was die Wirklichkeit der Welt ausmacht oder auszumachen scheint, im Interesse der Theologie.“ 37 Dazu hat auch die unverkürzte, das heißt offen konzeptualisierte menschliche Handlungswirklichkeit zu zählen. Dann nämlich kann deren Hoffnungsstruktur interdisziplinär in den Blick kommen, wie hier vorgeschlagen. Die genaue Bestimmung der Aufgaben einer moraltheologischen Interdisziplinarität ist nun unter anderem auch deswegen so wichtig, damit quasi der Adressat, der Mensch, genau bestimmt, wiewohl nicht im strengen Sinne definiert werden kann, den Adressaten, „an den sie sich heute und morgen wenden muss. In diesem Sinne“, schreibt KARL RAHNER, „muss sie noch lange den Naturwissenschaftlern zuhören.“ 38 Für ein solches interdisziplinäres Arbeiten kennt Moraltheologie nun zusätzlich eine Reihe von Voraussetzungen, die mehr als Problemanzeige benannt als je für sich konzeptionell gelöst werden könnten. Gerne übersehen wird etwa nach wie vor eine Klärung des Verhältnisses von Theorie und Praxis, ebenso von Abstraktion und Konkretion, insbesondere, wenn davon ausgegangen wird, dass der handelnde Mensch immer zugleich theoretisches und praktisches Wesen ist und keine der beiden Dimensionen auf Kosten der je anderen unterminiert werden darf, sondern beide gerade in ihrem Zueinander zu bedenken sind. Wenn Handlungswirklichkeit unverkürzt in den Blick genommen werden soll, dann werden eine Fülle von Existenzspannungen sichtbar - auch und gerade Hoffnungsspannungen -, die zutiefst bestimmend sind für menschliches Verhalten und Handeln. Insbesondere die Bedeutung des Theoriebegriffs verlangt dabei ausreichend Aufmerksamkeit, nachdem im Rahmen theologischer Aussagen insgesamt ein „theoriefähiger Universalitätsanspruch“ 39 (universale concretum) erhoben wird. Wenn denn Ethik nach ARISTOTELES als theoretische Disziplin in praktischer Absicht gelten kann, dann gilt es nun mindestens gleichwertig die Abstraktion ethischer Fundamentalprinzipien und 37 Vgl. EBELING, Überlegungen zur Theologie in der interdisziplinären Forschung, 35-43, hier 41. 38 Vgl. RAHNER, K., Theologie im Gespräch mit den modernen Wissenschaften, in: METZ / RENDTORFF, Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, 33. Dennoch kann keine Rede davon sein, dass dadurch Theologie einem Szientismus verfallen würde. Lohnenswert erscheint allerdings an dieser Stelle die Reflexion auf das Verhältnis von Konstruktion und Rekonstruktion in der interdisziplinären theologischen Forschung, schließlich kennen empirisch orientierte Wissenschaften vorrangig konstruktivistische Theoriebildungen, wohingegen theologische Aussagen ihrem Selbstverständnis gemäß und sich orientierend am Glaubenskerygma vorrangig rekonstruktiven Charakter haben, eine Differenzierung, die mir noch wenig bearbeitet scheint. Denn die Handlungswirklichkeit des Menschen ist nicht nur eine, die mit (mitunter abstrakten) moralisch-ethischen Prinzipien, Werten und Normen verknüpft ist, sondern auch eine, die sich konkreten Kontexten verdankt und auch immer wieder auf die Konkretion ihrer selbst hin angelegt ist und daher entsprechend ausgelegt zu werden hat. 39 Vgl. OELMÜLLER, W., Philosophische Überlegungen zu den Bedingungen eines interdisziplinären Gesprächs mit der Theologie, in: METZ / RENDTORFF, Die Theologie in der interdisziplinären Forschung, 93-99, hier 95. <?page no="42"?> IV. Methodologischer Abriss 42 Fundamentalnormen sachlich angemessen zu bedenken, wie die Ebene der Konkretion, der Kontextualisierung und der Situierung im Erfahrungsraum des Lebensvollzugs, genauso wie die vielfältigen Vermittlungen der Ebenen gerade in ihrer wechselseitigen Bezogenheit. Das methodische Ziel des vorliegenden interdisziplinären Ansatzes kann daher prägnant wie folgt zusammengefasst werden: Es geht um die „Konkretion theologischer Aussagen mittels interdisziplinärer Explikationshilfe“ 40 , wofür das methodisch kontrollierte Gespräch nicht allein mit den Humanwissenschaften 41 unumgänglich ist. Interdisziplinarität als Aufgabe der Moraltheologie zu begreifen, wird mithin nicht ausschließlich zu begründen sein aus der disziplinären Verfasstheit gegenwärtiger Theologie selbst, nicht allein aufgrund des Forschungsdrucks durch die interdisziplinären Anstrengungen anderer Disziplinen, sondern mindestens innerhalb der Moraltheologie ganz entscheidend aufgrund des den interdisziplinären Fokus verbindenden gemeinsamen Materialobjekts, des handelnden Menschen. Darüber hinaus sind für das anvisierte Unterfangen sogenannte „Brückenkategorien“ notwendig, Begriffe und Kategorien also, die der menschlichen Handlungswirklichkeit entstammen und zugleich dem erwähnten Doppelcharakter gerecht werden können - freilich ohne damit einem (etwa naturalistischen) Fehlschluss aufzusitzen. Hoffnung kann als eine solche Brückenkategorie gelten. Diese begrifflichen Scharniere stellen zugleich Aussagen dar, die beides erheben, „Geltungsansprüche im Sinne von deskriptiver Plausibilität und normativer Akzeptabilität“ 42 und damit wiederum eine Spannungseinheit unterschiedlicher Polaritäten abbilden, wie sie nicht allein in einer disziplinären Selbstverständigung der Moraltheologie herausgearbeitet werden kann, sondern auch zutiefst der Struktur menschlichen Handlungsvollzugs entspricht. 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität - Anthropologie und Ethik und die Unverfügbarkeit als Anthropologem der Hoffnung Der Mensch zeichnet sich als ein „nicht festgestelltes Tier“ (FRIEDRICH NIETZSCHE) durch eine Offenheit für Selbstdefinitionen, Selbstbestimmungen und Selbstentwürfe aus, womit er nolens volens zum Gegenstand einer Anthropologie wird, die diese Selbstreflexionen auf inhaltliche Angemessenheit zu überprüfen versucht. Der Mensch wird im Rahmen philosophischer Anthropologie als „weltoffen“ 43 bezeichnet, er ist mithin nicht umfassend festgelegt auf die Bedingungen seiner Umgebung, seiner biologischen Verfasstheit oder auch seiner Herkunft - auch nicht im strikten Sinne durch eine Anth- 40 Vgl. ebd. 42. 41 Vgl. MAURER, A., Das humanwissenschaftliche Gespräch zum Verständnis sittlicher Kompetenz. Themen - Tendenzen - Einsichten, in: EID, V. / ELSÄSSER, A. / HUNOLD, G.W. (Hrsg.), Moralische Kompetenz. Chancen der Moralpädagogik in einer pluralen Lebenswelt, Mainz 1995, 11-36. 42 Vgl. QUANTE, M., Natur, Natürlichkeit und der naturalistische Fehlschluss. Zur begrenzten Brauchbarkeit eines klassischen philosophischen Arguments in der biomedizinischen Ethik, in: ZfME 40 (1994), 300. 43 Vgl. etwa SCHELER, M., Die Stellung des Menschen im Kosmos, Bonn 16 2005, 42. <?page no="43"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 43 ropologie. Seine dadurch ausgewiesene „exzentrische Positionalität“ 44 ist von PANNEN- BERG aufgenommen worden, um anzudeuten, dass der Mensch eine „Zentrierung“ seiner Identität außerhalb seiner selbst und der Welt benötigt, um sich von dort her allererst in sich zentrieren zu können. Er ist daher mindestens potentiell als einer ansprechbar, der sich einer offenen Zukunft gegenüber sieht, die er handelnd im Tun und im Unterlassen auszuschreiten hat, wohl wissend, dass er um sie nur sehr begrenzt wirklich wissen kann, erst recht nicht über sie verfügen kann. Der Mensch ist ein zukunftsoffenes, zukunftsfähiges und nolens volens zukunftsverwiesenes Wesen, d.h. ansprechbar für Erwartungs- und damit in zweiter Ordnung für Hoffnungsstrukturen. Er ist seiner Zukunft niemals sicher, aber seinerseits durch diese verunsichert - ist sie doch auch der Raum von Kontingenz und Tod, der Raum der immer lauernden Infragestellung dessen, was man sein möchte und sein sollte und was als das Sinnvolle erscheint - es sei denn, es gibt Grund zur Hoffnung. Der Mensch hat sich mithin im Rahmen seiner Selbstreflexion zu bestimmen im Schatten seiner Vergangenheit, im Licht seiner Gegenwart, aber zentral im Vorschein derjenigen Zukunft, von der er sich sein Gelingen verspricht. Diese Selbstkonstitution im Angesicht einer niemals gewissen Zukunft und insbesondere im Angesicht der drohenden Vernichtung durch den Tod nicht aus sich selbst heraus leisten 45 zu können, das Sein, auf das er sich selbstreflexiv hingeordnet erlebt bzw. das ihm allererst als eigentlich vernünftig erscheinen muss, nicht selbst verbürgen zu können, verweist ihn an die Theologische Anthropologie. Unter theistischen Bedingungen 46 wird er Gegenstand einer Theologie, die von der Nichtfestlegbarkeit, der Nichtbestimmbarkeit des Menschen spricht, die sich in seiner Selbsttranszendenz zu erkennen gibt, welche als vertrauend-hoffende Antwort auf den (An-) Ruf Gottes verstanden werden kann. Vom Menschen her gedacht: „Der Mensch kann sich unbeschadet seiner ins unendliche fortschreitenden Selbsttätigkeit nicht endgültig selbst konstituieren. Vielmehr ist die menschliche Selbstkonstitution bedingt durch den ethischen Impuls.“ 47 So 44 Vgl. PLESSNER, H., Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einführung in die philosophische Anthropologie (1928), Berlin 1975. 45 „Das Menschsein ist aus sich selbst nicht begründbar.“ Vgl. SAUTER, G., Mensch sein - Mensch bleiben. Anthropologie als theologische Aufgabe, in: FISCHER, H. (Hrsg.), Anthropologie als Thema der Theologie, Göttingen 1978, 71-118, hier 116. 46 Dass der Mensch nicht anders kann, als sich selbst unter atheistischer Weltdeutung als allererst von der Hoffnung her verstehbares Wesen zu begreifen, vermag die Philosophie ERNST BLOCHS zu zeigen, die phänomenologisch eine Fülle diesbezüglicher Einsichten bereit hält, aber erkenntnistheoretisch und ontologisch viele Fragen offen lässt, etwa die nach der unterschätzten Bedeutung des Todes bzw. der Tragfähigkeit immer nur endlicher Hoffnung, oder die nach dem materialistischen Begründungsstatus seiner Hoffnung in einem abstrakten, heteronomen Möglichkeitsbegriff, oder auch die nach der Tendenz zur nihilistischen Abwertung des Gegenwärtigen. Vgl. dazu PÖLTNER, G., Atheismus als Prinzip menschlichen Hoffens, in: WUCHERER-HULDENFELD, A.K. / FIGL, J. / MÜHLBERGER, S. (Hrsg.), Weltphänomen Atheismus, Freiburg im Breisgau 1979, 108-134. 47 Vgl. WAGNER, F., Der Mensch zwischen Selbstbestimmung und Abhängigkeit. Thesen zum Verhältnis von Anthropologie, Ethik und Gotteslehre, in: FISCHER, H. (Hrsg.), Anthropologie als Thema der Theologie, Göttingen 1978, 145-164, hier 155. Er schreibt weiter: „Der Mensch ist in seiner Selbsttätigkeit als sich gegeben aufgegeben. Die bloße Selbsttätigkeit kann die Selbsterhaltung des Menschen nicht abschließend sichern. Diese Sicherung ist vielmehr davon abhängig, dass die Selbsttätigkeit durch das ethisch-institutionelle Sollen vermittelt und getragen wird. Anthropologie und Ethik sind so ursprünglich verbunden. Das Thema der Ethik tritt nicht sekundär zu den anthropologischen Grundaussagen hinzu.“ <?page no="44"?> IV. Methodologischer Abriss 44 langt er im Medium der Hoffnung danach aus, sich zu bestimmen und er tut es u.a. moralisch-sittlich. Die epistemologische und damit methodologische Kehrseite dieser Einsicht kann darin gesehen werden, dass philosophische und theologische Anthropologie bestenfalls zu umschreiben vermag, was der Mensch ist, nicht aber festlegen kann, was er je war, ist und sein wird. Seine Bestimmung zum Humanum ist destinatio, nicht definitio. Der aufklärerische und mitunter religionskritische Impetus der Anthropologie als einer eigenständigen Lehre vom Menschen, die unter anderem im Erbe von Plausibilitätsverlusten klassischer Metaphysik entstand, kann daher folgerichtig nicht darüber hinwegtäuschen, „dass Anthropologie strenggenommen ein prekäres Unterfangen ist. Will der Mensch sich beobachten, ist er selber Subjekt und Objekt der Beobachtung. Er steht sich selber quasi im Wege. Sein Blick ist getrübt. […] Der Sachverhalt, dass der Mensch dort, wo er sich selber zu fassen versucht, eine fundamentale Differenz oder eine reflexiv uneinholbare Kluft nicht überwinden kann, ist […] ein kulturelles Faktum.“ 48 Diese Lücke in der Bestimmung dessen, was der Mensch ist und damit auch, was er sein kann und sein soll, versucht der Mensch jenseits eines strikten Wissens im Medium von bildhaft, metaphorisch und symbolhaft repräsentierter Hoffnung zu schließen - indem er begründete Hoffnungen über sich selbst zu formulieren versucht. Zunehmend werden allerdings die moralisch-sittlichen Gehalte dieser Hoffnungen selbstreflexiv freigelegt. Diese Differenz kann zur begrifflichen Tiefensemantik unseres auch moralischen Selbstverständnisses gezählt werden, die zwar gerne konstatiert, aber in ihren Konsequenzen für das Verständnis menschlicher Handlungswirklichkeit mitunter wenig bedacht wird. Bei aller Reflexion auf den Menschen ist daher diese Differenz bereits methodologisch 49 zu beachten, da sie entscheidend zum Verständnis menschlicher Handlungswirklichkeit beiträgt, indem sie diese, die ja auch und gerade unter dieser Differenz steht, mit der hier verhandelten Hoffnungssignatur versieht bzw. umgekehrt die Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit bereits anthropologisch anzudeuten vermag. Dabei heißt die Einsicht, einer letzten selbstreflexiven Transparenz und damit Selbstverfügung entzogen zu sein, zugleich auch, gegen totalisierende Vereinheitlichungen des Menschenbildes und für eine bleibende Offenheit und antihermetisierende Anthropologie ein starkes ideologiekritisches Potential in Händen zu halten, das auch die Tür für einen qualifizierten Hoffnungsbegriff kriteriologisch offen hält. Die jeder Anthropologie eigene reductio ad hominem ist nun in ihrer theologischen Provenienz und ausgehend von der erwähnten Differenz dennoch weit entfernt von einem Anthropozentrismus oder gar von anthropofugalen Tendenzen, sie verweist stattdessen auf das Problem der Grenze, wonach der Mensch in seinem Selbsterleben immer wieder auf basale Grenzerfahrungen stößt, er sich nachgerade in seiner Konstitution als Mensch darauf angelegt erlebt und sich in seinem Daseinsvollzug, in seinem Handeln, auf der Grenze und zwischen den Grenzsphären zu bewegen hat - zwischen Immanenz und Transzendenz, Gott und Mensch, Sein und Sollen, Sein und Nicht-Sein, Zeitlichkeit und Unendlichkeit, Sinnlichkeit und Sittlichkeit, Faktizität und Fakultativität, Realis, Irrealis und Potentialis, Gut und Böse, Freiheit und Determination, etc. - und daher entsprechende Vorstellungen über diese seine ‚grenzwertig‘ angelegte Konstitution in der 48 Vgl. WILS, J.-P., Anthropologie, in: Ders. / MIETH, D. (Hrsg.), Grundbegriffe der christlichen Ethik, Paderborn 1992, 162-181, hier 171. 49 „Will Anthropologie kein Verfügungswissen sein, muss sie die unhintergehbare Selbstreflexivität des Menschen, die sich in dieser Disziplin durch die Subjekt-Objekt-Identität materialisiert, bereits methodologisch einbeziehen.“ Vgl. WILS, Anthropologie, 175. <?page no="45"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 45 Welt in anthropologische Selbstverständnisse aufzunehmen hat. Menschliche Handlungswirklichkeit als zentraler Bestandteil humaner Daseinsdeutung ist somit auch zutiefst imprägniert von spannungsgetragenen Horizonterfahrungen, die ihn quasi dazu anleiten, sich innerhalb von Existenzspannungen zu verorten, sich an darin abgebildeten Schwellen zu bewegen und darüber hinaus. Gerade die Selbsttranszendentalität, die dem Vollzug von Hoffnung eigen ist, gerade das kontrafaktische und damit grenzüberschreitende Phänomen des Hoffens verweist anthropologisch auf diese Grenzhaftigkeit menschlichen Selbsterlebens, die schließlich hoffnungstheoretisch gedeutet werden kann und dabei sich selbst immer wieder transzendiert auf je neue Horizontverschiebungen hin. Konkret gesprochen, die Horizont- oder Grenzerfahrung des Übergangs der einen Sphäre zur anderen unter Aufrechterhaltung der Spannung zwischen den Sphären wird unter anderem im Medium der Hoffnung gedeutet und damit zugleich auf das Trans, das Jenseits der Grenze überschritten und damit neu ausgerichtet, integriert und motiviert. An der Dialektik der Grenze, der Grenzhaftigkeit menschlichen Selbstverständnisses ließe sich auch die Bedeutung, welche Identität und Differenz innerhalb der theologischen Anthropologie spielen, erörtern, da diese sich allererst an Grenzen bilden. Auch eine Theologie des Anderen, eine Theologie vom Anderen 50 her könnte hiervon entwickelt werden zur Konkretion der theologischen Rede von similitudo und dissimilitudo. Strikt anthropologisch gedacht wird an dieser Stelle die vielfältig qualifizierbare Doppelnatur des Menschen augenfällig, die sich sinnlich-sittlich, real mit Mängeln behaftet, aber mit idealer Bestimmung versehen, bezeichnen lässt. Andernorts wird von einer paradoxalen Struktur konkreten Menschseins gesprochen, das als „Unendlichkeit in Endlichkeit“ auf den Begriff gebracht werden kann. Die Problematik ist theologisch wohlbekannt, wenn dogmatischerseits Denkmöglichkeiten etwa für die Doppelnatur Christi gesucht werden oder auch für das universale concretum. Fundamentalanthropologisch, das heißt in Richtung der ontologischen Fundamte der Anthropologie gesprochen, werden hier grundlegende Spannungen, Polaritäten, dialektische Verhältnisse, etc. in ihrer anthropologischen Konsequenz benannt und damit auch ein wichtiger Hintergrund der Hoffnungskategorie expliziert. Daher böte sich ein der Dogmatik entliehenes Verfahren an, das moraltheologisch zur Aufnahme anthropologischer Spannungen adaptiert zu werden hätte: es handelte sich um ein „Verfahren der kritischen Korrelation“ 51 , das sich auf die entsprechenden Grenzsphären bezöge und sich dabei im Rahmen anthropologischer Integrationsbemühungen anlehnte an die klassische Analogielehre. Letztlich „verliert die Ethik ohne Anthropologie die Orientierung für die Gewinnung inhaltlicher Normen“ 52 , aber nicht allein für die Gewinnung von Normen, Ethik reflektiert schließlich nicht allein auf normative Moral, sondern auch für das Verständnis nicht-normativer Moralformen und menschlicher Handlungswirklichkeit insgesamt. Diesbezüglich scheinen insbesondere Handlungskategorien von Interesse, die aufgrund ihrer Ubiquität einen basalen Bezug zur ganzen menschlichen Handlungswirklichkeit aufweisen können. Daher bietet sich für die Durchführung der erwähnten (anthropologi- 50 Vgl. etwa DIRSCHERL, E., Grundriss theologischer Anthropologie. Die Entschiedenheit des Menschen angesichts des Anderen, Regensburg 2006; ebenso WOHLMUTH, J., Mysterium der Verwandlung. Eine Eschatologie aus katholischer Perspektive im Gespräch mit jüdischem Denken der Gegenwart, Paderborn 2005. 51 Vgl. WILS, Anthropologie, 179. 52 Vgl. ebd. 177. <?page no="46"?> IV. Methodologischer Abriss 46 schen) Integrationsbemühungen im Rahmen theologischer Anthropologie die Hoffnungskategorie regelrecht an, da sie strukturanthropologisch den eröffneten methodologischen Einsichten entspricht. Über die Hoffnungskategorie kann also eine mögliche Vermittlung der Polaritäten gedacht werden, die menschliche Existenz auszeichnen. Anhand der Hoffnung lässt sich die Selbsttranszendentalität menschlicher (Grenz-) Erfahrungen nicht nur basal verstehen, sondern diese darüber hinaus anthropologisch fundieren und für ein umfassenderes Verständnis menschlicher Handlungswirklichkeit moraltheologisch adaptieren. Aus diesem Blickwinkel kann Hoffnung daher als Brückenkategorie, als ‚Scharnier‘ bezeichnet werden - oder in Abwandlung einer theologisch gedeuteten Formel des TERTULLIAN: spes cardo salutis. Damit kann der Hoffnung, zunächst noch undifferenziert in theologische oder natürliche Hoffnung, eine Erfahrungsgrundlage zuerkannt werden, wiewohl sie sich letztlich in dem, was der Hoffnungsgrund genannt wird, nicht davon abhängig zeigt. In der Folge wird im Rahmen der hier angestrengten Grenzreflexion nicht allein abstrakt von der Hoffnung gesprochen, sondern es sollen ‚Erfahrungen‘ im weitesten Sinne als Korrektiv zugelassen werden, stellt sie doch selbst eine Art Kontrasterfahrung dar, deren Anthropologie, wie besehen, nicht erst bei Verletzung des Humanum 53 , das in diesem Zusammenhang als Hoffnungsgut gedacht werden soll, erkannt werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass eine Vorstellung des human Sinnvollen immer schon vor Augen steht. Wird der Gedanke umgekehrt vom Hoffnungsgut her statt von der Hoffnung angestrengt, so schließt sich der Kreis der Reflexion wieder, indem sowohl der Bezug auf das Ganze menschlicher Handlungswirklichkeit als auch die damit verbundene Frage nach dem Sinn erreicht werden und „die menschliche Sinnerfahrung als hermeneutische Grenzbetrachtung par excellence entfaltet“ wird, „in Fortführung der Frage nach dem Menschen im Ganzen der Geschichte“ 54 . a) Das Verhältnis von Anthropologie und Ethik Als eine systematische Notwendigkeit der bisherigen Ausführungen muss zunächst festgehalten werden, dass „theologische Aussagen […], wenn sie ihre eigene Sache recht zur Sprache bringen wollen, des Wirklichkeitsbezugs“ 55 bedürfen. Dazu ist im Kontext der Moraltheologie auch die (Handlungs-) Wirklichkeit des Menschen umfassend zu zählen. Jede Ethik impliziert mithin anthropologische Prämissen. 56 Eine anthropologie- 53 Daher müssen für J.P. WILS „anthropologische Aussagen aus der Abwesenheit des Humanums indikatorisch gewonnen werden: Ohne dass sie dadurch an situativer und eventuell verallgemeinerbarer Gültigkeit einbüßen.“ Vgl. ebd. 178. Dagegen: Auch die Deutung von anthropologisch relevanten Phänomenen und Widerfahrnissen aus der „Abwesenheit des Humanums“ setzt bereits positive Entwürfe desselben voraus, sodass es fatal wäre und zu kurz greifen würde, allein ex negativo auf das Humanum oder eine daran Maß nehmende Anthropologie zu schließen, da auf diese Weise weder der Begründungspflichtigkeit des Humanum nachgekommen werden könnte, noch der Mensch in seiner positiven Potentialität als sittliches Wesen, das sich zutiefst von den entsprechenden Vorstellungen her begreift, ausreichend erfasst werden könnte. 54 Vgl. SAUTER, Mensch sein, 76. 55 Vgl. TRACK, J., Erfahrung und Interpretation. Überlegungen zum Verhältnis von Anthropologie und Ethik aus sprachkritischer Sicht, in: FISCHER, H. (Hrsg.), Anthropologie als Thema der Theologie, Göttingen 1978, 131-144, hier 131. 56 „Der stärkste Grund für eine anthropologische Reflexion der Ethik besteht darin, dass letztlich jede Ethik auf bestimmten anthropologischen Voraussetzungen (Präsuppositionen) fußt, auch <?page no="47"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 47 freie Ethik ist daher auch gar nicht denkbar 57 , es sei denn, der dann notwendig entstehende reduktionistische Zug einer Minimalethik wird bewusst in Kauf genommen. Freilich gilt auch umgekehrt: Der Sache des Menschen angemessene anthropologische Vorstellungen sind auf spezifische Weise notwendig offen für das moralisch-sittliche Wesen des animal morale, das der Mensch darstellt - und damit auch offen für seine Hoffnungsstrukturen. In der Regel wird aus diesem Grunde eine innige Wechselbeziehung zwischen Anthropologie und Ethik, respektive Normativität zugestanden, da einsichtig zu machen ist, dass Bilder vom Menschen notwendig einhergehen mit Vorstellungen darüber, wie er sich (sinnvollerweise) verhalten soll (te), will er den sich darin artikulierenden Zielfiguren über seine Bestimmung als Mensch entsprechen. Darüber hinaus sind diese mindestens implizit immer auch mit Hoffnungen bzgl. ihrer Erreichung belegt und mobilisieren darauf Bezug nehmend Handlungsenergien und entsprechende Verstehensmodelle zur Deutung von Leben. Umgekehrt sind normative Aussagen ohne Anthropologie nicht sinnvoll denkbar bzw. nicht eigentlich im Menschen verortet, bleiben unkonkret und abstrakt und ohne begründeten Anhalt an der realen Handlungsorganisation. Gerade auf dem Hintergrund dieser Einsichten ist verwunderlich, dass es nach wie vor zu den zentralen Forschungs-Desideraten der Handlungswissenschaften zählt, insbesondere was Methodenlehre und Motivationstheorien betrifft, dass nur wenige systematische Spuren zur anthropologischen Bedeutung der Hoffnungskategorie in philosophischer und theologischer Anthropologie zu finden sind und insbesondere nicht zur Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit, sodass allererst über die Anwendung der Methoden der Anthropologie selbst entsprechende (implizite) Strukturen freizulegen sind, um das, was im Rahmen theologischer Anthropologie unter dem Stichwort der Eschatologie die „antizipatorische Struktur gelingenden Menschseins“ 58 bezeichnet wird, überhaupt nachzeichnen zu können, da diese die entscheidende anthropologische Folie bildet, auf der sich ein qualifizierter integrativer Hoffnungsbegriff schließlich einzeichnen lässt. Selbst in theologischen Anthropologien 59 im engeren Sinne herrscht Mangel an entsprechenden Einlassungen, wiewohl es theologisch als konsensfähig gelten kann, dass die umfassende „Wirklichkeit des Menschen in Jesus erschienen, aber eschawenn sie diese nicht explizit artikuliert. Kantianisch ausgerichtete Ethiken wie die Diskursethik verstehen sich zwar als rein ‚prozedural‘ oder ‚formalistisch‘, also als inhaltlich neutral. Indem sie aber bestimmte Regeln oder Formen des Verfahrens zur Normbegründung vor anderen auszeichnen, legen sie doch bestimmte gehaltvolle Vorstellungen vom Sein(sollen) des Menschen zugrunde.“ Vgl. REHBOCK, T., Warum und wozu Anthropologie in der Ethik? , in: Anthropologie und Ethik. Biologische, sozialwissenschaftliche und philosophische Überlegungen, Tübingen / Basel 1997, 64-109, hier 71-72. 57 Vgl. SIEP, L., Ethik und Anthropologie, in: BARKHAUS, A. / MAYER, M. / ROUGHLEY, N. / THÜRNAU, D. (Hrsg.), Identität, Leiblichkeit, Normativität, Frankfurt am Main 1996, 274- 298, hier 274. „Keine Ethik kommt ohne Anthropologie aus. Auch wenn man die Regeln richtigen Handelns auf praktische Vernunft oder die Sprache zurückführen will, nimmt man Kenntnisse über den Menschen in Anspruch.“ 58 Vgl. DIRSCHERL, Grundriss theologischer Anthropologie, 254, aber auch analog bei WOLF- HART PANNENBERG (vgl. PANNENBERG, W., Anthropologie in theologischer Perspektive, Göttingen 1983) und THOMAS PRÖPPER (vgl. PRÖPPER, T., Fragende und Gefragte zugleich. Notizen zur Theodizee, in: Ders., Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik, Freiburg 2001, 266-275). 59 Vgl. SCHOBERTH, W., Einführung in die theologische Anthropologie, Darmstadt 2006. <?page no="48"?> IV. Methodologischer Abriss 48 tologisch verborgen“ 60 gedacht werden muss, eine Einsicht, die moraltheologische Konsequenzen hat, die allerdings, soweit ich sehe, bislang mehr angedacht als entfaltet worden sind. Schließlich spricht auch die Ethik vom Gelingen und vom Glück des Lebens als dem Telos menschlichen Handelns, spricht auch Moraltheologie von einem summum bonum, das in praktischer Hinsicht als ein „sittlicher Endzustand“ gedacht wird, der quasi rückwärts aus der Zukunft in die Gegenwart hinein auf unser konkretes Handeln als Hoffnungsgut wirkt und die Antwort auf die Frage nach dem letzten Ziel menschlichen Handelns ist. 61 Damit ist die Notwendigkeit benannt, ein möglichst breites anthropologisches Methodenspektrum für die systematische Datensichtung in den Blick zu nehmen, das sowohl kritische, als auch integrativ-interpretative und ebenso dialektische Anthropologien 62 umfasst, sodass gewährleistet werden kann, dass vonseiten anthropologischer Fragestellungen und Einsichten eine im Medium der Hoffnung gedachte und handlungspraktisch relevante antizipatorische Eröffnung von Zukunft als Ganze zur Darstellung gebracht werden kann, wohlgemerkt das Ganze in den Blick nehmend, nicht das Ganze explizierend. In eigener Nomenklatur geht es darum, die komplexe Spannungseinheit des Menschen, die Einheit aus dialektischen Daseins-Spannungen, am Medium der Hoffnung zu entfalten. Dabei wird sich zeigen, dass insbesondere unter moralischer und näherhin moraltheologischer Perspektive entsprechende Strukturen freigelegt werden können, da umgekehrt gerade das Phänomen der Moralität selbst den Menschen hoffen lässt und gerade das Phänomen der Sittlichkeit die Frage nach Sinn und Ziel menschlichen Lebens zutage fördert, sodass von daher eine den erwähnten Strukturen entsprechende Anthropologie expliziert werden kann. ANNEMARIE PIEPER fasst zusammen: „Die Frage nach den Bedingungen der Moralität von Praxis überhaupt impliziert daher die Frage nach dem Wesen des Menschen, da Moralität nur als Form der Realisierung eines in bestimmter Weise konzipierten Menschseins gedacht werden kann: Nur sofern der Mensch ein Wesen ist, das sich sinnvolle Ziele zu setzen vermag, das in seinem Handeln Sinn verwirklichen, verfehlen und auch negieren kann, ist er der Moralität fähig. Aus diesem Grunde ist Ethik auf Begriffe der philosophischen Anthropologie angewiesen.“ 63 Zu ergänzen wäre, auch der theologischen Anthropologie, wenn - wie hier vertreten - die Denkmöglichkeit eines Theismus philosophisch offen gehalten werden kann und darüber hinaus damit die Erklärungskraft für die hier verhandelten Phänomene erhöht wird. Der Mensch ist sich selbst fraglich, er ist die Frage nach sich selbst. Er antwortet auf diese Frage, die er selber ist und als die er sich erlebt, indem er etwas über sich in Erfahrung zu bringen versucht, Erkenntnis über sich zu gewinnen sucht, aber auch indem er handelt, sich handelnd über sich zu orientieren versucht, sich handelnd eine Orientierung gibt - und das heißt auch, indem er hofft, indem er sich im Medium der Hoffnung eine Antwort auf die Fraglichkeit seiner eigenen Konstitution zu geben sucht - immer wieder je neu - durch Vorstellungen über das Gute, Vorstellungen über das Gelingen 60 Vgl. FREY, C., Zur theologischen Anthropologie Karl Barths, in: FISCHER, H. (Hrsg.), Anthropologie als Thema der Theologie, Göttingen 1978, 39-69. 61 Vgl. BATHEN, N., Höchstes Gut (Art.), in: KASPER, W. et al. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche Bd. 5, Freiburg im Breisgau 2006, 190. 62 Vgl. THIES, C., Einführung in die philosophische Anthropologie, Darmstadt 2004. 63 Vgl. PIEPER, A., Sprachanalytische Ethik und praktische Freiheit. Das Problem der Ethik als autonomer Wissenschaft, Stuttgart 1973, 37. <?page no="49"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 49 seines Lebens und den Sinn, der sich darin ausdrückt. 64 Diese „Wirklichkeit“ des nach sich selbst fragenden Menschen hat nun in einem umfassenden Sinne verstehend angeeignet zu werden, wozu auch entsprechend empirisch zugängliches Wissen gehört, aber eben nicht nur. Philosophie im Allgemeinen und philosophische Anthropologie im Besonderen haben sich schließlich bemüht zu zeigen, dass das Wirkliche nicht auf das Erfahrbare oder gar Beobachtbare einzugrenzen ist, insbesondere bezogen auf den Menschen. Gerade an der Kategorie der Hoffnung zeigt sich dies in offensichtlicher Weise, da sie - ihre eigenen strukturbildenden Aspekte (etwa Selbsttranszendentalität und Freiheit) konsequent fortgeführt - die Grenzen des Wissbaren übersteigt und selbst an der Grenze des Todes nicht haltmacht, um ein letztes Gelingen, eine letzte Erfüllung, ein letztes Versöhntsein in Gerechtigkeit, systematisch: ein höchstes Gut begrifflich zu fassen, das für das letztgültig und umfassend Sinnvolle steht und diesen Begriff schließlich so zu zeichnen versucht, dass er Relevanz für den Daseins- und Handlungsvollzug des Menschen zu entfalten vermag. So kann es hier nur darum gehen, so etwas wie eine „inhaltliche Anthropologie“ 65 , die eigentlich philosophische Anthropologie ist, für die Moraltheologie freizulegen und zwar anhand der anthropologischen Grundierung der Hoffnungskategorie von ihrer handlungspraktischen Bedeutung her. Vorbereitet werden kann eine solche inhaltliche Anthropologie unter anderem durch folgende Einsichten: Entlang der Weise, in der Wissen, Tun und Hoffen mit KANT zunächst unterschieden werden müssen, um das in den Blick zu bekommen, was er „reine praktische Vernunft“ nennt, müssen sie auch wieder aufeinander bezogen werden, um die Einheit der Vernunft, die Einheit des (Handlungs-) Subjekts und schließlich die Einheit der Hoffnung denken zu können und gerade ohne dabei allein postulatorisch bleiben zu müssen. Nur so, das heißt unter Wahrung der (jeweiligen) Einheit von Material- und Formalobjekt, macht ein sittlicher Endzustand als finaler Zielpunkt allen Handelns, Strebens und Wollens des Menschen überhaupt Sinn und nur so ist gewährleistet, dass dieser aufgrund opak schillernder Zielbestimmungen seine einende, orientierende und motivierende Kraft nicht wieder verliert. Die unterschiedlichen methodologischen Zugänge zur einen Wirklichkeit des hoffenden Handlungssubjekts machen es dabei notwendig, Erste- und Dritte-Person- Perspektive zu unterscheiden, da beide Perspektiven weder identisch, noch auseinander herleitbar sind, sodass diese Innen-Außen-Differenz als (methodisches) Konstitutivum der Zugänge zum Menschen gehalten werden muss, wie in aktuellen Debatten zur Willensfreiheit immer wieder betont wird und was, wie andernorts bereits formuliert, auf Grenzen menschlicher Selbstverobjektivierung hinweist, da Subjekt und Objekt nur partiell identisch sind. Diese inkommensurable Perspektivendifferenz macht es nun in 64 „Ist der Mensch sich selbst Gegenstand der Frage, so ist die Tatsache, dass der Mensch sich selbst gegeben ist, Bedingung der Möglichkeit dieser Frage. In der Frage nach sich selbst lernt der Mensch sich zu verstehen und u.U. neu zu verstehen. Er konstituiert sich aber durch seine Frage bzw. seinen Entwurf nicht selbst, sondern er findet sich als konstituiert bereits vor." Vgl. HÄRLE, W., Humanität. Überlegungen zum Verhältnis von Anthropologie und Ethik, in: FI- SCHER, H. (Hrsg.), Anthropologie als Thema der Theologie, Göttingen 1978, 119-129, hier 121. 65 Vgl. MIETH, D. Begründungsversuche von Ethik, in: DEMMER, K. / DUCKE, K.-H. (Hrsg.), Moraltheologie im Dienst der Kirche (FS W. ERNST), Leipzig 1992, 44. <?page no="50"?> IV. Methodologischer Abriss 50 der Folge notwendig, eine partielle Intransparenz menschlicher Selbsterkenntnis 66 in Anschlag zu bringen, die insbesondere dann relevant wird, wenn zum Verständnis einer Kategorie möglichst viele Erfahrungsebenen befragt werden sollen. Schon allein aus diesem Grunde ist vor einer szientistischen Verengung des Erfahrungsraumes zu warnen. Darüber hinaus bedingen sich schließlich Selbsterkenntnis, Gottes- und Welterkenntnis. Daher können die oft allzu allgemeinen anthropologischen Aussagen über den Menschen mit gutem Grund ergänzt und mitunter korrigiert werden durch die vielfältigen Einsichten empirischer Anthropologie, wenn mit GERHARD SAUTER mit der „Unbestimmtheitsrelation zwischen dem Ich und allen äußeren Beobachtungen am Menschen“ 67 gerechnet wird und diese sogar in den entsprechenden Theoriebildungen inhaltlich wiederzufinden und daran zu verifizieren ist. Philosophische und theologische Anthropologie darf nun auch aus folgendem Grunde nicht reduziert werden auf beobachtbares Erfahrungswissen, weil sie schließlich Kriterien für deren Interpretation und Integration bereitzustellen hat und dabei Anwalt der gesamten Wirklichkeit des Menschen ist, nicht allein der beobachtbaren Seite derselben, sonst würde dieser Blick auf die Wirklichkeit des Menschen einseitig verengt werden. Dennoch darf sie in ihren Theoriebildungen den Einsichten der Erfahrungswissenschaften nicht einfach widersprechen, die quasi eine conditio sine qua non jeder verantwortbaren Rede vom Menschen darstellen, sondern hat sich auch umgekehrt davon über die Realität des Menschen belehren zu lassen - freilich ohne sich davon einseitig reduktionistisch limitieren zu lassen. Der hier offen gelegte erkenntnistheoretische Zirkel, der sich zwischen der Fähigkeit zur Deutung und integrierenden Interpretation von empirischen Einsichten auf der einen Seite und der Möglichkeit, von diesen korrigiert zu werden, auf der anderen Seite bewegt, ist nicht auflösbar, sondern hat in aller begrifflichen Klarheit aufrechterhalten zu werden. Erneut ANNEMARIE PIEPER: „Anthropologische Auffassungen scheinen nicht nur auf empirischen Erkenntnissen zu basieren, sondern ebenso unter den Prämissen ethischer Vorentscheidungen zu stehen. Sie deuten die empirischen Erkenntnisse aus einer ethischen Perspektive, aber korrigieren diese ethische Annahme in derselben verstehenden Einstellung hinsichtlich ihrer empirischen Möglichkeiten oder Begrenztheiten. Gerade in diesem Spannungsfeld hat Anthropologie eine korrelativ-kritische Funktion: Empirische Korrekturen ethischer Engführungen und ethische Korrekturen empirischer Reduktionismen gehören zu ihrer genuinen Aufgabe.“ 68 Immer wieder kann in diesem Zusammenhang auch die irrige Vorstellung beobachtet werden, die das Verhältnis von Empirie und Normativität, bzw. offener formuliert von Erfahrung und Ethik, einengt und zuspitzt auf die Frage nach der Begründung einer Verantwortungsethik angesichts der technisch-wissenschaftlichen Möglichkeiten, eine Vorstellung, die weit hinter der theoretischen Herausforderung des angesprochenen Verhältnisses zurückbleibt, die Implikationen gar nicht zu sehen vermag, oft appellativ bleibt und letztlich auf eine mitunter allzu defensive Wissenschaftsethik 69 abzielt, ganz 66 GERHARD SAUTER spricht analog von einer „anthropologischen Aporie“, die darin bestehe, „dass der Mensch sich selber - will er Mensch bleiben - nie völlig vergegenständlichen kann und sich doch gegenüber tritt, indem er sich mitteilt.“ Vgl. SAUTER, Mensch sein, 103. 67 Vgl. ebd. 94. 68 Vgl. PIEPER, Sprachanalytische Ethik, 40. 69 Vgl. als Protagonisten bis heute HANS JONAS, Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt am Main 3 1993 und ERNST BLOCH. Der <?page no="51"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 51 abgesehen davon, dass im Hintergrund eine cartesianisch-dualistische Ontologie vermutet werden kann, die zu einseitig den Körper von der Seele und den empirischen vom intelligiblen resp. transzendentalen Menschen trennt. Ganz im Unterschied dazu kann es zu den ureigenen Leistungen der philosophischen wie der theologischen Anthropologie gezählt werden, dass sie das sinnlich-sittliche (Misch-) Wesen Mensch als Einheit zu begreifen und die Sphären miteinander zu verbinden sucht, mindestens aber kriteriologisch füreinander öffnet, wie J.-P. WILS zu Recht betont: „Anthropologie unternimmt den Versuch, den latenten Empiriemangel ethischer Theorien auszugleichen und die Distanz zu normativen Schlussfolgerungen bei den empirischen Wissenschaften zu verringern. Anthropologie macht die Empirie normfähig und die Ethik empiriefähig.“ 70 Auch hier muss die eng gefasste normative Tradition der Ethik geweitet werden auf deren nicht-normative Bestände hin, sodass es paraphrasierend heißen muss: Anthropologie macht die Empirie moralfähig und die Ethik empiriefähig. Der begrifflich entscheidende Umschlag, an dem sich die bisherigen Erörterungen öffnen für die Hoffnungskategorie kann nun an der Stelle festgemacht werden, wo die anthropologischen Wesensaussagen über den Menschen immer zugleich als solche ausgewiesen werden können, die Auskunft darüber geben, was der Mensch sein und werden soll, aber (noch) nicht real ist. „Die Begriffe der philosophischen Anthropologie, die aussagen, was der Mensch seinem Wesen nach ist, werden von der Ethik in der Weise verändert, dass sie postulatorischen Charakter erhalten, mithin zugleich aussagen, was der Mensch sein soll.“ 71 Der Mensch ist nie nur Identität in einfacher Gegenwärtigkeit, sondern er soll immer zugleich etwas werden, soll er das sein, was er eigentlich ist, nämlich ein Sein im Werden. Seine Wirklichkeit ist eine komplexe Entität aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, so dass alle Wesensaussagen - und damit auch Beschreibungen menschlicher Handlungswirklichkeit - rückgebunden bleiben müssen nicht nur an eine Herkünftigkeit, nicht allein an eine Gegenwärtigkeit, sondern immer auch an eine Zukünftigkeit, soll er sich im eigentlichen Sinne gerecht werden. Philosophisch wird hier von der Bestimmung des Menschen gesprochen, die schließlich die Hoffnungskategorie als Handlungsbegriff notwendig macht, sobald die strikt normativen Fassungen dessen, was der Mensch sittlich soll, auf einen umfassenden (Moral-) Begriff des Guten hin geweitet werden. Dann nämlich kann mit GERHARD SAU- TER konstatiert werden: „Die Aufmerksamkeit der Anthropologie richtet sich [...] darauf, wie diese Bestimmungen empirisch zutage treten, wie sie kommunikativ vermittelt sind, therapeutisch angeeignet werden und woraufhin sie weisen. Die Frage ‚Was ist der Mensch? ‘ wird beantwortet im Hinblick auf das Soll heilvoller, vollkommener Menschlichkeit, das wir erahnen und das unser Handeln bewegt und vorantreibt, und unsere Gegenwart wird nur beschreibbar in Differenz zu diesem Soll.“ 72 Was sich hier anthropologisch zeigt, ist eine exakte Beschreibung des Strukturfeldes der Hoffnung. Mit anderen Worten: Diese anthropologischen Strukturen bilden sich quasi real ab im Medium der Hoffnung und umgekehrt vollzieht sich Hoffnung auf der Basis dieser Strukturen. So eine auf der Basis einer defensiven Ontologie des Seins, der andere auf der Basis einer Ontologie des Noch-Nicht-Seins. 70 Vgl. WILS, J.-P. (Hrsg.), Anmerkungen zur Wiederkehr der Anthropologie, in: Ders., Anthropologie und Ethik. Biologische, sozialwissenschaftliche und philosophische Überlegungen, Tübingen / Basel 1997, 40. 71 Vgl. PIEPER, Sprachanalytische Ethik, 38. 72 Vgl. SAUTER, Mensch sein, 84. <?page no="52"?> IV. Methodologischer Abriss 52 gesehen spannen Anthropologie und Ethik gemäß ihrem Selbstverständnis eine Dialektik auf, in der sich die Hoffnungskategorie exakt wieder findet: „Empirische Einzelwissenschaften“ auf der einen Seite und die „Ganzheit des menschlichen Seinkönnens“ 73 und Seinsollens auf der anderen Seite. Auf diese Weise ist erneut die bereits erwähnte und für eine strukturelle Hermeneutik der Hoffnung zentrale (anthropologische) Grenzreflexion, diesmal von anderer Seite, quasi disziplinär-methodologisch, beleuchtet und bestätigt worden. Nicht nur hat auf diesem Hintergrund jede Anthropologie auf ihre Relevanz für moraltheologische Theoriebildung befragt zu werden, auch das Umgekehrte gilt freilich, wonach eine jede (auch theologische) Ethik im Allgemeinen ihre mitunter implizite Anthropologie freizulegen hat, will sie ihr Materialobjekt ausreichend in den Blick bekommen. Für eine Ethik der Hoffnung im Besonderen ist nun diesbezüglich zu folgern, dass es praktisch keine Anthropologie geben kann, die nicht mindestens implizit eine Hoffnung über die Bestimmung des Menschen ausdrücken und die die inkommensurable Gestaltungs-Offenheit des Menschen nicht inhaltlich aufgreifen, orientieren und finalisieren würde. Die zentrale Frage aller Anthropologie ‚Was ist der Mensch? ‘ steht daher auch in der Spannung von Mensch-Sein und Mensch-Werden. „Der Mensch realisiert sich als Mensch, indem er nicht einfach ist, sondern sich verhält“ 74 - insbesondere gegenüber den Imaginationen seiner Zukunft, die ihm für sich selbst adäquat und gemäß erscheinen und von denen er glaubt, dass sie seine Erfüllung verbürgen, oder vorsichtiger, von denen er sich verspricht, dass sie ihn allererst zu dem machen, was er (wesentlich und eigentlich) ist - damit wird der Mensch zu einem Werdenden - im Kontext aller seiner Existenzbezüge als Hoffender und (Ver-) Zweifelnder. Geweitet auf eine theologische Anthropologie hin heißt das, dass sich der Mensch einem offenen, unendlichen Horizont 75 gegenübersieht, zu dem er sich fragend und handelnd verhalten muss, ob er will oder nicht. Dieser Notwendigkeit entspricht die (Handlungs-) Kategorie der Hoffnung genau dann, wenn sie als Horizontbegriff fungiert und die erwähnte Selbsttranszendentalität menschlicher Selbst- und Welterfahrung in ihre eigenen Strukturen aufnimmt, 73 Vgl. HOMMES, U., Vom Sinn moralanthropologischer Fragestellung in der Gegenwart, in: ROMBACH, H. (Hrsg.), Die Frage nach dem Menschen. Aufriss einer philosophischen Anthropologie (FS MAX MÜLLER), Freiburg im Breisgau 1966, 173-187, hier 184. Wenige Seiten später (186) schreibt HOMMES dann im Sinne der hier vertretenden Hoffnungsthese: „Denn wenn auch die Bestimmung des Menschen notwendig immer eine Sache des Menschen selbst ist, so kann sie […] doch nur derart sein, dass sie den Menschen über sich hinaus in das Verhältnis zum Guten weist.“ Somit kann das Gute selbst als Gegenstand der Bestimmung und damit der Hoffnung ausgewiesen werden. 74 Vgl. PIEPER, A., Sprachanalytische Ethik, 39-40. 75 Vgl. RAFFELT, A. / RAHNER, K., Anthropologie und Theologie, in: BÖCKLE, F. / KAUF- MANN, F.-X. / RAHNER, K. / WELTE, B. (Hrsg.), Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft Bd. XXIV, Freiburg im Breisgau 1981, 5-55, hier 17. Demnach ist der Mensch „trotz der Endlichkeit seines Systems immer schon als ganzer vor sich gebracht. Er kann alles in Frage stellen, kann alles Aussagbare immer schon in einem Vorgriff auf alles und jedes mindestens fragen. Indem er die Möglichkeit eines bloß endlichen Fragehorizontes setzt, ist diese Möglichkeit immer schon überholt, erweist sich der Mensch als das Wesen eines unendlichen Horizontes. Indem er seine Endlichkeit radikal erfährt, greift er über diese Endlichkeit hinaus, erfährt er sich als Wesen der Transzendenz, als Geist - nicht im Sinne eines partikulären Vermögens, sondern im Vollzug seiner Personalität. Was bislang an der Struktur menschlicher Erkenntnis verdeutlicht wurde, zeichnet den Menschen als Ganzen und dementsprechend auch in seinem Tun und Wollen aus.“ <?page no="53"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 53 damit handlungstheoretisch zugänglich macht und entsprechende Erfahrungen, die mitunter abgründig erfahren werden, allererst bewältigbar erscheinen lässt. Trotz des Bezugs auf empirische Einzelwissenschaften, die immer nur Aspekte der Wirklichkeit beschreiben können, gehört es zum Proprium der Moraltheologie, den ganzen Mensch unreduziert in den Blick zu nehmen 76 , wobei gerade dafür die dialektischen Spannungen von Empirie und Normativität, von Sein und Sollen, etc. zu beachten sind. Die Arbeitsteilung der Einzel-Wissenschaften ist daher nicht aufzulösen, da sie methodisch unumgänglich ist, sie ist aber vonseiten der Moraltheologisch immer wieder Integrationsbemühungen auszusetzen, damit diese ihrem eigenen Anspruch gerecht zu werden vermag, die Wirklichkeit des Menschen unverkürzt (coram deo) angemessen zu thematisieren. Gerade in der Kategorie der Hoffnung wird nun diese Perspektive des Ganzen 77 mindestens semantisch immer schon bewahrt, wenn vom ganzen Menschen, vom ganzen Leben, vom höchsten Gut (-en), vom letztgültig Sinnvollen im Zusammenhang einer selbst an der Todesgrenze nicht enden wollenden Hoffnung gesprochen wird. Insgesamt unternimmt daher jede Ethik, sowohl theologischer wie philosophischer Provenienz, wenn sie nur konsequent genug gedacht wird, „den Versuch einer Sinngebung der menschlichen Praxis im ganzen, indem sie diese unter dem Anspruch des moralischen Sollens konstituiert.“ 78 Damit zielt sie aber irgendwann eo ipso auf eine moralisch qualifizierte Sinntotalität 79 menschlichen Daseins, die sich im Medium der 76 Vgl. MAURER, A.V., Homo Agens. Handlungstheoretische Untersuchungen zum theologischethischen Verständnis des Sittlichen, Frankfurt am Main 1994, 374ff. 77 Vgl. RAHNER, K., Das Selbstverständnis der Theologie vor dem Anspruch der Naturwissenschaft, in: Ders., Sämtliche Werke Bd. 15, Freiburg im Breisgau 2001, 269-307, hier 287-288: „Die Theologie versteht sich selbst vor der Naturwissenschaft nicht nur als die Daseinserhellung, die der Naturwissenschaft darum nicht ausgeliefert ist, weil sie einen früheren Ursprungsort im Dasein des Menschen hat als Naturwissenschaft, sondern auch darum, weil sie immer und überall Aussage über das Ganze der Wirklichkeit und des menschlichen Dasein ist und sein will […]. Hat es also die Theologie mit Gott zu tun, dann meint sie immer das Ganze der Wirklichkeit, insofern die eine ganze Wirklichkeit der möglichen Erfahrung des Menschen in diesem einen Grund gründet. […] Die Naturwissenschaft verknüpft funktionell verschiedene Phänomene, die in ihrer Pluralität und Verschiedenheit zuallererst wenigstens Daten der schlichten, sinnlichen Erfahrung […] sind. Sie hat es also immer mit Verschiedenem zu tun, das nebeneinander in der Erfahrung liegt, und es geht von einem zum anderen. Die Theologie redet immer vom Einen und Ganzen, das eigentlich nichts neben sich hat. Sie muss also immer notwendig das Eine durch sich selbst, nicht durch ein Anderes verständlich machen.“ 78 Vgl. PIEPER, Sprachanalytische Ethik, 37. 79 Wichtig ist dabei hervorzuheben, dass auch die (Erfahrung der) Sinntotalität, so wie sie hier verstanden werden soll, keine hermetisierenden Tendenzen kennt, weder in Richtung eines fixen Menschenbildes, noch in Richtung Gottes selbst, da sie „sich dem bloß anthropozentrischen Denken widersetzt, weil sie zwischen Gott als der ‚Totalität aller Wirklichkeit‘ und der ‚Sinntotalität‘ unterscheidet. ‚Sinntotalität‘ heißt, dass jede einzelne Erfahrung in den Zusammenhang der Erfahrungswelt eingebettet ist und sich immer auf diesen Kontext bezieht. In der Sinntotalität bekundet sich das Ganze - und damit Gott - von jenseits der Grenzen unserer jeweiligen geschichtlichen Erfahrungen und wird uns als Sinnerfahrung zugänglich, die immer Anteil am Ganzen hat, sosehr sie sich auf anthropologische Einsichten einstellt.“ Vgl. SAUTER, Mensch sein, 76. Daneben ist auch auf negative (Sinn-) Zusammenhänge hinzuweisen, die allein schon per definitionem nicht mit Hoffnung belegt werden können, widersprechen sie doch deren positiven Impetus und bezeichnen sie doch so etwas wie den Anti-Sinn oder Wider-Sinn eines gesamten Kontextes. Davon zu unterscheiden sind subjektiv für positiv gehaltene, aber objektiv negative Sinnzusammenhänge. <?page no="54"?> IV. Methodologischer Abriss 54 Hoffnung zu erkennen gibt. Das Umgekehrte gilt freilich auch: Die Ausdrucksformen menschlichen Hoffens, werden sie nur konsequent genug weitergeführt, zielen nolens volens auf das Ganze und auf den Sinn des Ganzen ab - auch wenn sie ihn womöglich nie erreichen und natürlich mit illusorischen, unmoralischen und vielfältig fehlorientierten, das heißt an inadäquaten Hoffnungsgütern ausgerichteten, nicht auf die Wirklichkeit Bezug nehmenden und nicht wirklich vertrauenden „Hoffnungen“ gerechnet werden muss. Hier kann ein weiterer Beleg dafür gefunden werden, Hoffnung als Antizipationsform von Sinn zu begreifen, da sie das entscheidende Medium darstellt, über das Sinnvalenzen, die schließlich moralisch qualifiziert werden können und müssen, handlungsrelevant und handlungspraktisch werden, was sie für moraltheologische Fragestellungen von größtem Interesse sein lässt. Wird daher das finale Hoffnungsgut, also das, worauf menschliches Hoffen letztlich zielt, aus (moral-) philosophischer Perspektive als Höchstes Gut (summum bonum) bestimmt, unter theologischem Blickwinkel als umfassendes Heil oder philosophisch wie theologisch als Glück bzw. Glückseligkeit, so kann unter handlungspraktischer Interpretation vom Sinn gesprochen werden, der erhofft wird. Da der Sinnbegriff eine Kontextkategorie darstellt, können die bisher genannten darunter subsumiert werden, wenn sie - den Strahlen eines Prismas gleich - gebündelt werden auf die Perspektive des in vielfältigen Lebens- und Verstehenszusammenhängen stehenden Handlungssubjekts selbst. 80 Sinn, soll er eine lebenspraktische Bedeutung erlangen, wird in Sinnzusammenhängen erfahren. Wird schließlich das Handlungssubjekt in seinen vielfältigen lebensweltlichen Einbettungen betrachtet, dann als eines, das in seinem Handeln darauf hofft, sogar stärker, das handelnd hofft, Sinn zu realisieren, sein Leben sinnvoll zu gestalten und zu erleben. Wann immer es etwas will, worauf es hofft, dann letztlich dies. Der potentielle Sinn des (höchsten) Guten wird daher erst dann wirklich und konkret, wenn darauf gehofft wird und es damit im Kontext eines (moralisch guten) Sinnzusammenhangs erfahrbar wird und auf diese Weise auch das handlungsleitende System wesentlich berührt wird. Sinn kann daher unter moralischer Perspektive zunächst als die Kontextualisierung, als die Konkretion des Guten bezeichnet werden. Auf die damit notwendig einhergehende Multiperspektivität des Entdeckungs- und Begründungszusammenhangs von human bestimmter Hoffnung ist hinzuweisen, wobei dennoch an einem konsistenten und kohärenten Konzept der einen Hoffnungskategorie festgehalten und diese Einheit der Hoffnung an dem einen Handlungssubjekt expliziert werden soll. Heterogene und einseitig pluralisierte Hoffnungsgüter büßen ihre orientierende und mobilisierende Kraft letztlich ein, wenn sie nicht in das Handlungssubjekt integriert und auf umgreifende Letztziele 81 finalisiert werden, da es ansonsten leicht zu 80 Nicht umsonst zielen auch fundamentaltheologische Letztbegründungsversuche auf die Bedingung der Möglichkeit letztgültigen Sinns, wobei hier nicht vorrangig Handlungssinn gemeint ist, wiewohl dieser nicht ausgeschlossen wird, sondern die bereits erwähnte Sinntotalität, ein allumfassender Sinnzusammenhang. Vgl. etwa VERWEYEN, H., Einführung in die Fundamentaltheologie, Darmstadt 2008, 123ff. 81 SÖREN KIERKEGAARD etwa hat klar gesehen, dass die Unterordnung immer partikulärer Handlungsziele unter ein Letztziel, das die Existenzspannungen, zwischen denen das Dasein sich vollzieht, zu integrieren vermag, von großer Bedeutung ist für den Existenz- und Handlungsvollzug - auch jenseits seiner immer wieder betonten subjektivistischen Wahrheitstheorie: „Im Christentum selbst treffen so große Gegensätze aufeinander, dass zumindest der freie Blick stark behindert ist. […] Es kommt darauf an, meine Bestimmung zu verstehen, zu sehen, was die Gottheit eigentlich will, dass ich tun soll. Es gilt, eine Wahrheit zu finden, die Wahrheit für <?page no="55"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 55 Motivwidersprüchen kommt, in deren Folge Handlungsenergien nicht freigegeben werden und damit dem Einsatz zur Realisierung des Humanum nicht zur Verfügung stehen. „Die Ethik bzw. die ‚Moralphilosophie‘ im engeren Sinne“, dasselbe gilt mindestens genauso für die Moraltheologie, „bleibt unvollständig, wenn sie auf eine anthropologische Reflexion des materialen Gehaltes ihrer Prinzipien verzichtet und Fragen der Grundbedingungen eines im umfassenden Sinne guten, gelungenen oder glücklichen menschlichen Lebens ausklammert.“ 82 Nur unter der Bedingung der erwähnten „Vollständigkeit“ 83 des Blick- und Fragewinkels vermag daher Moraltheologie einen qualifizierten Hoffnungsbegriff auszuweisen, der sich auf genau diese Gehalte bezieht. Unter diesen Prämissen gilt freilich dann auch: „Christliche Anthropologie ist also vom Wesen des Menschen her christliche Futurologie, christliche Eschatologie.“ 84 b) Das Verhältnis von Empirie und Normativität Eine Ethik der Hoffnung und deren anthropologische Fundierung, so wie sie hier angeregt wird, kann als Ausdruck einer „elementaren Theologie“ 85 im Sinne von JÜRGEN WERBICK auf dem Feld der Moraltheologie interpretiert werden. Schließlich geht es auch hier darum, eine „Theologie aus Erfahrung“ 86 zu ermöglichen, die sich dezidiert auf Erfahrungsquellen bezieht, die sie methodologisch auszuweisen in der Lage und bereit ist und die quasi die entsprechenden Wirklichkeiten zur Sprache kommen lassen kann, auf die sie sich zu beziehen versucht und in die hinein sie sich artikulieren will. Mit anderen Worten: Vonseiten der Moraltheologie werden erfahrungsorientierte Zugänge zu ihren Aussagen gesucht und methodologisch ausgewiesen. Deren praktische Bedeutung für das Verständnis menschlicher Handlungsorientierung wird immer noch theoretisch unterschätzt. Moralphilosophie und Moraltheologie haben sich daher in ihren Handlungstheorien argumentativ immer auch an der Autorität der Wirklichkeit selbst messen zu lassen: Contra experientiam non valet argumentum. Ein unsere Vorstellung von Wirklichkeit bedingender Erfahrungsbegriff ist nun seinerseits mindestens dreigliedrig zu bestimmen, wobei der Erfahrungsgrund der Hoffnung sich aus allen drei Erfahrungsaspekten bestimmen lässt: (1) Empirie und Experiment als Elemente der methodisch kontrollierten Erfahrungsgrundlage vieler Wissenschaften. mich ist, die Idee zu finden, für die ich leben und sterben will.“ Vgl. Deutsche Søren- Kierkegaard-Edition - Bd. 1, Journale und Aufzeichnungen. Journale AA - BB - CC - DD, hrsg. von DEUSER, H. / PURKARTSHOFER, R., Berlin 2005, 24. 82 Vgl. REHBOCK, Warum und wozu Anthropologie, 94-95. 83 Dabei ist Folgendes festzuhalten. „Die theologische Anthropologie fügt nicht eigentlich zusätzlich Neues (wenn auch von höchster Wichtigkeit) zu den Sätzen profaner Anthropologien hinzu, sondern sprengt diese in radikaler Weise so auf, dass sie einen ersten und letzten Zugang zu dem einen heiligen Geheimnis ermöglichen, das wir Gott nennen.“ Vgl. RAFFELT, A. / RAH- NER, K., Anthropologie und Theologie, in: BÖCKLE, F. / KAUFMANN, F.-X. / RAHNER, K. / WELTE, B. (Hrsg.), Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft Bd. XXIV, Freiburg im Breisgau 1981, 5-55, hier 49. 84 Vgl. RAFFELT / RAHNER, Anthropologie und Theologie, 44. 85 Vgl. WERBICK, J., Glaube im Kontext. Prolegomena und Skizzen zu einer elementaren Theologie, Zürich 1982, 19-41. 86 Vgl. WERBICK, Glaube, 520-523. <?page no="56"?> IV. Methodologischer Abriss 56 (2) Tradition als historisch gebundene und interpretativ abrufbare Erfahrung. (3) Existentielle Erfahrung, die in der Lebenswelt des Handlungssubjekts angesiedelt ist und mit DIETMAR MIETH 87 in Kontrast-, Sinn- und Motivationserfarungen differenziert werden kann. Methodologisch ist dabei ein Zweifaches wichtig: Einerseits wird Erfahrung in Moraltheologie und Moralphilosophie aufgenommen - empirisch, anthropologisch und strukturell gebunden - und genauso werden andererseits diese Disziplinen, die sich mit der Moralfähigkeit des Menschen beschäftigen, bemüht sein müssen, ihre Aussagen idealiter wieder auf Erfahrung hin zu formulieren, sie mindestens dafür offen zu halten, schließlich ist alle Ethik „theoretische Wissenschaft in praktischer Absicht“ (ARISTOTELES) und das konkrete Handeln die eigentliche Auslegungsperspektive derselben. Es kann daher unter Erinnerung an antike Traditionen, die Ethik immer schon in den Dienst der am Gelingen orientierten Lebenstüchtigkeit gestellt haben, „signifikante Erfahrungen“ in ihre Theoriebildungen aufzunehmen, zu integrieren, aber auch umgekehrt zu ermöglichen und (theoretisch wie praktisch) zu eröffnen, die dabei schließlich eine ethisch-moralische Qualifizierung erfahren. Mit Bezug auf das vorliegende Thema heißt das, Hoffnung letztlich als „Erfahrung mit der Erfahrung“ auszuweisen, als Erfahrung zweiter Ordnung gewissermaßen, die das Erfahrungssubjekt mit aller Erfahrung macht. Hoffnung ist als ein Modus der Erfahrung mit der Erfahrung zu qualifizieren, die hingeordnet ist auf die Erfahrung der heilsamen Nähe Gottes, die wiederum alle Erfahrung unter Etablierung vielfältiger Hoffnungs-Spannungen verheißungsvoll öffnet für die Erfahrung letzter Verbundenheit, letzter Versöhnung in Gerechtigkeit, letzten Gelingens bei Gott selbst. 88 „Erfahrbare Hoffnung“ zeigt sich dabei in heilsamen Zeichen und Symbolen, in therapeutischen, Sinn-Aussicht gewährenden, aufhellenden, vitalisierenden und mobilisierenden Effekten. Moraltheologisch gewendet geht es daher im Sinne einer Rechtfertigungstheorie um Aufrechterhaltung und Erweiterung der Handlungsfähigkeit und um die Erschließung von sinnverheißenden Handlungsmöglichkeiten - bis an die Grenzen des Lebens in Krankheit und Tod und darüber hinaus. Dabei reicht es unter methodologischer Betrachtung gegen den Vorschlag von RALF WÜSTENBERG 89 nicht aus, sich verbal von der „Methode der Korrelation“ 90 abzugren- 87 Vgl. MIETH, D., Die Bedeutung der menschlichen Lebenserfahrung. Plädoyer für eine Theorie des ethischen Modells, in: Concilium 12 (1976), 623-633. 88 Vgl. WERBICK, Glaube, 181, wonach entlang der hier vertretenen Hoffnungstheorie die positive Wirkung christlichen Glaubens an der Freisetzung von Hoffnungen festgemacht werden kann, die die realen Beziehungserfahrungen des Menschen quasi übersteigt und kontrafaktisch auf Gott selbst hin bezieht: „Alle signifikanten Erfahrungen sind Beziehungserfahrungen. Diese Beziehungserfahrungen müssen auf dem Weg zu reifer Beziehungsfähigkeit integriert und geöffnet werden. Der Glaube leistet diese Öffnung, indem er sie auf eine höchste Beziehungserfahrung - die Beziehung mit dem lebendigen Gott - „bezieht“. Daraus folgt: Das Wissen, von dem die Ich-Identität - die menschliche Freiheit - lebt, ist ein „Wissen“ um diese höchste Bezogenheit, wie sie sich in grundlegenden menschlichen Beziehungserfahrungen als mehr oder weniger verdunkelte Verheißung vorweg ereignet. Der Glaube wird dem Menschen in dem Maße hilfreich, als er ihm die grundlegenden Beziehungserfahrungen als Verheißungen aufschließt, ohne sie dadurch in ihrem Eigenwert zu schmälern.“ 89 Vgl. WÜSTENBERG, R., Die politische Dimension der Versöhnung. Eine theologische Studie zum Umgang mit Schuld nach den Systemumbrüchen in Südafrika und Deutschland, Gütersloh 2004. <?page no="57"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 57 zen, wie sie etwa PAUL TILLICH formuliert hat, um unterschiedliche disziplinäre Perspektiven auf ein Erkenntnisobjekt aufeinander beziehen zu können und stattdessen schlicht ein induktives Verfahren entlang der „Korrespondenzfrage“ zu favorisieren, der es an der „Suche nach der Verbindung“ zweier oder mehrerer „Frageebenen“ 91 gelegen ist, so wie es als Minimalprogramm des interdisziplinären Gesprächs gelten kann. Zwar warnt WÜSTENBERG auch vor einer einfachen „Entsprechungsethik“ 92 , aber die entscheidende Frage bleibt schließlich bei ihm offen, wie eine solche Korrespondenz der Frageebenen methodisch kontrolliert vonstatten gehen kann und soll und wie entsprechende Kriterien auszuweisen wären. Auf dem Gebiet der Theorie- und Modellbildung bzgl. Fragen der interdisziplinären Forschung herrscht aus (moral-) theologischer Perspektive nach wie vor eklatanter Mangel, ganz im Kontrast zu dem immer lauter werdenden Ruf danach. Wiewohl das Verhältnis von Empirie und Normativität im Rahmen der moraltheologischen Tradition kaum explizit thematisiert wurde und heute überwiegend als formalabstraktes und damit erkenntnistheoretisches Problem verstanden und damit überwiegend an die Wissenschaftstheorie delegiert wird, existiert ein langes Wissen darum, dass moralische Probleme immer auch normative Probleme und empirische Probleme zugleich 93 sind, da der Mensch ein sinnliches und sittliches Wesen zugleich ist. Damit sind aber nicht allein ethische Begründungsfragen immer auch empirische Fragen, sondern zentrale ethisch-moralische Begriffe und Kategorien sind innerhalb dieser Spannung angesiedelt, besser aufgespannt, da sie sich sowohl durch moralisch-normative Gehalte, als auch durch einen breiten anthropologisch-phänomenologischen Grund auszeichnen - anders wäre wohl auch ihre hohe Handlungsrelevanz nicht plausibel zu machen. Genau dieses Wissen hat der katholischen Moraltheologie bei aller sonst womöglich berechtigten Kritik eine (natural gegründete) Bodenhaftung verliehen; und dieses Wissen ist es auch, das als entscheidender Grund dafür herangezogen werden muss, dass die Dialektik von Empirie und Normativität, oder breiter von Erfahrung und Ethik, eine inkommensurable Verortung innerhalb moraltheologischer Theoriebildungen finden kann und finden muss, zumal alle großen ethisch-moralischen Kategorien daran Anteil (Freiheit, Verantwortung, Gewissen, Handeln, Schuld, etc.) haben und sich somit bereits allein aus der inneren Strukturlogik der entsprechenden Kategorien selbst eine Delegation an andere Disziplinen verbietet; ganz im Gegenteil hätte die Moraltheologie einen reichen kategorialen Schatz zur Aufhellung dieses Verhältnisses zu bieten - wie im vorliegenden Fall anhand der Hoffnungskategorie gezeigt werden soll. So gesehen wird hier auch ein Stück Wissenssoziologie betrieben zum Verhältnis von Normativität und Empirie, womit ein bipolarer Erkenntnisweg hin zu einer integrativen Hoffnungstheorie verbunden ist. Schließlich führen Veränderungen des empirischen Wissens auch zu veränderten Argumentationen im Bereich des Sinnwissens, ebenso wie 90 Vgl. TILLICH, P., Systematische Theologie Bd. I, Stuttgart 7 1981, 65ff. 91 Vgl. RITSCHL, D., Die Herausforderung von Kirche und Gesellschaft durch medizinischethische Probleme, in: Evangelische Theologie 6 (1981), 493. 92 Vgl. WÜSTENBERG, Dimension, 82 und 83, wo der Autor die Korrespondenzfrage für „offener“ erklärt als die Korrelationsmethode, da diese nicht wie jene auf eine Korrelationsontologie, einen ontischen Zusammenhang zwischen Gott und Welt, angewiesen sei, was aber entsprechend der Ursprungshermeneutiken, hier Politikwissenschaft und dort Theologie, auf den ersten Blick auch nicht verwundert. 93 Vgl. MIETH, D., Die Diktatur der Gene. Biotechnik zwischen Machbarkeit und Menschenwürde, Freiburg 2001. <?page no="58"?> IV. Methodologischer Abriss 58 im Bereich des normativen Wissen. Dennoch muss eine Übersetzung, ein wechselseitiger Eintrag möglich sein, ohne Fremdkörper zu sein. Denn es ist der gleiche Mensch unter normativer wie unter empirischer Perspektive, schließlich sind für die vorliegende Fragestellung an den empirischen Bereich dieselben Fragen (induktiv) zu stellen wie an den normativ-moralischen. Auf diese Weise kommt es zu einer konsequenten Verzahnung von Problemgeschichte und Problemaufriss am Anfang und formalem Aufbau der gesamten Abhandlung, respektive Systematisierung, sodass beide bis zum Ende zusammenstimmen und ein kohärentes und homogenes Bild ergeben. Der Ansatz versteht sich als historisch-systematisch-interdisziplinär, wobei der Schwerpunkt auf einer interdisziplinär-systematischen Bearbeitung der Hoffnungskategorie liegt. Diesem thematischen Horizont soll der vorliegende Problemaufriss entgegenkommen, wiewohl er methodisch vor eine doppelte Aufgabe stellt, da zwei verschiedene Wege der Erkenntnisgewinnung grundgelegt sind, philosophisch-theologisch, das heißt spekulativ-geisteswissenschaftlich auf der einen Seite und psychologisch-psychotherapeutisch, d.h. empirisch-humanwissenschaftlich auf der anderen Seite. Beide Erkenntniswege entsprechen in ihrer Dichothomie einem der zentralen methodologischen Probleme jeder Moraltheorie, dem Verhältnis von Empirie und Normativität, systematisch von Sein und Sollen. Die Pole sind zueinander ins Verhältnis zu setzen, um die anvisierte Integration formulieren zu können. Das Verhältnis von Empirie und Normativität kann nun theoretisch-abstrakt auf höchst unterschiedliche Weise bestimmt werden, wobei pars pro toto vier Varianten erwähnt werden sollen, eine ganze Reihe weiterer aber wissenschaftstheoretisch identifizierbar wären: (1) Eine antinomistische Bestimmung hat die Tendenz zu dualistischen Positionen, die die Einheit des handelnden Subjekts aus dem Blick zu verlieren drohen, das sich ja als sinnlich-sittliches Wesen immer zugleich als empirisch-welthaft und unter einem normativen Horizont stehend erlebt. (2) Eine integralistische Lesart kann umgekehrt die Spannung der Pole nicht immer adäquat beschreiben und neigt zu Fehlschlüssen, d.h. dem Versuch, das eine fälschlicherweise aus dem anderen herzuleiten. (3) Eine subjektivistische Bestimmung des Verhältnisses von Empirie und Normativität wird nun dem Objektivitätsanspruch einer Wissenschaft im Allgemeinen und dem Universalisierungsanspruch 94 einer Ethik im Besonderen nicht gerecht und hat die Tendenz zum Panpsychologismus und Subjektivismus. (4) Eine strikt objektivistische Variante scheidet schon aus wissenschaftstheoretischen Erwägungen aufgrund des „Beobachterparadoxons“ aus. Insgesamt ist jede abstrakt-theoretische Beschäftigung mit dem erwähnten Verhältnis u.a. auf die Dichothomie von Subjektivität und Objektivität verwiesen. Vielfältige moralphilosophische und moraltheologische Auswege wurden gesucht: Normativierung, Historisierung, Biographisierung, Narrativierung, Psychologisierung, Relativierung, etc. Statt dieses Problem der Verhältnisbestimmung von Empirie und Normativität theoretisch-abstrakt klären zu wollen, was auf eine strikt erkenntnistheoretische Auseinander- 94 Vgl. dazu etwa WIMMER, R., Universalisierung in der Ethik. Analyse, Kritik und Rekonstruktion ethischer Rationalitätsansprüche, Frankfurt am Main 1980. <?page no="59"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 59 setzung hinausliefe, die an dieser Stelle nicht geführt werden kann, soll hier für ein sachimmanentes Vorgehen plädiert werden. Statt das erwähnte Verhältnis von Anfang an bestimmen zu wollen und daran dann die Dateninterpretation zu messen, sollen im Rahmen des anvisierten Strukturraumes der Hoffnung verschiedene begrifflichkategoriale Linien (induktiv) gezogen werden, die dann am Ende der Arbeit auf Zusammenhänge und Schwerkraftfelder hin untersucht und systematisiert werden sollen. 95 So wird im Folgenden ein Modell des Zueinanders entworfen, das es erlaubt, unter Aufrechterhaltung der Spannung zwischen den beiden Polen eine integrative Hoffnungstheorie zu entwerfen, die auf methodisch kontrolliertem Wege empirisch-humanwissenschaftliche Einsichten aufzunehmen vermag. Ein entscheidender methodologischer Schlüssel - neben ersten Ansätzen eines eigenen Modells - bieten sogenannte Brückenkategorien, die als vermittelnde Kategorien quasi Anteil haben sowohl an vielfältigen Erfahrungsquellen, als auch zugleich zu den Konstituenten des Sittlichen und näherhin Normativen gehören. Diese kennen eine breite naturale Basis und sind zugleich für die moralische Handlungsregulation unverzichtbar. Hoffnung kann als eine solche Brückenkategorie zwischen den Sphären verstanden werden. Eine mögliche philosophische Analogie kann von den hier vorgestellten Brückenkategorien zu den von HANS ALBERT so bezeichneten „Brückenprinzipien“ 96 (etwa „Sollen setzt Können voraus.“) gezogen werden, „die von empirischen auf normative Aussagen schließen lassen“ 97 . Ohne dem von ALBERT vertretenen Dezisionismus folgen zu wollen, kann dennoch in Anlehnung an seine Brückenprinzipien von Brückenkategorien gesprochen werden, die eine ähnliche Aufgabe erfüllen können. Hoffnung ist eine solche Brückenkategorie - mit breiter empirisch-naturaler Basis, wie zu zeigen sein wird, und zugleich mitten in die zentralen Gehalte von Moralität und Normativität hineinreichend, wenn etwa das summum bonum als letzter Grund und höchstes Gut christlicher Hoffnung gelten kann oder das Gute selbst als Hoffnungsfigur zu begreifen ist, oder gar strikt normative Gehalte mit moralisch qualifizierbaren Hoffnungen verknüpft sind - freilich ohne dabei selbst normativ zu werden und ohne streng genommen Normativität zu begründen oder gar einem naturalistischen Fehlschluss aufzusitzen. Dabei ist ein hermeneutischer Zirkel 98 zu beachten, wonach dasjenige interpretiert und integriert werden soll, was eine integrative Theorie zugleich kritisieren und stimulieren können soll. Ethische Reflexion, auch, aber nicht allein in ihren normativen Dimensionen, hat eine Kriteriologie bereitzustellen zur Interpretation von Empirie, denn theoriefreie Empirie gibt es nicht. Diese ist immer nur als interpretierte allererst angeeignet. Umgekehrt muss ethische Reflexion in der Lage sein, sich von empirischen Einsichten in ihren Erkenntnisgegenstand belehren zu lassen. Beide Aussagen stehen erkenntnistheoretisch in einer Spannung, die nicht aufgelöst werden kann, sondern aufrechterhalten 95 Als vergleichbares Vorgehen aus der Psychologie kann auf das statistische Verfahren der Varianzanalyse verwiesen werden, bei der aus einem Koordinatensystem von mathematischen Daten übergeordnete Faktoren extrahiert werden, die in immer höheren Ordnungen abstrahiert und zusammengefasst werden können. Die komplexe Variabilität der Einzel-Daten und Linien wird reduziert auf sogenannte Faktorenladungen und Wertgefüge im Koordinatensystem, die dann wiederum zu Clustern verknüpft werden können, bis dass das bestimmende Prinzip (bei schwerer werdender Interpretation) heraus kristallisiert werden kann. 96 Vgl. ALBERT, H. / TOPITSCH, E. (Hrsg.), Werturteilstreit, Darmstadt 2 1979, 200-236. 97 Vgl. RICKEN, F., Allgemeine Ethik, Stuttgart 4 2003, 56. 98 Vgl. MIETH, D., Moral und Erfahrung Bd. I. Grundlagen einer theologisch-ethischen Hermeneutik, Fribourg 4 1999, 49-57, hier 51. <?page no="60"?> IV. Methodologischer Abriss 60 werden muss. Brückenkategorien sind nun als komplexe Kategorien strukturell so beschaffen, dass sie diese Spannungen in sich abbilden und damit zur Einsichtgewinnung in die eigenen Strukturen die erwähnte methodische Polarität von Empirie und Normativität nicht nur absichern, sondern nachgerade auf sie angewiesen sind. Vom Material- und Formalobjekt einer komplexen Kategorie her soll also ein Sach- und Strukturraum aufgespannt bzw. aufgezogen werden, ein Koordinatensystem der Hoffnung. Diese ist als solche in alle - klassisch gesprochen - Seinsschichten des Menschen involviert bzw. umfasst und beansprucht den ganzen Menschen und hat die integrierte Ganzheit des Menschen und seiner Handlungsorganisation als Referenz vor Augen, indem zu Anfang verschiedene, sich auf den ersten Blick auch widersprechende Entdeckungs- und Begründungszusammenhänge zugelassen werden können. Als Legitimation für dieses Vorgehen kann angeführt werden, dass auch der Mensch als Handlungssubjekt diese Integration erbringen muss, weswegen sie sich im methodischen Vorgehen auch wiederfinden kann, sogar muss. Es handelt sich mithin um einen Raum, in dem die Sache (der Hoffnung) strukturell Vorgaben macht, die dann interdisziplinär auf eine integrative Theorie hin zusammengeführt, auf Konvergenzen untersucht und in diesem Zuge interpretiert werden sollen. Die jeweiligen disziplinären Beschreibungssysteme haben und behalten hermeneutisch zunächst ihre eigene Berechtigung, indem jeweils aus ihnen eine Art (Hoffnungs-) Strukturgitter entworfen wird, die dann im Rahmen eines übergreifenden begrifflichen Koordinatensystems quasi ineinander geschoben werden, um Konvergenzen, systematische Cluster oder auch Leerstellen präzise bestimmbar zu machen und daraus dann strukturelle Grundlinien eines integrativen Modells ableiten zu können. Um diese Aufgabe einlösen zu können, soll nun unter dem Stichwort der Interdisziplinarität das Verhältnis von Empirie und Normativität als einem der zentralen methodologischen Fragestellungen des vorliegenden Projekts einer zumindest abrissartigen Darstellung zugeführt werden 99 . So wird es zur methodisch kontrollierten Bearbeitung einer 99 Vgl. grundlegend zum Verhältnis Ethik und Empirie KORFF, W., Wie kann der Mensch glücken? Perspektiven der Ethik, München 1985, 48-78; KORFF, W., Wege empirischer Argumentation, in: HERTZ, A. et al. (Hrsg.), Handbuch der christlichen Ethik, Bd. 1, aktualisierte Neuauflage, Freiburg im Breisgau 1993, 83-107; ZELINKA, U., Moraltheologie im interdisziplinären Dialog. Zur Rezeption natur- und humanwissenschaftlicher Ergebnisse, in: SCHRAMM, M. / ZELINKA, U. (Hrsg.), Um des Menschen willen. Moral und Spiritualität (FS für BERN- HARD FRALING zum 65. Geburtstag), Würzburg 1994, 81-101. Einen breiten Überblick, v.a. was das Gespräch mit den Sozialwissenschaften angeht, gibt HOLLWEG, A., Theologie und Empirie. Ein Beitrag zum Gespräch zwischen Theologie und Sozialwissenschaften in den USA und Deutschland, Stuttgart 1971. Daneben MIETH, D., Moral und Erfahrung. Grundlagen einer theologisch-ethischen Hermeneutik Bd. I, Fribourg 4 1999, darin: „Empirische“ Grundlagen der Ethik, 42-71; AUER, A., Autonomie und christlicher Glaube, 2. Auflage mit einem Nachtrag zur Rezeption der Autonomievorstellungen in der katholisch-theologischen Ethik, Düsseldorf 1995, darin: Die Rationalität der Wirklichkeit als Grund des Sittlichen, 32-54; KORFF, W., Norm und Sittlichkeit. Untersuchungen zur Logik der normativen Vernunft, Mainz 1974, 76- 112, sowie 131-143. Ferner SCHÖLLGEN, W., Konkrete Ethik, Düsseldorf 1961, 31-45; SCHÜLLER, B., Die Bedeutung der Erfahrung für die Rechtfertigung sittlicher Verhaltensregeln, in: DEMMER, K. / SCHÜLLER, B (Hrsg.), Christlich glauben und handeln. Fragen einer fundamentalen Moraltheologie in der Diskussion, Düsseldorf 1977, 261-286; GRÜNDEL, J., Die Bedeutung der Konvergenzargumentation für die Gewissheitsbildung und für die Zustimmung zur absoluten Geltung einzelner sittlicher Normen, in: SCHEFFCZYK, L. (Hrsg.), Wahr- <?page no="61"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 61 interdisziplinär angelegten integrativen Theorie der Hoffnung darum gehen, eine (wissenschaftstheoretische) Verhältnisbestimmung von Empirie und Normativität ins Zentrum des Interesses zu stellen, näherhin eine kritisch-hermeneutische Ausleuchtung des Zuordnungsverhältnisses von „positiv-kenntnisnehmender und normativ-stellungnehmender Vernunft“ 100 . Es ist dabei zu fragen, in welcher Weise die Theologische Ethik humanwissenschaftliche Erkenntnisse zu respektieren und zu adaptieren hat. Innerhalb des Methodenpluralismus der theologischen wie der philosophischen Ethik, der von logischen, analytischen, empirischen, transzendentalen, bis hin zu phänomenologischen, hermeneutischen und dialektischen Methoden reicht 101 , ist hier allen voran die empirische Methode und deren Voraussetzungen zu klären, um zur Erhellung der empirischen Grundlagen des Handelns in sachgerechter Weise beitragen zu können. Für eine traditionelle Form der Moraltheologie hat dieser Zugang seine klassische Form in der naturrechtlich ausgestalteten Frage nach den objektiven Voraussetzungen sittlichen Handelns gefunden 102 , die ethische Aussagen mitunter aus einer fiktiven, bereits normativ gesetzten Naturordnung heraus glaubte deduzieren zu können und dabei die Uneindeutigkeit, Vielgestaltigkeit 103 und Historizität entsprechender Vorstellungen zu unterschätzen drohte. Ganz abgesehen davon, dass das epistemologische Nadelöhr kantischer Vernunftkritik, etwa die Spannung von Begriff und Wirklichkeit, mitunter geflissentlich umgangen und dabei auf breiter Linie Kombatibilität mit den Erfahrungswissenschaften verloren wurde, die ihrerseits auf der Basis empirischer Forschung und im Medium induktiver Methoden aus Einzelbeobachtungen größere Theoriezusammenhänge und Hypothesen zu rekonstruieren bemüht ist. Der Ehrlichkeit halber muss aber auch zugestanden werden, dass sich das Seinsverständnis unter der Hand immer wieder massiv verändert hat. Konnte etwa noch bei THOMAS ein sinn- und telosorientierter Seinsbegriff vorgefunden werden, verwandelte sich dieser unter dem Einfluss der frühen Neuzeit in eine reine res extensa, die naturwissenschaftlich erforscht werden kann und damit aber den außerordentlich reich angelegten antiken und mittelalterlichen Seinsbegriff unter eine biologisch oder gar biologistisch gedeutete Natur unterwarf, wogegen zurecht opponiert wurde. Nur so konnte es zu den erwähnten Engführungen kommen. Dabei sind die komplexen Vermittlungsverhältnisse und gegenseitigen Korrekturen von Vernunft, Natur, Erfahrung und Offenbarung mit Blick auf eine möglichst umfängliche Würdigung der Wirklichkeit des ganzen Menschen nicht vorschnell abzuschneiden, damit auch die konstruktiven Funktionen des Naturrechtsdenkens 104 nicht aus dem Blick geraten: etwa Herrschaftsbegrenzung, Unbeliebigkeit des menschlichen Selbstumgangs, (moralisch-sittliche) Einheit des Menschengeschlechtes, Beschränkung und zugleich heit und Verkündigung Bd. 2 (FS MICHAEL SCHMAUS zum 70. Geburtstag), München 1967, 1607-1630. 100 Vgl. KORFF, Wie kann der Mensch glücken? , 58. 101 Vgl. LESCH, W., Methoden der Ethik (Art.), in: ROTTER, H. / VIRT, G. (Hrsg.), Neues Lexikon der christlichen Moral, Innsbruck / Wien 1990, 495-501. 102 Vgl. MAUSBACH, J. / ERMECKE, G., Katholische Moraltheologie, Münster Bd. 1 9 1959, Bd. 2 11 1960, Bd. 3 10 1961. 103 Vgl. SCHOCKENHOFF, E., Stärken und innere Grenzen. Wie leistungsfähig sind naturrechtliche Ansätze in der Ethik, in: Herder Korrespondenz 62 (5 / 2008), 236-241. 104 Vgl. BRIESKORN, N., Wofür benötigen wir überhaupt ein Naturrecht? Sinn und Notwendigkeit des Naturrechts aus philosophischer und theologischer Sicht, in: HÄRLE, W. et.al. (Hrsg.), "Vom Rechte, das mit uns geboren ist". Aktuelle Probleme des Naturrechts, Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 2007, 97-126, hier 114ff. <?page no="62"?> IV. Methodologischer Abriss 62 Verankerung von Offenbarungsansprüchen, Wahrung des Selbststandes der Vernunft gegen Naturalisierungen, etc. Insgesamt ist nicht von der Hand zu weisen, dass naturrechtliche Argumente zurecht wieder Boden gewonnen haben, nachdem sie begonnen haben, sich differenziert mit dem neuzeitlichen Autonomieparadigma zu vermitteln und zugleich die naturalen Grundlagen menschlichen Wollens und Handelns philosophisch freizulegen versuchen, dabei insbesondere die Vernunftnatur des Menschen 105 betonen und sich mit den ambivalenten und relativistischen Ergebnissen von Vorstellungen, die glauben bar jedem Essentialismus und ohne fundamentalanthropologische Aussagen auskommen zu können, nicht abfinden mögen und sich daher dem notwendigen Unterfangen stellen, überpositive Moralquellen vernünftig zu plausibilisieren. War die „Natur“ einst noch eingeordnet in einen metaphysischen Ordnungsrahmen, so wurde sie dessen im Rahmen der philosophischen und theologischen Geistesgeschichte spätestens seit der Aufklärung zunehmend entledigt, insbesondere auf dem Rücken der Freiheitsidee und dem Siegeszug der Erfahrungswissenschaften und dem damit radikal veränderten Natur- und Erfahrungsbegriff, aber auch durch mitunter vorschnell gezogene Konsequenzen aus der Reflexion endlicher Vernunft auf ihre eigenen Grenzen, aus der ein „nachmetaphysisches Denken“ 106 einer detranszendentalisierten Vernunft folgen sollte. Heute wird es darum gehen müssen, die „metaphysischen Voraussetzungen einer jeden Wissenschaft“, auch der Ethik, wieder neu ernst zu nehmen, genauso wie die anthropologischen und die naturalen Vorausbedingungen, in die jedes Handeln des Menschen gestellt ist und die schließlich die vielfältigen „Sinnhorizonte“ 107 , um die Sprache ALFONS AUERS zu gebrauchen, zu explizieren vermögen, in denen der Mensch entscheidet und handelt. Historisch gesehen ist mithin der Rekurs auf Empirie im Rahmen ethischen Denkens nicht neu, ganz im Gegenteil sogar; spätestens seit der griechischen Sophistik bis in die jüngste Gegenwart hinein wurden meist unter dem Stichwort „Naturrecht“ Versuche unternommen, materiale Bedingungen und Gesetzlichkeiten des Sittlichen aus dem abzuleiten, was vorgegeben ist und von sich aus wirkt, also dem Wesen und der Natur des Menschen. Unter den Vorläufern moderner Verhältnisbestimmungen von Ethik und Empirie nimmt THOMAS VON AQUIN eine herausragende Stellung ein. Insbesondere seine Lehre von den inclinationes naturales als den „natürlichen Hinneigungen“ der Seele, als empirische Basis aller Moralität verstanden, gewann hier wegweisende Bedeutung. Das solcherart entfaltete Naturrechtsdenken, das in seiner klassischen Form u.a. auch im Rahmen der Beurteilung der circumstantiae, der Umstände einer Handlung, zum Ausdruck kam 108 , ist insofern zentral geworden, als dass THOMAS diese inclinationes als von sich aus wirkende naturale Komponenten menschlichen Handelns begriff (bspw. Selbst- 105 Vgl. unter Rekurs auf THOMAS VON AQUIN BORMANN, F.-J., Natur als Horizont sittlicher Praxis. Zur handlungstheoretischen Interpretation der Lehre vom natürlichen Sittengesetzt bei Thomas von Aquin, Stuttgart 1999. 106 Vgl. HABERMAS, J., Nachmetaphysisches Denken. Philosophische Aufsätze, Frankfurt am Main 1988. 107 Vgl. AUER, Autonomie, 92-95. 108 Vgl. ebd. 39: „Wenn sich die Lehre von der sittlichen Selbstverwirklichung des Menschen nicht im luftleeren Raum abstrakter Spekulationen verlieren soll, muss sie von der realen Gesamtkonstitution des Menschen ausgehen und diese fortwährend im Auge behalten. Die traditionelle Moraltheologie hat dies unter dem Stichwort ‚circumstantiae‘, also in dem Traktat von den ‚Umständen des sittlichen Handelns‘ - wenn auch [...] nicht mit dem nötigen Nachdruck - tatsächlich getan.“ <?page no="63"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 63 erhaltung, Arterhaltung, Vergesellung, Erkenntnisstreben, Transzendenzverwiesenheit) und gerade nicht als vorgegebene Normen einführte. Der Aquinat fasst die „von sich aus im Menschen waltenden ‚natürlichen Hinneigungen‘ als ein empirisches Dispositionsfeld, das der praktischen Vernunft zwar vorgegeben ist und ihre Entscheidungen der Beliebigkeit entzieht, ihr aber zugleich zu normativer Gestaltung aufgegeben bleibt“ 109 . Im gleichen Zusammenhang nennt THOMAS noch ein weiteres Feld empirisch vorgegebener Größen, die nun allerdings den konkreten Prozess der Normfindung und Normgestaltung mit beeinflussen, die sogenannten determinationes. Darunter will er all jene Wirkfaktoren verstanden wissen, die als äußere und zudem ethisch relevante Sachgesetzlichkeiten menschliches Handeln mitbestimmen (müssen), soll es sittlich vernünftiges Handeln sein. Damit sind die wichtigsten aus der moraltheologischen Tradition stammenden empirischen Strukturfelder benannt, die dem Handlungssubjekt und dem Vollzug seiner sittlichen Vernunft vorgegeben sind. Sie stehen allerdings heute unter völlig veränderten Vorzeichen als zur Zeit ihres scholastischen Ursprungs. Nicht nur, dass ein ungeheurer Zuwachs an Erkenntnissen aus klassischen und über Methodenintegration neu entstandenen Disziplinen zu verzeichnen ist, dem eine empirieoffene Ethik kritischkonstruktiv zu begegnen hat, will sie sich die Bedingungsformen menschlichen Gelingens angelegen sein lassen, sondern auch und v.a. ist ein gewandeltes (neuzeitliches) Verständnis von Rationalität und Empirie selber zu rekonstruieren. Dennoch ist eine interdisziplinär arbeitende Moraltheologie bleibend auf einen mindestens schwachen Naturbegriff angewiesen und verwiesen, den es gilt sich philosophisch anzueignen, um nicht in einen Vernunftmonismus zu verfallen, der nicht allein ideologienanfällig ist, sondern auch die Einsichten der Humanwissenschaften zu wenig zu würdigen weiß. Nur so kann unter moral-theologischer Perspektive auch die Geschöpflichkeit des Handlungssubjekts Mensch und der Welt insgesamt ausreichend in den Blick kommen und umgekehrt unter moral-philosophischer oder praktisch-philosophischer Perspektive dem Umstand Rechnung getragen werden, dass jeder Faktizität normative Verbindlichkeiten anhaften. Schließlich stehen wir unserer eigenen (nicht festgelegten) Natur nicht beliebig gegenüber. Unter Empirie wird heute v.a. die durch wissenschaftliche Forschung objektivierte und positiverte Erfahrung bezeichnet, wiewohl entlang den etymologischen Ursprüngen und bis zum Aufkommen exakter Wissenschaften zu Beginn der Neuzeit damit eigentlich die gelebte Erfahrung benannt wurde, die dann allerdings verallgemeinert und in ein metaphysisches Gewand gekleidet wurde, was zu problematischen und empirieresistenten Verfestigungen der daraus abgeleiteten Moralsysteme führte. Denn lange Zeit war die philosophische Ethik nahezu alleiniger Gesprächspartner der theologischen Ethik, wobei die Empirie in diesem zumeist selektiven Prozess der Applikation wie besehen durchaus ihren festen Platz hatte, allerdings im Sinne einer zur Allgemeingültigkeit erklärten und mitunter hypostasierten praktischen Erfahrung des Menschen mit sich und seiner Lebenswelt - noch weit entfernt von den Verfahren exakter Wissenschaft. Damit konnten sich Moraltheologie und Sozialethik als Wissenssysteme von sogenannten prima principia entwickeln, die dann in spezifischen Situationen je neu konkretisiert und exemplifiziert werden konnten bzw. mussten. Mit den Worten DIETMAR MIETHS: „Die philosophische Ethik als praktische Philosophie neigte in ihren Traditionen dazu, aposteriorische Einsichten apriorisch zu deuten und von daher die konkreten Weisungen 109 Vgl. KORFF, Wie kann der Mensch glücken? , 56. <?page no="64"?> IV. Methodologischer Abriss 64 zu deduzieren.“ 110 Es ist also im Kontext der vorliegenden Fragestellung mindestens von einer Doppelsträngigkeit des Empiriebegriffs auszugehen, wenn die historisch gebundene Erfahrung in der Tradition zunächst einmal nachrangig behandelt wird. Demnach kann der Erfahrungsbegriff sowohl für die Erkenntnisse methodisch kontrollierter, experimenteller Wissenschaft, als auch für die Ergebnisse subjektiver, praktisch-evidenter Erfahrungen ausgewiesen werden. Nicht selten kam es in der Folge dieser Entwicklungen zu einer Dichotomisierung, wenn nicht Entgegensetzung der beiden Erfahrungsquellen. Subjektive Erfahrungen wurden bzgl. ihrer Bedeutung in Korrektur der oben erwähnten Entwicklungen mit Misstrauen bedacht und eine Theologische Ethik zusehends von den empirischen Wissenschaften auf der Basis des nun schon gewandelten Begriffs von Empirie (und Rationalität) zur Auseinandersetzung gezwungen, indem sowohl ihre anthropologischen Voraussetzungen, als auch ihre Normbildung dabei kritisiert wurden. 111 Diese Kritik wird im Rahmen des Selbstverständnisses zeitgenössischer theologischethischer Forschung ernst genommen 112 und im Kontext wissenschaftlicher und öffentlicher Diskurse beantwortet 113 , will sie sich nicht dem Verdacht einer Immunisierung aussetzen. 114 Die vorliegende Arbeit wird sich in der Rezeption der für den systematischen Diskurs über die Kategorie der Hoffnung einschlägigen Empirie überwiegend auf humanwissenschaftliche Untersuchungen beschränken (Psychologie, Psychotherapie, Medizin und verwandte Disziplinen), die auf mögliche Strukturbedingungen für die Etablierung und Realisierung von Hoffnung schließen lassen. Diese sollen dann auf strukturelle Entsprechungen mit biblischen und einigen wenigen theologisch-ethischen Beständen der Hoffnungsreflexion untersucht und im Sinne einer Integration auf eine integrale Theorie der Hoffnung geöffnet werden. Auf welcher Basis ist aber diese Integration zu leisten und wodurch legitimiert sie sich, wenn der Gefahr des Zirkelschlusses begegnet werden soll, eine Integration herstellen zu wollen, die dabei schon vorausgesetzt 110 Vgl. MIETH, Moral und Erfahrung Bd. I, 49-50. 111 Neben der schon erwähnten Kritik durch die Ergebnisse empirischer Wissenschaften, die zu würdigen zur selbstverständlichen Aufgabe theologisch-ethischen Denkens geworden ist, kam es auch zu einer rehabilitierenden Reflexion auf die ethische und erkenntnistheoretische Valenz des subjektiven, aber damit noch nicht subjektivistischen Erfahrungsbegriffs für das handelnde Subjekt: Als aktuelles Beispiel kann die Debatte um Freiheit und Determination im Kontext moderner Hirnforschung erwähnt werden, in deren Gefolge gegen den reduktionistischen Determinismus etwa eines WOLF SINGER und GERHARD ROTH die Inkommensurabilität der (subjektiven) 1.-Person-Perspektive angeführt wird; vgl. dazu LÜCKE, U., Zur Freiheit determiniert - zur Determination befreit? Zwischendiagnose zur aktuellen Hirnforschungsdebatte, in: Stimmen der Zeit 9 / 2004, 610-622; SCHOCKENHOFF, E., Wir Phantomwesen. Die Grenzen der Hirnforschung, in: FAZ, 17.11.2003, 31. Für eine grundlagenbezogene Diskussion vgl. MIETH, Moral und Erfahrung Bd. I. und Bd. II. 112 Vgl. KORFF, W., Empirie, theologisch-ethisch (Art.), in: HUNOLD, G.W. (Hrsg.), Lexikon der christlichen Ethik - LThK kompakt, Bd. 2, Freiburg / Basel / Wien 2003, 373-374. 113 Vgl. etwa die kontroversen ethischen Debatten um die Stammzellforschung im ehemaligen nationalen Ethikrat. 114 Vgl. KORFF, Wie kann der Mensch glücken? , 61: „Kritikimmunität der Ethik gegenüber der Empirie lässt Ethik inhuman werden. Eine Vernachlässigung der von den Humanwissenschaften erreichten Einsichten in die Bedingungsformen des Menschlichen führt zu Depravationen, auch wenn diese Bedingungsformen je nur partielle Strukturmomente darstellen, die der weiteren ethischen Integrierung bedürfen und selbst nicht schon das denkbar höchste Maß an sittlicher Zielgestaltung beinhalten.“ <?page no="65"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 65 wird? „Wie kann eine Anthropologie empirisch fundiert und zugleich kritisch gegenüber der Empirie sein? “ 115 Theologische Ethik hat als diejenige theologische Disziplin mit den meisten Kontakten zu anderen Wissenschaften und als sogenannte „integrierende Wissenschaft“ 116 ihr Verhältnis zu den empirischen Wissenschaften in zwei Richtungen zu bestimmen: auf der einen Seite hat sie die umfangreiche empirische Forschung kritisch-konstruktiv aufzunehmen, auf der anderen Seite aber auch einem systematischen Diskurs und damit auch einer fundamentalen Bewertung zuzuführen, ohne dabei in die Dichotomie von empirischer Basis und spekulativem bzw. intelligiblem Überbau zu geraten 117 , denn damit liefe sie Gefahr bei Verlust entsprechender Gewissheiten auch ihre Vernünftigkeit abgesprochen zu bekommen. Anvisiert wird eine empiriebezogene Ethik, die sich auf der einen Seite als systematische Disziplin Vorgaben machen lässt von den einschlägigen Ergebnissen empirischer Forschung selbst, was ihre eigenen Kategorien betrifft und dabei Interdisziplinarität in ihrem normativen Potential ernst nimmt, aber auf der anderen Seite auch jede Form empirischer Daten einer hermeneutischen Interpretation, Bewertung und systematischen Reflexion zuführt. Hier kann von einer doppelten „kritischen Wächterfunktion“ 118 gesprochen werden, nach der weder einer einseitig empirielosen Ethik noch einer ebenso einseitig empiriebestimmten Ethik das Wort zu reden ist. 119 Auf diese Weise kann Moraltheologie als „Integrationswissenschaft“ ausgewiesen werden, womit eine Fachbezeichnung angezeigt wird, quasi eine Aussage über die Disziplin, während die Kombinatorik bzw. Konvergenz eine Methode bezeichnet. Auch wenn im Rahmen der vorliegenden Arbeit überwiegend naturwissenschaftlichempirische Erkenntnisse auf ihre Bedeutung für eine anthropologisch fundierte moraltheologisch-integrale Theorie der Hoffnung hin beleuchtet werden sollen, ist doch im Sinne des bereits erweiterten Empiriebegriffs auch die subjektive Erfahrung in ihrer ethischen Valenz und ihrem kritischen Potential aufzunehmen 120 , zumal ihr die Erfahrung des Sittlichen selbst in ihrer Evidenz zuzurechen ist. Diese ethische Empirie bzw. empirische Ethik des Handlungssubjekts in ihrer bleibenden Hoffnungsstruktur rudimentär zu erschließen, mitunter unter Rückgriff auf naturwissenschaftlich-empirische 115 Vgl. MIETH, Moral und Erfahrung Bd. I , 51. 116 Vgl. SCHÖLLGEN, W., Konkrete Ethik, Düsseldorf 1961, 32-45. Die Bezeichnung der Ethik als integrierende Wissenschaft stammt ursprünglich von W. SCHÖLLGEN und wurde dann von A. AUER, F. BÖCKLE, J. GRÜNDEL, W. KORFF, D. MIETH und H. RINGELING aufgegriffen und ist zum Allgemeingut theologisch-ethischen Argumentierens geworden. 117 Vgl. MIETH, Moral und Erfahrung Bd. I, 52. 118 Vgl. KORFF, Empirie, theologisch-ethisch, 373. 119 An anderer Stelle fasst W. KORFF auf dieser Linie zusammen; vgl. KORFF, Wie kann der Mensch glücken? , 62: „Wenn somit vorher gesagt wurde, dass empirischer Wissenschaft eine unverzichtbare Wächterfunktion gegenüber der Ethik zukommt, dass also ihre sachverhaltsbezogenen empirischen Einsichten zum Prüfstein der humanen Angemessenheit und Richtigkeit handlungsbezogener ethischer Sollensforderungen werden können, so muss jetzt weiter gesagt werden, dass auch die empirischen Aussagen selbst einer ständigen kritischen Prüfung und Kontrolle unterworfen bleiben müssen.“ 120 Vgl. MIETH, Moral und Erfahrung Bd. I, 55: „Die metaphysische Verdinglichung moralischer Einsichten hat uns den Zugang zu ihrer besonderen Qualität der Erfahrung versperrt. Wir verwechseln daher leicht die empirisch-kritische Überprüfung mit der naturwissenschaftlichen Methodologie. Die Identität von Wissenschaft und Empirie ist jedoch nicht selbst selbstverständlich.“ <?page no="66"?> IV. Methodologischer Abriss 66 Erkenntnisse, von denen sie aber immer unterschieden bleibt 121 , kann gerade als Zielsetzung der folgenden Arbeit gelten: „Die ethische Empirie ist nicht die Sinneserfahrung, sondern die Sinnerfahrung.“ 122 Dieser (einseitig) exklusiven Formulierung ist allerdings inklusiv hinzuzufügen, dass die Sinnerfahrung nicht gänzlich unabhängig von der Sinneserfahrung gedacht werden kann, sondern diese in jener tief verwurzelt ist, quasi struktural verbunden ist, weswegen überhaupt nach strukturellen Entsprechungen anhand der Hoffnungskategorie gefragt werden kann. Der Mensch lebt in der Erfahrung des Sittlichen und er vollzieht sich und handelt aus diesen Erfahrungen, so dass die Authentizität des Ethischen auch nicht gegen die Erfahrung im weitesten Sinne (faktenwissenschaftlich-objektiv wie stellungnehmend-sinnorientiert-subjektiv), sondern in und mit dieser Erfahrung gesichert werden kann und muss. So hat die bisherige Kernfrage nach der Zuordnung von Ethik und Empirie auch mit der Frage nach dem Verhältnis von Ethik und Praxis zu tun, das an dieser Stelle aber nicht weiterverfolgt werden kann. Das anvisierte Gespräch muss nun auch vonseiten einer dezidiert theologischen Ethik geführt werden, damit der inkommensurable Bestand moraltheologischer Kategorien an das Wissen der Zeit angebunden wird, aber auch, um den sonst drohenden Übergriffen der anderen Disziplinen 123 kritisch-konstruktiv begegnen zu können. Die für den theologisch-ethischen Diskurs besonders relevanten Humanwissenschaften sind dabei längst nicht mehr als ancilla theologiae, als Hilfswissenschaften theologischer Reflexion zu betrachten (bzw. zu missbrauchen), sondern sind in ihrer Autonomie als Dialogpartner auf der Suche nach einem vertieften Verständnis der Wahrheit menschlicher Wirklichkeit nicht nur ernst zu nehmen, sondern notwendige und unverzichtbare Voraussetzung 124 . In diesem Verständnis steht Interdisziplinarität selber unter normativem Vorzeichen, ist ihrerseits ein normativer Prozess, indem sie einen spezifischen Impetus zur Bewältigung der anstehenden Aufgaben setzt. Es lassen sich nun im Rahmen der bisherigen Ausführungen mit UDO ZELINKA 125 paradigmatisch mehrere Konkretionen einer möglichen interdisziplinären Annäherung von Ethik und Empirie ausmachen: 121 Vgl. ebd. 56, der von verschiedenen empirischen Dimensionen jenseits des Basis-Überbau- Schemas spricht. 122 Vgl. ebd. 55. Er schreibt direkt weiter: „Empirisch im Sinne der anthropologischen Ethik ist die geschichtliche und praktische Erfahrung; empirisch im Sinne der Humanwissenschaften ist die Einsicht in die Genealogie moralischer Verhaltensweisen und in die Handlungsdispositionen und Antriebsgefüge menschlichen Verhaltens.“ 123 Vgl. im Ansatz lobenswert aber einseitig pragmatistisch WAGNER, R.F., Ein integratives Menschenbild einer an ethischen Dimensionen orientierten Allgemeinen Psychotherapie, in: WAGNER, R.F. / BECKER, P., Allgemeine Psychotherapie. Neue Ansätze zu einer Integration psychotherapeutischer Schulen, Göttingen 1999, 43-73. 124 Umgekehrt gilt es natürlich auch von den empirisch arbeitenden Wissenschaften, ein kritisches Verhältnis den je eigenen Grenzen gegenüber zu erwarten, um die eben erwähnten Übergriffe zu vermeiden, sonst wird aus Psychologie Psychologismus, aus Soziologie Soziologismus, aus Biologie Biologismus, etc. und aus Wissenschaft Weltanschauung. Damit wird aus dem (notwendigen) methodischen Pluralismus der Disziplinen ein monistischer Reduktionismus, der in unangemessener Weise meint begründete Aussagen über das Ganze der Wirklichkeit machen zu können. 125 Vgl. ZELINKA, U., Moraltheologie im interdisziplinären Dialog. Zur Rezeption natur- und humanwissenschaftlicher Ergebnisse, in: SCHRAMM, M. / ZELINKA, U. (Hrsg.), Um des Menschen willen. Moral und Spiritualität (FS für BERNHARD FRALING zum 65. Geburtstag), Würzburg 1994, 96-101. <?page no="67"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 67 Abbildung 1 Klassische Methoden der Interdisziplinarität zwischen Ethik und Empirie Mitunter trennt die Nomenklatur zwar sprachlich, was aber eine partiell ähnliche Programmatik umfasst. Hier soll nun unter dem Vorzeichen der Integration für eine interdisziplinäre Kombinatorik bzw. Konvergenz (von Begriffsaspekten in Kategorien) votiert werden. Ein Dialog (1) zwischen Tatsachenwissenschaften und Theologie im weitesten Sinne setzt ein Postulat der Gegenseitigkeit voraus, wie es das Vatikanum II festgestellt hat, wenn es den säkularen Wissenschaften Kompetenz und Autonomie für die Erforschung der Wirklichkeit zugesteht. 126 Dialog meint aber nicht nur selektive unkritische Verwertung von Erkenntnissen, sondern einen Diskurs, der das materiale Einbringen der je eigenen Sichtweise voraussetzt und im Geiste kritischer Solidarität stattfindet. Den empirischen Wissenschaften kommt dabei u.a. eine Kompetenz zur Normkritik und Normfindung zu. Die weiter unten noch ausführlicher dargestellte von W. KORFF so bezeichnete Methode der Kombinatorik (2) will v.a. der vielschichtigen Konditionierung und Disponierung menschlichen Handelns Rechnung tragen, indem der Ethiker als „Schüler der Empirie“ 127 das Bedingungsfeld humanen Könnens zu verstehen sucht und dabei in die Gegenstandswahrheiten der empirisch arbeitenden Wissenschaftler inhaltlich gefüllte Leitvorstellungen einträgt und damit die (empirischen) Vorgegebenheiten überschreitet und deutet 128 . Eine Synopse humanwissenschaftlicher Erkenntnisse und anthropologischer Sinneinsichten im Sinne einer Integration (3) vor Augen, hat Theologische Ethik darüber hinaus den Versuch unternommen, aus der Polyvalenz empirischer Daten jene Erkenntnisse herauszugreifen, die von grundlegender Bedeutung für menschlichen Freiheits- und Handlungsvollzug sind. In ähnlicher Diktion, nur stärker auf den Prozess der interdisziplinären Theoriebildung fokussiert, hatte es sich die kombinatorische Methode (4) angelegen sein lassen, auf die Pluriformität menschlicher Erfahrung bzw. der Pluralität der Erfahrungsquellen zu antworten. 129 126 Vgl. GS 36 und 40. 127 Vgl. ZELINKA, Moraltheologie im interdisziplinären Dialog, 98. 128 Vgl. dazu auch DEMMER, K., Deuten und Handeln. Grundlagen und Grundfragen der Fundamentalmoral, Fribourg 1985, 136. „Empirische Daten liefern unverzichtbare Hinweise für ein Leben gemäß den eingebrachten Leitvorstellungen. Sie geben zu denken. Sie werden aufgenommen, entschlüsselt und deutend eingesetzt.“ 129 Das von B. SCHÜLLER ins Gespräch gebrachte Modell der Funktionenteilung (5) ergänzt die Argumentation nur formal, sodass an dieser Stelle auf eine Besprechung verzichtet wird. Klassische Methoden der Interdisziplinarität zwischen Ethik und Empirie 1. Dialog 2. Kombinatorik 3. Integration 4. Konvergenz 5. Funktionenteilung <?page no="68"?> IV. Methodologischer Abriss 68 Entlang dieses nun erweiterten Verständnisses von Interdisziplinarität, aus dem nicht nur eine Erweiterung organisatorischer Strukturen folgt, sondern das in seinen Folgen auch methodologisch integriert sein will, soll hier über eine bloß punktuelle Zusammenarbeit der Einzelwissenschaften hinaus für eine generelle interdisziplinäre „Kombinatorik“ 130 unterschiedlicher Einsichten plädiert werden. Nur so kann es zu einer grundsätzlichen Etablierung einer Form von Interdisziplinarität kommen, die der ihr inhärenten Ethosstruktur gerecht zu werden vermag, in dem sie in ihrer eigenen Normativität, die reflexiv und argumentativ freizulegen ist, einen fundamentalen Beitrag leistet zur Bewältigung der ausstehenden wissenschaftlichen Desiderate 131 . Das von W. KORFF 132 und G. W. HUNOLD 133 ins Gespräch gebrachte Phänomen der interdisziplinären Kombinatorik lässt sich nun in zwei Richtungen verstehen, zum einen als die Fusionierung unterschiedlicher wissenschaftlicher Einzeldisziplinen zu je neuen eigenständigen Disziplinen, quasi ein Vorgehen kombinatorischer Wissenschaft, zum anderen aber auch den Prozess kombinatorischer Theoriebildung selber, indem jenseits von Disziplinenordnung und ideologischer Engführung den materialen und empirisch zugänglichen Bedingungszusammenhängen menschlichen Handelns auf eine „universelle handlungsleitende Integrationstheorie“ 134 der Ethik hin Rechnung getragen wird: „Ihr Anspruch geht [ ... ] dahin, aus der Vielfalt dieser Einsichten jene aufzufinden und ins Zentrum der ethischen Reflexion zu rücken, denen im Hinblick auf das Gesamtsystem menschlich-sittlichen Handelns funktionale Schlüsselbedeutung zukommt und die so als empirische Ausgangspunkte für eine universelle handlungsleitende Theorie elementare, maßsetzende Relevanz besitzen.“ 135 Der Kategorie der Hoffnung kommt diese Schlüsselbedeutung zweifelsohne zu, weshalb sie hier ins Zentrum der theologisch-ethischen Reflexion gerückt und auf die ihr eigenen empirischen Ausgangspunkte befragt werden wird. Die Einsicht in die notwendige Kombinatorik von Einzelwissenschaften 136 zur Etablierung authentischer Interdisziplinarität wird aber erweitert und fortgeführt, quasi um 130 Vgl. zur Methode der Kombinatorik KORFF, W., Wege empirischer Argumentation, in: HERTZ, A. et al. (Hrsg.), Handbuch der christlichen Ethik, Bd. I, aktualisierte Neuauflage Freiburg 1993, 83-107, besonders 96ff. 131 UDO ZELINKA schreibt zu den Aufgaben des interdisziplinären Gesprächs überblicksartig: „Das interdisziplinäre Gespräch hat mehrerer Funktionen. Es dient dem Informationsaustausch, der Positionsbestimmung, der wechselseitigen Kritik und damit zugleich der umfassenden Ausleuchtung der Wirklichkeit. Beiden Dialogpartnern kommen konstruktiv-kritisierende Aufgaben zu. Die den Empiriker begleitende kritisch-solidarische Rolle der Theologie setzt dort ein, wo aus Einzelperspektiven eine Gesamtweltanschauung konstruiert wird, wo also die empirische Aufgabe einer möglichst objektiven Erfassung der Wirklichkeit überschritten wird. [...] Der Natur- oder Humanwissenschaftler muss demgegenüber eingreifen, wo (moral-) theologische Argumentation auf falschen naturwissenschaftlichen Voraussetzungen aufbaut.“ Vgl. ZELINKA, Moraltheologie im interdisziplinären Dialog, 93. 132 Vgl. KORFF, Wege empirischer Argumentation, 83-107. 133 Vgl. anhand der Kategorie der Identität HUNOLD, G.W., Identitätstheorie. Die sittliche Struktur des Individuellen im Sozialen, in: HERTZ, A. et al. (Hrsg.), Handbuch der christlichen Ethik, Bd. 1, aktualisierte Neuauflage, Freiburg im Breisgau 1993, 177-195. 134 Vgl. KORFF, Wie kann der Mensch glücken? , 66. Eine andere Formulierung spricht dort auch von einer „handlungsbezogenen Logik des Ganzen“. 135 Vgl. ebd. 66-67. 136 Vgl. ausführlich ebd. 65: „Der Wert solcher Kombinatorik liegt offensichtlich darin, dass hier der Isolierungstendenz empirischer Einzelwissenschaften durch Applikation empirischer Methoden anderer Disziplinen entgegengewirkt wird. Unterschiedliche Gegenstandbereiche und <?page no="69"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 69 das „Wie“ dieser Kombinatorik konkretisiert werden müssen. Dabei kommen mehrere methodisch kontrollierte Möglichkeiten in Betracht, die hier nur erwähnt und deren systematische Entfaltung nur perspektivisch geöffnet werden kann, um anderenorts entwickelt zu werden: Auf der einen Seite ist der Versuch eines Abgleichs der entsprechenden biblischen Vorgaben mit empirischen Ergebnissen und mit den Erträgen aus philosophisch-theologischer Arbeit auf „Kategoriengemeinschaft“ 137 denkbar. Dabei werden Kategorien unterschiedlicher Provenienz kriteriologisch kontrolliert auf Deckungsgleichheit untersucht, wobei eine dezidierte moraltheologische Applikation noch aussteht. Auf der anderen Seite steht der Versuch einer „Konvergenzargumentation“ 138 auf der Basis einer Pluralität der Erfahrungsquellen zur Diskussion. Die auf J.H. NEWMAN zurückgehende und beispielsweise von J. GRÜNDEL 139 und J. DE VRIES wieder aufgegriffene Konvergenzargumentation setzt ihre Beweiskraft auf eine „Konvergenz vieler Gründe“, die aber nicht durch einzelne Gründe, sondern nur zusammengenommen entfaltet werden kann. Erreicht werden kann mit dieser Konvergenz der Gründe nur eine hypothetische, keine absolute Gewissheit, da die Möglichkeit des Gegenteils nicht notwendig ausgeschlossen werden kann. Beide methodisch kontrollierten Wege versuchen also auf der Basis einer interdisziplinären Sichtung einschlägiger (empirischer) Ergebnisse unterschiedlicher wissenschaftlicher Provenienzen Strukturanalogien zu erheben und diese in einem spezifischen kombinatorischen Geschehen für den systematischen, hier theologisch-ethischen Diskurs zu öffnen und verwertbar zu halten. Die vorliegende Arbeit will daher der Unüberschaubarkeit des Wissenschaftsfortschrittes an einer Zentralkategorie theologischen Denkens - der Hoffnung - begegnen, indem auf der Basis eines möglichst umfänglichen Zugriffs auf empirisch-psychologische bzw. psychotherapeutische Literatur ein Strukturgitter erfahrungswissenschaftlich erhebbarer Koordinaten der Hoffnung entworfen wird, das in Verbindung mit problemorientiert erhobenen Beständen traditionell biblischer Art und einigen philosophisch-theologischen Einlassungen zur Hoffnungsreflexion auf eine kombinatorische Integration hin geöffnet wird, um eine moraltheologische Systematisierung einer integralen Theorie der Hoffnung als Basiskaunterschiedliche Fragestellungen werden so gegeneinander durchlässig. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass auf diesem Wege Zusammenhänge durchschaubar gemacht werden können, die gegebenenfalls für menschliches Handeln neue Kriterien liefern, indem sie das komplexe Bedingungsgefüge sowohl naturaler als auch spezifisch menschlicher Gesetzlichkeiten in der Vielfalt ihrer tatsächlichen partiellen Überformungen und Verschränkungen aufdecken. Ihre jeweilige Grenze bleibt ihnen freilich mit dem Tatbestand gesetzt, dass auch sie sich wiederum, trotz der ihnen je eigenen fächervermittelnden Struktur, als empirische Einzelwissenschaften verstehen, die zwar eine gegebenenfalls durchaus kritisch übergreifende Funktion auszuüben vermögen, als solche aber in keiner Weise schon auf eine handlungsbezogene Logik des Ganzen zielen.“ 137 Vgl. als aktuelles Beispiel aus sozialethischer Perspektive anhand der Kategorie der Versöhnung WÜSTENDORF, R.K., Die politische Dimension der Versöhnung. Eine theologische Studie zum Umgang mit Schuld nach den Systemumbrüchen in Südafrika und Deutschland, Gütersloh 2004. 138 Vgl. FRIES, H. „Konvergenzargumentation“ (Art.), in: LThK 2 VI, Freiburg im Breisgau 1961, 517-518; OLLIG, H.-L., Konvergenzargumentation (Art.), in: HUNOLD, G.W. (Hrsg.), Lexikon der christlichen Ethik Bd. 2 - LThK kompakt, Freiburg / Basel / Wien 2003, 1001-1002. 139 Vgl. GRÜNDEL, J., Die Bedeutung der Konvergenzargumentation für die Gewissheitsbildung und für die Zustimmung zur absoluten Geltung einzelner sittlicher Normen, in: SCHEFFCZYK, L. (Hrsg.), Wahrheit und Verkündigung Bd. 2 (FS MICHAEL SCHMAUS zum 70. Geburtstag), München 1967, 1607-1630, insbesondere 1625-1630. <?page no="70"?> IV. Methodologischer Abriss 70 tegorie des Handlungssubjektes zu ermöglichen. Diese Konzeption ließe sich kohärent und konsistent fortführen durch die Entwicklung erster Bausteine einer sogenannten konsiliaren Ethik, einer Ethik der Beratung auf der Basis der Vermittlung von Hoffnung auf Sinn, die aber im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zum Zuge kommen kann. Ohne Fragen der Letztbegründung von Ethik gänzlich ausklammern zu wollen, wie sie sich v.a. im Kontext postmoderner Subjektkritik in jüngster Zeit für eine Theologische Ethik wieder vermehrt stellen 140 und denen unter Aufnahme transzendentaler Freiheitsanalysen 141 mit einer subjektzentrierten, personorientierten und freiheitsverfassten, d.h. auch verantwortungsbewussten Konzeption Theologischer Ethik zu antworten wäre, soll in der hier anvisierten Arbeit induktiv vorgegangen werden. Die empirischen Strukturgesetzlichkeiten der Hoffnung als Antizipationsform von Zukunft - wie sie derzeit greifbar sind - sollen exemplarisch aufgenommen und für den systematisch-ethischen Diskurs im Dienste einer anthropologisch fundierten Theorie der menschlichen Hoffnung fruchtbar gemacht werden. Theologische Ethik ist dabei als eine „handlungsleitende Sinnwissenschaft im Dienste einer Metaphysik der Lebensdeutung“ 142 zu verstehen, die es sich angelegen sein lässt, die Voraussetzungen der Ermöglichung von Lebenssinn zu reflektieren. In diesen Kontext ist die hier anvisierte Arbeit einzuordnen, wenn nach den Strukturgesetzlichkeiten des Vollzugs von Hoffnung als einer Antizipationsform von Sinn gefragt wird und deren Bedeutung für eine Handlungspraxis erhellt werden soll. Soll der Anspruch der hier anvisierten kombinatorischen Theoriebildung eingelöst werden, die Bedingungs- und Strukturgesetzlichkeiten der sittlichen Vernunft menschlichen Handelns anhand der Kategorie der Hoffnung zu erhellen, so ist diesem Verfahren ideologiekritisches Potential eigen, indem Verabsolutierungstendenzen einzelner Wissenschaften 143 entgegen gewirkt wird durch methodisch kontrollierte Überwindung von Disziplingrenzen 144 im Sinne einer „anthropologischen Integrierung“ 145 auf das Ganze 140 Vgl. DEMMER, K., Moraltheologische Methodenlehre, Freiburg i. Ue. 1989. 141 Vgl. anhand eines transzendentalen Freiheitsdenkens PRÖPPER, T., Autonomie und Solidarität. Begründungsprobleme sozialethischer Verpflichtungen, in: Ders., Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik, Freiburg / Basel / Wien 2001, 57-71. 142 Vgl. ARNTZ, K., Melancholie und Ethik. Eine philosophisch-theologische Auseinandersetzung mit den Grenzen sittlichen Subjektseins im 20. Jahrhundert (ratio fidei 11), Regensburg 2002. 143 Schon im Vorfeld grober Grenzverletzungen vonseiten empirischer Wissenschaften durch einseitiges Ausblenden, Isolieren und verallgemeinerndes Extrapolieren von Erkenntnissen können implizite Moralvorstellungen sublim legitimiert werden, wogegen moraltheologische Forschung aufdeckend und kritisierend vorzugehen hat: „Die empirischen Wissenschaften sind bei ihrer Faktenfeststellung von den Gegebenheiten abhängig. Insofern sind sie auch von den in diesen Gegebenheiten implizierten moralischen und unmoralischen Verhältnissen abhängig. Sie stehen in der Gefahr, durch ihr positives Verfahren die Gegebenheiten zu legitimieren oder aber vorgängige Wertungen in ihren Fakten zu bestätigen.“ Vgl. MIETH, D., Moral und Erfahrung. Grundlagen einer theologisch-ethischen Hermeneutik Bd. I , Freiburg i. Ue. 4 1999, 54. 144 Vgl. KORFF, Wie kann der Mensch glücken? , 75. „Dieses als solches durchaus legitime und notwendige Vorgehen aber führt überall dort zu Ideologien, wo entweder eine einzelne empirisch gewonnene Sachverhaltseinsicht überinterpretiert und zum umfassenden Deutungsschlüssel aller sich zeigenden Strukturgesetzlichkeiten erhoben wird (Ein-Faktor-Theorien) oder aber wo die Vernunft der eruierten Sachstrukturen - ihre ethische Relevanz also - mit dem über jegliche Strukturgesetzlichkeit hinausweisenden Grund des ethischen Anspruchs selbst gleichgesetzt wird.“ 145 Vgl. AUER, A., Autonomie und christlicher Glaube, 2. Auflage mit einem Nachtrag zur Rezeption der Autonomievorstellungen in der katholisch-theologischen Ethik, Düsseldorf 1995, 48ff. <?page no="71"?> 2. Der handelnde Mensch zwischen Empirie und Normativität 71 menschlicher Handlungslogik 146 hin. Eine solcherart kombinatorisch arbeitende Theologische Ethik hat sich ihrerseits zweier Versuchungen beständig zu erwehren. Auf der einen Seite hat sie die zweifellos (im empirischen Zugriff) erkannten funktionalen Aspekte der Wirklichkeit niemals ohne ihre materialen Sinn- und Wertstrukturen zu beachten, denn gerade sie begründen ihre ethische Bedeutsamkeit. Darüber hinaus hat sie schließlich der Versuchung entgegenzutreten, diese „ethische Bedeutsamkeit der materialen Strukturen mit dem Grund und Anspruch des Ethischen selbst koinzidieren“ 147 zu lassen, das nämlich würde sie ihrer eigenen sinnbezogenen Autorität und Authentizität berauben. Denn die Frage nach einer moraltheologischen Integration humanwissenschaftlicher Erkenntnisse verweist in ihrer letzten Zielperspektive auf den Grund der Sittlichkeit überhaupt, auf den Grund jeglicher Ethik, letztlich auf das Humanum, das begründungstheoretisch nicht anders als transzendental ausgewiesen werden muss 148 . Von diesem Grund des humanen, sittlichen Selbstvollzugs als Bedingung der Möglichkeit jeglichen Handelns 149 kann die anvisierte Fragestellung nicht absehen, will sie einer zirkulären Argumentation 150 oder einem infiniten Regress entgehen. Eine diesbezüglich spezifische kombinatorische Kriteriologie wird erst noch entwickelt werden müssen. Schließlich ist dabei zu fragen, wodurch die Strukturanalogien und Deckungsgleichheiten zwischen den Fächern bzgl. der Hoffnungsthematik zustande kommen, zumal die dabei erhobenen Erkenntnisse nicht allein in einer tugendethisch angelegten Theorie der Hoffnung aufgehoben werden können, sondern auf strukturelle Dispositionen im Kontext transzendental-anthropologischer Fragen nach der Wahrheit des Menschen 151 verweisen, auf denen dann die Theologie aufbauen kann. Hoffnung ist in diesem Zusammenhang als spezifisch menschliche Dimension und als ethische Kategorie - aber mit empirischem Anhalt und Gehalt - auszuweisen. Diejenige Form der Moraltheologie, die sich solcherart auf das „Bedingungsfeld empirischer Sachverhalte“ 152 einlässt, was die Kategorie der Hoffnung betrifft, wird mit Recht als „induktivische“ Disziplin zu bezeich- und 189ff., wo er davon ausgeht, „dass es jenseits oder auf dem Grunde der humanwissenschaftlich-empirisch fassbaren Sachverhalte einen umgreifenden Sinnverhalt gibt, der die Grundwerte des Menschseins umgreift“. 146 Vgl. MIETH, Moral und Erfahrung Bd. I, 53, der als Zielperspektive „die Herstellung einer hypothetischen Integrität des Menschen durch die kritische Relation aller Teilaspekte“ vor Augen hat, womit er ein ständig kritisierbares und ergänzbares und damit eben auch hypothetisches Fließgleichgewicht der Einsichten als mögliche Basis ethischer Aussagen meint, wobei er eine Kriteriologie zur kontrollierten Herstellung dieser Integrität nach wie vor vermissen lässt. 147 Vgl. KORFF, Wie kann der Mensch glücken? , 77. 148 Vgl. ebd. 78, der diese Linie dezidiert theologisch weiterführend zusammenfasst: „Glaubensgeleitete Vernunft bleibt zur Einbringung der materialen Fülle des Humanen auf den Dienst der Humanwissenschaften verwiesen. Wie aber sollten umgekehrt die Humanwissenschaften diese materiale Fülle als Weggestalt des Humanen vor dem Forum der humanen Vernunft auf die Dauer offen halten, wenn nicht die Theologie zugleich die vom Menschen selbst uneinholbare Zielgestalt des Humanen vor Gott offen hält.“ 149 Vgl. dazu auch PRÖPPER, T., Autonomie und Solidarität. Begründungsprobleme sozialethischer Verpflichtungen, in: Ders., Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik, Freiburg / Basel / Wien 2001, 57-71. 150 Vgl. dazu die Argumentation weiter oben im Text. 151 Vgl. HUNOLD, G.W., Wege transzendental-anthropologischer Argumentation, in: HERTZ, A. / KORFF, W. / RENDTORFF, T. / RINGELING, H. (Hrsg.), Handbuch der christlichen Ethik, 3 Bde. Freiburg 1978-1982, aktualisierte Neuauflage 1993, 46-67. 152 Vgl. KORFF, Empirie, theologisch-ethisch, 373. <?page no="72"?> IV. Methodologischer Abriss 72 nen sein, wobei damit in das Selbstverständnis der Ethik selber vorgestoßen wird, sodass es um nichts Geringeres als um einen „neuen Typus von Ethik“ 153 geht. Damit sind neue Impulse für das (inter-) disziplinäre Selbstverständnis Theologischer Ethik als Moraltheologie gewonnen, die auf den verschiedensten Feldern ethischer Forschung fruchtbar gemacht werden können. 154 3. Hermeneutische Prämissen Die Hoffnungskategorie wird in den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Diskursen durchweg als zentral hervorgehoben und regelrecht beschworen, aber als höchst flüchtige Größe in ihren Konstitutionsbedingungen nur marginal bedacht. Genau in diese Leerstelle stoßen die Arbeiten der vorliegenden Studie, die vertieft und weitergeführt zu werden verdienen, indem systematisch diejenigen Hoffnungsstrukturen aufgedeckt werden, die sich im Hinblick auf das Handlungssubjekt und im interdisziplinären Kontext philosophisch-theologischer Erwägungen und psychologisch-psychotherapeutisch-humanwissenschaftlicher Erkenntnisse eruieren lassen. Es soll dabei nicht vordergründig um eine neue Theologie der Hoffnung gehen, im Sinne einer dogmatischen Erörterung, sondern um Strukturen humaner Hoffnungskonstitution im Nahraum menschlichen Selbstumgangs bzw. menschlicher Handlungsorganisation, wobei ein dezidiert systematisch-interdisziplinärer Fokus eingenommen werden soll, was als Desiderat der aktuellen moraltheologischen Forschungslandschaft betrachtet werden kann. Entlang der vorliegenden Perspektivierung ist nun zu fragen, worauf die Kategorie der Hoffnung handlungspraktisch „Antwort“ zu geben versucht, was mithin die eigentliche „Frage“ ist, auf die hin sie verstehbar gemacht werden kann. Soll Hoffnung also strukturell und handlungspraktisch im Zuge eines interdisziplinären Gesprächs verstehend angeeignet werden, ist daher diejenige „Frage“ im hermeneutischen Prozess zu rekonstruieren, in deren Gegenüber sie als „Antwort“ Geltung beansprucht. 155 Die entscheidende hermeneutische Frage lautet daher im vorliegenden Zusammenhang schlicht: Worauf „antwortet“ eine Ethik der Hoffnung im Prinzip und im Detail? Insbesondere, wenn sie integrativ im Gespräch mit den Humanwissenschaften gewonnen und sowohl handlungstheoretisch wie handlungspraktisch fokussiert ist. Wenn darüber hinaus Her- 153 Vgl. KORFF, Wie kann der Mensch glücken? , 66. 154 Insbesondere ist an die anthropologische Fundierung (moral-) theologischer Begrifflichkeiten zu denken. Hier herrscht nach wie vor eklatanter Mangel an fundierten Versuchen. 155 Vgl. GADAMER, H.-G., Wahrheit und Methode, Tübingen 1965, 352. „Wer verstehen will, muss also fragend hinter das Gesagte zurückgehen. Er muss es als Antwort von einer Frage her verstehen, auf die es Antwort ist. […] In Wahrheit kann man einen Text nur verstehen, wenn man die Frage verstanden hat, auf die er eine Antwort ist.“ Wiewohl GADAMER hier vom Verstehen von Texten spricht, kann die Methode sehr probat auf den vorliegenden Kontext übertragen werden, wenn vom „Text“ menschlicher Handlungswirklichkeit ausgegangen wird, den es zu entziffern gilt. Eine für die aktuelle Fragestellung entscheidende Differenzierung formuliert GADAMER gegen R.G. COLLINGWOOD, an den er eigentlich in seiner philosophischen Hermeneutik anknüpft, wenn er zwischen der „Frage, auf die der Text eine Antwort sein sollte“ und der „Frage, auf die er eine Antwort ist“ unterscheidet. Auch hier findet sich mithin die Unterscheidung von Faktizität und Normativität wieder, nachgerade im Verstehensprozess selber, was für die hermeneutische Entzifferung von Hoffnungsstrukturen von großer Bedeutung ist, da sich die Spannung der beiden Pole in der Kategorie selbst abgebildet wiederfinden lässt, wie zu zeigen war. <?page no="73"?> 3. Hermeneutische Prämissen 73 meneutik gemäß ihrem systematischen Selbstverständnis als „zirkuläres Sinn- Verstehen“ 156 betrachtet wird, dann wird ihr daran gelegen sein, die „hermeneutische Differenz der Horizonte“ von verstehendem Subjekt und zu verstehendem Objekt sinnerschließend zu überbrücken, wobei der Verstehensvollzug im vorliegenden Fall der Hoffnung eine besondere Brisanz enthält, und zwar nicht allein, weil auch hier immer schon anwesende Vorverständnisse quasi antizipiert werden müssen, sondern insbesondere, weil das zu erschließende Objekt, die Hoffnungskategorie in ihren handlungspraktischen Strukturen, selbst ein Horizontbegriff ist, seinerseits dem menschlichen Handeln allererst einen Deutungsrahmen zur Verfügung stellt, der die entscheidenden semantischen Kategorien zur Interpretation, Transzendierung und motivierten Transformation von Wirklichkeit je neu bereit hält. Damit wird ein neuer hermeneutischer Zirkel eröffnet, der nach dem „Rahmen des Rahmens“ zu fragen hat. Dieser Zirkel ist nicht auflösbar, insbesondere wenn der Kontext, in dem Hoffnung im Rahmen (moral-) theologischer Spekulationen verhandelt wird, maximal ausgedehnt wird und nach Grund und Sinn von berechtigter Hoffnung für das ganze menschliche Leben, das ganze Menschengeschlecht und der Welt insgesamt gefragt wird. Hier kommt der klassische hermeneutische Verstehens-Zirkel an seine Grenze und die Angewiesenheit auf andere Verstehenshilfen zeigt sich, die dann offenbarungstheologisch, essentialistisch, (fundamental-) anthropologisch, phänomenologisch oder gar vernunftkritisch, konstruktivistisch oder anderswie angelegt sein können. Ausgehend von dieser fundamentalhermeneutischen Ausrichtung können folgende übergreifende hermeneutische Ziele festgehalten werden: 1. Eine zentrale theologische Kategorie soll wieder der Handlungsrelevanz zurückgeben werden, der sie (etwa ausgehend von Gebet und Spiritualität) entstammt und auf die hin sie auch ausgelegt werden will - ohne sie allerdings gänzlich von diesen Kontexten her verstehen zu wollen. 2. Ausgehend von einer handlungspraktisch entfalteten Hoffnungstheorie sollen moraltheologische Aspekte zum Verständnis von Handlungsmotivation entwickelt werden, wiewohl diese von den immer wieder damit vermengten Geltungsfragen zu trennen sind. 3. Eine zentrale theologische Kategorie soll aus ihrer vermeintlichen Zeitbedingtheit aktualisiert und in ihrer sinnerschließenden und vitalisierenden Potenz entgegen dem Relevanzzweifel gegenüber dem Christentum als Notwendigkeit menschlichen Handlungsvollzugs erschlossen werden. 4. Eine theologische Tugend soll aus dem buchstäblich spekulativen Himmel wieder interdisziplinär identifiziert und anthropologisch fundiert dem Nahbereich des menschlichen Selbstumgangs zurückgegeben und als zentrale ethische Kategorie rehabilitiert werden. Zielt nicht in diesem Sinne Hoffnung letztlich auf den nach sich selbst fragenden Menschen, der nach sinnvollen und rational einsichtigen Handlungszielen fragt, nach letzten Lebenszielen und deren Vernunft, nach seiner Bestimmung und Erfüllung und den Wegen dorthin, nach seinem Ort in der Welt (vor Gott) und nach Bewältigung von Tragik, Scheitern und Schuld? Und will er sein Leben nicht sinnvoll und handlungsfähig erleben, wiewohl er den Tod vor Augen hat? Auch hier zeigt sich erneut die hermeneutische 156 Vgl. WUCHTERL, K., Methoden der Gegenwartsphilosophie. Rationalitätskonzepte im Widerstreit, Bern / Stuttgart / Wien 3 1999, 157ff. <?page no="74"?> IV. Methodologischer Abriss 74 Angewiesenheit einer Ethik der Hoffnung auf philosophische und theologische Anthropologie. Das vorrangige Vorgehen kann im Allgemeinen strukturell bezeichnet werden, näherhin strukturanthropologisch 157 , oder auch strukturtheologisch bzw. fundamentalanthropologisch, je nach Entdeckungszusammenhang und korrespondierender Ursprungshermeneutik, wobei der gemeinsame Kern die Suche nach denjenigen strukturellen Voraussetzungen darstellt, die Hoffnung handlungswirksam werden lassen. In der Nomenklatur von ROMBACH gesprochen handelt es sich also weder um ein substanzanthropologisches, noch um ein systemanthropologisches Vorgehen, sondern um ein dezidiert strukturanthropologisches. Anders gesagt heißt das, dass der hier vertretene systematische Ansatz zur Erhellung von Hoffnungsstrukturen weder einseitig essentialistisch, noch einseitig positivistisch 158 oder konstruktivistisch, systemtheoretisch oder prozessorientiert argumentiert, sondern eine strukturale und handlungstheoretische, genauso wie eine handlungspraktische Perspektive einzunehmen versucht, die aber partiell durchaus Anleihen bei anderen Erschließungsperspektiven nehmen kann, wo es dem Verständnis des strukturalen Paradigmas dient, das seinerseits mitunter den Eindruck eines freischwebenden Verständnisses vom Erkenntnisgegenstand hervorrufen kann, weswegen vielfältige theoretische Anbindungen vonnöten sind. 157 Vgl. ROMBACH, H., Strukturanthropologie. ‚Der menschliche Mensch‘, Freiburg im Breisgau 1987 und als Ausgangspunkt ROMBACH, H., Strukturontologie. Eine Phänomenologie der Freiheit, Freiburg im Breisgau, 1971. Ebenso ROMBACH, H. (Hrsg.), Die Frage nach dem Menschen. Aufriss einer philosophischen Anthropologie (FS für MAX MÜLLER zum 60. Geburtstag), Freiburg im Breisgau / München 1966. ROMBACH, H., Die Welt als lebendige Struktur. Probleme und Lösungen der Strukturontologie, Freiburg im Breisgau 2003. Kennzeichnend für ein strukturanthropologisches Vorgehen ist nun, dass es „um eine philosophische Anthropologie im Aspekt der Zukunft geht. Keine Beschreibung des vorhandenen Menschen, sondern eine Skizze zukünftiger Möglichkeiten des Menschen und ein Versuch, ihn auf Entwicklungen hin, die sich aus der bisherigen Geschichte vorzeichnen lassen, zu entwerfen.“ (vgl. ebd. 11). Für ihn weisen alle „großen Entwürfe der philosophischen Tradition“ (vgl. ebd. 13) in die Zukunft und der Mensch ist dabei allererst im Werden begriffen. „Der Mensch lebt nicht vor sich hin, so wie es sich gerade gibt, sondern er lebt aufgerichtet, hinausblickend in eine Welt voller Aufgaben und sich zurückgründend in einen Bedingungssaufbau von Voraussetzungen und Möglichkeiten, d.h. im Lichte eines Wesensentwurfes, sei ihm dieser bewusst oder nicht. Er empfindet seine Handlungen nur dann als menschlich, wenn sie diesen impliziten oder expliziten Wesensentwurf zum Ausdruck bringen. […] Er sieht sich im Lichte eines Gesamtentwurfes des Menschseins, der das Grundwissen des Menschen über sich und die Wirklichkeit enthält und die Orientierung im Kosmos ermöglicht.“ (vgl. ebd. 17). Wiewohl die Verbindung zur Hoffnungsthematik an dieser Stelle offenkundig ist, schließlich ist der Blick auf mögliche Wesensentwürfe ein hoffnungsgeleiteter Blick und ROMBACH entsprechend der hier vertretenen These damit zentral den Sinnbegriff verknüpft, soll gegen ROMBACH die Auffassung vertreten werden, dass das eine nicht ohne das andere geht, der gegenwärtige nicht ohne den zukünftigen Menschen und der mögliche und notwendig zukünftige nicht ohne den gegenwärtigen Menschen verstanden werden kann. Gerade die polare Spannung der beiden Aspekte einer jeden substantiellen Anthropologie gilt es im Blick zu behalten, da sie sich schließlich auch in den basalen Kategorien menschlichen Selbstverständnisses wiederfinden lässt - so auch in der Hoffnung. 158 Damit ist sowohl eine positivistisch-fideistische Glaubenshermeneutik ausgeschlossen, die für die Sache des Glaubens mangels ausreichender Klärung vernunfttheoretischer Voraussetzungen zum stumpfen Schwert, wenn nicht zur Donquichotterie wird, genauso wie ein kruder Vernunftmonismus, der unter Überschätzung der eigenen Möglichkeiten und Unterschätzung naturaler Vorgaben der Ambivalenz kaum zu entrinnen vermag. <?page no="75"?> 3. Hermeneutische Prämissen 75 Methodisch setzt das eine möglichst verlustfreie Erhebung der im Durchgang durch das pars pro toto ausgewählte Material systematisch erhobenen Strukturen des Erkenntnisobjekts voraus. Möglichst verlustfrei heißt im Bezug auf die interdisziplinär anvisierte Dimensionalität des Erkenntnisgegenstandes. Daran schließt sich eine Reformulierung auf eine integrative Theorie hin an. Methodisch geht es also immer zugleich um eine strukturelle Explizierung des Impliziten und eine Integration des solcherart Explizierten. Ein solches Vorgehen hat nun mindestens eine entscheidende Voraussetzung - ein Integrationsmodell für interdisziplinäres Arbeiten, das zunächst induktiv angelegt sein muss. Dass die Formulierung eines solchen Modells zu den Desideraten moraltheologischer Forschung zählt, wurde bereits erwähnt. Im Folgenden sollen einige notwendige Aspekte eines tragfähigen und gleichermaßen effizienten wie präzisen Modells vorgestellt werden. Neben den grundlegenden Komponenten der Strukturgitter, die innerhalb eines kategorialen Koordinatensystems verortet sind, kann - quasi orthogonal dazu - das Modell Zwiebelschale zur Differenzierung unterschiedlicher Beschreibungsebenen des Erkenntnisobjekts hilfreich sein. Oder anders gesagt, das Koordinatensystem kann und muss unterschiedlich skaliert werden, um unterschiedliche Komplexitätsgrade in den Blick nehmen zu können und die Strukturgitter müssen dabei ihrer Skalierung entsprechend eingeführt werden. Konkret gesprochen könnte das für die Hoffnungskategorie heißen, dass unterschiedliche Komplexitätsebenen benannt werden: Von den Hochformen der Hoffnung, die transzendental bestimmt werden müssen, weil sie aufgrund ihrer Ubiquität anders dimensional lokalisiert werden müssen, bis hin zu konkreteren und einfacheren Formen und Aspekten der einen Hoffnung, die noch nicht die ganze Hoffnung abbilden können, aber doch auch zum komplexen Begriff der Hoffnung gezählt werden müssen. Gerade zur Integration empirischer Einsichten in basale Handlungskategorien ist eine solche Vorgehensweise unverzichtbar, da empirische Forschung in der Regel immer kleinteilig und stark aspektiert vonstatten geht und dennoch nicht als marginal gemessen an der Basalität der eigentlichen Begrifflichkeit verhandelt werden darf. In der Sprache praktischer Theologie wird bei der Entwicklung einer Ethik und Moraltheologie der Hoffnung auch der Theorie-Praxis-Zirkel auf den Plan gerufen und zwar nicht allein, weil im Rahmen ethischer Theorie auf den handelnden Menschen reflektiert wird, der immer zugleich theoretisches und praktisches Wesen ist, sondern weil sie Theorie über Praxis und mindestens partiell auch aus und für Praxis sein will, wobei Praxis hier mit HERBERT HASLINGER als sinnorientierte Handlungspraxis 159 verstanden werden soll. Zudem sind alle ihre Kategorien innerhalb dieses Zirkels und nicht außerhalb verortet. Der Erkenntnis-Weg führt dabei in aller Regel vom (praktischen und theoretischen) Entdeckungszusammenhang zum (theoretischen) Begründungszusammenhang und wieder zurück zum praktischen Handlungszusammenhang. Ziel der Arbeit ist dabei die Explizierung der immer noch weitgehend impliziten, aber ubiquitären Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit - weit über theistische Kontexte im engeren Sinne hinaus und dennoch mitten in diese hinein. 159 „Praxis ist der vielschichtige Komplex der mit subjektivem Sinn unterlegten Gestaltung von Wirklichkeit, die jeweils von konkreten Menschen (Subjekten) ausgeht bzw. in der Menschen mit einem widerfahrenden Einwirken umgehen, so dass sich im Verhältnis zwischen Subjekt und anderer Wirklichkeit eine Veränderung vollzieht.“ Vgl. HASLINGER, H., Die wissenschaftstheoretische Frage nach der Praxis, in: Ders. et al. (Hrsg.), Handbuch Praktische Theologie Bd. I., Mainz 1999, 102-121, hier 120. <?page no="76"?> IV. Methodologischer Abriss 76 Eine der zentralen Voraussetzungen zum Verständnis menschlicher Handlungswirklichkeit und den sie bestimmenden Parametern, zu denen hier auch die Hoffnung gezählt werden soll, die aber gerne übersehen werden, da sie gleich einer Folie im Hintergrund menschlicher Handlungsfähigkeit oder Handlungsunfähigkeit wirken, ist ferner die Polarität einer Hermeneutik der Zuversicht respektive einer Hermeneutik des Verdachts - und ihrer jeweiligen Quellen. Wiewohl mit HANS JONAS ganz im Sinne der hier vertretenen These noch festgehalten werden kann: „Hoffnung ist eine Bedingung jeden Handelns“ 160 , so scheint er dem sogleich wieder zu widersprechen, wenn er eine „nichtutopische Ethik der Verantwortung“ 161 fordert. Wenn es sie denn überhaupt geben kann, so vermag sie nur eine defensive Ethik zu begründen, eine protektive, im besten Sinne konservative Ethik, die zu bewahren versucht, was als wertvoll und bewahrenswert erkannt und erachtet wird, im schlechtesten Sinne aber ist sie nicht imstande, eine offensive Ethik ausreichend zu begründen, zu motivieren und inhaltlich zu orientieren. Darüber hinaus vermag sie keine Gestaltungsverantwortung freizusetzen, die kreativ und weit über eine enge Gehorsamsverantwortung hinaus das menschenmöglich Gute vor Augen hat, für dessen Realisierung mitunter in ein offenes Feld hineingehandelt werden muss. Eine einseitig favorisierte „Heuristik der Furcht“ 162 , wie sie JONAS wohl im Angesicht des wissenschaftlich-technischen Gefährdungspotentials in der zweiten Hälfte des 20. Jh. noch formulieren konnte, die es auch geben muss und geben darf, um Vorsicht, Rücksicht und Umsicht im Handeln walten zu lassen, die aber gut christlich als alleiniger Bestimmungsgrund des Handelns nicht legitimiert werden kann, muss daher gerade zur Bewältigung von menschlicher Selbstgefährdung durch eine begründete „Hermeneutik der Zuversicht“ ersetzt werden - freilich ohne dabei die Abgründigkeit der Welterfahrung zu verleugnen, sondern unter deren Aufnahme. Es ist schließlich eine der großen (handlungstheoretischen) Leistungen begründeter Hoffnung, die Wirklichkeit auch in ihren Absurditäten, ihrer Tragik und ihrer Kontingenz für den Menschen aufzunehmen, sie nicht zu verleugnen und dennoch einen motivationalen Sinnüberschuss zu ihrer Gestaltung für möglich zu halten und bereitzustellen. Nur auf diese Weise, so die Begründung, wird eine immunisierende Beschneidung menschlicher Wirklichkeitsbereiche ausgeschlossen und zugleich das Potential zu ihrer humanisierenden Transformation eröffnet, wofür allererst eine begründete Sinnaussicht, letztlich eine Hoffnung, die Ressourcen bereit zu stellen vermag. Methodisch ist es deshalb zur Einlösung des vorgestellten Forschungsprogramms notwendig, die systematischen Verbindungen zwischen ethischer und psychologischpsychotherapeutischer Fragestellung ausfindig und für die Theologische Ethik fruchtbar zu machen. Dabei geht es u. a. darum, die Therapeutika der Ethik und die Ethika der Psychologie bzw. Psychotherapie im Medium der Hoffnung, verstanden als Modus der Antizipation von Sinn, ausfindig zu machen und auf ihre gemeinsame Sinnmitte hin auszulegen: das um eine sinnvolle Gestalt und Gestaltung seiner Existenz bemühte Handlungssubjekt. Nur so kann eine Anschlussfähigkeit in beide Richtungen ermöglicht werden. Die sich in diesem Zusammenhang stellenden theoretischen und praktischen Fragen sollen gerade in ihrer wechselseitigen und aufeinander bezogenen Verortung identifiziert werden, auf die schon erwähnte gemeinsame Zielgestalt aus der Perspektive 160 Vgl. JONAS, H., Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt am Main 3 1993, 391. 161 Vgl. ebd. 390. 162 Vgl. ebd. 392. <?page no="77"?> 3. Hermeneutische Prämissen 77 einer Theologischen Ethik systematisiert und von dort aus dem Versuch einer Beantwortung zugeführt werden, der nicht nur dem aktuellen Kenntnisstand und dem Reflexionsniveau der jeweiligen Disziplinen entspricht, sondern auch die gewonnenen Erkenntnisse wieder rücktransferiert in ihre jeweiligen Ursprungshermeneutiken, um auch auf dieser Ebene als Ertrag sichtbar zu werden. So existiert nicht nur eine Fülle von Material aus mehreren Disziplinen, das in seinen jeweiligen Sprachspielen allererst identifiziert werden muss, sondern es existieren auch eine Fülle von Systematisierungsleistungen auf die anvisierte Integration hin, die freizulegen sind. Formal ist dabei eine Wissenschaftskonvergenz unterschiedlicher Systemansätze zu leisten, die mit ersten Ergebnissen bereits erkennbar ist und an deren Ende eine Strukturanthropologie (der handlungspraktisch gewendeten Hoffnungskategorie) jenseits der Fachgrenzen erkennbar werden soll. Dabei wird zwar eine Konvergenz der jeweiligen Fächer angestrebt, deren Ergebnisse aber auch die Autonomie der Disziplinen selbst deutlich stärken und diesbezüglich Neuerungen bereit halten. Die fächerspezifischen Methoden können im Zuge dieser Vorgehensweise selbstredend nicht einfach eins zu eins übernommen werden, da diese Arbeit eine Zielsetzung verfolgt, die eben gerade nicht fächerspezifisch ist, zumindest die Fachgrenzen deutlich auf eine spezifische Form der Interdisziplinarität hin übersteigt. Das ist deshalb notwendig, weil nur so eine Konvergenz der Kategorien, eine systematische „Verflüssigung“ von Begriffen über die Fachgrenzen hinweg und auf eine Integration hin ermöglicht werden kann, die den eigentlich innovativen Wert darstellt, den diese Arbeit verwirklichen will, damit die Vollbzw. zumindest die Vieldimensionalität der Hoffnung (wieder) neu erfasst und als Vollzugswirklichkeit des handelnden Menschen wieder zugänglich werden kann im Dienste des Menschen und seiner eigenen Humanisierung. Aus der Perspektive der Humanwissenschaften, insbesondere Psychologie und Psychotherapie, geht es mithin um von diesen Disziplinen bereitgestellte Hoffnungsstrukturen im weitesten Sinne und - unter den Prämissen der angestrebten integrativen Hoffnungsgestalt - um die systematische Freilegung der darin zum Ausdruck kommenden Ethik selbst. Im besten Falle wirft diese Vorgehensweise auch Erkenntnisse ab für eine bislang noch kaum erkennbare Ethik der Psychotherapie, konkreter einer psychologischpsychotherapeutischen Metatheorie der Veränderung menschlichen Erlebens, Verhaltens und Handelns, die selbstredend in die Mitte der Ethik selber hineinführt. Aus der Perspektive der Theologischen Ethik resp. der Philosophie wird es darum gehen, die lebensdienlichen, die schützenden, kräftigenden, heilsamen, letztlich die therapeutischen Strukturen ihrer eigenen Vorstellungen zur Lebensführung und Handlungsgestaltung anhand der Hoffnungskategorie freizulegen. Im besten Falle wirft diese Vorgehensweise dann auch Erkenntnisse ab für die genuin therapeutischen, d.h. den die seelische Gesundheit und die damit verbundene selbstsorgerische Fähigkeit zu sinnorientierter Lebensgestaltung erhaltenden und diese wieder herstellenden Qualitäten dezidiert theologischethischen Denkens und Tuns und dem jeweils korrespondierenden Selbstverständnis. Vor Augen steht dann eine an sittlicher Handlungskompetenz (Ethik), sinnvoller Lebensführung (systematische Brücke) und heilsam-effektiver psychotherapeutischer Tätigkeit und Einsicht (Psychotherapie) zugleich orientierte Gestalt (christlichen) Hoffnungsvollzugs und die diesen tragenden anthropologischen Strukturen - auf der Höhe des aktuellen Reflexionsniveaus und im Dienste des um sich selbst ringenden Menschen. Mit anderen Worten: Es wird die Aufgabe sein, die theoretischen Voraussetzungen zu schaffen für eine konsistente Ethik der Hoffnung, die sich auf der einen Seite von der Phänomenologie und Empirie Vorgaben machen lässt und zugleich auf der anderen Seite <?page no="78"?> IV. Methodologischer Abriss 78 von den umfassend kategorial und begrifflich aufgenommenen und korrigierten Fragen systematischer Theologie kommend wieder dergestalt auf die Ebene der Handlungswirklichkeit zurückkehrt, dass zentrale Strukturen einer handlungspraktisch gewendeten Ethik der Hoffnung sich von beiden Forschungskompetenzen bzw. Wirklichkeitszugängen erarbeiten lassen. Wenn die hier vorgetragene These Gültigkeit beanspruchen kann, dann müsste schließlich zu zeigen sein, dass die einschlägigen empirischen Erkenntnisse aus dem Bereich der naturalen Grundlagen der Hoffnung etwas zum Verständnis auch der Ethik der Hoffnung beitragen, basierend auf einer Konvergenz der Kategorien - und umgekehrt: Je mehr wir diesbezüglich integrativ in Erfahrung bringen können, umso offensichtlicher müsste die hier grundgelegte Hoffnungsstruktur auch empirisch in ihren naturalen Beständen und Grundlagen in Erscheinung treten. Letztlich wird dabei die Kategorie des Sinns als Konvergenzformel der Interdisziplinarität in Erscheinung treten, quasi als systematische Brücke, als Scharnier der Disziplinen, um die jeweils relevanten Bestände für die anvisierte Hoffnungstheorie anschlussfähig zu machen. Die erwähnte Ethik der Hoffnung auch nur in wenigen Zügen anzudeuten, setzt eine mindestens doppelte Integrationsleistung voraus: Zum einen die Integration von Hoffnungsstrukturen aus dem Bereich der naturalen Vorgaben und zum anderen die Integration aus dem Bereich des christlichen Kerygmas und den darin zum Ausdruck kommenden Erfahrungen, Vorstellungen und Einsichten - gemäß dem scholastischen Grundsatz: gratia praesupponit naturam 163 . Wie die Gnade die Natur voraussetzt und schließlich vollendet, so setzt die christliche eine geschöpfliche, naturale Hoffnung voraus. So wie die Gnade einen Träger regelrecht voraussetzt (praesupponit), einen Beziehungspunkt, an dem sie sich allererst ereignen kann, so eine gnadengewirkte Hoffnung ein natürliches Hoffnungspotential. Nur unter der anvisierten theologisch-ethischen Integration der thematischen Perspektiven werden somit alle Sachbereiche der Hoffnung beachtet: Verankert mit einer tragfähigen philosophischen Anthropologie, etwa einer freiheitsbasierten Subjektphilosophie 164 , die zu zeigen vermag, wer es eigentlich ist, der hofft; unter Integration der aktuellen humanwissenschaftlichen Erkenntnisse aus Psychologie, Psychotherapie und Medizin, die den konkreten Selbstumgang des Menschen im Nahbereich der Selbstthematisierung zum Gegenstand haben und zeigen können, wie der Mensch hofft; und unter systematischer Anbindung an die entsprechenden Themen des christlichen Hoffnungskerygmas, um einen Begriff davon zu entwickeln, was Hoffnung sub conditione dei im Letzten und grundsätzlich will, beziehungsweise welche Hoffnung uns von Gott her in Jesus Christus eröffnet ist, worauf also letzte Hoffnung zielt. Eine solche Hermeneutik hat allerdings epistemologische Voraussetzungen, die es freizulegen gilt. 163 Vgl. RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI.], Gratia praesupponit naturam. Erwägungen über Sinn und Grenze eines scholastischen Axioms, in: Ders. / FRIES, H. (Hrsg.), Einsicht und Glaube, Freiburg im Breisgau 1962, 135-149. Ebenso: „Das Übernatürliche, die große Verheißung, schiebt die Natur nicht beiseite, ganz im Gegenteil: Es ruft den vollen Einsatz all unserer Kräfte für die vollständige Öffnung unseres Seins hervor, für die Entfaltung all seiner Möglichkeiten. Anders gesagt: Die große Verheißung des Glaubens zerstört unser Tun nicht und macht es nicht überflüssig, sondern gibt ihm erst seine rechte Gestalt, seinen Ort und seine Freiheit.“ Vgl. RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI], Auf Christus schauen. Einübung in Glaube, Hoffnung, Liebe, Freiburg im Breisgau 2006, 76. 164 Vgl. etwa PRÖPPER, T., Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik, Freiburg im Breisgau 2001. <?page no="79"?> 4. Zur Epistemologie der Hoffnung 79 4. Zur Epistemologie der Hoffnung Gegen eine Relativierung moraltheologischer Rationalität durch postmoderne Subjektkritik 165 , Metaphysikkritik oder sogenannte detranszendentalisierte Vernunftkonzeptionen 166 sollen nun im Rahmen der hier vorgestellten Arbeit am Beispiel der Hoffnung Bausteine einer rationalen Gestalt dieser Kategorie ausgewiesen werden, indem der Weg von einer Hoffnung als visionärer Gestalt zur Hoffnung als rationaler Kraft nachgezeichnet wird. Der Raum der Zukunft ist dabei als vorrangiger zeitlicher Ort der Hoffnung nur insofern mittel- und langfristig nicht handlungslähmend, führt nur dann nicht zu „sittlicher Hemmung“ 167 , zu kognitiven, emotionalen und verhaltensmäßigen Verwerfungen, wenn sie als eine positive antizipiert wird. Kurzfristig sind Attribuierungen von krisenhaften Ereignissen bspw. als Herausforderungen denkbar, sie müssen aber ergänzt werden um eine als sinnvoll vorweggenommene positive Gestalt des zukünftigen Lebens, um nicht pathogen oder nekrophil zu wirken. Denn der Mensch kann als homo anticipiens auch das Scheitern vorwegnehmen, kann auch den individuellen und kollektiven Tod vorwegnehmen, worauf in der Lebensführung geantwortet werden muss, soll nicht langfristig Handlungsfähigkeit verloren bzw. eine fatalistische, selbstverschließende Lebenseinstellung heraufbeschworen werden. Auch diese Negativ-Folie der Hoffnung, in der Dialektik von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit zu fassen, soll in seinen möglichen Konsequenzen ansatzweise bedacht und konstruktiv in die Argumentation integriert werden. Dass das interdisziplinäre Gespräch mit den Humanwissenschaften insbesondere darauf zielt, das Bedingungsfeld des handlungsbezogenen „Könnens“ abzustecken, dürfte an dieser Stelle schon offensichtlich gewordens ein. Sittliche Normen, das Feld des „Sollens“ dagegen, können daraus nicht abgeleitet werden. Mit anderen Worten: Es wird entscheidend sein, die methodologischen Voraussetzungen und die methodischen Kriterien zur Bearbeitung der anstehenden Integration und Systematisierung so zu entwerfen, dass jeglicher Anschein eines ethischen Fehlschlusses vom (empirisch greifbaren) Sein zum (normativen) Sollen von vornherein ausgeschlossen wird. 168 Die humanwissenschaftlichen Erkenntnisse zur Kategorie der Hoffnung sind so in das theologisch-ethische Gespräch zu dieser Kategorie zu bringen, dass sie ihrerseits und als integrale Theorie nicht normativ zu werden drohen. Zusammenfassend kann daher konstatiert werden, dass auf der einen Seite Fragen nach einer transzendentalen Fundierung des Humanum als Grund jeglichen ethischen Sollens zwar unabweisbar und unaufgebbar bleiben, auf der anderen Seite aber der Aufklärungsstand der für die kombinatorischen Theoriebildungen relevanten empirischen Einsichten nicht mehr verlassen werden kann. Der 165 Vgl. als konstruktive Antwort vonseiten theologischer Ethik auf die neuzeitliche Relativierung und Fragmentarisierung des Subjekts ARNTZ, K., Melancholie und Ethik. Eine philosophischtheologische Auseinandersetzung mit den Grenzen sittlichen Subjektseins im 20. Jahrhundert (ratio fidei 11), Regensburg 2002. 166 Vgl. HABERMAS, J., Kommunikatives Handeln und detranszendentalisierte Vernunft, Stuttgart 2001. 167 Vgl. STEGMAIER, W., Ethik als Hemmung und Befreiung, in: ENDREß, M. (Hrsg.), Zur Grundlegung einer integrativen Ethik, Frankfurt a.M. 1995, 19-39. Ebenso KRÄMER, H., Philosophische Anthropologie, Hemmungskategorie, Moralerklärung, in: ENDREß, M. / ROUG- HLEY, N. (Hrsg.), Anthropologie und Moral. Philosophische und soziologische Perspektiven, Würzburg 2000, 151-165. 168 Vgl. zu den möglichen Fehlschlüssen MIETH, D., Was wollen wir können? Ethik im Zeitalter der Biotechnik, Freiburg / Basel / Wien 2002, 94-112. <?page no="80"?> IV. Methodologischer Abriss 80 Mensch ist als theoretisches und zugleich praktisches Wesen in seiner sittlichen Vernunft immer schon von empirischen Bedingungszusammenhängen bestimmt, was wissenschaftstheoretisch gewendet bedeutet, dass ein Verweisungszusammenhang, eine Korrespondenz und eine Äquivalenz zwischen empirischen Arbeiten bzw. dem empirischen Paradigma nahestehenden, damit kompatiblen Arbeiten und der theologisch-philosophischen Systematisierung und Integration auf eine „Logik des Ganzen“ humaner Sittlichkeit hin bzgl. der hier verhandelten Kategorie der Hoffnung existiert. Die Ergebnisse solcher Integration haben wie besehen Konsequenzen bis in das Selbstverständnis der Theologischen Ethik hinein, weshalb abschließend gelten soll: „Der künftige Weg der Ethik, der sich auch eine theologische Ethik nicht verschließen kann, ist von daher markiert als Weg zu einer umfassenden ethischen Theorie, die sich in all ihren Schritten von dem belehren lässt, was sich als empirische durchschaubare Wahrheit über die Wirklichkeit des Menschen dem wachsenden Zugriff des Menschen erschließt.“ 169 Hoffnung ist, was ihren klärungsbedürftigen epistemischen Status betrifft, als vernunftgemäße (moralisch qualifizierte und kontrollierte) Vollzugswirklichkeit auszuweisen, dezidiert christliche Hoffnung kann darüber hinaus als verbürgte und als spezifisch begründete Hoffnung ausgewiesen werden, was jeweils nicht eindimensional ad hoc geschehen soll, sondern aufgrund der Mehrdimensionalität der Hoffnungskategorie erst im Durchgang durch das Material und an den Strukturen selbst zunehmend plausibilisiert werden kann. Eine spezifische Vernünftigkeit von Hoffnung ist mithin darzulegen 170 . Als Indikator dafür, dass dieses Unterfangen Erfolg versprechend ist, kann nicht allein auf die Ubiquität des Phänomens im Rahmen menschlicher Handlungswirklichkeit selber verwiesen werden, sondern auch auf 1 Petr 3,15, eine Perikope, die insgesamt für die Auskunftspflichtigkeit der Theologie steht, insbesondere vor dem Forum kritischer Vernunft und auf der Basis einer spezifischen Hoffnung. Mit anderen Worten: Der Inbegriff fundamentaltheologischer Rechenschaftspflicht formiert sich an der Kategorie der Hoffnung, oder umgekehrt: anhand der Hoffnung kann und muss eine Apologie 171 des christlichen Glaubens geleistet werden. Damit wird nicht nur das Rational der Hoffnung selbst zur Diskussion gestellt, sondern es ist an der Hoffnungskategorie und deren Vollzügen auch eine inhärente Vernünftigkeit und Rationalität theologischer Ethik 172 auszumachen. Theoretisches Vernunftinteresse und praktisches Vernunftinteresse, kenntnisnehmende und stellungnehmende Vernunft sind dabei nicht strikt voneinander zu trennen, sondern weisen ein inneres Zuordnungs- und Verweisungsverhältnis auf, das sich auch im Strukturaufbau der anvisierten Arbeit widerspiegelt, näherhin in dem Verhältnis von Empirie und Normativität, wonach eine wechselseitige Angewiesenheit beider Zugänge zu zeigen sein wird: Kenntnisnehmende Vernunft kommt ohne Sinnwissen nicht aus. Sinnfragen sind ohne kenntnisnehmende Vernunft nicht wirklich orientierend. Damit wird das inhärente Verhältnis von Empirie und Normativität schließlich auf 169 Vgl. KORFF, Wie kann der Mensch glücken? , 77. 170 Vgl. BÖTTIGHEIMER, Ch., Wie vernünftig ist der Glaube? Versuche rationaler Glaubensrechtfertigung in nachmetaphysischer Zeit, in: ThG 48 / 2005, 113-125. 171 Vgl. MUYSKENS, J.L., The Apologetic Force of a Theology of Hope, in: Scottish Journal of theology 33 (1980), 101-120, hier 120, der insbesondere mit KANT dafür plädiert, dass “it is reasonable to harbor these religious hopes, that is, to keep the door open to these desired possibilities by acting as if that for which we long does and will obtain.” 172 Vgl. STREIFF, S. / RUH, H., Zum Interesse theologischer Ethik an der Rationalität, Zürich 1994. <?page no="81"?> 4. Zur Epistemologie der Hoffnung 81 eine neue Ebene gehoben, nicht indem es formal-abstrakt als erkenntnistheoretischer Diskurs geführt wird, sondern entlang den strukturellen Vorgaben des Erkenntnisobjekts und des Erkenntnissubjekts selber. Dieses Vorgehen hat allerdings zur Folge, dass eine spezifische Methodologie nicht allein am Anfang der Arbeit steht und die inhaltliche Perspektivität derselben auf kontrollierte Weise vorgibt, sondern auch als Ergebnis und Ziel nach dem inhaltlichen Durchgang durch das Material gefasst werden kann. Darüber hinaus lässt ein solches interdisziplinäres Verfahren schließlich noch eine wichtige erkenntnistheoretische Differenz der zur Datenerhebung herangezogenen Disziplinen erkennen, die mir insbesondere aus moraltheologischer Perspektive noch zu wenig Beachtung in entsprechenden methodologischen Einlassungen gefunden hat: Theologische Erkenntnisgewinnung versteht sich vorrangig als ein kontrollierter Prozess des Nach-Denkens dessen, was als Glaubenskerygma in verschiedener Weise (offenbarungstheologisch, gnadentheologisch, biblisch-theologisch, wirklichkeitstheoretisch, etc.) bereits vorgegeben ist. Mit anderen Worten: Sie arbeitet überwiegend re-konstruktiv. Grosso modo gilt das auch für die Philosophie. Demgegenüber vollzieht sich Erkenntnisgewinnung aufseiten der Humanwissenschaften, die empirisch vorgehen, in aller Regel auf der Basis eines Konstruktivismus. Anders gesagt: Sie arbeiten vorrangig konstruktiv (-istisch). Diese Differenz gilt es (moral-) theologisch so aufzuarbeiten, dass es für eine theologische Epistemologie möglich wird bzw. bleibt, die Einheit der Welt (des Menschen vor Gott) zu zeichnen und zugleich dem Charakter ihrer eigenen Aussagen gerecht zu werden, die quasi erst konsekutiv zum göttlichen Gnadenangebot formuliert werden können. Letztlich aber kann bei aller Verschiedenheit der epistemischen Vergewisserungsversuche immer nur von einer Approximation ausgegangen werden, da Hoffnung auf einer Art „ontologischem Vorgriff“ 173 beruht, der rein rational nicht mehr aufgelöst werden kann, sondern nur als solcher in seiner theoretischen und praktischen Vernünftigkeit plausibilisiert werden muss. Ein Ausweis des epistemischen Status begründeter Hoffnung entlang ihrer eigenen Mehrdimensionalität hat über eine Pluralität von Beweisverfahren zu erfolgen, wiewohl an dieser Stelle nur angedeutet werden kann, was eine eingehende fundamental- und metaethische Studie aufzuschlüsseln hätte. a) Orientierung am Guten Eine Vergewisserung des erkenntnistheoretischen Status der Hoffnung kann auf verschiedene Weise erfolgen. Nicht allein vom Vernunftbegriff her, nicht allein vom Hoffnungsbegriff selbst her, sondern auch und vorrangig vom Begriff des Guten 174 als der fundamentalsten Wertgröße im Rahmen der Ethik. Zunächst und zuvörderst erweist sich 173 Vgl. RAFFELT / RAHNER, Anthropologie und Theologie, 18-19: „Der Mensch ist das Wesen der Transzendenz, insofern alle seine Erkenntnis und seine erkennende Tat begründet sind im Vorgriff auf das „Sein“ überhaupt, in einem unthematischen, aber unausweichlichen Wissen, um die Unendlichkeit der Wirklichkeit. […] Es ist zu betonen, dass die hier gemeinte Transzendenz nicht den thematisch vorgestellten Begriff der Transzendenz, in dem diese gegenständlich reflektiert wird, meint, sondern jene apriorische Eröffnetheit des Subjekts auf das Sein überhaupt, die gerade dann gegeben ist, wenn der Mensch sich als sorgend und besorgend, fürchtend und hoffend der Vielfalt seiner Alltagswelt ausgesetzt erfährt.“ 174 Vgl. EDMAIER, A., Horizonte der Hoffnung. Eine philosophische Studie, Regensburg 1968, 39ff. und 204ff., insbesondere bzgl. der Notwendigkeit einer Sinnbestimmung der Hoffnung und dem Bezug auf einen Begriff des Guten, der allerdings bei EDMAIER noch moralisch unterbestimmt bleibt. <?page no="82"?> IV. Methodologischer Abriss 82 eine rationale Vergewisserung einer Ethik der Hoffnung durch deren Orientierung am Guten 175 selbst - wenn das Gute nicht allein subjektivistisch oder in bloßer Innerlichkeit gefasst wird, sondern auch objektivistische Vorstellungen Geltung beanspruchen dürfen. Das gilt auch, wenn ausgehend von PLATONS Konzeption des Guten als letztem Seins- und Erkenntnisgrund in der Neuzeit eine objektiv-teleologische Deutung des Seins an Geltung verloren hat und der Subjektbezug, die Gegenständlichkeit des Seins und pragmatische Utilitätsüberlegungen in den Vordergrund getreten sind. Das Gute ist entlang dieser Lesart „nicht ein Prädikat, das eine objektive Eigenschaft des Seienden beschreibt, sondern ein Relationsbegriff, in dem die wertende Einstellung eines Subjekts zu diesem Seienden zum Ausdruck kommt.“ 176 Dennoch scheint mir der Begriff unverzichtbar, auch wenn er mitunter im Verdacht steht, aktuell unter anderem Namen bearbeitet zu werden, etwa im Rahmen von Letztbegründungsdebatten. Denn damit wird Hoffnung allererst humane Hoffnung, dass sie nicht einfach Beliebiges hofft, sondern unter die kritische Kontrolle einer Ethik gestellt wird, die aufgrund ihres Bezugs zu einem Guten, bei aller Problematizität einer entsprechenden Bestimmung, versucht, menschliches Streben und Wollen in seiner ganzen Dimensionalität unverkürzt in den Blick zu nehmen und dabei auch ein letztes sittlich qualifiziertes und damit dem Menschen allererst entsprechendes Worumwillen seines Handelns auf den Begriff zu bringen versucht, das dann Gegenstand von handlungsrelevanter Hoffnung werden kann und werden soll. Damit schließlich wird die umfassende Wahrnehmung der Bedeutung von Hoffnung für menschliche Handlungswirklichkeit eröffnet. Die Frage, was denn das Gute sei, wurde und wird äußerst vielgestaltig beantwortet. Letztlich ist bei aller Divergenz entsprechender Konzepte und trotz aller Hingeordnetheit auf eine Synthese von Moral und Glück davon auszugehen, dass der Begriff partiell unterbestimmt bleibt, was aber in seiner Eigenstruktur begründet ist, wird diese möglichst umfänglich konzipiert. Das Gute als moralischer Begriff ist nicht unmittelbar handlungsleitend, da er eine integrative bzw. integrierende Gestalt darstellt, die situationsadäquat, d.h. im Rückblick auf die Person und im Vorblick auf die Situation sowohl das Glücksstreben der Person(en) als auch deren moralische Pflichtorientierung und die Notwendigkeiten der Situation auf das je als sinnvoll Erachtete zusammenführt als notwendig zu leistende Integration aufseiten des Handlungssubjekts zur Aufrechterhaltung der Einheit der Handlungswirklichkeit, die ansonsten in divergierende Richtungen motiviert bleibt, nicht das ihr eigentlich zur Verfügung stehende Potential an Handlungsmöglichkeiten 175 Vgl. einführend RIESENHUBER, K., Gut, das Gute, das Gut. III. Mittelalter, in: RITTER, J. (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd. 3, Darmstadt 1974, 951-960. RIESEN- HUBER, K., Gut, das Gute. I. Philosophisch, in: KASPER, W. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche Bd. IV, Freiburg im Breisgau 1995, 1113-1114. HILPERT, K., Gut, das Gute. II. Theologisch-ethisch, in: KASPER, W. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche Bd. IV, Freiburg im Breisgau 1995, 1114-1116. HOFFMANN-RIEDINGER, M., Gut / das Gute / das Böse (Art.), in: DÜWELL, M. / HÜBENTHAL, C. / WERNER, M.H. (Hrsg.), Handbuch Ethik, Stuttgart / Weimar 2002, 381-385. FORSCHNER, M., Das Gute, in: HÖFFE, O., Lexikon der Ethik, München 6 2002, 108-110. 176 Vgl. FORSCHNER, Das Gute, in: HÖFFE, Lexikon der Ethik, 108-110, hier 109. Wiewohl hier zurecht der Subjektbezug hervorgehoben wird, scheint aber dennoch eine Problemverschiebung stattzufinden, denn die Fragen nach der Geltungskraft rein subjektivistisch begründeter „Einstellungen“, der Herkunft von Werten als Deutekategorien, der Ausweis eines normativen Subjekts und der (normativen) Bedeutung des Seins bleiben schließlich bestehen, ganz abgesehen von der Frage nach einem letzten Ziel menschlichen Wollens, Strebens und Begehrens. <?page no="83"?> 4. Zur Epistemologie der Hoffnung 83 auszuschöpfen vermag. Bleiben solcherart ungeordnete Motiv- und Motivationsquellen dauerhaft unbeantwortet und unbearbeitet - sei es selbstsorgerisch oder advokatorisch -, dann kann von einer sittlichen Hemmung 177 gesprochen werden, oder schlicht von einer mehr oder minder beeinträchtigten Handlungsfähigkeit, wie sie allerorten und äußerst vielgestaltig beschrieben werden kann. Eine solche sittliche Hemmung kann für den Weg der Einsicht und für den Weg der Realisierung des Guten beschrieben werden, wiewohl auch hier noch zu wenig moraltheologische Theoriebildung stattgefunden hat. Entscheidend für den vorliegenden Kontext ist die Einsicht, dass die beschriebenen sittlichen Hemmungen zugleich Hemmungen dergestalt hervorrufen, dass nicht mehr einsichtig und vernünftig zu sein scheint, was und wie zu hoffen wäre. In der hier favorisierten Lesart ist das Gute, das um seiner selbst willen Gewollte und Gesollte, ist das in sich Gute - nicht bloß das Angenehme, Zweckmäßige oder Nützliche, sondern das unbedingte Verpflichtung Einfordernde und zugleich mit hoher Attraktivität Versehene. Diese Vorstellung vom Guten ist nun erst verständlich unter der Voraussetzung einer Verzahnung mit dem Seinsbegriff: ens et bonum convertuntur. Wer also den Grund von Hoffnung aufklären will, sich die letzte Zielgestalt menschlichen Handelns, das Gute respektive des höchsten Gutes, vor Augen stellen will, der ist darauf verwiesen, sich über das Sein des Menschen Rechenschaft zu geben, der muss also eine Ontologie auszuweisen suchen. Bricht diese Verbindung von Sein und Gut auseinander (wie etwa in der Neuzeit), dann radikalisiert sich die Frage nach der Berechtigung von Hoffnung bis dahin, dass der Mensch seinerseits als Hoffender radikal in Frage gestellt wird und entsprechenden Domestizierungsversuchen unterworfen wird. Auch wenn die Frage nach einer vernunftgemäßen Konzeption des Guten neuzeitlich zunehmend weniger gestellt wird, heißt das noch lange nicht, dass die damit verbundenen Fragen obsolet geworden wären. Ganz im Gegenteil, sie treten nur in anderen begrifflichen Gewändern in Erscheinung und harren auf eine zeitgemäße Reformulierung. Die kurzen Ausführungen an dieser Stelle konnten bereits andeuten, dass es einen breiten Bezug des Guten zum Wollen und Streben des Menschen gibt, wenn auch in vermittelter Weise und dass es eine Unterscheidung von absolutem und relativem Guten gibt, die bis dahin geführt wurde, dass das Absolute selbst in platonischer Lesart als Idee des Guten 178 galt und diese wiederum als „oberster Sinngrund“ für alles menschliche Tun. In systematischer Betrachtung bezeichnet das Gute ein moralisch qualifiziertes Worumwillen menschlichen Strebens und Tuns, das eine finale Konzeption voraussetzt, soll es als Einheit ausreichend orientierend und aufgrund seiner Attraktivität und unbedingten Verpflichtung normierend wirken können und zudem einer inhärenten Anthropologie entsprechen. Dabei handeln wir auch nicht einfach auf das vermeintlich Gute hin, sondern aufgrund dessen begrifflicher Fassung als Erfüllungsgestalt des Seins schlechthin immer auch schon als verdankt aus diesem heraus. 179 Ein sittlicher Endpunkt, ein höchs- 177 Vgl. KRÄMER, H., Philosophische Anthropologie, Hemmungskategorie, Moralerklärung, in: ENDREß, M. / ROUGHLEY, N. (Hrsg.), Anthropologie und Moral. Philosophische und soziologische Perspektiven, Würzburg 2000, 151-165. 178 Vgl. PIEPER, A., Sprachanalytische Ethik und praktische Freiheit. Das Problem der Ethik als autonomer Wissenschaft, Stuttgart 1973, 198ff., die etwa auf FICHTE verweist. Vgl. zu den Ursprüngen GADAMER, H.-G., Die Idee des Guten zwischen Plato und Aristoteles, Heidelberg 1978. 179 Vgl. RIESENHUBER, Gut, das Gute, 1114. „Das Gute ist daher weder nur faktischer Endpunkt oder Wirkung des Strebens, noch resultiert Gutheit (oder Sinn) aus der Emotion, der Präferenz oder Wertentscheidung des autonomen Subjekts; vielmehr weiß das Streben sich selbst nach <?page no="84"?> IV. Methodologischer Abriss 84 tes Gut, ist dabei notwendig gesetzt, auch wenn eine permanente Progression dorthin nötig ist, individuell wie weltgeschichtlich. Was lässt uns aber nicht müde werden, uns immer wieder daran zu orientieren - trotz Scheitern und Schuld? Die Attraktivität des Erhofften und die Vernunft des Erstrebten, da es die Bestimmung des Menschen zum „guten Glück“, zum Gelingen, etc. zu einer Erfüllung zu führen verspricht und wir Grund suchen, dem aus Hoffnung handelnd entgegenzugehen. Die erwähnte Orientierung an einem sittlichen Endzustand, einem höchsten Gut (finis ultimus, summum bonum), bezeichnet „den Zustand oder die Aktivität, worin die wahre Natur des Menschen ihre Erfüllung findet“ 180 und worauf sich schließlich epistemologisch berechtigt menschliche Hoffnung bezieht. Da das Gute nun u.a. auch eine Kategorie der Einsicht ist, die an den Grenzen endlicher Vernunft ihre eigenen Grenzen der Bestimmbarkeit hat, ist ein Agens bzw. Movens notwendig zu denken, das den Prozess der Einsicht in das Gute wiederum allererst motiviert und damit über dieses reflexiv zugängliche Gute vertrauend hinausgehen muss. Mithin muss epistemologisch eine umfassendere Kontextstruktur angenommen werden - freilich ohne dabei einem Fideismus anzuhangen. Analog dazu vollendet schließlich Offenbarung menschliche Vernunft, überbietet sie aber nicht in einem fideistischen Sinne. Gemeint ist nun der schon erwähnte sittliche Abschlussgedanke in einem höchsten Gut, der hoffnungstheoretisch große Bedeutung hat, da er eine Erfüllungsgestalt anbietet, auf die hin, aber auch von der her menschliche Handlungswirklichkeit geeint, motiviert und orientiert werden kann, wenn der Ausweis ihrer Vernunftgemäßheit im Dialog mit den Konzepten menschlicher Selbstverständigung gelingt. Dieser Abschlussgedanke, den formale Unbedingtheit kennzeichnet, die material-inhaltlich konkretisiert zu werden hat und der subjektive, objektive, relative und absolute Anteile besitzt, ist es, der ganz entscheidend zur Formulierung einer Epistemologie begründeter Hoffnung herangezogen werden muss. Mit anderen Worten: Menschlicher Handlungswirklichkeit, die sich auf ein Gutes hin zu orientieren versucht, ist eine permanente Überschreitung des Gegebenen eigen, auch des der Einsicht Gegebenen, der Einsicht Aufgegebenen, was bedeutet, dass auch das Rationale überschritten wird, was zwar zu weiterer rationaler Durchdringung auffordert, genauso aber dazu, diesen Überschritt noch als vernunftgemäß anzuerkennen. (Christliche) Hoffnung als Handlungskategorie ist tief in diese Struktur eingezeichnet. Das Gute, erst recht das höchste Gut, genauso wie das Sinnvolle 181 oder auch das Glück als höchste seiner Intentionalität, Wesensprägung und Wirkmächtigkeit (causa efficiens) als der Zielursächlichkeit (causa finalis) des an sich Guten verdankt. Kommt so Gutheit primär dem Seienden in sich selbst zu, sofern es sich in seinem Wesen und Sinnziel verwirklicht hat (gut in sich: perfectum), so besteht Gutheit grundlegend im Sein selbst als sich aus unbedingter Sinn- und Wesensfülle verwirklichendem Akt. Sein und Gutheit sind daher nicht als Faktizität und Wert radikal verschieden, sondern, obwohl begrifflich unterschieden, ontologisch identisch.“ 180 Vgl. einführend HEBBLETHWAITE, B., Höchstes Gut (Art.), in: Theologische Realenzyklopädie Bd. XV, hrsg. von GERHARD MÜLLER, Berlin 1986, 435-441, hier 435 und aktuell KEL- LER, D., Der Begriff des höchsten Gutes bei Immanuel Kant. Theologische Deutungen, Paderborn 2008. 181 Zum Verhältnis des Guten zum Sinnvollen vgl. aufschlussreich KUHN, H. Das Gute, in: BAUMGARTNER, H.M. / WILD, C. (Hrsg.), Handbuch philosophischer Grundbegriffe Bd. II, München 1973, 657-677, hier 672: „Auf dem Boden der Metaphysik konnte die Sinnfrage nur deswegen nicht aufkommen, weil sie durch die Verzahnung des Seinsbegriffs mit dem Guten prinzipiell beantwortet war. […] Anders gesagt: die moderne Frage nach dem ‚Sinn‘ - ein <?page no="85"?> 4. Zur Epistemologie der Hoffnung 85 Hoffnungsfiguren und zugleich letzte Gegenstände einer Handlung sind schließlich im Vorfeld nicht prinzipiell wissbar, sie können u. U. geahnt und vorausgesetzt werden, gewärtigt werden, aber nicht streng notwendig gewusst werden, ganz abgesehen von den Handlungsfolgen, die oft nicht kalkulierbar sind. Hoffnung als Handlungskategorie ist daher eben gerade kein Wissen, sondern setzt immer ein (vernünftiges) Vertrauen voraus und kann auch nicht in Wissensformen überführt werden oder anderweitig ersetzt werden. Hoffnung ist keine Defizitform des Wissens, wie oft fälschlicherweise angenommen wird. Wer handelt, setzt ein hoffendes Vertrauen in die Sinnhaftigkeit einer damit verknüpften Zielgestalt, nicht allein, weil diese mitunter unterbestimmt ist, sondern auch, weil die Folgen gar nicht alle kontrolliert werden können. Die damit eröffnete Verantwortung reicht weiter, als das, was wir in Händen halten und kontrollieren können. So hat die Einsicht in das Gute, will es zugleich zur Realisierung motivieren, eine im Medium der Hoffnung zugängliche Aussicht auf eigene Sinnhaftigkeit - mitunter trotz oder gegen die erfahrene Welt - zu bieten, oder sie vermag nicht hinreichend zu motivieren. Jede Hoffnung setzt daher eine Form des „Glaubens“ voraus, eine Weltdeutung und Weltanschauung, die Sinnverheißungen für das eigene Leben umfasst, Praxisrelevanz bzw. Handlungsorientierung bietet und Daseinsdeutungen innerhalb der Weltdeutung eröffnet, die eine Zielgestalt und eine Bestimmung für das Dasein bereithält. Dieser Glaube wird je vergegenwärtigt im Medium der Hoffnung. Auf diese Weise ist das tiefste Movens menschlicher Handlungswirklichkeit erreicht, das als (verdankte) Lebenssteigerung und Lebenserhaltung im Medium der Hoffnung erfahren wird und sich kriteriologisch an das Streben des Menschen nach dem Guten, der Suche nach dem Sinn und dem Glück des Daseins und der Erfüllung des Sittengesetzes binden lässt. Wird das Gute als ein solcher Handlungsbegriff ausgewiesen, dann hat Handeln immer mit Hoffnung zu tun, indem es sich auf kleine und große, letztlich auf letzte Ziele bezieht und sich von dort her und auf dorthin orientieren und motivieren lässt. Mit anderen Worten: Der epistemische Status begründeter Hoffnung ist dadurch ausgewiesen bzw. lässt sich moralphilosophisch da am sichersten ausweisen, wo sie sich letztlich auf einen Begriff des (höchsten) Guten bezieht. Damit ist nicht vorrangig die sichere Erkenntnis des Guten verbunden, sondern deren vertrauend-hoffende Realisierung, mithin die Möglichkeit, das zu können, was wir sollen und überhaupt das zu wollen, was wir sollen - mitunter unter Relativierung eigener Neigungen, unter Inkaufnahme von persönlichen Nachteilen und bis in menschliche Abgründe hinein, aber unter einer dennoch gewährten Aussicht auf Sinn. b) Orientierung an einer Offenbarungstheologie und der rationalen Verantwortung religiöser Überzeugungen Christliche Offenbarungstheologie hat als Bezugspunkt und bleibenden Horizont der Moraltheologie 182 Teil an der Denkmöglichkeit, Plausibilität und Vernunftgemäßheit der Theologie und des Glaubenskerygmas insgesamt, sodass auch eine theologische Tugend wie die Hoffnung, die als übernatürliche Tugend gnadengewirkt gedacht wird, an der Wort, das erst durch Nietzsche seine uns geläufige Bedeutungsschwere gewonnen hat - ist im Grunde die Frage nach dem Guten, formuliert im Zustand ontologischer Ratlosigkeit.“ 182 Vgl. etwa DEMMER, K., Moraltheologische Methodenlehre, Fribourg / Freiburg im Breisgau 1989, 77-83, hier etwa 77. „Die Offenbarung als theologischer Reflexionsbegriff ist beständiger Referenzpunkt der Moraltheologen.“ <?page no="86"?> IV. Methodologischer Abriss 86 Vernunftstruktur des Glaubens und der Rationalität religiöser Überzeugungen partizipiert. Im Grunde genommen wird hier die theologisch gestellte Wahrheitsfrage anhand der Hoffnungskategorie verhandelt - oder mit AUGUSTINUS formuliert: „Nur vom wahren Gott können wir Erlösung erhoffen“ 183 . Ein christliches Offenbarungsverständnis stellt nun ein spezifisches Vorverständnis von Wirklichkeit bereit, auch von Handlungswirklichkeit, man denke nur an entsprechende Vorstellungen aus Hamartiologie, Soteriologie und Staurologie, das auf vielfältige und, wie mir scheint, im Kontext autonomer Moral mitunter noch zu wenig erhellter Weise stimulierend, motivierend, kritisierend und integrierend auf das sittliche Subjekt und seine Orientierung am Humanum wirkt und ohne das wir gar nicht (gläubig) „wissen“ könnten, das heißt verbürgtermaßen erhoffen könnten, was das Glaubenskerygma über die (moralischen) Einsichten der praktischen Vernunft in das Gute hinaus begründetermaßen an sittlichen Ressourcen zu eröffnen vermag. Unter moraltheologischer Perspektive gründet (christliche - und damit zutiefst humane) Hoffnung im Rahmen eines Offenbarungskontextes in dem in Jesus Christus offenbar gewordenen Gott und einem damit korrespondierenden (Vor-) Verständnis von Welt und Mensch, das sukzessive und je neu für eine Zeit und Situation approximativ freizulegen ist. Die Transposition der transzendentalen Voraussetzungen sittlichen Handelns auf motivationale Komponenten 184 scheint mir dabei nicht hinreichend zu sein für das Verständnis des komplexen Verhältnisses heils- und weltethischer Weisungen, um in der Sprache von ALFONS AUER zu sprechen, weil damit die Bedeutung des Glaubenskerygmas faktisch marginalisiert zu werden droht, wiewohl auch umgekehrt die Vermittelbarkeit mit strikt moralphilosophischen Konzepten dadurch keinesfalls unterminiert werden darf. Daneben hat es inzwischen zu den klassischen Aufgaben moraltheologischer Apologetik zu zählen, so etwas wie eine Selbstaufklärung sittlicher Vernunft zu leisten, d.h. den Versuch einer rationalen Verantwortung religiöser Überzeugungen. Auch und gerade wenn der Begriff der (religiösen) Überzeugung erkenntnistheoretisch von dem des Wissens unterschieden wird, da diese unterschiedlichen rationalen Standards gehorchen, sind Überzeugungen wahrheitswertfähig. 185 Dabei kann von einer Konvergenz von diesbezüglichen Wahrheitstheorien ausgegangen werden, die streng genommen keine Alternativen darstellen, sondern ein Thema je verschieden modulieren. In einem Prozess diskursiver Verständigung über Gründe und Gegengründe ist dabei eine argumentative Offenlegung von Überzeugungen notwendig, die aber ihrerseits zur Vermeidung eines Regresses endloser Diskursebenen auf eine letzte Anerkennungsdimension hin transparent gemacht werden muss, da der Ausweis des jeweiligen Maßstabs zur Bewertung der Gründe und Gegengründe auf einer logisch höheren Ebene angesiedelt ist und alle Diskursteilnehmer mindestens eine gemeinsame Maßstabsebene als normative Verständnisvoraussetzung anzuerkennen haben, die dann ihrerseits eine letzte Unhintergehbarkeit zu erkennen gibt. „Erst die Einsicht in eine letzte Anerkennungsdimension, in der sich unser gesamtes Vernünftigsein bewegt, vermag dem Regressproblem, d.h. der Gefahr einer endlosen Reihe von Diskursebenen, die Spitze abzubrechen. Wissen und Rationali- 183 Vgl. AUGUSTINUS, De Civitate Dei, Lib. VI, cap. 12 und Lib XIX, cap. 22, nach SCHÄRTL, T., Wahrheit und Gewissheit. Zur Eigenart religiösen Glaubens, Kevelaer 2004, 140 und 162, der erkenntnistheoretisch einen externalistischen Kohärentismus vertritt. 184 Vgl. MIETH, D., Autonomie der Ethik - Neutralität des Evangeliums, in: Concilium 18 (1982), 320-327. 185 Vgl. zum Folgenden SCHÄRTL, Wahrheit und Gewissheit, 145-155. <?page no="87"?> 4. Zur Epistemologie der Hoffnung 87 tät gründen sich auf Überzeugungen, die ihrerseits nur in der Weise des Anerkanntseins und Anerkennens zu haben ist.“ 186 Auf diese Weise kann Hoffnung als äußerst vielgestaltiges religiöses Überzeugungsfeld den Standards einer rationalen Verantwortung mit Rekurs auf solide erkenntnistheoretische Grundlagen gehorchen und selbst neuzeitlicher Vernunftkritik Stand halten, nachgerade sogar zum Verständnis der Sinnhaftigkeit und Einheit einer sittlichen Vernunft ganz entscheidend beitragen. Keine fideistische Glaubensethik soll und kann daher mit der Hoffnungskategorie ausgewiesen werden, die glaubt, eine radikal vernunftentzogene Hoffnung vertreten zu können, sondern ein integratives Konzept von Hoffnung ist auf der Basis der Rationalität und der Vernünftigkeit des Glaubens 187 und unter Anbindung an deren naturale Grundlagen zu entwickeln. Eine vom Glauben „erleuchtete“ und entsprechend „gereinigte“ Vernunftkonzeption, d.h. ein vergleichsweise weit angelegter Vernunftbegriff, kann darüberhinaus durchaus Argumente auf sich ziehen, wiewohl im Einzelnen erst nachzuzeichnen wäre, wie ein solcher Vernunftbegriff strukturiert und begründet sein könnte. Aber trotz aller Erhellung der Vernunftstruktur christlicher Hoffnung wird die Eingründung dieser Hoffnung in Gott selbst irgendwann eine vertrauende reductio ad mysterium unumgänglich machen, die allerdings wiederum nicht ohne Plausibilisierung auskommt. c) Orientierung an einer Freiheitsanalytik und einer Subjektphilosophie Im Augenblick der Freiheit entdeckt der Mensch den Raum der Möglichkeit in der Zukunft als Möglichkeit zum Gelingen aber auch als Möglichkeit zum Scheitern. Letztlich entdeckt er die Unendlichkeit der Möglichkeit seiner selbst. Er hat sich dabei selbst als Freiheit und in Freiheit zu wählen, um der Selbstgesetzlichkeit endlicher Autonomie, die formal unbedingt aber material bedingt ist, gerecht werden zu können. Diese Selbstaneignung endlicher Freiheit wird wohl nur auf dem Hintergrund einer Zuversicht denkbar sein und gelingen können, im Zuge ihrer Realisierung eine basale Affirmation des eigenen Daseins hoffend vergegenwärtigen zu können und zu dürfen - und damit nicht ins Nichts zu fallen und die bleibende Sinnlosigkeit des Tuns erkennen zu müssen. Ansonsten, d.h. mit derartigen Aussichten, würde der freiheitsbegabte Mensch sofort in den Schoß der Unfreiheit zurückfallen. Als systematische Spitze kann daher gelten, dass von „auf Sinnantizipation angewiesenen Vollzügen der Freiheit“ 188 ausgegangen werden muss. Die berühmte „Angst vor der Freiheit“ wird unter diesen Vorzeichen daher genau 186 Vgl. ebd. 150. Und direkt davor: „Die wechselseitige Zuerkennung und Anerkennung bzw. Billigung von grundsätzlichen Überzeugungen kann nicht mehr im Sinne eines Beweisganges eingeholt werden. Der Appell an eine gemeinsame Überzeugungskuppel, die die Statik des Diskurses gewährleistet, hat - mit Klaus Müller gesprochen - den Charakter einer Letztbegründung ohne Beweisanspruch.“ SCHÄRTL verweist auf MÜLLER, K., Wieviel Vernunft braucht der Glaube? Erwägungen zur Begründungsproblematik, in: Ders. (Hrsg.), Fundamentaltheologie. Fluchtlinien und gegenwärtige Herausforderungen, Regensburg 1998, 77-100, besonders 88-100. 187 Vgl. RICKEN, F., Die Rationalität der Religion in der Analytischen Philosophie: Swinburne, Mackie, Wittgenstein, in: Ders., Glauben weil es vernünftig ist, Stuttgart 2007, 39-60 und RI- CKEN, F., Zum wissenschaftstheoretischen Status theologischer Aussagen, in: Ders., Glauben weil es vernünftig ist, Stuttgart 2007, 137-154. Ebenso sehr profund der schon erwähnte SCHÄRTL, Wahrheit und Gewissheit. 188 Vgl. PRÖPPER, T., Freiheit (Art.), in G.W. HUNOLD et al. (Hrsg.), Lexikon der christlichen Ethik Bd. I., Freiburg im Breisgau 2003, 554. <?page no="88"?> IV. Methodologischer Abriss 88 dann real, wenn fehlende Sinnaussicht und fehlende Hoffnung bestehen. Der tiefste Abgrund menschlicher Freiheit ist mithin Angst, der tiefste Grund ist Hoffnung resp. Glaube, wie sehr schön an der Existenzphilosophie bzw. Existenztheologie S. KIER- KEGAARDS 189 zu zeigen wäre. Mit anderen Worten, es ist von einer Hoffnungssignatur endlicher Freiheit auszugehen bzw. umgekehrt von einer Freiheitssignatur (christlicher und zugleich human bestimmter) Hoffnung. Menschliche Freiheit, will sie sich selbst gerecht werden, will etwas, das sie aus sich selbst nicht mehr verbürgen kann, weswegen sie notwendig hoffen muss. Eine zweite Argumentationslinie könnte dahingehend verlaufen, etwa mit der Moralphilosophie von IMMANUEL KANT zu zeigen, dass Moralität ihren Wurzelgrund in der Freiheit 190 hat. Im Bewusstsein der Freiheit entdecke ich mich als moralisches Wesen. Gehört es also in diesem Sinne zur Struktur und Eigenart des moralischen Wesens Mensch, des sittlichen Subjekts 191 , dass er hofft, hoffen muss, um das Sittengesetz des Guten mutig realisieren zu können und zu wollen und um die Sinnhaftigkeit der Moral überhaupt zu gewährleisten, dann könnte aus den moralischen Strukturen seiner Freiheitsverfassung eine rationale Struktur freiheitsgegründeter Hoffnung entwickelt werden. Dafür ist ein starker Subjektbegriff vorauszusetzen, was angesichts subjektkritischer bis zuweilen subjektdekonstruktivistischer Tendenzen keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Ohne Handlungs-Subjekt gibt es keine Freiheit, keine vernunftgeleitete Erkenntnis, keine Zurechenbarkeit von Moralität, Schuld, Verantwortung - keine Hoffnung. Eine Epistemologie der Hoffnung hat demnach auch ein Hoffnungssubjekt auszuweisen, letztlich die Subjektbezogenheit human bestimmter Hoffnung. Hoffnung wird nur verstehbar über den Aufweis ihrer Subjekthaftigkeit. d) Orientierung am Rational der Hoffnung und der Hoffnungsstruktur der Vernunft Die Frage nach der Vernünftigkeit des Hoffnungsvollzugs für menschliche Handlungspraxis kann nicht allein auf 1 Petr 3,15 verweisen, eine Perikope, die für die Auskunftspflichtigkeit der Theologie vor dem Forum kritischer Vernunft steht. Nicht allein, dass der Inbegriff fundamentaltheologischer Rechenschaftspflicht sich an der Kategorie der Hoffnung selbst formiert und damit nicht nur das Rational der Hoffnung selbst zur Diskussion gestellt ist, an der Hoffnungskategorie und deren Vollzügen ist insgesamt eine inhärente Vernünftigkeit und Rationalität theologischer Ethik 192 auszumachen. Diese kann in zwei Richtungen formuliert werden: Einmal kann nach der Vernunftstruktur der Hoffnung gefragt werden, wenn der Ausgang von einer Analytik und Phänomenologie der Hoffnungskategorie genommen wird, sodann kann auch nach der Hoffnungsstruktur der 189 Vgl. exemplarisch KIERKEGAARD, S., Der Begriff Angst, Frankfurt am Main 1994; Ders, Die Krankheit zum Tode, Frankfurt am Main 2 1995. 190 Vgl. HÖFFE, O., Immanuel Kant, München 6 2004, 196-202. 191 Wenn es zum Kernbestand der Vorstellungen von der Würde des Menschen gehört, dass er als sittliches Subjekt in vernunftbestimmter Autonomie sich zum Guten zu bestimmen vermag, dann kann mit gutem Recht die realistische Hoffnungsstruktur der Würdekategorie behauptet werden, die sich daran zu erkennen gibt, dass darin fundamentale, an moralischen Kategorien (Gerechtigkeit, Gleichheit, etc.) bemessene Anerkennungsverhältnisse zwischen Menschen antizipiert werden, die insbesondere dann vehement artikuliert werden, wenn sie verletzt sind. 192 Vgl. STREIFF, S. / RUH, H., Zum Interesse theologischer Ethik an der Rationalität, Zürich 1994. <?page no="89"?> 4. Zur Epistemologie der Hoffnung 89 Vernunft gefragt werden, wenn der Ausgang von einem Begriff der (theoretischen und praktischen) Vernunft genommen wird. Insbesondere die Dialektik, die Antinomik und die Einheit des Vernunftgebrauchs dürfte für die vorliegende Fragestellung fruchtbar gemacht werden können. Thesenartig kann dabei mit RICHARD SCHAEFFLER konstatiert werden: „Alle diese Antinomien der Vernunft in ihrem theoretischen und praktischen Gebrauche sind [...] untereinander auf solche Weise verknüpft, dass sie nicht anders auflösbar sind als durch die Hoffnung auf einen „Urteilsspruch aus Gnade“ - eine Hoffnung freilich, die zur Forderung, zum Postulat wird, weil sie die Bedingung benennt, unter der wir allein zur Erfüllung des Sittengesetze fähig werden.“ 193 Mit anderen Worten: Die Notwendigkeit des vernünftigen Ausweises von (mindestens postulatorischer) Hoffnung für die Moralität des Menschen ist aus der Struktur der Moralität selbst heraus verstehbar. 194 Ansonsten bestünde die Gefahr, dass „ungedeckte“, ideologie- und illusionsanfällige Hoffnungen der rationalen Struktur des Menschen äußerlich bleiben und sich quasi (fideistisch) der rationalen Kontrolle entziehen, ganz abgesehen davon, dass bezweifelt werden darf, dass sie ohne diese Vernunftkontrolle überhaupt nachhaltig und persistent am unbedingten Anspruch des Guten festzuhalten in der Lage wären. Daher ist ganz im Unterschied zu solchen Vorstellungen mit KANT und dem Primat der praktischen Vernunft und unter Aufbietung eines epistemischen Universalismus ein „rationales Hoffen“ 195 auszuweisen, das eine Vernunftnotwendigkeit darstellt, soll Moralität ihren Sinn nicht verlieren. e) Orientierung an Letztbegründungsversuchen Insbesondere im Rahmen moralphilosophischer und moraltheologischer Theorien zur Begründungsproblematik, hierin kann ANNEMARIE PIEPER 196 zugestimmt werden, kann ein Mangel an Letztbegründungsversuchen ausgemacht werden, wiewohl entsprechende Versuche geeignet wären, eher pragmatische und funktionalistische Normbegründungen, wie sie aktuell vorherrschend sind, auf die normative Legitimität ihrer Voraussetzungen zu befragen, um so zu verhindern, dass die fehlende Legitimität entsprechender Verfahren aufgrund nicht ausgewiesener „letzter“, unbedingter Bezugsgrößen von Begründungen auch ihrerseits keine begründeten Handlungsnormen ausweisen können. Bezogen auf die vorliegende Fragestellung könnte das u.a. heißen, fundamentaltheologisch nach der Bedingung der Möglichkeit letztgültigen Sinns 197 als notwendige 193 Vgl. SCHAEFFLER, R., Wissenschaftstheorie und Theologie, in: BÖCKLE, F. / KAUFMANN, F.-X. / RAHNER, K. / WELTE, B. (Hrsg.), Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft Bd. XX, Freiburg im Breisgau 1982, 5-83, hier 26. 194 Entscheidender philosophischer Gewährsmann für dieses Unterfangen ist IMMANUEL KANT. Vgl. Kapitel V 6 in dieser Arbeit. 195 Vgl. HÖFFE, O., Kants Kritik der reinen Vernunft. Die Grundlegung der modernen Philosophie, München 3 2004, 297ff. 196 Vgl. PIEPER, A., Pragmatische und ethische Normbegründung. Zum Defizit an ethischer Letztbegründung in zeitgenössischen Beiträgen zur Moralphilosophie, Freiburg im Breisgau 1979. 197 Vgl. VERWEYEN, H., Einführung in die Fundamentaltheologie, Darmstadt 2008, 111-164. Ders., Gottes letztes Wort. Grundriss der Fundamentaltheologie, Regensburg 3 2000, 233-280, hier 233. Die alle Vernunft leitende Sinnfrage sieht er „darin gegeben, dass der Mensch in all seinen Akten unausweichlich bemüht ist, unbedingte Einheit zu setzen, zugleich aber nicht der Notwendigkeit entgeht, sich etwas entgegen-, also Differenz zu setzen.“ Auch die Frage nach <?page no="90"?> IV. Methodologischer Abriss 90 Voraussetzung absoluter Hoffnung zu fragen. Solche und ähnliche Letztbegründungsversuche sind fundamentaltheologisch und moraltheologisch unerlässlich, nicht allein im Sinne des Ausweises der Denkmöglichkeit letztgültigen Sinns, eines letzten Grundes von Hoffnung, der den berechtigten Interessen menschlicher Handlungswirklichkeit nach dem Guten, dem Glück und dem Gelingen und den daran anknüpfenden Hoffnungsstrukturen quasi berechtigt entgegenkommt, sondern auch, weil immer wieder Abschlussgedanken notwendig sind, damit der Sinn von Moralität überhaupt und unter theistischen Vorzeichen schlussendlich eine Hoffnung über den Tod hinaus als vernunftgemäß und als verbürgt eröffnet werden kann. f) Orientierung an der Phänomenologie menschlicher Selbsttranszendentalität Die Hinordnung auf Gott im Rahmen der theologischen Tugenden lässt sich vom Menschen her betrachtet als permanente Selbsttranszendenz rein immanent-faktischer Verhältnisse 198 und damit auch aller Handlungsziele auf diesen Gott hin verstehen. Damit wird dann folgerichtig trotz aller Lebens- und Weltbejahung, die womöglich dem Glauben erst konsekutiv sind, eine inkommensurable Differenz zwischen Anspruch und Möglichkeit christlicher Ethik und Lebenspraxis und den faktisch vorfindlichen Ethosformen etabliert und gegen alle Identität sicher gestellt. Daher hat auch völlig zu Recht bereits KARL OTTO APEL aus gesellschaftstheoretischer Perspektive festgestellt, dass theologische Tugenden „unverkennbar eine neue Distanz gegenüber allen bestimmten Gesellschaftsordnungen nebst ihren Tugendsystemen“ 199 ermöglichen. Hier kann bereits die Struktur der Hoffnung als sittliche Spannungsgeberin herausgehört werden. Denn gerade über den transzendierenden Charakter christlicher Welt- und Lebensdeutung, wie er in vorliegender Arbeit vielfältig Erwähnung findet, werden hoffnungstheoretisch betrachtet (Hoffnungs-) Spannungen errichtet zwischen Sein und Sollen, die zwar je verschieden konzeptualisiert und begründet werden können, die epistemologisch wohl auch im Kontext rein sittlicher Tugenden eingesehen und etabliert werden müssen und können, aber wohl gnoseologisch allein im Rahmen einer theologischen Tugendperspektive gegen alle Resignation, Identifikation oder Affirmation gegenüber den moralischen Verhältnissen (in) der Welt bleibend offen gehalten und quasi im Sinne des Humanums durchgehalten werden können. der Begründung einer unbedingten Verpflichtung durch das Sittengesetz und die Möglichkeit, dieser in einer bedingten und kontingenten Welt nachzukommen, ist Teil moraltheologischer Rechenschaftspflicht über moralische Letztbegründungsfragen. 198 Vgl. JOAS, H., Braucht der Mensch Religion? Über Erfahrungen der Selbsttranszendenz, Freiburg im Breisgau 2004. 199 Vgl. APEL, K. O., Kein Ende der Tugenden, in: Frankfurter Hefte 29 (1974), 783-794, hier 786. J.P. WILS schreibt daher folgerichtig: „Christliche Ethik“, besser müsste formuliert werden: sittliche Praxis u.a. aus christlichem Ethos „hat demnach einen transzendierenden Charakter, der zwar die kritisch-rationale Diskursivität normativer Aussagen nicht überspringt, wohl aber die Sinnhaftigkeit theologisch qualifizierter Ethik in Sinnbilder, in imaginierte Haltungsbilder übersetzt, die zum Gegenstand der produktiven Gewinnung sittlicher Haltungen bzw. Tugenden werden.“ Vgl. WILS, J.-P., Tugend, in: Ders. / MIETH, D. (Hrsg.), Grundbegriffe der christlichen Ethik, Paderborn 1992, 182-198, hier 194. <?page no="91"?> 4. Zur Epistemologie der Hoffnung 91 g) Orientierung an einer Transzendentalphilosophie Die Klärung der Bedingungen der Möglichkeit des Vollzugs von Hoffnung als Handlungskategorie läuft auf eine Verbindung von Handlungstheorie und Transzendentalphilosophie 200 hinaus. Demnach kann entlang der hier vertretenen These, wonach Hoffnung die (handlungsrelevante) Form der Antizipation von Sinn darstellt, festgehalten werden, dass die kantische Frage: „Was darf ich hoffen? “ direkt übersetzt werden kann in die Frage: „Was ist der Sinn des Handelns überhaupt und wie kann dieser gewährleistet werden? “. Nicht umsonst hat sich daher etwa KANT im Rahmen seines transzendentalidealistischen Ansatzes redlich bemüht, die Antinomien praktischer Vernunft dahingehend aufzulösen, dass er im Medium von Vernunftpostulaten den Sinn von Moral überhaupt zu sichern versuchte. Ob es so etwas wie eine Ethik unter absurden, d.h. irrationalen und sinnfreien Bedingungen (vgl. ALBERT CAMUS) überhaupt geben kann, kann stark bezweifelt werden. Dass aber „die mögliche Lücke zwischen der Zustimmung zur Gültigkeit einer Norm und einem der Norm entsprechenden Verhalten zu den unaufhebbaren Grundtatsachen des menschlichen Lebens gehört“ 201 , heißt nun noch lange nicht, dass transzendentalphilosophische Letztbegründungsversuche zur potentiellen Beantwortung dieser und ähnlicher Probleme keinen Sinn machen würden, weil sie nicht benötigt würden; ganz im Gegenteil: Die Unterscheidung etwa von principium diiudicationis und principium executionis und die Fragen nach der Möglichkeit einer spezifisch moralischen Motivation, ebenso nach der Motivationskraft praktischer Vernunft aus sich selbst heraus, kantisch der Möglichkeit, das vernunftgenerierte Gefühl der „Achtung vor dem Sittengesetz“ zu begründen, genauso wie Fragen nach der Bedeutung von sinnlichen Neigungen für die moralische Motivation oder die Frage nach dem Verhältnis von sinnlichen und intelligiblen Subjektaspekten für die Erkenntnis und die Realisierung des als unbedingt begriffenen Sittengesetzes, führen nicht aus der Transzendentalphilosophie heraus, sondern mitten in diese hinein, sollen die Antinomien theoretischer wie praktischer Vernunft nicht unbeantwortet bleiben und damit die Gefahr des Verlustes der Einheit des Handlungssubjektes, dessen Vernunft und der moralischen Welt, in der es handelt und lebt. h) Sinnfrage und Hoffnungszusammenhänge Selbst wenn es cum grano salis für zustimmungsfähig befunden werden sollte, dass der Sinnbegriff Ausdruck einer ontologischen Ratlosigkeit gegenüber dem Begriff des Guten darstellt, nachdem der Begriff des Seins und der des Guten auseinandergebrochen sind, so kann nicht einfach hinter diesen Bruch zurückgekehrt werden. Die Ratlosigkeit ist auch theoretisch ernst zu nehmen, zumal die Sinnkategorie in der Moderne als handlungsorientierende Zielvorgabe immer wichtiger wird, aber semantisch ein etymologisches Chamäleon darstellt und insgesamt noch zu wenig über deren Bedeutung im Rahmen einer Ethiktheorie nachgedacht wurde, wiewohl viele Gemeinsamkeiten mit Anliegen von Ethik und Moral zu Tage gefördert werden können. Eine Moralphilosophie 200 Vgl. die Beiträge in PRAUSS, G. (Hrsg.), Handlungstheorie und Transzendentalphilosophie, Frankfurt am Main 1986. 201 Vgl. PATZIG, G., Principium diiudicationis und Principium executionis: Über transzendentalpragmatische Begründungsansätze für Verhaltensnormen, in: PRAUSS, G. (Hrsg.), Handlungstheorie und Transzendentalphilosophie, Frankfurt am Main 1986, 204-218, hier 205. <?page no="92"?> IV. Methodologischer Abriss 92 und eine Moraltheologie des Sinns warten noch darauf, formuliert zu werden. Insbesondere, wenn es gilt, dass Sinnfiguren mit Hoffnung belegt werden, regelrecht Voraussetzung für die Etablierung von handlungsrelevanter Hoffnung sind und dabei immer zugleich die konkreten Hoffnungs- und damit Sinnzusammenhänge, in denen eine Handlung steht und ein Leben vollzogen wird, explizieren. 202 Mit diesen Vorschlägen sollte der erkenntnistheoretische Weg vorbereitet werden, unter Hoffnung nicht einfach ein bloßes Meinen der Zukunft gegenüber zu verstehen. Dem subjektiven Aspekt der Hoffnung hat ein objektives Korrelat zu entsprechen und die Handlungskategorie der Hoffnung hat insgesamt einen Wahrheitsanspruch zur Geltung zu bringen und diesem Genüge zu tun, in dessen Zentrum ein (vernunfttheoretisch) Universales und (erkenntnistheoretisch) Unbedingtes steht (das höchste Gut, das Gute, das Glück, Gott, die Vollendung menschlicher Bestimmung, etc.). Soll der Versuch epistemologisch überhaupt gelingen können, eine basale Handlungskategorie Hoffnung in ihrer Ubiquität auszuweisen, so wird sie nicht einfach mit praktisch allen grundlegenden Handlungskategorien auf direktem Wege zu verbinden sein, wiewohl eine solche Verbindung sachimmanent unumgänglich ist. Soll der entsprechende Versuch nicht von vornherein unter den theoretischen Attacken moderner Vernunftkritik zum Scheitern verurteilt sein, darf für dieses Unterfangen der korrespondierende Vernunftbegriff nicht zu schwach 203 angelegt sein, sonst kann weder der unbedingte Verpflichtungscharakter des Sittengesetzes erreicht werden, ganz abgesehen von Ethikkonzeptionen, die sich weit darunter ansiedeln wollen, aber keine begründungsstarke Normativität ausweisen können, noch wird unter den Bedingungen von Differenz und Kontingenz die Einheit des Menschen und seiner (moralischen) Handlungswirklichkeit auch nur annähernd erreicht werden können, die für eine tatsächliche Kraft zur moralischen Orientierung und Motivierung auf das individuelle und kollektive Glück hin und unter den Bedingungen der Endlichkeit unverzichtbar ist. Für den vorliegenden Kontext äußerst aufschlussreich und daher an dieser Stelle uneingeschränkt zu erwähnen, sind schließlich noch die wahrheitstheoretischen Auseinan- 202 Vgl. dazu anhand einer Auseinandersetzung mit KANT KAULBACH, F., Handlung und Wahrheit im Aspekt der kantischen Philosophie, in: PRAUSS, Handlungstheorie und Transzendentalphilosophie, 144-159, hier 157-158. „Der Handelnde bedarf der Gewissheit, dass seine Hoffnung auf Erfolg seiner Anstrengungen gerechtfertigt ist, er hat die Perspektive des höchsten Gutes nötig, in der er seine Handlungswelt und seine Stellung in ihr zu deuten vermag. […] Durch die Annahme bzw. Voraussetzung des höchsten Gutes als der Garantie dafür, dass nicht alles umsonst ist, wird ein letzter Erfolg der Anstrengungen des guten Willens zur Gewissheit. Diese Perspektive vermag Handeln überhaupt zu rechtfertigen und ihm Sinn zu geben. Zu den Zügen des handelnden Bewusstseins, sofern es moralisch ist, gehört nicht nur die Achtung vor dem Gesetz, sondern auch die gewisse Hoffnung auf den endgültigen Erfolg der Anstrengungen des guten Willens. […] Mit einer Notwendigkeit, die als Sinnnotwendigkeit zu bezeichnen ist, ist die Perspektive des höchsten Gutes vom handelnden Menschen anzunehmen. […] Das handelnde Bewusstsein bedarf der Sinnwahrheit seiner Weltperspektive.“ Wiewohl der Aspekt der Gewissheit bei KAULBACH wohl aufgrund vielfältiger Erfahrungen der Kontingenz und Vergeblichkeit infrage gestellt werden muss, zumal auch das höchste Gut aus sich keine Gewissheit zu geben vermag, es sei denn unter theistischen Voraussetzungen, kann der Aspekt der Sinngebung durch den orientierenden Bezug auf und die stimulierende Referenz durch die Attraktivität eines höchsten Gutes unterstützt werden. Inhaltlich entscheidend ist tatsächlich die Frage: „Was dürfen und können wir begründet hoffen? “, strukturell wird damit Handlungssinn im Medium der Hoffnung eröffnet. 203 Vgl. etwa VERWEYEN, H., Theologie im Zeichen der schwachen Vernunft, Regensburg 2000. <?page no="93"?> 5. Tugendlehre und (Fundamental-)Anthropologie des hoffenden Menschen 93 dersetzungen von ARISTOTELES mit dem Problem der sogenannten Wahrheiten über die Zukunft. Diese können zur Erhellung des epistemischen Status der Hoffnung beitragen und auf eine darauf bezugnehmende Verknüpfung mit der Handlungspraxis des Menschen rekurrieren. Demnach unterscheidet ARISTOTELES zwischen zwei Wahrheiten der Zukunft gegenüber, notwendigen und kontingenten. Notwendige Wahrheiten sind logische Wahrheiten, etwa tautologische Aussagen, die den Gesetzen der Logik folgen („Morgen wird es regnen oder es wird nicht regnen“) und nicht unmittelbar mit menschlichen Handlungsmöglichkeiten zu tun haben. Neben den logisch notwendigen sind alle anderen Wahrheiten über die Zukunft nach ARISTOTELES kontingent. Er diskutiert für diesen häufigen Fall den Satz: „Morgen findet eine Seeschlacht statt.“ 204 Für ARISTOTELES kann diese Aussage noch keine mit absoluter Gewissheit ausgestattete Wahrheit zum Ausdruck bringen, denn sonst enthielte diese Zukunft keine Handlungsmöglichkeiten mehr für uns und es wäre uns auch nicht mehr möglich, diese Seeschlacht zu verhindern. Mit GEERT KEIL könnte dies das „Argument aus der Beeinflussbarkeit der Zukunft“ 205 genannt werden. Der von ARISTOTELES erörterte Satz ist nun in der Nomenklatur der vorliegenden Arbeit eine Erwartung 206 gegenüber der Zukunft (Verhältnis erster Ordnung), für die es Hinweise oder gar empirische Indizien geben mag, zu der wir uns aber insgesamt in ein Verhältnis zweiter Ordnung setzen können - hoffend, verzweifelnd, ängstlich, etc., je nach der Tönung bzw. Färbung der existenziell damit verbundenen Valenzen. Schließlich sagen wir ja auch nicht, dass solche und ähnliche Aussagen schlicht wahr sind, sondern dass diese sich erst bewahrheiten müssen. So besehen markiert der Unterschied für ARISTOTELES den Raum der Freiheit der Zukunft gegenüber und - in gewisser Weise - die Hoffnung auf deren Beeinflussbarkeit. Denn zur Möglichkeit der Bewahrheitung können wir uns handelnd, die Zukunft beeinflussend verhalten. Und die Möglichkeit der Einflussnahme entlang unserer Hoffnungen, Ängste, etc. den Erwartungen gegenüber vermag uns umgekehrt zu mobilisieren. Mit anderen Worten: Mit der wahrheitstheoretischen Kontingenz unserer Aussagen der Zukunft gegenüber verbindet sich für ARISTOTELES die Beeinflussbarkeit der Zukunft durch menschliches Handeln und die Freiheit dieses Handelns gegenüber einer nicht gewissen und nicht festgelegten Zukunft. 207 5. Tugendlehre und (Fundamental-)Anthropologie des hoffenden Menschen Die klassischen Topoi des moraltheologischen Nachdenkens über Hoffnung waren vorrangig der Tugendtraktat der Moraltheologie und innerhalb der Dogmatik, spätestens ab dem 19. Jahrhundert, die Eschatologie als Lehre von den letzten Dingen. 208 Ausgehend 204 Vgl. ARISTOTELES, De interpretatione [Peri Hermenaias], übersetzt von Hermann Weidemann, Berlin 1994, 9ff. 205 Vgl. KEIL, G., Willensfreiheit, Berlin 2007, 23ff. 206 Vgl. Kapitel VII 1 b) in dieser Arbeit. 207 Wahrheitstheoretisch wird es darum gehen, zu diskutieren, ob Wahrheit mit und ohne Zeitindex versehen werden kann bzw. überhaupt darf oder gar muss - ohne den Satz vom ausgeschlossenen Dritten zu verletzen. 208 Vgl. MÜLLER-GOLDKUHLE, P., Die Eschatologie in der Dogmatik des 19. Jahrhunderts, Essen 1966. <?page no="94"?> IV. Methodologischer Abriss 94 von dieser Verortung haben sich beide Reflexionsorte sowohl als Entdeckungs-, als auch als Begründungszusammenhänge in Anlage und Ertrag der vorliegenden Studie wiederzufinden. Dabei nimmt diese einen doppelten Fokus ein, wenn sie (1) den Begriff und die Kategorie 209 der Hoffnung in ihrer strukturellen Ausprägung thematisiert und wenn sie (2) das Handlungssubjekt, das hofft, vor Augen hat und damit die Hoffnung als praktische Vollzugswirklichkeit im Rahmen menschlicher Handlungswirklichkeit verortet. So gesehen wird eine Entsprechung herausgearbeitet werden müssen zwischen der anthropologischen Situation des handelnden Menschen in der Welt und quasi konsekutiv der Möglichkeit und Notwendigkeit des Vollzugs von Hoffnung auf der einen Seite und den angestammten Topoi der (moral-) theologischen Hoffnungsreflexion auf der anderen Seite, die damit eine Öffnung und anthropologische Vertiefung zugleich erfahren. Aus diesem Grund wird hier dafür plädiert, die Ausbildung von Tugenden, auch von Tugendhaftigkeit als einer an Haltungsbildern orientierten Charaktereigenschaft, von einem Begriff der Bestimmung des Menschen abhängig zu machen, da sich allererst von dort her eine umfassende, integrative, d.h. sowohl anthropologisch fundierte, als auch moraltheologisch erschlossene Gestalt von Hoffnung als Tugend, die sich zugleich als eschatologisch zu erkennen gibt, verständlich machen lässt. 210 a) Die Situation des handelnden Menschen in der Welt. Sinnentwürfe und Erfüllungsgestalten Die Rede von der Bestimmung des Menschen, wie es eine umfängliche Thematisierung der handlungstheoretischen Bedeutung der Hoffnungskategorie fordert, indem sie einen Ausgriff auf ein letztes Gelingen potentiell zu ermöglichen versucht, macht einen Übergang von der Hermeneutik der faktischen zur Hermeneutik der praktischen Grundsituation des Menschen 211 notwendig, denn aller alleinige Fokus auf die Faktizität depotenziert den Menschen und reißt auseinander: Sein und Sollen, Faktizität und Normativität, Vernunft und Natur, Subjekt und Objekt, etc. 212 Der Bezug auf die praktische Situation des Menschen lässt daher nicht nur die praktische Wirklichkeit des Menschen in umfassendem Sinne potentiell zur Geltung kommen, sie erlaubt auch alle relevanten Hand- 209 Vgl. HÖVER, G., Überlegungen zum Problem ethischer Kategorienbildung, in: Zeitschrift für evangelische Ethik 48 (2004), 46-53. 210 Hoffnung setzt, soll sie ihre ganze Potentialität zur Orientierung, energetisierenden und therapeutischen Bewältigung und (sittlichen) Finalisierung menschlichen Daseins im Rahmen menschlicher Handlungswirklichkeit entfalten können, eine spezifische Anthropologie voraus, die bei Missachtung das Hoffnungspotential des Menschen depotenziert und letztlich Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung begünstigt. Hoffnung ist dabei nicht einfach eine Chiffre für die Sehnsucht des Menschen nach dem ganz anderen, denn diese bietet keine wirkliche Orientierung, bietet keine verheißungsvolle Sinnaussicht und wird daher auch, so darf begründet vermutet werden, von den Erfahrungen in der Welt schnell enttäuscht werden. 211 Vgl. RENTSCH, T., Die Konstitution der Moralität. Transzendentale Anthropologie und praktische Philosophie, Frankfurt am Main 1990, 109 und 195. 212 „Wenn die primären praktischen Sinnentwürfe unlöslich verbunden sind mit ihren möglichen Erfüllungen, dann dürfen wir grundsätzlich kein reduktionistisches Situationsverständnis etablieren und praktisch werden lassen, in welchem unsere Lebenssituationen auf pure Faktizität beschränkt werden.“ Vgl. RENTSCH, Konstitution, 113. Gerade die Hoffnung wird sich im Fortgang der Arbeit noch als Brückenkategorie erweisen, die in ihrem Vollzug als Tugend solche und ähnliche Polaritäten zu vermitteln vermag und so überhaupt erst die Einheit des Handlungssubjekts und eine einheitliche Handlungsorganisation möglich macht. <?page no="95"?> 5. Tugendlehre und (Fundamental-)Anthropologie des hoffenden Menschen 95 lungskategorien in den Blick zu nehmen - und damit auch die der Hoffnung. Von der praktischen Situation des Menschen fundamentalanthropologisch auszugehen, heißt nun aber auch, dass damit ein anthropologischer Universalismus vertreten wird, der zugleich auf das schlichte fundamentalanthropologische Defizit im Rahmen praktischer Philosophie und Moraltheologie hinweisen soll. 213 Als Indikator kann pars pro toto gelten, dass entweder unverhohlen dekonstruktivistisch gedacht wird, oder die Pluralisierung der Anthropologien zwar zurecht als unüberwindlich konstatiert wird, aber daraufhin Versuche unterlassen werden, die Fülle an humanwissenschaftlichen Einzelentwürfen einer systematisierenden Theoriebildung auf einen Gesamtentwurf hin zu bündeln. Nach wie vor sind Einsichten philosophischer Anthropologie zur Beschreibung der Situation des Menschen in der Welt geeignet, die ihm etwa eine „exzentrische Positionalität“ 214 zuschreiben, also die Fähigkeit, zu sich und seinem Zentrum in ein Verhältnis zu treten und sich davon selbstreflexiv distanzieren zu können. Diese Fähigkeit lässt eine „natürliche Künstlichkeit“ entstehen, die ihm wiederum einen „utopischen Standort“ zuweist - als einem wichtigen anthropologischen Korrelat für das Verständnis humanen Hoffnungsvollzugs. Systematisch wird hier die fundamentale Handlungsunsicherheit des instinktschwachen und weltoffenen Menschen benannt, was einen basalen Orientierungsbedarf zur Folge hat. Wird diese grundständige Unsicherheit in der Welt- und Selbstauslegung in ihrer ganzen Fraglichkeit zugelassen und nicht vorschnell reduktionistisch geschlossen, kann sie auf die Sinnfrage hin zugespitzt werden. Dabei gibt sich der Mensch als ein ‚vor-läufiges‘ Wesen zu erkennen, das Endgültigkeit sucht. 215 Er läuft sich quasi voraus in eine Zukunft hinein, die seine Zukunft werden soll, um Gewissheit über sich und seine fragliche Existenz zu bekommen. Aus christlicher Perspektive kommt ihm dabei Gott entgegen - und gibt ihm Hoffnung auf Endgültigkeit seines Verlangens nach Anerkennung, Frieden, Versöhnung, Glück. Die sittlich konnotierte Sinnfrage stellt sich demnach immer dann, wenn der angestammte sinnerschließende, sinnverheißende und damit orientierende Zusammenhang meines Lebens im Allgemeinen und meines Handelns im Besonderen, auch und gerade meiner Handlungsfähigkeit, nicht mehr fraglose Gültigkeit besitzt und nolens volens die Frage aufbricht, welche Zusammenhänge wieder je neu Sinn eröffnen könnten. Damit sind Entitäten angesprochen, auf die hin ich mich dann handelnd orientieren könnte, schlicht: auf die hin ich mich entwerfe und von denen ich mir (hoffend) etwas (Sinnträchtiges) verspreche zur Verortung in der Welt. Diese Entitäten aber, sollen sie handlungswirksam werden, machen den Vollzug von Hoffnung nötig und setzen Selbsttranszendenz voraus, denn Hoffnung realisiert dieses Auslangen nach Sinnvalenzen quasi als 213 Vgl. WILS, J.-P., Anmerkungen zur Wiederkehr der Anthropologie, in: Ders. (Hrsg.), Anthropologie und Ethik. Biologische, sozialwissenschaftliche und philosophische Überlegungen, Tübingen / Basel 1997, 9-40; WILS, J.-P., Anthropologie, in: Ders. / MIETH, D. (Hrsg.), Grundbegriffe der christlichen Ethik, Paderborn 1992, 162-181. 214 Vgl. PLESSNER, H., Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie, Berlin 2 1965. 215 Vgl. REVERS, W.J., Über die Hoffnung. Die anthropologische Bedeutung der Zukunft, in: Jahrbuch für Psychologie, Psychotherapie und medizinische Anthropologie 14 (1966), 175-185, hier 175-178. Damit ist der Mensch als Mensch nie nur in der Gegenwart existent, wenn diese nicht zugleich seine Vergangenheit und Zukunft umfassen würde. Hoffnung drückt dabei so etwas wie die Gerichtetheit seiner Werdegestalten aus. Verliert er diese Zukunft, ist fundamentales Daseinsvertrauen erschüttert und droht Selbstauflösung, wie vielfältige Forschungen zur Suizidentstehung zeigen können. <?page no="96"?> IV. Methodologischer Abriss 96 konstruktive und die Handlungsfähigkeit erhaltende Antwort auf diese basale Offenheit. Langt der Mensch auf diese Weise, d.h. hoffend nach der Zukunft seiner selbst und nach dem möglichen Sinn dieser Zukunft aus, dann ermöglicht diese potentiell einen Antriebsüberschuss gegenüber der realen Umwelt als unmittelbare handlungsmäßige Folge, da sie über das Medium der Hoffnung und sowohl durch außerordentlich attraktive Sinnaussichten als auch auf diese hin mobilisierend und nachhaltig motivierend wirkt. So können wir an dieser Stelle mit THOMAS RENTSCH zusammenfassend formulieren: „Das menschliche Leben in der primären Welt“, das heißt der Lebenswelt des Menschen, der eigentlich erst menschlichen Welt, mithin der lebensweltlich-praktischen Situation, in die sich der Mensch als Mensch allererst gestellt sieht, „bestimme ich als praktischen Sinnentwurf mit Richtung auf Erfüllungsgestalten. Diese Erfüllungsgestalten sind wesentlich kommunikativ.“ 216 Mit anderen Worten: „Situationen in der menschlichen Welt erscheinen im Horizont ihrer Erfüllungsgestalten und werden nur in einem solchen Horizont überhaupt verstehbar, und dies gilt bereits für eine sehr elementare Ebene.“ 217 Damit wird die menschenspezifische (Handlungs-) Situation als zentral bestimmt von in dieser Lebenswelt verorteten Sinnentwürfen gedacht, die ihrerseits auf ihre je eigenen Erfüllungsgestalten hingeordnet verstanden werden. Erneut mit RENT- SCH prägnant formuliert: „Menschen existieren als praktische Sinnentwürfe ihrer selbst.“ 218 Die Sinnverheißungen dieser Entwürfe werden real und die Entwürfe damit allererst handlungsrelevant im Medium der Hoffnung, sodass sich bereits an dieser Stelle andeutet, was eine der zentralen Thesen der vorliegenden Arbeit darstellt, dass Hoffnung als eine Form der Antizipation von Sinn zu konzeptionalisieren ist. Diese Sinnentwürfe sind nun, wie bereits erläutert, erst von ihren Erfüllungsgestalten her verständlich, d.h. von ihrer Funktion und ihrem Gehalt als Hoffnungsgut, sodass von deren Apriorität die Rede sein muss. Genauer gesagt: Die praktischen Entwürfe des Menschen machen erst im Blick auf die darin aufscheinenden Erfüllungsgestalten den Sinngrund dieser Entwürfe überhaupt möglich. Das dahinter freizulegende Sinnbedürfnis, das sich grundlegend in Hoffnungen artikuliert und zu erkennen gibt, hat damit einen zentralen Grund in der Fundamentalanthropologie der Situation des (handelnden) Menschen in der Welt. Der Begriff der Bestimmung des Menschen, der sich u.a. konstituiert durch Autonomie, Vernunft, kommunikative Solidarität und Sprache, kann in der Diktion des vorliegenden Gedankenganges als Inbegriff von Lebenssinngestalten gefasst werden, der auf diese Weise die Sinnbedingungen des Lebens insgesamt benennen kann, die real werden in den darauf Bezug nehmenden Hoffnungen. Diese wiederum können praktisch lebbar werden, sich also ihrerseits rückkoppeln in die personale und situationale Lebenswelt des Handelnden hinein, wenn sie in den Tugendaufbau menschlicher Handlungswirklichkeit integriert werden. 216 Vgl. RENTSCH, T., Die Konstitution der Moralität. Transzendentale Anthropologie und praktische Philosophie, Frankfurt am Main 1990, 106. Vgl. bestätigend auch die Ausführungen zur Kommunikationspragmatik von JÜRGEN HABERMAS und deren Orientierung an der idealen Sprachsituation in Kapitel II dieser Arbeit. 217 Vgl. RENTSCH, Konstitution, 116. In der Nomenklatur der vorliegenden Studie heißt das, von Hoffnung als einer Erkenntnisquelle zu sprechen. 218 Vgl. ebd. 192. Oder anders gesagt: „Die Rede vom Menschen, die Rede von uns selbst hat gar keinen Sinn, wenn wir sie nicht bereits so verstehen, dass Personen einzig und allein über ihre Lebenssinngestalt angemessen begriffen werden.“ Ebd. 221. <?page no="97"?> 5. Tugendlehre und (Fundamental-)Anthropologie des hoffenden Menschen 97 b) Der Tugendbegriff und seine Aufgaben Tugendethische Ansätze verfolgen vorrangig das Ziel, mittels einer Rechenschaft über die Konzepte des Guten, auch des höchsten Gutes, des Glücks bzw. der Glückseligkeit und insbesondere mit den Begriffen der Tugend, des Charakters und der damit organisch verbundenen Vernunft, genauso wie in Verbindung mit der ganzen körperlichgeistig-seelischen Antriebsstruktur des Menschen eine Orientierung dafür zu bieten, wie ein (tugendgemäßes) gutes Leben zu führen sei. Diesseits der Unterscheidung von deontologischen und teleologischen Ethiktypen geht es der Tugendethik um eine buchstäblich grundlegende, die Ganzheit des menschlichen Vermögens umfassende Verbindung der Belange der Ethik mit dem Lebensvollzug, der sich als hingeordnet auf ein Gut, letztlich ein höchstes Gut erlebt, in dem alle denkbaren Strebungen des Menschen eine Erfüllung finden. Der Weg dorthin ist ein Weg auf der Suche nach dem guten Leben und nach dem Glück, ist ein Weg der vom Charakter getragenen Haltungsbilder, der Tugenden, die nicht formalistisch, abstrakt oder heteronom auf das Gute hin orientieren, sondern in einer mit der Antriebs- und Affektstruktur tief verwurzelten und sich von daher energetisierenden und genauso von der Vernunft des Menschen wohlgeordneten Form des Lebens ihren Grund haben. Ziel der Tugend ist die Etablierung und Aufrechterhaltung von Haltungen und Haltungsbildern zur Ermöglichung eines guten Lebens, dieses freilich im doppelten Sinne des Wortes, zunächst (internalistisch) als gut erlebtes, bejahenswertes und glückliches Leben, dann aber genauso (externalistisch) ein moralisch gutes Leben, denn jenes ist ohne dieses nicht zu haben, insbesondere unter der Voraussetzung eines Konflikts zwischen Moral und Glück, wie er in aller Schärfe und Konsequenz wohl erst im Rahmen der Moralphilosophie von IMMANUEL KANT 219 zu finden ist. Tugend ist Habitus (hexis), aber nicht jeder Habitus ist Tugend. Der tugendhafte Habitus, erworben unter anderem durch Gewöhnung und Übung und im Ausgleich von Extremen (mesotes), versehen mit einer phronetischen Komponente, ist bezogen auf das Tun und Lassen und bezogen auf das Gute (habitus operativus, habitus bonus). Als solcher dient er durch die Habitualisierung der Entlastung konkreter Entscheidungs- und Handlungssituationen und ermöglicht zugleich einen tugendhaften ethischen Charakter, der sich seinerseits als hingeordnet auf das Gute erlebt, von dem er sich ein gutes Leben, Glück und Gelingen verspricht und erhofft. Ein Verständnis der Tugend als umfassende „anthropologische Strukturformel“ 220 , das sich an THOMAS VON AQUIN als einem wichtigen Gewährsmann moraltheologischer Tugendlehre bis heute orientiert, kann, angewendet auf die theologische Tugend der Hoffnung, verhindern, dass es zu einem theologischen Überstieg 221 kommt, einer 219 Vgl. dazu Kapitel V 6 in dieser Arbeit. 220 Vgl. SCHOCKENHOFF, E., Bonum hominis. Die anthropologischen und theologischen Grundlagen der Tugendethik des Thomas von Aquin, Mainz 1987, 255. 221 Häufig wurde dabei der Weg beschritten, die durch das Erlösungskerygma eröffnete Hoffnung vorschnell zu normieren und quasi dadurch moralisch allererst zugänglich zu machen, den Ausgang für notwendige Normierungsprozesse also vom erlösten Menschen zu nehmen und davon deduktiv weltliche Normen abzuleiten, wobei die Gefahr übersehen wurde, dass genau dadurch die grundlegende Hoffnungsspannung der Erlösung einseitig aufgelöst wurde. Es kann von einer Moraltheologie vom erlösten Menschen her gesprochen werden mitsamt den daraus in der Tradition erwachsenen Problemen: Von diesem theologischen Diktum herkommend erschien es denkbar, deduktiv bestimmen zu können, wie ein „Erlöster“ handelt, um daraus wiederum Normierungen abzuleiten - in der irrigen Annahme, Erlösung schlicht in der Gegen- <?page no="98"?> IV. Methodologischer Abriss 98 theologisierenden Unterschlagung des anthropologischen Fundamentes, das die virtus einzeichnet in die Konstituenten seines leiblich-seelisch-geistigen Handlungsaufbaus. EBERHARD SCHOCKENHOFF schreibt daher folgerichtig: „Von der virtus muss dort geredet werden, wo danach gefragt wird, wie sich die Genese und die Vollendung des sittlichen Lebens in ihrer anthropologischen Innensicht zeigen.“ 222 Diese ist allerdings begrifflich zu konkretisieren und strukturell zu differenzieren, denn zwischen der Forderung, mittels eines an THOMAS geschulten Tugendbegriffs dessen anthropologische Strukturen nicht zu überspringen, und einer dezidierten Explikation und Konkretion via interdisziplinärem Gespräch mit den Humanwissenschaften, ist ein großer Unterschied. Von THOMAS nicht explizit bedacht wurde allerdings das Verhältnis von eingegossenen theologischen (virtus infusa) Tugenden und erworbenen Tugenden (virtus acquisita) 223 . Dieses Verhältnis schlägt strukturell das Thema der vorliegenden Arbeit an, wenn zwischen einer „natürlichen“ Hoffnung und der gnadengewirkten theologischen resp. „übernatürlichen“ Tugend der Hoffnung unterschieden wird und dabei nach den anthropologischen Strukturen der natürlichen Tugend der Hoffnung im Zueinander zur theologischen gefragt wird. Diese Frage der Zuordnung mag sich strukturell wiederfinden in der Anlage der Arbeit, nichtsdestotrotz gibt es Stellen im Werk von THOMAS, die andeuten können, dass für ihn „Hoffnung ihrem Wesen nach“ 224 übernatürlichen Ursprungs ist. THOMAS kennt zwar eine natürliche Hoffnung, auch wenn er sie nicht unzweideutig verwendet 225 , bezeichnet sie aber gerne als magnanimitas. Auf diese Weise kann zwar ausreichend gewürdigt werden, dass erst von der theologischen Hoffnung her die natürliche Hoffnung aufgenommen, umgeformt und auf ihr letztes Ziel hin orientiert werden kann, aus dem Blick gerät dadurch freilich allzu leicht, dass auch natürliche Hoffnung bereits den Vorschein des Übernatürlichen in sich trägt und quasi in dieselbe Richtung verweist, schließlich baut diese ja auf jener auf, allerdings vermag sie aus sich selbst heraus das, worauf sie bereits eo ipso verweist, in keiner Weise wart wissbar resp. verfügbar zu haben, sie quasi einfach gegenwärtig setzen zu können unter Missachtung der Spannung, aus der sie sich wesentlich speist und ohne sie damit überhaupt noch hoffend erwarten zu müssen. Hieraus sollte Handeln orientiert und motiviert werden. Erlösung sollte quasi schlicht „in die Tat“ umgesetzt werden, nachdem sie uns im Rahmen der Offenbarung zugänglich gemacht wurde - ohne zu bedenken, dass dies hieße, aus der Hoffnung auf Erlösung und damit aus einer fundamentalen Spannung zu leben. Heilspositivismus ist auch anthropologisch falsch, weil er eine Spannung auflöst, statt sie aufzurichten, weil er ein Wissen und damit eine Verfügbarkeit insinuiert, das bzw. die nicht existiert und weil damit auch zugleich der Existenzeinsatz und Existenzvollzug negiert werden würde, der in der Hoffnungsbasis (erlöster) Handlungswirklichkeit auszumachen ist. Die Spannung von Erfahrung, Realität und Wirklichkeit auf der einen Seite und der Hoffnung auf Erlösung und (sittliche) Vollendung auf der anderen Seite. Auf diese Weise kann heute weder von Hoffnung gesprochen werden, noch moraltheologisch das Zuordnungsverhältnis von Empirie und Normativität gedacht werden, weil so weder Normierungsprozesse autonom auf der Basis praktischer Vernunft gelingen, sondern strikt theonom verortet werden müssten und weil auf der einen Seite den naturalen Grundlagen der Hoffnung zu wenig Rechnung getragen werden könnte und auf der anderen Seite das spezifische Gepräge christlicher Erlösung (-shoffnung) zwischen Schon und Noch-Nicht nicht ausreichend in den Blick zu kommen vermag. 222 Vgl. SCHOCKENHOFF, Bonum hominis, 254. 223 Vgl. ebd. 288. 224 Vgl. ebd. 418. 225 Vgl. AQUIN, T. VON, S. th. II-II 129, 7: „[…] spes directe pertinet ad magnanimitatem”. Vgl. dazu auch RAMIREZ, J.M., La esencia de la esperanza cristiana, Madrid 1960, 112. <?page no="99"?> 5. Tugendlehre und (Fundamental-)Anthropologie des hoffenden Menschen 99 zu verbürgen oder gar einzulösen. So ist JOSEF PIEPER nicht mehr uneingeschränkt zuzustimmen, wenn er schreibt: „Denn die Hoffnung ist entweder theologische Tugend, oder sie ist überhaupt nicht Tugend. Sie wird zur Tugend durch nichts anderes als wodurch sie theologische Tugend wird.“ 226 Das dürfte der thomanischen Auffassung wohl weitgehend entsprechen, nach der sich wahre Hoffnung nur in einem absoluten Vertrauen auf die Macht Gottes zum Ausdruck bringt, in einem „inneren Aufschwung ins Ewige“ 227 , übersieht aber, dass damit eine Anschlussfähigkeit an die von der Anthropologie und der Erfahrung geprägten neuzeitlich-modernen Einsichten in die Wirkung von Hoffnung, die sich ihres Gottesbezugs (unthematisch) vielleicht nicht immer bewusst ist, nur durch große interdisziplinäre Vermittlungsbemühungen möglich gemacht werden kann und damit die Verwirklichung theologischer Hoffnung unter den Bedingungen der Welt nicht gerade erleichtert, ganz abgesehen davon, dass sie den darin schon in nuce anwesenden und entsprechend ausgerichteten Nukleus theologischer Hoffnung weder ausreichend wahrnehmen, noch würdigen kann. Tugend ist dabei in einem ersten (mit AUGUSTINUS, PETRUS VON POITIERS 228 und PETRUS LOMBARDUS 229 ) von zwei großen Traditionssträngen 230 des Tugendverständnisses als die rechte „Beschaffenheit des Geistes“ (bona qualitas mentis) zu qualifizieren, die ihren letzten theologischen Grund in Gott selbst hat und allererst von Gott selbst im Menschen hervorgebracht wird, aber zugleich eine schöpfungstheologisch begründete breite anthropologische Fundierung 231 kennt, quasi als naturale Basis, die das ihr eigene Hingeordnetsein auf die beatitudo aeterna nicht allein einzeichnet in menschliche Vernunft, sondern auch einzeichnet in die gesamte Antriebsstruktur des Menschen. Der zweite große Strang (ARISTOTELES) zielt dagegen dezidiert auf den Habitus, auf die persistente Handlungsdisposition aufseiten des Menschen, die „den, der sie besitzt, in seinem Sein und in seinem Tun gut macht“ 232 . THOMAS VON AQUIN kam nun das wirkmächtige Verdienst zu, beide Stränge in ein umfassendes Konzept verbunden und diesem mit dem Gedanken der Liebe als „Form“ (forma virtus) aller Tugenden einen systematischen Einheitspunkt verliehen zu haben. Dieser bereits hier aufscheinende Bezug zur ganzen Handlungswirklichkeit des Menschen kann die thomanische Tugendkonzeption als systematische Verbindung der beiden Traditionsstränge als höchst aktuell ausweisen, da sie potentiell erlaubt, alle am Handlungsaufbau beteiligten Triebkräfte und Strukturen konstruktiv aufzunehmen, zugleich auf ein Letztziel hin zu orientieren und bis in den tugendhaft geprägten Charak- 226 Vgl. PIEPER, J., Über die Hoffnung, Freiburg 2006, 25. 227 Vgl. FRIES, A., Hoffnung und Heilsgewissheit bei Thomas von Aquin, Studia moralia. Academia Alfonsiana, Institutum Theologiae VII: Contributiones, 131-236, hier 136. 228 Vgl. POITIERS, P. VON, Glosse zu den Sentenzen III, 1, PL 211, 1041. 229 Vgl. LOMBADUS, P., Sent. II, dist. 27, cap. 27: Virtus est qualitas mentis, qua recte vivitur, qua nullus male utitur, quam Deus in nobis sine nobis operator. 230 Vgl. HILPERT, K., Tugend, Tugendlehre. Theologisch-ethisch (Art.), in: HUNOLD, G.W. (Hrsg.), Lexikon der christlichen Ethik Bd. 2, Freiburg im Breisgau 2003, 1857-1858. 231 Mit W. VON AUXERRE etwa kann als einem der ersten eine anthropologische Fundierung der Tugend- und der Sündenlehre verbunden werden, was später die Spannung zwischen theologisch-übernatürlichen Tugenden und natürlichen Tugenden vorbereitete, etwa auch bei THOMAS VON AQUIN. Vgl. ERNST, S., Ethische Vernunft und christlicher Glaube. Der Prozess ihrer wechselseitigen Freisetzung in der Zeit von Anselm von Canterbury bis Wilhelm von Auxerre, Münster 1996. 232 Vgl. AQUIN, T. VON, S. th. I-II, 55, 3ff. <?page no="100"?> IV. Methodologischer Abriss 100 teraufbau hinein habitualisieren zu lassen. Hier scheint ein mögliches Modell der Integration auf. Daher: „Nicht ein Segment des Handelns, sondern das Handeln selbst wird durch Glaube, Hoffnung und Liebe auf sein die natürlichen Kräfte des Menschen übersteigendes Ziel hingeordnet. Sie wurzeln daher nicht im eigenen Seelenvermögen, sondern richten die natürlichen Potenzen auf das ihre Eigenkraft radikal übersteigende Ziel der beatitudo hin aus.“ 233 Wiewohl subjektivierende und relativierende Tendenzen gegenüber dem Versuch einer Zielbestimmung des menschlichen Lebens und seiner Handlungswirklichkeit zu einem Bedeutungsverlust des Tugendbegriffs (ebenso dem sittlich relevanten Glücksbegriff) in der Neuzeit geführt haben, auch und gerade durch stark pluralisierende Züge in der Moderne, ist gegenwärtig völlig zurecht eine Rehabilitierung des Tugendbegriffs im Gange, die die eigentlichen Stärken des Tugendkonzepts in strikt verfahrensrationalen und konsensorientierten Regelethiken nicht mehr repräsentiert sehen und daher eine Reformulierung der Tugendethik unter Integration normbezogener Ethiken fordern. 234 MAXIMILIAN FORSCHNER ist daher uneingeschränkt zuzustimmen, wenn er schreibt: „Der Erfolg dieses Versuches [der Rehabilitierung der Tugendethik, R.L.] wird daran hängen, inwieweit es noch gelingt, über eine Minimalethik (der Begründung) von Menschenrechten hinaus inhaltliche Ziele menschlichen Lebens als generell überzeugend und entsprechende Lebensformen als vorbildhaft aufzuweisen und zugleich den vernünftigen Ansprüchen eines kulturellen Pluralismus gerecht zu werden.“ 235 Dabei wird eine gründliche anthropologische Fundierung einzelner Tugenden bzw. der Tugendhaftigkeit selbst nicht unerheblich Anteil haben, wie es hier mit der Hoffnung oder andernorts mit der Gerechtigkeit 236 versucht wird. Für dieses Unterfangen sind allerdings sowohl einseitig praktisch-moralische als auch theoretisch-ethische Engführungen in der Theoriebildung zu vermeiden, da gerade die Vermittlung beider Akzente zu den eigentlichen Stärken der Tugendethik zählen kann. Schließlich werden folgerichtig, wie schon bei ARISTOTELES zu finden, aber in den aktuellen Kontroversen zwischen Tugend- und Regelbzw. Normenethik zu wenig systematisch bedacht, intellektuelle und moralische Tugenden voneinander unterschieden, wird zwischen ethischen und dianoetischen Tugenden differenziert. Beide Tugendreihen werden durch die Sonderstellung der Klugheit vermittelt und bilden quasi in ihrer Doppelstruktur die Voraussetzung dafür, alle am Handlungsaufbau beteiligten „Seelenkräfte und Handlungspotentiale“ anzusprechen und damit auch den gesamten Gegenstandsbereich menschlicher Handlungswirklichkeit potentiell bestimmen zu können auf das Gute hin. „Dass der Mensch gut handelt, dazu braucht es die richtige Verfassung sowohl der Vernunft als des spezifischen Maßstabes menschlicher Sittlichkeit wie auch seiner sinnli- 233 Vgl. SCHOCKENHOFF, Bonum hominis, 284. 234 Dazu ist auf die Grundlegung der Ethik von EBERHARD SCHOCKENHOFF zu verweisen, wobei hier der Ausgangspunkt ein klar tugendethischer ist, sodass die Reflexionen zur Normtheorie weitgehend ohne Verhandlung des ethischen Universalismus und Erwägungen bzgl. der theoretischen Probleme der Vermittlung tugend- und normethischer Erwägungen auszukommen scheinen. Vgl. SCHOCKENHOFF, E., Grundlegung der Ethik. Ein theologischer Entwurf, Freiburg 2007, 303-568. Vgl. auch als frühen Versuch KRÄMER, H., Integrative Ethik, Frankfurt am Main 1995. 235 Vgl. FORSCHNER, M., Tugend, Tugendlehre. Philosophisch (Art.), in: HUNOLD, G.W. (Hrsg.), Lexikon der christlichen Ethik Bd. 2, Freiburg im Breisgau 2003, 1851-1857, hier 1852. 236 Vgl. BORMANN, F.-J., Soziale Gerechtigkeit zwischen Partizipation und Fairness. John Rawls und die katholische Soziallehre, Fribourg / Freiburg im Breisgau 2006. <?page no="101"?> 5. Tugendlehre und (Fundamental-)Anthropologie des hoffenden Menschen 101 chen Antriebskräfte. Die Vernunftbestimmung menschlicher Existenz verwirklicht sich nicht ausschließlich in der rationalen Ordnung, sodass Sittlichkeit und Rationalität deckungsgleich in eins fallen, sondern in der doppelten Struktur des eigentlichen Vernunftvermögens (rationale per essentiam) und der darauf hingeordneten Handlungskräfte (rationale per participationem). Das dem Menschen aufgrund seiner rationalen Lebensform zugedachte Gut beschränkt sich nicht auf die kognitiven und willentlichen Funktionen, sondern schließt die leidenschaftlichen Seelenpotenzen mit ein; das bonum hominis gilt dem Menschen in seiner leiblich-seelischen Ganzheit. Da sich aber alle menschlichen Tätigkeiten entweder auf das Erkenntnis- oder Strebevermögen (oder beide zugleich) zurückführen lassen, muss jede Tugend der Doppelstruktur von intellectus sive ratio und appetitus zugeordnet sein.“ 237 Auch die sinnlichen Leidenschaften sind daher - gegen AUGUSTINUS - Träger der sittlichen Tugend und werden von dieser in Übereinstimmung mit der Vernunft integriert und auf ihren Zielpunkt hin umgeformt. 238 Diese von SCHOCKENHOFF sogenannten „leidenschaftlichen Potenzen“ sind nun auch unter Einbeziehung der Einsichten empirischer Psychologie zur Antriebsstruktur des Menschen, seinem ganzen psychischen Strukturaufbau, seinem Veränderungspotential und dessen Voraussetzungen, schlicht unter Einbeziehung aktueller Vorstellungen seiner naturalen Beschaffenheit zu konkretisieren, um quasi das Wie der spezifischen Hinordnung der Seelenkräfte auf die rationale Ordnung und dem darin zum Vorschein kommenden Guten zu explizieren. Die „natürlichen Potenzen“ der Tugend sind daher einer Reformulierung zu unterziehen unter Aufnahme der Einsichten moderner Humanwissenschaften und zu ergänzen über die dezidiert strukturelle Konstitution der menschlichen Antriebskräfte, seiner Psyche und seiner Handlungsorganisation. Unter diese Aspekte eines philosophischen und theologischen Tugendbegriffs kann nun völlig zu Recht die Hoffnung subsumiert werden, wobei entsprechende Ansätze - wie besehen - es noch zu wenig erlauben, eine interdisziplinäre Integration einschlägiger empirischer Einsichten vorzunehmen. Mit Erstaunen und etwas Befremdung muss man daher auch auf dem Hintergrund dieser höchst aktuellen Tugendkonzeption feststellen, dass für THOMAS, mit Blick auf die hier im Zentrum stehende Tugend der Hoffnung, die zeitlichen Hoffnungsgüter nur sekundär unter die spes fallen, was nicht allein biblisch nur schwer mit entsprechenden Zeugnissen vereinbar ist, insbesondere mit Blick auf das Alte Testament, sondern auch Gefahr läuft, die eigentliche Stärke seines Tugendbegriffs, den er strikt theozentrisch begründet, nicht ausreichend zur Geltung zu bringen, was wiederum das interdisziplinäre Gespräch mit dafür einschlägigen Humanwissenschaften (weiter) erschweren würde, sondern auch ihre eigentliche Verwirklichung in der Welt nicht verständlich machen könnte. Eine Reformulierung müsste daher eine Verknüpfung mit dem erreichen, was heute zur Antriebsstruktur des Menschen humanwissenschaftlich bekannt ist - ohne die 237 Vgl. SCHOCKENHOFF, Bonum hominis, 271. 238 „Es genügt nicht, dass Verstand und Wille des Menschen durch den Glauben und die Liebe auf das letzte Ziel ausgerichtet sind. Die Dynamik auf die von Gott angebotene Vollendung muss sich in das seelische Leben und dessen anthropologische Strukturen einsenken, indem die sinnlichen Vermögen Träger auch der eingegossenen moralischen Tugenden werden. Dass diese dann auch in die endgültige Erfüllung eingehen und als Vollendung der sinnlichen Leidenschaften in patria bestehen bleiben, zeigt nur, wie unbeirrbar Thomas seine Absicht durchhält, die virtus in der Tiefe des seelischen Lebens fest zu verankern.“ Vgl. ebd. 257-259, hier 259. <?page no="102"?> IV. Methodologischer Abriss 102 strikte Hinordnung auf eine notwendige letzte Erfüllung bei Gott allein dadurch preisgeben zu müssen. Der Vorwurf des Relativismus 239 , wie er der Tugendethik immer wieder, insbesondere von Vertretern deontologischer Ethikformen, gemacht wird, verweist auf folgende Frage: Inwieweit können tugendethische Entwürfe, etwa der Internalismus des ARISTO- TELES, mit einem ethischen Universalismus verbunden werden? Diese Frage bleibt allerdings andernorts zu klären, etwa im Rahmen der Frage nach der moralischen Motivation. Dagegen ist unbenommen, dass Tugenden dem moralischen Urteil gegenüber logisch und epistemisch sekundär bleiben, anders als etwa die Begriffe der Pflicht oder des Glücks, und ebensowenig unmittelbar handlungsleitend sind, da eine Reihe von Vermittlungen anzunehmen sind. Sie entheben daher auch nicht von der Frage nach der richtigen Entscheidung, sondern setzen diese nachgerade erst voraus. 240 Dessen ungeachtet sind Tugenden nicht einfach moralisch blind, können sie doch das Praktischwerden der (auch normativen) Einsichten praktischer Vernunft allererst möglich machen, indem sie die gesamte Antriebstruktur des Menschen (Kognition, Emotion, Volition, Evaluation) daraufhin ordnen - in Auseinandersetzung mit Neigungen, die den Sollensansprüchen mitunter entgegenstehen, bzw. umgekehrt die Belange der Ethik und der Moral allererst mit der Lebenswelt und dem Lebensvollzug des Menschen verbinden. Tugendethik nimmt die Perspektive der ersten Person ein, strikt normative Pflicht- oder Regelethiken dagegen eine Beobachterperspektive der dritten Person - mit all den Schwierigkeiten, die damit einhergehen, etwa die Motivationsfrage, die der Lebensziele, der Universalisierung oder dem Verhältnis der praktischen Vernunft zu den anderen handlungsbestimmenden Größen. 241 c) Hoffnung als Tugend Der systematische Ort, den die Hoffnungskategorie innerhalb der Moraltheologie lange Zeit inne hatte und immer noch hat, war und ist die Tugendethik, die Hoffnung als eine der drei göttlichen bzw. theologischen Tugenden (Glaube, Hoffnung, Liebe) 242 beschreibt. Diese werden so genannt, weil „sie Gott zum Gegenstand haben (Deum pro objecto), insofern wir durch sie die rechte Hinordnung auf Gott erhalten; dann, weil sie 239 Vgl. QUANTE, M., Einführung in die Ethik, Darmstadt 2 2006, 138-141, hier 140. 240 Vgl. RICKEN, F., Allgemeine Ethik, Stuttgart 4 2003, 240ff. 241 Nicht umsonst breitet sich insbesondere unter phänomenologischer und hermeneutischer Perspektive auf menschliche Handlungswirklichkeit die nach alternativen Entwürfen verlangende Einsicht aus, „dass die nahezu vollständige Überlagerung der Tugendlehre durch die Normfrage eine Leerstelle hinterlassen hat, die auf längere Sicht den Sinn-Bestand der Ethik selber gefährdet.“ Vgl. WILS, Tugend, 182. Wenn diese Diagnose Gültigkeit besitzt, dann ist nicht mehr einzusehen, wie das später von WILS entworfene Tugendkonzept diese Diagnose noch aufnehmen sollte, wenn es seinerseits vorrangig normorientiert argumentiert und die ontologisch-metaphysischen Folgefragen, etwa nach der Zielbestimmung des menschlichen Lebens, unter Hinweis auf den Pluralismus der Moderne praktisch ausklammert und stattdessen Tugend auf eine kohärentistische Synthesefähigkeit des Einzelnen reduziert. Es heißt: „Tugend ist die Fähigkeit, normative Anforderungen in der Synthesis eines individuell und sozial verantworteten Daseinsentwurfs zu verknüpfen.“ Vgl. ebd. 190. 242 Dabei ist der Unterschied wichtig zwischen den theologischen Tugenden (Glaube, Hoffnung, Liebe) im engeren Sinne und möglichen theologischen Qualitäten der Tugendethik im Allgemeinen. <?page no="103"?> 5. Tugendlehre und (Fundamental-)Anthropologie des hoffenden Menschen 103 uns allein von Gott eingegossen werden (infunduntur); endlich, weil solche Tugenden allein durch die göttliche Offenbarung in der Heiligen Schrift überliefert sind.“ 243 Damit wurden sie - und damit auch die Hoffnung - völlig zu Recht auf das Engste mit dem gnadenhaften Wirken des Heiligen Geistes verbunden, da dieser das der Hoffnung inne wohnende Vertrauen und den damit transportierten Sinn verbürgt und allererst durch die Zeiten trägt. Nicht selten wurde Hoffnung aber im Kontext solcher und ähnlicher Überlegungen dem Menschen entrückt und seiner Handlungspraxis entzogen. Dagegen sollen hier einschlägige Aspekte der Tradition aufgegriffen werden, da sie sich zum Einen in der anvisierten integrativen Konzeption von Hoffnung wiederfinden lassen werden und zum Zweiten insgesamt auch für eine breite anthropologische Basis spezifischer Traditionsbestände sprechen. Mit anderen Worten: Im Tugendtraktat wird (Theologische) Ethik an die (theologische) Anthropologie rückgebunden und zwar ohne die Ursprünglichkeit sittlicher Rationalität dadurch zu gefährden oder umgekehrt dem Handeln seinen Charakter des Kreativen und Spontanen zu nehmen. 244 Daraus folgt freilich auch, dass sittliche Tugenden nicht einfach aus den theologischen Tugenden abgeleitet werden können, da sie von verschiedener Art 245 sind. D.h., dass der Entdeckungszusammenhang der vorliegenden Fragestellung u.a. die Tugendethik ist, aber die Perspektive einer interdisziplinär angelegten anthropologischen Fundierung den angestammten begrifflichen Rahmen übersteigt und ihn dabei zugleich von einer anderen Grundlage her bestätigt, was zum Verständnis der für die vorliegende Arbeit inhärenten Methodologie von großer Bedeutung ist und daher an dieser Stelle vorbereitet werden soll. Wichtige Bestände aus der Tradition 246 sollen dabei nicht nur entsprechende Vorverständnisse freilegen, sondern sind zugleich imstande, erste systematische Verbindungslinien aufzudecken, die im Verlauf der weiteren Arbeit eine anthropologische Fundierung und Integration erfahren werden. Hoffnung bezeichnet demnach in traditioneller Lesart inhaltlich „als Wesensausdruck des Menschen und seiner irdischen Existenz das personale, vom Vertrauen getragene Verlangen nach künftigen, aber noch nicht absolut sicher zufallenden Werten, die seiner Vollendung dienen“ 247 . Sie ist, prägnant formuliert, „(verlangendes) Vertrauen und (vertrauendes) Verlangen“ 248 , das sich allerdings handelnd artikuliert. Tugend, auch und gerade theologische Tugend, ist nicht einfach Gesinnung oder Absicht, sondern kommt erst im Handeln an ihr Ziel der Realisierung des Guten: habitus operativus bonus. Tugend ist Haltung, die handelnd gut ist, gut wird bzw. gut macht, ihr eignet ein operationales Element 249 oder anders gesagt, sie ist zentrales Element menschlicher Handlungswirklichkeit. So gesehen ist auch Hoffnung nie nur wunschhaftes Sehnen oder unsicheres Wollen, sondern immer bezogen auf Tat, als deren Quelle sie bezeichnet werden kann. 243 Vgl. AQUIN, T.VON, S. th. I-II, 62, 1. Zitiert nach WILS, Tugend, 193. 244 Vgl. PESCH, O.H., Die Theologie der Tugend und die theologischen Tugenden, in: Concilium 3 (1987), 233-246, hier 239ff. 245 Vgl. AQUIN, T. VON, S. th. I-II, 63,4: Unde manifestum est, quod temperantia infusa et acquisita differunt specie. 246 Vgl. MAUSBACH, J. / ERMECKE, G., Katholische Moraltheologie Bd. 2 - Die spezielle Moral. 1. Teil: Der religiöse Pflichtenkreis, Münster 11 1969, 81-103. 247 Vgl. MAUSBACH / ERMECKE, Katholische Moraltheologie, 82. 248 Vgl. ebd. 89. 249 Vgl. WILS, Tugend, 195. <?page no="104"?> IV. Methodologischer Abriss 104 Der zentrale Gegenstand der Tugend der Hoffnung wird nun entlang einer viergliedrigen Struktur als ein (letztlich höchstes) Gut bestimmt, dessen Erreichung als möglich gedacht werden muss, das allerdings schwer zu erreichen ist, da es ‚steil‘ platziert ist und das aktuell abwesend, weil in der Zukunft liegend, gedacht wird: bonum arduum, bonum possibile, bonum absens, sed futuram. Damit wird für jedes Handeln aus Hoffnung eine Hoffnungsspannung aufgerichtet, da der Handelnde aus der Gegenwart heraus auslangt nach dem zwar steilen, aber erreichbaren und attraktiven Gut. Daneben wird grundlegend zwischen natürlicher und übernatürlicher Hoffnung unterschieden, um den jeweiligen Hoffnungsgrund differenzieren zu können. Dabei kann festgehalten werden: „Die übernatürliche Tugend der Hoffnung setzt die natürliche Hoffnungsfähigkeit und verpflichtung des Menschen voraus. Diese wird von jener nicht zerstört, sondern in neuer, übernatürlicher Weise vollendet.“ 250 Übernatürlich heißt dann soviel wie: angelegt auf eine „Zielordnung, die sowohl den natürlichen Anspruch als auch die natürliche Kraft des Menschen übersteigt“ 251 , auf die er sich aber hingeordnet erfährt, etwa Heil, Sinn, Glück, etc. Auch die „zeitlichen Güter“ fallen schließlich unter die spes theologica, sofern sie „im Namen Jesu“ erbeten werden. 252 Insgesamt kann (christliche) Hoffnung als „vital gegründete Hoffnung“ 253 bezeichnet werden, eine Charakterisierung, die dem hier vertretenen Projekt einer anthropologischen Fundierung anhand naturaler Grundlagen zutiefst entgegenkommt. Die entscheidenden Wirkungen der Hoffnung sind dabei: Tatkraft, Geduld und Standhaftigkeit. Sie kommt zum Ausdruck als Kraft, als Bewegung, als Kampf, als Habitus des Willens und - äußerst aufschlussreich - als Unerschütterlichkeit, die sittlich wirksam ist. „Diese Unerschütterlichkeit der Hoffnung ist sittlich fruchtbar; sie ist eben tatkräftiger Wille, sie macht unsere Seligkeit wirklich, die der Glaube als möglich erschaut.“ 254 Vor diesem Hintergrund ist es auch nur konsequent, wenn bei THOMAS VON AQUIN der Wille (voluntas) 255 in gewisser Weise Subjekt der Hoffnung ist, was erneut deren basale Bedeutung für menschliche Handlungswirklichkeit im Allgemeinen zum Ausdruck bringt, auch über eine Willensethik im engeren Sinne hinaus. Auch die Antipoden der Hoffnung, die Vermessenheit, als der Versuch aus dem Hoffen ein Wissen zu machen über deren Erfüllung oder Nichterfüllung, und die Verzweiflung, als Hoffnungslosigkeit, jeweils aber als Sünde gegen die Hoffnung, liegen im Willen und - gegen JOSEF PIEPER - nicht in der Erkenntnis begründet. Dazu können auch die kulturgeschichtlich höchst relevanten Haltungen der Weltsucht und der Weltflucht gezählt werden, die hoffnungstheoretisch die der Hoffnung eigentlich eigene Spannung einseitig aufzulösen versuchen und ihr damit einen rein irdischen Sinn zu geben versuchen. Dabei lässt sich Hoffnung nicht als ein einfaches Begehren und Wollen interpretieren, sondern als das „mutige Erstreben eines höheren, daher auch in etwa unsicheren und mühevollen Ziel- 250 Vgl. MAUSBACH / ERMECKE, Katholische Moraltheologie, 85. Übernatürliche Hoffnung wird dabei auch aufschlussreich als „übernatürliche Tugend des Willens“ (vgl. ebd.) bezeichnet. 251 Vgl. ebd. 88. 252 Vgl. AQUIN, T.VON, S. th. II.II. q.17 a.2 ad. 2. 253 Vgl. MAUSBACH / ERMECKE, Katholische Moraltheologie, 84. 254 Vgl. ebd. 92. 255 Vgl. AQUIN, T.VON, S. th. II.II. q.18 a.1: Spes est in appetitu superiori, qui decitur voluntas, sicut in subiecto. Vgl. auch TILLMANN, F., Die Verwirklichung der Nachfolge Christi. Die Pflichten gegen Gott (Handbuch der katholischen Sittenlehre IV / 1), Düsseldorf 4 1950, 110- 111. „Die Tugend der Hoffnung haftet als Anlage am Willen, der Akt der Hoffnung ist eine Betätigung des Willens, des geistigen Strebevermögens.“ <?page no="105"?> 5. Tugendlehre und (Fundamental-)Anthropologie des hoffenden Menschen 105 gutes. Die Hoffnung gehört nicht der vis concupiscibilis, sondern der vis irascibilis an. Sie ist eine Haltung, die sowohl auf das Anziehende des Zielgutes als auch auf das Abschreckende des Weges zum Ziele gerichtet ist.“ 256 Die vis concupiscibilis bezeichnet dabei das Begehrungsvermögen, die vis irascibilis die (wörtlich) Widerstreitskraft oder auch Widerstandskraft, Bestimmungen, die exakt anthropologisch wiederzufinden sind, etwa wenn Hoffnung oder Hoffnungsaspekte sich bereits empirisch als eine derjenigen Größen zu erkennen gibt, die in die Lage versetzt, der Welt quasi als Schutzfaktor, modern gesprochen als Ressource, standzuhalten, die zur Aufrechterhaltung bzw. Wiedererlangung der seelischen wie körperlichen Gesundheit beiträgt und die Versehrungen überwinden hilft. Darüber hinaus wird damit bereits das Attraktive des in der Hoffnung Erstrebten betont, das moralisch als das Gute, Sinnstiftende und Glücklichmachende bestimmt werden kann, und zugleich im Kontrast dasjenige mit bezeichnet, wovon sie sich abhebt, etwa einer aktuell bedrängenden Erfahrung. Insgesamt scheint mir diese Attraktivität des Guten noch zu wenig bedacht worden zu sein, etwa im Gespräch mit Begründungsfragen und bzgl. ihrer anthropologischen Fundierung, darüber hinaus insbesondere in ihren Konsequenzen für menschliche Handlungswirklichkeit, näherhin in ihrer Funktion als Brücke zum Handlungssubjekt und seiner ganzen Antriebsstruktur. Schließlich soll Hoffnung „den Willen des Menschen, den Kern der Persönlichkeit, auf Gott als Endziel hinrichten.“ 257 Damit wird ein Doppeltes angesprochen, sowohl das Verlangen nach Seligkeit in der Hoffnung, als auch das Wohlgefallen am Guten selbst. 258 Darüber hinaus ist Hoffnung als Akt und Habitus gleichermaßen zu bestimmen, sowohl als Pflicht, als auch als Heilsnotwendigkeit. Immer wieder wird dabei betont, dass die zentrale Haltung, die sich in der Hoffnung ausdrückt, die des Vertrauens ist, was ihre Zuordnung zur vis irascibilis erneut als gerechtfertigt erscheinen lässt. So heißt es bei MAUSBACH und ERMECKE: „Das Wesentliche der Hoffnung, Vertrauen, aller Schwierigkeiten in Gottes Kraft Herr zu werden, ist ihr allein eigentümlich.“ 259 Damit wird auch ein spezifisches Selbstverhältnis für den Menschen eröffnet, das nämlich der Selbstliebe. „Die Hoffnung ist mehr Liebe zur eigenen Seele als eigentliche Liebe zu Gott. Sie ist edle, übernatürliche Selbstliebe, die nach Gott verlangt, weil er das höchste Gut und die Seligkeit des Menschen ist.“ 260 Damit wird nicht allein eine basale Affirmation des Daseins ermöglicht, eine Annahme, Anerkennung und Bejahung des je individuellen Lebens, sondern zugleich 256 Vgl. ebd. 83-84. 257 Vgl. ebd. 98. 258 Vgl. auch GRESHAKE, G., Glück und Heil, in: BÖCKLE, F. / KAUFMANN, F.-X. / RAHNER, K. / WELTE, B., Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft Bd. IX, Freiburg 1981, 101-146. Systematisch wird hier die Identität und Differenz von Glück und Heil thematisiert, für die GRESHAKE spätestens in der Neuzeit einen Bruch festgestellt haben will, weswegen er eine letzte Vermittlung beider Größen allein im Modus der Hoffnung für denkbar und innerweltlich eine „kritische Dissoziation“ für unumgänglich hält. 259 Vgl. MAUSBACH / ERMECKE, Katholische Moraltheologie, 92. Ähnlichkeiten zum persönlichkeitspsychologischen Konzept der Seelischen Gesundheit fallen sofort ins Auge, die als sinnorientierte Bewältigungskompetenz operationalisiert werden kann (vgl. etwa BECKER, P., Seelische Gesundheit und Verhaltenskontrolle. Eine integrative Persönlichkeitstheorie und ihre klinische Anwendung, Göttingen u.a. 1995). Es kann allgemein von Bewältigungshoffnung gesprochen werden. Große Bedeutung hat der vorliegende Gedanke, wie wir noch sehen werden - und zwar nahezu strukturgleich - in der modernen Psychotherapieforschung, die streng empirisch vorgeht (vgl. etwa GRAWE, K., Psychologische Therapie, Göttingen u.a. 2 2000, 21ff.). 260 Vgl. MAUSBACH / ERMECKE, Katholische Moraltheologie, 92. <?page no="106"?> IV. Methodologischer Abriss 106 interpersonelle Anerkennungsverhältnisse begründet, die ihren Abschlussgedanken im Begriff der Menschenwürde gefunden haben. 261 Erste Systematisierungen und interdisziplinäre Öffnungen der klassischen Tugend der Hoffnung könnten wie folgt ausfallen, zumal der Tugendbegriff unverzichtbar ist für die Charakterisierung der Hoffnung, da er ein wichtiges Scharnier darstellt zwischen Handlungssubjekt, konkreter Handlungswirklichkeit und Hoffnungsgut bzw. Moralprinzip. In der Hoffnung kommt zunächst ein Verlangen nach Werthaftem zum Ausdruck. Die beatitudo steht als (Letzt-) Ziel des Hoffens theologisch genau für den finalen Endpunkt dieses Verlangens und die Hoffnung als theologische Tugend gibt damit ihren Grund transzendental-theologisch an. Der Hoffende existiert und handelt im Verlangen auf das, was als Ziel und Mittel zur Erfüllung vorschwebt, wobei Scheinwerte in den Irrtum führen. Hoffnung ist Verlangen und Vertrauen, genauer gesagt „(verlangendes) Vertrauen und (vertrauendes) Verlangen“ 262 . So kennt die Tradition auch eine Sünde gegen das Vertrauen (1) in der Hoffnung und eine Sünde gegen das Verlangen (2) in der Hoffnung, mithin die Verzweiflung (desperatio) als konträrer Gegensatz zur Hoffnung - per defectum (1), und die Vermessenheit (praesumptio) als ‚Übertreibung‘ der Gewissheit der Hoffnung - per excessum (2). Das entsprechende Vertrauen kennt dabei nicht die Gewissheit des Wissens, sondern die Gewissheit der Hoffnung, der verbürgten Möglichkeit. Vertrauen kann zur Hoffnung führen, Gewissheit des Wissens streng genommen nur zur Erwartung - und zwar einzig des Erwarteten, ohne Vertrauen in eine womöglich noch nicht ‚gewusste‘ Gestalt. Hoffnung ist daher keine Defizitform des Wissens, so als hofften wir nur, weil wir zu wenig wüssten. Es gibt eine Fülle von Gegebenheiten des Daseins, zu denen sich der Mensch ins Verhältnis zu setzen hat, über die wir aber streng genommen nichts wissen können oder nur ein höchst relatives Wissen. Der Mensch langt weit über strikte Wissensstrukturen hinaus und auch dieses vertrauende Auslangen will reflexiv durchdrungen sein. Es gibt nun aber auch trügerische Hoffnung, die auf falschen bzw. unmoralischen Wertesetzungen beruht, die in keiner Weise, etwa durch die Kraft der Vernunft oder eine religiöse Welt- und Daseinsdeutung, als verbürgt gelten kann, die auf Wertwidersprüchen 263 beruht, die die dialektische Hoffnungsspannung 261 Der Begriff der Menschenwürde, der ja dem der Menschenrechte sachlogisch vorausgeht, kann und muss daher grundlegend mit dem Hoffnungsbegriff verbunden werden, indem darin die Antizipation von für den Menschen fundamentalen Anerkennungsverhältnissen zum Ausdruck kommt, die schließlich auf den Einzelnen hin begrifflich gefasst werden. Die Menschenrechte können schließlich als menschheitliche Hoffnungsfiguren bezeichnet werden oder mit JÜRGEN HABERMAS als eine „realistische Utopie“. Vgl. HABERMAS, J., Zur Verfassung Europas, Frankfurt am Main 2011. Ebenso MOLTMANN, J., Menschenwürde, Recht und Freiheit, Stuttgart 1979. Ders., Göttliches Geheimnis. Die Wiedergeburt Europas aus dem Geist der Hoffnung und der weite Raum der Zukunft, in: Zeit Zeichen 7 / 2005, 20-22. 262 Vgl. MAUSBACH / ERMECKE, Katholische Moraltheologie, 89. Die Arbeiten etwa von KLAUS GRAWE zu einer empirischen Psychotherapieforschung jenseits des Schulendenkens deuten mit hoher (empirischer) Plausibilität an, dass das Grundprinzip psychischer Aktivität Intentionalität ist, wobei entsprechende psychologische Strukturen äußerst gewinnbringend für moraltheologische Fragestellungen aufgenommen werden könnten. Vgl. GRAWE, Psychologische Therapie, 67ff. 263 In der Sprache der kognitiven Psychologie wird hier Schemakonsistenz als vordringliches Ziel für sowohl effektive, d.h. handlungsfähige, als auch bewältigungsorientierte, d.h. das Wohlbefinden mindestens erhaltende, seelische Aktivität erachtet. Vgl. GRAWE, Psychologische Therapie, 531ff. Ders., Eine konsistenztheoretische Interpretation des dualen Therapiemodells, in: <?page no="107"?> 5. Tugendlehre und (Fundamental-)Anthropologie des hoffenden Menschen 107 einseitig in Richtung Gegenwart oder Zukunft auflöst und damit entweder die Welt tendenziell negiert oder ihre eigene je bessere Zukunft. Werden die genannten Aspekte vorläufig zusammengefasst, kann Hoffnung demgegenüber als „Zuversicht des Strebens“ 264 bezeichnet werden, eine Zuversicht, die aktuell oder habituell realisiert werden kann. Im Bild gesprochen kann Hoffnung dabei als Flussbett (Habitus) und als Strömung (Akt) oder gar in beiden Formen im umfassenden Strom menschlicher Handlungswirklichkeit und menschlichen Strebens angesiedelt werden. Wird das Materialobjekt theologischer Hoffnung vorrangig durch die wesentlichen Inhalte gekennzeichnet, das Formalobjekt vorrangig durch den unmittelbaren Beweggrund, dann kann das Materialobjekt als Verlangen nach Gottesvereinigung begriffen werden, das Formalobjekt als Vertrauen in die Allmacht Gottes. Mit dem Materialobjekt würde auch das Formalobjekt entfallen. Kurz gesagt: Der Gegenstand ist das Vertrauen, der Beweggrund das Verlangen, beides aber gründet in Gott, was den theologischen Charakter der Hoffnung ausmacht. 265 Das alles ist aber nur denkbar über eine grundsätzliche Hoffnungsspannung als einer Art Brücke und Scharnier, die zwischen den Polen dieser Spannung, die insgesamt eine Dialektik bezeichnet, balanciert und diese Pole zueinander erschließt, füreinander öffnet und semantisch zugänglich macht, statt sie antithetisch zu setzen. Dabei kann zusätzlich ein unbestimmtes „Hoffen“ in einem existentiellen Sinne von einem bestimmbaren „hoffen, dass“ in einem konkreten Sinne unterschieden werden. 266 Auch kann eine vital gegründete Hoffnung von einer eher intellektuell erfassten Hoffnung differenziert werden, oder Hoffnung als Affekt und als „Verstärker“. Da von einer kaum zu überschätzenden Bedeutung für die vorliegende Fragestellung kann erneut auf die scholastische Einsicht verwiesen werden, wonach die übernatürliche Tugend der Hoffnung die natürliche Hoffnungsfähigkeit und Hoffnungsnotwendigkeit, in einem moralischen Sinne auch die Hoffnungsverpflichtung, allererst voraussetzt. 267 Mit anderen Worten: Die naturalen Hoffnungsstrukturen, wie sie hier exemplarisch eruiert werden sollen, bilden das Substrat, an dem übernatürliche Hoffnung zentral Anhalt findet. Übernatürlich heißt dabei soviel wie mit transzendentem bzw. transzendentalem Grund versehen. 268 Die Heilsnotwendigkeit dieser übernatürlichen Hoffnung, wie es das Konzil von Trient festgehalten hat, ist nun u.a. darin begründet, dass damit der Mensch dem christlichen Kerygma trotz Schwierigkeiten und Enttäuschungen treu zu bleiben KOSFELDER, J. / MICHALAK, J. / VOCKS, S. / WILLUTZKI, U. (Hrsg.), Fortschritte der Psychotherapieforschung, Göttingen 2005, 281-305. 264 Vgl. MAUSBACH / ERMECKE, Katholische Moraltheologie, 84. 265 Vgl. ebd. 86 und 88. Vertrauen meint dabei soviel wie Sich Verlassen auf Gott und seine Kraft und eine sogenannte ‚Entwerdung‘ als Absehen von einem natürlichen und im Menschen eo ipso verankerten Kraftgrund. 266 Vgl. zu dieser Unterscheidung GRESHAKE, G., Warum lässt uns Gottes Liebe leiden? Freiburg im Breisgau 2007, 135-136. 267 Vgl. MAUSBACH / ERMECKE, Katholische Moraltheologie, 85, die die theologische Tugend der Hoffnung damit auch erneut folgerichtig als „übernatürliche Tugend der Willens“ bestimmen, „durch die wir den beseligenden Besitz Gottes mit Zuversicht von der Gute, Allmacht und Treue Gottes Erwarten“. 268 Wenn nach 1 Thess 4,13 die Heiden ohne Hoffnung sind, dann deshalb, weil sie keine (irdische) Sicherung ihrer Hoffnung kennen können. Ferner kann diese Hoffnung nach Röm 5,2 als Frucht der Rechtfertigung des Menschen durch Gott gelten, ein Gedanke, der für das ökumenische Gespräch über die Hoffnung nicht unerheblich sein dürfte. Vgl. TILLMANN, F., Die Idee der Nachfolge Christi (Handbuch der katholischen Sittenlehre Bd. III), Düsseldorf 4 1953, 134. <?page no="108"?> IV. Methodologischer Abriss 108 vermag. 269 Das Verhältnis zwischen den drei theologischen Tugenden 270 stellt nun die Hoffnung zwischen Glaube und Liebe, was auch exakt ihrer Modalität als Medium und Brücke zwischen Spannungspolaritäten entspricht. Sie bildet quasi den Übergang vom Glauben zur Liebe. Glaube und Hoffnung lassen sich nun dreifach unterscheiden: (1) durch ihr tätiges Vermögen, (2) durch ihren Gegenstand und (3) durch ihre spezifische Sicherheit bzw. Gewissheit. 271 Steht dabei dem Glauben das Zweifeln gegenüber, so der Hoffnung das (sich fürchtende und ängstigende) Verzweifeln. Hoffnung macht nun diejenige Seligkeit vergegenwärtigend wirklich, die der Glaube als möglich erschaut und die die Liebe real tut. Wichtig scheint mir noch der Hinweis zu sein, dass die Hoffnung sowohl auf den Glücksdrang des Menschen zurück verweist, als auch in gleicher Weise zutiefst mit der Sittlichkeit des Menschen verwoben ist. Schließlich ist die erwähnte (göttliche) Seligkeit u.a. als Vollendung und Inbegriff der Sittlichkeit zu verstehen, genauso wie als höchste Glückseligkeit - quasi als versöhnte Einheit von Glück und Moral. In klassischer Terminologie heißt das, Hoffnung als Läuterung und sittliche Veredelung des Glücksdrangs zu verstehen, eine Hoffnung, die den Willen auf Gott als Endziel ausrichtet und womöglich gegen Anfechtung und Zweifel ausgerichtet hält und dabei die Beharrlichkeit im Guten (sic! ) allererst verkörpert bzw. noch stärker regelrecht bewirkt. 272 Mit anderen Worten: die gnadengewirkte theologische Tugend der Hoffnung ist „moralisch notwendig“ 273 , damit trotz aller Schwierigkeiten an ihrem Gut festgehalten werden kann. Trotz der hier angedeuteten Einsichten aus der Tradition einer klassischen Hoffnungstheologie kann deren anthropologische Fundierung nach wie vor zu den Desideraten entsprechender Forschungen gezählt werden, wiewohl die erwähnte Grundlegung für die Habitualisierung und Energetisierung der beleuchteten formalen Strukturen wichtige Funktionen verständlich machen könnte. Die Einzeichnung der übernatürlichen in die natürliche Hoffnung bietet dafür hervorragende kategoriale Voraussetzungen. Daher soll an dieser Stelle mit einer sprachlichen Metapher dafür plädiert werden, das Haus der einen Hoffnung um das eine oder andere theoretische Stockwerk zu erweitern, das je für sich für die Tragfähigkeit der ganzen Architektur von entscheidender Bedeutung ist - ohne dabei in das klassische scholastische Stockwerkdenken zu verfallen. Anders gesagt geht es darum, das immer schon vorhandene anthropologisch-naturale Fundament mindestens partiell zu explizieren. Durch die Konzeptualisierung der Hoffnung als göttliche Tugend wurde zwar der transzendentale Grund der Hoffnung, ihre Verankerung in der Treue und der Schöpferkraft Gottes selbst und schließlich in der Auferstehung seines Sohnes immer schon gesehen, diese aber mitunter in eine transzendente Ferne entrückt, dann nachträglich und quasi deduktiv moralisiert und dem Gläubigen als Pflicht abverlangt, anstatt diese als ermöglichende Bedingung des Handelns überhaupt zu begreifen und damit als Brücke und Brückenkategorie - eine Erkenntnis, die erst über das Zueinander der Erfahrungsebenen sichtbar werden konnte und über die Freilegung der Erwartungsbzw. Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit selbst. Die Rechtfertigung des Gläubigen wird mithin erst aktuell im Medium der Hoffnung. 269 Vgl. MAUSBACH / ERMECKE, Katholische Moraltheologie, 89. Die klassische Terminologie spricht davon, dass der Habitus dieser Hoffnung zur „Heilsausstattung der Seele“ gehöre. 270 Vgl. ebd. 90ff. 271 Vgl. Hebr 6,18 und 10,23. 272 Vgl. MAUSBACH / ERMECKE, Katholische Moraltheologie, 98. 273 Vgl. ebd. 89. <?page no="109"?> 6. Das Koordinatensystem und der „Grundriss“ der Hoffnung - Strukturgitter 109 6. Das Koordinatensystem und der „Grundriss“ der Hoffnung - Strukturgitter Hoffnung ist deswegen so schwer begrifflich zu fassen, weil sie sich sowohl dadurch bestimmt, worauf sie sich bezieht als auch dadurch, worin sie sich gründet. Weil dabei jeweils äußerst vielfältige Aspekte vor Augen stehen können, entsteht dadurch auch ein sehr komplexes Bedingungsfeld, das praktisch alle ethisch relevanten Begrifflichkeiten zentral berührt, mit der Konsequenz, dass daran sogar eine (eschatologische Neu-) Begründung der (Theologischen) Ethik 274 erfolgen kann. Deswegen ist neben dem Was immer auch das Wie der Hoffnung näher zu qualifizieren. Die vorliegende Arbeit legt aus diesem Grund den Fokus vorrangig auf Strukturen 275 des Vollzugs von Hoffnung und die Konsequenzen, die diese Einsichten für den Begriff selbst nach sich ziehen. Damit wird nicht einfach ein Begriff möglichst präzise definiert, sondern immer wieder ausgehend von der Handlungspraxis des Menschen und auf diese sittliche Praxis hin in einer diesem Verfahren angemessenen Präzision eine integrative Hoffnungstheorie pars pro toto aufgefächert. Auf diese Weise wird ein spezifisches Verständnis von praktischer Philosophie erreicht, das aufgrund seines Gegenstandes für alle ethischen Disziplinen Geltung beanspruchen kann und daher auch für eine Ethik der Hoffnung eine nicht allein bleibende methodologisch-disziplinäre Voraussetzung darstellt, sondern nachgerade ihrem Erkenntnisobjekt grundlegend entspricht. Gemeint ist das Selbstverständnis der Disziplin der philosophischen Ethik als Grundriss-Wissenschaft ( τ ύ πῳ ). In deren Zentrum, das für die vorliegende moraltheologische Fragestellung eine Adaptation finden soll, steht die Formulierung von sogenannten Strukturgittern. Worauf zielen aber Strukturgitter und was meint Grundriss-Wissenschaft im vorliegenden Zusammenhang? In erster Linie ist damit die Einsicht bezeichnet, zum Verständnis menschlicher Handlungswirklichkeit nicht allein ein Prinzip des Handelns reflektieren zu können, sondern das sittliche Handeln in concreto selbst. Es soll um ein Explizieren statt um ein Definieren im strengen Sinne gehen. Keine methodische Deduktion steht im Mittelpunkt, eher ein induktivanalytisches Vorgehen. „Der Begriff des Umriss-Wissens findet sich nicht in der deduktiven Methode wissenschaftlichen Beweisens, sondern in der analytischen Methode wissenschaftlicher Forschung. […] Das Umriss-Wissen hat die Aufgabe einer Grundlage oder Voraussetzung.“ 276 Diesem Anliegen verpflichtet stößt sie auf das Problem, das eine Reflexion auf konkretes sittliches Handeln mit sich bringt, nämlich ein geschichtliches Sollen denken zu müssen. Es bezeichnet schließlich bereits „das methodische Problem der aristotelischen Ethik, das Prinzip des Handelns, das Gute, in Relation zu geschichtlichem Handeln zu denken“ 277 , um dadurch überhaupt über konkretes Handeln nachdenken zu können, das bekanntlich zwischen Sein und Sollen verortet ist. Die dafür ausgezeichnete Methode ist die der Grundriss-Wissenschaft: Immer wo „die Freiheit menschlichen Handelns in ihrem geschichtlichen Kontext reflektiert“ wird, „ist eine Grundrissanalyse die angemes- 274 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968. 275 Vgl. SCHERER, G., Die Strukturen des Menschen. Grundfragen philosophischer Anthropologie, Essen 1976. 276 Vgl. HÖFFE, O., Praktische Philosophie. Das Modell des Aristoteles, Berlin 1996, 173. 277 Vgl. HÖFFE, Praktische Philosophie, 193. <?page no="110"?> IV. Methodologischer Abriss 110 sene Methode.“ 278 Mit OTFRIED HÖFFE ist daher prägnant zu formulieren: „Wenn jeder Begriff eine Art von Verfügung über die Sache schafft, so müssen die Begriffe der praktischen Philosophie, die Begriffe geschichtlichen Sollens, zugleich der Unverfügbarkeit des Geschichtlichen und dem freien Anspruch des Sollens gerecht werden. Nicht das Denken des unbedingten Sollens, sondern das Denken des bedingten Sollens macht die methodische Schwierigkeit der praktischen Philosophie aus. Die Grundriss-Methode sucht diese Schwierigkeit zu lösen.“ 279 In anderer Nomenklatur kann auch davon gesprochen werden, endliche Freiheit zu denken, die material bedingt, aber formal unbedingt in Erscheinung tritt. Insbesondere die Vermittlung beider Aspekte und damit das Zueinander von konkret-bedingter Situation und (formaler) Unbedingtheit der Verpflichtung scheint mir notwendige Aufgabe für das konkrete Handlungssubjekt zu sein und damit charakteristisch für eine Reflexion auf menschliche Handlungswirklichkeit. Umgekehrt heißt das aber auch: „Eine transzendentale Ethik, die nicht das sittliche Handeln selbst, sondern nur sein Prinzip, den Begriff des unbedingten Guten reflektiert, analysiert einen rein gedachten Gegenstand.“ 280 Um diese Beschränkung zu umgehen, hat eine Ethik jeglicher Provenienz eine induktive Basis vonnöten. Erst durch ein solches induktives Verfahren gewinnt philosophische wie theologische Ethik überhaupt erst ihren Ausgangspunkt. So auch, wenn Strukturen handlungsrelevanter Hoffnung ekphoriert werden sollen. „Deshalb bestimmt die Ethik nicht die konkreten Verhältnisse selbst, sondern allein die mediale Selbigkeit der Verhältnisse; sie erkennt gleichsam das Strukturgitter der Sache. - Dieser für eine ethische Analyse spezifische Begriff des Umrisses unterscheidet sich in dreifachem Sinn vom allgemeinen Begriff. 1. Gegenüber der Umrisshaftigkeit vorläufiger Aussagen handelt es sich nicht um ein Wissen, das durch eine fortschreitende Untersuchung ausführlicher und genauer wird. Der ethischen Erkenntnis ist - wenigstens bei dem vorliegenden Thema - eine prinzipielle Grenze gesetzt. […] Durch den Begriff einer Grenze ist das Wesen des Umrisses nur negativ interpretiert. Das Umriss- Wissen gilt aber für die Ethik als hinreichend. […] Das Umriss-Wissen, ein Strukturgitter der Sache, ist die für die Ethik einzig sinnvolle Genauigkeit. - 2. Die Unbestimmtheit hat den präzisen Sinn, dass der Gegenstand, ein Verhältnis, in seinem medialen Charakter genau bestimmt wird, während die Glieder und die Konkretionen des Verhältnisses frei bleiben. - 3. Der freie Raum wird nicht begrifflich gefüllt, sondern durch Handeln.“ 281 Auf diese Weise wird die Voraussetzung dafür geschaffen, nicht kontextfrei ethische Begriffe zu formulieren, sondern immer zugleich auch die Spannung in menschliche Handlungswirklichkeit hinein (und übrigens auch wieder aus dieser heraus) zu suchen. Damit „ist gleichsam ein Spielraum für den konkreten Zweck, die konkrete Lage, ihre Beurteilung und die daraus folgende Entscheidung freigelassen.“ 282 Will nun philosophische wie theologische Ethik mehr sein als eine solche Grundrisswissenschaft, dann verkennt sie ihr Proprium und steht in der Gefahr, abstrakt zu werden und fern der Realitä- 278 Vgl. ebd. 279 Vgl. ebd. 195. 280 Vgl. ebd. 194. 281 Vgl. ebd. 181-182 und 188. „Da die Konkretionen sittlichen Handelns kraft sittlichen Charakters und kluger Überlegung hervorzubringen sind, erkennt die Ethik für den jeweiligen Lebensbereich die dem sittlichen Handeln zugrundeliegende analoge Selbigkeit, während die sittliche Aufgabe, eine konkrete Entscheidung zu treffen, dem Handelnden je selbst und je neu zufällt.“ 282 Vgl. ebd. 184. <?page no="111"?> 6. Das Koordinatensystem und der „Grundriss“ der Hoffnung - Strukturgitter 111 ten menschlicher Handlungswirklichkeit sich kasuistisch zu gerieren - ohne sich noch induktiv von den Wirklichkeiten belehren zu lassen. Das, was sie aber als Grundrisswissenschaft ist, kann sie sehr präzise sein. Schließlich enthält eine umrisshafte Rede „jene Ausführlichkeit und Genauigkeit, die beim vorliegenden Thema allein sinnvoll ist.“ 283 Im vorliegenden Fall heißt das nun, das ‚Haus der Hoffnung‘ und dessen ‚Grundriss‘, das im Kontext der Tugendethik verortet ist, zu explizieren. Das gilt auch und insbesondere für die theologische Tugend der Hoffnung und eine theologisch-ethische Interpretation in handlungspraktischer Absicht, wie sie hier angestrebt ist. Schließlich ist ihr eine Medialität eigen, die sich exakt in der Konzeption der Tugend als Mitte wiederfinden lässt. So soll das mediale Wesen der Hoffnung bzw. des Handelns aus Hoffnung handlungspraktisch als Umriss expliziert werden. Ziel ist es, vorrangig dem Vollzug der Hoffnung dienlich sein, nicht ausschließlich „dem Erkennen, sondern dem sittlichen Handeln“ 284 aus Hoffnung verstehend nahe zu kommen. Wie besehen konnte bislang ein dreifacher ethischer Begriff des Umrisses ausgemacht werden: (I) Der Grundriss zielt auf die analoge Selbigkeit der (Handlungs-) Kategorie. (II) Als vollkommen bestimmte Sache gilt die konkrete Lebenswirklichkeit. (III) Die weitere Aufgabe, etwa moralphilosophisch das Finden der Mitte, ist streng genommen keine philosophische Aufgabe mehr. Auf die Handlungskategorie der Hoffnung angewendet lässt sich folgende Explikationsfolie für den anvisierten Grundriss auf der Basis von Strukturgittern formulieren: (1) Der Grundriß der Sache der Hoffnung wird erkannt. (2) Die vollkommene Bestimmung der Sache der Hoffnung wird mitgedacht. (3) Die weitere Bestimmung der Hoffnung im Rahmen menschlicher Handlungswirklichkeit ist dann noch - praktisch - zu leisten. An dieser Stelle kann Moraltheologie das Anliegen der Moralphilosophie als Grundrisswissenschaft vollständig aufnehmen, wiewohl sie noch zu einer Verschärfung und Zuspitzung dieser Spannung beiträgt, beitragen muss, will sie auf eine transzendentale Analyse ihrer Gegenstände nicht verzichten. Entscheidende Hilfe erhält auch sie durch die erwähnten Strukturgitter: „Die Orientierungsschemata, die dem sittlichen Handeln gegeben werden, bestehen aus Strukturgittern, die den Verhältnischarakter, die Relation eines Faktums zum Sollen, explizieren und das historisch und individuell besondere (das veränderliche Ethos, die je anderen Verhältnisse und Lebensumstände) frei geben. Auf diese Weise bleibt der Handlungsraum offen; diese Offenheit ist aber die der Freiheit angemessene Gründlichkeit.“ 285 Neben dem Begriff des Strukturgitters soll schließlich die Metapher des Koordinatensystems Verwendung finden. Insgesamt wird damit der handelnde, der handlungsfähige und handlungswillige Mensch bezeichnet als entscheidendem Schnittpunkt aller Hand- 283 Vgl. ebd. 179, ebenso 186. „Eine Grundriß-Untersuchung erkennt genau das, was philosophisch zu erkennen ist. Die Bestimmtheit des Umrisses ist nicht nur die einzig mögliche, sondern auch die einzig sinnvolle Genauigkeit der Ethik. Nur einem nachträglichen theoretischen Vergleich von ethischer Erkenntnis und konkretem sittlichem Tun erscheint die Unbestimmtheit als ein Mangel.“ 284 Vgl. ebd. 185. 285 Vgl. ebd. 197. Weiter heißt es: „Im Offenlassen des Handlungsraumes enthält die Grundriss- Wissenschaft nämlich eine Provokation: Die Strukturgitter des sittlichen Handelns sind wissenschaftlich genau erkannt - die praktische Philosophie spricht dort verbindlich, wo der Gegenstand relationalen Charakter hat -; die konkreten Gestalten dagegen sind vom handelnden je neu und je selbst zu erfinden und zu setzen. Die Begriffe sind also so gefasst, dass sie die Freiheit des Handelnden fordern und herausfordern. Damit sind sie aber an sich nicht theoretische, sondern praktische (dynamische) Begriffe.“ <?page no="112"?> IV. Methodologischer Abriss 112 lungsdimensionen, als dem eigentlichen Ziel- und Schnittpunkt aller ethischen und humanwissenschaftlichen Forschungen. Die Achsen des Koordinatensystems stellen dann mögliche Dimensionen dieses Handlungssubjekts dar: Geschichte, Reflexion und Vernunft, Erfahrung, Transzendenz, etc. Im vorliegenden Fall geht es etwas feingliedriger um strukturelle Dimensionen des hoffenden Menschen. Die anvisierte Fragestellung setzt für dieses Unterfangen den Entwurf zweier Strukturgitter 286 voraus, die je aus den entsprechenden Ursprungshermeneutiken kommend einmal psychologisch-psychotherapeutisch-humanwissenschaftlich und einmal theologisch-philosophisch qualifiziert sind, um schließlich in einer integrativen Gestalt zusammengeführt zu werden. Der Blick kann daher unterschiedlich grob bzw. fein auf ein Erkenntnisobjekt gerichtet werden, sodass immer neue Achsensysteme aufgemacht werden können, wobei, um im Bild des Koordinatensystems zu bleiben, die ‚Skalierung‘ ausgewiesen werden muss und bei Integrationsversuchen auf das passende Zueinander der Grob-Fein-Struktur zu achten ist. Damit werden die Einsichten der Einzelwissenschaften allererst gewürdigt aus ihrem Ursprungskontext heraus und zugleich für eine Integration in andere Paradigmen der Betrachtung des handelnden Menschen begrifflich-kategorial vorbereitet, was letztlich die Spannung von Empirie und Normativität aufrechterhält, sie nicht nivelliert und zugleich eine epistemologische Brücke schlägt, wie sie für das vorliegende Thema einer integrativen Ethik der Hoffnung vonnöten ist. Das Koordinatensystem dient dabei der strukturellen bzw. strukturalen ‚Vermessung‘ der Hoffnung, um dem ‚Haus der Hoffnung‘ eine solide Architektur und ein solides Fundament zu bieten. 287 a) Akt, Ziel und Grund der Hoffnung Im Einklang mit der moraltheologischen Tradition kann eine erste Bestimmung der Achsen des Koordinatensystems einer Ethik der Hoffnung vorgenommen werden. Demnach wird zwischen (1) dem Akt oder dem Habitus der Hoffnung, (2) dem Ziel oder dem Gut und (3) dem Grund von Hoffnung unterschieden. 288 Als vorläufiges Orientierungsraster soll damit eine scholastisch geprägte dreigliedrige Hoffnungsstruktur dienen, die den eigentlichen Akt der Hoffnung (I.), der den Vollzug in concreto bezeichnet und der ubiquitären Charakter hat, unterscheidet vom Hoffnungsgut (II.) bzw. dem Hoffnungsziel oder Hoffnungsgegenstand, das oder der moralisch-sittlich qualifiziert ist, und dem eigentlichen Hoffnungsgrund (III.), der letztlich theologisch-transzendental als unbedingt ausgewiesen werden muss, soll menschliche Hoffnung nicht insgesamt nivelliert und schließlich als haltlos entmachtet werden. Nicht verschwiegen werden kann allerdings, dass es an Versuchen, den Hoffnungsgrund „schwächer“ zu bestimmen, nicht gemangelt hat 289 , etwa im Rahmen einer Naturontologie, einer mehr oder meist weniger explizierten Anthropologie oder schlicht im Kontext von Pragmatismus, Heroismus oder auch Nihilismus. Es ist allerdings nur schwer vorstellbar, wie unter solchen Begründungsbedingungen überhaupt nachhaltige Hoffnung ausgewiesen werden könnte, die menschlichem 286 Vgl. ebd. 171ff., von dem ich auch den Begriff des Strukturgitters dankend entlehnt habe. 287 Der strukturelle Ansatz der vorliegenden Arbeit kann dabei als Problemanzeige dienen, indem er eine Fülle von systematischen Fragen und Desideraten moraltheologischer Hoffnungsforschung aufdeckt - freilich mehr als imRahmen einer Monographie zu beantworten ist. 288 Vgl. MAUSBACH / ERMECKE, Katholische Moraltheologie, 81-103. 289 Vgl. für das Spektrum etwa SCHLIEPER, A., Der Traum vom besseren Menschen. Ein Streifzug durch die Geschichte unserer Hoffnungen, Berlin 2007. <?page no="113"?> 6. Das Koordinatensystem und der „Grundriss“ der Hoffnung - Strukturgitter 113 Leben, das sowohl unter dem Diktat von Not und Tod, aber auch unter großartigen Glücksansprüchen steht, gerecht werden könnte, ganz abgesehen davon, dass die Antizipation des Todes immer schon im menschlichen Bewusstsein die Macht hat, alle Hoffnungsaufschwünge, die noch unter seinem Gesetz stehen, quasi rückwärts, in das Leben hinein, das vor uns liegt, zu nivellieren und buchstäblich zu entwerten. 290 Wo nun der Hoffnungsakt, der zum Habitus werden kann, universal ist und damit einem Hoffnungsprinzip zugeordnet werden kann, muss das Hoffnungsgut nochmals vom Hoffnungsgrund unterschieden werden, eine Differenzierung analog der zwischen Erkenntnisgrund und Erkenntnisziel. Für beide wird allerdings für die Kategorie der Hoffnung eine finale Identität im Gottesbegriff angenommen. Bezeichnet das Gut bzw. das Ziel der Hoffnung ein ‚Hoffen, dass‘ oder ein ‚Hoffen auf‘, so der Grund der Hoffnung das ‚Woraus‘ oder das letzte ‚Woraufhin‘ der Hoffnung. 291 Dabei können vier zentrale Bedingungen des Hoffnungsgutes beobachtet werden, wie sie weiter oben bereits partiell Erwähnung fanden: Liebe, Verlangen, Mut und Zuversicht. Die erwähnte dreigliedrige Struktur der Hoffnung kann schließlich zu ersten systematischen Erträgen theologischen Hoffnungsdenkens führen: Hoffnung kennt nicht allein ein freiheitsbasiertes Subjekt (1), das sich der Welt, sich selbst und Gott gegenüber unter der Perspektive einer Aussicht in ein Verhältnis setzt und den Hoffnungsakt vollzieht bzw. den Habitus des Hoffens integriert hat, nicht allein einen Gegenstand (2), der letztlich das Gute selbst ist, das für das „erhoffte“ Gelingen des menschlichen Lebens steht und damit eine basale Daseinsaffirmation ermöglicht, sondern Hoffnung kennt auch einen Grund (3), soll sie begründete Hoffnung sein; einen Grund, der gnoseologisch außerhalb desjenigen Systems verortet werden muss, auf das sie sich bezieht, theologisch außerhalb von Welt. Dadurch ermöglicht sie ein Festhalten am Guten, wiewohl dessen Erfüllung zwar vor Augen, aber innerweltlich immer Fragment bleibt. Einzig bei Gott selbst kann eine Identität von Ziel und Grund angenommen werden. Wiewohl es eine Fülle von möglichen Hoffnungsgütern und Hoffnungszielen gibt, quasi auf sehr viel gehofft werden kann, sehr vieles hoffend erstrebt und strebend erhofft werden kann, liegt es doch in der Sache des Menschen als einem vernunft- und einsichtsbegabten sittlichen Wesen, zu prüfen, ob es Sinn macht, dieses oder jenes zu hoffen, ob es überhaupt gut ist (für wen oder was? ), diese oder jene Hoffnung zu hegen, ganz abgesehen davon, dass wir ja aus enttäuschten Hoffnungen auch zu lernen imstande sind. Mit anderen Worten: Alle Hoffnungsgüter unterliegen zunehmend der sittlichen Kontrolle, zumal auch das höchste Gut selbst durch und durch sittlich bestimmt ist und umgekehrt 290 Wenn der Grund von möglicher Hoffnung nicht geklärt wird bzw. im Rahmen einer bestimmten Deutung von Welt und Mensch kein Hoffnungsgrund denkbar ist, der den Auswirkungen einer Antizipation des Todes standhält, dann bleiben nur Vorstellungen der „reinen“ Möglichkeit, die mit Notwendigkeit mit der Existenz oder einer Ontologie oder der Natur verknüpft werden, aber philosophisch zu HEIDEGGER und BLOCH führen, letztlich aber in den Nihilismus münden, da sie Möglichkeiten beschwören, die gemessen an der Tiefe der Infragestellungen menschlicher Existenz grundlos bleiben müssen, wiewohl sie phänomenologisch richtig liegen können. 291 In Analogie zu den Hoffnungsmodi kann entlang der Grundthese der vorliegenden Arbeit, wonach Hoffnung Antizipation von Sinn darstellt, auch eine dreigliedrige Struktur der Verwendung des Sinnbegriffs ausgemacht werden. Strukturanthropologisch ist daher zu unterscheiden: (1) Weg-Sinn (als Orientierung, Akt und/ oder Habitus), (2) Ziel-Sinn (als Gegenstand und Erfüllung, höchstes Gut) und (3) Rahmen-Sinn (als Grund und Grenzgedanke). Die Gliederung entspricht exakt den Strukturen der Hoffnung: Akt, Ziel bzw. Gut und Grund. <?page no="114"?> IV. Methodologischer Abriss 114 das Sittliche als ein Hoffnungsgut zu betrachten ist. FRIEDO RICKEN gibt dabei noch eine wichtige Unterscheidung im Begriff des Grundes an, auf die wir noch zurückkommen werden, da sie darauf hinweist, dass die Beschäftigung mit den Erkenntnisbedingungen (be-gründ-eter Hoffnung) nicht einfach eine Ontologie obsolet macht, sondern diese nachgerade erst ermöglicht und fordert. Er schreibt: „Das Streben ist Erkenntnisgrund (ratio cognoscendi) des Guten und das Gute (das Seiende) ist Seinsgrund (ratio essendi) des Strebens.“ 292 Der Grund von Hoffnung gibt nun die letzte und zugleich erste Bedingung der Möglichkeit der Hoffnung an. Er ist die Ermöglichung der Möglichkeit von Hoffnung, mithin der Ermöglichungsgrund der Möglichkeit des Guten selbst, d.h. der Möglichkeit, die in der Hoffnung steckt. Ohne Hoffnungsgrund kein Grund zur Hoffnung. Der Hoffnungsgrund gibt die entscheidende erkenntnistheoretische Figur ab, ohne die es weder vernünftig einsehbare, noch verbürgte Hoffnung geben kann. Der Grund gibt an, worin das Ziel begründet ist, woher es sich ableitet. Der Grund gibt quasi an, worauf wir uns epistemologisch beziehen, wenn wir zu begründen versuchen, warum wir bestimmte Hoffnungsziele wählen. Schlussendlich, d.h. systematisch-theologisch (in principio) oder biblisch-theologisch („am Ende der Zeit“) laufen Grund und Ziel bzw. Gut der Hoffnung idealiter zu einer letzten Identität in Gott zusammen. 293 Jedes Ziel hat also seinen Grund, es fragt sich dabei nur, inwieweit dieser jeweils trägt. Hoffnung zielt nun nicht allein auf immer partielle und immer kontingente Zwecke innerhalb des Lebens, sondern irgendwann und letztlich auf das ganze Leben und damit auf den Sinn des ganzen Zusammenhangs von Welt und Leben. Alle partikulären Zwecke werden irgendwann in Akten der Selbsttranszendenz, im Auslangen nach dem je größeren Glück, überstiegen auf die Frage nach der Möglichkeit vom Sinn des Ganzen. Jede allein an Zwecken orientierte Ethik (Utilitarismus) kommt hier an ihre Grenze, da sie prinzipiell keine basale Hoffnung vermitteln kann, da sie sich auf das Erwartbare, Wissbare, Erkennbare beschränkt, das dabei immer nur Akzidenz und pars sein kann und niemals das Leben als Ganzes in den Blick bekommt, denn dann müsste sie den Metazweck aller Zwecke und den Rahmen aller Zwecke thematisieren, wofür sie innerhalb ihres Theorierahmens gnoseologisch keinen Ort auszuweisen vermag. Ein absoluter Selbstzweck ist jenseits von Interessen nicht mehr begründbar. Auch die Perspektive des Einzelnen ist auf diese Weise nicht mehr einholbar. Jede ausschließlich zweck- und folgenorientierte Ethik kommt auch da an ihre Grenzen, wo die Folgen des Handelns nicht gänzlich abgesehen werden können - und das ist trotz perfektionierter Prognostik (und Beschleunigung) fast immer der Fall, weswegen nolens volens die Schwelle zur Hoffnung respektive Verzweiflung überschritten wird. Der Mensch muss sich quasi in ein Verhältnis zur Nicht-Absehbarkeit und Nicht-Verfügbarkeit setzen, sodass dem Umstand Rechnung getragen wird, dass wir viel mehr zu verantworten haben als wir aktuell eigenmächtig kontrollieren können, weswe- 292 Vgl. RICKEN, F., Allgemeine Ethik (Grundkurs Philosophie 4), Stuttgart 4 2003, 87. 293 Trinitätstheologisch wäre an dieser Stelle etwa zu fragen, ob es denn im Rahmen des innertrinitarischen Geschehens noch Hoffnung gibt, also die drei göttlichen personae oder Subsistenzweisen zueinander in einem Verhältnis der Hoffnung stehen, oder umgekehrt alle Hoffnung nicht mehr vonnöten ist aufgrund umfassender Seinsfülle. Wenn es nach KARL RAHNER zum Wesen der Hoffnung gehört, das „Aus-Sich-Heraus“ und das „Auf-den-anderen hin“ zu realisieren, dann gehört Hoffnung zu den göttlichen Tugenden. Vgl. ausführlich SPLETT, M., Beobachtungen zur Hoffnung in der Theologie Karls Rahners, unveröffentlichte Diplomarbeit, Mainz 1995. <?page no="115"?> 6. Das Koordinatensystem und der „Grundriss“ der Hoffnung - Strukturgitter 115 gen wir uns immer wieder zur Hoffnung aufgerufen erleben und uns fragen, worin wir sie gründen lassen können. Mit anderen Worten: unsere Verantwortung, unsere Möglichkeit und Notwendigkeit, auf die Wirklichkeit, auf die Welt und uns selbst zu „antworten“, uns in ein Verhältnis zu setzen, reicht weiter als die absehbaren Folgen kalkulierbar sind. 294 Erst damit wird auch ein Verhältnis zum Ganzen von Welt und Mensch möglich, zum Ganzen des Lebens. Es ist sogar folgerichtig, was jede Zweck-Orientierung notwendig sprengt, soll der Mensch nicht in toto Mittel zu einem buchstäblich „totalen“ oder gar totalitären Zweck werden. Mit anderen Worten: Soll das Ganze des menschlichen Lebens verhandelt werden, dann führt jede reine Zweck-Perspektive zur Instrumentalisierung und damit zur Hoffnungslosigkeit. Dem Ganzen des Lebens ist als erkenntnistheoretisch redliche und sittlich humane Antwort einzig Hoffnung angemessen, weswegen jede humane Selbstreflexion diesbezügliche Antworten regelrecht verlangt. Tiefe und vollständige, auf das Ganze des Daseins bezogene, d.h. auch das Leid umfassende Bejahung und Akzeptanz dieses Daseins kann es daher nur geben aus begründeter Hoffnung, niemals aus immer kontingenten Zwecksetzungen heraus. In partnerschaftlicher Liebe ahnen wir genau das, wiewohl wir nicht selten die verzweifelten Versuche beobachten können, Daseinsbejahung nicht aus Hoffnung auf Vollendung des Fragments, das wir immer bleiben werden, zu schöpfen, sondern aus Versuchen, nützlich und zweckvoll gelebt zu haben, Erfahrungen, die konsekutiv zu einer vorgängigen Bejahung äußerst fruchtbar sein können, aber niemals primär zur Kontingenzbewältigung dienen - weil sie letztlich keine tragfähige Hoffnung vermitteln können. Hoffnung ist begrifflich auch deswegen so schwer zu fassen, da sie sich als ein Medium zu erkennen gibt, das eigentlich divergente Perspektiven und Pole vermittelt: konkret und universal, gegenwärtig und zukünftig, schon und noch-nicht, etc. 295 Insgesamt kann als Ertrag festgehalten werden: Hoffnung ist nicht der letzte Grund des Handelns, sondern das Medium, das den letzten Handlungsgrund vergegenwärtigt und diesen damit handlungsrelevant werden lässt für eine Fülle von Hoffnungsgütern und den Vollzug ihrer (verheißungsvollen) Realisierung. b) Die Strukturgitter der Hoffnung und ihre Integration Die universale Bedeutung, die der Hoffnung im Allgemeinen aus den unterschiedlichsten Wissenschaftsfeldern zugedacht wird, steht einer eher marginalen Integration in handlungstheoretische Entwürfe gegenüber. Es soll an dieser Stelle insbesondere auf die Verzahnung von Methodologie und Strukturaufbau der Arbeit hingewiesen werden, was sich in der Entwicklung einer diesbezüglichen Systematik ausdrückt, die durch die sukzessive angereicherten Forschungsberichte der interdisziplinär zu vermittelnden Fachbereiche je für sich, die darauf aufgebauten Strukturgitter der Hoffnung und deren schlussendliche Integration und die sich neu als notwendig herausgestellten Exkurse ausgezeichnet ist. So soll dem methodologischen Grundproblem, der Vermittlung von Empirie und Normativität, ebenso dem von teleologischen und deontologischen Argumentationsweisen durch 294 Vgl. das IMMANUEL KANT zugeschrieben Diktum: „Die Notwendigkeit der Entscheidung reicht weiter als die Fähigkeit zur Erkenntnis.“ 295 Vgl. auch pneumatologische Entwürfe, etwa NITSCHE, B. (Hrsg.), Atem des sprechenden Gottes. Einführung in die Lehre vom Heiligen Geist, Regensburg, 2003, die ähnlich sublim und schwer zu fassen sind und zu denen es inhaltlich direkte Affinitäten gibt, da Hoffnung pneumatologisch konturiert ist. Die Kategorie der Hoffnung hat daher immer etwas Schwebendes, mediales, was sich auch in der Anlage der vorliegenden Arbeit widerspiegelt. <?page no="116"?> IV. Methodologischer Abriss 116 Aufrechterhaltung der entsprechenden Polaritäten und gerade nicht durch Synthetisierung begegnet werden. Inhaltlich sollen zwei sogenannte „Strukturgitter“ 296 der Hoffnung aufgerichtet werden, die die zentralen der Hoffnungskategorie inhärenten strukturellen Spannungen und Dimensionalitäten abbilden sollen und entlang dem jeweiligen der Erkenntnismethode entsprechenden Aufriss schließlich übereinander gelegt bzw. ineinander geschoben werden sollen, philosophisch-theologisch auf der einen Seite und psychologisch auf der anderen Seite. Auf diese Weise wird die Spannungseinheit innerhalb der beiden inhaltlich orientierten Strukturgitter der Spannungseinheit der methodologisch orientierten Erkenntniswege exakt und kontrolliert entsprechen und zudem wird erkenntnistheoretisch gewahrt, was nicht (dialektisch oder anderweitig) aufgelöst werden kann und darf. Von einem durchgängig einheitlichen Hoffnungsbegriff kann dabei nicht ausgegangen werden und das nicht nur, weil wir uns auf der Kategorienebene bewegen, d.h. auf der Ebene von Grundmerkmalen menschlicher Handlungswirklichkeit bzw. Grundvoraussetzungen seiner gesamten moralischen Erfahrungswelt und gerade nicht auf der Begriffsebene, d.h. auf der Ebene von klaren semantischen Einheiten, sondern auch, weil die Kategorie erst sukzessive angereichert werden soll in ihren möglichen Bedeutungsgehalten und insbesondere in den sie möglicherweise tragenden Strukturen. Genau deswegen ist ein Strukturgitter anvisiert, das in gewisser Weise den Raum dieser Kategorie aufzuspannen versucht - pars pro toto. In diesen Raum können schließlich dann kontextualisierte Begriffe eingeführt werden mitsamt den sie tragenden Bedeutungen. Am Anfang aber steht die Kategorie, die methodisch erst sukzessive in ihren strukturen aufgebaut werden soll. Insofern kann kein klar umrissener Begriff am Anfang stehen. Dennoch gibt es und muss es geben die Einheit der Hoffnung, sonst nämlich steht die Einheit der menschlichen Person selbst auf dem Spiel und die basal orientierende Funktion nebst ihrer nachhaltig motivierenden Wirkung wäre schnell hinfällig, zumal eine entsprechende Heterogenität immer schon antizipiert werden kann. Nur eine Hoffnungseinheit vermag final zu orientieren. Auf dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen und im Vorgriff auf die zu erhebenden anthropologischen Grundlagenstrukturen der Hoffnung 297 kann daher der Ver- 296 Vgl. als philosophisch-anthropologische Referenz neben O. HÖFFE den bereits erwähnten ROMBACH, H., Strukturanthropologie. „Der menschliche Mensch“, Freiburg im Breisgau 1997. 297 Analog zur Kategorie der Hoffnung ließe sich das Verfahren vielversprechend auf eine ganze Reihe theologisch-ethischer Begrifflichkeiten und Felder anwenden, bspw. diejenigen von gut und böse: Demnach ist nicht allein eine Freiheitsdebatte zu führen, die überwiegend philosophisch zu bestreiten ist, sondern es sind auch anthropologische Einsichten aufzunehmen, wonach es nicht einfach eine biologisch verankerte Neigung zu Aggression und Gewalt gibt, die durch Moral und Kultur domestiziert zu werden hat, sondern dass entlang neuerer entwicklungspsychologischer und neurobiologischer Forschungen ganz im Gegenteil davon auszugehen ist, dass der Mensch bereits biologisch auf Empathie, Sozialität und Kooperation angelegt ist. Die theoretischen und praktischen Konsequenzen für Ethik, Moral und Kultur sind eminent. Vgl. etwa TOMASELLO, M., Warum wir kooperieren, Frankfurt am Main 2010. Ebenso FUCHS, T., Das Böse aus psychiatrischer Sicht, in: Zur Debatte. Themen der katholischen Akademie in Bayern 7/ 2007, 1-5. Vgl. auch die aktuellen Debatten um das Naturrecht, etwa mit Bezug auf THOMAS VON AQUIN BORMANN, F.-J., Natur als Horizont sittlicher Praxis. Zur handlungstheoretischen Interpretation der Lehre vom natürlichen Sittengesetz bei Thomas von Aquin, Stuttgart 1999. Im Überblick dagegen BÖTTIGHEIMER, C. / FISCHER, N. / GER- WING, M. (Hrsg.), Sein und Sollen des Menschen. Zum göttlich-freien Konzept vom Men- <?page no="117"?> 6. Das Koordinatensystem und der „Grundriss“ der Hoffnung - Strukturgitter 117 such unternommen werden, eine Form der ‚Dimensionalität‘ von Hoffnung anzudeuten, die im einzelnen erst noch zu entwerfen wäre, nach der aber, um mit dem Bild eines Koordinatensystems der Hoffnung zu argumentieren, dieser eine Länge, eine Breite und eine Höhe zukommt: Die Länge zielt auf den Gegenstand der Hoffnung entlang eines linearen Zeitpfeils, die Breite zielt auf die Breite der Existenzbeteiligung im Sinne des Hoffnungsaktes und die Höhe bzw. Tiefe zielt auf den Grund der Hoffnung. Dabei trägt Hoffnung per se den ‚Samen‘ dessen immer schon in sich, auf den sie sich erst hoffend bezieht, auf den sie sich gründet bzw. von dem sie sich fundamental orientiert und energetisiert weiß. Das Koordinatensystem, innerhalb dessen die den jeweiligen Ursprungshermeneutiken gehorchenden Strukturgitter aufgespannt werden, wird nun von derjenigen Disziplin vorgegeben, in die hinein eine Integration stattfinden soll bzw. die die eigentliche Integrationsleistung zu erbringen hat, schließlich können nur auf diese Weise die notwendigen Kategorien präzise genug bestimmt und darüber hinaus eine argumentationsleitende Disziplin ausgewiesen werden. Die anvisierte Fragestellung bringt es mit sich, eine Verzahnung von Methodologie und Strukturaufbau der Arbeit vorzunehmen, um die systematisierende Durchsicht und Erhebung des Materials für die Strukturgitter respektive das Koordinatensystem nicht allein an den methodischen Einsichten zu messen, sondern auch umgekehrt daran allererst (neue) methodologische Einsichten und interdisziplinär erschlossene Gehalte zur Hoffnungskategorie zu gewinnen. Innerhalb der Strukturgitter je für sich, aber auch zwischen verschieden aufgespannten Strukturgittern können auf diese Weise Strukturanalogien zu Tage gefördert werden, wie sie etwa in der Tradition moralphilosophischer und moraltheologischer Hoffnungreflexionen wiederzufinden sind, aber noch nicht miteinander ins Gespräch gebracht worden sind. So werden strukturanthropologische und strukturtheologische Gitter dimensional ‚aufgerichtet‘ und ‚aufgespannt‘ und schließlich in ein Koordinatensystem eingezeichnet. Zur Einlösung des Unterfangens sollen zwei Forschungsberichte der beiden disziplinären Standbeine formal vorbereiten und inhaltlich andeuten, was nur exemplarisch vorgeführt werden kann. Der hermeneutische Durchgang durch das Material ist dabei durch die Warum-Frage als der eigentlichen Frage nach den Strukturen bestimmt. Da bislang starke Kriterien für ein kombinatorisches Geschehen zur interdisziplinären Aneignung von empirisch-anthropologischen Einsichten für moralphilosophisches und moraltheologisches Fragen noch weitgehend fehlen, findet das Strukturgittermodell Anwendung. Für eine anthropologische Fundierung der handlungspraktisch interpretierten Hoffnungskategorie sind allerdings mehrere Strukturgitter aufzurichten, je nach der Anzahl befragter Disziplinengruppen und den jeweiligen hermeneutischen Paradigmen - im vorliegenden Fall sind es deren zwei. Diese können dann je für sich eine Würdigung unterschiedlicher Forschungsparadigmen leisten, samt der damit errungenen Erkenntnisse, und ohne diese vorschnell und unkontrolliert zu subsumieren oder zu integrieren und sie damit mindestens potentiell ihrer kritischen Kraft zu berauben. Die damit aufgerichteten Strukturgitter, die gerade keine Prozessgitter darstellen, werden dann im Zuge ihrer Integration ineinandergeschoben bzw. die dimensional kleineren in die dimensional größeren und komplexeren integriert, wobei auf die „Skalierung“ zu achten ist, um verzerrte, d.h. überbewertete oder unterbewertete, überdefinierte oder unterbestimmte Interpretationen und in der Folge Integrationen zu vermeiden. Damit wird eine Aufnahme der Anliegen der Kombinatorik erreicht schen, Münster 2008. DALFERTH, I. U., Naturrecht in protestantischer Perspektive, Würzburg 2008. <?page no="118"?> IV. Methodologischer Abriss 118 und zugleich die methodologische Schwierigkeit konstruktiv beantwortet, dass die eigentlichen Kriterien der Kombinatorik noch weitgehend fehlen. Dem Eindruck des selektiven Vorgehens bei der Auswahl der Autoren kann getrost entgegen gehalten werden, dass diese sowohl methodisch begründet als auch der überwältigenden Fülle an Material geschuldet ist, aber dennoch an fundamentalen Knotenpunkten und entscheidenden strukturellen Weichenstellungen orientiert ist. Das hat zur Folge, dass zahlreiche Desiderate aufgedeckt werden. Als methodisch begründet kann das Verfahren auch aus dem Grunde gelten, dass exemplarisch Strukturen einer handlungstheoretisch verankerten Hoffnung aufgezeigt werden, die sich als begrifflich-kategorial anschlussfähig erweisen für ein Gespräch sowohl mit den Humanwissenschaften 298 , als auch mit den einschlägigen Beständen der Hoffnungsphilosophie und Hoffnungstheologie. Erkenntnistheoretisch kann im Hintergrund des erwähnten Strukturgittermodells der Hoffnung eine (moral-) theologische Spannungslehre vermutet werden, indem sie sowohl dem Menschen als einem Wesen auf der Grenze, quasi als Schnittpunkt unterschiedlichster ontologischer Entitäten (Sein und Sollen, Existenz und Essenz, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Natur und Kultur, Körper und Leib, etc.), als auch der Hoffnung, die diese Polaritäten dialektisch zu vermitteln versucht und damit handlungspraktisch werden lässt, gerecht zu werden vermag. Eine solche theoIogische Spannungslehre ist allerdings erst noch zu formulieren. 299 c) Ertrag: Der hoffende Mensch und der anthropologische Ort einer Ethik der Hoffnung Die „Neuorientierung“ 300 der Theologie anhand der Gehalte christlicher Hoffnung wurde zwar begonnen, ist aber noch im Gange und beileibe nicht befriedigend durchgeführt 301 , insbesondere auf dem Feld der (Theologischen) Ethik. Über einige löbliche und große Entwürfe hinaus sind nach wie vor viele Desiderate auszumachen. Eine Ethik der Hoffnung gehört fraglos dazu. „Denn die Moral gibt unsrem Handeln nicht den letzten Sinn [...]“. Ganz entscheidend ist dabei, „dass auf den Menschen, der handelt, nicht nur das, was er tut, zurückwirkt, sondern auch, woraus er es tut, aus welcher Motivation es 298 Die zur Anwendung kommende Methodologie ist nun nicht zu verwechseln mit dem Problemfeld des naturalistischen Fehlschlusses, das sich logisch, semantisch, ontologisch und metaphysisch darstellt. Vgl. FRITZ, A., Das Ende des Naturalistischen Fehlschlusses als Knock-Out- Argument. Semantische und systematische Untersuchung des Sein-Sollen-Problems, Freiburg / Schweiz 2009. 299 Vgl. RICOEUR, P., Die Freiheit im Licht der Hoffnung, in: Ders., Hermeneutik und Strukturalismus. Der Konflikt der Interpretation I, München1973, 199-226, hier 212, mit dem als philosophisches Analogon zu der erwähnten theologischen Spannungslehre eine Philosophie der Grenze gefordert werden kann. „Eine Philosophie der Grenze, die zugleich ein praktisches Verlangen nach Totalität impliziert, ist meiner Ansicht nach in der Lage, eine dem Kerygma der Hoffnung homologe Rede herauszubilden, eine optimale philosophische Annäherung an die Freiheit im Sinne der Hoffnung zu leisten.“ Vgl. auch Kapitel VII e in dieser Arbeit. 300 Vgl. POST, W., Hoffnung (Art.), in: KRINGS, H. / BAUMGARTNER, H.M. / WILD, C. (Hrsg.), Handbuch philosophischer Grundbegriffe Bd. 3, München 1973, 696. 301 Vgl. GEIßER, H.F., Grundtendenzen der Eschatologie im 20 Jahrhundert, in: STOCK, K. (Hrsg.), Die Zukunft der Erlösung. Zur neueren Diskussion um die Eschatologie, Gütersloh 1994, 13-48, besonders 13-32. <?page no="119"?> 6. Das Koordinatensystem und der „Grundriss“ der Hoffnung - Strukturgitter 119 stammt.“ 302 Eine Möglichkeit, diese Quelle auszuweisen, ist die Hoffnungskategorie. Dabei muss unterschieden werden zwischen einer subjektiven Hoffnung, die immer eines objektiven Korrelats in der Welt bedarf, da sie vom Handlungssubjekt her gedacht ist, und einer objektiven Hoffnung, die vom Hoffnungsgut bzw. vom Hoffnungsgrund her gedacht ist im Sinne einer begründeten Hoffnung. Für die vorliegende Fragestellung, die ja strukturell angelegt ist, sind beide Hoffnungsmodi zu bedenken, insbesondere in ihrer Verwiesenheit und gegenseitigen Angewiesenheit, sodass humaner Hoffnungsvollzug unreduziert und integrativ studiert werden kann. Neben dem Übergewicht der normativen Kraft des Faktischen ist auch die unterschätzte „normative Kraft des Fiktiven“ 303 wieder ausreichend theologisch-ethisch zu würdigen. Der Optativ und der Potentialis sind ethisch wieder anzueignen, denn Zukunft ist häufig nicht das, was wir errechnen, sondern das, was auf uns zukommt. Erst unter Aufnahme und schließlich jenseits des Erwartungshorizonts, also jenseits dessen, was wir planend und prognostizierend an Zukunft rational vorwegzunehmen versuchen, kann der eigentliche Hoffnungshorizont angeeignet werden, mithin das, was uns aus der Zukunft entgegenkommt und dem wir wiederum entgegen vertrauen können. Geistes- und ideengeschichtliche Klärungsprozesse bzgl. der Inhaltlichkeit der Hoffnung, aber auch bzgl. der formalen Voraussetzungen des Vollzugs ganz menschlicher Hoffnung lassen dabei das Humanum zunehmend deutlicher zutage treten, etwa auch im Rahmen eines (modernen) öffentlichen Vernunftgebrauchs 304 , was nicht verwundert, wenn in Rechnung gestellt wird, dass in seinen Hoffnungen die Bestimmung des Menschen zum Ausdruck kommt - freilich ohne dabei die Neigung zum Bösen zu negieren. Dabei kann die Erfahrung der Kontingenz und der Endlichkeit dem menschlichen Bewusstsein als Zeichen dafür gelten, dass Hoffnung letztlich (sic! ) für ihre Grundlegung auf Religion angewiesen ist, wiewohl bereits irdische Hoffnung im Verdacht steht, zwar in dieselbe inhaltliche Richtung zu weisen, wiewohl sie weder die finale Zielgestalt, noch einen entsprechenden Grund aus sich selbst heraus verbürgen kann. Hier sind konstitutive Bedeutung und subsidiäre Anwendung und lebensweltliche Verortung zu unterscheiden. Auf dem Hintergrund des bisher Erörterten wird sich daher keine Hoffnung mehr plausibilisieren lassen, die nicht mindestens drei Bedingungen zu erfüllen vermag: (I) Sie wird ihre wechselnden Ziele und Inhalte den Kriterien des sittlich Guten und damit einer ethischen Kontrolle zu unterwerfen haben 305 - und ihrerseits selbst als zutiefst sittlich orientiert betrachtet werden müssen. Dabei hat sie den menschheitlichen Vorstellungen von Glück und einer letzten Erfüllung eingedenk zu sein, wie sie in Philosophie, Theologie und Religion transportiert werden. (II) Sie wird darüber hinaus - will sie begründete Hoffnung sein - ein ihr angemessenes spezifisches Menschenbild explizieren müssen, von dem her auch (III) der Modus des Hoffens allererst handlungspraktisch verständlich 302 Vgl. MIETH, D., Die Diktatur der Gene. Biotechnik zwischen Machbarkeit und Menschenwürde, Freiburg 2001, 86. 303 Vgl. MIETH, Diktatur 129 ff., 135 ff., 137 ff. 304 Vgl. die Beiträge in BORMANN, F.-J. / IRLENBORN, B. (Hrsg.), Religiöse Überzeugungen und öffentliche Vernunft. Zur Rolle des Christentums in der pluralistischen Gesellschaft (QD 228), Freiburg im Breisgau 2008. 305 Vgl. STRIET, M., Hoffen - warum? Eschatologische Erwägungen im Horizont unbedingten Verstehens, in: Gefährdung oder Verheißung 2007, 123-140, der von der Notwendigkeit zur ethisch normierten Hoffnung spricht. <?page no="120"?> IV. Methodologischer Abriss 120 wird. Unter christlicher Perspektive wird es schließlich darum gehen, den „Gott der Hoffnung“ 306 mit dem hoffenden Menschen in eine konstruktive Beziehung zu setzen. Hoffnung braucht einen Grund. Grundlos hoffen kann niemand, selbst wenn derjenige die Bedeutung der Hoffnung selbst eingesehen hätte. Der Grund verbürgt die Hoffnung. Er ist diejenige Instanz, von der her zur gegenwärtigen Situation vernünftig Stellung bezogen werden kann - ohne dass daraus schon eine Form des Wissens entstünde. Der Grund gibt diejenige Größe an, die die vertrauende Gewissheit der Hoffnung insofern verbürgt, als dass sowohl für einen Anhalt an der Realität gesorgt wird, für eine Situationsangemessenheit (Realitätsgerechtheit), als auch für einen Anhalt an der je besseren Möglichkeit (Potentialitätsgerechtheit). Wurde noch bei ERNST BLOCH 307 dieser Grund von Hoffnung in einer spezifischen Ontologie gesucht, in einer bestimmten Vorstellung vom Sein der Welt, das strikt antithetisch zwischen dieser und der erhofften kommenden Welt trennte und damit in gewisser Weise zur Nivellierung der realen Wirklichkeit beigetragen hat und geistesgeschichtlich den Fatalismus begünstigte, so im Rahmen religiöser Weltdeutung in einem metaphysischen, transzendentalen (Gottes-) Grund, der ein dialektisches und zutiefst hoffnungsgenerierendes simul von Schon (begonnener Wirklichkeit des Erhofften) und Noch-Nicht (deren vollständiger Realisierung) etablierte. Dadurch wird nicht nur ein spezifisches Verständnis vom Menschen eröffnet, der Mensch als imago dei, als Abbild Gottes und Gott, der für das Heil und das Glück seiner Geschöpfe einsteht, sondern auch menschliche Handlungspraxis zutiefst geprägt. Dabei sind insbesondere die Möglichkeiten zur Freisetzung von Hoffnungsressourcen, die auf das Gute und Sinnvolle hin motivieren und orientieren, kaum zu überschätzen. Was bleibt, ist, den Grund von Hoffnung im Menschen selbst zu verankern, wobei betont werden muss, dass dieser Grund der Hoffnung zwar im Menschen liegt, der Mensch aber nicht dieser Grund ist, sondern sich seinerseits immer wieder als darauf verwiesen erlebt. Wiewohl es nicht an Versuchen mangelt, dass „Mängelwesen“ 308 Mensch zu optimieren und in den Bereich des Transhumanen 309 hinein zu übersteigen, um seine Anfälligkeit zum Bösen, seine Kontingenz und Gebrochenheit zu mildern wo nicht zu eliminieren, soll an dieser Stelle dennoch dafür plädiert werden, Hoffnung in einem spezifischen Menschenbild, einer Anthropologie, festzumachen, die unter religiösen Vorzeichen natürlich in der Idee eines Gottes gründet, der dem Menschen eine „absolute Zukunft“ 310 verheißt und diese auch verbürgt und damit einen enormen Antriebsüberschuss freizule- 306 Vgl. Röm 15,13. 307 Vgl. BLOCH, E., Das Prinzip Hoffnung, drei Bd., Frankfurt am Main 1985. Hoffnung soll hier gegen BLOCH, der inhaltlich eine ontologisierende Säkularisierung von (Hoffnungs-) Theologumena vorgenommen hat, als Medium betrachtet werden, nicht als (absolutes) Substrat. 308 Vgl. GEHLEN, A., Anthropologische Forschung, Reinbek bei Hamburg, 1961, 46ff. 309 Vgl. SLOTERDIJK, P., Der operable Mensch. Anmerkungen zur ethischen Situation der Gen- Technologie, in: Stiftung Deutsches Hygiene-Museum und Deutsche Behindertenhilfe (Hrsg.), Der [im] perfekte Mensch. Vom Recht auf Unvollkommenheit, Ostfildern-Ruit 2001, 97-114. Unter theologischen Vorzeichen steht hier analog zur Theodizee, der Rechtfertigung der Annahmen eines gütigen Gottes angesichts einer faktisch leidvollen Welt, die Anthropodizee an, die Rechtfertigung des Menschen angesichts seiner mitunter abgründigen Möglichkeiten zum Bösen, seiner Kontingenz und Fraglichkeit. Vgl. dazu STRIET, M., Der neue Mensch. Unzeitgemäße Betrachtungen zu Sloterdijk und Nietzsche, Frankfurt am Main 2000. 310 Vgl. RAHNER, K., Experiment Mensch. Theologisches über die Selbstmanipulation des Menschen, in: Ders., Experiment Mensch. Vom Umgang zwischen Gott und Mensch, Hamburg 1973, 29-55. <?page no="121"?> 6. Das Koordinatensystem und der „Grundriss“ der Hoffnung - Strukturgitter 121 gen vermag. Anthropologisch breit fundiert, mithin im Menschen verankert, heißt nun nicht, dass der Mensch selbst zum Grund von Hoffnung, erst recht seiner eigenen Hoffnung würde, was neben der Gefahr begrifflicher Inkonsistenzen aufgrund der selbsttranszendentalen Struktur von Hoffnung auf eine Anthropodizee hinauslaufen würde, die unter endlichen Bedingungen scheitern muss, sondern ist stattdessen in einem sinnverheißenden Gottesgrund zu suchen, der - gleich einem Resonanzphänomen - in einem spezifischen Selbstverständnis des (gottbezogenen) Menschen seinen klarsten Widerschein findet. Eine solche Anthropologie hat vom Menschen zu sprechen als von einem Wesen der Hoffnung - homo sperans -, das sich permanent zu überschreiten versucht auf ein je Besseres seiner selbst und der Welt hin, das er sich vor Augen stellt. Schließlich erlebt er sich vorrangig als nicht mit dem identisch, was ihn als Mensch eigentlich ausmacht, wie je verschieden die Vorstellungen diesbezüglich auch sein mögen; zugleich fühlt er sich durch diese Erfahrung analog einem Imperativ aufgerufen, diese Differenz von Sein und Sollen, von Existenz und Essenz, von Lebensvollzug und Lebensbestimmung, zu minimieren, da genau dies ein spezifisches Glück und eine Erfüllung des Daseins verspricht. Und er tut dies u.a. handelnd, indem er eine buchstäblich attraktive, d.h. anziehende Vorstellung von gelungener Identität vor Augen hat, die ihm die Sinnhaftigkeit seiner grundlegenden Lebensorientierung und die Nachhaltigkeit der Handlungsmotivation hoffend verbürgen soll und jene aus diesem Grund in die Realität zu überführen versucht. Aber was lässt uns bezüglich des Menschen hoffen? Nichts anderes als die Einsicht, dass der Mensch das zum Guten willige und immer wieder auch fähige Wesen ist - trotz allem. Hier soll nun nicht einfach einem Postulat das Wort geredet, sondern zu aller erst soll einer fundamentalen Erfahrung Rechnung getragen werden: Der Mensch erfährt sich als einer, der letztlich das Gute will, unter dessen Gesetz er sich denn auch wiederfindet. Das Gute verlangt natürlich permanent eine Explizierung und Präzisierung, man denke nur an die fundamentalen Prinzipien der Menschenwürde und der Menschenrechte. Es ist in dieser Lesart das dem Menschen gemäße Gesetz seines Handelns, das ihm in Verbindung mit seinem Glücksstreben als Hoffnung auf gelingendes Leben vor Augen steht. Das Gute verheißt Sinn, deswegen hoffen wir darauf und können davon nicht lassen, wenn wir uns selbst nicht verloren geben wollen. Bei aller Zweifelhaftigkeit, ob es eine Berechtigung dafür geben könne, wir verlangen nach Hoffnung und Utopie, auch nach großen identitätsstiftenden und sinnverheißenden Visionen über uns und unsere Zukunft, da der Mensch das notorisch unabgeschlossene Wesen ist, das eine Aussicht auf Gelingen braucht, christlich eine Aussicht auf Vollendung. Denn nur diese Aussicht kann uns angesichts des uns permanent bedrohenden Todesschicksals motivieren, das Fragmenthafte unseres Lebens anzunehmen und in Freiheit zu gestalten 311 . Der christliche Glaube an einen Gott, der zur Hoffnung berechtigt 312 , erlaubt uns daher, die Welt und uns selbst so zu verstehen, dass eine Umgestaltung auf das je größere Humanum möglich wird und dies gerade auch im Angesicht einer Wirklichkeit, die aller Hoffnung allzu oft zu widersprechen scheint. Damit wird die Hoffnung dem Menschen wieder in die Hände zurückgeben - als gnadengewirkte, aber als eine, die ihn als Handelnden buchstäblich anspricht und die er in der Welt, in der er lebt, zu gestalten hat. 311 Vgl. PRÖPPER, T., Freiheit als philosophisches Prinzip theologischer Hermeneutik, in: Ders: Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik, Freiburg im Breisgau 2001, 5-22. 312 Vgl. Röm 15,13. <?page no="122"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I: Handlungspraktische Hoffnungsstrukturen in Theologie, Philosophie und Geistesgeschichte des Abendlandes Hoffen heißt, von einem geheimen Versprechen leben. Oder: Hoffen - im Unerfüllten von verheißener Fülle leben. [Fridolin Stier] as Nachdenken über Wesen und Berechtigung von Hoffnung existiert seit der Mensch zum Bewusstsein seiner selbst erwacht ist, die Frage nach dem Proprium christlicher Hoffnung seit den Anfängen Israels und der Kirche. Dabei ist ein beständiges Ringen zu beobachten, aus dem Wurzelgrund biblischer Verheißungen „berechtigte Hoffnung“ 1 in das Licht von Reflexion und Handlungspraxis zu holen. Da sind berechtigte Hoffnungen freigelegt und von unberechtigten unterschieden worden; da sind Hoffnungen immer wieder mit der Wirklichkeit menschlicher Erfahrung konfrontiert worden und damit der Welt ausgesetzt worden; da haben Hoffnungen zutiefst Einzug gehalten in die Gehalte menschlicher Selbstverständigung und dabei die entlegensten begrifflichen Winkel unserer Vorstellungen von Gott, Welt und Mensch durchdrungen. Aber auch diese Reflexionen über die Kategorie der Hoffnung unterliegen einem epochalen Wandel und kennen konjunkturelle Episoden, sodass zu fragen ist, welche Grundformationen nun ideengeschichtlich ausgemacht werden können, insbesondere, wenn der Blick auf einen Hoffnungsbegriff gerichtet ist, der sich in seiner handlungspraktischen Bedeutung und seinem sinnerschließenden Potential erweisen soll. Mit anderen Worten: Das entscheidende Suchprisma für den vorliegenden Forschungsbericht und die nachfolgenden Ausarbeitungen ist die Identifikation von Entdeckungs- und Begründungszusammenhängen gleichermaßen für mögliche Strukturen der Hoffnung in ihrer sinnerschließenden, d.h. (umfassend) Orientierung bietenden Funktion für die Handlungspraxis. Dabei kann nicht an Vollständigkeit gelegen sein, können nicht ganze Epochen in den Blick genommen werden, sondern an einzelnen epochalen Gestalten soll paradigmatisch das Gesamt durchsichtig gemacht werden. In einem Bild gesprochen, soll das „Flussbett“ der Hoffnungskategorie in ihrer handlungspraktischen Bedeutung entlang von wichtigen Epochenschwellen strukturell freigelegt werden, wobei es vornehmlich um Sensibilisierung für eine entsprechende Perspektivierung gehen soll. Im Verlaufe der erkenntnisgewinnenden und strukturerhebenden Systematisierungen werden schließlich diejenigen Bestände aufgesucht, die im Sinne der Fragestellung darauf ant- 1 Vgl. die Beiträge in SCHMIDT-LEUKEL, P. (Hrsg.), Berechtigte Hoffnung. Über die Möglichkeit, vernünftig und zugleich Christ zu sein, Paderborn 1995 oder LARCHER, G. / MÜLLER, K. / PRÖPPER, T. (Hrsg.), Hoffnung, die Gründe nennt. Zu Hansjürgen Verweyens Projekt einer erstphilosophischen Glaubensverantwortung, Regensburg 1996. D <?page no="123"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 123 worten können, warum das Material durchgegangen wurde und woraufhin. 2 D.h. auch, dass nicht abstrakt an Problemschwellen herangegangen wird, sondern problemorientiert und wissenssoziologisch. Die anvisierte Problemgeschichte wird zwar aufgerichtet, kann aber erst im Laufe der Argumentation Schritt für Schritt abgesichert werden. Das soll über eine ständige Rückkoppelung auf die Problemorientierung selbst geleistet werden, was zusätzlich eine indirekte und nachträgliche Rechtfertigung der für die Fragestellung notwendigen Interdisziplinarität bietet. Die beiden Forschungsberichte, die die je disziplinär unterschiedlichen Zugangsweisen zum Erkenntnisobjekt einer integralen Hoffnungstheorie zunächst im Sinne der jeweiligen Ursprungshermeneutiken würdigen, sind bewusst breit angelegt, woraus dann eine exemplarische Auswahl dessen getroffen werden soll, was strukturell und wirkungsgeschichtlich essentiell wurde und was im Rahmen der Forschungsbemühungen fruchtbringend weitergeführt werden kann. Diese im Sinne von archimedischen Wendepunkten getroffene materiale Auswahl erlaubt es dann, die je unterschiedlichen Zugänge auf ein integrales Strukturgitter zusammenzuführen - unter Rückgriff auf normative Kategorien und ohne selbst normativ zu werden und sich dem Verdacht des naturalistischen Fehlschlusses auszusetzen - da diese integrative Gestalt immer schon zugegen war, aber als solche noch nicht identifiziert und begründet wurde. Dabei wird es um eine Erhebung sowohl des methodologischen Besitzstandes, etwa bzgl. Fragen der Interdisziplinarität, als auch um eine Problemstandsanzeige des formalen und materialen Ist-Standes gehen. Das thematische Diskursfeld wird dabei sowohl auf diejenigen Kriterien befragt, die die Auswahl bestimmt haben, schließlich kann mitnichten von ‚der‘ Psychologie oder ‚der‘ Theologie gesprochen werden, als auch in der Folge der systematischen Errichtung des ‚Hauses‘ einer Ethik der Hoffnung dienlich sein können. Damit wird allerdings rückwirkend auch das Selbstverständnis der Theologischen Ethik neu akzentuiert. So schält sich ein Verständnis der Moraltheologie als „handlungsleitende Sinnwissenschaft“ heraus, das auf besondere Weise imstande ist, entsprechende Facetten aus Geschichte und Gegenwart bzgl. der reflexiven Bemühungen um die Hoffnung freizulegen. 2 Exemplarisch ist auf JOSEF PIEPER (Über die Hoffnung, München 4 1949) zu verweisen, der eine tugendethische Interpretation der Hoffnung unter Rezeption THOMAS v. AQUINS lieferte, wohingegen CHARLES PÉGUY (Das Mysterium der Hoffnung, Wien 1952) einen hymnischen Gesang auf die Hoffnung verfasste. Da ist ferner die existenzphilosophisch orientierte aber auf christlichem Hintergrund formulierte Philosophie der Hoffnung von GABRIEL MARCEL (Homo Viator. Philosophie der Hoffnung, Düsseldorf 1949), natürlich das umfangreiche Prinzip Hoffnung von ERNST BLOCH (Das Prinzip Hoffnung 3 Bde., Frankfurt am Main 1985), der unter kulturtheoretischem Vorzeichen die Hoffnung in marxistischatheistischer Manier aber mit deutlichen Anklängen an die jüdisch-christlichen Wurzeln als säkulare Utopie beschrieben hat, und natürlich JÜRGEN MOLTMANNS (Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur Begründung und zu den Konsequenzen einer christlichen Eschatologie, Gütersloh 13 1997) inzwischen klassische und vielfach rezipierte Theologie der Hoffnung. Unter den gründlichen Überblicksarbeiten sind noch die fundamentaltheologisch akzentuierte Studie von FERDINAND KERSTIENS (Die Hoffnungsstruktur des Glaubens, Mainz 1969) hervorzuheben, sowie die materialreiche aber nur einmal aufgelegte Arbeit von KARL MAT- THÄUS WOSCHITZ (Elpis - Hoffnung. Geschichte, Philosophie, Exegese, Theologie eines Schlüsselbegriffes, Wien / Freiburg / Basel 1979). <?page no="124"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 124 a) Die Struktur der (christlichen) Hoffnung Ein nicht unerheblicher Teil der abendländischen Hoffnungsreflexionen war darum bemüht, die Hoffnung abzugrenzen von dem, was sie nicht ist, oder zumindest zu zeigen, dass sie mehr ist als das, wofür sie ausgegeben wurde. Der Begriff wurde differenziert, gereinigt und folgerichtig offen gehalten. Strikt unterschieden wird sie von Illusionen und Ideologien 3 , auch wenn sie mitunter selbst unter den jeweiligen Verdacht geriet. An der komplexen Kategorie der Hoffnung partizipieren dagegen auf unterschiedlichste Weise etwa die Sehnsucht, der Wunsch, der Traum, die Vision und selbstredend die Utopie als historisch-gesellschaftliches Pendant der Hoffnung. Sie lassen sich quasi konstruktiv auf die Hoffnungskategorie beziehen, gehen darin mehr oder weniger auf, bilden aber die Hoffnung selbst nicht ab, die an Komplexität und Aufgaben weit darüber hinaus geht. Eine wirkungsgeschichtlich bedeutsame Unterscheidung betrifft die Differenzierung von Hoffnung und Erwartung 4 . Spätestens im Rahmen scholastischer Hoffnungsreflexionen, etwa bei BONAVEN- TURA 5 , zeichnete sich eine dreigliedrige Struktur ganzheitlicher Hoffnung heraus, die Akt (und Habitus), Ziel (obiectum) und Grund (status) unterscheidet, wobei eine letzte eschatologische Einheit von Ziel und Grund in Gott selbst angenommen wurde. Immer wieder sind vermeintliche oder offensichtliche Strukturen der Hoffnung aufgedeckt und formuliert worden, wobei die Klarheit des obigen Dreierbzw. Viererschemas kaum je wieder erreicht, sondern höchstens bestätigt wurde. 6 Es kann daher insgesamt von einer multidimensionalen Kategorie 7 ausgegangen werden, die praktisch alle Seinsebenen des Menschen gleich einem Fahrstuhl durchdringt - und damit auch Anteil hat an deren Realisationsformen, was auch die Spannung von der Biologie bis zur Transzendenz erklärt. Auf je unterschiedlichen Ebenen kann sie betrachtet werden, darf aber nicht auf diese Zugangsebene reduziert werden, so als könnten über eine Ebene praktisch alle anderen Phänomene gleich mit erklärt werden. 3 Vgl. BAUER, G., Christliche Hoffnung und menschlicher Fortschritt. Die politische Theologie von J.B. Metz als theologische Begründung gesellschaftlicher Verantwortung des Christen, Mainz 1976, 160. 4 Vgl. Kapitel VII 1 b in dieser Arbeit, wobei etwa über EDMAIER (Horizonte der Hoffnung, 134) hinaus, der Erwartung auf „das Durchschnittliche, Allgemeine, Alltägliche“, Hoffnung sich dagegen auf das „je aus Freiheit Entworfene“ bezieht, noch mehr Klarheit über die systematischen Zusammenhänge gewonnen werden kann. Die vorliegende Theorie unterscheidet demnach Erwartung als rational vorweggenommene Zukunft, Hoffnung dagegen als Verhältnis zweiter Ordnung, die rationalen Strukturen übersteigende Antizipation sinnvoller Zukunft, die sich dann konsekutiv in Erwartungsstrukturen übersetzt. 5 Vgl. Lomb., Sent. III d. 26, c.I, n.I und a.2, q.2, co. 6 Vgl. EDMAIER, A., Horizonte der Hoffnung. Eine philosophische Studie, Regensburg 1968, 74-82, der zwischen gegenständlicher Hoffnung, die welthaft und egozentrisch sein soll, Grundhoffnung, der er die übernatürliche Hoffnung zuweist und transzendentaler Hoffnung, die quasi das Apriori menschlichen Hoffens bezeichnen soll, unterscheidet, wobei die Einteilung nicht überzeugt, da sie weder vollständig ist, noch klar zwischen den Formen differenzieren kann und dabei zusätzlich höchstens Aspekte, aber nicht Modalitäten der Hoffnung benennt. 7 Vgl. RITTWEGER, J., Hoffnung als existentielle Erfahrung am Beispiel onkologischer Patienten in der Strahlentherapie, Leipzig 2007, die auch eine integrative Hoffnungstheorie im Gespräch mit Medizin und Psychologie zu entwickeln versucht, aber gegenüber den notwendigen methodologischen Fragen einer Interdisziplinarität und eines Kategorienanschlusses unkritisch bleibt. <?page no="125"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 125 Die theologischen Tugenden (Glaube, Hoffnung, Liebe) werden als eigenständige Tugenden zwar aufeinander bezogen, auch wird eine Einheit 8 angenommen, aber ansonsten klar unterschieden und in eine Reihung gebracht. Fides als Überbegriff oder auch als offenbarungstheologische Grundlage des gesamten christlichen Kerygmas wird unterschieden von der spes. Diese dient nach klassischer Vorstellung der Vervollkommnung der eigensüchtigen Anteile, also praktisch der Selbstliebe, des Selbstverhältnisses, caritas dagegen der selbstlosen Anteile und Affektionen, also des Weltverhältnisses. 9 Insgesamt leitet sich aus der Hoffnung ein operatives Welt- und Selbstverhältnis 10 ab, das zur Gestaltung von Welt und Leben anregt, Verantwortung für Zukunft begründet und gewillt ist, den Mitmenschen in die eigene Hoffnung hineinzunehmen. Sie dient der Verwirklichung des Kerygmas durch dessen Vergegenwärtigung. Dafür errichtet sie begriffliche und existentielle Spannungen, die balanciert werden: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Immanenz und Transzendenz, Gott und Welt, Schöpfung und Erlösung, Sein und Sollen, Wollen und Können, Gelingen und Scheitern, theoretische und praktische Vernunft, Individualität und Universalität, etc. So hat sich Hoffnung auf den verschiedensten theologischen und philosophischen Feldern als Brückenkategorie zu erkennen gegeben, was aber noch zu wenig gewürdigt zu sein scheint. 11 Hoffnung als Brückenkategorie vermittelt theologisch disparate Größen. Hoffnung als „Horizontkategorie“ 12 weist nun nicht allein auf die bleibende Selbsttranszendentalität menschlichen Existenzvollzugs hin, sondern auch darauf, dass wir als Handelnde immer Güter vor Augen haben, auf die wir uns quasi handelnd zubewegen, die uns aber (mitunter nur) in der Form der Hoffnung gegeben sind. Hoffnung als Rahmenkategorie schließlich stellt die Aussicht auf einen Sinnzusammenhang bereit, einen Meta-Rahmen der Handlungsmotivation, der als ein letzter Grund gegeben ist, als Abschlussgedanke quasi. Insgesamt kann daher Hoffnung letztlich als Handlungskategorie begriffen werden, als „Element operativer Weltgestaltung“ und damit als „sittlicher Imperativ“ 13 . Sie ist daher auch zu vermitteln mit allen zentralen ethischen Kategorien, etwa der Verantwortung (JONAS), der Freiheit (PRÖPPER) und der Schuld. Vom Handlungssubjekt her gedacht binden diese Hoffnungsstrukturen gleich einer kategorialen Brücke die ethischen und theologischen Kategorien im Subjekt zusammen und machen sich diese Einheit für die Handlungsorganisation dann zunutze. Damit ermöglicht die Einheit der Hoffnung die Einheit des (Handlungs-) Subjekts. 14 Es existiert in diese Sinne ein fundamentaler Unterschied zwischen den Hoffnungen und der Hoffnung, zwischen espoir (Plural) und espérance (Singular). Die vielen Hoffnungen können enttäuscht werden, ohne, dass es in einem absoluten Sinne bedrohlich 8 Vgl. BALTHASAR, H.U. VON, Die Einheit der theologischen Tugenden, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio 13 (1984), 306-314. 9 Vgl. SCHWARZ, R., Fides, Spes und Caritas beim jungen Luther. Unter besonderer Berücksichtigung der mittelalterlichen Tradition, Berlin 1962, 342-357. 10 Vgl. METZ, J.B., Unsere Hoffnung. Die Kraft des Evangeliums zur Gestaltung der Zukunft, in: Concilium 11 (1975), 710-720. METZ, J.B., Verantwortung der Hoffnung, in: Stimmen der Zeit 177 (1966), 451-462. 11 Vgl. Kapitel III und VII 2, 3, 4 und VIII 2 in dieser Arbeit. 12 Vgl. WOSCHITZ, K.M., Elpis - Hoffnung. Geschichte, Philosophie, Exegese, Theologie eines Schlüsselbegriffes, Wien / Freiburg / Basel 1979, 760. 13 Vgl. für beide Zitate WOSCHITZ, Elpis, 759. 14 Und es kann bereits an dieser Stelle vermutet werden, dass ein geeintes, mindestens ein einheitlich orientiertes Subjekt deutlich ungehinderter und klarer Handlungsmotivationen zur Verfügung hat. <?page no="126"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 126 wäre, die eine (christliche) Hoffnung kann im strengen Sinne nicht enttäuscht werden, wenn auf die Treue Gottes gesetzt wird - trotz aller realen Abgründigkeit der Welterfahrung, da sie sich über die gesamte Existenz und darüber hinaus erstreckt und letztlich auf das Heilsein der Person und aller Personen zielt. Nicht die Erfahrung der Vergeblichkeit ist deren Bedrohung, sondern neben der vermessenen (praesumptio) Vorwegnahme ihrer eigentlich erst eschatologisch gedachten endgültigen Erfüllung die Vorwegnahme ihrer endgültigen Nicht-Erfüllung, was Verzweiflung (desperatio) genannt wird. Auffällig ist nun, dass statt die Spannungseinheit innerhalb der Hoffnung als Ausgangspunkt zu nehmen, die schließlich eine der spezifischen Aufgaben handlungswirksamer Hoffnung 15 darstellt, Hoffnungsdialektiken immer wieder einseitig zerrissen werden, etwa wenn die Dialektik von irdischen und überirdischen Hoffnungsgütern einseitig aufgelöst wird, entweder zugunsten der irdischen Güter, dann unter Missachtung der Einsicht, dass Hoffnung immer über sich hinausweist und ein bleibendes Ungenügen an der endlichen Gegenwart offenlegt, oder zugunsten des Übernatürlichen, dann unter Missachtung der irdischen Hoffnungsgüter und im Übrigen der Notwendigkeit zur Veränderung der irdischen Verhältnisse. Irdische Hoffnungsgüter sollen nicht übersprungen werden, ganz im Gegenteil, schließlich kann deren latente Abwertung nicht als biblisch gelten, aber wann und wie werden sie transzendiert? Auch die Spannung zwischen empirisch greifbaren Hoffnungszielen und den moraltheologisch formulierten Letztzielen könnte weitergeführt werden. Daher scheint es überfällig, Hoffnung mit Handlungskategorien zu verbinden, die die Philosophie und Theologie der Hoffnung anthropologisch fundieren und zusammen mit einer dann ermöglichten integrativen Hoffnungstheorie Grundlinien einer handlungspraktisch orientierten Ethik der Hoffnung formulieren. Die dafür notwendige anthropologische Fundierung und Integration zeigt zunächst die Offenlegung der strukturellen Dimensionalität der Hoffnung an, die zur anvisierten Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit hinführt und deutliche Konsequenzen für die darauf Bezug nehmende ethische Reflexion hat, wie zu zeigen sein wird. Trotz der Unterschiedlichkeit der Disziplinen gibt es einen analogen Aufweis der Themen und eine erstaunliche Konvergenz in den Strukturen, aber wohlgemerkt nicht in den Begründungen. b) Theologische Erkenntnistheorie und Phänomenologie Unter der Annahme einer partiellen, aber inkommensurablen Intransparenz menschlicher Selbsterkenntnis (Selbstbeobachtung, Selbstreflexion, Selbsteinsicht), was mit der Subjekt-Objekt-Differenz aller Erkenntnis zu tun hat und mit dem Charakter der Endlichkeit menschlicher Vernunft, kann verständlich gemacht werden, dass der Mensch 16 kraft 15 Vgl. WELKER, M., Hoffnung und Hoffen auf Gott, in: DEUSER, H. / MARTIN, G.M. / STOCK, K. / WELKER, M. (Hrsg.), Gottes Zukunft - Zukunft der Welt, München 1986, 23-38, hier 30. „Die spezifische Kraft der Hoffnung besteht […] darin, dass sie die Differenzerfahrungen des Bedürfnisses, die Differenzerfahrung der Spannung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und die Differenzerfahrung von Erfüllung und Enttäuschung gerade nicht zusammenfallen lässt. Es ist die eigentümliche Kraft der Hoffnung, dass sie diese Differenzerfahrungen festhält und auf mehrfache Weise relationiert, voneinander abhängig und unabhängig macht, gegeneinander und vermittelt durcheinander aufhebt oder stabilisiert.“ 16 Für WOLFHART PANNENBERG etwa ist die Anthropologie der ausgewiesene Ort, an dem die Verwiesenheit des Menschen auf Religion aufgewiesen werden kann, insbesondere an den <?page no="127"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 127 reflexiver Vernunft und kraft seines Bewusstseins eine Fülle von Bildern, Erwartungen und Hoffnungen über sich selbst hervorbringt, die er auf Erfüllungsgestalten hin finalisiert und damit zu Gegenständen der Hoffnung macht. Für eine rein gegenständliche (Sinn-) Bestimmung der Hoffnung sind daher enge Grenzen gesetzt, da wechselnde Gestalten der Vorstellungen vom (höchsten) Guten, Erkenntnisgrenzen und die Selbsttranszendentalität des Menschen in Anschlag gebracht werden müssen. Der Mensch ist auf Selbstüberschreitung angelegt, sodass sein Erkenntnisdrang nicht innerweltlich zu domestizieren ist. 17 Zudem: Ziele, Folgen und Verantwortung unseres Handelns reichen weiter, als wir erkennend kontrollieren könnten, was einen Raum von (Sinn-) Hoffnungen und Verzweiflungen eröffnet, etwa angesichts des immer schon antizipierten Todes, aber auch schon mit Blick auf die Frage nach Gut und Böse, Gelingen und Misslingen des Lebens. Auch Hoffnung macht daher an den Grenzen dieser Welt nicht halt, alle Versuche, sie innerweltlich abzuschließen, totalisieren sich oder nihilieren. Das verschärft allerdings die Frage nach ihrem Grund. Darüber hinaus setzt unter hermeneutischer Perspektive jedes Verstehen 18 konstitutiv einen Sinnhorizont voraus, von dem aus und auf den hin sich überhaupt erst Verstehen ereignen kann, quasi eine Art epistemologische Antizipation und ein Vorverständnis. 19 Auch theologische Erkenntnistheorie, erst recht moraltheologische Methodologie, der es an den Voraussetzungen zur Erkenntnis menschlicher Handlungswirklichkeit und schließlich an (gelingender Handlungs-) Praxis gelegen ist, hat dessen eingedenk zu sein. Da nun der Mensch im Schnittpunkt von Theorie und Praxis angesiedelt ist, als moralische Existenz immer zugleich theoretisches und praktisches Wesen ist, hat er sein Leben auch zu verstehen, will er es bestehen, und indem er es besteht, versteht er es auch auf spezifische Weise - eben auch im Medium der Hoffnung. 20 Diese Notwendigkeit des Verstehen-Wollens im Bestehen geht, mindestens unter (moral-) theologischer Perspektive, irgendwann aufs Ganze - des Lebens und der Welt und fragt nach der Möglichkeit Strukturen seiner Selbsttranszendentalität, was ihn schließlich zu einem Wesen der Hoffnung macht. Vgl. PANNENBERG, W., Anthropologie in theologischer Perspektive, Göttingen 1983. 17 Vgl. METZ, J.B., Gott vor uns, in: UNSELD, S. (Hrsg.), Ernst Bloch zu ehren, Frankfurt 1965, 227-241, hier 234. „Hat der Mensch und sein entfaltetes Bewusstsein nicht ein Recht darauf, sich für sich selbst möglich zu bleiben, sich fraglich zu bleiben in eine nicht durchschaute größere Zukunft hinein? “ 18 Vgl. GADAMER, H.-G., Wahrheit und Methode, Tübingen 1965, 251. „Wer einen Text verstehen will, vollzieht immer ein Entwerfen. Er wirft sich einen Sinn des Ganzen voraus, sobald sich ein erster Sinn im Text zeigt. Ein solcher zeigt sich wiederum nur, weil man den Text schon mit gewissen Erwartungen auf einen bestimmten Sinn hin liest. Im Ausarbeiten eines solchen Vorentwurfs, der freilich beständig von dem her revidiert wird, was sich bei weiterem Eindringen in den Sinn ergibt, besteht das Verstehen dessen, was dasteht.“ 19 Auch das menschliche Gedächtnis ist aus diesem Grund auf das Engste mit Erwartungen, Erwartungshaltungen und Antizipationen verwoben. Nicht allein unter empirisch-psychologischer, sondern auch unter (praktisch-) philosophischer Perspektive sind alle Wahrnehmungsprozesse, die schließlich einer Reflexion unterzogen werden, einstellungs- und erwartungsbasiert und damit hoffnungsoffen. 20 Vgl. SCHÄRTL, T., Wahrheit und Gewissheit. Zur Eigenart religiösen Glaubens, Kevelaer 2004. Ebenso PINDL, M., Glaube. Leitperspektive theologisch-ethischer Reflexion, in: HUNOLD, G.W. et al., Theologische Ethik. Ein Werkbuch, Tübingen 2000, 51. „Bei der Suche nach sinnvollen Handlungsweisen ist der Mensch [...] auf leitende Grundüberzeugungen angewiesen, die den Sinn der Wirklichkeit widerzuspiegeln versuchen. Alle Ethik bezieht sich deshalb zumindest implizit auf das, was Menschen glauben und hoffen.“ <?page no="128"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 128 des Gelingens oder Misslingens des Lebens insgesamt, nach der Sinnhaftigkeit oder Sinnlosigkeit als Grundoption, die quasi rückwärts und vorwärts das zu gestaltende Leben prägt. Damit wird jedes Wissen irgendwann überstiegen. Denn: „Der Trend, jenseits der Wissenschaften nach Evidenz zu suchen, [ist, R.L.] in den Prozess der Verwissenschaftlichung der Welt eingebaut. Offenkundig fällt es dem Menschen als einem chaotischen Endlichkeitswesen schwer, mit bleibender Sinnlosigkeit umzugehen.“ 21 Zielt nun in der Folge diejenige Hoffnung, die sich auf die erwähnte Evidenz jenseits des Wissens im engeren Sinne bezieht, irgendwann auf das Ganze und letzte Gut des Lebens, dann auch des Handelns, sodass sie tatsächlich eine Brückenkategorie darstellt zwischen dem immer Partikulären und der Totalität des Seins. „Nur wenn ein Brückenschlag unseres Bewusstseins zum Ganzen des Seins zugelassen und anerkannt wird, lässt sich aus dem Vorentwurf der Hoffnung auf das Sein bzw. auf das eigene Heilsein noch etwas inhaltlich Greifbares gewinnen.“ 22 Damit wird eine transzendentale Dimension des Handelns berührt, die eine letzte Sinngegenwart hoffend voraussetzt 23 und vergegenwärtigt und anthropologisch als transzendentale Sinnverwiesenheit 24 oder soziologisch als Sinnbedürfnis 25 zu deuten ist. Theologische Ethik erweist sich dabei als ausgesprochene Könnensethik, die im Kontext einer kaum zu überschätzenden Orientierung menschlicher Weltdeutung durch das Christentum im Medium begründeter Hoffnungen Ermöglichungsbedingungen reflektiert zur humanisierenden Bewältigung von Welt und Existenz. Damit ist sie selbst in ihren transzendentalen Dimensionen immer angewiesen auf (1) ein Verständnis vom Menschen und (2) einen spezifischen Sinnhorizont zur Deutung von Welt und Existenz in toto. Aus beiden Komponenten ergeben sich nolens volens spezifische Hoffnungen; anders gesagt: keine Anthropologie und keine Daseinsdeutung, die menschliche Selbsttranszendentalität ernst nimmt, kommt ohne die Formulierung spezifischer, dem Menschen angemessener Hoffnungen aus. 26 Eine Theologie der Hoffnung hat sich um alle diese Bezüge zu kümmern, auch unter den Bedingungen einer Pluralisierung der Bestimmungen des Menschen, die immer wieder und vermehrt Integrationsbemühungen auszusetzen sind. Der Mensch ist keineswegs unbestimmbar geworden, auch wenn sich seine Selbstreflexionen radikal partikularisiert und pluralisiert haben. Dabei wird vonseiten der Theologie unter epistemologischer 21 Vgl. GRAF, F.W., Renaissance der Religion. Gespräch mit Friedrich Wilhelm Graf. Wir erleben einen signifikanten Wandel der Mentalitäten, in: Neue Gesellschaft - Frankfurter Hefte 4 / 06. GRAF schreibt weiter: Zum ‚heroischen Skeptizismus‘ (Max Weber) sind offenkundig nur wenige Intellektuelle imstande, und gerade viele Intellektuelle haben sich im 20. Jahrhundert in ideologischen Ganzheitsutopien verloren. Sinnbedürftigkeit wird in aller Regel dadurch abgedeckt, dass man Kohärenzmuster und Metaphern der Ganzheitlichkeit beschwört. Darin liegt die spezifische Attraktivität religiöser Symbolsprachen. Sie bieten dem Individuum die Chance, das kontingente eigene Leben in einen größeren Deutungskontext einzuzeichnen.“ 22 Vgl. EDMAIER, Horizonte der Hoffnung, 230. 23 Vgl. MAURER, A.V., HOMO AGENS. Handlungstheoretische Untersuchungen zum theologisch-ethischen Verständnis des Sittlichen, Frankfurt am Main 1994, hier 377. 24 Vgl. SCHELER, M., Die Stellung des Menschen im Kosmos, Bern / München 8 1975, 56. 25 Vgl. LUHMANN, N., Sinn als Grundbegriff der Soziologie, in: HABERMAS, J. / LUHMANN, N., Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie - Was leistet die Systemforschung? , Frankfurt am Main 1971, 25-100, hier 28. 26 Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle, dass die transzendentale Denkform immer in der Gefahr steht, „weltvergessen“ zu werden und sich von den konkreten Daseinsbedingungen auf die Bedingungen ihrer Möglichkeit zurückzuziehen, sich mithin von ihnen zu entfernen, worauf etwa EDWARD SCHILLEBEECKX zurecht hingewiesen hat. <?page no="129"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 129 Perspektive insbesondere eine angemessene Reflexion auf den human- und naturwissenschaftlichen Konstruktivismus für das interdisziplinäre Gespräch wichtig sein, da sich theologische Wissenschaft nach wie vor vorrangig re-konstruktiv zu ihren Ursprungsdaten versteht. In diesen Zusammenhang wird auch eine Auseinandersetzung um die Bedeutung von konsistenz- und kohärenztheoretischen Argumentationen innerhalb der Moraltheologie anzusiedeln sein. 27 c) Zeitlichkeit, Moralität und der phylogenetische Ursprung der Hoffnung Nicht selten wird ein klar und wohlfeil gezogener Unterschied zwischen (realer) Geschichte und (imaginierter) Utopie reklamiert - meist ungeachtet der Voraussetzungen des Verhältnisses von Gegenwart und Zukunft in ihrer immanenten Verschränkung. Schließlich gibt es keine Geschichte, keine Geschichtsdeutung ohne Vorstellung von der Zukunft, ohne utopische Potentiale als entsprechende Deutekategorien - und wohlgemerkt: das Umgekehrte gilt genauso. Statt beide Größen antithetisch gegeneinander zu setzen, sollten beide Größen quasi integral verstanden und gelebt werden. Was für die Kategorie der Geschichte gilt, gilt nun freilich auch für den Einzelnen, das Geschichts- und Handlungssubjekt. Das liegt daran, dass beiden eigentlich die Interpretation und Auslegung von Zeit eignet. Genau in dieser Aufgabe treffen sie sich. Auch Tiere leben in Zeit und leben partiell aus Zeit, aber einzig der Mensch muss als dasjenige Wesen gedacht werden, das sich im Gegenüber von Zeit erlebt und zu vollziehen hat und das letztlich um seine Zeitlichkeit weiß. Der Mensch steht mithin kraft seines Bewusstseins und kraft einer spezifischen Freiheit der Zeit, insbesondere seiner Zeit, als einem Problem gegenüber. An dem Punkt, an dem der Mensch begann, der Natur insgesamt und seiner eigenen Natur gegenüber in Distanz zu treten, ihr womöglich fremd zu werden, entstehen Freiheitsgrade gegenüber der eigenen naturalen Verfasstheit. Und genau an dieser Stelle formulieren sich dem Menschen Fragen über sich selbst, auf die ihm gerade diese seine naturale Verfasstheit, seine eigene Natur, keine Antwort mehr zu geben vermag. An dieser Stelle wird nicht nur die Tendenz des Menschen ihren Ursprung haben, selbstreflexiv Antworten zu formulieren auf seine Daseinssituation, quasi als einer der wesentlichen Motoren der Kulturentwicklung, genau an dieser Stelle wird kultur- und religionsgeschichtlich auch die Geburtsstunde vielfältiger Formen humaner Hoffnung zu suchen sein. Schon vor 70 000 Jahren haben Angehörige der Neandertaler, einem homo sapiens wie wir heute, ihren Verstorbenen Blumen in die Gräber beigelegt, eine symbolträchtige Handlung, die durchaus im Sinne einer Hoffnung gedeutet werden kann. Gerade das, was das Tier noch auszeichnet, eine artspezifische Instinktgebundenheit, fehlt dem Menschen. So entsteht die Notwendigkeit, mindestens symbolträchtige Antworten 28 zu geben 27 Vgl. einschlägig BORMANN, F.-J., Gewissensentscheidung und moralische Intuition. Plädoyer für einen kohärenztheoretischen Ansatz in der Gewissenslehre, in: Theologie und Philosophie 82 (2007) 3, 368-381 und RÖMELT, J., Christliche Ethik im pluralistischen Kontext. Eine Diskussion der Methode ethischer Reflexion in der Theologie, Münster 2000. 28 Es dürfte daher eine enge Verwandtschaft des Symbols mit Artikulationsformen von Hoffnung bestehen, wie wohl nicht allein von der transzendentalen Freiheitsbasis des Hoffnungsvollzugs her (vgl. THOMAS PRÖPPER), sondern auch ausgehend von den materialen Hoffnungsstrukturen her verständlich gemacht werden könnte. Als Beispiel können Symbole dienen, die geradezu dazu gemacht sind, dass sich sinnhafte und sinnliche Evidenzen daran anlagern und die Natur in gewisser Weise beschwört wird, über sich selbst hinaus zu gehen. Hoffnung bricht dabei irgendwann die zeitliche Struktur der Vergänglichkeit und der Sterblichkeit auf und legt <?page no="130"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 130 und ein Vertrauen zu ermöglichen, das die Einordnung des Menschen in die Natur von sich her überhaupt nicht kennt. In gewisser Weise bringt uns die Biologie hervor, meint uns aber in keiner Weise, sodass sie wohl partiell Orientierung bieten kann, aber niemals selbst Ziel sein kann. Spätestens mit dem Neolithikum und dem Beginn der dörflichen Kultur beginnt der Mensch sich eine zweite Natur einzurichten, die Kultur. Neben der Seinsungewissheit muss daher auch eine konsekutive Handlungsungewissheit konstatiert werden. Der Mensch beginnt, eine zweite Welt neben der natürlich vorgegebenen einzurichten, die Kultur, die kulturelle Welt, und in diese zweite Natur stellt er sich als Individuum nicht nur hinein, er stellt sie sich auch gegenüber. Im Rahmen dieser zweiten kulturellen Ordnung muss nun eine außerordentlich große und kraft des menschlichen Bewusstseins immer größer werdende Komplexität von Fragen, Situationen und Eindrücken durch eine Fülle von moralischen Strukturen geordnet werden. Wir halten quasi die im Rahmen der Kultur aufbrechenden und verorteten Fragen, die eine Fülle von Entscheidungen in kurzen Zeiträumen abverlangen, in ihrer Komplexität nur aus durch ein ausreichendes Maß an weitgehend geteilter moralischer Orientierung. So können wir den permanenten Entscheidungsdruck umgehen und die kreativen und produktiven, genauso wie die destruktiven Ergebnisse menschlichen Geistes zu integrieren versuchen. Neben der Kontingenz der Kreatürlichkeit wird im Rahmen menschlicher Gesellschaftsentwicklung nun quasi eine doppelte Antwort auf die je gegenwärtige Situation des Menschen gegeben: einmal nach rückwärts, indem eine Legitimation vom gedachten Ursprung her versucht wird, die Urzeit, und einmal nach vorwärts, indem eine Legitimation von einer gedachten Zukunft des Menschen her versucht wird - und beides notwendig geprägt durch spezifische Hoffnungsfiguren. Praktisch wird also die permanente Handlungsunsicherheit, der permanente Überhang, erklären zu wollen und zu müssen, wer wir eigentlich sind, was wir eigentlich warum tun, ausgeglichen durch fundamentale Hoffnungen des Menschen über sich selbst und die Welt, in der er sich vollzieht - nicht ausschließlich, aber grundlegend. Hoffnungen dieser Art bieten nun fundamentale Handlungsorientierung in der Gegenwart über eine Ausrichtung an in der Zukunft liegenden (guten) Möglichkeiten, die sich auf eine je spezifische Bestimmung des Menschen beziehen - mit Wirkung bis über den urzeitlichen Anfang derselben hinaus. An diesen Stellen treten dann irgendwann Fragen nach Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit auf (vgl. das höchste Gut als letztes und höchstes Hoffnungsgut), genauso wie nach der Sterblichkeit des Menschen (vgl. die christliche Auferstehung als theologischer Sachgrund der Hoffnung) und nach Wert und Würde der Individualität des Einzelnen. Nicht umsonst wird später die Kategorie der Hoffnung zentral mit der Auferstehung verknüpft, mit der Denkmöglichkeit also eines Lebens jenseits von Tod und Zerfall und mit der Vorstellung einer ausgleichenden Gerechtigkeit, einer Verknüpfung der Hoffnung quasi mit dem je neu zu eruierenden Guten, dem Gerechten auf der einen Seite und einem möglichen Ausgleich dieser Größen mit der erfahrenen Wirklichkeit auf der anderen Seite - über das irdische Dasein hinaus, das aus sich nicht imstande ist, einen solchen Ausgleich zu ermöglichen. Mithin exakt an den Stellen, an denen sich das menschliche Bewusstsein selbst in Frage gestellt sieht bzw. insgesamt als fraglich erlebt, indem es dem eigenen Naturzusammenhang entwächst, werden Hoffnungen formuliert, die diese Leerstellen schließen sollen - soweit, dass sie im Gepäck der Religion die Todesgrenzen überwinden. hinein in diese Stellen ein basales Vertrauen und - je größer die Hoffnung wird - eine Sehnsucht bis über den Tod hinaus. <?page no="131"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 131 Hoffnung kann daher als spezifische Form der Auslegung von existentieller Zeit begriffen werden, mit erweitertem Blick auf geschichtlich-kulturelle Prozesse sogar noch mehr: jeder starke überindividuelle Hoffnungsbegriff impliziert eine spezifische Deutung von Geschichte und Kultur, weswegen eine jede Reflexion auf den Hoffnungsbegriff gezwungen ist, ihre mindestens implizite Geschichtsdeutung nicht nur freizulegen, sondern auch umgekehrt die „Bühne“ der Geschichte als legitimen Ort der Artikulation von Hoffnung zu betrachten. Schon IMMANUEL KANT hat im Rahmen seiner Postulatenlehre im Kontext der Kritik der reinen Vernunft zur Rettung der Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft und zur Rettung des Systems der Moral überhaupt sagen zu müssen geglaubt, dass wir nur moralisch zu sein vermögen unter der Voraussetzung einer basalen Freiheit, eines Gottes und der Unsterblichkeit - wohlgemerkt der Hoffnung auf Unsterblichkeit, um eine letzte Versöhnung von Sollen und Können und von Moral und Glück denken zu können. Was KANT hier formuliert hat, war ein Zusammenfall von Weltordnung und Moralordnung. Eine Verknüpfung, die KANT zu denken vorgab im Angesicht der offensichtlichen und erfahrbaren Dichotomie beider Größen. Allein begründete Hoffnung vermittelt nun zwischen Weltordnung und Moralordnung. Beide Größen müssen aber - im Sinne der kantischen Moralphilosophie - verbunden werden, sonst sind wir letztlich und im geforderten reinen Sinne der Pflichterfüllung um des Sittengesetzes willen nicht auf Dauer moralfähig. Mit anderen Worten: ohne die Verknüpfung im Medium der Hoffnung keine bleibende Moralbereitschaft und Moralfähigkeit. Was lässt sich nun als bleibender Ertrag dieser kurzen Skizze zu einem möglichen phylogenetischen Ursprung der menschlichen Fähigkeit zur Hoffnung festhalten und an welchen Stellen sind Desiderate auszumachen? Der Mensch hat notwendig ein Verhältnis zur Zeit einzunehmen - und er tut es wesentlich auch im Medium der Hoffnung. Diese Hoffnung ist vermittelt mit einem Begriff von Geschichte und Welt, da sie allererst ein Verhältnis zu Geschichte und Welt ermöglicht und nachgerade deren Movens darstellt. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass innerhalb der Theologie, erst recht aber innerhalb theologisch-ethischer Theoriebildung eine Zeitvergessenheit zu beobachten ist und das wiewohl zugleich deren grundsätzlich futurische Struktur bereits herausgearbeitet wurde. So ist etwa zu fragen, welche Zeittheorie mit einem Begriff christlichintegraler Hoffnung einhergeht, welche gar notwendig vorausgesetzt wird, welche aber auch nicht. Oder wie ist der Gegenwarts- und Realitätsbezug von Hoffnung zu fassen und wann bzw. wie kommt der transzendierende Überstieg der Realität? Hoffnung leistet schließlich immer beides zugleich: da wird eine spezifische Gegenwart überstiegen, auch wenn „wider alle Hoffnung“ gehofft (Röm 4,18) wird. Beide Bewegungen sind immer schon vorausgesetzt, was sich etwa in der berühmten Doppelbewegung der Unendlichkeit von SÖREN KIERKEGAARD klar erkennbar widerspiegelt. d) Hoffnung und moraltheologische Zeittheorie Der Mensch sieht sich einer offenen Zukunft gegenüber, er vollzieht sich in und aus Zeit und kann nicht existieren ohne ein Verhältnis zur Zeit einzunehmen, was nolens volens ein Verhältnis zur Befristung, zur Kontingenz und zur Vergänglichkeit impliziert. 29 An welchen zeitlichen Kriterien aber bemisst sich dieses Verhältnis? Oder anders gefragt: In welchen Vorstellungen von Zeit könnte sich eine Haltung vernünftiger Hoffnung grün- 29 Vgl. ALFARO, J., Die innerweltlichen Hoffnungen und die christliche Hoffnung, in: Concilium. Internationale Zeitschrift für Theologie 6 (1970), 59-69. <?page no="132"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 132 den? Es kann im Hintergrund dieser und ähnlicher Fragen eine Entsprechung zwischen einer Existenzanalyse menschlicher Zeiterfahrung und Zeitphänomenologie und einer Theologie der Zeit ausgemacht werden. So liegt es nahe, auch aus theologisch-ethischer Perspektive menschlicher Handlungswirklichkeit einen Zeitindex zu geben, aber nach wie vor ist, wie bereits erwähnt, eine „Zeitvergessenheit“ und eine seltsame „Zeitlosigkeit“ 30 der Theologie auszumachen. Insbesondere scheint mir eine Theologie von der Zukunft her und auf Zukunft hin 31 moraltheologisch in ihren Konsequenzen für das Verständnis menschlicher Handlungswirklichkeit noch viel zu wenig bedacht zu sein. Eine Zeittheorie, die den Zeitindex des Handlungssubjekts ausreichend theoretisieren würde, scheint mir in der Moraltheologie noch wenig gewürdigt, wo weitgehend ein zeitlineares Subjekt vertreten wird, aber oft unreflektiert bleibt, dass Zukunft auch gegenwärtig sein kann als Zukunft, ebenso wie Vergangenheit, was vielfältige Handlungsspannungen aufrichtet, die allesamt erst vollständige Gegenwart ausmachen (vgl. AU- GUSTINUS). Philosophisch betrachtet könnte es darum gehen, die Modi des Zeiterlebens 32 zu verbinden mit den Modi des (moralischen) Seins. So korrespondiert etwa bei WOLFHART PANNENBERG 33 Zeitoffenheit notwendig mit Weltoffenheit, was vielfältige Antizipationen als Anthropologeme erscheinen lässt und ein wichtiges Licht auf die Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit zu werfen vermag. Darüber hinaus sind vermeintlich rein vergangenheitsorientierte Kategorien wie Gedächtnis 34 , Geschichte, etc. ohne Erwartungs- und damit in einem umfassenden Sinne ohne Hoffnungsindex nicht wirklich verstehbar. Schließlich existiert ein bislang wenig bedachtes Verhältnis von Zeitlichkeit und Rationalität, wonach menschliches Handeln wesentlich auf Zukunft bezogen ist und wir andernfalls gar keinen Anlass hätten, auf Gründe zu reflektieren. „Es ist der Zukunftsbezug, der für Menschen zur Folge hat, dass sie in Handlungsspielräumen stehen“ 35 , die rational erwogen werden wollen. Letztlich geht es dabei um die (zeitliche) Bestimmtheit und rationale Bestimmbarkeit christlicher Hoffnung als begründeter Hoffnung und als 30 Vgl. METZ, J.B., Glaube in Geschichte und Gesellschaft. Studien zu einer praktischen Fundamentaltheologie, 5 1992, 165-174, hier 165ff. 31 Vgl. RAHNER, K., Marxistische Utopie und christliche Zukunft des Menschen, in: GARAUDY, R. / METZ, J.B. / RAHNER, K., Der Dialog. Oder: Ändert sich das Verhältnis zwischen Katholizismus und Marxismus, Reinbeck 1966, 9-25, hier 12. „Das Christentum ist eine Religion der Zukunft. Es versteht sich und lässt sich nur verstehen von der Zukunft her, die es als absolute, auf den einzelnen Menschen und die Menschheit zukommend weiß.“ 32 Vgl. PICHT, G., Mut zur Utopie. Die großen Zukunftsaufgaben, München 1969. Ders., Prognose, Utopie, Planung. Die Situation des Menschen in der Zukunft der technischen Welt, in: Ders., Vorlesungen und Schriften Bd. VIII (Zukunft und Utopie), hrsg. v. EISENBART, C., Stuttgart 1992, 1-42. Ders., Von der Zeit (Vorlesungen und Schriften Bd. XI), hrsg. v. EISEN- BART, C., Stuttgart 1999. 33 Vgl. PANNENBERG, W., Anthropologie in theologischer Perspektive, Göttingen 1983. Ebenso ders., Der Gott der Hoffnung, in: UNSELD, S. (Hrsg.), Ernst Bloch zu Ehren, Frankfurt 1965, 209-225. 34 Vgl. RITSCHL, D., Gedächtnis und Antizipation. Psychologische und theologische Bemerkungen, in: ASSMANN, J. (Hrsg.), Kultur und Gedächtnis, Frankfurt am Main 1988, 50-64. 35 Vgl. TUGENDHAT, E., Willensfreiheit und Determinismus, in: LIESSMANN, K.P. (Hrsg.), Die Freiheit des Denkens, Wien 2007, 45-67 (Kurzfassung in: Information Philosophie 1 / 2007, 7-17, hier 10). <?page no="133"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 133 Maßstab und Höhepunkt aller menschlichen Hoffnungen. 36 Dabei ist der Mensch immer „Fragender und Gefragter“ 37 zugleich - nach sich, der Welt und dem Sinn von Existenz. Dieser Sinn alles Daseins kann dabei nur entdeckt werden, wenn Hoffnung nicht abgezogen wird, denn der Mensch ist aus theologisch-anthropologischer Sicht immer schon auf Gottes Verheißung hingeordnet, ist eschatologische Existenz, 38 - ohne eine abschließende (abgeschlossene) Natur- oder Hoffnungsbestimmung vornehmen zu müssen oder auch nur zu dürfen. e) Das Interdisziplinäre Gespräch mit den Humanwissenschaften Der Mensch kann als Schnittpunkt aller ontologischen Ebenen aufgefasst werden, weswegen er nicht allein äußerst verletzlich ist, kann er doch auf allen diesen Ebenen auch missglücken, insbesondere kann er nur unter Berücksichtigung aller ontologischen Dimensionen verstanden werden. Der Mensch ist theoretisches und praktisches Wesen zugleich, ist empirisches und normativ-moralisches Wesen zugleich, sodass er als Handlungssubjekt eine Vermittlung von subjektiven und objektiven Strukturen erreichen muss, eine Verbindung von Sein und Sollen, um sowohl der Welt und ihrem Aufforderungscharakter, als auch sich als homo morale gerecht zu werden, indem er sich eine realistische Werdegestalt seiner selbst in der Welt vor Augen stellt. 39 So kommt einer (Fundamental-) Anthropologie aller zentralen Handlungskategorien einschließlich der theologischen Tugenden eine vorrangige Bedeutung zum Verständnis des Handlungssubjekts Mensch zu, eine Bedeutung, die sich zugleich an ihrer synthetischen Kraft, als auch an der Fähigkeit zur Integration einschlägiger Einsichten zu bewähren hat. Auch und gerade die (post-) moderne Pluralisierung der Anthropologien, die ihren Status als Leitwissenschaft verloren haben, entbehrt nicht der bleibenden Nachfrage, was der Mensch sei - auch vor Gott. Das anvisierte Unterfangen will daher gerade keine Naturalisierung, sondern die Freilegung von naturalen Grundlagen von Handlungsvollzügen, die die Natur zwar übersteigen und nicht gänzlich von ihren naturalen Grundlagen her verstanden werden können, aber eben auch nicht ohne dieselben. 40 Hier ist nun vonseiten der Moraltheologie vieles unaufgearbeitet und die interdisziplinären Bemühungen methodisch eher von negativer Abgrenzung geprägt, die anzeigen sollen, was es nicht ist, anstatt positive und tragfähige Modelle des interdisziplinären Gesprächs zu entwickeln. 41 36 Vgl. O’COLLINS, G., The Principle and Theology of hope, in: Scottish Journal of Theology 21 (1968), 129-144. 37 Vgl. PRÖPPER, T., Fragende und Gefragte zugleich. Notizen zur Theodizee, in: Ders., Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik, Freiburg 2001, 266-275. 38 Vgl. BALTHASAR, H. U. VON, Zu einer christlichen Theologie der Hoffnung, in: Münchener Theologische Zeitschrift 32 (1981) 2, 81-102. 39 Vgl. HÜBNER, J., Ethik und empirische Wissenschaften, in: PFÜRTNER, S. (Hrsg.), Ethik in der europäischen Geschichte Bd. II. Reformation und Neuzeit, Stuttgart 1988, 127: „Die wechselseitige Durchdringung objektiver Strukturen und subjektiver Entscheidungen und ihrer Orientierung ist das eigentliche ethische Problem der Neuzeit.“ 40 Warum etwa, ist zu fragen, kommen Moraltheologen ohne empirische Erkenntnisse über ihre Formal- und Materialobjekte nicht aus? Warum sind gerade die Einsichten der Psychologie mindestens indirekt für (Theologische) Ethik von besonderem Interesse? 41 So steht etwa die psychologische Erforschung des Christentums noch in den Anfängen, zumal erst langsam von der Psychologie genügend Theoriebildung bereitgestellt wird. Insbesondere eine substanzielle Moralpsychologie ist weithin vernachlässigt. Auch ist etwa die Revolution der Kog- <?page no="134"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 134 So kann aufseiten moraltheologischer Theoriebildung ein eklatanter Mangel positiver Modelle des konstruktiven, interdisziplinären Zueinanders von Theologischer Ethik und verwandten Wissenschaften ausgemacht werden. Häufig sind stattdessen nur ex negativo Abgrenzungen der Disziplinen zu finden. Daher sollte im Rahmen der vorliegenden Studie der Versuch unternommen werden, erste Skizzen zu einem entsprechend positiv konnotierten Modell vorzulegen - auf der Grundlage von Strukturgittern innerhalb eines interdisziplinär aufgespannten Koordinatensystems. Dabei besteht sowohl erkenntnistheoretisch als auch methodentheoretisch deutlicher Nachholbedarf, worauf etwa das fundamentalanthropologische Defizit innerhalb der praktischen Philosophie und der Moraltheologie hinzuweisen vermag. Praktisch alle zentralen Kategorien der (Theologischen) Ethik bedürfen der anthropologischen Fundierung über interdisziplinäre Integrationsbemühungen: Schuld, Emotion und Kognition, (moralische) Motivation, (moralische) Identität, Handlungstheorie, Gewissen, etc. f) Menschliche Selbstreflexion und die Frage nach dem höchsten Handlungsziel (Glück, höchstes Gut, Sinn) Sehr früh in der Antike waren die Bedeutung und der Status der Hoffnung gebunden an die Frage nach dem gelingenden bzw. scheiternden Leben. Nachdem gewohnte Etoi, gewohnte und bewährte Lebenszusammenhänge infrage gestellt wurden im Rahmen der antiken Gesellschaftsentwicklung trat die Frage nach den Maßstäben des eigentlich gelingenden Lebens in den Vordergrund und damit auch die Frage, welchen Status die Hoffnung auf genau dieses Leben hat bzw. überhaupt haben kann, unter Einbezug der Tatsache, dass wir doch immer wieder ein solches gelungenes Leben, was auch immer material damit verbunden werden mag, im Modus der Hoffnung vor Augen haben - ambivalent, zwiespältig, immer gefährdet und mitunter trügerisch und zugleich ersehnt und gewollt. Später wurden diese Vorstellungen rationalisiert und überführt in die Frage nach dem Guten, dem objektiv Guten, das dann im Rahmen der Verbindung von Antike und Christentum als kulminierend gedacht wurde in der Gestalt Jesu Christi und seines Gottes als dessen letzter Grund. Ist die platonisch-aristotelisch-scholastische Tradition noch von einer affirmativen, teleologischen Ontologie als Basis der Bestimmung auch des nitionswissenschaften noch weitgehend an der (Theologischen) Ethik vorbeigegangen, von wenigen vorsichtigen Ausnahmen abgesehen: GERD THEIßEN etwa versucht, die Theodizeeproblematik attributionstheoretisch zu interpretieren und kommt u.a. zu dem Ergebnis, das das Neue Testament eine erstaunlich funktionale ‚Lösung‘ anbietet, wiewohl das Problem theoretisch unbeantwortet bleibt, aber eine Vertiefung der Gemeinschaft mit dem (mit-) leidenden Gott ermöglicht wird, mithin so etwas wie eine praktische Theodizee eröffnet wird, die er schließlich eine „Theodizee der Hoffnung“ nennt. Vgl. THEIßEN, G., Kausalattribution und Theodizee. Ein Beitrag zur kognitiven Analyse urchristlichen Glaubens, in: Ders. / GMÜN- DEN, P. VON, Erkennen und Erleben. Beiträge zur psychologischen Erforschung des frühen Christentums, Gütersloh 2007, 183-196, hier 193. „Jede Theodizee der Hoffnung basiert darauf, dass die Leiden der Gegenwart in der Zukunft überwunden sind und sich rückblickend anders darstellen.“ Mit anderen Worten: entsprechende Versuche, zum vorliegenden Thema aktuell etwa von RITTWEGER (RITTWEGER, J., Hoffnung als existentielle Erfahrung am Beispiel onkologischer Patienten in der Strahlentherapie, Leipzig 2007), können in aller Regel nicht mit dem der Komplexität der Sache angemessenen methodologischen Problembewusstsein aufwarten, das ein kriteriengestütztes Modell des Verhältnisses der Disziplinen zueinander bereitstellen würde und dieses darüber hinaus noch mit einer systematischen Begriffsanalyse zu verbinden wüsste. <?page no="135"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 135 praktisch Guten ausgegangen, so wurde neuzeitlich das Gute dann - spätestens nach KANT - wieder subjektiviert und bis in die Moderne pragmatisiert. Alle objektivteleologische Interpretation des Seienden ist abgelöst worden: „Das Gute ist demnach nicht ein Prädikat, das eine objektive Eigenschaft des Seienden beschreibt, sondern ein Relationsbegriff, indem die wertende Einstellung eines Subjekts zu diesem Seienden zum Ausdruck kommt.“ 42 Dessen ungeachtet lässt sich bis in die Gegenwart hinein eine Finalisierung auf ein höchstes Gut, einen letzten Sinn, einen Abschlussgedanken hin denken, der den letzten Zweck und das letzte Ziel des Handelns und des Hoffens auf den Begriff bringen will, in der sich die Bestimmung des Menschen spiegelt und das sich handlungsmotivierend und bewältigungsorientiert zeigt. Dem höchsten Gut als dem „ganzen Objekt der praktischen Vernunft“ 43 eignet daher die fundamentale und nicht selten unterschätzte Funktion, dass in ihm sowohl das recht verstandene Glück bzw. die Glückseligkeit des Menschen, als auch das Gute, mithin die Moral, verknüpft sind, zusammen mit der Idee eines letztgültigen Sinns der Wirklichkeit. Gerade in Anbetracht dieser außerordentlich wirkmächtigen (Hoffnungs-) Idee eines Letztziels allen Handelns, in der die mitunter heterogenen und innerweltlich unversöhnten Aspekte von Moral, Glück und Sinn eine Einheit bilden, bleiben Fragen etwa nach dem Status und der Bedeutung der Hoffnung in diesen Konzeptionen, als deren Aufgabe die Vergegenwärtigung der erwähnten Finalziele betrachtet werden kann und bleiben Fragen nach dem Verhältnis der drei Größen zueinander. Insgesamt scheint aber offensichtlich, dass im Rahmen praktischer Vernunft transzendental verankerte Hoffnung nur postulatorisch ausgewiesen werden kann, d.h., was ihren epistemischen Status anbelangt, theoretisch nicht notwendig ist, und vielleicht auch nicht anders ausgewiesen werden darf, wenn der Charakter theologischer Hoffnung gewahrt bleiben soll. Dem Christentum verdanken wir schließlich auf den langen Wegen der begrifflichen Entfaltung der Hoffnungskategorie die Vereindeutigung und die Entambivalentisierung des antiken Hoffnungsbegriffs, eine begriffsgeschichtliche Revolution, an der wir uns bis in die (Spät-) Moderne hinein noch abarbeiten, nachdem wir im Zuge von Aufklärung und Säkularisierung und der damit einhergehenden Herauslösung christlicher Hoffnungsfiguren aus ihrem Ursprungskontext, was mitunter ideologische Mythen in die Leerstellen wuchern ließ, einem solch positiven Begriff zunehmend weniger trauen mögen und ihn deshalb systematisch, aber begründet zu desavouieren suchen und ersetzen zu können glauben durch eine Anti-Utopie oder den reinen Pragmatismus. Versagen wir uns aber aus guten Gründen diesem Weg, dann bleibt nichts anderes, als den (partiellen) Widerspruch des positiven Hoffnungsvollzugs zur erfahrenen Wirklichkeit zu akzeptieren und die daran aufbrechende Theodizee ernst zu nehmen - und über die Brücke der Hoffnungskategorie wieder in Gott hinein zu tragen. Für die vorliegende Arbeit ist daher die These argumentationsleitend geworden, wonach Hoffnung Antizipation von Sinn darstellt. Der Sinnbegriff, aktuell ein etymologisches Chamäleon, ist vormodern nicht nur nicht in individualisierter Form zu finden, er ist gar nicht zu finden, wiewohl der Sache nach durchaus präsent, so dass dessen philosophische Aufarbeitung durchaus zu den Desideraten einer anvisierten Ethik der Hoffnung gezählt werden kann. Erste in der vorliegenden Arbeit gezogene Linien sprechen sich gegen rein relativistische Konzepte und für eine Verknüpfung mit dem Naturrechts- 42 Vgl. HÖFFE, O., Das Gute, in: Ders., Lexikon der Ethik, München 6 2002, 110. 43 Vgl. RICOEUR, P., Freiheit im Licht der Hoffnung, in: Ders., Hermeneutik und Strukturalismus. Der Konflikt der Interpretationen Bd. I, München 1973, 199-226. <?page no="136"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 136 gedanken aus. Schließlich muss eine Pluralisierung und Subjektivierung der Vorstellungen zum Begriff des Guten, auch des höchsten Guten, nicht notwendig die Verabschiedung einer teleologischen Handlungstheorie 44 insgesamt bedeuten, eher wird deren vernunftgemäße Notwendigkeit unterstrichen, insbesondere, wenn es empirisch als gesichert gelten kann, dass das Prinzip seelischer Aktivität Intentionalität ist. Dabei ist die Idee einer letzten Einheit des Handelns auf ein Letztziel hin äußerst wichtig, wiewohl über die Zusammenhänge etwa von höchstem Gut und christlicher Hoffnung noch zu wenig nachgedacht wurde. 45 So kann sich die Frage nach den (letzten) Handlungszielen als Frage nach der Vernünftigkeit und handlungstheoretischen Berechtigung eines praktischen „Hoffnungshorizonts“ ausgelegt werden, in den alle Individuen, aber auch alle Geschichte mit hineingenommen ist - auch und gerade der Opfer, deren Leiden darin eine Antwort sucht. Was dann philosophisch das Verlangen nach Glück bzw. dem höchsten Gut ist, die eudaimonia, was psychologisch das Verlangen nach Sinn und Orientierung ist und theologisch die Hinordnung des Menschen auf Glückseligkeit und Erlösung in liebender Vereinigung mit Gott, die beatitudo, das ist unter anderen Vorzeichen (theologisch-) ethisch die Bestimmung des Menschen zum sittlich Guten. Moralischer Erkenntnisgewinn ist dabei als Hoffnungsgewinn zu verstehen. Präzisere Erkenntnis des moralisch Guten und Richtigen ermöglicht präzisere Hoffnung auf das darin mindestens partiell zum Vorschein kommende höchste Gut. Umgekehrt gilt mindestens dasselbe: Hoffnung ist eine (spezifisch schwache) Erkenntnisform - freilich ohne eine (rationalistische) Form des Wissens zu sein. g) Vernunft Das Verhältnis von Vernunft und Hoffnung ist doppelt zu bestimmen, zum einen ist die Hoffnungsbasis der Vernunft freizulegen, sowohl theoretischer, als auch praktischer Vernunft, zum anderen die Vernunftbasis der Hoffnung, schließlich und endlich aus theologischer Perspektive der Ort der reductio ad mysterium. Die für diese Selbstreflexion endlicher Vernunft entscheidenden kategorialen Felder scheinen mir insbesondere die von Universalität und Partikularität und von Pluralität und Einheit der Hoffnung zu sein. Dabei ist wesentlich zu fragen, welchen Vernunftbegriff ein umfassender Hoffnungsvollzug - auch im Verhältnis zum Glauben - voraussetzt? Welche Vernunft brauchen wir also? Zunächst muss es um eine Begrenzung instrumenteller Vernunft gehen und um eine Erweiterung durch donative, passivische und dezidiert praktische Vernunftstrukturen - auch und gerade um eines konstruktiven Verhältnisses zum Glauben. Aufgaben, die eine Weiterführung der Autonomen Moral unumgänglich machen. Auch dürfte neben einer Vernunftkritik und der Verhältnisbestimmung des Glaubens dazu eine anthropologische Fundierung wichtige Einsichten in das Vernunftprinzip Hoffnung freilegen können. Innerhalb der Hoffnungskategorie bildet sich nichtsdestotrotz eine erkennbare Spannung ab zwischen den im Licht der Vernunft stehenden Anteilen und solchen, die in das mysterium stricte dictum Gottes selbst hineinreichen und 44 Vgl. etwa HORN, C., Klugheit, Moral und die Ordnung der Güter: Die antike Ethik und ihre Strebenskonzeption, in: Philosophiegeschichte und logische Analyse 6 (2003), 75-95. Ders., Ziele und Zwecke: Sind teleologische Begriffe unverzichtbar für die Beschreibung unserer Handlungen? , in: Internationale Zeitschrift für Philosophie 17 / 1 (2008), 101-122. 45 Vgl. KELLER, D., Der Begriff des höchsten Gutes bei Immanuel Kant. Theologische Deutungen, Paderborn 2008. <?page no="137"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 137 daher einer rationalen Erschließung entzogen sind, letztlich radikales Vertrauen voraussetzen. In umgekehrter Fragerichtung heißt das freilich auch, dass Vernunft aus sich selbst heraus, in ihrem Selbstvollzug, spezifische Akte des Vertrauens (voraus) setzt, die wiederum als Hoffnung interpretiert werden können. Mit anderen Worten: es existiert quasi die Spannung eines spezifischen Glaubens der Vernunft, auch eines Vernunftglaubens, und der Vernünftigkeit des Glaubens selbst. Hoffnung ist mithin vor der Vernunft zu rechtfertigen, nicht allein aus der Vernunft. Auch wenn daher JÜRGEN HABERMAS zunächst zuzustimmen ist: „diesseits einer spes fidei […] bleibt Raum für eine fallible, von einer skeptischen, aber nicht-defätistischen Vernunft belehrte(n) Hoffnung“ 46 , bleibt insbesondere die Verhältnisbestimmung des Vernunftprinzips Hoffnung zum Glaubensprinzip Hoffnung näher zu bestimmen - nicht allein aber zentral ausgehend von anthropologisch geronnenen Einsichten, die sich von der (auch empirisch greifbaren) Welt des hoffenden Menschen haben belehren lassen, bis hin zu transzendentalen Reflexionen. Dieser Anweg verweist, kantisch gesprochen, bereits „innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft“ über sich selbst hinaus auf einen postulatorischen Hoffnungs-Status, der in den Kontext der Religionsphilosophie bzw. der philosophischen Theologie mündet. Schließlich sind entsprechende Denkbewegungen von intuitiven Vorgriffen aufs Ganze inspiriert, die, in ihrer immensen Spannungseinheit ernst genommen, auf eine transzendentale Kategorienlehre der Hoffnung verweisen, die wohl einzig auf der Basis eines weiten, aber starken Vernunftbegriffs zu formulieren ist. Vorrangiger Gesprächspartner, eine solche Vernunftstruktur von handlungswirksamer Hoffnung anzudeuten, ist IMMA- NUEL KANT 47 , der eine der bis heute wichtigsten philosophischen Rehabilitationen der Hoffnungskategorie vorgelegt hat, indem er nicht nur eine marginalisierte Tugend aus einem lange währenden Schattendasein in der Affektenlehre befreit hat, sondern zugleich, indem seine Philosophie, die recht eigentlich eine Hoffnungsphilosophie ist, als Antwort auf die Frage nach der Reichweite einer Reflexion endlicher Vernunft auf sich selbst gelesen werden kann. h) Freiheit Hoffnung kann als Freiheitsvollzug entfaltet werden. Auch hier ist aber ein doppeltes Verhältnis auszumachen, das neben der Freiheitsbasis der Hoffnung eine Hoffnungsbasis des Freiheitsbegriffs auszuleuchten hat. Insbesondere der Hoffnungs- und Zeitindex der Freiheit scheint mir bislang zu wenig expliziert worden zu sein. Ein möglicher Zusammenhang kann schließlich darin gefunden werden, dass Hoffnung und Freiheit gleichermaßen eine offene Zukunft vor Augen haben - eine Offenheit auf mögliches Gelingen oder Scheitern hin. Beides kann antizipiert werden und wird kraft menschlichen Bewusstseins im Vollzug antizipiert - einmal im Medium der Hoffnung, einmal im Medium der Verzweiflung. Es gilt daher, dass kein auf selbstreflexivem Bewusstsein und Freiheit beruhender (Selbst-) Vollzug des Menschen möglich ist, ohne zugleich eine dieser Haltungen mit zu vollziehen und damit der realen Freiheit zu entsprechen oder zu widersprechen. Es hat daher zu den Konstitutionsbedingungen der Freiheit zu gehören, sie 46 Vgl. HABERMAS, J., Kommunikative Freiheit und negative Theologie. Fragen an Michael Theunissen, in: Ders., Vom sinnlichen Eindruck zum symbolischen Ausdruck. Philosophische Essays, Frankfurt am Main 1997, 116 und 145. 47 Zentrale hoffnungstheoretische Reflexionen KANTS finden sich in der KrV und der RGV, daneben auch der GMS und der KpV. <?page no="138"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 138 „im Licht der Hoffnung“ 48 zu verstehen und sie nur so angemessen verstehen zu können, da ihr Vollzug in einem zwischen Gelingen und Scheitern aufgespannten Raum geschieht, der immer schon „Sinnantizipationen“ 49 im Gepäck trägt - oder sich nicht vollzieht und sich sündig in sich selbst verschließt (curvatus in se ipsum). So scheinen mir die transzendentalen Freiheitsanalysen die Hoffnungsstruktur realer Freiheit 50 noch zu wenig entfaltet zu haben. Hinter der enormen und beispiellosen Freiheits- und Emanzipationsgeschichte des Abendlandes können und müssen auf diesem programmatischen Hintergrund begründete, fundamentale Hoffnungen vermutet werden, die die notwendige Ermutigung zur Freiheit allererst verständlich machen. Freiheit muss - quasi im Sinne des Sprungs von KIERKEGAARD - eine grundlegende Ermutigung, eine Hoffnung und ein Vertrauen in die Sinnhaftigkeit ihres Vollzugs immer schon voraussetzen und auch vorwegnehmen, dadurch nicht (grundlos) zu scheitern oder ins Nichts zu fallen. Denn mehr als eine hoffende Gewissheit gibt es nicht, wenn es Freiheit gibt. Das Risiko der Freiheit lässt sich nicht unter rationale Kontrolle bringen, etwa unter Bedingungen planender Prognose und rationaler Voraussicht. Welche Haltung nimmt Freiheit gegenüber diesem Raum des Nicht-Wissbaren ein? Und woraus schöpft ihr immer von Schuld und Tod bedrohtes Selbstverhältnis? Unter strikt vergeblichen Bedingungen, die keinerlei Sinnaussicht gewähren - auch und gerade im Angesicht von Tragik und Scheitern - wird schließlich keine Freiheit gelebt werden können und auch nicht gelebt werden wollen. Sie würde zurücksinken in den Schoß der Unfreiheit - aus Angst 51 . Mit anderen Worten, unter formaler Perspektive ist die Vollzugswirklichkeit der Hoffnung am Freiheitsparadigma abzulesen, was im Gespräch mit einschlägigen Freiheitskonzeptionen klassischer, scholastischer oder moderner, etwa transzendentaler Provenienz, zu zeigen wäre. Unter inhaltlicher Perspektive ist Hoffnung Antizipation von Sinn - aus Freiheit. Umgekehrt sind hoffnungsbasierte Sinnantizipationen als notwendige Voraussetzungen des Freiheitsvollzugs zu bestimmen und am Hoffnungsvollzug ließen sich mithin Grundcharakteristika eines starken Freiheitsparadigmas ablesen. i) Hoffnung und Handlungstheorie Eine Ethik der Hoffnung, die in ihrer Grundlegung und unter Berücksichtigung der vielen offenen systematischen Fragen erst noch én detail zu schreiben sein wird, kommt ohne eine hoffnungsbasierte, interdisziplinär angelegte Handlungstheorie nicht aus, die wiederum ohne einen philosophischen und theologischen Begriff des Glücks, des Heils und der Vollendung (der Bestimmung) des Menschen nur rudimentär zu erfassen ist, genauso wenig wie ohne eine starke Moraltheorie, näherhin eine Theorie des Guten und 48 Vgl. RICOEUR, P., Freiheit im Licht der Hoffnung, in: Ders., Hermeneutik und Strukturalismus. Der Konflikt der Interpretationen Bd. I, München 1973, 199-226. 49 Vgl. T. PRÖPPER, Freiheit (Art.), in G.W. HUNOLD et al. (Hrsg.), Lexikon der christlichen Ethik Bd. I., Freiburg im Breisgau 2003, 554. 50 Vgl. DEMMER, K., Gottes Anspruch denken. Die Gottesfrage in der Moraltheologie, Freiburg 1993, 134ff. (Freiheit aus der Hoffnung), 147ff. (Die geläuterten Erwartungen), 162ff. (Vollendung als Verheißung). Vgl. auch DEMMER, K., Fundamentale Theologie des Ethischen, Freiburg 1999 und DEMMER, K., Angewandte Theologie des Ethischen, Freiburg 2003. 51 Vgl. zur These DREWERMANN, E., Strukturen des Bösen, 3 Bde., Paderborn 7 1992 und ders., „Der Mensch, der sich selbst ergreift ohne Gott, wird an seiner Angst zugrunde gehen...“, in: Der blaue Reiter. Journal für Philosophie 10 (1999), 58-64. <?page no="139"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 139 des Richtigen. Schließlich ist die Spannung zwischen beiden Größen im Rahmen praktischer Vernunft wiederum ein Ort von moralischer (postulatorischer Vernunft-) Hoffnung. Auch diese hat sich einzeichnen zu lassen in Handlungstheorien 52 . Der entscheidende Vorteil eines solchen Unterfangens für die anvisierte Ethik der Hoffnung ist nun, dass es das Handlungssubjekt als lebensweltlich verortetes und damit als sich immer schon konkretisierendes thematisiert und somit gerade kein abstraktes und „generalisiertes Subjekt“ 53 vor Augen hat, das in der Gefahr steht, seine realen Bedingungen zu überspringen. Auf diese Weise kann dann auch die vielfach geforderte interdisziplinäre Anbindung an zentrale Einsichten der Human- und Sozialwissenschaften überhaupt kategorial vorgenommen werden. Es lassen sich nun pars pro toto eine Reihe von begrifflichen Annäherungen an eine hoffnungsbasierte Handlungstheorie ausmachen, aber eine systematische Einzeichnung handlungswirksamer Hoffnung in Handlungstheorie selbst kann nach wie vor als Desiderat bezeichnet werden und verweist im Sinne einer disziplinären Problemanzeige auf das „Fehlen der Zukunftsdimension in der traditionellen christlichen Ethik“ 54 , die eo ipso eigentlich prädestiniert dafür wäre, die futurische Struktur jeder Ethik von ihren eigenen schöpfungstheologischen, inkarnatorischen und eschatologischen Grundlagen her hervorzuheben - freilich ohne dabei deren welthafte Seite zu negieren. So kann die der Hoffnung eigene Haltung als „Selbstpreisgabe an das noch Ausständige und Ungewisse“ 55 bezeichnet werden, wonach der Handelnde sich immer wieder in eine Zukunft hinein loslässt, über die er nicht einfach verfügen kann, in die er aber dennoch hinein und aus der er heraus handelt. In scholastischer Begrifflichkeit könnte von einem handelnden Vorgriff auf die Fülle des Seins gesprochen werden. PAUL TILLICH dagegen hat die Formel vom „Mut zum Sein“ 56 geprägt, der fraglos auch in der Form der Hoffnung auftritt, während EDWARD SCHILLEBEECKX davon spricht: „Zukunft muss getan werden“, mithin darüber belehrt, dass unser Verhältnis zur Zukunft immer auch operativ ist. Solche und ähnliche Versuche sind nun für die anvisierte Ethik der Hoffnung so rudimentär wie unverzichtbar, bedürfen aber der systematischen Theoriebildung. Nichtsdestotrotz können sie bereits für eine konsiliare Ethik fruchtbar gemacht werden, die sich zwischen Selbstsorge und advokatorischen Diskursen bewegt, können sie nicht allein Daseins-, sondern auch Soseins-Strukturen aufnehmen und etwa eine Brücke von der Genese, über die Begründung zur Anwendung und zur Motivation quasi vollständig schlagen, sodass auch das ganze Spektrum menschlichen Tuns hoffnungstheoretisch bedacht werden kann - (1) Technik, (2) Poesis und (3) Praxis. Für den systematischen Zusammenhang von Handlungstheorie und Hoffnung ist dabei die näher zu bestimmende moralische Qualifizierung des Verhältnisses zur Zukunft 52 Vgl. die inzwischen klassischen, aber immer noch in ihrem interdisziplinären Ansatz vorbildlichen und gewinnbringenden Bände von LENK, H., (Hrsg.), Handlungstheorien - interdisziplinär, vier Bände in sechs Teilbänden, München 1977-1984. 53 Vgl. HUNOLD, G.W., Wege transzendental-anthropologischer Argumentation; in: Hertz, A. u.a. (Hrsg.), Handbuch der christlichen Ethik, Bd. 1, aktualisierte Neuauflage Freiburg 1993, 46-67 und DROESSER, G. / LUTZ, R. / SAUTERMEISTER, J. (Hrsg.), Konkrete Identität. Vergewisserungen des individuellen Selbst, München 2009. 54 Vgl. BAUER, G., Christliche Hoffnung und menschlicher Fortschritt. Die politische Theologie von J.B. Metz als theologische Begründung gesellschaftlicher Verantwortung des Christen, Mainz 1976, 157 und 158. 55 Vgl. EDMAIER, Horizonte der Hoffnung, 187. 56 Vgl. TILLICH, P., Der Mut zum Sein, Stuttgart 1958. <?page no="140"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 140 von grundlegender Bedeutung. So lässt sich etwa die Verantwortung und Verantwortbarkeit von Zukunft an einem spezifischen „Bund der Gesellschaft mit dem Futurum“ 57 ablesen, der idealiter ein Doppeltes leistet: er ermöglicht potentiell, den Endlichkeitscharakter und die Kontingenz menschlichen Handelns in und aus Zeit in seinen Konsequenzen zu bedenken und damit zugleich den damit einhergehenden Grenzerfahrungen gerecht zu werden. Insbesondere die Brückenkategorie der Hoffnung wird der Grenzerfahrung von Existenz gerecht, der Grenzdialektik 58 , wonach humanes Leben auf der Grenze und im Übergang stattfindet zwischen dialektisch vermittelten Handlungspolaritäten. j) Handlungsmotivation und moralische Motivation Es gehört zu den ersten Auskünften einer moraltheologischen Motivationstheorie, die Attraktivität des Guten zu betonen, wiewohl mir dieser Topos, der immerhin in tugendethischen Ethikkonzepten eine Schlüsselrolle einnimmt, mehr stillschweigend vorausgesetzt statt systematisch gewürdigt zu sein scheint und auch eine anthropologische Fundierung bislang nur sporadisch rezipiert werden kann, sodass die These berechtigt erscheint, wonach eine moraltheologische Motivationstheorie, insbesondere, wenn sie mit dem Anspruch auftritt, eine entsprechende empirisch-anthropologische Basis mit den vorliegenden Theoriebildungen zu verzahnen, dringend einer Reformulierung bedürfte. Demnach kann nicht einfach von einer planen Alternative zwischen der Attraktivität des Guten (und des Glücks) auf der einen Seite und der normativen Pflicht auf der anderen Seite als den zentralen Konzepten moralischer Motivation ausgegangen werden, sondern es ist eine integrative Perspektive anzustreben, die sich neben (praktischer) Philosophie und Theologie inzwischen auch lernbereit gegenüber den vielfältigen Einsichten der Psychologie zu zeigen hat. Dabei sind mehrere begriffliche Ebenen zu unterscheiden, die zur besseren Verortung der damit verhandelten Sachverhalte dienen können: So ist das ursprüngliche Motiv bzw. sind die ursprünglichen Motive zur Handlung in ihrem Verhältnis zueinander von der Motivation als den jeder Handlung immer schon vorauslaufenden (auch habitualisierten) motivalen Haltungsbildern und Latenzen (auch Neigungen und Bedürfnisse) und von den dann konsekutiv realen Konstituenten der Motivierung zu unterscheiden. Analog muss der basale und existentielle Halt eines Menschen, d.h. dem Ort bzw. denjenigen Orten, an denen Gewissheit gesucht und vorausgesetzt wird, unterschieden werden von der davon zentral bedingten Haltung bzw. den Haltungsbildern und dem daraus sich konsekutiv ergebenden Verhalten. Die Motivationsfrage ist daher immer auch an (empirische) Einsichten über den Zusammenhang von Handlungs- und Daseins-Konzept auf der einen Seite und der Person auf der anderen Seite gebunden, erst recht vom moralischen Konzept und Handeln der Person. 59 57 Vgl. MIETH, D., Die Diktatur der Gene. Biotechnik zwischen Machbarkeit und Menschenwürde, Freiburg 2001, 80. 58 Vgl. KURZ, W., Sinnerfahrung im Zwischenfeld von Aktivität und Passivität. Logotherapeutisch-philosophische Überlegungen zum Phänomen des „Zwischen“ (unveröffentlichtes Manuskript). 59 Vgl. die theoretischen Arbeiten mitsamt den empirischen Bestätigungen zum Konzept der Seelischen Gesundheit, etwa mit Blick auf die Frage nach der Bedeutung psychotherapeutischer Konzepte für die Entwicklung von entsprechenden Persönlichkeitsmerkmalen im Rahmen von Psychotherapieausbildungen LUTZ, R., (Logo-) Therapieausbildung und Seelische Gesundheit - Eine empirische Studie und pastoralpsychologische Anmerkungen, in: KIESSLING, K. <?page no="141"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 141 Unter historischer und wirkungsgeschichtlicher Perspektive ist das Thema der moralischen Motivation zunächst hauptsächlich anhand des Begriffs der „Intention“ (intentio) zu rekonstruieren. Schließlich ist erst über die Handlungstheorie selber die Motivationsfrage in die Moraltheologie eingezogen. Für die strebensethischen Konzepte der antiken Ethik kann etwa eine neue Selbstzuwendung des Menschen in Anschlag gebracht werden. Diese wird verständlich, wenn sie verbunden wird mit der antiken Entdeckung der Zukunft als einer der rationalen Vorwegnahme zugänglichen Erwartung. Hoffnung ist schließlich immer auch (Selbst-) Ausdruck der Bestimmung des Menschen, wobei die antike Einbettung entsprechender Reflexionen in eine spezifische Kosmologie heute nicht mehr vorgenommen werden muss. Die Fatabilität und Falibilität der Hoffnung wird als anthropologisches Axiom entdeckt, die christliche Positivierung hatte sich noch nicht Bahn gebrochen. Ebenso wird der Übergang vom generalisierten Individuum zum singulären Intim-Individuum vorbereitet - beides mit immensen Auswirkungen für das Verständnis von menschlicher Handlungsmotivation. Im Hoch- und Spätmittelalter finden sich Hinweise zur Motivationsproblematik in Abhandlungen zur Anthropologie, die bereits in der Patristik aufgekommen war (GREGOR VON NYSSA, EMESIUS VON NEMESA, PLOTIN). Die Philosophie kannte das Problem im engeren Sinne noch nicht, da insbesondere die recta ratio und die Verobjektivierung der Handlungen von entscheidender Bedeutung waren. 60 Die Moraltheologie der damaligen Zeit hat das Thema der (moralischen) Motivation insbesondere in der circumstantiae-Lehre behandelt - im Rahmen eines objektiven Norm-Kosmos, der dann auf die individuelle Handlung umgelegt wurde und quasi entlastende und eröffnende Gründe bereitstellte. Der objekthafte Normkosmos wird hier quasi in das individuelle Handeln transponiert. Von der antiken bis zur spätmittelalterlichen Philosophie und Theologie wurde die Handlungsmotivation inhaltlich-theoretisch gefasst unter dem Begriff der sie letztlich bestimmenden Zielgröße, dem höchsten Gut. Es wurde philosophisch und dezidiert theologisch argumentiert, insbesondere, wenn von den Zielgestalten der Eschatologie gesprochen wurde: Reich Gottes, Christusförmigkeit, Herrlichkeit in Gott, frui deo, visio beatifica, etc. Scholastische Hoffnungsreflexionen 61 haben das Wissen 62 um hoffnungsbasierte Handlungsmotivation dann insofern bereichert, als dass sie zwei Pole der Hoffnungslosigkeit beschrieben haben: Der eine Pol der Hoffnungslosigkeit (Verzweiflung - desperatio) ist die eigentliche Hoffnungslosigkeit als „Vorwegnahme der Nicht-Erfüllung“ des zunächst (Hrsg.), Transformationen. Pastoralpsychologische Werkstattberichte, Heft 7, Frankfurt 2007, 54-108. Unter systematischer Perspektive handelt es sich um eine empirische Untersuchung bzgl. des Zusammenhangs von theoretisch-therapeutischem Konzept und der Person des Therapeuten, eine Verknüpfung, die handlungstheoretisch von größter Bedeutung ist. 60 Vgl. MÜLLER, S., Handeln in einer kontingenten Welt. Zu Begriff und Bedeutung der rechten Vernunft (recta ratio) bei Wilhelm von Ockham, Tübingen 2000 und ERNST, S., Ethische Vernunft und christlicher Glaube. Der Prozess ihrer wechselseitigen Freisetzung in der Zeit von Anselm von Canterbury bis Wilhelm von Auxerre, Münster 1996. Hier wäre eine recta spes zu rekapitulieren, die die relevanten Aspekte ihrer damaligen Konstitution freizulegen versucht. 61 Vgl. PIEPER, J., Über die Hoffnung, Freiburg 2006 und BALTHASAR, H.U. VON, Was dürfen wir hoffen? , Einsiedeln 1986. 62 Die Reflexionen LUTHERS zur Rechtfertigung waren anthropologisch und handlungstheoretisch schwer zu fassen, weswegen als Ausweg eine Individualisierung und Personalisierung der entsprechenden Kategorien stattgefunden hat, auch Soteriologie und Rechtfertigung tendenziell zusammen gefallen sind, ebenso Glauben und Hoffen, so dass manche Hoffnungsstruktur aus dem Blick geriet. <?page no="142"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 142 Erhofften. Der andere Pol der Hoffnungslosigkeit ist die praesumptio (Vermessenheit, besser: Vorwegnahme) als „seinswidrige Vorwegnahme der Erfüllung“. Der Gedanke könnte gewinnbringend weitergeführt werden. Denn damit ist eine strikte Warnung vor einer Verabsolutierung von bestimmten Erwartungen in die eine oder andere Richtung (Erfüllung oder Nicht-Erfüllung) im Sinne einer falschen Gewissheit, eines falschen „Wissens“ 63 verbunden. Stattdessen ist von einem Fließgleichgewicht von Erwartungen auszugehen, wonach die prinzipielle Offenheit von Erwartungsstrukturen anzuerkennen ist gegenüber einseitigen Vorwegnahmen vermeintlich sicher gewusster Ergebnisse. Einzig Hoffnung vermag diese Spannung zu halten, indem sie diese beide Pole quasi überbrückt und zusammenhält. Es gibt mithin eine notwendige und handlungsmäßige Ausrichtung des Menschen auf die erwartete Zukunft, aber dennoch darf es keine prinzipielle Vorwegnahme derselben geben, auch nicht unter dem Deckmantel des Wissens, da sonst der Erwartungs- und Möglichkeitsraum eingeschränkt werden würde - mit nachhaltigen Folgen für menschliche Handlungsmotivation. 64 Als eine weitere wichtige Differenzierung zum besseren Verständnis der Handlungsmotivation des Menschen kann seit KANT diejenige von Moral und Glück innerhalb des höchsten Gutes gelten. Hoffnung zielt auf das Gute, irgendwann auf ein letztes und höchstes Gut - im Sinne einer Versöhnung von Moral und Glück. Ist nun vernunftgemäße Hoffnung Orientierung am Guten, dann korreliert mit ihrem Vollzug zugleich die Gefahr des Missbrauchs. Mit der Möglichkeit zum Guten geht die Möglichkeit zum Bösen parallel einher. Mit KANT kann auch deswegen ein Wendepunkt markiert werden, da er alle Ethik in Richtung der Anthropologie gehoben hat. Neben seinen transzendentalphilosophischen Reflexionen wurde die Wende zum Erkenntnissubjekt radikal vollzogen - und zugleich die Hoffnung als (praktisches) Vernunftprinzip philosophisch rehabilitiert. Für den vorliegenden Kontext kann zunächst festgehalten werden, dass der Grund der Handlungsmotivation nicht die Hoffnung selbst ist, sondern das spezifische Gut, das die Hoffnung zu repräsentieren versucht. Das wiederum muss mit dem höchsten Gut, näherhin mit Moral, mit Glück und mit Sinn verknüpft werden als dem Grund der Handlungsmotivation. Mit anderen Worten: ein zentraler Modus der Handlungsmotivation, d.h. ihr Movens, ist Hoffnung, die neben allen kontingenten Gründen (psychologischer, soziologischer, historischer Art) als fundamental(st)e Bestimmungsgröße gedacht ist, nicht als einzige. Entscheidend wird daher sein, woraus die Bestimmung des (höchsten) Hoffnungs-Gutes letztlich schöpft, welche Voraussetzungen es kennt und welche Deckungsbzw. Begründungslücken vorliegen und wie es überhaupt praktisch zu werden vermag, wie es sich also als Einheit zur Vielheit der handlungsbestimmenden Aspekte verhält. Schließlich war das christliche Abendland bis in die Moderne hinein für bestimmte (moraltheologische) Denktraditionen immer wieder der Versuchung ausgesetzt, menschliches Handeln aus einer spezifisch theologischen Anthropologie abzuleiten, das 63 Der Gedanke findet sich auch in modernen anthropologischen Reflexionen wieder. Vgl. FRANKL, V.E., Der leidende Mensch. Anthropologische Grundlagen der Psychotherapie, Bern 2 1996. Hier definiert FRANKL Verzweiflung als Verabsolutierung eines einzigen Wertes unter Missachtung des restlichen Werteraumes. 64 Wird der Gedanke konsequent zu Ende gedacht, dann führt er dazu, letzte Verzweiflung zu denken. Mit ISIDOR VON SEVILLA: „Verzweifeln heißt in die Hölle hinabsteigen.“ Hier scheint es ein hoffnungsloses Vorherwissen dessen zu geben, dass (gegenwärtige oder zukünftige) Verzweiflung ein Letztes sein wird bzw. schon ist. <?page no="143"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 143 „sich aus dem Gottesbewusstsein der Erlösten notwendig folgern lässt“ 65 . Die Moderne dagegen hat es sich in vielfältigen Strömungen zum Programm gemacht, Ethik jenseits religiöser Welt- und Menschenbilder zu entwerfen und das Handeln des Menschen als das eines „Unerlösten“ zu formulieren. Moraltheologie hat diese Spannung in sich selbst abzubilden. Sie kann nicht mehr unkritisch (deduktiv) Ethik des „erlösten“ Menschen betreiben und damit die Erlösung einseitig offenbarungspositivistisch gegenwärtig setzen, sondern hat stattdessen die (Hoffnungs-) Spannung in ihren eigenen Theoriebildungen menschlicher Handlungswirklichkeit differenziert abzubilden, denn sie ist es, in der der moderne (Christen-) Mensch steht, der sich in einer weltlichen Welt vorfindet und zugleich seine Erlösung, die es nur im Modus der Hoffnung gibt, anzunehmen versucht. Moraltheologie hat eine Ethik der Hoffnung zu entwerfen und die Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit so zu formulieren, dass eine Handlungstheorie notwendig auch eine Hoffnungstheorie zu erkennen gibt - wenn sie umfassend angelegt werden soll. Denn die die Säkularisierung und damit in derFolge der ebengenannte Hiatus sind (moraltheologisch) zunächst völlig legitim, da es zum Impetus des christlichen Kerygmas seit dem AT gehört, zur Verweltlichung und Entdivinisierung von Welt beizutragen und damit das Göttliche Gottes allererst hervorzuheben. 66 Der Hiatus bildet sich in handlungsbedeutsamer Hoffnung regelrecht ab und ist idealiter aufgehoben - als Spannungseinheit. Erst sehr viel später kam dann die Unterscheidung von Gründen und Motiven auf, von Internalismus und Externalismus. Da wird eine Motivation aus Motiven von einer Motivation aus Gründen differenziert 67 , wobei die motivationale Kraft von (Meta-) Überzeugungen wie der Hoffnung, die eine dialektische Verzahnung von Motiven und Gründen potentiell ermöglichen können, mitunter übersehen wird, wiewohl ein notwendiger Zusammenhang im Sinne eines moraltheoretischen Internalismus von nicht unerheblicher Bedeutung wäre. In der Sprache KANTS wüsste eine elaborierte (moraltheologische) Motivationstheorie „objektive und subjektive Bestimmungsgründe des Willens“ (Triebfedern) in gleichem Maße nutzbar zu machen, auch wenn sie keine symmetrischen Aufgaben erfüllten. Völlig analog kann schließlich ein principium executionis von einem principium dijudicationis unterschieden werden, ein Beweggrund von einem Beweisgrund. Auch hier leuchtet unmittelbar ein, dass beide Größen zueinander in ein konstruktives Verhältnis gesetzt werden müssen, um ein Maximum an Handlungs- Motivation zu ermöglichen. Ansonsten ist das eine ohne das andere entweder „blind“ oder „lahm“. 68 Auf diesem Hintergrund wird nun auch eines der zentralsten moraltheo- 65 Vgl. PFÜRTNER, S. (Hrsg.), Ethik in der europäischen Geschichte Bd. II. Reformation und Neuzeit, Stuttgart 1988, 78. 66 Vgl. SCHAEFFLER, R., Wissenschaftstheorie und Theologie, in: BÖCKLE, F. / KAUFMANN, F.-X. / RAHNER, K. / WELTE, B. (Hrsg.), Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft Bd. XX, Freiburg im Breisgau 1982, 5-83. 67 Vgl. SCARANO, N., Motivation (Art.), in: DÜWELL, M. / HÜBENTHAL, C. / WERNER, M.H. (Hrsg.), Handbuch Ethik, Stuttgart / Weimar 2002, 432-437. 68 Das spezifisch vernunftgewirkte Gefühl der Achtung vor dem Sittengesetz im Sinne von KANT als Verbindung von moralischen Gründen und entsprechenden Motivationen bedarf dabei der Reformulierung, da es als argumentatives Nadelöhr die vitalen Motivationsquellen des Menschen kaum zu würdigen weiß und diese zudem kaum mit der Attraktivität des Guten und seiner (letzten) Zielgrößen verbunden erscheint. Umgekehrt scheint eine noch weitgehend unaufgearbeitete Funktionszuweisung für Fragen der moralischen Motivation im Kontext der Autonomen Moral dem christlichen Kerygma eine unterkomplexe Bedeutung zuzugestehen. <?page no="144"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 144 logischen Probleme zum Verständnis moralischer Motivation radikalisiert, in dessen Mitte Hoffnung als Prinzip und Kategorie zielt: der Motivation zur Realisierung des als gut Erkannten bzw. der Hiatus zwischen dem als gut Erkannten und dem Tun dieses Guten, zwischen Erkennen und Tun. 69 Hoffnung als Brückenkategorie verknüpft beides idealiter und schafft so erst die Voraussetzungen für eine wirkliche Motivation zum Guten, indem sie das objektiv als gut Erkannte und Eingesehene mit dem subjektiv Wert- und Sinnvollen verknüpft - auf der Basis einer Antizipation von attraktiv erlebtem Sinn, der mitunter seinen Ausgang bei Fragen nach dem Glück und dem (moralisch) Guten nimmt. Wenn daher die scholastische Formel agere sequitur esse - Das Handeln folgt (aus) dem Sein - noch Geltung beanspruchen kann, dann hat sich eine von der Hoffnungskategorie entwickelte Handlungstheorie mit dem ganzen Sein des hoffenden Menschen zu befassen. Als ein möglicher Beitrag dazu sollen in der vorliegenden Arbeit anthropologische Strukturen aufgedeckt und auf eine integrative Hoffnungsfigur hin weiterentwickelt werden. Abendländische (Moral-) Philosophie und (Moral-) Theologie kann nun unter einer bestimmten Perspektive als permanenter Versuch verstanden werden, das Verhältnis von Sein und Sollen je neu zu bestimmen, wobei Sollen weit gefasst ist und nicht eng normentheoretisch. Die Spannung beider Größen dürfte eine der zentralsten Quellen moralischer Motivation sein, wenn nicht die zentralste überhaupt. Mitunter wird allerdings das eine zulasten des anderen betont und übersehen, dass das Verhältnis ohne Hoffnungskategorie nicht zu bestimmen ist und die Hoffnungskategorie daher konzeptionell einzubeziehen ist. 70 Insgesamt soll nun für diesen Kontext die These leitend sein, wonach eine Ethik der Hoffnung als Metatheorie der Motivation bezeichnet werden kann und daher eine basale, mitunter allen faktisch-realen Handlungskonstitutionen immer schon vorauslaufende Handlungsbedingung, näherhin ein humanes Agens und Movens ausweist. Unter theologisch-ethischer Perspektive ist dabei der letzte Grund der Handlungsmotivation nicht die Hoffnung als solche, sondern das Hoffnungsgut. Der Modus, das Medium der Handlungsmotivation ist nun dagegen die Hoffnung selbst. Das hat Konsequenzen: Alle zentralen ethischen Begriffe sind von dieser Hoffnungs- und Erwartungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit geprägt: Freiheit, Verantwortung (aus der Erwartung entspringt ein bestimmter Begriff von Verantwortung), Schuld, Identität, etc. Auch die Verkündigung der Evangelien ist als Verkündigung einer (Erlösungs-) Hoffnung zu entfalten, deren Erfüllung - ausgehend vom Alten Bund und in Jesus Christus kulminierend - bereits begonnen hat, deren vollständige Realisierung aber noch ausständig ist, ein Umstand, der exakt der Struktur der Hoffnung entspricht und diese zu begründen bzw. zu erfüllen vermag. Erlösung ist immer beides: Beginn und Zukunft, denn: „Es gibt Erlö- 69 Für PLATON und SOKRATES kann noch die Annahme eines unmittelbaren Verhältnisses beobachtet werden, während ARISTOTELES diesen Hiatus bereits herausgearbeitet hat. 70 Vgl. exemplarisch die Kontroversen während der Zeit des Deutschen Idealismus zwischen IMMANUEL KANT, GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL und JOHANN GOTTLIEB FICHTE über Reichweite und Spannung von Sein und Sollen, transzendentalem Ich und realem Ich, von Legalität, Sittlichkeit und Moralität, von objektiv und subjektiv Gutem. So ist etwa HEGELS Idealismus alles andere als eine „Philosophie der Tat und der offenen Zukunft“. Vgl. PFÜRTNER, Ethik in der europäischen Geschichte Bd. II., 86. Eine Philosophie der Tat hätte nämlich entlang der hier vertretenen These als Philosophie der offenen Zukunft eine Philosophie der Hoffnung zu sein. <?page no="145"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 145 sung nur in der Weise der Hoffnung.“ 71 Erlöstes Handeln ist Handeln aus Inhalt und Motivation spezifischer Hoffnung. Bemerkenswert ist nämlich, dass auch unerlöstes Handeln Hoffnungen und Erwartungen produziert, die das Woraufhin des Handelns zu benennen versuchen, die das tiefere Wollen des Handelnden ausweisen und daraufhin orientieren wollen - ohne freilich dessen letzten Grund je aus sich verbürgen zu können. k) Ethik und Eschatologie Jede grundständige Beschäftigung mit zentralen ethischen Begrifflichkeiten des Handlungssubjekts Mensch hat Konsequenzen für das Selbstverständnis der Theologischen Ethik, genauso wie sich das Selbstverständnis der Ethik in dem von ihr entworfenen Handlungssubjekt spiegelt - so auch hier mit Blick auf die eschatologische Kategorie der Hoffnung. Woran zeigt sich etwa der eschatologische Vorbehalt allen Handelns, den die Theologie zurecht betont? Wie vermögen wir die eschatologische Hoffnungsstruktur menschlichen Handelns zu erkennen? Zunächst als final orientierten Ergebnisvorbehalt und als Handeln aus der Zukunft, Aspekte, die an jeder Form von Ethik freizulegen sind aufgrund der futurischen Struktur aller Ethik. Dezidiert eschatologisch wird Hoffnung erst als theologisch-ethischer Begriff. Das hier eröffnete Feld einer „Eschato-Praxis“ 72 ist allerdings nicht allein der Politischen Theologie zu überlassen. Grundsätzlich ist Hoffnung als Handlungskategorie zu entwerfen und das Handlungssubjekt als eschatologische Größe 73 zu bezeichnen, die immer wieder von einer letzten einheitlichen Handlungszielgröße, einem moralisch relevanten Eschaton, Orientierung und Motivierung erfährt. THOMAS SÖDING schreibt daher zu Recht über eine Ethik der Hoffnung, die noch Bezug nimmt auf ihr biblisches Fundament: „Freilich geht eine Ethik der Hoffnung auch von der Prämisse aus, dass jedes menschliche Handeln unter dem eschatologischen Vorbehalt steht.“ 74 Ihren Ausgang nahm solche christliche Hoffnung an den Verheißungen Israels. In den Evangelien ist Hoffnung zwar begrifflich kaum präsent, inhaltlich aber sehr wohl durch ihre christologische Grundlegung. Erst bei Paulus lassen sich dann ausführliche philologische und theologische Reflexionen finden. Einzelne Dimensionen dieser eschatologischen Hoffnung werden dann sukzessive in epochalen Formationen entfaltet: ihre 71 RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI.] Credo für heute. Was Christen glauben, hrsg. v. ZABOROWSKI, H. / LETZKUS, A., Freiburg im Breisgau 2006, 18. 72 Vgl. WOHLMUTH, J., Mysterium der Verwandlung. Eine Eschatologie aus katholischer Perspektive im Gespräch mit jüdischem Denken der Gegenwart, Paderborn 2005. 73 Alle zentralen moraltheologischen und moralphilosophischen Kategorien müssten in ihrem Hoffnungsindex zu identifizieren sein, wenn die These Geltung beanspruchen kann, dass menschliche Handlungswirklichkeit eine inkommensurable Hoffnungsstruktur aufzuweisen hat. Das bedeutet schließlich, dass auch alle am Handlungsaufbau beteiligten Größen in einem umfassenden Sinne mindestens eschatologisch konnotiert sind. Vgl. etwa zum Aufweis menschlicher Identität als eschatologischer Größe LUTZ, R., Identität und Ausdruck - Anthropologische Grundlagen und moraltheologische Anmerkungen zu den Konstitutionsbedingungen von Identitätsprozessen, in: DROESSER, G. / LUTZ, R. / SAUTERMEISTER, J. (Hrsg.), Konkrete Identität. Vergewisserungen des individuellen Selbst (FS G.W. HUNOLD), München 2008, 13-46. 74 Vgl. SÖDING, T., Die Trias Glaube, Hoffnung, Liebe bei Paulus. Eine exegetische Studie (SBS 150), Stuttgart 1992, 214. Weiter heißt es: „Das bewahrt sie vor der Errichtung einer Tugenddiktatur ebenso wie vor Utopismen, die sich letztlich einer Idealisierung menschlicher Möglichkeiten verdanken.“ <?page no="146"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 146 Zeitlichkeit, ihr letztes Gegründetsein in Gott, ihr habitueller Tugendcharakter, ihre Subjektivität und Personalität, ihre (utopische) Geschichtlichkeit und Geschichtsmächtigkeit, ihre Existentialität, mitunter ihre Profanität und (illusionäre) Absurdität, schließlich ihre Notwendigkeit für menschlichen Selbstvollzug in allen entscheidenden Relationen (Selbst, Welt und Gott) und ihre strukturelle Phänomenologie. Die erste systematische Hoffungstheorie stammt schließlich aus der Feder THOMAS VON AQUINS. Begriff und Kategorie waren und sind zwar in wechselnden Kontexten immer präsent, führten und führen aber ein relatives Schattendasein innerhalb der Theologischen Ethik, wiewohl es eine klare Verortung als theologische Tugend gibt. Im Zuge der noch immer anhaltenden Eschatologisierung der Theologie seit dem 19. Jh. nahm ihre Bedeutung 75 zusehends zu - bis in die Politische Theologie hinein, wobei deren Anschlussfähigkeit an dogmatische Theologie weitgehend sichergestellt wurde, sie aber der Handlungspraxis des Menschen und der ethischen Theoriebildung seltsam entrückt war, ganz abgesehen von einer Vielzahl moderner, säkularer Surrogate, die mit normativen Überhängen in Erscheinung treten. Die Eschatologisierung hält noch an und insbesondere die Moraltheologie scheint mir noch viele diesbezügliche hoffnungstheoretische Desiderate zu kennen, etwa den Ort eines christlichen universale concretum, wie es sich innerhalb ethischer Theoriebildung in einem umfassenden Hoffnungsbegriff zu erkennen gibt oder die Frage nach der Spiegelung des Verhältnisses von präsentischer und futurischer Eschatologie innerhalb des Verhältnisses von Indikativ und Imperativ. 76 Anders gefragt: wo ist der Indikativ in der Ethik? Auch stellen sich Fragen nach dem Verhältnis des erlösten zum unerlösten, des neuen zum alten Menschen und der Bedeutung für menschlichen Handlungsaufbau und Selbstvollzug. Solche und ähnliche Fragen wirken der Tendenz entgegen, immer schon vom „erlösten Subjekt“ auszugehen, statt die notwendigen Spannungen zwischen dem geschichtlich-realen und dem frei-versöhnten Menschen aufrecht zu halten und darin das Subjekt zu verorten. Die Kategorie der Hoffnung wird nun als Grundkategorie einer Eschatologie vom Glaubenden her aus folgendem Grund für die Beschreibung und das Verständnis menschlicher Handlungswirklichkeit so häufig marginalisiert, weil sie als Brückenkategorie fungiert und zwischen finalen und effektiven Motiven, zwischen Glaube und Liebe, etc. dialektisch vermittelt und dabei als (pneumatisch getragenes) Medium mitunter gar nicht selbst in Erscheinung tritt. ALFONS AUER hat zudem darauf hingewiesen, dass es moraltheologisch fragwürdige Konsequenzen haben kann, vorschnell von einem Konzept des erlösten Menschen auszugehen, um dann daran moral- oder normdeduktive Ableitungen vorzunehmen. Denn dieses Vorgehen birgt die Gefahr, fundamentale Hoffnungsspannungen aufzulösen, statt sie dialektisch zu vermitteln, mithin Erlösung als Hoffnungsfigur zu schleifen, indem jegliche eschatologische Spannung dekonzeptualisiert wird, statt sie radikal ernst zu nehmen. Dennoch oder gerade deshalb ist christliche Hoffnung geschichtsmächtig zu bezeichnen, sie ist Motiv und Motivation von Geschichte, indem sie sie stiftet, inauguriert und finalisiert, wie geschichtsphilosophische und geschichtstheologische, genauso 75 Vgl. HANS URS VON BALTHASAR, JOHANN BAPTIST METZ, JÜRGEN MOLTMAN, etc. 76 Vgl. ECKERT, J., Indikativ und Imperativ bei Paulus, in: KERTELGE, K. (Hrsg.), Ethik im Neuen Testament, Freiburg im Breisgau 1984, 168-189. BÖCKLE, F., Moraltheologie und Exegese heute, in: KERTELGE, K. (Hrsg.), Ethik im Neuen Testament, Freiburg im Breisgau 1984, 197-210. <?page no="147"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 147 wie kulturtheoretische Reflexionen zu zeigen vermögen. 77 Der eschatologische Vorbehalt auf dem Feld der Theologischen Ethik, auch wenn er mitunter nur als Appendix aufscheint und selten ausgearbeitet wurde, vermag dennoch antitotalitär, ideologiekritisch und enthermetisierend zu wirken: denn der Christ „lehnt alle Zukunftsideale ab, die irgendeine, wenn auch noch so wertvolle menschliche Erfahrung zum absoluten Endpunkt machen möchten.“ 78 Auf diese Weise wird Geschichte moralisch offen gehalten. Positiv gewendet heißt das, dass wir immer wieder neu anfangen können und dürfen, keinen hermetisierenden oder totalisierenden Tendenzen ausgeliefert sind, aber umgekehrt damit leben müssen, dass es nichts real Abgeschlossenes gibt. Biblisch inspirierte Hoffnung bezieht sich schließlich immer auch auf den Kosmos, die Welt als Gottes Schöpfung und die Geschichte des Menschen darin, sodass wir als Grundstruktur festzuhalten haben, dass ein fundierter Hoffnungsbegriff einen Begriff von Welt voraussetzt, innerhalb dessen die im Hoffnungsgut anvisierte Entwicklung des Menschen (und der Welt) allererst verortet wird. Schließlich und endlich sind die vorliegenden Überlegungen auch für das ökumenische Gespräch von nicht unerheblicher Bedeutung, kommen doch Fragen nach Rechtfertigung, (All-) Erlösung und dem Verhältnis menschlicher Möglichkeiten und menschlichen Tuns im Verhältnis zum Tun Gottes auf den Plan. 79 l) Praktische Theologie, Ekklesiologie, Spiritualität und Kultur der Hoffnung Praktische Theologie versucht zu verstehen, wie (christliches) Leben aus Verheißung geht, worin es sich gründet, woraus es schöpft, wie es gefördert werden kann und worauf es zielt. Dafür vermag sie verschiedene Entdeckungszusammenhänge auszuweisen, deren wichtigste neben der im Lichte des Glaubens gedeuteten realen Erfahrung das Gebet und der Selbstvollzug der Kirche als Gemeinschaft der Hoffenden sind. Bereits scholastische Theologie hat christliches Gebet als spes interpretativa verstanden und damit völlig zu Recht und im Sinne der hier vertretenen These als Ausdruck, Interpretament und Einübung von und in christliche Hoffnung. Eine Theologie des Gebets ist daher immer zugleich als eine praktische Theologie der Hoffnung zu entfalten. 80 Eine solche Theologie 77 Spätestens mit der Konstantinischen Wende sind die apokalyptischen Sekten von der geschichtlichen Bühne verschwunden, denn die mit der Wende einhergehende politisch-soziale Anerkennung kam der Erfüllung der sie konstituierenden Erwartungen und Verheißungen gleich und damit einer bedrohlichen Minderung historischer Spannung. Ex negativo kommt die geschichtsstiftende Funktion der Hoffnung in Spr 29,18 zum Ausdruck: „Ohne Vision geht ein Volk zugrunde.“ 78 Vgl. EDMAIER, Horizonte der Hoffnung, 245. 79 Vgl. als protestantische Basisliteratur mit je unterschiedlicher Akzentsetzung MARQUARDT, F.-W., Was dürfen wir hoffen, wenn wir hoffen dürften? Eine Eschatologie Bd. I-III, Gütersloh 1993, 1994, 1996. MOLTMANN, J., Das Kommen Gottes. Christliche Eschatologie, Gütersloh 1995. MOLTMANN, J., Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur Begründung und zu den Konsequenzen einer christlichen Eschatologie, Gütersloh 13 1997. HERRMANN, C., Unsterblichkeit der Seele durch Auferstehung. Studien zu den anthropologischen Implikationen der Eschatologie, Göttingen / Zürich 1997. SLENCZKA, R., Ziel und Ende. Einweisung in die christliche Endzeiterwartung: „Der Herr ist nahe“, Neuendettelsau 2008. Ebenso HILDE- BRANDT, B., Was dürfen wir hoffen? Der Mensch und seine Zukunft, in: HERBST, M. (Hrsg.), Der Mensch und sein Tod, Frankfurt am Main 2001, 319-336. 80 Vgl. FUCHS, O., Konkretion: Beten, in: HASLINGER, H. (Hrsg.), Handbuch praktische Theologie. Bd. 2 - Durchführung, Mainz 2000, 218-235, besonders: Klagen: Widerstand und Hoffnung, 229-232. <?page no="148"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 148 des Gebetes 81 müsste sich als eine eschatologisch orientierte Spiritualität des Ausgespanntseins zwischen Gott und Mensch, Himmel und Erde, Gut und Böse, Sein und Sollen, Schöpfung und Erlösung, etc. verstehen, wäre durch und durch biblisch fundiert und würde den status viatoris menschlicher Existenz radikal ernst nehmen, deren Dialektik, Antinomik und simul-Struktur. Wenn daher Gebet tätig werden soll, dann indem es sich als Einübung in (handlungsbedeutsame) Hoffnung begreift. Eine darauf Bezug nehmende und sich mindestens partiell von dort her begreifende Ekklesiologie, die Kirche als „Erinnerungs-, Verstehens- und Interpretationsgemeinschaft“ 82 begreift, hätte sich immer auch als Hoffnungsgemeinschaft und Gemeinschaft der (christlich) Hoffenden zu entfalten - mit Konsequenzen für alle Felder kirchlichen und gläubigen Selbstvollzugs 83 . Darauf reflektierende Praktische Theologie fragt unter der Prämisse der zentralen These der vorliegenden Arbeit, wonach Hoffnung als Antizipation von Sinn 84 zu begreifen ist, nach der Rolle und der Bedeutung des kirchlichen Selbstverständnisses und kirchlicher Vollzüge bis hin zu einer Theologie der Spiritualität und einer Theorie der Seelsorge 85 und Mystagogie für eine theoretisch und praktisch authentische Offenlegung eines letzten (göttlichen) Sinngrundes, der als Hoffnung Wirklichkeit ist. So kann etwa der lange marginalisierte Gerichtsgedanke als unverzichtbar wieder hoffnungstheoretisch angeeignet werden, als moralisch kaum zu überschätzende Hoffnung auf letzte Gerechtigkeit 86 (und Barmherzigkeit) mitsamt ihren Voraussetzungen und Implikationen. Daran ließe sich der heilend-therapeutische Impetus 87 des Gebetes genauso festmachen, wie das eminent wichtige Verhältnis von Erinnerung und Hoffnung 88 , denn keine christliche Erinnerung, die nicht Hoffnung vergegenwärtigt und immer schon Hoffnung voraussetzen würde. Daher hat auch jede Erinnerungskultur, säkularer oder christlicher Provenienz, die entscheidende Frage zu beantworten: Wie wächst aus Erinnerung Hoffnung? Wie wird Anamnese zur Tat? 89 Vermag etwa eine rein säkulare Erinnerungskultur dem Leiden des Menschen gerecht zu werden oder setzt eine memoria passionis, die sich selbst nicht überfordert, immer schon Hoffnungsquellen voraus, dem Leiden irgendwann und irgendwie (moralisch) gerecht werden zu können und nicht 81 Vgl. aktuell BENEDIKT XVI [P.P.], SPE SALVI, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 179 vom 30. November 2007. 82 Vgl. DEMMER, K., Moraltheologische Methodenlehre, Freiburg i. Ue. 1989, 91. 83 Vgl. FUCHS, O., Neue Wege einer eschatologischen Pastoral, in: Theologische Quartalschrift 179 (1999), 260-288. 84 Vgl. HASLINGER, H., Die wissenschaftstheoretische Frage nach der Praxis, in: Ders.: Handbuch praktische Theologie. Bd. 1 - Grundlegung, Mainz 1999, 102-121, besonders: Die Kategorie „Sinn“, 115-119. 85 KARLE, I., Seelsorge im Horizont der Hoffnung. Eduard Thurneysens Seelsorgelehre in systemtheoretischer Perspektive, in: Evangelische Theologie 63 (2003) 3, 165-181. 86 Vgl. gewinnbringend und grundlegend vom Gerichtsgedanken her FUCHS, O., Das jüngste Gericht. Hoffnung auf Gerechtigkeit, Regensburg 2007; ders., Hoffnung über den Tod hinaus. Warum die Rede vom jüngsten Gericht unverzichtbar ist, in: Bibel und Kirche 63 (2008) 4, 200- 203 87 Vgl. LADENHAUF, K.H., Psychotherapie, in: HASLINGER, H. (Hrsg.), Handbuch praktische Theologie. Bd. 1 - Grundlegung, Mainz 1999, 279-291. 88 Vgl. LANGTHALER, R., Gottvermissen - Eine theologische Kritik der reinen Vernunft. Die neue Politische Theologie (J.B. Metz) im Spiegel der kantischen Religionsphilosophie, Regensburg 2000. 89 Vgl. WEISSER, T., Warum sollen wir uns erinnern. Annäherungen an eine anamnetische Ethik, Tübingen 2006. <?page no="149"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 149 moralisch verstört oder desillusioniert zurückzubleiben gegenüber dem „Trümmerhaufen der Geschichte“ (WALTER BENJAMIN)? Dazu scheint mir neben kollektiver und individueller Erinnerungskulturen und jenseits resignativer Tendenzen eine spezifische Hoffnung in den Sinn des Guten unentbehrlich, der sich aber wohl immanentistisch nicht mehr ausweisen lässt, sondern eine metaphysische Basis verlangt. Denn: Wer hofft „sieht“ und „weiß“ mehr. Er durchschaut die Zukunft prophetisch auf ihre positiven Möglichkeiten hin und wird dabei fundamental motiviert für die zu bewältigende und zu gestaltende Gegenwart - gerade in ihren Chancen und Problemen zur Realisierung des Humanum. Was dann philosophisch das Verlangen nach Glück bzw. nach dem höchsten Gut ist, der eudaimonia, was psychologisch das Verlangen nach Sinn und Orientierung ist und theologisch die Hinordnung des Menschen auf Glückseligkeit und Erlösung in liebender Vereinigung mit Gott, die beatitudo, das ist unter anderen Vorzeichen (theologisch-) ethisch die Bestimmung des Menschen zum sittlich Guten. Moralischer Erkenntnisgewinn ist dabei als Hoffnungsgewinn zu verstehen. Präzisere Erkenntnis des moralisch Guten und Richtigen ermöglicht präzisere Hoffnung auf das darin mindestens partiell zum Vorschein kommende höchste Gut. Umgekehrt gilt mindestens dasselbe: Hoffnung ist eine (spezifisch schwache) Erkenntnisform - freilich ohne eine (rationalistische) Form des Wissens zu sein. Aber wie heute von Hoffnung reden, wenn sie sich zusehends zwischen einem (schwächer werdenden) Fortschrittsidealismus auf der einen Seite und einem (stärker werdenden) Kulturpessimismus auf der anderen Seite zu verflüchtigen droht, aber zugleich für die individuelle Lebensführung - so die These - unentbehrlich ist? Wie kann menschliches Handeln sowohl am Zielwert des Humanen orientiert und daraufhin energetisiert werden, als auch individuelles Leben als ein potentiell glückendes imaginiert und von dort her geführt werden? Haben diese Fragen Berechtigung, so gilt es zu klären, was es für den Einzelnen praktisch heißt, zu hoffen, auf welche Weise diese Hoffnung Handlungsrelevanz besitzt und welche Bedeutung, welche Möglichkeiten und welche Dignität sie für die individuelle Lebensführung besitzt, sodass das ermöglicht wird, was ERNST BLOCH „tätige Hoffnung“ 90 genannt hat. m) Hoffnungsspannungen und die Dialektik und Antinomik der Existenz. Die Analogie von Theologie und Anthropologie Eine Reflexion auf die mit dem Projekt einer Ethik der Hoffnung einhergehenden systematischen Fragen, die nicht allein dogmatischer Provenienz sind, dient dazu, die volle Dimensionalität der Hoffnung als einem basalen Spannungsgeschehen in den Blick zu bekommen - auch durch methodische Integration verwandter Phänomene oder Identifikation von Desideraten bzw. Surrogaten humaner Hoffnung. Die hier anvisierte handlungspraktische und integrative Hoffnungstheorie kann dabei trotz ihrer dialektischen Struktur nicht als Wiederbelebung der protestantischen „Dialektischen Theologie“ 91 begriffen werden, da diese von ontologischen Voraussetzungen ausgeht, die im vorliegenden Fall weder verhandelt noch geteilt werden. So hat ein systematischer Abgleich der eigenen Erkenntnisse und Thesen bzgl. einer strukturanthropologischen theologischen 90 Vgl. BLOCH, E. Das Prinzip Hoffnung Bd. 1, Frankfurt am Main 1985, 83. Aktuell wieder aufgegriffen von RIFKIN, J., Der europäische Traum, Frankfurt am Main 2004. 91 Vgl. FIORENZA, F.P., Dialectical theology and Hope I, in: Heythrop Journal 9 (1968), 143-163. Dies., Dialectical theology and Hope II, in: Heythrop Journal 9 (1968), 384-399. Dies., Dialectical theology and Hope III, in: Heythrop Journal 10 (1969), 26-42. <?page no="150"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 150 Ethik der Hoffnung mit den wichtigsten Vertretern solcher Theologien und Philosophien der Hoffnung zu erfolgen, etwa mit E. BLOCH 92 von philosophischer, J. MOLT- MANN 93 von protestantischer, K. RAHNER und J.B. METZ 94 von katholischer Seite. Der grundlegenden Dialektik der beiden Hoffnungs-Formen der Extrapolation und der Antizipation entsprechen vielfältige theoretische Abgrenzungen. Immer geht es darum, die eigentliche, „wahre“ Hoffnung zu „reinigen“ bzw. freizulegen und klar zu trennen von ihren Surrogaten und Derivaten, an denen sie wohl Anteil haben mag, die aber nicht eigentlich die Höhe humaner Hoffnung erreichen, deren basale Struktur unter integrativer Perspektive freizulegen notwendiges Anliegen einer Ethik der Hoffnung ist. Es kann bleibend unterschieden werden zwischen einer zielorientierten, objektivierbaren Erwartung und der eigentlichen Hoffnung 95 , zwischen einer rationalen, technologischen Planung und echter Hoffnung 96 , zwischen einer „vernünftigen“ Prognose und prophetischer Hoffnung, etc. Immer wird eine rationale Zielerreichung (Extrapolation) differenziert von einer hoffenden Sinnerreichung (u.a. Antizipation) - eine Aufgabe, die wohl zum Grundbestand theologischer Selbstreflexion zu zählen hat, da sie das eigentliche Proprium christlicher Hoffnung freizulegen vermag. Die entscheidenden Fragen des Verhältnisses von Hoffnung und Eschatologie scheinen mir nicht mehr vorrangig die zwischen präsentischer 97 und futurischer 98 Eschatologie, oder zwischen geschichtlicher 99 und absoluter 100 Zukunft zu sein, denn als deren sachliche Kristallisationspunkte können die bereits erwähnten Pole des Hoffnungsvollzugs gelten, die nur zusammen die entscheidende Hoffnungsspannung aufrechtzuerhalten vermögen, sodass von einer bleibenden Spannungseinheit beider Pole auszugehen ist, die nicht einseitig aufzulösen ist, ent- 92 Vgl. BLOCH, E., Das Prinzip Hoffnung 3 Bde., Frankfurt am Main 1985, aber auch MARCEL, G., Homo Viator. Philosophie der Hoffnung, Düsseldorf 1949. 93 Vgl. MOLTMANN, J., Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur Begründung und zu den Konsequenzen einer christlichen Eschatologie, Gütersloh 13 1997. 94 Vgl. RAHNER, K., Zur Theologie der Hoffnung, in: Ders., Schriften zur Theologie Bd. VIII, Einsiedeln 1967, 561-579 und METZ, J.B., Glaube in Geschichte und Gesellschaft. Studien zu einer praktischen Fundamentaltheologie, Mainz 5 1992. 95 Vgl. dazu die Arbeiten von GERHARD SAUTER, die immer wieder um diese Unterscheidung kreisen, etwa SAUTER, G., Erwartung und Erfahrung. Predigten, Vorträge und Aufsätze, München 1972. Ders., Zukunft und Verheißung. Das Problem der Zukunft in der gegenwärtigen theologischen und philosophischen Diskussion, Zürich / Stuttgart 1965. 96 Vgl. dazu Studien von JOHANN BAPTIST METZ und GEORG PICHT, etwa METZ, J.B., Zur Theologie der Welt, Mainz 1968. Ders., Gott und Zeit. Theologie und Metaphysik an den Grenzen der Moderne, in: Stimmen der Zeit 3 / 2000, 147-159. Ders., Unsere Hoffnung. Die Kraft des Evangeliums zur Gestaltung der Zukunft, in: Concilium 11 (1975), 710-720. PICHT, G., Prognose, Utopie, Planung. Die Situation des Menschen in der Zukunft der technischen Welt, Stuttgart 1967. 97 Etwa vertreten von BULTMANN, R., Geschichte und Eschatologie, Tübingen 3 1979. 98 Etwa vertreten von RAHNER, Zur Theologie der Hoffnung, 561-579. 99 Vgl. MOLTMANN, J., Christliche Hoffnung: Messianisch oder transzendent? Ein theologisches Gespräch mit Joachim von Fiore und Thomas von Aquin, in: Münchner Theologische Zeitschrift, 33 (1982) 4, 241-260, wobei die Polarisierungen einer eingehenden Textanalyse nicht unbedingt standzuhalten vermögen. Auch ders., Der Gott der Hoffnung, in: Ders. / RIVUZU- MWAMI, C. / SCHLAG, T. (Hrsg.), Hoffnung auf Gott - Zukunft des Lebens. 40 Jahre „Theologie der Hoffnung“, Gütersloh 2005, 11-16. 100 Vgl. auch RAHNER, K., Marxistische Utopie und christliche Zukunft des Menschen, in: GARAUDY, R. / METZ, J.B. / RAHNER, K., Der Dialog. Oder: Ändert sich das Verhältnis zwischen Katholizismus und Marxismus, Reinbek 1966, 9-25. <?page no="151"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 151 sprechend dem christlichen simul von Schon und Noch-Nicht - mit erheblichen Konsequenzen für eine zeitgemäße Parusievorstellung und für einen handlungspraktisch von der Hoffnungsstruktur selber her eröffneten Zeitbegriff. Daran schließt sich eine für christliches Selbstverständnis äußerst wichtige Verhältnisbestimmung an, die nämlich zwischen absoluter (christlicher) Hoffnung und den relativen bzw. subjektiven Hoffnungen des Menschen, zwischen christlichem Hoffnungsgrund und den vielen säkularen und immanenten Derivaten und Surrogaten. Unter anderen Vorzeichen kann von einer Vermittlung von absoluter Hoffnung und der erfahrbaren Weltrealität gesprochen werden, um verständlich zu machen, warum „[...] der subjektive Akt des Hoffens eines objektiven Korrelates bedarf.“ 101 Dieses Verhältnis hat mindestens dreifach bestimmt zu werden: (1) theoretisch, (2) historisch und (3) praktisch, wobei die Einheit der Wirklichkeit nicht vergessen werden darf, sodass die Perspektiven füreinander erschlossen werden müssen. Auf diese Weise wird die praxisverändernde Wirkkraft eschatologischer Realität verständlich, und entsprechende theologische Entwürfe können auf ihre sittlichen Strukturen hin transparent gemacht werden. Unter einer erweiterten Perspektive, die den Verantwortungsbegriff mit einbezieht und die Verantwortbarkeit spezifisch handlungswirksamer Hoffnungen auszuweisen sucht, kann und muss hoffnungstheoretisch eine defensive von einer offensiven Ethik unterschieden werden. Ist die eine an der Vermeidung von Gefahren und der Erhaltung des (gegenwärtig) Bewahrenswerten interessiert, so hat die andere die Verantwortung für die zukünftigen Möglichkeiten einer wirklichen Veränderung vor Augen, die als Entwurf zur fortschreitenden Humanisierung die moralischen Bedingungen der Gegenwart immer wieder weit transzendiert. HANS JONAS etwa kann als Vertreter einer defensiven Ethik gelten, wenn er zunächst völlig entlang der hier vertretenen These, wonach Hoffnung eine der zentralen Handlungsbedingungen darstellt, schreibt: „Hoffnung ist eine Bedingung jeden Handelns, da es voraussetzt, etwas ausrichten zu können, und darauf setzt, es in diesem Falle zu tun. Für den erprobten Könner (auch den Glücksverwöhnten) kann dies mehr als Hoffnung, es kann selbstvertrauende Sicherheit sein; aber dass schon das unmittelbare Gelungene und erst recht sein Weiterwirken im unabsehbaren Fluss der Dinge wirklich das dann noch Erwünschte sein wird, das kann bei allem, was das Handeln sich selbst zutraut, immer nur eine Hoffnung sein.“ 102 Aus dieser Einsicht vermag er dann aber nachfolgend eher eine defensive Konsequenz zu ziehen, wiewohl Hoffnung als Handlungskategorie durchaus in der Lage wäre, eine Balance, eine Spannung von bewahrenden und verändernden, von defensiven und offensiven Verantwortungsentwürfen zu begründen: „Immer muss der Wissende darauf gefasst sein, später einmal wünschen zu müssen, er hätte nicht oder anders gehandelt. Nicht auf diese Unsicherheiten bezieht sich die Furcht, oder doch nur als Begleiterscheinung, und sich von ihr nicht abhalten zu lassen, vielmehr noch für das Unbekannte im Voraus mitzuhaften, ist bei der letztlichen Ungewissheit der Hoffnung gerade eine Bedingung handelnder Verantwortung: eben das, was man den ‚Mut zur Verantwortung‘ nennt.“ Kann in einem weiteren Gedanken christliche Hoffnung, die den „Gott der Hoffnung“ und den hoffenden Menschen, den homo sperans, aufeinander bezieht, an ihr Ziel kommen, wenn sich auch nur eine menschliche Freiheit ihrem Werben auf Dauer ver- 101 Vgl. SCHAEFFLER, R., Was dürfen wir hoffen? Die katholische Theologie der Hoffnung zwischen Blochs utopischem Denken und der reformatorischen Rechtfertigungslehre, Darmstadt 1979, 130. 102 Vgl. JONAS, H., Das Prinzip Verantwortung, Frankfurt am Main 1979, 391ff. <?page no="152"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 152 wehrt? Worauf zielt christliche Hoffnung letztlich - individuell wie kollektiv - insbesondere unter moralischer Perspektive? Und wie wird die Spannung und der Übergang verständlich, wonach der christlich Hoffende irgendwann nicht mehr nur für sich alleine hofft, sondern den anderen in die je eigene Hoffnung hinein nehmen will (vgl. G.W. HUNOLD) und sich in den Dienst der Erfüllung solidarischer Hoffnung stellt. Diese Fragen sind auch und wesentlich hoffnungstheoretisch zu entfalten. Hier wird insbesondere die Frage nach dem Verhältnis von Hoffnung und Apokatastasis 103 zu beantworten sein, mithin die Frage, ob Hoffnung erst dann zu dem ihr inhärenten Ziel gekommen ist, wenn eine Allversöhnung erreicht ist. In diesem Umfeld stellt sich auch das Verhältnis von Hoffnung und Endlichkeit, da der Tod jede immanente Hoffnung potentiell infrage stellt. Das unterscheidend Christliche wird dabei gerne in der Trennung von innerweltlicher Verwirklichung von Utopien aus Menschenhand auf der einen Seite und gnadenhaftem Erschlossensein einer Zukunft durch Gott selbst auf der anderen Seite benannt, eine paradoxe Spannung, der sich ein Christ auszusetzen und in der er sich zu verorten hat, wobei insbesondere der hoffnungsbasierten Transformation 104 christlicher Zukunft in die Welt hinein die moraltheologische Aufmerksamkeit gehört. Es ist zudem nach dem Verhältnis von Erinnerung (Vergangenheit), Erfahrung (Gegenwart) und Hoffnung (Zukunft) im Rahmen der anvisierten Hoffnungsstruktur zu fragen. Schließlich: „Keine Erinnerung, nicht die kleinste, kommt ohne eine an ihr weiterlaufende Erwartung [besser: Hoffnung? ] in Gang, kommt ohne sie aus. Die Erinnerung käme ohne diese Art Betroffenheit gar nicht zustande.“ 105 Beide, Erinnerung und Hoffnung, beziehen sich in diesem Fall auf ein „Unterlassen“ und müssen füreinander erschlossen werden, um die jeweilige Funktion zur Erschließung tätiger und humanisierender Weltverantwortung plausibel machen zu können. Hier ließe sich auch die Geschichtsmächtigkeit christlicher Hoffnung und eine sich von dort konstituierende memoria passionis 106 plausibilisieren. Christlich-integrale Hoffnung muss weiter abgegrenzt werden von jedem rein vergangenheitsorientierten Mythos 107 und von jeder nicht realitätsfähigen Illusion, letzteres gerade im Unterschied zur Utopie, die noch keine Realität hat, keinen realen Kontext in der Zeit, keinen konkreten Ort im Kontext der Zeit und der Wirklichkeit, aber einen solchen Realisierungsort sinnvollerweise haben kann und haben soll, weil sie teilhat am Guten. Darüber hinaus muss Hoffnung abgegrenzt werden von jeder letztlich immer destruktiven Ideologie, die allerdings nicht zu verwechseln ist mit der Weltanschauung. 103 Vgl. STRIET, M., Streitfall Apokatastasis. Dogmatische Anmerkungen mit einem ökumenischen Seitenblick, in: ThQ 184, 3 (2004), 185-201. 104 Auch die These DIETRICH BONHOEFFERS vom „religionslosen Zeitalter“ und sein Bemühen um eine „nicht-religiöse Interpretation biblischer Begriffe“, genauso wie die Überlegungen von JÜRGEN HABERMAS zur „Übersetzung“ religiöser Wertgehalte in säkulare Gesellschaften können hier verhandelt werden, wenn etwa für säkulare Kontexte implizite, aber mitunter geltungstheoretisch „ungedeckte“ Hoffnungsstrukturen freigelegt werden können. 105 Vgl. BLOCH, E., Tübinger Einleitung in die Philosophie (Gesamtausgabe Bd. 13), Frankfurt am Main 1970, 280ff. 106 Vgl. METZ, J.B., Memoria passionis. Ein provozierendes Gedächtnis in pluralistischer Gesellschaft, Freiburg / Basel / Wien 2006. 107 Vgl. LENK, K., Das Elend des Anti-Utopismus, in: Frankfurter Hefte 4 / 2005, 33-38. Ders., „Volk und Staat“ - Strukturwandel politischer Ideologien im 19. und 20 Jahrhundert, Stuttgart 1971. Ders., K. LENK, Ideologie, Ideologiekritik und Wissenssoziologie, Darmstadt 8 1978. Ders., Theorien der Revolution, München 1973. <?page no="153"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 153 Mythos, Illusion und destruktive Ideologie sind das Konterfei der Anti-Hoffnung, was historisch-systematisch zu zeigen wäre etwa an gesellschaftlich-kulturellen Selbstverständnissen der Zeitgeschichte und deren realer (moralischer) Ausgestaltung. 108 Ist das Ostergeheimnis der sachtheologische Grund aller Hoffnung und zudem die Auferstehung untrennbar mit Tod und Sterben Jesu Christi verbunden, so muss nach der Bedeutung und der systematischen Verbindung von Kreuz und Hoffnung gefragt werden. Der Verdacht liegt nahe, dass daraus viel zu lernen wäre über das Verhältnis von Hoffnung und Welt, von Immanenz und Transzendenz - sowohl mit Blick auf die potentielle Tragik und Abgründigkeit menschlicher Existenz als auch mit Blick auf eine Theologie des Bösen. Denn: Soll Hoffnung als Handlungskategorie verstanden werden, wird auch eine Motivation zum Bösen, näherhin die latente Gefahr Freiheit und der Hoffnung, sich verführen zu lassen, für Persuasion anfällig zu sein, sich in ihr Gegenteil verkehren zu lassen, im Hoffnungsbegriff respektive seiner Anthropologie verankert werden müssen. Schließlich und endlich ist damit das von der zu erarbeitenden handlungsbedeutsamen Hoffnungsstruktur reformulierte Verhältnis der drei theologischen Tugenden, dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe zu plausibilisieren. Neben der Einheit der Tugenden 109 wird dabei zudem die differenzierte Funktion insbesondere der Hoffnung als Heilsnotwendigkeit zu entfalten sein. n) Hoffnung und Erlösung - Hoffnung und Bestimmung Es kann von einer Gegenwart der Erlösung in der Hoffnung gesprochen werden, die christozentrisch und theozentrisch und damit personal gedacht wird. Christliche Hoffnung ist nachgerade das Medium, in dem sich Erlösung zeigt, gibt und ereignet. Dabei ist Erlösung Vollendung der Menschwerdung des Menschen und der Mensch dabei ein Wesen der Bestimmung, das sich zwar autonom zu vollziehen vermag, aber nicht autozentrisch. Mit anderen Worten: Erlösung wird wirklich im Modus der Hoffnung und wird solidarisch im Hineinnehmen des je anderen in eine eigene, je größere Hoffnung mitsamt den daraus abgeleiteten Konsequenzen für solidarisches Handeln (vgl. M. STRIET). Auch hier gilt es, das altkirchliche Axiom gratia praesupponit naturam 110 in Anschlag zu bringen und zugleich hoffnungs- und erlösungstheologisch zu entfalten. Wirkungsgeschichtlich wurde mitunter die inkommensurable Hoffnungsspannung christlicher Erlösungsvorstellungen (alter Mensch und neuer Mensch, Reich Gottes und irdische Welt, Sünder und Gerechter, etc.) einseitig aufgelöst und die Erlösung faktisch gegenwärtig gesetzt, was unter der Bedingung des eschatologischen Vorbehalts durchaus legitim ist, aber einzig unter diesem Vorbehalt, der gerade die entscheidende Spannung der Hoffnungspole verkörpert und zusammenhält. Die entsprechende Wirklichkeit hat zwar bereits mit dem Christusgeschehen begonnen, ist aber noch in der vollständigen Erfüllung ausständig, weswegen es Erlösung nur im Modus der Hoffnung gibt (vgl. J. RATZINGER) - und damit auf der Basis von basalen theologischen und anthropologischen Spannungen. 108 Zu denken wäre etwa an die Zeit des Nationalsozialismus, des Faschismus und anderer totalitärer Regime. 109 Vgl. BALTHASAR, H.U. VON, Die Einheit der theologischen Tugenden, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio 13 (1984), 306-314. 110 Vgl. RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI.], Gratia praesupponit naturam. Erwägungen über Sinn und Grenze eines scholastischen Axioms, in: Ders. / FRIES, H., (Hrsg.), Einsicht und Glaube, Freiburg im Breisgau 1962, 135-149. <?page no="154"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 154 Diese Vereinseitigung hatte immense Auswirkungen auf das damit einhergehende Menschenbild und die daraus abgeleitete Handlungspraxis. Statt den Menschen in eine dialektische, alle Verhältnisse (Gottesverhältnis, Welt- und Selbstverhältnis) durchdringende Hoffnungsspannung zu stellen, hat man ein Verhalten erwartet (und normiert) dergestalt, als ob christliche Erlösung quasi nur „anzutreten“ wäre. Statt sie existentiell zu erhoffen, sehnsüchtig zu erwarten und zu harren auf die Parusie und genau daraus ein Handeln abzuleiten, wurde es aus der faktisch gegenwärtig gesetzten Erlösung abgeleitet. Das hatte legalistische, moralistische und schließlich kasuistische Folgen: Es wurde der Versuch einer objektiven Konkretion erlösten Lebens unternommen. Dagegen ermöglicht gerade die Hoffnungsspannung grundchristliche Vollzüge: Klage, Bitte, Gebet, Solidarität, ideologiekritische Enttotalisierung und permanente Humanisierung durch sukzessive verwandelnde Annäherung an die Erlösung. 111 Auf diese Weise können allererst die ethischen Konsequenzen der Eschatologie in den Blick kommen. Diese bieten nämlich zuvörderst Antwort auf Angst, auf Tod und drohende Sinnlosigkeit durch das Nichts. Nicht umsonst bewährt sich der sachlogische Grund aller Hoffnung, die Auferstehung, gegen den Tod über den Tod hinaus, wohingegen ansonsten eine Nivellierung aller rein immanenten Hoffnungsentwürfe quasi rückwärts droht. So aber ist verbürgte und spezifisch begründete Hoffnung denkbar, die nicht innerhalb der Grenzen der vorfindlichen Welt domestiziert wird. Schließlich gehört es zum Paradox christlicher Hoffnung, „ihre empirische Armseligkeit und ihre Unbesiegbarkeit“ 112 zugleich zu konstatieren. Wiewohl sie letztlich nicht von dieser Welt ist, so ist sie doch in dieser Welt, die ihr einen realen Anhalt ermöglicht. Die soteriologisch akzentuierte Spannung von irdischer Hoffnung und übernatürlicher Hoffnung bietet nun eine Reihe von pars pro toto genannten Entdeckungs- und Begründungszusammenhängen, die es zu entfalten gilt: die Inkarnation der göttlichen Zukunft in vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Kreuzeserfahrungen; das Verhältnis von stellvertretendem Leiden und stellvertretender Hoffnung; das Verständnis moralischer Solidarität unter allen Menschen, die niemanden aus der Hoffnung entlassen mögen; die Hoffnung auf Gerechtigkeit auch für die bereits Verstorbenen; die Frage nach der hoffnungsbasierten Möglichkeit auf Annahme immer auch tragischer und schuldiger Existenz - entlang dem altkirchlichen Axiom des ATHANASIUS: „Nur was angenommen ist, kann erlöst werden.“ Die Frage nach der Erlösung kann und muss schließlich 111 Auch Gesellschaftsformen und deren Mentalitäten wurden durch solche Vereinseitigungen geprägt, was die autonome Eigendynamik der einzelnen gesellschaftlichen Subsysteme nicht zurEntfaltung kommen ließ - mitunter erst nach Widerstand, Traditionsabbruch und Säkularisierung. Dabei zeigt gerade diese moderne „Weltlichkeit der Welt“ (R. SCHAEFFLER) und ihrer autonomen Subsysteme ihre prinzipielle „Offenheit“ und Angewiesenheit auf transzendentale Hoffnungsfiguren. Auch an kulturellen Selbstverständnissen und gesellschaftlichen Strukturen (vgl. Absolutismus und Theokratie) lassen sich daher Vereinseitigungen der Hoffnungsspannung ablesen. Im Laufe der Geschichte wurden daher zentrale Hoffnungsfiguren (moralisch) gereinigt und säkularisiert: Demokratie (J. HABERMAS), Menschenrechte, Würde, Gerechtigkeit, Gleichheit, etc. Menschheitliche Hoffnung wird auf diese Weise gereinigt von (vermeintlich) metaphysischem Ballast und realiter erkennbaren Illusionen und differenziert mit Blick auf die damit einhergehenden pragmatischen Verfahrensregeln - immer wieder je neu. 112 Vgl. RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI], Auf Christus schauen. Einübung in Glaube, Hoffnung, Liebe, Freiburg im Breisgau 2006, 72. <?page no="155"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 155 auch als Frage nach (letztgültigem) Sinn gelesen werden. 113 Und so ist die Sinnkategorie (1) nicht nur als begriffliche Brücke in die Humanwissenschaften hinein von großer Bedeutung im Sinne einer Konkretion des Hoffnungsgutes, um anschlussfähig zu sein, sie ist (2) zentraler Bestandteil innerhalb (moral-) theologischer Tradition 114 selbst, so dass auch das Selbstverständnis der Disziplin von dort her eine Korrektur zu erfahren hat. o) Hoffnung und Heilung - Therapeutische Hoffnung Das Christentum ist eine zutiefst therapeutische Religion, wie nicht allein EUGEN BI- SER 115 oder (stark psychologisierend) EUGEN DREWERMANN wieder in Erinnerung gerufen haben. Der Versuch, entsprechende Potentiale freizulegen und anthropologisch zu fundieren, stößt allerdings auf nicht unerhebliche theoretische Schwierigkeiten. Dennoch: Selbst der für solche Fragen eher unverdächtige KLAUS DEMMER kann konstatieren. „Der therapeutische Impetus moraltheologischer Reflexion ist unverwechselbar.“ 116 Dieser therapeutische Impetus, so kann thesenhaft den Belegen und der systematischen Entfaltung vorgegriffen werden, hängt zentral an der Hoffnungsstruktur des Glaubens - und umgekehrt: Über die Aufrichtung und Entfaltung von Hoffnungen oder auch nur Hoffnungsaspekten wird der Glaube therapeutisch und heilsam. Diese direkte Verbindung zwischen Hoffnung und Heilung ist für das Christentum wieder anzueignen, da sie große Potentiale bereit hält - auch und gerade für eine konsiliare Ethik 117 Die Orientierung der (Theologischen) Ethik insgesamt, ausgehend von ihren historischen Anfängen, die stark mit der Suche nach dem Menschen angemessenen Lebensformen und Fragen der Lebensführung beschäftigt waren, auf Lebenshilfe für den in seiner Handlungsfähigkeit gehemmten 118 oder versehrten Menschen und auf Befreiung bzw. 113 Vgl. grundlegend RAHNER, K., Die Sinnfrage als Gottesfrage, in: Ders., Schriften zur Theologie, Einsiedeln 1983, 195-205. Dazu kritisch KÖRTNER, U.H., Megatrend Gottvergessenheit. Die These von der Wiederkehr der Religion hat wenig Anhalt an der Wirklichkeit, in: Zeitzeichen 5 / 2006, 12-14, „Wohl mag es sein, dass der Mensch nicht umhin kann, nach Sinn zu fragen. Doch diese Frage ist nicht einfach identisch mit der Gottesfrage. Und nicht alle Antworten auf die Sinnfrage kann man als religiös bezeichnen. Religion ist vielmehr eine Möglichkeit neben anderen, Sinnfragen und Erfahrungen von Sinnwidrigkeiten zu bearbeiten - aber nicht die einzige. [...] Davon abgesehen darf die vom Glauben behauptete ‚Unvermeidbarkeit Gottes‘ nicht mit der Unvermeidbarkeit der Frage nach Gott verwechselt werden.“ Die jeweilige Bedeutung der Sinnfrage innerhalb der theologischen Disziplinen freizulegen, stellt nach wie vor eines der großen Desiderate theologischer Forschung dar. 114 Vgl. in ARNTZ, K., „Salz der Erde - Licht der Welt“. Zum Profil theologischer Ethik in pluraler Gesellschaft, in: ARNTZ, K. / HAFNER, J.E. / HAUSMANNINGER, T. (Hrsg.), Mittendrin statt nur dabei. Christentum in pluraler Gesellschaft, Regensburg 2003, 47-69. Weitere Versuche bei K. DEMMER, G.W. HUNOLD und D. MIETH. 115 Vgl. BISER, E., Theologie als Therapie. Zur Wiedergewinnung einer verlorenen Dimension, Heidelberg 1985. Man denke auch an die neutestamentlichen Bezeichnungen Jesu als Arzt. 116 Vgl. DEMMER, K., Moraltheologische Methodenlehre, Freiburg (Schweiz) / Freiburg im Breisgau 1989, 12. 117 Vgl. KRÄMER, H., Soll und kann die Ethik beraten? , in: SCHNEIDER, J.H.J. (Hrsg.), Ethik - Orientierungswissen? , Würzburg 2000, 31-44. 118 Vgl. KRÄMER, H., Philosophische Anthropologie, Hemmungskategorie, Moralerklärung, in: ENDREß, M. / ROUGHLEY, N. (Hrsg.), Anthropologie und Moral. Philosophische und soziologische Perspektiven, Würzburg 2000, 151-165. <?page no="156"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 156 Freisetzung aus heteronomen Verstrickungen 119 , ist unübersehbar und kann zum Selbstverständnis des Faches 120 gezählt werden. Moraltheologisch entspricht dies den Strukturen einer Könnensethik, einer Dennoch- oder Trotzdem-Ethik, einer Bewältigungs-Ethik, einer Ressourcen-Ethik, einer schöpferischen und zugleich operativen Ethik, auch einer donativen Ethik und einer, der es auch um die basale Ermöglichung dessen geht, was moralisch gesollt ist und zugleich dem Glücken des Menschen entspricht. Umgekehrt müssten sich dann aber auch Spuren und Aspekte des christlichen Kerygmas in allen realen therapeutischen Wirkungen finden lassen. Denn alle Heilung partizipiert an einem pneumatologisch zu deutenden Heil, wenn die Welt als Schöpfung und die Inkarnation des Geistes ernst genommen werden. So eröffnet und vermittelt Hoffnung moralische Orientierung und moralische Befreiung, indem Horizonterfahrungen 121 , also Grenzerfahrungen und Erfahrungen des Übergangs von Unfreiheit zu Freiheit, von Hemmung zu Orientierung, von Sinnlosigkeit und Tristesse zu Sinnaussicht und Zuversicht, von Angst zu Vertrauen, von Handlungsstarre zu Motivation als Funktion von Hoffnungsentwürfen begriffen und entfaltet werden. p) Ausblick Noch in den 60er Jahren des 20. Jh. ließ sich eine regelrechte Renaissance intellektueller Anstrengungen zur Relevanz christlicher Hoffnung beobachten: von katholischer Seite getragen durch den Aufbruch des Konzils, das vielfach von der gegenwärtigen Bedeutung der Hoffnung sprach 122 und selber Hoffnung zu machen vermochte, von evangelischer Seite inspiriert durch die Entdeckung der eschatologischen Dimension der gesamten christlichen Botschaft im 19. Jh. u.a. durch JOHANNES WEIß und ALBERT SCHWEITZER, gesellschaftlich noch den Nachkriegsaufschwung im Rücken, wurde an einer Philosophie und Theologie der Hoffnung gearbeitet. Wo erstere über Hoffnung als einem Grundexistential des Menschen nachdachte, wollte letztere dem „Gott der Hoffnung“ (Röm 15,13) näher kommen und die Erlösung „auf Hoffnung hin“ (Röm 8,24) theoretisch entfalten und dabei Anschluss an die Berechtigung auch und gerade säkularer 119 Vgl. STEGMAIER, W., Ethik als Hemmung und Befreiung, in: ENDREß, M. (Hrsg.), Zur Grundlegung einer integrativen Ethik, Frankfurt am Main 1995, 19-39. 120 Vgl. MAßHOF-FISCHER, M., Ethik als konsiliare Praxis der Lebenshilfe zur persönlichen Identitätsfindung. Pastorale Lebensberatung als integraler Teil ethischen Selbstverständnisses, in: LAUBACH, T. (Hrsg.), Ethik und Identität. (FS für G.W. HUNOLD zum 60. Geburtstag), Tübingen / Basel 1998, 53-67. MAURER, A., Das humanwissenschaftliche Gespräch zum Verständnis sittlicher Kompetenz. Themen - Tendenzen - Einsichten, in: EID, V. / ELSÄSSER, A. / HUNOLD, G.W. (Hrsg.), Moralische Kompetenz. Chancen der Moralpädagogik in einer pluralen Lebenswelt, Mainz 1995, 11-36. 121 Vgl. STEGMAIER, W. (Hrsg.), Orientierung. Philosophische Perspektiven (stw 1767), Frankfurt am Main 2005. 122 Die Konzils-Konstitution Gaudium et Spes (GS) beginnt beispielsweise mit den Worten: „Freude und Hoffnung, Bedrängnis und Trauer der Menschen von heute, besonders der Armen und Notleidenden aller Art, sind zugleich Freude und Hoffnung, Trauer und Bedrängnis der Jünger Christi.“ Daneben charakterisiert sie die Situation des Menschen in der heutigen Zeit als ausgespannt zwischen Hoffnung und Angst: „So sind sie, zwischen Hoffnung und Angst hin und her getrieben, durch die Frage nach dem heutigen Lauf der Dinge zutiefst beunruhigt.“ Vgl. RAH- NER, K. / VORGRIMLER, H. (Hrsg.), Kleines Konzilskompendium. Sämtliche Texte des Zweiten Vatikanums, Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 19 1986, 449 und 452. <?page no="157"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht I 157 Utopien gewinnen. 123 Zweifelsohne, die Kategorie der Hoffnung hatte einst Konjunktur 124 - insbesondere auch in Auseinandersetzung mit marxistischen Strömungen, die als Herausforderung für dezidiert theologische Entwürfe verstanden wurden 125 . In der Regel wird sie zwar für notwendig erachtet für menschlichen Selbstvollzug, aber zugleich häufig nur in appellativem Charakter gewürdigt, so als ob eine längst vergangene buchstäblich hoffnungsvollere Zeit revitalisiert werden sollte, indem paränetisch an sie erinnert wird. Mentalitätsgeschichtlich betrachtet wird die Kategorie der Hoffnung kollektiv wie individuell zusehends unter Ideologieverdacht gestellt, nachdem gerade nicht allein das 20. Jh. in seinen politischen Utopien 126 und Hoffnungen 127 katastrophale Folgen zeitigte und man heute glaubt, gesellschaftliche Pathologien und Problembestände auf der Basis einer reinen Kommunikations- und Verfahrenspragmatik lösen zu können, wie sie exemplarisch JÜRGEN HABERMAS 128 vorgeschlagen hat - sicher auch als Reaktion auf (national) sozialistische, faschistische, marxistische und andere totalitäre gesellschaftliche Utopien einer besseren Gesellschaft. Wiewohl sie häufig im Munde geführt wird, häufig an sie appelliert wird, wird derjenige, der noch glaubt, Hoffnung hegen zu können für sich und die Welt, Hoffnung zu haben und aus Hoffnung zu leben, sich alsbald dem Verdacht ausgesetzt sehen, über den wirklichen Zustand dieser Welt nicht ausreichend aufgeklärt zu sein. Der nämlich, würde man um ihn wissen und ihn ernst nehmen, verbiete es aus vermeintlichem Respekt vor den Opfern und den Leiden der Geschichte, noch ernsthaft von Hoffnung zu reden. Hier wird Hoffnung in Verkennung ihrer eigentlichen moralischen Struktur fälschlicherweise als Defizitform des Wissens aufgefasst, wiewohl sie recht eigentlich ein Verhältnis zweiter Ordnung zu allem potentiellen Wissen der Zukunft gegenüber darstellt und damit dieses nochmals umfängt. 123 Vgl. zur katholischen Rezeption SCHAEFFLER, R., Was dürfen wir hoffen? Die katholische Theologie der Hoffnung zwischen Blochs utopischem Denken und der reformatorischen Rechtfertigungslehre, Darmstadt 1979. 124 Schließlich hat jede Theologie ihre Zeit, auch die Theologien der Hoffnung, die nach dem zweiten Weltkrieg noch an die Zeit des ersten anknüpften (E. BLOCH, P.T. CHARDIN). Demnach kann eine Ethik der Hoffnung nachwievor als diesbezügliches Desiderat gelten. 125 Vgl. GARAUDY, R. / METZ, J.B. / RAHNER, K., Der Dialog. Oder: Ändert sich das Verhältnis zwischen Katholizismus und Marxismus, Reinbek 1966 und PEUKERT, H., Wissenschaftstheorie - Handlungstheorie fundamentale Theologie. Analysen zu Ansatz und Status theologischer Theoriebildung, Frankfurt am Main, 1978, aber auch NITSCHE, B. (Hrsg.), Atem des sprechenden Gottes. Einführung in die Lehre vom Heiligen Geist, Regensburg, 2003. 126 Vgl. dazu SAAGE, R., Politische Utopien der Neuzeit, Darmstadt 1991. 127 Vgl. zum Verhältnis von säkularer Utopie und christlicher Hoffnung einführend SILBER- MANN, L.H. / FRIES, H., Utopie und Hoffnung, in: BÖCKLE, F. / KAUFMANN, F.-X. / RAHNER, K. / WELTE, B. (Hrsg.), Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft (Enzyklopädische Bibliothek in 30 Bden.) Bd. 23, Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 1982, 55-86. 128 Vgl. HABERMAS, J., Nachmetaphysisches Denken. Philosophische Aufsätze, Frankfurt am Main, 1988. Ders., Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Frankfurt am Main, 1992. Ders., Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln, Frankfurt am Main, 1992. Ders., Theorie des kommunikativen Handelns 2 Bde., Frankfurt am Main, 2001. <?page no="158"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 158 2. Etymologische, begriffliche und religionswissenschaftliche Einlassungen a) Etymologisch-Semantische Vorstudien Sprache ist Teil menschlicher Handlungswirklichkeit - nicht nur in ihren performativen Funktionen. So lässt sich aus der Analyse sprachlicher Ausdrucksformen und deren faktischer Verwendung quasi in umgekehrter Blickrichtung auf deren möglichen „Sitz im Leben“ menschlichen Handlungsalltags schließen. Damit das möglich ist, sind Wortfelduntersuchungen anzustrengen, die einen Begriff oder eine Kategorie auf ihre tragenden Bedeutungen hin befragt, insbesondere mit Blick auf die Kontexte aus verschiedenen Sprachfamilien und Epochen und mit dem vorrangigen Fokus auf ihre lebensweltliche und handlungsweltliche Verortung. So können bereits im Vorfeld der eigentlichen Begriffssystematik wichtige Konnotationen freigelegt werden und quasi sprachanthropologisch fundiert wichtige Einsichten gleich einem semantischen Korridor vorbereitet werden. Solche Wortfelduntersuchungen sind moraltheologisch unerlässlich, sogar nachgerade zu ihrer ureigenen Methodologie zu zählen, da sie in die hintersten Winkel menschlicher Handlungs- und Sprachpraxis zu blicken vermögen. So gesehen sind sie in den moraltheologischen Methodenkatalog aufzunehmen - mehr als es bisher geschehen ist. Neben begrifflichen Analysen, die für logische Klarheit in der Argumentation sorgen, sind Wortfelduntersuchungen moraltheologisch auch aus dem Grund unerlässlich, vermögen sie doch eine inhärente Moral bzw. Moralstrukturen freizulegen. Nicht nur, dass (sprach-) analytische Ethikformen aus der Logik und der Phänomenologie von Sprache Moral zu verstehen und zu begründen versuchen, die faktische Verwendung lässt ihrerseits auf eine mögliche Bedeutung für die praktische Lebensführung schließen, deren Gelingen der Mensch versucht zu betreiben und das unter anderem im wissenschaftlichen Fokus theologischer Ethik steht. Die im Folgenden angestellten Wortfelderhebungen dienen dem Zweck, ein erstes begriffliches Strukturraster im Umfeld der Hoffnungskategorie aufzurichten, das die nachfolgenden Ausführungen vorbereiten und leiten soll und das von unterschiedlichsten Hoffnungsbegriffen geronnene semantische Feld in einem ersten Anlauf grob abstecken wird. Basis soll dabei die etymologische Analyse bilden, deren Aufgabe es ist, die in der Sprache sedimentierte Handlungserfahrung moraltheologisch abzugreifen, die sich aufgrund der faktischen Verwendung von Sprache und deren Begrifflichkeit angesammelt hat. Die etymologischen Analysen dienen dabei einem Entdeckungszusammenhang, keinem Begründungszusammenhang. 129 Ziel ist eine semantische Spezifizierung und 129 Als philosophische Referenzen für das vorliegende Verfahren kann auf zwei philosophische Traditionen verwiesen werden, wiewohl eine Applikation auf dezidiert moraltheologische Fragestellungen vorgenommen wurde. Zum einen ist die analytische (Sprach-) Philosophie zu erwähnen, der es ja vor allem daran gelegen ist, sprachliche Ausdrücke hinsichtlich ihres Gebrauchs zu klären und deren Bedeutung im Rahmen eines Kontextes zu erhellen. Die vorliegende Methodologie ist aber keine sprachanalytische im engeren Sinne, da es für den vorliegenden Kontext weniger um die logische Kohärenz von sprachlichen Äußerungen geht oder um die Aufdeckung sprachlicher Unklarheiten, zumal es die analytische Sprachphilosophie aufgrund der Pluralität der Ansätze auch gar nicht gibt und im Rahmen der vorliegenden Fragestellung vielmehr von einer reflexiven Sensibilität für die handlungsdimensionalen Aspekte menschlicher Sprache gesprochen werden kann. Schließlich scheint mir nach wie vor der Überstieg von der Sprache in das Sein bzw. in die Ontologie das entscheidende philosophische Prob- <?page no="159"?> 2. Etymologische, begriffliche und religionswissenschaftliche Einlassungen 159 systematische Konkretisierung der Hoffnungskategorie anhand unterschiedlichster Hoffnungsbegrifflichkeiten. Methodisch sollen Hoffnungsbegriffe systematisch auf die sie ermöglichenden Handlungs- und Erfahrungskontexte und deren semantische Gehalte hin befragt werden. Auch sprichwörtliche Redewendungen zum Thema gehören selbstredend dazu. α Hoffnung Bei der Kategorie der Hoffnung handelt es sich um einen komplexen, multivalenten Begriff, für den sich eine umfangreiche Korona von Bedeutungen nachweisen lässt, was sich vor allem an der Vielzahl der verwandten Wörter zeigt, aber ebenso an den vielfältigen Verwendungen in der Alltagssprache: Das deutsche Hoffnung lässt sich zurückführen auf das mittelniederdeutsche hopen, was in seiner sinnlichen Grundbedeutung soviel wie hüpfen (mhd. hupfen, nd. hoppen), vor Erwartung unruhig springen, zappeln meint. 130 Eine früheste Erwähnung findet es als hopian im 9. bis 10. Jahrhundert. Es kam dann zu einem Übertrag des ursprünglichen Hüpfens und Aufspringens bzw. in die Höhe Springens auf verschiedenste damit verknüpfte Gemütserregungen, wie etwa das überrascht Auffahren, das ungeduldige Spähen, das Ausschauen und später das (Er-) Warten. Davon kann schließlich die allgemeine Grundbedeutung abgeleitet werden: „etwas künftiges Angenehmes erwarten“, das ein „Vertrauen auf etwas künftiges vorwärts Helfendes“ 131 ausdrückt. Mitunter tritt das Vertrauen in den Vordergrund, mitunter eher das schlichte, aber feste Warten. Immer aber geht es um etwas Zukünftiges, das die Aussicht auf etwas Förderliches und / oder Angenehmes bei sich trägt. Das Deutsche Wörterbuch von JACOB und WILHELM GRIMM 132 spricht zudem davon, dass wir eine Hoffnung haben, behalten, geben, machen oder nähren können, dass wir demgegenüber aber auch Hoffnung verlieren, schwinden lassen, aufgeben, rauben können, sodass sie vergeht und erlischt. Hoffnung kann dabei schön, sicher, unsicher, begründet, gering, eitel, fehlgeschlagen, falsch oder leer sein. Dabei gibt es den Hoffnungsanker 133 und den Hoffnungshafen, aber auch den Hoffnungsdunst, der den Blick verstellt; dagegen das Hoffnungsauge und das Hoffnungslicht, das sehend macht, den (manchmal dünnen) Hoffnungsfaden, das Hoffnungsglück und die Hoffnungsfrucht, die lem dieses Ansatzes zu sein, weswegen an dieser Stelle vorsichtiger aus der faktischen Verwendung auf eine noch näher zu qualifizierende anthropologische Basis, näherhin einen Ort im Kontext menschlicher Handlungspraxis, geschlossen werden soll, d.h. dass ein konstruktives Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit bereits vorausgesetzt wird. Daneben ist auf die sogenannte Philosophie der normalen Sprache zu verweisen, der es an einer Klärung des Verhältnisses von philosophischer und Alltags-Sprache gelegen ist und die etwa eine klärende, therapeutische, beweisende und heuristische Funktion einer solchen Philosophie unterscheidet, Funktionen wie wir sie allesamt im Rahmen des hier angestrebten integrativen Hoffnungsbegriffs wiederfinden werden. Vgl. SAVIGNY, E. VON, Die Philosophie der normalen Sprache. Eine kritische Einführung in die ‚ordinary language philosophy‘, Frankfurt am Main 1974. 130 Vgl. für die folgenden Hinweise GRIMM, J. / GRIMM, W., Deutsches Wörterbuch IV - 2, Leipzig 1877, 1668-1678. 131 Vgl. für beide Zitate ebd. 1669. 132 Vgl. ebd. 1674. 133 Vgl. ebd. 1676ff. Vgl. auch das Bild Hoffnung und Zuversicht (Spes) von JACOB MATHAM nach HEINDRICK GOLTZIUS mit der Inschrift: Maerentes recreo, / vitae ne taedeat aegrae, Adversae praebens / solatia dulcia sortis. Ich bin Trauernden Trost, / dass niemand wegwirft sein Leben. Widerwärtig war´s, / doch lindernd gewähre ich Labsal. <?page no="160"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 160 Fülle, den Grund, das Schiff, das Reich und den Zweifel der Hoffnung. Da gibt es den Hoffnungstrost, den Hoffnungsschimmer, die Hoffnungsqual und die Hoffnungslust, aber auch die Hoffnungsglut. Auffällig sind verschiedene Bildkontexte, etwa der des Meeres, in dem Hoffnung Sicherheit und Halt bietet. Nicht umsonst ist der Hoffnungsanker eines der bekanntesten Symbole für die Hoffnung, der inmitten des ungesicherten und tobenden Meeres vor dem Untergang zu retten vermag. Daneben werden Bilder von Licht und Feuer erwähnt, die ein klares oder vernebeltes Sehen benennen, auch ein Brennen wird erwähnt. Häufige Erwähnung finden die emotionalen Komponenten von Hoffnung - Hochstimmungen, wo sie ihre Wirkung zu entfalten vermag, Enttäuschung, Bitterkeit und Sarkasmus, wo sie sich als trügerisch und unrealistisch erwies. Bereits auf der etymologischen Begriffsebene lassen sich Inhalt bzw. Gegenstand, Herkunft und Grund und der Vollzug bzw. die Wirkung der Hoffnung unterscheiden. Aufschlussreich ist dabei der Umstand, dass der Plural in der Regel Anwendung findet, wenn mehrere verbundene Hoffnungen aus einer „Grundstimmung“ 134 heraus fließen. Auf der Ebene der komplexeren Redensarten und Redewendungen 135 ist schließlich eine Fülle von Erfahrung mit dem Hoffen kondensiert, wobei insbesondere die Ungewissheit und Unsicherheit hervorgehoben wird, umgekehrt aber genauso deren faktische Notwendigkeit für ein aktives Leben und für die Aufrechterhaltung von Handlungsmotivation benannt wird. D.h. es zeigt sich eine enge Verbindung von Hoffnung und Handeln, wobei die Grenzen des eigenen Tuns dabei nicht missachtet werden, sondern sogar mit Deutlichkeit artikuliert werden. So heißt es zwar: „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, aber auch: „Die Hoffnung ist ein langes Seil, darin sich viele zu Tode ziehen.“ Oder: „Hoffen heißt Wolken fangen wollen.“ Demgegenüber kann der Mensch zwar „guter Hoffnung“ (esse spe bona) sein und „am Kap der Guten Hoffnung wohnen“, wenn er sich von bestimmten Hoffnungen leiten lässt, er kann dabei aber auch zwischen „Furcht und Hoffnung schweben“ (spemque metumque inter dubii). Wenn allerdings „seine Hoffnung in den Brunnen gefallen“ ist, dann sind des Menschen Pläne missglückt und vereitelt. Sprichwörter 136 zur Hoffnung betonen neben der Fallibilität, d.h. der Täuschungsanfälligkeit der Hoffnung, auf erstaunliche Weise praktisch all diejenigen Elemente, die später für die anvisierte Ethik der Hoffnung von Bedeutung sein werden: Da ist einmal die Hoffnungsspannung und das Nicht-Wissen des Ausgangs, die emotionale und dabei insbesondere die ermutigende und aktivierende Wirkung, aber auch die tröstende, geduldige und nährende Wirkung und das Zueinander von eigenem Tun und Gottes Geschenk bzw. dem, was Schicksal genannt wird. Da ist eine Hoffnung, die sehen lehrt, Wert- und Sinnmöglichkeiten zum Guten nämlich, die den Blick erweitert; und eine Hoffnung, die den Blick auf die Wirklichkeit und deren Möglichkeiten verstellt, da sie illusionär wird. Auf diese Weise wird nicht nur das Handeln und Verhalten des Menschen als von der Hoffnung (mit) bestimmt gedacht, sondern auch sein faktisches Erleben. So heißt es etwa zum Verhältnis von Hoffnung und Realität: „Man soll das Beste hoffen und das Schlimme tragen“ 137 oder: „Wer viel hofft, der täuscht sich oft.“ 138 Und: „Wer viel hofft, der muss viel sorgen.“ Zur Ungewissheit der Hoffnung heißt es etwa: 134 Vgl. GRIMM / GRIMM, Deutsches Wörterbuch IV, 1675. 135 Vgl. RÖHRICH, L., Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten Bd. 1, Freiburg im Breisgau 1973, 428ff. 136 Vgl. etwa WANDER, K.F.W., Deutsches Sprichwörter-Lexikon II, Darmstadt 1964, 718-727. 137 Vgl. ebd. 719. 138 Vgl. ebd. 720. Dort auch: „Wer nicht hofft ein Gut, der fürchtet kein Unheil.“ <?page no="161"?> 2. Etymologische, begriffliche und religionswissenschaftliche Einlassungen 161 „Wer hofft und meint, er hab’s schon ganz, der hat den glatten Aal beim Schwanz.“ Demgegenüber betont die positive Wirkung: „Der Hoffnung Licht verlöscht dem Guten nicht.“ 139 Immer wieder kann an sprichwörtlichen Redewendungen auch abgelesen werden, dass es neben der Eigenaktivität auch einen Anteil gibt, den der Mensch nicht eigenmächtig in Händen hält und den er abwechselnd Gott, der Natur bzw. dem Schicksal oder anderen Menschen zuschreibt, wenn daran nicht insgesamt die Hoffnung infrage gestellt wird. Exemplarisch heißt es: „Die Hoffnung ist unser, der Ausgang Gottes.“ Oder: „Wir hoffen, Gott gibt’s.“ Die bereits mehrfach Bestätigung gefundene aktivierende Bedeutung der Hoffnung zeigt sich etwa in: „Hoffnung auf Gewinn macht die Füße leicht.“ 140 Und mit der Hoffnung verbundene Erfahrungen des Trostes und der Rettung spiegeln sich in: „Hoffnung in Noth ist der größte Trost.“ 141 Ebenso: „Mit der Hoffnung wächst der Mut.“ 142 Oder: „Hoffnung ist der Geduld Blasebalg.“ 143 Für den Kontext der vorliegenden Fragestellung äußerst interessante Verbindungen gibt es zum Stichwort (Aufrechterhaltung von) Gesundheit und zur (geistig-mentalen) Sättigung und Erfüllung, auch das Leben als Ganzes findet sich sprichwörtlich mit Hoffnung versehen: „Hoffnung ist der Seelen Speis.“ „Hoffnung ist das Brot der Elenden.“ Dagegen: „Die Hoffnung sättigt nicht.“ 144 Schließlich der aufschlussreiche Hinweis: „Wo keine Hoffnung zur Gesundheit ist, soll man die Arznei sparen.“ Oder: „Hoffnung ist die beste Arznei.“ 145 Und schließlich: „Wenn die Hoffnung nicht wär, so lebt ich nicht mehr.“ 146 Die etymologischen Einlassungen können nun darauf hinweisen, dass allein die Vorläufer des Hoffnungsbegriffs aus dem deutschsprachigen Raum fast durchweg einen energetisierenden und vitalisierenden Bedeutungsgehalt aufweisen, wobei insbesondere tröstende, schützende und rettende Funktionen zu erkennen sind 147 , wenn sie nicht als enttäuschte, illusionäre oder unrealistische Hoffnung erfahren wurden. Ältere etymologische Wörterbücher zeigen schließlich noch Verbindungen, die sich nicht unmittelbar nahelegen aber dennoch aufschlussreich sind, etwa die enge Verknüpfung von Hoffen und Wünschen, Hoffen und Klagen und Denken 148 , aber auch die Verwandtschaft zum Begehren (cupere) und zum bereits bekannten „in Erwartung aufspringen“, „stutzig werden“ und „erschrecken lassen“. Mitunter wird der Begriff des Hoffens durch das althochdeutsche beziehungsweise mittelhochdeutsche „gedingen“ ersetzt. 149 139 Vgl. ebd. 721. 140 Vgl. ebd. 722 und zweimal 720. 141 Vgl. ebd. 723. 142 Vgl. ebd. 725. 143 Vgl. GRIMM / GRIMM, Deutsches Wörterbuch IV, 1673. 144 Vgl. WANDER, Sprichwörter-Lexikon II, 722 145 Vgl. ebd. 726. Eine Analogie kann bereits an dieser Stelle zu einem Begriff hergestellt werden, wie er in der modernen Psychosomatik entwickelt wurde, wo auf empirischer Basis unter anderem von „Medikamentenvertrauen“ gesprochen wird. 146 Vgl. GRIMM / GRIMM, Deutsches Wörterbuch IV, 1673. 147 Vgl. die Beischrift PETER BRUEGEL’s zu seinem Bild Hoffnung in dieser Arbeit: Jucundissima est spei persuasio et imprimis necessaria, inter tot aerumnas paeneque intolerabiles - Am meisten erfreulich ist die Unterweisung der Hoffnung, ja, lebensnotwendig ist sie, inmitten so vieler fast unerträglicher Qualen. Im Rahmen der moralpsychologischen Erkenntnisse zur Hoffnung im weitesten Sinne werden sich diese Linien noch differenzieren und im subjektiven Handeln, Erleben und Verhalten verankern und verifizieren lassen. 148 Vgl. FAULMANN, K., Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache nach eigenen neuen Forschungen, Halle 1893, 170. 149 Vgl. MITZKA, W., Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 20 1967, 313. <?page no="162"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 162 Im Französischen gibt es nun die sinnige Unterscheidung von espoir und espérance. Während espoir die aktive Hoffnung zur Lebensgestaltung und Lebensbewältigung bezeichnet, die im alltäglichen Leben ihren angestammten Sitz hat und ihrerseits vom Willen zur Selbstwerdung motiviert wird, zielt espérance auf die tiefen existentiellen Hoffnungen, die den Menschen als Menschen kennzeichnen und sogar als bilderlose Hoffnung daherkommen können. 150 Es findet sich an dieser Stelle mithin eine weitere Bestätigung dafür, dass es neben den kleinen und größeren Hoffnungen des Alltags auch die in existentieller Tiefe angesiedelte Hoffnung gibt, die das Ganze des Daseins thematisiert und Ergebnis von basalen Grundüberzeugungen ist, wie sie in den zentralen Bezügen des Menschen verankert sind, dem Selbstverhältnis, dem Weltverhältnis und dem Verhältnis zur Transzendenz. Daneben ist für espère eine aufschlussreiche Bildbedeutung 151 nachgewiesen, wonach Netze aufstellen (auf gut Glück, bzw. in der Hoffnung auf Fang) zum Bedeutungsfeld gehören kann. Die deutschsprachigen Begrifflichkeiten zur Hoffnung sind mit den englischen etymologisch eng verwandt, wie das englische hope leicht zeigen kann. Aus diesem Grund dürften auch die semantischen Verbindungen eng sein. Allerdings ist neben der Bedeutung hüpfen auch noch die von Haufe(n), Trupp im Sinne eines verlorenen, hoffnungslosen Haufens (von Menschen) nachzuweisen 152 , was auf die kollektive An- oder Abwesenheit von Hoffnung hindeuten kann, die mit der Perspektive von außen auf das jeweilige Kollektiv oder von innen aus der Gruppe heraus betrachtet werden kann. Für den lateinischen Sprachkontext ist unter etymologischer Perspektive im Allgemeinen schließlich noch auf folgende aufschlussreiche Verbindungen des Hoffnungsbegriffs hinzuweisen: Es können Verwandtschaften 153 zu von Hoffnung geschwellt sein, zu eilen respektive Beschleunigung, sehr aufschlussreich auch zu vermögen, können, gelten, stark sein, aber auch zu Kraft und Gelingen nachgewiesen werden. Ein plastisches Bildwort spricht von Fettwerden und Mästung. Daneben zeigt sich auch hier die Grundbedeutung 154 von (a) erwarten und vermuten (von Günstigem und Ungünstigem) auf der einen Seite; und (b) die klare Identifizierung von Hoffnung mit der Erwartung von etwas Günstigem auf der anderen Seite, wiewohl diese erst unter christlichem Einfluss so deutlich entschieden wurde. Schließlich lassen sich die Formulierungen „sich versprechen, in Aussicht haben, mit etwas sich schmeicheln“ 155 mit dem Hoffen in Verbindung bringen. Die Unterscheidung zwischen Erwartung und Hoffnung, wie sie später noch getroffen werden wird und für das Verständnis der Hoffnung zentral ist, wird an dieser Stelle noch nicht gemacht. 150 Vgl. KAST, V., Aufbrechen und Vertrauen finden. Die kreative Kraft der Hoffnung, Freiburg im Breisgau 3 2001, 122. 151 Vgl. KÖRTING, G., Etymologisches Wörterbuch der französischen Sprache, Paderborn 1908, 157. 152 Vgl. HOLTHAUSEN, F., Etymologisches Wörterbuch der englischen Sprache, Göttingen 3 1949, 98. 153 Vgl. WALDE, A., Lateinisches etymologisches Wörterbuch, Heidelberg 1906 ( 2 1910), 587. Die ältere Auflage bringt noch spiro - blasen, wehen, hauchen, atmen (spiritus - Hauch, Atem, Seele, Geist) mit spero - hoffen (spes - Hoffnung) in Verbindung. Vgl. auch KÖRTING, G., Lateinisch- Romanisches Wörterbuch, Paderborn 3 1907, 907. 154 Vgl. GEORGES, K.E., Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch Bd. II, Basel 11 1962, 2756-2759. 155 Vgl. GEORGES, Handwörterbuch, 2756. <?page no="163"?> 2. Etymologische, begriffliche und religionswissenschaftliche Einlassungen 163 Die Etymologie der (alt-) griechischen Hoffnungsbegriffe, wo sie nicht auf die Antike oder das Neue Testament 156 beschränkt sind, verweisen in der Regel auf zwei Bedeutungshöfe 157 : (a) Vertrauen, Erwartung, Aussicht; (b) Meinung, Vermutung, Ahnung bzw. bei negativem Vorzeichen Befürchtung, Furcht oder Besorgnis. Auch eine enge Verbindung zum Wählen und insbesondere zum Wollen ist nachweisbar 158 . Der Aspekt des Vertrauens respektive der Furcht scheint für die vorliegende Fragestellung wichtig zu sein, ebenso der des Wollens, die beide verschiedentlich noch Erwähnung finden werden und zum Grundbestand des Hoffnungsbegriffs gezählt werden können. Aufschlussreich ist schließlich, dass das Hoffen in der allgemeingebräuchlichen Form weder eine Aktivnoch eine Passiv-, sondern eine Medium-Form darstellt. Schon wer diesen ersten Blick auf die etymologisch greifbaren Entwicklungslinien der Hoffnungsbegrifflichkeit aus unterschiedlichen Sprachtraditionen vornimmt, der entdeckt schnell, dass menschlicher Sprache eine ubiquitäre Hoffnungsstruktur eignet, wonach es eine begriffliche Notwendigkeit im Wortschatz humaner Selbstreflexion und humaner Ausdrucksformen zu sein scheint, Hoffnung und Handeln, näherhin Handlungsmotivation und Aufrechterhaltung von Handlungsfähigkeit, aufs engste miteinander zu verknüpfen. Die Vielfalt der dabei verwendeten sprachlichen Wendungen und Verwendungen lässt bereits an dieser Stelle auf ein breites anthropologisches Fundament schließen. Auch der energetisierende und vitalisierende Bedeutungsgehalt ist unübersehbar 159 - solange sie nicht von ihrem Gefährdungspotential her interpretiert und als illusionär oder als Lebenstäuschung gedeutet wird. β Ertrag Die sprachliche Verwendung und der faktische Gebrauch einer Basiskategorie menschlicher Selbstverständigung, wie die der Hoffnung, der sich entlang linguistischer Gesetzlichkeiten im Rahmen einer Sprachfamilie, aber auch entlang den der Moral vorgegebenen und hier anvisierten strukturanthropologischen Grundgesetzlichkeiten menschlichen Selbstvollzugs bzw. humaner Handlungswirklichkeit nachvollziehen lässt, bietet folgende Erkenntnisse, die als Kontexte der verschiedenen Hoffnungsbegrifflichkeiten verstanden werden und unmittelbar in das anvisierte Strukturgitter einer Ethik der Hoffnung aufgenommen werden können. Demnach ist die Verwendung von Hoffnung verknüpft mit folgenden Valenzen: 156 Für den semantischen Gehalt der (alt-) griechischen, aber auch lateinischen und insbesondere hebräischen Begrifflichkeiten im spezifischen Kontext von Antike, Altem und Neuem Testament ist auf die nächsten Kapitel zu verweisen. Bereits erwähnte Verwandtschaften werden nicht erneut wiederholt. Dasselbe gilt für die Akzente, die die verschiedenen Sprachfamilien setzen. 157 Vgl. ESTIENNE, H. / HASE, C.B. (Hrsg.), Thesaurus Graecae Linguae. Volumen Tertium, Paris 1835. 158 Vgl. MENGE, H. (Hrsg.), Menge-Güthling. Langenscheidts Großwörterbuch Altgriechisch- Deutsch unter besonderer Berücksichtigung der Etymologie, Berlin et al. 28 1994, 229. 159 Daraus abzuleitende Funktionen der Hoffnungskategorie für den Handlungsvollzug werden in den nächsten Kapiteln exemplarisch herausgearbeitet werden. <?page no="164"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 164 Etymologisch greifbare Hoffnungsvalenzen 1. Aktivierung, Motivierung und Orientierung für das menschliche Handeln durch Hoffnung 2. Trost, Kraft, Mut, Schutz durch Hoffnung 3. Notwendigkeit der Hoffnung 4. Positivität und Fallibilität der Hoffnung: Erfahrung des Ungesicherten, des Nicht-Wissens 5. Spannung von Hoffnung und Realität bzw. Erfahrung Abbildung 2 Etymologische Hoffnungsvalenzen Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass Hoffnung eine fundamentale Verbindung zur Aufrechterhaltung von Handlungs-Motivation zu erkennen gibt, die für eine Handlungs- Energetisierung und Handlungs-Initiierung sorgt und sich - etwa unter Anfechtung - zur Gewährleistung einer basalen Handlungsfähigkeit 160 verantwortlich zeigt. Zugleich vermag sie Trost im Leiden, Kraft zum Weitermachen oder Neuanfangen, Schutz vor erwarteten oder bereits realen Gefahren und Mut zu deren Bewältigung zu vermitteln. Dabei wird sie als notwendig und ubiquitär erlebt wie zugleich als irrtumsanfällig. Sie vermag schließlich kleine wie große Handlungs-, Erlebnis- und Bedürfnisspannungen aufzubauen zwischen einer real erlebten Gegenwart und einer für erstrebenswert erachteten Zukunft - so sehr, dass diese antizipierte Zukunft in einem Spannungsbogen Teil der Gegenwart wird und diese grundlegend zu bestimmen vermag. γ Sinn Eine Etymologie des Sinnbegriffs hat sich mit einer begrifflich äußerst vielgestaltigen Größe 161 zu beschäftigen, die bei marginaler Änderung der Perspektive chamäleongleich bereits eine völlig veränderte Bedeutung annehmen kann, sodass an dieser Stelle nur einige wenige Facetten der ausführlich erst noch zu formulierenden Etymologie und Systematik des Sinnbegriffs expliziert werden können, wie sie für den Kontext der vorliegenden Fragestellung Bedeutung besitzen. Als frühe etymologisch greifbare Wurzeln des (deutschen) Sinnbegriffs ist auf das Gotische sinps und sinpan zu verweisen, was Gang bzw. Gehen bedeutet. Das altbzw. niederhochdeutsche sinnan leitet sich dagegen ab von den Bedeutungen Ortsbewegung und Richtung. Ein Gehen war gemeint. Es bezeichnete eine Reise unternehmen, eine Fährte suchen 162 , wobei reisen, gehen, fahren, aber auch senden gemeint war. Daneben ist für sinnan schließlich die aufschlussreiche Bedeutung 160 Die Attribute der Hoffnung, die der Hoffnung beigelegt werden, sagen dabei bereits etwas über die Hoffnung selbst aus: Feste Hoffnung haben, starke Hoffnung haben, fest in der Hoffnung sein bzw. stehen, etc. So sind auch Hoffnung und Stärke biblisch miteinander verknüpft, was exegetisch-systematisch zu zeigen wäre. 161 Das Grimmsche Wörterbuch der Deutschen Sprache weist allein 24 vielfach differenzierte Bedeutungen des Sinnbegriffs aus. GRIMM / GRIMM, Deutsches Wörterbuch X, 1103-1204. 162 Zitiert nach BILLER, K., Der Sinnbegriff als zentrales Theorem der Logotherapie, in: KURZ, W. / SEDLACK, F. (Hrsg.) Kompendium der Logotherapie und Existenzanalyse, Tübingen 1995, 99. <?page no="165"?> 2. Etymologische, begriffliche und religionswissenschaftliche Einlassungen 165 streben nachgewiesen, d.h. - ausgehend vom angestammten Bildkontext - ein Ziel geistig verfolgen, einem geistigen Ziel nachgehen. Spätestens an dieser Stelle differenziert sich ein konkretes, quasi räumliches Verständnis von einem geistig-symbolisch-übertragenen Verständnis. Die Vorläufer des Sinnbegriffs, wie er hier Verwendung finden soll, können also gerade nicht bei dem möglichen lateinischen Lehnwort sensus gesucht werden, das heißt auch nicht bei einem ausgesprochen sinnenorientierten Bedeutungsfeld, wiewohl es natürlich vielfache Verbindungen zwischen Sinnerfahrungen und Sinneserfahrungen 163 gibt. Die Frühform des Sinnbegriffs hat als eigenständiges germanisches Wort mit dem lateinischen sensus lediglich gemeinsame indogermanische Wurzeln und dürfte weit eher zurück zu führen sein auf die Vorläufer des schon erwähnten niederhochdeutschen sinnan, was äußerst aufschlussreich reisen, streben, gehen bedeutet und eigentlich so etwas wie den Weg und die Reise meint bzw. in der aktiven Form „einer Richtung nachgehen“ 164 . Bis heute hat sich der Begriff gehalten, wenn wir sagen, nach etwas zu sinnen 165 , etwas oder jemandem nachzu-sinnen, gleichsam eine (geistige) Reise dorthin zu unternehmen. „Die ursprüngliche Bedeutung von Reise, Weg, Fahrt klingt im Wort ‚Gesinde‘ mit an, das eigentlich ‚Begleitung‘, ‚Gefolgschaft‘ bedeutet. Dieser archaische Bedeutungsgehalt ist noch in den Wörtern ‚senden‘, ‚Richtungssinn‘, ‚Uhrzeigersinn‘ oder ‚Gegensinn‘ bzw. ‚Widersinn‘ enthalten. Die indogermanische Wurzel ‚sent-‘ hat im lateinischen Wort ‚sentire‘ die Ausgangsbedeutung von ‚einer Richtung nachgehen, eine Richtung verfolgen‘. Sie entwickelte sich erst später zu ‚fühlen‘.“ 166 Sowohl im Lateinischen, wie im Germanischen bekommt die konkrete Wortbedeutung schnell eine übertragene, geistige Bedeutung, wobei im Lateinischen die Bedeutungen Sinn respektive Verstand dominieren, während im Germanischen sich um etwas kümmern, auf etwas achten vorherrscht. Eine erste Systematisierung der vielfältigen Bedeutungen kann nun auf fünffache Weise 167 geschehen. So kann unterschieden werden: (a) „Sinn“ als Wahrnehmungs-, Empfindungs- und Reaktionsfähigkeit, die in den Sinnesorganen ihren Sitz hat (etwa „der sechste Sinn“, „ein geschärfter Sinn“) und als Bewusstsein. (b) „Sinn“ als Sinn für etwas, als Verständnis, Empfänglichkeit und Aufgeschlossenheit („Gerechtigkeitssinn“, „Sinn für Schönheit“). (c) „Sinn“ als jemandes Denken, als Gedanke und Denkungsart (jemandes „Sinn ist auf etwas gerichtet“, „einen edlen Sinn haben“). (d) „Sinn“ als Sinngehalt, gedanklicher Gehalt und Bedeutung, die einer Sache innewohnt („der verborgene Sinn einer Sache“). Und schließlich (e) „Sinn“ als Ziel, Zweck und Wert einer Sache („Sinn des Lebens“). 163 Die enge Verknüpfung von Sinn mit Sinneserfahrungen, aber auch mit Verstandes- und Bewusstseinstätigkeiten ist leicht an Redewendungen wie von Sinnen sein oder besinnungslos nachzuvollziehen, wobei diesen Bedeutungen nicht weiter nachgegangen werden soll. 164 Vgl. MITZKA, W., Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 20 1967, 709. 165 FAULMANN, K., Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache nach eigenen neuen Forschungen, Halle 1893, 334-335, unterscheidet für sinnen zwei Grundbedeutungen: a. denken, ruhig betrachten, seine Gedanken vorauf richten; und b. gehen, reisen, wobei der verbindende Zusammenhang durchaus plausibel ist: Sich gedanklich oder aktiv auf etwas hin zu orientieren und zu bewegen. 166 Vgl. BILLER, Sinn-Begriff, 100. 167 Vgl. DUDEN, K., Vollständiges orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache (Faks. d. Originalaus. von 1880), Leipzig / Mannheim 1980. <?page no="166"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 166 Wird nun neben den etymologischen Wurzeln und den vorrangigen Bedeutungen ein Blick auf die Hauptgebrauchsweisen 168 geworfen, so fällt auf, dass diese bereits im Althochdeutschen zu finden sind und sich seither kaum gewandelt haben. So wurde der Sinnbegriff etwa verwendet, um (1) „das innere Wesen eines Menschen“ zu bezeichnen und (2) die einem jeden Menschen „eigentümliche geistig-seelische Veranlagung, die seine Sonderart ausmacht“ 169 . Als allgemeine Bedeutungen waren ferner (3) der (schöpferische) Verstand, das Bewusstsein, die Besinnung, aber auch die Klugheit und die Überlegung 170 in Gebrauch. Schließlich kann Sinn auch aufschlussreich und unmittelbar anschlussfähig zur These der vorliegenden Arbeit als (4) „das Organ und der Sitz alles Strebens, Wollens, Verlangens“ verstanden werden, mithin als „treibende Macht zum Handeln“ 171 . Daneben ist eine Gebrauchsweise nachgewiesen, die sich ebenso wie die vorherige zwanglos einfügt in den systematischen Fragehorizont der anvisierten Ethik der Hoffnung. So galt Sinn (5) „als innere Kraft zum Beharren und Widerstande gegen äußere Einflüsse“. Neben einer historisch außerordentlich vielfältigen Differenzierung und Spezialisierung der Bedeutungen, fallen besonders die Verbindungen zur Identität oder Personmitte auf - modern gesprochen - zum Streben und zum Handeln des Menschen im Allgemeinen, allesamt Aspekte, die die Basalität und die Handlungsnähe des Begriffs verdeutlichen können, ganz abgesehen davon, dass sie diesen für eine systematische Verbindung mit der Hoffnungskategorie prädestinieren. Auf der Ebene von Sprichwörtern 172 und Redewendungen zum Sinnbegriff lässt sich zeigen, dass immer wieder eine Analogie, wenn nicht eine Identifikation von Leben und Sinn vorgenommen wird, dass ein verfolgter bzw. gehegter Sinn orientierende, motivierende und verbindende Wirkung auf das Handeln des Einzelnen hat und zur Bewältigung eines Lebensgeschicks beiträgt. So heißt es etwa: „Wie der Sinn, so das Leben.“ Oder umgekehrt: „Wie ich bin, so ist mein Sinn.“ Zur vergemeinschaftenden Wirkung findet sich: „Hätten wir alle einen Sinn, wir liefen alle einen Weg.“ Oder: „Einerlei Sinn macht Freunde.“ Unmittelbar anschlussfähig und mit Parallelen zum Hoffnungsbegriff heißt es: „Froher Sinn ist der beste Doktor.“ Schließlich auch: „Leichter Sinn trägt schweres Geschick.“ Bzw. negativ formuliert: „Schwankender Sinn hat keinen Gewinn.“ Zum motivierenden und orientierenden Gebrauch des Sinnbegriffs lässt sich immer wieder so oder ähnlich entdecken: „Williger Sinn macht leichte Füße.“ Oder: „Böser Sinn hemmt (stört) den Beginn.“ Schließlich: „Was den Sinnen tut vorschweben, demselbigen sie nachstreben.“ An dieser Stelle kann nun unter Zusammenschau der bisherigen Erhebungen zunächst eine Doppelbedeutung des Sinnbegriffs festgehalten werden, die bis heute die vielgestaltige Verwendung prägt und sich in einen eher geistigen und einen eher räumlichen Bedeutungshof differenzieren lässt, in ein eher konkretes Verständnis und ein eher übertragenes Verständnis: (1) Sinn als Bewusstsein oder Verstand; (2) Sinn als Weg oder Richtung, wobei die räumliche Bedeutung die ursprünglichere ist, zu der sich dann eine übertragene Verwendung gesellt hat. Neben diesem äußerst aufschlussreichen etymologischen Spektrum des Sinnbegriffs im engeren Sinne lassen sich nun noch eine Fülle von 168 Vgl. GRIMM / GRIMM, Deutsches Wörterbuch X, 1105ff. 169 Vgl. ebd. 1106. Auch das Gemüt, die Gesinnung oder der Charakter kann gemeint sein. 170 Vgl. ebd. 1115 und 1125. 171 Vgl. ebd. 1107. Dazu finden sich auch die Bedeutungen: „etwas im Sinn haben“, „sich etwas vorgenommen haben“, „beschlossen haben“, „die Absicht haben“. 172 Vgl. dazu WANDER, K.F.W., Deutsches Sprichwörter-Lexikon IV, Darmstadt 1964, 571-574. <?page no="167"?> 2. Etymologische, begriffliche und religionswissenschaftliche Einlassungen 167 Sinn-Verständnissen 173 , Sinn-Arten, und Sinn-Merkmalen benennen, die allesamt zeigen können, wie vielfältige Funktionen der Begriff auf sich gezogen hat und wie umfänglich damit auch seine Alltagspräsenz angenommen werden kann: Da gibt es den Körpersinn, den Sinn als (logische) Bedeutung 174 , als Zweck 175 oder als Wert 176 , die wohl zu den wichtigsten und wirkmächtigsten Sinnkonzepten gehören neben der Frage nach dem Sinn des Lebens bzw. dem Daseinssinn 177 . Schließlich wird von dem Sinn gesprochen, der dem Menschen als Wirklichkeit 178 entgegentritt und - etwa bei HEIDEGGER - als Ausdruck des Verstandenen 179 begriffen werden kann oder als Ergebnis von (bewerteten) Erfahrungen, überhaupt als Bewertungskriterium und als Handlungsregulativ, aber auch als vom Menschen gesetzte 180 Größe. Für die vorliegende Fragestellung wird die Verknüpfung von Sinn und Handlungs-Motivation 181 wichtig werden, da sich darin die Hoffnungsstruktur menschlicher Sinnorientierung zu erkennen gibt. Neben diesen Sinnkonzepten wird unter anderem von subjektivem Sinn gesprochen, auch von Eigensinn, von objektivem Sinn und einem davon unterschiedenen Objektsinn, von Beziehungssinn und 173 Vgl. BILLER, K., Der Sinnbegriff als zentrales Theorem der Logotherapie, in: KURZ, W. / SEDLACK, F. (Hrsg.) Kompendium der Logotherapie und Existenzanalyse, Tübingen 1995, 99- 116. 174 Vgl. FREGE, G., Über Sinn und Bedeutung, in: Ders., Funktion, Begriff, Bedeutung. Fünf logische Studien, hrsg. von PATZIG, G., Göttingen 3 1969. Frage verortet den Sinn von Worten zwischen ganz subjektiven Vorstellungen und deren Bedeutung, eine Auffassung, die Eingang in die moderne Linguistik gefunden, in der man von Sinn als einem Designat (Bedeutungsträger) spricht. Vgl. auch HUSSERL, E., Erfahrung und Urteil. Untersuchungen zur Genealogie der Logik, hrsg. von LANDGREBE, L., Hamburg 6 1985, 318ff., der ausgehend vom „Werten und Wollen“ des Menschen in dessen von Bedeutungen geprägter Lebenswelt einen subjektiven Sinn entdecken lässt. 175 Vgl. DILTHEY, W., System der Ethik (Gesammelte Schriften Bd. X), Düsseldorf, 1958. Ders., Philosophie des Lebens, Stuttgart 1961. Sinnvoll ist dabei im Rahmen seiner Lebensphilosophie dasjenige, was der Entwicklung der Teleologie dient, die er in der geistigen Welt zu entdecken glaubte. Vgl. auch HORKHEIMER, M., Zur Kritik der instrumentellen Vernunft, hrsg. von SCHMIDT, A., Frankfurt am Main 1967, 227, der ein geschichtsbezogenes und emanzipatorisches Sinnkonzept vertritt, das er aber notwendig theistisch begründet. „Einen unbedingten Sinn zu retten, ohne Gott, ist eitel.“ 176 Vgl. SPRANGER, E., Psychologie des Jugendalters, Heidelberg 29 1979, 19. Das Sinnvolle leitet sich von der Einordnung in ein je größeres „Wertganzes“ ab, während die Einzelwerte in einer Werthierarchie angesiedelt sind. 177 Vgl. FRANKL, V.E., Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. Eine Auswahl aus dem Gesamtwerk, München 17 2004. 178 Vgl. FISCHER, F., Darstellung der Bildungskategorien im System der Wissenschaften, hrsg. von BENNER, D. und SCHMIED-KOWARZIK, W., Kastellaun 1975. 179 Vgl. HEIDEGGER, M., Sein und Zeit, Tübingen 11 1967, 151. Demnach ist Sinn, völlig unabhängig vom Wertbegriff, dasjenige, „worin sich Verständlichkeit von etwas hält. Was im verstehenden Erschließen artikulierbar ist, nennen wir Sinn. [ ... ] Sinn ist das durch Vorhabe, Vorsicht und Vorgriff strukturierte Woraufhin des Entwurfs, aus dem her etwas als etwas verständlich wird.“ 180 Vgl. POPPER, K.R., Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. II., Falsche Propheten. Hegel. Marx und die Folgen, Bern 6 1980, 344ff. „Wir sind es, die Zweck und Sinn in die Natur und die Geschichte einführen.“ 181 Vgl. WILS, J.-P., Sinn und Motivation, in: Ders. / MIETH, D., Grundbegriffe der christlichen Ethik, Paderborn / München / Wien / Zürich 1992, 147-161. <?page no="168"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 168 Über-Sinn. 182 Sollen nun insbesondere diejenigen Traditionslinien, die eher dem konkreten Verständnis angehören, systematisch auf Gemeinsamkeiten untersucht werden, so kann mit dem Phänomenologen MERLEAU-PONTY treffend und im Einklang mit den angestrengten etymologischen Analysen formuliert werden: „Allen Bedeutungen des Wortes ›Sinn‹ zugrunde liegend finden wir den einen Grundbegriff des Seins, das auf etwas hin, was es nicht selber ist, orientiert und polarisiert ist, und alles verweist uns auf den Gedanken des Subjekts als Ek-stase und auf ein aktives Transzendenzverhältnis zwischen Subjekt und Welt.“ 183 In den eher übertragenen, nicht-konkreten Sinn- Verständnissen sind die erwähnten transzendierenden Strukturen in quasi reflexiver Form ebenso anwesend. δ Ertrag Der entscheidende Ertrag der etymologischen Erhebungen zur Sinnkategorie soll nun auf diejenigen beiden Aspekte fokussiert werden, die die nachfolgenden systematischen Ausführungen vorbereiten und sie anschlussfähig für einen Begriff von Hoffnung machen, wie er mit dem Strukturgitter einer Ethik der Hoffnung angedacht ist. Etymologischer Ursprung des Sinnbegriffs Ortsbewegung, Gang Doppelsträngige Überlieferung Verbum (1) Reisen, Gehen, Fahren, Senden (2) Streben Substantivum (1) Gang, Weg, Richtung (2) Bedeutung, Verstand, Sinn Abbildung 3 Etymologische Ursprünge des Sinnbegriffs So lässt sich ein konkretes, näherhin räumliches Verständnis und ein übertragenes, näherhin geistig-symbolisches Verständnis von Sinn unterscheiden, wobei es sich um eine gerichtete Bewegung handelt. D.h., wer nach Sinn fragt, sucht einen Weg und eine Richtung, von dem er sich etwas verspricht bzw. der ihm oder ihr etwas in Aussicht stellt und verheißt. Wer geht, möchte ein Ziel erreichen, möchte irgendwo hinkommen. Und wer geht, möchte ankommen. Wer nach Sinn fragt, möchte, dass sein Leben eine Richtung nimmt und daraufhin in Bewegung kommt, der ist empfänglich für das Sinnobjekt und 182 Vgl. BILLER, K., Der Sinnbegriff als zentrales Theorem der Logotherapie, in: KURZ, W. / SEDLACK, F. (Hrsg.) Kompendium der Logotherapie und Existenzanalyse, Tübingen 1995, 107ff. 183 Vgl. MERLEAU-PONTY, M., Phänomenologie der Wahrnehmung, übersetzt und eingeleitet von BOEHM, R., Berlin 1966, 488f. <?page no="169"?> 2. Etymologische, begriffliche und religionswissenschaftliche Einlassungen 169 hat ein Verständnis dafür entwickelt. Beide Begriffe, Hoffnung und Sinn, lassen sich aufgrund ihrer etymologischen Herkunft auf das engste miteinander in ein Verhältnis setzen, woraus eine der Thesen der vorliegenden Arbeit herrührt, Hoffnung als Antizipation von Sinn zu begreifen. So kann von einer sowohl konkreten wie übertragenen Bewegung aus einer positiven Aussicht heraus und auf diese hin gesprochen werden, eine vitalisierende, motivierende und dabei bedeutungs- und verstandesgetragene, aber unsichere Orientierung auf das hin, was bewältigtes und letztlich bejahtes (Über-) Leben verspricht und dabei Gelingen verheißt. b) Differenzierung verwandter Begriffe und erste definitorische Annäherung Für den weiteren Verlauf der Arbeit ist es zunächst noch wichtig, weitere begriffliche Differenzierungen vorzunehmen, um die komplexe Kategorie der Hoffnung abzugrenzen von verwandten Begrifflichkeiten und einzelne Aspekte ihrer selbst von der Kategorie insgesamt zu unterscheiden. Schließlich enthält sie als komplexe Kategorie eine Fülle von einzeln identifizierbaren Komponenten, die sie in ihrem Zusammenspiel allererst in die Lage versetzen, menschliche Handlungswirklichkeit umfassend zu bestimmen. Hoffnung im engeren Sinne ist daher eine komplexe Handlungskategorie, die Anteile vieler anderer verwandter Begrifflichkeiten in sich vereint bzw. umgekehrt Teilmomente der Hoffnung sich in diesen Begriffen wiederfinden lassen, die ihrerseits einzelne Schwerpunkte der Hoffnung gesondert zum Ausdruck bringen. Nur auf diese Weise kann sie auch auf vielfältige und umfassende Weise handlungsbestimmend werden. So ist etwa die Utopie 184 (gr. οὐτόπος - der Nicht-Ort) das politische und gesellschaftliche Pendant 185 der Hoffnung, auf deren Boden nicht nur die gesellschaftlichen 184 Vgl. NEUSÜSS, A. (Hrsg.), Utopie. Begriff und Phänomen des Utopischen, Frankfurt am Main 3 1986. SAAGE, R. Politische Utopien der Neuzeit, Darmstadt 1991. Utopie (Art.), in: BROCK- HAUS Enzyklopädie Bd. 28, Mannheim 21 2006, 486-491. OTTMANN, H., Utopie (Art.), in: Lexikon für Theologie und Kirche Bd. 10, hrsg. v. KASPER, W. et al., Freiburg im Breisgau 2006, 500-501. Vgl. auch Utopie (Art.) in: DIE ZEIT - Das Lexikon Bd. 15, Hamburg 2005, 296-297. Utopie (Art.) in: DIE ZEIT - Welt- und Kulturgeschichte Bd. 19, Hamburg 2006, 437-438. 185 Vgl. PICHT, G., Prognose, Utopie, Planung. Die Situation des Menschen in der Zukunft der technischen Welt, in: Ders., Vorlesungen und Schriften Bd. VIII (Zukunft und Utopie), hrsg. v. EISENBART, C., Stuttgart 1992, 1-42, hier 26. Mit GEORG PICHT kann dabei in Übereinstimmung mit KARL MANNHEIM (etwa MANNHEIM, K., Ideologie und Utopie, Frankfurt am Main 3 1952) der Begriff der Utopie beschränkt werden „auf den Bereich der realisierbaren Möglichkeiten“, sodass ich „unter Utopie nicht ein bloßes Gebilde des Bewusstseins“ verstehe, „auch nicht wie Popper eine Hilfskonstruktion politisch-sozialer Technik, sondern die antizipierte Gestalt der Zukunft selbst, also eine mögliche Realität. Der Begriff der Utopie hat dann die Funktion, zwischen Bewusstsein und zukünftiger Wirklichkeit zu vermitteln. Damit ist zugleich gesagt, dass aufgeklärte Utopie kein statisches Modell sein kann, sondern fortschreitend durch die Reflexion auf die Ergebnisse der Prognose modifiziert werden muss. Dadurch, dass wir gebunden sind, in die Utopie die Ergebnisse wissenschaftlicher Prognose aufzunehmen, gewinnt die aufgeklärte Utopie im Gegensatz zu den bisher als Utopie bezeichneten Gebilden eine kritische Funktion für unser eigenes Bewusstsein. Sie zwingt uns, nicht nur unsere Erkenntnis, sondern auch unsere Hoffnungen und Wünsche, unsere Ideologien und unsere Träume am Maßstab kritisch antizipierter Realität zu prüfen.“ Woher eine solches in das immer unsichere Prokrustesbett der Wissenschaft gezwängte Konzept von Utopie noch die visionäre und motivierende Kraft zur moralischen Umgestaltung der Welt aufbringen kann - mitunter gegen die faktische Realität, bleibt an dieser Stelle allerdings offen. Zweifelsohne sind <?page no="170"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 170 Systemkonkurrenzen des 19. und 20. Jahrhunderts ausgetragen wurden, sondern die bereits längst vor THOMAS MORUS’ Utopia 186 Großgemeinschaften orientiert hat. Utopien waren ja ursprünglich nicht zeitlich auf eine (ferne) Zukunft bezogen, sondern geographisch an einem bestimmten Ort lokalisiert. Zunächst waren Utopien als Eutopien formuliert, als positive Bilder des guten Lebens und der guten gesellschaftlichen Ordnung, während sie im Lauf des 20. Jahrhunderts dann in Form von Dystopien 187 Ausdruck fanden, d.h. als Warnungen und Schreckensszenarien. Allerdings öffnete sich erst mit dem 19. Jh. 188 der Horizont einer einheitlichen und geschichtlich begriffenen Zukunft, auf die mit dem Zeitalter der (utopischen) Ideologien und Weltanschauungen geantwortet wurde. Der Faktor Zeit wurde damit neu zum Problem, indem eine Progres- Utopien historisch gesehen immer wieder auch missbraucht worden für eigentlich illusionäre Ziele und moralisch delegitimierte Zwecke, weswegen sie nicht immer zu Unrecht unter Ideologieverdacht gestellt wurden. Das kritische Potential der Utopie und deren stimulierende Wirkung bleibt dabei unbenommen. Umso wichtiger wird es sein, zu deren Unterscheidung eine Kriteriologie bereitzustellen, freilich ohne dabei die Utopie insgesamt an Pragmatismus oder prozedurale Verfahrensrationalitäten abzugeben, die kaum visionäre und einende Kraft auf menschliche Handlungswirklichkeit freizusetzen imstande sind. Damit sind die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen jeder „aufgeklärten“ Utopie klar bestimmt, da diese aus sich heraus wohl keine Kriteriologie bereit zu stellen vermag, worin die Selbsttranszendenz realer Wirklichkeit auf je bessere mögliche Wirklichkeit hin moralisch legitimiert werden könnte, es sei denn, sie wird selber unter kritische Kontrolle des Guten gestellt, das heißt letztlich unter ethische Kontrolle gestellt und angebunden an die großen Kategorien der moralischen Selbstentfaltung des Menschen. Auch sind Versuche, das utopische Potential des Menschen in den Grenzen des Endlichen einzuhegen, es quasi zu domestizieren, letztlich zum Scheitern verurteilt, da der Mensch seine Endlichkeit und seinen Tod immer schon antizipiert und damit bereits innerweltlich zu überschreiten versucht. So schreibt GEORG PICHT (vgl. ebd. 27) zwar: „Der Anprall an die Schranken der Endlichkeit rechtfertigt nicht die Preisgabe des Begriffs der Utopie, aber er zwingt, diesen Begriff auf den begrenzten Spielraum der realen Möglichkeiten menschlichen Handelns einzuschränken. Das ist die Begründung für die neue Fassung des Begriffs, die ich vorgeschlagen habe. Prognose ist Antizipation der Zukunft durch Theorie. Planung ist Antizipation der Zukunft für die Praxis. Aber beide Weisen des Vorgriffs in die Zukunft werden nur möglich, dass zuvor die produktive Einbildungskraft ein Schema des Spielraums der Möglichkeiten entwirft, innerhalb deren Prognose und Planung ihr Feld entdecken.“ Solche Formen der (szientistischen) Selbstbescheidung, die in sich durchaus etwas Wahres ausdrücken, werden allerdings der Größe des menschlichen Glücksverlangens und der Persistenz seiner moralischen Selbstentfaltung nicht gerecht, auch wenn der Wunsch nach kritischer Kontrolle von Utopien Berechtigung hat. Es bleibt ein Rest des Unabgegoltenen, wenn menschliches Hoffen die Grenzen der Endlichkeit immer schon übersteigt und darin kein Genügen findet. Der „Vorgriff in die Zukunft“ reicht kraft menschlichen Bewusstseins und kraft menschlicher Reflexion viel weiter, als es Prognose und Planung auszuweisen imstande sind. Wie nun dieser Hoffnungsüberschuss eingeholt werden kann, wird die entscheidende Frage zur Restitution von Hoffnung und Utopie insgesamt sein, was aber wohl nur unter theistischen Voraussetzungen und einem starken Moralbegriff, wie ihn etwa KANT vorgeschlagen hat, zu leisten sein wird, sodass entweder ein „Gott der Hoffnung“ geglaubt werden darf oder mindestens postulatorische Hoffnung möglich wird. 186 Vgl. MORUS, T., Utopia - Über die beste Staatsverfassung und die neue Insel Utopia. Ein wahrhaft kostbares und ebenso bekömmliches wie kurzweiliges Buch über die beste Staatsverfassung und die neue Insel Utopia, Beck 1987. Vgl. ebenso SWOBODA, H., Utopia. Geschichte der Sehnsucht nach einer besseren Welt, Wien 1972. 187 Vgl. HUXLEY, A., Brave new world, London 1948 oder ORWELL, G., 1984, Stuttgart 1950. 188 Vgl. HÖLSCHER, L., Die Entdeckung der Zukunft, Frankfurt am Main 1999. <?page no="171"?> 2. Etymologische, begriffliche und religionswissenschaftliche Einlassungen 171 sion hin zur guten Gesellschaft und hin zu Wohlstand damit (hoffend) in Aussicht gestellt wurde. Zeit wurde zu einer zu überwindenden Größe. Heute scheint dieses Zeitalter seinerseits historisch überwunden und abgelöst durch Anti-Utopie, Pragmatismus 189 und eine dialektische Sicht auf die (Post-) Moderne. Utopien wirken zwar potentiell ideologiekritisch, da sie „eine oft im Dienst der Sozial- und Politikkritik stehende Zukunftsvision“ 190 vermitteln können, stehen aber auch selber in der Gefahr ideologisch missbraucht zu werden. Es steht allerdings zu erwarten, dass die Bedeutung von Hoffnung und Utopie wieder zunehmen wird, wenn denn davon ausgegangen werden kann, dass kulturgeschichtlich in sich ablösenden (Gegen-) Bewegungen gedacht werden muss. Schließlich kann „man dem Denken selbst utopische Funktionen zuschreiben“ 191 . Moraltheologisch entscheidend ist dabei, dass das utopische Potential 192 des Menschen ihn in die Lage versetzt, sowohl kritische Distanz zu jedweder hermetisch-immanenten Deutung seines Lebens und seiner Verhältnisse zu treten, was Handlungsspielräume eröffnet und bewahrt, und zugleich (sic! ) die Möglichkeit zu kritischer Solidarität mit solcherart dehumanisiertem Leben bietet. Auch wird auf die kritisch-diagnostischen Fähigkeiten 193 utopischer Entwürfe nicht verzichtet werden können, wenn sie im besten Sinne selber Momente des Humanum einfangen und damit aus diesem Potential heraus ex negativo entlarvend wirken können. Bereits an diesem kurzen Seitenblick zeigt sich die enge Verbindung von Hoffnung, respektive Utopie und sittlichem Handeln auf das Deutlichste. „In dieser kritischen Funktion liegt auch die Hauptbedeutung utopischen Denkens für die Theologie heute. Auch wenn das Zeitalter der großen Utopien vorüber ist, ermöglicht die in seinem Wesen verankerte Fähigkeit, einen utopischen Standort zu beziehen (H. Plessner), es dem Menschen immer wieder, in ein kritisches Verhältnis zu seinen Lebensverhältnissen zu treten und seine Existenz als Ganze mit positiven oder negativen Gesamtdeutungen zu konfrontieren. Mit Utopien als regulativem Prinzip kann er kriti- 189 Vgl. SAAGE, R., Politische Utopien der Neuzeit, Darmstadt 1991, der Utopien unter anderem als eine am bonum commune orientierte Form der Kritik der sozio-politischen Verhältnisse begreift und eine geschichtliche Entwicklung ausmachen will angefangen bei den Vorläufern im platonischen Staatsideal, über Renaissance und Reformation, bis hin zu Absolutismus, Aufklärung und industrieller Revolution, während er mit dem 20. Jahrhundert die Vollendung der klassischen Utopietradition datiert und in deren Erbe negative und postmaterielle Utopien zu beobachten meint, die das im klassischen Begriff zum Ausdruck kommende Ideal als entzaubert und mit Unterdrückungsmechanismen versehen entlarvt und schließlich die inhärente Fortschrittsidee als deformiert erlebt, wiewohl er der Versuchung, das utopische Denken als Ganzes zu verabschieden, widersteht. Vgl. auch Kapitel II in dieser Arbeit. 190 Vgl. STOSCH, K. VON, Utopie (Art.) in: FRANZ, A. / BAUM, W. / KREUTZER, K. (Hrsg.), Lexikon philosophischer Grundbegriffe der Theologie, Freiburg im Breisgau 2003, 422. 191 Vgl. STOSCH, Utopie, 423. 192 Ich möchte vorrangig nicht von Utopie als einer spezifischen (literarischen, philosophischen, etc.) Form sprechen, wiewohl der Begriff in dieser Weise verwendet werden kann, sondern von einem utopischen Potential, einer utopischen Potentialität, wonach dieser eine mögliche Realität bzw. eine reale Möglichkeit benennt, die aber noch keinen realen, faktischen Ort (gr. ο ὐ τόπος ) hat in dieser Welt, aber (aus ethischer Perspektive) sinnvollerweise einen Ort haben sollte, realisiert werden sollte. Ein utopisches Potential kann schließlich verschiedene Formen annehmen, in denen sich das Potential quasi materialisiert, wobei vorrangig Bewusstsein bzw. (ethische) Reflexion und (Handlungs-) Wirklichkeit vermittelt werden, näherhin ethische Theorie und sittliche Praxis. 193 Vgl. etwa MAURER, A., Utopien: Seismographen gesellschaftlicher Verhältnisse, in: Erwägen - Wissen - Ethik 16 / 3 (2005), 313-315. <?page no="172"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 172 sches Potential gegen jede innerweltliche Verzweckung und Festlegung seiner Existenz entwickeln und Offenheit für die ganz anderen Möglichkeiten Gottes gewinnen.“ 194 Wiewohl die Utopie 195 imVerdacht steht, die postmoderne Skepsis mitbegünstigt zu haben, wird im Rücken des Pragmatismus und der Anti-Utopie 196 der Ruf nach einer neuen Zeit begründeter und reflektierter Hoffnung laut werden, wobei die Theologie bleibend dazu aufgerufen ist, gegen alle verdinglichenden Instrumentalisierungstendenzen und gegen den Glauben an die Machbarkeit menschlichen Glücks, wenn er (wieder) im Gewand der Utopie daher kommt, aus dem eigenen Hoffnungskerygma heraus die kritische Auseinandersetzung zu suchen. Denn „gegen die Verheißung innerweltlicher Erlösung besteht sie auf dem eschatologischen Vorbehalt, indem sie daran festhält, dass das göttliche Erlösungshandeln am Ende der Geschichte keine bloße Erfüllung menschlicher Erwartungen darstellt und alles von Menschen Realisierbare übersteigt.“ 197 Für den Begriff gilt aber: Utopien bezeichnen gesellschaftlich-geschichtliche Hoffnungen. Die Illusion dagegen hat keinen Anhalt an der Realität und kann auch keinen haben, sie ist „nicht realitätsfähig“. Die Frage wird sein, woher wir das wissen können, denn es wird noch als Kernbestand christlicher Hoffnung zu entfalten sein, über das Wissbar- Erwartbare hinaus Offenheit für das Unverhoffte und nicht zu Wissende zu zeigen. Als mögliche Kriterien können aber bereits festgehalten werden, dass es nicht widervernünftig sein kann, nicht unsittlich und nicht unserer Erfahrung widersprechend. Der Wunsch ist Funktion des Willens und Visualisierung eines erstrebenswerten Objekts, Zustandes oder Erlebnisses. Hoffnung ist kein Produkt unseres Willens bzw. wird vom Willen nicht hervorgebracht, wiewohl Hoffnung diesen benötigt für Entscheidungen und für die Realisierung dessen, was sie vergegenwärtigt als Hoffnungsgut. Im Jargon von HEIDEGGER könnten wir sagen: „Wünschen nichtet.“ Wir bleiben im Wunsch letztlich stecken, kommen auch handlungsmäßig nicht weiter als bis zum Wunsch selbst und dessen Artikulation. Wünschen ist eigentlich eine „gewissheitslose“ Tat, da ich nicht über den Wunsch und damit nicht über mich hinauskomme. Wünschen ist damit nicht Ausdruck humaner Selbsttranszendenz wie es das Hoffen ist, sondern eher im Gegenteil, da es zur Fixierung auf den Wunsch bzw. das Wünschbare führt und damit zur Verge- 194 Vgl. STOSCH, Utopie, 423. 195 Gelegentlich ist auch statt von Utopien von sogenannten Heterotopien die Rede. So bietet sich etwa MICHEL FOUCAULTS Konzept der Heterotopien, der „anderen Räume“, in denen die alltäglichen Gesetzmäßigkeiten außer Kraft gesetzt sind (z.B. Klöster), als Denkfigur an, ein Verhältnis von Welt und Gegenwelt zu formulieren, wobei FOUCAULT vorrangig den utopischen Körper und den Kontext menschlicher Liebe vor Augen hat, aber die Herkünftigkeit vom Utopiekonzept unübersehbar ist. Vgl. FOUCAULT, M., Die Heterotopien, Frankfurt am Main 2005. 196 Vgl. FLEISCHER, H., Utopie post-utopisch verortet, in: Erwägen - Wissen - Ethik 16 (2005) 3, 302-303. Politische Groß-Utopien haben sich im Sinne von Systemkonkurrenzen (vermeintlich) historisch überlebt und sind (verfahrens-) pragmatisch domestiziert worden, aber dennoch kann und will der Mensch immer wieder einen utopischen Standort einnehmen (vgl. A. GEHLEN) und dadurch Distanz zu den eigenen Lebensverhältnissen gewinnen und damit jeder Festlegung auf bestimmte Verhältnisse wehren und ein diesbezüglich kritisches Potential bewahren. Die Frage wird sein, woraus sich inhaltlich diese Standorte speisen und wie sie legitimiert werden können. Vgl. auch WASCHKUHN, A., Warum der klassische Utopiebegriff nicht ausreicht, in: Erwägen - Wissen - Ethik 16 (2005) 3, 341-342. 197 Vgl. STOSCH, Utopie, 424. <?page no="173"?> 2. Etymologische, begriffliche und religionswissenschaftliche Einlassungen 173 genständlichung unserer selbst. Wünsche mobilisieren daher auch nicht, höchstens die Hoffnung, mit der die Erfüllung der Wünsche wiederum belegt ist. Dennoch benötigt Hoffnung den Willen, um konkret zu werden, sich quasi selbst in die Tat umzusetzen. Der Wunsch bleibt passiv ohne Hoffnung, während der Wille der Hoffnung sprichwörtlich Arme gibt und Beine macht. 198 Die Erwartung wird gerne mit der Hoffnung verwechselt, ist aber grundlegend davon zu unterscheiden. Erwartungen versuchen, eine Zukunft rational vorwegzunehmen und stellen daher ein auf Wissen gegründetes Verhältnis der Zukunft gegenüber dar (Verhältnis erster Ordnung), die dadurch kontrolliert werden soll durch Planung und Prognose 199 . Sie kennt daher auch eine Verwandtschaft mit dem menschlichen Willen. Hoffnung dagegen versucht, sich zu allem Erwartbaren noch einmal ins Verhältnis zu setzen (Verhältnis zweiter Ordnung) und dieses zum Ganzen des Lebens in eine positive Relation zu setzen. Erwartung ist der voluntaristische Teil der Hoffnung, der also, der etwas will. Anders gesagt: Erwartung setzt auf Zielerreichung, Hoffnung ist offen auf anderes als die empirisch-faktische Zielerreichung, da sie nämlich auf die Sinnhaftigkeit abzielt. Hoffnung oder Verzweiflung stellen sich also ihrerseits noch einmal ins Verhältnis zur Erwartung. Sehnsucht dagegen betont die emotionale, gefühlsgetragene Seite eines erstrebenswerten Objekts, Zustandes oder Erlebnisses, wobei die personale Komponente ein Schwergewicht hat. Wird Sehnsucht als Komponente der Hoffnung verstanden, dann vertritt sie den Teil, der die Entbehrung 200 , die Differenz der Spannung, das Noch-Nicht des Hoffnungsgutes oder des Sehnsuchtsgutes, um dessentwillen ja gehofft und gesehnt wird, ganzheitlich erlebt und mitunter gelitten wird 201 . Aber für die Entwicklung von Hoffnung zentral ist, dass sie nach dem erhofften Gut auslangen lässt. 202 Sehnsucht bringt die Gegenwärtigkeit des Ersehnten im Status des emotional getragenen Entbehrens auf den Begriff, wohingegen die Hoffnung selbst das Gelingen vor Augen hat. Sehnsucht vermag quasi die Hoffnung zu wecken und trägt sie emotional. 203 Sehnsucht ist in gewisser Weise 198 Wünschen kann daher stilisiert auch als Form der Haben-Orientierung begriffen werden, Hoffen als Seins-Orientierung. Bitten und Hoffen sind personal, mit Bezug von Person zu Person. Wünschen ist sachorientiert und gegenständlich. Wünschen führt daher im Extrem zur Infantilisierung und Paternalisierung, setzt keinerlei Selbsteinsatz voraus und damit keine vertrauende Gewissheit. 199 Vgl. PICHT, G., Prognose, Utopie, Planung. Die Situation des Menschen in der Zukunft der technischen Welt, in: Ders., Vorlesungen und Schriften Bd. VIII (Zukunft und Utopie), hrsg. v. EISENBART, C., Stuttgart 1992, 1-42, hier 27: „Prognose ist Antizipation der Zukunft durch Theorie. Planung ist Antizipation der Zukunft für die Praxis.“ 200 Eine etymologische Wurzel der Sehnsucht verweist auf die Begriffe Gestirn, Stern, d.h. eine Art Orientierung, die wir aber nie ganz erreichen. 201 Etwa die Sehnsucht nach einer neuen Welt, einer anderen Welt, die Sehnsucht nach einem anderen Leben, einem sinnvollen (guten) Leben. 202 Nicht umsonst wird im Rahmen geistlicher Begleitung große Aufmerksamkeit darauf gelegt, die womöglich verschütteten Sehnsüchte des Probanden wieder zu wecken und im Rahmen der Gottesbeziehung geistlich zu verankern, zu deuten und fruchtbar zu machen. Vgl. etwa SCHAUPP, K., Gott im Leben entdecken. Einführung in die Geistliche Begleitung, Würzburg 3 1996, 46-56. 203 Vgl. SCHMID, W., Wer will schon in der Wirklichkeit leben? Über die menschliche Grunderfahrung namens Sehnsucht, in: Psychologie heute, März 2007 (34. Jg.), 27-31. Schon Augustinus war genau dieser Meinung, wenn er betonte: „Wonach wir keine Sehnsucht haben, kann weder Gegenstand unserer Hoffnung noch unserer Verzweiflung sein.“ Zitiert nach MOLT- <?page no="174"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 174 ein vitales Agens der Hoffnung selber, das wir zwar kultivieren können, das aber letztlich vorgefunden wird. Sehnsucht ist eine noch unbestimmte Hoffnung, die der Hoffnung die Richtung und den Weg weist. 204 Sehnsucht kann als Schubmotivation im Rahmen der Zugmotivation der Hoffnung betrachtet werden. Zuversicht kann schließlich als der Teil der Hoffnung bezeichnet werden, der - emotional getragen - einer Erwartung oder einem Ausgang mit positiver Sicherheit beziehungsweise Gewissheit entgegenblickt. Zuversicht ist mithin die positive Gewissheit dem gegenüber, was in der Sehnsucht (emotional gefärbt) entbehrt wird. Hoffnung ist mithin gnoseologisch die Basis der Zuversicht. Hoffnung entlässt quasi aus sich Zuversicht. Und Zuversicht ist dabei konkrete Hoffnung, personalisierte Hoffnung, weswegen man dieselbe personale Hoffnung haben kann, aber nicht dieselbe personalisierte Zuversicht. Zuversicht gibt mithin den Grad der Erfüllungsgewissheit an. Zuversicht betont dabei die Hoffnungs-Gewissheit, die Sicherheit in der Hoffnung - ohne selbst ein sicheres Wissen 205 zu sein. Optimismus ist dagegen eine einseitige (ungedeckte) Erwartung der Erfüllung. Zuversicht ist Hoffnung mit hoher Gewissheit, Optimismus ist dagegen eine Erwartung, daher streng genommen gar keine Hoffnung. Diese grundlegende Handlungskategorie, als die sie im Folgenden differenziert ausgewiesen werden soll, verknüpft mithin mehrere Haltungen und Haltungsaspekte (Sehnsucht, Verlangen, Vertrauen, Geduld, etc.) miteinander und bündelt sie auf erstrebenswerte Ziele hin, die sich unter philosophischer Perspektive wiederum finalisieren lassen auf ein höchstes (denkbares) Ziel, von dem her alle partikulären Handlungsziele ihre Richtung und ihre Legitimität gewinnen und das die Einheit und schließlich die Verstehbarkeit menschlicher Handlungswirklichkeit ermöglicht. Nicht umsonst wurde und wird daher die komplexe Kategorie der Hoffnung auch im Rahmen der Tugendethik rubriziert, da diese in der Lage ist, praktisch anschlussfähig zu sein an alle Theologumena, die für menschliche Handlungswirklichkeit von Bedeutung sind. Das kann als erster Hinweis dafür dienen, dass Hoffnung handlungstheoretisch am gesamten Spektrum eines psychologischen Handlungsablaufs Anteil hat: Volition - Emotion, Kognition - Motivation - Intention - Evaluation. 206 Insgesamt bezeichnet der Begriff eine ganzheitliche und damit umfassend handlungsleitende Ausrichtung des Menschen auf Zukunft hin. Im Medium der Hoffnung verhält sich der Mensch positiv zur Zeitlichkeit seiner Existenz, in der Hoffnung vollzieht er sie geradezu - auf der Basis des Humanum sogar in ihrer Hochform. Hoffnung ist immer wieder begleitet von Zweifel, Angst und Sorge, ihr Gegenteil ist die Verzweiflung, die Hoffnungslosigkeit und im schlimmsten Fall die Depression. Im engeren Sinne wird mit ihr auch ein erhofftes Einzelnes benannt, ein Hoffnungsgut, wie etwa MANN, J., Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur Begründung und zu den Konsequenzen einer christlichen Eschatologie, Gütersloh 13 1997, 19. 204 Nicht umsonst legen neben der Hl. Schrift viele spirituelle Traditionen des Christentums großen Wert darauf, die Sehnsucht im Menschen zu wecken bzw. wachzuhalten. So etwa AU- GUSTINUS in seinem berühmten Kommentar zum Vater-Unser. „Wenn wir sprechen: Zukomme uns dein Reich, so wird dieses Reich zwar kommen, ob wir es wünschen oder nicht, aber wir regen durch dieses Wort unsere Sehnsucht nach diesem Reiche an, damit es für uns komme und wir in ihm zu herrschen verdienen.“ Vgl. AUGUSTINUS, A., Ad Probam, PL 33, 501f, XI 21. Vgl. ebenso sein doppelsinniges Wort: homo desiderium dei. 205 Vgl. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, 332: „Zuversicht meint niemals das garantierte Wissen um ausgemachte Fakten, sondern immer Aussicht nach vorne und ein Sich-der- Zukunft-Versehen.“ 206 Vgl. Kapitel VI und VII in dieser Arbeit. <?page no="175"?> 2. Etymologische, begriffliche und religionswissenschaftliche Einlassungen 175 Gesundheit, Erfolg und Ähnliches. Hoffnung ist daher „die der Angst und der Verzweiflung entgegengesetzte Grundempfindung des Menschen, seine Fähigkeit, sich durch eine Vergegenwärtigung möglichen zukünftigen Geschehens in seinem aktuellen Empfinden und Verhalten zu bestimmen und zu steuern.“ 207 Christliche Hoffnung ist „neben Glaube und Liebe eine der drei theologischen Kardinaltugenden; begründet im Heilswerk Gottes in Jesus Christus und in der Erwartung von dessen Wiederkunft.“ 208 Selbstbewusstes, menschliches Leben ist mithin ohne Hoffnung nicht denkbar 209 , da der Mensch sich immer auch zeitlich erlebt und versteht und damit zukunftsoffen ist, während er in der Hoffnung gerade ein zukünftiges, noch ausstehendes Dasein reklamiert und mit seiner Gegenwart verbindet, weswegen hier mit E. JÜNGEL 210 dafür plädiert werden soll, Hoffnung in Anlehnung an die Analysen von M. HEIDEGGER 211 zur Kategorie der Sorge als Existential zu bezeichnen. Damit ist allerdings zunächst nur eine formale Struktur gewonnen. Erst das Worauf eines konkreten Hoffnungsgutes, das Worin eines Hoffnungsgrundes und das Wie des Vollzugs humaner (christlicher) Hoffnung lassen die Bestimmbarkeit des Daseins durch Hoffnung verstehbar werden. c) Religionswissenschaftliche und interreligiöse (Dialog-) Hinweise In Zeiten des vielfach geforderten interreligiösen Dialogs 212 kann es aus mehreren Gründen als äußerst vielversprechend gelten, sich über Ziel und Grund jeweils in den Religionen verankerter Hoffnungsfiguren auszutauschen, wiewohl solche Bemühungen noch äußerst selten zu finden sind und daher zu den Desideraten der Hoffnungsforschung insgesamt gezählt werden müssen. 213 Der Vorteil eines solchen Vorgehens kann unter anderem darin gesehen werden, dass er basal anthropologisch beginnt, als erfahrungsoffen gelten kann und dennoch mitten in die zentralen Kategorien von Welt, Geschichte, menschlichem Dasein und Transzendenz zielt. 214 Die religionswissenschaftlichen bzw. religionsgeschichtlichen Perspektiven können dabei dahingehend zusammengefasst werden, dass vorrangig das jeweilige Kerygma der Religionen thematisiert wird, das sich 207 Vgl. DIE ZEIT. Lexikon in 20 Bänden, Bd. 6, Hamburg 2005, 458. 208 Vgl. ebd. 209 Vgl. auch das lat. Sprichwort: Dum spiro, spero. - Solange ich atme, hoffe ich. 210 Vgl. JÜNGEL, E., Hoffnung. Bemerkungen zum christlichen Verständnis des Begriffs, in: Edith Stein Jahrbuch Bd. 5. Das Christentum zweiter Teil, Würzburg, 1999, 55-62. 211 Vgl. HEIDEGGER, M., Sein und Zeit, Tübingen 13 1976. 212 Vgl. KÜNG, H., Weltfrieden durch Religionsfrieden. Antworten aus den Weltreligionen, München 1993. FRANK, J., Anleitung zum Dialog. Grundlagen interreligiöser Verständigung, Frankfurt am Main 2007. 213 Als Zielhorizont könnte mit KONRAD HILPERT von einem „Hoffnungshorizont der einen Menschheit“ gesprochen werden. Vgl. HILPERT, K., Solidarität (Art.), in: NHThG Bd. IV München 2005, 157. Der große Forschungsbedarf zum Thema „Hoffnung interreligiös“ zeigt sich auch darin, dass selbst im Wörterbuch der Religionen (hrsg. von AUFFARTH, C. / KIP- PENBERG, H.G. / MICHAELS, A., Stuttgart 2006, 228) diese Perspektive vollständig fehlt. 214 Vgl. STRIET, M., Faszination Buddhismus oder der Glaube an Christus, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio, 36 (2007), 182. „Der religionstheologische Dialog, der in einer Welt, die längst auch regional globalisiert und deshalb religiös pluralisiert ist, unausweichlich ist, hat [ ... ] anthropologisch anzusetzen. Die Frage nach der Hoffnung, die den Menschen erfüllen kann, im interreligiösen Dialog - freilich mit der gebotenen Demut - zu besprechen, entspringt nicht einem Kulturimperialismus, sondern ist Ausdruck einer universalen Menschenverbundenheit.“ <?page no="176"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 176 auf die grundlegende Bestimmung des Menschen bezieht und die Ausständigkeit seiner Entwicklungen formuliert und dabei Grundkonstanten des damit korrespondierenden Weltbildes untersucht, genauso wie damit verknüpfte Gesellschaftsbilder. Die Prüfung auf Kompatibilität mit dem als moralisch gut Erkannten wird dabei immer wichtiger. Unter interreligiöser Betrachtungsweise sind insbesondere zwei Perspektiven hervorzuheben: Wer über Hoffnung in den Religionen nachdenken will, der hat zum einen die zentralen anthropologischen Vorstellungen darüber zu erheben, was der Mensch ist bzw. was er sein soll, der hat die zentralen Überlegungen zur Bestimmung des Menschen zu eruieren, denn daran zeigt sich, was der Mensch für sich selbst erhofft, welchen Entwicklungen er sich potentiell als Gattung und als Individuum unterstellt und was damit sinnverheißend handlungswirksam werden kann, wenn der Mensch sich daran bindet. Menschheitlich humane Hoffnungen drücken letztlich die Bestimmung des Menschen aus und anthropologische Bestimmungen des Menschen stellen letztlich Hoffnungsfiguren dar. Zum anderen sind die zentralen Vorstellungen zur Zeit und Zeitlichkeit menschlicher Existenz philosophisch und theologisch zu erheben, denn alle Handlung, auch hoffnungsbasierte Handlung vollzieht sich auf dem Hintergrund einer bestimmten Zeitmatrix, deren Auswirkungen auf die Handlungspraxis des einzelnen Menschen noch ausführlich zu diskutieren sein werden. Man denke nur an die lineare (Fortschritts-) Zeit des von der griechischen Antike geprägten Abendlandes, der lineare zwischen Schöpfung und Erlösung ausgestreckte Geschichtsgeist des Christentums, respektive die vorrangig zyklischen und kosmischen Zeitvorstellungen der vorder- und zentralasiatischen Religionen, etwa des Hinduismus, oder Reste davon, wie sie sich im christlichen Kirchenjahr finden. Es scheint nun unter religionswissenschaftlicher Betrachtung naheliegend, religiöse von nichtreligiöser Hoffnung dadurch zu unterscheiden, dass der Bezugshorizont religiöser Hoffnung über das diesseitige Leben hinaus erweitert wird, der erwartete vollkommene Zustand mithin nicht identisch ist mit einem erfüllten Leben in dieser Welt, und dass es eine Funktion der Religion ist, jene Hoffnung zu begründen, die imstande ist, über das diesseitige Leben hinauszureichen. Diese Unterscheidung setzt aber zumindest einen bestimmten Religionsbegriff voraus, der nicht unumstritten ist 215 , der aber an dieser Stelle vorausgesetzt werden muss. Die Begründung religiöser Hoffnung kann mythisch, rituell, geschichtlich und rational erfolgen. Antike Mysterienkulte wurden überwiegend mythisch-rituell begründet, wohingegen das Christentum eher geschichtlich argumentiert durch die Bezugnahme auf Leben, Tod und Auferstehung Jesu, aber auch rational durch beständige theologische Versuche der Explikation beispielsweise des Auferstehungsglaubens (vgl. 1 Kor 15, 19ff.). Der Impetus zur rationalen Darlegung möglicher Gründe für die Vernunftgemäßheit des Glaubensvollzugs ist dem Christentum geradezu inhärent 216 . Der Gegenstand religiöser Hoffnung im Allgemeinen ist nun nicht 215 Vgl. BERNER, U., Hoffnung I. Religionswissenschaftlich und religionsgeschichtlich (Art.), in: BETZ, H.D. / BROWNING, D.S. / JANOWSKI, B. / JÜNGEL, E. (Hrsg.), Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft Bd. 3 (RGG 4 ), vierte, völlig neu bearbeitete Auflage, Tübingen 2000, 1822. 216 Vgl. dazu die fundamentaltheologische Bedeutung von 1 Kor 3,15, die unter anderem auf die Rechenschaftspflicht christlicher Hoffnung vor dem Forum kritischer Vernunft hinweist. <?page no="177"?> 2. Etymologische, begriffliche und religionswissenschaftliche Einlassungen 177 einfach mit Unsterblichkeit oder Auferstehung 217 gleichzusetzen, denn was für das Christentum den zentralen sachtheologischen Grund aller Hoffnung darstellt, erweist sich unter religionswissenschaftlicher Perspektive als höchst vielfältig. Religiöse Hoffnung bezieht sich vielmehr immer auf bestimmte (religiöse) Vorstellungen, die - bei aller Vielfalt in den Religionen - einen Zustand der Unvollkommenheit konzeptualisieren, den es zu überwinden gilt 218 . Gemeinsam ist dabei der Bezug des menschlichen Daseins auf ein Unbedingtes und einer daraus abgeleiteten Erlösungsbedürftigkeit, die schließlich Heilserwartungen aus sich hervorbringt und dann mit diesen parallelisiert wird. Eschatologische Erwartungen sind dabei keinesfalls ausschließlich bei monotheistischen Religionen anzutreffen. Neben einer basalen Affirmation zum Ganzen von Leben und Welt werden auf diese Weise fast zwangsläufig Hoffnungsfiguren entwickelt, die im Rahmen einer Protologie oder Eschatologie gegenwärtiges Leben deuten sollen und menschliches Handeln fundamental bestimmen. Einige wenige Hinweise mögen genügen: Soweit eine allgemeine Betrachtung auf Stammesreligionen und den theoretischen und praktischen Orten, die sie der Hoffnung zuweisen, denkbar ist, findet man sich schnell auf mythische und kultische Zusammenhänge verwiesen, die das jeweilige religiöse Geheimnis einer Gemeinschaft bezeichnen wollen und insbesondere in Verbindung mit dem Ahnenkult Hoffnungsfiguren durchsichtig machen. Diejenigen, die die raumzeitlichen Grenzen der jeweiligen Gemeinschaft etwa durch Tod überwunden haben, ziehen die Erwartungen und Hoffnungen der Stammesmitglieder auf sich, indem sie als Ahnengeister mit spezieller Macht ausgestattet werden und sich schließlich der Kult im Dienste ihrer Rückkehr oder ihrer wirkmächtigen Anwesenheit als „Lebend-Tote“ an ihnen ausrichtet. „Alle konkreten Erwartungen im Blick auf Dieses oder Jenes wurzeln in solchem prinzipiellen Hoffen auf die bleibende Zugehörigkeit und damit auf die Wiederkehr derer, von denen die Lebenden hier zwar unterschieden, aber niemals geschieden sind. […] Hoffnung, so lässt sich sagen, gründet für den Stammesangehörigen in der Zuversicht, dass dieser übergreifende Zusammenhang ‚funktioniert‘ und ihm innerhalb desselben die Kräfte zufließen, deren es zu einem sinnerfüllten Leben immer wieder bedarf.“ 219 Alle Angehörigen eines Stammes stehen daher innerhalb eines Zusammenhangs, dessen Zugehörigkeit Zugang zu Lebens-Ressourcen vermittelt und der daher vermittelt über (Ahnen-) Kult und Ritus Gegenstand von Hoffnung ist und in dem sich quasi die wahre Bestimmung des Menschen spiegelt, er aber auch verloren gehen kann. Das Christentum kennzeichnet zentral eine Reich-Gottes-Hoffnung, die in der Gestalt des Messias zum Ausdruck kommt. Gegen die Gnosis wurde dabei schon früh sowohl der Realismus, als auch der Universalismus entsprechender Vorstellungen (im Sinne einer real-futurischen Eschatologie) verteidigt und allererst freigelegt. In philosophischer Diktion kann daher die Spannung von Partikularität auf der einen Seite und tät 220 auf der anderen Seite als zwei bleibende strukturelle Komponenten christlicher 217 Vgl. BRÜCK, M. VON, Ewiges Leben oder Wiedergeburt? Sterben, Tod und Jenseitshoffnung in europäischen und asiatischen Kulturen, Freiburg im Breisgau 2007, wobei BRÜCK gerade die nötige systematische Sorgfalt mitunter vermissen lässt. 218 Vgl. BERNER, U., Hoffnung I. Religionswissenschaftlich und religionsgeschichtlich, 1822: „Die Bezugsgröße der Hoffnung, der unvollkommene Zustand, dessen Aufhebung erstrebt wird, ist in der Geschichte der Religionen ganz verschieden bestimmt worden.“ 219 Vgl. BÜRKLE, H., Hoffnung bei fremden Religionen, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio 13 (1984), 333-342, 340-341. 220 Vgl. TALMON, S., Partikularität und Universalismus in der biblischen Zukunftserwartung, in: FALATURI, A. / STROLZ, W. / Ders. (Hrsg.), Zukunftshoffnungen und Heilserwartungen in <?page no="178"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 178 Hoffnungstheologie von Anfang an festgehalten werden. Nochmals anders formuliert: „Geschichtliche Vorläufigkeit und eschatologische Endgültigkeit“ 221 sind in ihrer Parallelität Grundkonstanten des christlichen Hoffnungsdenkens. Inhaltlich ist damit eine Vorwegnahme der Erlösung in der noch unerlösten Welt bezeichnet. Dabei wird insbesondere die „Leidensgestalt des Messias“ 222 zur Hoffnung für die Leidenden erhoben und der neutestamentliche Jesus Christus als Erfüllung und Identifikation mit der zunächst altisraelitischen, dann jüdischen respektive alttestamentlichen Messiaserwartung betrachtet. Kennzeichnend für das Christentum sind nun nach K. STOCK 223 Gerichtserwartungen als Ausdruck der Hoffnung auf Gerechtigkeit und Recht, aber auch Auferstehungshoffnungen und Hoffnung auf ewiges Leben. Das Christentum argumentiert dabei grundlegend mit der Vorstellung einer erlösungsbedürftigen Menschheit (und Schöpfung), die dem „Gesetz der Sünde und des Todes“ verfallen ist. Gegenstand christlicher Hoffnung ist nun die Befreiung vom Gesetz und die Vorstellung eines auf der Auferstehung Jesu basierenden ewigen Lebens bei Gott selbst bzw. in liebender Vereinigung mit ihm, der unio mystica. Das heißt, christliche Hoffnung basiert auf einem personalen Gottesbezug und einem personhaften, absoluten Gottes-Du. Dabei ist für die vorliegende Fragestellung nach handlungsrelevanten Hoffnungsstrukturen insbesondere das „Zugleich von Gegenwart und Zukunft“ 224 in der Reich-Gottes-Hoffnung, wie sie im NT zum Ausdruck kommt, festzuhalten, wiewohl das Ineinander der Zeitperspektiven auch jüdischem Zeitempfinden durchaus entsprechend ist. Im Buddhismus wird menschliches Leben als vom Leiden und von der Illusion bestimmt betrachtet, sodass der Gegenstand der (Heils-) Hoffnung quasi ex negativo als Bestimmung der Ursache des Leidens und zugleich als Weg zu deren Überwindung und Aufhebung vorgestellt wird. Das bedeutet auch das Ende (der Illusion) eines individuellen (begehrenden) Ichs, das unter anderem als Quelle des Leidens identifiziert wird. Das Medium dieses Weges ist bekanntlich die Praxis der Meditation, die in Anlehnung an eine christliche Theologie des Gebetes 225 als „schweigende Hoffnung“ 226 bezeichnet werden kann. Hoffnung kann daher im Kontext buddhistischer Weltdeutung und entsprechenden monotheistischen Religionen, Freiburg im Breisgau 1983, 21-48, der insbesondere darauf hinweist, dass der biblische Zeitbegriff in Früher und Später denkt, nicht in Erstes und Letztes und der sowohl die Geschichtsgebundenheit, als auch die universalistische Messias- und Heilszeiterwartung der biblischen Zukunftshoffnungen betont. 221 Vgl. SEEBAß, H., Geschichtliche Vorläufigkeit und eschatologische Endgültigkeit des biblischen Monotheismus, in: FALATURI / STROLZ / TALMON, Zukunftshoffnungen und Heilserwartungen in den monotheistischen Religionen, 49-80, womit SEEBAß zugleich eine Begründung biblischer Theologie versucht. 222 Vgl. MOLTMANN, J., Die messianische Hoffnung im Christentum, in: Concilium 10 (1974), 592-596, hier 594. „Durch die Leiden des Messias bekommen die Leidenden messianische Hoffnung.“ 223 Vgl. STOCK, K., Einheit und Zukunft Gottes. Zum Verständnis der eschatologischen Erwartung des Glaubens, in: FALATURI / STROLZ / TALMON, Zukunftshoffnungen und Heilserwartungen in den monotheistischen Religionen, 11-20. 224 Vgl. FRANKEMÖLLE, H. , Der Glaube an die Wiederkunft Christi als Vollendung des Gottesreiches. Überlegungen zum Grund christlicher Hoffnung, in: FALATURI / STROLZ / TAL- MON, Zukunftshoffnungen und Heilserwartungen in den monotheistischen Religionen, 81- 120, hier 92. 225 Vgl. Kapitel VII 2 in dieser Arbeit. 226 Vgl. DUMOULIN, H., Sinnfrage und Sinnerfahrung im Buddhismus, in: PAUS, A. (Hrsg.), Suche nach Sinn - Suche nach Gott, Graz 1978, 269-308, hier 307. <?page no="179"?> 2. Etymologische, begriffliche und religionswissenschaftliche Einlassungen 179 der Lebenspraxis als eine Form des Abschiednehmens und der Loslösung vom Verhaftetsein an die Bedingungen des irdischen Daseins charakterisiert werden. Damit kommt in der Hoffnung die Selbstbefreiung aus den Fesseln einer welthaft verstrickten Existenz zum Ausdruck. Im Hinduismus geht es um die Befreiung von einem determinierenden Karma, um die Befreiung aus dem Rad der Wiedergeburt (Samsara) und die Rückkehr des Endlichen und damit auch des wahrhaftigen Selbst zum Ewig-Einen. Dabei scheint die Befreiung vom Tod „für den alten Hinduismus das beherrschende Anliegen gewesen zu sein“ 227 . Dennoch lassen sich je nach historischem Kontext und hinduistischer Strömung folgende Hoffnungsbegriffe identifizieren: Die Zeit der Veda etwa ist von Hoffnung auf Unsterblichkeit gekennzeichnet, die der Upanishaden von der Hoffnung auf Vereinigung mit dem Absoluten, die wiederum Unsterblichkeit, Freiheit und Glück bedeutete, wobei sie mitunter persönlich-individuell, mitunter als unpersönliches Aufgehen in der Gottheit verstanden wurde. Letztere kennt auch monistische und solipsistische Deutungen der Nicht-Zweiheit, die streng genommen keine Eschatologie darstellen, da hier nur ein „Auslöschen der Illusion von einer nicht existierenden Zweiheit“ 228 vorliegt. Gemeinsam ist aber allen hinduistischen Hoffnungsfiguren die Vorstellung von der Befreiung aus dem unerbittlichen Gesetz der Tat und einer daran orientierten Vergeltungskausalität zur „Wahrheit von der Identität des einzelnen mit dem Absoluten“ 229 . Daran knüpfen dann Hoffnungen auf Änderung der Lebensumstände durch Identifikation und Reintegration in die Gottheit an. Für den Bereich des Judentums und des Alten Testaments sind insbesondere messianische Hoffnungen ausschlaggebend gewesen - bis heute 230 , wobei der Messias als Repräsentant einer Heilsordnung verstanden wird. Daneben sind natürlich die prophetischen Verheißungen an das auserwählte Volk zu erwähnen, aber auch die Bundestheologien 231 , die Landverheißung und Ähnliches mehr. Ein außerordentlich reiches Spektrum von Verheißungen und Hoffnungsfiguren sind identifizierbar, personifiziert in der Gestalt des Messias und dann unter christlicher Perspektive als „erfüllt“ geglaubt oder modifiziert weiter als Hoffnungsspannung offen gehalten in der Person Jesu von Nazareth. Allein der Messiasbegriff kennt dabei ein Spektrum von prophetischen bis apokalyptischen Deutungen, wobei in jüdischer Lesart bis heute nachwievor eine „vormessiani- 227 Vgl. RAYAN, S., Die eschatologische Hoffnung des Hinduismus, in: Concilium 5 (1969), 50-54, hier 50. 228 Vgl. RAYAN, Die eschatologische Hoffnung des Hinduismus, 50. 229 Vgl. ebd. 51. 230 Vgl. in Auswahl STÖLTING, U., Messias / Messianismus (Art.), in: EICHER, P. (Hrsg.), Neues Handbuch Theologischer Grundbegriffe, 3 2005, 60-68. SCHWEID, E., Jewish Messianism: Metamorphoses of an Idea, in: MARC SAPERSTEIN (ed.), Essential Papers on Messianic Movements and Personalities in Jewish History, New York et al. 1992, 53-70. PETUCHOWSKI, J., Die messianische Dialektik im Judentum, in: Kairos 23 (1981), 66-74. SCHOLEM, G., Zum Verständnis der messianischen Idee im Judentum, in: Ders., Judaica (I), Bibliothek Suhrkamp Bd. 106, Frankfurt am Main 1963, 7-74. HALM, H., Die Schia, Darmstadt 1988, 34-56. MA- YER, R. / RÜHLE, I., War Jesus der Messias? Geschichte der Messiasse Israels in drei Jahrtausenden, Tübingen 1998, 149-179, 180-196 („Demokratisierung des Messianischen im Chassidismus“ und „Der Lubawitscher Rebbe - ein Messias aus Brooklyn“) und die entsprechenden Ausführungen des alttestamentlichen Kapitels. 231 Vgl. GROß, W., Zukunft für Israel. Alttestamentliche Bundeskonzepte und die aktuelle Debatte um den Neuen Bund, Stuttgart 1998. <?page no="180"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 180 sche“ 232 Weltdeutung favorisiert wird, die ihrerseits eine spezifische Hoffnungsspannung zu erkennen gibt, die sich von der genuin christlichen unterscheidet. Eine basale Dialektik der jüdischen Messiashoffnungen, wie sie analog im Christentum zu finden ist, zeigt sich in der Frage nach dem Verhältnis der Sache des Menschen und der Sache Gottes bei der Beförderung der messianischen Vollendung, oder anders gesagt nach der Befähigung des Menschen und dem Eingreifen Gottes. Die Messiaserwartungen des modernen Judentums sind nun stark historisch-politisch 233 konnotiert durch den Zionismus. Insgesamt dagegen zielt die jüdische Messias- und Reich Gottes-Erwartung auf ein weltgeschichtlich bedeutsames Heilsziel 234 . Ein Problem stellte dabei zunächst die zeitliche Terminierung und die territoriale Bindung dar, da das Heilsziel durchaus irdisch und gesellschaftlich gedacht wurde, später dann aber schnell utopischen Charakter annahm und es zu einem Überstieg der empirisch-realen Welt kam - bis hin zu Konzepten der messianischen Erlösung, der Heilsgeschichte und der damit verknüpften Bundestheologie und insgesamt des Zustandes der Erfüllung der Verheißungen. So etwa wurde von „diesem Äon“ und dem (unvergänglichen) „kommenden Äon“ 235 gesprochen. Was die im Kontext der vorliegenden Fragestellung wichtige Zeittheorie anbelangt, kann ein „linearer Geschichtsverlauf mit gottgesetztem Heilsziel als Vollendung der Geschichte“ 236 festgestellt werden, wobei eine aufschlussreiche Spannung zwischen „endgeschichtlichinnerweltlichem Heilsziel und überirdischen Heilserwartungen“ 237 zu beobachten ist. Diese messianische Idee bzw. genauer die Idee der Messiaszeit ist nun historisch wirksam bis in die Neuzeit 238 in Form „säkularisierter messianischer Hoffnungen“ 239 , etwa im Zionismus und im Reformjudentum, ganz abgesehen von Strömungen des orthodoxen Judentums. Wiewohl für den Islam deutliche Forschungsdesiderate vorliegen, kann beispielhaft die „Hoffnung auf den Madhi“ 240 genannt werden, der - zunächst als historische Gestalt - im Rahmen mittelalterlicher islamischer Theologie den rechtmäßig eingesetzten Kalifen bezeichnete, dann aber zu einer messianischen Gestalt wurde, letztlich zu „einer von 232 Vgl. PETUCHOWSKI, J., Die messianische Hoffnung im Judentum, in: Concilium 10 (1974), 589-592, hier 592. 233 Vgl. MAGONET, J., Angst und Hoffnung in jüdischer Erfahrung, in: Una Sancta 31 (1976), 125-135. 234 Vgl. MAIER, J., “Messianische Zeit” und “Kommende Welt” in der Zukunftserwartung des Judentums, in: FALATURI / STROLZ / TALMON, Zukunftshoffnungen und Heilserwartungen in den monotheistischen Religionen, 139-168. 235 Vgl. IV. Buch Esra. 236 Vgl. MAIER, “Messianische Zeit” und “Kommende Welt”, 139-168, hier 158. 237 Vgl. ebd. 148. 238 Vgl. etwa GRAETZ, M., Jüdischer Messianismus in der Neuzeit, in: FALATURI, A. / STROLZ, W. / TALMON, S. (Hrsg.), Zukunftshoffnungen und Heilserwartungen in den monotheistischen Religionen, Freiburg im Breisgau 1983, 167-188. Vgl. auch LAPIDE, P., Judentum: Befreiung und Hoffnung. Von der ‚heiligen Unzufriedenheit‘ der Juden und den Folgen, in: LM 21 (1982), 540-543, der als Kennzeichen der messianisch geprägten Hoffnungskraft des Judentums insbesondere den Realismus (sic! ), das (Gott-) Vertrauen und die Weltbejahung hervorhebt, neben einem Universalismus - alles auch grundlegende Aspekte eines christlichen Hoffnungsbegriffs. 239 Vgl. PETUCHOWSKI, Die messianische Hoffnung im Judentum, 590-591. 240 Vgl. MÖHRING, Η., Die Hoffnung auf den Madhi. Ein Charakteristikum islamischer Geschichte, in: KURSBUCH DIE ZEIT Ausgabe 164. Von Propheten und anderen Unglücksraben 2 / 2006, 38-51 und die dort angegebene Literatur. <?page no="181"?> 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung 181 Gott geleiteten Person“ 241 zur Verwirklichung einer absoluten Gerechtigkeit. Daneben ist auf die strikt monotheistische (praktische) Theozentrik des Islam zu verweisen und auf die prophetische Gestalt des Mohammad selbst. Der Islam kennt daher streng genommen keine Heilsmittlerschaft wie das Christentum als Folge dieser Theozentrik. Als wichtige Verständnisbasis islamischer Eschatologie ist schließlich noch das Ziel der Überwindung der Zwei-Welten-Theorie 242 von Diesseits und Jenseits, von heilig und profan zu erwähnen. Hier existieren eine Fülle von Hoffnungen auf Gericht, Auferstehung und eine Antwort auf den Tod. Auch in frühen griechischen Mythen der Antike, wie beispielsweise dem Prometheus- Mythos, wurde Hoffnung (ἐ λπίς ) als zur menschlichen Existenz gehörig beschrieben. 243 Die römische Religion personifizierte darüber hinaus die Hoffnung und betrachtete sie etwa als göttliche Macht 244 , die trotz ihrer Ambivalenz eine wichtige Funktion für die Erhaltung des Staates hatte. Diese Variabilität der Gegenstände und Güter religiöser Hoffnung im Allgemeinen ist in den Kontext der Argumentation der vorliegenden Arbeit zu den strukturellen Voraussetzungen eines christlichen Hoffnungsbegriffs im Besonderen dahingehend zu integrieren, dass von einer allgemeine Hoffnungsstruktur menschlicher Existenz auszugehen ist, der Mensch als „hoffnungsoffen“ und „hoffnungsfähig“ bezeichnet werden muss, wobei diese Struktur mit höchst unterschiedlichen Vorstellungen über Mensch, Welt und Gott konzeptualisiert wird. Einhellig erfährt aber der Hoffende eine ausgezeichnete Dignität durch Teilhabe an einem (weltgeschichtlichen, kosmischen, etc.) Zusammenhang, einer Gemeinschaft, einer Erfahrung oder einer Einsicht, der oder die die verheißene Größe allererst eröffnet. Dabei scheinen insbesondere Religionen diejenigen Orte zu sein, die zur Bildung von großen Hoffnungen prädestiniert sind, da sie universal denken, und das Ganze von Welt, Mensch und Gott vor Augen haben und zugleich Bezug nehmen auf konkrete, partikuläre Geschichte und die individuelle Existenz des Einzelnen und diese beiden Enden des Spektrums im Rahmen ihrer Hoffnungstheorien und Hoffnungspraxen aufeinander zu beziehen suchen. 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung „Wer Unerhofftes nicht erhofft, kann es nicht finden: unaufspürbar ist es und unzugänglich.“ 245 In der griechischen Antike 246 kam ἐ λπίς zunächst und ursprünglich nicht die eindeutig positive Bedeutung zu, die der Begriff nach der Begegnung mit dem Christentum be- 241 Vgl. FALATURI, A., Tod - Gericht - Auferstehung in koreanischer Sicht, in: Ders. / STROLZ / TALMON, Zukunftshoffnungen und Heilserwartungen in den monotheistischen Religionen, 121-138, hier 122. 242 Vgl. FALATURI, Tod - Gericht - Auferstehung in koreanischer Sicht, 128ff. 243 Vgl. HΕSIOD, Werke und Tage V, 96 und AISCHYLOS, Prometheus V, 250. 244 Vgl. CICERO, De legibus II, 28. 245 HERAKLIT B 18, in der Übersetzung von SNELL. 246 In der Darstellung einiger Grundzüge des griechisch-antiken Hoffnungsbegriffs kann aufgrund der Fülle des Materials und des begrenzten Umfangs der vorliegenden Arbeit nur kursorisch vorgegangen werden. Es wird auf die materialreiche Arbeit von WOSCHITZ, Elpis, verwiesen, insbesondere Themenkreis 1: Die Vorstellung von der Hoffnung in der Literatur der griechisch-römischen Antike, 63-218. <?page no="182"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 182 kommen hat: “E λπίς bezeichnet allgemein und formal den Zukunftsbezug des einzelnen Menschen, dem der neutrale Begriff ‚Erwartung‘ entspricht. Die inhaltliche Qualifikation geht entweder aus dem jeweiligen Textzusammenhang hervor oder wird durch Attribute wie αγαϑή (gut), κακή (schlecht) hinzugefügt.“ 247 Für den Griechen gehört es mithin zum Menschen, dass er ἐ λπίδες hat, d.h. Erwartungen von der Zukunft, die dann freudig oder schlimm konnotiert sein können. So lassen sich zwei Schwerpunkte in der Übersetzung des griechischen Begriffs 248 benennen: 1) Hoffnung, Vertrauen auf etwas oder jemanden, daneben Erwartung; aber auch Bezeichnung des Gegenstandes, auf den jemand seine Hoffnung setzt. 2) Meinung, Vermutung, Ahnung; aber auch Furcht, Befürchtung, Besorgnis. Das führte schließlich zu der später häufigen Entgegensetzung von ἐ λπίς und ϕόβος . Etymologie und Wortbildung lassen auf die ursprünglich indogermanische Wurzel uelim Sinne von wollen, wünschen schließen 249 , was für den Kontext der vorliegenden Arbeit von großem Interesse ist. Ferner ist auf eine aufschlussreiche etymologische Verbindung des griechischen Stammes ελπ mit dem lateinischen Stamm vel- (lat. vel-le) hinzuweisen, bei dem die Wurzel ελ um ein π erweitert wurde. Dieser findet sich dann wieder im griechischen ἔ λδομαι - wünschen, begehren, sich sehnen (1) bzw. erwünscht sein (2), aber auch mit α -Ablaut im griechischen ἐ πάλπνος - unerwünscht, genauso wie im lateinischen volup (voluptas) - vergnüglich, angenehm 250 . Dabei gilt mit den Analysen von ALBRECHT DIHLE: „Im Griechischen wird mit der Wortgruppe ελπ zunächst einfach bezeichnet, dass man etwas nach Erfahrung, Eindrücken, allgemeiner Welterkenntnis etc. erwarten oder vermuten kann. Ein Gegensatz Vermutung - Wissen ist dabei nicht immer indiziert, erhält aber durch die Philosophie Bedeutung, die bloßes Meinen ( δόξα , ἐλπίς ) dem beweisbaren Wissen vom Seienden entgegensetzt. […] Für alle hellenistische Philosophie ist rechtes Wissen vom Aufbau der Welt einzige Grundlage rechten Handelns, das nicht auf Hoffen, Erwarten oder Vermuten gründen darf. Deshalb die Abwertung von Wörtern wie πίστις , δόξα , ἐλπίς gegenüber den Ausdrücken des Wissens seit spätklassischer Zeit.“ 251 Mit anderen Worten: Es gibt eine nachweislich sehr frühe sprachliche Verbindung des griechischen Hoffnungsbegriffs mit weiteren griechischen und lateinischen Wörtern, die (1) ein Wollen, Wünschen und Sehnen (positiv oder negativ) ausdrücken, aber auch (2) den Aspekt des Angenehmen und Freudigen hervorheben. 252 Beide Aspekte scheinen sich mit dem Bedeutungsspektrum der ἐ λπίς verbunden zu haben, was u.U. darauf schließen lässt, dass sie sich auf der Basis von Selbsterkenntnis, Reflexion und praktischem Hoffnungs-Vollzug als zur Hoffnung gehörig zu erkennen gaben. Festzuhalten bleibt aber unter dieser Perspektive, dass Hoffnung etwas mit menschlichem Willen und menschlicher Motivation zu tun hat und dass sie 247 Vgl. LINK, H.-G., Hoffnung (Art.), in: RITTER, J. (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd. III, Darmstadt 1974, 1157. 248 Vgl. dazu auch MENGE, H. (Hrsg.), Menge-Güthling. Langenscheidts Großwörterbuch Altgriechisch - Deutsch unter Berücksichtigung der Etymologie, Berlin / München 28 1994, 229. 249 Vgl. NEBE, G., ἐ λπίς (Art.), in: COENEN, L. / HAACKER, K. (Hrsg.), theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament Bd. I, Wuppertal 1997, 997. 250 Vgl. MENGE, Menge-Güthling, 226, 229. 251 Vgl. DIHLE, A. / STUDER, B. / RICKERT, F., Hoffnung (Art.), in: DASSMANN, E. et al. (Hrsg.), Reallexikon für Antike und Christentum. Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt Bd. XV, Stuttgart 1991, 1159-1250, hier 1160. 252 Vgl. auch STOWASSER, J.M. / PETSCHENIG, M. / SKUTSCH, F. (Hrsg.), STOWASSER. Lateinisch - deutsches Schulwörterbuch, München 1994, 557. <?page no="183"?> 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung 183 mit dem Affekt der Freude in Verbindung gebracht werden kann, aufgrund ihres Charakters aber als Nicht-Wissen latent relativiert wird. 253 Entscheidend ist dabei, dass sich der Begriff zwar im Laufe seiner antiken Bedeutungsgeschichte positiviert hat, u.a. aufgrund von Rationalisierungen, aber nie seine Ambivalenz verlieren wird und letztlich über einen Bezug zu einer wie auch immer verstandenen „Ordnung der Natur“ Bestätigung oder Widerlegung erfährt. Zunächst kann daher zweifelsohne festgehalten werden: „Es gibt für griechisches Denken keine Instanz außerhalb des Kosmos, auf die sich Hoffnung und Vermutung oder Wissen beziehen könnte.“ 254 Dennoch entwickelten sich schließlich Vorstellungen, die Hoffnung auf Unsterblichkeit (der Seele) oder ein ewiges Leben kennen. War noch in vorsokratischer Zeit ἐ λπίς eine richtige Einschätzung und Vorhersage der Zukunft schlicht eine Meinung, so unter platonischem Einfluss später zunehmend eine von Vertrauen geprägte Erwartung eines glücklichen Lebens nach dem Tod. „So begriff man ἐ λπίς nicht mehr bloß als Vorahnung der Zukunft, sondern als Aussicht auf ein in diesem Leben vorbereitetes besseres Dasein nach dem Tod.“ 255 Im Folgenden sollen nun diese eher allgemeinen begriffsgeschichtlichen Analysen auf einzelne Epochen antiker Geistesgeschichte erweitert und einige herausragende Gestalten dieser Zeit auf ihre Reflexionen zur Hoffnung befragt werden: a) Lyrik, Prosa und die attische Tragödie In der sogenannten archaischen Zeit, für die die Epik HESIODS oder die Lyrik PINDARS stehen kann, betrachtete man die ‚Erwartungen‘ der ἐ λπίς äußerst skeptisch, denn es wurde weniger über den Wirklichkeitsbezug dieser Erwartungen nachgedacht als über die fundamentale (Selbst-) Befangenheit derselben bzw. des Menschen durch dieselben. PINDAR 256 beispielsweise warnt vor den neidischen und unverschämten Erwartungen der Sterblichen, die er mit egoistischen und eingebildeten Gedanken vergleicht. HESIOD spricht auf dieser Linie von „leeren Hoffnungen“ 257 , die in ihrem Optimismus durch nichts gerechtfertigt seien und sich alsbald als Täuschungen erweisen würden. Hier zeigt sich v.a. eine kritische Distanz gegenüber der stets unsicheren Zukunft und den auf sie gerichteten Meinungen, Annahmen und Erwartungen, wie sie ähnlich auch in der späteren Stoa zu beobachten ist. 258 „In diesen Äußerungen wird die Befürchtung laut, das Vertrauen auf die Zufälligkeit und Unberechenbarkeit der unbekannten Zukunft werde sich als Illusion erweisen. Denn die Göttin τύχη durchkreuzt nur allzu oft die trügerischen Erwartungen der Menschen.“ 259 Wer über die Bedeutung der antiken Tragödie für den Umgang mit und die Ausbildung von Hoffnungen nachdenken will, ist zudem auf die Poetik von ARISTOTELES verwiesen, der von einer doppelten Aufgabe der Tragödie 253 Diese Verbindungen sind nicht nur für den griechisch-lateinischen Sprachraum nachweisbar, sondern gelten sowohl für andere Vertreter der indogermanischen Sprachenfamilie, als auch für den althochdeutschen, niederhochdeutschen und gotischen Bereich. 254 Vgl. DIHLE / STUDER / RICKERT, Hoffnung, 1160. 255 Vgl. ebd. 1165. 256 Vgl. PINDAR Isthm. II, 43; Nem. XI, 42ff.; Pyth. I, 83; Olymp XII, 5ff. Vgl. dazu auch die umfangreiche Studie von THEUNISSEN, M., Pindar. Menschenlos und Wende der Zeit, München 2000. Ebenso LACHNIT, O., Elpis. Eine Begriffsuntersuchung, Diss. Tübingen 1965, 50f. 257 Zitiert nach LINK, Hoffnung, 1157. 258 Vgl. EPIKTET, Fragment 30 und MARC AUREL 3, 14. 259 Vgl. LINK, Hoffnung, 1157. <?page no="184"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 184 sprach, wonach sie durch Mitleid und Furcht zur Reinigung (katharsis) der Leidenschaften führen soll. 260 Die zentrale Wirkung ist eine Katharsis. Bezogen auf die vorliegende Fragestellung: Die antike Tragödie verwirrt und desillusioniert (vermeintlich allzu) trügerische Hoffnungen, nimmt Hoffnungen quasi zurück, wo sie gehegt wurden und ist so Ausdruck der bleibenden Ambivalenz griechischer Hoffnung. 261 Sie legt leere Hoffnungen frei und zeigt zugleich die Anfälligkeit des Menschen genau dafür augenfällig auf - mit allen Konsequenzen. Die antike Tragödie stellt u.a. den Versuch der szenischen und narrativen Entlarvung vermeintlich trügerischer Hoffnungen dar. Sie dient der Verarbeitung von enttäuschter Hoffnung und der Balancierung von darauf bezogenen ambivalenten Erfahrungen. Darin ist sie Ausdruck eines bestimmten Menschenbildes. Mit anderen Worten: Den Verstand 262 nicht betören zu lassen - auch nicht von trügerischer Hoffnung - kann als Kernbestand griechischer Anthropologie aufgefasst werden. 263 Die attische Tragödie variiert dieses Thema und die Schwierigkeit, dieser Forderung nachzukommen mitsamt den Fehlern, die dabei gemacht werden, in vielfältigen Formen. Dabei wird immer wieder auf die Dialektik von Wirklichkeit und Hoffnung reflektiert und auf die Anfälligkeit des menschlichen Verstandes für Täuschungen und Irrtümer, woraus mitunter teils fatalistische, teils tröstlich-überschwängliche Bewertungen abgeleitet werden 264 , an die nicht wenige moderne Philosophen und Dichter in ihren Kulturreflexionen wieder anzuknüpfen versuchen. 265 So vermag sogar eine Veränderung im Verständnis der Tragödie sich auch in Veränderungen in der Bewertung von Hoffnung zeigen. Ein positiveres Verständnis der ἐ λπίς bietet die klassische Zeit der Tragiker und der Historiographen, insbesondere durch HERODOT, THUKYDIDES und AISCHYLOS geprägt, indem sie dem rationalen Moment der Hoffnung zum Durchbruch verhilft. Den Wirklichkeitsbezug der Hoffnung in den Vordergrund rückend wird diese im Unter- 260 Vgl. ARISTOTELES, Poetik, 6, 2. 261 Nicht umsonst ist die Tragödie bis heute ein Trauerspiel, das nicht das Gelingen in Szene setzt, sondern das Scheitern. 262 Vgl. SPIRA, A., Angst und Hoffnung in der Antike, in: AINIGMA (FS für HELMUT RAHN), hrsg. von VARWIG, F.R., Heidelberg 1987, 129-181, hier 144. „In ihren Augen ist die Hoffnung (elpis) eine Erwartung von Gutem, die, da nicht vom Verstand, sondern von der Begierde entfacht, als Wunschdenken geistige Blindheit bedeute und damit die niemals versiegende Hauptquelle menschlichen Leids. Der Gegensatz dazu ist die Einsicht, das Denken - Begriffe, für deren Verständnis uns daher gerade die griechische Sicht der Hoffnung zum Schlüssel werden kann.“ 263 Vgl. SPIRA, Angst und Hoffnung in der Antike, 141. „Die griechische Frage lautete nicht: Was gibt uns die Energie auszuhalten und zu wagen, auch wenn sich Hindernisse auftürmen? Diese Energie sahen sie überall und nur zu sehr im Übermaß am Werk. Ihre Frage war: Was ist es, das den menschlichen Tatendrang überall über das Ziel schießen lässt und Einzelne wie ganze Städte und Völker in das Verderben reißt? Das war ihre Frage und dabei stießen sie auf die Hoffnung, die unseren Energien […] den Weg der gefahrlosen Erfüllung vorspielt.“ Daher konnte die griechische Hoffnung nicht etwas schlechthin Gutes sein, zu dem sie mit dem Christentum wurde. Erneut SPIRA: „Ja, man darf sagen, wo immer bei den Griechen ernsthaft, und das heißt ethisch oder politisch, von dem Phänomen der menschlichen Hoffnung die Rede ist, wird sie negativ gesehen, als ein ‚schlimmer Wegführer‘, wie Sokrates gesagt haben soll (Stob. 4, 46,21), ‚ins Fehlverhalten‘.“ Vgl. ebd. 141. 264 Vgl. materialreich WOSCHITZ, K.M., Elpis - Hoffnung. Geschichte, Philosophie, Exegese, Theologie eines Schlüsselbegriffes, Wien / Freiburg / Basel 1979, 130ff. 265 Vgl. Kapitel IIΙ in dieser Arbeit. <?page no="185"?> 185 schied zum Wissen als rational begründete Wahrscheinlichkeit charakterisiert. 266 „Die stärkere Betonung des Wirklichkeitsbezuges führt auch zum positiven Verständnis der ἐ λπίς als auf Wahrscheinlichkeit beruhender Annahme, Vermutung oder Voraussicht.“ 267 DEMOKRIT unterscheidet deswegen auf dieser Reflexionsstufe klar zwischen der zutreffenden Voraussicht der richtig Denkenden und den unmöglichen Erwartungen der Einsichtslosen. Für ihn „sind die ἐ λπίδες der Toren unerfüllbar, die der Verständigen und Gebildeten aber besser als der Reichtum der Ungebildeten [...]; denn die ἐ λπίς der Klugen, die dann freilich nicht mehr ἐ λπίς im ursprünglichen Sinne ist, gründet sich nicht auf die τύχη , sondern auf die wissenschaftlich zu erforschende ϕύσις . Die eigentümlich griechische Tendenz, sich durch verstehende Einfügung in die Ordnung des Kosmos gegen die Zukunft zu sichern, findet hier charakteristischen Ausdruck.“ 268 Demgegenüber gibt es aber auch eine an dieser Stelle zumindest erwähnenswerte Tendenz, mit der Hoffnung eine überrationale Kraft zu verbinden, was sich exemplarisch an einem Zitat von HERAKLIT zeigen lässt: „Wer nicht erwartet das nicht zu Erwartende (das was über jedes Erwarten hinausgeht), wird es nicht ausfindig machen das Unauffindbare (Unfassliche) und Unzugängliche.“ 269 Der Inhalt der Hoffnung, über den ein rationales Verständnis der ἐ λπίς als Voraussicht noch nichts aussagt, kann nun erfreulich oder unerfreulich sein. PLATON spricht von „bösen Erwartungen“ 270 bzw. „angenehmer Erwartung“ 271 , AISCHYLOS dagegen spricht von der „Voraussicht der Furcht“ 272 , wiewohl zu dieser Zeit die erfreulichen Zukunftserwartungen überwiegen, die inhaltliche Bestimmung der Hoffnung als eines „vom subjektiven Interesse geleiteten Vertrauens auf positive zukünftige Möglichkeiten“ 273 aber erst bei SOPHOKLES nachweisbar ist 274 . Charakteristisch für dieses Verständnis der Hoffnung ist insbesondere die positive Funktion für den Menschen 275 , aber auch die Interpretation bzw. Reduktion des Wahrscheinlichkeitsbezuges als (bloße) Möglichkeit und die Beteiligung des subjektiven ἔ ρως . An der insgesamt negativ konnotierten Interpretation der Hoffnung bei den Griechen vermögen diese Vorstellungen freilich nichts Grundlegendes zu ändern. 276 Eine 266 Bereits HOMER gebraucht in diesem Sinne des Für-wahrscheinlich-Haltens das Verbum ἔ λπεσϑαι . Vgl. dazu WOSCHITZ, Elpis, 67-75, der allein für die homerische Verwendung dieses Verbums drei Bedeutungsbereiche ausmacht, die sich auch später immer wieder finden lassen: (1) Der rational-estimative Aspekt; (2) der emotiv-expressive Bedeutungswert und (3) die Verwendung als fürchten, befürchten und mit Besorgnis erwarten. 267 Vgl. LINK, Hoffnung, 1157. 268 Vgl. BULTMANN, R., ἐ λπίς A. Der griechische Hoffnungsbegriff (Art.), in: KITTEL, G. (Hrsg.), Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament Bd. II, Stuttgart 1935, 517. Weiter oben wird auch auf die Bedeutung der Hoffnung als Triebkraft der τέχνη hingewiesen, die zu Wohlstand führt. 269 Zitiert nach BULTMANN, ἐ λπίς A., 516. 270 Vgl. PLATON, Resp. 330e. 271 Vgl. PLATON, Resp. 331a. Vgl. auch ARISTOTELES, Soph. El., 303ff. EURIPIDES, Hel. 1031. 272 Vgl. AISCHYLOS, Agam. 1434. Vgl. auch THUKYDIDES, VII, 61, 2. 273 Vgl. LINK, Hoffnung, 1157. 274 Vgl. SOPHOKLES, Rex Oed. 835, ebenso LACHNIT, Elpis, 72ff. 275 Vgl. THUKYDIDES II, 62,5 und V, 103, wo er von der Kraft der Hoffnung in ausweglosen Situationen spricht, in denen er sie als „Trost in der Gefahr“ bezeichnet. 276 Vgl. SPIRA, Angst und Hoffnung in der Antike, 160-161. „Zwar kennen die archaischen Dichter durchaus auch eine ‚gute‘ Hoffnung - ‚eine gute Hoffnung‘, sagt Pindar (Isth. 8, 15), ‚soll am Herzen liegen dem Mann‘, und auch der mit seinen ungerechten Richtern rechtende Hesiod ‚hofft‘, dass Zeus es zum Äußersten des Unrechts nicht kommen lassen werde (Op. 273) -, 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung <?page no="186"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 186 erste Systematisierung des mit ἐ λπίς bezeichneten Zukunftsbezuges des Menschen kann nun folgende drei Gesichtspunkte unterscheiden: Antike Zukunftsbezüge im Medium der Hoffnung (1) Hoffnung als illusionäre Annahme (2) Hoffnung als rationale Voraussicht (3) Hoffnung als existenzielle Zuversicht Abbildung 4 Der antike Zukunftsbezug mittels der Hoffnung b) PLATON „Schön ist das Wagnis und die Hoffnung groß.“ 277 In PLATONS Philosophie ist die Sache der Ethik mit einer Fülle philosophischer Reflexionen verwoben und noch nicht explizit disziplinär getrennt wie bei ARISTOTELES. 278 Es können dennoch mindestens zwei zentrale Kontexte ausgemacht werden, die für die vorliegende Fragestellung von Interesse sind: (1) Die Bedeutung der Ideen(-lehre) als Frühform eines kosmologisch-mythologisch geprägten philosophischen Hoffnungstopos und die damit im Zusammenhang stehende Anamnesislehre. (2) Eine dezidierte Verwendung findet ἐ λπίς im Umfeld des Dialogs Philebos und seiner Auseinandersetzung mit den Lüsten. PLATON spricht zwar vergleichsweise häufig von ἐ λπίς und das auf einer bereits mehr rationalen Ebene als sein Umfeld, hält aber zunächst daran fest, dass es sich um eine Annahme und Einschätzung der Zukunft gegenüber handelt, die neutral betrachtet wird und mal Furcht, mal Zuversicht werden kann. Von solchen Voraussichten hegt der Mensch im Laufe seines Lebens eine ganze Fülle. 279 Lust und Schmerz köndoch das Interesse der mahnenden Dichter lag nun einmal bei unseren selbstverschuldeten Leiden. Darum blieb auch ihr Blick, wenn sie nach deren Ursachen forschten, immer wieder an der blinden Hoffnung haften, die dem vernunftlosen Begehren den Weg der Erfüllung verspricht. Was die Dichter hier sahen, wird später dann Aristoteles zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung machen und erklären, warum das von der Sinneswahrnehmung ausgehende Begehren immer nur das Gegenwärtige zu sehen vermag und so, durch seine Unfähigkeit, ‚das Künftige zu sehen‘, das jetzt Angenehme auch für das schlechthin Angenehme hält, hingegen der auf das Handeln gerichtete ‚praktische‘ Verstand auch das Künftige ins Auge fassen und bedenken kann, ob das jetzt Angenehme auch dann noch das Angenehme sein wird.“ 277 Vgl. PLATON, Phaidon 114 d. 278 Vgl. auch THOME, J.U.V., Psychotherapeutische Aspekte in der Philosophie Platons, Diss. Saarbrücken 1994, der anhand einer Fülle von Beispielen zeigen kann, dass in PLATONS Dialogen Präfigurationen moderner psychotherapeutischer Verfahren zu identifizieren sind, insbesondere wenn es um die „Sorge um die Seele“ geht ( ψυχῆς ἐπιμελεία ). Insgesamt kann als aufschlussreich für die vorliegende Fragestellung und als Bestätigung des hier vertretenen interdisziplinären Ansatzes festgehalten werden: „Die Frage nach der Art und Weise, wie das Leben zu führen sei, bezeichnet den Schnittpunkt von Psychologie und Ethik.“ Entsprechende Zielwerte sind schließlich sowohl sittlich konnotiert, als auch anthropologisch fundiert und dabei immer auch Gegenstand von Hoffnung. 279 Vgl. PLATON, Philebos, 39e, 40a. <?page no="187"?> 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung 187 nen sich sodann sowohl im Angesicht von Vergangenheit, Gegenwart, wie auch Zukunft einstellen. 280 Wiewohl sich in PLATONS Ethik ein mythisches bzw. mythologisches Weltbild zeigt, das ein ganzes Pantheon für sich beansprucht, ein mitunter dualistisches Menschenbild und eine Vermittlung der entsprechenden anthropologischen Pole durch Emanationen favorisiert wird, bringt PLATON dennoch ἐ λπίς ausdrücklich mit der Idee der Unsterblichkeit zusammen, was schließlich wirkungsgeschichtlich Bedeutung erlangt hat. „In seinem Bemühen um Reinheit und in seiner Sehnsucht nach Wahrheit fühlt er sich angesichts des Todes zur ἀγαϑή ἐ λπίς berechtigt, einst die Wahrheit zu erkennen.“ 281 Die Vorstellung der Rückkehr in einen paradiesisch anmutenden Zustand nach dem Tod vermittelt dabei Trost. 282 Platon hat nun in seinem Dialog PHILEBOS eine aufschlussreiche Zuordnung der drei menschlichen Zeitbezüge (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) zu drei fundamentalen Erkenntnisvollzügen 283 beschrieben, die bis heute aufgrund ihrer Plausibilität Anwendung finden: dem Vergangenheitsbezug ordnet er das Gedächtnis zu ( μνήμη ), dem Gegenwartsbezug die Wahrnehmung ( πισϑῆσις ) und dem Zukunftsbezug die Hoffnung (ἐ λπίς ) 284 . Dabei gelten die drei Kräfte der Hoffnung, des Verlangens ( ἐπιϑυμία ) und der Vorfreude ( προχαίρειν ) als Vorgriffe der Seele auf Zukünftiges. PLATON unterscheidet nun vier Formen von Erwartungen: gute, böse, wahre und falsche, die auf die guten bzw. schlechten Vorstellungen und die entsprechenden richtigen bzw. irrigen Meinungen über die Zukunft zurückzuführen sind. Für die nachfolgend interpretierten Reflexionen PLATONS zu den Lüsten und deren Zusammenhang zur Hoffnung im PHILEBOS sind die Analysen von H.G. GADAMER 285 aufschlussreich, wobei sie insbesondere helfen können, frühe systematische Spuren des Hoffnungsbegriffs zu identifizieren. PLATON unterscheidet in den einschlägigen Textpassagen des Dialogs 286 zwischen Verlangen, Hoffnung und Vorfreude und versucht nun, deren Verhältnisse zu bestimmen. Aus der Zuversicht auf das baldige Kommen des Verlangten oder der Gewissheit des Nichterlangens lässt sich nun für PLATON die Befindlichkeit des Daseins als Lust oder Unlust ableiten. Entscheidend ist mit GADAMER: „Im Verlangen ist man nicht in der Weise beim Verlangten, dass man sich über sein Seinwerden eine Meinung bildet und auf Grund dieser Meinung auf es hoffend sich freut oder verzwei- 280 Vgl. DIHLE / STUDER / RICKERT, Hoffnung, 1163. „Wer sich statt von Eigenliebe von Gerechtigkeit und richtigem Maß leiten lässt, kann mit solchen Erwartungen und Erinnerungen leben und darf mit der Hilfe der über den Menschen stehenden Götter rechnen (leg. 4, 718a; 5, 732 cd).“ 281 Vgl. ebd. 1164. 282 Vgl. PLATON, Phaidon, 107 d, 14c. 283 Vgl. PLATON Philebos 33c-34c, 39a-41b. 284 Vgl. zu dieser Unterscheidung erhellend R. BULTMANN, der mit PLATON darauf hinweist, „wie das menschliche Dasein nicht nur durch die das Gegenwärtige aufnehmende αἴσϑησις , sondern zugleich durch die μνήμη an das Vergangene und die Erwartung des Künftigen bestimmt ist, und zwar so, dass, wie das Gedenken an das Vergangene, so auch das Erwarten des Künftigen ( προχαίρειν und προλυπείσθαι ) nicht ein objektives Urteilen und Rechnen ist, sondern ein Für-Sich-Erwarten, Fürchten oder Hoffen, dessen Inhalt je aus dem erwächst, was der Mensch als seine eigentliche Möglichkeit versteht“. Vgl. BULTMANN, ἐ λπίς A., 516. 285 Vgl. GADAMER, H.-G., Platos dialektische Ethik. Phänomenologische Interpretationen zum Philebos, Hamburg 4 2000. 286 Vgl. PLATON, Philebos, 35d-36c als Reflexion auf ein Verständnis des Verlangens und der Vorfreude und 36b-41b als Reflexion auf „falsche“ Lust als grundlose Hoffnung. <?page no="188"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 188 felnd doppelt leidet. Vielmehr ist das Sein beim Verlangten vor aller Stellungnahme zu seiner Wirklichkeit angenehm, und umgekehrt gehört zum Entbehren nicht, dass man ohne Hoffnung auf das Eintreten des Verlangten ist, sondern nur, dass das Dasein vom Verlangen auf das gegenwärtige Bedürfen zurückgeholt ist.“ 287 Daher kann PLATON dieses Voraussein des Daseins beim Erwarteten als Lust oder Unlust bestimmen, wohingegen das Wonach des Verlangens an Erwartungen festgemacht wird, das sich schließlich in Hoffnung (-slosigkeit) zeigen kann. „Diese Vergegenwärtigung des Verlangten als eines zu Erhoffenden oder Nicht-zu-Erhoffenden bestimmt den Zustand des Verlangens als Lust oder Unlust. Die Lust des Verlangens ist eine Vorfreude, ein Modus des Seins zu Zukünftigem, der es nicht in seinem Zukünftigem belässt, sondern vorausgreifend in eine Gegenwart rückt.“ 288 Fassen wir kurz das Erreichte zusammen: Platonische Hoffnung kann als ein ontologisch gegründetes, entschiedenes und zugleich lustvoll zuständliches Sein auf Zukünftiges hin begriffen werden, das sich als Vergegenwärtigung zeigt, aber seinerseits nicht hinlänglich von der damit einhergehenden Befindlichkeit bestimmt wird - eher im Gegenteil. Es kann so etwas wie ein Vorcharakter der Seele ausgemacht werden, der sich darin zeigt, dass das Dasein immer auf etwas aus ist, bei Nichtgegenwärtigem ist, sodass auch die reine Gegebenheit einer Empfindung nicht hinreicht, um dieses Dasein zu konstituieren. 289 PLATON geht schließlich noch einen Schritt weiter, wenn er bemüht ist, falsche Lust als grundlose Hoffnung zu bestimmen - die Zuständlichkeit des Vollzugs ist schließlich von der Wahrheit des Intendierten zu unterscheiden, denn alle Affekte sind intentionaler Natur. „In der Hoffnung springt man nicht einfach auf ein Zukünftiges zu, sondern man hält sich im Aussein auf das Erhoffte gerade an Gegenwärtiges, das einem Hoffnung gibt - und sei es nur der Strohhalm, an den sich der Ertrinkende klammert.“ 290 Oder nochmal in anderen Worten: „Weil sich das Dasein im Hoffen und Sichfreuen auf etwas nicht aus einem gegenwärtig Gegebenen in seiner Befindlichkeit bestimmt, sondern im Sein zu Zukünftigem, sich auf seine Möglichkeiten verstehend, zu sich selbst ist, ist es in der Befindlichkeit des Hoffens immer schon aus dem Ganzen seiner Vergangenheit auf die Zukunft bezogen.“ 291 Diese wirkungsgeschichtlich folgenreichen Positionen platonischer Philosophie lassen sich mit H.-G. GADAMER in seinen Studien zu PLATONS Ethik wie folgt zusammenfassen, wobei insbesondere der Konnex von Hoffnungs- und Seinsvollzug und die damit einhergehende Abgrenzung zum bloßen Meinen-über-die-Zukunft von Bedeutung für den vorliegenden Kontext ist: „Was die Hoffnung als zu Erhoffendes entdeckt, 287 Vgl. GADAMER, Platos dialektische Ethik, 129. Weiter unten heißt es dann: „Streng genommen ist also das Verlangen nicht nur vor der Entscheidung, ob auf das Verlangte zu hoffen ist oder nicht, sondern grundsätzlich unabhängig von dieser Entscheidung.“ 288 Vgl. ebd. 130. 289 Vgl. ebd. 131. PLATON bestimmt nach GADAMER menschliches Dasein als „Sein zu Nichtanwesendem, Erwartetem. Weil das Dasein (hoffend oder verzweifelnd) immer schon zu Zukünftigem ist, ist das anwesende Pathos nicht alleinbestimmend für sein Befinden. Dies Sein zu Zukünftigem ist eine eigentümliche Möglichkeit der Seele, d.h. das Sein des Menschen ist charakterisiert durch die freie Möglichkeit, von sich aus etwas zu erhoffen oder zu befürchten. Hoffen auf und Verzweifeln an etwas sind also nicht - als Lust und Schmerz - einfache Gegebenheiten, nicht einfach das Anwesendsein von Vorfreude oder deren Gegenteil, sondern diese ihre Befindlichkeit konstituiert sich aus dem Entdeckendsein des Daseins.“ 290 Vgl. ebd. 137. 291 Vgl. ebd. 139. <?page no="189"?> 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung 189 ist nicht in der Weise einer Voraussicht und Meinung über die Zukunft entdeckt, sondern es ist dem Dasein aus den Möglichkeiten, aus denen es sich als zu besorgenden versteht, in eigentümlicher Weise vorgegeben. Das Erhoffte ist immer als ‚gut‘ für den Hoffenden (bzw. den, für den oder mit dem man hofft) vermeint.“ Schließlich „soll damit charakterisiert sein, dass Wahrheit und Falschheit des Hoffens nicht Wahrheit und Irrtum einer Meinung über sie sind, sondern dass das Sein des Menschen dafür bestimmend ist, was einer hofft, und wie er hofft, eben weil Hoffen stets Sich-erhoffen und nicht bloßes Meinen ist.“ 292 Für PLATON weist mithin die ἐ λπίς , in der der ἔ ρως als Trieb zum Schönen und Guten wirksam ist, über den Tod hinaus. Nur als solche berechtigt sie zu „größten Hoffnungen“ 293 , indem sie eine Befreiung von der Welt in Aussicht stellt und das Streben nach letzter Wahrheit befriedigt. Eros kann dabei aufschlussreich als „Strebekraft der Hoffnung“ 294 bezeichnet werden. Der Philosoph (sic! ) kann daher bei „guter Hoffnung“ (ἐ υ έ λπις ) sein im Angesicht des Todes, vermag ihn doch die Hoffnung über den Tod hinaus zu tragen 295 , „da die Seele erst in der Ideenwelt zu ihrer Eigentlichkeit, der Unsterblichkeit, befreit und zur reinen Schau der Wahrheit und des wahren Guten gelangen wird“ 296 . Dieser über den Tod hinausweisende und jenseitsbezogene Hoffnungsbegriff spielt in der hellenistischen und spätantiken Religiosität eine große Rolle. Dabei wird den so genannten Mysterien, die dem Geweihten ein seliges Leben nach dem Tode bereiten, eine nicht unerhebliche Bedeutung zugemessen. Natürlich finden im Hellenismus auch ganz menschlich-irdische Hoffnungen Erwähnung, wenn durch sie beispielsweise Kriege gesteuert und entschieden werden, aber philosophiegeschichtlich bedeutsam wurde die antike Unsterblichkeitshoffnung. Diese Hoffnung auf Unsterblichkeit kann zunächst verständlich gemacht werden aus einer spezifischen Öffnung eines Fragehorizontes aufgrund eines spezifischen Verständnisses menschlichen Lebens: „Die Einsicht in die aporetische Verfassung des menschlichen Daseins legt jenen Fragehorizont frei, in dem die Hoffnung über den Tod hinaus Platz greift.“ 297 Wird bei ARISTOTELES die Eudaimonie als vorrangiges Ziel für ein innerweltlich gutes Leben vor Augen gestellt, wird diese von PLATON vergleichsweise selten verwendet. 298 Entscheidendes Strebens- und Hoffnungsziel bei PLATON ist stattdessen die Schau der Ideen als Rückkehr zum Ursprung und als „Verähnlichung mit Gott“ 299 . Auf diesem Weg „schmückt“ die Hoffnung die Seele. Diese gnoseologisch orientierte philosophische Soteriologie verfolgt mithin das „Ziel einer ‚Ähnlichwerdung‘ (ἐ ξομοι ῶ σαι ) des denkenden Subjekts mit der Idee. Auf diesem Weg der ‚Befreiung‘ durch die Läuterung des Denkens ist der Logos bzw. Nous Leiter. Die Hoffnung ist eingespannt in die Diastase von Idee und Eidos, Urbild und Abbild. Inhalt der Hoffnung ist die ‚Befreiung‘ des Logistikon der Seele als Teilhabe am transzendentalen Sein als seinem 292 Vgl. für beide Zitate ebd. 138. 293 Vgl. PLATON, Symposion 193d. 294 Vgl. WOSCHITZ, Elpis, 126. 295 Vgl. dazu aus den Dialogen des PLATON Symposion 193 d; Phaidon 64a, 67b, 67c-68b, 114c; Apologia 41c. 296 Vgl. LINK, Hoffnung, 1158. 297 Vgl. ebd. 119 und 120, wonach PLATON die Evidenz der Unsterblichkeitshoffnung in logischer, mathematischer und eben auch ethischer Gedankenführung aufzuweisen sucht. 298 Vgl. GIGON, O. (Hrsg.), Platon - Lexikon der Namen und Begriffe, Zürich 1975 ( 2 1987: Von Abbild bis Zeuxis. Ein Begriffs- und Namenslexikon zu Platon), 124-126, hier 125. 299 Vgl. PLATON, Theaitetos 176 b. <?page no="190"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 190 ‚Heil‘. Grund der Möglichkeit der Hoffnung ist bei Platon sowohl der παλαιός λόγος mythischer Tradition wie der philosophische Transzendentalismus.“ 300 Im Hintergrund entsprechender Vorstellungen kann die Platonische Ideenlehre identifiziert werden. Bezeichnete die Idee, idea, eidos, ursprünglich die „schöne, ansehnliche Gestalt“ 301 , war sie also mithin dem Bereich des Sehens und Ansehens zugeordnet, so wird sie im Rahmen ontologischer Betrachtungen im Bereich des reinen und unveränderlichen Seienden, des Ruhenden und Eindeutigen verortet. Damit deutet sich eine Parallelisierung mit dem menschlichen Geist (Nous) an, wonach dieser auch ein spezifisches Vermögen besitzt, das ein unveränderlich Seiendes ist, sodass er sich im Erkennen dieses Seienden seiner selbst vergewissert. Mit Blick auf die Ethik heißt das: „Gut und gerecht Handeln wird möglich durch den steten Hinblick auf die eine unveränderliche Idee des Guten und Gerechten.“ 302 Die Ideen repräsentieren mithin ein unveränderliches Seiendes, das einen von der Erfahrungswelt getrennten Bereich konstituiert. Der menschliche Geist, wenn und insofern er als unveränderliches Seiendes die Ideen zu erkennen vermag, wird seiner eigenen (unsterblichen) Prä- und Postexistenz ansichtig. So kann PLATON postulieren, dass „der Geist vor seinem Eintritt in die Erfahrungswelt die Ideen schon gesehen hat und sich in der Erfahrungswelt an sie zu erinnern vermag. […] Dann wird das Reich der Ideen, das der Geist vor seiner Einkörperung sah, zur wahren und ursprünglichen Heimat des Geistes als des Eigentlichen am Menschen, und das geschichtliche Leben wird bestimmt nicht bloß retrospektiv durch die Erinnerung an jene Heimat, sondern auch prospektiv durch die Hoffnung, nach dem Tode zu ihr zurückkehren zu können“ 303 . Somit ist der Bereich der Ideen Ziel der menschlichen Hoffnungen, „der Ort einer endgültigen Ruhe und einer Gewissheit, die mehr war als eine bloße wissenschaftliche Richtigkeit“ 304 . Mit anderen Worten kann prägnant formuliert 300 Vgl. WOSCHITZ, Elpis, 123. 301 Vgl. GIGON, Platon, 166. 302 Vgl. ebd. 168. Die Gerechtigkeit (vgl. ebd. 136-139) wird bei PLATON gerade im Unterschied zu modernen Auseinandersetzungen (vgl. etwa RAWLS, J., A theory of justice, Cambridge 1971 und in kritischer Auseinandersetzung aus der Perspektive katholischer Soziallehre BORMANN, F.-J., Soziale Gerechtigkeit zwischen Partizipation und Fairness. John Rawls und die katholische Soziallehre, Fribourg / Freiburg im Breisgau 2006), nicht als gesellschaftliche Tugend begriffen, sondern als Qualität der einzelnen Seele gegenüber der reinen Idee von Gerechtigkeit, an der es zu partizipieren gilt und deren letzter Garant die Gottheit ist. Das Gute (vgl. ebd. 153-157) dagegen ist das, wonach alle Menschen streben, sodass sich sämtliche Tugenden auf das Gute und das Tun des Guten zurückführen lassen. Die Idee des Guten ist daher auch die höchste Idee, dessen Anblick der Inbegriff menschlicher Eudaimonia ist. Das Gutsein bemisst sich daran, dass es das Bewahrende und im Sein Erhaltende und dieses allererst Ordnende ist, das Schlechte dagegen das Zerstörende. Das Gute kann daher auch nicht mehr hinterfragt werden: „Das Gute ist nicht Sein, sondern noch jenseits des Seins, es an Würde und Macht überragend“ (Vgl. PLATON, Staat, 509 b). Damit dient das Gute der Begründung des Seins überhaupt und als Antwort auf die Frage: Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? Weil es für das Seiende gut ist, zu sein. Ferner wird alles Erkennbare durch das Gute erkennbar. „Das Gute bzw. die Idee des Guten ist also gleichzeitig Grund des Seins selbst und Grund der Erkennbarkeit alles Seienden.“ Vgl. GIGON, Platon, 156. Somit besitzt die Idee des Guten eine Schlüsselstellung als Synthese von Ethik, Ontologie und Naturphilosophie. 303 Vgl. ebd. 169. 304 Vgl. ebd. 171. Schließlich setzt die erkennende Entlarvung alles Erfahrbaren als unvollkommen bereits logisch einen Begriff des Vollkommenen notwendig voraus, von dem her dies gelingt <?page no="191"?> 191 werden: „Die Idee normiert die Wirklichkeit und existiert vor ihr, hält aber auch den Hiatus offen zwischen idealem und realem Sein. Die Grundhoffnung richtet sich auf den reditus ad ideam.“ 305 Wobei nicht unerwähnt bleiben darf, dass gerade die platonische Emanationslehre mit ihrem exitus-reditus-Schema u.a. mythologischen Ursprungs ist, etwa wenn es im Mythos zur Konvergenz des Reichs der Ideen mit dem der Götter kommt, und letztlich der ontologische und normative Status der Ideen selbst ungeklärt bleibt. 306 Sollen die beiden Entdeckungszusammenhänge an dieser Stelle verbunden werden, so kann festgehalten werden: PLATON hat als einer der Wirkmächtigsten und als einer der Ersten eine Hoffnungsfigur philosophisch und damit begrifflich zugänglich gemacht im Unterschied zu den mythologischen Figuren der Vorzeit. 307 Darin konnten sowohl existentielle Hoffnungen verortet, als auch diese in ein übergreifendes Weltbild integriert werden - über das Reich der Ideen als vermittelnde Größe. Damit wurden Theorie und Praxis des Phänomens menschlicher Hoffnung begrifflich lokalisiert und partiell auch handlungspraktisch zugänglich gemacht, indem der Erfahrungsbezug mit einer Weltätiologie verbunden wird. Die basale Hoffnungsspannung wurde dabei grundsätzlich bereits wahrgenomen, welche mediale Polaritäten zu vermitteln sucht, etwa Sein (unveränderlich) und Werden (veränderlich), Idee bzw. Utopie und Erfahrung bzw. Geschichte, Erkenntnis und Meinung oder auch Furcht und Vertrauen - aber trotz mancherEinsichten haben diese Vorstellungen nicht die handlungsteleologische Klarheit des ARISTO- TELES erreicht. Hoffnung kann daher zum gegenwärtigen Stand der Argumentation als Medium der Teilhabe, der Methexis, am Reich der Ideen verstanden werden, in denen sich die Bestimmung des Menschen 308 ausdrückt. Sie zeigt sich als Lust am Sein zu Zukünftigem bzw. umgekehrt das Sein zu Zukünftigem wird von Lust und (Vor-) Freude begleitet. und das Erfahrbare allererst Bestand bekommt, wobei der Sprung vom Begriff zur Existenz selbstredend offen bleibt. 305 Vgl. WOSCHITZ, Elpis, 119. 306 Vgl. GIGON, Platon, 172. Wenn von einer Entwicklung der platonischen Philosophie ausgegangen werden kann, dann dahingehend, „dass er in einem bestimmten Zeitpunkt die Relation zwischen Erfahrungswelt und Ideen über den Bereich der ethischen Begriffe, deren Sicherung sie zunächst gedient hatte, hinaus ausdehnte, und zwar auf die Totalität der Erfahrungswelt“, sodass Wahrheit und Wirklichkeit ineinander überzugehen scheinen. 307 Die Frage allerdings, mit welchen Gründen der Staat von PLATON als Utopie zu betrachten ist, muss andernorts diskutiert werden, schließlich ist die Utopie zwar eine Weise der Hoffnung, aber eine historisch-gesellschaftliche und damit nicht im Vordergrund dieser Studie. Vgl. dazu etwa GIGON, O., Gegenwärtigkeit und Utopie. Eine Interpretation von PLATONS ‚Staat‘ Bd. I - Buch I-IV, Zürich 1976. Ebenso GIGON, Platon, 32-37. 308 Vgl. zur Anthropologie PLATONS KUHN, H., Plato über den Menschen, in: ROMBACH, H. (Hrsg.), Die Frage nach dem Menschen. Aufriss einer philosophischen Anthropologie (FS MAX MÜLLER), Freiburg im Breisgau 1966, 284-310. 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung <?page no="192"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 192 c) ARISTOTELES „Jede Kunst und jede Lehre, ebenso jede Handlung und jeder Entschluss scheint irgendein Gut zu erstreben. Darum hat man mit Recht das Gute als dasjenige bezeichnet, wonach alle streben. Es zeigt sich aber ein Unterschied in den Zielen.“ 309 Eine hoffnungstheoretische Auseinandersetzung mit ARISTOTELES ist auf zwei Wege zur Identifikation von Hoffnungsaspekten angewiesen: (1) expressis verbis, da, wo er explizit davon spricht und (2) interpretativ, da, wo die Sache aufscheint und Präfigurationen ausgemacht werden können. Auch ARISTOTELES setzt die Hoffnung zunächst in Beziehung zur Wahrnehmung und zum Gedächtnis: „Das Gegenwärtige ist Gegenstand der Wahrnehmung, das Zukünftige gehört der Erwartung an und das Vergangene dem Gedächtnis.“ 310 Das rationale Moment der ἐ λπίς besonders betonend, spricht er sogar mitunter von einer „Wissenschaft des Voraussehens“ 311 . Damit ist Hoffnung Teil der kognitiven Ordnung des Menschen, der mit epimetheischen und prometheischen Fähigkeiten ausgestattet ist: Er kann „sich Vergangenheit vergegenwärtigen und Zukunft sich vorstellend antizipieren. Wird Vergangenes richtig reproduziert und mithilfe des Erfahrungswissens […] interpretiert, kann es die Antizipation steuern, ansonsten wird diese illusionistisch und schafft eine Schein- und Traumwelt“ 312 . ARISTOTELES zählt andernorts die Hoffnung, wie auch die Furcht, zusätzlich zu den Affekten ( πάϑη ), die er ontologisch versteht und als gedrücktes bzw. gehobenes Gestimmtsein der Seele interpretiert. 313 Interessant ist, dass ARISTOTELES seine Reflexionen zur Hoffnung als Affekt überwiegend im Kontext der Rhetorik abhandelt, während sie in seiner Ethik lediglich als Folge der Tugend (neben guter Einsicht und gutem Gedächtnis) Erwähnung findet. Nicht nur bei ARISTOTELES, sondern in der antiken Ethik insgesamt wurde die Hoffnung, genauso wie ihre Antagonisten, etwa die Furcht unter die Leidenschaften subsumiert. 314 Der Stoa beispielsweise galt die Beherrschung von Furcht und Hoffnung als Voraussetzung und Bedingung zur Erlangung der Ataraxie, 309 Vgl. ARISTOTELES, EN I 1, 1094 a 1. 310 Vgl. ARISTOTELES, De memoria 1, 449b, 27f. 311 Vgl. ebd. 1, 449b, 12. 312 Vgl. WOSCHITZ, Elpis, 127. 313 Es wird im Anschluss lange Tradition sein, Hoffnung als Leidenschaft oder Affekt zu bezeichnen, was aber nur Aspekte ihrer naturalen Seite betont, fürs Ganze genommen aber einseitig bleibt, weswegen Hoffnung bis zu IMMANUEL KANT immer wieder als für den Verstand trügerische Leidenschaft ein Schattendasein fristete. 314 Diese Reflexions-Linie, nach der Hoffnung als Affekt begriffen wurde, fand immer wieder Vertreter: Nach Stationen in der Spätantike bzw. im frühen Christentum fassten beispielsweise die Rationalisten des 17. und 18. Jh. - allen voran der an SPINOZA anknüpfende RENÉ DESCARTES, aber auch THOMAS HOBBES u.a. - Hoffnung im Rahmen ihrer Voraussetzungen als fehlendes bzw. mangelndes Wissen, als Defizit-Form des Wissens und als Affekt auf. Moderne psychologische Theorien, die im Umfeld einer integralen Konzeption von Hoffnung verortet werden können und die sich mit den psychologischen Strukturen des menschlichen Zukunftsbezugs befassen und die teilweise funktionalistisch bzw. pragmatistisch von ihrem Objekt reden, können auch in dieser Richtung gedeutet werden (vgl. Kapitel VI), wobei die Affektierung durch Hoffnung zwar auf eine breite naturale Basis schließen lässt, aber als begründungstheoretischer Ausweis der Hoffnung zu kurz greift. <?page no="193"?> 193 der Unerschütterlichkeit der Seele, die in diesem Verständnis geradezu das Wesen der Tugend ausmacht. 315 Man kann so weit gehen, zu sagen, dass Angst und Hoffnung die beiden leitenden Affekte allen politischen Redens in der antiken Rhetorik sind. „Hoffnung auf den künftigen Nutzen der Maßnahme, zu der man rät, und Furcht vor dem künftigen Schaden der Maßnahme, von der man abrät.“ 316 Über diese eher vorsichtigen Bestimmungen der Hoffnung im Rahmen von Wahrnehmungs- und Erkenntnistheorie und Affektenlehre hinaus, soll an dieser Stelle noch die These vertreten werden, dass die Eudaimonia des ARISTOTELES als Hoffnungsfigur zu interpretieren ist. Demnach ist das menschliche Tun in einem umfassenden Sinne zielorientiert. „Wir tun, was immer wir verantwortlich tun, um willen von etwas. […] Manches tun wir um der Handlung selbst willen, manches aber ist nur Mittel zu einem jenseits der Handlung liegenden Zweck. Und unsere einzelnen Aktivitäten sind in größere Zweck- und Handlungszusammenhänge eingeordnet.“ Dabei scheint es plausibel, mit ARISTOTELES anzunehmen, dass die je unterschiedlich lange aus Mittelgliedern bestehende Kette „ein Endglied haben muss, d.h. dass es ein Ziel geben muss auf das wir um seiner selbst willen aus sind, soll ein menschliches Streben und Handeln nicht unsinnig und vergeblich sein.“ 317 Nun mag es noch eine Pluralität von Zielen geben, die um ihrer selbst willen angestrebt werden, aber nach ARISTOTELES lassen sich diese als konstitutive Bestandteile um ein Endziel gruppieren, das seinerseits gar nicht um eines anderen willen gewählt werden kann. Er hat daher den Gedanken eines „inklusiven Endziels“ entwickelt, „indem der Mensch als Mensch zur Vollendung kommt und in dem all das, was er um seiner selbst willen tut, als konstitutiver Bestandteil dieses Gesamtziels fungiert“ 318 . Bedeutete die Eudaimonia ursprünglich das Bedachtsein von einem guten Geist, so meint es in der Ethik des ARISTOTELES das „teleion telos, das abschließende und vollständige Ziel, d.h. ein menschliches Leben, das alle Vorzüglichkeit enthält, das ideale Leben unter menschlichen Bedingungen, das nichts zu seiner Verbesserung vermissen lässt (1097a 30ff.)“ 319 . Wenn dieses Endziel - mindestens indirekt und vermittelt, keinesfalls immer notwendig manifest - menschliches Handeln bestimmt, dann auch als Hoffnung. Der Mensch wird daher so von sich denken, dass er sich daraufhin angelegt 320 erlebt, zugleich entfaltet er auch eine eigene Attraktivität als Erfüllungsgestalt, als Höchstform des gelebten Glücks 321 , die es als Hoffnungsgut zu erkennen gilt. Mit anderen Worten: Eudaimonia entwickelt im Medium der Hoffnung Handlungsrelevanz, nicht allein, aber ganz wesentlich auch. Dieses Endziel menschlichen Lebens und Handelns, das um seiner selbst willen gewollt wird, gibt es nicht nur als Begriff, es zeigt sich als ‚gut leben‘ und ‚gut handeln‘. Entscheidend, auch für ein hoffnungstheoretisches Verständnis, ist nun, dass es letztlich eben nur ein (inklusives) Endziel gibt, nicht deren viele, das um seiner selbst willen gewollt wird, alle anderen aber um seinetwillen und dessen letzte Einheit zur Sinnhaftigkeit 315 Vgl. BOETHIUS, cons. I, 7. 316 Vgl. SPIRA, Angst und Hoffnung in der Antike, 163. 317 Vgl. für beide Zitate FORSCHNER, M., Über das Glück des Menschen. Aristoteles, Epikur, Stoa, Thomas von Aquin, Kant, Darmstadt 1993, 4. 318 Vgl. FORSCHNER, Über das Glück des Menschen, 5. 319 Vgl. ebd. 7. 320 Vgl. RITTER, J., Naturrecht bei Aristoteles. Zum Problem einer Erneuerung des Naturrechts, Stuttgart 1961. 321 Vgl. RITTER, J., Glück, Glückseligkeit. I. Antike, in: RITTER, J. (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd. 3, Darmstadt 1974, 679-691. 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung <?page no="194"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 194 menschlicher Handlungswirklichkeit ganz entscheidend beiträgt. 322 Es ist handlungsmäßig zugänglich, vielleicht nicht vollständig unter seiner Kontrolle, aber eben auch nicht allein in Händen eines (Götter-) Fatums, und es wird handlungspraktisch aktuell im Medium der Hoffnung. Es kennzeichnet mithin eine Abhängigkeit vom Handeln, für das ich mich entscheiden kann und einen klaren Lebensformbezug 323 und ist zudem sogar noch geöffnet auf einen Vollendungsbegriff hin, der nun aber tatsächlich in den Händen der Götter liegt. Die Eudaimonia ist daher mindestens partiell in des Menschen Verantwortung gelegt. Folgerichtig gilt, dass sie als spezifisches Glück, das sie auch zum Gegenstand von Hoffnung macht, keine tyche ist, kein schicksalhaftes Los und kein unerreichbares Ziel oder Ideal, sondern der uns innewohnende Bestimmungsgrund unseres Handelns. 324 Daher ist Hoffnung auch nicht das Vehikel zur idealen Zielerreichung, sondern Modus der Vergegenwärtigung und der Handlungsrelevanz des bereits erwähnten Bestimmungsgrundes. Diese Bestimmung der Eudaimonia macht deutlich, dass der Modus, über den sie sich aktualisiert und realisiert, eine spezifische Leistung des Menschen ist - nämlich seine Vernunfttätigkeit, gemeint ist die praktische Vernunft, die „Tätigkeit der Seele gemäß der Vernunft“ 325 . Damit bezieht sie sich nicht einfach auf eine subjektive Befriedigungspraxis, sondern stellt ganz im Unterschied dazu einen Totalitätsbegriff von Strebens-Zielen dar, der qualitativ bestimmt ist, der auch kein Maximum an Vergnügen meint, sondern ein prinzipiell nicht mehr Überbietbares, einen finalen Zusammenhang menschlichen Lebens, einen Abschlussgedanken für die Vielzahl an oft heterogenen Strebenszielen des Menschen. Auf diese Weise bekommt schließlich auch alle handlungswirksame Hoffnung des Menschen eine letzte einheitliche Ziel-Gestalt. Das Glück der Eudaimonia liegt mithin in einem ἔ ργον , einer Tätigkeit - und zwar des vernünftigen Teils der Seele, der in Korrespondenz mit (geordneten) Affekten und Lüsten 326 und in der Form der Tugend im besten Fall gesteuert wird durch Klugheit im Sinne der phronesis und schließlich mit einer ausgeprägten Polis-Orientierung ausgestattet ist. Damit wird sie zum vorrangigen Gegenstand sowohl einer Ethik des sittlich guten Lebens, als auch der Verwirklichung menschlichen Glücks, wiewohl ARISTOTELES die Reinheit des Sittengesetzes und damit die strikte Trennung von transzendental und empirisch noch nicht kannte, wie sie für KANT kennzeichnend werden wird. Umgekehrt musste ARISTOTELES nicht die Schwierigkeiten eines dichothomen Handlungssubjekts bewältigen, sondern hatte demgegenüber noch ein einheitliches Handlungssubjekt vor Augen, dem ein klarer Erfahrungsbezug eignet, auf den hin Eudaimonia schließlich auch orientieren will. Werden diese Strukturen ins Soziale gewendet, kann eine klare Abhängigkeit von sozialen Faktoren in Rechnung gestellt werden, die - wie besehen - in der Polis ihren Kulminationspunkt finden. Dennoch oder auch gerade deshalb muss von 322 Vgl. ARISTOTELES, EN 1094a 18. 323 Vgl. ebd. 1095b-1096a. 324 Vgl. PFÜRTNER, S., Ethik in der europäischen Geschichte I - Antike und Mittelalter, Stuttgart 1988, 53. 325 Vgl. ARISTOTELES, EN, 1098a 3ff. 326 Vgl. grundlegend RICKEN, F., Der Lustbegriff in der Nikomachischen Ethik des Aristoteles, Göttingen 1976 und einführend RICKEN, F., Wert und Wesen der Lust, in: HÖFFE, O., Aristoteles. Nikomachische Ethik, Berlin 2 2006, 207-228. Hier stellt er klar heraus, dass für ARISTO- TELES Lust und vollkommene Tätigkeit untrennbar sind, diese sogar jene als ein „hinzukommendes Ziel“ (vgl. 1174 b 33) regelrecht „vollende“ (vgl. 1174 b 23). Dabei ist die Unterscheidung hilfreich zwischen der ontologischen Charakterisierung der Lust und der ontologischen Charakterisierung der Tätigkeiten, an denen wir Lust haben. <?page no="195"?> 195 einer Brüchigkeit des irdischen Glücks 327 ausgegangen werden, für das es keine Garantie geben kann, ganz abgesehen von einer bleibenden Abhängigkeit von materiellen Größen und dem immer potentiellen Scheitern des Menschen. Aus diesem Grunde kann bereits bei ARISTOTELES die klare Unterscheidung von einem menschenmöglichen Glück (Eudaimonia) und einer göttlichen, nicht in der Hand des Menschen liegenden Seligkeit (makarion) identifiziert werden, die später von THOMAS VON AQUIN als Unterscheidung von beatitudo perfecta als himmlischer Seligkeit 328 und beatitudo imperfecta als Eudaimonia des ARISTOTELES eine bleibende Wiederaufnahme finden wird. Sie drückt schließlich eine grundlegende Hoffnungsspannung aus, die strukturell zum Begriff selbst gehört. Da nun Glück bei ARISTOTELES nicht das Sehnsuchtsglück meint, d.h. gerade nicht die aktuelle oder punktuelle Erfüllung aller Wünsche und Hoffnungen, sondern ein Strebensglück, für das man selber verantwortlich ist, wird automatisch die Perspektive des ganzen Lebens eingenommen. „Das Glück, das sich mit ziemlicher Verlässlichkeit erreichen lässt und auch vielen offen steht (hier zeigt sich eine Demokratisierung des Glücks), bedeutet vielmehr eine Qualität, die man seiner Biographie als Ganzer verleiht. Das Strebensglück besteht in einem insgesamt guten, einem gelungenen Leben.“ 329 An dieser Stelle ist noch auf die folgenreiche Debatte um die Unterscheidung einer exklusiven und einer inklusiven Deutung der aristotelischen Glückskonzeption hinzuweisen, wonach im Sinne der exklusiven Deutung das Glück deswegen das höchste Strebensziel ist, weil es in einer gegenüber allen anderen Strebenszielen ausgezeichneten Aktivität besteht, wohingegen die inklusive Deutung hervorhebt, dass das Glück deswegen mehr als alles andere erstrebt wird, weil es alle anderen an und für sich erstrebenswerten (intrinsischen) Güter in sich vereint und somit dieses höchste Gut durch Addition weiterer Güter nicht vergrößert werden kann. 330 Mit anderen Worten: Es muss von einer entelechialen Gestalt aristotelischen Glücks ausgegangen werden, die in eine teleologische Weltdeutung integriert ist. Diesem finalen Glück eignet eine spezifische Bestimmtheit und Objektivität, insbesondere aber eine formale Bestimmtheit, wohingegen die inhaltliche nicht zu letzter Konkretion und Objektivität geführt werden kann. Da bleibt quasi eine inhaltliche Unterbestimmtheit, wohlgemerkt keine Unbestimmtheit, zurück, die ARISTOTELES nicht überspringen kann, schließlich kann die Eudaimonia auch erst am Ende des Lebens als solche abschließend beurteilt werden und wird auch ihrerseits noch durch eine schon erwähnte (göttliche Glück-) Seligkeit überboten, zu der der Mensch nur in ein Verhältnis der Ähnlichkeit und Annäherung treten kann. Dieses „beste Gut“ 331 steht natürlich dem Strebenden nicht immer vor Augen, aber es kann Schritt für Schritt erreicht werden, und umgekehrt kann alles, was man zu verwirklichen sucht, auf es hin und von ihm her interpretiert und in einen Zusammenhang gestellt werden. Noch einmal: „Ein Mensch erreicht sein Glück im Leben durch die ge- 327 Nicht umsonst zeigen die großen religiösen Traditionen nicht allein Ziele des Menschseins auf, sondern verstehen sich zutiefst als Wege, die diese Lücke (oft paradox) in Verknüpfung von Tun und Lassen, von Immanenz und Transzendenz, von Sollen, Wollen und Können zu überwinden versuchen, indem sie einen Indikativ, eine Ermöglichung, eine Eröffnung, letztlich ein Können für das eingesehene Sollen zur Verfügung stellen und damit ein Wollen gemäß dem Sollen anzuregen versuchen. 328 Vgl. AQUIN, T. VON, S.th. I-II, q 3. 329 Vgl. HÖFFE, O., Kleine Geschichte der Philosophie, München 2001, 54ff. 330 Vgl. ARISTOTELES, EN 1097b 16-20, übergreifend EN I und X. 331 Vgl. WOLF, U., Aristoteles’ ‚Nikomachische Ethik‘, Darmstadt 2 2007, 28ff. 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung <?page no="196"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 196 lungene Ausübung seiner Vernunfttätigkeit. Die Tätigkeit der Seele gemäß der ihr eigenen Tüchtigkeit ist das Wesentliche menschlichen Glücks“ 332 , das, so müsste man hinzufügen, im Medium der Hoffnung überhaupt erst aktuell wird, sodass Hoffnung das eigentliche Vehikel desjenigen Glücks ist, das überhaupt handlungspraktisch werden kann - auch wenn es nicht vollständig der Kontrolle des Menschen unterliegt. Eine ganze Reihe weiterer höchst unterschiedlicher Entdeckungszusammenhänge sind aus dem Grund zusätzlich auszumachen, da die Eudaimonia zwar dem Handeln des Menschen als einheitsstiftender, finaler Abschlussgedanke dient, aber seinerseits ein Zusammengesetztes darstellt, nicht ein einzelnes Element - analog dem Gedanken des Ganzen des Lebens, das eines ist, aber doch als Summe des Lebens ein Kompositum dessen darstellt, was im Einzelnen erstrebt, getan und erlebt wurde. 333 Demnach handelt der Mensch auf Zukunft hin: „Alle tun alles wegen eines Gutes, das ihnen das höchste Gut vorstellt.“ 334 Sowohl die je verschiedenen Güter, als auch erst recht das höchste Gut sind Gegenstände der Hoffnung, die eine mehr oder weniger umfassende Sinnverheißung auf dieses Gut hin transportieren. Die Kategorie der Hoffnung bringt quasi als Kehrseite der Attraktivität des Hoffnungsguts Eudaimonia auch die „affektive Bereitschaft“ 335 zum Ausdruck, deren das Handeln bedarf, um zur Einsicht in das Gute und Gesollte das entsprechende Wollen grundlegend zu ermöglichen. Unter diesen Voraussetzungen kann auch von einer „Vernunftanteiligkeit“, einer rationalisierenden Kraft der Emotionen und vitalen Triebkräfte - metechon logon - gesprochen werden, eine Feststellung, die für eine interdisziplinäre und integrative Ethik der Hoffnung ausdrücklich hervorzuheben ist. Systematisch formuliert kann daher (mindestens) eine vitale Quelle der Tugend (nicht die Tugend selbst) angenommen werden. Die „Wahrnehmung des Guten“ 336 ist nun nicht einfach eine Wahrnehmung, sondern ein komplexer Abgleich zwischen als evident erlebter moralischer Einsicht in das Gute, dessen erhoffte Realisierung vor Augen, der faktisch erlebten Gegenwart realiter und der erinnerten Vergangenheit im Rücken. Daher ist auch die Bildung des gesamten Affekt- und Interessenbereiches für sittliche Entscheidungsfindung grundlegend und deren Habitualisierung durch Tugend entlastend und stabilisierend. Eine zusätzliche Voraussetzung für rechte, d.h. an der Eudaimonia orientierte Urteilsfindung und damit indirekt auch für rechtes Hoffen, ist daher die Reinigung der Interessen und des Wollens. Die logische Folge sind Lern- und Entwicklungsprozesse, die erneut auf die Realisierbarkeit als Kriterium verweisen. ARIS- TOTELES denkt an das Mögliche und Erreichbare. Dennoch muss von einer (materialen, nicht formalen) Unterbestimmung und Komplexität des Guten ausgegangen werden, über das keine letzte (materiale) Gewissheit gehegt werden kann, weder über die Ziele, noch über die Mittel, noch über die Folgen. Damit wird ein (realisierungsorientiertes) Handeln auf die Eudaimonia hin irgendwann immer auch ein Handeln unter Einschluss der Hoffnung auf Realisierung der aktuell vielleicht noch nicht als letztes und dennoch realisierungsfähiges Handlungsziel konkretisierten und eingesehenen Eudaimonia. In der Folge wird ein Handeln aus Hoffnung notwendig, näherhin auf die in der Hoffnung an- 332 Vgl. FORSCHNER, Über das Glück des Menschen, 19. 333 Die Eudaimonia erreicht zu haben oder nicht, kann entsprechend dieser Lesart erst am Ende des Lebens beurteilt werden. 334 Vgl. ARISTOTELES, Pol. I, 1 1252 a 2-3. 335 Vgl. PFÜRTNER, Ethik in der europäischen Geschichte, 60. 336 Vgl. ebd. 62. <?page no="197"?> 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung 197 sichtig gewordenen Erfüllungsgestalt(en) der Eudaimonia. Insgesamt gibt sich Hoffnung als Blaupause (potentiell) gelingender Handlungsorientierung zu erkennen. 337 Diese Argumentation einen Schritt weiter führend muss nun gefragt werden, woran die spezifische Wirkung einer Orientierung des Strebens an einem höchsten Gut, der Eudaimonia, erkannt werden kann. Schließlich: Wenn Eudaimonia erst Ende des Lebens umfassend beurteilt werden kann, so leben und handeln wir bis dahin in der Aussicht darauf. Was aber gewährt diese Aussicht? Handlungsorientierung und Daseinssinn! Das letzte Strebensziel ist Eudaimonia, aber Eudaimonie ist praktisch erst am Lebensende zu beurteilen. Die Orientierung daran gewährt aber Sinn, indem sie als Hoffnungsgut quasi rückwärts in das Leben hineinwirkt und damit ihrem eigenen Charakter gemäß einen Zusammenhang eröffnet, der die Totalität des Strebens selbst mit Sinn versieht. Die Perspektive des Ganzen ist immer schon anwesend, nicht erst am Ende des Lebens. Anders gesagt. Das Gute wird bei ARISTOTELES über das Glück 338 gefasst, darauf zielt die entsprechende Hoffnung und davon verspricht er sich Sinn 339 , wenn Sinn soviel heißen soll wie das höchste und den umfassendsten Sinnzusammenhang gewährende praktische Gut. Wohl wissend, dass ARISTOTELES den Begriff des Sinns zwar nicht kennt, die Sache aber durchaus fassbar ist, und bei aller Vorsicht einer historischen Rekonstruktion eines modernen Begriffs innerhalb des antiken Denkens, der zudem als etymologisches Chamäleon daherkommt, kann es dennoch darum gehen, begriffliche Präfigurationen zu entdecken. Demnach kann folgende vorläufige Definition mit OTFRIED HÖFFE gewagt werden: Es „gibt eine formale Definition, eine Definition, die übrigens von der Antike bis heute gleich geblieben ist: Sinn hat, was sich nicht relativ, sondern absolut lohnt; ‚Sinn‘ - oder wie die Griechen sagen: eudaimonia, Glück - ist das Äußerste und Letzte, nach dem der Mensch strebt. Es ist jenes schlechthin höchste Ziel, das man analog zum ontologischen Gottesbegriff definieren könnte als ein finis quo maius nihil cogitari potest: als ein Ziel, über das hinaus kein Ziel gedacht werden kann. Der Sinn ist das, was dem Leben seinen Wert und Zweck gibt: sei es dem Leben eines einzelnen, sei es dem einer Gruppe, einer Gesellschaft, vielleicht sogar der Menschheit: ‚Sinn‘ […] ist kein Mittel, sondern ein Ziel, und unter den Zielen kein Zwischenziel, sondern ein Endziel; der Sinn hat Selbst- 337 Die Wirkungsgeschichte der aristotelischen Ethik dürfte wohl auch deshalb so erfolgreich verlaufen sein, weil er als einer der ersten im Abendland eine große menschheitliche Hoffnung, die nämlich auf gelingendes Leben, vergleichsweise rational (mit dem Anspruch der Rationalität) für die praktische Vernunft freigelegt hat und sie nachgerade auf der Ebene praktischer Vernunft angesiedelt hat. Ziel war das gelingende und glückende Leben - u.a. auch als Hoffnungsgut; als Weg standen praktische Vernunft und Tugend zur Verfügung. Was aber bei ARISTOTELES nur andeutungsweise präsent ist, eine grundlegende dialektische Spannung zwischen dem, was wir können bzw. zu können meinen, und dem, was wir letztlich sollen und zuinnerst wollen, das, was später in den Spannungen von Moral und Glück bzw. Sollen und Können gefasst werden wird, hinterlässt mindestens eine handlungsmäßige und motivationale Deckungslücke, die wir von uns aus nicht einfach schließen können etwa durch ein Mehr an Einsicht oder Tugend und die aber dennoch eine Hoffnung auf potentielle Schließung nötig hat, soll sie menschliches Handelns nachhaltig mobilisieren. Die Attraktivität des Guten setzt eine Hoffnung auf deren potentielle Erreichbarkeit voraus. 338 Vgl. SPAEMANN, R., Philosophie als Lehre vom glücklichen Leben, in: BIEN, G. (Hrsg.), Die Frage nach dem Glück, Stuttgart 1978, 1-19. AUBENQUE, P., Die Kohärenz der aristotelischen Eudaimonie-Lehre, in: BIEN, G. (Hrsg.), Die Frage nach dem Glück, Stuttgart 1978, 45-57. 339 Vgl. HÖFFE, O., Aristoteles, 210ff., hier 215f. <?page no="198"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 198 zweckcharakter (vgl. Aristoteles, Nikom. Eth. I,5).“ 340 HÖFFE identifiziert mithin die Frage nach dem Glück mit der Sinnfrage, wobei hier dahingehend präzisiert werden müsste, dass die Sinnfrage nach dem Grund, der Berechtigung und der Gewissheit zum Glücklichsein sucht und dabei grundlegende (Handlungs-) Orientierung beim Glück bietet. Das tut sie, indem die Konkretion, d.h. hier Handlungsorientierung, mit der Normativität (des Glücks und des Guten) verbunden werden und eine Perspektive auf das Ganze des Lebens angeboten wird, die Sinn verheißt, indem sie das Ganze in concreto anwesend sein lässt. 341 Das Verhältnis von Sittlichkeit, Glück und höchstem Gut, eine Verhältnisbestimmung, die insbesondere in deontologischen Ethiken zum Problem werden kann, wobei meist ein Pol der entsprechenden Spannung einseitig aufgelöst oder subsumiert wird, ist bereits bei ARISTOTELES auf eine eigentümliche Dialektik zugespitzt: Er setzt Glück und Sittlichkeit nicht einfach identisch. Und wiewohl wir bei allem, was wir erstreben, das Glück wollen, braucht es zum vollkommenen Glück Dinge, die wir nicht in der Hand haben. Auch die Brüchigkeit des (irdischen) Glücks wurde bereits erwähnt. Zudem ist ja Glück bei ihm nicht ein Haben, sondern ein Tätigsein, eine Weise des Lebens, die auch Anstrengung verlangt. 342 „Das letzte Ziel ist die vollendete oder beste der dem Menschen spezifischen Tätigkeiten“ 343 . Zusammengenommen wird hier ein operatives Welt- und Selbstverhältnis vorausgesetzt - wie auch bei der Hoffnung - und zugleich erlebt sich das Handlungssubjekt auf etwas verwiesen, dass es nicht mehr kontrollieren kann, aber dennoch zu verantworten hat. Trotz der Begründung der Ethik als Disziplin in der Nikomachischen Ethik wurde ARISTOTELES der Vorwurf der allzu engen Verflechtung von Ethik und Metaphysik durch eine angenommene entelechiale Gestalt des Kosmos und des Glücks gemacht. 344 Für die im vorliegenden Kontext entscheidenden Figuren, der Eudaimonia und des höchsten Gutes, kann der Vorwurf mit RENTSCH begründet zurückgewiesen, mindestens aber abgeschwächt werden: „Das menschliche Leben ist weder bloß als faktisches Leben noch als bloß sinnliches und so erfahrenes Leben zu begreifen, sondern muss als 340 Vgl. HÖFFE, O., Personale Bedingungen eines sinnerfüllten Lebens. Eine ethischphilosophische Erkundung, in: KÜHN, R. / PETZOLD, H. (Hrsg.), Psychotherapie und Philosophie. Philosophie als Psychotherapie, Paderborn 1992, 395-422, hier 395-396. 341 Partiell dürfte der Sinnbegriff das Erbe des Glücksbegriffs als moralisch-normative, am Guten orientierte Handlungsorientierung in der Moderne angetreten haben, wiewohl er nicht mit ihm identisch ist. Sinn kann demnach als das konkrete Gute und bzw. oder das konkrete Glück verstanden werden, das in einem lebensweltlichen Zusammenhang, einer lebensweltlichen und handlungskompetenten Verortung steht - bis hin zum größten denkbaren Zusammenhang: der Totalität des Lebens. Die Spannung von Glück und Moral bleibt, auch innerhalb des Sinnbegriffs, wiewohl die Spannung zumindest integriert erscheint. Die Einsicht in die Sinnhaftigkeit einer Handlung und analog des Lebens überhaupt - wohlgemerkt als moralische Kategorie verstanden - kann schließlich festgemacht werden an einem fit, einer kohärenten Passung zwischen Person (Biographie, Bedürfnisse, Bestimmung, etc.), Situation (Umstände, etc.) und den Ansprüchen der Moral, des Sittengesetzes, die jeweils Relevanz beanspruchen können und sollen. 342 Man ist erinnert an den scholastischen Hoffnungsbegriffs: potentiell erreichbar, aber steil. 343 Vgl. RICKEN, F., Philosophie der Antike, Stuttgart 3 2000, 168, 170ff. und 172. 344 Vgl. als Vertreter einer solchen wirkungsgeschichtlich eher älteren These SCHNEIDER, W., ΟΥΣΙΑ und ΕΥΔΑΙΜΟΝΙΑ . Die Verflechtung von Metaphysik und Ethik bei Aristoteles, Berlin 2001. Weit eher wird von einer (notwendigen) Verknüpfung von Ontologie und Ethik, näherhin von Fundamental-Anthropologie und Eudaimonia auszugehen sein. <?page no="199"?> 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung 199 vernünftige Lebenspraxis begriffen werden“ 345 , die, so muss ergänzt werden, handelnd nach etwas auslangt und sich auch von dort her, also vom letzten telos des Handelns her, selbst versteht. Daran knüpfen sich Hoffnungen, die basal motivieren, da sie als Erfüllungsgestalten Sinn verheißen. Vielmehr rekurriert ARISTOTELES in seiner Ethik auf eine Handlungsteleologie, die auf vernünftige Sinnkonstitution aus ist. Diese gilt es in ihren ubiquitären und vernunftorientierten Strukturen freizulegen. Mit den Worten von RENTSCH: „Aristoteles sieht, dass alle menschlichen Lebensbewegungen sich als praktische Sinnentwürfe verstehen lassen, zu denen ein jeweiliges Gutes, ein telos, ein Ziel gehört, welches wir als Erfüllungsgestalt bezeichnet haben.“ 346 Das ist weder naturalistisch als „empirische Anthropologie“, noch im Sinne einer strikt metaphysisch grundgelegten teleologischen Ontologie zu verstehen. ARISTOTELES rekurriert vielmehr auf paradigmatische Vernunftsstrukturen der menschlichen Handlungswirklichkeit und erläutert daran verschiedenste Sinnentwürfe und deren Erfüllungsgestalten (Medizin, Schiffsbaukunst, Wirtschaft, u.a.). Eine strenge und grundsätzlich metaphysische Argumentation ist nicht zu beobachten, 347 vielmehr folgt diese einer präzisen Strebensanalyse. Die Gestalt des „theoretischen“ Gottes bildet keine Zentralfigur. Die Ethik des ARISTO- TELES ist zudem offen für anthropologisch-empirische Einsichten, was sie für eine interdisziplinär-integral angelegte Handlungstheorie von größtem Interesse sein lässt. 348 Ganz im Gegenteil wird daher mit ARISTOTELES von einer fundamentalanthropologischen Bestimmung menschlicher Handlungswirklichkeit auszugehen sein und gegen MACINTYRE 349 kann der zentrale anthropologische Grundgedanke des ARISTO- TELES, dass nämlich menschliches Tun sich nur im Blick auf ein ihm eigentümliches telos verstehen lässt, ein telos, das sich als Hoffnungstelos erweist, dazu dienen, die Abhängigkeit der aristotelischen Analysen von einer objektivistisch interpretierten Naturteleologie zurückzuweisen, sodass auch von einem „Verlust der Tugenden“ mitnichten gesprochen werden kann. Neben einer grundsätzlichen Differenzierung von Zielen (arete dianoetike - arete ethike) und Formen menschlichen Tuns (Poiesis - Techne - Praxis) leistet die aristotelische Handlungstheorie mit ihrem Kulminationspunkt der Eudaimonia zusätzlich Folgendes: Das „oberste (Ziel-) Gut“ ist zunächst „vor-gestellt“, keine schlichte Tatsache. Der handelnde Mensch stellt es quasi vor sich hin. Und alles Tun wird in seiner Pluralität durch die Orientierung an der Einheit dieses „Vor-Gestellten“ qualifiziert, alles Tun ist mithin darauf ausgerichtet - was es letztlich als Hoffnungsgut ausweist. 350 Der Zugang zum höchsten Gut und dessen Wesen ist nun in der antiken Philosophie gänzlich verschieden gedacht, so etwa bei PLATON noch über die dem menschlichen Geist eingelas- 345 Vgl. RENTSCH, Die Konstitution der Moralität, 295. Die rein hedonistische Bestimmung der Eudaimonia wurde bereits dem „Leben des Viehs“ zugeordnet. Vgl. ARISTOTELES, EN, 1095b 20. 346 Vgl. RENTSCH, Die Konstitution der Moralität, 289. 347 Gegen HARTMANN, N., Die Wertdimension der Nikomachischen Ethik, in: Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften, 5 / 1944, 2-27, hier 9. 348 Vgl. LIATSI, M.I., Genetik und Ethik bei Aristoteles. Zur physikalischen Prädisposition der ethischen Tugend, Zeitschrift für philosophische Forschung, 60 (2006), 3, 394-411. 349 Vgl. MACINTYRE, A., Der Verlust der Tugend. Zur moralischen Krise der Gegenwart, Frankfurt am Main 1987, 200 und 217ff. 350 Vgl. PFÜRTNER, Ethik in der europäischen Geschichte, 45. „Das oberste Ziel wird wirksam und als solches wirklich, indem der Mensch es durch seine umgreifende Einsichtsfähigkeit sich ‚vor-stellt‘ und auf das ‚Vor-Gestellte‘ seine gesamte Einzeltätigkeit ausrichtet.“ <?page no="200"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 200 senen und angeborenen Ideen. Entscheidend ist dabei aber, dass die praktische Vernunft die Annahme eines höchsten Gutes verlangt 351 , wie bei ARISTOTELES paradigmatisch abgelesen werden kann. Damit wird eine Zu- und Unterordnung aller immer relativkontingenten Teilziele in einen umfassenden Lebenszusammenhang möglich, der Einheit stiftet, Orientierung bietet und aufgrund einer Perspektive auf das Ganze und einer daraus abgeleiteten Affirmation des Daseins basale Handlungs-Motivation bereitstellt. Das oberste Gut ist mithin dasjenige, worumwillen wir die anderen Tätigkeiten alle praktizieren und von dem her bzw. auf das hin wir sie qualifizieren - dabei steht es uns u.a. als Hoffnungsfigur vor Augen, wodurch menschliche Handlungswirklichkeit mit einer ubiquitären Hoffnungsstruktur versehen wird. D.h. die (moralisch-sittliche) Qualifizierung aller unserer Erfüllungsgestalten, die wir u.a. als Hoffnungsgestalten verstehen können, erfolgt letztlich an dem, was ARISTOTELES Eudaimonia nennt, die schließlich dadurch charakterisiert ist, „dass das beste Leben ein Leben tätiger Verwirklichung der Vernunft“ 352 ist. Damit deutet sich schon an, was in der Moralphilosophie KANTS einen vorläufigen Höhepunkt finden wird, wenn er die Hoffnung als Vernunftprinzip auszuweisen sucht. 353 Trotz einer Mannigfaltigkeit der Sinnentwürfe und Erfüllungsgestalten muss es dennoch Rahmenziele, übergeordnete Zusammenhänge und innere Verbindungen der Ziele geben, letztlich zur Vermeidung eines regressus ad infinitum auch einen finalen Kulminationspunkt, denn ansonsten würden sich die Entwürfe insgesamt wechselseitig entwerten. Dieser Kulminationspunkt ist auch ein Gegenstand handlungsbezogener Hoffnung, können wir ihn doch aus Einsicht, Tugend und Vernunft befördern, aber liegt er doch zugleich notwendig außerhalb dessen, was wir vernünftig glauben kontrollieren zu können. Insbesondere die darin gebündelte Totalität der Perspektive ist immer schon in Hoffnungsform anwesend, Darum müssen wir angeben können, worin letztlich die einzelnen Entwürfe ihren inneren Zusammenhang und ihren letzten Sinn haben. Diese Perspektive nimmt auch notwendig den ganzen Menschen in den Blick, damit die Totalität seiner Handlungspraxis als auf Erfüllung eines Sinnentwurfs angelegt interpretiert werden kann. „Es geht in der Ethik“, nach ARISTOTELES, „um das menschlich Gute. […] Über einzelne Sinnentwürfe hinaus muss der Totalität der Praxis ein letzter Sinn zukommen, die eudaimonia. Diese muss als eine Gestalt, die das menschliche Leben als Ganzes hat, als eine Lebensform, begriffen werden.“ 354 Das ist nun mehr als die Existenz- 351 Vgl. ebd. 45. „Dass Ethik irgendwie mit Erkenntniskriterien arbeitet, die sie ihrerseits nicht mehr strikt beweisen kann, disqualifiziert sie in den Augen des Aristoteles keineswegs als Wissenschaft. Denn das ist für alle Wissenschaften gegeben. Gleichwohl verlangt gerade die Anwendung der Vernunft, das ‚oberste Gut‘ anzunehmen, um dessentwillen wir allen Teilzielen und -gütern nachgehen. Das Gegenteil zu behaupten, würde die Auslieferung an die Unvernunft und den Unsinn allen Lebens bedeuten.“ Grundlegend für das Verständnis und die Bewertung ist zudem die entelechiale Deutung im Hintergrund: en - telos - echein: in sich das Ziel haben. Hier ist in einer starken, aber zunehmend selteneren Interpretation von einem „Gestaltungsprinzip“ der Dinge zu reden, das keine sinnlich wahrnehmbare Erscheinung darstellt, sondern nur durch seine Wirkung vernünftig erschlossen werden kann, aber durchaus eine Realität trifft. In der schwächeren, von zeitbedingten Vorstellungen befreiten Interpretation benennt ARISTOTELES ubiquitäre Strukturen einer Handlungsteleologie, wie sie allem Handeln zugrunde liegen sollen. 352 Vgl. FORSCHNER, Über das Glück des Menschen, 12. 353 Vgl. Kapitel V 6 a und VII 2 d in dieser Arbeit. 354 Vgl. RENTSCH, Die Konstitution der Moralität, 309. <?page no="201"?> 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung 201 behauptung eines höchsten Gutes, sondern spricht darüber hinaus für deren klaren Lebensform- und Handlungsbezug. Im Sinne der vorliegenden These kann daher als Kern der Argumentation festgehalten werden: „Der Ort des Unbedingten und der genuinen (im modernen Sinne: transzendentalen) Sinnkonstitution ist außer Zweifel die eudaimonia als das letzte, höchste und beste Gute.“ 355 Offen bleibt in dieser Interpretation, der allerdings bis hierher strukturell gefolgt werden soll, wie denn das Verhältnis des Handlungssubjekts zu den Erfüllungsgestalten und erst recht gegenüber der höchsten Erfüllungsgestalt ausgewiesen werden sollte. Hier ist über RENTSCH hinaus die Frage zu stellen, woher denn die Zuversicht nehmen, dass sich die Erfüllungsgestalt tatsächlich erfüllt? Überhaupt steht uns ja diese Erfüllungsgestalt nicht einfach formal gegenüber, sondert affiziert uns. Und wie zeigt sich und macht sich bemerkbar die erfüllte Erfüllungsgestalt in der noch nicht erfüllten Lebenspraxis, das Sinnganze im Lebensfragment? Ich behaupte - im Medium der Hoffnung. In gewisser Weise ist daher handlungsrelevante Hoffnung als vermittelnde Variable zu bezeichnen, die das höchste Gut der Eudaimonia mit der Motivation, dem Wollen und Können, den Zielen, dem Sinn, der Klugheit, Tugend und Lebensform des Subjekts verbindet und damit potentiell ermöglicht, das als gut und sinnvoll Eingesehene auch zu vollziehen. Schließlich kann es zu den grundlegenden Einsichten des ARISTOTELES etwa gegen SOKRATES gelten, dass Einsicht in das Gute noch nicht automatisch zum Tun des Guten führt. Die Erfüllungsgestalt der Eudaimonia wirkt daher als orientierende, mobilisierende und einende Größe auf Handlungspraxis und kommt zudem in ihrer Vernunftgemäßheit dem animal rationale, das der Mensch ist, zutiefst entgegen. Hat nun ARISTOTELES mithin sehr klar die Telos-Struktur menschlicher Handlungswirklichkeit gesehen und herausgestellt, so womöglich deren Hoffnungsstruktur noch zu wenig gewürdigt, etwa aufgrund einer praktisch durchweg negativen Konnotation derselben in der Antike? Insgesamt kann aber ARISTOTELES eine metaphysikarme Ethik 356 attestiert werden, die eine fundamentalanthropologische Interpretation auf die Handlungskategorie der Hoffnung zulässt und entgegen landläufiger Meinung durchaus universalistische Züge trägt. 357 d) Die PANDORA-Sage Neben den lyrischen, epischen und philosophischen Quellen antiker Hoffnungsreflexion soll zumindest auch ein sagengeschichtlicher bzw. mythischer Stoff Erwähnung finden: 355 Vgl. ebd. 305. Strukturell sind zu dieser These folgende Aspekte noch erwähnenswert: Zunächst zielt sie (1) auf das Leben als Ganzes; (2) kennt sie eine finale Telos-Struktur; (3) kennt sie eine klare Lebensformorientierung und einen Handlungsbezug; und (4) kann sie gegen utilitaristische oder eudämonistisch-hedonistische Engführungen argumentieren, da sie eine Handlungsteleologie vernunftgemäß auszuweisen imstande ist. 356 Vgl. etwa PATZIG, G., Ethik ohne Metaphysik. Göttingen 1971. Zwar kann innerhalb der aristotelischen Ethik eine Teleologie ausgemacht werden, aber diese ist als Handlungsteleologie zu bezeichnen, wohingegen eine Natur- oder kosmische Teleologie nicht im Vordergrund steht. Wichtig ist dabei unter anthropologischer Perspektive, dass aristotelische Ethik und Moraltheorie in dessen Vorstellungen vom guten Leben quasi eingebettet sind und damit in die Antriebsstruktur des Menschen, was so weit geht, dass Anthropologie und Ethik partiell nicht zu trennen sind. 357 Vgl. HÖFFE, O., Ausblick. Aristoteles oder Kant - wider eine plane Alternative, in: ARISTO- TELES, Nikomachische Ethik, hrsg. v. HÖFFE, O., Berlin 2 2006, 277-304, hier 283ff. <?page no="202"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 202 die PANDORA-Sage. 358 Die Vieldeutigkeit möglicher Interpretationen des Hoffnungsbegriffs im Griechentum spiegelt sich besonders schillernd in den verschieden überlieferten Fassungen dieser berühmten Sage: Danach wird PANDORA - in der umstrittenen Überlieferung HESIODS - von Zeus mit einer Büchse voll von Übeln auf die Erde gesandt. Von Neugierde getrieben hebt sie den Deckel ab und Übel wie Krankheit, Hunger und Sorgen verbreiten sich auf der Erde bis auf die ἐλπίς , als richtige Voraussicht verstanden, die in der Büchse verbleibt, weil Pandora sie zu schnell wieder geschlossen hatte. Für HESIOD, ähnlich wie für AISCHYLOS zählt dabei die Hoffnung eindeutig zu den Übeln. Aufschlussreich ist zudem, dass sie von HESIOD in der Theogonie und in den Werken und Tagen im Umfeld des Mythos von Prometheus, des ‚Voraus-Denkenden‘, erzählt wird und insgesamt die Ambivalenz der Hoffnung diskutiert. Auch wenn nach KANNICHT entlang einer interpretatio christiana der wirkungsgeschichtliche Interpretationsdruck in Richtung Positivierung deutet, kann am negativen Zeugnis des HESIOD und der PANDORA-Saga über die Hoffnung als einem Übel für die Menschen kein Zweifel gelassen werden. Die entscheidende und nach wie vor offene Frage bleibt aber, in welchem Sinne die Hoffnung ein Übel ist. Für ANDREAS SPIRA ist sie „jedenfalls immer dann ein Übel, wenn sie leer oder illusionär ist und die Menschen zum Selbstbetrug verführt“ 359 . RICHARD KANNICHT plädiert stattdessen dafür, „dass sie hier nicht nur in dieser oder jener Erscheinungsform, sondern grundsätzlich ein Übel ist“, gerade, wenn sie als „ständig präsente“ Hoffnung in Erscheinung tritt. Insgesamt scheint sie aber, soviel sei festgehalten, eine „Aussicht auf die Zukunft, die die Götter den Menschen ersparen wollten“ 360 , auszudrücken. MARIA MOOG-GRÜNEWALD neigt eher zu der Position von SPIRA 361 , wenn sie dem PANDORA-Stoff die Funktion zuschreibt, „zu erklären, wie - theologisch gesehen - die Übel in die Welt gekommen sind und warum - anthropologisch gesehen - wir die Hoffnung als ein Gut und nicht als ein Übel erachten“ 362 . Im Ergebnis allerdings kann die Hoffnung nichts anderes als ein Übel sein, da sich ZEUS mit ihr listreich rächt: „er schickt den Menschen ein Übel, das als Gut getarnt ist und dessen Tarnung aus Verstandes-Schwäche nicht erkannt wird. […] Der Sinn der uns verbliebenen Hoffnung ist nun, dass der Mensch fortan blind Hoffnungen folgt, die ihn täuschen, und er, von der Hoffnung geblendet, nicht merkt, wie er gerade den Dingen weit beide Arme öffnet, die am Ende sein Unglück sind.“ 363 In einer Parallelüberlieferung des THEOGNIS wird dagegen die Göttin Ἐλπίς als einzige edle Gottheit gepriesen, die dem Menschen geblieben ist, nachdem alle anderen guten Götter die Erde verlassen hatten. In ähnliche Richtung weist die bei BABRIUS 358 Vgl. mit ausführlichen altertumswissenschaftlichen, kunst- und wirkungsgeschichtlichen Hinweisen KANNICHT, R., Pandora, in: Antike Mythen in der europäischen Tradition, hrsg. von HOFMANN, H., Tübingen 1999, 127-151. 359 Vgl. für alle drei Zitate KANNICHT, Pandora, 147. 360 Vgl. DIHLE, A. / STUDER, B. / RICKERT, F., Hoffnung (Art.), in: DASSMANN, E. et al. (Hrsg.), Reallexikon für Antike und Christentum. Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt Bd. XV, Stuttgart 1991, 1159-1250, hier 1161. 361 Vgl. ausführlich SPIRA, A., Angst und Hoffnung in der Antike, in: EIFLER, G. / SAAME, O. / SCHNEIDER, P. (Hrsg.), Angst und Hoffnung. Grundperspektiven der Weltauslegung, Mainz 1983, 203-270. 362 Vgl. MOOG-GRÜNEWALD, M., Die Hoffnung - ein Gut oder ein Übel? PANDORA (unveröffentlichtes Manuskript), 5. 363 Vgl. MOOG-GRÜNEWALD, Die Hoffnung - ein Gut oder ein Übel? , 7.d <?page no="203"?> 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung 203 überlieferte hellenistische Fassung der Sage, die nach BULTMANN 364 den ursprünglichen Sinn erhalten haben soll, wonach die Büchse der Pandora lauter Glücksgaben enthält. Während alle anderen Güter entwichen sind und sich nicht auf der Erde verbreitet haben, bleibt die Hoffnung als einziges Gut in der Büchse, um die Menschen zu trösten. Mit dieser Bedeutung wurde der ἐ λπίς -Begriff im Verlaufe der griechischen Geistesgeschichte überliefert, ohne jedoch seinen Unterton von Beunruhigung und Unsicherheit, mithin seinen trügerischen und ambivalenten Charakter zu verlieren. Zwar ist es dem Menschen in der bedrängten Gegenwart ein Trost, dass oder wenn er (noch) hoffen darf, aber die ἐ λπίς ist leicht verführbar und dadurch gefährlich. Dass des Menschen Hoffnungen unsicher sind, gehört zu den bleibenden Erfahrungen antiker Hoffnungs-Ethik, wiewohl ihnen durch spätere Reflexionen eine positivere und rationalere Betrachtung zur Seite gestellt wurde. e) Antike Zeitphilosophie Darüber hinaus scheint ein Seitenblick auf die antike Zeittheorie an dieser Stelle für die vorliegende Fragestellung nach einer Ethik der Hoffnung angebracht und lohnend zu sein, auch wenn diesbezüglich mythologische und kosmologisch-holistische Annahmen im Hintergrund vermutet werden können, die schlicht extrahiert werden müssen, um die gesuchte Systematik freizulegen. Für antikes Denken ist Zeit und Zeitlichkeit auf das Engste mit Vergänglichkeit und Sterblichkeit verknüpft und der damit einhergehenden Möglichkeit und Notwendigkeit, sich innerhalb der Zeit auf das Leben zu besinnen. „Alles, was sich begibt, begibt sich in der Zeit, worunter sowohl destruktive Aspekte wie Alter und Tod fallen als auch konstruktive Aspekte wie Reife und die Konstitution der Wissenschaften und Künste. […] Es kann als ein Grundmotiv der antiken Philosophie angesehen werden, die Welt in ihrer prozessualen Dimension und somit auch die allgemeine Gefährdung des menschlichen Lebens durch negative Geschehnisse in der Zeit anzuerkennen und folglich nicht nach Glücks- und Heilswegen zu suchen, die diese Gegebenheit negieren und gleichsam überspringen. In dieser Welt und ihren ontologischen Gründen werden Gewissheiten gesucht, an denen man sich in der wandelbaren Welt orientieren und in deren tätiger Erschließung man ein glückliches Leben verwirklichen kann.“ 365 Der handlungsmäßige Zug der Daseinsorientierung, der sich aus diesen Vorstellungen ergibt, lässt eine Verbindung zur (handlungspraktisch gefassten) Hoffnung ziehen. Insbesondere bei ARISTOTELES ist die Verwiesenheit des menschlichen Daseins und dessen Glücksmöglichkeiten - und damit indirekt auch auf dessen Möglichkeiten zu begründeter Hoffnung - auf die ihm gegebene Zeitspanne explizit formuliert, wenn er den Tätigkeitscharakter des Glücks betont und damit dessen prozesshafte und zeitliche Entwicklung. Letzte Glückseligkeit ist schließlich eine Sache der Götter. Darüber hinaus kennt die antike Zeittheorie cum grano salis die moderne „Öffnung der Zeitschere“ 366 noch nicht, wonach die neuzeitliche Subjekt-Objekt-Spaltung noch nicht freigelegt ist und damit eine nachwievor instruktive Figur vorliegt, tendenziell subjektivistische und tendenziell objektivistische Zeittheorien zu verbinden, was für 364 Vgl. BULTMANN, ἐ λπίς A., 516. 365 Vgl. WOYKE, A., Die systematische Bedeutung antiker Zeitphilosophie. Anknüpfungspunkte und wesentliche Unterschiede im Blick auf spätere Konzeptionen, Zeitschrift für philosophische Forschung, 60 (2006), 3, 421-440, hier 433-434. 366 Vgl. BLUMENBERG, H., Weltzeit und Lebenszeit, Frankfurt am Main 1986, 69ff. <?page no="204"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 204 handlungstheoretische Entwürfe von großer Wichtigkeit sein dürfte. Schließlich kann mit WALTER MESCH und ANDREAS WOYKE festgehalten werden, dass „das Hauptproblem moderner philosophischer Zeittheorien insbesondere darin“ bestehe, „dass ein nahezu unvermittelter Gegensatz zwischen subjektivistisch-phänomenologischer ‚Eigenzeit‘ und objektivistisch-analytischer ‚Naturzeit‘ errichtet wird, der nur durch eine Reduktion in der einen oder anderen Richtung als bewältigbar erscheint.“ 367 Das, was man Handlungszeit nennen könnte, liegt schließlich in einer Vermittlung beider Zeitformen. So kann vermutet werden, dass die marginale Behandlung der Hoffnungskategorie als Handlungskategorie u.a. an einem fehlenden Begriff von Handlungszeit festgemacht werden kann, der wiederum mit der erwähnten Diastase der Zeitformen zu tun hat. f) Ertrag Die Analysen griechischer Elpistiker, insbesondere im nachfolgenden Vergleich mit den alt- und neutestamentlichen Zeugnissen, lassen zwei fundamentale Hoffnungsbegriffe differenzieren, die auf unterschiedlichen Voraussetzungen beruhen und in der Geschichte immer wieder - bis heute - anzutreffen sind. Die griechische Antike kennt ursprünglich keinen eindeutig positiven Hoffnungsbegriff, dieser musste erst durch Attribute (gut, schlecht) inhaltlich qualifiziert werden. Zusammenfassend zeigt sich jenseits der unterschiedlichen Konnotationen und Konzeptionen, dass für den Raum der Antike und des Hellenismus ἐλπίς das vom Menschen aus entworfene Zukunftsbild bezeichnet 368 . Das leitendes Prinzip des griechischen Hoffnungs-Denkens kann Extrapolation genannt werden: Der Grieche lebt - was die Zeitrichtung angeht - von der Gegenwart in die Zukunft hinein, die er rational vorwegnehmend in Besitz zu nehmen versucht. Die Frage nach der Bedeutung und dem Stellenwert der Hoffnungskategorie in der Antike lässt sich grosso modo zusammenfassen auf die Frage, wie es kommt, dass Menschen glücklich oder unglücklich sind. 369 Die Antike trennte dabei streng genommen noch nicht zwischen Erwartung und Hoffnung: Hoffnung war Erwartung, positiv wie negativ. Erst im Kontakt mit dem Christentum wurde die Hoffnung vereindeutigt, nämlich die eindeutige Erwartung des Positiven und Guten, was aber in eklatantem Widerspruch zur Erfahrung der Wirklichkeit geriet, die zu allem anderen als zu nur positiven Erwartungen berechtigte. Deshalb kam es zur Trennung von Erwartung und Hoffnung: Erwartung blieb bipolar, Hoffnung wurde neu gegründet und eindeutig positiv konnotiert. 367 Vgl. WOYKE, Die systematische Bedeutung antiker Zeitphilosophie, 435. Vgl. diesbezüglich auch die außerordentlich instruktive biblische Zeitfolie in Kapitel V 4 in dieser Arbeit. 368 Vgl. NEBE, ἐλπίς , 998, der im Urteil (als singuläre Stimme) deutlich vorsichtiger ist, was die Konstitution der Hoffnung allein durch den ‚Entwurf‘ des Menschen für den griechischrömischen Raum angeht: „Die Frage ist, ob die ἐλπίς im Griechentum nur vom Menschen aus entworfene Zukunftsbilder enthält: Auf jeden Fall ist die Ordnung der Natur (des Kosmos) grundlegend (im Unterschied zu dem über die Weltordnung stehenden Schöpfer- [und Erlöser-] Gott in der biblischen Tradition), ist Hoffnung als religiöse Haltung dem griechischhellenistisch-römischem Kulturkreis nicht unbekannt. Sie bleibt dort aber vielfach etwas Trügerisches.“ 369 Vgl. SPIRA, A., Angst und Hoffnung in der Antike, in: EIFLER, G. / SAAME, O. / SCHNEI- DER, P. (Hrsg.), Angst und Hoffnung. Grundperspektiven der Weltauslegung, Mainz (Studium Generale der Johannes-Gutenberg-Universität) 1983, 203-270, ebenso in AINIGMA (FS HEL- MUT RAHN), hrsg. von VARWIG, F.R., Heidelberg 1987, 129-181. <?page no="205"?> 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung 205 Neben der Möglichkeit das antike höchste Gut, die Eudaimonia, als Hoffnungsfigur zu interpretieren, auch neben der Möglichkeit, Präfigurationen derselben zu identifizieren, etwa die platonischen Ideen, ist ferner die antike Handlungstheorie für den vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse, da sie sehr klar die strukturellen Voraussetzungen für den Hoffnungsvollzug auf handlungspraktischer Ebene formuliert hat, wenn sie eine spezifisch bestimmte teleologische Handlungstheorie favorisiert, die objektivistischen Charakter trug, aber keinesfalls, wie lange angenommen, notwendig prudentielle Züge tragen musste. 370 Insgesamt „beruhen handlungsteleologische Ethiken“, wie die antiken Ethiken von PLATON und insbesondere ARISTOTELES bezeichnet werden können, „auf der Überzeugung, dass nicht nur die Einzelhandlungen eines Individuums subjektiv zielgerichtet sind, sondern dass zudem eine Ordnung der verfolgten Ziele besteht, eine Ordnung, die vom Akteur i.d.R. unbemerkt bleibt, obwohl er ihr ausdrücklich Folge leistet.“ 371 Als zentrale Gemeinsamkeit dieser Ethiken unter hoffnungstheoretischer Perspektive kann daher festgehalten werden: Es gibt eine übergeordnete Zielstruktur für alles Handeln. Der Weg ist dann nicht mehr weit, diese Ziele aufgrund ihrer Attraktivität als Hoffnungsziele festzuhalten, die auf ihren (etwa ontologischen) Grund befragt werden müssen. Oft damit verknüpfte Ontologien oder (kosmologische) Naturteleologien sind aber im Kern von dieser Handlungstheorie unabhängig. „Handlungsteleologische Ethiken richten sich an Akteure, um diesen in Form einer ad hominem-Argumentation zu zeigen, dass es implizite Sinnbedingungen gibt, an denen sie ihr Handeln immer schon orientieren oder rationalerweise orientieren sollten.“ 372 Der antike Hoffnungsbegriff dürfte nun auch aus dem Grunde immer ambivalent geblieben sein, da der entsprechende Hoffnungsgrund nicht ausreichend ausgewiesen wurde und aus christlicher Perspektive auch nicht konnte. 373 Die formale handlungsteleologische Struktur aber, die die antike Lehre von der Eudaimonia als höchstes Strebensziel hervorbrachte, kann als ein bleibender Ertrag antiker praktischer Philosophie für die vorliegende Fragestellung nach einer Ethik der Hoffnung festgehalten werden. Eudaimonia ist demnach (1) als objektiv gelingendes Leben konzipiert (beatitudo objectiva) worden, gerade nicht als subjektive Befindlichkeit, positive Verfassung oder positive Zuständlichkeit. Modern ausgedrückt geht es um ein Erfüllungsglück, kein Empfin- 370 Vgl. HORN, C., Klugheit, Moral und die Ordnung der Güter: Die antike Ethik und ihre Strebenskonzeption, in: Philosophiegeschichte und logische Analyse 6 (2003), 75-95. 371 Vgl. HORN, Klugheit, Moral und die Ordnung der Güter, 76-77. Weiter heißt es: „Ein wohlbekannter Bestandteil aller dieser Moralphilosophien liegt in der Ansicht, jeder Akteur müsse seinen Handlungserfolg wollen; traditionell ausgedrückt: jede Handlung müsse sich auf ein Gut richten (oder zumindest auf etwas für gut Gehaltenes). Bezeichnen wir dies als die These von der Erfolgsbindung des Handelns. Eine andere wesentliche Teilüberzeugung lautet, dass jeder Akteur mit allen seinen Handlungen auf ein umfassendes letztes Ziel gerichtet ist. Wie viele Teilziele jemand auch immer synchron und diachron verfolgen mag, sie lassen sich vor dem Hintergrund eines einzigen großen Zieles verstehen.“ Damit geht zusätzlich einher, dass eine Konzeption des Willens ausgewiesen werden muss. 372 Vgl. ebd. 78. 373 Vgl. WOSCHITZ, K.M., De homine: Existenzweisen. Spiegelungen, Konturen, Metamorphosen des antiken Menschenbildes, Graz 1984, hier 229, der den christlichen vom antiken Hoffnungsbegriff dahingehend abgrenzt, dass dieser durch die Bindung an die Vollendung schaffende Verheißung Gottes „keinen Komparativ mehr kennt“, was für den antiken, am Vorfindlichen orientierten Begriff gerade nicht der Fall sein soll. <?page no="206"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 206 dungsglück, was sofort die Frage nach dem korrespondierenden Konzept aufwirft, worin denn der Mensch seine Erfüllung finden könne - und wer dabei der Mensch ist und wie, d.h. auf welchen Wegen er eine ihm angemessene Erfüllung finden könne. Eudaimonia als höchstes Strebensziel kann (2) formal und inhaltlich als latent unterbestimmt aber nicht unbestimmt mit klarem handlungspraktischem Bezug konzipiert worden, was sicher zur nachhaltigen Wirkungsgeschichte bis heute beigetragen haben mag, da vielfältige inhaltliche Konkretisierungen damit verbunden werden konnten, es aber insgesamt als Hoffnungsgut interpretierbar war, das eine ubiquitäre handlungstheoretische Verortung aufwies. Offen blieb dabei, wie mir scheint, die Bestimmung eines möglichen Hoffnungsgrundes, der ein Hoffnungsgut verbürgen könnte und natürlich eine noch näher begründete inhaltliche Bestimmung des höchsten Gutes der Eudaimonia. Die Idee des Guten, die zunächst noch funktional gedacht wurde, später dann metaphysisch, bildete das letzte Strebensziel, wobei das Verhältnis von Teil und Ganzem zu klären war, da es auch für eine daran orientierte Hoffnungstheorie von Bedeutung ist. D.h. es geht um die Kohärenz von einzelnen Handlungen und übergeordnetem Zusammenhang, indem die einzelnen Handlungen quasi allererst für das eigene Leben gedeutet werden können. Der Handelnde genauso wie der Hoffende will etwas, wenn auch unbestimmt oder unthematisch 374 und er will es im Kontext eines übergeordneten Zusammenhangs, der den Sinn der Einzelhandlungen in Korrespondenz zu einem kohärenten Kontinuum, d.h. letztlich zum Ganzen des Lebens, bereithält. „Das Handeln eines Individuums muss […] ein teleologisches Kontinuum bilden, einen einzigen, als homogen interpretierten Zweckzusammenhang. Folgt man der antiken Handlungsteleologie, so bildet jede Handlung eines Individuums den Bestandteil eines kohärenten Strebensganzen. Dieses umfasst das gesamte bewusste Leben eines Individuums. Jeder Akteur zielt danach mit allen seinen lebenslang unternommenen Handlungen auf ein einziges Zweckkontinuum.“ 375 Die systematische Lehre vom höchsten Gut, vom finis ultimus, begann mithin in der Antike. Zu prüfen wäre, ob das Diktum von STOECKLE tatsächlich zutrifft, der im Vergleich des antiken und später mittelalterlichen Denkens vom finis ultimus mit dem eschatologischen Denken der Bibel zu folgendem Ergebnis kommt: „Es ist nicht zu bestreiten, dass sie [die Lehre vom finis ultimus, d.V.], wenn überhaupt, nur sehr spärlich der eschatologischen Dimension der Schriftbezeugung Rechnung trägt. Maßgeblich sind für ihre Artikulation vielmehr die Kategorien des griechischen Denkens geworden. Das bedingte eine Verkürzung der christlichen Zukunft auf das individuelle ‚Seelenheil‘ hin und in Zusammenhang damit eine abstrakt-individualistische Betrachtung der ‚ewigen Glückseligkeit‘.“ 376 Dessen ungeachtet wird nun im Sinne der hier mit CHRISTOPH HORN für den Raum der antiken Ethik vertretenen teleologischen Handlungstheorie gerade keine Theorie der subjektiven Selbststeigerung oder einseitig ontologie- oder metaphysiklastigen Selbsterfüllung formuliert, sondern es geht um „allgemeine Sinnbedingungen unserer 374 Vgl. HORN, Klugheit, Moral und die Ordnung der Güter, 91. „Ebenso wie es für handelnde Subjekte ausgeschlossen ist, nicht zu handeln, scheint es unmöglich, seinen eigenen Handlungserfolg nicht zu wollen, weswegen bestimmte Verhaltensweisen rational, andere aber irrational sind. Jeder Akteur muss seinen Handlungserfolg so gut wie möglich sicherzustellen versuchen.“ 375 Vgl. ebd. 90. 376 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 7. <?page no="207"?> 3. Griechisch-Römische Antike: Entdeckung der Zukunft als Erwartung 207 rationalen Handlungsfähigkeit“ 377 . Und gerade diese Bedingungen zeigen sich in hohem Maße - bereits in der antiken Ethik - als hoffnungstheoretisch interpretierbar, sodass die Vermutung nahe liegt, Hoffnung als (sinneröffnende und sinnverwiesene) Handlungskategorie zu bestimmen, die handlungstheoretisch gesprochen eine bestimmte Aufgabe erfüllt bei der Umsetzung von Zielen, die es näher zu bestimmen gilt. Die Theologie- und Philosophiegeschichte wird daher im Anschluss an die Theoriebildungen insbesondere der griechischen und der daran Maß nehmenden römischen Antike bemüht sein, die formale Bestimmung des höchsten Gutes näher zu qualifizieren und dabei auch dessen Grund in den Blick zu nehmen - bis zur theologischen Identifikation von Grund und Ziel etwa in der Ethik des THOMAS VON AQUIN. Ferner scheint mir die ansonsten äußerst tragfähige teleologische Handlungstheorie der Antike offen gelassen zu haben, an welcher Stelle ‚der Andere‘ Bedeutung bekomt, oder mit anderen Worten, was die Beförderung des höchsten Gutes des Anderen für die Realisierung des je eigenen höchsten Gutes bedeuten kann und bedeuten soll und in welchem Verhältnis beides zueinander steht. ROBERT SPAEMANN hat das das „Eudämonismusproblem“ genannt, also die „Frage, wie ein ursprüngliches Interesse am Anderen mit dem unüberwindlichen Wunsch nach dem eigenen Glück zusammengehen könne“ 378 , ein Problem, das später bei KANT zum Mindesten partiellen Widerspruch von Moral und Glück führen wird, eine Dichothomie, die in der Ethik des PLATON und des ARISTOTELES wohl noch keinen systematisch reflektierten Ort gefunden hat. Neben diesen einzelnen Aspekten sind in systematisierender Perspektive noch folgende Einsichten wirkungsmächtig geworden und für eine Ethik der Hoffnung festzuhalten: Mit OTFRIED HÖFFE kann bekanntlich zwischen einer eudämonie-orientierten Strebensethik, wozu die antiken Ethiken zu zählen sind, und einer autonomie-orientierten Willensethik, wozu paradigmatisch die Ethik KANTS zu zählen ist und deren gemeinsame Sprache quasi die der praktischen Vernunft ist, differenziert werden. 379 Ein integrativer Hoffnungsbegriff, wie er hier anvisiert ist, wird nun beide Aspekte integrieren müssen, da auf der einen Seite quasi die finale Zielperspektive benannt ist, zum anderen, wenn man so will, die Ursprungsperspektive. Sittliches Handeln, das sich als vernünftiges Wollen dem Freiheits- und Autonomieparadigma als ihrem Ursprungsparadigma verpflichtet weiß, benötigt, um der dieser Freiheit entsprechenden (Welt-) Verantwortung gewachsen zu sein, eine (begründete) finale Zielperspektive (Eudaimonie, höchstes Gut, Vollendung). Sittliches Handeln, das als vernünftiges Streben seiner finalen Teleologie als Zielparadigma eingedenk ist, benötigt, um den ihrer eigenen Dignität angemessenen Handlungsraum zu bekommen, ein klares Wissen um ihre Ursprungsperspektive. Hoffnung als Handlungskategorie, will sie den vollen Raum menschlicher Handlungswirklichkeit potentiell bestimmen, verbindet teleologische und deontologische Ethiken, vollzieht sich mithin aus Freiheit, aber zielt (letztlich) auf ein inklusives, einheitliches Ziel, deren Qualität der Sinn ist. 377 Vgl. HORN, Klugheit, Moral und die Ordnung der Güter, 94. 378 Vgl. SPAEMANN, R., Glück und Wohlwollen. Versuch über Ethik, Stuttgart 1989, 123. 379 Vgl. HÖFFE, O., Sittliches Handeln: Ein ethischer Problemaufriss, in: LENK, H. (Hrsg.), Handlungstheorien - interdisziplinär Bd. 2, zweiter Halbband. Handlungserklärungen und philosophische Handlungsinterpretation, München 1979, 617-641. <?page no="208"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 208 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung Durch die Entstehung und Ausbreitung des Christentums können sich entscheidend neue Impulse für die Reflexion auf die Kategorie der Hoffnung entfalten, da im Zuge dieser Entwicklungen die alt- und neutestamentlichen Traditionen mit dem griechischen ἐλπίς -Begriff unter dem Eindruck der Person Jesu vermittelt wurden. In der Bibel spiegelt sich daher die ganze Breite des Hoffnungsbegriffs, der von einer ganz profanen Verwendung desselben bis hin zu abstrakt-theologischen Spekulationen über den Status der Hoffnung im Kontext des christlichen Glaubens reicht. Insbesondere die Begegnung von Antike und Christentum, jüdisch-semitischem und pagan-griechischem Geist, dürfte zu den wichtigsten Transformationen des Hoffnungsbegriffs geführt haben. 380 Dabei sind bei der Rekonstruktion der biblischen Grundlagen in struktureller Hinsicht zwei Lesarten zu unterscheiden: (1) Texte, die expressis verbis von Hoffnung und deren etymologischen und semantischen Vorläufern oder Nachfolgern reden; (2) Hoffnungstexte, die im engeren Sinne nicht dezidiert den Begriff der Hoffnung verwenden, aber Hoffnungsfiguren inhaltlich-systematisch zum Gegenstand haben. 381 Hier werden vielfältige Hoffnungsbilder gemalt. Als gemeinsamer Bestand alt- und neutestamentlicher Hoffnungstheologie kann die Entdeckung der Zukunft als Verheißung bezeichnet werden, die eine dem Menschen entgegenkommende Zukunft (adventus) eröffnet und diese mit einer (antik geprägten) vom Menschen zunehmend rational entworfenen Zukunft (futurum) konfrontiert. Wenn im AT dabei vorrangig prophetische, weisheitliche, apokalyptische und messianische Texte Hoffnung thematisieren, so im NT vorrangig die Selbstkundgabe und sachtheologische Entfaltung des Grundes aller christlichen Hoffnung in Leben, Sterben und Auferstehung Jesu von Nazareth - und die Konsequenzen dieses Kerygmas für frühchristliche Gemeinden und deren Fragen, wobei weiterhin auch apokalyptische Überlegungen angestrengt wurden. a) Altes Testament α Sprachliche Beobachtungen Für das Alte Testament existiert kein neutraler Begriff der ἐ λπίς als eines bloßen Erwartens, der seinerseits nicht durch die Zusätze von gut oder böse als Hoffnung und Befürchtung charakterisiert werden müsste. Vielmehr ist gerade im Unterschied zum griechischen Sprachgebrauch, in dem Hoffnung die Erwartung von Heil wie Unheil bedeuten kann, im Alten Testament Hoffnung immer die Erwartung eines zukünftigen Heiles, das mitunter schon partiell erfahrbar ist. 382 Die hebräische Terminologie zur Kategorie der Hoffnung wird darum zeigen, dass „die Hoffnung im AT qualitativ bestimmt ist. Sie 380 Vgl. DIHLE, A. / STUDER, B. / RICKERT, F., Hoffnung (Art.), in: Reallexikon für Antike und Christentum Bd. XV, Stuttgart 1991, 1159-1250, hier 1161. 381 Es ist an vielfältige Texte etwa aus der Bundestheologie, den Psalmen, den Evangelien oder auch der Offenbarung zu denken. An dieser Stelle wäre auch eine biblische Theologie der Hoffnung anzuvisieren, die aber erst in Ansätzen vorliegt. 382 Vgl. NEBE, G., ἐ λπίς (Art.), in: COENEN, L. / HAACKER, K. (Hrsg.), Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament Bd. I, Wuppertal 1997, 998: „Insgesamt zeigt sich im AT eine positive Bewertung der Hoffnung im Blick auf die Zukunft.“ <?page no="209"?> 209 kann nicht eine gute oder böse Hoffnung sein, sondern sie ist stets eine gute Hoffnung, die mit Vertrauen und Glauben das Gute, ja das Heil schlechthin erwartet“ 383 . Alttestamentliche Hoffnung 384 ist nun nicht durch einen einzigen Terminus allein zu erheben, sondern es ist auf mindestens vier Verbalstämme und einige davon abgeleitete Nomina zu verweisen, die den Bedeutungsgehalt alttestamentlicher Hoffnung ausmachen. 385 Mit anderen Worten: Es existiert kein eigener aramäisch-hebräischer Hoffnungsterminus, der sich nicht ableiten würde aus semantisch anders konnotierten Verbalstämmen. Ferner sind auch diejenigen Aussagen des Alten Testaments zu beachten, die zwar die Hoffnungsterminologie nicht gebrauchen, aber ein Hoffen bezeichnen und bezeugen. 386 Insgesamt lässt sich der den einzelnen Stämmen zugrundeliegende Bedeutungsgehalt mit „auf etwas gespannt sein, warten, harren, hoffen“ 387 umschreiben. Am häufigsten ist (1) die Wurzel kwh / qwh - warten, harren ( הוק ) zusammen mit den abgeleiteten Wörtern tikwah und mikwäh im Sinne der Zukunftserwartung zu beobachten (insgesamt 82 mal). 388 Aufschlussreich ist die Bedeutung aus dem Grunde, da sie ein „gespanntes Hingerichtetsein auf etwas“ 389 bezeichnet, das wiederum einen Spannungsbogen zum Ausdruck bringt. Im Vordergrund steht eine vertrauende und harrende Gewissheit - auch und gerade in Situationen der Vergeblichkeit. Es existiert eine etymologische Verbindung zum Begriff der gespannten Schnur. Die spezielle Bedeutungsnuance wird durch das wurzelverwandte Wort kaw aufgeklärt, das die (ausgespannte Mess-) Schnur bezeichnet (vgl. 2 Kön 21,13 und Jes 34,17), ebenso wie durch das nur in Jes 18,2.7 vorkommende kawkaw, das die Spannkraft bezeichnet. Damit meint die Wurzel ein Hoffen als „gespanntes Erwarten“ (vgl. Jes 52,4.7) 390 . Das Wort stellt eine Steigerung (2) der Wurzel hkh - sehnsuchtsvolles, vertrauensvolles Warten ( הבח ) dar, die viel seltener (ohne Nominalbildung 14 mal) vorkommt und ein „zaghaft zauderndes (2 Kön 9,3) oder geduldiges (Da 12,12) Zuwarten (Jes 64,3)“ 391 bezeichnet. Deutlich häufiger erscheint 383 Vgl. BARDTKE, H., Hoffnung I. Im AT (Art.), In: GALLING, K. (Hrsg.), Die Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG 3 ). Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft Bd. III, Tübingen 3 1959, 415. 384 Vgl. für textphilologische Fragen die immer noch klassischen Überblicksarbeiten von WOSCHITZ, Elpis 1979 und ZIMMERLI, W., Der Mensch und seine Hoffnung im Alten Testament, Göttingen 1968. Die Entstehungszeiten deuten an, dass hier dringend Forschungsbedarf besteht, wiewohl für die vorliegende Arbeit überwiegend systematische Interessen im Vordergrund stehen. Vgl. dazu einführend WESTERMANN, C., Das Hoffen im AT, in: ThViat 4 (1952/ 53), 19-70. 385 Vgl. GESENIUS, W., Hebräisches und aramäisches Wörterbuch über das Alte Testament, bearbeitet von BUHL, F., Berlin / Göttingen / Heidelberg 1962 ( 17 1915). 386 Auffällig ist dabei, das selbst in der Anthropologie von JANOWSKI der Begriff der Hoffnung nicht einmal erscheint, die Sache aber allgegenwärtig ist, etwa wenn es um die Bedeutung von Rettung, Dank und Lobpreis, Vertrauen oder den Weg vom Tod zum Leben in den Psalmen geht. Vgl. JANOWSKI, B., Konfliktgespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen, Neukirchen-Vlyun 2003. 387 Vgl. BARDTKE, Hoffnung, 415. 388 Vgl. für eine ausführliche Statistik WESTERMANN, C., Das Hoffen im AT. Eine Begriffsuntersuchung, in: Theologia Viatorum 4 (1952/ 53), 19-70, besonders 21-22. 389 Vgl. WESTERMANN, C., Das Hoffen im AT, 26. 390 Vgl. auch Jes 8,17a-b, wo JESAJA in Spannung auf JAHWE hofft, der sein Angesicht vor Jakobs Haus verborgen hat. 391 Vgl. WOLFF, H.W., Des Menschen Hoffnung, in: Ders., Anthropologie des Alten Testaments, München 4 1984, 222. 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung <?page no="210"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 210 (3) die Wurzel jhl - warten, hoffen lassen ( לחי ) und deren Derivat tohälät (insgesamt 48 mal), das ein Hoffen als „ausdauerndes, harrendes Warten“ zum Ausdruck bringt. Als typisches Beispiel kann Gen 8,10.12 gelten, wonach Noah jeweils „weitere sieben Tage“ wartete, bis er die Taube noch einmal aus der Arche fliegen ließ. Schließlich ist noch (4) das selten (insgesamt 3 mal) vorkommende śbr - meinen, vertrauen, hoffen, glauben; hoffen, warten ( רבש ) zu nennen, das ein Moment des Prüfens enthält und damit ein „ausspähendes Erwarten“ umschreibt. Das kann soweit gehen, dass das Verbum untersuchen meint (vgl. Neh 2,13.15) bzw. die Augen als Subjekt derartigen Hoffens bezeichnet werden (vgl. Ps 145,15): „Aller Augen spähen nach dir aus, du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit.“ Die LXX übersetzt diese Begriffe mit ἐλπίζειν bzw. ἐλπίς und verwendet die gleichen griechischen Wörter auch zur Wiedergabe des hebräischen batăh - trauen, vertrauen, sich sicher fühlen ( חטב ) und hasa - sich bergen, Zuflucht suchen ( הסח ), denn diese Wurzeln werden im Hebräischen parallel zu den anderen Hoffnungsbegriffen bzw. an ihrer Stelle verwendet, was zusätzlichen Einblick in die Erlebnisqualität alttestamentlicher Hoffnung gewährt. Insbesondere die Wiedergabe der Wurzel batăh durch den Wortstamm ἐλπίς ist bemerkenswert, weil er auf eine besondere Komponente des Vertrauens in der Hoffnung hinweist. Darüber hinaus finden sich weitere zur Hoffnungsterminologie verwandte Begriffe in den Wurzeln hä’ämin - fest, sicher sein; dauerhaft beständig; zuverlässig, treu; wahr befunden ( ןמא ) und satăr - sich verbergen, verborgen sein; Versteck, Hülle, Schirm, Schutz ( רתס ). Bei der in der LXX weit über 100 mal verwendeten griechischen Hoffnungsterminologie 392 fällt nun nicht nur auf, dass der differenzierte und sich durch Konkretheit und Lebensnähe auszeichnende hebräische Ausdruck von Hoffnung durch weitere griechische Vokabeln deutlich erweitert wird, die Hoffnungs-Terminologie mithin breiter wird, wobei allerdings Akzentverschiebungen stattfinden und manche Nuance nicht mehr aufgegriffen wird, sondern es fällt zusätzlich auf, dass im Übergang von der hebräischen in die griechische Sprachwelt insbesondere zwei Wort-Relationen hervorgehoben werden müssen, die in dieser Explizitheit im Spektrum hebräischer Hoffnungsbegrifflichkeit noch nicht herausgearbeitet wurden, wiewohl implizit immer anwesend waren. Es ist allerdings zuvor darauf hinzuweisen, dass die LXX die (hebräischen) Verba nicht zuerst mit ἐλπίζω , sondern durch μένω − bleiben (Bestand haben, bestehen bleiben, warten, feststehen, standhalten), erwarten bzw. ὐ πομένω − zurückbleiben, ausharren; aushalten, ertragen, erwarten und dessen Derivate übersetzt, was das Gewicht besonders auf das Moment des Wartens, Ausharrens und der Geduld legt. 393 Das Überwiegen der Verbalstämme zeigt insgesamt, dass der Akzent auf dem Vorgang des Hoffens liegt. Was die Zeugnisse der Hoffnung im Alten Testament (im Unterschied zum Neuen Testament) betrifft, überwiegt mithin die Bezeugung des Hoffnungs- Aktes, der sich schließlich in der Begrifflichkeit und der Verwendung der Wörter widerspiegelt. 394 Es hat sich gezeigt, dass die sprachlichen Möglichkeiten des Hebräers gänzlich 392 Vgl. für eine ausführliche (alt- und neutestamentliche) Statistik und Semantik NEBE, ἐ λπίς, 993-1004. 393 Vgl. ebd. 998. 394 Im hellenistischen Judentum vergrößert sich schließlich die Vokalbasis noch weiter. Bezeugt v.a. bei PHILO VON ALEXANDRIEN und FLAVIUS JOSEPHUS werden δέχομαι annehmen bzw. abwarten, warten auf, erwarten, δοκέω bzw. δοκία und deren Derivate im Zusammenhang von Reflexionen und Definitionen der Hoffnung verwendet. Dabei ist eine Definition des PHILO klassisch geworden: „Furcht ( ϕόβος ) und Hoffnung (ἐ λπίς ) sind einander Feind, <?page no="211"?> 211 verschiedene Weisen des positiven 395 , hoffenden Verhaltens zur Zukunft differenziert zum Ausdruck bringen können, ohne einen spezifischen Hoffnungsbegriff bereitzuhalten. Dabei kann zusammenfassend mit H.W. WOLFF konstatiert werden: „Hoffnung artikuliert sich als gespanntes Erwarten (kwh), als geduldiges Zuwarten (hkh), als spähendes Ausschauen (śbr) oder als ausdauerndes Harren (jhl).“ 396 Das gibt folgende zwei Wortrelationen zu erkennen: Zusammenhänge alttestamentlicher Hoffnung mit anderen Sprachderivaten (1) Der Zusammenhang von Hoffnung und Vertrauen (batăh-ἐ λπίς− Relation) (2) Der Zusammenhang von Hoffnung und Geduld (qwh-ὐ πομον ή-Relation) Abbildung 5 Zusammenhänge alttestamentlicher Hoffnung mit anderen Sprachderivaten β Sitz im Leben Sowohl im religiösen Leben des Volkes, wie auch im Leben des Einzelnen spielte diese Hoffnung eine zentrale Rolle, weil die alttestamentliche Religion zentral eine Bundesreligion war, die eine spezifisch damit verbundene Verheißung einschloss. Zunächst gilt aber, dass im Alten Testament Hoffnung „im allgemeinen die zuversichtliche Erwartung des Schutzes und des Segens Jahwes, also der Erfüllung der Bundesverheißungen“ 397 ist, was sie in enger Verbindung mit dem Glauben stehen lässt. Es kann mithin sogar als Grundcharakteristikum, als Eigenart alttestamentlicher Hoffnung gelten, dass sie sich (als Konsequenz) aus dem (Glauben an den) Bund zwischen Jahwe und Israel 398 ergibt. Moraltheologisch formuliert heißt das, dass der Hoffende des Alten Testaments sich an den Bund bindet, in einem Akt der Selbstbindung sich in den Horizont dieses Bundes mitsamt seinen Verheißungen und Verpflichtungen stellt. Die (Bundes-) Treue Jahwes zu seinem Volk ist der Grund alttestamentlicher Hoffnung, wohingegen ihr Gegenstand mit dem sich in seiner Fülle in der Geschichte an Mensch und Schöpfung realisierenden Heilswillen Jahwes bezeichnet werden kann. Die mit diesem Bund jeweils einhergehenden Verheißungen, die göttlichen Zusagen des Heils und der Errettung, eröffneten im Falle eines Ausbleibens der vollen (geschichtlichen) Verwirklichung ein hoffendes Warbeides ist Erwartung ( προσδοκία ), im Fall der Hoffnung guter Dinge, im Fall der Furcht böser / schlimmer Dinge.“ Zitiert nach ebd. 995. 395 Wiewohl das Alte Testament als ganzes eine positive Bewertung der Hoffnung zu erkennen gibt, bleibt auch eine Erwähnung ihres Gegenteils nicht aus, das in den griechischen (Spät-) Schriften v.a. durch das Verbum ἀ πελπίζω im Sinne von verzweifeln bezeichnet wird. 396 Vgl. WOLFF, Des Menschen Hoffnung, 223. 397 Vgl. IMSCHOOT, P. VAN, Hoffnung (Art.), in: HAAG, H. (Hrsg.), Bibel-Lexikon, Einsiedeln / Zürich / Köln 2 1968, 746. 398 Vgl. zu den Vorgaben und den systematischen Implikationen alttestamentlicher Bundestheologie GROß, W., Zukunft für Israel. Alttestamentliche Bundeskonzepte und die aktuelle Debatte um den Neuen Bund , Stuttgart 1998 (Stuttgarter Bibelstudien 176). 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung <?page no="212"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 212 ten auf die endgültige Erfüllung - ihre Realisierung wurde quasi zum Gegenstand der Hoffnung. 399 Voraussetzung dieser Hoffnung bildet der Glaube an die Macht Jahwes, alle Zusagen auch (geschichtlich) einlösen zu können. Damit wird ein Zentralthema alttestamentlicher Theologie berührt, das im Rahmen der vorliegenden Suche nach Grundelementen einer alttestamentlichen Hoffnungstheorie von besonderer Bedeutung ist: die Allkausalität Jahwes auf der einen und die Monolatrie Jahwes auf der anderen Seite. So wie mit dem einen die All-Ursächlichkeit Jahwes für die Geschicke Israels und mit dem anderen die (daraus abgeleitete) alleinige Verehrung Jahwes unter den Göttern des semitischen Pantheons gemeint ist, so entsprechen beide einer bestimmten Vorstellung von Hoffnung, nämlich derjenigen, die vollständig und ausschließlich auf diesen Jahwe setzt: „Der Forderung nach der Alleinverehrung Jahwes im Hauptgebot des Dekalogs entspricht die allein auf ihn gesetzte Hoffnung. Zu ihr stehen mithin alle anderen Arten der Hoffnungen im Gegensatz, sie seien auf Götzen (Jes 42,17 u.a.), edle Anführer (Ps 146,3), die Zahl der Krieger (Hos 10,13), auf Wagen und Reiter (Jes 31,3), befestigte Städte (Jer 5,17), den Tempel als einen Talisman (Jer 7,4), Heilsworte falscher Propheten (Jer 7,4), Frevler (Jes 30,12; Ps 40,5; Ps 62,11), Menschen im Gegensatz zu Gott (Jer 17,5) oder auf sich selbst (Jes 32,9; Hos 10,13; Zef 2,15) gerichtet.“ 400 Daraus lässt sich konsequent folgern, dass Jahwe schließlich selbst als Hoffnung Israels 401 (vgl. Jer 17,13) bezeichnet wird, was H. BARDTKE prägnant zusammenfasst, wenn er sagt: „Das Wesen der alttestamentlichen Hoffnung ist Jahwe allein.“ 402 D.h. mit anderen Worten, dass alttestamentliche Hoffnung (in ihrer mindestens immer impliziten Jahwe-Bezogenheit) einen personalen Bezug aufweist. Der zeigt sich mit Blick auf die Wortstatistik allein schon daran, dass von allem, worauf der Mensch seine Hoffnung setzen kann, es am weitaus häufigsten Jahwe selbst ist, auf den Israels Erwartungen gerichtet sind. 403 Weil nun Jahwe als Weltenherrscher nicht nur die zurückliegende, sondern auch die vorausliegende Zeit bestimmt, kann ihm sogar die Überwindung des Todes und die Aufhebung des (geschichtlichen) Weltenlaufes zugetraut werden, wie es die allerdings erst im 3. Jh. v. Chr. aufkommende Totenauferstehungs-Hoffnung (vgl. Dan 7; 12, 1-3) zeigt. Diese im Frühjudentum langsam Gestalt gewinnende Vorstellung schält sich auf dem Hintergrund der Frage nach dem Glück der Gottlosen bzw. nach dem Leiden der 399 „Bis zur Landnahme war der Besitz des Gelobten Landes der Hauptgegenstand der Hoffnung (Gen 15,7; 17,8; Ex 3,8.17; 6,4; Dtn 1,8 u.a.). Nach der Landnahme wurde die Hoffnung auf Jahwes Schutz umso lebendiger, je mehr die Gefahren, die das Fortbestehen Israels bedrohten, wuchsen.“ Vgl. IMSCHOOT, Hoffnung, 746. 400 Vgl. KAISER, O., Hoffnung II. Altes Testament (Art.), in: BETZ, H.D. / BROWNING, D.S. / JANOWSKI, B. / JÜNGEL, E. (Hrsg.), Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft Bd. 3 (RGG 4 ), vierte, völlig neu bearbeitete Auflage, Tübingen 2000, 1823. 401 „So gilt die Hoffnung des Einzelnen wie die des Volkes und in ihm später zumal die der Gerechten, dem Gott, der aus allen Nöten erretten und den Seinen ein heilvolles Leben gewähren kann.“ Vgl. KAISER, Hoffnung II., 1823. 402 Vgl. BARDTKE, H., Hoffnung I. Im AT (Art.), In: GALLING, K. (Hrsg.), Die Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG 3 ). Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft Bd. III, Tübingen 3 1959, 416. Vgl. auch fast gleichlautend WOLFF, Des Menschen Hoffnung, 224-225, der insbesondere aus der Unsicherheit und Nicht-Verfügbarkeit der Zukunft für den alttestamentlichen Menschen folgert, dass „grundlegend und zur Hauptsache Jahwe die Hoffnung des Menschen ist“. 403 Vgl. WOLFF, Des Menschen Hoffnung, 225. <?page no="213"?> 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung 213 Gerechten aus dem Hause Israels 404 heraus. Entscheidend für die Entstehung ist eine fundamentale Verschiebung bzw. Ausweitung ihrer ursprünglichen (alleinigen) Inhalte auf der Basis des erlebten faktischen Ausbleibens der innergeschichtlichen Realisierung der Jahwe-Verheißungen: „Im Falle des Ausbleibens der Erfüllung kann die fromme Hoffnung des einzelnen so stark von der Wirklichkeit Gottes beherrscht sein, dass nicht mehr das innergeschichtlich oder endgeschichtlich Erhoffte entscheidend ist, sondern Gott allein, der dem auf ihn Hoffenden Gemeinschaft bietet.“ 405 Damit ist nicht nur die Einzigartigkeit Jahwes für den alttestamentlich Hoffenden erneut unter Beweis gestellt, sondern es ist damit auf eine religionsgeschichtlich erstaunliche und für die vorliegende Fragestellung entscheidende Transformation der Struktur alttestamentlicher Hoffnung hingewiesen. Der ursprüngliche Inhalt und Gegenstand der Hoffnung, die innergeschichtliche Verwirklichung der Verheißungen Jahwes auf ein erfülltes Leben für das erwählte Volk und jeden einzelnen, wird sublimiert und transzendiert, indem das gute Leben (in Gemeinschaft mit Jahwe) nicht mehr in konkret-immanenten Gegebenheiten gesucht wird, die von Jahwe stammen und als von ihm erfüllte Verheißungen gedeutet werden, sondern in der Hoffnung auf eine letzte Gemeinschaft mit ihm selbst. Damit sind konkret-irdisch-geschichtliche Hoffnungsgüter aus diesem Verhältnis fürderhin nicht ausgeschlossen, aber alttestamentliche Hoffnung beschränkt sich nicht mehr auf sie und ist schließlich nicht mehr einseitig von ihrem Vorhandensein abhängig, was für das handelnde Subjekt enorme Konsequenzen hat. Alttestamentliche Hoffnung wird auf diesem Wege eschatologisch konnotiert 406 und in ihrer Hochform von den (widrigen) Umständen geschichtlicher Realität letztlich nicht mehr widerlegbar, was sicher zum Überleben des jüdischen Volkes und seiner Religion durch alle geschichtlichen Katastrophen hindurch erheblich beigetragen hat und sich im Neuen Testament mit neuer Akzentsetzung wiederfindet. D.h., die Bindung an die Erfüllung konkreter innergeschichtlicher Hoffnungsziele als Garant für Leben wird gelöst zugunsten der Bindung an das Hoffnungsziel einer Gemeinschaft mit Jahwe im Zuge einer eschatologisch-endgültigen Welt-Neuschöpfung auf der Basis eines neuen Bundes zwischen ihm und den Völkern. Auf den einzelnen bezogen kommt das einer Sicherung der eigenen Existenz im Numinosen gleich, indem ein Hoffnungszusammenhang etabliert wird, der selbst potentialiter nicht grundsätzlich enttäuscht werden kann, solange man bereit ist, sich in die Verheißungsspannung zu stellen. Damit wird man in der Lage versetzt, Handlungsfähigkeit zu bewahren, indem die Bewältigung einer jeglichen geschichtlichen Situation auf ein endgültiges Glücken hin in Aussicht gestellt wird. Hoff- 404 „Freilich kennt auch die Umwelt des Alten Testaments eine religiöse Hoffnung auf die Gottheit [...], aber offensichtlich keinen ausgesprochenen Hoffnungs-Begriff.“ Vgl. NEBE, ἐλπίς , 998. Das spricht u.U. dafür, dass die Struktur israelitischer Religion und Religiosität so geartet ist, dass sie einen expliziten Hoffnungsbegriff hervorbringen musste, eine These, deren Richtigkeit für die Argumentation der vorliegenden Arbeit von nicht unerheblicher Bedeutung wäre, da sie (strukturelle) Voraussetzungen für die Etablierung individueller wie kollektiver (religiöser) Hoffnung zu benennen vermag. 405 Vgl. BARDTKE, Hoffnung I, 416. 406 „Gelegentlich ist die Hoffnung eschatologisch gefärbt (Ps 16,10f.; 17,15; Is 51,5; Jer 29,11). Dieser Aspekt tritt im Judentum klarer hervor: der Weise, d.h. der Fromme, hofft auf die Unsterblichkeit [ ... ] , die Auferstehung von den Toten [ ... ] , das Heil bei Gott [ ... ] , während die Gottlosen keine [ ... ] oder nur eine eitle [ ... ] oder trügerische [ ... ] Hoffnung haben.“ Vgl. IM- SCHOOT, P. VAN, Hoffnung (Art.), in: HAAG, H. (Hrsg.), Bibel-Lexikon, Einsiedeln / Zürich / Köln 2 1968, 746-747. <?page no="214"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 214 nung wird dabei über die Todesgrenze hinaus ausgedehnt, sie macht quasi an der Grenze des Todes nicht (mehr) halt und öffnet dadurch den Raum der Gegenwart neu, den es handelnd zu bestehen gilt, indem sie diesen auf sich selbst hin orientiert, dadurch inhaltlich bestimmt und dabei die innergeschichtlichen Hoffnungsziele entsprechend prüft und das daraus resultierende Handeln grundlegend motiviert und in gewisser Weise sichert, indem es zumindest potentiell ‚enttäuschungsresistent‘ gehalten wird. Dagegen setzte, ursprünglicher altisraelitischer Anschauung gemäß, der Tod dem Hoffen des Menschen eine unübersteigbare Grenze. Angesichts der Endgültigkeit des Todes kann es keine Hoffnung geben, sie zerbricht förmlich an dessen Grenze. So kann der Chronist David in einem Dankgebet anlässlich der Einsetzung Salomos zu seinem Nachfolger bekennen: „Ja, Fremdlinge sind wir vor dir und Beisassen wie all unsere Väter, wie ein Schatten sind unsere Tage auf Erden und ohne (bleibende) Hoffnung.“ 407 Nur wer lebt und zu den Lebenden gehört und nicht schon dem Bereich der Unterwelt zuzurechnen ist 408 , hat noch etwas zu hoffen: „Besteht keine Hoffnung auf ein Weiterleben mehr, so ist alles dahin (Job 6,11; 7,6; Kl 3,18); der Betreffende ist dann schon wie ein Toter, der keine Hoffnung mehr hat.“ 409 Charakteristisches Beispiel für diese für den israelitischen Kontext lange Zeit selbstverständliche Vorstellung ist das Hiob-Buch, in dem die Vorstellung, der Fromme habe immer Hoffnung auf Jahwe, gerade zum Zeugnis gegen Hiob wird, der angesichts seiner Lage keine Hoffnung mehr hat (vgl. Hiob 4,6; 15,4; 22,4). Die am Tod radikal begrenzte Hoffnung wird für Hiob aber auch zu einem Argument dafür, dass Gott selbst der menschlichen Hoffnung eine Grenze ist, indem nur noch ein nicht mehr Hoffnung zu nennendes Eingreifen Gottes entscheidend zu werden vermag. Was hier schon als Problem des Verhältnisses von Hoffnung und Sünde anklingt, die Frage, inwieweit der Sünder noch Hoffnung haben kann, wurde schon von den Propheten erkannt, die religiös vermessene Auffassungen des Volkes verurteilten 410 , weil Israel aufgrund seiner Sünden nicht den Segen, sondern den Fluch Jahwes verdient habe. Dennoch gilt: „Wenn sie aber auch die göttliche Strafe androhten, so ließen sie doch immer die Hoffnung auf die Erlösung oder die Wiederherstellung Israels oder wenigstens eines durch die Heimsuchungen geläuterten Restes offen.“ 411 Für den vorliegenden Zusammenhang bemerkenswert ist nun, dass nach dem Untergang der beiden israelitischen Reiche, der als Erfüllung der angedrohten Strafe gedeutet wurde, die Hoffnung auf Wiederherstellung Israels in einem neuen und ewigen Bund (in den Propheten 407 Vgl. die Stelle 1 Chr 29,15, die mikwäh zur Bezeichnung der Hoffnung verwendet. 408 „Solange der Mensch lebt, kann er hoffen; ist er in die Unterwelt hinabgestiegen, besitzt er keinerlei Bewusstsein und mithin auch keinerlei Erwartungen mehr (Pred 9, 4-6; vgl. Sir 14, 12). Daher blieb dem Leidenden nur die Hoffnung, dass sich Gott seiner erbarme und ihn heile. Um das zu erreichen, bekennt der Kranke Jahwe im Rahmen seiner Vergänglichkeitsklage, dass er seine einzige Hoffnung ist (Ps 39,8). Unter dem Einfluss des sich in exilisch-nachexilischer Zeit ausbreitenden Glaubens, dass alle Leiden Folgen göttlicher Sanktionen sind, wusste sich der Leidende zugleich als Sünder, der auf Gottes Vergebung angewiesen ist (vgl. Ps 39,9-12).“ Vgl. KAISER, Hoffnung II, 1824. 409 Vgl. IMSCHOOT, Hoffnung, 746. 410 Als Beispiel mag Am 5, 18 genügen, der die Erwartung des Tages Jahwes als eines Heils- und Lichttages kritisiert, da sie die Heilszusagen Jahwes inhaltlich absolut setzen würde, was einer Verfügung über den Garanten der Hoffnung, Jahwe selbst, gleich käme und seine Souveränität beeinträchtigen würde. 411 Vgl. IMSCHOOT, Hoffnung, 746. <?page no="215"?> 215 JEREMIA, EZECHIEL) ihren Höhepunkt erreichte. 412 D.h. gerade in den Situationen, die mit der größten Bedrohung bzw. sogar Zerstörung der körperlichen und seelischen Identität und Integrität einhergehen, scheint die Bedeutung der Hoffnung für die Fortexistenz in dieser Gegenwart in kaum überschätzbarem Maße zu wachsen. Je mehr mithin die Gefahren, die das Fortbestehen Israels gefährden konnten, wuchsen, desto lebendiger wurde die Hoffnung auf Jahwes Schutz. Diese Hoffnung aber war nun an eine Voraussetzung geknüpft, nämlich an die Bedingung der Umkehr - ein nicht unerwähnenswerter Zug alttestamentlicher Hoffnungstheologie: Jahwe konnte nur die Hoffnung für das bußfertige Israel sein. 413 Insbesondere die Weisheitsliteratur deutet deshalb darauf hin, „dass die auf Jahwe gesetzte Hoffnung nur dann gerechtfertigt ist, wenn ihr die Lauterkeit des Wandels entspricht (vgl. Spr 11,7; 20,22 u.a.)“ 414 . Die Kategorie, welche sowohl die Sünde als auch die Umkehr und die erhoffte Zukunft verband, war die des Gerichts. In den Vorstellungen des künftigen Gerichts erwartete das erwählte Volk, das Jahwe die nicht verlässt, die ihn suchen und die nicht enttäuscht, die auf ihn hoffen. Der Propheten „Gerichtspredigt schließt die Hoffnung auf eine Rettung nicht aus, sondern gerade ein. Die Rettung erfolgt durch das Gericht hindurch, das der Durchgang zum Heil ist“ 415 . Letztlich heißt das, dass das Gericht ein Implikat alttestamentlicher Hoffnungstheologie darstellt, mithin selbst als Hoffnungsfigur verstanden zu werden hat - der alttestamentlich Glaubende hofft auf ein Gericht. Beispielsweise nach Am 2,13-16 oder Jes 2,6-21 wird das endgültige Schicksal des Menschen im Gericht bewusst offen gelassen als Zeichen, dass noch eine unausgesprochene Hoffnung für ihn besteht. Der ursprüngliche Ort der Jahwe-Hoffnung kann in den „individuellen Klagepsalmen“ 416 gesucht werden, insbesondere in den Aussagen, die eine vertrauende Zuversicht in die Zusagen Jahwes und deren Verwirklichung enthalten 417 , seien sie auch in individueller oder kollektiver Not und Bedrängnis, seien sie bittend, flehend oder klagend, seien sie lobend und dankend formuliert, wie in den beiden folgenden Psalmen: „Nun, was soll ich erwarten, Herr? Meine Hoffnung gilt dir, dir allein“ (Ps 39,8). „Unsere Seele harrt auf Jahwe, er ist unsere Hilfe und unser Schild“ (Ps 33,20). Der existentielle Bezug im Rahmen einer buchstäblich aussichtslosen Lage, die keine positive Zukunft mehr für möglich hält und diese Not vor Gott zum Ausdruck bringt, scheint hier im Zentrum zu stehen. Mit O. KAISER bleibt in diesem Zusammenhang festzuhalten: „Der primäre Sitz im 412 Sie verhießen die Einsetzung Jahwes zum König Israels und der ganzen Welt, womit nicht nur auf die schon erwähnten eschatologischen Momente hingewiesen wird, nicht nur der Monotheismus Israels praktisch gereinigt wird, sondern auch zunehmend die Bedeutung von Mittelbzw. Mittlerwesen der Hoffnung wie der Messias in den Vordergrund gerückt wird. 413 Vgl. das sogenannte „Hohelied der Hoffnung“ in Klgl 3,19-25. 414 Vgl. KAISER, Hoffnung II, 1823. 415 Vgl. BARDTKE, Hoffnung I, 416. 416 Diese nicht nur von H.W. WOLFF vertretene Position nimmt an, „dass die expliziten Hoffnungsaussagen des einzelnen Menschen in Israel ihren eigentlichen Sitz im Leben in den individuellen Klagepsalmen haben, und zwar im Element der Vertrauensaussage“. Vgl. WOLFF, Des Menschen Hoffnung, 39ff. 417 „Charakteristisch für diese in Jahwe begründete Hoffnung ist es, dass sie nicht nur formgeschichtlich zunächst den Platz der Vertrauensaussage in den Klageliedern einnimmt, sondern dass das Hauptwort für Vertrauen (bth) in Parallele zu harren (jhl) (z.B. Ps 33,20.21) und hoffen (kwh) (z.B. Ps 40,2.4f.; 52,10.11) stehen kann, ebenso hsh (Zuflucht suchen) und kwh (Ps 25,20.21). Die annähernde Synonymität hat die Septuaginta verstanden, wenn sie bth 47 mal und hsh 20 mal mit elpizein wieder gibt.“ Vgl. WOLFF, Des Menschen Hoffnung, 227. 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung <?page no="216"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 216 Leben der theologischen Rede vom Hoffen auf Jahwe dürfte die Bittklage des einzelnen gewesen sein. In ihr dient das Vertrauensbekenntnis, dass der Beter auf Jahwe (vertraut, wartet, harrt, gespannt ist) hofft, zur Begründung des sein Gebet eröffnenden Notschreis oder weiterer Bitten.“ 418 Dem auf diese Weise Hoffenden rät die Weisheit schließlich, die eigene Planung im Warten auf Gott auch korrigieren zu lassen und insofern der Gottesfurcht Genüge zu tun, denn Gottesfurcht und Hoffnung sind im Alten Testament mitunter parallel verwendete Begriffe, wie Ps 147,11 zeigt: „Gefallen hat Jahwe an denen, die ihn fürchten, an denen, die auf seine Treue warten“. Für das Alte Testament gründet begründete Hoffnung in der Zuversicht auf Jahwe 419 und als solche ist sie nicht zu trennen vom Hören auf den Gott und sein Wort, der sich selbst Israel und den Völkern versprochen hat, indem er zu ihnen gesprochen hat. Es ist eine Entwicklung zu beobachten von der Hoffnung auf Jahwe zur Hoffnung auf oder im Zusammenhang mit Jahwes Wort, Jahwes Weisung, kurz der Tora. Alttestamentliche Hoffnung 420 und das Hören auf das Wort desjenigen Gottes, dem die Hoffnung gilt, sind untrennbar verbunden. 421 γ Alttestamentliche Vorstellungen von Zeit Für das Verständnis alttestamentlicher Hoffnung, insbesondere unter ethischer Perspektive, scheint es mir unumgänglich, mindestens grosso modo entsprechende Vorstellungen von Zeit freizulegen, die quasi im Hintergrund eine wichtige Folie für eine daran Maß 418 Vgl. KAISER, Hoffnung II, 1822. 419 Vgl. WESTERMANN, Das Hoffen im AT, 68. „Die Vokabeln des Hoffens und Wartens im AT bezeugen nicht eine Idee, sondern eine geschichtliche Wirklichkeit: das vielfache und vielfältige Geschehen, dass sich das Volk Israel oder ein Glied dieses Volkes in einer Not an Gott als an seine Hoffnung klammerte. […] Sie haben ihren ursprünglichen und eigentlichen Ort im Bekenntnis der Zuversicht. […] Dieses Hoffen auf Gott ist nur so da, dass einer (oder eine Gemeinschaft) sich der Wirklichkeit entgegen hoffend auf Gott wirft und sich an ihn hält.“ 420 Vgl. ebd. 69. „Es hat sich bestätigt, dass Hoffnung im AT wesentlich verbal verstanden wird. Es ist also die Strecke von A zu B, dabei ergibt sich das Erhoffte jeweils ganz aus der Situation, aus der der Hoffende hofft. Niemals im AT löst sich der Endpunkt B von dem Vorgang A-B und wird zum flächenhaften Bild. Jedoch ist im Hoffen auf Jahwe die Hoffnung im ersten Sinn wesentlich dadurch verändert, dass Jahwe selbst an die Stelle des Erhofften, also an den Punkt B tritt. Das AT zeigt eine tiefe Skepsis gegenüber der Möglichkeit des Menschen, das von ihm Erhoffte wirklich zu erlangen. Dieser Skepsis tritt der Glaube entgegen, dass die Hoffnung sich auf Gott werfen kann auch und gerade da, wo die Hoffnungen der Menschen zunichte werden. Damit behält diese Hoffnung auf Jahwe einerseits die ganze Lebendigkeit der Hoffnung im ersten Sinn; andererseits gründet sie sich weder auf die den Menschen verfügbaren Möglichkeiten noch auf die Spekulation. Sie gründet sich auf das Dasein Gottes für sein Volk und hat darin ihre unbedingte Gewissheit.“ 421 „Israel versteht seine Anfänge und seine fortgehende Geschichte wesentlich als Erfüllungen von Verheißungen Jahwes: die Volkwerdung, die Landgabe, seinen Auftrag inmitten der Völker, das Königtum und die Fortdauer des Davidhauses, die Katastrophen der Richter- und der Königszeit und dann besonders das babylonische Exil, die Heimkehr aus dem Exil, die neuen Anfänge in Jerusalem und vor allem die Vollendung aller Verheißungen im neuen Bund für Israel, in der Einbeziehung der Völkerwelt und der völligen Welterneuerung. Auch die Hoffnungen der Einzelnen haben Grund, Bestand und Kraft nur, indem sie von diesen Verheißungen für Israel und die Völker umschlossen sind. Die Erwartungen aller genannten Veränderungen aber sind begründet ausschließlich in Jahwes Wort, das als Versprechen an die Väter und dann vor allem als Gerichtsankündigung und Heilsverheißung durch die Propheten in Israel laut wurde.“ Vgl. WOLFF, Des Menschen Hoffnung, 225. <?page no="217"?> 217 nehmende Handlungswirklichkeit abgeben. Auch werden sich die handlungspraktischen Konsequenzen biblischer Eschatologie und damit insgesamt die Bedeutung der Hoffnung für menschliches Handeln und Verhalten nur im Gefolge biblischer Zeittheorie verständlich machen lassen, wiewohl hier nur angedeutet werden kann, was als Desiderat moraltheologischer Forschung allgemein festzuhalten ist - die Vernachlässigung ihrer futurischen Struktur bzw. die Entwicklung einer Theorie der Handlungszeit. Demnach kennt das Alte Testament keinen abstrakten Zeitbegriff 422 und ist auch nicht vorrangig an dessen Quantifizierung interessiert. Für SCHWIENHORST- SCHÖNBERGER 423 etwa lassen sich daher auch sowohl zyklische, als auch lineare Zeitstrukturen im Alten Testament finden, die in ihrer Integration das alte Schema von antik-linear und israelitisch-mythisch-zyklisch als überholt ausweisen. Das eher zyklische Zeitverständnis dient der Semiotisierung des Kosmos, das eher lineare Zeitverständnis, ausgehend von Exoduserfahrungen und später aufgrund einer grundsätzlichen Eschatologisierung der Heilsgüter, dient einer Semiotisierung der Geschichte. Das damit eröffnete Spannungsgeschehen von Individuum, Volk, Geschichte und Welt resp. Kosmos scheint außerordentlich aufschlussreich für das Verständis alttestamentlicher Zeit- und Hoffnungsvorstellungen. Zeit ist dabei immer schon qualifizierte Zeit, die durch ihren von Gott gesetzten Inhalt bestimmt wird und als ‚gefüllte Zeit‘ hervorgehoben wird. 424 Entscheidend ist dabei für den vorliegenden Kontext, dass von einem „teleologischen Charakter des biblischen Zeitbegriffs“ 425 auszugehen ist, der den Schwerpunkt nicht auf den Zeitpunkt, sondern auf die jeweilige Situation legt und eine klare Ausrichtung der Zeit auf ein Ziel kennt. Daher ist alttestamentliches Zeitempfinden immer auch Kairos-Zeit, Geschehnis-Zeit, die sich mit dem Bewusstsein des Handelnden verbindet. Dieser Charakter der Zeit impliziert darüber hinaus auch, dass Zeit als Ganzheit erfahren wird, die nicht jeweils einzelne Augenblicke benennt, sondern die Summe dieser Augenblicke. 426 Sowohl die inhaltliche Qualifizierung, als auch die Zielbindung lassen schließlich in Verbindung etwa mit dem Zwei-Äonen-Schema Vorstellungen wahrscheinlich werden, dass es einen erwarteten Endzustand geben könne, der die verheißene letztgültige Gottes- 422 Vgl. VÖGTLE, A., Zeit und Zeitüberlegenheit im biblischen Verständnis, Sonderdruck aus Freiburger Dies Universitatis Bd. VIII, Freiburg 1961, 1-18, hier 3. „Während wir also durch unsere drei Haupttempora die Handlungen in den Raum verlegen, diese näherhin auf einer Linie festhalten, und unsere Handlungen damit objektiv, unpersönlich, räumlich orientieren, denken die Hebräer subjektiv, persönlich, wenn man so will, streng zeitlich. […] Das Hebräische hat demgemäß nur zwei Tempora; ‚Vollendet‘ (Perfectum, Factum) und ‚Unvollendet‘ (Imperfectum, Fiens), dem Präsens und Futurum entsprechen, weil diese beiden unvollendet sind.“ 423 Vgl. SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, L., „Für alles gibt es eine Stunde“ (Koh 3, 1). Das Verständnis der Zeit im Alten Testament, in: Theologisch-Praktische Quartalschrift 4 / 2006 (154. Jg.), 356-364, insbesondere 263ff. 424 Vgl. VÖGTLE, Zeit und Zeitüberlegenheit im biblischen Verständnis, „Während das abendländische und das moderne Zeitbewusstsein im besonderen von der Vorstellung der strömenden Zeit, der leeren, linearen Zeit zur gefüllten Zeit kommt, kommt der Hebräer umgekehrt von der Erfahrung der gefüllten Zeit, vom Glauben an die von Gott herkommende Füllung der Zeit zur Vorstellung der Erstreckungszeit.“ 425 Vgl. ebd. 4. 426 Vgl. WESTERMANN, C., Erfahrung der Zeit im Alten Testament, in: LINK, C. (Hrsg.), Die Erfahrung der Zeit. Gedenkschrift für Georg Picht, Stuttgart 1984, 113-118, hier 114-117, besonders 118. Damit ist auch ausgesagt, dass die gesamte Schöpfung auf eine „Zeitganzheit hin angelegt“ ist. 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung <?page no="218"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 218 herrschaft herbeiführen wird, die wiederum als „wesentlich zukünftige Größe“ 427 begriffen wurde. 428 Mit anderen Worten: Alttestamentliche Hoffnung qualifiziert Zeit und ohne qualifizierte Zeit keine Hoffnung, die sich zutiefst von einem intergeschichtlichen hin zu einem transzendenten Zeit-Eschaton orientiert hat. δ Systematische Einlassungen zu einer alttestamentlichen Ethik der Hoffnung Die im Alten Testament bezeugten Hoffnungen können in einer großen Bandbreite eine Fülle von inhaltlichen Gestalten annehmen entsprechend dem Lebenskreis, aus dem sie erwachsen. Das kann von ganz profanen Gegenständen über Aspekte der individuellen Lebensgrundlage bis hin zu politisch-nationalen 429 und dezidiert religiösen Hoffnungen reichen. Entscheidend dabei ist, dass nicht nur das ganze Spektrum Gegenstand von Hoffnung sein kann und sein darf und diese sich auf den ganzen Menschen 430 beziehen, sondern alle damit verbundenen Hoffnungen letztlich Jahwe selber gelten als demjenigen, der sie gleich Segensgaben gewährt oder verwehrt. „Die Hoffnung des einzelnen Israeliten umgreift die äußeren Lebensgüter wie dinglichen Besitz, Familie, Herden, Gesundheit, Fruchtbarkeit, Schutz vor Krieg, wilden Tieren, Hungersnot u.ä. Solche Hoffnung darf nicht als egoistisch und diesseitig verurteilt werden. Die Hoffnung richtet sich auf Jahwe als den gewährenden Gott.“ 431 Da Jahwe selbst diese Hoffnungen in den mit ihnen einhergehenden Gaben verwirklicht, bekommen sie die Gestalt des Segens, des Geschenks. Letztlich sind alle Hoffnungen Gabe Jahwes, der selbst (Grund aller) Hoffnung ist. Dabei gilt es, die Doppel-Poligkeit der alttestamentlichen Hoffnungsinhalte zu beachten, auf die H.-G. LINK hinweist: „Der Inhalt der Hoffnungen ergibt sich einerseits aus den Verheißungen Jahwes, andererseits aus der jeweiligen Situation.“ 432 427 Vgl. VÖGTLE, Zeit und Zeitüberlegenheit im biblischen Verständnis, 12. „Als letztlich von Gott heraufgeführte neue Welt und Weltzeit ist der kommende Äon notwendig das absolute Eschaton, das absolut Letzte, hinter dem nichts mehr kommt und kommen kann! “ 428 Vgl. zur möglichen Entwicklung alttestamentlicher Eschatologie GROß, H., Die Entwicklung der alttestamentlichen Heilshoffnung, in: Trierer Theologische Zeitschrift 70 (1961), 15-28, hier 18, für den etwa das „Strukturgesetz von Verheißung und Erfüllung Quellgrund und Geburtsstätte der alttestamentlichen Eschatologie“ ist und der eine Entwicklung von einer proteschatologischen Stufe, die rein innergeschichtliche Heilsentwürfe erstmals kontrastiert mit einer endzeitlichen Wende, bis hin zu einer transzendenteschatologischen Höherstufe ausmachen zu können glaubt. 429 Allein für diesen Aspekt reicht die Spannweite von der Hoffnung auf ein geduldiges Abfinden mit noch unerfüllten Hoffnungen (Gen 9,25-27) bis hin zur Hoffnung, das Land allein besitzen zu können. Einige Beispiele mögen das Spektrum verdeutlichen: Hoffnung auf einen ewigen Frieden in der Völkerwelt (Jes 2,2-4; Mich 4,1-4), auf einen Frieden zwischen Mensch und Tier (Jes 11,6-9), auf ein ruhiges Alter und eine ungestörte Jugend (Sach 8,4f.), eine Wiedervereinigung der getrennten Reiche (Jer 30f.; Ez 37,15f.), auf eine Gestalt, deren Kommen erwartet wird, ein Heilskönig (2 Sam 7) und ein Prophet (Dtn 18,18f.). 430 Vgl. JANOWSKI, B., Der Mensch im alten Israel. Grundfragen alttestamentlicher Anthropologie, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche, 102 (2005), 143-175, hier 159 und 173. „Die anthropologischen Begriffe des Alten Testaments bezeichnen also […] den Menschen als ganzen, aber unter verschiedenen Aspekten.“ Dabei korreliert er mit W. PANNENBERG unmittelbar die „Weltoffenheit“ des alttestamentlichen Menschen mit dessen „Gottbezogenheit“. 431 Vgl. BARDTKE, Hoffnung I, 416. 432 Vgl. LINK, H.-G., Hoffnung (Art.), in: RITTER, J. (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd. III, Darmstadt 1974, 1159. <?page no="219"?> 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung 219 Auf einen besonderen Umstand alttestamentlicher Hoffnungsstruktur weist schließlich H. BARDTKE hin, wenn er folgende These vertritt: „In allen diesen Hoffnungen ist nicht die restitutio ad integrum entscheidend, sondern der durch das gewandelte Volk der Heilszeit hindurch sich verwirklichende Wille Jahwes.“ 433 So wichtig zwar die Inhalte der alttestamentlichen Hoffnung, die jeweiligen Hoffnungsgüter, sind, sie werden immer wieder, entsprechend der These von H. BARDTKE, vor einer innergeschichtlichen Vergötzung und Absolutsetzung bewahrt, indem sie auf den je neu zu vernehmenden, zu verstehenden und dann zu konkretisierenden Willen Jahwes transzendiert werden. So bindet sich Hoffnung einerseits und bekommt - was das einzelne Handlungssubjekt anbelangt - zugleich die Freiheit, eine konkrete Bindung zugunsten einer dem menschenfreundlichen, lebensfördernden Willen Gottes gemäßere zu erneuern. Insgesamt kann zusammenfassend für den langen Überlieferungsprozess israelitischer Hoffnungstheologie und Hoffnungsterminologie eine „Universalisierung, Intensivierung und Personalisierung der Hoffnungen Israels“ 434 festgestellt werden, was sich insbesondere darin zeigt, dass andere Völker in die Heilserwartung einbezogen werden (z.B. Jes 2,2-4), dass die Grenzen des Todes in Frage gestellt werden (z.B. Ps 73,26-28) und dass im Anschluss an die Nathanverheißung ein zukünftiger Heilskönig erwartet wird (z.B. Jes 9,1-6). Spätere apokalyptische Erwartungen 435 gehen sogar noch weiter, wenn sie die gesamte Welt geschichtlich verstehen und den Kosmos zum Gegenstand weltgeschichtlicher Hoffnung machen (z.B. Dan 2). Mit anderen Worten: Die kollektive Geschichte des Volkes Israel wie die individuelle Geschichte des einzelnen Israeliten ist ohne die Hoffnungskategorie nicht verstehbar, diese Geschichte lebt geradezu aus und in von Jahwe verbürgten Verheißungen und den darauf bezogenen Hoffnungen seines erwählten Volkes. Insbesondere am Gedanken der Erwählung lässt sich eine wichtige Struktur alttestamentlicher Hoffnungstheologie festmachen, wie sie schließlich prägend für einen jeden Begriff christlicher Hoffnung geworden ist: „Gott erwählt in souveräner Freiheit Menschen und spricht ihnen die Gabe heilvollen Lebens in der Gemeinschaft mit sich (Bund) zu; aber diese Gabe wird zugleich zur Aufgabe, weil die Erwählung immer auch mit einer Forderung Gottes verknüpft ist, die in die Zukunft eben dieses Heiles weist und deren Erfüllung durch den berufenen Menschen auch erst die Vollendung der Gabe bedingt, so dass die Heilsgabe selbst, so sehr sie hier und jetzt wirklich und wirksam ist, zugleich in die Zukunft weist. Weil die Gabe ein Geheiß umfasst, ist sie auch Verheißung; und weil sie Aufgabe ist, bleibt sie unabgeschlossen. So bekommt […] der Mensch die Zukunft nicht nur als Geschenk, er bekommt sie: zu tun. Somit ist das von Gott zugesprochene Heil weder rein zukünftige noch rein gegenwärtige Größe: das Gegenwärtige ist immer Angeld von noch Größerem.“ 436 Hier kann die Formel deus semper maior quasi auf biblischem Boden wiedergefunden werden, die schließlich in Verbindung mit dem Gedanken der Treue Jahwes (zunächst gegenüber dem Gerechten) auch vor der Todesgrenze keinen 433 Vgl. BARDTKE, Hoffnung I, 417. 434 Vgl. LINK, Hoffnung, 1159. 435 Höchst aufschlussreich ist indessen, dass gerade diese apokalyptischen Erwartungen später christologisch korrigiert (vgl. 1 Kor 15,20ff.), aber in ihrer kosmologischen Universalität bekräftigt werden (vgl. Apg 21,1ff.), die dann bis zur Erwartung bzw. Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde reicht. Vgl. auch ERLEMANN, K., Endzeiterwartungen im frühen Christentum, Tübingen 1996. 436 Vgl. GRESHAKE, G., Neue Ansätze zu einer Theologie der Hoffnung, in: TEICHTWEIER, G. / DREIER, W. (Hrsg.), Herausforderung und Kritik der Moraltheologie, Würzburg 1971, 206- 228, hier 211. <?page no="220"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 220 Halt mehr macht. Es zeigt sich in der summarischen Wiedergabe alttestamentlicher Hoffnungstheologie von GRESHAKE aber zunächst, dass es wohl einen gnadentheologischen Primat des Indikativs vor dem Imperativ geben muss, dass aber (handlungs-) praktisch von einem dialektischen Wechselspiel von beanspruchendem Imperativ und eröffnendem und ermöglichendem Indikativ auszugehen ist. Die Zukunft von Welt und Mensch hängt von Gott ab (creatio ex nihilo und creatio continua), da deren Erfüllung gemessen am Erwarteten und Erhofften menschliche Fähigkeiten bei weitem übersteigt und auch nicht einfach eine Verlängerung derselben darstellt; genauso ist sie aber auch vom Menschen abhängig, der ermächtigt und freigesetzt ist zu dieser Welt und Geschichte auf gerade diese ihre Erfüllungsgestalt (-en) hin. Daher ist ein dialektisches Verhältnis zu postulieren, das „der Hoffnung den eigentümlichen Charakter des Passiv- Empfangenden und zugleich Aktiv-Ausgreifenden gibt“ 437 . Israels Hoffnung zielt dabei zunächst auf das Heil innerhalb der Geschichte, was den entsprechenden Verheißungen eine große Konkretheit gibt; erst durch Transformationen 438 der (vorexilischen) prophetischen zu weisheitlichen und dann (nachexilischen) apokalyptischen Traditionen nehmen geschichtstranszendente Hoffnungsfiguren zu, die fordern, „diesen Äon“ abzulösen vom Einbruch des „kommenden Äons“. In prophetischen Hoffnungstexten 439 im weiteren Sinne dominiert die Unheilsprophetie (Jes 6,9-11) aufgrund des in Blindheit und Verstockung missachteten Bundeswillens Gottes durch sein Volk, was nach Erneuerung und Umkehr verlangt. Das entsprechende Gericht wird als Läuterung gedeutet, das es einem heiligen Rest ermöglicht, weiterhin Träger der Hoffnungen eines Volkes zu sein. Hoffnung wird hier anhand einer Kontrasterfahrung („Das soll nicht sein! “) aufrecht erhalten. 440 Dabei kann die visionäre Kraft der Propheten u.a. darin gesehen werden, dass sie eine (sinnvolle, gottgewollte, verheißene, gute) Zukunft für die Gegenwart sichtbar machen, indem sie eine spezifische Zukunft eröffnen für die Gegenwart und die Gegenwart umgekehrt so öffnen, dass diese Zukunft Gegenwart werden kann. 441 Weisheitliche Traditionen lassen ferner zusehens den Einzelnen aus dem Schatten des Volkes treten, sodass dessen Tod überhaupt zum Problem wird. Vorstellungen von der Unsterblichkeit der Seele werden auf hellenistischem Hintergrund artikuliert, um zu zeigen, wer auf Gottes Treue vertraut, der kann darauf hoffen, dass dieser seine Gemeinschaft im Tod nicht beendet. Erst mit apokalyptischen Vorstellungen wird schließlich eine universale Totenauferstehung möglich. Kennzeichnend ist, dass Hoffnung für Lebende und für Tote gedacht wird, indem allen Gerechten neues Heil verheißen wird. So kann bereits auf alttestamentlichem Boden beginnend eine Entwicklung der biblischen Eschatologien 437 Vgl. GRESHAKE, Neue Ansätze zu einer Theologie der Hoffnung, 212. 438 Vgl. zur Entwicklung der alttestamentlichen Hoffnung GROß, Die Entwicklung der alttestamentlichen Heilshoffnung, 15-28. 439 Vgl. HILBERATH, B.J., Was dürfen wir hoffen? (Theologie im Fernkurs. Grundkurs. Lehrbrief 14), Würzburg 1987 ( 2 1994, 3 2001), 11ff. 440 Vgl. HILBERATH, Was dürfen wir hoffen? , 12. „Eine besondere Rolle bei der Realisierung der nahen Heilszukunft spielt die Gestalt des Gottesknechts (vgl. Jes 42,1-9; 49,1-9a), der den neuen Bund und das neue Heil für alle Völker durch sein stellvertretendes Sühneleiden (vgl. 50,4-9; 52,13-53,12) vermittelt. In seinem Bild wird zugleich offenbar, dass das Reich Gottes in erster Linie keine politische Größe darstellt, sondern ein neues Gottesverhältnis meint, das den zum nahen Gott Umkehrenden angeboten wird.“ 441 Vgl. JANOSWKI, Konfliktgespräche mit Gott, 180ff. <?page no="221"?> 221 (Plural! ) ausgemacht werden, die strukturell Gegensatzpaare 442 hervorgebracht hat, die ihrerseits quasi den Raum der Eschatologie aufspannen, der dann jeweils dialektisch vermittelt wird: immanente und transzendente Eschatologie, terrestrische und kosmische, restaurative und innovatorische, nationale und globale, kollektive und individuelle, schließlich bis in aktuelle Debatten diskutierte futurische und präsentische Eschatologien. So artikuliert sich etwa in den Mosebüchern 443 eine Hoffnung auf eine neue Heilszeit, von der sich die Jetztzeit der spätnachexilischen Erzählzeit („dieser Äon“) als Unheilszeit absetzt, wobei zwischen der aktuellen Unheilszeit - quasi im Sinne einer Geschichtsdeutung - und der Heilszeit eine Zeit zwischen den Zeiten angenommen wird, eine Zwischenzeit, die aus der Spannung der beiden Zeiten ihr Charakteristikum nimmt, was hoffnungstheoretisch natürlich von größtem Interesse ist. Dazu trat dann die Erwartung des Messias 444 , auf die das Neue Testament schließlich unmittelbar zurückgreifen konnte: Messianische Hoffnungen und Erwartungen, die sich an der Gestalt des Gesalbten, des auf besondere Weise von Gott für sein Volk Erwählten bzw. dem Motiv des Messianischen festmachen. Damit konnte (spätestens neutestamentlich) eine Erfüllung jüdischer Hoffnungen angemessen gedacht werden, genauso wie deren Verstetigung und damit ein Neuanbruch und eine Fortführung derselben bis zur Parusie. Damit wurde eine so geschichtsmächtige wie geschichtsfähige Identifikationsfigur 445 geschaffen. Vorstellungen, die eigentlich noch um Hoffnungen auf den Zion (etwa Jes 25,6-10a) oder Hoffnungen nach einem „neuen Himmel“ und einer „neuen Erde“ ergänzt werden müssten. Hoffnungstheoretisch aufschlussreich ist schließlich die religionsgeschichtlich vergleichsweise spät datierbare Schwelle der Überwindung der Todesgrenze (etwa Dan 12,2f., Jes 25,8). Dabei wird Jahwes Treue so konsequent gedacht, dass unter der Voraussetzung dieser Treue die Gerechten nicht im Tod bleiben können. Sie erstreckt sich auch auf den Bereich des Todes und den Bereich der Unterwelt (Totenreich). Muss der Gerechte nicht im Tod bleiben, dann gibt es insgesamt Hoffnung auf Gerechtigkeit, die in Gottes Erbarmen seinen Grund hat. 446 Endete nach klassischer Ausformung die Macht Gottes an 442 Vgl. FÜGLISTER, N., Die Entwicklung der universalen und individuellen biblischen Eschatologie in religionshistorischer Sicht, in: DEXINGER, F. / FÜGLISTER, N. (Hrsg.), Tod, Hoffnung, Jenseits. Dimensionen und Konsequenzen biblisch verankerter Eschatologie, Freiburg im Breisgau 1983, 17-40, hier 20ff. 443 Vgl. OTTO, E., Das Gesetz des Mose, Darmstadt 2007, 208ff. 444 Vgl. grundlegend zu den messianischen Hoffnungen des Alten Testaments und deren Aufnahme im Neuen Testament ZENGER, E., Jesus von Nazareth und die messianischen Hoffnungen des alttestamentlichen Israel, in: Studien zum Messiasbild im Alten Testament (SBAB 6), hrsg. v. STRUPPE, U., Stuttgart 1989, 23-66. HOFIUS, O., Ist Jesus der Messias? Thesen, in: Der Messias (Jahrbuch für Biblische Theologie Bd. 8), hrsg. v. DASSMANN E. et al., Neukirchen- Vluyn 1993, 103-129. MAYER, R. / RÜHLE, I., War Jesus der Messias? Geschichte der Messiasse Israels in drei Jahrtausenden, Tübingen 1998. SCHWEID, E., Jewish Messianism. Metamorphoses of an Idea, in: SAPERSTEIN, M. (ed.), Essential Papers on Messianic Movements and Personalities in Jewish History, New York u.a. 1992, 53-70. 445 Vgl. SCHREIBER, S., Die Utopie des Gesalbten. Frühjüdische und paulinische Gesalbten- Vorstellungen zwischen Hoffnung und Welterfahrung, in: ROTH, P. / SCHREIBER, S. / SIE- MONS, S. (Hrsg.), Die Anwesenheit des Abwesenden. Theologische Annäherungen an den Begriff und die Phänomene der Virtualität, Augsburg 2000, 83-108. 446 Vgl. grundlegend zur Polarität von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit und den damit verknüpften Hoffnungen im Alten und Neuen Testament ZEHETBAUER, M., Die Polarität von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Ihre Wurzeln im AT, im Frühjudentum sowie in der Botschaft Jesu - Konsequenzen für die Ethik, Regensburg 1999. Mit Blick auf die innerbiblische Entwicklung 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung <?page no="222"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 222 den Pforten der Unterwelt, so entwickelte sich unter Einfluss der weisheitlichapokalyptischen Denkens „besonders in hellenistischer Zeit dann die Erfahrung, dass der Tote an der Wirklichkeit Gottes partizipiert, indem er in eine neue Form des Daseins eintritt.“ 447 Allein im Diesseits konnte die Gerechtigkeit Gottes irgendwann nicht mehr hergestellt werden, noch konnte es bei Fortentwicklung des Monotheismus irgendwann noch einen Bereich geben, der seinem Zugriff entzogen ist. Dadurch wurden allerdings Paradoxien aufgerichtet bzw. Spannungen verschärft, die sich zwischen Verheißungsgut und Welterfahrung aufspannen, etwa die Theodizeeproblematik. 448 Die Entstehung der Auferstehungshoffnung schon auf dem Boden des Alten Testaments formiert sich mithin daran, Hoffnung für den leidenden Gerechten zuzulassen und damit auch für das Gute, für das er steht - oder umgekehrt die Aporie eines gottlosen, aber (vermeintlich) guten Lebens zu lösen. Mit dem Gerechten wird auch das Gute hoffend vor seiner fundamentalen Infragestellung durch Schuld, Tod und Vergeblichkeit in seiner grundsätzlichen Sinnhaftigkeit gerettet (sic! ). Alttestamentlicher Grund für die Vertrauenswürdigkeit dieser Verheißungen ist die Treue Jahwes, die reich bezeugt ist in Erfahrungen der Befreiung in der Not und der Nähe in der Bedrängnis, etwa des Exils. Neutestamentlich ist diese Erfahrung der Treue Jahwes bis über den Tod hinaus finalisiert in der Auferstehung Jesu Christi, dem theologischen Sachgrund einer Hoffnung über die Grenzen irdischer Existenz hinaus. „Es ist die Hoffnung auf den vom Tod errettenden Gott. Diese Hoffnung trägt sowohl die Klagepsalmen als auch Jesu Gebet in Gethsemane.“ 449 Äußerst aufschlussreich für die Erhebung von Hoffnungsstrukturen ist nun, die Entwicklung dieser Jenseitshoffnungen im Alten Testament nachzuzeichnen. Mit BERND JANOWSKI 450 kann der Ursprung der alttestamentlichen Jenseitshoffnungen in spätvorexilischer und nachexilischer Zeit gesucht werden im Sinne einer (1) „Errettung vom Tod“, die aber noch keine Jenseitshoffnung i.e.S. darstellt (Klage- und Danklieder, etwa Ps 9,14). In persischer Zeit findet sich nun in weisheitlichen Texten bereits (2) die Hoffentsprechender Hoffnungen schreibt er: „Die Frage, wer mit dieser Hoffnung [auf Gerechtigkeit, R.L.] rechnen kann, wird allerdings zunehmend ethisch-individuell und immer weniger ethnisch-kollektiv beantwortet, der Begriff des Gerechten gewinnt an Bedeutung und beginnt, den Bundesgedanken abzulösen bzw. zu ersetzen, womit ein Prozess in Gang gesetzt worden war, der in nachalttestamentliche Zeit führt.“ 447 JANOWSKI, B., Zur Jenseitshoffnung in der weisheitlichen Literatur, in: Bibel und Kirche 1/ 2006, 34-39, hier 36. 448 Dabei ist eine aufschlussreiche moralpsychologische Analogie zwischen der religionsgeschichtlichen Entwicklung und der Ontogenese des Einzelnen und seines Glaubens zu beobachten. Auch der Einzelne, das Individuum, konfrontiert idealiter alle Erfahrungs- und Lebensbereiche (biblisch das ganze ungeteilte Herz) mit dem Quellgrund der Hoffnung und erwartet eine Durchdringung dadurch, was je mehr desto weitreichendere Folgen für das Handeln und enorme handlungspraktische Auswirkungen hat, da Strebungen, Kräfte und Antriebe der ganzen Person daraufhin und von dort her geordnet, integral verbunden und allesamt integriert, gebündelt und fokussiert werden. Moralpsychologisch geht es um eine Vereinheitlichung des Erlebens und Verhaltens, die zu einer Reduzierung von Inkonsistenzen und Widersprüchen führt, was wiederum nachhaltig zur Energetisierung und Ausrichtung der Handlungsenergien, psychischer und körperlicher Energie, beiträgt und damit erheblich zur Realisierung dessen, was moralische Orientierung vorgibt. 449 Vgl. JANOWSKI, B., Das Leben für andere hingeben. Alttestamentliche Voraussetzungen für die Deutung des Todes Jesu, in: FREY, J. / SCHRÖTER, J. (Hrsg.), Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament, Tübingen 2005, 97-118, hier 108. 450 Vgl. JANOWSKI, Zur Jenseitshoffnung in der weisheitlichen Literatur, 37. <?page no="223"?> 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung 223 nung auf „ewiges Leben / Unsterblichkeit“ (etwa Ps 49,6) und erst in hellenistischer Zeit, etwa in apokalyptischen Texten (Jes 26,19), (3) die dezidierte Hoffnung auf „Auferstehung der Toten / vom Tod“. Totenerweckungserzählungen (etwa 1 Kön 17,17-24) können dabei etwa als Zeichen des Protestes und des Aufbegehrens gegen das Sterben und elementarer Hoffnung 451 auf Wiederherstellung heilen Lebens gedeutet werden. Das Neue Testament wird an diese Vorstellungen anknüpfen. Mit anderen Worten: Die ursprüngliche Mitte alttestamentlicher auf den Tod bezogener Hoffnungen ist Rettung. Hoffnung ist Rettung. Hoffnung ist Leben. 452 Hoffnung ist zuvörderst vertrauende Aussicht auf Rettung durch Aussicht 453 auf Leben. Religionsgeschichtlich kann ausgehend von Erfahrungen sowohl der Bedrängnis (Exil) als auch der Rettung und der Dankbarkeit der Treue Jahwes zu seinem Volk von einer sukzessiven Durchdringung aller Erfahrungsbereiche durch die dadurch eröffneten Hoffnungsmöglichkeiten gesprochen werden - räumlich, indem etwa alle Völker in die Völkerwallfahrt einstimmen 454 , zeitlich, indem die Räume der ganzen (bekannten) Vergangenheit und Zukunft und wieder zurück davon als bestimmt gedacht werden, schließlich existentiell, indem das irdische Leben und der darin waltende Tod überwunden werden. Aus den biblischen Hoffnungs-Theologumena, etwa dem „Bundesgedanken“ 455 lassen sich daher permanent, d.h. für jede Zeit je neu kollektiv wie individuell eine Fülle von Hoffnungen ableiten, sie sind im besten Sinne als hoffnungsgenerativ zu bezeichnen - auf eine nicht erschöpfende Weise, weil sie je neu in Verheißungsspannungen stellen, die eine (geheimnisvolle) Attraktivität entfalten und erfahrbar machen, die nie ganz eingesehen werden kann, damit auch nicht kontrolliert werden kann, was Vertrauen überflüssig machen würde, und die ihre Potentialität erst im Kontext ihrer Orthopraxie (von innen) eröffnet. Alttestamentliche Hoffnungstheologie kennt daher auch kein abstraktes Prinzip Hoffnung, sondern Diesseitsorientierung und „Lebensnähe“ 456 , die schließlich erweitert und aufgebrochen wird - ohne dabei verabschiedet zu werden. Ihr Charakteristikum ist einmal Lebensnähe und Erfahrungsbezug. Eine darauf Bezug nehmende Theologie wird quasi der Wirklichkeit ausgesetzt und hat sich daran zu bewähren. Auch dem irdischen Leben gilt mithin die Heilszusage und damit die Hoffnung. 451 Vgl. KOLLMANN, B., Totenerweckungen in der Bibel - Ausdruck von Protest und Zeichen der Hoffnung, in: EBNER, M., et al. (Hrsg.), Jahrbuch Biblische Theologie Bd. 19. Leben trotz Tod, Neukirchen-Vluyn 2005, 121-141, hier 139, 140-141. 452 Nicht selten wird in diesem Sinne Hoffnung auch verknüpft mit „Zuflucht suchen / nehmen“ bei Gott (etwa Ps 143,1-11). Hoffnung lässt dabei „nicht verzagen“. Und: „Deine Verheißung spendet mir Leben“ (Ps 119,50b). Hoffnung vermittelt Leben - weiterleben, besser leben, überleben, beleben, aufrecht leben, wieder neu (er-) leben, etc. 453 So bietet auch die Vorstellung vom „Angesicht Gottes“ (etwa Ps 16) eine Hoffnungs-„Aussicht“, weil es „vor“ dem Menschen steht und dem Menschen ein „Ansehen“ gibt. 454 Vgl. dazu auch den späteren Missionsgedanken im Neuen Testament, der sukzessive auf ‚alle Welt‘ ausgedehnt wird. 455 Vgl. erneut GROß, Zukunft für Israel. 456 Vgl. GOETZMANN, J., Hoffnung / Furcht / Sorge. Hermeneutische Überlegungen (Art.), in: COENEN, L. / HAACKER, K. (Hrsg.), theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament Bd. I, Wuppertal 1997, 1012-1015, hier 1013. Ebenso GOERTZ, S. / STRIET, M., Ein Gott der Lebenden! Systematisch-theologische Überlegungen zum Gelingen endlichen Lebens, in: EBNER, M., et al. (Hrsg.), Jahrbuch Biblische Theologie Bd. 19. Leben trotz Tod, Neukirchen-Vluyn 2005, 391-408. <?page no="224"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 224 Zum andern ist aber auch eine Verankerung 457 in einem Gottesbegriff zu beobachten, der in der Erfüllung seiner Verheißungen nicht mehr abhängig ist von einem geschichtlichen oder individuellen Geschick - selbst wenn es Schuld oder Tod heißt. Das ermöglicht es schließlich, an den Verheißungen festzuhalten, auch wenn die realen Erfahrungen dagegen sprechen und mitunter unter Leidensdruck an der Aufrechterhaltung der Verheißungsspannungen festzuhalten, diese sogar radikal auf Gott hin zu orientieren - in Klage, Bitte, Dank und Hoffnung. Eröffnet wird dadurch die Erfahrung von Trost 458 und Kraft (Ps 119,33-40.49-56) und Zukunft mitten in der Bedrängnis und die Fähigkeit zum Standhalten in der Not. 459 Soll nun alttestamentliche Hoffnung zusammenfassend charakterisiert werden, dann muss zunächst konstatiert werden, dass sie auf einem „personalen Treue- und Gehorsamsverhältnis zum Jahwebund“ 460 gegründet ist und im Lauf ihrer Entwicklung „universalisiert, intensiviert und personalisiert“ 461 wurde. Ehedem horizontale Orientierungen der innergeschichtlich bezogenen Hoffnung werden zunehmend vertikalisiert. Ferner kann strukturell und mit Blick auf die ihr zugrunde liegende Zeittheorie und Zeitpraxis festgehalten werden: „Die erhoffte Zukunft ist im AT keine bloße Extrapolation des in der Gegenwart Möglichen, sondern der gegenwärtige Akt des Hoffens ist Antizipation der verheißenen Zukunft. Die spes, qua speratur, gründet somit in der spes, quae speratur. Das Hoffen hat im Erhofften seine Aussicht. Da der letzte Bezugspunkt der Hoffnung Jahwe ist - alle irdischen Güter werden als Gaben und Segen Jahwes erfahren -, so gehört zur Hoffnung das personale Element des Vertrauens (vgl. Ps 25,1ff.).“ 462 Die Entwicklung von jüngeren Hoffnungstheologien, etwa von JÜRGEN MOLTMANN und JOHANN BAPTIST METZ, genauso wie die neuzeitliche Renaissance der Eschatologie insgesamt wäre daher ohne intensive Rückbesinnung auf das alttestamentliche Hoffnungskerygma nicht möglich gewesen, schließlich gibt sich hier ein Gott der Geschichte, ein Gott der Zukunft und ein Gott der Verheißung zu erkennen - ganz abgesehen von den stimulierenden Wirkungen jüdischer Prophetie und Apokalyptik. Das Neue Testament wird hier unmittelbar anknüpfen. Wo das Alte Testament vom verheißenen Land, 457 Als verstörender Gedanke kann eine hoffnungstheoretische Deutung der Erzählung von der Opferung des Isaak (Gen 22,1-18) gelten, wenn damit die abgründige Bereitschaft gemeint ist, eine Hoffnung / Verheißung potentiell wieder zurückzugeben an ihren Ursprung Jahwe als Ausdruck von radikalem Vertrauen. 458 Vgl. Ps 119, 49-52. „Denk an das Wort für deinen Knecht, durch das du mir Hoffnung gabst. Das ist mein Trost im Elend: Deine Verheißung spendet mir Leben. Frech verhöhnen mich die Stolzen; ich aber weiche nicht ab von deiner Weisung. Denke ich an deine Urteile seit alter Zeit, Herr, dann bin ich getröstet.“ 459 Vgl. Ps 119, 41-45. „Herr, deine Huld komme auf mich herab und deine Hilfe, wie du verheißen hast. Dann kann ich dem, der mich schmäht, erwidern; denn ich vertraue auf dein Wort. Entziehe meinem Mund nicht das Wort der Wahrheit! Ich hoffe so sehr auf deine Entscheide. Ich will deiner Weisung beständig folgen, auf immer und ewig. Dann schreite ich aus auf freier Bahn; denn ich frage nach deinen Befehlen.“ 460 Vgl. WOSCHITZ, Elpis, 761. Zuvor heißt es: „Diese theologisch entworfene, in der entschiedenen personalen Zuwendung Jahwes zu Welt und Mensch gegründete Hoffnung richtet sich nicht, wie die griechische ἐλπίς im Modus der rationalen Voraussicht aus der gegenwärtigen Wirklichkeit in zukünftige Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten, sondern geht über die gegenwärtige Wirklichkeit und ihre Möglichkeiten hinaus auf das verheißene Gut bzw. den verheißenen Gott.“ 461 Vgl. WOSCHITZ, Elpis, 761. 462 Vgl. ebd. 762. <?page no="225"?> 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung 225 vom Bund und dessen Zeichen am Himmel (Regenbogen), vom auserwählten Volk und vom Messias, etc. gesprochen hat, so das Neue Testament vom Reich Gottes und vom gemeinsamen Mahl, von Auferstehung und Wiederkunft. b) Neues Testament α Sprachliche Beobachtungen Von denjenigen Begriffen, die einer Hoffnung oder einer Erwartung Ausdruck verleihen, findet im neutestamentlichen Griechisch ἐλπίς und seine zahlreichen Derivate sowohl eine häufige als auch eine nuancenreiche Verwendung. 463 Das Verbum ἐλπίζω kommt im Neuen Testament genau 31 mal vor, wobei es in den Evangelien und der Apostelgeschichte nur sporadisch begegnet (Mt 1; Lk 3; Joh 1; Apg 2), bei Paulus dagegen am häufigsten zu finden ist (Röm 4; 1 Kor 3; 2 Kor 5; Phil 2; Phlm 1), aber auch in dem deuteropaulinen 1 Tim (4), ferner in den restlichen Briefen Hebr (1), 1 Petr (2), 2 Joh (1) und 3 Joh (1). Die Bedeutung kann von hoffen, erwarten, meinen, schätzen bis fürchten reichen. Es lassen sich auf der Basis der Grundübersetzung hoffen (auch erwarten, voraussehen, befürchten, vertrauen, sich verlassen auf) drei verschiedene Formen der Verwendung unterscheiden. 464 Das Substantiv ἐλπίς findet sich 53 mal im Neuen Testament. Wiewohl es in den Evangelien nahezu vollständig fehlt, findet es im Rahmen des lukanischen Doppelwerkes in der Apg 8 mal Erwähnung. Verwendungsformen des Verbalstamms „hoffen“ im NT 1. Erhoffte Güter ( ἐλπιζόμενα ) 2. Mit Angabe dessen, was man erhofft 3. Mit Angabe der Person oder Sache, auf welche die Hoffnung sich gründet Abbildung 6 Verwendungsformen des Verbalstamms „hoffen“ im NT Die (echten) Paulusbriefe verwenden es 25 mal, insbesondere Röm mit 13 Belegen ragt heraus, danach folgen 1 Thess (4), 1/ 2 Kor (je 3), Gal (1), Phil (1). Unter den Deuteropaulinen ist das Substantiv in Eph (3), Kol (3), Tit (3), 2 Thess (1) und 1 Tim (1) verwendet, ferner in Hebr (5), 1 Petr (3) und 1 Joh (1) bezeugt. Als Bedeutung legt sich überwiegend Hoffnung nahe, speziell auch Hoffnungsgut (z.B. Röm 8,24; Gal 5,5; Kol 1,5), wobei auch Erwartung gemeint sein kann. Einerseits bezeichnet das Substantiv den „Akt bzw. die Haltung des Hoffens“ (1), schließt aber andererseits das „Objekt des Hoffens“ (2), 463 Vgl. für textphilologische Fragen die immer noch klassische Überblicksarbeit von WOSCHITZ, Elpis. Die Entstehungszeit deutet auch hier an, dass dringender Forschungsbedarf besteht, wiewohl für die vorliegende Arbeit überwiegend systematische Interessen im Vordergrund stehen. 464 Vgl. ALAND, K. / ALAND, B. (Hrsg.), Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur (von BAUER, W.), Berlin / New York, 6., völlig neu bearbeitete Auflage 1988, 509-510. <?page no="226"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 226 das Erhoffte, mit ein. Es lassen sich nun deren vier Verwendungen im Neuen Testament für das Substantiv unterscheiden: 465 Verwendungsformen des Substantivs „Hoffnung“ im NT 1. Die allgemeine Hoffnung im Sinne von Aussicht und Erwartung 2. Die Hoffnung im besonderen auf Wesen und Dinge, die göttliche Verheißungen in Aussicht stellen, was a) ohne spezifische Beziehung auf die christliche Hoffnung bzw. b) von dezidiert christlicher Hoffnung ausgesagt wird 3. Der Gegenstand, auf den man die Hoffnung setzt 4. Das Hoffnungsgut Abbildung 7 Verwendungsformen des Substantivs „Hoffnung“ im NT Die Komposita ἀπελπίζω − verzweifeln (Eph, 4,19; mit Sonderbedeutung - davon erhoffen: Lk 6,35) und προελπίζω − im voraus hoffen (Eph 1,12) stellen Hapaxlegomena dar und kommen nur jeweils einmal im Neuen Testament vor, wohingegen die Wortgruppe in folgenden Schriften offenbar ganz fehlt: Mk, 2 Tim, Jak, 2 Petr, Jud und Offb 466 . Neben ἐλπίς vermag auch das seltener verwendete ἀποκαραδοκία ein wesentlich begrenzteres Bedeutungsspektrum bzgl. der Hoffnungskategorie auszudrücken: „Das Nomen ἀποκαραδοκία bezeichnet die sehnsüchtige, nahezu ungeduldige Erwartung; προσδοκάω und προσδοκία schließen die ängstliche Erwartung von Schrecklichem (Katastrophen, Kriege) mit ein, und προσδέχομαι kann neben der häufigen Bedeutung aufnehmen, annehmen, ebenfalls warten, erwarten heißen.“ 467 Den Gegensatz zu einer auf die Treue Gottes gegründeten und damit vertrauensvoll in die Zukunft blickenden Hoffnung bilden im Neuen Testament die Sorge ( μερίμνα ), die Furcht bzw. die Angst ( ϕόβος ). Was die quantitative Verteilung der Wortgruppe angeht, so ist der Schwerpunkt bei Paulus 468 zu verorten, bei dem annähernd die Hälfte der neutestamentlichen Belege zu finden sind, eine Beobachtung, die auch in qualitativer Hinsicht mit H. WEDER eine Interpretation ermöglicht. „Die Verteilung auf Substantiv und Verb ist in den paulinischen Briefen einigermaßen ausgeglichen; eine deutliche Verschiebung in Richtung Substantiv ist bei den nachpaulinischen und übrigen Schriften des Neuen Testaments festzustellen. In dieser Verschiebung zeigt sich möglicherweise eine gewisse Tendenz weg vom Akt des Hoffens zum Status der Hoffnung bzw. zum Hoffnungsgut.“ 469 Es ist aber an 465 Vgl. ALAND / ALAND, Griechisch-deutsches Wörterbuch, 510-511. 466 In der Offb taucht dafür der Begriff ὐπομονή im Sinne von Geduld, Ausdauer auf, den klassischen Tugenden der Hoffnung. 467 Vgl. NEBE, G., ἐλπίς (Art.), in: COENEN, L. / HAACKER, K. (Hrsg.): theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament Bd. I, Wuppertal 1997, 993. 468 Vgl. mit ausführlichen sprachlichen Analysen NEBE, G., „Hoffnung“ bei Paulus. Elpis und ihre Synonyme im Zusammenhang der Eschatologie, Göttingen 1983. 469 Vgl. WEDER, H., Hoffnung II. Neues Testament (Art.), in: MÜLLER, G. (Hrsg.), Theologische Realenzyklopädie (TRE) Bd. XV, Berlin / New York 1986, 484. <?page no="227"?> 227 dieser Stelle davor zu warnen, von der Häufigkeit des Vorkommens unbedingt auf die Bedeutsamkeit in der jeweiligen Schrift schließen zu wollen, denn auch wenn im Neuen Testament neben einem profan-alltäglichen Gebrauch der Wortgruppe (vgl. z.B. Lk 6,34; 1 Kor 9,10; Apg 16,18 u.a.) der religiös-theologische Gebrauch 470 im wesentlichen auf den Umkreis paulinischer Theologie begrenzt ist, ist die „Sache der Hoffnung“ 471 freilich im ganzen Neuen Testament präsent. Denn die Botschaft Jesu ist zentral eine Botschaft der Hoffnung, sein Evangelium die Verkündigung des zukünftigen, seinem Wesen nach eschatologischen Reiches Gottes, das in der Person Jesu bereits wirksam erschienen ist und erscheint. Interessant ist nun, dass der historische Jesus zwar sachlich von der Hoffnung geredet hat, insbesondere in seiner endzeitlich-eschatologischen Botschaft vom nahegekommenen Gottesreich und vom zukünftigen Menschensohn, dass aber exegetisch kein Hoffnungsbegriff auf ihn zurückgeführt werden kann, am ehesten wird noch Lk 6,34f. diskutiert, wobei die Stelle sowohl als Q-Stoff, als auch als lukanische Anreicherung zum Q-Stoff interpretiert wird. Entscheidend ist aber nun: „An keiner Stelle mit dem ἐλπίς -Wortstamm kommen wir auf Hoffnungsworte des historischen Jesus oder auf solche aus der Tradition des Urchristentums zurück.“ 472 Dessen ungeachtet steht das Neue Testament gerade darin in der jüdischen Begriffstradition, dass es Hoffnung nicht formal als Einstellung auf das Zukünftige überhaupt, sondern als die positive Erwartung des Heils von Gott versteht, weswegen die Heiden als ἄϑεοι keine Hoffnung haben können. 473 Hier zeigt sich, dass Hoffnung sich ableitet aus der Struktur des Gottesverständnisses, auf der Basis der Elemente Vertrauen, Geduld und Durchhaltevermögen. Aus diesem Grunde hat die Mehrzahl der Stellen einen „heilsbedeutsamen Aspekt“ 474 , was es erlaubt, den Hauptbeitrag des Neuen Testaments zweifellos in der „theologischen Prägung des Hoffnungsbegriffs“ 475 zu sehen. Auf der Suche nach Gründen für die einseitig paulinische Prägung des neutestamentlichen Hoffnungsbegriffs und sein weitgehendes Fehlen bei den Synoptikern und Johannes ist es neben nachgeordneten theologischen Gründen insbesondere ein sprachlicher Grund, der in Erscheinung tritt und festzuhalten bleibt: Wiewohl Johannes im Rahmen seiner stark präsentisch geprägten Eschatologie allein schon aus theologischen Gründen kaum genötigt war, eine elaborierte Hoffnungstheologie zu entwerfen, gilt doch für alle Evangelisten, dass ἐλπίς und seine Komposita ein grundlegend griechischer Begriff ist, der auf dem Hintergrund des griechischen, sich 470 Vgl. zur Problematizität der Unterscheidung von profan-alltäglich und religiös-theologischer Verwendung Kapitel III und VII in dieser Arbeit. Für das Neue Testament ist demgegenüber die Unterscheidung zwischen auf dem Christusgeschehen gegründeter und „heidnischer“ Hoffnung entscheidend, da christliche Hoffnung begründet und verbürgt ist, die der Heiden dagegen als „leer“ gilt. 471 Vgl. CONZELMANN, H., Hoffnung II. Im NT (Art.), In: GALLING, K. (Hrsg.), Die Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG 3 ). Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft Bd. III, Tübingen 3 1959, 417. 472 Vgl. NEBE, ἐλπίς , 1000. 473 Vgl. NEUHÄUSLER, E., Hoffnung I. In der Schrift (Art.), in: HÖFER, J. / RAHNER, K. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche (LThK 2 ) Bd. V, Freiburg im Breisgau 1960, 417: „Der Christ ist wesentlich ein Mensch, der Hoffnung hat [...], der Heide hat keine Hoffnung, denn er ist verheißungslos (vgl. 1 Thess 4,13; Eph 2,12). Erst die Berufung stellt den Menschen in die Hoffnung und in die gläubige Annahme des Erhofften.“ 474 Vgl. MAYER, B., ἐλπίς (Art.), in: BALZ, H. / SCHNEIDER, G. (Hrsg.), Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament Bd. I, Stuttgart / Berlin / Köln 2 1992, (Neuausgabe 1997), 1068. 475 Vgl. WEDER, Hoffnung II, 485. 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung <?page no="228"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 228 weitgehend geschichtslos gerierenden Kulturverständnisses gedeutet werden muss, während im semitischen aramäisch-jüdischen Sprachkreis kein dezidierter und reservierter Hoffnungsbegriff anzutreffen ist, weswegen in diesen Zusammenhängen häufig von Vertrauen gesprochen wird. Erstaunlich ist dabei, dass gerade jener Kulturkreis, der wohl historisch für die Entstehung des geschichtlichen Denkens überhaupt verantwortlich zeichnet, keinen Begriff zur Verfügung hatte, um πίστις und ἐλπίς voneinander zu trennen. Das ist nun der Grund dafür, warum die Synoptiker quasi unter Ermangelung eines eigenen angestammten Begriffs für Hoffnung, diese in eine große inhaltliche Nähe zur πίστις gestellt haben. 476 Die weitaus überwiegende Zahl der neutestamentlichen Hoffnungsbelege verweisen auf den Gottesbezug der Hoffnung und gehen über den alltäglichen Gebrauch weit hinaus, wiewohl es nicht verwundert, auch diesen wiederzufinden, gehört es doch - wie wir sahen - zum menschlichen Dasein selbst, Hoffnung zu haben. Die alltagssprachliche Bedeutung ist im Neuen Testament selten anzutreffen, es lassen sich dabei zwei Verwendungen unterscheiden; einerseits findet sich die Wortgruppe im Zusammenhang mit Reiseplänen beispielsweise des Paulus (1 Kor 16,7; Phil 2,19; 2,23; Phlm 22; anderer: 1 Tim 3,14; 2 Joh 12; 3 Joh 14) und in den Hoffnungen gegenüber seiner Gemeinde in Korinth 477 , wo jeweils besonders der Aspekt des Wunsches im Vordergrund steht; andererseits wird Hoffnung im Sinne von Erwartung verwendet, Erwartungen, die nach menschlichem Ermessen als gerechtfertigt gelten können (Lk 6,34; Apg 16,19; 24,26; 27,20; 1 Kor 9,11). Wiewohl nur auszugsweise verwendet, zeigt sich doch auch die profane Verwendung des Hoffnungsbegriffs, beispielsweise bei brieflichen Besuchsmeldungen (vgl. Röm 15,24; 1 Kor 16,7; Phil 2,19.23; Phlm 22,2; 2 Joh 12; 3 Joh 14), als theologisch reflektierte 478 , was sich insbesondere an bestimmten Wendungen beobachten lässt, wie z.B.: „Ich hoffe im Herrn Jesu“ (Phil 2,19). Auch hier zeigt sich, dass die klassische Trennung in religiöse und profane Hoffnung zur Beschreibung des neutestamentlichen Hoffnungsbegriffs nicht hinreichend ist bzw. dem Zeugnis der Schrift nicht gerecht wird, die die gesamte menschliche Existenz bis in den alltäglichen profanen Bereich hinein als von der einen (begründeten) Hoffnung durchdrungen und bestimmt beschreibt. Lebensweltlich gewendet heißt das, dass christliche Hoffnung die Tendenz hat, sich selbst, ausgehend von einem Hoffnungs-Nukleus, der seine Plausibilität aus einem entschiedenen und ganzheitlichen Vertrauen in den durch das Geschick Jesu Christi neu vergegenwärtigten Gott Israels 479 gewinnt, zu transzendieren und alle Lebensbereiche humaner Exis- 476 Vgl. dazu bereits früh, aber in apologetischer Absicht und mitunter in Ermangelung der notwendigen begrifflichen Klarheit POTT, A., Das Hoffen im Neuen Testament in seiner Beziehung zum Glauben, Leipzig 1915 und KROHNSEDER, F. Elpis. Die Hoffnung im Neuen Testament, in: Seele 11 (November 1929), 330-335. 477 Vgl. etwa bzgl. der Hoffnung auf vollkommenes Verständnis: 2 Kor 1,13; im Gewissen der Korinther offenbar sein: 5,11; Wertschätzung durch die Korinther: 10,15; Erkenntnis der „Echtheit“ des Paulus: 13,6. 478 Vgl. TOIT, A. DU, Hoffnung III. Neues Testament (Art.), in: BETZ, H.D. / BROWNING, D.S. / JANOWSKI, B. / JÜNGEL, E. (Hrsg.), Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft Bd. 3 (RGG 4 ), 4., völlig neu bearbeitete Auflage, Tübingen 2000, 1825. 479 Vgl. für die dogmatische Neubewertung der Bedeutung des Judentums für das Christentum bzw. für die Voraussetzungen und die Fortführung des Gottes Israels, mithin der Tora, in Leben, Sterben und Auferstehung Jesu Christi die Beiträge in STRIET, M. (Hrsg.), Monotheismus Israels und christlicher Trinitätsglaube (QD 210), Freiburg 2004. <?page no="229"?> 229 tenz zu durchdringen und damit auf das Christusgeschehen hin zu vereinheitlichen vermag. 480 Interessant und höchst „wichtig ist an diesem Sprachgebrauch, dass die Hoffnung elementar darauf beruht, was erfahrungsgemäß verlässlich ist“ 481 . Mit anderen Worten heißt das, dass selbst oder gerade im alltäglichen „Gebrauch“ der (christlichen) Hoffnung ein Erfahrungspotential zu eigen ist, aus dem heraus sie sich allererst dem Hoffenden und Handelnden rechtfertigt bzw. diesem als ein wesentlicher Maßstab dient, der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit und Verlässlichkeit einer Hoffnung herangezogen wird. Diese im Durchgang durch den eher sporadischen Alltags-Gebrauch der Hoffnung im Neuen Testament gemachte Entdeckung ist wichtig und bleibt für den weiteren Verlauf der Argumentation der vorliegenden Arbeit festzuhalten und an gegebener Stelle wieder aufzugreifen. β Neutestamentliche Vorstellungen von Zeit Das neutestamentliche Zeitverständnis, wie es in eschatologischen Zusammenhängen und damit in Hoffnungskontexten zu finden ist, schließt zwar unmittelbar an das Alte Testament 482 an, setzt aber dabei ganz entscheidende Neuakzentuierungen, die schließlich für die Struktur (christlich-integraler) Hoffnung von ganz entscheidender Bedeutung werden sollten: „Jesus proklamiert - und das ist das unerhört Neue und Alarmierende an seiner Gottesreichverkündigung: die vom Judentum bisher nur erwartete Aufrichtung der Gottesherrschaft ist nicht mehr rein prophetische Zukunft, nicht mehr nur Gegenstand sehnsüchtiger, mehr oder weniger akuter Erwartung. […] Die Gottesherrschaft ist mit ihren Heilskräften bereits zur gegenwärtigen Generation hingelangt, berührt dieselbe in den Machttaten Jesu als befreiende und erlösende Kraft (Luk 11,20 par).“ 483 Damit wirft das israelitische Zeitempfinden ein Licht auf die Gottesreichverkün- 480 „Die Hoffnung ist also nicht bloß ein kontingentes Moment im christlichen Dasein. Sie gehört zu seiner Wesensstruktur. Christen sind gerettet ‚auf Hoffnung hin‘ (Röm 8,24). Deshalb ist ihre ganze Existenz, im Gegensatz zum Heidentum (1 Thess 4,13; Eph 2,12), durch die Hoffnung qualifiziert. Zusammen mit dem Glauben und der Liebe (1 Kor 13,13; 1 Thess 1,3; 5,8; Kol 1,4- 5) konstituiert sie das christliche Sein (Bultmann).“ Vgl. TOIT, Hoffnung III., 1825. 481 Vgl. WEDER, Hoffnung II., 485. Insbesondere 2 Kor 8,5 bringt in einer Metapher die Berechtigung einer Erwartung zum Ausdruck. 482 Vgl. etwa BAUMANN, G., Im Angesicht der Ewigkeit rückwärts in die Zukunft. Vom biblischen Zeitverständnis, in: Zeitschrift für Gottesdienst und Predigt 4/ 2006, 6-9, hier 8, mit der insbesondere das an das Alte Testament anknüpfende Verständnis der biblischen Zeit als „soziale Zeit“ statt „Naturzeit“ und als „Ereigniszeit“ statt „Uhrzeit“ herausgestellt werden kann. Aufschlussreich ist dabei noch die Charakterisierung der vorrangigen Blickrichtung, wie sie im Zeitverständnis der Bibel zum Ausdruck kommt. Diese lässt sich als „rückwärts in die Zukunft“ bezeichnen: „Der Blick auf Vergangenheit und Zukunft unterscheidet sich erheblich vom heutigen. Heute haben wir die Vergangenheit hinter uns gelassen oder blicken als alte Menschen auf unser Leben zurück. Die Zukunft liegt vor uns, und wir blicken ihr hoffnungs- oder sorgenvoll entgegen. Das ist im altorientalischen Verständnis anders“. Dort „wird durchgängig nach vorne in die Vergangenheit geblickt. Für das Vergangene werden Worte gewählt, die dem Gesicht, dem Auge oder allgemein der Vorderseite verwandt sind. Womöglich verdichtet sich in dieser Benennung die Erfahrung, dass das Vergangene als bereits Erlebtes oder verlässlich Tradiertes sichtbar und bekannt ist. Die Zukunft wird dagegen mit Ausdrücken umschrieben, die das Rückseitige, hinter den Sprechenden Liegende bezeichnen.“ 483 Vgl. VÖGTLE, A., Zeit und Zeitüberlegenheit im biblischen Verständnis, Sonderdruck aus Freiburger Dies Universitatis Bd. VIII, Freiburg 1961, 1-18, hier 12-13. VÖGTLE schreibt weiter: „Die Gottesherrschaft wirkt in der Person Jesu in einem wahren Sinne in diesen Äon her- 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung <?page no="230"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 230 dung und damit auch auf die Mitte neutestamentlicher Hoffnung. ANTON VÖGTLE schreibt: „Demnach sprach Jesus genauer davon, dass die Gottesherrschaft als wirkende Kraft auf die ihn erlebende Generation gestoßen ist, bis zu dieser hingelangt ist, diese erreicht hat; in dem Sinne, dass die Gottesherrschaft bereits in vereinzelten vorausgreifenden Berührungen, Machterweisen sich manifestiert, erfahrbar wird, aber trotzdem noch keineswegs da ist, vielmehr noch wesentlich zukünftig ist und bleibt.“ 484 Daraus wird nun ein Mehrfaches verständlich: zunächst, dass auch Jesus eine „Naherwartung“ 485 gekannt hat und mindestens partiell entsprechende Vorstellungen seiner Umwelt geteilt haben dürfte. Die Annahme ihres historischen Nichteintritts sollte dabei wohl nicht vorschnell auf Verabschiedung der Naherwartung insgesamt schließen lassen, ist doch damit eine ganz spezifische Qualität der Hoffnung Jesu 486 selber angesprochen. Ganz im Gegenteil dürfte es unter diesen theologischen Voraussetzungen um eine Wiederaneignung der neutestamentlich-jesuanischen Naherwartung gehen, da sie zum Grundbestand neutestamentlichen Hoffnungsdenkens zu zählen ist. Deutlich wird aber ferner auch, dass das Nahegekommensein der Gottesherrschaft als in der Gegenwart spürbar „wirkende dynamis“ betrachtet werden kann. Die in ihrer vollständigen Realisierung noch ausstehende Gottesherrschaft wird zur wirkmächtigen Wirklichkeit in der Gegenwart, was eine ganz grundlegende Hoffnungs-Spannung aufgerichtet hat, in die derjenige sich gestellt sieht, der sich mit der Person Jesu von Nazareth auf die Verheißungsstruktur des von ihm verkündigten und in der eigenen Person geoffenbarten Gottesreiches einlässt. So „liegt die eigentliche Pointe seiner Gottesreichverkündigung gerade darin, dass die bis jetzt nur verheißene letzte und endgültige Heilsaktion Gottes mit dem Auftreten und Wirken Jesu tatsächlich beginnt, dass die unleugbar immer noch künftige und selbst in den stärksten ‚Gegenwartsworten‘ als noch wesentlich zukünftig vorgestellte Gottesherrschaft in den einzelnen Akten der Wirk- und Tatverkündigung Jesu bereits gegenwärtig als Heilskraft erfahrbar wird, so dass Jesus eben in dem schon öfter erwähnten Wort Lk 11,20 von einer Art Vorstoß der dynamis der Gottesherrschaft, einer Art Hereinreichen des eschatologischen Handelns Gottes in diesen Äon sprechen kann.“ 487 Gerade dieses Hereinreichen in die Gegenwart führt nun zu einer „Qualifizierung der Gegenwart als anbrechende Heilszeit“ 488 , die eine für den vorliegenden Kontext einer Ethik der Hoffnung aufschlussreiche „teleologische Ausrichtung der Gegenwart auf die notwendige nachfolgende Vollendung des hier und jetzt Anhebenden“ zu erkennen gibt. Dabei ist die Hinordnung der Gegenwart auf die Zukunft entscheidend, „die Hinordnung der ein, so dass sich die beiden Äone, der gegenwärtige, seinem sicheren Ende zulaufende Äon und der kommende endlose Äon der Gottesherrschaft, bis zum Ende dieser Welt, bis zur absoluten Realisierung und Offenbarung der Gottesherrschaft, gewissermaßen überschneiden.“ 484 Vgl. VÖGTLE, Zeit und Zeitüberlegenheit im biblischen Verständnis, 15. 485 Vgl. NIEMAND, C., Gegenwart als „wahrgenommene“ Zukunft. Erfahrungen und Einschätzungen von Zeit im Neuen Testament, in: Theologisch-Praktische Quartalschrift 4 / 2006 (154. Jg.), 365-374, hier 372ff., der auf die Spannung von Parusie-Erwartung und Parusie-Verzögerung als Charakteristikum neutestamentlicher „wahrgenommener“ Zeit hinweist. 486 Es dürfte als lohnendes neutestamentliches Forschungsvorhaben gelten, auf dem Hintergrund alttestamentlicher Vorstellungen nach der Möglichkeit einer Rede von der ureigenen Hoffnung Jesu zu fragen, nach den ipsissima vox spei (Jesu). 487 Vgl. ebd. 16 488 Vgl. für beide Zitate ebd. 16. <?page no="231"?> 231 gegenwärtigen Manifestation des eschatologischen Handelns Gottes auf dessen Vollendung, auf das absolute Eschaton.“ 489 Was können und müssen wir daraus lernen für die anvisierten Strukturen einer handlungspraktisch gewendeten Hoffnungstheorie? Zunächst müssen wir von einer Qualifizierung der Zeit durch das Hoffnungsgut der Gottesherrschaft ausgehen. In theologisch-ethischer Diktion formuliert könnte das heißen, dass die Orientierung am (letztlich umfassenden) Guten (summum bonum), genauso wie die Teilhabe daran durch die immer unterbestimmten realen Vorstellungen davon als Qualifizierung der Gegenwart zu bezeichnen ist, das als zukünftiges, noch nicht realisiertes und je neu zu realisierendes Gut bereits die Gegenwart mit bestimmt, quasi in diese partiell immer schon hinein reicht. Mit anderen Worten: Der Nukleus der guten Zukunft ist in der Gegenwart bereits anzutreffen, und deren Verhältnis eröffnet eine grundlegende Handlungsspannung, die notwendig ist für das Verständnis. Ein weiteres wichtiges Implikat dieser Konzeption auf der tugendethischen Seite ist, dass es Freiheit für die Gegenwart durch radikales Vertrauen in die Zukunft ermöglicht, eine Konsequenz, die in ihrer welterschließenden und daseinsaffirmierenden und zugleich mobilisierenden Funktion für den christlichen Selbst- und Hoffnungsvollzug kaum überschätzt werden kann. γ Elemente neutestamentlicher Hoffnung und deren Sitz im Leben Neben den weiter unten noch zu diskutierenden Strukturen des Hoffnungs-Aktes sind an dieser Stelle die phänomenologisch bzw. dimensional differenzierbaren Elemente bzw. Aspekte der neutestamentlichen Hoffnung selbst zu erwähnen: Für das Neue Testament gilt dabei, dass Hoffnung ihrem Wesen nach immer ein Ausgerichtetsein auf die Zukunft bezeichnet, d.h. sich auf erfahrungsgemäß noch nicht definitiv Vorhandenes bzw. Sichtbares (vgl. Röm 8,24) bezieht. Dabei eignet ihr (1) ein „kognitiv-intentionales Element“ 490 , das sich darin zeigt, dass positiv über die künftige Realisierung eines Erwünschten geurteilt und gedacht wird. In dieser Perspektive ist Hoffnung (2) signifikant objektbezogen, auch wenn sich das Objekt mitunter nicht eindeutig vom Kontext abhebt, wie z.B. bei absoluter (vgl. Röm 12,12; 1 Kor 13,13; 1 Petr 3,15) oder personalisierter (vgl. zu Mose z.B. Joh 5,45; zu Gott Apg 24,15; 2 Kor 1,10; zu Jesus Christus 1 Kor 15,19; 1 Thess 1,3) Verwendung. Es zeigt sich dabei an den Objekten neutestamentlicher Hoffnung, dass sie sich v.a. auf die Vollendung des Eschaton beziehen: Gottherrlichkeit (vgl. Röm 5,4; Kol 1,27; Tit 2,13), Befreiung der Schöpfung (vgl. Röm 8,20), Erlösung (vgl. 1 Thess 5,8), ewiges Leben (vgl. Tit 1,2; 3,7), Gottesschau (1 Joh 3,3). Dieser Objektbezug kann soweit gehen, dass es zu einer spezifischen Identifikation kommt, wonach die Hoffnung selbst zum erwünschten Heilsgut verobjektiviert wird (vgl. Röm 8,24b, Gal 5,5; Kol 1,15), was aber im neutestamentlichen Kontext auch an einer Betonung der Gegenwartsaspekte innerhalb der eschatologischen Hoffungsspannung von Schon und Noch-Nicht liegen könnte. 491 D.h., unter Voraussetzung einer Psychologie der Hoffnung wird auf die durch die Glaubensbotschaft bestimmte Existenz reflektiert, lebt doch die daraus abgeleitete Hoffnung gerade davon, dass in ihr bzw. durch sie irdisch begründete Ängste bis hin zu Sünde und Tod regelrecht überstiegen werden mit Blick auf das erhoffte Gut, womit sich wieder andeutet, dass ἐλπίς das Hoffnungs-Gut selber bezeichnen kann (vgl. Röm 489 Vgl. ebd. 16-17. 490 Vgl. TOIT, Hoffnung III., 1825. 491 Vgl. zu den Objekten neutestamentlicher Hoffnung weiter unten ausführlich. 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung <?page no="232"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 232 8,24f.; Deuteropaulinen). CONZELMANN formuliert den Gedanken präzise, wenn er schreibt, „das Wesen der Hoffnung ergibt sich aus dem objektiven Charakter des Erhofften“ 492 . Dabei gilt nun nicht nur, dass neutestamentliche Hoffnung als von ihrem Gegenstand bestimmt gedacht werden muss, sondern auch das Umgekehrte: der Inhalt der Hoffnung löst sich niemals vom Akt des Hoffens selbst - beides ist dabei christologisch bestimmt. 493 Neben dem kognitiv-intentionalen und dem objektbezogenen Element zeichnen sich die neutestamentlichen Hoffnungsvokabeln (3) durch ein „emotionales Element“ aus, wonach der Hoffende im positiven Sinne guten Mutes, freudig (vgl. z.B. Röm 12,12; 15,13) und zuversichtlich das Eintreffen des Begehrten erwartet, wohingegen das emotional negativ besetzte Gegenteil als „leere“ und „nichtige“ Hoffnung (der Heiden) bezeichnet wird bzw. sogar mit Verzweiflung und Angst verglichen wird. Wahre christliche Hoffnung ruft dagegen eine Hochstimmung hervor, die sich in der Freude (vgl. Röm 12,12; 15,13; 1 Thess 2,19) bzw. in einem freudigen Rühmen ( καύχασϑαι ) widerspiegelt, in Freimütigkeit ( παρρησία ) mündet und als nahezu identisch mit Vertrauen betrachtet werden kann - wohlgemerkt allein was die emotionale Qualität betrifft. Darüber hinaus ist im Neuen Testament bzgl. des Hoffnungsvokabulars (4) ein als „tonisches Element“ zu bezeichnendes Charakteristikum auszumachen, nach dem Hoffnung sich immer innerhalb eines Spannungsbogens realisiert, der dann mitunter unterschiedlich qualifiziert wird, beispielsweise wie folgt: „Die neutestamentliche Hoffnung steht in der Spannung zwischen Gottvertrauen und menschlichem Zweifel und Bangen. Im Zutrauen auf Gott schützt sie wie ein Helm das Haupt (1 Thess 5,8), gibt sie Sicherheit, wie ein Anker dem Schiff (Hebr 6,18f.).“ 494 Diese Hoffnung ist es nun, von der Paulus sagt, dass sie „nicht zuschanden werden lässt“ (Röm 5,5) bzw. jene „Hoffnung gegen alle Hoffnung“ (Röm 4,18), die hofft, obwohl alle (immanenten) Indizien gegen sie sprechen. Als Beleg mag erneut mit einem Zitat von H. CONZELMANN argumentiert werden: „Die Hoffnung ist insofern radikal verstanden, als sie keine innerweltlichen Garantien besitzt (Röm 8,20ff.) und daher von der Welt aus paradox erscheint (Röm 4,19). Sie wird gerade dadurch ausgearbeitet, dass mir jede weltliche Sicherheit zerschlagen wird [ ... ] .“ 495 Das Neue Testament verwendet dafür Bilder und Metaphern, die die Qualität und die Bedeutung dieser zwischen Sehnsucht, Verheißung und Erfüllung ausgespannten Hoffnung plausibilisieren wollen, somit zugleich als Ausdruck als auch als Hinweis und Angebot für diese durch Christus offenbar gewordene und damit für den Menschen eröffnete und dabei auf Gott gegründete Hoffnung zu stehen vermögen. Wenn nun die Zukunftserwartungen Jesu selber als Personifizierung neutestamentlicher Hoffnung ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden, muss auf zwei Aspekte abgehoben werden: Die Hoffnungen Jesu sind einerseits von der Ankündigung der Nähe des Reiches Gottes bestimmt und andererseits durch den Hinweis, dass mit seinem Dasein der Anbruch dieses Reiches bereits vollzogen ist (vgl. z.B. Mk 1,15; Lk 17,20). „Diese 492 Vgl. CONZELMANN, Hoffnung II, 417. 493 „Ist die Hoffnung wesentlich christologisch motiviert, so ist auch ihr Objekt wesentlich christologisch charakterisiert: Parusie, die kommende Gottesherrschaft und die damit verbürgte Auferstehung von den Toten, ewiges Leben, Teilnahme an der Herrlichkeit Christi, Gottesschau und Gotteserkenntnis und die volle Gotteskindschaft.“ Vgl. NEUHÄUSLER, E., Hoffnung I. In der Schrift (Art.), in: HÖFER, J. / RAHNER, K. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche (LThK 2 ) Bd. V, Freiburg im Breisgau 1960, 418. Vgl. dazu 1 Kor 15,21; Gal 5,21; Gal 5,5; Röm 8,17; Tit 1,2; 1 Petr 1,3ff.; Kol 1,12ff. 494 Vgl. TOIT, Hoffnung III, 1825. 495 Vgl. CONZELMANN, Hoffnung II, 418. <?page no="233"?> 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung 233 Spannung von Erfüllung früherer Erwartungen und Entfachung neuer Hoffnungen durch Auftreten und Geschick Jesu charakterisieren die urchristliche Eschatologie.“ 496 Ihren Grund hat sie in der Auferweckung Jesu von den Toten, Form und Inhalt sind eindeutig christologisch geprägt. Insofern muss eine grundlegend eschatologisch gefärbte Hoffnungstheologie 497 des Neuen Testaments konstatiert werden, deren entscheidender Inhalt aber das Reich Gottes bleibt. Mit MAGNUS STRIET kann an dieser Stelle zur Qualifizierung neutestamentlicher Hoffnung und unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen von einer „gespannten Freude“ 498 gesprochen werden, einer Freude, die aus einer eschatologischen Spannung lebt, ihrerseits quasi ausgespannt ist und nur auf der Basis einer solchen Spannung realisierbar und damit erfahrbar bleibt, was sie im eigentlichen Sinne als eine hoffende Freude, eine Freude in der Hoffnung ausweist. Damit ist Hoffnung in ihrem Grunde als „(aus-) gespannte Freude“ zu bezeichnen, eine Deutung, die sich bestätigend in der Bezeichnung „hoffnungsfroh“ wiederfindet. Der Gefahr eines Defizits an Hoffnung, eines Mangels an Hoffung begegnet das Neue Testament durch Paränese und Paraklese, die den Leser bzw. Hörer zur „Erneuerung der Hoffnung“ (vgl. 1 Thess 5,8 und v.a. Hebr 3,6; 6,11.18) anregen wollen; in diesen Kontexten wird nicht umsonst immer wieder die Standfestigkeit ( ὑπομονή ) betont (vgl. Röm 5,4; 8,25; 15,4f.; 1 Thess 1,3), während von der (vergleichbaren) Bedeutung der Geduld im alttestamentlichen Zusammenhang der Aufrechterhaltung von Hoffnung schon die Rede war. Auf der Basis eines ersten Durchgangs durch die neutestamentliche Hoffnungsterminologie sind unter Weiterführung der Differenzierungen von ANDRIE DU TROIT 499 folgende Elemente dimensional voneinander zu unterscheiden: Elemente neutestamentlicher Hoffnung (objektiv) 1. Kognitiv-intentionales Element 2. Objektbezogenes Element 3. Emotional (-volitives) Element 4. Tonisches Element Abbildung 8 Elemente neutestamentlicher Hoffnung (objektiv) Worauf gründet sich aber nun das oben schon angeführte Urteil, das Neue Testament leiste zuvörderst eine theologische Prägung des Hoffnungsbegriffs? Im Folgenden soll diese These begründetermaßen konkretisiert und exemplifiziert werden. Dabei wird zum einen die Auferstehungshoffnung als Zentrum christlicher Hoffnung auszumachen sein, es wird darüber hinaus auf den (letzten) Grund neutestamentlicher Hoffnung und deren Gegenwartsrelevanz einzugehen sein, genauso wie auf die sogenannte „Reinheit“ der 496 Vgl. LINK, H.-G., Hoffnung (Art.), in: RITTER, J. (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd. III, Darmstadt 1974, 1160. 497 Vgl. etwa JANNSEN, C., Gottes Gericht: düstere Drohung oder Hoffnung auf Zukunft. Röm 1- 3 und die Eschatologie des Neuen Testaments, in: Bibel und Kirche 63 (2008) 4, 226-232. 498 Vgl. STRIET, M., Gespannte Freude - oder: Wider eine verharmlosende Spiritualität der Klage, in: Internationale Katholische Zeitschrift Communio 33 (Juli / August 2004), 317. 499 Vgl. TOIT, Hoffnung III, 1825-1826. <?page no="234"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 234 Hoffnung, die von Paulus als Maßstab und Garant für deren Verlässlichkeit und Enttäuschungsresistenz reflektiert wird. 500 δ Systematische Einlassungen zu einer neutestamentlichen Ethik der Hoffnung In der Auferweckungshoffnung kommt zuallererst und zentral zum Ausdruck, dass das Ende der menschlichen Möglichkeiten nicht zugleich das Ende der Möglichkeiten Gottes ist. Gerade bei Paulus 501 erscheint die Hoffnung als eine, die nicht nur für dieses Leben gilt, sondern auch für das Leben nach dem Tode (vgl. 1 Kor 15,19; Röm 5,2-5,9-11), als Hoffnung auf das ewige Leben (vgl. besonders die Pastoralbriefe; Tit 1,2; 3,7) und als Hoffnung auf die eschatologische Treue Gottes (vgl. den Hebräerbrief; Hebr 7,19). 502 Bevor aber solche Aussagen möglich und christologisch sinnvoll wurden, scheint im Hintergrund ein (historischer) Übergang von der Messiaserwartung (vgl. etwa noch Mt 12,21 in einem Gottesknechtszitat) zur Auferstehungshoffnung stattgehabt zu haben: Lukas beschreibt in der Apostelgeschichte (Apg 26,6f.) einen Zusammenhang zwischen der Hoffnung des Zwölfstämmevolkes bzw. der Hoffnung auf die Verheißung der Väter und der Auferstehungshoffnung. Entscheidend dabei ist, dass die weltliche Gestalt Jesu als nicht dem Tode überlassen buchstäblich erschien, weswegen es nun auch für den Menschen eine Hoffnung gibt, mit Jesus Christus auferweckt zu werden (Apg 4,1f.) bzw. eine neue Hoffnung auf Gott, der Gerechte wie Ungerechte auferwecken wird (Apg 24,15). Mit HANS WEDER lässt sich generell feststellen, „dass die neutestamentliche Hoffnung sich auf die eschatologische Errettung richtet, welche in der Auferweckung zu einem Sein mit Gott ihren klarsten Ausdruck findet.“ 503 500 Die Hoffnung des Paulus beruht letztlich nicht auf menschlicher Berechnung, sondern auf der Gewissheit des Glaubens. Häufig ist dabei eine Rückwirkung der Hoffnungsbegrifflichkeit auf die Alltagssprache dokumentiert, was den Lebensbezug christlicher Hoffnung nachdrücklich unter Beweis stellt. Als Beispiel mag Phil 2,19 genügen, wo die Hoffnung, Timotheus nach Philippi zu senden, mit dem Zusatz ἐν κυρίω versehen und damit in den Wirk-Horizont des (theologischen) Grundes jeglicher Hoffnung gestellt wird. Vgl. auch LAPIDE, P., Die Hoffnung des Paulus. Der Heidenapostel aus jüdischer Sicht, in: LM 15 (196), 128-132, der insbesondere auf die Identität der Hoffnung des Paulus mit der Hoffnung Israels hinweist: „Die Hoffnung des Paulus war im Grunde die Hoffnung Israels: die Hoffnung auf die baldige Ankunft des Messias, woraus für Paulus eine Wiederkehr wurde - aber ist eine Wiederkehr nicht auch ein Kommen des Messias? So bleibt die noch immer offenstehende Hoffnung des Paulus bis heute auch die Hoffnung Israels.“ 501 Vgl. ausführlich Nebe, G., Hoffnung bei Paulus. Elpis und ihre Synonyme im Zusammenhang der Eschatologie, Göttingen 1983. 502 Vgl. WOSCHITZ, K.M., Elpis - Hoffnung. Geschichte, Philosophie, Exegese, Theologie eines Schlüsselbegriffes, Wien / Freiburg / Basel 1979, 764 resümierend: „Gegenüber der griechischen Sichtweise der ἐλπίς als Voraussicht aus verfügbarer Wirklichkeit bestimmt Paulus die Hoffnung - gegen den Augenschein der vorhandenen Wirklichkeit - als Vertrauen auf den Gott, der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ins Dasein ruft (Röm 8,24ff.; 4,17f.).“ 503 Vgl. WEDER, Hoffnung II, 485. Das weitgehende Fehlen der Hoffnungsterminologie in den Evangelien, wiewohl thematisch immer präsent, und die ausführlichen theologischen Spekulationen des Paulus zum Status der auf Christus bezogenen Hoffnung, könnte zu der These Anlass geben, nach der in den paulinischen Schriften die Hoffnungsstruktur des Glaubens bzw. der im Christusgeschehen erfolgten Erlösung des Menschen erst regelrecht entdeckt, systematisch entfaltet und buchstäblich begründet wurde, sicher auch in Korrespondenz zur Etablierung eines neuen Zeitkontextes zu verstehen, nachdem die Naherwartung Jesu selber um die <?page no="235"?> 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung 235 Für die ethische Dignität der Hoffnungsthematik ist nun mindestens zweierlei von Interesse: zum einen die Einsicht, dass auf dem Weg der Verwandlung hin zum erhofften ewigen Leben Gott der Souverän und der eigentliche Grund bleibt, der Mensch dabei aber die Verantwortung für seine Reaktion auf dieses Heilsangebot niemals verliert (vgl. 1 Kor 15,35-44). GERD THEIßEN schreibt: „Obwohl Gott bei dieser Verwandlung als souveräner Schöpfer handelt, bleibt der Mensch verantwortlich: Es liegt an ihm, ob er durch sein Tun auf Vergängliches oder Unvergängliches ‚sät‘ (Gal 6,7-10).“ 504 Alles andere wäre auch ein abzulehnender Heilsautomatismus. Ferner ist auf die Beobachtung hinzuweisen, dass eine neutestamentliche Brücke von der Auferweckung zur Gerechtigkeitsthematik führt: Mit PAULUS leben schließlich die Christen nach Gal 5, 5 aus der „Hoffnung auf Gerechtigkeit kraft des Geistes und aufgrund des Glaubens“. Mit anderen Worten: Die eschatologische Gerechtigkeit erscheint hier als gegenwärtig im Modus der Hoffnung, wobei diese Hoffnung durch die Gegenwart des Geistes gestiftet wird. 505 Auch an dieser Stelle zeigt sich wieder, dass Hoffnung nicht nur eine moralfähige und grundlegend moraloffene Kategorie darstellt, sondern geradezu ein Medium für die Begegnung des Humanum mit der Realität der Gegenwart ist, indem diese diesbezüglich geöffnet und der (hoffende) Mensch dafür vorbereitet wird, Gehalte des Humanum, beispielsweise den der Gerechtigkeit, in ihren Realisierungsmöglichkeiten zu entdecken, den sittlich verpflichtenden Anspruch derselben lebendig zu halten und schließlich zugleich daraufhin motiviert zu werden. Der Hoffnung kommt mithin eminente Gegenwartsrelevanz zu, da der grundsätzliche Zusammenhang von Gegenwart und Zukunft in ihr festgehalten wird. Diese Bedeutung wird im Neuen Testament in vielfältiger Weise und nachdrücklich zum Ausdruck gebracht. Für den Kontext der vorliegenden Arbeit ist dabei entscheidend, dass die Hoffnungsterminologie in ihrer Konsequenz ein neues Welt- und Zeitverständnis 506 mit sich bringt, dem besonders Paulus große Beachtung entgegenbringt. Insbesondere an Röm 5,2ff. zeigt sich dies in großer Deutlichkeit: Auf dem Hintergrund der Hoffnung „auf die Herrlichkeit Gottes“ (Röm 5,2b), deren sich der Mensch regelrecht rühmt, weil sie ihre Selbstgewissheit nicht aus den eigenen Möglichkeiten, sondern aus der Maßgeblichkeit dieser Herrlichkeit selber schöpft, wird er geradezu veranlasst, auf jetzige Bedrängnisse abzustellen. Das aber hat wiederum Geduld zur Folge, dem konkreten Ausharren in Situationen der Anfechtung; schließlich führt Geduld wieder zu Bewährung und der Kreis zur Hoffnung hin ist wieder geschlossen, einer Hoffnung die „nicht zugrunde gehen lässt“ (Röm 5,5a). Gerade die von der Hoffnung erzeugte Geduld verhindert damit ein Aussteigen aus den Bedrängnissen der Zeit (vgl. Röm 8,25; 1 Thess 1,3) bzw. eine Flucht in eine illusionäre Zeit (vgl. 1 Kor 13,7). Letztlich führt Hoffnung die Voraussetzungen herbei, den Menschen in die Realität seiner Gegenwart nicht nur einzuführen, sondern diese auch mit einem spezifischen Blick auf ein Parusieerwartung im Medium des von Christus gegebenen Geistes ergänzt wurde, während die Evangelien die Präsenz des späteren Grundes der Hoffnung zum Gegenstand hatten. 504 Vgl. THEIßEN, G., Die Weisheit des Urchristentums, München 2008, 27. 505 Der Zusammenhang erscheint darüber hinaus auch in Röm 4, 17 ebenso wie in Röm 5, 9. Röm belehrt uns weiter, dass PAULUS die Hoffnung in die Innerlichkeit des Menschen verlegt. „Sie hat ihren Grund in der Gewissheit des gegenwärtigen Heils, entsteht aber gerade durch den Widerspruch zwischen dieser Heilsgewissheit und den Notlagen des Lebens (Röm 5,1-5).“ Vgl. THEIßEN, Die Weisheit des Urchristentums, 27. Was hier angesprochen ist und noch systematisch entfaltetet zu werden hat, ist die Kontrasterfahrung, auf der Hoffnung in der Regel beruht. 506 Vgl. dazu etwa WEDER, H., Gegenwart und Gottesherrschaft. Überlegungen zum Zeitverständnis bei Jesus und im frühen Christentum, Neukirchen-Vluyn 1993. <?page no="236"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 236 gutes Ende, moraltheologisch unter der Perspektive des Humanum in der Zeit, zu bewältigen, wofür Hoffnung ihn nachhaltig motiviert. HANS WEDER schreibt in diesem Sinne: „Gerade die Hoffnung auf endgültige Rettung versagt sich der Weltflucht, sei es in der Gestalt der Illusion, sei es in der Gestalt der gewaltsamen Veränderung. Der Weltbezug bzw. das sich Einlassen des Menschen in das Jetzt wird also wesentlich konstituiert durch die Hoffnung, welche sich über das Weltliche hinauswagt und zum Ende der Zeit blickt. Dem guten Ende, das erhofft wird, entspricht denn auch die gegenwärtige Freude, welche im Horizont der christlichen Hoffnung angebracht ist.“ 507 Schließlich ermöglicht die Hoffnung auf den Neuen Bund bzw. die Hoffnung, in welcher das gute Ende des Neuen Bundes (schon) gegenwärtig wird, eine große Offenheit ( παρρησία ) und Freimütigkeit. Die Gegenwart wird dabei vom Phänomen der Hoffnung regelrecht bestimmt - ein Charakteristikum des neuen Welt- und Zeitverständnisses. Umgekehrt heißt das, dass die im Christusgeschehen fokussierte Rettung des Menschen, deren futurische Aspekte damit auch um Vergangenheitsaspekte erweitert und ausbalanciert wurden, gegenwärtig ist im Modus der Hoffnung ( τῆ ἐλπίδι ). Diese Hoffnung stützt sich nicht auf vorfindliche Indizien und ist somit nicht auf das Weltliche beschränkt. Das wiederum bedeutet, dass die Gegenwart, auch die kontingente und der Nichtigkeit unterworfene Gegenwart der Schöpfung 508 , von Hoffnung erfüllt ist, die durch irdische Erfahrungen und Indizien nicht widerlegt zu werden vermag. Diese Prägung der Gegenwart durch die Hoffnung, sowohl objektiv (Schöpfung), als auch existenziell (Rettung des Menschen), reicht für das Neue Testament bis ins Gericht. Begründete Hoffnung besteht für alle drei Zeitformen - ausgehend von der Vergangenheit, über die Gegenwart bis in das Gericht (der Zukunft) hinein, das seinerseits von seinen alttestamentlichen Ursprüngen her als Hoffnungsfigur zu erschließen war. Ein wichtiger neutestamentlicher Hoffnungs-Topos ist ferner also das Gericht. 509 Es setzt Umkehr (metanoia) voraus - auch eine Konsequenz der Hoffnung - und eine personale Beziehung der Hoffnung, die über den Tod hinaus weist und sich in einem Akt letzter Hoffnung Gott selbst und seinem gerechtmachenden Handeln überantwortet 510 - unter Aufrechterhaltung und gerade nicht unter Nivellierung entsprechender moralischer Hoffnungen auf Gerechtigkeit und Versöhnung. Anders formuliert: Verlust der 507 Vgl. WEDER, Hoffnung II, 486. 508 Auch die Schöpfung soll etwas anderes sein als sie ist (vgl. Röm 1,23f.) und die Hoffnung zeigt quasi indikatorisch an, was sie als Geschöpf Gottes sein könnte, so wie die Hoffnung die Menschen als Söhne Gottes, und nicht als Gegenspieler (vgl. Röm 8,20) offenbar zu machen vermag. 509 Vgl. etwa PEMSEL-MAIER, S., Gericht - Himmel - Fegefeuer als Hoffnungsbilder lesen, in: Bibel und Kirche 63 (2008) 4, 204-209. Ebenso JANNSEN, C., Gottes Gericht: düstere Drohung oder Hoffnung auf Zukunft. Röm 1-3 und die Eschatologie des Neuen Testaments, in: Bibel und Kirche 63 (2008) 4, 226-232. 510 Vgl. FUCHS, O., Hoffnung über den Tod hinaus. Warum die Rede vom Jüngsten Gericht unverzichtbar ist, in: Bibel und Kirche 63 (2008) 4, 200-203, hier 202. „Schließlich ist alle Hoffnung noch einmal dem Geheimnis Gottes selbst zu überantworten. Es kann nie einen ungehörigen Zugriff auf Gott und auf das geben, was nach dem Tod kommt, sondern um ein vorsichtiges Ertasten dessen in der Sprache der Hoffnung: Auf unsichtbare Hoffnung hin sind wir gerettet (vgl. Röm, 8, 24-25). Diese Beziehung der Hoffnung gelingt nur, wenn Gott unsere Rettung und nicht unsere Vernichtung ist. Und hoffnungsvoll ist dieser Blick über die Todesgrenze hinaus dann, wenn all das, was die Menschen getan und erlitten haben, sich nicht einfach in dieser Rettung auflöst, als wäre das alles nicht geschehen, sondern einer endgültigen Herstellung der Gerechtigkeit und einer ganz und gar nicht billigen Versöhnung ausgesetzt wird.“ <?page no="237"?> 237 Gerichtshoffnung führt zum Verlust der Hoffnung auf letzte Gerechtigkeit. 511 Statt Umkehr als normative Notwendigkeit gegenüber einem befürchteten (Straf-) Gericht steht daher vielmehr die zuversichtlich hoffende und zugleich gottesfürchtige Annahme einer jedem Gericht immer schon zuvorkommenden und dieses buchstäblich be-gründenden Güte Gottes im Zentrum biblischer Gerichtshoffnung, was allerdings ein Sühneleiden oder ein purgatorisches Leiden an eigener Schuld nicht aussondern einschließt. Gericht und Metanoia sind daher als zentrale biblische Hoffnungsfiguren zu bezeichnen, die die bereits erwähnte Hoffnungsspannung par excellence wiedergeben. FRANZ BÖCKLE schreibt aufschlussreich für den vorliegenden Kontext: „Damit erweist sich die Zukunftsgestalt der Welt zugleich als ihre, wenn auch noch verborgene, Jetztgestalt. Daraus ergibt sich eine Zweipoligkeit ethischer Verantwortung: sie zielt futurisch und zugleich präsentisch auf die Offenlegung der Basileia. Ethisches Handeln darf weder dem ‚Jetzt‘, noch dem ‚Später‘ verhaftet sein. Der Biblisch-ethische Maßstab, den die Basileia setzt, ist der Maßstab der auf Zukunft hin zu gestaltenden Gegenwart.“ 512 Während die Texte des Paulus, wie besehen, die Gegenwartsrelevanz der Hoffnung hervorheben, tritt nun in den nachpaulinischen Schriften besonders das aus der Hoffnung abgeleitete ethische Verhalten in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: Schon in 1 Thess wird die Hoffnung auf Rettung zu denjenigen Mächten gezählt, die gegen die Mächte der Nacht und der Versuchung als Helm (vgl. 5,8) fungieren, so dass die Hoffnung quasi als Rüstung derer bezeichnet werden kann, die dem Tag gehören und in ihrem Verhalten „nüchtern“ sind. Der Kampf für bzw. gegen bestimmte Verhaltensweisen bestimmt hier die Gegenwartsrelevanz der Hoffnung. Auch der Titusbrief begründet ein gottgefälliges Leben mit der Hoffnung auf die Erscheinung Gottes und des Heilands Jesus Christus (2,12f.). Im Hebräerbrief wiederum werden die Leser paränetisch daran erinnert, mit Eifer an der Entfaltung ( πληροϕορία ) der Hoffnung zu arbeiten 513 (Hebr 6, 11), was im Tun der Liebe, im Dienst, in Glauben, Geduld, Zuversicht und Jubel geschieht. (vgl. 6,10.11; 3,6). Für 1 Petr schließlich stellt die Hoffnung einen Schlüsselbegriff dar, der den Menschen veranlasst, in ständiger Wachheit zu leben: „die Lenden umgürtet und vollkommen nüchtern“ (1,13). 514 Mit anderen Worten: Für das Neue Tes- 511 Vgl. grundlegend aus systematischer und praktischer Perspektive FUCHS, O., Das jüngste Gericht. Hoffnung auf Gerechtigkeit, Regensburg 2007. Die einseitige Übertribunalisierung der Gegenwart dürfte mit dem Verlust solcher Hoffnung zu tun haben, was praktisch-theologisch zu zeigen wäre. Hier wie sonst auch in der Bibel steht nicht allein der Einzelne im Mittelpunkt des Interesses, sondern auch das Kollektiv einer Gesellschaft, das im Verdacht steht sich zu überfordern, wenn der „Trümmerhaufen der Geschichte“ (W. BENJAMIN) ohne Hoffnung auf letzte Gerechtigkeit und Versöhnung für all die ungezählten (lebenden und bereits verstorbenen) Täter und Opfer der Menschheitsgeschichte quasi allein anamnetisch zu bewältigen gesucht wird. Aber selbst dieses Ansinnen wird noch von spezifischen moralischen Hoffnungen getragen sein, deren finale Motivationsquellen aber kaum mehr ausgewiesen werden. 512 Vgl. BÖCKLE, F., Moraltheologie und Exegese heute, in: KERTELGE, K. (Hrsg.), Ethik im Neuen Testament, Freiburg im Breisgau 1984, 197-210, hier 205. 513 Hier kann in Anlehnung an den von S. FREUD geprägten Begriff der Trauer-Arbeit von ‚Hoffnungs-Arbeit‘ gesprochen werden, denn und insofern das Neue Testament nicht nur zur Entwicklung von Hoffnung (aus dem Glauben) aufruft, sondern parallel die Läuterung der bestehenden Hoffnungen (am Grund der Hoffnung selbst, am Du der Person Jesu Christi) anmahnt. 514 Diese aszetischen Haltungen, die nicht umsonst in späterer Zeit und im Kontext christlicher Spiritualität in den spezifisch geprägten Zeiten des Kirchenjahres, die der Metanoia dienen, also der Umkehr und Neuorientierung an den zentralen Hoffnungsinhalten des Glaubens, Advent und österliche Karzeit, ihren festen Ort haben, sind von besonderer Bedeutung. 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung <?page no="238"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 238 tament ist sehr wichtig, dass sich aus der Hoffnung ein neues, verändertes Verhalten ergibt, sie bleibt nicht ethisch-moralisch folgenlos, sondern lässt ganz im Gegenteil das aus ihr gespeiste Verhalten der Christen von dem der (heidnischen) Umwelt signifikant unterscheiden - bis dahin, dass sie den Christen dazu Anlass gibt, über den Grund ihrer Hoffnung Rechenschaft abgeben zu sollen (vgl. 1 Petr 3,15), so sehr ist sie imstande, das Leben und Verhalten der Hoffenden zu verwandeln 515 - im übrigen gegen jede (heils-) individualistische Verkürzung. Mehr noch: „Die Ansage der Parusie Christi will den Christen in tätiges Handeln einweisen: ‚Handelt, bis ich wiederkomme! ‘ (Lk 19,13). Die Dimension der Hoffnung als spezifisches Moment christlichen Glaubens wird zum Imperativ und Movens christlicher Ethik.“ 516 So ließen sich nun insgesamt drei Schwerpunkte ausmachen, bei denen sich die Gegenwartsrelevanz der Hoffnung grundlegend zeigt: (1) In einem neuen Zeit- und Weltverständnis; (2) in der Unterscheidung zwischen Jetzt und Dann als einem eschatologischen Moment; und (3) im ethischen Verhalten. Festzuhalten bleibt dabei mit Entschiedenheit: Die christliche Hoffnung ist, so sehr sie auf das Endgültige gerichtet ist, intensiv auf das Jetzt und die Welt bezogen. Sie ist eine Zukunftseinstellung, die nicht in die Zukunft flieht, sondern das Künftige ins Jetzt hereinholt und also den Menschen einlässt in das, was jetzt an der Zeit ist. Auch an dieser Stelle lässt sich erneut das streng antignostische Hoffnungs-Verständnis des Neuen Testaments beobachten, nachdem Hoffnung nicht dualistisch, sondern dialektisch strukturiert ist, der Welt nicht zu entfliehen sucht, sondern in sie einsenken will, die Gegenwart und die Welt nicht pejorativ, sondern akzeptierend betrachtet, um sie schließlich verändern zu können. 517 Die Frage nach dem Grund der menschlichen Hoffnung ist für das Neue Testament von größter Wichtigkeit, wiewohl das Phänomen der Hoffnung und des Hoffens ganz selbstverständlich als zum Dasein des Menschen gehörig betrachtet wird. Da aber Hoffnung weder auf sich selbst beruht, noch einfach aus der Lebendigkeit des Menschen ableitbar wäre, sind die neutestamentlichen Texte beständig gewillt, Gründe anzugeben für die Hoffnung (des Christen). Deren werden vielfältige angegeben, insbesondere jene, welche zur Hoffnung buchstäblich Anlass geben, letztlich aber kommt der eine Grund auf mannigfaltige Weise zur Sprache: Hoffnung gründet sich auf Christus. Für Paulus beispielsweise ist Hoffnung deshalb „gewiss“ ( βέβαια ), weil sie in dem Zusammenhang von Leiden und Trost gründet, den Christus selber in und mit seiner Person hergestellt hat (vgl. 2 Kor 1,7). Er hofft „im Herrn“ (vgl. Phil 2,19), was bedeutet, dass seine Hoffnung insofern begründet ist, als sie im Machtbereich Christi geschieht bzw. auch umgekehrt alltägliche und profane Hoffnungen dadurch in diesen Machtbereich hineingenommen oder hineingezogen werden. Hier zeigt sich erneut, dass Hoffnung die Tendenz hat, sich ausgehend von einem (begründeten) Nukleus auf andere Lebensbereiche zu entfalten und auszudehnen, wobei christliche Hoffnung aufgrund ihrer fundamentalen 515 Vgl. WEDER, Hoffnung II, 487: „Die Hoffnung wirkt sich aus in einem neuen Verhalten, das sich eindeutig von der heidnischen Umwelt unterscheidet. Grund für dieses neue Verhalten ist, dass die Gemeinde ihren Glauben und ihre Hoffnung nicht mehr auf die Welt setzt, sondern ausschließlich auf Gott (1 [Petr, R.L.] 14-21). Das veränderte Verhalten wiederum ist Anlass für Nachfragen aus dem Bereich der nichtchristlichen Umwelt: Nachfragen, die dazu Gelegenheit geben, über die unter den Christen maßgebende Hoffnung Rechenschaft abzulegen (3,15).“ 516 Vgl. WOSCHITZ, Elpis, 764. 517 Vgl. STARK, T.H., Philosophische Lebensform, Erkenntnis und Erlösung. Zu Grundlagen und Entstehungsgeschichte der Gnosis, in: ThPh 79 (2004), 339-360. <?page no="239"?> 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung 239 Begründung in Christus selber bzw. aufgrund ihres Anspruchs, Gott als letzten Grund (jeglicher) Hoffnung anzugeben, in der Lage ist, alle Lebensbereiche des Menschen, mithin seine ganze Existenz zu durchdringen und zu bestimmen: „Christus ist der Name für jenes Geschehen, welches die Hoffnung allererst begründet und ins Dasein gerufen hat.“ 518 Neben dem Akt der Hoffnung ist damit auch und v.a. das Heilsgut Hoffnung hervorgehoben: in 1 Tim 1,1 wird Christus geradezu als „unsere Hoffnung“ bezeichnet, in Phil 4, 4 ist von der „einen gemeinsamen Hoffnung“ in dem einen Leib und dem einen Geist die Rede, Phil 1,18 ruft dazu auf, die Hoffnung, zu der wir berufen sind, mit den von Christus selbst erleuchteten Augen des Herzens in ihrem Reichtum zu verstehen. Immer geht es darum, in der Gegenwart Anteil zu bekommen an der Hoffnung auf die künftige Vollendung, weswegen der Ruf in den Christusleib bzw. der Ruf in die Kirche, als den Gestalten, die Anteil gewähren, ergeht. Neben diesen eher explizit christologischen Reflexionen gibt es auch solche, die sich indirekt mit den Folgen und der Bedeutung des Christusgeschehens im Bezug auf die Hoffnung befassen: Der Ursprung der Hoffnung ist der Glaube (vgl. Gal 5,5), der durch Christus in die Welt gekommen ist. Das von Christus kündende und durch ihn ermöglichte Wort, das Evangelium, ist seinerseits Grundlage der Hoffnung, die im Himmel bereitliegt (vgl. Kol 1,15), von der wir uns nicht abbringen lassen sollen (Kol 1,13). Darüber hinaus beruht die Hoffnung auf der Gnade (1 Petr 1,13), die sich in der endzeitlichen Offenbarung Jesu zeitigen wird. Hier lässt sich nun eine Identifikation von christologischem Grund und eschatologischem Ziel der Hoffnung beobachten. Mit anderen Worten: Hier werden Theologumena geschaffen, die die in Leben, Sterben und Auferstehung Jesu Christi begründete Hoffnung verständlich und erfahrungsmäßig zugänglich machen wollen, die buchstäblich Hoffnung (für und in der Gegenwart des Christus-Anhängers und seiner Nachfolger) vermitteln, indem sie als Instrument der Deutung der eigenen (christusgläubigen) Existenz auf eine Erschließung der Hoffnungs-Potentiale hin dienen, in denen man sich wieder finden kann als jemand, dem begründete Hoffnung geschenkt wurde. Eine ganze Reihe neutestamentlicher Stellen lassen nun die Hoffnung ganz einfach auf Gott selbst gründen, wobei dieser Gott einerseits christologisch, andererseits schöpfungstheologisch gedacht ist: Die Auferstehung Jesu ließ erkennen, wer Gott selber ist, während die Erschaffung des Seienden aus dem Nichts dazu als Entsprechung gelten kann. Dieser Gott gibt Grund zur Hoffnung, wobei er gegenwärtig ist im Medium seines Heiligen Geistes: „So sehr ist die Hoffnung mit Gott verknüpft, dass dieser geradezu Gott der Hoffnung ( ὀ θεός τῆς ἐλπίδος ) genannt werden kann (Röm 15,12f.). Er ist der Gott, der Hoffnung schafft, begründet, in überreicher Fülle austeilt. Der Reichtum der Hoffnung entsteht durch die Kraft des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist befindet sich im Gegensatz zum Geist der Welt, sofern er den Menschen dazu veranlasst, sein Vertrauen (seine Hoffnung) auf Gott zu setzen, statt bloß mit den Möglichkeiten der Welt zu rechnen. Wo diese Hoffnung fehlt, bleibt nur das Vertrauen auf das Fleisch (vgl. Phil 3,3f.), die Beschränktheit auf das, was der Mensch aus sich selbst machen kann.“ 519 Dem Neuen Testament ist mithin entscheidend wichtig, dass bei Abwesenheit dieser Hoffnung auf diesen Gott nur das Vertrauen „auf uns selbst“ ( πεποιθότες ὠμέν ἐϕ ἐαυτοὶς ; 2 Kor 1,9) bleibt, was aber letztlich trügerisch und ohne Grund bleibt. Solche Aussagen müssen aus dem Kontext der sie tragenden Argumentation heraus verstanden werden, der für den vorliegenden Fall auf das Gottesverhältnis des sich am Gott Jesu Christi orientieren- 518 Vgl. WEDER, Hoffnung II, 487. 519 Vgl. ebd. 488. <?page no="240"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 240 den Menschen und dessen Konsequenzen reflektiert, wobei insbesondere die Fragen nach dem letzten Grund einer sich daraus ergebenden Hoffnung im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Dieser Grund ist nämlich in der Lage, alle anderen Hoffnungen als „unbegründet“ zu entlarven, d.h. alle vertrauende Gewissheit über unsere Zukunft, die wir aus unseren eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten glauben schöpfen zu können 520 , wird überboten durch die je größere nicht mehr zu überbietende Hoffnung, die in ihrem Grund, Jesus Christus, offenbar geworden ist. Hier wird mithin vom Grund christlicher Hoffnung auf der Basis des menschlichen Gottesverhältnisses gesprochen, aber nicht das notwendige „Selbst-Vertrauen“ auf der Basis des menschlichen Selbst-Verhältnisses desavouiert, das nämlich seinerseits als gespeist von jener Hoffnung gedacht werden kann. Mit anderen Worten: Christliche Hoffnung ist in ihrem Gottesbezug moraltheologisch nicht als Antithese zum Selbstbezug des Menschen zu stilisieren 521 ; Hoffnung gründet nicht im Selbstbezug, aber Hoffnung und das menschliche Selbstverhältnis gründen beide ihrerseits in Gott, so dass sie (transzendental) als „gleich orientiert“ begriffen werden müssen, indem das eine das andere (dialektisch) ermöglicht und begleitet. Die objektive (in Gott begründete) Seite schließt die subjektive (ebenfalls in Gott seinen Grund findende) Seite nicht aus, sondern beide wollen in ihrer wechselseitigen Bezogenheit reflektiert werden, damit der objektive Grund innerhalb des Subjekts entdeckt und realisiert werden kann. Das Neue Testament denkt mithin überwiegend vom objektiven Grund her, die vorliegende Arbeit versucht in rudimentären Ansätzen die Konstitutionsbedingungen der subjektiven Seite ans Tageslicht zu heben - wohl gemerkt in ermöglichender Absicht, was den Grund beider betrifft. Ein bedeutender Schwerpunkt neutestamentlicher Theologie der Hoffnung ist über die bisherigen Ausführungen hinaus darin zu sehen, Liebe als entscheidenden Grund der Hoffnung zu benennen. Der Zusammenhang der Liebe mit dem christologischen Grund der Hoffnung ist offensichtlich, wird sie doch von Christus geradezu verkörpert (2 Kor 5, 14-21; Gal 2,20). Diese Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes, die uns nicht zuschanden werden lässt (Röm 5,5), „diese Hoffnung enttäuscht genau deshalb nicht, weil sie auf der Liebe Gottes beruht, die in unsere Herzen ausgegossen ist. Sie beruht weder auf einer Möglichkeit des Daseins noch auf einem illusionären Zukunftsbezug, sondern auf der jetzt schon in unsere Mitte verlegten Liebe, die im Christusgeschehen Gestalt gewonnen hat.“ 522 In 1 Kor 13 lässt sich nun exemplarisch zeigen, wie eng die Verbindung zwischen der Liebe als dem Grund der Hoffnung und dieser selbst ist, da dort die Liebe zum Subjekt des Hoffens selber wird: In diesem Hohelied der Liebe lässt sich Paulus zu der Aussage hinreißen, dass Liebe „alles hofft“ (vgl. 1 Kor 13,7). Auch dieser Gedanke gilt nicht zuerst dem (horizontalen) Raum der Intersubjektivität, sondern verweist auf der Basis des inhärenten Gottesbezugs darauf hin, dass diese Liebe nicht alles zu haben wähnt (vgl. 1 Kor 4,7), sich im Grunde von anderswoher verdankt, sich vertrauend verlässt und damit eine gewisse Analogie zur Hoffnung aufweist. Um erneut mit HANS WEDER zu sprechen: „Die Liebe kann deshalb alles hoffen, weil sie selbst schöpferisch ist und um ihre Kreativität weiß: Sie wagt, das Nicht-Sichtbare zu erwarten, weil sie selbst Augen für das Unsichtbare hat. Dazu passt, dass die Liebe hier nicht bloß als Grund, sondern auch 520 Schon hier könnte Paulus wohl entgegenhalten: „Was hast du, was du nicht empfangen hättest? “ (1 Kor 4,7) 521 Das nämlich käme einer Verwechslung der inkommensurablen subjektiven Perspektive mit einer subjektivistischen Perspektive gleich. 522 Vgl. ebd. 488. <?page no="241"?> 241 als Ziel der Hoffnung erscheint (1 Kor 13,8-12.13).“ 523 Systematisch-theologisch bedeutet das nun, dass Hoffen letztlich als ein Akt der Liebe bezeichnet werden muss oder zumindest als ein Akt, der seinen letzten Grund und sein letztes Ziel in der Liebe selber findet. 524 Der Grund der Hoffnung ist in dieser Diktion mit Gott, der die Liebe selber ist, zu bestimmen 525 , woraus gefolgert werden kann, dass die vielen Gründe der Hoffnung, die das Neue Testament kennt und nennt, als verschiedene Aspekte des einen Grunds aufzufassen sind. Mit HANS WEDER kann pointiert zusammengefasst werden: „Neutestamentlich kommt als Grund der Hoffnung weder eine Befindlichkeit menschlichen Existierens noch ein antizipatorisches Ausgestrecktsein auf das Noch-Nicht in Frage. Die Hoffnung gründet sich vielmehr auf das, was schon jetzt gilt, freilich nicht im Sinne einer konstatierbaren Faktizität, sondern im Sinne der unter den Bedingungen der Weltlichkeit wahrnehmbaren Wirklichkeit Gottes. Sofern Christus das Gepräge der Wirklichkeit Gottes trägt, ist er zugleich der tragende Grund für die Hoffnung auf die Offenbarung der Wahrheit Gottes. Deshalb hat die Hoffnung im Sinne des Neuen Testaments keinen anderen Grund als Gott selbst.“ 526 Einzig auf diese Weise ist auch begründet verständlich zu machen, wie christliche Hoffnung „Hoffnung gegen alle Hoffnung“ (Röm 4, 18), d.h. Hoffnung gegen den offensichtlichen Augenschein, sein kann. „Gerade, weil die Hoffnung gegen den Augenschein hofft, wird sie im Urchristentum durch Bilder der Natur und durch Einbettung in den Kosmos plausibel gemacht.“ 527 Das fünfte Kapitel des Römerbriefes kann darüber hinaus als paradigmatischer Hoffnungstext bezeichnet werden, weil daran beispielhaft abgelesen werden kann, warum Standhaftigkeit, Geduld und Bewährung in der Anfechtung zu den Grundtugenden der Hoffnung gezählt werden. 528 Thematisch bewegen wir uns im Kontext der Frage nach der Bewältigung von Leiden durch die Christus-Hoffnung, ineins damit aber auch der Frage nach der Aktivität und / oder Passivität christlicher Hoffnung. Als äußerst aufschlussreich für den Kontext der vorliegenden Fragestellung kann nun gelten, dass für Paulus aus der christlichen Hoffnung nicht allein ein (passives) geduldiges Ertragen des Leidens zum 523 Vgl. ebd. 488. 524 Eine Spiritualität der Hoffnung, soweit diese im Rahmen dieser Arbeit Erwähnung finden soll, könnte davon ausgehen, dass der Hoffende auf dem Grund der Hoffnung Gott als Liebe zu gewärtigen hat und somit Grund und Ziel in einer Verschränkung zu denken sind. Vgl. auch ebd., 489: „Insofern bleibt die Hoffnung ganz im Raum der Liebe: Sie ist begründet durch die bereits geschehene Liebe und sie hofft auf nichts anderes als auf die der Liebe eigene Zukunft.“ Vgl. dazu mit spiritualisierender, d.h. die Hoffnungsstrukturen eher verdeckender Tendenz SCIOLI, A. / BILLER, H.B., Hope in the Age of Anxiety, Oxford 2009. 525 Vgl. 1 Joh 4,16b-19: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm. Darin ist unter uns die Liebe vollendet, dass wir am Tag des Gerichts Zuversicht haben. Denn wie er, so sind auch wir in dieser Welt. Furcht gibt es in der Liebe nicht, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht. Denn die Furcht rechnet mit Strafe, und wer sich fürchtet, dessen Liebe ist nicht vollendet. Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.“ 526 Vgl. ebd. 489. 527 Vgl. THEIßEN, Die Weisheit des Urchristentums, 27. THEIßEN weiter: „Um die Hoffnung zu stärken, formuliert Jesus Wachstumsgleichnisse: Trotz unscheinbarem Anfang entsteht aus dem Saatkorn am Ende etwas Großes (Mk 4,26-29). 528 Damit sind Haltungen angesprochen, wie sie später im Rahmen der anthropologischen Fundierung der Hoffnungskategorie als (psychische) Schutzfaktoren vor Versehrungen, als Bewältigungskompetenz, etc. wiederzufinden sein werden. Vgl. auch SCHMID, J., Der Begriff der Seele im Neuen Testament, in: RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI.] / FRIES, H. (HRSG.), Einsicht und Glaube, Freiburg im Breisgau 1962, 119-131. 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung <?page no="242"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 242 Ausdruck bringt, „sondern auch die Standhaftigkeit im Guten“ 529 . Nicht nur eine (passive) Bewährung im Leiden, sondern auch eine (aktive) Bewährung in der Standhaftigkeit und damit im Guten kommt in der Perikope zum Ausdruck. Damit kann dem Leiden das letzte Wort genommen werden, kann ihm getrotzt werden, nicht allein in erduldender, sondern auch in tätiger und bewältigender Weise. „Dadurch, dass sich die Leidenden nicht aus der Bahn werfen lassen, sondern in ihrem guten Leben beharren, wird die Macht der Leiden relativiert und ihre Überwindung antizipiert. Deshalb gehört die Hoffnung zu ihrem Gefolge.“ 530 So kann christliche Hoffnung, wie sie PAULUS im Römerbrief versteht, zu den Ermöglichungsbedingungen aktiver Leidbewältigung gezählt werden. 531 Anzufügen ist an dieser Stelle, dass christliche Hoffnung zwar nicht auf einer Befindlichkeit oder einem antizipatorischem Geschehen gründet, aber sich wohl ohne dergleichen auch nicht vollziehen kann, will die Wirklichkeit Gottes unter den Bedingungen der Weltlichkeit überhaupt wahrgenommen werden können. Dieses Gewahrwerden aber ist dann notwendig qualifizierbar, was den anthropologischen Kontext bzw. den handlungstheoretischen Rahmen betrifft. Daher kann die Zustimmungsfähigkeit zu den ansonsten sehr konzisen Äußerungen von HANS WEDER an der Stelle zumindest in Frage gestellt werden, nach der er wissen will, „dass es sich bei der Hoffnung nicht um eine existentielle Befindlichkeit des Menschen handeln kann“ 532 . Dagegen ist zu argumentieren, dass Paulus hier streng theologisch über den Grund der Hoffnung spricht, wohingegen WE- DER gerade von dieser dezidiert theologischen Rede abweicht, wenn er daraus eine Aussage über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer existentiellen Befindlichkeit des Hoffenden glaubt ableiten zu können 533 . Das Neue Testament will mitnichten eine Antithese formulieren zwischen den auf dem menschlichen Gottesbezug rekurrierenden Begründungsfragen christlicher Hoffnung und den auf dem Selbstbezug des Menschen basierenden Fragen nach Voraussetzung und Vollzug dieser Hoffnung, sondern erstere klar hervorheben unter Voraussetzung und Annahme letzterer, sonst könnte nicht von einer geschichtlichen Manifestation der Wirklichkeit Gottes geredet werden, die sich dann ihrerseits einer anthropologischen Basis aufseiten des Menschen bedient. Mit anderen Worten: Ohne die theologischen Begründungsfragen damit zu gefährden, 529 Vgl. ausführlich BIERINGER, R., Aktive Hoffnung im Leiden. Gegenstand, Grund und Praxis der Hoffnung nach Röm 5,1-5, in: Theologische Zeitschrift 51 (1995), 305-325, hier 324. 530 Vgl. BIERINGER, Aktive Hoffnung im Leiden, 324-325. 531 Vgl. ebd. 325. „Hoffnung ist in Röm 5,1-5 somit nicht passives Abwarten bis zur Erfüllung ihres Gegenstandes, noch ist sie, wie in der existentialen Interpretation, auf die beinahe restlose Antizipation in die Gegenwart eingeengt. Wie das Lebensbeispiel des Paulus selbst zeigt, entlastet sein Hoffnungsbegriff nicht von der Sorge um die Zukunft, sondern setzt Kräfte frei, auch im Angesicht von Leid und Bedrängnis nicht für sich selbst zu leben, sondern für den, der für uns starb und auferstand, und mit ihm für alle, die ihm gehören (vgl. II Kor 5,14-15; Röm 14,7-8).“ Vgl. auch mit ausführlicher Bibliographie THEOBALD, M., Der Römerbrief, Darmstadt 2000, insbesondere 250-258. 532 Vgl. WEDER, Hoffnung II, 489. 533 Vgl. LINK, Hoffnung, 1164ff., der besonders darauf hinweist, dass die spätere existenzphilosophische und existenztheologische Bearbeitung der Hoffnung in der Neuzeit, beispielsweise bei SÖREN KIERKEGAARD und MARTIN HEIDEGGER, diese gerade auf eine existenzielle Befindlichkeit des Subjekts reduzieren würde, ersterer im Sinne einer „Existenzhaltung gegenüber dem Ewigen in der Gegenwart“, letzterer im Sinne eines „erhebenden Gestimmtseins des Daseins“, wobei die biblischen Vorgaben hier einseitig akzentuiert bzw. eindeutig verlassen wurden. <?page no="243"?> 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung 243 muss sich christliche Hoffnung zweifelsohne im Rahmen einer strukturell zu qualifizierenden Anthropologie realisieren. Im Rahmen dieses streng theologischen Hoffnungsbegriffes müssen nun auch die theologischen Konsequenzen einer Abwesenheit dieser Hoffnung reflektiert werden, dabei werden Hoffnungslosigkeit und Gottlosigkeit als identisch gesetzt. Deswegen kann dann von den „anderen“ ( οἴ λοιποί; 1 Thess 4,13), wohl als die Nicht-Christen zu verstehen, gesagt werden, dass sie nicht nur gottlos, d.h. ohne den Gott Jesu Christi, sondern auch ohne Hoffnung seien. Diese Aussagen müssen aber, es sei erneut erwähnt, strikt auf den sie tragenden Grund bezogen gedacht werden und dürfen nicht als negative anthropologische Aussagen missverstanden werden. Wenn von den sogenannten ‚Heiden‘ (vgl. Eph 2, 12) ausgesagt wird, sie seien ohne Hoffnung, dann wird damit nicht zum Ausdruck gebracht, sie kennten das Phänomen der Hoffnung gar nicht, sondern ihre ‚Hoffnungen‘ sind nicht auf den letzten Grund aller Hoffnung bezogen, wie ihn die Christen zu verstehen gelernt haben. Damit werden die Hoffnungen der ‚Heiden‘ als grundlos und „leer“ entlarvt. Was sich hier andeutet, ist nicht nur (1) eine Vertiefung der Begründung von sich auf das Christusgeschehen beziehender Hoffnung, sondern auch (2) eine Neuakzentuierung und Neuausrichtung dessen, was die Inhalte der Hoffnung selber betrifft, beispielsweise, wenn der Hoffnung auf die trügerischen Versprechungen des Reichtums die Mahnung, allein auf Gott zu hoffen, entgegengestellt wird (vgl. 1 Tim 6, 17). Kreuzestheologisch gewendet hat die Identifikation von Gottlosigkeit und Hoffnungslosigkeit eine für die vorliegende Arbeit entscheidende Konsequenz: Christus kann auch insofern als der Menschen Hoffnung bzw. als Grund der Hoffnung bezeichnet werden, als er am Kreuz die gottlose Hölle der Hoffnungslosigkeit restlos durchschritten und überwunden hat, so dass es für den Menschen im Glauben keinen Ort oder Zustand bar jeglicher Hoffnung auf Zukunft geben kann - Jesus Christus ist als Gekreuzigter und Auferstandener immer schon anwesend und vermag kraft seiner Person Hoffnung auf Zukunft und damit auf Leben zu vermitteln. Wird nun die Perspektive auf eine mögliche Gesamtschau der neutestamentlichen Schriften geweitet, um deren Leistungen in den Blick nehmen zu können, so ist mit HANS WEDER gesprochen gleichsam eine (theologische) „Reinigung des Hoffnungsbegriffs“ 534 festzuhalten, die an verschiedenen Stellen auszumachen ist, aber ihren Höhepunkt klar in der paulinischen Theologie hat. In das Umfeld und den Zusammenhang dieses als Reinigung bezeichneten Vorgangs bzgl. der Hoffnungsterminologie im Neuen Testament ist sowohl die (positive) Bedeutung enttäuschter Hoffnungen zu rechnen, als auch einige wenige spezifische adjektivische Abgrenzungen des Phänomens: Der Evangelist Lukas schildert beispielsweise die Hoffnung des HERODES, ein Zeichen von Jesus sehen zu können, wird aber darin von Jesus selber enttäuscht (vgl. Lk 23,8), mit der Folge, dass er über Jesus spottet und im Kampf gegen Jesus zum Freund des Pilatus wird (vgl. Lk 23,12). Vergleichbar erzählt die Perikope um die Emmausjünger von deren Hoffnung auf „politische Erlösung“ Israels (vgl. Lk 24,21), die von der Erscheinung des 534 Vgl. WEDER, Hoffnung II., 489. Auf spätere moraltheologische Spekulationen bzgl. der Notwendigkeit, die Hoffnung vom Egoismus zu „reinigen“ (vgl. J. DUNS SCOTUS, SUÁREZ) kann hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu ENGELHARDT, P., Hoffnung II. Überlieferung / III. Systematische Ausgestaltung bei Thomas v. Aquin / IV. Weitere Entwicklungen / V. Heutige Fragen einer Theologie der Hoffnung / VI. Praktische Folgerungen (Art.), in: HÖFER, J. / RAHNER, K. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche (LThK 2 ) Bd. V, Freiburg im Breisgau 1960, 418-424. <?page no="244"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 244 Gekreuzigten radikal enttäuscht worden ist. Gerade die Enttäuschung solcher Hoffnung aber gehört zum positiven Werk des Gekreuzigten, sie musste enttäuscht werden, da sie die Jünger daran hinderte, den Auferstandenen zu sehen (vgl. Lk 24,25f.35). Ungeachtet der Spekulation von HANS WEDER, nach der beide Stellen nicht zufällig im Umkreis des Kreuzes Jesu anzutreffen sind, ist für diesen Zusammenhang entscheidend: „Gerade das Kreuzesgeschick Jesu bedeutet gleichsam eine Krise aller Hoffungen, und fortan kann nur jene Hoffnung bestehen bleiben, die sich am Gekreuzigten bewährt.“ 535 Was hier mithin anklingt, ist der Versuch, auf erzählerischem Wege eine christologische Erklärung dafür zu formulieren, warum es buchstäblich sinnvoller sein kann, die eine Hoffnung fahren zu lassen bzw. in dieser Hoffnung enttäuscht zu werden um einer anderen, größeren, „sichereren“ (vgl. 2 Kor 2,16b) Hoffnung willen. Es könnte auch vorsichtig von einem ideologiekritischen Potential gegenüber der Bildung trügerischer und falscher Hoffnungen gesprochen werden, die gerade dann entlarvt, enttäuscht, destruiert und daraufhin neu orientiert, neu gebunden und motiviert werden, wenn eine Begegnung mit dem Hoffnungs-Potential stattfindet, das in der Gestalt Jesu Christi personifiziert wird. 536 Der Weg zur „reinen“ Hoffnung ist mithin ein Weg, der von der (Destruktion der) Illusion zu einer auf die Wirklichkeit zurückgeführten Hoffnung führt. Der Mensch lebt in der Dialektik von Verlust alter Hoffnung und Aneignung neuer Hoffnung. Gleichsam einen kritischen Umgang mit dem Phänomen der Hoffnung im Sinn, sucht das Neue Testament schließlich durch adjektivische Abgrenzungen der einen von der anderen Hoffnungsform dem Bedürfnis nachzukommen, die ‚wahre‘ Hoffnung von der ‚trügerischen‘ zu unterscheiden. Dazu gehört die Rede von der „guten Hoffnung“ ( αγαθή ), der von Gott in Christus gegebenen Hoffnung (vgl. 2 Thess 2,16), die insofern als gut betrachtet ist, als sie verlässlich ist und zum Guten führt, wohingegen trügerische Hoffnungen gerade enttäuscht werden (müssen). 1 Petr 1,3 spricht darüber hinaus von der „lebendigen Hoffnung“ ( ζῶσα ), die, neben der erneuten Bedeutung des (ewigen) Lebens als Hoffnungsziel, auch darauf abhebt, dass die Hoffnung selber lebendig ist bzw. macht und ihrerseits Gewissheit besitzt. Ähnliches dürfte die Bezeichnung „glückselige Hoffnung“ ( μακαρία ) anvisieren, die in Tit 2,13 zwar die erhoffte Glückseligkeit mit im Blick hat, aber auch die Glückseligkeit der Hoffnung selber betont. Interessant ist nun, dass die adjektivische Qualifizierung der Hoffnung auf diese drei Stellen begrenzt ist, was nicht nur auf den Versuch schließen lässt, wahre von falscher Hoffnung zu unterscheiden, 535 Vgl. WEDER, Hoffnung II., 489. 536 Die geschilderten Erfahrungszusammenhänge lassen sich strukturell an vielen Stellen im Kontext religiös-aszetischer oder säkular gedeuteter existenzieller Entwicklungen und Reifungsprozessen wiederfinden, wobei exemplarisch auf die sogenannte „geistliche Begleitung“ hingewiesen werden soll, die (insbesondere in ihrer ignatianischen Ausrichtung) regelrecht auf die Erfahrung von Verlust und transformierte Wiederaufrichtung der vormals selbstbegründeten und später aus der Gottesrelation sich ableitenden personalen Identität lebt. Vgl. systematisch SCHAUPP, K., Gott im Leben entdecken. Einführung in die geistliche Begleitung, Würzburg 3 1996. Vgl. als paradigmatische Quelle LOYOLA, I.V., Geistliche Übungen, nach dem spanischen Autograph übersetzt von KNAUER, P. SJ, Würzburg 2 1999. Auf das Hoffnungsthema gewendet bedeutet das, dass es zur spes christiana gehört, den Menschen im Rahmen seiner conditio humana immer wieder zur Realisierung je größerer (bzgl. des humanen Potentials) und „reinerer“ Hoffnung mit dem prozesshaften Verlust von bestimmten Hoffnungen zu konfrontieren, was vielfältige Anpassungsmechanismen nötig macht in Abhängigkeit von der Ganzheitlichkeit und der existentiellen Bedeutung der relevanten Hoffnungen. <?page no="245"?> 245 sondern auch auf eine Verschiebung innerhalb der neutestamentlichen Hoffnungstheologie selber hinweist, nach der die Verlässlichkeit der Hoffnung zuerst durch ihren Inhalt oder ihren Grund zustande gekommen gedacht wurde, diese hier aber zur Eigenschaft zum und Attribut der Hoffnung selber geworden ist. Diese Beobachtung entspricht der schon erwähnten Tendenz, an die Stelle des Aktes der Hoffnung die Reflexion auf den Status bzw. auf das Hoffnungsgut zu setzen. Seine „reinste“ Form erreicht der Hoffnungsgedanke schließlich in den paulinischen Briefen, nach denen der (spätere) Apostel eine Hoffnung, die sich auf das weltliche bezieht, von der Hoffnung, die auch im Angesicht des Todes ihre Geltung und Gültigkeit behält, unterscheidet. Für Paulus hat jene Hoffnung „in Christus“ nur insofern Gegenwartsrelevanz, als sie nicht nur dieses irdische Leben zum Ziel hat, so dass nur jene Hoffnung wirklich maßgeblich ist, die im Sterben gleichermaßen gilt: Die Hoffnung auf die Auferweckung aus dem Totenreich, welche ihrerseits in der Auferweckung Jesu gründet (vgl. 1 Kor 15,20-22). „Solange die Hoffnung im Bereich des weltlich Möglichen bleibt, ist sie noch nicht zur Reinheit gekommen. Rein ist sie erst, wenn sie die Wirklichkeit Gottes zum Inhalt hat.“ 537 Als klassisches Beispiel können die Reflexionen des Römerbriefes über Abraham gelten, wonach Abraham gegen alle Hoffnung (auf der Basis von Indizien) durch (reine) Hoffnung daran glaubte, Vater vieler Völker zu werden (vgl. Röm 4,18). Die beiden hier aufeinanderprallenden Bedeutungen von Hoffnung sind offensichtlich: Erstere setzt auf das, was im Bereich begründeter menschlicher Hoffnung liegt, welche sich auf das Abschätzen des zu Erwartenden stützt. Die Hoffnung Abrahams dagegen stützte sich allein auf die Wirklichkeit des Schöpfers und des Totenauferweckers, welche auf das Unerwartete setzt und damit zur Gestalt „reiner“ Hoffnung gefunden hat. 538 In Röm 8,24 schließlich bringt Paulus das sachlich identische Argument vor, wenn er der Hoffnung auf das Sichtbare diejenige auf das Unsichtbare gegenüber gestellt, sodass eine Erwartung, die sich auf Sichtbares und Abschätzbares bezieht, den Namen Hoffnung noch nicht verdient. Allein dort, wo die unsichtbare Wirklichkeit Gottes die Grundlage bildet, kann von Hoffnung im eigentlichen Sinne geredet werden, die dann ihrerseits auf zwei Anhaltspunkten beruht und nicht grundlos postuliert wird: (1) Jesus blieb nicht dem Tode überlassen; und (2), dass die Schöpfung (ex nihilo et continua) existiert. Mit anderen Worten: die „reine“ Hoffnung bezieht sich auf den Gott, dessen Wesen es ist, schöpferisch zu wirken, quasi aus dem Nichts etwas zu schaffen und dabei sogar Tote wieder ins Leben zu rufen. Soll das Thema der Hoffnung im Neuen Testament in einer Art Zusammenschau bzgl. der ihr eigenen „Objekte“ betrachtet werden, dann zeigt sich ein breites Spektrum an Inhalten, Gegenständen und Objekten je nach Ursprungskontext. Unter den theologisch-soteriologischen Objekten, auf die sich Hoffnung richtet, sind zunächst Gott (Röm 15,13; 2 Kor 1,10; 1 Tim 4,10; 5,5; 1 Petr 1,13.21), das Reich Gottes (Mk 15,43 Par.), Got- 537 Vgl. WEDER, Hoffnung II, 490. 538 Als aktuelles Beispiel für die Rezeption der alt- und neutestamentlichen Hoffnungstheologie bzgl. Abraham kann ein Aufruf des im Umkreis der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung angesiedelten Bischofs DOM HELDER CAMARA dienen, der zur Vereinigung der „abrahamitischen Minderheiten“ aufgerufen hatte und damit gerade diejenigen Menschen zur Entwicklung christlicher Hoffnung aufgerufen hat, die gemessen an ihrer alltäglichen Situation keinerlei Indiz für eine Besserung ihrer Lebenssituation ausmachen konnten - aber trotzdem Grund zur Hoffnung hatten, was sie in der Deutung DOM HELDER CAMARAS mit der Situation des ABRAHAM gleichzeitig werden ließ. 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung <?page no="246"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 246 tes Verheißung (Apg 26,6) und der Tag Gottes (2 Petr 3,12) zu nennen, ferner Jesus Christus, sein irdisches Wirken, seine Parusie (Lk 8,40; 12,36.46 Par.; 1 Kor 1,7; Phil 3,20f.; 1 Thess 1,10; Kol 1,27; 1 Tim 1,1; Hebr 9,28; 1 Petr 1,13 u.a.), der Messias und seine Herrschaft (Lk 2,25.38; 3,15; Röm 8,19), aber auch Heilsmittler und besondere endzeitlich-eschatologische Gestalten (Mt 11,3 Par.; Röm 8,19). Entscheidend ist dabei aber, dass christliche Hoffnung immer aus der Dialektik lebt, dass das Erhoffte schon gegenwärtig und damit erfahrbar, aber noch nicht vollständig realisiert ist: „Die Hoffnung des Christen hat somit den Besitz der Güter zum Gegenstand, die zum Reich Gottes gehören und die, wie dieses, zugleich gegenwärtig und zukünftig sind (Röm 8,24). ‚Denn auf Hoffnung sind wir gerettet‘ (ebd.) [...].“ 539 Auffällig ist im Rahmen dieses Vergleiches der neutestamentlichen Schriften bzgl. der Gegenstände der Hoffungskategorie, dass bei PAULUS tendenziell Jesus in den Vordergrund, Gott dagegen eher in den Hintergrund tritt, wiewohl er auch dann der Grund der Hoffnung bleibt, während in den späteren neutestamentlichen Schriften wieder Gott selbst in den Vordergrund gerückt wird. Unter den Inhalten, die sich auf Rettung und Heil beziehen, sind nun insbesondere die Herrlichkeit zu nennen, die Auferstehung der Toten, die Verwandlung des Leibes, die Auferstehung der Toten, das ewige Leben (Apg 24,15; 26,6f.; Röm 5,2; 2 Kor 3,12; Phil 1,20; 1 Thess 4,13; Kol 1,27; Tit 1,2; 3,7 u.a.), die Rettung im Endgericht (z.B. 1 Thess 1,10; Hebr 10,27; 2 Petr 3,12), Gerechtigkeit (Gal 5,5), Sohnschaft (Röm 8,23), aber auch neuer Himmel und neue Erde (2 Petr 3,13). PAULUS spricht auch im Sinne dieser Bündelung von Heilsbegriffen (vgl. auch Eph 1,18; 2 Thess 2,16) vom „Hoffnungsgut“ (Gal 5,5; Kol 1,5) und von der „einen“ Hoffnung (Eph 4,4), sporadisch an herausragender Stelle auch in chiffreartigen, kurzen und absoluten Aussagen (Röm 15,13; Kol 1,5; 1 Petr 3,15). Trotz der Vielfalt der zu beobachtenden Inhalte neutestamentlicher Hoffnung bleibt das Reich Gottes (vgl. Gal 5,21) zentraler Inhalt, ebenso die Rettung aus dem Gericht (vgl. Röm 5,9f.), die Auferweckung der Toten (vgl. 1 Kor 15,21) und die Offenbarung Gottes, Christi und der neuen Menschheit (vgl. Röm 8,17ff.). Im Mittelpunkt steht hier immer das Heilshandeln Gottes in Jesus Christus, was systematisch zugespitzt bedeutet, das sich im Medium der Hoffnung das Heilshandeln Gottes vermittelt. H.-G. LINK schreibt sehr schön über die Konsequenzen aufseiten des Menschen: „Diese Hoffnung auf die Zukunft des Reiches Gottes führt nicht zur Weltflucht, sondern ermöglicht die Annahme der gegenwärtigen Wirklichkeit mit deren Widersprüchen und deren schrittweiser Veränderung durch die Antizipation der verheißenen Freiheit, Gerechtigkeit und Lebensmacht in leiblichem Gehorsam.“ 540 Im Grunde werden hier alle wesentlichen Inhalte aus dem depositum fidei zum Gegenstand der Hoffnung gemacht, was bzgl. den strukturellen Voraussetzungen darauf deuten könnte, dass die Inhalte zwar flexibel austauschbar sind, aber aus moraltheologischer Perspektive keineswegs vergleichbar sind, da allein die ratio fidei die Hoffnung zur Entfaltung der ihr inhärenten Möglichkei- 539 Vgl. IMSCHOOT, P. VAN, Hoffnung (Art.), in: HAAG, H. (Hrsg.): Bibel-Lexikon, Einsiedeln / Zürich / Köln 2 1968, 747. Damit ist christliche Hoffnung immer schon in der Gegenwart angekommen, führt regelrecht in diese ein und ist in diesem Sinne - mit äußerster Vorsicht formuliert und auch nur soweit sie ihren Bezug auf die Teilhabe an der von Jesus Christus vollzogenen Erlösung nicht verliert - buchstäblich „realistisch“, ist aber zugleich nicht von den in ihr anzutreffenden Indizien, die für oder gegen sie sprechen könnten, abhängig: „Darum kann sie nicht zuschanden werden (Röm 5,5) und ist eine Quelle der Freude (12,12), des Freimuts (2 Kor 3,12) und des Rühmens (11,17, vgl. Röm 5,2, Hebr 3,6).“ Vgl. IMSCHOOT, Hoffnung, 748. 540 Vgl. LINK, Hoffnung, 1160. <?page no="247"?> 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung 247 ten öffnet, indem sie den Hoffenden „nicht zuschanden werden lässt“ (vgl. Röm 5,5). Die hier implizit angesprochene strukturelle Offenheit menschlicher Hoffnung bzgl. der ihr eigenen Inhalte - wohlgemerkt auf dem Hintergrund der Suprematie christlichen Hoffens - ist ein möglicher Grund für ihre ‚Verführbarkeit‘ durch letztlich trügerische Hoffnungsinhalte. Nach den „Subjekten“ der Hoffnung im Neuen Testament gefragt, lässt sich ein Spektrum benennen, das von Einzelpersonen über menschliche Gruppen bis hin zu umfassenden (schöpfungstheologischen) Aussagen reicht, z.B. SIMEON, PAULUS, die Korinther, Juden, Heiden, Christen und Nichtchristen. Selbst von Jesus und Gott wird berichtet, sie seien Hoffende (vgl. Hebr 10,13; 1 Petr 3,20) und mit Röm 8,19ff. kann sogar gesagt werden, dass die Schöpfung, d.h. alles Geschaffene qua Geschaffenes, „hofft“, da sie unter den Folgen des sogenannten Falls zu leiden hat, sich selber aber nicht von Gott lossagte. Insbesondere der Hebräerbrief legt in seiner (judenchristlichen) Theologie der Hoffnung großen Wert darauf, ‚begründete Hoffnung‘ nicht allein als individuell-eschatologische Auferweckung der Gestorbenen (Hebr 6,2) auszuweisen, sondern ganz besonders als kosmische „Weltvollendung“ 541 , symbolisiert durch die Zion- Orientierung, die neue Stadt Jerusalem und eine eschatologische Sabbatfeier. Mit anderen Worten: Nicht vorrangig Enthüllung, sondern Erfüllung kennzeichnet christliche Hoffnung 542 , ein wichtiger Unterschied, der zur Voraussetzung hat, dass es Erfüllungsgestalten gibt, auf die hin Vollendung sich vollzieht und an denen im Status der Unerlöstheit Vollendung stattfindet. 543 Damit sind die Hoffnungsräume von Welt und Mensch in ihrer Gänze umschrieben. Ekklesiologisch gewendet wird letztlich auch die Kirche als „Hoffnungsgemeinschaft“ zu bezeichnen sein und das pilgernde Gottesvolk als Subjekt (christlicher) Hoffnung genannt werden können. „Das wandernde Gottesvolk […] schaut so nicht nur auf das kommende Heil aus, es partizipiert schon an diesem jetzt im Erhöhten im Himmel bereits gegenwärtigen Heil.“ 544 Nicht allein eine subjektive Haltung wird damit bezeichnet, sondern eine subjektive Aneignung durch objektive „Ermächtigung zur Zuversicht“ 545 , ein Ergreifen einer geschenkten Zuversicht 546 eben. Hier, wie so 541 Vgl. KLAPPERT, B., Begründete Hoffnung und bekräftigte Verheißung. Exegetischsystematische Erwägungen zur Eschatologie des Hebräerbriefes, in: HEß, R. / LEINER, M. (Hrsg.), Alles in allem. Eschatologische Anstöße (FS C. JANOWSKI zum 60. Geburtstag), Neukirchen-Vluyn 2005, 447-474, hier 471. 542 Vgl. MOLTMANN, J., Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur Begründung und zu den Konsequenzen einer christlichen Eschatologie, Gütersloh 13 1997, 208ff. 543 Vgl. auch GLÖCKNER, R., Die Wunder Jesu. Herausforderung des Glaubens - Zeichen der Hoffnung, Freiburg im Breisgau 1982, 14. „Die Evangelien überliefern die Wundergeschichten nicht, um ein paar merkwürdige Sensationen aus früheren Zeiten zu berichten. Für sie sind diese Ereignisse wichtig, weil sie über den damaligen Augenblick hinaus schon die endgültige Zukunft von Welt und Mensch aufleuchten lassen. Durch charakteristische Zeichenhandlungen hat Jesus gemäß ihrer Darstellung die kommende Verwandlung der Welt vorweg erhellt. Uns soll dadurch eine Ahnung vermittelt werden, was wir aller gegenwärtigen Bedrängnis zum Trotz für die Zukunft von Jesus erhoffen dürfen.“ 544 Vgl. MÄRZ, C.-P., „Geschenkte und ergriffene Zuversicht“. Der Hebräerbrief im Bemühen um Gewissheit des Glaubens, in: HONNEFELDER, L. (Hrsg.), Die Einheit des Menschen. Zur Grundfrage der philosophischen Anthropologie, Paderborn 1994, 141-155, hier 154. 545 Vgl. MÄRZ, „Geschenkte und ergriffene Zuversicht“, 154. 546 Vgl. Hebr 10,35: Werft also eure Zuversicht nicht weg, die großen Lohn mit sich bringt. Was ihr braucht, ist Ausdauer, damit ihr den Willen Gottes erfüllen könnt und so das verheißene Gut erlangt. <?page no="248"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 248 oft, gibt sich Hoffnung als Brückenkategorie zu erkennen, die subjektive und objektive, individuelle und kollektiv-kosmische, irdische und transzendente Komponenten des Heilsangebots und seiner Verwirklichung medial vermittelt und dadurch (handlungs-) praktisch werden lässt. Eine jede Praxis der (christlichen) Hoffnung ist auf diese Weise Ausdruck parakletischer Theologie. Dabei können erstaunliche aber folgerichtige Parallelen zur hier vorgeschlagenen Hoffnungssystematik ausgemacht werden, die die Hoffnung (handlungstheoretisch interpretiert) als mobilisierende Brückenkategorie freizulegen versucht. So kann etwa der Heilige Geist (pneuma), der Paraklet bzw. die ruach bezeichnet werden als „Kraft der Integration, als Brücke zwischen Gott und Welt, oben und unten, die Gegensätze miteinander verbindet“ 547 . Dabei ist sie als Kraft zu verstehen, „die sich bewegt und vor allem, anderes in Bewegung setzt“. Ein Blick auf den nachpaulinischen Sprachgebrauch zeigt insgesamt in einer weiteren Entwicklungslinie eine Tendenz zur Individualisierung und Objektivierung im Bezug auf die Verwendung der Hoffnungskategorie, die sich darin zeigt, dass die Auferstehung der Einzelnen gegenüber der ursprünglichen Orientierung am Gottesvolk bzw. Weltende betont wird und die sich auch an der stärkeren Hervorhebung des Hoffnungs-Gutes (vgl. Kol 1; 2 Tim 1,1; Tit 2,2) beobachten lässt. „Neben der zeitlichen Bestimmung der Hoffnung tritt der Raumaspekt stärker hervor (Kol und Eph! ). Der Begriff kann sich so ausweiten, dass er das Ganze des christlichen Seins bezeichnet und praktisch mit dem Begriff des Glaubens zusammenfällt (1 Petr 1,3ff.21; 3,15). Dieselben Tendenzen (Hoffnung als zeitloses Gottvertrauen, Annäherung an den Begriff der πίστις ) sind auch bei den Apostolischen Vätern festzustellen […].“ 548 Der ursprüngliche Ansatz aber wird jenseits der in zeitlicher und räumlicher Dimension entfalteten Begrifflichkeit in der Bindung der Hoffnung an die Parusie Christi gesucht werden müssen (vgl. Tit 2,13), was für den Verlauf der Argumentation der vorliegenden Arbeit festzuhalten und an gesonderter Stelle wieder aufzugreifen bleibt. Auch wenn nun HANS WEDER der (reinen) neutestamentlichen Hoffnungsterminologie eine „gewisse Abstraktion“ 549 bescheinigt, wenn nicht sogar ankreidet, und daraus folgert, „dass die neutestamentlichen Schriften eine merkwürdige Kargheit an den Tag legen, wenn es um die Hoffnungsinhalte geht“ 550 , lässt er sich sogar zu einer Warnung hinreißen, nach der alles, was über solche Abstraktion hinausgeht, wegführen könnte von der reinen (christusbezogenen Auferstehungs-) Hoffnung. Dem ist zu erwidern, dass Paulus vorrangig apologetisch, mitunter begründungstheoretisch argumentiert, mit Blick auf den Status der sich auf das Christusgeschehen gründenden Hoffnung. Davon ist für die vorliegende Arbeit ein spezifisch moraltheologisches Interesse zu unterscheiden, nach dem die konkrete Lebensführung aus derjenigen Hoffnung, „auf die hin“ (vgl. Röm 8,24) wir gerettet sind, im Zentrum der Aufmerksamkeit steht und die damit vorwiegend die Handlungspraxis und deren Bedingungen in den kritischen Blick zu nehmen gewillt ist. Die „kritische Tendenz gegen innerweltliche Veranschaulichung“, die mit CONZELMANN gesprochen, der neutestamentlichen Hoffnungsterminologie eigen ist, soll nicht bestritten werden, wohl aber soll der Tendenz der beiden Autoren entge- 547 Vgl. SCHLÜNGEL-STRAUMANN, H., Heiliger Geist / Pneumatologie (Art.). A. Biblisch, in: EICHER, P. (Hrsg.), Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe Bd. 2, München 2005, 103- 108, hier 105 für beide Zitate. 548 Vgl. CONZELMANN, Hoffnung, 418. 549 Vgl. WEDER, Hoffnung II, 490. 550 Vgl. ebd. 490. <?page no="249"?> 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung 249 gengetreten werden, als führte jegliche Konkretion der Hoffnung unterhalb der Hochform christlicher Auferstehungshoffnung schon von dieser weg, statt Ausdruck und Teil derselben zu sein. Nicht von ungefähr muss CONZELMANN wenig später auf dieser Linie konstatieren: „Ihre Begründung erfährt sie nicht durch einen Gottesbegriff, sondern durch die geschichtliche Manifestation des Gottes, der die Toten erweckt (2 Kor 1,9f.), in Christus.“ 551 Um aber geschichtlich manifest werden zu können, hat christliche Hoffnung auf eine ontische Basis zurückzugreifen, auf strukturell-anthropologische Komponenten ihres Selbstvollzuges. Es muss mithin auch vom Akt der Hoffnung geredet werden (dürfen), nachdem der Status der Hoffnung hinlänglich geklärt scheint, gerade um die strukturellen Voraussetzungen des handelnden Vollzugs dieser Hoffnung ermöglichend reflektieren zu können. Dabei sind insbesondere die Bedingungen der Möglichkeit für die erwähnte geschichtliche Manifestation aufseiten des Menschen anvisiert. Im Rahmen einer Darstellung der neutestamentlichen Verwendung der Hoffnungsterminologie und einer sich daran anschließenden systematischen Bewertung darf eine Erörterung der triadischen Formel „Glaube, Hoffnung und Liebe“ (vgl. z.B. 1 Kor 13,13) nicht fehlen, zumal diese später unter dem Stichwort der drei göttlichen Tugenden und damit an hervorgehobener Stelle Eingang in den tugendethischen Traktat abendländischer Moraltheologie gefunden hat. 552 Ursprünglich wurde dabei die vorpaulinische dyadische Formel „Glaube und Liebe“ (1 Thess 1,3; 5,8) zur bekannten triadischen Formel erweitert, womit der Hoffnung ein fester Platz zugewiesen wurde. Die Hoffnung als Erwartung der (kommenden) Vollendung des Heils und der Glaube bzw. die Glaubenserfahrung ihres Beginns in der Person Jesu stehen nach Paulus 553 in einem unlöslichen Zusammenhang (vgl. Röm 4,18; Kol 1,4.23; Hebr 6,11f.; 10,22f.35f.39); auch der Glaube richtet sich dabei auf das dem Menschen von Gott her Zukommende (vgl. Gal 3,11; Röm 1,17; 6,8; 2 Kor 4,13f.; 1 Thess 4,14), wobei diesem wohl im Kontext der Triade von Glaube, Hoffnung und Liebe der hermeneutische Primat zu kommt. „Glaube ist insofern Voraussetzung der Hoffnung, als er durch Annahme der Botschaft den Zugang eröffnet zur Hoffnung (Kol 1,23) und Hoffnung nur im Glauben erfahrbar ist.“ 554 In dieser Perspektive gibt der Glaube der Hoffnung quasi Anteil an der ihm eigenen Gewissheit, der ihm eigenen Sicherheit, sodass sich neutestamentliche Hoffnung ihrerseits an Gottes Treue und seinen Verheißungen festzuhalten vermag. Für H. CONZELMANN ist ihr Wesen deshalb am klarsten da „herausgearbeitet, wo sie neben der πίστις erscheint (Gal 5,5)“ 555 , was ihn darauf schließen lässt, dass Hoffnung letztlich „ein ständiges 551 Vgl. CONZELMANN, Hoffnung, 418. 552 Vgl. GRÜN, A., Die Kraft des Hoffens, München 2004, 6: „Die Theologie nennt Glaube, Liebe und Hoffnung die drei göttlichen Tugenden. Es sind Tugenden, die nicht aus der Kraft des Menschen kommen wie die vier Kardinaltugenden, die der griechische Philosoph Aristoteles beschrieben hat: Gerechtigkeit, Klugheit, Tapferkeit und Maß. Vielmehr werden sie dem Menschen von Gott geschenkt, von Gott durch den Heiligen Geist eingegossen. Die Tugend der Hoffnung ist also eine Begabung des Menschen.“ 553 Vgl. SÖDING, T., Die Trias Glaube, Hoffnung, Liebe bei Paulus. Eine exegetische Studie (SBS 150), Stuttgart 1992. 554 Vgl. NEUHÄUSLER, Hoffnung I., 418. Er schreibt weiter: „Daher kann Hebr die Hoffnung am Glaubensbegriff demonstrieren (Hebr 11,1; vgl. 1 Petr 1,3ff.21), und Röm 4,18 drückt gerade das Paradoxe des christlichen Glaubens mit Hilfe des Begriffs der Hoffnung aus (Röm 8,24f.).“ 555 Vgl. CONZELMANN, Hoffnung II, 418. <?page no="250"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 250 Moment des Gottesverhältnisses“ 556 bezeichnet und damit Paulus deutet, der - ihm zufolge - Glaube, Hoffnung und Liebe als „bleibende“ Faktoren christlicher Existenz im Unterschied zu den vergänglichen pneumatischen Erscheinungen zu begründen versucht. Die in Christus verkörperte Liebe dagegen wird als das ausgemacht, woran der Glaube glaubt und worauf die Hoffnung hofft. Während die Liebe als die größte der drei bezeichnet wird, „weil an die Stelle des Glaubens das Schauen treten wird (vgl. 2 Kor 5,7) und an die Stelle des Hoffens das Erhoffte selbst“ 557 , zeichnen sich Glaube und Hoffnung insofern durch eschatologische Relevanz aus, als sie unmittelbar auf das Endgültige bezogen sind. 558 Auch wenn an dieser Stelle Hoffnung letztlich als Implikat des Glaubens verstanden werden will, wird sich doch auch der Glaube nur einer „hoffnungs-offenen“, d.h. einer fundamental hoffnungsfähigen Lebensperspektive in seiner ganzen Potentialität erschließen können, was wiederum auf bestimmte strukturelle Voraussetzungen verweist, die im Kontext des christlichen Glaubens dann eine „bessere Hoffnung“ (Hebr 7,19) hervorzubringen vermögen, weil sie sich auf dem Boden schon erfüllter Verheißungen (vgl. z.B. Röm 15,12; Is 11,10) den neuen Heilstaten Gottes übereignet: Jesu Tod, Auferweckung und Erlösung, Ausgießung des Geistes und Neuer Bund. Auch hier zeigt sich wieder die der Hoffnung inhärente Dialektik, die von „schon erfüllt und gegenwärtig erfahrbar“ auf der einen Seite bis hin zu „noch ausständig im Modus der Erwartung“ auf der anderen Seite reicht, die sich immer wieder entdecken lässt und somit zu den fundamentalen Strukturen jeglicher (christlicher) Hoffnung gezählt werden muss. Höchst interessant ist schließlich, dass der Hoffnungsbegriff im Rahmen der triadischen Formel in der Gnosis weitgehend fehlt, wenn von einer seltenen Einordnung in eine Reihe von gnostischen Kräften und Abstrakta in einem „unbekannten altgnostischen Werk“ 559 einmal abgesehen werden kann. Es hat sich weiter oben schon gezeigt und deutet sich hier erneut an, dass der christliche Hoffnungsbegriff streng antignostisch strukturiert und verwendet wird, was womöglich Rückschlüsse auf die ihm eigene Realisierungsstruktur erlaubt. Wird nun auf dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen nach den Strukturen des Aktes der Hoffnung gefragt, wie sie sich nach einem genauen Blick auf das Neue Testament erheben lassen, so können in Anlehnung an G. NEBE aber unter Modifikation seines Vorschlages folgende Strukturaspekte herausgearbeitet und voneinander differenziert werden, 560 wobei als die ganz zentralen Aspekte und Beziehungen im Neuen Testament die Verbindung der 556 Vgl. ebd. 418. Vgl. dazu auch die exegetischen und dogmatischen Spekulationen über ein mögliches Ende der Hoffnung bei Erreichen des vorgestellten Zustandes, die in diesem Kontext nicht weiter geführt werden können. 557 Vgl. WEDER, Hoffnung II, 486. 558 Im Hebräerbrief werden diese Gedanken sehr klar und aufschlussreich mit Blick auf den Glauben weitergeführt, von dem gesagt wird, er sei ἐλπιζόμενων ὐπόστασις ; das bedeutet, dass der Glaube die Wirklichkeit des Erhofften in der Gegenwart darstellt, vergleichbar Christus, der als χαρακτήρ (das Geprägte, der Abdruck) die Wirklichkeit ( ὐπόστασις ) Gottes darstellt (vgl. Hebr 1,3; 11,1). Mit anderen Worten: Im Glauben wird das Erhoffte gegenwärtig und (allererst) wirklich, weswegen auch die Hoffnung kennzeichnend ist für das Jetzt und der Glaube auf spezifische Weise quasi den Pol der Gegenwart der Hoffnung repräsentiert, eine verobjektivierte Repräsentanz der Hoffnung. Das ist dann auch der Grund, warum an manchen Stellen des Neuen Testaments eine große Nähe, wenn nicht gar teilweise Identität von Glaube und Hoffnung zu beobachten ist. 559 Vgl. NEUHÄUSLER, Hoffnung I, 418. 560 Vgl. NEBE, ἐλπίς , 1004. <?page no="251"?> 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung 251 Hoffnung mit dem Glauben und dem Vertrauen, mit der Geduld und der Ausdauer verstanden werden können. 561 Erstaunlich ist dabei, dass neutestamentliche Hoffnung gerade durch das ‚Schon und Noch nicht‘, in dem sie sich vollzieht, einerseits die Unverfügbarkeit des von Gott geschenkten und kommenden Heils gewährleistet, andererseits sich danach intentional ausrichtet und von dort und anderswo her auch entgegennimmt, was ihr Grund, Gegenstand und Ziel ist. Folgende Strukturaspekte neutestamentlicher Hoffnung können schließlich ausgewiesen werden: Strukturaspekte neutestamentlicher Hoffnung (subjektiv) 1. Erwarten / Erhoffen - Für-sich-Erhoffen, Für-die-Welt-Erhoffen, Für-den- Mitmenschen-Erhoffen 2. Spannung - Wünschen, Wollen, Sehnsucht, 3. Vertrauen - Zutrauen, Gewissheit, Zuversicht 4. Warten - (Aus-) Harren 5. Wissen - Vorstellung, Folgern Abbildung 9 Strukturaspekte neutestamentlicher Hoffnung (subjektiv) Mit G. NEBE kann nun abschließend über den vielleicht wichtigsten Zug neutestamentlicher Hoffnung, ihre grundlegend eschatologische Orientierung und ihre vielleicht wichtigste Konsequenz, die fundamentale Enttäuschungsresistenz und Ermöglichung einer letztlich unbedrohten und hoffnungsvollen Lebensperspektive, zusammenfassend formuliert werden: „Insgesamt bewahrt im Neuen Testament die Einbettung der Hoffnung in das ‚Schon und Noch nicht‘ diese davor, in reine Zukunftsspekulation und Träume(rei) abzugleiten. ‚Gott in Jesus Christus‘ bleibt somit der Grund und Inhalt der Hoffnung, die so nicht aus sich selbst, nicht aus Weltlichem lebt, sondern von der Gnade und der Verheißung her. Deshalb gilt von der christlichen Hoffnung, dass sie ‚nicht zuschanden werden lässt‘ (vgl. Röm 5,5) deshalb auch selbst ‚nicht zuschanden wird‘ [...].“ 562 c) Ertrag Auf der Suche nach den Strukturen alttestamentlicher und neutestamentlicher Hoffnung samt den entsprechenden Theologumena konnte eine Fülle an Erkenntnissen gewonnen werden, wobei das leitendes Prinzip des semitischen, jüdisch-christlichen Denkens über die Kategorie der Hoffnung im Unterschied zum griechischen Extrapolationsdenken als „Antizipation“ in einem spezifischen Sinne bezeichnet werden kann; die diesem Verständnis zugrunde liegende biblische Zeitrichtung erstreckt sich von der schon begonnenen aber in ihrer vollständigen Realisierung noch ausständigen Verheißung der Zukunft in die Gegenwart: Der Semit lebt mithin aus der verheißenen und verheißungsvollen Zukunft in die Gegenwart hinein, was neben einer fundamentalen und spezifisch orien- 561 Vgl. ebd. 1004. 562 Vgl. ebd. 1004. <?page no="252"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 252 tierten Transzendenz auch eine tiefe Annahme der Realität der Wirklichkeit impliziert - letztlich im Dienste ihrer Humanisierung. Hoffnung bzw. das Erhoffen gründet hier im Erhofften, oder anders gesagt: spes qua gründet in der spes quae. Diese für beide Testamente gültige Perspektive kann mit Hilfe eines integrativen Blicks auf die je spezifische Konnotierung des Alten wie des Neuen Testaments zusammenfassend präzisiert werden: „Die Struktur des alttestamentlichen Hoffnungsbegriffs ist durch das altisraelitische Gottesverständnis, den Bund mit Jahwe, geprägt. Von Jahwe, den Israel als Retter aus der ägyptischen Sklaverei kennt, empfängt das Volk Verheißungen und Heilszusagen. Im Unterschied zur griechisch rationalen Voraussicht aus der gegenwärtigen Wirklichkeit in zukünftige Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten, richtet sich die alttestamentliche Hoffnung über die gegenwärtige Wirklichkeit und ihre Möglichkeiten hinaus auf das verheißene Gut bzw. den verheißenden Gott. Die erhoffte Zukunft ist keine Extrapolation der Gegenwart, vielmehr ist der gegenwärtige Akt des Hoffens eine Antizipation der verheißenen Zukunft, weshalb das Hoffen im Erhofften, die ‚spes, qua speratur‘ in der ‚spes, quae speratur‘ gründet.“ 563 Was das neutestamentliche Hoffnungsverständnis anbelangt, kann insbesondere mit PAULUS als Kronzeuge die christliche Zukunftserwartung gegen die griechische Voraussicht aus verfügbarer Vorhersagbarkeit der Wirklichkeit abgegrenzt und mitunter gegen den Augenschein vorfindbarer Wirklichkeit als Vertrauen auf den Gott bestimmt werden, der Nichtseiendes ins Dasein ruft und Tote lebendig macht: 564 „Die neutestamentliche Hoffnung richtet sich also wie die alttestamentliche nicht von der gegenwärtigen Wirklichkeit auf zukünftige Möglichkeiten, sondern von der verheißenen zukünftigen Wirklichkeit auf gegenwärtige Möglichkeiten.“ 565 Für den weiteren Argumentationsverlauf der vorliegenden Arbeit im Dienste einer interdisziplinär angelegten anthropologischen Fundierung und Grundierung der Hoffnungskategorie wird im folgenden die Perspektive des Alten und Neuen Testaments erweitert werden müssen, um später wieder - den Kreis schließend - darauf zurückkommen zu können: Paulus beispielsweise hat im Neuen Testament, wie besehen, besonders über den „Status“ der Hoffnung nachgedacht, den er streng theologisch zu klären suchte. Damit dieser aber im realen Lebensvollzug eingeholt werden kann, muss über den „Akt“ und den „Habitus“ der Hoffnung nachgedacht 563 Vgl. LINK, Hoffnung, 1159. 564 Ein nicht unerheblicher Teil der weiteren Entwicklungen des Hoffnungsbegriffs im Rahmen des frühen Christentums bzw. der Spätantike, ebenso des gesamten scholastischen Mittelalters bis zum Beginn der Neuzeit ist durch die Spannung zwischen dem griechischen und christlichen Verständnis bestimmt worden. V.a. AUGUSTIN, THOMAS VON AQUIN und MARTIN LUTHER sind hier hervorzuheben, aber auch die mittelalterlichen apokalyptisch-chiliastischen Bewegungen sind zu nennen (etwa J. V. FIORE). Aufgrund einer intensiven Beschäftigung mit den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt spielte die Hoffnung aber bei den neuzeitlichen Rationalisten (etwa RENE DESCARTES) mit der rühmlichen Ausnahme von IMMANUEL KANT keine besondere Rolle, was sich erst mit der Existenzphilosophie (etwa SÖREN KIERKEGAARD) und Existenztheologie (etwa MARTIN BULTMANN, FRIEDRICH GOGARTEN) des 20. Jh. wieder änderte, gefolgt von humanistisch-atheistischen Hoffnungstheorien (etwa ERNST BLOCH), die ihrerseits wiederum mehrfach aufgegriffen und v.a. im theologischen Bereich weitergeführt wurden (etwa GABRIEL MARCEL, JÜRGEN MOLT- MANN, JOSEF PIEPER). Vgl. dazu einführend ENGELHARDT, P., Hoffnung (Art.), in: EI- CHER, P. (Hrsg.), Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe Bd. 2, München 2 1991, 374- 384. 565 Vgl. LINK, Hoffnung, 1160. <?page no="253"?> 253 werden und die theologische Abstraktion des PAULUS, der die durch Jesu Geschick in Leben, Sterben und Auferstehung grundgelegte Hoffnung ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt hat, kurzzeitig unterboten werden, um über die empirischanthropologischen Voraussetzungen des Vollzugs von Hoffnung zu befinden. Biblischer Sprachgebrauch kennt einen durchgängig positiven Hoffnungsbegriff, wonach Hoffnung als gute Hoffnung die Erwartung des Heiles ist. Das leitende Prinzip des semitischen, jüdisch-christlichen Denkens über die Kategorie der Hoffnung kann im Unterschied zum griechischen Extrapolationsdenken als „Antizipation“ (Hoffnung im Modus der Verheißung) in einem spezifischen Sinne bezeichnet werden; die diesem biblischen Verständnis zugrunde liegende Zeitrichtung erstreckt sich von der schon begonnenen aber in ihrer vollständigen Realisierung noch ausständigen Verheißung der Zukunft in die Gegenwart und erst von dort aus wieder auf diese spezifische Zukunft hin: Der Semit lebt mithin aus der verheißenen und verheißungsvollen Zukunft in die Gegenwart hinein und stellt jegliche ethische Praxis, die darauf aufbaut, unter eschatologischen Vorbehalt. So sind die Gerichtsvorstellungen im Alten Testament bereits weitgehend als Hoffnungsfiguren zu interpretieren, auch die Parusieerwartungen im Neuen Testament stellen im eigentlichen Sinne Hoffnungsformen dar. So ist christliche Hoffnung entlang den Vorgaben aus Altem Testament und Neuem Testament von pagangriechischen Hoffnungsvorstellungen schließlich dadurch zu unterscheiden, dass einzig sie eine spezifische Verbürgtheit ihrer Hoffnungen in Aussicht stellt, die sachlogisch in der Auferstehung gründet und auf die im Einzelnen einzugehen sein wird, beispielsweise mit der Frage, wie das Auferstehungsproprium zur Auferstehungshoffnung zu werden vermag bzw. was diese überhaupt auszeichnet. Ein weiterer wichtiger Ertrag der bisherigen Beobachtungen zum biblischen Hoffnungsbegriff kann dahingehend festgehalten werden, dass bereits biblisch die grundständig mobilisierende, standhaltende und ausharrende Funktion der Hoffnung deutlich hervor tritt. Mit SÖDING gesprochen: „Eine Ethik der Hoffnung richtet sich daran aus, dass Gott in der Zukunft umfassendes Heil verwirklichen wird und dass die Dynamik seines Heilshandelns sich kraft des Geistes bis zur eschatologischen Vollendung in der Geschichte zeitigt. Daraus wächst eine starke Motivation sowohl zur Entwicklung des individuellen sittlichen Bewusstseins als auch zum politischen Engagement.“ 566 Einzelne Facetten mögen schließlich das systematische Bild noch erweitern und das vielschichtige Bild biblischer Hoffnungstheologie vor Augen führen: Das Wort (Gottes) in der Bibel ist dabei der eigentliche Quellgrund der christlichen Hoffnung. Es enthält eine Fülle von Verheißungen, denen die Treue zu halten das Versprechen Jahwes ergangen ist - trotz aller widersprechenden Erfahrung - und deren Erfüllung in der Person Jesu Christi geglaubt wird, was die grundlegende Spannung christlicher Hoffnung zwischen Schon und Noch-Nicht aufspannt, wonach das erhoffte Gut in seiner Endgültigkeit zwar angebrochen, aber noch nicht vollendet ist. 567 Christliche Eschatologie ist dabei christologisch begründet. Dabei stehen unsere menschliche Hoffnung und Jesu ureigene Hoffnung in Spannung. Idealerweise nähert sich unsere 566 Vgl. SÖDING, Die Trias Glaube, Hoffnung, Liebe bei Paulus, 214. Vgl. auch AUER, A., Glaube, Hoffnung und Liebe. Die Öffnung eines traditionellen Traktates in die Dimension des Gesellschaftlichen, in: HEPP, J. et al. (Hrsg.), Funktion und Struktur christlicher Gemeinde (FS H. FLECKENHAUSEN), Würzburg 1971, 91-114. 567 Vgl. Ps 119,49-50. „Denk an das Wort für deinen Knecht, durch das du mir Hoffnung gabst. Das ist mein Trost im Elend: Deine Verheißung spendet mir Leben.“ 4. Biblische Wegmarken einer Struktur der Hoffnung: Zukunft als Verheißung <?page no="254"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 254 Hoffnung in Glaube und Nachfolge der Hoffnung Jesu aber sukzessive an. 568 Als eine entscheidende Wirkung der alttestamentlichen und neutestamentlichen Entdivinisierung aller Wirklichkeitsbereiche kann ferner gelten, dass die Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit zunehmend freigelegt wird, nur eben auf säkularem Boden und um die Entschiedenheit und Unableitbarkeit christlicher Hoffnung nur umso deutlicher hervorzuheben. Die Ethik Jesu ist dabei durch und durch eschatologisch orientiert. Eine darauf Bezug nehmende Ethik hat dem Rechnung zu tragen. Umgekehrt formuliert: Eine hoffnungstheoretisch akzentuierte bzw. entsprechend reformulierte Ethik vermag wieder Anschluss zu finden an die Ethik des Neuen Testaments, die neben ihrer eschatologischen Ausrichtung grundlegend eine drängende Parusieerwartung kennt, die dazu beiträgt, dass die eschatologische Spannung zu einer grundständig mobilisierenden Handlungsspannung wird. Der sachtheologische Grund aller (christlichen) Hoffnung, die Auferstehung Jesu, war als (vorzeitige) Auferstehung Jesu buchstäblich nicht zu „erwarten“ gewesen, wurde doch von gläubigen Juden zunächst nur die allgemeine Totenauferweckung am Ende der Zeit 569 erwartet. Da ist also den Jüngern Jesu und seinen Anhängern buchstäblich etwas bzw. besser gesagt jemand entgegengekommen, der Auferstandene ließ sich sehen, hat sich sichtbar gemacht (Medium). Nur so konnte er (der Erscheinende) bzw. sie (die Auferstehung) zum Grund einer Erwartung, Verheißung und Hoffnung werden, die den Tod übersteigt. Da öffnet sich nun auf eine völlig unerwartete Weise ein Grund, der über den Abgrund des Todes zu führen vermag. Es zeigt sich ein Grund jenseits aller (bisherigen) Begründungen. Die Auferstehung respektive der Auferstandene sind daher auch nicht einfach als solche erfahrbar, es sei denn der Auferstandene selbst machte sich erfahrbar und sichtbar. Denn nur so war er im Stande, eine Hoffnung allererst erfahrbar und damit für den Menschen zugänglich zu machen, die jenseits der Erfahrung ihren Grund hat und jede (negative wie positive) Erfahrung zu übersteigen in der Lage ist, indem selbst unsere Abgründe an Schmerz, Leid, Sinnlosigkeit und Absurdität noch einmal und immer schon „unterfangen“ sind, aber auch unsere positiven Erfahrungen vor einer Selbstabsolutierung bewahrt werden, indem auch sie aufgebrochen werden zu je Größerem. Die leibliche Auferstehungshoffnung ist auch nicht zuerst und nicht zutiefst die Hoffnung auf körperliche Unversehrtheit oder deren Wiederherstellung, also nicht auf eine restitutio ad integrum, sondern auf eine Rettung meiner personalen und geschichtlichen Identität. Solche Hoffnung ist Kondensat der Auferstehung Jesu. Welche Hoffnung jeweils aus dem Auferstehungskerygma abzuleiten ist, ist bleibende Aufgabe der Theologie und der Orthopraxie, die immer nur annäherungsweise konkretisierbar ist und dabei je neu theologisch und existentiell im Glaubensvollzug personalisiert, konkretisiert und ethisiert zu werden hat. Schließlich kann bereits für biblischen Boden festgehalten werden, was an anderer Stelle Bestätigung erfahren wird: Hoffnungen und Erwartungen, im vorliegenden Kontext natürlich die finalen Heilshoffnungen des Alten und Neuen Testaments, sind mit menschlicher Handlungswirklichkeit und konkreten Handlungen aufs Engste verknüpft. Und das Umgekehrte gilt ebenso: Aus Erwartungen und 568 SÖREN KIERKEGAARD etwa spricht vom Ziel der „Gleichzeitigkeit“, wonach unser Lebens- und Glaubensvollzug dem Beispiel Jesu folgend sich sukzessive und je neu in seine Ursprungserfahrungen stellt, diesen damit gleichzeitig wird und damit diese je neu gegenwärtig setzt - auch die darin verorteten Existenzspannungen. 569 Vgl. BÖSEN, W., Auferweckt gemäß der Schrift. Das biblische Fundament des Osterglaubens, Freiburg im Breisgau 2006, 22, 63, 68ff. <?page no="255"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 255 Hoffnungen erschließt sich Tat, erschließt sich deren letzter Gegenstand und deren letzte Zielhaftigkeit - biblisch das Gute und das Gerechte. 570 Am Anfang steht mithin eine Hoffnung, die zur Erwartung wird, der Erwartung der Erfüllung einer Verheißung, daraus schließlich wird ein Tun abgeleitet, das wiederum bis zur Sendung und Verkündigung 571 führt. Verkündigung kann daher als das Aufrichten von Hoffnungen begriffen werden, die ihre Wirkung entsprechend dem Heilskerygma entfalten sollen. Bevor Jesus selbst zum Inbegriff und zur Personifizierung christlicher Hoffnung wurde, verkündete er die Nähe und Heilsrelevanz des Gottesgrundes aller begründeten und verbürgten Hoffnung. Jesus wurde auf diese Weise zum Sprachrohr einer unbedingten Hoffnung, womit er schließlich selber zu eben dieser Hoffnung wurde. Von jener Hoffnung, näherhin deren Hoffnungsgut, von Jesu Leben, Sterben und Auferstehen, aber auch von seiner Verkündigung des nahe gekommenen Gottesreiches, muss eine enorme Anziehung ausgegangen sein, die auf eine kaum zu überschätzende Weise für alle humanen Handlungsfelder mobilisierend gewirkt haben muss, was sie wiederum zum Quellgrund christlicher Ethik macht, wie sie im Rahmen moraltheologischer Reflexion etwa im Kontext einer Ethik der Hoffnung nachzuzeichnen ist. 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre - Zwischen Griechentum und Christentum: Personalität, Voluntarität und Transzendentalität Bei Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe; denn von ihm kommt meine Hoffnung. Nur er ist mein Fels, meine Hilfe, meine Burg; Darum werde ich nicht wanken. [Psalm 62, 7] Im Mittelalter dauert die Begegnung von antikem und christlichem Hoffnungsverständnis an, wiewohl erste ausführliche Hoffnungstheorien entstehen und diese in den Handlungskontext des Menschen eingegliedert werden. 572 Zudem wird die auf dem Boden des Neuen Testaments bereits begonnene Theologisierung fortgeführt und insgesamt die Dimensionalität der Hoffnungskategorie deutlich erweitert. Es sind wichtige Weichenstellungen erfolgt, die hier freilich nur angedeutet werden können und je für sich einer eingehenden Bearbeitung bedürften. Es kann daher überwiegend auch nicht textphilologisch vorgegangen werden, sondern es sollen einige systematische Kernthesen, die für die 570 Vgl. 2 Petr 3,12-15a.17-18. „Liebe Schwestern und Brüder! Ihr müsst den Tag Gottes erwarten und seine Ankunft beschleunigen! An jenem Tag wird sich der Himmel im Feuer auflösen und die Elemente werden im Brand zerschmelzen. Dann erwarten wir, seiner Verheißung gemäß, einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt. Weil ihr das erwartet, liebe Brüder, bemüht euch darum, von ihm ohne Makel und Fehler und in Frieden angetroffen zu werden. Seid überzeugt, dass die Geduld unseres Herrn eure Rettung ist.“ 571 Vgl. Mt 10,7-8 „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe. Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben. Wir könnten paraphrasieren: Geht und verkündet die Hoffnung vom nahe gekommenen Himmelreich! “ 572 Vgl. unter zeitgeschichtlicher Perspektive und mit ausführlichem Textteil BOUGEROL, J.-G., La théologie de l'espérance aux XIIe et XIIIe siècles. 1: Études, Paris 1985. BOUGEROL, J.-G., La théologie de l'espérance aux XIIe et XIIIe siècles. 2: Textes, Paris 1985. <?page no="256"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 256 vorliegende strukturell angelegte Fragestellung von großem Interesse sind, exemplarisch herausgegriffen werden. Das impliziert, dass auch die jeweiligen Hoffnungstheorien nicht in toto rekonstruiert werden können, sondern nur jene Facetten, welche für eine Ethik der Hoffnung und deren anthropologische Grundlagen von herausgehobener Bedeutung sind. Diesbezüglich liegen eine Fülle von Forschungsdesideraten vor, etwa die Frage nach der Funktion der Hoffnung für den Handlungsaufbau und die Handlungsmotivation, das Verhältnis von irdischer und übernatürlicher Hoffnung, das Verhältnis der Hoffnung zum höchsten Gut, überhaupt zu den Größen Moral und Glück und deren inhärente Attraktivität, die Einschreibung der Hoffnung in eine eschatologische Schöpfungswirklichkeit, das Verhältnis philosophischer zu theologischer Hoffnungstheorie, die Bedeutung der Hoffnung für moralische Motivation und vieles mehr. Grundsätzlich kann für mittelalterliches Denken eine doppelte Möglichkeit der Erkenntnis unterschieden werden: Glaubenserkenntnis auf der einen Seite und Vernunfterkenntnis auf der anderen Seite. Auch Hoffnung ist damit auf zwei Wegen ansprechbar und kann auch über diese zwei Wege als „begründet“ und vernünftig erkennbar und ausweisbar gelten. 573 Dabei gehört zum einen die Frage nach dem Glück und zum anderen die Frage nach der (Rückkehr zur) Gemeinschaft mit Gott zu den wichtigsten Entdeckungszusammenhängen mittelalterlich-scholastischer Hoffnungstheologie: Glückliches bzw. besser geglücktes Leben wird als letztlich eschatologische Wirklichkeit begriffen, die den christlichen Lebenssinn insgesamt verkörpert und dem Handeln als Motivationsgrund (finis ultimus) auf der Basis spezifischer Hoffnung dient. Zudem vergegenwärtigt Hoffnung genau das, was christliche Liebe letztlich (aktual) schaut und realisiert: Gemeinschaft mit Gott. Dazu kommt (als eine Art Selbst-Verstärker) eine Hoffnung auf Liebe und Verwirklichung. Humane Hoffnung hat mithin eine Tendenz, sich selbst zu verstärken und immer wieder über sich hinaus zu gehen auf ein finales Letztziel bei Gott hin, von dem her sie sich allererst konstituiert. 574 a) Zeitlichkeit und Willentlichkeit der Hoffnung - AUGUSTINUS „Auf Gott warten heißt ihn haben.“ [Augustinus] AUGUSTINUS geht die Kategorie der Hoffnung aus verschiedenen Perspektiven an: gnadentheologisch, metaphysisch und ethisch. Eine für den vorliegenden Kontext zentrale Bewegung in seinem Denken ist das Zueinander und das wechselseitige Ineinander von Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis, von der Frage des (einzelnen) Menschen nach sich selbst und der Frage nach Gott (deus et anima). „Erhellung der Existenz ist Erdenken Gottes und umgekehrt: Noverim me, noverim te. […] Die den homo interior erhellende Wahrheit führt zur ursprünglichen, unsterblichen Wahrheit als letzten Horizont der Hoffnung. […] Die Rückkehr zu sich selbst ist gleichermaßen Hinkehr zum Urgrund, das liebende Bei-sich-selbst-Sein (frui se ipso) weckt die Teilhabe am reinen Sein, am ‚ipsum esse‘“ 575 (fruitio dei). AUGUSTINUS nimmt gegen den ambivalenten griechi- 573 Vgl. PFÜRTNER, Ethik in der europäischen Geschichte Bd. I, 144. 574 Vgl. PFÜRTNER, Ethik in der europäischen Geschichte, 151. Zu den entsprechenden theologischen Sachbedingungen können dann vorgegebene Ordnungen entdeckt werden, um schließlich deren Geltungsansprüche im Lichte des „Neuen Gesetzes“ zu betrachten. 575 Vgl. WOSCHITZ, K.M., Elpis - Hoffnung. Geschichte, Philosophie, Exegese, Theologie eines Schlüsselbegriffes, Wien / Freiburg / Basel 1979, 12. <?page no="257"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 257 schen Hoffnungsbegriff und entlang den biblischen Vorgaben eine eindeutig positive Bedeutung an. 576 Er unterscheidet profane Hoffnung, spes in hominem, von der christlichen Hoffnung, spes christianorum. Während erstere in verschiedenartigen Modi erscheint, ist letztere, die sich auf Gott richtet, selbst ein Geschenk seiner Barmherzigkeit 577 und durch die Vermittlung durch Jesus Christus immer auch als Hoffnung im Raum der Kirche verortet. Im Zentrum steht die Auferstehung Christi, die dem Menschen die Erlösung und das ewige Leben bis in die Leiblichkeit hinein eröffnet hat. 578 Anfechtungen der Hoffnung sind die Verzweiflung (desperatio), die Vermessenheit (praesumptio) und die Traurigkeit (tristitia) 579 oder auch die acedia, weswegen diese in der Freude überwunden werden kann. 580 „Die an und in Christus schon geschehene Auferstehung besitzen wir noch nicht in re, sondern erst in spe. […] Die Erlösungshoffnung richtet sich auf die Wiederherstellung unserer durch die Sünde zerstörten Gottebenbildlichkeit.“ 581 „Noch sehen wir nicht, was wir hoffen. Aber wir sind der Leib jenes Hauptes, in dem schon vollendet ist, was wir hoffen.“ 582 Letztes Ziel der Hoffnung ist dabei die fruitio dei, was umgekehrt heißt: „Friede und fruitio dei sind eschatologisiert. Auf Erden gibt es die beatitudo allein im Vorschein der Hoffnung.“ 583 Wohl unter neuplatonischem Einfluss kommt AUGUSTINUS die innergeschichtliche Dimension der Hoffnung nicht vorrangig in den Blick, dafür die Individualdimension umso deutlicher, wobei die visio und die fruitio von herausgehobener Bedeutung sind, insbesondere, weil sie deren Subjekte zur civitas dei verbinden und somit gemeinschaftsbildenden Charakter haben. 584 Dennoch: „Die geschichtliche Existenz des Menschen ist als viatorische (in via) zur Wahrheit hin begriffen (nunc in spe, tunc in re).“ 585 Das angestrebte und bei Gott vollendete Glück ist daher auch als Vollendungzustand der Seele zu begreifen, auf den diese sich immer auch hoffend bezieht und den sie (mit Gottes Hilfe) zu erreichen sucht und der dadurch auch handlungsbestimmend werden kann. Ein weiterer wichtiger Verstehenszusammenhang für die vorliegende Fragestellung ist die Aufnahme und christliche Weiterführung antiker Vorstellungen, wonach Philosophie therapeutische Funktionen erfüllt und daher auch mit therapeutischen Metaphern beschrieben wird: Philosophie als Lebenshilfe, als Therapie der Seele, die eine Diagnose für Krankheiten bietet und ebenso eine Heilung. AUGUSTINUS hat eine Christianisie- 576 Vgl. AUGUSTINUS, Ench ad Laur. II, 8 (PL 40, 231 - 290.235). Spes […] non nisi bonarum rerum est, nec nisi futurarum, et ad eum pertinentium qui earum spem gerere perhibetur. 577 Vgl. AUGUSTINUS, In Ps 61,2 (PL 36, 730): Scio quid supra me sit, scio quis praetendet misericordiam suam scientibus se, scio sub cujus alarum tegmine sperem: non movebor amplius. Vgl. auch AUGUSTINUS, En 21 in Ps 32 (PL 36, 277) und in Ps 39, 7 (PL 36, 437 ff.). 578 Vgl. AUGUSTINUS, En 2, 10 in Ps 70 (PL 36, 899): Exemplo suo docuit quid non timeres, quid sperares. Timebas mortem, mortuus est: desperabas resurrectionem, resurrexit. Vgl. auch AU- GUSTINUS, Ench ad Laur. 108 (PL 40, 283). 579 Vgl. AUGUSTINUS, In Ps 91, 2 (PL 37, 1172). Die Analogie zu den vielfältigen modernen Formen depressiver Hoffnungslosigkeit legt sich nahe. 580 Vgl. erneut AUGUSTINUS, In Ps 91, 2 (PL 37, 1172) und In Ps 37, 28 (PL 36, 412). Die Freude hat ihren Grund in der Hoffnung auf den kommenden ‚Sabbat‘. 581 Vgl. WOSCHITZ, Elpis, 14. 582 Vgl. AUGUSTINUS, Serm. 157, 3. Zitiert nach WOSCHITZ, Elpis, 15. 583 Vgl. WOSCHITZ, Elpis, 15. AUGUSTINUS unterscheidet auch zwischen visio dei per fidem und per speciem. Vgl. AUGUSTINUS, En in Ps. 120, 6 / PL 37, 1609. 584 Vgl. AUGUSTINUS, En 1, 3 in Ps 90 und De civ. dei, XIX, 13. 585 Vgl. WOSCHITZ, Elpis, 12. Ebenso AUGUSTINUS, De lib. arb. III, 7, 21. <?page no="258"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 258 rung des antiken Therapiekonzeptes vorgenommen, wonach es etwa keine Selbsttherapie geben kann. 586 Äußerst aufschlussreich ist diese Interpretation des Grundanliegens des Christentums vom Therapiegedanken her. „Die Philosophie mag einen zutreffenden Begriff des höchsten Gutes aufstellen, aber erst die christliche Religion mache es dem Menschen möglich, dieses Gut zu ergreifen und zu besitzen.“ 587 Der Grundtext des AU- GUSTINUS zur Hoffnung aus dem Enchiridion, das wohl 421 oder 423/ 424 verfasst wurde und damit dem späten (gnadentheologisch orientierten und antipelagianisch argumentierenden) AUGUSTINUS zuzurechnen ist, lässt nun die Hoffnung nur in einem kurzen Schlussabschnitt zu Wort kommen, während die Darlegung des Glaubensinhaltes den größten Raum einnimmt. Dennoch lassen sich wichtige Weichenstellungen erkennen, die für die Moraltheologie der Hoffnung von großer Wichtigkeit werden sollten. AUGUSTINUS hat zwar keine Theorie der Hoffnung aufgestellt, wie es später THOMAS VON AQUIN tun wird, er hat auch vergleichsweise wenig expressis verbis über diese Kategorie geschrieben, dafür umso mehr zur Sehnsucht bzw. zu einer hoffenden Sehnsucht und damit indirekt wieder über Hoffnung. Demnach entspringt die „gute Hoffnung“ 588 dem Glaubensbekenntnis und erst das Gebet offenbart, worauf wir recht eigentlich unsere Hoffnung setzen dürfen. Unsere Hoffnung ruht allein auf Gott. Sie kommt in den Bitten des Vaterunsers zum Ausdruck, wobei die ersten drei der sieben Bitten auf ewige Gaben zielen, die anderen vier auf zeitliche. Während die letzteren der Bedürftigkeit des gegenwärtigen Lebens geschuldet sind, setzen auch die ersteren bereits auf Erden ein (sic! ), werden vermehrt gemäß unserem Fortschritt und bei Vollendung ständiger Besitz sein. 589 Es lassen sich nun unter systematischer Perspektive mindestens zwei strukturelle Charakteristika in der Philosophie des AUGUSTINUS benennen, die wirkungsgeschichtlich für eine Ethik der Hoffnung (philosophisch) wegweisend wurden: Die Verzeitlichung und Subjektivierung des Handlungssubjekts auf der einen Seite und die Herausbildung des Willensbegriffs, der sich allererst als ein (zeitlich) hoffender zu realisieren vermag, auf der anderen Seite. α Verzeitlichung und Subjektivierung Als einer der zentralen Verdienste des AUGUSTINUS für eine (ethische) Theorie der Hoffnung 590 kann die Subjektivierung der Zeit und damit die Verzeitlichung des Subjekts 586 Vgl. BRACHTENDORF, J., Augustins „Confessiones“, Darmstadt 2005, 23-24, hier 24. „Vielmehr müsse Gott den Menschen auf den Weg zum Glück führen. Gott ist somit nach Augustinus nicht nur höchstes Gut, sondern auch Seelenarzt und Therapeut; er ist nicht nur Ziel des Lebens, sondern auch Befreier und Erlöser.“ Da das höchste Gut immer auch ein Hoffnungsgut ist und u.a. an der spezifischen, für AUGUSTINUS nicht mehr selbstmächtigen, Orientierung daran therapeutische Wirkungen erkennbar sind, lassen sich erste systematische Verbindungen zu einer ethisch konnotierten Konsiliatorik ziehen. Vgl. Kapitel VII 1 in dieser Arbeit. 587 Vgl. BRACHTENDORF, Augustins „Confessiones“, 23. 588 Vgl. AUGUSTINUS, Enchiridion, XXX, 114. 589 Vgl. ebd. 115. Hic inchoata, quantumcumque proficimus, augentur in nobis; perfecta vero, quod in alia vita sperandum est, semper possidebuntur. 590 Zu den wesentlichen Quellen zählt AUGUSTINUS, Enchiridion de fide spe et caritate, hrsg. von BARBEL, J., Düsseldorf 1960. AUGUSTINUS, A., Enchiridion, hrsg. von SCHEEL, O. (Sammlung ausgewählter kirchen- und dogmengeschichtlicher Quellenschriften: Reihe 2; 4), Tübingen 2 1930. Als einschlägige Sekundärliteratur gilt BALLAY, L., Der Hoffnungsbegriff bei <?page no="259"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 259 gelten. Damit wurde der Vollzugswirklichkeit der handlungswirksamen Hoffnung aufseiten des Handlungssubjekts der Weg bereitet. Erstmals trat ein subjektiver Zeitbegriff in Erscheinung, der existentiell gefasst war und nicht in erster Linie erkenntnistheoretisch wie etwa bei KANT, der Zeit als Form der Anschauung des Erkenntnissubjekts betrachtete und damit als notwendige Erkenntnisvoraussetzung. Freilich wollte AUGUSTINUS damit einen objektiven Zeitbegriff keineswegs ersetzen. 591 Dennoch wurde ein Erwartungs- und Erinnerungshorizont für eine „psychologische Deutung des Zeiterlebens“ 592 formuliert, der in seiner wirkungsgeschichtlichen Relevanz kaum zu hoch bewertet werden kann. Schließlich drängte sich die Frage nach der Bedeutung der Zeitlichkeit für das endliche Vernunftwesen Mensch auf der Suche und auf dem Weg zum ewigen Glück regelrecht auf und Reflexionen über das Verhältnis der immer auch zeitlichen Konstituenten der entsprechenden Wege zum absoluten Ziel bei Gott traten auf den Plan - eine regelrechte Heilspädagogik entstand. Der (Zer-) Dehnung (distentio) des Geistes im Zeitfluss von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (und deren jeweilige horizontmäßige Vergegenwärtigung) setzt er ein Ausstrecken (extensio) zum Ewigen entgegen, weg vom zeitlichen Kommen und Gehen, in dem die Bewegung aber ihren Anfang nahm, hin zum ewig Unveränderlichen. Damit tritt bereits neben die (objektiv von Gott) vorgegebene Zeit eine subjektive Komponente, die für das Verständnis der dialektischen Zeit-Spannungen außerordentlich wichtig ist - und damit für die Handlungsrelevanz von Hoffnung, die nicht nur eine Orientierung in der Zeit gewährt, sondern auch diese transzendierend hin zum ewigen Glück. Unter moralischer Perspektive wird auf diese Weise nicht allein ein Fokus auf das objektiv Gesollte gelegt, sondern auch auf dessen subjektive Möglichkeitsbedingungen. Die Gesinnung und der homo interior gewinnen zentrale Bedeutung, ebenso Selbstreflexion und Selbsttranzendenz, insgesamt die Bewegungen zwischen Mensch und Gott, die als dialektisches Spannungsgeschehen auch für eine Theologie und Ethik der Hoffnung von großer Wichtigkeit sind. Es ist, mit anderen Worten, eine wirkungsgeschichtlich kaum zu überschätzende Betonung des selbstreflexiven Charakters der Betrachtung des Menschen zu beobachten. So wird neben der Subjektivierung der Zeit auch das selbstreflexive Subjekt in die Zeittheorie eingefügt. Etwa in den Confessiones spricht AUGUSTINUS von der „Gegenwart von Vergangenem“ in der Erinnerung und der „Gegenwart von Zukünftigem“ 593 in der Hoffnung, was klare Zeit- und Hoffnungsspannungen zum Ausdruck bringt. Eine starke eschatologische Orientierung durchtränkt das ganze Werk des AU- GUSTINUS, etwa seine Theorie des Gebets, die stark an der Sehnsucht 594 orientiert ist, wiewohl es auch Tendenzen gibt, den diesseitigen Pol zugunsten des jenseitigen zu marginalisieren. Augustinus. Untersucht in seinen Werken: De doctrina christiana; Enchiridion sive de fide, spe et caritate ad laurentium und Enarrationes in psalmos 1-91, München 1961. 591 Vgl. BRACHTENDORF, Augustins „Confessiones“, 236ff. 592 Vgl. ebd. 248. 593 Vgl. AUGUSTINUS, Confessiones (lt./ dt., hrsg. von BERNHART, J., München 1955, 641f.). 594 Vgl. auch homo desiderium dei - Der Mensch ist Sehnsucht nach Gott / Der Mensch ist die Sehnsucht Gottes. Ebenso AUGUSTINUS, PL 33, 501f., XI 21 (Übersetzung vom Autor): „Wenn wir sprechen: Zu uns komme dein Reich, so wird dieses Reich zwar kommen, ob wir es wünschen oder nicht, aber wir regen durch dieses Wort unsere Sehnsucht nach diesem Reiche an, damit es für uns komme und wir in ihm zu herrschen verdienen.“ <?page no="260"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 260 β Willensbegriff Der Willensbegriff ist insofern für eine Ethik der Hoffnung und deren Strukturen wichtig, weil spätestens seit der Scholastik Hoffnung als Funktion des Willens verstanden wurde und die Entstehung des Willensbegriffs, der aufs engste mit der Willensfreiheit verknüpft ist, auch für eine strukturelle Phänomenologie der Hoffnung von großer Bedeutung ist. Demnach kann bei AUGUSTINUS unter Absetzung von einer griechischen Handlungstheorie, die im Wesentlichen „durch die Antithese von Intellekt und Affekt charakterisiert“ ist und „die keinen Raum für einen Willen lasse“ 595 und damit aber die Entscheidungsfreiheit des Willens quasi überspringt, das Bemühen beobachtet werden, dem Menschen seine Handlungen (moralisch) vollständig zurechenbar zu machen, was wiederum ein entsprechendes Vermögen voraussetzt - eben einen unhintergehbaren, freien Willen, als dessen (libertaristischer) Kern ein „Anders-Handeln-Können“ zu begreifen ist. Die moralische Qualifikation einer Handlung geht nun für AUGUSTINUS wesentlich auf ihren Willensanteil zurück. Dieser hat dichothome Struktur: den handlungsnahen Impulsen (voluntates) wird eine diese bewertende und mit dem liberum arbitrium ausgestattete Instanz (voluntas) vorgelagert. Er entwickelt mithin ein zweistufiges Willensmodell, wonach Handlungsimpulse (voluntates) nochmals (moralisch) orientiert und qualifiziert werden können. Denn nur über einen starken und ausgebildeten Willensbegriff wird dem Menschen sein Handeln moralisch imputierbar und er selbst zum verantwortlichen und schuldfähigen Subjekt von (guten und bösen) Handlungen. Es lassen sich nun mit CHRISTOPH HORN zwei Kriterien für einen entwickelten philosophischen Willensbegriff benennen: (1) das Bewusstheitskriterium („bei vollem Bewusstsein“) und (2) das Spontaneitätskriterium („nicht weiter ableitbar“). Für AU- GUSTINUS übernimmt nun ein solcherart charakterisierter Wille eine aufschlussreiche Funktion: er dient der Selbstvergewisserung des Menschen über den Willen. 596 Damit korrespondiert ein Grundcharakteristikum der Hoffnung, humane Bestimmung des Menschen zum Ausdruck zu bringen. Innovativ kann in der Konzeption des AUGUSTINUS zudem die Unterscheidung einer positiven oder negativen Handlungstendenz (voluntas) und dem freien Willensakt (liberum arbitrium) gelten. Seit dem Sündenfall (postlapsarisch) ist AUGUSTINUS zufolge aber nun eine schlichte Entscheidung für eine recta voluntas und gegen eine perversa voluntas nicht mehr möglich und einzig vermittels der Gnade kann die (prälapsarische) Möglichkeit einer ausschließlich guten (recta bzw. bona) voluntas wieder hergestellt werden. Für AUGUSTINUNS gilt daher (für die postlapsarische Situation des Menschen) die Behauptung, „dass eine einheitliche, kohärente und insofern gute Strebenstendenz außerhalb des menschlichen Entscheidungsraumes liegt. Anders gesagt, ich kann zwar wollen, dass ich fortan nur noch Gutes will, aber ich kann faktisch keine einheitliche, gute voluntas wählen. Der Kirchenvater bestreitet also 595 Vgl. HORN, C., Augustinus und die Entstehung des philosophischen Willensbegriffs, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 50 (1996), 113-133, hier 114 und 115. „Die Strebenstheorie identifiziert auf diese Weise den Entscheidungsakt mit dem vorherrschenden Motiv des Handelnden, ohne ein unabhängiges Wahlvermögen anzunehmen.“ 596 Vgl. auch HORN, Augustinus und die Entstehung des philosophischen Willensbegriffs, 118. „Neben der unmittelbaren Gewissheit der eigenen Existenz und des Wissens um diese soll es eine unmittelbare Gewissheit der willentlichen Verfügung über sich selbst geben. ‚Wollen‘ meint somit, so Augustins Entdeckung, die Möglichkeit unabhängiger und unmittelbarer Selbstbestimmung.“ Vgl. dazu prägnant AUGUSTINS, De civitate dei, civ. XII 6. <?page no="261"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 261 nicht die menschliche Willensfreiheit, sondern er leugnet die Möglichkeit, sich aus freien Stücken für eine insgesamt gute Strebensorientierung zu entscheiden.“ 597 Die hier zum Ausdruck kommende postlapsarische Zerrissenheit des Willens in Teilwillen ist nur gnadentheoretisch, d.h. hoffnungstheoretisch heilbar, weswegen von einer Unfreiheit des Willens im Kontext einer strikten (gnadentheologisch interpretierten) Hoffnungslosigkeit gesprochen werden kann, die nach einer Vereinheitlichung der Teilwillen verlangt (durch die vim copulande des befreiten Willens), um (wieder) einheitlich das Gute wollen zu können. 598 Einzig vermittels der im Medium der Hoffnung vergegenwärtigten Gnade kann der menschliche Wille (voluntas) als frei gelten, sich (mit allen voluntates) einheitlich zum Guten zu bestimmen. Mit anderen Worten: Ohne gnadengewirkte Hoffnung ist der Wille nicht wirklich frei von bösen Verstrickungen, weil er sich eo ipso nicht einheitlich zum Guten zu bewegen vermag, ist doch das Zentrum einer solchen Bewegung in sich gespalten. Daher ist der freie Wille für AUGUSTINUS (als noch nicht gänzlich befreiter Wille) auch Ursprung des Bösen, das sich darin zeigt, dass ein Weg eingeschlagen wird weg vom höchsten Gut 599 bzw. ein Weg, der nicht einheitlich zum höchsten Gut hin orientiert und realisiert werden kann. Insbesondere aber diese Orientierung des Willens auf das (höchste) Gute wird als zentrale Aufgabe der Hoffnung zu bestimmen sein, wie bei THOMAS VON AQUIN zu zeigen sein wird. Der moralisch qualifizierte freie Wille des Menschen kann also aufs engste mit dem Hoffnungsvollzug verknüpft gelten, der quasi die Brücke der göttlichen Gnade in die Zeit hinein ist. Erst diese in der Hoffnung gegenwärtige Gnade vermag wiederum den menschlichen Willen vom Zwang zum Bösen zu befreien - eben durch die erwähnte Hinordnung menschlichen Strebens auf ein letztes Ziel, das die Bewandtnis des Guten trägt und auf dessen Erreichbarkeit Hoffnung vertraut. Hoffnung gibt sich damit als eine moralisch qualifizierte Handlungskategorie zu erkennen. Denn: Das Wollen des Guten fällt nicht mit dem Vollbringen des Guten zusammen. Der Wille hofft daher immer etwas, wenn er etwas will. An dieser Stelle wird die scholastische Theologie wieder ansetzen, wenn sie die Hoffnung nicht dem Erkenntnisvermögen, sondern dem Strebevermögen zuweist und damit als Funktion des Willens begreift. Damit geht eine Aufwertung von Ethik insgesamt einher, deren metaphysische Grundlagen da relevant werden, wo die Bestimmung und die Reichweite des Willens gedacht werden soll. Bis heute werden schließlich diese und ähnliche Bestände des AU- GUSTINUS hochgehalten, etwa die Begnadung und Befreiung des (freien) Willens oder der Attraktivität des Hoffnungsgutes als wichtigem Realisationsgrund des Guten. AUGUSTINUS entwickelt nun den klassischen (antiken) Begriff der spes (bonarum rerum futurarum exspectatio) 600 weiter, wenn er ihn nur auf die bona futura des Hoffenden selbst bezieht. 601 Diese erstreckt sich (letztlich) auf Unsichtbares, das mit Geduld zu 597 Vgl HORN, Augustinus und die Entstehung des philosophischen Willensbegriffs, 127-128. 598 Vgl. AUGUSTINUS, De libero arbitrio - Der freie Wille (Opera-Werke Bd. 9), zweisprachige Ausgabe eingeleitet, übersetzt und herausgegeben von J. BRACHTENDORF, Paderborn et al. 2006, 58. „Die Gnade, so Augustins These, hebt die Freiheit des Willens keineswegs auf, sondern rettet sie, indem sie vom Zwang zum Wollen des Bösen befreit.“ 599 Vgl. erneut AUGUSTINUS, De libero arbitrio - Der freie Wille, 20ff. 600 Vgl. dazu und zum Folgenden Vgl. DIHLE, A. / STUDER, B. / RICKERT, F., Hoffnung (Art.), in: DASSMANN, E. et al. (Hrsg.), Reallexikon für Antike und Christentum. Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt Bd. XV, Stuttgart 1991, 1159- 1250, hier 1231-1244. 601 Vgl. AUGUSTINUS, Sermo 105, 8,11, wo er eine Definition der Hoffnung gibt: Figite spem in Deum, aeterna concupiscite, aeterna exspectate. Christiani estis, fratres, christini sumus. Non ad <?page no="262"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 262 erwarten ist (Röm 8, 25). Hoffnung ist daher auch als Trost auf dem Pilgerweg zu verstehen, bis wir geduldig zur Gottesschau gelangen, wo allein die Liebe bleiben wird. 602 AU- GUSTINUS vermittelt mithin biblische Spuren mit antiken Elementen. Die Hoffnungsgewissheit basiert nicht auf rationaler Einsicht, sondern im Vertrauen in die in der Geschichte Israels und im Leben Jesu erwiesenen Liebe Gottes. Erst unter der Voraussetzung dieses gläubigen Vertrauens wird Zukunftserwartung zur Hoffnung. Diese wurde allerdings verbunden mit dem antiken Zeitschema und antiker Erkenntnislehre. Hoffnung setzt darüber hinaus ganz auf Gott, aber in der bereits biblischen Spannung von Schon und Noch-Nicht. AUGUSTINUS hebt die Hoffnung „sowohl vom falschen Selbstvertrauen (praesumptio) und vom übertriebenen Auf-Gott-Abstellen wie von aller Verzweiflung und falscher Angst vor Gottes Gerechtigkeit ab.“ 603 Die Unterscheidung von uti und frui gehört zudem zur Dynamik der Hoffnung. Das darin aufscheinende „desiderium, das immer wachsen soll, die cupiditas bona, wird von aller bloß irdischen Sehnsucht, von allen nur zeitlichen Erwartungen abgehoben“ 604 . AUGUSTINUS geht von einer „hoffenden Sehnsucht“ aus, die ihre Grundlegung im Ostergeheimnis hat. „Schon auf der natürlichen Ebene ist der Mensch ein Hoffender (vgl. en. in Ps. 131, 19f.). Weit mehr ist er im religiösen Leben ein Mensch der Zukunft. […] Sein ganzes Leben ist eine einzige Sehnsucht, eine stete extensio […].“ 605 Um dies zu ermöglichen, ist christliche Hoffnung zugleich in der Natur des Menschen angelegt und in der Auferstehung Christi begründet, hat Anhalt an der realen Erfahrung des Menschen, mindestens um diese zu verändern, und zugleich verbunden mit dem Grund aller Erfahrung und Realität. „Obwohl also die christliche Hoffnung als Erwartung der künftigen Güter wie als sichere Erwartung weit über das hinausging, was man in der Antike als Hoffnung bezeichnen konnte, wurde sie durch die Gleichsetzung mit der in der menschlichen Natur selbst angelegten Sehnsucht nach dem ewigen Leben und durch ihre Begründung von der Erfahrung der Zeit her ungeheuer vertieft. Damit wurde allerdings eine andere Spannung gewaltig verschärft: Die Spannung zwischen der Schöpfungs- und Erlösungsordnung, zwischen dem nach dem Bild Gottes geschaffenen und darum hoffenden und dem in seiner Veränderlichkeit der Sünde verfallenen und darum verzweifelnden Menschen. Mit seiner Lehre von der absoluten Notwendigkeit der Gnadenhilfe Gottes und der vom Hl. Geist inspirierten Liebe zur Gerechtigkeit machte Augustinus nicht nur die Hoffnung des auf die Erlösung Jesu Christi angewiesenen Sünders, sondern im Grunde die Hoffnung des Geschöpfes überhaupt ganz von Gott abhängig. Damit hob er natürlich die Spannung zwischen Furcht und Hoffnung, zwischen demütigem Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes und den vom Schöpfer dem Menschen gegebenen Möglichkeiten natürlich nicht auf. Ganz im Gegenteil! “ 606 Im Hintergrund solcher Vorstellungen kann bei AU- GUSTINUS eine reflexive Bewegung von der vorrangig objektiven Sittlichkeit hin zu einer diese im Subjekt quasi widerspiegelnden Intentionalität beobachtet werden - auf delicias Christus in carnem descendit; toleremus potius praesentia quam diligamus […] Nemo vos murmurando avertat ab exspectatione futurorum. 602 Vgl. AUGUSTINUS, Sermo 150, 8f. mit Röm 8, 23ff. 603 Vgl. DIHLE / STUDER / RICKERT, Hoffnung, 1233. 604 Vgl. ebd. 1236 und 1237. „Auch wenn man nur hoffen kann, was man zuerst glaubt, muss […] umgekehrt die Hoffnung den Glauben fortwährend stützen.“ 605 Vgl. ebd. 1240. 606 Vgl. ebd. 1242-1243. Weiter heißt es: „Seine Auffassung von der absoluten Gnadenhaftigkeit der Hoffnung zwang ihn nämlich, in seiner Seelsorge aus der Hoffnung gegen alle Hoffnung sich aller anzunehmen.“ <?page no="263"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 263 dem Boden des Verhältnisses von Gott und der Seele. Es drückt sich quasi darin eine subjektbezogene Grundierung allen Handelns aus, die Glaube und Sittlichkeit in ihrer inneren Einheit vor Augen hat und neben der objektiven Sittlichkeit auch so etwas wie eine (moralpsychologisch konnotierte) intentionale Sittlichkeit favorisiert. Als Ertrag kann festgehalten werden: Alle Orientierung des Menschen am Guten und alle entsprechenden Mühen sind von der Hoffnung unterfangen. Es kann von einer Prinzipfunktion der Hoffnung 607 gesprochen werden, die eingeordnet ist in einen eschatologischen Schöpfungskontext. Damit zeigt sich eine exakte Vorbereitung der hier vertretenen These, wiewohl bei AUGUSTINUS die für die vorliegende Fragestellung so wichtige Verhältnisbestimmung von spes christianorum und spes in hominem über deren Differenzierung vernachlässigt erscheint. 608 Eine naheliegende Möglichkeit also, die theologische Tugend der Hoffnung, die gnadenhaft verliehen wird, mit der bewussten und handlungspraktisch relevanten Willenstätigkeit des Menschen zu verknüpfen, ist mithin die des AUGUSTINUS: Die „Attraktivität“ des Gewollten und die Fähigkeit, ihrer überhaupt gewahr zu werden, als göttlich gewirkt zu betrachten. Aus diesem Grunde bestimmt sie menschliche (Handlungs-) Wirklichkeit, entzieht sich menschlicher Verfügung. Diese hat daher eine eschatologische und offenbarungstheologische Grundlage. 609 So kennt der menschliche Wille nicht allein einen äußeren Anstoß, um handlungswirksam zu werden, sondern auch eine innere Motivation, die sich als eine spezifische ‚Lust‘ an etwas bzw. der Affiziertheit durch etwas und das Gefühl der Attraktivität von einem Gegenstand zu erkennen gibt. Da diese der Verfügung des Menschen entzogen ist, kann darin das Einfallstor für das Wirken Gottes betrachtet werden. Nicht umsonst ist auch moraltheologisch die Attraktivität des Guten eine zentrale Motivationsfigur teleologischer Ethiken. AUGUSTINUS verficht mit anderen Worten ein synthetisches Verhältnis von Tugend und Glück, wie später KANT, wonach zwar beides erforderlich ist zur Vollendung menschlicher Strebungen, aber beide nicht identisch sind und sich zudem das eine nicht aus dem anderen herleiten lässt. 610 Vollendetes Glück ist unter irdischen Verhältnissen 607 Vgl. AUGUSTINUS, Sermo 361 (PL 38 / 39, 1599): Sublata itaque fide resurrectionis mortuorum, omnis intercidit doctrina christiana. 608 Vgl. ähnlich BALLAY, L., Der Hoffnungsbegriff bei Augustinus. Untersucht in seinen Werken: De doctrina christiana; Enchiridion sive de fide, spe et caritate ad laurentium und Enarrationes in psalmos 1-91, München 1961, 54-56 und 282ff., der allerdings, ohne eine ausführliche Textphilologie vorgenommen zu haben, auf die fehlende Verhältnisbestimmung hinweist. Daneben hebt er die enge Verbindung des augustinischen Hoffnungsbegriffs mit der Offenbarung hervor und betont die Zentralität der (leiblichen) Auferstehungshoffnung, lässt aber ansonsten keinen größeren systematischen Ertrag erkennen. 609 Vgl. AUGUSTINUS, Ad Simplicianus 2, 2, 21: „Wer kann aus ganzem Herzen das umfangen, woran er keinen Gefallen hat? Er aber hat es in seiner Macht, dass das, woran er Gefallen haben könnte ihm auch über den Weg kommt, und dass er an dem, was ihm über den Weg kommt, auch tatsächlich Gefallen hat? Dass wir also an jenen Dingen Gefallen haben, durch die wir auf Gott hin vorwärts gebracht werden, ist nicht das Werk unserer bewussten Absicht und unseres eigenen Wollens [...], sondern hängt ab von einer innerlichen Inspiration durch die Gnade Gottes.“ Und ausführlich WIELAND, W., Offenbarung bei Augustinus, Mainz 1978. 610 AUGUSTINUS vertritt entgegen oft anderslautender Thesen, die von einer „augustinischen Innovation in Sachen Tugendethik“ sprechen wollen, eine neuplatonische Tugendkonzeption, die den damit einhergehenden moralischen Rationalismus weitgehend übernimmt.Vgl. HORN, C., Augustinus über Tugend, Moralität und das höchste Gut, in: FUHRER, T. / ERLER, M. (Hrsg.), Zur Rezeption der hellenistischen Philosophie in der Spätantike, Stuttgart 1999, 173- 190, hier 189. <?page no="264"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 264 nicht möglich, weswegen das (irdische) Glück transzendentalisiert wird; auch die Herstellbarkeit des Tugendhaften begrenzt AUGUSTINUS durch die Gnadentheologie. 611 Dennoch ist für den vorliegenden Kontext aufschlussreich: „Nicht das Maß der Einsicht entscheidet über das Glück des Menschen, sondern die Orientierung des Willens.“ 612 Und da nun Hoffnung eine Funktion des Willens ist und gerade nicht des Erkenntnisvermögens, entscheidet das Hoffen des Menschen (mit) über sein Glück. Mitte des 13. Jh. erreichte der Traktat über die Hoffnung schließlich seine Hochform. So griff bereits vorher PETRUS LOMBARDUS auf das Enchiridion des AUGUSTINUS zurück, wenn er mitsamt seinen Kommentatoren vorrangig über die Hoffnungsgewissheit reflektierte. Mit der Wende zur Hochscholastik kann schließlich eine vorerst letzte große Erneuerung des Traktates mit den Summisten datiert werden, etwa mit WILHELM VON AUXERRE und PHILIPP DEM KANZLER, die dann von ALBERTUS MAGNUS, BONAVENTURA und THOMAS VON AQUIN weitergeführt wurden, wobei der Tugendcharakter der Hoffnung, ihr Gegenstand und ihr Beweggrund im Vordergrund des Interesses standen. b) Hoffnung und der Weg zum (göttlichen) Glück - THOMAS VON AQUIN THOMAS VON AQUIN hat als erster eine einheitliche und umfassende Hoffnungstheorie 613 entworfen, die er als subjektives und objektives Heilsgut verstand. Unter Aufnahme insbesondere aristotelischen Gedankengutes, daneben aber auch stoischen, neuplatonischen und augustinischen Lehrgutes, wird Hoffnung als „Bewegung der Strebkraft“ 614 entfaltet und damit gerade nicht dem Bereich der Erkenntnis 615 zugeordnet - mit der bereits bekannten vierfachen gegenständlichen Bestimmtheit: Hoffnung bezieht sich auf ein Gut (bonum), worin sie sich von der Furcht unterscheidet; dieses ist zukünftig (futurum), was den Unterschied zu Freude und Lust markiert, und es ist schwer zu erreichen 611 Vgl. BRACHTENDORF, Augustins „Confessiones“, 303. „Nicht nur das äußere Schicksal ist der Kontrolle des Einzelnen entzogen, auch das Maß an Selbstkontrolle, das die antike Ethik für möglich und ein Zeichen von Weisheit hielt, sieht Augustinus für unerreichbar an. Ihm zufolge ist der Mensch erstens nicht in der Lage, sich selbst tugendhaft zu machen, und zweitens hat auch der Weise noch mit entgegenstehenden Neigungen zu kämpfen.“ 612 Vgl. ebd. 301. 613 Zu den wesentlichen Quellen zählt AQUIN, T. VON, Die Hoffnung. Summa theologiae II-II, q 17-22, Freiburg im Breisgau 1988. AQUIN, T. VON, Über das sittliche Handeln. Summa theologiae I-II q. 18-21 (lt./ dt.), hrsg. von SCHÖNBERGER, T., Stuttgart 2001. Als zentrale Sekundärliteratur gilt BERNARD S.J., CH.-A., Théologie de L´Espérance selon Saint Thomas D´Aquin, Paris 1961. DE LETTER, P., Hope and charity in St. Thomas, in: The Thomist. A speculative quarterly review of theology and philosophy XIII (1950), 204-248 und 325-352. KÜNZLE , P., Thomas von Aquin und die moderne Eschatologie, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie, 8 / 1962, 109-120. FRIES, A., Hoffnung und Heilsgewissheit bei Thomas von Aquin, Studia moralia. Academia Alfonsiana, Institutum Theologiae VII: Contributiones, 131-236. Daneben wäre seine Konzeption des Glücks, des Naturrechts und des höchsten Gutes, einschließlich Handlungs- und Erlösungslehre ausreichend zu würdigen. 614 Vgl. WOSCHITZ, Elpis, 16. Vgl. auch AQUIN, T. VON, S. th. I-II, q.40 a 2: Spes est motus appetitivae virtutis consequens apprehensionem boni futuri ardui possibilis adipisci, scilicet extension appetites in huiusmodi obiectum. 615 Vgl. AQUIN, T. VON, 3 Sent. d 26; S. th. I-II, qu 40 a 2c. Zitiert nach WOSCHITZ, Elpis, 17. „Die Hoffnung geht auf ein Gut. Das Gute als solches aber ist nicht Gegenstand der Erkenntnis, sondern der Strebekraft. Mithin fällt die Hoffnung nicht in den Bereich der Erkenntnis, sondern der Strebekraft.“ <?page no="265"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 265 (arduum), was sie vom bloßen Verlangen trennt; schließlich ist es aber ein mögliches und erreichbares Gut (possibile adipisci). THOMAS geht von einer hierarchischen Gliederung der vielfältigen Aspekte der komplexen Hoffnungskategorie aus, wobei ontische, ontologische und theologische Ebenen unterschieden werden können. „Auf der ontischen, auf Seiendes gerichteten Ebene bezieht sich die Hoffnung auf ein sinnliches Triebziel oder ein im geistigen Bereich Gutes (Werthaftes). Auf der ontologischen, auf das Sein gerichteten Ebene ist der Inhalt hoffenden Aus-seins das Gut-sein der Existenz schlechthin. Dies ist ihre äußerste Möglichkeit (ultimum potentiae). Aber letzte Verzweiflung und Angst sind vom Menschen her nicht überwindbar. Als übernatürlicher Akt und ‚göttliche Tugend‘ hat Hoffnung ihr Formalobjekt in dem durch die Offenbarung ermöglichten Glauben an die Hilfe der Gnade Gottes, kraft welcher sich der Hoffende auf die Fülle des Seins ‚auszuspannen‘ vermag, die Gemeinschaft mit Gott als ewige Seligkeit.“ 616 Materialobjekt ist daher das gemeinschaftliche Glück in Gott (fruitio dei), worauf alle sonstigen inhaltlichen Hoffnungen quasi wie auf ein Endziel hingeordnet sind. Damit kommt der Hoffnung auch eine gemeinschaftskonstituierende, näherhin eine heilsgemeinschaftsbildende Wirkung zu. Aufschlussreich ist dabei nicht allein, dass die drei göttlichen Tugenden zusammen eingegossen werden und unter Aufrechterhaltung der sachlogischen Reihenfolge von Glaube, Hoffnung und Liebe die Liebe dennoch die Hoffnung immer schon durchformt und vervollkommnet, sondern insbesondere auch, dass THOMAS bereits eine stellvertretende Hoffnung für möglich und wirksam hält: „Einer kann für den anderen das ewige Leben erhoffen, sofern er durch die Liebe mit ihm eins ist.“ 617 Selbstredend ist diese Hoffnung dann christologisch begründet, sakramental vermittelt und korreliert mit einer spezifisch christlichen Zeitstruktur, die insbesondere in der für alle drei Zeitstufen (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) bereits angebrochenen, aber noch nicht vollumfänglich realisierten Zukunft zum Ausdruck kommt. Hoffnung ist bei THOMAS VON AQUIN mithin kein Wissen und keine Erkenntnis, sondern mit der Tatkraft und Strebekraft des Willens zum Guten verbunden, was die Verbindung zur Handlungskraft, Handlungsfähigkeit, Handlungsmotivation nahe legt. Hoffnung kann daher auch als natürliches Grundstreben des Menschen 618 betrachtet werden, ein Sich-Ausstrecken des Willens nach einem Steilgut. Natürliche Hoffnung bleibt auf die Immanenz verwiesen, ist Leistung des Menschen, insofern er das Hoffnungsgut unter seine Kontrolle und in seine Verfügung bringen kann, mitunter wird von einer animalisch fundierten Strebung gesprochen; allein die übernatürliche Hoffnung hat Gott als Gegenstand und Grund. THOMAS ist um eine strikte Trennung von natürlicher und übernatürlicher Hoffnung bemüht und lässt diesbezüglich nun eine Tendenz zur Vernachlässigung der Einheit und der irdischen Komponente erkennen. Es sei aber nochmals betont: Die Hinordnung auf das Letztziel menschlicher Existenz ist ein Sich- Ausspannen, was dem Spannungsgeschehen der Hoffnung phänomenologisch exakt entspricht. Diese (hoffende) Hinordnung zielt auf ein Gut bzw. ein (höchstes) Gutes und ist getragen vom Einzelnen zunächst für sich selbst, aber völlig analog auch für das Sein des anderen, der sich immer schon im Kreis dieser umfassenden Hoffnung befindet und daher auch moralisch an ihr partizipiert - was in der moralischen Konsequenz der Hoff- 616 Vgl. WOSCHITZ, Elpis, 18. 617 Vgl. AQUIN, T. VON, S. th. I-II, q 17 a 3. Zitiert nach Zitiert nach WOSCHITZ, Elpis, 18. 618 Vgl. AQUIN, T. VON, S. th. I-II, q. 40. <?page no="266"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 266 nung 619 selber liegt. Ist die Hoffnung für THOMAS also wesentlich durch Vertrauen gekennzeichnet, dann kann sie in letzter Konsequenz nie nur die eigene Seligkeit suchen, sondern immer auch für den Mitmenschen nach dessen Seligkeit streben und diese quasi (mit) erwarten. 620 Zunächst zielt also Hoffnung auf das eigene Heil, davon abgeleitet aber auch auf das Heil des anderen - gegen jeden Heilsindividualismus, insofern der Hoffende mit diesem in Liebe geeint ist. So ist Liebe eine Einung, Hoffnung eine Bewegung. Der Hoffende ist offen für den anderen, indem er sich immer schon überschreitet auf ein (absolutes) Du hin und damit dem sündigen incurvatum in se ipsum entgegensteht. Wird der Kreis noch weiter gespannt und als solcher auch benannt, dann kann davon gesprochen werden, dass Hoffnung eine ekklesiale Dimension und schließlich eine mundiale Dimension hat, insofern die ganze Schöpfung in die Christushoffnung einbezogen ist und Hoffnung nie nur eine Haltung des Einzelnen ist, sondern auch und gerade der Kirche Christi, wo alle „eine Hoffnung“ haben (Eph 4,4). Hoffnung ist dabei durch mehrere Komponenten zu bestimmen: (1) als Gefühlsregung, dann bereits im Bereich des Geistigen (2) als Habitus und (3) als Akt, schließlich (4) als Gegenstand und Ziel und (5) als Gewissheit der Hoffnung; davon wird (6) noch der Hoffnungs-Grund unterschieden. An dieser Stelle soll nun dafür geworben werden, diese umfassend in den Blick genommene Hoffnungskategorie als dezidiert theologische Tugend mit sittlicher Struktur zu verstehen, wiewohl häufig nur die natürliche Hoffnung benannt wird, um sich von ihr abzusetzen oder die übernatürliche Hoffnung, um deren Gottesgrund zu benennen, die moralische Kategorie in ihrer ganzen Handlungsrelevanz aber selten gesehen wird. „Die moralische Tugend der Hoffnung, die drängende Fertigkeit, im Sittlich-Guten alle Möglichkeiten des Erreichbaren auszuschöpfen, solang die Erreichbarkeit größer ist als die Unmöglichkeit; immer Neues zu wagen und zu versuchen; die Entwicklung, solang sie irgendwie aussichtsreich und verantwortbar ist, voranzutreiben, diese Tugend kommt wohl zu kurz, [...]. Von der Gefühlsregung gehen die scholastischen Theologen zur theologischen Tugend über und lassen das Mittlere, die nur-menschliche Tugend der Hoffnung aus, obwohl sie den Ansatz dazu - ein Hoffen, das nicht nur Gefühlsregung ist - sehr wohl haben.“ 621 Wiewohl es eine eigene ratio expectandi gibt, ist Hoffnung mehr als Erwarten, dieses näherhin ein Teil oder eine Art des Hoffens, jene umgreift und verklammert dagegen auf eigentümliche Weise Hoffnungsgut und den Hoffenden, dieses wiederum kommt noch ohne die spezifische Gewissheit der Hoffnung aus und konstituiert sich häufig unter Eingreifen von außen. Eine (scholastische) Psychologie christlicher Hoffnung vermag ferner vier seelische Teilvorgänge in der Hoffnung aufschlussreich zu differenzieren: (1) eine Art Liebe - ein Gefallen am Hoffnungsgut im Sinne dessen Attraktivität, quasi der „seelische Widerhall auf die Werthaltigkeit des Gutes“ 622 ; (2) das Verlangen, das aus der Kontrasterfahrung des 619 Bringt Hoffnung idealiter im Medium der Antizipation von basalen (interpersonalen und intersubjektiven) Anerkennungsverhältnissen die Bestimmung des Menschen zur Würdehaftigkeit zum Ausdruck, dann muss ich sie auf den jeweils anderen, praktisch auf alle universalisieren, um sie nicht selbst an ihrer Zielgröße zu desavouieren und damit zu degenerieren. 620 Vgl. erneut AQUIN, T. VON, S. th. II-II, q.17, a 3. Spes directe respicit proprium bonum, non autem, quod ad alium pertinent. Sed praesupposita unione amoris ad alterum iam aliquis potest sperare et desiderare aliquid alteri sicut sibi. 621 Vgl. FRIES, A., Hoffnung und Heilsgewissheit bei Thomas von Aquin, Studia moralia. Academia Alfonsiana, Institutum Theologiae VII: Contributiones, 131-236, hier 134. 622 Vgl. zweimal FRIES, Hoffnung und Heilsgewissheit bei Thomas von Aquin, 138, daneben 155- 156. „Hoffen unterstellt somit Liebe zu einem nicht-gegenwärtigen Gut, d.h. einem Verlangen <?page no="267"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 267 Entbehrens wächst und zusammen mit der Liebe allererst ein „wirksames, vorfreudiges, auf Erfüllung vertrauendes Streben“ ermöglicht; (3) eine Haltung des ‚Dennoch‘, die Widerstände zu überwinden bereit ist und durch eigene und geschenkte Kraft das Streben intensiviert und kräftigt; schließlich (4) die Zuversicht als Gewissheit, das Ersehnte und Erstrebte auch zu erreichen. Gott ist dabei als Erst- und Hauptgut christlicher Hoffnung zu bezeichnen, der Rechtfertigung, ewiges Leben, Glückseligkeit, Erbarmen, Gnade und vollkommene Liebesgemeinschaft gewährt, aber über des Menschen natürliche Möglichkeiten und Ahnungen hinausgeht - und damit als Erhofftes und Erhoffter dem Menschen noch partiell verhüllt 623 ist. In zweiter Reihe zielt Hoffnung quasi auf all das, was zu diesem übernatürlichen Lebensziel hinführt, mithin heilsdienlich ist: von der Vergebung der Sünden bis zu zeitlichen und natürlichen Gütern. „Wer also die Hoffnung hat, der hofft zu Gott [...] und gleichzeitig erhofft er alles für dieses Gehen zu Gott Notwendige [...]. Dadurch wird die Hoffnung zum Prinzip allen Tätigwerdens vor einem hochstehenden (arduum) oder aufgeschobenen Gut.“ 624 Damit wird Hoffnung zu einer Kategorie des Weges, die eine Zukunft erschließt, die nicht aus den Gegebenheiten der Gegenwart abgeleitet werden kann, sie ist der Zeitlichkeit verpflichtet, aber transzendiert diese zugleich, Vorstellungen, die auch für eine Theologie der Spiritualität von Bedeutung sind. Psychologisch entscheidend ist nun, „dass der Mensch nur dann aus eigener Kraft nach einem Gut verlangt, wenn zwischen diesem Gut und ihm selbst eine Entsprechung besteht.“ 625 So kann von einem ontologischen Bezug der Hoffnung auf etwas Übernatürliches hin gesprochen werden, genauso wie von einer Entsprechung zwischen göttlichem Angebot und menschlichen Möglichkeiten zur Antwort auf das Gnadenangebot - jeweils wiederum aufgrund der Gnade. Dieses Entsprechungsverhältnis scheint mir außerordentlich wichtig zu sein zum Verständnis auch der Struktur der Hoffnung, die schließlich in ihrem dialektischen Spannungsgeschehen jeweils in beiden Sphären, die sie zu überbrücken hat, einen klaren ontologischen und epistemologischen Anhalt (Grund) benötigt. Als theologische Tugend ist nun Hoffnung selbstredend immer eine virtus infusa, eine gottgeschenkte und gottgewirkte Tugendkraft, vorrangig und im Grunde gerade keine virtus acquisita, keine selbstgewirkte und eigenmächtig errungene Tugend. Mit anderen Worten: Hoffnung ist eine durch und durch empfangende Tugend, was ihre Konstitution nach dem ewigen Gut, das zwar nicht in sich, aber für den Hoffenden zukünftig ist. Was nicht ersehnt wird, löst keine Hoffnung aus, sondern Furcht oder Verachtung. Dieses ‚desiderium‘ als Grundbestandteil der Hoffnung kommt aus der Gottesliebe, die eine Ähnlichkeit, Teilhabe, Darstellung, Gegenwärtigkeit, Wirksamkeit des Heiligen Geistes im Glaubenden ist. Durch diese Liebe wird das im Glauben angenommene Lebensziel als ein Gut für den empfunden, der sich danach ausstreckt, sofern sie bewirkt, dass der Glaubende von diesem Ziel angetan ist - afficitur ad finem; sonst käme ein zugehen darauf, d.h. ein Hoffen, überhaupt nicht zustande“. Die genannten Aspekte einer (scholastischen) Psychologie der Hoffnung sind unmittelbar anschlussfähig an moderne psychologische Theoriebildung und die hier zu entwickelnde Theorie integrativer Hoffnung, wie insgesamt die Psychologie des THOMAS äußerst gewinnbringend auszuwerten wäre. Vgl. dazu auch BRENNAN, R.E., Thomistische Psychologie. Eine philosophische Analyse der menschlichen Natur (Deutsche Thomas-Ausgabe, Ergänzungsband I), hrsg. von LIEVEN, K., Graz 1957. 623 Vgl. AQUIN, T. VON, S. th. II-II, q.17, a 1. 624 Vgl. FRIES, Hoffnung und Heilsgewissheit bei Thomas von Aquin, 143-144 (Hervorhebung im Original). 625 Vgl. ebd. 149. <?page no="268"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 268 anbelangt. Auch wenn sie tief in die naturalen Grundlagen menschlichen Daseins eingesenkt ist und zutiefst vitalisierend und mobilisierend wirkt und als Handlungskategorie wirklichkeitsverwandelnde Kraft besitzt, hat sie letztlich donativen Charakter. Diese donative Struktur des Verdankt-Seins und Sich-Bestimmen-Lassens 626 von anderswo her, muss sich auch am Hoffnungsbegriff selbst und dessen tragenden Komponenten auffinden lassen und nicht nur vom Gottesbegriff abgeleitet werden können. Auch wenn THOMAS bemüht ist, christliches Hoffen vom natürlichen Hoffen her zu verstehen, gibt es Unterschiede im Gegenstand (selbstentworfene und gottgegebene Zukunft) und im Verhältnis zur Zukunft (aus eigener Kraft und nicht besorgbar, gewinnbar, sicherbar oder leistbar). Dennoch: moralisch gesehen müsste es eine Approximation geben zwischen selbstentworfener und gottgegebener Zukunft. Solange der Mensch aber noch in und aus Zeit lebt, zeigt sich für das Verhältnis von Hoffnung und Zeitlichkeit, dass diese immer auch ein Erwarten und zeitliches Warten ist. Für Hoffnung gilt daher grundlegend, dass sie „die Seinsform des Sich-Zeitigens hat, in dem Gegenwart und Zukunft einander durchdringen.“ 627 Sowohl die radikale Zeitlichkeit gilt es hervorzuheben, als auch das Ineinander der Zeitstufen, die durch ein dialektisches Spannungsgeschehen vermittelt werden. Hoffnung nimmt nun, wie bereits erwähnt, ihren Ausgang am eigenen Heil, transzendiert aber mit einer ihr selbst inhärenten Bewegung diese Perspektive auf den anderen und letztlich auf alle anderen Menschen hin, was sich mit THOMAS VON AQUIN am Verhältnis der Hoffnung zur Liebe zeigen lässt. Es gibt eine Liebe, die im Hoffen am Werk ist: zunächst eine (ichbezogene) „interessierte Liebe“ 628 (amor futuri), die individuelles Heil sucht, dann auch eine selbstlose Liebe, die den anderen und Gott um seiner selbst willen sucht (spes informis). Liebe hört niemals auf, Glaube und Hoffnung hören in der Vollendung auf, weswegen auch die Liebe übergeordnet ist. Es kann mithin eine Bewegung vom Glauben über die Hoffnung zur Liebe ausgemacht werden, aber: Glaube braucht schon Hoffnung, denn jener gibt dieser zwar Inhalt und Beweggrund, drückt sich aber in dieser allererst aus; Hoffnung braucht schon Liebe zu ihrer Verwirklichung, denn diese ist in jener bereits wirksam und läutert sich - die Hoffnung dabei stärkend - von der interessierten zur nichtinteressierten Gottesliebe. Denn: „In der Ordnung der Vollkommenheit und des Wertes geht die Gottesliebe selbstverständlich der Hoffnung voran, wie die Verwirklichung über der Seinsanlage steht. Dagegen in der Ordnung des Werdens, im Heilsprozess, führt die Hoffnung [...] zur vollkommenen Liebe hin.“ 629 Die Einheit der drei göttlichen Tugenden wird in der Kraft des Heiligen Geistes bewirkt. 626 Vgl. dazu als moderne philosophische Analogie SEEL, M., Sich bestimmen lassen. Studien zur theoretischen und praktischen Philosophie (stw 1589), Frankfurt am Main 2002. 627 Vgl. FRIES, Hoffnung und Heilsgewissheit bei Thomas von Aquin, 160. Weiter heißt es: „ Auch durch das Hoffen in gottgegebener Kraft wird das seelische Leben immer durchpulst von Antrieben, die auf die Verwirklichung eines noch nicht bestehenden Zustandes gehen und die Lebensführung und Lebensgestaltung durchziehen. Im Vorblick auf Kommendes sieht auch der Hoffende sich verwiesen auf die Zeit als die immerwährende Heraufkunft des Möglichen“ 628 Vgl. ebd. 157. „Zu denken ist also an eine von der Gnade eingegebene interessierte Liebe als Voraussetzung für die Hoffnung; und diese ist dann Weg und Hilfe zur nichtinteressierten Gottesliebe, die schließlich wieder verstärkend auf die Hoffnung zurückwirkt. [...] So stellt sich christliches Hoffen heraus als ein echtes, auf Gottes Macht und Güte und Verheißungen sich stützendes, zuversichtliches Erwarten des Lebens der zukünftigen Welt.“ 629 Vgl. ebd. 203-204 mit Bezug auf AQUIN, T. VON, Q. disp., a 1 ad 11. <?page no="269"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 269 THOMAS VON AQUIN schließt nun in der Summa (genauso wie bereits im Sentenzenkommentar) vom Beweggrund der Hoffnung auf deren Gegenstand (Zielgut), weswegen der Beweggrund das eigentlich Unterscheidende ist. Und der Beweggrund der Hoffnung ist fraglos Gott selbst. Gott als diesen Beweggrund der Hoffnung zu fassen, schafft nun eine Einheit aller Teilvollzüge der Hoffnung, etwa des Vertrauens, des Erwartens, etc. So muss die theologische Tugend der Hoffnung Gott sowohl als Gegenstand (Zielgut), als auch als Ermöglichungsgrund (Beweggrund) begreifen, um überhaupt die Zuversicht aufzubringen, schließlich danach vertrauend und erfüllungsgewiss auszulangen. 630 Aus der zeitlichen Perspektive formuliert, kann es als Grundzug der theologischen Tugend der Hoffnung gelten, eine Haltung zu ermöglichen, die das Erhoffte kraft der von Gott her ermöglichten Zuversicht und Gewissheit bereits vergegenwärtigt. Hoffnung liegt zudem auch nicht in einer Mitte (non in medio) 631 zwischen zwei Extremen, zwischen denen dann die Klugheit die rechte Mitte zu ermitteln hätte. Hier setzt sich THOMAS von antiker Tugendethik ab, die als Tugendmaß konstant die erwähnte Mitte zwischen den Extremen favorisierte. Entscheidend und für den Kontext der vorliegenden Fragestellung außerordentlich aufschlussreich sind freilich zwei Einsichten: (1) „Die Erreichbarkeit, nicht schon die Erreichung, gehört zum Begriff der Hoffnung.“ 632 Denn an diesem feinen Unterschied kann die famose (empirische) Unbedrohtheit christlicher Hoffnung festgemacht werden. Wenn die potentielle Erreichbarkeit den Gewissheitsgrund darstellt und gerade nicht notwendig deren Erreichung, dann kann daraus eine reale Unwiderlegbarkeit christlicher Hoffnung abgeleitet werden, die in ihren Potentialen zur Bewältigung von Welt kaum überschätzt werden kann. Wiewohl eine mindestens partielle Erreichung dennoch erlebbar sein muss, sonst wird auch in die Erreichbarkeit kein Vertrauen gesetzt werden können. (2) Nur die Annahme eines Erreichbaren löst eine 630 Vgl. FRIES, Hoffnung und Heilsgewissheit bei Thomas von Aquin, 179. „Hoffnung gibt es ja nur insofern, wie ein Gut in Reichweite des Strebevermögens liegt. Im Bereich des Natürlichen, der Dinge und des Geistigen, genügt nun die Gefühlsregung oder das muthafte Streben. Handelt es sich aber um ein übermenschliches, übergeschöpfliches, die natürliche Fähigkeit übersteigendes Gut, wie es die Glückseligkeit in Gott, also Gott selbst, ist, so muss eine Gnadengabe den Menschen und seinen Willen ergreifen und ihm das Auslangen danach und das feste Vertrauen in die Erreichbarkeit ermöglichen.“ 631 Vgl. AQUIN, T. VON, Q. disp., a 1 ad 7. Vgl. auch FRIES, Hoffnung und Heilsgewissheit bei Thomas von Aquin, 184-185. „Die theologische Tugend [...], wie der Glaube und die Liebe so auch die Hoffnung, liegt an sich nicht in der rechten Mitte. Sie hat nicht der nächsten und homogenen Norm menschlicher Sittlichkeit zu entsprechen; sie reicht vielmehr an die höchste und transzendente Norm des Sittlichen und Heiligen hinan [...], an Gott, von dessen mächtigem und gütigem Handeln der Hoffende sich gezogen und getragen weiß. [...] Keiner kann zu sehr auf Gott vertrauen [...], niemand kann überhaupt so sehr auf Gott vertrauen, wie der Beweggrund der Hoffnung - gleichwie bei Glauben und Liebe - es verträgt und verdient. Das Maß der Hoffnung an sich - wie des Glaubens und der Liebe (Deut 6,5) - ist, ohne Maß zu sein. Die rechte Mitte, die also nicht zur Wesensstruktur der christlichen Hoffnung gehört, ist aber wohl einzuhalten gegenüber dem Zweitinhalt der Hoffnung [...]. Der Mensch kann ein Zuviel im Sinne von Ungeziemendem, Unmöglichem von Gott erwarten [...]; das ist Vermessenheit; oder er verfällt in ein Zuwenig [...]; dann liegt Verzweiflung im religiösen Sinn vor, eigentlich auch eine ‚praesumptio‘ als Vorwegnahme der Nichterfüllung, der Unerfüllbarkeit. [...] Zu sehr (nimis) auf Gott hoffen kann keiner, wohl aber zuviel oder zuwenig (nimium) an Gaben von Gott erhoffen.“ 632 Vgl. FRIES, Hoffnung und Heilsgewissheit bei Thomas von Aquin, 164 (Hervorhebung vom Autor). <?page no="270"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 270 Bewegung aus. Denn: „Die theologischen Tugenden bewirken die Hinneigung zu Gott als dem übernatürlichen Lebensziel. [...] Zielgemäßes Tätigwerden unterstellt aber beim willentlich Handelnden einmal die Erkenntnis des Zieles und dann den Entschluss (intentio), auf das Ziel zuzugehen. Dieser Entschluss setzt ebenfalls ein Doppeltes voraus, erstens die Erreichbarkeit, da Unmögliches keine Bewegung, höchstens Sehnen auslöst; und zweitens das Gutsein, das Zusagende des Zieles, da nur Gutes den Entschluss herausfordert.“ 633 Der Beweggrund der Hoffnung garantiert nicht die fertige Erreichung, sondern die Erreichbarkeit des Zieles. Fehlgeschlagene (natürliche, aber echte) Hoffnungen führen nicht zur (sündigen) Verfehlung des Hoffenden. Vielmehr. „Solang die Hoffnung festgehalten wird, versagt ihr Beweggrund nicht und fehlt ihr die Gewissheit nicht.“ 634 Eine scholastische Theorie moralischer Motivation, die sich inzwischen andeutet, kann auf dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen am Hoffnungsbegriff abgelesen werden: „Wie nun der Hoffende in der Ordnung der Zielursache um des Hauptinhalts der Hoffnung willen auch die Heilsgaben und Hilfen erwartet, so darf er ebenfalls in der Ordnung der Wirkursache auch von Geschöpfen, in Unterordnung unter den Helfer- Gott als Beweggrund, Unterstützung erwarten und erbitten.“ 635 Hoffnung wird zwar in die Ganzheit personaler und übernatürlicher Vollzüge eingegliedert, in aller Regel aber dann, etwa bei BONAVENTURA, dem muthaften Streben (vis irascibilis) zugerechnet. THOMAS dagegen verlegt den Sitz der Hoffnung in den Willen im Allgemeinen, da er davon überzeugt ist, dass die beiden Richtungen des Strebevermögens, Begehrendes und Muthaftes, nicht grundverschiedene Fähigkeiten ausdrücken, sondern nur verschiedene Verwirklichungen des einen von Gott begnadeten Willens darstellen. 636 Hoffnung ist als Funktion des Willens und damit als Handlungskategorie par excellence zu bestimmen. 633 Vgl. ebd. 199-200. Weiter heißt es: „Darum muss der Mensch von dem Gott der Offenbarung zuerst den Glauben haben, der ihm das Ziel zur Kenntnis bringt, dann Hoffnung, sofern sie die Zuversicht in sich schließt, zu Gott als übernatürlichem Lebensziel zu gelangen und alles für dieses Gehen zu Gott Notwendige [...]; schließlich die Liebe zu Gott, die es mit sich bringt, dass Gott in seiner Herrlichkeit von dem, der sich für ihn entscheidet, als erfüllendes Gut, als Wert erfahren wird; gerade durch die Liebe wird der Mensch von Gott als seinem Ziel angezogen und angetan (affici), und ohne dieses Angetansein kommt kein Zielstreben zustande.“ Mit anderen Worten: Die Attraktivität des Guten kann als (Gottes-) Liebe interpretiert werden. 634 Vgl. ebd. 222. FRIES folgert: „Ist also die Gewissheit der Hoffnung wesentlich nicht eine solche des Wissens (cognitio) [...] und an sich auch nicht eine solche der tatsächlichen Verwirklichung (eventus) - noch nicht die Gewissheit der Geretteten und Vollgerechtfertigten, die [...] Erkenntnis- und Erfüllungsgewissheit in einem ist -, so bleibt ihr, als der nicht der Erkenntnisordnung, wohl der Pilgerschaft zugehörenden Tugend die Gewissheit der un-fehlbaren Hinordnung auf die helfende Allmacht Gottes und durch sie auf das Heil. [...] Für die Gewissheit der Hoffnung - und der nichtintellektuellen Tugend überhaupt - ist nicht charakteristisch ‚cognitio‘ [...] sondern ‚inclinatio‘.“ 635 Vgl. ebd. 185. 636 Vgl. ebd. 194-195. „Die begehrende und die muthafte Seelenkraft sind vom Willen nicht wesentlich verschieden, sondern nur funktionell, sofern der Wille als Strebevermögen im Vernunftbereich den niederen Kräften Impulse und Steuerung zu geben hat. Darum schließt der Wille sie auf höhere Weise dem Können und dem Vollzug nach ein. So lässt sich schließlich sagen, dass die Tugend der Hoffnung im Willen beheimatet ist als dessen Urfähigkeit, die, wie die Liebe, ihn für die Ausrichtung auf Gott als übernatürliches Lebensziel tauglich und tüchtig macht. [...] Wegen der Ausrichtung auf das Gute gehört sie [die Hoffnung, R.L.] nicht der Erkenntnisordnung zu, sondern dem Affektiven, das im Raum der Vernunft - ohne das der Gefühlsregung (passio) Eigene - der Wille ist. Der Wille aber ist - anders als der Sinn, der dem <?page no="271"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 271 Dezidiert christliche Hoffnung ist dabei durch und durch pneumatologisch 637 bestimmt, weswegen etwa das Gebet durch die Kraft des Heiligen Geistes auch als Ausdruck und Stärkung von Hoffnung 638 begriffen werden kann. Vom Bittgebet etwa heißt es in scholastischer Diktion: petitio est spei interpretativa 639 . Hoffnung, und damit auch Gebet, vollzieht sich letztlich durch und aus Gott, aber mit eigenem menschlichem Anteil und mit (eingesenktem) naturalen Anhalt an der Wirklichkeit. Die spezifische Gewissheit der Hoffnung ist nun nicht identisch mit der des Glaubens, das zu zeigen THOMAS sich an verschiedenster Stelle bemüht. Die Glaubensgewissheit ist im Intellekt verortet, die Gewissheit der Hoffnung im Affekt. Jene kann gar nicht fehl gehen, diese durchaus, wenn sie von außen gehindert wird. Jene bezieht sich auf etwas Komplexes, diese auf etwas Nichtkomplexes. Schließlich: „Der Glaubensgewissheit steht der Zweifel gegenüber, der Hoffnungsgewissheit der Mangel an Vertrauen (diffidentia) oder das Schwanken (haesitatio).“ 640 Die Hoffnungsgewissheit hat eine erkenntnismäßige Grundlage im Glauben und kennt eo ipso keine Heilsgewissheit, die nicht abgeleitet wäre aus der Glaubensgewissheit. Die Gewissheit der Hoffnung ist die Gewissheit, das richtige Ziel vor Augen zu haben, mithin Zielgewissheit oder „Richtungsgewissheit“ 641 . Da nun im Sinne eines äußersten Rahmens für menschliches Streben von einem Letztziel der Hoffnung (in Gott) gesprochen werden muss, kann Hoffnung als spezifische Tugend der eschatologischen Haltung bezeichnet werden - von außen potentiell unanfechtbar, von innen mit einer erstaunlichen Unbedrohtheit einhergehend. Hoffnung ist mithin die „Kraft der Erlösung“ und der Akt des Hoffens in klassischer Definition: certa exspectatio futurae beatitudinis. Mit anderen Worten: „In der Hoffnung gerettet sein, heißt nicht, nur eine Zukunft haben; es heißt vielmehr, diese Zukunft als schon begonnene und schon entschiedene haben und darum Sinn und Heil und alles Lebensnotwendige haben - und leben können; es heißt, die volle Wirklichkeit der Erlösung erst noch vor sich haben: Wir sind gerettet, und das erst in Hoffnung. Hoffnung ist angefan- Einzelgut zugeordnet ist - für das Gute einfachhin geöffnet, wie es dem Intellekt erfassbar ist, und darum ist bei ihm eine Unterscheidung in Begehrendes und Muthaftes gegenstandslos.“ 637 Vgl. ebd. 195. „Hoffen als Tugendvollzug ist in der Kraft des Heiligen Geistes eine Bewegung des gottfähigen Geistes: Motus mentis, quae est capax dei.“ 638 Vgl. AQUIN, T. VON, S. th. I-II, q. 83 (de oratione), a. 17. 639 Vgl. AQUIN. T. VON, S. th., II-II, q. 17 a. 2 obi 2. 640 Vgl. FRIES, Hoffnung und Heilsgewissheit bei Thomas von Aquin, 212 mit Bezug auf AQUIN. T. VON, In III sent., d 26 q. 2 a. 4 ad 5 (f 96vb). Weiter heißt es bei FRIES: „[...] Die Gewissheit der Hoffnung [...] bezieht sich - wie die der anderen Tugenden - nicht auf Erkennen, sondern auf Lieben und Streben, nicht auf den Intellekt, sondern auf das Herz; sie ist keine theoretische, sondern eine praktische Gewissheit, und sie besagt die Verwirklichung einer unfehlbaren Hin- Richtung auf ihr Ziel. Wohl beruht sie ganz auf der Gewissheit des Glaubens, von der sie sich herleitet, wie jede Bewegung des Strebevermögens Anteil bekommt an der sie lenkenden Erkenntniskraft.“ 641 Vgl. zweimal FRIES, Hoffnung und Heilsgewissheit bei Thomas von Aquin, 226 und 227. „Die der Hoffnung eigene Gewissheit ist gottgegebene Richtungsgewissheit.“ Für diese gilt (vgl. ders. 225): „In ihrer Ordnung - nicht als Erkenntnis- oder Erfüllungsgewissheit - ist die Gewissheit der Hoffnung absolut und unfrustrierbar. Hoffnung, solange sie nicht preisgegeben wird, versagt nicht und kann gar nicht fehlschlagen.“ Die spezifische Bestimmung der Hoffnungsgewissheit als Richtungsgewissheit kann exakt mit der These der vorliegenden Arbeit verknüpft werden, wonach Hoffnung als Antizipation von Sinn gefasst werden soll und Sinn sich als Orientierungsgröße zu erkennen gegeben hat, die einen gangbaren, d.h. erreichbaren Weg vor Augen stellt (sic! ). <?page no="272"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 272 gene Vollendung.“ 642 Die für die vorliegende Fragestellung entscheidenden Zusammenhänge im Schrifttum des THOMAS können über einen doppelten Entdeckungszusammenhang wahrgenommen werden, einmal über Reflexionen über die Hoffnung, wie sie oben bereits ausgewertet wurden, und zum anderen, wenn die Sache zwar präsent ist, expressis verbis aber eine andere Kategorie verhandelt wird - hier insbesondere die Reflexionen des THOMAS auf das (letzte) Glück des Menschen. 643 Demnach existiert ein desiderium naturale nach wahrer Glückseligkeit, das aber im Rahmen der innerweltlichen conditio humana nicht erfüllbar ist. Dass aber ein solcher appetitus naturalis ins Leere geht, ist für THOMAS bereits schöpfungstheologisch absurd. Er weist eine Glückshoffnung aus, die Einsicht in Nahziele, Fernziele und ein Letztziel kennt, eine ultima felicitas. Gott ist dabei der Garant und das diesbezügliche „Hoffen Sache des vom gläubigen Intellekt getragenen Liebens und Wollens.“ 644 Die Annahme eines Letztzieles entspricht nun auch der Struktur der Hoffnung, wonach die ihr inhärente Bewegung der Selbsttranszendenz einen Abschluss finden muss, soll sich die Bewegung selber nicht verlaufen und entwerten. Zudem kann dem Gedanken eine gewisse Rationalität bescheinigt werden. „Wenn der Mensch sein Ziel schon nicht aus eigener Kraft erreichen kann, so ist doch die Hoffnung höchst rational, dass uns die Glückseligkeit aus göttlichem Wirken zuwächst. Als Alternative bliebe nämlich dem Menschen, da sein desiderium naturale in seiner Vernunftbegabung gründet, nur eine Verzweiflung der Vernunft an ihr selbst. Aus Gründen der Selbsterhaltung hofft menschliche Vernunft auf göttliche Hilfe.“ 645 Wie das gehen könnte, vermag Vernunft aus sich nicht mehr einzusehen, denn dafür steht ein göttliches Gnadenangebot bereit, das bereits anzunehmen Ergebnis der Gnade ist. „Erst auf dem Boden, der durch Gnade bereitet ist, erwächst dann die Tugend christlicher Hoffnung im Sinne zuversichtlicher Vorwegnahme ewiger Seligkeit.“ 646 Menschliches Streben kennt qua appetitus rationalis eine Ausrichtung auf ein Endziel, das wir um seiner selbst willen wollen und das alle partikulären Strebensziele noch einmal umgreift und in dem alles menschliche Streben zu einer letzten Erfüllung kommt. Bis hierhin folgt THOMAS der antiken Philosophie des ARISTOTELES. Es kann von einem Strebensbzw. bei THOMAS bereits von einem Willens-Apriori gesprochen werden: der beatitudo als ultimus finis, als summum bonum oder als primum volitum intellectualis naturae 647 . Damit sind zugleich (sic! ) jeweils die entscheidenden Zielgrößen christlicher Hoffnung benannt. THOMAS nimmt nun eine für den vorliegenden Kontext wichtige Charakterisierung des Endziels bzw. des Verhältnisses des Menschen zum Endziel vor. „Wenn wir vom Endziel des Menschen sprechen, hinsichtlich des Erreichens, 642 Vgl. FRIES, Hoffnung und Heilsgewissheit bei Thomas von Aquin, 227 mit Bezug auf AQUIN, T. VON, S. th. II-II, q. 24 a. 3. Ad 2. 643 Vgl. zur Auseinandersetzung mit dem Glücksbegriff ausführlich AQUIN, T. VON, S. th. I-II, q. 1-10. 644 Vgl. FRIES, Hoffnung und Heilsgewissheit bei Thomas von Aquin, 230. 645 Vgl. FORSCHNER, M., Über das Glück des Menschen. Aristoteles, Epikur, Stoa, Thomas von Aquin, Kant, Darmstadt 1993, 98. 646 Vgl. FORSCHNER, Über das Glück des Menschen, 98. Vgl. auch AQUIN, T. V., S. th. I-II, q. 69, a 2 co. [...] spes futurae beatitudinis potest esse in nobis propter duo: primo quidem propter aliquam praeparationem, vel dispositionem ad futuram beatitudinem, quod est per modum meriti: alio modo per quamdam inchoationem imperfectam futurae beatitudinis in viris sanctis etiam in hac vita: aliter enim habetur spes fructificationis arboris, cum virescit frondibus; et aliter cum iam primordia fructum incipiunt apparere. 647 Vgl. AQUIN, T. VON, S. c. G. III, 28.25.26. <?page no="273"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 273 Besitzens, des Umgangs welcher Art auch immer mit der Sache, die als Ziel erstrebt wird, so gehört zum Endziel etwas von Seiten der Seele des Menschen: denn der Mensch erreicht sein Ziel durch die Seele. Die Sache selbst also, die als Ziel erstrebt wird, ist das, worin beatitudo besteht und was glücklich macht; doch das Erlangen dieser Sache wird beatitudo genannt. Folglich muss man sagen, dass beatitudo etwas ist, was der Seele gehört, dass aber das, worin beatitudo Bestand hat, etwas außerhalb der Seele ist (sed id, in quo consistit beatitudo, est aliquid extra animam).“ 648 Auch und gerade in der Erfüllung des höchsten und letzten Zieles hat menschliches Streben mithin aus einer systematischen, an Strukturen interessierten Perspektive eine (selbst-) transzendente Struktur - und das Medium, der Träger dieser Struktur ist Hoffnung, weswegen aus der Einsicht in die Struktur menschlichen Strebevermögens zugleich Einsichten in die Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit gewonnen werden können und umgekehrt aus dieser das Handlungssubjekt kennzeichnenden Hoffnungsstruktur etwas über das Wesen des Menschen selbst. 649 Wiewohl ihr Grund außerhalb des Menschen liegt, extra se, entspricht also das Glück als Letztziel dem menschlichen Streben zugleich auf das Genaueste, hat nicht nur Teil an ihm, sondern ist nachgerade ein Teil von ihm, weswegen seine Erreichung als außerordentlich attraktiv und als Erfüllung des ganzen menschlichen Seins erlebt wird. Mit anderen Worten: Der Mensch ist ein glücksverwiesenes Wesen 650 . Er erlebt sich allerdings auf ein Glück verwiesen, über das er nicht verfügen kann, weswegen er hofft - mit grundständigen Auswirkungen auf seine gegenwärtige Handlungspraxis, der dadurch eine basale Aussicht auf Sinn zuwächst, da die entsprechenden Hoffnungen nicht nur vernünftig sind, sondern auch den Grundbedingungen seiner Existenz eine humane Bestimmung verleihen, was schließlich sinnerschließend wirkt. Nochmals zugespitzt heißt das, dass ein solches Glück als Sinnoption zu begreifen ist, die im Modus der Hoffnung (Handlungs-) Relevanz bekommt, indem sie einen finalen und sinneröffnenden Rahmen für das Handeln gewährt - auch und gerade, aber nicht ausschließlich als Hoffnung. Damit wird die These dieser Arbeit erreicht, wonach Hoffnung als Antizipation von Sinn zu begreifen ist. Eine zentrale Voraussetzung sei allerdings nochmals prononciert benannt: „Die in diesem Leben faktische Unerfülltheit und die in ihm prinzipielle Unerfüllbarkeit der Kriterien für den Vollsinn von ‚Glück‘ verweisen aber nicht von selbst - sozusagen automatisch - auf ein vollkommenes Glück nach diesem Leben, sondern nur, wenn die Dynamik, welche dem Glücksstreben innewohnt, als über dieses Leben hinausweisend verstanden wird und wenn der Mensch in diesem Leben als homo viator begriffen wird. Der moralphilosophische Tatbestand gewinnt also erst durch die Rückbindung an ein bestimmtes Menschenbild, durch die Vermittlung einer bestimmten Anthropologie, 648 Vgl. FORSCHNER, Über das Glück des Menschen, 99, nach AQUIN, T. VON, S. th. I-II, q. 69, a 2 co. FORSCHNER schreibt weiter: „Damit ist die Zielbestimmung der griechischen Philosophie in ihrem Kern verändert. Menschliche Glückseligkeit hat ihren Bestand nicht in einer durch Selbstgestaltung errungenen Exzellenz der Seele; vielmehr liegt die Quelle menschlichen Glücks außerhalb der Seele; und diese ist in ihrem Glück intentional auf etwas anderes bezogen, dem sie alles verdankt.“ 649 Vgl. dazu ausführlich AQUIN, T. VON, S. th. I-II q. 18-21 (Über das sittliche Handeln, lt./ dt., hrsg. von SCHÖNBERGER, T., Stuttgart 2001). 650 Vgl. BORMANN, F.-J., Natur als Horizont sittlicher Praxis. Zur handlungstheoretischen Interpretation der Lehre vom natürlichen Sittengesetz bei Thomas von Aquin, Stuttgart 1999, 61-80. <?page no="274"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 274 Verweischarakter für die Offenbarungswahrheit des Glücks des jenseitigen Lebens.“ 651 Die hier völlig zu recht erwähnte Rückbindung des Glücksbegriffs an die Natur des Menschen erlaubt es, gegen subjektivistische Vorstellungen vom Glück begründet vorzugehen und dabei auch der darauf Bezug nehmenden Hoffnung ein objektives und zudem vernunftgemäßes Korrelat zu geben. Daher geht mit einer Reflexion auf die Grundbedingungen des homo sperans zugleich eine Einsicht in die Grenzen der Vernunft und die Grenzen des vom Menschen her eo ipso Erreichbaren einher, wiewohl er sich dennoch und zudem vernünftig darauf verwiesen erleben kann - und deswegen ein unaufgebbar Hoffender ist. Diese Dialektik gilt es nun genauer zu betrachten, um dabei die Struktur und Funktion der Hoffnung noch näher bestimmen zu können. Das erwähnte desiderium naturale des Menschen verlangt zur Vermeidung eines regressus in infinitum einen finalen Abschlussgedanken, der zugleich die Bestimmung des Menschen zur Erfüllung führt und in irgendeiner Weise zugänglich ist, ob verdankt oder eigenmächtig. Für THOMAS ist das ein umfassendes Glück bei Gott. In der Auseinandersetzung mit ARISTOTELES differenziert THOMAS nun zwischen der grundlegenden Glücks-Anlage des Menschen und den Möglichkeiten, diese eo ipso zu realisieren. Diese Trennung erlaubt es THOMAS, ARISTOTELES zu integrieren und zugleich die Unvollkommenheit irdischen Glücks aufzuweisen: der Mensch ist demnach auf eine (Glücks-) Hoffnung angelegt, die innerweltlich nicht geleistet und verbürgt werden kann. 652 Eine Philosophie kann aus sich die Notwendigkeit dieser Hoffnung zwar aufweisen, aber vermag letztlich keine im engeren Sinne begründete Antwort mehr darauf zu geben. Damit wird nicht allein die Kohärenz und Begründungskraft der christlichen Perspektive aufgewiesen, sondern sowohl gegen ein elitäres Leistungsglück, als auch gegen eine resignative Selbstbescheidung irdischen Glücks ein christliches Glück argumentativ stark gemacht, das prinzipiell nicht anders als auf Hoffnung angelegt gedacht werden kann. Begründungspflichtig an dieser Konzeption, das darf redlicherweise nicht verschwiegen werden, ist die Einheit und Einzigkeit des favorisierten Letztzieles. THOMAS geht nämlich davon aus, dass alle Handlungen eines Menschen eine Kette bilden und alle Menschen letztlich das gleiche Endziel haben. Der theologischen und philosophischen Begründungspflicht nachzukommen, muss an anderer Stelle ausführlich erfolgen, die Notwendigkeit, die erwähnte Einheit in der thomasischen Konzeption hervorzuheben, auch und gerade für einen starken Hoffnungsbegriff insgesamt, scheint mir aber unumgänglich, 651 Vgl. KLEBER, H., Glück als Lebensziel. Untersuchungen zur Philosophie des Glücks bei Thomas von Aquin, Münster 1988, 128 und weiter 129. „Wo Aristoteles die religiöse Auffassung vom Glück als Geschenk der Götter entmythologisiert, verweist Thomas die moralphilosophische Auffassung vom Glück als Ergebnis menschlicher Tüchtigkeit in ihre Schranken, indem er menschliches Glück als indirektes, mittelbares Geschenk Gottes ausweist, weil menschliche Tüchtigkeit und menschliches Gelingen das Wirken Gottes als Ermöglichungsgrund und Maßstab voraussetzen. Der Mensch ist für Thomas also nicht so sehr seines Glückes Schmid, sondern vielmehr Mitarbeiter, Mitgestalter seines Glückes, das ihm zuerst und hauptsächlich als Geschenk Gottes und als Lohn für ein tugendgemäßes Leben zuteil wird.“ 652 Vgl. zum Folgenden KLEBER, Glück als Lebensziel, 296ff. „Gegen Aristoteles selbst aber konnte er nur auf der Ebene der natürlichen Vernunft sachliche Einwände geltend machen: die phänomenologisch nachweisbare, anthropologische Fundierung des Glücksbegriffs im desiderium naturale, das über jedes innerweltliche Erfüllungsangebot hinaustreibt, und die auf diesem Hintergrund mögliche Trennung der Fragen, erstens nach der generellen Möglichkeit menschlichen Glücks und zweitens nach dem konkreten Vermögen des Menschen, sein Glück zu bewerkstelligen.“ <?page no="275"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 275 genauso wie erste Hinweise auf den außerordentlich luziden und vernunfttheoretisch starken Begründungsversuch des THOMAS. Der Aquinate verortet nun die erwähnte Begründung der Einheit des Letztziels menschlichen Strebens auf dreierlei Weise, wobei nur erstere an dieser Stelle näher beleuchtet werden soll: (1) metaphysisch 653 , (2) naturphilosophisch und (3) sprachlogisch, zum einen als Vollendungsbegriff, zum anderen als Prinzip natürlichen Wollens und zum dritten als klassenbildendes Klassenmerkmal zielgerichteten Handelns. 654 Die Zielbestimmtheit und die Orientierung menschlichen Lebens auf das Letztziel Glück hin kann als „formales Apriori“ 655 des Handelns begriffen werden. An dieser Stelle wird vom Glücksstreben mit ARISTOTELES 656 als einer natürlichen Bedingung ausgegangen, die zunächst noch ohne Offenbarungsbegriff zu lesen ist. „Den Bezug zum Letztziel menschlichen Lebens, der in jedem aktuellen Wollen präsent ist, kann man ebenso wenig wie die Einheit und Einzigkeit des Letztziels menschlichen Lebens am Akt des Wollens, in der empirischen Mannigfaltigkeit konkreten Wollens feststellen. […] Das Letztziel menschlichen Lebens ist also gar kein Handlungsziel im üblichen Sinn. Es ist kein Ziel aktuellen Wollens, das entweder als Mittel oder als Ziel 653 Vgl. MOLTMANN, J., Christliche Hoffnung: Messianisch oder transzendent? Ein theologisches Gespräch mit Joachim von Fiore und Thomas von Aquin, in: Münchner Theologische Zeitschrift, 33 (1982) 4, 241-260, der eine Alternative zwischen messianischer und transzendenter Bestimmung christlicher Hoffnung erkennen möchte, insbesondere in Auseinandersetzung mit einigen wenigen Quaestiones aus der Summa. Wiewohl es nun völlig berechtigt ist, gegenüber einseitigen metaphysischen Spekulationen die biblischen Grundlagen des Messianismus als Grundlegung christlicher Hoffnung zu begreifen, so illegitim erscheint es mir, diese in einen Gegensatz zu bringen zu einer philosophischen Aufklärung entsprechender metaphysischer Grundlagen. Denn nicht nur, dass die Gefahr besteht, die Grenzen zwischen Epistemologie und Ontologie zu verwischen, damit würde auch alle Metaphysik in biblizistischer Manier als unbiblisch, mithin als ungeschichtlich, diskreditiert, was THOMAS nicht gerecht werden würde. Nicht beschäftigen soll hier allerdings die Frage, inwieweit THOMAS biblische Eschatologie tatsächlich aufgenommen hat. Außer Frage steht aber, dass eine Freilegung deren metaphysischer Voraussetzungen alle theologische Berechtigung hat, wenn damit nicht eine Relativierung derjenigen Größen einhergeht, auf die diese sich eigentlich bezieht. Vgl. zur Relevanz des THOMAS für die Eschatologie auch DE LETTER, P., Hope and charity in St. Thomas, in: The Thomist. A speculative quarterly review of theology and philosophy XIII (1950), 204-248 und 325-352. KÜNZLE , P., Thomas von Aquin und die moderne Eschatologie, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie, 8 / 1962, 109-120. 654 Vgl. AQUIN, T. VON, S. th. I-II, q 1 ff. Vgl. dazu auch KLEBER, Glück als Lebensziel, 176-178. 655 Vgl. KLEBER, Glück als Lebensziel, 171 und 210. „Nur aufgrund seines Charakters, das formale Apriori menschlichen Handelns zu sein, kann der Glücksbegriff überhaupt zur Grundlegung einer Ethik dienen. Ein formales Apriori menschlichen Handelns genügt aber noch nicht zur Grundlegung einer Ethik, die bestimmte, durch eine Offenbarung vorgegebene, inhaltliche Normen vorschreiben oder empfehlen will. Deshalb ist es zur Grundlegung einer theologischen Ethik, die um den Glücksbegriff zentriert ist, unabdingbar, auch ein materiales Apriori vorzunehmen und den Glücksbegriff auch inhaltlich zu interpretieren. Die inhaltliche Interpretation des Glücksbegriffs ist für die Theologie grundlegend von der Offenbarung bestimmt.“ WOLF- GANG KLUXEN versucht noch darauf hinzuweisen, dass es bei THOMAS neben einer am Glücksbegriff orientierten Tugendethik auch eine Gesetzesethik gibt, die vom ersten praktischen Prinzip her entfaltet wird. Vgl. KLUXEN, W., Philosophische Ethik bei Thomas von Aquin, Hamburg 2 1980, 225-241. 656 Vgl. KLUXEN, W., Glück und Glücksteilhabe. Zur Rezeption der aristotelischen Glückslehre bei Thomas von Aquin, in: BIEN, G. (Hrsg.), Die Frage nach dem Glück, Stuttgart 1978, 77-91 und erneut KLEBER, Glück als Lebensziel. <?page no="276"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 276 beabsichtigt und ausgeführt bzw. erreicht werden kann, sondern es ist in jedem aktuellen Wollen als jeweils entferntestes Ziel a priori mitgewollt.“ 657 Mit anderen Worten: In jedem Wollen steckt eine apriorische Hoffnungskomponente - als Relation zum Letztziel und zum Ganzen des Lebens 658 . Damit ist etwas an den jeweiligen Zielen und Zwecken benannt, das über diese auf den Rahmen und das Letzte der Existenz verweist, nicht die Zwecke selbst. Korrespondierend zur formal-apriorischen Hinordnung des Menschen auf ein Glück als Letztziel allen Strebens ist ein „materiales Apriori“ 659 des Handelns auszuweisen, das aus theologischer Perspektive eine inhaltlich-materiale Bestimmung durch Offenbarung darzustellen hat. Das erwähnte formale Glück wird material als Wesensschau Gottes verstanden - beides wird allerdings im Medium der Hoffnung real vergegenwärtigt. Als Ertrag kann daher gelten: Die formal-apriorische Orientierung auf ein Hoffnungs-Glück hin ist inkommensurabel, verlangt aber notwendig, auch um handlungswirksam werden zu können, eine material-apriorische Konkretion. Wieder zurück zur bisherigen Argumentation: THOMAS nimmt eine Interpretation der Nikomachischen Ethik des ARISTOTELES als Theorie unvollkommenen Glücks vor und will die Brüchigkeit des vom Menschen Erreichbaren plastisch vor Augen führen. Seine Argumentation nimmt ihren Ausgang von der Moralphilosophie und führt über die Anthropologie zur Theologie, gerade nicht umgekehrt. Damit wird die schon mehrfach erwähnte Angewiesenheit dezidiert (moral-) theologischer Reflexionen auf Anthropologie 660 , die ihrerseits immer wieder je neu interdisziplinären Integrationsbemühungen ausgesetzt zu werden hat, von prominenter Seite fundiert untermauert. Für THOMAS steht nun die Identifikation „der Frage nach dem Letztziel menschlichen Lebens mit der Frage des Menschen nach seinem Glück“ 661 außer Frage. Dabei kann das Glück als Scharnier zwischen praktischen und theoretischen Anliegen fungieren, genauso wie die Hoffnung als dialektische Vermittlung theoretischer und praktischer Vernunft gedacht werden muss, was insgesamt für eine hoffnungstheoretische Interpretation des Glücks spricht. 662 Als wichtige Leistung des THOMAS folgt daraus, dass irdisches Glück als eigenständige Größe theologisch aufgenommen und entfaltet wurde. 663 Damit geht auch eine Würdigung des Glücks dieses Lebens einher, das nicht einfach als Defizitform jenseitigen Glücks marginalisiert oder moralisiert wird, sondern der theologischen Beurteilung ein wichtiges Maß gibt. „Das Glück dieses Lebens ist nach Thomas nicht vom Standpunkt einer beatitudo perfecta als beatitudo imperfecta abzuqualifizieren, sondern umgekehrt: Die beatitudo perfecta ist erst im Kontrast zu dem sich selbst als unvollkommen erwei- 657 Vgl. ebd. 186-187. 658 Vgl. WIELAND, G., Das Ganze des Lebens: Lebensplan und Individualität, in: HONNEFEL- DER, L. (Hrsg.), Sittliche Lebensform und praktische Vernunft, Paderborn et al. 1992, 143-160. 659 Vgl. KLEBER, Glück als Lebensziel, 192. 660 Vgl. ebd. 93ff. 661 Vgl. ebd. 166. 662 Vgl. ebd. 163-164. „Die doppelte, theoretische wie praktische Hinsicht auf die Glücksproblematik zu Beginn der Secunda pars entspricht nun genau derjenigen Sichtweise, die sich aus der Konzeption der Theologie als Wissen um unser Heil ergibt. Insofern nämlich Gott das letzte Ziel des Menschen ist als Endpunkt seiner Bewegung zu Gott und insofern Glück als das Letztziel des Menschen in Gott besteht, ist Glück eine res divina, die nur spekulativ erkannt werden kann; insofern aber auch letztes Ziel und letzter Zweck unseres Handelns ist und insofern wir im Handeln unser Heil erfassen oder verfehlen, ist Glück auch eine praktische Größe und gehört in den Bereich praktischer Erkenntnis.“ 663 Vgl. ebd. 289. <?page no="277"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 277 senden Glück dieses Lebens als vollkommen zu qualifizieren. Aus der theologischen Beurteilung kann nicht der anthropologische Sachverhalt abgeleitet werden, sondern umgekehrt setzt die theologische Beurteilung einen anthropologischen Sachverhalt als gegeben voraus. Das unvollkommene Glück dieses Lebens in philosophischer Reflexion zunächst als anthropologischen Sachverhalt erwiesen und dann erst theologisch interpretiert zu haben, ist die große theologiegeschichtliche Leistung des THOMAS VON AQUIN, die in den meisten Kontexten, in denen er die Glücksproblematik behandelt, im Vordergrund seines Interesses steht. Erst diese Leistung ermöglichte die Ausarbeitung einer um den Glücksbegriff zentrierten theologischen Ethik, in der die natürlichen sittlichen Gegebenheiten zunächst als solche anerkannt und dann erst theologisch interpretiert werden.“ 664 Für einen starken Hoffnungsbegriff ist schließlich beides wichtig, sowohl eine strikte metaphysische Verankerung, als auch eine naturale Einzeichnung in Weltwirklichkeit. Ansonsten könnte die dialektische Hoffnungsspannung allenthalben leicht zerreißen, anstatt Daseins- und Weltbewältigung zu ermöglichen. So ist auch das irdische, wie das transzendentale Glück ein eigenständiges Hoffnungsgut neben den moralischen Hoffnungen. IMMANUEL KANT musste sich daher dann in der Aufklärung bemühen, beide Aspekte im Begriff des höchsten Gutes und mittels der Hoffnung wieder zu versöhnen. Der Weg zum Glück führt nun hoffnungstheoretisch nicht allein über die Spannung von naturaler Grundlage und metaphysischer Begründung, sondern zentral auch über das Verhältnis von göttlicher Befähigung und menschlicher Leistung. „Aus der Befähigung, im Erkennen den Begriff des ganzen und vollkommenen Guten zu erfassen und dieses Gute im Wollen als Ziel anzustreben, wird auf die Möglichkeit geschlossen, das vollkommene Gut zu erreichen.“ 665 Das schon erwähnte Missverhältnis zwischen der natürlichen Anlage des Menschen und dem Ziel der Wesensschau Gottes ist nun einzig über die Annahme eines Hoffnung stiftenden Gottes auszugleichen. Christliches Glück ist mithin auf ein qualifiziertes theoretisches (und theologisches) Konzept von Hoffnung genauso wie auf deren Praxis angewiesen und damit zugleich Grundlage der (Tugend-) Ethik. Auf dieser Grundlage ist sie gegen die Ideologie der Machbarkeit des Glücks gefeit, genauso wie gegenüber einer Hoffnung darauf. Dennoch oder gerade deshalb kann sie auf breiter (fundamental-) anthropologischer Grundlage statt einer einseitigen Politisierung, Privatisierung oder Individualisierung dem Glück als umfassendem Lebensziel aller Menschen das Wort reden - freilich als Hoffnung. Das ermöglicht eine Relativierung des (irdischen) Gelingens und einen gewissen Freiraum für humanes Scheitern. 666 Wiewohl nun Glückseligkeit als höchster und vollkommenster 664 Vgl. ebd. 291. 665 Vgl. ebd. 205 und weiter 206. „Die Begründung für die Unvollkommenheit des Glücks dieses Lebens ist aus philosophischer Perspektive nur mit dem Hinweis anzugeben, dass in diesem Leben die Kriterien vollkommenen Glücks unerfüllbar sind; aus der theologischen Sicht können noch zusätzlich die Unmöglichkeit der Wesensschau Gottes in diesem Leben und nicht zuletzt auch die positive Verheißung der Offenbarung angeführt werden. Von der Verheißung des vollkommenen Glücks nach diesem Leben aus interpretiert Thomas das faktische Verhalten der Menschen, die in diesem Leben ihr Glück suchen, als ein „Als-Ob-Verhalten, so als ob sie wüssten, dass das vollkommene Glück jenseits dieses Lebens existierte, aber in diesem Leben bereits Teilhabe an diesem vollkommenen Glück möglich sei. Das ist eine bemerkenswert positive und optimistische Beurteilung des faktischen menschlichen Verhaltens [...].“ Das kann auch als Indiz für die alle irdischen Verhältnisse übersteigende Bewegung der (christlichen) Hoffnung verstanden werden. 666 Vgl. ebd. 323. <?page no="278"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 278 Gegenstand des Strebens gedacht wird, wissen wir nicht genau, wie sie von innen beschaffen ist, sie ist unterbestimmt, occultum est. Es gehört zum Grundbestand thomasischer Anthropologie und Theologie, den Menschen als offene „Bewegung in die Zukunft“ 667 zu begreifen und damit sein Sein als offene Frage nach der Zukunft, womit ein Grundcharakteristikum der Hoffnung erreicht wird, Vorstellungen von der Bestimmung des Menschen Ausdruck zu verleihen. Hoffnung zielt mithin auf ein bonum arduum, das den ganzen Menschen in seinen Anlagen und Möglichkeiten mit seiner (letztgültigen) Zukunft verbindet. Dabei kann eine anziehende Bewegung am bonum (des arduum) festgemacht werden, eine abstoßende Bewegung an der Schwierigkeit des arduum. 668 „Hoffen schließt also zwei Bewegungen in sich, das Sich-Ausstrecken auf das Gute hin, worin die Gefühlsregung der Hoffnung besteht, sowie die Gegenbewegung gegen den Fluchtversuch, nämlich das Durchstehen, eben die Erwartung.“ 669 Können als Fehlformen der Hoffnung die Verzweiflung und die Vermessenheit (Hochmut) benannt werden, so zielen diese anthropologisch darauf, eigene Größe selbstmächtig zu entwerfen, statt dieses Unterfangen als undurchführbar zu erkennen und sich in der eigenen Werthaltigkeit als verdankt zu vollziehen. Umgekehrt könnte eine eingehende Analyse dieser Fehlformen der Hoffnung zeigen, dass insbesondere die Hoffnung geeignet ist, ein positives Ja zur eigenen Größe zu ermöglichen. Die große Nähe des Hohen Mutes (magnanimitas) zur Hoffnung spricht etwa genau dafür, die Frage nach der Quelle echten Selbstvertrauens und den Möglichkeiten des Menschen diesbezüglich an den Hoffnungsvollzug zu binden, wenn sich darin die humane Bestimmung zum Guten und zum Glück ausdrückt. Hoffnung kennt daher eine konstitutive Verbindung zur (Selbst- und Fremd-) Achtung, Selbst- (Wert-) Schätzung und affirmativen Würdigung 670 des eigenen und des fremden Daseins. 671 Wert-Schätzung wird schließlich nicht nur im Verhältnis zu sich, sondern 667 Vgl. AQUIN, T. VON, De Spe (Summa theologiae II-II, q 17-22), 1 ad 6. Vgl. auch ENGEL- HARDT, P., Zu den anthropologischen Grundlagen der Ethik des Thomas von Aquin. Die Enthüllung des maßgebenden Lebenszieles durch das desiderium naturale, in: Ders., Sein und Ethos. Untersuchungen zur Grundlegung der Ethik, Mainz 1963, 186-212, hier 361. „Gerade das, was auf den Menschen zukommt, das Zukünftige, geht den Menschen an. Das Übergewicht der Zukunft kennzeichnet den über das Hier und Jetzt hinausgreifenden Menschen (vgl. In Peri herm. 1 lect. 2n 12).“ 668 Vgl. ENGELHARDT, Zu den anthropologischen Grundlagen der Ethik des Thomas von Aquin, 362-363. „Die reine Gestalt des auf das Vermögen des Menschen bezogenen arduum zeigt sich erst dort, wo es die Verfasstheit des suchenden Menschen als hoffendes Verhalten zur übermenschlich-hohen Zukunft (I-II 4,3) des ganzen leibhaftigen Menschen (De pot. 5, 10c. ad 5; vgl. I-II 4,5) bestimmt. [...] Das bonum arduum, das als bonum anzieht und als arduum zurückstößt, und das malum arduum, das als malum zurückstößt und als arduum den angreifenden Kampftrieb weckt, fordern die Entscheidung zu einer Bewegung auf den Gegenstand hin, oder von ihm weg, die wiederum voraussetzt, dass die Erreichung des Guten bzw. die Überwindung des Übels als möglich oder unmöglich beurteilt wird (vgl. I-II 40, 4).“ Es kann eine aufschlussreiche Verbindung zur modernen Motivationspsychologie gezogen werden, etwa wenn die beiden Bewegungen hin oder weg vom Gegenstand als Tendenzen innerhalb der Bewegung in Zukunft hinein differenziert werden, vergleichbar (aber nicht völlig analog) der Annäherungs- und Vermeidungsmotivation. Oder wenn die Bewertung der Erreichbarkeit des Gutes in die Bewegung hineingenommen wird, was an Selbstwirksamkeitstheorien erinnert. 669 Vgl. FRIES, Hoffnung und Heilsgewissheit bei Thomas von Aquin, 135. 670 Vgl. MARCEL, G., Die Menschenwürde und ihr existentieller Grund, Frankfurt am Main 1965. 671 Vgl. ENGELHARDT, Zu den anthropologischen Grundlagen der Ethik des Thomas von Aquin, 366. „So eint sich rechtes Selbstvertrauen [...] mit dem hoffenden Vertrauen auf die Hilfe Gottes <?page no="279"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 279 auch zu (allen) anderen ausgedrückt - und Hoffnung zielt auf die Antizipation basaler Anerkennungsverhältnisse. Daher hofft konsequente Hoffnung letztlich nicht nur für mich, sondern auch für den anderen. Dennoch: „Der Hoffende ist für Thomas zunächst der einzelne, der entschieden seine äußerste Möglichkeit als Geschenk des helfenden Gottes zu eigen übernimmt.“ 672 Für den anderen (stellvertretend) zu hoffen gelingt dann, wenn der eine mit dem anderen in Liebe geeint ist. 673 So gehört es zur Kraft eschatologischer Hoffnung, zur solidarischen Vergemeinschaftung zum Wir beizutragen und „sich ergreifen lassen von der gemeinsamen Zukunft“ 674 - dann, wenn die Frage nach sich selbst mindestens als Hoffnung beantwortet ist und der andere in die je eigene Hoffnung hineingenommen werden kann und soll. Denn die menschliche Person „entscheidet sich zu ihrer äußersten Möglichkeit in der Hoffnung“ 675 . Hoffnung ist so etwas wie der Überbegriff für eine vom Willen getragene und potentiell handlungsrelevante Einstellung auf der Basis einer basalen Haltung, die immer schon von einem grundständigen Halt in der Welt und im Dasein orientiert ist und schließlich konsekutiv unser Verhalten bestimmt, weswegen strebensethische und willensethische Aspekte verknüpft werden im Medium der Hoffnung und entlang dem Dreischritt Halt - (Tugend-) Haltung - Verhalten. 676 Für THOMAS ist Hoffnung auch als Gegenstand des Strebevermögens, d.h. der praktischen Vernunft, zu verstehen und gerade nicht der theoretischen Vernunft, sonst könnte Hoffnung eine Defizitform des Wissens sein, was sie beileibe nicht ist. Die weitere Entwicklung nach THOMAS VON AQUIN, etwa bei DUNS SCOTUS und SUAREZ, ist davon geprägt, zu bestimmen, inwieweit Hoffnung der gereinigten egoistischen Strebungen bedarf und inwieweit sie selber dazu beizutragen vermag, sodass sie integrierter Teil der vollkommenen Liebe werden kann. Daher kann sie als ein „Modus der heilverlangenden Liebe“ 677 interpretiert werden. Das Tridentinum schließlich zeichnet die Hoffnung in das Rechtfertigungsgeschehen ein, wonach die Hoffnung ein habitus des Glaubens ist und als Heilszuversicht zusammen mit den anderen theologischen Tugenden und der Rechtfertigung zugleich eingegossen wird. 678 Kontroverstheologisch wird gegen einen exklusiven Fiduzialglauben argumentiert, wonach ausschließlich aus dem Heilsglauben persönliche und spezielle Rechtfertigung und Heilsgewissheit erwachse. 679 und der Mitmenschen [...]. Der hoffende Entwurf aus eigener Macht ist geordnet (II-II 21, 1c) und eingeordnet (3d 26: 2,2 ad 4) in die Hoffnung auf die Hilfe Gottes (vgl. II-II 17, 5 ad 4; 128 ad 2), die unsere eigentliche und äußerste Möglichkeit eröffnet (17, 1; De spe 1). Insofern der Hochgemute den großen Entwurf seiner eigenen Möglichkeit in die von Gott eröffnete eigentliche Möglichkeit einfügt, fügt er in sie auch den Bereich hoffender Leidenschaft.“ 672 Vgl. ENGELHARDT, Zu den anthropologischen Grundlagen der Ethik des Thomas von Aquin, 369. 673 Vgl. AQUIN, T. VON, S. th. II-II 17, 3; de spe 4c. ad 5. 674 Vgl. ENGELHARDT, Zu den anthropologischen Grundlagen der Ethik des Thomas von Aquin, 370. 675 Vgl. ebd. 372. Weiter: „Denn in ihr öffnet der Mensch sein Fragendsein in den äußersten, vom Glauben eröffneten Horizont (vgl. II-II 17, 7; CG III 152).“ 676 Daher fügt sich der Umstand, dass THOMAS VON AQUIN Hoffnung als Funktion des Willens begreift, gut in die Strebensethik des ARISTOTELES und in die Motivationsfunktion der Hoffnung ein und beide Aspekte sind für den Aufweis der Handlungsrelevanz der Hoffnung von Bedeutung. 677 Vgl. WOSCHITZ, Elpis, 18. 678 Vgl. etwa D 800, 802, 806, 898. 679 Vgl. ZIMARA, C., Das Wesen der Hoffnung in Natur und Übernatur, Paderborn 1933. <?page no="280"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 280 c) Die Unbestimmtheit der Hoffnung - MARTIN LUTHER Der Hoffnungsbegriff MARTIN LUTHERS findet sich überwiegend in seinen Paulus- Kommentaren, näherhin seiner Auslegung des Römerbriefs 680 , und insbesondere in seinen Psalmenvorlesungen 681 , die den Kern seines Hoffnungsverständnisses wiedergeben. Zu den wichtigsten Abgrenzungen in LUTHERS Hoffungsreflexionen gehört die zwischen spes christianorum und spes hominum, weswegen daran praktisch alle zentralen Bestimmungen festgemacht werden können. 682 Bezieht sich das eine allein auf Gott, so hält das andere den Menschen zum Narren; ist das eine Ausfluss und Wesensmoment des Glaubens, aus dem dann die Liebe erwächst, so gründet das andere in der Selbstliebe des Menschen. Hoffnung wird nahezu analog zum Glauben verwendet und vom Rechtfertigungsgeschehen her gedeutet. Gottes Barmherzigkeit und dessen Kraft sind Inbegriff und zentraler Inhalt der Hoffnung, sodass Hoffnung nicht auf Verdiensten beruhen kann und daher das Rechtfertigungsgeschehen als Sitz der Hoffnung angenommen werden muss. LUTHER kennt daneben auch die Bestimmung der Hoffnung als Affekt, wobei er sie im Rahmen eines viergliedrigen Affektschemas (amor, spes, odium und timor) einordnet und zwischen natürlichen Affekten und verkehrten Affekten unterscheidet. Auch ist ihm die Deutung als virtus infusa, als eingegossene Kraft, durchaus vertraut, genauso wie die Deutung der Hoffnung als vertrauender Glaube (fiducia). Dennoch ist für ihn mitunter die Hoffnung allererst vermittels der Hoffnung zu suchen, das heißt der Mensch kann hoffen und zugleich verzweifeln. Ein weiteres wichtiges Kriterium lutherischer Hoffnung ist ihre Unbestimmtheit bzw. ihre Nichterkennbarkeit, die es zu diskutieren gilt, wonach sie zwar (im Glauben) vollzogen werden, aber als prinzipiell im Eschaton Verborgene nur rudimentär vom Glauben unterschieden eingesehen werden kann. Insgesamt ist wahre (Lebens-) Hoffnung todesüberwindend, sodass sie letztlich eine eschatologische Kategorie darstellt, die allererst wirkliche Tapferkeit und Geduld 683 ermöglicht. Die Wirklichkeit der Gnade wird dabei anthropologisch in den drei theologischen Tugenden sichtbar - und damit eben auch in der Hoffnung, wobei für LUTHER die Einheit der drei Tugenden sehr wichtig ist, er aber den Tugendcharakter gar nicht ausdrücklich betont und demgegenüber vor allem auf das gnadengewirkte Verbürgtsein der Hoffnung im Rechtfertigungsgeschehen abhebt. Das Verbürgen einer Hoffnung zielt aber nun auf die Angabe ihres Grundes. Und LUTHER scheint mir zu wenig Ziel und Grund der Hoffnung zu trennen, weswegen er einen strikten Gegensatz 684 von spes chris- 680 Vgl. LUTHER, WA, 56, 295, 16ff. 681 Zu den wesentlichen Quellen zählt seine Paulus-Exegese in WA 56, 295ff, 374ff. - 428 und WA I, 70ff. Als zentrale Sekundärliteratur gilt SCHWARZ, R., Fides, Spes und Caritas beim jungen Luther. Unter besonderer Berücksichtigung der mittelalterlichen Tradition, Berlin 1962. Ebenso SUDA, M.J., Die Ethik Martin Luthers, Göttingen 2006, wobei auffällig ist, dass selbst in einschlägigen Werken zur Ethik LUTHERS, etwa dem erwähnten SUDA, das Stichwort Hoffnung nicht einmal vorkommt. Vgl. auch ALTHAUS, P., Die Ethik Martin Luthers, Gütersloh 1965. DITTRICH, O., Luthers Ethik in ihren Grundzügen dargestellt, Leipzig 1930. 682 Vgl. auch RITTWEGER, J., Hoffnung als existentielle Erfahrung am Beispiel onkologischer Patienten in der Strahlentherapie, Leipzig 2007, 42-52. 683 Vgl. WA 40, II 23-32. 684 Vgl. SCHWARZ, R., Fides, Spes und Caritas beim jungen Luther. Unter besonderer Berücksichtigung der mittelalterlichen Tradition, Berlin 1962, 317. „Da die christliche Hoffnung im Bereich des Vorfindlichen keinen Anhaltspunkt hat, der die Zukunft positiv gewiss machen könnte, ist sie in affirmativis, d.h. hinsichtlich dessen, was Zukunft versprechen und verbürgen könnte, höchst ‚ungewiß‘, nämlich ungesichert. Ihre Gewissheit ruht gänzlich in Gottes eigenen <?page no="281"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 281 tianorum und spes hominum postulieren muss, wiewohl der Gegensatz vorrangig für den Grund angegeben werden kann, beide aber in ihren Zielen zumindest in dieselbe Richtung weisen, auch wenn sie nicht dasselbe Ziel definieren können. Sonst wäre ja auch eine Integration gar nicht wirklich möglich. Für LUTHER gilt weiter: „Das Zukünftige bleibt für den Hoffenden so sehr in der Zukunft verborgen, dass er kein Wissen davon hat, in dem er sich schon gegenwärtig der Zukunft vergewissern könnte. Er weiß nicht, was er als das Zukünftige hoffen soll. Er weiß jedoch, was nicht der Gegenstand seiner Hoffnung sein kann, nämlich das vorfindlich Gegenwärtige, das er in der Hoffnung vergessen soll. […] Denn sie verlangt nach dem, was sie noch nicht kennt.“ 685 Demgegenüber ist nun Hoffnung epistemologisch nicht allein mysterium, denn sonst könnten wir sie grundsätzlich als Hoffnung gar nicht erkennen und noch weniger angeben, worauf sie sich - auch letztlich inhaltlich - bezieht - auch nicht ex negativo, wovon sie sich abhebt und worauf sie sich nicht bezieht. Die radikale Entgegensetzung von spes und res würde auch der Hoffnungsspannung selbst widersprechen und gibt eine Tendenz zur (antithetischen) Überspringung der realen Wirklichkeit zu erkennen. 686 Die für LUTHER so wichtige Einheit des Hoffenden mit dem Erhofften muss daher als Spannungseinheit begriffen werden, die sich nicht einfach ortlos vollzieht, sondern mit einem Zeitindex zu versehen ist. Sie liegt nicht einfach in der Zukunft, womöglich gegen oder gar ohne die Gegenwart, sondern als Spannung von Gegenwart und Zukunft. Schließlich sprechen wir auch vom Anbruch der göttlichen Zukunft in der Gegenwart - ohne freilich Gegenwart oder Zukunft oder Vergangenheit dadurch aufzuheben, sondern umgreifend zu verwandeln. Dabei wird Welt als Schöpfung und als Ort der Inkarnation des Gottesgeistes ernst genommen und ein Mitnehmen der gegenwärtigen Wirklichkeit in die zukünftige bzw. der zukünftigen in die gegenwärtige denkbar. REINHARD SCHWARZ schreibt in diesem Sinne über den Hoffnungsbegriff bei LUTHER: „Der Unterschied zwischen der spes hominum und der spes christianorum bedeutet für die Scholastik eine Differenz im subjektiven wie im objektiven Bereich, während er für Luther nun gerade in einer unterschiedlichen Art des Hoffens, in einem verschiedenen Verhältnis des Menschen zu seiner Zukunft liegt. Dem entspricht ein differenter Charakter der Zukunft selber.“ 687 Die Differenzierung entspricht zunächst der Unterscheidung von Extrapolation und Antizipation. Aber selbst eine spes hominum hofft demgegenüber über eine Gewissheit allein aus dem Vorfindlichen hinaus, nur vermag sie es nicht aus sich zu verbürgen. Auch hier zeigt sich wieder die Bedeutung der Unterscheidung von Ziel und Grund der Hoffnung. Wird das Ziel (zu Unrecht) für prinzipiell unerkennbar erklärt und der Grund (zu Recht) in Gott verlegt, dann wird insgesamt Hoffnung dem Menschen und seiner Handlungswirklichkeit entrückt. Erst recht, Möglichkeiten, die dem Menschen vollkommen verborgen bleiben, die seiner Einsicht und seiner Verfügung derart entzogen sind, dass das gegenwärtig Erscheinende im direkten Gegensatz zu ihnen steht.“ 685 Vgl. SCHWARZ, Fides, Spes und Caritas beim jungen Luther, 323, Bezug nehmend auf WA 56; 374, 14ff. 686 Vgl. ebd. 326, Bezug nehmend auf WA 56; 374, 17ff. Indem christliche Hoffnung „alle menschliche Hoffnung, die sich ihrer Zukunft vergewissern möchte, von sich abstreift und sich ungesichert der verborgenen Zukunft in Gott anvertraut, trägt sie den Hoffenden selbst in das Gehoffte hinüber, sodass die ‚Seele‘ zugleich mit der Hoffnung und dem Erhofften eins wird, wenn nun der Hoffende sich ganz in der Hoffnung aufhält, weil die Hoffnung ohne Anhalt am Gegenwärtigen die reine, unsichtbare Zukunft hofft.“ 687 Vgl. ebd. 319-320. <?page no="282"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 282 wenn für LUTHER, etwa in seinem Römerbriefkommentar, die christliche Hoffnung in keiner Weise mit dem freien Willen des Menschen verbunden wird oder dieser gar notwendig wäre, so als ob der habitus infusus für seine reale Aktualisierung den habitus acquisitus voraussetzen müsste. Die Gefahr besteht dabei, dass menschliche Freiheit grundsätzlich übersprungen wird. Für MARTIN LUTHER lässt nun die Einheit der Tugenden die Vorstellung einer eigenständigen und selbstständigen theologischen Tugend nicht zu, erst recht nicht von einer etwa von der caritas isolierten Hoffnung. 688 Zudem: „Nur der kann die Freude in der Hoffnung haben, wer nichts hat, worauf sich sein Verlangen richtet oder sein Vertrauen gründet, worin er seine Befriedigung findet, ja wer so sehr unter der Last der mala steht, dass er an keinen gegenwärtigen bona Freude haben kann.“ 689 So wenig natürlich die theologischen Tugenden isoliert werden können, so deutlich müssen sie doch unterschieden werden in ihrer Heilsfunktion. Und auch wenn der letzte Grund christlicher Hoffnung ein reiner Gott extra se ist, auf den sich ein sperare nudum deum richtet, so ist sie doch, was Akt und Ziel anbelangt, nicht einfach auf ein ungerichtetes bonum absconditum bezogen, denn das würde letztlich der Hoffnung die Richtung nehmen und die motivationale Kraft - und die handlungsteleologische, moralische Bedeutung nivellieren. Christliche Hoffnung ist nicht aus der Gegenwart aber in ihr als eine erkennbar, die die „Spannung zwischen dem peccatorem esse in re und dem iustum esse in spe“ 690 in sich abbildet. Mitunter wird der Unterschied zu spätscholastischen Vorstellungen zwar als gar nicht so groß empfunden, dennoch ist es scholastischer Grundsatz, „dass die theologische Tugend der spes einen natürlichen Akt des Hoffens vervollkommnet, so dass die Strukturen der Hoffnung auf den Ebenen der Natur und der Übernatur kongruent sind.“ 691 Das ist nun für Luther nicht akzeptabel. Wobei gefragt werden muss, wie anders ein nicht-selbstisches Selbstverhältnis gedacht werden kann bzw. wie das simul von selbstbezogenen und gottbezogenen Anteilen gnadenhaft zusammengehalten werden kann, denn dieses setzt eigentlich die erwähnte Hoffnungsspannung voraus, die keine der zwei Seiten quasi überspringt, auch nicht den geschöpflichen Teil. MARTIN LUTHER hat die Grenze zwischen Glauben und Hoffnung insgesamt so weit verwischt, dass Glaube und Hoff- 688 Vgl. ebd. 335. „Für Luther gibt es keine tugendhafte, christliche spes informis, und selbst in der allein möglichen Verbindung mit der caritas sind die Akte des Hoffens keine selbstständig erzeugten Akte, bei denen sich noch ein versicherndes Festhalten an vorfindlichen Gütern einmischen könnte. Luthers Kritik zerstört letzten Endes nicht nur die positiven Begriffe der virtus acquisita und der virtus informis, sondern auch den Begriff der virtus formata. Denn die Hoffnung ergreift in der unlöslichen, aktualen Einheit mit der Liebe den ganzen Menschen, entblößt ihn aller Güter und versetzt ihn in die reine, ungesicherte und verborgene Zukunft Gottes.“ 689 Vgl. ebd. 336. 690 Vgl. ebd. 341. 691 Vgl. ebd. 346-347. Hervorhebungen vom Autor. Es heißt weiter: „Weil nach Luthers Verständnis die caritas ausschließlich das sucht und begehrt, was Gottes ist, tritt die spes sofort in den Gegensatz zur caritas, wenn auch nur ein Funken Eigenbezogenheit an der Hoffnung Anteil hat. Die Scholastik hat die Spannung zwischen dem selbstbezogenen und dem gottbezogenen Verlangen deutlich gesehen; sie hat sie aber in keinem Falle als einen Gegensatz empfunden, durch den das ganze System der Tugenden auseinandergesprengt wird. Man hat im Gegenteil gemeint, dass die Spannung in dem von der Gnade getragenen Gefüge der theologischen Tugenden ausgeglichen sei. In Luthers Augen hat man aber einen unvereinbaren Gegensatz verdeckt, weil man das selbstsüchtige Begehren, das immer Sünde ist und das Wesen der Sünde ausmacht, verharmlost hat.“ <?page no="283"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 283 nung kaum mehr zu unterscheiden sind, was nicht unerheblich zur Marginalisierung der Hoffnung beigetragen haben dürfte. Er vermengt die partiell unterschiedlichen Heilsfunktionen von Glaube und Hoffnung - mit der Konsequenz, dass die eigentliche Hoffnungsgewissheit mit der unfehlbaren Heilsgewissheit des Glaubens verschwimmt, in der er den Kern des Rechtfertigungsglaubens erblickte. 692 Zudem wird es immer schwieriger, ihre Handlungsbedeutsamkeit freizulegen. Denn Rechtfertigung ist ja als wichtiges, nie nur allein theologisch, sondern immer auch anthropologisch relevantes Korrelat der Hoffnung zu begreifen, oder umgekehrt: Angewiesenheit der Rechtfertigung auf den Hoffnungsvollzug. Dieser bildet in seiner dialektischen und polaren Spannungsstruktur die Rechtfertigung quasi allererst ab. Die individuelle (hoffnungsgetragene) Heilsgewissheit kann dabei als Kern des Rechtfertigungsgeschehens betrachtet werden, das ein anthropologisches Korrelat benötigt, um nicht zur Überforderung des Handlungssubjekts zu führen. Die Tugend der Hoffnung könnte ein solches sein, verlangt aber eine differenzierte Entfaltung, die sich vor falschen Antithesen zu hüten hat. Etwa wenn es über die Ethik LUTHERS heißt: „Die Situation des Christen in der Hoffnung entspricht völlig der Situation in der Rechtfertigung durch den Glauben. Ist er im Glauben zugleich Sünder und gerecht, so ist er auch zugleich ohne Hoffnung und voller Hoffnung.“ 693 So will auch SUDA entsprechend den Vorstellungen LUTHERS eine „Ethik der Rechtfertigung im Gegensatz zur Tugendethik“ 694 formuliert wissen, wobei er ersterer einen strikten Bruch zwischen Sündig- und Gerecht-Sein attestiert, der anderen dagegen einen kontinuierlichen Prozess des immer tugendhafter Werdens. Das kommt allerdings einer Verkürzung gleich. Wenn Glaube und Hoffnung nahezu identisch sind, dann ist der Mensch auch analog zum Glaubensbegriff in der (einheitlichen) Hoffnung zugleich gottbezogen-erlöst und weltbezogen-unerlöst - und dann sind wir bereits bei der basalen Hoffnungsspannung. Auch hat christliche Hoffnung eine klare Richtung, sodass wir nicht gänzlich im Dunkeln darüber sein können, was wir hoffen und dass wir hoffen. Und es kann sich dieses Ausgerichtet-Sein selbstredend (tugendhaft) habitualisieren. Denn was sollte dies (theologisch oder anthropologisch) notwendig verhindern? Es bleibt festzuhalten: „Die Einheit der spes mit der fides und damit die ganze Rechtfertigungslehre muss man im Hintergrund sehen, wenn man auf Luthers Aussagen über den Begriff der christlichen Hoffnung zurückblickt.“ 695 Für LUTHER ist daher die Tugend der Hoffnung auch nicht 692 Vgl. MAUSBACH, J. / ERMECKE, G., Katholische Moraltheologie, 3 Bde., Münster, Bd. 1 9 1959, Bd. 2 11 1960, Bd. 3 10 1961. 91 693 Vgl. SCHWARZ, Fides, Spes und Caritas beim jungen Luther, 356. SCHWARZ schreibt bei der Rekonstruktion der Hoffnungstheologie LUTHERS weiter. „In der geistlichen Anfechtung aller Güter und jedes Grundes der Hoffnung beraubt, verzweifelt er an sich selbst angesichts der ihn bedrängenden Sünde, doch zugleich sucht er Hoffnung in der Barmherzigkeit Gottes. Darin hat er jedoch bereits Hoffnung, da das Verlangen nach Hoffnung aus Gott schon in der Hoffnung geschieht. Dieses Hoffen, in welchem wir uns nach der Hoffung ausstrecken, hat also nie den Charakter einer inhärenten Tugendqualität und ist damit ebenso wenig wie die Gerechtigkeit des Glaubens einem reflexiven Wissen zugänglich, durch das man sich seiner Tugend vergewissern könnte: wir wissen nicht, dass wir hoffen; wir wissen und spüren nur, dass wir verzweifeln.“ 694 Vgl. SUDA, M.J., Die Ethik Martin Luthers, Göttingen 2006, 54. 695 Vgl. ebd. 341. Zuvor heißt es: „Weil die Hoffnung sich nur auf das Wort stützt, entzieht sie dem Menschen alle ‚Dinge‘ und gibt ihm die Geduld, um die Bedrängnis im Bereich alles Vorfindlichen zu ertragen. Das Herausgehen aus den ‚Dingen‘ erfolgt nicht nach einem ontologischen Gesetz der Negation, sondern weil die von dem Zuspruch des Wortes genährte Hoffnung da- <?page no="284"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 284 in der Lage, die concupiscentia des Menschen zu reinigen und zu vervollkommnen. Die Eigenliebe des Menschen kann durch Hoffnung nicht geordnet werden, da diese sonst jener zugrunde liegen müsste und er daraufhin einen Gegensatz zur caritas vermutete. „Denn es ist gerade das Böse und Sündhafte im Menschen, dass er von Natur aus und immer und ausschließlich von der Selbstsucht gegenüber Gott beherrscht ist.“ 696 Nichtsdestotrotz existieren bei LUTHER auch Äußerungen zur differenzierenden Abgrenzung der Hoffnung vom Glauben: „Es unterscheiden sich Glaube und Hoffnung (spes) durch ihr Subjekt, da der Glaube im Intellekt, die Hoffnung im Willen ist. Sodann durch ihr Amt, da der Glaube dem Intellekt vorschreibt und ihn (doch nicht ohne den Willen) anleitet und ihn lehrt, was zu glauben sei. Der Glaube ist also Lehre oder Erkenntnis, die Hoffnung Ermunterung, da sie das Gemüt (animus) anspornt, tapfer und aufrecht zu sein, zu wagen, zu ertragen, im Übel auszuharren und nichts Besseres davon zu erwarten, Führer im Kriege, indem sie mit den Leidenschaften kämpft, als da sind Anfechtung, Kreuz, Ungeduld, Traurigkeit, Kleinmütigkeit, Verzweiflung, Lästerung, und sich in Freude, Starkmut usw. gegen jene mächtigen Affekte bewegt.“ 697 Auffällig und für die vorliegende Fragestellung aufschlussreich ist an dieser Äußerung, dass LU- THER dezidiert ein ermutigendes, standhaltendes Element der Hoffnung, das anthropologisch als gut gesichert gelten kann, auf der Basis des Willens ausweist. Dabei gilt wohl: „Wir haben es in dem von Luther hier sogenannten ‚Glauben‘ mit dem Intellektual- (die Glaubenswahrheit als solche erkennenden), in der ‚Hoffnung‘ mit dem Fiduzial- (jener Wahrheit als solcher vertrauenden) Moment des evangelischen Glaubens zu tun.“ 698 Im Sinne einer Auswertung für den vorliegenden Kontext muss dennoch festgehalten werden, dass LUTHER kaum ausreichend Konsequenzen aus der Differenzierung von Ziel und Grund der Hoffnung zu ziehen scheint. Es kann bei christlicher Hoffnung, was das Wissen um ihre Zielgestalten anbelangt, nicht um eine (inhaltlich) völlig ungewisse Zukunft gehen, so als ob wir blind in die Zukunft hinein hofften, sondern um eine Hoffnung, die in ihrer vollständigen Realisierung noch aussteht und dadurch ungewiss ist, aber doch bereits eine inhaltliche Kontur in der Gegenwart bekommen hat. Wie anders auch könnten wir der Attraktivität ihrer Erfüllungsgestalt ansichtig werden. Ihr eigentlicher und letzter Grund ist aber in Gott geborgen und verborgen. Sie stammt damit zwar nicht aus der Gegenwart, lässt sich niemals aus ihr ableiten, aber hat doch einen Anhalt an ihr, weil sie sich in ihr vollzieht und sie (von innen her) verwandeln will, mithin den Nukleus ihrer Erfüllung tief in die (auch gegenwärtige) Wirklichkeit eingesenkt hat, sodass ihre spezifische Wirklichkeit sich als Spannung abbilden lässt. Alles andere birgt rauf verzichtet, den Dingen affektiv verhaftet zu sein. [...] Der Trost und die Verheißung des Wortes ist aber unsere Rechtfertigung in Christus.“ Vgl. darüber hinaus ebd., 355. „Die Werke stehen im richtigen Verhältnis zur Hoffnung, wenn sie nicht getan werden, um die Hoffnung zu begründen, sondern wenn wir uns in ihnen aller Güter, d.h. jedes möglichen Grundes der Hoffnung, entäußern und uns selbst mit unseren Werken in den unverfügbaren Grund unserer Zukunft hineingeben.“ 696 Vgl. ebd. 342, mit Bezug auf WA I; 225, 9f. 697 Vgl. LUTHER, M., W 40, 2, 26 (L. Gal. II). Es heißt weiter. „Sie unterscheiden sich auch durch ihr Objekt: Der Glaube hat zu seinem Objekt die Wahrheit, von der er lehrt, dass man ihr sicher und fest anhangen müsse und er blickt auf das ‚Wort von der Sache (verbum rei)‘ oder die Verheißung (promissio) selbst; die Hoffnung dagegen hat zu ihrem Objekt die Güte (bonitas), und blickt auf ‚die Sache des Wortes (res verbi)‘, d.h. auf die verheißene Sache oder die zu hoffenden Dinge, welche der Glaube anzunehmen vorgeschrieben hat.“ 698 Vgl. DITTRICH, O., Luthers Ethik in ihren Grundzügen dargestellt, Leipzig 1930, 120. <?page no="285"?> 5. Mittelalterliche Knotenpunkte moraltheologischer Hoffnungslehre 285 die Tendenz, die drei Momente des Zeitverlaufs vorschnell zusammen fallen zu lassen in eine Ewigkeit, deren Bezug zur Lebenswirklichkeit des Menschen nur mehr rudimentär ausgewiesen werden kann, da sie ortlos entrückt erscheint. Das ließe die Hoffnungsspannung als dialektisches Geschehen, zu deren Aufgaben es gerade gehört, Polaritäten, die sich aus christlicher Existenz ergeben, zu vermitteln, etwa Zeit und Ewigkeit, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Gott und Welt, Schöpfung und Erlösung, Sein und Sollen, Wollen und Können, nicht mehr ausreichend in Erscheinung treten. d) Ertrag Als eine der zentralsten Einsichten der Ausführungen von AUGUSTINUS, THOMAS VON AQUIN und partiell auch von LUTHER kann gelten, dass wir handlungstheoretisch ein Letztziel vor Augen haben wollen und müssen, wollen wir in einer einheitlich geordneten moralischen Welt leben. Dieses höchste Gut ist dabei zunächst bereits als eine rein formale Größe unentbehrlich, um die Einheit menschlicher Handlungswirklichkeit zu gewährleisten, ist aber dann auch inhaltlich von herausgehobener Bedeutung, da sie umfassend Handlungsorientierung eröffnet, wiewohl sie dabei aber nicht mehr in Gänze rational eingeholt und konkretisiert werden kann, was nicht allein an den Strukturen endlicher praktischer Vernunft liegt, an deren Antinomik oder auch an der Kontingenz, Fragmentarität und Schuldanfälligkeit menschlicher Handlungswirklichkeit. Trotz praktischer Vernunft und auf der Basis eines reflektierten Natur- und Erfahrungsbezugs wird diese (hoffnungstheoretisch entscheidende) Lücke immer wieder neu inhaltlichen Bestimmungsversuchen unterzogen werden, aber die inkommensurable inhaltliche Unterbestimmung nicht abschütteln können, da diese Lücke wohl auch Schutzfunktionen vor einseitigen ideologieanfälligen Festlegungen bietet und das letzte Gute quasi immer auch wieder offen hält. Damit gibt diese Lücke das höchste Gut handlungs- und erkenntnistheoretisch als Hoffnungsfigur zu erkennen, die auch nur als solche ausreichend Handlungsrelevanz zu entfalten vermag. 699 Zudem kann eine Identifikation des höchsten Guts und der darauf Bezug nehmenden theologischen, d.h. gnadengewirkten, Hoffnung mit dem Glück bzw. der Glückseligkeit als Letztziel menschlicher Handlungswirklichkeit ausgemacht werden. 700 Letzte Hoffnung ist (moralisch qualifizierte) Glückshoffnung, die der Mensch zwar will, aber aus sich heraus nicht zu erreichen imstande ist. Dennoch ist Hoffnung als Funktion des Willens, nicht der Erkenntnis zu bestimmen, was deren Bedeutung für menschliche Handlungswirklichkeit nachdrücklich unter Beweis stellt. Wird 699 Für eine Moraltheologie der Hoffnung sind die scholastisch-mittelalterlichen Reflexionen zur Hoffnung auch aus dem Grunde höchst lehrreich, da sie eine strikt philosophische Argumentation mit anthropologischen und theologischen Beständen zu verbinden versuchen und damit am Vernunftfundament der Theologischen Ethik selbst arbeiten, etwa durch eine philosophische Eröffnung theologischer Hoffnung durch das desiderium naturale. Vgl. etwa MÜLLER, W.E., Argumentationsmodelle der Ethik, 45-55. Einer der großen bleibenden Verdienste der Ethik T.V. AQUINS ist der Versuch, philosophische und theologische Ethik (Glaube und Naturgesetz) zu integrieren. 700 Vgl. GRESHAKE, G., Gnade - Geschenk der Freiheit, Kevelaer 2004, 146-147. „Es lässt sich kaum leugnen, dass seit Beginn der Neuzeit die Begriffe Glück und Heil (bzw. Gnade) auseinander gebrochen sind. [...] Demgegenüber war es für die christliche Tradition (genannt seien besonders Augustinus und Thomas v. Aquin) unbestritten, dass die Gnade Gottes Glückserfahrungen vermittelt.“ Gnade wurde als Verheißung interpretiert. Vgl. GRESHAKE, Gnade, 144- 146. <?page no="286"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 286 daher christliche Hoffnung in ihrem auch zeitlichen Anhalt an der Wirklichkeit ernst genommen, müssen existentielle und reflexive Spannungen aufbrechen, die die Hoffnung letztlich in sich selbst zusammenzuhalten hat, am radikalsten gilt das für die Theodizee. 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung - Hoffnung, Erwartung und die Prognostik von Welt „Kein Philosoph hat tiefer eingesehen, dass die Annahme einer transzendenten Ordnung nur auf die Hoffnung der Menschen zu begründen ist, als Kant.“ [ MAX HORKHEIMER] Spätestens mit dem Beginn der Neuzeit kann für die Kategorie der Hoffnung eine doppelte Wirkungsgeschichte beobachtet werden: zum einen wird sie (weiter) rationalisiert und erfährt (durch die Verbindung von Rationalismus und Empirismus in der Aufklärung) eine spezifische Erfahrungsbindung, die mit dem Entstehen exakter Erfahrungsquellen zu tun hat, letztlich mit dem Aufkommen des Experiments und methodisch kontrollierter Empirie. 701 Zum anderen fristet sie auch ein negatives und marginalisiertes Dasein in der Affektenlehre. Im 16. und 17. Jh. taucht dann, etwa bei FRANCIS BACON, das Programm auf, Hoffnung im Sinne „vernünftiger Vermutungen“ (Konjektionen) zu etablieren, die nur über Induktion bzw. verifizierte Erfahrung zu erreichen waren. Hoffnung wird dabei in die Nähe des Wissens gerückt und dabei partiell ihrer Eigenart beraubt. Genau besehen emanzipiert sich an dieser wirkungsgeschichtlich bedeutsamen Stelle der Begriff der Erwartung von dem der Hoffnung. Mitunter firmiert das eine noch unter dem Namen des anderen, aber die Komplexität des Hoffnungsbegriffs wird selten mehr erreicht zugunsten von Vorformen einer rationalen Vorwegnahme der Zukunft, also zugunsten von Prognose, Planung und Extrapolation als den vorrangigen Zukunftsbezügen des modernen Menschen. Das Verhältnis des Menschen zur Zukunft bekommt einen methodisch kontrollierten Erfahrungsbezug, dieser ermöglicht „präzise“ und damit, ausgehend von den Bedingungen der Gegenwart, rational berechtigte Kontrafaktizität - und doch erschöpft sich Hoffnung darin selbstredend nicht, sondern sollte daher immer wieder gegen rationalistische und anderweitig marginalisierende Tendenzen in ihrer je größeren Dimensionalität reklamiert werden. Die moderne Orientierung der Hoffnungstheorie an der rationalen Vorwegnahme der Zukunft ist eigentlich antiken Ursprungs, wird aber jetzt methodisch kontrolliert durchgeführt. Hoffnung wird dadurch bei aller Verwechslungsgefahr etwa mit Erwartungsstrukturen nicht zwangsläufig desavouiert, sondern als Hoffnung ex negativo erst freigelegt, indem eine von Gott her ermöglichte und wieder auf ihn zurückweisende Hoffnung konsekutiv auf Erwartungsstrukturen hinführt zur Veränderung von Welt und zudem dem (moralischen) Impetus zur Weltveränderung ermöglichend und orientierend zugrunde liegt. Im Kontext der Moderne sollen nun folgende Leuchttürme der philosophischen und theologischen Hoffnungsreflexion rekonstruiert werden, dessen eingedenk, dass diese Positionen im Laufe ihrer jeweiligen Rezeptionsgeschichte vielfach korrigiert und erweitert wurden. Da ist die äußerst einflussreiche vernunfttheoretisch angelegte Rehabilitierung der Hoffnung 701 Vgl. PFÜRTNER, S., Ethik in der europäischen Geschichte II - Reformation und Neuzeit, Stuttgart 1988, 54-55. <?page no="287"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 287 durch IMMANUEL KANT, da sind existentialistische Strömungen (SÖREN KIER- KEGAARD, MARTIN HEIDEGGER), die die Hoffnung im Rahmen ihrer Existenzdeutungen immer schon mindestens implizit in den Daseinsvollzug eingezeichnet sehen; da ist natürlich die „Ontologie des Noch-Nicht-Seins“ von ERNST BLOCH und einige neuere Strömungen protestantischer und katholischer Hoffnungstheologie, etwa eines KARL RAHNER, JÜRGEN MOLTMANN und JOHANN BAPTIST METZ, die allesamt um eine je anders perspektivierte Neuakzentuierung christlicher Hoffnung bemüht waren, insbesondere zur Vermittlung einer absoluten Hoffnung mit Welt und Geschichte. a) Das Rational der Hoffnung oder die Hoffnungsstruktur praktischer Vernunft - IMMANUEL KANT Den systematischen Ort der Hoffnungskategorie im Rahmen der KANTISCHEN Moral- und Religionsphilosophie 702 zu bestimmen, kann zugleich als Antwort auf die Frage nach der Reichweite einer Reflexion endlicher Vernunft auf sich selbst gelesen werden - und damit mindestens implizit auch als Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis einer Moral „innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ 703 und der Religion. Damit trifft eine solche Reflexion auf ein ureigenes Interesse der Theologischen Ethik, nach dem Verhältnis und der Bedeutung der Philosophie für ihre Topoi zu fragen. Vorrangiger Gesprächspartner, um eine philosophische Vernunftbasis einer Ethik der Hoffnung zu formulieren, ist also IMMANUEL KANT, da er wie keiner vor oder nach ihm zur vernunftkritischen Rehabilitierung und praktischen Wiederaneignung der Hoffnung beigetragen hat. Der Königsberger Philosoph hat mithin eine der bis heute wirkmächtigsten philosophischen Rehabilitationen der Hoffnungskategorie vorgelegt, die für eine ganze Reihe von moralphilosophischen und moraltheologischen Auseinandersetzungen von großer Bedeutung ist, etwa auch für die Frage nach der moralischen Motivation oder die nach dem Proprium Theologischer Ethik. 704 Nicht allein, dass KANT eine marginalisierte Tugend aus einem lange währenden Schattendasein in der Affektenlehre befreit hat, seine Reflexionen können, wie zu zeigen sein wird, eine doppelte Einsicht eröffnen: zum einen die Vernunftstruktur einer moralphilosophischen genauso wie moraltheologischen Hoffnung, zum anderen die Hoffnungsstruktur einer (praktischen) Vernunft. Unter moraltheologischer Rezeption dieser Zusammenhänge sollen schließlich Facetten einer Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit entwickelt und entfaltet werden, indem unter Aufnahme des von KANT her Erreichten Desiderate kantischen Vernunftglaubens mit Aspekten christlicher Hoffnung kontrastiert werden. Auf diese Weise vermag christliche Hoffnung ein vernunfttheoretisches und dezidiert moralisches Fundament zu bekommen und umgekehrt das sittliche Bewusstsein des Menschen eine inkommensurable Hoffnungsstruktur. Entscheidende Legitimation und Begründung eines solchen im Ausgang moralphilosophischen Begriffs von Hoffnung im Sinne 702 Zitiert wird nach der Werkausgabe in zwölf Bänden von WILHELM WEISCHEDEL, Frankfurt 1968, den üblichen Abkürzungen und Auflage A und B. 703 Vgl. KANT, I., RGV, B 54 und B 62. 704 Umso mehr erstaunt es, dass von wenigen Anverwandlungen abgesehen KANT in der gegenwärtigen (Moral-) Theologie kaum tragende Aufmerksamkeit erfährt. Vgl. daher die Sammelbände FISCHER, N. (Hrsg.), Kant und der Katholizismus. Stationen einer wechselhaften Geschichte, Freiburg im Breisgau 2005 und ESSEN, G. (Hrsg.), Kant und die Theologie, Darmstadt 2005. <?page no="288"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 288 KANTS ist zum Einen die Einzeichnung der (Vernunft-) Notwendigkeit von (handlungspraktisch relevanter) Hoffnung in das Sittengesetz bzw. den Moralbegriff und das sittliche Bewusstsein selbst und zum anderen der postulatorische Überstieg „reiner praktischer Vernunft“ auf Religionsphilosophie hin. Dies soll exemplarisch aber paradigmatisch festgemacht werden am kantischen Verhältnis von theoretischer und praktischer Vernunft, ebenso an seinem Glücksbegriff, genauer seiner Vorstellung vom summum bonum und dem daraus abgeleiteten Charakter postulatorischer Hoffnung. Daneben lassen sich Folgerungen hin zur Frage nach der Moralischen Motivation ableiten und zum Ort, den er dem Ich des Handlungssubjekts und dessen berechtigten Daseinsinteressen zuweist. Hoffnung erweist sich dabei als ausgesprochene Brückenkategorie, die dialektische, hermeneutisch disparate oder mitunter sogar dualistisch zu interpretierende Verhältnisse innerhalb der moralischen Welt des Menschen so zusammenzuhalten vermag, dass eine letzte Einheit ihrer Polaritäten gedacht werden kann, etwa von intelligibler bzw. transzendentaler und empirischer Welt, von theoretischer und praktischer Vernunft, von Moral und Glück, von Sollen und Können, etc. Das Unterfangen vermag zu zeigen, wie weit „reine praktische Vernunft“ aus sich heraus zu gelangen vermag zur Bestimmung einer zentralen philosophischen wie theologischen (Handlungs-) Kategorie und wie schnell eine solche Grenzreflexion einen postulatorischen Überstieg notwendig macht und eines Schlusssteins bedarf. Auch vermag sie zu zeigen, in welche Richtung ein solcher Abschlussgedanke notwendig weist und inwieweit er seine Zielgestalten, hier etwa das summum bonum als Schlüsselbegriff kantischer Moralim Übergang zur Religionsphilosophie, eo ipso überhaupt verbürgen kann. Damit tragen am Beispiel der Hoffnung die Grenzen einer strikten Vernunftmoral zugleich zum vertieften Verständnis einer dezidiert theologisch-ethischen Konzeption der Hoffnung bei - freilich ohne die Sphären von Wissen und Glauben zu verwischen. Einige zentrale hoffnungstheoretische Reflexionen KANTS, insbesondere aus der KrV und der RGV, daneben auch aus der GMS und der KpV, sollen auf dem Hintergrund dieses thematischen Horizontes zunächst rekonstruiert und schließlich aus der Perspektive eines moraltheologischen Hoffnungskonzeptes interpretiert werden, um Reichweite und Grenze der kantischen Überlegungen systematisch benennen zu können. Die überragende Bedeutung, die der Hoffnung im Aufbau des kantischen Moralsystems zukommt, steht dabei im Widerspruch zu ihrer nach wie vor stiefmütterlichen Behandlung in der Kantforschung. Im Kanon-Kapitel der Kritik der reinen Vernunft etwa widmet er ihr eine der drei grundlegenden Fragen des Menschen, werkdiachron scheint sie aber kaum systematisch auf. Das vordringliche Ziel der kantischen Konzeption, das als Folie jeder Rezeption vor Augen zu stehen hat - auch und gerade für seine Hoffnungsreflexionen, ist dabei ein Doppeltes, einmal geht es ihm darum widerspruchsfreie Moralität denken zu können, und zum anderen um die Sicherung der Einheit der moralischen Welt insgesamt. Entscheidende Legitimation und Begründung eines darauf dann aufbauenden (moralphilosophischen) Begriffs von Hoffnung, der aber letztlich nur religionsphilosophisch eingeholt werden kann, ist die Einzeichnung der Hoffnung in das Sittengesetz und den Moralbegriff selbst. 705 Diese so folgenreiche Einzeichnung kann paradigmatisch festgemacht werden an KANTS Glücksbegriff, dem postulatorischen Charakter seiner Hoffnung, seiner Vorstellung moralischer Motivation und dem Ort, den er dem Ich des Handlungssubjekts und dessen berechtigten Daseinsinteressen innerhalb seines Moralsystems zu- 705 Vgl. CONRADT, M., Der Schlüssel zur Metaphysik. Zum Begriff rationaler Hoffnung in Kants kritischer Moral- und Religionsphilosophie, Tübingen 1999. <?page no="289"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 289 weist. Insgesamt hat KANT die Hoffnung moralisiert und damit zugleich auf einen reinen Vernunftboden gesetzt, was Leistung und Bürde gleichermaßen ist. Zur Rekonstruktion und Interpretation können nun in einem ersten Schritt zunächst die drei zentralen systematischen Funktionen der Hoffnungskategorie bei KANT benannt werden, wie sie expressis verbis zu finden sind: (1) die Verknüpfung des theoretischen mit dem praktischen Vernunftinteresses (KdU) zur Stiftung der Einheit der Vernunft; (2) die Versöhnung der unbedingten Verpflichtung durch das Sittengesetz als Inbegriff des moralisch Gesollten mit der Erfahrung, ihr immer wieder nicht nachkommen zu können, oder umgekehrt: die Eröffnung der Möglichkeit einer „Revolution der Denkungsart“ 706 statt allein einer immer unzulänglich bleibenden „Reform der Sitten“, womit bei K ANT eine Theorie des Bösen impliziert ist; und (3) die Versöhnung und der Ausgleich von Moral bzw. Pflicht und Glück, von Glückswürdigkeit und Glückseligkeit. Daneben können noch zwei weitere Kontexte ausfindig gemacht werden, die in einem größeren Zusammenhang für die anvisierte Fragestellung äußerst fruchtbar ausgewertet werden können: dazu zählen (4) die kantischen Vorstellungen vom Höchsten Gut 707 , das u. a. als Endzweck des Handelns gedacht wird und das auf einen Totalitätsanspruch reiner (praktischer) Vernunft 708 verweist, der wiederum nur hoffend eingelöst werden kann. Das heißt mit anderen Worten: wir brauchen zum Verständnis unseres Handelns den Begriff eines „sittlichen Ganzen“ (JÜRGEN HABERMAS), der aufs Engste mit der Hoffnungskategorie verbunden ist; und (5) ist zu nennen die Verhältnisbestimmung von principium dijudicationis und principium executionis, von Beweisgrund und Beweggrund, letztlich die Frage nach der Moralischen Motivation, wobei sich insbesondere das principium executionis für eine hoffnungstheoretische Auswertung geradezu anbietet. Mit der Philosophie KANTS kann die konsequente transzendentalphilosophische Wende zum Subjekt und dessen Erkenntnisvoraussetzungen datiert werden. Dennoch oder gerade deshalb hat er eine Philosophie formuliert, die seine vorrangige Intention, die Reinheit des Sittengesetzes als alleinigen Bestimmungsgrund des moralischen Willens auszuweisen, zu wenig vermittelt mit dem Ich des Handlungssubjekts selbst, mit dessen vitalen Daseinsbedingungen, dessen Lebenswillen und den Konsequenzen, die sich daraus ergeben können. Der Rigorismus seiner Ethik und der Dualismus seiner Weltbetrachtung, der von einem strikten Gegensatz von empirischen und transzendentalen Aussagen, vom Reich der Empirie und dem Reich des Intelligiblen, ausgeht, kann das klar belegen. Sehen wir im Einzelnen zu, ohne vorrangig textphilologisch vorgehen zu können, eher exemplarisch systematisierend. α Hoffnung als Vernunftprinzip KANT hat eine Philosophie der Hoffnung aus Vernunftkritik heraus formuliert. Einige Textbelege mögen hier exemplarisch stehen, wobei die Vereinbarkeit von theoretischer und praktischer Vernunft und deren Leistungen zur Realisierung des Sittengesetzes und des höchsten Guts von vorrangiger Bedeutung sind. Denn es kann letztlich nur das eine reine Vernunftvermögen sein, das in unterschiedlichen Anwendungen in Erscheinung tritt. Die Kategorie der Hoffnung spielt für die Versöhnung und die Einheit der beiden Vernunftvermögen eine herausragende Rolle. Alles Interesse der (r)einen Vernunft bün- 706 Vgl. KANT, I., RGV, B 54-56. 707 Vgl. KANT, I., KrV; KpV, V 110; RGV; KdU. 708 Vgl. KANT, I., KpV, V 108. <?page no="290"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 290 delt sich für KANT bekanntlich in seinen berühmten drei Fragen (Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? ), wobei insbesondere die dritte auf Hoffnung bezogene Frage sich sowohl durch ein praktisches, als auch durch ein theoretisches Vernunftinteresse auszeichnet 709 und daher ihr Gegenstand, die Hoffnung, geradezu prädestiniert ist, beide Vermögen zu einer Einheit zu verbinden und somit selbst zum Vernunftprinzip zu werden. Grundidee KANTS (KrV) ist es nun, sich über den Begriff des höchsten Guts insofern um eine Vernunfteinheit zu bemühen, als dass er zunächst das Vernunftwesen Mensch und das Sinnenwesen Mensch gleichermaßen mit einer moralisch proportionierten Glückseligkeit versieht und damit Glückswürdigkeit (Moralität) und Glückseligkeit und deren Vermögen der theoretischen und praktischen Vernunft verbindet. Das damit gedachte höchste Gut unterliegt dabei bzgl. seiner Erreichbarkeit nicht der Kontrolle des Menschen, sondern muss im Medium der Hoffnung einem postulierten Gott überlassen werden. „Das ändert sich mit der Kritik der Urteilskraft, die das höchste Gut mit dem letzten, in dieser Welt zu erreichenden Endzweck identifiziert, wofür allerdings wieder die Mithilfe Gottes als eines moralischen Weltschöpfers angenommen wird.“ 710 So kommt es nach Abschluss der drei ersten Kritiken zur Identifizierung des höchsten Guts mit dem gesamten Gegenstand der reinen praktischen Vernunft, dem das Primat der Vernunftvermögen gebührt, da diese im besten Sinne gesetzgebend 711 wirkt und alles Interesse zuletzt praktisch ist, selbst theoretische Vernunft „nur bedingt und im praktischen Gebrauche allein vollständig ist“ 712 . Damit ist die Verbindung beider Vernunftsphären über einen letzten Zweck der Menschheitsentwicklung anvisiert, auf den dann wiederum spezifische Vernunfthoffnung gerichtet ist. Für beide Schaffensperioden gilt aber, dass Hoffnung kein rein praktischer Begriff ist, sondern theoretisch und praktisch zugleich. Wer genau liest, kann bereits an dieser Stelle eine wichtige Funktion der Hoffnung entdecken, auf die KANT aber kaum explizit eingeht. Der kantische Moralbegriff führt vom Ich zum Wir, vom Individuum zur Spezies, was auch für die mit diesem Begriff einhergehende Hoffnungsstruktur von großer Bedeutung ist 713 , da sich darin eine von der Hoffnung getragene optimistische Bewegung der moralischen Vergemeinschaftung 714 ausspricht. Einfach gesagt: Hoffnung verbindet die Menschheit unter einem Moralprinzip, 709 Vgl. KANT, I., KrV B 833. „Alles Hoffen geht auf Glückseligkeit, und ist in Absicht auf das Praktische und das Sittengesetz eben dasselbe, was das Wissen und das Naturgesetz in Ansehung der theoretischen Erkenntnis der Dinge ist.“ 710 Vgl. FÖRSTER, E., „Was darf ich hoffen? “ Zum Problem der Vereinbarkeit von theoretischer und praktischer Vernunft bei Immanuel Kant, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 46 (1912) 2, 168-185, hier 170. Vgl. auch KANT, I., KrV, A 811ff. „Ohne also einen Gott und eine für uns jetzt nicht sichtbare, aber gehoffte Welt sind die herrlichen Ideen der Sittlichkeit zwar Gegenstände des Beifalls und der Bewunderung, aber nicht Triebfedern des Vorsatzes und der Ausführung, weil sie nicht den ganzen Zweck, der einem jeden vernünftigen Wesen natürlich und durch eben dieselbe Vernunft a priori bestimmt und notwendig ist, erfüllen.“ 711 Vgl. KANT, I., KpV A 55. 712 Vgl. KANT, I., KpV A 219. 713 Vgl. etwa BUHR, M., Die Ethik - „Der Schlussstein von dem ganzen Gebäude der spekulativen Vernunft“. Anmerkungen zu Immanuel Kants Kritik der praktischen Vernunft, in: Akten des siebten internationalen Kant-Kongresses (1990) Bd. 2.1, hrsg. von FUNKE, G., Bonn 1991, 91- 101. 714 Vgl. dazu ausführlich HABERMAS, J., Die Grenze zwischen Glauben und Wissen. Zur Wirkungsgeschichte und aktuellen Bedeutung von Kants Religionsphilosophie, in: Ders., Naturalismus und Religion, Frankfurt am Main 2005, 216-257. <?page no="291"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 291 das seinerseits den unbedingten Wert aller darunter Versammelten garantiert. Dafür kann - hoffnungstheoretisch gewendet - die Moraltheorie Immanuel Kants auch stehen, die auf der Basis der fundamentalen Selbstzwecklichkeit menschlicher Existenz insgesamt als Verpflichtung verstanden werden kann, „für den anderen Menschen auch gegen allen Anschein zu hoffen“ 715 . Hoffnung ist unter dieser Perspektive sowohl mit der Würdehaftigkeit menschlicher Personalität verknüpft und zugleich aufs engste verwoben mit der sinnorientierten Gestaltung menschlicher Identitätssuche - anhand des Begriffs des höchsten Guts. „Das höchste Gut eines Einzelnen ist nur innerhalb des höchsten Guts aller vernünftigen und freien Wesen möglich.“ 716 Damit wird ein moralischer Weltbegriff zum Ausdruck gebracht. Diese Hoffnung ist daher auch kein rein sinnlicher Affekt, sondern ganz wesentlich „Artikulationsform der reinen praktischen Vernunft“ 717 . Dabei können nach CONRADT verschiedene Funktionen der Hoffnung unterschieden werden: neben der heuristischen, der systematischen und der praktischen ist die epistemische Funktion hervorzuheben, die den Vernunftpostulaten des Daseins Gottes und der Unsterblichkeit der Seele objektiv-praktische Realität verschafft. Hier soll moralische Hoffnung begründetermaßen praktisch werden. Noch in der KrV versucht KANT dieses Programm dergestalt einzulösen, dass der Pflicht der Moralität eine Hoffnung auf Glückseligkeit als motivierendes Moment beigestellt wird über eine moralteleologische Synthesis beider in der Idee des höchsten Gutes. „In der Idee des höchsten Guts entwirft die Hoffnung [...] den Horizont einer Welt, in der moralisches Handeln Sinn macht und für den Akteur in einem umfassenden Sinne gut zu sein verspricht.“ 718 Mit anderen Worten: KANT bewegt sich mit seiner Moral-Philosophie der Hoffnung an den Grenzen der reinen und einheitlichen Vernunft 719 , was zur Struktur der Hoffnung als Grenz- und Brückenphänomen exakt passt, genauso wie zu ihrer Vernunftstruktur. Diese Grenzdialektik der Hoffnung macht sich u.a. am Kriterium der Sinnhaftigkeit der Orientierung am Guten insgesamt fest. Es kann nun weiter eine zweifache praktische Funktion der Hoffnung unterschieden werden: zum einen zielt sie auf die subjektive Motivation zur Umsetzung des Sittengesetzes, zum anderen auf die Sicherung der Konsistenz eben dieses Gesetzes. Die dafür denknotwendigen Annahmen, die Postulate, sind kein Wissen und auch nicht einfach Pflicht, 715 Vgl. STRIET, M. Der neue Mensch? Unzeitgemäße Betrachtungen zu Sloterdijk und Nietzsche, Frankfurt a. M. 2000, 137. 716 Vgl. DÜSING, K., Das Problem des höchsten Gutes in Kants praktischer Philosophie, in: Kant- Studien 62 (1971), 5-42, hier 18 und 22. „In der Idee des höchsten Gutes als moralischer Welt wird die Glückseligkeit aller Glieder der intelligiblen Welt gedacht, sofern sie dieser Glückseligkeit würdig sind. Aus dieser Vorstellung des vollendeten Guten als praktischer Idee ergibt sich nun die Pflicht, das Glück Anderer zu fördern, und zwar schon in der sinnlichen Welt.“ 717 Vgl. CONRADT, Der Schlüssel zur Metaphysik. Zum Begriff rationaler Hoffnung in Kants kritischer Moral- und Religionsphilosophie, Tübingen 1999, 80, „in der diese in Analogie zum Wissen Erkenntnis der Möglichkeit des höchsten Guts, des Daseins Gottes und der Unsterblichkeit der Seele hervorbringt. Diese Erkenntnis ist praktisch-theoretischer Natur: ihr Gehalt ist theoretisch, ihre Gültigkeit aber auf moralisches Interesse und moralische Praxis gegründet und auch hierauf beschränkt Diesbezüglich haben ihre Erkenntnisse objektive Realität in diesem begrenzten Umfang bewirkt die Hoffnung eine Erweiterung der reinen Vernunft.“ 718 Vgl. CONRADT, Der Schlüssel zur Metaphysik, 93. 719 Vgl. dazu THEISS, R., Kant Et L’Espérance Dans Les Limites De La Simple Raison, in: Revue De Théologie Et De Philosophie 135 (2003), 205-222. <?page no="292"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 292 sondern Gegenstände von Hoffnung. 720 Die einheitsstiftende Funktion der Hoffnung beruht daher auf einer moralteleologischen Synthese: Gegenstand der Synthese ist das höchste Gut, Elemente sind Tugend und Glückseligkeit. „Die Vorstellung ihrer Verknüpfung in der Hoffnung auf die moralteleologische Synthesis ist in dreifacher Weise einheitsstiftend: praktisch, weil eine Vereinigung aller Zwecke gedacht wird, kosmologisch durch die Vorstellung einer Welt, in der Freiheit und Natur eine Einheit bilden, und vernunftkritisch durch die Synthesis von reiner praktischer und reiner theoretischer Vernunft in der kausal-konditionalen Beziehung der Tugend auf Glückseligkeit.“ 721 Die oben hervorgehobene erkenntnistheoretische Gültigkeit der Hoffnung wird also insbesondere aufgrund einer legitimatorischen Begründung ausgewiesen, die von einer analytischen Beziehung von Tugend und Glück gekennzeichnet ist, der Unbedingtheit der moralischen Verpflichtung und dessen notwendiger Konsistenz. 722 Die Entwicklungen nach der KrV lassen nun den Wegfall dieser analytischen Basis erkennen, d.h. des notwendigen Zusammenhangs von Glückseligkeit und Sittlichkeit im Begriff des moralischen Gesetzes. Mindestens drei Vorwürfe wurden erhoben: Neben dem Vorwurf der Heteronomie, der sich an der Aufnahme der Hoffnung auf Glückseligkeit als Bestimmungsgrund des Moralgesetzes festmacht und damit deren strikt vernunftgewirkte Autonomie gefährden soll, neben dem Vorwurf der Zirkelhaftigkeit der Argumentation, wonach die Einheit vorausgesetzt und zugleich angestrebt wird, wird auch auf eine illegitime Theoretisierung hingewiesen, wonach eine Instrumentalisierung der notwendigen moralteleologischen Synthesis für eine Physikoteleologie stattfinden soll. Büßt Hoffnung ihre rationale Begründung ein, wenn diesen Anfragen stattgegeben wird? Mitnichten! Sie wird nur auf ein neues Fundament gestellt: „Ihr Gegenstand wird nun nicht mehr als konstitutives Element des moralischen Gesetzes selber verstanden, sondern als dessen notwendige, handlungstheoretisch erforderliche Folge, die nun aus diesem Grunde real möglich sein muss.“ 723 Noch einmal: Führt diese Revision der legitimatorischen Begründung 724 , die bei KANT neben der realisatorischen, die sich auf die reale Möglichkeit des höchsten Guts und damit das „Kann“ des Hoffens bezieht, und der inspiratorischen, welche sich vom Begehren ableitet, das der Endlichkeit und Bedürftigkeit des Menschen entspringt, aus- 720 Vgl. CONRADT, Der Schlüssel zur Metaphysik, 194-195. „Ich hoffe auf Gottes Dasein und auf ein Weiterleben nach dem Tode, um auf diese Weise hoffen zu können, dass eine moralische Welt möglich ist, in der Tugend entsprechende Glückseligkeit nach sich zieht - notwendig und allgemeingültig, also auch für mich.“ 721 Vgl. ebd. 196. Weiter unten heißt es: „[...] Kant bezeichnet die Erkenntnis der Hoffnung praktisch-theoretisch, d.h. sie enthält theoretische Vorstellungen, erfolgt aber aus praktischer Veranlassung und um der Praxis willen. Erkenntnisziel ist nicht die konstitutive theoretische Bestimmung von Gott, Unsterblichkeit und höchstem Gut, sondern die konstitutive praktische Bestimmung unseres Willens, die moralisch sein soll.“ 722 Vgl. ebd. 197. „Was als reine Vernunft unbedingt geboten wird, muss als möglich gedacht werden können. Unbedingt geboten ist Sittlichkeit. Also muss Sittlichkeit möglich sein und ebenso alles, was mit ihr notwendig zusammenhängt, also z.B. eine ihr entsprechende Glückseligkeit. Deshalb darf auf die Möglichkeit tugendproportionaler Glückseligkeit gehofft werden.“ 723 Vgl. ebd. 199. „[...] Bestimmungsgrund zu moralischem Handeln ist in Kants ausgearbeiteter Moralphilosophie nicht mehr das höchste Gut bzw. die Hoffnung darauf, sondern nur noch das moralische Gesetz selber, vermittelt durch das Gefühl der Achtung.“ Da nun das Sittengesetz gar nicht in der notwendigen Klarheit vorliegt, wie es notwendig wäre, kann auch hier eine Lücke konstatiert werden, die zusätzlich über Hoffnung überbrückt zu werden hat. 724 Vgl. zu den Begründungsformen ebd. 51-66. <?page no="293"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 293 gemacht werden kann, zur Unmöglichkeit rational begründeter Hoffnung auf das höchste Gut durch heteronome Bestimmungsgründe der Moral? Wiederum mitnichten! KANT wagt den Schluss von einem Endzweck der Moral auf einen Endzweck der Natur und auf einen Schöpfer der diesen, letztlich beide, gewährleisten soll. Auch bezüglich dieser Problemstellung lässt sich werkdiachron eine Entwicklung ausmachen. Sollte in der KpV noch die Kategorie der Heiligkeit einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, bezeichnet sie doch die „völlige Angemessenheit des Willens [...] zum moralischen Gesetze“ 725 , stellte sich doch bereits hier das Problem des unendlichen Progresses. Wie kann eine Erfüllungshoffnung individuelle Handlungsrelevanz entfalten, wenn die Erfüllung erst in einem unendlichen Progressus denkbar erscheint? In der RGV dagegen konzentriert sich KANT auf die Vorstellung eines göttlichen Beistandes und einer göttlichen Gnade mit dem Ziel der Überwindung des Bösen durch eine Kongruenz von Sollen und Können. Demnach soll die Gottesidee als Vernunftpostulat ermöglichen, dass der Mensch trotz der Erfahrung, immer wieder hinter der Erfüllung der moralischen Verpflichtung zurückzubleiben und trotz der Unzulänglichkeit seiner Versuche dieses eo ipso durch eine „Reform der Sitten“ zu ändern, dennoch daran festhält, der Unbedingtheit des moralischen Sollensgebots nachzukommen und die dafür notwendige „Revolution der Denkungsart“ zu leisten. Insgesamt wird auf diese Weise die Hoffnungsbasis nicht kleiner, eher größer. Argumentativ wird hier allerdings der immer noch berechtigten Hoffnung auf Glück im höchsten Gut eine moralische Bedingung vorgeschaltet, „eine moralische Fundierung der Zuversicht in die reale Möglichkeit des Begehrten“ 726 . Die konzeptionellen Veränderungen lassen sich nun wie folgt zusammenfassen: Aus einer aus frühen Schaffensperioden stammenden analytischen Parallelität innerhalb des höchsten Guts wird eine synthetische Konsekutivität im höchsten Gut. Dennoch gilt immer noch: Weil ich soll, darf ich und muss ich hoffen. Hoffnung ist mithin Schlüssel zur Metaphysik 727 , indem sie mindestens Dreierlei zugleich ist: (1) ein Analogon des Wissens, aber kein Wissen auf der Basis theoretischer Vernunft, (2) ein moralischer Glaube, ein Vernunftglaube, der sich auf die Moralfähigkeit und dessen Gegenstand der unbedingten Verpflichtung bezieht und (3) ein vernunftgewusster Affekt. Zusammen wird hier eine vernunftbasierte „Sinn-Perspektive für moralisches Handeln hier und jetzt“ 728 entworfen, was grundlegend mit ihrer Hoffnungsstruktur begründet werden kann. Wir können so weit gehen, ein Sinnbedürfnis praktischer Vernunft dahingehend zu postulieren, „[...] dass 725 Vgl. KANT, I., KpV IV, II, 156ff. 726 Vgl. CONRADT, Der Schlüssel zur Metaphysik, 202. Zuvor heißt es, den Gedanken explizierend: „Das Schwergewicht von Kants Ausführungen betrifft nicht mehr, wie noch im Ideal- Kapitel, die Ausrichtung der Hoffnung auf tugendproportionale Glückseligkeit, sondern auf die Möglichkeit vollkommener Pflichterfüllung. Da sich an der Struktur des höchsten Guts und an den anthropologischen Rahmenbedingungen aber nichts ändert, bleibt dennoch Glückseligkeit der subjektive Endzweck, und auch die Tugendhoffnungen sind letztlich auf Glückseligkeit, als notwendige Folge von Tugend und somit finaler Gegenstand der Hoffnung, bezogen. Die Hoffnung auf Glückseligkeit wird durch die Hoffnungen auf vollkommene Tugend also nicht abgelöst, sondern ergänzt.“ 727 Vgl. ebd. 204. Hoffnung ist im Moralsystem von KANT auf doppelte Weise unverzichtbar: „In ihrem affektiven Kern, dem ursprünglichen und anthropologisch bedingten Begehren von Glückseligkeit, ist sie Motivation zur Metaphysik; durch die rationale Adaption dieses Begehrens und dessen Integration in die moralische Argumentation der reinen praktischen Vernunft ist sie auch der Schlüssel dazu.“ 728 Vgl. ebd. 205. <?page no="294"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 294 der Vernunftanspruch der Moralität im Menschen sich mit der Annahme verbinden muss, die ihr die Perspektive eines sinnvollen Ganzen der Wirklichkeit bietet“ 729 . Soweit die Grundanlage bei KANT. Einige Facetten sollen nachfolgend noch herausgegriffen werden, um die Vernunftbasis des Prinzips rationaler Hoffnung weiter zu explizieren und die Formulierung von Desideraten im Rahmen einer moraltheologischen Interpretation auf eine theologische Ethik der Hoffnung hin zu erleichtern: Der Mensch ist nach KANT Bewohner zweier strikt getrennter Welten, er ist intelligibles Vernunftwesen und empirisches Naturwesen zugleich, was einen „unendlichen Progressus“ voraussetzt, das Moralprinzip zu erfüllen. Erfahrung ist aber eine je individuelle Unerfüllbarkeit trotz dieser Verpflichtung, weswegen es Hoffnung geben muss oder die Unbedingtheit der moralischen Verpflichtung infrage gestellt werden muss, was für KANT aber undenkbar ist. So verfolgt die spezifische Verwendung der Hoffnungskategorie bei KANT das Ziel, das Moralprinzip so konsistent und kohärent denkbar zu machen - unter Einschluss berechtigter postulatorischer Hoffnung, dass es der dialektischen Struktur des Menschen entspricht. Das Moralprinzip ist hoffnungsbasiert, weil es der Menschen mitsamt seiner Handlungswirklichkeit auch ist. Daher kann ihm auch die Autonomie als Selbstgesetzgebung der Vernunft nur in einen Widerspruch geraten, wenn er sie nicht im Rahmen seiner Religionsphilosophie hoffnungstheoretisch auflösen kann. 730 „Die Selbstgesetzgebung der Vernunft ist nur dann widerspruchsfrei denkbar, wenn auch das Gesetz, das die Vernunft sich selber gibt, widerspruchsfrei ist. Das aber ist nur dann der Fall, wenn Sittlichkeit ein Recht auf eine Hoffnung begründet, die ihrerseits ein Gnadenurteil zu ihrem Inhalt hat, auf das wir „keinen Rechtsanspruch haben“. Kurz: Die sittliche Selbstbestimmung der Vernunft ist nur dann widerspruchsfrei denkbar, wenn vorausgesetzt wird, dass sie ein Recht zur Hoffnung auf ungeschuldete Gnade begründet.“ 731 Andernfalls treten Sollen und Können so weit auseinander und können aus eigener Kraft nicht mehr konstruktiv vermittelt werden, dass moralische Motivation insgesamt drohte abhanden zu kommen, weswegen qua Hoffnung vermittelt werden muss. Mit anderen Worten: „Um dem Sittengesetz zu genügen, müssen wir nicht nur unsere einzelnen Handlungen und Willensakte ändern, sondern uns selbst und den „obersten subjektiven Grund aller Maximen“. Dies aber lässt jenen Widerspruch entstehen, der der Dialektik der Vernunft in ihrem praktischen Gebrauch erst die letzte Schärfe verleiht. Er besteht darin, dass Freiheit, um sittliche Freiheit zu sein, von uns selbst erworben werden muss; dass sie aber als verlorene Freiheit nicht durch uns selbst wiedererworben werden kann, weil wir dazu der Freiheit schon bedürften.“ 732 Auf diese Weise muss schließlich unter Aufrechterhaltung der Unbedingtheit des Moralprinzips „Hoffnung als elementare Kate- 729 Vgl. FORSCHNER, M., Immanuel Kant über Vernunftglaube und Handlungsmotivation, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 59 (2005), 3, 327-344, hier 332-333. 730 Vgl. SCHAEFFLER, R., Kant als Philosoph der Hoffnung. Zu G.B. Salas Kritik an meiner Interpretation der kantischen Religionsphilosophie, in: Theologie und Philosophie 56 (1981), 244- 258, hier 246. „Dieser Widerspruch der Vernunft mit sich selbst ergibt sich daraus, dass diese einerseits von der Selbstgesetzgebung zur Weltgesetzgebung übergehen, also nicht nur die Gesinnung des Menschen verändern, sondern zur Verwirklichung einer neuen, moralischen Weltachtung beitragen soll, andererseits aber, als menschliche Vernunft, das Vermögen eines innerweltlichen Wesens darstellt.“ 731 Vgl. SCHAEFFLER, Kant als Philosoph der Hoffnung, 247. Weiter: „Nur in einem solchen religiösen Verständnis der Vernunftautonomie wird die Dialektik der Vernunft in ihrem praktischen Gebrauch auflösbar.“ 732 Vgl. ebd. 252. <?page no="295"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 295 gorie praktischer Vernunft“ 733 begriffen werden, ohne die weder die Sinnhaftigkeit der Moralität, noch das Sittengesetz und genauso wenig die Möglichkeit und Motivation zu dessen Realisierung gedacht werden kann. Mithin ist Hoffnung als (moralisches) Vernunftprinzip zur Selbsterhaltung endlicher menschlicher Vernunft und Aufrechterhaltung deren moralischen Selbstverständnisses unverzichtbar, andernfalls kann jenes nicht nachhaltig praktisch wirksam werden. „Alle diese Antinomien der Vernunft in ihrem theoretischen und praktischen Gebrauche sind daher untereinander auf solche Weise verknüpft, dass sie nicht anders auflösbar sind, als durch die Hoffnung auf einen „Urteilsspruch aus Gnade“ - eine Hoffnung freilich, die zur Forderung, zum Postulat wird, weil sie die Bedingung benennt, unter der wir allein zur Erfüllung des Sittengesetzes fähig werden.“ 734 Vernünftiges Wollen ist dabei nach dem bisher Erörterten beides zugleich, prinzipiengeleitet (Universalisierung, kategorischer Imperativ) und zielorientiert (höchstes Gut), deontologisch und teleologisch, soll es vollständig beschrieben werden, was für die These spricht, dass die Hoffnungskategorie zur Vermittlung auch der beiden Ethiktypen eine gewichtige Rolle zu spielen vermag. Schon häufiger hat sich schließlich Hoffnung bereits als Brückenkategorie zu erkennen gegeben, so auch hier und genauso auf dem Feld der Vermittlung von theoretischer und praktischer Vernunft. „Ohne dieses Ineinander von praktischer und theoretischer Vernunft führt keine Brücke vom Erkennen zum Handeln.“ 735 Trotz der oben erwähnten und für KANT kennzeichnenden Strukturdifferenz zweier Vernunftgesetze, die einer Vermittlung bedürfen, dem Naturgesetz und dem Sittengesetz, ist dennoch von einer mindestens partiellen gegenseitigen Durchdringung der „Welt der Erscheinungen“ und der „Welt der Zwecke“, von Natur und Freiheit, auszugehen, was gemessen an der Einheit der Vernunft einen möglichen Widerspruch benennt. „Diese wechselseitige Durchdringung (Interferenz) strukturverschiedener Gegenstandswelten zeigt sich darin, dass die sittlich gebotenen Zwecke in eben derjenigen Welt verwirklicht werden müssen, die wir in unserem theoretischen Vernunftgebrauch aufbauen.“ 736 Auch hier zeigt sich daher erneut, dass die Antinomie selbstgesetzgebender, praktischer Vernunft Hoffnungs-Postulate notwendig macht. 737 733 Vgl. SIMONS, E., Hoffnung als elementare Kategorie praktischer Vernunft. Kants Postulatenlehre und die kritische Verwandlung konkreten Handlungs- und Gestaltungsverständnisses durch Hegel und Bloch, in: Philosophisches Jahrbuch 88 / 2 (1981), 264-281, hier 268. SIMONS hebt völlig zurecht hervor, dass spätestens mit KANT „das moralische Bewusstsein nicht auf die Glückseligkeit Verzicht tun“ könne, wobei das Umgekehrte mindestens genauso gilt und gerade die gegenseitige Proportionierung und Korrektur den kantischen (Vernunft-) Begriff der Hoffnung ausmacht. 734 Vgl. SCHAEFFLER, R., Wissenschaftstheorie und Theologie, in: BÖCKLE, F. / KAUFMANN, F.-X. / RAHNER, K. / WELTE, B. (Hrsg.), Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft Bd. XX, Freiburg im Breisgau 1982, 5-83, hier 26. 735 Vgl. SCHOCKENHOFF, E., Grundlegung der Ethik. Ein theologischer Entwurf, Freiburg im Breisgau 2007, 355. Dabei ist über KANT hinaus immer vorauszusetzen, „dass das Wirkliche nicht mit dem bloß Faktischen identisch ist, sondern auch die noch nicht realisierten Möglichkeiten des Je-Besseren umfasst. Deren verpflichtender Charakter aber wird nur unter der Rücksicht des Guten erkannt, die unser praktisches Denken leitet.“ Nach klassischer Formel: bonum habet rationem finis. 736 Vgl. SCHAEFFLER, Recht und Grenzen eines postulatorischen Gottesglaubens, in: CORETH, E. et.al., Von Gott reden in säkularer Gesellschaft, Leipzig 1996, 145-161, hier 148. 737 Vgl. SCHAEFFLER, Recht und Grenzen eines postulatorischen Gottesglaubens, 147 und 148. Für SCHAEFFLER ist schließlich mit Bezug auf das Gottespostulat entscheidend, dass „alle diese kantischen Versuche einer philosophischen Gotteslehre dazu bestimmt sind, den Grund zu <?page no="296"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 296 Erneut sei zur Explikation der Vernunftbasis moralischer Hoffnung der Gedanke der Teleologie aufgegriffen: Dem Teleologiebegriff, näherhin der teleologischen Urteilskraft 738 , kommt nämlich bei KANT in der KdU die Aufgabe zu, Natur und Freiheit zu überbrücken über die Benennung eines mit Hoffnung belegten Endzwecks, der im Rahmen von Physikotheologie und Ethikotheologie einen (Gott als) Grund bzw. eine oberste Ursache des jeweiligen Endzweckgedankens benennt. Der Mensch als zwecksetzendes Wesen ist dabei selbst Endzweck 739 , Zweck in sich selbst und Endzweck der Natur, um eine unendliche Kette abzubrechen. Die Begründung allerdings für diese Notwendigkeit bleibt m. E. nicht ganz geklärt bzw. näherhin in einen argumentativen Zirkel führend. Gott ist dabei notwendige Bedingung der Möglichkeit des Endzwecks und damit der Einheit der Vernunft. Zugleich sind aber sowohl der Endzweck, als auch Gott selbst erst Gegenstände von Hoffnung, setzen Hoffnung voraus, um theoretische und praktische Relevanz zu erhalten. Mit Blick auf die Moralphilosophie KANTS ist es dennoch gut begründet, Hoffnung als Vernunftprinzip zu bezeichnen, das eine doppelte Vermittlungsaufgabe zu leisten hat, welche als solche im Einzelnen differenziert herauszuarbeiten sein wird. Damit sei aber in kurzen Worten auf die starke Vernunftstellung der Hoffnung bei KANT hingewiesen, wiewohl KANT selber vergleichsweise wenig davon schreibt. Insgesamt kann aber als eine „prinzipielle Antinomie einer jeden Philosophie der Hoffnung“ gelten: „Je näher der absolut verstandene Hoffnungsinhalt an das Hic et Nunc rückt, desto utopischer erscheint er, je theoretisch unanfechtbarer er wird, desto weniger entspricht er dem tatsächlichen Hoffen des empirischen Menschen, desto weniger begehrenswert wird er.“ 740 Diese Spannung ist erneut nur über eine spezifische Qualifizierung der dezidiert moralischen Hoffnung als basale Brückenkategorie zu lösen. Damit wird Hoffnung als moralisch notwendig begriffen und als „Bedürfnis der reinen praktischen Vernunft“ 741 zum Verständnis und zur Realisierung ihrer selbst. Dahingestellt seien an dieser Stelle die Überlegungen KANT aus dem Opus postumum, wonach Gott mit der reinen praktischen Vernunft identifiziert und damit in gewisser Weise reduziert wird und in der Folge nicht mehr Garant der (innerweltlichen) Glückseligkeit sein kann - und damit auch nicht mehr Grund einer Hoffnung auf Erreichung des höchsten Guts. Schließlich sollen auch benennen, der es möglich macht, die Selbstgesetzgebung der Vernunft aus ihrer drohenden Selbstzerstörung zu befreien“. 738 Vgl. KANT, I., KdU 196. 739 Vgl. FREUDIGER, J., Kants Schlussstein. Wie die Teleologie die Einheit der Vernunft stiftet, in: Kant-Studien 87 (1996), 423-435, hier 431 und 434. „Nicht das Nur-Sinnen-Wesen, aber auch nicht das lediglich noumenal aufgefasste Wesen Mensch, sondern der Mensch als Bürger zweier Sphären kommt als Endzweck in Frage. Er ist zwar auch Naturwesen [...], aber eben das Einzige, welches, weil es frei ist, auch der noumenalen Sphäre angehört. Die Frage nach einem nächsten, höheren Zweck kann beim Menschen darum abgebrochen werden, weil mit ihm ein Wesen erreicht ist, das den höchsten Zweck in sich erhält. [...] Der entscheidende Punkt ist das Abbruchkriterium für den Zweckregreß: Der Zweck, den der Mensch als moralisches Wesen in sich hat, nämlich die Beförderung des höchsten Gutes in der Welt, ist seinerseits bedingungslos. Ein Zweck aber, von dem man a priori weiß, dass er zu nichts weiter Mittel ist, ist ein Endzweck.“ 740 Vgl. JANSOHN, H., Utopische Hoffnung in der Immanenz - kritische Hoffnung in der Transzendenz. Ein Vergleich zwischen Bloch und Kant, in: Trierer theologische Zeitschrift 81 (1972), 1-25, hier 25. 741 Vgl. KANT, I., KpV V, 142. S <?page no="297"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 297 einzelne Reflexionen KANT nicht von der Gesamtstruktur seines Systems und dessen zentralem Anliegen isoliert werden, wie etwa der Verdacht bei ECKART FÖRSTER 742 gehegt werden kann, der aus einer werkdiachronen Perspektive heraus glaubt, dem je späteren Werk je größere argumentative Kraft zugestehen zu können, indem die je früheren quasi überholt werden. Sehen wir daher zu, unter Würdigung der Gesamtanlage kantischer Moral- und Religionsphilosophie, die für eine Ethik der Hoffnung entscheidenden Lehrstücke zu explizieren. β Postulatorische Hoffnung Die Postulatenlehre erfüllt innerhalb des kantischen Systems eine unentbehrliche Aufgabe, indem sie die innere Kohärenz des Vernunftglaubens sicher stellt durch Antizipation der Überwindung von unterschiedlichsten Vernunftdialektiken. Postulate sind dabei nicht „bloß subjektiv wirksame Vorstellungen“ 743 , sondern sind in (handlungs-) praktischer Absicht formuliert als „Bedingungen der Möglichkeit widerspruchsfreien Sollens und subjektiven moralischen Wollens“ 744 . Postulatorische Hoffnung gründet nun inhaltlich im höchsten Gut und dessen Verwirklichung (-snotwendigkeit), formal aber im Postulat des Daseins Gottes. 745 Daher gibt es an dieser Stelle eine „moralteleologische Annäherung an die Gottesidee durch die Hoffnung auf das höchste Gut“ 746 . Die Notwendigkeit des höchsten Guts beruht dabei auf der zentralen Funktion als Endzweck der Moralität. Der argumentative Gang der Reflexionen KANTS bewegt sich nun, aufschlussreich vom Prinzip der Moralität ausgehend, über das höchste Gut hin zu den Postulaten der (reinen) praktischen Vernunft, die ihr Objekt, das höchste Gut, allein im Modus der Hoffnung praktisch werden lassen. 747 „So geht Kants Transzendentalphiloso- 742 Vgl. FÖRSTER, „Was darf ich hoffen? “ Zum Problem der Vereinbarkeit von theoretischer und praktischer Vernunft bei Immanuel Kant, 168-185. Es entsteht der Eindruck, hier soll KANT für ein Moralsystem (fälschlicherweise) Pate stehen, das letztendlich gänzlich ohne Gottesbegriff auskommt, was aber mit dem Königsberger Philosophen nicht zu machen ist, der die Existenz eines Gottes als vernunftnotwendiges Postulat zur Aufrechterhaltung und Vollendung seines der unbedingten Moralität verpflichteten Systems für unumgänglich hält. 743 Vgl. GUYER, P., In praktischer Absicht: Kants Begriff der Postulate der reinen praktischen Vernunft, in: Philosophisches Jahrbuch 104 (1997), 1-18, hier 16. 744 Vgl. CONRADT, Der Schlüssel zur Metaphysik, 49. 745 Vgl. HÖFFE, O., Kant, München 6 2004, 251. Das Postulat des Daseins Gottes „beruht auf vier Voraussetzungen. Gemäß der Idee vom höchsten Gut verdient erstens der moralische Mensch, glücklich zu sein; zweitens verbürgt die Moralität keine proportionierte Glückseligkeit; drittens hilft aus dieser Verlegenheit nur die Hoffnung auf eine Macht, die die gebührende Glückseligkeit zuteilt; viertens findet sich eine solche Macht der Zuteilung nur bei einem Wesen, das (a) allwissend ist, um sich über die Glückswürdigkeit nie zu täuschen, das (b) allmächtig ist, um die proportionale Zuteilung der Glückseligkeit stets vornehmen zu können, und das (c) heilig ist, um die Zuteilung unbeirrbar zu verfolgen. Eine solche Macht hat allein Gott.“ 746 Vgl. CONRADT, Der Schlüssel zur Metaphysik, 65. Ob KANT insgesamt der Anspruch zuerkannt werden kann, „den christlichen Hoffnungsbegriff innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft erfasst zu haben“ (vgl. RUHSTORFER, K., Hoffnung (Art.), in: KOLMER, P. / WILDFEUER, A.G. (Hrsg.), Neues Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Freiburg / München 2011, 1160-1176, hier 1168), wäre andernorts zu klären. 747 Vgl. GUYER, In praktischer Absicht: Kants Begriff der Postulate der reinen praktischen Vernunft, 3. KANTS Aufweis der Postulate und damit der Vernunftnotwendigkeit von (postulatorischer) Hoffnung für die Moralität erfolgt in zwei Schritten: „erstens, aus der Behauptung, das S <?page no="298"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 298 phie aus einem Interesse an Freiheit hervor und führt zu einer Theologie der postulatorischen Hoffnung.“ 748 Das moralische Gesetz setzt spezifische Hoffnung zur Realisierung seiner selbst voraus, näherhin Hoffnung auf die Möglichkeit der Versöhnung und des Ausgleichs von Tugend und Glückseligkeit, deren Verhältnis KANT synthetisch 749 bestimmt. Wir haben es nicht mit zwei unabhängigen Zielen Tugend und Glückseligkeit zu tun, sondern mit einer Einheit des höchsten Gutes und damit einer Einheit der Hoffnung. 750 Das höchste Gut ist vollständiges Objekt der Moralität und beide Größen sind nie nur einander begrenzend oder ausschließend zu denken, sondern auch einander konstituierend und fördernd, wobei verbindendes Moment die Affirmation des (gelingenden) Daseins ist, die selbstzweckliche Würdigung des Einzelnen und des je Anderen in gleichwertiger Weise und natürlich die vollständige Realisierung des Sittengesetzes und der damit proportionierten Glückseligkeit. Denn „das moralische Gesetz schließt ein unmittelbares Gebot, die zulässige Glückseligkeit zu begründen, als Teil der Tugend selbst ein“ 751 . Die Postulate sind nicht theoretisch beweisbar, sondern nur in praktischer Absicht aufweisbar. 752 Sie sind zwar vernunftnotwendig, bleiben aber ein „Glaube“, zwar ein praktisch notwendiger, aber dennoch ein theoretisch in seiner Wahrheit nicht bewiesener. Mit anderen Worten: „Wir sollen, als ob diese Ideen objektive Realität hätten, frei handeln, weil wir auf diese Weise wirksamer nach dem höchsten Guten in dieser Welt streben können.“ 753 Hinzuzufügen wäre, dass solches Als-Ob-Handeln Handeln aus Grundprinzip der Moralität erfordert die Hervorbringung eines gewissen Zustands als des beabsichtigten Gegenstands unseres Handelns nach dem Prinzip, was wiederum zu der Forderung führt, das Handeln nach diesem Prinzip sei nur vernünftig, wenn wir auch annehmen können, dass es uns möglich ist, dieses angestrebte Ergebnis auch zu verwirklichen; und zweitens, aus der Schlussfolgerung von der Möglichkeit dieses Ergebnisses auf die Existenz gewisser notwendiger Bedingungen dieser Möglichkeit. Daher beweist Kant zunächst, dass die Vernünftigkeit der Befolgung des moralischen Gesetzes die Möglichkeit des höchsten Gutes erfordert, und dann, in einem weiteren Schritt, dass die Möglichkeit des höchsten Gutes ihrerseits die Existenz der menschlichen Willensfreiheit, der Unsterblichkeit der menschlichen Seele und die Existenz Gottes als des intelligiblen Urhebers der Natur voraussetzt.“ 748 Vgl. SCHAEFFLER, R., Was dürfen wir hoffen? Die katholische Theologie der Hoffnung zwischen Blochs utopischem Denken und der reformatorischen Rechtfertigungslehre, Darmstadt 1979, 29. 749 Vgl. KANT, I., KpV, V 111ff. 750 Vgl. GUYER, In praktischer Absicht: Kants Begriff der Postulate der reinen praktischen Vernunft, 5. „Also ist das höchste Gut als die Bedingung aufgefasst, die von der Begründung des Reiches der Zwecke erfolgen wird, keine Zusammensetzung von zwei verschiedenen Zielen, das eine das andere einschränkend, sondern ist das Ziel, das von der Moralität selbst bestimmt ist, wo Moralität Achtung für alle frei und vernünftig Handelnden wie auch für das vernünftige Streben nach ihren besonderen zulässigen Zwecken erfordert.“ 751 Vgl. ebd. 6. 752 Vgl. ebd. 4. Für Kant ist entscheidend, „dass das Streben nach dem höchsten Gut durch das moralische Gesetz gefordert ist, ferner dass die Verwirklichung dieses Zieles wenigstens möglich sein muss, wenn unser Handeln vernünftig sein soll, und dass diese Möglichkeit des höchsten Gutes wiederum das wirkliche Vorhandensein jener Gegenstände - Gott, Freiheit, Unsterblichkeit - erfordert, die wenn auch theoretisch unbeweisbar, so doch zumindest theoretisch möglich sein müssen und denen wir durch gewöhnliche existentielle Sätze aber dennoch ein Vorhandensein zuschreiben können, lediglich aufgrund ihres Status als notwendige Bedingungen der Möglichkeit von Moralität.“ 753 Vgl. ebd. 13 und 18, wonach die „Postulate der reinen praktischen Vernunft natürliche Produkte der teleologischen Urteilskraft“ sind und die sich daraus notwendig ergebende Hoffnungs- <?page no="299"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 299 Hoffnung ist. Einzig auf diese Weise wird nicht nur das höchste Gut befördert, sondern sogar in einen vernünftigen und sinneröffnenden Horizont gestellt. Neben dem Primat der praktischen Vernunft bleibt weiter festzuhalten, dass die Dualismen von Vernunft und Sinnlichkeit, von Intelligibilität und Empirie auf der einen Seite und von theoretischer und praktischer Vernunft auf der anderen Seite im Hintergrund der Notwendigkeit von Postulaten und damit auch der Notwendigkeit des postulatorischen Charakters kantischer Hoffnung stehen. Am postulatorischen Gottes-, Vernunft-, Unsterblichkeits- und Freiheitsglauben machen sich schließlich nicht wenige Gesprächsversuche mit der Theologie fest, so auch anhand des Hoffnungsbegriffs, der etwa für RICHARD SCHAEFFLER 754 , in seiner philosophischen wie in seiner theologischen Variante Basis des Gesprächs zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden sein könnte - etwa entlang der Fragen: Worauf hofft, wer hofft? Worin gründet solche Hoffnung? Wie ist das Verhältnis von Hoffnung und Wirklichkeit? Wie das von Hoffnung und Realisation? Auch wenn die Ursprungskontexte der jeweiligen Reflexionen je unterschiedlich sind, könnten sich interkonfessionelle und interdisziplinäre Hoffnungsdiskurse als äußerst fruchtbar erweisen. Während sich etwa die protestantischen Theologien der Hoffnung aus der reformatorischen Rechtfertigungslehre entwickelt haben, sind für entsprechende katholische Theologien die politische Theologie oder der spezifische Status der theologischen im Unterschied zur natürlichen Hoffnung wichtig. KANT transzendentaler Ansatz ist dagegen im Zentrum eine Philosophie der Hoffnung. Für ihn war es allerdings Bedingung sine qua non, erst alles getan zu haben in moralischer Hinsicht (Glückswürdigkeit) bzw. getan haben zu müssen, um auf Glückseligkeit berechtigt hoffen zu dürfen. Damit hat er eine Sicherung der Pflichterfüllung erreichen wollen, aber um den Preis einer rigoristischen Konsequenz, berechtigte Hoffnung quasi erst „am Ende“ zuzulassen. Hoffnung ist und bleibt hier ein transzendental-anthropologisches Postulat bzw. eine Notwendigkeit im Rahmen seines Vernunftglaubens. Moraltheologisch müsste gefordert werden, dass Hoffnung nicht am Ende der verwirklichten Moral steht, vielmehr am Anfang, sodass sie als Ort der Genese gelebter Moralität gelten kann. Zusammengefasst heißt das: Um alles tun zu können, was ich soll, muss ich berechtigt hoffen dürfen und vernünftig hoffen können. Vermittelt nun Hoffnung, wie postuliert, zwischen Glückswürdigkeit und Glückseligkeit, ist sie als Kategorie des Könnens zu verstehen, die als Verknüpfung von Wissen, Wollen und Können fungiert - eben als Brückenkategorie. Unumgänglich ist nun aus moraltheologischer Perspektive eine Transposition der Vernunft-Postulate auf sittliche und religiöse Erfahrung hin - als Rechtfertigung der Postulate unter je veränderten philosophischen und theologischen Voraussetzungen und als Anbindung an die genannten Erfahrungsquellen. Das Stichwort „Vernunftglaube“ deutet bereits an, dass hier ein Ineinander von Forderungen und Hoffnungsaussagen vorliegt - auf der Basis eines Ineinanders von Vernunftweisen (theoretisch und praktisch) und Erfahrungswelten (Naturgesetz - Sittengesetz). 755 Auf die Zweideutigkeit des kantischen struktur menschlicher Handlungswirklichkeit zu den Grundstrukturen praktischer Rationalität zu zählen hat. 754 Vgl. SCHAEFFLER, R., Was dürfen wir hoffen? Die katholische Theologie der Hoffnung zwischen Blochs utopischem Denken und der reformatorischen Rechtfertigungslehre, Darmstadt 1979, 6ff. 755 Vgl. SCHAEFFLER, Recht und Grenzen eines postulatorischen Gottesglaubens, 154. „Bei Kant waren diese Postulate der besonders deutliche Ausdruck für die Gesetzgebungskraft der Ver- S <?page no="300"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 300 Postulatsbegriffs kann ich an dieser Stelle nur hinweisen, während Konsequenzen andernorts gezogen werden müssen. Was damit aber nicht einhergeht, soviel sei gesagt, ist eine Kontingenzverdrängung, denn die Kontingenz der Transzendentalität kann als Erfahrungsfähigkeit gedeutet werden. Dagegen besteht vielmehr die Gefahr, transzendental notwendige Hoffnungsaussagen als Wunschdenken zu deklarieren. Soll aber die Anbindung an Erfahrungsquellen möglich werden, insbesondere moralischer und spiritueller Provenienz, so muss damit zugleich eine Ermöglichung aller Erfahrung ausgewiesen werden und zugleich eine Bewahrung der Selbsttranszendentalität vor Selbstaufhebung. Wie kann nun eine Lösung der erwähnten Zweideutigkeit aussehen? Durch einen Bezug auf diejenigen Erfahrungen, die Bedingung der Möglichkeit derjenigen Erkenntnis sind, die sie ermöglichen sollen. 756 Jeder Erkenntnisvorgang setzt schließlich ein vorgängiges „Zutrauen in Erfahrung“ (FRANZ ROSENZWEIG) voraus. Bezogen auf die Hoffnung als eine Form der (sittlich-religiösen) Erfahrung heißt das. „Wie jede transzendentale Aussage, so sind auch die Postulate nur durch diejenigen Erfahrungen zu rechtfertigen, deren Möglichkeitsgrund sie benennen und die sie dadurch verständlich machen. Sofern es aber zur Eigenart der Erfahrung gehört, dass ihre Möglichkeit sich als kontingent erweist, muß auch ihr Möglichkeitsgrund so gedacht werden, dass sich die Möglichkeit der Erfahrung aus diesem ihrem Grund auf nicht-notwendige Weise ergibt. Oder kurz: Der Grund einer in transzendentaler Hinsicht notwendigen Hoffnung, deren Erfüllung kontingent bleibt, muß als Subjekt einer Freiheit gedacht werden, der die menschliche Vernunft sich anvertrauen kann, ohne ihr Wirken „fordern“ zu können.“ 757 Diese konzisen Überlegungen SCHAEFFLER bieten nun einen reformulierten Rechtfertigungsgrund der kantischen Postulate, die sich ihrerseits nicht selbst genug sind, sondern als Möglichkeitsgrund aller Erfahrung und explizit der sittlich-religiösen gelten können. Daraus kann eine wichtige Konsequenz gezogen werden: Hoffnung erhält auf diese Weise eine vernunfttheoretisch abgesicherte Erfahrungsbasis und wird zugleich implizit zur Grundlage aller Erfahrung, explizit der sittlich-religiösen. Insgesamt bieten diese Einsichten einen klaren Hinweis, vonseiten der Moraltheologie und Moralphilosophie mehr über die Eigenart sittlicher Erfahrung nachzudenken und über die Notwendigkeit der Sinnhaftigkeit der moralischen Welt, eine Voraussetzung, die nicht allein über eine Kohärenztheorie abgedeckt werden kann. Denn Voraussetzung und inhaltliche Notwendigkeit der Postulatenlehre ist die Vorstellung KANT , dass eine nunft, die nicht nur ihrem eigenen Verfahren die Regeln gibt, sondern zugleich „fordern“ kann, dass dasjenige wirklich sei, was die Auflösung ihrer Dialektik möglich macht. Kants postulatorischer Vernunftglaube ist ein Ensemble von Forderungen, die die Vernunft im Namen des Sittengesetzes stellen darf, weil dieses andernfalls als in sich widersprüchlich erscheinen würde.“ 756 Vgl. für eine ausführliche Erläuterung des philosophischen Hintergrunds SCHAEFFLER, R., Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit. Eine Untersuchung zur Logik der Erfahrung, Freiburg im Breisgau / München 1985. 757 Vgl. SCHAEFFLER, Recht und Grenzen eines postulatorischen Gottesglaubens, 155 und 156. Dort heißt es weiter. „Die Vernunftpostulate sind dazu bestimmt, den Möglichkeitsgrund der in jeder ihrer Vollzugsformen als kontingent erfahrenen menschlichen Erfahrungsfähigkeit zu benennen. Darum folgt aus dem Gesagten: Diese Vernunftpostulate bewähren sich dadurch, dass sie einerseits den Grund benennen, der die spezifisch sittliche und religiöse Erfahrung möglich macht; und sie machen andererseits die allgemein-transzendentale Bedeutung dieser besonderen Erfahrungen deutlich, indem sie zeigen: Erfahrung überhaupt ist, angesichts der Kontingenz menschlicher Transzendentalität, nur möglich, weil in jeder Art von Erfahrung jener Grund wirksam ist, der in der sittlichen und religiösen Erfahrung ausdrücklich hervortritt.“ S S <?page no="301"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 301 Morallehre sinnvoll zu sein hat. Wenn dies gilt, dann folgt daraus, dass Gott als Postulat nötig ist. Über das Wesen dieses Gottes ist damit freilich nichts ausgesagt. Mit anderen Worten: Auch der Gottesbegriff KANT ist postulatorisch, was zur Konsequenz hat, dass er erstens unterbestimmt (Welcher Gott? ) ist und zweitens wesentlich gespeist ist aus den Vorgaben und Voraussetzungen seiner praktischen Philosophie. 758 Auch bei KANT ist demnach die Hoffnungskategorie mindestens implizit auf den Sinnbegriff verwiesen, weil im Medium der Hoffnung die Sinnhaftigkeit der Moral insgesamt verbürgt werden soll durch Rekurs auf einen Endzweck der Moral (und der Welt) und der Erörterung der Voraussetzungen, diesen zu erreichen - allerdings im Rahmen einer postulatorischen Hoffnung, die dem Menschen noch äußerlich bleiben kann. Es ist nicht zu sehen, wie sie innerlich werden könnte aus sich selbst heraus. Ganz abgesehen davon, dass das Kriterium der Sinnhaftigkeit von KANT selbst nicht mehr geklärt wird und die Vorstellung einer absurden Ethik bzw. einer Ethik unter absurden Bedingungen gar nicht im Bereich des Möglichen erörtert wird. Die kantische Glückseligkeit kann zusammen mit der Glückswürdigkeit im Sinne der hier vertretenen These als Sinnverlangen interpretiert werden, das sinnerschließend die Plausibilität und Realisierbarkeit des Sittengesetzes und dessen Erfahrungsvoraussetzungen garantieren soll. Diese Prämissen, so legitim und berechtigt sie an dieser Stelle auch gelten sollen, können heute nicht mehr unhinterfragt vorausgesetzt werden, wie ein Ausflug etwa in eine existentialistisch orientierte Ethik des Absurden leicht zu zeigen vermag. 759 Unter strikt vernunfttheoretischen und moralphilosophischen Bedingungen vermag allein postulatorische Hoffnung die Einheit und den Endzweck der Vernunft auszuweisen, unter moraltheologischen oder philosophisch-theologischen Bedingungen dagegen kann derselben Hoffnung noch einmal ein anderer, etwa personaler, Charakter gegeben werden, ohne freilich das bisher Erreichte verlassen zu müssen, sondern weit eher als vertiefende und bestätigende Erweiterung. Das höchste Gut als Endzweck, notwendige und hinreichende Bedingung für alle anderen Zwecke, zu begreifen, lässt das moralische Gesetz als göttliche Gebote verstehen ohne die sittliche Autonomie einzuschränken. „Das moralische Gesetz schreibt mir einen Zweck vor, den ich aus eigener Kraft nicht erreichen kann. Ich muss daher ein Wesen annehmen, durch das erreicht werden kann, was mir unbedingt vorgeschrieben ist.“ 760 Die Verwirklichung des moralischen Gesetzes ist 758 Vgl. SCHAEFFLER, R., Was dürfen wir hoffen? Die katholische Theologie der Hoffnung zwischen Blochs utopischem Denken und der reformatorischen Rechtfertigungslehre, Darmstadt 1979, 106ff. Der Gottesbegriff wird auf diese Weise als Forderung der reinen praktischen Vernunft funktionalisiert, er verweist aber auch auf Antinomien praktischer Vernunft. Die Einsichten KANTS zur notwendigen Hoffnungsstruktur praktischen Vernunftgebrauchs sind daher positiv aufzunehmen, aber aus dem Prokrustesbett eines Gottesbegriffs zu befreien, das sich allein postulatorisch geriert, indem es den Voraussetzungen seiner praktischen Philosophie zu gehorchen hat. 759 So sucht etwa ALBERT CAMUS Daseinsaffirmation in einer Welt, in der jegliche Hoffnung verabschiedet ist - allein aus der Kraft freier Begründung und Bejahung, einen Sinn ohne Hoffnung auf Gott. Wie so häufig werden auch hier viele hoffnungstheoretische Voraussetzungen übersehen, sodass insgesamt auf viel mehr gehofft wird, als ausgewiesen ist. Auffällig und aufschlussreich ist zudem, dass sich die metaphysische Abstinenz vorrangig und überwiegend auf die praktische Realisierung des vermeintlich Erkannten bezieht 760 Vgl. RICKEN, F., Die Postulate der reinen praktischen Vernunft, in: KANT, I., Kritik der praktischen Vernunft - Klassiker Auslegen Bd. 26, hrsg. von HÖFFE, O., Berlin 2002, 187-202, hier 197. „Dass dieses Wesen den durch das moralische Gesetz vorgeschriebenen Zweck verwirk- S <?page no="302"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 302 mithin über das Medium der Hoffnung auf das Innigste mit dem (postulatorischen) Gottesbegriff und dem höchsten Gut verbunden. γ Moralische Motivation - Hoffnung und Handeln Wiewohl es noch für KANT den „Stein der Weisen“ 761 darstellte, das Problem der moralischen Motivation zu lösen, kann dem Thema doch eine vergleichsweise geringe wissenschaftliche Aufmerksamkeit attestiert werden, auch wenn diese in letzter Zeit wieder etwas zugenommen hat. Zunächst vertritt KANT in formaler Hinsicht einen normativen Externalismus und einen motivationalen Internalismus, sodass seine Motivationstheorie nicht auf eine einfache Formel gebracht werden kann. 762 Entscheidende inhaltliche Figur für moralische Motivation ist ihm die Achtung vor dem Sittengesetz als einem apriorischen Gefühl 763 , aber nicht allein, auch die im Vernunftglauben gegebene Hoffnung auf das höchste Gut kann als motivationsrelevante Größe festgehalten werden. 764 Damit wird bereits an dieser Stelle deutlich, dass einem der verbreiteten „Interpretationsdogmen“ 765 nicht gefolgt werden soll, wonach einzig und strikt die Achtung vor dem Sittengesetz als Gefühl, das der Vernunft als Triebfeder dient, Motiv des moralischen Handelns bei KANT sei. Obwohl KANT keine einseitig rationalistische Theorie moralischer Motivation nachgesagt werden kann, da er zumindest bemüht ist, empirisch-emotionale Triebfedern in seine Motivationstheorie zu integrieren, sind diese Anstrengungen empirisch nicht ausreichend: „Moralische Gründe müssen nicht nur erkannt werden, sie sind auch in emotive, voluntative und existentielle Kontexte des Wollens und Handelns eingebunden, ohne deren Würdigung wir nicht verstehen können, wie Kognitionen überhaupt praktisch werden können.“ 766 Unter diesen Voraussetzungen bekommt auch die (moralische) licht, setzt voraus, dass das moralische Gesetz vorschreibt, was dieses höchste Wesen will. Es würde den Zweck nicht verwirklichen, wenn es nicht sein eigener Zweck wäre und wenn das Gebot, diesen Zweck zu verwirklichen, nicht Ausdruck seines Willens wäre. Das Sittengesetz lässt also den letzten Zweck Gottes in der Schöpfung der Welt erkennen.“ 761 Vgl. KANT, I., Eine Vorlesung Kants über Ethik, hrsg. von MENZER, P., Berlin 1924, 54. 762 Vgl. KLEMME, H., Praktische Gründe und moralische Motivation. Eine deontologische Perspektive, in: Ders. / KÜHN, M. / SCHÖNECKER, D. (Hrsg.), Moralische Motivation. Kant und die Alternativen, Hamburg 2006, 113-153, hier 142. 763 Vgl. einführend GOY, I., Immanuel Kant über das moralische Gefühl der Achtung, in: Zeitschrift für philosophische Forschung, Bd. 61 (2007) 3, 337-360, die der Achtung kausale und evaluative Funktionen zuweist. Vgl. auch die gründliche Studie von POLLOCK, K., Kant und Habermas über das principium executionis moralischer Handlungen, in: KLEMME, H. / KÜHN, M. / SCHÖNECKER, D. (Hrsg.), Moralische Motivation. Kant und die Alternativen, Hamburg 2006, 193-227, der die Achtung KANTS verteidigt, aber eine mitunter diskursive Einlösung nach HABERMAS verlangt, um der Unterscheidung von Normbegründung und Normanwendung gerecht zu werden. 764 Vgl. FORSCHNER, M., Immanuel Kant über Vernunftglaube und Handlungsmotivation, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 59 (2005), 3, 327-344, hier 335. „Genuin moralisches Handeln geschieht aus Achtung vor dem moralischen Gesetz und aus Liebe zum Endzweck bzw. in der gläubigen Hoffnung auf den Endzweck.“ 765 Vgl. FORSCHNER, Immanuel Kant über Vernunftglaube und Handlungsmotivation, 327. 766 Vgl. KLEMME, H., Praktische Gründe und moralische Motivation. Eine deontologische Perspektive, in: Ders. / KÜHN, M. / SCHÖNECKER, D. (Hrsg.), Moralische Motivation. Kant und die Alternativen, Hamburg 2006, 113-153, hier 148. <?page no="303"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 303 Hoffnungskategorie noch einmal eine neue erkenntnistheoretische Basis, wiewohl am starken Moralbegriff bei KANT dadurch nicht gerüttelt werden soll. Der gute Wille, „das freie, durch reine Vernunft bestimmte Aussein-auf-etwas“ 767 als das einzig uneingeschränkt Gute 768 , lässt dabei dasjenige in den Blick nehmen, was und wie das Wollen will. Entscheidend für FORSCHNER ist aber, „dass der Vernunftanspruch der Moralität im Menschen sich mit Annahmen verbinden muß, die ihr die Perspektive eines sinnvollen Ganzen der Wirklichkeit bieten“ 769 . Damit allerdings ist exakt eine Funktion der (moralischen) Hoffnung (als Vernunftprinzip) beschrieben, die in ihrem Bezug auf das höchste Gut bzw. einen Endzweck der Moral buchstäblich „aufs Ganze“ geht. Mit anderen Worten: Ohne Hoffnung auf Verwirklichung des höchsten Guts könnte, etwa nach der KrV, reine Vernunft nicht praktisch werden. Pointiert formuliert: Praktische Vernunft bildet jeweils im Sinne eines Abschlussgedankens eo ipso eine Regel aller Regeln (KI) und bildet einen Endzweck aller Zwecke. „Wer etwas im Vollsinn des Wortes vernünftigerweise will, will dies, weil es Bestandteil des höchsten Guts ist oder zum höchsten Gut führt.“ 770 Wie aber ist nun dem Heteronomieverdacht zu entkommen, der moralische Motivation von sinnlichen Triebfedern, wie der nach Glück, reinigen will und zugleich der Einsicht gerecht zu werden, das der affektive Aspekt des Vernunftglaubens dennoch eine entscheidende Rolle bei der „moralischen Entschließung“ des Rechtschaffenen spielt? Zunächst: Die „im Vernunftglauben enthaltene Hoffnung auf das Glück der Rechtschaffenen als Handlungsmotiv des Rechtschaffenen ist für Kant so zu denken, dass sie dem Rechtschaffenen keine Naturvorgabe, sondern eine Folge seiner Rechtschaffenheit ist und nicht zum Motiv seiner Rechtschaffenheit, sondern zur Realisierung seiner Rechtschaffenheit in Handlungen in der Welt dient.“ 771 Es kann von einer Transformation des subjektiven Endzwecks Glückseligkeit gesprochen werden, dergestalt, dass zwei subjektive Beweggründe moralischen Handelns, Achtung vor dem Sittengesetz und (Tugend-) Liebe zur Erreichung des höchsten Guts angenommen werden können, wobei die spezifische Funktion des letzteren noch zu klären ist. „Die Glückserwartungsperspektive wirkt nicht „positiv“ motivierend bei der Annahme des Gesetzes und dem Vollzug tugendhafter Handlungen; diese müssen vielmehr für sich selbst motivieren; es wirkt allerdings „negativ“ motivierend in dem Sinne, dass es ein Motivationshindernis beseitigt, nämlich die Furcht des endlichen vernünftigen Weltwesens vor definitivem Glücksverlust.“ 772 Letztlich geht es wohl darum, im Medium der Hoffnung Grund zum Glücklichsein im Einklang mit dem Sittengesetz zu bekommen. Nicht allein im Sinne einer deontologischen oder teleologischen Begründung im engeren Sinne, sondern auch dergestalt, dass das Streben nach Glück nicht einfach ortlos-selbstverständlich ist, sondern der Mensch im Sinne eines Kriteriums nach einem Grund zum Glücklichsein verlangt. KANT Intuition zielt da durchaus in die richtige Richtung (Glückswürdigkeit), ist aber einseitig rigoristisch. 767 Vgl. FORSCHNER, Immanuel Kant über Vernunftglaube und Handlungsmotivation, 331 768 Vgl. KANT, I., GMS IV, 393. 769 Vgl. FORSCHNER, Immanuel Kant über Vernunftglaube und Handlungsmotivation, 332-333. 770 Vgl. ebd. 338. 771 Vgl. ebd. 341. Auf 342 heißt es weiter: „Das eigene Glücksverlangen wird im moralischen Wollen dem Urteil einer unparteiischen Vernunft ein- und untergeordnet. Allerdings muss dann dieses Wollen, um ein vernünftiger Wille zu sein, auch eine realistische Erwartungsperspektive besitzen für die Möglichkeit eines Glücks all derer, die glücklich zu sein verdienen.“ 772 Vgl. ebd. 342. S <?page no="304"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 304 Eine etwas andere Akzentuierung ist bei KARL AMERIKS zu finden, dessen Ziel es ist, KANT zu verteidigen und zugleich auf Kritik einzugehen, etwa völlig zu recht, wenn er insistiert, dass wir auch von sinnlichen Empfindungen geleitet werden und nicht nur von rationalen Überzeugungen. 773 Mit KANT postuliert er eine enge Verbindung von Urteil und Motivation, obwohl ihm bewusst ist, dass die Einsicht in das Gebotene noch nicht hinreichend ist, es auch zu wollen. 774 Er schreibt: „Man kann Kants Position dahingehend zusammenfassen, dass in einer moralischen Handlung das Gefühl der Achtung für ein Handeln aus Pflicht präsent, aber darüber hinaus noch ein ursprüngliches Urteil und ein Engagement des Willens involviert sind. Kant geht nicht davon aus, dass das Gefühl der Pflicht durchgängig als explizites Bewusstsein vorliegt. Es kann auch einfach als Bestimmungshintergrund vorhanden sein, der eine entsprechende funktionale Rolle ausfüllt.“ 775 Die Idee des Bestimmungshintergrundes kann nun auch für die Hoffnung in Anschlag gebracht werden analog zum Vorschlag von FORSCHNER. Damit kann eine enge, aber nicht notwendige Verbindung von der Anerkennung objektiver, moralischer Standards und damit korrespondierenden Handlungsorientierungen und der Aufrechterhaltung des realistischen wie des nicht-empirischen Teils der Moralität festgehalten werden. Eine Theorie moralischer Motivation hat nun im Sinne einer Grundlegung die drei zentralen Größen Sollen, Wollen und Können miteinander zu vermitteln und in dieser Vermittlung scheint mir eine der entscheidenden Aufgaben zu liegen. Eine Begründung moralischer Prinzipien reicht nicht aus, vielmehr hat sie sich der Notwendigkeit der Frage zu stellen, wie objektiv praktische Vernunft subjektiv praktisch werde. 776 Ein motivationaler Monismus einzig anhand der Achtung vor dem Sittengesetz als moralisches und selbstgewirktes Gefühl bzw. als Wirkung des Sittengesetzes auf das Subjekt scheint mir begründungstheoretisch zu schwach zu sein, abgesehen davon, dass die breite vitale Motivationsbasis des Menschen dadurch zu wenig gewürdigt wird. So kann etwa (1) eine „Motivverstärkung durch ein Begreifen der moralischen Pflichten als göttliche Gebote“ 777 ausgewiesen werden, quasi als subjektive Stärkung der moralischen Motivation. Auf diese Weise erhält die moralische Verpflichtung des Menschen als Wesen zweier Welten eine spezifische Anschaulichkeit: „Wir können uns [...] Verpflichtung (moralische Nöthigung) nicht wohl anschaulich machen, ohne einen Anderen und dessen Willen (von dem die allgemein gesetzgebende Vernunft nur der Sprecher ist, nämlich Gott, dabei zu denken.“ 778 Daneben kann (2) die bereits erwähnte Hoffnung auf Erreichen des höchsten Gutes als basales Element moralischer (Meta-) Motivation begriffen werden, das womöglich aufgrund ihres grundsätzlichen Charakters bislang so marginale Beachtung fand. 773 Vgl. AMERIKS, K., Kant und das Problem der moralischen Motivation, in: Ders. / STURMA, D. (Hrsg.), Kants Ethik, Paderborn 2004, 98-116. 774 Vgl. AMERIKS, K., Kant und das Problem der moralischen Motivation, 112. „Selbst wenn Handelnde den Primat der Vernunft anerkennen, garantiert dies nicht die Wirksamkeit moralischer Rationalität.“ 775 Vgl. ebd. 115. 776 Vgl. dazu KANT, I., KpV, V 151. 777 Vgl. WITSCHEN, D., Ist für Kant die Religion eine moralische Motivationsquelle? , in: ZKTh 129 (2007), 153-166, hier 157ff und 159. „Insofern innerhalb der Grenzen der reinen praktischen Vernunft moralische Pflichten als göttliche Gebote verstanden werden, ergibt sich subjektiv gesehen eine Motivationsverstärkung.“ 778 Vgl. KANT, I., MS VI, 487. <?page no="305"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 305 Das höchste Gut ist als Verbindung von Tugend und Glück zu begreifen, wobei die Tugend das oberste Gut (bonum supremum) ist, zum vollendeten Gut (bonum consummatum) das der Tugend proportionierte Glück gehört. „Es ist eines, gut zu sein, ein anderes, es gut zu haben. [...] Insofern sich der Mensch den Standpunkt der Moralität als bonum supremum zu eigen macht, kann er in der Folge hoffen, mit Gottes Hilfe das bonum consummatum zu erreichen.“ 779 Neben dem Vorrang der Achtung als Grund moralischer Motivation ist Hoffnung mithin nicht als schlichte Triebfeder zu verstehen, das würde die Selbstzwecklichkeit der Moral beschädigen, aber als Trost und Stärkung 780 gegen eine mögliche Vergeblichkeit - und damit durch eine hoffende Aussicht auf Sinn. 781 Das Christentum hat als Religion dabei die Vollendung des moralischen Strebens des Menschen im Blick. 782 Wohl kann im vorliegenden Kontext von Verstärkung, Vertiefung und Ergänzung gesprochen werden, es wird aber nicht ganz klar, wie das genau zustande kommt. Auf jeden Fall wird kein motivationaler Monismus vertreten, da es neben der Achtung vor dem Gesetz als zentraler Größe moralischer Motivation darauf aufbauend religiöse Motivationen moralischer Praxis gibt, wobei die Mechanismen im Einzelnen weiter herausgearbeitet werden müssen. Abgesehen davon, dass diese Form alles andere als klar ist, bietet KANT, etwa für JENS TIMMERMANN, zudem noch keine zureichende Erklärung auf die Frage wie reine Vernunft überhaupt praktisch werden könne. 783 Schließlich dürfte der Normalfall auch nicht reine Vernunft sein, sondern eine „gemischte Motivation“. Die Aufgabe wäre dabei, sowohl den negativ gepolten Aspekt, egoistische Neigungen einzuschränken, und den positiv gepolten Aspekt, Handeln nach moralischen 779 Vgl. WITSCHEN, Ist für Kant die Religion eine moralische Motivationsquelle? , 162. 780 Vgl. KANT, I., VE, 64 und RGV, VI 183 781 Vgl. WITSCHEN, Ist für Kant die Religion eine moralische Motivationsquelle? , 163. „Ein Atheist hat ohne diese Hoffnung, die antizipiert, dass das unvermeidliche Streben des Menschen nach Glück in der Transzendenz in Proportion zu seiner Moralität eine endgültige Vollendung findet, sein moralisches Leben zu gestalten. Das bleibt nach KANT nicht ohne negative, sprich: schwächende Auswirkungen auf die moralische Motivation (vgl. KU V 452). Umgekehrt wird dem Theisten mit seiner Hoffnung auf Gott als Ermöglichungsgrund des höchsten Gutes „ein Hindernis der moralischen Entschließung“ (RGV VI 5) genommen, kann er doch zuversichtlich sein, alle seine moralischen Bemühungen werden letztlich nicht vergebens sein. Denn „es kann der Vernunft doch unmöglich gleichgültig sein, [...] was denn aus diesem unserm Rechtshandeln herauskomme“ (Ebd.).“ 782 Vgl. KANT, I., RGV, VI 185. 783 Vgl. TIMMERMANN, J., Sittengesetz und Freiheit. Untersuchungen zu Immanuel Kants Theorie des freien Willens , Berlin / New York 2003, 200ff., hier 199, wo TIMMERMANN wie folgt das vergleichsweise sterile kantische Bild moralischer Motivation zusammenfasst: „Wenn wir uns in einer moralisch relevanten Situation befinden und versucht sind, aus unseren unmittelbaren ‚pathologischen‘ Bedürfnissen oder Neigungen heraus zu handeln, so beginnt unwillkürlich durch das moralische Urteil über die Handlungsoptionen der Motivationsprozess. Ohne Voraussetzung eines empirischen Interesses wird der legislative Wille allein durch die Vorstellung des moralischen Gesetzes bestimmt. So entsteht - für uns unerklärlich - das unabhängig von unseren natürlichen Wünschen und Neigungen gewirkte Gefühl der Achtung, das sich einerseits dadurch auszeichnet, dass es den Neigungen, die sich vor dem moralischen Urteil bemerkbar gemacht haben, Abbruch tut, andererseits dadurch, dass es ein positives Gefühl ist, das in Konkurrenz zu den Neigungen tritt und ebenso wie diese zur Triebfeder dienen kann, die Willkür eine Maxime auswählen zu lassen. Durch dieses Gefühl also versucht der legislative Wille die exekutive Willkür zu bestimmen, die nun wie Herkules vor der Wahl zwischen Tugend und Laster steht. Nur dann, wenn sie sich für Tugend entscheidet, macht sie von ihrer Freiheit richtigen Gebrauch.“ <?page no="306"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 306 Maximen, miteinander zu verbinden. Die Unterscheidung von Triebfeder der Sittlichkeit (Achtung) und Triebfeder zur Sittlichkeit (niemals Achtung) hilft dabei aber nicht wirklich weiter, denn damit bleibt die Erklärungslast bestehen und wird nur verschoben auf die Frage, was zuerst war. 784 KANT selbst hat mit der GMS eine Modifizierung seiner Triebfederlehre vorgenommen. Während noch in der KrV eine analytische Verbindung von Glück und Tugend favorisiert wird, kennt er ab der GMS ein synthetisches Verhältnis a priori. Die Gottesidee motiviert auch moralisches Handeln nicht mehr, sondern garantiert dessen Erfüllbarkeit. Damit können wir noch einen neuen Akzent einer handlungspraktisch-moralischen Legitimation der Hoffnung ausweisen: „Die in praktischer Handlungsfreiheit gründende weltimmanente Beförderungspflicht des höchsten Guts legitimiert aus einer handlungspraktischen subjektiven Perspektive die rationale Hoffnung auf eine zukünftige Realisation des individuell-persönlichen und universellgemeinschaftlichen höchsten Guts durch Gott.“ 785 Anders formuliert: Jeder subjektive Wille hofft, wenn er will - und letztlich will er das höchste Gut. Indem er das Gute will, einzig weil es gut ist, hofft er - quasi in zweiter Ordnung - auf sein und der anderen Glück im Sinne einer Affirmation des Daseins. Die Kantische Handlungstheorie 786 kreist um die zwei bereits bekannten Ebenen einer jeden Handlungstheorie, der empirischen und der transzendentalen, und deren Verhältnisbestimmung, wobei im Hintergrund natürlich die Unterscheidung des Dings an sich und dessen Erscheinung zu verorten ist. Denn eine rein empirisch, quasi empiristische Handlungstheorie muss nach KANT notwendig unvollständig bleiben, umgekehrt muss eine transzendentale Betrachtungsweise erklären, wie rationale (Handlungs-) Gründe empirisch wirksam werden. Damit sind dann Fragen verbunden, die weit über Handlungstheorie hinausweisen, aber quasi intensiv auf diese zurückwirken, etwa nach der Einheit der Vernunft und dem Verhältnis von Theorie und Praxis. Es ist daher auch notwendig, sowohl empirisch gesättigt, als auch transzendental, verankert mit dem höchsten Gut, zu argumentieren. Schließlich können objektive Gründe und subjektive Motive nicht identisch gesetzt werden, in der Sprache KANT „objektive Bestimmungsgründe“ (moralische Gründe) und „subjektive Triebfedern“ (Motive), in denen die subjektiven Kausalursachen für die Ausführung einer Handlung liegen. „Zwischen der Rechtfertigung und der Erklärung einer moralischen Handlung gibt es für Kant einen engen Zusammenhang. Das moralische Gesetz ist in seiner Theorie sowohl objektiver Bestimmungsgrund als auch subjektive Triebfeder des Handelns. Es ist ‚principium diiudicationis‘ und ‚principium executionis‘ zugleich. Dennoch sind Gründe und Motive nach Kant nicht identisch. Seine Handlungstheorie geht von der Prämisse aus, dass ein Handeln ohne Mitwirkung von Gefühlen für uns Menschen nicht möglich ist. Hieraus erklärt sich eine seiner Leitfragen, wie reine Vernunft für sich praktisch sein kann. Mit dem Gefühl der Achtung benennt Kant deshalb ein spezifisches Gefühl, das die Verbin- 784 Vgl. TIMMERMANN, Sittengesetz und Freiheit, 200. „Es ist [...] nicht Achtung, die uns nötigt, den moralischen Standpunkt einzunehmen und das Urteil zu fällen, dass wir dies oder jenes tun sollen; den moralischen Standpunkt einzunehmen und ein moralisches Urteil zu fällen führt vielmehr dazu, dass wir Achtung empfinden. Achtung für das Sittengesetz ist das Motiv, aus dem heraus ein moralischer Mensch moralisch korrekte Handlungen ausführt. Sie ist die sittliche Qualität eines Menschen, die er sich als Triebfeder zunutze macht.“ 785 Vgl. KELLER, Der Begriff des höchsten Guts bei Immanuel Kant, 362. 786 Vgl. WILLASCHEK, M., Praktische Vernunft. Handlungstheorie und Moralbegründung bei Kant, Stuttgart / Weimar 1992, insbesondere 250-264. S <?page no="307"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 307 dung zwischen moralischen Gründen und der entsprechenden Motivation leisten soll. Dafür versucht er zu zeigen, dass dieses Gefühl apriorischen Status hat. Da nach Kant Apriorität und Notwendigkeit immer zusammenfallen [...], ergibt sich dadurch zugleich die Notwendigkeit der Verbindung zwischen moralischen Gründen und der entsprechenden Motivation.“ 787 Aber die Achtung als vermeintlich entscheidendes Gefühl kann nicht die ganze Motivationslast schultern, zumal sie auch keine Integration der vitalen Basis des Menschen ermöglichen kann. Dies wäre aber wichtig im Sinne des Zueinanders von Empirie und Normativität innerhalb einer Motivationstheorie, was KANT sehr klar gesehen hat, wenn er das apriorische Moralprinzip von der aposteriorischen Triebfeder unterscheidet. 788 Nichtsdestotrotz scheint die Dichothomie von Glück und Moral, von Gesetz und Neigung bei KANT so wohlfeil geraten, dass eine Versöhnung von Glück und Moral nur im Modus der Hoffnung und im Rahmen der Religionsphilosophie als religiöse Zuversicht denkbar wurde. Was, wenn das, was KANT quasi als Abschlussgedanke formuliert, die Hoffnung auf Glückseligkeit, für praktisch alle sittlich qualifizierten Handlungen gelten kann und nicht erst bei erwiesener Glückswürdigkeit. Wir versprechen uns schließlich vom Guten etwas und das Gute verheißt uns etwas, aufgrund dessen es zwar nicht für gut befunden werden kann, weil es in und für sich selbst gut ist (Beweisgrund), aber das uns zusätzlich (meta-) motiviert, das Gute auch zu wollen (Beweggrund), das wir sollen - ohne Angst um uns selbst haben zu müssen. Das Gute bleibt also gut, auch ohne (erfüllte oder unerfüllte) Verheißung, aber die Verheißung treibt uns an, das Gute auch zu wollen, mitunter gegen unsere individuellen Neigungen, weil es mitunter über den Einzelnen hinausgeht. Wir lassen uns trotz Verheißung vom Guten im Wollen bestimmen, wir tun es, weil es gut ist, aber innerhalb eines in der Hoffnung gegenwärtigen Sinnhorizonts, der legitime „Selbstinteressen“ 789 integriert und mit der Moral zusammendenkt. Es kann dabei nicht als Ziel KANTS gelten, die Glückseligkeit als Ziel zu nivellieren, aber sein vorrangiges Interesse ist es, das Gesetz als unbedingte Pflicht sicher im Handlungsaufbau zu installieren. Neigungen und das Streben nach Glückseligkeit gehören für ihn nicht in den Bestimmungsgrund des Guten, sind deswegen dennoch nicht unwichtig, werden aber erst (verspätet) nachträglich wieder integriert. 790 Mit KANT ist die „reine Achtung fürs praktische Gesetz“ 791 entscheidender, aber nicht ausschließlicher Beweggrund für moralisches Handeln, denn es gibt das höchste Gut als Gegenstand handlungsrelevanter Hoffnung. Gibt es daher nicht auch mit KANT die Berechtigung, Hoffnung auf Gelingen durch Achtung des Gesetzes als (Meta-) Beweggrund auszuweisen? Wir tun das Gute weiterhin, weil es aus und in sich gut ist, entdecken dabei aber eine notwendig mitgesetzte Hoffnung, dass Moral Sinn macht und Leben gelingt. Die 787 Vgl. SCARANO, N., Motivation, in: DÜWELL, M. / HÜBENTHAL, C. / WERNER, M.H. (Hrsg.), Handbuch Ethik, Stuttgart 2002, 432-437, hier 436. 788 Vgl. KANT, I., GMS 26. 789 Vgl. BAYERTZ, K., Warum überhaupt moralisch sein? , München 2004, 178ff. 790 Eine Handlung, soll sie uneingeschränkt gut sein, wird - nach KANT - allein aus Pflicht und Achtung dem Sittengesetz gegenüber und gerade nicht mit Blick auf mögliche wünschbare Folgen ausgeführt. Dennoch setzen solche Handlungen für KANT Hoffnung voraus, wie er sie im Rahmen seiner Religionsphilosophie behandelt, weil sie als letztlich religiöse Zuversicht die Moral mit der Glückssehnsucht verbinden. Aber auch Handlungen um der Folgen willen setzen spezifische Hoffnung voraus, weil die potentiellen Folgen nicht alle wissbar und bestimmbar sind. Diese Hoffnungen sind aber schwerer zu identifizieren, weil sie gerne gegenüber den wissbaren und damit erwartbaren Folgen vergleichgültigt werden. 791 Vgl. KANT, I., GMS 30 (BA 20). <?page no="308"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 308 praktische Vernunft setzt nun diese Verheißung eo ipso nicht, kann es gar nicht, sie muss sie aber konstatieren als religiöse Zuversicht, um am Guten bedingungslos festhalten zu können. 792 Schließlich könnte ansonsten kaum verständlich gemacht werden, woraus sich die Achtung vor dem Gesetz eigentlich speist. Zudem kann es von der Verheißung der Glückseligkeit keinen sicheren Begriff geben, weswegen sie aus Pflicht mit dem höchsten Gut befördert werden soll, wiederum nicht aus Neigung. 793 Anders formuliert: Die Vernunft bringt keine Glückseligkeit hervor, sondern der gute Wille. D.h. die Verheißung der Glückseligkeit ist nicht ausschließlich und exklusiv im Rahmen praktischer Vernunft zu gewinnen, aber diese Vernunft findet sie dennoch in sich vor als postulatorische Notwendigkeit, soll das Gute prinzipiell verbindlich und verstehbar sein. 794 In gewisser Weise kontrolliert das Gute das Glück, sonst besteht die Gefahr, dass die Glückseligkeit das Gute korrumpiert. Umgekehrt gilt freilich auch: Das Gute ist auf den anthropologischen und weltanschaulichen Rahmen der Glückseligkeitskonzepte angewiesen, weil diese einen Sinnrahmen bereitstellen, der buchstäblich „attraktiv“ ist und dem Handlungssubjekt Motivation eröffnen. Das Verhältnis beider Größen muss quasi zusammengehalten werden, was im Rahmen der Hoffnungskategorie durchaus gelingen kann und sie daher für Fragen der moralischen Motivation äußerst interessant macht. Wir brauchen schließlich zum Verständnis unseres Handelns den Begriff eines „sittlichen Ganzen“ (JÜRGEN HABERMAS). Kurz gesagt: Es kann (und darf) kein Glück ohne Moral und das Sittengesetz geben, aber das Sittengesetz garantiert noch kein Glück. Moral ist notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Glück. 795 Wird sittliches Handeln auf der einen Seite als vernünftiges Streben nach Glück und gelingendem Leben interpretiert, so auf der anderen Seite als vernünftiges Wollen, das an Autonomie, Sittengesetz und Pflicht orientiert ist. Wo Ersteres notorisch inhaltlich unterbestimmt, aber nach HÖFFE dennoch mit universalistischen und objektiven Tendenzen ausgestattet ist, da kann das Zweite alleiniger Bestimmungsgrund nur werden, wenn die Fragen der ersten Interpretation eine nachhaltige Antwort gefunden haben. Auch die unbedingte Orientierung am Sittengesetz ist Teil humaner Bestimmung, kann aber in Widerspruch zum Glücksstreben kommen. Auf beides zielt nun Hoffnung, beides ist für die Einheit der Hoffnung unabdingbar, wobei von einer Spannungseinheit auszugehen ist, die nicht aufgelöst werden kann. Eine Vermittlung hat dabei wiederum die Form einer Hoffnung. Nur eine solche umfassende Idee des höchsten Guten, die Moral und Glück umfasst - jenseits der Diasthase oder Antithese - kann menschliches Handeln umfassend orientieren und motivieren. Sollen setzt dabei Können voraus - aber unter der Prämisse, dass es Hoffnung gibt. Eine Differenzierung des höchsten Guts kann schließlich als Differenzierung innerhalb der Hoffnung und als Suche nach dem Zusammenhang der Hoffnungspolaritäten verstanden werden. Das höchste Gut kann als vollendetes Gut gedacht werden, wenn die Zusammenstimmung von Tugend und Glückseligkeit in der Hoffnung denkmöglich ist. Das höchste ursprüngliche Gut ist dabei Gott und das höchste abgeleitete Gut die (moralisch) 792 Vgl. KANT,I., GMS 32 (BA 23). 793 Vgl. KANT, I., GMS 25 (BA 12/ 13). 794 Vgl. dazu und zum Folgenden SCHÖNECKER, D. / WOOD, A.W., Immanuel Kants ‚Grundlegung zur Metaphysik der Sitten‘. Ein einführender Kommentar, Paderborn 2 2004, 39ff. 795 Vgl. HÖFFE, O., Sittliches Handeln: Ein ethischer Problemaufriss, in: LENK, H. (Hrsg.), Handlungstheorien - interdisziplinär Bd. 2, zweiter Halbband. Handlungserklärungen und philosophische Handlungsinterpretation, München 1979, 617-641. <?page no="309"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 309 beste Welt. 796 Mit WILHELM TEICHNER kann an dieser Stelle präzise gebündelt werden: „Dies will nichts anderes heißen, als dass sich als Kern einer Deduktion des Vernunftglaubens aus dem Vernunftinteresse die Rechtfertigung der Hoffnung herausschält. Die aus dieser Deduktion ableitbare Synthesis zwischen Tugend und höchstem Gut zum vollendeten Gut ist demnach die Synthesis der Hoffnung. Die Postulate, insofern sie als Gegenstände des Vernunftglaubens Bedingungen der Möglichkeit des vollendeten Guts sind, sind daher zuletzt selber als Gegenstände der Hoffnung ausgewiesen. Die Hoffnung aber, die auf ihre Weise den Zugang zum vollendeten Gut und zur Glückseligkeit als zu erhoffende Gegenstände eröffnet, ist sonach das letzte Resultat der ganzen möglichen Deduktion aller aus dem praktischen Vernunftinteresse entspringenden Gegenstände.“ 797 Auf diese Weise verstehen wir schließlich die „Hoffnung auf das Vollendete als Hoffnung auf das vollendete Gut und die Glückseligkeit. Sie ist in dieser letzten Hinsicht Philosophie der Hoffnung.“ 798 KANT verortet das Prinzip Hoffnung im Rahmen einer Metaphysik der Sitten, die der Hoffnung apriorische Bedeutung beimisst. Dahin konnte er nur kommen, weil alle sinnlichen Antriebe einer Motivation zum Guten bereits begrifflich ausgeschieden wurden. Auch wenn KANT sich zunächst in einem reinen Begründungskontext bewegt, der Geltungsgründe sucht, kann dennoch mit ihm auf der Ebene der Handlungspraxis, die Gestaltungs- und Motivationsgründe sucht, die Hoffnungskategorie als handlungsrelevanter Begriff rehabilitiert werden, nicht als vorrangiger oder alleiniger Motivationsgrund, das kann schließlich nur die reine, vernünftige Pflicht selber sein, sondern als Antwort auf die Frage, wie ich (immer wieder neu und letztendlich) die Pflicht tun kann, die ich tun soll und was meine Zukunft dabei berechtigterweise sein kann. Es geht mithin um spezifische Letztbegründung von Praxis, die ohne Hoffnung nicht plausibilisierbar ist. Hoffnung nimmt hier die Funktion einer Metamotivation ein. Neben der Metaphysik der Hoffnung muss so eine „Ethik der Hoffnung“ formuliert werden, die die Voraussetzungen zu klären hat, damit der Mensch das, was er soll, auch kann und durchhält und darüber hinaus durchhalten können will - gegen alle Infragestellung. Damit geht die Notwendigkeit einher, dass die gesollte Pflicht handlungswirksam wird, mithin vom Subjekt als realisierungswürdig und realisierungsfähig gehalten wird - auf der Basis einer damit verknüpften Verheißung von Handlungssinn, auf den es berechtigt hoffen kann und darf. Sonst wäre nicht einsichtig zu machen, warum eigentlich - nicht auf der Begründungsebene, das Sollen und der Pflichtcharakter des Gesollten stehen außer Frage - eine Handlung gemäß Pflichterfüllung getätigt werden sollte. Besser als Warum ist daher die Frage nach dem Wozu oder dem Worumwillen: Es wäre sonst nicht einsichtig wozu, und woraufhin das Gesollte überhaupt getan werden soll. Hoffnung klärt diese Fragen für die individuelle Handlungspraxis. Hier werden quasi zwei logisch unterschiedliche Ebenen angesprochen, deren Zusammenhang in Frageform wie folgt formuliert werden kann: Wozu soll ich das Gesollte wollen sollen und erst recht können, wenn nicht zugunsten und auf der Basis eines in der Hoffnung durch die Handlung in Aussicht gestellten Sinnes? Eine Motivationstheorie wird daher neben der Integration des Gesollten und einigem anderen mehr insbesondere eine Antwort geben müssen auf die Frage des Trägers des Willens nach sich selbst - ohne dabei schon selbstisch sein zu müssen. Dafür ist die Hoffnungskategorie unerlässlich. Gibt normative Ethik eine Antwort auf die Frage: Warum der 796 Vgl. TEICHNER, W., Kants Transzendentalphilosophie. Grundriss, Freiburg im Breisgau 1978, 126. 797 Vgl. TEICHNER, Kants Transzendentalphilosophie, 134-135. 798 Vgl. ebd. 136. <?page no="310"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 310 Menschen etwas soll im Sinne einer objektiven Pflicht (Geltungsgrund), so liefert Hoffnung, die zu Ende gedachte teleologische Ethik im Rücken und unter Aufnahmen unbedingter Pflicht, eine Antwort auf die Frage: Wozu und Woraufhin er das Gesollte wollen soll bzw. zu wollen hat - subjektiver Sinn (als Grund) und objektiver Grund werden hier in der Hoffnung verbunden. Die Unterscheidung benennt auch den Grund, warum beide Ethikformen inkommensurabel sind und im Medium der Hoffnung eine Vermittlung erfahren, normative Pflichtethik (Deontologie) und eudämonistische Glücksethik (Teleologie). δ Das höchste Gut und der Endzweck Jedes an sittlichen Maßstäben orientierte Tun setzt sich Zwecke; und es kann nicht (moralisch) gleichgültig sein, was der Mensch mit seinem Handeln befördert. 799 Der Begriff des höchsten Guts markiert nun eine Übereinstimmung von Glückswürdigkeit, gedacht als Inbegriff und Hochform der Moralität, und realer Glückseligkeit. Dennoch kann letztere niemals „Bestimmungsgrund des Willens“ 800 sein, soll Moralität, die ausschließlich um ihrer selbst willen getan wird und damit der alleinige Bestimmungsgrund des sittlich guten Willens ist, noch in strikter Autonomie gedacht werden können. Insgesamt ist die Lehre vom höchsten Gut „notwendiger Bestandteil einer vollständigen Philosophie der Leistungen des endlichen, sittlichen Bewusstseins“ 801 . Daher stellt sich am Problem des höchsten Guts das Verhältnis von Ethik und Metaphysik. Durch die Trennung von Sittlichkeit und Glückseligkeit wird auf spezifische Weise Bezug genommen auf die Kontingenz und „Gebrechlichkeit“ der menschlichen Natur bzgl. der möglichen oder unmöglichen Erfüllung des Sittengesetzes, das im Verdacht steht, in seiner Reinheit und Strenge erst durch das Christentum aufgerichtet worden zu sein. So muss es für den Menschen Hoffnung auf göttliche Hilfe zur Teilhabe am höchsten Gut geben. 802 Denn das höchste Gut kann bei KANT als Prinzip a priori zur Ermöglichung der Ausführung des Sittengesetzes gelten und das Sittengesetz stellt eine unbedingte moralische Forderung dar. Das höchste Gut muss daher für einen endlichen, menschlichen Willen erreichbar sein. Gott kann aus diesen Erwägungen heraus als Grund der Glückseligkeit in der moralischen Welt gelten, als höchstes ursprüngliches Gut und damit zugleich als dessen Ermöglichungsgrund in der Welt, während das höchste abgeleitete Gut die besagte moralische Welt des irdischen Menschen ist. Dabei gilt für KANT: „Die allgemeine Glückseligkeit hat für ihn nur als Bestandteil der Idee des höchsten Gutes Bedeutung.“ 803 799 Vgl. STRIET, M., „Erkenntnis aller Pflichten als göttliche Gebote“ Bleibende Relevanz und Grenzen von Kants Religionsphilosophie, in: ESSEN, G. / STRIET, M., Kant und die Theologie, Darmstadt 2005, 162-186, hier 173ff. 800 Vgl. KANT, I., KpV A 194. 801 Vgl. DÜSING, Das Problem des höchsten Gutes in Kants praktischer Philosophie, 6. 802 Vgl. ebd. 14. „Die christliche Ethik stellte also nach Kant das reine Prinzip der Sittlichkeit auf und wurde zugleich der endlichen Natur des Menschen gerecht. Sie unterschied das Prinzip der Sittlichkeit für den Menschen von dem der Glückseligkeit, der die menschliche Natur immer schon, auch ohne Rücksicht auf das praktische Gesetz, nachstrebt. Das höchste Gut erweist sich damit - anders als in den antiken Theorien - als verschieden vom Prinzip der Sittlichkeit selbst.“ 803 Vgl. ebd. 19. Weiter unten heißt es: „Die allgemeine Glückseligkeit kommt in diesem systematischen Zusammenhang nur in der moralischen Welt zustande und ist als Wirkung des allgemei- <?page no="311"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 311 Der späte KANT lässt schließlich Glückseligkeit - wie besehen - nicht mehr als sittliche Triebfeder zu, hält aber an ihr als a priori notwendige Evidenz des sittlichen Bewusstseins fest. Auch ist das Verhältnis der Triebfedern zum höchsten Gut unklar geblieben, insbesondere, wenn seit der KpV das höchste Gut nicht mehr ausführendes Prinzip ist. Systematisch haben sich KANTS Vorstellungen, wie oben bereits beschrieben, im Laufe seines Lebens gewandelt: Aus einer analytischen Parallelität innerhalb des höchsten Guts wird eine synthetische Konsekutivität im höchsten Gut. Sittliche Triebfedern a priori einzusehen übersteigt nun nach KANT menschliche Einsichtsfähigkeit entsprechend der GMS. 804 Das Gefühl der Achtung kann daher allererst als Folge der Selbstbestimmung des sittlichen Bewusstseins Triebfederfunktion übernehmen. Dessen ungeachtet kann die Idee des Höchsten Gutes als Idee eines Ganzen aller möglichen und notwendigen sittlichen Zwecke bestimmt werden. Dieser Gedanke, sämtliche sittliche Zwecke unter ein Prinzip zu bringen, ist so grundlegend, dass er eine Fülle von Konsequenzen zeitigt: „In diesem höchsten Zweck wird nun auch die Glückseligkeit mit vorgestellt, aber nicht als Bestimmungsgrund des Handelns, sondern nur als Erfolg des sittlichen Tuns oder nur, sofern sie der Sittlichkeit angemessen ist. [...] Damit hat sich wohl gezeigt, dass das höchste Gut ein notwendiges Objekt des endlichen sittlichen Willens ist. Es ist eine Idee, in der die unbedingte Totalität der sittlichen Zwecke unter einem Prinzip gedacht wird.“ 805 Dessen Beförderung ist moralische Pflicht, aber das Sittengesetz bleibt alleiniger Bestimmungsgrund des Zwecke setzenden moralischen Willens. Diese Beförderungspflicht folgt nicht analytisch aus dem Begriff des Sittengesetzes, sondern ist „synthetischer praktischer Satz a priori“ 806 . Mit anderen Worten: „Die notwendige Beförderung des höchsten Gutes kommt also nicht zum Sittengesetz noch hinzu als zusätzlicher Bestimmungsgrund außer dem Gesetz, sondern ist die Anwendung des Sittengesetzes als Bestimmungsgrund auf ein Wollen und Handeln nach Zwecken. [...] Die Idee des höchsten Gutes gehört damit zwar nicht mehr zur Grundlegung der Ethik; aber sie gehört doch unabdingbar zu einer vollständigen Theorie der Grundbestimmungen und Leistungen des endlichen sittlichen Bewusstseins.“ 807 Ohne Hoffnung auf Erreichung dieses höchsten Guts gibt es keine Vollständigkeit der moralischen Welt des Menschen. Umgekehrt: Das in dieser Hoffnung zum Ausdruck kommende höchste Gut ist notwendiges Objekt eines jeden Zwecke setzenden endlichen Willens, sinnträchtiger Entwurf der Möglichkeiten und Notwendigkeiten endlichen sittlichen Bewusstseins, das die hoffende Aussicht auf Realisierung benötigt, um sich unter endlichen Bedingungen als moralisch vollziehen zu können. Damit ist menschlicher Sittlichkeit eine inkommensurable Hoffnungsstruktur eingezeichnet. Ein solches rationales Hoffen 808 wird nun als Ausdruck reiner Vernunft mit dem Verlangen nach Glückseligkeit als affektivem Moment im Begriff des höchsten Guts verbunnen Willens aus Freiheit zu denken.“ Ein Gedanke, der für die Freiheitsbasis der (christlichintegralen) Hoffnung von entscheidender Bedeutung werden wird. 804 Vgl. etwa KANT, I., GMS, IV, 460, 462ff. 805 Vgl. DÜSING, Das Problem des höchsten Gutes in Kants praktischer Philosophie, 32. 806 Vgl. KANT, I., KpV, VI, Anmerkung 7. 807 Vgl. DÜSING, Das Problem des höchsten Gutes in Kants praktischer Philosophie, 33. Weiter heißt es aufschlussreich: „[...] Das höchste Gut entspringt erst aus der Anwendung der reinen Moral auf die Teleologie eines endlichen Willens; es ist der nicht schon vorgegebene, sondern allererst zu entwerfende höchste Zweck unseres sittlichen Tuns in der Welt.“ 808 Vgl. HÖFFE, O., Kants Kritik der reinen Vernunft. Die Grundlegung der modernen Philosophie, München 3 2004, 297-302. <?page no="312"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 312 den. Es können dabei drei zentrale Begründungsfiguren dieser Hoffnung unterschieden werden, auf die zurückzukommen sein wird. Diese benennen einen legitimatorischen, einen inspiratorischen und einen realisatorischen Grund von Hoffnung auf das höchste Gut. 809 Daneben kann mit DANIEL KELLER noch eine doppelte Lesart des höchsten Gutes unterschieden werden, „eine eher gemeinschaftlich universale Bestimmung des höchsten Guts als ethisches Gemeinwesen“ (KrV, KpV, RGV) „und eine eher individuelle Bestimmung des höchsten Guts“ 810 (KpV, KU). Noch in der KrV wird Hoffnung als subjektive Triebfeder aufgefasst, ein Ansatz, den KANT später wegen des Heteronomievorwurfs korrigieren wird, sodass Hoffnung nicht (mehr) direkt principium executionis ist. Damit wird dann auch vorgebeugt, Hoffnung als Defizitform des Wissen bezogen auf transzendente Annahmen zu begreifen. Denn Hoffnung ist gerade kein Wissensersatz. Epistemisch wird sie zwischen Meinen und Wissen, näherhin als Vernunftglaube ausgewiesen werden können, der theoretische mit praktischer Vernunft notwendig verbindet. Sie ist streng genommen kein Wissen und kein Wollen, sondern die Bedingung des Könnens bezogen auf die Realisierung des Sittengesetzes und des höchsten Guts. Insbesondere am kantischen höchsten Gut, dessen Möglichkeits- und zugleich Realisationsbedingungen das moralische Gottespostulat ist, lässt sich KANT Hoffnungsbegriff paradigmatisch ableiten. Auffällig ist dabei, wir werden noch darauf zurückkommen, dass diese Hoffnung das Individuum mit einem universalen sittlichen Gemeinwesen verknüpft und damit aufgrund der sittlichen Vergemeinschaftungstendenz unter ein Moralprinzip an einer moralischen Einung des Menschengeschlechts grundlegend beteiligt ist. So gibt es eine apriorische Verknüpfung des Sollens mit der Hoffnung, die in eine handlungspraktische Legitimation rationaler Hoffnung mündet. Rationale Hoffnung richtet sich nach den bisherigen Reflexionen bei KANT systematisch auf das höchste Gut. 811 Auf das höchste Gut kann ich begründetermaßen hoffen, es befördern, das praktische Gut habe ich zu verwirklichen. Die Verwirklichung des höchsten Guts ist angesichts der realen Verhältnisse in der Welt nur in einer künftigen Welt denkbar. 812 Eine sehr präzise Definition kantischer Hoffnung lautet demnach: „Diese Hoffnung ist eine Äußerung der reinen praktischen Vernunft, die sich aus dem a priori gewussten Begehren des höchsten Guts sowie der moralisch fundierten Zuversicht in dessen reale Möglichkeiten zusammensetzt und die Annahme der dafür notwendigen realisatorischen Voraussetzungen inspiriert und ermöglicht.“ 813 In anderer Diktion kann 809 Vgl. CONRADT, Der Schlüssel zur Metaphysik. Zum Begriff rationaler Hoffnung in Kants kritischer Moral- und Religionsphilosophie, 51ff. 810 Vgl. KELLER, D., Der Begriff des höchsten Guts bei Immanuel Kant. Theologische Deutungen, Paderborn 2008, hier 17. 811 Vgl. KELLER, Der Begriff des höchsten Guts bei Immanuel Kant, 240-241. „Die Realisation des höchsten Guts darf als moralisch legitimiert und somit praktisch rational erhofft werden. Die Hoffnung auf die Realisation des höchsten Guts muss theoretisch widerspruchsfrei und praktisch begründet möglich sein. Mit dem Hoffnungsbegriff überschreitet Kant zugleich den Raum immanenter Moralität hin zur Transzendenz, weil die Hoffnung auf die Realisation des höchsten Guts den praktischen Glauben an die Existenz Gottes für alle vernünftigen Menschen voraussetzt.“ 812 Vgl. KANT, I., KrV B 856 und B 839. 813 Vgl. CONRADT, Der Schlüssel zur Metaphysik. Zum Begriff rationaler Hoffnung in Kants kritischer Moral- und Religionsphilosophie, 190 und 193. S <?page no="313"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 313 das höchste Gut auch als „vollständiges Objekt der Moralität“ 814 bestimmt werden, was eine für den vorliegenden Kontext wichtige Integration aller Menschen impliziert. Dabei blieb die Frage bislang nur angedeutet, „wie [...] das höchste Gut praktisch möglich“ sei und damit auch, wie die darauf Bezug nehmende Hoffnung handlungsrelevant zu werden vermag? Durch eine Übereinstimmung von Glückswürdigkeit und Glückseligkeit, die allein durch (einen) Gott (und sein Reich) als verbürgt gelten kann. Über die reale Wirklichkeit dieses Gottes ist dabei freilich nichts ausgesagt, ist der Status der Aussage doch postulatorisch. Warum also darf ich hoffen? Mit den Worten von CONRADT: „Was unbedingt geboten ist, muss möglich sein. Unbedingt geboten ist die Würdigkeit, glücklich zu sein. Also müssen Würdigkeit und die notwendig zugehörige Glückseligkeit möglich sein. Deshalb darf eine der Sittlichkeit entsprechende Glückseligkeit erhofft werden.“ 815 Auf diese Weise wird dann Hoffnung auf das höchste Gut praktisch legitimiert und geltungstheoretisch streng limitiert. 816 „Das Streben nach dem höchsten Gut ist notwendiges Implikat des moralischen Gesetzes.“ 817 Wenn dies gilt, dann muss mit O’NEILL die kantische Position wie folgt korrigiert werden. Statt: „Was darf ich hoffen? “ muss es „Was soll ich hoffen“ heißen. 818 Anders gesagt: Das höchste Gut ist bei KANT als „Ganzheitsbegriff der Vernunft“ zu verstehen und als „Sinngrund des Moralgesetzes“ 819 (KpV), beides Prämissen, die zusammengenommen die Grundthese dieser Arbeit in strikt moralischer Diktion widerspiegeln, wonach Hoffnung Antizipation von Sinn darstellt. Das höchste Gut ist ferner als Endzweck (KrV) und „moralisch geeinte Menschheit im Reich Gottes“ (RGV) identifizierbar. Vorrangiges Ziel all dieser Bestimmungen ist es, wie mir scheint, eine systematische Einheit der Zwecke zu einem Endzweck zu ermöglichen, die hoffnungstheoretisch unverzichtbar ist, weil es sonst notwendig zu einer heterogenen Motivationslage kommt, was diese selbst letztlich infrage stellt, mindestens aber desorientiert und abschwächt, während die Einheit der Zwecke ihrerseits eine einheitliche (hoffnungsbasierte) Motivation zu garantieren vermag. Der Mensch ist dabei End- 814 Vgl. GUYER, In praktischer Absicht: Kants Begriff der Postulate der reinen praktischen Vernunft, 7. Vgl. auch ders., 5. „Das Reich der Zwecke ist also der Rahmen für das Streben nach der größtmöglichen gesetzmäßigen Glückseligkeit von allen. [...] Also ist das höchste Gut, als die Bedingung aufgefasst, die von der Begründung des Reiches der Zwecke erfolgen wird, keine Zusammensetzung von zwei verschiedenen Zielen, das eine das andere einschränkend, sondern ist das Ziel, das von der Moralität selbst bestimmt ist, wo Moralität Achtung für alle frei und vernünftig Handelnden wie auch für das vernünftige Streben nach ihren besonderen zulässigen Zwecken erfordert.“ 815 Vgl. CONRADT, Der Schlüssel zur Metaphysik. Zum Begriff rationaler Hoffnung in Kants kritischer Moral- und Religionsphilosophie, 56 und 58. „Moral legitimiert die Hoffnung auf die Möglichkeit des höchsten Guts überhaupt, Moralität die Hoffnung auf die Möglichkeit der Teilhabe daran.“ 816 Vgl. KANT, I., KrV, B 846 / 847 und CONRADT, Der Schlüssel zur Metaphysik. Zum Begriff rationaler Hoffnung in Kants kritischer Moral- und Religionsphilosophie, 68. „Die Hoffnung auf das höchste Gut und dessen Bedingungen verschafft uns keine theoretisch bestimmte objektive Kenntnis dieser transzendenten Gegenstände. Ihre Vorstellungen dienen ausschließlich der Konsistenz und Motivation der Sittlichkeit und sind nur insoweit gültig.“ 817 Vgl. JANSOHN, H., Utopische Hoffnung in der Immanenz - kritische Hoffnung in der Transzendenz. Ein Vergleich zwischen Bloch und Kant, in: Trierer theologische Zeitschrift 81 (1972), 1-25, hier 12. 818 Vgl. O´NEILL, O., Innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, in: RICKEN, F. / MARTY, F. (Hrsg.), Kant über Religion, Stuttgart et al. 1992, 100-111, hier 104. 819 Vgl. ebd. 116ff. und 171ff. <?page no="314"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 314 zweck als Naturwesen und hat einen Endzweck als moralisches Wesen. Es kann daher von einer teleologischen Struktur der Welt des Subjekts 820 gesprochen werden, was vernünftig ohne Hoffnung nicht zu denken ist und was innerhalb der Pflichtethik KANTs als ein bemerkenswerter Aspekt zur Verbindung mit antiker Strebensethik gelten kann. Für REINER WIMMER ist die Frage nach dem höchsten Gut verbunden mit der Frage nach dem Sinn des Lebens - exakt auf der Linie der hier vertretenen These, wonach Hoffnung als das primäre Medium zur Vergegenwärtigung des höchsten Guts den Modus der Antizipation von Sinn bezeichnet. Er beklagt aber, dass es auch KANT nicht wirklich gelungen sei, wenigstens antizipatorisch, die Entzweiung von Sinn und Leben zu überwinden. Für die Ambivalenz entsprechender Bemühungen sprächen die vielfältigen Dualismen in KANTS Philosophie, deren Einheit er vom zentralen Hoffnungsgegenstand, dem höchsten Gut, her zu denken versucht. 821 Die Verkennung der Bedeutsamkeit des höchsten Guts, wie sie vielfach ex negativo beobachtet werden kann, durch Verengung auf normative Fragen, muss bei KANT Beachtung finden. Daher kann ihm auch verringertes Interesse an der Gesamtsituation des Menschen, einem Grundverständnis von der Ganzheit des Menschen und seines Daseins, nachgesagt werden, wiewohl er es freilich durchaus kennt. Statt die Ganzheit des Menschen in den Vordergrund zu stellen, geht es ihm weit eher um die Ganzheit des Menschengeschlechtes, wonach eine moralische Vergemeinschaftung durch gemeinsame Hoffnung auf das höchste Gut stattzufinden hat. Dabei wird ein ethisches Gemeinwesen (RGV) zum eschatologischen Endziel des menschlichen Daseins und zugleich zum Inbegriff moralischer Verpflichtung. 822 In diesem Zusammenhang muss schließlich noch die zentrale Unterscheidung von (moralischer) Idee und (religiösem) Ideal des höchsten Guts eingeführt werden; erstere zielt auf die Beförderung als Inbegriff der moralischen Pflicht des Menschen, letzteres auf Verwirklichung des höchsten Guts, die nicht mehr in des Menschen Verfügung liegt und daher das Gottespostulat als denknotwendige Forderung des moralischen Selbstbewusstseins voraussetzt. „Insofern ist das höchste Gut Gegenstand einer unaufgebbaren Hoff- 820 Vgl. DÜSING, Das Problem des höchsten Gutes in Kants praktischer Philosophie, 38. „Das höchste Gut hat als Gegenstand der praktischen Vernunft nur subjektiv-praktische Realität. Durch die Annahme eines Endzwecks der Schöpfung, der eben in der Verwirklichung des höchsten Gutes besteht, erhält es objektive, aber auch bloß praktische Realität.“ 821 Vgl. WIMMER, R., Kants kritische Religionsphilosophie, Berlin / New York 1990, 5ff. „Für Kant beinhaltet dieser Gedanke nicht nur abstrakt die Versöhnung von Sinnlichkeit und Sittlichkeit, die Harmonisierung des menschlichen Glücksstrebens mit dem moralischen Leben, die Vereinigung von Tugend und ihr angemessener Glückseligkeit, sondern konkret die moralische Vereinigung aller Menschen zu einem ‚ethischen Gemeinwesen‘, das sich die menschliche Beförderung einer moralischen als der besten Welt zur Aufgabe stellt, in der mit der Hilfe Gottes als des allgütigen und allmächtigen Hauptes seiner zu einem corpus mysticum geeinten Menschheit Moralität und Wohlergehen, das sittliche und das glückliche Leben zu vollkommenem Ausgleich gebracht sind.“ 822 Vgl. WIMMER, Kants kritische Religionsphilosophie, 11. „Die Existenz des Menschen ist somit objektiv wie subjektiv in ihrer Totalität in Pflicht genommen, und zwar nicht von außen, sondern von ihr selbst her, insofern sie sich als vernünftig und darin als autonom verstehen muss. Alle anderen Ansprüche, die der Mensch erfahren mag, hat er von dieser Einheit unbedingter Objektivität und unbedingter Subjektivität her zu beurteilen. Bei Licht besehen besagt nämlich die moralische Welt bzw. das ethische Gemeinwesen das vollkommene Zu-sich-selber- Kommen der Existenz des Menschen in der physischen und der moralischen Gemeinschaft mit allen Menschen.“ <?page no="315"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 315 nung, die sich auf den Glauben an Gottes Dasein stützt, um nicht bodenlos zu sein.“ 823 Die Rolle der Religion ist dabei erheblich, aber eben abgeleitet. Sie hat diesbezüglich keine Autonomie. Ganz analog argumentiert KAULBACH, wenn er bezüglich der Handlungstheorie von KANT auf einem engen Zusammenhang von praktischer Vernunft und Sinnwahrheit insistiert. Gegen die mögliche und immer drohende Vergeblichkeit des Handelns wird die Frage nach dem Sinn gestellt. Hoffnung auf das höchste Gut ist einziger möglicher Garant für diesen Sinn, der sich nicht auf einzelne Handlungen isoliert bezieht, sondern auf den Sinn von Handeln insgesamt und im Ganzen der Weltgeschichte: „Der Handelnde bedarf der Gewissheit, dass seine Hoffnung auf Erfolg seiner Anstrengungen gerechtfertigt ist, er hat die Perspektive des „höchsten Guts“ nötig, in der er seine Handlungswelt und seine Stellung in ihr zu deuten vermag. Es ist diejenige, der Entsprechung zwischen Schicksal - Kant sagt Natur - und Freiheit. Durch die „Annahme“ bzw. „Voraussetzung“ des höchsten Guts als der Garantie dafür, dass nicht alles umsonst ist, wird ein letzter Erfolg der Anstrengung des guten Willens zur Gewissheit. Diese Perspektive vermag Handeln überhaupt zu rechtfertigen und ihm Sinn zu geben.“ 824 Damit argumentiert KAULBACH mit Kant gegen einen Nihilismus und für die Explikation handlungspraktischer Sinnwahrheit. 825 Die kantische Unterscheidung zwischen Principium diiudicationis und Principium executionis zielt auf die hier bereits erwähnte Lücke zwischen Anerkennung der Gültigkeit einer Norm und einem der Norm entsprechenden Handeln, zwischen subjektiven Gründen der Exekution und objektiven Gründen der Dijudikation, schließlich auch zwischen Form und Materie. 826 Mit KANT kann zwar von einem Primat der praktischen Vernunft 827 ausgegangen werden, sodass die Bewegung reiner Vernunft zur Einheit hin nur gelingen kann, wenn sie eine letzte Unterordnung all ihrer Interessen unter die dezidiert praktischen vornimmt und damit eine Antwort auf alle drei der berühmten kantischen Fragen gefunden wird. 828 Mit anderen Worten: Nach der Idee des höchsten Guts 823 Vgl. ebd. 67. 824 Vgl. KAULBACH, F., Handlung und Wahrheit im Aspekt der kantischen Philosophie, in: PRAUSS, G. (Hrsg.), Handlungstheorie und Transzendentalphilosophie, Frankfurt am Main 1986, 144-159, hier 157. 825 Vgl. KAULBACH, Handlung und Wahrheit im Aspekt der kantischen Philosophie, 158. „Diese innere Logik des moralischen Bewusstseins macht die Erfüllung eines Sinnbedürfnisses durch die Perspektive des höchsten Gutes notwendig: sofern diese fähig ist, jenes Bedürfnis zu erfüllen, kommt ihr Wahrheit in der Bedeutung der Sinnwahrheit zu. Durch die Sinnwahrheit dieser Perspektive sieht Kant die Möglichkeit gegeben, den sonst unausweichlichen Nihilismus des handelnden Bewusstseins zu überwinden.“ 826 Vgl. PATZIG, G., Principium diiudicationis und Principium executionis: Über transzendentalpragmatische Begründungsansätze für Verhaltensnormen, in: PRAUSS, G. (Hrsg.), Handlungstheorie und Transzendentalphilosophie, Frankfurt am Main 1986, 204-218. Wobei sich PAT- ZIG gegen den kantischen Versuch der Vermittlung durch die Letztbegründung eines höchsten Guts wendet - freilich ohne triftige Gründe dagegen zu nennen. Vgl. auch Ders., Moralische Motivation, in: Ders. / BIRNBACHER, D. / ZIMMERLI, W.Ch. (Hrsg.), Die Rationalität der Moral, Bamberg 1996, 39-55. 827 Vgl. grundlegend WILLASCHEK, M., Praktische Vernunft. Handlungstheorie und Moralbegründung bei Kant, Stuttgart / Weimar 1992. 828 Vgl. SILBER, J.R., Die metaphysische Bedeutung des höchsten Guts als Kanon der reinen Vernunft in Kants Philosophie, in: Zeitschrift für philosophische Forschung, 23 (1969), 538-549, hier 538. „Die Vernunft ist ihrer Natur nach ein praktisches Vermögen. Sie ist praktisch nicht nur, indem sie Zwecke setzt und in den verschiedenen Weisen ihres Gebrauchs ihre Verwirkli- <?page no="316"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 316 als notwendiger Gegenstand des Willens, der „vom moralischen Gesetz als einer der Leitungen der praktischen Vernunft ausgeht, können die Vernunft und der Mensch ihre maßgebende Richtung und ihren Endzweck finden. [...] In der Idee des höchsten Gutes entwirft die Vernunft diejenige systematische Einheit der Zwecke im Verhältnis zueinander, in der die größte moralische und natürliche Erfüllung stattfinden kann.“ 829 Die darauf Bezug nehmende Hoffnung lässt auf diese Weise das Vernunftinteresse nach sich selbst im höchsten Gut ruhen und eröffnet fundamentale moralische Orientierung und eine basale Sinnaussicht. „Ohne die Hoffnung, dass unser moralisches Streben zu etwas Gutem führt, wären wir moralische Finsterlinge, die freudlos ihre Pflichten erfüllen. Denn keiner von uns will [...] nur vernünftig sein. Diese Hoffnung richtet sich nicht nur darauf, dass es keine prinzipiellen Konflikte zwischen Moral und Glück gibt, sondern auch darauf, dass wir durch die Moral ein Gut eigener Art erreichen können, das sich nicht in der Befriedigung unserer Neigungen erschöpft.“ 830 Die Forderungen des moralischen Gesetzes gelten natürlich auch ohne die Postulate, aber die Vernunft bleibt unbefriedigt, wenn die Bedingungen der Erfüllung des höchsten Gutes mittels der Postulate nicht gesichert sind. Ohne ein höchstes Gut „scheitern Metaphysik und Moral, und bleibt theoretisches Wissen richtungslos“ 831 . Daher kann bei KANT mit Blick auf die moralisch qualifizierte Handlungswirklichkeit des Menschen völlig zu Recht eine „moralische Teleologie“ 832 identifiziert werden, die sich auf einen moralischen Endzweck bezieht, der wiederum zwischen Natur und Freiheit verortet wird und ein höchstes durch Freiheit mögliches Gut in der Welt bezeichnet. 833 Das Ideal des höchsten Gutes als Bestimmungsgrund des letzten Zwecks der reinen Vernunft zu bezeichnen, als den „ganzen Gegenstand der praktischen Vernunft“, ist in Form einer Hoffnung zu qualifizieren, denn alle praktische Intentionalität ist auf die Voraussetzung der Möglichkeit der Erfüllbarkeit dieses Zwecks bezogen und „antizipiert somit in nuce auch die Annahme seines Ermöglichungsgrundes“ 834 . Entscheidend für KANT ist nun, dass der praktische Endzweck und der Endzweck der Schöpfung in der Hoffnung auf einen letzten gemeinsamen Endzweck vereinigt werden, weswegen Hoffnung auch Theorie und Praxis zu verbinden vermag, ebenso theoretische und praktische Vernunft. Daher rührt auch die Charakterisierung der Hoffnungschung anstrebt; sie ist praktisch auch, indem sie die Einheit all dieser Weisen und damit die Einheit all ihrer Zwecke anstrebt.“ 829 Vgl. SILBER, J.R., Die metaphysische Bedeutung des höchsten Guts als Kanon der reinen Vernunft in Kants Philosophie, 545-546. 830 Vgl. KLEMME, Praktische Gründe und moralische Motivation, 146-147. 831 Vgl. SILBER, J.R., Die metaphysische Bedeutung des höchsten Guts als Kanon der reinen Vernunft in Kants Philosophie, 549 und 548, wo es heißt: „Kein vernünftiger Mensch kann in Übereinstimmung mit dem moralischen Gesetz seiner vernünftigen Natur wollen, wenn er nicht die Verwirklichung des höchsten Gutes und, als notwendige Bedingung dazu, die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit will. [...] Denn als Korrelat der Weltidee in der moralischen Sphäre dient die Idee des höchsten Gutes der Vernunft nicht nur als notwendiger Gegenstand des moralischen Wollens, sondern gibt der Vernunft auch ihren umfassenden Zweck vor, einen Zweck, der in sich alle Anliegen der Vernunft enthält und ausrichtet.“ 832 Vgl. LANGTHALER, R., Kants Ethik als System der Zwecke. Perspektiven einer modifizierten Idee der moralischen Teleologie und Ethikotheologie, Berlin / New York 1991, 286-315, hier 286ff. 833 Vgl. dazu LANGTHALER, Kants Ethik als System der Zwecke, 310. 834 Vgl. für beide Zitate ebd. 293. <?page no="317"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 317 frage als „praktisch und theoretisch zugleich“, da Theorie und Praxis aufeinander bezogen und miteinander vermittelt werden. Die kantische Grundfrage: „Was darf ich hoffen? “ zeigt mithin ein Interesse der Vernunft an ihrer Einheit, weswegen die Frage ja auch praktisch und theoretisch zugleich ist. 835 Vom Ziel her gedacht und wieder bezogen auf menschliche Handlungswirklichkeit heißt das, dass das Absolute des praktischen Vernunftgebrauchs immer schon antizipativ, d.h. im Medium der Hoffnung, mitgesetzt wird. 836 Eine jede eschatologische Interpretation dieser Einsichten zielt dabei bereits auf theologisch vielversprechende Anverwandlung des strikt vernunfttheoretischen Ansatzes von KANT. Endliche aber unbedingte Vernunft macht den Menschen, nach KANT, zu Bürgern zweier Welten, die aber im Medium der Hoffnung in einer Welt kulminieren müssen. „Es muss daher, nicht um der Verpflichtung durch das Sittengesetz, sondern um seiner Ausübung willen, die Idee einer Welt entworfen werden, in der Sittlichkeit und Glückseligkeit miteinander harmonieren.“ 837 Mit anderen Worten: Die Realisierung des Gesollten verpflichtet zur Annahme einer solchen Harmonierung, die aber nur im Medium der Hoffnung zugänglich ist, mithin trotz Postulatscharakter letztlich eine verdankte ist. KANT hat die Vollendung seiner Postulatenlehre daher konsequent in einer „Deduktion der Idee einer Rechtfertigung“ gesucht, „auf die wir keinen Rechtsanspruch haben“. 838 Die Unterscheidung des höchsten ursprünglichen Gutes (Gott) vom höchsten abgeleiteten Gut (die moralische Welt) 839 deutet dabei exakt auf die beiden zentralen Strukturaspekte der Hoffnung hin, wonach ersteres den letzten Grund von Hoffnung, letzteres das finale und höchste Ziel der Hoffnung bezeichnet. Schon mehrfach wurde auf Entwicklungen in KANTS Denken hingewiesen, etwa, wenn eine Verschiebung der Bestimmung des höchsten Gutes zu beobachten ist. So wird dieses nicht mehr allein als transzendentale Voraussetzung des Handelns bestimmt, sondern als letztes Objekt des Handelns selbst (KrV B 843). Und wo es zunächst noch alleinige Triebfeder der Moral war, übernimmt diese Aufgabe später die Achtung vor 835 Vgl. KANT, I., KrV B 833. 836 Vgl. LANGTHALER, Kants Ethik als System der Zwecke, 313. „Die Idee eines „Endzwecks der Dinge“, der behauptete „besondere Beziehungspunkt der Vereinigung aller Zwecke“, erweist sich als „vernunftnotwendig“, weil dieser doch im Grunde gar nichts anderes als jene objektivierende, auf „Totalität“ hinzielende Explikation dessen darstellt, was so „vorgängig“ in aller unbedingt-praktischen Wirklichkeit (und damit dem „praktischen Endzweck) schon vorausgesetzt ist, und so auch im reflexiv-objektivierenden (gott-setzenden) Bewusstsein gesetzt ist - als voraus-gesetzt. Der „ganze Gegenstand der reinen praktischen Vernunft“, die „Idee des höchsten Guts“ selbst, ist als der theoretisch explizierte und gemäß den regulativen Ideen der „Einheit“ und der „Totalität“ entworfenen Ursprungs- und Zielgrund alles Wirklichen aufzufassen.“ 837 Vgl. LICHTENBERGER, H.P., Eschatologie aus dem Grunde des Subjekts. Bemerkungen zu Kant und Fichte, in: HEß, R. / LEINER, M. (Hrsg.), Alles in allem. Eschatologische Anstöße (FS JANOVSKI, C.), Neukirchen-Vluyn 2005, 325-344, hier 330 und weiter 331. „Die Idee des höchsten Gutes wird gefunden in der Selbstreflexion der autonomen praktischen Vernunft auf die Sinnhaftigkeit ihres Tuns unter empirischen Bedingungen. Diese Selbstreflexion kann sich daher nur in Postulaten aussprechen, in denen die Vernunft die unbegreiflichen Voraussetzungen ihrer faktisch nie herstellbaren Einheit intendiert. Das höchste Gut ist eine Aufgabe, zu deren Beförderung wir zwar verpflichtet sind, deren Verwirklichung aber nicht in unserer Hand liegt.“ 838 Vgl. KANT, I., RGV, B 100-102. 839 Vgl. KANT, I., KrV B 838 ff. <?page no="318"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 318 dem Sittengesetz (KpV). 840 Bei aller Konsequenz, die diese Veränderungen für den Hoffnungsbegriff mit sich bringen, ein Effekt ist sicher, dass mehr Verantwortung in die Handlungswirklichkeit des Menschen hineingestellt wird und Bedeutung der Hoffnung, die Abhängigkeit von spezifischer Hoffnung wächst. Darüber hinaus müssen wir davon ausgehen, dass das höchste Gut Handlungsrelevanz nicht erst bekommt, wenn alles getan ist, sondern immer schon je neu im Tun. Es gilt: „Das Eschaton ist jederzeit präsent im sittlichen Handeln.“ 841 Kurz gesagt: Ich tue das Gute nicht, weil ich glücklich werden will, aber ich will glücklich werden, insofern ich das Gute zu tun versuche und dabei erkannt habe, was Glück ist - und deswegen hoffe ich. ε Das Glück und das Böse Bereits mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass KANT einen (einseitigen) Glücksbegriff vertritt, der ihm insbesondere als Folie zur Absetzung von antiken Strebensethiken diente, wiewohl eine genauere Analyse zeigen könnte, dass er teleologischen Ethiken dennoch nahe steht, indem er die Telos-Orientierung des Willens wieder nachträglich aus einem bereits pflichtorientierten Willen ableitet. 842 KANT begreift Glück als „die Befriedigung aller unserer Neigungen, sowohl extensive, der Mannigfaltigkeit derselben, als auch intensive, dem Grade, und auch protensive, der Dauer nach“ 843 und definiert einen „Zustand eines vernünftigen Wesens in der Welt, dem es im Ganzen seiner Existenz alles nach Wunsch und Willen geht“ 844 Mit OTFRIED HÖFFE kann auch eine „Zufriedenheit mit dem ganzen Dasein“ 845 damit identifiziert werden. Weil diese aber vielfach empirisch bedingt ist, kann sie nicht Bestimmungsgrund der Sittlichkeit sein. Entscheidend ist schließlich die darin zum Ausdruck kommende Perspektive des ganzen Lebens, die für den hier vertretenen Hoffnungsbegriff konstitutiv ist. Daher ist auch eine umfassende Glückseligkeit im Sinne eines Erfüllungsglücks nicht gleichzusetzen mit dem (empirischen) Augenblicks- oder Gefühlsglück. 846 „Dieser Begriff des Glücks steht den hedonistischen Glückstheorien der Antike jedoch näher als der Ethik des Christentums, deren eudämonistische Tradition zur Zeit Kants nur noch in einem historischen Zerrbild 840 Vgl. LICHTENBERGER, H.P., Eschatologie aus dem Grunde des Subjekts, 332. „Doch auch, wenn das Sittengesetz alleiniger Bestimmungsgrund des Handelns ist, so können wir von unseren subjektiven Zwecken, die jeweils auf Glückseligkeit zielen, nicht abstrahieren. Die ethische Theorie muss also die Schwierigkeit bewältigen, dass Handeln de facto immer nur unter natürlichen Zwecken möglich ist, aber die Motivation aus einem rein rationalen und formalen Gesetz stammen soll. Das höchste Gut wandert dann aus der Transzendenz einer apriorischen Voraussetzung bzw. einer idealen Hoffnungsinstanz hinein in die Reflexion über die Möglichkeit jeweiligen Handelns. Das Objekt des moralischen Willens ist hier nicht nur fernes Ziel, sondern es ist unmittelbar in jedem Handeln präsent, welches individuelle Zwecke unter die Allgemeinheit des Sittengesetzes zu subsumieren vermag.“ 841 Vgl. ebd. 335. 842 Vgl. HORN, C., Wille, Willensbestimmung und Begehrungsvermögen, in: KANT, I., Kritik der praktischen Vernunft - Klassiker Auslegen Bd. 26, hrsg. von HÖFFE, O., Berlin 2002, 43-61, hier 60-61. 843 Vgl. KANT, I., KrV B 834. 844 Vgl. KANT, I., KrV A 224. 845 Vgl. HÖFFE, O., Kant, München 6 2004, 198. 846 Auch eine Philosophie und Theologie des Glücks steht daher im Verdacht, in ihren zentralen Strukturen anschlussfähig zu sein mit der Hoffnungskategorie. <?page no="319"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 319 wahrgenommen wurde.“ 847 GISBERT GRESHAKE will sogar einen Bruch zwischen Gnade und Glück 848 innerhalb theologischer Theoriebildung ausgemacht haben, der auch für den daran orientierten Hoffnungsbegriff von Bedeutung ist. Die Idee eines unendlichen Progressus zur Erreichung des höchsten Guts bei KANT erscheint zudem für den Einzelnen wenig hilfreich, da es eben nie erreicht wird, sodass der Mensch dem handelnd nicht wirklich nahe kommt, was er damit eigentlich will. 849 Die Konsequenz für gegenwärtiges Handeln könnte motivationshemmend sein. Kann und muss es daher nicht auch eine berechtigte Hoffnung auf Erreichbarkeit nicht erst nach allem Tun oder am Ende der Zeit geben, sondern im und inmitten des Handelns? Zum Verständnis der kantischen Pflichtethik muss nun gerechterweise eine historische Perspektive eingenommen werden, sonst können bestimmte Selbstverständlichkeiten nicht plausibel gemacht werden, insbesondere sind calvinistische Einflüsse genauso wie preußische Prägungen in Anschlag zu bringen, die nicht unerheblich für den Formalismus der kantischen Ethik verantwortlich gemacht werden können. Wiewohl sein Begriff von Moralität weithin akzeptiert wird, wird etwa der Dualismus von empirischen und intelligiblen Anteilen der Person weithin kritisiert. Aber kann die kantische unbedingte Moralität übernommen werden ohne nicht mindestens einen Teil der metaphysischen Prämissen zu akzeptieren? Von einer einfachen und strikten Bipolarität des kantischen Hoffnungsgegenstandes kann nun keinesfalls gesprochen werden, da das höchste Gut nicht einfach ein Additivum von Glück und Moral ist, sondern von Moral und damit proportioniertem Glück. „Die Moralität eines Menschen ist die formale Bedingung a priori seiner Glückseligkeit.“ 850 Die vernunftnotwendige Synthese beider Aspekte hat nun eine teleologische Struktur 851 , die sich als Hoffnungsstruktur zu erkennen gibt und damit als solche für die gesamte moralische Welt des Menschen mitsamt dem damit zu vermittelnden Glücksstreben bestimmend ist. Mit anderen Worten: „Glückseligkeit ist gewusste, gewünschte und erhoffte Nebenwirkung moralischer Einstellung und Lebensführung.“ 852 Daher ist es auch berechtigt, Glückswürdigkeit von Glückseligkeit zu unterscheiden: Während Erste- 847 Vgl. SCHOCKENHOFF, Grundlegung der Ethik, 562, Anmerkung 169. 848 Vgl. GRESHAKE, G., Glück und Heil, in: BÖCKLE, F. / KAUFMANN, F.-X. / RAHNER, K. / WELTE, B., Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft IX, Freiburg 1981, 101-146. Ders., Gnade - Geschenk der Freiheit, Kevelaer 2004. 849 Vgl. HÖFFE, Kant, 251. 850 Vgl. FORSCHNER, M., Moralität und Glückseligkeit in Kants Reflexionen, in: Zeitschrift für philosophische Forschung, 42 (1988), 351-370, hier 361. 851 Vgl. FORSCHNER, Moralität und Glückseligkeit in Kants Reflexionen, 363. Dort heißt es interpretierend weiter: „Glückseligkeit kann also nicht die Rolle des dominanten Motivs für Moralität spielen. Andererseits kann der Mensch als endliches strebendes Wesen gar nicht Glückseligkeit aus zu sein. Dieser Wunsch lässt sich nicht vernichten, aber er lässt sich umhin, auf sehr wohl nachordnen. Der moralisch gute Mensch sieht und wünscht seine eigene Glückseligkeit als nicht primär intendierte Folge von Moralität, und zwar in Form eines Wissens um den Selbstbeglückungseffekt des Bewusstseins eigener Moralität -Glückseligkeit aus Freiheit - und in Gestalt einer zusätzlichen Hoffnung auf jenseitigen Ausgleich für möglicherweise entgangenes sinnliches Vergnügen und erlittenen Schmerz.“ Sicher gibt es das Glück der Moral, aber reicht das bereits aus, eine angemessene Daseinsaffirmation zu gewährleisten? Ohne gegenwartsrelevante Hoffnung auf eine der Unbedingtheit des Sittengesetzes analoge Würdigung und Affirmation gelingenden Daseins wird der Anspruch der Moral immer wieder kaum aufrecht erhalten werden können. 852 Vgl. ebd. 364. <?page no="320"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 320 re als Inbegriff und Hochform der Moralität („Heiligkeit“) und damit als Antwort auf die zweite Frage der reinen Vernunft (Was soll ich tun? ) gilt, fragt Zweitere: „Wie, wenn ich mich nun so verhalte, dass ich der Glückseligkeit nicht unwürdig sei, darf ich auch hoffen, ihrer dadurch teilhaftig werden zu können? “ 853 Wie besehen ist die Idee der Sittlichkeit mit der der Glückseligkeit im Bereich der reinen Vernunft strikt verbunden - über das höchste Gut und die darauf Bezug nehmende Hoffnung. Die „moralisch proportionierte Glückseligkeit“ 854 als Hoffnung gibt es für KANT allerdings erst, wenn alle tun bzw. getan haben, was sie sollten und konnten. Glückseligkeit ist mithin bei KANT immer nur als sittlich geformte im Blick. Es geht ihm, um mit einer Interpretation von MA- XIMILIAN FORSCHNER zu sprechen, schlechthin darum, quasi ex negativo „dem Hindernis der Moralität im Menschen, das in der Furcht vor dem Verlust aller Glückseligkeit besteht, in Gestalt einer Hoffnung etwas entgegenzusetzen“ 855 . Die Berechtigung zur Hoffnung auf Glück wird an die Bedingung der Glückswürdigkeit, d.h. der moralischen Angemessenheit und Anstrengung geknüpft. Damit wird deren Gegenwartsrelevanz aber abgeschwächt zugunsten der Reinheit des Sittengesetzes gegenüber Glücksstrebungen. 856 Mit anderen Worten: „Glückseligkeit ist gewusste, gewünschte und erhoffte Nebenwirkung moralischer Einstellung und Lebensführung.“ 857 Das höchste Gut hat aufgrund der Glückskomponente nur eine negative Motivationsrolle. Das heißt aber auch: „Das sittliche Handlungsmotiv der Glückseligkeit muss sich mit einer subjektiven Erwartung verbinden, dass Glückswürdigkeit sich tatsächlich als notwendiger und zureichender Grund von Glück erweist, um wirksames Handlungsmotiv des Menschen sein zu können.“ 858 Mit dieser aus dem Vernunftglauben geborenen Hoffnung wird nun die Reinheit der Tugendgesinnung nicht geschwächt. Aber KANT verlegt die Bedeutung der Glückshoffnung in gewisser Weise auf das Ende aller Bemühungen, um es als Bestimmungsgrund des (moralischen) Willens fern zu halten. Aber damit hegt er einen defizitären Glücksbegriff und einen funktionalistischen Gottesbegriff 859 als Garanten für die Sinnhaftigkeit der Moralität, die Einheit von Glück 853 Vgl. KANT, I., KrV B 837. 854 Vgl. KANT, I., KrV B 838. 855 Vgl. FORSCHNER, M., Das Ideal des moralischen Glaubens. Religionsphilosophie in Kants Reflexionen, in: RICKEN, F., Kant über Religion, Stuttgart 1992, 83-99, hier 92. 856 Es kann soweit gegangen werden, eine Hoffnung auf (mit der Glückswürdigkeit allererst berechtigte) Hoffnung zu postulieren, eine Hoffnung zweiter Ordnung gewissermaßen. 857 Vgl. FORSCHNER, M., Über das Glück des Menschen. Aristoteles, Epikur, Stoa, Thomas von Aquin, Kant, Darmstadt 1993, 120. 858 Vgl. FORSCHNER, Über das Glück des Menschen, 139-140. Es heißt weiter: „[... ] In die Stelle der Erwartung tritt angesichts ihrer empirischen Uneinlösbarkeit Religion als reiner Vernunftglaube, d.h. als von der Vernunft zu Zwecken ihrer Autoritätssicherung unter Menschen gegebene Hoffnung und Verheißung der Realisierung des höchsten qua vollständigen Guts in einer anderen Welt. [... ] Die Religion ihrerseits ist nicht Grund noch Inhalt einer Pflicht, sondern eine Verheißung der Vernunft als Gegengewicht gegen die begründete Furcht des Glücksverlusts, die mit der Einlösung von Pflicht verbunden sein mag. [... ] Religion als Vernunftglaube begegnet also der Gefahr, dass der kategorische Anspruch moralisch-praktischer Vernunft sich im Blick auf die Glücksbedürftigkeit des Menschen als absurd erweist.“ 859 Vgl. SCHOCKENHOFF, Grundlegung der Ethik, 565. „Gott ist für Kant nicht mehr die Erfüllung und das höchste Glück des Menschen, sondern nur der oberste Diener des sittlichen Weltzwecks, den zu denken um der Sinnhaftigkeit des moralischen Handelns willen notwendig ist. Weil es in dieser endlichen Welt keinen gerechten Ausgleich von Moralität und Glück gibt, muss Kant ein allmächtiges Wesen als Urheber einer gerechten Weltordnung im Jenseits postu- <?page no="321"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 321 und Moral und damit der Einheit aller Zwecke unter einem höchsten (erreichbaren) Gut. Er kann dafür zwar eine Vernunftnotwendigkeit im Rahmen seines Moralsystems ausmachen, aber nur um den Preis der Funktionalisierung Gottes, der inhaltlich völlig unbestimmt bleibt und über dessen Existenz nichts ausgesagt werden kann. Das hat Konsequenzen für die Offenheit und Unableitbarkeit der Hoffnung. So heißt es etwa in der KrV über die Notwendigkeit, allein in der Gottesidee die Vereinigung von Sittlichkeit und Glückseligkeit gründen zu lassen: „Ich nenne die Idee einer solchen Intelligenz, in welcher der moralisch vollkommenste Wille, mit der höchsten Seligkeit verbunden, die Ursache aller Glückseligkeit in der Welt ist, so fern sie mit der Sittlichkeit (als der Würdigkeit, glücklich zu sein) in genauem Verhältnis steht, das Ideal des höchsten Guts. Also kann die reine Vernunft nur in dem Ideal des höchsten ursprünglichen Guts den Grund der praktischnotwendigen Verknüpfung beider Elemente des höchsten abgeleiteten Guts, nämlich einer intelligiblen, d.i. moralischen Welt antreffen.“ 860 KANT bringt damit die Vernunftnotwendigkeit einer Hoffnung auf Glückseligkeit, verbunden mit einer Priorität der Sittlichkeit im höchsten Gut zum Ausdruck, gibt aber zu verstehen, dass zur Einlösung dieser Notwendigkeit, humane Moralität widerspruchsfrei zu denken, für sinnliche und endliche Wesen eine „künftige Welt“ angenommen werden muss, zu der wir uns einzig im Modus der Hoffung ins (handlungsrelevante) Verhältnis setzen können. Erneut KANT: „Daher auch jedermann die moralischen Gesetze als Gebote ansieht, welches sie aber nicht sein können, wenn sie nicht a priori angemessene Folgen mit ihrer Regel verknüpften, und also Verheißungen und Drohungen bei sich führten. Dieses können sie aber auch nicht tun, wo sie nicht in einem notwendigen Wesen, als dem höchsten Gut liegen, welches eine solche zweckmäßige Einheit allein möglich machen kann.“ 861 Pointiert könnten wir sagen: Glück ist die Verheißung der Moral, deretwegen wir die Moral zwar nicht tun, da diese um ihrer selbst willen getan zu werden hat, deren wir aber ansichtig werden, wenn wir die Moral tun. Somit kann inhaltlich eine Bipolarität des Hoffnungsbegriffs ausgewiesen werden, die auf ein höchstes Gut zielt, dessen Einheit zwar notwendig gedacht werden muss, aber nicht wirklich aufgeklärt wird in ihrem Verhältnis als (denknotwendige) Zukunft für die Gegenwart, außer eben in ihrer Abhängigkeit von einer sie ermöglichenden Gottesidee. „Ohne also einen Gott, und eine jetzt für uns nicht sichtbare, aber gehoffte Welt, sind die herrlichen Ideen der Sittlichkeit zwar Gegenstände des Beifalls und der Bewunderung, aber nicht Triebfedern des Vorsatzes und der Ausübung, weil sie nicht den ganzen Zweck, der einem jeden vernünftigen Wesen natürlich und durch eben dieselbe reine lieren. Paradoxerweise trifft der Vorwurf, dass der Mensch Gottes Hilfe erst im Jenseits braucht, auf die philosophische Konstruktion einer postulatorischen Hoffnung viel eher zu als auf den Gottesgedanken der christlichen Ethik. Die menschliche Vernunft kann es nicht hinnehmen, dass zwischen dem moralischen Leben und dem tatsächlichen Glück des Menschen ein letzter Widerspruch bestehen bleibt. Des Glückes würdig zu sein, aber seiner nicht teilhaftig zu werden, das ließe das Los des Menschen unannehmbar erscheinen. So verlegt Kant das Streben nach Glückseligkeit, das im irdischen Leben unter keinen Umständen die Motivation der Sittlichkeit bestimmen darf, an das Ende des moralischen Lebens, indem er in der postmortalen Existenz des Menschen einen Ausgleich von Moralität und Glück als Gegenstand vernünftiger Hoffnung fordert.“ 860 Vgl. KANT, I., KrV B 839. 861 Vgl. KANT, I., KrV B 839-840. <?page no="322"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 322 Vernunft a priori bestimmt und notwendig ist, erfüllen.“ 862 Um diesen Grundgedanken herum lassen sich nun eine Fülle von Interpretationen und Schlussfolgerungen identifizieren, die hier nur angedeutet werden können in ihrer möglichen Relevanz für einen (moralisch qualifizierten) Hoffnungsbegriff. So kann etwa die Lehre vom höchsten Gut als „Theorie der Gerechtigkeit“ 863 gedeutet werden, die sich auf eine basale Lehre von der Affirmation des menschlichen Daseins umwenden lässt. Demnach kann eine philosophische Gotteslehre im Hintergrund vermutet werden, nach der „[...] eine Theorie des moralischen Handelns die Konzeption eines im ganzen bejahenswerten Lebens enthalten muss; enthielte sie diese nicht - dann wäre sie in der Tat in einem strikten Sinne formalistisch“ 864 . Diese Voraussetzung betrifft aber nicht die Geltung der moralischen Maximen, sondern deren Realisierung unter endlichen Bedingungen. Ganz analog zu diesen Ausführungen soll daher hier menschliche Würde als Antizipation von Anerkennungsverhältnissen interpretiert werden, d.h. als spezifische Form der (moralischen) Hoffnung. Auffällig und zudem kennzeichnend für die Hoffnungskategorie ist darüber hinaus, dass der Mensch wohl eine Zusammenfassung all seiner Empfindungen unter ein Ganzes als Begriff benötigt, von dem her er sich dann einen Reim aufs Leben zu machen versucht und das sein Handeln zutiefst zu bestimmen scheint - auf der Basis positiver oder negativer existentieller Stellungnahmen, die spezifische Zustände und Wirkungen zur Folge haben. Ein der Moralität adäquater Zustand der Glückseligkeit kann dabei nicht hergestellt werden. Der Zusammenhang von Glückseligkeit und Moralität ist kein empirischer. Weit eher ist im Begriff des höchsten Gutes als Synthese von Moralität und Glückseligkeit nach KANT „die subjektive Wertschätzung des Lebens mit der Moralität des Individuums so vermittelt, dass der sich daraus ergebende Zustand der Person als der einzig mögliche gewiss ist“. 865 Die Kategorie der Hoffnung gilt dann als „die adäquate Relation zwischen dem endlichen Vernunftwesen und dem höchsten Gut [...], dann ist sie in der Tat ein Strukturmoment der menschlichen Vernunft“. 866 In seiner Religionsschrift „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ 867 fragt KANT u. a. nach der Möglichkeit der Umkehr des Menschen angesichts der Unbedingtheit der Verpflichtung durch das Moralgesetz und dessen faktischer Nichterfüllung. Dahinter steht für ihn die Entscheidung, welche Anlage der Mensch zum Zuge kommen 862 Vgl. KANT, I., KrV B 841-842. Weiter heißt es: „Glückseligkeit allein ist für unsere Vernunft bei weitem nicht das vollständige Gut. Sie billigt solche nicht (so sehr als auch Neigung dieselbe wünschen mag), wofern sie nicht mit der Würdigkeit, glücklich zu sein, d.i. dem sittlichen Wohlverhalten vereinigt ist. Sittlichkeit allein, und, mit ihr, die bloße Würdigkeit, glücklich zu sein, ist aber auch noch lange nicht das vollständige Gut. Um dieses zu vollenden, muss der, so sich als der Glückseligkeit nicht unwert verhalten hatte, hoffen können, ihrer teilhaftig zu werden.“ 863 Vgl. ANACKER, U., Hoffnung - Kants Versuch, die Idee der Gerechtigkeit zu denken, in: Philosophisches Jahrbuch 88 (1981), 257-263. 864 Vgl. ANACKER, Hoffnung - Kants Versuch, die Idee der Gerechtigkeit zu denken, 258. Weiter heißt es: „Im Begriff der Glückseligkeit denkt Kant das, was ich mit einer Bejahung oder Wertschätzung des Lebens im ganzen auszudrücken versuchte. [...] Aus prinzipiellen Gründen nämlich, so meint er, können wir nicht sicher sein, dass, sofern wir moralisch sind, auch der Glückseligkeit teilhaftig werden, d.h. unser Leben so bejahen können, dass diese Bejahung einen dauerhaften Zustand herbeiführt - auf eine solchen können wir nur hoffen.“ 865 Vgl. ebd. 262. 866 Vgl. ebd. 262. 867 Vgl. etwa KANT, I., Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, in: WEISCHEDEL, W. (Hrsg.), Die Metaphysik der Sitten, Werkausgabe VIII, Frankfurt am Main 1977, 645-879. <?page no="323"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 323 lässt, die sinnliche oder die moralische. Der Mensch erlebt sich nun mit höchster Evidenz unter dem Anspruch, gut zu sein (Sollen), aber es gibt daneben eine weitere (Maximen-) Evidenz, es nicht zu können. Dieser Hiatus wird durch die Hoffnung vermittelt: Wir müssen hoffen, es ist quasi unsere Pflicht im Sinne der Notwendigkeit zur Umkehr, eine „Revolution“ unserer Denkungsart statt allein eine „Reform“ der Sitten zustande zu bekommen, denn nur erstere vermag wirkliche Umkehr zu ermöglichen. Hoffnung vermittelt also zwischen Sollen („Ich erlebe mich als jemand, der gut sein soll.“) und Können („Ich kann es nicht aufgrund meines Hangs zum Bösen bzw. der Maximenverkehrung bzw. der Unmöglichkeit umzukehren.“). Zugleich vermittelt Hoffnung, wie besehen, zwischen Moral bzw. Gesetz (Glückswürdigkeit) auf der einen Seite und dem Glücksverlangen des Menschen (Glückseligkeit) auf der anderen Seite. Sie überbrückt die Kluft zwischen Moral und Glück, wonach mir das Glück, das ich ersehne (Glückseligkeit) hoffend in Aussicht gestellt wird, wenn ich mein Möglichstes für die Erfüllung meiner Pflicht getan habe (Glückswürdigkeit). Wiewohl an einige Stellen der kantischen Argumentation Anfragen zu richten sind, kann im Kontext einer kantischen Vernunftreligion so weit gekommen werden, dass ein „Vernunftprinzip Hoffnung“ postuliert werden muss, um denken zu können, dass der Mensch das, was er im Rahmen einer sittlichen Evidenz als unbedingte Verpflichtung erlebt - das Gute zu tun - überhaupt vermag. Wir müssen hoffen dürfen, das Gute, das wir sollen (und letztlich wollen) auch zu können - und wir werden es auch nur dann tun können, wenn wir begründet auf die Erfüllung hoffen dürfen. 868 Der Mensch kennt zwar einen wurzelhaften Hang zum Bösen, ist aber nicht durch und durch böse, da er ein moralisches Verlangen kennt und sich immer wieder unter einem moralischen Horizont wiederfindet, dem gegenüber er aber versagen kann und immer wieder versagt, weswegen die Erreichung des Erstrebten und die Realisierung des Verpflichteten über eine Hoffnung denkmöglich bleiben muss. Die Verknüpfung von moralischer Verpflichtung und korrespondierender Realisationsvoraussetzung ist in der RGV nicht mehr über begriffliche Synthese oder transzendentale Deduktion gefasst, sondern über eine „Hoffnung auf das Ereignis einer Metanoia vom Bösen zum Guten, einer „Revolution der Denkungsart“ bestehen, die der Mensch, der sich als böse ansieht, nicht von sich selbst, sondern nur von Gott erwarten kann.“ 869 Trotz verschiedenster Wandlungen in den mitunter paradoxen Begründungsfiguren: Hoffnung ist unaufgebbar und denknotwendig für die moralische Welt des Menschen. „Kant zufolge kann das menschliche Glück nur angestrebt werden unter der Bedingung einer Handlungsorientierung, die das Glück als Determinante und Motivation gänzlich ausschließt. Nur um des Glückes willen zu handeln, ist also aus analytischen Gründen nicht möglich, da eine solche Maxime gerade die Bedingung der Glücksperspektive auf der Welt zerstören würde.“ 870 Nicht nur, dass solche Hoffnung auf Erfüllung des berechtigten Glücksanspruchs 868 Vgl. PFÜRTNER, S.H. / LÜHRMANN, D. / RITTER, A.M., Ethik in der europäischen Geschichte Bd. I Antike und Mittelalter, Stuttgart et al. 1988, 9. Dort heißt es zum Thema: „Mit Zuversicht das Gute angehen“, wofür Hoffnung unabdingbare Voraussetzung ist. 869 Vgl. WIMMER, R., Kants kritische Religionsphilosophie, 77. „Eine solche Erwartung aber richtet sich nicht mehr an einen Gott der Allmacht, sondern an den der Liebe.“ 870 Vgl. RÖMPP, G., Kant´s Ethik als Philosophie des Glücks, in: Akten des siebten internationalen Kant-Kongresses (1990) Bd. 1, hrsg. von FUNKE, G., Bonn 1991, 563-572, hier 572 und als Ertrag 570. „Die Erkenntnis, die Kant mit seiner Lehre über den Zusammenhang von Glück und Moral ausgearbeitet hat, besteht […] in der Einsicht, dass die Perspektive des Glückes nichts weniger als natürlich ist. Indem der Mensch sich in ein solches Verhältnis zu seiner Welt setzt, vollbringt er eine Leistung, durch die er sich von allen Lebewesen in der Welt und von sich <?page no="324"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 324 vernunftnotwendig ist und zutiefst mit menschlichem Sinnverlangen verbunden ist, eine Hoffnung, „welche jedes Handeln begleitet und ihm selbst noch im Falle des Scheiterns seinen Sinn gibt“ 871 , sie hat für KANT auch eine Affinität zum Ästhetischen. Das Schöne als „Symbol des Guten“ 872 soll dabei die Gefühlskomponente betonen, ohne das Moralprinzip dadurch zu beeinträchtigen. Die Präzisierung des allgemeinen Sittengesetzes kann dabei als ähnlich schwierig gelten wie die der Glückseligkeit oder des Ästhetischen selbst, aber eben nicht ganz, wiewohl eine reine Formalisierung über den Kategorischen Imperativ nicht ausreichend erscheint, da dieser jenseits des Verpflichtungscharakters die Attraktivität des Guten kaum zum Ausdruck bringen kann. Nichtsdestotrotz, der Mensch muss hoffen dürfen zu glücken, sich zumindest Sinnfiguren vor Augen zu stellen, die ihm gelingendes Leben verheißen. Ansonsten ist die Realisierung des Guten insgesamt gefährdet, da schließlich dieses jenes (mit) verheißt. Glück kann daher als (epiphänomenale) Teilmenge des Guten verstanden werden und hat aus diesem Grunde auch Anteil an dessen Dignität und dessen Ursprung in der praktischen Vernunft des Menschen. Das Gute aus Pflicht zu tun, d.h. aus keinem anderen Grund, als weil es gut ist, heißt eben nicht, dass es keinen Mehrwert besitzen könnte oder dürfte, sondern nur, dass es nicht darumwillen getan wird, sondern heißt eben nur, es wird getan, weil es gut ist, sodass dieser Mehrwert quasi nicht angestrebt wird, nicht Gegenstand und Ziel meiner Intentionalität ist, aber dennoch damit verbunden sein kann. 873 Das Glück wird quasi der Realisierung des Guten aus Pflicht beigegeben, hat quasi donativen (und epiphänomenalen) Charakter. Wir können es nicht direkt anstreben, sondern nur die Bedingungen schaffen, unter denen es erfahren werden kann bzw. es vernünftig ist, darauf zu hoffen. Glück ist nicht Gegenstand unserer (moralischen) Intentionen, da es auf diese Weise nicht erreicht werden kann. Aber die Hoffnung darauf selbst als sinnlich affizierbarem Wesen unterscheidet. Mit der Perspektive des Glücks entwirft er einen Horizont, in den alle Bedürfnisbefriedigungen und Neigungserfüllungen unter einem neuen Vorzeichen bemessen werden. Indem er das Ganze seiner Existenz unter dem Begriff des Glücks zusammenfasst und unter dem Zeichen des zuhöchst Wünschenswerten den Wechselfällen seiner Welt und seines empirischen Daseins entgegensetzt, gewinnt er ein Verhältnis zu sich selbst, das Kant als die Möglichkeit, sich selbst genug zu sein bezeichnet. Auch hier sollte nicht an eine Vorstellung von Glück gedacht werden, die durch den reinen Genuss seiner selbst in allem Begegnenden gewährt werden könnte. Sein Glück findet auch das sich ethisch verpflichtet wissende Subjekt nur, indem es sich der sinnlich affizierenden Welt aussetzt, die ihm die Materie seines Glückes liefert, ohne sie ihm zur Disposition zu stellen.“ 871 Vgl. RECKI, B., “Was darf ich hoffen? ” Ästhetik und Ethik im anthropologischen Verständnis bei Immanuel Kant, in: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie 19 (1994), 1-18, hier 6 und 8. Dort fragt RECKI aufschlussreich weiter: „Können wir überhaupt erwarten, in einer Welt zu sein, in der die Selbstbestimmungsabsicht unseres Handelns auch Aussicht auf Erfolg hat? Gibt es, mit anderen Worten, Anlaß zur Hoffnung, dass wir so, wie wir sind, in die Welt passen? “ Kurz gesagt: Hoffnung verortet den Menschen basal in der Welt. 872 Vgl. KANT, I., KdU § 59. 873 Vgl. SCHÖNECKER, D. / WOOD, A.W., Immanuel Kants ‚Grundlegung zur Metaphysik der Sitten‘. Ein einführender Kommentar, Paderborn 2 2004, 55-95, die allerdings als einzig legitimen kantischen Beweggrund die reine Achtung vor dem Sittengesetz hervorheben, freilich ohne die ganz entscheidenden religionsphilosophisch akzentuierten Überlegungen zum höchsten Gut auch nur zu erwähnen, um hernach vorschnell ohne werkdiachrone oder systembezogene Interpretation die kantische Analyse moralischer Motivation für nicht überzeugend zu erklären. Vgl. Für eine vorsichtigere Interpretation KANT, I., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Kommentar von HORN, C. / MIETH, C. / SCARANO, N., Frankfurt am Main 2007. <?page no="325"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 325 motiviert zum Guten als eigentlichem Gegenstand der Intention. KANT war an einer „Reinhaltung“ der moralischen Intentionen von sinnlichen Neigungen gelegen. Alles andere desavouiert das Gute als Gutes und macht damit zugleich das Glück noch unerreichbarer, da es nicht einmal mehr erhofft werden kann und der entscheidende Anhaltspunkt, was denn das Glück sei, abhanden gekommen bzw. aufgrund der Maximenverkehrung darunter verzerrt wurde. KANT will den Bestimmungsgrund des Willens, modern der Intentionalität, rein halten von Neigungen: Bestimmungsgrund des Willens ist das Gute aus Pflicht, Bewegungsgrund des Willens ist neben der Achtung vor dem Sittengesetz auch die Hoffnung auf Gelingen bzw. auf ein mit dem Guten proportioniertes Glück. Das Gesetz bestimmt den Willen als Bestimmungsgrund nach wie vor. Aber bestimmt nicht auch die Hoffnung den Willen, indem sie ihn motiviert, das, was er soll, auch zu wollen, indem sie (dadurch) Gelingen verheißt? Der Wille lässt sich auch durch Hoffnung bestimmen und bewegen. Die Frage ist dann nur noch, welches (moralische) Prinzip bestimmt mein Hoffen? ! In gewissem Sinne kann das Gesetz nur eine (moralisch erwünschte, weil Achtung ermöglichende) Wirkung auf das Subjekt haben, wenn es Verheißung in sich trägt. 874 Die Glückshoffnung kommt bei KANT quasi zu spät, nämlich erst dann, wenn ich alles Erdenkliche zur Realisierung der Pflicht getan habe. So ist der Hiatus zwischen Pflicht zum Guten und Glück immer wieder real, aber so unvermittelt gedacht wie bei KANT nicht praktikabel, denn je klarer der Begriff des Guten herausgearbeitet wird, umso klarer wird auch der des Glücks. Entscheidende Notwendigkeit, auch und gerade, um (wieder) Anschluss an die Moraltheologie zu bekommen, ist nun, das Gute so zu formulieren, dass es die ihm inhärente Attraktivität zu erkennen gibt und zu entfalten vermag. Denn die Attraktivität des Guten ist bei KANT nur mehr über die Hoffnung sichtbar. KANT wird zwar Recht behalten, dass das Gute nicht um des Glückes willen oder anderer Neigungen willen getan werden soll, sondern um seiner selbst willen, aber dennoch unter dem Horizont und im Kontext einer diesbezüglichen Verheißung, die über eine ihr eigene Attraktivität dem/ der Hoffenden die Aussicht eines Gelingens ermöglicht. Die Perspektive der Hoffnung ist dabei von der der Pflicht durchaus verschieden. Daneben gibt es wohl Situationen, in denen der Mehrwert des Guten für mich oder für andere nicht unmittelbar sichtbar ist und einen Einsatz verlangt, der mit unmittelbaren Daseinsinteressen vehement in Konflikt steht, sodass ich in ein diesbezügliches Dunkel hinein hoffe. Ich sehe es (noch) nicht, aber ich will hoffen dürfen, dass sich auch dahinter ein Gelingen entbirgt. Das ist ein Ort des Kreuzes. Zu fragen ist daher, ob KANT genügend über den Projekt- und Hoffnungscharakter von Freiheit nachgedacht hat. Schließlich ist es ein Subjekt, das unter den Bedingungen der Kontingenz um die Sinnhaftigkeit seines Daseins ringt, um Anerkennung und Affirmation kämpft 875 und das zugleich das Sittengesetz zu realisieren sucht. 876 KANT verfolgte dagegen das vorrangige Ziel, die Unabhängigkeit des Sittengesetzes von seiner Meinung nach nichtsittlichen Motiven zu gewährleisten und damit den 874 Vgl. KANT, I., GMS 28, Anmerkung BA 17. 875 Vgl. HONNETH, A., Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte, Frankfurt am Main 1992. 876 Glück ist bei KANT latent heteronom bestimmt, wohingegen das Glück des Christentums (beatitudo) ein bei Gott und damit sich selbst angekommenes Glück (vgl. N.v. KUES: „Sei du dein, so werde ich dein sein.“) der letztlich geretteten, versöhnten und damit gelingenden Existenz in Gemeinschaft ist, eine Verwirklichung der Bestimmung des ganzen Menschen, nicht nur des entsinnlichten, wovon nach der Inkarnation schließlich nicht mehr auszugehen ist. <?page no="326"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 326 Grund von Moralität rein in der Freiheit verorten zu können. Der Preis dieser Konzeption ist es aber, dass er eine seltsam ich- und subjektlose Ethik formuliert hat, die jenseits aller Formen von Vitalität rein formal konzipiert ist. 877 Der „reine Wille“ kann daher als Abstraktion vom konkreten Subjekt gelten und setzt dabei eine elementare Daseinsaffirmation bereits voraus, die den ganzen Menschen zu umgreifen hat. 878 KANT entwickelte seine Lehre von der postulatorischen Hoffnung schließlich im Kontext einer „reinen praktischen Vernunft“, was einem Rationalismus gleich kommt und auf einen Vernunftmonismus hinführt, der letztlich schillernde Ergebnisse hervorbringen kann, sodass wir doch auf einen zumindest schwachen Naturbegriff und anthropologische Erwägungen angewiesen sind, der dem Rechnung trägt, dass diese Vernunft eben nicht voraussetzungslos agiert. Die erhoffte Versöhnung von Glück und Sittengesetz, von theoretischer und praktischer Vernunft ist ein „Postulat der reinen praktischen Vernunft (worunter ich einen theoretischen, als solchen aber nicht erweislichen Satz verstehe, sofern er einem a priori unbedingt geltenden praktischen Gesetz anhängt“ 879 . KANT entwirft Hoffnung als Vernunftprinzip, das, wie besehen, eine mehrfache Brücke zu schlagen hat zwischen ansonsten divergenten Moralgrößen. Daher kann es als sein großer Verdienst gelten, begründungsstark gezeigt zu haben, dass Moral ohne Hoffnung sinnlos wird. ζ Desiderate Sollen schließlich wichtige Verstehensvoraussetzungen und Desiderate dieser Konzeption formuliert werden, die mir für das Gespräch mit der Theologischen Ethik mitunter noch zu wenig bedacht zu sein scheinen, so zeigt sich etwa, dass (a) für KANT das Höchste Gut als der zentrale Gegenstand der Hoffnung die Sinnhaftigkeit des Moralgesetzes insgesamt zu verbürgen hat und somit nicht nur von einem engen Verhältnis von Hoffnung und Sinn auszugehen ist, sondern sich insgesamt die Frage nach der Bedeutung der Sinndimension für ein Moralsystem stellt, das sich einer Grenzreflexion aussetzt und das, wie paradigmatisch an der kantischen Ethik ablesbar, unter absurden Bedingungen gar nicht denkbar ist. Ferner lässt sich mit PAUL RICOEUR 880 zeigen, dass (b) bei KANT wenig Raum für die Dimension des Geschenks ist. Hier wird eine (preußische) Leistungsmoral vertreten, die das Empfangende, das Geschenkte, das Donative, allgemein die vita passiva, systematisch kaum zu würdigen weiß, wiewohl diese Aspekte für einen christlich-theologischen Kontext von großer Bedeutung sind. Daneben scheinen auch (c) die kantischen Vorstellungen von Glückseligkeit 881 , die zwischen empirischem und sittlichem Glück unterscheiden und dieses quasi „moralisch proportionieren“ 882 müssen, diesen zentralen Gegenstand von Hoffnung weit eher einer antik-hedonistischen Lesart entsprechen zu lassen, als dass sie mit einem ganzheitlichen theologischen Glücksbegriff unmittelbar anschlussfähig wären. Das hat Folgerungen für das Verhältnis des immanenten Glücksstrebens des Menschen zum Moralprinzip. Zu wenig scheint mir daher auch (d) über das Verhältnis des kantischen Höchsten Guts, ebenso wie (e) seiner 877 Vgl. HÖFFE, O., Immanuel Kant, München 6 2004, 198-199, vgl. auch 240ff. und 252. 878 Vgl. SCHWARTLÄNDER, J., Der Mensch ist Person. Kants Lehre vom Menschen, Stuttgart / Berlin / Köln / Mainz 1968. 879 Vgl. KANT, I., KpV A 220. 880 Vgl. RICOEUR, P., Freiheit im Licht der Hoffnung, in: Ders., Hermeneutik und Strukturalismus. Der Konflikt der Interpretationen Bd. I, München 1973, 199-226. 881 Vgl. KANT, I., KrV, B 834. 882 Vgl. KANT, KrV, B 838 / A 810. <?page no="327"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 327 Konzeption Moralischer Motivation zu einer christlichen Hoffnung nachgedacht worden zu sein, wiewohl die vernunfttheoretischen Reflexionen KANT jeweils im Verdacht stehen, äußerst fruchtbar aufgenommen werden zu können, wie einige skizzenhaften Hinweise belegt haben. Darüber hinaus ist (f) auf den postulatorischen Charakter kantischer Hoffnung zu verweisen. Da kantische Hoffnung postulatorische Hoffnung aus einem Vernunftbedürfnis heraus ist, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis dieser theoretischen Hoffnungssätze, „die einem a priori unbedingt geltenden praktischen Gesetz unzertrennlich anhangen“ 883 , zu einer theologischen Hoffnung, die ihre Funktion eben nicht allein aus einer spezifischen Stellung in einem moralphilosophischen System nimmt. Schließlich ist (g) auffällig, wie sporadisch KANTS Reflexionen zur Zeitstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit ausfallen, etwa wenn er die Gesinnung als intelligible Tat „ohne alle Zeitbedingung“ 884 begreift oder die Versöhnung von Sittlichkeit und Glückseligkeit erst am Ende des moralischen Lebens verortet. 885 Kann demgegenüber nicht eine quasi „eschatologische Rückwirkung“ der zuversichtlichen Hoffnung auf Erfüllung des notwendig gedachten Ausgleichs von Pflicht und Glück auf die Gegenwart des Handelnden angenommen werden? KANT kann zwar (h) im Rahmen seiner Moralphilosophie die dem Sittengesetz eigene Unbedingtheit des Sollens in einem starken Sinne zur Geltung bringen. Doch geschieht dies, wie mir scheint, um den Preis, dass das Sollen vom „Wunsch zu sein“ (PAUL RICOEUR) und den legitimen Selbstinteressen des Handlungssubjekts abgeschnitten wird, ein Gedanke, der theologisch-ethisch unmittelbar nach einer Korrektur verlangt. Einige der vorgestellten Gedanken sollen nachfolgend noch expliziert werden: So ist etwa auffällig, dass KANT zwar über Zeit als Anschauungsform nachdenkt, insbesondere, weil er seine Transzendentalakte vor Augen hat, aber weniger über Handlungszeit, die stark von ihrem Zukunftsbezug her zu verstehen ist und für die das Zueinander der Zeitstufen von großer Wichtigkeit ist. Das hat Konsequenzen für handlungstheoretische Aspekte und den Ort der Hoffnung in seiner Moralphilosophie. 886 Da er kaum Raum hat, um über Zeit als Handlungszeit nachzudenken, kennt er sie nur ansatzweise als „die zeitliche Dimension in praktischer Hinsicht“ 887 . Um das tun zu können, was wir tun sollen, müssen mithin bei KANT zwei folgenschwere Voraussetzungen gemacht werden, die für eine positive Rezeption der kantischen Hoffnungsphilosophie expliziert zu werden haben: (1) Eine unbedingte Selbstachtung, die mitunter den Anschein erweckt, zirkelhaft zugleich vorausgesetzt und allererst angestrebt zu sein und (2) eine mindestens im Modus der Hoffnung beruhigte Infragestellung allen menschlichen Handelns durch die Kontingenz des Daseins, durch den Tod, das Absurde, das Vergebliche. Daneben kann eine Ausklammerung der Selbstliebe als Handlungsantrieb beobachtet werden. Stattdessen ging es ihm um die Bedingung der Möglichkeit einer idealen Erfüllung des Sittengesetzes. KANT konnte das konkrete, 883 Vgl. KANT, I., KpV, 220. 884 Vgl. KANT, I., RGV, VI 47. 885 Vgl. KANT, I., KpV A 220-230. 886 Vgl. KELLER, Der Begriff des höchsten Guts bei Immanuel Kant, 86. „Die Hoffnung auf zukünftige Realisation des höchsten Guts als einer moralischen Welt, in der meine eigene Glückseligkeit als auch die Glückseligkeit jedes anderen jemals tugendhaft gewesenen Menschen realisiert wird, und wir auch teilhaftig werden können, ist nur dann widerspruchsfrei denkbar, wenn unser Dasein als zukünftiges angenommen wird.“ 887 Vgl. RICOEUR, Die Freiheit im Licht der Hoffnung, 199-226, hier 221. S <?page no="328"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 328 hoffende Subjekt kaum in den Blick bekommen, da er allein ein generalisiertes Individuum vor Augen hatte, das zwar den Strukturen seines Moralprinzips, dem Kategorischen Imperativ, entspricht, das auch um widerspruchsfreie Verallgemeinerbarkeit von Handlungsmaximen auf dem Wege ihrer sittlichen Legitimierung bemüht ist, aber mit dieser Abstraktion auch die Bedingungen seiner eigenen Konkretion latent zu missachten droht. Hoffnung bleibt bei KANT mithin abstrakt, eine reine Vernunftnotwendigkeit, die nur indirekt und abgeleitet Motivation zu entfalten vermag. Sie dient der Sicherung der Unbedingtheit des Sittengesetzes. Die dahinter angesiedelte, notwendige Daseinsaffirmation wird vorausgesetzt. KANT geht es dabei um den Geltungsgrund des Sollens und dessen Unbedingtheit, aus dem schließlich eine unbedingte moralische Verpflichtung stark gemacht werden soll. Die Konsequenz ist aber, dass das Sollen und der Lebenswille nicht mehr verbunden sind. D.h. der Motivationsgrund des Handelns wird über ein reines „Faktum der Vernunft“ oder eine „Metaphysik der intelligiblen Welt“ ausgewiesen. Der Wille zu sein ist aber nicht identisch mit dem Willen gut zu sein. Das Glück erscheint dabei eigentümlich heteronom. Eine besondere Stärke der aristotelischen und thomistischen Ethik ist es dagegen, die Subjektivität (des Ethos und der Tugend) aufgenommen zu haben, wohingegen bei KANT und seiner universalistischen Ethik genau davon abstrahiert wird. Er findet auch systematisch keine Verwendung für den Begriff des Geschenks, stattdessen reflektiert er über die Idee einer Synthese von Moral und Glück, die wir nicht erzeugen können und für die wir zur Realisierung den göttlichen Beistand und die göttliche Gnade im Medium der Hoffnung benötigen. „Kants Zentrierung des Moralischen auf die Autonomie des ‚guten Willens‘ im Sinne der freien Selbstbindung an die als allgemeines Gesetz erkannte Norm [...] lässt das Streben nach dem gelingenden Leben und seine habituellen Verfassungen in Form von Ethos aus dem Bereich des unmittelbar Verbindlichen ausscheiden und zum bloßen Material der Beurteilung durch die praktische Vernunft werden. Ethik reduziert sich auf die Prüfung der ‚Moralität‘ von Maximen als Form der Freiheitsentscheidung des autonomen Subjekts. Damit kann Kant die der Moral eigene Unbedingtheit des Sollens in einem starken Sinn zur Geltung bringen. Doch geschieht dies um den Preis, dass das Sollen vom Wunsch zu sein (P. Ricoeur) abgeschnitten wird, die Bindung an das allein negativ prüfende Vernunfturteil als Kern des Sittlichen erscheint und die Frage nach dem Motivationsgrund für die Einnahme des Standpunkts der Moral nur mit dem Verweis auf das ‚Faktum der Vernunft‘ oder mit Hilfe einer starken Metaphysik der intelligiblen Welt zu beantworten ist.“ 888 Es ist also zutiefst vernünftig, im Sinne der Unbedingtheit des Sittengesetzes auf eine Versöhnung von Pflicht und Glück zu hoffen, zwar nicht erst am Ende allen Tuns, sondern quasi permanent. Aber die Frage nach der Motivation ist dabei noch nicht ausreichend beantwortet. Achtung allein dürfte für ein umfassendes Verständnis nicht genügen: Wenn ich das Gesollte wollen soll (Gründe), muss ich hoffen dürfen, um es in seiner Unbedingtheit wollen zu können, und muss hoffen, es auch tun zu können. Aber warum soll ich es wollen (Motive)? Weil ich eine Hoffnung hege, dass es Sinn macht. An dieser Stelle der Argumentation könnte der vielversprechende Versuch unternommen werden, die Zweistufigkeit der praktischen Vernunft bei THOMAS VON AQUIN einer relecture zu unterziehen und mit der hier vertretenen Hoffnungsstruktur zu verbinden. 889 888 Vgl. HONNEFELDER, L., Sittlichkeit / Ethos, in: DÜWELL, M. / HÜBENTHAL, C. / WER- NER, M.H. (Hrsg.), Handbuch Ethik, Stuttgart 2002, 491-496, hier 495. 889 Vgl. HONNEFELDER, Sittlichkeit / Ethos, 494-495. <?page no="329"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 329 Entsprechend der hier vertretenen These, wonach Hoffnung eine Form der Antizipation von Sinn darstellt, stehen wir schließlich noch vor der Aufgabe, Spuren davon bei KANT zu identifizieren. So kann mit CHRISTOPH HÜBENTHAL mit Blick auf KANT konstatiert werden, „dass das Wesen der Moral mit einer inneren Notwendigkeit die Sinnfrage stellt“ 890 , so bleibt doch noch im Ungefähren, was damit genau bezeichnet werden soll, wiewohl vermutet werden kann, dass damit die Frage nach dem Endzweck allen moralischen Handelns gemeint ist und damit die Frage nach der Bedeutung des höchsten Guts und den Vernunftpostulaten. „Denn das praktische Vernunftinteresse bekundet sich nun einmal nicht nur in der Sollens-, sondern mindestens ebenso dringlich in der Hoffnungsfrage.“ 891 Eine Moraltheorie hat daher auch den Sinn moralischen Sollens insgesamt zu rekonstruieren. Und der Ort der Hoffnungskategorie im Rahmen kantischer Moralreflexionen benennt nun in diesem Sinne zugleich den Kontext der Sinnfrage, allerdings nur implizit, wo es explizit geschehen müsste. Es kann daher auch systematisch von einer Sinn-Bindung und Sinn-Intention praktischer Vernunft gesprochen werden, die allererst im Medium der Hoffnung praktisch wird, wobei die Frage nach deren Wirklichkeit epistemologisch davon grundlegend unterschieden werden muss. Diese Sinnforderung kann als „Idealrealität (Realität des Gesollten, Idealen - und Idealität des Realen)“ 892 gelten und ist bezogen auf das höchste Gut, bezogen auf die Spannung von Sein und Sollen, von gegenwärtiger Realität und umfassender Wirklichkeit. 893 Als eine wichtige Konsequenz dieser Reflexionen kann es gelten, KANT weiter zu führen im Rahmen einer zunehmenden Selbstreflexion endlicher Vernunft, die die prinzipielle Ausständigkeit und Hoffnungsverwiesenheit der auf dem Grund der praktischen Vernunft anwesenden endlichen Freiheit erkennt, eine Ausständigkeit, die auf Zukunft hin offen ist, die sich als Notwendigkeit der hoffenden Vorwegnahme ihres eigenen gelingenden Selbstvollzugs zeigt, um sich selbst und den eigenen Vollzug überhaupt zu wagen. Es hat also darum zu gehen, Hoffnung als Realisierungsbedingung von Freiheit zu begreifen und philosophisch und theologisch als solche freizulegen. Die Hoffnungsstruktur praktischer Vernunft und der (biblisch-theologische) Gottesbegriff sind fundamentaltheologisch und moraltheologisch aufeinander zu beziehen und die diesbezüglichen Erkenntnisse für eine Ethik der Hoffnung fruchtbar zu machen. Korrespondierend ist ein Vernunftbegriff zu entwickeln, der den Einsichten KANTS eingedenk bleibt, aber sich zugleich auf den Gott der Bibel als dem Grund der dieser Vernunft eigenen Hoffnung bezieht. KANTS Philosophie ist theologisch aufzunehmen. Der Ausweis des Geltungsgrundes moralischen Sollens wird bei KANT nicht mehr theologisch geführt, auch der Gestaltungs- und Beweggrund des Sittengesetzes ist nicht mehr strikt theologisch ausgewiesen, wobei der Gottesgedanke vermittels des Begriffs des höchsten Guts dennoch eine zentrale Rolle im Moralsystem KANTS einnimmt. Denn die Pflicht, das höchste Gut zu befördern, impliziert für KANT die moralische Notwendigkeit, das Dasein Gottes zu postulieren als notwendiges Gegenüber und Subjekt der Erfül- 890 Vgl. HÜBENTHAL, C., Autonomie als Prinzip. Zur Neubegründung der Moralität bei Kant, in: ESSEN, G. / STRIET, M., Kant und die Theologie, Darmstadt 2005, 95-128, hier 115. 891 Vgl. HÜBENTHAL, Autonomie als Prinzip. Zur Neubegründung der Moralität bei Kant, 117. 892 Vgl. LAUTH, R., Die Bedeutung des Sinnbegriffs in Kants praktischer Postulatenlehre, in: RAHNER, H. / SEVERUS, E.V. (Hrsg.), Perennitas, Münster 1963, 585-601, hier 594. 893 Vgl. EBELING, H., Die ideale Sinndimension. Kants Faktum der Vernunft und die Basis- Fiktionen des Handelns, Freiburg im Breisgau / München, 1982. <?page no="330"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 330 lung der Hoffnung auf Erreichung des höchsten Guts. 894 Die Auseinandersetzung etwa zwischen SCHAEFFLER 895 und SALA 896 zur Bedeutung KANTS für eine Theologie der Hoffnung kann ein beredtes Zeugnis abgeben über das Gewicht der Fragen, die hier zur Disposition stehen. Letzterer scheint mir dabei die zentrale Stellung der Hoffnung in KANTS System nicht ausreichend zu würdigen und damit auch deren strikt vernunfttheoretische Basis nicht ausreichend in den Blick zu bekommen. Damit erweist er auch der Vernunftbasis theologischer Hoffnung keinen Dienst bzw. weiß er umgekehrt die latent religionsoffene Interpretation des sittlichen Bewusstseins kaum zu schätzen. 897 Damit deutet sich aber an, dass die verhandelten strikt vernunfttheoretisch konzipierten moralischen Kategorien einen Überschritt möglich und nötig machen hin zur Religionsphilosophie - und spätestens damit weisen sie menschlicher Handlungspraxis eine begründete Hoffnungsstruktur zu. 898 Sittliches Bewusstsein trägt, explizit vonseiten der Theologie her interpretiert, ein Moment religiöser Hoffnung in sich. 899 Ein äußerst lohnender Vergleich kantischer und christlicher Hoffnung „weist beim kantischen fünf der sechs Kriterien eines christlichen Hoffnungsbegriffs auf: Individualität und Gemein- 894 Vgl. KANT, I., KpV A 226. Ebenso STRIET, M., „Erkenntnis aller Pflichten als göttliche Gebote“ Bleibende Relevanz und Grenzen von Kants Religionsphilosophie, in: ESSEN, G. / STRIET, M., Kant und die Theologie, Darmstadt 2005, 162-186, hier 175. „Denn nicht weniger sagt Kant ja, als dass der Mensch Gott nicht nur nicht aus seinem Möglichkeitshorizont verdrängen darf, sondern dann, wenn er sich in letzter Unbedingtheit zur Moralität bestimmt, sich Gott als real existierend voraussetzt. Nicht überhört werden darf, dass es laut Kant moralisch notwendig ist, Gott zu postulieren. [...] Über die Wirklichkeit dieses Gottes, seine reale Existenz, ist allerdings damit noch immer nichts ausgesagt; diese bleibt, epistemisch betrachtet, postulatorisch.“ 895 Vgl. SCHAEFFLER, R., Kant als Philosoph der Hoffnung. Zu G.B. Salas Kritik an meiner Interpretation der kantischen Religionsphilosophie, in: Theologie und Philosophie 56 (1981), 244- 258. In diesem Sinne auch GALBRAITH, E.C., Kant and Richard Schaeffler’s Catholic Theology of hope, in: Philosophy and Theology 9/ 3/ 4 (1996), 333-350. 896 Vgl. SALA, G.B., Kant und die Theologie der Hoffnung. Eine Auseinandersetzung mit R. Schaefflers Interpretation der kantischen Religionsphilosophie, in: Theologie und Philosophie 56 (1981), 92-110. 897 In dieser Hinsicht präziser und sensibler, auch und gerade für die argumentative Kraft kantischer Hoffnungsphilosophie für eine dezidiert theologische Ethik der Hoffnung ist ROSSI, P., Kant’s Doctrine of hope: Reason’s Interest and the Things of Faith, in: The New Scholasticism 56/ 2 (1982), 228-238. Ders., Moral Autonomy, Divine Transcendence And Human Destiny: Kant´s Doctrine of Hope as a Philosophical Foundation for Christian Ethics, in: The Thomist 46/ 3 (1982), 441-458. 898 Vgl. KELLER, D., Der Begriff des höchsten Gutes bei Immanuel Kant, 344-345. „Der kantische Bergriff des höchsten Guts ist kein rein säkularer Begriff, der als handlungspraktische Reflexion eines rein humanen Hoffnungsbegriffs entwickelt wird. Das moralische Gottespostulat löst vielmehr die praktische Vernunftantinomie auf, in die sich die praktische Vernunft ohne die handlungspraktische Annahme Gottes verwickeln würde. Wenn ich als moralisches Handlungssubjekt einen Gott annehme, dann und nur dann ist die proportionale Verbindung von Tugend und Glückseligkeit im höchsten Gut systemlogisch möglich und zukünftig als wirklich denkbar. Nur dann kann es eine Versöhnung zwischen Naturwelt und sittlicher Welt im Reich Gottes geben. Das höchste Gut in seiner individuellen und in seiner gemeinschaftlichen Lesart postuliert Gott. Das höchste Gut ist somit kein transzendentaler Begriff einer praktischen Metaphysik ohne einen Gottesbegriff, sondern zum gesamten Begriffsumfang des höchsten Guts gehört notwendig und hinreichend der praktische Gottesbegriff hinzu.“ 899 Vgl. ALFARO, J., Fides - Spes - Caritas. Adnotationes in tractatum de virtutibus theologicis, Romae 1968. <?page no="331"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 331 schaftlichkeit, Diesseitigkeit und Jenseitigkeit sowie Universalität. Das Kriterium der Christozentrik als Kriterium des christlichen Hoffnungsbegriffs findet sich beim kantischen Hoffnungsbegriff aufgrund der Prämissenvarianz beider Begriffe nicht.“ 900 Die ubiquitäre Funktion der Hoffnung als Brückenkategorie mit einer Et-Et-Struktur ist hier anhand der Kriterien paradigmatisch abzulesen. Eine Ethik der Hoffnung hat sich als Eschatopraxie 901 zu verstehen. Weiter können wir folgern: „Wenn nämlich die Religion dadurch aus der Moral hervorgeht, dass die Hoffnung auf Gnade sich als notwendige Voraussetzung erweist, unter der allein die Vernunftautonomie vor Selbstzerstörung im inneren Widerspruch bewahrt werden kann, dann ist diese Religionsphilosophie wesentlich Philosophie der Hoffnung.“ 902 Umgekehrt gilt freilich auch: Hoffnung auf Glückseligkeit gibt es theologisch nicht erst, wenn wir uns der Forderung des ethischen Anspruchs maximal unterstellt und uns der Glückseligkeit erst würdig erwiesen haben, sondern aus reiner Barmherzigkeit - und damit (vorgängig, aber nicht ausschließlich) ohne Rücksicht auf das faktische Tun. Es gibt einen Primat der Gnade jenseits des Moralsystems, aber ohne dieses dadurch schon aufzuheben. 903 Der Imperativ steht zum Indikativ wie die Pflicht zur Hoffnung. Die Berechtigung zu solcher Hoffnung beruht auf der Einheit der Welt und der Einheit der Zwecke des Menschen, weswegen Hoffnung als Brückenkategorie zur systemlogischen und praktischen Sicherung letzter Einheit der moralischen Welt beiträgt. 904 Schon bei deutet sich freilich vorsichtig eine Ethik der Hoffnung an, indem das Handlungssubjekt rational begründet auf die Verwirklichung des höchsten Guts hofft, wiewohl dieses prinzipiell und faktisch nicht in dessen Verfügungsgewalt liegt, es aber dennoch befördern soll. Kant könnte einer (christlichen) Ethik der Hoffnung die philosophische Grundlegung liefern, „das den christlichen Hoffnungsbegriff rational praktisch begründen hilft und darin ein genuin fundamentaltheologisches Anliegen einholt: christliche Hoffnung vor der Vernunft zu rechtfertigen. Eine christliche Ethik der Hoffnung weiß auf Grund ihrer rationalen Begründungsversuche um die nicht überschreitbare Grenze philosophischer Vernunft und wäre deshalb sensibel für das plurale „Mehr“ christlicher Hoffnung.“ 905 Damit könnte sie auch der dieser Hoffnung inhärenten Spannung von Begründbarkeit und Paradoxie 906 noch am ehesten gerecht werden. 907 900 Vgl. ebd. 368. 901 Vgl. WOHLMUTH, J., Mysterium der Verwandlung. Eine Eschatologie aus katholischer Perspektive im Gespräch mit jüdischem Denken der Gegenwart, Paderborn 2005. 902 Vgl. SCHAEFFLER, Kant als Philosoph der Hoffnung, 248. 903 Vgl. SCHAEFFLER, Was dürfen wir hoffen? , 34. „Der für Kant so wichtige und aus seinem transzendentalen Ansatz entwickelte Gedanke, dass die Hoffnung sich nicht nur auf die Gerechtigkeit und Glückseligkeit aller einzelnen, sondern auf die Ermöglichung einer moralischen Ordnung der Welt im ganzen richtet, und dass die Erfüllung dieser Hoffnung nicht durch die menschliche Natur (auch nicht durch die Geistnatur des Menschen) garantiert sei, sondern gerade eine radikale Veränderung des Menschen und der Welt zur Voraussetzung habe, ist in der transzendentalen Theologie, wie sie bisher vorliegt, mindestens an den Rand der Aufmerksamkeit geraten, vielleicht ganz aus ihrem Horizont herausgefallen.“ 904 Vgl. HAEFFNER, G., Die Einheit des Menschen: Person und Natur, in: HONNEFELDER, L. (Hrsg.), Die Einheit des Menschen. Zur Grundfrage der philosophischen Anthropologie, Paderborn 1994, 25-40. 905 Vgl. KELLER, D., Der Begriff des höchsten Guts bei Immanuel Kant, 345. Vgl. auch SCHWARZ, H., Ende und Erfüllung. Teleologie und Eschatologie bei Kant, in: THIEDE, W. (Hrsg.), Glauben aus eigener Vernunft? Kants Religionsphilosophie und die Theologie, Göttingen 2004, 191-205, allerdings stark harmonisierend und unkritisch zwischen Theologie und KANT <?page no="332"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 332 η Ertrag Als eine der großen Leistungen der Moralphilosophie KANTS kann gelten, den Hoffnungsbegriff philosophisch rehabilitiert zu haben, nachdem er lange Zeit in der Affektenlehre ein Schattendasein geführt hat. 908 Im Wesentlichen lassen sich für den vorliegenden Kontext vier große Errungenschaften benennen: (1) Im Medium der Hoffnung und über den Begriff des höchsten Guts versucht KANT eine Versöhnung von Moral und Glück, analog von Sittengesetz und Neigung 909 . (2) Davon abgeleitet verbürgt erst die Hoffnung durch obigen Ausgleich den Sinn der Moral überhaupt. Eine absurde Ethik ist für ihn nicht denkbar. 910 (3) Im Medium der Hoffnung kann allein der Überstieg gelingen, das, was wir sollen, auch zu können, indem nicht allein eine „Reform der Sitten“, sondern eine „Revolution der Denkungsart“ ermöglicht wird. (4) Erst durch die Hoffnungsstruktur praktischer Vernunft kann von einer eigenen Motivationskraft der Vernunft gesprochen werden. Die von KANT so genannte „Achtung vor dem Sittengesetz“ als vernunftgewirktes Gefühl ist dafür nicht hinreichend, wiewohl sie eine zentrale Stellung einnimmt. Die erkantischer Philosophie das Potential der vernunfttheoretischen Anfrage an Theologie kaum formulierend. Vgl. daher auch HABERMAS, J., Die Grenze zwischen Glauben und Wissen. Zur Wirkungsgeschichte und aktuellen Bedeutung von Kants Religionsphilosophie, in: Ders., Naturalismus und Religion, Frankfurt am Main 2005, 216-257. 906 Vgl. FENDT, G., For what may I hope. Thinking with Kant and Kierkegaard, New York 1990, 73-122, die den kantischen Ansatz (erfolglos) zu widerlegen versucht, indem sie ein cartesianisches Argument bemüht, aber insgesamt im Verdacht steht, der Komplexität des kantischen Ansatzes damit nicht gerecht zu werden. Die Vergleiche mit KIERKEGAARD aber können vielversprechende Parallelen zutage fördern. 907 Vgl. WIMMER, R., Kants kritische Religionsphilosophie, Berlin / New York 1990. 908 Vgl. zur logischen Struktur der Hoffnung bei KANT die aufschlussreiche Monographie von AXINN, S., The logic of hope. Extensions of Kant´s view of Religion, Amsterdam / Atlanta 1994. Eine konzise Zusammenfassung der Kernthesen findet sich bei KELLER, D., Der Begriff des höchsten Gutes bei Immanuel Kant, 78, Anmerkung 58. „Axinn nennt fünf logische Bedingungen für jede Definition von Hoffnung, die auch bei Kant zu finden sind: (a) Wir müssen in der Lage sein, ein Schema bzw. ein Konzept der Hoffnung auszudrücken, um uns selbst zu sagen, worauf wir hoffen. (b) Etwas von unserer Hoffnungsvorstellung muss unbekannt sein, denn wenn wir bereits alles über das Ziel unserer Hoffnung wüssten, dann können wir auf nichts mehr hoffen. (c) Wir müssen wissen, dass wir unkundig hinsichtlich einiger Teile des Hoffnungsschemas und des Inhalts sind. (d) Wir müssen wünschen, dieses Schema zu vervollständigen und die Hoffnung wirklich werden zu lassen. (e) Wir müssen wissen, dass wir unkundig über das Ergebnis, den Erfolg oder den Misserfolg des Wunsches sind, dieses Schema zu vervollständigen.“ 909 Vgl. KELLER, Der Begriff des höchsten Guts bei Immanuel Kant, 361. „Das höchste Gut in seiner individuell-persönlichen und seiner universell-gemeinschaftlichen Ausrichtung ist das Gelenkstück der praktischen Metaphysik Kants im Übergang von Moral- und Religionsphilosophie.“ 910 Vgl. LÜTHI, K., Die biblische Hoffnungsbotschaft (Eschatologie) und das Absurde in der Welt, in: DEXINGER, F. / FÜGLISTER, N. (Hrsg.), Tod, Hoffnung, Jenseits. Dimensionen und Konsequenzen biblisch verankerter Eschatologie, Freiburg im Breisgau 1983, 89-106. <?page no="333"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 333 wähnte hoffnungsbasierte Motivationskraft der Vernunft ist schlussendlich nur im Rahmen einer religionsphilosophischen Reflexion einholbar. Auch bei KANT ist also Hoffnung auf das Engste mit dem Glücksbedürfnis des Menschen verbunden, das aber moralisch proportioniert werden muss und zugleich, da sinnlich bestimmt, bleibend unterbestimmt ist. Darüber hinaus stellt diese Hoffnung eine Vernunftnotwendigkeit dar, soll Moralität insgesamt sinnvoll und realisierbar sein. Hoffnung nimmt eine Perspektive der Ganzheit und der Einheit an. Mit anderen Worten: Entweder ich hoffe auf moralisch proportioniertes Glück oder die einzige dem Menschen angemessene Glücksmöglichkeit in der Welt insgesamt wird zerstört. „Die Perspektive des Glücks erfordert also ein Verhältnis zur Welt, das ein Wesen im Bewusstsein seiner selbst als eines Ganzen und im Bewusstsein seiner Freiheit eingeht.“ 911 Hoffnung, die sich den Fragen nach Glück und Moral stellt, verortet den ganzen Menschen in der Welt und liefert so idealiter basale Handlungsorientierung und Handlungssinn. Der Mensch hat sein immer kontingentes Glück nicht in der Hand, doch ist ihm mindestens die Frage danach und konsekutiv dazu diejenige nach letzter Glückseligkeit in die Hände seiner Vernunft gegeben - im Medium der Hoffnung. Moralität hat dabei als formale Bedingung der Glücksseligkeit zu gelten, die selbstredend auf den Freiheitsbegriff bezogen ist, der seinerseits mit einem Bewusstsein sittlicher Verbindlichkeit einhergeht. So sind auch Hoffnung und Freiheit aufs Engste verbunden, noch vor einer Konkretion auf Fragen nach Glück und Moral. Daraus kann gefolgert werden: Jede Erwartung (im Sinne der Postulate) ist mithin im Verlangen (praktischer Freiheit und praktischer Vernunft) verankert und verwurzelt. Mithin kann (moralische) Hoffnung als ein Vernunftprinzip begriffen werden, eine notwendige Artikulation reiner praktischer Vernunft, und ist als solche ein notwendiges Implikat eines am Unbedingten orientierten Moralprinzips - und damit eine Handlungskategorie. Mit KANT kann ihr eine zentrale Rolle für die Sinnhaftigkeit der moralischen Ordnung insgesamt zugeschrieben werden - auch, aber nicht allein, mit Blick auf eine letzte Finalisierung von Handlungszwecken oder als systemischer Abschlussgedanke. Zudem kommt ihr als Brückenkategorie im kantischen Moralsystem und als Scharnier von Moralphilosophie und Religionsphilosophie eine so zentrale Bedeutung zu, dass insbesondere aufgrund ihres strikt vernunfttheoretischen Ansatzes grundlegende theologischethische Fragen, etwa nach der moralischen Motivation oder nach dem Charakter eines letzten Zwecks menschlichen Tuns, oder auch nach dem Selbstverhältnis des Menschen und der Relevanz der (christlichen) Religion für das Verständnis menschlicher Handlungswirklichkeit, in ihr eine mitunter unterschätzte Gesprächspartnerin zu finden vermögen. Insgesamt nimmt Hoffnung als Brückenkategorie eine einheitsstiftende Funktion ein. Dabei wird aus der Frage: „Was darf ich hoffen? “ ein: „Du sollst bzw. musst hoffen! “. Die strikte Trennung des sittlichen bzw. transzendentalen vom sinnlich-empirischen Menschen kann allerdings als eine wirkungsgeschichtlich frappierende Vorentscheidung gelten. Die empirische Seite kann damit gar nicht ausreichend gewürdigt werden und sie kann damit zum Verständnis der Hoffnung praktisch nichts beitragen, weswegen KANTS Vorstellungen ein rationalistisches Konzept darstellen. Daher: „Will die Ethik nicht Gefahr laufen, einer rationalistischen Sicht moralischer Erkenntnis das Wort zu reden, dann muss sie sich von der kantischen Vorstellung „reiner“ praktischer Vernunft 911 Vgl. RÖMPP, G., Kant´s Ethik als Philosophie des Glücks, in: Akten des siebten internationalen Kant-Kongresses (1990) Bd. 1, hrsg. von FUNKE, G., Bonn 1991, 563-572, hier 567. <?page no="334"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 334 befreien und - z.B. im Anschluss an Aristoteles oder Thomas von Aquin - die kognitive Funktion von Emotionen und Neigungen herausarbeiten - und das bedeutet: Sie muss eine Tugendlehre entwickeln.“ 912 Die Achtung vor dem Sittengesetz als einzigem vernunftgewirktem Gefühl, als Triebfeder und Motivationsgrund, kann für sich genommen als schwache Begründungsdecke zur Verbindung von vitalen und intelligiblen Motivationsquellen gelten. Diese könnte nur dann als hinreichend gelten, wenn neben der Achtung vor dem Sittengesetz die Selbst- Achtung und Selbst-Wert-Schätzung nicht in Frage gestellt ist, wenn diese quasi soweit sicher gestellt ist - gespiegelt durch reale Erfahrungen, aber letztlich im Medium der Hoffnung, dass damit persönliche Nachteile für die Realisierung des Sittengesetzes - ohne Skrupulantis - in Kauf genommen werden können muss. Die reine Achtung vor dem Sittengesetz vermag das nicht zu erreichen, sondern es muss immer schon eine Selbst-Achtung vorausgesetzt werden, um eine starke Achtung vor dem Sittengesetz überhaupt durchhalten zu können. Hier stehen Hoffnungen auf gelingende Identität, auf Restitution der womöglich versehrten, auch im Kampf um das Gute versehrten Identität im Hintergrund, die KANT nicht ausweist und die auch mit der Dignität der Beförderung des Sittengesetzes oder einer (späten) Hoffnung auf Glückswürdigkeit nicht ausreichend begründet werden kann. Entweder wir können in all unseren Bemühungen um das Gute auf Glückswürdigkeit und in der Folge auf Glückseligkeit hoffen, oder wir fangen erst gar nicht damit an. Moraltheologisch muss daher gegen die Moralphilosophie von KANT betont werden, dass eine aus Hoffnung konstituierte Selbst-Achtung vorausgesetzt werden muss, die letztlich (gnadentheologisch) eine verdankte ist und die auch eine Restitution der immer fragmentarisch bleibenden, schuldig gewordenen und gescheiterten Bemühungen um das Sittengesetz in Aussicht stellt, um eine starke und der Universalität des unbedingt geltenden Sittengesetzes entsprechende Achtung und (Selbst-) Bindung zu ermöglichen. 913 So gesehen ist nicht allein die Glückseligkeit, sondern auch die Glückswürdigkeit ohne berechtigte Hoffnung nicht denkbar. Hoffnung vermittelt zwischen Moral (Glückswürdigkeit) auf der einen Seite und Glück (Glückseligkeit) auf der anderen Seite und überbrückt die Kluft zwischen Sollen („Ich erlebe mich als jemand, der gut sein soll.“) und Können („Ich kann es nicht aufgrund meines Hangs zum Bösen bzw. der Maximenverkehrung und der Unmöglichkeit umzukehren.“). Kantische Hoffnung ist zudem als Vernunftprinzip zu bestimmen, das der Vermittlung von theoretischer und praktischer Vernunft dient 914 und damit zugleich eine Grundlegung der Ethik 915 ermöglicht, die sich ihrer Sinnverwiesenheit bewusst ist. Denn: Wozu soll ich aber das Gesollte wollen sollen und erst recht können, wenn nicht 912 Vgl. BORMANN, F.-J., Theologie und „autonome Moral“. Anmerkungen zum Streit um die Universalität und Partikularität moralischer Aussagen in theologischer und philosophischer Ethik, in: Theologie und Philosophie 77 (2002), 481-505, hier 503. 913 Die Überlegungen KANTS in der RGV zur Überwindung des Hangs zum Bösen durch Hoffnung auf eine „Revolution der Denkungsart“ und damit auf Überwindung der Unmöglichkeit, das auch zu können, was wir moralisch sollen, scheinen mir dafür zwar lohnend und hilfreich, aber noch nicht hinreichend zu sein. 914 Gegen FÖRSTER, E., „Was darf ich hoffen? “ Zum Problem der Vereinbarkeit von theoretischer und praktischer Vernunft bei Immanuel Kant, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 46 (1912) 2, 168-185. 915 Vgl. HENRICH, D., Das Problem der Grundlegung der Ethik bei Kant und im spekulativen Idealismus, in: Sein und Ethos. Untersuchungen zur Grundlegung der Ethik, Mainz 1963, 350- 386. <?page no="335"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 335 zugunsten und auf der Basis eines in der Hoffnung durch die Handlung in Aussicht gestellten Sinnes, der universal und individuell zugleich ist. Im Kontext einer kantischen Vernunftreligion ist argumentativ so weit zu kommen, dass ein Vernunftprinzip Hoffnung postuliert werden kann, um denken zu können, dass der Mensch das, was er im Rahmen einer sittlichen Evidenz als unbedingte Verpflichtung erlebt - die Realisierung des Sittengesetzes - überhaupt vermag. Wir müssen daher hoffen dürfen. Zudem muss der „jenseitige Ausgleich“ vergegenwärtigt werden, sodass er überhaupt handlungspraktische Auswirkungen je jetzt haben kann. Das Proprium der Religion gegenüber der reinen Vernunftreligion ist dann an eine verbürgte und begründete Hoffnung anzubinden, um sicher zustellen, dass Offenbarung nicht an der Vernunft vorbeigeht und zugleich in der Welt ankommt. Es kann aber von einer starken Stellung der Hoffnung bei Kant ausgegangen werden, wiewohl er expressis verbis wenig davon schreibt. Ferner kann der Ort rationaler Hoffnung bei KANT als einer ausgewiesen werden, der zentral über die (Handlungs-) Motivation zum Guten entscheidet. Die Beweisgründe des Sittengesetzes bleiben dieselben, dagegen die Motivationsgründe und Beweggründe, dies auch zu tun, womöglich bis in Abgründe hinein, verlören ihren Sinn ohne eine Hoffnung, die Verheißungs- und Erfüllungscharakter hat und basal motivieren würde. Der bei KANT äußerst klar formulierte Versuch, Sittlichkeit und Glück miteinander zu verbinden und zu versöhnen, muss wohl interpretiert werden als Versuch, dieses Verhältnis in einer finalen Endgültigkeit, quasi eschatologisch, miteinander zu versöhnen. Schlussendlich wird dieses Verhältnis unter endlichen Bedingungen nur im Status und im Modus der Hoffnung miteinander versöhnt betrachtet werden können. Es bleibt also eine notwendig erhoffte endgültige Versöhnung zur Sicherung des Moralprinzips. Damit aber bietet KANT eine formale Lösung an, die an der spezifischen Inhaltlichkeit der Hoffnung kaum interessiert ist, es sei denn diese wäre (formal) notwendig. Unterscheidet sich diese Hoffnung von den vielen einer vorendgültigen Versöhnung, wie wir sie in der täglichen Handlungspraxis voraussetzen möchten oder muss nicht eine endgültige Versöhnung, die den Charakter des Unbedingten trägt, bleibend vorausgesetzt werden? Nun geht es aber auch darum, im Alltag die Motivation zum Guten vor einer vorzeitigen Endgültigkeit zu retten oder umgekehrt die Endgültigkeit im Handlungsvollzug ausfindig zu machen, um dieses Verhältnis schon im Vorfeld, quasi im Alltag, miteinander ins Gespräch zu bringen, um letztlich die Motivation zum Guten bleibend und immer wieder neu zu erhalten. Für KANT war es die Frage, das Verhältnis theoretisch und grundsätzlich zu klären. Die theologisch-ethische Frage wird sein, was davon handlungspraktisch weitergeführt werden muss, um die kantische Endgültigkeit quasi vorzuziehen in eine Lebenspraxis hinein. Denn was KANT versucht, ist das selbstverständliche und offensichtliche Streben nach Glück mit der unbedingten Verpflichtung des Sittengesetzes zu verbinden. 916 Was gewährleistet nun im Allgemeinen in der täglichen Handlungspraxis die Orientierung an der unbedingten Verpflichtung zum Guten und lässt zugleich die Orientierung und Sehnsucht nach dem Gelingen, dem Glück und dem Sinn aufrechterhalten? Letztlich wird an der Antwort die Motivation zum Guten insgesamt gemessen werden müssen. „Denn so rigoros er [KANT, R.L.] das von allen erstrebte Glück als Prinzip autonomer Sittlichkeit ausschloss, anerkannte er es doch als dem natürlichen Endziel des Menschen gemäßen Bestandteil des moralisch gebotenen 916 Vgl. erneut HÖFFE, O., Sittliches Handeln: Ein ethischer Problemaufriss, in: LENK, H. (Hrsg.), Handlungstheorien - interdisziplinär Bd. 2, zweiter Halbband. Handlungserklärungen und philosophische Handlungsinterpretation, München 1979, 617-641. <?page no="336"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 336 ‚höchsten Guts‘. Moralität und Glück sind nicht identisch. Weder ist das Glücklich-sein- Wollen Tugend, noch die Moral schon das Glück. Ebensowenig ist ihr Zusammenhang synthetisch gegeben: beide folgen auch nicht auseinander, wie der faktische Weltlauf zur Genüge beweist.“ 917 KANT lässt in gewisser Weise die Frage nach der Selbstvergewisserung des Menschen angesichts einer Überforderung der Freiheit durch sich selbst offen, d.h. die Frage nach Berechtigung und Bejahung des Daseins, nach Rechtfertigung und Ermöglichung einer Sinnperspektive angesichts eines unbedingten Seinsollens, wie es im Rahmen der Forderung nach Solidarität auftaucht, aber auch angesichts der immer fehlbaren und zugleich auf das Gute angelegten Freiheit des Menschen selbst und dem Gedanken der Selbstzwecklichkeit humaner Existenz, bleibt unterbelichtet. Abschließend zu fragen, was von KANT für den Kontext der vorliegenden Fragestellung gelernt werden muss, bleibt mit THOMAS PRÖPPER festzuhalten, dass die Moralphilosophie von KANT als Hoffnungs-Philosophie und zugleich als Philosophie der Autonomie „um die Grenzen der Vernunft weiß und an ihrem Verlangen nach Ganzheit dennoch festhält. Kaum jemals wurde schärfer gesehen, dass die Versöhnung von Freiheit und Natur, die Synthese von Sittlichkeit und Glück und mit ihr der Sinn moralischen Handelns eines transzendenten Urhebers bedürfe“ 918 , der, so müsste gefolgert werden, im Medium der Hoffnung dem „Verlangen nach Ganzheit“ und nach einer „Synthese von Sittlichkeit und Glück“ entgegenkommt und dieses Entgegenkommen begründet zu verbürgen vermag. Nur so entkommt kantisch gesprochen praktische Vernunft ihren eigenen Antinomien, kann sie ihrerseits ihre eigene Sinnhaftigkeit gewährleisten und damit ungeahnte Handlungsressourcen auf die Realisierung des Sittengesetzes hin freigeben. Damit dies möglich ist und sie sich nicht genötigt sieht, alles, was sie je erwarten zu können glaubt, allererst hervorbringen zu müssen und damit an der eigenen Endlichkeit zu verzweifeln droht, muss sie eine Hoffnung auf gnädigen Ausgleich des Unversöhnlichen, auf Ganzheit und Sinnhaftigkeit von Freiheit und dem immer endlichen Streben nach dem Guten und überhaupt auf dessen Erreichbarkeit trotz des Bösen in der Welt voraussetzen, eine Hoffnung freilich, die gegen KANT nicht erst das Ergebnis all unseres Tuns ist, sondern immer schon den Anfang freien Tuns darstellt. b) Das Existential der Hoffnung - SÖREN KIERKEGAARD, MARTIN HEIDEGGER „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst.“ 919 Den eher existentialistischen Konzeptionen von Hoffnung ist eines gemeinsam: Hoffnung wird quasi als Hintergrundfolie zur Existenzausstattung des Menschen hinzugerechnet, ohne die diese gar nicht denkbar wäre. Das entsprechende Konzept von Hoffnung bleibt dabei aber oft inhaltlich unbestimmt, eine absolut notwendige Vollzugswirklichkeit des Daseins, aber oft begrifflich nicht freigelegt. Auch hier zeigt sich 917 Vgl. PRÖPPER, T., Autonomie und Solidarität. Begründungsprobleme sozialethischer Verpflichtungen, in: Ders., Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik, Freiburg im Breisgau 2001, 57-71, hier 69. 918 Vgl. PRÖPPER, T., Freiheit. Ausprägungen ihres Bewusstseins, in: Ders., Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik, Freiburg im Breisgau 2001, 103-128, hier 117, ebenso 127. 919 Vgl. BLOCH, E., Tübinger Einleitung in die Philosophie, Gesamtausgabe Bd. XIII, Frankfurt am Main 1977, 13. <?page no="337"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 337 aber eine wichtige Voraussetzung zur Identifikation des systematischen Orts der Hoffnungskategorie: die Annahme der Sinnhaftigkeit des übergeordneten epistemischen Systems. Denn unter absurden Bedingungen verändern sich alle Vorzeichen, wie an den Philosophien von J.P. SARTRE und A. CAMUS leicht abgelesen werden kann. Schließlich gilt es in diesen Konzeptionen gegen das Absurde in heroischer, mitunter praktisch kaum lebbarer Weise etwas Absolutes zu setzen, das eigentlich nicht mehr auszuweisen ist, auf das aber Hoffnungen gesetzt werden, die wiederum mit Sinnannahmen verbunden sind. In einem völlig sinnfreien Raum wäre weder Kommunikation noch Handeln möglich, geschweige denn eine vernünftige Verständigung über gut und böse, richtig und falsch, gelungen und misslungen. α Hoffnung und Selbstwahl Für SÖREN KIERKEGAARD 920 ist Hoffnung im Rahmen seiner Religionsphilosophie als Vollzugswirklichkeit menschlicher Existenz immer schon zugegen und für das Selbstverständnis des Daseins ganz konstitutiv, so sehr, dass sie kaum Erwähnung findet. Fehlt sie, fällt der Mensch der Verzweiflung anheim. Damit gewinnt sie große Nähe zum Begriff des Glaubens. Insgesamt war KIERKEGAARD, auf den später MARTIN HEIDEGGER intensiv zurückgegriffen hat, freilich ohne christlichen Impetus, bemüht, menschliches Dasein bis an die Schwelle des Glaubens, bis kurz vor den Sprung des Glaubens zu erhellen, um die Eigenart des Christlichen für menschliches Existieren dabei freizulegen. Dabei begriff er den Menschen als dialektische Synthese 921 , als Spannungseinheit von Zeitlichkeit und Ewigkeit, von Immanenz und Transzendenz, was sich exakt in die Hoffnungsstruktur menschlichen Daseinsvollzugs 922 einschreiben lässt, insbesondere, wenn die Synthese, als die sich der Mensch erfährt, nicht ohne ein Sich-In-Gott-Gründen vollzogen werden kann. Nicht umsonst ist Gott daher die Instanz der Möglichkeit, die immer (noch) Möglichkeiten hat und der Glaube dabei „verrückt nach Möglichkeit“. Das Gegenteil der Hoffnung im Sinne von KIERKEGAARD ist die Verzweiflung - auf der Basis von basaler Daseinsangst. Verzweiflung im Sinne von KIERKEGAARD ist reine Hoffnungslosigkeit, mithin die Annahme der Unmöglichkeit einer (guten) Möglichkeit, in gewisser Weise die Identität der Existenz mit der Faktizität. Existieren heißt aber ein Ausgerichtet-Sein auf das positiv Mögliche - contrafaktisch. Die Angst, die KIER- KEGAARD vor Augen hat als Gegenteil des Glaubens bzw. der Hoffnung kann nun aufschlussreich als „gefesselte Freiheit“ und als „Schwindel der Freiheit“ 923 bestimmt wer- 920 Vgl. für die enge Verbindung seiner Glaubenslehre mit seiner Lebensgeschichte die fulminante Biographie von GARFF, J., Kierkegaard. Biographie, München 2005. 921 Vgl. KIERKEGAARD, S., Die Krankheit zum Tode, (Kopenhagen 1849) Frankfurt am Main 2 1994, 13. „Das Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, oder ist das am Verhältnis, dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält; das Selbst ist nicht das Verhältnis, sondern dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält. Der Mensch ist eine Synthese von Unendlichkeit und Endlichkeit, von zeitlichem und Ewigkeit, von Freiheit und Notwendigkeit, kurz, eine Synthese.“ 922 Vgl. KLOEDEN, W. VON, Konstitutive Elemente der Anthropologie Sören Kierkegaards, in: Anthropologie und Ethik (Denken und Handeln 1), Bochum 1986, 28-48. 923 Vgl. KIERKEGAARD, S., Der Begriff Angst, (Kopenhagen 1844), Frankfurt am Main 1994, 57. „So ist Angst der Schwindel der Freiheit, der entsteht, indem der Geist die Synthese setzen will und die Freiheit nun hinabschaut in ihre eigene Möglichkeit und da die Endlichkeit ergreift, um sich daran zu halten.“ <?page no="338"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 338 den, die sich allein über einen vertrauenden Sprung ihres Ursprungs vergewissern kann. Dieser „Sprung“ ist ein Sprung des Glaubens, zwar aus Freiheit, aber im Modus der Hoffnung. Er zielt darauf, im Vollzug nicht ins Nichts zu fallen und diejenige Synthese allererst hoffend zu setzen, die der Mensch ist, aber nicht eigenmächtig zu setzen vermag. Auch KIERKEGAARD kennt eine spezifische Einheit der theologischen Tugenden. 924 Demnach drückt sich Liebe in Hoffnung für andere aus und Hoffnung für mich ist immer schon auf Hoffnung für andere offen, bis sie ineinander übergehen. Bin ich ein Hoffender, so bin ich ein Liebender und Glaube ist Hoffnung. Der Hoffende übersteigt in der Hoffnung diese seine Wirklichkeit, um sich hernach vom Erhofften her wieder in sie und auf sie einzulassen - die berühmte „Doppelbewegung des Unendlichen“ 925 . Letztlich bleibt KIERKEGAARD aber am Einzelnen und dessen Selbst- und Gottesverhältnis interessiert, während die intersubjektive Dimension kaum in den Blick kommt. „Das, was mir eigentlich fehlt, ist, mit mir selbst darüber ins Reine zu kommen, was ich tun soll, nicht darüber, was ich erkennen soll, außer sofern ein Erkennen jedem Handeln vorausgehen muss. Es kommt darauf an, meine Bestimmung zu verstehen, zu sehen, was die Gottheit eigentlich will, dass ich tun soll. Es gilt, eine Wahrheit zu finden, die Wahrheit für mich ist, die Idee zu finden, für die ich leben und sterben will.“ 926 Mit anderen Worten: Unbedingte Hoffnung findet über eine Selbstwahl statt, die einzig auf diese Weise gegründete Identität ermöglicht, indem sie die Synthese, die der Mensch darstellt, aber eo ipso nicht zu setzen vermag, durch eine Transparenz auf ihren eigenen Grund allererst aufrichtet - oder einem konstitutiven Selbstzerwürfnis ohne Gott verfällt. 927 Das Selbstverhältnis des Menschen ist daher das entscheidende Verhältnis bei KIERKEGAARD und „der Einzelne“ 928 Ort der darin aufscheinenden Wahrheit. Bei aller Verkürzung der Perspektive 924 Vgl. FENDT, G., For what may I hope. Thinking with Kant and Kierkegaard, New York 1990, 162ff. 925 Vgl. KIERKEGAARD, S., Furcht und Zittern, Frankfurt am Main 1984. 926 Vgl. Deutsche Søren-Kierkegaard-Edition - Bd. 1, Journale und Aufzeichnungen. Journale AA - BB - CC - DD, hrsg. von DEUSER, H. / PURKARTSHOFER, R., Berlin 2005, 23-24. Weiter schreibt er (Kursivierung im Original): „Und was nützte es mir, wenn ich eine so genannte objektive Wahrheit herausfände; […] wenn es für mich selbst und mein Leben nicht eine tiefere Bedeutung hätte. Das war es, was mir fehlte, ein vollkommen menschliches Leben zu führen und nicht bloß eins der Erkenntnis, sodass ich dadurch dazu komme, meine Gedanken- Entwicklungen nicht auf das zu gründen - ja, auf etwas, das man objektiv nennt, - etwas, das doch auf jeden Fall nicht mein eigen ist, sondern auf etwas, das mit der tiefsten Wurzel meiner Existenz zusammenhängt, wodurch ich sozusagen mit dem Göttlichen verwachsen bin, daran festhänge, wenn auch die ganze Welt zusammenbricht.“ Hier zeigt sich die enge Verbindung der Kategorie der Bestimmung mit der der Hoffnung. KIERKEGAARD spricht weiter unten im Text dann auch vom „Ankerplatz“ im bodenlosen Meer. Insbesondere betont er die Subjektivität dieser „Wahrheit“, die allerdings ohne objektives Korrelat keine wirklich tragfähige Bedeutung erlangen kann, deren subjektive Aneignung aber für deren Handlungswirksamkeit als elementar hervorgehoben wird. Sie ist gerade kein Postulat, das dem Menschen quasi äußerlich bleiben darf, sondern mit dem tiefsten Punkt seiner Existenz verbunden ist. 927 Vgl. KIERKEGAARD, S., Die Krankheit zum Tode, 14 und 19. „Dies ist nämlich die Formel, die den Zustand des Selbst beschreibt, wenn die Verzweiflung ganz beseitigt ist: indem es sich zu sich selbst verhält und es selbst sein will, gründet das Selbst durchsichtig in der Macht, die es setzte.“ Und über den Verzweifelnden: „Indem er über etwas verzweifelte, verzweifelte er eigentlich über sich selbst und will nun sich selbst loswerden.“ 928 KIERKEGAARD schreibt über den ‚Einzelnen‘: „Wer du bist, weiß ich nicht, wo du bist, weiß ich nicht, wie dein Name ist, weiß ich nicht. Und doch bist du meine Hoffnung, meine Freude, mein Stolz, in aller Unbekanntheit meine Ehre.“ <?page no="339"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 339 kommt darin doch etwas Wesentliches zum Ausdruck, das sich bei KANT bereits angedeutet hat und für die Struktur einer Ethik der Hoffnung von grundlegender Bedeutung ist. Die Überwindung des Selbstischen des Wollens durch alleinige Orientierung des Handelns am Sittengesetz entbindet nicht von der Frage nach dem Selbst-Sein-Wollen. 929 Die dem Menschen qua Existenz aufgegebene Synthese kann nur über die Gründung in einer Macht geleistet werden, die diese Synthese zu setzen vermag. Das Medium dieses Verhältnisses ist der Glaube und die Hoffnung. In der Diktion der Existenzphilosophie bezeichnet die Bedeutung der Hoffnung für das Dasein eine Existenzweise bzw. eine Seinsweise, genauerhin eine Seinsweise in der Zeit. Hoffnung wird bei KIERKEGAARD immer schon im Begriff des Glaubens präsupponiert bzw. umgekehrt kann Glaube ohne die Präsumption der Hoffnung nicht gelebt werden und führt in die Verzweiflung. Schließlich entdecken wir im „Schwindel der Freiheit“ auch die Möglichkeit des Scheiterns und der Sinnlosigkeit. Ohne den Sprung der Hoffnung auf der Basis des Glaubens würden wir an uns selbst verzweifeln. Die Glaubensbindung verbürgt den Sprung der Hoffnung, der sonst ins Nichts gehen würde. Mit anderen Worten: Freiheit nimmt über die Hoffnung den Sinn ihrer selbst vorweg ohne immer schon die Garantie bei sich zu tragen. Hier sind grund-basale Akte des Vertrauens im Freiheitsvollzug vonnöten, die im Modus der Hoffnung vollzogen werden. Im Augenblick der Freiheit entdeckt der Mensch den Raum der Möglichkeit (in der Zukunft) als Möglichkeit zum Gelingen aber auch als Möglichkeit zum Scheitern, letztlich entdeckt er die Unendlichkeit der Möglichkeit seiner selbst. So geschieht das Sich-selbst-wählen, die Selbstwahl im Modus der Hoffnung. Pointiert formuliert: Entweder der Mensch hofft oder er verzweifelt und sündigt - aus Angst. Demnach ist der tiefste Abgrund menschlicher Freiheit Angst, der tiefste Grund dagegen (in der) Hoffnung. 930 929 Vgl. STEINBÜCHEL, T., Die menschliche Existenz in heutiger philosophischer Sicht - Idealismus und Existenz, in: STEINBÜCHEL, T. / MÜNCKER, T., Das Bild vom Menschen. Beiträge zur theologischen und philosophischen Anthropologie, Düsseldorf 1934, 145-159. 930 Eine äußerst hoffnungskritische Zukunftsorientierung fordert dagegen J.-P. SARTRE, da der Mensch erst zu dem wird, wozu er sich handelnd macht - Existenz vor Essenz, wozu Hoffnung nicht vonnöten ist, eher hinderlich, da sie den Menschen verführe zu glauben, nicht allein verantwortlich zu sein. „Es ist wahr, dass der Mensch unrecht hätte zu hoffen. Aber was heißt das anderes, als dass die Hoffnung das schlimmste Hemmnis für das Handeln ist. [...] Der Mensch kann nichts wollen, wenn er nicht zunächst begriffen hat, dass er auf nichts anders als auf sich selber zählen kann, dass er allein ist, verlassen auf der Erde inmitten seiner unendlichen Verantwortlichkeiten, ohne Hilfe noch Beistand, ohne ein anders Ziel als das, das er sich selbst geben wird, ohne ein anderes Schicksal als das, das er sich auf dieser Erde schmieden wird. Diese Gewissheit, diese intuitive Erkenntnis seiner Situation, das ist es, was wir Hoffnungslosigkeit nennen.“ Vgl. SARTRE, J.-P., Zum Existentialismus. Eine Klarstellung, in: Ders., Gesammelte Werke. Philosophische Schriften I / 4, Reinbek bei Hamburg 1994, 92-98, hier 95ff. Weiter heißt es: „[...] Mit der Hoffnungslosigkeit beginnt der wahre Optimismus: der Optimismus dessen, der nichts erwartet, der weiß, dass er keinerlei Recht hat und ihm nichts zukommt, der sich freut, auf sich allein zu zählen und allein zum Wohl aller zu handeln.“ Dagegen ist zu sagen, dass Hoffnung nicht Abgabe von Verantwortung und Flucht ist, sondern deren radikale bis in alle Abgründe reichende Ermöglichung durch einen transzendentalen bzw.transzendenten Halt. Auch sind mit jeder Form der Verantwortung bereits basale an die Moral geknüpfte Hoffnungen verbunden. Eine christliche Anverwandlung der Existenzphilosophie kann bei GABRIEL MARCEL gefunden werden (Vgl. etwa MARCEL, G., Philosophie der Hoffnung. Die Überwindung des Nihilismus, München 1964. Ders., Homo Viator. Philosophie der Hoffnung, Düsseldorf 1949. Vgl. dazu auch RUELIUS, P.-F., Mysterium spes. Gabriel Marcels Philosophie <?page no="340"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 340 β Hoffnung als existentiale Stimmung der Hoffnung und ihre Relevanz für die Eschatologie, Würzburg1995), der Hoffnung prophetisch bestimmt und sie zu dem Stoff erklärt, „aus dem vielleicht unsere Seele gemacht ist“ (Vgl. MARCEL, G., Sein und Haben, Paderborn 1954, 117). Indem sie sich einer immanenten Erklärung widersetzt, weist sie auf ihren gnadenhaften und donativen Charakter hin (Vgl. dazu SONNEMANS, H., Hoffnung ohne Gott, Freiburg im Breisgau 1973, 32). Sie überschreitet immer schon die Enge des Ichs auf ein absolutes Du hin und führt damit zugleich zu einer Würdigung des Einzelnen vom Unendlichen her. Nicht umsonst schreibt MARCEL auch über Menschenwürde, die hier allerdings als Antizipation von Anerkennungsverhältnissen begriffen werden soll (Vgl. MARCEL, G., Die Menschenwürde und ihr existentieller Grund, Frankfurt am Main 1965). Mir scheint in der Freilegung der Hoffnungsbasis des Würde-Artikels, selbst in der kantischen Formel der Selbstzwecklichkeit, ein klares Desiderat vorzuliegen. Denn alle Zwecke sind bei KANT vom Endzweck her bzw. auf ihn hin zu verstehen, der wiederum im Medium der Hoffung allererst praktisch wird. Vgl. auch MOLTMANN, J., Menschenwürde, Recht und Freiheit, Stuttgart 1979). MARCEL bietet eine dialogisch-interpersonale Phänomenologie der Hoffnung, die sich vom Tod her ableitet und um das Heil des (gefallenen) Menschen bedacht ist. JOSEF PIEPER gehört zu denjenigen, die eine löbliche Wiederaneignung thomanischer und scholastischer Hoffnungstheologie und -philosophie unternommen haben (Vgl. PIEPER, J., Über die Hoffnung, Freiburg 4 1949, 6 1961, 2006. Ders., Hoffnung II. Theologisch (Art.), in: FRIES, H. (Hrsg.), Handbuch theologischer Grundbegriffe Bd. 2, München 1970, 341-345. Ders., Hinführung zu Thomas von Aquin. Zwölf Vorlesungen, Freiburg im Breisgau 1967), dabei auch erstaunliche Analogien mit eher phänomenologisch orientierten Bemühungen aufweisen, wobei Adaptationen an neuzeitliche Denkformen nur ansatzweise vorgenommen wurden. Dessen ungeachtet konnte er völlig zurecht Hoffnung als „Ur-Gebärde des Lebendigen“ (vgl. PIEPER, Über die Hoffnung, 6 1961, 27, ebenso ausführlich SCHUMACHER, B.N., Rechenschaft über die Hoffnung. Josef Pieper und die zeitgenössische Philosophie, Mainz 2000) definieren. Für PAUL TILLICH ist christliche Hoffnung vorrangig Reichshoffnung, mithin eine Hoffnung, die (auch) in der Welt Wirkung zeigt, sich in der Welt realisiert und eben gerade nicht transzendent bleibt. Ohne diese Hoffnung wäre auch die „welterobernde und naturunterwerfende Dynamik des Westens“ (vgl. TILLICH, P., Die christliche Hoffnung und ihre Wirkung in der Welt, in: SCHLEMMER, J. (Hrsg.), Die Hoffnungen unserer Zeit, München 1963, 45-56, hier 53) gar nicht verstehbar zu machen. Selbst die großen historischen Epochenschwellen der Renaissance, der Aufklärung, des Vernunft- und des Fortschrittsoptimismus sind von der Reichgotteshoffnung nicht zu trennen, zu der wir ein Verhältnis der Partizipation einnehmen und die eine extraordinäre Würdigung des Einzelnen mit sich bringt: „Die unendliche Bedeutung des Einzelnen für das Christentum bleibt in der christlichen Hoffnung erhalten“ (Vgl. TILLICH, Die christliche Hoffnung und ihre Wirkung in der Welt, 55). Sie zielt auf Wiedervereinigung mit dem göttlichen Seinsgrund. KARL JASPERS dagegen unterscheidet idealtypisch drei Hoffnungen: Vernunfthoffnung, d.h. Hoffnung auf und aus Vernunft, Umkehrhoffnung und Sinnhoffnung auch im und gegen das Scheitern (vgl. JASPERS, K., Die Kraft der Hoffnung, in: SCHLEMMER, J. (Hrsg.), Die Hoffnungen unserer Zeit, München 1963, 9-23, hier 23). Die erwähnten Ansätze können als basale Aspekte der einen integralen Hoffnung gelesen werden, wie sie hier vertreten werden soll. Damit will JASPERS auch die Kraft der (christlichen) Hoffnung in der Kraft ihrer Verheißung gründen. Die Rettung dieser christlichen Hoffnung gegen die (vermeintliche) Hoffnungslosigkeit versucht PAUL SCHÜTZ, wiewohl er sehr allgemein gehalten bleibt, appellativ und kaum einen systematischen Ertrag benennt. Vgl. SCHÜTZ, P., Freiheit - Hoffnung - Prophetie. Von der Gegenwärtigkeit des Zukünftigen, Hamburg 1963. Ders., Hoffnung als Menschheitsfrage, Berlin 1963. Ders., Parusia. Hoffnung und Prophetie, Heidelberg 1960. Hoffnung ist bei MARTIN HEIDEGGER 931 zu einem marginalen existentialontologischen Torso reduziert und damit auch weiter entmoralisiert worden. Hoffnung ist für <?page no="341"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 341 ihn wesentlich „Stimmung“, die in „einer Gewesenheit existential fundiert ist“ 932 . Entscheidend ist dabei nicht das Zukünftige, der Bezug, der Inhalt und der Gegenstand der Hoffnung, sondern ihr Charakter als „Für-Sich-Erhoffen“, das „gegenüber der niederdrückenden Bangigkeit (der Furcht) erleichtert“, das Sein quasi in der Schwebe hält. Gegen HEIDEGGER ist nun Hoffnung nicht zuerst als Antithese zur Furcht zu bestimmen, sondern - im Jargon von HEIDEGGER - eine Seinsweise aus der Zukunft, die als „Seinkönnen“ Grund und Sinn hat, eine Existenzweise, die letzte Antwort auf das Dasein ist - jenseits bestimmter Inhalte und dabei basale Bejahung dieses Daseins ermöglicht und erfahrbar macht. HEIDEGGER interpretiert aber die Hoffnung dennoch allein als existentiale Stimmung, die „erleichtert“ und dabei auf ein bonum futurum bezogen ist, wobei nicht der zukünftige Charakter für die Struktur entscheidend sein soll, sondern der „existentiale Sinn des Hoffens selbst“. „Der Stimmungscharakter liegt […] primär im Hoffen als einem Für-sich-erhoffen. Der Hoffende nimmt sich gleichsam mit in die Hoffnung hinein und bringt sich dem Erhofften entgegen. Das aber setzt ein Sich-gewonnenhaben voraus.“ 933 Somit dient Hoffnung vorrangig der Existenzerhellung 934 , aber in keiner Weise mehr explizit der Existenzbewältigung. 935 Unter diesen Prämissen bleibt ein auf sich selbst bezogener Mensch zurück, der für sich selbst und seine Eigentlichkeit hofft. Übrig bleibt ein existentialer Hoffnungs-Torso, der das Subjekt in einsamer Existenzgewissheit zurücklässt und weder auf das Hoffnungsgut, noch auf den Hoffnungsgrund reflektiert. Hoffnung zielt dagegen bereits eo ipso über das jeweilige Hoffnungssubjekt hinaus auf je Größeres und auf den je Anderen hin und setzt so gerade einen Kontrapunkt gegen die Versuchung, verzweifelt den eigenen Selbstbezug nicht verlassen zu können und vereinzelt in sich isoliert zurück zu bleiben - dem Inbegriff von Sünde 936 . Dessen ungeachtet geht der Hoffende als Ganzer in die Hoffnung ein, indem er sich an die Hoffnung bindet, sie damit in sich und durch sich abbildet. Positiv gewendet kann schließlich aus der existenzphilosophischen Perspektive festgehalten werden, dass Hoffnung als „letztes Antwortenkönnen“ 937 auf Verzweiflung und Anfechtung bestimmt zu werden hat - gemäß der hier vertretenen These. Hoffnung ist eine Eröffnung auf ein „Seinkönnen“ hin, eine basale und habitualisierte „Gestimmtheit“ des Daseins auf einen möglichen Grund hin, der dieses allererst verbürgt. 931 Vgl. KIMMERLE, H., Die Zukunftsbedeutung der Hoffnung. Auseinandersetzung mit Ernst Blochs ‚Prinzip Hoffnung‘ aus philosophischer und theologischer Sicht, Bonn 2 1974, 10-11. 932 Vgl. HEIDEGGER, M., Sein und Zeit, Tübingen 18 2001, 341ff. 933 Vgl. HEIDEGGER, Sein und Zeit, 345. 934 Vgl. FAHRENBACH, H., Angst und Hoffnung als Elemente der Existenzerhellung und Weltorientierung. Eine Erörterung im Blick auf M. Heidegger und E. Bloch, in: EIFLER, G. / SAA- ME, O. / SCHNEIDER, P. (Hrsg.), Angst und Hoffnung. Grundperspektiven der Weltauslegung, Mainz 1983, 45-90. 935 Vgl. LUCKNER, A., Martin Heidegger: „Sein und Zeit“. Ein einführender Kommentar, Paderborn 2 2001. 936 MARTIN LUTHER prägte die berühmte Formulierung vom homo incurvatus in se ipsum als Formel für die concupiscentia. 937 Vgl. FAHRENBACH, H., Wesen und Sinn der Hoffnung, Diss. Heidelberg 1957, 135 und 81. <?page no="342"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 342 c) Die Ontologie des Noch-Nicht-Seins - ERNST BLOCH ERNST BLOCH hat einen entscheidenden Beitrag zur philosophischen Rehabilitierung der Hoffnung in der Moderne geleistet. 938 Er kann diesbezüglich als phänomenologisch außerordentlich stark gelten, geht aber begründungstheoretisch von Voraussetzungen aus, die für eine moraltheologische Argumentation 939 in vielem nicht zu vertreten sind. 940 Seine phänomenologisch reiche Explikation von Hoffnungsaspekten 941 , die durchaus noch einer eingehenderen theologisch-ethischen Würdigung zugänglich wäre, kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass sie mit marxistischen Anklängen 942 operiert und sich einer Ontologie verpflichtet weiß, die von Vorgaben lebt, die zumindest eines nicht vermögen, nämlich dieser Hoffnung einen starken Grund zu geben. ERNST BLOCH will nun zunächst eine möglichst umfängliche Phänomenologie des antizipierenden Bewusstseins bieten, weswegen er die abendländische Geistes- und Ideengeschichte daraufhin durchkämmt, etwa wenn er von Tag- und Nachtträumen spricht, auch von Wünschen und Wunschbildern, die er dann in Kunst, Kultur und Religion identifiziert. Die Phänomene des antizipierenden Bewusstseins verortet er im Gegenüber des Noch-Nicht, sodass er auch eine Fülle von utopischen Grundrissen einer besseren Welt aufzuspüren vermag - architektonisch, ärztlich, sozial, technisch und geographisch. Schließlich kommt er auf Wunschbilder des erfüllten Augenblicks und auf den Tod als der stärksten Nicht-Utopie 943 zu sprechen. Philosophiegeschichtlich aufschlussreich ist nun, dass BLOCH gegen HEIDEGGER und seine Philosophie der Angst und Sorge schreibt. Darüber hinaus kann das Geschichtsdenken HEGELS’ im Hintergrund identifiziert werden, wenn ein Vollendungszustand der Geschichte spekulativ konstruiert wird, der eine Aufhebung der Gegensätze, etwa von Freiheit und Ordnung, Individuum und 938 Vgl. zur Verbindung von Biographie und Philosophie HORSTER, D., Ernst Bloch. Eine Einführung, Wiesbaden 2005. 939 Zur Rezeption KANTS durch BLOCH vgl. etwa KIM, J., Kants Postulatenlehre, ihre Rezeption durch Ernst Bloch und ihre mögliche Anwendung zur Interpretation des Buddhismus. Zur Unterscheidung zwischen postulatorischer Struktur und Postulats-Inhalten bei der Lösung der Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs, Frankfurt am Main 1988. 940 Vgl. als Basisliteratur BLOCH, E., Das Prinzip Hoffnung 3 Bde., Frankfurt am Main 1985. Ders., Abschied von der Utopie. Vorträge, hrsg. von GEKLE, H., Frankfurt am Main 1980. Ders., Atheismus im Christentum. Zur Religion des Exodus und des Reiches, Reinbek 1970. Ders., Freiheit und Ordnung. Abriss der Sozialutopien, Reinbek bei Hamburg 1969. Ders., Philosophische Aufsätze zur objektiven Phantasie, Frankfurt am Main 1969. Vgl. auch SCHMIDT, B. (Hrsg.), Materialien zu Ernst Blochs „Prinzip Hoffnung“ (stw 111), Frankfurt am Main 1978. Ebenso KIMMERLE, H., Die Zukunftsbedeutung der Hoffnung. Auseinandersetzung mit Ernst Blochs „Prinzip Hoffnung“ aus philosophischer und theologischer Sicht, Bonn 2 1974. 941 Seine phänomenologischen Thesen müssten en detail ausgewertet werden, um die dahinter liegende Systematik freilegen und bewerten zu können. So scheint mir etwa, dass seine Unterscheidung von „gefüllten Affekten“ und „Erwartungsaffekten“ weniger zwischen den Affektformen zu differenzieren, als vielmehr innerhalb derselben, sodass jeder Affekt potentiell „gefüllte“ Anteile und Erwartungsanteile aufweist. Eine These, die im Gespräch mit einer Philosophie und Psychologie der Emotionen zu klären wäre. Vgl. etwa CORIANDO, P.-L., Affektenlehre und Phänomenologie der Stimmungen. Wege einer Ontologie und Ethik des Emotionalen, Frankfurt am Main 2002. 942 Vgl. HUDSON, W., Marxism and Hope, in: FITZGERALD, R. (Ed.), Sources of hope, New South Wales 1979, 198-210. 943 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung, 3 Bde und SCHMIDT, Materialien zu Ernst Blochs „Prinzip Hoffnung“. <?page no="343"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 343 Gesellschaft, mit sich bringen soll und damit aber auch eine Aufhebung der Hoffnungsspannungen bewirkt, die mindestens implizit über eine Geschichtsimmanenz hinausweisen. Bleibender Impetus ist dabei die Explikation dessen, was in der Welt (noch) keinen Ort hat (ou-topon), das Utopische, dem aber „Realisationskraft“ 944 zuerkannt wird. Um BLOCH für die anvisierte Ethik der Hoffnung fruchtbar machen zu können, müssen zunächst einige Voraussetzungen seiner Philosophie freigelegt werden. Einer der auffälligsten Kennzeichen aus moraltheologischer Perspektive ist seine strikt innerweltliche Konzeption, die wohl theologisch gelesen werden kann, aber auch ohne dergleichen Anverwandlungen zu zeigen vermag, inwieweit immanente Hoffnung überhaupt begründet werden kann. BLOCH denkt ferner apokalyptisch, in Tendenzen und Latenzen, die aber letztlich ungeschichtlich daher kommen, wiewohl das die eigentliche Bühne seines linkshegelianischen und marxistischen Materialismus darstellt, der darüber hinaus auch noch eine psychoanalytische Triebtheorie im Hintergrund erkennen lässt. 945 Sein Gesellschaftsmodell ist dem Marxismus verpflichtet, sein Modell des Subjekts einer kritischen Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse. Ihm ist mit seiner Philosophie der Hoffnung u.a. daran gelegen, das Phänomen der Spontaneität - „das Dunkle des gelebten Augenblicks“ - des homo viator zu ergründen, wobei der Fokus historisch-gesellschaftlich-politisch ist und damit eigentlich eine Domäne der Utopie 946 , wodurch die Auseinandersetzung mit dem Marxismus durchaus verständlich wird. So nimmt es auch nicht Wunder, dass er seinen Ausgang bei Analysen der gesellschaftlichen Entwicklung durch den historischen Materialismus nimmt. Ideengeschichtlich ist die Hoffnungsphilosophie von BLOCH gegen einen spät-europäischen Nihilismus 947 und gegen einen statischen Seinsbegriff 948 geschrieben, kann aber aufgrund ihrer ontologischen Prämissen als mitverantwortlich für den modernen Fatalismus gemacht werden. Umgekehrt kann Grundlegendes von BLOCH gelernt werden, etwa wenn er das bislang für eine Ethik der Hoffnung favorisierte Verhältnis von Theorie und Praxis erweitert, wo nicht umgekehrt, wobei eine Erweiterung aufgenommen, eine Umkehrung getrost zurückgelassen werden kann. Wir können BLOCHS Position wie folgt zusammenfassen: „Gelingt Praxis, dann ereignet sich Hoffnung. Hier macht sich bereits plakativ der Unterschied zur christlichen Hoffnung bemerkbar: der Christ bestimmt gerade seine Praxis aus Hoffnung, weil er begründet hoffen darf; beim Blochschen Menschen ist es anders, denn dieser hofft, weil die Möglichkeit seines Handelns noch nirgends vereitelt ist, er hofft wegen und aus Pra- 944 Vgl. SCHAEFFLER, Was dürfen wir hoffen? , 99. 945 Vgl. SCHNOOR, H., Psychoanalyse der Hoffnung. Die psychische und psychosomatische Bedeutung von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Heidelberg 1988, 27ff. 946 Vgl. BLOCH, E., Abschied von der Utopie. Vorträge, hrsg. von GEKLE, H., Frankfurt am Main 1980, 41-115. Ders., Freiheit und Ordnung. Abriss der Sozialutopien, Hamburg 1969. Sehr früh schon ders., Der Geist der Utopie, Frankfurt am Main 1918. Schließlich nahm ERNST BLOCHS Philosophie ihren Ausgang vom Begriff der Utopie, was für das Verständnis seiner Hoffnungsphilosophie von entscheidender Bedeutung ist. 947 Vgl. SPLETT, J., Docta Spes, in: Theologie und Philosophie 44 (1969), 383-394, hier 390. 948 Vgl. PIEPER, J., Hoffnung und Geschichte. Fünf Salzburger Vorlesungen, München 1967, 131ff., der darauf hinweist, dass BLOCH diejenigen Traditionen der abendländischen Ontologie verborgen geblieben sein müssen, die die unterstellte geschlossen-statische Ontologie gar nicht kannten. <?page no="344"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 344 xis.“ 949 Statt allein Handeln aus Hoffnung zu begründen, können wir auch Hoffnung aus Handeln als legitime und erkenntnistheoretisch aufschlussreiche Perspektive zulassen. Eine Reihe von weiteren Prämissen seiner Philosophie seien erwähnt, die aber eine positive Rezeption für eine christlich-integrale Ethik der Hoffnung innerhalb der Moraltheologie über die reiche Phänomenologie hinaus, die es an sich Wert wäre, einer eingehenden Würdigung für dezidiert ethische Fragestellungen unterzogen zu werden, eher erschweren als erleichtern: Zunächst war sich BLOCH wohl der faktischen und praktischen Nähe seiner Hoffnungsphilosophie zu einer Ethik, d.h. einer Reflexion auf moralische Praxis, durchaus bewusst 950 , hat sie aber selbst kaum gesucht, höchstens um den geschichtlichen Hoffnungshorizont der Verwirklichung von Humanität im Sozialismus denken zu können. 951 Und auch ihm steht dabei die Welt aus der Perspektive seiner Hoffnungsphilosophie und im Sinne der hier vertretenen These zur konstitutiven Nähe der Hoffnungsmit der Sinnkategorie als „Laboratorium ihrer ausstehenden Sinnfindung“ 952 vor Augen. Allen voran ist für BLOCH der Materiebegriff entscheidender Topos zur Begründung von Hoffnung. 953 Die Potenz Gottes, die BLOCH atheistisch beerben will, wird in eine Potentialität der Materie überführt und damit aufgehoben. „Bloch schränkt seine Hoffnung auf die in der Materie angelegten Möglichkeiten ein. Die Materie, dialektisch verstanden, fundiert allein die Hoffnung.“ 954 Wiewohl BLOCH selbst durchaus der transzendierenden Bewegung der Hoffnung eine Richtung auf unterschiedlichste Erfüllungsgestalten hin gibt, bleibt der Grund solcher Hoffnung letztlich immer materialistisch gedacht. Wir gehen daher nicht fehl, bei BLOCH einen richtungs- und grundlosen Vorwärtsdrang der Materie 955 zu identifizieren, der sich cum grano salis von den vier Schichten des Blochschen Materiebegriffs verständlich machen lassen kann: er unterscheidet (a) das formal Mögliche, (b) das sachlich-objektiv Mögliche, (c) das sachhaftobjektgemäß Mögliche, und (d) das objektiv-real Mögliche. Wo es zunächst (a) um ein 949 Vgl. WENINGER, M.H., Praxis als Ort der Hoffnung bei Ernst Bloch. Darstellung und Kritik der Grundpositionen der Hoffnungsphilosophie Ernst Blochs unter dem Aspekt der Praxis von Hoffnung, Universität Innsbruck 1982, 9. 950 Vgl. BLOCH, E., Abschied von der Utopie. Vorträge, hrsg. von GEKLE, H., Frankfurt am Main 1980, 82. „Wir werden also mit der Möglichkeit umzugehen wissen, sie begreifen, damit es nicht nur eine mehr oder minder vage Hoffnung ist und als solche mit schlechter Utopie verwechselt werden kann, sondern damit sie Anweisung zur fundierten Tat wird und etwas wie ein intellektueller Generalstab zur Umwälzung unserer Wirklichkeit zu einer rechten, guten, humanen, für Menschen erträglichen und endlich für Menschen gebauten daraus werden kann. Darum nie genug konkrete Utopie.“ 951 Vgl. BLOCH, E., Naturrecht und menschliche Würde (GA VI), Frankfurt am Main 1985. 952 Vgl. BLOCH, Abschied von der Utopie, 114. 953 Vgl. KRUTTSCHNITT, E., Ernst Bloch und das Christentum. Der geschichtliche Prozess und der philosophische Begriff der „Religion des Exodus und des Reiches“, Mainz 1993, 299. „Dem Materiebegriff kommt [...] im Rahmen der Blochschen Hoffnungsphilosophie die Funktion zu, den Hoffnungsprozess real zu fundieren, weshalb es der Klärung des Materiebegriffs bedarf, der sowohl die klassischen als auch die Begriffsbildungen der modernen Physik sprengt, zugleich aber von Bloch unter Rückbezug auf die philosophische Tradition des Materiebegriffs entwickelt wurde.“ 954 Vgl. SONNEMANS, Hoffnung ohne Gott, 31 mit Bezug auf BLOCH, Das Prinzip Hoffnung, 271 und 1627. Vgl. auch WENINGER, Praxis als Ort der Hoffnung bei Ernst Bloch, 52. 955 Vgl. ebd. 41. „Latenz und Tendenz der Welt als Prozesswirklichkeit geben keine Bestimmung ihres Ziels im Sinne positiver Sachlichkeit.“ <?page no="345"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 345 rein formales Kann-Sein geht, das für „Blochs Praxis von Hoffnung keinerlei Relevanz“ 956 hat, schließt sich die Vorstellung einer (b) strukturellen und dann einer (c) realen Anlage der Materie an, wobei schließlich einzig (d) die objektiv-reale Möglichkeit ein wirkliches Novum zu eröffnen vermag - Hoffnung auf ein je besseres Novum. 957 BLOCH vertritt mithin eine utopische Konzeption von Materie: „Materie ist Utopie“ 958 , die als „uranfängliches Möglichkeitssubstrat“ gedeutet wird. Ob hier wirklich der dialektische Materialismus des ARISTOTELES beerbt wird, der der Materie eine Formteleologie und damit einen Möglichkeitsraum, eine reine Potentialität, beilegt, oder weit eher der élan vital von HENRI BERGSON oder Vorstellungen anderer lebensphilosophischer Strömungen aufgegriffen wird, ganz zu schweigen von stark marxistischen und psychoanalytischen Anklängen (Triebtheorie), bleibt andernorts zu prüfen. 959 Die Idee aber „von der Hervorkunft der Formen aus dem Möglichkeitsraum der Materie (eductio formarum e potentialitate materiae) findet Bloch bei Avicenna bezeugt.“ 960 Über den Materiebegriff versucht BLOCH sich also einen utopischen Realitätsbezug zu erwirken. Er insistiert darauf, einen offenen Materialismus zu vertreten, der gegen einen mechanischen Materialismus gerichtet ist. Aber ist das Experimentum mundi, BLOCHS Kategorienlehre, um die kategorialen Voraussetzungen zu klären, die Welt als unabgeschlossenen Prozess zu betrachten 961 , wirklich tragfähig? Um dies zu erweisen, stellt er Spekulationen über Raum und Zeit, über Kausalität, Finalität und eine latente Substantialität an. Er will damit zeigen, dass es keinen Determinismus geben muss. BLOCH macht also eine für die vorliegende Fragestellung aufschlussreiche Analogie auf zwischen dem (subjektiven) menschlichen Bewusstsein, als dessen Grundzug die Hoffnung gelten kann, und der (objektiven) Wirklichkeit, die über den Materiebegriff mit der Hoffnung eine Grundbestimmung erfährt. Diese Entsprechung ist für die Struktur der Hoffnung von großer Bedeutung. Über das Verhältnis dieser Hoffnung zur Religion findet folgende Bestimmung statt: „Wo Hoffnung ist, ist Religion“ 962 . „Nicht gilt freilich [...] wo Religion ist, ist auch Hoffnung“ 963 . Damit wendet er sich gegen Aberglaube und Illusion, die er mitunter in der Religion (des Christentums) gefunden haben will. Das Prinzip Hoffnung kann nun als Inventarisierung menschheitlicher Hoffnungsversuche begriffen werden. Überall da, wo ein je besseres Novum antizipiert war, ist Hoff- 956 Vgl. ebd. 44. 957 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung (GA V), 238. „Der kritischen Beachtung des jeweils zu Erreichenden ist das Nach-Möglichkeit-Seiende der Materie vorgeordnet, der fundierten Erwartung der Erreichbarkeit selber das In-Möglichkeit-Seiende der Materie.“ Auch für BLOCH gibt es mithin Hoffnung jenseits des Erwartbaren, die bleibende Frage ist nur, wie diese begründet ausgewiesen werden kann. 958 Vgl. KRUTTSCHNITT, Ernst Bloch und das Christentum, 304 und 300. Vgl. auch BLOCH, Das Prinzip Hoffnung (GA V), 273-274. „Ohne Materie ist kein Boden der (realen) Antizipation, ohne (reale) Antizipation kein Horizont der Materie erfassbar.“ 959 Vgl. SAUTER, G., Zukunft und Verheißung. Das Problem der Zukunft in der gegenwärtigen theologischen und philosophischen Diskussion, Zürich 1965, 277ff. Ebenso KIMMERLE, H., Die Zukunftsbedeutung der Hoffnung. Auseinandersetzung mit ERNST BLOCHS Prinzip Hoffnung aus philosophischer und theologischer Sicht, Bonn 2 1974. 960 Vgl. SCHAEFFLER, Was dürfen wir hoffen? , 103. 961 Vgl. BLOCH, Experimentum Mundi (GA XV), Frankfurt am Main 1985. 962 Vgl. KRUTTSCHNITT, Ernst Bloch und das Christentum, 287ff. Nach BLOCH, Atheismus im Christentum (GA XIV), Frankfurt am Main 1985, 23. 963 Vgl. ebd. 308ff. <?page no="346"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 346 nung und ist Religion. Die Menschwerdung des Menschen und das (utopische) Reich BLOCHS ist in einer Kulmination als summum bonum und letzter Wunschinhalt der Hoffnung zu fassen. „Das höchste Gut ist selber dieses noch nicht gebildete, in der Tendenz des Prozesses letzthin bedeutete, in der Latenz des Prozesses letzthin realmögliche Ziel“ 964 aller Geschichte. „Es ist Endziel und letztes Sinnziel des ganzen Weltprozesses.“ 965 Ihm kommt Dauer, Einheit und die Funktion des Endzwecks zu, was es vergleichbar machen soll mit klassischen Definitionen. Die zentrale Polarität, die von der Hoffnung überwunden werden soll, ist bei BLOCH die von Subjektivität und Objektivität, denn das höchste Gut wäre nicht ein solches, „wenn es, in seiner höchsten Subjektivität, nicht auch höchste Objektivität in spe hätte“ 966 . Dies ist auch der Grund, weshalb er eine „‚Ästhetik des Vorscheins‘ als objektives Korrelat subjektiver Fundierung von Hoffnung“ 967 überhaupt favorisieren kann. Hoffnung wird dabei als utopische Funktion im Bewusstsein verankert und mit dem objektiven Korrelat des Vorscheins des Noch-Nicht-Gewordenen verknüpft. 968 Erst von dieser Polarität her wird auch die „Ontologie des Seins des Noch- Nicht-Seins“ 969 verständlich, ebenso das Ansinnen BLOCHS, die Wirklichkeit als Prozess- Wirklichkeit zu deuten. Sein Denken ist daher Prozess-Denken mit dem Letztziel eines „utopischen Totums“ 970 , das sich inhaltlich nur über Grenzbegriffe aussagen lässt, etwa in Kunst, Musik, Philosophie und eben auch Religion. 971 Der absolute Inhalt bleibt aber für ihn dennoch ungefunden und setzt daher die erwähnte Bewegung der Hoffnung in Richtung Identität (mit sich) immer schon voraus. Damit bekommt die subjektive Hoffnungstendenz des Menschen (Sinnhorizont) eine objektive „materiale Möglichkeit“ 972 an die Seite gestellt. BLOCH versucht nun sprachgewaltig, das utopische Denken der Menschheit wach zu halten, auch durch intensives Studium der Bibel, durch die seiner Meinung nach das eschatologische Gewissen allererst in die Welt kam, mit der er aber nicht selten eine gewaltsame Exegese betreibt, etwa, wenn er den Exodus als „Exodus aus Jahwe selbst“ 973 begreifen will. Dagegen kann er immer wieder auch für theologische Lesegewohnheiten überraschende ideologiekritische Beobachtungen machen, die sich aus dem Impetus speisen, dass es kein Abfinden mit den gegebenen Verhältnissen geben 964 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung (GA V), 1566. 965 Vgl. KRUTTSCHNITT, Ernst Bloch und das Christentum, 355, die immer wieder weitgehend affirmativ die Philosophie BLOCHS als legitime Interpretation der christlichen Hoffnung gelten lässt, ohne die vielfachen Kontroversen und Abgrenzungen zwischen J.B. METZ, K. RAH- NER, J. MOLTMANN und R. SCHAEFFLER systematisch aufzudecken. 966 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung (GA V), 1576 967 Vgl. WENINGER, Praxis als Ort der Hoffnung bei Ernst Bloch, 27-37, hier 27. „Das antizipierende Bewusstsein setzt seine Vorstellungen von der intendierten Wirklichkeit zunächst in Bilder. Der adäquate Ort des Vorscheins des Noch-Nicht-Gewordenen ist die Phantasie, die durch bildhaftes Denken, auf der Ebene des Bewusstseins, die utopische Wirklichkeit antizipatorisch einholt.“ Insgesamt erscheint das Verhältnis von begriffener Hoffnung und symbolisch chiffrierter Hoffnung bei BLOCH nicht eindeutig entschieden. Vgl. ders. 35. 968 Vgl. ebd. 42. „Der Inhalt des Terminus Nicht bedeutet ein Nicht-Haben. Dieses will aus sich heraus, sich selbst negieren und es so zu einem Haben bringen.“ 969 Vgl. ebd. 274. 970 Vgl. KRUTTSCHNITT, Ernst Bloch und das Christentum, 308. 971 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung (GA V), 1417. 972 Vgl. PRÖPPER, T., Der Jesus der Philosophen und der Jesus des Glaubens. Ein theologisches Gespräch mit Jaspers, Bloch, Kolakowski, Gardavsky, Machovec, Fromm, Ben-Chorin, Mainz 1976, 29-38, hier 30. 973 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung (GA V), 1496. <?page no="347"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 347 kann. 974 BLOCH unterscheidet weiter zur Topologisierung der Hoffnung verschiedene Affektarten im „antizipierenden Bewusstsein“, wobei ihm Hoffnung die menschlichste aller Gemütsbewegungen ist. 975 So kennt er neben Abwehraffekten und Zuwendungsaffekten insbesondere gefüllte Affekte, wie Neid und Habsucht, und die sogenannten Erwartungsaffekte, wie Angst, Furcht, Hoffnung und Glauben. Es überwiegen augenfällig die negativen Affekte. Unter wohlwollender Lesart kommt hier die tiefe affektiv-naturale Verankerung unseres Zukunftsbezugs im Bewusstsein zum Ausdruck, kritisch gewendet kann ein unbewusster „Selbsterweiterungstrieb nach vorwärts“ 976 aus psychoanalytischer Anverwandlung identifiziert werden, der auf eine verdächtige Analogie zwischen Noch- Nicht-Bewusstem und Noch-Nicht-Gewordenem 977 schließen lässt. Auch hier gibt sich Hoffnung bereits als Brückenkategorie zwischen subjektiv und objektiv zu erkennen, wohingegen andere Polaritäten kaum ins Gewicht fallen. Es können bei BLOCH noch Spuren eines Gottesbegriffs entdeckt werden, auch wenn er sich ausdrücklich zum Atheismus bekennt. Aber wird dieser Gott nicht mit einer innergeschichtlichen Vollendungsgestalt identifiziert und damit diejenige Spannung von Immanenz und Transzendenz gerade aufgelöst, die für christliche Hoffnung so zentral ist? Das, was BLOCH eine „immanente Transzendenz“ 978 nennt, kommt schließlich einer Umdeutung bzw. genauer einer Hypostasierung der Zukunft als Transzendenz gleich und damit einer ideologieverdächtigen Divinisierung der Zukunft. Die christliche „Religion des Exodus und des Reiches“ kenne zwar eine „Hoffnung in Totalität“ 979 , aber erst im Rahmen einer Philosophie der Hoffnung als docta religio würde diese Totalität - durch einen Wissensbegriff getrieben - zu einer begriffenen und der Marxismus, für BLOCH, der diesbezüglich legitime Erbe. Daher der Vorschlag, bei BLOCH eine Lehre vom „pseudonymen Atheisten“ 980 in Anlehnung an den anonymen Christen von KARL RAHNER zu identifizieren. Aber das Schema BLOCHS lässt viele Fragen offen, etwa die nach dem Verhältnis von vorgeschichtlicher, utopischer und absoluter Hoffnung, genauso von individueller und gattungsgeschichtlicher Hoffnung, wobei nicht der Gottesgedanke als Überbrückung 974 „Nichts ist menschlicher als zu überschreiten, was ist.“ Vgl. BLOCH, E., Kann Hoffnung enttäuscht werden? , in: Ders., Gesamtausgabe Bd. 9 (Literarische Aufsätze), Frankfurt 1965, 385- 392, hier 391. 975 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung (GA V), 83ff. 976 Vgl. ebd. 84. 977 Vgl. KRUTTSCHNITT, Ernst Bloch und das Christentum, 293. 978 Vgl. ECKERT, M., Transzendieren und immanente Transzendenz. Die Transformation der traditionellen Zweiweltenlehre von Immanenz und Transzendenz in Ernst Blochs Zweiseitentheorie, Wien 1981. 979 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung (GA V), 1404. 980 Vgl. SCHAEFFLER, Was dürfen wir hoffen? , 307-308. Den Atheismus BLOCHS allerdings als „Atheismus um Gottes willen“ und als „negative Theologie“ zu deuten, und damit eine christliche Inanspruchnahme seiner utopischen Eschatologie vorzunehmen, wie MOLTMANN das versucht hat (vgl. MOLTMANN, J., Ernst Bloch, Religion im Erbe, München 1967, 17), muss daran scheitern, dass der strikte Dualismus von „dieser Welt“ und der „kommenden Welt“, der die Philosophie von BLOCH durchzieht, christlich nicht anzuverwandeln ist, da das Christentum gerade nicht auf einem Dualismus, sondern einer positiven dialektischen Vermittlung, gar einem Ineinander beruht, wie an der späteren Theologie MOLTMANNS dann auch abgelesen werden kann. Alles andere führt zu einer schleichenden Abwertung der Welt und kann die mitunter abgründigen Erfahrungen in ihr nicht adäquat aufnehmen, was an den fatalistischen Wirkungen der Philosophie BLOCHS durchaus festgemacht werden kann. <?page no="348"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 348 dient, sondern weit eher der homo absconditus, worauf THOMAS PRÖPPER zurecht hingewiesen hat. 981 Auch JÜRGEN MOLTMANN weist darauf hin, dass es deutliche Resistenzen der christlichen Eschatologie gegenüber der Beerbung durch das Prinzip Hoffnung gibt, so etwa, wenn der verborgene Gott nicht nur Reflex des verborgenen Menschen ist 982 , sondern die Verborgenheit des Menschen in der Verborgenheit Gottes gründet, die sich als eschatologische Offenbarung zu erkennen gibt. Denn entweder abstrahiert Hoffnung von der realen Geschichte in einem endlosen Prozess oder gibt sich irgendwann mit einem ihrer Zustände zufrieden. Beides entspricht nicht dem Prinzip Hoffnung, ganz zu schweigen von den Voraussetzungen christlicher Hoffnung. Es muss daher „ein Kriterium vorausgesetzt werden, an welchem sich diese Krisis ereignet“, die Krisis der Vermittlung der Hoffnungspole von Alles und Nichts, Natur und Mensch, Identität und Nichtidentität, Gelingen und Scheitern, „dass es sonst unverständlich bleibt, warum überhaupt der Vermittlungsprozess zwischen Mensch und Natur ein Ziel und Ende haben soll und warum sich im offenen Vorraum des Möglichen eine Alternative ankündigt, und sich dem Menschen in der Geschichte aufnötigt.“ 983 Dieses Kriterium anzugeben scheint BLOCH schuldig geblieben zu sein. Eine wie auch immer geartete Beerbung christlicher Hoffnung durch das Prinzip Hoffnung steht schließlich in der Gefahr, zentrale Gehalte einer integralen Hoffnung nicht mehr ausweisen zu können. So sprengt etwa die christliche Auferstehungshoffnung jede immanente Weltvollendung, sprengt alle hermetisch-geschlossenen Utopien auf und ist dennoch in diesem radikalen Transzendieren begründet und verbürgt, zielt nicht ins Leere oder nur Ersehnte. Zugleich kann daraus eine Zuversicht abgeleitet werden über den Tod hinaus - freilich ohne Sicherheit über den Ausgang. 984 Sehr zugute zu halten ist BLOCH aber im Gegenzug, dass er die realisatorische Kraft der Hoffnung herausgestellt hat, auch die wirklichkeitsstiftende und realitätsstimulierende Kraft, die nicht selten unter Harmonisierungen der Hoffnung, die deren radikale Spannungen abschwächen, aus den Augen verloren wurde. Allerdings kann hinter solchem Verdienst nicht verschwiegen werden, dass zentrale hermeneutische Prämissen weiter als höchst problematisch gelten können, etwa die strikte Antithese dieser und der kommenden Welt, die eine für den Hoffnungsbegriff inakzeptable Zeitfolie mit sich bringt. Auch wenn bei BLOCH das „Futurum als Seinsbe- 981 Vgl. PRÖPPER, Der Jesus der Philosophen und der Jesus des Glaubens, 36 und 37, wo es weiter zur Funktion des Gottesgedankens in BLOCHS Denken heißt, dass „je mehr dieses nämlich dem Gefälle erliegt, Hoffnung als Prinzip im Schema ‚S ist noch nicht P‘ zu begreifen, desto weniger kann in ihm ein Gott der Hoffnung Bedeutung gewinnen. Denn wenn Hoffnung sich lediglich als Differenz von Potenz und Realisierung konstituiert, muss sie jene Radikalität des Transzendierens verlieren, die ihr in der jüdisch-christlichen Tradition zuwuchs.“ 982 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung (GA V), 1402. „Menschen sprachen in den Götter- Hypostasen allemal nichts anderes als ersehnte Zukunft [...] aus.“ 983 Vgl. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, 320. Weiter heißt es: „Diese Alternative fällt dahin, wenn aus der Apokalyptik wohl die endzeitliche Scheidung von Himmel und Hölle in Gestalt von Alles und Nichts geerbt wird, nicht aber jenes Dritte, an welchem sich die Alternative überhaupt erst stellt, welches in der Apokalyptik die Ankunft des richtenden Gottes genannt wird.“ 984 Vgl. ebd. 331ff., hier 334. „Die christliche Zuversicht muss die Kraft finden zu einem Bildersturm der utopischen Hoffnungsbilder, und zwar nicht aus Resignation, sondern um des wahren Elends der Welt und der Zukunft Gottes willen. Sie wird damit gerade das entwerfende Denken der Zukunft frei setzen.“ <?page no="349"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 349 schaffenheit“ 985 gelten kann, so wird doch das moralische und existentielle Niveau, innerhalb dessen sich die Fragen insbesondere nach Begründung und Berechtigung der Hoffnung stellen, vielfach nicht erreicht - weder die Leiden, noch die moralischen Ressourcen zu ihrer Überwindung oder die Orientierung des Menschen auf das Gute hin. Zudem muss, was weit schwerer wiegt, eine Verharmlosung und Ausblendung des Scheiterns, des Sinnlosen, des Leeren, Nichtigen, letztlich des Bösen konstatiert werden. Auch eine auffällige Nivellierung des Todes und der Vergänglichkeit 986 ist nicht von der Hand zu weisen, etwa wenn er ein ewiges und unsterbliches (antikes) Lebens- und Hoffnungsprinzip postuliert, das den Kern menschlicher Existenz schlicht „exterritorial“ lokalisiert. 987 Nicht nur, dass hier menschliches Leid und die Infragestellung durch den Tod nicht recht ernst genommen erscheint in seinen mitunter abgründigen Wirkungen, nicht nur, dass für ein christliches Kreuz praktisch kein Platz ist, haben wir es hier mit einer Ästhetisierung des Negativen zu tun. Den Tod als „Gegen-Utopie“ oder „stärkste Nicht-Utopie“ 988 zu bezeichnen gleicht einer Bildersuche gegen den Tod und daher muss sich BLOCH doch wieder auf den „überkommenden Trost“ 989 beziehen. Denn auch für BLOCH ist unübersehbar, dass, „solange gegen den Tod nichts gefunden wurde, alle Mühe des Menschen, sein Einsatz, seine revolutionäre Praxis, seine Erfolge der totalen Negation schlechthin preisgegeben sind.“ 990 So scheint mir BLOCH im Rahmen seines Prinzips Hoffnung keine Überwindung des Todes gelungen zu sein, sondern nur der Versuch, ein „Tragenkönnen“ auszuweisen. JÖRG SPLETT geht noch weiter und spricht von einer Kapitulation vor dem Tod, der in einem Sophisma nur verschleiert werde. 991 Der absolute Widerspruch des Todes und die damit drohende Nichtidentität können bei BLOCH nicht aufgehoben werden, weswegen der Keim der Resignation über der immer schwebenden Vergeblichkeit 992 nicht beseitigt wird - trotz des Prinzips Hoffnung. Freilich spekuliert BLOCH über die Unsterblichkeit der Seele und eine „Exterritorialität zum Tode“ 993 . Damit soll schließlich die Unerreichbarkeit des Existenzkerns des Menschen durch den Tod ausgedrückt werden. 994 Wie ein vollständig gelungenes Dasein gegen den Tod möglich sein soll, bleibt allerdings fraglich, denn dieses setzt die dann erst vermutete Antwort auf den Tod immer schon voraus. Ganz zu schweigen von den ungezählten 985 Vgl. BLOCH, E., Atheismus im Christentum. Zur Religion des Exodus und des Reiches (GA XIV), Frankfurt am Main 1985, 292f. 986 Vgl. MARSCH, D., Worauf hoffen? , Hamburg 1963, 99ff. 987 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung (GA V) Bd. III, 278ff. 988 Vgl. ebd. 15, 1297. 989 Vgl. SONNEMANS, Hoffnung ohne Gott, 118 und 119. 990 Vgl. WENINGER, Praxis als Ort der Hoffnung bei Ernst Bloch, 115. 991 Vgl. SPLETT, Docta Spes, 392. 992 Vgl. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, 324-325. „Alle Utopien vom Reich Gottes oder des Menschen, alle Hoffnungsbilder vom glücklichen Leben, alle Revolutionen der Zukunft hängen solange in der Luft und tragen den Keim der Verwesung und der Langeweile in sich, gehen darum auch militant und erpresserisch mit dem Leben um, wie es keine Gewissheit im Tode und keine Hoffnung gibt, die die Liebe über den Tod hinaus trägt.“ 993 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung, 1391ff. 994 Vgl. WENINGER, Praxis als Ort der Hoffnung bei Ernst Bloch, 131. „Der Tod ist zwar als solcher in der Welt negierend wirksam, aber er kann weder den Kern unserer Existenz erreichen, noch kann er den hoffenden Ausblick gänzlich verstellen. Je stärker sich die Praxis des Menschen an den vorscheinenden Kern seiner Existenz antizipierend annähert, je gelingender also sein Realisierungsvollzug wird, umso entmachteter erscheint der Tod, bis er schließlich im vollständig gelungenen Da-Sein gänzlich überwunden ist.“ <?page no="350"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 350 Opfern der Geschichte, die nicht in die Nähe dieses Vorscheins gekommen sind und deren Leiden und Tod davon unbeantwortet bleiben muss, weswegen J.B. METZ sich auch im Kontext seiner von christlicher Gerechtigkeits- und Versöhnungsverheißung getragenen memoria passionis vehement gegen BLOCH abzusetzen sucht. Letztlich ist daher von einer Nicht-Negativität des Todes bei BLOCH auszugehen, die die „Tödlichkeit des Todes“ 995 gar nicht ernst zu nehmen vermag. Auch wenn nun die Praxis von Hoffnung nicht notwendig und endgültig vom Tod vereitelt werden kann und daher für BLOCH eine prinzipielle Offenheit und Berechtigung für Hoffnung in der Welt besteht - trotz des Todes, so ist diese Offenheit freilich auch für die Begründungsversuche bei BLOCH in Anschlag zu bringen. Denn in einer erstaunlichen Formulierung, die dem Gegenstand der vorliegenden Arbeit durchaus nahe kommt, kann BLOCH von der Notwendigkeit einer „moralischen und finalen Quelle des Lebensmutes“ 996 sprechen. Als vorläufiges Resümee sind daher bei aller berechtigten Würdigung drei Problemkomplexe festzuhalten: (1) eine fehlende Konkretion des (letzten) Inhalts der Hoffnung, (2) eine Offenheit, die die Enttäuschung angesichts des Todes schon in sich trägt, und (3) das Nichtvorhandensein eines angemessenen Bezugsrahmens zur Begründung. 997 Pointiert kann von einer „Selbsterlösung durch Praxis“ 998 gesprochen werden. Zwar kennt BLOCH ein Noch-nicht, ein permanentes Weiter der Hoffnung, aber er hat praktisch kein differenziertes Instrumentarium, die Vorläufigkeit von Hoffnungen kriteriologisch zu identifizieren, daher ist seine Hoffnung latent ideologieanfällig. Ganz zu schweigen davon, das es neben einem Noch-Nicht, in dem Hoffnung Erfüllung sucht, auch Hoffnung für ein Nicht-Mehr geben muss, d.h. für alle die Opfer der Geschichte insgesamt. Ein ganz erheblicher Unterschied zwischen der Hoffnung bei BLOCH und der christlichen Hoffnung kann ferner darin gesehen werden, dass jener Hoffnung als Prinzip begreift, diese aber eine personale, offene Hoffnung qualifiziert, die an ein spezifisches Ziel kommen soll. 999 Wie könnte erstere ein wirkliches Novum und zudem Leben schenken? Christliche Hoffnung dagegen steht aller innerweltlichen Hoffnung nicht entgegen, sondern ermöglicht diese allererst, indem sie diese orientiert und motiviert und immer schon weit über das hinausweist, was in menschlicher Verfügung steht, „weil Planen aus dem Hoffen lebt“ 1000 und Hoffnung einen weltanschaulichen und erkenntnistheoretischen Metarahmen zur Verfügung stellt, der Sinn verheißt. Christliche Hoffnung ist nicht weltlos, aber diejenige BLOCHS ist letztlich gottlos, auch wenn er eine Fülle bibli- 995 Vgl. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, 329. 996 Vgl. BLOCH, Atheismus im Christentum, Kap. 50. 997 Vgl. WENINGER, Praxis als Ort der Hoffnung bei Ernst Bloch, 140. 998 Vgl. ebd. 141. Zuvor heißt es: „Blochs Hoffnung erweist sich letztlich als Erwartungsaffekt, als psychisch-kognitive Repräsentation des Noch-Nicht-Gewordenen, als Tagtraum, Traum nach vorwärts, um seine eigene Terminologie zu verwenden. Das Ziel ist zwar angegeben, jedoch nur vage konkretisiert: Humanisierung der Natur und Naturalisierung des Menschen, der Weg dahin aber bleibt unbestimmt. Ganz zu schweigen von der Begründung und Herkunft der dafür notwendigen moralischen Ressourcen, auch und gerade der moralischen Hoffnung. 999 Vgl. SONNEMANS, Hoffnung ohne Gott, 17. „Das Prinzip ist durchdachte Antizipation, docta spes, und verweilt eben als begriffliche Hoffnung im Raum der Identität, während die christliche Hoffnung die docta ignarantia futuri bewahrt und nur so wirklich offen sein kann.“ Einzig die nicht-planbare Zukunft kann demnach Voraussetzung innerweltlicher Utopien sein. 1000 Vgl. ebd. 213. Im Rahmen einer Ethik der Hoffnung müsste allerdings gezeigt werden können, warum dies so ist. <?page no="351"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 351 scher Vokabeln verwendet, so etwa das „Reich“ oder das „himmlische Jerusalem“ 1001 . Der Prozess menschlicher Geschichte mit ihren Latenzen und Tendenzen kann aber bei BLOCH nicht mehr aus sich heraus transzendiert und damit korrigiert werden. 1002 Eher rekonstruktiv-affirmativ geht HEINZ KIMMERLE vor, wenn er von einer marxistischen Fixierung bei BLOCH spricht, von Natur-Materie-Spekulationen und im Sinne des obigen Gedankens vom „Fehlen einer kritischen Analyse des konkreten Geschehens“ 1003 . Auch ist nicht einsichtig, wie er die Einheit der Hoffnung einzuholen vermag. Denn es konnte ja bereits herausgearbeitet werden, dass die Einheit der einen Hoffnung zur Qualifizierung der vielen Hoffnungen außerordentlich wichtig ist, „weil viele Hoffnungen ent-täuscht werden können, ohne dass der Mensch schlechthin hoffnungslos werden muss“ 1004 , wenn er eine Hoffnung kennt, die die zunichte gemachten immer wieder je neu umgreift. Man denke dabei nur an die christliche Hoffnung, die prinzipiell von der Welt nicht mehr infrage gestellt werden kann, da ihre alle potentielle und reale Enttäuschung aufhebende Einheit nicht mit der Welt identisch ist. Auch Einheit von Glaube, Hoffnung und Liebe wird daher bei BLOCH reduziert. 1005 Moraltheologisch muss ferner eine christologische Mitte der Hoffnung festgehalten werden gegenüber einer materiellimmanent-prozesshaften Hoffnung, die so etwas wie einen eschatologischen Materialismus bezeichnet. Der deus absconditus wird dann - wie bei BLOCH - zum homo absconditus. Wenn Gott verlustig geht, beginnt eine Anthropodizee, eine Selbstrechtfertigung des Menschen. Nicht umsonst wird auf diese Weise ein christlicher Glaube gar nicht mehr benötigt, der nach Grund und Offenheit von Hoffnung fragt, stattdessen wird eine anthropozentrische und ontologisierende docta spes postuliert, die aber nur mehr ein äußerst reduziertes und insbesondere grund-loses Bild menschlicher Hoffnung abgibt, wiewohl deren allgemeine Bedeutung selbstredend offensichtlich ist. BLOCH kommt zwar das Verdienst zu, die Phänomenologie der Hoffnung bereichert zu haben, auch „die weltzugewandte Seite biblischer Eschatologie“ 1006 neu entdeckt zu haben, aber um den Preis einer dualistischen und letztlich grundlosen materialistischen Prozess-Hoffnung. Auch BLOCH kennt eine Art Glauben innerhalb seiner Hoffnungsphilosophie, in Kunst und Religion angesiedelt, wenn der Mensch sich etwa das Noch-Nicht-Erschienene als Gelingendes vor Augen stellt: „Aufs gute Ganze muss daher, fundierterweise auch ver- 1001 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung, 199, 1585. 1002 Vgl. ZIMMERLI, W., Der Mensch und seine Hoffnung im Alten Testament , Göttingen 1968, 163-178, hier 178. „Ein Deus Spes, bei dem Deus nur eine Maske ist, die einmal abgeworfen werden muss, bedeutet letztlich den Verlust der Hoffnung. Hoffnung, das hat Bloch in aller Schärfe gesehen, liegt für den Menschen nur im Ausbrechen in das Neue, im Überschreiten der Grenze, im Sprung in das andere - nur dass Bloch hier die letzte Radikalität der Formulierung nicht wagt, wonach der Schritt über die Grenze, der Weg ins Neue, der Sprung in das Neue das Transzendieren aller menschlichen Möglichkeiten meint. So redet die Bibel, wenn sie von der neuen Kreatur, dem neuen Himmel und der neuen Erde redet.“ 1003 Vgl. KIMMERLE, Die Zukunftsbedeutung der Hoffnung, 103ff. und 96ff. 1004 Vgl. SONNEMANS, Hoffnung ohne Gott, 30. 1005 Vgl. ebd. 225. „In die Beerbung der Religion um ihre Hoffnung hat Bloch aber die Liebe Gottes und dessen Offenbarung nicht einbezogen. Das Fehlen der Liebe im Prinzip Hoffnung ist der offenbare Mangel einer Theorie, die im Gefolge einer Philosophie des Geistes und des Begriffs, und nicht in derjenigen einer Person steht.“ 1006 Vgl. MARSCH, Worauf hoffen? , 116. <?page no="352"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 352 traut werden. An das Unerschienene leichter zu glauben als ans Sichtbare, dazu gehört geschulte Hoffnung, das ist Vertrauen auf den Tag in der Nacht.“ 1007 Jenseits der Revolutionsrhetorik, die bei BLOCH nicht selten zu finden ist, wird jede Form der Transzendenz Gottes in die Materie immanentisiert, die Natur damit remythologisiert und Hoffnung damit potentiell entwertet, was in Verbindung mit dem Materialismus nicht wenige fatalistische Usancen begünstigt haben dürfte. 1008 BLOCH kann zudem einen starken Begriff von Freiheit nicht eigentlich denken, da er sie nur einzeichnen kann in eine subjektlose Dynamik einer naturontologisch gedeuteten Tendenz. Zwar kennt er auch verschiedene Schichten der Freiheit 1009 , Entscheidungsfreiheit, Handlungsfreiheit, Gewissensfreiheit und moralische Freiheit, aber diese bleiben erstaunlich unkonkret, blass und unverbunden, werden auch kaum je als Vollzugsgrund von Hoffnung definiert, eher als „finale Freiheit“, auf die hin der Befreiungskampf des Menschen geführt zu werden hat im Sinne einer Einheit von „Existenz und Wesen“ 1010 Insgesamt kann aber festgehalten werden: Nur wenn es eine Zukunft gibt, wird Geschichte allererst zur Geschichte und damit von der Natur verschieden. Philosophiegeschichtlich können Einflüsse der Existenzphilosophie auf BLOCH nachgewiesen werden, etwa wenn Hoffnung als Moment der „Existenzerhellung und Weltorientierung“ 1011 begriffen wird. Dabei ist die Hochschätzung BLOCHS für SÖREN KIERKEGAARD bekannt, ebenso Bezüge zu MARTIN HEIDEGGER. Konvergenzpunkt ist der Ausgang bei Existenzerfahrungen des Menschen. Schließlich kann kein „Wissen“ der tätigen Hoffnung die Dialektik von Gelingen und Scheitern auflösen. Bei HANS JONAS wird nun die Kategorie der Verantwortung explizit gegen die Utopie BLOCHS und gegen die Technologisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts formuliert. 1012 Dennoch ist es die Verantwortung, die einen humanen Hoffnungskorridor gegenüber der möglichen Zukunft allererst eröffnet und kontrolliert. JONAS stellt aber einen Gegenbegriff zur Utopie bei BLOCH auf mit dem Ziel einer (ethischen) Kontrolle der Technologisierung. Dieser kann auch als Versuch des Ausbruchs aus der BLOCH- SCHEN Antithese von gegenwärtiger und zukünftiger Welt verstanden werden. BLOCHS „Theologie“ wird man dahingehend lesen dürfen, dass mit der Schöpfung dieser Welt Gott sich quasi selbst disqualifiziert und kompromittiert hat - „Vergehen möge diese Welt! “ - und aus dem Gott der Hoffnung wurde ein Gott Hoffnung, eine Hypostasie bzw. Apotheose der Hoffnung, was die strenge Antithese von gegenwärtiger und zukünftiger Welt quasi widerspiegelt. 1013 Daher ist bei BLOCH eine Versöhnung mit der 1007 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung, 1510, 1548. 1008 Vgl. SCHMIED-KOWARZIK, W., „Weit hinaus hoffen“. Kritisches zu Blochs humanem Atheismus, in: VIDAL, F. (Hrsg.), „Kann Hoffnung enttäuscht werden? “, Mössingen 1998, 12-30, der mit KANT das Postulat des Daseins Gottes für den Vollzug moralisch qualifizierter Hoffnung gegen den Atheismus BLOCHS reklamiert wissen möchte. 1009 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung (GA V), 10, 575ff. 1010 Vgl. ebd. 10, 592. 1011 Vgl. FAHRENBACH, H., Angst und Hoffnung als Elemente der Existenzerhellung und Weltorientierung. Eine Erörterung im Blick auf M. Heidegger und E. Bloch, in: EIFLER, G. / SAA- ME, O. / SCHNEIDER, P. (Hrsg.), Angst und Hoffnung. Grundperspektiven der Weltauslegung, Mainz 1983, 45-90. Vgl. auch ders., Wesen und Sinn der Hoffnung, Diss. Heidelberg 1957. 1012 Vgl. JONAS, H., Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt am Main 1984. 1013 Vgl. SCHAEFFLER, Was dürfen wir hoffen? , 115 und 117. <?page no="353"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 353 Welt nicht denkbar und hat die Ontologie des noch nicht Existierenden die gefährliche Tendenz zur Abwertung der gegenwärtigen Welt aufgrund besagter Antithese. Christliche Hoffnung ist dagegen so realistisch, dass sie mitunter (ideologischen) Optimismus zerstört. Realismus kann daher als Pessimismus erscheinen, wiewohl eine „untrennbare Einheit von Realismus und wahrer Hoffnung“ 1014 festzuhalten ist. Hoffnung ist daher auch zu befreien von dem, was sie nicht ist. Es kann dabei durchaus von einer Verzerrung des christlichen Hoffnungserbes bei BLOCH gesprochen werden, auch wenn er dessen Begrifflichkeit verwendet. Hoffnung als Prinzip ist klar von personaler, christlicher Hoffnung zu unterscheiden, wobei BLOCH bestenfalls ein aristotelisch-immanentes Prinzip vertritt. In seiner Philosophie kann schließlich auch eine einseitige Fixierung auf das Futurum als wahrem Seinsmodus beobachtet werden, denn Hoffnung wüsste nicht, was sie hoffen könnte, dürfte und sollte, wenn sie in ihrer Realisierung nicht bereits Anhalt an der Realität besitzen würde. Ein reines Futurum entlässt keine Hoffnung, sondern Fatalismus. Das Christentum dagegen operiert mit einem Zugleich von Schon und Noch-Nicht, was alle drei Zeitformen miteinander verbindet (liturgisch, spirituell, etc.), weswegen das nunc stans oder das hodie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in sich trägt. Erst auf diese Weise wird sich schließlich die eminent realisatorische Kraft der Hoffnung im Angesicht der Zukunft frei entfalten können. „Wir werden also mit der Möglichkeit umzugehen wissen, sie begreifen, damit es nicht nur eine mehr oder minder vage Hoffnung ist und als solche mit schlechter Utopie verwechselt werden kann, sondern damit sie Anweisung zur fundierten Tat wird und etwas wie ein intellektueller Generalstab zur Umwälzung unserer Wirklichkeit zu einer rechten, guten, humanen, für Menschen erträglichen und endlich für Menschen gebauten daraus werden kann. Darum nie genug konkrete Utopie.“ 1015 Hoffnung selber kann und muss gelernt werden in Auseinandersetzung mit sich, der Welt und mit Gott. Der Grund der Hoffnung und mögliche (göttliche und menschliche) Treue zur Erfüllungsverheißung dagegen, mit anderen Worten die Erfüllungsgewissheit, kann nur gnadenhaft gegeben werden, da sie die Welt übersteigt. Allein ein christlicher Hoffnungsbegriff mit seinem unbedingten Hoffnungsgrund vermag die Hoffnungsstruktur und die Hoffnungspole in ein rechtes Licht zu rücken, so dass ihre eigenen Komponenten nicht einer Selbstzerstörung ausgesetzt werden oder inhumane Folgen zeitigen. Dabei ist nicht die Hoffnung selbst unbedingt, sondern der Grund der Hoffnung. Gerade jener ist aber bei BLOCH nicht ausreichend ausgewiesen, was eine ontologisierende Rede und eine gefährliche Divinisierung der Zukunft und der Hoffnung selber zur Folge hat und eine dualistische Abwertung der Welt begünstigt. Christliche Hoffnung dagegen lebt aus einem basalen Ja zur Welt und zugleich einem Impetus sie zu verwandeln. Denn „durch die vom Thema der Hoffnung getragene Ethik wird […] der dualistischen Konzeption des Verhältnisses von Diesseits und Jenseits, von Überirdischem und Irdischem, Ewigem und Zeitlichem eine klare Absage erteilt.“ 1016 Dagegen dürfte aus dem radikalen Gegensatz der Welten ein postula- 1014 Vgl. RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI], Auf Christus schauen. Einübung in Glaube, Hoffnung, Liebe, Freiburg im Breisgau 2006, 63. 1015 Vgl. BLOCH, E., Abschied von der Utopie? , in: Ders., Abschied von der Utopie. Vorträge, hrsg. von GEKLE, H., Frankfurt am Main 1980, 82. Statt mitunter nur regulative Ideen zur Hoffnung zu formulieren, versteigt sich BLOCH immer wieder, diesbezüglich vorrangig konstitutive Ideen aufzustellen. 1016 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 16. <?page no="354"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 354 torischer Atheismus 1017 hervorgegangen sein, der den (post-) modernen Fatalismus mit gefördert haben dürfte. 1018 Als Ertrag aus den Reflexionen BLOCHS für die anvisierte Ethik der Hoffnung kann wie folgt festgehalten werden: (1) Von Hoffnung begründet zu reden, setzt eine Ontologie des Noch-Nicht-Seins voraus, die auf den Grund von Hoffnung zielt. 1019 (2) Hoffnung will und kann als Vollzug gelernt sein, während die finalen Hoffnungsinhalte donativen Charakter haben. (3) Es muss von einer vielfachen Verzahnung der Hoffnung mit der Wirklichkeit ausgegangen werden, wonach Hoffnung realistisch ist und realistisch macht, aber in der Realität nicht aufgeht, sondern diese auf ihr Zielgut hin übersteigt. (4) Eine fundierte Hoffnungstheorie mündet in eine Gesellschafts- und Kulturtheorie ein. Jede Gesellschaftstheorie hat Hoffnungsanteile und kann von ihren tragenden und leitenden Hoffnungen her interpretiert und verstanden werden. Wenn es also mit BLOCH tatsächlich darum geht, „statt ins Scheitern ins Gelingen verliebt“ zu sein, wenn es tatsächlich darauf ankommt, „das Hoffen zu lernen“ 1020 , dann benötigen wir begründete Hoffnung, genauer: einen Grund zum Hoffen. d) Hoffnung zwischen transzendentaler und politischer Eschatologie Das Programm einer Durchdringung der gesamten Theologie mit dem eschatologischen Gedanken ist noch im Gange. Diese Versuche der (Wieder-) Aneignung stehen allerdings im Kontrast zur allgemeinen Marginalisierung großer Hoffnungen als Denkform in der Moderne. Im Vordergrund der Eschatologisierung scheinen mir nun mindestens zwei Fragenkomplexe zu stehen, die auch für eine Rezeption innerhalb der Theologischen Ethik von bleibender Relevanz sind. Da ist zum einen die Spannung von Transzendentalität und geschichtlich-politischer Hermeneutik, näherhin die Frage nach dem Ort der transzendentalen Denkform innerhalb der Theologie im Anschluss an KANT und der Verortung der Transzendenz in einer offenen, geschichtlich-gesellschaftlich begriffenen Zukunft. Nicht umsonst sind in der Folge entsprechender Konzeptionen immer auch Theologien der Hoffnung entstanden, mit je unterschiedlichen Akzentsetzungen. Und da ist zum anderen die Frage nach einem objektiven Korrelat der subjektiven Hoffnungen. 1017 Vgl. PÖLTNER, G., Atheismus als Prinzip menschlichen Hoffens, in: WUCHERER- HULDENFELD, A.K. / FIGL, J. / MÜHLBERGER, S. (Hrsg.), Weltphänomen Atheismus, Freiburg im Breisgau 1979, 108-134. 1018 Vgl. SCHAEFFLER, R., Kant als Philosoph der Hoffnung, 256. Gegen BLOCH ist von KANT zu lernen, „dass eine dualistisch und deshalb zuletzt atheistisch verstandene Postulatenlehre ihre eigenen Voraussetzungen, nämlich die Entstehungsgründe derjenigen Dialektik, aus welcher die Postulate hervorgehen, untergräbt.“ 1019 Der Hoffnungsgrund verbürgt Hoffnung als vertrauenswürdig. Er erschließt Sinn, lässt das Hoffnungsgut attraktiv erscheinen und zugleich den Preis der Gegenwart für das angestrebte Gut oder der potentiellen Nichterfüllung tragen. 1020 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung (GA V), 1ff. „Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen. […] Der Affekt des Hoffens geht aus sich heraus, macht die Menschen weit, statt sie zu verengen […]. Die Arbeit dieses Affekts verlangt Menschen, die sich ins Werdende tätig hineinwerfen, zu dem sie selbst gehören. Sie erträgt kein Hundeleben, das sich ins Seiende nur passiv geworfen fühlt, in undurchschautes, gar jämmerlich anerkanntes. […] Denken heißt Überschreiten. So jedoch, dass Vorhandenes nicht unterschlagen, nicht überschlagen wird.“ <?page no="355"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 355 α Christliche Hoffnung und die Realität der Welt. Das Kommen Gottes - JÜRGEN MOLTMANN Der Doyen evangelischer Hoffnungstheologie, JÜRGEN MOLTMANN 1021 , ist auf dem Hintergrund eines dezidiert biblischen Fundaments und insbesondere mit Blick auf die Geschichtsmächtigkeit christlicher Hoffnung zu lesen, was sicher nicht unerheblich seiner Auseinandersetzung mit ERNST BLOCH und dem MARXISMUS geschuldet ist. Er betont vorrangig die gesellschaftlich-geschichtliche Dimension christlicher Hoffnung, weswegen er zwar selbst eine Ethik der Hoffnung gefordert hat, diese aber weitgehend mit politischer Theologie identifiziert hat. Ohne nun die einzelnen auch interkonfessionellen Kontroversen um seine spezifische Fassung personaler, geschichtlicher und kosmischer Eschatologie nachzeichnen zu können 1022 , sollen an dieser Stelle exemplarisch einige Aspekte seiner Theologie der Hoffnung extrahiert werden, die für die auch von ihm geforderte und inzwischen - stark an einem materialen Ethos orientiert - vorgelegte Ethik der Hoffnung 1023 von buchstäblich grundlegender Bedeutung sind und die es systematisch aufzunehmen gälte. JÜRGEN MOLTMANN bezieht sich in seinen theologischen Reflexionen zur Hoffnung stark auf die Philosophie von ERNST BLOCH 1024 , etwa mit dem „Kommen Gottes“, und setzt sich zudem intensiv mit KARL BARTH und RUDOLF BULTMANN auseinander. Zentraler hermeneutischer Ausgangspunkt bei MOLTMANN ist die These vom Auferstehungsglauben als Grund für die Hoffnung auf die „Zukunft Christi“ 1025 . Im Sinne MOLTMANNS zeigt sich daher eine seiner Konzeption gemäße Soteriologie daran, dass sie Partizipation an Christi Zukunft schenkt. Dagegen ist zu argumentieren, dass besagte Zukunft (Christi) für Welt und Mensch zwar noch nicht voll verwirklicht ist, aber doch als die, die sie sein wird, schon geoffenbart wurde und nicht nur als „Zukunftsrichtung (Tendenz)“ 1026 erkennbar ist, die dem Menschen dunkel und unbestimmt bleibt und dem Menschen daher auch nur schwer Grund zu vertrauender Hoffnung geben kann. 1027 Im 1021 Vgl. in Auswahl MOLTMANN, J., Christliche Hoffnung: Messianisch oder transzendent? Ein theologisches Gespräch mit Joachim von Fiore und Thomas von Aquin, in: Münchner Theologische Zeitschrift, 33 (1982) 4, 241-260. Ders., Die Kategorie Novum in der christlichen Theologie, in: UNSELD, S. (Hrsg.), Ernst Bloch zu ehren, Frankfurt 1965, 244-263. Ders., Die messianische Hoffnung im Christentum, in: Concilium 10 (1974), 592-596. Ders., Das Kommen Gottes. Christliche Eschatologie, Gütersloh 1995. Ders, Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur Begründung und zu den Konsequenzen einer christlichen Eschatologie, Gütersloh 13 1997. Ders., Menschenwürde, Recht und Freiheit, Stuttgart 1979. 1022 Vgl. dazu mit einer ausführlichen Interpretation MOLTMANNS aus katholischer Perspektive REMENYI, M., Um der Hoffnung willen. Untersuchungen zur eschatologischen Theologie Jürgen Moltmanns, Regensburg 2005. 1023 Vgl. MOLTMANN, J. Ethik der Hoffnung, Gütersloh 2010. 1024 Vgl. MOLTMANN, J., Im Gespräch mit Ernst Bloch. Eine theologische Wegbegleitung, München 1976. 1025 Vgl. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, 13. „Christliche Eschatologie spricht von Jesus Christus und seiner Zukunft.“ 1026 Vgl. SCHAEFFLER, Was dürfen wir hoffen? , 124. 1027 Dem ist gegen eine einseitige Temporalisierung Gottes vonseiten der Struktur der Hoffnung entgegen zu halten, dass die Ankunft einer strikten Zukunft Gottes in Gegenwart und Zukunft des Menschen Gott selbst dem Menschen dunkel und unberechenbar ließe. Gott ist bereits seine Zukunft - für uns. Er ist - ausgefaltet in der Zeit - bereits der, der er war und der er sein wird - für uns. Gott hat sich in der Zeit als der offenbart, der er ist und der er sein wird und ist auf diese Weise dem Zugriff durch die Zeit entzogen. Er hat sich in alle Zeit hinein entfaltet und aus- <?page no="356"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 356 Hintergrund können die Tendenzen und Latenzen BLOCHS identifiziert werden und zugleich die Schwierigkeiten, die sich theologisch daraus für eine Theologie und Ethik der Hoffnung ergeben. Weitsichtig ist nun MOLTMANN mit BLOCH, wenn er hervorhebt, dass der subjektive Akt des Hoffens ein objektives Korrelat in der Realität der Welt benötigt, eine Vermittlung, die auf dreifache Weise geleistet zu werden hat: theoretisch, historisch und praktisch. 1028 Insbesondere die praktische Vermittlung ist für eine Ethik der Hoffnung von Relevanz, aber nicht ausschließlich, wobei für MOLTMANN im Bereich dieser praktischen Vermittlung der Begriff der Sendung (korrespondierend zur Berufung) zentral ist, da er ihn als den Möglichkeitsgrund für eine jede Praxis der Hoffnung angibt. 1029 Wenig Hinweise liefert MOLTMANN allerdings über diese Tatsache hinaus zur Frage, wie der Zusammenhang gedacht werden soll und überhaupt praktisch werden kann. 1030 Eine strikte Antithese von dieser und der kommenden Welt verbindet den frühen MOLTMANN mit BLOCH und ist zugleich das zentrale theologische Problem. Wie bereits erwähnt: das Neue hat bereits angefangen im Alten, harrt aber noch der vollständigen Realisierung, ist in diese Welt (inkarnatorisch) bereits eingetreten, aber noch nicht die volle Wirklichkeit geworden, ansonsten wären Tendenzen zur Abwertung der alten Welt und damit der Schöpfung kaum zu vermeiden, wie bei BLOCH gesehen wurde. Der Identitätspunkt solcher Zukunft ist nun für MOLTMANN konsequent nicht in se, sondern nur extra se zu finden. Nicht verschwiegen werden dürfen Hinweise darauf, die Auferstehung als reine Zukunft gegen die Inkarnation als Eintritt Gottes in diese Welt zu betonen, was zumindest dualismusverdächtig ist und die Schöpfung nicht ausreichend ernst nimmt. 1031 MOLTMANN kennt anti-metaphysische Tendenzen. 1032 Auch hier kann wieder das äußerst bedeutsame Zueinander von Auferstehung und Inkarnation als je unterschiedliche Akzentuierung dessen gelesen werden, was insgesamt die dialektische christliche Hoffnungsspannung ausmacht: die in der alten Welt bereits angekommene neue Welt und das Hineingenommensein der alten in die neue. Es werden für christliche Hoffnung immer beide Pole benötigt, der Anhalt in der alten Welt und der Anhalt an der neuen Welt und die Vermittlung der neuen in die alte hinein und der alten in die neue. Eschatologie ist für MOLTMANN daher auch völlig zu Recht nicht ein Teilbereich der Theologie, sondern eine notwendige Ausrichtung aller Theologie und Verkündigung. Es geht ihr um eine Erhellung der gegenwärtigen Wirklichkeit von der letzten Wirklichkeit gefaltet als der, der zugleich der Zeit enthoben und ihr Souverän ist. Hier ist Identität in der Differenz, ein unverwechselbares Kennzeichen christlicher Hoffnung. So kann analog dazu der Gekreuzigte, der alle irdische Hoffnungslosigkeit durchschritten hat, zugleich (simul) als der Auferstandene gelten, der spezifisch neue, von der Welt nicht mehr prinzipiell bedrohte Hoffnung eröffnet. 1028 Vgl. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, 250ff. 1029 Vgl. SCHAEFFLER, Was dürfen wir hoffen? , 134ff. 1030 Vgl. ebd. 137-138. „Die Betonung der Tatsache, dass die Bemühung um Vermenschlichung des individuellen und gesellschaftlichen Lebens und die Hoffnung auf jene Gerechtigkeit, mit der Gott allein die Sünder gerecht macht, zusammengehören, ersetzt nicht die theologische Reflexion darauf, wie dieser Zusammenhang theoretisch zu bestimmen sei, um den praktischen Dienst der Menschenliebe zum Dienst an der Zukunft Jesu zu machen.“ 1031 Vgl. ebd. 143-145. 1032 Vgl. MOLTMANN, J., Christliche Hoffnung: Messianisch oder transzendent? Ein theologisches Gespräch mit Joachim von Fiore und Thomas von Aquin, in: Münchner Theologische Zeitschrift, 33 (1982) 4, 241-260. <?page no="357"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 357 her und auf deren Möglichkeiten und Verheißungen hin. 1033 Dieser Vorgriff auf die Zukunft in der Hoffnung ist für die Gegenwart höchst relevant. Im christlichen Leben ist für MOLTMANN daher der Glaube zwar der Prius, die Hoffnung aber der Primat. 1034 Gottes Offenbarung ist Verheißung. Diese Offenbarung ist quasi einzig im Modus der Verheißung und der Verheißungsgeschichte und damit der Hoffnung und der Hoffnungsspannung gegeben. Dieser eschatologischen Hoffnung kommt eine beunruhigende und kritische Kraft zu. 1035 Denn was ist eigentlich Realität, was Wirklichkeit? Realismus ist nicht Faktizismus. ROBERT MUSIL spricht von der „Utopie des status quo“. „Allein die Hoffnung ist realistisch zu nennen, weil nur sie mit den Möglichkeiten, die alles Wirkliche durchziehen, ernst macht.“ 1036 Hoffnung ermöglicht quasi eine Horizontwahrnehmung des Real-Möglichen. Und der christliche Gott (der Hoffnung) ist als „Wegname“ und „Verheißungsname“ 1037 zu bezeichnen, was gut biblisch ist. Diese eschatologische Existenz des Menschen setzt nun eine kosmologische und geschichtliche Eschatologie voraus, ist in gewisser Weise anders nicht aussagbar, womit der Zusammenhang von Weltbild und Glaube benannt ist. 1038 Einer (Theologischen) Ethik der Hoffnung ist daher nicht fremd, wenn MOLTMANN fordert: „Es ist die Aufgabe der Theologie, Gotteserkenntnis in einer Korrelation von Weltverständnis und Selbstverständnis zu entwickeln.“ 1039 Wiewohl die Unterscheidung in (heidnische) Epiphaniereligion und (jüdisch-christliche) Verheißungsreligion exegetisch zweifelhaft erscheint, hat er die Intensivierung und Universalisierung der Verheißungen Israels bereits auf biblischem Boden völlig zu Recht hervorgehoben. Er wendet sich daher auch aus obigen Prämissen heraus gegen eine exklusiv existentiale Deutung, indem er die Geschichte und die Sen- 1033 Vgl. etwas zu prononciert MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, 13. „Die Hoffnungssätze der Verheißung aber müssen in einen Widerspruch zur gegenwärtig erfahrbaren Wirklichkeit treten. Sie resultieren nicht aus Erfahrungen, sondern sind die Bedingung für die Möglichkeit neuer Erfahrung. Sie wollen nicht die Wirklichkeit erhellen, die da ist, sondern die Wirklichkeit, die kommt.“ Schließlich fußen Hoffnungssätze tatsächlich auf Kontrasterfahrungen, haben aber doch eine Erfahrungsbasis, sonst könnten sie gar nicht als solche erfahrungsstimulierend erkannt werden. Zudem geht es natürlich um die Erhellung der gegenwärtigen Wirklichkeit durch die zukünftige bzw. eine Erhellung der zukünftigen in der gegenwärtigen. Hier lässt sich bereits der Nukleus der Antithese von gegenwärtiger und zukünftiger Welt erkennen, wie er für den frühen MOLTMANN und BLOCH kennzeichnend ist, aber nicht der Struktur christlicher Hoffnung selbst entspricht. Ohne (dialektische) Zeittheorie kann es zudem keine elaborierte und den Phänomenen angemessene Hoffnungstheorie geben. 1034 Vgl. ebd. 16. 1035 Vgl. ebd. 17. „Wer auf Christus hofft, kann sich nicht mehr abfinden mit der gegebenen Wirklichkeit, sondern beginnt an ihr zu leiden, ihr zu widersprechen.“ Das Umgekehrte gibt es freilich auch, eine neue von der Hoffnung her ermöglichte Affirmation des Daseins. 1036 Vgl. ebd. 19 und 20. 1037 Vgl. ebd. 25. „Der Gott des Exodus und der Auferstehung „ist“ nicht ewige Gegenwart, sondern er verheißt seine Gegenwart und Nähe dem, der seiner Sendung in die Zukunft folgt.“ Ist nicht dieser Gott auch ewige Gegenwart unter Einschluss von Vergangenheit und Zukunft? Schließlich macht ihn ja nicht erst unsere Hoffnung zur gegenwärtigen Zukunft bzw. zukünftigen Gegenwart. 1038 Vgl. ebd. 60. Damit wird freilich auch die Hoffnung auf ihren jeweiligen weltanschaulichen, geschichtlich-kosmischen Zusammenhang verwiesen, der gerne latent missachtet wird. Hoffnung vollzieht sich in Hoffnungszusammenhängen. 1039 Vgl. ebd. 57. <?page no="358"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 358 dung in Geschichte als zentrale Verheißungsräume identifiziert. 1040 Er folgert konsequent (mit BLOCH): „Man kann hier Antizipation als Grundkategorie geschichtlicher Vernunft einführen, wie es W. PANNENBERG durchgängig tut. Doch setzt die Vorwegnahme die Vor-Gabe voraus. Wo nichts (vorweg) gegeben ist, kann auch nichts vorweggenommen werden. Antizipatorisches Denken setzt die Geschichte als Element verheißener Zukunft voraus.“ 1041 Jede Theologie der Hoffnung läuft mithin zwangsläufig auf eine christliche Ethik des Einsatzes für die Welt hinaus. 1042 Dies müsste auch vonseiten der Theologischen Ethik zu zeigen sein. Allerdings darf keine Eingrenzung einer Ethik der Hoffnung auf politische Theologie vorgenommen werden, wiewohl jede Ethik der Hoffnung auch politische Theologie zu sein hat, aber eben nicht ausschließlich, wie MOLTMANN einst selber vorgeschlagen hat. 1043 Um das angesprochene antizipatorische Denken handlungswirksam werden zulassen, müssen wir einen eschatologischen Zeitbegriff entwickeln und (für den Hoffnungsvollzug) voraussetzen: Christliche Zeit und die Zeit Christi ist nicht einfach Weltzeit, sondern vollendete Zeit in der (Hoffnungs-) Spannung zur Weltzeit. Die Rede von der „Zukunft Christi“ 1044 ist daher vom Verdacht des Widerspruchs nicht gänzlich freizusprechen, da Christus das Eschaton bereits ist, auf das wir in (Hoffnungs-) Spannung hin existieren - diejenige Zukunft, die er bereits für uns ist. Ohne eschatologischen Zeitbegriff kommt es zur Prolongation des Irdischen in das Transzendente hinein 1045 und damit zur Aufhebung des für den Hoffnungsvollzug so entscheidenden Spannungsgeschehens. Der Theologie der Hoffnung von JÜRGEN MOLTMANN ist die reformatorische Rechtfertigungslehre als Hintergrund in Rechnung zu stellen, weswegen aus katholischer Position partiell anders akzentuiert werden muss 1046 , etwa bzgl. des „Gottes im Werden“. 1040 Insgesamt ist das so berechtigte wie notwendige Anliegen MOLTMANNS, eine Explikation des Christentums von seinen eschatologischen Strukturen her, im Gespräch mit der neueren Theologie zu aktualisieren, denn vorrangige Gesprächspartner dürften nicht mehr exklusiv BLOCH, BULTMANN oder BARTH sein, sondern der Faden von METZ und BALTHASAR ist weiter zu führen, eine Theologie der Freiheit ist aufzunehmen, naturrechtliche und anthropologische Denkfiguren sind zu integrieren, ebenso transzendentale Ansätze. 1041 Vgl. MOLTMANN, Christliche Hoffnung: Messianisch oder transzendent? , 241-260, hier 246, Anmerkung 24. 1042 Vgl. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, 300, 303, 305. Vgl. auch MOLTMANN, J., Der Gott der Hoffnung, in: Ders. / RIVUZUMWAMI, C. / SCHLAG, T. (Hrsg.), Hoffnung auf Gott - Zukunft des Lebens. 40 Jahre „Theologie der Hoffnung“, Gütersloh 2005, 11-16 und die anderen Beiträge zu vierzig Jahren Wirkungsgeschichte. 1043 Vgl. MOLTMANN, J., Hope and History, in: Theology today 25 (1968), 369-386, hier 384, zitiert nach HERZOG, F., „Politische Theologie“ und christliche Hoffnung, in: PEUKERT, H. (Hrsg.), Diskussion zur politischen Theologie, Mainz 1969, 121-144, hier 126. „Wir müssen jetzt eine neue Ethik der Hoffnung des Glaubens entwickeln. Zusammen mit J.B. Metz nenne ich sie politische Theologie, um klarzumachen, dass die Ethik nicht ein Anhang der Dogmatik ist und auch nicht nur eine Folge des Glaubens, sondern dass der Glaube einem messianischen Bereich angehört, worin er bedeutsam wird, und dass sich die Theologie selbst in einer politischen Dimension befindet, worin sie zur Geltung kommt.“ 1044 Vgl. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, 184ff. 1045 Vgl. REMENYI, Um der Hoffnung willen, 264. 1046 Vgl. zur interkonfessionellen Perspektive etwa SAUTER, G., Einig in der Hoffnung? Überlegungen zum Verhältnis von evangelischer und katholischer Eschatologie heute, in: Materialdienst des konfessionskundlichen Instituts Bensheim 43 (1992), 27-33 und SCHLINK, E., Rechenschaft über die ökumenische Hoffnung, in: Ökumenische Rundschau 27 (1978), 352-358. <?page no="359"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 359 Gott ist als Grund aller Hoffnung in Erscheinung getreten und hat sich erkennbar gemacht, gegen die lutherische Unbestimmtheit der Hoffnung und die Antithese der Welten. Christliche Hoffnung bleibt als Hoffnung zwar unterbestimmt, aber nicht unbestimmt. Ein Offenbarungsdatum darf nicht vorschnell in eine reductio in mysterium überführt werden. In diesem Sinne ist eine werkimmanente Entwicklung bei MOLT- MANN bzgl. des Verhältnisses von gegenwärtiger und zukünftiger Welt nicht zu übersehen: die frühe Betonung des Widerspruchs zwischen Schöpfung und Neuschöpfung ist noch ein Relikt der Philosophie BLOCHS, wohingegen spätere Äußerungen im Sinne von „weg von Abbruch und Neubeginn und hin zu Übergang, Passage und Metamorphose“ 1047 verstanden werden können, d.h. in Richtung einer Vermittlung der beiden Sphären, womit wir wieder bei der basalen Spannungsstruktur der Hoffnung angelangt wären. Auch lässt sich ein Weg vom alleinigen Fokus auf die Geschichte 1048 hin zum Fokus Natur beobachten. MOLTMANNS These vom Gott im Werden muss interpretiert werden als „für uns“ nicht als „an sich“, sonst könnten wir gnoseologisch nicht wirklich über ihn etwas „wissen“, auch keine Gewissheit haben und damit kein wirkliches Vertrauen aufbringen. Worauf hofften wir dann eigentlich? Denn wer die Welt positiv „überwinden“ will, der braucht (epistemisch betrachtet) einen Ort, der bereits „überwunden“ ist und der als eschatologischer Vorschein des Überwundenen die Überwindung leitet, orientiert und motiviert. 1049 Ansonsten, wenn mithin die eschatologisch vorscheinende Anwesenheit des Überwundenen im Zu-Überwindenden nicht ausgewiesen werden kann, verfällt der Mensch notwendig einer Selbstnegation, die in sich selbst ein Widerspruch ist, indem er sich selbst loszuwerden trachtet, ohne wirklich zu wissen woraufhin, ohne dauerhafte Motivation und ohne bleibende Identität im bereits Überwundenen. 1050 So muss der Mensch seiner eigenen Selbstoptimierung zum Opfer fallen, da er nach dem „Tode Gottes“ und der damit vermeintlich obsolet gewordenen Theodizee die notwendig daraus folgende Anthropodizee nicht wirklich zu leisten vermag. Hier zeigt sich auch das Problem eines jeden (christlichen) Dualismus (vgl. MARCION). Eine Überwindung des „Alten“ ist nur denkbar durch eschatologische Hoffnung, in der das „Alte“ zunächst vom „Neuen“ her (aus der Perspektive, unter dem Vorschein des bleibend Neuen) mit prinzipieller Affirmation versehen ist (vgl. Schöpfung) und dann von dort her wiederum auf das Neue hin überwunden werden soll und allererst auf diese Weise positiv transformiert werden kann. 1051 Diese Überwindung seiner selbst auf seine Bestimmung hin kann der Mensch nicht aus sich selbst schöpfen, sondern nur von dem Neuen her, auf das hin er sich und die Welt verwandeln lassen will. Außerordentlich bestimmend für diese Hoffnungstheorie ist das permanente Insistieren auf einem Hoffnungsüberschuss, einem Mehrwert der Hoffnung - entgegen allem, was real erfahrbar, definierbar oder erreichbar ist. Das ist für MOLTMANN der Wurzelgrund prophetischer Verheißung. Hier kommt ein neuer Faktor ins Spiel, der das Gegebene übersteigt. Diese Struktur kann in einer analogen Interpretation auf die Figur des Täter-Opfer-Ausgleichs übertragen werden, die nicht gelingt allein mit dem, was beide 1047 Vgl. REMENYI, Um der Hoffnung willen, 450. 1048 Vgl. MOLTMANN, J., Christliche Hoffnung und die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, in: Ökumenische Rundschau 29 (1970), 139-147. 1049 Vgl. Joh 16,33b: „Seid getrost, ich habe die Welt überwunden“. 1050 Vgl. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, 141. 1051 Vgl. das altkirchliche Axiom des ARTHANASIUS, wonach nur das erlöst werden kann, was angenommen wurde. <?page no="360"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 360 Seiten in Händen halten, da ist mehr nötig. Und dieses Mehr ist im Medium der Hoffnung von aller Theologie und Verkündigung bleibend offen zu halten und zu reklamieren - mitunter im Widerspruch. Christliche Hoffnung aus Verheißung ist daher auch eine permanente Korrektur aller immanenten Hoffnungsentwürfe und Utopien. Solche Hoffnung sprengt alle geschlossenen Utopien. Schließlich gibt es eine Korrespondenz zwischen Hoffnung, Freiheit und Freiraum, wonach Hoffnung basal dadurch charakterisiert werden kann, dass das Subjekt sich in einem Raum von Möglichkeiten bewegen kann und bewegen will. Der homo sperans kennt und eröffnet Spielräume von Möglichkeiten. Diese Hoffnung ist dennoch kein Aktionismus, aber die angedeutete Erkundung des Möglichkeitsraumes ist nicht sinnvoll ohne Hoffnung zu denken, weil desorientiert und untermotiviert. Denn wir versuchen ja all unsere Zielwerte, auf die hin wir handeln und die uns Gelingen verheißen als verbürgte und begründete zu installieren, weswegen wir spezifische Hoffnung auf ein Mehr daran knüpfen müssen. Hoffnung ist mithin als „verbürgte Möglichkeit“ zu begreifen und der Gott der Hoffnung ist kein apathischer Gott (vgl. PARMENIDES), sondern eine lebendige Gegenwart, in der Vergangenheit und Zukunft anwesend sind. In der lebendigen Gegenwart des Gottes der Hoffnung sind Vergangenheit und Zukunft als Erinnerung und Hoffnung gleich mit anwesend. Er umgreift die Zeitstufen und erschließt sie dem Menschen in ihrem zueinander. So kann MOLTMANN mit BLOCH darauf hinweisen, dass Zuversicht auf Verheißung gründet, während die Utopie im Optativ ihren Grund hat. Zur Geschichte menschheitlicher Hoffnungen gehört für MOLTMANN auch die Dimension der enttäuschten Hoffnungen und, was gerne übersehen wird, die positive Seite unerwarteter Erfüllungen von Hoffnungen. Können wir, so müsste im Anschluss an diesen Gedanken gefragt werden, offen sein für das (positiv) Unerwartete? Ferner hat auch jede Theologie ihre Zeit, über die sie allererst verstehbar wird und jede zeitgeschichtliche Epoche dürfte ihre Theologie haben. Die Theologien der Hoffnung im 20. Jahrhundert sind etwa ohne die beiden Weltkriege (und Auschwitz) nicht zu begreifen, nicht ohne den Anfang vom Ende der gesellschaftlichen Systemkonkurrenzen und dem langsamen Ende des Fortschrittsoptimismus nachzuvollziehen. 1052 Denn „das Heil […] bedeutet nicht Seelenheil, individuelle Rettung aus der bösen Welt, Trost im angefochtenen Gewissen allein, sondern auch Verwirklichung eschatologischer Rechtshoffnung, Humanisierung des Menschen, Sozialisierung der Menschheit, Frieden der ganzen Schöpfung.“ 1053 Hoffnung zielt auf ein „Mehr“, das theologisch als Heil bezeichnet werden muss und das wiederum nicht allein das Glück des Einzelnen meint, sondern das aller Menschen. So ist der Menschen auch auf nichts zu reduzieren, was sein Menschsein aufheben würde und ihn zum Gott seiner selbst machen würde oder einer Nivellierung und Depotenzierung gleichkäme. Solche Hoffnung führt in das Menschsein in Würde ein - auf der Basis der darin je neu zum Ausdruck kommenden je besseren (moralischen) Möglichkeit. 1054 Aber weiß der Mensch, was er ersehnen soll? Erst die Offenbarung gibt 1052 Immer wieder hört man bei MOLTMANN die Auseinandersetzung mit dem Marxismus heraus. Vgl. dazu exemplarisch MARX, K., Briefe aus den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“, in: MARX, K. / ENGELS, F., Werke Bd. 1, Berlin 1983, 344. „Indessen ist das gerade wieder der Vorzug der neuen Richtung, dass wir nicht dogmatisch die Welt antizipieren, sondern erst aus der Kritik der alten Welt die neue finden wollen.“ Die Frage wird sein, woher solche Kriterien der Kritik nehmen ohne den status quo einfach zu wiederholen? 1053 Vgl. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, 303. 1054 Vgl. ebd. 317. <?page no="361"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 361 einen materialen Begriff dessen, was ersehnenswert ist. Ferner muss mit MOLTMANN jede legitime und notwendige anthropologische Fundierung und Grundierung der Hoffnung von einer illegitimen Anthropologisierung der Hoffnung geschützt werden, denn diese käme einer Nivellierung von Hoffnung gleich, jene aber einer Explikation des Anhalts von Hoffnung in der Welt (des Menschen). 1055 Denn diese ist auf ein Eschaton von Gelungenheit bezogen und gerade nicht eine Zuversicht, die bereits Erfüllungsgewissheit kennt. 1056 Solche und ähnliche Überlegungen verleiten nun zu der Vermutung, dass bei MOLTMANN die Gefahr besteht, dass er zu sehr futurisch denkt und dabei immer schon „nach vorne geneigt“ ist, sich aber zu wenig auf die Wirklichkeit und die Realität, auch in ihren Abgründen, einlässt, um in ihr den Nukleus des Zukünftigen zu finden. Wenn das Himmelreich nahe ist, wie es Gegenstand biblischer Verheißung ist, dann jetzt und hier, nicht allein als Morgiges. Jesus Christus wird als der kommen, als der er sich zu erkennen gegeben hat. Diese Zukunft ist Zukunft in Gegenwart über Erinnerung an Verheißung und Hoffnung auf erinnerte Verheißung. Entlang diesem Verdacht wird verständlich, warum MOLTMANN eine „Theologie ohne Himmelfahrt“ nachgesagt wird. Jesus Christus ist dagegen bereits am Ziel angekommen und ist seine eigene Zukunft geworden - für uns je neu in der Gegenwart. Auch die Zeitstufen müssen in ihrem simul gesehen werden. Gott ist bereits seine eigene Zukunft und wird sein bleibende Gegenwart. Das simul ist entscheidend, was Gott nicht völlig zeitenthoben macht, sondern zeitgleich. 1057 Jesus hat (sich) als Gekreuzigter alle irdischen Hoffnungen durchbrechen lassen, weswegen er Trost und Mut macht, an durchbrochenen Hoffnungen nicht endgültig zu zerbrechen, sondern sie womöglich sterben und durchbrechen zu lassen zugunsten neuer, größerer und tragfähigerer Hoffnungen, die letztlich in Gott und der Auferstehung seines Sohnes gründen. Der Gekreuzigte ist der Auferstandene. Es kann daher eine „eschatologische Identität“ Jesu Christi angenommen werden. Freilich nicht, weil er noch nicht am Ziel ist - wie könnte er sonst das Ziel all unserer Ziele sein ohne abgründige Verunsicherung auszulösen -, sondern weil er mit dem Menschen noch nicht am gemeinsamen Ziel ist, liebend mit allen vereint zu sein. Jesu Weg ist bleibend an den unsren gebunden. Er verkörpert genau jene Spannung, in der wir selber in unserer Existenz im Medium der Hoffnung auf ihn stehen. Die eschatologische Identität Jesu Christi ist unsere eigene menschliche eschatologische Identität, weswegen eine Verähnlichung und Gleichzeitigkeit (vgl. KIERKEGAARD) überhaupt Sinn macht. Identitätspunkt extra se ist allein die Treue Gottes selbst - zu seinem Sohn und zu uns Menschen bis über den Tod hinaus. Nicht mehr opportun ist eine Ableitung vom griechischen Seinsbegriff. Entscheidend für solche und ähnliche Fragen dürfte das Verhältnis von Auferstandenem und Wiederkehrendem sein, das auch für eine Ethik der (christlichen) Hoffnung wichtige Basisannahmen liefern könnte. 1055 Vgl. ebd. 319. 1056 Vgl. ebd. 327 und 334. 1057 Vgl. SCHAEFFLER, Was dürfen wir hoffen? , 120. <?page no="362"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 362 β Absolute Zukunft und die Unverfügbarkeit Gottes in der Hoffnung - KARL RAHNER "Man weiß nur, wer Gott und wer der Mensch ist, wenn man hofft, d.h. wenn man sich auf das Unverfügbare als das Selige gründet, das als solches in der Hoffnung und nur so anwest." 1058 Der Christ ist für KARL RAHNER einer, der der Zukunft mehr verpflichtet ist als der Vergangenheit und der Vergangenheit allererst aus der Zukunft heraus. Seine Hoffnungstheologie 1059 ist geprägt von der Formel: „Das Christentum ist die Religion der absoluten Zukunft.“ 1060 Er fordert zwar, dass das Christentum als eine solche Religion der absoluten Zukunft in ihrem unüberbietbarem Charakter keine innerweltlichen Zukunftsutopien habe, wir müssen aber präzisieren, dass dieses niemals auf jene reduziert werden darf, sonst hätten wir es mit einer „utopistischen Ideologie“ 1061 zu tun, umgekehrt aber das Christentum durchaus herausgefordert ist, die Verheißung der absoluten Zukunft in die Welt hinein ermöglichend und zugleich korrigierend zu übersetzen. Für RAHNER ist nun die Offenbarung der Verheißung dieser absoluten Zukunft dem Menschen die Bedingung der Möglichkeit, sich wichtig zu nehmen und damit „die Frage nach sich als Ganzem und nach dem Sinn schlechthin“ 1062 zu stellen. Diese Hoffnung ist von der Welt nicht infrage zu stellen, weswegen dem Menschen in dieser seiner Hoffnung niemand und nichts (potentiell) das Bewusstsein seines absoluten Wertes nehmen könne - ein für die anvisierte Ethik der Hoffnung und deren anthropologische Grundlegung zentraler Gedanke, der in beide Zeitrichtungen ausgedehnt werden muss. „Der Christ hat nicht nur eine absolute Zukunft, sondern auch eine absolute Herkunft. Allerdings vermag diese Herkunft nur dann den Rang eines verpflichteten Erbes und einer inspirierenden, wegweisenden Macht für unserer Gegenwart zu beanspruchen, wenn sie 1058 Vgl. RAHNER, K., Zur Theologie der Hoffnung, in: Ders., Schriften zur Theologie Bd. VIII, 561-579, hier 574. 1059 Vgl. in Auswahl RAHNER, K., Zur Theologie der Hoffnung, in: ders., Schriften zur Theologie Bd. VIII, Einsiedeln 1967, 561-579. Ders., Theologische Prinzipien der Hermeneutik eschatologischer Aussagen, in: Ders., Sämtliche Werke Bd. 12, Freiburg im Breisgau 2005, 489-510. Ders., Eschatologie (Art.), in: Ders., Sämtliche Werke Bd. 17/ 2 - Enzyklopädische Theologie, Freiburg im Breisgau 2002, 1022-1029. Ders., Die Sinnfrage als Gottesfrage, in: ders., Schriften zur Theologie, Einsiedeln 1983, 195-205. Ders., Immanente und transzendente Vollendung der Welt, in: ders., Schriften zur Theologie Bd. VIII, Einsiedeln 1967, 593-609. Ders., Über die theologische Problematik der „neuen Erde“, in: ders., Schriften zur Theologie Bd. VIII, Einsiedeln 1967, 580-592. Ders., Marxistische Utopie und christliche Zukunft des Menschen, in: GARAUDY, R. / METZ, J.B. / ders., Der Dialog. Oder: Ändert sich das Verhältnis zwischen Katholizismus und Marxismus, Reinbeck 1966, 9-25. Ders., Was Hoffnung vermag, in: Junge Kirche 34 (1973), 178-183. Als Sekundärliteratur kann zurate gezogen werden SPLETT, M., Beobachtungen zur Hoffnung in der Theologie Karls Rahners, unveröffentlichte Diplomarbeit, Mainz 1995. KALUZA, K., Unbedingte Hoffnung in der Erfahrung der Geschichte. Auferstehungstheologie von Karl Rahner, in: ZKTh 129 (2007) 3-32. Nach wie vor scheint es keine Überblicksarbeit zur Hoffnung bei KARL RAHNER zu geben. 1060 Vgl. RAHNER, K., Marxistische Utopie und christliche Zukunft des Menschen, in: GARAUDY, R. / METZ, J.B. / RAHNER, K., Der Dialog. Oder: Ändert sich das Verhältnis zwischen Katholizismus und Marxismus, Reinbeck 1966, 9-25, hier 13. 1061 Vgl. RAHNER, Marxistische Utopie und christliche Zukunft des Menschen, 18. 1062 Vgl. ebd. 22. <?page no="363"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 363 im Lichte der Zukunft, der Endgeschichte verstanden wird.“ 1063 Diese von RAHNER vorgeschlagene „absolute Zukunft [...] ist Zukunft des Absoluten.“ 1064 Dadurch wird sie aber noch lange nicht ungeschichtlich oder ortlos, sondern lediglich unbedingt gedacht, eben gänzlich und absolut. Dennoch ist es der Vorwurf an die transzendentale Denkform, und damit auch an RAHNER, eine abstrakte Zeit zu favorisieren, die nicht eschatologiefähig ist. Demgegenüber konnten dann marxistisch angehauchte Theologien den Trost in der Gegenwart angesichts der Welt stark machen. 1065 Die Idee von der absoluten Hoffnung kulminiert bei RAHNER allerdings in die der transzendentalen Auferstehungshoffnung: „Der Mensch vollzieht mit transzendentaler Notwendigkeit entweder im Modus der freien Annahme oder der freien Ablehnung den Akt der Hoffnung auf seine Auferstehung.“ 1066 RAHNER bemüht sich um eine Verhältnisbestimmung der drei theologischen Tugenden zueinander, wenn er festhält, dass diese nicht äquidistant zueinander sein müssen und der Hoffnung eine spezifisch einigende Funktion zukomme. 1067 „Hoffnung besagt den einen Grundcharakter der Entgegennahme von Wahrheit und von Liebe: das bleibende ‚Von-sich-weg‘ in die Unverfügbarkeit Gottes. Umgekehrt kann man sagen: Wo Hoffnung als das radikale Sicheinlassen auf die absolute Unverfügbarkeit getan wird, da erst ist eigentlich begriffen, was, oder besser: Wer Gott ist.“ 1068 Dabei trifft er eine feinsinnige Unterscheidung, wonach Hoffnung nicht ursprünglich der Modus des Durch-die- Geschichte-auf-die-Engültigkeit-Zugehens ist, sondern „Grundmodalität des Verhältnisses zum Endgültigen“ 1069 . Festgehalten werden soll insbesondere die Bewegung des „vonsich-weg“, die für die Struktur der Hoffnung außerordentlich charakteristisch ist und gerade dabei einen positiv-affirmativen Selbstbezug ermöglicht. Darüber hinaus deutet er eine weitere für die vorliegende Fragestellung zentrale Differenzierung an, wenn er die Legitimation einer vernunftgemäßen Hoffnung durch theoretische Vernunft von der Konstitution einer solchen Hoffnung unterscheidet, die deren Grund auszuweisen hätte, der aber mittels theoretischer Vernunft nicht mehr eingesehen werden kann - und somit auf praktische Vernunft und deren Voraussetzungen, letztlich auf basales Vertrauen selbst, angewiesen ist. 1070 So gesehen müssen wir hoffen im Sinne einer transzendentalen Notwendigkeit. Und im Akt der Hoffnung ist mindestens implizit die Annahme der 1063 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 23. 1064 Vgl. SPLETT, J., Docta Spes, 394. 1065 Vgl. dazu die Beiträge in GARAUDY / METZ / RAHNER, Der Dialog. 1066 Vgl. RAHNER, K., Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums, Freiburg im Breisgau 9 2001, 264, Anm. 43. Vgl. dazu insgesamt KALUZA, K., Unbedingte Hoffnung in der Erfahrung der Geschichte. Auferstehungstheologie von Karl Rahner, in: ZKTh 129 (2007) 3-32. 1067 Vgl. RAHNER, Zur Theologie der Hoffnung, 566 und 569. 1068 Vgl. ebd. 569. 1069 Vgl. ebd. 570. 1070 Vgl. ebd. 573. „Man kann zwar ‚theoretisch‘, ‚grundsätzlich‘ zeigen, dass es Hoffnung geben müsse. Aber das macht die Hoffnung nicht zu einer sekundären Funktion der theoretischen Glaubenseinsicht. Denn die konkrete Hoffnung des je Einzelnen auf sein Heil wird zwar durch diese theoretische Einsicht und durch das Wissen um die allgemeine Verheißung vor der theoretischen Vernunft in gewisser Weise legitimiert, sie kann aber von dieser selbst allein nicht konstituiert werden, da sie den Grund dieser konkreten Hoffnung nicht beistellen kann: den konkreten, von Gott allein ausgehenden und in ihm verborgen bleibenden ‚wirksamen‘ Heilswillen Gottes.“ <?page no="364"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 364 Verwiesenheit auf die Unverfügbarkeit Gottes immer schon enthalten. 1071 RAHNER schreibt: „Man weiß nur, wer Gott und wer der Mensch ist, wenn man hofft, d.h. wenn man sich auf das Unverfügbare als das Selige gründet, das als solches in der Hoffnung und nur so anwest.“ 1072 Diese Hoffnung hat eine individuelle, eine gesellschaftliche und eine kosmische Dimension: Der gesamt Raum und die gesamte Zeit werden von dieser Hoffnung erreicht und durchschritten, sodass sie ihre Strukturen der Welt einprägen kann. RAHNER war sich der Bedeutung der (Fundamental-) Anthropologie für ein solches Unterfangen wohl bewusst, wenn er schreibt: „Für eine heutigen Ansprüchen angemessene Eschatologie bedarf es der Grundlegung durch eine transzendentale Anthropologie, in der sich der Mensch als das auf die offene Zukunft sich entwerfende Wesen, als das Wesen der Hoffnung, als zu absoluter Zukunft von Gott her ermächtigt begreift.“ Damit geht darüber hinaus eine absolute Würdigung des Menschen einher, sobald er beginnt, sich in die Größe dieser Hoffnung hineinzustellen, die den Gegenstand seiner Bestimmung als Mensch zum Ausdruck bringt. Diese Hoffnung ist letzter Grund menschlicher Würde. Schließlich gründet alles Wagnis der Praxis und aller Handlungsmut in dieser Hoffnung. Selbst die schon häufiger erwähnte Daseinsannahme in der Hoffnung geschieht durch ein vertrauend-hoffendes Sich-loslassen in das unverfügbare Geheimnis Gottes hinein. Für RAHNER wird im Laufe seines theologischen Schaffens die Kategorie der Hoffnung immer wichtiger, bis dahin, dass sie ihm zum Schlüsselbegriff für das Verständnis des Christentums überhaupt wird, wiewohl er keine explizite Anthropologie der Hoffnung entwickelt hat. 1073 Grundbegriffe zur Explikation der Bedeutung von Hoffnung sind ihm Freiheit und Tod - beides als Wege zur Hoffnung. In der Partikularität konkreter Freiheitsvollzüge zeigt sich demnach und immer wieder in der Frage nach dem Sinn des Ganzen eine Daseinstotalität, der gegenüber wir in einem transzendentalen „Vorgriff des Seins“ Hoffnung oder Verzweiflung einnehmen. Ganz analog kann schließlich die Ausweglosigkeit der Todessituation, die „Urkontradiktion des Daseins“, als Voraussetzung für die Möglichkeit von Hoffnung gelten, sonst könnte und müsste sich der Mensch in seinen Hoffnungen gar nicht so wichtig nehmen, wenn nicht der Tod dafür eine absolute Bedrohung darstellen würde. Das Umgekehrte gilt freilich auch: Ohne immer schon mindestens implizit anwesende absolute Hoffnung auf endgültigen Sinn könnte es keine Erfahrung abgründiger Sinnlosigkeit geben. 1074 Daher kann in Abwandlung des berühmten Wortes vom „anonymen Christen“ von einer „anonymen Hoffnung“ gesprochen werden. Solche Hoffnung ist Wagnis und Mut, und Hoffnung für andere kann als Verantwortung für andere gedeutet werden. Trotz der in der Offenbarung begründeten Notwendigkeit zur inhaltlichen Qualifizierung christlicher Hoffnung kennt RAHNER eine wichtige „gnoseologische Dunkelheit“ 1075 der Hoffnung, wonach nicht prinzipiell 1071 Vgl. ebd. 575. 1072 Vgl. ebd. 574. 1073 Vgl. SPLETT, Beobachtungen zur Hoffnung in der Theologie Karls Rahners, 39ff. 1074 Vgl. RAHNER, K., Schriften zur Theologie Bd. X, Einsiedeln 1972, 193 und 194. „Die wirkliche christliche Hoffnung angesichts des Todes erhofft ja gerade in der radikalen Anerkennung der Ohnmacht des Menschen in Denken und Wollen vor der absurden Urkontradiktion des Daseins eine Einheit, eine Versöhnung des Widersprüchlichen, einen Sinn des Daseins, eine ewige Gültigkeit der freien Liebe, einen Aufgang absoluter Wahrheit, so dass alles dieses Erhoffte erhofft ist, d.h. eben weder in der Verfügung des selbstmächtigen Denkens noch in der Verfügung der eigenen Macht steht.“ 1075 Vgl. RAHNER, K., Schriften zur Theologie Bd. X, 189. <?page no="365"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 365 einsehbar ist, ob man hofft, wenn man glaubt zu hoffen. Auch in dieser Hinsicht ist Hoffnung ein Wagnis. Für RAHNER zielt nun Hoffnung ganz im Sinne der hier vertretenen These zutiefst auf Sinnhaftigkeit, deren entscheidende Bewegung im schon erwähnten Von-Sich-Weg als Sich-loslassen in Hingabe gefunden werden kann. Die Nähe zur Liebe wird deutlich. In solcher Hoffnung gibt sich die Endgültigkeit von Geschichte und Existenz zu erkennen, insbesondere als Hoffnung für alle. Damit geht notwendig eine Gegenwartskritik einher und eine Relativierung von Utopien und zugleich wird der Dienst an der Welt ermöglicht. Es gibt eine Berechtigung von Zukunftsentwürfen genauso wie es ein Eingehen in eine offene und unplanbare Zukunft gibt. Hier wie dort kann die inzwischen bekannte Hoffnungsspannung zwischen den jeweiligen Spannungspolen klar identifiziert werden, etwa wenn Hoffnung eine mehrfache spannungsgeladene Vermittlungsaufgabe verkörpert: vorläufig und endgültig, annehmen und loslassen, aktiv und passiv, Gott und Welt, Sinn und Absurdität, etc. - immer aber mit Blick auf eine „ankünftige Zukunft“. Die menschheitliche Brisanz des Verhältnisses zur Zukunft kann mit RAHNER über einen bereits 1969 veröffentlichten Aufsatz weiter expliziert werden. 1076 Im Rahmen von Selbstverfügungs- und Selbstmanipulationsbewegungen ist dem Menschen in der Moderne ein zunehmender Zugriff auch auf die je eigene materiale Zukunft möglich, die erst im Laufe der Moderne als solche hervorgetreten ist. Die Theologie hat dabei „gerade mit dem letzten, totalen Selbstverständnis des einen ganzen Menschen zu tun.“ Und „Selbstmanipulation sagt: Heute ändert der Mensch sich. [...]: planend, aktiv handelnd ändert der Mensch sich selbst“ 1077 , er ist faber sui ipsius und muss es auch sein, wird er doch in einer epochal neuen Weise als offenes, unfertiges, mithin selbstgestaltungswilliges Wesen betrachtet. Menschliche Selbstverfügung ist dabei vieldimensional und plural und mindestens implizit bezogen auf den ganzen Menschen. RAHNER schreibt präzise und weitsichtig. „Der Mensch ist für eine christliche Anthropologie das sich selbst manipulierende Wesen. [...] Denn für ein christliches Verständnis ist der Mensch als Freiheitswesen vor Gott in radikalster Weise derjenige, der über sich selbst verfügt, der in Freiheit sich in seine eigene Endgültigkeit hineinsetzt.“ 1078 Dabei bleibt ihm die Ambivalenz von Gut und Böse auch im Rahmen seiner Selbstverfügung erhalten. „So entsteht die Frage, nach welchem ‚Wesen‘ des Menschen sich denn die kategoriale Selbstmanipulation des Menschen zu richten habe, damit sie ihn nicht mit sich selbst in einen radikalen, zerstörerischen Selbstwiderspruch setze.“ 1079 Einer der entscheidenden Gedanken ist nun, dass „Anamnese der Wesensidee auch immer Prognose, der freie Entwurf der Zukunft 1076 Vgl. RAHNER, K., Experiment Mensch. Theologisches über die Selbstmanipulation des Menschen, in: Ders., Experiment Mensch. Vom Umgang zwischen Gott und Mensch, Hamburg 1973, 29-55. 1077 Vgl. RAHNER, Experiment Mensch, 29 und 31. 1078 Vgl. ebd. 38 und 40. „Der Mensch schafft sich nicht mehr bloß als sittliches und theoretisches Wesen vor Gott, sondern als irdisch leibhaftiges, geschichtliches Wesen. [...] Der Mensch ist nicht mehr bloß auf Ewigkeit, sondern auf Geschichte als solche selbst hin der sich selber Tuende. Aber gerade so erscheint, was er immer schon war. Was er immer ist vom Grunde seines transzendentalen, geistigen Freiheitswesens her, ergreift nun auch seine Physis, Psyche und Sozialität und kommt als solche in diesen Dimensionen zur ausdrücklichen Erscheinung.“ 1079 Vgl. ebd. 42 und 43. „Denn man hat sehr oft in der konkreten Moral von einem faktischen, aber gar nicht wesensnotwendigen, wenn auch bisher stabilen, aber jetzt eben in den Wandel des sich selbst steuernden Menschen hineingezogenen Zustand des Menschen her gesprochen.“ <?page no="366"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 366 ist“ 1080 . Mit andere Worten. Alle Wesensaussage ist immer schon Entwurf und Prognose und daher mit grundlegenden Hoffnungsannahmen verbunden, denen wir uns nun, das kann als Teil der Herausforderung humaner Selbstgestaltung bezeichnet werden, selbstmanipulativ anzunähern versuchen. Aber es gibt für RAHNER auch Grenzen. Der Tod als Inbegriff des Unverfügbaren, Schuld, Vergeblichkeit und Leid, ganz abgesehen von irreparablen Folgen unserer Selbstverfügung, hinter die wir nicht mehr zurückkönnen. 1081 Alle Selbstmanipulation steht mithin bleibend unter dem Vorbehalt des Todes. Es gehört nun zum Paradox des Christentums, dass aus dem rechten Verhältnis zum Tod die größte, weil immanent nicht mehr widerlegbare Hoffnung erwachsen kann. Daher kontrastiert er die selbstmanipulative Gestaltung der Zukunft mit dem, was dem Menschen von Gott her aus der Zukunft unverfügbar entgegenkommt. „Wir sagen, das Christentum sei die Religion der absoluten Zukunft, insofern erstens Gott nicht nur ‚über uns‘, Grund und Horizont der Geschichte ist, sondern als unsere eigene Zukunft ‚vor uns‘ ist als das Einzuholende als das, was als die Zukunft der Geschichte diese trägt. [...] Damit ist aber zweitens gesagt, dass der letzte Zukunftsentwurf des Menschen, der ihm von Gott selbst zugeschickt, zu dem er ermächtigt ist, nicht auf das Plan- und Machbare aus der Vielheit der pluralen Welt zielt, sondern alle solchen innerweltlichen Zukunftsentwürfe immer schon überholt, sie kritisiert, ihnen den Schein des Absoluten entreißt und sie so bestätigt. Alle Planung des Menschen, aller aktive, eine Pluralität von Vorgegebenheiten manipulierende Selbstvollzug des Menschen ist umfasst von dem Unplanbaren und Unmanipulierbaren des Ereignisses des als Liebe sich zuschickenden unendlichen Geheimnisses, das wir erfahren und Gott nennen. Der Mensch ist nicht nur auf die Zukunft seines Praktikablen aus, sondern er erfährt in deren Tat das Ungetane, Zugeschickte, und dieses als die Unendlichkeit der absoluten Wirklichkeit, die Liebe ist.“ 1082 Damit würdigt er aber dennoch den aktiven und selbstgestaltenden Entwurf des Menschen in die Zukunft hinein, indem er ihn transparent macht für die absolute, unverfügbare Zukunft. „Der innerweltlich aktive Selbstentwurf in der Selbstmanipulation der Menschheit hat grundsätzlich zunächst einmal eine positive Beziehung zur glaubendhoffenden Selbsteröffnung des Menschen auf die absolute Zukunft hin.“ 1083 Der Mensch hat sich selbst als einen hervorzubringen, der sich von einer sich eröffnenden Zukunft her auf diese Zukunft hin als den Nächsten liebend erweist und sich auf diese Weise zu dem macht, was er ist und sein soll. Christliche Hoffnung setzt mithin für ihren Selbstvollzug eine gestaltbare, offene Zukunft voraus, die sich allerdings auf ihre eigene Herkunft aus einer absoluten Zukunft bleibend verwiesen weiß. Alle geschlossenen, hermeti- 1080 Vgl. ebd. 44 und 45. „Das ‚Wesen‘ variiert offenbar um eine innerste Mitte, und diese Mitte zusammen mit den Wesensvariationen samt den Aberrationen und Versuchen, das alte Wesen neu auszusagen, all das macht erst das ganze Wesen aus.“ 1081 Vgl. ebd. 53. „Er [der Mensch, R.L.] sieht seine Grenze: das Unmanipulierbare und den Tod, seinen Tod, mitten aus dem Manipulierbaren aufstehen. Und er wird immer fragen, ob dieses Unergründliche, das ihn umgibt, die Leere der absoluten Absurdität ist oder die Unendlichkeit des Geheimnisses der Liebe, die absolute Zukunft, die durch den Tod aufgeht, so dass der Mensch sich erst wahrhaft erfunden, gefunden hat, wenn er dies annimmt, was schon immer möglich ist, auch wo die kategoriale Selbstmanipulation noch ganz am Anfang steht.“ 1082 Vgl. ebd. 48-49. 1083 Vgl. ebd. 51 und 55. „Alle [theologischen Fragen bzgl. der Selbstmanipulation des Menschen, R.L.] würden wohl in die schlichte Erfahrung münden, dass der Mensch wirklich Geschichte macht, also so sich selbst, und dass er gerade darin nicht sich selbst gehört, sondern dem Geheimnis der Liebe.“ <?page no="367"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 367 schen Systeme produzieren Hoffnungslosigkeit. RAHNER fordert daher weitsichtig über die bisherigen Überlegungen hinaus im Kontext des scholastischen Axioms gratia supponit naturam und mit Blick auf den jeweiligen theologischen Gegenstand die zugehörigen naturalen Strukturen zu identifizieren. 1084 Konsequent muss daher mit RAHNER nach den naturalen Strukturen der Hoffnung gefragt werden, was sich exakt auf der Linie der vorliegenden Arbeit bewegt. Der Mensch, der nach RAHNER der absoluten Hoffnung entspricht, ist von HEIDEGGER wie folgt zu bestimmen: Er entwirft sich auf (absolute) Zukunft hin - im Entwurf nimmt er eine positive Gestalt von sich selbst vorweg, weswegen er hofft. Menschliches Sein ist zwar Sein zum Tode, aber der Tod wird auf das Diesseits hin interpretiert ohne ein Jenseits, wobei nach der Bedeutung des Jenseits für die diesseitige Praxis zu fragen wäre, schließlich ist auch der Tod als Schwellenphänomen zu interpretieren. Als Zusammenfassung mag ein längerer Text von RAHNER stehen, der aus struktureller Perspektive viele Facetten seines Konzepts absoluter Hoffnung konkretisiert: „Ich nehme mich an. Ich nehme mich an ohne Protest mit all den Bedingtheiten und Zufälligkeiten meiner biologischen und geschichtlichen Existenz, auch wenn ich das Recht und die Pflicht habe, daran zu ändern und zu verbessern, was mir daran belastend zu sein scheint. Gerade dieser kritische Wille zur Veränderung meiner Existenz in all ihren Dimensionen ist die Weise und der Beweis dafür, dass ich im letzten dieses Dasein wirklich annehme. Aber bei aller Erwartung, es lasse sich wirklich etwas ändern, bleibt dieses Dasein (meines und das der anderen, für das ich mich ebenso verantwortlich weiß) undurchsichtig, lastend, nicht auflösbar in eine herrschaftsgebende Durchsichtigkeit, kurz voller Schmerzen und Ratlosigkeiten, untertan dem Tod. […] Dieses Dasein nehme ich an, nehme ich an in Hoffnung. In der einen Hoffnung, die alles umfasst und trägt, von der man nie weiß, ob man sie wirklich hat (oder nur zu haben sich vormacht, weil es einem im Augenblick leidlich gut zu gehen scheint), in der Hoffnung, deren inneres Licht ihre einzige Legitimation ist, in der Hoffnung, dass die Unbegreiflichkeit des Daseins (bei allem nahen Schönen, das darin auch steckt) sich einmal enthüllen wird in ihrem letzten Sinn und dieser endgültig und selig sein wird. Es ist eine totale Hoffnung, die ich nicht ersetzen kann durch ein unentschiedenes Gemisch aus ein wenig Hoffnung und uneingestandener Verzweiflung, die aber in der innersten Mitte ihrer Existenz immer auch dann noch vorhanden ist, wenn auf der vorderen Bühne meines Lebens nichts als Sinnlosigkeit und Verzweiflung zu agieren scheinen. Diese umfassende und bedingungslose Hoffnung will ich haben; ich bekenne mich zu ihr; sie ist meine höchste Möglichkeit und das, was ich als meine eigentliche Lebensaufgabe verantworten muss.“ 1085 γ Politische Theologie und Memoria passionis „Alle Zukunft der Welt bleibt Herkunft aus der Stunde Christi“ 1086 JOHANN BAPTIST METZ geht von einem engen Zusammenhang zwischen neuzeitlicher Säkularisierung und modernem Primat der Zukunft aus. Er attestiert der Moderne 1084 Vgl. RAHNER, K., Kirchenvolk heute, in: Ders. Experiment Mensch. Vom Umgang zwischen Gott und Mensch, Hamburg 1973, 19-28. 1085 Vgl. RAHNER, K., Geistliches Lesebuch, hrsg. von LEHMANN, K. / RAFFELT, A., Freiburg im Breisgau 1982, 21-22. 1086 Vgl. METZ, J.B., Zur Theologie der Welt, Mainz 1968, 28. <?page no="368"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 368 ein „operatives“ und handlungsbezogenes Verhältnis zur Zukunft. Schließlich begegnen wir in und an der Welt zunehmend uns selbst und unseren Möglichkeiten, aber auch den Konsequenzen unseres Handelns. Zuvörderst gibt es ein Engagement an der eigenen Zukunft. „Die Überzeugung von der Nähe des in Jesus angesagten und angebrochenen Reiches bewirkte eine solche Konzentration und Mobilisierung auf die Zukunft Gottes, dass daneben alles Nur-Überlieferte und Nur-Gegenwärtige seine Eigenbedeutung verlor, die Zukunft Gottes aber gegenwartsbestimmend wurde.“ 1087 Wird daraus Hoffnung abgeleitet, dann eignet ihr ein revolutionärer Geist. Denn die Selbstmitteilung Gottes ist nicht Aussagewort, sondern Ansage, Ankündigung, Verheißung von „Neuem“, das nicht einfach Korrelat unserer Projektionen ist, sondern, weil es radikal Neues eröffnet, etwas Revolutionäres hat. METZ hat nun die Grundspannung von Erinnerung und Verheißung, die letztlich eine Hoffnungsspannung ist und im Hintergrund des erwähnten revolutionären Geistes ausgemacht werden kann, in eine politische Theologie transformiert, quasi so etwas wie eine politische Sozialtheologie formuliert. Was er nicht vorrangig formuliert hat ist der Ertrag für das Handlungssubjekt aus individualethischer Perspektive und die daraus abzuleitenden ubiquitären Strukturen allen (christlichen) Handelns, so es sich ableiten lassen von der erwähnten Verheißungsstruktur: Es ginge um eine Ethik der Hoffnung auf dem Hintergrund einer erinnernden Verheißung und einer verheißungsvollen Erinnerung. METZ nimmt seinen theologischen Ausgang von der Inkarnation, um von dort zur Eschatologie zu gelangen. Damit wird ein Neuansatz im Verhältnis zur neuzeitlichen Geschichte formuliert: von einer Theologie der Welt hin zu einer Theologie der offenen Zukunft (der Welt), die noch radikaler auf Hoffnung angelegt und verwiesen ist, was vielfältige Verhältnisbestimmungen zur „Weltlichkeit der Welt“ 1088 , deren Eigenstand und Autonomie und zur Begründung von Weltverantwortung mit sich bringt. 1089 Christliche Hoffnung ist in diesem Sinne notwendig im Kontext der Entäußerung Gottes in die Geschichte zu verstehen. Einzig auf diesem Hintergrund wird die Entstehung der Politischen Theologie verständlich, die sich zwar von der Eschatologie her und als Eschatologie versteht und dabei zugleich Theologie der Welt und der Geschichte sein will. Hier zeigt sich erneut die der integralen Hoffnung eigene Struktur der Spannungseinheit von Polaritäten, die, je mehr diese in ihrer Verwiesenheit freigelegt werden, desto deutlicher zutage tritt. Konsequent wird daraufhin auf die „Differenz zwischen Planung und Hoffnung“ 1090 hingewiesen, in der vorliegenden Nomenklatur zwischen Erwartung und Hoffnung, um deutlich zu machen, dass zwischen einer planenden, technologisch-technokratischen und rationalisierten Zukunft auf der einen Seite, die immer in der Gefahr steht, den Menschen zu instrumentalisieren und die Wirklichkeit zu verkürzen, und einer unter dem eschatologischen Vorbehalt stehenden offenen Zukunft, die die Vorläufigkeit alles Gegenwärtigen zum Ausdruck bringt und 1087 Vgl. PANNENBERG, W., Der Gott der Hoffnung, in: UNSELD, S. (Hrsg.), Ernst Bloch zu ehren, Frankfurt 1965, 209-225, hier 212. 1088 Vgl. GOGARTEN, F., Der Mensch zwischen Gott und Welt, Stuttgart 4 1967. Ders., Die christliche Hoffnung, in: Deutsche Universitätszeitung 9 (1954), 3-7. Ders., Verhängnis und Hoffnung der Neuzeit. Die Säkularisierung als theologisches Problem, Stuttgart 1953. 1089 Vgl. SCHAEFFLER, Was dürfen wir hoffen? , 80. Neuzeitliche Geschichte „ist nun nicht mehr primär als Explikation der im Christusereignis schon gewirkten Weltgestalt zu begreifen, sondern vielmehr als offene, ungesicherte Zukunft erst noch zu entscheiden. So führt der Weg von einer christologisch zentrierten Theologie der Welt zu einer Theologie, die es mit der Entscheidung offener Zukunftsmöglichkeiten zu tun hat.“ 1090 Vgl. METZ, Zur Theologie der Welt, Mainz 1968, 145. <?page no="369"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 369 damit ideologiekritisch jede Verabsolutierung und Verschließung entlarvt, grundsätzlich unterschieden werden muss - auch um wahre von falscher Hoffnung zu unterscheiden. Damit wird der eschatologische Vorbehalt als Schutz endlicher Freiheit und damit als Bewahrung und Ermöglichung von Hoffnung begriffen, ein so zentraler wie latent vergessener Gedanke. 1091 Eine weitere Befragung der Theologumena von METZ auf ihre Struktur und Funktion zum Erhalt und Vollzug von Hoffnung lässt folgende Aspekte noch wichtig erscheinen: Es findet keinerlei Divinisierung von Zukunft statt, wie der Verdacht bei BLOCH bestand, sondern eine Reflexion auf den Gott der Zukunft für den Menschen. 1092 Die Erinnerung an die unerfüllten Hoffnungen der Menschheit und an unabgegoltenes Leiden, die memoria passionis, ist unter diesen Voraussetzungen subversiv und ideologiekritisch und ermöglicht Solidarität mit Opfern und Sündern. Mit MAGNUS STRIET kann festgehalten werden: „Die Metzsche negative Theologie ist eine Theologie des Vermissens Gottes. Ihr Thema ist der Gott, der Zukunft für den Menschen hat und der Gerechtigkeit für die Ausgegrenzten und Gedemütigten, für die unzähligen Opfer der Geschichte verheißt. Bestimmter kann nicht von Gott geredet werden. Ohne diese bestimmte, sich an seinen geoffenbarten Namen knüpfende Hoffnung könnte Gott nicht vermisst werden.“ 1093 Mit anderen Worten: Bei METZ ist Hoffnung Ausdruck eines Vermissens Gottes, das dem menschlichen Wesen eingezeichnet ist, quasi an ihm abgelesen werden kann und dennoch das Entgegenkommen Gottes in der Offenbarung benötigt, um beantwortet zu werden. „Der Versuch, die ganze Theologie als Anthropologie zu lesen und zu verstehen, ist eine wichtige Errungenschaft gegenwärtiger theologischer Arbeit. Doch diese ‚anthropologisch gewendete‘ Theologie bleibt so lange in Gefahr, welt- und geschichtslos zu werden, als sie nicht ursprünglicher als Eschatologie verstanden wird. Nur im eschatologischen Horizont der Hoffnung erscheint nämlich die Welt als Geschichte. Nur im Verständnis von Welt als Geschichte kann die fundamentale und bleibende Bedeutung des Menschen und seiner freien Tat für das Verständnis von Welt begründet werden. Nur diese zentrale Bedeutung der menschlichen Freiheit ermöglicht eine legitime ‚christliche Anthropozentrik‘. Die ‚anthropologische Wende‘ der Theologie gründet in der ‚eschatologischen Wende‘. Denn erst im eschatologischen Horizont zeigt sich Welt als eine entstehende Wirklichkeit, deren Prozess der Freiheit des Menschen aufgegeben ist.“ 1094 Auf diese Weise versucht METZ eine Begründung politischer Theologie, die wichtige Einsichten auch für eine Ethik der Hoffnung bereit hält, deren Aufgabe es schließlich ist, das Kerygma der von Gott verheißenen Zukunft als handlungswirksam zu 1091 Vgl. ebd. 110. 1092 Vgl. ebd. 88. „Die christliche Eschatologie ist keine Ideologie der Zukunft, sondern vielmehr eine theologia negativa der Zukunft.“ 1093 Vgl. STRIET, M., Gott vermissen. Ist Politische Theologie ein Projekt der Zukunft, in: Herder Korrespondenz 62 (2008) 9, 455-460, 456 und 460. Dort heißt es zurecht und mit Konsequenzen für eine Ethik der Hoffnung: „Ist die Theologie politisch, so macht sie aus ihrem Bewusstsein heraus aufmerksam auf das, was fehlt. Ist sie nicht politisch, so verrät sie den Gerechtigkeit wollenden Gott.“ 1094 Vgl. METZ, J.B., Verantwortung der Hoffnung. Vier Diskussionsthesen, in: Stimmen der Zeit, 91 (1966), 451-462, hier 457. Er schreibt weiter: „Auch Christologie und Ekklesiologie müssen im Horizont der Eschatologie entfaltet werden, sollen sie nicht rein existential-anthropologisch oder rein naturhaft-kosmologisch verkürzt werden.“ So Recht METZ an dieser Stelle hat, möchte man sofort zurückfragen, aus welchem Grund hier die Theologische Ethik nicht genannt ist. <?page no="370"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 370 erweisen, mehr noch, aufgrund der Konkretion menschlicher Handlungswirklichkeit eine Theologie der Welt mit dem eschatologischen Horizont zu vermitteln in der Einheit des Handlungssubjekts die Spannungseinheit der Hoffnungspolaritäten wiederzuentdecken. Christliche Eschatologie begründet daher Einsatz für die Welt, auch moralischer Einsatz für die eine Zukunft des Reiches Gottes und gerade kein warten, „bis die Tür zum Sprechzimmer Gottes aufgeht“ 1095 . Gegen eine Privatisierung dieser Hoffnung wird daher eine politische Theologie gesetzt, die auch ‚solidarische Hoffnung‘ ermöglichen soll, wobei sich JOSEPH RATZINGER vom Programm politischer Theologie tendenziell absetzt. 1096 So weist die in der Hoffnung verankerte „Solidarität nach rückwärts“ 1097 , die hoffende Erinnerung an all die Vergessenen, Verstummten und Verletzten der Geschichte darauf hin, dass ohne Verheißung und Hoffnung keine moralisch gehaltvolle Versöhnung denkbar ist. Politische Theologie ist daher als Theologie der Hoffnung mit starker moralischer und ethischer Substanz gerade keine Ideologie der Zukunft, schlicht genau das Gegenteil, da sie kein Wissen von der Zukunft in Anspruch nimmt, sondern diesbezüglich eine „Armut des Wissen“ 1098 favorisiert. Der Verlust solcher Eschatologie in der Theologie führt zur Verborgenheit der Zukunft in einer Seinsmetaphysik, die die Entstehung von Hoffnung gerade nicht freisetzt, sondern eher noch verschleiert. Daher wird der Mensch auch immer wieder „eine Diskrepanz zwischen dem erfahren, woraufhin er sich entwirft, und dem, woraufhin er tatsächlich lebt, zwischen Idee und Existenz“ 1099 , weswegen die erwähnte Theologie und Ethik der Hoffnung aus der Zukunft Gottes immer auch eine Theorie und Praxis menschlicher Schuld, Sünde und Konkupiszenz impliziert. Jede Nivellierung der (von Gott verheißenen und zugesprochenen) Zukunft führt zu einer Relativierung und Selbstentfremdung des Menschen. Ein Synodentext, der weitgehend von METZ verfasst wurde, spiegelt dieses Denken paradigmatisch wider. 1100 Er kreist um die Begriffe der Antizipation der neuen Schöpfung und der dafür notwendigen Umkehr 1101 , der Hoffnung als Eucharistie 1102 , der Nachfolge und dem Verhältnis von Erinnerung und Hoffnung und dem in diesem Verhältnis ansichtig werdenden Unabgegoltenen der Geschichte. Auch von evangelischer Seite kön- 1095 Vgl. METZ, Verantwortung der Hoffnung, 459. 1096 Vgl. RATZINGER, J. [P.P. Benedikt XVI], Eschatologie. Tod und ewiges Leben, Regensburg ( 6 1990) 2007, 57ff. 1097 Vgl. METZ, J.B., Glaube in Geschichte und Gesellschaft. Studien zu einer praktischen Fundamentaltheologie, 5 1992, 131. 1098 Vgl. ebd. 461. 1099 Vgl. ebd. 461. 1100 Vgl. UNSERE HOFFNUNG - EIN BEKENNTNIS ZUM GLAUBEN IN UNSERER ZEIT, gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Beschlüsse der Vollversammlung (Offizielle Gesamtausgabe I), Freiburg im Breisgau 1976. 1101 Vgl. auch mit nicht wenigen Dissonanzen KERSTIENS, F., Die Hoffnungsstruktur des Glaubens, Mainz 1969, der sich stark an MOLTMANN anlehnt und vom Gedanken der Umkehr her eine katholische Theologie der Hoffnung weiter zu entwickeln versuchte. Vgl. auch die Besprechung bei SCHAEFFLER, Was dürfen wir hoffen? , 179-199. 1102 Vgl. SCHAEFFLER, R., Kultisches Handeln. Die Frage nach Proben seiner Bewährung und Kriterien seiner Legitimation, in: Ders. / HÜNERMANN, P. (Hrsg.), Ankunft Gottes und Handeln des Menschen, (QD 77), Freiburg im Breisgau 1977, 9-50 und 324ff., der damit eine „Theorie zeichenhafter Antizipation“ vorbereitet hat, um eine Theologie der sakramentalen Antizipation vorzuzeichnen. Neben den dogmatischen Traktaten sollten auch die moraltheologischen Traktate eschatologisch bzw. hoffnungstheoretisch reformuliert werden, um die anvisierte Ethik der Hoffnung voranzutreiben. <?page no="371"?> 6. Neuzeitlich-moderne Zuspitzung 371 nen inzwischen Basistexte auf der Grundlage der Hoffnungskategorie ausfindig gemacht werden. 1103 Die Suche nach den „moralischen Bedingungen einer operativen zukunftsgerichteten Weltgestaltung“ 1104 deutet nun, mit METZ resümierend, darauf hin, den eschatologischen Vorbehalt auf Handlungstheorie zu übertragen. Dies wiederum ist für BÖCK- LE identisch mit der Frage nach dem Proprium einer christlichen Ethik, woran die Bedeutung einer angemessenen Theologie und Ethik der Hoffnung für das Selbstverständnis der Moraltheologie abgelesen werden kann. Dabei kann es nach BÖCKLE keine spezifisch christliche, materiale Sonderethik geben, aber Kriterien, um alle innerweltlichen moralischen Selbstverständnisse zu transzendieren und in verändertem je größerem Horizont neu zu verorten, was nachhaltig Orientierung und Motivation zur Verfügung stellt. Mit J.B. METZ, genauso wie für H.-U. VON BALTHASAR muss Theologie immer Theologie der Welt sein und zugleich radikal eschatologisch ausgerichtet sein auf den kommenden Gott. Das entspricht exakt der Struktur christlich-integraler Hoffnung. Neben J.B. METZ können daher auch im Werk von HANS-URS VON BALTHASAR 1105 wichtige Einsichten für die vorliegende Fragestellung einer Handlungstheorie und Theologie der Hoffnung gefunden werden. 1106 So etwa, wenn er von einer heilsuniversalistischen Theologie ausgeht, die sich vor die Frage gestellt sieht, ob Gottes Schöpfung an ihr Ende gekommen sein kann, wenn auch nur eines seiner Geschöpfe endgültig verloren wäre - die Frage nach dem finalen (moralischen) Endpunkt aller christlichen Hoffnung. Eschatologie ist dabei (streng antiplatonisch) Lehre von der Heilswahrheit 1107 , aus der „christologisch begründete Hoffnung, dass alle gerettet werden“ 1108 , abgeleitet werden 1103 Vgl. UNSERE HOFFNUNG AUF DAS EWIGE LEBEN, Ein Votum des Theologischen Ausschusses der Union Evangelischer Kirchen in der EKD, Neukirchen-Vluyn 2006. 1104 Vgl. BÖCKLE, F. Moraltheologische Überlegungen zur „politischen Theologie“, in: PEUKERT, H. (Hrsg.), Diskussion zur politischen Theologie, Mainz 1969, 178-184, hier 181. Mit Blick auf METZ ist ihm entscheidend, „dass die Geschichte ihren totalen Sinn nicht einfach in sich selbst hat, sondern in dieser ihrer letzten Unverfügbarkeit unter dem ‚eschatologischen Vorbehalt‘ Gottes steht. Das gibt jeder planend-operativen Futurologie auch einen immanenten Vorbehalt, d.h. das Nicht-gegeben-Sein des totalen Sinnes der Geschichte bildet den ontologischen Grund für einen prinzipiellen Vorbehalt in jeder Futurologie.“ Insgesamt dürfte aber heute weit eher der historische Relativismus und Pluralismus der theologisch-ethischen Aufarbeitung harren als ein historischer Totalitarismus. 1105 Vgl. das Grundlagenwerk BALTHASAR, H.U. VON, Theodramatik Bd. I - Prolegomena, Einsiedeln 1973, Bd. II.1 - Der Mensch in Gott, Einsiedeln 1976, Bd. II.2 - Die Personen in Christus, Einsiedeln 1978, Bd. III - Die Handlung, Einsiedeln 1980, Bd. IV - Das Endspiel, Einsiedeln 1983. 1106 Vgl. einschlägig zum Thema BALTHASAR, H.U. VON, Eschatologie, in: FEINER, J. / TRÜTSCH, J. / BÖCKLE, F. (Hrsg.), Fragen der Theologie heute, Einsiedeln 1957, 403-421. BALTHASAR, H. U. VON, Zu einer christlichen Theologie der Hoffnung, in: Münchner Theologische Zeitschrift 32 (1981) 2, 81-102. Ders., Was dürfen wir hoffen? , Einsiedeln 1986. Und als Sekundärliteratur etwa BAUER, G., Christliche Hoffnung und menschlicher Fortschritt. Die politische Theologie von J.B. Metz als theologische Begründung gesellschaftlicher Verantwortung des Christen, Mainz 1976. 1107 Vgl. BALTHASAR, Eschatologie, 408 und 418, wo er darauf hinweist, dass die „Gegenwärtigkeit der Eschata“ in den theologischen Traktaten (zum Abfassungszeitpunkt) noch „in den Anfängen“ stehe. 1108 Vgl. TÜCK, J.-H., Höllenabstieg Christi und Hoffnung für alle. Hans Urs von Balthasars eschatologischer Vorstoß, ThG 49 (2006), 60-65, hier 63. „Gewissheit gibt es über den Ausgang des Gerichts nicht, das verbietet der eschatologische Vorbehalt, in der Geschichte keine definitiven <?page no="372"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 372 kann. HANS-URS VON BALTHASAR will damit keine Apokatastasis panton vertreten, so als ob diese eine Lehre sein könnte. Jede Nähe dazu bezeichnet er als eine „Bemäntelung eines verdeckten Wissens“ 1109 um die (erst) eschatologische Zukunft aller Menschen, denn das würde den Freiheitsursprung menschlicher Tat nivellieren - auch gegenüber dem göttlichen Versöhnungsangebot. 1110 Auf diesem Hintergrund möchte er stattdessen fragen, „ob man, unter dem Gericht stehend, als Christ, für alle Menschen hoffen kann“ 1111 . Das apokatastische Offenhalten einer absoluten Hoffnung auf Versöhnung aller gehört nun für BALTHASAR zur christlichen Hoffnung selbst, weswegen auch die Polarität von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in Gott selbst verankert ist und über die Hoffnung vermittelt wird. 1112 Erst auf diesem Hintergrund kann eine Solidarität der Erinnerung, eine memoria passionis, ermöglicht werden mitsamt einem aus der Verheißung motivierten Einsatz. Und die Theologumena der Hoffnung - Gericht, Himmel und Hölle, Purgatorium und Parusie, Sünde und Vergebung, Kreuz und Auferstehung, descensus ad inferos und Himmelfahrt - haben die Aufgabe, in widerspruchsfreier Weise alle Aspekte christlicher Hoffnung in alle Winkel menschlicher Lebenswirklichkeit hineinzutragen, weswegen sie auch jeweils eine anthropologische Basis bzw. einen naturalen Anhaltspunkt aufzuweisen haben, die es zu identifizieren und freizulegen gälte. Ergebnis ist eine bemerkenswerte Hoffnung, die durch und durch moralisch ist, aber alle Moral weit übersteigt, die zur tätigen Weltgestaltung anregt und damit in dieser Welt einen Ort hat, zugleich aber nicht von dieser Welt ist und allererst auf diese Weise eine alternativlose Unbedrohtheit, Gelassenheit und Tatkraft freizusetzen vermag. Urteile über die Geschichte fällen zu können; aber hoffen darf und soll man als Christ, dass die unendlichen Möglichkeiten der Liebe Gottes am Ende auch den verstocktesten Sünder noch einzuholen vermögen.“ 1109 Vgl. BALTHASAR, Was dürfen wir hoffen? , 36-37. 1110 Vgl. AUGUSTINUS, In Iohannis evangelium tractatus 12, 12 (PL 35, 1490): „Du willst durch ihn nicht gerettet werden? So wirst du durch dich selbst gerichtet werden.“ 1111 Vgl. BALTHASAR, Was dürfen wir hoffen? , 13. 1112 Vgl. PIEPER, J., Über die Hoffnung, München 4 1949 (Freiburg 2006), 72. „Die ‚Antithese‘ von göttlicher Gerechtigkeit und göttlicher Barmherzigkeit ist in der theologischen Hoffnung sozusagen ‚aufgehoben‘, nicht so sehr ‚theoretisch‘ als vielmehr existentiell: die übernatürliche Hoffnung ist die gemäße existentielle Antwort des Menschen auf die Tatsache der Identität dieser, geschöpflich betrachtet, gegensätzlichen ‚Eigenschaften‘ Gottes. Wer nur die Gerechtigkeit Gottes im Blick hat, vermag so wenig zu hoffen wie wer einzig seine Barmherzigkeit sieht: beide verfallen der Hoffnungslosigkeit, der eine der Verzweiflung, der andere der Vermessenheit. Die Hoffnung allein wird der alle Gegensätze übergreifenden Wirklichkeit Gottes gerecht, dessen Barmherzigkeit seine Gerechtigkeit und dessen Gerechtigkeit seine Barmherzigkeit ist.“ <?page no="373"?> 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie 373 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie - die normative Struktur des Zeiterlebens: das Handlungssubjekt in der Dialektik von „ Schon “ und „ Noch-nicht “ „Was werden soll und werden muss, ist der Grund dessen, was ist.“ 1113 Die im Jahre 1493 erstmals in Nürnberg veröffentlichte Schedelsche Weltchronik, eine für damalige Verhältnisse monumentale Geschichte der gesamten Welt von ihren Anfängen bis in die Gegenwart hinein, benannt nach dem Arzt und Herausgeber HART- MANN SCHEDEL, ging zur Berechnung des Weltalters noch von einer biblischen Chronologie aus und rechnete daher mit einem absoluten Erdalter von 5485 Jahren seit der Erschaffung der Welt. Zeit und Raum waren überschaubar und für die Vorstellungskraft zugänglich. Aktuell, nur wenige Jahrhunderte später, können wir ziemlich exakt das Alter des Universums in einem Korridor von 13,4 - 13,8 Mrd. Jahren verorten. Damit gehen große, unüberschaubare Zeiträume einher, die erst seit wenigen Jahrzehnten einigermaßen präzise gemessen werden können. Zugleich wohnen wir seit der beginnenden Moderne einer beispiellosen Beschleunigung aller gesellschaftlichen und kulturellen Prozesse 1114 bei, die noch nicht abgeschlossen ist. Es wäre nun mehr als unhistorisch, zu denken, diese gewaltigen Veränderungen unseres Zeiterlebens und unserer Vorstellungen über die Ausdehnung der Zeit hätten keine fundamentalen Auswirkungen auf unsere Handlungswirklichkeit. Wo zunächst ein einheitlicher Zeithorizont vorherrschte, der in seiner von Gott ermöglichten und erhaltenen Qualität bedacht wurde, dagegen kaum in seiner handlungsbestimmenden Bedeutung, bricht spätestens in der Moderne diese Zeitfolie auseinander. War ehedem die zentrale Bewegungsrichtung der Zeit die Vertikale, so lässt sich seit geraumer Zeit eine grundsätzliche Horizontalisierung der vorrangigen Zeitbewegung beobachten, die die vergleichsweise späte „Entdeckung der Zukunft“ 1115 in der Moderne und die genau daran anknüpfenden Beschleunigungsprozesse allererst möglich gemacht hat. „Die Zeitvergessenheit der mittelalterlichen Kosmologie unter der Herrschaft der als ewige Gegenwart verstandenen Ewigkeit des metaphysischen Gottesbegriffs […] ist durch ein expliziertes Zeitbewusstsein abgelöst worden, das Anfang und Ende, Vergangenheit und Zukunft denkt. An die Stelle vertikaler Orientierung ist die Horizontale getreten. Nicht mehr in dem Aufstieg von Unten nach Oben wird Erfüllung gesucht, sondern auf dem Weg von der Vergangenheit in die Zukunft. Der Zug nach vorne übernimmt die Funktion des Strebens nach oben.“ 1116 Mit diesen epochalen Veränderungen wird auch die (Neu-) Entdeckung der Eschatologie im 19. und 20. Jahrhundert in Verbindung zu bringen sein. 1113 Das Zitat stammt von FRIEDRICH NIETZSCHE, zitiert nach SAUTER, G., Begründete Hoffnung. Erwägungen zum Begriff und Verständnis der Hoffnung heute, in: Ders., Erwartung und Erfahrung. Predigten, Vorträge und Aufsätze, München 1972, 69-107, hier 74. 1114 Vgl. äußerst profund ROSA, H., Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstruktur in der Moderne (stw 1760), Frankfurt am Main 2005. 1115 Vgl. HÖLSCHER, L., Die Entdeckung der Zukunft, Frankfurt am Main 1999. 1116 Vgl. HÜBNER, J., Ethik und empirische Wissenschaften, in: PFÜRTNER, S. (Hrsg.), Ethik in der europäischen Geschichte Bd. II, Stuttgart 1988, 125-148, hier 139. <?page no="374"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 374 Eines der auffälligsten Kennzeichen dieser Entwicklungen für den Kontext der vorliegenden Fragestellung ist ein Hiatus von gemessener Zeit und erlebter Zeit. 1117 Die erlebte Zeit passt sich - mangels Vorbilder, außer in den Religionen - dem Modell der gemessenen Zeit an, was das faktische Zeiterleben verkürzt und beschleunigt. Der Vollzug handlungsrelevanter Hoffnung dagegen setzt einen Zeitbegriff voraus, der nicht einfach in den populären Zeitbegriffen unterzubringen ist: Arbeitszeit und Freizeit, gemessene und erlebte Zeit, stehende Zeit des nunc stans und verrinnende Zeit der Uhr, monochromes und polychromes Zeiterleben und andere mehr. Mit KARIN GLOY soll indessen die Aufmerksamkeit auf sogenannte „Handlungszeit“ 1118 gelegt werden, mithin einer Zeittheorie, die den Versuch unternimmt, sich in den hier anvisierten übergreifenden Kontext menschlicher Handlungspraxis und Handlungstheorie einzuzeichnen, aber im Einzelnen wohl erst noch entwickelt werden muss. Spätestens mit der Moderne bricht menschliche Zeiterfahrung und Zeitreflexion auseinander: Es entsteht einmal eine physikalische Zeit, näherhin eine mit dem Raum verbundene relative Zeit abhängig vom Beobachterpunkt und zum anderen etabliert sich eine Lebenszeit, die entweder als gähnend leere Zeit (vgl. H. BERGSON: longue durée), oder als radikal beschleunigte Zeit erlebt wird, während eine absolute (lineare) Zeit Vergangenheit geworden ist. Das moderne Zeitempfinden ist daher von Kontingenz und Gleichgültigkeit bzw. sukzessiver Akzeleration geprägt. Damit gehen große Auswirkungen auf den Handlungsvollzug einher, die nach wie vor weithin unterschätzt werden. Der Mensch handelt in Zeit und aus Zeit, was bedeutet, dass mit der Veränderung des Zeiterlebens und der vorherrschenden Zeittheorie auch das Selbstverständnis seiner Handlungswirklichkeit radikalen Wandlungen unterworfen ist. Die hier vertretene eschatologische Struktur der Ethik ist dabei keinesfalls nur Moment einer theologischen Ethik, sondern kann als ubiquitäre Basis einer jeden Ethik der Hoffnung ausgemacht werden, wobei die inhaltliche Konkretisierung, Begründung und Verbürgung der jeweiligen Eschata je unterschiedlich ist. 1119 Es ist daher inzwischen weit mehr als eine Vermutung, „dass die Art und Weise der zeitlichen Orientierung das gesamte Verhalten und die thematische Ausrichtung des Menschen beeinflusst, dass infolgedessen auch das sittliche Niveau an die konkrete Beschaffenheit der Zeitperspektive gebunden ist“ 1120 . Eine sich daraus ableitende Aufgabe besteht darin, ein „Ethos der Zukunft“ 1121 zu entwerfen. Statt wie bisher überschaubare Zeiträume sind jetzt mitunter große Zeitspannen sittlich zu 1117 Vgl. dazu BLUMENBERG, H., Weltzeit und Lebenszeit, Frankfurt am Main 1986. 1118 Vgl. GLOY, K., Zeit. Eine Morphologie, Freiburg im Breisgau / München 2006. 1119 Vgl. einführend WEBSER, J., Hope, in: MEILAENDER, G. / WERPEHOWSKI, W. (Ed.), The Oxford Handbook of Theological Ethics, Oxford 2005, 291-306. 1120 Vgl. STOECKLE, B., Verabredung mit der Zeit. Einige Überlegungen zu der Frage nach der sittlichen Bedeutsamkeit der Zeitperspektive und des Zeitverhaltens, in: GRÜNDEL, J. / RAUH, F. / EID, V., Humanum. Moraltheologie im Dienst des Menschen (EGENTER, R. zum siebzigsten Geburtstag), Düsseldorf 1972, 249-263, hier 260. 1121 Vgl. STOECKLE, B., Christlicher Glaube und Ethos der Zukunft, in: SAUER, J., Normen im Konflikt. Grundfragen einer erneuerten Ethik, Freiburg im Breisgau 1977, 125-144, hier 133 und 143. Auch wenn STOECKLE darin nicht zugestimmt werden kann, ausschließlich „über eine Ethik aus Skepsis eine Ethik aus Hoffnung zu entwickeln“, bleibt doch mit ihm zu fragen: „Angesichts der Erkenntnis, dass offenbar alles Mühen um ein künftiges Ethos steht und fällt mit der Frage, ob es gelingt, dieses künftige Ethos von einer starken Hoffnung tragen zu lassen, mag man die Frage aufwerfen, ob für ein künftiges Ethos christlicher Glaube nicht gerade eschatologische Liebe und eschatologische Hoffnung ganz unbedingt einbringen müsste.“ <?page no="375"?> 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie 375 reflektieren und zu verantworten, was menschliche Planung und Prognose an klare Grenzen führt. Damit stellt sich aber die Frage nach einem begründeten Verhältnis zur Zukunft jenseits der Prognostik, womit die Frage nach der Berechtigung von Hoffnung virulent wird. Schließlich „könnte es sein, dass sich nur mithilfe des Tugendbegriffs die Markierungen erfassen lassen, die für eine zukunftsorientierte Ethik notwendig sind. [...] Dem Begriff der Tugend eignet jene Verbindung von Konkretion und Flexibilität, die für die Struktur zukunftsorientierter Ethik bestimmend ist.“ 1122 Denn das Verhältnis des Menschen zu seiner Zukunft ist immer ein Doppeltes: es ist auf der einen Seite operativ und zugleich weiß er auf der anderen Seite immer schon um den Ursprung aller Planung aus spezifischer Hoffnung. 1123 Der Mensch entdeckt sich quasi im Gegenüber seiner Zukunft als selbsttranszendentales Wesen, das nach mehr verlangt als danach, was vermeintlich ist. Als Wesen der Sehnsucht stößt er immer wieder auf die Frage nach dem Mehr-als-Alles. Die Konsequenz ist - zunächst ohne inhaltliche Bestimmungen: Um das zu sein, was er ist, braucht der Mensch mehr als er hat, weswegen er hofft. Was ist aber der Grund dieses Mehr und was lässt berechtigt, d.h. begründet, darauf hoffen? Inhaltlich bringt die hier zu verhandelnde Eschatologie 1124 die Relevanz eines Hereingerufenseins in das absolute Eschaton für jeden Menschen zum Ausdruck, als deren Proprium die Person Jesu von Nazareth gilt. Unter moraltheologischer Perspektive artikuliert sich damit die Affirmation vollständigen Könnens (bezogen auf ein absolutes Sollen) und die Affirmation eines letzten Sinns des Daseins. a) Hoffnung und Zeit - der Mensch im Gegenüber seiner Zukunft Es existieren eine Fülle von Begriffen und Theorien, die im Kontext des Verhältnisses des Menschen zu seiner Zukunft angesiedelt sind. Es kann dabei zum inzwischen vielfach geteilten und allgemeinen Selbstverständnis des Menschen gezählt werden, dass er sich selbst auslegt, auslegen muss durch sein Verhältnis zur Zeit, da er selber eine Seinsweise in der Zeit ist. Sein Dasein ist Zeitlichkeit, was ihn zwingt, auch ein Verhältnis zur Zukunft einzunehmen. Der Mensch ist „auf Zukunft hin ausgespannt“ 1125 und Zeit ist als Existential seiner Selbstauslegung zu begreifen. Dabei hat er immer zugleich „zeitinsistent“ und „zeitexistent“ zu leben und beide Formen des Zeiterlebens bzw. genauer des Zeitvollzugs machen es möglich und notwendig zugleich, dass er sich sowohl in Zeit als auch im Gegenüber seiner Zeit erlebt und vollzieht. Dessen ungeachtet hat der Mensch wirkmächtig bis in die Gegenwart der Theologischen Ethik hinein versucht, das Univer- 1122 Vgl. SCHULTZE, H., Überlegungen zu einer zukunftsorientierten Ethik, in: Zeitschrift für evangelische Ethik 16 (1972), 257-273, hier 272. 1123 Vgl. MOLTMANN, J., Hoffnung und Planung, in: Ders., Perspektiven der Theologie. Gesammelte Aufsätze, München / Mainz 1968, 265. 1124 Vgl. aus historischer Perspektive zur Entstehung und Entwicklung der Eschatologie DEXIN- GER, F., Das Hoffnungsbedürfnis des Menschen und die Entstehung der Eschatologie, in: DEXINGER, F. / FÜGLISTER, N. (Hrsg.), Tod, Hoffnung, Jenseits. Dimensionen und Konsequenzen biblisch verankerter Eschatologie, Freiburg im Breisgau 1983, 7-16. ESCRIBANO- ALBERCA, I., Eschatologie. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart, Freiburg im Breisgau 1987. GEIßER, H.F., Grundtendenzen der Eschatologie im 20. Jahrhundert, in: STOCK, K. (Hrsg.), Die Zukunft der Erlösung. Zur neueren Diskussion um die Eschatologie, Gütersloh 1994, 13-48. 1125 Vgl. RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI], Auf Christus schauen. Einübung in Glaube, Hoffnung, Liebe, Freiburg im Breisgau 2006, 59. <?page no="376"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 376 sale und Objektive in der abstrakten Zeitlosigkeit und transzendentalen oder gar metaphysischen Zeitenthobenheit zu finden, wiewohl er im Rahmen seines Selbstverständnisses den Zeitindex nicht umgehen kann, auch und gerade, um universale und ubiquitäre Handlungsstrukturen und Handlungsgesetzlichkeiten zu verstehen, vergleichbar einem universale concretum. Faktisch haben wir damit auf der einen Seite eine „Eliminierung des Zeithorizonts“ 1126 zu beobachten, einen Versuch, den Menschen mindestens partiell zeitlos zu beschreiben. Auf der anderen Seite wird das Handlungssubjekt nach wie vor weitgehend unter einem linearen Zeitschema, das vom Gedanken der (kollektiven) Geschichte geprägt ist, gedeutet, aber kaum wirklich mit einem konsequenten Zeitindex, besser einer Zeitmatrix versehen. Diese Spannung gilt es in ihren Konsequenzen für menschliche Handlungswirklichkeit im Auge zu behalten. Dem Menschen ist Zukunft vorrangig in Form von Bildern zugänglich, auf die er sich bezieht: prognostische Bilder, orientierende Bilder und Vertrauensbilder. Letztere transportieren basales Vertrauen, überhaupt Zukunft zu haben, für die dann orientierende Bilder vonnöten sind, während prognostische Bilder anzugeben versuchen, was sich aller Voraussicht nach ereignen wird. Entscheidend ist, dass diese Bilder Handlungsrelevanz entfalten. Das sind Bilder, unter denen wir das Faktische wahrnehmen, sodass damit nicht einfach eine neue Welt prognostiziert oder entworfen wird und dabei zugleich die alte entwertet wird, sondern die alte wird in den Horizont einer neuen gestellt. 1127 Hier spiegelt sich die differenzierte und mitunter paradoxe Zeitfolie des Christentums 1128 wider: statt entweder eindeutig positiv oder eindeutig negativ der Zukunft gegenüber zu treten gibt es hier im Negativen das Positive, in der Angst die Hoffnung. Diese Struktur leistet ein Doppeltes: sie ist gegen jede prognostische Fixierung gerichtet und bietet zugleich fundamentale Handlungs- und Daseinsorientierung. Die Gefahr dabei ist allerdings eine mögliche Verwechslung von Zukunfts-Prognose und Zukunfts-Vertrauen. 1129 Jenes speist sich schließlich aus der Begegnung und Gegenwart von Jesus Christus. Anthropologisch steht das für die Verlässlichkeit des Lebensraumes, für Zuversicht und wieder für Sinn. Auch hier kann ein enger und für die vorliegende Fragestellung aufschlussreicher Zusammenhang von eröffneter Zukunft und Handlungsmotivation ausgemacht werden, kulminierend auf die Sinnfrage hin. „Ohne Vertrauen, Zukunft zu haben, gäbe es keine Motivation diese Zukunft in Gestalt konkreter Zukunftsorientierungen aufzusuchen. Ist 1126 Vgl. FISCHER, J., Furcht, Hoffnung, Vertrauen. Die Wahrnehmung der Zukunft als Problem theologischer Ethik, in: Ders., Handlungsfelder angewandter Ethik. Eine theologische Orientierung, Stuttgart 1998, 212-227, hier 215. 1127 Vgl. FISCHER, Furcht, Hoffnung, Vertrauen, 226. 1128 Vgl. dazu aufschlussreich AGAMBEN, G., Die Zeit, die bleibt. Ein Kommentar zum Römerbrief, Frankfurt am Main 2006. Und ANGLET, K., Begrenzung der Zeit. Traktat über die Vollendung, Würzburg 2008. ANGLET, K., Das Ende der Zeit - Die Zeit des Endes. Eschatologie und Apokalypse, Würzburg 2005. 1129 Vgl. FISCHER, Furcht, Hoffnung, Vertrauen, 223. „Die Wurzeln der Zukunftsauffassung der Moderne, der positiven und der negativen Utopien, lassen sich weit in die Christentumsgeschichte zurückverfolgen. Nachdem die Zukunft einmal ins prognostische verschoben war, war sie der Kritik der Aufklärung schutzlos preisgegeben, die sie auf die Immanenz der Welt schrumpfen ließ.“ An der Desavouierung großer Hoffnungsfiguren in der Moderne kann diese Übersetzung von nicht-prognostischen Zukunftsverhältnissen in Prognose festgemacht werden. <?page no="377"?> 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie 377 das Gegenteil der Hoffnung die Furcht, das Gegenteil der Zuversicht der Zweifel, so ist das Gegenteil solchen Vertrauens die Sinnangst.“ 1130 Bereits an dieser Stelle lassen sich Konsequenzen für die disziplinäre Beschreibung entsprechender Zusammenhänge finden: „Theologische Ethik muss [...] bei ihrem Zukunftsbezug auf die Unterscheidung der Bildebenen und Zeitreihen bedacht sein.“ 1131 Schließlich können eine Fülle unterschiedlicher „Zeitverlaufsformen“ 1132 bzw. Zeitstrukturen ausfindig gemacht werden. So lässt sich etwa die Zeit als Nacheinander (früher - später) unterscheiden von der Zeit als Dauer (Gegenwart - Vergangenheit - Zukunft), hier wiederum als nunc stans oder als Zeitigung dessen, was auf uns zukommt. 1133 Zeit kann weiter als Zyklus, lineares Fließen und Punktzeit betrachtet werden, genauso wie verschiedenste Erfahrungsfelder festgehalten werden können: Universalzeit, Naturzeit, Eigenzeit, phänomenologische Zeit und Zeit personaler Entscheidungen. Übergreifendes Ziel bei aller Differenzierung ist Sinngebung der Zeit - im Modus der Hoffnung. Dabei steht der Mensch in der Dialektik von Hoffnung-Sein und Hoffnung-Haben, von Hoffnung als Seinskategorie und Hoffnung als Kategorie des Habens. Beide Seiten machen den schillernden und mindestens partiell nicht vollständig objektivierbaren Anteil und den quasi zugänglichen und erlernbaren Teil der Hoffnung aus. Die erwähnten Zeitmodi sind nun systematisch mit den Modi der Hoffnung zu verbinden, um die paradoxale Zeitstruktur christlich-integraler Hoffnung freilegen zu können, wonach etwa eine Zukunft in der Gegenwart denkbar ist. 1134 Der Mensch entwirft sich in Zeit hinein und aus Zeit heraus. Im Verhältnis zur Zeit bestimmt sich der Mensch selber und gibt sich darin einen Ort. Hoffnung ist zeitlicher Existenzvollzug und als reflektierte und rational zugängliche Haltung bzw. Tugend zu bestimmen. Als Hoffender hat der Mensch sich für das Erhoffte und die Konsequenzen zu verantworten. Das Umgekehrte gilt freilich auch. So gibt es keine Verantwortung ohne korrespondierende Hoffnungsbilder. Und die Unterscheidung von transzendentaler Zeit und phänomenaler Zeit entspricht dabei der Unterscheidung von Verantwortung vor und Verantwortung für. 1135 Zeit ist dabei als Existential zu verstehen und jede Anthropologie immer auch Selbstauslegung des Menschen im Existential der Zeit. Mit anderen Worten: Will menschliche Handlungswirk- 1130 Vgl. ebd. 220. 1131 Vgl. ebd. 222 und 224. FISCHER folgert weiter. „Wir sind bisher Beispiele schuldig beblieben, dafür, wie man sich eine Vertrauensbild von der Zukunft denken soll, das nicht wie die moderne Utopie prognostisch auf bestimmte Ereignisse in der Zukunft bezogen ist, sondern Zukunft als solche eröffnet? “ Das dürfte Aufgabe der Religion sein, die einen entsprechenden Hoffnungsgrund anzugeben in der Lage ist, etwa wenn FISCHER schreibt (224): „Menschliches Handeln kann sich die Zukunft nicht verdienen. Es kann nur darauf gerichtet sein, einer gewährten Zukunft nach Möglichkeit zu entsprechen. [...] In den eschatologischen Vertrauensbildern erscheint die Zukunft als etwas, worin ohne Zeitmaß, die Gegenwart ihr Bestimmung und ihren Sinnhorizont erkennt und dem sie daher ganz von selbst zu entsprechen sucht.“ 1132 Vgl. ROMBACH, H., Die Gegenwart der Philosophie. Grundprobleme der abendländischen Philosophie und der gegenwärtige Stand des philosophischen Fragens, Freiburg im Breisgau 3 1988. 1133 Vgl. BAUMGARTNER, H., Zeit und Sinn. Grundzüge menschlicher Zeiterfahrung und Zeitdeutung, in: Philosophisches Jahrbuch 106 / II (1999), 287-298. 1134 Vgl. BÖHME, G., Über die Zeitmodi. Eine Untersuchung über das Verstehen von Zeit als Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft mit besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zum zweiten Hautsatz der Thermodynamik, Göttingen 1966. 1135 Vgl. PICHT, G., Von der Zeit (Vorlesungen und Schriften Bd. XI), hrsg. v. EISENBART, C., Stuttgart 1999, 685. <?page no="378"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 378 lichkeit adäquat verstanden werden, wird sie mit einem Zeitindex versehen werden müssen. Denn zu lange sind wir im Rahmen ethischer Theoriebildungen davon ausgegangen, Handeln entlang dem Kausalschema zeitlich linear zu entwerfen, ohne das zeitliche Spannungsgeschehen in den Blick zu nehmen, in dem der Handelnde sich aufgespannt sieht. Mit Blick auf die Zeitachse heißt das: Hoffnung stellt den Handelnden in eine Grundspannung von (erinnerter) Vergangenheit, (erfahrener) Gegenwart und (antizipierter) Zukunft. Sie ist quasi die Klammer, die die zeitlichen Pole miteinander verknüpft und ist die Brücke, über die Sinnvalenzen aufgespannt und transportiert werden, wohlgemerkt: aufgespannt, das heißt mit Anhalt in beiden Spannungspolen. Wird diese Spannung einseitig aufgelöst, das heißt, wir würden auf der einen Seite über die Maßen in der Gegenwart leben unter Missachtung unserer Zukunftsoffenheit, dann wären wir tendenziell in dieser Gegenwart gefangen, da wir keinen Impuls hätten, sie zu transzendieren und gar nicht wüssten, wie und woraufhin wir sie umwandeln könnten. Oder wir würden auf der anderen Seite über die Maßen in einer imaginierten Zukunft leben, die nie Wirklichkeit werden könnte, da sie sich den Erfahrungen der Gegenwart tendenziell nicht aussetzen würde. Nur unter Aufrechterhaltung dieser Handlungsspannungen können wir übrigens auch aus der Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft lernen - und können wir hoffend versuchen, eine buchstäblich erstrebenswerte Zukunft in die Gegenwart zu überführen, auf das Leben individuell wie kollektiv gelingt. Hoffnung vermittelt damit den aktuellen Handlungsraum mit dem potentiellen Möglichkeitsraum und eröffnet dadurch allererst den Raum der Zukunft, indem alle Zeitmodi füreinander erschlossen und miteinander verknüpft werden. 1136 Zeit ist mithin unter handlungstheoretischer Perspektive Gestaltungsmöglichkeit, die aber nicht ohne Voraussetzungen ist. Auch kann seit ARISTOTELES als locus classicus gelten, dass alle Wahrheiten über die Zukunft immer nur kontingent sind und bleiben werden. Das vorrangige Kennzeichen der hier vorgeschlagenen Perspektivierung auf eine bislang nur in Ansätzen vorliegende Handlungszeit, die zudem als eschatologische Zeit interpretiert werden soll, ist Intentionalität, die allerdings gegen KARIN GLOY gerade keine Ahistorizität und reine Synchronie bedeuten muss. Das tut sie nur in Handlungstheorien, die eine entsprechende Zeitfolie kennen. Eschatologische Handlungszeit dagegen kennt den Primat der Zukunft - aber in der Gegenwart, sodass die Zeitstufen nicht alternativ gedacht werden, sondern als Spannungsgeschehen. Es geht um Zukunft in der Gegenwart - im Gegenüber der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. „Das entscheidende erkenntnistheoretische Problem der Zukunft besteht darin, dass Zukunft und Gegenwart gleichzeitig werden können.“ 1137 Mit anderen Worten: „Die an Handlungen gebundene Zeit ergibt einen spezifischen Zeittyp: die Handlungszeit, die reicher strukturiert ist als die kaum oder gar nicht strukturierte, diffuse Dauer der erlebten, gestimmten Zeit. Bei ihr handelt es sich entsprechend der Handlungsstruktur um ein Gestaltphänomen, und zwar um ein gerichtetes. […] Im Vergleich nicht nur mit der erlebten Zeit, sondern auch mit der mentalen Vulgärzeit stechen an ihr eine Reihe von Merkmalen hervor, die es hervorzuheben gilt: erstens die Konkretheit im Unterschied zur 1136 Aus theologischer Perspektive bietet sich an dieser Stelle eine Analogie zur Vollendung des Gottesreiches an: Da hat eine Zukunft der Menschheit in Gestalt Jesu Christi in der je neu gegenwärtigen Zeit bereits begonnen, hat quasi Anhalt in der erfahrbaren Wirklichkeit, ist aber zugleich in seiner vollständigen Realisierung noch ausständig - genau die Spannung von Bereits und Noch-nicht-ganz, die auch den Spannungsbogen der Hoffnung ausmacht. 1137 Vgl. SAUTER, Begründete Hoffnung, 82. <?page no="379"?> 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie 379 Abstraktheit der mentalen Zeit, zweitens die Besonderheit im Unterschied zu deren Allgemeinheit, drittens die Qualität im Unterschied zu deren Quantität, viertens die Endlichkeit im Unterschied zu deren Unendlichkeit.“ 1138 Zukunft kommt in handlungstheoretischer und eschatologischer Perspektive mithin der „ontologische Primat“ 1139 zu, wogegen sich etwa BENEDIKT XVI 1140 wendet, wobei hier präzisiert werden muss: Es geht um den Primat der Zukunft für und in der Gegenwart, nicht unter Umgehung oder Vermeidung derselben. Die Auswirkungen für Handlungstheorie und Ethik der Hoffnung sind kaum zu überschätzen. Denn: „Schöpferisches Leben verlangt [...] den Vorrang der Zukunft vor der Vergangenheit.“ 1141 Christlicher Hoffnung liegt dabei ein Zukunftsbild zugrunde, das erst konsekutiv in unsere Verantwortung gelegt ist bzgl. einer Zukunft, die wir nicht einfach machen und besorgen können, die zu verantworten uns aber dennoch aufgetragen ist, da sie die Bestimmung von Mensch und Schöpfung vergegenwärtigt. Es gibt eben auch eine verborgene Zeit und dennoch oder gerade deshalb die Frage nach der rechten Zeit. 1142 In der Moderne kam es nun zu der bereits erwähnten „Entwertung der Zeitstufen“ 1143 , woran IMMANUEL KANT nicht unbeteiligt gewesen sein mag, nachdem er Zeit nur noch als reine Anschauungsform bestimmt hatte. Spätestens mit FRIEDRICH NIETZSCHE kann dann eine radikale Umwertung der (zeitlichen) Werte datiert werden, wobei bereits SÖREN KIERKEGAARD gegen den zeitlosen Idealismus HEGELS polemisierte und mitunter aufkosten der geschichtlichen Vergangenheit den neuzeitlichen Primat der Zukunft als „Sinn für Werden“ 1144 herausstellte. Dieser Primat wurde dann allerdings horizontalisiert und hat sich zunehmend vom Fortschrittsgedanken ablösen lassen. Damit wurde die Polarität von Planung und Hoffnung im Verhältnis zur Zukunft unvermeidlich. Wiewohl es an Bemühungen nicht gefehlt hat, zu zeigen, dass Hoffnung gerade keine Flucht aus der Gegenwart in die Zukunft ist, blieb die berechtigte Frage nach dem Verhältnis von Zukunfts-Hoffnung und Zukunfts- Planung aufgrund latenten Ideologieverdachts immer virulent. Wo liegen nun die Grenzen der Planung? Hat der Mensch Alternativen in der Gestaltung seines Zukunftsverhältnisses jenseits von „planloser Hoffnung“ und „hoffnungsloser Planung“ 1145 ? Für christliche Eschatologie drückt sich in der Hoffnung die Unberechenbarkeit und letzte Undefinierbarkeit des Menschen aus, auch und gerade als moralisches Positivum, 1138 Vgl. GLOY, Zeit. Eine Morphologie, 75. 1139 Vgl. PANNENBERG, W., Der Gott der Hoffnung, in: UNSELD, S., Ernst Bloch zu Ehren. Beiträge zu seinem Werk, Frankfurt am Main 1965, 209-225. 1140 Vgl. RATZINGER, J. [PP. BENEDIKT XVI], Über die Hoffnung. Ihre spirituellen Grundlagen aus der Sicht franziskanischer Theologie, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio 13 (1984), 293-305, hier 298, Anmerkung 9. 1141 Vgl. SAUTER, G., Begründete Hoffnung. Erwägungen zum Begriff und Verständnis der Hoffnung heute, in: Ders., Erwartung und Erfahrung. Predigten, Vorträge und Aufsätze, München 1972, 69-107, hier 70 und 73. Bezogen auf die Hoffnung heißt das: „Die Hoffnung macht das Nichtgegebene der Zukunft zum Ansatzpunkt ihres Denkens, sie ist also Leidenschaft für das Mögliche, ein von vornherein aktives Verhalten zur Wirklichkeit, die Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen umspannt.“ 1142 Vgl. SAUTER, G., Der Mensch und seine Zeit, in: Ders., Erwartung und Erfahrung. Predigten, Vorträge und Aufsätze, München 1972, 60-68. 1143 Vgl. SAUTER, Begründete Hoffnung, 71. 1144 Vgl. KIERKEGARRD, S., Theologisch-philosophische Schrift Bd. III, hrsg. Von DIEM, H. / REST, W., Köln 1959, 92 und 94. 1145 Vgl. SAUTER, G., Humanitäre Phantasie in Hoffnung und Planung, in: Ders., Erwartung und Erfahrung. Predigten, Vorträge und Aufsätze, München 1972, 242-261, hier 245ff. <?page no="380"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 380 wenn Hoffnung als „Siegel der unberechenbaren Menschlichkeit“ 1146 gilt, die in der Selbsttranszendenz auf das Gute, letztlich das summum bonum, ihre entscheidende Bewegung hat. „In der Hoffnung wird der Mensch zum transzendierenden Wesen, weil er sein Sein nur in der Transzendenz seines Lebens finden kann.“ 1147 Insbesondere eine eschatologische Zeittheorie ist, gemessen an der Komplexität menschlicher Handlungswirklichkeit und menschlichen Hoffens, noch am ehesten geeignet, in ihrer differenzierten und mitunter paradoxalen Zeitstruktur die Öffnung menschlichen Zeiterlebens auf Ewigkeit hin transparent zu machen. 1148 Der Charakter dieser Hoffnung ist grundlegend personal geprägt und auf (wechselseitige Anerkennung von) Freiheit beruhend, wie etwa WOLFHART PANNENBERG 1149 und andere 1150 herausgestellt haben. Wohl einzig auf diese Weise vermag sie den innersten Personkern des Menschen zu erreichen durch begründete Eröffnung eines basalen Vertrauens auf einen letzten Grund des Daseins und der damit aus christlicher Perspektive eröffneten Hoffnung auf Heilssein bzw. Heilwerden der ganzen Person. 1151 Wenn dem aber so ist, dann kann aus theologisch-ethischer Perspektive von einer ubiquitären Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit 1152 gesprochen werden, die den Menschen in ganz grundlegende (zeitliche) Spannungen stellt, die ihn fundamental auf die darin zum Ausdruck kommenden Zielgestalten auslangen lässt und deren Verheißungscharakter ihn genau daraufhin mobilisiert und motiviert. Der Mensch ist mithin, was seine Handlungsorientierung und Handlungsmotivation anbelangt, kein Wesen der Homöostase, sondern ein Wesen der (Hoffnungs-) Spannung oder philosophisch: ein dialektisches Wesen, ein Wesen, das sich bleibend in einer Existenzdialektik zu bewegen hat. Alle zentralen Existenzverhältnisse sind davon betroffen: Im Verhältnis des Menschen zu seiner eigenen Zukunft spiegeln sich quasi sein Selbstverhältnis, sein Weltverhältnis und vertikal dazu auch sein Verhältnis zur Transzendenz. Auch die gesamte moderne Akzelerationsdynamik 1153 , d.h. die Beschleunigung praktisch aller gesellschaftlicher und kultureller (Sub-) Systeme, hat mit der Notwendigkeit zu tun, die Zukunft in immer schnelleren Takteinheiten vorweg zu nehmen. Die Gattung Mensch wird dabei in der Moderne als homo accelerandus zu bezeichnen sein, die bis zur Erschöpfung 1154 versucht, Kontrolle und damit Sicherheit 1155 über die Zukunft zu gewin- 1146 Vgl. SAUTER, Humanitäre Phantasie in Hoffnung und Planung, 253 und 254. 1147 Vgl. SAUTER, Begründete Hoffnung, 91. 1148 Vgl. WOHLMUTH, J., Zeit und Ewigkeit, in: BÖHNKE, M. / BONGARDT, M. / ESSEN, G. / WERBICK, J. (Hrsg.), Freiheit Gottes und der Menschen (FS Thomas Pröpper), Regensburg 2006, 137-160. 1149 Vgl. PANNENBERG, W., Der Gott der Hoffnung, in: UNSELD, S., Ernst Bloch zu Ehren. Beiträge zu seinem Werk, Frankfurt am Main 1965, 209-225. 1150 Vgl. REMENYI, M., Mit Stimme, Antlitz und Gestalt. Überlegungen zur personalen Eschatologie, in: Theologie und Glaube 96 / 2006, 1, 73-86. 1151 Vgl. PLÜGGE, H., Über die Hoffnung, in: Ders., Wohlbefinden und Missbefinden. Beiträge zu einer medizinischen Anthropologie, Tübingen 1962, 38-50. 1152 Vgl. zu den Konsequenzen dieser Vorstellungen für den Zeitbegriff einer hoffnungsbasierten Handlungstheorie etwa HÖLSCHER, L., Die Entdeckung der Zukunft, Frankfurt am Main 1999. 1153 Vgl. profund ROSA, H., Beschleunigung, Frankfurt am Main 2005. 1154 Vgl. EHRENBERG, A., Das erschöpfte Selbst. Depression und Gesellschaft in der Gegenwart, Frankfurt am Main 2004. 1155 Vgl. GRONEMEYER, M., Das Leben als letzte Gelegenheit. Sicherheitsbedürfnisse und Zeitknappheit, Darmstadt 2 1996. <?page no="381"?> 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie 381 nen, um damit Gewissheit über sich als Mensch zu erreichen. Da sich nun aus Erfahrungen mit der Welt Erwartungen über die Welt bilden, verändern sich mit einem gewandelten Zeiterleben auch die Erwartungs- und Hoffnungsstrukturen des Menschen radikal. Zwar scheint der Mensch zunehmend zu entdecken, dass er auch ohne religiöse Deutungsmuster auf Zukunft hin und aus Zukunft heraus lebt - unter Rückgriff auf die Vergangenheit und auf der Basis gegenwärtiger Erfahrungen -, aber immer deutlicher tut er dies im Bewusstsein einer offenen Zukunft. Diese kann trotz extremer Beschleunigung, trotz Prognosen, Vorhersagen und Planungen nicht gesichert und kontrolliert werden, sondern schrumpft dabei geradezu auf eine punktuelle Gegenwart zusammen, einem drehenden Kreisel vergleichbar. Wird menschliches Leben solcherart geprägt, dann fällt es schwer, Identität 1156 zu entwickeln, subjektive Dauer in der Zeit, stattdessen existiert nur noch ein Weiter im Durchgang und Übergang, eine Trans-Identität, die nicht mehr Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit ausgespanntem Blick auf ein Gelingen hin hoffend gestaltet, sondern in Rastlosigkeit erstarrt. Was sich an dieser Stelle bereits angedeutet hat, die spezifische Zeitstruktur des Hoffnungsvollzugs, hat Konsequenzen für die (theologisch-ethische) Beschreibung des Handlungssubjekts, insbesondere wenn die bereits gewonnenen strukturell-anthropologischen Erkenntnisse ebenfalls Beachtung finden. 1157 Die Vorstellung vom Handlungssubjekt als punktuell in der Gegenwart handelndem, das die Vergangenheit im Rücken und die Zukunft vor sich hat, muss fürderhin erweitert werden, durch die Etablierung eines Zeit-Zirkels, einer Zeit-Korona, in der die Gegenwart intensiv mit der Vergangenheit und Zukunft verzahnt ist, sodass eine „kontextuelle Zeitanalyse“ als Handlungsvoraussetzung konstatiert werden muss. Um Hoffnung zu entwickeln muss sich der Mensch mithin buchstäblich „Zeit nehmen“, indem er Zukunft visualisiert, seinen Standort realistisch bestimmt, ein positives Selbstverhältnis (als grundlegende Voraussetzung) einnimmt, die Zukunft als Handlungsraum in den je individuellen Handlungs-Horizont holt, diesen überhaupt erst entdeckt und handlungsmäßig ausschreiten lernt und dabei spezifische Erfahrungen zu identifizieren vermag, die wiederum Einfluss auf die weitere Etablierung von Hoffnung haben. Hoffnung dient in diesem Sinne auch einer übersituativen generalisierten Haltung der Zukunft, der Gegenwart und der Vergangenheit gegenüber und damit der langfristigen Stabilisierung, Orientierung und fundamentalen Mobilisierung von Handlungen gerade auf der Basis jener Haltung. In konkreten Situationen dagegen dient sie als inhaltlicher Rahmen der Aktivierung und Orientierung aller anderen (Sub-) Systeme des menschlichen Handlungssystems. Insofern ist Hoffnung Tat 1158 , in 1156 Vgl. LUTZ, R., Identität und Ausdruck - Anthropologische Grundlagen und moraltheologische Anmerkungen zu den Konstitutionsbedingungen von Identitätsprozessen, in: DROESSER, G. / LUTZ, R. / SAUTERMEISTER, J. (Hrsg.), Konkrete Identität. Vergewisserungen des individuellen Selbst (FS HUNOLD, G.W.), München 2009, 13-46. 1157 Die theologische Sensibilität für den Zusammenhang von Zeittheorie und Zeitpraxis mit menschlicher Handlungswirklichkeit wächst, vermochte aber bislang selten, die eigenen hoffnungstheoretischen Grundlagen freizulegen. Vgl. etwa HÖHN, H.-J., Theologie, die an der Zeit ist. Entwicklungen, Positionen, Konsequenzen, Paderborn 1992. Ders., Versprechen. Das fragwürdige Ende der Zeit, Würzburg 2003. Ders., Zeit-Diagnose. Theologische Orientierung im Zeitalter der Beschleunigung, Darmstadt 2006. Ders., Zustimmen. Der zwiespältige Grund des Daseins, Würzburg 2001. 1158 Dabei ist sowohl eine Weg-Hoffnung als auch eine Ziel-Hoffnung zu unterscheiden, wobei wiederum eine Affinität zur Sinn-Kategorie auszumachen ist, bei der semantisch zwischen Weg-Sinn und Ziel-Sinn unterschieden werden kann. <?page no="382"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 382 der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf spezifische Weise anwesend sind. Wir entscheiden uns mithin für sie und setzen damit auf sie. Wiewohl Hoffnung das Prinzip Zukunft vertritt, gibt es keine Hoffnung ohne Gegenwart und keine Hoffnung ohne Anamnese der Vergangenheit. Es ist von einer dynamischen Wechselwirkung der Zeitrichtungen auszugehen und Hoffnung strukturiert diese Zeit auf eine Weise, die handlungsfähig macht. Das Umgekehrte gilt auch: Wenn Hoffnung als ein Spannungsgeschehen zu begreifen ist, das begrifflich als eine Dialektik zu fassen ist, dann muss unser Zeitbegriff solche Hoffnung auch zulassen. Mit anderen Worten: Hoffnung benötigt einen spezifischen Zeitbegriff, um sich vollziehen zu können. Um dies zu ermöglich, ist eine Verknüpfung von Hoffnung mit den verschiedenen Zeitmodi vonnöten, der Vergangenheit mit der Erinnerung, der Gegenwart mit der Erfahrung und der Zukunft mit der Eschatologie, insbesondere, da der Zeitstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit, die als zentral von spezifischen Hoffnungen energetisiert gedacht werden muss, wie mir scheint, insgesamt noch zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden ist. 1159 So plädiert etwa BENEDIKT XVI in diesem Sinne und mit Blick auf die christlichen Eschata völlig zurecht dafür, „[...] eine bloß lineare Vorstellung am Ende der Tage zu korrigieren und stattdessen die letzten Dinge, Gericht und Auferweckung, lieber koexistentiv zur Zeit zu denken. [...] Ewigkeit kommt nicht nach der Zeit (das hieße, sie selbst zur Zeit zu machen), sondern sie ist das Andere zur Zeit, das ihr je heutig ist.“ 1160 b) Hoffnung und Raum - Der Raum der Hoffnung Es gehört zu den erstaunlichsten Einsichten der Religionsgeschichte, dass semitischchristliche Hoffnung nicht allein sämtliche humanen Zeit-Modi erobert hat, jeweils die ganze Erstreckung der Zukunft, der Vergangenheit und der Gegenwart, sondern auch so etwas wie eine Geographie der Hoffnung formuliert werden kann, wonach Schritt für Schritt praktisch alle humanen Erfahrungsräume und Lebensräume ausgehend von verschiedenen Verheißungs-Nuklei, wie sie im AT und NT festgehalten sind, durchdrungen wurden: Anfangs noch geprägt von einer starken Diesseitsorientierung wurde schließlich die Schwelle des Todes überschritten, was Fragen nach der Berechtigung von Hoffnung für die bereits Verstorbenen (Gerechten 1161 ) aufkommen ließ, erst nachfolgend dann auch für die Ungerechten, für die, die um ihr (irdisches) Leben gebracht wurden. Erst auf diesem Hintergrund einer radikalen Konfrontation des biblischen Verheißungskerygmas 1159 Als These soll gelten, dass christliche Hoffnung die Vergangenheit von der Zukunft her umgreift und der Vergangenheit damit allererst eine Zukunft gibt. Nur so können wir mit dem „Trümmerhaufen“ unserer Vergangenheit in die Zukunft gehen bzw. mit dieser Vergangenheit vor uns eine je bessere Zukunft in die Gegenwart überführen - jeweils natürlich mit Blick auf das sittliche Ganze des verheißenen Eschatons. 1160 Vgl. RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI.], Credo für heute. Was Christen glauben, hrsg. v. ZABOROWSKI, H. / LETZKUS, A., Freiburg im Breisgau 2006. 1161 Vgl. EBACH, J., Eschatologie / Apokalypse (Art.), in: EICHER, P. (Hrsg.), Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe Bd. I, München 2005, 260-272, hier 265 und 271. Die Überwindung der Todesgrenze im Alten Testament bildete sich an der Auferstehung der Gerechten. „Die Erwartung fordert Gerechtigkeit über den Tod hinaus; wo sie in diesem Leben ausblieb, wird sie im endgültigen Gericht Gottes verwirklicht werden. [...] Denen, die nichts zu verlieren haben, wird der angesagte Abbruch aller bestehenden Herrschaft zur Hoffnung.“ Folgerichtig heißt es weiter: Die „Theologie hat von der Gerechtigkeit zu reden, die von Gott her kommt und der jetzt schon die Praxis von Menschen entsprechen soll.“ <?page no="383"?> 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie 383 mit der ganzen Erfahrungswelt des Menschen waren Fragen nach der Vermittlung eines zunehmend vereindeutigten, von Ambivalenzen befreiten Gottesbildes mit dem Leiden (Theodizee) und schließlich einer Apokatastasis denkmöglich geworden. Und dieser Hintergrund machte es dem Christentum in einer beispiellosen Theologisierung seines Hoffnungskerygmas allererst möglich, eine Hoffnung für den gesamten Kosmos zu entwerfen bzw. Hoffnung an ihre äußersten Ränder gehen zu lassen. Was lernen wir daraus für die anvisierte Ethik der Hoffnung aus eschatologischer Perspektive? Hier wurden religionshistorisch immense dialektische Spannungen aufgerichtet, wenn die Ränder des Welt-Raums und der Welt-Zeit räumlich und zeitlich ausgeschritten werden. 1162 Diese Spannungen sind keinesfalls aufzulösen, weder zur einen noch zur anderen Seite, sondern sind offenzuhalten, auszuhalten, durchzuhalten und hochzuhalten, denn diese bilden die entscheidende Brücke, über die jüdisch-christliche Hoffnung sich entwickelt hat und vollzogen wird. Die dieser Hoffnung zugrundeliegende Zeitfolie ist die einer durch und durch befristeten Zeit aufgrund der Endlichkeit und Kontingenz menschlichen Daseins. Auf dem Rücken der Auffassung einer zielgerichteten Geschichte verband sich diese Hoffnung schließlich in Israel „mit dem Glauben an den einen Gott als barmherzigen und gerechten Herrn aller Geschichte“ 1163 . Spätestens zu diesem Zeitpunkt war die charakteristische Hoffnungsspannung aufgerichtet. Sehr konzise im Sinne der hier festgehaltenden Strukturen schreibt JÜRGEN EBACH: „Je enttäuschender die realen Erfahrungen Israels wurden und blieben, desto größer wurden die Erwartungen an die kommende Geschichte; die großen Verheißungen einer gerechten und friedvollen Zukunft für das Volk und die einzelnen Menschen in Israel (Jes 65,17ff.), eines Friedens, der die Völker (Jes 2; Mi 4) und die Natur (Jes 11,6-8) einbegreift, sind ebenso Zeugnisse der Enttäuschung wie des 1162 Vgl. WEDER, H., Gegenwart und Gottesherrschaft. Überlegungen zum Zeitverständnis bei Jesus und im frühen Christentum, Neukirchen-Vluyn 1993, 82, 82-83 und 83. HANS WEDER spricht von einer „perfektischen Eschatologie“. Die zugrundeliegende Zeitstruktur charakterisiert er wie folgt: „Deshalb macht, wer das wahre Gewicht des Wortes Jesu erkennt, den Schritt vom Tod zum Leben schon jetzt, der gemäß traditioneller Anschauung erst am Ende der Tage gemacht werden kann. [...] Wenn Gottes Kommen im Sohn ernsthaft gedacht werden soll, kann es nicht vorläufig gedacht werden. Und deshalb muss die Endgültigkeit der apokalyptischen Zukunft im Jetzt erscheinen.“ Weiter heißt es: „Der hier stattfindende Interpretationsvorgang ist vergleichbar mit dem Schritt, welcher im Urchristentum von der Erwartung einer apokalyptischen Erlöserfigur zur Erwartung der Parusie Christie gemacht wurde. Dort wurde der gekommene Christus ausgedehnt bis in die äußersten Zipfel apokalyptischer Zukunftserwartung. Dort bestimmte nun ganz der Christus die Zukunft. Hier dagegen läuft der umgekehrte Vorgang ab. Hier wird die Endgültigkeit der Zukunft ganz ausgedehnt bis in die Gegenwart des Christus herein. Die endgültige Zukunft begegnet nun ganz im Christus. Aus dem künftigen Reich des Menschensohnes, das im Modus der Hoffnung gegenwärtig wird, ist nun das gegenwärtige Reich des Inkarnierten geworden, auf das der Mensch sich im Glauben einstellt. Beide Ausdehnungsvorgänge sind komplementär.“ Somit können zwei Zeitbewegungen ausgemacht werden: Einmal die Ausdehnung einer Erwartung bis in die ganze Zukunft hinein (I) und zum anderen die Rückbewegung aus der Zukunft bis ganz in die Gegenwart hinein (II). Auf diese Weise ist religionsgeschichtlich betrachtet eine Hoffnung aufgerichtet worden, die sich sowohl aus der Gegenwart speist, als auch diese letztlich fundamental bestimmt, indem sie unendlich überstiegen wird. Es gibt demnach eine aufschlussreiche Entsprechung zwischen religionsgeschichtlicher Entwicklung (phylogenetisch) und dem sachlichen Vollzug der entsprechenden Wahrheit beim Einzelnen (ontogenetisch). 1163 Vgl. EBACH, Eschatologie / Apokalypse, 262. <?page no="384"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 384 fortdauernden Einspruchs gegen die erfahrene Realität, die als von Gott gewirkt wahrgenommen, doch nicht als Gottes letztes Wort begriffen wird. Atl. Verheißungen bezeugen Gottes Treue (das Moment der Bewahrung und Kontinuität) wie Gottes Gerechtigkeit (das Moment des Abbruchs aller ungerechten Verhältnisse für Volk und Menschen). Das Festhalten an den Verheißungen als (mit Marx) Ausdruck des Elends und Protest gegen das Elend ist damit Kennzeichen einer Religion, die kein Opium des Volkes ist, weil sie Realität wahrnimmt und ihr gleichwohl nicht als Totalität verfällt, anders gesagt: weil das, was ist, nicht alles ist. Die Gegenwart ist von Erinnerung und Verheißung (Vergangenheit und Zukunft) umgriffen und kann deshalb nicht beanspruchen, das einzig Mögliche zu sein. [...] Die Hoffnung wird zur Erwartung eines Lebens jenseits aller bisherigen Erfahrungen, ohne jenseitiges Lebens zu sein. Gerade Verheißungen des dritten Teils des Jes (55-66) verbinden größtdenkbare eschatologische Erwartungen mit Konkretionen des Alltags (Leben jenseits von Ausbeutung, Hunger und jähem Tod). Gibt es im engeren Sinne eschatologische und apokalyptische Texte im AT nur am Rande, so fungiert die prinzipielle Geschichtlichkeit und Offenheit für eine von Gott her erwartete Veränderung aller Verhältnisse und der damit verbundene Einspruch gegen die Normativität des Faktischen als Ursprung von Eschatologie und Apokalyptik.“ 1164 Diese Veränderungen im Erwartungshorizont trieben religionsgeschichtlich auch den Gottesbegriff voran, genauso wie die Freisetzung „säkularer Eschatologien“, etwa Geschichtsphilosophien, politische Theorien und Utopien. Daneben lässt sich die aufschlussreiche Beobachtung machen, dass eine Begrenzung der Zeit zur Frist mit einer Entgrenzung des Raumes korrespondiert und umgekehrt, sodass die Vermutung formuliert werden kann, das jüdischchristliche Verheißungspotential würde jede irdische Begrenzung durch je neue Entgrenzung zu unterlaufen suchen, um sich maximal räumlich und zeitlich zu erstrecken - und an dieser Bewegung machen sich schließlich die zentralen Inhalte fest. „Aus (näherer oder fernerer) Zukunft wird durch den Superlativ Endzeit. Das Zeitverständnis eschatologischer und apokalyptischer Texte wird damit zum Problem der Sache selbst.“ 1165 Hoffnungstheoretisch formuliert heißt das, dass Hoffnung das entscheidende Zielgut handlungsmäßig näher oder ferner heran lässt und dadurch das Nähe-Distanz-Verhältnis in der Handlungsmotivation und im Handlungsaufbau reguliert durch einen Modus des Kommens, der futurische und präsentische Aspekte der erhofften absoluten Realität verbindet: „Dein Reich komme! “. Prägnant formuliert und mit Bezug auf die zentrale neutestamentliche Größe: „Gottes Reich ist schon ganz Wirklichkeit, aber es ist noch nicht die ganze Wirklichkeit.“ 1166 c) Hoffnung und Eschatologie Neben der eher tugendethischen Verortung hat die Hoffnungskategorie heute auch in der Eschatologie 1167 einen zunehmend festeren Platz. Die Eschatologie befindet sich zwar nicht mehr im „Wetterwinkel“ 1168 der Theologie, wie einst HANS URS VON BALTHA- 1164 Vgl. ebd. 263. 1165 Vgl. ebd. 261. 1166 Vgl. ebd. 266. 1167 Vgl. aktuell exemplarisch MÜHLING, M., Grundinformation Eschatologie. Systematische Theologie aus der Perspektive der Hoffnung, Tübingen 2007. 1168 Vgl. BALTHASAR, H.U., Eschatologie, in: FEINER, J. / TRÜTSCH, J. / BÖCKLE, F. (Hrsg.), Fragen der Theologie heute, Einsiedeln / Zürich / Köln, 3 1960, 403. <?page no="385"?> 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie 385 SARS Diktum lautete, die aber nach wie vor eine Fülle von Desideraten insbesondere theologisch-ethischer Forschung enthält. Eine anthropologisch fundierte Ethik der Hoffnung, mithin eine moraltheologische Übersetzung und theologisch-ethische Applikation zentraler Einsichten der Eschatologie respektive einer Theologie der Hoffnung auf der Ebene menschlicher Handlungs- und Lebenspraxis, gehören sicher dazu, weswegen im Folgenden noch einige wenige Aspekte einer solchen handlungspraktisch angelegten Hoffnungstheorie expliziert werden sollen, auch und gerade, um Hoffnung wieder dem Handlungssubjekt und seiner Lebensführung zurückzugeben. Jede Ethik hat eine futurische Struktur. Christliche Ethik hat eine eschatologische Struktur 1169 und damit auch eine eschatologische Zeittheorie 1170 , die, können diese Prämissen Geltung beanspruchen, für den Vollzug und die Handlungsrelevanz von Hoffnung ganz entscheidend ist. Aus diesen Reflexionen sind nun gewichtige Ableitungen auch für das Selbstverständnis der (theologischen) Ethik zu formulieren, wenn denn gilt: „Das Verhältnis von Eschatologie und Ethik nötigt zu einer wissenschaftstheoretischen Klärung theologischen Redens.“ 1171 Daher sind an dieser Stelle noch einige kursorische Hinweise zur Hermeneutik eschatologischer Aussagen 1172 vonnöten: Eschatologie vermittelt sich demnach geschichtlich oder sie ist gar nicht. 1173 Dennoch hat sie transhistorische theologische Grundlagen, die auf alle geschichtliche Erfahrung bezogen werden müssen und gerade so das Spannungsgeschehen in der Hoffnung abbilden. Im eschatologischen Geschehen, mithin in der Hoffnung selbst, die sich von dort her bestimmt, vermittelt sich Weltgeschichte und Heilsgeschichte. 1174 Die Vermittlung wird in der Hoffnung offenbar und zugleich bleibt sie verborgen, sie ist bereits Gegenwart und zugleich noch ausstehende Zukunft, ist noch Zukunft, aber zugleich schon in der Gegenwart. Eschatologische Aussagen vermitteln das große „Ja der Hoffnung“ 1175 , ein Erkennungs- und Grenzzeichen der christlichen Gemeinde gegenüber den Heiden, das Widerspruch ermöglicht, und zugleich eine unüberbietbare Bejahung des verheißenen Lebens (Röm 5,1-5). Noch einmal: Ganzheitlich begriffene Ethik hat eine protologische bzw. eschatologische Struktur 1176 , und zwar nicht erst durch ein christliches Surplus, ein Additivum, sondern strukturell immer schon, nur wird diese Struktur in ihrer ganzen Dimensionalität erst unter christlichem Horizont sichtbar, ist aber auch ohne denselben in seiner formalen Struktur erkennbar. Eine zu- 1169 Vgl. BAUER, G., Christliche Hoffnung und menschlicher Fortschritt. Die politische Theologie von J.B. Metz als theologische Begründung gesellschaftlicher Verantwortung des Christen, Mainz 1976, 155-187. 1170 Vgl. ESCRIBANO-ALBERCA, I., Das vorläufige Heil. Zum christlichen Zeitbegriff, Düsseldorf 1970. 1171 Vgl. SAUTER, G., Eschatologische Rationalität, in: Ders., In der Freiheit des Geistes. Theologische Studien, Göttingen 1988, 166-200, hier 174 und 176. Dort heißt es: „Die Eschatologie hat es weithin mit den unerledigten Problemen christlicher Ethik zu tun.“ 1172 Vgl. RAHNER, K., Theologische Prinzipien der Hermeneutik eschatologischer Aussagen, in: Ders., Sämtliche Werke Bd. 12, Freiburg im Breisgau 2005, 489-510. 1173 Vgl. SCHERER, G. / KERSTIENS, F. / SCHIERSE, F.J. et al., Eschatologie und geschichtliche Zukunft, Essen 1972. 1174 Vgl. WALTHER, C., Eschatologie und Subjektivität, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 80 (1983), 458-475. 1175 Vgl. SAUTER, Begründete Hoffnung, 97ff. 1176 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968 und WIEDERKEHR, D., Die Kategorie der Eschatologie, in: HERTZ, A. et al. (Hrsg.), Handbuch der christlichen Ethik, Bd. 1, aktualisierte Neuauflage Freiburg im Breisgau 1993, 440-458. <?page no="386"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 386 kunftsorientierte, prospektive Ethik 1177 harrt nachwievor der Weiterentwicklung. Genauso kann die „eschatologische Dimension der Rechtfertigungslehre“ 1178 als schwach ausgeprägt gelten. Interkonfessionelle Gespräche könnten hier sehr aufschlussreich sein, wofür aber der „verkümmerte Dialog“ 1179 über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Eschatologie und Hoffnungslehre wieder aufzunehmen wäre. Für das Selbstverständnis der Kirchen sind diese Themenkreise unverzichtbar. 1180 Insbesondere auch aus dem Grunde, weil ganz im Sinne der hier vertretenen These immer wieder systematische Verbindungen zur Sinnfrage und Sinnerfahrung 1181 des (modernen) Menschen freigelegt werden können. Hoffnung erweist sich dabei als spes efficax, als wirkkräftige und wirkmächtige Hoffnung. Als eher traditionelles Bild, das aber mit höchst aktuellen Bezügen zu den Humanwissenschaften auf das Engste mit der Hoffnungskategorie verknüpft ist, ist das der Hoffnung auf Rettung der Seele 1182 , das für die rettende, bewahrende und schützende Wirkung der Hoffnung zu stehen vermag. Insgesamt deutet sich bereits nach diesen wenigen Bemerkungen an, dass eine eschatologische Deutung praktisch aller zentralen Theologumena für die Freilegung der Strukturen einer Ethik der Hoffnung von Notwendigkeit wäre. 1183 Der immer wieder erhobene Ruf, die ethischen Konsequenzen der Eschatologie 1184 aufzuweisen, ist mithin nicht neu, aber nur selten ist der Versuch unternommen worden, das Anliegen systematisch einzulösen. Auch die vorliegende Arbeit vermag das nicht zu leisten, versucht sie doch eher systematische Konsequenzen aus einer anthropologischen Fundierung der Hoffnungskategorie abzuleiten, will aber das Forschungsdesiderat eigens hervorheben. Denn bei der Frage nach den ethischen Implikationen der Eschatologie, erst Recht der Parusie, ist meist die Verlegenheit groß oder werden nur allgemeine Ableitungen getroffen, wiewohl die „Eschatologie als Reflexion des christlichen Lebens aus dem Erwartungshorizont des Handelns“ 1185 bezeichnet werden kann. An sich löblich ist daher das Unterfangen von HANS G. ULRICH 1186 , das (evangelische) Verhältnis von Eschatologie und Ethik seit Schleiermacher in den Blick zu nehmen, 1177 Vgl. SCHULTZE, H., Überlegungen zu einer zukunftsorientierten Ethik, in: Zeitschrift für evangelische Ethik 16 (1972), 257-273. 1178 Vgl. SAUTER, G., Einführung in die Eschatologie, Darmstadt 1995, 169. 1179 Vgl. SAUTER, Einführung in die Eschatologie, 162ff. 1180 Vgl. WOLF, E., Die eschatologische Hoffnung und ihre Auswirkung auf das Zeugnis der Kirchen, in: Evangelische Theologie 13 (1953), 157-169. 1181 Vgl. PANNENBERG, W., Eschatologie und Sinnerfahrung, in: Ders., Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze II, Göttingen 1980, 66-79 und ULRICH, H.G., Eschatologie und Ethik, München 1988, 107ff. 1182 Vgl. GRESHAKE, G., „Seele“ in der Geschichte der christlichen Eschatologie. Ein Durchblick, in: BREUNING, W. (Hrsg.), SEELE. Problembegriff christlicher Eschatologie (QD 106), Freiburg im Breisgau 1986, 107-158. Ebenso KRAMER, H., Rette deine Seele! - Hier in diesem Jammertal! , in: GERHARDS, A. (Hrsg.), Die größere Hoffnung der Christen. Eschatologische Vorstellungen im Wandel (QD 127), Freiburg im Breisgau 1990, 93-107 und SONNEMANS, H., Seele, Unsterblichkeit - Auferstehung. Zur griechischen und christlichen Anthropologie und Eschatologie, Freiburg im Breisgau 1984. 1183 Vgl. PANNENBERG, W., Theologie und Reich Gottes, Gütersloh 1971. So etwa, wenn der Begriff der Erscheinung als Ankunft der Zukunft in einer ständigen Gegenwart begriffen wird. 1184 Vgl. WOHLMUTH, J., Mysterium der Verwandlung. Eine Eschatologie aus katholischer Perspektive im Gespräch mit jüdischem Denken der Gegenwart, Paderborn 2005. 1185 Vgl. MÜHLING, M., Grundinformation Eschatologie. Systematische Theologie aus der Perspektive der Hoffnung (UTB 2918), Göttingen 2007, 40, auch 35ff. und 240ff. 1186 Vgl. ULRICH, H.G., Eschatologie und Ethik, München 1988. <?page no="387"?> 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie 387 wobei neben dem berechtigen Versuch, theologische Ethik auf Eschatologie aufzubauen, kaum ein Vermittlungsversuch mit dezidiert philosophischen Reflexionsgestalten der Ethik stattfindet und eine (nicht seltene) Engführung christlicher Hoffnung auf politische Theologie zu beobachten ist. Die Versuche, Hoffnung und Handlungstheorie zu vermitteln, Hoffnung und Wirklichkeit zu vermitteln, weisen durchaus in die richtige Richtung, führen aber erneut zum Ergebnis, dass ein „eschatologischer Stand ethischer Orientierung“ 1187 systematisch noch aussteht. 1188 Die ethische Relevanz (futurischer) Eschatologie vermag sich etwa darin zu zeigen, dass „Zukunft als Verheißung für gegenwärtiges Standhalten und somit als Handlungsmotivation“ 1189 erfahren wird. Alle handlungsrelevanten Kategorien bekommen auf diese Weise eine konstitutive Offenheit und Unbestimmtheit und Unschärfe, soweit, dass der Mensch selbst unbestimmt und „verborgen“ 1190 bleibt bzw. erst wird, worauf BLOCH bereits mit seinem homo absconditus hingewiesen hat. Der Mensch ist sich selbst ein unbekanntes Wesen, terra incognita, dem definitorischen und immer reduktionistischen Zugriff entzogen. Er trägt seine Zukunft nicht schon in sich, ist nicht determiniert, radikal offen und damit vor die Aufgabe der Selbstdeutung gestellt, die in hohem Maße instrumentalisiert werden kann über entsprechende Deutemächte, aber auch umgekehrt offen für eine fundamentale Ausrichtung an Jesus Christus als „Präjudiz des neuen Menschen“ 1191 . Dabei verweist die Verborgenheit des Menschen auf die Verborgenheit Gottes. Hoffnung ist dann das Medium, den Menschen vor immer vorschnellen Bestimmungen zu schützen, sein Wesen offen zu halten auf je größere Erfüllung hin. Einer der zentralen biblisch-eschatologischen Topoi dafür ist die Naherwartung. Der christliche Zeitbegriff ist von der Naherwartung zutiefst geprägt 1192 und damit von einem spezifischen Zeithorizont. Die Parusieerwartung kann als notwendige Zeitmatrix und damit Verstehens-Voraussetzung für den Zugang zu Jesu eigener radikaler Hoffnung gelten und ist schon aus diesem Grunde nicht einfach historisch-theologisch dispensierbar. Sie verweist auf das buchstäblich drängende und gespannte Zueinander des Handelns des Menschen und des Handelns Gottes, das als Verhältnis von (asymmetrischen) Freiheiten zu deuten ist und spätestens in der Neuzeit zu einer Krise des Vorsehungsglaubens 1193 geführt hat. Die hier vorgetragene These des Zugleichs von Schon und Noch-Nicht, der eschatologischen Ankunft der Zukunft in der Gegenwart und dem damit verbundenen Aufbau 1187 Vgl. ULRICH, Eschatologie und Ethik, 252. 1188 Vgl. TANNER, K., Eschatology and Ethics, in: MEILAENDER, G. / WERPEHOWSKI, W. (Ed.), The Oxford Handbook of Theological Ethics, Oxford 2005, 41-56 und SAMSE, U., Der Zusammenhang von Eschatologie und Ethik bei Paul Tillich, Bonn 1980. 1189 Vgl. LAMPE, P., Die Apokalyptiker - Ihre Situation und ihr Handeln, in: Eschatologie und Friedenshandeln. Exegetische Beiträge zur Frage christlicher Friedensverantwortung (Stuttgarter Bibelstudien 101, hrsg. von MERKLEIN, H. / ZENGER, E.), Stuttgart 2 1982, 59-114, hier 105. 1190 Vgl. SAUTER, G., Der verborgene Mensch. Zur Bestimmung des Menschen bei Ernst Bloch und in der theologischen Anthropologie, in: Ders., Erwartung und Erfahrung. Predigten, Vorträge und Aufsätze, München 1972, 47-59. 1191 Vgl. SAUTER, Der verborgene Mensch, 59. 1192 Vgl. 1 Joh 2,18-20 (Einheitsübersetzung): „Meine Kinder, es ist die letzte Stunde. Ihr habt gehört, dass der Antichrist kommt, und jetzt sind viele Antichriste gekommen. Daran erkennen wir, dass es die letzte Stunde ist. Sie sind aus unserer Mitte gekommen.“ 1193 Vgl. LINK, C., Die Krise des Vorsehungsglaubens. Providenz jenseits von Fatalismus, in: Evangelische Theologie 65 (2005) 6, 413-428. <?page no="388"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 388 von Handlungsspannungen und deren eminente Handlungsrelevanz entspricht mit HANS WEDER exakt den biblischen Vorgaben und dem Zeugnis des Urchristentums: So kann es etwa als eine der zentralsten Aussagen des Neuen Testaments gelten, dass mit Leben, Sterben und Auferstehen Jesu, wie es bezeugt ist, „die Gottesherrschaft ein neue Ausdehnung bekommen hat. Aus dem Jenseits, wo sie vermutet, geahnt, gefürchtet wird, erstreckt sie sich bis ins Diesseits. Aus der Zukunft, von der sie erhofft und ersehnt wird, dehnt sie sich aus bis ins Jetzt. Durch das exorzistische Wirken gewinnt die Gottesherrschaft eine unvermutete Ausdehnung, sie gewinnt sozusagen Einfluss auf das Jetzt. Dabei geht es nicht primär um die auf der Zeitgeraden gedachte innerzeitliche Beziehung der Gottesherrschaft zur Gegenwart, sondern vielmehr um ihre als Wirksamkeit gedachte Wirklichkeit. Dieses Verständnis der Gegenwart der Gottesherrschaft lässt sich durchaus vereinbaren mit ihrer Zukunftsdimension. Durch die Ausdehnung bis ins Jetzt hat sie ihre Zukunftsdimension gerade nicht verloren, sondern intensiviert. Die Gottesherrschaft ist sogar - dank ihrer intensivierten Zukunftsdimension - in einem strengeren Sinne Gegenwart, weil ihr aus der Zukunft stammendes Wirken nie durch die Gegenart vereinnahmt werden kann, sodass ihr Wirken dann Vergangenheit würde. Sie ist im strengeren Sinne Zukunft, sofern sie in keiner Weise aufgeht im jetzigen Exorzismus. Und sie ist im strengeren Sinne Gegenwart, als kein anderes als sie ihr ganz und gar künftiges Licht aufblitzt im Jetzt.“ 1194 Die entscheidende inhaltliche Prägung erfährt die Gegenwart aus dieser biblischen Perspektive durch die Zukunft, die allerdings als solche bereits anfanghaft in der Gegenwart erfahren werden kann. Diese Zukunft reicht auch nicht als Wissen in die Gegenwart hinein, sondern als aktivierende Hoffnung, die ihrerseits durch das göttliche Wort bewegt und buchstäblich inspiriert wird. „Nach Jesus ist es gerade die Qualität der Gegenwart, die die Hoffnung auf die universale Güte der Zukunft berechtigt. Anlass zur Hoffnung auf die Gottesherrschaft gibt das Fragment des Guten im Jetzt. [...] Die Gegenwart hat zum Beispiel die Gestalt des Senfkorns, und ihr Geheimnis ist, dass sie die Zukunft des großen Baumes in sich hat. [...], dass die Qualität der Gegenwart durch die Zukunft erschlossen wird. Im winzigen Fragment der Gegenwart das Geheimnis der großen Zukunft wahrzunehmen, unterscheidet Jesus fundamental von der Apokalyptik, [...]. Die Gegenwart kommt apokalyptisch überwiegend als eine Zeit des Defizits in den Blick.“ 1195 Die Unterscheidung ist insofern wichtig, als ansonsten die gegenwärtige Wirklichkeit kraft einer Hoffnung geflohen werden soll und letztlich entwertet wird, aber dadurch gerade ihre humanisierende Umgestaltung infrage gestellt ist. Ohne Nukleus der erhofften Zukunft bereits in der Gegenwart keine positive Umgestaltung, sondern Flucht. „Denn wo die Gegenwart zu einer heillosen Zeit geworden ist, lebt man ständig auf dem Sprung, ihr zu entrinnen; man lebt im ständigen Exodus aus der Gegenwart, in der Sezession vom Jetzt.“ 1196 So kann eine strikte Alternative von präsentischer und futurischer Eschatologie als biblisch nicht sinnvoll gelten, während „die im gesamten Urchristentum zu beobachtende Spannung von Zukunft und Gegenwart [...] zur urchristlichen Eschatologie“ 1197 zu zählen ist. Wenn diese Reflexionen zutreffend sind, dann ist für den Hoffnungsvollzug die Gegenwart von vergleichbarer Wichtigkeit und Bedeutung wie die eigentlich eschatologische und antizipierte Zukunft, die erst Gegenwart werden soll. Christliche Hoffnung ist Hoffnung auf Zukunft im Jetzt - zwar auf 1194 Vgl. WEDER, Gegenwart und Gottesherrschaft, 30. 1195 Vgl. ebd. 56-57. 1196 Vgl. ebd. 69. 1197 Vgl. ebd. 77. <?page no="389"?> 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie 389 ein Morgen, aber im Heute, auf ein Morgen, das Heute werden soll und schon das Heute berührt - und damit auf das Sinnvolle bereits im Jetzt. Das verwandte biblische Konzept der Parusie kann auf dem Hintergrunds dieser Reflexionen als Versuch begriffen werden, zu denken, wie die erwähnte Differenz und Spannung am Ende von Gott her zu einer Aufhebung geführt werden kann bzw. auf das Endziel hin verringert werden kann - aber als drängende Erwartung und undelegierbar verpflichtende Hoffnung einer jeden Gegenwart je neu. 1198 Auf dem Hintergrund der bisherigen Zeitanalysen muss bzw. darf Parusie nicht mehr auf einer linearen (gar historischen) Zeitachse verortet werden, sondern Parusie kann auf dem Hintergrund des Zugleich der Zeitebenen immer sein und hat sich somit weder theologisch desavouiert noch historisch überholt. Die Figur des Parakleten kann dabei als Interpretament der Parusie gelten, was wiederum dem pneumatologischen Charakter christlicher Hoffnung entspricht: „Der Paraklet stellt die immerwährende Gegenwart des Inkarnierten bei den Menschen dar. Und er stellt sicher, dass diese Vergegenwärtigung jenes Kairos selbst ein eschatologisches Geschehen ist. [...]“ Weiter heißt es: Er „hält jede Gegenwart für die Zukunft Gottes offen, indem er sie mit dem endgültigen Kommen des Inkarnierten verbindet. Denn nur die Verbindung zum Ereignis des Wahren nährt die Hoffnung darauf, dass dieses Wahre am Ende alles in sich aufnehmen wird.“ 1199 Es kann nun die nachfolgenden Reflexionen vorbereiten, eine der zentralsten systematischen Einsichten der theologischen Ethik anzubringen: Jedes Glaubenskerygma hat demnach eine Entsprechung im menschlichen Selbstverhältnis, kann es zumindest potentiell haben und muss es haben, sollen entsprechende Wahrheiten menschliche Wirklichkeit erfassen und umwandeln können. Konsekutiv dazu werden dann das Weltverhältnis und das Verhältnis zum Anderen geprägt. Selbstredend sind alle diese Verhältnisse 1198 Streng genommen darf nach den bisherigen Erörterungen zwischen präsentischer und futurischer Eschatologie keine strikte Alternative eröffnet werden, so als ob entschieden werden könnte und müsste, ob das eine oder andere zu favorisieren ist, sondern hier wie dort ist die Spannung das Entscheidende, deren Pole akzentuiert werden können, solange die Spannung jeweils nicht einseitig aufgelöst wird und die Dialektik damit nicht zerrissen wird. Eschatologie ist - moraltheologisch gewendet - als die Lehre vom Hoffnungskerygma und den damit einhergehenden theologischen Spannungen zu bezeichnen. So lässt sich fragen: Inwieweit setze ich das ent-sprechende Auferstehungskerygma bereits gegenwärtig und aktuell, ohne die prinzipielle Ausständigkeit und Unabgegoltenheit desselben unter den Bedingungen jeder menschlichen Gegenwart zu vergessen oder gar zu missachten? Und inwieweit betone ich dessen Zukünftigkeit, ohne das prinzipielle Schon-Begonnenhaben in Jesus Christus und dessen Spuren in der Gegenwart zu missachten? Je einseitiger das Verhältnis bestimmt wird und je isolierter seine Pole betrachtet werden, desto gefährlicher und desto größer die inhärente Spannung. Je gegenwärtiger das Kerygma gesetzt wird, desto größer der potentielle Widerspruch in der Gegenwart und desto ferner erkenntnismäßig die Zukunft (der Kommende wird weniger erkennbar); je ausständiger und zukünftiger das Kerygma gesetzt wird, desto größer der Widerspruch in Gott selbst (Theodizee) und desto (kerygmatisch) unbestimmter und gottferner die erlebte Gegenwart. Es sei denn, es gibt begründete Hoffnung, die jeweils als Brücke für eine Balance und einen Ausgleich der Spannungspole sorgt. Die Konsequenzen für die Handlungspraxis sind je verschieden. Jesus Christus hält diese Spannung zusammen, verbindet das Widersprüchliche letztlich in sich und durch sich selbst im Heiligen Geist, trägt Gott in die Welt und die Welt in Gott. Jesus verkörpert bzw. verleiblicht diese Spannung in seiner eigenen Gestalt. Letztlich ist er sie selbst und bildet damit die prinzipielle Bestimmung eines jeden Menschen ab, zumindest unter der Perspektive christlicher Anthropologie. 1199 Vgl. WEDER, Gegenwart und Gottesherrschaft, 84. <?page no="390"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 390 transparent und durchwirkt vom Gottesverhältnis. Mit Bezug auf das hier verhandelte Thema heißt das, dass der eschatologischen Hoffnungsstruktur christlicher Erlösung eine Hoffnungsstruktur menschlichen Selbstverhältnisses und Selbstbewusstseins entspricht. 1200 Daher hat etwa die Historisierung und Individualisierung der Eschatologie zur Konsequenz, dass diejenige Spannung auch aus dem Selbstverständnis menschlicher Handlungspraxis herausgenommen wird, die eigentlich christlicher Hoffnung eigen ist, was einer historischen „Stilllegung“ ihrer „subversiv-revolutionären Kraft“ 1201 gleichkommt. 1202 Insgesamt scheinen mir die hier zu reflektierenden anthropologischen Dimensionen der Eschatologie nur vorsichtig herausgearbeitet worden zu sein, selbst wenn dies explizit angekündigt wurde. 1203 Es bieten sich vielfältige Bezüge an, die auch für eine Ethik der Hoffnung von zentraler Bedeutung sind: So trägt theologische Anthropologie aufgrund einer Nähe zur Schöpfungstheologie seit je her protologische Züge 1204 , was einer der wichtigsten Kristallisationspunkte für die anvisierte Aufgabe darstellen könnte. Analog dazu könnten und müssten deren proleptische Strukturen ausgewertet werden. Vielfältige Vermittlungen an sich divergenter Größen fallen ins Auge, die dann im Rahmen des elpistischen Spannungsgeschehens vermittelt werden können. Christliche Eschatologie hat etwa schon immer auf „der grundsätzlichen Bezogenheit des Geistes auf die Materie bestanden“ 1205 , ebenso der Zeit auf Ewigkeit, der Individual- und der Universaleschatolo- 1200 Vgl. EICHER, P., Auferstehung (Art.), in: Ders. (Hrsg.), Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe Bd. I, München 2005, 137. Mit Blick auf Augustinus kann er schreiben: „Trotz der unverkennbaren Lust an der Ausmalung eines körperlich spürbaren Jenseits hat Augustinus eine neue Art des Verhältnisses des Menschen zu sich selbst geschaffen. Der Glaube an Gottes Abstieg in den Tod hat es ihm möglich gemacht, die Abgründe des eigenen Selbst literarisch zu erörtern - als Abbild dieses Abstiegs. Das Genus der Biographie und damit auch der Selbstanalyse ist Augustins Erfindung. Das Verlangen nach einem eigenen Leben ist auch die Frucht der Vorstellung, dass das Schicksal des Einzelnen - von Gott her gesehen - angenommen, gerichtet und auf ewig ins Gedächtnis des Unendlichen aufgenommen wird. [...] Die christliche Vorstellung von der Auferweckung der Toten hat die Lebendigen individualisiert und zum literarischen Ausdruck ihrer selbst inspiriert. Literatur im modernen Sinn ist auch eine säkulare Version der Auferstehung der Toten.“ Das Verhältnis ist freilich in beiden Richtungen zu denken: Praktische Theologie vermag zu zeigen, dass alle menschlichen Praxisfelder (Handeln, Bi o graphie, Gebet, etc.) zutiefst korrelieren mit unserem Glaubensvollzug und unserem gläubigen Selbstverständnis, genauso wie umgekehrt die gläubige Selbstauslegung menschliche Praxis bestimmt. 1201 Vgl. EBACH, J., Eschatologie / Apokalypse (Art.), in: EICHER, P. (Hrsg.), Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe Bd. I, München 2005, 260-272, hier 268. 1202 KARL BARTH hat noch vor der Gefahr der „Überführung der Eschatologie in eine innerweltliche Moralität“ gewarnt, wiewohl mir die Gefahr nur bei einer ausschließenden, die Eschatologie nivellierenden, nicht aber bei einer einschließenden Überführung vor Augen steht. 1203 Vgl. etwa KRÖTKE, W., Das menschliche Eschaton. Zur anthropologischen Dimension der Eschatologie, in: STOCK, K. (Hrsg.), Die Zukunft der Erlösung. Zur neueren Diskussion um die Eschatologie, Gütersloh 1994, 132-146. 1204 Vgl. WOHLMUTH, J., Anthropologische Dimensionen christlicher Eschatologie, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio, 36 (2007) 132-145, hier 132. Aus den Quellen des Vierten Lateranense (1215) stammt der nach wie vor zentrale Basistext protologischer Orientierung theologischer Anthropologie, das Caput firmiter. Vgl. WOHLMUTH, J. (Hrsg.), Dekrete der ökumenischen Konzilien Bd. II, Paderborn et al. 2000, 230. 1205 Vgl. WOHLMUTH, Anthropologische Dimensionen christlicher Eschatologie, 144 und 145. „Ein vollendetes Menschsein ist, christlich verstanden, jedenfalls nur als Heil des Fleisches möglich.“ <?page no="391"?> 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie 391 gie, etc. Christliche Hoffnung setzt ein positives Verhältnis der Größen immer schon voraus. Mit anderen Worten: Menschliche Handlungswirklichkeit hat unter moraltheologischer Perspektive Teil an eschatologischer Rationalität. So ist eine jede „eschatologische Anthropologie der Verwandlung“ oder „Theologie der eschatologischen Verwandlung“ theologisch-ethisch auszubuchstabieren und damit äußerst fruchtbar zu machen für eine Ethik der Hoffnung, um das zu ermöglichen, was JOSEF WOHLMUTH „Eschato- Praxie“ 1206 bzw. „Eschato-Ethik“ (neben Eschato-Ästhetik und Eschato-Logie) nennt, freilich ohne dabei eine materiale Ethik vor Augen zu haben. Mit LEVINAS votiert er aufschlussreich für eine „Priorität der Ethik vor der Ontologie“ 1207 Wer über Hoffnung und deren mögliche Bedeutung für den sittlichen Handlungs- und Lebensvollzug nachdenkt, kommt wie oben geschehen, nicht umhin, über das dem Christentum bzw. das den biblischen Schriften inhärente Zeitverständnis nachzudenken bzw. hat sich auf der Basis eines dezidiert ethischen Diskurses mit dem Zeiterleben des Menschen und dessen Valenz für die Handlungskonstitution insgesamt zu beschäftigen. 1208 Im Rahmen der bisherigen Ausführungen konnte dabei für die Verwendung der Hoffnungs-Kategorie im Alten und Neuen Testament eine grundsätzliche und fundamentale eschatologische Zeit- Struktur 1209 festgestellt werden, die sich in der Dialektik von Schon und Noch-Nicht abbilden lässt. Unter Voraussetzung der Annahme, dass der griechisch bzw. biblisch konnotierten Hoffnung grundsätzlich Handlungsrelevanz zukommt, steht (christliches) Handeln (aus Hoffnung) mithin unter eschatologischem Vorbehalt 1210 , sodass von einem „eschatologischen Vorbehalt des Handelns“ gesprochen werden könnte, dem es aus theologischer Perspektive insbesondere daran gelegen sein muss, die für die Reflexion auf den Handlungsvollzug des Subjekts unentbehrlichen moraltheologischen Kategorien als eschatologisch strukturiert zu begreifen - bis dahin, dass die Identität des Handlungssubjekts selber als mit einer Hoffnungsstruktur begabt betrachtet werden muss, sodass diese erst unter Berücksichtigung derselben letztlich als gelingende plausibel einholbar bleibt. Das bedeutet schließlich, dass für die Realisierung und das Verständnis von menschlichem Handeln, menschlicher Freiheit, Verantwortung und Identität die jeweils implizite Hoffnungsgestalt unentbehrlich ist. Steht Handeln unter der Perspektive seiner Hoffnungsstruktur bzw. im Horizont der Eschatologie seiner selbst, dann verändert sich dabei 1206 Vgl. WOHLMUTH, J., Mysterium der Verwandlung. Eine Eschatologie aus katholischer Perspektive im Gespräch mit jüdischem Denken der Gegenwart, Paderborn 2005, 122ff. 1207 Vgl. WOHLMUTH, Mysterium der Verwandlung. 125 und Anmerkung 86. Dabei zeigt sich ihm mit der Frage nach „der ethischen Valenz des Apokalyptischen bzw. Eschatologischen“, dass diese „ihr volles Gewicht erst entfalten, wenn sie ›ethisch‹ oder ›moralisch‹ ausgelegt werden“. 1208 Vgl. WEDER, H., Gegenwart und Gottesherrschaft. Überlegungen zum Zeitverständnis bei Jesus und im frühen Christentum, Neukirchen-Vluyn 1993; ESCRIBANO-ALBERCA, I., Das vorläufige Heil. Zum christlichen Zeitbegriff, Düsseldorf 1970. 1209 Vgl. HAMP, V., Zeit III. Im AT (Art.), in: HÖFER, J. / RAHNER, K. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche (LThK 2 ) Bd. X, Freiburg im Breisgau 1965, 1329-1330; SCHLIER, H., Zeit IV. Im NT (Art.), in: HÖFER, J. / RAHNER, K. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche (LThK 2 ) Bd. X, Freiburg im Breisgau 1965, 1330-1332. Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung der Eschatologie ESCRIBANO-ALBERCA, I., Eschatologie. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart, Freiburg im Breisgau 1987. 1210 Vgl. zur sozialtherapeutischen Bedeutung HOLDEREGGER, A., Die Bedeutung der Eschatologie für einen sozialtherapeutischen Ansatz der Theologischen Ethik, in: Ders., Grundlagen der Moral und der Anspruch des Lebens. Themen der Lebensethik, Freiburg / Schweiz 1995, 70-88. <?page no="392"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 392 das Verständnis aller handlungsrelevanten Kategorien: „Das eschatologische Novum ist etwas qualitativ anderes als das von der Herkunft her verlängerte Futurum.“ 1211 Dem Handlungssubjekt wächst beispielsweise eine neue Freiheit und eine neue Verantwortung zu, weil seinem Handeln jenseits einer naturhaften Finalität, der es allein um Zielerreichung geht und jenseits einer auf die Potentialität eigener Möglichkeiten fixierten Moral, die sich aus der Vergangenheit ableitet, ein grundsätzlich neuer Sinnhorizont gegeben wird und die ganze Identität des Subjekts sich in einer „Leidenschaft für das Mögliche“ (SÖREN KIERKEGAARD) wiederfindet: „Dem Subjekt ist darum eine andere Aufgabe gestellt als die bloße Erreichung des vorgespannten Zieles, nämlich die Überschreitung seiner bisherigen Faktizität und seiner bisherigen Möglichkeiten. Es ist zu größerer Freiheit herausgefordert, weil es nicht nur jetzige Möglichkeiten in die Wirklichkeit überführen muss, sondern weil es sich selber zu neuen Möglichkeiten gefordert und befreit sieht.“ 1212 Die Realität des je eigenen Lebens öffnet sich dabei im Medium des Hoffens und auf der Basis der damit einhergehenden Hoffnungs-Spannung auf die neuen buchstäblich ungeahnten Möglichkeiten der erhofften Sinn-Gestalt, was grundlegend mit einer ganzheitlichen Vitalisierung der Person einhergeht und in ihrer christlichen Hochform eine ungeahnte Souveränität verleiht. Mit Blick auf eine moraltheologische Begrifflichkeit ist dabei nun von einer „eschatologieempfindlichen Ethik“ auszugehen oder, wie es DIETRICH WIEDERKEHR im Handbuch christlicher Ethik bezeichnet hat, von einer „eschatologisch orientierten ethischen Praxis“ 1213 . Steht Handeln also unter eschatologischem Vorbehalt, dann hat es sich eine Moraltheologie nicht nur angelegen sein zu lassen, die diesbezüglichen strukturellen Voraussetzungen zu erheben, das handelnde Subjekt quasi dahingehend zu befragen, woran Hoffnung sich vollzieht und welchen Status schließlich diese Reflexionen haben: faktischen, konditionalen oder transzendental-anthropologischen, auch für eine theologische Erkenntnislehre im allgemeinen bzw. eine moraltheologisch Methodologie im besonderen ist die Hoffnungsstruktur des Glaubens unentbehrlich: „Sie“, wie JÜRGEN MOLT- MANN formuliert, „provoziert und produziert ständig ein antizipierendes Denken“ 1214 , das für theologische Erkenntnisbildung im Dienste einer Einsicht und eines Verständnisses christlichen Glaubens- und Hoffnungsvollzugs mitsamt den Implikationen unterschiedlichster Art bleibend unaufgebbar ist: „Er hofft, um zu erkennen, was er glaubt.“ 1215 Hat dieses Diktum Geltung, dann kann das berühmte, abendländischer Programm theologischer Erkenntnistheorie des ANSELM VON CANTERBURY fides quaerens intellectum für den vorliegenden Kontext in den Grundsatz spes quaerens intellectum - spero, ut intelligam spezifiziert werden. Der eschatologische Vorbehalt menschlichen Handlungsvollzugs spiegelt sich in einer für menschliches Dasein ‚konstitutionellen Zeitoffenheit‘ bzw. einer ‚offenen Zeitkonstitution‘ wider. Menschliches Handeln und menschliches Bewusstsein wäre demnach (strukturell) so organisiert, dass sich die zeitliche Nichtfestgelegtheit sowohl der Vergangenheit, aber insbesondere auch der Zukunft gegenüber nicht nur organisch in die theologischen Spekulationen zur Eschatologie einfügen lassen, 1211 Vgl. WIEDERKEHR, D., Die Kategorie der Eschatologie, in: HERTZ, A. et al. (Hrsg.), Handbuch der christlichen Ethik, Bd. 1, Freiburg im Breisgau 1993, 456. 1212 Vgl. WIEDERKEHR, Die Kategorie der Eschatologie, 456. 1213 Vgl. ebd. 456. 1214 Vgl. MOLTMANN, J., Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur Begründung und zu den Konsequenzen einer christlichen Eschatologie, Gütersloh 13 1997, 29. 1215 Vgl. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, 28. <?page no="393"?> 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie 393 sondern noch schärfer formuliert: Die strukturellen Vorgaben eines Vollzugs humaner Zeitlichkeit in Richtung und unter Voraussetzung eines Eschatons müssten so auszuweisen sein, dass eine spezifische Balanciertheit ihrer je eigenen Komponenten als notwendige Voraussetzung sinnvollen und gelingenden Lebens betrachtet werden kann; oder auf die Thematik der vorliegenden Arbeit bezogen: Der Vollzug von Hoffnung, ob in spezifisch christlicher Provenienz oder mittels ihrer säkularen Desiderate und auf der Basis ihrer empirisch und anthropologisch greifbaren Strukturgesetzlichkeiten muss als Konstitutivum gelingenden Handlungsvollzugs ausweisbar sein. Auch wenn das Alte und das Neue Testament nicht dezidiert über Zeit reflektieren, sondern eine spezifische Zeit-Erfahrung implizieren, können die Beobachtungen der alt- und neutestamentlichen Verwendung der Hoffnungskategorie in Richtung der klassischen Unterscheidung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft systematisiert und in ihrem handlungsrelevanten Potential ausgelegt werden: Wird dabei der Blick auf die vorherrschenden Zeitrichtungen des hoffenden Subjekts gelenkt, ist zuerst eine fundamentale Dialektik der vorrangig griechischen „auf .... hin“ - Bewegung (Extrapolation aus der Gegenwart in die Zukunft) und der semitischen „aus ... heraus“ - Bewegung (Antizipation der Zukunft in die Gegenwart hinein) zu beobachten: Hoffnung vermittelt beide Bewegungen bzw. repräsentiert beide Hoffnungsrichtungen, sowohl den planenden, verfügbaren, berechnenden Vorgriff aus der Gegenwart in die Zukunft (griechischer Hoffnungsbegriff: Extrapolation), was unter dem Stichwort: Hoffnung im Modus des Entwurfs zu fassen ist, als auch den verheißenden, öffnenden und transzendierenden Einfluss der Zukunft in die Gegenwart (semitischer Hoffnungsbegriff: Antizipation), was unter dem Stichwort: Hoffnung im Modus der Verheißung zu fassen ist. Damit kann die „Zeitdialektik der Handlungsorganisation“ auf der Basis der Hoffnungskategorie systematisch und begrifflich gefasst werden. Wird dieser Gedanke weitergeführt, so ist Hoffnung mithin als ein „Begriff der Vermittlung“ zu bestimmen, wie sich an verschiedenen Stellen immer wieder zeigen lässt: Hoffnung vermittelt beispielsweise zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit auf eine Realität hin, die beides umfasst: „Allein die Hoffnung ist ‚realistisch‘ zu nennen, weil nur sie mit den Möglichkeiten, die alles Wirklich durchziehen, ernst macht.“ 1216 Auch im Kontext dezidiert philosophischer Spekulationen kann diese Vermittlungseigenschaft der Hoffnung nachgewiesen werde, woran nur kursorisch erinnert werden kann: Nach IMMANUEL KANT ist nämlich Hoffnung in der Lage, die divergierenden Interessen des theoretischen und des praktischen Vernunftgebrauchs zu vermitteln, vereinigt in der berühmten Frage „Was darf ich hoffen? “ 1217 . Solche Hoffnung hat, richtig verstanden, den Charakter eines Postulates, das zwar theoretisch unerweisbar ist, aber die Existenz derjenigen Bedingungen behauptet, die die unvermeidliche Vernunftdialektik aufzulösen vermögen, was für das Verständnis des „Sittengesetzes“ von erheblicher Bedeutung ist. Es kann auch in Anlehnung an SÖREN KIERKEGAARD, der von einer „Doppelbewegung der Unendlichkeit“ (von der Wirklichkeit über einen Sprung in die Transzendenz zurück in die transformierte Wirklichkeit) sprach, von einer „Doppelbewegung der Hoffnung“ gesprochen werden, die in Abhängigkeit vom vorherrschenden Hoffnungs-Ethos und dessen Implikationen sich zwischen Entwurf und Verheißung vollzieht. Dabei wird bei aller prinzipiellen Verschiedenheit von einer Dialektik der Bewegungen auszugehen sein, nach der die Hoffnung im Modus der Verheißung der Hoffnung im Modus des Entwurfs bedarf, um realisiert werden zu können bzw. umge- 1216 Vgl. ebd. 20. 1217 Vgl. KANT, I., KrV, A 804f. <?page no="394"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 394 kehrt die Hoffnung im Modus des Entwurfs der Hoffnung im Modus der Verheißung bedarf, um orientiert und motiviert zu werden und zu bleiben. Dessen ungeachtet setzt nun Hoffnung ein Doppeltes voraus: (1) Gegenwärtigkeit und (2) Zukünftigkeit: Ersteres zielt v.a. auf eine Wahrnehmungs-, Reflexions- und Deutungsfähigkeit im weitesten Sinne bzgl. dem faktisch Vorausgesetzten, mitunter auch unter Beachtung der Perspektive der Vergangenheit, letzteres zielt auf die Fähigkeit, den Raum der Zukunft in den eigenen Handlungs- und Bewusstseins-Horizont zu integrieren 1218 und dafür die eigene Zuständigkeit als Verantwortlichkeit zu akzeptieren und wo nötig zu verteidigen. Auf der Ebene von möglichen Handlungskompetenzen betrachtet kann daher von „Möglichkeitssinn“, verstanden als Sinn für das potentiell Mögliche, und „Realitätssinn“, verstanden als der Sinn für das real Gegebene, zugleich gesprochen werden. Beide Seiten sind gefordert, will Hoffnung in ihrem ganzen Spektrum, ihrer ganzen Spannung und ihrem energetisierenden, akzeptierenden, aber auch widerständigen Potential im Dienste der Handlungsfähigkeit des Subjekts etabliert werden. Wird der griechische Hoffnungsbegriff zugrundegelegt, so kann eine Ausdehnung des Realitätssinns erwartet werden, wie es in (post-) modernen Gesellschaften auf der Basis einer Vorherrschaft der instrumentellen Vernunft zu beobachten ist. Wird der semitische Hoffnungsbegriff zugrunde gelegt, kann eine Ausdehnung des Möglichkeitssinns erwartet werden, der zu einer ungeahnten Dynamik der Gegenwartstranszendenz bzw. Gegenwartstransformation führen könnte, wobei an dieser Stelle erneut auf die Gefahr der Verführbarkeit hingewiesen werden soll. Beide Hoffnungskomponenten werden schließlich verbunden durch eine „kontextuelle Zeitanalyse“, die der intensiven Vermittlung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bzgl. des Handlungssubjekts eingedenk bleibt. Ein Verständnis des Handlungssubjekts allerdings allein aus einer monadisch-punktuell betrachteten Gegenwart heraus ist mit diesen Ausführungen nicht (mehr) vereinbar. Moraltheologisch entscheidend werden dabei die Fragen sein, woraus letztlich geschöpft wird bei der Setzung der Hoffnung, was also das begründete Kriterium für die Wahl einer spezifischen erhofften Zukunft ist und wer oder was das Kriterium des Gelingens ist. Zielen beide Formen in ihrer Verbundenheit letztlich auf gelingendes, glückendes Leben, dann kann Hoffnung als ein Bestandteil, als ein Vehikel und als ein „Medium der Vergegenwärtigung des Gelingens“ begriffen werden: Moraltheologisch ist dabei einerseits von Heils-Hoffnung und andererseits von Ziel-Hoffnung für eine Charakterisierung der beiden Hoffnungsformen zu reden, wobei die Grenzen im Sinne einer Heuristik begrifflich-formal gezogen sind, inhaltlich aber ineinander übergehen können bzw. dialektisch verbunden sind. Welche Konsequenzen hat nun eine solcherart eschatologisch-dialektisch orientierte Praxis der Ethik für den Handlungsvollzug? Einige wenige Hinweise müssen genügen: Hoffnung befreit aus der reinen Faktizität und Banalität der Gegenwart. Es wird etwas in Aussicht gestellt, woraufhin sich das Leben orientiert: Handeln gewinnt vermittels der Hoffnung eine Zielperspektive. Die „normative Kraft des Faktischen“ wird ergänzt bzw. 1218 Es lassen sich zahlreiche aktuelle Beispiele finden: Die von FRIEDRICH NIETZSCHE Anfang des 20. Jh. polemisch gegen das Christentum gewendete ‚Fernsten-Liebe‘, kann als Versuch verstanden werden, einen diesbezüglichen Hoffnungs-Horizont auszudehnen. Auch das Mitte des 20. Jh. ursprünglich aus der Forstwirtschaft kommende Nachhaltigkeits-Denken kann dahingehend interpretiert werden, dass der Mensch sich - angesichts der drohenden Gefahren bei Unterlassung (Realitätssinn) - seinen handlungsrelevanten Zukunftsraum erweitert hat um die Zuständigkeit gegenüber der Natur auch mit Blick auf spätere Generationen (Möglichkeitssinn), wobei hier eindeutig eine griechische Begrifflichkeit zugrunde gelegt werden muss. <?page no="395"?> 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie 395 aufgebrochen werden müssen um „die normative Kraft des Potentiellen“, einer Potentialität wiederum, die nicht auf die Abschätzbarkeit eigener Möglichkeiten beschränkt bleibt, sondern sich selbst vertrauend transzendiert auf neue, erst verliehene und anzueignende Möglichkeiten. Insofern transzendiert Hoffnung auch die Gegenwart und bindet zugleich an sie in einem dialektischen Geschehen, in dem sie als eine konkret wahrgenommene und erlebte in die Zukunft, eine bessere Zukunft, geführt werden soll - aus einer verheißenen oder erhofften Zukunft heraus. Die Gegenwart wird quasi im Medium der Hoffnung übersetzt in die Zukunft bzw. die (verheißene) Zukunft in die Gegenwart hinein. Das schließt ein, dass, um in diesem Bild zu bleiben, neben einer genauen Analyse des „Ursprungstextes“ der Gegenwart auch eine klare Zielperspektive bzgl. der erhofften „Übersetzung“ entwickelt werden muss, quasi das Woraufhin. Diese Zielperspektive kann wiederum aus den Bedingungen der Gegenwart abgeleitet werden (Extrapolation) und ist „textintern“ bzw. „textimmanent“ zu nennen, oder sich dem Entdeckungszusammenhang der Verheißung (Antizipation) verdanken, was „textextern“ bzw. „texttranszendent“ zu nennen wäre. Als christlich kann daher auch nicht einfach ein formaler Optativ gelten, sondern eine inhaltlich spezifizierte Gewissheit des Heils. Soll nun Hoffnung in einer integrativen Gestalt, in der griechischer und christlicher Hoffnungsbegriff als versöhnt gedacht werden, entworfen werden, dann indem beide Bewegungen je ihre Bedeutung haben: (1) Aus der Zukunft heraus ganz in die Gegenwart hinein, mithin aus einer Transzendenz der Gegenwart heraus, tief in die Realität der Gegenwart hinein (Antizipation), die dann schon auf ihre positiven Möglichkeiten hin geöffnet ist und (2) mit Blick auf die Zukunft transformiert wird (Extrapolation). Das ermöglicht eine Veränderung der Gegenwart, ohne ganz von ihr abhängig zu sein. Dabei lässt sich der hoffende Mensch niemals gänzlich mit der Gegenwart abfinden, wiewohl seine Hoffnung ihm im Gegenzug dazu allererst den Weg freigibt, sie buchstäblich illusionslos anzuschauen 1219 . Mit anderen Worten: Wer hofft sieht mehr an positiver Möglichkeit in der Gegenwart. Die schon erwähnte Zeit-Dialektik ist unübersehbar. Letztlich vermag sich aber allein christliche Hoffnung auf erstaunliche und geradezu famose Weise von der notwendigen Zielbindung an immanent Erreichbares zu lösen, d.h. vom Erreichen eines bestimmten Ereignisses, das auf der Basis der Hoffnung quasi „gebahnt“ werden müsste, sondern öffnet sich auf das Ganze der je eigenen Existenz. Aus diesem Grunde kann radikale christliche Hoffnung letztlich nicht enttäuscht werden, da sie als verbürgt gelten kan und nicht mehr abhängig ist von immanent Erreichbarem, freilich ohne Vorwegnahme ihrer (Nicht-) Erfüllung. Gerade diese Hoffnung aber ist in dieser Welt zutiefst auffällig und mitunter zutiefst suspekt. Wird nun unter neutestamentlicher Perspektive die Kategorie der Hoffnung in Blick genommen, zeigt sich dem Beobachter ein eindeutig pneumatologisches Denken, was letztlich heißt, dass eine (Moral-)Theologie der Hoffnung immer auch eine Kriteriologie für das Wirken des Heiligen Geistes zu formulieren hat bzw. die dezidiert theologisch-ethischen Positionen über die Hoffnungskategorie an die diesbezüglichen pneumatologischen Akzente verwiesen sind. Hier zeigen sich auch die Differenzen zwischen einem streng tugendethischen und einem pneumatologischen Hoffnungsbegriff. Moraltheologisch betrachtet ist dabei wie besehen von einer „eschatologieempfindlichen Ethik“ auszugehen, während praktisch-theologisch bzw. spirituell- 1219 „Die Hoffnungssätze der Verheißung müssen in einen Widerspruch zur gegenwärtig erfahrbaren Wirklichkeit treten. Sie resultieren nicht aus Erfahrungen, sondern sind die Bedingung der Möglichkeit neuer Erfahrungen. Sie wollen nicht die Wirklichkeit erhellen, die da ist, sondern die Wirklichkeit, die kommt.“ Vgl. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, 13. <?page no="396"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 396 aszetisch schließlich die anvisierte Haltung unter dem Stichwort „adventlich leben“ präzise gefasst werden kann. Dieser weiten Perspektive auf die eschatologische Kategorie der Hoffnung eingedenk sind auch folgende lebenspraktischen und theologisch-spirituellen Folgerungen: Wenn christliche Hoffnung als eine Form des Festhaltens an der Verheißung Gottes an die Menschen verstanden werden kann und diese Hoffnung gerade daran trotz aller Widerstände letztlich nicht verzweifeln lässt und zugleich den Menschen auf diese Verheißung hin ausrichtet - auch und gerade in der Bedrängnis -, dann hat solcherart radikalisierte Hoffnung kaum zu überschätzende Bedeutung im Kontext von Klagetheologie und Theodizee: Erstere könnte als Versuch verstanden werden, die theologischen Voraussetzungen dafür zu reflektieren, einen letzten Rest an Handlungsbzw. Hoffnungs-Spielraum gegen alle Infragestellungen der Realität buchstäblich „einklagen“ zu können. Auch das Problem der Theodizee wird als Problem der letzten theologischen Denkmöglichkeit und realen Praktikabilität von Hoffnung angesichts des ungezählten Opfer der Geschichte wieder entdeckt werden können, indem eine Hoffnung auf eine Rechtfertigung durch Gott selbst als erste und letzte Antwort auf die Theodizee philosophisch-theologisch offengehalten, d.h. als denkmöglich vor dem Forum der Vernunft ausweisbar bleiben muss 1220 , sollen nicht defizitäre und destruktive Formen der Bewältigung weiter intellektuell etabliert und gesellschaftlich hoffähig werden, wie sie unter den philosophischen Stichworten Subjektdekonstruktion und Anthropodizee 1221 firmieren. Wird nun der Jenseitsaspekt innerhalb der Hoffnungsfigur einseitig überbetont neben dem davon zu unterscheidenden Zukunftsaspekt, besteht die Gefahr eines dualistischen Gegensatzes zur Immanenz durch eine Flucht aus der Gegenwart in das (erhoffte) Jenseits und Flucht aus der erwarteten Zukunft, womit auch eine mögliche positive Verbindung zur Gegenwart erschwert wird. Schon hier zeigt sich, dass es sich bei der Konstitution von Hoffnung um einen komplexen Ausgleichsprozess handelt, der in allen Richtungen vereinseitigt und verzerrt werden kann, mit der Folge einer Einschränkung realer und humaner Handlungs- und Hoffnungsmöglichkeiten: Alle drei Zeitaspekte sind in ihrer Verschränkung und dabei in ihrer Bedeutung für den Handlungsvollzug zu beachten, sodass neben der schon erwähnten Gegenwart auch Zukunft und Vergangenheit in die vorliegenden Analysen einbezogen werden können: Vergangenheit konstituiert Gegenwart und indirekt Zukunft. Das Umgekehrte gilt aber auch, wir konstituieren Vergangenheit, indem wir uns erinnernd und durcharbeitend zu ihr verhalten, was wiederum unsere Gegenwart und indirekt unsere Zukunft bestimmt. So kann im Rahmen des vorliegenden Gedankens nur für eine Balance von Erinnerung und Hoffnung plädiert werden - auf der Basis einer Durchlässigkeit der Zeitstufen zueinander. Konnte nun die eschatologische Perspektive in ihrer Bedeutung für ethische Reflexion und moralische Praxis in ersten Ansätzen dargestellt werden, so lassen sich mögliche Folgen einer Transformation dieser Perspektive in die Ebene säkularer Utopie 1222 nur andeuten. Dezidiert 1220 Vgl. STRIET, M., Versuch über die Auflehnung. Philosophisch-theologische Anmerkungen zur Theodizeefrage, in: WAGNER, H. (Hrsg.), Mit Gott streiten. Neue Zugänge zum Theodize e problem (QD 169), Freiburg / Basel / Wien 2 1998, 48-89. 1221 Vgl. STRIET, M., Der neue Mensch? Unzeitgemäße Betrachtungen zu Sloterdijk und Nietzsche, Frankfurt am Main 2000. 1222 So können etwa die Menschenrechte als eine Objektivation der Hoffnungsfigur des Humanen in juridifizierter und säkularisierter Gestalt interpretiert werden, deren Durchsetzbarkeit heute vermehrt diskutiert wird. Vgl. etwa HILPERT, K., Menschenrechte und Theologie. Forschungsbeiträge zur ethischen Dimension der Menschenrechte, Freiburg / Basel / Wien 2001. <?page no="397"?> 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie 397 gegen eine vollständige Säkularisierung biblischer Hoffnungstheologie und Hoffnungsanthropologie spricht sich H.W. WOLFF aus, der aus alttestamentlicher Perspektive mit einem Seitenblick auf ERNST BLOCH 1223 davor warnt, den „Gott der Hoffnung“ zu einem „Gott Hoffnung“ zu vergötzen, die mit einem abstrakten und losgelösten Humanum als Inhalt versehen entweder zu einer radikalen Überforderung des Menschen oder zu einer Relativierung und Nivellierung humaner Erwartungen führen werde 1224 : „Die Hoffnung, der die Bibel entgegengeht, verheißt eine Neuschöpfung, die radikal die eigenen Möglichkeiten des Menschen transzendiert. [...] Die Verheißung des Gottes der Hoffnung ist die Kampfkraft gegen eine doppelte Enttäuschung: die einen vertrösten auf ein Jenseits und enttäuschen, indem sie die Gegenwart für hoffnungslos unveränderlich erklären; die anderen geben vor, den Himmel des ganzen Heils mit eigenen Kräften realisieren zu können und enttäuschen, indem sie die Gegenwart unmenschlich ruinieren. Dagegen kann der seinem Wesen nach auf Zukunft ausgerichtete Mensch im Vertrauen auf das Verheißungswort radikal Hoffender in der Relativität der kleinen Schritte bleiben. Er reduziert weder das total Neue auf kümmerliche Neuerungen, noch belastet er den Menschen unerträglich mit dem, was nur der Unvergleichliche wirken kann. Allein der Mensch der Zuversicht erfährt als Hörer der Verheißung schon den Vorgeschmack der neuen Welt.“ 1225 Wiewohl das alttestamentliche und neutestamentliche Hoffnungs-Ethos mitnichten vollständig säkularisierbar ist - insbesondere was dessen Funktion als Entdeckungszusammenhang betrifft - ohne wesentlicher Strukturelemente und Voraussetzungen beraubt zu werden, ist WOLFF doch bei grundsätzlicher Zustimmung anbei zu stellen, dass säkularisierte bzw. atheistische Formen der Verwendung der Hoffnungskategorie von nicht unerheblichem Interesse für die Thematik und Fragestellung der vorliegenden Arbeit sind, weil sie auf strukturelle Vorgaben verweisen, die auf Differenz oder auf Identität zum biblischen Hoffnungs-Ethos untersucht werden können. Einige wenige Einzelbeobachtungen, die im Verlauf der bisherigen Argumentationen eher implizit Bedeutung gewonnen haben, sollen an dieser Stelle noch explizit Erwähnung finden: So hat christliche Hoffnung ein klares soteriologisches Fundament, weswegen sie eigentlich als Heils-Hoffnung bezeichnet werden kann. Es muss ferner zwischen Hoffnungsgewissheit und Erfüllungsgewissheit unterschieden werden, wo erstere auf einen antizipierten Sinn vertraut, sucht letztere das spezifisch Erhoffte zu erreichen. 1223 Vgl. das Hauptwerk Das Prinzip Hoffnung (3 Bde., Frankfurt am Main 1985). BLOCH hat neben einer fast bis in die Wortwahl hineinreichenden Säkularisierung theologischer Hoffnungs-Desiderate in Richtung eines (gesellschaftlich-politisch akzentuierten) „utopischen Seins“ insbesondere griechische Einflüsse aufgenommen, daneben sollten eine Vielzahl von Strömungen zur Geltung gebracht werden: jüdische Apokalyptik, der (linke) Aristotelismus von AVICENNA und AVERROES, kabbalistischer Messianismus, joachimitischer Chiliasmus, der sozialrevolutionäre Ansatz MÜNZERS und der dialektische Materialismus von MARX. Seine Bedeutung könnte aber darin zu sehen sein, dass er die Bedeutung des „utopischen Prinzips“ für alles moralisch-politische Handeln hervorgehoben hat und gerade aus säkularatheistisch (-marxistischer) Perspektive die beständig zur Realisierung drängende „Potentialität“ von Mensch und Materie betonte. 1224 Vgl. WOLFF, H.W., Des Menschen Hoffnung, in: Ders., Anthropologie des Alten Testaments, München 4 1984, 229. „Wer den Gott der Hoffnung (Deus spei) als Begründer der Hoffnungen in der Geschichte Israels, seiner Väter, seiner Propheten und Jesu von Nazareth, verlässt und dem Abgott Hoffnung (Deus spes) huldigt, der überfordert entweder den Menschen in unmenschlicher Weise, oder aber er relativiert die Erwartung der neuen Welt kläglich.“ 1225 Vgl. WOLFF, Des Menschen Hoffnung, 229-230. <?page no="398"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 398 Wer radikal hofft, der „geht aufs Ganze“, indem er mit seiner ganzen Existenz hofft bzw. seine Hoffnung die ganze Existenz betrifft und nicht einzelne Werte singulär überwertig favorisiert und damit vergötzt 1226 . Unter der Perspektive philosophischer Anthropologie fußt Hoffnung schließlich auf der schon mehrfach erwähnten Selbsttranszendentalität menschlicher Existenz, die Distanz und Selbstüberschreitung erlaubt und geradezu fordert. 1227 d) Ertrag Theologische Ethik eschatologisch durchzubuchstabieren heißt, das Handlungssubjekt als eschatologische Größe zu entwerfen. Damit wird nicht nur ein ungeschichtliches und abstraktes Verständnis des Handelnden vermieden, sondern auch alle anderen zentralen Handlungskategorien erweitert und vertieft, etwa Freiheit und Verantwortung, da auf diese Weise eine vorweggenommene Wirklichkeit antizipativ Relevanz bekommt. Zugleich erlaubt diese Perspektivierung eine Integration absoluter und universaler Zielgrößen. So können Handlungsmöglichkeiten erschlossen werden, die nicht einfach aus der Vergangenheit, den Erfahrungen der Gegenwart oder aus der Prognose der Zukunft abgeleitet werden können - und gerade dadurch neue Freiheit und Verantwortung ermöglichen. „In einer eschatologisch orientierten Ethik ragt [...] als Zukunft nicht nur die ausgereifte Vergangenheit in die Gegenwart herein, sondern eine Möglichkeit, die über die Ansätze der Vergangenheit hinausführt und aus diesen nicht abgeleitet werden kann: das eschatologische Novum ist etwas qualitativ anderes als das von der Herkunft her verlängerte Futurum. Dem Subjekt ist darum eine andere Aufgabe gestellt als die bloße Erreichung des vorgespannten Zieles, nämlich die Überschreitung seiner bisherigen Faktizität und seiner bisherigen Möglichkeiten. Es ist zu größerer Freiheit herausgefordert, weil es nicht nur jetzige Möglichkeiten in die Verwirklichung überführen muss, sondern weil es sich selber zu neuen Möglichkeiten gefordert und befreit sieht. Zu dieser qualitativen Neuheit des Subjekts der Freiheit tritt auch eine Ausweitung seiner Verantwortung, wie sie der universalen eschatologischen Vollendung entspricht.“ 1228 Die Auferstehung der Toten 1229 zum ewigen Leben 1230 , zur bleibenden Gemeinschaft mit Gott in seinem Reich, letztlich bzw. uranfänglich die Auferstehung Jesu selbst, kann als 1226 Vgl. FRANKL, V.E., Der leidende Mensch. Anthropologische Grundlagen der Psychotherapie, Bern 2 1996, der unter Verzweiflung, dem Gegenteil der Hoffnung, die einseitige Vergötzung eines einzigen isolierten Wertes versteht - unter Missachtung des ganzen anderen Werteraumes. 1227 Nichtsdestotrotz hat sich das Handlungssubjekt unter einem eschatologischen Selbstverständnis vor einem entsprechenden Fehlschluss zu hüten. Vgl. GÖBEL, W., Der eschatologische Fehlschluss. Begründungstheoretische Überlegungen zur Funktion der Gottesherrschaft als Handlungsprinzip, in: HOLDEREGGER, A. (Hrsg.), Fundamente der theologischen Ethik. Bilanz und Neuansätze, Freiburg (Schweiz) / Freiburg im Breisgau 1966, 488-501. 1228 Vgl. WIEDERKEHR, D., Die Kategorie der Eschatologie, in: HERTZ, A. et al. (Hrsg.), Handbuch der christlichen Ethik, Bd. 1, Freiburg im Breisgau 1993, 440-458, hier 456. Weiter (457) heißt es: „Jetzt wird allerdings die Hoffnung nicht nur eine unter den verschiedenen Befähigungen des Menschen zu adäquatem Handeln sein, sondern zur bestimmenden Struktur der neuen Freiheit werden: Glaube und Liebe als Hoffnung.“ 1229 Vgl. KOCH, T., „Auferstehung der Toten“ Überlegungen zur Gewissheit des Glaubens angesichts des Todes, in: STOCK, K. (Hrsg.), Die Zukunft der Erlösung. Zur neueren Diskussion um die Eschatologie, Gütersloh 1994, 88-107. MAHLMANN, T., Auferstehung der Toten und das ewige Leben, in: STOCK, K. (Hrsg.), Die Zukunft der Erlösung. Zur neueren Diskussion um die Eschatologie, Gütersloh 1994, 108-131. <?page no="399"?> 7. Zwischenreflexion I: Ethik und Eschatologie 399 sachlogischer Grund aller christlichen Hoffnung gelten. 1231 Diese Hoffnung kann als spezifisch verbürgte und damit begründete personale Hoffnung gelten, die ein klares inhaltliches (moralisches) Profil hat. Solche Hoffnung ist Zeiten-Wende, ist Krisis im ursprünglichen Sinne des Wortes. Schließlich stellt sich die Frage nach der Hoffnung häufig erst dann, wenn vertraute Sicherheiten infrage gestellt sind und der Mensch neuer Orientierung bedarf. Nicht umsonst war auch die Apokalyptik immer schon eine Krisentheologie. Sie ist Zeit-Wende durch erfahrbare Ankunft einer je besseren Zukunft in der Gegenwart - Ankunft von Zukunft als Zukunft, aber bereits in gegenwärtiger Wirklichkeit. Dieser Nukleus der je besseren Zukunft muss erfahrbar sein, wenn auch als „Hoffnung wider alle Hoffnung“ (Röm 5,12), wenn auch alles Sichtbare dagegen sprechen sollte. So ermöglicht solche Hoffnung dem Menschen, trotz der Welt und im Angesicht der Welt, auch und gerade der je eigenen, immer wieder neu anfangen zu können, eröffnet Affirmation durch Transzendenz und ermutigt zum Widerstand durch eine buchstäbliche Be-Kräftigung und Orientierung an einem Guten, letztlich am umfassenden Guten und dem davon ausgehenden Heil. Das macht eine gelassene und heitere Unbedrohtheit und Bewältigungskompetenz lebbar, die aus den räumlichen und zeitlichen Bedingungen der Umgebung niemals ableitbar ist. Damit ermöglicht solche Hoffnung im besten Sinne ein Leben im Aufschub 1232 , ein Aufrichten von produktiven Bedürfnisspannungen - mitunter bis in den Tod hinein - und vermag zugleich ein solches Leben zu beenden durch die beglückende Erfahrung der bereits begonnenen Zukunft. Jede Konfrontation des Menschen mit der Wirklichkeit, insbesondere mit der Wirklichkeit Gottes entlässt schließlich Existenzspannungen. „Sie auszuhalten heißt: hoffen.“ 1233 So gesehen steht diese Hoffnung für die Ermöglichung, Eröffnung, Bewahrung und Wiederherstellung der Wahrheit unseres Lebens. Hoffnung ist das Medium dieser Wahrheit, nicht die Wahrheit selbst, indem sie diese anwesend sein lässt in allen Fragmenten dieser Wahrheit, genauso wie in aller Unwahrheit. Denn: „Wenn Wahrheit eschatologisch gegründet ist, kann sie nur hoffend besessen werden. Hoffnungslosigkeit und Unwahrheit gehen dann eine Einheit ein.“ 1234 Nicht nur, dass christliche Eschatologie ethische Konsequenzen haben muss, sie muss auch einen anthropologischen Anhalt haben, wenn die christlichen Eschata in diese Welt eingezeichnet werden sollen. Beide Voraussetzungen aufzuklären, ist Aufgabe theologischer Ethik. „In dieser Hinsicht müssten die theologischen Ethiker, die bei der Schöpfung, der Vernunftbegabung des Menschen und der Rationalität der irdischen Wirklichkeit ansetzen, so scheint mir, über die eschatologische Botschaft Jesu intensiver nachdenken.“ 1235 1230 Vgl. RINGLEBEN, J., Gott und das ewige Leben. Zur theologischen Dimension der Eschatologie, in: STOCK, K. (Hrsg.), Die Zukunft der Erlösung. Zur neueren Diskussion um die Eschatologie, Gütersloh 1994, 49-87. 1231 Vgl. REMENYI, M., Hoffnung, Tod und Auferstehung, in: ZKTh 129 (2007), 75-96. 1232 Vgl. BAUMGARTNER, H. (Hrsg.), Zeit - Zeitwende - Ewigkeit. Die Menschen vor der Jahrtausendwende, Regensburg 1999. 1233 Vgl. SAUTER, Einführung in die Eschatologie, 118. 1234 Vgl. DEMMER, K., Entscheidung und Verhängnis, Die moraltheologische Lehre von der Sünde im Licht christologischer Anthropologie, Paderborn 1976, 92. 1235 Vgl. SCHNACKENBURG, R., Ethische Argumentationsmethoden und neutestamentliche Aussagen, in: KERTELGE, K. / BÖCKLE, F. (Hrsg.), Ethik im Neuen Testament, Freiburg im Breisgau 1984, 44. Weiter schreibt er: „Lassen sich extreme Forderungen Jesu, vor allem die Spitzenforderung der Feindesliebe, ebensogut aus vernünftigen Überlegungen wie aus der eschatologischen Verkündigung Jesu begründen? “ Nicht vergessen werden darf an dieser Stelle <?page no="400"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 400 8. Zwischenreflexion II: Hoffnung und Freiheit - Die transzendentale Dialektik menschlichen Freiheitsvollzugs „Freiheit soll andere Freiheit unbedingt anerkennen.“ 1236 Es kann zu den Desideraten einer ansonsten vergleichsweise reflektierten Theologie und Philosophie der Freiheit und einer beispiellosen Konjunktur des Begriffs in der Moderne zählen, die eigenen hoffnungstheoretischen und hoffnungspraktischen Grundlagen noch nicht ausreichend freigelegt zu haben. Hoffnung kann in einem solchen Unterfangen als Form der freiheitsbasierten Stellungnahme gegenüber potentiell jeder Erlebnisform im Sinne einer Antwort, Reaktion bzw. ganzheitlichen, d.h. kognitiven, emotionalen, verhaltensmäßigen, motivationalen und volitionalen Stellungnahme verstanden werden. Diese Form der Stellungnahme gegenüber potentiell jeder (negativen und noch steigerbaren, erlösungsbedürftigen, weil sonst absolut gesetzten positiven) Erfahrung setzt einen Standpunkt außerhalb dieser Erfahrungswelt voraus, sonst wäre keine Stellungnahme in toto denkbar, weswegen Hoffnung eine transzendentale Freiheitsbasis besitzt bzw. Freiheit als transzendentales Vermögen ohne Hoffnung nicht vollzogen werden kann. Als argumentationsleitende These soll gelten, dass menschliche Handlungs- und Willensfreiheit mitsamt allen daraus abzuleitenden Freiheitsbegriffen ohne spezifische Hoffnungen nicht denkbar sind - und derartige Hoffnung nicht ohne Freiheitsgrundlage. Mindestens diese zwei entscheidenden Fragerichtungen der anvisierten Verhältnisbestimmung sind freizulegen. 1237 Dabei steht endliche Freiheit notwendig zwischen gut und böse - und den darauf Bezug nehmenden Hoffnungen, was etwa HERMANN KRINGS in seinen transzendentalen Freiheitsanalysen zu wenig herausgearbeitet hat: sie ist immer auch „Akt der Hoffnung auf ihre Erfüllung“ 1238 und setzt ein vorgängiges Vertrauen in ihre eigene Sinnhaftigkeit und Nicht-Vergeblichkeit voraus, das nicht anders als Hoffnung zu nennen ist. Damit geht einher, dass sie als Vollzugswirklichkeit (vgl. G. FICHTE) auf eine Vollendung orientiert ist und auf diese hin motivierend zielt, ein Unbedingtes, das gegebene und reale, d.h. material bedingte Freiheit als formal unbedingte Größe voraussetzen muss. Daher „ist die Ausrichtung der Freiheit auf mindestens die Möglichkeit ihrer Erfüllung notwendige Möglichkeitsbedingung und damit Implikat jedes Freiheitshandelns. Jede freie Handlung drückt eine Hoffnung aus, wie eng deren Grenzen auch gesehen und anerkannt sein mögen. Selbst im Horizont erlittener Sinn- und Hoffnungslosigkeit wird im Handeln eine Perspektive von Sinn und Hoffnung stets aber die je divergierende Funktion von Entdeckungszusammenhang und Begründungszusammenhang. 1236 Vgl. PRÖPPER, T., Autonomie und Solidarität. Begründungsprobleme sozialethischer Verpflichtungen, in: Ders., Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik, Freiburg / Basel / Wien 2001, 57-71, hier 61. 1237 Das Verhältnis von Hoffnung und Freiheit kann aus zwei Perspektivierungen betrachtet werden - (1) ausgehend von Konzepten philosophischer und theologischer Freiheit und von dort aus nach der Bedeutung der Hoffnung für den Selbstvollzug der Freiheit fragend; und (2) umgekehrt im Ausgang von Konzepten der Hoffnung nach systematischen Verbindungen zur Freiheit fragend. Beide Perspektiven sollen im Folgenden Beachtung finden, da sie nicht notwendig zu denselben Beobachtungen führen. 1238 Vgl. STOCK, K., Hoffnung als Dimension der Freiheit. Ein Prolegomenon zur Eschatologie, in: DEUSER, H. / MARTIN, G.M. / STOCK, K. / WELKER, M. (Hrsg.), Gottes Zukunft - Zukunft der Welt, München 1986, 14-22, hier 22. <?page no="401"?> 8. Zwischenreflexion II: Hoffnung und Freiheit 401 vorausgesetzt und eröffnet.“ 1239 Menschlicher Handlungswirklichkeit eignet mithin eine notwendige Ausrichtung auf ihre eigene Erfüllung, die sie nicht einfach selber herstellen kann, weswegen sie immer wieder hofft. Ihr käme auch eine abgründig tragische Struktur zu ohne Hoffnung auf Sinn und Restitution von Schuld. „In dieser prinzipiellen Ansprechbarkeit des Menschen auf seine Freiheitsbegabung - so sehr sie auch durch die faktischen Bedingungen verschüttet und verfehlt sein mag, liegt die Hoffnung begründet, dass die schuldige Selbstverfehlung und die in ihr zur Herrschaft kommende Angst nicht der unvermeidliche Endpunkt menschlicher Existenz ist. Diese Hoffnung lässt erneut - und diesmal ‚realitätsnäher‘ - nach der Möglichkeit und der Gestalt gelingender Freiheitsrealisierung fragen.“ 1240 Hoffnung zielt auf Anerkennung von Freiheit - intrasubjektiv und intersubjektiv, weswegen spezifisch moralische Hoffnung auf das Engste mit der Würdekategorie verknüpft ist. „Freiheit zielt auf die Anerkennung, nicht den Ausschluss des Anderen.“ 1241 Dieser Zusammenhang ist auch daran zu erkennen, dass Hoffnung bis zum Ende der Geschichte Hoffnung bleibt und kein Wissen wird, etwa über andere Menschen, denn sonst könnte es leicht zur Missachtung der Freiheit der Verstorbenen und Leidenden kommen. „Insofern aber dieses auf Vergebung beruhende, universale Zum-Ziel- Kommen der Freiheit selbst noch einmal einen beiderseitigen Freiheitsakt darstellt, kann sie nur erhofft, nie als notwendig eintreffend vorhergesagt werden. Die Selbstoffenbarung Gottes als Liebe gibt dieser Hoffnung ihren Grund. Doch erst in der so erhofften eschatologischen Vollendung wird sich zeigen können, ob alle Menschen bereit und in der Lage sein werden, dem Gott, der die menschliche Freiheit wollte, zuzustimmen und ihn als Liebe zu bekennen. Wo immer vorher schon diese Hoffnung in selbstgewisse Sicherheit sich verkehrt, übergeht sie in unmenschlicher Weise das Leiden und die Freiheit der unzähligen Opfer menschlicher Freiheitsgeschichte. Nur wo Hoffnung sich konsequent als Hoffnung ‚gegen alle Hoffnung‘ (Röm 4,18) zu erkennen gibt, wird sie Gott, der sich in seiner Allmacht als Liebe bestimmte, und damit dem Menschen gerecht.“ 1242 Die systematische Verbindung von Freiheit und Hoffnung über das Scharnier der unbedingten Pflicht zur „Anerkennung anderer Freiheit“ 1243 , die immer eine antizipative ist, scheint mir aber noch zu wenig dezidiert theologisch-ethisch herausgearbeitet worden zu sein. Inhaltlich geht es um die Antizipation von unbedingter Freiheit, die unter bedingten und kontingenten Bedingungen real kaum zu leisten ist, weswegen die Anerkennung von Freiheit im Modus der Hoffnung geschieht, die dann auf eine unbedingte Verpflichtung für das Handeln stößt, da sie der Würdehaftigkeit des Anderen ansichtig wird, wenn er in den je größeren Hoffnungshorizont unbedingter Freiheitsanerkennung hineingenommen wird. Die Freiheitsgrundlage der Hoffnung verbürgt allererst und macht verständlich die Vergegenwärtigung der Würde des Menschen in und durch Hoffnung - als Antizipation von fundamentalen Anerkennungsverhältnissen. So ist mit THOMAS PRÖPPER uneingeschränkt festzuhalten: „Denn gerade wo eine Freiheit sich formell unbedingt für andere Freiheit entschließt und damit deren eigener Unbedingtheit entspricht, will sie mehr, als sie verwirklicht und jemals verwirklichen kann. Gerade 1239 Vgl. BONGARDT, M., Der Widerstand der Freiheit. Eine transzendentaldialogische Aneignung der Angstanalysen Kierkegaards, Frankfurt am Main 1995, 103. 1240 Vgl. BONGARDT, Der Widerstand der Freiheit, 235. 1241 Vgl. ebd. 359. 1242 Vgl. ebd. 345. 1243 Vgl. STOCK, Hoffnung als Dimension der Freiheit, 21. <?page no="402"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 402 indem sie den anderen ‚selbst‘ meint und sein Seinsollen unbedingt intendiert, eben dies aber nur symbolisch, bedingt und vorläufig ins Werk setzen kann, wünscht sie ihm eine Zukunft, die sie selbst nicht verbürgen und herbeiführen kann.“ 1244 Anerkennungsverhältnisse etwa in der Liebe zwischen zwei Menschen sind antizipatorischer Struktur. Letztlich ist auch die Menschenwürde u.a. eine Chiffre für die Antizipation unbedingter Anerkennungsverhältnisse - im Medium der Antizipation von und der Hoffnung auf Endgültigkeit. „Schon um ihre nächsten Möglichkeiten wahrzunehmen, um zu lieben überhaupt anfangen und wieder anfangen zu können, bedarf menschliche Freiheit der zuvorkommenden Ermutigung durch andere Freiheit und endlich, da sich die wesentliche Aporie stets von neuem auftut, der Ermutigung durch eine Begegnung, die den Grund ihrer intendierten Hoffnung selbst nahebringt und verbürgt.“ 1245 Nicht allein, dass das Wieder-Anfangen-Können als Voraussetzung des Freiheitsvollzugs gelten kann, auch die Vergebung möglicher Schuld eigener Freiheit hat hierzu gezählt zu werden - und beides ist Funktion von Hoffnung. Mit anderen Worten: Aller Freiheit vorgängig ist eine Sinndeutung ihrer selbst im Modus der Hoffnung (der Sprung des Glaubens), die die moralisch gebotene Affirmation der Freiheit, die nicht nur erlaubt zu hoffen, sondern verpflichtet zu hoffen, allererst vergegenwärtigt. 1246 Unter den Bedingungen von Freiheit und Indeterminismus 1247 ist nun dem Menschen aber kein Handlungserfolg garantiert. Mit Bezug auf unser Leben (als Ganzes) geht es aber um Alles, weswegen wir uns mindestens implizit von „Erfolgs-Hoffnungen“ im Handeln leiten lassen (müssen und wollen). Dabei bleibt es nicht aus, dass aufgrund der immer nur partiellen Kontrolle über die Handlungsergebnisse auch das Moment des Widerfahrnisses eine große Rolle spielt. Damit ist schlicht handlungspraktisch zu rechnen, weswegen es auch hoffnungstheoretisch wichtig ist, da die Offenheit für das nicht zu Erwartende eine zentrale Größe des Hoffnungsbegriffs ist. Hier ist auch der Ort für gerne missachtete positive Überraschungen und die Einsicht in eine immer mögliche Widerständigkeit der Wirklichkeit, die sich unseren Erwartungen nicht selten verweigert - beides Erfahrungsstränge, die pneumatologisch gedeutet werden können. Hoffnung und Freiheit sind somit auch insofern auf das Engste aufeinander bezogen, als beide eine offene Zukunft vor Augen haben. Diese ist zum einen „als Aspekt der Freiheit“ 1248 zu begreifen. Zum anderen hat aber auch Hoffnung eine offene Zukunft vor Augen, sonst wäre sie keine Hoffnung mehr, sondern ein Wissen. Insgesamt heißt das nun, dass Hoffnung einen Freiheitsgrund hat, der sie spezifisch moralisch qualifiziert. Ethisch-sittliches Handeln und Urteilen ist freilich ohne Freiheit nicht zu begreifen, weswegen unter der Voraussetzung der akzeptierten Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit 1244 Vgl. PRÖPPER, Erlösungsglaube und Freiheitsgeschichte, 192. Weiter schreibt er: „Ja, es verdient sogar ernsthafte Erwägung, ob der Optativ nicht durch den Indikativ, das Futur durch den Inchoativ ersetzt werden müsste, d.h. diese Zukunft nicht nur gewollt, sondern versprochen, nicht nur intendiert, sondern bereits antizipiert ist.“ 1245 Vgl. ebd. 193. 1246 Vgl. PRÖPPER, T., Fragende und Gefragte zugleich. Notizen zur Theodizee, in: ders., Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik, Freiburg im Breisgau 2001, 266-275 und erneut ders., Autonomie und Solidarität. Begründungsprobleme sozialethischer Verpflichtungen, in: Ders., Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik, Freiburg / Basel / Wien 2001, 57-71. 1247 Vgl. KEIL, G, Willensfreiheit, Berlin 2007, 107ff. 1248 Vgl. BIERI, P., Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens, München / Wien 2001, 127. <?page no="403"?> 8. Zwischenreflexion II: Hoffnung und Freiheit 403 die Freiheit selber ohne Hoffnung nicht auskommt in ihrem Selbstvollzug und humane Hoffnung, die handlungswirksam zu werden vermag, der Freiheit bedarf, um überhaupt als solche in Erscheinung treten zu können. So sehr, dass Freiheit als der Quellgrund der Moralität bezeichnet werden kann und Hoffnung als Medium, durch das Freiheit sich vollzieht, indem sie sich unter einem Sittengesetz wiederfindet, mit dem ihr eigener Sinnhorizont, das höchste Gut als Vereinigung von Moral und Glück, vergegenwärtigt wird. Mit anderen Worten: Als Hoffende entdecken wir uns als Freie, womit Hoffnung als Erkenntnisgrund (ratio cognoscendi) von Freiheit gelten kann. Umgekehrt gilt freilich: Als Freie müssen wir irgendwann hoffen, denn Freiheit kann als Seinsgrund bzw. Realgrund (ratio essendi) der Hoffnung bestimmt werden, d.h. der Hoffnungsvollzug setzt immer schon Freiheit als ontologische Grundlage voraus. 1249 Es ist daher erneut auf die bereits erwähnte „Unverzichtbarkeit der Offenheit der Zukunft“ 1250 hinzuweisen, die erkenntnistheoretisch die Position des Libertarismus notwendig voraussetzt, da ein Determinismus oder Kompatibilismus eine entsprechende Offenheit letztlich philosophisch nicht zulässt. Nur so ist freiheitsbasierte Hoffnung möglich und zugleich notwendig, da sie den Raum dieser Offenheit einnimmt und belegt - unter einer schließlich doppelten Bedingungsstruktur: einmal unter den Bedingungen der dann unausweichlichen Ergebnisoffenheit menschlichen Daseins und Handelns, und zum anderen unter der Bedingung, dass menschliches Leben unter dem Imperativ des Gelingens steht: Leben will und soll gelingen. Wenn nun die These Geltung beanspruchen kann, dass Hoffnung notwendiges Korrelat von Freiheit ist, u. a. da sich beide einer offenen Zukunft gegenüber sehen, dann kann in einem weiterführenden Gedanken Hoffnung als die Verantwortung der Freiheit bestimmt werden, indem sie - als vernünftige, menschheitliche Hoffnung - Freiheit grundlegend moralisch orientiert und durch die ihr eigene Sinnaussicht Freiheit überhaupt zum immer riskanten und vom potentiellen Scheitern bedrohten Selbstvollzug vertrauensvoll und mutig motiviert. Unter theologisch-ethischer Perspektive heißt das freilich: „Das Bestehen in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat, antizipiert die vollendete Freiheit.“ 1251 In der Hoffnung erkennt sich Freiheit mithin als immer schon eröffnete und ermöglichte Freiheit. Prägnant formuliert: Hoffnung vergegenwärtigt die Bestimmung der Freiheit. Dabei tritt immer deutlicher eine dreigliedrige Struktur der Freiheit hervor: Sie braucht ein Objekt (1), d.h. sie findet zwischen Subjekt und Objekt statt; sie braucht ein Subjekt (2), d.h. sie findet auch zwischen Subjekten statt; und sie braucht notwendig, was gerne übersehen wird, ein Projekt (3), dem gegenüber sie eine Haltung der Hoffnung einnimmt. D.h. Hoffnung findet zwischen Subjekt, Objekt und Projekt statt. Selbst im Rahmen eines moralisch qualifizierten transzendentalen Freiheitsbegriffs, wie ihn etwa die Schule um THOMAS PRÖPPER 1252 entworfen hat, kann genau dies gezeigt werden, dass keine Freiheit - neben einem Subjekt und einem Objekt - ohne hoffnungsbasiertes Projekt auskommt, um sich selbst zu vollziehen, da sie auf Sinnantizipationen angewiesen ist. Die sogenannte „Angst vor der Freiheit“ kann nun auf diesem Hintergrund als Ergebnis einer fehlenden Sinnaussicht bezeichnet werden, mithin als fehlende Hoffnung. Nicht 1249 Vgl. KEIL, Willensfreiheit, 146. 1250 Vgl. ebd. 153. 1251 Vgl. STOCK, Hoffnung als Dimension der Freiheit, 22. 1252 Vgl. BÖHNKE, M. / BONGARDT, M. / ESSEN, G. / WERBICK, J. (Hrsg.), Freiheit Gottes und der Menschen (FS PRÖPPER, T.), Regensburg 2006. <?page no="404"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 404 umsonst wird der Angst der von Vertrauen bestimmte Glaube bzw. die Hoffnung gegenüber gestellt, etwa bei SÖREN KIERKEGAARD. So gesehen ist Hoffnung Angstbewältigung und Angstüberwindung. Auch wenn es noch objektive Gründe dafür geben mag, sich zu ängstigen, vermag die Hoffnung idealiter einen Fixpunkt außerhalb des Angstsystems zu geben, der inhaltlich bestimmte Freiheitsspielräume zur Verfügung stellt. „Der Versuchung, sich von der Angst beherrschen zu lassen, vermag die Freiheit, wo sie auf das Geschenk ihrer Sicherung und Erfüllung hofft, zu widerstehen.“ 1253 Ohne Hoffnung wird endliche Freiheit sich nicht mutig realisieren können oder auch nur wollen. Freiheit ist nie nur punktuell in der Gegenwart, sie lebt von einer ethisch eroberten Zukunft, die dem immer kontingenten, fragmenthaften und angefochtenen Freiheitssubjekt eine Aussicht auf Gelingen, auf Ganzheit, auf Versöhnung, etc. bietet und so den Mut, den es kostet, in Freiheit ein Verhältnis zu sich, zur Welt und zu Gott zu entwickeln, aufbringt - in der hoffenden Gewissheit, dass es trotz der Möglichkeit des Scheiterns Sinn macht. Wir haben von einer hoffenden Sinndeutung der Freiheit auszugehen. Eine absurde Freiheit ist ein Widerspruch in sich. Im Augenblick der Freiheit nämlich entdeckt der Mensch den Raum der Möglichkeit (in der Zukunft) als Möglichkeit zum Gelingen aber auch als Möglichkeit zum Scheitern; letztlich entdeckt er die „Unendlichkeit der Möglichkeit seiner selbst“. Er hat sich dabei selbst als Freiheit und in Freiheit zu wählen, um der Selbstgesetzlichkeit endlicher Autonomie, die formal unbedingt aber material bedingt ist, gerecht werden zu können. Diese Selbstaneignung endlicher Freiheit wird aber wohl nur auf dem Hintergrund einer Zuversicht denkbar sein und gelingen können, im Zuge ihrer Realisierung eine basale Affirmation des eigenen Daseins hoffend vergegenwärtigen zu können und zu dürfen, damit nicht ins Nichts zu fallen bzw. die bleibende Sinnlosigkeit des Tuns erkennen zu müssen. Ansonsten, d.h. mit derartigen Aussichten, würde der freiheitsbegabte Mensch sofort wieder in den Schoß der Unfreiheit zurückfallen. Als systematische Spitze kann daher gelten, dass von „auf Sinnantizipation angewiesenen Vollzügen der Freiheit“ 1254 ausgegangen werden muss. Die berühmte „Angst vor der Freiheit“ wird unter diesen Vorzeichen daher genau dann real, wenn fehlende Sinnaussicht und fehlende Hoffnung bestehen. Der tiefste Abgrund menschlicher Freiheit ist mithin Angst, der tiefste Grund ist Hoffnung und Glaube, wie sehr schön an der Existenzphilosophie bzw. Existenztheologie SÖREN KIERKEGAARDS 1255 zu zeigen wäre. Immer deutlicher tritt daher die Hoffnungssignatur endlicher Freiheit und Autonomie in Erscheinung bzw. zeigt sich umgekehrt die Freiheitssignatur christlicher und human bestimmter Hoffnung. Selbst der atheistisch-heroische Kampf wider die Absurdität im Kontext einer existentialistisch-absurden Ethik, etwa bei J.-P. SARTRE 1256 oder A. CAMUS 1257 , speist sich aus einer Hoffnungsfigur, derjenigen nämlich, etwas Absolutes gegen die Absurdität hervorzubringen, das aber im Rahmen einer strikt absurden Weltdeutung gnoseologisch nicht mehr ausgewiesen werden kann. Freiheit nimmt mithin über die Hoffnung den Sinn ihrer selbst vorweg, der als unbedingter Grund zu denken ist. Freiheit benötigt für ihren eigenen Selbstvollzug die Voraussetzung eines Unbedingten, das 1253 Vgl. BONGARDT, Der Widerstand der Freiheit, 365. 1254 Vgl. PRÖPPER, T., Freiheit (Art.), in HUNOLD, G.W. et al. (Hrsg.), Lexikon der christlichen Ethik Bd. I., Freiburg im Breisgau 2003, 554. 1255 Vgl. exemplarisch KIERKEGAARD, S., Der Begriff Angst, Frankfurt am Main 1994; Ders, Die Krankheit zum Tode, Frankfurt am Main 2 1995. 1256 Vgl. SARTRE, J.-P., Das Sein und das Nichts, Hamburg 1962. 1257 Vgl. exemplarisch CAMUS, A., Die Pest, Frankfurt am Main 2004, 141-143. <?page no="405"?> 8. Zwischenreflexion II: Hoffnung und Freiheit 405 sich im Status der Hoffnung zeigt, und entdeckt sich zugleich in ihrem Selbstvollzug als ein Unbedingtes, ein auf Unbedingtes Angelegtes, das sich selbst und damit die Freiheit des anderen unbedingt zu achten hat, dem aber nur symbolisch und antizipativ nachkommen kann. 1258 Wirkliche Anerkennung und Verwirklichung unbedingter Freiheit ist für das endliche Wesen Mensch immer nur symbolisch und antizipatorisch - auf der Basis von Hoffnung möglich. 1259 So kann es theologisch-ethisch kaum überschätzt werden, wenn in der Person des Jesus von Nazareth die Erfüllung von formal unbedingter Freiheit und damit aller Hoffnung des Menschen durch die seinerseits unbedingte Freiheit dieser Gestalt gedacht werden kann. Die Frage nach dem Verhältnis von Hoffnung und Freiheit verweist zentral auf das Phänomen der Moralität selbst und dessen Bestimmung als Begriff. 1260 Spätestens seit KANT geschieht Moralität nur noch um ihrer selbst willen und nicht aus heteronomen Gründen. Die Rolle Gottes dabei ist differenziert zu bestimmen, wobei schlussendlich alle Aussagen über Gott an seine Selbstbekundungen zurückgebunden sind (potentia absoluta - potentia ordinata), die sich im Glauben an seine endgültig offenbar gewordene Treue gründen. Schon biblisch sind Identitätsaussagen Gottes bezogen auf Erfahrungen, die ein Handeln Gottes voraussetzen. Philosophisch bleibt Gott bei KANT eine Setzung, zwar eine notwendig von der Vernunft zu postulierende, die sich zudem auf moralische Maßstäbe verpflichtet, für die es auch hinreichende Gründe geben mag, aber im strengen Sinne keinen Beweis. Das Bedürfnis nach Gott garantiert schließlich dessen Existenz noch nicht! Das hat zur Folge, dass die Vernunft von sich aus zur Einsicht in die Gutheit Gottes nicht im Stande ist. KANT vergewissert nun die Realität der Freiheit über das Faktum, dass wir uns moralisch bestimmen müssen. Soll diese Bestimmung aber Sinn machen, ist Hoffnung nötig. Die Existenz Gottes entschwindet dabei zwar dem theoretischen Beweisvermögen, gewinnt aber auf dem Feld praktischer Vernunft eine unverzichtbare Funktion als Postulat, wiewohl die biblische Freiheit Gottes, seine Geschichtsmächtigkeit und Kontingenzfähigkeit kaum mehr erreicht werden kann. Weit eher wird sie zum Abgrund der Vernunft. Nichtsdestotrotz: Hoffnung ist ein durch und durch moralischer Begriff, der sich letztlich Gott als ihrem Grund verdankt, der sich schließlich als derjenige erwiesen hat, der sich in seiner Allmacht auch noch auf die Gemordeten und vom Leben Erniedrigten und Dahingerafften beziehen will, der rettet und versöhnt. So kann ein abgrundtiefes (moralisches) Erschrecken über die Heillosigkeit der Welt (Kontrasterfahrung) als ein Wurzelgrund realer Hoffnung bestimmt werden, nicht nur und nicht allein, aber wesentlich auch. Umgekehrt hat damit die „metaphysische Obdachlosigkeit“ (T.W. ADORNO) des modernen Menschen, theologisch das Vermissen Gottes, zu tun, keine bestimmten und bestimmbaren Hoffnungen mehr bzgl. unabweisbarer moralischer Fragen (etwa nach Gut und Böse, Schuld und Versöhnung, Freiheit und Pflicht, Recht und Gerechtigkeit) hegen zu können oder auch nur redlich zu dürfen. 1258 Vgl. WELKER, M., Hoffnung und Hoffen auf Gott, in: in: DEUSER, H. / MARTIN, G.M. / STOCK, K. / WELKER, M. (Hrsg.), Gottes Zukunft - Zukunft der Welt, München 1986, 23-38. 1259 Vgl. PRÖPPER, Fragende und Gefragte zugleich, 266-275. 1260 Vgl. PRÖPPER, Autonomie und Solidarität, 63, der völlig zurecht davon ausgeht, „dass wirkliche Anerkennung stets (wie ich es nenne) die Struktur des Symbols hat, die unbedingte Bejahung sich also durch bedingte, endliche Inhalte, Handlungen oder Verhältnisse vermittelt, die das Seinsollen der anderen Freiheit ausdrücken und (wenigstens anfanghaft) auch realisieren“. Vgl. zum Folgenden auch STRIET, M., Benedikt XVI., die Moderne und der Glaube, in: Herder Korrespondenz 60, 11 / 2006, 551-554. <?page no="406"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 406 Die humanisierende Wirkung des Gottesglaubens hängt u.a. an daraus abgeleiteten Hoffnungen. Wonach Menschen sich sehnend ausstrecken, behauptet der Glaube schließlich als eschatologisch zugesagt. Wird nun, wie besehen, Freiheit als moralische Selbstbestimmbarkeit zum höchsten ethischen Prinzip erhoben, dann knüpft sich daran die Idee des spezifisch Menschlichen. Die Zuordnung von Freiheit und Wahrheit ist auffällig: Die Freiheit hat selbst dann noch ein Recht, wenn sie irrt. Eine freiheitsbasierte Hoffnung etsi deus non daretur scheint aber nach dem Erörterten letztlich nicht denkbar. Zudem muss jede Synthese von Moralität und Vernunft nicht allein in der Freiheit des Menschen, sondern auch in Gottes Freiheit selbst vorausgesetzt werden können. Die Freiheit zum Guten und zum Bösen bezeichnet demnach die Fähigkeit, sich durch sich selbst moralisch zu bestimmen und damit, sich zu allem Möglichen, auch zur Differenz von Gut und Böse verhalten zu können - auf der Basis von Hoffnung und der darin zum Vorschein kommenden Antizipation von Sinn, Glück und Moral. Es kann mithin zum Grundbestand ethischer Reflexion gezählt werden, jede Theorie der Normativität bzw. der unbedingten Verpflichtung, die der Normativität inhärent ist, an den Begriff und die Kategorie der Freiheit zu binden, die überhaupt erst die Orientierung auf das solcherart bestimmte Gute möglich macht. Der Ausdruck von Freiheit, von sittlich qualifizierter Freiheit und der Schutz und die Gewährung von je anderer Freiheit muss die Mitte sein einer jeden normativen Ethik (vgl. T. PRÖPPER). Und damit kann man ins Gespräch bringen wiederum die Kategorie der Hoffnung, denn Freiheit ist ohne transzendental verankerte, unbedingte Hoffnung nicht vollziehbar und Hoffnung ohne Freiheit nicht denkbar. Hier kann en passant auch eine Brücke formuliert werden, um normative und teleologische Ethikformen zu verknüpfen über eine freiheitsbasierte und sinnorientierte Hoffnung, wie andernorts zu zeigen wäre. Nicht vergessen werden darf darüber hinaus eine in der Ethik selten betrachtete Kategorie - die des Ausdrucks. 1261 Ethik hat es überhaupt nicht nur mit Denkkategorien zu tun, sondern entscheidend mit Vollzugskategorien, die je spezifisch anders kontextualisiert werden müssen. Ich will etwa meine Freiheit als eigene Freiheit zunehmend erkennen, ausdrücken und realisieren. In den Ausdrucksgestalten meiner Freiheit will und soll ich quasi erkennbar sein, das macht meine Identität aus. Freiheit ist eine Tathandlung (vgl. G. FICHTE) und tritt nur im Vollzug in Erscheinung, wenn sie sich zu sich selbst entschließt und damit ausdrückt. Sie ist eben kein schlichtes Vermögen. Und damit geht die bereits erwähnte unbedingte Anerkennung der Freiheit des anderen einher - und der Schutz dieser Freiheit. Sowohl der Ausdruck und das individuelle Recht auf Freiheit, als auch der Schutz der eigenen wie der anderen Freiheit bilden die systematische Mitte einer normativen Ethik. Diese gilt es in ihrer Unbedingtheit aufrechtzuerhalten. Zugleich aber wird das Glücks- und das Sinnstreben der Menschen damit ins Gespräch gebracht werden und theoretisch wie praktisch vermittelt und in ihrem Zueinander plausibilisiert werden müssen - und das geschieht über die Kategorie der Hoffnung, den wesentlichen Motivator unseres Handelns, das Agens und Movens. Denn damit wird ein Doppeltes ausgesagt, einmal die Freiheitsbasis der Hoffnung und zum anderen der Umstand, dass in solcher Freiheit die Valenzen des Hoffnungsgutes, das höchste Gut bzw. die Hoffnungsziele von Glück und Moral anvisiert werden und damit orientierend und motivierend wirken. Damit steht 1261 Vgl. LUTZ, R., Identität und Ausdruck - Anthropologische Grundlagen und moraltheologische Anmerkungen zu den Konstitutionsbedingungen von Identitätsprozessen, in: DROESSER, G. / LUTZ, R. / SAUTERMEISTER, J. (Hrsg.), Konkrete Identität. Vergewisserungen des individuellen Selbst (FS HUNOLD, G.W.), München 2009, 13-46. <?page no="407"?> 8. Zwischenreflexion II: Hoffnung und Freiheit 407 eine endgültige Vermittlung vor Augen, wie sie KANT vorschlägt, aber auch eine Versöhnung durch die tägliche Handlungspraxis. Das Hoffnungsgut fokussiert auf Moral und Glück genauso wie das Hoffnungsziel, der Hoffnungsgrund dagegen wird als unbedingter Freiheitsgrund zu denken sein. Letztlich zeigt sich an solcher Hoffnung - allerdings in ihrer Freiheitsbasis und ihrer Sinnorientierung - unter theologisch-ethischer Perspektive die Verknüpfung von normativer und teleologischer Ethik. 1262 Warum sollten wir sonst frei sein wollen und Freiheit individuell und kollektiv mehren wollen, wenn sich nicht in ihrem Vollzug bzw. ihrem Ausdruck eine Verheißung von Glück und Sinn aussprechen würde, die zugleich die Züge des ethisch Guten trägt? Vorausgesetzt bleibt aber die Versöhnung von Glück und Moral im Modus der Hoffnung, die letztlich nur ein Unbedingtes zu leisten vermag. Darum auch trägt endliche Freiheit, die als material bedingt und formal unbedingt gilt und damit exakt die schon häufig erwähnte Hoffnungsspannung verkörpert, den Nimbus des Glücks. Aus diesem Grunde ermöglicht Hoffnung es, in der Zeitlichkeit und Kontingenz des Daseins Heilsein in Freiheit zu wirken. Oder anders: Hoffnung ermöglicht, dass Freiheit in kontingenter Zeitlichkeit das unbedingte Gegenüber im Modus des Hoffens bekommt, dessen sie bedarf, um sich überhaupt zu vollziehen. 1263 Hier wird ein sittlicher Endzustand und Vollendungszustand hoffend vor Augen geführt, der auf die Unbedingtheitsforderung material bedingter Freiheit antwortet, um diese bei endlichen Wesen zu ermöglichen. Mit anderen Worten: Wo wahre Hoffnung ist, ist Freiheit, wo Freiheit ist, ist begründete und gegründete Hoffnung. Die Rede von der (endlichen) Freiheit lebt von der Antizipation unbedingter Anerkennungsverhältnisse. Ohne die Aussicht, dass es Sinn machen könnte, sich in Freiheit zu wagen, dass sie als endliche Freiheit trotz Schuld und Scheitern Grund hat, auf das Gelingen des Daseins zu setzen, dass es begründete Aussicht gibt, auf ihr Entsprechendes zu stoßen, nämlich seinerseits etwas Unbedingtes, um dadurch allererst zu sich selbst zu kommen, fehlte der Freiheit die letzte Hoffnung, sich selbst zu vollziehen. Eine solche Konzeption von Freiheit ist allerdings philosophisch erst noch explizit auf ihre hoffnungstheoretische und hoffnungspraktische Grundlage hin zu entwerfen. Darüber hinaus wird Bedeutung und die Richtung positiver Freiheit gegenüber der negativen Freiheit zunehmen. Auch und wenn die Strukturen negativer Freiheit weitgehend (politisch) gesichert erscheinen, brechen die Fragen nach positiver Freiheit erst recht bleibend auf. Nach der zunehmenden Verinnerlichung ihres Grundanliegens (aus Fremdzwang wird Selbstzwang) und dessen Moralisierung (das Gute, das Glück) wird die Frage nach der Bedeutung des Projektcharakters dieser Freiheit, die Abhängigkeit von spezifisch begründeten Hoffnungen, immer virulenter. D.h., die Frage nach der Einlösbarkeit und Durchhaltbarkeit des als gut Erkannten bis in die Abgründe des Lebens und darüber hinaus - für alle Menschen, steht uns bevor. Eine Antwort wird nur auf der Basis von begründeter Hoffnung gelingen können, die die Abgründe des Menschen erreicht (hat), die den Tod durchschritten und daran letztendlich nicht zugrunde gegangen ist und dennoch am Guten festzuhalten imstande ist als Inbegriff des vom Menschen Erstrebten. Denn, woher wissen wir, dass das als gut Erkannte das hält, was es verspricht? Anerkennen wir überhaupt, dass es etwas verspricht? Und wenn ja, woraus schöpfen wir Gewiss- 1262 Vgl. die Integrationsbemühungen etwa bei KRÄMER, H., Integrative Ethik, Frankfurt am Main 1992. 1263 Vgl. EDMAIER, A., Horizonte der Hoffnung. Eine philosophische Studie, Regensburg 1968, 226. <?page no="408"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 408 heit, dass es das als vernünftig eingesehene Versprechen hält? Denn mit der Erwartung des Guten ist eine Hoffnung des Menschen für sich selbst verbunden - nach Glück, Sinn und Heil, die als solche ausgewiesen werden muss. 1264 So ist ANNEMARIE PIEPER zuzustimmen, wenn sie konstatiert: Es „ist die Vorstellung einer autonomen Menschheit das bleibende Ziel einer moralisch berechtigten Hoffnung.“ 1265 Der Vollzug von Freiheit setzt eine Hoffnung darauf voraus, dass es buchstäblich Sinn macht, aus Freiheit zu sein, dass es sinnvoll ist, die Freiheit zu wagen, viel eher, als die Unfreiheit. Alles Wollen ist schon aus Freiheit und damit aus einer Hoffnung gespeist. Bei SÖREN KIERKEGAARD kann man lernen, dass diese Freiheit ein absolutes Gegenüber benötigt, ansonsten wird alle kontingente Bedingung immer schon für die Unfreiheit sprechen: Die formale Unbedingtheit der Freiheit benötigt ein unbedingtes Gegenüber für diejenige Hoffnung, die sie trägt und für sich motiviert, quasi überhaupt aus dem Schoß der Unfreiheit den Sprung in die Freiheit zu wagen, was ohne eine Hoffnung auf Gelingen von Freiheit, ohne eine darin in Aussicht gestellte basale Affirmation des Subjekts von Freiheit wohl nie gewagt und einsichtig gemacht werden kann, da sonst immer ein Übergewicht der materialen Bedingtheiten und die Möglichkeit und Antizipation des Scheiterns Freiheit im Ansatz bereits ersticken würde. Allein die Forderung, Freiheit soll sein 1266 , setzt diese Hoffnung mindestens implizit immer schon voraus. So benötigt Freiheit einen absoluten Hoffnungsgrund, der für die Aussicht auf ihr Gelingen steht, auch ein Gelingen im Angesicht des Scheiterns von Freiheit und des potentiellen Freiheitsverlustes. Ein mögliches Wissen um die mögliche Bestimmung des Menschen kann mithin nur ein Wissen aus Freiheit sein, die zu realisieren Hoffnung voraussetzt. Hat Freiheit einen transzendentalen Grund, dann auch die Hoffnung, die deren Vollzug begleitet. Was heißt das nun für die Hoffnung selbst? Wenn der Mensch dieser Freiheit und damit sich selbst gerecht werden will, dann muss er nicht nur den Freiheits- Ursprung der Hoffnung in Anschlag bringen, sondern sie auch verstehen als bezogen auf andere Freiheit, d.h. eigentlich die Steigerung und Förderung anderer Freiheit betreibend, was eine ungeheure Dynamik im Kontext menschlicher Freiheitsgeschichte darstellt. Im Modus der Hoffnung betreibt der Mensch die Hebung und Steigerung seiner gelebten Freiheit. Dabei gibt sich zunehmend die sittliche Struktur beider Kategorien zu erkennen. 1267 Soll der Freiheit in ihrer Eigentümlichkeit als (formal) Unbedingtes entsprochen werden, dann muss sich ihr Inhalt selber durch Unbedingtheit auszeichnen, weswegen nur andere Freiheit die Erfüllung von Freiheit sein kann. Unbedingte Anerkennung von Freiheit gelingt aber nur bedingt, weswegen wirkliche Anerkennung die Struktur des Symbols hat. Grundsätzlich ist von einer „antizipatorischen Struktur gelin- 1264 Aus diesem Grund ist es so wichtig, die Hoffnungen etwa auf Gerechtigkeit, auf Solidarität, auf Versöhnung und Frieden wach zu halten - wohlgemerkt, die begründeten Hoffnungen, die dann kaum überschätzt werden können zur moralischen Orientierung und Motivierung des Menschen. 1265 Vgl. PIEPER, A., Ethik und Moral. Eine Einführung in die praktische Philosophie, München 1985, 101. Gleichwohl ist zu fragen, wie PIEPER diese Zuversicht eigentlich zu begründen versucht. 1266 Vgl. PRÖPPER, Autonomie und Solidarität, 57-71. 1267 Vgl. KRINGS, H., Wissen und Freiheit, in: ROMBACH, H. (Hrsg.), Die Frage nach dem Menschen. Aufriss einer philosophischen Anthropologie (FS MÜLLER, M.), Freiburg im Breisgau 1966, 23-44. <?page no="409"?> 8. Zwischenreflexion II: Hoffnung und Freiheit 409 genden Menschseins“ 1268 auszugehen. Sinn, Glück, Verantwortung, Freiheit - praktisch alle zentralen ethischen Kategorien, die Teil haben an der Beförderung menschlichen Gelingens, sind als eschatologische Kategorien freizulegen. Warum aber ist es unumgänglich, den Freiheitsbegriff so stark und weit zu machen, wie es hier ausgehend von einer Reflexion auf Hoffnung, favorisiert wird? Weil der Mensch einzig über eine Freiheit im Medium der Hoffnung die Faktizität der Welt und seiner selbst zu überschreiten vermag. So gesehen ist Hoffnung das Kleid endlicher Freiheit. Jeder Überstieg der Faktizität und Endlichkeit setzt Freiheit zur Distanznahme voraus und hat Hoffnungsanteile, die das Wozu und Woraufhin dieser Freiheit zu bestimmen suchen. Die offene Zukunft ist dabei nur partiell rational einholbar. Es gibt natürlich eine berechtigte Prognostik und Zukunftserwartung auf der Grundlage von (wahrscheinlichem) Wissen, das auch von der Freiheit vorausgesetzt und benötigt wird, und es gibt die Gewissheit begründeter Hoffnung, die eine ganzheitliche Affirmation des immer nur partiellen Wissens ermöglicht. Wir unterstellen Freiheit täglich, können ihre Möglichkeit auch nicht wirklich ausschließen. Moralphilosophisch bringt der Begriff zum Ausdruck, dass „der Mensch das Wesen ist, das nicht einfachhin ist, sondern das zu sein hat. Zum Bewusstsein seiner Freiheit erwacht, findet er sich in eine Distanz zu der Wirklichkeit versetzt, in der und als die er bereits existiert. Zu ihr kann er nun in ein freies Verhältnis eintreten, kann die konkrete Gestalt seiner Identität projektieren und sie wirklich ausbilden.“ 1269 Mit anderen Worten: Das Bewusstsein der Freiheit geht einher mit einem Raum von Hoffnung, der die Sinnhaftigkeit und die Erfüllung dieser Freiheit projektiert, sogar allererst dessen Ermöglichung selbst - im Sinne der ratio cognoscendi. Das Proprium christlicher Ethik gegenüber strikt vernunfttheoretischen Konzeptionen kann nun mit EDWARD SCHILLEBEECKX ganz im Sinne der hier vertretenen These an einer spezifisch begründeten und verbürgten „Perspektive der wirksamen Hoffnung“ 1270 festgemacht werden, weswegen THOMAS PRÖPPER mit PAUL RICOEUR 1271 darauf hingewiesen hat, dass die Versöhnung von Sittlichkeit und Glück im Modus der Hoffnung zwar im Sinne von KANT postulatorisch denkbar ist, aber letztlich einen transzendenten Urheber voraussetzen müsse. Damit wird allererst der Sinn der Moralität gewährleistet, über den freilich nicht verfügt werden kann. Das hat zwar KANT auch gesehen, aber sein Gott ist zunächst „nur“ ein Vernunftpostulat, kein spezifisch qualifizierter Gott der Liebe, zu dem man beten und eine Beziehung unterhalten kann. So lässt sich ein Weg beschreiben von der Freiheit über die Hoffnung hin zur Solidarität im Sinne der Hoffnung auf Anerkennung, der Antizipation von Anerkennungsverhältnissen, die der Struktur von Freiheit entsprechen und zum Ausdruck bringen, niemals einen Menschen verloren geben zu wollen. Auf die Polarität von Hoffnung und Verzweiflung, Vertrauen und Angst, wurde bereits hingewiesen. Die Verbindung zum theologischen Begriff der Sünde fehlt noch: „Sünde ist, anthropologisch gesehen, der von vornherein hoffnungslose Versuch des Menschen, das Problem der Freiheit, als die er existiert, aus eigenem Vermögen lösen zu wollen: auf dem Weg einer Selbstbe- 1268 Vgl. PRÖPPER, T., Erlösungsglaube und Freiheitsgeschichte, Eine Skizze zur Soteriologie, München 3 1991,191ff. 1269 Vgl. PRÖPPER, Autonomie und Solidarität, hier 60. 1270 Vgl. SCHILLEBEECKX, E., Christus und die Christen. Die Geschichte einer neuen Lebenspraxis, Freiburg im Breisgau 1977, 581. 1271 Vgl. RICOEUR, P., Freiheit im Licht der Hoffnung, in: Ders., Hermeneutik und Strukturalismus. Der Konflikt der Interpretationen Bd. I, München 1973, 199-226, hier 216ff. <?page no="410"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 410 hauptung nämlich, die sich dazu verurteilt hat oder verurteilt glaubt, ohne Gnade leben zu müssen.“ 1272 Ohne begründete und von Gott verbürgte Hoffnung verstrickt sich endliche Freiheit in Aporien und Antinomien, die eine mörderische Dynamik der Selbstbehauptung auszulösen imstande sind - erst dann pervertiert sich das Wollen ganz im Sinne etwa von J.-P. SARTRE und erst dann wird das Selber-Sein-Wollen selbstisch und damit sündig. Für das Selbstverständnis theologischer Ethik ergibt sich nun aus den bisherigen Reflexionen eine doppelte Einsicht: (1) Die Angewiesenheit der Ethik auf Sinnvorgaben. Man könnte abgeleitet vom Sinnbedürfnis der Ethik sprechen bzw. der Notwendigkeit, ein Moralsystem immer auch mit der Sinnfrage zu konfrontieren, die nicht allein kohärentistisch beantwortbar ist. Die Frage ist so weit zu treiben, dass der Sinn des Ganzen und derjenige menschlicher Handlungswirklichkeit virulent wird. (2) Angewiesenheit der Ethik auf Verheißungen (des Glaubens). Schließlich ist der Zielwert der Moral, das Gute und Richtige, selbst schon Inbegriff einer Verheißung. Die These, wonach Hoffnung als Antizipation von Sinn bestimmt zu werden hat, zielt mithin in die Mitte der (Theologischen) Ethik und deren Verhältnis zum Glauben bzw. zur Weltanschauung. Der Mensch kann sich nur auf diese Weise moralisch verstehen oder sich sonst kraft seiner Vernunft und seiner Freiheit permanent in Aporien und Antinomien verstricken. Schließlich kommen wir nicht umhin festzuhalten, „[…] dass Menschen die letzte Sinnhoffnung ihrer Freiheit, ihr in der unbedingten Bejahung intendiertes Seinsollen, doch selber nicht einzulösen vermögen. Zwar können sie diesen Sinn ihres Daseins füreinander ‚darstellen‘ und vermitteln, aber sie können es doch begründet nur dann, wenn er als schon eröffnet vorausgesetzt werden darf.“ 1273 Je mehr Selbstbewusstsein, Reflexion und Freiheit in die vorfindlichen Erwartungsstrukturen des Menschen eingehen, umso „ungedeckter“ werden diese dann kraft des Bewusstseins entstehenden Hoffnungen bzw. Verzweiflungen im Rahmen einer rein immanenten Perspektive und umso maßloser bzw. grandioser müssen diese erscheinen. Es existiert eine Korrelation von Selbstbewusstsein und Freiheit auf der einen Seite und der Hoffnungsgenese auf der anderen Seite. Auf diesen Zusammenhang kann nun in mehrfacher Weise reagiert werden: (1) Durch vermeintliche Domestizierung und Kontrolle des Hoffnungspotentials aufgrund von Wissen und daraus abgeleiteter Zukunftsprognose; (2) Durch unsicheres, irrlichterndes, desillusionäres und immer wieder verzweifelndes Hoffen oder einem selbstbeschränkenden Verzicht auf große Hoffnungen; (3) Durch den Versuch, einen Grund von Hoffnung auszuweisen, wozu letztlich die Religion vonnöten ist. Damit kann ein indirekter Gottesbeweis benannt werden: Der Mensch kann weit über das hinaus hoffen - nicht wünschen, denn „Wünschen nichtet.“ -, was weltimmanent abgeleitet oder begründet werden könnte. Dieses Hoffen ist nur um den Preis der Freiheit (und der Liebe) aufzugeben. Worin gründet aber eine selbst im Angesicht einer abgründigen Menschheitsgeschichte kaum zerstörbare Hoffnung auf etwas, was von der Welt her niemals stammen kann? In der Bestimmung des Menschen zum Guten und seiner sittlichen Autonomie. Moraltheologisch entscheidend scheinen mir nicht so sehr Fragen etwa nach dem Schwergewicht von präsentischer und futurischer Eschatologie zu sein, entscheidend ist das Spannungsgeschehen beider Pole. Wichtig dabei ist besonders, dass Gottes Selbstoffenbarung, das Erlösungswerk Christi und damit auch das Hoffnungskerygma bereits 1272 Vgl. PRÖPPER, Autonomie und Solidarität, 68. 1273 Vgl. ebd. 68-69. <?page no="411"?> 8. Zwischenreflexion II: Hoffnung und Freiheit 411 endgültig und unüberbietbar ergangen ist, aber eben noch nicht vollendet realisiert ist, weswegen es Hoffnung geben muss. Damit korrespondierend kann eine geistesgeschichtlich außerordentlich aufschlussreiche zunehmende Selbstfreilegung humaner Hoffnungsstrukturen beobachtet werden, die sukzessive auf ihre Ursprungszusammenhänge im Christentum verweisen. Schließlich eröffnet das Christentum als Religion der Freiheitsverheißung (vgl. HERBERT SCHNÄDELBACH) begründete Hoffnung aus Freiheit und Hoffnung auf (endgültige) Freiheit und Befreiung. Im Rahmen der Philosophie kann man dabei bis zur postulatorischen Hoffnung bzw. zur utopischen Hoffnung kommen. Theologische Reflexion beginnt da, wo ein unbedingter Hoffnungsgrund begründete Hoffnung ausweisen soll bzw. die Freiheitsbasis dieser Hoffnung bzw. die Hoffnungsbasis jener Freiheit freizulegen ist. Die hier schon häufiger erwähnte Hoffnungsfreiheit, Freiheit aus Hoffnung, ist umso größer, je sinnorientierter, sinnbestimmter und sinnverwiesener sie sich begreift. Wer über Freiheit nachdenkt, muss über die der endlichen aber unbedingten Freiheit inhärente Hoffnungsstruktur nachdenken, schließlich ist moralische Freiheit notwendig in ihrem realen Vollzug auf „Sinnantizipationen“ angewiesen - oder anders gesagt. „Die apriorische Hinordnung des Wollens auf ein höchstes Gut ist die Bedingung der Möglichkeit jeglichen Wollens eines endlichen Gutes.“ 1274 Hier zeigt sich erneut die bereits mehrfach herausgearbeitete Hoffnungsspannung, die sich schließlich auch im Freiheitsvollzug nachweisen lässt. Die Bindung der Hoffnungsstruktur praktischer Vernunft und menschlicher Existenz im Ganzen an ein letztes, unbedingtes und höchstes Gut entspricht strukturell exakt der Selbstgesetzgebung endlicher Freiheit bzw. der Selbstverpflichtung der endlichen Freiheit durch sich selbst, sich selbst Gesetz zu sein. Im Hoffnungsakt, der begründet ist und ein Unbedingtes anstrebt, kommt Freiheit zur Erfüllung ihrer selbst. Nur als hoffende vermag sie sich zu vollziehen. Der Selbstgesetzgebung und Selbstverpflichtung sittlicher Freiheit entspricht mithin die Bindung dieser Freiheit an ein Hoffnungsgut. Erst wenn dieses Hoffnungsgut als ein unbedingtes ausgewiesen werden kann, kommt endliche Autonomie zu sich selbst bzw. entspricht sie sich allererst selbst. Die Bindung der Freiheit an ein Humanum kann als Bindung an ein Hoffnungsgut begriffen werden, das der Freiheit erst evident einen Ort zuweist. So hoffen wir als Freie auf eine Welt, in der das Gute Realität ist bzw. erst noch werden soll, was uns und unserer Freiheit wesentlich und zutiefst entspricht, indem sie eine vollständige Realisierung des Sittengesetzes vor Augen hat. Der Vollzug endlicher Freiheit ist mithin in sich selbst auf eine spezifische (und radikale) Hoffnung angewiesen, sonst verzweifelt sie an sich selbst und degeneriert. Den Menschen als solchermaßen angewiesen zu begreifen, verleiht Würde, indem es seine Unableitbarkeit vor Augen führt. Der Mensch ist als endliches Wesen auf die Realisierung einer unbedingten Freiheit angelegt im Sinne einer Bestimmung, die er aber als endliche Freiheit nur im Angesicht und im Gegenüber einer sich ihrerseits durch unbedingte Freiheit auszeichnenden unbedingten Bejahung zu vollziehen vermag. Unbedingter Freiheit angemessen ist quasi nur wiederum ein Unbedingtes, das im Modus der 1274 Vgl. DEMMER, K., Freiheit, 5. Theologisch-ethisch, in: HUNOLD, G.W. (Hrsg.), Lexikon der christlichen Ethik - LThK kompakt, 2 Bde., Freiburg / Basel / Wien 2003, 557-558, hier 557. <?page no="412"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 412 Hoffnung vergegenwärtigt wird. 1275 Mit anderen Worten: Freiheit als endliche und unbedingte zugleich benötigt zum Selbstvollzug einen solchen Grenzbegriff ihrer selbst. 1276 9. Zwischenreflexion III: Hoffnung zwischen Gelingen und Scheitern, Immanenz und Transzendenz, Tod und Leben, Kreuz und Auferstehung O crux ave, spes unica - O Kreuz, einzige Hoffnung, sei gegrüßt! 1277 Die Gewissheit des eigenen Todes gehört zu den sichersten Erwartungen, die der Mensch hegen kann, deer er sich gegenüber sieht und zu der er sich als Ganzheit in ein Verhältnis zu setzen hat. So nimmt es nicht wunder, dass der Mensch den Tod auf vielfältige Weise vorwegnimmt - auch und gerade wenn er ihn zu meiden sucht. Das Sicherste und das mit größter Gewissheit Erwartbare an unserer Zukunft ist schließlich unser Tod, weswegen jede im Letzten tragfähige Hoffnung wird darauf antworten müssen - oder sehenden Auges alle anderen kleinen und großen Hoffnungen des Menschen quasi rückwärts in das Leben hinein radikal nivellieren und vergleichgültigen. Im Gefolge der modernen Desavouierung der Hoffnungskategorie und der völligen Vermeidung des Bewusstseins unserer Sterblichkeit haben wir uns im Sinne der Lebensführung (fast) schon daran gewöhnt, nur noch kleine, allzu private Hoffnungen zu pflegen. Die Dynamik der großen Hoffnungen kann sich jenseits von Individualisierung und Trivialisierung kaum mehr entfalten, wiewohl allererst dort die Möglichkeit verortet werden kann, dem Tod als radikaler Infragestellung aller berechtigten Erwartungen nach Sinn und Erfüllung zu begegnen, wie an der Kraft biblischer Verheißungen diesbezüglich zu buchstabieren wäre. Denn gerade das biblische Hoffnungs-Ethos vermag die Abgeschlossenheit irdischer Hoffnungen aufzubrechen durch eine Offenheit auf die Möglichkeiten jenseits des eigenen Einflusshorizonts. Damit aber überschreitet sie bereits die Schwelle des Todes, die als Fanal für alles Nichtende gelten kann. Schließlich wird umgekehrt auf die Bewährung eines jeden Hoffnungsbegriffs an den Grenzen des Lebens zu blicken sein, insbesondere im Angesicht des Todes und des Scheiterns. Letztlich wird es darum gehen, eine Spur zu legen für die Frage, wie von Hoffnung zu reden ist im Gegenüber des Kreuzes. Als These soll gelten, dass erst die Vorwegnahme des Todes, letztlich das Bewusstsein menschlicher Todesverfallenheit (begründete) Hoffnung zum Problem werden lässt. Anders gesagt: Letztbegründete Hoffnung kann es nur geben unter Einschluss des Todes, sonst könnte keine in der Auferstehung gegründete, hoffende Stellung zu ihm eingenommen werden. Ohne das Bewusstsein seiner Sterblichkeit hätte der Mensch sich niemals so wichtig nehmen und in seinen menschheitlichen Hoffnungen so groß von sich denken können. Zunächst aber steht der Mensch dem Tod und der Frage nach dem Sinn des Todes „auskunftslos“ 1278 gegenüber. Er ist „das einzige Wesen, das weiß, dass es sterben muss“ 1279 . 1275 Vgl. MOLTMANN, J., Befreiung im Licht der Hoffnung, in: Ökumenische Rundschau 23 (1974), 296-313, wobei die auf Hoffnung gegründete Befreiung nicht allein politisch zu denken ist. 1276 Vgl. GIGON, O. / ZIMMERMANN, L., Vom Abbild bis Zeugnis, München 2 1997. 1277 Aus dem Hymnus Vexilla regis. 1278 Vgl. SCHULTE, R., Christliche Hoffnung und menschliche Existenz in Weltverantwortung heute, in: Religion, Wissenschaft, Kultur 23 (2. Teil) / 1972 / 73, 87. <?page no="413"?> 9. Zwischenreflexion III: Hoffnung zwischen Gelingen und Scheitern 413 Unter dem Dasein kann sich - gegen WITTGENSTEIN 1280 - ein Abgrund der Bodenlosigkeit und Kontingenz auftun, der als radikale Hoffnungs- und Sinnlosigkeit erfahren werden kann. Seine Sehnsucht nach Sinn und Erfüllung verbietet es aber, sich bewusst mit dieser Endlichkeit abzufinden. Ein diesbezüglicher Fatalismus würde den Menschen in seinem Selbstverhältnis depotenzieren und trivialisieren. Er muss eine Antwort finden auf den Tod unter Einschluss seiner Erwartungen und Hoffnungen und ohne sich dabei zu dehumanisieren - alles andere ist Surrogat oder beraubt den Menschen seiner moralischen Sensibilität. Daher kann und muss die kantische Frage: „Was darf ich hoffen? “ in die Frage: „Was darf ich - für den anderen - in seinem Tod hoffen? “ 1281 transformiert werden. 1282 Eigentlich, auch nach KANT, ist letztere ein Implikat der ersteren. Eine (Moral-) Theologie des Kreuzes 1283 hätte hier Wichtiges anzubieten, wenn das Kreuz von der Hoffnung her gedeutet werden würde: Das Kreuz kann hoffnungstheoretisch als Umschlagsplatz zwischen dem Ende aller irdischen Hoffnungen und zugleich dem Beginn österlicher Hoffnung, die über den Tod hinausgeht, aber in allem Tod und Leiden als solche anwesend ist, gedeutet werden. Voraussetzung ist es dabei, Kreuz und Auferstehung zusammen zu denken. 1284 Auf diese Weise ist ein Verständnis der paradoxen christlichen Hoffnung im Tod möglich, genauso wie Hoffnung im und durch das Kreuz: Christlich ist daher nicht alleine eine Hoffnung zur Überwindung des Leidens und des 1279 Vgl. HAEFFNER, G., Leben angesichts des Todes. Philosophische Vorüberlegungen, in: Internationale Katholische Zeitschrift Communio 4 / 1975, 494-501, hier 494. 1280 Vgl. WITTGENSTEIN. L., Denkbewegungen. Tagebücher 1930-1932, 1936-1937, hrsg. von Ilse Somavilla, Innsbruck 1997, 79: „Und ferner, wer weiß welches Grauens er fähig ist, der weiß, dass das noch immer nichts ist gegen etwas noch viel Schrecklicheres, was, solange wir noch von Äußerem abgelenkt werden können, noch gleichsam verdeckt liegt. (Die letzte Rede des Mephisto im Lenauschen Faust.) Der Abgrund der Hoffnungslosigkeit kann sich im Leben nicht zeigen. Wir können nur bis zu gewisser Tiefe in ihn hineinschauen, denn „wo Leben ist, da ist Hoffnung“. Im Peer Gynt heißt es: „Zu teuer erkauft man das Bisschen Leben mit solch einer Stunde verzehrendem Beben.“ - Wenn man Schmerzen hat, so sagt man etwa: „Jetzt dauern diese Schmerzen schon 3 Stunden, wann werden sie denn endlich aufhören“, in der Hoffnungslosigkeit aber denkt man nicht: „es dauert schon so lange! “, denn da vergeht die Zeit in gewissem Sinne gar nicht. Kann man nun nicht jemandem, und ich mir, sagen: „Du tust recht Dich vor der Hoffnungslosigkeit zu fürchten! Du musst so leben, dass sich Dein Leben nicht am Ende zuspitzen kann zur Hoffnungslosigkeit. Zu dem Gefühl: Nun ist’s zu spät.“ Und es scheint mir, als könne es sich zu Verschiedenem zuspitzen.“ 1281 Vgl. PEUKERT, H., Wissenschaftstheorie - Handlungstheorie fundamentale Theologie. Analysen zu Ansatz und Status theologischer Theoriebildung, Frankfurt am Main, 1978, 312, Anmerkung 1. 1282 Vgl. SCHÜTZ, P., Hoffnung als Menschheitsfrage, Berlin 1963. 1283 Vgl. BALKENOHL, M., Kreuz und Hoffnung. Anthropologisch und theologisch, in: ECKER- MANN, W. / JANSSEN, F. / SAUER, R. / UNTERGAßMAIR, F.G. (Hrsg.), Das Kreuz - Stein des Anstoßes, Kevelaer 1996, 103-121. Ders., Vom Sinn des Lebens. Orientierung in unruhiger Zeit, Stein am Rhein 1992. Ders., Von der Hoffnung im Menschen, Paderborn 1993, der zwar den Zusammenhang der Hoffnungskategorie mit der Sinnfrage zu erkennen gibt, aber systematisch kaum die entscheidenden Problemkomplexe freilegt, der sich eine Theologie der Hoffnung angesichts des Kreuzes gegenüber sieht. 1284 Das wird mit HANS KESSLER und gegen vereinzelte Vorstellungen von HANS-JÜRGEN VERWEYEN geschehen müssen. Vgl. KESSLER, H., Christologie, in: SCHNEIDER, T. (Hrsg.), Handbuch der Dogmatik Bd. I, Düsseldorf 2000, 241-442 und VERWEYEN, H., Gottes letztes Wort. Grundriss der Fundamentaltheologie, Regensburg 3 2000. <?page no="414"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 414 Todes, sondern auch, quasi als deren Nukleus, eine Hoffnung im Leiden, in der Angst, im Tod. Auch diese Rede von der Hoffnung im Kreuz hat anthropologische Grundlagen, mindestens Anknüpfungspunkte, wie sie praktisch für alle Theologumena auszumachen sind, wobei entsprechenden naturalen Grundlagen nach wie vor zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird, wiewohl ein vertieftes Verständnis gerade zu deren Verwirklichung beitragen könnte. Auch kann und darf christliche Hoffnung nicht welt-, geschichts- oder erfahrungsflüchtig sein, ganz im Gegenteil, sonst könnte sie sich in Welt, Geschichte und Erfahrung, und damit auch im Leiden und im Tod, in keiner Weise bewähren. Sie erweist sich als tief in die naturale Verfasstheit des Menschen eingezeichnet, indem diese sich formal als ansprechbar auf Hoffnung und hoffnungsoffen zu erkennen gibt und inhaltlich durchaus analog orientiert ist - ohne freilich entsprechende Inhalte eo ipso verbürgen zu können. Die Hoffnung, die das Kreuz zu vermitteln imstande ist bzw. die aus dem Kreuz entsteht, ist daher auch eine, die leidensfähig ist und macht und damit auch im Leiden erfahren werden kann - als Nukleus, der die Totalität des Leidens immer schon gebrochen hat. Hoffnung im Kreuz gibt es mithin nur unter Aufnahme der Leidensgeschichte des Menschen - als memoria passionis. Billiger ist christliche Hoffnung nicht zu haben. So wird eine Negation des Negativen ermöglicht, eine Position des Positiven und eine paradoxale Position im Negativen, was die tiefe Dialektik des Kreuzes mit zum Ausdruck bringt. Den Menschen vom Leiden zu erlösen heißt daher zunächst, Hoffnung im Leiden denken zu können - ohne dass damit das Scheitern immer schon aufgehoben sein müsste, aber deren Ausschließlichkeit, Bewusstseinstotalität und Inflation ist gebrochen. Solche Hoffnung ist unverfügbar, Ausweis des unverfügbaren Gottes. „In der Kreuzesnachfolge Christi macht der Gläubige [...] die Erfahrung, dass ein nach innerweltlichen, diesseitigen Gelingenskriterien scheiterndes Leben letztlich doch gelingen kann. Aus dieser paradoxen Erfahrung schöpft der Christ die Hoffnung, dass das Glücksstreben des Menschen, das trotz seiner vielfältigen Möglichkeiten in diesem Leben unerfüllt bleibt, seine Erfüllung in dem von Gott verheißenen ewigen Leben findet. Diese Hoffnung sowie die sie begründende Erfahrung sind allerdings nicht in der Erfahrungswelt dieses Lebens einfachhin gegeben, sondern allein im Glauben und aus dem Glauben an Jesus Christus.“ 1285 Kreuzesnachfolge heißt dann, nicht (vermeidbares) Leiden fixieren oder gar vermehren, sondern im (unvermeidbaren) Leiden mit Jesus zu sein und mit einer Christushoffnung die prinzipielle Hoffnungslosigkeit, die vom Tod jederzeit ausgeht, zu überwinden und daraus dann konsekutiv Handeln orientieren und motivieren zu lassen. Voraussetzung dafür ist nun, dass Hoffnung sich der Wirklichkeit immer wieder aussetzt, was allerdings bereits für den israelitischen Jahweglauben festgehalten werden kann bis in das Selbstverständnis des Christentums hinein. Einzig auf diesem geistigen Boden konnte auch eine radikale Theodizee erwachsen, die schließlich auch auf das Engste mit der Idee der Apokatastasis 1286 verbunden ist. Auf diese Weise wurde Hoffnung in alle Winkel des Leidens hineingetragen durch Leben, Tod und Auferstehung Jesus, sodass alles Leiden auch Anteil hat an der durch ihn gestifteten Hoffnung - sonst würde sich von den dunklen Winkeln menschlichen Daseins abgründige Hoffnungslosigkeit ausbreiten wie Wellen im Wasser. Mit anderen Worten: Der Auferstandene als letzter Hoff- 1285 Vgl. KLEBER, H., Glück als Lebensziel. Untersuchungen zur Philosophie des Glücks bei Thomas von Aquin, Münster 1988, 290. 1286 Vgl. STRIET, M., Streitfall Apokatastasis. Dogmatische Anmerkungen mit einem ökumenischen Seitenblick, in: ThQ 184, 3 (2004), 185-201, hier 201. <?page no="415"?> 9. Zwischenreflexion III: Hoffnung zwischen Gelingen und Scheitern 415 nungsgrund des Menschen ist immer auch der Gekreuzigte - und hat es zu sein, sollen Erfahrungen von Schuld, Leid und Tod grundlegend von jener Hoffnung durchdrungen werden. Auch buchstäblich „durchkreuzte“ Hoffnungen haben hier ihren Ort, denn solche Hoffnung aus dem Kreuz lehrt mit enttäuschten Hoffnungen fertig zu werden durch einen alle irdische Hoffnungslosigkeit unterbietenden Halt in je neu darin begründeter Hoffnung. Leiden und Misslingen wird dabei zunächst angenommen und zugleich auf seine Überwindung transzendiert. Voraussetzung dafür, auch die abgründigste Erfahrung von Angst, Not und Tod in ihrer Totalität aufzubrechen, ist die Bestimmung des Verhältnisses von Kreuz und Auferstehung als extremste Vertikalspannung, die denkbar ist, um potentiell radikalste Kontrafaktizität und so radikale Hoffnung möglich zu machen. Damit wird eine enorme reflexive und existentielle Spannung aufgerichtet, die in einer radikalen Theodizee kulminiert - als dem denkerischen Versuch, eine Hoffnung auf letzte Rechtfertigung Gottes offenzuhalten, als Hoffnung, Gottes Liebe eine letzte Rechtfertigung und Versöhnung seiner selbst mit der Welt zuzutrauen. 1287 Das heißt nun, „[…] dass jene Zukunft, von der Leben, Gerechtigkeit und Freiheit erwartet wird, keine andere Gegenwart hat als die Gegenwart des Kreuzes und der Gemeinschaft der Leiden Christi“ 1288 , genauso, das müsste hinzugefügt werden, die Gegenwart der Auferstehung und der Gemeinschaft, die von der Freude des Auferstandenen ausgeht. Jesus hat am Kreuz den Abgrund menschlicher Hoffnungslosigkeit durchschritten und ist gerade so für uns zur Hoffnung geworden - in allem Kreuz. Der Schrei Jesu am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ (Mk 15,34) ist der Schrei menschlicher Hilflosigkeit und (irdischer) Hoffnungslosigkeit vor Gott. Das Geschehen wurde in einer Vermittlung von Freiheit und Notwendigkeit vollzogen. Seitdem gibt es Hoffnung im Leiden 1289 und in der Anfechtung. „Nur in der Hoffnung kann die Übernahme der Botschaft vom Kreuz existentiell vollzogen werden. Das bedeutet nicht […], dass es für den Glaubenden keinen innergeschichtlichen Zukunftsoptimismus gebe; der Glaube warnt nur vor seiner Verabsolutierung.“ 1290 Wenn es schließlich prinzipiell keine Hoffnung im Leiden, in der Angst und in der Not geben könnte, dann wäre irgendwann auch die Möglichkeit der Orientierung auf das Gute, Wahre und Schöne hin fundamental infrage gestellt, weil es nur für einen privilegierten Teil des Menschen zugänglich wäre, ansonsten aber vielfach an der Realität zerbrechen würde. Wie aber bringen wir Hoffnung in das Leid und über den Tod hinaus? 1291 Indem wir zeigen, dass es (mindestens) eine solche begründete, verbürgte und lebbare Hoffnung gibt, die davon nicht mehr infrage gestellt werden kann, weil sie das Dunkel durchschritten hat auf eine resurrectio mortuorum hin - und davon dann als prinzipielle Möglichkeit für alle ausgehen. 1287 Vgl. STRIET, M., Versuch über die Auflehnung. Philosophisch-theologische Anmerkungen zur Theodizeefrage, in: WAGNER, H. (Hrsg.), Mit Gott streiten. Neue Zugänge zum Theodizeeproblem (QD 169), Freiburg / Basel / Wien 2 1998, 48-89. 1288 Vgl. MOLTMANN, J., Die Kategorie Novum in der christlichen Theologie, in: UNSELD, S. (Hrsg.), Ernst Bloch zu Ehren, Frankfurt 1965, 258. 1289 Vgl. BIERINGER, R., Aktive Hoffnung im Leiden. Gegenstand, Grund und Praxis der Hoffnung nach Röm 5,1-5, in: Theologische Zeitschrift 51 (1995), 305-325. 1290 Vgl. DEMMER, K., Erfahrung der Sünde in der Hoffnung, in: Theologie und Glaube 57 (1967), 241-262, hier 261. 1291 Vgl. WELTE, B., Der Ernstfall der Hoffnung. Gedanken über den Tod, Freiburg / Basel / Wien 1980. <?page no="416"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 416 Die Zukunft christlicher Hoffnung ist mithin eine Zukunft durch das Kreuz hindurch. „Christliche Hoffnung gründet in der Auferstehung des Gekreuzigten.“ 1292 Dafür muss ein so notwendiger wie gefährlicher Gedanke eingeführt werden, wonach eine hoffnungstheoretische Relativierung der absoluten Notwendigkeit irdischen Gelingens Freiraum für die Annahme des Scheiterns schafft, freilich ohne die berechtigte Sehnsucht nach Gelingen und Glück dadurch aufzugeben. Eher im Gegenteil werden auf diese Weise die Voraussetzungen geschaffen, das Leiden so anzunehmen, dass es überwunden werden kann auf je neues oder je größeres Glück hin. Denn bereits die Hoffnung auf berechtigtes und damit begründetes Glück und die Erwartung dieser Berechtigung (Glückswürdigkeit) zum Glück ist schon eine Form des Glücks, einzig die Erwartung, es nie mehr sein zu können oder auch nur zu dürfen, ist grenzenlos trist. Umgekehrt gilt freilich dann auch: Sünde „ist nicht primär beschlossen in der Übertretung einer punktuell verstandenen Gesetzesverpflichtung; denn wenn das elementum principale des Gesetzes des Neuen Bundes in der Gnade des Heiligen Geistes besteht, und wenn diese in der Hoffnung erfahren wird, dann kann auch Sünde als negative Gegengestalt nur in der Hoffnungslosigkeit erfahren werden. Hoffnungslosigkeit aber erzeugt Angst, und somit findet die Sünde in deren Erleben ihre negative Vollendungsgestalt. Angst aber stellt sich immer dann ein, wenn dem Menschen seine ureigensten Möglichkeiten genommen werden. Da diese indes in der Zukunftseröffnetheit gründen, darum ist die Sünde eine Verfehlung des Menschen gegen seine eigenen geschichtlichen Möglichkeiten.“ 1293 Angst macht als Mangel an Vertrauen hoffnungslos und Hoffnungslosigkeit potenziert die Angst, sodass beide ein gleichursprünglicher Anteil an der Entstehung des Bösen zuerkannt werden kann. Aus den bisherigen Reflexionen lassen sich nun einige Folgerungen für die anvisierte Ethik der Hoffnung ableiten, der es im Modus der Dialektik von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit an einer Balancierung der Spannung von Gelingen und Scheitern, von Leben und Tod gelegen ist, wenn der Mensch trotz allem handlungsfähig bleiben soll: So kommen Hoffnungsziele zum Tragen, die als Heils-Hoffnungen theologisch die Bestimmung und die Würde des Menschen verbürgen und unter theologisch-ethischer Perspektive die Selbstzwecklichkeit und die sinnorientierte Selbstwerdung des Menschen auf der Basis des Humanum vergegenwärtigen. Mit anderen Worten: Hoffnung kommt erst zur Vollgestalt ihrer selbst, wenn sie sich an das Humanum bindet, als letztlich einziges dem Hoffnungsraum des Menschen angemessenes Zielgut. Die entscheidende Konsequenz ist eine ideologiekritische Wendung, die sich gegen Absolutsetzungen und Hermetisierungstendenzen irdischer Hoffnungsgüter richtet und damit Desidentifikation stiftet mit latent trügerischen und täuschungsanfälligen rein immanenten Hoffnungen. Zentrale Wirkung dabei ist eine fundamentale Öffnung des handlungsleitenden Systems des Menschen. Hoffnung öffnet aufgrund der ihr eigenen Bewegung der Selbsttranszendentalität. Sie öffnet auf die mit ihr verheißene Zukunft hin und damit letztlich auf den Grund aller Hoffnung, auf Gott selbst. 1294 Insofern ist diese Hoffnung eine dynamische Größe, die 1292 Vgl. GRESHAKE, G., Leben - stärker als der Tod. Von der christlichen Hoffnung, Freiburg im Breisgau 2008, 76. 1293 Vgl. DEMMER, Erfahrung der Sünde in der Hoffnung, hier 262. 1294 Vgl. LOB-HÜDEPOHL, A., Glauben und moralisches Handeln. Zu einigen theologalen Eckdaten kommunikativer Ethik, in: LESCH, W. / BONDOLFI, A. (Hrsg.), Theologische Ethik im Diskurs. Eine Einführung, Tübingen 1995, 120-143, 138. „Hoffnung also meint die vertrauende Offenheit des Menschen auf die ihm entgegenkommende rettende Zukunft.“ Daher kann das <?page no="417"?> 9. Zwischenreflexion III: Hoffnung zwischen Gelingen und Scheitern 417 existentielle und sittlich-moralische „Inversionen“ mit sich bringen kann und systematisch als Ziel-Marge des Guten selbst fungieren kann - die Funktion Hoffnung als Ethosform bzw. als ethosbildende Vollzugswirklichkeit wird hier angesprochen. Das christliche Hoffnungsethos hält nun den Hoffnungsvollzug für so elementar und unverzichtbar, besonders mit Blick auf den letzten verbürgenden Grund der Hoffnung, Gott selbst, dass mitunter die Hoffnung ihrerseits als Heilsgut objektiviert wird und damit verschmilzt. Selbst wenn nun entlang der biblischen Vorgaben Hoffnung letztlich allein in Gott selbst ihren Grund findet, dann bleibt sie auch in ihren Hochformen der Verfügbarkeit und Machbarkeit des Menschen entzogen und Hoffnungsgewissheit kann nur auf der Basis eines vertrauenden Sich-Öffnens gegenüber diesem Grund entwickelt werden, dann muss dies als geradezu notwendig gelten, sonst ist ein existentialer Zugang schlechterdings per definitionem nicht denkbar. Es muss mithin einen systematischen Zusammenhang geben zwischen dem Indikativ der göttlichen Zusage und dem Prospektiv humaner Zuversicht aus Hoffnung - Zusage und Zuversicht sind in diesem Zusammenhang zwei Seiten einer Medaille. 1295 Wenn von Hoffnungs-Gewissheit die Rede ist, dann ist diese als eine spezifische Form des „Wissens“ zu bestimmen, nicht im eigentlichen Wortsinn, sondern als Gewahrwerden, als Ahnung, als ganzheitliches Erfassen von Sinnmöglichkeiten. Hoffnung selbst ist daher als (theologisch-existentielle) Erkenntnisform auszuweisen, wie sich in der schon vielfach beschriebenen Beobachtung zeigt, dass der mehr sieht, der hofft, indem die Wirklichkeit auf die ihr inhärenten Möglichkeiten hin erkannt, geöffnet und durchschaut wird. Schon die alttestamentliche Perspektive, die eine sehr kontextuelle, situative Verwendung der Hoffnungskategorie, aber keine eigene Hoffnungs-Theorie im engeren Sinne kennt, zeigt darüber hinaus, dass biblische Hoffnung die Grenzen der Geschichte zu sprengen vermag, so dass sowohl irdische als auch transzendente Hoffnungen letztlich auf Jahwe zurückgehen, der sie gewährt und allererst auf diese Weise als geschichtsmächtig in Erscheinung tritt. Wenn es eine Kategorie gibt, die der Hoffnung am nächsten kommt, dann ist es die des inhaltlich schon ausgerichteten Vertrauens. Damit hat die Gewissheit der Hoffnungs-Erfüllung, das Gelingen des Hoffnungszieles letztlich Geschenk-Charakter, donativen Charakter, weil es ursprünglich und grundlegend als außerhalb der eigenen Wirkmöglichkeiten erfahren wird. Diese Hoffnung klammert sich nun nicht absolut an die Zielerreichung, sonst wird sie reduziert und fixiert auf etwas, was sie nicht mehr ist und verliert ihre Vertrauensbasis. Nach einer Interpretation von GABRIEL MARCEL 1296 wird dabei deutlich, dass nicht die Erreichung des Hoffnungs- Ziels im Sinne des Habens entscheidend ist, sondern die Erfüllung im Sinne des geschenkten Seins. MARCEL verbindet die Existenzweise des Habens mit dem Wünschen, die des Gebet als Interpretation und Einübung von Hoffnung gelesen werden, die die Ganzheit des Menschen auf den Grund allen Seins hin öffnet, orientiert und hoffend transzendiert, bis dahin, dass das eigene Ich vertrauend-hoffend auf Gott hin verlassen wird, um sich von dort her wieder neu zurück zu empfangen. Es können zahlreiche Analogien zur Mystik gezogen werden, etwa wenn die Erfahrung der „Dunklen Nacht“, von der JOHANNES VOM KREUZ immer wieder berichtet, mithin die Erfahrung der Entzogenheit Gottes, die keinen Zugriff erlaubt, im Durchschreiten ihrer Leere zum Ort und zur Quelle neuer Hoffnung wird, indem im Angesicht des Nichts und über einem grenzenlosen Abgrund neuer Halt in Gott gefunden werden kann. 1295 Nicht umsonst geht in diesem Sinne nach einer jüdischen Sage, wie sie W. BENJAMIN berichtet, der Engel des Herrn rückwärts in das Paradies ein, mit Blick aus der Zukunft in die Gegenwart. 1296 Vgl. MARCEL, G., Homo Viator. Philosophie der Hoffnung, Düsseldorf 1949. <?page no="418"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 418 Seins mit dem Hoffen (vgl. ERICH FROMM). Hoffnung ist insofern ein Existenzvollzug des ganzen Menschen, was moraltheologisch kaum zu überschätzen ist, weil eine entsprechende Ethik auf eine „Handlungslogik des Ganzen“ zielt, letztlich auf Sinn. Hoffnung scheint eine Öffnung des ganzen handlungsleitenden Systems bewirken zu können bis dahin, dass die entsprechenden Voraussetzungen (Kontrollerwartung, persönliche Relevanz, etc.) auf der Basis der vorliegenden Strukturen an die Transzendenz gebunden werden und eine (zumindest) prinzipiell nicht mehr enttäuschbare Hoffnung zu gewähren vermag: „Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen“ (Röm 5,5). Systematisch gewendet heißt das, dass Hoffnung Identität jenseits gebrochener Selbsterfahrung ermöglicht. Indem, unter narrativer Perspektive, die abgerissenen Fäden der eigenen Lebensgeschichte (wieder) verbunden werden, Risse, Lücken und Leerstellen wieder geschlossen bzw. aufgefüllt oder zumindest überbrückt werden können. So kann Handeln initiiert werden auf der Basis einer Hoffnung, „als ob“ die eigene Identität eine gelungen zu Ende geführte sein wird. Hoffnung zielt in dieser Diktion nicht zuerst auf ein unversehrtes Leben als Option, nicht auf die restitutio ad integrum, denn es gibt Hoffnung in aller Versehrung, sonst wäre gelingendes Leben in und trotz Versehrung letztlich nicht mehr denkbar. So kann der Mensch Hoffnung haben in der Verzweiflung, Not und Entbehrung wahrnehmen und trotzdem daran nicht verzweifeln, denn streng genommen ist Verzweiflung Ausdruck extremer Hoffnungslosigkeit. Diese Hoffnung aber lässt sich nicht mehr vernünftig ableiten aus der Realität (menschlicher Möglichkeiten), die immer begrenzt ist und immer wieder scheitert und vergeblich bleibt, sondern die ihren Anhalt allein in Gott hat. Hoffnung reklamiert mithin einen Referenzpunkt außerhalb desjenigen Systems, auf das es sich gerade bezieht, weswegen letztlich humane Hoffnung, die den Menschen als Ganzen meint, über den Tod hinausgeht und der Grund solcher Hoffnung nicht mehr in der Welt selbst gesucht werden kann. Notwendige Konsequenz dieser Reflexionen auf christliche Hoffnung ist, dass diese den Schmerz und das Leid, letztlich den Tod, nicht zu fliehen braucht, ihm gegenübertreten kann und ihn nicht zu verdrängen braucht. Freilich sucht sie ihn auch nicht, aber sie ist im Letzten nicht von ihm bedroht, kann ihm bei sich selbst und andern ins Auge blicken und ihn dabei zu transformieren versuchen. „Angesichts des Kreuzesweges Jesu Christi kann und muss der Tod nicht bagatellisiert werden, um so vermeintlich der Hoffnung Raum zu schaffen. Hoffnung auf ewiges Leben verdankt sich dem, der dem Tod nicht ausgewichen ist und ihm so die Macht genommen hat.“ 1297 Mit anderen Worten: Es gibt keine christliche Hoffnung, letztlich überhaupt keine tragende Hoffnung unter Umgehung des Todes. Und eine christliche Hoffnung im Angesicht des Todes ist immer auch Gegenstand einer Theologie des Kreuzes. Daraus ergeben sich nun aufschlussreiche Einsichten in spezifisch aus christlicher Hoffnung gespeiste Verhältnisbestimmungen des Menschen zur Welt, zu sich und zu Gott, quasi als spezifische Form des hoffenden Welt-, Selbst- und Gottesverhältnisses, die systematisch zusammenzutragen wären, hier aber nur angedeutet werden können. Diese schaffen allererst die Voraussetzungen dafür, der Welt und sich selbst Stand zu halten und dabei zugleich bzw. gerade deswegen konsequent die Handlungsfähigkeit zu bewahren auf das Gute hin und umgekehrt das Gute dadurch als fundamentalste Handlungsorientierung freizulegen - u. U. trotz der dem Guten widersprechenden Welterfahrungen. Hoffnung lässt daher potentiell am Guten festhalten trotz seiner Nichterfüllung. Das macht Mut, stimmt zuversichtlich und setzt erstaunliche Widerstandskräfte und Tatkräf- 1297 Vgl. WEYMANN, V., Bilder der Hoffnung angesichts von Sterben und Tod? , in: Evangelische Theologie 54. Jg., Heft 6, 501-519, 508. <?page no="419"?> 9. Zwischenreflexion III: Hoffnung zwischen Gelingen und Scheitern 419 te frei. Hoffende Freude, Freude aus Hoffnung ist daher „gespannte Freude“ 1298 , die aus Hoffnungsspannungen kommt. Bereits ARISTOTELES spricht schließlich von der Kontingenz des Glücks, den Grenzen des irdischen Glücks und der Frage, ob wir es wohl innerhalb der Grenzen des Lebens überhaupt erreichen können - und der Frage ob es dennoch Grund zur Hoffnung gibt, die erstrebte Eudaimonie zu erreichen. Die Frage verschärft sich noch angesichts der neuzeitlichen Idee unbedingter moralischer Pflicht. Gegen das Scheitern und Versagen des Menschen angesichts dieser unbedingten Verpflichtung zum Guten stellt christliche Hoffnung das Bild der „erlösten Freiheit“, das die Annahme des ganzen Menschen impliziert. Damit wird auch das Misslingen und Scheitern angenommen, integriert und zugleich auf ein je moralisch Besseres orientiert. Damit bekommt menschliche Schuld nicht das letzte Wort, das Scheitern behält nicht die Oberhand in meinem Leben und führt nicht notwendig zu Handlungsunfähigkeit und Starre 1299 oder radikaler Verdrängung und Trivialisierung, d.h. dem Versuch, der moralischen Verpflichtung zu entkommen. Daher kann gelten: „Christliche Hoffnungsaussagen sind Dennochaussagen“ 1300 , sie eröffnen durch die ihnen inhärente Sinnaussicht eine Haltung des Trotzdem gegenüber der Welt und erlauben dadurch potentiell, wohlgemerkt nicht notwendig, am Guten festzuhalten - trotz und in Anfechtung und Widerspruch. Ein Implikat davon ist, dass solche Hoffnung leidensfähig macht 1301 - da, wo es nicht verändert werden kann. Aber allein der Vollzug solcher Hoffnung verändert schon die reale Leidenserfahrung. Christliche Hoffnung ist dabei im wahrsten Sinne des Wortes sym-pathisch, sie ist mitfühlend und mitleidend. Gnoseologisch zentral ist dabei ein Vorrang der Eschato-Praxie vor der Eschato- Logie 1302 , das gilt auch für die zentralen eschatologischen Größen: Gericht, Himmel, Hölle, Purgatorium, Wiederkunft, etc., denen - wie hier vorgeschlagen - immer auch eine natural-anthropologische Basis 1303 zu eigen ist. Damit korrespondiert, dass kein strikt philosophischer Unsterblichkeitsbegriff vertreten wird, der meist, etwa bei PLA- TON, negativ gepolt ist, gar eine Unsterblichkeit der Seele 1304 - etwa noch ohne den Leib 1298 Vgl. STRIET, M., Gespannte Freude - oder: Wider eine verharmlosende Spiritualität der Klage, in: Internationale Katholische Zeitschrift Communio 33 (2004) Juli / August, 317-334. 1299 Vgl. HILDEBRANDT, B., Was dürfen wir hoffen? Der Mensch und seine Zukunft, in: HERBST, M. (Hrsg.), Der Mensch und sein Tod, Frankfurt am Main 2001, 319-336 und RE- MENYI, M., Hoffnung, Tod und Auferstehung, in: ZKTh 129 (2007), 75-96. 1300 Vgl. WEYMANN, V., Bilder der Hoffnung angesichts von Sterben und Tod? , 507. 1301 Vgl. KNAUER, P., Unseren Glauben verstehen, Würzburg 5 1995, 62. „Zum christlichen Glauben gehört also nicht nur das aus ihm hervorgehende Handeln aus Liebe, sondern auch die Bereitschaft, selber Unrecht zu leiden und damit den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt abzubrechen. Darauf bezieht sich der christliche Begriff der ‚Hoffnung‘, die im griechischen Neuen Testament auch als ‚hypomonè‘, ‚Darunter-aushalten‘ bezeichnet wird.“ 1302 Vgl. WIEDERKEHR, D., Der sichere Tod und die unsichere Eschatologie. Probleme der Theologie und der kirchlichen Verkündigung, in: DEXINGER, F. / FÜGLISTER, N. (Hrsg.), Tod, Hoffnung, Jenseits. Dimensionen und Konsequenzen biblisch verankerter Eschatologie, Freiburg im Breisgau 1983, 161-183, hier 166ff. 1303 Vgl. analog WOHLMUTH, J., Anthropologische Dimensionen christlicher Eschatologie, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio, 36 (2007), 132-145. Ders., Mysterium der Verwandlung. Eine Eschatologie aus katholischer Perspektive im Gespräch mit jüdischem Denken der Gegenwart, Paderborn 2005. 1304 Vgl. GRESHAKE, G., „Seele“ in der Geschichte der christlichen Eschatologie. Ein Durchblick, in: BREUNING, W. (Hrsg.), Seele. Problembegriff christlicher Eschatologie (QD 106), Freiburg <?page no="420"?> V. Moraltheologische und moralphilosophische Grundperspektiven der Hoffnung 420 zu integrieren, sondern demgegenüber ein dezidiert theologischer Begriff von Unsterblichkeit favorisiert wird, der strikt positiv konnotiert ist. „Dieser sagt, dass der Mensch ein Seiendes ist, das in seinem Sein von der Zukunft konstituiert ist, die auf ihn zukommt: der Selbstgabe Gottes.“ 1305 Solche Hoffnung steht für die bleibende (moralische) Erinnerung an das Unabgegoltene angesichts der ungezählten Tode in der Geschichte, das vor Gott im Namen dieser Hoffnung moralisch eingeklagt zu werden hat. Der Ausgleich und die potentielle Versöhnung von Opfern und Tätern in der Geschichte ist als eine einzige große Hoffnung ein Beispiel für deren eminent moralische und existentielle Bedeutung, die zwar spezifische Voraussetzungen hat, etwa eine differenzierte Identitätstheorie 1306 , aber insgesamt die Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit vor Augen zu führen vermag. Auch kann sie zur Entlarvung unbegründeter Hoffnungen beitragen und zugleich zu einer begründeten Überschreitung der Todesgrenze. 1307 Dabei können immer quasi zwei Gesichter der Hoffnung unterschieden werden: Einmal ein „Ich hoffe, dass [...].“ als gegenständliche und ereignishafte Hoffnung und zum anderen ein übergegenständliches „Ich hoffe.“ als Hoffnung ohne fixierten Inhalt, die auf das Ganze der Existenz und deren Sinnhaftigkeit zielt - angesichts des Todes. 1308 Denn wer bräuchte oder würde verlangen nach letzter, absoluter Hoffnung, wenn es den Tod nicht gäbe? Jede Hoffnung wäre umgekehrt letztlich wertlos, wenn sie nicht eine Antwort auf den Tod bereithielte. So sehr, dass die Antizipation der Auferstehung die Antizipation des Todes voraussetzt, mindestens das Bewusstsein der eigenen Todesverfallenheit. Sonst müsste uns die Begründbarkeit letzter Hoffung gar nicht zum Problem werden. Denn gegenüber dem (sicher erwarteten) Tod werden alle irdischen Hoffnungen und Träume nichtig und zunichte. Erst der Glaube stellt dem Menschen ein umfassendes Ziel vor Augen, das den Tod übersteigt und damit letzte Hoffnung gewährt, überhaupt erst Hoffnung, die nicht permanent durch den Tod grundsätzlich in Frage gestellt und zum Sinnlosen nivelliert wird. 1309 Christliche Hoffnung bewahrt uns nicht vor dem Sterben und dem Tod, aber vermag uns (1) vor dem Nicht-Leben längst vor dem Tod zu retten und gewährt (2) eine Gewissheit, trotz des Todes nicht ins Nichts zu fallen. Hoffnung transportiert mithin eine Gewissheit der Bewahrung und Erneuerung. Der letzte Grund des menschlichen Hoffnungspotentials, das die Todesgrenze permanent zu überschreiten versucht, im Breisgau 1986, 107-158 und SONNEMANS, H., Seele, Unsterblichkeit - Auferstehung. Zur griechischen und christlichen Anthropologie und Eschatologie, Freiburg im Breisgau 1984. 1305 Vgl. HAEFFNER, G., Jenseits des Todes. Überlegungen zur Struktur der christlichen Hoffnung, in: Stimmen der Zeit 193 / 1975, 773-784, 779. 1306 Vgl. aufschlussreich FUCHS, O., Das jüngste Gericht. Hoffnung auf Gerechtigkeit, Regensburg 2007. Ders., Neue Wege einer eschatologischen Pastoral, in: Theologische Quartalschrift 179 (1999), 260-288. 1307 Vgl. STRIET, M., Vom Tod und vom Glauben. Eine kleine Meditation, in: BÖHNKE, M. / BONGARDT, M. / ESSEN, G. / WERBICK, J. (Hrsg.), Freiheit Gottes und der Menschen (FS PRÖPPER, T.), Regensburg 2006, 161-173. 1308 Vgl. GRESHAKE, G., Warum lässt uns Gottes Liebe leiden? Freiburg im Breisgau 2007, 135- 141 mit Bezug auf MARCEL, G., Homo Viator. Philosophie der Hoffnung, 58. Vgl. ebenso GRESHAKE, G., Neue Ansätze zu einer Theologie der Hoffnung. Herausforderung und Kritik der Moraltheologie, hrsg. von TEICHTWEIER, G., Würzburg 1971, 206-228. 1309 Vgl. SCHAEFFLER, R., Die christliche Hoffnungsbotschaft im Kontext menschlicher Todesauffassungen, in: GERHARDS, A. (Hrsg.), Die größere Hoffnung der Christen. Eschatologische Vorstellungen im Wandel (QD 127), Freiburg im Breisgau 1990, 13-27, hier 13. „Die biblische Hoffnungsbotschaft ist, auch in ihrer Unverwechselbarkeit, nur im Kontext menschlicher Todesdeutungen formulierbar.“ <?page no="421"?> 9. Zwischenreflexion III: Hoffnung zwischen Gelingen und Scheitern 421 kann nur in einem Gott selbst gefunden werden, einem Gott, der den Sieg des Lebens über den Tod begründet sein lässt und damit die menschliche Hoffnung verbürgt, der ihr entgegenkommt und ihr entspricht, andernfalls alle Hoffnung latent dem Verzweiflungsverdacht ausgesetzt ist. Das gilt insbesondere für mit Selbstbewusstsein und Vernunft ausgestattete Wesen, wie der Mensch eines ist, das von sich aus dasjenige Ziel nicht zu erreichen vermag, auf das es sich angelegt erlebt und daher wohl nicht dauerhaft mit einer Selbstbegrenzung leben können will, ohne grundlegend an Gestaltungskraft und Realitätsbezug einzubüßen. Irgendwann, so besteht die Gefahr, flüchtet sich Hoffnung doch in Surrogate, wird klein und kleiner und will dennoch versuchen, aus sich das erstrebte Absolute, d.h. Todüberwindende zu erreichen. Der letzte Grund menschlichen Hoffens kann nur im Glauben eingesehen und gefunden werden, nicht im reinen Wissen, denn die Schwelle von Empirie und Tod kann im strengen Sinne nicht wissend überschritten werden, sondern nur im Modus vertrauender Gewissheit begründeter Hoffnung. Daher zählen zu deren zentralen Charakteristika neben den bereits erwähnten weiter die Fallibilität und Unsicherheit, genauso wie deren „symbolische Repräsentationen“ 1310 zur Vergegenwärtigung ihrer (zukünftigen) Zielgüter in der Gegenwart (der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft). Insgesamt aber kann mit GERHARD SAUTER die Grundintention dieser Reflexionen zum Verhältnis von Kreuz und Hoffnung festgehalten werden: „Der Grund der Hoffnung - und zwar nicht einer besonderen, christlichen gegenüber einer allgemein-menschlichen, sondern jeder Hoffnung, der Hoffnung schlechthin - ist das Kreuz Jesu Christi. In ihm hat Gott Raum in der Welt gewonnen.“ 1311 1310 Vgl. HAEFFNER, Jenseits des Todes. Überlegungen zur Struktur der christlichen Hoffnung, 776. 1311 Vgl. SAUTER, G., Begründete Hoffnung. Erwägungen zum Begriff und Verständnis der Hoffnung heute, in: Ders., Erwartung und Erfahrung. Predigten, Vorträge und Aufsätze, München 1972, 69-107, hier 98. <?page no="422"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften - Strukturäquivalente der Hoffnung in Psychologie und Psychotherapie 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II - Sach- und Problemstand einer (Moral-) Psychologie des sinnorientierten Zukunftsdenkens Ich hoffte, ja ich hoffte auf den Herrn. Da neigte er sich mir zu und hörte mein Schreien. 1 ie humanwissenschaftliche Auseinandersetzung mit den psychologisch-anthropologischen Grundlagen, mithin der naturalen Basis menschlicher Sinn-Hoffnungen kennt eine kurze Geschichte, aber eine lange Vergangenheit. Die rationale Psychologie war bis KANT eine fast ausschließlich spekulative Beschäftigung mit der menschlichen Seele als Teilgebiet der speziellen Metaphysik, die sich neben der Kosmologie und der Theologie eben auch mit der Psychologie befasste, etwa mit Fragen der Selbsterkenntnis, der Unsterblichkeit der Seele und der Einheit des Bewusstseins. Erst im Erbe des Neukantianismus verschob sich das Erkenntnisinteresse weg von metaphysischen Problemen hin zu konkreten Ausprägungen des psychischen Erlebens und Verhaltens. Psychologie als Erfahrungswissenschaft begann sich zu etablieren. Diese disziplinäre Trennung gab es lange nicht, wie ein Blick auf frühere Epochen leicht zu zeigen vermag. Was bereits ARISTOTELES in der Nikomachischen Ethik 2 als kleine moralpsychologische Sentenz formuliert hat, kann für die vorliegende Fragestellung kaum überschätzt werden, wird aber bis heute im Rahmen moralphilosophischer und analog moraltheologischer Reflexionen sträflich vernachlässigt: Wer nämlich praktische Philosophie betreibe, der komme nicht umhin, so ARISTOTELES, sich mit der Seele des Menschen zu beschäftigen. Zwar unter dem Gesichtspunkt je seiner Disziplin und nur so, wie es für deren Aufgaben erforderlich ist. 3 Aber dennoch: wer menschlicher Handlungswirklichkeit näher kommen will, der hat sich auch mit der menschlichen Seele zu beschäftigen, hat die Wirklichkeit der leib-seelischen Einheit des Menschen zu sich sprechen zu lassen und daher auch entsprechende empirische Einsichten aufzunehmen. Wäre dieser kluge Aufruf beizeiten beherzigt worden, wären viele erkenntnistheoretische ‚Umwege‘, ebenso wie ‚Schleichwege‘ und ‚Irrwege‘ auf dem Weg der Einsichtnahme in menschliche Handlungswirklichkeit erspart geblieben, da mindestens ein klarer Erfahrungsbezug niemals verlustig gegangen wäre. Eigentlich stünde daher an dieser Stelle so etwas wie eine Grundlegung der Moralpsychologie an, die allerdings erst noch zu formulieren sein wird. Die multimodale Kategorie der Hoffnung ist nun auf dieser Linie von ihren je verschiedenen, aber hier aufeinander bezogenen Aspekten anthropologisch zu fundieren, etwa die Vernunftstruktur der Hoffnung über die Einsichten der inzwischen äußerst elaborierten kognitiven Psychologie und kognitiven Verhaltenstherapie, die Affektstruktur über eine 1 Vgl. Psalm 40, 2-9. 2 Vgl. ARISTOTELES, EN, I 13. 3 Vgl. ARISTOTELES, EN, 1102 a 17-26. D <?page no="423"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II 423 Psychologie und Philosophie der Emotionen, der motivationale Aspekt über das interdisziplinäre Gespräch mit Motivations- und Motivpsychologie, der therapeutische Aspekt über den Vergleich mit empirischer Psychotherapieforschung, etc. Dieses Unterfangen soll hier an jenen Stellen erfolgen, die von besonderem Interesse für die vorliegende Fragestellung sind: Motivationspsychologie, Gesundheitspsychologie und Psychotherapie. Der vorbereitende Forschungsbericht ist dabei breit und problemorientiert angelegt, wobei daraus schließlich eine exemplarische Auswahl derjenigen Theoriezusammenhänge erfolgen soll, die strukturell und wirkungsgeschichtlich essentiell wurden. Die Zusammenstellung kann dabei nur so weit kommen, wie die Kategorie der Hoffnung selbst elaboriert wurde - und sie ist nach wie vor und insgesamt ein vernachlässigtes Konzept 4 innerhalb psychologischer Forschungen, wiewohl sie in den verschiedensten Zusammenhängen anzutreffen ist. Insgesamt kann als argumentationsleitende These gelten, dass für (christliche) Hoffnung eine breite naturale Basis ausgewiesen werden kann, wiewohl diese mit jener niemals identisch ist oder auf sie reduziert werden kann. Umgekehrt ist die grundsätzliche (natürliche wie übernatürliche) Hoffnungsfähigkeit des Menschen tief in seinen bio-psycho-sozialen Strukturen verankert, vermag aber in dieselbe Zielrichtung zu verweisen - freilich ohne die Ziele selbst verbürgen zu können. a) Psychologie zwischen Empirie, Theorie und Weltdeutung Alle Weltbetrachtung, auch die naturwissenschaftliche, ist von den deutenden Kategorien des Menschen (insbesondere sich selbst gegenüber) abhängig, die ihrerseits begründungspflichtig sind. 5 Der Beobachter ist vom Beobachtungsgegenstand nicht mehr strikt zu trennen und der cartesianische Dualismus kann keine Verstehensschablone mehr abgeben für moderne Erfahrungswissenschaften. Das Subjekt des welterkennenden Menschen muss nicht allein als Verantwortungssubjekt mitbedacht werden, sondern auch in seinen epistemischen Voraussetzungen, die er für jede Welterkenntnis mitbringt. Dem- 4 Vgl. HAMMELSTEIN, P. / ROTH, M., Hoffnung - Grundzüge und Perspektiven eines vernachlässigten Konzeptes, in: Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 23 (2), 2002, 191-203 und die dortigen Literaturangaben. 5 Vgl. ROSENBERGER, M., Determinismus und Freiheit. Das Subjekt als Teilnehmer, Darmstadt 2006. Zu Recht führt MICHAEL ROSENBERGER an, dass in der genaueren Bestimmung von Determination und Freiheit durch die Entwicklung der Neurologie und Naturwissenschaften ein wesentlicher Fortschritt erfolgt ist. Insbesondere die scharfe Trennung zwischen dem Reich der Freiheit i.S. der begrifflichen Fassung der Wirklichkeit und dem Reich der Notwendigkeit i.S. empirischer Erfahrung, wie sie bei Kant formuliert wurde, könnte durch die Erkenntnisse v.a. Newtons entschärft werden. Das Resultat sei die bereits erwähnte Einbettung der wissenschaftlichen Beobachterperspektive in die Erfahrungs- und Deutungsperspektive. Vgl. ROSENBERGER, M., Determinismus und Freiheit. Das Subjekt als Teilnehmer, Darmstadt 2006. Die neue Krise, die durch die Erkenntnisse der Neurowissenschaften hervorgerufen wurde, ruft ähnliche Reaktionen hervor. Auf der einen Seite lässt der Fortschritt in der Erkenntnistheorie nicht mehr zu, dass ein neuer Empirismus entstehen könnte - die naturwissenschaftliche Weltbetrachtung ist von den deutenden Kategorien des Menschen abhängig und kann daher nie als alleinige Sicht auf die Welt betrachtet werden. Doch das genaue Verhältnis von ethischen Urteilen und Sachaussagen ist neu zu bedenken. Und dennoch lassen sich einige Fragen nicht verdrängen: Worin besteht denn der Vergleichspunkt, nach dem ich mir überhaupt ein Urteil erlauben kann, welche Perspektive auf die „Welt“ die angemessenere ist? Muss es nicht ein Bindeglied geben zwischen der Welt, die ich betrachte und deute, und meiner Deutung? <?page no="424"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 424 nach ist dem Menschen keine theoriefreie Empirie zugänglich, was die Frage nach der Herkunft und Begründung entsprechender theoretischer Prämissen und Deutekategorien notwendig macht. Dies gilt nicht allein für methodisch kontrollierte, experimentelle Erfahrung, sondern ebenso für individuell-subjektive Widerfahrnisse, die als Erlebnisse immer einer Deutung unterzogen werden, bevor sie als personale Erfahrung gelten können. Daher kann die erfahrbare Realität dem Menschen auch als Quelle von Hoffnung und entsprechender Erfahrungen dienen. Anhand der Explikation der empirischen und konsekutiv der anthropologischen Grundlagen einer Ethik der Hoffnung soll daher gezeigt werden, dass der Mensch als Wesen der Transzendenz zugleich ein Naturwesen ist und nur über kritischen Bezug beider Perspektiven der eine Mensch in den Blick kommen kann. In der Qualifizierung dessen, worauf die Selbsttranszendenz zielt, gibt es allerdings große Unterschiede. Auffällig ist, dass die psychologischen Hoffnungsstrukturen rein formale Strukturen darstellen, die inhaltlich weitgehend „leer“ und unbestimmt sind, weswegen Psychologie ihrerseits auf Dialog, Integration und das interdisziplinäre Gespräch mit praktischer Philosophie angewiesen ist. 6 Empirische Wissenschaft kann als solche epistemisch bis zu dem Punkt kommen, zu zeigen, dass Hoffnung wirkt und wie sie wirkt, und u. U. damit auch zum Verständnis dessen beitragen, was Hoffnung ist, aber letztlich begründen kann sie sie nicht, da sie ihr immer schon voraus und vorgängig ist und außerhalb ihrer eigenen Beschreibungssysteme liegt. Hier ist das Gespräch mit Ethik und praktischer Philosophie unabdingbar, wie anhand der hier verhandelten Kategorie der Hoffnung zu zeigen sein wird. Moderne Psychologie wird sich den zentralen und universalen anthropologischen Konzepten menschlicher Selbstverständigung stellen müssen, um deren psychologische Basis aufhellen zu können, aber ohne sie im Schatten ihrer eigenen Reduktionismen verabschieden zu wollen. Das kann aber nur gelingen, wenn sie ihr eigenes diesbezügliches Theoriedefizit aufgibt und das Gespräch mit der praktischen Philosophie sucht. b) Konzepte und deren Operationalisierung Die komplexe Kategorie der Hoffnung steht in Verbindung zu einer ganzen Reihe psychologischer Theorien, insbesondere Motivations-, Emotions- und Attributionstheorien, nicht wenige Theorien auch dezidiert aus kognitiver Psychologie und Psychotherapie, weswegen interdisziplinäre Anstrengungen dringend erforderlich sind, um die breite naturale Basis entsprechender Aspekte und Präfigurationen auch empirisch freilegen zu können. An dieser Stelle können und sollen nur einige Facetten herausgegriffen werden, die für die anvisierte Ethik der Hoffnung von grundständigem Interesse sind. Psychologische Hoffnung ist schließlich populär - insbesondere in Zeiten der Krise, zumal sie mit Erfolg, Resilienz, Optimismus, seelischer und körperlicher Gesundheit, mit Wohlbefinden und vielen anderen Konzepten positiv-korrelativ verbunden ist. 7 Auch gibt es klare empirische Hinweise, dass sie sehr realistisch sein kann und zugleich als ein probates Gegenwicht zu negativen Gefühlen eingesetzt wird, wiewohl sie auch als positives Gefühl 6 Vgl. ZELLINGER, E., Die empirische Humanwissenschaft im Umbruch. Vom Behaviorismus zu einer adäquaten Erforschung des Menschen, München 1979 und ZELLINGER, E., Psychologie und Wirklichkeit, München 1979. 7 Vgl. SCHÄFER, A., Hoffnung - die Kraft, die Zukunft möglich macht, in: Psychologie heute, September 2009, 21-25, hier 22. <?page no="425"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II 425 mit Stärkung und Vitalisierung verbunden ist 8 . Sie kann als Schutz vor Depression dienen und weist klare Korrelationen zu intakten sozialen Netzen auf, zu mehr Sinnerleben und Lebensfreude und vieles mehr. Insgesamt aber ändert das nichts daran, dass sie als komplexe Kategorie und als psychologischer Begriff weithin vernachlässigt ist. Ein erster früher Hinweis, dass dem tatsächlich so ist, stammt von KARL MENNINGER 9 , der bereits 1959 darauf hingewiesen hat, dass Hoffnung zu wenig wissenschaftlichpsychologische Aufmerksamkeit erfahren hat. Bis heute sind die theoretischen Konstrukte immer noch sehr uneinheitlich, was das empirische Arbeiten erschwert. 1969 hat dann EZRA STOTLAND 10 ein bereits stark motivationspsychologisch orientiertes Konzept vorgeschlagen, das Hoffnung noch unspezifisch definiert als „subjektive Erwartung von Zielerreichung“ 11 und schließlich diskutiert anhand von Angst und Action. ERIKSON, POST und PAIGE 12 hatten mit ihrem Konzept zwar die Wichtigkeit und subjektive Erreichungswahrscheinlichkeit der Hoffnung im Fokus, fanden aber keine nennenswerte Weiterverwendung. Ähnlich erging es dem Konzept von OBAYUWANA und CAR- TER 13 , die über Telefonbefragungen Inhaltsklassen der Hoffnung extrahieren wollten, aber methodisch so schwach gearbeitet haben, dass als Definition der Hoffnung nichts übrig bleibt als ein „state of mind“. HINDS 14 hat schließlich Mitte der Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts halbstrukturierte Interviews durchgeführt, um der Hoffnung näher zu kommen, wobei er Hoffnung gleichgesetzt hat mit „dem Ausmaß, mit dem ein Jugendlicher glaubt, dass es eine persönliche Zukunft gibt“ 15 . Immer wieder kam es bis dahin zu einer Vermischung von emotionalen und motivationalen Aspekten, was das Konzept schwer zu untersuchen machte und nach Differenzierungen rufen ließ. So wurden in einem Vorschlag von DUFAULT und MARTOCCHIO 16 zwei Sphären der Hoffnung unterschieden, von generalisiert bis spezifisch, und zugleich sechs verschiedene Dimensionen: affektiv, kognitiv, konativ (behavioral), affiliativ, temporal und kontextuell. Diese Größen bilden zusammen so etwas wie das Gerüst der psychologischen Hoffnung, die eine „vieldimensionale Lebenskraft“ 17 darstellt. Entscheidend ist, dass die Erwartung von Zielerreichung transportiert wird, Hoffnungsinhalte mithin realistisch möglich und persönlich bedeutsam sind. Mehrere Messinstrumente orientieren sich an diesem Modell, so die Miller Hope Scale, die Herth Hope Scale und die Nowotny Hope 8 Vgl. noch sehr allgemein gehalten O’RIORDAN, S., The Psychology of hope, in: Studia Moralia 7 (1969), 33-55. 9 Vgl. MENNINGER, K., The Academic Lecture. Hope, in: The American Journal of Psychiatry 116 (1959), 481-491. 10 Vgl. STOTLAND, E., The psychology of hope. An integration of experimental, clinical and social approaches, San Francisco 1969. 11 Vgl. STOTLAND, The psychology of hope, 2. 12 Vgl. ERIKSON, R.C. / POST, R.D. / PAIGE, A.B., Hope as a psychiatric variable, in: Journal of Clinical Psychology 31 (1975), 324-330. 13 Vgl OBAYUWANA, A.O. / CARTER, A.L., The anatomy of hope, in: Journal of the National Medical Association 74 (1982), 229-234. 14 Vgl. HINDS, P., Inducing a definition of hope through the use of grounded theory methodology, in: Journal of advanced Nursing 9 (1984), 357-367. 15 Vgl. HINDS, Inducing a definition of hope through the use of grounded theory methodology, 361. 16 Vgl. dazu DUFAULT, K. / MARTOCCHIO, B., Hope: Its spheres and dimensions, in: Nursing clinics of North America 20 / 2 (1985), 379-391. 17 Vgl. DUFAULT / MARTOCCHIO, Hope: Its spheres and dimensions, 380. <?page no="426"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 426 Scale. 18 Für ULICH ist Hoffnung nicht nur eine „Grundkategorie der Psychologie“ 19 , die emotionale, kognitive und motivationale Komponenten besitzt, die mit Kraft, Mut und Zuversicht einhergeht, sondern die insbesondere durch einen (kognitiven) Bezug auf positive Ziele in der Zukunft charakterisiert ist. Als Bestimmungsmerkmale nennt er: Interesse, Identitätsbewusstsein, Vertrauen, Selbstbehauptung und psycho-physische Unterstützung. „Wenn jemand hofft, dann drückt er damit aus, 1) dass er etwas für sich Bedeutsames dringend wünscht, 2) dass er sich nicht sicher ist, ob er es erreichen wird bzw. dass das Erwünschte eintreffen wird, und 3), dass es nicht allein oder überhaupt nicht in seiner Hand liegt, dies herbeizuführen.“ 20 AVERILL, CATLIN und CHON waren darüber hinaus bemüht, verschiedene rules of hope 21 zu differenzieren, Inhaltsklassen der Hoffnung, indem sie Episoden zwischen Wollen und Hoffen inhaltlich unterschieden. Zu den rules of hope gehören: prudential rules (realism), moralistic rules (moral values), priority rules und action rules. 22 Hoffnungsobjekte haben demnach hohe subjektive Wichtigkeit, sind sozial und moralisch akzeptabel und sind mit einer mittleren Eintrittswahrscheinlichkeit versehen, was stark an die Leistungsmotivation erinnert. Zu einem der wichtigsten Hoffnungsforscher der neueren Psychologie ist nun zweifelsfrei C.R. SNYDER 23 zu zählen, der ein bis heute vieldiskutiertes Modell vorgelegt hat. Dem Kerngedanken nach ist Hoffnung die Summe von Willpower (Willenskraft zur Zielfokussierung) verbunden mit Waypower (Wegbzw. Zielerreichungshoffnung) bezogen auf unsere Ziele, was zu einer Varianzaufklärung von 52 % und 36 % geführt hat. Ganz entscheidend sei daher festgehalten: empirisch verifizierte Hoffnung ist zielorientiert und wegorientiert zugleich. 24 Allerdings wird bei SNYDER die Abhängigkeit von situationalen Faktoren gering veranschlagt, da er darauf abhebt, Hoffnung als bestimmte Art des Denkens zu entwickeln, das wegbereitendes Denken und Gestaltungs- oder Wirkungsdenken gleichzeitig (sic! Spannung) realisiert. Hoffnungsvolles Denken zeichnet sich danach durch „Realitätsnähe“ aus, gerade nicht durch vage, ungefähre Wünsche, sondern durch eine tatsächliche Suche nach Wegen für Ziele und dem Einsatz, diese auch zu gehen, was den starken Bezug auf die Wirklichkeit bei hoffnungsvollen Menschen betont. High Hopers kann man daran erkennen, wie sie mit Hindernissen umgehen. Wie kann die Unterscheidung zum Konstrukt des Optimismus vorgenommen werden? Hoffnungsvolle 18 Vgl. MILLER, J.F. / POWERS, M.J., Development of an instrument to measure hope, in: Nursing Research 37 (1988), 6-10. HERTH, K.A., Development and refinement of an instrument to measure hope, in: Scholarly Inquire for Nursing Practice 5 / 1 (1991), 39-51. HERTH, K.A., An abbreviated instrument to measure hope: development and psychometric evaluation, in: Journal of advanced Nursing 17 (1992), 1251-1259. NOWOTNY, M.A., Assessment of hope in patients with cancer. Development of an instrument, in: Oncology Nursing Forum 16 (1989), 57- 61. 19 Vgl. ULICH, D., Psychologie der Hoffnung, in: Zeitschrift für personenzentrierte Psychologie und Psychotherapie, 3 (1984), 375-385, hier 305. 20 Vgl. ULICH, Psychologie der Hoffnung, 377. 21 Vgl. AVERILL, J.R. / CATLIN, G. / CHON, K.K., Rules of Hope, Berlin / New York 1990. 22 Vgl. AVERILL / CATLIN / CHON, Rules Of Hope, 33ff. 23 Vgl. SNYDER, C.R., Psychology of hope. You can get here from there, New York 2003. SNYDER, C.R. et al., Development and validation of the state hope scale, in: Journal of Personality and Social Psychology 70 (1996), 2, 321-335. 24 Vgl. SNYDER, C.R. et al., The Will and the Ways: Development and Validation of an Individual-Differences Measure of Hope, in: Journal of Personality and Social Psychology 60 (1991) 4, 570-585. <?page no="427"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II 427 beschäftigen sich intensiv mit den Wegen zu Zielen, weswegen verschiedenste Erfolgsparameter durch Hoffnung vorausgesagt werden können, nicht durch Optimismus - über Korrelationen hinaus. „Damit steht diese Theorie in enger Verwandtschaft zu Instrumentalitätstheorien der Motivation [...] bzw. zu klassischen Konzepten der Selbstwirksamkeitserwartung. Die eigene zielgerichtete Handlung bzw. die Planung einer solchen wird zur conditio sine qua non der Hoffnung.“ 25 Kritikpunkt ist, dass ausschließlich externe Faktoren ausgeschlossen werden, was das Konzept für vielfältige Folgeforschungen stark verengt, dafür aber als dispositionelles Konzept situationsübergreifend und stabil gedacht ist. Auch existieren womöglich starke Überschneidungen mit der Messung von generalisierten Ergebniserwartungen und Kompetenzerwartungen. Die Snyder Hope Scale ist das am häufigsten verwendete Messinstrument zur Erhebung. 26 Bislang sind nun eher trait-orientierte Konzepte entwickelt worden, also solche, die sich auf konstante Wesenszüge und Eigenschaften einer Person beziehen, neuere bewertungstheoretische Konzepte fokussieren dagegen auf state-Aspekten der Hoffnung etwa als Emotion und betonen damit eher den Zustand des Hoffnungsvoll-Seins. Insgesamt muss nämlich zwischen Hoffnungsdisposition und Hoffnung als emotionalem Zustand unterschieden werden, müssen situationale und personale Aspekte berücksichtigt werden, damit Hoffnung nicht dekontextualsiert gemessen wird, schließlich wird sie häufig gerade in bedrohlichen Zusammenhängen virulent. Daher sei an dieser Stelle eine Definition angeführt, die das, was wir noch am Sichersten wissen können, zusammenfasst: „Hoffnung kann demnach definiert werden als die Erwartung, dass ein prinzipiell mögliches, subjektiv positiv bewertetes Ereignis, das durch personale und / oder situationale Faktoren beeinflusst wird, in der Zukunft eintritt.“ 27 Aufschlussreich ist darüber hinaus, dass sich bei sinkender subjektiver Eintrittswahrscheinlichkeit der kognitive Anteil der Hoffnung erhöht. Hier wird auf eine work of hope, eine „Hoffnungsarbeit“ 28 rekurriert zur Aufrechterhaltung von Hoffnung. Erwartungsemotionen treten (erst) dann auf, wenn bedürfnisrelevante Wertmaßstäbe bedroht sind. Es geht auch darum „hoffnungsfähig“ zu werden, die notwendigen Lernprozesse sind nicht zu vergessen. 29 Häufig werden in diesen Konzepten auch Gegenwart und Zukunft nicht getrennt, können nicht getrennt werden, etwa beim Konzept der Selbstwirksamkeit. Gegenwartseinschätzungen finden jedoch immer auf dem Hintergrund von spezifischen Hoffnungen und Erwartungen statt, sodass es lohnend scheint, die Zeitdimensionen zu beachten. Ist Angst als Inbegriff der (psychologischen) Handlungslähmung zu verstehen, was im Rahmen der Depressi- 25 Vgl. HAMMELSTEIN / ROTH, Hoffnung - Grundzüge und Perspektiven eines vernachlässigten Konzeptes, 194. 26 Vgl. SNYDER, C.R., Conceptualizing, measuring, and nurturing hope, in: Journal of Consulting and Development 73 (1995), 355-360. Inzwischen liegt eine Kurzform und eine für Kinder vor. 27 Vgl. HAMMELSTEIN / ROTH, Hoffnung - Grundzüge und Perspektiven eines vernachlässigten Konzeptes, 196. 28 Vgl. JACOBY, R., „The miserable has no other medicine, but only hope“: Some conceptual considerations on hope and stress, in: Stress Medicine 10 (1993), 465-479. Konzeptualisiert wird diese Hoffnungsarbeit als Quotient aus Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit („Ich gehöre zu denen, die Heilung / Bewältigung erfahren können.“) und Eintrittswahrscheinlichkeit. 29 Vgl. RAHM, D., Hoffnungsfähigkeit: Anregungen, Gedanken, Impulse und Übungen für die therapeutische Arbeit mit Kindern, in: Beratung Aktuell. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Beratung, hrsg. von SANDERS, R. / KLANN, N., 1 / 2007 (8. Jg.), 4-25. <?page no="428"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 428 onsforschung, etwa unter dem Stichwort der „erlernten Hilflosigkeit“ 30 vielfach gut verifiziert ist, so das Gegenteil Hoffnung als basale Handlungsermöglichung. Insgesamt kann aber gelten, dass die Konzepte nach wie vor zu undifferenziert und unterkomplex sind, genauso wie die Messinstrumente. Eine kritisch-konstruktive Bewertung der klinischempirischen Verfahren zur Operationalisierung und Messung des komplexen Konstruktes Hoffnung muss andernorts erfolgen. 31 c) Kontexte α Wahrnehmungspsychologie Wahrnehmungen sind grundsätzlich einstellungsbasiert und Einstellungen basieren auch auf (Wert-) Haltungen der Zukunft gegenüber und auf Erwartungen. So könnte keine Wahrnehmung ohne Wahrnehmungserwartung zustande kommen. 32 Mit anderen Worten: Aus Erfahrungen werden grundsätzlich Erwartungen abgeleitet und damit Annahmen über die Verlässlichkeit der Welt und die Beeinflussbarkeit des (eigenen) Lebens, was auf Strukturen der Kontrolle und Wirkmächtigkeit abzielt, der Selbstwirksamkeit - auch gegenüber ohnmächtig erlebten Situationen. Dazu können und müssen wir uns immer (noch) ins Verhältnis setzen, quasi ein Verhältnis zweiter Ordnung. Das fängt bei frühesten Bindungserfahrungen an, wonach Beziehungserwartungen aus frühen Bindungserfahrungen abgeleitet werden können, und reicht bis zu Traumatisierungen, bei denen äußerst bedrohliche Erfahrungen Erwartungen generieren, die so fest eingebrannt wurden, dass sie nur schwer zu korrigieren sind. Wahrnehmungspsychologische und wahrnehmungsphilosophische Einsichten sind demnach für ein besseres Verständnis von Hoffnungsvollzügen gewinnbringend auszuwerten. Nicht umsonst ist Psychotherapie und Beratung immer auch kritische Prüfung und Kontrolle von Erwartungen an der Realität und an einem Durchschnitt an Erwartbarem und zugleich das Suchen nach Gründen, die Realität zu übersteigen und eine neue Balance beider Pole zu finden. Hoffnung kann dabei als komplexe Erwartung begriffen werden, die nicht einfach mit einem Optimismus verwechselt werden darf. 33 Doch selbst 30 Vgl. SELIGMAN, M., Erlernte Hilflosigkeit, Weinheim 3 2004. 31 Vgl. dazu auch im Überblick LIPPS, B. / HUPPMANN, G., Instrumente zur Messung von Hoffnung - eine kritische Synopse, in: HUPPMANN, G. / LIPPS, B. (Hrsg.), Prolegomena einer Medizinischen Psychologie der Hoffnung, Würzburg 2006, 201-214. Ansonsten SNYDER, C.R. et al., Development and validation of the state hope scale, in: Journal of Personality and Social Psychology 70 (1996), 2, 321-335. SNYDER, C.R. et al., The Will and the Ways: Development and Validation of an Individual-Differences Measure of Hope, in: Journal of Personality and Social Psychology 60 (1991) 4, 570-585. MILLER, J.F. / POWERS, M.J., Development of an instrument to measure hope, in: Nursing Research 37 (1988), 6-10. NOWOTNY, M.A., Assessment of hope in patients with cancer. Development of an instrument, in: Oncology Nursing Forum 16 (1989), 57-61. HERTH, K.A., Development and refinement of an instrument to measure hope, in: Scholarly Inquire for Nursing Practice 5 / 1 (1991), 39-51. HERTH, K.A., An abbreviated instrument to measure hope: development and psychometric evaluation, in: Journal of advanced Nursing 17 (1992), 1251-1259. GOTTSCHALK, L.A., A hope scale applicable to verbal samples, in: Archives of General psychiatry (1974), 30, 779-785. 32 Vgl. GRAWE, K., Psychologische Therapie, Göttingen et al. 2 2000, 211ff. 33 Vgl. SNYDER, C.R., Hope and Optimism, in: RAMACHANDRAN, V.S. (Ed.), Encyclopedia of Human Behavior Vol. 2, San Diego 1994, 535-542. BRUININKS, P. / MALLE, B., Distinguish- <?page no="429"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II 429 einfache Entscheidungen haben mit vielfältigen Erwartungen zu tun, etwa Werterwartungen und Utilitätserwartungen. 34 β Krankheitsbewältigung, Resilienz und Psychotraumatologie Die korrelativen Zusammenhänge zwischen objektiven Krankheitsparametern und subjektivem (Krankheits-) Erleben sind marginal. Der Rest der empirisch gewonnenen Datenvariation, über 80-90 %, sind Psychologie, mithin Bewältigungsformen, Einstellungen, Haltungen, Kognitionen, etc. und damit durch und durch offen für eine Aufnahme und Bestimmung durch Hoffnung. 35 Eine der frühen Arbeiten, die andeuten, das Hoffnung etwas mit Heilung und Krankheitsbewältigung zu tun haben könnte, war diejenige von W.F. LYNCH 36 . Hoffnung wurde als „Sinn für das Mögliche“ begriffen, als Wissen darum, dass es einen Ausweg gibt, womit Schwierigkeiten transzendiert werden können. 37 Hoffnungslosigkeit dagegen geht damit einher, keine inneren Ressourcen mehr zur Verfügung zu haben, die Möglichkeit der Hilfe wird schon gar nicht mehr erwartet, rigide und unflexible Verhaltensmuster nehmen in der Konsequenz zu, Hilflosigkeit wird erlebt, ein tendenziell rigides, absolutes Denken entsteht. Als zentrale Voraussetzung für die Entstehung von Hoffnung gilt nach LYNCH die Fähigkeit zur Imagination und das Wünschen-Können. 38 Ein Kontext, innerhalb dessen die Bedeutung der Hoffnung für Heilungs- und Bewältigungsprozesse schon vergleichsweise elaboriert erforscht ist, ist die Pflegeforschung (nursing science). Insbesondere bei chronischen Krebsleiden und deren Bewältigung (Coping) 39 , ebenso wie bei allgemeinen Bewältigungsprozessen zeigte sich zunehmende Evidenz, dass Hoffnung und deren Facetten zu den zentralsten und effektivsten Bewältigungsmechanismen und -voraussetzungen gezählt werden kann. 40 Die Einsichten zur ing hope from optimism and related affective states, in: Motivation and Emotion 29 / 4 (2005), 327-355. 34 Vgl. H. JUNGERMANN / H.-R. PFISTER / K. FISCHER, Die Psychologie der Entscheidung. Eine Einführung, München 2 2005, 205ff., wo ein expected value von einem expected utility entscheidungstheoretisch unterschieden werden. 35 Vgl. die außerordentlich aufschlussreiche Studie von HERSCHBACH, P., Das „Zufriedenheitsparadox“ in der Lebensqualitätsforschung - Wovon hängt unser Wohlbefinden ab? In: Psychotherapie, Psychosomatik und Medizin 52 (2002), 141-150. 36 Vgl. LYNCH, W.F., Images of hope. Imagination as healer of the hopeless, Notre Dame 1965 (1974). Ders., The Absolute Enemy of Hope, in: FITZGERALD, R. (Ed.), Sources of hope, New South Wales 1979, 36-43. 37 Vgl. LYNCH, Images of hope, 32, 37 und 47ff. 38 Vgl. ebd. 129ff. 39 Vgl. HERTH, K.A., The relationship between level of hope and level of coping response and other variables in patients with cancer, in: Oncology Nursing Forum 16 / 1 (1989), 67-72 und HERTH, K.A., Enhancing hope in people with a first recurrence of cancer, in: Journal of advanced Nursing 32 / 6 (2000), 1431-1441. Ebenso WEISMAN, A.D., Coping with Cancer, New York 1979. 40 Vgl. KORNER, J.N., Hope as a method of coping, in: Journal of Consulting and Clinical Psychology 34 / 2 (1970), 134-139 und MILLER, J.F., Coping with chronic illness: Overcoming powerlessness, Philadelphia 2 1992. <?page no="430"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 430 Hoffnung auf Genesung bzw. Bewältigung 41 lässt sich prägnant wie folgt zusammenfassen: „Hoping is Coping“ 42 . Im deutschsprachigen Raum ist die Bedeutung der Hoffnung (im Pflegekontext) lange nicht so intensiv erforscht wie im englischsprachigen Raum und ist am ehesten noch im Sinne von Erfahrungsberichten präsent. 43 Auch bzgl. der Aufklärung am Krankenbett, dem Arzt-Patient-Verhältnis 44 , der Frage nach der Wahrheit über Diagnose und Prognose (statistisches Minimum oder statistisches Maximum? ) stellt sich immer wieder die Frage nach der Hoffnung. Es gilt, Hoffnung auf Bewältigung nicht zu nehmen, trotz oder wegen spezifischer Verdrängungen, wobei eine „Hoffnung bis zuletzt“ 45 mitunter eher als (moralische) Forderung denn als gangbarer Weg erscheint. Die Rolle des Glaubens ist aufgrund des Hoffnungspotentials allerdings erwiesenermaßen förderlich. 46 Ein äußerst aufschlussreicher Hinweis kann im vorliegenden Kontext KLEEBERG anbieten, wenn er sich gefragt hat, wie sich der Gegenstand von Hoffnung bei inkurablen Patienten verändert: Wo zunächst noch Hoffnung auf Heilung beobachtet werden kann, wird im Angesicht der Krankheit Hoffnung auf Lebensverlängerung, woraus sich nicht selten Hoffnung auf Besserung entwickelt und nicht selten im terminalen Stadium die Hoffnung auf Geborgenheit, Trost und Begleitung. 47 Die Notwendigkeit von Hoffnung bleibt aber. Schließlich geht es immer wieder darum, „das Jetzige zu leben und zu erleben unter dem Aspekt des Zukünftigen“ 48 Irgendwann transformiert sich die Hoffnung auf Besserung und / oder Genesung auf eine „Hoffnung auf Hilfe“ 49 . Euphorische Hoffnung, die mitunter allein dem Selbsterhaltungswillen geschuldet ist, kann hier im Wege stehen, da sie unrealistisch bleibt - und der Mensch will (letztlich angenommene) Wirklichkeit. 41 Vgl. FALLER, H. / SCHILLING, S. / LANG, H., Ergebnisse der Mehrebenenforschung über emotionale Belastung und Hoffnung bei Krebskranken, in: Zeitschrift für Gesundheitspsychologie 2 (1994) 4, 309-319. 42 Vgl. WEISMAN, A.D., Coping with Cancer, New York 1979, 32. 43 Vgl. in Auswahl SHUVAL, J. / ANTONOVSKY, A. / DAVIES, A.M., Illness: A mechanism for coping with failure, in: Social science and medicine, VII (1973), 25-26. FARRAN, C.J. / HERTH, K.A. / POPOVICH, J.M., Hope and hoplessness, Thousand Oaks 1995. ADAMS, E. / PARTE, R., Hope: The critical factor in recovery, New York 1998. BENZEIN, E. / SAVE- MANN, B.-I., One step towards the understanding of hope: A concept analysis, in: International Journal of Nursing Studies 35 (1998), 322-329. RITTWEGER, J., Hoffnung als existentielle Erfahrung am Beispiel onkologischer Patienten in der Strahlentherapie, Leipzig 2007. 44 Vgl. HARTMANN, F., Gedanken über den Zusammenhang von Hoffnung, Vertrauen, Verantwortung und Scham in den Beziehungen zwischen Kranken und ihren Ärzten, in: Medizinische Klinik 91 (1996), 660-664 (10). 45 Vgl. HEIDEMANN, E., Prinzip „Hoffnung“ in der Aufklärung des chronisch Krebskranken, in: AULBERT, E. / NIEDERLE, N., Die Lebensqualität des chronisch Krebskranken, Stuttgart 1990, 53-60, hier 56ff. 46 Vgl. MEHNERT, A. / RIEß, S. / KOCH, U., Die Rolle religiöser Glaubensüberzeugungen bei der Krankheitsbewältigung Maligner Melanome, in: Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin 24. Jg. / 2 (2003), 147-166. 47 Vgl. KLEEBERG, U.R., Hoffnung erhalten beim unheilbar Krebskranken. Eine empirische Introspektive für die Praxis aus der Retrospektive eines internistischen Onkologen, in: Medizinische Klinik (1998), 93: 322-327 (5), hier 323ff. 48 Vgl. EID, V., Hoffnung und Zuversicht in auswegloser Krankheit, in: Med. Klin. 72 (1977), 1655-1659 (Nr. 40), 1656. Vgl. dazu auch GODREY, J.J., A philosophy of hope, Dordrecht 1987. 49 Vgl. HANSSLER, B., Die Hoffnung des Kranken, in: ENGELMEIER, M.-P. (Hrsg.), Von der Hoffnung der Kranken, St. Augustin 1977, 62-87, hier 69. <?page no="431"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II 431 Hoffnung kann daher im Rahmen von Bewältigungsprozessen als „Wegbereiter“ 50 und Wegbegleiter aufgefasst werden, der „weitet“ und „horizontbildend“ wirkt. 51 Absolute Hoffnungslosigkeit führt dagegen zu Apathie und Antriebschwäche, letztlich in die Depression. 52 So vermag im Gegenzug Hoffnung auf ausgleichende Gerechtigkeit bei Schicksalsschlägen tendenziell Depression zu verhindern. 53 Hoffnung ist daher tätiges Auslangen nach Zukunft, nicht einfach Wünschen oder Abwarten. Wenn diese Zukunft verlustig geht, zeitigt sich die Konsequenz bis in die gesamte Antriebs- und Handlungsstruktur des Menschen hinein als existenzbedrohend. 54 γ Paläoanthropologie und psychogene Todesfälle, inflationäre Hoffnungslosigkeit und Suizid Auf der Suche nach Belegen für die Todesnähe radikaler Hoffnungslosigkeit können mit dem Mediziner GEORG ENGEL zunächst eine Reihe von Situationen benannt werden, in denen er Hoffnungslosigkeit als Todesursache 55 beobachtet haben will: plötzlicher Tod aufgrund des Zusammenbruchs oder des Tods eines nahe stehenden Menschen; im Verlauf einer akuten Trauerphase; angesichts des drohenden Verlusts eines geliebten Menschen; am Todestag eines geliebten Menschen; durch Verlust des sozialen Status oder der Selbstachtung; nach überstandener Gefahr; nach einem Triumph und / oder Sieg. Auch sogenannte Voodoo-Tode 56 lassen sich als psychogene Todesfälle aufgrund spezifischer schockartiger Hoffnungs- und Aussichtlosigkeit durch Schuldinflation interpretieren - 50 Vgl. BLANKENBURG, W., Angst und Hoffnung - Grundperspektiven der Welt- und Selbstauslegung psychisch Kranker, in: EIFLER, G. / SAAME, O. / SCHNEIDER; P. (Hrsg.), Angst und Hoffnung. Grundperspektiven der Weltauslegung, Mainz (Studium Generale der Johannes-Gutenberg-Universität) 1983, 1-32, hier 8 und 27. 51 Vgl. eher populär GROOPMAN, J., Hoffnung, die wirkt. Wie sich Menschen angesichts schwerer Krankheit behaupten, München 2005. 52 Vgl. HANSSLER, Die Hoffnung des Kranken, 66-67. „Moraltheologisch gesehen bringt nur Hoffnung das sittliche Leben überhaupt in Gang. Die Hoffnung beflügelt den ethischen Aufschwung. […] Wo Hoffnung völlig fehlt, ist Apathie die unmittelbare Folge, also die Lähmung aller Abwehrkräfte, ja jeden Gesundungswillens. Aber die primäre Bedeutung der ethischen Hoffnung […] liegt nicht im Gesundungswillen, sondern im Zukunftswillen der personalen Selbstverwirklichung. In einer Formel zusammengefasst: Hoffnung ist die unerlässliche Voraussetzung des Handelns. Wer gar nicht mehr hofft, kann nicht mehr handeln.“ Vgl. auch DEGKWITZ, R., Von der Hoffnung der Kranken, in: ENGELMEIER, M.-P. (Hrsg.), Von der Hoffnung der Kranken, St. Augustin 1977, 35-61. 53 Vgl. SONNENMOSER, M., Zuversicht im Angesicht von Chaos, in: Psychologie heute Juli 2006, 12. 54 Vgl. FALLER, H. / SCHILLING, S. / LANG, H., Ergebnisse der Mehrebenenforschung über emotionale Belastung und Hoffnung bei Krebskranken, in: Zeitschrift für Gesundheitspsychologie 2 (1994) 4, 309-319. UEXKÜLL, T. VON, Hoffnung und Angst in ihren körperlichen Auswirkungen, in: SCHLEMMER, J. (Hrsg.), Die Hoffnungen unserer Zeit, München 1963, 25- 43. WAGNER, R.F., Krankheitsbewältigung aus metatheoretischer und methodologischer Perspektive, Würzburg 2004. 55 Vgl. ENGEL, G., Sudden and Rapid Death During psychological stress, in: Annals of internal medicine 74 (1971), 771-782. 56 Vgl. paradigmatisch CANNON, W.B., “Voodoo” Death, in: Psychosomatic Medicine 19 (1957), 182-190. Die Ingredienzien dieses Mechanismus, den es bei Mensch und Tier zu beobachten gibt, auch in industrialisierten Gesellschaften, sind: Fluch, subjektive Aussichtlosigkeit und soziale Isolation und Segregation und ein spezifisches Wirklichkeitsverständnis. <?page no="432"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 432 ohne dass organische Ursachen für den plötzlichen Kräfteverfall und den nachfolgenden Tod benannt werden könnten. Das vegetative Nervensystem, insbesondere das sympathico-adrenerge System oder der Parasympathicus, hält solche Reaktionsbereitschaften bereit. Völlige Hoffnungslosigkeit und Aussichtslosigkeit führt entweder in die körperliche und seelische Starre oder in den Tod. So ist der sogenannte Vagustod in den letzten 150 Mio. Jahren des Aufbaus der Säugetierpsychologie als Erlebnisbereitschaft entstanden - als letaler vagotonaler Erlebniszustand. 57 Immer wieder ist auch aus der Kriegsgefangenschaft berichtet worden, dass Kameraden verstorben sind, obwohl die körperlichen Kräfte für ein Überleben ausgereicht hätten. Aber keine Aussicht mehr zu haben auf die Heimkehr läßt einen Ausweg nach Rückwärts gehen - ohne eine körperliche Pathologie, die den vorzeitigen Tod verantworten könnte. 58 Das Gegenteil gibt es freilich auch: die Entwicklung einer Haltung des Durchhaltens durch in Aussicht stehenden Sinn 59 , des Dennoch, des Trotzdem 60 , das als Standhalten aufgrund einer Sinnoption gedeutet werden kann. Radikale Hoffnungslosigkeit ist dagegen in sich selbst tödlich. Die empirischen Belege zum Zusammenhang von Suizidalität und Hoffnungslosigkeit sind vergleichsweise stabil und sehr eng. 61 Gerade in aufwendigen Langzeitstudien konnten die Hoffnungslosigkeits- und Pessimismus-Skalen die größte Varianz aufklären, mithin die größte Prozentzahl eventueller Suizide vorhersagen. 62 Selbst der Tod kann daher noch Gegenstand der Hoffnung sein (KIERKEGAARD). Radikale Hoffnungslosigkeit führt in die bewegungslose Starre. Aus der Depressions- und Suizidforschung ist demgegenüber bekannt, dass gerade dann, wenn die Stimmung sich etwas aufhellt und die Handlungsfähigkeit wieder rudimentär zurück erworben wurde, die Suizidgefahr am 57 Vgl. RICHTER, C.P., On the phenomenon of sudden death in animals and men, Psychosomatic medicine, Vol. 19 (1957), 191-198. 58 Vgl. NARDINI, J.E., Survival Factors in American Prisoners of war of the Japanese, in: The American Journal of Psychiatry 109 (1952), 242-248. 59 Vgl. BOOS, A. / EHLERS, A. / MAERCKER, A. / SCHÜTZWOHL, M., Trauma, Kognitionen und chronische PTB: Eine Untersuchung an ehemaligen politischen Gefangenen der DDR, Zeitschrift für klinische Psychologie, 27 / 4 (1998), 244-253 und dazu LUTZ, R., Logotherapie und ihre Verifizierung. Anmerkungen zu einer vernachlässigten Forschungsstrategie. Eine empirische Studie zur Posttraumatischen Belastungsstörung an ehemaligen politischen Gefangenen der DDR als Verifizierung der „Trotzmacht des Geistes“, in: Existenz und Logos. Zeitschrift für sinnzentrierte Therapie - Beratung - Bildung 1 / 2005, 112-117. 60 Vgl. FRANKL, V.E., ...trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager, München 22 2002. 61 Vgl. OBLER, A.L. / STOTLAND, E., The end of hope. A social clinical study of suicide, New York 1964. DYER, J.A.T. / KREITMAN, N., Hopeless, Depression and suicidal Intent in Parasuicide, in: The British Journal of Psychiatry 144 (1987), 127-133. MINKOFF, K. / BERGMAN, E. / BECK, A.T. / BECK, R., Hopeless, Depression, and attempted Suicide, in: American Journal of Psychiatry 130 (1973) 4, 455-459. MELGES, F.T. / BOLWBY, J., Types of hopelessness in psychopathological Process, in: Archives of General Psychiatry, 20 (1969), 690-699. 62 Vgl. BECK, A.T. / STEER, R. / KOVACS, M. / GARRISON, B., Hopelessness and eventual Suicide: A 10-year prospective Study of patients hospitalized with suicidal Ideation, in: American Journal of Psychiatry 142 (1985), 559-563. DYER, J.A.T. / KREITMAN, N., Hopeless, Depression and suicidal Intent in Parasuicide, in: The British Journal of Psychiatry 144 (1987), 127-133. MINKOFF, K. / BERGMAN, E. / BECK, A.T. / BECK, R., Hopeless, Depression, and attempted Suicide, in: American Journal of Psychiatry 130 (1973) 4, 455-459. NARDINI, J.E., Survival Factors in American Prisoners of war of the Japanese, in: The American Journal of Psychiatry109 (1952), 242-248. MELGES, F.T. / BOLWBY, J., Types of hopelessness in psychopathological Process, in: Archives of General Psychiatry, 20 (1969), 690-699. <?page no="433"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II 433 größten ist, dann wird der Tod mitunter zur (letzten) Hoffnung aus dem Leiden. „Depressiv gestörte Menschen sind an Hoffnungslosigkeit erkrankte Menschen. Sie glauben nicht an sich, an ihre Zukunft, an das Leben. Sie sind auf Resignation, auf Rückzug, nicht Expansion eingestellt. Die Gegenwart wird als unüberwindlicher Berg von Schwierigkeiten erlebt, der den Weg in eine hoffnungsvollere Zukunft verstellt.“ 63 Daher kann zu Recht „Hoffnung als Heilfaktor“ betrachtet werden und „Psychotherapie als Sinnbildungsprozess“. Eine der zentralsten Einsichten, die man bereits über einen ersten Blick in die psychologisch-humanwissenschaftlichen Forschungen zur Hoffnungskategorie im weitesten Sinne gewinnen kann, ist die: Inflationäre Hoffnungslosigkeit, das heißt das nicht mehr kompensierbare Gefühl, für irgend etwas Hoffungsvolles, Aussicht Gewährendes, das Handeln Lohnendes, weil Sinnvolles, keinen realen Grund mehr sehen zu können oder zu dürfen, ist hochgradig pathogen, wie vielfältige Studien zur Depressions- und Suizidforschung zeigen können. Nicht umsonst hat der Mensch bereits psychologisch eine Fülle von Kompensationsmechanismen hervorgebracht, Surrogate der Hoffnung mithin, um genau dies nicht erleben zu müssen - lähmende Hoffnungslosigkeit: kognitiv, etwa durch illusionäre und narzisstisch erweiterte Selbstbilder, genauso wie durch Denktabus und vielfältige Einschränkungen des potentiellen Möglichkeitsraumes; emotional, etwa durch vielfältige Stimmungs- und Affektmanipulationen und volitional, etwa durch Allmachtsbestrebungen, Techniksurrogate und schließlich evaluativ, etwa durch vielfältige Umdeutungs- und Verzerrungsversuche. Hier kann quasi auch ex negativo studiert werden, was Hoffnung ist und was nicht. Umgekehrt gibt es praktisch keinen körperlichen Parameter mehr, der nicht erwiesenermaßen für Placeboeffekte, d.h. letztlich für Erwartungseffekte und damit für Hoffnung, zugänglich wäre. Dass entsprechende Einsichten erst jüngst auf breite Forschungsbemühungen gestoßen sind, liegt an einem neuen Forschungsinteresse an ehemals vernachlässigten Krankheits- und Gesundheitsparametern. Die Wende von einseitigem Interesse an der Pathogenese hin zu mindestens ausbalancierten Bemühungen auch um die Salutogenese, um gesundheitserhaltende und schützende Faktoren auf der mentalen Ebene ist immer noch nicht abgeschlossen, wie allein das Ringen um den Krankheitsbegriff klar zu zeigen vermag. 64 Zudem können deutlich verfeinerte experimentelle Methoden, die um ein vielfaches verfeinerte Wahrnehmungsschwellen festhalten können, die entsprechenden Effekte allererst messbar machen. Auch stehen die Konzepte in ausreichender Komplexität und mit den nötigen psychophysischen Erkenntnissen noch nicht lange zur Verfügung. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Psychosomatik davon deutlich profitieren wird können. 65 Nicht alles, wovon hier die Rede ist, ist schon Hoffnung, aber es kann die naturale Basis derselben abgeben. 63 Vgl. KORNBICHLER, T., Aufbruch aus der Depression, Zürich 2004, 187. Weiter heißt es: „Doch kein Mensch kann auf Dauer ohne Hoffnung existieren. Wo keine Hoffnung ist, stirbt auch das Leben. Deswegen tauchen bei depressiven Menschen vermehrt Selbsttötungsgedanken auf. Nicht wenige begehen auch Selbstmord. Andere sterben einen langsamen qualvollen Tod, indem sie durch Kleinmut, Verzagtheit und Lebensangst das Leben auf Sparflamme reduzieren. Psychosomatische Krankheiten nehmen überhand. Am Ende gehen die Lichter aus.“ 64 Vgl. MARGRAF, J. / SIEGRIST, J. / NEUMER, S. (Hrsg.), Gesundheits- oder Krankheitstheorie? Salutoversus pathogenetische Ansätze im Gesundheitswesen, Berlin 1998. 65 Es liegen schon Einsichten aus der Psychoneuroimmunologie, etwa zur Behandlung von Warzen, bereit, die rein mental über an die faktischen biochemischen Abläufe angelehnten Imagination von Heilung beachtliche Erfolge zu verzeichnen haben. <?page no="434"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 434 Weiter kann es zu den gut belegten Einsichten psychologischer Handlungstheorie gezählt werden, dass Willenshandlungen durch Antizipation von erwarteten Effekten ausgelöst werden, d.h. menschlicher Handlungswirklichkeit eine basale und natural breit verankerte Erwartungsstruktur eignet, an die die Hoffnungskategorie Anschluss nehmen kann. Das heißt, wo es Erwartungsstrukturen gibt, gehen potentiell immer auch Hoffnungen und Verzweiflungen damit einher, die die Erwartungen in einen größeren Zusammenhang, etwa übergeordnete Lebensziele, stellen, letztlich auf das Leben als Ganzes, und die deren Sinnpotentiale auszuweisen versuchen. Psychologie unterscheidet kaum zwischen beiden Ebenen, weswegen sicher unter Erwartungseffekten mitunter Hoffungsziele firmieren. Aus diesem Grunde ist es für jede Hoffnungstheorie so wichtig, empirisch greifbare Erwartungsstrukturen herauszuarbeiten, da diese notwendig, aber eben nicht hinreichend empirische Indikatoren für die erwähnten Hoffnungsorte im eigentlichen Sinne darstellen und dennoch die Ebene der Empirie dabei übersteigen. CHRIS- TOPHER FRITH 66 etwa geht in seinem Comparator-Modell davon aus, dass der subjektive Eindruck, eine Handlung selbstbewusst initiiert zu haben, auf einer Kausalattribution beruht, die auf einem evaluativen nachträglichen Vergleich beruht zwischen antizipierten und tatsächlichen Effekten. Gibt es eine übereinstimmende Bewertung, dann attribuiere ich mich als kausalen Urheber, wird die Differenz als zu groß erachtet, dann kann eine Tendenz beobachtet werden, die Effekte äußeren Ursachen zuzuschreiben, was als Selbstwertschutz dient und damit auch spezifische selbstwertrelevante Motivationen und Hoffnungen vor Infragestellung durch die Realität zu schützen vermag. Da Handlungen per se zeitlich strukturiert sind, wird nun mal in der Anfangsphase „das Handlungsziel antizipiert und Handlungsenergie mobilisiert“. Dabei wird die Motivation zum Handeln wesentlich durch die „Wertigkeit des Zieles“ und die „Anstrengung der zu vollziehenden Handlungsschritte“ 67 bestimmt. δ Kognitive Psychologie und Metakognition Hoffnung stellt so etwas wie eine „metakognitive Strategie“ 68 bereit, die im Allgemeinen bewältigungs-, reflexions- und kontrollorientiert ist und so etwas wie ein strategisches Wissen und Denken über das eigene Wissen und Lernen meint, die Reflexion über das eigene Lernen, womit zudem metakognitive Empfindungen verbunden sind. Die Struktur zweiter Ordnung, die der Hoffnung eignet, findet sich hier als kognitives Verhältnis zu den eigenen Reflexionen wieder. Die unmittelbaren Kontroll-, Regulations- und Planungsmechanismen, die in Lernprozessen zum Einsatz kommen, werden dabei als metakognitive Strategien bezeichnet. In (etwas unscharfer) Abgrenzung dazu umfassen kognitive Lernstrategien all jene Prozesse, die der unmittelbaren Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung und Informationsspeicherung dienen. Mit Metakognition bezeichnet man mithin das Wissen und die Möglichkeiten, Kontrolle über die eigenen kognitiven Prozesse ausüben zu können. Einige Autoren dehnen diesen Begriff jedoch 66 Vgl. FRITH, C., The Cognitive Neuropsychology of Schizophrenia, Hillsdale / NJ 1992. 67 Vgl. GREIS, A. / LAUBACH, T., Handeln. Auslegungsperspektive theologisch-ethischer Reflexion, in: Dies / HUNOLD, G.W. (Hrsg.), Theologische Ethik. Ein Werkbuch, Tübingen 2000, 75 und 76. 68 Vgl. MIETZEL, G., Pädagogische Psychologie des Lernens und Lehrens, Göttingen 7 2003. KLUWE, R.H. / WEINERT, F.E., Metakognition Motivation und Lernen, Stuttgart 1984. Es hat sich auch empirisch gezeigt, dass Lernprozesse positiv beeinflusst werden, wenn Metakognitionen im Spiel sind. <?page no="435"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II 435 noch über die kognitiven Sachverhalte hinausgehend auf alle psychologischen Sachverhalte aus, etwa JOHN FLAVELL 69 , sodass auch das Wissen oder das Denken einer Person über die eigenen Gefühle oder Motive, oder auch über andere Menschen inkludiert ist. FLAVELL unterscheidet auch zwischen metakognitivem Wissen und metakognitiven Empfindungen. Unter metakognitivem Wissen versteht er, dass Teile unseres erworbenen Wissens über die Realität mit kognitiven Sachverhalten zu tun haben. Metakognitives Wissen fällt in den Bereich „Denken“. Das metakognitive Wissen untergliedert FLA- VELL nun in drei Kategorien: (1) Wissen über Personenvariablen, (2) Wissen über Aufgabenvariablen und (3) Wissen über Strategievariablen. Was sich hier inzwischen andeutet, aber bislang nur höchst marginal behandelt wurde, sind systematische Verbindungen zwischen kognitionspsychologischen Einsichten, der kognitiven Verhaltenstherapie insgesamt und den Einsichten zum Vernunftbegriff und zur Handlungstheorie, wie sie in der Praktischen Philosophie zu finden sind. Die Strukturgesetzlichkeiten menschlicher Kognition sind zu verbinden mit dem Vernunftbegriff wie die Handlungstheorie mit dem Moralprinzip. Immer wieder geht es schließlich darum, die empirischen Erkenntnisse bzgl. eines zentralen Aspektes menschlicher Handlungswirklichkeit sprechen zu lassen zu den eher begrifflich-kategorialen, intelligiblen Einsichten diesbezüglich. 70 Die beiden zentralen Paradigmen der kognitiven Verhaltenstherapie, Denken und Handeln, incl. einer Verbindung zum Gefühl, sind daher in ihrem Zusammenspiel für eine hoffnungstheoretisch interpretierte Handlungstheorie auszuwerten. Auch andere moralpsychologische und moralphilosophische Qualifizierungen des kognitiven Status der Hoffnung sind denkbar, wiewohl selten wirklich Gegenstand des Erkenntnisinteresses. 71 PETTIT schlägt etwa vor, Hoffnung nicht allein über ihre konativen (handlungsmotivierenden) und kognitiven Komponenten zu bestimmen, sondern darüber hinaus als spezifischen mentalen Zustand, näherhin als kognitiven Entschluss. Er charakterisiert „substantial hope” 72 vorrangig über ihre pragmatische, instrumentelle Rationalität, wobei sie in ihrem breiten Phänomenbereich nicht in klassische Desire-and- Belief-Modell zu bringen ist, da affektive Bewertungskomponenten für ihr Verständnis zusätzlich notwendig sind. So ist gerade die Verhältnisbestimmung von (kognitiv strukturierten) Überzeugungen, (affektiv besetzten) Wünschen und intentionalen Anteilen entscheidend. So könnte sich eine Deutung der kognitiven Struktur der Hoffnung entlang von Wahrnehmungsmodellen nahe legen, die im Sinne ihres epistemischen Status sowohl Korrektheitsannahme bzgl. ihrer Angemessenheit und Rechtfertigbarkeit als auch repräsentationale Inhalte bzgl. ihres Wirklichkeitsgehalts möglich machen, da sie sonst als reines Gefühl nur „blinder” Antreiber oder als instrumentelle Kognition nur kühles Kalkül sein könnte. Insbesondere wertvolle und erreichbare Ziele können auf diese Weise durch darauf bezogene Hoffnungen mit nachhaltiger und langfristiger Motivation versehen werden. 69 Vgl. FLAVELL, J.H. / MILLER, P.H. / MILLER, S.A., Cognitive development, Upper Saddle River, NJ, 4 2002. 70 Vgl. für das Feld der Motivation aus theologischer Perspektive ELBE-SEIFFERT, Til, Gewissheit und Motivation. Eine theologische Auseinandersetzung mit der Motivationspsychologie, Stuttgart 2008. 71 Vgl. als eine der wenigen Ausnahmen PETTIT, P, Hope and its Place in Mind, in: Annals of the American Academy of Political and Social Science 592 / 2004, 152-165. 72 Vgl. PETTIT, Hope and its Place in Mind 157ff. <?page no="436"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 436 ε Psychiatrie Auch in dezidiert psychiatrischen Kontexten finden sich Ansätze, die die Bedeutung der Hoffnung hervorheben, so etwa die Recovery-Bewegung. 73 Gesundung wird hier als Veränderungsprozess begriffen, der erst dann in Handeln umgesetzt wird, wenn Hoffnung auf Veränderung da ist. Die „stellvertretende Hoffnung“ von Angehörigen, Pflegern und Ärzten wird als außerordentlich bedeutsam betrachtet, auch wenn klinisch noch kaum umgesetzt. Es scheint auch psychiatrisch effektiv zu sein, etwas mehr zu erhoffen, als die Realität aktuell hergibt, ohne dabei illusionär zu sein. Für die These der vorliegenden Arbeit aufschlussreich ist nun der Hinweis, dass für eine Genesung ein Gefühl von Sinn unverzichtbar ist. Ohne (Sinn-) Perspektive wird demnach niemand gesund. Hier wird ein Grund zum Gesundwerden reklamiert, auf den gehofft wird. Ohne solche (Sinn) Hoffnung werden keine Gesundungsprozesse in Gang gesetzt. Zugleich wird da natürlich eine Botschaft der Hoffnung an die Patienten gerichtet: Gesundung ist möglich. Es gibt einen unversehrten Teil, an den appelliert werden kann. Mitunter kommt es zu einer Gesundung bzw. Akzeptanz der Krankheit, auch wenn Symptome bleiben. 74 Negative Korrelation zwischen Hoffnung und psychiatrischen Diagnosen sind empirisch klar belegt. 75 Hier kann auch ex negativo beobachtet werden, dass Diagnosen mitunter als Prognosen daherkommen, die teilweise mit verheerenden Wirkungen Hoffnung auf Lebensgestaltung rauben können. ζ Psychologische Motivationstheorien Innerhalb motivationspsychologischer Forschung können inzwischen vergleichsweise klare Prozessketten ausgemacht werden, die etwa vom Wünschen über das Wählen und das Wollen zum Handeln reichen; oder vom Motiv über die Volition zur Intention und zur Motivation und zur nachträglichen Evaluation. Praktisch an jeder Stelle dieser Prozessketten spielen Erwartungen eine große Rolle, wie zu zeigen sein wird, Erwartungen, die insgesamt mit Hoffnung belegt sein können und damit hoffnungsoffen sind. Aus einer ganzen Reihe an möglichen Motivationstheorien soll nachfolgend ein zentrales Paradigma ausführlich herausgegriffen werden, nämlich das aktuell wohl am besten untersuchte, das sich für eine hoffnungstheoretische Interpretation in besonderer Weise anbietet, die Erwartungs-mal-Wert-Theorien, weswegen an dieser Stelle nur darauf verwiesen werden soll. Erwartungs-mal-Wert-Theorien sind so basal, dass sie in keiner Weise rein instrumentell verstanden werden dürfen, sondern einen theoretischen Rahmen anbieten, der auf vielfältige Weise Adaptationen erlaubt. Demnach lässt sich eine resultierende Motivations- und Handlungstendenz aus einem Erwartungsanteil und einem Anreizwert, mit 73 Vgl. KNUF, A., Die Recovery-Bewegung: Hoffnung, Sinn, Gesundheit, in: Psychologie heute, Sept. 2007, 42-45. Ders., Empowerment in der psychiatrischen Arbeit, Bonn 2006. 74 Vgl. KESSELRING, J., Schlupflöcher in der Mauer. Zur Rehabilitation nach schweren Krankheiten und Verletzungen des Gehirns, in: Das Prinzip Hoffnung in der Logotherapie - Logotherapie und Existenzanalyse. Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse (Sonderheft), 5 (1997) 1, 58-70 und 218-221. BLANKENBURG, W., Angst und Hoffnung - Grundperspektiven der Welt- und Selbstauslegung psychisch Kranker, in: EIFLER, G. / SAAME, O. / SCHNEIDER, P. (Hrsg.), Angst und Hoffnung. Grundperspektiven der Weltauslegung, Mainz (Studium Generale der Johannes-Gutenberg-Universität) 1983, 1-32. 75 Vgl. GOTTSCHALK, L.A., A hope scale applicable to verbal samples, in: Archives of General psychiatry (1974), 30, 779-785. <?page no="437"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II 437 dem der Erwartungsgegenstand (situativ und personal) belegt ist, herleiten. Idealiter ist Motivation immer bidirektional, es gibt eine Schubkomponente und eine Zugkomponente. Beide können als Präfigurationen von Hoffnung interpretiert werden. Wie kaum einer vor und nach ihm hat HEINZ HECKHAUSEN 76 gesehen, dass von der Handlungsplanung über die Handlungsinitiierung bis zur Durchführung und Evaluation von Handlungsfolgen Erwartungen und Antizipationen, die mit Hoffnung belegt sein können, eine große Rolle spielen. Die Implikationen scheinen mir noch wenig bedacht zu sein, von Ausnahmen wie etwa bei JULIUS KUHL abgesehen. 77 So gesehen könnte FRIEDRICH NIETZSCHE motivationspsychologisch Recht behalten, wenn er schreibt: „Die Hoffnung ist eine viel größere Stimulierung des Lebens als irgendein Glück.“ η Psychologie der Sinnfrage - oder: Praktische Philosophie und Psychotherapie zur Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit Den Menschen als sinnorientiertes Wesen zu begreifen und damit therapeutisch effektiv arbeiten zu wollen, verweist schnell auf ein Defizit praktischer Philosophie innerhalb der Psychologie und Psychotherapie. 78 Die Frage nach Sinn in der Psychotherapie verweist auf Fragen, die recht eigentlich im Rahmen philosophischer und theologischer Ethik verhandelt werden. 79 Das einzige psychotherapeutische Paradigma, das dem Anliegen dezidiert nahe zu kommen versucht, ist die Logotherapie. 80 Aber auch neuere Ansätze stellen sich der Sinnfrage, die eigentlich eine inhaltlich qualifizierte Hoffnungsfrage ist. 81 Denn nach Sinn fragen heißt, zu fragen, ob es berechtigte Hoffnung auf Sinn gibt. 82 76 Vgl. HECKHAUSEN, H., Motivation und Handeln: Lehrbuch der Motivationspsychologie, Berlin (1980) 3 2006. 77 Vgl. KUHL, J., Der kalte Krieg im Kopf. Wie die Psychologie Naturwissenschaft und Religion verbindet (Studien zur europäischen Geistesgeschichte Bd. 7), Freiburg im Breisgau 2005. 78 Vgl. KURZ, W., Philosophie für helfende Berufe, Tübingen 2004. Und STAVEMANN, H.H., Sokratische Gesprächsführung in Therapie und Beratung. Eine Anleitung für Psychotherapeuten, Berater und Seelsorger, Weinheim / Basel / Berlin 2002. DRIEVER, R., Heilung, Glück und Heil. Zur philosophischen Kritik der Psychotherapie, in: KÜHN, R. / PETZOLD, H. (Hrsg.), Psychotherapie & Philosophie. Philosophie als Psychotherapie, Paderborn 1992, 363-394. 79 Vgl. LUTZ, R., Allgemeine Psychotherapie und praktische Philosophie - Psychotherapie und Ethik. Über die Aktualität der Logotherapie im Kontext moderner Psychotherapieforschung, in: Existenz und Logos. Zeitschrift für sinnzentrierte Therapie - Beratung - Bildung 13 / 2006, 73-86. Vgl. für den pädagogischen Kontext HENTIG, H. von, Hoffnung aushalten, in: SCHULTZ, H.J. (Hrsg.). Was braucht der Mensch. Anregungen zu einer neuen Kunst zu leben, Stuttgart 4 1981, 149-168 und PLATTNER, I., Hoffnung - ein psychologisch und pädagogisch relevantes Phänomen? , in: Psychologische Rundschau 42 (1988), 443-475. 80 Vgl. RIEDEL, C. / DECKART, R. / NOYON, A., Existenzanalyse und Logotherapie. Ein Handbuch für Studium und Praxis, Darmstadt 2002. RIEMEYER, J., Die Logotherapie Viktor Frankls und ihre Weiterentwicklungen. Eine Einführung in die sinnorientierte Psychotherapie, Bern 2007. KURZ, W. / SEDLACK, F. (Hrsg.), Kompendium der Logotherapie und Existenzanalyse. Bewährte Grundlagen, Neue Perspektiven, Tübingen 1995. 81 Vgl. DRIEVER, R. Heilung, Glück und Heil. Zur philosophischen Kritik der Psychotherapie, in: KÜHN, R. / PETZOLD, H. (Hrsg.), Psychotherapie & Philosophie. Philosophie als Psychotherapie, Paderborn 1992, 363-394. SPITZER, M., Vom Sinn des Lebens. Wege statt Werke, Stuttgart 2007. ALEXANDER, E., How to hope. A model of the thougts, feelings, and behaviors involved in transcending challenges and uncertainty, Saarbrücken 2008. 82 ERICH FROMM etwa verbindet die Sinnfrage mit einem „Rahmen der Orientierung“ und einem „Objekt der Hingabe“. Hoffnung eint beide Aspekte und vermittelt dadurch zentral Sinn. <?page no="438"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 438 Hoffnung und Sinn sind daher zu Recht beides Kategorien des Weges. Die Verbindung der Psychologie und Psychotherapie zur Sinnfrage kommt dann ins Spiel, wenn nach dem (letzten und höchsten) Ziel der Motivation und des Handelns gefragt wird und nach dem je größeren Rahmen und Zusammenhang, in dem wir unser Handeln verstehen wollen. Letztlich geht es um die Frage nach der Bestimmung des Menschen, seinem Lebensthema, der letzte psychische Einheit stiftenden Idee und um den Grund zum Gesundwerden. Denn mit HARRY FRANKFURT müssen wir festhalten: „Sich ernst zu nehmen bedeutet, sich nicht einfach hinzunehmen, wie man eben ist. Wir wollen, dass unsere Gedanken, unsere Gefühle, unsere Entscheidungen und unser Verhalten Sinn ergeben.“ 83 Und darauf wollen wir hoffen dürfen. Da wo Leben gesteigert werden soll, zur Entfaltung des in ihm angelegten Sinns kommen soll, der sich partiell immer einem Zugriff und einer Einsicht entzieht, ist Hoffnung zugegen. Hoffnung kann als Kategorie der Lebenserhaltung und Lebenssteigerung begriffen werden - auch psychologisch. Im Kontext psychologischer Forschung wird dabei aber häufig übersehen, dass unreflektierte Formen der Ethik vorausgesetzt werden und eine Metatheorie der Veränderung noch weitgehend fehlt. 84 Hoffnung als komplexe Kategorie ist nicht einfach empirisch zu fassen, das gilt auch für eine medizinische Anthropologie der Hoffnung. Demnach zielt Hoffnung nicht einfach auf Gesundheit oder das Verschwinden von Krankheit, sondern auf Heilsein bzw. Wieder-Heil-Werden. 85 Sie ist formal offen und doch transzendental. Wichtig dabei: „Jedes Hoffen ist ein Erwarten, aber nicht jedes Erwarten ein Hoffen. [...] Hoffen ist stets das Erwarten des Rettenden, eines Rettenden, dessen Konturen notwendig unbestimmt sind. Nur soviel ist in diesem Zustand bestimmt, dass man sagen kann, das erwartete Rettende müsse irgendwie rettend zur Ausgangslage passen. Es kann, wenn es ein Rettendes ist, nicht ein völlig beliebiges sein. Es muss zur Notlage, zur Gefährdungssituation des Hoffenden passen. [...] Damit erhält das erhoffte Rettende also den Charakter einer Erfüllung, eines Offenbarten. Das bedeutet aber wiederum, dass von Hoffen erst gesprochen werden kann in einer Notlage oder wenigstens in der Lage einer Gefährdung. Der Gefährdungs-charakter der Ausgangslage gehört also zur Definition des Hoffnungsvorgangs. Und zwar in einem Maße, dass man sagen kann, man hoffe immer trotz einer Gefährdung.“ 86 Hoffnung basiert mithin auf einer Kontrasterfahrung und es gibt eine „natürliche Vorform“ 87 der christlichen Hoffnung. Neben der erstaunlichen Invarianz im Kulturvergleich bzgl. der Strukturen der Moralentwicklung 88 könnten daher auch analog 83 Vgl. FRANKFURT, H., Sich selbst ernst nehmen, Frankfurt am Mai 2007, 16. 84 Vgl. LUTZ, R., (Logo-) Therapieausbildung und Seelische Gesundheit - Eine empirische Studie und pastoralpsychologische Anmerkungen, in: KIESSLING, K. (Hrsg.), Transformationen. Pastoralpsychologische Werkstattberichte, Heft 7 DGfP e.V., Frankfurt 2007, 54-108. LUTZ, R., Allgemeine Psychotherapie und praktische Philosophie - Psychotherapie und Ethik. Über die Aktualität der Logotherapie im Kontext moderner Psychotherapieforschung, in: Existenz und Logos. Zeitschrift für sinnzentrierte Therapie - Beratung - Bildung 13 / 2006, 73-86. 85 Vgl. PLÜGGE, H., Wohlbefinden und Missbefinden. Beiträge zu einer medizinischen Anthropologie (Forschungen zur Pädagogik und Anthropologie; 4), Tübingen 1962, 45. 86 Vgl. PLÜGGE, Wohlbefinden und Missbefinden, 48 (Hervorhebungen im Original). 87 Vgl. ebd. 49 und 50. Dort heißt es dann noch zur christlichen Hoffnung: „Die Gewissheit der christlichen Tugend Hoffnung aber ist im Prinzip und im Idealfall unantastbar von der Verzweiflung - und oder sie ist nicht vorhanden.“ 88 Vgl. KELLER, M. / KRETTENAUER, T., Moralentwicklung im Kulturvergleich. In: TROMMSDORF, G. et.al. (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie, Bd. C, VII/ 2. Erleben und Handeln im kulturellen Kontext, Göttingen 2007, 521-555. <?page no="439"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II 439 mit Blick auf den Hoffnungsvollzug universale Strukturen zu finden sein. Insbesondere humanwissenschaftliche Erkenntnisse sind heute imstande, auf vielfältige Weise zu zeigen, dass die Hoffnungskategorie eine breite naturale Basis besitzt, ohne die sie sich in ihrer Komplexität letztlich nicht mehr verstehen und begründen lässt. Was die psychologisch-psychotherapeutisch-humanwissenschaftlichen Erkenntnisse anbelangt, deuten die bisherigen Forschungen darauf hin, dass der leib-seelischen Konstitution des Menschen eine Erwartungs- und Hoffnungsstruktur eignet und Hoffnung tief in der seelischen Konstitution des Menschen Anhalt hat, wobei überwiegend orientierende, schützende bzw. mobilisierende und therapeutisch-heilsame Funktionen damit in Verbindung stehen. 89 Psychologisch-psychotherapeutische Hoffnungstheorien lassen menschliche Hoffnung als erfahrungsgesättigt und tief mit dem leib-seelischen Aufbau des Menschen verknüpft erscheinen, als fundamentalen Träger von psychischer Kraft, Tenazität und insbesondere Sinn-Orientierung und Motivation. Einige wenige Hinweise aus der Fülle der potentiell erwähnenswerten Ergebnisse, die sich aus äußerst heterogenen Forschungsfeldern speisen und nachfolgend auf eine integrative Hoffnungstheorie hin ausgewertet werden, mögen genügen. Es steht dabei zu erwarten, dass die Erkenntnisse empirischer Provenienz die philosophisch-theologischen Überlegungen immer wieder differenzieren und spezifisch korrigieren können, sich aber umgekehrt durchaus als „offen“, d.h. einfügbar, erweisen lassen in theologisch-transzendentale Argumentationen. Gerade an der Formalität und inhaltlichen Leere und Unbestimmtheit der zentralen psychologisch-psychotherapeutischen Kategorien lässt sich deren Sinn- und Hoffnungsoffenheit, wenn nicht ihre Sinn- und Hoffnungsverwiesenheit aufweisen. ϑ Erwartung und Kontrolle Empirische Wissenschaften erforschen zunächst Erwartungsstrukturen 90 , die komplexe Kategorie der Hoffnung selbst nur in ihren (Aus-) Wirkungen und in Teilaspekten, denn Hoffnung geht aufs Ganze und Wissenschaft vermag nur perspektivisch und aspekthaft vorzugehen. Demnach kann das gesamte Handlungssystem des Menschen (kognitiv, emotional, volitional, motivational behavioral) als erwartungsbasiert und damit hoffnungsoffen gelten. 91 Auf diesem Hintergrund ist es dem Freiheitswesen Mensch außerordentlich wichtig, begründet annehmen zu dürfen, Einfluss auf den Weltlauf und das Leben nehmen zu können - im Sinne der Erwartungs- und Hoffnungsgegenstände. Die Annahme besteht aus einer Erwartung, die letztlich mit Hoffnung korrespondiert, nicht ausgeliefert zu sein und im Sinne der eigenen Ziele tätig werden zu können. Diese Form der psychologischen „Kontrolle“ ist nicht nur perspektivenabhängig - Beobachter und Akteur -, sondern wird auch in unterschiedliche Forme differenziert: Verhaltenskontro- 89 Vgl. auch TAYLOR, S.E. / BROWN, J.D., Illusion and well-being: A social-psychological perspective on mental health, Psychological Bulletin, 103 (1988), 193-210. TAYLOR, S.E., Adjustment to threatening events: A theory of cognitive adaptation, American Psychologist, 38 (1983), 1161-1173. 90 Dafür liegen sehr basale (biopsychologische) Vorgänge bereit, die beispielsweise das gesamte Wahrnehmungs- und Motorik-System entsprechend ihrer Erwartungsanteile steuern; als Beispiel kann auf das Treppensteigen verwiesen werden, bei dem ein komisch anmutendes „Durchtreten“ entsteht, wenn noch eine Treppenstufe erwartet wird, wo keine mehr ist. Mit anderen Worten. Bewegung ist erwartungsbasiert. 91 Vgl. ARIELY, D., Denken hilft zwar, nützt aber nichts. Warum wir immer wieder unvernünftige Entscheidungen treffen, München 2008, 192ff. (Der Effekt von Erwartungen). <?page no="440"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 440 le, kognitive Kontrolle und Entscheidungskontrolle. 92 Der forschungsgeschichtliche Ursprung liegt in den Arbeiten von MARTIN SELIGMANN zur erlernten Hilflosigkeit. Verhaltenskontrolle meint nun ein „Bewusstsein von Alternativen“ zu haben und den aktivierenden Glaube an Wahlmöglichkeiten, die effektiv sind im Bezug auf die Erreichung der erstrebten Ziele. 93 Kontrollannahmen, man könnte auch sagen, Kontrollerwartungen, Kontrollillusionen, Kontrollhoffnungen sind vergleichsweise stabil und erhöhen nachweislich die Performanz und die Erreichbarkeit von Zielen. Das Gegenteil führt bis zur Depression und Handlungsstarre. Konzeptionell entscheidend ist, wie und wo der locus of control verortet ist: internal versus external, global versus spezifisch, stabil versus variabel. Darauf könnte eine Psychologie der (erwarteten) Veränderung aufbauen. Die Mechanismen sind so basal, dass selbst die Informationssuche und -verarbeitung des Menschen darauf aus ist, Kontrollannahmen zu stützen und infragestellende Informationen auszublenden. Es existieren Verbindungen zu einer Fülle anderer theoretischer Konstrukte, die gut empirisch untersucht sind: Selbstwirksamkeit, Gelernte Hilflosigkeit, Attributionsstil, etc. 94 Entscheidend ist nun, dass diese Strukturen anschlussfähig sind für Transformationen in sublimere, abstraktere Systeme hinein, weswegen etwa Glaubenssysteme wichtig für das Verständnis von Kontrolle sind. Modulierende Variablen sind vor allem Kontextvariablen und eben Kognitionen, mithin Reflexion und Vernunft. Eine deutliche Verringerung der wahrgenommenen Kontrolle kann als Mediator von motivationalen, emotionalen und kognitiven Defiziten gelten. 95 Es muss differenziert werden zwischen wahrgenommener Kontrolle und aktuellen Kontrollmechanismen, denen klare Skills zugeordnet werden können. 96 Diese Kontrollannahmen bilden eine wichtige Bedingung für Wohlbefinden und Glück im weitesten (psychologischen) Sinne, ihre Abwesenheit erhöht Gefahr für Depression. „Wenn Tiere und Menschen lernen, dass ihre Handlungen vergebens sind und dass keine Hoffnung mehr besteht, werden sie anfälliger für den Tod. Im Gegensatz dazu kann die Überzeugung, Kontrolle über die Umgebung zu haben, das Leben verlängern.“ 97 Psychologische Kontrolle kann auch als Kompensation einer fundamentalen Handlungsunsicherheit gedacht werden, wiewohl keine Sicherheit bzgl. des Zukunftsentwurfs existiert, höchstens spezifische Erfahrungen, die mich erwarten lassen oder gar hoffen machen, es gäbe eine Berechtigung dafür. Hier spricht die Erwartung und das Vertrauen auf eine verlässlich Welt, von der wir das Gefühl brauche, sie beeinflussen zu können, ihr 92 Vgl. LANGER, E.J., The psychology of control, Beverly Hills 1983, 16, 17 und die ausführlichen empirischen Studien im zweiten Teil des Buches. 93 Vgl. LANGER, The psychology of control, 20. “The […] definition of control […] is the active belief that one has a choice among responses that are differentially effective in achieving the desired outcome. However, there cannot be certainty that any one response will bring about the desired outcome.” 94 Vgl. zum Folgenden die Beiträge in BALTES, M.M. / BALTES, P.B., The psychology of control and aging, Hillsday, New Jersey 1986, XViii. 95 Vgl. SCHEIER, M.F. / CARVER, C.S., Dispositional optimism and physical well-being. The influence of generalized outcome expectancies on health, Journal of Personality, 55 (1987), 169- 210. SCHEIER, M.F. / CARVER, C.S., Health and optimism, New York 1985. 96 Vgl. KUHL. J., Aging and models of control: The hidden costs of Wisdom, in: BALTES, M.M. / BALTES, P.B., The psychology of control and aging, Hillsday, New Jersey 1986, 1-33. Vgl. Auch FRIEDMAN, M.I. / LACKEY, G.H., The psychology of human control. a general theory of purposeful behavior, New York 1991, 165ff. 97 Vgl. SELIGMAN, M., Erlernte Hilflosigkeit, (München 1979) Weinheim 3 2004, 160ff. <?page no="441"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II 441 nicht ausgeliefert zu sein. Hoffnung ist immer auch als Affekt der Krise zu bezeichnen. Der Mensch benötigt für seine Handlungsfähigkeit, sein seelisches Funktionieren und insgesamt für seelische Gesundheit, für Heilungsprozesse und für Wohlbefinden die Annahme und Erwartung von Kontrolle. Die Ausbildung individueller und kollektiver Handlungsmuster kann als Kompensation bzw. Reduktion der Unsicherheit verstanden werden. Das Kontrollbedürfnis speist sich schließlich aus dem Bedürfnis nach Handlungssicherheit und dem Bedürfnis nach Orientierung und Sinn. Die seelische Konstitution des Menschen ist notwendig auf die Annahme von Kontrolle angewiesen, einer Kontrolle, die er seinerseits niemals zu verbürgen vermag. Das Christentum kommt dem entgegen, indem Gott als derjenige verstanden wird, der diese Erwartungen verbürgt in seiner Treue und unter Achtung der Freiheit des Menschen. Das geht nur über freiheitliche Selbstbindung und Hoffnung. Wer also menschliche Handlungsfähigkeit will, der muss die ihr zugrunde liegende Erwartungsstruktur in Blick nehmen: subjektive Handlungsfähigkeit auf der Basis erwarteter (und erfahrener) Handlungsmöglichkeiten und ausstehender Handlungsperspektiven; objektive Handlungsmöglichkeiten in einem objektiven Handlungsraum auf der Basis veränderter Erwartungen bzgl. der Handlungsmöglichkeiten und veränderter Handlungsperspektiven. Hier ist der Ort der Hoffnung wesentlich ein transzendentaler. Kontrolle“ in der Psychologie zielt auf Erwartungsstrukturen, auf ein Wissen um die Zukunft, auf die wir vermeintlich, tatsächlich, mitunter illusionär Einfluss zu nehmen glauben - philosophisch betrachtet, in einer halbwegs verlässlichen Welt zu leben. Dieses Vertrauen in eine verlässliche und beeinflussbare Welt, das allzu oft unseren Erfahrungen widerspricht, benötigen wir zum seelischen Überleben. Erst dasjenige Verhältnis, das sich daran nochmals anschließt und auf die Bedeutung der damit verknüpften Ziele, Zwecke, Motive und Gründe für das Ganze des Lebens zielt, das alle Erwartungsstrukturen noch einmal umgreift, ist Gegenstand der Hoffnung bzw. des Vertrauens. Beide Verhältnisse sollten nicht verwechselt werden, auch wenn überwiegend Erwartungsstrukturen empirisch zugänglich sind. Aber wo Erwartungsstrukturen sind, da gibt es auch Hoffnungsstrukturen - spätestens wenn zu den Erwartungen ein bewusstes, und damit aus Freiheit vollzogenes Verhältnis eingenommen wird und statt dem partikulären Ausschnitt das Ganze des Lebens in den Blick kommt. ι Placebo Das Phänomen Placeboeffekt 98 kann als eine biologische Basis von Hoffnung verstanden werden, das handlungs- und erlebnisrelevante Hoffnung quasi psychobiologisch vorbereitet. Unter der Annahme und Erwartung eines Verums wird da Wirklichkeit verändert. 99 Abhängig von der Art der Annahme muss irgendwann das Verum zur Annahme hinzukommen, soll die Wirkung nicht hinfällig werden, aber es gibt auch Placebo- 98 Vgl. als Basisliteratur SHAPIRO, A.K. / MORRIS, L.A., Placebo Effects in Medical and Psychological Therapies, in: GARFIELD, S.L. / BERGIN, A.E. (Eds.), Handbook of psychotherapy and behavior change, New York 2 1978, 369-410. SHAPIRO, A.K. / SHAPIRO, E., The powerful placebo: from ancient priest to modern physician, Baltimore 1997. SHAPIRO, A.K., The placebo effect in history of medical treatment: Implications for psychiatry, in: American Journal of psychiatry, CXVI, 298-304. 99 Vgl. exemplarisch PACHECO-LOPEZ, G. et al., Expectations and Associations that heal: Immunomodulatory Placebo Effects and its Neurobiology, in: Brain, Behavior, and Immunity 20 (2006), 430-446. <?page no="442"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 442 Annahmen, die nicht einfach verifiziert oder falsifiziert werden können. Der Mechanismus ist aber so ubiquitär, dass praktisch keine biologische Funktion am Menschen (und partiell bei Tieren) existiert, die nicht zugänglich wäre für eine Placebowirkung, wie vielfältige aktuelle Studien aus der Immunologie, der Krebsforschung bis hin zum Biofeedback zeigen können. Systematisch wird hier die wirklichkeitsverändernde Kraft der Hoffnung angesprochen, die bis weit in das Somatische hinein wirkt, jedenfalls nicht ohne es. Die menschliche bio-psycho-soziale Einheit ist damit zutiefst placebo-offen und damit ‚ansprechbar‘ für Hoffnung. 100 κ Frühkindliche Entwicklung, Bindungs- und Persönlichkeitspsychologie Wenn Intentionalität als Grundprinzip der psychischen Aktivität verstanden werden kann, dann heißt das, dass sie keine zuständliche Kategorie ist, sondern permanent nach etwas (einem Gut) auslangt, was sie nicht ist, hat oder kann, von deren Erreichung sie sich aber etwas verspricht (Gelingen, Glück, Sinn), weshalb sie Erwartungen und Hoffnungen darauf richtet, was sie wiederum grundlegend motiviert. Dies gilt bereits in einem vorreflexiven und unbewussten Sinne für frühe Phasen der Entwicklung des Menschen und lässt sich mit ERIK ERICKSON bereits in der Säuglingszeit bzw. der Phase der Oralität beobachten: „Denn nur eine hinlänglich zusammenhängende Welt verschafft den Glauben, der von den Müttern den Säuglingen in einer Weise vermittelt wird, die zu der vitalen Stärke der Hoffnung hinleitet, das heißt zu der dauerhaften Neigung, an die Erfüllbarkeit primärer Wünsche zu glauben, trotz der anarchischen Dränge und Wutanfälle der Abhängigkeit.“ 101 So können frühe Bindungserfahrungen als Präfigurationen späterer Bindungserwartungen gelten und damit als Blaupause menschlicher Hoffnungsfähigkeit dienen. Daher kann er auch konstatieren: „Die kürzeste Formulierung des Identitätszuwachses der frühesten Kindheit könnte wohl so lauten: Ich bin, was ich an Hoffnung habe und einflöße.“ Für ERICKSON ist Hoffnung daher als „erste Tugend“ zu bezeichnen, die von Ur-Vertrauen geprägt ist und einer frühen Form der „Zuversicht“ 102 entspricht. 103 Die inhaltlichen Parallelen zur späteren Tugend der Hoffnung und deren Valenzen sind unübersehbar. Mit anderen Worten: Hoffnung wächst auf dem Hintergrund verlässlicher Bindungen 104 . Diese lassen sehr früh bereits das außerordentlich bedeutsame Gefühl entstehen, dass die Welt und ich in ihr verlässlich und vertrauensvoll ist, weil sie so erlebt wurde und ich in diesem Sine auf sie Einfluss nehmen kann - zunächst über fundamentale Bindungspersonen, die als Symbol für eine verlässliche, berechenbare Welt stehen. Das heißt aber auch, es gibt eine Biographie von Hoffnung oder Hoffnungslosigkeit im Leben eines Menschen. 100 Vgl. MEISSNER, W.W., Notes on the Psychology of hope, in: Journal of religion and health 12 (1973), 7-27 und 120-139. 101 Vgl. ERICKSON, E., Jugend und Krise. Die Psychodynamik im sozialen Wandel, Stuttgart 2 1974, 108. 102 Vgl. ERICKSON, Jugend und Krise, 102. 103 Vgl. REVERS, W.J., Über die Hoffnung. Die anthropologische Bedeutung der Zukunft, in: Jahrbuch für Psychologie, Psychotherapie und medizinische Anthropologie 14 (1966), 175-185. 104 Vgl. KAST, V., Aufbrechen und Vertrauen finden. Die kreative Kraft der Hoffnung, Freiburg im Breisgau 3 2001. Dies, Freude, Inspiration, Hoffnung, München 3 2001. <?page no="443"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II 443 λ Psychotherapieforschung und Psychologie der Beratung Mit KLAUS GRAWE kann im Rahmen seiner Allgemeinen Psychotherapie 105 die Veränderung von Erwartungen als allgemeines therapeutisches Wirkprinzip ausgemacht werden, was für die enge Verbindung von Hoffnung und seelischer Gesundheit und Gesundung spricht. So kann er konsequent von Realisierungsorientierung statt strikter Realitätsorientierung sprechen, schließlich kann sich eine therapeutische Arbeit an Erwartungen und Hoffnungen nicht allein der Realität verschreiben, die immer schon erwartete und erhoffte Realität ist. Die „Induktion von Besserungserwartungen“ als zentrales Wirkprinzip der Psychotherapie zu begreifen, heißt daher auch, sie von der Hoffnung (auf sinnvolle Lebensgestaltung) her zu verstehen. Unter dieser Perspektive können psychische Störungen daher auch als dysfunktionale, fehlgeleitete oder unrealistische Erwartungen bzw. als Störungen der Intentionalität ausgemacht werden. Aus diesem Grunde kann Hoffnung als Ressource und als Heilfaktor ersten Ranges gelten, wie zu zeigen sein wird. Bereits an dieser Stelle fällt auf, dass hier überwiegend formale, aber außerordentlich basale Strukturen benannt sind, die, was ihre inhaltliche Ausrichtung, ihre axiologische Orientierung, schlicht ihre inhaltliche „Füllung“ anbelangt, als unbestimmt und „leer“ bezeichnet werden müssen. Das zentrale theoretische und praktische Prinzip heutiger Psychotherapie ist daher nicht allein Freiheit, sondern Kohärenz und Konsistenz. Moderne Psychotherapie ist philosophisch betrachtet eine Spielart des Kohärentismus. Damit bieten sich aber die erwähnten Strukturen für eine Sublimierung und Transformation durch inhaltlich qualifiziertere Systeme regelrecht an. Formal wird hier präzise eine der wichtigsten naturalen Komponenten der Hoffnung benannt, völlig offen bleibt dabei, worin sie sich gründet und worauf sie sinnvollerweise abschließend zielen soll. Normativität bleibt notwendig offen - hierauf sind aber solche Forschungen in ihrer praktisch-therapeutischen Anwendung dringend verwiesen, worauf HEINRICH STAVEMAN 106 und WOLFRAM KURZ 107 schon hingewiesen haben: eine Philosophie (in) der Therapie gegenüber einer Abstinenz gegenüber praktischer Philosophie und einer Metatheorie der Veränderung statt reinem Eklektizismus. Veränderung entsteht schließlich aus einer Spannung heraus, philosophisch der Sein-Sollen-Differenz, wobei das Sollen auch existentiell und teleologisch (Lebensziele) und nicht allein normativ verstanden werden kann. Die vermeintliche philosophische „Abstinenz“ kommt aber einem unkritischen Tabu gleich - und das bei einer Disziplin, die einen stark aufklärerischen Impetus 108 hat. Das Problem ist auch nicht empirisch zu unterlaufen. Ist Psychotherapie nach GRAWE 109 ein Unterfangen zur Behebung einer Störung der Intentionalität, dann immer auch der fehlgeleiteten Erwartung und Hoffnung. Schließlich wird Hoffnung bei anderen auch „geweckt“ im Zuge produktiver Ansteckung, was mir psychologisch noch zu wenig erforscht scheint. Auch das Phänomen der stellvertretenden Hoffnung gehört in diesen Kontext und findet erst 105 Vgl. GRAWE, K., Psychologische Therapie, Göttingen et.al. 2 2000. 106 Vgl. STAVEMANN, H.H., Lebenszielanalyse und Lebenszielplanung in Therapie und Beratung, Weinheim / Basel 2008. Ders., Sokratische Gesprächsführung in Therapie und Beratung. Eine Anleitung für Psychotherapeuten, Berater und Seelsorger, Weinheim / Basel / Berlin 2002. 107 Vgl. KURZ, W., Philosophie für helfende Berufe, Tübingen 2004. 108 Vgl. die zwei wesentlichen Ursprungsimpulse der Psychologie seit ihren Anfängen: Autonomie und Aufklärung. 109 Vgl. GRAWE, K., Eine konsistenztheoretische Interpretation des dualen Therapiemodells, in: KOSFELDER, J. / MICHALAK, J. / VOCKS, S. / WILLUTZKI, U. (Hrsg.), Fortschritte der Psychotherapieforschung, Göttingen 2005, 281-305. <?page no="444"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 444 langsam über die Arzt-Patient-Beziehung wissenschaftliche Beachtung. Denn auf diese Weise wird die Freiheit des anderen geachtet und zugleich potentiell mobilisiert. Da, wo (Be-) Handlungsmotivation fehlt - auch und gerade in Beratungskontexten -, fehlt nicht selten Hoffnung, die Aussicht auf sinnvolle Lebensgestaltung und Bewältigung. Der Mensch hegt zwar eine Fülle „ungedeckter“ Hoffnungen, unbegründeter, illusionärer Annahmen. Einsicht in diese Hoffnungen gewährt aber Zugang zu ihrer Kraft - trotz möglicher und mitunter notwendiger Infragestellung durch die Realität. 110 „Persönliches Glück, ob unser eigenes oder das von Patienten, liegt nicht so sehr im Erreichen von Zielen als vielmehr im Danachstreben.“ 111 Hoffnung lässt dabei „proaktiv“ sein, sie ist potentiell effektiv und wirkt humanisierend, indem das Maximum an positiver Valenz visualisiert und handlungsmäßig vorbereitet wird. μ Paartherapie Zur Phänomenologie der Paarbeziehung lässt sich sagen, wiewohl es noch wenig Theorie dazu gibt und noch weniger Empirie, aber Erfahrungen von Praktikern aus der Paarberatung, dass jede Paarbeziehung von mindestens einer spezifischen Paarvision zentral verbunden wird, häufig unbewusst, idealiter selbst gewählt, aber eben über eine Hoffnungsfigur kohäsiv gehalten wird. Jede Beziehung benötigt im Sinne einer gesunden und förderlichen Entwicklung eine Utopie von sich selbst, eine „Paar-Utopie“ (vgl. WELTER- ENDERLIN und JELLOUSCHEK), was bis hin zu quasi-religiösen Stilisierungen (BECK) reichen kann. 112 Dasselbe dürfte auch für Freundschaften gelten - beide Beziehungsformen mit intensiver Verzahnung mit der jeweiligen Biographie, Entwicklungsgeschichte und Persönlichkeitsstruktur, sodass spezifische „Passungen“ von Persönlichkeiten entstehen, die die Partnerwahl entscheidend mitbestimmen, indem sie spezifische (Persönlichkeits-) Hoffnungen freisetzen, die dann motivieren, sich an den potentiellen Partner und Freund zu binden. Auch die Partnerwahl ist demnach meist unbewusst von präfigurierten Hoffnungen geprägt. Demnach gibt es gemeinsame Wachstums- und Entwicklungs-Hoffnungen, insbesondere meist unbewusste Nachreifungserwartungen, die viel zur Konstellation der Partnerfindung beitragen, wonach wir Defizite der Sozialisation an und mit Partnern nachträglich auszugleichen versuchen - wohl auf eine integrierte und ganzheitliche Gestalt hin. Psychologisch geht es darum, diese dann im Laufe der Beziehungsentwicklung wieder zu reintegrieren und damit in die eigene Zuständigkeit zu legen. Paarberatung hat dann viel damit zu tun, verschüttete Hoffnungen wieder zu aktivieren und handlungsrelevant werden zu lassen, um eine als befriedigend erlebte Beziehung zu ermöglichen, überhaupt zu prüfen, ob das realistisch ist und beide das wollen (Abgleich von Hoffnungen), unbewusste Erwartungen wieder in Hoffnungen zu 110 Werden im Experiment unter Reizentzug und sensorischer Deprivation alle bisherigen Erwartungen an eine geordnete Umwelt sinnlos gemacht, dann wächst die Suggestibilität für jeden neuen Reiz. Realität ist immer auch erwartete Realität, menschliche Handlungswirklichkeit immer auch Organisation von Handlungserwartungen. 111 Vgl. Gehirn und Geist 5 / 2006, 21 mit Bezug auf MILLER, D.D., American Journal of Psychiatry 163, 2006, 148-150 ff. 112 Überträgt man diesen Gedanken auf die Theologie, dann ist sehr einleuchtend, dass die Utopie der Liebe Gottes zu den Menschen das Reich Gottes ist, das Zentrum der Verkündigung Jesu. Mit anderen Worten: wer von der Liebe Gottes reden will, muss immer zugleich von dieser „Utopie“ reden, von der Fülle der Verheißungen, die diese Liebe braucht, um sich überhaupt zu vollziehen und ihr Gelingen hoffend zu antizipieren. <?page no="445"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II 445 verwandeln, neurotische und die Wahrnehmung des jeweils anderen verzerrende „Hoffnungen“ zu verflüssigen und in wirklichkeitsadäquate zu verwandeln, sodass geteilte und gemeinsame Hoffnungen - Paarutopien - möglich werden, die entscheidend zur Kohäsion beitragen. JÜRG WILLI 113 , Schweizer Psychotherapieforscher und Paartherapeut, spricht in wachstumsorientierten Beziehungen von einer „Korrespondenz von Entwicklungsbereitschaften“, wonach wir Resonanz beim anderen erfahren wollen und selber Resonanz geben wollen. Damit gehen jeweils spezifische Resonanzerwartungen und Hoffnungen einher, je für sich und für das Paar als Dyade. Insbesondere die Balance von Polaritäten kann als Indiz für stabile und gesunde Beziehung gelten 114 und Hoffnung als Medium der Balancierung dienen. Beziehungen und Partnerschaften sind insgesamt Hoffnungs-Projekte, die sich zwischen Realität, Enttäuschung und erhoffter Wirklichkeit bewegen. Wie viele Beziehungen werden gehalten in der Hoffnung, es würde besser werden? Umgekehrt kann das Vorhandensein von Hoffnung als eine wichtige Ressource 115 einer Beziehung oder innerhalb einer Psychotherapie gelten. ν Emotionspsychologie Wiewohl Hoffnung ein langes Schattendasein innerhalb der Affektenlehre geführt hat und sie nur mühsam aus den entsprechenden Verengungen befreit wurde, spielt sie heute in der Emotionspsychologie praktisch keine Rolle 116 - ganz im Gegensatz zu ihren durchaus identifizierbaren emotionalen Anteilen, die sich etwa an ihrer Wirkung oder an der über sie für motivationale Prozesse festzumachenden Anreizstruktur zeigen ließen. Hoffnung kann als komplexe Kategorie begriffen werden, die nicht einfach auf die eine oder andere Affektion reduziert werden kann. Entstehung, Intensität und Qualität einer Emotion hängen stark von Bewertungen (appraisals) ab, sodass spezifische (kognitiv geprägte) Emotionen fast vollständig von den sie bestimmenden Bewertungen abgeleitet werden können. Das nährt den Verdacht, dass Emotionen über ein Verhältnis zweiter Ordnung grundlegend von Hoffnung beeinflussbar sind bzw. es umgekehrt bei der Hoffnungskategorie Erwartungen sind, die mit starken Bedeutungen, Bewertungen und damit Emotionen verknüpft sind. BLOCH hat in einer Art philosophischer Affektenlehre, die aber phänomenologisch-psychologisch akzentuiert ist, gefüllte Affekte und Erwartungsaffekte unterschieden und arbeitete damit (philosophisch) die antizipatorische Struktur von Affekten heraus. Positive Erwartungsaffekte sind Zuversicht und Hoffnung - Hoffnung dabei als der wichtigste und menschlichste Erwartungsaffekt 117 , negative Erwartungsaffekte sind Angst und Verzweiflung. Dabei gilt, dass „der antizipatorische Gehalt der 113 Vgl. WILLI, J., Psychologie der Liebe. Persönliche Entwicklung durch Partnerbeziehungen, Stuttgart 2002. 114 Vgl. OETKER-FUNK, R., Wie (m)eine ideale Partnerschaft sein soll. Beziehungsbilder zwischen Traum und Enttäuschung, in: rhs 5 / 2005, 284-289. 115 Vgl. WILLUTZKI, U. / COBAN, C. / NEUMANN, C., Zur Diagnostik von Ressourcen, in: KOSFELDER, J. / MICHALAK, J. / VOCKS, S. / WILLUTZKI, U. (Hrsg.), Fortschritte der Psychotherapieforschung, Göttingen 2005, 37-53. 116 Vgl. OTTO, J.H. / EULER, H.A. / MANDL, H. (Hrsg.), Emotionspsychologie, Weinheim 2000. 117 Vgl. BLOCH, E., Das Prinzip Hoffnung 3 Bde., Frankfurt am Main 1985, 83. „Der wichtigste Erwartungsaffekt, der eigentlichste Sehnsuchts-, also Selbstaffekt bleibt aber bei all dem stets die Hoffnung.“ <?page no="446"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 446 positiven Erwartungsaffekte das Leben intendieren“ 118 muss, wie an der Hoffnung abgelesen werden kann. Daneben können Surrogate der Hoffnung als narzisstische Affekte in Erscheinung treten, wonach frühe Hilflosigkeitserfahrungen die spätere Genese von Hoffnung nachhaltig stören, katalysiert über das Ur-Vertrauen und einen „oralen Pessimismus“ oder „oralen Optimismus“. In der Folge kann es zu Objektverlustängsten und einer narzisstischen, d.h. auf der Basis eines gestörten Selbstwerterlebens und damit eines desintegrierten Selbst vollzogenen Objektwahl kommen. Mit anderen Worten: Unbefriedigende, d.h. ambivalente, unsichere, unterversorgende Objektbeziehungen bedingen Hoffnungslosigkeit mit. Systematisch wichtig ist dabei, dass psychoanalytisch interpretierte Hoffnung „zuerst eine auf die vergangenen Erfahrungen zurückgreifende Bewegung ist, bevor sie eine nach vorn gerichtete positive Antizipation möglich macht. Die Bewegungen der Regression und Progression stellen in der Hoffnung eine Einheit dar.“ 119 Erst unter Rückgriff auf frühere Erfahrungen bzw. auf einer basalen Erfahrungsbasis kann Erfahrung hoffend transzendiert werden - gänzlich ohne geht es nicht. Die früheren Erfahrungen, die zur Integrität des Selbst beitragen, stehen mithin im Dienst der nachfolgenden Transzendenzerfahrungen. Diese dürfen nicht von jenen übersprungen oder übergangen werden. ξ Psychoanalyse der Hoffnung Abschließend sei auf die Arbeiten von HEIKE SCHNOOR 120 verwiesen, die einen der wenigen Versuche unternommen hat, ein psychoanalytisches Konzept von Hoffnung freizulegen, das Einblick gibt in mögliche tiefenpsychologische Voraussetzungen des Hoffnungsvollzugs. Zunächst ist auffällig, dass SCHNOOR der Hoffnung eine Triebdimension zuweist, ihr nachgerade eine libidinöse Basis zuerkennt, die sie mithin tief in einer psychoanalytischen Triebtheorie verankert. Demnach kann Hoffnung als Ausdruck des Selbsterhaltungstriebs gedeutet werden, wobei erst die (von SIGMUND FREUD in seiner zweiten Triebtheorie vorgenommene) Zusammenfassung von Sexual- und Selbsterhaltungstrieb zum Lebenstrieb die Bedeutungsfülle der Hoffnung umfassend abzubilden vermag. Gerade eine konstruktive Balance dieser Trieb-Kräfte drücke sich dann u.a. affektiv in der Hoffnung aus, während Hoffnungslosigkeit Ausdruck eines Überhangs ungeordneter Triebkräfte darstelle. So gesehen zeigt sich Hoffnung in einem „dynamischen Gleichgewicht unbewusster Kräfte“ und ist daher „affektiver Indikator für die Vitalität des Lebenstriebes“ 121 . Als äußerst aufschlussreich für den vorliegenden Kontext 118 Vgl. SCHNOOR, H., Psychoanalyse der Hoffnung. Die psychische und psychosomatische Bedeutung von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Heidelberg 1988, 108. 119 Vgl. SCHNOOR, Psychoanalyse der Hoffnung, 113-114. Weiter heißt es aufschlussreich: „Treibt bei Bloch ausschließlich der Mangel (in Form des Hungers) zur Entwicklung von Hoffnung, so kann man aus den Ergebnissen der psychoanalytischen Forschung ablesen, dass auch die Fülle Bestandteil der Hoffnung sein muss, nämlich die Fülle der erfahrenen Bedürfnisbefriedigung (als Verinnerlichung der ‚guten Mutter‘ und ‚versorgenden Umwelt‘), auf die in entbehrungsreichen Zeiten zurückgegriffen werden kann. Damit stellt die Fülle, neben dem Mangel, den Motor der Entwicklung dar. Beides muss in Form optimaler Frustration verarbeitungsfähig dosiert sein. Hier beginnt der gesellschaftliche Einfluss auf die Herausbildung der Hoffnung.“ 120 Vgl. SCHNOOR, H., Psychoanalyse der Hoffnung. Die psychische und psychosomatische Bedeutung von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Heidelberg 1988. 121 Vgl. für beide Zitate SCHNOOR, Psychoanalyse der Hoffnung, 41. <?page no="447"?> 1. Problemorientierung und Forschungsbericht II 447 kann die These SCHNOORS gelten, dass es sich bei der psychoanalytischen Hoffnung um einen narzisstischen Affekt handelt, der mithin grundlegend der Selbstwertregulation dient. Auch innerhalb der Dynamik einer psychoanalytischen Behandlung spielt Hoffnung eine nicht unerhebliche Rolle. 122 Daneben weist SCHNOOR noch auf das hin, was sie „Hoffnungskompetenz“ 123 nennt und was sie für den Kontext der vorliegenden Arbeit aufschlussreich mit Rationalität (Ich-Nähe) und Handlungsfähigkeit verknüpft, wie ex negativo die Erkenntnisse zur Hilflosigkeit gezeigt haben. Ohnmacht gegenüber aversiven Reizen (SELIGMANN) und die Erfahrung der Unwirksamkeit der eigenen Einflussmöglichkeit auf die Vermeidung unangenehmer Lebensbedingungen ist in hohem Maße Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit erzeugend. Unkontrollierbare Konsequenzen produzieren das Gefühl der Zwecklosigkeit, lassen Wirkungslosigkeit antizipieren und Hilflosigkeit erwarten und führen daher auf Dauer zu hoffnungsloser Handlungsstarre und Apathie. Zunächst bezogen auf eng begrenzte und situative Auslöser, dann ausgedehnt und inflationär. Es kommt zu einer Beeinträchtigung der Wahrnehmung, einer Verzerrung „objektiver“ Möglichkeiten und der Verhinderung real gegebener Möglichkeiten der Einstellungsänderung, letztlich zu drohendem Verlust der Ich-Autonomie. Statt Flucht, Kampf oder Rückzug gibt es ein Giving up. Denn durch eigenes Handeln Konsequenzen im Sinne der Bedürfnisse herstellen zu können, ist so wichtig, dass eine Verhinderung zu Hilflosigkeit und in der Folge zu Hoffnungslosigkeit führt. ERICH FROMM ist schließlich noch bemüht, humanistische Hoffnung gegen eine technokratische Welt zu begründen, indem er etwa bewusste von unbewusster Hoffnung unterscheidet 124 , denn mitunter kann der Mensch sich bewusst hoffnungsvoll geben, unbewusst aber hoffnungslos, sein. Hoffnung ist für ihn die Fähigkeit, „im Gegenwärtigen den Zustand der Trächtigkeit erblicken“ 125 zu können. Insgesamt, so zeigen die Fragmente psychoanalytischer Hoffnungstheorie, wird Hoffnung tief in die Antriebsstruktur des Menschen eingezeichnet, wenn sie vom Lebenstrieb her gedeutet wird, d.h. sich auch von vorbewussten, vitalen Kräften speisen lässt. 126 Mit diesen Ausführungen sind nun auch unter systematischer Betrachtung die entscheidenden Kategorien benannt, die den Raum des psychologisch-psychotherapeutischen Strukturgitters dimensional aufspannen - entsprechend wurden die thematischen Felder ausgewählt. Auch hier kann das Strukturgitter nicht in extenso aufgerichtet werden, sondern aus dem damit eigentlich formulierten Forschungsprogramm sollen einige Bausteine angedeutet werden. Unter theologischer Perspektive heißt das, die Schöpfungsordnung ernst zu nehmen, was nicht zulasten der übernatürlichen Hoffnung geht, sondern zugunsten ihrer Realisierung innerhalb der Schöpfungsordnung, die dafür ausreichend gewürdigt und begrifflich geöffnet zu werden hat. 122 Vgl. BUECHLER, S., Hope as Inspiration in Psychoanalysis, in: Psychoanalytic Dialogues 5 (1974) 1, 63-74. BUECHLER, S., Clinical Values: Emotions that guide psychoanalytic Treatment, Hillsdale 2004. 123 Vgl. ebd. 78. 124 Vgl. FROMM, E., Die Revolution der Hoffnung. Für eine humanisierte Technik, Stuttgart 1971, 20f. 125 Vgl. FROMM, Die Revolution der Hoffnung, 24. 126 Vgl. auch PETRI, H., Zur Psychoanalyse der Hoffnung, in: Psychosozial 16 (1993), 109-118. <?page no="448"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 448 2. Sozial- und Persönlichkeitspsychologie „Das wahre Leben ist ein Gegenstand der Hoffnung und das gegenwärtige Leben gleichsam ein Same des zukünftigen.“ 127 a) Motivationspsychologie Eine integrale, anthropologisch fundierte Theorie der Hoffnung hat auf all diejenigen Erkenntnisse aus dem Konzert der Wissenschaften zurückzugreifen, die sich mit strukturellen Vorgaben des Hoffnungsvollzugs beschäftigen und dabei Erkenntnisse über die spezifische Bedeutung und den konkreten Anhalt des menschlichen Zukunftsbezugs auf der Basis der Hoffnungskategorie für die Handlungspraxis im Sinne gelingender Lebensführung gewonnen haben, die bestätigend oder korrigierend für das Verständnis der Hoffnungs-Signatur menschlicher Handlungsorganisation unentbehrlich sind. Dabei wäre eine Fülle von empirischen Arbeiten unterschiedlichster psychologischer Provenienz zu äußerst heterogenen Theorie-Konzeptionen aus den Bereichen Sozial- und Persönlichkeitspsychologie, Gesundheitspsychologie und dem großen Bereich der wissenschaftlichen Psychotherapie und Beratung auf die vorliegende Fragestellung hin systematisch auszuwerten. Aufgrund des begrenzten Rahmens der vorliegenden Arbeit kann der Großteil der erkennbar verwertungsrelevanten Erkenntnisse sowohl aus grundlagenbezogener als auch aus anwendungsbezogener psychologischer Forschung nur exemplarische Erwähnung finden und in der jeweiligen Bedeutung plausibilisiert werden, während eine ausführliche Besprechung, Durchdringung und Integration für moraltheologische Fragestellungen im weitesten Sinne als Desiderat der Forschung gelten kann. So sollen im Folgenden mehrere psychologische Theorien aus dem Bereich der allgemeinen und grundlagenorientierten Sozial- und Persönlichkeitspsychologie daraufhin untersucht und vorgestellt werden, inwiefern Äquivalente und Desiderate der Hoffnung darin ihren Platz haben, die für eine moraltheologische Systematisierung im weitesten Sinne zugänglich sind. Es handelt sich dabei zunächst um die Theorien im Umfeld der sogenannten Leistungsmotivation, die besonders mit den Namen J. W. ATKINSON und H. HECKHAUSEN 128 verbunden sind und dem Bereich der allgemeinen Motivationspsychologie zugeordnet werden, wobei einige Einsichten derselben sehr aufschlussreich sind für eine Integration in eine hoffnungsbasierte Handlungstheorie. Nachfolgend werden dann wichtige Errungenschaften aus dem Bereich der Kognitionswissenschaften vorgestellt, die in den unterschiedlichsten Zusammenhängen als Hoffnungsfacetten identifiziert werden können. 127 GREGOR VON NYSSA, Trostrede auf Pulcheria. 128 Vgl. als Basisliteratur HECKHAUSEN, H., Hoffnung und Furcht in der Leistungsmotivation, Meisenheim am Glan 1963. Ders., Motivation und Handeln. Lehrbuch der Motivationspsychologie, Berlin (1980) 4 2011. RUDOLPH, U., Motivationspsychologie, Weinheim 2003. SOKO- LOWSKI, K., Emotion und Volition. Eine motivationspsychologische Standortbestimmung (Motivationsforschung Band 14), Göttingen et al. 1993. SCHMALT, H.-D. / HECKHAUSEN, H., Motivation (Art.), in: SPADA, H. (Hrsg.), Lehrbuch der Allgemeinen Psychologie, Bern et.al. 2 1992, 451-494. SCHMALT, H.-D., Motivationspsychologie, Stuttgart et al. 1986. WEI- NER, B., Motivationspsychologie, München / Weinheim 2 1988. DORSCH, F. / Häcker, H. / Stapf, K.H. (Hrsg.), Dorsch Psychologisches Wörterbuch, Bern / Göttingen / Toronto 12 1994. <?page no="449"?> 2. Sozial- und Persönlichkeitspsychologie 449 α Allgemeine Motivationspsychologie Das Feld der motivationspsychologischen Theorien kann in eine Reihe von Theoriekomplexen gegliedert werden, die die grundsätzlichen Unterschiede der jeweiligen Paradigmen leicht verständlich machen können: Demnach gibt es dezidiert persönlichkeitstheoretische Ansätze, die etwa von der Annahme von Motiven als Wertungsdispositionen ausgehen, daneben kognitive Ansätze, die Motivation durch Erwartungen, Anreize und Ziele zu verstehen suchen, schließlich triebtheoretische Ansätze, die Motivation durch aktuell angeregte Bedürfnisse beschreiben und endlich volitionstheoretische Ansätze, die Motivationskonflikte und Handlungskontrolle ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit rücken. 129 Im Kontext der Allgemeinen Motivationspsychologie kann darüber hinaus eine alte, eigentlich auf die Theorie der Kausalität von ARISTOTELES zurückgehende Unterscheidung gefunden werden, die im Rahmen der motivationspsychologischen Forschung ganz entgegen ihrer langen Geschichte bislang wenig Berücksichtigung fand, aber für den vorliegenden Kontext unmittelbar anschlussfähig ist, diejenige von Ursachen und Gründen bzw. effektiven und finalen Handlungsursachen. 130 Schließlich sind die finalen Handlungsursachen (Gründe) grundlegend von antizipierten Zielzuständen abhängig. 131 Effektive versus finale Handlungsursachen Ursachen Effektive Handlungsursachen (Ursachen) - Motivation durch Ereignisse in der Vergangenheit Gründe Finale Handlungsursachen (Gründe, Ziele, Zwecke) - Motivation durch antizipierte Zustände in der Zukunft Abbildung 10 Effektive und finale Handlungsursachen Motivation wird heute insgesamt als Produkt von Person und Situation 132 begriffen, wobei folgende Komponenten vorrangige Beachtung finden: die subjektive Anreizsituation und 129 Vgl. T. GOSCHKE, Motivationale und volitionale Grundlagen zielgerichteter Handlungen, in: J. FUNKE / P.A. FRENSCH, Handbuch der Allgemeinen Psychologie - Kognition, Göttingen et al. 2006, 562-571. 130 Vgl. exemplarisch BUSS, A.R., Causes and reasons in attribution theory: A conceptual critique, in: Journal of Personality and social Psychology Vol. 36 (1978), 1311-1321. BUSS, A.R., On the relationship between reasons and causes, in: Journal of Personality and social Psychology Vol. 36 (1978), 1311-1321. RUDOLPH, U. / STEINS, G., Causal versus existential attributions: Different perspectives on highly negative events, Basic and applied social psychology Vol. 20(3) 1998, 191-205. 131 Bereits bei EPIKUR finden sich Hinweise, dass positive und negative Konsequenzen des eigenen Handelns antizipiert werden und dass Handeln dann an diesen Antizipationen ausgerichtet wird. Vgl. etwa EPIKUR Philosophie der Freude, Frankfurt am Main 1988. 132 Vgl. HECKHAUSEN, H., Motivation und Handeln: Lehrbuch der Motivationspsychologie, Berlin (1980) 3 2006, 5ff. <?page no="450"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 450 die Motivlage des Handelnden, dessen Ziele in Verbindung mit situativen Bedingungen betrachtet werden. Motive drücken dabei Bedürfnisse aus. Die Rolle der Emotionen für den gesamten Prozess wächst. 133 Auffällig ist weiter, dass das Phänomen Motivation zunehmend als Kontrastphänomen konzeptualisiert wird, was sie für eine hoffnungstheoretische Interpretation immer geeigneter erscheinen lässt. „Es hatte sich mehrfach gezeigt, dass es für Personen, die auf dem Weg zu einem Ziel erkennbare Widerstände überwinden müssen, besonderes hilfreich ist, wenn sie zwei Schritte kombinieren: sie müssen sich (1) die Attraktivität des erwünschten Ziels ausmalen und dann (2) diesen Zielzustand kontrastieren mit dem jetzt unbefriedigenden Zustand. Dieses mentale Kontrastieren führt zu realistischen und motivierenden Zielen, an die man sich eng bindet, wenn man einen erfolgversprechenden Weg zum Ziel sieht. [...] Nun können auch bei hinreichender Motivation Handlungen unterbleiben, wenn sie aversiv sind oder Verzicht erfordern. Dann müssen volitionale Prozesse gestärkt werden. Deshalb wurde im Rückgriff auf HECKHAUSENS (1987) Volitionskonzept („Rubikonmodell“) das mentale Kontrastieren mit der Formulierung von Durchführungsvorsätzen (Implementation Intentions) kombiniert. Hierzu denkt die Person zunächst über das größte Hindernis bei der Zielverfolgung nach. Für dieses Hindernis legt sie dann fest, (a) was sie wann konkret tun wird, damit dieses Hindernis gar nicht erst auftritt, (b) was sie genau tun wird, wenn das Hindernis trotzdem einmal auftauchen sollte, und (c) zu welchen Gelegenheiten sie die zielführenden Aktionen im Einzelnen starten will.“ 134 Insgesamt gilt aber: „Motivation ist auf lohnende Ziele gerichtet und soll den Organismus in die Lage versetzen, durch eigenes Verhalten möglichst günstige Bedingungen zum Erreichen dieser Ziele zu schaffen.“ 135 Wichtig ist nun darauf hinzuweisen, dass an Motivationssysteme immer Belohnungssysteme (reward systems) gekoppelt sind, sodass jene mitunter genauso bezeichnet werden wie diese. Darüber hinaus ist eine aufschlussreiche interpersonale Abhängigkeit der Motivation von Bezugspersonen zu beobachten. Ein Entzug sozialer Kontakte hemmt die Motivationssysteme, es sei denn es gibt übergeordnete Schutzsysteme. Soziale Resonanz ist daher ein zentrales Motivationsmotiv, das die mobilisierende Wirkung interpersonaler Zuwendung leicht verstehbar machen kann. Schließlich kann darüber hinaus beobachtet werden, „dass es bereits bei der Wahrnehmung eines in Aussicht stehenden sozialen Objekts zur Weckreaktion der motivierenden Dopamin-Achse kommt, also bevor das Ziel der Wünsche erreicht ist. Dieses ‚In-Aussicht-Stellen‘ wird von den Emotionszentren registriert und führt von hier aus zu einer unverzüglichen Mobilisierung der Motivationssysteme, die wiederum psychisches Begehren und körperliche 133 Vgl. REISENZEIN, R., Motivation und Emotion, in: PETERMANN, F. / REINECKER, H., Handbuch der klinischen Psychologie und Psychotherapie (Handbuch der Psychologie I), Göttingen et al. 2005, 60-68. 134 Vgl. RHEINBERG, F. / VOLLMEYER, R., Motivationsförderung (Art.), in: SCHNEIDER, W. / HASSELHORN, M. (Hrsg.), Handbuch der pädagogischen Psychologie (Handbuch der Psychologie Bd. 10), Göttingen / Bern / Wien / Paris et al. 2008, 391-403, hier 400-401. 135 Vgl. BAUER, J., Das Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren, Hamburg 2006, 33 und 34. Dort heißt es weiter: „Das natürliche Ziel der Motivationssysteme ist soziale Gemeinschaft und gelingende Beziehungen mit anderen Individuen, wobei dies nicht nur persönliche Beziehungen betrifft, Zärtlichkeit und Liebe eingeschlossen, sondern alle Formen sozialen Zusammenwirkens. […] Kern aller Motivation ist es, zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung oder Zuneigung zu finden und zu geben. Wir sind - aus neurobiologischer Sicht - auf soziale Resonanz und Kooperation angelegte Wesen.“ <?page no="451"?> 2. Sozial- und Persönlichkeitspsychologie 451 Handlungsbereitschaft auslösen.“ 136 Es existieren, mit anderen Worten, bis in die Biologie der Motivation hineinreichende antizipatorische Strukturen, welche der Verbindung von Hoffnung und Motivation eine naturale Basis abgeben könnten. β Leistungsmotivation - Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg Motivationstheorien wollen eine Erklärung für die Zielfindung, Zielbindung (commitment), Zielausrichtung (intention) und Zielrealisierung des Verhaltens geben, was das Konstrukt der Motivation eigentlich als psychologischen Ursachenbegriff ausweist. Nachfolgend soll nun von einem einflussreichen „erweiterten kognitiven Motivationsmodell“ ausgegangen werden, in welchem Kognitionen in Form von Erwartungen eine außerordentlich wichtige Funktion übernehmen und das daher für eine hoffnungstheoretische Interpretation unmittelbar zugänglich ist. Danach werden in Erwartungs-mal- Wert-Theorien Erwartungstheorien der Motivation (Selbstwirksamkeit, Kontrolltheorie) und Anreiztheorien (intrinsische Motivation, Flow) in eine einheitliche Theorie der resultierenden Valenz integriert. Diese ist in ihrem Kern an Motiven orientiert und kennt zwei Tendenzen, eine Annäherungstendenz gegenüber dem erstrebten Zielgut und eine Vermeidungstendenz gegenüber möglichem Misserfolg. Erstere ist durch Hoffnung auf Erfolg gekennzeichnet, einer Antizipation des Erfolgs, die die „resultierende Kraft“ 137 vorrangig bestimmt, und einer Furcht vor Misserfolg. Wobei die entscheidende Frage ist, woran sich der „Erfolg“ inhaltlich bemisst und in welchem dynamischen Verhältnis beide Tendenzen zueinander gesetzt werden. Schon an dieser Stelle deutet sich aber an, dass für die vorliegende Theorie neben Interessen, intrinsischer und extrinsischer Motivation und dem Erleben von Flow insbesondere Tätigkeitsanreize außerordentlich wichtig sind, mithin die Attraktivität des Erstrebten, auf das hin dann hoffend und antizipierend gehandelt wird. Wir haben es hier mit der Theorie der Leistungsmotivation zu tun, die als eine weiter entwickelte Erwartungs-mal-Wert-Theorie als das wohl am besten untersuchte Paradigma der Motivationspsychologie gelten kann neben den kognitiv orientierten Attributionstheorien. Psychologiegeschichtlich betrachtet ist mit Blick auf die Motivationspsychologie eine Entwicklung von eher affekt- und willenspsychologischen Theorien, die v.a. den Begriff des „Vorsatzes“ geprägt haben, über die hier besonders interessierenden Erwartungsmal-Wert-Theorien hin zu aktuellen eher kognitiv geprägten Motivations-Modellen zu beobachten. Neuere Theorien legen dabei großen Wert darauf, zwischen (1) Motiv, (2) Motivation und (3) Volition zu unterscheiden und gerade diese Faktoren erlauben es dann, alle zentralen Phasen einer Motivations-Handlungs-Einheit kurz zu erläutern: Unter Motiven (1) sollen überdauernde Dispositionen verstanden werden, die im Sinne eines hypothetischen Konstruktes jeweils durch Inhaltsklassen von Handlungszielen (angestrebte Folgen des eigenen Handelns) konstituiert werden und in Form relativ konstanter Wertungsdispositionen vorliegen. Diese Wertungsdispositionen wollen nicht etwas beschreiben, sondern erklären und dienen als Funktionen „höherer“ Art nicht der Aufrechterhaltung der Organismusfunktionen, sondern unterliegen der Sozialisation durch die sozialen Normen der ontogenetischen Entwicklungsumwelt. Entlang der Defi- 136 Vgl. BAUER, Das Prinzip Menschlichkeit, 39. 137 Vgl. RUDOLPH, U., Erwartung und Anreiz, in: BRANDSTÄTTER, V. / OTTO, J. H. (Hrsg.), Handbuch der Allgemeinen Psychologie - Motivation und Emotion, Göttingen et al. 2009, 21- 28, hier 26. <?page no="452"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 452 nition als Inhaltsklassen von Zielen werden beispielsweise das Machtmotiv, das Bindungsmotiv, das Motiv nach sozialer Anerkennung oder beispielsweise das Leistungsmotiv unterschieden, das leistungsbezogene Handlungsziele umfasst und im folgenden näher beleuchtet werden soll. Der Begriff Motivation (2) ist eine Sammelbezeichnung für eine Vielzahl von Prozessen, die alle darum kreisen, dass ein Lebewesen sein Verhalten um der erwünschten Folgen willen auswählt und hinsichtlich Richtung und Aufwand Anstrengung und Ausdauer steuert. Mindestens drei Komponenten sind zu unterscheiden: Handlung, Handlungsergebnis und Handlungsfolgen, wobei vielfache Erwartungsbzw. genauer gesagt Antizipationsprozesse ablaufen, die für den Kontext der vorliegenden Arbeit, einer integralen Hoffnungstheorie und deren psychologische Strukturgesetzlichkeiten, von besonderem Interesse sind und weiter unten noch ausführlicher dargestellt werden. Für diese drei Komponenten sind nun neben den Erwartungen sogenannte Anreize der Situation bzw. der erwarteten Folgen einer Handlung entscheidend wichtig: „Situativ angeregte Prozesse der Antizipation von erwünschten oder befürchteten Ereignissen beziehen sich auf die Anreize der Folgen eigenen Handelns (also deren ‚Wert‘) sowie auf die subjektiven Wahrscheinlichkeiten, geeignete Ergebnisse durch eigenes Handeln zu erzielen und schließlich der erwarteten Instrumentalitäten der Handlungsergebnisse für die infrage stehenden Folgen.“ 138 Bis hierher heißt das, dass die Anregungsbedingungen der Situation, beispielsweise in der Wahrnehmung von bestimmten Verheißungen und Verlockungen bestehend, d.h. wiederum spezifische Erwartungen, und die Motive für die Ausbildung der Anreizwerte der antizipierten Handlungsfolgen ausschlaggebend sind; nur ein so konzipierter Motivationsprozess ist handlungsvorbereitend, wobei die Pluriformität der Erwartungs- und Antizipationsformen an dieser Stelle festgehalten werden soll. Nur auf der Basis einer Fülle von Erwartungen und spezifischer Vorwegnahmen der Handlungs-Zukunft und nachfolgender bzw. vorauslaufender Bewertungen derselben ist Handeln überhaupt denkbar - Erwartungen und Werte sind die entscheidenden Kategorien. Zu fragen bleibt allerdings aus hermeneutischer Perspektive, wer oder was diese Erwartungen, Anreize und Antizipationen letztlich inhaltlich speist - über die Prägungen der einzelnen Motive hinaus; dasselbe gilt für die weiter unten erläuterten umfangreichen Bewertungsprozesse der Nach-Handlungs-Phase. Auch unter Beachtung der inhaltlichen Charakterisierungen der einzelnen Motive ist hier von formal-strukturellen Voraussetzungen die Rede, die je und je strukturell offen sind, was ihre inhaltliche Herkunft, ihre Bestimmbarkeit und Begründbarkeit und die antizipierten Zielanreize betrifft. Auch ist zu fragen ob die sogenannte Instrumentalität, also die Handlungs-Folge-Erwartung, die einzig mögliche Verknüpfungsform beider Elemente darstellt, oder ob nicht auch nicht-instrumentelle Formen denkbar sind. Insgesamt gilt aber, dass unter methodologischer Perspektive hier ein „hermeneutisches Vorverständnis“ begrifflicher Natur auszumachen und festzuhalten ist, das sich in den nachfolgenden Theorien psychologisch-psychotherapeutischer Provenienz und den entsprechenden experimentellen Arbeiten häufig, aber nicht ausschließlich, antreffen lässt und bzgl. der gewonnenen Erkenntnisse und Strukturen als mitbestimmend bedacht werden muss. Die Motivationsphase zeichnet sich dadurch aus, dass eine Vielzahl von Antizipationen stattfindet, insbesondere Erwartungen, Handlungspläne, vermutete Ergebnisse und Folgen, die nach der Handlungsausführung in einer Nach-Handlungsphase einer Bewertung unterzogen werden, dazwischen aber finden sogenannte Volitionsprozesse statt, die wie folgt zustande kommen: Resultierende Motivationstendenzen sind nicht hinlänglich 138 Vgl. SPADA, H. (Hrsg.), Lehrbuch der Allgemeinen Psychologie, Bern et al. 2 1992, 460. <?page no="453"?> 2. Sozial- und Persönlichkeitspsychologie 453 zur Realisation geeigneter Handlungen, weswegen die Motivationstendenz zur Realisierung einer Handlung den Charakter einer Handlungstendenz bekommen soll. Da nun Menschen insgesamt mehr Motivationsals Handlungstendenzen bilden, muss von einem Prozess ausgegangen werden, der diesen Übergang von Motivationszu Handlungsprozessen regelt, dieser Prozess wird Volition (3) genannt. Volitionen „entscheiden“ quasi, welche Motivationstendenzen wie realisiert werden. Dabei müssen zwei Phänomene erklärt werden: die Intentionsbildung und die Handlungsinitiierung. Die Intentionsbildung ihrerseits ist nicht nur durch vorstellungsmäßige Repräsentationen beispielsweise der Handlungsziele zu verbinden, sondern wiederum mit Antizipationen beispielsweise von Gelegenheiten oder Tätigkeiten, die der Handlungsrealisierung dienen. Wenn nun eine Intentionsbildung unvollständig bleibt, indem zwar eine Zielintention gebildet, aber die Gelegenheits- und Ausführungsvorstellungen noch offen sind, ist jeder „gute Vorsatz“ zum Scheitern verurteilt - weil konkrete Gelegenheits- und Tätigkeitsantizipationen fehlen! Soll nun der Unterschied zwischen beiden Prozessen kurz charakterisiert werden, dann ist er auf der Ebene des Objektes und auf der Ebene der Informationsverarbeitung zu suchen: Motivationsprozesse sind ‚realitätsorientiert‘, wohingegen Volitionsprozesse ‚realisierungsorientiert‘ sind, was die beiden Prozesse als unterschiedliche „Bewusstseinslagen“ 139 kennzeichnet. Sind bisher überwiegend Intensität, Richtung und Ausdauer einer Handlung motivationspsychologisch begutachtet worden, ist nach der eigentlichen Handlung eine Bewertungsphase zu beobachten, in der Erwartungen, Handlungspläne, vermutete Ergebnisse und Folgen, die alle in der präintentionalen Phase antizipiert wurden (! ), mit dem tatsächlichen Verlauf, d.h. der Volitionsphase verglichen und bewertet werden. Diese Bewertungsprozesse stellen eine der wichtigsten Quellen der Erfahrungsbildung dar. Auffällig ist zudem, wie sich innerhalb des Motivationsprozesses eine nicht unerhebliche (Antizipations-) Spannung beobachten lässt zwischen Realität und angestrebter bzw. erhoffter Realisierung, die an die Hoffnungsspannung erinnert. Aus der Fülle der Erkenntnisse bzgl. diesen äußerst komplexen Prozessen können hier nur problemorientiert Auszüge präsentiert werden. Neben Fragen des endgültigen Abschlusses einer Handlung oder der Notwendigkeit von Nach-Intentionen bzw. Nachhandlungsphasen, neben umfangreichen kognitiven Kausal-Attributions-Prozessen, die beispielsweise auf Erwartungswidrigkeit prüfen, aber auch auf Kontrollierbarkeit bzw. Nichtkontrollierbarkeit der Ergebnis- und Folgeursachen, spielen insbesondere ergebnisbewertende Emotionen eine Rolle. Das im folgenden vorzustellende Leistungsmotiv im Kontext der Leistungsmotivation kann geradezu als Streben nach selbstbewertenden Emotionen, die sich nach Leistungsergebnissen einstellen, definiert werden, wobei natürlich auch weitere Ergebnisfolgen darüber hinaus intendiert sein können. Festzuhalten bleibt aber der inkommensurable Selbstbezug und die Tatsache, dass alle Handlungen 139 Vgl. SPADA, Lehrbuch der Allgemeinen Psychologie, 462: „In der Motivationsphase geht es darum, Folgen des Handelns mit ihren unterschiedlichen Erreichenswahrscheinlichkeiten sorgfältig zu prüfen und gegen alternative Handlungsziele und Ausführungsmöglichkeiten abzuwägen. Informationen, die geeignet sind, Wert- und Erwartungsaspekte weiter zu klären, werden bevorzugt gesucht, aufgenommen und ausgewertet. In der Volitionsphase geht es zunächst darum, die Realisierung der Intention im Handeln planend vorzubereiten, besonders hinsichtlich des Ergreifens oder Herbeiführens von geeigneten Gelegenheiten und der Vorbereitung auf passende Ausführungsschritte. So werden denn bevorzugt Informationen gesucht, aufgenommen und verarbeitet, die sich auf die Planung der Handlung selbst sowie auf geeignete Gelegenheiten zu deren Ausführung beziehen.“ <?page no="454"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 454 mit bewertenden Emotionen begleitet sind, die beständig antizipiert werden, um nachfolgend wieder auf Konsistenz bewertet zu werden. Das oben bereits erwähnte Risikowahlmodell von HECKHAUSEN ist dabei forschungsleitend gewesen. 140 Wird nun die Leistungsmotivationsforschung im engeren Sinne betrachtet, fällt auf, dass sie fast ausnahmslos in der Tradition der schon angedeuteten Erwartungs-mal- Wert-Modelle und deren kognitiver Abkömmlinge steht, was sie für den vorliegenden Zusammenhang besonders prädestiniert und dabei auf den fundamentalen Zusammenhang von Motivation und Hoffnung bzw. ihr Gegenteil hinweist, der noch öfters begegnen wird. Es ist auch nicht zu übersehen, dass unabhängig voneinander entwickelte Theorieansätze auf diesen Modelltyp konvergieren. Danach ist leistungsmotiviertes Verhalten eine Funktion dreier Variablen: Motiv, Anreiz und Erwartung. Unter Motiv werden wie besehen Inhaltsklassen von Zielen verstanden, für den vorliegenden Fall eben das Leistungsmotiv, wobei auch andere Motive existieren - ein Machtmotiv, ein Motiv nach sozialer Anerkennung, etc. Der Anreiz der Situation bzw. des Ziels, d.h. die Attraktivität von Erfolg und Misserfolg, bildet zusammen mit dem aktivierten Motiv den Wert- Aspekt. D.h. der Valenz-Aspekt wurde in einen Person-Faktor, das Motiv, und einen Situationsfaktor, den Anreiz, getrennt. In dem berühmten Modell leistungsmotivierten Verhaltens von J.W. ATKINSON („Risiko-Wahl-Modell“) werden nun die beiden basalen motivationalen Tendenzen des Leistungsmotivs, Erfolg zu suchen (Me) und Misserfolg zumeiden (Mm), mit den Parametern der Situation multiplikativ verknüpft. Dazu gehören die Erwartung des Erfolgs (subjektive Wahrscheinlichkeit, We), die Erwartung des Misserfolgs (subjektive Wahrscheinlichkeit, Wm), der Anreiz des Erfolgs (Ae) und der Anreiz des Misserfolgs (Am). Es kann eine resultierende (aktuelle) Tendenz des Leistungsverhaltens formuliert werden, wobei ein Erfolg als umso attraktiver angesehen wird, je schwieriger die Aufgabe ist (Ae = 1-We ) und ein Misserfolg umso bedrohlicher ist, je leichter die Aufgabe ist (Am = -We). Durch die multiplikative Verknüpfung der jeweils auf Erfolg oder Misserfolg gerichteten Komponenten ergeben sich zwei Motivationstendenzen, die eine ist leistungsfördernd, die andere leistungshemmend. Die resultierende Tendenz (RT) stellt sich als Differenz aus den beiden Tendenzen dar: RT = (Me x Ae x We) - (Mm x Am x Wm) RT = Te + Tm Abbildung 11 Die Resultierende Tendenz der Leistungsmotivation Neben der aktuellen wird nun auch eine generalisierte Leistungsmotivation unterschieden, insgesamt kann aber auf der Basis der beiden zentralen Motive „Hoffnung auf Erfolg“ und „Furcht vor Misserfolg“ nun mit HECKHAUSEN auf den Zusammenhang von Motiv bzw. Motivation und Emotion in Form der beiden Basisemotionen (Aufsuchen - Meiden) verwiesen werden: „Den beiden gegengerichteten Grundtendenzen des Verhaltens entsprechen die beiden Grundformen motivierender Emotion. Dem Aufsuchen liegen Erwartungszustände positiver Gefühlstönung vom Typ der Hoffnung, dem Meiden dagegen Erwartungszustände negativer Gefühlstönung vom Typ der Furcht zugrun- 140 Vgl. HECKHAUSEN, H., Motivation und Handeln: Lehrbuch der Motivationspsychologie, Berlin (1980) 3 2006 ( 4 2011), 164ff. <?page no="455"?> 2. Sozial- und Persönlichkeitspsychologie 455 de.“ 141 Hoffnung auf Erfolg führt bei bestätigter Erwartung zu „Erfolgsgefühlen“, Zufriedenheit, Freude, Stolz, bei Nicht-Bestätigung dagegen zu Enttäuschung. Furcht vor Misserfolg führt bei bestätigter Erwartung zu „Misserfolgsgefühlen“, Unzufriedenheit, Bedrücktsein oder Beschämung, bei Nicht-Bestätigung dagegen zu Erleichterung. Auf dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen zu den Theorien zur Leistungsmotivation kann Hoffnung in einem spezifischen Sinne als „Erwartungsemotion“ bzw. als „antizipierender Affekt“ bezeichnet werden, die bzw. der die Wahl von Leistungszielen mit bestimmt. Umgekehrt kann es durch spezifische Zielvorstellungen zu einem Emotionslagenwechsel kommen. Die wichtigsten Unterschiede zwischen Erfolgs- und Misserfolgsmotivierten bzgl. Leistungszielsetzung und Zeiterleben können nun wie folgt festgehalten werden: Erfolgsmotivierte Misserfolgsmotivierte Zielsetzung - Setzen sich realistische, d.h. ausgeglichene bis mäßig hohe Ziele. - Senken nach Misserfolgen ihre Ziele mehr oder weniger ab. - Setzen sich niedrige oder extrem hohe Ziele. - Halten nach Misserfolgen an den einmal gesetzten Zielen fest. Zeiterleben - Besitzen große Spannweite der zukunftsbezogenen und der gesamten Zeitperspektive - Empfinden Zeit als eine „zielgerichtet-rasche Fortbewegung“ - Zeit hat etwas „Aufwärtsweisend- Voranführendes“ - Besitzen geringe bzw. geringe oder große Spannweite der zukunftsbezogenen und der gesamten Zeitperspektive - Empfinden Zeit als einen „ziellosunablässigen Bewegungsfluss“ - Zeit hat nichts „Aufwärtsweisend- Voranführendes“ Abbildung 12 Erfolgsmotivierte vs. Misserfolgsmotivierte Was die Zielsetzung betrifft, das sei an dieser Stelle festgehalten, kann für Erfolgsmotivierte, solche mit hoher Hoffnungskomponente, eine „Erwartungsflexibilität“ beobachtet werden, das heißt eine Fähigkeit zur flexiblen Anpassung der eigenen Leistungserwartungen an die jeweilige Situation, wohingegen Misserfolgsmotivierte sich durch starre, unbewegliche Erwartungsmuster auszeichnen und dadurch geringere Adaptationsmöglichkeiten aufweisen, was die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Zielerreichung deutlich verringert, gehört es doch zu den entscheidenden Aufgaben der Motivation und damit auch der motivationspsychologischen Theoriebildung, die Person-Situation-Interaktion zu moderieren und entsprechend der Zielerreichung zu utilisieren. Diese Theorie der 141 Vgl. HECKHAUSEN, H., Hoffnung und Furcht in der Leistungsmotivation, Meisenheim am Glan 1963, 11. <?page no="456"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 456 Leistungsmotivation, nach der Hoffnung auf Erfolg im Gegensatz zur Furcht vor Misserfolg die Leistung steigert, hat in Bezug auf ihren Geltungsbereich entsprechend neueren Untersuchungen eher bei Leistungen mit begrenzter Zeitperspektive Gültigkeit, dagegen werden langfristige Leistungen oder Leistungen, deren Erfolgsziele hinausgeschoben werden, durch sogenannte Kontrollmotive (vgl. unten: Einstellungen, Attributionen, wie z.B. locus of control, self-efficacy) variiert. Die erwähnten zeitlichen Vorausbezogenheiten haben mithin neben einem emotionalen auch ein kognitives Element, dessen Bedeutung schon allein daran abgelesen werden kann, dass Kognitionen aus sich selbst heraus schon eine Fülle von motiviertem und zielgerichtetem Verhalten in Gang setzen können. Dabei zeigt sich, dass Kognitionen mit aktiven Konstruktionsprozessen einher gehen, dahingehend - und das ist insbesondere für die vorliegende Thematik von Interesse -, dass damit subjektive Bedeutungen verliehen werden unter Bezug auf Handlungsziele (Motivziele) des betreffenden Menschen, womit auch unter kognitiver Perspektive die hervorgehobene Stellung der Verknüpfung von Erwartungen und Wertbzw. Bedeutungsaspekten mit der Motivation unter Beweis gestellt wurde, auch wenn der Forschungsschwerpunkt von der Verhaltenswirksamkeit von Motivdispositionen auf kognitive Vermittlungsprozesse verlagert wurde. Mit anderen Worten: Wer menschliche Motivation verstehen will, muss sich mit Erwartungen im weitesten Sinne und entsprechenden Bewertungen bzw. Bedeutungen beschäftigen, die sich auf verschiedene Variablenklassen beziehen können und dabei in vielfacher Hinsicht als hoffnungsoffen gelten können bzw. als von sublimeren und abstrakteren Anreizsystemen bestimmbar. Damit nun eine situative Gegebenheit als „Anreiz“ erlebt wird, auf deren Erreichung sich dann die Hoffnungs- und Furchttendenzen beziehen, müssen Voraussetzungen aufseiten der Person erfüllt sein. Die Verknüpfung von Erwartung und Wert führt nämlich zu einem emotionalen Effekt, der als Affekt der Lust oder Unlust das Verhalten ausrichtet, wobei hier nicht hedonistisch gedacht werden darf, weit eher an die ganze Bandbreite dessen, was Glück bedeuten kann. Entscheidend ist, dass der subjektiv erlebte Handlungsanreiz von einem erwarteten bzw. erhofften Affektwechsel zentral bestimmt wird. „Die Antizipation eines solchen Affektwechsels stellt den eigentlichen Kern eines Anreizmechanismus dar und kann durch Erwartungsemotionen vom Typ der Hoffnung und vom Typ der Furcht abgebildet werden.“ 142 Darüber hinaus kann es zu einer Sublimierung situativer Anreize kommen, denn es gibt eben auch den Anreiz der Moral oder anderweitig abstraktere Anreizsysteme. Der Vollständigkeit halber sei noch ein allgemeines Motivationsmodell von HEINZ HECKHAUSEN 143 vorgestellt, das erneut die überragende Bedeutung des Erwartungskonzepts unter Berücksichtigung der Kognitionen zum Ausdruck bringt und in seiner Differenziertheit die tiefe Verzahnung von Hoffnung als Erwartung mit Motivation vor Augen führt, aber auch in seiner Basalität auf strukturelle Vorgaben des Hoffnungsvollzugs verweist. Das Modell berücksichtigt vier Variablen, die dann drei verschiedene Erwartungsformen bestimmen: Situation, Handlung, Ergebnis und Folgen, wobei unter kognitionspsychologischer Perspektive unter einer Erwartung eine kognitive Verknüpfung (Kontingenz) von eigenem Tun mit unmittelbaren oder weiterreichenden Konsequenzen zu verstehen ist und nicht alltagssprachlich aufzufassen ist. 142 Vgl. SCHNEIDER, K / SCHMALT, H.-D., Motivation, Stuttgart 3 2000, 21. 143 Vgl. bereits früh HECKHAUSEN, H., Achievement motivation and its constructs. A cognitive model. Motivation and Emotion 1 (1977), 283-329 und HECKHAUSEN, Motivation und Handeln, 105ff. <?page no="457"?> 2. Sozial- und Persönlichkeitspsychologie 457 Abbildung 13 Erwartungstypen des Handlungsprozesses (nach H. HECKHAUSEN 1977, 2006) Diese Erwartungsformen sollen an dieser Stelle vorgestellt und als Zeichen für den fundamentalen Zukunftsbezug jeglicher Handlung erläutert werden. Die umfangreichen Implikationen und nachfolgenden Forschungen (lerntheoretisch, kognitiv, physiologisch, etc.), die sich daran angeschlossen haben, können aber im Rahmen dieser Arbeit nicht erörtert werden: (1) Situations-Ergebnis-Erwartung: Situations-Ergebnis-Erwartungen stellen den Niederschlag von Lernerfahrungen auf der Basis klassischen Konditionierens dar, wonach Organismen lernen, dass bestimmte situative Gegebenheiten das Eintreffen anderer Ereignisse ankündigen, ohne dass für das Eintreffen dieses Ereignisses eigenes Handeln notwendig wäre. Mit anderen Worten sind auch im Tierreich solche basalen automatisierten „Erwartungsformen“ anzutreffen, die ohne aktives (Selbst-) Bewusstsein auszukommen scheinen. (2) Handlungs-Ergebnis-Erwartung: Die Handlungs-Ergebnis-Erwartung ist von herausgehobener Bedeutung für motivationale Zusammenhänge, da sie eine Art Wenn-Dann-Relation beschreibt. Diese Erwartungsform liegt den klassischen Erwartungs-Wert-Modellen der Motivation zugrunde, wie sie oben ansatzweise beschrieben wurden. Es finden sich ein Reihe Beziehungen dieser Erwartungsform v.a. zu Leistungsvariablen, die jedoch komplex sind und von einer ganzen Reihe von Person- und Situationsvariablen moderiert werden. (3) Ergebnis-Folge-Erwartungen: Ergebnis-Folge-Erwartungen können in zwei Formen differenziert werden, einmal die sogenannten Instrumentalitäten und zum anderen die sogenannten Effizienz- Erwartungen. Instrumentalitäten bezeichnen Erwartungen, die Handlungsergebnisse mit zeitlich weiterreichenden Handlungsfolgen in Verbindung bringen, was beispielsweise auf dem Gebiet der Aggressionsforschung zu der Unterscheidung von feindseliger und instrumenteller Aggression führte, erstere intendiert die Schädigung als Handlungsziel, letztere benutzt die Schädigung instrumentell zur Erlangung anderer Folgen (Status, Geld, etc.). Effizienz-Erwartungen dagegen beziehen sich auf die Überzeugung, wieweit (1) Situations - Ergebnis - Erwartung SITUATION HANDLUNG ERGEBNIS FOLGEN x PERSON (2) Handlgs-Ergebnis-Erwart. (3) Ergebnis-Folge-Erwart. <?page no="458"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 458 man überhaupt willens und in der Lage ist, eine Handlung auszuführen, mit der allein das anvisierte Ereignis erreicht werden kann. Die Effizienz-Erwartung ist als Variable konzipiert, die insbesondere die Aufnahme (Initiation) und die Dauer von Verhalten beeinflusst und sich dabei sowohl auf die Erwartung bezieht, eine Intention zu bilden, als auch darauf, sie zu realisieren, sodass nicht allein, aber besonders das realisierungsorientierte Motivationsgeschehen durch sie beeinflusst wird (vgl. self efficacy). Für HEINZ HECKHAUSEN gibt es nun an dieser Stelle keinen Widerstreit zweier Motivationskomponenten, sondern nur unterschiedliche Arten der Ausprägung der einen Motivation, einmal Annäherung (Hoffnung als Basis) und einmal Vermeidung (Furcht als Basis) als zwei Bewegungen, die ein Resultat ergeben. Grundsätzlich gilt aber, dass Motivation aufgrund von Handlungszielen 144 immer auch erwartungsgesteuert ist. Alle drei Erwartungsformen, die sich aus diesem Modell ergeben, stellen nun subjektive erlebnismäßige Repräsentationen objektiver Wahrscheinlichkeiten dar. Diese Differenzierung ist wichtig, inwieweit jedoch eine Übereinstimmung zwischen objektiver Wahrscheinlichkeit und subjektiver Repräsentation besteht oder gar notwendig ist, ist experimentell schwer zugänglich und umstritten. Abschließend kann nun mit K. SOKOLOWSKI die kaum zu unterschätzende Bedeutung des Erwartungskonzepts und damit der Hoffnungskategorie im weitesten Sinne, oder anders gesagt in einem grundlegend basalen Sinne, für menschliche Motivation und Intentionalität zusammengefasst werden: „Erwartungen wurden als die zentralen auf die Motivation Einfluss nehmenden Variablen angesehen, die Zielauswahl und -bildung wie auch den Handlungsverlauf bestimmen [...]. Eine ganze Reihe empirischer Studien konnte dies auch bestätigen.“ 145 Es bleibt noch darauf hinzuweisen, dass das, was sowohl eine naive Alltagspsychologie als auch eine begrifflich präzise Philosophie der Motivation als bewusst reflektierte Ziele und Zwecke des Handelns bezeichnet, unter der Perspektive der hier vorgestellten motivationspsychologischen Konzeptionen auf sogenannte „Beweg-Gründe“ zurückgeführt werden, die ihren Ursprung ihrerseits in Gefühlen, Sinneserfahrungen, Neigungen usw. haben sollen. Auffällig ist darüber hinaus, dass die klassische Energetisierungsfrage, der im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein besonderes Interesse entgegen gebracht wird, innerhalb der aktuell inzwischen stark kognitiv geprägten Motivationspsychologie aus dem Kanon der Grundfragen regelrecht verabschiedet scheint und höchstens über neurophysiologische Forschungen bzgl. möglicher Aktivationszentren des Nervensystems wiederbelebt wird. Diese Frage nach der fundamentalen Energetisierung menschlichen Verhaltens wird entweder auf „echte“ Bedürfnisse zurückgeführt oder bleibt seltsam unbeantwortet. Darüber hinaus wird im Rahmen einer Metaperspektive auf das Verhalten einer Person dieses als Funktion seiner Gesamtsituation betrachtet, als Ergebnis seines subjektiven „Lebensraumes“. Aus moraltheologischem Blickwinkel und unter Beachtung der vorliegenden Thematik sind diese Erkenntnisse in hohem Maße anknüpfungsfähig, zeigen sie doch, dass an vielen Stellen humaner Handlungskonstitution - hier unter motivationspsychologischer Perspektive betrachtet - Äquivalente der Hoffnung anzutreffen sind, letztlich „offene Türen“ für eine Transformation in Richtung des Humanums der Hoffnung selbst durch sublime und abstraktere Anreizwerte und ein ausgeweitetes Verständnis dessen, was Erwartungen alles umfassen können. Bislang aber kann festgehalten werden: Hoffnung vermittelt (subjektive) Erfolgsmotivation und (objektiv) effektive Leistungswahl - 144 Vgl. HECKHAUSEN, Motivation und Handeln, 205ff. 145 Vgl. SOKOLOWSKI, K., Emotion und Volition. Eine motivationspsychologische Standortbestimmung (Motivationsforschung Band 14), Göttingen et al. 1993, 20. <?page no="459"?> 2. Sozial- und Persönlichkeitspsychologie 459 gemessen an den ihr eigenen Anreizwerten. Denn die Frage bleibt: Was ist Erfolg? Die Dominanz des Leistungsmotivs in der Motivationspsychologie 146 ist zu überwinden, die enge Bindung an Leistungs-Motivation ist zu erweitern, wiewohl es das am besten untersuchte Paradigma darstellt 147 b) Psychologie des Zukunftsdenkens Es gibt nur einige wenige Theorien innerhalb der empirischen Psychologie, die den Zukunftsbezug des Menschen systematisch zum Thema haben. Der Ansatz einer „Psychologie des Zukunftsdenkens“ von GABRIELE OETTINGEN gehört zweifelsohne dazu. Sie unterscheidet Erwartungen mit klarer Zielbindung und klarem Realitätsbezug von bloßen Phantasien. Zudem sieht sie sich genötigt, den Primat des Optimismus mit dem Primat des Realismus abzuwägen dahingehend, dass eine Verbindung beider vonnöten ist. Aufschlussreich ist ferner die empirisch tragfähige Unterscheidung von konsumtivem und realisierendem Handeln. 148 Schlichte Zukunftsphantasien nehmen demnach tendenziell den Konsum des Anreizobjekts schon vorweg und demotivieren dadurch problemlösendes Handeln, während letzteres notwendig auf counterfactual thoughts beruht. 149 „Schwelgen in positiven Zukunftsphantasien kann nämlich dysfunktional für die Handlungssteuerung werden und eine erfolgreiche Problembewältigung behindern, wenn die Phantasien gewissermaßen eine Ersatzfunktion für das tatsächliche Handeln gewinnen und Handlungsintentionen vorwegnehmend desaktivieren. Andererseits zeigen die Experimente, dass positive Zukunftsphantasien auch erfolgsfördernde Wirkung haben können, nämlich dann, wenn sie mit hohen Erfolgserwartungen einhergehen und mit einer Vergegenwärtigung negativer Realitäten kontrastiert werden.“ 150 Hier zeigt sich eine weitere Bestätigung für die Bedeutung der „mentalen Kontrastierung“ einer positiven Zukunft gegenüber einer negativen Realität, was vergleichsweise exakt Vorformen der Spannungsstruktur der Hoffnung entsprechen könnte. Dadurch nämlich werden Erwartungen aktiviert, die dann zu einer Zielbindung führen. Denn es kann für den vorliegenden Kontext aufschlussreich gelten: „Positive Erwartungen sind verbunden mit Wohlbefinden und sagen hohe Anstrengungen und Leistung vorher. Positive Phantasien gehen dagegen mit niedriger Motivation, Anstrengung und Leistung einher. Die mentale Kontrastierung von positiven Phantasien mit gegenwärtigen Hindernissen hilft dabei, zwischen machbaren und nicht machbaren Vorhaben zu unterscheiden, und führt bei hohen Erfolgserwartungen zu einer starken Zielbindung.“ 151 Übertragen auf den klinischen Bereich konnte entlang der hier erläuterten Grundlagen gezeigt werden, dass spezifisch positiv gepolte zukunftsbezogene Kognitionen Lebensqualitätsindices (QoL - Qua- 146 Vgl. auch ELBE-SEIFFERT, T., Gewissheit und Motivation. Eine theologische Auseinandersetzung mit der Motivationspsychologie, Stuttgart 2008, 324ff. 147 Vgl. HOLODYNSKI, M., Entwicklung der Leistungsmotivation, in: Hasselhorn, M. / Schneider, W. (Hrsg.), Handbuch der Entwicklungspsychologie, Göttingen et al. 2007, 299-311 . 148 Vgl. OETTINGEN, G., Psychologie des Zukunftsdenkens. Erwartungen und Phantasien, Göttingen 1997, 238. 149 Scholastische Begrifflichkeit spricht strukturell analog von einer Vorwegnahme des Wissens. 150 Vgl. JULIUS KUHL im Vorwort von OETTINGEN, G., Psychologie des Zukunftsdenkens. Erwartungen und Phantasien, Göttingen 1997, Vi. 151 Vgl. GAWRILOW, C. / SEVINCER, A.T. / OETTINGEN, G., Psychologie des Zukunftsdenkens, in: BRANDSTÄTTER, V. / OTTO, J. H. (Hrsg.), Handbuch der Allgemeinen Psychologie - Motivation und Emotion, Göttingen et al. 2009, 182-188, hier 187. <?page no="460"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 460 lity of Life) prädizieren konnten bzw. spezifisch negativ gepolte zukunftsbezogene Kognitionen depressive Symptomatiken. 152 c) Selbstwirksamkeit - Antizipation subjektiver Wirkmöglichkeiten Die im Rahmen der sozialen Lerntheorien verhandelte sogenannte „Selbstwirksamkeit“ (self-efficacy), insbesondere mit dem Namen ALBERT BANDURA 153 verbunden, stellt die Beurteilung der Möglichkeiten eigenen Wirkens und Bewirkens durch den Handelnden bzw. Lernenden in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Definitorisch ist damit die „persönliche Einschätzung eigener Erfolg versprechender Handlungsmöglichkeiten“ 154 gemeint, die Erfahrungen und Überzeugungen zur Grundlage hat, aber recht eigentlich eine selbstbezogene Erwartung und Hoffnung bezeichnet. Unterschieden werden allgemeine und spezifische Selbstwirksamkeitserwartungen, die - vielfach empirisch bestätigt - als Indikator konstruktiver Lebensbewältigung erwiesen sind, indem sie mit Aktivität, Stressbewältigung, höheren Leistungen, Zufriedenheit und Optimismus verknüpft sind. Zudem begünstigen höhere Ausprägungen die Umsetzung von sachbezogenem und ausdauerndem Verhalten. Auch im Rahmen dieses Konzepts werden Überzeugungen und Erwartungen nicht getrennt bzw. die Erwartungsanteile innerhalb von Einstellungen und Überzeugungen nicht freigelegt, was für ein Ineinander von Gegenwart und Zukunft innerhalb der Theorie selbst spricht. Mit diesem in praktisch allen Bereichen der Psychologie wirkmächtig angekommenen Konzept der Selbstwirksamkeit, das im Kern die Annahme und die Erwartung enthält, „schwierige Anforderungen aus eigener Kraft meistern zu können“ 155 , wird im Rahmen der vorliegenden Fragestellung eine Form der Antizipation subjektiver Wirkmöglichkeiten bezeichnet, die von erheblicher Bedeutung für die Handlungsfähigkeit des Einzelnen ist. Selbstwirksames Verhalten hat nun eine Reihe wichtiger Voraussetzungen und Einflussgrößen und trennt systematisch zwischen den Ergebniserwartungen („Tritt das erwartete Handlungsergebnis ein? “) und den Wirksamkeitserwartung („Kann ich das Ergebnis bewirken? “) im Bezug auf die Handlungsfolgen. Die Erwartung, ob das erwartete Ziel eintritt ist strikt resultatorientiert. Die Frage nach dem eigenen Beitrag dazu ist dagegen kompetenzorientiert, was psychologisch letztlich entscheidend ist, denn damit wird die Quelle kompetenter Selbstregulation benannt. Das bedeutet, dass auf der Basis solcher Erwartungen im Sinne eines handlungsrelevanten Zukunftsverhältnisses eine Selbstzuschreibung von Wirk- und damit Handlungsmöglichkeiten erfolgt, die dann unterschiedliche Grade an Lernfähigkeit und (subjektiver) Handlungsfähigkeit zur Folge hat. Diese Erkenntnis hat unmittelbare Bedeutung für die vorliegende Arbeit, indem sie nachdrücklich die Frage unterstreicht: „Kann ich (dauerhaft) erwarten, dass ich es bin, der ein Handlungs-Ergebnis erreicht, oder muss ich 152 Vgl. MOORE, M. / HÖFER, S. / Mc GEE, H. / RING, L., Can the concepts of depression and quality of life be integrated using a time perspective? , in: Health and quality of life outcomes 2005, 3 (1), 1-10. 153 Vgl. als Basisliteratur: BANDURA, A. Self-efficacy: toward a unifying theory of behavioral change; Psychological Review 84 / 1977, 191-215. Ders., Die sozialkognitive Lerntheorie, Stuttgart 1979. 154 Vgl. JERUSALEM, M., Selbstwirksamkeit, in: WEBER, H. / RAMMSYER, T. (Hrsg.), Handbuch der Persönlichkeitspsychologie und Differentiellen Psychologie, Göttingen 2005, 438-445, hier 438. 155 Vgl. JERUSALEM, Selbstwirksamkeit, 444. <?page no="461"?> 2. Sozial- und Persönlichkeitspsychologie 461 annehmen (und damit auch von der Zukunft erwarten), dass sie anderweitig zustande kommen? “ Damit dürfte eine der zentralsten Voraussetzungen humaner Handlungsfähigkeit benannt sein, und dies auf der Basis spezifischer Erwartungen, die vollständig hoffnungsoffen sind, mithin von einem transzendentalen Hoffnungsbegriff aufgenommen und überformt werden können, etwa wenn ein alle Eigenmächtigkeit noch einmal ermöglichender Grund angenommen wird, oder wenn an eine theonome Bestimmung des Willens gedacht wird, ohne freilich die Selbstwirksamkeit dadurch schon aufzuheben. Mit anderen Worten: Hoffnung vermittelt realitätsgerechte Annahmen und Erwartungen bzgl. eigener Handlungswirksamkeit und ermöglicht dadurch Handlungsfähigkeit und Wirkzuversicht - gemessen an einem zu konkretisierenden Kriterium von Handlungserfolg. d) Kontrolle und Kontrollüberzeugungen - Generalisierte Erwartungen bzgl. dem Ort der Verstärkerkontrolle Die sogenannten „Kontrollüberzeugungen“ (locus of control) stellen Überzeugungen und Annahmen über den Ursprung, insbesondere die handlungsrelevante Lokalisierung, von sogenannten Verstärkern dar, die bei Vorhandensein die Auftretenswahrscheinlichkeit von Verhaltensweisen erhöhen („Belohnung“) bzw. bei Abwesenheit verringern („Bestrafung“). Die diesbezüglichen Forschungen sind besonders mit dem Namen J.B. ROT- TER 156 verbunden. Obige Annahmen werden schließlich generalisiert und bilden dann Erwartungen über den angenommenen Ort. Wird Verhalten (subjektiv) als abhängig vom eigenen Verhalten betrachtet, wird eine „internale“ Verstärkerkontrolle angenommen. Geht dagegen der Handelnde davon aus, dass die Verstärkung durch ein äußeres Ereignis zustande kommt, auf das er keinen Einfluss hat, wird von einer „externalen“ Kontrolle ausgegangen. Neben der Dimension (1) external versus internal sind die Dimensionen (2) global versus spezifisch und (3) variabel versus stabil ausgewiesen, sodass jeweils dreidimensionale Beschreibungs-Muster entstehen. Diese generalisierten Erwartungen bzgl. dem Ort der Verstärkerkontrolle spielen für die Entstehung und Aufrechterhaltung von seelischen Krankheiten aber auch der Aufrechterhaltung seelischer Gesundheit eine große Rolle, zeigen sie doch erneut, dass Erwartungen einen spezifischen Korridor der Handlungsfähigkeit ausweisen, der dann von Person und Situation abhängig graduell verschieden wahrgenommen und ausgefüllt werden kann. Im Grunde stellen sowohl die Theorien der Selbstwirksamkeit, als auch die Theorien um die Kontrollüberzeugungen eine Form der eigenständigen (kognitiven) Motivationskontrolle bzw. Motivationsprüfung bzgl. der Handlungsvorbereitung und Handlungsausführung auf der Basis von Erwartungen dar, was sie für den vorliegenden Kontext bedeutsam machen. Mit anderen Worten: Hoffnung vermittelt Verstärker- und Handlungs-Kontrolle, nicht im Sinne einer Beherrschung des Lebens oder Handelns, das käme einer Allmachtsphantasie gleich, sondern im Sinne einer grundsätzlichen Verortung im eigenen Willen. Dahinter steht die Annahme, Erwartung und Hoffnung, dass mein Erleben und Verhalten meinem Willen mindestens partiell zugänglich ist. Damit dürfte eine der zentralen natu- 156 Vgl. als Basisliteratur ROTTER, J.B., Generalized expectancies for internal versus external control of reinforcement, Psychological Monographs 80 (1, Whole No. 609), 1966. ROTTER, J.B. / HOCHREICH, D.J., Persönlichkeit. Theorien, Messung, Forschung, Berlin 1979. ROT- TER, J.B., Social learning and clinical psychology, New York 1973. ROTTER, J.B. / CHANCE, J.E. / PHARES, E.J., Applications of a social learning theory of personality, New York 1972. <?page no="462"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 462 ralen Voraussetzungen personaler Verantwortung benannt sein, womit jede Form der Verantwortungslokalisation mit Erwartungen verbunden ist. e) Einstellungen - Psychische Heuristiken zur Organisation und Orientierung von Bewertungen und Erwartungen Das Konstrukt der „Einstellung“ (mental set, attitude) 157 , das in der Sozialpsychologie große Forschungsanstrengungen nach sich gezogen hat, gilt als Verhaltensprädiktor und steuert die Informationsverarbeitung des Subjekts. Allgemein kann sie als psychologische Tendenz bezeichnet werden, die in einer überdauernden (positiven oder negativen) Bewertung gegenüber einem Einstellungsobjekt (Person, Gegenstand, Gruppe, etc.) zum Ausdruck kommt. Sie zeigen sich in kognitiven, affektiven und behavioralen Reaktionen, steuern die Wahrnehmung, die demnach aufschlussreich als einstellungsbasiert gelten kann, und die Bewertung von Informationen, wobei ihnen dabei v.a. motivationale Funktionen zukommen. Einstellungen haben deutliche Erwartungs- und Bewertungsanteile, die für die Konsistenz von Einstellung und Verhalten (Selbstkonsistenz) von erheblicher Bedeutung sind 158 . Beispielsweise können Dissonanzen oder regelrechte Widersprüche zwischen verschiedenen Erwartungen einer oder mehrerer Einstellungen entstehen, was zu Handlungsinkonsistenzen führen kann. Insgesamt stellen Einstellungen fundamentale psychische Heuristiken zur Organisation und Orientierung von Bewertungen und Erwartungen dar, was sie für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit interessant erscheinen lässt, wobei besonders der komplexe Zusammenhang von Einstellung und Verhalten, aber auch die Möglichkeiten der Einstellungsänderung von besonderem Interesse sind. Insbesondere der Erwartungsanteil lässt sie für eine Hoffnungsbestimmung offen sein, wiederum in zwei Richtungen: Hoffnung vermag sich in einem kohärenten Einstellungsset und einer konsistenten Einstellungs-Verhaltens-Achse auszudrücken, genauso wie diese psychischen Strukturen über ihre Erwartungsanteile Hoffnung zu eröffnen vermögen. Mit anderen Worten: Hoffnung zeigt sich in Einstellungsänderungen und erhöhter Einstellungs-Verhaltenskonsistenz, was erneut als eine wichtige (formale) Voraussetzung der Authentizität gelten kann. Das psychologische Konstrukt der Einstellung zeigt auch, wie basal Hoffnungsbzw. Erwartungsstrukturen 157 Vgl. als Basisliteratur STAHLBERG, D. / FREY, D., Einstellung: Struktur, Messung und Funktion, in: STROEBE, W. / HEWSTONE, M. / STEPHENSON, G.M. (Hrsg.), Sozialpsychologie. Eine Einführung, Berlin / Heidelberg / New York 3 1996, 219-252. STROEBE, W. / JONAS, K., Grundsätze des Einstellungserwerbs und Strategien der Einstellungsänderung, in: STROEBE, W. / HEWSTONE, M. / STEPHENSON, G.M. (Hrsg.), Sozialpsychologie. Eine Einführung, Berlin / Heidelberg / New York 3 1996, 253-289. MARKARD, M., Einstellung. Kritik eines sozialpsychologischen Grundkonzepts, Frankfurt am Main 1984. DOLDINGER, W.-D., Einstellung und Verhalten. Eine empirische Untersuchung über die Brauchbarkeit des Triadischen Einstellungs- und Verhaltensmodells mit Hilfe der Clusteranalyse, Hagen Diss. 1982. SCHIEFELE, U., Einstellung, Selbstkonsistenz und Verhalten, Göttingen 1990. MUMMENDEY, H.D. (Hrsg.), Einstellung und Verhalten. Psychologische Untersuchungen in natürlicher Umgebung, Bern / Stuttgart / Wien 1979. 158 Vgl. DORSCH, F. / Häcker, H. / Stapf, K. H. (Hrsg.), Dorsch Psychologisches Wörterbuch, Bern / Göttingen / Toronto 12 1994, 185. „Einstellung ist die seelische Haltung gegenüber einer Person, einer Idee oder Sache, verbunden mit einer Wertung oder einer Erwartung.“ Ihr Einfluss kann so stark sein, dass zur Aufrechterhaltung von bestimmten Einstellungen systematisch nur noch einstellungskonforme Informationen aufgenommen werden, mit anderen Worten, Wahrnehmungen werden verzerrt und Erinnerungen werden transformiert. <?page no="463"?> 2. Sozial- und Persönlichkeitspsychologie 463 in den Aufbau unserer leib-seelischen Konstitution eingezeichnet sind. Aus Erfahrungen mit der Welt werden Erwartungen über die Welt abgeleitet, positiv, wo diese positiv, negativ, wo diese negativ erlebt wurden, und in entsprechende Einstellungen abgelegt, die dann sehr basale (aber korrekturfähige) Erwartungen an das Leben und die Welt richten. Auch hier, wie so oft, scheinen diese Theorien vielfach nicht zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft konzeptionell zu unterscheiden. f) Selbstkonzept und Selbstwert - Selbsttheorien und deren inhärente Erfahrungs- und Erwartungsannahmen Theorien im Umfeld der Selbstkonzept-Forschung 159 enthalten eine Vielzahl (begrifflich) höchst disparater Modellvorstellungen, die insbesondere im Bereich der Persönlichkeitspsychologie verhandelt werden. Die überwiegende Mehrzahl der Einzelarbeiten auf diesem Feld gilt der Analyse der Selbstwert-Theorien 160 , die auch für die vorliegende Arbeit von Interesse sind. Das Selbstkonzept kann nun zunächst als „Wissenssystem, welches das Gesamt des Wissens über die eigne Person einschließt“ 161 , begriffen werden. Dazu gehören auch das Ideal-Selbst, das mit einer Fülle von Erwartungen und Hoffnungen verknüpft ist, auch der Selbstwert, als „habituelle selbstbezogene Haltung“ 162 . Damit verbinden sich dann Erwartungen, Bewertungen und Hoffnungen. Für praktisch alle Selbsttheorien, die quasi als Einstellungen zur eigenen Person aufzufassen sind, lassen sich nun inhärente Erfahrungs- und Erwartungsannahmen ausmachen, etwa das schon erwähnte Ideal-Selbst, verstanden als Summe der erwünschten, intendierten und damit erwarteten Selbst-Inhalte (Selbst- und Fremdkognitionen, Erfahrungen). Insofern können solche Theorien als Entwicklungsprinzipien gedeutet werden, die kognitive, affektive, evaluative und prospektive Anteile besitzen und daher mittelbar und unmittelbar mit der Hoffnungskategorie verknüpft werden können. Schließlich ist dem Selbstkonzept fraglos ein Erfahrungsanteil eigen, der mit unserer empirischen Situation in der Welt zu tun hat, und zugleich werden diese Bedingungen auch schnell transzendiert und Vorstellungen über unsere Bestimmung Teil unseres Selbstkonzepts, das dann Gegenstand von Hoffnung ist. Unter Beachtung der an diesen Erklärungen geübten Kritik ist die Bedeutung für das Hoffnungs-Thema offensichtlich: Menschliche Selbstkonzept-Annahmen und Selbstwert-Annahmen sind immer auch Gegenstand von Erwartungen und (reflexiv von) Hoffnungen. Sie schaffen damit als Gegentand von Hoffnung (subjektive) Wirklichkeit und sind (objektiv) wirksam. 159 Vgl. als Basisliteratur EBERHARDT, D., Selbstkonzept als Normproblem - Theorie und Kleingruppen-Experimente zur Perspektivität und ethischen Handlungsorientierung, Göttingen Diss. 1986. FILIPP, S.-H. (Hrsg.), Selbstkonzept-Forschung. Probleme, Befunde, Perspektiven, Stuttgart 1979. 160 Vgl. POTRECK-ROSE, F. / JACOB, G., Selbstzuwendung, Selbstakzeptanz, Selbstvertrauen. Psychotherapeutische Interventionen zum Aufbau von Selbstwertgefühl, Stuttgart 2004. SATIR, V., Selbstwert und Kommunikation. Familientherapie für Berater und zur Selbsthilfe, München 11 1993. 161 Vgl. FILIPP, S.-H. / MAYER, A.-K., Selbst und Selbstkonzept, in: WEBER, H. / RAMMSYER, T. (Hrsg.), Handbuch der Persönlichkeitspsychologie und Differentiellen Psychologie, Göttingen 2005, 266-276, hier 270. 162 Vgl. SCHÜTZ, A. / SCHRÖDER, M., Selbstwertschätzung, in: WEBER, H. / RAMMSYER, T. (Hrsg.), Handbuch der Persönlichkeitspsychologie und Differentiellen Psychologie, Göttingen 2005, 423-430, hier 423. <?page no="464"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 464 g) Placebo und self-fulfilling-prophecy - Erwartungen schaffen Wirklichkeit Schließlich gilt es, die Theorien mitsamt den einschlägigen empirischen Erkenntnissen zur sogenannten „self-fulfilling prophecy“ 163 und zum „Placebo-Effekt“ 164 zu erwähnen. Selbsterfüllende Prophezeiungen, ebenso wie der Placebo-Effekt oder der Pygmalion- Effekt, deuten darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Verhaltens zunimmt, wenn ein diesbezügliches Ereignis bzw. das Verhalten selbst erwartet wird, was oft mit einer Integration in das Selbstkonzept erklärt wurde. Zunächst zur Definition der sich selbst erfüllenden Prophezeiungen: „Die Antizipationen des Akteurs bezüglich der Zielperson verändern das Verhalten der Zielperson in einer Weise, die von Außenstehenden als Bestätigung der Antizipationen des Akteurs gedeutet würden.“ 165 Es gehört nun zu den noch zu wenig gewürdigten Aufgaben der (theologischen und philosophischen) Ethik, aus der Fülle an empirischen Einsichten moderner psychosomatischer Medizin und psychologischer Grundlagenforschung zum Placeboeffekt 166 systematische Schlüsse für praktische Philosophie und Moraltheologie zu ziehen. Insbesondere die Reflexion auf die Körper-Geist-Interaktion dürfte dadurch starke Impulse gewinnen können. Der Placeboeffekt kann schließlich inzwischen als empirisch gut bestätigter, ubiquitärer Mechanismus gelten, den es in positiver Form (Placebo) und in negativer Form (Nocebo) zu beobachten gibt und der auf die Wirkung von Erwartungshaltungen rekurriert, aber in seinen (neuro-) physiologischen Grundlagen noch nicht aufgeklärt ist. 167 Er ist von Persönlichkeitsvariablen (Introversion - Extraversion) und psychosozialen Kontextvariabeln abhängig. Zudem kursieren eine Fülle von heterogenen Erklärungsversuchen, die von attributionstheoretischen, über persönlichkeitspsychologischen 163 Vgl. JONES, R.A., Self-fulfilling prophecies. Social, psychological, and physiological effects of expectancies, Hillsdale 1977. 164 Vgl. FRANK, J.D., Expectation and Therapeutic Outcome - The Placebo Effect and the Role Induction Interview, in: FRANK, J. / HOEHN-SARIC, R. / IMBER, S.D. / LIBERMAN, B.L. / STONE, A., Effective Ingredients of Successful Psychotherapy, New York 1978, 1-34. DIETER- LE, W.E., Psychophysiologische Untersuchungen zum Placeboeffekt, Frankfurt am Main / Berlin / Bern 2004. KIENLE, G.S., Der sogenannte Placebo-Effekt. Illusion, Fakten, Realität, Stuttgart 1995. HARRINGTON, A., The placebo effect. An interdisciplinary exploration, Harvard 1999. SHAPIRO, A.K. / SHAPIRO, E., The powerful placebo: from ancient priest to modern physician, Baltimore 1997. 165 Vgl. BECKER, P., Seelische Gesundheit und Verhaltenskontrolle. Eine integrative Persönlichkeitstheorie und ihre klinische Anwendung, Göttingen et.al. 1995, 382 nach DARLEY, J.M. / FAZIO, R.H., Expectancy confirmation processes arising in the social interaction sequence, in: American Psychologist 35 (1980), 867-881. 166 Vgl. in Auswahl CHUNG, S.K. et al., Revelation of a Personal Placebo, in: Pain 132 (2007) 3, 281-288. PACHECO-LOPEZ, G. et al., Expectations and Associations that Heal: Immunomodulatory Placebo Effects and Its Neurobiology, in: Brain, Behavior, and Immunity 20 (2006), 430-446. WABER, R.L. et al., Commercial Features of Placebo and Therapeutic Efficacy, in: Journal of the American Medical Association 299 (2008) 9, 1016-1017. BRODY, H., "The lie that heals: The ethics of giving placebos”, in: Annals of Internal Medicine (Philadelphia, PA), 97 (1982),112-118. BROWN, W.A., Placebo as a treatment for depression, in: Neuropsychopharmacology (New York), 10 (1994) 4, 265-269, 271-278. 167 Vgl. aufschlussreich zur langen Geschichte des Placeboeffekts, die bei PLATON (CHARMIDES 155-156) bereits begann, SHAPIRO, A.K., The placebo effect in the history of medical treatment: Implications for psychiatry, in: American Journal of Psychiatry (Baltimore, MD), 116, 1959, 298-304. SHAPIRO, A.K., A Contribution to a History of the Placebo Effect, in: Behavioral Science (Ann Arbor, MI), 5, 1960, 109-135. <?page no="465"?> 2. Sozial- und Persönlichkeitspsychologie 465 und sozialpsychologisch-kulturellen Versuchen reichen, oder aber als Lerneffekt, als Übertragungsphänomen, als Kult oder als Erwartungseffekt und eben auch als Wirkung von Hoffnung. 168 Längst kann seine Wirksamkeit für praktisch alle Therapien angenommen werden und eben nicht allein für Medikamente. Inzwischen lässt sich empirisch zeigen, dass wir über Gedanken Einfluss auf Organe nehmen können. Ein Placebo wirkt in diesem Sinne zunächst im Kopf und von da potentiell in alle Organe hinein, da diese im Gehirn repräsentiert sind. Die Wirkung ist umso größer, je mehr wir die Veränderung spüren können. Menschliche Vorstellungskraft und damit auch Hoffnung beeinflussen messbar den Organismus. Es wird daher auch von einem „Wirkstoff Information“ bzw. einem „Wirkstoff Erwartung“ 169 gesprochen, der Selbstheilungskräfte aktiviert und Stimmungen und Schmerzen klar beeinflussen kann, wobei insbesondere die Bewusstheit der Erwartungen in ihrer Bedeutung hervorgehoben wird. Für den vorliegenden Kontext außerordentlich aufschlussreich ist nun die Einsicht, dass jede (therapeutische) Wirkung einen (Erklärungs-) Rahmen benötigt, um ihre Wirkung optimal entfalten zu können. Knowledge-Framing wird dies genannt. Dem korrespondiert die Einsicht praktischer Philosophie, dass Hoffnung nur in Hoffnungszusammenhängen entsteht und Sinn nur in Sinnzusammenhängen erfahrbar wird. Schließlich haben Placebos einen großen Deutespielraum gegenüber einem Verum. Sie werden als Lernprozess verstanden, der, je positiver oder negativer die Erfahrungen, desto eher Placebo oder Nocebo wird. Die erste Arbeit zur medizinisch-psychologischen Bedeutung des Placeboeffekts stammt aus dem Jahre 1955 von H.K. BEECHER. 170 Heute gibt es vielfältige empirische Belege zum positiven Einfluss von Placebos zur Immunmodulation, zur Modifikation von Organfunktionen, zur Schmerzbehandlung 171 , dessen Physiologie gut bekannt ist, der aber große psychologische Einflüsse zulässt, gegen Alzheimer und Parkinson und vieles andere mehr. Die heutige Verwendung kam im 18. Jh. auf und kann auch bei Tieren als Konditionierung beobachtet werden. Es wird im Durchschnitt mit einem Placebo-Anteil von mindestens 30 % gerechnet, was auf nicht unbedeutende philosophische Probleme verweist, etwa der zur Bedeutung der Realität, oder die Frage, was das überhaupt ist. Auch die Frage nach Wahrheit, Wirksamkeit und Wirklichkeit stellt sich unweigerlich. Auch dürfte neues Licht auf die Körper-Geist-Interaktion 172 fallen - auf der Basis von Erwartungen und Hoffnungen. Schließlich ist es für den Placeboeffekt entscheidend, bestmögliche positive Aussichten zu schaffen. So kursiert inzwischen längst das (empirisch gehaltvolle) Stichwort vom „Medikamentenvertrauen“, um eine optimale Wirkung erzielen zu lassen, quasi die „Erwartung an das Mittel“, was keine 168 Vgl. SHAPIRO, A.K. / MORRIS, L.A., Placebo Effects in Medical and Psychological Therapies, in: GARFIELD, S.L. / BERGIN, A.E. (Eds.), Handbook of psychotherapy and behavior change, New York 2 1978, 369-410, hier 390ff. 169 Vgl. WAGNER, B., Der Wirkstoff Erwartung, in: Psychologie heute, Juni 2005, 60-63. 170 Vgl. BEECHER, H.K., The Powerful Placebo, in: Journal of the American Medical Association JAMA (Chicago, IL), 159 (1955), 1602-1606. 171 Vgl. AMANZIO, M., / BENEDETTI, F., Neuropharmacological Dissection of Placebo, in: Journal of Neuroscience 19 (1999) 1, 484-494. BENEDETTI, F. et al., Somatotopic Activation of Opioid Systems by Target-Directed Expectations of Analgesia, in: Journal of Neuroscience 19 (1999) 9, 3639-3648. 172 Vgl. COLLOCA, L. / BENEDETTI, F., Placebos and painkillers: is mind as real as matters? , in: Nature Reviews. Neuroscience, 6 (2005), 545-552 und die dort angegebene umfangreiche Literatur und CERRATO, P.L., Understanding the mind/ body link, in: RN National Magazine for Nurses (Oradell, NJ), 61 (1998) 1, 28-31. <?page no="466"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 466 Einbildung darstellt, sondern harte Wissenschaft. Erwartungshaltungen verändern die Neurochemie im Gehirn und aktivieren das Belohnungszentrum, wobei die Höhe der Erwartungen wichtig ist. Es gibt zweifelsohne heilende bzw. heilsame Erwartungen, etwa wenn eine Immunmodulation ganz analog zwischen Pharmakologie und psychosozialen Veränderungen und Placeboerwartungen erzielt werden. 173 Ein Nocebo-Effekt 174 - aufschlussreich für den vorliegenden Kontext - wird dagegen häufig über Angst vermittelt. 175 Ausgehend von der Arzt-Patient-Beziehung kann der Arzt als Agent des unbewussten Willens zur Heilung fungieren und damit in gewisser Weise Stellvertreter einer Hoffnung sein, die nur implizit zugegen ist. Denn „es ist unsere Erwartung, die unser Erleben steuert“ 176 . Heißt zuversichtlich „positiv gespannt“, dann ist bereits die „Zuversicht des Arztes als Placeboeffekt“ zu bezeichnen, der den Patienten quasi in die Hoffnung des Arztes hinein nimmt. So ist für die Arzt-Patient-Beziehung der Bedeutungsrahmen 177 entscheidend und dieser kann fundamental von Erwartungen und Hoffnung bestimmt werden. Erwartungen bereiten den Körper quasi schon vor. Placebos kommt ferner eine „symbolische Bedeutung“ 178 zu, die Zuversicht transportiert und vielfach Linderung bringt, aber keine Heilung. Es gibt keine Placebo-Persönlichkeit. Placebos sind bei der Schmerzbehandlung aus folgendem Grund so wirksam: „Die Bedeutung, die der Patient dem Schmerz beimisst, ist für das Erleben chronischen Schmerzes von fundamentaler Bedeutung.“ 179 Mit anderen Worten: Hoffnung drückt sich mitunter als Placeboeffekt aus und zugleich kann Hoffnung als Verum auftreten. Dabei ist Hoffnung nicht ohne den Hoffenden zu verstehen. h) Ertrag Erfahrungen schlagen sich in sozial- und persönlichkeitspsychologischer Perspektive immer auch in Erwartungen nieder, die ihrerseits zu den Konstitutionsbedingungen von Hoffnung bzw. Hoffnungslosigkeit gehören und mit Bedeutungen und damit mit Werten verknüpft sind. Sehr frühe Erfahrungen schlagen sich in sehr basalen Erwartungen nieder, die unser Erleben und Verhalten grundsätzlich bestimmen. So lassen sich beispiels- 173 Vgl. GOEBEL, M.U. et al., Behavioral Conditioning of Antihistamine Effects in Patients with Allergic Rhinitis, in: Psychotherapie and Psychosomatics 77 (2008) 4, 227-234. GOEBEL, M.U. et al., Behavioral Conditioning of Immunosuppression is Possible in Humans. in: FASEB Journal 16 (2002), 1869-1873. 174 Vgl. HAHN, R.A., The Nocebo Phenomenon: Concept, Evidence, and Implications for Public Health. Preventive Medicine (New York), 26 (1997), 607-611. 175 Vgl. BENEDETTI, F. / AMANZIO, M. / VIGHETTI, S. / ASTEGGIANO, G., The Biochemical Bases of the Hyperalgesic Nocebo Effect, in: The Journal of Neuroscience, November 15, 2006 - 26 (46), 12014-12022. 176 Vgl. ARIELY, D., Die Heilkraft der Verpackung. Gespräch mit Dan Ariely, in: Psychologie heute 3 / 2009, 44-49, hier 46 und 48. Ders., Predictably irrational. The hidden forces that shape our decisions, London 2008. 177 Vgl. SCHNABEL, U., Die Heilkraft der Erwartung, in: Ders., Die Vermessung des Glaubens. Forscher ergründen, wie der Glaube entsteht und warum er Berge versetzt, München 2 2008, 45- 60, hier 50. 178 Vgl. SPIRO, H., Placebo. Heilung, Hoffnung und die Arzt-Patient-Beziehung, Bern 2005, 65 und 285ff. 179 Vgl. SPIRO, Placebo, 124. <?page no="467"?> 3. Gesundheitspsychologie 467 weise im Kontext der inzwischen sehr elaborierten Bindungsforschung 180 „mentale Erwartungsmodelle“ nachweisen, die auf dem Hintergrund unserer frühesten Bindungserfahrungen an und mit den ersten Bezugspersonen gebildet werden und als Schutz- oder Risikofaktor unsere (erwachsene) Bindungs- und Beziehungsorganisation beeinflussen und damit letztlich auch auf spezifische Weise unser Werterleben. Es steht zu erwarten, dass der Hoffnungsvollzug auf diese und andere frühe und grundsätzliche Mechanismen der Erwartungsorganisation zurückgreift und damit beispielsweise zur Ausbildung unterschiedlicher „Hoffnungsstile“ führen kann. Es kann dabei als grundsätzliche Einsicht gelten, nicht nur, dass Erlebnisse und Erfahrungen zu Erwartungen führen, sondern auch, dass Erwartungen Wirklichkeit schaffen und dass daran anknüpfende Hoffnung wirklichkeitssgenerativ ist, solange - als motivationspsychologisch notwendige Voraussetzung - „die Verwirklichungspotentiale individuell erschlossener Handlungsgegenwart“ 181 im Aufmerksamkeitsfokus liegen. Trotz dieser tiefen Einzeichnung motivationspsychologischer Konstituenten in den seelischen Apparat der handelnden Person, wird die „Einheit der Person“ 182 im Rahmen motivationspsychologischer Theorien kaum berücksichtigt. Insgesamt aber bieten diese „erhebliche Konkretisierungspotentiale theologischer Handlungstheorie“ 183 , die bislang kaum genutzt werden. Dies gilt insbesondere, wenn es um die bereits erwähnte Einzeichnung situativer und personaler Bedingtheiten in den Handlungsprozess geht und die Integration und Annahme solchermaßen erschlossener Bedingungen. Auf diese Weise kann auch die gerne unterschätzte Bedeutung eines umfassenden Lebensgefühls für den Handlungsprozess verständlich werden. Erst recht können die ungezählten Erwartungen, Hoffnungen und Gewissheiten, die menschliche Handlungsmotivation umfassend prägen, Berücksichtigung finden. Es „ist festzuhalten, dass ‚Motivation‘ als konkreter Appetit einer Person auf der Grundlage von Gewissheiten entsteht, die in einer Situation relevant werden. Menschliche Motivation ist nicht denkbar unabhängig von den - ‚Motive‘ einschließenden, aber nicht auf sie beschränkten - Gewissheitsdimensionen von Personen, mithin von ihrer faktischen Disponiertheit“ 184 . 3. Gesundheitspsychologie Glaube ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht . 185 Alle Krankheitstheorie korrespondiert notwendig mit einer Gesundheitstheorie, die anthropologische Hoffnungsanteile besitzt, die es freizulegen gilt. 186 In diesem Sinne bieten gesundheitspsychologische Forschungen eine Fülle von Begriffen, die als mögliche Teilkomponenten eines umfassenden Hoffnungsbegriffs identifiziert werden können: 180 Vgl. BRISCH, K.H. / HELLBRÜGGE, T., Bindung und Trauma. Risiken und Schutzfaktoren für die Entwicklung von Kindern, Stuttgart 2003. 181 Vgl. ELBE-SEIFFERT, Gewissheit und Motivation, 413. 182 Vgl. ebd. 437. 183 Vgl. ebd. 439. 184 Vgl. ebd. 441. 185 Hebr 11,1-2 186 Vgl. MARGRAF, J. / SIEGRIST, J. / NEUMER, S. (Hrsg.), Gesundheits- oder Krankheitstheorie? Salutoversus pathogenetische Ansätze im Gesundheitswesen, Berlin 1998. <?page no="468"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 468 Neben den klassischen Begriffen der Salutogenese (versus Pathogenese) und der Resilienz- und Ressourcenforschung können Stressbewältigung, soziale Unterstützung und sog. Schutzmotivationen genannt werden. Letztere etwa bezeichnet eine Intention zur Abwendung gesundheitsschädlichen Verhaltens, als deren wichtigster Prädiktor kann die sogenannte Selbstwirksamkeit 187 gelten, die die Annahme und Erwartung eigener Wirkmöglichkeiten (in Gegenwart und Zukunft) bezeichnet, nicht zu verwechseln allerdings mit den sogenannten Ergebniserwartungen. Erstere zielt auf die Erwartung, Einfluss nehmen zu können, letztere, das angezielte Ergebnis (damit) auch erreichen zu können. Mit anderen Worten: Grundlegende Erwartungen und Antizipation bzgl. der Möglichkeit der Einflussnahme auf die (eigene) Zukunft sind in hohem Maße in der Gegenwart handlungsgenerierend - auch, aber nicht allein, im Bereich des Gesundheitsverhaltens. Eine enge Verbindung von Aspekten des Hoffnungsvollzugs und dem Gesundheitsverhalten ist empirisch klar belegt. 188 So werden etwa konstant weniger krankheitsrelevante Parameter angegeben, eine Beobachtung, die sogar bidirektional gedeutet werden kann, wonach mehr positive Erlebnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten bei steigendem Einfluss von Aspekten der Hoffnung verzeichnet werden können und parallel weniger negative Aspekte benannt werden, da eine größere psychische Toleranz bzw. Integrationsleistung diesbezüglich gewachsen ist. Aktuell wird ein biopsychosoziales Modell der Gesundheit favorisiert, das längst nicht mehr nur Abwesenheit von Krankheit bezeichnet, sondern ein Kontinuum von Lebensqualität, Leistungsfähigkeit, Selbstverwirklichung und Sinnfindung. 189 Übergeordnetes Ziel ist es, Stressoren und Belastungen zu meistern und zu bewältigen. Entscheidend dürfte dabei sein, woraus diese schöpft und woraufhin sie zielt. Dabei ist für die verschiedensten Forschungsfelder, etwa der Pflegeforschung und der medizinischen Psychologie, nach wie vor deutlich mehr Praxiserfahrung und Kasuistik zu finden als methodisch kontrollierte empirische Forschung. 190 Es soll eine Auswahl getroffen werden, wobei die Nähe zu Hoffnungsvalenzen unschwer zu erkennen sein wird. a) Seelische Gesundheit Das insbesondere mit dem Namen PETER BECKER verbundene Konstrukt der „Seelischen Gesundheit“ 191 wird als die „Fähigkeit zur Bewältigung interner und externer An- 187 Vgl. BANDURA, A., Health promotion by social cognitive means, in: Health Education & Behavior 31 (2004), 2, 143-164. Als deren wichtigste Komponenten zählen: Eigene Erfolgserfahrungen, stellvertretende Erfahrungen (Modelllernen), verbale Verstärkung (Zuspruch, Überredung) und physiologisch-affektive Zustände. Hier zeigt sich ein zusätzlicher Beleg für die enge Verbindung von Erwartung und Erfahrung. 188 Vgl. im Überblick SNYDER, C.R. / IRVING, L.M. / ANDERSON, J.R., Hope and Health, in: SNYDER, C.R. / FORSYTH, D.R. (Ed.), Handbook Of Social And Clinical Psychology. The Health Perspective, New York 1991, 285-305, hier 287 und die angegebene Literatur. Die Autoren definieren Hoffnung als “a unidimensional construct involving an overall perception that goals can be met”. 189 Vgl. RENNEBERG / HAMMELSTEIN, Gesundheitspsychologie, 11ff. 190 Vgl. die Beiträge in HUPPMANN, G. / LIPPS, B. (Hrsg.), Prolegomena einer Medizinischen Psychologie der Hoffnung, Würzburg 2006. 191 Vgl. als zentrale Referenzliteratur BECKER, P., Psychologie der seelischen Gesundheit Bd. I. Theorien, Modelle, Diagnostik, Göttingen 2 1997 und ders., Psychologie der seelischen Geet al. <?page no="469"?> 3. Gesundheitspsychologie 469 forderungen“ 192 konzeptualisiert und kann mit einer umfassenden Bewältigungskompetenz gleichgesetzt werden. An dieser Stelle lässt sich bereits klar zeigen, dass in das Konzept der Fähigkeit neben strikt gegenwärtigen Möglichkeiten immer auch Annahmen und Erwartungen über zukünftige Möglichkeiten einfließen, die konzeptionell nicht getrennt werden. Damit sind solche und ähnliche Konzepte grundsätzlich hoffnungsoffen. Auffällig und zugleich für die vorliegende Thematik bezeichnend ist der Umstand, dass vorrangig prominente Motivationstheoretiker Pate für Theorien der seelischen Gesundheit gestanden haben und auf der Basis ganz unterschiedlicher Theorien zu den menschlichen Grundbedürfnissen drei Basiskonzeptionen zur Seelischen Gesundheit herausgeschält werden können, die BECKER dann umfangreichen empirischen Untersuchungen unterzogen hat: Regulationskompetenzmodelle (z.B. S. FREUD), Selbstaktualisierungsmodelle (z.B. C. ROGERS) und Sinnfindungsmodelle (z.B. V.E. FRANKL), wobei BECKER zufolge letzteren die Priorität zukommt, eine Priorität, die hier nachdrücklich festgehalten werden soll: wie en détail zu zeigen wäre, beinhalten alle drei Theoriekonglomerate zwar nicht ausschließlich, aber doch wesentlich fundamentale Hoffnungsanteile, insbesondere bezogen auf die Zielgrößen von Regulationskompetenz, Selbstaktualisierung und Sinnfindung, wiewohl für die Sinnfindungsmodelle ein klarer Vorrang zu konstatieren ist. 193 Diesen Theorien mitsamt der empirisch evaluierten Metatheorie BECKERS 194 sind eine Fülle von Aspekten der Hoffnungskategorie eigen, die in ihrer systematischen Valenz Beachtung verdienen, ganz abgesehen von den Erwartungsanteilen des Bedürfnis- Konstrukts selber, das in seiner psychologischen Form mit entsprechenden moraltheologischen Spekulationen verbunden zu werden außerordentlich lohnend erscheint. Mit anderen Worten: Hoffnung vermittelt Seelische Gesundheit auf der Basis einer Bewältigungskompetenz bzgl. innerer und äußerer Anforderungen, vorrangig auf der Basis einer Sinnaussicht, aber auch durch Aussicht auf Selbstaktualisierung und Selbstfindung, genauso durch Aussicht auf kompetente und zielführende Selbstregulation. Hoffnung ist somit eine seelisch äußerst gesunde Form, wie wir Anforderungen innerer und äußerer Art begegnen können und sie dürfte umgekehrt gerade da entstehen (können), wo entsprechende Aussichten erlebt werden. b) Salutogenese - Kohärenzsinn, Resilienz, Widerstandsfähigkeit, Attributionsstil und die Rolle der Religion Statt den Fokus in gesundheitspsychologischen Forschungen auf die Pathogenese zu legen, gibt es schon seit geraumer Zeit verstärkte Anstrengungen, die Salutogenese in den sundheit Bd. II. Persönlichkeitspsychologische Grundlagen, Bedingungsanalysen und Förderungsmöglichkeiten, Göttingen et al. 1986. 192 Vgl. BECKER, P., Seelische Gesundheit und Verhaltenskontrolle, 188. 193 Vgl. BECKER, P., Sinnfindung als zentrale Komponente seelischer Gesundheit, in: Längle, A., Wege zum Sinn. Logotherapie als Orientierungshilfe, München 1995, 186-207. 194 Vgl. BECKER, P., Seelische Gesundheit und Verhaltenskontrolle. Eine integrative Persönlichkeitstheorie und ihre klinische Anwendung, Göttingen et al. 1995. Das auf breiter empirischer Basis entwickelte Persönlichkeitsmodell von P. BECKER, das zugleich ein Modell seelischer Gesundheit darstellt, kann zeigen, dass Wahrnehmung grundsätzlich von Antizipationen begleitet und geleitet wird, die insbesondere zur Verhaltenssteuerung und emotionalen Färbung der Handlung beitragen. <?page no="470"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 470 Blick zu nehmen - und prompt werden dabei Hoffnungsfacetten empirisch freigelegt. 195 So beschäftigen sich die gesundheitspsychologischen Theorien um den sogenannten „Kohärenzsinn“ (Sense of Coherence: SOC), insbesondere mit dem Namen AARON ANTONOVSKY 196 verbunden und die Theorien um die sogenannte „Widerstandsfähigkeit“ (hardiness) 197 , besonders mit dem Namen SUSAN C. KOBASA verbunden, beide mit den Voraussetzungen, unter denen Menschen Extrembelastungen bewältigen können. Ersterer geht davon aus, dass Extrembelastungen auf der Basis dreier zentraler Komponenten bewältigt werden (können): (1) Überschaubarkeit bzw. Verstehbarkeit (sense of comprehensibility), verstanden als Erwartung, (unbekannte) Stimuli verarbeiten und ordnen zu können; (2) Handhabbarkeit bzw. Bewältigbarkeit (sense of manageability), verstanden als Erwartung bzw. Überzeugung, die geeigneten Ressourcen zur Bewältigung zur Verfügung zu haben, von ANTONOVSKY „instrumentelles Vertrauen“ 198 genannt; und (3) Sinnhaftigkeit (sense of meaningfulness). Alles drei sind antizipative Annahmen, mithin Erwartungen, die in ihrer Kombination außerordentlich wirkmächtig sind. Auffällig ist erneut die starke Stellung der Bewältigungshoffnung, der Hoffnung auf kognitive und handlungsmäßige Kontrolle und besonders zu betonen der Hoffnung auf Sinn. Insgesamt werden damit „generalisierte Widerstandsressourcen“ 199 benannt, d.h. die Erwartung und Hoffnung, diese zu haben, wenn nötig, d.h. „[...] a global orientation that express the extent to which one has a pervasive, enduring though dynamic, feeling of confidence that one’s internal and external environments are predictable and that there is a high probability that things will work out as well as can reasonably be expected“ 200 . Für ANTONOVSKY sind dafür nun nicht allein interne Kontrollüberzeugungen notwendig, also eine Kontrolle der Person über potentielle Ressourcen, sondern auch externe Kontrollüberzeugungen, etwa über eine Gemeinschaft oder Gott. Ein positiver Zusammenhang zwischen SOC und seelischer, partiell auch körperlicher Gesundheit ließ sich empirisch nachweisen. 201 Aber soziokulturelle Variablen fehlen in dieser Theorie, ebenso eine Konzeptualisierung des faktischen Verhaltens. 202 Das Konzept der Widerstandsfähigkeit 195 Vgl. zum Verhältnis der Ansätze NOVAK, P., Salutogenese und Pathogenese: Komplementarität und Abgrenzung, in: MARGRAF, J. / SIEGRIST, J. / NEUMER, S. (Hrsg.), Gesundheitsoder Krankheitstheorie? Salutoversus pathogenetische Ansätze im Gesundheitswesen, Berlin 1998, 27-39. Ebenso FISCHBACH, S. / HELLHAMMER, D.H., Inhalte und Ergebnisse salutogenetischer Forschungsansätze in der Psychobiologie, in: MARGRAF, J. / SIEGRIST, J. / NEUMER, S. (Hrsg.), Gesundheits- oder Krankheitstheorie? Salutoversus pathogenetische Ansätze im Gesundheitswesen, Berlin 1998, 75-84. 196 Vgl. ANTONOVSKY, A., Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit, Tübingen 1997. 197 Vgl. als eine der wenigen deutschen experimentellen Arbeiten zu diesem Konstrukt: ANDRES, K. / SCHNABEL, E., Migration, Stress und Persönlichkeit: Eine Studie über Hardiness am Beispiel von Aussiedlern und Zuwanderern, Tübingen, Univ., Dipl.-Arbeit 1985. 198 Vgl. BENGEL, J. / STRITTMATTER, R. / WILLMANN, H., Was erhält Menschen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese - Diskussionsstand und Stellenwert, Köln 1998, 29. 199 Vgl. BENGEL / STRITTMATTER / WILLMANN, Was erhält Menschen gesund? , 31. 200 Vgl. ANTONOVSKY, A., Health, stress, and coping: New perspectives on mental and physical well-being, San Francisco 1979, 10. 201 Vgl. FALTERMAIER, T., Gesundheitspsychologie, Stuttgart 2005, 169. 202 Vgl. GEYER, S., Antonovsky´s sense of coherence - ein gut geprüftes und empirisch bestätigtes Konzept? , in: WYDLER, H. / KOLIP, P. / ABEL, T. (Hrsg.), Salutogenese und Kohärenzgefühl. Grundlagen, Empirie und Praxis eines gesundheitswissenschaftlichen Konzepts, Weinheim 2000, 71-84. BECKER, P., Die Salutogenesetheorie von Antonovsky: Eine wirklich neue, empirisch abgesicherte, zukunftsweisende Perspektive? , in: MARGRAF, J. / SIEGRIST, J. / NEU- <?page no="471"?> 3. Gesundheitspsychologie 471 (hardiness) zielt auf eine protektive Persönlichkeitseigenschaft und kennt erneut drei Dimensionen: (1) Kontrolle (control), verstanden als Erwartung bzw. Annahme, die Ereignisse beeinflussen, wo nicht kontrollieren zu können in ihrem Einfluss auf uns; (2) Herausforderung (challenge), verstanden als Fähigkeit, Veränderungen als Herausforderung anzusehen bzw. zu erwarten; und (3) Zielbindung (commitment), verstanden als Fähigkeit und Erwartung, aktiv ins Leben eingebunden zu sein und entsprechende Erfahrungen damit machen zu können. 203 Insgesamt wird auch hier ein Wiederstandspotential für die Bewältigung von Extrembelastungen konzeptualisiert, das starke Hoffnungsanteile besitzt. Mit Blick auf das Thema der vorliegenden Arbeit können diese Konstrukte als Formulierung von zentralen Coping-Komponenten auf der Basis von Vorhersagbarkeit und Erwartbarkeit gedeutet werden, wobei wieder das Moment der Kontrolle und das der Sinnhaftigkeit im Vordergrund stehen: (vermeintliche) Kontrolle einer als extrem oder bedrohlich bewerteten Zukunft gegenüber auf der Basis von spezifischen Erwartungen - auch und gerade von Sinn. Kurz gesagt: Hoffnung vermittelt die Annahme und Erwartung potentiell sinnhafter Bewältigungskontrolle bei Extrembelastungen. Widerstandfähigkeit 204 meint dabei positive Anpassung im Sinne einer Akkomodation - mit dem Ziel der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit und Handlungsfähigkeit, weswegen damit ein Konglomerat an theoretischen Konzeptionen verbunden wird: Kompetenzerwartungen, Zukunftserwartungen, Optimismus und Selbstwirksamkeit. Der Ursprung solchen Denkens kommt aber aus der gesundheitspsychologischen Risikoforschung. Widerstandsfähige Menschen sind in obigem Sinne demnach aktive, zugewandte, neugierige Menschen, die mitunter Geborgenheit in einem Glauben finden oder anderweitig aufgehoben sind in einem größeren Zusammenhang und die vor allem eine Flexibilität der Anpassungsleistungen an den Tag legen können. Wird nun statt auf die Widerständigkeit auf den Schutzcharakter entsprechender Haltungen abgehoben, sind wir beim Konzept der Resilienz, derjenigen Faktoren, die gegenüber seelischen Verletzungen resistent machen. „Mit Resilienz werden Prozesse oder Phänomene beschrieben, die eine positive Anpassung des Individuums trotz vorhandener Risikofaktoren widerspiegeln.“ 205 Die damit benannten Schutzfaktoren und Ressourcen sind wiederum auf das Engste mit zentralen Aspekten der Hoffnung verknüpft. Denn wer die Hoffnung nicht verliert, die Zukunft könnte Besseres für ihn bereithalten, der wird von der schweren Gegenwart nicht niedergedrückt, was eine deutliche Abmilderung negativer Aspekte bewirkt und wie ein psychischer Schutz zu wirken vermag. 206 Nur am MER, S. (Hrsg.), Gesundheits- oder Krankheitstheorie? Salutoversus pathogenetische Ansätze im Gesundheitswesen, Berlin 1998, 13-25. 203 Vgl. als erste Arbeit dazu KOBASA, S., Stressful life events, personality, and health: An inquiry into hardiness, in: Journal of Personality and Social Psychology 37 (1979), 1-11. 204 Vgl. KURZ, W., Zur Entwicklung der Widerstandsfähigkeit in Zeiten der Resignation - Aspekte der Förderung von Persönlichkeit, in: KURZ, W. / KLOSINSKI, G. (Hrsg.), Sinn in Zeiten der Resignation. Zum 100. Geburtstag von Viktor Frankl - Die Sinnfrage in Psychotherapie, Psychiatrie und Persönlichkeitsbildung, Tübingen 2006, 15-30. 205 Vgl. RENNEBERG, B. / HAMMELSTEIN, P. (Hrsg.), Gesundheitspsychologie, Heidelberg 2006, 18. 206 Vgl. BENDER, D. / LÖSEL, F., Protektive Faktoren der psychisch gesunden Entwicklung junger Menschen: Ein Beitrag zur Kontroverse um saluto- und pathogenetische Ansätze. In: MAR- GRAF, J./ SIEGRIST, J./ NEUMER, S. (Hrsg.), Gesundheits- oder Krankheitstheorie? Salutovs. pathogenetische Ansätze im Gesundheitswesen, Berlin 1998. <?page no="472"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 472 Rande erwähnt sei die positive Rolle der Religion als Schutzfaktor. 207 Es existiert demnach eine positive Beziehung von Religion und Gesundheit 208 , wobei Religion überwiegend über Optimismus und Hoffnung (und Achtsamkeit) erfasst wird. Hier spielen inhaltlich neben sozialer Unterstützung, dem Gemeinschaftsgefühl und der Verhaltensregulierung insbesondere das „Kohärenzgefühl“ - Religiosität fördert eine Sichtweise, die Welt als sinnvoll (sic! ) und strukturiert (sic! ) zu erleben - und Bewältigungserwartungen eine große Rolle. So gesehen ist vor allem der spezifische Zusammenhang zwischen menschlicher Aktivität und göttlichem Wirken entscheidend, nicht so sehr ein Entweder-Oder: „Glaube an die Hilfe eines Gottes und die eigenen Möglichkeiten“ 209 . Schließlich ist es theologisch wohlbekannt, „dass Glaube starke Hoffnungspotentiale freisetzt“ 210 . Ganz entscheidend ist im Sinne der Ausführungen, dass eine „persönliche Zukunft subjektiv offen halten“ 211 zu können, aus den verschiedensten Perspektiven mit seelischer Gesundheit verbunden ist. Das Umgekehrte gilt freilich ebenso: Es ist inzwischen mehr als ein Verdacht, dass internale, globale und stabile Attributionen, mithin vergleichsweise hoffnungslos negative Erklärungen für negative Ereignisse, die Wahrscheinlichkeit für Mortalität und Morbidität erhöhen. 212 So verändern sich kognitive Erklärungsstile auch, wenn entsprechende Situationen real zu bewältigen sind, nämlich in aller Regel weg von strikter Kausalattribution, etwa bei schwerer Erkrankung, und hin zu existentiellen Attributionen, die in die Vergangenheit und die Zukunft weisen. 213 Mit anderen Worten: Der Zusammenhang von Einstellungen und Verhalten ist vielfach ermittelt, wobei wieder Bewertungen und Erwartungen (von positiv Bewertetem) eine große Rolle spielen 214 und dabei Komponenten der Hoffnung wichtige Schutzfaktoren einer gesunden seelischen Entwicklung darstellen. 215 207 Vgl. MEISSNER, W.W., Notes on the Psychology of hope, in: Journal of religion and health 12 (1973), 7-27 und 120-139. 208 Vgl. SCHOWALTER, M. / MURKEN, S., Religion und psychische Gesundheit. Empirische Zusammenhänge komplexer Konstrukte, in. HENNING, C. / MURKEN, S. / NESTLER, E. (Hrsg.), Einführung in die Religionspsychologie, Paderborn 2003, 138-162. 209 Vgl. RENNEBERG, B. / HAMMELSTEIN, P. (Hrsg.), Gesundheitspsychologie, Heidelberg 2006, 84. 210 Vgl. GEISLER, L., Der Glaube setzt starke Hoffnungspotentiale frei, in: Psychologie heute März 2005, 26-27, hier 26. 211 Vgl. NUTTIN, J.R. / GROMMEN, R., Zukunftsperspektive bei Erwachsenen und älteren Menschen aus drei sozioökonomischen Gruppen, in: LEHR, U. / WEINERT, F.E. (Hrsg.), Entwicklung und Persönlichkeit. Beiträge zur Psychologie intra- und interindividueller Unterschiede, Stuttgart 1975. 183-197, hier 196. 212 Vgl. PETERSON, C. / SELIGMAN, M.E.P., Explanatory style and illness, in: Journal of Personality (1987), 55, 237-265 und PETERSON, C. / SELIGMAN, M.E.P., Character Strength and Virtues. A Handbook and Classification, Oxford 2003. 213 Vgl. RUDOLPH, U. / STEINS, G., Causal versus existential attributions: Different perspectives on highly negative events, Basic and applied social psychology Vol. 20(3) 1998, 191-205. 214 Vgl. STROEBE, W. / STROEBE, M.S., Lehrbuch der Gesundheitspsychologie. Ein sozialpsychologischer Ansatz, Frankfurt am Main 1998, 26ff. 215 Vgl. BENDER, D. / LÖSEL, F., Protektive Faktoren der psychisch gesunden Entwicklung junger Menschen: Ein Beitrag zur Kontroverse um saluto- und pathogenetische Ansätze. In: MAR- GRAF, J./ SIEGRIST, J./ NEUMER, S. (Hrsg.), Gesundheits- oder Krankheitstheorie? Salutovs. pathogenetische Ansätze im Gesundheitswesen, Berlin 1998. <?page no="473"?> 3. Gesundheitspsychologie 473 c) Positive Illusions Lange ist man im Rahmen der Gesundheitspsychologie auf dem Hintergrund von SIG- MUND FREUD und seiner Vorstellung vom Realitätsprinzip als vorrangigem Kennzeichen des Ichs davon ausgegangen, dass der seelisch Gesunde durch einen starken Realitätsbezug gekennzeichnet ist. Inzwischen gibt es klare empirische Belege, dass dem nicht ausschließlich so ist. Demnach ist es zu einem bestimmten Maße außerordentlich gesund und gesundheitsförderlich bzw. gesundheitserhaltend, sich und die eigenen Möglichkeiten (leicht) positiver einzuschätzen als objektive Parameter dies zuließen. Mit anderen Worten: einen etwas höheren Selbstwert anzusetzen, mehr an die eigenen Möglichkeiten zu glauben und optimistischer in die Zukunft zu blicken als es einigermaßen realistische Parameter nahe legen würden, ist mit Prosozialität, Produktivität und Wohlbefinden, insgesamt mit seelischer Gesundheit verknüpft, etwa einer geringeren Wahrscheinlichkeit, an Depression zu erkranken. 216 Dieser Positivierung gegenüber der Realität wird in der Forschung zwar positive illusion genannt, kann aber unmittelbar hoffnungstheoretisch ausgewertet werden, wonach unser Selbst- und Fremdverhältnis nicht ausschließlich an objektiv-realistischen Variabeln zustande kommt, sondern einen Hoffnungsüberschuss benötigt, um handlungsfähig und gestaltungswillig zu sein und um zugleich ein gewisses Wohlbefinden zu empfinden. Menschliche Identität ist mithin eschatologische Realität. Wir können festhalten: „Rather, the mentally healthy person appears to have the enviable capacity to distort reality in a direction, that enhances self-esteem, maintains beliefs in personal efficacy, and promotes an optimistic view of the future. These three illusions , as we called them, appear to foster traditional criteria of mental health, including the ability to care about the self and others, the ability to be happy or contented, and the ability to engage in productive and creative work.“ 217 d) Generalisierte Ergebniserwartungen, Optimismus, Coping und Stressbewältigung In den empirischen Forschungen zum Thema Stress und Stressbewältigung spielen die sogenannten „Generalisierten Ergebniserwartungen“ 218 eine große Rolle, die, wie der Name schon sagt, auf generalisierten Erwartungen bzgl. den Konsequenzen bestimmter Handlungen, Situationen etc. beruhen und je nach Ausprägung für die Stressvermeidung bzw. Stressinduzierung eine große Rolle spielen. Das Konstrukt, dessen Nachdruck auf der Allgemeinheit von generalisierten Erwartungen liegt, ist insbesondere in den letzten ein bis zwei Dekaden mit umfangreichen empirischen Untersuchungen belegt worden, die es auszuwerten gilt. Auch die Rolle des „Optimismus“, etwa auf dem Feld der Psychoneuroimmunologie ausführlich untersucht und von Hoffnungs- und Erwartungsaspekten regelrecht konstituiert, ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung, 216 Vgl. GILLHAM, J.E. (ed.), The Science of optimism and hope. Research essays in honor of M.E.P. SELIGMAN, Pennsylvania 2000, 75-98. 217 Vgl. TAYLOR, S.E. / KEMENY M.E. / REED, G.M. / BOWER, J.E. / GRUENEWALD, T.L., Psychological resources, positive illusions, and health, in: American Psychologist 55 (2000), 99- 109. TAYLOR, S.E. / BROWN, J.D., Illusion and well-being: A social psychological perspective on mental health, in: Psychological Bulletin (1988), 103, 193-210. TAYLOR, S.E., Positive illusions. Creative self-deception and the healthy mind, New York 1989. 218 Vgl. SCHEIER, M.F. / CARVER, C.S., Optimism, Coping, and Health: Assessment and implications of Generalized Outcome Expectations, in: Health Psychology, 1985 4 (3), 219-247. <?page no="474"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 474 insbesondere für die Krankheitsprophylaxe genauso wie für den Genesungsprozess 219 bei chronischen und akuten Krankheiten. Psychologischer Optimismus bezeichnet nun eine „lebensbejahende Haltung mit positiven Erwartungen für die Zukunft“ 220 . Er wird als „gesundheitsförderliche Konstruktion der Realität“ 221 betrachtet. Dessen wichtigste Konzepte sind: (1) die schon erwähnten hier aber strikt positiv gehaltenen generalisierten Ergebniserwartungen, als „dispositionelle Überzeugung, dass sich das eigene Leben positiv entwickeln wird“; (2) ein positiver, d.h. selbstwirksamkeitsförderlicher Attributionsstil samt Kontrollüberzeugungen; und (3) positive illusions, als „leichte Überschätzung der Realität“, was sich als günstig für das Wohlbefinden und das Gesundheitsverhalten erwiesen hat. Damit ist kein „blinder“ Optimismus gemeint, sondern flexible Bewältigungsstrategien, die eine selektive Umweltauswahl, ein spezifisches (förderliches) Krankheitsverhalten und eine aktive problemorientierte Bewältigung ermöglicht. Die hoffnungstheoretischen Konnotationen sind mit Händen zu greifen. In die Nähe dieser Konzeption gehört auch die Theorie des Flow 222 , das beglückende Aufgehen in der Hingabe an eine Sache - wachstumsorientiert, zielorientiert, mit Anstrengung genauso wie mit spezifischen Erwartungsanteilen versehen, die trotz oder gerade wegen der einsatzfreudigen Selbstvergessenheit mit der Erreichung der angestrebten Sache verbunden sind. Hervorzuheben ist die Betonung der Anstrengung und das Moment der Beglückung dabei. Daraus können wir folgern, dass tätige Zukunftsperspektiven und Handlungsfähigkeit mit beglückender Aktivität zu tun haben und solche Zukunftsorientierung umgekehrt zu Flow führt. Das heißt aber auch: Hoffnung braucht das dem Selbsteinsatz adäquate Feedback. Als zusätzliches Beispiel mag eine Überblicksarbeit von PETER HERSCHBACH 223 Erwähnung finden, die sich aus medizinisch-psychologischer Perspektive mit den Voraussetzungen von Zufriedenheit in Anbetracht schwerer Krankheit beschäftigt, wobei adaptierte Erwartungshaltungen (setpoint) und die Frage nach der Sinnhaftigkeit erneut große Bedeutung bekommen haben. Demnach sind die korrelativen Zusammenhänge zwischen objektiv-medizinischen Krankheitsparametern und dem subjektiven Erleben so gering, dass der weitaus größte Prozentsatz der Datenvarianz über psychologische Bewältigungsmechanismen erklärt werden kann und muss. Damit wird auch verständlich, dass körperlich schwer beeinträchtigte Patienten dennoch vergleichsweise hohe Lebenszufriedenheiten erreichen können. Die sogenannten High-Hopers haben nun gegenüber den Low-Hopers höhere Kennwerte in förderlichen Bewältigungsstrategien, wissen mehr über die zu bewältigende Krankheit und können negative Gefühle diesbezüglich sogar verändern. Insbesondere 219 Vgl. FOURNIER, M. / De RIDDER, D. / BENSING, J., How optimism contributes to the adaptation of chronic illness: A prospective study into the enduring effects of optimism on adaptation moderated by the controllability of chronic illness, in: Personality and Individual Differences 33 (2002), 1163-1183. 220 Vgl. HOYER, J. / HERZBERG, P.Y., Optimismus, in: BENGEL, J. / JERUSALEM, M. (Hrsg.), Handbuch der Gesundheitspsychologie und Medizinischen Psychologie, Göttingen 2009, 68- 73, hier 68. 221 Vgl. HOYER / HERZBERG, Optimismus, 68. 222 Vgl. CSIKSZENTMIHALYI, M., Dem Sinn des Lebens eine Zukunft geben. Psychologie für das 3. Jahrtausend, Stuttgart 1995. Ders., Flow. Das Geheimnis des Glücks, Stuttgart 12 2005. 223 Vgl. HERSCHBACH, P., Das „Zufriedenheitsparadox“ in der Lebensqualitätsforschung - Wovon hängt unser Wohlbefinden ab? , in: Psychoth Psych Med 52: (2002), 141-150. <?page no="475"?> 3. Gesundheitspsychologie 475 aber können Sie tendenziell mehr einen „fighting spirit“ 224 entwickeln, als dessen Kern spezifische Hoffnung gelten kann. Ein weiterer wichtiger Kontext zur Explikation der Bedeutung von Hoffnung für das (psychologische) Gesundheitsverhalten ist die Stressbewältigung. Stress ist dabei immer bewertungsgebunden (primary and secondary appraisal), erweitert um Sinn- und Bedeutungszuschreibungen, was die Emotionalität verbessert und das Coping. 225 Insgesamt ist für jegliche Form der Stressverarbeitung die individuelle Ausprägung bestimmter Persönlichkeitsparameter des Einzelnen die wichtigste Variable für Lebenszufriedenheit (QoL - Quality of Life). Hoffnung erhebt sich nun mit spezifischen Bewertungskomponenten mit Blick auf die erwartete Zukunft über die Fakten der Gegenwart. 226 Das hat Konsequenzen bis ins Immunsystem hinein, sodass das entscheidende Paradigma diesbezüglich heute die Psychoneuroimmunologie ist. 227 Stressbewältigung hat daher neben Entspannung und Genuss, Ausgleich und Entlastung zentral mit Bewertungen (appraisals) zu tun, und diese sind durch und durch erwartungsbezogen und damit hoffnungsoffen. 228 Selbst die sinnstiftende Bewertung von Verlusten fällt hierunter. 229 Es geht hier quasi u.a. um eine Vorwegnahme von Bewältigung, weswegen situationsadäquates, evaluationsadäquates und repräsentationsadäquates Coping unterschieden wird. Mit anderen Worten: Hoffnung vermittelt stressresistente optimistische Erwartungen und fördert die Genesung durch Eröffnung von Ressourcen. 230 Eines der einschlägigsten und zugleich am besten untersuchten Themenfelder im Kontext der vorliegenden Fragestellung ist das der (psychologisch-pflegerischen) Behandlung terminal an Krebs erkrankter Patienten 231 und das der Betreuung von ALS- 224 Vgl. IRVING, L.M., Hope and Coping with cancer by College Women, in: Journal of Personality 66 (1998) 2, 195-214, hier 211. 225 Vgl. HERSCHBACH, Das „Zufriedenheitsparadox“ in der Lebensqualitätsforschung, 145 / 146. 226 Vgl. KORNER, I.N., Hope as a method of Coping, in: Journal of Consulting and Clinical Psychology 34 (1970) 2, 134-139. 227 Vgl. SEGERSTROM, S.C. / MILLER, G.E., Psychological Stress and the Human Immune Systeme: A Meta-Analytic Study of 30 Years of Inquiry, in: Psychological Bulletin 130 (2004) 4, 601-630. 228 Vgl. APPLEY, M.H. / TRUMBULL, R. (eds.), Dynamics of stress. Physiological, psychological, and social perspectives, New York 1986. BECHTER, K. / GASCHLER, K., Aufbruch der Killerzellen. Macht Stress wirklich krank? Und umgekehrt: ist es möglich, sich „gesund zu denken“? Forscher an der Schnittstelle von Körper und Geist geben überraschende Antworten, in: Gehirn & Geist 5 / 2004, 34-37. 229 Vgl. RENNEBERG, B. / HAMMELSTEIN, P. (Hrsg.), Gesundheitspsychologie, Heidelberg 2006, 12 und 13. 230 Vgl. PREISER, S. / AUTH, A. / BUTTKEWITZ, S., Bewältigung von Lebensenttäuschungen - Innere und äußere Ressourcen, in: Zeitschrift für Psychologie 1 / 2005, 34-43. 231 Vgl. in Auswahl RUSTOEN, T. / COOPER, B.A. / MIASKOWSKI, C., A longitudinal study of the effects of a hope intervention on levels of hope and psychological distress in a communitybased sample of oncology patients, in: European Journal of Oncology Nursing 2011, 15 (4), 351-357. RUSTOEN, T. / COOPER, B.A. / MIASKOWSKI, C., The Importance of Hope as a mediater of psychological distress and life satisfaction in a community sample of cancer patients, in: Cancer Nursing 2010, 33 (4), 258-267. LIVNEH, H., Psychosocial adaptation to cancer. The role of coping strategies, in: Journal of rehabilitation 2000, 66 (2), 40-49. HERTH, K., The relationship between level of hope and level of coping response and other variables in patients with cancer, in: Oncology Nursing Forum 1989, 16 (1), 67-72. OWEN, D., Nurses' perspectives on the meaning of hope patients with cancer a qualitative study Oncology Nursing <?page no="476"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 476 Patienten (Amyotrophe Lateralsklerose) 232 . Dabei zeigte sich etwa bei chronischer (Krebs-) Erkrankung immer wieder eine deutliche Reduktion des Stresserlebens relativ zu höheren Hoffnungsindices bzw. bei höheren Hoffnungswerten höhere Lebenszufriedenheitsindices. Wenn ALS-Patienten auf Korrelate ihres subjektiven Leidens untersucht werden, so stellten körperlicher Schmerz und Hoffnungslosigkeit die beiden schwersten Beeinträchtigungen dar bzw. Hoffnung und Optimismus eine der wichtigsten Komponenten der Bewältigung und Adaptation. 233 Selbst die Sinnhaftigkeit, die die Betreuer ihrer Arbeit an und mit den Patienten gaben, spiegelte sich im Erleben der Patienten wider. 234 Aus diesen Forschungen können auch eine Reihe von Mechanismen, besser Strukturen der Hoffnung abgeleitet werden, wobei eines der erstaunlichsten Ergebnisse darstellt, dass höhere Hoffnungsindices mit höherer Selbst-Transzendenz einhergehen. Ensprechend der Grundthese der vorliegenden Arbeit konnte auch gezeigt werden, dass die Konzepte Sinn und Hoffnung auf das Engste korreliert sind, etwa Sinnlosigkeit ein Hauptprädiktor für Hoffnungslosigkeit darstellt. 235 Daneben liegen inzwischen auch zur Bedeutung der Hoffnung für Sterbende und deren Betreuung eine Reihe höchst bedeutsamer Einsichten vor, die im Einzelnen aufzuarbeiten wären. 236 Nicht nur, dass Hoff- Forum 1989, 16 (1), 75-79. HICKEY, S., Enabling hope Cancer, in: Nursing 1986, 9 (3), 133- 137. STONER, M. / KEAMPFER, S., Recalled life expectancy, phase of illness, and hope in cancer patients, in: Research in Nursing and Health 1985, 8, 269-274. McGEE, R. / CLARK, J., Hope a vital component in cancer care and coping In ACS Proceedings of the Fourth National Conference on Human Values and Cancer (American Cancer Society ed.), American Cancer Society, New York 1984, 134-139. WEISMAN, A., Coping With Cancer, McGraw Hill, New York 1979. 232 Vgl. in Auswahl FANOS, J.H. / GELINAS, D.F. / FOSTER, R.S. / POSTONE, N. / MILLER, R.G., Hope in palliative care: from narcissism to self-transcendence in amyotrophic lateral sclerosis, in: Journal of Palliative Medicine 2008, 11 (3), 470-475. VITALE, A. / GENGE, A., Codman Award 2006: the experience of hope in ALS patients, in: Axone 2007, 28 (2), 27-35. CEN- TERS, L.C., Beyond denial and despair: ALS and our heroic potential for hope, in: Journal of Palliative Care 2001, 17 (4), 259-264. 233 Vgl. GANZINI, L. / JOHNSTON, W.S. / HOFFMAN, W.F., Correlates of suffering in amyotrophic lateral sclerosis, in: Neurology 1999, 52, 1434-1440. TEA-SOOK, K., hope as a mode of coping in amyotrophic lateral sclerosis, in: Journal of Neuroscience Nursing 1989, 21 (6), 342- 347. 234 Vgl. RABKIN, J.G. / GLENN, J.W. / DEL BENE, M., Resilience and distress among amyotrophic lateral sclerosis patients and caregivers, in: Psychosomatic Medicine 2000, 62, 271-279. 235 Vgl. PLAHUTA, J.M. / McCULLOCH, B.J. / KASARSKIS, E.J. / ROSS, M.A. / WALTER, R.A. / McDONALD, E.R. , Amyotrophic lateral sclerosis and hopelessness: psychosocial factors, in: Social Science and Medicine 2002, 55, 2131-2140. 236 Vgl. in Auswahl HERTH, K., Fostering hope in terminally-ill people, in: Journal of Advanced Nursing 1990, 15, 1250-1259. GREENE, S. / O'MAHONEY, P. / RUNGASMAY, P., Levels of measured hopelessness in physically ill patients, in: Journal of Psychosomatic Research 1982, 26, 591-593. HINDS, P., Adolescent hopefulness in illness and health , in: Advances in Nursing Science 1988, 10 (3), 79-88. JONES, S., Hospice and hope can a patient have both; in: The American Journal of Hospice Care 1989, 4, 8-9. RALEIGH, E., An investigation of hope as manifested in the physically ill adult, Dissertation Abstracts International 1980, 42, 422204- 1313B (University Microfilms No. 80-22, 786). RIDEOUT, E. / MONTEMURO, M., Hope, morale and adaptation in patients with chronic heart failure Journal of Advanced Nursing 1986, 11, 429-438. SCANLON, C., Creating a vision of hope the challenge of palliative care, in: Oncology Nursing Forum 1989, 16 (4), 491-496. STANLEY, A., The lived experience of hope the <?page no="477"?> 3. Gesundheitspsychologie 477 nungslosigkeit ein Hauptsymptom der Depression am Lebensende 237 darstellt, Hoffnung ist im Gegenzug mit dem Konzept der Lebensqualität eng verknüpft. Zwar muss nach wie vor die Heterogenität der Konzepte 238 in Rechnung gestellt werden, aber dennoch können eine Fülle von Einsichten zur Bedeutung der Hoffnung für die Bewältigung unterschiedlichster Krankheiten kritisch aufgenommen werden. 239 e) Schutz vor Traumatisierung - „Trotzmacht des Geistes“ Daneben existieren empirisch-experimentelle Einzelstudien, die je für sich einen Erkenntnisgewinn für das Verständnis der strukturellen Voraussetzungen des Hoffnungsvollzugs bereithalten können. Ein Beispiel aus dem Umfeld der Psychotraumatologie mag genügen, wobei Traumatisierungen u.a. neben einer Vielzahl an körperlichen Abläufen auch als (schockartige) Reaktion auf unerwartete und unerwartbare Ereignisse verstanden werden können und Erwartungen immer eine Rolle spielen: Als Exempel sei auf eine empirische Studie 240 verwiesen, die aus dem Bereich der klinischen Psychologie stammt und sich um die Identifizierung kognitiver Korrelate einer chronischen Posttraumatischen Belastungsstörung (PTB) bei ehemaligen politischen Gefangenen (PG) der damaligen DDR bemüht hat und dabei auf große interindividuelle Unterschiede in den langfristigen psychischen Folgeerscheinungen gestoßen ist. Ziel war es, diejenigen Faktoren im Einzelnen zu differenzieren, welche die Entwicklung und Aufrechterhaltung von PTB bei PG beeinflussen. Methodisch wurden dazu an einer Stichprobe von 73 ehemals in der DDR inhaftierten Personen halbstrukturierte Interviews durchgeführt und diese über ein eigens entwickeltes Rating-Manual systematisch ausgewertet, um zu prüfen, inwieweit fünf aus der Literatur entnommene Konzepte praktisch mit chronischer PTB nach politischer Haft zusammenhängen. Die Probanden wurden dazu auf der Basis diagisolation of discreet descriptive elements common to the experience of hope in healthy young adults, Dissertation Abstracts International 1978, 39 (3), I212B (University Microfilms No. 7816899). STANLEY, T., Is it ethical to give hope to a dying person? , in: Nursing Clinics of North America 1979, 14 (1), 69-80. TAYLOR, P. / GIDEON, M., Holding out hope to your dying patient, in: Nursing 1982, 82, 12 (2), 42-45. VAILLOT, M., Hope the restoration of being, in: American Journal of Nursing 1970, 70 (2), 268-273. 237 Vgl. CHOCHINOV, H.M. / WILSON, K.G. / ENNS, M. / MOWCHUN, N. / LANDER, S. / LEVITT, M. / CLINCH, J.J., Desire for death in terminally ill, in: American Journal of Psychiatry 1995, 152 (8), 1185-1191. 238 Vgl. HINDS, P., Inducing a definition of hope through the use of grounded theory methodology, in: Journal of Advanced Nursing 1984, 9 (4), 357-362. FITZGERALD, R., The Sources of Hope, Pergamon, Rushcutters Bax, Australia 1975. 239 Vgl. KORNER, L., Hope as a method of coping; in: Journal of Consulting and Clinical Psychology 1970, 34 (2), 134-139. McGEE, R., Hope a factor influencing crisis resolution, in: Advances in Nursing Science 1984, 6 (7), 34-44. MILLER, J., Inspiring hope In Coping With Chronic Illness - Overcoming Powerlessness (MILLER, J. ed.), Philadelphia 1984. MILLER, J., Hope, in: American Journal of Nursing 1985, 85 (1), 23-25. MILLER, J., Hope-inspiring strategies of the critically ill, in: Applied Nursing Research 1989, 2 (1), 23-29. O'MALLEY, P. / MENKE, E., Relationship of hope and stress after MI, in: Heart and Lung 1988, 17 (2), 184-190. 240 Vgl. BOOS, A. / EHLERS, A. / MAERCKER, A. / SCHÜTZWOHL, M., Trauma, Kognitionen und chronische PTB: Eine Untersuchung an ehemaligen politischen Gefangenen der DDR, in: Zeitschrift für klinische Psychologie, 27 (1998) 4, 244-253. <?page no="478"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 478 nostischen Materials in zwei Gruppen eingeteilt, eine Gruppe umfasste dabei die Probanden mit PTB (I), die andere diejenigen ohne PTB (II). Daneben wurden an den Probanden einige Testverfahren erhoben, sowohl um ein Symptomschweremaß der Traumatisierung, als auch um einige andere psycho-(patho-)logische Maße zu bekommen, die schließlich mit der Gruppenzugehörigkeit korreliert wurden. Die Konzepte, die hier im einzelnen nicht hergeleitet und vorgestellt werden können, die aber für zentral für die Entwicklung und Aufrechterhaltung von PTB gehalten werden und deshalb Gegenstand der vorliegenden Studie wurden, lauten: (1) „Politische Überzeugung“ als Schutzfaktor gegen die Entwicklung der PTB; (2) „Kohärenzsinn“, ein salutogenetisches Maß für die seelische Widerstandskraft gegenüber Krankheit, wiederum als Schutzfaktor vor chronischen PTB-Symptomen; (3) „Generelles Gefühl der Entfremdung“ als Indikator traumatischer Prozesse; (4) „Gefühle irreversibler Veränderung“ (bzgl. Persönlichkeit, Körper, Lebensperspektive) als Symptom traumatischer Prozesse; (5) Die logotherapeutisch entscheidende Größe stellt nun die dichothom ausgeprägte Variable „Sich Aufgeben“ (mental defeat) versus „Psychische Unbeugsamkeit“ bzw. „Autonome Geisteshaltung“ („Trotzmacht des Geistes“) dar, die wie folgt konzeptualisiert wurde: Mit dem Pol mental defeat („Sich Aufgeben“) sind folgende Erfahrungen verknüpft: Sich während der Gewalttat innerlich aufgeben; Verlust des Gefühls jeglicher psychischer Autonomie; dem Willen des Täters völlig ausgeliefert sein oder völlig entmenschlicht sein, etc. Als Gegenpol zu „Sich Aufgeben“ bezeichnet Psychische Unbeugsamkeit („Trotzmacht des Geistes“) Folgendes: Die Freiheit des eigenen Willens wahrnehmen; Gefühle der Unbeugsamkeit; sich in moralischer Hinsicht den Repressoren überlegen fühlen; die Gewissheit, dass das Regime eines Tages stürzen werde, etc. Kurz gesagt: Der „Trotzmacht des Geistes“ wird in der vorliegenden Studie die Haltung „Sich Aufgeben“ gegenübergestellt, was eine klare inhaltliche Konturierung mit sich bringt und mit den diesbezüglichen Überlegungen FRANKLS verglichen zu werden verdient. 241 Wichtig hinzuweisen bleibt noch, dass die untersuchten Gruppen (I, II) im Ausmaß der objektiv erlittenen Haftbedingungen (Haftdauer; Alter seit Haftbeginn; Zeit, seit der Entlassung; Zahl der erschwerenden Haftbedingungen; Unerwartetheit der Haft; etc.) vergleichbar waren, sodass die Ergebnisse nicht als Epiphänomene der Traumaschwere interpretiert werden können. Die Ergebnisse dieser Studie, die hier nur im Sinne der Argumentation kurz angedeutet werden sollen, weisen nicht nur darauf hin, dass Probanden aus der Gruppe mit PTB (I) ein stärkeres Gefühl der Lebensbedrohung während der Haft angaben, häufiger komorbide Störungen wie Depression oder Angststörungen aufwiesen, höher auf der Skala „Generelles Gefühl der Entfremdung“ (3) eingestuft wurden und entsprechend dem Konzept (4) ihre Persönlichkeit und ihr Leben dauerhaft stärker negativ verändert erlebten („Irreversible Veränderung“), sondern darüber hinaus sind unter logotherapeutischer Perspektive, wonach die humanen Ressourcen und die konkreten Möglichkeiten zur Sinnverwirklichung im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, ganz besonders folgende Ergebnisse von unmittelbarer Bedeutung: In der Gruppe ohne PTB (II) fanden sich deutlich mehr PG mit eindeutig regime-kritischen politischen Überzeugungen (1). Bei ungefähr der Hälfte der PTB-Gruppe (I) fanden sich deutliche Belege für „Sich Aufgeben“, während in der Gruppe ohne PTB (II) häufige Belege für eine „Autonome Geisteshaltung“ (sic! ) im Sinne von „Das steh’ ich bis zum Ende durch! “ anzutreffen waren. 241 Methodologische Erörterungen sollen weitgehend ausbleiben, wobei zum Verständnis der an dieser Stelle nur kursorisch darstellbaren Ergebnisse nicht gänzlich darauf verzichtet werden kann. <?page no="479"?> 3. Gesundheitspsychologie 479 Diese Gruppenunterschiede zeigten sich als sehr stabil, selbst wenn durch verschiedene statistische Verfahren andere mögliche Einflussgrößen, z.B. die Höhe der wahrgenommenen Lebensbedrohung, kontrolliert werden konnten. Wer wollte nicht bereits an dieser Stelle verschiedene logotherapeutische Konzepte damit verbinden, allen voran die Einstellungswerte, aber auch den Willen zum Sinn, die Kategorie der Haltung oder die schon erwähnte „Trotzmacht des Geistes“, deren basale Bedeutung für eine gelingende Lebensführung gerade auch im Angesicht von Schicksalsschlägen, die es zu bewältigen gilt, V.E. FRANKL nicht müde wurde hervorzuheben? Ein letztes und zugleich zentrales Ergebnis, das die hier vorgeschlagene Affinität weiterführt, sei hervorgehoben: Mittels eines speziellen statistischen Verfahrens (Logistische Regression), das die Verteilung der Probanden auf die beiden Gruppen (I,II) durch Kombination der kognitiven Variablen (1-5) nachträglich, d.h. nach der Erhebung der Daten, vorherzusagen versucht, konnten drei Viertel (sic! ) der Probanden mit chronischer PTB (I) allein über die Variable „Sich- Aufgeben“ versus „Autonome Geisteshaltung“ ihrer Gruppe (I) richtig zugeordnet werden, was die Erklärungskraft dieses Konstrukts nachdrücklich zum Ausdruck bringt. Mit anderen Worten: Bei der Diskussion der angedeuteten Ergebnisse fallen logotherapeutische Parallelen unschwer ins Auge, die es ausfindig zu machen und in der Sprache aktueller klinisch-psychologischer Nomenklatur wiederzugeben gilt: Personen scheinen sich demnach darin zu unterscheiden, wie sehr sie sich einem äußeren, repressiven Druck widersetzen und ihre psychische Integrität bewahren können. Auch kann nach dieser Studie eine gefestigte (moralisch-politische) Überzeugung vor den psychischen Folgen einer Traumatisierung schützen. Das Gefühl, kognitiv an etwas festzuhalten bzw. festhalten zu können, das die Wahrung dieser psychischen Integrität ermöglicht und damit der Autonomie der Person dient, in der Ausdrucksweise Frankls der Sinn, den es in personaler Exklusivität zu realisieren gilt, scheint einer der zentralen Momente bei der Bewältigung potentiell traumatisierender Erlebnisse zu sein, sodass ihm diesbezüglich eine ubiquitäre Bedeutung zuerkannt werden kann. Die Ergebnisse bestätigen mithin, dass Gedankenprozesse während der Haft und die Interpretation ihrer Folgen mit chronischer PTB in Zusammenhang stehen und die gegenwärtige Symptomatik eher mit erinnerten als mit tatsächlichen Ereignissen zusammen hängt. In der Sprache der Logotherapie V.E. FRANKLS: Die Einstellung, die Haltung diesen Erlebnissen gegenüber - sowohl während der Situation selber, als auch gegenüber den diesbezüglichen Erinnerungen - ist von ausschlaggebender Bedeutung für deren sinnvolle Bewältigung auf der Basis des Willens zum Sinn. In der Sprache der modernen klinisch-psychologischen Forschung: Die Aufrechterhaltung bzw. Erschütterung spezifischer kognitiver Schemata, die eigentlich eine salutogenetische Schutzfunktion für den seelischen Apparat einnehmen, ist von zentraler Bedeutung für einen positiven Verlauf traumatischer Belastungen. Mit Blick auf die anfänglichen Überlegungen kann schließlich zusammenfassend formuliert werden, dass unter logotherapeutischer Perspektive durch diese Studie die dominante Bedeutung der FRANKLSCHEN „Trotzmacht des Geistes“ bzw. der „Autonomen Geisteshaltung“ als vorrangiger Schutzfaktor selbst gegenüber schweren Stressoren, wie die Haftbedingungen in der ehemaligen DDR sicher bezeichnet werden können, hervorgehoben und verifiziert wurde. Die Studie beschäftigte sich mit den Auswirkungen von politischer Gefangenschaft auf die Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Nicht nur, dass dabei ein dezidiert logotherapeutisches Konzept (dichothome Variable: Sich-Aufgeben vs. Autonome Geisteshaltung / „Trotzmacht des Geistes“) in seiner Schutzfunktion vor den Folgen von Traumatisierungsprozessen eindeutig bestätigt wur- <?page no="480"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 480 de, es zeigte sich auch, worauf andere Arbeiten ebenfalls hindeuten 242 , dass für die gegenwärtige Symptomatik einer Traumatisierung insbesondere die erinnerten, nicht die tatsächlichen Symptome verantwortlich sind, was die entscheidenden psychologischen Strukturen für den Verlauf einer Traumatisierung als hoffnungs-offen, als zugänglich und deutlich beeinflussbar durch Elemente der Hoffnungskategorie erscheinen lässt. 243 Mit anderen Worten: Hoffnung hat als Gefühl biologische Korrelate und beeinflusst als Schutzfaktor die Trauma-Symptomatologie, indem die mit ihr transportierte Sinnaussicht eine Haltung des Dennoch und des Trotzdem ermöglicht und damit große Widerstandpotentiale freizusetzen vermag. f) Ertrag Eine zentrale Erkenntnis der sogenannten Entscheidungspsychologie, die inzwischen auch erfolgreich im psychotherapeutischen Bereich angewendet wird, lässt sich paradigmatisch auf die Hoffnungskategorie hin auswerten: Große, wichtige Entscheidungen, wollen sie die größte Erfolgswahrscheinlichkeit für sich beanspruchen, haben immer für etwas getroffen zu werden, nie nur ex negativo gegen etwas. Gegen etwas können wir uns nicht handlungswirksam und erfolgreich entscheiden, dafür liegen viele Erkenntnisse aus Psychologie und Neurophysiologie vor. Wesentliche Entscheidungen, die handlungsvorbereitend und handlungssteuernd werden sollen, benötigen als Grundlage eine positive Valenz, was sich in daraus abgeleiteten positiven Bildern 244 niederschlägt - kognitiv, emotional, neuronal. Sie sind nicht allein als Vermeidungsziele auszulegen. Die hier vorgestellten einschlägigen gesundheitspsychologischen Konzepte geben davon ein beredtes Zeugnis ab und zeigen doch zugleich, dass die Bedeutung der Hoffnung zur Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der seelischen Gesundheit, genauso wie zur Etablierung starker Ressourcen zur mitunter widerständigen Bewältigung von Anforderungen kaum überschätzt werden kann. Schließlich wird eine spezifische Form von „Kontrolle“ ermöglicht, vorrangig kognitiv und verhaltensmäßig, d.h. im Sinne der Annahme der Verstehbarkeit und der Erwartung der Möglichkeit der Einflussnahme auf die jeweilige Situation und damit das eigene Leben. Der psychologische Begriff der „Kontrolle“ lässt sich im Sinne der Annahme und Erwartung von Handlungsfähigkeit deuten, die subjektive Annahme und Erwartung, Handlungen kognitiv, emotional und verhaltensmäßig steuern und beeinflussen zu können im Sinne je eigener Intentionen. Systematisch aufschlussreich ist daher, dass mit jeder Erwartung der Offenheit eines Möglichkeitsraumes die Erwartung der (positiven) Einflussnahme einhergeht, was wiederum das gesamte handlungsleitende System des Menschen mit einer sinnverheißenden, hoffenden Aussicht auf Bewältigung, mithin auf Gelingen potentiell zu versehen vermag. Hoffnung wird dem gerecht, indem dem Handeln eine positive Valenz zugrunde gelegt wird, die 242 Vgl. SHALEV, A.Y. / FREEDMAN, S. / PERI, T. / BRANDES, D. / SAHAR, T. / ORR, S.P. / PITMAN, R.K., Prospective study of posttraumatic stress disorder and depression following trauma, in: American Journal of Psychiatry, 155 (1998), 630-637. 243 Vgl. LUTZ, R., Logotherapie und ihre Verifizierung. Anmerkungen zu einer vernachlässigten Forschungsstrategie. Eine empirische Studie zur Posttraumatischen Belastungsstörung an ehemaligen politischen Gefangenen der DDR als Verifizierung der „Trotzmacht des Geistes“, in: Existenz und Logos. Zeitschrift für sinnzentrierte Therapie - Beratung - Bildung 1 / 2005, 112- 117. 244 Vgl. HÜTHER, G., Die Macht der inneren Bilder. Wie Visionen das Gehirn, den Menschen und die Welt verändern, Göttingen 2005. <?page no="481"?> 4. Psychotherapie und Beratung 481 ein Optimum an Sinnhaftigkeit verbürgt. Hoffnung will das als positiv Imaginierte. Hoffnung lebt letztlich nicht allein aus der Negation, aus der Überspringung des Negativen auf eine positive Zukunft hin, nicht vorrangig aus der Negation des Negativen, sondern aus der Position des Positiven. 4. Psychotherapie und Beratung Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt. 245 a) Unspezifische Psychotherapiefaktoren Der psychotherapeutische Praktiker weiss um die eminente Bedeutung der Hoffnung für psychische und somatische Genesungsprozesse, der Theoretiker dagegen sucht nach wie vor vergebens nach einer dieser Bedeutung angemessenen Theorie. 246 Unter den sogenannten „unspezifischen Therapiefaktoren“ versteht man psychotherapeutisch wirksame Komponenten, die nicht einer schulenspezifischen Technik zuzurechnen sind. J. FRANK 247 hat diesbezüglich in den 70er-Jahren des 20. Jh. für unseren Zusammenhang hochbedeutsame Beobachtungen theoretisch festgehalten. Danach sind diese unspezifischen therapiewirksamen Faktoren (Interaktion, Insignien, Attribution, Ritual) über vermittelnde Variablen (Erwartungen, Lernen, affektive Erfahrungen) in der Lage, das zu bewirken, was die eigentliche seelische Heilung ausmacht: Umstrukturierung der Person von Demoralisierung in Hoffnung auf positive Lebensbewältigung. Diese Hoffnung auf Lebensbewältigung wiederum ist dann imstande, diejenigen Selbstheilungskräfte auszulösen, welche sich in der Symptomminderung zeigen. Hier fungiert Hoffnung mithin als entscheidender Prädiktor der Symptomminderung, wobei letztlich die Bedeutung und die Voraussetzungen der Induzierung von positiven Erwartungen für die seelische Heilung angesprochen werden. 248 Bereits auf der Basis ganz unspezifischer Mechanismen, etwa indem eine Erklärung für das Problem angeboten wird, indem in interaktiven, ritualisierten Expertenkontexten die gegenwärtige Situation verändernde affektiv getragene Lernerfahrungen gemacht werden können, können Erwartungen entstehen, die schließlich die entscheidende Hoffnung auf Bewältigung begünstigen, welche wiederum einer der wichtigsten Prädiktoren der tatsächlichen Symptomminderung darstellen. Der Therapeut hat daher die Aufgabe, positive Besserungserwartungen zu induzieren. Zu den 245 Vgl. 1 Petr 3,15. 246 Vgl. LAMBERT, M.J. (Ed.), Bergin and Garfields’s Handbook of psychotherapy and behavior change, Wiley 5 2004. Hier findet sich etwa (gegenüber früheren Auflagen) kein einziger Hinweis auf den Hoffnungsbegriff. 247 Vgl. FRANK, J. / HOEHN-SARIC, R. / IMBER, S.D. / LIBERMAN, B.L. / STONE, A., Effective Ingredients of Successful Psychotherapy, New York 1978. FRANK, J.D., Die Heiler. Wirkungsweisen psychotherapeutischer Beeinflussung. Vom Schamanismus bis zu den modernen Therapien, Stuttgart 1981. Ders., Persuasion and Healing. A Comparative Study of Psychotherapy, John Hopkins University Press 1973. 248 Vgl. FRANK, J.D., Expectation and Therapeutic Outcome - The Placebo Effect and the Role Induction Interview, in: FRANK, J. / HOEHN-SARIC, R. / IMBER, S.D. / LIBERMAN, B.L. / STONE, A., Effective Ingredients of Successful Psychotherapy, New York 1978, 1-34. <?page no="482"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 482 unspezifischen Therapiefaktoren liegen inzwischen nicht wenige methodisch kontrollierte Studien vor, aber eigentlich steht Praxiserfahrung im Hintergrund, die in ein Konzept gebracht wurde. Erwartungsinduktionen spielen auch bei der auf umfangreichen empirischen Ergebnissen der Psychotherapieforschung und der Anbindung an die Allgemeine Psychologie beruhenden sogenannten Allgemeinen Psychotherapie KLAUS GRAWES eine bedeutende Rolle, da sie fundamentale Wirkprinzipien jeglicher Psychotherapie ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit gestellt hat, wobei Derivate bzw. Interpretamente der Hoffnung zu den wichtigsten Komponenten dieser Wirkprinzipien gehören. Mit anderen Worten: Hoffnung vermittelt Lebensbewältigung und prädiziert Symptomminderung. b) Logotherapie Im Zentrum der sogenannten „Logotherapie“, einer sinnzentrierten Form der Psychotherapie, die von VIKTOR EMIL FRANKL 249 begründet und durch ELIZABETH LU- KAS, WOLFRAM KURZ 250 und BOGLARKA HADINGER weitergeführt wurde, steht die Kategorie des Sinns im Zentrum der therapeutischen Aufmerksamkeit. Aufbauend auf Arbeiten von Philosophen wie NICOLAI HARTMANN und MAX SCHELER (Materiale Wertethik), KARL JASPERS (Existenzphilosophie), aber auch LUDWIG BINS- WANGER (Daseinsanalyse) und MAX WERTHEIMER (Gestaltpsychologie) und mit den psychiatrisch-psychopathologischen Theoriebildungen seiner Zeit im Hintergrund, allen voran der Neurosenlehre, entwickelte FRANKL eine sinn-orientierte Psychotherapie, eine psychotherapeutische Theorie und Praxis, die die Bearbeitung der Frage nach dem Sinn als ihr Proprium betrachtet. 251 Die Frage, in deren Beantwortung das gesamte Werk FRANKLS steht, lautet daher: Wie ist demjenigen Menschen zu helfen, der unter der Frustration seiner Sinn-Motivation, seines Willens zum Sinn leidet? Schließlich hegt der Mensch für FRANKL zwar eine Fülle von unterschiedlichsten Motivationen, seine vornehmste ist aber diejenige nach Sinn, weswegen er einen „Willen zum Sinn“ 252 postuliert. „Seinem Wesen nach ist der Mensch sinnorientiert.“ 253 Diese Prämisse konnte FRANKL nun psychotherapeutisch äußerst fruchtbar machen, indem er eine eigene therapeutische 249 Vgl. als zentrale Referenzliteratur FRANKL, V.E., ...trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager, München 22 2002. Ders., Ärztliche Seelsorge. Grundlagen der Logotherapie und Existenzanalyse, Wien 4 1994. Ders., Der leidende Mensch. Anthropologische Grundlagen der Psychotherapie, Bern 2 1996. Ders., Der Wille zum Sinn. Ausgewählte Vorträge über Logotherapie, München 1991. Ders., Sinn als anthropologische Kategorie, hrsg. und übersetzt von DuBois, J.M., Heidelberg 2 1998. 250 Vgl. KURZ, W. / HADINGER, B., Sinnvoll leben lernen, Tübingen 1999. KURZ, W. / SED- LACK, F. (Hrsg.), Kompendium der Logotherapie und Existenzanalyse. Bewährte Grundlagen, Neue Perspektiven, Tübingen 1995. KURZ, W., Philosophie für helfende Berufe, Tübingen 2004. Ders., Auf der Suche nach Sinn, in: Ders. / HADINGER, B., Sinnvoll leben lernen, Tübingen 1999, 3-42. 251 Der griech. λόγος [logos] wird hier von FRANKL mit „Sinn“ übersetzt, so dass Logotherapie als Therapie im Medium und durch die Erfahrung bzw. Aussicht auf Sinn übersetzt werden kann. Zur Bedeutung und Etymologie des Begriffs vgl. BILLER, K., Der Sinnbegriff als zentrales Theorem der Logotherapie, in: KURZ, W. / SEDLACK, F. (Hrsg.), Kompendium der Logotherapie und Existenzanalyse, Tübingen 1995, 99-116. 252 Vgl. FRANKL, V.E., Theorie und Therapie der Neurosen, München 1975, 15. 253 Vgl. KURZ, W., Der Mensch in der Entfremdung von sich selbst, in: Ders. / SEDLACK, F. (Hrsg.), Kompendium der Logotherapie und Existenzanalyse. Bewährte Grundlagen, Neue Perspektiven, Tübingen 1995, 17-38, hier 19. <?page no="483"?> 4. Psychotherapie und Beratung 483 Schule entwickelte, inklusive Methodologie und Explikation eines auf chronischen Sinndefiziten beruhenden Neurosentyps, der Noogenen Neurose, die dann zu entstehen droht, wenn der Wille zum Sinn dauerhaft frustriert wird. Systematisch entscheidend ist dabei die Einsicht, dass Sinnorientierung immer Sinnhoffnung und Sinnerwartung ist. Sinnerfahrung wird dabei moraltheologisch aufschlussreich über Werteverwirklichung ermöglicht (als homo faber, homo amans und homo patiens). Logotherapie wird daher als (ethische Theorie einer) Therapie durch Sinnfindung bzw. der therapeutischen Nutzbarmachung von Sinnhoffnungen begriffen. Als anthropologischer Hintergrund der Logotherapie kann gelten, dass menschliches Sein nicht allein durch seine Faktizität bestimmt ist, sondern mindestens ebenso durch eine grundsätzliche (Welt-) Offenheit und Fakultativität, mithin vom Raum des Möglichen (Sinns) her. 254 Statt allein einem Nun-einmal-sound-nicht-anders-Können und -Müssen gibt es unaufgebbar auch ein Immer-auchanders-werden-Können. 255 Im Hintergrund dieser Bestimmung kann eine Bewegung menschlicher Selbsttranszendenz und Selbstdistanzierung auf transsubjektives Sein hin ausgemacht werden, auf deren Basis der Mensch Sinnfahndung betreibt. Das alles passt exakt zur Spannungs-Struktur von Hoffnung, da für FRANKL ein gewisses Maß an Daseins- und Handlungsspannung (zwischen Sein und Sollen) notwendig zum Menschen gehört. Logotherapie kann in ihrer therapeutischen Effektivität inzwischen als empirisch gut bestätigt gelten. 256 Für den Kontext der vorliegenden Arbeit ist besonders auf die Sinn-Erwartungen und Sinn-Hoffnungen hinzuweisen, die letztlich als Telos jeglicher Hoffnung konzeptualisiert werden können und sollen. Ob spezifisch, partikular oder global, Hoffnung zielt letztlich auf Sinn - so die These. 257 Auch handlungsbezogener Hoffnung kann immer ein wenn auch nicht bewusst intendierter Platz in einem Sinn- Horizont gegeben werden, dem es an basaler Lebensorientierung, Lebenszielen und dem Gesamt-Ziel der je eigenen Existenz gelegen ist. Hoffnung haftet mithin ein Sinn- Überschuss an, der über die reine Zielerreichung hinausführt. Genauso das Umgekehrte: Wird eine mitunter gar nicht so bezeichnete oder erkannte Sinn-Gestalt in subjektiver Exklusivität (aber mit objektivem Anhalt) ergriffen und als fundamentale Lebensorientierung begriffen, etwa, um in der Sprache von FRANKL zu sprechen, im Sinne einer Anfrage des Lebens an mich, auf die ich in personaler Exklusivität zu „antworten“ habe, in deren Dienst ich mich quasi stelle (Selbsttranszendentalität), können außergewöhnliche seelische und körperliche Kraft-Ressourcen und Widerstandspotentiale mobilisiert werden, die im Grunde auf einer entfesselten Hoffnung auf Sinn beruhen. Das logothe- 254 Vgl. FRANKL, V.E., Logotherapie und Existenzanalyse. Texte aus sechs Jahrzehnten, Weinheim 3 1998, 61. 255 Vgl. KURZ, W., Der Mensch auf dem Weg zu sich selbst, in: Ders. / SEDLACK, F. (Hrsg.), Kompendium der Logotherapie und Existenzanalyse. Bewährte Grundlagen, Neue Perspektiven, Tübingen 1995, 39-69, hier 57. 256 Vgl. BATTHYANY, A. / GUTTMANN, D. (Eds.), Empirical Research on Logotherapy and Meaning-Oriented Psychotherapy. An Annotated Bibliography, Phoenix 2006. 257 Vgl. SEDLACK, F., Gegen alle Hoffnung hoffen. Ein Plädoyer für logotherapeutische Einsicht gegenüber relativistischer „Übersicht“ und fundamentalistische Absicht, in: Das Prinzip Hoffnung in der Logotherapie - Logotherapie und Existenzanalyse. Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse (Sonderheft), 5 (1997) 1, 103-111. SEDLACK, F., Worauf es ankommt. Sinn und Hoffnung und die Rolle der Logotherapie in der Psychotherapie, in: Das Prinzip Hoffnung in der Logotherapie - Logotherapie und Existenzanalyse. Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse (Sonderheft), 5 (1997) 1, 192-198. <?page no="484"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 484 rapeutisch akzentuierte Konzept der Sinnorientierung menschlicher Handlungswirklichkeit ist dabei für die unterschiedlichsten Anwendungskontexte durch empirische Arbeiten 258 vergleichsweise gut evaluiert worden und vermag, wie nachgewiesen werden konnte, enorme Potentiale der Energetisierung und der „Trotzmacht des Geistes“ freizusetzen entsprechend einem berühmten Wort FRIEDRICH NIETZSCHES: „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“ Die Sinnfrage und mögliche Sinn-Gewissheit wird dabei im Modus der Hoffnung allererst aktuell (vgl. analog Hoffnungs-Gewissheit), was sie und ihre psychotherapeutisch-philosophische Konzeptualisierung bei FRANKL für die vorliegende Thematik geradezu prädestiniert. Sinn-Ziele bzw. Sinn-Hoffnungen, die entlang eines semantisch heterogenen Sinnbegriffs erst spezifisch zu qualifizieren wären, können aber dennoch als buchstäblich hoch-attraktiv bezeichnet werden, sie haben quasi einen hohen Anreiz-Wert, was neben der Eigenmotivation des Handlungssubjekts zusätzlich motivierendes Potential freisetzt. Mit anderen Worten: Hoffnung vermittelt konkreten Lebens-Sinn. FRANKL hat, wie mir scheint, zu wenig darüber nachgedacht, dass der Wille zum Sinn eigentlich ein von Hoffnung bestimmter Wille ist, ein hoffnungsbestimmter Wille, der sich von Sinn-Hoffnung bewegen und motivieren lässt. So ist es im Sinne der hier anvisierten Ethik der Hoffnung notwendig, nicht nur über Sinn und Sinnbedeutungen nachzudenken, sondern zentral über die Konstitutionsbedingungen von humaner Sinn- Hoffnung und dessen anthropologischen Orten. c) Allgemeine Psychotherapie In einem der aktuellsten Forschungsfelder moderner Psychotherapieforschung, der sogenannten „Allgemeinen Psychotherapie“, die allen voran mit dem Namen KLAUS GRAWE 259 verbunden ist, wird der Versuch unternommen, auf breiter empirischer Grundlage allgemeine Wirkprinzipien seelischen Geschehens und damit jeglicher effektiver Psychotherapie ausfindig zu machen, die als Hoffnungsfacetten gedeutet werden können. Er fordert zunächst grundsätzlich eine Orientierung an empirisch evaluierten Wirkprinzipien statt an Therapiemethoden und postuliert deren vier, die grundlegend für alle therapeutisch-beraterischen Prozesse und der Verhaltensänderung insgesamt gelten können: (1) Intentionsrealisierung; (2) Intentionsveränderung; (3) prozessuale Aktivierung und (4) Ressourcenaktivierung. Nicht nur, dass GRAWE dabei das gesamte psychotherapeutische Geschehen unter der Erwartungs-mal-Wert-Perspektive betrachtet, was für sich genommen schon enorme Konsequenzen für die Frage nach der Bedeu- 258 Vgl. LUTZ, R., (Logo-)Therapieausbildung, Seelische Gesundheit und beraterische Praxis. Eine empirische Studie und beraterisch-psychologische Anmerkungen - Teil I, in: Beratung Aktuell. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Beratung, hrsg. von RUDOLF SANDERS und NOTKER KLANN, 3 / 2008, 170-186. Ders., (Logo-)Therapieausbildung, Seelische Gesundheit und beraterische Praxis. Eine empirische Studie und beraterisch-psychologische Anmerkungen, Teil II, in: Beratung Aktuell. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Beratung, hrsg. von RUDOLF SANDERS und NOTKER KLANN, 4 / 2008, 235-256. Ebenso SCHUMACHER, S., Die Architektur von Sinn. Ein empirisch gewonnenes Meta-Modell der menschlichen Sinnerfahrung, Marburg 1999. TAUSCH, R., Sinnerfahrungen: Bedeutung für unser Leben und Möglichkeiten der Förderung - Empirische Aspekte, in: KURZ, W. / SEDLACK, F. (Hrsg.), Kompendium der Logotherapie und Existenzanalyse. Bewährte Grundlagen, Neue Perspektiven, Tübingen 1995, 745-776. 259 Vgl. GRAWE, K., Psychologische Therapie, Göttingen 2 2000. Ders., Neuropsychotherapie, Göttingen 2004. <?page no="485"?> 4. Psychotherapie und Beratung 485 tung von Hoffnung für das therapeutische Geschäft hat, er fordert eine gleichzeitige Beachtung der Realisierbarkeit und der Wünschbarkeit von Intentionen für den Prozess der Analyse und Veränderung von Verhalten, wobei das Prinzip der Intentionalität als Grundqualität psychischen Geschehens aufgefasst wird. Darüber hinaus verweist GRAWE auf die Bedeutung der sich selbst erfüllenden Funktion von Erwartungen im Rahmen des psychischen Geschehens und zeigt, dass die Veränderung von Erwartungen als ein allgemeiner und störungsspezifischer Wirkfaktor betrachtet werden kann. GRAWE geht so weit, dass die Induktion von Besserungserwartungen zu den allgemeinen therapeutischen Wirkfaktoren gezählt werden kann, die dann unter der Perspektive ihrer Möglichkeit handlungsorientiert in Volitionsprozesse übersetzt werden wollen. Neben diesem Wirkfaktor (vgl. 1) spielt die motivationale Klärung (vgl. 2) eine große Rolle, daneben die unmittelbare, prozessuale, emotionale Erfahrung (vgl. 3) und die Aktivierung von Ressourcen (vgl. 4), die mit der Ekphorierung von Möglichkeiten, Alternativen, attraktiven Intentionen, etc. einhergeht. Ferner unterscheidet GRAWE im Rahmen der sogenannten Allgemeinen Psychotherapie vier zentrale Grundbedürfnisse: (I) das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle, (II) das Bedürfnis nach Luststeigerung und Unlustvermeidung, (III) das Bindungsbedürfnis und (IV) das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz. Die Hoffnungskategorie weist nun in ihrem Bezogensein starke Übereinstimmungen mit dem Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle auf - Handlungsorientierung auf Ziele mit hoher Bedeutung und Priorität hin, auf potentiellen Sinn hin und „Kontrolle“ durch die Erwartung auf Beeinflussbarkeit der Welt und des Lebens im Sinne dieser Ziele und damit der Hoffnung auf eine verlässliche und veränderungsfähige Welt selbst. Sie trägt aber auch zur Realisierung der drei anderen Bedürfnisse entscheidend bei, verkörpert quasi den ganzen Menschen in seiner Bedürftigkeit und orientiert und stillt diese Bedürfnisse. Hierfür werden „Attraktoren“, d.h. situational und personal gebundene Anreizwerte, zur Konkretion benötigt, die dann auf der Basis von Annäherungs- und Vermeidungsbewegungen schließlich verhaltensinitiierend wirken. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass in dieser rein formal angelegten Konzeption die Unterscheidung von Gegenwart und Zukunft keine zentrale Rolle spielt, insofern die Gegenwart immer schon auf Zukunft hin offen ist und handlungsrelevante Zukunft immer schon einen Anhalt an der Gegenwart hat, auch wenn diese sich mitunter unbewusst und vorreflexiv konstituiert. Nach der Auswertung von hunderten von empirischen Untersuchungen zur Effektivitätsforschung bezüglich spezifischer psychotherapeutischer Interventionen und einer beispiellosen Systematisierungsleistung kam GRAWE zu einer Reihe von Wirkprinzipien, die jenseits des therapeutischen Schulendenkens jede Form effektiver Seelenheilkunde bestimmen sollten. Dabei spielen wiederum so genannte Erwartungsinduktionen eine ganz entscheidende Rolle. Eines dieser elementaren Wirkprinzipien ist nämlich die Induktion positiver Erwartungen. Der Klient kommt nach dieser Auffassung dann in eine Psychotherapie, wenn er sich in einem Zustand der „Hoffnungslosigkeit und der Demoralisierung“ befindet. Die Therapie führt schließlich unter anderem dadurch zur Besserung des körperlich-seelischen Wohlbefindens, dass sie Hoffnung induziert, das heißt positive Erwartungen auf Bewältigung und Besserung der individuellen Lebenssituation. Damit wird dem Patienten wieder ein realistischer, das heißt auch erfahrbarer Glaube an eine bessere je eigene Zukunft vermittelt. Als zentraler Wirkmechanismus wird also die Veränderung von Erwartungen angenommen. Jede Art von Psychotherapie, unabhängig von der Ausrichtung des theoretischen Konzepts, ist demnach im Prinzip geeignet, Hoffnung auf Besserung beim Patien- <?page no="486"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 486 ten zu induzieren als einem der Hauptprädiktoren erfolgreicher Psychotherapie. Mit anderen Worten: „Entscheidend für die Wirkung der Therapie ist die Glaubwürdigkeit, mit der hoffnungsinduzierende Bedingungen geschaffen werden.“ 260 Hoffnung vermittelt mithin Lebensbewältigung und prädiziert eine Minderung seelischer Leidenssymptome. Hoffnung hat demnach eine genuin therapeutische Wirkung 261 , indem sie eine bewältigbare Zukunft in Aussicht stellt, die lebens- und bejahenswert erscheint. In der Sprache moderner Psychotherapieforschung geht es um die „Induktion von Besserungserwartungen“ als einem der allgemeinsten therapeutischen Wirkfaktoren. „Frank (1961, 1971, 1973, 1982) ging davon aus, dass die meisten Psychotherapiepatienten dann in Therapie gehen, wenn sie sich in einem Zustand der Hoffnungslosigkeit und der Demoralisierung befinden. Die Therapie führt nach seiner Auffassung dadurch zu Besserung, dass sie Hoffnung, d.h. positive Erwartungen auf Besserung induziert, dem Patienten wieder Glauben an eine bessere Zukunft vermittelt. Als zentraler Wirkmechanismus wird also die Veränderung von Erwartungen angenommen. Jede Art von Psychotherapie, ganz gleich welches theoretische Konzept sie hat, sei im Prinzip geeignet, Hoffnung auf Besserung beim Patienten zu induzieren.“ 262 Die Bedeutung solcher Forschungen, die auf breiter empirischer Basis stattfinden, liegt für die vorliegende Fragestellung unmittelbar auf der Hand, dennoch soll anhand eines konkreten Beispiels verdeutlicht werden, welche theoretischen und praktischen Folgen die Aufnahme solcher und ähnlicher psychotherapeutischer Erkenntnisse haben kann: Was mitunter im beraterisch-therapeutischen Kontext als fehlende (Akzeptanz-, Veränderungs- oder Bewältigungs-) Motivation im Rahmen von psychopathologischen oder schlicht krisenhaften Zuständen erachtet und entsprechend therapeutisch bearbeitet wird, ist bei genauerer Betrachtung nicht selten ein Mangel an Hoffnung auf sinnvolle Lebensgestaltung, der in seiner Konsequenz - aufgrund der mobilisierenden Funktion von Hoffnungen - schließlich als Motivationsmangel in Erscheinung tritt, aber eigentlich nur dem Hoffnungsmangel konsekutiv ist. Nach außen fehlende Motivation zeigt an, dass nach schweren Enttäuschungen aufgehört wurde, noch Besseres vom Leben zu erwarten oder sich und anderen Veränderung zuzutrauen. Fehlende Motivation zur Veränderung in der Beratung ist nicht selten als Ausweis fehlender Lebenshoffnung zu beobachten: Subjektive Begründungs- und Einordnungsdefizite werden reduziert auf Motivationsfragen, die dann dem kontrollierenden Zugriff und der Selbstmanipulation zugänglich scheinen. Was sich hier zeigt, ist das Verlangen des seelisch wie körperlich Versehrten nach einem Grund zum Gesund- Werden und mir scheint, dass die schon erwähnte Aussicht auf sinnvolle und glückende Lebensführung als einer der zentralen, wenn nicht der tiefste Grund zum Gesund- Werden 263 erachtet werden kann, d.h. zur Wiedererlangung von sinnorientierter und damit hoffnungsbasierter Handlungskompetenz trotz oder jenseits wieder überwundener Versehrung. Letztlich wird hier die Wirkung begründeter Hoffnung augenscheinlich. 260 Vgl. GRAWE, Psychologische Therapie, 22. 261 Vgl. BISER, E., Theologie als Therapie. Zur Wiedergewinnung einer verlorenen Dimension, Heidelberg 1985. 262 Vgl. GRAWE, Psychologische Therapie, 21. 263 Vgl. zur Bestätigung der These die Forschungen zur Seelischen Gesundheit von BECKER, P., Psychologie der seelischen Gesundheit. Bd. 1: Theorien, Modelle, Diagnostik, Göttingen et al. 2 1997. BECKER, P. / MINSEL, B., Psychologie der seelischen Gesundheit. Bd. 2: Persönlichkeitspsychologische Grundlagen, Bedingungsanalysen und Förderungsmöglichkeiten, Göttingen et al. 1986. <?page no="487"?> 4. Psychotherapie und Beratung 487 Was sich hier schon andeutet aber erst unter ethischer Perspektive offensichtlich wird, ist folgendes epistemische Problem einer solchen Psychotherapiekonzeption: sie ist rein formal konzipiert und damit axiologisch leer, sie kennt offiziell keinerlei inhaltliche Kriterien für Gelingen außer den formalen Kriterien der Kohärenz und Konsistenz des seelischen Lebens selber. Hier zeigt sich der eklatante Mangel an praktischer Philosophie im Rahmen der elaborierten modernen Psychotherapieforschung, letztlich der Mangel an ethischer Durchdringung 264 , was für die These der vorliegenden Arbeit spricht, beides zu einer Integration zusammen zu führen, um die ganze Dimensionalität der Hoffnung freizulegen. 265 Wird nun der Hoffnungs-Torso moderner Psychotherapie mit der inhaltlichen Konkretisierung der sittlich qualifizierten Sinnorientierung verknüpft, dann ergibt sich als zentrales Agens menschlichen Handelns die Sinnantizipation der Hoffnung. Die Brücke schließlich zur dezidiert theologischen Ethik und zum christlichen Glauben wird an der Stelle zu schlagen sein, wo erwiesen werden kann, dass Sinn als säkulare Heilskategorie bzw. als Säkularisat christlicher Hoffnung partiell das Erbe dessen angetreten ist, was Theologie mit den Begriffen Heil, Gnade, Rechtfertigung und Glück zu umschreiben versucht. Unter theologisch-ethischer Perspektive geht es mithin um die Therapiefähigkeit der Ethik und umgekehrt, Psychotherapie in einen neuen Horizont der Sinnerfahrung zu stellen bzw. den ihr implizit eigenen schlicht freizulegen. Der praktischinhaltliche Konvergenzpunkt beider Disziplinen deutet sich dabei längst an: es geht um Lebenshilfe, theoretische und praktische Hilfe zu gelingender, sinnerfüllter Lebensführung und Lebensgestaltung. Die Erkenntnisse dieser Arbeiten sind, wie unschwer zu erkennen ist, für die vorliegende Fragestellung kaum zu überschätzen, zeigen sie doch, dass die Veränderung von Verhalten ganz wesentlich mit handlungsorientierenden Erwartungen auf der Basis von Intentionen mit hoher persönlicher Valenz zu tun haben. Mit anderen Worten: Hoffnung vermittelt Intentionalität, deren Veränderung und Realisierung als Grundqualität seelischen Lebens zu betrachten ist. Hoffnung induziert Besserungserwartungen und aktiviert Ressourcen. Erwartungsveränderungen und die sich daran anschließenden Rückkopplungsschleifen wirken selbstverstärkend. Auf diese Rückmeldung ist Hoffnung dringend angewiesen. Dann kann die Hoffnung auf Besserung als Initial wirken. Hoffnung geht dabei über das hinaus, was ist und transzendiert die Gegenwart auf einen „Horizont“ hin und auch auf ein mögliches Jenseits des Horizontes hin. Hoffnung zielt darauf, ein mögliches Besseres zu denken und zu glauben, ist nicht passives Abwarten, sondern tätige Kraft, mehr als Wünschen, Wollen, Glauben, Denken, Wissen, Erwarten und Sehnen. 266 So ist GRAWE uneingeschränkt zuzustim- 264 Vgl. WAGNER, R.F., Ein integratives Menschenbild einer an ethischen Dimensionen orientierten Allgemeinen Psychotherapie, in: WAGNER, R.F. / BECKER, P., Allgemeine Psychotherapie. Neue Ansätze zu einer Integration psychotherapeutischer Schulen, Göttingen 1999, 43-73. 265 Als Ausnahme kann die Logotherapie V.E. FRANKLS gelten, die die Sinnorientierung ins Zentrum einer therapeutisch sehr effektiven Arbeit stellt, allerdings einen Sinnbegriff kennt, was FRANKL so nicht formuliert hat, der ganz im Sinne der vorliegenden These im Modus der Hoffnung seine Wirkung entfaltet. Vgl. FRANKL, V.E., Der Wille zum Sinn. Ausgewählte Vorträge über Logotherapie, München 1991. 266 Es gibt ein Ahnung bzw. eine stellvertretende Hoffnung, dass nach dem Durchschreiten einer Talsohle (vgl. DÖRNER: „der tiefste Punkt der Verzweiflung“) wieder Lebensmut wachsen kann. Woher aber dieses Wissen, wenn nicht von einer Hoffnung, deren Grund transzendental ausgewiesen wird? <?page no="488"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 488 men, wenn er Psychotherapie als „Unternehmen der Hoffnung“ bezeichnet. 267 Schließlich ist sie im Prinzip als Veränderung erlebter Bedeutungen zu begreifen, die daher eine Meta-Theorie der Veränderung dringend voraussetzt, welche wiederum ohne praktischphilosophische Durchdringung des psychotherapeutischen Geschehens notwendig unvollständig bleiben muss. Da nun Bedeutungen immer auch in Hoffnungsform vorliegen, Hoffnung quasi dem erlebnisfähigen Raum als Träger von Bedeutung dient, verheißt bzw. vermittelt Hoffnung Veränderung erlebter Bedeutungen und wird umgekehrt (therapeutisch induzierte) Veränderung potentiell über Hoffnung vermittelt. d) Gelernte Hilflosigkeit - Gelernter Optimismus Die Theorien um die „Gelernte Hilflosigkeit“ (learned helplessness) und neuerdings diejenigen des „Gelernten Optimismus“ (learned optimism) sind mit dem Namen MARTIN SELIGMAN 268 verbunden und haben ihren Ausgang in der Depressionsforschung. Es zeigte sich, dass gelernte Hilflosigkeit, als „gelernte Unkontrollierbarkeit“ verstanden, zu den Hauptprädiktoren der Entstehung reaktiver Depression gerechnet werden konnte und mit deutlich erhöhter Suizidalität einherging. Umfangreiche empirische Untersuchungen zeigen demnach, ursprünglich in tierexperimentellen Studien mit Hunden beobachtet, dass (1) nicht kontrollierbare und (2) nicht erwartbare unangenehme Reize, denen Mensch und Tier längere Zeit ausgesetzt sind, zu der Überzeugung resp. Erwartung führen, mit ihrem Verhalten keinen Einfluss auf die aversiven Reize nehmen zu können. Der dadurch entstandene generalisierte Zustand der bewegungslosen und ängstlichen Handlungsstarre, der irgendwann in die Resignation mündet, ließ dann auch objektive vorhandene Kontrollmöglichkeiten nicht mehr wahrnehmen. SELIGMAN verglich das damit einhergehende Erleben mit dem einer Depression, wobei die erfahrene Hilflosigkeit beim Menschen zusätzlich von der Attribuierung der Nicht-Kontrolle abhängt (vgl. Kontrollüberzeugung). Auch die Forschungen, die sich mit dem Gegenteil von Hilflosigkeit, dem Optimismus beschäftigen, sind für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit von großem Interesse, deuten sie doch darauf hin, dass ein hoffnungsvoller Optimismus - Hoffnung ist demnach nur ein Element des Optimismus, wenngleich ein zentrales - von zwei Dimensionen abhängig ist: der Permanenz und der Allumfassentheit der subjektiv wirksamen Erklärungsmodelle für das Eintreffen positiver und negativer Ereignisse. Ein von Hoffnung getragener Optimismus ist demnach gekennzeichnet von (1) der permanenten und (2) der universellen Annahme von Erklärungen (Ursachen) für positive Lebensereignisse und die temporäre und spezifische Annahme von Erklärungen (Ursachen) für negative Lebensereignisse. 269 Permanenz bezieht sich vorrangig auf die Dimension der Zeit, Allumfassentheit auf vorrangig die Dimension des Raums. Bezogen auf Permanenz heißt das: „Menschen, die glauben, dass gute Ereignisse permanente Ursachen haben, sind optimistischer als Menschen, die dabei an nur temporäre Ursachen glauben.“ 270 Bezogen 267 Vgl. GRAWE, Psychologische Therapie, 15-38. Vgl. auch K. GRAWE, Psychotherapie ohne Grenzen, in: Psychotherapeut 1995 / 40, 130-145. 268 Vgl. SELIGMAN, M., Erlernte Hilflosigkeit, Weinheim 3 2004. Ders. Learned Optimism. How to Change Your Mind And Your Life, REISSUE 1998. 269 Vgl. SELIGMAN, M., Der Glücks-Faktor. Warum Optimisten länger leben, Ehrenwirth 2 2003, 151ff. 270 Vgl. SELIGMAN, Der Glücks-Faktor, 153. <?page no="489"?> 4. Psychotherapie und Beratung 489 auf Allumfassentheit bzw. Universalität heißt das: „Menschen, die für ihr Scheitern universelle Erklärungen haben, geben, wenn sie auf einem bestimmten Gebiet scheitern, gleich alles auf. Menschen, die hierfür spezifische Erklärungen finden, können auf dem einen bestimmten Gebiet hilflos werden, aber sie schreiten auf den anderen Gebieten mutig voran.“ 271 Insbesondere die Kombination beider Faktoren bezogen auf Erfolg und Misserfolg ist nun außerordentlich aufschlussreich, weil sich gegenseitig verstärkend: Permanente und allumfassende Erklärungen für Erfolg, temporäre und spezifische Ursachenannahmen für Misserfolg sind in hohem Maße dazu geeignet, die Handlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. So kann ein optimistischer von einem pessimistischen Erklärungsstil unterschieden werden. Mitunter werden auch drei Dimensionen statt der erwähnten zwei verwendet: internal versus external, stabil versus variabel und global versus spezifisch. 272 Es liegt nun auf der Hand, dass mit diesen Ursachenannahmen jeweils Erwartungen verbunden sind, die Einfluss beispielsweise auf den Umgang mit Problemen und Niederlagen haben. Die Alternative besteht mithin in generalisierter und habitualisierter Hoffnung als Optimismus auf der einen Seite und gelernter Hilflosigkeit und Unkontrollierbarkeit als Handlungsstarre als Prädiktor der Depression auf der anderen Seite. Die Zusammenhänge zwischen Hoffnung im weitesten Sinne, Kontrollerwartung, Motivation, Handlungsfähigkeit und Bewältigungskompetenz bzw. dem jeweiligen Gegenteil sind zunehmend offensichtlich und harren einer systematischen Aufarbeitung. Weiterführungen dieser Forschungen im gesundheitspsychologischen Bereich führen dann zur Annahme eines dispositionellen Optimismus, der entlang den empirischen Belegen mit verschiedenen Aspekten des körperlichen und seelischen Wohlbefindens (nicht notwendig des Wohlergehens! ) korreliert ist. 273 Eine Reihe gesundheitsrelevanter Größen sind direkt verknüpft, etwa die Entstehung physischer Symptome und die Rekonvaleszenzdauer etwa von koronaren Herzerkrankungen. Es gibt auch empirische Evidenz anzunehmen, dass diese Effekte auf die unterschiedliche Art der Stressbewältigung von generalisierten Optimisten und Pessimisten zurückzuführen ist 274 - natürlich unter der Beteiligung körperlicher und seelischer Mediatoren. 275 Verwandte psychologische Konstrukte sind Hilflosigkeit, Hardiness und Stress-Coping. Insgesamt aber können sich an besagte Erwartungen immer Hoffnungen anlagern oder sich darin ausdrücken. 271 Vgl. ebd. 155. 272 Vgl. im Überblick SNYDER, C.R., Hope and optimism, in: RAMACHANDRAN, V.S. (Ed.), Encyclopedia of Human Behavior Vol. 2, San Diego 1994, 535-542. Ebenso Rotter, J.B. Generalized expectancies for internal versus external control of reinforcement, Psychological Monographs 80 (1, Whole No. 609), 1966. 273 Vgl. als Basisliteratur PETERSON, C. / BOSSIO, L.M., Health and optimism, New York 1991. SCHEIER, M.F. / CARVER, C.S., Health and optimism, New York 1985. SNYDER, C.R., Hope and optimism. Encyclopedia of human behavior, New York 1994. 274 Vgl. TAYLOR, S.E., Adjustment to threatening events: A theory of cognitive adaptation, American Psychologist, 38 (1983), 1161-1173. 275 Vgl. SCHEIER, M.F. / CARVER, C.S., dispositional optimism and physical well-being: The Influence of generalized outcome expectancies on health, in: Journal of personality 55 (1987), 169-210 und zur Messung des dispositionellen Optimismus SCHEIER, M.F. / CARVER, C.S., Optimism, Coping, and Health: Assessment and implications of Generalized Outcome Expectations, Health Psychology, 1985 4 (3), 219-247. <?page no="490"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 490 Hoffnung vermittelt daher generalisierten und habitualisierten Optimismus 276 und schützt vor generalisierter handlungsmäßiger Hilflosigkeit und Depression, beides auf der Basis spezifischer Lernprozesse. Daneben weist SCHNOOR aus psychoanalytischer Perspektive noch auf das hin, was sie „Hoffnungskompetenz“ 277 nennt und was sie für den Kontext der vorliegenden Arbeit aufschlussreich mit Rationalität (Ich-Nähe) und Handlungsfähigkeit verknüpft, wie ex negativo die empirischen Erkenntnisse zur Hilflosigkeit gezeigt haben. Ohnmacht gegenüber unerwartbaren und unerwarteten aversiven Reizen und die Erfahrung der Unwirksamkeit der eigenen Einflussmöglichkeit auf die Vermeidung unangenehmer Lebensbedingungen ist in hohem Maße Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit erzeugend. Unkontrollierbare Konsequenzen produzieren das Gefühl der Zwecklosigkeit eigenen Tuns, lassen Wirkungslosigkeit antizipieren und Hilflosigkeit erwarten und führen daher auf Dauer zu hoffnungsloser Handlungsstarre und Apathie. Zunächst bezogen auf eng begrenzte und situative Auslöser, dann ausgedehnt und inflationär. Das geht dann mit einer massiven Beeinträchtigung der Wahrnehmung einher, was häufig eine Verzerrung „objektiver“ Handlungsmöglichkeiten mit sich bringt und nicht selten zur Verhinderung real gegebener Möglichkeiten zur Einstellungsänderung (emotional, kognitiv, motivational, etc.) führt. Es existiert mithin eine außerordentlich bedeutsame Erwartung resp. Hoffnung im Menschen, durch eigenes Handeln Konsequenzen im Sinne der eigenen Bedürfnisse erreichen zu können. Eine nachhaltige Enttäuschung dieser Erwartung führt zu Hoffnungslosigkeit und schließlich zu Hilflosigkeit und in der Folge zu Handlungsstarre und dem Verlust basaler Handlungsfähigkeit. Eine solche Hemmung von Aktivität ruft Stressreaktionen hervor, die auf Dauer negative Erwartungen produziert, die jede Aktivität stilllegen. e) Lösungsorientierte Beratung Die sogenannte „Lösungsorientierte Beratung“ 278 , die als eine Form der Kurzzeitpsychotherapie Elemente der Kommunikationspsychologie, der kognitiven und der systemischen Therapie aufgenommen hat, versteht sich selber als möglichkeitsorientierte und lösungsorientierte Interventionsstrategie, mit der sehr erfolgreich gearbeitet werden kann. Im deutschsprachigen Raum ist diese Beratungsform insbesondere mit den Namen G. BAMBERGER und R. WINIARSKI verbunden, wobei das Hauptaugenmerk auf der Entwicklung von „Lösungen“ (vgl. WATZLAWIK) für eine spezifische Lebenssituation beruht: „Lösungs-Visionen“, „Lösungs-Verschreibungen“, „Lösungs-Evaluationen“ 279 können diejenigen Beratungsphasen genannt werden, die für die vorliegende Hoffnungsproblematik unmittelbar von Interesse sind. Systematisch steht die Entwicklung von Möglichkeitssinn, von Sinn für das konkret Mögliche im Zentrum der beraterischen Bemühungen. Nicht umsonst gehört es nach BAMBERGER zum ersten Merkmal eines 276 Vgl. auch den Sammelband GILLHAM, J.E. (ed.), The Science of optimism and hope. Research essays in honor of M.E.P. SELIGMAN, Pennsylvania 2000 und relativ früh TIGER, L., Optimism: The Biology of hope, New York 1979. 277 Vgl. SCHNOOR, H., Psychoanalyse der Hoffnung. Die psychische und psychosomatische Bedeutung von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Heidelberg 1988, 78. 278 Vgl. BAMBERGER, G.G., Lösungsorientierte Beratung. Praxishandbuch, 2. vollständig überarbeitete und erweiterte Ausgabe, Weinheim 2001. WINIARSKI, R., Beratung und Kurztherapie mit kognitiver Verhaltenstherapie, Weinheim 2004. 279 Vgl. BAMBERGER, Lösungsorientierte Beratung, 47ff., 99ff. und 137ff. <?page no="491"?> 4. Psychotherapie und Beratung 491 lösungsorientierten Beraters, dass er „Entwickler von Möglichkeitssinn“ 280 wird. Die beraterische Methodologie, die im Einzelnen auszuwerten wäre, zielt dabei auf alternative Verhaltensweisen, mehr Handlungsoptionen und erweiterte Wahlmöglichkeiten, der sogenannte „Problem-talk“ wird aufgelöst in Richtung einer „Sehnsucht nach Zukunft“ und einem „Lösungs-talk“ - freilich gegenüber einer sich gerne ausbreitenden und wiederum auf Erwartungen und fehlenden Hoffnungen beruhender „Problem-Trance“. Einige methodische Hinweise, die das Prinzip zu explizieren vermögen, sollen hier exemplarisch stehen, um ihre Bedeutung für die Formulierung von Strukturen einer Ethik der Hoffnung zu benennen. Es kann etwa als ein Grundprinzip gelten gegenüber jeder einschränkend wirkenden Totalperspektive auf das eigene Leben (immer, ganz, nur, allein, nie, etc.) „Unterschiede zu machen“, zu diversifizieren je nach Lebenskontext, um ein Reframing zu ermöglichen, wonach die eine Deutung durch einen neuen Deuterahmen verändert wird - immer mit dem Ziel, „Lücken“ in der Welt- und Selbstdeutung ausfindig zu machen, die mindestens eine Möglichkeit der Veränderung zum Besseren enthalten könnte, selbst wenn prima facie nichts dafür spricht. Es geht mithin darum, ein Denken einzuüben, das Ausnahmen denkt, das hypothetische Lösungen denkt, was per se bereits positiv wirkt, indem eine positive Veränderung für möglich gehalten wird und daran geglaubt, also gehofft wird: „Was wäre wenn [...]“. Der Weg ist dabei immer von der Phantasie über konkrete Verhaltensbeschreibungen hin zum Verhalten. Dazu gibt es Lösungsverschreibungen, die Ressourcen aktivieren sollen und allen voran ein erlebnisfähiges, emotional getragenes Feedback ermöglichen, das wichtiger Hinweis für die Hoffnungswürdigkeit ist. Dabei kommt es fast automatisch zu einer Zukunftsapperzeption, die den Schlüssel für alles weitere darstellt. Nicht übersehen werden darf an dieser Stelle aber, dass wir es hier mit einem Konstruktivismus zu tun haben. Die perspektivische Öffnung des je eigenen Handlungsspielraums samt den dazugehörigen Kognitionen und Affektionen auf neue Optionen hat zweifelsohne fundamentalen Bezug zur Hoffnungsthematik und das angesprochene ressourcen-, d.h. möglichkeitsorientierte Wahrnehmen, Denken und Handeln dürfte als einer der wichtigsten Wirkfaktoren erfolgreicher und damit hilfreicher Psychotherapie und Beratung (vgl. K. GRAWE) gelten. Mit anderen Worten: Hoffnung vermittelt Zukunft durch die Stimulierung des Sinns für das Mögliche und für Alternativen. Hoffnung führt zu einer Eröffnung eines Möglichkeitsraumes Denn: „Es gibt immer Ausnahmen! “ heißt soviel wie: „Es geht auch anders, also besser.“ „Du bist nicht festgelegt, hast einen Spielraum von Handlungsmöglichkeiten.“ Allein dies ermöglicht bereits eine Aufhellung des Bewusstseins. Damit wird idealiter jede Totalität in der Lebensdeutung aufgebrochen, indem Schlupflöcher für die je bessere Möglichkeit gesucht werden, Alternativen zum (problematischen) Jetzt gesucht werden, was Zuversicht eröffnet und Hoffnung schöpfen lässt. Aus diesem Ansatz kann geschlossen werden, dass der Möglichkeitsraum des Menschen nicht automatisch seinem Handlungsraum entspricht, beide aber zueinander geöffnet werden müssen. Meistens „sehen“ wir viele Möglichkeiten nicht, weswegen mitunter Hilfe bei der Möglichkeitssuche nötig ist - selbstsorgerisch oder in advokatorischer Vertretung. Damit können sich wieder neue Handlungsspielräumen eröffnen und eine Wachstumsorientierung durch Hoffnung ermöglicht werden. 281 280 Vgl. ebd. 25. 281 Vgl. CLINEBELL, H., Wachsen und Hoffen, 2 Bd., München 1981 und 1983. <?page no="492"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 492 f) Kognitive Psychotherapie Das gegenwärtig am meisten favorisierte psychotherapeutische Paradigma, das darüber hinaus auch am besten empirisch untersucht ist, stellt die sogenannte „kognitivbehaviorale Psychotherapie“, oder „kognitive Verhaltenstherapie“ 282 dar. Neben der Auseinandersetzung mit dem problematischen Verhalten selber, steht der therapeutische Umgang mit Kognitionen im Zentrum der Aufmerksamkeit, wobei methodisch mit Selbstregulationsansätzen, Selbstinstruktionstrainings und kognitiver Umstrukturierung gearbeitet wird. Im Hintergrund aber steht die Annahme, dass menschliches Verhalten kognitiv zugänglich ist und ein enger Zusammenhang von Gedanken, Gefühlen und Verhalten besteht. Damit wird hier ein rationaler, kognitiver Zugang zur Wirklichkeit favorisiert und damit zugleich die Erwartung ausgesprochen, auf diesem Wege eine Veränderung des Erlebens und Verhaltens, mithin eine therapeutische Wirkung erzielen zu können. Schließlich gehen Kognitionen immer mit mindestens impliziten „Erwartungen“ über sich und der Welt einher und umgreifen dabei Gegenwart und Zukunft. Inhaltlich geht es immer wieder darum, negative automatische Gedanken und Überzeugungen freizulegen, um sie zu verändern. Unter therapeutischer Perspektive sollen dysfunktionale Kognitionen bearbeitet werden, indem beispielsweise irrationale Annahmen und deren implizite Erwartungen, die unerwünschte psychische Folgen nach sich ziehen, in Frage gestellt und verändert werden. Die Rational-emotive Therapie (RET) von A. ELLIS 283 , später in die kognitiv-behaviorale Therapie integriert, arbeitet überwiegend auf diese Weise. Eine weitere Strategie kognitiver Verhaltenstherapie, die für den vorliegenden Kontext Relevanz besitzt, beispielsweise mit den Namen A.T. BECK und M. HAUTZINGER verbunden, arbeitet an der Ent-Katastrophisierung von einseitig befürchtungsorientierten Annahmen und Erwartungen, womit quasi die kognitive Komponente der Hoffnungskategorie angesprochen wird. Die entsprechenden psychotherapeutischen Techniken wären allerdings einzeln auf ihre Voraussetzungen und letztendlichen Möglichkeiten zu prüfen. Es deutet sich aber schon an, dass Hoffnungs- Arbeit im weitesten Sinne auf ganz verschiedenen Ebenen anzusetzen vermag, die kognitive Ebene aber im Sinne einer vorgängigen Vernünftigkeit des Hoffnungsraumes, der selbstsorgerisch und eigeninitiativ angeeignet zu werden vermag, nicht unterschätzt werden darf. Auch indirekt kann den kognitiven Strategien Bedeutung zukommen, wenn widersprüchliche Kognitionen inkonsistente Folgen nach sich ziehen, mithin den Handlungsspielraum bzw. die Handlungsfähigkeit einschränken und damit den potentiellen Hoffnungs-Raum verkleinern. Das Spektrum kognitiv-verhaltenstherapeutischer Interventionstheorien ist nun inzwischen so umfangreich, dass aus einer Vielzahl möglicher Aspekte nur exemplarische Verbindungen zur Hoffnungskategorie hergestellt werden konnten, wiewohl ein Großteil der hier vorgestellten Theorien diesem Paradigma zuzurechnen sind. Mit Blick auf die vorliegende Fragestellung können wir also festhalten, dass Hoffnung zum Einen das potentielle Ergebnis „vernünftiger“ und funktionaler Kognitionen sein kann, indem irrationale und einseitig katastrophisierende oder unkritisch negative und illusionär positive Erwartungen und Annahmen korrigiert oder relativiert wer- 282 Vgl. exemplarisch BECK, A.T. / RUSH, A.J. / SHAW, B.F. / EMERY, G, Kognitive Therapie der Depression, Weinheim 5 1996. HAUTZINGER, M. (Hrsg.), Kognitive Verhaltenstherapie bei psychischen Störungen, Weinheim 3 2002. 283 Vgl. ELLIS, A., Grundlagen und Methoden der Rational-emotiven Verhaltenstherapie, München 1997. <?page no="493"?> 5. Zur „Biologie“ der Hoffnung 493 den und kann zum Anderen solche Kognitionen eo ipso quasi verhindern, sodass diese sich gar nicht erst festsetzen und ihre mitunter körperlich und seelisch verheerenden Wirkungen entfalten können. 5. Zur „Biologie“ der Hoffnung „Die Hoffnung ist ein Seil.“ 284 a) Zur Frühgeschichte des Menschen und zur Phylogenese der Hoffnung Spätestens als den ersten Frühmenschen, den frühen Hominiden, bewusst geworden ist, dass sie sich nicht vollständig von ihren Umweltbedingungen her verstehen können, dass sie bestimmte Freiheitsgrade haben, das eine zu tun oder das andere zu lassen, dass sie im Grunde mehr sind als die Konstitutionsbedingungen ihrer Umwelt, spätestens dann muss im Rahmen der Frage nach ihrem Selbstverständnis auch die Frage aufgetaucht sein, was sie denn dann sind, wenn sie nicht nur die Bedingungen ihrer Umwelt reproduzieren und abbilden und wie sie das erreichen, was sie noch nicht sind, aber sein können. Die Frage nach der Bestimmung des Menschen ist aufgebrochen, die sich zunehmend als fundamentale Hoffnungsfigur zu erkennen gab. Besser als die Bezeichnung Hoffnung wird an dieser Stelle die Bezeichnung Erwartung sein, denn erst sukzessive schälte sich aus der hochambivalenten Gestalt der Selbsterfahrungen und Selbsterwartungen, derjenigen Vorstellungen also, die mit der eigenen Bestimmung verbunden geglaubt und erhofft wurden, eine eindeutig positive Hoffnung heraus, die im Grunde eine positive Konkretion (der Entwicklung) des Menschen zum Gegenstand hatte. Am Anfang standen aber sicher zunächst hochambivalente Bilder über die Bestimmung des Menschen in der Welt, durchzogen von basalen Ängsten und eigentlich mythisch gedacht, die zudem niemals ganz aus der Ambivalenz herausgetreten sind - bis zum Christentum. Hoffnung gründet demnach aus biologischer Perspektive in einer Reihe von Erfahrungen, die zu Erwartungen werden: „Es gibt keine Lebensäußerung ohne den (noch vorbewussten) Einsatz einer intendierten Zukunft.“ 285 Dabei kann eine phylogenetische Entwicklung der Arten von der Favorisierung des Gattungserfolges hin zur Entdeckung des Einzelnen, zur Vergemeinschaftung und zur strikt moralischen Bestimmung ausgemacht werden. Zunächst ist bezogen auf den Menschen von einem generalisierten Einzelnen auszugehen, erst sehr viel später wurde daraus das konkrete Individuum freigelegt. Sobald nun der Mensch erste Freiheitsgrade entwickelt hat durch Heraustreten aus der Bindung an die eigenen engen Habitgrenzen, muss ihm das Problem der prinzipiellem Aussichtslosigkeit seines Daseins, muss ihm der Tod selber, als Problem zu Bewusstsein gekommen sein, auf die er, wenn die errungene Handlungsfreiheit nicht quasi wieder zurückgenommen werden sollte, mit der Etablierung von symbolischen Ordnungen der Aussicht reagiert haben muss. Hier wird u. a. die Geburtsstunde der Religion zu suchen sein. Das Bewusstsein des Risikos der Freiheit und die zunehmende Einsicht in die Be- 284 Vgl. ANGELUS SILESIUS, Cherubinischer Wandersman, In: Ders., Sämtliche poetische Werke Bd. 3. Wiesbaden 2002, 31. 285 Vgl. SAUTER, G., Begründete Hoffnung. Erwägungen zum Begriff und Verständnis der Hoffnung heute, in: Ders., Erwartung und Erfahrung. Predigten, Vorträge und Aufsätze, München 1972, 69-107, hier 87. <?page no="494"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 494 deutung des notwendigen Selbsteinsatzes, die Abgründigkeit der reflexiv verlängerten Gefährdung und möglichen Tragik des Daseins musste kompensiert und balanciert werden durch Präfigurationen von Hoffnung. „Im Unterschied zum instinktgebundenen Tier kann sich der Mensch verfehlen, nicht nur in Einzelheiten, sondern im Ganzen seines Daseinsvollzugs. Seine Hoffnung ist zugleich Inbegriff des Lebensrisikos, das er auf sich nehmen muss. Er kann sich gewinnen und er kann sich verspielen: er selbst ist der Einsatz dabei.“ 286 Spätestens beim Erwachen von Selbstreflexion und Bewusstwerdung wurde es unseren eigenen Primaten-Vorfahren auf den Wegen der Menschwerdung selber in den Jahrhunderttausenden auf der Stufe des homo errectus, des Neandertalers, des homo sapiens sapiens schließlich möglich, zu begreifen, dass die gesamte Welt, die uns umgibt, einfach weil sie endlich ist, weil an ihrem Ende unausweichlich der Tod steht, aus dem es kein Entrinnen gibt, eine Antwort verlangt, die über sie selbst hinausweist. Über kurz oder lang werden wir heimgesucht werden von Alter, Krankheit und Tod. All das bestimmt zutiefst für uns Menschen eine Grundstimmung und Grundsituation des Daseins der Zukunft gegenüber, die entweder zu Depression und Verzweiflung neigt oder eine sinnverheißende, hoffende Antwort verlangt. Für unseren Kontext ist dabei die Einsicht entscheidend, dass Hoffnung mit der Bewahrung und Rettung des Einzelnen verknüpft ist und dass neben der Etablierung von symbolischen Aussichts- und Geborgenheitsräumen schon auf der Ebene der Biologie Mechanismen vorliegen, die das Individuum zu einer „Mobilisierung nach Vorwärts“ bzw. zur „Mobilisierung nach Rückwärts“ anregen, wo Aussicht auf Rettung oder drohende Aussichtslosigkeit und Verlust des Lebens vor Augen stehen - jeweils im Dienste des einzelnen Organismus. Hier liegen ganz basale biologische Strukturen vor, auf die als biologische Präformationen auch die phylogenetisch viel später herausgebildeten reflexiven Formen der Hoffnung quasi aufbauen konnten, indem diese ins Symbolische gehoben wurden, aber als Reaktionsbereitschaften biologisch und psychologisch noch bereitliegen. Diese Formen haben sich phylogenetisch bereits im frühen Tierbereich herausgebildet. Sie sind mithin der jeweiligen Spezies bis tief in den Körper eingeschrieben und dabei ontogenetisch von hoher Sinnhaftigkeit. Erstaunlich ist unter phylogenetischer Perspektive, dass aus Erwartungsstrukturen, die sich ursprünglich allein der aktuellen und später erinnerten Erfahrung verdanken und dabei der Einordnung des Individuums in die Umwelt dienten, um ein Über-Leben zu ermöglichen, Hoffnungsstrukturen wurden, die die Erfahrungsbasis zwar behielten aber zugleich grundlegend transzendierten und auf eine Bestimmung des Menschen zielten, die ihm Größe und Würde verlieh, bei Infragestellung aber auch Verzweiflung produzierte und die letztlich eine Bindung und Orientierung am Guten und den Verheißungen des Gelingens für Gattung und Individuum hervorbrachte. In diesen seinen Hoffnungen zeigte sich im Laufe der geschichtlichen Freisetzung zunehmend eine absolute Betonung des Subjekts, kollektiv wie individuell, im Positiven und Guten wie im Negativen und Bösen. So konnten dann irgendwann die Hoffnungsstrukturen hinter jedweder Erwartung identifiziert und aus Hoffnung lebbare Erwartungen abgeleitet werden. b) Totstellreflex und Vagustod Im Folgenden soll nun exemplarisch ein biologischer Mechanismus beschrieben werden, der im Bereich der Paläoanthropologie angesiedelt ist, dessen Ursprünge aber im tierex- 286 Vgl. SAUTER, Begründete Hoffnung, 87. <?page no="495"?> 5. Zur „Biologie“ der Hoffnung 495 perimentellen Bereich zu finden sind. Es soll vom so genannten Todstellreflex und vom so genannten Vagustod 287 die Rede sein, Mechanismen, die als sehr basal verankerte Reaktionsbereitschaften schon bei niederen Säugetieren als Ausweg nach Rückwärts interpretiert werden können und Entscheidendes zum Verständnis der Biologie der Hoffnung beizutragen vermögen. So besteht eine der Reaktionsmöglichkeiten auf unentrinnbare Gefahrensituationen, die subjektiv als aussichtslos erlebt werden, im sogenannten Totstellreflex, einer spontanen und vollständigen Bewegungslosigkeit, einer Handlungsstarre, die quasi „unsichtbar“ machen soll, bis die subjektiv erlebte Gefahr vorüber ist. 288 Mit anderen Worten: In vermeintlich unentrinnbaren Gefahrensituationen, die subjektiv als vollkommen aussichtslos - hoffnungslos - erlebt und als solche interpretiert werden, kann es zu spontanen Körperreaktionen kommen, die schon auf der Ebene der Biologie der Säugetiere bereitliegen und völlige Bewegungslosigkeit (Todstellreflex) oder sogar den vorzeitigen Tod des Individuums durch einen Vagustod herbeiführen können. Letzteres dann, wenn die Ausweglosigkeit als Endgültigkeit erlebt wird. Es wird auch von letalen, vagotonalen Mechanismen gesprochen, einer Vagotonie, einem plötzlichen Schreck- oder Starretod in Situationen der endgültig erlebten „Aussichtslosigkeit“ 289 . BILZ schreibt: „Wenn der sinnliche Druck der Umweltmerkmale verharrt, obgleich man dieser Belastung entzogen sein könnte, besteht die Gefahr resp. die Wohltat der Vagus- Prävalenz.“ 290 Analog dazu wird auch ein sogenannter Voodoo-Tod 291 beschrieben, der als psychogener Tod in (aussichtslos erlebter) Schuldverstrickung gilt. Insgesamt gilt daher: „Die mit einer Angst verbundene Situation der Ausweglosigkeit kann dem Dasein 287 Vgl. BILZ, R., Der Vagustod, in: Ders., Die unbewältigte Vergangenheit des Menschengeschlechts. Beiträge zur Paläoanthropologie, Frankfurt am Main 1967, 247-275. Vgl. auch die Beiträge in Ders., Paläoanthropologie. Der neue Mensch in der Sicht einer Verhaltensforschung Bd. I, Frankfurt am Main 1971. 288 Lässt man die Attrappe eines Raubvogels, eines Sperbers beispielsweise über ein Huhn hinweg gleiten, erstarrt das Tier sofort, duckt sich an die Erde und hofft darauf, dass die braune Färbung seines Federkleids es den Blicken des Beutegreifers entzieht. Verschwindet die erschaffene Attrappe nach wenigen Sekunden, ist das Tier seinem Bewegungsdrang, seinem Fresstrieb, seiner Normalität zurückgegeben. Im Verlauf der Evolution sind Situationen möglich geworden, in denen das Gefühl der Unentrinnbarkeit, der Aussichtslosigkeit jedweder Flucht des Bemühens sich einfach an die Erde zu ducken im Hoffen, dass der Stillstand von allem die letzte Chance einer Rettung bieten könnte, womöglich über lange Zeiträume hin programmiert worden. Aber für die Sekunden der Gefahr stellte das Tier sich tot, um sich unsichtbar zu machen (Totstellreflex). In der Medizin wird auch von einem letalen-vagotonalen Mechanismus gesprochen, der so stark sein kann, dass ein Tier frühzeitiger noch stirbt, als beispielsweise die Pranken eines Geparden sich in sein Fleisch schlagen. Es kann sein, dass ein Tier zugrunde geht einfach in der vermuteten Aussichtslosigkeit seiner Situation. Auch aus dem Humanbereich sind vergleichbare Situationen bekannt, in denen auf Grund der Last der Umstände, Menschen den Überlebenswillen einfach aufgeben. Viele, die nach Kriegsende 1945-1948 aus Kriegsgefangenschaft zurückkehrten, berichteten immer wieder, dass Menschen, die körperlich stark genug gewesen wären, um den Belastungen Stand zu halten, seelisch, einfach weil sie an eine Rückkehr nicht mehr glaubten, ihr Leben abgaben. 289 Vgl. BILZ, R., Studien über Angst und Schmerz. Paläoanthropologie Bd. I/ 2, Frankfurt am Main 1974 (stw 44), 159-170. 290 Vgl. BILZ, R., Die unbewältigte Vergangenheit des Menschengeschlechts. Beiträge zur Paläoanthropologie, Frankfurt am Main 1967, 255. 291 Vgl. erneut CANNON, W.B., “Voodoo” Death, in: Psychosomatic Medicine 19 (1957), 182- 190. <?page no="496"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 496 das Ende setzen. 292 In das psychische Erleben hinein verlängert gelangen wir damit schnell zu depressiven Erlebnisformen. Depression bedeutet: Nichts mehr zur Aussicht zu haben als das Ende. So deutlich, dass man es in sich fühlt und der ganze Körper nichts anderes mehr möchte als möglichst bald einen Schluss zu setzen. Es zeigt sich dabei augenscheinlich, wie notwendig es ist Hoffnung zu haben. Hoffnungslosigkeit, Aussichtslosigkeit ist in sich selber tödlich. Auch eine Kriegs-, KZ- und Lagerpsychologie wäre daher im Kontext dieser Erörterungen gewinnbringend auszuwerten, etwa bei BRUNO BETTELHEIM und V.E. FRANKL, wenn es darum geht, basale Überlebensmechanismen zu identifizieren, die nach den bisherigen Ausführungen auf das engste mit einer Halt gebenden, Sinn verheißenden Zukunftsaussicht, letztlich mit Hoffnung, verbunden ist. 293 FRANKL führt daher auch das schon erwähnte Zitat von NIETZSCHE zur Veranschaulichung an: „Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.“ Mit anderen Worten: Radikale Hoffnungslosigkeit ist in sich selbst tödlich. Wer über Hoffnung spricht, verhandelt in dieser Perspektive buchstäblich Leben und Tod. Die weiter unten beschriebenen tierexperimentellen Erkenntnisse sind dabei situativ zu denken. Die Reaktionsformen des Totstellreflexes, des Endes aller Vitalität, die erstirbt in einem letalen vagotonalen Erlebnishorizont, lässt sich aber nicht nur situativ von Fall zu Fall an das psychische Erleben herantragen. Werden sie auf den reflexions- und bewusstseinsfähigen Menschen übertragen, habitualisieren und inflationieren sich die entsprechenden Erfahrungen subjektiv. Wir sind dann unter ethischer Perspektive bei handlungsunfähigen Individuen, die auf eine Punktexistenz reduziert und allein den Gegebenheiten ihrer jeweiligen Umwelt ausgeliefert sind. Unter psychologischer Perspektive gelangen wir zu einem depressiven Erleben. Die Negativität des Leidens hängt dabei unter anderem an dessen subjektiver (Bewusstseins-) Totalität. Leiden hat genauso wie Angst die Tendenz, sich im Bewusstsein zu totalisieren und (kraft menschlicher Verstandestätigkeit) zu finalisieren (Tod, Nichts, Suizid). Hoffnung wirkt dem entgegen durch umgekehrte Finalisierung einer positiven Sinnaussicht. Nicht selten ist das Negativum, die Anti-Hoffnung, konkreter zu fassen als das entsprechende Positivum. Was die erwähnten biologischen Reaktionsmechanismen des Totstellreflexes bzw. des Vagustodes betrifft, muss von vorreflexiven Formen der „Mobilisierung nach Vorne“ bzw. der „Mobilisierung nach Rückwärts“ ausgegangen werden, die im Rahmen eines integrativen Hoffnungsbegriffs als Präfigurationen bezeichnet werden können und neben wichtigen Einsichten den existentiellen Ernst der Spannung von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit bezeichnen, der seinerseits schon auf der Stufe der frühen Säugetierevolution sichtbar ist. c) Tierexperimentelle Studien Um zu zeigen, dass Vorformen der Hoffnung bis weit in das Tierreich hinein zu finden sind, soll nachfolgend eine tierexperimentelle Studie vorgestellt werden, die den oben beschriebenen Mechanismus des Vagustodes bei Tieren in Situationen der Ausweglosigkeit empirisch nachweist, wobei realiter nicht selten Angst-Rufe und Not-Rufe vorausgehen. In den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat der Verhaltensforscher CURT 292 Vgl. BILZ, Der Vagustod, 242. 293 Vgl. FRANKL, V.E., ...trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager, München 22 2002. <?page no="497"?> 5. Zur „Biologie“ der Hoffnung 497 B. RICHTER 294 in den Vereinigten Staaten Experimente mit Ratten durchgeführt, die tierethisch kaum mehr legitimiert werden könnten. Dabei herausgekommen ist aber immerhin eine äußerst interessante Einsicht. RICHTER hatte gezähmte Ratten genommen und in ein Bassin gesetzt, das mit Wasser gefüllt war. Die Wände waren so steil ausgelegt, dass es für die Tiere mit eigenen Mitteln kein Entrinnen gab. Er stellte fest, dass eine solche Ratte etwa 80 Stunden lang um ihr Leben schwimmen kann. Dann nahm er ungezähmte Ratten, freilandlebende Tiere und setzte sie den gleichen Versuchsbedingungen aus. Zu seinem Erstaunen starben die Tiere nach wenigen Minuten an einem sogenannten Vagustod. Sie scheinen an den glatten Wänden des Bassins kein Entrinnen mehr für möglich gehalten zu haben. Und die Aussichtslosigkeit genügte, sie in einem Ausweg der Natur nach rückwärts, einen Gnadengang des frühzeitigen Todes an der Stelle eines sinnlosen Kämpfens gegen das Unausweichliche zu setzen. Einen dritten Versuch unternahm RICHTER, indem er den freilandlebenden Tieren ein einziges Mal über eine Holzbrücke eine kurze Aussicht auf Entrinnen schenkte. Die Tiere wurden anschließend wieder in das Wasser gesetzt und schwammen wie ihre gezähmten Artgenossen bis an die 80 Stunden um ihr Leben. Ein einziges Mal gesehen zu haben, dass Hoffnung bestehen könnte, versetzte diese Tiere in einen Kampf auf Sein oder Nicht-Sein bis zur äußersten Grenze ihrer physischen Belastbarkeit. d) Neuronale Korrelate der Zukunftsantizipation und die Macht der inneren Bilder Der Neurobiologe GERALD HÜTHER kann aus einem völlig anderen Forschungskontext heraus weitere Belege für die anvisierte These von der sinnorientierten Hoffnungsbasis menschlicher Handlungswirklichkeit und deren vitalisierender Funktion beisteuern. Er spricht von positiven inneren Bildern, die unser Gehirn benötigt und buchstäblich heraus-be-bildert, um unserem Handlungsaufbau als eine Art von neuronaler Bahnung zu dienen, quasi als eine handlungsmäßige Vorbereitung. Demnach ist das (menschliche) Gehirn als Bilder erzeugendes Organ zu bezeichnen, wobei insbesondere die sensorischen und assoziativen Hirnrindenareale in ihrer Wechselwirkung außerordentlich komplexe Aktivierungsmuster bilden: Geruchs-, Geschmacks-, Hör-, Seh-, Tast- und auch komplexe Handlungsbilder, die allesamt mit Bewertungen versehen sind, indem sie immer die „Erwartung“ einer bestimmten Umwelt transportieren. Diese bieten basale Orientierung und Halt in der (Um-) Welt und stellen so etwas wie eine innere neuronale Matrix dar mit Verknüpfungen in alle Hirnareale. Es handelt sich mithin um vernetzte Erwartungsbilder, wobei ein permanenter Abgleich und eine Erweiterung bzw. Korrektur der Wahrnehmung mit den inneren, neuronalen Repräsentanzen der äußeren Welt stattfindet. Damit wird auch verständlich, warum jede Wahrnehmung zunächst eine Eingangsprüfung anhand dieser erfahrungsabhängigen Erwartungsbilder durchläuft und für eine erste spontane Filterung und Prüfung der Wahrnehmung sorgt, um dann weitere Analysen und / oder gegebenenfalls spezifische Aktivierungen etwa bei Bedrohung vornehmen zu können. Davon sind praktisch alle relevanten handlungsleitenden Systeme betroffen, mithin Affiliation 295 , Motivation, Emotion, Kognition, Volition, Sensorik 294 Vgl. RICHTER, C.P., On the phenomenon of sudden death in animals and man, Psychosomatic medicine, Vol. 19 (1957), 191-198. 295 Vgl. als neuestes Beispiel die sogenannten Spiegelneuronen; dazu aus dem populärwissenschaftlichen Bereich BAUER, J., Das Gedächtnis des Körpers. Wie Beziehungen und Lebensstile un- <?page no="498"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 498 und Motorik. HÜTHER legt großen Wert darauf, dass diese Bilder, sollen sie ihr kreatives Potential entfalten, ihrer Bedeutung nach positiv konnotiert sind (Das soll sein! ), denn unser Gehirn kann aus Handlungsanweisungen ex negativo (Das soll nicht sein! ) keinen konsistenten Handlungsaufbau ableiten. Diese handlungsleitenden inneren Bilder sollen ausgehend von einfachen Aktivierungs- und Interaktionsmustern bis hin zu menschlichen Kulturleistungen führen und nach HÜTHER eine doppelte Funktion haben. Sie dienen einerseits als „Werkzeuge zur Gestaltung der äußeren Welt (Weltbilder)“ und andererseits zugleich als „eigene Entwicklungsbedingungen (Menschenbilder)“ 296 des Menschen. Darüber hinaus konstatiert er: „Ein inneres Bild, das keinen Sinn stiftet und das dem Menschen keinen Ort der Geborgenheit zeigt, ja noch nicht einmal einen Weg zu einem solchen Ort weist, eignet sich offenbar auch nicht als Orientierung stiftende Matrix für die Zuordnung und Einordnung all der vielen [...] inneren Bilder, die das menschliche Gehirn aus alten Erinnerungen und neuen Wahrnehmungen hervorbringt. Menschen ohne Orientierung bietende innere Leitbilder sind verloren.“ 297 Es ist mithin notwendige Voraussetzung für unser Gehirn, das Jetzt immer wieder bestimmen zu lassen durch Bilder eines möglichen Morgen, wobei auch hier zu fragen bleibt, woraus sich die Inhalte dieser Bilder bei bewusstseins- und vernunftfähigen Wesen, wie dem Menschen, letztlich speisen. Damit nämlich verbleiben sie nicht auf der biologischen Ebene, sondern werden vom selbsttranszendenten Sprach- und Bedeutungswesen, das der Mensch ist, einer moralisch-ethischen Reflexion unterzogen. „Ursprünglich handelte es sich bei den inneren Bildern um nicht mehr als in Form innerer Muster entstandene und verankerte Hypothesen bestimmter Lebensformen über die Beschaffenheit der Welt und über die sich in dieser Welt bietenden Möglichkeiten zur Lebensbewältigung. Jetzt sind die von der am höchsten entwickelten Lebensform generierten Bilder zu [...] Instrumenten der Welt- und Selbstgestaltung geworden. Die Folgen dieser Entwicklung sind gegenwärtig noch nicht absehbar.“ 298 Diese Bilder formen mithin nicht nur lebendige Strukturen, sondern strukturieren und orientieren den Menschen in seiner Welt. Damit dies aber überhaupt auf nicht-deterministische Weise gelingt, ist immer wieder reflexive Distanz zu den Bildern vonnöten, um ihnen quasi nicht ausgeliefert zu sein. Das aber kommt ihrer Ethisierung gleich. Es lässt sich dabei eine Entwicklung beobachten bzgl. der Funktion dieser inneren Bilder: von der „Aufrechterhaltung der Organismusordnung“ (vgl. PLESSNER, GEHLEN) bis hin zur aktiven und mit hohen Freiheitsgraden ausgestatteten selbstreflexiven Gestaltung von Welt und Leben, die auch die Ethik hervorgebracht hat als Reflexionsleistung auf das moralische Handeln des Menschen. Es ließen sich schließlich noch vielfältige Erkenntnisse etwa aus dem Bereich der Biologischen Psychologie entdecken, die neurophysiologische Korrelate 299 der Hoffnung im weitesten Sinne beschreiben, wobei es sich hier um basale Strukturen handelt, die überwiegend an der Schnittstelle von biologischem Substrat und psychologischem Verhalten sere Gene steuern, München 6 2006. Ders., Das Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren, Hamburg 2006. 296 Vgl. HÜTHER, G., Die Macht der inneren Bilder. Wie Visionen das Gehirn, den Menschen und die Welt verändern, Göttingen 2005, 37. 297 Vgl. HÜTHER, Die Macht der inneren Bilder, 39. 298 Vgl. ebd. 47. 299 Vgl. BIRBAUMER, N. / SCHMIDT, R., Biologische Psychologie, Berlin / Heidelberg / New York 3 1996. <?page no="499"?> 5. Zur „Biologie“ der Hoffnung 499 anzusiedeln sind, die ursprünglich tierexperimentell untersucht wurden, um dann nachträglich humanexperimentell bestätigt zu werden. So lassen sich beispielsweise im Rahmen einer Psychophysiologie von Gefühlen auf der Ebene der Neurophysiologie von Säugetiergehirnen drei Emotionssysteme lokalisieren, die mit den emotionalen Basisreaktionen (1) Annäherung, (2) Kampf bzw. Flucht und (3) Verhaltenshemmung bzw. Regungslosigkeit und Starre verknüpft sind. Das Verhaltenshemmsystem, überwiegend in hippocampalen Strukturen anzutreffen, wird nun bei Verletzung von Erwartungen aktiv, d.h. bei Unterbrechung von automatisierten Verhaltensroutinen aufgrund von buchstäblich un-erwarteten Reizen, und bleibt unter Erhöhung der Aufnahme von Sinnesinformationen so lange aktiv, bis wieder Kongruenz zwischen Erwartung und tatsächlicher Information besteht. Mit anderen Worten: Bewegung ist erwartungsgesteuert. Diese und ähnliche Strukturen, die im Einzelnen ausfindig gemacht werden und der Thematik der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt werden müssen, deuten darauf hin, dass biologische Basalstrukturen der emotionalen Erwartungsorganisation existieren, quasi den emotionalen Aspekt der Hoffnung repräsentierend, die dann kognitiv überformt und schließlich als Hoffnung entdeckt eine Eigendynamik auszulösen vermögen, aber nicht gänzlich unabhängig von ihrem physiologischen Korrelat betrachtet werden können e) Ertrag Was ist daraus systematisch zu lernen für eine Ethik der Hoffnung? Hoffnung ist imstande, die Totalität des Leidens, der Angst, der Verzweiflung oder der subjektiven Lebensbedrohung aufzubrechen. Die handlungsmäßige Determination durch die faktische Gegenwart wird geöffnet durch die Perspektive potentieller Zukunft. Das ist ihr entscheidender Verdienst an dieser Stelle. Indem eine Bewältigung in Aussicht gestellt wird, indem ein Gelingen für möglich gehalten wird, wird die subjektive Totalität der Bedrohung des Lebens aufgebrochen. Kein Leiden hält potentiell derartiger Hoffnung stand, indem es kraft eines freiheitlichen und vernünftigen, auch gefühlsmäßig getragenen Aktes Gründe für ein mögliches Gelingen, für möglichen Sinn sucht und sich diesen Valenzen (in einer Art Selbstbindung 300 ) unterstellt und damit das handlungsleitende System erhellt, indem es sich wieder daraufhin orientiert und dadurch energetisiert. Die entscheidende Frage wird sein, ob es solche Gründe 301 gibt und was der Einzelne seinerseits dafür tun kann. Denn die Inflation der Aussichtslosigkeit (Perspektivlosigkeit, Negativität, Sinnlosigkeit) im Bewusstsein wirkt lähmend auf die Handlungsfähigkeit. Hoffnung stoppt diese Inflation und hellt das Bewusstsein auf durch die Bereitstellung einer Aussicht, einer Perspektive, einer Sinnfigur, die motivierend wirkt, weil sie Gelingen verheißt und dieses Gelingen antizipierend vorbereitet und es dem Menschen lohnend erscheint, sich daran zu binden, weil es eine Sinnaussicht gewährt. Was die erwähnten biologischen Reaktionsmechanismen des Totstellreflexes bzw. des Vagustodes betrifft, muss von vorreflexiven Formen der Mobilisierung nach Vorwärts 300 Vgl. NUNNER-WINKLER, G., Freiwillige Selbstbindung aus Einsicht - ein moderner Modus moralischer Motivation, in: KLEMME, H. / KÜHN, M. / SCHÖNECKER, D. (Hrsg.), Moralische Motivation. Kant und die Alternativen, Hamburg 2006, 165-191. 301 Unter theologischer Perspektive kann dies einzig in der Gestalt eines Gottes gedacht werden, der Hoffnung über den Tod hinaus zu eröffnen vermag, weswegen leicht ermessen werden kann, welche Unbedrohtheit der christliche Auferstehungsglaube potentiell ermöglicht. <?page no="500"?> VI. Hoffnungsstrukturen in den Humanwissenschaften 500 bzw. der Mobilisierung nach Rückwärts ausgegangen werden, die im Rahmen eines integrativen Hoffnungsbegriffs als Präfigurationen bezeichnet werden können und den existentiellen Ernst der Spannung von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit bezeichnen, der bereits auf der Stufe der frühen Säugetierevolution sichtbar ist. Ohne die einzelnen Theorie-Konglomerate en détail systematisch ausgewertet zu haben, kann doch bereits an dieser Stelle deutlich werden, dass Menschen ohne Hoffnung buchstäblich keine Zukunft haben; sie können zwar noch in sehr begrenztem Umfang pragmatisch und funktional Ziele verfolgen, aber selbst für diese Ziele gibt es buchstäblich keine Zukunft, sie haben keinen Ort, keinen Anhalt an der seelischen Konstitution der eigenen Person. Wird dieser Zustand habitualisiert und chronisch, besteht die Gefahr, dass Menschen in die Handlungsstarre der Depression fallen. Hoffnung vermittelt in diesem Sinne Handlungs- Kontrolle, Handlungs-Zurechenbarkeit und Handlungs-Raum, der tief verbunden ist mit den seelisch (-körperlichen) Konstitutionsbedingungen der eigenen Person. Seelisches Überleben ist ohne wenigstens rudimentäre Formen der Hoffnung nicht denkbar, die Intentionalität der ganzen Person ist u.a. von diesem „Beweger“ 302 Hoffnung abhängig, und wie es scheint ruhen selbst die Hochformen humaner Hoffnung auf diesen und ähnlichen Strukturen auf, die unter dem Einfluss dieser Hoffnung allerdings transformiert erscheinen können. So ist nun nach einer integrativen Theorie der Hoffnung zu fragen, die sowohl psychologisch-humanwissenschaftliche Voraussetzungen als auch theologisch-philosophische Erkenntnisse über die Strukturen der einen (christlichen) Hoffnung selbst integrativ miteinander verknüpft und auf der Ebene des Handlungssubjekts und seiner Wirklichkeit verortet. 302 Vgl. GRÜN, A., Die Kraft des Hoffens, München 2004. <?page no="501"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn „Am Ende ist Hoffnung, wie sie der Wirklichkeit sich entringt, indem sie diese negiert, die einzige Gestalt, in der Wahrheit erscheint.“ 1 ie anvisierte Ethik der Hoffnung verlangt zu ihrer Präzisierung vielfältige Verhältnisbestimmungen, damit die erwähnte Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit theoretisch und praktisch in allen zentralen ethischen Kategorien wieder zu finden ist: Freiheit und Verantwortung, Handeln und Verhalten, Gut und Böse, Glück und Moral, Schuld und Versöhnung - und dabei alle zentralen menschlichen Existenzverhältnisse bestimmt werden: das Selbst-, Welt- und Gottesverhältnis. 2 Im Folgenden sollen daher exemplarisch einige Überlegungen zum Verhältnis der Hoffnung zum (höchsten) Guten, zur Zeit und zu dem ihr zugrunde liegenden Menschenbild angestellt werden, ergänzt um Exempel aus dem humanwissenschaftlichen Bereich, die die handlungspraktische Bedeutung und die empirisch-naturale Basis andeuten mögen. Angestrebt ist eine integrale Theorie der Hoffnung, die sowohl anschlussfähig an ihre eigenen naturalen und anthropologischen Grundlagen ist, als auch ihrer theologischen Voraussetzungen, Implikationen und Abschlussgedanken eingedenk ist. 3 Im Laufe der abendländischen Geistesgeschichte, besonders inspiriert durch die griechische Antike und durch die Ursprünge jüdisch-christlichen Denkens, schälte sich ein Hoffnungsbegriff heraus, der erst in Absetzung und Differenzierung von ähnlichen Begrifflichkeiten zu verstehen ist und gerade dadurch sein humanes, handlungsleitendes Potential zu entfalten vermochte: Hoffnung ist nicht allein Erwartung. Hoffnung ist nicht allein Wunsch. Hoffnung ist nicht allein Sehnsucht. Und doch ist Hoffnung im Sinne einer komplexen Leitkategorie gänzlich ohne Wunschaspekte, Erwartungsaspekte und Sehnsuchtsaspekte nicht denkbar, wie zu zeigen war und worauf bereits AUGUSTINUS verwiesen hat, wenn er schreibt: „Wonach wir keine Sehnsucht haben, kann weder Gegenstand unserer Hoffnung noch unserer Verzweiflung sein.“ 4 Insofern können auch Surrogate der Hoffnung, wie etwa Illusionen, Wünsche, Sehnsüchte, quasi unterhalb der humanen und christlichen Hochform der Hoffnung durchaus sinnvolle Funktionen zu 1 Vgl. ADORNO, T.W., Minima Moralia, Frankfurt am Main 1982, 123. Dazu GRESHAKE, G., Warum lässt uns Gottes Liebe leiden? Freiburg im Breisgau 2007, 135ff. 2 BERNHARD STOECKLE ist nach wie vor zuzustimmen, wenn er darauf hinweist, dass die Auswertung der Theologie und Philosophie der Hoffnung, wie sie spätestens seit der Renaissance der Eschatologie im 19. Jh. formuliert wurde, für die philosophische und die theologische Ethik „seltsamerweise noch weitgehend ausgespart blieb“ - von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen. Etwa aus dogmatischer bzw. religionsphilosphischer Perspektive J.B. METZ, oder R. SCHAEFFLER. Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, hier 6. 3 Vgl. von dogmatischer Seite STOCK, K., Anthropologie der Verheißung. Karl Barths Lehre vom Menschen als dogmatisches Problem, München 1980. 4 Zitiert nach MOLTMANN, J., Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur Begründung und zu den Konsequenzen einer christlichen Eschatologie, Gütersloh 13 1997, 19. D <?page no="502"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 502 deren Beförderung übernehmen. Neben diesen Unterscheidungen eher begrifflicher Natur, konnten zwei grundlegend voneinander verschiedene Hoffnungskonzeptionen ausgemacht werden, ein vorrangig im griechisch-hellenistischen Kulturraum geprägter und ein vorwiegend semitisch-christlich geprägter Begriff. Für diese beiden grundlegenden Hoffnungsfiguren, sowohl den eher instrumentell-extrapolatorischen Begriff der Griechen, als auch den eher verheißungsorientiert-antizipatorischen Begriff des jüdischchristlichen Denkens, gilt nun, dass sie in einer Doppelsträngigkeit immer wieder in Erscheinung treten 5 , zwar nicht antithetisch gegeneinander gesetzt werden dürfen, aber auch nicht ineinander überführbar oder aufeinander reduzierbar sind - sie sind buchstäblich inkommensurabel und spiegeln in ihrer Polarität die Spannungseinheit der Hoffnung selbst wider. Versuche einer vorschnellen Synthese sind daher systematisch zumindest als problematisch zu bewerten, da sie die erkennbare Dialektik einseitig spekulativ aufzulösen versuchen, statt sie erst in ihrer Spannung zur Geltung zu bringen. So ist im Unterschied dazu die vorliegende Arbeit auch als Plädoyer zu verstehen, auf methodisch kontrolliertem Wege affine Strukturen zu suchen, die dann eine Verknüpfung zwischen beiden Strängen der Hoffnungsreflexion ermöglichen. Schließlich wird damit auch auf eine „Unterbewertung der christlichen Hoffnung“ 6 in der theologischen Systematik hingewiesen, erst recht in der Moraltheologie. 7 Denn: „Der ‚Gegenstand‘ der Ethik [...] darf nicht allein im Faktisch-Vorfindlichen gesucht werden. Vielmehr gehört es zum Wesen des Sittlichen, Kontra-Faktisches zu entwerfen und aus dem Glauben an die besseren Möglichkeiten der Menschen zu leben.“ 8 Die Disziplin der Ethik hat sich nicht allein um die Erkenntnis des Guten und Richtigen bzw. Bösen und Falschen zu kümmern, sondern auch darum, dafür lebbare Lebensformen und Lebenshaltungen zu finden, überhaupt die dem Menschen angemessenen Lebensformen zu finden und zur Entdeckung der Form des eigenen (gelingenden) Lebens anzuleiten, was lange Tradition hat. Dafür ist es wiederum notwendig, spezifische Welt-, Selbst- und Gottesverhältnisse auszuweisen, die sich mindestens konsekutiv aus der Orientierung am je besseren Möglichen ergeben bzw. diese Hinordnung allererst ermöglichen. Dazu gehören auch die Tugenden und im Besonderen die der Hoffnung. Die naturale Verfasstheit des Menschen ist nun aufs Engste verbunden mit seiner mental-geistigen Verfassung, diese ist hoffnungsoffen für jene, so sehr, dass die natürliche von der übernatürlichen Hoffnung zwar geltungstheoretisch strikt zu trennen ist, aber beide formal wie material in dieselbe Richtung weisen - in die eine und umfassende 5 Wenn der griechische mit dem christlichen Hoffnungsbegriff verglichen werden soll, dann kann von „zwei Bewegungen“ gesprochen werden: Christliche Hoffnung zeichnet sich dabei durch eine prinzipielle Freiheit von Ambivalenz aus, weil sie trotz verschiedener Inhalte und Gegenstände nur einen Grund kennt, auf den alle Inhalte bezogen sind. Das führt dazu, dass sie selbst ein Heilsgut darstellt. Sie ist letztlich unbedroht, weil nicht mehr abhängig von immanent Erreichbarem. Dagegen ist der griechische Hoffungsbegriff mit Verfügbarkeit über die Bedingungen der zukünftigen Realität verbunden, mit Planbarkeit, Einfluss und Berechenbarkeit. 6 Vgl. GRESHAKE, G., Neue Ansätze zu einer Theologie der Hoffnung, in: TEICHTWEIER, G. / DREIER, W. (Hrsg.), Herausforderung und Kritik der Moraltheologie, Würzburg 1971, 206- 228, hier 220. 7 Vgl. mit ähnlicher Stoßrichtung wie die vorliegende Arbeit, allerdings weitgehend ohne kritisches Problembewusstsein und methodologische Reflexionen HEALY, T.K., Hope and action. An interdisciplinary study of the role of hope in moral motivation, Rom 1992. 8 Vgl. PFÜRTNER, S. et al. (Hrsg.), Ethik der europäischen Geschichte II. Reformation und Neuzeit, Stuttgart 1988, 14. <?page no="503"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 503 von Gott verheißene Zukunft des Reiches für Welt und Mensch. 9 Mit dem Verlust von Hoffnung geht daher immer auch ein Verlust von Handlungsmöglichkeiten einher, genauer ein Selbst-, Welt- und Gottes-Verlust, wenn es stimmt, dass Hoffnung eine fundamentale und notwendige Qualifizierung aller menschlichen Verhältnisse darstellt. Die Durchsicht der relevanten Literatur hat ergeben, dass Hoffnung theoretisch und praktisch dadurch bestimmt ist, dass eine positive Lebens- und Handlungs-Perspektive eröffnet wird und dass etwas weitergehen kann trotz möglicher Versehrungen und bis in einen Vollendungszustand hinein. Die vorgeschlagenen Strukturgitter haben nun genau dies nachzuweisen. Nach dem vermeintlichen Ende der Ideologien und nach dem ebenso vermeintlichen Ende der Utopien ist ein eklatanter Mangel auszumachen, Hoffnung noch begründet auszuweisen. WALTER KARDINAL KASPER spricht von einer „Erschöpfung utopischer Energien“ 10 , die menschliches Tun irgendwann unter „Sinnlosigkeitsverdacht“ stellt. Denn auch KASPER hält an der begrifflichen Nähe von Hoffnungs- und Sinnkategorie fest, wenn er schreibt: „Mit der Hoffnung steht und fällt Sinn und Unsinn der menschlichen Existenz.“ 11 Demgegenüber sollte klar geworden sein, dass sich das Hoffnungspotential des Menschen nicht einfach in einem Akt der Selbstbescheidung pragmatistisch domestizieren oder gar rationalistisch einhegen ließe. Dies würde der Selbsttranszendentalität des Menschen gar nicht entsprechen. Dieser überschreitet sich permanent auf ein vermeintlich Besseres hin - so mindestens die Erwartung und damit korrespondierend die Hoffnung. Eine vernunfttheoretische „Reinigung“ dieser Vorstellungen trüge nun zur (Re-) Etablierung begründeter Hoffnung bei, insbesondere durch die Orientierung am (höchsten) Guten. Handlungstheoretisch gewendet heißt das, dass Handeln unter moraltheologischer Perspektive immer einen Erwartungs- und Verheißungsindex trägt, der sich auf dem Hintergrund einer ihm inhärenten Zeit-Matrix und je nach Begründung des Hoffnungsbegriffs unterscheidet. Hoffnung ist mithin eine auf spezifische Weise ausgewogene und balanciert dialektische Spannung von Gegenwart und Zukunft, von Realität und Potentialität und von Wirklichkeit und Möglichkeit zu eigen. Gerade diese Spannung, die beiden Polen zentrale Bedeutung beimisst, scheint für Hoffnung zentral zu sein: der Anhalt an der Realität, sonst müsste sie je neu und ein für alle mal als Illusion entlarvt werden und zugleich der Anhalt an der guten Möglichkeit, auf die hin die Wirklichkeit des Handlungssubjekts geöffnet werden soll, sonst könnte sie den Menschen nicht je neu über seine faktische Realität erheben. Christlich bestimmte und die Realität potentiell bestimmbare Hoffnung ist (I) weder gegenwartsversessen und zukunftsvergessen, noch (II) zukunftsversessen und gegenwartsvergessen: Nur auf diese Weise - unter Wahrung dieser eigentümlichen Zeit-Dialektik bzw. Zeit-Spannung - wird Handeln ausreichend energetisiert und motiviert und zugleich inhaltlich auf das Humanum hin orientiert ohne an der Möglichkeit des Scheiterns bzw. der Fragmenthaftigkeit dieses Unterfangens zu resignieren. Umgekehrt gilt freilich auch: An jedem Zukunftsbe- 9 Vgl. zu den Kontroversen am Ende des vergangenen Jahrhunderts KERSTIENS, F., Die zeitgenössische Theologie der Hoffnung, in: Concilium 6 (1970), 646-650 und HÜBNER, J., Eschatologische Rechenschaft, kosmologische Weltorientierung und die Artikulation von Hoffnung, in: STOCK, K. (Hrsg.), Die Zukunft der Erlösung. Zur neueren Diskussion um die Eschatologie, Gütersloh 1994, 147-175. 10 Vgl. KASPER, W., Religion und die Zukunft des Menschen, in: Communio, 36. Jg. (2007), 300- 315, hier 314. 11 Vgl. KASPER, Religion und die Zukunft des Menschen, 301. <?page no="504"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 504 zug des Menschen ist ein Hoffnungsanteil auszumachen, der ein sinnorientiertes Humanum, der Würdehaftigkeit und Personalität zum Ausdruck bringt - im Medium der Hoffnung, Antizipation und Potentialität. Aber nicht jeder (positive) Zukunftsbezug des Menschen ist Hoffnung. Man vergleiche etwa Erwartungen, Phantasien, Wünsche und Illusionen. Hoffnung ist in diesem Sinne mit praktisch allen fundamentalen ethischen Kategorien zentral verknüpft, so etwa mit Freiheit, Würde, Subjektivität, Identität, Verantwortung und Schuld, was ihre basale Bedeutung für Lebensgestaltung und Handlungskonstitution nachhaltig zum Ausdruck bringt. Was sich hier schon andeutet, ist die sittliche Struktur der Hoffnung 12 , wobei differenziert auszulegen ist, auf welchen strukturellen Grundlagen diese Verknüpfungen zu denken sind. Moralisch zu qualifizierende Hoffnung hofft dabei letztlich auf das höchste Gute. Ihr eignet ein höchstes Gut im Sinne von ARISTOTELES, THOMAS und KANT. Das höchste Gut ist umgekehrt in seiner Handlungsrelevanz hoffnungstheoretisch zu interpretieren. Insgesamt kann und muss daher Hoffnung als ethisches Prinzip bezeichnet werden, das zur Grundlegung einer (christlichen) Ethik so geeignet wie notwendig ist. 1. Modalitäten der Hoffnung Gott spricht: Ich gebe euch Zukunft und Hoffnung. 13 a) Hoffnung zwischen Wirklichkeit, Möglichkeit und Notwendigkeit Menschliche Wirklichkeitserfahrung ist grundsätzlich mehrdimensional. 14 Dabei ist zunächst zwischen Wirklichkeit und Realität zu unterscheiden, denn die Wirklichkeit umfasst auch das Mögliche, die Realität nur das Phänomenal-Reale. Diese Mehrdimensionalität (Plural) unserer Wirklichkeitserfahrungen hat mit der Einheit der Hoffnung im höchsten Gut (Singular) vermittelt zu werden, sonst werden ihre handlungsrelevanten Strukturen nicht verständlich. Umgekehrt führt Utopieverlust bzw. ein Verlust von Hoffnung, etwa in Enttäuschung und Verzweiflung, leicht zu verzerrter Realitäts- und Gegenwartswahrnehmung und verzerrte Realitätswahrnehmung führt zu falschen Hoffnungen. Wir müssen von einem engen Verhältnis beider Größen ausgehen, wonach Realität immer schon erwartete Realität ist und Wirklichkeit noch den Raum des Möglichen mit umfasst. Hoffnung kann als Relationsbegriff (zur Gegenwart) verstanden werden, der eine Relation aufrichtet. Gegenwartseinschätzungen und Gegenwartsdeutungen finden immer auf dem Hintergrund von spezifischen Hoffnungen und Utopien statt. Selbst Geschichtsbewältigung ist erst auf dem Hintergrund von Zukunftsbildern zu be- 12 Vgl. GRESHAKE, Neue Ansätze zu einer Theologie der Hoffnung, 228. Unter diesen Voraussetzungen, d.h. entlang der hier favorisierten These einer Ethik der Hoffnung, die diese als Handlungskategorie auszuweisen versucht, „wird Hoffnung zum Movens christlicher Praxis. Theologie der Hoffnung wird zur Fundamentalhermeneutik christlicher Lebensführung.“ Vgl. auch BACHL, G., Die christliche Hoffnung, in: Theologisch-Praktische Quartalschrift 125 (1977), 5-18. 13 Vgl. Jer 29,11. 14 Vgl. SCHERER, R., Wirklichkeit - Erfahrung - Sprache, in: Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft Bd. I, hrsg. von BÖCKLE, F. / KAUFMANN, F.X. / RAHNER, K. / WELTE, B., Freiburg im Breisgau 1981, 6-59. <?page no="505"?> 1. Modalitäten der Hoffnung 505 greifen, da die Vergangenheit zu bewältigen, nicht heißt, sich einfach auf Gewesenes zu beziehen, sondern auf Gewordenes. Theologisch ist die Wirklichkeit als die Primärsprache Gottes zu begreifen. Und Zukunft als „je auf uns zukommende Wirklichkeit“ 15 ist nicht einfach „Überhaupt-Noch- Nicht-Seiendes“ oder reine Möglichkeit (possibilitas). So kann sogar das Vergangene, das geschichtlich Gewordene, ein Moment der Zukunft sein, indem es auf den Menschen aus der Zukunft zukommt, das bewältigt werden will. 16 Hoffnung ist eine potentia, nicht einfach eine possibilitas. In der Hoffnung „streckt sich unser Leben nach der Ganzheit alles Wirklichen aus“ 17 Die Erkundung des Möglichkeitsraumes ist demnach weder möglich noch sinnvoll ohne Hoffnung. Und der Möglichkeitsraum gehört zum Wirklichkeitsraum, sodass Hoffnung Wirklichkeit erschließt und eröffnet 18 - als bereits begonnene Heilszeit, als möglicherweise gelingende und als Raum des je Besseren. Jenseits des eigenen Entwurfs kommt da immer wieder etwas auf den Menschen zu, nimmt ihn in die Pflicht und bestimmt ihn vorgängig zu allem eigenen Entwerfen. Neuzeitliche und postmoderne Philosophie hat demgegenüber einen starken Impuls, die „Ordnung des beherrschbaren Möglichen“ 19 zu begrenzen - etwa durch den „Anderen“ (LEVINAS) oder das „Geschehen“ bzw. das „Ereignis“ (DERRIDA) oder über Subjektdekonstruktion gänzlich verschwinden zu lassen. Es existiert dabei ein fundamentales Misstrauen und ein Zweifel gegenüber den menschlich-allzumenschlichen Möglichkeiten, weswegen die Dekonstruktion als Methode des Zweifels favorisiert wird. Dennoch können bereits sprachphilosophisch verschiedene „Modi des antizipierenden Bewusstseins“ 20 modallogisch unterschieden werden, das heißt Ontologie findet sich im Modalsystem der Sprache deutlich wieder, das heißt auch, dass die Erfahrungen des Wünschens, des Wollens, des Begehrens, des Vorstellens, eben auch des Hoffens, gegen die strenge Antithese von „Ist“ und „Nicht-ist“ auf einen modalen Spielraum verweisen, der uns die Welt allererst 15 Vgl. SCHULTE, R., Christliche Hoffnung und menschliche Existenz in Weltverantwortung heute, in: Religion, Wissenschaft, Kultur 23 (2. Teil) / 1972 / 73, 87. 16 Vgl. HUNOLD, G.W., Möglichkeitsraum Zukunft. Ethiktreiben im Zeitalter beschleunigter Machbarkeit, in: Trierer Theologische Zeitschrift, Jg. 114 (2/ 2005), 94-106. 17 Vgl. RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI], Auf Christus schauen. Einübung in Glaube, Hoffnung, Liebe, Freiburg im Breisgau 2006, 81. Das den biblischen Schriften inhärente Programm der Entdivinisierung aller Wirklichkeits- und Erfahrungsbereiche (zur Suprematie und Monolatrie Jahwes) findet eine Entsprechung in den Veränderungen des Hoffnungsbegriffs im Laufe der Jahrhunderte. Nichts auf der Erde und in der menschlichen Geschichte ist göttlich, sondern verdankt sich Gottes Hand und Gottes Schöpfung und steht in Pflicht, Gottes Wort zu „dienen“. Dieses Programm, das bis in die Säkularisierung in der Moderne hineinreicht, findet Entsprechungen auch in der Entstehung des modernen Hoffnungsbegriffs, der zunehmend (parallel zum Gottesbegriff) gereinigt wird, theologisiert wird und zugleich in seiner Bedeutung für unseren Wirklichkeitsbezug freigelegt wird. 18 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 11. „Hoffnung ist zum ersten Sichtbarmachung der Gegenwart und des jetzt als beginnender, heiler Zukunft. […] Wo Hoffnung, dort ist ein Brückenkopf im Reich der Zukunft errichtet, oder besser noch: dort ist die Zukunft selbst in die Gegenwart bereits eingetreten. Für den Hoffenden hat die Zukunft schon begonnen. [...] Was der Hoffende von der Zukunft bereits hat, ist verborgene Wirklichkeit.“ 19 Vgl. DERRIDA, J., Die unbedingte Universität, Frankfurt am Main 2001, 72 ff. 20 Vgl. HOLZ, H.H., Kategorie Möglichkeit und Moduslehre, in: UNSELD, S. (Hrsg.), Ernst Bloch zu ehren, Frankfurt 1965, 99-120, insbesondere 115-119, hier 116. <?page no="506"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 506 als geschichtliche und als werdende verstehen lässt. Hoffnung als Kategorie verbindet dabei transzendentale und (re-) konstruktive Prozesse. Hoffnung erscheint zuerst immer contrafaktisch: Hoffnung befreit von der reinen Faktizität der Gegenwart, indem das Faktum vom Contrafaktum Hoffnung mitbestimmt wird, sodass immer von zwei Anteilen auszugehen ist: Wer handelt, setzt Fakten, wird aber immer von contrafaktischer Hoffnung motiviert und via Vernunft bestimmt und kontrolliert. Diese Hoffnung motiviert zum Handeln und vermittelt letztlich Sinn. Das Faktum in Besitz nehmend auf das anvisierte Ziel hin zu transformieren, ist griechisches Denken, sich vom Contrafaktum (des Glaubenskerygmas) bestimmen zu lassen, wobei diese Bestimmbarkeit (potentia oboedientialis) inkommensurabel ist, um von hier aus und darauf hin das Faktum zu transformieren, ist christliches Denken. Hoffnung erweist sich somit immer zuerst als „Kontrastzeichen“ 21 zur erfahrbaren und erfahrenen Wirklichkeit, weshalb von der „normativen Kraft des Potentiellen“ gesprochen werden kann. Die Frage nach der Vermittlung von Welt und Hoffnung ist umzuformulieren in die Frage nach der Vermittlung der gegenwärtigen Welt und einer möglichen zukünftigen Welt im Medium der Hoffnung. Hoffnung ist Medium der Vergegenwärtigung, „vermittelte Unmittelbarkeit“. Ihr kommt die Fähigkeit zu, Wirklichkeit auf Möglichkeiten zum Guten zu durchschauen, weswegen sie (moralisch-ethisch) mehr zu sehen und weiter zu sehen vermag, da sie eine Ahnung bzw. eine Gewissheit davon transportiert, wo es hin gehen kann und soll. Hoffnung gibt daher fundamentale Orientierung. Sie vermittelt den humanen Möglichkeitsraum (zum Guten wie zum Bösen) mit dem aktuellen, faktischen Handlungsraum und motiviert dabei zentral auf die in diesen Raum extrapolierten bzw. aus diesem Raum heraus antizipierten Zielgestalten. Genau diese enge Verknüpfung des Wirklichen mit dem möglichen Guten oder zumindest (vermeintlich) Besseren lässt Hoffnung als Movens menschlichen Handelns erscheinen. Der auf Wahrheit zielende Geltungsgrund des Handelns ist dabei von dessen Gestaltungsgrund, der freiheitsbasierten und sinnorientierten Hoffnung im weitesten Sinne, grundlegend zu unterscheiden, genauso wie der Entdeckungs- und Begründungszusammenhang von Hoffnung. DIET- MAR MIETH hat daher Recht, wenn er schreibt: Es „entspricht einer allgemein menschlichen Erfahrung, dass man über die gegebene Wirklichkeit hinaus Vertrauen auf menschliche Möglichkeiten haben muss, wenn man überhaupt sinnvoll existieren will. Sinnvolles Leben erhält sich nur, wenn man es gegen die Faktizität antizipiert.“ 22 Anthropologische Forschungen werden aktuell von neurobiologischen und evolutionsbiologischen Fragestellungen dominiert, um quasi einen Ausschnitt der faktischen Wirklichkeit des Menschen zu erforschen. Weitgehend ausgeklammert bleibt dabei methodisch, dass es ohne Reflexion auf die Möglichkeitsdimension keine hinreichende Einsicht in seine Wirklichkeits (an) lagen geben kann 23 , da beide Perspektiven auf das Engste miteinander 21 Vgl. ULRICH LUZ im Rahmen seiner exegetischen Erwägungen zu Bergpredigt und zur Goldenen Regel: LUZ, U., Das Evangelium nach Matthäus Bd.1, Mt. 1-7, Düsseldorf 1985 (EKK / hrsg. von Josef Blank et al. Bd. 1), 387-394, wo er von „Kontrastzeichen der Hoffnung“ spricht. 22 Vgl. MIETH, D., Die neuen Tugenden. Ein ethischer Entwurf, Düsseldorf 1984, 174. Gegen MIETH („Hoffnung als Dynamik, nicht als Trost“, 180) vermittelt Hoffnung natürlich einen Trost. Hoffnung ist Dynamik, zweifellos, aber eben auch Trost, da sie eine Affirmation des Daseins ermöglicht, ein Annehmen, um zu verwandeln, nicht verwandeln aufgrund der Ablehnung. 23 Vgl. in literarischer Form nach J.W. VON GOETHE: „Wenn wir die Menschen so nehmen, wie sie sind, machen wir sie schlechter als sie sind: Wenn wir sie dagegen behandeln, als ob sie wären, wie sie sein sollen, werden wir sie dorthin bringen, wo sie hingehören.“ <?page no="507"?> 1. Modalitäten der Hoffnung 507 verzahnt sind. Die menschliche Wirklichkeit ist entwurfsoffen und das Möglichkeitswesen Mensch ist idealiter zutiefst wirklichkeitsgesättigt. Philosophie hat den Menschen nie nur als Wirklichkeitswesen betrachtet, sondern auf dem Hintergrund vergangener wie zukünftiger Möglichkeiten den Möglichkeitshorizont seiner Gegenwart immer mitbedacht. Die Frage, wer oder was der Mensch sein kann, soll oder darf weitet den Wahrnehmungshorizont - ethisch geht es um die Differenz von Sein und Sollen, epistemologisch wie rechtsphilosophisch um die Differenz zwischen Faktizität und Geltung bzw. zwischen Wirklichkeits- und Möglichkeitserkenntnis, hermeneutisch um die Differenz zwischen Frage und Antwort, Anspruch und Antwort, theologisch wird diese Differenz akut im Verhältnis von Schöpfung und Fall ebenso wie von Hamartiologie und Soteriologie. Christliche Verheißung setzt je neu Hoffnungen frei, da das christliche Kerygma und dessen Verheißungen immer wieder mit der oft widerspenstigen Wirklichkeit konfrontiert wurden. Das ermöglichte ein Ernstnehmen von Wirklichkeit in ihrer Funktion als naturale Grundlage der Gnade. Hoffnung, soll sie handlungswirksam werden und in der Personmitte verankert werden, setzt daher notwendigerweise einen Bezug zur Realität voraus, von der sie sich dann im Sinne einer Kontrasterfahrung abhebt. Voraussetzung ist also die Wahrnehmung und Erfahrung von Gegenwart und Realität, die Ernstnahme von Realität, was theologisch einer Würdigung der Geschöpflichkeit gleichkommt. Es kann daher als konstitutive Voraussetzung zur Etablierung von Hoffnung gelten, die Wirklichkeit der Realität anzunehmen, in ihr anzukommen, aber nicht, um in ihr aufzugehen (oder unterzugehen), sondern um sie zu verwandeln - „wahr-nehmen“ als die Wahrheit der Wirklichkeit aufnehmend. Wir brauchen mithin eine Anthropologie des Noch-Nicht-Aber-Sein-Sollenden, eine Anthropologie, die den Menschen als Spannungswesen in einem Raum des Zwischen und Zugleich von Schon und Noch-Nicht verortet, regelrecht aufspannt. Selbst rein naturwissenschaftlich geht die Wirklichkeit in die Möglichkeit über und ragt die Möglichkeit nahtlos in die Wirklichkeit hinein, was etwa an den Modellen der Quantenphysik studiert werden kann. 24 Der Möglichkeitsraum des Menschen entspricht daher nicht automatisch seinem Handlungsraum. Beide müssen aber zueinander geöffnet werden. Philosophisch zentral ist dabei die Einsicht, dass Wirklichkeit immer auch „erwartete Wirklichkeit“ ist. Wirklichkeit ohne (subjektive) Erwartungsanteile gibt es nicht. Selbst der „objektive“ Blick der Naturwissenschaften zeigt eine Raum-Zeit-Verschränkung, zeigt eine Unschärferelation, wonach das Beobachtete vom Beobachter und seinem Standort nicht zu trennen ist, und Ergebnisse, die von den Ausgangsvoraussetzungen abhängen. Wirklichkeit hat einen Zeit-Index, weswegen christliche Hoffnung nur verstanden werden kann, wenn sie von ihrer Zeitfolie her begriffen wird. „Wir erkennen geschichtliche Phänomene in der ihnen eigenen Geschichtlichkeit nur, wenn wir ihre Bedeutung für ‚ihre‘ Zukunft wahrnehmen. Erst daraufhin ergibt sich dann auch eine Wahrnehmung ihrer Bedeutung für unsere Zukunft.“ 25 Auf diesem Hintergrund lässt sich schließlich die wirklichkeitsverändernde Kraft von Erwartungen und Hoffnungen, etwa im medizinischen oder gesundheitspsychologischen Bereich (Placebo), erklären. 24 Man denke aus dem Bereich der Physik nur an die Unschärferelation, die Formulierung von Wirklichkeitsaussagen über Wahrscheinlichkeitsaussagen und die Versuche, den Aufenthaltsort des Elektrons in der Materie zu bestimmen. 25 Vgl. MOLTMANN, J., Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur Begründung und zu den Konsequenzen einer christlichen Eschatologie, Gütersloh 13 1997, 174. <?page no="508"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 508 Aus Erfahrungen werden potentiell immer Erwartungen abgeleitet, in Form von Phantasien, Befürchtungen und positiven oder negativen Bildern. Contra-empirische Erwartungen setzen einen Punkt außerhalb der Erfahrungswelt bzw. des eigenen Erfahrungshorizontes voraus, von dem her ich mich ansprechen und korrigieren lasse. 26 Aus dem Möglichkeitsraum soll Daseinsraum werden, aber auch: der Möglichkeitsraum ragt immer schon in den Daseinsraum hinein. Hoffnung braucht mithin eine Einbettung in die Wirklichkeit, braucht Einsicht und Erfahrung, dass ihr zu trauen ist, dass sie Sinn macht. Erst auf diesem Hintergrund können schließlich Hoffnungsevidenzen beschworen werden, die über die Erfahrung hinausweisen. Hoffnung steht zwischen Weltsucht und Weltflucht. Um sie etablieren zu können, ist eine status experimentalis nötig, d.h. die Möglichkeit, Möglichkeitsräume zu durchschreiten, um die Begründetheit, Tauglichkeit, Sinnhaftigkeit, etc. zu erproben. Der klare Realitätsbezug der Hoffnung - ex positivo oder ex negativo - lässt auch den Pragmatismus partiell hoffnungsdienlich sein. 27 Hoffnung kontrafaktisch zu hegen, das heißt dann, unter Transzendierung der real erfahrenen Wirklichkeit „wider alle Hoffnung“ zu hoffen, heißt dann, zwar gegen eine Wirklichkeit zu hoffen, aber nicht ohne sie. Ohne Offenheit zur Welt, ohne „utopischen Standort“ 28 also auch keine Hoffnung. Hoffnung ermöglicht und eröffnet Handlungsoptionen und führt so auf konstruktivem Wege weg von Totalforderungen, die ohne Realitätsbezug sind. Hoffnung ermöglicht in diesem Sinne Möglichkeitssinn. Es ist dabei zur sittlichen Orientierung der Realität und zur Reinigung der Hoffnung von einer permanenten Korrektur der Realität an der darauf bezogenen Hoffnung und der Hoffnung an der Realität auszugehen. (1) Korrektur der Hoffnung an der Realität: Hoffnung zielt darauf, eine je konkrete Realität auf eine diesbezüglich je bessere bzw. besser erlebte Wirklichkeit zu überwinden. Je konkreter die Realität wahrgenommen wird und im Blick ist, desto bestimmter kann die Hoffnung werden, wobei sie nicht konkretistisch werden darf. Die Einbindung in einen Handlungszusammenhang muss parallel ausgewiesen werden, schließlich ist sie eine Brückenbzw. Zusammenhangskategorie. Es gibt eine Spannung zwischen Konkretion und übergreifendem (Sinn-) Zusammenhang. (2) Korrektur der Realität an der Hoffnung: Realität wird erst das, was wir erwartend und antizipierend erhoffen bzw. befürchten. Selbst Wahrnehmung ist erwartungsgesteuert, die wiederum einstellungsbasiert ist. Wer hofft, wird nicht nur kontrafaktisch frei von, sondern zudem auch frei für die Gegenwart und muss nicht mehr permanent Zukunft planen, prognostizieren und damit zu kontrollieren versuchen, damit sie ihn nicht bedroht oder nur als solche erwartet werden kann, als er sie für erstrebenswert hält. Hoffnung eröffnet potentiell herrschaftsfreie Gewissheit. 26 Vgl. BAURIEDL, T., Identität A. Psychologisch (Art.), in: EICHER, P. (Hrsg.), Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe Bd. 2, München 2005, 174-177. 27 Vgl. RORTY, R., Hoffnung statt Erkenntnis. Eine Einführung in die pragmatische Philosophie, Wien 1993. Ders., Philosophie und die Zukunft, Frankfurt am Main 2000. 28 Vgl. zu diesem anthropologischen Grundgesetz PLESSNER, H., Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einführung in die philosophischen Anthropologie (1928), Berlin 1975, Kap. 7, Abschnitte 3-5. <?page no="509"?> 1. Modalitäten der Hoffnung 509 b) Hoffnung und Erwartung. Das zweifache Verhältnis des Menschen zur Zukunft - Zwischen Wissen und Gewissheit Dem Menschen bleibt seine Zukunft ein Geheimnis, das er nicht in Gänze wissend vorwegnehmen kann. Sie kann weder abgeleitet werden aus Begriffen noch aus Erfahrung. Die Zukunft so vorwegnehmen zu wollen hieße, sie einzugrenzen auf die Weise der Vorwegnahme und deren Voraussetzungen und sie damit zu depotenzieren. Einzig ein hoffendes Vertrauen öffnet die Zukunft angemessen. Rationale Planung wird nicht ausgeschlossen, ganz im Gegenteil, aber deren Ausschließlichkeit im Weltbzw. Zukunftsbezug wird aufgebrochen. Wie verhalten wir uns aber zu dem Teil der Zukunft, der nicht rational einsehbar ist? Es besteht die Gefahr des panrationalistischen Zukunftsverhältnisses. Das ist eine prinzipielle Frage, wie wir uns dennoch vernünftig zu einer Zukunft verhalten, die nicht gänzlich rational eingesehen werden kann. An der Beantwortung der Frage hängt unser Menschenbild und die Eröffnung oder Verschließung gelingender Gegenwart und Zukunft. Hier zeigt sich auch die Angewiesenheit menschlicher Handlungswirklichkeit auf einen Sinnhorizont im weitesten Sinne, einer transzendentalen Verankerung. „Die wahre Zukunft des Menschen ist uns unbekannt. […] Damit eröffnet sich aber zugleich ein Ausblick auf jene Formen der Antizipation von Zukunft, die schlechterdings jenseits der Möglichkeiten eines Wissens von Zukunft liegen: Vision, Prophetie und Eschatologie. Jene ungeheure Verwandlung des Bewusstseins […] können wir in den Formen der vernünftigen Antizipation von Zukunft zwar postulieren, aber wir vermögen nicht zu bestimmen, wie eine solche Verwandlung sich vollziehen soll.“ 29 Schließlich ist der Mensch eine auf Zukunft hin entworfene Existenz, die sich allerdings zu diesem Umstand zu verhalten hat, quasi Ja sagen muss zum Auszug (Exodus) aus Vergangenheit und Gegenwart und Ja sagen muss zum Voraus des Unverfügbaren. Zugleich wird damit potentiell ein letztes Warum und Worumwillen transportiert. 30 Die Transposition der ursprünglichen Frage nach dem Sein auf die Frage nach dem Faktum durch Historismus und Naturwissenschaft kann daher nicht hingenommen werden. Das ist Sache der die eschatologischen, visionären und prophetischen Aussagen verbürgenden Religion. α Hoffnung und Erfahrung Jede Hoffnung, die über Erfahrung hinausgeht und diese überschreitet, setzt doch Erfahrung voraus, von der sie sich dann abhebt. Hoffnung besteht nicht allein aus Erfahrung und lässt sich auch nicht allein von dieser herleiten, aber sie bezieht sich auf Erfahrung und ermöglicht neue Erfahrung. Wird mit DIETMAR MIETH 31 zwischen Kontrast-, 29 Vgl. PICHT, G., Prognose, Utopie, Planung. Die Situation des Menschen in der Zukunft der technischen Welt, in: Ders., Vorlesungen und Schriften Bd. VIII (Zukunft und Utopie), hrsg. v. EISENBART, C., Stuttgart 1992, 1-42, hier 41. 30 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 15. „Bei Anlegen dieser Sicht des Menschen als zukunftsoffenem Wesen tritt gleichsam von selbst die Hoffnung als die Instanz hervor, welche selbst innerlich sittlich bestimmt, von der Warte der Zukunftswirklichkeit her den Menschen in das einweist, was er tun soll und sittliche Forderungen, um die er schon immer wusste, koordiniert und in ihrem letzten Warum einsichtig macht.“ 31 Vgl. MIETH, D., Die Bedeutung der menschlichen Lebenserfahrung. Plädoyer für eine Theorie des ethischen Modells, in: Concilium 12 (1976), 623-633. <?page no="510"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 510 Sinn- und Motivationserfahrungen unterschieden, ganz entscheidende Erfahrungsmomente des Handlungssubjekts in seiner Lebenswelt, dann kann das Verhältnis dieser Erfahrungstypen zur Hoffnung wie folgt bestimmt werden: Die Aufrichtung einer Hoffnung setzt eine Kontrasterfahrung voraus oder ermöglicht diese umgekehrt, was große Bedeutung etwa für die Homiletik oder die Relevanz einer adäquaten Wirklichkeitswahrnehmung hat; die Kontrasterfahrung ermöglicht dann in Verbindung mit der daran aufgerichteten Hoffnungsspannung eine Motivationserfahrung, quasi im Sinne eines mobilisierenden Imperativs; dies wird nur nachhaltig und moralisch qualifiziert geschehen können, wenn eine von der Hoffnung transportierte Sinnerfahrung in Aussicht gestellt wird, womit auch hier die Basisthese wiedergefunden werden kann, wonach Hoffnung Antizipation von Sinn ermöglicht. Die Daseins-Gewissheiten, die anhand von Erfahrungen mit Erwartungsstrukturen gewonnen wurden, bspw. die (eines Kindes) der kontrollierbaren und zuverlässigen (Um-) Welt, werden im Rahmen religiöser Weltdeutung aufgegriffen und radikal in Gott gegründet, weswegen sie sich dann (paradox und mit entgegengesetztem Zeitpfeil) auch gegen alle Erfahrung behaupten können und müssen - sogar über den Tod hinaus. 32 Mithin sind die Erfahrungen an den zentralen Erwartungsstrukturen absolut notwendig, auch und gerade als Anhaltspunkt für eine später daran anknüpfende religiöse Daseinsorientierung, aber Hoffnungsstrukturen lösen sich von allen diesen Erfahrungen potentiell ab, beziehen sich zwar darauf, aber gründen nicht darin, die diese Welt als kontrollierbar erscheinen lassen, aber in sich zutiefst relativ und ambivalent sind, wohingegen (christliche) Hoffnung sich letztlich in Gott gründet und durch den damit notwendigen Charakter des Absoluten potentiell von keiner relativen Erfahrung mehr widerlegt werden kann. Erwartungen und die damit korrespondierenden Erfahrungen und Gewissheiten bilden quasi den Bodensatz, auf dem dann die Blumen der Hoffnung erblühen können. Der Same der Hoffnungsblumen kommt allerdings woanders her, nicht aus dem Boden, wiewohl er im Boden zur Entfaltung kommt, aber wiederum nicht durch den Boden. 33 Das Christentum ermöglicht auf der Basis des Auferstehungsglaubens mit seinem immensen Hoffnungsüberschuss ein Verhältnis zu aller Erfahrung einzunehmen, sodass diese (positiv wie negativ) transzendiert werden und in ihrer Totalität aufgebrochen werden kann. β Hoffnung und Erwartung Der Mensch erwartet im Sinne seiner Handlungsfähigkeit eine stetige Welt, eine verlässliche Welt, von der wir glauben wollen, denn wissen können wir es nicht, die Erfahrung spricht zudem mitunter eine gegenteilige Sprache, dass wir sie kontrollieren können, dass wir mindestens Einfluss nehmen können im Sinne der Realisierung von Zielen hoher und höchster Priorität. Eine erwartbare, verlässliche Welt müssen wir voraussetzen, um überhaupt handlungsfähig zu sein - setzten wir das Gegenteil voraus, würden wir depressiv und handlungsunfähig. Damit aber geben wir uns Illusionen hin (positive illusions) - oder aber müssen anerkennen, dass menschliche Handlungsfähigkeit spezifische Hoffnungen als Basisvoraussetzung hat, quasi als Hintergrundannahme, weswegen wir eine Fülle von Annahmen über uns und die Welt, die Zukunft und das Ganze des Lebens 32 Vgl. zu diesem Prozess ausführlich WERBICK, J., Glaube im Kontext. Prolegomena und Skizzen zu einer elementaren Theologie, Zürich 1982. 33 Vgl. SCHAEFFLER, R., Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit. Eine Untersuchung zur Logik der Erfahrung, Freiburg im Breisgau / München 1985. <?page no="511"?> 1. Modalitäten der Hoffnung 511 hegen müssen und uns spezifische Verheißungen installieren müssen, um hier mindestens nachträglich eine Legitimation zu erreichen und nicht permanent verzweifelt darum zu ringen. Ansonsten könnten wir unseren Versuch, verzweifelt zu erwarten, durch berechtigte Hoffnung beruhigen - letztlich allerdings nur in einem theistischen Kontext. Im Verhältnis von Erwartung und Hoffnung spiegelt sich das Verhältnis von Wissen und Glauben wider. 34 Hoffnung ist nicht einfach Optionserweiterung, nicht einfach Erweiterung des Raums des kontrolliert Erwartbaren, sondern ist ein spezifisches Verhältnis zu allem Erwartbaren. Und Erwartungen werden aus Erfahrungen gebildet bzw. Erfahrungen als gedeutete Erlebnisse führen zu Erwartungen. Woraus speisen sich die Deutekategorien? Hoffnung hat Anteil an der Erfahrungsbasis der Erwartung, transzendiert diese aber zugleich immer auf etwas hin, was erst erfahren werden will: Das Gute im Wollen ist das Hoffnungsgut, von dem wir uns Gelingen versprechen. Es gibt einen Dreischritt von (I) Erfahrung - (II) Erwartung - (III) Hoffnung. (I) und (II) sind der Erfahrung entlehnt oder auf sie bezogen, (III) ist transzendental bestimmt und letztlich nur transzendent begründet, aber auf Erfahrung bezogen, die sie übersteigt. Erwartung ist konkret (sonst ist es ein Wunsch), gegenstandsbzw. objektbezogen, während Hoffnung nicht gegenständlich ist. Das Hoffnungsgut kann im strengen Sinne nicht erwartet werden, nur dessen Konkretionen, die wiederum erfahrbar werden sollen und überhaupt erfahrbar werden können, da das Hoffnungsgut transzendental ist und nur über erfahrungsbezogene oder erfahrbare Deutungen konkret wird. Um das Hoffnungsgut kann und muss daher nur gebeten werden, da es nicht erwartet werden kann. Auch auf Gott kann ich nur hoffen, indem ich bitte, erwarten kann ich ihn nicht, das käme einer Verfügung gleich. Es kann zwar gewünscht werden, aber der Wunsch beendet im strengen Sinne die Handlungsfähigkeit, mobilisiert nichts (M. HEIDEGGER: „Wünschen nichtet.“), erst wenn daraus ein vertrauendes Auslangen wird, also Hoffnung. Sehnsucht ist wenigstens mit dem Kompass Gefühl verbunden. Wirklichkeitserfahrung in Zeit erzeugt Erwartungen über die Wirklichkeit; umgekehrt schaffen Erwartungen Wirklichkeit. Hoffnung und Erwartung: Beide haben sich getrennt; was früher verbunden war in Einheit, wurde in unterschiedliche Weltbezüge differenziert. Wir können uns zu allen Zeitmodi in ein zweites Verhältnis setzen, das immer noch von Unmittelbarkeit geprägt ist, aber statt den partikulären Kontexten das Ganze des Lebens vor Augen hat und damit auch auf eine existentielle, evt. bilderlose, auf jeden Fall tiefgründigere Weise Hoffnung zu vermitteln vermag. Am unmittelbarsten sind natürlich die vitalen Erwartungsstrukturen, die aber durchdrungen werden können von den (freiheitlichen, selbstbewussten) Strukturen des Verhältnisses zweiter Ordnung, sodass auch dieses kaum an Unmittelbarkeit einbüsst bzw. neue ganzheitliche Unmittelbarkeit ermöglicht. Eine mögliche Kritik könnte fragen: Warum nicht auch ein Verhältnis dritter oder gar vierter Ordnung? Das ist denkbar, wobei der Reflexivanteil sich erhöht, der Erlebnisanteil sinkt, das Ganze zunehmend aus der Distanz reflektiert wird und nicht mehr erlebt wird, da die Beteiligung sinkt. So können wir zu den Erwartungen gegenüber der Zukunft in ein zweites Verhältnis treten, aber auch zu den faktischen Erfahrungen der Gegenwart, jeweils aus Freiheit, aber auch zu den Vorstellungen aus der Vergangenheit, woraus je nach Standpunkt dieses zweiten Verhältnisses Hoffnung geschöpft oder wiederum verloren werden kann. Der Grund des zweiten Verhältnisses ist ein Freiheits- 34 Vgl. HEINEN, W. / SCHREINER, J. (Hrsg.), Erwartung, Erfüllung, Verheißung, Würzburg 1969. <?page no="512"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 512 grund. Wir hegen immer ein doppeltes Verhältnis zur Zukunft: Verhältnis erster Ordnung, das, was wir erwarten; Verhältnis zweiter Ordnung, das, was wir gegenüber dem Erwartbaren erhoffen oder was uns demgegenüber verzweifeln lässt. Soll Hoffnung in Erwartung aufgelöst werden, dann landen wir bei einer vorweggenommenen Erfüllung oder Nichterfüllung, weil aus Hoffnung vermeintlich wissbare Erwartung des prinzipiell nicht Wissbaren werden soll. Wird Erwartung in Hoffnung aufgelöst, was für irdische Wesen nur partiell gelingen kann, dann leben wir ein äußerlich zutiefst reduziertes Leben, das vergeistigt sich von den Gehalten der Hoffnung her zu strukturieren versucht. Sinn verhält sich zu Zweck wie Hoffnung zu Erwartung. Zu allem, was wir erwarten und was uns erwartet, müssen und können wir uns unsererseits noch ins Verhältnis setzen - und das tun wir in Furcht und Hoffnung. Erwartung ersetzt nicht Hoffnung, sondern ist nachgerade ihr Material: Wenn wir um eine Zukunft „wissen“, sie quasi rational vorwegnehmend erwarten, dann müssen wir uns erst noch zu dieser Erwartung verhalten, sodass wir ihr eine Hoffnung abgewinnen können oder zumindest auf sie begründet (worin? woraus? ) mit Hoffnung reagieren können oder sie flösst uns Furcht ein. Die Erwartung aller Erwartungen ist der Tod. Erwartung (I) ist wissbar, zielt prognostisch auf Wissen und bietet eine Gewissheit des Wissens; Hoffnung dagegen (II) geht über das Wissbare hinaus, setzt darum Vertrauen voraus und gewährt eine vertrauende Gewissheit, die die ganze Existenz umfängt. 35 Wir müssen hoffen dürfen und hoffen können - allein schon, um das Wissbare zu orientieren. Das Wissen um den Tod ist in sich selbst tödlich, wenn es nicht beantwortet wird durch eine Hoffnung. Erwartung und Hoffnung können unabhängig voneinander sein, können sich aber auch dienstbar sein. Hoffnung ist dabei eine Gewissheit jenseits des Wissbaren. Daher ist überall da, wo es Erwartungsstrukturen gibt, potentiell Hoffnung möglich, auch wenn sie nicht zwingend vorhanden sein muss, aber nicht überall da, wo Hoffnung ist, sind schon Erwartungsstrukturen zugegen, die daraus konsekutiv abgeleitet werden. Der Erwartende ist auf seine Erwartung festgelegt; der Hoffende sieht mehr als der Erwartende, da er keine Zielfixierung hat, sondern Sinnorientierung. Menschliche Erwartung hat eine Wissens-Struktur (Prognose, Planung). Menschliche Handlungswirklichkeit hat über die Schiene der Erwartungen der Zukunft gegenüber auch eine Wissens-Struktur, aber darüber hinaus auch eine fundamentale Hoffnungs- Struktur, Hoffnung eine Vertrauens-Struktur, die nicht mehr wissend eingeholt werden kann, sondern basale Existenzverhältnisse zum Ausdruck bringt. Eine Verwechslung zeitigt Konsequenzen, wie sie die Gegenspieler der Hoffnung leicht zu zeigen vermögen. Die Vermessenheit (praesumptio) ist gerade ein fälschliches aber vermeintliches Wissen um eine sichere Erfüllung einer Hoffnung, wo kein Wissen ist oder sein kann. Die Kategorie der Erwartung hat ein objekthaftes und insbesondere konkretes und damit konkretisierbares Ziel als Gegenstand, dessen Nicht-Erfüllung Verzweiflung zur Folge haben kann, da das handlungsleitende System sich von der Erfüllung abhängig gemacht hat. Erwartung zielt auf Erfolg der Zielerreichung. Die Kategorie der Hoffnung hat demgegenüber ein Gut zum Gegenstand, das zwar konkretisiert, aber nicht konkretistisch dingfest gemacht werden kann, da es orthogonal zur Erfolgserwartung steht und auf Sinn zielt. Aufgrund des strukturellen Doppelverhältnisses von Hoffnung / Verzweiflung sind 35 Vgl. LÜBBE, H., Herrschaft und Planung. Über die veränderte Rolle der Zukunft in der Gegenwart, in: ROMBACH, H. (Hrsg.), Die Frage nach dem Menschen. Aufriß einer philosophischen Anthropologie (FS für MAX MÜLLER zum 60. Geburtstag), Freiburg / München 1966, 188-211. <?page no="513"?> 1. Modalitäten der Hoffnung 513 beide potentiell immer dann anwesend, wenn Erwartungsstrukturen auszumachen sind: eine wichtige methodische Vorbedingung, um humanwissenschaftliche und empirische Einsichten, die eher empirisch zugängliche Erwartungsstrukturen abbilden, aufzunehmen und in eine Hoffnungstheorie zu integrieren. Schließlich ist jede Erwartung potentiell mit Hoffnung / Verzweiflung versehen, sodass mit der Identifikation von Erwartungsstrukturen, die eben leichter empirisch zugänglich sind, starke Hinweise auf Hoffnungsorte zu sehen sind. Der zentrale Unterschied zwischen Erwartung und (christlicher) Hoffnung ist der, dass Hoffnung einen Grund kennt, der nicht wieder im Menschen selbst liegt, nicht seiner Erkenntnis oder anderen Gaben entspringt und auf den hin sich der Mensch allererst hoffend verlässt. Wenn dabei Gott in unserer eigenen Tiefe verortet ist (vgl. AUGUSTINUS: deus interior intimo meo), dann ist diese Hoffnung zwar in uns aber nicht aus uns. Hiermit wird auch die Grenze jeder immer innerweltlichen Utopie bezeichnet 36 Denn der Mensch vermag immer schon kraft seiner Freiheit und seiner Vernunft über die engen Grenzen des „real Möglichen“ hinauszudenken und hinauszuexistieren und gerade von dieser Horizonterfahrung her wieder seine innerweltliche Existenz zu gestalten, sodass er immer schon als solcherart Grenzüberschreitender sein Dasein zu bestreiten hat und damit immer schon versucht ist, auf ungedeckten Checks, d.h. ohne wirkliche Berechtigung und ohne Grund zu hoffen. Das macht die mitunter verzweifelte Lage des Menschen aus: Sich als grenzüberschreitend Hoffenden zu erleben und zugleich immer wieder die (vermeintliche) Grundlosigkeit konstatieren zu müssen. Solcherart sich zu bescheiden, d.h. auf seine Selbsttranszendentalität zu verzichten, ist nicht Sache des Menschen, denn die Struktur seiner Existenz ist daraufhin angelegt. Wirkliche Demut gegenüber einer (zunächst) radikal offenen Zukunft gibt es nur, wenn ein sittlicher Endzustand begründet angenommen werden kann, der die entsprechenden Bemühungen des Menschen würdigt und das entsprechende Scheitern daran restituiert und wenn zusätzlich die menschliche Sehnsucht nach Sinn und Gelingen eine reale Entsprechung erfährt - für endliche Wesen jeweils nur im Medium der Hoffnung. Hoffnung zielt also nicht in erster Linie auf Erwartungen (1. Ordnung), sondern auf das Existenz-Verhältnis zu den Erwartungen (2. Ordnung: „Erfahrung mit der Erfahrung“). Hoffnung ist Erwartung zweiter Ordnung. Hoffnung ist nicht Erwartung, sondern ein Verhältnis zu allem Erwartbaren auf der Basis von Freiheit und einem Hoffnungsgrund, aber Hoffnung kann Erwartungen hervorbringen. Umgekehrt ist alle Erwartung hoffnungsoffen, d.h. wird sie ohne Hoffnung / Verzweiflung versehen, dann weist sie in ihrer kreatürlichen und vitalen Seite in dieselbe Richtung, nur eben vorreflexiv - positiv (Leben, Überleben), genauso wie negativ (Tod) und freilich ohne den jeweiligen Grund der Zielgüter verbürgen zu können. Bereits Erwartungen konstruieren Wirklichkeiten, wie dann erst die Hoffnung selbst? Kommt Handlungspraxis und damit Freiheit und Moralität ins Spiel, dann wird aus Erwartungen darüber, was sein wird, Hoffnung darauf, was sein soll. Hier könnte sich eine Verbindung von theoretischer und praktischer Vernunft anbahnen. Aus Erfahrungen werden immer Erwartungen abgeleitet. Werden negative Erfahrungen gemacht, leite ich daraus die Berechtigung von Befürchtungen ab, werden positive Erfahrungen gemacht, d.h. habe ich die Möglichkeit, Erlebnisse positiv zu deuten, dann leite ich daraus Zuversicht ab. Hier setzt die Rück- 36 Vgl. PICHT, G., Prognose, Utopie, Planung. Die Situation des Menschen in der Zukunft der technischen Welt, in: Ders., Vorlesungen und Schriften Bd. VIII (Zukunft und Utopie), hrsg. v. EISENBART, C., Stuttgart 1992, 1-42. <?page no="514"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 514 kopplungsschleife der Hoffnung wider alle Hoffnung / Erfahrung ein. Zuversicht trotz negativer Erfahrungen ist dabei der eigentlich erklärungsbedürftige Effekt der Hoffnung wider alle Hoffnung: Hier kommt Freiheit ins Spiel, Freiheit zur Stellungnahme gegenüber allen Widerfahrnissen, eine Stellungnahme, aus der per se Hoffnung oder Angst abgeleitet werden kann und muss bzw. die auf hoffnungsgeleiteter oder angstgeleiteter Freiheit beruht, d.h. die immer eine diesbezügliche Entscheidung verlangt. Das Hoffnungsgut ist auf einer (logisch und strukturell) anderen Ebene angesiedelt als ein klar erwartbares rationales Ziel, das seinerseits wohl so etwas wie ein Sonderfall des Hoffnungsgutes darstellt: Hoffnungsziele sind aber grundsätzlich höherwertige und übergeordnete Ziele, sonst gäbe es keine Hoffnung in der Verzweiflung (wegen Nichterreichung von Zielen) und sonst könnte ich nicht hoffen ohne genau zu wissen worauf. Klar erwartbare Ziele haben ihren Grund in dem, der sie hegt (in se). Hoffnung dagegen geht letztlich darüber hinaus und verweist auf einen Grund extra se, der gerade die Unverfügbarkeit und das dem Zugriff Entzogensein ihrer Güte anzeigt. Erwartungen sind zielorientiert, rational konkretisierbar und objektivierbar. Hoffnungen sind dagegen sinnorientiert und nicht vollständig rational auflösbar, weswegen ich Hoffnung hegen kann entgegen einer „rational begründeten“ Erwartung (Hoffnung trotz der begründeten Erwartung des Todes), aber auch Hoffnung hegen kann entlang der Erwartung, was mitunter Anlass zu Verwechslungen geben kann. Das Christentum ermöglicht Hoffnung jenseits der Erwartung: unerwartete Hoffnung und unverhoffte Erwartung. Das Kreuz Jesu kann als größter denkbarer Widerspruch von Erwartung und Hoffnung gelten. Jesus konnte sein Ende erwarten, das Jenseits der Erwartung war Hoffnung auf seinen Vater. Die Frage nach dem Rational der Hoffnung wird sein, ob es berechtigte Gründe geben kann, über die Erwartung hinaus zu hoffen. Es muss darum gehen, aus Hoffnungen Erwartungen abzuleiten, die realisierbar sind, aber darüber die Hoffnungen (das Gute) als Quelle nicht zu vergessen, da diese motivieren, was im Rahmen der Erwartung (das Richtige) rational eingesehen wurde. So funktioniert die handlungsmäßige Konkretion des als gut Erkannten. Aber ohne Hoffnungen können wir den status quo nicht wirklich verlassen. Entscheidend wird sein, woraus sich unsere Hoffnungen speisen und wie diese Quellen hergeleitet und begründet werden können. Hoffnung kann zudem als Eröffnung von Alternativen, Sinn-Alternativen begriffen werden - Handlungsermöglichung aufgrund von antizipierten Alternativen. Hoffnung als Residualkategorie. Hoffnung ermöglicht ein „Dennoch-Weitermachen“ trotz enttäuschter Erwartung in Richtung der Sinn-Alternativen, die aber wohl (rational) im Dunkeln liegen können, weswegen Hoffnung Vertrauen voraussetzt. Erwartung strebt intentional das Ziel an, Hoffung strebt das Gut(e) an, wobei der dabei aufscheinende Sinn epiphänomenalen Charakter hat. Hoffnung ist das Medium, in dem Sinn zur Erscheinung kommt. Hoffnung motiviert Erwartung. Hoffnung ist dabei als großer Sinnzusammenhang zu begreifen, Hoffnung als Antwort auf die Frage, warum ich das Erwartbare überhaupt tun soll? Der Erwartung geht sonst die „Puste“ aus. 37 Mit anderen Worten: Präzise Hoffnung kann als berechtigte Erwartung einer besseren Welt begriffen werden. Wo (Ziel-)Erwartungen des Menschen, seine ganze Erwartungsstruktur, nicht 37 Das „Woraufhin“ der Hoffnung, auch und gerade das letzte Woraufhin einer human gesetzten Hoffnung, ist nicht zu ersetzen durch ein pragmatisches „Wodurch“ der Umsetzung von Hoffnungszielen. Woraufhin ist nicht wodurch, weswegen gerade an einer einseitigen Pragmatisierung und Funktionalisierung von Hoffnungen eine Deckungslücke, was den Begründungszusammenhang anbelangt, aufgezeigt werden kann. <?page no="515"?> 1. Modalitäten der Hoffnung 515 mehr an sie tragende und balancierende und korrigierende Hoffnungen zurückgebunden sind, bleiben nur sich zunehmend beschleunigende Erwartungen übrig, die sich deswegen beschleunigen, weil sie die Funktion der abwesenden Hoffnungen zu übernehmen und einzuholen versuchen, die damit transportierten Valenzen aber nicht zu ersetzen vermögen. Jegliche einseitige Vorwegnahme von Zukunft (positiv oder negativ) ist zurückzunehmen, soll Hoffnung wieder Platz bekommen. Erwartungen dienen der Realisierung von Hoffnungen, wobei eine Priorität der Hoffnungen, aber eine Basalität der Erwartungen festzuhalten ist. „Vielleicht hat sich gezeigt, dass Hoffnung nicht einfach das Verhalten des Schwachen und doch Begehrenden gegenüber einer ausständigen Erfüllung ist, sondern der Mut, sich in Denken und Tat der unbegreiflichen Unverfügbarkeit anzuvertrauen, die unser Dasein durchwaltet und als dessen offene Zukunft trägt. Vielleicht hat sich auch gezeigt, dass solcher Mut die Kraft besitzt, mehr zu wagen als was bloße berechnende Planung eingeben kann.“ 38 So gesehen ist Hoffnung die humane Steigerungsform der Erwartung, nicht deren Defizitform. γ Hoffnung und Kontrolle Psychologie der Kontrolle zielt auf Erwartungsstrukturen: „Kontrolle“ meint Handlungsfähigkeit, das subjektive Gefühl, Handlungen steuern und beeinflussen zu können im Sinne je eigener Intentionen. Zuviel der subjektiven und objektiven „Unkontrollierbarkeit“ als Nicht-Erwartbarkeit, führt in die Starre und die Depression. Wir verlieren die Hoffnung, unser Leben steuern und bewältigen zu können. Je stärker wir das Gefühl haben, dass uns die Kontrolle über unsere Umwelt entgleitet, desto intensiver suchen wir nach Ordnung schaffenden Strukturen - und erfinden notfalls welche. Die „Erwartbarkeit“ und „Stabilität“ Gottes ist die Treue zu seinen Verheißungen. Der Mensch ist schließlich auf Erwartbarkeit im Sinne der Bewältigbarkeit, auf Erhaltung der Handlungsfähigkeit, nicht aber auf vollständige Kontrolle der Situation angewiesen. Zunehmend wurde aber der Zukunftshorizont des Menschen gefasst als „kontrollierte Erwartung“, als eine rational und pragmatisch kontrollierbare und damit erwartbare Zukunft. Aus geschichtsteleologischen Vorstellungen und den damit verbundenen Hoffnungen ist nun ein „pragmatisches Gutes“ übrig geblieben (vgl. J. RAWLS). Es scheint, als ob der Mensch auf der Grundlage der zunehmenden Beschleunigung 39 seine Zukunft zu erobern versucht, die in gewisser Weise in seine Hände gelegt ist. Eine der Schwierigkeiten, die komplexe Hoffnungskategorie zu verstehen, liegt darin, dass bestimmte Hoffnungen zu hegen, letztlich transzendentale Gründe voraussetzt, auf der einen Seite, und auf der anderen Seite natürlich das Bemühen zu beobachten ist, aus Hoffnungen Erwartungen werden zu lassen, die pragmatisch und konkret umgesetzt und realisiert werden können und denen nicht mehr unmittelbar der transzendentale Grund anzusehen und anzumerken ist, auf dem sie ursprünglich eigentlich aufgeruht sind. Natürliche und übernatürliche Hoffnung sind nicht immer sauber zu trennen. Naturwissenschaft und Technik zielen grundlegend auf Erwartungsstrukturen und damit auf (prognostizierbares und kontrollierbares) Erwartungswissen, das allerdings keine Antwort auf die Frage nach begründeter Hoffnung und Verzweiflung geben kann, da sie ihrerseits bewertet und interpretiert werden müssen durch Kategorien, die sich 38 Vgl. RAHNER, K., Schriften zur Theologie VIII, Zürich / Einsiedeln / Köln 1967, 579. 39 Vgl. ROSA, H., Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstruktur in der Moderne (stw 1760), Frankfurt am Main 2005. <?page no="516"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 516 nicht der je eigenen Erkenntnisgewinnung verdankt. Solches Erwartungswissen ist Herrschaftswissen, das interpretiert werden muss, um der Sinnverwiesenheit menschlicher Existenz gerecht zu werden. Es bleibt notwendig partikulär und fragmentarisch. Hoffnungswissen dagegen stellt eine uneigentliche Form des Wissens dar, die eher als existentielle Gewissheit zu verstehen ist. Es ist zumindest potentiell immer verwiesen auf das Ganze des Lebens und dessen Sinn. Psychische bzw. psychologische „Kontrolle“ ist subjektive Kontrolle, d.h. subjektiv erwartete, „gefühlte“ Kontrolle. δ Antizipation und Extrapolation Es können zwei elementare Prozesse der Hoffnung unterschieden werden: (1) Extrapolation; (2) Antizipation. In Antike und (post) modernem Abendland favorisiert ist Extrapolation, für das Christentum zentral ist die Antizipation. Spezifisch bestimmbare Verheißungen artikulieren sich im Rahmen der Antizipation (dem Offenbarungskontext erwachsen), die dann quasi konsekutiv Extrapolationen aus sich entlassen. Gängige Praxis ist nun, Extrapolation zu entwerfen, ohne sich Rechenschaft zu geben über versteckte und implizit immer anwesende Antizipationen, die unbestimmt und unkritisch im Hintergrund anwesend sind. Genau hier gründet die spezifische „Passivität“ des Christentums, die in einem dialektischen Verhältnis zur aktivierenden und mobilisierenden Seite steht, aber etwa im Rahmen der Spiritualität und Theologie einen festen Ort hat gegenüber der zu empfangenden und ausgegossenen Gnade (als Raum der Ermöglichung, des Sich-Fest-Machens, des Könnens). Diese Dimension darf nicht übersprungen werden, sonst droht Überforderung und moralistische und rigoristische Extrapolation. Ich kann mich darüber hinaus auch von dem antizipierend bestimmen lassen, was ich zuvor extrapoliert habe und umgekehrt. Ich kann und soll all jenes extrapolierend realisieren, was ich zuvor antizipiert habe bzw. von dem ich mich zuvor habe bestimmen lassen. Beide Hoffnungsfiguren - Extrapolation und Antizipation - sind je für sich und in ihrer Dialektik absolut notwendig, da sie sich gegenseitig korrigieren. So korrigiert die Antizipation (Prophetie) immer wieder die Extrapolation (Prognose), während die Prognose die Prophetie immer wieder in die Realität führt. 40 Es existieren weitere Polaritäten: Instrumentelle Hoffnung versus existentielle Hoffnung und prognostisches Weltverhältnis (aktiv, herrschaftlich, Macht, Kontrolle) versus potentiell donatives Weltverhältnis (passiv, geschehen lassen). Jesus hat sich einer Fülle von Erwartungen verweigert, etwa der, ein politischer Messias zu sein, um je größere Hoffnung zu ermöglichen. Auch wir haben Erwartungen zurückzuweisen, um je größere Hoffnungen hegen zu können. Erwartungen sind konkret, wissbar und prognostizierbar; christliche Hoffnung kommt (als Antizipation) entgegen, langt nach uns aus und ergreift uns. Eine ganze Erkenntnistheorie könnte darauf aufbauen. Die Gesetze der Welt sind Prognoseinstrumente, es gibt aber auch ein Wissen 40 Liebeslyrik, aber auch das Phänomen partnerschaftlicher Liebe insgesamt ist gar nicht anders denkbar und ausdrückbar in Sprache und Leben, wenn nicht die Liebenden bzw. der Autor, der darüber zu schreiben versucht, der sich an ihrem Ausdruck versucht, immer eine Aussicht vor Augen hätte, in die hinein und aus der heraus sich diese Liebe artikuliert - quasi als Zielgestalt und Quelle, die der Liebe selbst inhärent ist. Und so leben wir auf der Basis von Hoffnung aus etwas heraus und in etwas hinein; beide Bewegungen sind nicht zu trennen. Es wäre daher literaturwissenschaftlich ein lohnendes Unterfangen, zeitgenössische und frühe Liebeslyrik, Literatur insgesamt, daraufhin zu durchkämmen und die inhärente Hoffnungsstruktur freizulegen. Vgl. etwa CAMUS, A., Die Pest, Reinbek 71 2004. <?page no="517"?> 1. Modalitäten der Hoffnung 517 um das Unverfügbare, das in den Religionen lebt und begangen wird, um das Verfügungswissen mit dem Unverfügbaren auszubalancieren und sich zu disponieren für das, was uns entgegenkommt. Die Differenzierung und zugleich die Dialektik und Zusammengehörigkeit von Extrapolation und Antizipation wurde bisher zu wenig beachtet und entsprechend gewürdigt: Im Abendland vorherrschend und mit zunehmender Entwicklung in die Moderne immer deutlicher (von der Antike ausgehend) ist die Entwurf- Bewegung auf der Basis der instrumentellen Vernunft. Das Christentum hat inhärent zur Verstärkung des Entwurfs beigetragen, weil es diese Bewegung zur Realisierung ihrer selbst benötigt hat. Das Christentum konterkarierte diese Bewegung aber auch. Das Christentum hat dabei die Antizipation nicht gepachtet, sie aber quasi virtuos aufgenommen und vollendet („Gnade baut auf der Natur auf und vollendet sie“). Antizipation ist Einfallstor für Offenbarung. 41 Wir lassen uns beständig von unseren eigenen Entwürfen bestimmen und antizipieren diese dann wieder. Ohne Offenbarung besteht die Tendenz zum handlungsmäßigen Solipsismus, sodass beide Bewegungen idealiter aufeinander bezogen werden, etwa, wenn es in Jes 60,1 heißt: „Mache dich auf, werde Licht, denn dein Licht kommt.“ ε Offenheit und Befristung der Zeit Die Erfahrung des modernen Menschen mit seiner Zeit - ob reflektiert oder nicht - ist die eines gähnend offenen Zeithorizontes, auf den in Anbetracht der Kürze der Lebenszeit, der Fülle der Möglichkeiten und der basalen Lebensangst mit Beschleunigung reagiert wird und mit der Schaffung von symbolischen Ordnungen, die Orientierung angesichts der befristeten Zeitoffenheit gewähren sollen. 42 Es gibt eine Angst vor verpassten Möglichkeiten, die Todesgrenze wird als Ende erlebt und als eine gnadenlose Befristung des Lebens. Wo die Valenzen christlicher Hoffnung nicht mehr virulent sind, werden andere symbolische (Erwartungs-) Ordnungen geschaffen und beschworen. Es ist eine umfassende Sinn- und Erlebnisleere zu beobachten und zwar durch alle Systemebenen der Gesellschaft hindurch aufgrund eines Übermaßes an Verfahrensrationalität und rein formaler Pragmatismen. Das, was fehlt, ist das, was bindet. ζ Zusammenfassung Die dialektische Differenz von Erwartung und Hoffnung ist wichtig, da sie erkenntnistheoretisch zwei grundverschiedene Verhältnisse zur Wirklichkeit beschreibt. Erwartungen (1) sind wissbar, zielen prognostisch auf Wissen und bieten eine Gewissheit des Wissens; Hoffnung (2) dagegen geht über das potentiell Wissbare hinaus, setzt darum Vertrauen in einen Hoffnungsgrund voraus und gewährt eine vertrauende Gewissheit, die die ganze Existenz meint und gerade damit ihrerseits potentiell Stellung nimmt zu allem Erwartbaren. Daher kann Hoffnung als eine Gewissheit jenseits des streng Wissba- 41 Vgl. MARCUSE, L., Philosophie des Glücks, Zürich 1972, 14: „Er [AUGUSTINUS, d. V.] fand, nach vielen Abenteuern, sein Glück erst - im Glauben an seine Erlöser. Der schenkte ihm das Vertrauen, das er brauchte, um glücklich zu sein. Im Schutze Christi blühte in ihm jenes so sinnlich blühende Glück auf, das er dann aufzeichnete unter dem Titel „Der Gottes-Staat“. Jedoch ist eine solche Antizipation des Glücks nur für die ein Glück, die fähig sind, in einer vergegenwärtigten Zukunft zu leben.“ 42 Vgl. GRONEMEYER, M., Weitergehen, nicht stehen bleiben! , in: Theologisch-Praktische Quartalschrift 4 / 2006 (154. Jg.), 339-345. <?page no="518"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 518 ren bezeichnet werden, die quasi elliptisch mit den Strukturen der Erwartung verknüpft ist, weswegen sich in diesem Verhältnis das Verhältnis von Glauben und Wissen widerspiegelt. Erwartung ersetzt nicht Hoffnung, sondern gehört zu ihrem Material. Die ausgewerteten humanwissenschaftlichen Erkenntnisse bemühen sich dabei vorrangig um Aufklärung der Strukturen von Erwartungen, wiewohl an verschiedenen Stellen Hoffnungsstrukturen erkennbar werden, insbesondere über die Brücke der Sinnkategorie, die beide Strukturgitter hermeneutisch verknüpft. Theologie (und Philosophie) halten dagegen eine Fülle von Erkenntnissen zur Hoffnung i. e. S. bereit, wiewohl christlichem Selbstverständnis gemäß Erwartungsstrukturen konsekutiv auf sie zu folgen pflegen. Nur in der Dialektik von Erwartungs- und Hoffnungsstrukturen kann je größere Hoffnung in ihrer immensen handlungspraktischen Bedeutung wirklich verständlich gemacht werden, indem sie die Spannungen und Widersprüche, in denen das Handlungssubjekt steht, handlungsermöglichend und handlungserhaltend vermittelt und indem sie nachhaltig auf die in ihr in Aussicht gestellte Steigerung des Lebens auf ein je (moralisch) Besseres hin motiviert und energetisiert. Hoffnung ist dabei, so die zentrale hermeneutische Brücke der Disziplinen, als Antizipation von Sinn zu verstehen und Sinn ist Aussicht auf Gelingen - trotz allem. So wie es Ausdrucksmodi 43 gibt, so existieren auch Hoffnungsmodi, die mit der Ausdrucksfähigkeit des Menschen zu tun haben: Hoffnung drückt potentiell Moral aus. Hoffnung ist Ausdruck von und drückt aus, woran wir letztlich handlungsmäßig Orientierung und Maß nehmen: „Sag mir, was du hoffst und ich sage dir, wessen (moralischen) Geistes Kind du bist.“ c) Hoffnung als (theologische) Tugend. Neuinterpretation von Glaube - Liebe - Hoffnung Der hellenistische Tugendbegriff kann nicht problemlos für den biblischen Bedeutungsgehalt der drei theologischen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe Verwendung finden, denn diese verbinden Zeitachsen miteinander (vertikale Tugenden). Die Kardinaltugenden sind dagegen als soziale Tugenden horizontale Tugenden. 44 Eine handlungstheoretische Reformulierung des Verhältnisses von Glaube, Hoffnung und Liebe hat nun wie folgt vorzugehen: Glaube kann als Oberbegriff über alle drei verwendet werden, wie Liebe auch. Hoffnung wird häufig marginal behandelt. (1) Glaube ist nun unter theologisch-ethischer Perspektive und der Form nach die Bindung des handlungsleitenden Systems an das christliche Kerygma; (2) Hoffnung ist der Form nach die Vergegenwärtigung dieses Kerygmas, was als Orientierung auf dieses Kerygma hin handlungsvorbereitend und handlungsmotivierend wirkt. Es gilt dabei, dass je freiheitlicher das Tun ist, desto größer die potentiellen Hoffnungsanteile sind; (3) Liebe ist schließlich als Realisierung des Kerygmas zu bestimmen. Hoffnung vergegenwärtigt das, was der Glaube glaubt und was die Liebe verwirklicht; Liebe ist die Realisierung dessen, was im Medium der Hoffnung vergegenwärtigt wird, Hoffnung, die zwar auch durch bereits realisierte Liebe orientiert und vervollkommnet 43 Vgl. LUTZ, R., Identität und Ausdruck - Anthropologische Grundlagen und moraltheologische Anmerkungen zu den Konstitutionsbedingungen von Identitätsprozessen, in: DROESSER, G. / LUTZ, R. / SAUTERMEISTER, J. (Hrsg.), Konkrete Identität. Vergewisserungen des individuellen Selbst (FS G.W. HUNOLD), München 2008, 13-46. 44 Vgl. PFÜRTNER, S., Ethik in der europäischen Geschichte Bd. I. Antike und Mittelalter, Stuttgart 1988, 156. <?page no="519"?> 1. Modalitäten der Hoffnung 519 wird, ist das Vehikel der Liebe. So gesehen gibt es keine Liebe ohne Hoffnung. Gnade ist dann als Verheißung 45 zu begreifen und Erlösung vollzieht sich im Modus der Hoffnung. Hoffnung ermöglicht und sichert dem Glauben gegen Theoretisierung und Ideologisierung eine „personale Vitalität“ 46 , die über die inclinationes naturales und das desiderium naturale der Vernunft zugänglich werden. Liebe ist die Realisierung und Ver- Wirklichung (wirklich, d.h. wirksam werden lassen) dessen, was im Medium der Hoffnung vergegenwärtigt wird und an das sich der Hoffende zunächst gläubig gebunden hat. Hoffnung tritt als Vehikel der Liebe und des Glaubens in Erscheinung. Hoffnung ist Vergegenwärtigung des Geglaubten, indem eine Spannung aufgerichtet wird vom (noch) zukünftigen Hoffnungsgut hin zur Gegenwart. Die Art der Hoffnung hängt von der Art des Glaubens ab. Je breiter die Glaubensbindung an das Kerygma ist, desto breiter kann die Hoffnung sein. Tiefe ist von jedem Glauben aus vertikal möglich. Und je breiter die Hoffnung, desto größer ist die Verwurzelung im Leben, desto mehr Lebensbereiche werden von der Hoffnung berührt, durchdrungen und bestimmt. Demnach bezieht sich Glaube auf Erkennen, Hoffnung auf Wollen und Können, während Liebe auf das Tun im Sinne der Vollendung gerichtet ist. Hoffnung wird deswegen so oft übersprungen, weil man glaubte, vom Erkennen gleich zum Tun kommen zu können. Hier zeigt sich Hoffnung erneut als Brückenkategorie. Ohne Hoffnung auf Sinn oder Antizipation von Sinn wird das Erkennen nicht zum Tun fortgeführt bzw. mündet handlungsrelevante Erkenntnis nicht in Tun ein. Darauf Bezug nehmende Liebe ist nur zu verstehen, wenn sie von der Hoffnung (und vom Glauben) her begriffen wird. 47 So kann „Glauben als Antizipation des Gelingens“ 48 gefasst werden - im Medium der Hoffnung. Solcher Glaube ist Bindung, Übernahme von und Identifikation mit und Für- Wahr-Halten des Wortes des Evangeliums, des Kerygmas. Glaube wird „in der Liebe wirksam“ (Gal 5,6), d.h. realisiert sich in der Welt als Liebe. Hoffnung steht dazwischen als Form der Vergegenwärtigung, die allererst die Liebe (als Realisierung des Glaubens) ermöglicht, indem sie einen Abgleich mit der Realität und ein Gelingen real in Aussicht stellt für deren Wertbestände. Hoffnung setzt mit anderen Worten das Geglaubte, den Inhalt des Glaubens (fides quae), in ein Verhältnis zur Gegenwart, was im engeren Sinne Vergegenwärtigung meint. Die fides qua geht irgendwann in Hoffnung über. Wer liebt, der hofft im Sinne einer spezifischen Hoffnung als Daseinsaffirmation gegen den Tod. Hoffnung kann ferner aufgrund ihres medialen Charakters jeweils einer der beiden Größen, dem Glauben bzw. der Liebe, zugerechnet werden, sodass sie oft keine Erwähnung findet bzw. in diesen Begrifflichkeiten aufzugehen scheint, wiewohl sie sachlich zu trennen wäre: Liebe ist ohne Hoffnung nicht lebbar, weil sie sich selbst nicht durchhält bzw. gar nicht zur Höhe ihrer selbst in der Welt gelangen kann ohne begründete (gläubige) Hoffnung. Glaube ist dagegen ohne Hoffnung nicht denkbar, weil dieser sonst unwirksam, kraft- und weltlos bliebe, wenn nicht aus ihm evidente Hoffnungen abgeleitet werden könnten, die Handeln grundlegend orientieren und motivieren. Die hier angestrengten systematischen Überlegungen dürften auch religionsgeschichtlich zu identifizieren 45 Vgl. GRESHAKE, G., Gnade - Geschenk der Freiheit, Kevelaer 2004, 144ff. 46 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, hier 18. 47 Vgl. RATZINGER, J. KARDINAL [P.P. BENEDIKT XVI.] Auf Christus schauen. Einübung in Glaube, Hoffnung, Liebe, Freiburg im Breisgau 1989, 71. 48 Vgl. RENDTORFF, T., Ethik. Grundelemente, Methodologie und Konkretionen einer ethischen Theologie Bd. I, Stuttgart 1980, 65ff. <?page no="520"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 520 sein. Die klassische Bewegung verläuft vom Glauben über die Hoffnung zur Liebe. Die umgekehrte Richtung hat nun freilich auch Gültigkeit, wie THOMAS. v. AQUIN gezeigt hat, da diese auf einer spezifischen Erfahrung der Liebe aufruht. Für H.U.v. BALTHA- SAR leite THOMAS nämlich die Universalität der Hoffnung aus der Liebe ab, wobei die Frage nach der Reichweite der Liebe bleibe. D.h. die Universalität der Hoffnung ist aus der Universalität der Liebe Gottes zu uns Menschen im Sinne des Tuns Gottes für uns abzuleiten. 49 Damit ist die Plausibilität der Hoffnung und die Plausibilität des Glaubens verbürgt, der sie zu verstehen sucht. Jede sittlich qualifizierte Hoffnung hat eine „Glaubens-“ und eine „Liebes-“Komponente, während Hoffnung dazwischen steht. Jeder Mensch bindet sich (Bindung) an das, auf das er sehnend und vertrauend, also hoffend (Vergegenwärtigung) oder instrumentell-pragmatisch (Ziel, Erwartung) sich einlässt und versucht dann, dies zu erreichen (Tun, Realisierung). Jedes Handeln hat mithin Glaubensanteile, Hoffnungsanteile und Liebesanteile: Bindung, Vergegenwärtigung, Realisierung. Das Verhältnis der drei kann geradezu als Handlungs-Modell begriffen werden, da es paradigmatisch diejenigen Komponenten umfasst, die jedes Handeln strukturieren, das sittliche Qualität hat und zugleich die zentralen Tugenden darstellen, die theologisch-ethisch das Verhältnis von Gott und Mensch, göttlichem Handeln und menschlichem Handeln, abbilden. Die Kategorie der Hoffnung muss theologisch deswegen heilsnotwendig gesetzt werden, weil ohne diese Kategorie das Kerygma des Glaubens nicht wirklich gelebt und in die Realität hinein übersetzt werden kann, d.h. das Heil kann nicht wirklich werden; es geht hier nicht um die Verpflichtung einer Zuversicht, sondern um die Gewährleistung einer Übersetzung in die Realität. Das Gute bleibt im Ansatz stecken ohne Hoffnung. THOMAS PRÖPPER schreibt: „Wo Liebe wirklich geschieht, ist sie über den Standpunkt der Moralität ja hinaus, hat sie den Abgrund menschlicher Möglichkeiten berührt und Endgültigkeit antizipiert.“ 50 In der Liebe 51 öffnen wir einander die Zukunft und halten die Zukunft geöffnet. 52 Der Raum von Möglichkeit wird nicht geschlossen, sondern offen gehalten. Und Hoffnung ist dabei strukturell die Brücke ins Heil, einem Heil, an das sich der Glaube gebunden hat und an dem er sich stärkt und das die „Liebe, auf die die christliche Hoffnung im Licht des Glaubens zugeht“ 53 , schließlich realisiert. d) Hoffnung und der Zeitpfeil. Erinnerung und Hoffnung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wer über Handeln nachdenkt, über menschliche Handlungswirklichkeit reflektiert, muss zugleich über das Phänomen Zeit nachdenken; ein erstaunlich selten bearbeitetes Deside- 49 Vgl. Gal 5, 5-6. Wir aber erwarten die erhoffte Gerechtigkeit kraft des Geistes und aufgrund des Glaubens. Denn in Christus Jesus kommt es nicht darauf an, beschnitten oder unbeschnitten zu sein, sondern darauf, den Glauben zu haben, der in der Liebe wirksam ist. 50 Vgl. PRÖPPER,T., Thesen zum Wunderverständnis, in: GRESHAKE, G. / LOHFINK, G. (Hrsg.), Bittgebet - Testfall des Glaubens, Mainz 1978, 91. 51 Im „Hohelied der Liebe“ (1 Kor 13) wird die Liebe als die größte der drei Tugenden bezeichnet. Warum? Weil sie das tut bzw. realisiert, was das Kerygma ermöglicht und fordert und sie kann es auf der Basis der Bindung des Glaubens und der verheißungsvollen Vergegenwärtigung durch die Hoffnung. 52 Vgl. FRISCH, M.: „Die Liebe befreit aus jeglichem Bildnis.“ 53 Vgl. RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI], Auf Christus schauen. Einübung in Glaube, Hoffnung, Liebe, Freiburg im Breisgau 2006, 81. <?page no="521"?> 1. Modalitäten der Hoffnung 521 rat moraltheologischer Forschung; denn: Menschliches Handeln ist immer zeitliches Handeln - in Zeit und aus Zeit - und endliches Handeln; Handeln hat immer eine Zeitmatrix, einen Zeitindex, der nicht einfach unreflektiert mit einem griechisch-antiken, linearen Zeitbegriff identifiziert werden kann; menschlichem Handeln wird ein exklusivlinearer Zeitbegriff nicht gerecht. 54 Erst seit wenigen Jahrzehnten (vgl. EDWIN HUB- BLE) ist uns eine einigermaßen objektive Zeitvorstellung über den Kosmos gegeben. Ein Zeitbegriff muss in die Theoriebildungen der Ethik eingeführt werden, insbesondere die Handlungstheorie. Denn erst wenn Handeln radikal zeitlich entworfen wird, wird die Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit sichtbar. Wir können etwa aus der Existenzphilosophie M. HEIDEGGERS herauslesen, dass das Dasein sich selbst im Existential der Zeitlichkeit auslegt. D.h. Zeitlichkeit ist die Art, in der der Mensch seine Existenz in Freiheit vollzieht. Wenn das gilt, dann müssen wir, um menschliche Freiheit und Handlungsgeschichte zu verstehen, u. a. von Erinnerung und von Hoffnung reden. Es gibt demnach Zukunft in der Gegenwart, trotz oder gerade weil es den Primat der Zukunft gibt. Das darf aber mit PIEPER nicht darüber hinwegtäuschen, dass es keine „herkunftslose Zukunft“ 55 geben kann, auch das Christentum ist eine Erinnerungsreligion. Hoffnung braucht einen ihr vorausliegenden Grund. Christliche Zukunft gibt es allererst über Erinnerung an Verheißung: memento, anamnesis, memoria - der viatorischen Struktur entspricht eine geschöpfliche, auf die sich alle Gnade als Ansatzpunkt bezieht. 56 „Die Gottesbotschaft der biblischen Tradition will selbst als Zeitbotschaft gehört werden, näherhin als Botschaft von der befristeten Zeit, von der Zeit mit Finale. 57 Diese Überlegungen sind gegen HABERMAS und einen prozeduralen Universalismus und eine verfahrensrationale Wahrheit gerichtet, denn diese steht in Gefahr, sich der „Vernunft der Grundspannung von Erinnern und Vergessen“ 58 zu entziehen, wobei hinzugefügt werden muss - im Hintergrund damit auch der Grundspannung von Hoffen, Erleben, Leiden und Erinnern. Erinnern gibt es nur auf dem Hintergrund einer Hoffnung. Die Vernunft darf nicht aus diesen Grundspannungen entlassen werden, 54 Vgl. einen jüdisch-semitischen Zeitbegriff wie ihn WALTER BENJAMIN narrativ hervorgehoben hat, um die Erinnerung an die Opfer der Menschheitsgeschichte zu bedenken, die memoria passionis. „Es gibt ein Bild von Klee, das angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen, und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“ Vgl. HAP GRIESHABER (Hrsg.), Engel der Geschichte. Ernst Bloch zum 85., Hamburg 1970, 1. 55 Vgl. PIEPER, J., Herkunftslose Zukunft und Hoffnung ohne Grund? Eine kritische Anmerkung, in: Hochland 59 (1967), 575-582. 56 Vgl. AQUIN, T. VON, S. th.I II, 17, 9 ad 2. 57 Vgl. METZ, J.B., Gott und Zeit. Theologie und Metaphysik an den Grenzen der Moderne, in: Stimmen der Zeit 3 / 2000, 147-159, hier 150. METZ schreibt weiter: „Gegenwärtig freilich, in diese Zeit des ‚atmosphärischen Nietzsche‘, gibt es keine Zeit mit Finale mehr, nicht einmal, wie Nietzsche ausdrücklich betont, ein ‚Finale ins Nichts‘.“ 58 Vgl. METZ, Gott und Zeit, 153. <?page no="522"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 522 sonst gibt es weder ein darauf basierendes Leidensapriori noch eine daran Maß nehmende anamnetische Vernunft noch eine vernünftige Hoffnung, die jeder memoria passionis erst das eigentliche Agens ist. 59 Es hat lange abendländische Tradition, Erinnerung als Konstitutionsbedingung der Vernunft zu begreifen (PLATON, HEGEL, DILTHEY, GADAMER). So garantiert sie einen Bezug auf moralisch Unabgegoltenes, eine memoria futuri, die Erinnerung nach vorne ist und die sich letztlich aus spezifischen Hoffnungen konstituiert. Hoffnung ist Konstitutionsbedingung der Vernunft. 60 Auf diese Weise wird eine zweifache Würdigung der Vergangenheit möglich: (1) Zukunft und Hoffnung konstituieren sich aus der Erinnerung an eine Vergangenheit, die (moralisch) nicht wiederkommen soll bzw. eine Erinnerung an Vergangenheit, die Heilshandeln zum Gegenstand hat und damit allererst Zukunft eröffnet durch erinnernde Vergegenwärtigung einer eröffneten Zukunft; (2) die eröffnete Zukunft „ordnet“ und holt (moralisch gesehen) die Vergangenheit aus der Vergessenheit zurück, lässt die Opfer und Täter nicht in Vergessenheit versinken und greift allererst den „Trümmerhaufen der Geschichte“ (WALTER BENJAMIN) auf. Die in Aussicht stehende und verheißene Versöhnung macht vor den Toten nicht halt, macht vor den Toren der Vergangenheit nicht halt, sondern will auch diese umgreifen und „beantworten“ (HELMUT PEUKERT), indem sie ein enthüllendes und erfüllendes Gericht in Gottes Verantwortung für alle und alles aufrichtet - als Hoffnung auf endgültige Gerechtigkeit. 61 Auch hier zeigt sich die zeitliche und räumliche Ausdehnung bis zu den äußersten Grenzen von Herkunft und Zukunft. Das freilich setzt einen Begriff der geschöpflichen Wirklichkeit und damit einen Begriff vom Menschen voraus, schließlich auch von Tradition und Überlieferung. Theoretisch anspruchsloser wird eine Theologie der Hoffnung nicht zu bekommen sein. „Der Christ hat nicht nur eine absolute Zukunft, sondern auch eine absolute Herkunft. Allerdings vermag diese Herkunft nur dann den Rang eines verpflichteten Erbes und einer inspirierenden, wegweisenden Macht für unsere Gegenwart zu beanspruchen, wenn sie im Lichte der Zukunft, der Endgeschichte verstanden wird.“ 62 Solche Erinnerung ist nicht einfach Wiedererinnerung, sondern schöpferische Erinnerung, in der das Ganze des moralischen Lebens, Versöhnung und Gerechtigkeit, Freiheit und Anerkennung immer schon als Hoffnungskern anwesend ist. Denn: „Diese Erinnerung wäre ohne Hoffnung unmöglich. In sie geht die Hoffnung ein, dass das Leben sich als sinnvoll bewähre. Aber auch umgekehrt nimmt die auf Gott gesetzte Hoffnung jene Erinnerung in sich auf. Erinnern wird in ihr zum Vergegenwärtigen ihres Grundes. Die ihrerseits erinnernde Hoffnung richtet sich auch nicht mehr ausschließlich 59 Vgl. KÖHLER, O., Erinnerung und Erwartung, in: ROMBACH, H. (Hrsg.), Die Frage nach dem Menschen. Aufriss einer philosophischen Anthropologie (FS MÜLLER, M.), Freiburg im Breisgau 1966, 105-129, hier 126. „Der Grund aller Erinnerung und aller Erwartung ist die Erfahrung des Todes. [...] Ohne Erinnerung gibt es keine Herkunft und ohne Erwartung keine Zukunft, sondern nur endlose Dauer, also jene Zeit, die gerade keine Geschichte ist - und ohne die Erfahrung des Todes gibt es keine Erinnerung und keine Erwartung. Beide zusammen aber sind zugleich der Grund gegenwärtigen Handelns.“ 60 Vgl. KASPER, Religion und die Zukunft des Menschen, 313. 61 Vgl. FUCHS, O., Das jüngste Gericht. Hoffnung auf Gerechtigkeit, Regensburg 2007 und KER- STIENS, F., Die zeitgenössische Theologie der Hoffnung in Deutschland. Eine kritische Biographie, in: Concilium 6 (1970), 646-650, hier 647. 62 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 23. <?page no="523"?> 1. Modalitäten der Hoffnung 523 auf Zukunft. Ihr Zukunftshorizont erweitert sich zu einem universalen Zeithorizont, der in alle erinnerbare Vergangenheit zurückreicht.“ 63 Dem entspricht die bereits erwähnte Tendenz der Hoffnung, sich zeitlich und räumlich auszudehnen. Mit Blick auf die Zeitachse heißt das nun: Hoffnung lebt aus einer Grundspannung von Gegenwart und (möglicher) Zukunft, in die sie den Handelnden prinzipiell stellt; sie ist quasi die Klammer, die beide Pole verknüpft und die Brücke, über die Sinnvalenzen aufgespannt werden, wohlgemerkt: aufgespannt, d.h. mit Anhalt in beiden Spannungspolen; sie vermittelt mithin den aktuellen Handlungsraum mit dem potentiellen Möglichkeitsraum und eröffnet dadurch allererst den Raum der Zukunft, indem beide Zeitmodi (inklusive der Vergangenheit) füreinander erschlossen und miteinander verknüpft werden. Auch auf diese Weise, und nicht nur vonseiten der Theologie selber her, wird das christliche Zugleich (simul) von Schon und Noch-Nicht, was die Vollendung des Gottesreiches betrifft, verständlich: da hat eine Zukunft bereits in der Gegenwart begonnen, hat quasi als logos spermatikos Anhalt in der Gegenwart, ist aber zugleich in seiner vollständigen Realisierung noch ausständig - genau die Spannung von Bereits und Noch-nichtganz, die auch den Spannungsbogen der Hoffnung ausmacht. Die Konsequenzen dieser Vorstellungen für einen Zeitbegriff einer hoffnungsbasierten Handlungstheorie können an dieser Stelle allerdings nicht ausgeführt werden. 64 Entlang den bisherigen Reflexionen kann von einer basalen Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit gesprochen werden, die den Menschen in ganz grundlegende (zeitliche) Spannungen stellt, die ihn fundamental auf die darin zum Ausdruck kommenden Zielgestalten auslangen lässt und deren Verheißungscharakter ihn genau daraufhin mobilisiert und motiviert. Der Mensch ist mithin, was seine Handlungsorientierung und Handlungsmotivation anbelangt, kein Wesen der Homöostase, sondern ein Wesen der (Hoffnungs-) Spannung oder philosophisch: ein dialektisches Wesen, ein Wesen, das sich bleibend in einer Existenzdialektik bewegt. Hoffnung vermittelt mithin zwischen der gegenwärtigen Welt und ihren Erfahrungen und der möglichen (moralisch besseren) zukünftigen Welt, indem sie beide verbindet, aber nicht antithetisch setzt wie BLOCH. Sobald wir handeln, haben wir einen Begriff und ein Verhältnis und eine Spannung von Gegenwart und Zukunft vor Augen (und Erinnerung im Rücken), das vermittelt wird im Medium der Hoffnung. Wenn wir handeln, gibt es nie nur die gegenwärtige Welt, sondern immer zugleich auch, um Handeln überhaupt zu initiieren, eine Vorstellung von einer erstrebenswerten, einer sinn- und wertbesetzten zukünftigen Welt, die realiter werden soll und als solche in der Hoffnung gegenwärtig gesetzt wird. Handeln steht immer in dieser Spannung und Hoffnung vermittelt diese als Medium. Es gibt keinen handlungsrelevanten Begriff der Zukunft ohne Anhalt an der Gegenwart. Auch gibt es keinen Begriff der Gegenwart und keine Deutung der Gegenwart ohne zugleich eine Zukunft vor Augen zu haben. So kann keine Deutung und Interpretation der Gegenwart existieren ohne impliziten Begriff davon, wie sie eigentlich sein sollte, das heißt von einer möglichen und gesollten / erhofften zukünftigen Gegenwart, die mit der Gegenwart im Modus der Hoffnung verknüpft wird und diese daraufhin allererst öffnet und den Handelnden daraufhin mobilisiert. Christliche Hoffnung gibt sich in diesem Sinne mit der Gegenwart nicht ab und ist damit eine der vitalsten Kräfte des Menschen. Entscheidend wird sein, woraus entsprechende Vorstellungen schöpfen, woraus Ziele und Gründe abgeleitet werden. Das Umgekehrte gilt 63 Vgl. THEUNISSEN, M., Die Hoffnung auf Gott und der Gott der Hoffnung, in: Internationale Zeitschrift für Philosophie 3 (1999), 258-274, hier 272. 64 Vgl. HÖSCHER, L., Die Entdeckung der Zukunft, Frankfurt 1999. <?page no="524"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 524 allerdings auch: Jede human verantwortete Zukunftsvorstellung hat zutiefst Anteil an der Gegenwart und übersteigt sie zugleich auf das darin noch unverwirklichte Gute hin. Kurz gesagt: „Die Gegenwart hat nur Zukunft, wo die Zukunft gegenwärtig wird.“ 65 In der Hoffnung und der ihr eigenen Spannungsdynamik verwischen sich nun die zeitlichen Lokalisierungen ihrer Inhalte: in re und in spe öffnen sich quasi zueinander und bilden dabei allererst die Voraussetzung, dass beides idealiter ineinander übergeht: alle Gehalte in spe zeigen sich bereits in re und alle Gehalte in re zeigen sich in ihrer Verwurzelung in spe. 66 Die „Hoffnung zeigt ja, dass das Kommende eine Verwandlung des Jetzig- Bestehenden, nicht aber dessen Aufhebung mit sich bringt, dass überdies die Zukunft im Gegenwärtigen bereits behaust und anwesend ist.“ 67 Das „Elend der Antiutopisten“ ist, dass sie keine Zukunft mehr haben. Denn je weniger wir (begründete) Zukunft haben, desto weniger werden wir auch Gegenwart haben, die sinnvoll und gelungen erlebt werden kann, da der (notwendige) Umgang mit der Zukunft die Gegenwart bestimmt und bestimmen wird. Diese muss unter den Voraussetzungen fehlender Zukunft schließlich selber permanent überwunden werden auf eine sich zunehmend virtualisierende, selbstgeschaffene Zukunft und Gegenwart hin. Der Hoffnungsvollzug setzt demgegenüber auch eine Wahrnehmungsfähigkeit, eine Sensibilität und ein geschultes Gefühl für Zeit voraus, für die richtige, angemessene Zeit, insbesondere auch für Zeitabläufe, letztlich aber für den Kairos als nur im Rahmen von Hoffnung einholbarer sinn-voller Zeitpunkt. Wer hofft, sucht den richtigen Zeitpunkt für das gerade angemessene und mögliche Sinnvolle, für den Kairos, der die Hoffnung seinerseits benötigt, während sie auf ihn hinführt. Wer hofft, spürt, wann es an der Zeit ist, dass etwas in die Zeit kommt. „An-der-Zeit-Sein“ gibt nun exakt die Grenzdialektik, die Horizonthaftigkeit der Hoffnung wieder. Nicht umsonst spricht die Bibel immer wieder von so etwas wie Zeitrealistik und Zeitsensibilität. Wer also hoffen will bzw. Hoffnung „wecken“ will, muss Zeitsensibilität ermöglichen, muss über Zeit nachdenken und ihre (Un-) Möglichkeiten. Ziel wird es sein, ein (existentielles) Zeit-Maß zu finden, die Fähigkeit zu kontextueller Zeitanalyse, die sowohl lineare, als auch zyklische als auch punktuelle Zeitstrukturierungen vor Augen hat. Alle Zeitstrukturen bzw. Zeiterfahrungsebenen des Christentums müssen präsent gesetzt werden können und subjektiv zugänglich sein. Die Dringlichkeit der Handlungsmotivation durch Hoffnung liegt an der klaren Befristung von Zeit, der Befristung der sie tragenden (christlichen) Zeitmatrix. Ethik hat es immer mit befristeter Handlungs- und Lebenszeit zu tun, sodass sie gewarnt sein sollte, von einer einfachen Linearität der Zeit zum Verständnis menschlicher Handlungswirklichkeit auszugehen. Endliche Freiheit ist befristete Freiheit. Zugleich lässt sich daraus konsequent folgern, dass die erwähnte Hoffnungsstruktur nicht allein an der Kategorie des Guten bzw. des Glücks, sondern praktisch in allen ethischen Kategorien wieder zu finden 65 Vgl. MOLTMANN, J., Die Kategorie Novum in der christlichen Theologie, in: UNSELD, S. (Hrsg.), Ernst Bloch zu ehren, Frankfurt 1965, 258. 66 Vgl. SCHÜTZ, P., Freiheit - Hoffnung - Prophetie. Von der Gegenwärtigkeit des Zukünftigen, Hamburg 1963. Möglichkeiten der Zukunft werden gesehen auf dem Hintergrund der Vergangenheit (Erfahrungen) und der Gegenwart (Erlebnisse) - durch Erfahrungen, Traditionen, Sinnhorizonte. Zukunft wird auch durch die Vergangenheit (moralisch) erschlossen oder verschlossen. Die Nachhaltigkeit, mit der etwa eine Friedenshoffnung artikuliert wird, wiewohl aus einer pragmatischen Perspektive wenig Erfolg versprechend, gewährleistet die Beständigkeit des Friedenshandelns trotz faktischer Bedrängnis. 67 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 17. <?page no="525"?> 1. Modalitäten der Hoffnung 525 ist, auch und wesentlich in der Freiheitskategorie oder der Handlungskategorie oder dem Begriff der Verantwortung. Da Hoffnungen aktuelle Erfahrungen aber auch Erinnerungen übersteigen, können sie sehr resistent sein, veränderungsresistent und stabil - im Guten wie im Schlechten, sodass sie positiv viel überstehen lassen, negativ aber kaum mehr widerlegt werden können und dadurch ihrerseits vieles überstehen können, selbst besseres Wissen. Vergangenheit bietet demnach eine Verstehensfolie für Zukunft, Zukunft bietet eine Folie für Vergangenheit. Wer aus Hoffnung lebt und handelt, lebt nicht auf Kosten der Gegenwart und der Realität in der Zukunft, sondern der lebt in der Gegenwart, aber aus Zukunft, der lebt in der Gegenwart und deren Realitäten, um diese aus Zukunft und auf Zukunft hin umzugestalten. Hoffnung ist keine Flucht in die Zukunft. Umgekehrt hat Erinnerung die Aufgabe, Hoffnung lebendig zu halten, Treue gegenüber Unabgegoltenem, dem ein Begriff des Guten zugrunde liegt und den Zustand des quasi „Abgegoltenen“ repräsentiert und unserer Handlungswirklichkeit erinnernd als Hoffnung vor Augen geführt wird. „Subversive Erinnerung“ ist Erinnerung aus Hoffnung. Und Erinnerung stiftet potentiell (nicht per se) Hoffnung, wenn wir daraus Hoffnungsbilder entstehen lassen, die handlungswirksam zu werden vermögen für eine bessere Zukunft. Christliche Hoffnung umgreift dabei als Antizipation die Vergangenheit von der Zukunft her und gibt der Vergangenheit damit quasi allererst eine Zukunft. Nur so können wir mit dem „Trümmerhaufen“ unserer Vergangenheit in die Zukunft gehen bzw. mit der Vergangenheit vor uns eine je bessere Zukunft noch in die Gegenwart führen. Unsere immer begrenzten menschlichen Zukunfts-Hoffnungen sind (dann) Reaktion und Antwort auf die sich je neu eröffnende absolute göttliche Zukunft für das Vergangene. Dabei kann mit G.W. HUNOLD „bewältigte Gegenwart als Zeitgestalt menschlicher Zukunft“ 68 gelten. Sie setzt Hoffnung frei, dass es lebbare Zukunft geben könnte. Der Mensch als geschichtliches Wesen versucht, sich aus seiner Vergangenheit heraus zu verstehen und sein Leben in bewusster Kontinuität mit dieser in die Zukunft weiter zu entwickeln. Jedes 68 Vgl. HUNOLD, G.W., Ethik in einer sich verändernden Welt, in: Theologische Quartalschrift 4 / 1986, 1-7, hier 1 und 2-3, wo er zur Aufgabe der Ethik schreibt: „Diese moralische Selbstfindung des Menschen kritisch zu begleiten, sie sinnorientierend zu stützen und zu fördern, darin liegt m.E. eine wesentliche Herausforderung der christlichen Ethik als Handlungswissenschaft im Anspruch der Zukunft. Denn aus dem Verstehenshorizont christlichen Glaubens heraus vermag sie dafür einzutreten, dass sich der Mensch in seinem Mühen um menschlich gerechtfertigte Ziele seines weltverändernden Handelns trotz der Möglichkeit schuldhaften Scheiterns nicht in die Vergeblichkeit gewiesen sieht, sondern von der Zusage getragen wird, dass sein endgültiges Gelingen erst real in Gott ausgemacht ist. Gerade im Offenhalten dieser Option wird auch die befreiende Kraft der christlichen Botschaft gegenüber all jenen Ideologien deutlich, die das definitive Gelingen des Menschen in den Zugriff des Planbaren zu rücken suchen und damit die grundlegende Struktur seiner Geschöpflichkeit zerstören. Nicht zuletzt durch die bejahende Stärkung alles endlichen menschlichen Strebens könnte die christliche Ethik mit dazu beitragen helfen, dass die Zukunft nicht zu einer falschen Utopie verkommt und der Mensch die Schritte sittlicher Anstrengung als notwendige Wegzeichen auf der Zeitgestalt des Zukünftigen zu begreifen vermag.“ Mit einer solchen in den Lebensprozess einzubringenden Sinnorientierung gerät nun freilich der christliche Glaube selbst unter den praxisformenden Anspruch, das dem Menschen im Glauben verheißene Hoffnungsziel seines Gelingens als Leitperspektive allen Handelns in den Anforderungen des Heute lebbar zu halten. Grundsätzliches Handlungsziel und konkrete Handlungspraxis vermitteln sich nämlich keineswegs als vorweg eingelöste Selbstverständlichkeiten miteinander. Das sittliche Richtige ist nie einfach Resultat gesättigter Erfahrungen, sondern lebt wesenhaft von dem Erkenntniswillen des menschlich Sinnvollen.“ <?page no="526"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 526 Gegenwartshandeln ist zudem von Zukunftsvorstellungen geleitet, sonst wären wir radikal festgelegt auf das Gewordene. Da hat eine Zukunft bereits in der Gegenwart begonnen, hat quasi als logos spermatikos Anhalt in der erfahrbaren Gegenwart, ist aber zugleich in seiner vollständigen Realisierung noch ausständig - genau die Spannung von Bereits und Noch-nicht-ganz, die auch den Spannungsbogen der Hoffnung ausmacht. Im Hintergrund lässt sich mit JAN ASSMANN nach wie vor christlicher Einfluss ausmachen, wenn er schreibt: „Der Monotheismus ist eine zukunftsorientierte Religion, eine Religion des Fortschreitens und der Geschichte, eine Religion der Verheißung. […] Das Christentum bzw. der Monotheismus hat die Geschichte, und das heißt: die Zukunft überhaupt erst in die Welt gebracht.“ 69 Je größer die gläubige Bindung an das Kerygma, desto größer die Möglichkeit kontrafaktischer Hoffnung und desto größer die Möglichkeit einer vollständigen Durchdringung der Existenz. Hoffnung ist immer auch zeitlicher Existenzvollzug als habitualisierte Existenzhaltung. 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute - Das Gute als moralisch dekontextualisierter Sinn „ Es gibt Erlösung nur in der Weise der Hoffnung.“ 70 Es kann ein enger Zusammenhang von Daseinsorientierung und Handlungsmotivation beobachtet werden. Aufgrund von Orientierung ergibt sich Motivation und Motivation drückt sich in Orientierung aus. Die Vermittlung beider Größen leisten Sinnsysteme, weswegen wir nicht fehlgehen, Motivation, Orientierung und Sinn miteinander zu verknüpfen - im Medium der Hoffnung. Wie vermitteln aber Sinnsysteme Daseinsorientierung und Handlungsmotivation? Mit HELMUT BENESCH kann auf drei wesentliche Aspekte verwiesen werden: (1) Weltätiologie, (2) Interventionsdogmatik und (3) Implikationsziele. 71 Oder mit anderen Worten: (1) Begründung und Bestimmungslehre, (2) Anleitung zur Lebensführung und (3) Hilfestellung im Falle des Scheiterns. Die Elemente können nun jeweils aufgrund ihrer sinneröffnenden Funktion als zentrale Hoffnungskomponenten identifiziert werden, schließlich ist Sinn nicht allein und nicht einmal vorrangig ein Aktualphänomen, sondern eines, worauf wir uns im Medium der Hoffnung beziehen. Etwa zeitgleich hat auch WILHELM DILTHEY ganz analog darauf hingewiesen, dass es zum Minimalbestand von Weltanschauungen gehört, die für ihn auch als Sinn-Systeme fungieren, dass diese (1) eine Wirklichkeitserkenntnis, (2) eine Lebenswürdigung und (3) eine Zwecksetzung liefern. Diese Komponente können im Rahmen einer integrativen Hoffnungstheorie identifiziert werden und sind aufs engste mit sinnorientierter Handlungsmotivation verbunden. Für BENESCH gehört es schließ- 69 Vgl. ASSMANN, J., Das Heil. Bemerkungen zur Religionsgeschichte der Zukunft, in: KURS- BUCH DIE ZEIT Ausgabe 164. Von Propheten und anderen Unglücksraben 2 / 2006, 160-166, 164. 70 Vgl. RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI.] Credo für heute. Was Christen glauben, hrsg. v. ZABOROWSKI, H. / LETZKUS, A., Freiburg im Breisgau 2006, 18. 71 Vgl. BENESCH, H., Warum Weltanschauung? Eine psychologische Bestandsaufnahme, Frankfurt am Main 1990, 48. <?page no="527"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 527 lich zu den entscheidenden Momenten einer (Psychologie der) Weltanschauungen 72 , dass sie als Sinnsysteme fungieren. Kaum bedacht sind aber die modalen Konsequenzen, wonach Sinn, der handlungsrelevant werden soll, immer im Modus der Hoffnung in Erscheinung tritt. Sinnstrukturen bieten Orientierung für den Menschen in der Welt. Diese werden aber als Hoffnungen gehegt. Sinneröffnende Lebenskonzepte, die handlungsleitend werden sollen, sind mit einem Hoffnungsindex versehen. Hoffnung ist eine, zwar beileibe nicht die einzige Motivationsquelle für humanes Handelns, sie scheint aber eine der fundamentalsten und dabei menschlichsten zu sein. Schließlich gehört es zu den entscheidenden Problemen kognitivistischer Ethikkonzeptionen, das der moralischen Motivation zu klären. 73 Ein systematischer Punkt scheint mir die Verbindung von Handlungstheorie und Moralprinzip zu sein. Wenn Hoffnung ein Agens des Handelns ist, was ist dann das Movens der Hoffnung? „Da menschliches Handeln immer ein Vorwegnehmen des Künftigen im Besorgen noch nicht realisierter Möglichkeiten ist, hat dieses eine futurologisch-eschatologische Dimension. Handeln ist ein Experimentieren in Richtung auf die noch ausstehende Zukunft, und die Welt wird zum Laboratorium possibilis salutis.“ 74 Die Zukunftsbezogenheit hat einen außerordentlichen hermeneutischen Wert für die Deutung der Gesamtpersönlichkeit: „Mit der Zeitlichkeit des Menschen hängt es zusammen, dass er zwischen Existenz und Wesen oder Essenz unterscheiden kann, also zwischen dem, was sein sollte und könnte, und dem, was er in Wirklichkeit darstellt. Diese Unterscheidung findet ihren Ausdruck in der utopischen Projektion, einmal der paradiesischen Projektion, dem Traum vom goldenen Zeitalter und dem Dasein vor dem Fall. Dieses in die Vergangenheit projizierte Wesensbild seiner selbst wird für den Menschen zum Kriterium seiner wirklichen Existenz. Der protologischen Utopie steht die eschatologische gegenüber, die politisch sich als Motivation zur Revolution auswirkt, weil sie Nein sagt zum gegenwärtigen Zustand vollständiger Sündhaftigkeit und Entfremdung und vom völligen Umschwung aller Dinge sich die Erneuerung des Seins erhofft. [...] Utopie ist zugleich fruchtbar, weil sie Möglichkeiten eröffnet, die abgesehen von der utopischen Vorwegnahme verborgen geblieben wären. Utopie als reale Utopie hat für die Wirklichkeit eine evozierende Funktion, und ohne die in der Utopie zur Vorstellung gelangte vorwegnehmende Phantasie wären in der Menschheitsgeschichte viele Möglichkeiten unrealisiert geblieben. Utopie hat so eine die Wirklichkeit umgestaltende Macht, sie setzt die ontologische Unzufriedenheit des Menschen in verändernde Aktion um. Es gibt so etwas wie eine ‚Gegenwart der Zukunft‘, die zu verstehen ist als die Herausforderung, die kommende Zeit jetzt schon zu gestalten. [...] Allzu oft ist das zweideutig Vorläufige mit dem eindeutig Endgültigen verwechselt worden.“ 75 Es braucht ein intensives Wechselverhältnis beider Größen zueinander, um einerseits die Essenzvorstellungen immer wieder an der Realität zu messen, sie dieser auszusetzen, denn Wirklichkeit verändert entsprechende Vorstellungen. Und umgekehrt aber genauso: Wirklichkeit 72 Vgl. BENESCH, H., „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge…“ Zur Psychologie der Weltanschauungen, Weinheim / Basel 1984. 73 Vgl. KUSSER, A., Moralische Motivation als Problem des Kognitivismus. Zu den begrifflichen Grundlagen von Getrud Nunner-Winklers Studie über moralische Motivation, in: ENDREß, M. / ROUGHLEY, N. (Hrsg.), Anthropologie und Moral. Philosophische und soziologische Perspektiven, Würzburg 2000, 245-269. 74 Vgl. SCHREY, H.-H., Einführung in die Ethik, Darmstadt 1977, 145, der Ethik als Motivationstheorie des Handelns verstehen will. 75 Vgl. SCHREY, Einführung in die Ethik, 145-146. <?page no="528"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 528 braucht den Kontakt mit unter kritische Kontrolle gestellten Vorstellungen von dem, was idealerweise sein soll, um überhaupt als Raum von Freiheit wahrgenommen zu werden und dabei den Menschen nicht umgekehrt auf sich selbst festzulegen. Es kann von einer evozierenden Funktion konkreter Utopie gesprochen werden. Hoffnung stark zu machen heißt dann aber auch, das Vorläufige, Ungewisse als das nicht gänzlich Wissbare, das Offene, zuzulassen und nicht falsche Eindeutigkeit zu verlangen, wo der Preis, sie zu finden, zu groß wäre. Die Frage nach der Motivation zum Guten, der Handlungsmotivation zum moralisch Guten ist eines der großen Desiderate aktueller moraltheologischer Forschungen. Und gerade diese Frage nach der Motivation wird bei aller Berechtigung der Begründungsfragen des sittlich Gesollten an Bedeutung gewinnen, weil trotz Pluralisierung entsprechender Vorstellungen nicht allein ein eklatanter Mangel an Einsicht in das Gute zu konstatieren ist, um in den moralischen Diskursarenen Mehrheiten für das je bessere Argument zu bekommen, sondern ganz besonders ein Mangel an begründbarer und realisierbarer Motivation, das erkannte Gute auch zu tun. Hoffnung ist Antizipation von Sinn und Sinn ist Aussicht auf Gelingen. Sinn zeigt sich mit Blick auf das je Größere und Ganze, letztlich auf das ganze Leben (und darüber hinaus das Leben bei Gott) und gerade nicht atomistisch in einer isolierten Situation. Das bewahrt davor, eine Situation überzubewerten. Sinn ist eine Spannungskategorie und eine Zusammenhangsvariable. Sinn kann demnach als das kontextualisierte Gute gelten, das Gute dagegen als abstrakte Form von Sinn. Die psychologischen Einsichten lehren uns, dass menschliche Erwartungsstrukturen tief verwoben sind mit den Kontext- und Umgebungsbedingungen, in denen der Mensch aktuell steht, mit dem ganzen Strukturaufbau der Psyche und dass zudem Erwartungsstrukturen unverzichtbar sind für das psychische Überleben und Funktionieren, gar therapeutische Wirkung entfalten können, wobei Hoffnung im engere Sinne da anfängt, wo ich mich zu den Erwartungsstrukturen noch einmal ins Verhältnis setze. a) Hoffnung und die Bestimmung des Menschen Die Frage nach der Bedeutung, der Reichweite und der Tragfähigkeit, der Begründung und der Berechtigung, der Funktion und Praxis von Hoffnung ist eigentlich die Frage des Menschen nach sich selbst. Denn es existiert ein grundlegendes Legitimationsproblem: Woher weiß der Mensch woraufhin er werden soll und kann angesichts der Welt und seiner selbst, worauf er berechtigt seine Hoffnungen hegen kann? Der Beginn der Hoffnung ist der nach sich selbst fragende Mensch. Philosophisch geht es um die Bestimmung des Menschen. So etwa FICHTE: „Ich kann mir die gegenwärtige Lage der Menschheit schlechthin nicht denken als diejenige, bei der es nun bleiben könne, schlechthin nicht denken als ihre ganze und letzte Bestimmung. Dann wäre alles Traum und Täuschung; und es wäre nicht der Mühe wert, gelebt und dieses stets wiederkehrende, auf nichts ausgehende und nichts bedeutende Spiel mitgetrieben zu haben. Nur wiefern ich diesen Zustand betrachten darf als Mittel eines besseren, als Durchgangspunkt zu höheren und vollkommeneren, erhält er Wert für mich; nicht um seiner selbst, sondern um des Besseren willen, das er vorbereitet, kann ich ihn tragen.“ 76 76 Zitiert nach BLOCH, E., Freiheit und Ordnung. Abriss der Sozialutopien, Reinbek bei Hamburg 1969, 6. Vgl. auch FICHTE, J.G., Die Bestimmung des Menschen, Hamburg 5 1979. PAN- NENBERG, W., Die Bestimmung des Menschen, Göttingen 1978. <?page no="529"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 529 Der Mensch ist das Wesen, das versucht, sein Gelingen zu betreiben. Er lebt aus diesem Grunde nicht einfach, sondern hat sein Leben bewusst zu führen und er möchte dabei, dass es gelingt. Gelingendes Leben lebt aber von einem Zielwert her, von dem der Mensch erwartet beziehungsweise erhofft, dass er das Gelingen verbürgt und an dem er sein Handeln schließlich ausrichtet. Letztes Gelingen als transzendentaler Grenzbegriff, der je neu theologisch zu bestimmen ist, entzieht sich epistemologisch der begrifflichen Verfügung und weist menschliche Identität als eschatologische aus. Das heißt, dass der Mensch sein Leben von diesen Vorstellungen eines letztlich gelungenen, versöhnten, erfüllten und geheilten Lebens her verstehen und bestehen will. Damit wird der Mensch als Wesen bestimmt, das bleibend nach der Erfüllung seiner selbst in Hoffnung auslangt. Theologische und philosophische Ethik hat dem entgegenzukommen, indem integrative Modelle formuliert werden mit Blick auf die Bestimmung des Menschen und das Gelingen seines Lebens. Damit hat sie sich jeweils hoffnungstheoretisch zu entwerfen. Der Mensch will (sein eigenes) Gelingen. Er versucht, sein Gelingen zu betreiben, indem er sich von spezifischen Hoffnungen auf Gelingen motivieren und orientieren lässt. Zugleich ist die Erkenntnis unausweichlich, dass er immer Fragment bleiben wird, diesem Wunsch nur sehr gebrochen nachkommen, diesen nur partiell realisieren kann. Der Mensch muss mithin sein Gelingen betreiben, er lebt förmlich aus diesen Hoffnungen, die ihm Glück und Sinn verheißen, und merkt doch, dass er genau dieses nicht einfach besorgen kann. Soll er angesichts dieser Situation nicht verzweifelt und desillusioniert in Surrogate flüchten, braucht er eine Hoffnung auf Vollendung des Fragments, das er selber ist, eine Hoffnung auf Gelingen, das nicht mehr in seiner Macht liegt, weil es umfassend ist, das ganze Dasein meint und damit die Todesgrenze übersteigt. Gibt es diese Hoffnung nicht, erlahmt (subjektiv) irgendwann die Motivation zum Guten die reflektierter Ausfluss der Hoffnung auf Gelingen ist, und es beginnt der Kampf um Notwendigkeit im Dasein (J.P. SARTRE), der Kampf um Anerkennung, da eine basale Daseinsaffirmation des Menschen aus sich selbst nicht gelingen kann, es sei denn, sie hätte zumindest Anteil an grundlegender Hoffnung auf Gelingen. Auch das Gute und das Sittengesetz und schließlich die Ethik als Reflektion darauf zielen doch auf das Gelingen des Menschen, mitunter allerdings eher mit Blick auf Gattung, Kollektiv und Menschheit als auf den Einzelnen. Aber hier treffen sich Glück und Moral zutiefst in ihrer Zielvorgabe, weswegen sie real konfligieren können, ideal aber zusammenlaufen. Mögliche Konflikte müssen zugunsten des Guten klar entschieden werden, weil (1) oft das Glück noch weniger bestimmt ist als das Gute und (2) weil dem Guten eine Priorität zukommt. Das Gute tun, womöglich gegen vermeintliche Glücksverheißungen bzw. unter eigenen Nachteilen, können wir aber nur, wenn wir hoffen können, dass es Sinn macht, wenn nicht auch für uns, so doch wenigstens für andere, eine Hoffnung, die trotz eigenem Nachteil ein spezifisches „Glück“ verheißt, wenn ich nicht mehr um Erhalt und Bedeutung meines Daseins kämpfen muss, sondern dieses dankbar empfangen habe. Mit anderen Worten. Das Christentum „deckt“ und verbürgt diejenige Hoffnung, die der Mensch hegen muss, will er das Gute, das er soll, auch bis in die Abgründe von Krankheit und Tod hinein tun können und im Vorfeld auch noch wollen können. Das Christentum verleiht dem Dasein Notwendigkeit und verheißt Glückseligkeit. Es braucht mithin eine Hoffnung, die Antwort gibt auf die Frage, warum ich das Gute wollen soll und dass ich es sinnvollerweise auch wollen kann. „Die jüdischchristliche Tradition kennt keine Bestimmung des Menschen, die nicht auch seine Zukunft umfasst; die nicht auch noch eine Zukunft umfasst, für die einzig Gott, die aus dem <?page no="530"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 530 Tod retten könnende Macht, aufkommen kann. Auch KANT wusste noch darum, dass der Mensch ohne die Hoffnung auf einen Gott nicht auskommen kann, ja schärfer noch: Kant bestand darauf, dass der Mensch sogar moralisch verpflichtet sei, auf einen Gott zu hoffen, der Sinn verbürgt. Denn nur ein Gott und kein Mensch kann den Sinn menschlicher Existenz definitiv verbürgen; einen Sinn aber, den ich moralisch verpflichtet bin für einen jeden Menschen zu erhoffen. Und diese Verpflichtung existierte für Kant völlig unabhängig davon, ob der Mensch die Existenz Gottes zu beweisen imstande sei oder nicht. Mit Kant gefolgert: Wenn der Himmel leer ist, mag die Hoffnung auf Sinn zwar ins Leere laufen. Völlig unabhängig davon, so paradox dies klingen mag, bin ich aber dennoch verpflichtet, auf diesen Sinn zu hoffen, und zwar um des anderen Menschen willen.“ 77 α Das Gelingen des Menschen zwischen Sinn, Glück und Moral Sobald vom Glücken und Gelingen des Menschen geredet wird, steht irgendwann ein höchstes Gut als Endzweck und Abschlussgedanken vor Augen. „Überall dort, wo Menschen handeln, steht dieses Handeln im Kontext von Sinnannahmen, die auf den Handelnden motivierend wirken.“ 78 Sinnannahmen sind aber Hoffnungen, werden als Hoffnungen allererst real handlungswirksam und als Hoffnungen wirken sie motivierend. Hier liegt ein Wurzelgrund der Handlungsmotivation. Sinnerfahrungen integrieren die Mannigfaltigkeit der Sinneserfahrungen zu einem kohärenten Gesamtbild, indem sie einen je größeren Zusammenhang zur Deutung anbieten. 79 Wenn MAX WEBER Recht hat und Handeln ein Verhalten ist, insofern wir mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden 80 , dann haben wir es im Rahmen einer Reflexion auf menschliche Handlungswirklichkeit mit der Frage umfassender Sinnkonstitution zu tun, allerdings im Gegensatz zu WEBER nicht allein mit einem subjektiven Sinn, sondern auch mit einer überindividuellen Sinndimension der Handlungswelt des Menschen selbst. 81 Die Unterscheidung von Weil-Motiven und Um-zu-Motiven von ALFRED SCHÜTZ sollte dies einfangen. 82 Eine Einzelhandlung wird so in einen größeren Horizont gestellt, vor dem die Einzelhandlung allererst verstehbar wird. Trotz Relativierung und Pluralisierung, trotz Psychologisierung und Immunisierung durch „Entzauberung“ der Welt, bleibt das Handlungssubjekt bei der Sinnfrage 83 auf 77 Vgl. STRIET, M., Der neue Mensch? Unzeitgemäße Betrachtungen zu Sloterdijk und Nietzsche, Frankfurt am Main 2000, 42. 78 Vgl. WILS, J.-P., Sinn und Motivation, in: Ders. / MIETH, D., Grundbegriffe der christlichen Ethik, Paderborn / München / Wien / Zürich 1992, 147-161. 79 Vgl. EGENTER, R., Erfahrung ist Leben. Über die Rolle der Erfahrung für das sittliche und religiöse Leben des Christen, München 1974, 74ff. 80 Vgl. WEBER, M., Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Gesellschaft, Köln 1964, 9. 81 Vgl. BUBNER, R., Handlung, Sprache und Vernunft. Grundbegriffe praktischer Philosophie, (stw 382) Frankfurt am Main 1985, 24-25. 82 Vgl. SCHÜTZ, A., Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt, Frankfurt am Main 1974, 84ff. (§ 10). 83 Vgl. aus soziologischer und theologischer Perspektive HABERMAS, J., Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie? Eine Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann (II. Meaning of Meaning oder: Ist ›Sinn‹ eine sprachunabhängige Kategorie? ), in: Ders. / LUHMANN, N., Theorie <?page no="531"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 531 Hoffnung verwiesen. Glück und Sinn haben einen Hoffnungsindex. Umgekehrt gilt freilich auch: Human bestimmte, d.h. vernünftige Hoffnung will irgendwann das Glück und weil sie es nicht allein für sich will, auch das Gute, und sie will es als sinnvoll erleben. Daran entscheidet sich, welche Menschen wir sind und sein werden - trotz und in dieser Welt. Die bisherigen Vorarbeiten deuten daher weiter darauf hin, das Hoffnung unter ethischer Perspektive letztlich auf humanen Sinn hingeordnet ist, theologisch auf das Heil des Menschen. Die Frage nach der Hoffnung impliziert die Frage nach dem „Sinnziel“ menschlichen Lebens. Wir hegen eine Fülle von Hoffnungen, vorrangig ist die Hoffnung auf Sinn, darin sind am meisten anthropologische Annahmen enthalten, die sich z.T. theologischen, z.T. normativen, z.T. anderen Begründungssystemen verdanken. Gelingendes Leben lebt von einem Zielwert her, von dem ich erwarte bzw. erhoffe, dass er das Gelingen verbürgt und an dem ich mein Handeln schließlich ausrichte. Letztes Gelingen entzieht sich dem begrifflichen Zugriff als Grenzbegriff mit offenem Horizont, der je neu transzendental zu bestimmen ist. FRIEDO RICKEN schreibt: „Das Problem des Lebens besteht in der Erfahrung der eigenen Kontingenz zusammen mit der Frage oder dem Bedürfnis nach dem Sinn des Lebens und Handelns. Kontingenz und Sinn scheinen einander auszuschließen, weil Endlichkeit und Vergänglichkeit jeden Sinn zu vereiteln scheinen. Dagegen sind Leben und Sinn wesentlich aufeinander bezogen. Sinn ist nicht etwas, das äußerlich zum Leben hinzukommt, den das Leben haben oder auch nicht haben kann. Vielmehr ist Sinn für das Leben konstitutiv. Das Leben verlangt als solches nach Sinn. Ohne Bewusstsein und Erfahrung des Sinnes zerfällt es in allen seinen Bereichen.“ 84 Handlungsrelevanter Sinn ist in Form von Hoffnung präsent und wirksam. Wird Sinn immer schon antizipiert, dann wird die sich darauf beziehende Hoffnung zum transzendentalen Erkenntnisprinzip. Insofern kann Hoffnung als Erkenntnisprinzip begriffen werden, wiewohl sie kein Wissen ist und auch keine Defizitform des Wissens, mithin die Sphären nicht verwischt werden dürfen. Metaphysische Wahrheit ist „Sinnwahrheit“ als Vorschein des Absoluten im Vorläufigen - auch über Hoffnung, was als Berechtigung für einen integrativen Hoffnungsbegriff verstanden werden kann. Erkennender Ausgriff ist immer auch Vorgriff, Sinnentwurf: hoffender Vorgriff auf die Fülle des Seins. Mit KLAUS DEMMER: „Im Vorgriff werden Handlungsmöglichkeiten entdeckt, sie werden aus dem Material der Zeit durch die sittliche Vernunft aktiv hervorgelockt. Dieses wird dann in einen von der Vernunft erstellten teleologischen Rahmen hineingestellt.“ 85 Dies liegt nun auf der Linie der hier vertretenen These und den anthropologischen Einsichten: Hoffnung als Antizipation von Sinn und als Repräsentanz einer Ethik des Könnens zu begreifen, die zur Handlungs-Befähigung im weitesten Sinne über das der Gesellschaft oder Sozialtechnologie - Was leistet die Systemforschung? , Frankfurt am Main 1971, 142-290. DÖRING, H. / KAUFMANN, F.-X., Kontingenzerfahrung und Sinnfrage, in: BÖCKLE, F. / KAUFMANN, F.-X. / RAHNER, K. / WELTE, B. (Hrsg.), Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft Bd. IX, Freiburg im Breisgau 1981, 5-67. 84 Vgl. RICKEN, F., Analogie der Erfahrung, in: Ders., Glauben weil es vernünftig ist, Stuttgart 2007, 75-93, hier 88 und 89, wo es weiter heißt: „Der Sinn und damit das erfüllte Leben sind eine Möglichkeit, aber diese Möglichkeit wird nur dadurch verwirklicht, dass sie in der Entscheidung ergriffen wird.“ 85 Vgl. DEMMER, Gott denken - sittlich handeln, 72. <?page no="532"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 532 jeweilige Hoffnungsgut gereicht. „Persönliche Bedingungen sinnerfüllten Lebens“ 86 identifizieren zu wollen, rehabilitiert an dieser Stelle einen Gedanken, der in der aktuellen Moralphilosophie nur eine untergeordnete Rolle spielt, der der „Pflichten gegen sich selbst“ 87 . Partiell hat nun der Sinnbegriff das Erbe des Glücksbegriffs als moralischnormative, am Guten orientierte Handlungsorientierung angetreten. Sinn ist das konkrete Gute und das konkrete Glück, wobei die Spannung von Glück und Moral bleibt, wiewohl integriert werden kann. Die Einsicht in die Sinnhaftigkeit einer Handlung und analog des Lebens überhaupt - wohlgemerkt als moralische Kategorie verstanden - kann festgemacht werden an einem fit, einer kohärenten Passung zwischen Person (Biographie, Bedürfnisse), Situation (Umstände) und den Ansprüchen der Moral, des Sittengesetzes, die jeweils Relevanz beanspruchen können und sollen. Grundsätzlich ist von einer „antizipatorischen Struktur gelingenden Menschseins“ 88 auszugehen, die konzeptualisiert zu werden hat. Sinn muss demnach als eschatologische Kategorie begriffen werden. Die Erfahrung vorläufigen Glücks trägt die Verheißung endgültigen Glücks in sich, die Erfahrung vorläufigen Gelingens die Verheißung endgültigen Gelingens. Aus der Perspektive des Christentums wird nun dieser „Überschuss“ nicht resignativ hingenommen, sondern im Rahmen einer Erlösung und Vollendung aufgenommen und insbesondere dadurch quasi rückwärts auf radikale Weise moralisch wirksam. Im Abgrund der Möglichkeiten des Menschen wird Endgültigkeit immer schon antizipiert. Menschliche Handlungswirklichkeit, da wo sie die Unbedingtheit ihres Anspruchs vor Augen hat, antizipiert immer schon Endgültigkeit, indem sie die Reziprozität und das Gelingen von darin zum Vorschein kommenden Anerkennungsverhältnissen im eigenen Vollzug impliziert - und dabei eben hofft. „Die Anschauung der Welt sub specie aeternitatis ist ihre Anschauung als - begrenztes - Ganzes. Das Gefühl der Welt als begrenztes Ganzes ist das mystische.“ 89 Indem sie - in der Gestalt der Liebe - „von ihrem intendierten, aber unverfügbaren Ziel bereits herkommt und es durch ihr eigenes Anfangen ‚setzt‘, hat sie den Abgrund menschlicher Möglichkeiten berührt und Endgültigkeit antizipiert. Dann lebt sie von einem Vertrauen, das - erstaunlich genug - mit ihr selbst da ist.“ 90 So ist eine „zuvorkommende Ermutigung“ 91 nötig, um gegen das „Gesetz der Angst“ die Moralität zu leben, die sich in der Freiheit zeigt. Die Form dieser Ermutigung heißt Hoffnung. Alle human bestimmte Hoffnung gewährt eine Sinnantwort. Wer eine große Hoffnung hegt bzw. wer überhaupt hofft, lebt aus einer Grundspannung, die Leben trägt und orientiert. Hoffnung konstituiert sich mithin an der „positiven Möglichkeit“, die erschlossen wurde. Theologisch ethisch gewendet: Hoffnung zielt auf ein je besseres Leben - gemessen an dem Begriff, den wir davon haben, abgesehen von der Möglichkeit, dass das tatsächliche Leben in unsere bisherige Lebensform buchstäblich „einbricht“ und unseren bisherigen 86 Vgl. HÖFFE, O., Personale Bedingungen eines sinnerfüllten Lebens. Eine ethischphilosophische Erkundung, in: KÜHN, R. / PETZOLD, H. (Hrsg.), Psychotherapie und Philosophie. Philosophie als Psychotherapie, Paderborn 1992, 395-422, hier 399. 87 Vgl. als eine der wenigen Ausnahmen CASAS, V.D., Die Pflichten gegen sich selbst in Kants „Metaphysik der Sitten“, Frankfurt am Main 1996. 88 Vgl. PRÖPPER, T., Erlösungsglaube und Freiheitsgeschichte, Eine Skizze zur Soteriologie, München 3 1991,191ff. 89 Vgl. WITTGENSTEIN, L., Tractatus logico-philosophicus. Logisch-philosophische Abhandlung, Frankfurt am Main 1963, 6.45. 90 Vgl. PRÖPPER, Erlösungsglaube, 193. 91 Vgl. ebd. 193. <?page no="533"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 533 Begriff vom guten Leben mitunter korrigiert und damit neue Hoffnung stiftet bzw. alte Hoffnungen zerstört. Letztlich will Hoffnung ein gutes und gelingendes Leben - immer wieder neu; damit dient Hoffnung der Akquisition sinnvoller Lebens-Ziele. Dass Hoffnung und Sinn aufs Engste verknüpft sind, zeigt sich schon allein daran, dass individuelle und kollektive Sinnfiguren immer wieder zerbrechen, was unmittelbar Hoffnungslosigkeit, Orientierungslosigkeit und fehlende Zuversicht zur Folge hat. Umgekehrt gilt schließlich auch: Wenn Hoffnung geschöpft wird, entstehen Sinnfiguren. Mit anderen Worten: Hoffnung ist das Medium des Sinns. 92 Hoffnung ist dabei immer inhaltlich qualifiziert: wer allgemein nach Hoffnung ruft, ruft nach Sinn, nach Orientierung und einer positiven Gestalt bzw. Gestaltung des Lebens oder spezifischer Lebenssituationen. Eine Sinntotalität kann es nicht mehr geben, aber ein Angewiesensein des Menschen auf Sinn, ein Sinnbedürfnis 93 , dass zusehends in fragmentarischen Sinnentwürfen handlungswirksam wird. 94 Schließlich kommt die Frage nach dem Sinn da auf, wo Sinn vermisst, ein solcher Sinn infrage gestellt oder ersehnt wird. Hoffnung als Antizipation von Sinn ist nur dann relevant, wenn die Sinnfrage offen ist, wenn Sinn infrage gestellt ist, letztlich zielt sie als absolute Hoffnung auf die Sehnsucht nach letztgültigem Sinn. Der Mensch als weltoffenes Wesen ist aus der Perspektive philosophischer Anthropologie in seiner Instinktunsicherheit (GEHLEN, PLESSNER) auf „sinnstiftende Bilder“ angewiesen, die ihn in der Welt verorten, Orientierung bieten und Identität stiften - und dabei handlungsmotivierend wirken, da sie immer auch Valenzen gelingenden Lebens präsentieren, auf die, in aller Begrenzung, der Mensch hoffend als Handelnder sich zuzubewegen versucht. 95 Diese sinnstiftenden Bilder enthalten nun nie nur Aspekte darüber, wie die Welt und das Leben ist, sondern immer auch wie sie zu sein hat, wie sie also sein soll 92 Nicht behauptet werden soll an dieser Stelle, dass alle faktische Hoffnung notwendig irgendwie „sinnvoll“ ist oder gar zu sein hat, es sollen auch nicht die eigentlich philosophischen Referenzen des humanen Hoffnungspotentials, das höchste Gut, Glück (-seligkeit) und das Gute einfach um eine weitere komplexe Referenz erweitert werden, nur ist zu beobachten, dass die Sinnverwiesenheit des Menschen nicht einfach mit seiner Orientierung auf das Gute hin identisch ist, dass zudem Aspekte des Guten selbst spätestens in der Moderne partiell mit dem Sinnvollen benannt werden und in dessen Erbe getreten sind, das zudem in der Lage ist, mindestens grosso modo eine Brücke über die Diastase von Moral und Glück zu schlagen. Schließlich zeigt sich, dass das Sinnverlangen des Menschen sich im Modus der Hoffnung vollzieht und zudem eine Brücke in die Humanwissenschaften zu schlagen vermag und quasi als Trojanisches Pferd gegen die rein subjektivistischen Definitionen des Guten auch transsubjektive Momente an diese Wissenschaften heranführt und damit ihre basale Verwiesenheit auf Ethik zum Ausdruck bringen kann. Entscheidend ist aber, dass Sinn als Kontextvariable so etwas wie die „Übersetzung“ des mitunter abstrakt anmutenden Guten in einen lebensweltlichen und damit konkreten Handlungszusammenhang darstellt. 93 Vgl. SCHERER, G., Identität und Sinn, in: Ders. / GETHMANN, C.F. / KREWANI, W. / HE- CKELEI, H.J. / WITTSCHIER, S.M., Studien zum Problem der Identität, Opladen 1982, 1-203. SCHERER, G., Absurdes Dasein und Sinnerfahrung. Über die Situation des Menschen in der technisierten Welt, Essen 1963. SCHERER, G., Sinnerfahrung und Unsterblichkeit, Darmstadt 1985. SCHERER, G., Strukturen des Menschen. Grundfragen philosophischer Anthropologie, Essen 1976. 94 Vgl. MAURER, A.V., HOMO AGENS. Handlungstheoretische Untersuchungen zum theologisch-ethischen Verständnis des Sittlichen, Frankfurt am Main 1994, 34ff. 95 Vgl. SCHAEFFLER, R., Sinn, in: KRINGS, H. / BAUMGARTNER, H.M. / WILD, C. (Hrsg.), Handbuch philosophischer Grundbegriffe Bd. 5, München 1974, 1325-1341. HÖFFE, O., Streben, in: KRINGS, H. / BAUMGARTNER, H.M. / WILD, C. (Hrsg.), Handbuch philosophischer Grundbegriffe Bd. 5, München 1974, 1419-1430. <?page no="534"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 534 - Gegenstand der Hoffnung. Je ungebundener, seiner Freiheit bewusster und weltoffener der Mensch in diesem Sinne ist, desto mehr ist er auf eine Hoffnungsperspektive angewiesen und desto mehr erlebt er sich als ein Wesen der Hoffnung. Sinn ist umfassender als das Gute. Das Gute ist moralischer Sinn. Hoffnung zielt letztlich auf Sinn, der schließlich beinhaltet das Gute und kann nicht wider das Gute sein. Mitunter kann aber etwas sinnvoll sein und erlebt werden, was (noch) nicht als Gutes eingesehen ist. Mitunter ist beides identisch. Das Sinnbedürfnis des Menschen verweist auf die Frage nach der Bedingung der Möglichkeit letztgültigen Sinns angesichts des Todes, angesichts von Schuld, Leid und der Kontingenz des Daseins, d.h. auf Letztbegründungsdebatten. Sinn kann als säkulares Hoffnungsgut begriffen werden. Sinn löst das Gelingen als Leitkategorie für das Glücken menschlicher Existenz zwar nicht ab, transportiert aber andere semiotische und semantische Valenzen, sodass von einer neuzeitlichen Akzentuierung des Gedankens des Gelingens auszugehen ist. Sinnerfahrung ist philosophisch mit Kontrasterfahrung verknüpft, was präzise zur erhobenen These passt (Hoffnung ist Antizipation von Sinn) und zugleich der Spannungsstruktur der Hoffnung entspricht. Jede Ethik der Hoffnung ist zugleich eine Ethik desjenigen Sinns, auf den sie sich bezieht und den Hoffnung zu vergegenwärtigen versucht, in die Realität zu überführen versucht, weil es der Bestimmung des Menschen selbst entspricht. Sinn kann nun als die vollständige Erfüllung aller Strebensziele des Menschen begriffen werden. Vernunft fragt dabei aus sich selbst nach einer letzten Einheit von Sittlichkeit und Glück bzw. Sinn, die aber nur durch die Existenz Gottes bzw. einer darauf gerichteten Hoffnung denkbar ist. Hier markiert sich die Grenze jeder nicht-theistischen Ethik. Eine Ethik gelingenden Lebens 96 steht nun in der Dialektik von Negation und Position. Aus der Negation allein heraus kann aber nicht gelebt werden, da Orientierung und Motivation fehlen, weswegen eine Position des Positiven unabdingbar ist. Sinnerfahrung findet dabei statt (1) als Kontrasterfahrung und (2) in Sinnzusammenhängen: „Bei allem, was der Mensch tut oder erlebt, ist die Frage nach dem Sinn gestellt. Natürlich kann auch etwas sinnlos sein oder als sinnlos empfunden werden, aber dieses nur darum, weil prinzipiell bei allem, was den Menschen betrifft, nach dem leitenden Sinn gefragt werden kann.“ Die Sinnfrage fragt nach einem „leitenden Gesamtentwurf“. 97 Prägnant kann formuliert werden: Hoffnung ohne Sinn ist blind, Sinn ohne Hoffnung ist leer und lahm. Gott hat in Jesus Christus unserer Hoffnungsstruktur ihren letztgültigen Sinn gegeben, der nicht mehr überboten werden kann. Umgekehrt bleibt Sinn ohne Hoffnung unrealisiert, unrealistisch und abstrakt. Auffällig ist, dass die Voraussetzungen des Glücks (Selbsttranszendentalität, Unterbestimmung, Nicht-Intendierbarkeit, etc.) auch zu den Strukturen der Hoffnung gehören bzw. Hoffnungsstrukturen anzeigen. 98 Hoffnung ist auf Glück hin orientiert, aber nicht ausschließlich. Die Glückssehnsucht 96 Gelingen bemisst sich dabei nicht am Augenblicksglück, sondern umschließt notwendig auch Vergangenheit und Zukunft, da ansonsten Brüche und Enttäuschungen, Versehrungen und Leid nicht wirklich in ein solches Konzept integriert werden könnten. 97 Vgl. ROMBACH, H., Die Welt als lebendige Struktur. Probleme und Lösungen der Strukturontologie, Freiburg im Breisgau 2003, 25ff. 98 Nicht allein kann es zu den Desideraten der Hoffnungsforschung gezählt werden, die Zusammenhänge zum Höchsten Gut historisch und systematisch aufzubereiten (vgl. etwa KELLER, D., Der Begriff des höchsten Gutes bei Immanuel Kant. Theologische Deutungen, Paderborn 2008), auch das Verhältnis von Glück und Hoffnung scheint mir noch zu wenig Beachtung gefunden zu haben. <?page no="535"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 535 tritt u.a. als Hoffnung in Erscheinung. 99 Glück als Gegenstand der Hoffnung ist nicht direkt intendierbar, auch wenn Hoffnung eine Tugend des Willens ist, aber eine, die erst konsekutiv aus dem Hoffnungsgegenstand und dem Hoffnungsgrund heraus aktiv wird. Es gibt Zufallsglück, Zustandsglück, Erfüllungsglück, Gefühlsglück und ARISTOTELI- SCHES Strebensglück. Glück kann als Nebenfolge 100 bzw. als Epiphänomen mit donativem Charakter beschrieben werden. Es ist demnach nicht direkt intendierbar, unterbestimmt, dafür aber auf Sinn und das Gute orientiert. Bereits Hoffnung auf Realisierung macht glücklich. 101 Der Begriff bietet Orientierungswissen, kein Verfügungswissen. 102 WIGGINS plädiert daher dafür, dass der Begriff „Sinn des Lebens“ eigentlich den Platz einnehmen müsste, den bis dato in der Moralphilosophie der Glücksbegriff eingenommen hat. 103 β Menschliche Selbstauslegung im Spiegel des Verhältnisses von Sollen, Wollen und Können „Der Mensch ist die Frage nach sich selbst, noch ehe er irgendeine Frage gestellt hat.“ 104 Das Sich-Frage-Sein ist dem Menschen vorgegeben und aufgegeben zugleich, was die Notwendigkeit zur Lebens-Führung mit sich bringt: aufgrund seiner naturalen Konstitution ist der Mensch zur „Auseinandersetzung mit der Welt und sich selbst“ und damit „zur Lebensführung und zur Stellungnahme zu sich“ 105 regelrecht genötigt. Der Mensch ist sich als Frage nach sich selbst gegeben und aufgegeben - mit der bleibenden Notwendigkeit einer Selbstdefinition. „Im Laufe seines Lebens wird er es lernen, die Frage, die er ist, auch zu stellen. Das Frage-Sein fordert den Frage-Akt. [...] Nun ist es allerdings keineswegs selbstverständlich, dass sich der Mensch diese Frage stellt, diese Frage eigenwillig beantwortet und seinem Leben im Horizont einer selbstgefundenen Antwort Form verleiht. Selbstverständlich ist vielmehr, dass der Mensch zunächst einmal angeleitet wird, auf die Frage nach seiner Lebensführung sich mit Antworten zu identifizieren, die das soziale Umfeld vorgibt.“ 106 Der Mensch ist sich selber Frage. Und so formuliert er beständig und entlässt beständig aus sich selbst Hoffnungen, die ihm eine Antwort bieten sollen auf die Frage, die er selber ist (subjektiv) bzw. die Frage nach sich selbst, die er stellt (objektiv), die also Antwort geben sollen auf die Frage, was er ist und was er zu sein, zu werden vermag bzw. sein soll, die Antwort geben auf die Frage, wer er ist bzw. wer er zu sein, zu werden vermag bzw. werden soll. Der Mensch versucht auf die Fraglichkeit seiner selbst u. a. dadurch zu antworten und ihr zu begegnen, indem er beständig Hoff- 99 Vgl. BIEN, G. (Hrsg.), Die Frage nach dem Glück, Stuttgart 1978. SPAEMANN, R., Glück und Wohlwollen. Versuch über Ethik, Stuttgart 1989. Ders., Glück, Glückseligkeit. III. Neuzeit, in: RITTER, J. (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd. 3, Darmstadt 1974, 697-707. Ders., Philosophie als Lehre vom glücklichen Leben, in: BIEN, G. (Hrsg.), Die Frage nach dem Glück, Stuttgart 1978, 1-19. 100 Vgl. BIEN, G., Glück - was ist das? , Frankfurt a.M. 1999, 26ff. 101 Vgl. BIEN, Glück, 132 und 139. 102 Vgl. LUCKNER, T., Klugheit, Berlin 2005, 62ff. 103 Vgl. WIGGINS, D., Truth, needs, and values, Oxford 1987; das dritte Kapitel dt. übersetzt von WERTMÜLLER, C. als: Wahrheit, Erfindung und der Sinn des Lebens, in: FEHIGE, C. / ME- GGLE, G. / WESSELS, U. (Hrsg.), Der Sinn des Lebens, München 2000, 408-445. 104 Vgl. TILLICH, P., Systematische Theologie Bd. 1, Stuttgart 1956, 76. 105 Vgl. GEHLEN, A., Der Mensch, Frankfurt am Main 9 1971, 33. 106 Vgl. KURZ, W., Philosophie für helfende Berufe, Tübingen 2005, 136. <?page no="536"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 536 nungen aus sich entlässt, die er vor sich setzt, um sich daran zu orientieren, daran Erfahrungen zu machen und sich auch davon bestimmen zu lassen. Neu an der Perspektive des Christentums ist dabei, dass mit der Offenbarung eine bestimmte und spezifisch begründete Hoffnung gegeben wurde, von der er sich bestimmen lässt und in der er sich sukzessive (im rationalen Nachvollzug) wiederfindet und die er nicht aus sich selbst ableiten kann. Kultur- und geistesgeschichtlich ist eine zunehmende Entideologisierung, eine Rationalisierung und eine Ethisierung der Hoffnung zu beobachten, aber auch eine Pragmatisierung, Funktionalisierung und eine Horizontalisierung, wonach Vertikalspannungen in Horizontalspannungen überführt werden und damit eine Entdivinisierung stattfindet. Die Kraft humaner, sittlich kontrollierter Hoffnung ist damit einer der zentralen Motoren des Prozesses der Selbstverständigung des Menschen über sich selbst und ist menschheits- und kulturgeschichtlich in ihrer stimulierenden Wirkung kaum zu überschätzen, wobei das zerstörerische Potential ideologisch verfolgter Hoffnungen nicht verschwiegen werden darf. Umgekehrt ist in die Grammatik jedweder normativen Theorie aufzunehmen, dass alle Formen des Sollens immer schon eine Zukunftsantizipation vornehmen, ohne die sie weder verständlich noch praktikabel sind. THOMAS SCHÄRTL schreibt: „Die Antizipation einer idealen Welt gehört zur inneren Dynamik des Sollens - also ist es nötig, um uns über das Gesollte (gerade dann, wenn es überzeitlich, objektiv gelten und nicht nur Resultat subjektiver und akzidenteller Präferenzen sei soll) zu verständigen.“ 107 Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Nachdenken des Menschen über sich selbst und der Entwicklung von Hoffnungen, die genau darauf Bezug nehmen. Eine Antwort auf die berühmte kantische Frage „Was ist der Mensch? “, die bekanntlich die drei Fragen „Was kann ich wissen? “, „Was soll ich tun? “ und „Was darf ich hoffen? “ in sich vereint, wird daher unter anderem in Hoffnungsform gegeben werden müssen. Das humane Selbstverständnis, auch die Reflexion endlicher Vernunft auf sich selbst und ihre eigenen Grenzen, ist immer auf Zukunft hin offen. Der Mensch ist damit ein notorisch unabgeschlossenes Wesen, das mit sich nicht fertig wird, sich immer wieder fraglich ist und bleiben wird. 108 Er reagiert darauf, indem er Vorstellungen davon entwickelt, wie er sich als Mensch notwendig und sinnvoll weiter zu entwickeln hat. Er reagiert mit Hoffnung auf und über sich selbst und seine eigenen Potentialitäten: Der Mensch ist nie nur etwas, er soll immer auch etwas werden, beziehungsweise das, was er ist, muss er erst werden, weswegen er hofft - oder nicht das wird, wozu er im Rahmen seiner sittlichen Selbstentfaltung aufgefordert ist. 109 Das Umgekehrte gilt nun auch: In seinen großen Hoffnungen drückt der Mensch sich selbst und seine Vorstellungen von sich aus - immer mit Blick auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das, was war und das, was ist, erscheint im Lichte dessen, was sein soll; und das, was sein soll, gewinnt Kontur auf dem Hintergrund dessen, was war und was ist. Mit einer philosophischen Kategorie formu- 107 Vgl. SCHÄRTL, T., Eschatologie und christliche Hoffnungsgewissheit, in: WERBICK, J. / KALISCH, S. / STOSCH, K. VON (Hrsg.), Glaubensgewissheit und Gewalt. Eschatologische Erkundungen in Islam und Christentum, Paderborn et.al. 2011, 153-175, hier 161. 108 Vgl. erneut in kaum zu überbietender Prägnanz das Diktum von PAUL TILLICH: „Der Mensch ist die Frage nach sich selbst, noch ehe er irgendeine Frage gestellt hat.“ Vgl. TILLICH, Systematische Theologie, 76. 109 Vgl. STRIET, M., „Erkenntnis aller Pflichten als göttliche Gebote“ Bleibende Relevanz und Grenzen von Kants Religionsphilosophie, in: ESSEN, G. / STRIET, M., Kant und die Theologie, Darmstadt 2005, 162-186. <?page no="537"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 537 liert: Hoffnung ist Ausdruck von Bestimmung. In seinen Hoffnungen gibt sich der Mensch eine Bestimmung und jede Form des menschlichen Selbstverständnisses entlässt permanent Hoffnungen aus sich. Es existiert mithin ein enger Zusammenhang zwischen der Hoffnung des Menschen und seiner (Selbst-) Bestimmung: Je klarer und reiner die menschheitlichen Hoffnungen (Frieden, Gerechtigkeit, Menschenwürde und Menschenrechte, Glück, etc.) gefasst werden können, desto klarer wird auch sichtbar, woraufhin sich der Mensch trotz einer bleibenden Unausdeutbarkeit angelegt erlebt und woraufhin er sich entwirft beziehungsweise entwerfen sollte. Dabei treten natürlich auch die dunklen Seiten des Menschenmöglichen deutlicher ins Bewusstsein. Er kann auch scheitern. Seine Bestimmung als Mensch nimmt ihn dabei grundlegend in Dienst und mobilisiert ihn aus inzwischen bekannten Gründen auf sich selbst hin, ganz nach dem Motto: „Sage mir, was du hoffst und ich sage dir, wer du bist, wer du sein willst und wer du vielleicht auch sein wirst! “ Jede humane Hoffnung ist mithin auf ein Menschenbild verwiesen, das sie zum Ausdruck bringt. Da menschliche Selbsterkenntnis Projektcharakter hat, ist dieser auch für die ihr korrespondierende Hoffnung zu veranschlagen, weswegen der Mensch genauso wie seine Hoffnungen eine bleibende „Unausdeutbarkeit“ besitzen, die konstitutiven Charakter besitzt und zum Grundbestand humaner Anthropologie zu gehören hat. Damit werden allen Tendenzen der (deterministischen) Selbstverobjektivierung 110 und Verdinglichung im Rahmen eines geschlossenen vereinheitlichenden Weltbildes 111 und damit einer vermeintlichen Kontrolle Grenzen gesetzt und der bleibenden Offenheit und Unabgeschlossenheit, theologisch der Geheimnishaftigkeit, des Menschen und seiner Hoffnungsstruktur das Wort geredet. Nicht nur ist dem Diktum M. WEBERS zuzustimmen, wonach Sollen Können impliziere, es gilt auch: Vor dem Sollen kommt ein Wollen. Diese Priorität hat sich in einer Handlungstheorie niederzuschlagen. Bei KANT war es umgekehrt. Am Anfang stand prioritär das Sollen. Der Mensch ist aber immer auch von seinen potentiellen Möglichkeiten her zu beurteilen, die eine gewisse objektive Plausibilität für sich beanspruchen können. Diese Möglichkeiten können nicht einfach normiert werden, aber sie dürfen keinesfalls zugunsten eines verkürzten Begriffs von Wirklichkeit ausgeklammert werden: Der Mensch ist auch das, was er sein kann und sein soll in einer Art „ontologischem Vorgriff. Der Mensch ist sich selbst durch die (Selbst-) Bindung an das Gute partiell entzogen, denn nur dieses verspricht umfassendes Gelingen und entspricht der sittlichen Struktur menschlichen Freiheitsvollzugs exakt. Damit wird der menschlichen Selbstverfügbarkeit Grenzen gesetzt. Hoffnung ist damit auch eine Lebenskategorie par excellence, sie zielt auf die Erhaltung und Steigerung des Humanen, weswegen Theologie allein deswegen als Lebenswissenschaft zu bezeichnen ist. Die Frage ist daher eigentlich nicht mehr, ob menschliche Handlungswirklichkeit eine Hoffnungsstruktur hat oder nicht, sondern wie diese spezifiziert und begründet werden kann und wie dabei Surrogate der Hoffnung und der Hoffnungslosigkeit entlarvt werden können. Der Mensch wird schließlich zu dem, als der er - seine Zukunft antizipierend - in der Gegenwart wahrgenommen wird. Hoffnung zielt durch die in ihr zum Ausdruck kom- 110 Vgl. WINGERT, L., Grenzen der naturalistischen Selbstverobjektivierung, in: STURMA, D., Philosophie und Neurowissenschaften, Frankfurt am Main 2006, 240-260. 111 Vgl. QUANTE, M., Ein stereoskopischer Blick? Lebenswissenschaften, Philosophie des Geistes und der Begriff der Natur, in: STURMA, D., Philosophie und Neurowissenschaften, Frankfurt am Main 2006, 124-145. <?page no="538"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 538 menden Bestimmung des Menschen immer auf die Selbstthematisierung und das Selbstverständnis desjenigen, der hofft. γ Hoffnung und Hoffnungszusammenhänge. Hoffnung gibt es nur in Hoffnungszusammenhängen, die alle notwendigen Handlungsaspekte in einen übergreifenden Rahmen stellen und damit dem Subjekt eine Sinnperspektive eröffnen. Auch Sinn ist nur in Sinnzusammenhängen zu entdecken und erfahren. Der größte denkbare Zusammenhang ist der von Schöpfung, Erlösung und Wiederkunft, womit die größte denkbare Hoffnungspotenz im Rahmen des Gottesbegriffs ausgesagt wird. Hoffnung gewährt Meta-Motivation, die in spezifischer Weise „über“ den jeweiligen Handlungskontexten verortet ist und gerade so diesen einen Sinn zu eröffnen vermag, der die partikularen Handlungsziele in einen übergreifenden Sinnzusammenhang stellt, der als Sinn Gelingen verheißt. Wer Hoffnung ermöglichen will, der muss den Handlungszusammenhang und die damit verknüpften Sinnfiguren in den Blick nehmen, denn diese eröffnen für die operationalisierten Handlungsziele den ersehnten und damit verknüpften Sinn. 112 Nicht von ungefähr ist dann der letzte Grund (christlicher) Hoffnung Gott selbst als der größte denkbare Zusammenhang von Welt und Mensch. Die Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit ergibt sich aus dem Handlungs-, Hoffnungs- und Sinn-Zusammenhang. Entscheidend ist wie und woraufhin diese Zusammenhänge bzw. Kontexte thematisiert und gefasst werden. Der größte denkbare Zusammenhang ist das Ganze des Lebens bzw. die Menschheit selbst als Abstraktum, letztlich die Bestimmung des Menschen auf dem Hintergrund eines bestimmten Menschenbildes. Um des Kontextes bewusst zu werden, muss ich mich kategorial aus dem System erheben, einen Schritt außerhalb machen, denn dieses steht senkrecht auf die waagrechte Ebene der Handlung. Wer Hoffnung geben will, braucht also implizit und explizit ein Weltbild und eine Weltdeutung, das diese Hoffnung allererst verortet und ermöglicht - im Rahmen ihrer eigenen Voraussetzungen. Der Sinnhorizont des Christlichen (vgl. A. AUER) ist etwa ein Hoffnungshorizont, was die Hoffnung auch zu einer Hintergrunds- und einer Rahmenkategorie macht. Es ergibt sich ein Zusammenhang von (weltanschaulichem) Halt, (sittlicher) Haltung und (moralischem) Verhalten. Hoffnung ist als Halt zu verstehen, die über eine Haltung zum Verhalten führt. δ Zusammenfassung Jede Selbstaussage des Menschen, jede Selbstbeschreibung und Selbstdefinition impliziert Hoffnungsaussagen, kommt ohne positiv konnotierte Bilder von Erhofftem nicht aus. Das Umgekehrte gilt freilich auch: Jede humane Hoffnung ist auf ein Menschenbild 112 Je kleiner die zu betrachtende Handlungseinheit, je isolierter, fokussierter und konkretistischer die Perspektive auf (eine) Handlung oder einen Aspekt daraus, desto schwieriger wird es, die auch diesen Handlungsaspekten zugrunde liegenden Hoffnungsanteile zu entdecken und zu würdigen. Tayloristische Systeme etwa (als paradigmatische Repräsentation dieses Handlungstyps) sind reine Pragmatik, die sinnentleert Hoffnung gar nicht nötig haben und gar nicht ermöglichen können. Je größer, umfassender, ganzheitlicher dagegen eine Handlungseinheit betrachtet wird, je komplexer ganze Handlungssysteme und deren Verhältnisse zueinander betrachtet werden, desto evidenter und offensichtlicher wird deren inhärente Hoffnungsstruktur, eine basale und inkommensurable Erwartungsstruktur auf ein positiv antizipiertes und extrapoliertes Gut hin, das mit einem Begriff des guten bzw. je besseren Lebens verknüpft ist. <?page no="539"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 539 verwiesen, das sie zum Ausdruck bringt. 113 Die Hoffnung auf Achtung universaler Menschenwürde und der daraus abgeleiteten Menschenrechte bringt beispielsweise eine bestimmte Vorstellung vom Menschen zum Ausdruck, die nicht einfach kommensurabel ist und durch andere Vorstellungen ersetzt werden könnte. Da nun menschliche Selbsterkenntnis Projektcharakter hat, ist dieser auch für die ihr korrespondierende Hoffnung zu veranschlagen, weswegen der Mensch genauso wie seine Hoffnungen eine bleibende Unausdeutbarkeit besitzen, die konstitutiven Charakter hat und zum Grundbestand humaner Anthropologie gehört. Damit werden allen Tendenzen der (deterministischen) Selbstverobjektivierung 114 und Verdinglichung im Rahmen eines geschlossenen, vereinheitlichenden Weltbildes Grenzen gesetzt und der bleibenden Offenheit und Unabgeschlossenheit, theologisch der Geheimnishaftigkeit, des Menschen und seiner Hoffnungsstruktur das Wort geredet. 115 b) Der Horizont der Hoffnung und ihre sittliche Struktur „Theologische Aussagen habe es mit dem Sinn des Ganzen, der Sinntotalität der Wirklichkeit zu tun. Kriterium ihrer Wahrheit ist, ob sie den Sinn des Ganzen verständlich machen. […] Pannenbergs Sinnbegriff lässt sich am einfachsten am Beispiel des Verstehens von Texten erläutern. Ich habe den Sinn eines Textes verstanden, wenn ich sehe, wie seine Teile zusammenhängen und sich zu einem Ganzen verbinden. Die Deutung eines Textes geht von einem Vorgriff oder einem Vorurteil aus. Ich antizipiere einen Sinn des Ganzen; dieser Vorgriff muss sich dann an den Einzelheiten des Textes bewähren. Das Modell des Verstehens von Texten ist nun auf das eigene Leben und die Geschichte zu übertragen. Das Leben und die Geschichte haben einen Sinn, wenn ihre Einzelheiten sich zu einem geschlossenen Ganzen verbinden lassen. Auch dazu ist ein Vorgriff erforderlich. Pannenberg versucht zu zeigen, dass ein solcher Vorgriff auf ein Sinnganzes den verschiedenen menschlichen Lebensvollzügen zugrunde liegt. Diese Sinnerfahrungen des alltäglichen Lebens sind jedoch implizit und hypothetisch. Das Wesen einer Religion besteht nun darin, dass sie den impliziten Vorgriff auf die Sinntotalität der Wirklichkeit ausdrücklich macht. Die Religion entwickelt umfassende Sinnentwürfe, Modelle eines umfassenden Wirklichkeitsverständnisses. Als Versuche, den impliziten Vorgriff auf die Sinntotalität der Wirklichkeit bewusst zu machen, haben sie den Status von Hypothesen. Ein solches Modell muss sich daran bewähren, ob es alle Daten der impliziten Sinnerfahrung erklären kann. Theologische Aussagen bewegen sich auf einer dritten Ebene. Sie sind Hypothesen dritter Ordnung. ‚Hypothesen über Wahrheit und / oder Unwahrheit von Ausprägungen des religiösen Bewusstseins.‘ Sie machen also Aussagen über das Verhältnis der in den Religionen gegebenen expliziten Sinnbehauptungen zu den in den Lebensvollzügen verschiedener Art gegebenen impliziten Sinnvorgriffen. […] Theologische Aussagen sind wie philosophische Aussagen Hypothesen über die Sinntotalität der Erfahrung. Sie betrachten die Wirklichkeit sub ratione Dei, d.h. unter dem Gesichtspunkt 113 Vgl. WOSCHITZ, K.M., Elpis - Hoffnung. Geschichte, Philosophie, Exegese, Theologie eines Schlüsselbegriffes, Freiburg im Breisgau 1979, aber auch: GAMM, G., Der unbestimmte Mensch. Zur medialen Konstruktion von Subjektivität, Berlin 2004. 114 Vgl. WINGERT, L., Grenzen der naturalistischen Selbstverobjektivierung, in: STURMA, D., Philosophie und Neurowissenschaften, Frankfurt am Main 2006, 240-260. 115 Vgl. das berühmte Diktum von BLAISE PASCAL: „Niemand weiß, was ein Mensch ist.“; nach GUSTAFSSON, L., Niemand weiß, was ein Mensch ist, Stuttgart 1996. <?page no="540"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 540 der alles Gegebene letztlich bestimmenden Wirklichkeit.“ 116 Es bleibt zu beachten, dass der Sinnbegriff eine bestimmte Valenz, eine Polung aufweist, denn es gibt auch negative Zusammenhänge, sodass der eindeutig positive Sinn-Zusammenhang sich nicht eo ipso aus dem Sinnbegriff selbst ergibt. Aufgabe der Moraltheologie ist es daher auch, zur Explikation des Sinnvorgriffs auf ein hoffnungstheoretisch vergegenwärtigtes Sinnganzes im Rahmen des praktischen Vollzugs menschlicher Handlungswirklichkeit beizutragen. Hoffnung zielt letztlich auf ein Sinnganzes, wenn der größtmögliche Horizont der Hoffnung thematisiert wird. Moralisch-sittliche Entscheidungen basieren nun auf der Wahl zwischen sittlich qualifizierten Möglichkeiten. Diese Möglichkeiten haben als Meta- Rahmen immer einen spezifischen ‚Hoffnungshorizont‘ (vgl. A. AUER, Sinnhorizont). Moralische Entscheidungen sind daher auf spezifische Weise hoffnungsbasiert, indem sie das grundlegende ‚Woraufhin‘ der Entscheidung extrapolieren bzw. antizipieren und in einen orientierenden Deuterahmen stellen. Für die moralische Beurteilung einer Entscheidung sind Mittel und Ziel derselben wichtig, wobei das Ziel potentiell unter Beeinflussung der Hoffnung steht. Wenn es das tut, hat es auch Einfluss auf die Mittel, denn im Rahmen einer human bestimmten Hoffnung lassen sich nicht alle Mittel rechtfertigen. Worauf zielt sie dann? Theologisch auf die Gemeinschaft in bzw. mit Gott, unter säkularen Vorzeichen scheint mir die Kategorie des Sinns am geeignetsten zur Beschreibung des Gemeinten, nicht zuletzt auch als mögliche Affinität zwischen den beiden Hoffnungsbegriffen. Andeutungsweise kann aber konstatiert werden, dass es immer auch konkrete Sinnziele geben kann und muss, die im Medium der Hoffnung konkret realisiert werden (griechisch), aber der Sinn-Kategorie immer auch ein Verheißungspotential (semitisch) eigen ist, das die immanente Realisierung zugleich ermöglicht und transzendiert. Sinn hat dabei ein Verheißungspotential, dem es nie nur um reine Zielerreichung geht, sondern der immer schon über sich hinausweist auf die Wahrheit einer Sache oder einer Person. Unter säkularer Perspektive, so ist an dieser Stelle die Grundthese der vorliegenden Arbeit nachzuzeichnen, ist Hoffnung letztlich als Antizipation von Sinn zu begreifen. Sinn hat ein Erwartungs- und ein Verheißungspotential, was die Kategorie als Vermittlung oder als affine Struktur im oben angesprochenen Verständnis zwischen beiden Hoffnungsformen ausweist: Hoffnung als Antizipation von Sinn und Sinn immer in der Form der Hoffnung. Im Gegenzug dazu müssen aber alle Voraussetzungen für die Zielerreichung geschaffen werden. Es gibt, wie gesagt, keinen Grund, das eine gegen das 116 Vgl. RICKEN, F., Zum wissenschaftstheoretischen Status theologischer Aussagen, in: Ders., Glauben weil es vernünftig ist, Stuttgart 2007, 137-154, hier 145-146. Weiter heißt es: „Aber sie unterscheiden sich von einem philosophischen Zugang zu Gott dadurch, dass sie die alles bestimmende Wirklichkeit zum Gegenstand haben, insofern diese sich in bestimmten geschichtlichen Gestalten des religiösen Bewusstseins bekundet hat. Die Theologie hat daher zunächst die Aufgabe, mit den Mitteln der historischen Hermeneutik die Sinndeutung aufzudecken, die sich in diesen Gestalten zeigt. Sie hat zweitens zu fragen, ob diese Sinndeutung sich an den Erfahrungen, die wir in den verschiedenen Erfahrungsbereichen tatsächlich machen, bewähren; damit kann die Aufgabe verbunden sein, eine geschichtlich gegebene Sinndeutung so neu zu formulieren, dass sie auch unsere gegenwärtigen Erfahrungen erklärt. Eine Sinndeutung bewährt sich, wenn sie den Sinnzusammenhang der gesamten Wirklichkeitserfahrung differenzierter und überzeugender erschließt als andere. Dabei vollzieht sich auch in der theologischen Erkenntnis ein Prozess, der sich als ‚Horizontverschmelzung‘ bezeichnen lässt: Die Überlieferung wird auf ihre Bedeutsamkeit für das gegenwärtige Selbstverständnis hin befragt; zugleich wird dieses von der Überlieferung in Frage gestellt.“ So auch hier im Kontext der Rekonstruktion einer anthropologischen Fundierung der christlichen Hoffnung. <?page no="541"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 541 andere auszuspielen, vielmehr ist das eine zu tun und das andere nicht zu lassen. Das Erreichen selber muss letztlich (hoffend) offen bleiben bzw. offen gehalten werden. 117 Erwartungen dagegen legen sich auf eine Zielerreichung fest, sind dinglich und objekthaft strukturiert und zielen letztlich auf die Haltung des Optimismus. Hoffnung dagegen drängt den Erwartungsanteil zurück, wiewohl sie ihn nicht ausschließt, sondern einschließt, aber pointiert ausgedrückt zielt Hoffnung auf Existenzziele 118 , was Haltungen des Vertrauens, der Bejahung, aber auch der Widerständigkeit mit sich bringt. Der Hoffnungsbegriff ist mithin breiter und komplexer als der Optimismusbegriff. 119 Der Unterschied wird schließlich noch deutlicher, wenn aus theologisch-ethischer Perspektive der Gegenstand der Hoffnung von ihrem Grund unterschieden wird. Wo ersterer sich auf den Inhalt und das Objekt der Hoffnung bezieht, steht letzterer für die begründeten und verbürgten Qualitäten einer Hoffnung, wobei auch das hoffende Handlungssubjekt der Dialektik von positiver Antizipation und Zweifeln und Befürchtungen nicht entkommen kann. Der Mensch ist mit anderen Worten hoffnungslos auf Hoffnung angewiesen. Jede andere Form, die die Hoffnungs-Balance einseitig zerbricht, hat destruktive Folgen. Der Ausweis der Hoffnung als Antizipation von Sinn und der Ausweis des Guten als der zentralen moralisch-sittlichen Hoffnungsfigur verlangt eine Verhältnisbestimmung von Sinn und dem Guten. α Hoffnung und das Gute Es gehört zum Begriff des Guten, in die Sphäre des Möglichen hineinzuragen, und damit als sittlich Gutes in den Raum des immer schon von Glaube und sittlicher Vernunft Erhofften. „Das Richtige ist nicht allein das Logische. Das ist es zwar auch, aber darin geht es nicht auf. Es ist darüber hinaus auch das Mögliche, das der Freiheit Zumutbare. Das gilt nicht nur unter dem Aspekt des physisch und psychisch Möglichen, gefragt ist auch die Mächtigkeit der Freiheit zum Guten. Das sittlich Richtige markiert, so gesehen, einen Freiraum des Handelns, der gegenüber den Widerständen der Geschichte erworben, begründet und durchgesetzt wurde“ 120 , und der damit, so müsste ergänzt werden, am weltgestaltenden Ermöglichungsraum des Guten partizipiert. Die Tradition unterscheidet bekanntlich zwischen bonum honestum, bonum utile und bonum delectabile: Das 117 Als Beispiel vermögen auch Beschreibungen aus dem interreligiösen Kontext die Ubiquität der vorgestellten Beobachtungen zu bestätigen: An der buddhistischen ZEN-Kunst des Bogenschießens zeigt sich, wie der Meister seine Schüler sehr viel und sehr intensiv die für diese Kunst erforderlichen Techniken und Haltung lernen und üben lässt, Schuss und Ziel selber bleiben aber dem Schützen grundsätzlich entzogen und er übt sich in den Haltungen des Sichselbst-vergessens und des Sich-der-letzten-Wirklichkeit-überlassens (paradigmatisch beim Schuss), die Voraussetzung für das Geschenk des Gelingens sind. Vgl. HERRIEGEL, E., ZEN in der Kunst des Bogenschiessens, Bern / München / Wien 33 1992. 118 Hoffen ist dabei letztlich als ein Akt der ganzen Person auf der Basis eines Habitus zu verstehen - je deutlicher, je mehr der gesamte Hoffnungs-Raum ausgeschritten wird. Psychotherapeutische Interventionen arbeiten u.a. daran, diesen Raum (wieder) zu erweitern. 119 Hoffendes Handeln ist von einem Handeln allein aus Zielstrebigkeit zu unterscheiden, da es gegen einseitige Selbstmächtigkeit Offenheit für den Geschenkcharakter des Gelingens lässt, zugleich verabsolutierende Abhängigkeiten von der Zielerreichung („Vergötzen“) verhindert und der Bewältigung kritischer Lebenssituationen dient. Reine Handlungs-Pragmatik ohne orientierende, korrigierende und vitalisierende Hoffnungs-Anteile degeneriert bzw. lebt letztlich aus nicht ausgewiesenen Hoffnungs-Voraussetzungen. 120 Vgl. DEMMER, K., Moraltheologische Methodenlehre, Freiburg i. Ue. 1989, 94. <?page no="542"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 542 Erste schließt das Zweite und Dritte mit ein, vielleicht in Richtung einer „Freude am Guten“. Nicht gemeint ist aber die Freude und das Glück als Gutes allein. Daneben wird natürlich noch das bonum commune erwähnt. Der „unbedingte Anspruch“ und die universale Geltung durch das Gute ist das Eine, die materiale Einlösung ist das Andere, da diese von vielen Faktoren abhängt, etwa Motivation und Einsicht. Hoffnung macht erst aus einem objektiven Gut ein subjektiv bedeutsames Gut. Hoffnung wird damit Kategorie der Aneignung. Sie stellt quasi die Brücke dar zwischen universell Gutem, objektiv Gutem und subjektiv Bedeutsamem und Sinnvollem. Genau über diese Brücke trägt sie zur Realisierung des Guten bei und genau diese Brücke ist notwendig. Hoffnung ist gerade für diese Übersetzungsleitung zuständig. es wird darum gehen müssen, Kriterien für diese Vermittlungsleitung zu eruieren, die Vermittlung von objektivem Gut und subjektiv Bedeutsamem, Sinnvollem. Wie dieses Verhältnis zu bestimmen ist, wird die Frage sein, wobei der begründete Verdacht besteht, dass genau Hoffnung dieses Verhältnis zu überbrücken vermag. Das Gute im Medium der Hoffnung bewegt, sodass davon auszugehen ist, „dass alles Mühen des Menschen um das Gutsein und die Verwirklichung seiner selbst von der Hoffnung unterfangen wird, von ihr Auftrag wie Sicherung empfängt.“ 121 Diese Überlegungen finden noch kaum Beachtung in entsprechenden moralphilosophischen und moraltheologischen Ethiken. Welches Kriterium vermag die Legitimität einer Utopie bzw. einer Hoffnung zu gewährleisten, wenn nicht das des Guten selbst, sodass die Idee des Guten seinerseits als komplexe, menschheitliche Hoffnungsfigur zu begreifen ist, die jeglichem Hoffnungsakt erst seine moralisch-sittliche Dignität, Vernünftigkeit und Motivation zu geben vermag und auf diese Weise basal zur Energetisierung menschlicher Handlungswirklichkeit beizutragen vermag. Entscheidend wird sein, aus welchen Quellen sich die Definition des Guten speist bzw. woraus und woraufhin die „wertende Einstellung eines Subjekts zu diesem Seienden“ 122 zustande kommt, insbesondere, wenn relativistische und zweckrationale Unterbestimmungen des Guten vermieden werden sollen. In der Hoffnung verbindet sich das subjektive und das objektive Gute, müssen sich quasi zur Realisierung verknüpfen. Wird die Idee des Guten mit einem Zeitindex versehen, dann wird daraus eine Hoffnungsfigur und in den Horizont grundsätzlichen Hoffnungsvollzugs und dessen Konstitutionsbedingungen gestellt. 123 Hoffnung auf das Gute kann darüber hinaus auch als gereinigt-abstrahierte Form der Heilshoffnung begriffen werden. Das Gute kann dabei als menschheitliche Hoffnung auf Gelingen verstanden werden, das quasi versucht, den immer vieldeutigen und schillernden Begriff des Gelingens auf vernünftige Weise zu konkretisieren. Der Mensch erweist sich damit als unaufgebbar moralisches Wesen, das sein Gelingen versucht zu betreiben durch eine freiheitliche Selbstbindung an dasjenige, was ihm Glücken verheißt, ohne je dafür garantieren zu können. Nun ist aber genau hierfür, so die implizite These der hier favorisierten Hoffnungstheorie, eine „unausge- 121 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 15. 122 Vgl. HÖFFE, O. (Hrsg.), Lexikon der Ethik, München 6 2002, 110. 123 Vgl. EDMAIER, A., Horizonte der Hoffnung. Eine philosophische Studie, Regensburg 1968. Die Zielbestimmung der Hoffnung durch das Gute wurde noch nicht konsequent genug verfolgt bzw. blieb ohne Konsequenzen für die Konzeption des Guten selber, die handlungspraktisch gewendet und anhand der Kategorie der Hoffnung selber anthropologisch fundiert zu werden hat. <?page no="543"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 543 sprochene Zuversicht“ 124 nötig, letztlich ein umfassender Hoffnungsvollzug, um überhaupt am Guten festzuhalten, um dessen Realisierung mutig und motiviert betreiben zu können im Angesicht einer immer wieder abgründig erfahrenen Realität und unter den Bedingungen der bleibenden Verführbarkeit zum Bösen durch falsche, „ungute“ Versprechungen. Daraus folgt, dass alle moralischen Ziele in einem umfassenden Sinne Hoffnungsziele sind und alle Hoffnungsziele ethisch-moralische Qualität haben. Die Vorstellung, das, was wir sollen auch zu können, überhaupt die Erwartung der Realisierbarkeit des Guten setzt eine Zuversicht voraus, die nicht anders als Hoffnung genannt werden kann und sowohl in den Bedingungen menschlicher Existenz, als auch in den Konstitutionsbedingungen des Guten selber und in einigen logischen Prämissen zum Guten selber begründet liegt. Kurz gesagt: Das Gute lässt uns begründet hoffen. 125 Hoffnung dient damit der Erhaltung und der Steigerung von Leben und damit idealiter der Realisierung des Guten. Nun ist aber das Gute - natürlich unter Beachtung der Pluralität entsprechender Vorstellungen 126 - eine Kategorie der Einsicht und damit partizipiert Hoffnung am Guten, das bereits als solches eingesehen ist und konkretisiert dieses Gute auch durch seine handlungsvorbereitende, handlungsmotivierende und handlungsrealisierende Wirkung. 127 Zugleich aber transzendiert sie dieses solcherart erkannte Gute immer wieder auf ein je größeres Gutes hin, das möglicherweise noch der Einsicht harrt, letztlich auf das höchste (denkbare aber begrifflich nicht mehr einholbare) Gut, dem summum bonum, auf Gott selbst. Somit kann der tiefste Grund christlicher Hoffnung als ein nicht mehr kategorial einsehbarer (liebender Ab-) Grund bezeichnet werden. Mit anderen Worten: Das Gute bewegt den Menschen buchstäblich, weil das Gute gelingendes Leben will und der Mensch nicht lassen kann, darauf zu hoffen und daher in gewisser Weise versuchen muss, entsprechende Vorstellungen bei aller Irrtumsanfälligkeit in die Realität zu überführen. Schon deswegen ist begründete Hoffnung immer eine Lebenskategorie 128 , ein umfassender Lebensbegriff, der auf ein Gelingen 129 abzielt, das aber an den Bedingungen des Irdischen kein Genügen finden kann. Aus ethischer Perspektive muss Hoffnung mithin zu den zentralen motivationalen Möglichkeitsbedingungen sittlichen 124 Vgl. PFÜRTNER, S.H. / LÜHRMANN, D. / RITTER, A.M. (Hrsg.), Ethik in der europäischen Geschichte Bd. I, Stuttgart 1988, 79. 125 Vgl. PFÜRTNER / LÜHRMANN / RITTER, Ethik in der europäischen Geschichte Bd. I, 64. 126 Vgl. FORSCHNER, M., Das Gute (Art.), in HÖFFE, O. (Hrsg.), Lexikon der Ethik, München 6 2002, 108-110. Statt eine objektiv-teleologische Ontologie des Guten anzunehmen wird heute ein Relationsbegriff des Guten favorisiert, der einer „wertenden Einstellung eines Subjekts“ zu einem Seienden nahe kommt. 127 Es liegt nahe, auch werttheoretisch zu argumentieren, wonach jeder Wert Ausdruck einer (begrifflich gefassten) Hoffnung ist und jede Hoffnung einen Wert ausdrückt. Jeder Wert ist demnach Ausdruck einer (kontrollierten) Hoffnung und jede Hoffnung drückt einen Wert aus. Dabei ist die Problematik des Wertbegriffs zu beachten, weswegen diese Linie nicht weiterverfolgt werden soll. 128 Schon allein deswegen kann Theologie als „Lebenswissenschaft“ bezeichnet werden. Vgl. dazu MARKSCHIES, C., Ist Theologie eine Lebenswissenschaft. Einige Beobachtungen aus der Antike und ihre Konsequenzen für die Gegenwart, Hildesheim 2005. 129 Der klassische Konflikt zwischen Moral und Glück ist dadurch (immanent) natürlich nicht aufgehoben, aber kann in einer Spannungseinheit auf das Gelingen hin finalisiert werden. Vgl. aktuell: HÖFFE, O., Lebenskunst und Moral. Oder macht Tugend glücklich? , München 2007. <?page no="544"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 544 Handelns 130 gezählt werden. Umgekehrt formuliert: Alle theoretische Erkenntnis bewegt sich innerhalb der Grenzen der Erfahrung. Aus der sittlichen Praxis aber gehen Gewissheiten hervor beziehungsweise werden Zuversichten des Schon-Erfahrbaren und doch Noch-Nicht-Erreichten vorausgesetzt, die die Grenzen des potentiell Erfahrbaren überschreiten und die Gegenwart von einer Zukunft bestimmen lassen, die sich ihrerseits nicht mehr aus den Bedingungen dieser Gegenwart ableiten ließe. Der Mensch weiß oft unausgesprochen um diese Grenzphänomenologie seines Handelns. Aber was sind die Konsequenzen für seinen Zeitbezug und seine Handlungspraxis? Der Mensch hat auf diesen sich öffnenden Zeithorizont in der Moderne zu antworten versucht, indem er die Grenzen des Erfahrbaren, des Vorhersehbaren, des Kontrollierbaren ausgedehnt hat - mit der Konsequenz einer ungeheuren Beschleunigungstendenz, der zunehmend religiös begründete Zuversichten im Angesicht einer potentiell gähnenden und verschlingenden Zeiterfahrung zu weichen drohen. 131 Mit ALFONS AUER kann demgegenüber die Idee des Guten als bewegende Kraft 132 verstanden werden. So kann völlig zu Recht ein „ontologischer Vorrang“ des Guten gegenüber dem Gegebenen als Ausweis der ethischen Relevanz der Eschatologie festgehalten werden. Es gibt eine Transzendenz des Guten gegenüber allen (irdischen) Gütern. Eine permanente Approximation an das Gute wäre nicht motivierbar ohne hoffende Antizipation des Gelingens. Das Gute steht für das „erhoffte“ Gelingen menschlichen Handelns. Je anteiliger Hoffnung am Guten ist, desto rationaler ist sie, wobei eine Verbürgung noch nicht garantiert ist. Hoffnung geht potentiell über die rationale Einsicht hinaus. Hoffnung transzendiert das rational eingesehene Gute immer noch einmal. Dennoch bewahrt nur die Bindung an das Humanum diese Hoffnung davor, in einen naiven und gefährlichen Fortschrittsidealismus, was die soziale Sphäre anbelangt, und einen realitätsfremden Illusionismus, was die individuelle Sphäre anbelangt, abzugleiten. Das Gute repräsentiert das, was im Rahmen des individuellen Lebens wie der menschlichen Geschichte insgesamt quasi „abgegolten“ werden muss, soll es sich nicht selbst widersprechen. Das lässt sich aber wohl nur einlösen und durchhalten im Status der Hoffnung auf ein absolutes Gutes. Was ließe uns - oft bar jeder positiven Erfahrung in der Realität sonst an der Idee des Guten festhalten und diese weitertreiben? Hoffnung dient der Erhaltung und der Steigerung von Leben und ineins damit der Realisierung des Guten. Nun ist aber das Gute - natürlich unter Achtung der Pluralität entsprechender Vorstellungen und Anschauungen - eine Kategorie der Einsicht und damit partizipiert Hoffnung am Guten, das bereits (als solches) eingesehen ist und konkretisiert dieses Gute durch seine eigene handlungsvorbereitende, handlungsmotivierende und handlungsrealisierende Gestalt. Und zugleich transzendiert sie dieses (solcherart erkannte) Gute auf ein je größeres Gutes hin, letztlich auf das höchste (denkbare) Gut - auf Gott selbst. Dabei ist entscheidend, dass jegliche Form der elementaristischen und der atomistischen Handlungstheorie, die isolierte und verengte Perspektiven auf menschliche Handlungswirklichkeit für absolut 130 Vgl. SCHAEFFLER, R., Was dürfen wir hoffen? Die katholische Theologie der Hoffnung zwischen Blochs utopischem Denken und der reformatorischen Rechtfertigungslehre, Darmstadt 1979, 103. 131 Vgl. GRONEMEYER, M., Das Leben als letzte Gelegenheit. Sicherheitsbedürfnisse und Zeitknappheit, Darmstadt 2 1996. 132 Vgl. AUER, A., Autonome Moral und christlicher Glaube, 2. Auflage mit einem Nachtrag zur Rezeption der Autonomievorstellungen in der katholisch-theologischen Ethik, Düsseldorf 1995, 24-25. <?page no="545"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 545 erklärt, abgelehnt werden muss. Gegen diese Gefahr muss jede theologische Ethik gefeit sein, denn sonst könnte sie genau das heraufbeschwören, was sie durch ihre eigenen Inhalte zu überwinden angetreten ist, die Kontextualität und den je größten Kontext, Gott selbst, nicht zu vernachlässigen, sondern vorauszusetzen. Der Blick auf Hoffnungsstrukturen zeigt: die Unbedingtheit und Universalität des sittlichen Sollens verlangt irgendwann eine religiöse Fundamentierung (vgl. KANT), mindestens jedoch legt sie eine entsprechende Angewiesenheit denknotwendig frei, wenn dieses sittliche Sollen sich der eigenen unbedingten Verpflichtung nicht verschließt und dabei ihre damit zutage tretende sinnverwiesene Hoffnungssignatur anerkennt. 133 Soll Moral innerweltlich Sinn machen, muss sie einen überweltlichen Grund kennen. Die Frage nach der Motivation zum Bösen sei hier nur erwähnt, aber auf dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen kann sie mit degenerierten (Freiheits-) Hoffnungen in Verbindung gebracht werden. Hoffnung zielt immer auf (Erhalt oder Steigerung von) Leben. Auf den Tod zu hoffen ist entweder ein Widerspruch in sich oder letztlich doch eine Hoffnung auf ein anderes Leben, auf Befreiung von diesem Leben. Hoffnung auf das Negative ist pervertierte Hoffnung bar jeglicher Bindung an das Gute und nicht eigentlich das Gegenteil der Hoffnung, was Verzweiflung und Lähmung wäre. Das Böse resultiert aus fehlgeleiteter, pervertierter und persuasiv „verführter“ Hoffnung. Die Attraktivität des Guten Die Attraktivität des Guten zeigt sich in der Hoffnung, die mit dessen Realisierung verbunden wird. Dabei stellt sie eine zentrale Motivation des Handelns dar, wobei eine kritische Reinigung und Transformation der eigenen Hoffnungen durch sittliche Vernunft dafür notwendig ist. Die Attraktivität des Guten kann Freiheit eröffnen, da sie Konkurrenz mit der Attraktivität der Welt aufnimmt, zur Selbsttranszendenz einlädt und das Gute als Hoffnungsfigur wirksam werden lässt. Hoffnung setzt das Wollen allererst in Bewegung - durch eine attraktive und anziehende Aussicht. Der Appetitus des Guten ist proportioniert mit dem Glück. Gründe bieten dem Handeln Schubmotivation, das Gute bietet attraktive Zugmotivation. Die Attraktivität des Guten ist deswegen attraktiv, weil es Gelingen verheißt - nicht nur für mich. Daher die Aktivierung und Motivierung durch eine attraktive Aussicht. Dieser Attraktivität dürfen wir etwas zutrauen! Dringend geboten scheinen mir daher ausreichend Betrachtungsräume, in denen sich die Attraktivität allererst entfalten kann. Manches Gute haben wir nur im Status der Sehnsucht oder der Hoffnung vor Augen und auf andere Weise hätten wir es nicht. Das heißt, sehnten wir uns nicht oder hofften wir in diesem Sinne nicht, dann hätten wir dieses Gute auch nicht, das es doch eigentlich gilt zu bewahren und in die Realität zu transformieren. Das Gute kann als menschheitliche Hoffnung über ihr eigenes Gelingen verstanden werden. Abstrakt-ethische Formen müssen dabei in Hoffnung oder andere erfahrungsnahe Formen verwandelt bzw. rückübersetzt werden, um handlungswirksam zu werden. So ist das Gute und seine Attraktivität Entwurf der praktischen Vernunft, genauso wie der Vernunft transzendental Vorgegebenes. 133 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 17ff. <?page no="546"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 546 Der Wille zur Hoffnung. Hoffendes Wollen und wollendes Hoffen Existiert der Mensch als ein mit einem Willen begabtes Wesen, als Wollender, anders könnte er freilich gar nicht handeln, dann auch als Hoffender. Hoffnung zielt letztlich auf ein finales höchstes Gut (ontologischer Begriff). Der gute Wille (bona voluntas als ethischer Begriff) ist das Streben nach dem höchsten Gut - nicht immer und nicht immer aktual, aber letztlich, weswegen Hoffnung als Funktion des Willens verstanden werden kann, freilich ohne dabei dem Missverständnis aufzusitzen, alle Hoffnungsaspekte willentlich kontrollieren zu können. Der (gute) Wille will also etwas, indem er (darauf) hofft und auf genau diese Weise handlungswirksam wird. Wer das Gute will, muss hoffen. Wer vernünftig hofft, der will irgendwann das Gute oder er bleibt unvernünftig, illusionär bzw. weltfremd. Leben und Handeln aus Hoffnung setzt mithin permanent (mitunter habitualisierte) Hoffnungsakte voraus. Diese sind willentlich nicht nur zugänglich, sondern geradezu konstituiert - aber im Wissen um die damit einhergehende Selbsttranszendentalität humanen Selbstvollzugs. Mehr noch: die Umbildung, d.h. Reinigung und Vereinheitlichung des Willens kann als Voraussetzung für habitualisierte Hoffnung bezeichnet werden. Hoffnung ist eine Funktion des Willens, nicht des Erkenntnisvermögens, was klar für ihre Handlungsrelevanz spricht. Der Wille ist es, der Hoffnungen hegt und an ihnen festhält und sich womöglich gegen die erfahrbare Realität in ihnen aufspannt bzw. der Wille ist es, der sie aufgibt und abgibt. Der Wille macht aber die Hoffnung nicht, sondern vollzieht sie. So wären die Strukturen menschlicher Willenstätigkeit auf deren implizite und explizite Hoffnungsindices zu untersuchen, so dass die Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit weitere Konturen gewinnt. Wollen aus Hoffnung ist Wollen höherer Ordnung, kein einfaches instrumentelles Wollen, sondern ein die ganze Existenz umgreifendes, das auf ein Letztes zielt und die empfangenden und verdankenden Seiten des Lebens in Rechnung stellt. Ein letztes Wollen ist dadurch gekennzeichnet, dass es den Grund letzten Wollens angibt und ein Verhältnis zu allen Volitionen erster Ordnung möglich macht, da es allererst den Rahmen, den Sinn und das Ziel als Deutefolie angibt. Wer nichts mehr will, hat nichts zu hoffen, wer nicht hofft, der will nichts. Es ist eine vereinheitlichende Funktion für den Willen notwendig, um der Zersplitterung und Fragmentierung desselben vorzubeugen und maximale Motivation freizugeben. Das höchste Gut als Hoffnungsgut leistet genau dies. Letztlich zeigt sich hier ein Wollen, das seinen Ursprung in Gott hat (erkenntnistheoretisch und ontologisch). Entscheidend ist, was ich will und wie ich will - bis hin zu mystischen Vorstellungen, das Nicht-Wollen zu wollen und den Willen in Christus umbilden zu lassen. 134 Von christlicher Hoffnung geprägter Wille ist beschenkter Wille, bestimmter Wille, begnadeter Wille: da geht etwas durch uns hindurch, kommt uns entgegen, ist aber streng genommen nicht aus uns. 135 134 Vgl. Phil 2,13: „Denn Gott ist es, der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt, noch über euren guten Willen hinaus.“ 135 Vgl. SEEBAß, G., Wollen, Frankfurt am Main 1993. HORN, C., Augustinus und die Entstehung des philosophischen Willensbegriffs, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 50 (1996), 113-133. SCHLICHTING, W., Wettlauf in die gleiche Richtung? Das natürliche Begehren und die christliche Hoffnung, in: LM 14 (1975), 14-17. <?page no="547"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 547 β Das höchste Gut des Menschen zwischen Sinn, Glück und Moral „Die Lehre vom höchsten Gut antwortet auf die Frage: Was ist der letzte Sinn in allem Streben? “ 136 Ist das höchste Gut Gegenstand von Hoffnung, dann zielt Hoffnung auf Sinn. Hoffnung ist Antizipation von Sinn. Die Figur des Höchsten Gutes ist aber auch eine formale Größe, die als Denknotwendigkeit die Heterogenität menschlicher Handlungsziele auf die Einheit eines Letztziels finalisiert. Wird damit zugleich das letzte und grundsätzlichste Hoffnungsgut gefasst, so gibt sie zugleich den Horizont dieser Hoffnung an. Damit ist eine Antwort auf die Frage gegeben, worauf Hoffnung letztlich zielt. Diese Größe ist schließlich eine wichtige Korrektur für alle immanent-partikulären Handlungsziele, sodass nun auch ausgehend von einer Qualifizierung des höchsten Gutes her ein Beurteilungskriterium vorliegt. Diese zunächst notwendige formale Größe wird nun spätestens seit der Antike inhaltlich gefüllt über Lebensformen ( βίοι ) und Tugenden, die diese dann idealiter repräsentieren. Diesen Lebensformen aber liegen ihrerseits wiederum grundsätzliche Haltungen und weltanschauliche Grundüberzeugungen der Existenzdeutung zugrunde - gegenüber dem Erwartbaren und dem Unerwartbaren, auch und gerade im Medium der Hoffnung. Der finis ultimus kann demnach als (letzter) Motivationsgrund gelten, wobei es nicht darum geht, einen „synkretistischen Humanismus“ 137 zu vertreten, was christliche Hoffnung nivellieren würde, sondern darum zu zeigen, dass bei bleibender Suprematie einer christlichen Grundlegung durchaus affine Strukturen in gänzlich anderen, auch naturalen Paradigmen zu finden sind. Schließlich gibt es einen einheitsstiftenden Abschlussgedanken. Beide Ebenen, die christliche und die naturale, sind dann aufeinander zu beziehen, da sonst das Angebot der christlichen Hoffnung gar nicht verständlich wäre, wenn nicht im Menschen etwas darauf hindrängte mitsamt seiner vitalen Struktur. „Hoffen geht, ob mit Bewusstsein oder bewusstlos, auf ein Ganzes, dem nichts aufzuopfern wäre, auch nicht das Schwächste. Sein Endziel ist eine Rettung von allem, auch des Leiblichen und Körperlichen. Dafür steht die Verheißung einer Auferstehung der Toten. Freilich ist auch dieses Hoffnungsziel in den Hoffnungsgrund zurückgenommen.“ 138 Das höchste Gut ist als formale Größe inhaltlich zwar höchst unterschiedlich bestimmt. Es kann aber letztlich nur eines geben, sonst wäre es nicht das höchste Gut und würde auch keine Orientierung bieten. Historisch-systematisch ist von einer zunehmenden Ethisierung zu sprechen, wonach das Gute selbst zum finis ultimus, d.h. zum summum bonum wurde, wobei Spannungen etwa zum Glück aufbrachen. Die inhaltliche Qualifizierung ist allerdings zwingend notwendig; philosophisch wurden in aller Regel zwei Wege zur Beantwortung beschritten, einmal mit Glück oder Glückseligkeit in den eudämonistisch-teleologischen Traditionen (etwa ARISTOTELES), ein andermal mit dem Sittengesetz in den eher normativ-deontologischen Traditionen (etwa KANT). Theologisch wurde eine Verankerung mit dem Gottesbegriff als tragendem Grund aller Wirklichkeit, also auch der Handlungswirklichkeit, gesucht. Moraltheologisch wurden und werden beide Wege beschritten. Für die vorliegende Studie habe ich die spezifische Qualifizierung über die Sinnkategorie vorgeschlagen, da sie sich als anschlussfähig erweist an einschlägige humanwissenschaftliche Nomenklaturen und damit als „Brücke“ in diese Disziplinen hinein zu fungieren vermag. Grosso modo konnte dies bestätigt werden, wobei auch interdisziplinäre Annäherungen über andere Kategorien, 136 Vgl. BRACHTENDORF, J., Augustins „Confessiones“, Darmstadt 2005, 17. 137 Vgl. THEUNISSEN, Die Hoffnung auf Gott und der Gott der Hoffnung, 260. 138 Vgl. ebd. 274. <?page no="548"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 548 etwa die des Glücks äußerst vielversprechend wären. 139 Dabei ist eine notorische Unterbestimmung dessen, was unter Glück zu verstehen sei 140 festzuhalten, weshalb mit dem Glück immer Hoffnung einhergeht, der Begriff des Gelingens vonnöten ist und der Utilitarismus nur begrenzt funktioniert. Es gibt einen Konflikt von Moral und Glück. Wohl gibt es in der Moralphilosophie des ARISTOTELES noch keinen adäquaten Ort, diesen Konflikt zu denken, wiewohl Ansätze dazu zu erkennen sind. Aber der Internalismus des ARIS- TOTELES lässt noch keinen ausgereiften Universalismus zu, weswegen das individuelle Glücksverlangen des Menschen, das nach THOMAS ein „natürliches Wollen“ ist, noch nicht in einen Gegensatz zu einem unbedingten und universal gedachten Sittengesetz treten kann. „Ihr [der Hoffnung, R.L.] Gott ist nicht selbst Totalität, auch nicht als das Ganze gelebten Lebens; er ist es durchwaltender Grund. Die Hoffnung auf Gott nimmt Einzelnes so ins Ganze zurück, dass sie das Ganze wiederum in seinen Grund zurücknimmt.“ 141 Zu unterscheiden ist das vom Menschen erreichbare Glück (Eudaimonia) und das vollkommene Glück des höchsten Gutes, in dem sich das Streben des Menschen restlos erfüllt. Die Spannung ist nur via Hoffnung zu lösen, da keine der beiden Begriffe abgeschwächt werden kann. Schließlich steht im Prinzip, nicht faktisch, in jedem Handeln die Frage nach dem letzten Ziel im Raum. Und die Frage nach dem guten Leben ist in der Struktur menschlicher Existenz angelegt. Das Erkenntnisproblem dabei ist eben, dass wir nicht immer schon wissen, was unser Glück ist bzw. noch mehr, zu unterscheiden wüssten, was dabei in unseren Händen liegt und was nicht. Insgesamt kann gelten: Kein Glück ohne Moral, aber das Glück geht in der Moral nicht auf, sonst geht auch das Glück in der Moral unter. Voraussetzungen zur Versöhnung der Größen kann es innerweltlich nur approximativ und damit im eigentlichen Sinne nicht geben, insgesamt aber ist daher eine berechtigte Hoffnung auf einen „sittlichen Endzustand“ nötig, der zum einen die Moral angemessen würdigt, und sie allererst vollständig zu ihrem Recht kommen lässt und zugleich - ohne einem Lohngedanken zu verfallen - das Glücksverlangen damit versöhnt. Glückseligkeit hat - wie besehen - bei KANT und THOMAS eine stark handlungstheoretische Verankerung, ist internalistisch orientiert, ohne dass dadurch notwendig externalistische Elemente ausgeschlossen wären, und kann als notwendige Voraussetzung bezeichnet werden für die Sinnhaftigkeit sittlichen Handelns überhaupt. Solange der Konflikt zwischen Moral und Glück besteht (KANT), solange Glück und Heil weiter auseinander fallen (GRESHAKE), solange wird der Sinnbegriff bzw. die Hoffnung auf Sinn benötigt als Brückenkategorie zwischen den Größen, als Vermittlung von Glück und Moral, als handlungsrelevante Klammer zwischen Transzendenz und Immanenz. Insofern soll hier Hoffnung verstanden werden als spezifische Form der Antizipation von Sinn, die in hohem Maße handlungswirksam ist, indem sie zwei ansonsten in Diastase oder Antithese oder schlicht im Widerspruch stehende Größen, die je für sich unabdingbar für das Verständnis und eine entsprechende Praxis menschlicher Handlungswirklichkeit sind, positiv aufeinander bezieht, sodass beide je für sich und in einem dialektischen Verhältnis ihre handlungsentfaltenden Potentiale freisetzen können. Wahre christliche Hoffnung ist damit nicht allein „übernatürlich“ (transzendent), genauso wenig wie allein „natürlich“ (immanent), sondern - soll sie 139 Vgl. HERSCHBACH, P., Das „Zufriedenheitsparadox“ in der Lebensqualitätsforschung - Wovon hängt unser Wohlbefinden ab? ; Psychoth Psych Med 52: (2002), 141-150. Ebenso BEL- LEBAUM, A. (Hrsg.), Glücksforschung. Eine Bestandsaufnahme, Konstanz 2002. 140 Vgl. dazu HIMMELMANN, B., Glück (UTB S 3236), Tübingen 2009. 141 Vgl. THEUNISSEN, Die Hoffnung auf Gott und der Gott der Hoffnung, 272. <?page no="549"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 549 Handlungsrelevanz auf ihr eigenes letztes Ziel hin entfalten - beides zugleich, wiewohl natürlich sachlogisch ein Vorzug der gnadenhaften (theologischen) Geistbegabung festzuhalten bleibt. FRIEDO RICKEN geht soweit zu sagen: „Der Begriff der Religion, so möchte ich behaupten, ist vom Begriff des Sinns und nicht von dem des Heils her zu entwickeln. Der Begriff des Sinns schließt den des Heils ein. Ohne Heil kann es keinen Sinn geben. Aber die Verheißung des religiösen Glaubens darf nicht, wie Swinburne es mit dem Bild des Weges und seinem Rationalitätsbegriff akzentuiert, allein in einem transzendenten Heil gesehen werden, das dem Handeln äußerlich bleibt wie der Zweck dem Mittel. Es geht also um ein immanentes Ziel des Handelns. Der religiöse Glaube steht in der Spannung von Immanenz und Transzendenz. Er kann auf einen praktischen Transzendenzbegriff nicht verzichten. Aber er darf das menschliche Handeln nicht in der Weise entleeren und entwerten, dass er es zum bloßen Mittel einer jenseitigen Erfüllung degradiert.“ 142 Sinn ist dabei als Rahmenkategorie und Zusammenhangskategorie zu verstehen, die der Konkretion des Guten und des Glücks dient. Die entscheidende Bewegung ist ein hoffender „Vorgriff eines historisch-faktischen Handelns auf ein Unbedingtes“ 143 . In praktischer Hinsicht ist das höchste Gut, das summum bonum, die Antwort auf die Frage nach dem letzten Ziel menschlichen Handelns 144 , wiewohl eine letzte Nichtbestimmbarkeit des höchsten Gutes festzuhalten ist. ANNEMARIE PIEPER schreibt: „Im Begriff des höchsten Guts vereinigen sich somit die drei großen Themen der Ethik: Glückseligkeit, Freiheit, das Gute. Das höchste Gut ist der Sinnhorizont, innerhalb dessen menschliche Freiheit ihre Erfüllung findet, idem sie zum tätigen Vollzug einer im Ganzen geglückten Lebenspraxis wird.“ 145 Diese drei großen Themen der Ethik vereinen sich auch im Begriff der Hoffnung, was für die enge Verbindung von Sinn und Hoffnung spricht. Die im höchsten Gut zum Ausdruck kommende Erfüllung menschlicher Freiheit geht über das Irdische hinaus und setzt einen Grund voraus, der zu allem Irdischen Stellung nehmen lässt. Das höchste Gut wird hoffend vergegenwärtigt. 146 Das höchste Gut zielt auf das Ganze und die Totalität des Lebens unter moralischen Gesichtspunkten; von dort her wird die Einheit und die Sinnhaftigkeit menschlicher Handlungswirklichkeit quasi gesichert, aber nicht allein als theoretische Absicherung, sondern auch als Attraktivität, die auf das Ganze notwendig zielt. Analog zur Struktur der Hoffnung wird auch das Glück mit Ziel und Grund gedacht werden müssen. „Abgeleitet von ‚gelingen‘ wird Glück als Lebenssteigerung und -erfüllung erfahren und gilt als das, was der Einzelne vom Leben erhofft.“ 147 Das Glück verortet sich zwischen subjektiven und objektiven Strukturen. KANTS Versuch, so etwas wie Glückswürdigkeit auf den Begriff zu bringen, dürfte der Intention geschuldet sein, so etwas wie einen Grund zum Glücklichsein zu benennen und dabei Glück und Moral bereits im Ansatz wieder zu verbinden. Ohne Hoffnung kann es kein ganzheitliches Glück geben. Es existiert schließlich auch ein 142 Vgl. RICKEN, F., Die Rationalität der Religion in der Analytischen Philosophie: Swinburne, Mackie, Wittgenstein, in: Ders., Glauben weil es vernünftig ist, Stuttgart 2007, 39-60, hier 46. 143 Vgl. HÖFFE, O., Praktische Philosophie. Das Modell des Aristoteles, Berlin 1996, 193. 144 Vgl. BATHEN, N., Höchstes Gut (Art.), in: KASPER, W. et al. (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche Bd. 5, Freiburg im Breisgau 2006, 190. 145 Vgl. PIEPER, A., Ethik und Moral. Eine Einführung in die praktische Philosophie, München 1985, 102. 146 Vgl. HEBBLETHWAITE, B., Höchstes Gut (Art.), in: Theologische Realenzyklopädie Bd. XV, hrsg. von GERHARD MÜLLER, Berlin 1986, 435-441. 147 Vgl. LANG, B., Glück (Art.), in: EICHER (Hrsg.), P., Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe Bd. 2, München 2005, 40. <?page no="550"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 550 Glück, das uns nur entgegenzukommen vermag, das nicht einfach angestrebt werden kann und deshalb auch und wesentlich einer spezifischen Hoffnung bedarf, um erfahrbar zu werden. Bzgl. der philosophischen Rehabilitierung einer Lehre vom Glück bzw. des guten Lebens sind zu unterscheiden: „erstens die Frage nach dem systematischen Ort bzw. logischen Status der Kategorie des Guten im Gesamt einer umfassenden Moraltheorie und zweitens das Problem der Begründbarkeit bestimmter inhaltlicher Konzeptionen des Guten“ 148 . Im vorliegenden Kontext geht es insbesondere um die Verortung. Der Wille zum Glück speist sich aus einer Hoffnung, mit der das Gelingen des Daseins verbunden ist - in Verbindung mit dem Guten. Denn: Können wir ein Glück wollen, das nicht zugleich das Gute befördert und das ansonsten an sich selbst degeneriert? Und können wir ein Gutes wollen, das zwar den Primat hat, um seiner selbst willen gesollt und gewollt zu sein, aber ohne wie auch immer geartete Perspektive (der Hoffnung) auf Glück, besser Gelingen, auskommt - gerade im Angesicht der Abgründe, in die die Pflicht zum Guten zu führen vermag? γ Hoffnung und menschliches Dasein. Zwischen Affirmation und Verwandlung Hoffnung erschließt und eröffnet Wirklichkeit 149 - als bereits begonnene Heilszeit, als das möglicherweise Gelingende. Das Jetzt ist (auch) bereits begonnene Zukunft. Hoffnung steht dabei für die Präsenz der Zukunft. Der Mensch ist dafür ansprechbar, auch wenn die Zukunft eben noch nicht voll realisiert ist in der Gegenwart. Damit geht einher, dass im Lichte der Hoffnung und des Hoffnungsgutes die Defizienz der Gegenwart und der Welt als Ganzer allererst sichtbar wird. Die Abgründigkeit wird gerade nicht über die Hoffnung übertüncht, sondern nachgerade freigelegt. Wer Leiden, Not und moralische Pflicht nicht mehr wahrzunehmen bereit ist vor lauter „Zuversicht“, der hofft im eigentlichen Sinne nicht, sondern der schützt sich aus Angst vor dem Blick in das Leiden. Hoffnung dagegen macht sehend und eröffnet einen (befreiten) Impuls zur Veränderung, zur Überwindung, der Situation auf ein je Besseres hin. Wer hofft, braucht sich daher nicht permanent zu schützen und abzuschirmen vor dem Leid, da er u.a. aus der Aussicht auf Gelingen, auf Besserung und Linderung eine grundlegende Affirmation des Daseins erfährt. 150 Hoffnung ermöglicht ein Ja zur Welt und eine Bejahung des Daseins. Mehr noch, sie zielt letztlich auf nichts anders als Leben. „Was auch immer wir erhoffen - es ist Leben, nicht eine Fiktion, nicht ein Überdauern unseres Ruhmes, nicht das In- Stein-gemeißelt-Sein unserer Taten und Errungenschaften, sondern Leben. Es wird deshalb nötig sein zu klären, was menschliches, personales Leben im Kern ausmacht und kennzeichnet, um sagen zu können, was wir tatsächlich erhoffen.“ 151 Die damit einherge- 148 Vgl. BORMANN, F.-J., Theologie und „autonome Moral“. Anmerkungen zum Streit um die Universalität und Partikularität moralischer Aussagen in theologischer und philosophischer Ethik, in Theologie und Philosophie 77 (2002), 481-505, hier 497. 149 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 11ff. 150 Unter den Bedingungen des Todes geht das nicht, da alle immanente Hoffnung, zu der sich der Mensch aufschwingen könnte, immer schon rückwärts entwertet wird durch die nichtende Faktizität des Todes. Vgl. BRUNNER, E., Das Ewige als Zukunft und Gegenwart, München / Hamburg 1965, 107. „Gibt es keine Hoffnung über den Tod hinaus, dann sollen wir das Wort Hoffnung nur noch in Anführungszeichen gebrauchen, wissend, dass es nicht eigentlich Hoffnung ist.“ 151 Vgl. SCHÄRTL, Eschatologie und christliche Hoffnungsgewissheit, 153. <?page no="551"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 551 hende Gewissheit ist keine wissende Gewissheit, sondern eine hoffende, als solche aber zur Aufrechterhaltung menschlicher Identität und Freiheit unverzichtbar - eine Angewiesenheit, die nachwievor im Rahmen moralphilosophischer und moraltheologischer Theoriebildung nur rudimentär herausgearbeitet wurde. 152 Somit steht Hoffnung gegen eine Verachtung der Welt zugunsten der himmlischen Güter. Stattdessen kennt sie eine Hoffnungsspannung, die würdigt und relativiert zugleich - eben mit Blick auf das Hoffnungsgut. Darüber hinaus kann als noch grundlegender gelten: Unter den Bedingungen bedrohter Existenz wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch moralisch tut, was er tun könnte und tun sollte, deutlich geringer sein, als unter Bedingungen eines grundlegend bejahten Lebens. Wer um die Kontingenz seines Daseins weiß und sich dadurch fundamental infrage gestellt sieht, der sucht zunächst Hoffnung für die eigene bedrohte Existenz. Der Mensch muss in gewisser Weise groß von sich denken und große Hoffnungen bzgl. der eigenen Existenz hegen dürfen, um dem Anspruch der Moral überhaupt gerecht werden zu können. In einem Abgrund an Existenz-Angst kann das Gute nicht gelebt werden. Erst wenn diese Angst beantwortet ist, ohne dass dadurch das Leben unbedroht wäre, ist der Mensch wirklich frei zum Guten. Erst über die Brücke der Hoffnung wird etwa eine Daseinsaffirmation möglich, durch Vorwegnahme unbedingter Annahme, Leben über den Tod hinaus, Versöhnung - trotz Kontingenz, Schuldhaftigkeit, Absurdität und Brüchigkeit des Lebens. Unbedingte Anerkennungsverhältnisse können aber nur ein Moment der Hoffnung sein, wenn sie von endlicher Freiheit vollzogen werden sollen bzw. Freiheit selbst darauf angelegt ist. Freiheit und Hoffnung (Antizipation) gehen daher ein notwendiges Verhältnis ein. Der Hoffnungsgrund gibt der Freiheit ihre Motivation. Hoffnung als Grundgestimmtheit des Lebens drückt „Willen zum Leben“ 153 aus, der schließlich auf der ihr eigenen Basis von Freiheit und Offenheit zu basaler Selbstbejahung zu führen vermag. Wer sein Dasein bejahen und annehmen 154 kann - trotz möglicher Gefahren, Kontingenzen, nicht realisierter Möglichkeiten, Scheitern, etc., der kann unbedroht bzw. sogar in der Bedrohung das Gute tun. Hoffnung ermöglicht eine basale Daseinsaffirmation. Im Hintergrund jeder humanen Hoffnung ist eine grundlegende Bejahung des Lebens zu beobachten. 155 Diese Einsicht lässt sich etwa anhand der inneren Struktur der Menschenrechte bestätigen. Es können demnach die auf der Menschenwürde basierenden Menschenrechte als Versuch interpretiert werden, basale Anerkennungsverhältnisse zwischen Menschen zu sichern und zu garantieren bzw. diese, wo sie vermisst werden, als notwendige Bedingungen humaner Existenz und zum Gegenstand sittlichen Handelns gemacht werden. Beide Ebenen laufen partiell zusammen, da Menschenrechte Gegenstand des moralisch Guten sind und zugleich Annerkennungsverhältnisse präjudizieren, die antizipiert werden können, hohe Attraktivität entfalten und als grundlegend moralische Hoffnung Handeln zutiefst leiten und energetisieren können. Im Gedanken der Menschenwürde wird eine universale Anerkennung aller Menschen antizipiert. RAHNER bietet eine Begründung für diese Einsicht: So ist „im Christentum durch die absolute Zukunft jedes 152 Vgl. ebd. 157. „Hoffnungsgewissheit meint daher eine Form des Imaginierens und Antizipierens von Zukunft, die ich nicht aufgeben kann, wenn ich mir selbst nicht untreu werden will.“ 153 Vgl. SAUTER, Begründete Hoffnung, 85. 154 Vgl. GUARDINI, R., Gläubiges Dasein - die Annahme seiner selbst, Würzburg 3 1993. 155 Vgl. ERNST, S. / BRANDECKER, T., Ist Ethik allein durch subjektive Interessen zu begründen? Ein Gespräch mit Norbert Hoerster aus theologisch-ethischer Sicht, in: Münchener Theologische Zeitschrift 59 (2008), 137-157. <?page no="552"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 552 Menschen allein die Begründung des absoluten Wertes jedes Menschen gegeben“ 156 . Wir brauchen die Begrifflichkeiten des höchsten Guts, der Glückseligkeit, etc. im Sinne einer begrifflichen Notwendigkeit, um menschliche Handlungswirklichkeit und Moralität nicht als sinnlos entlarven zu müssen, die Begriffe selbst sind indes aber unterbestimmt, übersteigen den Horizont der Einsichtsfähigkeit endlicher menschlicher Vernunft. Hoffnung kann strukturell als Erhaltungs- und Steigerungsform des Lebens bezeichnet werden, die inhaltlich konkretisiert zu werden hat. GERD HAEFFNER beschreibt sowohl den Spannungsbogen als auch die Einheit einer integrativen Hoffnungskonzeption so, wie sie der vorliegenden Studie vorschwebt, sodass daraus wichtige disziplinäre Konsequenzen für das Fach der Theologischen Ethik zu ziehen sind in Richtung einer Theologischen Spannungslehre. 157 „Jede Bejahung also, sei es die des Himmels oder sei es die der Erde, die auf der Negation der jeweils anderen Wirklichkeit basiert, zerstört unweigerlich auch sich selbst. Diese Erfahrung könnte uns lehren, dass es in Wahrheit nur ein einziges, rein positives Ja gibt, das beide Seiten umfängt. Deshalb ist die naive, natürliche Bejahung der Erde innerlich, ihr selbst unbewusst, offen auf den Gott des ewigen Lebens; und wenn dieser als solcher hervortritt, dann gibt es nur entweder das ungeteilte Ja zum irdisch-sterblichen und unsterblichenhimmlischen Leben oder das Nein zu jenem Gott, der über eine nur innerweltliche Zukunft hinausruft, das - gewollt oder nicht - auch ein Nein dieser einschließt. Denn die Wirklichkeit ist eine. Der Brennpunkt ihrer Einheit, „in dem“ und „auf den hin“ (Kol 1, 16.20) alles geschaffen ist, ist Christus: denn in ihm ist die Menschheit, in voller irdischer Selbstständigkeit bleibend und befestigt, untrennbar mit Gott selbst verbunden. Er ist so Gericht über jene, die sich dem göttlichen Anruf gegenüber ins bloß Irdische verschanzen wollen oder von sich aus versuchen, das Göttliche an sich zu reißen, statt es sich im Sterben geben zu lassen; für alle anderen aber Hoffnung.“ 158 δ Das Scheitern des Menschen, die Verführbarkeit menschlichen Hoffnungspotentials zum Bösen und die Verantwortbarkeit von Hoffnungen Das Verhältnis der Hoffnung zum Bösen setzt das Verhältnis zur Freiheit immer schon voraus. „Die Freiheit zu bejahen ist soviel wie den Ursprung des Bösen auf sich nehmen.“ 159 Hier wird von PAUL RICOEUR nicht nur auf die Zurechenbarkeit des Bösen aus einem Freiheitsursprung rekurriert, mithin eine ethische Bestimmung des Bösen vorgenommen, sondern zugleich eine religiöse Bestimmung anvisiert - da nämlich, wo Hoffnung ins Spiel kommt. Eine solche „Freiheit im Licht der Hoffnung“ will er völlig zu Recht als eine erkennen, „die sich dennoch setzt, trotz des Todes, und sich, allen Zeichen des Todes zum Trotz, als Widerruf dieses Todes verstehen will“ 160 . Gegen RICOEUR soll hier allerdings nicht die ethische von der religiösen Hoffnungsstruktur der Freiheit im Allgemeinen abgegrenzt werden, Ethik erschöpft sich schließlich auch nicht in der Reflexion auf „Gesetzesübertretung“, denn alles Handeln aus Freiheit hat eine futurische Hoff- 156 Vgl. RAHNER, K., Christentum als Religion der absoluten Zukunft, in: Ders., Sämtliche Werke Bd. 12, Freiburg im Breisgau 2005, 409-418, hier 414. 157 Vgl. Kapitel VIII 2 in dieser Arbeit. 158 Vgl. HAEFFNER, G., Jenseits des Todes. Überlegungen zur Struktur der christlichen Hoffnung, in: Stimmen der Zeit 193 / 1975, 783. 159 Vgl. RICOEUR, P., Schuld, Ethik, Religion, in: Ders., Hermeneutik und Psychoanalyse. Der Konflikt der Interpretationen Bd. II, München1974, 273. 160 Vgl. RICOEUR, Schuld, Ethik, Religion, 280. <?page no="553"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 553 nungsstruktur. Demgegenüber zeigt sich der Unterschied vielmehr im Verbürgtsein explizit gemachter Hoffnungen aufseiten der Religion, was in der Ethik allein als verpflichtete Grundorientierung und Horizont erscheint. Jede Orientierung des Menschen in seinem Handeln auf ein mindestens subjektives Gut hin geht mit Hoffnung einher. Hinter jeder handlungswirksamen Hoffnung steht ein mindestens subjektives Gut. Aber wir können auch eine irrationale und schlechte Option wollen. Die mit dieser Bestimmung einhergehende Philosophie des Willens hebt spätestens seit KANT an, mit Folgelasten bis hin zu SCHOPENHAUER und NIETZSCHE, die mir vonseiten der Moraltheologie noch nicht adäquat beantwortet scheinen, aber für das Verständnis des Verhältnisses von Hoffnung zum Bösen unabdingbar scheinen. Schließlich ist die Vorstellung, die sowohl im Vollzug von Hoffnung, wie im Freiheitsvollzug aufscheint und die „Absicht aufs Ganze als Triebkraft des Willens“ 161 zu bestimmen sucht, noch nicht als eigentliches Problem des Bösen auszumachen, so als ob die Totalisierung des (moralischen) Willens der Wurzelgrund des Bösen wäre, denn Moral selbst zielt auf ein Unbedingtes, wenn sie sich ernst nimmt, und damit irgendwann auch auf ein Ganzes, eine moralische Letztgröße. Wäre dem wirklich so, dann müsste die Aufhebung des Bösen - wohlgemerkt aus moralischen Gründen - zur Aufhebung der Moral selbst führen und der äußerste Bestimmungsgrund der Moral wäre zugleich der Wurzelgrund des Bösen. Dieser ist vielmehr darin zu suchen, ein Ganzes der Moral, Gerechtigkeit, Sinn, Glück, das Gute, auf totalitäre Weise herstellen zu wollen - unter Preisgabe der Freiheit und ihrer Hoffnungsstruktur, und ist darin zu suchen, die inkommensurable Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit vorschnell „synthetisieren“ zu wollen, statt sie bleibend offen zu halten - zugunsten des bleibend Unabgegoltenen. Das Böse in dieser hoffnungstheoretischen Lesart, sogar „das Böse des Bösen, zeigt sich in den falschen Synthesen, d.h. in der heutigen Verfälschung der großen Totalisierungsbestrebungen […]. Hier kommt das wahre Gesicht des Bösen zum Vorschein; das Böse des Bösen besteht in der Lüge der verfrühten Synthesen, in der Lüge der gewaltsamen Versuche der Totalisierung. Doch diese Vertiefung der Problematik des Bösen bedeutet einen weiteren Gewinn der Hoffnung: Weil der Mensch die Absicht auf das Ganze, das Verlangen nach vollkommener Erfüllung ist, stürzt er sich in totalitäre Vorstellungen und Institutionen, welche schlechthin die Pathologie der Hoffnung konstituieren“ 162 , man müsste hinzufügen, indem er die der Hoffnung eigenen Spannungen (vorschnell und mitunter eigenmächtig totalitär) aufzulösen sucht, statt sie dialektisch offenzuhalten. Wie aber können wir verantwortet „antitotalitär aufs Ganze gehen“? Wie kann das gelingen ohne einen Hoffnungsgrund, der den Verheißungen des Bösen die Verheißung des Reiches Gottes entgegenstellt? Wer lässt uns diese Freiheit und die moralischen Konsequenzen tragen (memoria passionis)? Wie könnten wir schließlich zuversichtlich das Gute tun ohne berechtigte und begründete Hoffnung für den „Trümmerhaufen der Geschichte“ (WAL- TER BENJAMIN)? Diese Hoffnungsstruktur offen zu halten hieße dann, sowohl an der Vorläufigkeit aller Orientierung am Guten festzuhalten, als auch an den Visionen des großen Ganzen. Das setzt voraus eine Befreiung der Freiheit - eine Hoffnung auf Befrei- 161 Vgl. ebd. 282. 162 Vgl. ebd. 282. RICOEUR schreibt weiter: „Die Dämonen treiben, wie das antike Sprichwort sagt, ihr Unwesen nur im Vorhof der Götter. Gleichzeitig aber spüren wir auch, dass das Böse selbst Anteil hat an der Ökonomie der Überfülle. In Abwandlung der Worte des Paulus wage ich zu sagen: Wo das Böse ‚mächtig‘ geworden ist, zeigt sich die Hoffnung im ‚Übermaß‘. Man muss also den Mut haben, das Böse in das Epos der Hoffnung einzugliedern.“ <?page no="554"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 554 ung, Hoffnung, dass die moralische Intention der Freiheit nicht umsonst und nicht vergeblich ist, dass es Sinn machen könnte und Glück und Gerechtigkeit stiftet. Der Hoffnung stehen auf Seiten des Einzelnen und quasi im Vorfeld des Bösen entgegen Verzweiflung und Vermessenheit. Und beiden eignet dasselbe Strukturmoment wie der obigen Bestimmung des Bösen insgesamt: eine vorschnelle Auflösung der Hoffnungsspannung zugunsten eines vermeintlichen Wissens um definitive Erfüllung oder Nichterfüllung. Schließlich: „Jede Verzweiflung setzt Hoffnung voraus. Ihr Schmerz liegt darin, dass Hoffnung wohl da ist, aber kein Weg zur Erfüllung zu sehen ist. Wo eine Lebenshoffnung in jeder Hinsicht enttäuscht wird, wendet sie sich gegen den Hoffenden und zerfrisst ihn. „Ich habe überall Arbeit gesucht und wurde von allen abgewiesen. Dann kam der Punkt, da wurde mir alles egal“, erklärte ein junger Einbrecher in Berlin. Wenn keine Aussicht mehr auf ein sinnvolles Leben da ist, greift man zur sinnlosen Gewalt: „Macht kaputt, was Euch kaputt macht.“ Wo die Hoffnung auf Leben stirbt, beginnt das Töten.“ 163 De-spe-ratio ist als Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit das Gegenteil von Hoffnung und mit KIERKEGAARD der Wurzelgrund der Sünde, genauer in traditioneller Nomenklatur die „Seinsverfassung des verlorenen Menschen“ 164 . Nicht umsonst steht bei DANTE in der „Göttlichen Komödie“ als Motto über dem Eingang der Hölle, dem Inferno: „Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren! “ Eine Phänomenologie der Hoffnung legt auch diese Schattenseite der Freiheit frei, zeigt offen Desintegration, Unheil, Nichtigkeit, Verzweiflung und Angst im Gegenlicht der eigenen Aussichtigkeit. 165 Neben der kritischen ethischen Kontrolle eignet ihr daher eine moralisch gesehen äußerst wichtige diagnostische Funktion. Der Mensch kann eben immer schon beides: eine Vorwegnahme des Todes und eine Vorwegnahme der Auferstehung. Dennoch kann Hoffnung zutiefst verführt (vgl. Sündenfall) und getäuscht werden und zu einem grandiosen Verblendungszusammenhang führen (vgl. Nationalsozialismus), weswegen das Gewissen 166 als letzte kritische Kontrolle gefragt ist, das Hoffnung auf das darin avisierte Gut hin befragt und sich trügerischen Hoffnungen verweigert. Es gibt auch einen demagogischen Hoffnungsgebrauch und eine Hoffnungskultur der falschen und unbegründeten Hoffnungen. 167 Auch Hoffnungslosigkeit kann thema- 163 Vgl. MOLTMANN, J., Der Gott der Hoffnung, in: Ders. / RIVUZUMWAMI, C. / SCHLAG, T. (Hrsg.), Hoffnung auf Gott - Zukunft des Lebens. 40 Jahre „Theologie der Hoffnung“, Gütersloh 2005, 11-16, hier 15-16. 164 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 21. 165 Vgl. STOECKLE, Unter dem Anspruch der Hoffnung, 12. „Hoffnung präzisiert und intensiviert die Erfahrung dieser negativen Befindlichkeit.“ 166 Vgl. DEMMER, K., Erfahrung der Sünde in der Hoffnung, in: Theologie und Glaube 57 (1967), 241-262. 167 Vgl. als literarisches Beispiel SCHLEIDER, T., Was die Welt zusammenhält - unsere Werte (1): die Hoffnung, in: Stuttgarter Zeitung vom 27.12.2006 mit Bezug auf BECKER, J., Jakob der Lügner, Berlin 1969. „Dieser Jakob ist, so muss man es wohl ausdrücken, ein offenbar sehr schlecht erzogener Mensch. Wer von den Eltern hat da bloß versagt? Eine Zeit lang hat er sich mit einem kleinen Café über Wasser gehalten, hat Eis oder Kartoffelpuffer verkauft, dabei gern einmal mit den Zutaten gespart. Hat ja keiner gemerkt, meint er achselzuckend. Nun behauptet er, wichtige Geräte zu besitzen, wahre Kostbarkeiten, von denen er eigentlich noch nicht mal träumen dürfte. Er erzählt seinen Mitmenschen Geschichten, die von A bis Z erlogen sind. Er führt sie an der Nase herum, setzt ihnen Flausen in den Kopf. Er hält sie davon ab, vernünftige Entscheidungen für ihr Leben zu treffen. Offenbar hat ihm niemand den Unterschied zwischen Gut und Böse beigebracht. Er ist ein elender Lügner, durch und durch. Jakob der Lügner. Was <?page no="555"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 555 tisch und unthematisch-bilderlos sein. Mitunter werden völlig unrealistische Hoffnungen dennoch beibehalten 168 - nicht allein wegen des Inhalts, sondern wegen der Aussicht selbst. Hoffnung zielt auf die gute bzw. die je bessere Möglichkeit des Menschen - trotz und in aller Erfahrung. Es gibt aber auch die schlechte Möglichkeit, die Möglichkeit zum Bösen, die durch trügerische Verführungen, aber nicht ohne Freiheit erklärt werden kann und auf diese Weise zum Verständnis des Bösen beizutragen vermag. Die Verführbarkeit des Menschen, auch seine moralische Korrumpierbarkeit, seine prinzipielle Offenheit für persuasive Botschaften hängt zentral an seiner Erwartungsstruktur. Das Bedürfnis nach Verheißung und Erwartung steht auch für den Wunsch nach Nicht- Festgelegtheit der eigenen Person und des eigenen Lebens: Ich kann (auch) anders werden. Diese Erfahrung, diese Vergangenheit haben nicht das letzte Wort über mich. Nicht selten hat Hoffnung die Form des Symbols. Sobald Hoffnung konkret wird, handlungspraktisch verstanden werden will, dann betreten wir die Ebene des Subjekts und damit die der (pluralen) subjektiven Hoffnung. Diese subjektiven Hoffnungen brauchen nun ein objektives Korrelat, wollen sie sich vernünftig von Wünschen, Illusionen, etc. abgrenzen lassen und dabei human bleiben. Der Ausweis eines objektiven Korrelats, insbesonfür eine Geschichte. Eine der wichtigsten Geschichten der deutschen Nachkriegsliteratur, erdacht und geschrieben 1969 von Jurek Becker. Dieser Jakob lebt nicht irgendwo, sondern im Warschauer Judengetto zur Weltkriegszeit. Und dieser Jakob erlügt nicht irgendwas, sondern die Hoffnung. Er behauptet gegenüber seinen Mitgefangenen, trotz strengsten Verbotes noch immer ein kleines Radio zu besitzen und damit heimlich die Nachrichten zu hören. Jeden Tag berichtet er von den Siegen der Alliierten, berichtet vom angeblichen Vorrücken der Roten Armee gen Warschau, Kilometer für Kilometer. Begierig vernehmen Jakobs Freunde und Nachbarn die Kunde. Wo eben noch der schwärzeste Abgrund gähnte, die nackte Angst, glimmt nun wieder ein Licht, keimt neue, zarte Hoffnung. Vielleicht reicht es ja. Jakob weiß, wozu das führt, wenn Menschen keine Hoffnung mehr haben. Ihr Denken wird dann kurzfristig. Sein Kumpel Mischa zum Beispiel. Den quält der Hunger derart machtvoll, dass er beschließt, bei den Deutschen Kartoffeln zu klauen. Dabei wird man ihn sehr wahrscheinlich erschießen. Mischa ist der Erste, dem Jakob die erlogenen Radionachrichten erzählt. Daraufhin schlägt sich Mischa alle Gedanken an die Kartoffeln aus dem Kopf. Anders verläuft die Geschichte bei Kowalski. Diesem Freund vertraut sich Jakob in einer schwachen Minute an, als ihn die ewige Lügerei mehr und mehr plagt. Kowalski verzieht keine Miene, als ihm Jakob beichtet, gar kein Radio zu besitzen. Aber in der Nacht darauf, da erhängt er sich. Jakob ist ein Lügner. Aber er verteidigt sich später, auch gegen die Kritiker aus den eigenen Reihen: "Wenn ich versuche, die allerletzte Möglichkeit zu nutzen, die sie davon abhält, sich gleich hinzulegen und zu krepieren, mit Worten, verstehen Sie, mit Worten versuche ich das! Weil ich nämlich nichts anderes habe." Sicher, Jakob spricht da in einer überaus extremen Situation. In einer Lage auf Leben und Tod, die uns Nachgeborenen zu unserem Glück erspart bleibt. Und doch sind seine Sätze so wahr, dass sie ganz allgemein und zeitlos gelten: Einen Menschen ohne Hoffnung hält eigentlich nichts davon ab, sich jetzt gleich, im nächsten Augenblick hinzulegen und zu krepieren.“ Auf diesem Hintergrund kann es als lohnenswertes Desiderat der Hoffnungsforschung gelten, mit literaturwissenschaftlichen Methoden freizulegen, mit welchen literarischen Mitteln Poesie und Prosa Hoffnung auszudrücken vermag. Vgl. etwa FRÜHWALD, W., Die Hoffnung auf das Wort - Angst, Verzweiflung und Erwartung in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, in EIFLER, G. / SAAME, O. / SCHNEIDER, P. (Hrsg.), Angst und Hoffnung. Grundperspektiven der Weltauslegung, Mainz 1983, 139-154. Systematisch scheint hier ein Doppeltes auf, sowohl der ungeheure Willen zum Widerstand und zum Überleben und zugleich die verheerende Wirkung enttäuschter Hoffnung, die als nicht verbürgte entlarvt wird. 168 Vgl. EBELING, H., Die ideale Sinndimension. Kants Faktum der Vernunft und die Basis- Fiktionen des Handelns, Freiburg im Breisgau / München, 1982. <?page no="556"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 556 dere als moralisch zu qualifizierendes Letztziel des Handelns stellt den essentialistischen Kern einer Ethik der Hoffnung dar, da es zugleich objektiv-universales Hoffnungsgut und Letztziel menschliches Wollens, Strebens, Tuns und Entscheidens darstellt, das nicht allein konstruktivistisch, relativistisch, partikularistisch, utilitaristisch oder idealistisch theoretisch gefasst werden kann. Auch darf Hoffnung nicht verwechselt werden mit Fehlformen ihrer selbst: Selbststilisierung, Selbstidealisierung, Selbstüberhöhung, Selbstüberschätzung ist nicht Hoffnung, sondern verhindert Hoffnung, da der positive Bezug zur eigenen Realität fehlt, weil sie gerade nicht akzeptiert, sondern losgeworden sein will. Die eigene Realität kann dabei gerade nicht akzeptiert und ausgehalten werden, darum wird sie ja idealisiert und ist damit Ausweis einer basalen Hoffnungslosigkeit gegenüber dem eigenen Selbst. Auch das Böse vermag sich in einem Verlangen nach Unbedingtheit und Totalität zu zeigen, das analog der Hoffnung zu eigen ist: Damit „ist der Zusammenhang zwischen dem Bösen und der Hoffnung viel enger, als man je denken würde; wenn das Böse des Bösen zusammen mit dem Streben nach Totalität entsteht, so wird es nur innerhalb der Pathologie der Hoffnung sichtbar, und zwar als die Perversion, die der Problematik der Vollendung und der Totalität inhärent ist.“ 169 Der Verantwortungsbegriff selber muss daher mit utopischem Potential, mit Hoffnungspotential ausgezeichnet gedacht werden, weil sonst nicht verständlich gemacht werden könnte, woraufhin ich eigentlich was und warum verantworten soll und woher sich letztlich meine humane Gestaltungsmotivation speist. D.h. der Verantwortung ist selber eine Spannung inhärent, die eigentlich einen Vorgriff, einen Zukunftsbezug ausfindig macht, der hoffnungsbasiert ist, sonst würde ich solipsistisch über die Gegenwart nicht hinauslangen können bzw. könnte keine offene Zukunft vor mir haben, die in Freiheit verantwortet werden könnte und müsste, und wenn ich es tue, dann stehe ich bereits in besagter Hoffnungsspannung. Insgesamt wird dem Scheitern des Menschen theologisch-ethisch das Hoffnungsbild der erlösten Freiheit an die Seite gestellt. ε Zusammenfassung Sittlich qualifizierte Hoffnung ist letztlich postulatorische Hoffnung, was ihren epistemischen Status anbelangt, die über immanente Zwecksetzungen potentiell hinausführt. Hoffnung vergegenwärtigt die Sinnintention der Moral. In der Hoffnung scheint die Sinnintention des Guten insgesamt auf, mit anderen Worten, Hoffnung transportiert die Sinnintention des Guten. Daneben kann Hoffnung als Vehikel bezeichnet werden; über die Hoffnung werden bestimmte Valenzen transportiert, die der Mensch in seinem Möglichkeitsraum zu vergegenwärtigen sucht. Der Möglichkeitsraum ist Handlungsraum und zugleich deutlich mehr als Handlungsraum. Hoffnung steht damit über einer reinen Zweckbestimmung, einer reinen Zweckrationalität, wobei sie auch diese mitbestimmt als eine Form der Metamotivation, der transzendentalen Motivation, indem die Sinnintention auch in der Zweckrationalität potentiell aufscheint. Die eigentliche Stoßrichtung der Hoffnung ist die Sinnintention des Guten. Hoffnung ist moralische Motivation. 169 Vgl. RICOEUR, P., Freiheit im Licht der Hoffnung, in: Ders., Hermeneutik und Strukturalismus. Der Konflikt der Interpretationen Bd. I, München 1973, 199-226, hier 224-225. Es wäre lohnend, die Genesis-Erzählung vom Sündenfall einmal von diesem Horizont her systematisch zu interpretieren. <?page no="557"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 557 c) Grenzdialektik der Hoffnung und die Finalität des Handelns Der Mensch kann als Wesen der Grenze bezeichnet werden, als horizonthaftes Wesen, das in dialektischer Weise eine Fülle von ontologischen Polaritäten in sich selbst balancieren muss. Hoffnung braucht einen Abschlussgedanken und eine buchstäblich grundlegende Begründung, sonst droht sie sich selbst und ihre eigenen Voraussetzungen und Aufgaben zu verlieren. Trotz der Mannigfaltigkeit ihrer Bezüge kann eine entelechiale Struktur in der Hoffnung ausgemacht werden; keine starre Teleologie, eine analogia entis statt einem Stockwerkdenken. Die Finalisierung auf ein summum bonum, ein finis ultimus, eine Apokatastasis, eine letzte Vollendung, eine Versöhnung von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, dient als notwendiger quasi horizontaler Abschlussgedanke, die Versuche einer Letztbegründung dienen als notwendiger quasi vertikaler Begründungsabschluss, wobei beide Figuren letztlich ineinander übergehen. „Nach Thomas wirkt in jedem Begehren jedweder Sache die Kraft einer auf den finis ultimus simpliciter gerichteten Intention.“ 170 Soll die erwähnte ubiquitäre Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit ausgewiesen werden können, setzt das voraus, dass für ihr Verständnis eine Teleologie und eine Finalisierung notwendig sind - nicht allein ein Intentionalismus. Denn Hoffnung hat ein telos vor Augen, auch wenn dieses zunächst formal unterbestimmt ist. Hoffnung kennt Ziel und Grund. So sprechen gute und überzeugende Gründe dafür, neben einer Zweck- und Zielorientierung eine Finalisierung als notwendige Voraussetzung zum Verständnis menschlicher Handlungswirklichkeit 171 zu begreifen, was nicht allein eine Rückfrage an antike Konzeptionen der Strebensethik 172 fruchtbar erscheinen lässt, sondern auch das kategoriale Tor weit öffnet für eine präzise Verankerung des Hoffnungsvollzugs im Handlungsaufbau des Menschen. Hoffnung als Handlungsprinzip zu begreifen und wirksam werden zu lassen, lehrt, das (vorläufig und vermeintlich) Unbedingte im Vorläufigen zu finden und dieses dennoch immer wieder zu transzendieren und zu relativieren, denn auch dieses Gute ist immer noch erlösungsbedürftig. Alles andere würde zu einer Vergötzung und Verabsolutierung des real Vorläufigen führen, worauf die Politische Theologie mit Recht hingewiesen hat. Dennoch ist das Unbedingte Gegenstand der Hoffnung. Der instrumentelle Wert vieler Dinge stellt nur Zwischenziele dar. Dagegen: „Wir brauchen Endzwecke, die nicht nur instrumentellen Wert besitzen. Meiner Meinung nach werden Endzwecke von der Liebe bereitgestellt und legitimiert.“ 173 Soll ein sittlicher Endzustand gedacht werden, was letztlich nur konsequent und notwendig ist, auch zur Begründung von Hoffnung, dann führt das dazu, dass die entsprechenden Kategorien und Begriffe ineinander übergehen bzw. konvergieren und vermittelt 170 Vgl. BRACHTENDORF, J., Die Finalität der Handlung nach F. SUAREZ. Eine spätscholastische Kritik an Thomas von Aquins Lehre vom Letztziel des Menschen, in: Theologie und Philosophie 76 (2001), 530-550, hier 543.. 171 Vgl. sehr gründlich HORN, C., Ziele und Zwecke: Sind teleologische Begriffe unverzichtbar für die Beschreibung unserer Handlungen? , in: Internationale Zeitschrift für Philosophie 17 / 1 (2008), 101-122. 172 Eine theoretische Versöhnung mit eher am Willen orientierten Ethikkonzepten, denen an der Unbedingtheit des Anspruchs des Sittengesetzes gelegen ist, steht dabei noch auch, wie wohl Anfänge gemacht sind. Vgl. HÖFFE, O., Ausblick. Aristoteles oder Kant - wider eine plane Alternative, in: ARISTOTELES, Nikomachische Ethik, hrsg. v. HÖFFE, O., Berlin 2 2006, 277-304. 173 Vgl. FRANKFURT, H., Sich selbst ernst nehmen, Frankfurt am Mai 2007, 42. <?page no="558"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 558 werden miteinander. Dann gibt es eine Konvergenz von Glück und Moral, dann ist das Sein auch das Gute. α Möglichkeit und Notwendigkeit von Letztbegründung? Unter der Voraussetzung, dass Hoffnung als Form der Antizipation von Sinn begriffen wird, führt die Frage nach dem Grund von Hoffnung schlussendlich zu der Frage der Letztbegründung, d.h. zu der Frage nach der Bedingung der Möglichkeit letztgültigen Sinns, auf den Hoffnung damit zielt. Hoffnung mit Letztbegründungsfragen zu konfrontieren heißt, Hoffnung auf letztgültigen Sinn zu befragen, ohne deren Denkmöglichkeit alle Hoffnung ins Leere liefe, in Ermangelung eines absoluten Gegenübers entweder nur betäuben würde oder verabschiedet werden müsste, da sie der Welt und dem Tod nicht standhalten könnte - und das Projekt Mensch stünde in der Gefahr, mit Defätismus und Autoaggression zu reagieren (vgl. SARTRE). Die Denkmöglichkeit letztgültigen (absoluten) Sinns kann als Bedingung der Möglichkeit einer Offenbarung letztgültigen Sinns begriffen werden und ineins damit der Ermöglichung von Hoffnung auf letztgültigen Sinn. 174 Diese Bedingung der Möglichkeit letztgültigen Sinns, d.h. der Versuch transzendentaler Letztbegründung von Sinn zielt auf die notwendige Voraussetzung absoluter Hoffnung, wie sie vom Christentum eröffnet wurde und im Wesen der Hoffnung strukturell selbst angelegt ist. Hoffnung selbst stellt so etwas wie eine Letztbegründung unter endlichen Bedingungen dar. β Apokatastasis und Gerechtigkeit „Die Apokatastasis gehört zu den sensibelsten Ideen der Geschichte des menschlichen Geistes überhaupt.“ 175 Und es ist die Geschichte der Frage nach der berechtigten Reichweite menschlicher Hoffnung. Die Vorstellung einer Apokatastasis kann dabei als konsequentes Ergebnis christlicher Hoffnungsreflexion gelesen werden. Denn: „Wer mit der Möglichkeit auch nur eines auf ewig Verlorenen außer seiner selbst rechnet, der kann nicht vorbehaltlos lieben. [...] Mir scheint, schon der leiseste Hintergedanke an eine endgültige Hölle für andere verführt in Augenblicken, wo das menschliche Miteinander besonders schwierig wird, dazu, den anderen sich selbst zu überlassen.“ Hier gibt sich eine radikale Hoffnung zu erkennen: „Den Entscheid für eine Geduld, die grundsätzlich niemals aufgibt, sondern unendlich lange auf den anderen zu warten bereit ist.“ 176 Zwar muss die Möglichkeit eines endgültigen Neins Gott gegenüber aufgrund der Freiheitsverfasstheit des Menschen gedacht werden können, aber dem steht die Verheißung gegenüber, dass die ganze Welt (Geschichte) in Gott eingehen werde. Demnach kann und darf es keine unbestimmte Hoffnung auf Allversöhnung, sondern eine vom Glauben her bestimmte, spezifische Hoffnung, die den äußersten Horizont ihrer selbst im Angesicht des Gottes Jesus von Nazareth zu erreichen versucht. Die Bestimmung und Bestimmbarkeit christlicher Hoffnung auf Apokatastasis ist wesentlich und zentral eine moralische, 174 Vgl. SCHERER, G., Erste Philosophie und Sinnbegriff, in: LARCHER, G. / MÜLLER, K. / PRÖPPER, T. (Hrsg.), Hoffnung, die Gründe nennt. Zu Hansjürgen Verweyens Projekt einer erstphilosophischen Glaubensverantwortung, Regensburg 1996, 63-75. 175 Vgl. STRIET, M., Streitfall Apokatastasis. Dogmatische Anmerkungen mit einem ökumenischen Seitenblick, in: ThQ 184, 3 (2004), 185-201, hier 185. 176 Vgl. VERWEYEN, H., Christologische Brennpunkte, Essen 1977, 117-133. <?page no="559"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 559 oder sie ist nicht. Es muss um Versöhnung 177 , Gerechtigkeit und Befreiung gehen, um das Äußerste, was ein moralischer Gott dem Menschen zu eröffnen vermag, soll er nicht vom Menschen selbst moralisch überholt werden (BLOCH). Denn „in jedem Fall [...] kann eine Hoffnung, die keine inhaltliche Bestimmtheit in sich trägt, auch keine humane Relevanz entfalten“ 178 . Daher kann es keine Apokatastasis ohne Gericht und Theodizee geben, denn sonst wäre der Mensch in seinen kontingenten Verhältnissen nicht Ernst genommen und der ethische Ernst der unbedingten moralischen Verpflichtung wäre nivelliert. Das Gericht bleibt aufgrund der Freiheit offen, was dem theologischen Sprachstatus der Apokatastasis als Hoffnung entspricht. Auch bleibt Apokatastasis Hoffnung, sie kann und darf nie Wissen werden: „Würde die Idee der Allversöhung den Status einer Lehre erhalten und so die Funktion einer proleptischen Exculpation einnehmen, so wäre sie in der Tat abzulehnen. Sicher aus theologischen Gründen, da die antignostische Diesseitsorientierung des jüdisch-christlichen Glaubens jeder Entflüchtigungstendenz aus der moralischpraktischen Verantwortung entgegensteht. Aber auch aus philosophischen Gründen, da sie den Menschen aus der Unbedingtheit der im Gewissensruf ergehenden Sollensaufforderung entlassen würde.“ Müssten wir auch nur einen Menschen als verloren glauben, dann hätten wir schon allein deswegen die moralische Pflicht, für ihn zu hoffen buchstäblich bis in alle Ewigkeit - aus der Struktur der Hoffnung und unserer Moralität heraus. GABRIEL MARCEL schreibt. „Es kann keinen Partikularismus der Hoffnung geben. Die Hoffnung verliert jeden Sinn und jede Kraft, wenn sie nicht die Aussage eines ‹wir alle›, eines ‹alle zusammen› besagt.“ 179 (Christliche) Hoffnung hofft nie nur für sich allein, das wäre Hochmut und Egoismus, sondern: „Ich hoffe auf Dich für uns.“ 180 Das Individualeschaton ist im Heilsuniversalismus aufgehoben. Das ist nun keine „Bemäntelung eines verdeckten Wissens“ 181 , sondern Hoffnung. Diese Hoffnung bringt zum Ausdruck, was sie moralisch will, nämlich niemanden verloren geben, niemanden aufgeben und solange solidarisch hoffen für alle, Lebende und Tote - bis dass alle in versöhnter Einheit dessen nicht mehr bedürfen und Gott alles für alle ist. Die Idee der Apokathastasis ist eine Hoffnungsfigur: Eine letzte Verlorenheit muss freiheitstheoretisch gedacht werden können, aber Hoffnung kommt nicht an ihr Ziel, wenn es endgültig Verlorene gäbe. Wir müssten weiter für diese hoffen. So ist der Horizont der Hoffnung, der Raum menschlichen Hoffens nicht zu verkleinern, was auf eine moralische Depotenzierung hinausliefe, sondern begründet auszuschreiten. Das lässt erst bis in die Abgründe hinein am Anderen festhalten. Hoffnung, konsequent gedacht, nimmt ihren Ausgang bei mir selber, führt aber zum Nächsten hin. Der äußerste Horizont der humanen Hoffnung ist die „Hoffnung für alle“, die Allerlösung bzw. Apokatastasis. „Müsste nicht […] einmal geklärt werden, ob die menschliche Hoffnung sich wirklich darauf reduzieren lässt, dass die 177 Vgl. REMENYI, M., Ende gut alles gut? Hoffnung auf Versöhnung in Gottes eschatologischer Zukunft, in: Internationale katholische Zeitschrift "Communio", 32 / 2003, 5, 492-512. 178 Vgl. STRIET, Streitfall Apokatastasis, 188. 179 Zitiert nach BALTHASAR, H.U. VON, Was dürfen wir hoffen? , Einsiedeln 1986, 65. Könnten wir moralisch mehr hoffen, als Gott bereit ist einzulösen? Weder wir Menschen können der moralischen Notwendigkeit entraten, (theologisch) so vom Menschen zu denken, dass es berechtigte Hoffnung für alle Verlorenen gibt, genauso wenig können und dürfen wir allein um unserer moralischen Selbstachtung willen, Gott von seiner Verantwortung entlassen, den „Trümmerhaufen der Geschichte“ einst vor uns zu rechtfertigen. 180 Vgl. MARCEL, G., Homo Viator. Philosophie der Hoffnung, Düsseldorf 1949, 89-91. 181 Vgl. BALTHASAR, Was dürfen wir hoffen? , 36-37. <?page no="560"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 560 Knechtschaft des Selbstischen aufhört? Hat die religiöse Artikulation menschlicher Sehnsucht nicht umfassender zu sein, soll der Mensch sich in seinem ihm möglichen Hoffnungshorizont nicht willkürlich verengen? Die Hoffnung auf Gerechtigkeit etwa auch noch für die Toten, dann die Hoffnung, dass ein Gott sei, der das menschliche Begonnene und bruchstückhaft Gebliebene vollende, sind solche Hoffnungen, ohne die das Menschsein des Menschen verarmen würde.“ 182 Auch für allumfassende Gerechtigkeit, für Versöhnung etwa, aber immer gegen eine Nivellierung innerweltlicher Gerechtigkeit zugunsten der himmlischen. Die Theodizee steht für das Offenhalten einer radikalen Hoffnung angesichts des vermeintlich offenen Widerspruchs der Realität. Wo schließlich kein Gott mehr geglaubt werden kann, weicht die Rechtfertigung einer Zukunft durch Gott der Rechtfertigung des Menschen selbst - angesichts einer gähnend offenen Zeit, die sich trotz aller Anstrengung letzter Verfügung entzieht. d) Die Vernunft der Hoffnung: Theoretische und praktische Vernunft „Die Vernunft kann nicht blühen ohne Hoffnung und die Hoffnung nicht sprechen ohne Vernunft.“ 183 Das Thema der Hoffnung gehört in den Kontext einer Selbstverständigung endlicher Vernunft über sich selbst: Wer begründet hofft, weiß, was er nicht weiß, indem er hofft und eben nicht weiß. Und wer wirklich weiß, weiß auch, dass er wissend ein Hoffender ist. Die philosophisch-hermeneutische Liste von Glauben, Meinen und Wissen ist zu erweitern über das Hoffen. Das Hoffen als (Erkenntnis-) Prinzip macht bestimmte Entitäten rational einsichtig, ohne sie dem Zugriff des Wissens auszusetzen. D.h. bestimmte Phänomene, die letztlich nicht gewusst werden können, ohne dass sie selbst verzerrt werden oder dem Wissen gleich einem „Kuckucksei“ zugeschanzt werden, wiewohl das Wissen dem (Geltungs-) Anspruch nicht gerecht zu werden vermag und seine eigenen Grenzen damit verletzt, bekommen im Rahmen der Hoffnung einen Vernunftort zugewiesen, der ihnen entspricht. Hoffnung vermittelt demnach zwischen theoretischer und praktischer Erkenntnis. Glauben hat eine eigene Rationalität und damit auch die sich davon ableitende Hoffnung, was mindestens präfiguriert im Profanen wiederzufinden sein müsste als Zusammenhang von handlungsrelevanter Hoffnung und Vernunft. Mit THOMAS SCHÄRTL können wir daher fragen: „Wie können wir sagen, dass es - eingedenk der Hoffnungsgewissheit, die keine Wissensgewissheit ist - rational ist, an ein Leben der kommenden Welt zu glauben? Die Rationalität, der diese Hoffnungsperspektive einleuchtet, ist die Rationalität der praktischen Vernunft, der es nicht darum geht, was der Fall ist, sondern darum, was der Fall sein soll. Der Fall sein soll, was in einer idealen Welt der Fall ist. [ ... ] Die Hoffnungsperspektive versucht den Graben zwischen der Welt, in der wir faktisch leben, und jener idealen Welt, in der wir das Gegebensein des Gesollten imaginieren und antizipieren, zu überbrücken.“ 184 Auch zeigt sich wieder der Schwellencharakter der Hoffnung, wenn und insofern sie sich immer einem drohenden Umschlag in Illusion oder Resignation ausgesetzt sieht. Unterschieden und zugleich aufeinander bezogen werden müssen nun Grund und Ursache, Geltungsgrund und Gestaltungsgrund, schließlich Beweisgrund und Beweggrund, Verstand und Vernunft. Wo der Verstand, ratio - dianoia, eher ein begrifflich- 182 Vgl. STRIET, M., Faszination Buddhismus oder der Glaube an Christus, in: Internationale katholische Zeitschrift COMMUNIO, 36. Jg. (2007), 182. 183 Vgl. BLOCH, Das Prinzip Hoffnung (GA V), 1618 184 Vgl. SCHÄRTL, Eschatologie und christliche Hoffnungsgewissheit, 160. <?page no="561"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 561 diskursives Erkennen benennt, Abstraktion und schlussfolgerndes Vorgehen, so die Vernunft, intellectus - nous, die Einsicht in einem Blick, das Gewahrwerden der Prinzipien des Denkens und Erkennens. Mit MAX HORKHEIMER kann nun der Moderne ein Übergewicht „instrumenteller Vernunft“ attestiert werden, was erhebliche Konsequenzen für den Hoffnungsvollzug hat. Für die vorliegende Fragestellung soll ein hermeneutisch breiter Vernunftbegriff vertreten werden, der gegen neopositivistische, einseitig metaphysikkritische oder gar nonkognitivistisch verengte Begriffe ein weites Vernunftkonzept favorisiert, das imstande ist, die Frage nach dem Sinn des Ganzen von Leben und Wirklichkeit mindestens zu thematisieren und damit Fragen nach der Letztbegründung, der Bedingung der Möglichkeit letztgültigen Sinns, zu ermöglichen. Denn die fehlende Sicherheit der Hoffnung bzgl. des Erfolgs macht sie keineswegs unvernünftig. „Der Religiöse Glaube ist in dem Sinne vernünftig, dass er eine alle Bereiche der Wirklichkeit integrierende Sinndeutung vermittelt.“ 185 Auf diese Sinndeutung nämlich erlebt sich der Mensch im Medium der Hoffnung bezogen. Ist der Hoffnung eine permanente Überschreitung des Gegebenen, auch des der Einsicht Gegebenen zu eigen, des der Einsicht Aufgegebenen, dann bedeutet das, dass auch das Rationale überschritten wird, was zu weiterer rationaler Durchdringung auffordert, genauso wie dazu, diesen Überschritt vernunftgemäß anzuerkennen. Offenbarung vollendet die Vernunft, aber überbietet sie nicht einfach. Dabei kommt zum Ausdruck, dass der Aufweis der Rationalität und der Vernünftigkeit von Handlungstheorien im Allgemeinen und Handlungsgründen im Besonderen zwar notwendige, aber keinesfalls hinreichende Bedingung des (gelingenden, humanen) Handelns ist, da der Handelnde nicht auf „die poetische Fähigkeit“ verzichten könne, wie HABERMAS schon früh in einem Essay über WALTER BENJAMIN formuliert hat, „die Welt im Horizont menschlicher Bedürfnisse zu interpretieren“ 186 . Mit anderen Worten: Ohne das kategoriale Potential zur Lebens- und Weltdeutung schwinden dem Menschen die semantischen Quellen, die dem Leben und der Welt Bedeutung verleihen, indem sie fundamentale Zielvorstellungen, letztlich ein Worumwillen, bereitstellen. Selbst ein rein rational ausgewiesenes und verfahrenspragmatisch begründetes Handeln könnte so über kurz oder lang seine Vitalität, seine Widerstandskraft und seine Motivation grundlegend einbüßen. So gesehen kann kein humanspezifisches Handeln als erwiesen gelten ohne die Möglichkeit, immer wieder aufs Neue in den letzten Grund menschlicher Handlungsmotivation vorzustoßen - der hoffenden Antizipation von Sinn. Auf diese Weise wird auch erkennbar die Tür zu den großen und bleibenden Fragen menschlichen Selbstverständnisses nach Ziel und Grund humanen Handelns und den Wegen und Umwegen dorthin weit aufgestoßen, statt dekonstruktivistisch, subjektivistisch, pluralistisch, szientistisch, nonkognitivistisch, dezisionistisch oder sonstwie abgeschlossen zu werden. Mehr noch: Wir können unsere Vernunft gar nicht einsetzen, ohne grundsätzliche Akte des Vertrauens und - so gesehen - des Glaubens zu vollziehen. Es gilt dabei, den Vertrauensraum des Glaubens mit dem Licht der Vernunft zu durchmessen, um dadurch alternative Formen von Rationalität kritisch zu würdigen. Die immer wieder in der Moralphilosophie etwa von ARISTOTELES und KANT diskutierte Frage, ob menschliche Vernunft aus sich selbst heraus eine motivierende Kraft hat bzgl. den Sollensforderungen des Sittengeset- 185 Vgl. RICKEN, F., Glauben weil es vernünftig ist, Stuttgart 2007, 7. 186 Vgl. HABERMAS, J., Bewusstmachende oder rettende Kritik. Die Aktualität Walter Benjamins, in: UNSELD, S. (Hrsg.), Zur Aktualität Walter Benjamins, Frankfurt am Main 1972, 173-223, hier 220f. <?page no="562"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 562 zes, wie sie in ihrem eigenen Kontext Geltung beanspruchen, hängt entscheidend davon ab, wie diese Zielvorstellungen des moralischen Sollens insbesondere in Verbindung mit dem Handlungssubjekt und gerade nicht in reiner Abstraktheit konzeptualisiert werden und welche Hoffnungen sich eben daran knüpfen. Demnach ist praktische Vernunft nicht eo ipso auf das sittlich Gesollte hin motivierend, sondern erst dann, wenn sich daran eine (zunächst, aber nicht exklusiv internalistisch gedachte) Hoffnung knüpft, die neben der Moral das Glück und das Gelingen des Lebens verheißt. 187 DIETMAR MIETH schreibt: „Dem Ethischen entspricht […] eine spezifische Rationalität der Wirklichkeit. Diese Rationalität setzt nicht nur den Sachgehalt, sondern auch den Sinngehalt der Wirklichkeit voraus. Die ethische Reflexion hängt davon ab, dass die Realität im Hinblick auf ihre Möglichkeiten als sinnvoll erfahren wird. Soweit diese Erfahrung bestreitbar ist, steckt in der Annahme einer ethischen Dimension der Wirklichkeit ein Stück Urvertrauen oder hoffende Antizipation.“ 188 Es gehört nun zur Dialektik der endlichen, aber reinen praktischen Vernunft, etwas Unbedingtes denken zu müssen und eine „Absicht aufs höchste Gut“ 189 zu vermitteln. Für KANT war damit der „ganze Gegenstand der reinen praktischen Vernunft“ oder „die unbedingte Totalität des Gegenstandes der einen praktischen Vernunft“ benannt. Damit konnte er die „Vollendung des Willens" 190 denken. Insbesondere in der Postulatenlehre zeigt sich für RICOEUR bei KANT das Verlangen der praktischen Vernunft nach Totalität 191 , wobei ihm die Freiheit als Angelpunkt der Postulatenlehre galt, deren Funktion er wie folgt bestimmte: „Die ‚Erweiterung‘, der ‚Zuwachs‘, den sie darstellen, bedeutet keine Erweiterung des Wissens und der Erkenntnis, sondern eine Eröffnung; und diese Eröffnung bildet das philosophische Äquivalent der Hoffnung.“ 192 Für PAUL RICOEUR lässt sich anhand der kantischen Postulatenlehre insbesondere die Bedeutung der Hoffnung im Übergang von praktischer Vernunft zu Religion bzw. Religionsphilosophie studieren. „Die Vernunft als praktische Vernunft verlangt nach Erfüllung; aber sie glaubt im Modus der Erwartung, der Hoffnung, an die Existenz einer Ordnung, in der sich diese Erfüllung realisiert. Man nähert sich der kerygmatischen Hoffnung somit durch den Überschritt vom praktischen Verlangen zum theoretischen Postulat, vom Streben zur Erwartung. Und mit diesem Schritt vollzieht man zugleich den Übergang von der Ethik zur Religion.“ 193 KANTS Moralphilosophie 187 Vgl. RICKEN, Glauben weil es vernünftig ist, 231ff. 188 Vgl. MIETH, D. Begründungsversuche von Ethik, in: DEMMER, K. / DUCKE, K.-H. (Hrsg.), Moraltheologie im Dienst der Kirche (FS W. ERNST), Leipzig 1992, 37-56, hier 38, wo es zuvor bereits heißt: „Der Begriff ‚Wirklichkeit‘ umschließt das Reale und das Mögliche zugleich. Dabei ist zu unterscheiden zwischen einer möglichen Wirklichkeit, die wir üblicherweise Utopie nennen, weil es sie (noch) nicht gibt, und der wirklichen Möglichkeit, die das in der Realität bereits Mögliche und teilweise Verwirklichte, andererseits aber die Realität im Ganzen (noch) nicht Bestimmende meint.“ Unschwer kann im Zitat die Struktur christlicher Eschatologie wiederentdeckt werden, die (zurecht) gegen jede innergeschichtliche Utopie in Stellung gebracht werden soll, wobei ein mögliches positives Verhältnis beider offen bleibt, was für die Übersetzung der „wirklichen Möglichkeit“ in die Geschichte doch von eminenter Bedeutung ist. 189 Vgl. RICOEUR, Freiheit im Licht der Hoffnung, 215. 190 Vgl. ebd. 216. 191 Vgl. ebd. 218. „Der Ausdruck ‚Postulat‘ darf uns nicht irreführen; auf der eigentlich epistemologischen Ebene und in der Sprache der Modalität bezeichnet er die ‚hypothetische‘ Verfassung der existentiellen Überzeugung, die im Verlangen nach Vollendung, nach Totalität die praktische Vernunft in ihrer wesentlichen Reinheit konstituiert.“ 192 Vgl. ebd. 218. 193 Vgl. ebd. 220. <?page no="563"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 563 lässt dabei wenig Raum, über (Handlungs-) Zeit nachzudenken; ebenso über die Dimension des Geschenks, mithin das donative und passivische Element im Handeln. Es kann aber für KANT gelten, dass er die Erwartung im Verlangen verankert. „Die Moralphilosophie leitet zur Religionsphilosophie an der Stelle über, wo sich zum Bewusstsein der Pflicht die Hoffnung auf eine Erfüllung gesellt.“ 194 Hoffnung wird bezogen auf die Erfüllung der Pflicht. Dass menschliches Vernunftvermögen mit einem Hoffnungsindex versehen ist, kann an vielfältigen Kontexten abgelesen werden, auch wenn KANT sicher einer der wirkmächtigsten geworden ist. So zielt das Unterfangen von OLAF MÜLLER wohl in diese Richtung, ist aber nicht hinreichend. Denn ganz im Sinne der intellektuellen Redlichkeit, an die OLAF MÜLLER ja appelliert, wenn er ein Dilemma TUGENDHATS benennt, „der sich den Glauben an Gott vernünftigerweise versagt und sich trotzdem emotionale Bedürfnisse eingestehen muss, die ohne Gott ins Leere laufen“ 195 , und dabei den daraus gefolgerten konsequenten Pessimismus ablehnt und stattdessen einen „metaphysischen Optimismus“ für mindestens nicht ausgeschlossen hält, muss doch gefragt werden, worin sich ein solcher Optimismus (ontologisch und erkenntnistheoretisch) gründen sollte, wenn nicht (unter den genannten Voraussetzungen) in einer unredlichen und schlichten Verlängerung unserer anthropologischen Ausstattung. Eine solche Verlängerung würde weder dem Frageniveau menschlicher Hoffnung gerecht, das alles andere als nur ein „emotionales Bedürfnis“ ist, noch nimmt sie auch deren Begründungspflichten ausreichend ernst, geschweige denn, dass sie ähnlich wie TUGENDHAT selbst die philosophischen Bemühungen um die Denkmöglichkeit eines Gottesglaubens ausreichend würdigen würde, dem vernünftigerweise zu widersagen, gerade nicht in der Kompetenz der Vernunft selbst liegt. 196 Abgesehen davon, dass die hier zu reklamierenden handlungstheoretischen Konsequenzen eines strikten metaphysischen oder erkenntnistheoretischen Pessimismus weder bei TUGENDHAT noch bei MÜLLER bedacht sind, diese würden nämlich in die praktische Bewegungsunfähigkeit führen. Das Prinzip des Handelns, das Gute oder das Sittengesetz, muss etwas mit dem zu tun haben, der handelt, mit dem ganzen Menschen und seiner Bestimmung, danach geht die Hoffnung. Der unbedingte Anspruch durch das Gute ist zunächst ein formaler, die universale Geltung eine formale, deren materiale Einlösung hängt dann von vielen Fak- 194 Vgl. ebd. 222. 195 Vgl. MÜLLER, O., Misstrauen oder Hoffnung? Protestnote gegen eine pessimistische Regel von Ernst Tugendhat, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 63 (2009) 1, 5-32, hier 5. 196 Vgl. SCHÄRTL, T., Die Rationalität religiöser Überzeugungen, in: Stimmen der Zeit 4 / 2009, 257-271, hier 262, 266 und 268. „Grundlegende Überzeugungen“, wie sie in religiösen Vorstellungen, auch und gerade in Hoffnungen, zum Ausdruck kommen, stellen kein Wissen im engeren Sinne dar, wiewohl sie durchaus etwas zu wissen beanspruchen, das aber unter anderen Voraussetzungen, sodass empirisch-rationalistische Rationalitätsstandards überzogen wären, da solche Überzeugungen für die vorliegende Fragestellung sehr aufschlussreich, oft nur „vom Ende“ her zu deuten sind, quasi eschatologisch, nämlich „überall dort, wo wir uns auf eine Ganzheit ‚einen Reim machen‘ müssen, obwohl wir das Ganze als Ganzes noch nicht zu Gesicht bekommen haben“. Gegen eine vorschnelle Prädominanz bestimmter Weltanschauungen muss und kann daher die Vernünftigkeit grundlegender Überzeugungen, wie sie auch in der Hoffnung zum Ausdruck kommen, geprüft werden (Ethik, Metaphysik, Ästhetik und Religion). „Wir tun dies dadurch, dass wir den Gehalt der in Rede stehenden Überzeugungen gewissermaßen mit den Haltungen der Personen, die diese Überzeugungen haben, ‚verrechnen‘. Es ist gerade nicht unvernünftig, so etwas zu tun.“ <?page no="564"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 564 toren ab, etwa Einsicht und Motivation. So kann die Einsicht zu den Möglichkeitsbedingungen sittlichen Handelns gezählt werden, dass alle theoretische Erkenntnis sich zwar innerhalb der Grenzen der Erfahrung bewegt, aber aus der sittlichen Praxis Gewissheiten hervorgehen (Freiheit, Hoffnung, höchstes Gut), die die Grenzen möglicher Erfahrung überschreiten. 197 So müssen Gründe mit Motiven verzahnt werden, um handlungsinitiierend und handlungsleitend zu werden. KLAUS DEMMER ist zuzustimmen, wenn er schreibt: „Der Mensch entwirft sich im Horizont vorgreifenden Sinnverstehens. Der Begriff ‚entwurfsoffene Vernunft‘ ist in diesem Licht zu sehen.“ 198 Eine solche entwurfsoffene Vernunft aber weiß um ihre Angewiesenheit auf begründete Hoffnung für ihren Selbstvollzug. Die vielen immer partikulären Handlungsziele und Handlungszwecke sind bezogen auf einen Handlungsgrund, der diese mit dem Ganzen unserer Existenz verbindet und anbindet an den darin zum Vorschein kommenden Sinn. Nach diesem Sinn geht menschliche Hoffnung, welche damit immer zugleich auf das Ganze menschlichen Daseins bezogen ist und die partikulären Einzelinteressen und Einzelziele für das Gesamt der Existenz verbürgt. 199 So gesehen ist alles Handeln, auch jenes, das an Zwecken orientiert ist, Hoffnungshandeln, da damit ein Sinn anvisiert wird, der auf den Grund unserer Existenz bezogen ist und der hoffend und handelnd vergegenwärtigt werden soll. Theologisch wird da Gott angesprochen, der diesen Sinn letztlich verbürgt und das Ganze meines Lebens mit dem Ganzen der Welt verbindet und die Fragmente meines Lebens zu einem Sinnganzen meiner Existenz verknüpft und damit eine letzte Vollendung hoffend in Aussicht stellt. Aus dieser Verbindung der Teile mit dem Ganzen lässt sich auch leicht folgern, dass jede christliche Eschatologie auch aussagefähig zu halten ist über das Ganze des Menschen und das Ganze der Welt, seine und ihre letzte Vollendung und die Konsequenzen dieser Einsichten für die Praxis menschlicher Handlungswirklichkeiten. Theoretische Vernunft kommt mithin als kenntnisnehmende Vernunft ohne Sinnwissen nicht aus. Sinnfragen sind ohne praktische Vernunft als stellungnehmende (kenntnisnehmende) Vernunft nicht orientierend. Hoffnung verknüpft theoretische und praktische Vernunft und sichert so die Einheit der Vernunft, indem sie einen Rahmen für die Sinnhaftigkeit der Moral insgesamt anbietet. Hoffnung ist damit als Brücke zwischen Erkennen und Handeln, zwischen theoretischer und praktischer Vernunft zu bestimmen. „Das Streben wird von der Anziehungskraft des Guten geweckt. [...] Ohne dieses Ineinander von praktischer und theoretischer Vernunft führt keine Brücke vom Erkennen zum Handeln. Wenn das Sittliche als „Ja zur Wirklichkeit“ oder als „Zustimmung zur Wirklichkeit“ bestimmt werden soll, dann ist dabei immer vorausgesetzt, dass das Wirkliche nicht mit dem bloß Faktischen identisch ist, sondern auch die noch nicht realisierten Möglichkeiten des Je-Besseren umfasst. Deren verpflichtender Charakter aber wird nur unter der Rücksicht des Guten erkannt, die unser praktisches Denken leitet.“ 200 Wir hoffen dabei immer mehr als wir (vernünftig) als Gut erkennen, intendieren und bewusst 197 Vgl. WILLASCHEK, M., Praktische Vernunft. Die Theorie des Handelns und die handlungstheoretische Begründung der Moral bei Kant, Stuttgart 1992. 198 Vgl. DEMMER, K., Sittlich Handeln aus Verstehen. Strukturen hermeneutisch orientierter Fundamentalmoral, Düsseldorf 1980, 53. 199 Vgl. GERHARDT, V., Die Vernunft des Glaubens. Zur Atheismusdebatte, in: Christ in der Gegenwart 50 / 2007, 417ff. 200 Vgl. SCHOCKENHOFF, E., Grundlegung der Ethik. Ein theologischer Entwurf, Freiburg im Breisgau 2007, 355. <?page no="565"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 565 realisieren können. Auch das Kunstwerk drückt mehr aus, als der Künstler bewusst intendiert hat; die Handlung drückt mehr aus, als der Handelnde angezielt hat. So gesehen produziert Hoffnung idealiter nicht nur einen Sinnüberschuss für den Handelnden, sondern ist zugleich Stimulation ethischer Reflexion für den Ethiker. Handlungswirksame Hoffnung zu ermöglichen und stark zu machen, heißt dann auch, eine Begrenzung der instrumentellen Vernunft vorzunehmen: (1) eine Begrenzung, da diese auf Erwartungsstrukturen basiert, die von Hoffnung allererst transzendiert werden durch eine existentielle Stellungnahme zweiter Ordnung, (2) Ordnung und Orientierung der instrumentellen Vernunft durch deren Balancierung durch nicht rein instrumentelle Vernunftformen. Das Verhältnis vom Indikativ der Erlösungshoffnung und dem Imperativ der unbedingten Verpflichtung durch das Gute ist wohl nur im Rahmen eines bestimmten Vernunftbegriffs denkbar, der weit genug ist, theoretische und praktische Vernunft miteinander zu verknüpfen - im Medium der Hoffnung. Hoffnung kann demnach als Vernunftprinzip bezeichnet werden, weil sie die beiden Vernunftinteressen balanciert, indem die Einsichten der theoretischen wie der praktischen Vernunft innerhalb eines Referenzsystems kohärent aufeinander bezogen werden können. Damit wird praktische Vernunft immer schon im Kontext dessen, was ist, verortet und allererst verständlich, und theoretische Vernunft wird immer schon in ihrer Ausständigkeit und Offenheit für das „Sein-Können“ 201 und Sein-Sollen (des Menschen) wahrgenommen. Erst von daher wird auch verständlich, dass keine strikt alternative Zuordnung der Hoffnung zur Erkenntnisordnung oder zur Motivationsordnung vorgenommen werden kann, weil es gerade zu ihrer Struktur gehört, beide Ordnungen zu verknüpfen und u.a. genau dadurch auch nachhaltig Handlungsmotivation bereit zu stellen. Darüber hinaus stellt sie ein vernünftiges Endziel allen Handelns im höchsten Gut bereit und verbürgt die Sinnhaftigkeit von Moralität insgesamt. Entscheidend dabei ist mit Blick auf das Verhältnis der Hoffnung zur praktischen Vernunft: „[...] Nur unter utopischen Bedingungen kann sie ihren Aporien entgehen. Die großen Utopien, die im Laufe der Geschichte des Denkens entwickelt worden sind, entwerfen nicht zufällig allesamt Bedingungen, unter denen die eine oder andere Aporie nicht mehr zu entstehen braucht. [...] Doch solche Bedingungen sind kontrafaktisch; deswegen können sie freilich die Situation, in der sich die praktische Vernunft unter Realbedingungen befindet, umso deutlicher vor Augen stellen.“ 202 Solche Hoffnung ermöglicht den „Blick von außen“ und katalysiert die Wahrnehmung von Wirklichkeit auf dem Hintergrund ihrer Möglichkeit. Es geht um eine Wiedergewinnung der Perspektive der Hoffnung handlungstheoretischer Perspektive. Die Vernünftigkeit der Hoffnung muss gegenüber einer szientistischen Überbetonung des Wissens wieder heraus gearbeitet werden. Die Hoffnungsgewissheit ist außerordentlich vernünftig und kann sich erst recht als Handlungsprinzip gegenüber einem naturwissenschaftlichen Gewissheitsbegriff leicht bewähren. Dabei ist für die Beschreibung und das Verständnis von Hoffnung die Perspektive entscheidend: einmal die Perspektive in der Hoffnung (1. Person) oder der Perspektive auf die Hoffnung (3. Person). Die Einsichten zur Bedeutung der Hoffnung für menschliche Handlungswirklichkeiten und deren Vernünftigkeit lehren uns, dass von einer „moralischen Teleologie“ auszugehen ist, die im Vollzug der praktischen Vernunft selbst angelegt ist. Dabei ist nicht einseitig zwischen subjektivistischen Theorien auf der einen Seite und 201 Vgl. grundlegend die Beiträge in DALFERTH, I.U. / HUNZIKER, A. (Hrsg.), Seinkönnen. Der Mensch zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit, Tübingen 2011. 202 Vgl. WIELAND, W., Aporien der praktischen Vernunft, Frankfurt am Main 1989, 46-47. <?page no="566"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 566 objektivistischen Theorien auf der anderen Seite zu entscheiden, quasi die eine Seite gegen die andere, sondern es ist an einer Integration, klassisch einer Vermittlung der Ebenen zu arbeiten, sodass gute Gründe mit vitalen Handlungsquellen und Handlungsantrieben verknüpft werden. KLAUS DEMMER schreibt: Jede „Objektzugewandtheit ist an ein inhaltlich gefülltes transzendentales Apriori rückgebunden, das nach der Art eines athematischen Vorwissens konstitutiv in das Gegenstandbewusstsein eingeht. Da [...] Seinserschlossenheit mit Sinnerschlossenheit zusammenfällt, kann es sich nur um eine unhintergehbare Sinneinsicht handeln, die Antwort auf die Frage nach dem letztgültigen Warum menschlicher Existenz. [...] Denn was ist sittliche Wahrheit Anderes als handlungsrelevant bedachte und aufgeschlüsselte Sinnwahrheit.“ 203 So zeigen sich die Strukturen endlicher Vernunft zusehends in ihrer Hoffnungsangewiesenheit und sinneröffnenden Verheißungssignatur, was den völlig analog strukturierten Glauben nicht nur vernunftgemäß erscheinen lässt, sondern zugleich als unerschöpfliche Quelle von handlungsstimulierender Hoffnung ausweist. THOMAS SCHÄRTL: „Wo sich zeigen lässt, dass der Glaube an Gott, an sein Wirken in der Zeit und seine Präsenz in der Geschichte ein Weltbild fundiert, das im gleichen Maße Authentizität und Freiheit ermöglicht, da kann von einer Rationalität dieses Weltbildes ausgegangen werden, auch wenn es unter den Bedingungen der Zeit und Endlichkeit nicht möglich ist, unsere Überzeugungen in sicheres Wissen und die relative Wahrheit in absolute Wahrheit unserer Sätze in absolute Wahrheit zu verwandeln.“ 204 Mit anderen Worten: Hoffnung ist potentiell vernünftiges Handlungsprinzip und zugleich transzendentales Erkenntnisprinzip für die Sinnstrukturen der Moralität. Die Modalitäten dieser epistemischen Form sind allerdings noch zu entfalten. e) Das Hoffnungspotential des Menschen und seine moralische (Meta-) Motivation zum Handeln Eine moraltheologische Motivationstheorie zählt nach wie vor zu den Desideraten der theologisch-ethischen Forschung. Soll dieses eingelöst werden, dann unter anderem von der Kategorie der Hoffnung her. Denn: Wer hofft, will etwas und langt hoffend und konsekutiv handelnd danach aus, wiewohl in dieses Auslangen Qualitäten und Aspekte hineinspielen, die über die eigentliche Handlungsorganisation hinausweisen. Wer hofft, will etwas. Wer viel hofft, will (aktuell) viel, hat deswegen da, wo er hofft und nicht einfach wünscht, einen ausgeprägten Willen, und wer einen ausgeprägten Willen hat, der hofft - irgendwann. Hoffnung drückt ein Wollen aus bzw. aus der Hoffnung leitet sich ein Wollen ab, deswegen wird im Rahmen der Scholastik auch die Hoffnung als Funktion des Willens begriffen. Die Frage ist daher eigentlich nicht mehr, ob menschliche Handlungswirklichkeit, menschliches Streben, Wollen, Handeln und Tun, moralische Motivation oder Demotivation eine Hoffnungsstruktur oder nicht besitzen, sondern nur welche spezifische, und woran zugleich Surrogate der Hoffnung und der Hoffnungslosigkeit entlarvt werden können, die aufzudecken sind auf dem Hintergrund „wahrer“ Hoffnung. Unter moraltheologischer Perspektive spiegelt die Hoffnungskategorie das Zueinander von gnädigem Wirken Gottes und dem freien Bemühen des Menschen: Der Mensch muss tun, was an ihm liegt, aber auch in diesem Tun ist es Gott, der ihn bewegt (vgl. IG- 203 Vgl. DEMMER, Gott denken - sittlich handeln, 75-76. 204 Vgl. SCHÄRTL, T., Wahrheit und Gewissheit. Zur Eigenart religiösen Glaubens, Kevelaer 2004, 155. <?page no="567"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 567 NATIUS v. LOYOLA). Hoffnung (ähnlich wie Freiheit) ist ein exemplarischer Ort der Verknüpfung von beidem. Die evangelische Theologie der Hoffnung ist aus der Rechtfertigungslehre hervorgegangen, die ihrerseits an zentraler Stelle diese Verhältnisbestimmung vorgenommen hat (vgl. Gemeinsame Erklärung). Christliche Hoffnung ist letztlich befreiende und beglückende Vorwegnahme der Erlösung als Rechtfertigung des Sünders und Eröffnung des neuen Menschen in inniger Gemeinschaft mit Gott - in dieser Welt. Die Verheißung des Glücks kann als (Meta-) Motivation gelten, die zur Ermöglichung neuen Handelns führt. Mit JÜRGEN MOLTMANN, dem Begründer der neueren protestantischen Hoffnungstheologie kann daher festgehalten werden: „Immer ist der Gegensatz von Hoffnung und Erfahrung, von Bewusstsein und Sein, von Wesen und Wirklichkeit die Triebkraft ethischen Denkens und geschichtlichen Handelns. Lässt der christliche Glaube an die in Christi Auferweckung zum Vor-schein gekommene Zukunft des Lebens, der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Reiches dem Menschen ein eschatologische Spannung entstehen zwischen dem, was er hoffen muss, und dem, was wer schmerzlich erfahren muss, so mutet er dem Menschen damit zugleich eine unerhörte ethische Differenz zu. Seine Ethik muss darum die Gestalt einer praktischen Wissenschaft von der Zukunft sein, eine Möglichkeitswissenschaft und ein Veränderungswissen.“ 205 Hoffnung gewährt Meta-Motivation, die in gewisser Weise „über“ den jeweiligen Handlungskontexten verortet ist und gerade so diesen einen Sinn zu eröffnen vermag, der die partikularen Handlungsziele in einen übergreifenden Sinnzusammenhang stellt, der als Sinn Gelingen verheißt: Das Gute zu tun, eben weil es gut ist, macht Sinn - und darauf zu hoffen, macht entsprechend handeln. Das Gute ist zu tun, weil es gut ist, aber ich lasse mich dazu bewegen, es nur um seiner selbst willen zu tun, weil es die Verheißung des Gelingens in sich trägt, eine Verheißung aber, die es aus sich selbst heraus und erst recht auf den Einzelnen bezogen immer nur höchst fragmentarisch einzulösen vermag, letztlich nur eingelöst werden kann, wenn dahinter eine Macht vermutet wird, die vor der Vernichtung bewahrt und damit den Selbsteinsatz (womöglich unter Inkaufnahme von persönlichen Nachteilen) der Existenz allererst ermöglicht; ansonsten nämlich würden wir aufgrund der ungezählten „Opfer der Geschichte“ (WALTER BENJAMIN), aufgrund eines abgründigen Erschreckens über uns selbst und der Notwendigkeit einer „unendlichen Approximation“ (IMMANUEL KANT) an die vollständige Realisierung des Guten am Projekt des Guten selbst verzweifeln, auf das wir uns aber selbst kraft unserer Vernunft verpflichtet wissen: die Alternative verläuft zwischen Hoffnung auf der einen Seite und konstitutionellem Selbstzerwürfnis auf der anderen Seite, das schließlich in der moralischen Agonie endet. Wer also Hoffnung ermöglichen will, der muss den Handlungszusammenhang und die damit verknüpften Sinnfiguren in den Blick nehmen, denn diese eröffnen für die operationalisierten Handlungsziele den ersehnten Sinn. Nicht von ungefähr ist dann der letzte Grund (christlicher) Hoffnung Gott selbst als der größte denkbare Zusammenhang von Welt und Mensch. Damit erschließt Hoffnung unter theologisch-ethischer Perspektive einen Handlungskorridor, was einer Handlungsvorbereitung und schließlich einer Konkretion der ganzen Handlungsorientierung gleichkommt. Zugleich kommt Hoffnung - auf dieser Linie gedacht - eine fundamentale Mobilisierungswirkung auf den erhofften Sinn bzw. das erstrebte (höchste) Gut hin zu, was anhand der einschlägigen humanwissenschaftlichen Forschungen zu belegen ist, wobei hier Erkenntnisse aus meh- 205 Vgl. MOLTMANN, J., Die Kategorie Novum in der christlichen Theologie, in: UNSELD, S. (Hrsg.), Ernst Bloch zu ehren, Frankfurt 1965, 256. <?page no="568"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 568 reren Forschungsbereichen zusammengeführt werden müssen. Hoffnung ist demnach ein zentrales Agens menschlicher Handlungswirklichkeit, ein fundamentaler Beweger und Erhalter menschlicher Gestaltungsfähigkeit, Erhalter deswegen, weil wir noch hoffen können, wenn uns auch alle anderen Fähigkeiten und Möglichkeiten bereits genommen zu sein scheinen, das je eigene Leben als Subjekt noch gestalten zu können. 206 Insofern steht Hoffnung für eine humane Gestaltungsfähigkeit und zugleich einen Gestaltungsauftrag - womöglich bis in äußerste Grenzsituationen hinein. Das wiederum kommt einer fundamentalen Ermächtigung und Würdigung des Subjekts gleich - Handlungskompetenz und innere Freiheit trotz womöglich widrigster Umstände potentiell erhalten zu können. Allein aus dem an dieser Stelle angerissenen Spektrum ließen sich schließlich eine Fülle von menschlichen Haltungen und Tugenden ableiten, die inhaltlich oder formal von spezifischen Hoffnungen herrühren und die dann normiert und juridifiziert wurden - vom Aktus zum Habitus. Hoffnung ist unter dieser Perspektive Teil humaner Handlungskonstitution, indem ausgehend von einem grundsätzlichen Sinnbzw. Hoffnungshorizont jenseits und diesseits der Handlungsrelevanz über die Handlungslatenz bis hin zur Handlungsmanifestation und der nachträglichen Handlungsevaluation der Hoffnungseinfluss nachweisbar ist. Hoffnung ist somit als eine positive Schwellenkategorie oder Brückenkategorie zu bezeichnen. Jede Theorie der Sittlichkeit setzt eine Vorstellung vom menschlichen Willen voraus, der als Realisierungsvoraussetzung zusammen mit einem ihn tragenden (Selbst-) Bewusstsein conditio sine qua non jeder Handlungspraxis ist: Wir müssen also vom Handlungswillen sprechen und vom (Selbst-) Bewusstsein, das diesen Willen trägt. Der Handlungswille hat seine Hoffnungsanteile freizulegen, die Hoffnung ihre Willensbasis. Handlungswirksame Hoffnung lässt sich zudem bestimmen als eine, die sich u. a. von einer spezifischen Attraktivität, die Glück und Sinn verheißt, leiten lässt. Umgekehrt gilt freilich auch, dass jede vernünftige handlungsbezogene Attraktivität mit Hoffnung versehen ist, die auf ein Gelingen des Lebens zielt. Häufig werden in moralphilosophischen Motivationskonzepten Beweisgründe und Beweggründe nicht sauber differenziert: Beweisgründe, das Wissen also um die sittliche Güte einer Handlung, ist zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung dafür, dass sie dann auch ausgeführt wird. Hoffnung als begründete Hoffnung leistet nun eine Verknüpfung von Beweisgründen und Beweggründen, indem das Handlungssubjekt involviert wird und Motive mit Gründen verzahnt werden - individuell heißt dabei noch nicht individualistisch, subjektiv heißt noch nicht subjektivistisch. Nur so übersteigen wir die Ebene des immer Partikularen und zielen auf die großen universalen Figuren. Natürlich kann man Handlungsmotivation auf Gründe beschränken, aber die Vollumfänglichkeit und die Stabilität bis in menschliche Abgründe hinein wird ohne starke motivationale Quellen nicht auszuweisen sein, die das Subjekt und seine Daseinsinteressen thematisieren. Das Principium executionis und das Principium dijudicationis gehören vermittelt und auf eine philosophische und theologische Theorie der Letztbegründung bezogen. Motive, Gründe und Zwecke sind in die Hoffnungstheorie einzuzeichnen. Das Prinzip des Handelns, das, worauf Handeln letztlich zielt, etwa das Gute, muss etwas mit dem zu tun haben, der handelt, mit dem Menschen und seiner Bestimmung. Danach nämlich geht dann die Hoffnung des Handelnden. Einsicht in das Gute führt nur dann zum Tun, wenn ich daran eine begründete Hoffnung anlegen kann, wenn ich mich motiviert fühle, das eingesehene Gute auch zu tun - und das tue ich genau dann, wenn 206 Die Alltagssprache fasst diese Erkenntnis in das Wort: „Die Hoffnung stirbt zuletzt! “ <?page no="569"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 569 ich hoffen darf, damit mein Leben bzw. das Leben anderer gelingen zu lassen, wenn ich also hoffen darf, dass es Sinn macht, das Gute auch zu tun, wenn mithin das Gute so attraktiv im besten Wortsinn ist, dass es mich auf sich selbst hin motiviert - ich tue also das Gute um seiner selbst willen, aber auf dem Rücken einer Hoffnungsmotivation, die mir das Gute als zutiefst sinnvoll erscheinen lässt. Die Motivation zum Guten ist dem Guten nicht äußerlich, sondern entspringt seiner eigenen Attraktivität, aber sie ist notwendig, um aus dem Wissen ein Tun werden zu lassen. Was lässt uns am Guten und der unbedingten Verpflichtung zum Guten festhalten und sichert zugleich eine Motivation zu dessen Realisierung? Nicht allein die Pflicht im Sinne von Kant und seinem Gefühl der Achtung vor dem Sittengesetz, sondern eine Hoffnung, die Sinn und Gelingen in Aussicht stellt - und die stärker ist als der Einspruch und Widerspruch durch das Leid, das Böse und das Vergebliche. Der Mensch ist ein Hoffnungswesen, sobald und solange er zum Bewusstsein seiner Selbst erwacht ist. Das Hoffnungspotential des Menschen ist auch deswegen nicht rational aufzulösen bzw. in Pragmatik zu überführen, da es zentraler Bestandteil aller menschlichen Handlungsmotivation ist: Der Mensch kann letztlich nicht handeln, ohne sich immer wieder von einer erhofften Aussicht motivieren zu lassen, die ihm sinnvoll erscheint und dadurch Gelingen verspricht. Auch entdeckt sich der Mensch zunehmend als homo sperans, eine Einsicht, deren Gehalte ehedem im Rahmen religiöser Selbstverständnisse anwesend waren und zugleich unter deren katalytischer Wirkung freigelegt wurden. Das menschliche Hoffnungspotential ist auch deswegen nicht aufzulösen oder zu domestizieren, weil das Leben selbst permanent Hoffnungsfiguren hervorbringt, indem es in Freiheit über die Gegenwart hinauszulangen versucht, in eine Zukunft hinein, die etwas verheißt, weswegen sich der Mensch überhaupt aus Freiheit in Bewegung setzt. Der Mensch ist nicht das, was er sein kann und sein soll, weswegen er hofft - letztlich auf das Gute und je Bessere seiner selbst. Es liegt daher eine tiefe Sehnsucht im Lebensvollzug selbst, die eine basale Motivation bildet, über sich auf je Besseres hoffend auszulangen, die sich aber unter falschen Voraussetzungen auch ins Böse verkehren kann. Der Inhalt und Gegenstand dieser Hoffnung wurde dann zusehends ethisiert, ihr Grund in den Menschen selbst verlegt, seinen prognostischen Fähigkeiten und Leistungen, was eine grandiose Überforderung produziert hat und den Menschen jetzt auffordert, die darin enthaltene moralische Verpflichtung entweder loszuwerden oder zu integrieren. Theologische Hoffnung hat dagegen ihren Grund in Gott, der rettet, jede Hoffnung fundiert und letztlich erst dadurch eine Hoffnung für alle sein kann. Die biblischen Verheißungen sind eine permanente Quelle von Hoffnungen, sie vermögen permanent Hoffnungen aus sich zu entlassen, wo Begegnung stattfindet, die unauslotbar und unvorhersehbar sind und eine ungeheure Dynamik entfalten. Selbst der heroische Versuch, der Absurdität der Welt zu trotzen, ist seinerseits von einer Hoffnung getragen. Woraus speist sich schließlich diese Hoffnung und worauf zielt sie? Sich aller Hoffnung zu entledigen, ist seinerseits von einer Hoffnung bestimmt, dadurch dem Leben in dieser Welt je gerechter zu werden. Mit anderen Worten: Ohne Hoffnung kein Handeln. Der CAMUSSCHE Impetus ist ein zutiefst moralischer, weswegen die zugrunde liegende Hoffnung identifizierbar sein muss. Die Absurdität kann sich per definitionem gar nicht selbst zum je Besseren hin bestimmen, dazu ist sie als Absurdität nicht in der Lage. Ich kann nur eine Antwort auf sie zu geben versuchen, die hoffnungsbasiert ist und mich gerade darin, im Antwortgeben, nicht vollständig von der Absurdität herleiten zu lassen, ihr nicht vollständig ausgeliefert zu sein. Abgesehen davon, dass ein heroischer Widerstand für die meisten in Er- <?page no="570"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 570 mangelung der intellektuellen und materiellen Ressourcen nicht leistbar ist, es überhaupt sehr anstrengend (und elitär) erscheint, so zu leben. Auch konnten historisch die diesbezüglichen Versuche nicht gehalten werden, denn wie hätten unter diesen Voraussetzungen die moralischen Phänomene der Liebe, der Schuld, der Verantwortung noch gedacht und gelebt werden können. “Glaube, der nicht hofft, ist krank.“ (DIETRICH BONHOEFFER). Glaube vollzieht sich in der Hoffnung, diese ist quasi eine Vollzugsform des Glaubens. Hoffnung stellt dabei eine Werdegestalt vor Augen. Verantwortung als einzige Leitkategorie unseres sittlichen Verhältnisses zur Zukunft ist nicht hinreichend, da sich mit ihr letztlich nur eine defensive Ethik begründen lässt (vgl. HANS JONAS). Als Korrektiv brauchen wir eine handlungsbestimmende Kategorie (nicht als Ersatz), die bei aller gebotenen Vorsicht und Rücksicht eine schöpferische, offensive Gestaltung der Zukunft ermöglicht, und damit dem Besten im Menschen, seiner schöpferischen Kraft, entspricht. Deshalb kann Hoffnung als Zentrum unseres Verhältnisses zur Zukunft gelten. Erwartungsstrukturen sind dabei den Hoffnungsstrukturen konsekutiv. Wo keine Hoffnung mehr glaubwürdig ist, degenerieren auch die Erwartungsstrukturen. Das Sittengesetz wird um seiner selbst willen vollzogen, aber um das, was wir sollen auch zu können und zu wollen, muss das Subjekt integriert werden. Das „Können“ des Gesollten wird vom Handlungssubjekt her gedacht, nicht mehr allein vom Sittengesetz, wiewohl die Attraktivität einer Integration von Glück und Moral durchaus dazu beiträgt. Für moralische Rationalität ist im Unterschied zur technischen Rationalität ein „motivierender Anstoß“ nötig - etwa im Modus der Betroffenheit. 207 In der Hoffnung ist Motivation durch größtmögliche Betroffenheit durch vollen Selbsteinsatz denkbar, bei Zielen höchster existentieller Priorität. Der Hoffnung geht es letztlich ums Ganze des Lebens. Der Mensch hat als Gattung eine ganze Reihe von Katastrophen überlebt, nicht überleben würde er den völligen Verlust der Hoffnung (R. RORTY). 208 Eine Neubegründung des Pragmatismus ließe sich womöglich in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft statt auf der Vorstellung einer inneren Natur der Wirklichkeit begründen, wiewohl auch jene von starken Voraussetzungen lebt, die das Pragma übersteigen. Eine Ethik allein auf der Basis von Zwecksetzungen und Zielen aufzubauen greift entschieden zu kurz, denn warum setzen wir uns denn Zwecke und verfolgen Ziele? Doch darum, weil wir uns davon letztlich das Gelingen unserer selbst versprechen, auf das wir mit der Zielerreichung hoffen können möchten. α Die Selbsttranszendentalität humaner Hoffnung Hoffnung ist philosophisch betrachtet Ausdruck menschlicher Selbsttranszendentalität - mit der zugrundeliegenden Erfahrung, dass der Mensch über sich hinausgeht, auf etwas oder jemanden hin, von dem her er sich selbst wieder zurückerwartet auf neue, gelungenere, sinnvollerer Weise (Hoffnung als „Selbststeigerung“). D.h. wir hoffen und übersteigen uns selbst hoffend und in diesem Selbstüberstieg erwarten wir uns wieder zurück. Hoffnung vermittelt dabei Lebensübergänge: Wir suchen Übergänge vom Tod zum Leben, von der Dunkelheit ans Licht, vom Sollen zum Sein, von Immanenz zu Transzendenz 207 Vgl. RUPPEL, K. / MIETH, D., Ethische Probleme der Präimplantationsdiagnostik, in: DÜWELL, M. / MIETH, D. (Hrsg.), Ethik in der Humangenetik. Die neueren Entwicklungen der genetischen Frühdiagnostik aus ethischer Perspektive, Tübingen 1998, 358-379 208 Vgl. RORTY, R., Philosophie und die Zukunft, Frankfurt am Main 2000. Ders., Hoffnung statt Erkenntnis. Eine Einführung in die pragmatische Philosophie, Wien 1993. <?page no="571"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 571 und Hoffnung als Brückenkategorie vermittelt diese Übergänge. Daher: Wer hofft, der überschreitet Schwellen. Die Selbsttranszendenz des Menschen verweist auf eine Entgrenzungssehnsucht und die Hoffnung auf Erfahrung von Ganzheit. Die Folge ist, dass Hoffnung Distanz zur Welt und zur gegenwärtigen Lebens-Situation ermöglicht durch einen Referenz- und Fixpunkt außerhalb des Beschreibungssystems und dadurch zugleich die Freiheit eröffnet, sich ganz auf sie, die Welt und die jeweilige Situation, einzulassen. β Hoffnung und Handlungstheorie Hoffnungsgründe sind Handlungsgründe und Handlungsgründe beziehen sich auf Hoffnungsgründe. Hoffnungspraxis hat auch Konsequenzen für die Handlungstheorie. Anstatt ausschließlich Empirie und Normativität über eine Kombinatorik verbinden zu wollen, können analog auch Handlungstheorie und Sittlichkeit damit begrifflich vermittelt werden. Moralische Ziele sind demnach in einem umfassenden Sinne Hoffnungsziele und Hoffnungsziele haben ethisch-moralische Qualität. Moralische Ziele geben ihre Hoffnungsstruktur 209 genau dann zu erkennen, wenn die Handlungstheorie nicht ohne das Handlungssubjekt aufgezogen wird, sondern dem Subjekt ein hoffnungsbasiertes Projekt zuerkannt wird. Denn allein auf der Basis eines strikten Realismus können wir nicht handeln, da zu wenig Ressourcen an Zuversicht und zu wenig Optionen freigegeben werden. Aus Hoffnung handeln heißt dagegen, aus einem Options- (und Sinn-) Überschuss zu handeln, was natürlich zur Folge hat, dass nicht alle Optionen verwirklicht werden können. Ganz abgesehen davon, dass die Erkenntnis der Realität selbst bereits auf spezifischen Hoffnungen ruht. Neben dem Zueinander von Motiven und Gründen spielen Antizipationen und Erwartungen als Handlungsinitiatoren eine große Rolle. Nicht umsonst finalisiert das Christentum alle nur partikularen Handlungsziele auf je besseres Menschsein auf ein letztes Ziel hin, das als absoluter Grund gedacht werden muss. Theologisch interpretierte Zeit ist zwar handlungstheoretisch immer befristete, aber theologisch immer schon endgültige Zeit, die der Vollendung harrt. Hoffnung kann als transzendentale Motivation begriffen werden. Der handlungsorientierte Bezug zur Wirklichkeit steht im Fokus der Ethik: Hoffnung verknüpft die Kategorien der Wirklichkeit bzw. Realität und der Zeit. Hoffnung vermittelt einen handlungsorientierten Bezug zur Welt und zur Zeit, der Zeit der Welt und der Welt der Zeit. Das Zugleich von Schon und Noch-Nicht in der Hoffnung spiegelt sich bereits im Handlungsaufbau wider. Diese Hoffnungsspannung und damit die Hoffnungsstruktur menschlicher Handlungswirklichkeit bewahrt davor, Zukunft zu instrumentalisieren zugunsten der Gegenwart, genauso wie die Gegenwart für die Zukunft. So steht Hoffnung strukturell im Zentrum einer Verantwortung, die Gegenwart und Zukunft (neben Vergangenheit) gleichermaßen beachtet und nicht das eine dem anderen opfert. 210 209 So ist PIEGSA, J., Der Mensch - das moralische Lebewesen Bd. II. Religiöse Grundlagen der Moral: Glaube - Hoffnung - Liebe, St. Ottilien 1997, 119 (zitiert wird JOHANNES PAUL II, Die Schwelle der Hoffnung überschreiten, hrsg. von MESSORI, V., Hamburg 1994, 20) im Prinzip zuzustimmen, wiewohl die Apodiktik der Aussage abzulehnen ist: „Moralische Probleme zu diskutieren, ohne zuvor die Grundlagen unserer Hoffnung zu behandeln, wäre ‚unnütz, ja sogar irreleitend‘“. 210 Vgl. ULRICH, H.G., Hoffnung und Verantwortung, in: Evangelische Theologie 46 / 1 (1986), 26-37. <?page no="572"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 572 γ Offenheit und Ausgang der Hoffnung. Orientierung durch Hoffnung und Gebet Alles Handeln zeitigt Folgen, die weit über das hinausgehen, was wir planend und kalkulierend kontrollieren können. Zudem weisen unsere wesentlichen Handlungsziele ebenso weit über das hinaus, was wir einfach handelnd anstreben könnten, etwa das Glück, sodass zu solcherart begriffenem Handeln immer eine Hoffnungskomponente hinzugehört, die basal mobilisiert, standhalten lässt und Enttäuschungssicherungen bereithält, und dass, gerade weil wir um den Erfolg nie eine Sicherheit haben können, von Scheitern, Schuld und Kontingenz bedroht sind. Gerade aufgrund dieser Situation, unter Ungewissheit handeln zu müssen, steht nun der Mensch in Gefahr, als Übernüchterter zu handeln, was ihm seine letzten Hoffnungsressourcen raubt. Mit JÜRGEN WERBICK können wir sagen: „Diese Hoffnung [dass ein guter Wille ist, der mit dem Leben der Menschen etwas anfangen will, R.L.] kann sich ihrer nie sicher sein. Wie könnte sie es auch. Aber sie ist auch nicht unvernünftig - wenn sie sich darauf gefasst macht, dass, was sie erfüllt, völlig anders sein wird, als das, was sie sich als Erfüllung ausmalt. Die Bereitschaft, mit Hoffnungen zu leben, verlangt die Reife, die gehegten Hoffnungen so tiefreichend, wie kaum noch denkbar, verwandeln zu lassen und das so anders Erhoffte als das gleichwohl Erhoffte willkommen zu heißen, weil es Seine Ankunft ist, das Geschehen Seines guten Willens.“ 211 Jede innerweltliche Abgeschlossenheit wird mithin durch ein Noch-Nicht der Hoffnung (antitotalitär im Wortsinn und ideologiekritisch) relativiert und aufgebrochen. Umgekehrt wird jede innerweltliche Resignation durch ein Doch- Schon konterkariert. Leben aus Hoffnung zeitigt ein permanent vorläufiges Leben, das eine bleibende Ausständigkeit kennt und gerade deswegen nichts Absolutes aus sich machen muss - aus Hoffnung. Hoffnung steht also gegen eine Selbstverabsolutierung des eigenen Lebens und gegen entsprechende Hermetisierungen. Die Orientierung, die Hoffnung bietet, ist als eine des „Sich-Ausrichtens-auf“ zu verstehen. An dieser Bedeutung ist die basale Verbindung von Hoffnung und Sinn mit einem Seitenblick auf die Etymologie leicht zu erkennen. Alle zentralen ethischmoralischen Kategorien sind hoffnungsbasiert. Der Hoffnung geht es vorrangig und letztlich nicht um Zielerreichung, verbunden mit der Möglichkeit der Verzweiflung, dieses Ziel nicht zu erreichen, sondern um Sinnerreichung. Deswegen gibt es Hoffnung in der Verzweiflung. Das Ziel mag nicht erreicht oder zerbrochen sein, aber es gibt Hoffnung auf einen Sinn der Situation. Die Gewissheit der Hoffnung ist daher kein Wissen. Die Kategorie der Hoffnung muss theologisch auch deswegen heilsnotwendig gesetzt werden, weil ohne diese Kategorie das Kerygma des Glaubens nicht wirklich gelebt und in die Realität hinein übersetzt werden kann, d.h. das Heil kann nicht wirklich werden. Es geht hier nicht um die Verpflichtung einer Zuversicht sondern um die Gewährleistung einer Übersetzung in die Realität. Das Gute bleibt im Ansatz stecken ohne Hoffnung dadurch das eigene Gelingen zu betreiben. Bietet Hoffnung auf diese Weise Orientierung - letztlich durch Ausrichtung an einem Unbedingten als einzig angemessener Entsprechung ihrer eigenen Freiheitlichkeit, genauso wie ihrer Selbsttranszendenz über den Tod hinaus, dann nähert sie sich der 211 Vgl. WERBICK, J., Um Gottes Willen! . Ein theologischer Essay (Zweiter Teil), in: Orientierung 69 (2005), 117-120, hier 120. Vgl. auch STRASSER, P., Der Gott aller Menschen, Graz / Wien / Köln 2002, 194. „Wir müssen uns davor hüten, als Übernüchterte zu enden. Stattdessen sollten wir danach streben, dem Gedanken der Transformation einen glaubwürdigen Ausdruck zu verleihen.“ <?page no="573"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 573 Struktur des Gebets an, das spätestens seit THOMAS VON AQUIN grundlegend als elevatio mentis ad deum oder intentio mentis ad deum begriffen werden kann. So mündet Gebet letztlich ein in eine ganzmenschliche und gegenstandlos vertrauende Hoffnung in den Grund allen Seins, genauso wie umgekehrt radikale Hoffnung letztlich zum Gebet wird, vertrauende Ausrichtung der Existenz am Absoluten δ Personale Hoffnung und solidarische Hoffnung in Verantwortung für Welt und Mensch - Stellvertretende Hoffnung zwischen Subjekt und Objekt Wenn Hoffnung auf Freiheit basiert und Freiheitsvollzug ohne Hoffnung nicht denkbar ist und dabei der Freiheit vornehmstes Gegenüber jeweils andere Freiheit ist als seinerseits Unbedingtes, dann ist das vorzüglichste Gegenüber der Hoffnung wiederum eine Freiheit, sodass letztlich Hoffnung nicht auf Etwas hofft, sondern auf „Jemanden“ 212 , eine Person, die der endlichen Freiheit ein unendliches Gegenüber ist und nur so der endlichen Freiheit, die formal unbedingt, aber material bedingt ist, ein „attraktives“, anziehendes, verheißungsvolles und damit vertrauenswürdiges Gegenüber zu sein vermag; eine Person schließlich, die erst in Freiheit (an-) erkannt wird und zugleich dabei in die eigene je größere Freiheit hoffend hineinzuziehen vermag. Über die Attraktivität des Hoffnungsgutes, des Sinnvollen, Beglückenden und Guten ist noch zu wenig nachgedacht worden, sodass es zu wenig integriert wurde in entsprechende Theoriebildungen. Attraktivität steht unter Verdacht, im Erbe der Kantischen Eudämonismuskritik die Gutheit des Guten und dessen begründungstheoretisch absolute Geltung zu unterminieren. Dagegen ist sie als wichtige Motivationsquelle zu würdigen und im Handlungssubjekt zu verankern. Hoffnung wird allein von Personen (in ihrer Volldimensionalität) gehegt, so findet sie auch nur in einem personalen Gegenüber eine ihr adäquate Antwort, was kein Prinzip, keine Idee, etc. zu vermitteln vermag. Endliche Menschen können auch nur - immerhin - eine Ahnung davon geben, dass sie als Hoffnung auf Unbedingtes angelegt sind und alle endlichen, immer bedingten Kontexte transzendieren. Anders wäre ihre Persistenz nicht verständlich, würde sich leerlaufen. Noch zu wenig moraltheologische Beachtung scheint mir der Umstand erfahren zu haben, dass aus der moralischen Struktur der Hoffnung selbst, quasi aus ihrem vernunft- und freiheitstheoretischen Fundament (und in Korrespondenz mit ihren naturalen Grundlagen), der sittliche Imperativ zu unbedingter Solidarität mit dem Anderen erwächst - im Sinne einer stellvertretenden Hoffnung, einer Hoffnung, die den Anderen als Zweck an sich selbst niemals aufzugeben imstande ist. Wer hofft, der bricht das incurvatus in se ipsum zum je anderen hin auf, in der vertikalen Bewegung letztlich aus Gott heraus und auf Gott hin, in der horizontalen Bewegung letztlich für alle Menschen. Nimmt Hoffnung ihre sittliche Struktur ernst, dann kann sie nicht aufhören zu hoffen, bis alle Menschen in ihre Hoffnung hineingenommen sind und am Erhofften Anteil bekommen. Diese Hoffnung wird zur Tat, ist nicht untätig, wenn sie ihrer eigenen moralischen Struktur gerecht werden will. Hoffnung begründet daher eine Moralgemeinschaft, die solidarisch ist, weil sie jeden und jede in den eigenen Horizont einbezieht. Das Umgekehrte gilt freilich auch: Gelebte Solidarität macht Hoffnung, da es der Hoffnung auf das Gute reale Berechtigung gibt, weil es als Samen für das Mehr der Hoffnung interpretiert werden kann und weil es glücklich macht, etwa durch den darin transportierten 212 Vgl. SCHULTE, R., Christliche Hoffnung und menschliche Existenz in Weltverantwortung heute, in: Religion, Wissenschaft, Kultur Bd. 23 (2. Teil) (1972) 73, 93. <?page no="574"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 574 Sinn. Kurz gesagt: Hoffnung ist die Verantwortung der Freiheit und die Verantwortung der Zukunft. Sie ist moralisch verantwortete Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und zugleich eine Antizipation der Zukunft der Freiheit. Sie ist Weltverantwortung, Solidarität und „Praxis der Liebe als Vermittlung von Antizipation und Erinnerung“ 213 Auch deswegen ist christliche Hoffnung ansteckend, da sie auch auf personaler Begegnung beruht. 214 „Wir hoffen nicht für die allein, die unsere Hoffnung teilen, sondern auch für die, die keine Hoffnung hatten und haben, für die, deren Hoffnungen in diesem Leben unerfüllt geblieben sind, für die, die enttäuscht und bitter sind, für die, die am Leben verzweifelt sind, und für die, die Leben verletzt und zerstört haben. Wenn wir nur für uns, die wir Hoffnung haben, hoffen könnten, so würde unsere Hoffnung nichtig sein.“ 215 Hoffnung ist daher imstande, gerade ein personal gebundenes Vertrauen zu konkretisieren und zu übersetzen auf Wirklichkeit hin. Selbstverständlich muss die Verantwortung für die Hoffnung oder Hoffnungslosigkeit bzgl. des je eigenen Lebens beim Individuum und seiner Autonomie angesiedelt werden, dennoch gibt es eine Fülle von Menschheits- Hoffnungen, die unserem machbaren Zugriff vorgängig sind und die damit zuerst verdankt sind (Frieden, Gerechtigkeit, Versöhnung, gelingendes Leben). Eine Erneuerung von Hoffnung hat daher damit zu tun, an die Quellen der Hoffnung (fontes spei) zu kommen, existentiell Anschluss zu bekommen an menschheitliche Hoffnungen, sich (aktiv) in sie hineinzustellen und sich ihnen auszusetzen (passiv), deren Rezeption und Applikation mithin, nicht aber deren Produktion in unserer Verantwortung liegt. Der Zielwert unbedingter Solidarität 216 beispielsweise ist wohl letztlich nur durchzuhalten, erst recht bis in die Abgründe von Verzweiflung, Krankheit und Tod hinein, wenn eine Hoffnung besteht, dass dieses Tun letztlich nicht sinnlos ist bzw. wenn eine begründete Hoffnung besteht, letztlich nicht vernichtet zu werden oder ins Nichts zu fallen, Verknüpfungen und Voraussetzungen, die im einzelnen argumentativ zu zeigen sein werden. Nicht nur, dass Hoffnung unbedingte Solidarität allererst ermöglicht, sie selber ist ein solidarisches und soziales Phänomen, indem sie - ihrerseits auf der menschlichen Fähigkeit zur Selbsttranszendenz basierend - Menschen in ihren Hoffnungen solidarisch und gemeinschaftlich verbindet. 217 So lässt sich aus dem Sittengesetz eine moralische Verpflichtung ableiten, „für den anderen Menschen auch gegen allen Anschein zu hoffen“ 218 . Mit anderen Worten: Wer hofft, der gibt sich selbst und seinen Nächsten nicht auf und nimmt den anderen in die eigene Hoffnung hinein. Tut er es nicht, desavouiert er seine eigene Hoffnung. Wird die Vernunft aus dieser Verpflichtung entlassen, dann wird das utopische Denken insgesamt verabschiedet und NIETZSCHES „letzter Mensch“ 213 Vgl. ebd. 290ff. 214 Vgl. SCHAEFFLER, R., zur Anthropologie und Ethik der Hoffnung, in: Münchner Theologische Zeitschrift 33 / 1 (1982), 1-24. 215 Vgl. TILLICH, P., Das Recht auf Hoffnung. Eine religiöse Rede, in: UNSELD, S. (Hrsg.), Ernst Bloch zu ehren, Frankfurt 1965, 265-276, hier 276. 216 Vgl. MENKE, K.-H., Das Gottespostulat unbedingter Solidarität und seine Erfüllung durch Christus, in: IKaZ 21 / 1992, 486-499. 217 „Den anderen um seiner selbst willen bejahen und für ihn da zu sein heißt, ihn in die Hoffnung hinein nehmen, die man für sich selber hat.“ Vgl. HUNOLD, G.W., Identitätstheorie. Die sittliche Struktur des Individuellen im Sozialen, in: HERTZ, A. / KORFF, W. / RENDTORFF, T. / RINGELING, H. (Hrsg.), Handbuch der christlichen Ethik Bd. I, Freiburg im Breisgau et al. 1978, 195. 218 Vgl. STRIET, M. Der neue Mensch? Unzeitgemäße Betrachtungen zu Sloterdijk und Nietzsche, Frankfurt a. M. 2000, 137. <?page no="575"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 575 betritt die Bühne der Welt. Wenn ich dagegen den Anderen im Sinne von LEVINAS 219 ernst nehme, dann ist der Andere imstande, mich und meine aktuellen Hoffnungen zu verstören, nicht zu zerstören, aber zu verstören, zugleich in gewisser Weise in eine Hoffnung hinein zu nehmen, die uns beide umgreift. Insofern gibt es eine Dialektik des Anderen bzgl. der Hoffnung. Der Andere ist positiver Haltepunkt und Objektivierung der Hoffnung. Die Manifestation der Hoffnung ist greifbar im Anderen, im Anderen inkarniert sich quasi die Hoffnung - auch in der Hoffnung für die Toten. Auch Gebet ist häufig Ausdruck stellvertretender und solidarischer Hoffnung, ebenso wie monastische Existenz insgesamt. Christliche Hoffnung gibt mithin schon aus moralischen Gründen niemanden auf bis dahin, dass es berechtigte Hoffnung gibt, die Hölle möge leer sein 220 - ansonsten müsste der als Christ Hoffende vor Gott hintreten und als moralische Konsequenz seiner Hoffnung einklagen und einfordern, dass er werben möge um alle - bis sie in solidarischer Hoffnung vereint sind bei ihm. Gottes Heilswillen umfasst noch das Scheitern und Misslingen des Menschen, die Tragik und das Böse, auch wenn er ihn nicht gegen menschliche Freiheit durchsetzen kann, sondern nur mit. ε Die Einheit der Hoffnung Zunächst ist zu unterscheiden die Einheit der Hoffnung und die Einigkeit in der Hoffnung. 221 Es existiert eine Pluralität der vielen Hoffnungen und Motive, aber dennoch eine Einheit im Hintergrund. Das Theorem des höchsten Gutes bzw. des Letztziels menschlichen Handeln ist insofern unverzichtbar, als es die Einheit der Hoffnung zu gewährleisten vermag. Christliche Hoffnung ist nun dadurch gekennzeichnet, dass die eine Hoffnung, der wir uns nur annähern können, kontrastiert wird mit den vielen (kleinen und größeren) Hoffnungen und Hoffnungsbezügen, die auf die eine Hoffnung zusammenlaufen und finalisiert werden können. Sonst wäre die Handlungsorientierung hin- und hergerissen zwischen unterschiedlichsten und letztlich unverbundenen „Hoffnungen“ und Verheißungen, die dadurch auch keine starke, die Kräfte des Menschen bündelnde Orientierung geben könnten. Hoffnung könnte keine kohärenz- und konsistenzsichernde Handlungskategorie sein. Nur so ist auch zu verstehen, dass spezifisch humane Hoffnungen, die als (einige wenige) Letztziele fungieren, Menschen zutiefst verbinden können - etwa diejenigen auf Frieden und Gerechtigkeit. Letztlich entspricht diese Einheit der Hoffnung in Gott, dem höchsten Gut, einem letzten Sinn, entspricht auch den naturalen Strukturen des Menschen, die für eine Finalisierung offen sind. Es gibt darüber hinaus 219 Vgl. LÉVINAS, E., Dialog, in: SCHERER, R. / LÉVINAS, E. / BOUILLARD, H., Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft - Teilband I, Freiburg 1981, 61-85. Ders., Die Spur des Anderen. Untersuchungen zur Phänomenologie und Sozialphilosophie, übersetzt, hrsg. und eingeleitet von KREWANI, W.N., Freiburg / München 1983. Ders., Totalität und Unendlichkeit. Versuche über die Exteriorität, Freiburg / München 1987. Ders., Über die Idee des Unendlichen in uns, in: HENRIX, H.H. (Hrsg.), Verantwortung für den Anderen - und die Frage nach Gott. Zum Werk von Emmanuel Lévinas, Aachen 1984, 37-41. Ders., Wenn Gott ins Denken einfällt. Diskurse über die Betroffenheit von Transzendenz, Freiburg / München 1985. 220 Vgl. PEMSEL-MAIER, S., Gericht - Himmel - Fegefeuer als Hoffnungsbilder lesen, in: Bibel und Kirche 63 (2008) 4, 204-209, hier 209. „Eben weil die christliche Hoffnung niemanden aufgibt, dürfen Christen hoffen, dass die Hölle leer ist.“ 221 Vgl. SAUTER, G., Einig in der Hoffnung? Überlegungen zum Verhältnis von evangelischer und katholischer Eschatologie heute, in: Materialdienst des konfessionskundlichen Instituts Bensheim 43 (1992), 27-33. <?page no="576"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 576 nicht nur eine Einheit innerhalb der Hoffnung, sondern (christliche) Hoffnung stiftet auch auf eine noch unterschätzte Weise Einheit unter den Menschen, indem sie den Menschen ‚Wir‘ sagen lässt. Die vernünftigen und damit moralischen, auch die religiösen Hoffnungen des Menschen sind einheitsstiftend, nichtinstrumentell und antitotalitär. So entsteht die Einheit des Menschengeschlechts in der Orientierung auf das Gute (vgl. etwa Menschenwürde - Menschrechte). Der einen verheißenen Zukunft entspricht die eine christliche Hoffnung, die als natürliche oder übernatürliche in dieselbe Richtung weist. „Der Mensch hat nicht einen finis ultimus naturalis und einen finis ultimus supernaturalis, er hat nicht eine natürliche und eine übernatürliche Endgeschichte; er hat nur einen einzigen finis ultimus, nämlich die von Gott verheißene Zukunft.“ 222 Sie ist psychologisch und philosophisch von größter Relevanz: psychologisch als Sinn und Ziel höchster Priorität und philosophisch als Gott oder höchstes Gut, denn damit wird psychologisch der Zielbzw. Kulminationspunkt maximaler psychischer Energie benannt, theologisch der Ort letztgültiger Herkünftigkeit und Zukünftigkeit des Menschen bzw. letztgültigen Sinns, oder letzten Sinns der Wirklichkeit. Nur so, durch den Bezug der vielen oft heterogenen Einzel-Hoffnungen auf einen Kulminationspunkt, der die Einheit der Hoffnung verkörpert, vermag diese ihr bindendes, orientierendes und in praktisch allen Lebenslagen motivierendes Potential zu entfalten für menschliche Handlungswirklichkeit. 223 Worauf zielt diese? Theologisch auf die Gemeinschaft in und mit Gott. Handlungsmotivation ist nun nicht mehr strikt auf ein vorgegebenes Ganzes hin zu verstehen, das immer ideologieanfällig ist, sondern nur mehr im Plural anzutreffen. Aber Handlungsmotivation wird dennoch von einem fundamentalen „Woraufhin“ gespeist, das das Gelingen der dem Handeln zugrunde liegenden Existenz mit seiner eigenen Realisierung verheißt und damit als Hoffnungsfigur ausgewiesen werden muss - und dabei eine Einheit und ein (relatives oder absolutes) Letztziel darstellt. Die Frage wird sein: Gibt es trotz der prozesshaften, offenen Pluralität universale Woraufhins der Handlungsmotivation, was letztlich nur das immer wieder neu zu eruierende (höchste) Gute sein kann auf der Suche nach (individuell und kollektiv) gelingendem Leben, das als sinnerfülltes Leben gedacht werden kann. Das Christentum verträgt sich nicht nur mit diesen Tendenzen der Säkularisierung und Pluralisierung, sie sind dem Christentum selber inhärent, weswegen ein Begriff christlicher Hoffnung eher freigelegt als verunmöglicht wird. Wenn ich „Hoffnung habe“, dann kommt das bereits einer reflektierenden Konkretion dessen gleich, dass ich „hoffnungsvoll bin“, sodass immer beide Formen beachten: (I) die Explizite Rede von Hoffnung; (II) der Lebensführung implizites Hoffnungsvoll-Sein bzw. Aus-Hoffnung-Leben. Hoffnung kann schließlich als „Metamotivation“ bezeichnet werden, indem sie quasi vertikal zu den horizontalen Ziel- und 222 Vgl. METZ, J.B., Verantwortung der Hoffnung. Vier Diskussionsthesen, in: Stimmen der Zeit, 91 (1966), 451-462, hier 458. Weiter heißt es: „Im Verhältnis zur Zukunft und zur Endgeschichte kann sich die Theologie nicht damit beruhigen und die natürliche Zukunft der Welt von der übernatürlichen Zukunft des Glaubens und der Kirche trennen. Im Verhältnis zur Zukunft konvergieren beide Dimensionen. Das heißt aber: die Hoffnung, in der sich der christliche Glaube zur Zukunft verhält, kann sich nicht an der Welt und deren Zukunft vorbei realisieren. Diese Hoffnung muss für die eine verheißene Zukunft und damit auch für die Zukunft der Welt einstehen und sie verantworten. Der Glaube hofft nicht nur für sich selbst, die Kirche hofft nicht nur für sich selbst, sondern - für die Welt.“ 223 Vgl. BALTHASAR, H.U., Die Einheit der theologischen Tugenden, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio 13 (1984), 306-314. <?page no="577"?> 2. Hoffnung und Handlungsmotivation. Sinn als das kontextualisierte Gute 577 Erwartungsmotivationen einen motivationalen Metarahmen bereitstellt, eine motivationale Perspektive und Orientierung, die auf das Ganze des Lebens bzw. der Welt zielt. f) Leben aus der Hoffnung und dem Vertrauen auf den Sinn des Guten Entscheidend für die Zukunft der hier vorgeschlagenen Konzeption von Hoffnung wird sein, aus welchen Quellen sich die Definition des Guten speist beziehungsweise woraus und woraufhin die „wertende Einstellung eines Subjekts zu diesem Seienden“ 224 , das als gut bezeichnet werden soll, zustande kommt, wie sich mithin eine Ontologie des Guten und des höchsten Guten ausweisen lässt, nach dem der Mensch hoffend auslangt. Gegen relativistische, einseitig subjektivistische und zweckrationale Unterbestimmungen des Guten hat eine theologisch-ethische Hermeneutik geltend zu machen, dass humanes Handeln immer Handeln aus spezifisch bestimmter Hoffnung ist. 225 Hoffnung entlässt dabei umgekehrt einen Gestaltungsimpetus aus sich beziehungsweise ermöglicht permanent einen „Gestaltungsentwurf je besserer Wirklichkeit“ 226 , der sich je neu einer Extrapolation oder Antizipation sinnvoll imaginierter Zukunft verdankt, der grundlegend Handlungsmotivation bereitstellt und unter anderem auf diese Weise zur Realisierung dieses Gutes beiträgt. Das Hoffnungsgut hat unter ethischer Perspektive sittlich qualifiziert zu werden, da es potentiell an der Idee des sittlich Guten selbst partizipiert, sodass eine derart bestimmte Hoffnung einen entscheidenden Beitrag zur Vergegenwärtigung der Sinnintention der Moral selbst leistet. Oder umgekehrt formuliert: Das Gute lässt uns begründet hoffen. Aufgabe Theologischer Ethik ist es dabei, einen entsprechenden integrativen Hoffnungsbegriff interdisziplinär freizulegen und die korrespondierende Anthropologie zu erarbeiten, um schließlich die eigentlichen Hoffnungsvollzüge reflexiv zugänglich zu machen. Ohne Hoffnung wird die Moral sinnlos. In dieser Form wird Hoffnung einer der zentralen Motoren der Gesellschafts- und Kulturentwicklung genannt werden können, wiewohl eine einfache positive oder positivistische Konsolidierung der Hoffnung nicht mehr möglich ist angesichts der nicht allein im 20. Jahrhundert zutage getretenen moralischen Abgründe des Menschen. Wer will da noch unbefangen von Hoffnung reden? Es muss darum gehen, eine Hoffnung begründet zu ermöglichen und auszuweisen, die der Welt standhält, sie zumindest aushalten lässt - ohne das Gute zu verraten oder es darum preisgeben zu müssen. Stattdessen wird ein Verständnis begründet freizulegen sein, wonach aufgrund der Hoffnung auf das Gute und der daraus ermöglichten Handlungsmotivation und aufgrund des darin aufscheinenden Sinnpotentials der Welt standgehalten werden und diese womöglich auf der Basis eines hoffnungs- 224 Vgl. HÖFFE, O. (Hrsg.), Lexikon der Ethik, München 6 2002, 110. 225 Zu fragen ist dabei etwa, inwieweit wir begründete Hoffnung haben können oder gar müssen etwa für Tiere, für Umwelt und Natur? Die Frage mit ja zu beantworten hängt an der Reichweite unseres Begriffs von Gut und damit an dem moralischen Status, den wir den Tieren und der Umwelt zubilligen bzw. an der Reichweite unserer moralischen Pflichten. Woran bemessen sich und was sind die Grundlagen unserer Begriffe von Ethik und Ästhetik (Anthropozentrismus), des Guten und des Schönen? Je nachdem wie weit oder eng wir diese Begriffe fassen, wen oder was wir darunter fallen lassen oder nicht, haben wir potentiell die Möglichkeit Hoffnung zu hegen auch für die Tiere. An dieser Stelle zeigt sich sehr schön, dass die (ethische) Kategorie der Hoffnung auf das Engste verknüpft ist mit dem Begriff des Guten bzw. dass Hoffnung letztlich moralisch qualifiziert ist. Vgl. grundlegend RICKEN, F., Allgemeine Ethik, Stuttgart 4 2003. 226 Vgl. PFÜRTNER, S.H. / LÜHRMANN, D. / RITTER, A.M. (Hrsg.), Ethik in der europäischen Geschichte Bd. I, Stuttgart 1988, 79. <?page no="578"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 578 induzierten Antriebsüberschusses auf das jeweilige Gute hin umgeformt werden kann - und dabei mit einem Gott zu rechnen ist, der uns für diese Aufgabe je neu aus der Zukunft entgegenkommt. Diese Zukunft je neu zu verantworten hieße dann für den Menschen, begründete Hoffnung auszuweisen und zu verantworten. Dazu gehört die Verantwortung des Einzelnen genauso wie die der großen gesellschaftlichen Systeme: Der Politik, der Kultur, der Wirtschaft, auch die der Wissenschaft, die sich ebenso von bestimmten Zukunftsszenarien in ihrer Arbeit leiten lässt, wie mit einem Blick auf die mit der Gentechnik verknüpften Erwartungen leicht ermessen werden kann. Werden allerdings diese basalen Hoffnungsfiguren egalisiert und relativiert, schafft sich der Mensch neue, wobei die Gefahr besteht, dass es sich um degenerative, rein immanente Horizontalhoffnungen handelt, die höchstens als Surrogate der einen christlichen Hoffnung zu begreifen sind, aus der eine erstaunliche (Handlungs-) Souveränität und Freiheit resultieren kann, wenn sich das Subjekt dadurch von einer verheißenen Zukunft bestimmen lässt, die Vollendung des Unvollendeten in Aussicht stellt, die Heilung des Versehrten und die Versöhnung der in Schuld Verstrickten 227 . Die Bedeutung humaner Hoffnung wird daher menschheitsgeschichtlich im Kontext der Selbstverständigung des Menschen über sich selbst eher zunehmen, da unter moraltheologischer Perspektive die existentielle Ungesichertheit des Menschen, auch die Erfahrung seiner Fraglichkeit und Ausständigkeit wachsen wird, vorgegebene und vermeintlich gesicherte Handlungsordnungen weiter zurückgehen und der Mensch zunehmend gezwungen wird, sich an das human Gute, das ihm als Mensch gemäß ist und das er zunehmend erkennt, selbsttätig zu binden und sich in den Dienst dieser Hoffnungsfigur zu stellen, soll seine Existenz individuell und kollektiv gelingen. Die Vorstellung nämlich, das, was wir sollen, auch zu können, überhaupt die Erwartung der Realisierbarkeit des Guten ist nicht allein eine logische Voraussetzung aller gelebten Moral und aller Ethik, sondern setzt eine Zuversicht voraus, ein vorgängiges Vertrauen in den Sinn der Moral und des Guten überhaupt, die nicht anders als Hoffnung genannt werden kann. Wer also human leben will und das Gelingen dieses Lebens will, der hofft oder er gibt die Vitalität seines Lebens irgendwann ab. Leben will immer etwas, es steht in der Spannung von dem, was es ist beziehungsweise als was es sich erlebt und dem, was es sein könnte und sein möchte und sinnvollerweise auch sein sollte - worauf letztlich gehofft wird, weil es nicht gewusst werden kann. Es vitalisiert genau dadurch fundamental, weil es sinnvolle Existenz verheißt, dabei aber unter kritischer Kontrolle des Guten und Richtigen gestellt zu werden hat, will es verantwortet werden. Alles „Vertrauen in den Sinn der Moral“ dürfte an spezifische Hoffnung gebunden sein - etwa auf Versöhnung der Moral mit dem Glück und der Rettung von Identität. 227 Vgl. FUCHS, O., Das jüngste Gericht. Hoffnung auf Gerechtigkeit, Regensburg 2007. <?page no="579"?> 3. Hoffnung als Therapeutikum 579 3. Hoffnung als Therapeutikum Glaube ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht. 228 An einer integralen Hoffnungstheorie, wie sie hier vorbereitet und vertreten werden soll, und der daran Maß nehmenden Praxis kann nun paradigmatisch abgelesen werden, was Moraltheologie die „durch den Glauben erleuchtete sittliche Vernunft“ nennt und wie diese u. a. in Erscheinung tritt: Diese ist nämlich, nach KLAUS DEMMER, „ihrem Wesen nach heilende Reflexion. Sie findet sich nicht resignierend mit gegebenen Verhältnissen ab. Vielmehr sucht sie herauszufinden, wie Handlungsalternativen eingebracht werden können, die eine bestehende Verhängnisstruktur von innen her aufbrechen und eine gegeben Situation von Grund auf umfassend verbessern.“ 229 Diese Einbringung zeigt sich wesentlich als Hoffnung, als Aussicht auf Besserung, weswegen das Zitat exakt auf therapeutische Strukturen der Hoffnung hindeutet; so gesehen ist die durch den Glauben erleuchtete Vernunft in ihrer Integration das Medium zur Explikation handlungspraktisch verorteter, d.h. sittlich relevanter Hoffnung, die sich als Therapeutikum zu erkennen gibt. Umgekehrt können an allen „therapeutischen Orten“ wenigstens Fragmente und einzelne Formeln einer umfassend befreienden, erlösenden und damit heilsamen Hoffnung entdeckt werden, ebenso an Orten, an denen Sie - quasi ex negativo - entbehrt wird. Daher kann auch „Hoffnungslosigkeit als Existenznot des heutigen Menschen“ 230 interpretiert werden, die, wo sie im Medium der vom Glauben erleuchteten sittlichen Vernunft einen hoffnungsgetragenen „Ausblick auf bessere Daseins- und Handlungsmöglichkeiten“ 231 eröffnet bekommt, eine heilsam-therapeutische Antwort erfährt. Damit wird eine Relativierung und Enthermetisierung der Gegenwart an der Zukunft ermöglicht, die aber bereits einen Anhalt, einen Nukleus ihrer selbst in der Gegenwart haben muss, sonst dürften wir ihr nicht wirklich vertrauen. Das ermöglicht es, dass der „Glaube als Handlungsermöglichung wirksam wird. In dieser Eigenschaft trifft er sich mit der sittlichen Wahrheit, die ursprünglich befreiend und schützend wirkt.“ 232 Freilich sollten die Grenzen nicht verwischt werden. Auf diesem Hintergrund wird mit DEMMER auch verständlich, warum sich Glaubensbewährung immer auch in der „Bewältigung von Konfliktsituationen“ 233 zeigt. Nach klassischer Definition 234 kann ein dreifacher Impuls der Hoffnung benannt werden: sie belebt (animans), reinigt (purificans) und stärkt (roborans) das Streben des Menschen, sein Schicksal in die Hand zu nehmen. Dabei kann von einer basalen Schutzfunktion der Hoffnung gesprochen werden: Wir handeln als ob es zur Erfüllung der Hoffnung kommt, leben als ob es gelingen wird. Damit wird die reine Negativität und Faktizität überstiegen und transzendiert und dem Gelingen tatsächlich der Weg in die Realität geebnet. Nicht die Fakten werden einfach verlängert in die Zukunft oder verändert in der Zukunft, was Fatalismus und Lähmung bedeuten würde, sondern trotz der Fakten und 228 Vgl. Hebr 11,1-2. 229 Vgl. DEMMER, K., Moraltheologische Methodenlehre, Freiburg i. Ue. 1989, 90. 230 Vgl. SCHÖLLGEN, W., Konkrete Ethik, Düsseldorf 1961, 143-151. 231 Vgl. DEMMER, Moraltheologische Methodenlehre, 89. 232 Vgl. ebd. 92. 233 Vgl. ebd. 94. 234 Vgl. GS, 38. <?page no="580"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 580 der Negativität wird ein Handeln auf das Gute hin entworfen, indem die mögliche Bedeutung der Fakten, deren Wert und Wirkung, aus der Zukunft einer erhofften Aussicht heraus sich verwandelt. Damit dient Hoffnung auf unkalkulierbare und letztlich unbedrohte Weise der Bewahrung und Eröffnung von Identität. Was sich im Rahmen einer genauen Analyse von aktuellen Psychotherapiekonzeptionen bereits andeutete, aber erst unter dezidiert theologisch-ethischer Perspektive offensichtlich werden konnte, ist das folgende epistemische Problem: Psychotherapie dieser Provenienz ist zunächst einmal rein formal 235 konzipiert; sie kennt offiziell keinerlei inhaltliches Kriterium für Gelingen außer den formalen Kriterien der Kohärenz und Konsistenz des seelischen Lebens selber. Hier zeigt sich der eklatante Mangel an praktischer Philosophie innerhalb der elaborierten modernen Psychotherapieforschung 236 , letztlich der Mangel an ethischer Durchdringung, was für die These der vorliegenden Überlegungen spricht, beides zu einem integrativen Hoffnungsbegriff zusammen zu führen: So ergibt sich als zentrales Agens menschlichen Handelns die Antizipation sinnvoller Existenz im Medium der Hoffnung. Die Brücke schließlich zur dezidiert theologischen Ethik und zum christlichen Glauben wird an der Stelle zu schlagen sein, wo erwiesen werden kann, dass Sinn als säkulare Heilskategorie beziehungsweise als Säkularisat christlicher Hoffnung partiell das Erbe dessen angetreten hat, was Theologie mit den Begriffen Heil, Gnade und Rechtfertigung zu umschreiben versucht. Unter theologisch-ethischer Perspektive geht es mithin um die therapeutischen Qualitäten der Ethik, ihre Therapiefähigkeit 237 , und umgekehrt darum, Psychotherapie in einen neuen Horizont der Sinnerfahrung 238 zu stellen beziehungsweise den ihr implizit immer eigenen Sinnhorizont schlicht freizulegen. Der praktisch-inhaltliche Konvergenzpunkt beider Disziplinen deutet sich dabei längst an: Es geht um Lebenshilfe, theoretische und praktische Hilfe zu gelingender, sinnerfüllter Lebensführung und Lebensgestaltung. Was daher mitunter im beraterisch-therapeutischen Kontext als fehlende Motivation zur Gestaltung des Lebens oder zur Bewältigung von Krisen im Rahmen von psychopathologischen oder anderweitig behandlungsbedürftigen Zuständen erachtet und entsprechend bearbeitet wird, ist bei genauerer Betrachtung nicht selten ein Mangel an Hoffnung auf sinnvolle Lebensgestaltung. Dieser tritt schließlich - aufgrund der mobilisierenden Funktion von Hoffnungen - als Motivationsmangel in Erscheinung, ist aber eigentlich nur dem Mangel an sinnverheißender Hoffnung konsekutiv. Eine effektive und nachhaltige Behandlung hat daher genau an dieser Stelle anzusetzen. Was sich hier ausdrückt, ist das Verlangen des seelisch wie körperlich Versehrten nach einem Grund zum Gesundwerden, letztlich nach einem Grund sinnvoller Existenz - trotz Beeinträchtigungen, Krisen und Krankheit. Mir scheint daher, dass die Aussicht auf sinnvolle und glückende Lebensführung als einer der 235 Das kann soweit gehen, dass Aspekte dessen, was hier als Hoffnung verhandelt wird, dort als positive illusion firmiert. Vgl. TAYLOR, S.E., Positive illusions. Creative self-deception and the healthy mind, New York 1989. 236 Vgl. als Ausnahmen STAVEMANN, H.H., Lebenszielanalyse und Lebenszielplanung in Therapie und Beratung, Weinheim / Basel / Berlin 2008. KURZ, W., Philosophie für helfende Berufe, Tübingen 2005. STAVEMANN, H.H., Sokratische Gesprächsführung in Therapie und Beratung. Eine Anleitung für Psychotherapeuten, Berater und Seelsorger, Weinheim / Basel / Berlin 2002. 237 Vgl. schon früh für die Theologie im Allgemeinen BISER, E., Theologie als Therapie. Zur Wiedergewinnung einer verlorenen Dimension, Heidelberg 1985. 238 Vgl. FRANKL, V.E., Die Sinnfrage in der Psychotherapie, München 1981. <?page no="581"?> 3. Hoffnung als Therapeutikum 581 zentralen, wenn nicht der zentralste Grund zum Gesundwerden 239 erachtet werden kann, der in Theorie und Praxis der Beratung aber nach wie vor noch viel zu wenig Beachtung findet. 240 Letztlich wird hier die Wirkung begründeter Hoffnung augenscheinlich, die zur Aufrechterhaltung oder Wiedererlangung von Handlungskompetenz trotz oder jenseits von Versehrung beiträgt. Handeln aus Hoffnung entlässt aus sich permanent einen Gestaltungsimpetus und Gestaltungsentwurf einer je besseren Wirklichkeit. Es geht um Wirklichkeit, die je neu hervorgebracht werden muss. Alle letztlich humanen Hoffnungsfiguren sind universal, dennoch können sie konstruktivistische Anteile besitzen. Danach ist zu erwarten, dass alle vernunftbegabten Menschen letztlich auf dieselbe humane Hoffnung stoßen. Aufgabe der Ethik ist es, diese herauszukristallisieren, wobei die Deutung und Einordnung in bestimmte Weltbilder bzw. Sinnzusammenhänge sehr verschieden ist. Für diese Gestaltungsimpulse ist „unausgesprochene Zuversicht“ 241 nötig, letztlich Hoffnung. Warum unterstützt und ermöglicht Hoffnung die Bewältigung von Versehrung und Krisen? Hoffnung entfernt das Leid nicht, sie vermag es aber zu verwandeln. Hoffnung entfernt den Schmerz nicht, vermag ihn aber zu transformieren. Es gibt Hoffnung in der Verzweiflung. Hoffnung bricht die „Totalität des Leidens“, des Schmerzes, der Verzweiflung auf. Das ist ihr entscheidender Verdienst an dieser Stelle. Indem eine Bewältigung in Aussicht gestellt wird, indem ein Gelingen vertrauend für möglich gehalten wird, wird die „subjektive Totalität des Leidens“ aufgebrochen. Denn die Negativität des Leidens hängt u. a. an seiner subjektiven (Bewusstseins-) Totalität. Leiden hat die Tendenz, sich im Bewusstsein zu totalisieren und kraft menschlicher Verstandestätigkeit zu finalisieren. Hoffnung wirkt dem entgegen durch umgekehrte Finalisierung einer positiven Sinnaussicht. Kein Leiden hält auf diese Weise der Hoffnung stand, indem es kraft eines freiheitlichen (und vernünftigen, auch gefühlsmäßig getragenen) Aktes Gründe für ein mögliches Gelingen, für möglichen Sinn sucht und sich diesen Valenzen (in einer Art Selbstbindung) unterstellt und damit das handlungsleitende System erhellt, indem es sich wieder daraufhin orientiert und dadurch energetisiert. Die entscheidende Frage wird sein, ob es solche Gründe gibt und was der Einzelne dafür tun kann, das diese verbürgt sind bzw. eine Sinnaussicht gewähren. Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein - subjektiv und objektiv? Die Inflation der Aussichtslosigkeit (Perspektivlosigkeit, Negativität, Sinnlosigkeit) im Bewusstsein wirkt lähmend auf die Handlungsfähigkeit. Hoffnung stoppt diese Inflation und hellt das Bewusstsein auf durch die Bereitstellung einer Aussicht und Sinnfigur, die motivierend wirkt, weil sie Gelingen verheißt. Die Totalität und Inflation ist unterbrochen in Richtung einer (Aus-) Balancierung des Negativen durch das Gute, das real oder verheißen Platz im Bewusstsein bekommt. Warum 239 Vgl. zur Bestätigung der These die psychologischen Forschungen zum Konzept der Seelischen Gesundheit BECKER, P., Psychologie der seelischen Gesundheit. Bd. 1: Theorien, Modelle, Diagnostik, Göttingen et al. 2 1997. BECKER, P. / MINSEL, B., Psychologie der seelischen Gesundheit. Bd. 2: Persönlichkeitspsychologische Grundlagen, Bedingungsanalysen und Förderungsmöglichkeiten, Göttingen et al. 1986. 240 Als Ausnahme kann die Logotherapie V.E. FRANKLS gelten, die die Sinnorientierung ins Zentrum einer therapeutisch sehr effektiven Arbeit stellt, allerdings einen Sinnbegriff kennt, der ganz im Sinne der vorliegenden These im Modus der Hoffnung seine Wirkung entfaltet. Vgl. FRANKL, V.E., Der Wille zum Sinn. Ausgewählte Vorträge über Logotherapie, München 1991. 241 Vgl. PFÜRTNER, S. (Hrsg.), Ethik in der europäischen Geschichte Bd. II. Reformation und Neuzeit, Stuttgart 1988, 79ff. <?page no="582"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 582 mobilisiert Hoffnung Kraft und motiviert also auf basale Weise? Weil sie immer wieder einen handlungsmäßigen Neuanfang verheißt und ermöglicht. Die in der Hoffnung zugängliche Aussicht auf ein Gut ermöglicht ein Weitermachen, ein Dennoch, sonst würden wir immer wieder de facto in Bedingungen feststecken, ausgebremst durch das Lastgewicht der Gegenwart und das eigene und fremde Scheitern. Hoffnung vermag uns potentiell darüber zu erheben, indem wir immer wieder neu anfangen können. Wer angesichts individuellen und kollektiven Scheiterns und angesichts einer mitunter katastrophal anmutenden Menschheitsgeschichte die Zukunft und das je eigene Leben mutig zu gestalten sich anschickt, der muss Hoffnung haben, sonst würde er handlungsmäßig gelähmt werden. Was gewährleistet eigentlich, dass wir immer wieder neu anfangen, das Gute tun zu wollen, woher kommt die diesbezügliche Persistenz? Warum richten wir das Gute immer wieder auf, halten daran fest und verpflichten uns darauf, wiewohl wir öfters dahinter zurückbleiben als es zu realisieren? Und wenn wir es realisiert haben, richten wir umgehend ein neues Gut auf. Wer immer wieder aufsteht und immer wieder anfängt, das Gute zu suchen und zu tun, sich orientieren lässt und orientiert, sich motiviert und energetisieren lässt, muss eine begründete Hoffnung hegen, dass das Gute Sinn verheißt, subjektiv und objektiv. Hoffnung führt dazu, dass die Totalität des Leidens im Bewusstsein aufgebrochen wird durch eine Sinnaussicht und dass das Unabgegoltene des Lebens und des Guten in diesem vom Negativen inflationär belegten Bewusstsein zur Geltung gebracht wird durch Eröffnung eines Möglichkeitsraumes, einer possibility sphere. Die Frage wird sein, wie die Verknüpfung und das Verhältnis der subjektiven Sinnaussicht mit dem objektiven Guten zu leisten ist. Unter negativen Vorzeichen wird also die Totalität des Leidens, der Verzweiflung, der Leere durch die Sinnaussicht der Hoffnung aufgebrochen. Unter positiven Vorzeichen wird (korrespondierend) die Totalität der Handlungsbestimmung durch die Gegenwart aufgebrochen, das neuzeitliche szientistisch geprägte factum kontrastiert mit dem noch ausstehenden verum, der Genitiv der Gegenwart mit dem Komparativ bzw. Superlativ der Hoffnung, die Realität mit dem (summum) bonum. Absolute Sicherheit gibt es dafür jeweils nicht, so sehr wir uns auch bemühen, die Zukunft (pragmatisch, verfahrenstechnisch) zu kontrollieren. Es gibt für Hoffnung nur eine certitudo in spe, nicht in re, weswegen das Gute als Hoffnungsziel selber tatsächlich ein Relationsbegriff ist, für den es keine objektive Gewissheit geben kann, das käme nämlich einer Vorwegnahme (praesumptio) gleich, es sei denn dem Menschen käme dabei ein absoluter Hoffnungsgrund entgegen, wie es für das Christentum kennzeichnend ist. Mit anderen Worten: Sicherheit und Gewissheit in der Hoffnung kann es nur auf der Ebene des Hoffnungsgrundes geben, nicht auf der Ebene der Hoffnungsziele. Hier dürfte einer der zentralen Motoren der Gesellschafts- und Kulturentwicklung zu finden sein: Motivation durch das Gute und Motivation durch Aussicht auf Heilung, Wieder-Zurückerlangung und Aufrechterhaltung von sinnvoller Lebensgestaltung und Lebensbewältigung. Dieser Überlegungen eingedenk soll an vorliegender Stelle der argumentative Kreis dieser Arbeit schließlich geschlossen werden, indem das teilweise erörterte fundamentum in re der Hoffnung, die psychologisch-psychotherapeutischen Strukturgesetzlichkeiten der Hoffnung in diese Argumentation weiter integriert werden, indem die so anthropologisch fundierte Hoffnungskategorie dem ihr inhärenten therapeutischen Potential geöffnet wird, wobei hier nur problemorientiert auf das Phänomen hingewiesen werden kann: Grundlegend gilt dabei, dass in der Kategorie der Hoffnung auch ein Reservoir an gebundenen Erfahrungen anzutreffen ist, das es zu entfalten gälte und das der Mensch im <?page no="583"?> 3. Hoffnung als Therapeutikum 583 Umgang mit sich und seiner imaginierten und antizipierten Zukunft gemacht hat. Hoffnung gibt unter fundamental-anthropologischer Perspektive Handlungsraum und Entwicklungsspielraum frei. Hoffnung öffnet die einer konkreten Existenz inhärente Potentialität, das Entwicklungspotential, das in personaler Individualität einer Entwicklung harrt. Insofern ist sie dann hilfreich, wenn sie handlungseröffnend wirkt, weswegen die erörterten Interventionstrategien zugleich auf Zielorientierung (Ziele finden, setzen und sich dann davon bestimmen lassen), Möglichkeitsorientierung, Realitätsorientierung, letztlich Sinnorientierung Wert gelegt haben - damit individuelle Hoffnung installiert werden kann. Dabei wird Hoffnungs-Arbeit geleistet. In die Hoffnung hat immer Realität einzufließen, aber diese hat die Hoffnung nicht zu bestimmen. Sonst könnte der seelisch oder körperlich versehrte Mensch sich nicht über sie erheben, um hoffend zu ihr zurückzukehren 242 . Schließlich hat Hoffnung in einem transzendentalen Sinne etwas zu tun mit der Wahrheit von Wirklichkeit überhaupt, denn sie opfert nicht das Wirkliche für das Mögliche, sondern öffnet das Wirkliche für das Mögliche, bereitet quasi die Verwirklichung des Möglichen vor und macht umgekehrt das Mögliche erst wirklich. Unter dieser Perspektive schafft Hoffnung Wirklichkeit, die Bedingung der Möglichkeit, dass für den Menschen etwas aus Freiheit wirklich werden kann. Werden diese Überlegungen schließlich transzendental-anthropologisch gewendet, führen sie dazu, dass die Wirklichkeit des Menschen vermittels der Hoffnung von der Festlegung auf das Faktische befreit wird. Pointiert formuliert heißt das, ohne Hoffnung keine Humanisierung der Wirklichkeit. Handlungspraktisch führt das dazu, dass der hoffend Handelnde sich bewusst und entschieden in eine Hoffnungs-Spannung stellt, in eine Dialektik, die mitunter gegen das Lastgewicht der Gegenwart, gegen den Druck der Realität, quasi contrafaktisch entwickelt werden will. So ist paulinische „Hoffnung wider alle Hoffnung“ erst möglich und denkbar. Solche Hoffnung macht frei. Geistgewirkte Hoffnung macht frei von der Gegenwart. Der Grund solcher Hoffnung muss transzendental sein, da sonst die Bedingung der Möglichkeit, sich von der Gegenwart zu distanzieren nicht begründet werden könnte. Christen haben darum Grund zur Hoffnung, weil sie sich von etwas bestimmen lassen, das sie nicht aus der Gegenwart ableiten können. Gott kommt uns aus der Zukunft in unsere Gegenwart hinein entgegen: in Krankheit hinein, in alle Not hinein - bis über unseren Tod hinaus, den er verheißen hat, in neues Leben zu verwandeln. Es gibt ein Leben jenseits des Todes, eines, das vertrauend ahnt, dass es vom Tod nicht mehr vernichtet werden kann. Das macht uns Mut, heute das Gute zu tun ohne Angst um uns selbst - und vielleicht dabei auch glücklich zu werden in der freudigen Erwartung dessen, was uns alles erwartet. Nicht im Sinne eines Lohnes, sondern eines Geschenks. So können wir unsere Angst, unsere Trauer und unsere Not durchdringen lassen von der Hoffnung, in Gottes Liebe einzugehen - spätestens mit dem eigenen Tod, aber eigentlich schon jetzt, wenn wir uns auf diese famose Hoffnung einlassen. Das uns auferlegte Leid, also dasjenige, was wir nicht ändern können, eigenes und fremdes, können wir eigentlich nur wirklich tragen, auch ertragen, wenn wir eine Hoffnung haben, dass es ein Leben jenseits von Krankheit und Tod gibt, dass es ein Danach gibt, aber auch, dass es ein Leben im Leiden gibt, das wir dann auch annehmen können, wo es nicht zu ändern ist. Hoffnung vermag daher auf doppelte Weise „therapeutisch“ wirksam zu werden, indem sie eine Aussicht auf Gelingen gewährt: Sie befreit von der Last der Bestimmung allein durch die Gegenwart, durch die Umstände, durch belastete Vergangenheit oder befürch- 242 Vgl. erneut die „Doppelbewegung der Unendlichkeit“ von SÖREN KIERKEGAARD. Vgl. KIERKEGAARD, S., Furcht und Zittern, Frankfurt am Main 1984. <?page no="584"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 584 tete Zukunft jeweils im Sinne einer Handlungseinschränkung oder Lähmung. Stattdessen gibt es eine Öffnung des Handlungssystems für alle Zeitebenen. Zugleich ermöglicht sie eine neue Annahme auch solcherart belasteten Lebens und belasteter Wirklichkeit und dann der wieder erlangten Freiheit, diese zu verändern oder neu zu tragen. 243 4. Christlich integrale Hoffnung Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt. 244 a) Grundstrukturen - Hoffnung als verantwortete Freiheit Innerweltlich begrenzte Hoffnung, die allein empirisch-irdisch gedacht wird, verweist in ihren Gehalten in dieselbe Richtung 245 , in die auch christliche Hoffnung zielt, wiewohl sie die entsprechenden Zielgehalte in keiner Weise mehr geltungstheoretisch ausweisen kann und somit als Entdeckungs- und Verweisungszusammenhang ernst zu nehmen ist, nicht aber als Begründungszusammenhang - höchstens in einer moralphilosophischen Zuspitzung, die aber wiederum auch nur postulatorisch zu enden vermag. Die naturalen Strukturen der Hoffnung sind mithin gerichtet, aber recht eigentlich rein formale Strukturgesetzlichkeiten, die der inhaltlichen, d.h. moralisch-sittlichen Konkretisierung, der lebensweltlichen und handlungspraktischen Kontextualisierung und der anthropologischen, ontologischen und metaphysischen Legitimierung bedürfen. Es ist von einer letzten Einheit der Hoffnung auszugehen, sonst könnte sie mitnichten einigend wirken und als Brückenkategorie selbst äußerst prekäre Spannungen dialektisch vermitteln. Hoffnung ist notwendiges Korrelat von Freiheit, die sich beide einer offenen Zukunft gegenüber sehen. Hoffnung ist die Verantwortung der Freiheit. Christliche Hoffnung ist mehr als postulatorisch: sie ist „hörende Hoffnung“ 246 und „denkende Hoffnung“ und „praxis-anleitende Hoffnung“. „Diese [religiöse, R.L.] Hoffnung trägt das gesamte Leben des Menschen, auch in seinen scheinbar ganz profanen Bereichen. Dazu kann die Philosophie beitragen, indem sie zeigt: Die spezifisch religiöse Hoffnung benennt zugleich den Grund, der auch den Mut zu ganz profanen Erfahrungen ins Recht setzt: den Mut, in der Vielfalt unserer Erfahrungen den Anspruch der Wirklichkeit zu vernehmen, dessen objektive Verpflichtungskraft wir nur begreifen, wenn wir „unsere Aufträge als göttliche Gebote“ verstehen. Die Postulatenlehre ersetzt nicht das Hören auf das Wort; aber sie legt seine transzendentale Bedeutung frei: ohne die Hoffnung, die dieses Wort uns zuspricht, würden wir die Fähigkeit zur sittlichen Erfahrung, ja zur Erfahrung überhaupt verlieren. Nur in der Kraft dieser Hoffnung können wir gewiss sein, dass die Erfahrung, unter einem unbedingten und zugleich befreienden 243 Vgl. als literarisches Beispiel MANN, T., Der Wille zum Glück, in: Ders., Erzählungen, Frankfurt am Main 2005, 41-58, besonders 58. 244 Vgl. 1 Petr 3, 15. 245 Vgl. SCHLICHTING, W., Wettlauf in die gleiche Richtung? Das natürliche Begehren und die christliche Hoffnung, in: LM 14 (1975), 14-17. 246 Vgl. SCHAEFFLER, R., Auf welche Weise denkt der Glaube. Von der eigenen Rationalität des Glaubens und vom hermeneutisch-kritischen Dienst der Philosophie und der Theologie, in: Theologie und Glaube 99 (2009), 2-26, hier 16 und 17. <?page no="585"?> 4. Christlich integrale Hoffnung 585 Anspruch zu stehen, keine Illusion ist.“ 247 Daher wird der Glaubende lernen, „in dem Gott, von dem die Glaubensbotschaft spricht, zugleich den Grund jener Hoffnung wiederzuerkennen, ohne die wir auch unsere alltäglich-profanen Lebenserfahrungen nicht angemessen begreifen können.“ 248 Damit ist auch der Grund benannt, warum eine integrative Hoffnung möglich und nötig ist und naturale nicht gegen christliche Hoffnung ausgespielt werden darf. Vielfältige empirische Belege lassen sich da exakt in die Strukturen christlicher Hoffnung einfügen, wobei diese konkretisieren und präzisieren, natural buchstabieren und mitunter auch korrigieren - aber sie weisen dennoch in dieselbe Richtung, sodass der scholastische Grundsatz Bestätigung findet, wonach die Gnadenstruktur christlicher Hoffnung die naturalen Strukturen immanent verbleibender Hoffnung aufgreift und regelrecht vollendet, zu dem führt, woraufhin sie aus sich selbst heraus verweisen. Der Hoffende ist entlang vielfältiger empirischer Belege zugleich realistisch und möglichkeitsorientiert, zielorientiert und wegorientiert. So kann er Hoffnungen haben und hoffend sein. Ansonsten gibt sich immanent-irdische Hoffnung als radikal offen und buchstäblich haltlos zu erkennen - ohne einen ihre Letztziele und damit ihren Vollzug insgesamt verbürgenden Grund, der christlich gesprochen ein personales Du ist, begründet auszuweisen, der ein absolutes und unbedingtes Gegenüber und Gegengewicht setzt und einzig damit dem formal unbedingten Freiheitsgrund der Hoffnung und deren fundamentaler Zielgrößen ein seinerseits adäquater und damit unbedingt verbürgter Hoffnungsgrund überhaupt sein kann. So bekommt die Größe menschlicher Hoffnung eine ihrer Richtung entlang den darin zum Ausdruck kommenden Zielgrößen gemäße und ihrem unbedingten Bezug auf ein objektives Korrelat hin adäquate Entsprechung. Damit wird jeglichem Dualismus die Grundlage entzogen: natura humana in statu viatoris. Nun gibt es sicher auch eine eher konservative und regressive Hoffnung, die zwar auch auf Leben zielt, gelingendes Leben, das aber letztlich nur bewahrt werden und vor Negativem geschützt werden soll. Regressive Hoffnung will vermeiden. Im Unterschied dazu ist auch von einer „progressiven Hoffnung“ auszugehen, die nicht eigentlich bewahrend, sondern sich je neu an der Möglichkeit der (guten) Lebenssteigerung orientiert. Ohne Hoffnung und Hoffnungsspannung würde der Mensch zusammenschrumpfen und wäre gekennzeichnet durch „ein Eingeschnürtsein auf ein engstes, luftleeres, ausgangsloses Jetzt“ 249 . Demgegenüber ist christlich-integrale Hoffnung erkennbar an einer inkommensurablen Offenheit sowohl auf Zukunft hin als auch auf Vergangenheit hin - aus der Gegenwart heraus. Alle Zeitstufen werden von dieser Hoffnung durchwaltet, von der „Hoffnung auf seine Barmherzigkeit“ 250 und Gerechtigkeit. Dabei ist eine einseitige Hellenisierung des Christentums in der Gefahr, durch Orientierung an eher statisch gedachten überzeitlichen Ideen die geschichtliche (Verheißungs-) Spannung, in die das Christentum stellt (etwa Theodizee) und die nachhaltig zur Umgestaltung motiviert, zu vergessen. Christliche Hoffnung orientiert nicht nur am Überzeitlichen, sonst wird eine gesellschaftliche Gerechtigkeit, eine geschichtliche Entwicklung zum Besseren nicht gesehen. Auch historische Veränderungen brauchen ein Movens. 247 Vgl. SCHAEFFLER, R., Auf welche Weise denkt der Glaube, 20 248 Vgl. ebd. 26. 249 Vgl. BALTHASAR, H.U. VON, Was dürfen wir hoffen? , Einsiedeln 1986, 105. 250 Vgl. BALTHASAR, H.U. VON, Schwestern im Geist. Therese von Lisieux u. Elisabeth von Dijon, Einsiedeln 1970, 316-320. <?page no="586"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 586 Hoffnung langt so gesehen über alles vordergründig Erreichbare und Erfüllbare immer wieder vertrauend hinaus auf ein Gelingen hin und ist damit Ausdruck von Bestimmung und von humaner Eigentlichkeit des Menschen. „Mit der bleibenden Fähigkeit ausgestattet, sich zu transzendieren und Erreichtes zu überbieten, lebt er letztlich vom immer neu ausstehenden Hoffnungsziel seines Gelingens. Hierin hat alle Option für Eigentlichkeit ihre anthropologische Wurzel. Die Fähigkeit des Menschen zur Selbsttranszendenz hat unauslöschbaren Verweisungscharakter auf Eigentlichkeit hin.“ 251 Zentrale Haltungen dieser Hoffnung sind: animus sobrius, Nüchternheit und disponibilitas, die Bereitschaft der Verfügbarkeit, magnanimitas, Hochgemutheit und Geduld. Hoffnung ist daher als „ethisch hoch qualifiziertes Gutes“ und als eine „zuinnerst sittliche Größe“ 252 letztlich als ein Fundament und eine Grundlage des Sittlichen selbst zu bestimmen. Das Gegenstück der erwähnten Haltungen ist die acedia. ZENO VON VERONA schreibt zu dieser Hoffnung: „tolle spem [….] torpet humanitas tota.“ 253 Auf dies Weise wird auch die Spannungseinheit der Hoffnung allererst verständlich und menschliche Hoffnung nicht permanent dem Verdacht ausgesetzt, sie würde eigentlich, gemessen an ihren grandiosen Zielgrößen und den damit eröffneten Wirkungen, verloren 254 , vergeblich, illusionär und eitel sein. Menschliches Handeln will etwas, das es selbst nicht einfach anstreben und erst recht nicht erreichen kann, ohne immer schon eine Hoffnung danach zu hegen, das sich auch seinerseits nicht mehr dem eigenen Handeln verdankt und jede Handlungsfähigkeit unterminieren würde, Verzweiflung, Schuld und Scheitern provozieren würde, wenn es nicht immer schon als Hoffnungsgegenstand mindestens implizit vergegenwärtigt werden würde und begründet werden könnte. Selbst wenn man unter veränderten metaphysischen Voraussetzungen nicht gewillt oder in der Lage ist, einen starken Hoffnungsgrund auszuweisen, der dem Charakter des Unbedingten dessen, worauf Hoffnung im Letzten und eigentlich verweist, eine Entsprechung sein könnte, wiewohl mir dieser Schluss unabdingbar scheint, wenn der Phänomenologie der Hoffnung entsprochen werden soll und zugleich die basale Hoffnungsspannung ausgehend von einem freiheitsbegabten Wesen verständlich gemacht werden sollte, dann kann immer noch singulär auf diese strukturelle Phänomenologie der Hoffnung verwiesen werden, die - gleich einem praktischen Gottesbeweis - Momente des Unbedingten, Abso- 251 Vgl. HUNOLD, G.W., Wege transzendental-anthropologischer Argumentation; in: Hertz, A. u.a. (Hrsg.), Handbuch der christlichen Ethik, Bd. 1, aktualisierte Neuauflage Freiburg 1993, 46-67, hier 66 (Hervorhebung im Original). Weiter heißt es aufschlussreich im Sinne der hier vertretenen These: „Andererseits bleibt diese seine Fähigkeit, sich selbst zu überbieten, zugleich eingebunden in die Endlichkeit und Kontingenz seiner Existenz. Unter dieser Voraussetzung aber gewinnt Eigentlichkeit gleichzeitig eine zweite Seite, die in der Tat nur in Negation zum Bestehenden ausgesagt werden kann. Eigentlichkeit ist das vom Menschen selbst her schlechthin Uneinholbare, ewig Ausstehende, die Utopie seiner eigenen Hoffnung. Erst diese beiden polaren Dimensionen machen das ganze Wesen des Menschen aus, halten ihn in Wahrheit auf dem Weg zu sich selbst. Sie sind es, die ihn immer wieder neu über sich hinausweisen und über die ihm die wahre Vernunft seiner Eigentlichkeit vernehmbar wird.“ 252 Vgl. jeweils STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 14. „Zu ihrem unmittelbaren Woraufhin hat sie nämlich nicht irgendein partikuläres sittliches Gut, sondern das Heil und Heilsein. Darin ist neben dem Intaktsein im physisch, psychisch und geistig-funktionalen Sinn eben auch das beschlossen, was den Menschen als Menschen gut und vollendet macht: die Integrität der sittlich-religiösen Existenz.“ 253 Vgl. ZENO VON VERONA, PL 11, 270. 254 Vgl. Ps 9,19. <?page no="587"?> 4. Christlich integrale Hoffnung 587 luten, Letzten (Sinn, Glück, Vollendung einer Bestimmung, Versöhnung von Täter und Opfer, Gerechtigkeit, etc.) an sich trägt und damit auf ein entsprechendes (absolutes, unbedingtes und letztes) Gegenüber notwendig verweist, soll sie nicht an sich selbst und den eigenen Zielfiguren degenerieren. Das hätte - wie besehen - fatale Konsequenzen, nämlich die totale Lähmung des gesamten handlungsleitenden Systems des Menschen bis hin zu Tristesse, Verzweiflung und Abgabe der Vitalität. Christliche Hoffnung will zudem den anderen in die je größere eigene Hoffnung hineinnehmen, weil sie nie nur für sich hofft, nicht diese Hoffnung wäre, wenn sie nur für sich hoffen würde. Christliche Hoffnung zielt daher darauf, niemanden verloren zu geben, so lange zu hoffen, bis auch all jene in diese Hoffnung hineingenommen werden, quasi Anteil daran bekommen, die noch nicht darin angekommen sind. Daher muss diese Hoffnung räumlich und zeitlich alles durchschreiten, was menschlich ist, um alles in sich sammeln zu können, deswegen auch sind in der Hoffnung die größtmöglichen Spannungen eingeborgen: Sie muss das Glück und das Gute umfassen, um es auf das je größere Glück ihrer selbst transzendieren zu können und sie muss das Leid und das Böse durchschritten haben, um darin eine Orientierung und einen Nukleus auf das Hoffnungsgut hin setzen zu können. Der descensus ad inferos ist ein Sinnbild für genau dies. Diese Hoffnung ist daher eine Kategorie des Übergangs, eine Brückenkategorie, ein Scharnier, eine Schwelle. Hoffnung ist Auslegung von Wahrheit. 255 Von dieser Hoffnung können wir nicht lassen, wollen wir (auf das Sinnvolle, Vernünftige und Gute hin) handelnde Menschen bleiben, noch stärker, wollen wir überhaupt lebensfähige Menschen bleiben. 256 Daher muss uns daran gelegen sein, diese Hoffnung begründet auszuweisen, erst recht, wenn wir menschliche Handlungsfähigkeit adäquat verstehen wollen. Umgekehrt: Handeln wir, setzen wir dabei immer schon bestimmte wahrheitsfähige Zielgrößen im Medium der Hoffnungen gegenwärtig, die es freizulegen und zu „reinigen“ gilt, zu formen und zu gestalten, sodass sie sinneröffnende, handlungsermöglichende, moralisch adäquate Zielbindung gewährende und das Streben nach Gelingen vor Augen stehende Haltungen zu ermöglichen vermag. Diese Hoffnung müssen wir (begründet) voraussetzen, soll der Mensch im Angesicht dieser Welt, seiner eigenen endlichen und kontingenten Konstitution und zugleich im Gegenüber einer unbedingten Verpflichtung durch das Gute und einem nicht bezwingbaren Drang nach Glück und Gelingen sich selbst in Freiheit gerecht werden - als ein handlungsfähiger und handlungswilliger Mensch, der nicht eher Halt macht, bis er alle Menschen in diejenige Hoffnung hineingenommen hat, die ihm einzig gemäß ist. Im Medium der Hoffnung nehmen wir schließlich auf handlungsgenerierende Weise Bezug auf unsere Möglichkeiten, und zwar so, dass Vertrauen vorausgesetzt wird, aber so, dass der humane Möglichkeitsraum maximal geöffnet wird. Da nun alle grundlegenden Hoffnungsziele (Glück, Sinn, das höchste Gut, etc.) latent unterbestimmt sind, eben nicht einfach in ein Wissen überführt werden können, sonst wäre ihnen auch die Hoffnung als Medium nicht angemessen, gehört es zur Ethik der Hoffnung, auf ein Letz- 255 Vgl. KERSTIENS, F., Von der Hoffnungsstruktur der Wahrheit, in: Orientierung 64 (2000) 203-206. 256 Der Mensch hofft, weil er ein radikal kontingentes, aber zugleich bewusstseinsfähiges und freiheitsbegabtes Wesen ist, das sich auf ein Unbedingtes ausgerichtet erlebt und das zu sich als ganzem Menschen Stellung zu beziehen hat, weswegen die Kategorie der Hoffnung eine komplexe Kategorie ist, die Akt und Habitus umfasst. Hoffnung kennt daher eine (moralische) Steigerungslogik, Wertsteigerung, Wertbereicherung, Lebenssteigerung. <?page no="588"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 588 tes 257 (Handlungsziel) orientiert zu sein, aber nur über das Vorletzte etwas wissen zu können, auf ein Letztes sich vertrauend auszuspannen, wiewohl es nicht mehr rational eingeholt werden kann, wohl aber plausibilisiert zu werden vermag als der anthropologischen, philosophischen und theologischen Handlungsstruktur des Menschen als endlichem Wesen in einer kontingenten Welt entsprechend. Sie öffnet überhaupt unsere basalen Existenz-Verhältnisse (Welt-, Selbst- und Gottesverhältnis) erkenntnistheoretisch sowohl auf das darin erfahrbare Inhumane, als auch auf die Möglichkeiten zum Guten, Sinnvollen und Lebensermöglichenden - und zugleich stiftet sie eine grandiose handlungspraktische (aber nicht weniger auch intellektuelle) Mobilisierung auf das solcherart erkannte und im hohen Maße attraktive Hoffnungsgut. Je präziser wir dabei blicken, desto klarer treten moralisch qualifizierte (Glücks-) Ziele hervor, die dem Erhalt, der Wiederherstellung und der Steigerung des Guten, des Glücks und des Lebens insgesamt dienen. Diese Hoffnung ist nicht nur konkret, sondern hat einen klaren lebensweltlichen Bezug, d.h. auch eine feste Verankerung in menschlicher Handlungswirklichkeit. Diese Hoffnung geht aufs Ganze, sucht den letzten Grund des Daseins und der Wirklichkeit und kann sich als spes contra spem zu erkennen geben. Einzig sie ist es, die der Welt standhält, die bis tief in Physis und Psyche hinein heilsam und therapeutisch wirkt, die Schutz vor Versehrung und tiefe Bejahung von Dasein und Welt ermöglicht - aufgrund einer Aussicht, einer Aussicht auf Vollendung des Angefangenen, aber nicht zu Ende Gebrachten, auf Versöhnung über Feindschaft und Trennung, auf Restitution von Schuld und Fragment, auf Annahme und Anerkennung des Abgelehnten und Verachteten, auf Wiedergutmachung für all die Opfer und Verzeihung für all die Täter der Geschichte, und endlich auf Erfüllung für die Klagenden und die Geschlagenen, für die Zweifelnden und die Verzweifelnden, für die Betrogenen und die Zu-Kurz- Gekommenen und Benachteiligten des Lebens. Christlicher Hoffnung eignet eine dialektische Hoffnungsspannung, die nicht zerreißen darf. Diese Hoffnungsspannung ermöglicht schließlich eine erstaunliche und für menschliche Handlungsmotivation außerordentlich wichtige Parallelität: Affirmation und Annahme einer (moralisch immer) defizitären Realität und zugleich Festhalten am je Besseren, moralisch je Notwendigeren. Nur auf diese Weise kann eine wirkliche Annahme der je eigenen Realität gelingen ohne das Negative ausblenden zu müssen. Nur auf diese Weise kann am Guten / Sinnvollen festgehalten werden ohne die (mitunter negative) Realität des Daseins zu negieren. So gesehen ist es nicht nur vernünftig zu hoffen, nicht allein funktional und effektiv im Sinne der Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit, sondern auch notwendig und klug 258 , weil damit eine basal handlungsmotivierende und handlungsorientierende, insgesamt handlungsermöglichende Form bezeichnet wird, das zukunftsoffene Möglichkeitswesen Mensch zu verstehen. Diese Hoffnung entspringt nicht (allein) dem abstrakten Denken, sondern dem Ganzen des Lebens und ist christologisch begründet und pneumatologisch entfaltet. 259 „Die christliche Hoffnung richtet sich letztlich zwar auf die Parusie des Herrn und auf den darin hervortretenden Vollendungszustand von Welt und Mensch. Aber der Blick auf das Ende setzt sich beim aktiv Hoffenden in einen Impuls ständigen Anfangens in seinem Leben und in der Geschichte 257 Vgl. SECKLER, M., Hoffnungsversuche, Freiburg im Breisgau 1972. 258 Vgl. LUCKNER, T., Klugheit, Berlin 2005. 259 Vgl. SCHÜTZ, C., Hüter der Hoffnung. Vom Wirken des Heiligen Geistes, Düsseldorf 1987. BOROS, L., Aus der Hoffnung leben. Zukunftserwartung in christlichem Denken, Mainz 1992. HEBBLETHWAITE, B., The Christian Hope, Michigan 1984. <?page no="589"?> 4. Christlich integrale Hoffnung 589 um. Das letzte Ziel wird durch die Hoffnung zum Prinzip der sittlichen Selbstentfaltung, des unbegrenzten Voranschreitens des Menschen, seiner radikalen innerweltlichen Offenheit.“ 260 Ein solchermaßen aus Hoffnung Handelnder zeigt sich als einer, der „in die Vollendung vor-laufend leben“ 261 will. Denn es ist „davon auszugehen, dass sich die spezifisch religiöse Sicht menschlicher Vollendung […] auch und gerade in der Mitte seines alltäglichen Lebens auswirkt und seinem Handeln ein charakteristisches Profil verleiht, das freilich mit den sprachlichen Kategorien von „Gesetz“, „Norm“, und „Pflicht“ nicht mehr angemessen zu erfassen ist, sondern auf ein neues „Können“ bzw. auf einen neuen „Spielraum“ im Gebrauch der Freiheit verweist.“ 262 Christliche Hoffnung hat ein fundamentum in re, das anthropologisch bestimmt zu werden hat, soll es für den Menschen fruchtbar gemacht werden. Daher kann eine universale Struktur postuliert werden, auf die christlich gegründete Hoffnung aufbaut: „Es muss einen universalen menschlichen Advent und Hoffnungsversuch geben.“ 263 Dabei könnte gelten, „dass sich der Christ von den anderen dadurch unterscheidet, dass er nicht nur mehr Grund zur Hoffnung, sondern mehr Hoffnungen hat und haben darf“ 264 . Die Spannung von selbstbezogenem und („selbstlosem“) gottbezogenem bzw. sittlichkeitsbezogenem Streben ist offensichtlich, kann aber nur beruhigt werden, wenn die Infragestellungen des Subjekts durch Kontingenz und Tod beantwortet werden. Auffälligerweise bietet das Christentum genau beides. Hoffnung eröffnet und entfesselt dadurch ungeahnte Handlungsenergien. Christliche Hoffnung, als Hochform der Hoffnung (spes purissima in purissimum deum), deren Säkularisat die Hoffnung auf Sinn verstanden werden kann, eröffnet allererst den Raum der Zukunft - auch als Handlungsraum. „Wo der unfassliche Gott die bekannten Götter, die sichtbaren Hoffnungsgestalten und Hoffnungsgüter ablöst, muss der Mensch erfahren, dass er der homo absconditus ist, nicht mehr wissend, was er hoffen soll, außer dem Letzten. Diese eine Hoffnung erlöst geradezu von den vielen Hoffnungen. Es ist eine offene Hoffnung, weil sie die Wunschbilder, die nicht standhalten können, entfernt und unwesentlich macht. Aber wo Offenheit ist, ist Aussicht. Indem die Hoffnung das Letzte ihrer selbst ergreift, tritt das abgründig Of- 260 Vgl. AUER, A. Autonome Moral und christlicher Glaubens, Düsseldorf 2 1995, 193. Wiewohl aus der Perspektive der transzendental verankerten Hoffnung, der theologischen Hoffnung die zweckrationale, zielgebundene Hoffnung umschlossen und eingebunden ist, muss umgekehrt gelten, dass aus der Perspektive der zielgebundenen, erwartungsbasierten und zweckrationalen Hoffnung, der planerischen Hoffnung, der Übergang zur transzendentalen Hoffnung ein Sprung bleibt, ein kategorialer Sprung, der im Rahmen theoretischer Vernunft nicht mehr ausgewiesen werden kann und im Rahmen praktischer Vernunft den Begriff einer „postulatorischen“ Hoffnung fordert. 261 Vgl. SECKLER, Hoffnungsversuche, 33. 262 Vgl. BORMANN, F.-J., Theologie und „autonome Moral“. Anmerkungen zum Streit um die Universalität und Partikularität moralischer Aussagen in theologischer und philosophischer Ethik, in Theologie und Philosophie 77 (2002), 481-505, hier 499 und 500. „Der Glaube eröffnet neue Handlungsräume. Er verleiht der Praxis des Christen nicht nur eine neue zeitliche anamnetisch-eschatologische Signatur, sondern führt auch zur Neubewertung bzw. Relativierung grundlegender traditioneller lebensweltlicher Unterscheidungen.“ 263 Vgl. SECKLER, Hoffnungsversuche, 40. 264 Vgl. ebd. 99, wobei sich die Legitimation zu „mehr“ Hoffnungen für den Christen bei SECK- LER aus der bereits alttestamentlich nachweisbaren Würdigung auch und gerade (lebensnotwendiger) irdischer Hoffnungen herleitet, die wohl sukzessive transzendiert und durch übernatürliche Hoffnungsgüter kontrastiert wurden, aber gerade nicht im Sinne einer grundsätzlichen Delegitimierung, sondern einer relationalen Würdigung. <?page no="590"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 590 fene des menschlichen Lebens, das sich in diesem Dasein ständig als zukünftig darstellt, in seine ewige Bestimmung ein.“ 265 Damit ermöglicht Hoffnung eine Befreiung zur Zukunft und eine Befreiung zur Gegenwart. So werden Gegenwart und Zukunft allererst eröffnet - unverzerrt und unabhängig von Kompensationsbestrebungen gegen die Realität. So werden Welt und Realität allererst annehmbar. Hoffnung weist damit auf und in die Welt zurück und ermöglicht Realismus und Realität, einer der Gründe für die vom Christentum vermittelte Verweltlichung der Welt. „Die christliche Auferstehungshoffnung unterscheidet sich von der mythologischen darin, dass sie den Menschen in ganz neuer und gegenüber dem Alten Testament noch verschärfter Weise an sein Leben auf der Erde verweist.“ 266 Und zugleich kommt es zu einer Öffnung von Zukunft. Christliche Hoffnung beginnt jenseits Planbarem, Erwartbarem, Prognostizierbarem als ein daseinsaffirmatives Vertrauen, das über den Tod hinausgeht. Sie übersteigt das Prognostizierbare und Erwartbare durch ein Verhältnis eben dazu. Christliche Hoffnung zielt insofern berechtigt auf das wahre und ganze Hoffnungspotential des Menschen, da sie (1) die Unzulänglichkeit des Menschen ernst nimmt und (2) zugleich die Hoffnungsfähigkeit des Menschen bis zum äußersten denkbaren Rand ausschreitet, der hoffenden Anwesenheit letzter Vollendung in der Gegenwart. Endliche Hoffnung zielt letztlich in dieselbe Richtung wie genuin christliche Hoffnung, „will“ quasi dasselbe (Motivation, Orientierung, Schutz, Sinn und Kraft), kann es aber von sich aus nicht im mindesten verbürgen, begründen oder erreichen. Auch die naturalen Grundlagen der Hoffnung weisen perspektivisch in ihrer handlungsorientierenden Funktion formal und inhaltlich in dieselbe „Richtung“ wie die transzendental begründete dezidiert christliche Hoffnung, nur vermögen sie das, worauf sie orientiert sind, aus sich selbst nicht mehr zu verbürgen und begründet auszuweisen. Das letzte Ziel christlicher Hoffnung ist nicht mehr (immanent) bestimmbar, weil es in Gott hineinreicht. Worin ist das unterscheidend Christliche zu suchen? In einer verdankten Zukunft, die keine Leistung des Menschen ist, sondern eine grundlegend eröffnete ist, was zu den theologischen Tugenden führt. Die zentrale materiale Haltung der Hoffnung ist Vertrauen: „Vertrauen meint das Sich-Bestimmen-Lassen eines Menschen zur Hingabe an ein Gegenüber in der Hoffnung auf Gutes.“ 267 . Das kann als indirekte Bestätigung der These gelten, wonach Hoffnung auch als Vertrauen auf das Gute bestimmt werden kann. Eine solche vertrauende Lebensdeutung in der Hoffnung ist nicht einfach Affirmation der Wirklichkeit, sondern „Antizipation des Gelingens“ im Sinne eines „kontrafaktischen Vertrauens auf das Gelingen des Lebens“. 268 Hoffnung stiftet dadurch Sinn, ermöglicht Sinnstiftung durch Eröffnung einer Aussicht auf Sinn. Sinn kann als kontexualisiertes Gutes bzw. kontextualisiertes Glück begriffen werden, was nicht unbedingt ein Wohlfühlen meint, nicht mal notwendig gegenwärtig erlebtes Glück, aber notwendig ein (moralisch) Gutes. Damit werden ungeahnte Motivations- und Trotzbzw. Widerstandsquellen freigegeben, sodass Hoffnung auch für Leidensfähigkeit stehen kann. Solche Hoffnung rekurriert auf ein Können mehr als auf ein Sollen, wiewohl beides angesprochen und verknüpft wird. 265 Vgl. SECKLER, Hoffnungsversuche, 102. 266 Vgl. BONHOEFFER, D., Widerstand und Ergebung, hrsg. von BETHGE, E., München 1951, 167. 267 Vgl. HÄRLE, W., Dogmatik, Berlin 1995, 58. 268 Vgl. RENDTORFF, T., Ethik Bd. I.2, Stuttgart 1990, 96, <?page no="591"?> 4. Christlich integrale Hoffnung 591 Als Christ hoffe ich letztlich auf ein Geheimnis bzw. hoffe in ein Geheimnis hinein. Christliche Hoffnung verhindert in ihrer Spannungsstruktur sowohl eine Divinisierung der Zukunft durch das Korrektiv der Realität als Leidensgeschichte, als auch eine Divinisierung der Gegenwart und Immanenz durch das Korrektiv der bleibend ausständigen und vom Menschen nicht machbaren Zukunft des Reiches Gottes, das aber bereits anfanghaft aufscheint, sonst würde der Mensch nicht daran festhalten. Solche Hoffnung wirkt antitotalitär und ideologiekritisch. Kommen dem Menschen seine (begründeten) Hoffnungen abhanden, dann geht ihm seine Zukunft verloren und seine wichtigste Quelle von Motivation (für diese Zukunft) und damit der Gegenwart, aber auch der (Deutung und Interpretation) von Vergangenheit, die immer im Lichte eines Vorscheins von Zukunft in den Blick kommt. Denn solche Hoffnung ist idealiter weltzugewandt - der äußeren wie der inneren gegenüber (vgl. Gebetspraxis). Sie ist erfahrungszugewandt und wertbasiert und zugleich welttranszendent. So kann es Hoffnung im Leiden und im Tod und darüber hinaus geben, was die todesüberwindende Macht der christlichen Hoffnung als Gestaltungsgrund menschlichen Handelns nochmals nachdrücklich unterstreicht. 269 b) Zwischen Aktivität, Passivität und Donativität, zwischen Wissen und (Un-) Gewissheit Die Gewissheit der Hoffnung ist unverfügbar. 270 Sie geht durch uns hindurch als Personen, aber sie stammt letztlich nicht aus uns. Sonst könnte sie uns auch nicht über uns hinausführen und zu allem, was wir sind, erleben und tun in ein erneutes Verhältnis treten lassen. Innerhalb der Hoffnung gibt es eine Spannung zwischen der Freiheitsbasis und dem Sich-Bestimmen-lassen 271 im Sinne des Umworben-Werdens (vult habere condiligentes). Wir können Nein sagen zur Attraktivität des Guten in der Hoffnung. Das symbolisch gepflanzte Apfelbäumchen als Zeichen der Hoffnung will sagen, dass wir etwas tun können, aber dennoch das Entscheidende nicht machen können, da Hoffnung in einer Dialektik von Entwurf (Autonomie) und Verheißung steht. Die Sicherheit bzw. Gewissheit der Hoffnung ist und kann nur sein eine certitudo in spe und gerade nicht in re. Einzig Hoffnung ist keine Vorwegnahme. Daher existiert eine tiefe Verbindung von Hoffnung und Gelassenheit und Geduld, die im Vertrauen gründet 272 und eine erstaunliche Handlungssouveränität zur Folge haben kann. „Die Verleugnung der Hoffnung zugunsten der Sicherheit“, wir könnten auch sagen zugunsten der vermeintlich sicheren Gewissheit des Wissens, „beruht auf der Unfähigkeit, die Spannung auf das Kommende 269 Vgl. SAUTER, Begründete Hoffnung, 84. „An Ostern führt der Herr des Lebens das Prinzip seines Lebens in die Welt des Todes ein: Es ist ein ständiges Neuwerden, da sich von nun an im Hoffen der christlichen Gemeinde so äußert, dass es die Welt umgestaltet.“ Darin zeigt sich, „dass Hoffnung der Ausdruck der Angewiesenheit des Menschen auf Gottes Handeln ist“. 270 Vgl. LOTZ, J.B., Die Hoffnung in anthropologischer Sicht, in: Lebendiges Zeugnis 1966, 92- 106, der insbesondere die Spannung von Verfügbarkeit und letzter Unverfügbarkeit ursprünglicher (christlicher) Hoffnung betont. 271 Vgl. SEEL, M., Sich bestimmen lassen. Studien zur theoretischen und praktischen Philosophie (stw 1589), Frankfurt am Main 2002. 272 Vgl. MARCEL, G., Philosophie der Hoffnung. Die Überwindung des Nihilismus, München 1964, 40ff. MARCEL spricht von einer „geheimen Verwandtschaft“ von „Hoffnung und Entspannung“. <?page no="592"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 592 hin zu ertragen und sich der Güte Gottes zu überlassen.“ 273 Hoffnung baut auf Bekanntem auf, zielt aber letztlich tief in Unbekanntes hinein, setzt ein Wissen voraus, führt aber in einen Horizont des Nicht-Wissens hinein. Genau diese dialektische Offenheit, diese Geheimnishaftigkeit (reductio ad mysterium) in Spannung macht Teil ihres Reizes und ihres Wertes aus. Hoffnung bewegt sich weiter zwischen der vita activa und der vita passiva. Sie ist es, die nachdrücklich zur Tat motiviert, weswegen auf die sittliche Güte der Ziele nachdrücklich geachtet zu werden hat. Jede Tat muss sich in die Welt hinein wagen. Jedes Tun ist zugleich auch ein Empfangen, Autonomie mit Heteronomie gepaart. 274 Die Gewissheit der Hoffnung ist nun nicht, dass alles genauso kommt, wie ich es mir (passiv) vorgestellt haben mag, sondern die Gewissheit, dass das, was kommt sinnvoll ist im Rückblick auf die eigene Person und im Vorblick auf die zu bewältigende Situation, sonst wäre es ein schlichtes Erwarten oder Wünschen. Hoffnung zielt auf einen als sinnvoll antizipierten Weg. Es geht nicht um eine restitutio ad integrum und es gibt auch enttäuschte Hoffnungen. Die Hoffnung auf Erfüllung ist zentrale Handlungsbasis. Das mag ein Grund dafür sein, dass immer wieder vom erlösten Menschen ausgegangen wurde bzgl. moraltheologischer Theoretisierungen im Kontext des menschlichen Selbstverständnisses, ohne zu sehen, dass der Mensch sich in einer Hoffnungsspannung bzgl. der Realisierung des eigenen Wesens befindet, die als solche nicht einseitig vergegenwärtigt werden kann, ohne den Menschen moralisierend zu überfordern. „Steckt nicht gerade im Übergang von der Auferstehungshoffnung, die sich an Gott entzündet, zur tätigen Hoffnungsarbeit die wahre Dialektik der Hoffnung, nämlich der Umschlag vom Passiv zum Aktiv, vom Erkanntsein zum Erkennen, vom Geliebtsein zum Lieben, vom Angenommensein zum Annehmen und vom Aufstehen zum Aufstand […]? “ 275 Es gibt eine Hypertrophie der Absichtlichkeit, wohingegen Hoffnung nicht einfach Chiffre für Zielorientierung ist. Die Hoffnungsziele können nicht einfach angestrebt werden, da sie einen Grund benötigen. Der Attraktivität des (vermeintlich) Guten, Sinnvollen, Glücklichen müssten wir auf der Basis ihrer strebensethischen Grundierung in Verbindung mit den normativen Traditionen und dem Handlungssubjekt selbst mehr Aufmerksamkeit widmen, als es bisher geschehen ist. c) Zusammenschau Soll der bisherige inhaltliche Anweg der anvisierten Arbeit prononciert zusammengefasst werden, so lässt sich von der Hoffnungskategorie unter moraltheologischer Perspektive als von einer positiven Aussichtigkeit sprechen. Wenn ein kognitiv, emotional und behavioral positiv konnotierter (Aus-) Weg, eine positive Möglichkeit bzgl. meinem je eigenen Leben, einer Person oder Situation, die ganzheitlich mit meiner Subjektivität verbunden ist und mich betrifft, plausibel und realisierbar erscheint, akzeptiert und übernommen wird, dann habe ich Hoffnung. Dabei ist das Sollen eine Kategorie der 273 Vgl. RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI], Auf Christus schauen. Einübung in Glaube, Hoffnung, Liebe, Freiburg im Breisgau 2006, 94. 274 Vgl. BLONDEL, M., Die Aktion. Versuch einer Kritik des Lebens und einer Wissenschaft der Praktik, Freiburg im Breisgau 1965, 240-252, 313. 275 MOLTMANN, J., Die Kategorie Novum in der christlichen Theologie, in: UNSELD, S. (Hrsg.), Ernst Bloch zu ehren, Frankfurt 1965, 261. <?page no="593"?> 4. Christlich integrale Hoffnung 593 Zukunft - aber für die Gegenwart 276 , einer Zukunft, die immer auch eine erhoffte ist, da sie nicht gewusst werden kann. Menschliches Handeln zeichnet sich mithin durchgängig und inkommensurabel durch eine buchstäbliche Hoffnungs-Struktur aus, wobei das Christentum gerade eine spezifische Hoffnung zu vermitteln in der Lage ist, die sich vom griechischen Hoffnungsstrang, der sich durch einen stark instrumentellen, erwartungsorientierten Zug auszeichnet und dessen Zeitbewegung von der Gegenwart in die Zukunft (Entwurf) führt, unterscheidet, aber auf den strukturellen und anthropologischen Voraussetzungen jeglicher Zukunftsapperzeption aufruht und dessen Zeitbewegung von der verheißenen Zukunft in die Gegenwart (Verheißung) führt, wobei spezifische Potentiale an Widerständigkeit und Kraft freigesetzt werden können, die eine erstaunliche Unbedrohtheit im Gefolge haben können. Hoffnung zeichnet sich diesseits und jenseits ihrer Doppelsträngigkeit durch eine dialektisch zu fassende Spannungsstruktur aus. Das Handlungssubjekt hat in diese Dialektik der Hoffnung einerseits einzusteigen, d.h. sich und seine Existenz in kleineren oder größeren und umfassenden Hoffnungen wieder zu finden und hat andererseits immer wieder solche Hoffnungen in personaler Exklusivität für die eigene Person zu etablieren - Hoffnungen, die sich ihrerseits zwischen Schon und Noch-Nicht, zwischen Realität und Utopie, zwischen Distanz und Akzeptanz, zwischen Akt und Habitus, letztlich zwischen Wirklichkeit, Notwendigkeit und Möglichkeit bewegen. Hoffnung steht dabei für eine spezifische Entelechie des Glücks, einer Gewissheit der Erfüllung zwischen einem Jetzt-Schon und einem Noch-Nicht. Moraltheologisch gewendet bildet Hoffnung als integrative Kategorie die Spannung von Sein und Sollen ab, die als Grundlage menschlichen Handelns bezeichnet werden kann. Hoffnung ist dabei die handlungsrelevante und handlungsorientierte Seite dieser abstrakt-philosophischen Formulierung, weshalb ihr eine sittliche Struktur eignet, die sie mit den zentralen Kategorien der moralischen Sphäre des Menschen fundamental verknüpft. Dabei existiert eine erstaunliche Korrespondenz zwischen der dialektischen Struktur der Hoffnung und den Erkenntnissen moderner Anthropologie, die den Menschen als dialektisches Wesen im Widerspruch beschreiben, der im Vollzug seiner Existenz immer wieder dazu aufgefordert ist, sich selbst zu übersteigen und sich dabei hoffend und mutig in die Zukunft hinein zu entwerfen, um das Leben von diesem Entwurf her wieder bestimmen zu lassen und damit einen dialektischen Ausgleich, eine Balance, eine Integration logisch inkommensurabler Impulse zu erreichen. Wer hofft, erhebt sich aus der reinen Faktizität der Gegenwart bei gleichzeitiger Bezogenheit auf sie und stellt sich in eine Spannung, spannt sich quasi aus und langt dabei handlungsmäßig aus nach dem erwarteten, aber noch zukünftigen Gut (griechisch), mitunter lässt er sich das, was er erst erhofft, in der Gegenwart schon geheimnisvoll schenken (christlich) und ist dabei in radikaler Selbsttranszendentalität und vielleicht in einer Hoffnungs-Gemeinschaft vertrauend-offen für das überraschend Neue des deus absconditus. Der Hoffende durchschaut so die Gegenwart contrafaktisch auf ihre positiven Möglichkeiten hin, die in der Zukunft warten, aber schon im Modus des Hoffens vergegenwärtigt und in den je eigenen Handlungs-Horizont integriert werden können - immer auf dem Hintergrund der situativen, personalen und sittlich-moralischen Not- 276 Vgl. HERTZ, A., Gottesreich und die Zukunft des Menschen - Das Eschaton zwischen Ideologie und Utopie, in: Ders. / ISERLOH, E. / KLEIN, G. / METZ, J.B. / PANNENBERG, W., Gottesreich und Menschenreich. Ihr Spannungsverhältnis in Geschichte und Gegenwart, Regensburg 1971, 129-148, hier 129ff., der davon spricht, dass alle Ethik eine „futurologische Struktur“ besitze, was mit der vorliegenden Arbeit durchaus Bestätigung findet. <?page no="594"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 594 wendigkeiten, mit denen ein bewertender Abgleich stattfindet und immer zugleich unter Orientierung und Motivierung auf das Erkannte hin. Hoffnung holt, mit anderen Worten, das Erhoffte ins Jetzt, gewährt ihm aber noch die notwendige Zukünftigkeit und bereitet quasi den hoffenden Menschen und seine Wirklichkeit auf das Erhoffte selber vor. Hoffnung geht es dabei um die Position des Positiven, nicht um die Negation des Negativen. Damit hat sie zutiefst zu tun mit dem Kairos, dem guten und richtigen Augenblick. Der Elpistiker muss als Kairologe bezeichnet werden. Wer auf solche Weise hoffend handelt und handelnd hofft, der lebt aus einem Pragma und einem Charisma zugleich - in dieser Welt, aber nicht gänzlich von dieser Welt. „Leben, das aus der Verheißung empfangen wird und auf Verheißung offen ist.“ 277 Hoffnung stellt in diesem Sinne eine Erkenntnisform nicht nur für den Handelnden dar, indem sie die Wirklichkeit öffnet auf die Erkennbarkeit verfügbarer und unverfügbarer, d.h. donativer Potentialitäten. Mit anderen Worten: Wer hofft, sieht mehr. Wir hoffen, um zu erkennen, was wir glauben. Sie muss ergriffen werden als rationale und zugleich visionäre Gestalt. Jenseits einer einseitigen Hoffnung auf das Machbare und jenseits einer Machbarkeit der Hoffnung selbst, steht die Hoffnungskategorie als moralisches Existential für die Bedeutung der guten Möglichkeit, indem der Raum der Zukunft - gespeist aus allen drei Zeitstufen - ethisch erobert und damit der sittlichen Kompetenz, dem Lebensgestaltungswillen des Einzelnen zugeführt bzw. dem sozialethischen Selbstgestaltungswillen von Gesellschaften bzw. Institutionen anheim gegeben wird. Hoffnung verbürgt mithin Zukunft. Sie kann als Medium zur Vergegenwärtigung des Gelingens bezeichnet werden. Hoffnung eignet damit umgekehrt eine sittliche Struktur, weil sie im Kontext der Anforderungen humaner Lebensgestaltung eine Instanz ist, die potentiell das Gelingen individueller wie kollektiver Lebensführung und nicht zuletzt des human Guten selbst zu verbürgen vermag. Das macht ihre Dignität aus. Sie ist ein Grundelement menschlicher Handlungskonstitution, weshalb keine Handlung ohne Hoffnungsanteile im Rahmen eines Sinn- und Erwartungshorizontes, letztlich ohne Hoffnungshorizont, gedacht werden kann. Die strukturell-anthropologischen Voraussetzungen für den Vollzug von Hoffnung bringt der Mensch qua Menschsein mit, aber damit vermag er sowohl über den Tod hinaus zu hoffen, als auch bis in den Tod hinein hoffnungslos zu sein, weshalb Hoffnung immer spezifische Hoffnung zu sein hat, die sich des Grades ihres Verbürgtseins zu vergewissern hat. Hoffnung stellt dabei unter funktionaler Betrachtung eine erste und eine letzte Form einer grundsätzlichen Lebensgestaltungsfähigkeit dar. Der Mensch hat die Fähigkeit zur Hoffnung qua selbstbewusstem und freiheitlich verfasstem Menschsein, so sehr, dass ohne Freiheit Hoffnung gar nicht denkbar wäre bzw. ein Vollzug endlicher Freiheit ohne Hoffnung als realisierbar nicht gedacht werden kann, aber er hat nicht die Fähigkeit, die Fülle der Hoffnungen, die er zu hegen imstande ist, auch zu verbürgen. Seine individuellen und kollektiven Hoffnungen sind dann verbürgt bzw. begründet, so sie Anteil haben am christlichen Hoffnungs-Ethos. Gelingendes Leben lebt von einem Zielwert her, von dem ich erwarte bzw. erhoffe, dass er das Gelingen verbürgt und an dem ich meine Handlungsorientierung schließlich ausrichte. Letztes Gelingen als (transzendentaler) Grenzbegriff mit offenem Horizont, der je neu (theologisch) zu bestimmen ist, entzieht sich dem begrifflichen Zugriff und weist menschliche Identität als eschatologische aus und bestimmt den Menschen als bleibend nach der Erfüllung seiner selbst in Hoffnung auslangendes Wesen. Das Gute kann dabei als mensch- 277 Vgl. MOLTMANN, Theologie der Hoffnung, 197. <?page no="595"?> 4. Christlich integrale Hoffnung 595 heitliche Hoffnung über ihr eigenes Gelingen verstanden werden bzw. der Mensch als unaufgebbar moralisches Wesen, das sein eigenes Gelingen versucht zu betreiben durch eine freiheitliche Selbstbindung an dasjenige, was extrapolierend und antizipierend Glücken verheißt, letztlich durch eine Bindung an das Gute selbst. Nun ist aber genau hierfür, so die implizite These der hier favorisierten Hoffnungstheorie, eine „unausgesprochene Zuversicht“ 278 nötig, letztlich ein umfassender Hoffnungsvollzug, um überhaupt am Guten festzuhalten im Angesicht der Realität und um dessen Realisierung mutig und motiviert betreiben zu können. Daraus folgt, dass alle ethischen Ziele in einem umfassenden Sinne Hoffnungsziele sind und alle Hoffnungsziele ethische Qualität haben, Humanes Handeln ist Handeln aus spezifisch bestimmter Hoffnung und Hoffnung entlässt umgekehrt aus sich permanent einen Gestaltungsimpetus bzw. einen „Gestaltungsentwurf je besserer Wirklichkeit“ 279 , der sich je neu einer Extrapolation oder Antizipation sinnvoll imaginierter Zukunft verdankt, der grundlegend Handlungsmotivation bereitstellt und u. a. auf diese Weise die Realisierung dieses Gutes ermöglicht. Dieses Hoffnungsgut hat unter ethischer Perspektive sittlich qualifiziert zu werden, da es potentiell an der Idee des sittlich Guten selbst partizipiert, sodass eine derart bestimmte Hoffnung zur Vergegenwärtigung der Sinnintention der Moral beiträgt. Oder umgekehrt formuliert: Das Gute lässt uns begründet hoffen. Aufgabe (theologischer wie philosphischer) Ethik ist es dabei, einen entsprechenden integrativen Hoffnungsbegriff interdisziplinär freizulegen und die korrespondierende Anthropologie zu erarbeiten, um schließlich die eigentlichen Vollzüge reflexiv zugänglich zu machen. „Das christliche Motiv des Einsatzes für die Welt lebt vielmehr erstrangig von dem Gedanken, dass die in der Hoffnung geschenkte Anwesenheit des eschatologischen Heils im zeithaften Jetzt sichtbare Konturen erhalten soll, Artikulationen, an denen gleichsam bruchstückhaft die Größe und Schönheit der kommenden Herrlichkeit erahnt werden kann.“ 280 In dieser Form wird Hoffnung einer der zentralen Motoren der Gesellschafts- und Kulturentwicklung genannt werden können, wiewohl eine einfache positive bzw. positivistische Konsolidierung der Hoffnung nicht mehr möglich ist angesichts der nicht allein im 20. Jh. zutage getretenen moralischen Abgründe des Menschen. Wer will da noch einfach von Hoffnung reden? Es kann nur darum gehen, eine Hoffnung begründet zu ermöglichen und auszuweisen, die der Welt standhält, sie zumindest aushalten lässt, ohne das Gute zu verraten oder darum aufgeben zu müssen. Stattdessen wird ein Verständnis begründet freizulegen sein, wonach aufgrund der Hoffnung auf das Gute und der daraus ermöglichten Handlungsmotivation und aufgrund des darin aufscheinenden Sinnpotentials der Welt standgehalten werden kann und diese womöglich auf der Basis eines hoffnungsinduzierten „Antriebsüberschusses“ auf das jeweilige Gute hin umgeformt werden kann. Die Bedeutung humaner Hoffnung wird daher menschheitsgeschichtlich im Kontext der Selbstverständigung des Menschen über sich selbst zunehmen, da unter moraltheologischer Perspektive die existentielle Ungesichertheit des Menschen, auch seine Fraglichkeit und Ausständigkeit wächst, vorgegebene und vermeintlich gesicherte Handlungsordnungen weiter zurückgehen und der Mensch zunehmend gezwungen wird, sich an das human Gute, das ihm als Mensch gemäß ist und das 278 Vgl. PFÜRTNER, S.H. / LÜHRMANN, D. / RITTER, A.M. (Hrsg.), Ethik in der europäischen Geschichte Bd. I, Stuttgart 1988, 79. 279 Vgl. PFÜRTNER / LÜHRMANN / RITTER, Ethik in der europäischen Geschichte, 79. 280 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 18. <?page no="596"?> VII. Integration - Das moraltheologische Wesen der Hoffnung als Antizipation von Sinn 596 er zunehmend erkennt, selbsttätig zu binden und sich in den Dienst dieser Hoffnungsfigur zu stellen, soll seine Existenz individuell und kollektiv gelingen. Die Vorstellung nämlich, das, was wir sollen, auch zu können, überhaupt die Erwartung der Realisierbarkeit des Guten, setzt eine Zuversicht voraus, ein vorgängiges Vertrauen in den Sinn der Moral und des Guten überhaupt, die nicht anders als Hoffnung genannt werden kann. Hoffnung führt schließlich dazu, dass die potentielle Totalität jeden Leidens im Bewusstsein aufgebrochen wird durch eine Sinnaussicht. Hoffnung gewährt eine Sinnaussicht, die die hermetische und inflationäre Totalität des Leidens, der Verzweiflung, der Leere etc. öffnet und das Unabgegoltene des Lebens und des Guten in diesem vom Negativen inflationär belegten Bewusstsein zur Geltung bringen will. Unter negativen Vorzeichen wird also die Enge des Leidens, der Verzweiflung, der Leere durch die Sinnaussicht der Hoffnung geweitet. Unter positiven Vorzeichen wird (korrespondierend) die Totalität der Handlungsbestimmung durch die Gegenwart aufgebrochen, das neuzeitliche und szientistisch geprägte Faktum kontrastiert mit dem immer noch ausstehenden Verum, der Genitiv der Gegenwart mit dem Komparativ bzw. Superlativ der hoffend antizipierten Zukunft, die Realität mit dem (summum) bonum. Absolute Sicherheit gibt es dafür jeweils nicht, so sehr wir uns auch bemühen, die Zukunft (rational, pragmatisch, verfahrenstechnisch) zu kontrollieren. Es gibt für Hoffnung daher nur eine certitudo in spe, nicht in re, weswegen das Gute als Hoffnungsziel bzw. Hoffnungsgut selber u. a. tatsächlich ein Relationsbegriff ist, für den es keine objektive Gewissheit geben kann, das käme - unter scholastischer Terminologie - einer Vorwegnahme von Gewissheit (praesumptio) gleich - es sei denn, dem Menschen käme dabei ein absoluter Hoffnungsgrund entgegen, wie es für das Christentum kennzeichnend ist. Mit anderen Worten: Sicherheit und Gewissheit in der Hoffnung kann es nur auf der Ebene des Hoffnungsgrundes geben, nicht aber auf der Ebene der Hoffnungsziele bzw. des Hoffnungsgutes. Dass der Mensch sich also dennoch immer wieder neu aufmacht, immer wieder neu anfängt und nicht müde wird, sein Leben und die Welt von einem Zielwert her zu gestalten, trotz Leid, trotz körperlicher wie seelischer Versehrung und dabei am Guten festhält, mitunter contrafaktisch im Widerspruch zur Realität, ist das Verdienst einer Hoffnung auf das Gelingen seiner selbst, das im Rahmen einer rein immanenten Weltdeutung nicht mehr ausgewiesen werden kann, da es einen unbedingten Grund verlangt. So richtet sich zwar mit A. AUER christliche Hoffnung letztlich „auf die Parusie des Herrn und auf den darin hervortretenden Vollendungszustand von Welt und Mensch. Aber der Blick auf das Ende setzt sich beim aktiv Hoffenden in einen Impuls ständigen Anfangens in seinem Leben und in der Geschichte um. Das letzte Ziel wird durch die Hoffnung zum Prinzip der sittlichen Selbstentfaltung, des unbegrenzten Voranschreitens des Menschen, seiner radikalen innerweltlichen Offenheit.“ 281 Hoffnung ist damit im Sinne einer Selbstvergewisserung des erreichten Reflexionsstandes und der darin zum Ausdruck kommenden Systematik Vergegenwärtigung der Wahrheit des Menschen. 282 Unter moraltheologischer Perspektive ist sie damit als basale Handlungskategorie zu bezeichnen, die gerade keine (fromme oder per se ideologische) Vertröstung, kein Quietiv, darstellt, sondern, um mit J.B. METZ zu sprechen, als „Stimu- 281 Vgl. AUER, A., Autonome Moral und christlicher Glaubens, Düsseldorf 2 1995, 193. 282 Vgl. KERSTIENS, F., Von der Hoffnungsstruktur der Wahrheit, in: Orientierung 64 (2000) 203-206. <?page no="597"?> 4. Christlich integrale Hoffnung 597 lans operativer Weltgestaltung“ 283 zu betrachten ist. Und erneut B. STOECKLE: „Das auszeichnenste Merkmal des Christen ist das Stehen in der Hoffnung. Wenn dem so ist, dann muss christliches Leben ganz wesenhaft ein Gehen in und aus der Hoffnung sein, dann muss der sittliche Vollzug des Christen in seiner Mitte von eben der Hoffnung grundgelegt, dynamisiert und gesteuert sein.“ 284 d) Abschlussgedanke Es liegt nun, um einen Abschlussgedanken zu formulieren, auf der Linie der Argumentation dieser Arbeit, wenn der französische Existentialist A. CAMUS in seiner berühmten Deutung des antiken Mythos’ von Sisyphos, dessen Existenz er mit den Vokabeln der Sinnlosigkeit und der Absurdität beschreibt und die sich an den Möglichkeiten des Abgrunds um ihrer Würde willen zu bewähren hat im Sinne einer Revolte, das Leben dieser Figur als lebenswert und schließlich als glücklich beschreibt. Aber wer könnte als heroischer und atheistischer Anti-Elpistiker handeln wie Sisyphos? Wenn die Ausführungen der vorliegenden Arbeit Gültigkeit beanspruchen dürfen, dann ist unter Spiegelung der Deutung CAMUS’ um ihre eigene Achse Sisyphos als radikal Hoffender zu bestimmen, der entlang seiner Bestimmung als Mensch nicht aufhört zu hoffen, der im Angesicht des Abgrunds, über den er gebaut ist, um der Würde und Sinnhaftigkeit seiner Existenz und der Sache willen nicht aufhört zu hoffen - woraufhin er als glücklicher Mensch zu gelten hat. Solche Hoffnung aber kann nicht mehr grundlos bestimmt werden, sondern nur noch als Hinordnung auf ihren eigenen transzendenten Grund, der alle Bewegung ermöglicht und trägt. „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ 285 283 Zitiert nach R. SCHAEFFLER, Was dürfen wir hoffen? Die katholische Theologie der Hoffnung zwischen Blochs utopischem Denken und der reformatorischen Rechtfertigungslehre, Darmstadt 1979, 62. 284 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 23. 285 Vgl. CAMUS, A. Der Mythos von Sisyphos. Ein Versuch über das Absurde, Hamburg 1993, 101. <?page no="598"?> VIII. Ausblick. Die Zukunft der Hoffnung 1. Bausteine einer therapeutisch-konsiliaren Ethik - Der handelnde Mensch in der Hoffnung auf Sinn zwischen Konsiliarpraxis und selbstsorgerischer Aneignung Wohl dem, dessen Halt der Gott Jakobs ist und der seine Hoffnung auf den Herrn, seinen Gott, setzt. 1 as Bewusstsein, dass Ethik jeglicher Provenienz zur Lebensbewältigung beizutragen hat und dass sie aus diesem Grund eine fundamentale Orientierungsfunktion hat für das Handlungssubjekt und dessen Suche nach gelingender Existenz, ist alles andere als neu, sondern hat lange Tradition 2 , wiewohl es immer wieder in Vergessenheit geraten ist und aktuell erst langsam und sporadisch im Kontext des Paradigmas der Selbstsorge wieder Beachtung gefunden hat. Für den vorliegenden Kontext entscheidend ist dabei die Einsicht, dass sich das Selbstverständnis der Ethik als Orientierungsinstanz keineswegs allein auf das Feld der Selbstsorge 3 beschränken lässt, sondern in der Spannung von Selbstsorge und advokatorischer Vertretung derselben, wie sie im Rahmen beraterischtherapeutischer Prozesse zeitlich begrenzt stattfindet, verortet zu werden hat. Wenn auf der einen Seite die krisenhaft gehemmte Handlungskompetenz zur sinnorientierten Lebensbewältigung selbstsorgerisch wieder zurückerlangt oder allererst erobert werden kann, so steht auf der anderen Seiten die schiere Unfähigkeit, das aus eigener Kraft, aus eigener Einsicht und Motivation heraus tun zu können - was im besten Fall seelsorgerisch-beraterisch-therapeutisch aufgefangen werden kann, indem die selbstsorgerische Kompetenz partiell und begrenzt in advokatorischer Vertretung durch Seelsorger, Berater und Therapeuten, aber mitunter auch Freunde und Partner, wahrgenommen wird. Aufgrund der genuinen Aufgabe der Ethik, zur Lebensbewältigung des krisenhaften Menschen beizutragen, ergibt sich mithin ein klarer beraterisch-therapeutischer Hand- 1 Vgl. Ps 146, 4. 2 Vgl. MASSHOF-FISCHER, M., Ethik als konsiliare Praxis der Lebenshilfe zur persönlichen Identitätsfindung. Pastorale Lebensberatung als integraler Teil ethischen Selbstverständnisses, in: LAUBACH, T. (Hrsg.), Ethik und Identität. (FS für G.W. HUNOLD zum 60. Geburtstag), Tübingen / Basel 1998, 53-67, hier 54. „In ihrer Lebensführung und Selbstwerdung verunsicherte Menschen zur Selbstsorge anzuhalten und sie darin reflexiv zu begleiten, gehörte zu langen und genuinen Tradition abendländischer Ethik seit Sokrates“ 3 Selbstsorge, ursprünglich ein antiker Begriff pythagoreischen Ursprungs, der zuerst in den frühen sokratischen Dialogen begegnet und in Analogie zur (antiken) Seelsorge stand, wurde neuzeitlich von MICHEL FOUCAULT (vgl. etwa FOUCAULT, M., Sexualität und Wahrheit Bd. III. Die Sorge um sich, Frankfurt am Main 3 1993, 55-94) und WILHELM SCHMID (vgl. etwa SCHMID, W., Selbstsorge. Zur Biographie eines Begriffs, in: ENDREß, M. (Hrsg.), Zur Grundlegung einer integrativen Ethik, Frankfurt am Main 1995, 98-129) wieder aufgegriffen und soll hier verstanden werden als „die bewusste Zuwendung zu sich selbst in stetiger Selbstreflexion, Selbstprüfung, Selbstentscheidung und innerer Disziplinierungsarbeit seines Lebens“. Systematisch zielt sie auf eine „Lebenshaltung bewusst-verantwortlicher Selbstzuwendung“. Vgl. MAßHOF-FISCHER, Ethik als konsiliare Praxis der Lebenshilfe zur persönlichen Identitätsfindung, 54 und 56. D <?page no="599"?> 1. Bausteine einer therapeutisch-konsiliaren Ethik 599 lungsbezug und eine entsprechende Handlungskompetenz. „Ethik kann und muss sich verstehen als engagierte Praxis von Lebenshilfe sittlicher Selbstwerdung, die sich auch auf den Krisenfall konkret-individueller Entscheidungsnot und Lebenshaltungsbildung orientierend-beratend-anleitend einlässt. Beratung als Befreiung aus einer Handlungsnot ist ethische Tätigkeit.“ 4 Eine solche ethisch konnotierte Beratungspraxis, eine Konsiliatorik, hat sich u.a. von der Kategorie der Hoffnung her zu entwerfen, wenn die These der vorliegenden Arbeit Geltung beanspruchen kann, dass menschliche Handlungswirklichkeit eine Hoffnungsstruktur aufweist und Hoffnung darüber hinaus grundlegend mit Handlungskompetenz, Handlungsfähigkeit und Handlungsmotivation verknüpft ist, indem sie die Aussicht auf sinnvolle Existenz handlungswirksam werden lässt - auch und gerade, wenn es um Wiedererlangung gehemmter Handlungsfähigkeit geht und um Restitution versehrter, bedrohter und in seiner Sinnhaftigkeit infrage gestellter Subjektivität, die in Entscheidungsnöten steht. Damit ist Ethik neben aller normativen Orientierung auch „Reflexions- und Orientierungsinstanz sinn- und werthafter Bewältigung und Förderung des Lebens“ 5 Diese Aufgabe lässt sie aus moraltheologischer Perspektive hingeordnet sein auf das Heil des Menschen und lässt diese ihre Orientierungshilfe als (vorläufiges) Interpretament des (umfassenden) Heils verstehen. Dieses konkretisiert sich etwa in Vollendungsgestalten menschlicher Identität, in einem Vertrauen in den Gesamtsinn der Welt und eröffnet Erfahrungen des (christlichen) Primats des Indikativs vor dem Imperativ: Die Zuwendung Gottes kommt aller Leistung und allem Können des Menschen zuvor und liegt damit auch aller Not, Tragik und Scheitern zugrunde und begründet damit allererst menschliche Würdehaftigkeit und ein nicht-instrumentelles Verhältnis des Menschen zu sich und davon abgeleitet zu Welt und Mitmensch. Mit anderen Worten: Jede Ethik hat, insbesondere aus der Perspektive Theologischer Ethik respektive des christlichen Glaubens, auf diese Weise eine fundamental-therapeutische Wirkung und Funktion, indem es das in Entscheidungsnot geratene Handlungssubjekt in Hoffnungsspannungen zu stellen vermag, die eine Aussicht auf sinnorientierte Bewältigung verheißen, weswegen diese ihre seelsorglich-beraterisch-therapeutische Orientierungsfunktion in Theorie und Praxis von einem erweiterten und die Handlungswirklichkeit des Menschen prägenden Hoffnungsbegriff her zu entwerfen ist. So vermag sie neben mitunter klaren normativen Gehalten potentiell auch Erfüllungsgestalten menschlicher Identität zu explizieren, so fragmentarisch, segmentiert und ausschnitthaft sie zunächst immer sein mögen. Dabei kann sie Anwalt und Anwältin vielfältiger und ganzheitlicher Orientierungshilfen aus der christlich-abendländischen Tradition sein, wobei die ergebnisoffene Prozesshaftigkeit, die sich vom Gegenüber her und seinem Lebensweg zu entwickeln sucht, damit verbunden zu werden hat - freilich ohne dabei paternalistisch werden zu müssen oder die grundsätzliche Abstinenz zu gefährden. Umgekehrt scheint mir aber auch die Idee einer schieren Abstinenz weder praktikabel zu sein, schließlich geht jede Psychoedukation bereits darüber hinaus, noch scheint sie mir den krisenhaft aufbrechenden Fragen des Ratsuchenden gerecht werden zu können. 6 4 Vgl. ebd. 55. 5 Vgl. ebd. 55. 6 Vgl. erneut KURZ, W., Philosophie für helfende Berufe, Tübingen 2004 und STAVEMANN, H.H., Sokratische Gesprächsführung in Therapie und Beratung. Eine Anleitung für Psychotherapeuten, Berater und Seelsorger, Weinheim / Basel / Berlin 2002, die auf den bereits erwähnten Mangel an praktisch-philosophischer Durchdringung beraterisch-therapeutischen Selbstver- <?page no="600"?> VIII. Ausblick. Die Zukunft der Hoffnung 600 Professionelle Beratung und Psychotherapie, letztlich jegliche Form der Beratungspraxis, daher auch eine ethisch orientierte Konsiliarpraxis, ist daher auf dem Hintergrund der Handlungsrelevanz von Hoffnung und ihren Strukturen als Differenzphänomen zu bestimmen, das dann angezeigt ist, wenn die fundamentale Hoffnungs-Dialektik, beispielsweise in der Figur von Sein und Sollen formuliert, zerbricht und nicht selbstsorgerisch wieder errichtet werden kann. Sie hat es sich dann angelegen sein zu lassen, in advokatorischer Vertretung wieder Hoffnung als dasjenige Medium zu ermöglichen, in dem diese Grund-Dialektik menschlicher Existenz verkörpert ist und die sie trägt und den Träger produktiv und sinnvoll leben lässt. Das missing link schließlich zwischen der Fähigkeit zur selbstsorgerischen Suche nach Sinn und der Notwendigkeit, in beraterischpsychotherapeutischen Kontexten unter advokatorischer Vertretung wieder Lebensbewältigung zu ermöglichen, ist in beiden Fällen nichts Geringeres als die Etablierung von Hoffnung auf Lebenssinn: Lebensführung auf der Basis von Sinn-Hoffnungen bzw. Bewältigung versehrten Lebens auf der Basis der (Wiedererlangung) der Fähigkeit zur Etablierung von Sinn-Antizipationen. Kann diese These Gültigkeit beanspruchen, ist eine Ethik der Beratung bzw. eine konsiliare Ethik auf der Basis der schon erwähnten Differenzphänomenologie zu entwerfen, die zentral um die Kategorie der Hoffnung und deren Realisierung und Ekphorierung kreist. Hoffnung ist dabei als ein fundamentales Agens menschlicher Existenz zu bestimmen; ohne Hoffnung sein, heißt letztlich ohne Handlungskraft-Kraft zu sein, heißt letztlich, diese Dialektik nicht realisieren zu können bzw. sie undialektisch zu zerbrechen, was Leben nicht zur Hochform seiner selbst finden lässt. Wenn der Mensch wollen soll, was immer er auch will und können soll, was immer er auch soll, muss er begründet hoffen dürfen und hoffen können. Die Hoffnungsgestalten des Menschen sind zutiefst verwoben - bis hin zu einer idealen Identität - mit den Gestalten seines vernünftigen, d.h. moralischen Sollens und Wollens. Was humanwissenschaftlich vorbereitet wurde, hat nun auch systematisch entfaltet zu werden, was neben den bisherigen Ausführungen abschließend auch an Einzelbeobachtungen psychologisch-psychotherapeutischer Provenienz zu zeigen ist, die sich im Sinne einer affinen Anbindung mit den vorliegende Ausführungen verbinden lassen: Neben den fundamentalen erwartungs- und wertbasierten Prozessen motivationspsychologischer Art, die der menschlichen Handlungskonstitution zugrunde liegen, neben der Offenheit dieser Strukturgesetzlichkeiten für grundlegend transzendentale Argumentationen lehren die diesbezüglichen Ausführungen auch, dass die sogenannten „Anreize“ von Erwartungen für den Hoffnungsvollzug unverzichtbar sind. Das weist nun darauf hin, dass Hoffnung u.a. auch aus der buchstäblichen Attraktivität und der Anziehungskraft des Erhofften und des Hoffens selbst lebt. Diese Attraktivität muss ins helle Bewusstsein gerückt werden (kognitiv, emotional, motivational, volitional, und ganzheitlich-existentiell), soll Hoffnung nicht beispielsweise an ihrer eigenen nicht wahrgenommenen und nicht zugelassenen Wirklichkeit scheitern. Hoffnung nimmt zwar entwicklungsgeschichtlich ihren fundamentalen Ausgangspunkt von der erfahrenen Realität, transzendiert diese dann aber unter Aufnahme dieser Erfahrungen bis zu einem möglichen kontrafaktischen Verhältnis zu aller Realität. Jedes Hoffnungsziel, genauso wie jedes Sinn-Ziel, letztlich Hoffnung insgesamt, ist hochattraktiv. Es existiert mithin ein ständnisses hinweisen, der hier augenfällig wird. Es ist eine Metatheorie der Veränderung menschlichen Handelns und Verhaltens notwendig, die sowohl empirisch anschlussfähig ist, als auch mit den Handlungskategorien praktischer Philosophie verbunden werden kann und normativ offen ist und den Menschen als moralisches Wesen Ernst nimmt. <?page no="601"?> 1. Bausteine einer therapeutisch-konsiliaren Ethik 601 enges Verhältnis von Hoffnung und Glück, wie im einzelne zu zeigen war. Die kognitionspsychologischen Einlassungen haben schließlich gelehrt, dass sogenannte „Attributionen“, d.h. Ursachen- und Erklärungssuche für die Konstitution von Erwartungen und schließlich von Hoffnungen unentbehrlich sind. Hoffnung will also eine Erklärung, eine Plausibilisierung ihrer selbst, letztlich einen Grund und eine Gewissheit. Sie ist Teil einer buchstäblich grundlegenden Welt- und Daseins-Ätiologie. Innerhalb des psychologischpsychotherapeutischen Kontextes wird dabei entweder auf naturale Vorgaben der humanen Konstitution zurückgegriffen oder die je größere Authentizität, Ganzheitlichkeit, Integriertheit der Person usw. als Begründung angeführt, wobei hier im Grunde ein fundamentales Desiderat praktischer Philosophie bzw. der Ethik selber innerhalb der Psychologie liegt, die im Rahmen ihrer erkenntnistheoretischen Voraussetzungen einen Diskurs über die Bestimmung des Menschen jenseits empirisch bestimmbarer Determinanten nicht zu führen vermag, wiewohl ihr Formal- und Materialobjekt, der nach sich selbst fragende Mensch, dessen bedürfte, um die Suche nach dem je gelingenden Leben (wieder) in selbstsorgerischer Kompetenz zu übernehmen. Jede Form der Konsiliatorik bezeichnet daher eine Differenz, stellt nachgerade ein Differenzphänomen dar, während alle Hoffnung als Brückenkategorie im Dazwischen agiert. Die Analogie ist unübersehbar, weswegen im Zentrum einer jeden ethisch konnotierten Konsiliarpraxis ein spezifischer, handlungspraktisch verorteter Hoffnungsbegriff steht, den es freizulegen gilt. Hoffnung stellt daher Handlungssubjekte in (Sinn-) Spannungen, die Handlungsoptionen eröffnen und daher aus Handlungsnot befreit, Handlungskompetenz zurückgibt und dadurch ganz erheblich, wenn nicht ausschlaggebend, zur Bewältigung von Leben beiträgt. Der Nukleus liegt in der hoffend-vertrauenden Aussicht auf Sinn, die personal verankert ist, an die je individuelle Wert-Sphäre angebunden und dadurch hochgradig selbstwirksam und handlungswirksam ist und zugleich orientiert auf eine moralisch zu qualifizierende Erfüllungsgestalt, die Sinn verheißt und dadurch große Attraktivität ausstrahlt. Das Zugleich richtet die Hoffnungsspannung auf - auch und gerade in seelsorglich-beraterisch-therapeutischen Kontexten. Mithin ist die von der Hoffnung gewährte Aussicht auf die Möglichkeit des Gelingens im Bewusstsein des Handlungssubjekts zu verankern. Sie ist zu integrieren in den gesamten Aufbau der Person, ihrer Handlungsorganisation und durchzubuchstabieren in den jeweiligen Lebenskontext und die jeweilige Situation hinein, die womöglich handlungslähmend wirkt. Das ist die zentrale Agenda der Hoffnungsarbeit, der wohl wichtigsten Aufgabe von Beratung und Therapie. Zwei Notwendigkeiten können das übergreifende Ziel differenzierend benennen: Es gilt (1) Möglichkeiten der Bewältigung, des Gelingens zu suchen, sinnverheißende Ziele zu suchen, die auf dem Hintergrund von Situation und Person als buchstäblich vertrauens-würdig erscheinen und die einen attraktiven Grund zur Wiederaneignung der Handlungskompetenz bieten. Irgendwann werden die subjektiven Strukturen erweitert um objektive Bezüge und Anforderungen, auch und gerade moralischer Art, wobei sich wieder eine wichtige Einsicht der vorliegenden Studie bestätigt, dass es zu den Strukturen handlungskompetenter Hoffnung gehört, Subjektivität und Objektivität der handlungsbestimmenden Bezüge zu vermitteln über einen Anhalt des Sollens am Sein. Diese Möglichkeiten sind dann (2) zunächst in kleinen Schritten an der erfahrenen Realität zu verifizieren und in konkreten Lebenszusammenhängen, um wieder Erfahrungs-Nuklei der Hoffnung zu sammeln, die dann wieder transzendiert werden können bis ins Kontrafaktische hinein. Das Erstaunliche ist mithin, dass wir zunächst den Hoffnungsnukleus in der erfahrbaren Wirklichkeit suchen, wie um eine erfahrbare Verifikati- <?page no="602"?> VIII. Ausblick. Die Zukunft der Hoffnung 602 on zu erhalten, um im besten Fall dann diese wieder ins Grundsätzliche und Universelle zu übersteigen - auf eine Grund-Hoffnung hin, die nicht mehr gegenständlich fassbar ist, sondern eine Grundoption der Daseinsorientierung darstellt. Daher ist eine Erfahrungsorientierung unumgänglich, die quasi den Nukleus des Erhofften bereits als gegenwärtig setzt und erfährt und die aber dann, wenn es gut geht, transzendiert werden kann, um schließlich von einer Erfüllungsgestalt wieder zur Gestaltung von Welt und Leben zurückzukehren. 7 Mit anderen Worten geht es in einer hoffnungsbasierten Konsiliarpraxis darum, die faktischen und fakultativen Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten gleichermaßen - auf dem Hintergrund eigener Erfahrungen - subjektiv (wahr) werden zu lassen durch Integration in die eigene Biographie, den Handlungsaufbau, das Motiv- Set, den Bedürfnishaushalt, etc. Letztlich heißt das, selbst Möglichkeiten des potentiell Gelingenden, des potentiell Sinnstiftenden, Glück Eröffnenden, das Gute Realisierenden (wieder neu) aufzusuchen und diese aufgrund des sinnverheißenden Potentials handlungsbestimmend werden zu lassen, letztlich, diesen Möglichkeiten mangels umfassender Kontrolle zu vertrauen, theologisch dem zu vertrauen, der sich darin zeigt, der sich dem Menschen bereits gezeigt hat und damit die Möglichkeit des Gelingens verbürgt - trotz oder gerade wegen der Möglichkeit des Scheiterns und sogar im Scheitern. So gilt es im Rahmen einer Konsiliatorik ein allgemeines Modell von Beratung zu entwickeln, das sowohl gegenüber den Methoden psychologischer Beratung und Psychotherapie, genauso wie gegenüber deren Veränderungstheorien offen ist, als auch anschlussfähig gegenüber den Strukturen teleologischer und deontologischer Ethiken. Auf dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen ist dafür eine hörende und Hoffnungeröffnende (Wieder-) Verortung des Ratsuchenden in grundlegenden Existenzspannungen bzw. Sein-Sollens-Spannungen vonnöten, die schließlich sein Handeln und Entscheiden formal wie material, insbesondere aber auch motivational zu bestimmen vermögen. Dafür ist nun ein Ausschreiten der relevanten Spannungen unumgänglich, mindestens imaginär, mitunter auch im status experimentalis. Darüber hinaus hat es schließlich zu einer komplementären Betonung von Spannungspolen zu kommen, quasi immer jeweils diejenigen, die für eine Spannungsdialektik unterbelichtet sind. Denn eine Hoffnungsspannung wird immer zugleich von Realität und Potentialität aufgerichtet, mindestens derjenigen Realität, die verändert werden soll, immer aber von derjenigen, die Wirklichkeit werden soll und anfanghaft schon ist, sonst könnte sie nicht zur Realisierung vor Augen stehen. Eine solche nur angedeutete und differenziert konzeptionell zu entwickelnde Konsiliarpraxis wäre nun einerseits anschlussfähig an die Paradigmen psychologischer Beratung und Psychotherapie und andererseits an die Handlungskategorien auf dem Feld Ethik. Das setzt aber eine dezidiert handlungsorientierte und moralfähige (Meta-) Theorie der Veränderung voraus, weswegen (Meta-) Motivation Hoffnung so zentral ist. Auf diese Weise könnte sie da greifen, selbstsorgerisch oder zunächst (noch) in advokatorischer Vertretung, wo eine Handlungs- und Entscheidungs-Dialektik krisenhaft zerrissen ist, Realität nicht mehr durch Hoffnung und die darin transportierte Potentialität balanciert werden kann, Verzerrungen, Reaktionsbildungen, Projektionen, etc. stattfinden und daher insgesamt und in der Folge Handlungsfähigkeit und Handlungskompetenz zur Bewältigung und Humanisierung von Welt abhanden gekommen zu sein scheint, um 7 Vgl. die ganz analog angelegte „Doppelbewegung der Unendlichkeit“ von SÖREN KIER- KEGAARD. <?page no="603"?> 2. Die Disziplin der Theologischen Ethik und die humane Frage nach Hoffnung und Sinn 603 deren Wiederaneignung es Beratung jeglicher Provenienz und in den unterschiedlichsten Handlungsfeldern und Lebenskontexten ja schließlich geht. 2. Die Disziplin der Theologischen Ethik und die humane Frage nach Hoffnung und Sinn „Es lebte nichts, wenn es nicht hoffte.“ 8 a) Zwischen Disziplinarität und Existenzialität Der Moraltheologe hat es mit handlungsbedeutsam aufgeschlossenen Sinnwahrheiten zu tun. Erkennen ist ursprünglich Sinnverstehen.“ 9 Kann dieses zentrale methodologische Selbstverständnis theologischer Ethik, das sich mit KLAUS DEMMER entlang einer transzendentalen Hermeneutik beschreiben lässt, Geltung beanspruchen, dann hat theologische Ethik Sinn als Handlungskategorie zu entwerfen. Dieser steht dabei immer als Real-Sinn und als Ideal-Sinn vor Augen - und damit als Hoffnung. Als handlungswirksamer Sinn, der via Hoffnung vergegenwärtigt wird, kann er nie wirklich in toto eingeholt werden. Damit gehen vielfache Spannungspolaritäten einher, die dialektisch vermittelt zu werden haben und als solche den menschlichen Handlungsraum aufspannen: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Gott und Mensch, Immanenz und Transzendenz, Schöpfung und Erlösung, Sein und Sollen, etc. Die Pole werden positiv aufeinander bezogen, soll die Dialektik gehalten und nicht zerrissen werden, wohlgemerkt die Dialektik, nicht die Antithese oder Synthese. Ein starker Hoffnungsbegriff richtet nun diese Spannungen auf, vorsichtiger: umgreift sie und verortet sich darin und vermag sie als Hoffnung aufrecht zu halten, statt sie (synthetisch) zu verkleinern. Es existiert nun, wie angedeutet, eine Analogie zwischen Theologumenon auf der einen Seite, hier der Hoffnung (als Antizipation von Sinn) und disziplinärem Selbstverständnis auf der anderen Seite, hier der Moraltheologie als Wissenschaft von handlungsrelevanter Sinnhoffnung. Aus diesem Grund ist Moraltheologie als eine Spannungslehre zu entwickeln. Denn nur auf diese Weise wird sie alle zentralen Theologumena des christlichen Kerygmas in der Handlungswirklichkeit des Menschen situieren können - denn diese ist zutiefst von einer Hoffnungsstruktur gekennzeichnet. Schließlich kann für alle Ethik eine „futurologische Struktur“ 10 ausgemacht werden, die sich darin zu erkennen gibt, dass sie eine attraktive Zukunft in ihrer Handlungsrelevanz begründet vor Augen führt. Die eschatologische Struktur der theologischen Ethik ist trotz klarer biblischer Vorgaben lange verdeckt worden durch platonische Einflüsse, die in ihrer Ontologie und Zeitphilosophie die moralische und handlungspraktische Relevanz dieser escha- 8 Vgl. HÖLDERLIN, F., Werke, Frankfurt am Main 1982, 447. 9 Vgl. DEMMER, K., Gott denken - sittlich handeln. Fährten einer ethischen Theologie, Freiburg im Breisgau 2008, 69. Die Sinnfrage führt, konsequent weitergeführt, in die Gottesfrage hinein, kann aber auch diesseits derselben äußerst fruchtbar Anwendung finden - ist sie doch mit einer völlig analogen Orientierung ausgestattet, auch wenn diese nurmehr auf die eigene Zielgestalt verweist, diese aber nicht mehr eo ipso auszuweisen oder zu verbürgen vermag. 10 Vgl. HERTZ, A., Gottesreich und die Zukunft des Menschen - Das Eschaton zwischen Ideologie und Utopie, in: Ders. / ISERLOH, E. / KLEIN, G. / METZ, J.B. / PANNENBERG, W., Gottesreich und Menschenreich. Ihr Spannungsverhältnis in Geschichte und Gegenwart, Regensburg 1971, 129-148, hier 129. <?page no="604"?> VIII. Ausblick. Die Zukunft der Hoffnung 604 tologischen Grundstruktur kaum freilegen konnten. Aber „gerade die eschatologische Struktur bietet den eigentlich sittlichen Impuls für die Metanoia und die Pistis als Forderung an den Menschen.“ 11 Diese Einsicht ist freilich gegen jede ideologische oder rein innergeschichtlich-utopische Umdeutung freizuhalten durch das Wissen um die menschlicher Handlungswirklichkeit inhärente Bewegung der Selbsttranszendentalität, die von der Hoffnung getragen ist und an den Immanenzgrenzen kein Genügen findet. Eine andere Gefahr lauert schließlich darin, dass diese Strukturen gar keine gesellschaftliche und individuelle Relevanz mehr entfalten, weswegen es neben einer politischen Theologie entsprechende Bemühungen der Moraltheologie geben muss, wie sie hier vorgeschlagen werden. Eine hoffnungsbegründete und hoffnungsbegründende Ethik ist an Ganzheit, Identität und Integrität interessiert. Damit dient sie der Aufarbeitung von mitunter belastenden, aber menschlicher Existenz inhärenten Dualismen, Polaritäten und (Vernunft-) Antinomien. 12 Hoffnung als Antizipationsform von Sinn zu verstehen, ist nicht einfach eine positive oder theologisch-positivistische These, sondern Rekurs und Ausdruck der Sinnverwiesenheit der Ethik selbst bzw. des Selbstverständnisses der Ethik als sinnverwiesener Disziplin. Anders formuliert: Die systematische Struktur christlicher Hoffnung ist nur zu verstehen unter Rekurs auf eine Ethik, die sich ihrer Aufgabe als sinnverstehende und sinnerschließende Wissenschaft bewusst ist, ein Sinn, der vorausgesetzt werden muss, aber nicht verfügbar ist. Die hier reklamierte Hoffnungsbasis der Ethik und ihrer zentralen Kategorien und Begriffe garantiert einzig ihre Sinnhaftigkeit. Nur über eine konstitutive Hoffnungsstruktur gewinnen die jeweiligen Begriffe eine Sinnorientierung, eine sinnhafte Orientierung und vermögen ihrerseits Sinn zu eröffnen. Sinn kommt in die Ethik über die Kategorie der Hoffnung. Ein Leben vorgestellt gänzlich ohne solche Hoffnung auf Sinn ist eine auf den (räumlichen und zeitlichen) Punkt zusammengeschrumpfte Existenz, die bewegungslos, starr ist und festgelegt auf die Bedingungen des jeweiligen Augenblicks eine Punktexistenz darstellt. Umgekehrt ist Hoffnung die Steigerungsform des Lebens, die der Erhaltung, Wiederherstellung und (moralischen) Steigerung des Lebens dient. Zuviel hoffen können wir daher eigentlich nur, wenn an anderer Stelle ein Zuwenig ist, etwa zu wenig an konkreter Welterfahrung. Moraltheologie hat nun unter historischer Perspektive die erwähnte Hoffnungsspannung der Erlösung immer wieder einseitig aufgelöst und die Erlösung damit faktisch entweder gegenwärtig oder zukünftig-entzogen gesetzt, was unter eschatologischem Vorbehalt durchaus legitim ist, indem jeweils ein Spannungspol besonders betont wird, aber eben nur unter diesem Vorbehalt. Schließlich verkörpert dieser gerade die Hoffnungsspannung, eine Wahrheit in der Gegenwart beginnen zu lassen, aber diese zugleich noch in ihrer vollständigen Erfüllung ausständig sein zu lassen und damit vor aller immanenten Identifikation zu schützen, weswegen es Erlösung nur im Modus der Hoffnung gibt. Diese Vereinseitigung hatte im Sinne einer historischen Erblast immense Auswirklungen auf jedes darauf Bezug nehmende Welt-, Menschen- und Gottesbild und die daraus abgeleitete moraltheologische Handlungstheorie und Handlungspraxis 13 - bis 11 Vgl. HERTZ, Gottesreich und die Zukunft des Menschen, 147. 12 Vgl. STOECKLE, B., Unter dem Anspruch der Hoffnung. Anmerkungen zu einer eschatologischen Grundlegung der christlichen Ethik, Salzburg 1968, 16ff. 13 Vgl. AUER, A., Autonome Moral und christlicher Glaube, 2. Auflage mit einem Nachtrag zur Rezeption der Autonomievorstellungen in der katholisch-theologischen Ethik, Düsseldorf 1995, 194. „Man hat den Versuch des theokratischen Mittelalters, das transzendente Reich im <?page no="605"?> 2. Die Disziplin der Theologischen Ethik und die humane Frage nach Hoffnung und Sinn 605 in die Neuscholastik hinein. Statt den Menschen in Hoffnungsspannungen zu stellen, wurde ein Verhalten quasi normiert, dergestalt, als ob die Erlösung nur deduktiv „anzutreten“ wäre, statt sie existentiell zu er-hoffen, im Rahmen von Existenzspannungen hoffend zu empfangen und sehnsüchtig zu warten und zu harren auf eine inhaltlichpersonal qualifizierte Parusie, um schließlich daraus dann ein drängendes, entscheidungsfreudiges und vitalisiertes Handeln abzuleiten. Statt die Spannungen aufzulösen, hätte sich das Handlungssubjekt gerade in diese hineinzustellen. Gelang dies nicht, so hatte dies legalistische, moralistische und schließlich kasuistische Folgen - bis heute, indem der Versuch einer objektiven (moralischen) Konkretion erlösten Lebens unternommen wird. Dagegen ermöglicht die erwähnte Hoffnungsspannung allererst grundchristliche Vollzüge, die auch erst auf diese Weise ihre hohe moralische Dignität entfalten: Klage, (Bitt-) Gebet, Kontemplation, Eucharistie, Nachfolge, Solidarität mit den Armen und Verlorenen als Vorschein des Endgültigen, etc. Auch Gesellschaftsform und die kulturelle Mentalität blieben durch entsprechende Vereinseitigungen nicht unberührt, wie historisch zu zeigen wäre. Dabei vermag gerade die moderne „Weltlichkeit“ der Welt und die Autonomie ihrer Subsysteme eine prinzipielle theoretische und praktische Offenheit und Angewiesenheit auf transzendentale Hoffnung von einem wie auch immer imaginierten Eschaton her verständlich machen. So kann etwa die alttestamentliche Tora als Lebensordnung begriffen werden, die lebensdienlich ist und die Potenzen der Wirklichkeit und der Schöpfung zu öffnen vermag. Der Sünder dagegen ist Komplize einer Macht, die gegen die Güte arbeitet. 14 Es geht dabei nicht zuerst um individuelles Fehlverhalten, sondern um den (nichtenden) Machtzusammenhang des Gemeinsame-Sache-Machens. Durch den Menschen kommt Gutes und Böses in die Welt, aber es geht irgendwie auch nur ermöglichend und eröffnend durch uns hindurch, hat aber seinen wirklichen und vollständigen Ursprung nicht in uns. Der Sünder ist daher dann auch in Gefangenschaft durch eine (nichtende) Macht, die ich aber zulassen muss, soll sie ihr Unwesen treiben können. Wie zeigt sich aber diese Sündenmacht, sodass ich das Gute nicht mehr wollen kann. Das Gute „gefällt“ mir nicht mehr, heißt soviel wie - das Böse wollen, wobei der Begriff der Wahlfreiheit zu abstrakt erscheint, diese Zusammenhänge darzustellen. Erlösung dagegen ist Motivation zum Guten und damit Motivation zur Zukunft. Mit anderen Worten geht es darum, dem Guten etwas zuzutrauen, auf das Gute aus zu sein. Die systematische Verbindung zur Hoffnung und dem ihr eigenen Spannungsgeschehen liegt auf der Hand. Und dennoch bleiben wir als irdische Wesen unerlöst und erlösungsbedürftig. Die ganzheitlich verstandene Wahrnehmungsfähigkeit zum Guten und Positiven fehlt immer wieder 15 , zumal wir uns nicht gänzlich und nachhaltig aus uns selbst heraus motivieren können. Die Theologie hat nun auf diesem Hintergrund die Aufgabe, solche Spannungen zu beschreiben irdischen Imperium vorwegzunehmen, als ‚praesumptio‘ bezeichnet und damit auch zugleich die ‚sündhafte‘ Haltung der Anmaßung benannt, die hinter solchem Utopismus steht. Jeder Versuch, die der eschatologischen Erfüllung vorbehaltene Ganzheit und Endgültigkeit in den wesentlich partikularen Weisen menschlichen Handelns vorausnehmen zu wollen, trägt notwendig den Charakter des Totalitären und Gewalttätigen.“ 14 Vgl. lat. com-placere - mir gefällt etwas, was einem Anderen auch gefällt. So gesehen kommt zum Ausdruck: etwas gemeinsam attraktiv finden. 15 Vgl. dazu etwa die alttestamentlichen Bundeserneuerungsgeschichten bei EZECHIEL und JEREMIA, bei denen dem „Herz aus Stein“ des Protagonisten die ruach bzw. der pneuma eingehaucht wird. D.h. hier wird Motivation (im Gottesgeist) eingehaucht, psychische Ressourcen und Handlungsperspektiven werden positiv besetzt und können in die Person einziehen. <?page no="606"?> VIII. Ausblick. Die Zukunft der Hoffnung 606 und begründet zu zeigen, wann und warum der Mensch der Versuchung zur (undialektischen) Antwort nicht erliegen darf. Gnade hat zutiefst mit der Attraktivität bestimmter Ziele und Hoffnungsfiguren zu tun, die mir aufgehen. Religion bietet daher vielfältige Betrachtungsräume an, in denen sich ihre (innere) Selbstevidenz und Attraktivität entfalten können. Diese Attraktivität kann ich nicht machen, mich auch nicht zwingen, sie attraktiv zu finden, aber ich kann sie verderben, muss sie deswegen zulassen. Glaube ist Motivation zum Guten, Gnade eine Hoffnungsperspektive, in die ich hineinlebe, hineinreife und damit Gott näher komme. Theologie im Allgemeinen und theologische Ethik im Besonderen ist dabei immer auch Notwehrhilfe. Schließlich darf nicht da eine Antwort erzwungen werden, wo Spannungen auszuhalten sind. Bestimmten Antworten muss man sich entsagen. Bestimmte Fragen sind als Index für Spannungen stehen zu lassen - mitunter große theologische Fragen. So ist es Aufgabe der Theologie, die ihr und dem Glaubenskerygma eigenen Spannungen und Ambivalenzen herauszuarbeiten. Damit korrespondiert aufseiten des Glaubenden die Erfahrung, dass da etwas in mir und mit mir geschieht, dessen letzter Grund ich aber nicht bin. Diesbezüglich bin ich kein buchstäblicher Anfänger, sondern ein Weitermacher und Komplize (vgl. RICOEUR). Hoffnungsressourcen sind dabei immer Handlungsressourcen, da es sich rentiert, nicht nur auf sich selbst zu setzen. Es könnte ja eine gute Alternative sein, Vertrauen haben können, dass es gut geht. Schließlich gehört es zur Grunderfahrung der Freiheit - etwas Gutes anfangen zu können. Unter der Prämisse Gottes sogar - immer wieder neu etwas Gutes anfangen können, was allerdings besagte Hoffnung auf das Gelingen des Guten unweigerlich voraussetzt. Der unfreie Wille dagegen, der sich Gott hinwendet wird zur Freiheit befreit, die ich letztlich wiederum nicht aus mir selbst habe, an der ich aber mitwirken kann und muss. 16 Das Thema der Hoffnung führt buchstäblich grund-legend in die Mitte des christlichen Propriums, so dass die Ergebnisse auch auf das Selbstverständnis der theologischen Ethik hin interpretiert werden müssen und aufgrund des immanent interdisziplinären Zuschnitts ineins damit auf das Selbstverständnis der Theologie insgesamt im Fächerkanon verweist, mit dem Ergebnis, dass die Disziplin von den Ergebnissen her reformuliert werden kann und muss. Wird nun Theologie wissenschaftstheoretisch als Reflexion auf Glaubensvollzüge 17 verstanden, dann als Reflexion zweiter und / oder dritter Ordnung, die das versucht verstehend und auslegend „nach-zu-denken“, was die Quellen theologischsittlicher Erkenntnis (Vernunft, Natur, Erfahrung, Schrift, Tradition, u.a.) vorgeben. Dann heißt das, sie dient als vernunftgeleitete Wissenschaft dem Nachvollzug und dem reflexiven Freilegen von Hoffnungen durch verstehendes Nachdenken über ihre Verheißungsquellen und damit insbesondere über die Spezifität und Bestimmtheit christlicher Hoffnung, indem sie die aller Reflexion immer vorgängige Wahrheit des Glaubens und damit verbundene Erfahrungen buchstäblich nach-denkt. Theologie heißt dann kontrol- 16 Diese Dialektik von radikaler vom Willen getragener Eigenverantwortung und Freiheit und zugleich eine Transzendenzgewirktsein kann als bezeichnend gelten für vielfältige philosophische und theologische Auseinandersetzungen in der Moderne, wiewohl sie erstaunlich auffällig in den Strukturgesetzlichkeiten der Hoffnung wiedergefunden werden kann. So ist etwa für ARTHUR SCHOPENHAUER der individualisierte Wille das Urübel, der die Welt zu einem aggressiven Konkurrenzgeschehen werden läst. Diese Konkurrenz aller ist auszuschalten durch das Versiegen des Eigenwillens (vgl. Buddhismus). Bei FRIEDRICH NIETZSCHE dagegen ist die Selbstbehauptung regelrecht zu heben, nicht abzulehnen, weswegen sich darin der Wille zur Macht und ein radikaler Realismus spiegeln. 17 Vgl. HILBERATH, B.J., Kommunikative Theologie. Eine Grundlegung, Mainz 2002, 20. <?page no="607"?> 2. Die Disziplin der Theologischen Ethik und die humane Frage nach Hoffnung und Sinn 607 lierte Rede von spezifisch bestimmten christlichen Hoffnungen, eine Rede, die gerade die Redlichkeit der Rede von der christlichen Hoffnung und dem Gott der Hoffnung sicher zu stellen hat. Aufgabe theologischer Ethik wird dabei mit Blick auf die Ebene der Handlungspraxis die Nachdenklichkeit über strittige Hoffnungsvollzüge sein bzw. die reflexive Entfaltung eines humanen Hoffnungsraumes. Dieser Aufgabe wird sie aber nur gerecht werden können, wenn sie sich ihrer eigenen „Sinnbedürftigkeit“ 18 eingedenk ist, wie sie anhand der dieser Arbeit zugrunde gelegten These ausgewiesen werden kann, wonach Hoffnung als Form der Antizipation von Sinn konzeptualisiert werden soll. Als Organ dieses Nachdenkens über Hoffnung wird theoretische und praktische Vernunft zu bestimmen sein. Vernunft mithin als Instanz der Einsicht in Hoffnung und sittliche Vernunft als mögliches Kontrollorgan zur Beurteilung von Hoffnungen, zur Reinigung entsprechender Vorstellungen, zur Balancierung von konstruktiven und dekonstruktiven Prozessen. Schließlich vermag Wirklichkeit über Hoffnung transformiert zu werden und Hoffnung wird an Wirklichkeit korrigiert. Es steht aber auch umgekehrt zu vermuten, dass eine Grenzreflexion endlicher Vernunft auf sich selbst eine dieser Vernunft selber inhärente Hoffnungsstruktur freizulegen vermag, was an der Freiheitsbasis des Vernunftvollzugs liegt, einer Freiheit freilich, die ihrerseits als material bedingt aber formal unbedingt auf ein unbedingtes Gegenüber angewiesen ist, das allein hoffend und antizipierend die Sinnhaftigkeit ihres eigenen Vollzugs verbürgt. Wer über Hoffnung nachdenkt, muss mithin über Vernunft nachdenken und umgekehrt, wer über Vernunft nachdenkt, muss deren hoffnungstheoretische Grundlagen reflexiv vor Augen haben. So gesehen ist auch jede vernunftförmige prospektive Zukunftsethik immer schon Hoffnungsethik. Der „Heuristik der Furcht“ (vgl. HANS JONAS) einer allein retrospektiven Ethik, die letztlich lähmend wirkt, ist mit einer „Hermeneutik der Hoffnung“ zu begegnen. So müsste auch von einer „prospektiven Verantwortung“ die Rede sein, wenn gilt, dass Verantwortung prospektive Anteile hat, die mit Hoffnung und damit korrespondierenden Zielfiguren einhergeht. So setzt sich prospektive Verantwortung allererst zur retrospektiven Verantwortung in ein Verhältnis und umgekehrt. Mit anderen Worten: Hoffnung führt potentiell zur Verantwortung als Form der „sittlichen Kontrolle“ der Zukunft gegenüber. Diese Verantwortung kann nun normativ und zweckorientiert sein, aber auch bezogen auf ein grundsätzliches Gelingen, auf Sinn und damit letztlich auf Hoffnung. In der Konsequenz heißt das, Moraltheologie lässt ein theologisches, transzendental-unbedingtes Hoffnungsgut transparent werden auf dessen moralische Valenz. Diese Transparenz kann ungeahnte Motivationsressourcen und Orientierungsressourcen freisetzen im Sinne einer freien Selbstbindung 19 , ist aber nur partiell säkular diskursfähig. Dennoch darf die genealogische Herleitbarkeit nicht gekappt werden, sonst droht Wurzelverlust und zu viel geht verloren, etwa eine Veränderung des Zeitbegriffs, eine Rationalisierung von Verheißungsanteilen oder eine Profanisierung von Narrationen. Schließlich muss die Inspiration und Stimulation durch die theologische Valenz denkmöglich bleiben. Die „Deckungslücke“ zwischen Sein und Sollen, die Hoffnung verkörpert und 18 Vgl. PRÖPPER, T., Autonomie und Solidarität. Begründungsprobleme sozialethischer Verpflichtungen, in: Ders., Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik, Freiburg im Breisgau 2001, 69. 19 Vgl. NUNNER-WINKLER, G., Ethik der freiwilligen Selbstbindung, in: Erwägen - Wissen - Ethik 14 (2003) Heft 4, 579-589. Dies., Freiwillige Selbstbindung aus Einsicht - eine moderner Modus moralischer Motivation, in: KLEMME, H. / KÜHN, M. / SCHÖNECKER, D. (Hrsg.), Moralische Motivation. Kant und die Alternativen, Hamburg 2006, 165-191. <?page no="608"?> VIII. Ausblick. Die Zukunft der Hoffnung 608 immer wieder neu offen legt, mobilisiert allerdings permanent ihre eigene Überwindung auf Erfüllung hin. Hoffnung steht daher auch für attraktive und damit basal motivierende Existenzziele, modern gesprochen für selbstwertrelevante und ich-nahe 20 Ziele, die damit auch noch lange nicht selbstisch qualifiziert werden müssen - noch weit vor einer theologischen Thematisierung. Dabei ist Hoffnung kein Deus-Ex-Machina-Motiv, sondern zwischen dem deus absconditus und dem deus revelatus verortet. Wenn es nun Geltung beanspruchen kann, dass es Erlösung nur im Modus der Hoffnung gibt, dann hat sich jede Theologie und jede theologische Disziplin, hier die Moraltheologie, Rechenschaft darüber zu geben, welche Konsequenzen das für ihre je eigene Theoriebildungen hat, etwa mit den Fragen, auf welche Weise (1) Hoffnung zum Handeln führt und inwieweit (2) moralisches und am interpersonalen Glück orientiertes Handeln umgekehrt Hoffnung eröffnet. Die Strukturen und Voraussetzungen dieser Relationen sind aufzuklären. b) Theologische Spannungslehre Will der Mensch existieren, dann hat er sich permanent ins Verhältnis zu setzen - zu sich selbst, zur Welt und zum Mitmenschen, letztlich zu Gott, der darin jeweils verborgen aufscheint. Dabei hat er der antinomischen Grundstruktur menschlichen Daseins Rechnung zu tragen, indem er sein Existieren als ein In-Gegensätzen-Leben begreift, die sich logisch nicht miteinander vermitteln lassen, sondern in die das Handlungssubjekt gestellt ist und zwischen denen es quasi ausgespannt ist, sodass es seine Pole im Existenzvollzug, und damit auch im Handeln aufeinander zu beziehen hat. Daher ist menschliches Sein (Da-) Zwischensein: Inter-esse. „Der Existierende ist unendlich interessiert am Existieren.“ 21 Damit drückt sich ein Doppeltes aus, die Form, in der menschliche Existenz erscheint und zugleich deren Gegenstand, deren Material, das grenzenlose Streben nach Affirmation des eigenen Seins. Die Kategorie der Hoffnung entspricht genau dieser Struktur in Form und Inhalt. Christliche Hoffnung weist darauf hin, dass ein Christ in einer „paradoxen Spannung“ 22 lebt. Alle (christliche) Hoffnung vollzieht sich auf dem Hintergrund eines Spannungsgeschehens, das die Spannungspole, die sonst unvermittelt oder gar antithetisch gesetzt würden und damit die vernunftgeleitete Einsicht in ihre eigenen Strukturen verzerren würden, dialektisch vermittelt und überbrückt. Und gerade diese Spannung wirkt mobilisierend. 23 Statt der vordergründig entlastenden Versuchung zu erliegen, die grundlegenden Existenzspannungen dialektisch aufzulösen, hat der Mensch sich als homo sperans in sie hineinzustellen - der Mensch als Wesen der Spannung, als dialektische Existenz. 20 Vgl. NUNNER-WINKLER, G., Und es gibt sie doch - Vernunftmoral und ich-nahe Motive! , in: Erwägen - Wissen - Ethik 14 (2003) Heft 4, 657-672. 21 Vgl. KIERKEGAARD, S., Unwissenschaftliche Nachschrift Bd. II (Gesammelte Werke, hrsg. v. HIRSCH, B. / GERDES, H. / JUNGHANS, H.M., Düsseldorf 1979 (-1986), 2. 22 Vgl. RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI], Auf Christus schauen. Einübung in Glaube, Hoffnung, Liebe, Freiburg im Breisgau 2006, 68. 23 Vgl. exemplarisch zum Chiliasmus NIGG, W., Das ewige Reich. Geschichte einer Hoffnung, Zürich 2 1954, 9. „Die Reichserwartung ist keine untätige Passivität, in der sich der menschliche Geist nutzlos verzehrt. Es ist ein hoffendes Warten und eine wartende Hoffnung, die das Angeld der Erfüllung bereits in sich hat und in ihrer unendlichen Spannung oft das Zukünftige schon als Gegenwart erlebt.“ <?page no="609"?> 2. Die Disziplin der Theologischen Ethik und die humane Frage nach Hoffnung und Sinn 609 An dieser Stelle soll nun eine Korrespondenz und eine Analogie zwischen der Struktur menschlicher Existenz und der Notwendigkeit einer disziplinären Selbstverständigung theologischer Ethik postuliert werden, die schließlich über genau diesen Menschen nachdenkt. Mit anderen Worten: Die Struktur bildet sich in der Disziplin ab, analog etwa der Biographisierung der Theologie. Daher ist eine (Moral-) Theologie der Glaubens- Spannungen notwendig, eine theologische Spannungslehre, die theologisch-ethisch mit einem handlungstheoretischen und handlungspraktischen Fokus versehen wird. Wenn sich theologische Ethik dergestalt als eine handlungstheoretische Spannungslehre entwirft, ist sie aber dennoch gerade keine Weiterführung der dialektischen Theologie vom Anfang des 20. Jh., da diese ein antithetisches Verhältnis der Spannungspole (einseitig) betont, gerade aber nicht deren Vermittlung bzw. deren schöpferischen Spannungsbogen. Schließlich kann an der Hoffnungskategorie exemplarisch studiert werden, wie innerhalb der Theologie immer wieder zentrale dialektische Pole des Gott-Mensch- Verhältnisses vermittelt, zumindest in Beziehung gesetzt werden. Dabei soll keiner Spielart der dialektischen Theologie das Wort geredet werden, die zwar mit gutem Grund die Negation einer unpolaren Vermittlung der Pole betrieben hat, dabei aber in der Gefahr stand, statt streng polar schließlich unvermittelt-antithetisch zu denken und wohl zu wenig Aufmerksamkeit auf die positive Bedeutung der polaren (Spannungs-) Beziehungen gelegt hat. Diese müssen gedacht werden können, sonst bestünde nicht allein die Gefahr eines versteckten theonomen Dualismus, sondern darüber hinaus würde kaum mehr ein unverzerrter Bezug zur menschlichen Handlungswirklichkeit gelingen. Fundamentaltheologisch und in gewisser Weise metaethisch führen solche und ähnliche Prämissen in die gnoseologische Schwierigkeit, dass der Mensch die Offenbarung Gottes weder einsehen noch wenigstens partiell verstehen könnte, sie bliebe dunkel und unbestimmt und damit ihrer Handlungswirksamkeit beraubt; und andererseits wäre kaum zu denken, auf welche Weise die Sphäre des Irdischen, Leiblichen und insgesamt alles Menschlichen Eingang in Gott hätte finden können. Deswegen ist die hier anvisierte (moral-) theologisch-anthropologische Spannungslehre keine Fortschreibung der dialektischen Theologie - etwa im Sinne von Wort Gottes in der Hoffnung -, aber es gibt doch eine inhaltliche Beziehungen, wonach die Rede über Gott immer auch in bestimmter Weise Rede vom Menschen ist. Zudem hat alle Rede von Gott eine Hoffnungsstruktur 24 , einen Hoffnungsindex. Wenn dialektisch heißt: den Widerspruch abbildend, Ausdruck im Paradox, so hat der dialektische Charakter der Theologie m.E. in der Dialektik der menschlichen Existenz coram deo zu gründen und nicht in der verneinenden Tat der Offenbarung 25 . Jedes Wissen um Gott ist zugleich Wissen um uns selbst, weswegen nicht die Beziehung zu Gott, sondern die menschliche Existenz selbst dialektisch ist. Es lassen sich nun eine Fülle von theologischen Spannungsbögen identifizieren, in die gläubige Existenz hineingestellt ist und aus denen heraus sie sich auch handelnd vollzieht. Einige wenige Hinweis mögen exemplarisch für das Unterfangen stehen, eine moraltheologische Spannungslehre als entscheidenden disziplinären Hintergrund einer Ethik der Hoffnung zu formulieren: Wenn Hoffnung etwa als „Zublick auf den Kommenden“ 26 begriffen wird, dann ist der 24 Vgl. NEUMANN, B., „Was ist das für ein Wort? “ (Lk 4,36) - Gedanken zur Hoffnungsstruktur christlichen Redens von Gott, in: Theologie und Philosophie 85 (2010), 389-406. 25 Vgl. das Stichwort der „kritischen Negation“ bei KARL BARTH. 26 Vgl. RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI.], Einführung in das Christentum. Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis, München 2000, 227ff. <?page no="610"?> VIII. Ausblick. Die Zukunft der Hoffnung 610 Kommende der Gekreuzigte. Der Blick auf den Kommenden mag zwar die geschichtliche Dynamik des Christlichen ganz erheblich mit begründen, darf aber im Sinne der Struktur christlicher Hoffnung weder nur im Rückblick (Restauration, Romantik), noch nur im Ausblick (Platonismus, reine Metaphysik) gesucht werden, schließlich geht es auch nicht nur um Utopien als des Menschen eigenes Produkt, sondern um Hoffnung, die im Koordinatensystem aller drei Zeitgrößen steht: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Damit sind auch alle innergeschichtlichen Ganzheitsutopien und Zukunftsideologien potentiell bereits überwunden. Ist menschliche Existenz ausgestreckt, ausgespannt, zerrissen und mitunter „gekreuzigt“ zwischen dem In-Gott-Eingetaucht-Sein und der geschöpflichen Gottverlassenheit, so ist analog Jesus Christus (am Kreuz) ausgespannt zwischen dem Sein in Gott und der Hölle des „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ (Mk 15,34). DANIÈLOU schreibt strukturell präzise: „Zwischen der Heidenwelt und dem Dreifaltigen Gott gibt es nur eine einzige Verbindung, und das ist das Kreuz Christi. Wenn wir uns dennoch in dieses Niemandsland stellen und von Neuem die verbindenden Fäden zwischen der Heidenwelt und dem Dreifaltigen Gott hin- und herziehen wollen, wie sollen wir uns da noch wundern, dass wir es nur im Kreuz Christi tun können? Wir müssen uns diesem Kreuz ähnlich machen, es in uns tragen und, wie der heilige Paulus vom Glaubensboten sagt, ‚allzeit das Todesleiden Christi in unserem Leibe mittragen‘ (2 Kor 4, 10). Diese Zerrissenheit, die uns ein Kreuz ist, dieses Unvermögen unseres Herzens, gleichzeitig die Liebe zur hochheiligen Dreifaltigkeit und die Liebe zu einer der Dreifaltigkeit entfremdeten Welt in sich zu tragen, das ist gerade das Todesleiden des eingeborenen Sohnes, zu dessen Teilnahme er uns beruft. Er, der diese Trennung in sich getragen hat, um sie in sich aufzuheben, der sie aber nur aufgehoben hat, weil er sie vorhin in sich trug: Er reicht von einem Ende bis zum andern. Ohne den Schoß der Dreifaltigkeit zu verlassen, streckt er sich bis zur äußersten Grenze menschlichen Elends aus und erfüllt den ganzen Zwischenraum. Dieses Sichausspannen Christi, das die vier Richtungen des Kreuzes sinnbilden, ist der geheimnisvolle Ausdruck unserer eigenen Zerrissenheit und macht uns ihm gleichförmig.“ 27 Hoffnung ist es, die diese Spannung, dieses Ausgestreckt- und Ausgespanntsein zu überbrücken vermag. Dabei sind große Linien zu ziehen: Aus der Perspektive einer Religionsgeschichte des Christentums unter theologisch-ethischem Vorzeichen wurde im Ausgang einer geschichtlichen Jahwe-Erfahrung eine ursprünglich eschatologische Sammlungsbewegung ausgedehnt bis in die ganze denkbare Zukunft hinein und dann - quasi rückwärts - wieder bis in die Gegenwart rückgeführt und noch weiter bis in die uranfängliche Ursprungsvergangenheit, womit die größtmögliche Hoffnungsspannung aufgerichtet wurde. Schließlich musste die ganze Zeit nach vorne und nach rückwärts gefüllt werden mit dem Ergebnis allerdings, dass ein prinzipieller Widerspruch zur Realität der Erfahrung auftrat, der vermittelt werden musste, etwa über das Programm der Theodizee, die Doppelnatur in Christus, das reformatorische simul, eine negative Theologie (der Hoffnung) und andere mehr, aber praktisch immer über paradoxale Strukturen. Menschliche Existenz bewegt sich immer an und auf der Grenze, an der Schwelle, im Übergang. 28 Der Mensch ist Grenzgänger im besten Sinne des Wortes und Hoffnung ist die ihm entsprechende und zugehörige Grenzkategorie und Brückenkategorie, Scharnier 27 Vgl. DANIÈLOU, J., Vom Geheimnis der Geschichte, Stuttgart 1955, 388f. 28 Man denke an die großen biblischen Hoffnungs-Motive des Exodus, des Bundes und des gelobten Landes, des Reiches Gottes und des Himmels, genauso wie an die philosophischen Spannungen von Sein und Sollen, Gegenwart und Zukunft, Moral und Glück. <?page no="611"?> 2. Die Disziplin der Theologischen Ethik und die humane Frage nach Hoffnung und Sinn 611 und Klammer für die jeweiligen Polaritäten. Menschliche Existenz ist Schwellenexistenz, Grenzexistenz. Er bewegt sich immer zwischen der faktischen Gegenwart und einer verheißenen oder imaginierten Zukunft, die ihm gelungene oder zumindest annehmbare Identität verheißt. Zukunft wird damit zum Existenzraum, ähnlich wie die Vergangenheit. Auch deswegen müssen alle naturalistischen und empiristischen Bestimmungen des Menschen scheitern. Wer hofft, bricht auf und wer aufbricht, sich auf den Weg macht, der hofft - auf irgendeine Weise, wobei entscheidend ist, woraus er Hoffnung schöpft bzw. worin er seine Hoffnung setzt. 29 Hoffnung kann auch weiter aus den obigen Reflexionen gefolgert als Kategorie der Differenz und des Kontrastes, des Kontrastes von der erhofften zur faktischen Wirklichkeit begriffen werden und zugleich als Kategorie der Verbindung, der Verbindung von realer und imaginierter Wirklichkeit. Hoffnung stellt den Menschen in Spannungen, aus denen er lebt, die er bestimmt und von denen er sich bestimmen lässt. Hoffnung schlägt dabei Brücken. Sie ist nicht nur eine Brückenkategorie, eine Kategorie der Vermittlung, deren mehrere in der Theologie zu identifizieren wären, sondern sie schlägt auch buchstäblich Brücken - durch sich selbst zum anderen hin und dient damit fundamental der (moralischen) Vergemeinschaftung, wie für die unterschiedlichsten theologischen und kirchlichen Kontexte herauszuarbeiten wäre. 30 Auf dem Hintergrund des Erörterten kann es mithin als Aufgabe der Moraltheologie gelten, das Handlungssubjekt innerhalb der zentralen Handlungs- und Existenz- Spannungen zu verorten, die von den fundamentalen theologischen Kategorien aufgespannt werden - und gerade dadurch kann es in seiner phänomenologischen und (theologisch-) anthropologischen Struktur möglichst umfänglich verstanden werden, so etwa zwischen Gott und Mensch, Natur und Gnade, Freiheit und Determination bzw. Vorsehung, Fall bzw. Sünde und Erlösung, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, Sein und Sollen, etc. Gerade die fundamentalen theologischen Begrifflichkeiten sind ausnahmslos jeweils Teil einer komplementären Spannungseinheit 31 , Teil einer Spannung, in der das gläubige Subjekt verortet ist bzw. in der es sich wiederfindet und die gerade im Glaubens-Vollzug und damit in der Hoffnung eröffnet werden. Spannung meint auch nicht das Zusammenfallen oder unbestimmte Zueinander polarer Gegensätze, nicht die einfache harmonische Verbindung, die höchstens als Grenzfall denkbar ist. Menschliches Leben nimmt regelrecht die Form solcher Spannungen an, weswegen eine (Moral-) Theologische Spannungslehre formuliert zu werden hat, eine Theotendologie, deren Strukturprinzip Komplementarität ist. 32 Auf dem Feld der Ethik kann etwa gedacht werden an Freiheit und Determinismus, Natur und Gnade, Individuum (Selbststand) und Gesellschaft (Bezie- 29 Vgl. DOHMEN, C., Leben im Aufbruch. Exodus. Einem zentralen biblischem Motiv auf der Spur, in: Bibel und Kirche 4 / 2007 (62. Jg.), 206-209. 30 Vgl. STETTBERGER, H. (Hrsg.), Prinzip „Subversive Hoffnung“. Anstöße für religiöses Lernen in der einen Welt, Münster 2004. ADL-AMINI, B., Erziehung zum Sinn. Prinzip Hoffnung der Pädagogik, in: Das Prinzip Hoffnung in der Logotherapie - Logotherapie und Existenzanalyse. Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse (Sonderheft), 5 (1997 / 1), 29-57. 31 Vgl. RATZINGER, J. [P.P. BENEDIKT XVI.], Auf Christus schauen. Einübung in Glaube, Hoffnung, Liebe, Freiburg im Breisgau (1989) 2006, 161. 32 Vgl. STOWASSER, J.M., Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch, Wien 1994, 507, lt. tendere: I. 1. (aus-) spannen, 2. ausdehnen; II. 1. zielen, streben, 2. sich anstrengen. Die Gehalte passen exakt zur Hoffnungsstruktur. Hoffnung ist dabei ein Ausgespanntbzw. Ausgestreckt-Sein. Auch ist Hoffnung bereits sprachlich aufschlussreich eine Medium-Form, kein reines Aktiv und kein reines Passiv. <?page no="612"?> VIII. Ausblick. Die Zukunft der Hoffnung 612 hung), Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Gut und Böse, Schuld und Versöhnung, etc. Theologische Spannungslehre ist philosophisch zu fassen über das „Zwischen“ 33 , einer Philosophie des Inter-Esses. Theologisch existiert schließlich ein Medium der Vermittlung der jeweiligen Spannungspole, der Hl. Geist und die göttliche Gnade. Der Jansenist SAINT-CYRAN schreibt daher völlig zurecht: „Der Glaube bestehe in einer Reihe von Gegensätzen, welche durch die Gnade zusammengehalten werden.“ 34 Dabei ist die theologische Sachlogik, etwa die Gnade oder die Konsekutivität des Handelns zur Erlösung, auf das Engste mit der inzwischen auch empirisch zugänglichen, aber darin nicht aufgehenden Erfahrungslogik zu vermitteln. Das hier vorgeschlagene Verfahren erinnert in einem abschließenden Gedanken an die Strukturanthropologie von HEINRICH ROMBACH. Eine Adaptation auf moraltheologische Belange führt dazu, eine theologische Spannungslehre zu fordern, weil der Mensch ein Wesen der Spannung ist und nur als ein solches Spannungswesen coram deo zu begreifen ist, da es sich als Verhältnis zu bestimmen hat. Vor dem Menschen als dem Ab-Bild Gottes steht dabei das Vor-Bild Jesus Christus, der das Ur-Bild einer Spannungseinheit darstellt und in dessen Analogie der Mensch zu stellen ist. Das Spannungsgeschehen im Hintergrund basiert nun aus strukturanthropologischer Perspektive, wie verschiedentlich bereits hervorgehoben, aus die Spannung aufspannenden sogenannten Stellen, Strukturkategorien, mithin Strukturalen, die die dialektische Polarität in ihrer handlungsbestimmenden Funktion abzubilden vermögen und daher Gegenstand moraltheologischer Reflexionen darstellen. Mit ROMBACH kann zusammenfassend formuliert werden: „Die Stellen [...] erhalten ihre Stellung nur durch die konkrete Kraft der Absetzung“. „Nur was aus einer Spannung begegnet, begegnet. Nur was in einer Spannung trifft, trifft. Soll etwas, was schon eingetroffen ist, treffen, so muss für es, nachträglich, eine Spannung (Aufmerksamkeitsspannung) erzeugt werden.“ 35 33 Vgl. KURZ, W., Sinnerfahrung im Zwischenfeld von Aktivität und Passivität. Logotherapeutisch-philosophische Überlegungen zum Phänomen des „Zwischen“, (bislang unveröffentlichtes Manuskript), Tübingen. 34 Vgl. RATZINGER [P.P. BENEDIKT XVI], Einführung in das Christentum. Vorlesungen über das apostolische Glaubensbekenntnis, München 2000, 161, zitiert nach DOMBOIS, H., Der Kampf um das Kirchenrecht, in: ASMUSSEN, H. / STÄHLIN, W., Die Katholizität der Kirche, Stuttgart 1957, 285-307, Zitat 297ff. 35 Vgl. ROMBACH, H., Strukturontologie. Eine Phänomenologie der Freiheit, Freiburg im Breisgau, 1971, 47 und 48. <?page no="613"?> IX. Epilog „Wenn wir unter Autonomie der irdischen Wirklichkeiten verstehen, dass die geschaffenen Dinge und auch die Gesellschaften ihre eigenen Gesetze und Werte haben, die der Mensch schrittweise erkennen, gebrauchen und gestalten muss, dann ist es durchaus berechtigt, diese Autonomie zu fordern. Das ist nicht nur eine Forderung der Menschen unserer Zeit, sondern entspricht auch dem Willen unseres Schöpfers. Durch ihr Geschaffensein selber nämlich haben alle Einzelwirklichkeiten ihren festen Eigenstand, ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Gutheit, sowie ihre Eigengesetzlichkeit und ihre eigenen Ordnungen, die der Mensch unter Anerkennung der den Wissenschaften und Techniken eigenen Methode achten muss. Vorausgesetzt, dass die methodische Forschung in allen Wissensbereichen in einer wirklich wissenschaftlichen Weise und gemäß den Normen der Sittlichkeit vorgeht, wird sie niemals in einen echten Konflikt mit dem Glauben kommen, weil die Wirklichkeiten des profanen Bereichs und die des Glaubens in demselben Gott ihren Ursprung haben. Ja, wer bescheiden und ausdauernd die Geheimnisse der Wirklichkeit zu erforschen versucht, wird, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist, von dem Gott an der Hand geführt, der alle Wirklichkeit trägt und sie in sein Eigensein einsetzt.“ 1 1 Vgl. Kirche und Welt Nr. 36. <?page no="614"?> X. Literaturverzeichnis ADAMS, E. / PARTE, R., Hope: The critical factor in recovery, New York 1998. ADL-AMINI, B., Erziehung zum Sinn. Prinzip Hoffnung der Pädagogik, in: Das Prinzip Hoffnung in der Logotherapie - Logotherapie und Existenzanalyse. Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse (Sonderheft), 5 (1997 / 1), 29-57. 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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Klassische Methoden der Interdisziplinarität zwischen Ethik und Empirie ........67 Abbildung 2 Etymologische Hoffnungsvalenzen ...........................................................................164 Abbildung 3 Etymologische Ursprünge des Sinnbegriffs .............................................................168 Abbildung 4 Der antike Zukunftsbezug mittels der Hoffnung ....................................................186 Abbildung 5 Zusammenhänge alttestamentlicher Hoffnung mit anderen Sprachderivaten 211 Abbildung 6 Verwendungsformen des Verbalstamms „hoffen“ im NT ....................................225 Abbildung 7 Verwendungsformen des Substantivs „Hoffnung“ im NT ...................................226 Abbildung 8 Elemente neutestamentlicher Hoffnung (objektiv) ................................................233 Abbildung 9 Strukturaspekte neutestamentlicher Hoffnung (subjektiv)...................................251 Abbildung 10 Effektive und finale Handlungsursachen..................................................................449 Abbildung 11 Die Resultierende Tendenz der Leistungsmotivation ............................................454 Abbildung 12 Erfolgsmotivierte vs. Misserfolgsmotivierte .............................................................455 Abbildung 13 Erwartungstypen des Handlungsprozesses (nach H. HECKHAUSEN 1977, 2006) ................................................................................................................................457 <?page no="682"?> XII. Personenregister ANTONOVSKY, A., 430, 470 AQUIN, T.V., 11, 62, 97, 98, 99, 104, 116, 123, 146, 195, 207, 252, 258, 261, 264- 269, 271-273, 275, 277-279, 285, 328, 520, 521, 573 ARISTOTELES, 41, 56, 93, 99, 100, 102, 144, 183-186, 189, 191-201, 203, 205, 207, 272, 274, 276, 345, 378, 422, 449, 504, 547, 557, 561 ARNTZ, K., 22, 25, 70, 79, 155 AUER, A., 32, 33, 36, 60, 62, 65, 70, 86, 146, 253, 538, 540, 544, 589, 596, 604 AUGUSTINUS, A., 11, 86, 99, 101, 174, 256-263, 285, 371, 501, 513, 517 BALKENOHL, M., 413 BALTHASAR, H.U.V., 125, 133, 141, 146, 153, 357, 371, 384, 520, 559, 576, 585 BANDURA, A., 460, 468 BECK, A.T., 432, 444, 492 BECKER, P., 8, 66, 105, 464, 468-470, 486, 554, 581 BENEDETTI, F., 465, 466 BENEDIKT XVI (vgl. RATZINGER, J.), 78, 145, 148, 153, 154, 241, 352, 375, 378, 381, 382, 505, 519, 520, 526, 592, 608, 609, 611, 612 BIEN, G., 197, 275, 535 BILZ, R., 495, 496 BISER, E., 8, 155, 486, 580 BLOCH, E., 43, 50, 113, 120, 123, 149, 150, 152, 157, 252, 287, 336, 341-358, 360, 368, 387, 396, 445, 523, 528, 559, 560 BÖCKLE, F., 52, 55, 65, 89, 105, 143, 146, 157, 237, 295, 319, 370, 371, 384, 399, 504, 531 BONHOEFFER, D., 17, 152, 570, 590 BORMANN, F.-J., 8, 37, 62, 100, 116, 119, 129, 190, 273, 334, 550, 589 BULTMANN, R, 150, 185, 187, 203, 252, 355, 357 DEMMER, K., 35, 36, 37, 38, 49, 60, 67, 70, 85, 138, 148, 155, 399, 411, 415, 416, 531, 541, 554, 562, 564, 566, 579, 603 DERRIDA, J., 505 DILTHEY, W., 167, 522, 526 EBELING, G., 36, 40, 41, 329, 555 EDMAIER, A., 81, 124, 128, 139, 147, 407, 542 ENGELHARDT, P., 243, 252, 278, 279 FAHRENBACH, H., 341, 352 FORSCHNER, M., 82, 100, 193, 196, 200, 272, 273, 294, 302, 303, 304, 319, 320, 543 FRANKL, V.E., 25, 142, 167, 397, 432, 469, 482-483, 487, 496, 580, 581 FUCHS, O., 22, 37, 116, 147, 148, 236, 237, 420, 522, 578 GADAMER, H.-G., 72, 83, 127, 187, 188, 522 GIGON, O., 189, 190, 191, 411 GOERTZ, S., 38, 223 GRAWE, K., 105, 106, 428, 443, 482, 484, 486, 487, 488, 491 GRESHAKE, G., 105, 107, 219, 220, 285, 319, 386, 415, 419, 420, 501, 502, 504, 519, 520, 548 GRÜNDEL, J., 60, 65, 69, 374 HABERMAS, J., 28, 62, 79, 96, 128, 137, 152, 154, 157, 290, 302, 308, 332, 521, 530, 561 HAEFFNER, G., 33, 331, 412, 419, 421, 552 HÄRLE, W., 49, 61, 590 HECKHAUSEN, H., 437, 448, 449, 454, 455, 456, 457, 458 HEIDEGGER, M., 113, 167, 172, 175, 242, 287, 336-337, 340, 341-342, 352, 366, 511, 521 HERTH, K.A., 429, 430, 475, 476 HILPERT, K., 29, 34, 82, 99, 175, 396 <?page no="683"?> XII. Personenregister 683 HÖFFE, O., 22, 82, 88, 89, 109, 110, 116, 135, 194-195, 197-198, 201, 207, 297, 301, 308, 311, 318, 319, 326, 335, 532, 533, 542, 543, 549, 557, 577 HONNEFELDER, L., 33, 247, 276, 328, 331 HORN, C., 136, 205, 206, 207, 260, 261, 263, 318, 324, 546, 557 HUNOLD, G.W., 8, 36, 37, 42, 64, 68, 69, 71, 87, 99, 100, 127, 138, 139, 145, 152, 155, 156, 380, 404, 406, 411, 434, 505, 518, 525, 574, 586, 598 JANOWSKI, B., 176, 209, 212, 218, 222, 228, 247 KANT, I., 49, 80, 88, 89, 91, 92, 97, 115, 131, 135, 137, 142-144, 170, 192, 194, 200, 207, 252, 259, 263, 277, 287, 289- 298, 301-308, 310-335, 338, 340, 342, 351, 353, 354, 379, 393, 405, 406, 409, 413, 422, 504, 537, 545, 547, 548, 553, 561, 563, 567 KASPER, W., 28, 48, 82, 169, 503, 522, 549 KERSTIENS, F., 123, 370, 385, 503, 522, 587, 596 KIERKEGAARD, S., 54, 88, 131, 242, 252, 254, 287, 332, 336-339, 352, 361, 379, 391, 393, 403, 404, 408, 432, 554, 583, 602, 608 KORFF, W., 23, 32, 36, 60, 61, 63, 64, 65, 67, 68, 70, 71, 72, 80, 574 KURZ, W., 8, 25, 26, 140, 164, 167, 168, 437, 443, 471, 482-484, 535, 580, 599, 612 LENK, H., 30, 139, 152, 207, 308, 335 LEVINAS, E., 390, 505, 575 LUTZ, R., 8, 9, 139, 140, 145, 380, 406, 432, 437, 438, 480, 484, 518 MAURER, A., 42, 53, 128, 156, 171, 533 METZ, J.B., 36-41, 125, 127, 132, 146, 150, 152, 157, 224, 287, 346, 349, 357, 362, 367, 368-371, 501, 521, 576, 593, 596, 603 MIETH, D., 35, 36, 38, 44, 49, 56, 57, 59, 60, 64, 65, 70, 71, 79, 86, 90, 95, 119, 140, 155, 167, 324, 506, 509, 530, 562, 570 MOLTMANN, J., 8, 106, 123, 147, 150, 174, 178, 224, 247, 252, 275, 287, 340, 346, 347, 348, 349, 354-360, 370, 374, 392, 395, 411, 415, 501, 507, 524, 554, 567, 592, 594 PANNENBERG, W., 43, 47, 126, 132, 218, 357, 367, 378, 379, 385, 386, 528, 593, 603 PFÜRTNER, S., 133, 143, 144, 194, 196, 199, 256, 286, 323, 373, 502, 518, 543, 577, 581, 595 PIEPER, J., 48, 50, 51, 52, 53, 83, 89, 99, 104, 123, 141, 252, 340, 343, 372, 407, 408, 521, 549 PLATON, 82, 144, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 199, 205, 207, 419, 464, 522 PRÖPPER, T., 8, 47, 70, 71, 78, 87, 121, 122, 125, 129, 133, 138, 336, 346, 347, 399, 401, 402, 403, 404, 405, 406, 408, 409, 520, 532, 558, 607 QUANTE, M., 42, 102, 537 RAHNER, K., 38, 41, 52, 53, 55, 81, 89, 105, 114, 120, 132, 143, 150, 155, 156, 157, 227, 232, 243, 287, 295, 319, 329, 346, 347, 361-367, 385, 391, 504, 515, 531, 551, 552 RATZINGER, J. (vgl. BENEDIKT XVI), 78, 145, 153, 154, 241, 352, 369, 375, 378, 382, 505, 519, 520, 526, 592, 608, 609, 611, 612 REMENYI, M., 355, 358, 379, 398, 419, 559 RICHTER, C.P., 432, 497 RICKEN, F., 59, 87, 102, 114, 194, 198, 301, 313, 320, 531, 540, 549, 561, 562, 577 RICOEUR, P., 118, 135, 138, 326, 327, 409, 552, 553, 556, 562, 606 SARTRE, J.P., 337, 339, 404, 409, 529, 558 SAUTER, G., 39, 43, 46, 50, 51, 53, 150, 345, 358, 372, 378, 379, 384, 385, 387, 399, 421, 493, 494, 551, 575, 591 SCHAEFFLER, R., 89, 143, 151, 154, 157, 294, 295, 298-301, 330, 331, 342, 345- 347, 352, 353, 355, 356, 361, 368, 370, <?page no="684"?> XII. Personenregister 684 420, 501, 510, 533, 544, 574, 584, 585, 597 SCHERER, G., 109, 385, 504, 533, 558, 575 SCHOCKENHOFF, E., 29, 61, 64, 97, 98, 100, 101, 295, 319, 320, 564 SELIGMAN, M., 428, 440, 472, 473, 488, 490 SHAPIRO, A.K., 441, 464, 465 SNYDER, C.R., 426, 427, 428, 468, 489 SPAEMANN, R., 197, 207, 535 SPIRA, A., 184, 185, 193, 202, 204 STOECKLE, F., 109, 206, 353, 362, 374, 385, 501, 505, 509, 519, 522, 524, 542, 545, 550, 554, 586, 595, 597, 604 STRIET, M., 119, 120, 152, 153, 175, 223, 228, 233, 291, 310, 329, 330, 369, 396, 405, 414, 415, 418, 420, 530, 536, 558, 559, 560, 574 TILLICH, P., 57, 139, 340, 535, 536, 574 WERBICK, J., 55, 56, 379, 403, 420, 510, 536, 572 WILS, J.-P., 44, 45, 46, 51, 90, 95, 102, 103, 167, 530 WIMMER, R., 58, 314, 323, 332 WINGERT, L., 537, 539 WITTGENSTEIN, L., 412, 532 WOHLMUTH, J., 45, 145, 331, 379, 386, 390, 419 WOSCHITZ, K.M., 26, 123, 125, 181, 184, 185, 189-192, 205, 209, 224, 225, 234, 238, 256, 257, 264, 265, 279, 539 <?page no="685"?> XIII. Sachregister Affirmation, 15, 87, 90, 105, 177, 200, 298, 306, 319, 322, 325, 357, 359, 375, 399, 402-409, 506, 550, 588, 590, 608 Anerkennung, 30, 34, 87, 95, 105, 147, 304, 315, 325, 364, 379, 401, 404-409, 450, 452, 454, 522, 529, 551, 588, 613 Angst, 87, 88, 138, 154, 156, 174, 180, 184, 185, 193, 202, 204, 226, 232, 262, 265, 307, 337-342, 347, 352, 376, 400, 403- 416, 425, 431, 436, 445, 466, 495, 496, 499, 514, 517, 532, 550, 551, 554, 555, 583 Anthropologie, 1, 9, 10, 19, 21, 24, 27, 33, 38, 40-52, 55-57, 65, 70, 73, 74, 78, 79, 81, 83, 93, 94-109, 112, 120-153, 155, 175, 184, 186, 191, 198, 199, 201, 202, 209, 218, 243, 247, 273, 276, 278, 280, 283, 284, 293, 331, 337, 339, 363-369, 377, 380, 384-392, 397-399, 408-409, 419, 422, 438, 442, 448, 501, 507, 508, 512, 522, 527, 533, 537, 539, 542, 574, 577, 582, 589, 593, 595 Antizipation, 13, 14, 25, 34, 76, 91, 96, 106, 113, 124, 127, 132, 135, 138, 144, 148, 150, 169, 170, 173, 192, 224-253, 266, 271, 273, 279, 281, 297, 313, 314, 322, 329, 340, 345, 350, 357, 370, 392, 394, 395, 401, 406-410, 420, 434, 446, 451, 452, 456, 460, 468, 501, 504-561, 574, 577, 580, 590, 595, 603, 607 Apokatastasis, 15, 152, 371, 382, 414, 557, 558, 559 Attraktivität, 83, 92, 105, 128, 140, 143, 193, 196, 197, 205, 223, 256, 261, 263, 266, 270, 284, 324, 325, 450, 451, 454, 545, 549, 551, 568-573, 591, 592, 600, 601, 606 Attribution, 481 Auferstehung, 12, 108, 130, 147, 153, 154, 176, 178, 181, 208, 213, 222, 225, 228, 232, 239, 246, 248, 253, 254, 257, 262, 356, 357, 361, 362, 372, 382, 386, 389, 398, 412, 414, 415, 419, 420, 547, 554 Bedürfnis, 164, 198, 305, 399, 447, 449, 450, 458, 485, 490, 532, 561, 563 Bestimmung, 10, 14, 27, 28, 41-54, 58, 73, 82, 84, 85, 92, 94, 96, 111, 112, 119, 127-153, 176-178, 185, 191-199, 206, 207, 248, 260, 266, 271-275, 278, 280, 288, 292, 308, 312, 317, 325, 338, 344, 345, 359, 363, 376, 378, 387, 389, 403, 405, 408-416, 423, 429, 438, 461, 463, 483, 493, 494, 528-538, 552-558, 563, 568, 583-587, 590, 597, 601 Bewältigung, 66, 68, 73, 76, 94, 128, 164, 166, 213, 241, 269, 396, 427, 429, 444, 468, 470-471, 474-476, 479-481, 485, 499, 541, 579-581, 599, 600, 601, 602 Bonum, summum, 48, 54, 59, 84, 231, 272, 288, 345, 379, 543, 547, 549, 557 Böse, das, 12, 17, 44, 82, 116, 127, 148, 187, 208, 284, 318, 323, 337, 365, 400, 405, 501, 545, 553-569, 575, 587, 605, 612 Brückenkategorie, 42, 46, 59, 94, 108, 125, 128, 140, 144, 146, 248, 288, 295, 296, 299, 331, 333, 347, 519, 548, 568, 571, 584, 587, 601, 610 Coping, 14, 429, 430, 471, 473, 475, 476, 477, 489 Depression, 174, 380, 425, 431, 432, 433, 440, 473, 477, 478, 488-489, 492, 494, 496, 500, 515 Desidentifikation, 416 Deutung, 46, 47, 50, 82, 113, 128, 131, 171, 195, 200, 222, 224, 233, 239, 245, 259, 280, 357, 386, 423, 424, 435, 491, 523, 527, 530, 539, 581, 591, 597 Dialektik, 10, 12, 25, 45, 52, 57, 79, 89, 107, 116, 118, 126, 140, 146-150, 179, 180, 184, 198, 221, 238, 240, 244, 246, 250, 274, 294, 300, 342, 344, 352, 353, 372, 377, 381, 388-399, 414, 416, 502, 503, 516-518, 534, 541, 553, 562, 575, 583, 584, 591-593, 600-609 <?page no="686"?> XIII. Sachregister 686 Einheit, 15, 33, 35, 48, 49, 51, 54, 58, 61, 81-94, 108, 116, 124, 125, 135, 136, 142, 151, 153, 174, 178, 193, 199, 247, 263, 265, 268, 269, 274, 280-306, 313- 321, 331, 333, 338, 346, 351, 352, 364, 369, 399, 422, 438, 442, 446, 451, 467, 504, 511, 534, 547, 549, 552, 559, 564, 575-576, 584 Einstellungen, 13, 82, 428, 429, 456, 460, 462, 463, 472 Emotion, 83, 102, 134, 173, 174, 232, 427, 429, 433, 439, 445, 448, 450, 451, 454, 456, 458, 459, 480, 490, 491, 497, 592, 600 Empirie, 9, 12, 18, 19, 20, 23, 24, 33-81, 98, 105, 112-117, 126, 127, 136, 137, 140, 173, 180, 194, 253, 286, 289, 299, 302, 306, 318, 392, 421-424, 429, 434, 436, 438, 440-444, 459, 460, 464, 465, 468, 469, 470, 477, 483, 484, 492, 496, 501, 513, 563, 571, 584, 600, 601, 612 empirisch, 18, 19, 23, 34, 37, 38, 39, 41, 49-81, 105, 106, 117, 126, 127, 136, 137, 140, 173, 180, 194, 253, 275, 289, 296, 302, 304, 305, 306, 317, 318, 320, 324, 333, 392, 424-501, 513, 563, 584, 600, 601, 612 Entelechie, entelechial, 198, 200, 557, 593 Epistemologie, 9, 79, 81, 84, 88, 90, 92, 114, 275, 281, 329, 507, 529 Erfahrungen, 27, 30, 32, 46, 53, 56, 64, 66, 78, 90, 92, 94, 115, 155, 156, 161, 167, 184, 203, 222, 223, 230, 236, 254, 300, 334, 347, 356, 377-383, 395, 398, 405, 414, 424, 428, 440-446, 460-471, 478, 481, 493, 496, 505-513, 523-525, 536, 540, 582, 584, 599-606 Ergebnis, 19, 81, 134, 162, 167, 202, 206, 272, 274, 298, 332, 336, 372, 386, 403, 453, 456, 457, 460, 468, 479, 492, 558, 606, 610 Ergebniserwartung, 14, 427, 460, 468, 473, 474 Erkenntnistheorie, 10, 126, 127, 193, 392, 423, 516 Erlösung, 10, 34, 86, 97, 118, 125, 136, 143, 144, 146, 148, 149, 153-156, 172, 176, 178, 180, 214, 231, 234, 238, 243, 246, 250, 257, 262, 271, 285, 375, 389, 390, 398, 503, 519, 526, 532, 538, 567, 603, 604, 605, 608, 611 Erwartung, 11, 12, 13, 14, 93, 106, 124, 141-187, 192, 204-230, 245, 249, 250, 253, 254, 255, 262, 278, 286, 320, 323, 333, 344, 367, 368, 372, 378, 379, 382, 383, 387, 388, 397, 407, 416, 421, 425, 428, 439, 440, 441, 443, 451-471, 480, 485, 488, 490-522, 543, 555, 562, 578, 583, 596 Erwartungsinduktion, 482, 485 Eschatologie, 10, 12, 22, 45, 47, 55, 93, 109, 118, 123, 126, 139, 141, 145, 147, 148, 150, 153, 156, 172, 174, 177, 178, 179, 181, 206, 213, 215-218, 221, 224, 226-238, 247, 253, 254, 263, 264, 271, 275, 314, 317, 318, 331, 332, 335, 339, 347-420, 501-509, 519, 522, 524, 536, 542, 544, 545, 550, 554, 560, 562-564, 575, 586, 595, 597, 604, 605 Eudaimonia, 190, 193, 194, 195, 196, 197, 199, 201, 205, 548 Extrapolation, 14, 150, 204, 224, 252, 281, 286, 392, 394, 395, 516-517, 577, 595 Finalisierung, 35, 94, 135, 333, 496, 557, 575, 581 Folgen, 39, 68, 85, 114, 127, 142, 154, 157, 167, 180, 196, 214, 222, 239, 247, 307, 321, 353, 365, 396, 451-453, 456, 457, 479, 486, 492, 498, 541, 572, 605 Freiheit, 10, 12, 15, 28, 44, 48, 49, 56, 57, 64, 74, 78, 83, 87, 88, 93, 106, 109, 111, 118-125, 129-138, 144, 151, 156, 179, 207, 219, 231, 246, 261, 282, 285, 292- 300, 305, 306, 311, 315-316, 319, 325, 326, 327, 329, 333, 336, 337, 339, 340, 342, 343, 351, 355, 357, 359, 364-369, 379, 384, 391, 395, 398, 399, 400-423, 441-444, 478, 493, 501, 502, 504, 511, 513, 519, 521, 522, 524, 528, 532, 534, 541, 545, 549-556, 559, 562-574, 578, 583, 584, 587, 589, 591, 594, 606, 607, 611, 612 <?page no="687"?> XIII. Sachregister 687 Ganzheit, 52, 60, 97, 101, 217, 270, 314, 333, 336, 403, 412, 416, 505, 563, 571, 604, 605 Gebet, 15, 24, 73, 147, 154, 216, 222, 258, 259, 271, 389, 409, 416, 572-575, 605 Gegenwart, 9, 14, 23-29, 43, 45, 48, 51, 52, 62, 95, 98, 104, 107, 118, 123-135, 145, 149, 151, 152, 153, 164, 175, 176, 178, 187, 196, 199, 203, 204, 209, 212, 214, 215, 220, 224, 227-239, 242, 246, 250, 251, 253, 259, 265, 267, 268, 281, 282, 284, 286, 321, 327, 331, 353, 354, 355, 357, 360, 361, 362, 372-398, 403, 415, 417, 419, 421, 427, 433, 460, 463, 468, 471, 475, 485, 487, 492, 499, 503-527, 536, 537, 543, 544, 550, 556, 564, 569, 571, 574, 579, 582-585, 590, 591, 593, 596, 603-612 Gelingen, 8, 12, 15, 37, 43, 48, 56, 84, 87, 90, 94, 97, 113, 121, 125, 127, 137, 158, 162, 169, 173, 184, 223, 274, 307, 325, 335, 339, 348, 352, 354, 360, 380, 403, 407-417, 442, 444, 480, 487, 499, 511, 513, 518, 519, 525-538, 542-545, 550, 562, 567-570, 572, 576, 578-583, 586, 587, 590, 594, 596, 606, 607 Gerechtigkeit, 15, 28, 29, 49, 56, 88, 100, 130, 148, 154, 178, 181, 187, 190, 221, 235, 236, 237, 246, 249, 255, 262, 283, 322, 331, 356, 369, 372, 382, 383, 405, 407, 415, 420, 431, 520, 522, 537, 553, 557-560, 567, 574-578, 585, 587, 611 Gericht, 148, 181, 215, 220, 233, 236, 237, 246, 371, 382, 419, 420, 522, 552, 559, 575, 578 Geschichte, 26-30, 46, 74, 112, 123, 125, 129-136, 143, 144, 146, 149, 150, 154, 157, 167, 170, 172, 175-177, 180, 181, 184, 191, 194, 195, 196, 199, 204, 209- 228, 234, 237, 253, 256, 262, 286, 287, 323, 342-360, 362-375, 383, 386, 397, 401, 409, 413, 417, 419, 422, 449, 464, 502, 505, 518, 521, 522, 526, 539, 541, 543, 544, 553-567, 577, 581, 588, 593, 595, 596, 603, 608, 610 Gesundheit, 13, 77, 105, 140, 161, 175, 218, 424, 436, 438, 441-443, 461, 464, 468-473, 480, 484, 486, 581 Gewissheit, 14, 15, 27, 69, 86, 87, 92, 93, 95, 106, 108, 120, 127, 138, 140, 142, 173, 174, 187, 190, 196, 198, 209, 216, 234, 235, 240, 244, 247, 249, 251, 260, 266-271, 280, 281, 315, 339, 349, 359, 371, 380, 394, 398, 404, 407, 409, 412, 417, 420, 435, 438, 459, 467, 478, 484, 506-509, 512-517, 551, 566, 572, 582, 591-596, 601 Glück, 10-12, 15, 26, 48, 54, 84, 85, 90, 92, 95, 97, 104, 105, 108, 114, 119, 120, 121, 131, 134-136, 142, 144, 149, 162, 179, 193, 194, 195, 196, 197, 198, 200, 207, 212, 256-259, 263, 264, 265, 272- 278, 285, 288-293, 303, 305, 307, 316- 328, 332-335, 360, 402, 406-409, 414, 415, 437, 440, 442, 444, 456, 487, 501, 517, 529-537, 542-549, 553, 555, 558, 562, 568, 570, 572, 578, 584, 587, 590, 601, 602, 608, 610 Glückseligkeit, 54, 97, 135, 136, 149, 193, 203, 206, 244, 267-277, 285, 289-334, 529, 535, 547, 548, 552 Glückswürdigkeit, 289, 290, 297-323, 334, 416, 549 Gnade, 38, 78, 89, 239, 251, 260, 261, 263, 265, 267, 268, 272, 280, 282, 285, 293, 294, 319, 328, 331, 409, 416, 487, 507, 516, 517, 519, 521, 580, 606, 611 Gut, höchstes, 10, 12, 15, 48, 49, 54, 59, 84, 92, 97, 105, 113, 130, 134-136, 142, 149, 195, 196, 201, 205, 207, 258, 263, 285, 290-321, 329, 330, 332, 345, 402, 406, 411, 504, 530, 533, 546-549, 562, 564, 576, 587 Gute, das, 15, 29, 44, 48, 52, 53, 59, 82-86, 92, 97, 100, 104, 105, 108-114, 120, 121, 127, 128, 135, 136, 141-149, 160, 173, 176, 190-209, 222, 224, 231, 247, 252-270, 277, 278, 285, 289, 290, 292, 293, 297, 298, 302-306, 310-330, 334, 336, 346, 348, 354, 365, 379, 405, 407, 410-418, 442, 501, 504, 512, 514, 528- 575, 577-596, 602, 605, 612 <?page no="688"?> XIII. Sachregister 688 Habitus, 97, 99, 103-113, 124, 252, 266, 279, 282, 541, 568, 587, 593 Handeln, 12, 15, 17, 23, 26, 27, 41-69, 73, 76, 79, 83, 85, 92, 93, 98, 100, 103, 104, 109, 110, 111, 118, 132-153, 157, 160, 161, 163, 164, 166, 171, 177, 186, 190, 193, 196, 197, 200, 205, 206, 207, 214, 217, 222, 236, 238, 242, 256, 260, 264, 269, 273, 276, 291-323, 335, 337, 338, 339, 343, 359, 370, 376, 377, 386, 389- 405, 414, 416, 418, 431, 434, 435, 436, 437, 438, 447, 448, 449, 452, 453, 454, 456, 457, 458, 459, 480, 490, 491, 498, 501, 503, 506, 519, 520, 523-531, 541, 545, 546, 548, 549, 551, 552, 561-581, 586, 587, 589, 591, 593, 595, 597, 602, 603, 605, 608 Handlung, 62, 85, 92, 129, 140, 141, 176, 192, 193, 198, 205, 206, 260, 304, 306, 307, 315, 335, 371, 400, 427, 434, 452, 453, 456-458, 469, 530, 532, 538, 557, 565, 568, 594 Handlungsfähigkeit, 23, 26, 29, 34, 56, 76, 79, 83, 95, 155, 163, 164, 207, 213, 265, 394, 418, 432, 441, 447, 460-461, 471, 474, 480, 489, 492, 499, 510-511, 515, 581, 586, 587, 588, 599, 602 Handlungsgrund, 115, 564 Handlungskategorie, 30, 33, 84, 85, 91, 92, 111, 125, 145, 151, 153, 169, 174, 201, 204, 207, 261, 268, 270, 333, 504, 525, 575, 596, 603 Handlungsmotivation, 10, 14, 19, 21, 28, 29, 30, 73, 121, 125, 140-144, 160, 163, 256, 265, 294, 302, 303, 376, 380, 384, 386, 444, 467, 523-530, 561, 565, 568, 569, 576, 577, 588, 595, 599 Handlungsorientierung, 28, 29, 55, 85, 130, 197, 198, 323, 333, 380, 418, 463, 485, 523, 532, 567, 575, 594 Handlungspraxis, 19, 20, 34, 70, 75, 88, 93, 103, 109, 120, 122, 146, 154, 159, 176, 200, 201, 248, 273, 309, 330, 335, 373, 389, 390, 406, 448, 513, 525, 544, 568, 604, 607 Handlungssubjekt, 12, 20, 25, 31-35, 54, 60, 63, 72, 76, 94, 105, 106, 110, 119, 125, 129, 133, 139, 145, 194, 198, 219, 273, 308, 330-331, 368, 372, 375, 381, 384, 391, 397, 398, 518, 530, 541, 562, 568, 570, 571, 573, 592, 593, 598, 599, 605, 608, 611 Handlungstheorie, 10, 15, 19, 35, 91, 92, 134-144, 157, 199, 205, 206, 260, 306, 315, 370-380, 386, 413, 434, 435, 448, 467, 521, 523, 527, 537, 544, 571, 604 Handlungsursachen, 449 Handlungsziel, 10, 134, 196, 275, 434, 457, 525, 588 Heil, 33, 34, 35, 54, 104, 105, 120, 156, 190, 208, 213-220, 246, 247, 253, 266, 268, 270, 271, 276, 283, 285, 319, 340, 360, 363, 384, 390, 391, 399, 407, 437, 438, 487, 520, 526, 531, 548, 572, 580, 586, 599 Hermeneutik, 33, 36, 40, 47, 52, 59, 60, 61, 65, 70-78, 94, 117, 118, 121, 133, 135, 138, 288, 326, 336, 354, 361, 385, 399, 402, 409, 507, 518, 527, 540, 552, 556, 561, 564, 577, 584, 603, 607 Hilflosigkeit, gelernte, 488 Hoffnung, natürliche, 35, 46, 98, 104, 107, 108, 266, 299 übernatürliche, 107, 124, 265, 266, 372, 447, 502, 515, 589 Hoffnungsakt, 113, 411, 542 Hoffnungsgewissheit, 262, 264, 271, 283, 397, 417, 536, 550-551, 560, 565 Hoffnungsgrund, 46, 104, 112-119, 151, 205, 341, 353, 354, 376, 406, 408, 411, 414, 513, 517, 535, 547, 551, 553, 582, 585, 586, 596 Hoffnungslosigkeit, 13, 18, 79, 94, 104, 115, 141, 174, 243, 257, 261, 337, 339, 343, 355, 366, 372, 399, 400, 412-418, 429, 431, 433, 442, 446, 466, 476, 485, 490, 496, 500, 533, 537, 554, 566, 574, 579 Hoffnungsspannung, 97, 104, 106, 107, 150, 153, 154, 160, 179, 191, 195, 237, 277, 281, 282, 285, 356, 357, 364, 367, 383, 407, 411, 453, 510, 551, 554, 556, <?page no="689"?> XIII. Sachregister 689 571, 585, 586, 588, 592, 601, 602, 604, 610 Hoffnungsstruktur, 9, 12-20, 26, 27, 30, 41, 44, 47, 65, 75, 78, 88, 108-112, 123, 126, 132, 138, 141, 143, 145, 151-155, 163, 167, 181, 200, 201, 219, 234, 254, 273, 287, 290, 293, 299, 301, 311, 319, 328-332, 337, 353, 370, 380, 389, 391, 392, 402, 411, 420, 437, 439, 501, 516, 521, 523, 524, 534-539, 546, 552-557, 566, 571, 587, 596, 599-611 Hoffnungsvollzug, 119, 136, 138, 205, 231, 261, 278, 283, 358, 388, 402, 417, 439, 467, 524, 543, 561, 595, 600 Hoffnungsziel, 112, 189, 213, 244, 406, 525, 547, 582, 586, 596, 600 Hoffnungszusammenhänge, 9, 15, 91, 357, 465, 538 Identität, 24, 34, 38, 43, 44, 45, 47, 51, 56, 65, 68, 90, 105, 113, 114, 121, 134, 139, 144, 145, 156, 166, 179, 215, 234, 244, 250, 254, 334-338, 346, 348, 350, 355, 359, 361, 372, 380, 391, 397, 406, 409, 417, 473, 504, 508, 518, 529, 533, 551, 578, 580, 594-600, 604, 611 Ideologie, 27, 28, 152, 169, 171, 277, 362, 368, 370, 536, 593, 603 Illusion, 17, 152, 160, 163, 172, 178, 179, 183, 202, 236, 244, 345, 436, 439, 441, 464, 473, 492, 503, 546, 560, 585, 586 Integration, 10, 14, 19, 21, 32-35, 39, 48, 50, 58-82, 100-103, 112-119, 126, 133, 149, 217, 248, 281, 293, 307, 313, 398, 424, 448, 464, 467, 487, 500, 501, 566, 570, 579, 593, 602 Intention, 141, 174, 289, 325, 329, 436, 453, 458, 468, 549, 554, 557 Intentionalität, 84, 106, 136, 251, 262, 273, 316, 324, 378, 442, 443, 458, 485, 487, 500, 514 Interdisziplinarität, 9, 21, 25, 32-42, 58, 60-78, 103, 115, 117, 123, 124, 134, 138, 139, 199, 207, 252, 308, 335, 577, 595 Kognition, 102, 134, 174, 231, 425, 433, 435, 439, 445, 449, 451, 457, 458, 479, 480, 490, 492, 497, 499, 592, 600 Konsiliatorik, 24, 33, 258, 599-602 Kontrasterfahrung, 46, 220, 235, 266, 405, 438, 507, 510, 534 Kontrolle, 13, 14, 28, 30, 65, 82, 113, 119, 138, 170, 194, 196, 264, 265, 290, 352, 380, 402, 410, 428, 434, 439, 440, 461, 470, 471, 480, 485, 488, 500, 515, 516, 528, 537, 554, 578, 602, 607 Kontrollüberzeugungen, 13, 461, 470, 474 Konvergenzen, 35, 60, 65, 67, 69, 77, 78, 86, 126, 191, 558 Kreuz, 12, 153, 154, 243, 284, 349, 372, 412, 413, 414, 415, 421, 514, 610 Lebensqualität, 430, 468, 477 Leid, 115, 242, 254, 349, 365, 414-418, 534, 550, 569, 581, 583, 587, 596 Leistungsmotivation, 13, 426, 448, 451, 453, 454, 455, 456, 459 Letztbegründung, 15, 70, 87, 89, 309, 315, 557, 558, 561, 568 Liebe, 14, 22, 38, 78, 99-115, 125, 145, 146, 153, 154, 172, 175, 229, 237, 240, 241, 249-270, 279-282, 302, 303, 323, 338, 349, 351, 352, 363-366, 371, 374, 375, 393, 398, 401, 409-420, 444, 445, 450, 501, 505, 516-520, 532, 557, 570- 574, 583, 592, 608, 610, 611 Logotherapie, 14, 25, 164, 167, 168, 432, 436, 437, 438, 469, 478, 479, 480, 482- 484, 487, 581, 611 Memoria passionis, 12, 29, 148, 152, 349, 367, 368, 372, 414, 521, 522, 553 Menschenwürde, 29, 57, 106, 119, 121, 140, 278, 340, 355, 401, 537, 539, 551, 576 Metakognition, 13, 434 Metamotivation, 309, 538, 556, 567, 576 Mobilisierung, 367, 381, 450, 494, 496, 499, 588 Moralität, 10, 48, 59, 62, 88-90, 94, 96, 129, 144, 199, 200, 263, 288-336, 390, 402, 405, 409, 513, 520, 532, 552, 559, 565, 566 Moralpsychologie, 133, 222, 263, 422, 435 Moraltheologie, 9, 19, 20, 25, 26, 35-75, 85, 92-97, 102-112, 123, 129, 132, 133, 138, 141, 143, 146, 219, 237, 249, 258, <?page no="690"?> XIII. Sachregister 690 283, 285, 300, 325, 343, 371, 374, 392, 420, 464, 502, 540, 553, 562, 579, 603- 611 Motivation, 10, 12, 15, 29, 34, 91, 102, 118, 134, 139-146, 153, 156, 164, 167, 174, 182, 200-201, 253, 256, 263, 270, 287-335, 359, 371, 376, 427-459, 467, 482, 486, 489, 497, 499, 526-534, 542, 545, 546, 551, 556, 561, 564, 566, 567, 569, 570, 571, 580, 582, 590, 591, 598, 602, 605, 607 Natur, 21, 25, 28, 37-42, 61, 62, 68, 78, 84, 94, 113-118, 129, 133, 161, 167, 183, 188, 201, 204, 241, 262, 267, 273, 274, 279, 282, 285, 291-298, 310, 315, 316, 331, 336, 348, 350, 351, 359, 383, 393, 450, 452, 497, 498, 502, 517, 537, 570, 577, 606, 611 Natürlichkeit, 42 Neigung, 26, 116, 119, 307, 322, 332, 442 Normativität, 9, 20, 24, 33-37, 42-80, 92- 98, 112, 115, 123, 133, 198, 307, 383, 406, 443, 547, 571, 600, 607 Ontologie, 12, 51, 83, 113-114, 120, 134, 158, 190, 198, 199, 275, 287, 341-343, 352, 354, 390, 505, 543, 577, 603 Opfer, 136, 237, 350, 359, 369, 401, 521, 522, 567, 587, 588 Optimismus, 14, 174, 183, 339, 352, 424, 428, 446, 459, 460, 471-476, 488, 489, 541, 563 Orientierung, 9, 13, 15, 27, 34, 39, 40, 45, 48, 74, 81-97, 113, 115, 122, 128, 130, 133, 136, 142, 145, 149, 155, 156, 164, 169, 173, 194-199, 222, 231, 247, 248, 251, 258-263, 275, 286, 291, 308, 316, 318, 335, 339, 348, 371-375, 381, 386, 390, 398, 406, 407, 413, 415, 437, 439, 441, 443, 462, 484, 494, 497, 498, 502- 508, 517, 518, 526, 533, 534, 547, 553, 565, 572-577, 585-599, 603, 604 Paläoanthropologie, 13, 19, 431, 494-495 Pessimismus, 352, 432, 446, 563 Placebo, 13, 441, 464, 465, 466, 481, 507 Planung, 132, 150, 169, 173, 216, 286, 366, 368, 374, 379, 427, 453, 509, 512-515 Postulat, 67, 89, 121, 291, 295, 297, 298, 299, 301, 309, 313, 316, 326, 333, 338, 351, 353, 405, 562 Prognose, 132, 138, 150, 169, 173, 286, 365, 374, 376, 398, 430, 509, 512, 513, 516 Psychotherapie, 12-37, 64-78, 95, 142, 148, 198, 397, 422-429, 433, 437, 438, 442-450, 466, 471, 481-492, 532, 580, 600, 602 Rationalität, 9, 22, 28, 30, 32, 34, 39, 60, 63, 64, 73, 79-90, 101, 103, 119, 124, 132, 137, 138, 141, 150, 173, 176, 184, 185, 186, 192, 197, 201-208, 224, 252, 272, 285, 286, 292, 293, 299, 304, 306, 312, 315, 318, 331, 377, 384, 390, 399, 409, 422, 435, 447, 490, 509-515, 536, 544, 549, 560-570, 584, 588, 594, 596 Resilienz, 13, 424, 429, 468, 469, 471 Ressourcen, 29, 76, 86, 156, 177, 348, 350, 429, 445, 470, 471, 475, 478, 480, 483, 485, 487, 491, 570, 571, 605 Schöpfung, 125, 147, 148, 156, 176, 178, 211, 217, 231, 236, 245, 247, 266, 281, 285, 302, 314, 316, 352, 356, 358, 360, 370, 371, 378, 399, 505, 507, 538, 603, 605 Seelsorge, 25, 37, 148, 262, 482, 598 Sehnsucht, 94, 124, 130, 170-174, 187, 232, 251, 258, 259, 262, 335, 374, 413, 415, 491, 501, 511, 513, 533, 545, 560, 569 Selbstkonzept, 13, 37, 463, 464 Selbstsorge, 24, 139, 598 Selbsttranszendenz, 25, 34, 43, 90, 95, 114, 170, 172, 272, 379, 483, 545, 571, 572, 574, 586 Selbstwert, 13, 463, 473 Selbstwirksamkeit, 13, 427, 428, 440, 451, 460, 461, 468, 471 Sinn (des Lebens), 165, 167, 314, 413, 437, 474, 531, 535 Sinnhoffnung, 340, 410, 483, 603 Sinnlosigkeit, 87, 128, 154, 156, 254, 339, 364, 367, 404, 413, 476, 499, 581, 597 Sinnorientierung, 33, 167, 406, 483, 487, 512, 525, 581, 583, 604 <?page no="691"?> XIII. Sachregister 691 Sinntotalität, 53, 54, 533, 539 Sollen, 15, 43, 44, 53, 58, 59, 79, 90, 94, 109-133, 144, 148, 168, 191-197, 285, 288, 293, 294, 304, 308, 323-334, 375, 443, 483, 507, 535, 537, 545, 565, 570, 590, 592, 600-611 Spes, 46, 98, 101, 104, 125, 137, 141, 147, 162, 224, 244, 252, 257, 261, 263, 268, 272, 280-282, 284, 339, 350, 351, 385, 392, 397, 412, 588, 589 Spiritualität, 10, 33, 60, 66, 73, 147, 148, 233, 237, 241, 267, 418, 516 Streben, 82, 83, 85, 114, 166, 168, 189, 193, 207, 267-273, 298, 303, 305, 307, 313, 316, 321, 328, 335, 453, 533, 546, 547, 556, 562-566, 579, 587, 589, 608 Strukturgitter, 10, 19, 24, 60, 69, 75, 109- 117, 123, 163, 168, 447, 503, 518 Suizid, 13, 431, 432, 433, 496 Symptomminderung, 481 Täter, 237, 359, 522, 587, 588 Teleologie, 82, 97, 115, 134, 136, 167, 195- 199, 201, 205, 206, 217, 230, 295, 296, 298, 303, 310-319, 331, 406, 443, 531, 543, 547, 557, 565 Theodizee, 47, 120, 133, 134, 135, 286, 359, 382, 389, 395, 402, 414, 559, 585, 610 Tod, 12, 43, 56, 73, 79, 90, 113, 130, 138, 147-154, 170, 176-179, 181-187, 189, 203, 209, 214, 220-223, 231, 236, 250, 254, 327, 332, 340, 342, 348, 349, 361- 374, 382-389, 398, 399, 407, 412-420, 431, 433, 440, 493-499, 510-519, 529, 545, 550-558, 570-574, 583, 589-594 Totalitarismus, 370, 553 Totalität, 39, 53, 118, 128, 191, 197, 198, 200, 311, 314, 317, 347, 383, 414, 491, 496, 499, 510, 548, 549, 556, 562, 575, 581, 596 Tugend, 10, 14, 85, 90-111, 137, 190-201, 249, 263, 265-272, 277-283, 287, 292, 293, 298, 303-308, 314, 328, 330, 336, 374, 377, 438, 442, 518, 535, 543 Unverfügbarkeit, 9, 12, 42, 110, 251, 361, 363, 370, 514-515, 591 Utopie, 9, 26-30, 121-124, 129, 132, 135, 150-157, 169-173, 191, 221, 342, 343, 344, 345, 349, 352, 353, 357, 360, 362, 376, 396, 444, 509, 513, 525, 527, 542, 562, 586, 593, 603 Verantwortung, 9, 15, 50, 57, 76, 85, 86, 88, 115, 124-127, 139, 140, 144, 151, 194, 207, 235, 237, 318, 339, 352, 364, 369, 371, 377, 378, 384, 391, 398, 403, 408, 430, 462, 501, 504, 522, 525, 556, 559, 570-578, 584, 607 Vergangenheit, 14, 23, 43, 51, 95, 118, 125, 126, 132, 152, 187, 188, 192, 196, 223, 229, 236, 259, 265, 281, 285, 353, 357, 360, 361, 373-383, 387, 391-398, 421, 422, 449, 463, 472, 495, 505, 509, 511, 520-527, 534, 536, 555, 571, 574, 583, 585, 591, 603-612 Verheißung, 11, 37, 56, 78, 119, 133, 138, 147, 150, 172, 205, 208, 211, 218, 219, 223, 224, 232, 234, 246, 247, 251-255, 277, 284, 285, 307, 320, 321, 325, 340, 345, 356-367, 370, 372, 383, 386, 393- 395, 406, 410, 501, 507, 511, 519, 521, 526, 532, 547, 549, 553, 555, 558, 567, 591-594 Vernunft, 9, 10, 12, 15, 28, 30, 38, 43-49, 60-63, 70-106, 112-126, 131, 133, 135, 136, 139, 141, 148, 176, 194, 197, 199, 200, 256, 270-276, 285-340, 357, 363, 395, 399-411, 418, 420, 440, 506, 509, 513, 519, 521, 522, 530, 531, 534, 536, 540, 541, 545, 546, 549, 552, 555, 560- 567, 574, 579, 586, 588, 589, 604-607 instrumentelle, 167, 394, 517, 565 praktische, 15, 47, 49, 63, 86, 89, 102, 125, 135, 136, 194, 197, 200, 207, 276, 279, 288-301, 304, 308, 312-318, 324, 326, 328, 329, 330, 336, 342, 363, 393, 545, 560-565, 607 theoretische, 279, 290, 295, 363, 565 Vernunftprinzip, 12, 136, 142, 200, 289- 296, 303, 323, 326, 333, 334, 565 Vertrauen, 15, 34, 38, 85, 99, 103, 105, 106, 107, 130, 137, 138, 156, 159, 162, 163, 174, 180-183, 191, 209, 211, 215, 223-234, 239, 251, 252, 262, 266, 269, <?page no="692"?> XIII. Sachregister 692 271, 278, 282, 351, 359, 363, 375, 376, 397, 400, 403, 409, 416, 426, 430, 440, 442, 446, 470, 506, 509, 512, 514, 517, 532, 574-578, 587, 590-599, 606 Verzweiflung, 94, 104, 106, 114, 126, 137, 141, 142, 173, 174, 232, 257, 262, 265, 269, 272, 278, 284, 337-341, 364, 367, 372, 397, 409, 418, 438, 445, 487, 494, 499, 501, 504, 512-515, 545, 554, 555, 572, 574, 581, 586, 596 Volition, 102, 174, 433, 436, 439, 448, 451, 453, 458, 497, 600 Wahrheit, 40, 54, 61, 66, 69, 71, 72, 80, 86, 87, 92, 93, 127, 179, 187-191, 224, 241, 256, 257, 284, 298, 315, 338, 363, 364, 383, 399, 405, 430, 465, 501, 506, 507, 521, 531, 535, 539, 552, 566, 579, 583, 586, 587, 596, 598, 604, 606, 613 Wille, 25, 101, 104, 173, 219, 260-263, 270, 303-308, 318, 321, 325-328, 367, 482, 483, 487, 546, 550, 572, 581, 584, 606 Wissen, 14, 15, 49, 56, 57, 58, 66, 81, 85, 86, 98, 104, 106, 109, 110, 128, 141, 157, 160, 171-174, 182-185, 192, 207, 251, 265, 276, 281-284, 288, 290-293, 299, 312, 316, 332, 352, 363, 370, 388, 401-410, 421, 429, 434, 441, 474, 487, 509-531, 546, 559-572, 587, 591, 592, 604, 607, 608, 609 Wissenschaft, 18, 22, 23, 39, 48, 56-68, 83, 109, 111, 129, 169, 192, 200, 412, 424, 439, 466, 505, 567, 573, 578, 592, 603, 604, 606 Wunsch, 124, 169-172, 195, 207, 318, 319, 327, 328, 426, 442, 450, 501, 504, 511, 529, 555 Würde, 34, 88, 130, 154, 190, 322, 340, 344, 360, 364, 401, 411, 416, 494, 504, 559, 597 Zeit, 11-18, 22, 27, 38, 63-66, 70, 80, 86, 99, 102, 106, 114, 125, 129, 131, 132, 140, 141, 144, 150-157, 167, 170, 175- 184, 203, 210-224, 229-231, 235-238, 254-268, 285, 302, 318, 327, 332, 339- 345, 355, 358-363, 369-399, 413, 419, 431, 455, 469, 478, 482, 488, 501-511, 517, 520-524, 527, 531, 552, 554, 560, 563, 566, 571, 576, 610, 613 Zuversicht, 7, 8, 76, 87, 107, 113, 156, 159, 174, 177, 186, 187, 201, 215, 216, 232, 237, 241, 247, 251, 267-270, 293, 305, 307, 312, 323, 348, 360, 376, 397, 404, 408, 417, 418, 426, 430, 431, 442, 445, 466, 491, 513, 520, 533, 543, 550, 553, 571, 572, 578, 581, 595, 596