Lust zum Lehren, Lust zum Lernen
Fremdsprachen von Anfang an anders unterrichten
0718
2012
978-3-7720-5447-1
978-3-7720-8447-8
A. Francke Verlag
Wolfgang Butzkamm
Dies ist ein Buch über das was zählt, wenn man Verantwortung trägt für das Fortkommen seiner Schüler: klare Leitsätze und gescheite Lehrtechniken, die Schüler ebenso bei der Arbeit wie bei Laune halten. Richtig üben - lebendig kommunizieren, beides von Anfang an und auseinander hervorgehend.
Ohne die Errungenschaften eines modernen kommunikativen Ansatzes zu verspielen, schöpft der Autor bewusst aus einer reichen abendländischen Tradition des Sprachenlehrens und - lernens und verbindet diese mit heutigen Erkenntnissen aus der Psychologie, der Spracherwerbs- und Unterrichtsforschung und Hirnforschung. Anregungen aus der Grundschule und für sie sind einbezogen.
Das Ergebnis ist eine Revision der Grundlagen: bei gezielter Mithilfe der Muttersprache können Fremdsprachen anders und besser als bisher unterrichtet werden. Ein optimistisches Buch in pessimistischer Zeit, gegründet auf der Überzeugung, dass es guten Fremdsprachenunterricht schon immer gegeben hat und auch in Zukunft geben kann. Ein Buch, das jungen Lehrern Appetit auf Unterricht machen will und Veteranen neue Impulse gibt. Wolfgang Butzkamm zieht die Summe seiner Beobachtungen und Erkenntnisse aus über vierzig Jahren Arbeit als Lehrer und Lehrstuhlinhaber.
W O L F G A N G B U T Z K A M M Lust zum Lehren, Lust zum Lernen Fremdsprachen von Anfang an anders unterrichten 3. Auflage Lust zum Lehren, Lust zum Lernen Für Helmut Heuer †, der mir zur richtigen Zeit die richtige Aufgabe stellte. Wolfgang Butzkamm Lust zum Lehren, Lust zum Lernen Fremdsprachen von Anfang an anders unterrichten 3., komplett überarbeitete Auflage Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Ergänzende Texte und Videomaterial zum Buch sind unter http: / / www.lustzumlehren.francke.de/ sowie unter http: / / www.fremdsprachendidaktik.rwth-aachen.de/ Ww/ publications.html oder http: / / www.fremdsprachendidaktik.de verfügbar. 3., komplett überarbeitete Auflage 2012 2., durchgesehene und verbesserte Auflage 2007 1. Auflage 2004 © 2012 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des-Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und-Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.francke.de E-Mail: info@francke.de Satz: Informationsdesign D. Fratzke, Kirchentellinsfurt Printed in the EU ISBN 978-3-7720-8447-8 Alles Gescheite ist schon gedacht worden, man muss nur versuchen, es noch einmal zu denken. (Johann Wolfgang Goethe) Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV Aus dem Vorwort zur zweiten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVIII Vorweg 1 Ein positives Arbeitsklima schaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 ‘Liebende Kommunikation’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Emotionale Grundbedürfnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Könnenserlebnisse und Selbstachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Frustration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Geborgenheit vs. Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Sprechhemmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Enthemmung: Crazy English. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Die Macht der Affekte: Mutismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Die fröhliche Klasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Der fröhliche Lehrer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Räume und der Sinn für das Schöne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Freundlichkeit, Fairness und Strenge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Frühe Wertprägungen: Interesse am Weltbesten. . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2 Gemeinsam lernen - miteinander, voneinander, füreinander . . . 29 Die Klasse als Kommunikationsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Lehrer und Schüler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Die Unpersönlichkeit der Amtsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Die Unpersönlichkeit der Ideologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Moderne Distanzlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Lehrerrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Schüler und Mitschüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Wessen Sprache? Eltern gegen Altersgenossen . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Auf wen hören Jugendliche? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Eine soziobiologische Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Wie werden Schüler zu Verbündeten des Lernens? . . . . . . . . . . . . . . . . 40 VIII Inhalt Hauptteil 3 In und mit Sprachen leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Die Sprache leben und lieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Lehrers Wanderjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Reisefieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Die Schule als Lebensraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Die funktionale Fremdsprachigkeit des Unterrichts . . . . . . . . . . . . . . . 54 Fremdsprachige Unterrichtsführung: Sandwich-Technik und Doppelpass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Ungewollte Nebenwirkungen einer unaufgeklärten Einsprachigkeit . . 58 Sprache als Nebenerwerb: Sachlernen in der Fremdsprache . . . . . . . . . 62 Der doppelte Fokus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Tipps zur Fehlerkorrektur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Richtig üben - lebendig kommunizieren: Analysen . . . . . . . . . . . . . . 70 Alarm: Mitteilungsbezogenheit findet nicht statt! . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Prüfliste: wie kommunikativ ist mein Unterricht? . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Praxisvorschläge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Reden im Gehen, Reden im Stehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Bei der Arbeit reden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Gespräche leiten: Lernen durch Lehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Vortragen: Unterricht als Redewerkstatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Jugend debattiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Spontanreaktionen und der fruchtbare Moment . . . . . . . . . . . . . . . 82 4 Zweifach verstehen: die Grundbedingung des Spracherwerbs . . 87 Verstehen, wie’s gemeint ist: das Verständigungsproblem . . . . . . . . . . 87 Verstehen, wie’s gesagt ist: das Analyseproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Kinder knacken den Kode: 1) Mutterspracherwerb. . . . . . . . . . . . . . . . 90 Kinder knacken den Kode: 2)-Natürlicher-Zweitspracherwerb . . . . . . . 93 Kinder knacken den Kode: 3) Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Doppelverstehen und die Output-Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Doppelverstehen: von der Spätantike bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Warum auch altmodische Methoden effektiv sein können . . . . . . . . . 102 Zweisprachige Textdarstellung in Selbstlernkursen. . . . . . . . . . . . . . . . 104 5 Natürliche Künstlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Erwerbskontexte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Die Lernbarkeit der Sprache: Mustererkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Die Masse macht’s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Weitere Handikaps des Unterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Inhalt IX Kompensation: die Muttersprache als Sprachmutter . . . . . . . . . . . . . . 115 Dreizehn Thesen: giving or guessing? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Natürliche Zweisprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Fazit: eine Selbstverständlichkeit zurückgewinnen . . . . . . . . . . . . . . . . 135 6 Richtig anfangen: Sprache inszenieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 No Murks, please . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Streiflichter einer verpfuschten Praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Fremdsprachen werden anfangs falsch unterrichtet . . . . . . . . . . . . . . . 143 Dialogarbeit: wissenschaftliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Erprobt und bewährt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Dialoge einstudieren/ vorspielen - umschreiben - vorspielen. . . . . . . . 148 Die Sandwich-Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Leises Mitsprechen: Multiplikationseffekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Hörmerkspanne und backward build up. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Die Mitlestechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Bilder als Stütze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Übersetzung: Idiomatik plus Brückendeutsch. . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Weitere Textdurchgänge: Festigung, Prinzip des Verweilens . . . . . . 156 Zielschritte: All the class a stage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Fundamentum, Additum und der Kampf gegen das-Vergessen . . . . . . 161 Dialoge schreibend variieren, inszenieren, nachbesprechen . . . . . . . . 162 Dialoge improvisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Weiterentwicklungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Schule der Geläufigkeit: Sprechstücke rhythmisieren und skandieren 170 Rekonstruieren und rezitieren: Wegnahme-Techniken. . . . . . . . . . . . . 174 Nachüberlegungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Hören und Nachsprechen als Grundform des Übens . . . . . . . . . . . . 176 Üben geht in Etappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Kunstfehler vermeiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Verfügbarkeitsstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Der Wille zur Meisterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 7 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen . . . . . . . . . . . . . 185 Sprache und Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Lieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Songs, Musicals und Liedermacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Tanz- und Spiellieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Sprache und Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Entspannende Verstehensspiele für Anfänger. . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Kommandierspiele: kein Sitzenbleiben! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 X Inhalt Gymnastik im Klassenzimmer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Texte darstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Laufdiktat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Wörter zu Sätzen, Sätze zu Texten platzieren (Mingles) . . . . . . . . . . 212 Sprache und Spiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Spielerischer Wettstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Gesellschaftspiele: Rätselgeschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Gesellschaftsspiele: Dilemmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 8 Richtig anfangen: Input maximieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Classroom pidgin als Input? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Vorschläge fürs Hören und Lesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1) Fremdsprachige Unterrichtsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2) Sandwich-Stories . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 3) Vorlesen, Erzähllesen und Erzählen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 4) Fantasiereisen zur Entspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 5) Geschichten erzählen und fälschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 6) Bilder beschreiben: Stimmt das? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 7) Hörtexte mit Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 8) Lese- und Hörecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 9) Häusliche Lektüre: Endlich allein …! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 9 Richtig üben: das generative Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Lob der Grammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Das generative Prinzip beim natürlichen Spracherwerb . . . . . . . . . . . . 239 Der lange Weg zum effektiven Üben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Analogiebildung und die unendliche Satzvermehrung . . . . . . . . . . . . 244 Grammatik - Fortsetzung des Lexikons mit anderen Mitteln. . . . . . . . 246 Satzvariationen als Sinnvariationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Praxis: bilinguale halbkommunikative Strukturübungen . . . . . . . . . . 249 Übungsverlauf und kommunikative Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Beispiele für die Grundschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Pour toi, je ferais n’importe quoi! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 On prend un taxi? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Present progressive. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Methodische Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Varianten für lernschwache Klassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Isolierte Einzelsätze? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Bilinguale Wiederholungsgrammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Die Vorteile bilingualen Übens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Inhalt XI To transfer or not to transfer - that is the question . . . . . . . . . . . . . . . 270 Wenn man das generative Prinzip ignoriert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Exkurs: Grammatik knapp und verständlich erklären . . . . . . . . . . . . 277 Wissen ist gut, Können ist besser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Grammatik - die Katastrophe im Klassenzimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 questions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 modals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 if-clauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 past tense . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 verb inflections . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Grammatik als Zeitverschwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Regeln und grammatische Analyse: contra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Regeln und grammatische Analyse: pro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Grammatische Progression: Revolution im Klassenzimmer . . . . . . . . . 288 Grammatischer Minimalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Exempel sind stille Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Philosophische Grammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 10 Bilinguale Praxis im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Gibt es didaktisch brauchbare Übersetzungsäquivalente? . . . . . . . . . . 295 Wirkungsgleichheit: die übersehene pragmatische Dimension . . . . . . 299 Mitteilungsäquivalente klären grammatische Funktionen . . . . . . . . . 302 Muttersprachliche Spiegelungen klären grammatische Formen . . . . . 305 1) Syntax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2) Wortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 3) Idiomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Muttersprachliche Verfremdung als Aussprache- und Schreibhelfer . . 313 Fachbegriffe von der Muttersprache her klären . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Das Mitlernprinzip: 1) mehrsprachige Vernetzung . . . . . . . . . . . . . . . 315 Das Mitlernprinzip: 2) Wortgeschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Das Mitlernprinzip: 3) Gebrauchsfertige Gleichungen (lexico-grammar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Parallelübersetzungen der Lektionstexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Vokabellernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Das zweisprachige Wörterbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Idiomatik, Kollokationen und die Pflege der Muttersprache . . . . . . . . 325 Den Texten ihre Ausdrucksmittel ablernen: partielle Rückübersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Klassenarbeiten: bilingual, kontextuell, einfach korrigierbar . . . . . . . . 328 Abiturspeak? Redemittel müssen eingeübt werden. . . . . . . . . . . . . . . . 329 XII Inhalt Wortspuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Ideen und Ausdrücke sammeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Wegüben hartnäckiger Interferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Zweisprachige Textausgaben: der Weg zum selbständigen Lesen . . . . 335 Sprachliche Arbeitsteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Mischtexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Shadowing mit Audioversionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Bilingual mit DVDs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Dolmetschübungen und Tandems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Übersetzen und Sprachmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Vorschläge für multilinguale Klassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Vom Bundesgenossen zum Erbfeind - und wieder zurück . . . . . . . . . . 350 11 Der Sprachumsatz muss stimmen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Der Zeitfaktor und die Methodenfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Der Schneeballeffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Grammatik braucht reichhaltige Sprachkontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Frühbeginn: falsche Versprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 Durchkomponierte, randvolle Stunden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Alle Schüler aktivierende Übungen mit hohem Sprachumsatz . . . . . . 363 Buzz reading als Aufwärmübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Lesen-und-Aufblicken als zentrale Arbeitstechnik . . . . . . . . . . . . . . 364 Lesetraining in Partnerarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Gestaltendes Lesen mit verteilten Rollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 Deklamieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Partner trainieren Witze und Anekdoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Partner rekonstruieren Texte nach Notizen (dictogloss) . . . . . . . . . . 371 Partner sortieren ein Geschichten-Mix (two stories in one) . . . . . . . 372 Texte diktieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 Sätze behalten, Wörter zählen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 12 Von und mit Texten lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Lehrziel literarische Analyse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Vom Leichtlesen und Viellesen zum kritischen Lesen . . . . . . . . . . . . . 380 Lehrwerke - je bunter, desto besser? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 Die Kunst des Fragens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Textarbeit mit doppeltem Fokus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 1) Einordnen von Satzteilen und Teilsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 2) Halbierte Zitate (quotations in halves) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 3) Fließtexte segmentieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 4) Textparaphrasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 Inhalt XIII Kreatives Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 1) Satzanfänge als Schreibimpulse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 2) Fünfzeiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 3) Minisagas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 4) Zwischen Anfang und Ende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 5) Lernbiografien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 6) Schulfach Glück? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 Grenzen des bloß Methodischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Die Theorie in dreizehn Leitsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Vorwort Fremdsprachen anders unterrichten - ist das nicht eine Anmaßung? Ist nicht der bilinguale Sachfachunterricht eine echte Erfolgsstory? Ist der Unterricht nicht schon längst bunt und vielseitig genug geworden? Ist der Unterricht nicht medientechnisch immer auf der Höhe der Zeit geblieben? (Oops, das Sprachlabor …) Sind nicht viele Anregungen aus der humanistischen Psychologie inzwischen Teil des Hauptstroms? Ist der Unterricht nicht in Bewegung gekommen, im wahrsten Sinne des Wortes? Aerobics, Entspannungsübungen, Projekttage, Fantasiereisen, Simulationen, Dramapädagogik, Gesellschaftsspiele, Quizshows und Debattierclubs haben Einzug gehalten. Auch Partnerarbeit - für Fremdsprachen enorm wichtig - und “Lernen durch Lehren” sind in den Schulen angekommen. Und noch immer schaffen es Lehrer, ihre Schüler für Shakespeare zu begeistern. Soll das etwa anders werden? Natürlich nicht. Aber all das bleibt allzu oft Patchwork-Methodik, weil ohne solides psycholinguistisches Fundament. Zentrale Techniken wie das Einstudieren von Dialogen, das Erarbeiten unbekannter Texte, Wortschatz- und Grammatikarbeit sind in ihren psycholinguistischen Grundlagen nur unzureichend geklärt und theoretisch abgesichert. So werden im Kernbereich des Unterrichts Irrtümer fortgeschleppt mit nicht mehr zu übersehenden, verheerenden Folgen für lernschwache und wenig motivierte Schüler, die schnell aufgeben. Nehmen wir als Vertreter des Mainstreams Englisch in der Grundschule, eine Fundgrube für einen facettenreichen, motivierenden Unterricht (Klippel 2000). Aber es heißt da: Die Lehrerin kann “- als letzte Möglichkeit - ins Deutsche übersetzen”. Und: “Übersetzt wird aus der Not, wenn andere Mittel der Bedeutungsvermittlung versagen” (Klippel 2000, 22, 37). Die Muttersprache für den Notfall? Dieses Buch sieht das radikal anders: Die Muttersprache liefert ganz unbestreitbar die kognitiven Grundvoraussetzungen für weiteres Sprachenlernen, sie ist der Boden unter unseren Füßen und in der Praxis auch das biegsamste, schmiegsamste, schnellste und genaueste Mittel der Bedeutungs- und Grammatikvermittlung. Es ist ein Riesenunterschied, ob man etwas als Nothelfer zulässt oder als Kapital ansieht, das man einsetzt und für sich arbeiten lässt. In einem Fall ist es die Ausnahme, im anderen die Regel. Dieses Buch zeigt, um wie viel reicher der Unterricht sein kann, der zweisprachige Arbeitsformen kennt, und um welche Chancen sich Leh- XVI Vorwort rer bringen, die solche Arbeitsformen nicht mitverwenden. Ohne muttersprachliche Mithilfe begibt man sich auch der besten Möglichkeit, früh an und mit authentischen Texten zu lernen und das Schreckgespenst der Grammatik zu vertreiben, das so vielen Schülern die Lust an der Sprache verdirbt. Einsprachiger Unterricht, zumal für Anfänger und wie üblich mit wenigen Wochenstunden, ist eine Rücksichtslosigkeit, die sich als Methode ausgibt. Hier gibt dies Buch einer alten, dann unterdrückten, heute neu aufscheinenden Wahrheit eine Stimme. Die eigentliche Anmaßung ist doch die, eine zweitausendjährige bilinguale Lehrtradition zu verwerfen und sprachwissenschaftliche Grundsatzpositionen (Humboldt) außer Acht zu lassen, ohne neue tragfähige Theorie und empirische Absicherung. Das muss anders werden, und noch etwas: Seit Jahrzehnten setzt die Fremdsprachendidaktik alles auf die Karte der Kommunikation und der Handlungsorientierung. Enorm wichtig, aber man hat darüber aus den Augen verloren, dass unsere Sprachen kombinatorische Systeme sind, die immer neue Kombinationen erzeugen können: ein Wesenszug aller Menschensprachen, im Gegensatz zu Tiersprachen. Dank der Kombinatorik werden uns neue Sätze und damit eben auch neue Ideen nie ausgehen. Wie bei der Muttersprache gilt es hier ein Potential richtig auszureizen, das schon im Sprachlerner steckt. Spracherwerb ist eben auch Strukturerwerb. Kurt Lewins Wort, dass nichts so praktisch ist wie eine gute Theorie, erweist sich wieder einmal als zielführend. Das übersehene generative Prinzip der unendlichen Satz- und Gedankenvermehrung (Humboldt) wäre dem allseits akzeptierten kommunikativen Prinzip an die Seite zu stellen. In den meisten Methodiken sucht man es vergebens. Eine Ausnahme ist hier Doff & Klippel (2007). Und ein Drittes muss anders werden: Für Schüler, die schon lesen und schreiben können, sind neue Texte zugleich mit Schriftbild einzuüben, nach Art des Mitlesverfahrens. Wer Texte ohne Schriftbild einführt, macht es Anfängern schwerer, also falsch. Es gibt - in der Methodik wie in der Medizin - eindeutige Kunstfehler, und die stehen auch noch in den Richtlinien. Demnach soll nämlich das Schriftbild erst dann auftauchen, wenn das neu Eingeführte schon lautrichtig gefestigt ist. Dies sind die psycholinguistisch grundierten Kernbotschaften, die Quintessenz jahrzehntelanger intensiver Recherchen, die ich in der dritten Auflage noch schärfer konturiert habe. Ihre Beachtung hat weitreichende Folgen. Denn bei gezielter Mithilfe der Muttersprache (oder anderer, schon vorhandener Sprachen) kann uns die fremde Sprache lieb und vertraut werden - ein Effekt, der besonders bei ferner liegenden Sprachen offenkundig wird. Sprachen wie das Chinesische werden aber in unseren Schulen bald mehr Platz bekommen. Moderne bilinguale Arbeitsformen sind mittlerweile weltweit erfolgreich erprobt und dokumentiert worden und gewinnen immer mehr Vorwort XVII Anhänger (Butzkamm & Caldwell 2009). Dies bestärkt mich in der Hoffnung, dass sich meine Leser mit ihnen befreunden und sie - zum Wohle ihrer Schüler - umsetzen können. Da genügen keine flinken Retuschen. Die unaufgeklärte Einsprachigkeit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte. Spätestens seit Kuhn (1962) wissen wir ja, dass die Wissenschaften nicht nur Wahrheiten akkumulieren, sondern gelegentlich auch viel Mumpitz, der wieder beiseitegeräumt werden muss. Am Ende müssen in allen Bundesländern die Richtlinien für Fremdsprachen und mit ihnen die Lehrwerke umgeschrieben werden. “Die Zeit ist reif für eine neue Synthese … Die bilinguale Revolution findet statt” (aus dem Vorwort zur ersten Auflage). Aachen, Frühjahr 2012 Wolfgang Butzkamm Aus dem Vorwort zur zweiten Auflage Wie sehr kann man sich in den Wissenschaften verrennen! Eine Zeitlang wollte man den Geist aus der Psychologie verbannen. Es wurde wissenschaftlich anstößig, von menschlichen Absichten, Überzeugungen, Wünschen oder Zielen zu reden, obwohl man doch den Menschen überhaupt nicht verstehen kann, ohne sich genau dieses Vokabulars zu bedienen. Dann kam die Wende. “The cognitive counter-revolution brought the mind back into experimental psychology” (George A. Miller 2003). Eine solche Wende will meine Methodik herbeiführen. Ihr Hauptanliegen ist, den größten Aktivposten des Fremdsprachenschülers, seine Muttersprache, zurück in den Unterricht zu bringen. Damit sind nicht nur Fragen der Bedeutungsvermittlung angesprochen. Vielmehr wirkt die Muttersprache auch in die zentralen Bereiche der Kommunikation, der Grammatik und der Lektürebehandlung hinein. Der Verzicht auf den Lernhebel Muttersprache schadet besonders den Lernschwachen, verschärft vorhandene Intelligenzunterschiede und verstärkt die Ungleichheit. Nicht minder dringlich ist meine Forderung, das generative Prinzip zu einem Eckpfeiler der Methodik zu machen und damit die Quintessenz der Sprache, ihre Zerlegbarkeit und fortwährende Neukombinierbarkeit, einzufangen. Darüber hinaus war es mein Anliegen, die emotionale Einbettung des Lernens zu berücksichtigen und methodische Antworten auf zunehmend schwierige Unterrichtsbedingungen zu finden - Aspekte, die bisher weitgehend vernachlässigt worden sind. So ist diese “neue” Methodik in der Tat ein Plädoyer für eine neue, eine andere Fremdsprachendidaktik. Mit einem Irrtum schließt man keinen Kompromiss. Man bereinigt ihn. XVIII Danksagung Danksagung Dies Buch hat viele Mitautoren, die ich in den ersten beiden Auflagen genannt habe. Sie alle haben dazu beigetragen, dass sich dieses Buch - in einem Maße wie vielleicht keine Methodik zuvor - auf dokumentierte Praxis stützen kann. Meine schönste Quelle über die Schulwirklichkeit heute bilden Praktikumsberichte und mehr als 400 Aufsätze, in denen Aachener Anglistikstudenten unter dem Titel Myself as a language learner von ihrer Schulzeit, ihren Familiensprachen und Auslandserfahrungen erzählen. Die mit Initialen gekennzeichneten Zitate sind diesen Arbeiten entnommen. Es sind Geschichten, geschrieben von denen, deren Erinnerungen noch frisch, deren Wunden noch wund sind, deren Freude noch nachklingt. Ergänzt werden Sie durch Email-Zuschriften von Lehrern. Zusammen machen sie dies Buch auch zu einer Entdeckungsreise in die Welt des Fremdsprachenunterrichts an deutschen Schulen. Dafür allen Mithelfern Dank. Vorweg Sprachen lernt man, indem man immer wieder sein eigenes Können erfährt und Lust zum Weiterlernen bekommt. Sprachen lernt man am besten im Zustand konzentrierter Entspannung. 1 Ein positives Arbeitsklima schaffen Wir vermögen nur, was wir mögen; wir behalten nur, was uns hält. (Martin Heidegger) ‘Liebende Kommunikation’ Wer eine Sache unterrichten will, muss diese erst einmal selbst haben. Sprachkompetenz kommt deshalb vor Methodenkompetenz. Es sind separate Kompetenzen. Eine weitere Voraussetzung für erfolgreiches Unterrichten: Lehrer und Schüler müssen einander vertrauen können, wenn sie von- und miteinander lernen sollen. Wie man als Lehrer Vertrauen schenkt und erwirbt und auf den Einzelnen eingeht, hängt sehr wohl mit Methodenkompetenz zusammen. Dies gilt es vorweg zu klären. Das Wichtigste im Leben sind tragfähige menschliche Beziehungen. Sie stützen uns, zeigen uns, wo man Schutz findet, und was es heißt sich zu freuen. Sie helfen uns über viele Zumutungen des Lebens hinweg. Nur auf solcher Grundlage können wir das so oft beschworene positive Arbeitsklima schaffen und einander näherkommen. Der vom Peace Corps entsandte Peter Hessler lehrt Englisch an einer Lehrerhochschule im Herzen Chinas und will selbst Chinesisch lernen. Er bekommt zwei Chinesischlehrer zugeteilt, die kein Wort Englisch können: We were all lost, and that failure seemed to be the extent of our relationship. Other Peace Corps volunteers had tutors who spoke English … they became friends. My tutors didn’t seem like real people - it was months before I learned that Teacher Liao was married and that Teacher Kong had a son (Hessler 2006, 68). Freundlich sein und einander wohlwollen sind die Grundbedingungen für das Lehren und Lernen in der Gemeinschaft. Sie geben uns die emotionale Sicherheit, die wir fürs Lernen brauchen. What good is a teacher whose skills are brilliant but whose heart is cold? R. They did not feel accepted by her. They often said that they hated French only because of her. There was not enough family warmth for them to learn the language. J. 4 Ein positives Arbeitsklima schaffen He was able to establish a caring relationship with his pupils. Just to be fair and treat everybody the same, might simply conceal indifference. Not so with this teacher. Not only was he absolutely fair, but he knew the pupils’ individual strengths and weaknesses and could bring out the best in everyone. I remember him inviting us three times to his home, which proved a full success, like the atmosphere in the classroom. We had dinner and chatted about school - as well as personal matters. A. Schüler brauchen unsere Zuneigung und Anerkennung. Besonders in den Sprachfächern, wo geglückte Kommunikation alles ist, müssen sich Lehrer und Schüler auch persönlich näherkommen. Eine Episode aus dem Anfangsunterricht: In the end, I got it wrong to the point where Mrs H. wanted me to give the meaning of the sentence “Can you see the man? ”. I interpreted the sentence as “Kennst du diesen Mann? ”. My classmates laughed, in a subdued manner. I was deeply embarrassed and I hated the teacher for that. I had taken the sound of “see the” for “diesen” and “can” for “kennst”. J. Beachten wir die starke Gefühlsreaktion, die auch anscheinend kleine Pannen auslösen können. Gerade im Sprachunterricht kann die Motivation zum Weiterlernen schnell zusammenbrechen. Die Familiensprache der Königs ist das Französische. Als René im Gymnasium Französischunterricht bekam und “der Lehrer mit stark hallensischsächsischem Tonfall meine französische Aussprache kritisierte, hat mich das dermaßen deprimiert, daß ich von diesem Augenblick an die Schule vernachlässigte” (König 1980, 19). Es ist wohl nicht einfach die Ungerechtigkeit, die ihn zutiefst verstört. Die Kritik an seiner Sprache trifft den Kern seiner Person, und er verschließt sich dem Unterricht. Sprache - ein Sonderfall? My first French lesson was a complete disaster. Our teacher showed us a picture of a situation in Paris, then said something concerning an item in the picture, with us having to imitate it. I wasn’t able to say a single sentence, as we were not allowed to look into our textbook. I got totally lost. It wasn’t until the end of that lesson - I had meanwhile started to regret having chosen French as a new subject - that at long last we were told to open our books and to read the sentences. I could immediately grasp the sentence both in terms of pronunciation and meaning, and was finally able to feel some relief. Th. Kein guter Start. Wir vergessen, wie verwirrend eine fremde Sprache für Anfänger sein kann, wie hilflos wir uns vorkommen und wie verwundbar wir sind, wenn wir nicht verstehen (aber vielleicht andere um uns herum). Genau davon berichten Lehrer, wenn sie einmal die Fronten wechseln und selbst einen Sprachkurs belegen (Barnard 1997). Emotionale Grundbedürfnisse 5 Wir müssen uns deshalb gelegentlich aussprechen, Missverständnisse ausräumen, die Atmosphäre bereinigen. Hier ist die Muttersprache eine Selbstverständlichkeit - nicht nur in den Anfangsklassen und auch jenseits aller bilingualen Techniken. Der Lehrer muss hier auf seinen kommunikativen Vorsprung in der Fremdsprache verzichten, um mit seinen Schülern auf Augenhöhe zu verhandeln. Hessler (2006, 339f.) kommt erst in ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinen Studenten, als er nach einem Jahr gut Chinesisch spricht: Another critical difference was that now we spoke Chinese … they were completely different people when they spoke the language. They were much more at ease, and this wasn’t just a linguistic issue; it was political as well … It was a question of comfort, because uncertain topics were more easily handled in their native language. Mit der Muttersprache, so meint auch Genesee (1987, 182), schaffen wir in unseren Klassen “a sense of well-being and belongingness”. “Liebende Kommunikation” (Jaspers) ist möglich und mehr denn je nötig. Sind nicht Schulen - mehr als ihnen lieb ist - zu Fluchtburgen für Schüler aus zerrütteten Familien geworden? Allerdings: Ein positives Sozialklima allein ist nicht leistungsfördernd (Weinert & Helmke 1997). Arbeitsklima meint mehr: die Verbindung einer freundlichen Atmosphäre, die Sicherheit und Entspannung gewährt, mit einer effizienten Klassenführung, d.h. mit zügiger, ernsthafter Arbeit, die den Aktivitätsfluss aufrechterhält und Leerlauf und Langeweile vermeidet. Der Unterricht ist klar strukturiert, unterschiedliche Techniken wechseln sich ab und sind sinnvoll aufeinander bezogen, die Schüler halten die Regeln ein und sind mit vielen Arbeitsformen vertraut. Der Lehrer ist fair und setzt Lob und Tadel geschickt ein, um die Schüler zu engagiertem Arbeiten zu motivieren. Es gibt eine schöne innere Konsequenz und Verbundenheit aller Unterrichtsgestaltung, die im Ganzen wirkt. Emotionale Grundbedürfnisse Gefühle begleiten all unser Tun. Ohne gefühlsmäßige Bewertung dessen, was wir tun, müsste das meiste im Leben schiefgehen. Wir können uns nicht allein auf unsere Rationalität verlassen. Wir brauchen den Kompass der Gefühle. Auch und gerade beim Sprachenlernen. Gefühl und Verstand arbeiten im Team, korrigieren sich gegenseitig, helfen einander aus. Aufschlüsse über das, was uns beim Sprachenlernen bewegt und antreibt, erhalten wir schon beim Mutterspracherwerb. Wir wissen z.B., “daß der Säugling ganz vergnüglich reagiert, wenn er ein Problem gelöst hat ... Noch intensiver ist es jedoch zu beobachten, wenn der Säugling 6 Ein positives Arbeitsklima schaffen etwas durch seine eigene Tätigkeit erreichen kann. In speziellen Versuchen mit viermonatigen Säuglingen konnten wir zeigen, daß stärker als die unbedingten ‘Belohnungen’ (z.B. die Sättigung des Hungers mit Milch) die inneren Belohnungsmechanismen wirksam sind” (Papousek/ Papousek 1979, 198). Später, wenn es zur Sprache kommt, erfährt das Kleinkind zugleich mit dem Gelingen des Sagens und Mitteilens das Gelingen einer menschlichen Beziehung. Babies bauen über das Nachbilden und Nachmachen ein Bindegefühl auf. Sie finden uns so sympathisch wie wir sie und möchten so tun und so sein wie wir. Das ist Nähe, das ist Intimität. Wäre das nicht relevant? Schon beim Baby nachweisbar und für die Motivation und das Mitmachen der Schüler wichtig sind (1) das Erfahren der eigenen Tüchtigkeit, das sich mit unserem Autonomiestreben verbindet, und (2) unser Bedürfnis nach sozialer Einbindung und Anerkennung. Könnenserlebnisse und Selbstachtung Der Mutterspracherwerb ist in erster Linie eine nie abreißende Folge von Könnenserlebnissen. Das ist so selbstverständlich, dass man es glatt übersieht. Reden wir von dem Kinderglück, das da heißt: Ich kann es! Es ist die Mutter, die solche Könnenserlebnisse ermöglicht. Anfangs unterstellt sie gar beim Kind eine Mitteilungsabsicht, die noch gar nicht da ist. Und wenn das Kind sich mitzuteilen beginnt, denkt sie sich so gut in seine Befindlichkeit hinein, dass es zu einem sinnvollen Dialog kommt. Natürlich gehört dazu auch das gelegentliche Scheitern, das Missverstehen. Aber die überwältigende Erfahrung ist doch die Verständigung, die uns immer wieder glückt, so sehr, dass sie gar nicht mehr auffällt. Aber wo sie nicht selbstverständlich ist, empfinden wir sie als Glück: I think it was very important for us to see that we had learned something which we could use ourselves. I was extremely happy when I could say sentences in French which a French person could understand well and which were grammatically correct. M. Das Können ist eine ursprüngliche, fundamentale und irreduzible Weise des Erlebens ... Dass die Dinge mehr oder weniger mächtig sind, ist wohl das, was uns von ihnen am ehesten angeht, und zwar, weil wir sie - nun im wörtlichen Sinne - ‘angehen’. Ausgreifend erfahren wir Widerstand, sei es, daß er gegenwirkend weicht oder dass er uns zurückzwingt. So erfahren wir Macht an der Gegenmacht ... wir erfahren also zugleich uns selbst als könnend und die Wirklichkeit als mächtig. (Bohnenkamp 1975, 83) Mit all den Etappen des wachsenden Könnens auf vielen Gebieten, beim Laufenlernen, Essenlernen mit dem Löffelchen oder Sprechenlernen, gehen Könnenserlebnisse und Selbstachtung 7 ja auch der Beifall und die Mitfreude der anderen einher. Sie genießt ein Baby genauso wie wir, nur dass sie uns später in dem Ausmaß nicht mehr zuteil werden. Mit Anerkennung, Beifall und Mitfreude, mit dem Wohlwollen der anderen, wächst dem Kind zugleich Selbstachtung zu. Wir brauchen eine Pädagogik der Selbstachtung, die Aufgaben schafft, die zur Bewältigung herausfordern. “Wenn die Hürden zu hoch sind, wird das Kind verzagen und sich nichts mehr zutrauen. Auch die Unterforderung ist gefährlich, weil nur aus den Erfahrungen des echten Könnens das Zutrauen zur eigenen Kraft sich entwickelt. Nicht bloß nebenher müssen zur Pädagogik der Selbstachtung die Zuwendung und die Mitfreude gehören” (von Krokow 1996, 79). Welche nachhaltigen Könnenserlebnisse mag es in der relativen Künstlichkeit des Unterrichts geben? Wenn ich spontan sagen kann, was mich bedrängt und auch die Auskunft bekomme, die ich brauche; wenn ich einen schwierigen Gedankengang, der mir wichtig erscheint, vermitteln kann; aber auch schon, wenn ich eine einstudierte Rolle in einem Stück aus dem Effeff spiele. Ich fühle: Das kann ich, das beherrsche ich, dies könnte mir auch im Ernstfall außerhalb der Schule gelingen, etwa auf einem Campingplatz in Holland. Die Leidenschaft des Verstehenwollens, die den guten Schüler auszeichnet, speist sich aus der Tatsache, dass es immer wieder ans Ziel kommt, dass sich die Mühen lohnen: It made us feel very proud when we finally sang the whole song and got everything right. A. I once found a passage which I interpreted as “Watching the world by the spy”. It made sense, because “spy” could be translated as “kleines Fernrohr”. Later, I realised the line in the song was “Watching the whole world pass us by.” I liked to compare my written version with the real ones … I was happy when I got it right. Ch. He [my teacher] was so good at his job that I actually found, for the first time, that I was competent at something. I enjoyed German and was good at it. (R. Fiennes, Schauspieler) Es gibt das Glück des Begreifens und Durchschauens ebenso wie das Glück, es richtig hinzukriegen. Man tut immer lieber, was gelingt. Kinder können es partout nicht leiden, wenn man ihre unvollkommene Sprechweise drollig findet, nachahmt und sie auf diese Weise an das Noch-nicht-Gelingen erinnert: On one holiday I wanted my father to wear his sunglasses and I always told him “Papa zieh Bille an”. But when my father answered “Ich zieh jetzt die Bille an”, I became angry and said “Bille” once again. I realized that my father pronounced the word the wrong way although I was not able to pronounce it correctly myself. A. 8 Ein positives Arbeitsklima schaffen Fehlt das Bewusstsein des Könnens, lassen wir uns auch nicht durch gute Zeugnisnoten täuschen. Eher verachten wir heimlich die Schule, als dass wir uns durch gute Noten suggerieren lassen, wir könnten was. Aufs Englische sind alle Schüler neugierig. Mit Englisch kann man sie ködern. Aber wie schnell kann der Reiz der fremden Wörter verflogen sein, wenn überzeugende Kompetenzerfahrungen ausbleiben! Eine Fremdsprachenassistentin berichtet von ihrem deutschen Gymnasium: At the beginning of secondary school a group of grade 5 students who had just entered the Gymnasium were asked to produce a poster in German to say what they were looking forward to in their new school. One of the posters had a caption which read “Endlich kann ich Englisch lernen! ! ” I took note of the name of the girl who had designed it, and when I met her three months later in the term, I commented that I had seen her poster and how nice it was to find a pupil so interested in English. She made a face and said: “Das stimmt nicht mehr. Wir können ja damit nichts richtiges anfangen. ‘Monny the monster’ sagt dies, und ‘Monny the monster’ sagt das.” C. Schulkinder wissen eben schon, wozu Sprache dient und ob sie ihnen ein Stück weit gefügig ist oder nicht. Gelingt es z.B., die Zeilen im Rollenspiel nicht bloß herzusagen, sondern wirklich partnerbezogen zu agieren, Körper und Gemüt mitsprechen zu lassen? Jeder muss nach einer Stunde das Gefühl haben, sich angestrengt und Ergebnisse erzielt zu haben: Ich kann jetzt Vergangenheitsformen bilden und habe in ein paar Sätzen gesagt, was ich letzte Woche gemacht habe; ich konnte der Klasse erklären, was ich in unserem Reiterverein tue; wir haben unseren eigenen Rekord beim Ratespiel gebrochen usw. Solche Könnenserlebnisse müssen wir im Unterricht immer wieder ermöglichen. Motivation stellt sich von selbst ein, wenn wir genau dafür sorgen. Das hat schon ein Neuphilologe aus der Reformzeit gültig ausgedrückt: Alle Arbeitsfreude ist gebunden an gelingende Tätigkeit. Zu schwere, nicht ganz zu bewältigende Arbeiten oder solche, bei denen man dem Ziele anscheinend nicht näher kommt, rufen Depression hervor. (Bärwald 1899, 61) Depression? Hören wir diesen zweifelnden, ja verzweifelten Aufschrei des cancre, des Versagers: “J’y arriverai pas! ”, Ich pack’s nicht, wie es Daniel Pennac in Chagrin d’école so eindrucksvoll schildert. Es ist das Buch eines Fast- Schulversagers, der es schließlich doch noch geschafft hat, selber Lehrer geworden ist, und dann, nach 25 Jahren an der Schule, freier Schriftsteller wurde. Sind nicht die Amokläufe von Schülern Wahnsinnstaten, mit denen zerstörte Selbstachtung wiederhergestellt werden soll? Geborgenheit vs. Angst 9 Frustration Leerlauf und Langeweile sind’s, die Schüler aufmüpfig werden lassen; Könnenserlebnisse aber motivieren zum Weitermachen. Wie muss es für Schüler sein, die das Gefühl haben, die Fremdsprache breche geradezu über sie herein? Kennen wir die Frustration, wenn ständig über unsere Köpfe hinweg geredet wird? Wie ist es, wenn wir einer Sache, die man uns abverlangt, überhaupt nicht gewachsen sind? Wenn wir nicht wegkönnen, sondern uns der Sache immer wieder stellen müssen, weil sie auf dem Stundenplan steht? Schüler klagen über erhebliche Verständnisschwierigkeiten in fremdsprachlichen Fächern: We all hated those language lab lessons because they were so frustrating. Most of the time we had to listen to BBC radio news bulletins and then sum them up afterwards either orally or in written form. This was a task that always made us aware of the big gaps in our knowledge and our inability to follow a native speaker talking at normal speed. S. Keine schlechte Aufgabenstellung, möchte man meinen, und doch bestärkt sie die Schüler nur in ihrer Abwehr, eben weil sie ihnen nur ihr eigenes Ungenügen so drastisch vorführt. Wo das Können ausbleibt, herrscht Frustration. Wie Planungsfehler und konfuse Erklärungen Schüler in ein demotivierendes “handlungsorientiertes” Chaos stürzen, in dem sie versagen müssen, hat Solmecke (1998; 2000) plastisch beschrieben. Wer von uns erfolgreichen Schulabsolventen kennt denn “la solitude et la honte de l’élève qui ne comprend pas, perdu dans un monde où tous les autres comprennent? ” (Pennac 2007, 41) Anscheinend haben alle anderen verstanden, nur ich nicht: Das spornt nicht an, sondern entmutigt. So muss der Schüleraustausch zur richtigen Zeit kommen und sprachlich gut vorbereitet sein. Folgende Erfahrung mit dem Frankreichaustausch ist beileibe kein Einzelfall: With only one and a half years of French behind me I couldn’t say a single sentence. I eventually became fed up with that language. Th. Nichtkönnen schlägt leicht in ein widerspenstiges Nichtwollen um. Geborgenheit vs. Angst Anfangs gibt es kein Zuviel an Bemutterung. Das Kleinkind braucht Nestwärme. Erst die Geborgenheit und Bindungssicherheit befreien das Kind und machen es offen zur Welt und zur Sprache hin. Darauf hat Jean Petit bei der Einrichtung bilingualer Kindergärten unentwegt hingewiesen. 10 Ein positives Arbeitsklima schaffen Für ihn war die Nestwärme - la chaleur du nid - conditio sine qua non für eine gute Entwicklung im Kindesalter, besonders aber beim Zweitspracherwerb. 1 Ausreichende emotionale und sprachliche Zuwendung ist für den Spracherwerb jedes Kindes eine entscheidende Voraussetzung … Fehlt die entsprechende emotionale und sprachliche Zuwendung eines Elternteils, bleibt dessen Sprache in der kindlichen Sprache zurück oder verkümmert. Umgekehrt spiegelt sich eine gefühlsmäßig stärkere Beziehung des Kindes zu einem Elternteil in der verstärkten Übernahme seiner Sprache wieder. (Bogdain 1989, 240) Bedenken wir aber auch, dass Sprache allein und an sich kein starker Tröster ist. Sprache eignet sich ja bestens zu einer völlig kalten Vermittlung von Information - man denke etwa an Gesetzesparagraphen. Zuspruch ist gut, aber die Mutter muss das Kind in den Arm nehmen. Im Sprachunterricht können wir gemeinsam singen und tanzen, um die Bindungen in der Gruppe zu stärken. Geborgenheit befreit, Angst aber macht dumm. Es gibt eine angstbedingte Denkhemmung. Unser Erkundungstrieb, unsere Neugier, unsere Lust am Denken leiten sich von unserem Spieltrieb ab, der aber bei Gefahr im Verzuge sofort abgeschaltet wird. Daher die kopflose Flucht, daher die geringe Durchsetzungsfähigkeit des Verstandes, wenn’s brenzlig wird - so der Verhaltensforscher Hassenstein (1988) in dem Kapitel “Fehlleistungen des Denkens durch Aufregung und Angst”. Angst engt ein, wie das Wort schon sagt; wir fahren uns fest. Angst kann höchstens einen kurzen Augenblickserfolg bewirken, aber das mit Angst Gelernte wird bald verdrängt und erzeugt einen Widerwillen gegen das ganze Gebiet oder sogar Fach. (Caselmann 1975, 154) My first year of French was full of fear. I remember sitting in class and silently praying that my name wouldn’t be called out. Communicative interludes were unthinkable since the climate in class came close to that of Northern Siberia in winter time. C. During the lessons we were sometimes paralyzed with fear and it was often that somebody burst out into tears because they couldn‘t stand his sarcasm. When he wanted a pupil to present his homework, for instance, he asked with a malicious voice: “Any volunteers? ”, and then he called somebody who did not expect it could be his turn … for us it was torture. I always associated the word “volunteer” with a very unlucky person, without knowing what it really meant. B. Wenn wir kein Vertrauen zueinander haben, bleiben wir immer auf der Hut und in der Defensive. Misstrauen kann leicht in Angst umschlagen. Zum Vertrauen gehört auch das Selbstvertrauen, das durch Könnenserlebnisse Sprechhemmungen 11 gefestigt und durch Kritik geschwächt wird. Deshalb das richtige Üben, das echte Könnenserlebnisse gewährt. Deshalb auch keine Kritik, die an die Substanz geht: Man darf nur Symptome kritisieren, niemals Existenzielles. Das ist nutzlos und schädlich. Der Erzieher muß dem Kritisierten überlassen, selbst von den Symptomen auf deren Grund zu schließen. (Bohnenkamp 1975, 274) Auch Ärger und Wut machen dümmer - allbekannte Gemeinplätze, an die aber erinnert werden darf. Sprechhemmungen Wie wichtig entspannte Sprachaufnahme ist, zeigt die Tatsache, dass bei starkem Ärger, Zorn und Verdruss eine saubere Artikulation unmöglich wird. Wir verlieren die Beherrschung und zeigen es, indem wir uns verhaspeln, die Wörter verschlucken, die Tonlage verzerren: When arguing or as soon as I got excited I found that my language capabilities just vanished. Afterwards I would always remember the proper expression, but in a given situation it was often very difficult to be as precise as in the mother tongue. C. Unter emotionalem Druck zerfällt die Sprache. Wenn die Angst neben dir in der Bank sitzt, die Angst vor dem Versagen, dem Nichtbegreifen oder auch vor dem Spott der Kameraden, lässt sich schlecht lernen. Wer sich abgelehnt fühlt, der neigt zu impulsivem Verhalten und wird in seinem analytischen Denken erheblich behindert. 2 One permanently got the feeling that she didn’t really like you, which had a bad effect on our learning. This personal insecurity leads to an insecure attitude towards the language as well. C. When I like the person who is supposed to teach me, it is no problem for me to learn whatever I am supposed to learn. If I don’t get along with that person, I seem to be taking things personally, take corrections or negative statements of any kind as an expression of them disliking me and project these negative feelings on the subject - which spoils the fun and makes learning very hard. C. Melanie ist ein paar Jahre lang in Saudi-Arabien zur Schule gegangen und fühlt sich bei ihrer Rückkehr nach Deutschland anfangs nicht sehr wohl. Auch im Englischunterricht geht anfangs etwas schief, obwohl die Nachfragen des Lehrers gewiss freundlich gemeint sind. Aber er muss wissen, wie schnell manchmal der Mut aufgebraucht ist, wenn man sich “öffentlich” äußern soll: 12 Ein positives Arbeitsklima schaffen We moved to a city near Düsseldorf and I was determined to resist everything. My favourite mood was a bad one, thus fighting constantly against the rest of the world. I hated my new English teacher as he told me to adopt the British accent whereas mine was rather American. Furthermore, he always wanted me to say something about Saudi Arabia in front of the class. Sometimes he even asked me to give him an English word, because he could not remember it. It was embarrassing for me and it did not contribute to my integration in that class. M. So versagen Ratschläge wie “personalise the activity” vor der lebendigen Wirklichkeit des Unterrichts. Gut gemeinte Aktionen können schiefgehen, wenn der Lehrer nur ein wenig unsensibel ist. Es ist z.B. guter Brauch, Elfjährigen einen englischen Namen wählen zu lassen: I liked being someone else and having an English name. H. Even those people, who had not said a word before, introduced themselves with their new names in English. I was so proud of my new identity, that I even suggested my parents call me only by my English name. M. Aber er ist nicht immer unproblematisch: As a spin-off effect, we rapidly became used to many English names. The only problem was that while most of the pupils liked their new names, some detested them. I still remember one of my classmates who was very unhappy because the English name she drew was “Tilly”, which we strongly associated with the main character of a well-known advertisement for a washing-up liquid. S. Keinem sollte ein Name aufgedrängt werden. Aber die große Angst, zum Gespött der Mitschüler zu werden, betrifft vor allem die Sprachlautung. I feared the teasing remarks from my class fellows ... this serves as an example of how dynamic group processes can prevent pupils from doing well. H. Speaking up in class was no problem in the beginning, but I didn’t like it after a while because some pupils used to make fun of others who spoke up. It was generally safer to speak up in an exercise than in free communication. H. I held him in high esteem because he would never allow pupils to laugh at others. He said it was natural to make mistakes. I. Zusammen lachen und scherzen, das verbindet. Wenn aber einer ausgelacht wird, verbünden sich die vielen gegen den einen. Wer sich im Unterricht bei seinen Sprechversuchen zu sehr die Zunge abbricht, macht sich Sprechhemmungen 13 leicht lächerlich: Tollpatsch! So etwas kann wie eine körperliche Missbildung empfunden werden. Ein Deutschdozent an der Universität verriet mir, dass er sich bewusst die Namen seiner koreanischen Studenten vorsprechen lässt. Er braucht dann immer mehrere Anläufe, um sie einigermaßen hinzukriegen. Er gibt ihnen damit zu verstehen, dass sich jeder anfangs mit einer fremden Sprache schwertut, und dass man bei derlei Ungeschicktheiten nicht das Gesicht verliert. Zum Glück werden die meisten Einwandererkinder noch vor der Pubertät abweichende Akzente bald los. Am Anfang misslingen viele Nachsprechversuche kläglich. Man sollte es sich zur Angewohnheit machen, beim ersten Kichern den Schuldigen streng anzublicken und zu ermahnen: “You don’t make any mistakes, do you? You are making him nervous, and so making it worse. You are not helping anybody with that.” Zugleich muss man den Stotterer in Ruhe lassen, andere drannehmen und ihn erst einige Zeit später noch einmal zum Nachsprechen auffordern. Die Aussprache ist eben ein besonders sensibler Bereich. I remember a girl who couldn’t pronounce the word ‘radiator’ and only when she finally burst into tears after several desperate attempts, did our teacher move on to the next pupil. It was awful. B. Hier hat es die später einsetzende zweite Fremdsprache schwer. Die Schüchternheit der Schüler nimmt zu, sie sind unberechenbar empfindlich, ihre Selbstachtung ist instabil. Peinlich die körperlichen Reaktionen: trockener Mund, feuchte Hände, Magenschmerzen, weiche Knie, dümmliches Lächeln, Schweißausbrüche, Tränen. Hier muss der Lehrer alles tun, dass die Schüler sich nicht innerlich entwerten, dass sie vor ihm und noch mehr vor den anderen nicht das Gesicht verlieren. Denn ohne innere Würde, ohne eigene Wertschätzung auch keine ansprechenden schulischen Leistungen. For the sake of all my potential pupils I hope that I will always remember how it felt to be embarrassed and frightened by a new language when one is just a teenager, and how careful a teacher has to be to prevent this embarrassment from growing until a pupil is totally unwilling to speak up in class. I still remember very well how easy it is to make language lessons the worst part in a kid’s life - my French teacher very impressively demonstrated that to me. I’d certainly not want to be hated as much as he was hated by me and all my fellow classmates. It took me years to overcome my reluctance to speak French because I still remember him very clearly mocking my accent as one of the worst he ever heard and making me always repeat a sentence again and again, pretending to or maybe really not understanding me when I mispronounced a word … Although normally I’m rather good at languages and love France and have many friends there, he ruined my joy of the French language 14 Ein positives Arbeitsklima schaffen for very nearly ten years, and even today in university courses where I try to save the little French I know from oblivion, I still have to fight the urge to hide away in the last row. T. There was a girl who, in the beginning, completely refused to answer the teacher’s questions by just blushing and shaking her head. Mr. J always addressed her in a friendly way and also the other children tried to encourage her, but in spite of this support she seemed to be afraid of ridiculing herself. The teacher did not lose his temper and never gave up addressing her. A few lessons later she started making contributions to the lesson by answering simple questions, although she was not yet willing to act out a part in a dialogue. But the next time they had to act out a short dialogue, she gladly volunteered to say her lines. M. Manchmal müssen Schüler eine Hemmschwelle überwinden, um im Ernstfall den Mund aufzutun: On our trip to England we were playing football on a meadow in Henley. Suddenly someone kicked the ball into the Thames. Although we wanted to continue our match and although we were all able to speak English, none of our “Englisch-LK”-students had the courage to ask a native speaker who was canoeing near to us and who could easily have returned us our football. Finally it was one of the members of the “Mathe-LK” who asked the man for help. In retrospect, this experience made me realize that although we were familiar with the English language we were still afraid of using it spontaneously in a real life situation outside the classroom. M. Enthemmung: Crazy English Die beste Methode, Schüler von solchen Hemmungen zu heilen, ist das Stückespielen, das wir später genauer kennen lernen werden. Wenn sie in kleinen Auftritten vor der Klasse ihre Mitspieler in der Fremdsprache hemmungslos beschimpfen, bepredigen, bemuttern, trösten, anfeuern usw. und dabei auch viel Körpersprache einsetzen, hat man wohl den Ernstfall geprobt. Dabei geht Sprache in succum et sanguinem, in Fleisch und Blut über. Dieses Stückespielen muss einfach gewagt werden. Bevor man seinen Auftritt vor der Klasse hat, muss er mit der Gruppe hinreichend geprobt werden. Wenn dann wagemutige Gruppen ihre ersten Erfolge haben, ziehen auch andere nach. Selbst dann mögen manche nicht nach vorne kommen. Hier wäre jeder Zwang falsch. Was eine Gruppe bei den Proben leistet, während alle anderen auch proben und keiner zuschaut, genügt im Prinzip. Auf die “Bühne” muss keiner. Enthemmung: Crazy English 15 Presenting group work or homework in front of the class was never a problem to me, neither was learning by heart. But presenting a memorized text was always a horrible situation. I had the problem of not knowing where to look, where to put my hands and how slow or fast I should speak. But she actually forced me to do it nearly every time. I hated it. J. Ich habe auch schon mal einen Schüler nach vorn bekommen, indem ich selbst ein Zweierstück mit ihm vorgeführt habe. Er bekam die leichtere Rolle, nichts konnte schiefgehen, es war für ihn der Durchbruch. Sich aussprechen kann ja ein Heilmittel sein gegen Scheu, Schüchternheit, Verschlossenheit und Insichgekehrtsein und das Gespräch eine Form der Therapie. Eine Art Therapie für fremdsprachenscheue Ostasiaten ist auch Lis Crazy English. Li hat in China, Japan und Korea Millionen von Zuhörern erreicht, live in Sportstadien, über Radio und Fernsehen. So gesehen der erfolgreichste Sprachlehrer aller Zeiten. Seine Hauptbotschaft für Anfänger: hören, mitlesen und nachsprechen eines Textes, der auch in einer Übersetzung vorliegt, immer wieder, unermüdlich, bis man’s lautlich richtig und auch im richtigen Tempo hinkriegt, dazu auch so laut wie möglich. Die Wörter anfangs geradezu herausschreien, seine Sprechmuskeln spüren. Er betont enorm die physische Seite der Sprache, und das wirkt geradezu enthemmend. Dazu ist er auch eine Art Motivationscoach und kann die Massen faszinieren, wenn er von seinem eigenen Kampf mit der englischen Sprache erzählt. Mehr über ihn bei Wu (2011, 158ff.). Hessler (2006, 47) lässt seine chinesischen Studenten vereinfachte Szenen aus Hamlet nachspielen und sieht, wie sie plötzlich ihre Hemmungen ablegen: Acting transformed them entirely - in class they could be painfully shy, but drama changed all of that. Every gesture was overblown, every emotion overdone, they were incorrigible overactors, and after growing accustomed to their shyness it was strange to watch them shout and cry on the bare stage of the classroom. Nach Caldwell & Pillar (1998) wirkt die Videoaufnahme eines Schülerstücks anfeuernd. Nachdem sich die Klasse das angesehen hatte, wollten alle mitmachen. Wo aber der Unterricht dies nicht leistet, löst erst der direkte Umgang mit Menschen im fremden Land die Zunge: Before my stay I was ashamed and frightened to open my mouth and say a sentence. In Brighton I learned to give my opinions without being afraid or ashamed. I think this is one of the most important results of my stay in England. I had learned to talk “naturally”. C. Today I think that the most important thing was the immense amount of self-confidence I gained. From then on I had the courage to open my 16 Ein positives Arbeitsklima schaffen mouth and speak English with or without mistakes. I was no longer sitting on my school bench trying to hide. On the contrary I very actively took part during the lessons and left out no opportunity to say what I had to say. C. And when I managed to give an answer and see them smile at my effort, it made me feel so happy that I decided never to travel in a country without at least knowing a tiny bit of the language. I also noticed that now that I knew a few words it was much easier to pick up new words. S. Die Frage der “Enthemmung” ist allerdings auch eine des Charakters bzw. des Temperaments. Nicht alle Kinder machen es so wie Thorsten in einem englischen Ferienhaus: My mother recalls one instance when I was asked to tell the handymen that the drainpipe behind our house was blocked. Even today I don’t know how to say this correctly in English, and 15 years ago I just said: “Water behind castle not bluuuuuurb; water blop - blop - pffffff”. “Castle” of course meant “our house”, because “my home is my castle”; the waste-pipes were installed on the back wall of the house and led to the sewers outside. Problems of this sort were quite frequent and so I was immediately understood although I merely used four words of proper English. Th. Die Macht der Affekte: Mutismus She’s given up talking Don’t say a word Even in the classroom Not a dickie bird … (Paul McCartney) Es ist eine Show-Stunde. Eltern zukünftiger Schüler wollen das Gymnasium kennen lernen. Der Lehrer der Klasse 5 lässt reihum lesen, und zu jeder Passage stellt er Fragen: The way he corrected us frightened me, I don’t know exactly why. I just hoped not to be asked. I was so afraid to get my turn I didn’t understand much of the content. Of course, it was my turn in the end, but then the worst thing ever happened to me: I did not utter a sound! The teacher grew more and more impatient: “But you must know, we just read the text aloud”, and then, before pointing at another pupil: “Well, you must have thought too much of your boyfriend.” What a lie. I can’t remember anything more embarrassing than that. M. Nichts vermag die Macht der Affekte über die Sprache besser zu verdeutlichen als das plötzliche Verstummen. Kinder, die sprechen können, sagen in Die fröhliche Klasse 17 bestimmten Situationen nichts mehr. Einige schweigen von einem Tag auf den andern, andere verstummen allmählich. Was anfänglich noch als trotziges Willkürverhalten gedeutet werden kann, entpuppt sich als eine tiefgehende Kommunikationsstörung, über die die Kinder offensichtlich keine Gewalt haben. Dies ist das Krankheitsbild des selbstgewählten, elektiven (auch selektiven) Mutismus. Es scheint so, als wählten sich die Kinder die Personen aus, mit denen sie noch sprechen bzw. denen sie konsequent mit Schweigen begegnen. Sie kommunizieren noch non-verbal, grüßen vielleicht noch, sind u.U. auch zu bewegen, Texte für die Schule auf Kassette zu sprechen oder mit jemandem zu telefonieren, in dessen Beisein sie sonst schweigen. Manche entdecken als Ausweg das “Chatten” im Internet, anderen gelingt es zeitweise, mit der besten Freundin zu flüstern. Wenn sie, manchmal nach Jahren, wieder zu sprechen anfangen, verhalten sie sich zunächst nur reaktiv, nicht spontan. Bei anderen wieder löst sich der Bann so plötzlich, wie er gekommen sein mag, sie sind auf einen Schlag wieder normal. Die Krankheit wird heute als Angststörung verstanden, aber die Ursachen sind unklar, kein Fall ist wie der andere. Elektiver Mutismus ist zum Glück sehr selten, er trifft weniger als ein Kind unter tausend und Mädchen doppelt so häufig wie Jungen. Die meisten von uns werden also nie auf solche Kinder treffen. Aber wahrscheinlich gibt es vielfache Abstufungen zwischen Normalität und Pathologie. Extremfälle sind lehrreich. Sie zeigen uns, wie wenig wir im Grunde über die sprachliche Verfasstheit des Menschen wissen und wie sensibel wir als Kommunikationspartner sein sollten. Äußerst lehrreich und zugleich spannend der autobiografische Roman “Die Erfindung des Lebens”. Hanns-Josef Ortheil erzählt, wie seine Mutter nach schrecklichen Kriegserlebnissen stumm wird und ihren letzten, übrig gebliebenen Sohn in ihre Stummheit hineinzieht, aus der er sich erst nach Jahren löst. Die fröhliche Klasse Der Mensch lebt, solang es ihn freut. (Heinrich Waggerl) Anhaltende Freudigkeit gehört immer noch zu den sichersten Kriterien für die Richtigkeit des Unterrichts. (Hartmut von Hentig) Die wichtigsten Verbündeten des Lehrers sind das natürliche Kompetenzstreben und die Lernfreude der Schüler. Können wir die “kindliche Funktionslust” (Karl Bühler) in die Schule hinüberretten? Wie wecke ich, wie erhalte ich die Lernbereitschaft der Gruppe? wird eine unserer ersten Fragen bei der Übernahme einer Klasse lauten. “Eigentlich” ist das nicht schwer. Denn die Natur hat vorgesorgt: Leben heißt lernen. Lernen ist keine Qual, sondern geradezu ein Bedürfnis. Jeder Kräftezuwachs ist tiefe Lust. Und wer auf kluge Gedanken kommt, wem 18 Ein positives Arbeitsklima schaffen sich neue Zusammenhänge auftun, der ist bei guter Laune. Das ist das natürliche Kapital, mit dem der Unterricht wuchern muss. Was für ein Glück, dass wir noch richtige Kinder vor uns haben, wenn wir mit Englisch anfangen! Erst die Jahre machen uns grämlich, Kinder aber sind “Künstler im Erfassen eines Grundes, recht selig zu sein. Ein kleiner, leiser Vorfall mag es gewesen sein, und da machten sie eine große Geschichte daraus, hingen solch ein langes, großes, breites, üppiges Lachen daran.” (Robert Walser). Leider gibt es mitunter auch Kinder, die die Freude verlernt haben und sie erst wiederlernen müssen. Der größte Freudentöter in der Schule ist die Langeweile und das Nichtstun. English became a subject we started to dread because of the agony of trying not to fall asleep in class. Th. Everything was just so monotonous and foreseeable without any creative surprises. A. This did not change until the tenth grade. It was “the same procedure as every year”. St. In two years she never taught a lesson without the textbook and for classroom management she always used the same 5 or 6 sentences (e.g. “Bonjour mes élèves! ”, “Ouvrez vos cahiers, s.v.p.! ”). A. I cannot even remember one single encouraging event or occasion from the English lessons in the middle years. The only thing I remember is the fact that they were extremely boring. A. Next to nothing I learned in the sixth form remained in my memory, except my teacher’s monotonous voice that I will never forget. T. Schade um die vertane Zeit! Es nützt auch nichts, wenn sich die Langweiler unter den Lehrern durch gute Noten bei den Schülern beliebt machen wollen: Sie werden durchschaut. “An unseren Schulen herrscht weitgehende Methodeneinfalt”, sagt die pädagogische Forschung (Wiechmann 2002, 10). Auch Düwell (1979), der Französischschüler (Klasse acht und zehn) befragte, stellte die “monotone Stoffdarbietung” als Hauptfaktor für den Motivationsverlust der Schüler fest. Methodenvielfalt, wie sie auch dieses Buch bietet, kann helfen: What I liked best was that the lessons were so varied. Sometimes we started out with a text, but we also used tapes, pictures, or simply a conversation based on our personal experiences. J. Looking back now, I realize how important it is to use variations in methods as well as in the language in order to transmit the joy of learning. A. Der fröhliche Lehrer 19 Ein starker Freudenbringer ist das individuelle Freiheitsgefühl. Die empirische Sozialforschung hat wiederholt bestätigt: Immer waren die Menschen mit großer subjektiver Entscheidungsfreiheit am Arbeitsplatz fröhlicher, gesünder, aktiver, freundlicher. Das sind Zusammenhänge, die unabhängig von Alter, beruflicher Stellung, Bildung und Schichtzugehörigkeit gelten (Noelle-Neumann 1999). Also wird es wohl auch für den Arbeitsplatz Schule gelten. Und trotz eines starren Stundenplans, trotz Lehrplan und Lehrbuch gibt es genug Entscheidungsspielräume auch für Schüler. Zumal dieses Freiheitsgefühl von Kleinigkeiten abhängen kann (wenn man etwa Putzfrauen die Möglichkeit der Wahl zwischen verschiedenen Reinigungsmitteln lässt! ). In der Schule wollen Schüler aber auch geführt und ordentlich unterrichtet werden. Wir müssen also konkurrierende Tendenzen - die Erwartung und Bereitschaft, gut geführt zu werden, und das individuelle Autonomiestreben - im Auge behalten. Entsprechend enthalten unsere praktischen Vorschläge Momente und Varianten, in denen Schüler ihr Lerntempo selbst bestimmen, eigene Ideen einbringen und auch mal Regie führen können, nach dem Prinzip der Schülerselbsttätigkeit oder auch des “Lernens durch Lehren” (LdL: Jean-Pol Martin/ Joachim Grzega: www.ldl.de). Der fröhliche Lehrer Wie wird eine Schulstunde lebendig? Wenn derjenige, der die Führerschaft hat, sie am tiefsten erlebt. (Karin Michaelis) Die Lernfreude des Schülers braucht die Freude des Lehrers am Lehren. Die Gewitterwolke des zürnenden Lehrers darf allenfalls ein paar Minütchen lang über einer Klasse schweben. Wer das Klassenzimmer missmutig, mürrisch und übel gelaunt betritt, darf sich über verdrießliche Schüler nicht wundern. Freude sieht man einem an, auch das Gegenteil, das griesgrämige Gesicht, die wehleidige Stimme. “Ein einziger freudloser Mensch genügt schon, um einem ganzen Hausstande dauernden Mißmut und trüben Himmel zu machen.” (Nietzsche). The brain runs on fun! The teacher we had in the Oberstufe sometimes let us know that he was not in the mood to teach us, especially on Saturday mornings. This was not at all motivating and even if one had been motivated before, one lost this motivation as soon as the lift doors opened and he stepped out with the word “boredom” written all over his face. A. “She simply took the fun out of learning.” urteilt Stephan lapidar. Wo Lehrer gar ihre Unlust an ihrem Beruf offen zur Schau tragen, ist die Lernfreude bald erstickt: He didn’t try to conceal the fact that he hated his job and the school. Sometimes he warned us not to become a teacher. He tried to get us on 20 Ein positives Arbeitsklima schaffen his side by talking about other teachers behind their backs. But that didn’t work because we liked some of the teachers he talked about, and as a result it was our English teacher who we hated most. G. Goodlad (1983, 242) konstatiert “a flat, neutral emotional ambience of most of the classes we studied”. Da ist es gut, wenn junge Menschen sich vornehmen, es besser zu machen: Was ich in der Schule immer am meisten vermißt habe, war der Spaß an der Sache. Nicht, daß das ganze Leben nur leicht sein soll, aber es war den Lehrern einfach nicht möglich, Freude an einer lebendigen Sprache zu vermitteln. Revolutionieren werde ich den Lehrerberuf wahrscheinlich auch nicht, aber ich hoffe doch, Motivation zu stiften und Interesse zu erwecken. St. She never allowed anybody to despair. When we read De Bello Gallico with her she used to say in nearly every lesson “Each of Caesar’s sentences is clearer than the sunlight”. That was her attitude and in a way we let ourselves be carried away by her. J. Engagiert lehren heißt auch, davon überzeugt sein, viel bewirken zu können. Mediziner wissen: Hoffnung kann heilen. Der Placeboeffekt eines Scheinmedikaments ist oft so real wie jeder andere Heileffekt. Er bessert nicht nur das subjektive Krankheitsgefühl, sondern oft auch das objektive Krankheitsgeschehen. Darum ist es richtig, wie es die Suggestopädie empfiehlt, mit Überzeugung als Sprachlehrexperte aufzutreten, seinen Methoden und Materialien zu vertrauen und natürlich auch seinen Schülern viel zuzutrauen und ihnen zu suggerieren: Alle können es schaffen, weil das Vermögen zur Sprache in uns allen steckt. Sprachen fallen dem menschlichen Gehirn leichter als etwa Mathematik. Bei allen nicht zu verleugnenden Begabungsunterschieden: Die Hoffnung, ein oder zwei Fremdsprachen passabel zu beherrschen, ist allemal berechtigt. Ein wenig auf Schau machen und die Schüler so beeindrucken, dass sie an ihre eigenen Erfolge felsenfest glauben, kann hier nicht schaden - so wie eine Placebospritze im allgemeinen stärker wirkt als eine Placebopille, und diese wiederum mehr, wenn sie von einem Professor als wenn sie von einem Pfleger verabreicht wird (! ). Solche kleinen Manöver sind nicht unseriös und kein höherer Aberglaube. Sie sind ohnehin nur dann wirksam, wenn wir diese Erkenntnis tief verinnerlicht haben und ausstrahlen, dass jeder Schüler, der eine Muttersprache beherrscht, über sie und durch sie tief in weitere Sprachen eindringen kann. Denn es stärkt das Selbstvertrauen unserer Schüler, wenn wir ihnen zu verstehen geben, dass wir unser Handwerk verstehen und sie bei uns gut aufgehoben sind. Und wenn wir ihnen gleichzeitig signalisieren, dass die Aufgabe es wert ist, angepackt zu werden. Räume und der Sinn für das Schöne 21 Jessica vergleicht drei Lehrer, die das Vokabeltesten äußerlich in der gleichen Weise betreiben: Zwei Schüler schreiben die Lösungen verdeckt an die Tafel, der Rest schreibt ins Heft. Die Leistungen der Tafelschüler werden benotet: Mr A made it fun, even if the tests were sometimes marked. He also used crosswords, word snakes etc. Mrs B was all right. Mr C made it a horror. Räume und der Sinn für das Schöne First we shape our buildings. Then our buildings shape us. (W. Churchill) Freude und Schönheit bilden ein Paar. Frohe Menschen sind schön. Und schöne Schulzimmer können Menschen froh machen. Übrigens wissen das am wenigsten unsere Gymnasiallehrer und am besten die Waldorfschulen. Außer dem Festsaal liebten wir auch den Dachgarten sehr, der mit Kies bedeckt war und für die Turnstunde sowie für Geographie- und Zeichenstunde benützt wurde. Vom Frühling bis zum Winteranfang, je nach Wetter, waren wir auch in den Pausen dort. Er lag mitten in der Stadt, aber die Aussicht war ungewöhnlich: Berge und Wälder um Wien, die Donau, die Kirchturmspitzen. Dieser schöne äußere Rahmen wirkte außerordentlich anregend auf unsere Schulstimmung. Fraudoktor hatte ihn allen Schwierigkeiten zum Trotz verwirklicht. (Herdan-Zuckmayer 1979, 39) Räume sind nicht nur etwas Äußerliches. Sie strahlen Atmosphäre aus und wirken aufs Gemüt. In den großen Klassen der Unterstufen brauchen wir einfach mehr Platz, um von Tischgruppen zum Sitzkreis, vom Sitzkreis zum Stehkreis zu wechseln. Manchmal ist es aber schon so eng, dass man kaum eine kleine Szene vor der Klasse spielen lassen kann. Eine gedeihliche, gemeinschaftsbildende Atmosphäre für das Gespräch in kleineren Leistungsklassen der Oberstufe wiederum braucht so etwas wie Caféhaus-Räume oder eine Sitzecke in der Bibliothek. Darüber hinaus die Möglichkeit, im Sommer in kleinen Gruppen im Schulpark zu sitzen und sich peripatetisch in ein Gespräch zu vertiefen. Stattdessen häufig bedrückende Enge, auch seelenlos kalte Räume, die jeden Anflug von Wohnlichkeit peinlich vermeiden. Architekten und Politiker, baut Schulen, in denen Schüler sich wohlfühlen! Lehrer, gestaltet die Räume aus, nutzt das Vorhandene! Überlegt, welche Raum- und Sitzordnung zu welcher Arbeitsform passen. Vielleicht ist das auch ein Rezept gegen den Vandalismus! 3 22 Ein positives Arbeitsklima schaffen Der Sprachlehrer hat besondere Möglichkeiten, bei Kindern und Jugendlichen den Sinn für das Schöne zu entwickeln. Es beginnt mit dem Sprachklang: Suddenly I found that French was actually a very beautiful language. I liked the way my new teacher spoke so I wanted to improve my pronunciation. B. Luckily things changed when we got a new English teacher. She was Canadian and the first difference that I noticed was the sound of her words. It was like music and the words seemed to flow from her mouth very easily. I decided that this was the way English had to sound. S. Die Eltern Goldschmidt haben während der Nazizeit ihre beiden Söhne zu Verwandten nach Italien gegeben. Der jüngere ist in der neuen Sprache sofort zu Hause: Ich liebte Italienisch, ich tauchte mit Wonne in den lauten und zugleich weichen Sprachfluß, der so viele Mundspiele erlaubte, eine Sprache, deren Silben man modulieren konnte, verlängern, anhalten oder abschwächen, wie man wollte. Diese Sprache war ein Mundgenuß. (Goldschmidt 2001, 150) Die Annahme eines fremden Dialekts ist ja ein untrügliches Kennzeichen für den Willen zur Sprache. Sarah sieht einen englischen Film: I liked the story and the dresses the women wore, but what I liked most was the kind of “posh” English they spoke. I had never before heard somebody talking like this and I wanted to be able to speak exactly like this “posh” English. Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum, sagt Nietzsche. Gilt das nicht auch für die Musik der Sprache? Freundlichkeit, Fairness und Strenge Wer hat das nicht schon aus Schülermund gehört: “Die ist streng, aber gerecht, und wir haben viel bei ihr gelernt”. Oder: “Er war so freundlich, man konnte ihm nicht böse sein, aber gelernt haben wir kaum was”. Strenge kann ausarten: Most of the time I was too afraid or too shy to take part in class. I sat there with the constant fear of being called upon. I had the feeling that he was annoyed when I didn’t have the right answer or when I struggled with pronunciation. This might be my personal and subjective view but it stopped me from taking part in the English lessons and I developed not only a dislike towards the teacher but to English in general. U. Freundlichkeit, Fairness und Strenge 23 Strenge ist überhaupt nur positiv, wenn sie bedeutet: Er hat uns (und sich selbst) etwas abverlangt. Ihr einziger Sinn: den Schüler fleißig machen. Ihre ständigen Begleiter: Freundlichkeit, Sympathie, Güte. Sonst ist sie verfehlt. Schüler leisten mehr, wenn von ihnen viel erwartet wird, Disziplin und die Bereitschaft zur Anstrengung herrschen und sie zugleich ein gutes Verhältnis zu ihren Lehrern haben. Nach Kant hat die Aufklärung zwei große Gegner: Feigheit und Faulheit. Faul ist, wer sich nicht die Mühe macht, Leistungen zu differenzieren und gerecht zu sein. Feige handelt, wer sich mit guten Noten das Wohlverhalten der Schüler zu erkaufen sucht. Es ist so bequem, denn zunächst sind ja alle zufrieden, Schüler und Eltern. Aber man täusche sich nicht. Bald ist man durchschaut und wird im Grunde verachtet. Schüler müssen sich ihre guten Noten auch verdienen. Der Fleiß aber ist aus der Mode gekommen. Die Kopfzensuren Fleiß, Betragen, Pünktlichkeit wurden abgeschafft. Obwohl doch jeder Arbeitgeber nach wie vor auf sie Wert legt und die Schule auf diese Arbeitswelt vorbereiten will. Und als ob es nicht darauf ankäme im Leben und die Welt voll genialer Faulpelze wäre (gewiss gibt’s die auch), die es sich leisten können, die Hände weniger zu rühren als andere. Vom Lehrer wurde immer mehr, vom Schüler immer weniger Einsatz verlangt. Wo gibt es noch das “mit buchhälterischer Treue betriebene Vokabellernen”? Wie aber wurde der Sprachunterricht von der antiautoritären Bewegung der Gemüter betroffen? Das Verinnerlichen arbiträrer, nur teilweise logischer Strukturen, das Pauken, die Imitation, die erdrückende Lehrerüberlegenheit und die damit verbundene asymmetrische Kommunikation, der auf lange Fristen angelegte, dauerhaftes Gedächtnis implizierende Lernfortschritt, das alles mußte als unzeitgemäß und repressiv empfunden werden ... In dieser für die Fremdsprachen bedrohlichen Lage traten falsche Propheten auf, die zum Beispiel eine emanzipatorische Linguistik verkündeten und Opportunisten, die auf Reduktionen aus waren: keine Hausaufgaben, so wenig Schriftlichkeit wie möglich, Verminderung des Wortschatzes auf das für die platte Alltagskommunikation Nötige, Ausklammerung der Literatur, besonders der älteren. Obwohl man das Haltlose oder Überzogene dieser Forderungen abwehren konnte, sind längst nicht alle Spuren dieser bösartigen Mißverständnisse aus der heutigen Praxis getilgt. (Linnartz 1989, 88f.) So kommt es zu typisch modernen Entartungen: In year 12 we never had to learn any new words and we were rarely given homework. I was not too upset about that but the way the lessons were conducted disturbed me quite a lot. Our teacher wanted us to have lots of discussions during his lessons, which was all right, but he was not able to chair a discussion properly. So when we finished a discussion or a topic I always felt that we hadn’t achieved anything. P. 24 Ein positives Arbeitsklima schaffen Die Schulberichte einiger Studenten zeigen einen merkwürdigen Zwiespalt. Man liebt die strengen Lehrer nicht immer, aber man zollt ihnen Anerkennung, weil man bei ihnen etwas gelernt hat: My achievements were usually better if a teacher demanded a higher standard. Looking back, I think that I needed a certain pressure to keep motivated. Especially when I compare my first English teacher with the following one (eighth to tenth form inclusive) who was friendly but not a very competent English teacher. I know today that I preferred the first teacher. St. Our new teacher really was an improvement, in my point of view. She kept a tight rein on us, but I got along with her much better than with the two previous teachers: I felt that we could (and did) learn a lot from her, not only because we got heaps of homework and did vocabulary tests nearly every lesson but also because she appeared so much more confident with her own English. Ch. Selbst schlechtere Noten werden in Kauf genommen: This teacher’s lessons were a great challenge, every single one of them. I suppose that is the main reason why I enjoyed them so much, despite all the strictness and although I no longer gained quite such good marks. M. In the beginning we hated our teacher - in the end we loved him. He was very strict but we learned a lot. He gave us a feel for the language. M. Was Schulmeister immer schon wussten, dass sie vor allem gerecht sein müssen, bestätigt uns die Hirnforschung und die Verhaltensbiologie. Menschen haben einen eingebauten Sinn für erlittene Unfairness. Ungerechte Notenverteilung, ja Unfairness überhaupt bewirken buchstäblich Schmerzen und Unwohlsein. Sie tut richtig weh! Selbst bei gesellig lebenden Tieren (Kapuzineräffchen) ist dies inzwischen nachgewiesen (Spitzer 2003, 314f.). Belohnungen und Bestrafungen in welcher Form auch immer - ob durch Noten oder auch rein verbal - müssen gerecht und das heißt eben auch nachvollziehbar und durchschaubar sein. Zu einem guten Arbeitsklima gehört immer, dass der “Boss” Fairness vorlebt. Schlecht kommen überdies die Lehrer weg, bei denen man nichts zu tun braucht. Ihre Indulgenz und Großzügigkeit wirkt eher demoralisierend. Der anspruchslose Unterricht “wird sehr schnell so langweilig, dass er wieder anstrengend wird” (v. Hentig 1968, 125). Manchmal wünscht man sich sogar im Nachhinein, der Lehrer hätte mehr Druck ausgeübt. We took advantage of the opportunity given to us by the more indulgent teachers to work less because we were sure of their sympathy. C. As we were under no pressure whatsoever, those who did not really want to learn anything, knew nearly nothing after two years. They did what Frühe Wertprägungen: Interesse am Weltbesten 25 they wanted during the lessons and when we took tests they could easily copy from their neighbours, which Mr. J seldom noticed, as he did not seem to care about it very much. M. Gift für Schüler ist auch widersprüchliches Verhalten, etwa wenn man faulen und chaotischen Schülern alles durchgehen lässt, aber bei den Klassenarbeiten knallhart ist. Cornelia meint, sie hätte es auf dem Gymnasium, auf das sie überwechselte, nie geschafft, wenn ihre Realschullehrerin nicht so streng gewesen wäre. Gewiss ein Grenzfall, denn es heißt auch: “She was feared in the whole school”. Und es gibt auch immer noch Lehrer, die von ihren Schülern Fleiß erzwingen, indem sie Angst und Schrecken verbreiten: Quite a lot changed when we got a new teacher in the third year. That teacher really put the fear of God into us. He was in his mid-fifties and was well-known for being the strictest teacher at school. He prepared every single lesson and wrote everything down in his small, orange-coloured notebook. The English lessons which followed were a nightmare for all of us. M. Lehrer schwanken zwischen kalter Distanz und sich anbiedernder Kumpelhaftigkeit, zwischen einschüchternder Härte und einem Laissez-faire-Stil, den man weniger vornehm Wurschtigkeit nennen könnte. Im Fleiß fließen zwei Hauptbedingungen des Spracherwerbs zusammen: Bereitschaft zur Anstrengung und das Sich-Zeit-Nehmen. Das wussten unsere geschätzten Sprachmeister. Jean Garnier aus Avignon, der die Söhne des Landgrafen zu Marburg unterrichtete, mahnt in seiner französischen Grammatik für Deutsche (1558), dass zu jeder grammatischen Belehrung fleißige Übung und dauernder Gebrauch hinzukommen müssten: diligens exercitatio et continuus usus. Plats (1757) hält seine Schüler zum Fleiß an, “weil alle Grammaticalische Regeln so lang unnützlich bleiben, bis sie durch vielfältige und fast unzehligemal veränderte Exempel in erforderliche Übung also gesetzt worden, daß sie aus Mund und Feder mit so angenehm als schnellem Fortschuß herausfliessen.” (zit. nach Streuber 1914, 35; 113). Bloomfield (1942, 7) sagt’s kürzer: “Above all, listen and practise without end.” Frühe Wertprägungen: Interesse am Weltbesten Der wichtigste Quell der Lernfreude ist der Kräftezuwachs und das solide Können, das man durch eigenes Tätigsein erwirbt. Daraus fließt auch der Respekt vor dem Wissen und Können anderer und die Achtung vor dem Fach. Wie eng Wertliebe mit dem Meisterschaftsgedanken verflochten ist, macht uns der Pädagoge Hans Bohnenkamp klar (1975, 84): Wo das Können Schiffbruch leidet, besteht die Gefahr, daß auch die Werthaltung brüchig wird: Man erträgt es schwer, etwas auf die Dauer in 26 Ein positives Arbeitsklima schaffen seinem Wert anzuerkennen, wenn man zu seiner Verwirklichung nichts mehr beizutragen vermag. Das verführt zur Verleugnung ursprünglichen Fühlens, vor die Bejahung schiebt sich gewollter Haß; es entsteht die Selbstentzweiung, die wir “Ressentiment” nennen. Die Achtung, die Schüler dem Fach und damit auch dem Lehrer als seinem Vertreter entgegenbringen, muss nun ihrerseits auch der Lehrer den Schülern zurückgeben. Und mit dem Fach und durch das Fach nehmen Lehrer und Schüler gemeinsam “Interesse am Weltbesten”, wie Kant es ausdrückt. Wir dürfen unsere Schüler nicht in unserer Tendenz zum Problematisieren und Aufklären so sehr mit dem Weltschlechtesten überschütten, dass wir sie in Zynismus oder Verzweiflung treiben. Stattdessen “die Seelen der Kinder für das Weltbeste erwärmen, die Freude am Weltbesten in ihnen zu wecken, das wäre ein Ziel, das den Geist an unseren Schulen von Grund auf verändern und erneuern würde. Es wäre fast eine Revolution” (Bayerwaltes 2002, 307). Zuversicht geben statt Kleinmut verbreiten oder gar Angst machen. Stellen wir die “Trivialität des Genießens” (Jaspers) bloß und stärken wir in Kindern und Jugendlichen das Gefühl der Dankbarkeit für die Geschenke, die uns das Leben macht. 1 Der Erstspracherwerb ist hier robuster. Dank der ursprünglichen kindlichen Sprachkraft gelingt er auch noch bei sehr ungünstigen äußeren Verhältnissen. 2 Nach empirischen Studien von Roy Baumeister, siehe DIE ZEIT vom 21.3.2002, 35. 3 Auch Hausmeister spielen eine Rolle! “Custodians are a critically important, and almost universally overlooked, factor in public school reform. In many school systems, especially in large cities like New York, the custodians sometimes have the power to block reforms that involve rearrangement of the classrooms - all the more so if the reforms involve use of the corridors. In almost all large schools, the custodians are a force to be reckoned with” (Silberman 1971, 290). Sprachen lernt man miteinander und voneinander. 2 Gemeinsam lernen - miteinander, voneinander, füreinander Die Klasse als Kommunikationsgemeinschaft Denn keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. (Paulus, Römerbrief 14,7) Sprache entsteht zwischen den Menschen. Was die Wörter bedeuten, muss in der Gruppe abgesprochen werden. Soziale Intelligenz und Sprache haben sich wechselseitig hervorgetrieben. Dem Kind genügt bald nicht mehr die Gewissheit, in der Familie erwünscht zu sein. Es muss sich auch von den Spiel- und Schulkameraden akzeptiert und geschätzt wissen. Der Lehrer, der dies versteht, wird einiges dafür tun, dass in seiner Klasse ein Wir-Gefühl entsteht, eine durch die gemeinsame Geschichte sich bildende kollektive Identität. Gruppengefühle sind in den Dienst zu nehmen und zu stärken. Man lernt z.B., miteinander rücksichtsvoll umzugehen. Auch die Fußlahmen gehören zur Klassengemeinschaft, und wir tun alle etwas dazu, damit sie mitkommen. A lot of teachers underrate the value of this feeling of togetherness between students and teachers as well as also the social side of school life. I think it is the best and easiest way to create the greatest amount of motivation possible. Students want school to be a real social environment quite similar to their family, only on a different level. H. Man könnte eine Art Klassenmythos erfinden, so wie man in England die Tradition miteinander wetteifernder “Häuser” auch dort weiterpflegt, wo es keine Internate, separate Schlafsäle und common rooms als reale Basis für diese Einteilung mehr gibt. 1 Das Wir-Gefühl braucht die Abgrenzung gegen andere. Interessant (aber nicht unbedingt zur Nachahmung empfohlen), wie ein Grundschullehrer ein Wir-Gefühl erzeugt, so dass seine Schüler begeistert mitmachen: One day, in grade 4, our teacher made the following announcement: “Wir lernen jetzt zusammen ein bisschen Englisch. Eigentlich dürfte ich das ja gar nicht in der Grundschule. Aber ich möchte, dass ihr schon besser seid als die anderen, wenn ihr in die nächste Schule kommt.” Can 30 Gemeinsam lernen - miteinander, voneinander, füreinander you imagine how ambitious we all were? By telling us that he was going to do something with us that was actually forbidden, i.e. by sharing a secret with us, he gave us the feeling of belonging to the “chosen people”, of being the elite amongst all primary school children in H. A. Wir stärken das Wir-Gefühl auch, indem wir etwas zusammen produzieren und damit Erfolg haben. Ein vorzeigbares Gemeinschaftswerk wäre das Einstudieren von Liedern, Tanzliedern, Bühnenstückchen und anderem, als Klassenwie als Schulprojekte. Denn auch eine Schule kann eine gemeinsame Identität entwickeln, und der Fremdsprachenunterricht sollte dazu beitragen. So setzt dieses Kapitel das Thema des vorhergehenden fort: Es geht um Gefühle, die in und aus einer Lern- und Kommunikationsgemeinschaft entstehen und die das Lernen stören oder beflügeln können. Weil Fremdsprachenfächer nicht primär Kenntnisse vermitteln, sondern kommunikative Fertigkeiten, brauchen sie mehr als andere Fächer den Lernpartner und sein kommunikatives Engagement. In diesem Punkt gleichen die Fremdsprachen dem Musikunterricht, in dem gemeinsam musiziert wird, und dem Sport, in dem gespielt wird. Auch Volleyball kann man nicht alleine spielen. Genauso wenig kann man alleine lernen, wie man Gespräche leitet. Das Deutsche kennt das schöne Wort mitteilen. Was wir einander mitteilen, teilen wir mit anderen. Wir geben unser geistiges Kapital der Allgemeinheit. Was einem gehört hat, gehört jetzt allen. Dabei machen wir die Erfahrung: Je mehr man davon ausgibt, desto mehr nimmt man auch ein. Im Verstehen anderer und im Verstandenwerden durch andere kommen wir zu uns selbst. Lehrer und Schüler Die Unpersönlichkeit der Amtsperson Ohne eine Sozialpsychologie der Schulklasse zu entwerfen, können wir auf einige Punkte aufmerksam machen, die für den Spracherwerb relevant sind. Noch immer komme es ihm unwahrscheinlich vor, so schrieb Stefan Zweig, Jahrgang 1881, wenn er beobachte, wie Kinder unbefangen und fast au pair mit ihren Lehrern plauderten; wie sie angstlos statt mit einem ständigen Unzulänglichkeitsgefühl zur Schule gingen, und wie sie ihre Wünsche, ihre Neigungen “aus junger neugieriger Seele” offen bekennen dürften. Seine Generation dagegen habe eine Schule erlebt, die auf das reale und persönliche Interesse keinerlei Bezug nahm. Sie habe einen grauenhaft dürren und unlebendigen kalten Lernapparat gekannt, der sich nie am Individuum regulierte und nur wie ein Automat mit Ziffern ‘gut, genügend, Lehrer und Schüler 31 ungenügend’ aufzeigte, wie weit man den Anforderungen des Lehrplans entsprochen hatte: Gerade aber diese menschliche Lieblosigkeit, diese nüchterne Unpersönlichkeit und das Kasernenhafte des Umgangs war es, was uns unbewußt erbitterte. Wir hatten unser Pensum zu lernen und wurden geprüft, was wir gelernt hatten; kein Lehrer fragte ein einziges Mal in acht Jahren, was wir persönlich zu lernen begehrten, und just jener fördernde Aufschwung, nach dem jeder junge Mensch sich doch heimlich sehnt, blieb vollkommen aus. (Zweig 1965, 38) Seine Lehrer hätten nichts von ihren Schülern gewusst und noch nach Jahren die wenigsten mit Namen gekannt. Die Unpersönlichkeit der Ideologie Heute leben wir in anderen Zeiten. Die Lehrer sind nicht mehr steifleinene Amtspersonen, die mit ihren Schülern kein persönliches Gespräch führen wollen. Aber es gibt andere Gefahren. In jedem Unter-richten lauert die Gefahr des Aus-richtens, des Überredens und Überrumpelns. Und alles, was wir als Indoktrination empfinden, kann zur Abwehr und zum Abbruch des Lernens führen. Mit sieben Jahren durfte Ruth Klüger in ihrer Heimatstadt Wien auf keiner Parkbank mehr sitzen. Mit elf kam sie ins KZ. Zuvor hatte ihre Mutter für sie noch Privatstunden bei einer gebürtigen Engländerin organisiert, die die Nazis bewunderte: Meine Mutter meinte, der schöne britische Akzent sei die Hauptsache und die politischen Ansichten meiner Lehrerin gingen mich nichts an, ich könnte so oder so was von ihr lernen: Sie hatte Unrecht, der Lehrerin war das Judenmädel nicht angenehmer als sie es mir war, diese Stunden waren eine einzige Quälerei aus gegenseitiger Abneigung. Was immer ich lernte, hab ich bis zur nächsten Stunde prompt vergessen. (Klüger 1995, 17) Über die Ideologisierung des Unterrichts berichten auch meine Studenten: At the age of 15 I started to learn Russian for two hours a week in the afternoon. However, my biggest problem was my Russian teacher who was very much indoctrinated by communist ideology. This was why I stopped the lessons after 6 months. G. The reason why I disliked these Spanish lessons was our teacher’s radical political ideas and his intention to inflict them on us. He himself was Argentinian and the main topic of almost every lesson was Latin-American politics. C. 32 Gemeinsam lernen - miteinander, voneinander, füreinander Extrembeispiele, gewiss. Aber in milderer, versteckt mitschwingender Form eine Gefahr jeden Belehrens, der wir gelegentlich erliegen mögen. Moderne Distanzlosigkeit Jede freundschaftliche Beziehung ist eine Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz. Der Lehrer muss über die entsprechenden social skills verfügen, um die gegenseitigen Ansprüche von Freiheit und Intimität im Lot zu halten. Schwache Menschen, die eine bestimmte Art von Intimität mit Wahrheit und Offenheit verwechseln, sind keine guten Kommunikationspartner für junge Menschen. Leider lässt der in geschmacklosen Talkshows vorgeführte Seelenstriptease das Bewusstsein dafür schwinden, dass ohne ein inneres Reservat, ohne Distanz schaffende Höflichkeit gedeihliches menschliches Zusammenleben unmöglich wird. “Wenn sich in mittäglichen Talkshows Gäste mit ‘du alte Schlampe’ oder ‘fick dich ins Knie’ titulieren, ist es kein Wunder, dass die Kinder diese Sprache mit in die Schule bringen”, klagt eine Lehrerin. Aber selbst Lehrer haben sich schon anstecken lassen und mehren das Übel. So gibt es heute den negativen Gegenpol zu der Gleichgültigkeit und Unnahbarkeit der Lehrbeamten des alten Österreichs. Da bieten Lehrer ihren Schülern das “Du” an und schmeicheln sich bei ihnen durch kontinuierliche Hochbewertung ein: During our first lesson he introduced himself as “Willi” and suggested we should all use our first names. I never liked it if teachers tried somehow to be like friends. I preferred having respect for them even if I didn’t like them. He lost my respect at once not only because of that but also because of his poor English. The marks he gave were always very good, so no one complained, but we all agreed that his lessons were extremely boring and unsatisfying. In these last two years of grammar school I felt like I hadn’t learnt anything new in English. The worst bit was that our teacher always seemed to be quite content with what we already knew. I wasn’t. Ch. Lehrer, die jungen Menschen Halt geben sollten, suchen ihrerseits Halt bei diesen. Verkehrte Welt. Echte Vertrautheit aber beruht auf einem gegenseitigen Sinn für Diskretion, auf tieferer Einsicht und Verständnis - alles Dinge, die nicht leicht zu haben sind auf dieser Welt. Versuchen wir, etwas davon zu geben. Denn die Fremdsprachen bieten den Lehrern wunderbare Gelegenheiten, den Lehrstoff persönlich zu illustrieren und zu bereichern. Die Schüler spitzen die Ohren, wenn ihr Lehrer zu erzählen beginnt: He was about fifty, and from Wales. He made English interesting by the little stories he told us about the war and his youth in Wales. We would Lehrer und Schüler 33 always listen carefully, because we had to try to get used to the speed of his English. I remember how the time flew by when he would come up with a story with which he wanted to explain the meaning of an unknown word. He gave us the chance to learn a lot of things about Britain which we could not find in our textbooks. A. Lehrerrollen Ich glaube an die Macht des Vorbilds, des ganz individuellen und sehr sterblichen Ideals, an den beispielgebenden Einzelnen. (Ludwig Marcuse) Ein Lehrer muss mehrere Rollen spielen können: Sprechvorbild, Sprachtrainer, Gesprächspartner, Erzieher, Freund. Seine schönste Rolle ist die des Freundes, die sich aber mit der wissenden Autorität, die man respektiert, und dem souverän kommunizierenden Fremdsprachler verbindet. Der väterliche Freund und die mütterliche Freundin betten ihren Informationsvorsprung und ihre Macht ein in die Sorge für das Fortkommen und die geistig-seelische Entfaltung der Schüler. Autorität und der Respekt, den man ihr zollt, müssen sein, aber ohne jene “ungütige, unbegriffene Überlegenheit” (Ringelnatz), die das Kind verwirrt und bedrückt. Einander achten, höflich sein und Rücksicht aufeinander nehmen. Diese Rücksicht geht in drei Richtungen: vom Lehrer zum Schüler und umgekehrt und zwischen den Schülern. Denn Tugenden, die großen und die kleinen, wir müssen sie an Menschen erlebt haben. Der Lehrer lebt sie vor und fordert sie ein. Wer selbst Ruhe für seine Erklärungen haben will, muss auch für Ruhe sorgen, wenn Schüler vortragen, vorlesen oder von sich erzählen. Du willst gehört werden. Sorge dafür, dass auch andere gehört werden. Ängstliche und unsichere Kinder brauchen nicht nur den Respekt des Lehrers, mehr noch den ihrer Mitschüler. So besteht ein untrügliches Kennzeichen für guten Unterricht darin, dass die Schüler einander zuhören und auch direkt miteinander reden, ohne dass sich der Lehrer stets dazwischenschalten muss. In fortgeschritteneren Klassen werden die Schülerbeiträge länger und freier, manchmal aber auch ungrammatischer, fehlerhafter, schwerer verständlich. Die Gefahr, dass nur noch der Lehrer zuhört, der ja den roten Faden behalten will, und die anderen aufgeben, ist groß. Da genügt nicht nur der gute Wille zur Rücksichtnahme. Die Sitzordnung und die Klassengröße spielen eine Rolle, vor allem aber machen sich jetzt gute Aussprachegewohnheiten bezahlt. Sie müssen in den Anfangsjahren erarbeitet werden. In jedem Gespräch zeigt man sich und versteckt sich zugleich. Vollkommene Offenheit und Durchsichtigkeit ist eine Unmöglichkeit. Aber im Laufe von zwei oder drei Jahren, in denen Lehrer mit einer Klasse regelmäßig zusammenkommen und aus den gleichen Quellen schöpfen, kann es nicht ausbleiben, dass das oberflächliche Dahingleiten des Gesprächs von 34 Gemeinsam lernen - miteinander, voneinander, füreinander Momenten des Sich-Anvertrauens, der persönlichen Stellungnahme unterbrochen wird. Wir sind Zeugen eines kurzen Aufleuchtens persönlicher Wahrheit, in dem es gelingt, die geheimnisvolle Kluft zwischen uns und den anderen zu überwinden und “das befreiende Wort zu finden, vor dem die Mauern fallen” (H. Waggerl). Erfolgreiches Sprachenlernen entwickelt die Persönlichkeit. Es hilft, ein Stück Angst vor den Mitmenschen loszuwerden und so mit dem Leben besser zurande zu kommen. Dabei geht es auch um ein bisschen Zivilcourage. Der CDU-Abgeordnete Pflüger (2000) reflektiert über das System des Altbundeskanzlers Helmut Kohl und seine Rolle darin. Er verschweigt nicht seine Scham: Als nach der Wahl von 1994 der Alterspräsident Stefan Heym, Schriftsteller aus der ehemaligen DDR und Abgeordneter der PDS, dessen Bücher er schätzte, seine Antrittsrede im Bundestag hält, bleibt er auf Weisung der Fraktionsspitze sitzen wie alle anderen seiner Partei. Warum? Weil er sich sonst die “möglichen Jobs für die neue Periode gleich hätte abschminken können”. Aber wie kann man von Menschen in Diktaturen Mut und Widerstand erwarten, wenn man nicht einmal in demokratischen Zeiten dazu in der Lage ist? Denn “die Wurzel aller Entfremdungen, aller Entmenschlichungen, aller Versteinerungen ist der Mangel, sich zu sich zu bekennen”, d.h. auch zu seinen Schwächen (Marcuse 1975, 34). Wie werden wir mutig? Wie verringere ich die Angst der Schüler vor Klassenarbeiten? Einer lässt seine Klasse einen Augenblick lang ins Grüne schauen, ein anderer verwendet entspannende Musik usw. - methodische Tricks, die aber nur im Gesamtzusammenhang der Persönlichkeit und der Gesamtatmosphäre Wirkung entfalten können. Persönliche Einsichten und Erfahrungen des Lehrers bestimmen das Kommunikationsklima in einer Klasse entscheidend mit. In der Kunst der Kommunikation wird er ein Leben lang hinzulernen. Schüler und Mitschüler Wessen Sprache? Eltern gegen Altersgenossen Being different - a crucifixion in adolescence. (Wright 1969, 82) Sprechen lernen wir von denen, die schon sprechen können. Aber wie kommt es dann, dass in bestimmten Fällen die Kindersprache keineswegs eine Kopie der Elternsprache darstellt? Bubis Eltern beobachten erstaunt, wie sich die Aussprache des fast Vierjährigen an die seiner neuen Spielkameradin angleicht: Ganz überraschend ist die Veränderung, die des Knaben Aussprache durch das mehrtägige Zusammensein mit Lotte erlitten hat. Statt “ich” Schüler und Mitschüler 35 sagt er nur noch “is”, statt “nich” “nis”, statt “ich mag nich” - “makenis”, auch an Stelle des bereits völlig beherrschten “sch” ist wieder “ss” getreten, alles Eigentümlichkeiten der Aussprache von Lottchen. (Scupin & Scupin 1910, 73f.) Die Eltern werden während Lottens Anwesenheit plötzlich “völlig Nebensache”. Es gibt also noch einen anderen Kandidaten für die Rolle des Lehrmeisters: die Spiel- und Arbeitskameraden. Wie könnte es sonst sein, dass hörende Kinder taubstummer Eltern genauso gut sprechen lernen wie andere, deren Eltern vom ersten Tag an mit ihnen reden? Gerade bei solchen Kindern sieht man, wie hart es sie ankommt, wenn ihre Eltern sichtbar anders sind als der Rest der Welt. So Lou Ann Walker: People took a dim view if they thought you were unusual ... I wanted to fit in. I was dying to fit in. (Walker 1987, 115) Der junge Reich-Ranicki in der Charlottenburger Volksschule: Indes haben mir nicht die Lehrer den Alltag erschwert, sondern die Mitschüler. Sie sahen in mir - und verwunderlich war das nicht - den Ausländer, den Fremden. Ich war etwas anders gekleidet, ich kannte ihre Spiele und Scherze nicht, noch nicht. Also war ich isoliert. Schlichter ausgedrückt: Ich gehörte nicht dazu. (1999, 31) Dazugehören wollen sie alle. Oder wie wäre sonst zu erklären, dass so viele Kinder von Einwanderern scheinbar mühelos und sehr schnell den Akzent und die Sprechweisen der Straße annehmen, auch dann, wenn sie zu Hause von ihren Eltern eine ganz anders eingefärbte Sprache hören? Sie tun ja das einzig Richtige. Sie entscheiden sich für den “echten” Akzent. Sie spüren das Unvollkommene, ja oft Stümperhafte der Elternsprache im Vergleich mit all den anderen, die reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Aber ist das schon die ausreichende, die ganze Erklärung? Einmal spielt das Alter bei der Einwanderung eine Rolle. Die Kissingers flohen aus Hitler-Deutschland, als Henry 15 Jahre alt war, und es gelang ihm nie, seinen deutschen Akzent abzustreifen. Aber: His brother Walter, younger by one year, did easily pick up an American sound. Walter later liked to joke “I listen” when asked to explain why he lost his German accent while his famous brother had not. (Schulzinger 1989) Auch die Persönlichkeit zählt und die Einstellung zur fremden Sprache und Kultur. Charlotte erzählt von ihrem Großonkel, der als Priester zwanzig Jahre in Japan gewirkt hatte und in dessen Deutsch sich ein japanischer Akzent eingeschlichen hatte: 36 Gemeinsam lernen - miteinander, voneinander, füreinander One of my first memories of this new place was my christening there. A Great Uncle of mine was a teacher in a priest’s school in Kobe, Japan. My parents thought it would be a nice idea to invite him over and ask him if he could hold the service, which he did. I had never met him before, but he was very nice. He had lived in Japan for twenty years and had strangely developed a Japanese accent in his German. Ch. Viele Kinder schämen sich, wenn etwa beim Einkaufen die Mutter mit ihnen in ihrer Sprache spricht, die nicht die Landessprache ist. Sie wollen sich anpassen und um keinen Preis auffallen. So auch Alison und ihr Zwillingsbruder Alan, die mit einer englischen Mutter und einem deutschen Vater in Deutschland aufwachsen. Sie sprechen englisch mit der Mutter und deutsch mit dem Vater. Englisch dominiert, da sie die meiste Zeit mit der Mutter verbringen. Außerdem ist es die Mutter, die die Zwillinge regelmäßig mit bed-time stories versorgt. When we were about four years old, the children in our neighbourhood found out that we could speak English and asked us whether we were English or German. They told us that if we were English we were aliens and they did not want to play with us. In fact, they made up their minds that we were English and just would not play with us, regardless of what we said. Naturally, Alan and I were very upset about this and our mother was equally upset, if not even more. At this stage we refused to communicate in English. We wanted our mother to speak to us in German and we refused to utter a single English word. Our mother who could not bear to see us unhappy, mostly spoke to us in German from then onwards. Das Erstaunliche (geradezu Empörende? ) am Verhalten von Alison und Alan, dass sie so schnell bereit sind, die vertraute, eingespielte häusliche Verständigung aufzugeben. Um die Gunst von ein paar Spielkameraden buhlend, zögern sie nicht, ein Stück Zuhause aufs Spiel zu setzen; darf man sagen: ihre Mutter zu opfern? Später beginnt ihre Mutter wieder mit ihnen Englisch zu reden, aber die Kinder selbst bleiben meist beim Deutschen. Jedenfalls werden Lehrer alles tun müssen, um den Gruppeneffekt positiv zu nutzen. Hawkins berichtet aus der eigenen Schulzeit: One boy in particular, ‘R’, who later became a doctor, asked me one day to test him on his homework. We were reading Galdo’s novel Dona Perfecta in an edition with a full glossary at the back of some 30 pages. ‘R’ had learned the whole glossary in the first two weeks of term, while I had plodded through only a few pages and had been quite satisfied with myself. ‘R’s example, and his bluntly spoken contempt for my immature lack of real effort, taught me more than any teacher could have done and I can still remember going home that same day determined to change my attitude to study. Since then I have often observed how powerful the Schüler und Mitschüler 37 influence of one young learner can be on the rest of the class, both positively and negatively. It suggested to me, as a teacher and headmaster, that one of the main challenges a school faces is to try to ensure that the powerful effect of groups of pupils on each other’s attitude, far stronger, usually, than any other influence is made as positive as possible. (Hawkins 1999, 43) Auf wen hören Jugendliche? Vor allem auf andere Jugendliche. Marie von Bunsens Bruder wird auf eine englische Privatschule geschickt: Ein folgenschwerer Zufall; mein Vater war Idealist, und der Gedanke, dass einer seiner Söhne sich nicht als Deutscher fühlen könnte, war ihm unfaßbar. So hat er die tatsächlich naheliegende Gefahr einer Verengländerung übersehen und glaubte damals, dass diese Episode Lothar nur förderlich sein könnte. Und doch war er in wenigen Jahren gewiß nicht antideutsch, aber glattweg Engländer geworden. (Bunsen 1929, 37) Den Engländer aus ihm haben aber weniger die Lehrer als die Mitschüler gemacht. Es ist wohl dieser Effekt, an den auch einige deutsche Familien denken, wenn sie ihre Kinder für ein Jahr auf ein englisches Internat schicken. Dabei geht es oft mehr darum, das Kind aus seiner deutschen Freundesclique herauszuholen, die auf Abwege geraten ist, als ihm dazu zu verhelfen, im Englischen einen großen Sprung nach vorn zu tun. In dem Roman The Go-Between von L.P. Hartley hat der 12-jährige Leo eine Einladung von seinem Schulfreund bekommen, die Ferien auf dem Landgut seiner Eltern zu verbringen. Er ist froh, dass seine Mutter für ihn eine Droschke bestellt hat und nicht selbst mitfährt: I shouldn’t have wanted that. I was haunted by the schoolboy’s fear that my mother wouldn’t look right, do right, be right in the eyes of the other boys and their parents. She would be socially unacceptable, she would make a bloomer. I could bear humiliation for myself, more easily than I could for her. Eigentlich dürfte er keinen Grund für solche Befürchtungen haben. Aber er empfindet doch so. Wäre er vielleicht bereit, im ungünstigsten Falle gar seine Mutter zu verleugnen? Wie viele schämen sich (grundlos? ) ihrer Eltern vor den Spielkameraden und schämen sich zugleich darüber, dass sie sich schämen! In diesem Roman erfährt man auch von dem besonderen school slang, den die Schüler an englischen Internaten entwickeln: “At home we had one way of talking and at school another: they were as distinct as two different languages.” Auf diese Weise grenzen die Schüler eine eigene Welt sowohl gegenüber ihren Lehrern als auch der Familie zu Hause ab. 38 Gemeinsam lernen - miteinander, voneinander, füreinander Auch wegen dieses Gruppeneffektes und Konformitätsdrucks gilt es, von Anfang an im Bereich von Aussprache, Sprechmelodie und Rhythmus ein hohes Klassenniveau anzupeilen. Denn Schüler sprechen nicht gern anders als der Klassendurchschnitt. Wenn einer hier mehr tut, wird das schnell als affig empfunden. Sonja hat ein halbes Jahr lang engen Kontakt mit einer jungen englischen Austauschlehrerin, die in ihrem Elternhaus zur Miete wohnt, und der Akzent der Engländerin färbt auf sie ab. Das hat ungewollte Nebenwirkungen: In the beginning of the sixth form I had a very hard time with the other pupils because of my English accent. They made fun of me, accusing me of being arrogant and feeling superior to them. Others started to laugh as soon as I started to speak. S. Ähnlich ergeht es Christiane. Obwohl ihre ganze Klasse am Austausch teilnimmt, gelingt es wohl nur ihr, sich in der kurzen Zeit einen englischen Akzent zuzulegen, aber: It was on the exchange that I picked up my English accent. I never lost it and I remember my friends later making fun of the way I spoke English in school. Ch. Mit wenigen Worten hätte der Lehrer als Sprachexperte beiden Mädchen beispringen können: “Das klingt nicht affig, sondern ist ein echter Akzent, viel besser als ein deutscher Akzent. Man nimmt ihn oft ungewollt und unbewusst auf, so wie einige von euch eine amerikanische Färbung angenommen haben.” Echte Akzente bilingualer Schüler sind nicht nur zu akzeptieren, sondern als Bereicherung für alle willkommen zu heißen. Immer noch ist das Gegenteil der Fall: Ich besuchte auch wieder den Englischunterricht (nach zwei Jahren in den USA), wurde allerdings vom Englischlehrer mit schlechten Noten bestraft, da ich nicht mit korrektem “englischem” sondern mit amerikanischem Akzent sprach. T. D.s ältester Sohn kommt in den USA zur Welt, geht dort in den Kindergarten und spricht akzentfrei amerikanisches Englisch. Er war schon fünf Jahre alt, als die Familie nach Deutschland zurückzog, und kam dort in die Waldorfschule, wo man schon im ersten Schuljahr mit Englisch beginnt: Es war eigenartig. Die Sätzchen, Reime und Lieder, die er dort lernte, hatten den erkennbar deutschen Akzent seines Lehrers, während er im Übrigen weiter sein authentisches Amerikanisch sprach. Ich erkläre mir diesen seltsamen Hiatus mit seinem Wunsch, in der Klasse so zu sein wie alle anderen und nicht aufzufallen. (persönliche Mitteilung) So zeigen Menschen, dass sie dazugehören. Schüler und Mitschüler 39 Eine soziobiologische Erklärung Die Schaltknöpfe der Persönlichkeitsentwicklung sind genetischer Natur, die Feineinstellung liefert die Umwelt, das Elternhaus und die Gruppe der Altersgenossen, deren Einfluss in westlichen Kulturen den elterlichen überlagert. Dies ist das Ergebnis eines Buches, das nach Stephen Pinker “einen Wendepunkt in der Geschichte der Psychologie” darstellt und den Titel trägt: The nurture assumption. Why children turn out the way they do (1998). Die Autorin Judith Rich Harris (1988) hat einen ganzen Stapel sozialwissenschaftlicher Studien kritisch gelesen, mit neuesten verhaltensgenetischen Studien verglichen und kommt zu dem Schluss: Wir alle haben unseren Einfluss als Eltern - im Guten wie im Schlechten - offenbar überschätzt. Natürlich haben wir gewusst, dass Kinder nicht einfach Wachs in unseren Händen sind. Und wer mehrere Kinder hatte, dem war auch meist klar, dass Kinder von Anfang an unterschiedlich veranlagt sind. Besonderes Augenmerk aber sollte den gleichaltrigen Freunden gelten. Sie seien, so Harris, das eigentliche Probier- und Bewährungsfeld für den Heranwachsenden. Auch hier wird ein Stück Persönlichkeit herausgebildet, auch hier werden die genetischen Schaltknöpfe justiert. Die ursprüngliche Allmacht der Eltern über Säugling und Kleinkind verliert sich, oft bis hin zur völligen Ohnmacht, wenn die Jugendlichen immer mehr Zeit in ihren Cliquen verbringen, die ihren Mitgliedern den Stempel aufdrücken. Sie sind der soziale Spiegel, in dem sich die Jugend wiedererkennt, erproben und definieren kann. Our problems we tried to solve alone and unaided. It never occurred to us to consult our parents. They belonged, we were convinced, to another world. (Uhlmann 1997, 34) Es geht ja nicht um Intelligenz oder etwa musikalische Begabung, es geht um Verhaltensweisen und Werteinstellungen, ja schlicht um das, womit man sich die viele Freizeit vertreibt. Kinder aus Problemfamilien, die in einer guten Nachbarschaft leben, haben als Jugendliche weniger Schwierigkeiten als Kinder aus intakten Familien, die in einer schlechten Gegend in eine schlechte Gesellschaft geraten. Man zieht die Klamotten an, die sich die anderen anziehen; man isst gern das, was die Freunde auch essen, und gewöhnt sich deren Sprechweisen an. Sobald die ältere Schwester erklärt - natürlich ohne überhaupt von dem neuen Gericht gekostet zu haben -: “Ich mag das nicht”, zieht die jüngere nach. Und wenn Freundinnen zu Gast sind, erklären oft vier Kinder hintereinander, dass sie etwas nicht mögen, ohne es überhaupt gesehen zu haben. Es genügt, wenn eine damit anfängt. Es mag uns wider den Strich gehen, dass nun plötzlich irgendwelche Schulfreunde oder Zufallsnachbarn das Wichtigste in ihrem Leben werden, oder doch wichtiger als wir. Genau dies aber ergibt Sinn aus der Sicht der 40 Gemeinsam lernen - miteinander, voneinander, füreinander Evolution: Nicht in unserer, sondern in der eigenen Generation müssen sie ihren Partner und ihren Platz im Leben finden und sich mit Konkurrenten auseinandersetzen. Mit ihnen müssen sie in das Kleid einer neuen Zeit hineinwachsen. So hebt Harris provokativ die peers als die wahren Sozialisationsagenten hervor. Gewiss: Nicht immer zwingt uns das soziale Milieu seine Atmosphäre auf. Wir schaffen uns auch selbst die Welt, nach der unser innerstes Wesen verlangt. Es gibt mannigfache wechselseitige Einflüsse zwischen Genotyp, dem familiären Umfeld, den Spiel- und Schulkameraden, dem Zeitgeist, den Medien, wie auch den lebensgeschichtlichen Zufällen, die uns in bestimmte Bahnen lenken können. Diese Wechselseitigkeit und Verflochtenheit ist schwer durchschaubar. Wie werden Schüler zu Verbündeten des Lernens? Der Lernpartner ist beim Sprachenlernen etwas Unbezahlbares. (R. Kleinschroth) Gilt es also, zunächst die Beziehungen zueinander zu klären, damit gedeihliche Arbeit überhaupt erst möglich wird? Sind demgegenüber Lehrtechniken zweitrangig? Das wäre ein Missverständnis. Denn Beziehungen lassen sich am besten bei und anhand der gemeinsamen Arbeit an der Sache in Ordnung bringen. Die objektiven Ansprüche, die in den Sachen stecken, und unsere unterschiedlichen Reaktionen darauf bringen uns immer wieder dazu, auch über unser Verhältnis zueinander zu sprechen und einander besser zu verstehen. Sinnstiftende Sacharbeit, dazu manche Formen robuster, alltagstauglicher Partnerarbeit geben Orientierung: Das ist gerade die Chance der Schule. Für unsere wichtigste Lehrtechnik, die Dialogarbeit, sind ja die Lernpartner ganz unentbehrlich. Die Wahl der geeigneten Lehrtechniken und -inhalte ist deshalb keineswegs zweitrangig. Eine Entscheidung über sie und das Bedenken und Besprechen der Beziehungsprobleme gehen Hand in Hand. Was darüber hinaus geht, ist Sache ausgebildeter Therapeuten. Ein paar konkrete Tipps vorweg: - Öfter Gruppen neu auslosen. - Dafür sorgen, dass dem, der redet, auch zugehört wird. - Schüler übernehmen Lehrfunktionen. Beobachten, was dabei passiert. - Gemeinsam singen und tanzen. - Gemeinsam Erfolg haben, indem man einen schwachen Schüler in eine starke Gruppe einbindet. Er bekommt z.B. bei der Dialogarbeit die leichteste Rolle und leistet damit seinen Teil am Gesamterfolg der Gruppe. Wie werden Schüler zu Verbündeten des Lernens? 41 - Im Sitzkreis diskutieren. - Spielkreis, einander anfassen. - Wenn es die Sitzordnung zulässt und sich die Arbeitsform dazu eignet, kann ein Schüler den nächsten aufrufen, der an der Reihe ist. - Einfache, lustige Partnerarbeit; z.B. Partner sitzen Rücken gegen Rücken und fragen einander Vokabeln ab. - Lehrer trägt von ihm selbst korrigierte Schülertexte sehr gekonnt vor und stellt sich somit auf Seiten des Schülers. Neben solch praktischem Handwerkszeug brauchen wir Einsichten, Einstellungen, Handlungsmaximen. Deshalb zehn weitere Ratschläge: 1) Ein Klima der Sympathie schaffen. Wie unwirksam sind moralische Ermahnungen, wie wenig hilft gutes Zureden, wenn wir nicht zuvor persönliche Bindungen geknüpft haben! Wir können nur wirken, wo Bindungen sind, wo Zutrauen und Vertrauen sind. 2) Sich den Anpassungsdruck an die Alterskohorte, den Gruppenzwang und die Furcht vor Ausgrenzung bewusst machen. Dabei besondere Konstellationen von Cliquen, Rädelsführern und Einzelgängern und die Kommunikationsbarrieren innerhalb der Klasse erkennen. Hierbei helfen folgende Fragebögen, die an Vorlagen des Londoner Office for Standards in Education angelehnt sind: 1) What do you think about your English classes? (Unterstufe) 2) What do you think about your school? (Oberstufe): 1 Draw a ring around your answer to each question, like this: Sometimes 1 Do you like being in my class? Yes Mostly Sometimes No 2 Do you find out new things in lessons? Yes Mostly Sometimes No 3 Are our lessons interesting and fun? Yes Mostly Sometimes No 4 Do you get help when you are stuck? Yes Mostly Sometimes No 5 Do you have to work hard? Yes Mostly Sometimes No 6 Do I show you how to make your work better? Yes Mostly Sometimes No 7 Do other children behave well? Yes Mostly Sometimes No 8 Are other children friendly? Yes Mostly Sometimes No 9 Am I fair to you? Yes Mostly Sometimes No 42 Gemeinsam lernen - miteinander, voneinander, füreinander 10 Do I listen to your ideas? Yes Mostly Sometimes No 11 Are you trusted to do things on your own? Yes Mostly Sometimes No Do you want to say anything else about our lessons? Please write it in the box. You can use German. What I like most about English. What I would like to change about my English classes. 2 For the statements below, please tick the box that best corresponds with your views about the sixth form. Please tick Strongly agree Agree Disagree Strongly disagree 1 I enjoy being a student in the sixth form of this school. 2 The teaching is challenging and demanding. 3 My work is assessed helpfully so that I can see how to improve it. 4 The staff are expert in their subjects. 5 I am helped and encouraged to study independently and to research topics. 6 Worthwhile homework is set regularly. 7 There is an adult in school who knows me well, to whom I would turn if I had a personal problem. 8 My teachers are accessible and helpful if I have difficulties with my work. 9 I had helpful advice on what I should study in the sixth form. 10 My choice of courses suits my abilities and career plans. Wie werden Schüler zu Verbündeten des Lernens? 43 11 Outside my main courses, there is a good range of enrichment courses and worthwhile activities. 12 I have well-informed advice from school and/ or careers advisers on what I should do after I leave school. 13 The school seeks and responds to the views of its students. 14 Students are all treated fairly and with respect. 15 Students get on well together and there is no bullying, harassment or racial tension. 16 This school is well run. If you wish to make any additional comments, particularly about the things that you like about your school or things you feel should be better, please write them in the box below. Please do not name any staff. What do you like most about the school? What would you like to change about the school? 3) Eltern aufklären und als Verbündete gewinnen. 4) Werte, vor allem Fairness, vorleben (statt nur zu predigen), damit sie auf die junge Generation abfärben können. Personen, so von Hentig (1973, 36), sind eben die “nachhaltigste Erfahrung in der Schule, dann, mit langem Abstand, folgen erst Gedanken und Gegenstände”. 5) Verhindern, dass die falschen Werte dominieren. Es kann vorkommen, dass eine Klasse oder gar eine Schule gewissermaßen “umkippt”, wie es bei Gewässern geschieht. Eine deutsche Lehrassistentin berichtet aus einer Schule in Cornwall: Another problem the teachers told me about was that being thick meant being cool - it was a very weird fashion. Bad marks were not embarrassing but rather something to boast of. V. Hier gibt es eine Art Nocebo-Effekt, eine seelische Ansteckung der Schüler untereinander, die sich verbreitet und keine Strebsamkeit mehr aufkommen lässt. Also: Ist es für die Schüler wichtig, in der Fremdsprache gut zu 44 Gemeinsam lernen - miteinander, voneinander, füreinander sein? Oder machen sie sich unbeliebt, werden sie als Streber verschrien, wenn sie sich anstrengen? Letzteres hieße: Höchste Alarmstufe, sofort gegensteuern! 6) Den Führungsanspruch nicht aufgeben. Versuchen, die starken Persönlichkeiten, potentielle arbeitswillige Anführer auf seine Seite zu kriegen; um sie werben, die gute Arbeitsmoral dieser Gruppe stärken und durch Ansteckung verbreiten. Theodor Heuss bemerkt in seinen Jugenderinnerungen (1964, 93): Jede Schulklasse hat, nach meinen Beobachtungen, ihren sonderlichen Geist; er hängt, im Guten und im Schlimmen, von der Wirkungskraft einiger weniger, vielleicht eines einzelnen ab. 7) Die Schwachen stärken. Erkennen, wie verletzlich Schüler sein können. Gerade den ungewollten Außenseitern muss der Lehrer helfen, Teil der Gemeinschaft zu werden, ja ihnen seinen Schutz anbieten. Er respektiert sie, und so respektieren sie ihn. Die Lehrer von Stefan Heym, “dem arroganten jüdischen Bengel”, taten das Gegenteil: Andere Lehrer spürten die Schwäche des Jungen, die in seiner Isolierung lag. Sie fingen an, ironische Bemerkungen fallen zu lassen, die seine Liebe zum deutschen Vaterland in Frage stellten, die Festigkeit seines Charakters, seine Aufrichtigkeit, seinen guten Willen, und die den für jede Intonation geschärften Ohren seiner Mitschüler bedeuteten, dass hier einer freigegeben war zur allgemeinen Hatz. (Heym 1990, 25) Öfter wird moniert, dass Oberstufenlehrer sich allzu gern auf diejenigen stützen, die ein Jahr USA hinter sich haben, so dass am Ende nur noch die mitreden, die es ohnehin schon können. Irgendwie verständlich, aber eine Unsitte. Wer darüber nachdenkt, wird namentlich auf der Oberstufe genügend Möglichkeiten finden, beide Gruppen zu fördern. Stets muss der Lehrer ausgleichen, die vielen Kummer stiftenden Ungleichheiten bedenkend, mit denen das Leben randvoll ist: No power on earth can abolish the merciless class distinction between those who are physically desirable and the lonely, pallid, spotted, silent, unfancied majority. (Mortimer 1983, 191) 8) Keine Unterdrückungsverhältnisse zulassen. Hanns Dieter Hüsch ging in den Kriegsjahren zur Schule: Und wir Kinder, wir Jungens, wußten noch immer nicht alles genau. Nur dass unser Schulfreund Baer, der Sohn des jüdischen Arztes Baer, von Primanern auf dem Schulhof umringt und im Kreise angespuckt worden war, der kleine Schüler, der sich ängstlich an einen Baum drückte und weiter verlacht, verhöhnt und angespuckt wurde, bis schließlich der mu- Wie werden Schüler zu Verbündeten des Lernens? 45 tige Kaplan Peus herangeflogen kam, sich dazwischenstürzte, die Primaner auseinandertrieb und den geschockten Jungen nach Hause brachte, das hatten wir mitbekommen. (Hüsch 1992, 105) In my class were a few pupils who were, in a way, terrorising the others. We did not learn much in the following four years, and in English I think we learned less than in the first two years. M. Some of the pupils were extremely sure of themselves and always tried to suppress the other class-mates. Although they were not the best pupils Mrs X took the easy way out by doing nothing about them and often sided with them. This bad atmosphere of course affected the whole class. Wer kennt sie nicht, die “innumerable forms of minor torture, bullying, and mischief which boys can serve to boys? ” (Church 1955, 121). Schüler drangsalieren andere, um die eigene Überlegenheit zu spüren. Mit der Brutalität der Lehrer hat der Gesetzgeber Schluss gemacht, die Niedertracht und Brutalität der Mitschüler aber wurde eher gefördert. Aggressionen dürfen sich nicht lohnen! Der Aggressor, der nicht bestraft wird, triumphiert. Er geht als Sieger vom Platz. Das ist demütigend für den Geschlagenen und Getretenen, deprimierend für die, die so etwas nicht billigen, und stimulierend für andere Schüler mit aggressiven Tendenzen, d.h. geradezu eine Aufforderung, diese auszuleben. 9) Aggressionen umleiten. Hier gibt es große Schultraditionen, von denen wir lernen können, z.B. den Jesuiten (Funiok & Schöndorf 2000) und den Waldorf-Pädagogen (Jaffke 1994). Die Jesuiten haben es verstanden, den Ehrgeiz auf edle Ziele zu richten. Hier wurden Übersetzungen in Form von Wettkämpfen vorgetragen, es gab Wettkämpfe der Beredsamkeit, Schiedsmänner und Richter wurden aufgestellt, Preise zuerkannt. Dem Bedürfnis nach Achtung und Anerkennung wurde auf solche Weise Rechnung getragen. 1 10) Den zivilisierenden Einfluss der Gemeinschaft nutzen, um Werte durchzusetzen, Rüpel zur Räson zu bringen usw. Eine erfahrene Grundschullehrerin erzählt mir: Da kommt so ein Knirps und bedeutet mir glattweg: ‘Du hast mir nichts zu sagen.’ Andere Lehrer, so höre ich, hat er schon mit ‘Arschloch’ usw. tituliert. Erst als er von der Klasse zurechtgewiesen wird: ‘So was sagt man nicht.’ ‘Das darfst du nicht sagen.’, habe ich gewonnen. Das ist immer ein Stück harter Arbeit. Deutlich zurückweisen, Klartext reden, aber Kinder nie vor anderen demütigen und “fertig machen”, somit Verfehlungen nie mit Angriffen auf die ganze Person begegnen: “Du Versager”, “Du Stümper”. Der motivierende Druck auf den Einzelnen kommt vom Lehrer und von der Klasse. 46 Gemeinsam lernen - miteinander, voneinander, füreinander Lehrer, die solche Sensibilität entwickeln, werden weit über die Schule hinaus wirken: But what really made me love the new school were in fact the English lessons. This was not so much due to the content of what we were learning but to our teacher himself. He was a calm and sympathetic man who succeeded in creating an atmosphere of friendship and confidence which I had never experienced before. Nothing that happened in the following years could detach my ideas about foreign languages from that first impression. Learning English and feeling good were synonymous in those days. N. Die Pädagogik muss ihre Reichweite und erzieherischen Resonanzräume kennen, ohne ihre normativen Ansprüche aufzugeben. Dieses hier “vorweg” Gesagte wird in vielen Methodiken stillschweigend vorausgesetzt. Es ist aber nicht unabhängig von Auswahl und Art der Arbeitsformen, die wir in späteren Kapiteln vorstellen, und ist daher immer mitzubedenken. 1 Der Wettstreit unter den “Häusern” ist im deutschsprachigen Raum durch die Harry Potter-Bücher und -Filme bekannt geworden. Hauptteil Sprachen lernt man, indem man sie lebt. 3 In und mit Sprachen leben Das erste Wort hieß Leben, und das erste Gesetz also; die Sprache soll nicht aus der Grammatik, sondern lebendig gelernt werden; nicht fürs Auge und durchs Auge studirt, sondern fürs Ohr und durchs Ohr gesprochen, ein Gesetz, das nicht zu übertreten ist. (Johann Gottfried Herder) Language is activity, purposeful activity, and we should never lose sight of the speaking individuals and of their purpose in acting in this particular way. (Otto Jespersen) Die Sprache leben und lieben Kein Kind denkt an die Sprache, wenn es zu sprechen anfängt. Es will Kontakt, sich austauschen, auf die Mutter einwirken und eins sein mit ihr. Sprache ist ein Mittel dazu. Auch als Erwachsene meistern wir fremde Sprachen erst dann, wenn wir nicht nur auf die Sprache selbst gerichtet sind, sondern durch sie hindurch auf anderes; wenn wir etwas mit ihr tun, statt sie selbst im Visier zu haben. Sprache ist Mittel des Kommunizierens, Denkens und Handelns. Am besten: Man lebt und wirkt im fremden Lande. So atmen wir die Sprache des Landes ein wie seine Luft. Goethe erlebte dies schon in seiner Geburtsstadt Frankfurt: Die französische Sprache war mir von Jugend auf lieb, ich hatte sie in einem bewegteren Leben, und ein bewegteres Leben durch sie kennen gelernt. Sie war mir ohne Grammatik und Unterricht, durch Umgang und Übung, wie eine zweite Muttersprache zu eigen geworden … Von Bedienten, Kammerdienern und Schildwachen, jungen und alten Schauspielern, theatralischen Liebhabern, Bauern und Helden hatte ich mir die Redensarten, so wie die Akzentuationen gemerkt … (Dichtung und Wahrheit, elftes Buch) Von gebildeten griechischen Sklaven im alten Rom, vom Lateinlehrer Montaignes, von französischen Gouvernanten oder den englischen Kindermädchen der Nabokovs in Petersburg bis hin zu chinesischen Kindermädchen reicher New Yorker Familien unseres Jahrhunderts - alle hatten und haben sie die Aufgabe, die fremde Sprache zugleich vorzuleben und zu unterrich- 50 In und mit Sprachen leben ten. Zur Army Method der USA während des Zweiten Weltkriegs gehörte es, dass die Kursteilnehmer ein Wochenende in einer Familie zubrachten, in der die Fremdsprache noch als Muttersprache gesprochen wurde - natürlich mit der Maßgabe, in dieses Sprachmilieu einzutauchen und nicht auf Englisch auszuweichen. Ein Motivationsschub sondergleichen (Sebeok 1991, 110). Sprachen wollen er-fahren sein. Fast alles, was im fremden Land geschieht, ist Wasser auf unserer Sprachmühle. Verordnete Belehrung, wie sie in anderen Schulfächern dominiert, ist weniger vonnöten. Es gebe allerdings noch einen Weg, sich viel Mühe und Mittel zu sparen, so der schottische Edelmann John Wodroephe, der als Söldner am Dreißigjährigen Krieg teilnahm und während dieser Zeit ein Sprachlehrbuch (1623) schrieb: Man nehme sich doch eine Französin zur Frau - gewiss der schönste Fall von Immersion. Lehrers Wanderjahre Für Lehrer ist das mehrmonatige Eintauchen in den Lebensalltag ihres Sprachlandes jenseits allen Tourismus eine conditio sine qua non. Ihre Lehrjahre seien Wanderjahre! Der Auslandsaufenthalt gibt Sicherheit. Man schöpft aus dem Vollen und erwirbt eine sprachliche Wendigkeit, die das nötige Selbstvertrauen verleiht, als Sprachlehrer vor einer Klasse aufzutreten. Zugleich spüren wir, dass wir uns im Ausland verändern und unsere Persönlichkeit um viele Facetten bereichern: These little incidents and the everyday contact with people the Californian way (politeness while driving is another good example! ) or, better still, using the “Californian language” made me a different person in a way. I talked to various people about the phenomena of feeling differently while thinking and speaking in a different language other than your mother tongue … The people who had been to other countries and had a very good command of a second language and had dipped and dived into another mother tongue, understood what I meant. S. Erst im Sprachland richtet man sich häuslich in der Sprache ein, bleibt nicht im Vorraum der Sprache noch in der guten Stube, sondern gerät auch in Kellergewölbe und Dachkammern. Zwar wird man selten von Muttersprachlern verbessert, doch spielen sie einem im Gespräch ganz ungewollt die Ausdrücke zu, die man gerade braucht. Man muss ihnen eben aufs Maul schauen! Je vielfältiger dabei die Lebenszusammenhänge, in die man verstrickt wird, umso besser: While working in a little shop I acquired a lot of non-academic language which I had not even heard of when I went out with my housemates or Reisefieber 51 sat around with them in the kitchen of our student village house in the middle of the night. K. Die Anbindung an das fremdsprachliche Leben bringt unser episodisches Gedächtnis ins Spiel, das singuläre Ereignisse im Lebenslauf aufbewahrt. On top of the problems with the local accents, I also lacked everyday words. In the first week I was invited for tea at six p.m. When I got there the housewife had prepared a complete meal. The situation was very embarrassing because I had already eaten at home, expecting only a cup of tea. Later I learned that in everyday life, people in Britain talk of “tea” instead of dinner, which means a big meal in the evening. H. Christine zweifelt am Können ihrer Lehrerin - was die eigene Lernlust beeinträchtigt. Erst nach einem Lehrerwechsel fühlt sie sich wohl: Although I knew little English at that time I somehow felt uncomfortable with her. I had the feeling that she herself was not very good at English, which as a pupil gives you a slight feeling of uncertainty as to whether you can trust what that person teaches you … Our new teacher really was an improvement. She appeared so much more confident in her own English. This impressed me and gave me the feeling that whatever she said was right, which as a pupil you seem to demand. This is when I started getting better at English. Eine internationale Studie bestätigt: “Our data indicate that teacher competence in the foreign language - however acquired - makes a significant difference in student outcomes.” (Carroll 1975, 277). Für Lehrer gilt: Sprachkönnen ist beileibe nicht alles. Aber ohne Sprachkönnen ist alles nichts. Reisefieber Eine Gelegenheit für die Schüler, die fremde Sprache zu leben, ist der Schüleraustausch. Rebecca verbrachte das elfte Schuljahr in den USA: This exchange year was the best thing that could have happened to me. Even though I’ve always enjoyed the English lessons at school and was quite good at English already, the things I learned whilst living in the USA I’m sure I would never have learned in a classroom. R. Natürlich ist darauf zu achten, dass die deutsche Klasse nicht immer unter sich bleibt: Fortunately we did not merely go on a sight-seeing tour but we had a special programme in the club centre every evening. We played pool billiard or did a rally, always in German-English mixed groups … I was in what one might call a kind of “England-Fieber”, trying to imitate the 52 In und mit Sprachen leben accent of the region and trying to catch as many idiomatic expressions as possible. A. Für viele ist der Aufenthalt im Sprachland der entscheidende Moment, der ihnen die Zunge löst und ihre Schüchternheit nimmt. Wer die Sprache lebt, wird sie auch lieben lernen, als wäre sie ein Stück von ihm selbst. My father had never been to Great Britain before and came to like it as well, so that the whole atmosphere in our family was very positive towards Great Britain and anything British. We used to say: “Die spinnen, die Briten; aber nett! ” Als Vorstufe zum Schüleraustausch pflegen wir Brieffreundschaften, die ebenfalls den kommunikativen Ernstfall herbeiführen. My friendship with Michelle from Tasmania increased my vocabulary considerably - the things she wrote were so fascinating and interesting that I was looking forward to each new letter I could “work” on. I’ll never forget when she wrote me she had had quite an exciting day. Looking up some of the vocabulary I found out that on that particular day the girl had shot her first snake which she had found in her dog’s hut. S. Inzwischen sind auch schon Videokonferenzen zwischen Schulklassen möglich geworden, über die man sich unter der Adresse www.global-leap. com informieren kann. Jede Kontaktaufnahme mit Menschen anderer Muttersprachen macht fremdsprachige Kommunikation real und sinnvoll. Die Schule als Lebensraum Eine andere Gelegenheit, Sprachen zu leben, bieten Internate. In den Klosterschulen lernte man lateinisch zu reden, indem man den ganzen Tagesablauf auf Lateinisch bestritt. Nichts als Latein auch beim Bettenmachen und Toilettenreinigen. Und wie ernst man das nahm! Manchmal hatten die Lehrer kleine Spione beauftragt, die ihre Mitschüler verpetzen sollten, falls einer gegen das Lateingebot verstieß. So wurde in der kursächsischen Schulordnung von 1528 für die Lateinschule zu Meißen gefordert, das die knaben lateinisch reden, und die schulmeister sollen selbs, so viel müglich, nichts denn lateinisch mit den knaben reden, dadurch sie auch zu solcher übung gewondet und gereitzt werden. (Streuber 1914, 137) Lubinus (zit. bei Eckstein 1887, 105) fasste sogar den abenteuerlichen Plan, eine lateinische Stadt zu gründen, in der nur lateinisch gesprochen wurde. Die Meister der modernen Sprachen folgten nur dem Vorbild des Lateinunterrichts, wenn sie mit Schülern, die als Pensionäre bei ihnen wohnten, bei Tisch französisch redeten. 1 Der Trarbacher Rektor Schatz (1724; zit. nach Die Schule als Lebensraum 53 Streuber 1914, 138) unternimmt Spaziergänge mit den Schülern und unterhält sich mit ihnen dabei über alles, was dem Auge entgegentritt: So würde sich durch die häufige objecta noch wohl ehender eine Gelegenheit und Materie zum discours präsentiren als wann man solche in der Schule vom Zaun brechen soll. Der Schulmeister von der Mosel hätte sich wohl über seinen Kollegen aus dem 20. Jahrhundert gefreut: It was about the time that our class had to plan an outing. Mr. H. was our class teacher and relentlessly made us put forward our suggestions in English … So two weeks later we found ourselves walking through the regional woodlands, learning all about oaks, beeches, silver birches, maples, evergreens, and ferns. Back at school we had a big barbecue with sausages, pork chops, meat-balls, rolls, salads, and jacket potatoes. I thought I had learned more words that day than in three months at school. I never forgot those words. Ch. Man kann aber auch einen Teil der Schule selbst im Rahmen eines Projekts zu einer fremdsprachlichen Zone erklären und den kommunikativen Ernstfall an zahlreichen Stationen wie Post, Bank und Kiosk simulieren (van Eunen 2006; Bietz 2011). Die moderne Tagesschule bildet einen Lebensraum, selbst wenn man da nicht die Kühe melkt. Im ganz normalen Unterricht kann vieles fremdsprachlich geregelt, kommentiert und begleitet werden, ohne selbst Übungsstoff zu sein. Denn jede Schulklasse ist eine Weggemeinschaft, die ihre eigene unverwechselbare Geschichte hat, aus der sich Gesprächsbedarf natürlich ergibt. Gerade für Einzelkinder ist sie ein seelisches Übungsfeld für das Leben auch außerhalb der Schule. Darin sieht Bohnenkamp (1975, 89) “ihre schönste Möglichkeit, die ihr Anvertrauten in das wirkliche Leben zu holen”. So ist die Schule nicht nur Vorbereitung auf das Leben, sie ist das Leben selbst. Sie bildet einen Kommunikationsraum sui generis, in dem das Gespräch wahrlich nicht vom Zaun gebrochen werden muss. Manches Erlebnis, das in der Schule selbst anfällt, kann vom Fremdsprachenlehrer genutzt und besprochen werden. Die Schüler müssen von Anfang an erfahren, dass die Fremdsprache auch für eher Privates taugt. Wie schön, wenn der Lehrer den Themen und Texten des Unterrichts eine persönliche Note geben kann: He told us everything about naturalism and existentialism; we read Camus and Maupassant. He gave us the feeling that what we said was important. We were only five pupils, all five learning French voluntarily, which created a very relaxed atmosphere. There was no pressure, no urgency in moving on speedily. He often talked about the time when he was a student in Brussels. No one was bored by his stories, but fascinated. 54 In und mit Sprachen leben He was such a good storyteller. In his lesson message-oriented communication was predominant. S. Hier gibt der Lehrer für seine Schüler das Modell eines souverän in der Fremdsprache kommunizierenden, handelnden und lernenden Menschen ab. Auch wenn Schule immer etwas Vorläufiges und Vorbereitendes an sich hat, immer können wir einiges tun, dass Sprache nicht nur gelernt, sondern auch gelebt wird. Denn wenn wir in einer Fremdsprache heimisch werden wollen, so setzt das voraus, daß wir mit ihr, in ihr ‘Welt’, Welt um uns, Welt in uns, kennen gelernt, zu verstehen gelernt, zu erleben gelernt haben. Je mehr wir in einer Sprache, durch eine Sprache, durch sie hindurch erlebt haben, desto selbstverständlicher kommt sie uns zurück, wenn wir sie rufen, tritt sie von selbst aus dem Gedächtnis in unser Bewusstsein. (Wandruszka 1982, 14) Die funktionale Fremdsprachigkeit des Unterrichts Die Experten sind sich einig: Die französische Stunde ist “unter den Klang der französischen Sprache zu stellen” (Wähmer 1914, 22). So auch das Ergebnis einer internationalen Vergleichsstudie: Students placed in a teaching situation where they use French in the classroom a substantial amount of time, and rarely the mother tongue, have a decided advantage over students in classrooms where the opposite situation obtains. (Carroll 1975, 272) Und immer wieder ist zu beklagen, dass viele Lehrer dies nicht schaffen. Wie häufig passiert gerade das, was ja alle vermeiden wollen: dass von ein paar Standardformeln abgesehen munter auf Deutsch parliert wird, solange sich das Gespräch nicht auf den Lektionstext selbst bezieht! Lob und Tadel, die Rückgabe der Klassenarbeiten, die Organisation des Stundenplans und vielerlei anderes bis hin zu den Lieblingsanekdoten aus dem Lehrerleben, all das wird muttersprachlich abgehandelt. Fast jeder meiner Studenten hat wenigstens einen solchen Lehrer gehabt, der sich auf diese Weise regelrecht gehen ließ und selbst die schönsten Anlässe, die Fremdsprache als echtes Kommunikationsmittel einzusetzen, ungenutzt verstreichen ließ. Wenn die Fotos von einer Schulfeier betrachtet und bestellt werden; wenn Geld für eine Stufenfahrt eingesammelt wird und die schriftliche Erlaubnis der Eltern einzuholen ist - alles Beispiele, die ich in den Berichten meiner Studenten finde. He only spoke English with his pupils when we worked with our books lying in front of us. V. Die funktionale Fremdsprachigkeit des Unterrichts 55 I recall four different English teachers of whom the first one never spoke English in the classroom except when it was required in the textbook. M. Class 12 had to plan their class trip and to decide whether to go at all and where. This took 30 minutes and the language the teacher chose was German. 30 minutes of valuable real communication about a topic of great interest to everyone. J. Ein Hauptübel des Fremdsprachenunterrichts! Gerade dann, wenn die Fremdsprache Medium unmittelbar wichtiger, mitteilenswerter Inhalte werden könnte, wird sie nicht gebraucht! Ein Lehrer führt Tagebuch und klagt: Far too often I lapse back into my first language. I am quite aware that the message contained in this is: if it’s business, it’s in the first language … I resolve to try to use English in the classroom more often. (Appel 1995, 87) “So, das ist jetzt sehr wichtig, ich sag’s mal auf Deutsch” - We suspected however that he lacked the necessary skills to put it to us in English. K. Es mag auch sein, dass der Lehrer die Sache nicht vorbedacht hat oder schlicht bequem war. Solche Defizite werden auch durch systematisch angelegte Untersuchungen wie die von Mitchell (1988) bestätigt, die über hundert Französischstunden an vier schottischen Schulen analysierte. Machen wir uns klar, wie sehr Unterricht selbst eine authentische Kommunikationssituation darstellt. Beispiele, Ausgangspunkt Lehrer: It’s nice to see you back. We are one copy short. Could you share your book with Bernd? No hyphen, write it as one word. A clear case of German English, probably a straight translation. Can you fill me in on what she’s just said? Let’s try singing it in another key, that was too highpitched for some of us. Tu as copié ça sur ta voisine? Avant la virgule, tu ne dois pas baisser le ton. Qu’avez-vous compris au texte? J’ai souligné d’un serpentin les fautes d’expression. Ausgangspunkt Schüler: Sorry, which question are we on? Have you by any chance …? Will these questions come up in the test? I haven’t had my turn yet. Are we supposed to work on this in groups? Thomas keeps clicking his ballpoint pen, he is driving me crazy. Perhaps I haven’t understood this properly, could you please rephrase it? I am stuck on the first word in that sentence, I can’t make it out at all. Qu’est-ce qu’on a comme devoirs? Vous m’avez compté une faute de trop. Redoubler, ce serait la catastrophe pour moi. Le prof d’anglais m’a à l’œil. 56 In und mit Sprachen leben So können wir die fremde Sprache benutzen, um die Schüler an eine “classroom courtesy” zu gewöhnen: “That’s an interesting point you’ve just made, and we will have to keep it in mind. But now I wonder what the others think about it.” “I’m pleased to see this group working so well. Thank you.” “I’m afraid this table didn’t hear what you’ve just said. Could you say it again please? ” “Would it be fair to infer from what you’ve just said that …? “ Versuchen wir, unsere Schüler über Sprache ein Stück zu zivilisieren. Sie lernen z.B., höflich abzulehnen mit “I’d really rather not …”. “Jeder wird in sich selbst die Erfahrung gemacht haben, dass der feine Ton anderer auch seiner eigenen Sprechweise zugute kommt.” (Theodor Fontane) Dabei können sie auch mit question tags und typisch englischen downtoners, understaters, hedges, cajolers usw. vertraut werden. Solche “modality markers are under-used by learners of English as compared to native speakers” (Trosborg 1987, 166). Fremdsprachige Unterrichtsführung: Sandwich-Technik und Doppelpass Soll man deshalb die Muttersprache aus dem Unterricht verbannen? Keinesfalls. Scharf gilt es zu scheiden zwischen einer funktionalen Fremdsprachigkeit und der Einsprachigkeit des Unterrichts. Einsprachig, das heißt doch wohl: muttersprachenfrei. Die fremdsprachige Unterrichtsatmosphäre wird jedoch paradoxerweise durch die gezielte, aber unauffällige Mithilfe der Muttersprache am ehesten erreicht. Wer das richtig macht, stiehlt der Fremdsprache kaum nennenswerte Zeit, kann sie viel schneller als allgemeines Verkehrsmittel des Unterrichts verbindlich machen und so eine echte fremdsprachliche Atmosphäre schaffen. Deshalb empfehlen wir, zwar einsprachig zu erklären, wo dies umstandslos funktioniert, gewöhnlich aber bilingual zu verfahren, wie folgt: Lehrer: You’ve skipped a line. Du hast eine Zeile übersprungen. You’ve skipped a line. Lehrer: I mean the last but one word. Das vorletzte Wort. The last but one word. Diese Sandwich-Technik, bei der die Übersetzung eines unbekannten Ausdrucks zwischengeschoben wird, kann man, wenn man will, sehr diskret handhaben, etwa in der Art des Beiseite-Sprechens oder des Zuflüsterns. Sie sollte eine zentrale Technik des Fremdsprachenlehrers sein, da sie ein intensives Hör-, Sprech- und Leseprogramm mit interessanten authentischen Texten überhaupt erst ermöglicht. So spielt sie bei der Dialogarbeit und beim Geschichtenerzählen eine wichtige Rolle: Fremdsprachige Unterrichtsführung: Sandwich-Technik und Doppelpass 57 Lehrer erzählt ein Märchen: And her stepmother scolded her without mercy - schimpfte sie erbarmungslos aus - she scolded her without mercy … Die Schüler tragen wichtige neue Ausdrücke - vielleicht am Ende der Stunde - in eine Extra-Kladde ein und merken sie sich, so dass sie beim nächsten Mal nicht mehr übersetzt werden. Die Sandwich-Technik des Lehrers hat ein bilinguales Gegenstück auf Schülerseite, das ich den Doppelpass (give-and-go pass) nenne. Der Schüler erfragt ein Wort oder eine Wendung oder sagt etwas auf Deutsch. Der Lehrer reagiert sofort und spielt ihm den Ausdruck fremdsprachlich zurück. Das deutsche Wort ist also wie ein Ball, den der Schüler dem Lehrer zuspielt und den er wieder zurückhaben will, damit er weitermachen kann. Whenever words that they had not yet learned came up they slipped in the German equivalent but switched back to English straight away. Mr X would take up the words or phrases at some point and teach the English expressions. In an extra exercise book the pupils wrote down these expressions and built up their vocabulary respectively. St. Keineswegs darf man ihnen jedes muttersprachliche Wort verbieten, sondern muss ihre Einwürfe aufgreifen und das fehlende Äquivalent zur Verfügung stellen: Schüler: Ich wollt das auch sagen. Lehrer: Oh, I see. In English it is: I was going to say the same. Try it, please. Schüler: Können wir mal was anderes machen? Lehrer: You mean: Can’t we do something else? Schüler: Aber ich hab doch nichts getan! Lehrer: Say: But I haven’t done anything! Demnach macht es der Lehrer im folgenden Beispiel im Prinzip falsch, obwohl er hier von der Praktikantin ein Lob bekommt: Sometimes a pupil said something in German. The teacher always answered in English. This meant that the pupils heard as many English words as possible and most of the time were able to understand what the teacher said. Example: Pupil: “Ich hab das anders.” Teacher: “What have you written? ” N. Wenn wir die Schüler anleiten wollen, selbst fremdsprachlich einzugreifen, brauchen sie den Satz “I’ve got something else/ different“. Den müssen wir ihnen zuspielen, ebenso wie repetition und hesitation gambits oder auch Ausweichmanöver: 58 In und mit Sprachen leben Sorry, I didn’t catch the last part. Sorry, I didn’t get the bit about … Sorry, you’ve lost me. What was I going to say? How shall I put it? It’s on the tip of my tongue. Sorry, I’m not comfortable with that question. Die Muttersprache ist also nicht das Problem, sondern die Lösung. Die Übersetzungen erscheinen immer in fremdsprachigen Kontexten und sind nicht mit isolierten Vokabelgleichungen zu verwechseln. Die präzise Verwendung der beiden Techniken beim ersten Auftreten eines neuen Ausdrucks hat nichts mit dem regellosen Lehrverhalten zu tun, das Solmecke so oft beobachtete: Manche übersetzen immer dann, wenn sie befürchten müssen, nicht verstanden zu werden, bemühen sich aber auch nicht sonderlich darum, sich in der Zielsprache für die Lernenden verständlich auszudrücken. Die Folge ist, dass sich auch die Lernenden keine Mühe geben, die englischsprachigen Lehräußerungen zu verstehen, weil sie ja wissen, dass im Zweifelsfall doch alles in deutscher Sprache wiederholt wird. (Solmecke 1998, 33) Ein dauerhafter Erfolg stellt sich nur ein, wenn Lehrer wie Schüler die gleiche Disziplin üben: Einmal eingeführte Redemittel müssen konsequent verwendet werden. Der deutsche Ausdruck ist nunmehr verpönt, die Muttersprache hat sich hier selbst überflüssig gemacht. Das notwendige Sich- Eingewöhnen und Verweilen in der Fremdsprache wird nicht behindert, wenn bei der ersten Sinnerfassung die Muttersprache nachhilft. Diese Scheidung von Erstsemantisierung und Verselbständigung durch Anwendung haben schon ältere Autoren vorgenommen (vgl. Butzkamm 1973, 30ff.). Ich bevorzuge die Termini identification - Sinnerfassung - und fusion-- Einschmelzung des Neuen in den vorhandenen Sprachbesitz - bei Palmer/ Redman (1969, 96f.). Hawkins (1981, 132f.; 139f.) beklagt mit Recht, dass diese wichtige Unterscheidung verloren ging. Ungewollte Nebenwirkungen einer unaufgeklärten Einsprachigkeit Die ängstliche Vermeidung der Muttersprache kann die kommunikative Qualität des Unterrichts beeinträchtigen: Both in English and in French the teachers only wanted us to use known vocabulary in our essays. We had to express ourselves using these words which we had already learned. But I often felt a real urge to say something which I could only express with a new word, which I consequently looked up in a German-English dictionary. I still remember the negative Ungewollte Nebenwirkungen einer unaufgeklärten Einsprachigkeit 59 reaction when I included these new words in my essays. I considered this to be rather ridiculous, as it merely widened my vocabulary - so why was it objected to? S. I had the same experience as documented in the lesson transcripts used by Prof. B. When our teacher gave us homework where we had to write something about ourselves and someone asked for a particular word, she always said we should use the vocabulary we knew. After a while we just invented something because we knew that she was not at all interested in what we wrote but just in grammatical correctness. In my opinion, it was a pity because especially young pupils need to feel that the teacher is not only interested in their learning progress but also in their personality and their interests. St. Anders geht’s besser. Eine Praktikantin berichtet: Now the teaching became more message-oriented. The pupils had to tell their neighbours what they had done during the week. Together with the teacher, I walked from student to student and helped them if they needed a word. The new words were written on the board, and repeated by the whole group afterwards. Both students and teachers enjoyed this very much and I received the honorary title “Wandelndes Wörterbuch”. U. Großzügig gewährte muttersprachliche Wort- und Verstehenshilfen und kommunikative Qualität bedingen einander. Immer wieder beobachten meine Praktikantinnen, dass Lehrer fremdsprachlich loben und muttersprachlich tadeln: They used their mother tongue for shouting. E.g.: “Wenn hier jetzt nicht Ruhe ist, dann setze ich euch zwei auseinander. Es reicht! ” S. Wie in nebenstehender “Notiz aus dem Lehreralltag”. It was a shame that she spoke German when she got really angry because we would have loved to learn to swear in French. S. Natürlich muss man sich auch mal Luft verschaffen dürfen. Aber: Wie unmittelbar, wie direkt, 60 In und mit Sprachen leben wie reell, wenn alles, selbst kleinere Konflikte, fremdsprachlich geregelt werden! Wie unglaubwürdig, wie wenig vorbildhaft ein Sprachlehrer, der sich hier gehen lässt? Wenn man auf Klassen trifft, die es gewohnt sind, schnell in die Muttersprache überzuwechseln, muss unsere erste Sorge sein, die sprachlichen Mittel bereitzustellen, um eine fremdsprachige Atmosphäre zu schaffen, indem man etwa eine Liste classroom phrases zusammenstellt und aushängt. Mit der Sprache werden zugleich Arbeitsroutinen etabliert, und das ist zuweilen regelrechte Knochenarbeit, aber sie macht sich bezahlt. Wenn dann laut Lehrbuch mustn’t eingeführt wird, kennen die Schüler dies schon: “I mustn’t talk when others present things.” Wenn man die Nerven behält, kann man selbst Ulks und anderen Störungen gute Seiten abgewinnen: Once the students had put a chair on the map stand and illuminated the whole thing with the overhead projector. The teacher expressed his amazement and said it reminded him of a piece of modern art, of an installation he had once seen at an exhibition. So before they had to remove the ‘installation’ the pupils had learnt a couple of new English words: modern art, installation, exhibition. B. Macht man es den Schülern zu leicht, wenn man ihnen bei Bedarf den fremdsprachlichen Ausdruck zuspielt? Lernen sie dann nie, ohne solche Hilfe auszukommen? Dafür gibt es keinen Beweis. Muttersprachliche Verstehens- und Ausdruckshilfen dienen ja dazu, die Kommunikation in der Fremdsprache fortzusetzen, statt sie abbrechen zu lassen, und das freie Formulieren in der Fremdsprache ist allemal schwer. Bald gelangt die Klasse über Routineformeln hinaus, und immer mehr gelingt in der Fremdsprache. Sobald die Kraft da ist, stellt man die Krücken von selbst beiseite. Fremdsprachlich Definieren, Paraphrasieren und aus dem Kontext Schlussfolgern braucht man nicht extra - sozusagen als Trockenübung - trainieren. Es ist ja schon ein selbstverständlicher Teil jeder Verständigungskunst. Es wird im Gespräch immer schon mitgeübt, von Kindesbeinen an. Der Wille zu überzeugen, das Ringen um Ausdruck und das Bemühen darum, seinen Gedanken die Form zu geben, die uns vorschwebt, fordern uns alle Kommunikationsstrategien ab, schon in der Muttersprache. Schüler brauchen die fremdsprachlichen Ausdrücke, nicht die Kommunikationsstrategien als solche. Die haben sie schon! So ist alles Drum und Dran des Unterrichts so früh wie möglich fremdsprachlich abzuhandeln. Funktionale Fremdsprachigkeit heißt: Die Fremdsprache ist die tragende und regelnde Verkehrssprache. Dies eben gelingt aber am besten, wenn wir die Muttersprache regelmäßig und systematisch mithelfen lassen, nicht nur im Ausnahmefall. Die Muttersprache ist hier erste Wahl. Nachdem so Ausdrucks- oder Verstehensprobleme auf Anhieb Ungewollte Nebenwirkungen einer unaufgeklärten Einsprachigkeit 61 gelöst werden, besteht der Lehrer darauf, dass künftig die fremdsprachige Wendung gebraucht wird. Die Muttersprache hat hier nichts mehr zu sagen. Sie hat ihren Dienst getan. Ich empfehle ein Fünf-Punkte-Programm: - L1 zwischenschalten (Sandwich-Technik) - Muttersprachliches aufgreifen und fremdsprachlich zurückspielen (Doppelpass) - Wichtiges Neues (was nicht im Lehrbuch steht) schriftlich fixieren - Übersicht behalten über eingeführte Ausdrücke und konsequent bei der Fremdsprache bleiben - Mit Kollegen absprechen und funktionale Fremdsprachigkeit in allen Klassen durchsetzen. Fremdsprachenlehrer brauchen in der Tat Konsequenz und Durchsetzungsvermögen: Talking English was really strange for me at the beginning, but we soon got used to it and were actually forced to try to use the foreign language as often as possible. Of course, this was not possible all the time but our teacher helped us a lot and so we soon were able to talk to each other and the teacher in English pretty well. J. 62 In und mit Sprachen leben Sprache als Nebenerwerb: Sachlernen in der Fremdsprache (Meine Methode) bildet sachenreiche Köpfe, indem sie Worte lehret, oder vielmehr umgekehrt, lehrt Worte, indem sie Sachen lehret. (Johann Gottfried Herder) Die kräftigste, wahrste, täuschungsloseste Sprache ist die unwillkürliche, die sich ergibt, wenn wir ganz selbst und ganz bei der Sache sind. (Karl Jaspers) Beim bilingualen Sachfachunterricht wird ein Schulfach in einer Fremdsprache vermittelt. Dies ist überaus erfolgreich, und zwar aus drei Gründen: 1) wegen des Zugewinns an Zeit für die Fremdsprache, 2) weil sich die Lehrer selbst dabei sprachlich fortbilden und erheblich dazulernen, wenn sie etwa Biologie oder Geographie in einer Fremdsprache darbieten müssen, 3) wegen der Perspektive auf die Sache hin: statt Sprachbestimmtheit Sachbestimmtheit. Von der Sprachbestimmtheit zur Sachbestimmtheit, das eben ist der Wechsel von sprachbezogener Kommunikation hin zur mitteilungsbezogenen, von medium-oriented communication zur message-oriented communication (Butzkamm & Dodson 1980). Statt als Spezialist fürs imparfait oder den continuous aspect zu gelten, muss man über Agrarindustrie oder Verhaltensforschung dozieren. Dabei ist Sachunterricht in der Fremdsprache, richtig verstanden, immer auch Sprachunterricht. Mitunter ist bilingualer Sachunterricht sogar der bessere Sprachunterricht. Genau genommen gibt es ihn ja seit anno Tobak, wenn man bedenkt, dass auf den Klosterschulen aller Unterricht in der Fremdsprache Latein gehalten wurde. Sonja hospitiert in einer englischen Erdkundestunde der Klasse 13 und ist begeistert: I was more than astonished. These 18 year-olds spoke about a topic which was quite difficult. They didn’t struggle for words or encounter any language barriers. If there were feelings of insecurity, they arose due to technical difficulties of the subject. It was clear that the bilingual students were linguistically far more developed than the “Regelschüler”. These students were able to use the foreign language as a means of communication … I also admired the teachers, because they did an excellent job. S. Allerdings ist auch hier - punktuell, streng dosiert - bilingual zu arbeiten. Die Schüler sollen ja auch die deutschen Fachbegriffe kennen: relief rainfall/ Steigungsregen; villein/ Leibeigener; Diet of Worms/ Reichstag zu Worms usw. Wie gut die Muttersprache als Schmiermittel die fachliche Diskussion vorantreibt, habe ich anhand einer bilingualen Geschichtsstunde an einem Hamburger Gymnasium dokumentiert (Butzkamm 1998). Der doppelte Fokus 63 Auch im normalen Fremdsprachenunterricht kann man von Anfang an mehr als nur Sprache bieten und durch sie “ein bewegteres Leben” kennen lernen. Vermeiden wir, so weit wie möglich, bloße Sprachlerntexte - also solche, die niemand eines Blickes würdigen wollte, wären sie eben nicht fremdsprachlich. Stattdessen spielen wir lustige Szenen, lauschen Märchen, tragen Gedichte vor - denn “Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts” (Hamann) -, treiben an einzelnen Wörtern Sprachgeschichte als Kulturgeschichte, lernen schauspielern und uns selbst besser zu verstehen. Oder kochen nach fremdsprachlichem Rezept. Später verfolgen wir eine Unterhausdebatte, lernen, eine Rede zu halten, ein Produkt zu präsentieren, Diskussionen zu leiten und den Vorsitz zu führen: “auf daß zugleich mit dem Sprachunterricht die Wißbegierde gefördert werde” (Wähmer 1914, 16). Stets muss die Frage lauten: Was haben wir heute gelernt - ein Stück Sprache und was noch? So geht ja auch der traditionelle Literaturunterricht weit über Sprache als Lerngegenstand hinaus. Er ist das eigentliche Ruhmesblatt des deutschen Gymnasialunterrichts. Während weltweit English as a foreign language immer stärker unter dem Diktat der Ökonomie und damit der unmittelbaren Verwertbarkeit steht, trägt hier die Beharrungskraft (Kehrseite: Unbeweglichkeit) philosophischer Fakultäten schöne Früchte. Manche Lehrer schaffen es, schon am Ende der Mittelstufe moderne englische Romane ungekürzt zu lesen und zu besprechen. Oder benutzen ins Netz gestellte Qualitätsfernsehprogramme der BBC. Die Devise kann nur sein, die fade Suppe gleichgültiger Texte ohne Tiefgang so schnell wie möglich wieder abzutragen oder gar nicht erst aufzutischen. We read a lot and enjoyed works such as The Great Gatsby, A Streetcar Named Desire, and Pride and Prejudice. We had finally arrived at a point where we could forget we were sitting in a language class. The English language was the background whereas discussion about literature and various topics was at the centre of attention. C. Im Idealfall gebrauchen die Schüler die Fremdsprache so unbefangen wie ihre Muttersprache und sind ganz der Sache zugewandt. Wir “vergessen” gleichsam, dass wir uns in der Fremdsprache bewegen. Wenn wir ganz bei der Sache sind, sind wir auch ganz bei der Sprache. Umgekehrt gilt dies nicht. Andere Fächer auf Englisch zu unterrichten ist der beste Weg, die Weltsprache Englisch nicht mehr als Fremdsprache, sondern in den Rang einer elementaren Kulturtechnik neben dem Lesen, Schreiben und Rechnen zu erheben. Der doppelte Fokus Guter Fremdsprachenunterricht ist gekennzeichnet vom geschickten Wechsel zwischen Mitteilungsbezogenheit und Sprachbezogenheit, vom Pendeln 64 In und mit Sprachen leben zwischen “eigentlichem” Kommunizieren und dem Üben, zwischen medium-orientation und message-orientation. Der Fremdsprachenunterricht lebt von der Spannung zwischen diesen zwei Polen. In mitteilungsbezogenen Episoden ist die Sprache gleichsam das Mädchen für alles, une bonne à tout faire (Jean Petit). Wir nutzen sie zur Sachinformation, aber auch für den Plausch, um Kontakt zu knüpfen, zu unserer Selbstdarstellung, zum Erzählen, um zu argumentieren, zu informieren, zu trösten usw. Solche Kommunikation ist sich selbst Lust und Lohn. Putting this at its simplest, what children use language for in school must be ‘operations’ and not ‘dummy runs’. They must continue to use it to make sense of the world: they must practise language in the sense in which a doctor ‘practises’ medicine and a lawyer ‘practises’ law, and not in the sense in which a juggler ‘practises’ a new trick before he performs it. (Britton 1972, 130) Wir verhalten uns dagegen sprachbezogen, wenn wir - ausschließlich oder vorwiegend - auf eins gerichtet sind, nämlich auf die Sprache und den Sprachlerneffekt. Ausschlaggebend für die Unterscheidung ist folglich die zugrunde liegende Redeabsicht: Sind uns die Inhalte im Grunde Nebensache und wollen wir eigentlich nur sprachlich vorankommen, gilt eine Äußerung als sprachbezogen. Haben wir aber quasi vergessen, dass wir uns im Unterricht befinden und verfolgen wir beim Reden die unterschiedlichsten Absichten, handeln wir mitteilungsbezogen. Gibt es eine Art “innerer Nötigung” (Goethe) zur Fremdsprache, wie wir sie im fremden Lebens- und Sprachkreis erfahren? Dort lebt und erwirbt man eine fremde Sprache, ohne es zu merken, “unwillkürlich und während der Beschäftigung mit andern Dingen” (Erasmus 1963, 132). Den doppelten Fokus und den Wechsel zwischen beiden illustriert sehr schön Johanna Schopenhauer. Um fünf Uhr rückte die Teestunde heran und wie durch einen Zauberspruch waren wir nun aus Schülerinnen in eine wirkliche société des jeunes dames umgewandelt. Der Teetisch wurde serviert, wie es eine solche Gesellschaft erfordert. Mamsel Ackermann präsidierte dabei auf dem Sofa und ließ unter ihrer Leitung die ältesten von uns wechselweise die Rolle der Wirtin übernehmen; die übrigen ordneten sich um den Tisch oder standen und gingen im Zimmer umher, lachten und plauderten nach Belieben, alles was sich ziemte, war erlaubt, als wäre es wirklich eine zur geselligen Unterhaltung geladene Damengesellschaft, nur deutsch reden war und blieb hoch verpönt. (Schopenhauer 1922, 96) Die Sprachschule war zugleich eine Benimmschule. Und gilt das heute nicht auch für guten Sprachunterricht, wenngleich in anderer Form? Der Lehrer muss seine eigenen Einstellungen und Redeabsichten reflektieren Der doppelte Fokus 65 und wissen, wann und warum er von einer Form in die andere wechselt. Denn die Schüler spüren, ob er’s ernst meint: Once we had to practise sentences starting with “I like to …” and “I don’t like to …” Our teacher regarded this sort of exercise not as a means of getting to know something about his pupils’ personal interests or hobbies, but as a means to make sure that we all understood the grammatical feature in question. M. It is much more effective to ask and answer “real” questions because only then one is able to forget the fact that one is learning a foreign language. This was not the case in class 11 when answering our teacher’s questions was just a compulsory exercise for us. N. Inhaltsbezogenheit per se genügt nicht, die Schüler sollen sich auch persönlich einbringen (personalization) und emotional engagieren können (ohne es zu müssen): Sometimes I even forgot I was talking English because it was more important for me to convince the teacher or a fellow student of my opinion. D. Beobachtung und Analyse haben gezeigt: Unterricht ist effektiv, wenn die der Könnensstufe angemessene richtige Mischung getroffen wird. 2 66 In und mit Sprachen leben Selbst bei einem Aufenthalt im Sprachland - und natürlich auch im bilingualen Sachfachunterricht - ist der doppelte Fokus wichtig. Zeitweilig teilen wir unsere Aufmerksamkeit. Man hört sich in die Sprache hinein, ist ganz bei der Sache und doch zugleich ein wenig bei der Sprache: Man hört auf das, worum’s geht, und doch hört man zugleich einen Konjunktiv. Oder man merkt auf, wenn ein interessanter Ausdruck fällt, den man noch nicht kannte. Man kann eben Unterschiedliches zugleich im Sinn haben. Schüler können selbst einen grammatisch überfrachteten Lehrbuchtext als mäßig spannende Geschichte lesen, und zugleich als fremdsprachliche Unterweisung. Unterricht Vom Üben zum Kommunizieren und zurück Sprachland Vom Kommunizieren zum Üben und zurück Wir schnuppern das akustische Aroma des Sprachlandes, sind für alles offen und lassen alles auf uns wirken. Zugleich begeben wir uns auch mal mit Notizbuch, Handycam und Schere zum Ausschneiden von Zeitungsartikeln bewaffnet auf sprachliche Spurensuche: The family was very nice and helpful. We got along very well and became friends very quickly. Everyone helped me and I kept a notebook in which I wrote down all the new words I had learned. I read the newspaper and watched TV. I wrote essays about films I had seen which were corrected by the mother who had been a teacher of French and sports. I had long conversations with the grandfather about politics. M. Den doppelten Fokus durchzuhalten kostet Anstrengung, aber lohnt immer: Paying attention to listening, speaking, and intercultural differences for the whole day is a very exhausting thing. You don’t acquire a language by a mere process of osmosis, you have to listen carefully and be attentive constantly and this is a very demanding thing. I have never been more tired in my life than I was during those four weeks. N. Die enttäuschenden Ergebnisse mancher Auslandssemester (zusammengefasst bei Collentine 2009) sind wohl darauf zurückzuführen, dass man sich nicht in dieser Weise anstrengt. Auch die Fossilierungen, d.h. bleibenden Fehler vieler Zuwanderer selbst nach langen Jahren im neuen Land deuten in diese Richtung. Hier mag auch die Basis fehlen, die schulischer formfokussierter Fremdsprachenunterricht liefern kann. Der doppelte Fokus sei übrigens auch Viellesern empfohlen, die noch sprachliche Fortschritte machen wollen. Tipps zur Fehlerkorrektur 67 Schließlich ist der Doppelaspekt von Kommunizieren und Üben auch im natürlichen Spracherwerb nachweisbar. Wir ahnen meist nicht, wie viel Üben auch Mutter Natur benötigt. Es fällt einfach nicht auf, weil die Kinder von selbst und mit Freude üben, so wie hier Charlotte unaufgefordert ein Wort repetiert, um sich ganz sicher zu sein: My mother tried to translate some of the Dutch bedtime stories she always read to me and which I almost knew by heart into German. On one of the tapes I hear myself say: Wat is mier in Duits? (What does ant mean in German? ) and my mother answered: Ameise! Then I repeated the word several times in a very satisfying way. Ch. Hier wurden japanische Kinder in einem englischsprachigen Kindergarten beobachtet: Children were sometimes heard practicing these formulations to themselves. On one occasion, for instance, Kazu recited “Put it away, put it away” to himself as he walked to join the story circle. (Saville-Troike 1985, 54) Kinder brauchen eben doch “practice runs”. Gerade gesprächsfreudige Eltern stellen wie Lehrer nicht nur echte Fragen, sondern auch sehr viele “didaktische” Fragen, auch “test questions” oder “display questions” genannt (Beispiele bei Döpke 1992, 83, 150). Tipps zur Fehlerkorrektur Ob und wie wir korrigieren, ist davon abhängig, ob wir gerade sprachbezogen oder mitteilungsbezogen arbeiten. Palmer (1921, 133f.) stellt zwei Arten zu korrigieren einander gegenüber: Student: And so, while I was waiting his answer - Teacher: Waiting for! To wait for! Some English verbs must be followed by for: to wait for; to ask for; to pay for; to wish for; to long for; to look for. Here, write down the list and repeat them. The student does so and continues: And so, while I was waiting for his answer, I - I - I - forget what I was saying now. Das Gespräch hätte sich aber auch so entwickeln können: Student: And so, while I was waiting his answer - Teacher: Yes, while you were waiting for his answer - Student: While I was waiting for his answer, I decided to see the other man; the man which had written me the day before - Teacher: I see, the man who had written to you the day before - 68 In und mit Sprachen leben Student: The man who had written to me the day before. In his letter he had accepted to carry on the arrangement in the way I had suggested - Teacher: Oh! He’d agreed to carry out the arrangement, had he? Student: Yes! He’d agreed to carry it out, but … etc. Direkte Korrekturen sind in mitteilungsbezogenen Episoden möglich, dort aber mit besonderer Umsicht und Feingefühl zu handhaben: Corrections have to take place at the right time and in the right amount. In some situations - like in a discussion - when it is very important for you, as a speaker, to give your opinion, corrections can be very disturbing. They are disrupting when you want to prove a point, i.e. when you are message-oriented. Sometimes you really fight with your conversation partner. If mistakes are pointed out to you in such a situation, you feel that your point was not recognized but merely the form of your statement. I. Das konnte schon dem jungen Goethe in Straßburg nicht gefallen (Dichtung und Wahrheit, elftes Buch): Die Franzosen, welche sich überhaupt eines guten Betragens befleißigen, sind gegen Fremde, die ihre Sprache zu reden anfangen, nachsichtig, sie werden niemanden über irgend einen Fehler auslachen oder ihn deshalb ohne Umschweif tadeln. Da sie jedoch nicht wohl ertragen mögen, dass in ihrer Sprache gesündigt wird, so haben sie die Art, eben dasselbe was man gesagt hat, mit einer anderen Wendung zu wiederholen und gleichsam höflich zu bekräftigen, sich dabei aber des eigentlichen Ausdrucks, den man hätte gebrauchen sollen, zu bedienen und auf diese Weise den Verständigen und Aufmerksamen auf das Rechte und Gehörige zu führen. So sehr man nun, wenn es einem Ernst ist, wenn man Selbstverleugnung genug hat, sich für einen Schüler zu geben, hierbei gewinnt und gefördert wird, so fühlt man sich doch immer einigermaßen gedemütiget und, da man doch auch um der Sache willen redet, oft allzusehr unterbrochen, ja abgelenkt und man läßt ungeduldig das Gespräch fallen. Dies begegnete besonders mir vor andern, indem ich immer etwas Interessantes zu sagen glaubte, dagegen aber auch etwas Bedeutendes vernehmen und nicht immer bloß auf den Ausdruck zurückgewiesen sein wollte; ein Fall, der bei mir öfter eintrat, weil mein Französisch viel buntscheckiger war als das irgend eines andern Fremden. “Auf den Ausdruck zurückgewiesen” werden, d.h. Korrektur bedeutet hier den Wechsel der Kommunikationsebenen, der immer dann ein Ärgernis ist und einem die Sprache verschlagen kann, wenn man eben “Bedeutendes” zu sagen hat. Tipps zur Fehlerkorrektur 69 Whenever I wanted to say what I thought about a specific passage of a text, every little grammatical mistake was corrected. What I wanted to say wasn’t important, it was only important whether there was a grammatical mistake or not. I remember that I was very frustrated because my teacher took no notice of my ideas. M. Die Kunst besteht darin, den fruchtbaren Moment abzupassen, an dem eine Unterbrechung Hilfe statt Hindernis ist. Bei sprachbezogener Arbeit, wenn das Medium selbst die Botschaft ist, also etwa beim Nachsprechen, darf jederzeit korrigiert werden. Niemals aber sollte man Fehler breittreten: Our teacher used to hand us back our test papers, which he had marked. He had made a list of “answers that qualify for execution” as he called it. He would call out a name and ask the particular pupil to read a certain passage he or she had written and correct it in front of the class. Sometimes it was very embarrassing. Once he asked me to have a look at my test and tell the others what my biggest mistake was. I had written “catched” instead of “caught” somewhere. It was a stupid mistake as I actually knew the forms of “to catch” and I couldn’t quite believe he thought it was anything else but a careless mistake. I was really upset. Ch. “Stille” Korrekturen sind als Handsignale möglich, die abgesprochen werden müssen, z.B. mit dem Daumen über die Schulter nach hinten zeigen heißt “past tense, please”. Im Übrigen wissen wir nicht, ob sorgfältige Korrekturen und Fehlerbesprechungen bei schriftlichen Arbeiten den Schülern wirklich nützen. Empirische Studien über die Wirksamkeit der Korrekturen sprechen eher dagegen. Liegt es vielleicht daran, dass man sich nicht gerne mit seinen eigenen Fehlern beschäftigt? After marking our tests, teachers used to discuss the most frequent mistakes with us. We had to do written corrections as homework, probably to become aware of our mistakes and to make sure that they wouldn’t happen again. This was not the kind of homework that I liked and so I always tried to spend as little time on it as possible by doing it carelessly. R. Dagegen sind prompte, überzeugende Hilfen für den Schüler in Ausdrucksnot wichtig. Jeder kennt das frustrierende Gefühl, einen wichtigen Gedanken in einem Gespräch nur ganz unvollkommen und verstümmelt formuliert zu haben, und ist dankbar für eine kurze Hilfe, die einen weiterbringt. 70 In und mit Sprachen leben Richtig üben - lebendig kommunizieren: Analysen Üben und Kommunizieren sind die Wesensmomente des Fremdsprachenunterrichts. Es kommt auf das Mischungsverhältnis an. Das Hauptproblem des Unterrichts: nur so viel üben wie nötig. Der Hauptfehler des Unterrichts: zu vieles und wenig effektives Üben. Das Resultat: Die um das Üben sich herumlagernde Kommunikation ist kümmerlich, befriedigt niemand so recht, ist nur sporadisch oder findet mitunter gar nicht statt. Woran erkennt man nun, dass Unterricht erfolgreich ist und die Schüler genug Sicherheit und Selbstvertrauen besitzen, um sich fremdsprachlich zu artikulieren? Etwa daran, dass Schüler sich spontan in der Fremdsprache an oder gegen Mitschüler wenden, statt zum Lehrer hin zu sprechen oder überhaupt spontane Einwürfe fremdsprachlich äußern. Es folgen ein paar persönliche Notizen aus dem Deutschunterricht für frankophone Schüler (Lycée Montaigne, Paris): Schüler kommentieren neuen Lektionstext, sagen ihre Meinung zum Inhalt: Schüler (Junge, beurteilt eine Lehrbuchfigur): Und sie ist ein typisches Mädchen. Schüler (Mädchen, das glaubt, sich wehren zu müssen): Und du bist ein typischer Junge! Hier reagiert ein Schüler spontan auf einen anderen. Im vorausgegangenen Lektionstext kam die Äußerung vor: “Typisch Mädchen! ” Der Schüler benutzt dies, versteht es dabei, das Wort grammatisch richtig einzubinden und dem eigenen Ausdrucksbedürfnis gefügig zu machen. Thema Fußball. Lehrer: Und wie nennt man “remplaçant”? Schüler: Ersatzspieler. Schüler (zum Vertretungslehrer): Und Sie sind der Ersatzlehrer. Spontaner Einwurf in der Fremdsprache. “Ersatzlehrer” ist wahrscheinlich für den Schüler eine Neuschöpfung, wie sie auch schon Kleinkinder produzieren, sobald sie intuitiv Wortbildungsregeln erfasst haben. Lehrer: Morgen bin ich nicht da, aber Freitag bin ich da. Schüler: Schade! (unklar, worauf sich der Zwischenruf bezieht, wohl auf das Dasein am Freitag, also spöttisch gemeint) Lehrer: Du hast “schade” gesagt, das vergess ich nicht (spöttische Warnung). - Für nächste Woche habt ihr einen Aufsatz zu schreiben. Schüler (Zwischenruf): Das Thema? Richtig üben - lebendig kommunizieren: Analysen 71 Belebendes Geplänkel zwischen Lehrerin und Schüler, das den Unterricht auflockert. - Während einer Strukturübung: Lehrer: Ich habe heute Geburtstag. Hast du ein Geschenk für mich gekauft? Schüler (erwartete Reaktion nach dem Drillschema): Nein, ich habe kein Geschenk für Sie gekauft. Schüler (bricht aus dem Drillschema aus): Ich habe zwei Geschenke gekauft. Schüler: Ich habe ein Geschenk für Sie. Ich lerne immer meine Lektion. Schüler: Ich habe ein Geschenk gekauft. Aber ich habe es zu Hause vergessen. Die Lehrerin produziert einen bloßen Übungssatz, sie hat ganz gewiss nicht morgen Geburtstag und erwartet auch kein Geschenk von den Schülern. Sie tut bloß als ob, ist also sprachbezogen. Aber die Schüler (abgesehen vom ersten) nehmen sie gewissermaßen beim Wort, sie spielen jedenfalls mit dem Satz, bringen eigene Ideen ein. Sie zeigen Bereitschaft, mitzumischen und mehr zu sagen als absolut notwendig. Nach der Tonband-Präsentation des neuen Textes. L: Warum habt ihr gelacht? S: Ich habe gelacht, weil ich die Geschichte sehr lustig finde. S: Die Lektion ist lustig, weil Klaus ironisch ist. Die Lehrerin stellt eine echte (? ) Frage und bekommt ehrliche Antworten: Mitteilungsbezogenheit statt Sprachaufmerksamkeit. L (nach der Stunde): Bringst du das Tonband für mich weg? S: Na gut. Klassengeschäfte und Organisatorisches werden selbstverständlich fremdsprachlich geregelt. - Hier, im Englischunterricht einer sechsten Realschulklasse, wird’s falsch gemacht. Der Fehler besteht nicht nur darin, die Hausaufgabe auf Deutsch zu stellen, sondern das Thema “Taschengeld” als bloße Sprachaufgabe zu betrachten: L: Und jetzt noch schnell die Hausaufgabe. Jeder schreibt auf, wie viel Taschengeld er monatlich bekommt und wie er es für seine Freizeitaktivitäten ausgibt. S: Was heißt “sparen”? L: Du kannst nur Sachen nehmen, die du selber auf Englisch kennst. Die Anweisung, sich ans Lehrbuchvokabular zu halten, vernichtet jeden Ansatz zur Mitteilungsbezogenheit. Üben und Kommunizieren lösen einander ab, wobei naturgemäß das Kommunizieren einen ständig wachsenden Anteil übernehmen sollte. 72 In und mit Sprachen leben Manche Übungen erlauben kurze Ausflüge in einen ernst gemeinten Informationsaustausch. Wir brechen aus der Übung aus und wagen kommunikative Ausbrüche oder Zwischenspiele. Etwa bei einer Übung zum present progressive. Die Schüler sollen sich vorstellen, was jemand, der nicht anwesend ist, in diesem Augenblick gerade tut. Da kann man einhaken: Pupil: My sister is doing a test in class 9b. Teacher: Is your sister a pupil of this school? Pupil: Yes, she is. Teacher: What test is she sitting? Pupil: A maths test. Teacher: So she is sitting a maths test right now? I hate maths. Do you like maths? Jede Grammatikübung, die freies Sätzebilden durch die Schüler einschließt, bietet solche Gelegenheiten. Im Folgenden haben die Schüler das Passiv geübt: Finally, the pupils were to produce their own sentences which provided potential for some short communicative interludes. A pupil said: “At school, pupils are tortured by teachers.” The teacher grabbed this chance and asked: “Do you feel tortured by your English teacher, too? ”, to which the pupil responded, “Eh, … perhaps sometimes I am tortured by you … (laughter). No, you are a nice teacher, and I am tortured by our geography teacher.” S. Diese Lehrtechnik (vgl. Kap. 9) wie auch unsere “Spontanreaktionen” (s.u.) sind geradezu auf kommunikative Zwischenspiele angelegt. Der Lehrer liegt schon auf der Lauer! Die Krönung des Unterrichts ist das Gespräch, in dem wir uns einander aufschließen, auf die Sachen losgehen, die uns berühren, unsere Standpunkte klären. Im Unterricht arrangierte Konversation ist immer auch eine Konversationsübung. Manche meinen: Entweder man übt, oder man führt Gespräche, die wir uns möglichst anregend, lebendig und unterhaltsam wünschen. Für den Unterricht gilt das nicht: Das Wort “Konversationsübung” ist kein Widerspruch in sich, sondern Programm. Denn das Gespräch muss nicht nur sprachlich vorbereitet sein. Auch während des Gesprächs müssen immer wieder sprachliche Hilfen gegeben werden, darf man sich kurze “Auszeiten” nehmen, um sich auf die Sprache zu konzentrieren und Redemittel bereitzustellen: Augenblicke des Übens, seien sie noch so kurz. So gibt es beides: den (sehr) kurzen Rückzug aus dem engagierten Gespräch ins Üben und Ausflüge aus dem Üben in die Kommunikation. Wir wollen ja nicht nur etwas klüger werden und die Welt und uns darin besser verstehen, sondern zugleich an Ausdrucksfertigkeit zunehmen. Die Kunst besteht darin, das Üben und Kommunizieren in ein rechtes, d.h. den jeweiligen Umständen entsprechendes Verhältnis zu bringen. Auf eine Prüfliste: wie kommunikativ ist mein Unterricht? 73 Formel gebracht: Richtig üben, lebendig kommunizieren, beides aufeinander beziehen und auch mischen können. Alarm: Mitteilungsbezogenheit findet nicht statt! Up to class 11, they used German as the language for nearly all conversation. There are a few English sentences which I can still remember, e.g. ‘Let’s have a look at page six’, ‘Open your books at page x’ or, when doing an exercise, ‘What can we see in picture number x? ’ Classroom organization, handing back tests, organizing study trips and so on, were all carried out in German. D. Once, for instance, he showed us an endless series of slides from numerous summer holidays in France. I mean, that was not really boring, but I will never understand why he decided to give all his explanations and anecdotes concerning the slides in German! S. Einfach ins Deutsche verfallen? Das müssen sich Lehrer und Schüler abgewöhnen, wie das Rauchen. Wenn die Schüler beim eingeführten Lehrbuchvokabular bleiben sollen, mag’s weniger Fehler geben. Aber: Auf der Strecke bleibt echte Kommunikation. Der Lerner selbst mit seiner Geschichte, den eigenen Wünschen und Vorlieben wird nicht sichtbar. Die tatsächlichen Hobbies werden nicht genannt, ebenso wenig wie die wahren Berufe der Eltern. “It was quite funny to hear that most of the pupils’ parents were mechanics and secretaries”, berichtet Cornelia aus ihrem Deutschunterricht in England, wo man auf die Rahmenvorgaben der Examensbehörden blickt wie das Kaninchen auf die Schlange und kein Jota davon abweicht - mit verheerenden Folgen. Nach meiner Einschätzung hat man durch solche Fehler in der Unterrichtsmethodik ganze Schülergenerationen für die Fremdsprachen verdorben. Der Guardian zitiert eine Lehrerin: The German GCSE is quite easy compared to the equivalent English exam in Germany. The semantics and nuances are ignored and pupils can generally pass by learning sentence-starters and stock phrases by heart. ( G UARDIAN E DUCATION , 5.11.2002, 3) Prüfliste: wie kommunikativ ist mein Unterricht? So ist’s richtig, Schüler und Lehrer spielen einen zielführenden Doppelpass: This teacher taught English in our first two years and I remember a situation in the second year when she was standing in front of the class with the zipper of her trousers open. A boy asked her: “What is ‘Reißverschluss? ’ in English? ”, and she answered: “It means ‘zip’.” And the boy 74 In und mit Sprachen leben replied: “Mrs T., your zip is open”. This, I think, shows how some of us tried to use English in our everyday language, although it did not always work out. S. Mrs C. was our form-teacher, too. Things such as organising outings, collecting money, electing a class representative and - as far as possible - complaining about too much homework in other subjects, trouble with other teachers and how to settle it, were usually mastered in English. N. Die funktionale Fremdsprachigkeit des Unterrichts ist machbar - wenn wir die Muttersprache geschickt mitspielen lassen und ebenso geschickt zwischen medium-orientation und message-orientation zu pendeln verstehen. Dass es allein auf Mitteilungsbezogenheit ankomme, ist der naturmethodische Denkfehler, der kommunikative Trugschluss. Das Üben darf nicht aus dem Unterricht verschwinden, müsste aber wohl im Allgemeinen zugunsten der Mitteilungsbezogenheit reduziert werden. Die folgende Prüfliste kann helfen, die kommunikative Qualität des Unterrichts einzuschätzen: - Wo, wie und wie oft wird die fremde Sprache zum Medium für “serious utterances” (Searle)? - Wäre das Gespräch/ die Aufgabe noch interessant und wichtig, wenn es in der Muttersprache erfolgte? - Wann sind die angesprochenen Inhalte bloß ein Vorwand für das Einüben von Formen, und wann nicht? - Woher stammen die Inhalte? Entnimmt sie der Schüler einer Textvorlage oder spricht er in eigener Sache? Spricht er auch von sich (personalization)? - Woher stammen die Wörter und Wendungen, die er gebraucht? Entnimmt er sie unmittelbar einer Vorlage oder formuliert er mehr oder weniger frei? - Verfügen die Schüler über geeignete Wörter und Wendungen, um den Unterricht mitzugestalten? Ist mein eigenes Repertoire von classroom phrases reichhaltig genug? - Kann ich unerwartet auftauchende reale Sprechanlässe beim Schopf ergreifen und Probleme fremdsprachlich regeln? - Welche Aufgaben kann ich wie abändern, so dass sie für die Schüler an Authentizität/ Mitteilungsbezogenheit gewinnen? - Wann stört eingeschobenes sprachliches Korrigieren und Üben den Gesprächsfluss? Geht die Mitteilungsabsicht des Schülers darüber verloren? - Umgekehrt: Wann ermöglichen solche Einschübe erst die sichere Fortführung des Gesprächs? - Werden Schüler auch spontan in der Fremdsprache initiativ? (Es klingelt, der Lehrer aber macht weiter. Schüler: “The lesson is over”.) Praxisvorschläge 75 - Wann, wo und wie oft wenden sich Schüler in der Fremdsprache direkt an einen Mitschüler? Oder nehmen alle den Umweg über den Lehrer? - Tonfall, Mimik, Gestik: Wann sprechen die Schüler so natürlich und auch mit der Intensität, wie sie es in der Muttersprache tun? 3 Je mitteilungsbezogener der Unterricht ist, desto mehr besteht die Gewähr, dass sich die Schüler auch außerhalb des Unterrichts bewähren. Denn das Ausmaß der Lernübertragung wird davon bestimmt, wie sehr sich Lernsituation und Anwendungssituation gleichen. Praxisvorschläge Reden im Gehen, Reden im Stehen “Nur die ergangenen Gedanken haben Wert”, meint Nietzsche. So greifen wir Thierings Vorschlag (1996, 13) auf: Wir üben Englisch im Gehen. Albern? Man probiere es aus. Ohne zu sagen, worauf das Ganze abzielt, verteilt man an die eine Hälfte der Lerngruppe gut lesbare Kurzgeschichten zur häuslichen Lektüre mit der Auflage, sie zur nächsten Stunde zusammenfassen oder wiedererzählen zu können. In dieser Stunde dann macht die Lerngruppe einen Spaziergang nach draußen, und zwar a tempo … Während dieses Spaziergangs, bei dem keiner stehen bleiben darf, erzählt die eine Hälfte der Teilnehmer jeweils einem Mitlernenden aus der anderen Hälfte die gelesene Geschichte. Rückfragen des Zuhörers, Einwürfe, Kommentare usw. sind erlaubt und erwünscht … Man achte bei der Durchführung auf das vorgegebene Gehtempo und lasse möglichst jemand als Schlusslicht mitgehen, der immer wieder zum Anschluss an die Gruppe mahnt. Mancher Teilnehmer lernt neu gehen. Die Koordination zwischen einer verhältnismäßig unbewusst ausgeübten Tätigkeit, wie sie das Gehen auf ebenem Grund darstellt, und dem die ganze Konzentration erfordernden Englischsprechen will gemeistert sein. Man wird bei dieser Übung aber ebenso die Beobachtung machen, dass eine Reihe Lernender in der Bewegung weitaus größere sprachliche Wendigkeit entwickelt als an ihrem Stammplatz am Tisch. Simpel, aber man muss erst darauf kommen. Wir haben es mehrfach ausprobiert, in Realschule, Gymnasium und Berufsschule, und auf einer DVD dokumentiert (MELT; Siebold 2004). Ein Lehrer wählte mit Bedacht einen Text über friendship, love, and sex aus, ein Thema, das man nicht gerne coram publico, sondern lieber mit ausgewählten Freunden bespricht. Obwohl es nieselte, versammelte er die Schüler auf dem nahen Sportplatz, und sie gingen zu zweit oder dritt einmal um die Bahn. Die meisten hätten 76 In und mit Sprachen leben sich an die Devise gehalten: No German! Auch Themen wie “A good party”, “My most treasured object” und “Childhood holiday experiences” kamen gut an. Sie wurden in der Klasse kurz vorgestellt, dann wurden die Schüler auf den Schulhof oder in die Parkanlagen geschickt, abschließend weiterer Austausch im Klassenplenum. In allen Klassen freuten sich die Schüler über die ungewöhnliche Arbeitsform, genossen die Bewegung im Freien und betonten die Gelegenheit, Englisch ohne Druck und Lehrerpräsenz zu verwenden. Englisch im Stehen: Wir erinnern an Speaker’s Corner im Hydepark. Also steigt ein Schüler auf einen Stuhl und hält eine flammende Rede. - Eine verwandte, besonders durch Moskowitz (1978) bekannt gewordene Arbeitsform stellen mingles dar. Die Schüler stehen im Klassenzimmer herum und suchen sich einen Gesprächspartner nach dem anderen aus. Von diesen holen sie Informationen ein, die sie in ein Arbeitsblatt eintragen. Verschiedene interviewartige Aufgaben sind möglich. Sehr gut funktioniert Moskowitz’ (1978, 50) “Search for someone who: jogs, likes spinach, talks to plants …” etc. Bei der Arbeit reden Arbeitsbegleitendes Reden lässt sich auch in der Schule arrangieren. Once we made a Salade Niçoise. The lesson before we had decided who had to bring the onions, the tuna, the French beans etc. Then we prepared the salad as it was described in our course-book. Again, we spoke only French and it worked well. G. Allerdings, die Idee allein genügt nicht, und das Organisatorische kann man gewöhnlich nicht aus dem Ärmel schütteln. Ob man mit dreißig Schülern kochen kann oder nur mit einem kleinen Oberstufenkurs? Die Kernfrage ist: Wo bleibt am Ende der sprachliche Ertrag? At the end of the ninth class we had a project day. In our textbook we had read something about London and the variety of different ethnic groups in this town. Among other things there was a recipe for Indian curry. In our school there was the possibility to cook something and so we decided to cook this dish. Everyone can imagine the chaos we produced with 30 pupils since nobody had ever cooked anything like this before. Moreover, our teacher’s intention to speak English all the time increased the chaos … At the end the rice was so sticky that it tasted like nothing and the meat was tough. In addition we put too much curry on the dish so that it burned like fire in our mouths. All in all it was a catastrophe but we were too proud to admit it and so we ate this stuff and nobody said a word against it. We never cooked again but when someone asked me or another classmate about the “cooking-day” we praised it to heaven. A. Praxisvorschläge 77 Anscheinend muss doch vieles fürchterlich schiefgehen. Ich kenne allein zwei Romane, Mahlmanns Pestalozzis Erben (1997) und Orths’ Lehrerzimmer (2003), in denen solche Versuche “handlungsorientierter” Englischlehrer satirisch ausgebeutet werden: Der Sprachumsatz tendiert zu Null. Überzeugend dagegen in der Verknüpfung von Sprache und Tun ist der Bericht über die Zubereitung echter amerikanischer Hamburger in einem Abendkurs einer französischen Firma (Klyhn 1976). Eine Einkaufsliste muss erstellt werden, nachher muss abgerechnet und umgelegt werden, die Hamburger müssen zubereitet und natürlich auch gemeinsam verzehrt werden. Das alles kann mit recht einfachen Strukturen bewältigt werden: We’ll need some ___________. You need to How much? / How many? slice the tomatoes the onions I’ll bring separate the lettuce a bottle of ______________ cut the bread a pack of _______________ slice the pickles a jar of _________________ spread the mayonnaise some ___________________ the mustard two ____________________ pour on the ketchup a large one/ two small ones. form the meat into patties put a slice of cheese a lettuce leaf a slice of tomato on the bread onion pickle I spent 4 francs 50. What did you spend it on? I spent 2 francs on a jar of mustard and 2 francs 50 on onions. I spent more/ less than Henri. Gespräche leiten: Lernen durch Lehren Gespräche leiten ist eine der Hauptaufgaben des Lehrers. Warum diese nicht öfter an die Schüler abtreten? Auch hier können wir für das Leben üben: LdL (Lernen durch Lehren). Schon die Sprachmeister früherer Jahrhunderte setzten Schüler als Lehrassistenten ein, und sei es nur zum Vokabelabfragen. Für Schüler, die in die Lehrerrolle schlüpfen und Verantwortung übernehmen, ist der “kommunikative Ernstfall” eingetreten. Unser Vorschlag: Das als Gesprächsleitung fungierende Schülerpaar bespricht mit der Klasse einen Text anhand von Verständnisfragen in Form von Ankreuzaufgaben, die zu Hause erledigt wurden. Voraussetzung ist, dass der Lehrer diese Arbeitsform mehrfach mit der Klasse erprobt hat. Erst 78 In und mit Sprachen leben dann bekommt ein Schülerpaar die Aufgabe, den Lehrer bei der Behandlung eines neuen Textes abzulösen. Sie bereiten sich zu Hause darauf vor und bekommen dazu vom Lehrer eine Liste von speziellen classroom phrases. Im Unterricht selbst händigt ihnen der Lehrer das Lösungsblatt aus. Die Aufgabe der Gesprächsleitung besteht darin, den Text gut vorzutragen und anschließend die Testitems mit der Klasse durchzusprechen. Der Witz an der Sache sind die Multiple-Choice-Fragen, die einen Leitfaden liefern, mit dessen Hilfe man den Text Schritt für Schritt durchgeht. Hierbei kommt es darauf an, auf Textstellen zu verweisen, die zur Lösung führen. Diese Aussagenkerne kann man schon zu Hause markieren. Hilfreich ist dabei, dass es jeweils eine Lösung gibt, die die Gesprächsleiter ja kennen und auf die sie zusteuern können. Das gibt Sicherheit. Soweit vorhanden, können wir den “neuen Kollegen” zur gründlicheren Vorbereitung neben dem Text auch eine Audioversion mit nach Hause geben. Außerdem sollen sie sich anhand einer Liste einige Standardformulierungen merken, mit denen man seine Mitschüler auffordert, genau nachzuschauen, Textstellen zu zitieren usw. Viel kommt darauf an, dass die ersten Versuche gelingen, d.h. sowohl den Schüler in seiner Lehrerrolle als auch die Klasse zufrieden stellen. Beide Teile müssen auf ihre Kosten kommen. Handle with care! Denn es gilt hier wie überall: Nothing succeeds like success. Es ist auch anzunehmen, dass die Klasse ihre Mitschüler in ihrer neuen Aufgabe nicht hängen lässt und sich lebhaft beteiligt. Classroom phrases for dealing with multiple choice questions sind abrufbar unter http: / / www.lustzumlehren.francke.de. Vortragen: Unterricht als Redewerkstatt Wir üben die Fähigkeit, sachkundig in ein Thema einzuführen und anschließend Fragen zu beantworten, also (1) die vorbereitete Rede mit einem fertigen Manuskript (als Übergangsbehelf für den Beginn), (2) die Rede mit Notizen oder Powerpoint-Folien und (3) die Stegreifrede. Schon in der Unterstufe erarbeiten Schüler kleine Reden zu einem Thema ihrer Wahl. Die Stegreifrede zu einem vorgegebenen Thema kann mit der bekannten Lerntechnik Think - pair - share wie folgt angegangen werden: Jeder bearbeitet das Thema eine Minute lang erst einmal für sich. Danach tauscht er sich mit einem Partner aus, vielleicht auch noch mit einem weiteren, um dann vor das Plenum zu treten. Nachdem schon einige Erfahrungen gewonnen wurden, kann man dieses Arbeitsblatt besprechen: Consider the following points: 1. You need a kind of introduction to catch your listeners’ attention. a) You might consider starting with a question Praxisvorschläge 79 b) or with a joke (win the audience over to your side). c) Produce or show an item, a photo, statistics. 2. Now begin with your actual talk. a) Form short sentences, be precise. b) Develop your thoughts step by step. c) Include facts, background information, the history of your topic or product. d) The advantages of your product or the purpose of your talk has to be made very clear (weaknesses, disadvantages can be mentioned as well). e) Don’t forget to include a joke, a funny story, a brief anecdote to hold your listeners’ attention. f) To advertise a product or an idea you may exaggerate, so use superlatives! 3. Come to an end quickly. a) Don’t waffle! b) You may use repetition to convince your audience of your idea or your product. c) You should sum up your main ideas in one or two sentences and then come to a conclusion. Remember: Deliver your speech with confidence. a) Look at your audience. b) Stand upright. c) Use your hands to support your ideas, but don’t overdo it! d) Don’t always look at your notes - a speech given without notes is much more impressive! e) Rehearse your speech in front of a mirror. (aus Hermes 1991, 270) Später kommt so etwas wie Rhetorik-Schulung dazu. Die Schüler werden auf bestimmte Redefiguren aufmerksam, etwa auf die Anaphora in der berühmten Rede Martin Luther Kings 1963 in Washington. Immer wieder wird der Satzanfang “I have a dream …” wiederholt. Wort, Mimik, Gestik, Haltung, Kleidung sind konstitutive Bestandteile der Ausstrahlung einer Redner-Persönlichkeit. Besprochen wird auch, wie man seine Nervosität in den Griff kriegt. Wir üben also die Kunst des freien Vortrags nicht nur im Deutschunterricht. Nach entsprechender Schulung gilt auch für die Fremdsprache: Wer die Sache fest im Griff hat, dem mögen die Worte schon einfallen: rem tene, verba sequentur. Darüber hinaus könnten unsere Schüler die Gelegenheit bekommen, als Vorsitzende eine Tagesordnung abzuarbeiten, z.B. eine Sitzung zu eröffnen und abzuschließen, einen Punkt aufzurufen und zur Diskussion zu stellen, Beschlüsse zu fassen, abstimmen zu lassen. Bilinguale 80 In und mit Sprachen leben Listen entsprechender Phrasen sind abrufbar unter http: / / www.lustzumlehren.francke.de. Jugend debattiert Die formale Debatte ist gekennzeichnet durch Redefreiheit innerhalb einer festen Struktur. Die Encyclopaedia Britannica definiert: “Formal confrontation between two teams who present arguments to support opposing sides of a question … The topic is stated as a positive resolution - for example, “Resolved: Strikes should be outlawed”; two teams, usually of two members each, argue for and against the resolution …” Englische Debattierklubs blicken auf eine lange Tradition zurück. Inzwischen finden alljährlich unter großem Interesse der Öffentlichkeit nationale und internationale Redeturniere mit Preisverleihungen statt. Die dreizehnte World Universities Debating Championship mit über 170 Zweierteams aus vielen Ländern wurde 1992 in Oxford nach britischen Regeln wie folgt ausgetragen: Each team will engage in at least nine debates, with 15 minutes’ notice of the motion, during the preliminary rounds. The best four teams will meet in the final. The championship aims to promote debating by reasoned argument and all debates will be judged according to prescribed criteria. Each team is allowed 14 minutes, seven for each speaker. There will be four teams in each debate. Judges will look for strategy, content and style. Strategy includes teamwork where the two speakers complement, not duplicate, each other’s arguments; rebuttal, where speakers include points made by their opponents; and points of information. Rehearsed speeches, which ignore the opponents’ cases, are heavily penalised - the object of the contest is to encourage competitors to think on their feet. Content is concerned mainly with the clear, logical and cogently expressed presentation of selected evidence. Style covers not what is said, but how it is said - language, fluency, oratorical skill and rapport with the audience. ( T HE O BSERVER , 22.11.1992) Englischlehrer, die diese Tradition kennen, haben die Idee auch an deutschen Schulen eingeführt, vielleicht in Anlehnung an Heuer (1967): On my first day he arranged a ‘debating society’. As topic he chose “Should cars be banished from our streets? ”. Lots were drawn to see who were the leaders and I became the leader of the pro-car party. My group and I were asked to think about arguments for keeping cars. It was my task to present and discuss them with the leader of the anti-car party. I am still not a fan of spontaneous discussions in which I am the leader - especially in a foreign country, in a foreign language and in front of Praxisvorschläge 81 people I have never seen before. But after a short moment of settling down and hands soaked with sweat, I managed the situation well. All of a sudden words came to my mind and as it was a lively discussion I did not have the time to think about my answers and arguments for very long. But somehow this was not even necessary because in this moment I completely forgot about my mother-tongue. N. Mittlerweile haben deutsche Stiftungen die Idee aufgegriffen und ähnlich wie “Jugend forscht” und “Jugend musiziert” für Schulen ab Klasse 8 einen nationalen Wettbewerb “Jugend debattiert” ins Leben gerufen, mit folgenden Regeln: Eine Soll-Frage wird gestellt, die nach einer konkreten Maßnahme fragt, nur mit Ja oder Nein beantwortet werden kann und daher kontrovers zu diskutieren ist: Sollen Lehrer durch Schüler benotet werden? Es debattieren immer vier Personen, und die Debatte ist dreiteilig. In der Eröffnungsrunde beantwortet jeder Debattant die Debattenfrage aus seiner Sicht, ungestört durch die anderen. Zwischenfragen sind nicht erlaubt. Jeder bekommt dafür zwei Minuten, so dass die Runde insgesamt acht Minuten dauert. Daran schließt sich eine zwölfminütige “Freie Aussprache” an. Die Debattenbeiträge werden im freien Wechsel fortgesetzt, die Reihenfolge müssen die Debattanten unter sich aushandeln. In der Schlussrunde reden die Debattanten wie in der Eröffnungsrunde, jedoch jeweils nur noch eine Minute. Ein Zeitnehmer überwacht die Einhaltung der Redezeiten mit einem Glöckchen. Fünfzehn Sekunden vor dem Ende wird einmal geklingelt, am Ende zweimal. Das Überschreiten der Zeit wird durch Dauerklingeln unterbunden. Bewertet wird in Punkten (0-5) nach vier gleichgewichtigen Kriterien: Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit, Überzeugungskraft. Weitere Informationen finden sich unter www.jugenddebattiert.de/ , www.schoolsdebate.com und bei Wikipedia. Eine dritte Form wird als Amerikanische Debatte bezeichnet, bei der sich Antragsvertreter und Antragsgegner in zwei beliebig langen Reihen gegenübersitzen (Halberstadt 1974, 116), d.h. die ganze Klasse könnte in zwei Teams aufgeteilt werden. Es gibt kein Publikum, nur einen Vorsitzenden und Schiedsrichter. Zuerst wird die These vorgetragen und begründet, entsprechend verfährt der Gegenredner. Das zweite und alle nachfolgenden Rednerpaare sollen jedoch auf die Argumente des jeweiligen Vorredners eingehen mit dem Ziel, sie zu entkräften, zu widerlegen oder ad absurdum zu führen. Jeder nachfolgende Beitrag sollte also zunächst eine Erwiderung darstellen. Hier könnte man zumindest vorübergehend zur Regel machen, das gegnerische Argument aufzugreifen, ja knapp zu wiederholen (! ). Erst dann darf man zu weiteren Argumenten fortschreiten. Die Reihenfolge der Beiträge liegt durch die Sitzordnung fest. Bei kleinen Teams sind mehrere Durchgänge möglich. Jede Meinungsgruppe bereitet das Thema getrennt vor, sammelt Argumente für ihre Ansicht, aber auch Gegenargumente, um sie besser entkräften zu können. 82 In und mit Sprachen leben Natürlich kann man auch alle Formalismen beiseite lassen und mit der Klasse so anregende Fragen besprechen wie folgende von Walker Percy (1954): Why does man feel so sad in the twentieth century? Why does man feel so bad in the very age when, more than in any other age, he has succeeded in satisfying his needs and making over the world for his own use? What would man do if war were outlawed? Why do people driving around on beautiful Sunday afternoons like to see bloody automobile wrecks? Spontanreaktionen und der fruchtbare Moment Das Sprachspiel “Spontanreaktionen” eignet sich gut als Stundenauftakt. 4 Der Lehrer macht eine Äußerung (meist nur einen Satz), auf die der Schüler sinngemäß reagiert, so als ob die Äußerung ernst gemeint sei. So macht er aus dem zugeworfenen Satz, besser: der zugeworfenen Idee, eine Situation. Die Situation, auf die zu reagieren ist, wird also nicht wie üblich beschrieben (“Du bist im Restaurant und willst dir etwas bestellen …”), sondern durch eine Äußerung direkt präsentiert. Dabei hat der die Äußerung vorgebende Lehrer Augenkontakt mit der Klasse, setzt mimische und gestische Mittel ein und bemüht sich vor allem um die passende Intonation. Obwohl es sich nur um einen einzelnen Satz handelt, kann man sich gewöhnlich sofort die dazugehörige Situation vorstellen und auf sie reagieren. Denn die Vorgabe wird als ein Sprechakt aufgefasst, dem wir einen ganz bestimmten Sinn unterstellen können. Der Lehrer könnte die Übung wie folgt vorstellen: Teacher: “I’ll say something to you. It could be anything. Try to understand the situation or context behind what I’m saying, because you are to say something in response that makes sense and fits in. Don’t just say ‘Yes’ or ‘No’ or ‘What? ’, because you want to show what you can do in English. I might say, for instance: ‘Let’s play football’. You could say in return: ‘That’s a good idea’ or: ‘But I want to watch TV.’ Or: ‘Can’t you see that I’m doing my homework.’ Or: ‘All right. I’II be ready in five minutes.’” Es sind die intonatorischen und non-verbalen Mittel, die bei geeigneten Stimulussätzen den Ausschlag geben. Damit’s alle kapieren, kann man es erst einmal muttersprachlich durchspielen. “Mensch, das ist aber ärgerlich”, gibt der Lehrer vor. “Was könntet ihr euch dabei denken? Oder besser: Wie könntet ihr darauf reagieren? ”. Sofort kommen die Reaktionen. Einer will beschwichtigen: “Nimm’s nicht so tragisch.” Ein anderer ist überrascht: “Wieso? Was ist denn so ärgerlich? ” usw. Unser Sprachspiel bietet auch Gelegenheit, das Gespräch in Richtung Mitteilungsbezogenheit zu verschieben. Der Lehrer merkt, dass eine Schü- Praxisvorschläge 83 lerreplik weiterführen könnte. Er nimmt nun seinerseits den Ball auf, den ihm der Schüler zugeworfen hat, und so können halbernste oder auch echte Gespräche entstehen. Die folgenden Ausschnitte (7. Klasse Gymnasium) zeigen die unterschiedlichen Möglichkeiten: 1) Verschiedene Schüler reagieren mit einer kurzen Replik auf den Stimulussatz des Lehrers: Lehrer You know, Peter’s had an accident. (Stimulussatz) S c Where was this accident? S d When did it happen? S e What happened? S f Was it with the car? S g Is Peter in hospital? 2) Im Folgenden nutzt der Lehrer die vierte Replik, um den Schüler in ein Gespräch zu verwickeln. Er muss die Situation ausspinnen, die jedoch reine Erfindung bleibt. Lehrer Can you carry this bag for me, please? (Stimulussatz) S a Oh yes, where did you live? S b No, I must go another way. S c Is it a long way to your house? S d Oh, I have no time. L Oh, you’re being unfriendly. You’ve got no time. I mean, do you have so much work to do or do you just want to play … to watch football, or play football or do other things? S d I want to go swimming with my friends and I. L But you see, I’m an old man and the bag is really heavy. And you are a young man and quite strong. S d But I don’t know where the swimming pool is. I’m only on holidays and, and my friend knows it and I must go with him. L Oh, I’m sorry. You’re here on holiday? S d Yes. L You’re a tourist? S d Not really. L Okay. Let’s stop here … 3) Im Folgenden bricht der Lehrer ein kurzes Gespräch über “Mutters Geburtstag” vom Zaun. Es ist anzunehmen, dass die Schüler nunmehr wahrheitsgetreu berichten und Persönliches preisgeben: Lehrer Last year I made a birthday cake for my mother. (Stimulussatz) S e I always make a birthday cake for my mother. S f Which day was the birthday? S g What for a cake? 84 In und mit Sprachen leben S h How old is she? L Actually do you really all of you make birthday cakes for your mother or did you just say that sentence? S i I said it. So my mother makes them. L Pardon … S i My mother makes them for me. L Oh, your mother makes birthday cakes for you? S i Yes. L But have you ever thought of making a birthday cake for your mother? S i Sometimes. L What kind of presents do you give your mother then? S i Flowers, vielleicht. L Ah, she likes flowers? Special kind of flowers? S i No. L And what about your mother’s birthdays? And your mother’s? [zeigt auf die Schüler] What do you do for your mothers? Nothing? Then say: “I do nothing”. [Schüler lachen] S j I buy her chocolate or, or roses. L A bar of chocolate or chocolates? Chocolates sind Pralinen. A bar of chocolate or chocolates? S j Chocolates. S k I make the breakfast in the morning. L Aha, that’s great. Is that, is that what your mother does every morning for you? usw. Diese kommunikativen Ausflüge sind Minutendramen, in Übungen eingebettete Zwischenspiele, wie wir sie auch bei Strukturübungen einplanen. Es ist also falsch, wenn gesagt wird, man solle nicht mit Einzelsätzen operieren und müsse immer Kontexte bereitstellen. Wählt man seine Stimulussätze sorgfältig aus und trägt sie lebendig vor, kann der Angesprochene sich gewöhnlich einen Kontext hinzudenken. Spontanreaktionen kann man regelmäßig verwenden, aber jeweils nur für wenige Minuten. Die Schüler erfahren dabei, dass sie wirklich Englisch können und dabei auch Fortschritte machen. Deshalb eignen sich unsere Spontanreaktionen auch für das Überprüfen der mündlichen kommunikativen Kompetenz, aber eine systematische Erprobung als Testform steht noch aus. In höheren Klassen verwendet der Lehrer anspruchsvollere Stimulussätze, z.B. zu politischen Themen des Tages oder der Woche. Über www.1stheadlines.com verschafft er sich einen raschen Überblick über die Schlagzeilen des Tages und hat so immer genug Sätze parat. Noch besser: Ein Schülerpaar übernimmt diese Aufgabe, aus dem Internet geeignete Stimulussätze auszusuchen (LdL). Schüler, die mit ihren Stimulussätzen viele Praxisvorschläge 85 interessante Reaktionen von den Mitschülern einheimsen, bekommen ein dickes Lob. 5 1 Thomas Tryon (1695, s. Lambley 1920) meinte, eine Schule müsse etwas abseits liegen, um jeden Verkehr mit “wilden” Kindern zu unterbinden. Die Schüler sollten nur noch Latein oder Französisch hören und sprechen. 2 “The Bilingual Project experience has demonstrated that an integration of medium and message, of structure and communication, and of the first and second language is possible, and that there is a middle ground between teaching strategies which emphasize acquisition of linguistic structures divorced from students’ communicative needs on the one hand, and those that emphasize message-orientated communication which is divorced from considerations of linguistic structure, on the other.” (Cummins & Genesee 1985, 46) 3 Für den Unterricht in der Grundschule siehe die Prüfliste bei Sambanis (2007, 119f.) 4 Spontanreaktionen haben wir auf einer DVD dokumentiert (MELT; Siebold 2004). - Eine ähnliche Arbeitsform findet sich bei Thiering (1996, 12), der sie aber auf den Sprechakt des Vorwurfs beschränkt. Ein Vorwurf ist natürlich besonders geeignet, Reaktionen hervorzurufen wie Zurückweisungen, Gegenangriffe usw. 5 Die an dieser Stelle in der Erstauflage folgenden zehn Projektideen - auf Führerscheinprüfung vorbereiten; Schachspielen lernen usw. - stehen jetzt im Internet zur Verfügung. Sprachen lernt man, wenn sie uns - dem Sinn und der Form nach - verständlich zugesprochen werden. 4 Zweifach verstehen: die Grundbedingung des Spracherwerbs Verstehen, wie’s gemeint ist: das Verständigungsproblem Dass man eine Sprache lernt, indem man sie lebt, sprich: auf jede erdenkliche Weise ausübt, ist nun geradezu trivial. Throw enough mud on the wall, and some will stick. Aber welche Minimalbedingungen müssen erfüllt sein, damit Spracherwerb zustande kommt? Es gibt deren nur zwei. Sprache ist zuallererst Rede. Ihr Erwerb beginnt da, wo wir Sprache hörend (oder hörend und mitlesend) aufnehmen und verstehen. Wer nichts von dem versteht, was er hört, lernt auch nicht. Man holt sich nicht Sprachen wie einen Sonnenbrand, indem man sich ihnen bloß aussetzt. Wir lernen auch nicht sprechen wie die Spinne das Weben, das einfach heranreift. Damit Zugesprochenes nicht von uns abprallt, sondern aufgenommen und verarbeitet wird, müssen wir verstehen, was gemeint ist, was man von uns will, worum es geht. Das ist die erste Bedingung. Verstehen, wie’s gesagt ist: das Analyseproblem Verstehende Sprachaufnahme ist notwendig, aber ist sie auch schon hinreichend? Nein. Zwar mag sie dem Touristen genügen. Für ihn kommt es darauf an, dass die Verständigung momentan funktioniert. Aber: Wer eine Sprache erlernen will, muss darüber hinaus heraushören, wie’s gesagt ist. Das ist die zweite Grundbedingung. Da beide Arten des Verstehens - nennen wir es: funktionales und formales - bei den nah verwandten, üblichen Schulfremdsprachen oft zusammenfallen, wird das Verstehen der Form als Grundbedingung des Erwerbs oft übersehen. Wer zum ersten Mal s’il vous plaît hört, könnte meinen, es handele sich wie im Deutschen um ein Wort. Erst im Druck wird klar, dass das Wort für ‘bitte’ aus vier Teilen besteht: s(i) il vous plaît wenn es euch gefällt/ beliebt Muss man das wissen? Nicht, um höflich zu bitten. Wir haben ja den Ausdruck richtig verstanden und können ihn richtig anwenden. Es genügt, den Sinn dieser Formel zu kennen. Die Bauform wird erst interessant, wenn wir 88 Zweifach verstehen: die Grundbedingung des Spracherwerbs die fremde Sprache erlernen wollen, statt nur auf momentane Verständigung aus zu sein. Dann können wir aus unserem Verständnis der Form Kapital schlagen und nach ihrem Muster Dinge sagen wie ‘si l’hôtel vous plaît’, ‘wenn das Hotel euch gefällt’; ‘si le vin vous plaît’, ‘wenn der Wein euch gefällt’. Damit wird etwas Entscheidendes möglich, das den Spracherwerb bestimmt: Erst jetzt können wir den Satzgenerator ankurbeln bzw. von “endlichen Mitteln unendlichen Gebrauch machen” (Humboldt 1963, 477). Ohne solches Verständnis bliebe der Gebrauch von s’il vous plaît reine Vokabeldressur. Nun aber werden fast im Handumdrehen zig Wennsätze möglich. Nehmen wir ein Beispiel aus einer weniger bekannten Sprache. In einem Buchladen auf der Insel Malta kommt uns eine Titelillustration vertraut vor. Der Name des Autors “Saint-Exupéry” beseitigt dann alle Zweifel: “Il-princep izzghir” ist “Der kleine Prinz”. Damit haben wir den Titel nicht nur verstanden, sondern auch schon halb analysiert. “Il-princep” muss “der Prinz” sein. Wir brauchen aber die vollständige Analyse, um weiterzukommen: “Der Prinz der kleine”, so sagt es der Malteser, und nun verstehen wir auch Fügungen wie “il-bahar il-mejjet”, “das Meer, das tote” also: “das Tote Meer” und können uns daran wagen, eigene Ausdrücke nach diesem Muster zu stricken: il-princep iz-zghir Der Prinz der kleine il bahar il-mejjet Das Meer das tote il bahar l-ahmar Das Meer das rote Auch im folgenden italienischen Beispiel bleibt unser strukturales Verstehen zunächst auf halbem Wege stecken: un mese fa vor einem Monat tre ore fa vor drei Stunden Wir denken uns die Struktur in Analogie zu: a month ago three hours ago Verstehen, wie’s gesagt ist: das Analyseproblem 89 und können zahllose weitere Fügungen bilden: due ore fa vor zwei Stunden tre anni fa vor drei Jahren Die Analyse ist aber erst vollständig, wenn wir “fa” als “(es) macht” verstehen, also: un mese fa einen Monat macht’s tre ore fa drei Stunden macht’s Wir erkennen die Logik dieser Ausdrucksweise, ähnlich dem Französischen: il y a un mois il y a trois heures und können “fa” richtig einordnen und weiter verwenden: non fa niente er tut nichts il dolce far niente das süße Nichtstun così fan’ tutte so machen’s alle (Frauen) Das bloße Verstehen aus der Situation heraus führt den Sprachlerner nicht weit genug. Er muss auch verstehen, wie die fremde Sprache das macht, und dabei das Systemhafte heraushören: I could read the Irish names for places and streets in Dublin. But with most phrases that I learned I only gained a situational understanding, not a structural one. I knew that I could reply: “Berit is ainm dom” to the question “Cad is ainm duit? ”, but I only really understood which element was what and how they were structured in very few sentences. B. Es gibt aber auch die umgekehrte Erfahrung. Man versteht einen Satz in allen Einzelteilen, ohne den Sinn zu erfassen - wie es Martin Luther unnachahmlich formuliert: “Wir hatten wohl das wort, aber wir verstunden nicht sententiam.” Am deutlichsten klafft die Lücke zwischen Gesagtem und Gemeinten bei bildlichen Redensarten und der Ironie, wo das tatsächlich Gemeinte gewissermaßen dem Gesagten zum Trotz erschlossen werden muss. Autistische Kinder, d.h. solche, die trotz ihrer Behinderung zur Sprache fanden, haben damit ständig Schwierigkeiten (Butzkamm & Butzkamm 1999, 172). Es gibt Hinweise, dass sich das Gehirn an dieser Stelle die Arbeit teilt. Fazit: Erst das Verstehen von Sinn und Form setzt unseren Spracherwerbsmechanismus in Gang und macht aus input verarbeitbaren intake. Jetzt erst kann’s weitergehen. Jetzt erst kann ich Eigenes, noch nie Gehörtes sagen. Nur so sind Sprachen überhaupt lernbar. Wenn wir nicht das Systemhafte an der Sprache erkennen würden, stünden wir vor einem unübersteigbaren Berg des Memorierens. Dieses “Doppelverstehen” (Butzkamm 1989, 90 Zweifach verstehen: die Grundbedingung des Spracherwerbs 12), nicht aber Krashens “comprehensible input”, ist der Hauptfaktor beim Spracherwerb. 1 Kinder knacken den Kode: 1) Mutterspracherwerb Wie lösen Kleinkinder diese Doppelaufgabe? Wie schaffen sie vor allem den zweiten Teil der Aufgabe, nämlich die einzelnen Bedeutungsträger aus dem Lautstrom herauszulösen, um sie immer wieder neu zu kombinieren? Eltern wollen verstanden werden und sprechen deshalb mit ihrem Kind auf eine besonders hilfreiche Weise. Ohne dass sie es bewusst darauf anlegen, dient das “Mutterische” nicht nur der Verständigung, sondern hilft auch bei der Entschlüsselung der Sprachform. Hierzu gehören das langsamere und deutlichere Sprechen, der einfachere Satzbau, der Bezug auf das Hier und Jetzt, die Wiederholungen und besonders das Betonen der neuen, den Sinn tragenden Wörter, die aus dem sie umkleidenden Redeschwall herausgehoben werden. Wort- und Satzgrenzen werden intonatorisch markiert. So ermöglichen sie ein doppeltes Verstehen. Das Kind ist demnach kein Münchhausen, der sich am eigenen Schopf aus einem Meer von Sprache emporziehen muss. Durch die Art, wie Eltern zu ihnen sprechen, begreifen Kinder nicht nur, was man jetzt von ihnen will und wie das Gespräch weitergehen soll, sondern wo die Dinge sich im Lautstrom wiederfinden. Mit der Entschlüsselung der Botschaft geht es zugleich um die Entschlüsselung der Sprachstruktur. 2 Typisch für Elternsprache ist das korrigierende und erweiternde Wiederaufgreifen einer kindlichen Äußerung: Tochter: Gisabeth Mama sind? Vater: Ja wo sind denn Elisabeth und Mama? Der Vater macht die Frage des Kindes grammatisch vollständig: Das Fragewort wo und das Bindewort und werden hinzugefügt, dazu kommt die Frageinversion. Das Kind bekommt die grammatischen Informationen, die ihm noch fehlen. Solche Expandierungen, mit denen Eltern mehr oder weniger automatisch auf den kindlichen “Telegrammstil” reagieren, scheinen mit einem schnelleren Spracherwerb zu korrelieren (Döpke 1992, 83f.). Folgendes Gespräch, das der Papa mit der zweijährigen Gisa führt, zeigt, wie beim gemeinsamen Betrachten eines Bilderbuchs gleichsam stückchenweise Satzteile abgefragt werden. Gisa: Wurst aufagessen. Papa: Ja der Hund hat die Wurst aufgegessen. Und jetzt, was macht der Mann jetzt? G: Wiedaholen, Wurst. Kinder knacken den Kode: 1) Mutterspracherwerb 91 P: Ja, der läuft hinter dem Hund her und hat’n Stock in der Hand. Was will er denn mit dem Stock machen? G: Hauen. P: Wen will er denn hauen? G: Hund. P: Aha. G: Hund hauen. P: Warum denn? G: Mit’m Tock. P: Warum will er denn den Hund hauen? G: Mit’m Tock. P: Ah so, mit’m Stock. So. Gut. Gisa baut schon selbständig die beiden Teile “hauen” und “Hund” zu “Hund hauen” zusammen; den Instrumentalis “mit’m Tock”, den ihr der Vater - ungewollt - entlockt, kann sie wohl noch nicht in diesen Satz einbauen. Dazu muss sie neu ansetzen. Aber später wird aus dem, was hier untereinander steht, ein Nebeneinander. Aus “vertikalen” Strukturen werden “horizontale”: Die Information, die auf zwei Gesprächsteilnehmer verteilt ist, kann sie dann in einen Satz zusammenziehen. Die Warum-Frage überhört sie großzügig bzw. beantwortet sie, als ob nach dem “Womit” gefragt worden wäre. Wahrscheinlich versteht sie Erstere noch gar nicht, ist jedenfalls noch weit davon entfernt, als Antwort einen Nebensatz mit “weil” zu bilden. Souverän sortiert das kindliche Sprachhirn die Probleme aus, mit denen es noch nicht fertig wird, und ersetzt somit gewissermaßen den Lehrer, der den Sprachstoff vom Einfachen zum Komplexen hin stuft. Aber die Eltern assistieren und zeigen eben ihren Kindern nicht nur, wie man ein Gespräch führt, sie geben neben “conversational lessons” und “mapping lessons” so etwas wie “segmentation lessons”, die man mit Fug und Recht auch “grammar lessons” nennen könnte: Many of the utterances addressed to young children contain segmentation lessons, lessons that suggest how utterances ought to be divided up into words, phrases, and clauses. For example, adults speak very slowly and pause at the end of each utterance. With one-word utterances, this serves to pick out the boundaries of each word. Adults also help children identify boundaries by placing new words in familiar frames such as Look at … or There’s a …. Finally, when adults repeat themselves, they repeat single words, phrases, and occasionally whole sentences. These repetitions provide further information about the constituents of each utterance. (Clark & Clark 1977, 328) Das Kleinkind muss ja ohne die Sinn und Struktur klärende Segmentierung der Schrift auskommen. 92 Zweifach verstehen: die Grundbedingung des Spracherwerbs “Gib mir den Ball”, könnte die Mutter sagen, und das Kind überreicht den Ball. Ohne Zweifel hat es die Mutter verstanden. Aber um Sprache zu lernen, muss es noch mehr leisten. Es muss herausfinden, an welcher Stelle im Lautstrom einmal der Akt des Überreichens, dann das zu Überreichende und schließlich auch die Person, der etwas überreicht wird, präsent sind. (Oder auch, ob sie im Lautstrom gar nicht vorhanden, sondern rein aus der Situation zu erschließen sind! ) Um dem Kind diese Zuordnungen zu erleichtern, sagen Mütter ganz instinktiv: “Gib Mama den Ball.” Denn “Mama” ist eindeutig, während “mir” mit seinen wechselnden Bezügen schwieriger zu erfassen ist. Ebenso heißt es eine Zeitlang: “Gisa muss jetzt ins Bettchen” statt “Du musst jetzt ins Bettchen.” So kann das Kind das Handlungsarrangement mit dem sprachlichen Arrangement leichter zur Deckung bringen. Wo im Lautstrom versteckt sich die im Spiel so offenkundige Tatsache, dass eben noch ein Ball, jetzt aber mehrere Bälle da sind? Das Kind muss darauf aufmerksam werden, wie sich Situation und Sprache - aus “Ball” wird “Bälle” - im Einklang miteinander verändern. Hat es erkannt, welche Art von Bündnissen die situativen mit den verbalen Ordnungen eingehen, kann es Vergleiche anstellen, Analogien bilden, sprachliche Regelungen erfassen - und das alles unbewusst. Die Grammatik wird also erst dann erzeugt und der Spracherwerb in Gang gesetzt, wenn das Kind im Zugesprochenen den gegliederten Sinngehalt der gegliederten Form Punkt für Punkt zuordnen, somit den Kode knacken kann. Dass dies bei komplizierten Mustern nicht auf Anhieb, sondern nur etappenweise gelingt, davon zeugen halb analysierte Formen wie “*wenns du kommst”, wo das häufige Vorkommen von Sätzen wie “wenn’s regnet”, “wenn’s schön ist” Pate gestanden hat. Folglich besteht die Lernaufgabe darin, die Formel aufzubrechen und in Einzelwörter als die Grundbausteine der Rede zu zerlegen: “wenn’s” = “wenn es”. Noch schöner ist Hilde Sterns “Zerlaubst du’s? ”, was ihre Eltern auf Gehörtes wie “Vater hat’s erlaubt” zurückführen (Stern & Stern 1900-1918). 3 Kinder können auch die Analyse zu weit treiben, etwa wenn sie die Standardmahnung I want you to behave analog zu I want you to be good analysieren: I’m going to be very very / heyv/ . Daddy, Laura’s not being / heyv/ . (Peters 1983, 38) Die vierjährige Christine löst dieses Problem fast auf Anhieb. Sie unterhält sich mit einem Erwachsenen, Steven. Steven tells Christine she “must behave”, if she wants Steven to read her a book. He is, however, paying more attention to a cassette tape that is playing music than he is to Christine. A couple of minutes later: C: Steven I am / heyv/ . S: What? You hate? What do you hate? Kinder knacken den Kode: 2)-Natürlicher Zweitspracherwerb 93 C: / heyv/ . I am / heyv/ . S: You hate? You hate me? The music? What? C: No, I am / heyv/ . / heyv/ . S: I don’t know what you are talking about. (Silence. A bit later) C: I / heyv/ . S: You hate me? C: (shakes her head no) S: What do you hate? (Silence. A bit later): C: I am behaving. (Peters 1983, 43) Das ist fast schon zu gut, um wahr zu sein! Eltern sind weit mehr als Kommunikanten und Sprachlieferanten. Sie legen es darauf an, dass ihre Kinder mit dem Gesamtsinn einer Äußerung zugleich erfassen, wie einzelne Sinnelemente im Satz platziert sind, und geben dadurch Hinweise auf die Grammatik, ohne allerdings grammatisch zu belehren. Ein solcher Versuch müsste auch kläglich scheitern. Kinder knacken den Kode: 2)-Natürlicher Zweitspracherwerb Natürlich haben auch Zweitsprachenlerner ein Segmentierungsproblem. Von jungen Türken hörte ich Äußerungen wie “Du ichheiße? ” (= Wie heißt du? ) und “Ich wieheißtdu Fathma” (= Ich heiße Fathma). Ähnlich: “Was möchtenSie deine Freund? ” (= Was möchte dein Freund? ) oder “What’shisname is Fred” (= Er heißt Fred). Wenn kleine Franzosen “dinseulcoup” und “peutête” statt “d’un seul coup” und “peut-être” schreiben, haben sie diese Ausdrücke gewiss schon ganzheitlich, aber nicht strukturell verstanden. Lilly Wong-Fillmore (1976), die ein Schuljahr lang fünf mexikanische Einwandererkinder in einer kalifornischen Grundschule, in der Familie und auf dem Spielplatz beobachtete, hat bei Aufspaltung von Äußerungen mehrere Etappen unterschieden. Die Kinder schnappen als erstes Äußerungsganze auf, die sie situationsgerecht verstehen, ohne sie strukturell zu durchschauen. Dann erst beginnt die unbewusste Analysearbeit, bei der die Kinder zunächst feste Ausdrücke allmählich auseinanderklamüsern, bis alle ihre Bestandteile frei variiert werden können. Es gibt undurchschaute Komplexe wie halb analysierte Formen, bis schließlich die vollständige Zergliederung erreicht ist. Fillmore unterscheidet folgende Schritte: 1) Kinder hantieren mit Äußerungsganzen, mit formulas: gimme lemme see 94 Zweifach verstehen: die Grundbedingung des Spracherwerbs stopit I dunno 2) Sie spalten die Ausdrücke in einen festen und einen variablen Teil auf. Die Variationen beschränken sich jedoch auf übernommene Teilstücke. Die festen formulas sind unterstrichen: - I can say it the story. I can say it cat all right. Lemme see it the tweedle. I wanna read it dese story. I wannit the scissors. 3) Der variable Teil wird noch offener. Es entstehen eigene, nicht abgelauschte Äußerungen. Die Struktur wird in einem Teilbereich produktiv: I wanna … I wanna three. I wanna dese. I wanna here. You wanna here and me here? Gimme … Gimme dese. Gimme dese one. Gimme one for dese. Gimme you telephone (i.e. your telephone number). 4) Die Struktur wird in allen Positionen variabel. Eine Reihe von Wörtern wird zu einer Klasse verallgemeinert. Die Struktur enthält also keine spezifische Lexik mehr, sondern ist nun als abstrakter Satzrahmen definiert, etwa Subjekt - Verb - Objekt oder Artikel - Eigenschaftswort - Hauptwort. Alle Positionen können mit Wörtern einer Klasse besetzt werden. Am Ende kann alles, was der Augenblick zuträgt, neu komponiert werden. In französisch-deutschen bilingualen Kindergärten hat Petit (2002, 436) ebenfalls das Aufbrechen von zunächst ganzheitlich aufgefassten Ausdrücken wie “Hände waschen” beobachtet: After a short time they are reanalysed by the children, as permutations of constituent elements show: Hände waschen is then differentiated from Nase waschen. The capacity to analyse such phrases marks an important step in the acquisition of productive skills in German. So ordnet sich die Sprache dem Kind, so ordnet sich das Kind die Sprache. Wie beim Mutterspracherwerb können die Eltern dem Kind dabei helfen. Döpke bezeichnete in ihrer Studie zu deutschen Auswandererfamilien einen Teil der Elternsprache als “Lehrtechniken” (wie schon Clark & Clark beim Mutterspracherwerb): Parental utterances were considered teaching techniques when they presented the child with verbal models, rehearsed language information for the child, made pattern structures transparent, or elicited verbalizations from the child. (Döpke 1992, 146) Kinder knacken den Kode: 3) Unterricht 95 Vielleicht sind sich Eltern bilingualer Kinder ihrer Lehrfunktion um einige Grade bewusster als Eltern in einer einsprachigen Situation. Bilinguale Kindergärten, in denen Kinder ganz oder überwiegend in die Fremdsprache eintauchen, bilden ein Übergangsfeld zwischen natürlichem Zweitspracherwerb und Unterricht. Wenn hier Kinder sagen: “Get your cups” heißt “Trink was”, kann man damit rechnen, dass sie bald von selbst die Gleichung “Holt eure Tassen” herstellen, die erst das Weiterlernen ermöglicht (Beispiel von Petra Burmeister, siehe bilikita.org). Im üblichen Grundschulunterricht darf man sich nicht darauf verlassen. Kinder knacken den Kode: 3) Unterricht Den Kode knacken, das heißt also, die Wörter als Grundbausteine der Rede erkennen, die Wortstämme von ihren Formativen trennen, sie aus ihren jeweiligen Kontexten herauslösen und erfassen, wie sie sich regelhaft zu Sätzen zusammenfügen. Wie sieht dies im Unterricht aus? Wir haben das Zeugnis eines erfahrenen Linguisten, der in der Berlitz- Schule einen Japanisch-Kurs belegt und seine Selbstbeobachtungen richtig zu analysieren versteht: Hearing again and again the question Kore wa nan desu ka? (What is this? ) but never seeing it printed I conceived of korewa as a single word; it is spoken without pause. Some lessons later I learned that wa is a particle, an unchanging uninflected form, that marks the noun it follows as the topic of the sentence. Interestingly enough I did not, at once, reanalyze my word korewa and such others as sorewa and arewa into noun and particle forms. I did not do that until I started to hear such object forms as kore o and sore o and are o in which o marks the direct object. Then the truth dawned on me, and the words almost audibly cracked into kore, sore, and are, three demonstratives which took wa in the nominative form and o in the objective. How beautifully consistent! Children learning English as their native language also sometimes mistake often repeated forms like What’s this? or it’s or Put it for single words. (R. Brown 1973, Vorwort) Das Analysebzw. Segmentierungsproblem besteht also auch im Unterricht, was ja auch wohl nicht anders sein kann. Wir können es uns aber bei wenigen Wochenstunden nicht leisten, zu warten, bis der Groschen schließlich von selber fällt. Mit anderen Worten, wir müssen der grammatischen Induktion auf die Sprünge helfen und Schüler bei ihrer Zerlegungsarbeit unterstützen: “Learners must unpack or unstick these chunks (almost) as soon as they occur” (Butzkamm & Caldwell 2009, 116). So sind falsche Segmentierungen im Unterricht ebenso belegt wie im natürlichen Spracherwerb: 96 Zweifach verstehen: die Grundbedingung des Spracherwerbs So a class can have “done” the topic of television and know that j’aime means “I like” while forgetting that j’ means “I”. Thus, to say “Rebecca likes East Enders”, many pupils typically come out with “Rebecca j’aime le East Enders”… (Elston, TES 1998) Unterricht: I’m want some dinner. It’s looks like a bus. What’s was that? Mutterspracherwerb: It’s went. It’s played. It’s was going. “Fragen zum Text” haben deshalb nicht nur die Funktion, die Schüler zum Sprechen zu bringen. Wenn Meidinger (1795) z.B. empfiehlt, seine Texte “fragweise” durchzugehen, werden regelrecht Satzglieder herausgefragt, also die Struktur verdeutlicht: Qui étoit allé un jour dans une boutique? Un gentilhomme. Où étoit allé un jour un gentilhomme? Dans une boutique. Pourquoi y étoit-il allé? (zit. nach Macht 1986, 23) Die Ähnlichkeit mit dem weiter oben wiedergegebenen Vater-Kind-Dialog über den diebischen Hund ist frappierend. Solche Fragen sind ein Stück Grammatikarbeit. So ist es zwar richtig, wenn die Didaktik auf Kollokationen und Wortverbindungen aller Art pocht, auf Floskeln und Formeln, lexical phrases, die, als Ganzes abgerufen, schnelles und flüssiges Sprechen ermöglichen. 4 Aber das Einzelwort ist nicht “wertlos” (! ), wie etwa Lewis (1993) meint. Irritierend, weil komplett irreführend. Das Wort muss als Grundbaustein der Rede erst einmal gewonnen werden: Befreit die Wörter! Unanalysierte Sprachstücke (chunks) müssen erst aufgebrochen, dekomponiert werden, um dann wieder zu größeren Einheiten zu verschmelzen. So moniert Rück den in der Didaktik vorherrschenden “Kontextdogmatismus” und betont: Man muß die Wörter auch behalten und im Bedarfsfall müssen sie abrufbar vorhanden sein. Das aber läßt sich nur bewerkstelligen mit freien, nicht gefangenen Wörtern. (Rück 1998, 345) Erst nach dem Aufbrechen der Strukturen können Einzelelemente wieder zu größeren Bauteilen verschmelzen, die fertig gespeichert und abgerufen werden und uns damit zu schneller, flüssiger Spontansprache verhelfen. Doppelverstehen und die Output-Hypothese 97 Wir kürzen uns den Weg ab, analog zu Formen wie zum, im, am, die wir aus zu dem, in dem, an dem zusammengezogen haben und auch wieder auflösen können. Schnelles Reden ist also nur möglich, weil wir Bauteile unterschiedlichster Größe in unsere Äußerungen montieren. Routineformeln, die wir stereotyp verwenden, sind zwar als Abkürzungen nicht von der Oberfläche her erkennbar, dennoch als mentale Kürzel psychologisch real. So kommt der Phraseologie im Fremdsprachenunterricht besondere Bedeutung zu. Erst müssen aber die Bausteine der Sprache aus dem Redefluss herausgefiltert werden, dann können sie wieder zu größeren Fertigteilen verschweißt werden. Aufspalten und Verschmelzen; fission und fusion sind einander ergänzende Strategien des Spracherwerbs (Peters 1983). In unserem Hirn sind demnach viele Wörter mehrfach abgelegt: als Einzelwort und in feste Formeln eingebunden. Doppelverstehen und die Output-Hypothese Loqui loquendo discimus. Doppeltes Verstehen wird gefördert, wenn wir mitsprechen. Mit wachsendem Können, sauberer Aussprache und guter Grammatik wird auch das, was Schüler einander zu sagen haben, immer mehr zu wertvollem Sprachinput. Im Hin und Her des Gesprächs ergibt sich eine (unbewusste, halbbewusste, bewusste) syntaktische Analyse des Sprachmaterials, d.h. es ergibt sich die von Krashen übersehene formale Transparenz. Es geht darum, “to move the learner from a purely semantic analysis of the language to a syntactic analysis of it” (Swain 1985, 252). Genau das meint unser Doppelverstehen, das Swains Output-Hypothese stützt, insofern Interaktion die Verarbeitung semantisch und syntaktisch transparenter Sprache eher ermöglicht als Input allein. So hat auch Cook (1993, 61) das zweifache Verstehen als Grundbedingung des Erwerbs klar herausgestellt. Er unterscheidet decoding und codebreaking, was ich als Doppelverstehen zusammenfasse. Krashens Irrtum bestehe darin, diese Unterscheidung nicht getroffen zu haben: “Krashen’s theory conflates decoding and codebreaking; to Krashen decoding is codebreaking.” Wir tragen zu dieser Debatte bei, indem wir im nächsten Abschnitt die zur Theorie passende geschichtliche Praxis aufdecken. Lassen wir uns also nicht beirren, wenn Schüler beim freien Formulieren reihenweise Fehler produzieren, wie im folgenden Ausschnitt, in dem Bilder so zu ordnen sind, dass sie eine Geschichte ergeben: L: Could you please explain how you would order the pictures? S: Hm. Because there seemed a man must do the washing up and then he has an idea. He speaks to number two. Then he telephoning a 98 Zweifach verstehen: die Grundbedingung des Spracherwerbs wife, then he ask the wife if she want married him and then she, he married her and she must do the, then he must do the washing up. Auch im natürlichen Spracherwerb durchlaufen Lerner Phasen des Umbruchs. Sie produzieren schon längere Äußerungen und man versteht wohl, was gemeint ist, aber es wimmelt nur so von grammatischen Fehlern. Mal wenden sie eine Regel an, mal wieder nicht. Neue Strukturen werden nur ansatzweise in Bestehendes integriert. Alles nur Mögliche kommt vor, so auch im Unterricht: Play your father football? Plays your father football? Playing your father football? Are your father play football? (Peltzer-Karpf 2003) Dazu kommen noch muttersprachliche Beimischungen und Interferenzen aller Art: Du eat nix? Leon, das ist nicht dein knife! S: Können wir nicht zwei Stunden machen? L: In English, please! S: Can we make two stunds? (Peltzer-Karpf 2003) Die falsche Reaktion darauf wäre, freies Kommunizieren einfach hinauszuschieben, in der Erwartung, noch mehr kontrolliertes Üben richte das alles von selbst. Aber es sind die Gewichtungen neu zu verteilen und dem Primat der hörenden und lesenden Textaufnahme Rechnung zu tragen. Wir brauchen einfach reiches Eingangsmaterial für unsere “intuitive Heuristik” (Chomsky 1970, 108) und müssen den Vorsprung und Überhang des Verstehens als Entwicklungsprinzip von Sprache ernst nehmen. Wer eine Sprache hörend und lesend versteht, hat einen entsprechenden Wortschatz und eben auch die verstehensrelevante Grammatik. Verstehende Sprachaufnahme ist der Brennstoff für unseren Sprachsinn, der von selbst auf die Regeln kommt, wenn ihm eine Fülle korrekter Sprachproben zugespielt werden. Die bekommt das Kleinkind auf dem Schoß der Mutter ebenso reichlich wie das Kind, das in den Kindergarten geht, wo man eine andere Sprache spricht. Input von bester Qualität, was die phonetische Seite betrifft, und von guter bis befriedigender Qualität auf anderen Sprachebenen. Kinder brauchen Kontaktzeit für den kindlichen Eigenweg durch die Grammatik, für das Ausreifen innerer Hypothesen über die Grammatik, für entdeckendes Lernen, für die Selbstorganisation des Lernens. Diese Kontaktzeit steht im Unterricht normalerweise nicht ausreichend zur Verfügung, und deshalb haben sich auch immer wieder eher “künstliche” Mittel, nämlich Doppelverstehen: von der Spätantike bis heute 99 sprachbezogenes Üben, grammatische Analyse und methodisch gestützte Produktion als hilfreich, ja als unverzichtbar erwiesen. Doppelverstehen: von der Spätantike bis heute Wie ein roter Faden zieht sich das Bemühen der Sprachlehrer um ein doppeltes Verstehen durch die geschichtliche Überlieferung. Viele Lehrarrangements erscheinen als Variationen über ein Thema: das doppelte Verstehen. Das augenfälligste Mittel ist die Doppelgabe von sinngetreuer und wortwörtlicher Übersetzung. Ihr Spannungsverhältnis beherrschte schon die Anfänge der Bibelübersetzung, die Überführung hebräisch-aramäischer Texte ins Griechische, dann ins Lateinische und ins Gotische. Die Entscheidung fiel schließlich zugunsten einer sinngetreuen gegenüber einer literalen Übersetzung, jedoch waren “das Fortschreiten zu immer neuen Sprachen und die Freiheit der sinnorientierten Übersetzung immer wieder Gegenstand erbitterter theologischer Auseinandersetzungen” (Schlieben- Lange 1999, 5). Wo es dann nicht mehr um heilige Texte ging, sondern schlicht um das Lernen von Sprachen, lag es nahe, beide Mittel zugleich einzusetzen und didaktisch miteinander zu verknüpfen. Wäre dies die Geburtsstunde der abendländischen Sprachlehrmethodik? Die Doppelgabe von wörtlicher und freier Übersetzung ist gewiss die klarste Umsetzung des Prinzips, vielleicht aber auch die aufwendigste und umständlichste. Sparsamer und zugleich eleganter scheinen solche Autoren vorzugehen, die ein doppeltes Verstehen durch Zeile-für-Zeile-Zuordnung erreichen. Wir beginnen mit einer Probe aus William Caxtons Dialogues in French and English aus dem Jahre 1483, die ihrerseits nur eine Bearbeitung einer in Brügge gedruckten französisch-flämischen Dialogsammlung aus dem Jahrhundert davor sind. Hier enthält die linke Spalte den zielsprachlichen Originaltext, die rechte die Übersetzung in die Muttersprache: Quand vous alles par les rues, Whan ye goo by the streetes, Et vous encountres aulcuns And ye mete ony Que vous cognossies, That ye knowe-, Ou quilz soyent de vostre Or that they be of your knowecognoissaunce lech, Soyes ysnel et apparailleis Be swyft and redy De luy ou deulx premier saluer Him or hem first to grete Das gleiche Verfahren benutzt auch Pierre du Ploiche, A Treatise in English and Frenche righte necessarie and profitable for al yonge children (1553). Auch hier soll der Zeilenbruch die Satzstruktur klären; ebenso bei Mathurin Cordier, dessen Principia latine loquendi scribendique (1556) für englische Schüler 100 Zweifach verstehen: die Grundbedingung des Spracherwerbs adaptiert wurde. Sie sollen in der Lage sein, über ihren eigenen Alltag zu reden - was uns sehr bekannt vorkommt. Comenius hat sich noch etwas Besonderes einfallen lassen. Neben der Zuordnung Zeile für Zeile sind einzelne Wörter sowohl im Original wie in der Übersetzung mit einer Ziffer versehen, die auf bezifferte Bildelemente neben dem Text verweisen: Weiterhin benutzen die Zeilen-Zuordnung Johann G. Otliker in seinem Sprachbüchlein in Frantz. und Teusch (Nürnberg 1702) wie auch Madame La Roche in ihrer Nouvelle Méthode pour traiter la Grammaire Française, Leipzig (1727). 5 Die dritte und sparsamste Lösung, das zweifache Verstehen zu gewährleisten, besteht darin, solche Lehrtexte zu wählen, die der Schüler muttersprachlich schon kannte oder sich leicht besorgen konnte. Der Lehrwerkautor konnte sich also mit einer wörtlichen Übersetzung begnügen. Hören wir Goethe, der “um von dem Hebräischen Meister zu werden, sich mit dem Alten Testament ausschließlich beschäftigte, und solches nicht mehr in Luthers Übersetzung, sondern in der wörtlichen beigedruckten Version des Sebastian Schmid, die mir mein Vater sogleich angeschafft hatte”. Kein Zweifel, dass Goethe dabei den Luthertext schon im Kopf und damit keine weitere Übersetzung nötig hatte. 6 Die Verwendung der Evangelien als Sprachlehrtexte hatte also noch einen anderen Grund als den, die Schüler auf fromme Gedanken zu bringen. Bei älteren Schülern zumindest konnte der Lehrer sicher sein, dass es kein inhaltliches Verständnisproblem mehr gab und er sich ganz auf die Sprache konzentrieren konnte. So lernte Schliemann, der Ausgräber Trojas, Russisch mit einer russischen Übersetzung von Fénelons Aventures de Télémaque, einem Text, den er schon zum Französischlernen benutzt hatte. Eine zweisprachige Ausgabe des Telemach wurde zuvor schon von Jacotot Doppelverstehen: von der Spätantike bis heute 101 genutzt. Auch Sandra lernt ganz im Sinne der alten Sprachmeister, die ihren Schülern schon vertraute Texte verwendeten: We went to the Methodist church twice every Sunday. The priest always created a very personal atmosphere by telling jokes and asking questions. As I already knew the meaning of the different prayers, e.g. The Lord’s Prayer, I was able to concentrate on the words themselves. The repetition of the same prayers over and over again enabled me to internalize the underlying grammatical patterns as well. S. Our very last Latin lesson before Christmas was always the best of the year. We translated Asterix. As I had read the German version 15-20-times, I almost knew it by heart. I was able to recognize Latin structures and understood them. P. Schließlich gibt es noch eine Mischform von freier und wörtlicher Übersetzung, bei der die Fortschritte der Lerner einkalkuliert sind. Es werden also nur dort wörtliche Übersetzungshilfen (meist in Klammern) beigegeben, wo beide Sprachen strukturell voneinander abweichen und der Schüler diese Abweichungen noch nicht versteht. Bei eng verwandten Sprachen und Kulturen reduziert sich die doppelte Semantisierung oft auf das methodische Prinzip der Spiegelung einiger abweichender Strukturen in der Eigensprache. Man vergleiche etwa die Lehrbücher nach der Assimil- Methode für verschiedene Fremdsprachen. Das Japanisch-Buch z.B. hat ungleich mehr in Klammern gegebene Zusätze wörtlicher Übersetzung plus grammatische Hinweise als etwa das Italienisch-Buch. Selbst die Doppelübersetzung reicht nicht hin: Memo: Die Doppelnatur verstehender Sprachaufnahme ist an den Arrangements vieler alter und einiger moderner Sprachlerntexte sichtbar. So kommen verschiedene Präsentationsformen vor und dienen doch nur dem einen Ziel, das Verstehen eines Textes dem Sinn und der Form nach zu gewährleisten: - das Nacheinander: Original mit wörtlicher Übersetzung plus freie, d.h. richtige Übersetzung; 102 Zweifach verstehen: die Grundbedingung des Spracherwerbs - das Untereinander: Original mit der Übersetzung unter der Zeile, Wort für Wort, meist Interlinearversion genannt, plus freie Übersetzung; - das Nebeneinander von Original und Übersetzung, Zeile gegen Zeile, Phrase um Phrase: Parallelversionen; - das Ineinander von zwei Übersetzungen, d.h. die “gute” Übersetzung mit wörtlichen Zugaben in Klammern und grammatischen Fußnoten; - allein die wörtliche Übersetzung. Die gute Übersetzung wird als bekannt vorausgesetzt (z.B. Bibeltexte; Schliemanns Methode). Das Geheimnis des Erfolgs - die meisten der angeführten Bücher erleben mehrere Auflagen - steckt wohl in der gründlichen Aneignung von auf doppelte Weise verstandenen Texten. Immer wieder empfehlen die Autoren auch die Rückübersetzung ins Original, oft nach längerem Abstand, um Halbvergessenes wieder aufzufrischen. Grammatische Erklärungen werden zurückgedrängt, am deutlichsten bei Hamilton (1829), wo sie erst in der zweiten Lehrgangsstufe ihren Platz haben, als nachträgliche Systematisierung und Vergewisserung des schon Erfassten. So lange sollen der Text und seine Übersetzungsarrangements Grammatik und Wörterbuch ersetzen. Damit hat der Grundsatz des Doppelverstehens seine Erklärungskraft unter Beweis gestellt. Unterschiedliche Lehrarrangements führen zum Erfolg, weil sie die Grundbedingungen des Spracherwerbs erfüllen. Wir verstehen die Einheit in der Vielfalt der angebotenen Arrangements. 2000 Jahre lang war man sich einer Wahrheit bewusst, die von der Gegenwart vergessen wurde und die wiedergewonnen werden muss. Warum auch altmodische Methoden effektiv sein können Tradition means giving votes to the most obscure of all classes, our ancestors. It is the democracy of the dead. Tradition refuses to submit to the small and arrogant oligarchy of those who merely happen to be walking about. (Gilbert Keith Chesterton) Die Grammatik-Übersetzungsmethode ist das Gegenstück bilingualer Textmethoden. Dort wird das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt. Schüler bekommen zunächst die Wörter als Einzelbausteine zusammen mit den Regeln und fügen dann die Wörter zu Sätzchen zusammen (Einzelsätze zum Hinübersetzen). Sie müssen sich gewissermaßen “die englische Sprache selber aus Regeln und Wörtern zusammenstellen” (Macht 1986, 105). Zunächst wird also ein Trockenkurs absolviert. Der Schüler darf erst ins Wasser, wenn er schwimmen kann. Später erscheinen Originaltexte, die von den Schülern zu übersetzen sind, so dass auch hier ein doppeltes Ver- Warum auch altmodische Methoden effektiv sein können 103 stehen gewährleistet ist. Nach meiner Einschätzung erreichen die bilingualen Textmethoden das Doppelverstehen auf elegantere und zeitsparendere Weise. Sie werden mit Recht “analytische” Methoden genannt, während man Grammatik-Übersetzungsmethoden nicht eigentlich “synthetisch” nennen sollte, sondern analytisch-synthetisch. Im Übrigen herrschen in der Praxis Mischformen vor: Auch die Textmethoden verzichten nicht ganz auf grammatische Regeln und die Grammatikmethoden nicht auf authentische Texte. Ältere Grammatikmethoden früherer Jahrhunderte, bei denen die Texte lediglich ein Anhängsel zu einem ausufernden Grammatikteil bildeten, sind heute überholt. Zu ihnen führt kein Weg zurück. Gegen sie richtet sich auch Herders berühmter Satz: “So lernt man Grammatik aus der Sprache; nicht Sprache aus der Grammatik” (1769/ 1967, 389). So wünscht sich keiner die Grammatik-Übersetzungsmethode jüngeren Datums zurück, wie sie von “engherzigen, froschblütigen Mikrologen” (Nietzsche) betrieben wurde. Da bestand sie aus der ewigen Wiederkehr von häuslichem Präparieren (gerade die mühselige Arbeit mit Wörterbuch und Grammatik wollen die bilingualen Methodiker ja vermeiden! ), gefolgt von Lesen und Übersetzen im Unterricht. Und außer ein paar Routineformeln wie “asseyez-vous” wurde weiter kein Wort Französisch gesprochen. Beurteilen wir aber Unterrichtskonzeptionen nicht nach Praktikern, die nur eine Karikatur zustande bringen. “Jede Didaktik lässt sich leicht verhunzen, wenn sie inkompetent und unprofessionell inszeniert wird.” (Grell 2000, 45) Wer kennt denn die zahlreichen methodischen Mischformen, die der Einzelne tatsächlich praktizierte? Wer weiß, wie viel an Zeit der einzelne Pädagoge tatsächlich der Grammatik opferte, wie lang der Trockenkurs tatsächlich dauerte und wie viel an Text seine Schüler rezipierten? Man vergesse jedenfalls nicht die positiven Zeugnisse: Er wiederholte ständig, dass nur die wörtliche Übersetzung die grammatikalische Erklärung sei, und mit durchdringender Stimme schrie er: “Text, Text, beachten Sie den Text! ” Erst wenn die wortgetreue Übersetzung einer Klassikerstelle, bis zum letzten korrekt, geschehen war, schloß- sich die Umwandlung in ein gutes Deutsch an. Diese Methode erschien- uns anfangs pedantisch und langweilig. Sie war aber vortrefflich. Wenn wir, wie man uns zu sagen pflegt, zu “schwimmen” und ein Ungefähr für richtig zu halten gewohnt gewesen waren, lernten wir nunmehr durch verdoppelte Aufmerksamkeit die Schönheit. (Uhde-Bernays 1986, 209) Das Miteinander von freier und wörtlicher Übersetzung ist eben auch Bestandteil der Grammatik-Übersetzungsmethode. Die Zuordnung Wort für Wort ist aber schon die grammatische Erklärung - so hatte es auch Hamilton gesehen. Nur: Sie wurde dem Schüler präsentiert und nicht abverlangt - ein entscheidender Punkt! 104 Zweifach verstehen: die Grundbedingung des Spracherwerbs Er las erst den lateinischen Text vor (Catulls zehn Zeilen “An Cornelius Nepos”), übersetzte ihn dann wortgetreu, wonach er die Verse in freier Fassung rezitierte … Die Lateinstunden im Zeichen Catulls waren für mich eine Art Offenbarung. (G. Strauss 1973, 311) Hier ist auffällig, dass der Lehrer vorübersetzt, also den Text nicht von den Schülern zusammenstoppeln lässt. Das aber ist eigentlich typisch für die bilinguale Textmethode, die dem Schüler das Übersetzen abnimmt und damit auch das Nachschlagen und Raten erspart. Ist das nicht der Königsweg für alte Sprachen, die um ihrer großen Texte willen gelernt werden? Wie viel Zeitgewinn für mehr comprehensible input! Wenn altmodische Methoden zu reichlicher, doppelt verstandener Sprachaufnahme führen, müssten sie auch effektiv sein. Wer die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts kennt, wird somit jede Einseitigkeit vermeiden, wie etwa Palmer (1922/ 1964, 108f.) mit seinem “multiple line of approach” und viele vor ihm, so auch Erasmus in seiner Schrift “Über die Methode des Studiums”. Er hielt z.B. grammatische Regeln für unentbehrlich, obwohl er wusste: “Eigentliche Sprachfertigkeit erwirbt man sich am besten durch Unterhaltung und Verkehr mit richtig Sprechenden, namentlich aber durch fleißiges Lesen guter Schriftsteller …” (1511/ 1963, 31). Zweisprachige Textdarstellung in Selbstlernkursen Die zweisprachige Textexposition wird in Selbstlernkursen vorzüglich gehandhabt. Die Assimil-Kurse wurden schon genannt; hinzu kommt die Kauderwelsch-Reihe. Aber auch in den Schulen sollten wir mehr davon Gebrauch machen. Die Schüler haben eine das Doppelverstehen gewährleistende Parallelversion des Textes vor sich liegen und hören den Text zugleich vom Lehrer oder über einen Tonträger. So könnte man schon in den ersten Monaten des Französischunterrichts einen Ausschnitt aus Saint- Exupérys Le petit prince präsentieren: Adieu, dit-il … Adieu, sagte er … Adieu, dit le renard. Adieu, sagte der Fuchs. Voici mon secret. Sieh-hier mein Geheimnis. Il est très simple: Es ist sehr einfach: On ne voit bien qu’avec Man nicht sieht gut als mit dem Herzen. le cœur. (= Man sieht nur mit dem Herzen gut). L’essentiel est invisible pour Das Wesentliche ist unsichtbar für les yeux. die Augen. Ich habe eine Parallelversion gewählt, vielleicht ist aber für den Selbstunterricht und bei einem anderen Sprachenpaar eine Interlinearversion für die Zweisprachige Textdarstellung in Selbstlernkursen 105 Anfangslektionen angebrachter, da sie eine eindeutigere Zuordnung erlaubt. Sind schon einige Kenntnisse vorhanden, ist die paralelle Anordnung vorzuziehen, weil sie lesbarer ist. Dies wäre die Lektüre ohne Wörterbuch und Grammatik, wie sie die alten Textmethodiker offeriert haben. Mit Text und Tonspur werden Aussprache, Wortschatz und Grammatik zugleich frei Haus geliefert, so dass nur noch wenige Erklärungen und Systematisierungen nachgeschoben werden brauchen. Denn wenn man das Deutsche so gleichsam dem Französischen anverwandelt, bleiben in der Tat nur noch wenige Fragen: Der doppelt verstandene Text ist schon die Grammatik. Mit der bilingualen Präsentation können die Schüler selbständig arbeiten und ihr Lerntempo selbst bestimmen. Jeder hat einen MP3-Player oder Walkman mit Kopfhörer und mit Pausentaste. Die drückt er, sooft es ihm nötig erscheint, um den Text zu verfolgen und dabei zu verstehen. Optimal wäre die häusliche Nacharbeit am Computer. Es müsste eine langsame und eine sprechübliche Tonspur aufgezeichnet werden, und die Übersetzung - parallel oder interlinear - müsste man ebenso ausblenden können wie den Originaltext. Nachdem die Schüler schon einige Fortschritte gemacht haben, können die Hilfen zurückgenommen werden und die Technik der Interlinear-Präsentation schließlich ganz aufgegeben werden. Nach einem ersten Textdurchgang im Plenum können die Schüler mit ihrem MP3-Player auch schon mal auf den Hof geschickt werden, um sich den Text einzuprägen - Englisch im Gehen. Solche Einzelarbeit heißt hundertprozentige Schülerbeteiligung. Irgendwann sind die Schüler in der Lage, den Text ohne Hörvorlage zu lesen, aber im eigenen Tempo. Sie halten sich dabei die Ohren zu, um von den anderen nicht gestört zu werden, und üben, indem sie sich selbst nachsprechen: Der Schüler liest einen Satz laut ab, schaut dann vom Buch auf und spricht ihn noch einmal. Diese Technik wurde schon von Bärwald (1899a, 70) und später von West (1962: read-and-look-up) mit Nachdruck empfohlen. Dabei gehen die Schüler in der Klasse mit dem Buch in der Hand und dem Finger zwischen den Seiten herum (ausführlich S. 364ff.). Beim nochmaligen Durchgehen des Textes versuchen sie das freie Nacherzählen. Sie schauen bewusst viel seltener als vorher in den Text und schließen Erinnerungslücken durch freies Nachbilden. Diese Übungssequenz erlaubt den besseren Schülern mehr Spielraum. Auch die Lernschwachen werden gefördert, weil sie sich so weit fordern, wie es ihnen möglich ist. Mit guten Texten werden die Schüler auch nicht intellektuell unterfordert, wie das im üblichen Anfangsunterricht und oft schon beim Lese- und Schreibunterricht für Erstklässler der Fall ist. Neuerdings erinnert sich auch die Didaktik des altsprachlichen Unterrichts an ihr Erbe und versucht einen Neubeginn mit bilingualen Textmethoden (Fritsch 1998; Nickel 1999; Waiblinger 1998; 2001). Waiblinger verweist auf spätantike bilinguale Textmethoden, mit denen schon die Römer 106 Zweifach verstehen: die Grundbedingung des Spracherwerbs Griechisch und die Griechen Latein lernten. Hier ein Ausschnitt aus den Hermeneumata Pseudodositheana aus dem dritten Jahrhundert nach Christus: Ante lucem Vor Tagesanbruch vigilavi de somno, Wachte ich aus dem Schlaf auf surrexi Stand auf de lecto, Von (meinem) Lager sedi, Setzte mich ! " accepi pedules, caligas, Nahm die Fußbekleidung, Stiefel ! " calciavi me; Zog sie an (beschuhte mich) (zit. bei Waiblinger 1998) Und ein Lehrtext aus Waiblingers Griechischkurs: # $ % % & Der Philosoph Thales, ! '& ( ) * %( einer der sieben Weisen, ! + , - " spricht über den Kosmos . / & ! 0 ungefähr folgendermaßen: 1 & - 2! Der Kosmos hat Verstand, 3 ! + 4 5 / wie auch die Menschen 2 0 Verstand haben. Die altsprachliche und neusprachliche Methodik sind im Aufbruch! 7 1 Hiermit widerspreche ich Standop: “Hat aber jemand einen Text verstanden, muss er notwendigerweise auch seine grammatische Struktur verstanden - in meinem Sinne ‘intuitiv durchschaut’ - haben.” (Standop 1986, 38) 2 Vgl. H. Grimm (1999, 40): Die Mutter unterstützt den Spracherwerbsprozess aktiv, “indem sie kommunikativ anregende Kontexte herstellt, eine an die jeweiligen Fähigkeiten des Kindes angepasste und verständnissichernde Sprache verwendet sowie ganz besondere Techniken einsetzt, die geeignet sind, dem Kind Informationen über Regelmäßigkeiten der Sprachstruktur zu geben”. 3 Vgl. dazu auch Peters (1983) und Peltzer-Karpf (1994, 123) über Fehlsegmentierungen und anschließende Reorganisation. 4 Vgl. Dietrich (1968, 49): “Wir sprechen nicht in einzelnen Wörtern, sondern in Sätzen oder wenigstens in ganzen Satzpartien (phrases, Wortblöcken und intonatorischen Sprechgruppen). Die Handhabung der Alltagssprache fällt damit unter die mechanisierten (nicht: mechanischen) Tätigkeiten, d.h. solche, die zumeist nur von geringer Aufmerksamkeit begleitet sind …” Aber auch schon der Lateinunterricht achtete auf die Phraseologie, vgl. Eckstein (1887, 184). 5 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass manches konsequent zweisprachig angelegte Lehrwerk auch dem Zweck diente, für Angehörige beider Sprachen benutzbar zu sein, also für frankophone Deutschlerner ebenso wie für deutsche Französischlerner. 6 Genau diesen Trick, nämlich bekannte Bibeltexte zum selbständigen Fremdsprachenlernen zu verwenden, benutzten z.B. James Murray, Begründer des Oxford English Dictionary, T.B. Macaulay (Trevelyan 1876) und Trotski (1929). Zweisprachige Textdarstellung in Selbstlernkursen 107 7 Hierzu zählen auch die nachdrücklich empfohlenen Selbstlernkurse von Vera Birkenbihl (1992), die mit einer Doppelübersetzung operieren. Schnupperversionen für mehrere Sprachen unter www.birkenbihl.de. Weitere historische Belege zum Doppelverstehen finden sich auf der zum Buch gehörenden Webseite http: / / www.lustzumlehren.francke.de. Man lernt nur einmal sprechen. Fremdsprachen müssen an muttersprachliches Können und Wissen anknüpfen. 5 Natürliche Künstlichkeit Natura enim non imperatur, nisi parendo. (Francis Bacon) Erwerbskontexte Wie lernt man Sprachen, wie müsste man sie lehren? Der Blick auf den natürlichen Spracherwerb ohne Unterricht und schulische Arrangements ist unvermeidbar. Hat uns die Natur nicht den Weg des Gelingens vorgezeichnet? Drei methodische Kernfragen sind bis heute strittig, auch weil gern mit Blick auf den natürlichen Erwerb argumentiert wird: Einsprachigkeit: Beim Mutterspracherwerb hilft auch keine andere Sprache aus. Mündlichkeit: Der natürliche Spracherwerb kommt ohne die Schrift aus. Keine grammatische Belehrung: Kinder erschließen sich die Grammatik eigenständig. Wahr und doch irreführend. Es sind eben immer Wahrheiten, so hatte es Ludwig Marcuse gesagt, mit denen man am besten täuscht. Wir müssen die unterschiedlichen Erwerbskontexte beachten und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Zum Beispiel: Ferienzeit, eine Burgruine in Südwales. Plötzlich, unverkennbar deutsche Laute. Ein Vater spricht mit seinem kleinen Sohn: “Jetzt müssen wir uns noch ein klein wenig gedulden. Siehst du, die Mama? Die ist da drüben. Die ist gleich wieder da. Gehen wir noch’n Stückchen auf der Mauer balancieren. Aber schön festhalten, nicht loslassen.” usw. Der Kleine ist quengelig. Mama kommt immer noch nicht, und der Vater redet unverdrossen weiter, muntert auf, redet gut zu. Als die Mama zurückkommt, spricht sie Englisch mit ihm. Das Kind wächst offensichtlich zweisprachig auf, hat einen deutschen Vater und eine englische Mutter. Die fünf Minuten Deutsch, die ich mitbekommen habe, würden ein paar Seiten füllen. Ich hatte eine Woche nur Englisch gehört, und mir war schon beim ersten Satz klar: Das ist Muttersprache, Mutterlaut. Alles stimmte, Wortwahl, Grammatik, Pragmatik, Melodie und Rhythmus. Sprachunterricht vom Feinsten, passend zu jeder Regung des Kleinen. 110 Natürliche Künstlichkeit Kinder lernen normalerweise ihre Sprache gleich von mehreren Muttersprachlern. Sie lernen auch zwei Sprachen zugleich, wenn sie von genug Muttersprachlern umgeben sind, die einwandfreie Sprechvorbilder abgeben. Der Input stimmt - qualitativ wie quantitativ. Und in Abhängigkeit vom Input strukturiert sich unser Sprachhirn und festigt zugleich seine Strukturen. Die Lernbarkeit der Sprache: Mustererkennung Sprache ist uns anerschaffen, sie gehört zu unserem Geburtsrecht. Wir erhören uns die Grammatik, wie wir uns später auch die Rechtschreibung großenteils erlesen. Denn unser Gehirn ist darauf spezialisiert, nach Regelhaftigkeit gleichsam zu fahnden. Mustererkennung ist genau das, was unser Gehirn von Anfang an als natürliche Mitgift leistet. Nicht die Einzelerfahrung zählt, sondern was hinter den einzelnen Erfahrungen an Gemeinsamkeit steckt - ein Abstraktionsvorgang. Dazu brauchen Kinder aber regelmäßigen und regelhaften Input in einem Ausmaß, das die Schule normalerweise nicht bieten kann. Abstraktion ist nichts anderes als die Kunst, zu sehen, wie in verschiedenen Dingen das gleiche Grundmuster durchschimmert. Kein Kind bekommt Strukturen als solche zu hören, sondern nur konkrete Äußerungen, in denen diese Strukturen enthalten sind. Das Kind beginnt mit konkreten, lexikalisch und morphologisch spezifischen Konstruktionen, d.h. Form- Bedeutungspaarungen. Dazu gehören Wörter ebenso wie solche Wortfolgen, aus denen nach und nach, in Abhängigkeit von kommunikativen Erfahrungen konsistent abstrakte Schemata induziert werden können, die ja ebenfalls eine Bedeutung haben (Tomasello 2003). “Gib mir den Ball”, “sag mir das Wort” und “sing mir das Lied”: In allen drei Sätzen ist ein (1) Etwas im Spiel, das (2) einer, hier: es selbst, einem (3) anderen übergibt/ zukommen lässt. Die Idee des Transfers ist die gemeinsame Bedeutung, das Sich-Wiederholende, das herauspräpariert werden muss, den offensichtlichen Unterschieden zum Trotz. Denn hier wird ein Wort und ein Lied wie ein konkretes Objekt behandelt - genau genommen eine metaphorische Übertragung. (Schon Jean Paul wusste, jede Sprache ist “ein Wörterbuch erblasster Metaphern”.) Und es wird davon abgesehen, dass man ein konkretes Objekt weggibt und es dann selbst nicht mehr hat, während Wort und Lied auch beim Weitergeben bei einem verbleiben. Ein gewaltiger Unterschied! Aber im Hinblick darauf ist das Muster neutral. “Konstruktionen” bilden ein Kontinuum vom Wort bis hin zu hochabstrakten grammatischen Mustern. 1 Abstrakte Muster, die unterschiedlich gefüllt Unterschiedlichstes kommunizieren können, sie sind die wundersame Leistung der Grammatik Die Lernbarkeit der Sprache: Mustererkennung 111 sowie des Kindes, das sich in sie hineinfinden muss. Die so erkannten Regelungen werden abgespeichert, so dass sie für den eigenen Output und neue Situationen zur Verfügung stehen. Das Frontalhirn, so versichern uns Hirnforscher, ist auf Mustererkennung spezialisiert, ist Schöpfer von Neuem nach bekannten Vorbildern. “Mit jeder Erfahrung, jedem Wahrnehmungs-, Denk- und Gefühlsakt gehen flüchtige, wenige Millisekunden dauernde Aktivierungsmuster im Gehirn einher. Die Verarbeitung dieser einzelnen Aktivierungsmuster (der einzelnen Erfahrungen) verändert das Gehirn, nicht viel, aber ein ganz kleines Stück. Was von den unzähligen Einzelerfahrungen (Musterverarbeitungsprozessen) bleibt, ist daher nicht deren Einzigartigkeit, sondern das, was sie mit anderen Erfahrungen gemeinsam haben, das, was hinter den einzelnen Erfahrungen an Gemeinsamkeit steckt” (Spitzer 2004, 31, 211). Aber es bedarf vieler sich unausgesetzt selbst verstärkender Einzelbeispiele über Jahre hinweg. Erst das mit genug Beispielen gefütterte Sprachhirn registriert und “durchschaut” komplexe Konstruktionen, d.h. an ein formales Muster wie “someone/ something needs+ verb+ing” gekoppelte Bedeutungen, die es situationsbezogen zu handhaben versteht. Die Frage stellt sich, wie denn gerade ein noch so unfertiges, unreifes Gehirn komplexe Sprachmuster durchdringen kann. Fremdsprachenlehrer führen die Grammatik nur nach und nach ein. Es ist nicht üblich, schon in den ersten Monaten mit Relativsätzen, dem Konjunktiv oder dem Passiv zu operieren. Man schreitet systematisch vom Einfachen zum Komplizierten fort, wie bei allen Fertigkeiten, sei es beim Schuhe-Zubinden, beim Kochen oder Klavierspielen, beim Lesen- und Schreibenlernen. Eltern nehmen aber nicht solch weitgehende grammatische Rücksichten wie Lehrer, sie legen sich keineswegs starke grammatische Fesseln an und brauchen es auch nicht. Was im Anfangsunterricht grammatische “Vorwegnahmen” wären, ist hier die Regel. Gewiss, sie sind auf Verständigung und Verständnissicherung aus und geben dabei unbewusst auch grammatische Hilfen. Warum gehen sie aber nicht noch weiter und gliedern den Sprachstoff wie die Lehrer? Letztere geben außerdem noch grammatische Erklärungen. Klar, Eltern sind keine ausgebildeten Sprachlehrer, und Kinder sind Kinder, deren unausgereifter, unentwickelter Verstand mit grammatischen Erklärungen nichts anfangen könnte. Und gerade das ist der springende Punkt, das Verblüffende, das zunächst nicht Einleuchtende. Die vermeintlichen Schwächen sind die Stärken! Muttersprachen sind lernbar, weil sie auf ein noch unentwickeltes, reifendes Gehirn treffen, das dabei ist, sich selbst zu strukturieren. Dieses kann gar nicht anders, als zunächst nur die einfachsten Form-Bedeutungskoppelungen aufzugreifen und zu verarbeiten (Mama, Papa, da, weg …). Nur sie filtert es aus dem Zugesprochenen heraus, und sind sie einmal etabliert, sind sie das Pack-Ende, um komplexere Formen dazuzulernen. Erste Grobstruk- 112 Natürliche Künstlichkeit turierungen verfestigen sich selbst und schaffen weitere Strukturen. Kinder sehen den Wald, aber noch nicht die Bäume, sagt Terrence Deacon (1997, 141), und gerade dieses Ausblenden komplexer Details und Auf-später-Verschieben hilft ihnen: “Immaturity of the brain is a learning handicap that greatly aids language acquisition.” Der Lehrer wird quasi durch “ein reifendes Gehirn ersetzt”, formuliert Spitzer (2004, 94f.): “Gerade weil das Gehirn reift und gleichzeitig lernt, ist gewährleistet, dass es in der richtigen Reihenfolge vom Einfachen zum Komplizierten lernt.” Und “Ein sich in seiner Kapazität entwickelndes System ist für das Erlernen komplexer Strukturen besser geeignet als eines, das von Anfang an die volle Kapazität aufweist” (Spitzer 2000, 199). Demnach wäre eine kürzere Gedächtnisspanne anfangs kein Hindernis, sondern von Vorteil. Weniger kann eben mehr sein. Computersimulationen neuronaler Netzwerke bestätigen es (Elman 1993). Hat sich das System anhand des gefilterten und somit vereinfachten Inputs selbst strukturiert, kann es Komplexität als Ausnahme vom schon gelernten einfachen Fall erkennen und draufsatteln. Für das sich selbst organisierende Gehirn ist also “klein anfangen” genau das Richtige. So konnte u.a. mit einem sehr einfachen Mustererkennungsprogramm, das mit Sprachinput gefüttert wurde, wie ihn Kinder bekommen, der Erwerb von Vergangenheitsformen erstaunlich gut simuliert werden (ausführliche Diskussion bei Teepe 2005, 85ff.). Die Masse macht’s Allerdings: Häufige, wiederholte sinnvolle Sprach- und mit ihnen verkoppelte Sacherfahrungen sind unabdingbar für die grammatische Musterbildung und ihren Erwerb. Für die vielen Einzelerfahrungen, die das Gehirn miteinander abgleichen kann, steht ein neues Schlagwort bereit: Entrenchment. So wie sich ein Fluss in eine Landschaft eingräbt und sich dabei ein festes Bett schafft, so müssen auch Form-Funktions-Zuordnungen durch häufigen Gebrauch zunächst erkannt und dann auch gefestigt werden. Zur Hoch-Zeit von Pattern Drills und Sprachlabor sprach man gern vom notwendigen “Einschleifen” der Strukturen - keine sehr positiv konnotierte Metapher, denn das Klassenzimmer mutierte da schnell zum Exerzierplatz. Doch war im Grunde nichts anderes gemeint als das, was jetzt Beobachter des natürlichen Spracherwerbs entrenchment nennen. Ich habe es Einwurzelung genannt (Butzkamm 1989). Man nimmt an, dass es jeweils eine Lernschwelle gibt, mithin eine kritische Masse von verstandenem Sprachinput vorhanden sein muss, bis das Kind bereit ist, etwa eine bestimmte Flexion zu übernehmen (Clark 2003, 432). Das Kind stellt seine Grammatik nicht radikal um: Heureka, hier ist die Regel, und jetzt wird nach dieser Regel generiert. Es erwirbt allmählich ein Weitere Handikaps des Unterrichts 113 wachsendes Inventar von Konstruktionen, die zunächst an charakteristischen Ausdrücken, meistens Verben, und damit eben auch Situationen/ Ereignissen fest hängen, ohne sofort auf andere passende Verben übertragen zu werden. Anfangs herrscht ein ziemliches Durcheinander, und Kinder verbleiben lange bei Einzelausdrücken, bevor sie gewissermaßen ihre Grammatik und damit ihre Produktivität und kombinatorische Potenz erkennen. Aber die Masse macht’s. “Dortmunder Aufnahmen zeigen uns das Ausmaß der von Kindern und Eltern gemeinsam geleisteten Spracharbeit. Katrin wurde im Alter von 1; 5 202 Minuten lang aufgenommen, in denen sie genau 3.998 Wörter sprach; die fünfjährige Gabi wurde zweieinhalb Stunden lang aufgenommen und sprach insgesamt 6.412 Wörter. Hochgerechnet auf den Tag ergeben sich ca. 14.000 Wörter für die jüngere und 30.400 für die ältere” (Butzkamm & Butzkamm 2004, 101). Hart und Risley (1995) fanden in ihrer heute als klassisch geltenden Studie heraus, dass Mittelschichteltern knapp fünfhundert Äußerungen pro Stunde - von Einwortsätzen bis zu Monologen - an ihre dreijährigen Kinder richteten (bei Kindern von Sozialhilfeempfängern waren es weniger als halb so viele Äußerungen). Das Ausmaß der frühen Sprachkontakte hat auch spätere Schulleistungen positiv beeinflusst. “Talk is the greatest tool parents can use to develop their child’s intellectual skills”, konstatiert Risley. Befunde, die später in The Power of Talk von Gilkerson & Richards (2007) bestätigt wurden. So konstatiert Tomasello (2003, 98) auch auf der Grundlage eigener Daten zum kindlichen Spracherwerb: “Generalizations come only after a fair amount of concrete linguistic material has been learned”. Heraus kommt dann die erfühlte, die gekonnte, nicht die gewusste Grammatik. Man könnte sagen: Wir erlernen unsere Muttersprache nicht bewusst, wir gewöhnen uns an sie. Habit formation durchaus, aber eben nicht im Sinne assoziationistischer Konditionierungstheorien, die das Wesentliche, die uns einprogrammierte Mustererkennnung, verkleistern. Das Wunder dieses Spracherwerbs ist auch später noch möglich, wenn der Input stimmt. So erinnert sich eine Au-pair-Studentin: It took me almost two months to understand everything they were talking about at the dinner table because they were talking so fast. But then continued listening made a click in my head and from that moment I understood much more. It was a miracle. P. Weitere Handikaps des Unterrichts Die notwendige Fülle gelebter Sprachbeispiele kann der Unterricht nicht leisten. Der auf wenige Wochenstunden beschränkte Unterricht gerät hier hoffnungslos ins Hintertreffen. Zum Zeitfaktor kommen weitere Handikaps 114 Natürliche Künstlichkeit des Unterrichts im Vergleich zum natürlichen Erst- und Zweitspracherwerb von Kindern. Sprecherfaktor: Viele Schulkinder müssen sich einen Lehrer teilen, der’s schon kann. Umgekehrt hat es das Kind auf dem Weg zur Mutter- und Zweitsprache mit vielen hochkompetenten Sprechern zu tun. Weltfaktor: Mit seiner Erstsprache wächst das Kind zugleich in ein ursprüngliches Können und Weltwissen hinein. Es gilt, nicht aufschiebbare Bedürfnisse zu befriedigen, sein Löffelchen zu handhaben, sich anzuziehen und und und … Sprache wird gelebt statt gelehrt. Das macht den Spracherwerb so morgenfrisch, so dringlich wie notwendig. Das Klassenzimmer hingegen ist eine Welt mit vier Wänden. Am Anfang des Spracherwerbs herrscht seelisches Einssein zwischen Eltern und Kind. “Das Baby erfährt den liebevollen Zuspruch von jemandem, der zurück geliebt werden will” (Butzkamm & Butzkamm 2008, 70). Sprache ist der Weg zum Mitmenschen - und zum Ich. Fortschritt wird freudig begrüßt, Fehler sind einfach nur drollig. Diese Intimität ist mit einer Schulklasse nicht herstellbar. Die Erstsprache ist genetisch doppelt abgesichert, bei Kind und Eltern. Das betrifft schon den Willen zur Sprache. Beim Kind der starke Drang, es den Erwachsenen gleichzutun, so zu werden wie sie. Bei den Eltern ist auffällig, dass sie Kleinkinder in bestimmter Weise ansprechen, z.B. intonatorisch, und alles tun, um sich verständlich zu machen, dabei aber weder lautlich noch grammatikalisch vereinfachen. Gut, es gibt ein paar Babywörter wie taita, baba usw., und Eltern traktieren ihr Kind nicht gleich mit Obwohl-Sätzen - aber nicht wegen der Grammatik. Sie spüren, dass Kinder das Argumentieren mit Gegengründen nicht verstehen würden. Aber am komplexen Strukturwerk des Fragens und Verneinens oder etwa an der komplexen deutschen Mehrzahlbildung, der Adjektivflexion und überhaupt an den grammatischen Fällen, daran werden keine Abstriche gemacht. Im Ganzen gesehen, unternehmen sie keine großen Anstrengungen, grammatisch zu reduzieren, im Gegensatz zum Ausländersprech, wo man etwa Verben nur in der Grundform verwendet. Fazit: Was immer wir auch im Unterricht tun, diese Natürlichkeit können wir nicht wieder herstellen. Sie ist einmalig. Eine Grauzone bilden bilinguale oder rein fremdsprachige Kindergärten. Der Normalfall, auf den sich eine Methodik einzustellen hat, ist der “3hpw learner” (3 hours per week, Swan 2005, 378), der sich einen Lehrer mit 20-30 Mitschülern teilen muss. Damit schulisches Lernen trotz des extrem anderen Erwerbskontexts natürlich, d.h. gehirngerecht und auf den psychologisch richtigen Bahnen, verläuft, bedarf es ausgeklügelter methodischer Arrangements. Sprechen wir daher lieber von einer “natürlichen Künstlichkeit”. Sie ist eine Schlüsselfor- Kompensation: die Muttersprache als Sprachmutter 115 mel in der philosophischen Anthropologie Helmuth Plessners (1928, 309ff.). “Natürliche Künstlichkeit” ist das Signum des Menschen, der sich zu dem, was er ist, erst machen muss. Je mehr er sich - wie in der Institution Schule - von der “Natur” entfernt, um so mehr benötigt er Kunst und Kultur. Kompensation: die Muttersprache als Sprachmutter Alles Lob, das man den alten Sprachen als Bildungsmitteln erteilt, fällt doppelt der Muttersprache anheim, welche noch richtiger die Sprach-Mutter hieße; und jede neue wird nur durch Verhältnis und Ausgleichung mit der ersten verstanden … (Jean Paul Friedrich Richter, 1806) Jede neue Sprache trifft in uns unausweichlich auf die schon vorhandene Muttersprache. Die Muttersprache ist die Wegbereiterin für alle weiteren Sprachen und steht ihnen gleichzeitig immer im Weg. (Mario Wandruszka) Die Handikaps sind nicht unüberwindbar. Aus einem Grund: Wir haben ja schon Sprache, wenn wir in Fremdsprachen unterrichtet werden. Hätten wir sie nicht, könnte uns keine Schule eine Sprache beibringen. Wie widersinnig, wie absurd eine Sprachlehrmethodik, die sich von diesem Grund abschneidet! Die Muttersprache - oder die im Laufe der Zeit dominant gewordene Sprache - ist bei allen Schulfächern, auch dem Fremdsprachenunterricht, der stärkste Verbündete des Kindes. Dagegen steht das vom fremdsprachendidaktischen Mainstream betonte negative Bild: Der Fremdsprachenlehrer baut Inseln, die ständig in Gefahr sind, vom Meer der Muttersprache überspült zu werden. Man muss sie zurückdrängen, Dämme gegen sie aufrichten, auf ein Minimum beschränken, bestenfalls ignorieren. Richtig daran ist: Alle Sprachen sind insofern Konkurrenten, als ohne Kontaktzeit Sprachverlust droht und die Gesamtkontaktzeit nicht erweiterbar ist. Weil nun die Muttersprache immer schon da ist, lässt es sich so leicht aus der Fremdsprache flüchten - eine ständige Versuchung für Schüler und Lehrer. Im Unterricht aber muss der Schüler in die Fremdsprache eintauchen können. Man lernt keine fremde Sprache, indem man eine andere gebraucht. Es ist dieser Anteil des Wahren im Falschen, von dem man sich täuschen lässt. Falsch ist nämlich, die Muttersprache auf die Rolle der Feuerwehr bei schwierigen Wort- und Strukturerklärungen zu reduzieren. Richtig ist: In der Muttersprache und durch sie haben wir 1) denken gelernt und die Welt auf den Begriff gebracht; 2) kommunizieren gelernt; 3) artikulieren gelernt und unser Stimmorgan entwickelt; 4) eine grammatische Grundordnung intuitiv zu erfassen gelernt; 5) die sekundären Fertigkeiten des Lesens und 116 Natürliche Künstlichkeit Schreibens erlernt. Dieses Geprägt- und Schon-Informiertsein, d.h. die umgreifende, in der Erstsprache heranreifende Sprachlichkeit des Menschen, ist das Fundament unserer Selbstwerdung und der größte Aktivposten des Fremdsprachenlerners. Die Muttersprache (einschließlich anderer, wie Muttersprachen erworbener Sprachen) ist darum das Instrument zur Erschließung fremder Sprachen, ihrer Bedeutungen, ihrer grammatischen Formen und Funktionen, der Dechiffrierschlüssel, der den schnellsten, den sichersten, den genauesten und vollständigsten Zugang zur Fremdsprache bildet - bis diese sich zunehmend selbst weiterbauen kann. Lediglich unser auf die Muttersprache eingestimmtes Ohr ist mehr Hindernis als Hilfe. 1. Wir nutzen das kognitive Potential Kognitiv meint hier zunächst unser Weltverständnis, alles, was wir von unserem Leben verstehen und wie wir Wirklichkeit erfasst und geordnet haben. Dazu gehört auch so etwas Fundamentales wie unser Symbolvermögen, das sich an und durch die Muttersprache herausgebildet hat: die Tatsache, dass es Lautungen gibt, Klänge, rhythmische Erschütterungen der Luft, die an unser Ohr dringen und auf etwas verweisen. Das eben ist ja eine der großen Errungenschaften des menschlichen Geistes, dass etwas für etwas anderes stehen kann, zu dem es sonst überhaupt keine Beziehung hat. Es ist das Arbiträre, Unmotivierte, Unbegründete in der Tatsache, dass etwa ein Schall wie “rot” eine Farbe meint. Anders gewendet: Kinder sind wie alle Menschen symboltüchtig, sie kennen intuitiv das Wunder der Zeichenverwendung, das Wunder der Wörter. Hinzu kommen Grundmuster des Handelns wie Essen, Sprechen, Laufen, Geben und Nehmen, basic event types und all die verschiedenen Lebenswelten, in denen wir uns schon auskennen, drinnen und draußen, Arzt, Bus, Tankstelle, Imbissbude usw. Es gibt eine schöne Stelle in Stifters “Der Waldgänger”. Da hat sich ein alter, einsamer Herr, eben der Waldgänger, des Söhnleins eines armen Waldhegers angenommen und ihm Lesen und Schreiben beigebracht. “Vater, warum ist denn eigentlich das Lesen und Schreiben, ich kann es jetzt schon sehr gut und kann gar nichts damit tun? ” Und in einem längeren Gespräch wird dem Knaben nun allerlei erklärt, etwa, dass es Bücher gibt, mit denen man weiterlernen kann, oder dass er später mal seiner Mutter schreiben könnte. “Wie ist das, meiner Mutter schreiben? ” Auch das wird ihm nun erklärt, der noch nie einen Brief gesehen und nichts von der gesellschaftlichen Einrichtung, die da Post heißt, weiß. Eine ganze Welt ist muttersprachlich vorgeordnet. Wir haben Zeitvorstellungen entwickelt und können die Uhrzeiten sagen, haben ein Sinn für Vergangenes und Zukünftiges entwickelt, wir unterscheiden zwischen Sein und Werden, kennen die Logik von und und oder, all das in engster Verbindung mit der Muttersprache. Sallwürk (1881, 243) hatte völlig recht, als er gegen die Direktmethodiker argumentierte: “Es handelt sich vorerst, d.h. beim elementaren Unter- Kompensation: die Muttersprache als Sprachmutter 117 richt in den Fremdsprachen gar nicht um die Gewinnung von Vorstellungen und Begriffen, sondern … um die Einkleidung gewonnener Begriffe in fremde Form.” Diese erste Ordnung der Dinge, unsere Lebensbegriffe, unsere Welterfahrung tragen wir in die Fremdsprache hinein. Wir können gar nicht anders. Täten es die Schüler nicht von selbst, könnten die Lehrer gleich einpacken. 2. Wir nutzen das kommunikative Potential Kinder können nur leben im lebendigen Austausch mit ihren Pflegepersonen, sonst verkümmern sie bald. Wir erfahren uns selbst als Wesen, die auf das Du zielen und von ihm etwas wollen, und wir begreifen, dass der andere von uns etwas will. Jemand will uns, unserm Wahrnehmen und Denken, eine Richtung geben, er will uns ausrichten, er will uns etwas ausrichten. Wir verstehen die Absicht des anderen, später auch die Absichten, die in den Ansichten stecken. Die Eltern setzen dies Lernen in Gang. Schon bei Lautäußerungen, die nichts anderes als eben Lautäußerungen sind, sagen wir ein Rülpserchen, tendieren Mütter dazu, Mitteilungsabsichten zu unterstellen, wo sie noch gar nicht da sind. Auf diese Weise erzeugen sie dann schließlich solche Absichten. Wir können dankbar sein, höflich oder grob, ironisch oder spöttisch. Wir können behaupten, bitten, bestätigen, uns einschmeicheln, trösten, jemanden umstimmen, nachgeben, verbale Angriffe abwehren, Gegenangriffe starten, einen lästigen Bittsteller abwimmeln. Wie verwirrend vielfältig sind solche Absichten im sozialen Miteinander! Ein Schulkind kann z.B. andere bewusst irreführen (weil es schon über eine theory of mind verfügt, wie die Fachleute sagen). Es kann lügen und sich aus schwierigen Situationen herausreden. Noch grundlegender: Es kann fragen, es weiß, was man mit Fragen tut, ein Wissen, das sich manche autistischen Kinder mühsam erarbeiten müssen. Das ist also keineswegs selbstverständlich. Wir tragen auch dieses Schon-Kommunizieren-Können in die Fremdsprache hinein. Täten wir es nicht, wir kämen nicht weit - was fatalerweise oft übersehen wird, leider auch in dem hierzulande so einflussreichen Buch Piephos (1974). Dagegen muss nachdrücklich betont werden, dass unsere Schüler schon kommunikative Kompetenz haben, wie Müller (2007) klarstellt. So auch Ji (1999, 111), der in China nachdrücklich einen bilingualen Ansatz propagiert: It must be pointed out that for Chinese EFL young learners, communication is not foreign. They know, for example, how to be polite, how to get information, how to persuade others, how to describe, and how to introduce themselves. What they mainly do not know is English words and ways of putting words together. 118 Natürliche Künstlichkeit 3. Wir nutzen das stimmliche Potential Kinder brauchen Jahre, um ihren Stimmapparat zu entwickeln und die Intonationen und Artikulationen der Muttersprache zu beherrschen - ein kleines biologisches Wunder. Bei der Geburt ist das Sprechzentrum (Broca- Areal) noch inaktiv, 6 Monate später aber läuft das Sprechzentrum synchron mit dem Hörzentrum. Ab 18 Wochen achten Babies auf Lippenbewegungen der Eltern und versuchen, ihnen etwas abzulesen. Mütter sprechen z.B. ihre zwei bis fünf Monate alten Sprösslinge mit stark in die Länge gezogenen Vokalen und einer markanten Betonung der Resonanzfrequenzen an-- was ihnen kaum bewusst ist: “Das ist der Ooopa! ” Sie liefern ihnen in diesem Alter sozusagen Supervokale. Alles in allem: Es ist eine Riesenaufgabe, aber sie wird gemeistert. Keine Frage, dass jeder Unterricht darauf aufbaut. Wir können gar nicht anders. Die Tatsache, dass wir bei einer Fremdsprache auch auf neue Laute und Lautkombinationen stoßen, ist dagegen ein Klacks. Aber an einer Stelle ist die Vorarbeit der Muttersprache ein echtes Hindernis. Während Babies rund um den Globus für alle Sprachen bereit sind, beginnt sich unser Ohr in die Klangwelt der Muttersprache hineinzuhören und verliert zugleich die Fähigkeit, Laute auseinanderzuhalten, wo das von der Muttersprache nicht gefordert wird. Hier ist Lernen zugleich ein Verlernen. Diese Einstimmung auf die Muttersprache bei gleichzeitigem Verlust unserer Hördiskrimination an anderer Stelle beginnt mit ca. 8- Monaten und ist inzwischen mit wunderschönen, sofort einleuchtenden Experimenten nachgewiesen. Als Weltbürger geboren, werden wir noch vor dem ersten Geburtstag Stammesangehörige (Butzkamm & Butzkamm 2008, 47ff.). Den meisten von uns wird nie mehr gelingen, einen muttersprachlichen Akzent abzulegen. Das gilt auch für viele mehrsprachig aufwachsende Kinder, bei denen eine Sprache dominant wird. Sprachlehrmethoden sind gerade dann “natürlich”, wenn sie hier “künstliche” Mittel einsetzen und auch mal in die Trickkiste greifen: re-education of the ear. 4. Wir nutzen das grammatische Potential: die Einheit in der Vielfalt Intuitiv haben wir nicht nur das Wunder der Wörter, sondern auch das Wunder der Grammatik verstanden. Schon das vorsprachliche Kind weiß zwischen Personen und Sachen zu unterscheiden; der Unterschied wird dann von der Sprache ergriffen, ausgearbeitet und grammatisch relevant. Wir haben auch gemerkt, dass bestimmte Sinn- und Sachverhalte weniger durch weitere Wörter, sondern durch kleine Veränderungen derselben und deren Gruppierung und Umgruppierung ausgedrückt werden. Da kann man z.B. unterscheiden, wer etwas tut und wem etwas angetan wird, von wem, wo und womit. Bekannt sind uns auch schon Wechselwörter wie “du” und “ich”, die je nach Sprecher und Situation jemand anderes meinen, nicht dieselbe Person. Damit haben Kleinkinder noch zu kämpfen, die Kompensation: die Muttersprache als Sprachmutter 119 “ich” und “du”, “mein” und “dein” gern verwechseln. Was könnte man von Schülern erwarten, die noch nicht über die Kategorien von “vor” und “nach” in Raum und Zeit verfügen? Wie könnten sie den progressiven Aspekt verstehen, wenn sie noch nicht den Begriff des Andauerns und Vorübergehens entwickelt hätten? Ein Verständnis für komplexe Strukturbereiche wie das Passiv wird über mehrere Etappen erworben, die ein Schulkind schon hinter sich gebracht hat. Zunächst glauben nämlich die Kinder, dass die zuerst genannte Person immer auch die handelnde ist. Erst über semantisch irreversible Sätze wie “Das Mädchen wurde von einer Wespe gestochen” gelangen sie zu einem neuen Verständnis. Wie viel Relativsätze hat ein Kind schon gehört, mit dem man Bilderbücher ansieht: “Und wo ist der Mann, der …“? Schulkinder haben mehr als einen grammatischen Grundvorrat angesammelt, auch wenn sie bis in die Schuljahre hinein noch dazulernen müssen. Zum Beispiel gibt es Schwierigkeiten mit Temporalsätzen, in denen die Ereignisse umgekehrt zur realen Ereignisfolge benannt werden. “Bevor wir essen gehen, müssen wir noch die Wäsche aufhängen.” Weil hier das “essen gehen” zuerst genannt wird, meinen sie, es wäre auch zuerst dran. Auch Kausativ-Strukturen halten Fallstricke bereit. “Bettina lässt Walter die Milch holen.” Fragt man nun, wer denn da die Milch holt, machen auch Siebenjährige noch Fehler und sind nicht in der Lage, zwischen dem Ausführer und dem Verursacher der Handlung zu unterscheiden. Die grammatischen Vorleistungen der Muttersprache beschränken sich nun keineswegs, wie man meinen könnte, auf formal-funktionale Gemeinsamkeiten, d.h. auf Fälle von Strukturgleichheit an der Oberfläche. Z.B.: Wir verstehen schnell, dass eine Sprache ein anderes Possessivum haben kann für einerseits ‘mein Kopf’ oder ‘mein Vater’ und andererseits ‘mein Löffel’ oder ‘mein Buch’. Wir können eben den Unterschied zwischen unveräußerlichem, nicht von mir trennbarem Besitz und einer anderen Besitzweise, einem auswechselbaren Besitz, nachvollziehen. So sind schon die Grundzüge der Temporalität, Kausalität, Konditionalität, Finalität und Konzessivität erworben, und zwar in dieser Reihenfolge. Wir beherrschen auch schon die Logik des Kontrafaktischen: Wäre da nicht …, dann würde … Neu zu lernen wären nur die spezifischen fremdsprachlichen Ausprägungen. Wie beliebt sind Wenn-Sätze bei Eltern! Grammatiken, die Bedingungen ausdrücken, ohne ein Wörtchen wie “wenn” zu haben, sind nachvollziehbar, weil wir die zugrunde liegende Idee des “Wenn - dann” schon haben. Auch dieses Verständnis tragen wir in die Fremdsprache hinein. Täten wir es nicht, wir kämen nicht weit. Die Muttersprache liefert uns die Grundformen unseres Denkens, über die sich die Wirklichkeiten der Einzelsprachen organisieren. In allen Sprachen liegt die eine Sprache der Menschheit, “die sich in den zahllosen des Erdbodens verschieden offenbart” (Humboldt 1963, 144). 120 Natürliche Künstlichkeit 5. Lesen und Schreiben Wenn Fremdsprachenschüler schon lesen und schreiben können, so sind dies enorme Vorleistungen, die wir uns zunutze machen müssen. Auch hier gilt die natürliche Künstlichkeit, nicht eine falsch verstandene Natürlichkeit, die eine schriftfreie Anfangsphase fordert. In der Tat führt der Weg zur Sprache über das Ohr, doch wir unterstützen das Hören durch das Mitlesverfahren (Kap. 6). Fazit: “Die Kinder würden die Sprache nicht lernen, wenn sie nicht schon eine Sprache hätten” (Jean Paul). Unzählige kognitive Vorleistungen haben sich mit der Muttersprache und an ihr entfaltet und müssen in das Fremdsprachenlernen eingespeist werden. Es gibt einen Grundbaukasten immergleicher Zentralwerkzeuge des Denkens und Sprechens, auf den alle Lerner zugreifen, egal was ihre Lehrer anstellen. Diese Methodik macht es sich zur Aufgabe, mehr als bisher aus dieser Erkenntnis zu machen. Andere Methodiken klären die Grundsatzfragen nicht und spielen die Frage nach Mitwirkung der Muttersprache herunter. Man meint, es sei damit getan, wenn man seinem gesunden Menschenverstand folgt und nicht päpstlicher als der Papst ist, d.h. wenn man sich nicht scheut, die Muttersprache flexibel einzusetzen, etwa bei authentischen Texten, bei Liedern und Kinderreimen. Es wird ja nichts so heiß gegessen, wie’s gekocht wird. Einsprachigkeit ja, aber eben mit Abstrichen, und damit sei das Problem erledigt. Weit gefehlt. Nichts gegen vernünftige Kompromisse, die gehören aber in die Politik, nicht dahin, wo man die Dinge wissenschaftlich hinreichend klären kann. Die Lösung ist nicht ein bisschen mehr oder weniger Muttersprache. Man muss viel genauer hinschauen, um zu erkennen, was sie leistet und wie entscheidend sie mithilft. Dann erst bekommt man einen Blick für die enorme Dimension dieser Mithilfe. Die Lehrer müssen bilinguale Arbeitstechniken, die hier detailgenau beschrieben werden, kennen und im Verbund mit einsprachigen Arbeitsformen regelmäßig verwenden. Dreizehn Thesen: giving or guessing? Im Folgenden greife ich eine Reihe von Argumenten auf, die in der didaktischen Diskussion um die Mitwirkung der Muttersprache eine Rolle gespielt haben. Vorweg sei gesagt, dass die Unterrichtsforschung die Überlegenheit unterschiedlicher bilingualer Arbeitsformen über monolinguale hat nachweisen können. Diesbezügliche empirische Studien sind u.a. bei Butzkamm & Caldwell (2009, 21ff.) und Decoo (2011, 108ff.; 156f.) zusammengefasst. 2 These 1: Einsprachiges Unterrichten ohne Zuhilfenahme der Muttersprache ist zwar äußerlich möglich, einsprachiges Lernen aber lange Zeit eine innere Unmöglichkeit. Dreizehn Thesen: giving or guessing? 121 Niemand kann sein Vorwissen einfach abschalten. Für den Anfänger postulieren wir eine ununterdrückbare “stille” Präsenz der Muttersprache auch bei absoluter Einsprachigkeit des Unterrichts. Jeder Sprachunterricht müsste scheitern, wenn der Schüler nicht diesen Anschluss an das Mächtigste in ihm immer schon von selbst vollzöge - genauso wenig, wie man auf unsere an der Muttersprache ausgebildete Stimme oder die an und von ihr geformte Schreibhand verzichten kann. Wenn die Muttersprache in der Fremdsprache nicht mitdenken würde (bis diese sich allmählich verselbständigt), könnten die Schüler überhaupt nicht mitdenken! “Ignoring or forbidding English will not do, for learners inevitably engage in French-English associations and formulations in their minds. Since many of these subvocal associations are evidently incorrect, it is far better to deal with crosslinguistic influences overtly” (Hammerly 1989, 51). Typisch, wie in einem rein fremdsprachlichen Kontext die Muttersprache durchbricht: Pupil: Bob’s missing. Teacher: Yes. The school bus is late because of the snow. Pupil: Mike is nich missing. John is nich missing. Im Französischen sind auch Genusfehler wie “la mouvement” ein Indiz für die heimliche Präsenz der Muttersprache. Die Unvermeidbarkeit muttersprachlicher Assoziationen ist zumindest seit Aronstein (1926, 71) ein Standardargument, das Lehrer immer wieder durch Beobachtungen aus dem eigenen Unterricht abstützen können. Jeder Lehrer setzt doch bei seinen Erklärungen von birthday oder postman schon voraus, dass seine Schüler wissen, was ein Geburtstag oder was die Post (in unserem Kulturkreis) ist. D.h. das Innewerden der Bedeutung schließt die Vernetzung mit der Muttersprache immer schon ein. Man halte sich vor Augen, wie viel Erlebtes vorangegangen ist, bis das Kind einen richtigen Begriff von “Geburtstag” oder “Postboten” hat. Anfangs haben wir gar keine Wahl und greifen unwillkürlich auf ausgebildete Strukturen zurück - bis die Fremdsprache selbst ein immer dichteres und festeres Netz geknüpft hat. Dann greift auch die Einsprachigkeit besser, d.h. die explizite Mithilfe der Muttersprache kann zurückgenommen werden, so wie auch Kinder später nicht mehr unbedingt anschauliche, ja handgreifliche Situationen brauchen, sondern neue Sprache aus dem sprachlichen Kontext allein erschließen. Damit ist auch ein Gegenargument entkräftet, das man häufig hört: “Wenn die Einwirkungen der Muttersprache schon nicht auszuschalten sind, so sollte man sie durch zweisprachige Vokabeleinführung und Vokabelverzeichnisse nicht auch noch verstärken. Nur in solchen Fällen, wo sich beim besten Willen keine vertretbare Definition innerhalb des Vokabelschatzes der Schüler finden lässt … nur in den ganz dringenden Fällen …” (Toth 1973, 12). Hier werden “die Einwirkungen der Muttersprache” zugegeben, aber sie sind eigentlich unerwünscht. Unsere Theorie dagegen sagt: 122 Natürliche Künstlichkeit Die Mitwirkung ist nicht nur unvermeidlich, sondern notwendig. Deshalb machen wir sie auch explizit, präzisieren sie oder stellen sie richtig. Unklares und Ungenaues können sich erst gar nicht einnisten. Das Einsprachigkeitspostulat hingegen ignoriert eine lernpsychologische Grunderkenntnis, dass neues Wissen anschlussfähig sein muss und alles Lernen ein Hinzulernen ist. Wie konnte man das übersehen? Die Hirnforschung bestätigt diese Sichtweise, denn die jeweils vorhandenen neuronalen Strukturen organisieren jene neuronalen Verbindungen, die zur Strukturierung neuer Netzwerke führen. Die Fremdsprache benutzt also in den Anfangsstadien das neuronale Netz der Muttersprache. Karpf (1990) konnte statistisch nachweisen, dass in den ersten Lernjahren die Fremdsprache an die Muttersprache andockt und erst mit zunehmender Kompetenz systemspezifisch dissoziiert. 3 These 2: Erklärungshilfen wie Abbildungen, Tafelzeichnungen und fremdsprachige Paraphrasen können den Unterricht bereichern, misslingen aber öfter, als man denkt. Sie fungieren als Stützpraktiken, die verschleiern, dass das Postulat der Einsprachigkeit zu revidieren ist. Im Vergleich zu muttersprachlichen Wort- und Satzäquivalenten handelt es sich um Kompensationen, die oft auch dann zu Missverständnissen führen, wo man sie nicht vermutet hätte. She tried to explain the meaning of ‘tall’ and ‘small’ to us, by having a little girl standing next to a huge boy. We all had no clue what she wanted from us. She repeated “Henrik is taller than Carina. And Carina is smaller than Henrik.” In addition to this she waved about with her hands. These actions confused us even more. C. He tried to teach us by means of the direct method … It did not work. This became obvious whenever he tried to explain new words, especially adjectives which described emotions or someone’s character. As certain emotions are difficult to describe, we often had only a slight hint of what he could mean and still could not grasp the real meaning of the word. B. Bei informellen Verstehensüberprüfungen nach einsprachiger Textdarbietung wurden stets viel mehr Missverständnisse aufgedeckt, als man erwartet hatte (“Look at the sky, Pam. It’s going to rain”. Über 50% der Kinder meinten, “sky” sei “Wolke” usw.). 4 Da hat man etwas ungefähr verstanden, macht aber sofort Fehler, wenn man das Wort selbst gebrauchen will. Bei vielen Wendungen schafft allein die muttersprachliche Klärung eine Sicherheit des Gefühls und Vertrauen zum fremdsprachlichen Ausdruck (“Il faut te ressaisir.” “Du musst dich einfach mal zusammenreißen.” “Tu suivras peut-être sur le livre de Pierre? ” “Könntest du vielleicht bei P. mit reinschauen? “). Aktionen, Demonstrationen, Bilder usw. dürfen die innere, unausge- Dreizehn Thesen: giving or guessing? 123 sprochene Anbindung an die muttersprachlich durchtränkte Erfahrungswelt nicht verhindern: “Aha, anniversaire ist Geburtstag.” Die Risiken des “guessing from context” sind offenkundig und nehmen erst ab, wenn man schon viel weiß: die Schwellenhypothese (Decoo 2011, 110ff.). Aber selbst bei fortgeschrittener Lektürearbeit fühlt man sich oft von einsprachigen Erklärungen im Stich gelassen. Man kann sie sich fast willkürlich herausgreifen: surly, erklärt mit rude and ill-mannered oder gambol mit run about, tart definiert als sexually immoral woman usw. Was hier englisch erklärt wird, ahnt man aber schon aus dem Kontext. Alles Feinere, Konnotative, Gefühlsmäßige geht flöten. Warum hat nun der Autor genau diesen Ausdruck gewählt? Oft sagt einem das erst die gute Übersetzung, die wirklich zum Text passt: ‘mürrisch’, ‘verdrießlich’ oder ‘Freudensprünge machen’ und ‘Flittchen’. Ein smart aleck ist ein Schlauberger oder Klugschwätzer, ein smart ass eher ein Klugscheißer. Diese Genauigkeit, die wirklich befriedigt, kriegt man mit einsprachigen Erklärungen nicht hin. Sie sind oft nur ein schlechter Ersatz, eben Kompensationen. Und sollten wir nicht auch an Ausbau und Verfeinerung der Muttersprache denken? Mündliche Worterklärungen sind oft weit ausholende Abschweifungen vom eigentlichen Thema. Texte werden zerredet. Die Einsprachigkeit erzeugt selbst die Probleme, als deren Lösung sie sich anbietet. These 3: Die lexikalisch-grammatische Ausdünnung der Lehrtexte und damit ihre inhaltliche Anspruchslosigkeit sind eine direkte Folge des Prinzips der Einsprachigkeit, das sie stützen sollen. Muttersprachliche Verstehenshilfen hingegen erlauben eine frühe Verwendung gehaltvoller authentischer Texte, die in den Lehrbüchern fehlen, weil sie nicht rein fremdsprachig zu vermitteln sind. Die moderne Didaktik hat clevere Visualisierungen für die Wortschatz- und Grammatikarbeit entwickelt. Dennoch ist weitgehende Einsprachigkeit am Anfang nur machbar, wenn darüber hinaus die Texte entsprechend gestaltet und entlastet sind. Man mache die Umkehrprobe. In früheren Jahrhunderten hat man Dickens’ Weihnachtsgeschichte oder das Johannesevangelium als Einführungstext verwendet. Das wäre ohne reichliche Mithilfe der Muttersprache undenkbar. Inzwischen wurden niveauvolle Texte immer mehr der Einsprachigkeit geopfert. So empfindet ein Lehrer, der selbst noch einmal einen Sprachkurs besucht: “We followed a multi-media course of a type that would be familiar to most EFL teachers, but to my dismay it was devoid of anything approaching a substantial text” (Gower 1999, 10). Alles ist schön bunt, und ach, doch so farblos und fragmentiert. Die Reduktion des Wortschatzes ist auch aus psycholinguistischer Sicht ein ganz falsches Mittel, um Schüler zu Erfolgen zu führen. Im natürlichen Spracherwerb ist der Einstieg in die Grammatik mit dem Wortschatzwachstum eng verbunden. Die “critical mass hypothesis” besagt: “Vocabulary 124 Natürliche Künstlichkeit development is a strong predictor of subsequent achievements in morphology and syntax” (Marchman & Bates 1994, 243). The teacher stuck to the coursebook which means we learned about people living in Halifax having such exciting incidents in their lives as “What am I going to wear tomorrow” or “Let’s go to the supermarket”. P. Wo moderne Lehrwerke authentische Texte schon früh verwenden (meist moderne songs als Zusatzstoffe), werden sie muttersprachlich erklärt, z.B. Yellow Submarine als Zusatzstoff im zweiten Lehrjahr (English G 2000). An dieser Stelle scheint es mir, als sei die Praxis der Theorie schon davongelaufen. Banale, anspruchslose, papierdünne Texte ohne Bildungswert aber gefährden den Unterricht der spät einsetzenden Fremdsprachen und besonders auch die Fremdsprachen in den angelsächsischen Ländern: They also criticised the emphasis on the mundane: “I found it really repetitive. You’d go into the lesson and hear the same things for five years … [for example] … objects in the house.” The textbooks were considered by most to be “out of date”, with one focus group agreeing that they were patronising and babyish. (Fischer 2001) Bilinguale Hilfen braucht auch der Sachfachunterricht in der Fremdsprache, und sie sind auch bei fächerübergreifenden Projekten erforderlich. “Viele landeskundlichen Inhalte, die für die Schüler zu bestimmten Augenblicken im Verlauf des Fremdsprachenunterrichts interessant wären, können bei einsprachig geführtem Unterricht nicht behandelt werden, weil die fremdsprachlichen Mittel der Schüler noch nicht ausreichen”, urteilt Erdmenger (1982, 360), Autor einer Landeskunde-Didaktik. Die Risiken und Nebenwirkungen der Einsprachigkeit wurden ignoriert. These 4: Bilinguale Techniken, richtig eingesetzt, erleichtern die fremdsprachige Unterrichtsführung, statt sie zu verhindern. Der Unterricht und was dort zu regeln ist, spielt sich natürlich mehr und mehr in der Fremdsprache ab. Die Fremdsprache ist als unterrichtstragende, allgemeine Verkehrssprache zu etablieren. Allerdings: Die Unterrichts- und Schulgeschäfte, die es zu erledigen gilt, die Vielfalt der Arbeitsanweisungen mit wechselnden Sozialformen, Disziplinarisches, mehr noch der freundlich-besorgte Umgang miteinander, erfordern oft sprachlich komplexe Kommunikation, so dass sich drei Optionen ergeben: Der Lehrer wickelt alles auf Deutsch ab. Was nicht unbedingt gesagt werden muss, bleibt schlicht ungesagt. Der Lehrer benützt die Sandwich-Technik und den Doppelpass. Dreizehn Thesen: giving or guessing? 125 Mit diesen Techniken ist es leichter, die Fremdsprache als Verkehrssprache im Unterricht konsequent zur Geltung zu bringen. Da hat ein Schüler noch Schwierigkeiten mit einer neuen Zahnspange, die die Artikulation behindert (“Oh, I see you’ve got a brace on your teeth - eine Zahnspange - a brace on your teeth to make them straight.”). Hier erfahren die Schüler, dass die fremde Sprache etwas taugt, dass man mit ihr seine Alltagsprobleme ansprechen kann. Das geht aber nicht ohne die Muttersprache quasi als Schmiermittel. Die Muttersprache wird so geschickt eingeschleust, dass sie kaum fremdsprachige Kontaktzeit kostet. In wenigen Sekunden wird den Schülern die jeweils gebrauchte Wendung zugespielt, dann geht das Gespräch weiter. Das Standardargument “Wird die Muttersprache verwendet, bleibt weniger Zeit für die Fremdsprache” stimmt einfach nicht, wenn man es auf die hier empfohlenen zweisprachigen Techniken bezieht. Viele haben erfahren, wie energieverzehrend ihr Bemühen um einen einsprachigen Unterricht ist. “Da beißt man sich als Lehrer bei den meisten Schülern die Zähne aus”, zitiert Appel einen Lehrer. Der punktuelle, gezielte Einsatz der Muttersprache wird den “alltäglichen, langen, zähen Kampf” der Lehrer (Appel 2000, 142; 238) um Durchsetzung der Fremdsprachigkeit bei den Schülern wohl nicht ganz abschaffen, aber doch erheblich abmildern. These 5: Die Forderung nach echter Kommunikation ohne Beihilfe der Muttersprache ist die Quadratur des Kreises. Muttersprachliche Verstehens- und Ausdruckshilfen, richtig eingesetzt, ermöglichen mehr echte, nicht planbare gehaltvolle Kommunikation als ein Unterricht, der auf solche Hilfen verzichtet. Spontaneität, persönliches Engagement und ein gehaltvolles Unterrichtsgespräch gelten als zentrale Merkmale eines modernen kommunikativen Ansatzes. Die Äußerungswünsche und Kommunikationsbedürfnisse der Schüler lassen sich aber nicht an die Kette eines vorausgeplanten, dosierten Wortschatzes und einer grammatischen Progression legen. I remember the sentence I hated most in class. This was spoken by a teacher I had in grade eight. His idea was to use English exclusively. When I wanted to contribute something and was sure I had a great idea, I tried to ask for an English word. I said something like: “I’m sorry, but what does X mean in English? ” The answer was simple: “Ariane, I always told you to use the words you already know. There is no need to answer this question with the help of other words.” This was all he had to say. I wasn’t allowed to finish my contribution and he asked somebody else to answer the question or make a statement. Usually, my fellow students used sentences which could be found literally in the text … Later I never used my own words or tried to express my own thoughts. Ridiculously, I got better marks for oral contributions than before. A. 126 Natürliche Künstlichkeit Ein echter Kommunikationskiller. Wirkt die Muttersprache mit, äußern sich Schüler spontan, riskieren mehr eigene Meinungen und erzählen Privates, die Lehrer können Aktuelles und Unvorhergesehenes zur Sprache bringen. Die Verweigerung der Muttersprache aber kann Gefühle des Ungenügens und der Frustration nähren. Ein Schnappschuss aus einer 5. Gymnasialklasse zeigt, wie die Muttersprache mitwirkt und Mitteilungsbezogenheit ermöglicht. Wie schnell lernt man seine Schüler und ihre Umstände kennen, wenn man das echte Gespräch sucht! Sein Wissen kann man wieder an anderer Stelle für weitere authentische Kommunikation nützen: eine sich selbst verstärkende Aufwärtsspirale. Arno und Daniel haben gerade ein eigenes Stückchen verfasst und vorgespielt: L: Do you have any questions? Questions for Arno and Daniel? … Daniel, do you like watching TV? Daniel: Hmm, yeah. L: Yes? What do you watch? Daniel: I watch football games/ matches and … hmm Horror/ Horror Filme. L: Horror films? Oh, I don’t like horror films. Do you like horror films? Daniel: Hmm kommt ganz drauf an. L: It depends. Daniel: Yes. L: And how many hours do you watch per day? … Do you watch TV every day? Daniel: No. L: Not really? Only at the weekends? Daniel: At the weekends I play with my friends. L: And when do you watch TV? Daniel: When no friend there is. L: When there are no friends around. Daniel: Yes. L: Or when my friends are away (When my friends aren’t around). Daniel: Yes. L: And how long (= much) do you watch? An hour or two hours, three hours, five hours? Daniel: What’s the meaning of “hours”? L: Ah, Stunde, sorry. Daniel: No, I watch a half hours. L: Half an hour. Oh, that’s not much. Lizzy: Haven’t you not friends in your city? L: Don’t you have friends? Lizzy: Don’t you have friends in your city? Daniel: No, die meisten sind zur Eifel gezogen. Dreizehn Thesen: giving or guessing? 127 L: Most of them, most of them Daniel: Most of them L: have moved to the Eifel Daniel: have moved to the Eifel. Das Gespräch wäre ohne Beihilfe der Muttersprache schnell an seine Grenzen gelangt oder erst gar nicht zustande gekommen! Wir bekommen also einen sehr hohen Gegenwert für die kurzen muttersprachlichen Einsprengsel. Da wundert sich ein German assistant an einer englischen Schule, warum die Eltern seiner Schüler alle die gleichen Berufe haben. Oder Praktikanten fällt auf, dass immer nur die gleichen Hobbies genannt werden. Da stimmt doch was nicht! Das sind typische Belege für weitere, ungewollte Nebenwirkungen der Einsprachigkeit, die die Kommunikation abschneiden: Schüler bleiben beim eingeführten Lehrbuchvokabular, ja werden noch dazu angehalten. Und bleiben somit ständig unter ihrer Form! Niemand muss Kinder zur Kommunikation zwingen. Sie wollen sie von sich aus. Geben wir ihnen doch die nötigen Hilfen dazu! These 6: Übersetzungen können manche grammatischen Funktionen umstandslos klären und erlauben so einen weitgehenden Verzicht auf die grammatische Progression der Lehrtexte, was ebenfalls die Wahl authentischer Texte erleichtert. Nicht nur die strenge Beschränkung des Wortschatzes, sondern auch eine strenge Ausrichtung an der Grammatik wird überflüssig. Unsere Schüler können schon in der ersten Unterrichtswoche mit englischen do-Konstruktionen, dem Gerundium oder auch dem gérondif problemlos fertig werden. Wieso soll einer nicht schon auf Anhieb “I like speaking English” sagen können? Kein Warten mehr aufs Gerundium! Natürlich wird Grammatik, soweit wie nötig, nach wie vor im geordneten Nacheinander vorgestellt. Aber Formen der Zukunft oder der Vergangenheit, des Fragens oder Verneinens usw. sind von Anfang an zugänglich. So wie der Lehrer schon von Anfang an das past tense gebraucht, wenn er lobt: “That was a good answer.” 5 Damit werden auch schon im Anfangsunterricht Scherz, Satire,- Ironie und tiefere Bedeutung möglich, vor allem aber auch das Erzählen. Die Sprache ist ja so reich, unerschöpflich reich. Wenn wir bilingual unterrichten, können wir an diesem Reichtum von Anfang an teilhaben. Wir gewöhnen uns in neue Grammatiken ein, weil wir schon eine haben. Als Jugendliche wären wir vermutlich schon weit über die Zeit hinaus, in der es unserem Hirn möglich ist, eine Grammatik von Grund auf zu erwerben, wenn uns - wie bei den sog. Wolfskindern - bis dahin Sprache vorenthalten worden wäre. Allein die Beachtung dieses Punktes könnte den Fremdsprachenunterricht weltweit revolutionieren. Wie weit man jedoch auf grammatische 128 Natürliche Künstlichkeit Progression der Lehrtexte verzichten kann, müsste jeweils für jede Paarung von Mutter- und Zielsprache untersucht werden. These 7: Die gezielte Ausnutzung lexikalischer und syntaktischer Verwandtschaften zwischen der Muttersprache und den europäischen Schulfremdsprachen fördert das Behalten und vertieft das Verständnis der Geschichtlichkeit von Sprache und Kultur. Die Verbindungen zwischen den Sprachen sollten ausdrücklich hergestellt und nicht unterdrückt werden. Damit treiben wir als Fremdsprachenlehrer bewusst auch muttersprachliche Wortschatzarbeit. Also: “Interlingual vernetzend lernen und auf Bekanntes zurückgreifen”, auch und gerade auf muttersprachliches Vorwissen (Meißner 2000, 17). “Die konsequente Nutzung der Verwandtschaft oder Ähnlichkeit zwischen Sprachen ist ein bisher kaum genutztes Reservoir für einen leichteren Zugang zur Vielsprachigkeit” (Klein/ Stegmann 2000, 17). These 8: Störende muttersprachliche Interferenzen (“I become a beefsteak” “Everbody needs today a computer”) können nie ganz vermieden, paradoxerweise aber gerade durch bilinguale Techniken verringert werden. In Ricks Taverne im Film Casablanca übt ein älteres jüdisches Ehepaar, das auf die Ausreise in die USA hofft: Er: What watch? Sie: Ten watch. Er: We’ll get along beautifully. “Tout bilingue a pu constater avec quelle facilité il fait des interférences même lorsqu’il essaie de les éviter à tout prix” (Grosjean 1984, 28). Paradoxerweise kann man die Muttersprache am besten wegüben, indem man sie nicht ängstlich vermeidet, sondern richtig einsetzt. Manche faux amis (lexikalischer und grammatischer Art) bleiben ohne Kontrastierung mit der Muttersprache unerkannt. Im Nijverdal-Experiment (Meijer 1974) konnte die Hypothese, dass der Einsatz zweisprachiger Techniken zu mehr muttersprachlich bedingten Interferenzfehlern führt, zurückgewiesen werden. Die muttersprachenähnliche Formulierung in der Fremdsprache ist gewissermaßen der Default-Fall, der automatisch eintritt, wenn unser Gedächtnis stumm bleibt und uns im Stich lässt. “My dog Pluto is a wind-dog (=-greyhound)”, sagt ein Schüler, der sich nicht anders zu helfen weiß. Die Sichtweise, die Muttersprache “sei schuld”, verhindert die tiefere Erkenntnis: Lexikalische und grammatische Interferenz ist nichts anderes als Unkenntnis bzw. Noch-nicht-Können (Newmark/ Reibel 1968; James 1972, 36). Bei einer Schreibaufgabe in der achten Klasse produziert jemand “I would she questions …” Will sagen: “Ich würde sie fragen …” Ein anderer: Dreizehn Thesen: giving or guessing? 129 “I dignity go …” Er hatte “würde” im Lexikon nachgeschlagen. Diese Schüler haben einfach in drei Jahren Unterricht so gut wie nichts gelernt. These 9: Die Verweigerung muttersprachlicher Beihilfen wirkt sich verheerend auf lernschwache Schüler aus, denen man keine wichtigen Lernhilfen vorenthalten darf. Einsprachiger Unterricht ist ein echter Rohrkrepierer, selbstzerstörerisch. Wer es Schülern unnötig schwer macht, der hat das Scheitern gerade der lernschwachen vorprogrammiert. Wenn Schüler vage oder nur halb verstehen, werden kognitive Ressourcen gebunden, die sie für den freien Gebrauch der Fremdsprache einsetzen könnten. Denn wer nicht versteht, ist schnell frustriert. In my first three years of English I hated lessons and was terribly afraid of having to say something in class. Often I didn’t understand what I was supposed to do. I experienced my English classes as the most horrible ones of those years. C. Ergebnisse einer Schülerbefragung von ca. 1300 Jungen und Mädchen der Klasse 9 an vier englischen Gesamtschulen: One of the biggest frustrations for underperforming boys was not understanding the point of a lesson and what the teacher was trying to get them to do. This was particularly so when the lesson was solely or mainly conducted in the foreign language. ‘‘When a lesson is all in the target language, those underperforming hadn’t a clue what was going on. They were vociferous about that. The feeling of being lost in language lessons was so clear. It’s sad really. I had never thought of them not quite knowing what is going on. They may vaguely know, but not why they are doing it.” (Thornton 1999, 11) Ein vermeidbares Fiasko. Englische Schüler haben es da besonders schwer. Viele haben kein Lehrbuch mit einem zweisprachigen Vokabelanhang. Frust aber auch bei Lehrern, die sich wieder in die Lernerrolle begeben und einen Sprachkurs belegen: Of course meaning is central. So why did my coursebook tell me not to worry if I didn’t understand everything? On the contrary, faced with a teacher’s or coursebook’s refusal to help me understand everything, I was outraged and frustrated. (Gower 1999, 12) Wie tödlich für den Lernprozess unaufgearbeitete oder ungelöste Verständnislücken sind, erfahre ich heute noch selbst beim Erwerb anderer Fremdsprachen. (J.P., pensionierter Englischlehrer) Natürlich gehen gewiefte Lehrer pragmatisch vor und finden einen auf ihre Person zugeschnittenen passablen Kompromiss. Wer heilt, hat recht, heißt 130 Natürliche Künstlichkeit es in der Medizin. Aber kann die Wissenschaft es dabei bewenden lassen? Es-geht nicht um eine unverkrampfte Mitbenutzung und vorsichtige Tolerierung der Muttersprache, sondern um eine radikale Neubewertung und damit auch um die Mitverwendung ausgefeilter bilingualer Techniken im Rahmen eines fremdsprachig durchgeführten Unterrichts. Leider gibt es auch hardliner, oft Ausbilder und Schuldezernenten, die Referendaren gegenüber die offizielle Ideologie unmissverständlich geltend machen. So werden dem Unterrichtsbesucher auch Mogelpackungen serviert. Es fällt kein deutsches Wort, es wird aber auch nicht frei und ernsthaft kommuniziert. Dazu kommen noch Lehrer als native speaker, von denen viele die-Muttersprache ihrer Schüler nicht ausreichend beherrschen. In der Praxis- eine unklare Gemengelage, die durch eine falsche Theorie gedeckt wird. These 10: Lehrer müssen die richtige Verwendung der Muttersprache lernen. Ausgefeilte zweisprachige Unterweisungstechniken sind aber in der Schule so gut wie unbekannt. Der Grund dafür: Die amtlichen Richtlinien fordern die Lehrer auf, die Muttersprache auf ein Mindestmaß zu beschränken. Generell ist sie nur als Ausweichmanöver für den Notfall anerkannt. Mein Vorschlag zur Neufassung der Unterrichtslinien für den Fremdsprachenunterricht aller Schulformen: “Am Prinzip der Einsprachigkeit ist das richtig, was selbstverständlich ist: Die fremde Sprache lernt man nur, indem man sie auch benutzt. Nur der Unterricht kann erfolgreich sein, der sich zum allergrößten Teil in der Fremdsprache selbst abspielt. Gleichwohl gibt es unverzichtbare effektive bilinguale Arbeitstechniken sowohl bei der Wortschatzals auch bei der Grammatik- und Textarbeit, die das Methodenrepertoire sinnvoll erweitern. Sie sind auf klar definierte Übungsziele hin zu entwerfen und müssen stets in rein fremdsprachige Kommunikation einmünden. Kombinierte monolinguale und bilinguale Übungen können schnell und sicher zu ernst gemeinter, sachbezogener fremdsprachiger Kommunikation überleiten. Wo Letztere ausbleibt, ist der Unterricht gescheitert - gleichviel ob der Lehrer nur einsprachige oder auch bilinguale Arbeitsformen miteingesetzt hat.” Unsere These ist jedoch in einem Punkte einzuschränken. Zwar sind ausgearbeitete zweisprachige Arbeitsformen unbekannt, aber führende deutsche Lehrwerke haben zweisprachige Grammatik- und Vokabelteile. Hier hat die praktische Vernunft gesiegt und einen Teil des Problems entschärft. Ich meine allerdings weniger die muttersprachlichen Regeln und Erklärungen, die z.T. verzichtbar sind, sondern die unverzichtbaren sinngetreuen Übersetzungen der Beispielsätze. So wird in reichen Ländern mit eigenen Bildungstraditionen und starken Schulbuchverlagen das Schlimmste verhindert, nicht aber in armen Ländern Dreizehn Thesen: giving or guessing? 131 oder auch in Ländern mit “kleinen” Sprachen, in denen rein englischsprachige Lehrwerke verbreitet sind. Die in diesem Punkt vorzügliche deutsche Lehrbuch-Praxis bleibt aber ein theoretisch unaufgeklärter Kompromiss, zumal der weltweit agierende anglo-amerikanische English-as-a-foreign-language-Komplex nach wie vor rein englischsprachige Lehrwerke favorisiert. These 11: Die Unkenntnis bilingualer Techniken führt bei schwierigen Verhältnissen zu muttersprachlichem Wildwuchs. Das Ideal des einsprachigen Unterrichts schlägt in sein Gegenteil um. Geht man auf die Schwierigkeiten der langsamen Schüler nicht ein, können aufgestaute Frustrationen explodieren, und alle gebrauchen ungeniert die Muttersprache. Es gibt eine kontraproduktive, wilde Verwendung der Muttersprache als ungewollte Nebenwirkung des Muttersprachentabus. Auch durchaus flexible und sprachgewandte Lehrer geben unter schwierigen Bedingungen einfach auf. Sie sehen, dass die offiziell geforderte Einsprachigkeit nicht funktioniert, kennen aber keine zweisprachigen Techniken. So herrscht statt des verantworteten kalkulierten Gebrauchs der Muttersprache vielerorts der Missbrauch, den keiner will: Unterrichtskollaps. Es sind immer wieder Stunden zu beobachten, die ganz unnötigerweise zu einem hohen Prozentsatz in der Muttersprache durchgeführt werden (Johnstone 2002, 173). Diese Dammbrüche, vor denen die Direktmethodiker warnen, haben sie z.T. selbst zu verantworten. Verschweigen wir aber nicht, dass gelegentlich auch die mangelnde Sprachkompetenz der Lehrer selbst der eigentliche Grund für die hemmungslose Verwendung der Muttersprache ist. Was nun wirklich nicht sein dürfte. Dies ist kein Einzelfall: In year 12 we got a new teacher who sounded rather German. His English was poor. We once had an American exchange student for half a year and most of the time he didn’t understand her. During these two years I lost some of my language skills. L. These 12: Errungenschaften der Direktmethodiker werden bewahrt, wo sie den Unterricht bereichern. He once brought his daughter’s water pistol and fired at the whole class in order to explain ‘bloodshed’. Although this might seem a little crazy, I must say I never learnt more ‘useful’ words and expressions than with him. M. One day Mrs S. came into the class with a big bag. What was she going to do with us? Everybody was quiet and attentive. She opened the bag, took out a white gown, put it on and took out several medical instruments, a stethoscope, a thermometer etc. Then she introduced us to our next textbook story where a girl had to stay at home and a doctor had to be called. 132 Natürliche Künstlichkeit Simulating the situation she taught us all the new expressions such as have a headache, a sore throat etc. Everybody liked it. Once, a pupil did not know the meaning of the word ‘empty’ in German and so asked for a translation. Our teacher, sitting an the pupil’s desk at that very moment, took the open pencil case lying in front of him. He held it up with the words “OK, now this pencil case is full”, and turning it upside down with the contents falling onto the floor and the desk, continued his sentence with “and now it is empty”. The whole class burst out laughing and I am sure that after this demonstration none of us ever forget the meaning of ‘empty’ again. A. I took a bucket with me to introduce the word ‘empty’. Therefore I filled the bucket with water and poured it out into the washbasin. (I took a bucket and not a glass, because they did not know the word ‘glass’, but they had already learned ‘bucket’.) I. Rührend - und doch auch irgendwie lächerlich, diese letzte Episode. Praktikanten und Referendare fühlen sich verpflichtet, zu unterrichten, wie das Gesetz es befiehlt: Iris will kein Glas nehmen, weil das Wort glass noch nicht eingeführt ist. Auch hier wird man ganz naiv nachfragen dürfen: “Ja haben denn die Schüler keine Muttersprache? ” These 13: Jeder fremdsprachliche Zugewinn muss so tief Wurzel schlagen, dass er letztlich ohne Dazwischentreten der Muttersprache verfügbar wird und die Fremdsprache immer stärker ihre Eigendynamik entfalten kann. Die Verselbständigung der Fremdsprache geschieht durch ihre sinnvolle und vielseitige Verwendung, nicht durch prinzipiellen Verzicht auf muttersprachliche Hilfen - so wie man sich auch erst allmählich an Preise in Euro gewöhnt hat. Mit wachsendem Können macht sich die Muttersprache allmählich von selbst (fast) überflüssig. Bei der meisterlichen Ausführung sind andere Hirnregionen als beim Anfänger stärker aktiv. Dieser Wechsel der Hirnregionen und mit ihnen ein Gestaltwandel wurde von einer älteren Assoziationspsychologie als Wegfall vermittelnder Zwischenglieder erklärt. Unbewusst vollzogene muttersprachliche “Anleihen” werden weggekürzt (heute: chunking-Hypothese). “The indirect bond (= the mother tongue) is short-circuited out by practice just as memorial dodges for remembering people’s names are eliminated once the name is established” (West 1962, 48) - so wie man sich auch erst allmählich in eine neue Geldwährung einlebt. Ein unmittelbares, übersetzungsloses Verstehen stellt sich von Anfang an ein, aber nur stückchenweise, etwa bei Routinen wie bonjour und merci. Der Weg in die Fremdsprache bedeutet den Aufbau eines weiteren Assoziationsnetzes, verbunden mit einer Relativierung der Muttersprache. Letztere beginnt schon bei bilingualen Kindern, wenn sie sich klarmachen: “Papa Natürliche Zweisprachigkeit 133 sagt puppa di neve, und Mama sagt Schneemann.” Oder wie hier die zweieinhalbjährige Giulia: “Mami, pettinare ist auf italienisch, kämmen ist in deutsch” (Taeschner 1983, 171). Das Problem, wie man die Geister, die man rief, auch wieder loswird, entsteht erst gar nicht, weil man mit der Muttersprache besser als ohne sie das erreicht, worauf es ankommt: Viel qualitativ hochwertige kommunikative Kontaktzeit mit der Fremdsprache, die immer mehr aus sich selbst heraus verstanden und gelernt wird: Die aktive und passive Verfügbarkeit von Wörtern und Phrasen ist nicht eine Funktion der Mühe, die der Lerner bei der Semantisierung aufwenden muß …, sondern sie ist eine Funktion der Menge der lernwirksamen, sinnvollen sprachlichen Operationen, die sinnvolle Verbindungen zwischen bekannten Elementen und dem neuen Element schaffen (Preibusch/ Zander 1971, 134; vgl. auch Kielhöfer 2001, 52). Das Netz fremdsprachiger Assoziationen ist schon so dicht geknüpft, dass beim Verstehen die Verbindungen zur Muttersprache nicht mehr oder nur schwach aktiviert werden. Lernen bedeutet eben auch, überflüssig werdende Verbindungen zu schwächen. Natürliche Zweisprachigkeit Die Naturmethode ist die Muttersprachenmethode! Aber nicht in dem Sinne, dass wir eine fremde Sprache unterrichten könnten, wie wir die Muttersprache erlernen. Wir können nicht mehr “klein anfangen” und uns die Muttersprache wegdenken. Der Erstspracherwerb gibt kein “Modell” für den Fremdsprachenunterricht ab. Unter Muttersprachenmethode verstehen wir vielmehr einen Ansatz, der die Muttersprache systematisch in sein theoretisches Kalkül einbezieht und praktisch einsprachige und zweisprachige Arbeitsformen miteinander verbindet. Die Reformer des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts, u.a. Franke (1884, 14), hatten lediglich den Mutterspracherwerb vor Augen, als sie postulierten, “dass die Spracherlernung innerhalb einer Sprache vorgenommen wird”. Aber wer so etwas wie eine “Naturmethode” für die Fremdsprachen sucht, sollte doch die natürliche Zweisprachigkeit in den Blick nehmen, um sie dann mit der schulischen Zweisprachigkeit zu vergleichen. Bei natürlicher Zweisprachigkeit, besonders beim doppelten Erstspracherwerb in sprachlichen Mischehen, helfen beide Sprachen einander aus, ergänzen sich wechselseitig und stören sich viel weniger, als man angenommen hatte. Der Rückgriff auf die jeweils stärkere Sprache gehört eindeutig zu den natürlichen Strategien, mit denen das Kind seine sprachliche Kompetenz erfolgreich erweitert. Er kommt in folgenden Formen vor: 134 Natürliche Künstlichkeit 1) Aus reiner Wissbegier und Lernfreude - also ohne dass Verständigungsprobleme vorliegen - erfragen bilinguale Kinder den äquivalenten Ausdruck in der Sprache, in der gerade nicht kommuniziert wird. Sie verlangen von ihrem Partner zusätzlich eine Übersetzung. 2) Das bilinguale Kind ordnet sich seine sprachliche Welt, indem es mitunter äquivalente Ausdrücke gegenüberstellt, sich dabei Klarheit verschafft und Sprache bewusst einübt. 3) Das bilinguale Kind erfragt die Bedeutung eines Ausdrucks, den es nicht verstanden hat; oder es will selbst etwas sagen und sucht nach einem Ausdruck, den es sich über die Erstsprache von seinem Partner nennen lässt. 4) Wenn ihm sein Partner bei Verstehensschwierigkeiten das muttersprachliche Äquivalent nicht geben kann (oder nicht gibt), vergewissert es sich, indem es nachträglich selbst ein Äquivalent benennt und damit sein Verstehen bestätigt. 5) Das bilinguale Kind macht sich nicht die Mühe, einen Ausdruck zu erfragen, sondern setzt einfach einen Ausdruck aus der Erstsprache in den zweitsprachigen Satz ein. Solche Sprachmischungen können in sehr unterschiedlichem Ausmaße vorkommen. Diese Thesen werden bei Butzkamm (1989/ 2002, 26ff.) durch Beobachtungen aus unterschiedlichen Fallstudien abgestützt und stehen heute ganz außer Frage. 6 So auch Apeltauer (2003, 21): Kinder, die in ihrer Zweit-/ Drittsprache ein neues Wort gelernt haben, das sie in ihrer Erstsprache noch nicht kennen, wollen i.d.R. wissen, wie ein entsprechendes Äquivalent in ihrer Erstsprache heißt. Und zu Hause kann es natürlich passieren, dass sie, nachdem sie ein neues Wort in ihrer Erstsprache gelernt haben, auch nach einem deutschen Äquivalent dafür suchen. Hier ein Beispiel, das zeigt, wie bilinguale Kinder ihre sprachliche Welt ordnen und wie beide Sprachen einander stützen. Alison und ihr Bruder haben einen deutschen Vater und eine englische Mutter und leben in Deutschland. Alison berichtet: Because it was our mother we were with most of the day, we naturally learnt most of the words in English. Very often, however, we used to ask: ‘What does Papi say? ’. Then our mother would give us the German equivalent. We developed a kind of ritual. For instance, when we learned the word cauliflower and its German equivalent, we folded our little hands above our heads and walked in single file through the house, singing at the top of our voices: ‘Mami says cauliflower, Papi says Blumenkohl! ’ We walked up and down the stairs half a dozen times, entering each room. A. Fazit: eine Selbstverständlichkeit zurückgewinnen 135 Auch Sprachmischungen und spontane Lehnbildungen (ital. “Dammi il gabelo” statt “la forchetta“) sind ein natürliches Durchgangsstadium zur Beherrschung der Zweitsprache. Solche Kontaktphänomene und systematische Ausleihen werden heute nicht mehr wie früher als Indiz unvollständiger Sprachbeherrschung betrachtet. Sie gehören zur normalen Kommunikation zwischen Bilingualen. Austauschschüler erfahren zu ihrem Erstaunen, wie sich bei ihrer Rückkehr die erstarkte Fremdsprache gar in die Muttersprache mischt: Sentences like “Wo ist mein jacket? ” were part of my use of language for at least a couple of days until I finally accepted German as my main language again. J. Studien zum code-switching in verschiedenen Kontexten, so auch im bilingualen Sachfachunterricht, belegen einwandfrei die positive Rolle des Rückgriffs auf die Muttersprache. Fuller (2009, 116, 130), die um die 100 Stunden Unterricht an der John F. Kennedy School und der Charles Dickens School in Berlin analysiert hat, urteilt: These data support the argument that foreign-language or second-language learners should also be allowed to ‘talk like bilinguals’, and this means using both (or all) of the languages in their repertoires, that is code-switching … Thus use of strategic codeswitching should be seen as part of language acquisition, not a distraction from it.” Zusammengefasst: “The research has shown that codeswitching is a useful pedagogic and communicative resource. There is no evidence that it is harmful to the teaching/ learning process of content” (Camilleri 1995, 221). Fazit: eine Selbstverständlichkeit zurückgewinnen The most effective learning technique was asking my girl-friend in German about what she had said in Spanish directly after I had heard her sentence. Then I tried to repeat the Spanish sentence. If I was not successful she repeated the sentence again and again until I reproduced it correctly. Using this method I learned very fast. Of course we only talked about topics which were of interest to us. We talked about sports, politics, friends, holidays or music. So I never opened a textbook, vocabulary-book, or grammar-book to learn Spanish. You do not need these classical tools to learn a foreign language. You need your mother tongue, someone who can speak the language you want to learn, you need time and, perhaps, some linguistic talent. G. Nehmen wir zuletzt Schwester Elisabeth Holfert zur Zeugin, die jahrelang aufopferungsvolle, tief befriedigende diakonische Arbeit im Araberviertel 136 Natürliche Künstlichkeit der Stadt Straßburg leistete. Als sie zu ihrer Arbeit berufen wurde, suchte die in keiner Weise linguistisch vorgebildete Diakonisse als erstes den Chef des Berber-Clans auf. Tout de suite j’ai entrepris d’apprendre le berbère. Tous les jours je venais m’asseoir près du chef de clan et lui demandais: Comment dit-on: ‘donne-moi ton bras’ ou ‘Je ne te ferai pas mal’, bref, les expressions courantes qu’il faut savoir dans le métier d’infirmière. Je notais phonétiquement tout ce qu’il me disait et l’apprenais par cœur le soir et le lendemain je retournais voir le chef qui me corrigeait autant de fois que nécessaire. Ainsi ai-je fini par parler le berbère avec le bon accent, ce qui me valut le surnom de ‘la sœur arabe’. (Goure 1981, 119) “Native language skills in the phonological/ orthographic, syntactic, and semantic codes form the basic foundation for FL learning,” fassen Ganshow & Sparks zusammen (2001, 87). Die Muttersprache ist die Basis, ohne die kein weiterer Schritt gelingt, auch der in die Fremdsprache nicht. Wir sollten die Schüler nicht dabei sich selbst überlassen, sondern auf gescheite Weise unterstützen. 1 Die Idee der construction grammar, die m.E. den kindlichen Spracherwerb am besten erklärt, kann hier nur angedeutet werden. Man lese Tomasello (2003). Siehe auch Kapitel 9. 2 Decoo zitiert die Dissertation und Folgearbeiten von J.-A. Mondria, der anschaulich zwischen einer guessing method und einer give method unterscheidet. 3 Dass man die Muttersprache nicht ausschalten kann, ist durch eye-tracking-Versuche experimentell nachgewiesen. Bei Worterkennungsaufgaben suchen wir in einem Sekundenbruchteile dauernden Prozess erst nach möglichen muttersprachlichen Wortkandidaten, auch wenn wir eine Fremdsprache erwarten. Über die von Anne Cutler am Max-Planck-Institut in Nijmegen durchgeführten Experimente berichten Goebel (2003) und Weber & Cutler (2004). Ebenso wird aus der Hirnforschung berichtet: “These findings prove beyond doubt that the first language is routinely being accessed while the second one is processed, whether we are conscious of this fact or not” (Hentschel 2009, 23). 4 Dazu auch Schiffler (2012, 27) mit ähnlich betrüblichen Ergebnissen. 5 Zydatiß (2002a) hat mit Recht moniert, wie in Grundschultexten systematisch das past tense ausgespart wird. Welch ein Unsinn! 6 Heute habe ich drei mehrsprachig aufwachsende Enkelkinder, die mir auf schönste Weise bestätigen, was ich anfangs vorwiegend aus der Fachliteratur schöpfen musste. Sprachen lernt man, indem man sie mündlich übt. Niemand kann einem das Üben abnehmen. 6 Richtig anfangen: Sprache inszenieren Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande. (Johann Wolfgang von Goethe) No Murks, please Etwas ist faul im Staate Dänemark, sprich in der “Bildungsrepublik” Deutschland, aber keiner guckt so recht hin. Wir haben 7 ½ Millionen Analphabeten in der BRD (DIE ZEIT 8.9.2011). Die Risikogruppe der Schüler, die in den grundlegenden Kulturtechniken nicht über das Grundschulniveau hinausgelangt, liegt bei 18% (FAZ 1.9.2011). Das ist “eine Bankrotterklärung der Primarstufe”, schreibt Heike Schmoll in der FAZ, “ein Versäumnis, das keine weiterführende Schule aufholen kann.” An diesem Bankrott ist das Fach Englisch beteiligt. Es gibt eine überwältigende Evidenz für das Versagen im Fach Englisch. Das ist seit DESI (DESI- Konsortium 2008) allen klar. Zwei Drittel der Neuntklässler an Hauptschulen erreichen nicht einmal die erste Kompetenzstufe. Sie können kaum einen Satz auf Englisch verstehen. Die schlimmen Zustände waren aber schon längst vor DESI durch kleinere Lernstandserhebungen bekannt, die immer unter den Teppich gekehrt wurden. Wirklich niederschmetternd dann die flächendeckenden Lernstandserhebungen in allen neunten Klassen Nordrhein-Westfalens im Schuljahr 2005/ 6 (Schulministerium NRW.de 2005/ 6). Hier fiel ein Fächervergleich merkwürdig krass zuungunsten des Faches Englisch auf. So erreichten beim Leseverstehen englischer Texte nur 6% der Hauptschüler die beiden oberen Leistungsstufen, bei Deutsch und bei Mathematik waren es dagegen schon 12% bzw. 19%. All das ist einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Ich verweise exemplarisch auf Artikel in der ZEIT (Wiarda 2006; Kerstan 2008). Kerstan titelte wahrhaftig: “No Murks, please. Stoppt den Fremdsprachenunterricht an Grundschulen”. Der Skandal ist also nicht mehr kleinzureden, zumal die DESI-Ergebnisse auch noch durch den IQB-Ländervergleich (Köller et al. 2010) bestätigt wurden. Olaf Köller, Hauptautor der Studie: “Traut man den Befunden, so ist der nicht-gymnasiale EU vielerorts gescheitert” (DIE ZEIT 24.6.2010). 140 Richtig anfangen: Sprache inszenieren Warum dieses Scheitern? Drei gute Gründe sprechen doch dagegen: (1)- Wir Menschen sind ja von Natur aus besonders auf den Spracherwerb vorbereitet, auch auf den Erwerb von zwei Sprachen, ganz im Gegensatz etwa zur Mathematik. Warum sollten es da nicht auch weniger Begabte zu passablen Leistungen bringen können? (2) Außerdem geht es um die Weltsprache Englisch, die doch jeder gern sprechen will (Englisch ist cool! ), die in allen Industrieländern in vielfacher Weise schon präsent ist und (3) überhaupt so nah mit dem Deutschen verwandt ist, dass uns viele Wörter geradezu in den Schoß fallen. Wie dann das Scheitern erklären? Streiflichter einer verpfuschten Praxis Ich war ein brauchbarer Schüler, jedoch bin ich in Englisch zu Schulzeiten auf keinen grünen Zweig gekommen. Ich freute mich auf das Fach in der 5, jedoch war ich sehr niedergeschlagen nach der ersten Englischstunde, da die Lehrerin nur Englisch gesprochen hatte und ich kein Wort verstanden hatte. Andere schienen mehr verstanden zu haben und das machte mich sehr unsicher. Prompt ging die erste Klassenarbeit daneben (4-) und beim allerersten Elternabend sagte diese Lehrerin zu meiner Mutter (nach 3-4 Wochen): “Der schafft das hier nicht.” M. Klasse 5, das war mal. Aber auch in der Grundschule bleibt der Anfangsunterricht ein Sanierungsfall. Dabei hätte man es besser wissen müssen. Das Grundübel, die falsch verstandene Einsprachigkeit, war längst bekannt. In einem großangelegten Schulversuch French in the Primary School hatte ein Team der nationalen englischen Forschungsagentur in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts drei Jahrgänge von der Grundschule bis in die Sekundarschulzeit beim Französischlernen beobachtet und getestet. Mehrere Bände wurden publiziert. Hier eine Kollage von Zitaten aus den verwendeten Fragebögen: ‘I never have understood French and I hate it. I have been doing it for five years and I still don’t know a thing. It is a real fog to me’; ‘I don’t understand it and I never will. I forget the words. I don’t think I was cut out for French’; ‘I don’t know what the teacher is saying most of the time, because she talks in French. I would like French if I could understand it, but I can’t. I know very few French words although I have been learning for five years. This is my fault, as the teachers try to help me’; ‘I cannot understand French. I’ve been doing it for years and I still can’t speak more than a few words’; ‘You can’t always understand what you yourself are saying, and you get all muddled up with your words’ … (Burstall 1972, 138) Die Schüler erklären ihr Scheitern wie folgt: Streiflichter einer verpfuschten Praxis 141 ‘Not enough teachers explain French thoroughly and the children are afraid to speak up and ask’; ‘The teacher goes on and on without explaining what she means’; ‘French is harder because the teacher doesn’t tell us in English what the word in French means, but does it by actions, and we don’t always understand them. If the word means “jump” and we don’t know, she jumps - like that. In some cases it isn’t an action word. So we speak words in French that we don’t understand’; ‘I cannot understand the teacher. She never tells us what she’s on about’; ‘Our teacher explains in French and when he has finished I still don’t understand a word’; ‘If you ask the teacher what a word means, she always explains it in French, which is no help at all’ … Aber davon weiß man hierzulande anscheinend nichts. In einem seien sich alle Länder einig, hieß es in der Süddeutschen Zeitung (12.7.2004): Die Lehrer sollen kein Wort Deutsch sprechen - auch wenn diese ‘Sprachbad-Methode’ manchmal stressig sei. Dafür liefert der Beitrag gleich ein Beispiel: Wenn Marion Krankenberg Tiernamen an die Tafel schreibt und die Kinder Bildkarten auf den Tisch legen sollen. ‘Just put them in a row’, sagt Krankenberg. Sie sagt das sieben, acht Mal und zeichnet mit dem Zeigefinger dabei eine Linie in die Luft. Trotzdem verstehen nicht alle Drittklässler, was Sache ist. Krankenberg versucht es tapfer weiter: ‘No, Christine, don’t write any numbers on your cards.’ Nur wenn das Chaos überhand nimmt, greift die Lehrerin zu einem deutschen Machtwort. Am Anfang, erzählt Krankenberg, seien die Schüler überfordert gewesen. ‘Wenn ich Englisch gesprochen habe, haben sie mich angeguckt, als hätten sie ein Gespenst gesehen.’ Typisch auch folgendes Unterrichtszitat aus dem Bericht der SZ: Do you like orange juice? Ein Mädchen kann sich nicht entscheiden und möchte wissen, was halb und halb heißt … Please say: I like oder I don’t like. A little bit oder so-so oder Nachfragen auf Deutsch sind im Lehrplan nicht vorgesehen, wie hier: We had to describe the clothes we were wearing and name the colours. Several pupils wore shirts with lots of different colours and so they asked for the word “bunt”. The teacher would not give the word because it was not part of our textbook vocabulary. I thought it was stupid to describe a shirt printed in 15 different colours and avoid the word for “bunt”. Die Spontaneität und die Bereitschaft, wirklich das zu sagen, was man sagen möchte, sterben ab. Das Gegenteil wäre richtig: Die Schüler gegebenenfalls sogar dazu zu ermuntern, in ihren Beiträgen den deutschen Ausdruck einzuflechten, wenn sie nicht weiter wissen, wie wir das ja auch in 142 Richtig anfangen: Sprache inszenieren entsprechenden Situationen tun. Der gut ausgebildete, sprachlich wendige Lehrer hilft dann mit dem fremdsprachlichen Ausdruck aus, den der Schüler von ihm übernimmt. Zusammen spielen sie den Doppelpass. Wieso tut Frau K. nun nicht das Naheliegende? Weil ihre Ausbilder ihr ein schlechtes Gewissen eingeredet haben, wenn sie ein deutsches Wort gebraucht. Wie oft habe ich in diesem Zusammenhang von Schuldgefühlen gelesen, auch im Internet! 1 Die Muttersprache ist nur die Feuerwehr, die man im Notfall ruft. Wer aber ohne sie auskommt, ist King. Folglich handelt Frau K. so, wie das Gesetz es befiehlt, zumal ja auch noch Besuch da ist. These: Die Lehrpläne der meisten Bundesländer perpetuieren einen Grundirrtum - Die Muttersprache ist aus dem Unterricht auszuschließen, um alle Zeit der Fremdsprache zu geben (vgl. Schmid-Schönbein 2008, 65). In Wiardas “Lücken füllen. Fünf Jahre Englisch und kaum etwas gelernt: Ein Besuch in einer Berliner Hauptschule” (DIE ZEIT vom 9.3.2006) heißt es: “Metins starrer Blick hängt an der Tafel. “It’s me, Metin”, sagt er stockend und ohne jede Betonung. “My plane was six hours late in New York”. Fertig. Metin sinkt auf seinen Stuhl zurück und grinst triumphierend. “Sehr schön”, sagt seine Lehrerin. Gut, hours hat Metin ausgesprochen, als hätte er es nie zuvor gehört, Mit H am Anfang, und bis auf eine Lücke für seinen Namen und bis auf die Zahl steht ohnehin alles an der Tafel. Aber, wie seine Lehrerin nach der Stunde sagt, heutzutage müsse man mit wenig zufrieden sein. Vor allem an der Hauptschule. Auch wenn ihre Neuntklässler schon seit mindestens fünf Jahren Englisch haben … Marion Hillert erklärt ihren Schülern die Übung mit dem Einsetzen auf Deutsch. “Wenn ich denen Reden auf Englisch halte, verstehen sie ja doch nur die Hälfte”, sagt sie. Ihre englischen Sätze beschränken sich daher auf Phrasen wie: “Open your books.” Ein echtes Gespräch mit ihren Schülern auf Englisch? “Wo denken Sie hin? ”, sagt Hillert. “Ich bin schon froh, wenn ich ihnen für die Abschlussprüfung einen gewissen Automatismus beibringen kann.” Darum liebe sie Einsetzungsübungen. “Ich denke immer, da bleibt noch am meisten hängen.” These: Wer Englisch nicht als Unterrichtssprache durchsetzt, hat schon aufgegeben und kann gleich einpacken. Verlorene Liebesmüh. Ludwig Waas (2007), Münchener Seminarleiter, berichtet, wie er zunächst “einigen Didaktikern auf den Leim gegangen” war und sich wie folgt abmühte: In der Grundschule, in der ich zuletzt unterrichtete, waren aus Sicherheitsgründen die Schülertoiletten abgesperrt. Die Schülerinnen und Schüler im zweiten Englischjahr mussten also die Lehrkraft um den Toilettenschlüssel bitten, wenn sie außerhalb der Pausen die Toilette benut- Fremdsprachen werden anfangs falsch unterrichtet 143 zen wollten. Ich nahm dies zum Anlass, die Kinder auf Englisch fragen zu lassen, nachdem ich den Satz (Can I have the key for the toilet, please? ) vor- und nachsprechen ließ und ihn mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln - Demonstration, Zeichnung, Mimik, Gestik - semantisiert hatte. Leider musste ich feststellen, dass bis zum Ende des Schuljahres, obwohl wir immer und immer wieder den Satz übten, kaum ein Schüler diesen selbständig sprechen konnte. Aus meinem Gespräch mit dem neunjährigen Simon (2011): “Wir haben da halt immer nur Sachen geübt, geübt und fast nie neue Sachen gelernt.” “Immer das Gleiche? ” “Wir haben z.B. immer erst ein Thema, und das haben wir dann ’n paar Monate lang geübt, geübt, geübt.” “Was heißt denn da ein Thema? ” “Zum Beispiel Tiere. Da haben wir sieben verschiedene Tiere, die haben wir dann auf Englisch eingeübt, zwei Monate lang dieselben Tiere … Sie hat nur Deutsch gesprochen, nur die Wörter, die wir üben sollten, die hat sie auf Englisch gesagt … wir haben auch Filme geguckt, und dazu sollten wir dann Bilder ausschneiden und aufkleben … da hatten wir manchmal auch Suchbilder, da sollten wir Tiere in einem Gewirr finden, das bringt für’s Englischlernen auch nicht sehr viel …” Bestimmt kein Einzelfall. Ein Kenner warnt: “Wenn Kinder das Gefühl bekommen, dass die Dinge sich wiederholen, dass der Unterricht sich im Kreis bewegt und das Ganze ergebnislos bleibt, dann hört auch die Freude an der Sache meist nach einiger Zeit auf” und fordert eine “stärkere Gewichtung auf fremdsprachlichen Zugewinn”. (Rück 2004, 24, 26) Ausschneiden, ausmalen, aufkleben mag zwar kindgemäß sein, kostet aber auch viel Zeit. Wie viel und was an Sprache kommt dabei herum? These: Was letztlich zählt, ist der Sprachumsatz pro Zeiteinheit, high quality input und output. Der müsste gemessen werden, wobei noch nach Einwort- und Mehrwortäußerungen, nach frei formulierten oder bloß nachgesprochenen bzw. abgelesenen zu unterscheiden wäre. Umsatz ist wohl die richtige Metapher. Ein Unternehmen blüht, wenn viel Geld hin und her geht. Dito Sprache. Fremdsprachen werden anfangs falsch unterrichtet Ursachenforschung ist angesagt. Meist werden nur die üblichen Verdächtigen vorgeführt: konversationsfeindlicher, grammatisierender Unterricht, zu hoher Sprechanteil der Lehrer. Dass das falsch ist, wird den Lehrern mindestens seit den 1960er Jahren gepredigt, landauf, landab. Kommunikation 144 Richtig anfangen: Sprache inszenieren rein und Grammatik raus. Mehr Gruppenarbeit. Schreiben muss immer “kreativ” sein. Diktate sind mega-out. Die Muttersprache darf nur im Notfall Hilfe leisten. Vokabellernen schon, aber bitte nicht zweisprachig. Die meisten Lehrer, die heute unterrichten, sind in diesem Sinne ausgebildet worden. Warum tun sie nicht endlich, was die Zunft von ihnen verlangt, und erzielen die längst fälligen Erfolge? Warum laufen Metins und Simons Englischstunden komplett auf Deutsch ab? Meine Antwort: Fremdsprachen werden anfangs falsch unterrichtet. Lehrer, die dem didaktischen Mainstream folgen, machen es den Schülern unnötig schwer. Dies trifft besonders lernschwache und sozial benachteiligte Kinder, die eher entmutigt sind, methodische Defizite nicht von selbst kompensieren und auch zuhause keine ausgleichenden Hilfen bekommen können. Sie schalten ab oder rebellieren, manche Lehrer kapitulieren. Drei methodische Fehler sind miteinander verzahnt: Die falsch verstandene Mündlichkeit. Mündlichkeit ist im Prinzip richtig, aber neues Sprachmaterial kann schriftgestützt erarbeitet werden, ohne die Mündlichkeit des Unterrichts aufs Spiel zu setzen. The majority of pupils … agree that once they have seen a French word written down, it is easier for them to pronounce it. This is true of 61% of the sample. (Burstall 1970, 53) Die falsch gehandhabte Einsprachigkeit. Die Forderung nach fremdsprachiger Unterrichtsführung ist richtig, aber die Muttersprache ist die Sprachmutter, die genau diese Fremdsprachigkeit des Unterrichts am ehesten ermöglicht. So hat denn auch die Geschichte vom Toilettenschlüssel einen guten Ausgang: Im nächsten Schuljahr, in einer neuen Klasse, schrieb ich in meiner Verzweiflung den Satz an die Tafel und ließ ihn auch auf die letzte Seite im Heft schreiben. Eine Schülerin fragte mich sofort, ob sie auch die deutsche Bedeutung darunter schreiben dürfe - was ich ihr nicht verwehren wollte. Wie ich später feststellte, notierten sich die meisten Schüler auch den deutschen Satz. Und siehe da: Schon in der nächsten Stunde fragten mich einige Kinder von sich aus auf Englisch um den Toilettenschlüssel. (Waas 2007, 21) Der falsch verstandene, zu weit getriebene kommunikative Ansatz. “Kommunizieren lernt man durch Kommunizieren” ist im Prinzip richtig. Aber man hat vergessen, dass Sprache nur deshalb erlernbar ist, weil man in ihr “von endlichen Mitteln unendlichen Gebrauch macht” (Humboldt). Kaum ein Lehrer hat gelernt, wie man Mustersätze durchspielt, so dass aus ihnen produktive Satzmuster werden - wie es auch Kleinkinder tun, wenn sie ihre Sprache ausbauen. Dialogarbeit: wissenschaftliche Vorgaben 145 Hinzu kommt: Mit zwei Wochenstunden Englisch anzufangen ist eine bildungspolitische Dummheit - wegen des Schneeballeffekts (Kap. 11). Am Anfang muss man klotzen, nicht kleckern. Dialogarbeit: wissenschaftliche Vorgaben Der elementare Fremdsprachenunterricht, der als Qualitätskriterium den Sprachumsatz im Auge behält, ruht auf vier Säulen: Dialoge ausagieren/ Sketche inszenieren Sprache in Verbindung mit Singen, Rhythmus und Bewegung Geschichten hören Fremdsprachige Unterrichtsführung Für die Zukunft erträume ich mir einen Anfangsunterricht mit kleinen Klassen, in dem wir kleine Alltagsdramen lustvoll durchspielen und selber erfinden, tolle Geschichten hören, viel singen und uns - sprachlich geleitet - viel bewegen. Fangen wir mit der Dialogarbeit an. Für diesen Kernbereich können wir wissenschaftliche Einzelbefunde so konkret und detailgenau bestimmen, dass auch methodische Kunstfehler dingfest gemacht werden können. Folgende Einzelerkenntnisse gilt es im Hinblick auf ein optimales Training von mündlichen Basisfertigkeiten zu einer neuen Synthese zusammenzuführen: 1. Äußerungen sind “the primary reality of language from a communicative point of view” (Tomasello 2003, 326). Diese, und nicht das Einzelwort, sind das sprachliche Ausgangsmaterial. Auch nicht das Gelesene und Geschriebene. Jahrtausende sind vergangen, in denen Sprache reine Mündlichkeit, ein Produkt des Gehörs und des Stimmtrakts war. 2. Sprache entsteht zwischen den Menschen. So sind Dialoge/ Sketche die optimalen Sprachlerntexte. Sie gehören zu den ältesten und bewährtesten Lehrmitteln mündlicher Sprache. Kinder können mit Gusto Szenen nachspielen, in denen Menschen miteinander reden und aufeinander eingehen. Gesichter, Augenkontakt, Körpersprache - da hinein ist Lautsprache verwoben, und genau darauf bauen wir auch die neue Sprache auf. 3. Die motorischen Grundlagen sprachlichen Könnens und artikulatorisch-intonatorische Geläufigkeit können unter schulischen Bedingungen nur durch intensives Hören und Nachsprechen erworben werden (Mutterspracherwerb: “Imitation forges this early link between perception and production” Kuhl 2000, 11854). Zuallererst müssen unsere Ohren für fremde Klänge sensibilisiert werden (re-education of the ear). 146 Richtig anfangen: Sprache inszenieren Beim Selbersprechen, indem wir uns selbst hören, werden Hören und Artikulationen neuronal fest verschaltet. Im Anfangsunterricht muss jedes Kind jede neue Phrase mehrfach mündlich ausprobieren. Solange man noch den Knoten in der Zunge hat, kommt keine Sprechfreude auf. Also so nicht: There was no real imitation phase. The new sentences were only pronounced by those who got a chance to read out loud, which was of no value for the others. St. The way we worked with dialogues was not really efficient. We only read the text once during a lesson, and when we had to learn it by heart at home, we didn’t have anybody there to correct our pronunciation. Then, during the next lesson, we had to recite it, but remained seated and didn’t act it out. C. 4. “Critical mass hypothesis” (Marchman & Bates 1994). Nur mittels einer kritischen Masse an Spracherfahrung gelingt es Kindern, Sprachmuster zu abstrahieren. Repetitives Üben ist so zu organisieren, dass verbale Sättigung ausbleibt, die Verarbeitungstiefe zunimmt und eingeübte Sätze Keimzellen für eigene Sätze werden. 5. Das mehrmalige Vor- und Nachsprechen muss akustisch störungsfrei erfolgen. Erste Sätzchen müssen optimal gehört und mundgerecht serviert werden. Also: sorgfältig, stellenweise durchaus übertrieben verlangsamt und überdeutlich artikuliert vorsprechen, wie Eltern das zeitweilig mit Kleinkindern tun (vgl. auch McClelland et al. 1999). 6. Das phonologische Arbeitsgedächtnis/ die Hörmerkspanne ist begrenzt und altersabhängig. “Phonological short-term memory lasts between one and five seconds and can hold from four to seven ‘chunks’. By that time the learner must have responded” (Pinker 1997, 89). Daraus folgt: (1) Vor- und Nachsprechen müssen unmittelbar aufeinander folgen. (2) Lange Äußerungen führen zu häufigen Satzabbrüchen (Heuer 1971). Hilfreich ist hier die audiolinguale Technik des backward build-up. 7. Für gelingendes Nachsprechen sind die Mundbilder eine wichtige Stütze. Hören und Sehen verstärken sich gegenseitig bzw. stören einander, wenn ein Mundbild da zeigt, aber vom Tonband ein ga kommt. Dann glauben wir die Silbe zu hören, die wir sehen (McGurk & Mac- Donald, 1976). Die Verbindung: Hören - Mundbilder - Sprechen ist schon für 20 Monate alte Babies nachgewiesen (Kuhl & Meltzoff 1982) und ist im Fremdsprachenunterricht von wesentlicher Bedeutung. Es ist sicherzustellen, dass die Schüler gut von den Lippen ablesen können. Die Erstdarbietung ist also multimodal und nicht vom Tonband. Dialogarbeit: wissenschaftliche Vorgaben 147 8. Schriftgestütztes Hören ist - bei entsprechender, interferenzvermeidender Technik - per Saldo effektiver als schriftfreies Nachsprechen (Butzkamm & Caldwell 2009, 149ff.; Kim 2008). 9. Da Verstehensprobleme die Schüler von der Hauptaufgabe, dem fehlerfreien, intonationsgerechten und sinnbewussten Nachsprechen ablenken, werden sie hier vom Lehrer entlastet. Er liefert ihnen die perfekte idiomatische Übersetzung, ggf. auch eine muttersprachliche Spiegelung mit der Sandwich-Technik frei Haus (Prinzip des Doppelverstehens). Damit werden mentale Ressourcen frei für das genaue Hören und Einüben zugeordneter Sprechbewegungen, die dem Lernenden letztlich niemand abnehmen kann. 10. Bilinguale Semantisierung ist auch dadurch sanktioniert, als der Verstehensprozess ohnehin anfänglich über muttersprachliche Aktivierung verläuft. 11. Es gibt bei Anfängern viel Sprechlust, aber auch künstlich erzeugte regelrechte Sprechangst (Young 1990; Loughrin-Sacco 1992). Das Imitieren von sorgfältig zugesprochenen und voll verstandenen Sätzen/ Satzstücken, dazu der bewusste stimmliche, mimische und gestische Einsatz lassen keine Sprechangst, sondern Freude über das Gelingen aufkommen. 12. Sinnganze (Wörter, Sätze) werden besser behalten, wenn sie mit Körpersprache verknüpft werden. “Gesturing makes learning last.” Sprachbegleitende Bewegungen, Gestik, Körperhaltung müssen jedoch sinngemäß erfolgen (Schiffler 2002; 2012; Macedonia et al. 2008; Sambanis & Speck 2010). Sie erhöhen die Schüleraktivität, werden gekoppelt an wiederholtes Nachsprechen im Chor samt Ausführen der zugeordneten Bewegungen und können sich positiv auf die Gestimmtheit und das Wohlbefinden der Lernenden im Unterricht auswirken. 13. Behaltenssteigernd ist auch die Zugabe von dialogbegleitenden Bildstreifen (Dodson 1972). Bildstreifen waren integraler Bestandteil der audiovisuellen Methode. Sie trugen aber kaum zur Semantisierung der zugeordneten Sätze (wie zunächst angenommen), wohl aber zum Behalten bei. 14. “In erfolgreichen Klassen kommen Schülerinnen und Schüler häufig zum Sprechen” (Helmke et al. in DESI-Konsortium). Laut Video-Begleitstudie zu DESI beträgt der Sprechanteil der Schüler nur ganze 11 Minuten pro Schulstunde, die übrige Zeit spricht der Lehrer, ist Stillarbeit oder Wartezeit. Die intensive Beteiligung aller Schüler wird in unserer Dialogarbeit erreicht durch stilles Mitsprechen (Subvokali- 148 Richtig anfangen: Sprache inszenieren sieren) aller Schüler, lautes Nachsprechen im Klassenchor, gegenseitiges Abfragen von Partnern (bilingual), durch Einüben der Sätze in der Form des read-and-look-up (Einzelarbeit) und durch Einstudieren des Textes in Gruppen mit Rollenverteilung. 15. In der Sprache machen wir “unendlichen Gebrauch von endlichen Mitteln” (Humboldt). Bilinguale Strukturübungen sollen diese Fähigkeit zur Analogiebildung ausreizen. 16. Zielorientierung: Das Vorspielen/ Inszenieren des Dialogs (dramapädagogische Elemente) ist ein wesentliches Zwischenziel im Unterricht, das die Lernenden emotional anspricht, Partizipation anregt, ihre gestalterischen Kräfte mobilisiert und auf Alltagskommunikation in der Zielsprache vorbereitet. Erprobt und bewährt Die nachstehend beschriebene Dialogarbeit habe ich in zahlreichen Publikationen vorgestellt, anhand von Unterrichtsprotokollen detailliert dokumentiert und auch in Bild und Tondokumenten zugänglich gemacht. Ich habe mit ihr jeweils zwei Jahre an einer Gesamtschule und einem Gymnasium experimentiert. Eine Live-Demonstration mit einer Hauptschulklasse erfolgte 1983 auf dem Aachener Fremdsprachendidaktiker-Kongress. In den letzten Jahren erprobe ich sie auch an Grundschulen (ab Klasse 3). Über internationale Studien informieren Butzkamm & Caldwell (2009). Dialoge einstudieren/ vorspielen - umschreiben - vorspielen Each group wanted to present their piece. So we spent the rest of the lesson acting our dialogue … Personally, I thought that I was able to speak some English now. A. It was always a pleasure to read dialogues with different voices and perform roleplays in front of the class. We even performed a short theatre play and produced a video which we discussed to find out what we could do better. M. Für leistungsschwächere Spracherlerner gibt das möglichst originalgetreue Reproduzieren der Dialogvorlage den festen Boden unter den Füßen ab, den sie für die unerläßliche Phase freier Sprachanwendung benötigen. (Walter 1976, 281) Dialoge einstudieren/ vorspielen - umschreiben - vorspielen 149 Dialoge sind das Herzblut der Sprache und wurden schon in der Antike fürs Sprachenlernen verwendet. Sie werden zunächst als fertige Texte und Spielvorlagen erarbeitet, dienen aber dann als Bausteine für das freie Sprechen. Sleepy Johnny Teacher: Johnny, what are you doing? Are you sleeping in class? Johnny: Of course not. I’m listening. Johnny: I’m all ears. Teacher: Good God! This boy is driving me crazy. Ein Sketch, der das present progressive anschaulich und eindringlich vorführt, ohne grammatisch überfrachtet zu sein. Was diese Form hier leistet, wird zunächst erfühlt, nicht besprochen und analysiert. Die erste Aufgabe besteht darin, die Texte einzustudieren, damit die Schüler sie frei vor der Klasse ausagieren (oder auch in einer Ecke, ohne Zuschauer spielen) können und zwar so gut, als ob sie in der Muttersprache geschrieben wären. Gute Dialoge sind spielbar, d.h. vor allem kurz und damit einprägbar, dazu aufregend, spannungsreich, dramatisch. Spielbarkeit bedeutet eine besondere Intensität des Fühlens und Erlebens, die sich vor allem intonatorisch, mimisch und gestisch mitteilt. Hier wird nicht nur gesprochen, sondern auch geflüstert, gepoltert, gezetert, geklagt und gejubelt. Schon beim allerersten Vorsprechen muss der Lehrer dieses Endziel vor Augen haben und die Sätze mit entsprechendem stimmlichen, mimischen und gestischen Einsatz vorsprechen. Das wiederum erleichtert es dem Schüler, seinerseits aus sich herauszugehen und in eine Rolle zu schlüpfen. Anfangs sind das genaue Hören und Artikulieren für den Schüler das Hauptproblem. Es gilt, das Ohr neu zu schulen und die Sprechmotorik neu einzustellen. Genau diese Arbeit kann dem Lerner niemand abnehmen. Sie 150 Richtig anfangen: Sprache inszenieren muss von ihm selbst geleistet werden. Wir erleichtern ihm diese Arbeit, indem wir ihn an anderer Stelle voll entlasten: beim Verstehen des Zugesprochenen. Die Sandwich-Technik Deshalb benutzen wir die Sandwich-Technik. Der Lehrer spricht einen Satz vor, schiebt eine Übersetzung ein und wiederholt dann das Original: L2 => L1 => L2. Lehrer spricht Dialogzeile vor: Johnny, what are you doing? Lehrer übersetzt idiomatisch: Johnny, was tust du denn da? Lehrer wiederholt Dialogzeile: Johnny, what are you doing? Lehrer wiederholt Dialogzeile stumm, zugleich mit den Schülern. Lehrer fordert zum Nachsprechen auf, indem er auf Schüler zeigt. Der Lehrer bemüht sich, den Satz so natürlich wie möglich, im passenden Tonfall, mit untermalender Mimik und Gestik vorzusprechen. Er zieht alle Register, nutzt vor allem die reichen Klangfarben der menschlichen Stimme. Ebenso wirkungsvoll spricht er die Übersetzung, die so idiomatisch und treffend sein muss, dass die Schüler sofort im Bilde sind. Die stets affektiv getönten nonverbalen Zusatzinformationen sind somit auch für die Übersetzung prägend. Der Lehrer bringt die Sprache zum Klingen! Dadurch dass die Übersetzung zwischen zwei Dialogvorgaben geschaltet wird, die Schüler also unmittelbar auf einen fremdsprachlichen Stimulus hin nachsprechen, entstehen keine muttersprachlichen Interferenzen. Aus diesem Grund vermeiden wir auch Namensaufrufe und zeigen stattdessen auf die Schüler. Das Hörbild, der Nachhall des fremden Satzes im Kopf des Schülers, würde sonst gestört. Der Lehrer spricht den Satz noch einmal still mit deutlichen Mundbewegungen vor, auch wieder mit untermalender Gestik. Zugleich machen die Schüler ihren stillen Probeversuch. Dieser macht ihnen Mut zum anschließenden lauten Nachsprechen. Obwohl die Schüler hier von jeder Bedeutungssuche entlastet sind, ist die Phonetisierung für Lehrer wie Schüler einigermaßen strapaziös und funktioniert nur bei entsprechend kurzen Texten. An dieser Stelle ist Perfektion angesagt! Vorrang hat das intonationsgerechte Nachahmen von rhythmisch-melodischen Einheiten, also meist Wortgruppen. Die Arbeit am Einzellaut, wenn nötig, kommt danach! Dialoge einstudieren/ vorspielen - umschreiben - vorspielen 151 Leises Mitsprechen: Multiplikationseffekt Bevor die Schüler laut wiederholen (Einzelschüler, Tischgruppen, Klassenchor), hatten wir gesagt, spricht der Lehrer bei schwierigen Sätzen den Satz noch einmal still vor, simultan sprechen die Schüler still mit. Sie schauen dabei auf die Mundbewegungen des Lehrers, der dabei auch seine Schüler anblickt (“I want to see your lips moving.”). Erst jetzt zeigt er auf einzelne Schüler, Schülergruppen oder die ganze Klasse, die jetzt laut nachsprechen. Hören und Nachsprechen, Stimulus und Respons sollen unmittelbar aufeinander folgen. Dabei achtet der Lehrer darauf, dass die Schüler möglichst auch die bedeutungsverstärkende Gestik nachmachen bzw. nach eigener Manier gestalten. Außerdem kann der Lehrer den Satz beim ersten Mal auch etwas langsamer vorsprechen als sprechüblich. Während nun zum Schluss der Sequenz einzelne Schüler auf die Zeigegeste des Lehrers hin laut nachsprechen, sollten die anderen weiterhin leise mitsprechen. Sie hören also nicht auf, leise zu probieren - ein bedeutsamer Multiplikationseffekt. While one pupil was repeating the words the teacher had said, it was striking to observe that most of the others were mouthing the words as well, i.e. they were silently repeating the word to themselves, forming the foreign sounds with their lips and whispering the words for themselves in order to get acquainted with the foreign sounds and to keep the words and their meaning in mind. S. Dieses Subvokalisieren ist eine Verstärkung des inneren Mitsprechens beim gespannten Zuhören. 2 Auch für andere Situationen gilt Jespersens (1922, 135) Bemerkung: “When one is learning a foreign language, it is an excellent method to try to imitate to oneself in silence every sentence which one hears spoken by a native.” Hörmerkspanne und backward build up Gelingt das Nachsprechen nicht auf Anhieb, meist weil der Satz zu lang ist, bauen wir ihn jetzt von hinten nach vorn auf: This boy is driving me crazy. crazy me crazy driving me crazy is driving me crazy This boy is driving me crazy. Die Schüler sprechen die Stückchen jeweils nach, bis sie am Ende den ganzen Satz aus dem Arbeitsgedächtnis produzieren, dann aber auch mit der ihm eigenen Intonation. Das Gleiche gilt auch für längere Wörter: 152 Richtig anfangen: Sprache inszenieren Think of the responsibility. bility sponsibility responsibility Think of the responsibility. Auch ein längerer Satz wird somit erst als Ganzes vorgestellt, dann aber in Teilstücken nachgesprochen. Am Ende ist der Satz jedoch wieder als Ganzes zu reproduzieren “in its entirety without hesitation or any process of piecing together” (Palmer/ Redman 1969, 98). Die Mitlestechnik Nichts liegt näher, als aus dem Prinzip der Mündlichkeit die bekannte Reihenfolge Hören - Sprechen - Sehen abzuleiten. “Folglich gilt generell, dass im Englischunterricht nur dann ein Schriftbild auftauchen sollte, wenn sein Klangbild zuvor lautrichtig gefestigt ist und seine Bedeutung von den Kindern verstanden wird” (Schmid-Schönbein 2008, 55). “Zuvor” ist falsch, auch wenn es in den Richtlinien steht. 3 Richtig ist die simultane Darbietung nach Art des Mitlesverfahrens. Wenn wir genau hinschauen, bleibt auch hier das Prinzip der Mündlichkeit gewahrt. Denn das Zugesprochene bleibt der primäre Stimulus, das Schriftbild wirkt nur nebenher oder zwischendurch mit. Es wird eher peripher wahrgenommen - ein Multitasking im Sinne des schnellen Hin- und Herschaltens. Am Ende steht die reine Mündlichkeit. Die Technik gilt also nur bei der Erstdarbietung neuen Sprachstoffs, wo sie das Sprechen unterstützt, ohne die Mündlichkeit des Unterrichts zu gefährden. Wer Fremdsprachen lernt und schon lesen kann,-für den ist die Schrift eine leistungsstarke Lernhilfe, auf die nicht verzichtet werden darf. Nicht umsonst wurden ja für viele Sprachen neben traditionellen einheimischen Schriften Verschriftungen auf der Basis des lateinischen Alphabets entwickelt, so etwa das Pinyin für das Hochchinesische. Was genau leistet die Schrift in diesem Moment? Sie ist (1) Hörstütze: Z.B. ist deutlich abzulesen, ob ein th [ θ ] etwa im Gegensatz zu t oder s zu sprechen ist. Die Schrift differenziert deutlich zwischen chop, job und shop. Es gibt eindeutige Schrift-Laut-Korrespondenzen, Regelmäßigkeiten, die, einmal erkannt, uns helfen. So ist für Deutschlerner der ungewöhnliche Trigraph <sch> kein Problem. Sobald sie ihn sehen, ist klar, dass sie jetzt [ ʃ ] gehört haben. Auch Ungewohntes wie das Dehnungs-e bit/ bite, mat/ mate, rot/ rote wird schnell gemeistert. Druckbuchstaben sind formstabil, sie bleiben, wenn die Klänge schon verrauscht sind, und haben eine prägnante Gestalt. Man verhört sich viel leichter, als dass man sich versieht.- - Die Schrift ist (2) Verstehensstütze: Sie bildet allein schon durch die Wortzwischenräume die Grammatik ab, so dass wir das Gesprochene als Kette ein- Dialoge einstudieren/ vorspielen - umschreiben - vorspielen 153 zelner Wörter wahrnehmen, wo doch meist nur nahtlose Übergänge sind. Melanie spielt mit bilingualen Nachbarskindern: Thus I picked up English words and phrases. I could pronounce them and knew their meaning. But only later when I saw written English in grade 5 for the first time, I had my light bulb moment. I came to understand that for instance that “go away” which I had used when we were chasing each other and had understood as a two-syllable word was actually two different words. M. He very often demanded silence with the expression: [pikwait]. To me this was one word and I was absolutely proud when some day I learned the word “quiet” and when I discovered its meaning. Although I had sensed what Herr … meant to say I could then correct the pronunciation in my mind because I had identified the isolated words. V. Auch Fremdwörter wie chocolate, theatre, cathedral, nation sind gedruckt auf Anhieb zu erkennen. Die Schrift ist (3) Gedächtnisstütze: Ein Text wird gleich doppelt verankert, durch Hören und Sehen. Gerade bei längeren Sätzen konnte die Mitgabe der Schrift die Imitationsleistung spürbar verbessern (Butzkamm 1974). (4) Homonyme wie their/ there werden auseinandergehalten, schwach- und vollbetonte Formen dagegen als zusammengehörig erkannt: Are you for or against Billy? This egg is for you, Sandy. (5) Für das Englische gilt: Viele Schreibweisen sind den Kindern schon vertraut. An sie gilt es anzuknüpfen, statt sie zu ignorieren. (6) Außerdem verhindert man das von Fehlern strotzende heimliche Aufschreiben - das ja ein klares Indiz dafür ist, wie sehr die Schüler eine Schriftstütze brauchen. 4 French lessons were taught during the first few months entirely on an oral basis. We found that disappointing and very often felt the need to check up on a new word or phrase. S. Schriftbedingte Aussprachefehler sind dabei nicht ganz zu vermeiden. Wörter wie post-office, pullover, music, camel, bei denen deutsche Lautungen und Wortbetonungen durchschimmern, sind fehleranfällig. Andererseits werden Fehler, wie man sie bei schriftlosem Nachsprechen registriert, vermieden: *I helping my friend. *I’m want to go home. *Mine bag’s heavy. *You funny too. Genauer gesagt: Sie werden nicht immer vermieden, sind aber besser zu bekämpfen. So habe ich es in zwei Grundschulklassen erlebt, dass mehrere Kinder trotz Mitgabe der Schrift den Dialogsatz: Are you sleeping in class? 154 Richtig anfangen: Sprache inszenieren wie folgt wiedergaben: *“Are you sleeping in the (! ) class? ” Mit Hinweis auf das Schriftbild kann man den Fehler leicht ausbügeln. (7) Schließlich gibt es durch den verfügbaren Text mehr Übungsmöglichkeiten. Die Vorteile überwiegen bei weitem die Nachteile‚ wenn es richtig gemacht wird und die Schüler nicht ablesen, sondern zwischendurch mitlesen. Zur Praxis der Mitlestechnik: - Die Schüler müssen wissen, dass die Schrift zu Aussprachefehlern verführt. Das muss ihnen an einleuchtenden Beispielen wie ‘know’ oder ‘much’ gezeigt werden. Wir würden ja ‘Matsch’ schreiben … - Die Schüler schauen und hören auf den vorsprechenden Lehrer: “Ihr richtet euch nach dem, was ihr hört, nicht nach dem, was ihr seht! “ - Alle Schüler sprechen den Satz still nach mit Blick auf den Lehrer, nicht auf die Schrift. - Wenn aufgefordert, sprechen sie den Satz laut nach mit Blick auf den Lehrer, nicht auf die Schrift. - Zwischendurch (wenn andere sprechen), vergewissern sie sich am Schriftbild, sooft sie wollen. Sie sehen den fremden Text, hören ihn aber noch innerlich. - Bei Satzabbruch während des Nachsprechens - ihr Gedächtnis lässt sie im Stich - dürfen sie schnell auf den Text schauen (das tun sie dann ganz von selbst! ). Wenn sie später beim Proben und Spielen des Dialogs stecken bleiben, genügt ebenso ein kurzer Blick auf den Text, und sie können sich meist die ganze Zeile phonetisch richtig ins Gedächtnis zurückrufen. Interferenzen, d.h. Aussprache nach der Schrift, kommen vor, aber die Kosten-Nutzen-Bilanz ist insgesamt positiv. Falsch ist Folgendes, weil hier das laute Lesen zu früh kommt, bei dem der Text nicht mitläuft, sondern zum primären Stimulus wird: She introduced a new unit by reading the text aloud to us two or three times. Then, almost everybody had to read a part of the text. While reading, she corrected our pronunciation and we had to re-read the wrong part. Only then did she explain the unknown words. Mein Eindruck ist, dass die Grundschulmethodik die ältere, nicht grundschulbezogene Forschung zum Anfangsunterricht ignoriert. Mit Recht kritisiert Schiffler (2012, 75): Trotz der dargestellten empirischen Forschung wird speziell für den Frühbeginn in der Grundschule, bei dem es sich meistens um Englischunterricht handelt, nach wie vor der schriftlose Unterricht gefordert, obwohl die Schüler meist bereits mit der Schrift vertraut sind und zusätzlich in ihrer deutschsprachigen Umwelt zahllose Möglichkeiten haben, englische Schriftbilder zu lesen. Dialoge einstudieren/ vorspielen - umschreiben - vorspielen 155 Als Muttersprachler vergessen wir, wie sehr unser Sprachwissen (Top-down- Information) das Hören (Bottom-up-Information) unterstützt. Hören ist immer auch ein Stück intelligentes Raten: Hab ich knörp gehört? Kann nicht sein, das Wort gibt’s nicht. Hab ich sram gehört? Ganz und gar unmöglich, solche Lautkombination ist im Deutschen nicht zulässig. Wohin man schau? Grammatisch unmöglich, er hat schaut gesagt. Wir brauchen nur halb hinzuhören. Aber dieses Wissen fehlt dem Anfänger, er muss fast alle zum Verstehen notwendigen Informationen aus der Schallwelle selbst herausholen. Deshalb das sorgfältige Vorsprechen, deshalb die Mundbilder, deshalb die Mithilfe der Schrift. 5 Bilder als Stütze Zu dem Dialog sollte es möglichst auch einen Bildstreifen nach Art audiovisueller Lehrwerke geben. Die Schüler erkennen die Situation noch schneller und behalten die den Bildern zugeordneten Sätze noch besser. Außerdem kann der Lehrer später den Dialog über die Bilder abfragen. Optimal ist ein Videofilm des Dialogs, gedreht mit geschulten Muttersprachlern im Sprachland, aber nur, wenn dies ohne großen organisatorischen Aufwand möglich ist. Dieser Film wird vor dem Einüben gezeigt, dazu werden typische Körperhaltungen, Gestik und Mimik erläutert. Übersetzung: Idiomatik plus Brückendeutsch Der Lehrer kann auch mehrere gleichwertige Übersetzungen vorgeben. Besser noch: Er fragt die Schüler, ob sie noch andere, bessere Übersetzungen anbieten können. Das gemeinsame Heranpirschen an die beste Übersetzung ist wichtig, weil Unklares und Ungenaues sich nicht einnisten, sondern verworfen werden kann zugunsten des Besseren. Gelegentlich erzielt ein Schüler auch einen Volltreffer. Denn Schüler können oft noch idiomatischere, jugendgemäßere Versionen liefern. Im Deutschen dürfen vor allem die typischen Abtönungspartikel wie doch, noch, denn, etwa, eigentlich nicht fehlen, denn sie bestimmen sozusagen die kommunikative Temperatur einer Äußerung: Are you sleeping in class? / Schläfst du etwa im Unterricht? I’m listening./ Ich hör doch zu. Good God! OhGottogott (Vorschlag einer Schülerin) Lehrer und Lehrbuch neigen zu schriftsprachlichen Übersetzungen, wie Lübke (1971) gezeigt hat: Ein Schüler, der die Gleichung, étre fatigué - erschöpft sein kenne, komme nicht immer darauf, dass auch Marcel ist müde - Marcel est fatigué heißen könne. Das ist bei unserer Vorgehensweise ausgeschlossen. 156 Richtig anfangen: Sprache inszenieren Die idiomatische Übersetzung sagt den Schülern also, was und wie’s gemeint ist. Bei vom Deutschen abweichenden Strukturen müssen wir aber auch noch wissen, wie’s gesagt ist: das Prinzip des Doppelverstehens. Wird die Idee fremdsprachlich anders ausgedrückt, muss dies der Schüler auch durchschauen. Deshalb spiegeln wir in solchen Fällen zusätzlich den Satz in der Muttersprache: Do you mean me? Meinen Sie etwa mich? *Tun Sie meinen mich? (That’s what the English say) What colour is her hair? Welche Farbe hat ihr Haar? *Welche Farbe ist ihr Haar? (That’s what the English say) “Brückendeutsch” und “muttersprachliche Spiegelung” lohnen sich auch, wenn die fremde Struktur ins Auge springt. This boy is driving me crazy. Dieser Junge macht mich noch verrückt/ wahnsinnig. Dieser Junge treibt mich noch in den Wahnsinn. Die erste Version enthält die Gleichung crazy - verrückt, die andere verdeutlicht die Gleichung drive - treiben. Wir brauchen also dieses Brückendeutsch nicht nur, um Strukturen zu verdeutlichen, sondern auch, um Wortverwandtschaften wie drive - treiben zu klären und uns fremde Redewendungen verständlich zu machen. So weist der Lehrer darauf hin, dass drive auch fürs Autofahren gebraucht wird: drive a car. Falls es sie gibt, bevorzugen wir also die Übersetzungen, die dem Original möglichst nahe kommen und trotzdem noch idiomatisch sind. Weil die Muttersprachenmethode dieses Doppelverstehen oft problemlos leistet, sind grammatische “Vorgriffe” jederzeit möglich - wie beim Mutterspracherwerb, wo die Eltern nicht an die Grammatik denken, sondern ganz aufs Verstandenwerden aus sind. Past tense Formen, das will-Futur usw. sind mit dieser Technik schon in der ersten Englischstunde möglich (siehe das Kapitel Bilinguale Praxis im Detail)! Weitere Textdurchgänge: Festigung, Prinzip des Verweilens Katja berichtet über einen Einführungskurs ins Russische: This odd sound stream was fascinating. However after about fifteen minutes we became frustrated as we could not remember the sentences. They were not repeated enough to be remembered. Dialoge einstudieren/ vorspielen - umschreiben - vorspielen 157 Der Text muss sitzen, und dazu genügt ein einmaliger Textdurchgang nicht. Deshalb schließen wir weitere Festigungsschritte ein, aus denen der Lehrer auswählt, bis er merkt, dass die Schüler den Text können. “Wiederholen fällt schwer, weil es nichts Neues bringt” (Kleinschroth 2000, 69), also treffen wir stets eine andere Auswahl und sorgen für Abwechslung in der Art, wie wiederholt wird. Die Textdurchgänge lassen sich in solche einteilen, in denen die Schüler eher rezeptiv bleiben (recognition steps) und solche, in denen sie den Text aktiv reproduzieren (recall). Rezeptive Durchgänge, also Sprechpausen, können den Behaltensprozess verstärken. 6 Am Ende steht jedenfalls das freie Spielen (ohne Text! ) vor der Klasse. Es folgt eine Reihe von Schritten, aus denen der Lehrer jeweils eine kleine Auswahl treffen muss: Textrezeption (zur Auswahl) - Der Lehrer trägt den Text noch einmal vor, die Schüler hören still und entspannt zu. Der Text kann einsehbar sein oder ist abgedeckt. Bei abgedecktem Text schließen die Schüler die Augen, um sich besser auf das Hören zu konzentrieren. Wenn vorhanden, nutzt der Lehrer an dieser Stelle, keineswegs aber bei der Erstdarbietung, eine Audioversion mit geschulten Muttersprachlern, die als gleichbleibendes Muster ihm selbst Orientierung bietet. Immer wieder (ja, immer wieder! ) und meist aus dem Französischunterricht wird berichtet, dass die Sprecher für Anfänger zu schnell sprechen und die Schüler kaum etwas verstehen, wenn ein Text vorweg vom Tonband vorgespielt wird. The problem with hearing French tapes is that they are much too fast for a beginner. During the first two or three times that the tape was played I actually did not get a word or only a vague idea of the dialogue presented to us on the tape. In the end she allowed us to open our books, and from then on it was at least possible to follow the words. I learned French for three years and really hated the tapes from the very beginning to the end. J. - Der Lehrer spricht die Sätze in zufälliger Folge vor. Die Schüler geben bei abgedecktem Text und sichtbaren Bildern die dazugehörige Bildnummer an. Variante: Die Schüler geben den Sprecher des Satzes an. - Der Lehrer fragt: “Is this sentence from the dialogue or different? ” und gibt neben dem Dialogsatz auch inhaltlich veränderte (immer aber sprachlich korrekte) Sätze vor: “Johnny, are you eating in class? ” Are you listening? Are you dreaming? Are you singing? Are you reading a comic? 158 Richtig anfangen: Sprache inszenieren “This girl is driving me crazy.” My dog is driving me crazy. My mother is driving me crazy. My little sister is driving me crazy. Our teacher is driving us crazy. Die Schüler reagieren entsprechend mit same oder different oder halten grüne oder rote Antwortkarten hoch. Oder: Bei “falschen” Sätzen bleiben sie sitzen, bei “richtigen” Sätzen stehen sie auf - oder auch mal andersherum. Noch anders: Die Schüler gehen, laufen oder hüpfen - je nach Anweisung - durch die Klasse, während der Lehrer die Sätze des Dialogs in neuer Reihenfolge spricht. Sagt er einen falschen Satz, der so nicht vorkommt, bleiben sie starr stehen (freeze) und setzen sich erst dann wieder in Bewegung, wenn er sich korrigiert. Diese Übung sollte nie fehlen. Die Schüler erkennen die produktiven Satzmuster, hören, wie sie abgewandelt werden und zu neuen Inhalten führen. Später fällt es ihnen leichter, die Sätze selbst zu verändern, um schließlich zu eigenen Texten zu kommen. Wenn die Schüler schon flüssig schreiben können, kann man die Übung auch einmal wie folgt durchführen: Jeder schreibt einen Satz aus dem Text auf, verändert ihn oder auch nicht. Ein Schüler ruft einzelne Mitschüler auf, die ihren Satz vorlesen. Die Klasse reagiert wie üblich, indem sie rote oder grüne Antwortkarten hochhalten. Textproduktion (zur Auswahl) - Der Lehrer spricht den Text satzweise vor, Text und Bilder sind einsehbar. Die Schüler murmeln nach jedem Satz diesen mehrfach halblaut vor sich hin. - Der Lehrer nennt Bild und Sprecher, die Schüler den dazugehörigen Satz. Die Bilder sind einsehbar, der Text ist weggefaltet. - Der Lehrer nennt anstelle des ganzen Satzes ein prägnantes Wort aus dem Satz, die Schüler wiederholen bei abgedecktem Text den ganzen Satz. - Wie oben, das Signalwort ist aber jetzt muttersprachlich. - Let’s woggle: Der Lehrer nennt einen Satz und ersetzt dabei ein Wort durch ein grammatisch angepasstes “woggle”. - Der Lehrer spricht die übersetzten Sätze vor, nacheinander wie im Original oder durcheinander. Bilder und Text sind einsehbar. Die Schüler sprechen den Originalsatz: eine Art Rückübersetzung. - Ebenfalls Rückübersetzen, diesmal aber ist der Text abgedeckt. Diese zweite Rückübersetzung darf nicht fehlen, da sie dem Lehrer anzeigt, ob die Schüler den Text und zugleich seine Bedeutung behalten haben. Denn weil sich die Aufmerksamkeit ganz auf das Nachsprechen, Dialoge einstudieren/ vorspielen - umschreiben - vorspielen 159 die aktuelle Aufgabe, richtet, können die zuvor mitgegebenen Bedeutungen wieder verloren gehen. 7 - Lippenablesen: Der Lehrer artikuliert einen Satz still, etwas langsamer als gewöhnlich und mit ausgeprägter Mimik und Gestik. Die Schüler erraten den Satz, lesen ihn z.T. von den Lippen ab. Das finden sie sehr spannend. - Lesegemurmel: Jeder versenkt sich in den Text, spricht ihn leise vor sich hin und schützt sich dabei vor dem Gemurmel der anderen, indem er den Kopf in die Hände stützt und die Ohren abdeckt. Auch Einzel- oder Partnerarbeit in der Weise des Lesens-und-Aufblickens (Kap. 11). - Echotechnik: Wir tun so, als ob wir uns im Gebirge befänden, zwischen Lehrer und Schüler liegt ein tiefes Tal. Die ganze Klasse steht dicht gedrängt in einer Ecke des Klassenraums zusammen. Der Lehrer steht in der gegenüberliegenden Ecke und ruft der Klasse den Satz oder Satzteile zu nach der Weise des backward build-up. Der Lehrer ruft, brüllt oder flüstert und legt dabei die Hände um den Mund (Schmid-Schönbein 2008, 74). - Der Lehrer sagt überhaupt nichts: uncued free recall. Bei abgedecktem Text und Bildern nennen die Schüler die Sätze, die ihnen in den Sinn kommen. “Say any sentence of the dialogue which comes to your mind.” Dieser Schritt ist der letzte vor den Zielschritten und sollte nicht fehlen. - Bei jedem dieser Schritte kann man einen Schüler auch bloß wiederholen lassen, was ein anderer schon richtig gesagt. D.h. der zweite Schüler hat’s leicht, er spricht bloß nach. Zielschritte: All the class a stage - Partnerarbeit: Die Schüler sprechen sich die Sätze mit verteilten Rollen wechselseitig vor, wenden sich dabei einander zu, versuchen dabei schon, den Text auswendig zu sprechen, bleiben aber noch an ihren Plätzen sitzen: Lesen - aufschauen - anschauen - sprechen. - Generalprobe: Die Schüler haben sich in Gruppen je nach Anzahl der Sprechparts des Dialogs aufgeteilt. Sie üben das Stück nun im Raum verteilt ein, vereinbaren bestimmte Gesten, benutzen auch schon, soweit vorhanden, passende Requisiten. Dabei geht der Lehrer von Gruppe zu Gruppe, berät die Gruppen, bügelt hier und da durch erneutes Vorsprechen einzelne Fehler aus usw. Beim Proben ist der Lärmpegel hoch, aber alles hat seine Ordnung. Ist nicht genügend Platz in der Klasse, setzen wir einer Gruppe den Stuhl vor die Tür: Sie üben im Flur. - Einzelne Gruppen (nur Freiwillige vor! ) spielen den Text vor der Klasse. 160 Richtig anfangen: Sprache inszenieren Die szenische Darstellung vor der Klasse ist die wahre Probe auf das Verständnis eines Dialogs. Beim Vorspielen können die Zuschauer auch einmal halbkreisförmig platziert werden. Manche sind furchtsam und wagen sich nur ungern in unbekannte Gewässer. Dann geht der Lehrer voran und wählt sich einen kecken Schüler als Mitspieler aus. Die Bereitschaft, seine Kunst vor Zeugen und Zuschauern zu reproduzieren, wächst mit jedem Erfolg, den andere dabei einheimsen. Der Lehrer ermuntert die Schüler: “Behold the turtle. He makes progress only when he sticks his neck out.” Gemeinsam überwinden wir die Scheu, uns zu “produzieren”. Keiner ist Alleinunterhalter. The pupils were often asked to perform role-plays in front of a video camera and it was great fun for them to watch their own productions afterwards. K. Als Spieler spürt man, dass man jetzt auf besonders intensive Weise präsent ist. Und dann kann die Keckheit auch überborden. Linnartz erinnert sich an seine Zeit als deutscher Lehrassistent an einem französischen Gymnasium: Leider gelang es mir nicht, die Balance zwischen dem sprachlichen Übungszweck und dem Erheiterungsbedürfnis und Bewegungsdrang meiner Savoyarden zu halten. Sie nutzten die von ihnen “gestes” genannten Saynètes sehr einseitig. Erwartungsvoll begrüßten sie mich im Flur mit der Frage: “M’sieu, on fait des gestes? ” Die Turbulenz mancher Stunden war nicht mehr einzudämmen, und ich merkte mir für später, dass man die Dämonen der komischen Mimesis nur rufen darf, wenn man sie auch bändigen kann. (Linnartz 1989, 59) Gut einstudierte fremdsprachliche Stückchen eignen sich hervorragend für Schulfeste und Elternabende: Our textbook contained some dialogues that we had to act out in front of the class. One of them, a very funny one, was a little longer, so it was a challenge for us to learn it by heart. Four of us, including myself, had to rehearse it in order to act it out. We met at my parents’ flat and enjoyed speaking English for our first “theatre play”. It was a great success so we had to perform it again at a carnival party of the Unterstufe. This was one of the few foreign language experiences outside the classroom. Th. Beim Rollenspiel gaben die Schüler ihr Bestes, schreibt Kathrin, und Sabine bemerkt: “Although 10 years have gone by I still can remember some lines from this role play.” Wir haben mit Freude unsere Stücke vorgeführt und gar nicht gemerkt, dass wir dabei auch etwas lernten, erinnert sich Iris. Man erlebt sich als selbstwirksam und ist Herr über die Sprache. Fundamentum, Additum und der Kampf gegen das-Vergessen 161 Die Schüler erleben die Spannung zwischen Idee und Ausführung. Am Ende gilt: Wir alle sind wirkungssüchtig. Und wir sind Verwandlungskünstler. Also geben wir unseren Schülern eine Bühne und freien Spielraum und setzen eine Tradition fort, über die schon der Reformpädagoge Max Walter (1908, 19ff.) begeisternd berichtete. Hier entfaltet das kommunikative Moment seine stärkste Stoßkraft: Schon als Kleinkinder sind wir ja Weltmeister im Geben und Empfangen körpersprachlicher Signale. Nicht zu vergessen: Beim Rollenspiel sind die Mitschüler keine Konkurrenten, sondern echte Lernpartner, und der Lehrer wird in den letzten Etappen zum Lernberater. Denn “die individuelle Ausformung seines Parts bleibt dem Lernenden im Laufe seiner Probearbeit vorbehalten”, und das darstellende Spiel ist die “unersetzbare Bewährungsprobe für die Bewältigung von Stress im fremdsprachigen Milieu”, so Thiering (1996, 162f.). Das gilt sowohl für die vom Lehrer eingeführten wie auch von den Schülern selbst geschriebenen Stücke, die im übernächsten Abschnitt behandelt werden. Fundamentum, Additum und der Kampf gegen das-Vergessen Nach der Scholastik Studie über bayrische Grundschulen (Weinert & Helmke 1997) brauchen die schwächsten Schüler einer Klasse fünfmal mehr Zeit als die besten zur Erreichung des gleichen Zieles. Wie unterrichten wir, so dass die schnelleren vorankommen, ohne dass die schwächeren Schüler auf der Strecke bleiben? Die Antwort: Jeder Schüler, auch der schwächste, muss den Dialog als Fundamentum beherrschen. Sie brauchen und bekommen mehr Nachsprechversuche, während die schnelleren Schüler schon in Partner- oder Gruppenarbeit damit beschäftigt sind, den Dialog leicht abzuwandeln. Der Dialog und seine Redemittel bilden das Fundament, auf dem alle stehen. Our French teacher used the Cours Intensif and we had to learn nearly all the lesson texts by heart. Although I sometimes complained about it, I soon appreciated its usefulness. After half a year of learning French I was able to communicate with French pen-friends. A. “Der Neocortex lernt nur, indem man ihm etwas immer wieder einhämmert”, so wird der Lübecker Gedächtnisforscher Jan Born in der ZEIT (48, 2002) zitiert. Wie gewinnen wir den Kampf gegen das Vergessen? Indem wir Einstudiertes rechtzeitig wiederholen, in gestuften Intervallen, d.h. in immer längeren Abständen: Vergessenskurve beachten! Ideal ist dafür das Stückespielen, weil die Spielfreude nicht nachlässt und die Gruppen gern die Chance wahrnehmen, ihre Schauspielerei zu verbessern. Indem man 162 Richtig anfangen: Sprache inszenieren den andern noch mehr abgucken kann, wird das darstellerische, performative Element verstärkt, die Körper denken noch mehr mit. Und was den Sprachstoff angeht, bilden die Stücke ein für alle Beteiligten überschaubares Fundamentum. Damit kann explizites Vokabellernen und -testen weitgehend entfallen! Unterrichtsdynamik: - anfangs mit Schriftstütze, später ohne; - anfangs lehrerzentiert, später mehr Eigeninitiative der Schüler; - anfangs Gleichschaltung der Schüler, dann individuelles Lerntempo; - anfangs Frontalunterricht, dann Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit; - anfangs mucksmäuschenstill, später hoher Lärmpegel; - “Teach, then test, then get out of the way.” (Stevick) Eine zentrale Arbeitsform auf fertigkeitspsychologischer Grundlage: - Aufbau des Könnens Schritt für Schritt, konzentriertes Üben - das Prinzip des Verweilens beim Text, mustergültiges Imitieren - Mündlichkeit: Einsatz von Stimme, Gestik, Mimik, Körperhaltung - muttersprachliche Mitteilungsäquivalente im Sandwich-Verfahren - bedeutungsverstärkender Einsatz von Stimme, Mimik und Gestik beim Originalsatz wie bei der Übersetzung - Prinzip des Doppelverstehens: muttersprachliche Spiegelung, wenn nötig - Bild und Schriftbild als Stütze - Schüler schlagen selbsttätig eigene Übersetzungen vor - Vorspielen: Könnenserlebnis nach angestrengter Arbeit, Spielen mit heiterer Überlegenheit, Glücksgefühle. Dialoge schreibend variieren, inszenieren, nachbesprechen Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun. (Marie von Ebner-Eschenbach) Sattle gut, und du reitest getrost, sagt ein italienisches Sprichwort. Die Selbstformung an gültigen Mustern ist Vorbedingung der Kreativität. So bildet das Einstudieren und Vorspielen von Lehrer- oder Lehrbuchstücken nur die erste Stufe, auf die noch weitere folgen. Die Schüler finden sich wieder in Gruppen zusammen, um eigene Stücke zu schreiben. Das gelingt am besten, indem sie Eingeübtes abwandeln, Textstücke ausschneiden, ersetzen, erweitern und mit andern Stücken mischen. Dies ist im Grunde nichts anderes als die klassische imitatio, wo der Schüler sich übt, um “mit dem Material, das ihm die Lektüre zuführt, ähnliche Kunstwerke der Rede zu komponieren, als die klassischen Autoren Dialoge schreibend variieren, inszenieren, nachbesprechen 163 sie darbieten” (Paulsen 1919, Bd. 1, 345). Denn diese Arbeitsform beschränkte sich nicht auf die Nachbildung literarischer Vorbilder (inklusive Stilanalyse), sondern hatte ihre Vorstufen in einfachen Satzvariationen (variatio, amplificatio). D.h. die Anfänge sind sehr bescheiden. Statt der Lehrbuchfigur bringt man sich selbst ein, dabei kann aus he ein she, aus him ein her werden usw. Später wird aus dem Dialogsatz: “English is sooo interesting” ein “Mathematics is sooo cool” oder ein “History can be sooo boring.” Um den Schülern hier auf die Sprünge zu helfen, schalten wir kurze bilinguale Drills ein, wie in Kap. 9 beschrieben. Da machen wir aus einem Mustersatz ein Satzmuster. Allerdings darf man die Schüler nicht zu sehr gängeln. Sie müssen selbst erfahren, wie weit sie sich vorwagen können, wie viel sie riskieren können, ohne zu viele Fehler zu machen. Dann wächst die Schöpferlust und auch die Lust, im Team zu arbeiten, sich auf die Ideen anderer einzulassen. Allerdings sollte man auch einmal Rollenmonologe vorstellen und Einzelnen die Möglichkeit geben, einen solchen zu schreiben und vorzuspielen. Da die Stücke für den Rest der Klasse neu sind, dürfen Lehrer und Schüler die Akteure zu ihren Stücken befragen oder diese kommentieren - eine Gelegenheit zu spontanem Austausch und mitteilungsbezogener Kommunikation. Näher an den Ernstfall des spontanen Gesprächs außerhalb der Schule kann man kaum kommen. Eine schöne Waldorf-Tradition besteht darin, viel Lektüre zu betreiben und die Geschichten teilweise zu Stücken umzuschreiben. Später kann man auch Hörspiele schreiben. Eine Referendarin berichtet über eine Lehrprobe: Als Thema der Stunde habe ich den Dialog “Home sweet home” gewählt und mit Ihren Methoden umgesetzt. Die Stunde ist großartig verlaufen. Die Schüler hatten sehr viel Spaß beim Erlernen und Abwandeln des Dialogs. Hier ein Ergebnis: Schüler 1: “The door-bell is ringing! Can you open the door? ” Schüler 2: “No I can’t. I’m eating a döner.” Schüler 1: “What about you, Herbert? ” Schüler 3 (auf einem leeren Mülleimer sitzend): “I can’t. I’m having diarrhea! ” Grandios! Das passiert, wenn man den Kleinen solche Vokabeln beibringt. Es kam allerdings sehr gut an bei den Mitschülern und Seminarleitern (C.R. 2011). Dies war der Ausgangstext: 164 Richtig anfangen: Sprache inszenieren Home sweet home Father: The doorbell’s ringing. Can you open the door, please? Peter: No, I can’t. I’m doing my homework. Father: (shouting): Betty, what about you? Betty: (from another room): But I’m filing my nails. Father: And I’m baking a cake. For you clowns! ! ! Zur Illustration dessen, was eine Gymnasialklasse schon im ersten Lehrjahr kann, drucken wir noch neben dem Lehrtext drei Schülertexte und ein Nachgespräch ab: Lehrtext: Same old Story (Klasse 5, Gymnasium 9.7.2002) Bernie: I’m sick of school! ! ! Mother: What’s wrong with you, Bernie? B: I don’t want to go to school today. M: What are you talking about? B: Everybody hates me. Nobody understands me. M: It’s the same old story every Monday morning. B: I hate school! M: But you must go to school. After all, you are the headmaster. Dialoge schreibend variieren, inszenieren, nachbesprechen 165 1. Schülertext Theresa: I’m going to Susan, mom. Mother: Stop! You must look after your little brother again. Th: Oh no. I’m sick of my little brother. M: Why are you sick of Anton? Th: Because he’s getting on my nerves. M: Please, do it once again for me. Th: Ok. Only once again. M: Thank you very much. 2. Schülertext Tobias: I’m sick of basketball. Alex: But you must go to the basketball training. You belong to the team. T: I can’t play it very well. A: Then you must learn it. T: Ok, but only for a week. A: Hey, fun. Nachgespräch Lehrer: Thank you. Do you play basketball, Tobias? Tobias: No. L: No? What do you play? T: Football. L: Football. In a team. T: Yes. L: And where? T: (…) L: And what about you Alexander? Do you do sports? Alex: Yes, football. L: Are you in the same team as Tobias? A: Yes. L: When is the next match? A: Saturday. L: This coming Saturday? A: Die Saison ist zu Ende. L: Oh, so I can’t come and watch you. That’s a pity. Tell me next time. Next time you’ll have a match then I’ll come. Ok? A: Yes. L: Do the others have questions? S e : Is your team nice? Tobias: Yes. 166 Richtig anfangen: Sprache inszenieren Maren: Are you good at football? T: Yes. L: Any other questions? Theresa. Theresa: How much player … L: How many Th: How many player are there? L: Players, players Th: players are there? Tobias: Hmm … L: Well, at least eleven. There are at least eleven in a team, aren’t there? T: Wir haben Auswechselspieler. L: So you don’t know the number? You don’t know the exact number? Arno. Arno: We have got fourteen. L: Oh, you are also in the team? Ar: Yes. L: Oh, and you’ve got fourteen players. That’s interesting. Sf: Fifteen. L: Do you have further questions? … Arno, who’s the best player in your team? Ar: Markus and Thorsten. L: Our Thorsten? Ar: Nein. No hmm … He come from L: He comes Ar: He comes from Zweifall. L: Hmm alright. … And what about the next match. When is your next match? Can I come and watch? Ar: On Saturday. L: This Saturday? Ar: Yes. 3. Schülertext Daniel: I’m sick of TV. Arno: Why are you sick of TV? D: Because I watch TV every day. Ar: But you needn’t watch TV. D: But I haven’t got friends here. Ar: I can take you to your friends. D: Yes, that’s a good idea. Dialoge improvisieren 167 Beherzigen wir auch Linnartz’ Erfahrungen: Rollenspiele sind eine der Möglichkeiten, die Schüler durch allmählich freieres Variieren und Inszenieren von Textgrundlagen der Realität einen Schritt näher zu bringen. Dabei ist der Unterrichtende noch auf andere Weise gefordert. Wenn er von den Schülern nämlich erwartet, dass sie sich in fremdsprachlich artikulierten Rollen produzieren, wird er gut daran tun, ein Beispiel zu geben, indem er sich mimisch exponiert … Inszenierte Dialoge sind bei entsprechendem psychologischen Takt und etwas Phantasie auf jeder Altersstufe möglich. Noch jetzt sehe ich den Referendar P., der in einer aus erwachsenen Teilnehmern bestehenden Klasse einer berufsbildenden Schule durch die Art, wie er eine Baskenmütze aufsetzte, Zeitung und Baguette unter den Arm klemmte, den für die Szene gebrauchten Français moyen wie aus der Karikatur gestochen den erheiterten Schülern und Schülerinnen darbot; die gelungene Darbietung wirkte die ganze Stunde hindurch und ließ die Schüler bereitwillig auf die Intentionen des Rollenspiels eingehen. (Linnartz 1989, 102) Dialoge improvisieren Wer so oft geprobt hat, soll sich auch mal hinters Steuer setzen und losfahren! Wir machen also nicht bei einstudierten Stücken Halt, ob sie nun aus dem Lehrbuch oder von den Schülern selbst stammen. Die Endstufe ist die Improvisation, die zunächst wiederum vom Lehrer ausgeht: Wichtig war mir, dass meine Referendare in die Rollenspiele, die nach vorher in Gruppenarbeit verabredeten und sogar verschriftlichten Dialogen abliefen, in unvorhergesehenen Rollen eingriffen, um die Spielenden zu Improvisationen zu zwingen, welche die Intervention im Augenblick nahe legten. (Linnartz 1989, 102) There were all kinds of different situations the teacher invented for us. You were a suspect in a cross-examination, having to convince the officer that you had an alibi for last night, or you were a customer returning a book you didn’t want to keep, or a daughter trying to convince your mother to let you stay out longer at night. All these situations were fun to play. What mattered was creativity and that you really spoke to someone else and expressed your own thoughts. J. We had to pretend to make a real telephone call. She handed one slip of paper to the student who had to call and another one to the student who had to answer the call. Both got a minute to think about what they could say in the given situation. We had a lot of fun, and even those students who hardly participated in class volunteered to do a phone call. Some wanted to completely invent their own conversations. Funny situations 168 Richtig anfangen: Sprache inszenieren were made up, like a young girl calling Dr Sommer from the youth magazine Bravo. We even continued doing this in the five-minute break. P. Beeinflusst vom modernen Improvisationstheater hat Kurtz (2001) eine Methodik des improvisierten Sprechens im Englischunterricht an Gymnasium und Gesamtschule ausgearbeitet, erprobt und dokumentiert. Es sind flexible Lernarrangements, in denen die Schüler innerhalb eines stützenden Rahmens improvisieren. Zu diesem Rahmen gehört ein “kommunikativer Notausgang”: Am besten: Man projiziert eine Eingangs- und Schlussformel auf die Rückwand des Klassenzimmers. Die vor der Klasse agierenden Schüler haben sie stets im Blick. Sie haben einen Start und können sich bei Bedarf korrekt und elegant aus dem Gespräch verabschieden. Der folgende Dialog wurde in der sechsten Klasse eines Gymnasiums eingesetzt: Peter: Would you like to spend the day on the beach again? Sarah: Look at me! I’m horribly sunburned! I’d rather visit a museum today. P: Booh …! Visiting museums is so boring! S: Come on! Don’t be so negative! That’s boring, too. Für die Improvisation wurde die Anfangsphrase “Would you like to …? ” sowie als Schluss “Don’t be so negative” vorgegeben. Zwei Beispiele für Improvisationen: S a : Would you like to spend your holidays on the mountains? S b : Oh no. Look my feet. They are so bad. I won’t go five miles in the mountains. I want to go hmm to the cinema. S a : Oh no, that’s boring. S b : Don’t be so negative. The cinema is cool. S c : Would you like to spend your holidays on Mallorca? S d : Oh no, Mallorca is so boring and so hot. I (…) to fly at Berlin. S c : Oh, Berlin. Berlin is so big and dirty. S d : And Mallorca is not dirty? S c : No. S d : Don’t be so negative. Come on. Statt nur Anfangs- und Schlusssatz kann man auch Teile eines längeren Dialogs memorieren, die Lücken müssen dann spontan überbrückt werden. Fürs Improvisieren sind zeitgewinnende “hesitation phrases” nützlich (“Well, I’ll have to think about that.” “Well, let me think. Don’t rush me.”), ebenso wie Formeln der Verbindlichkeit, um etwas höflich abzulehnen, Gegenvorschläge zu machen usw. (“I’d really rather not …” “I don’t particularly like …, you know.”). Übrigens: Saying no tactfully ist sicherlich etwas, was Schüler auch noch in der Muttersprache verbessern können. Verzöge- Weiterentwicklungen 169 rungssignale und andere pragmatische Formeln, die man in Lehrbuchdialogen mitunter vermisst, sind also gezielt einzuüben. Weiterentwicklungen Die Arbeit mit Dialogen, sei sie dreistufig (einstudieren/ vorspielen; variieren/ vorspielen; improvisieren) oder bloß einstufig, ist eine Kerntechnik, die jeder Lehrer beherrschen sollte. Wo immer meine Studenten sie in ihren Berichten erwähnen, wird sie gelobt. So auch das Ergebnis einer Befragung englischer Schüler: Role play and speaking were the most popular activities. One linguist (=-special language student) commented on how much she had enjoyed an element of creativity in role play where the pupils could devise characters and stay in role. (Fisher 2001, 37) Anlass genug, um Dialoge auf vielfältige Art ins Spiel zu bringen. Segermann (2000) probiert ein Konzept ohne fertige Dialoge als Ausgangspunkt aus. Die Klasse bestimmt von Anfang an selber, wie ein Dialog mit einem fremdsprachigen Partner zu einem ausgewählten Thema aussehen soll. Das geschieht weitgehend muttersprachlich, und der Lehrer liefert sofort die idiomatische fremdsprachliche Version, die anschließend eingeübt wird. So wissen sie bestens Bescheid über das, was sie sagen und spielen, es sind ihre eigenen Texte im fremden Gewand. Der Einsatz von Handpuppen hat eine lange Tradition, ist jedoch kaum verbreitet. Wenn die Puppe vom Lehrer geführt wird, kann er ihr bestimmte Funktionen fest zuweisen. Man könnte mit ihr jeweils die erste Minute bestreiten, indem man etwa einen Bezug zur voraufgegangenen Stunde herstellt: “We had a lot of fun last time, didn’t we? / The lesson was hard work, pooh! / I can remember the song we learned …” Oder die Puppe verkündet jeweils den Spruch der Woche, der an die Tafel zu schreiben ist. Oder die Puppe hat die Aufgabe, “Gefühle der Freude, der Langeweile und Müdigkeit stellvertretend für die Schüler dem Lehrer mitzuteilen” (van de Linde 1983, 136). Sie kann auch bei der Fehlerkorrektur eine Rolle spielen, z.B. selbst typische Fehler machen, die sie so ulkig bringt, dass jeder weiß, das ist grundfalsch. Die Schüler können nach Anleitung ihre Puppen selbst bauen und ihre Dialoge als Puppentheater vorführen. Zumal wenn Fremdsprachen schon in der Grundschule einsetzen, müssen Lehrer sich verstärkt mit solchen Techniken vertraut machen. Dramatisierungen von Prosatexten, wo immer in studentischen Berichten erwähnt, sind motivierend. Eine Klasse übt eine Robin-Hood-Episode ein, die den Eltern an einem Nachmittag im Wald (! ) vorgeführt wird. Dort hängen sie an Seilen und fechten mit Holzschwertern: 170 Richtig anfangen: Sprache inszenieren When the play was over we had a barbecue. We all still remember it and when we talk about it, we have a lot of fun again. S. After we had read One flew over the cuckoo’s nest we acted a court trial in which Nurse Ratched was sued by the inmates of the psychiatric hospital. This was definitely a lot of fun but also difficult since our teacher wanted us to find really good arguments for the prosecutor, the accused and the witnesses. J. Jelic (2012) hat anregende dramenpädagogische Arbeitsformen, die weit über das hier Gezeigte hinausgehen, auf nachahmenswerte Weise in die Arbeit mit dem Lehrbuch eingebaut. Neue dramapädagogische Perspektiven bietet auch der Sammelband von Küppers, Schmidt & Walter (2011). Hierzulande viel zu wenig bekannt sind auch die Intensivkurse, die von John Rassias am Dartmouth College entwickelt wurden. Rassias, promovierter Theaterwissenschaftler, war selbst Schauspieler; der Höhepunkt, auf den die Kurse hinauslaufen, ist die Aufführung von selbst verfertigten Theaterstücken. Schule der Geläufigkeit: Sprechstücke rhythmisieren und skandieren Dialogarbeit ist zentral, aber wir können noch mehr tun, um die fremden Artikulationen und Satzmelodien zu meistern, die den Rohstoff abgeben für Wortschatz und Grammatik. Das Gefühl, eine Fremdsprache zu beherrschen, ist auch eine körperliche Erfahrung und zielt auf die Artikulationen. Unsere Sprechmuskeln müssen mitmachen und am Ende so spielend mit den fremden Klangmustern fertig werden wie in der Muttersprache. Wie schnell schämen wir uns, wenn wir das nicht schaffen! Grammatik- oder Wortfehler lassen uns vergleichsweise kalt. Schlechte Aussprachegewohnheiten lassen sich später nur noch schwer korrigieren: Sie fossilieren, wie man sagt. Das Artikulieren ist eine so wundersame Leistung … Was die Vokale vollbringen, ist auffallend genug: Von denselben Konsonanten eingeschlossen, bilden sie Farn-fern-Firn-vorn, Mast-messt-Mist-Most-musst. Doch wie erst, wenn ein Wort wie Strudel exakt ausgesprochen und überdies beim Sprechen wie beim Hören vom Sprudel unterschieden werden soll, der nur den mittleren von drei Anlaut-Konsonanten nicht mit dem anderen gemeinsam hat! Man spreche sich die Reihe Grab-Grad-Graf-Gral-Gram- Gran-Gras-Graz vor und rechne hinzu, dass Grab sich von Trab, Graf von Brav, Gran von Tran, Gras von Fraß wieder nur durch einen Laut unterschieden, dass folglich zwölf Wörter gänzlich verschiedener Bedeutung nur durch die äußerste Disziplin der Nerven, Muskeln und Sehnen auseinandergehalten werden können; man denke an die Plage, die Kindern Schule der Geläufigkeit: Sprechstücke rhythmisieren und skandieren 171 damit zugemutet wird, oder an die Leichtigkeit, mit der ein wenig Alkohol die ganze verwickelte Choreographie der Laute durcheinander purzeln lässt. (Schneider 1970, 37) Josef Rohrer (1989, 15) hat sich beim Lernen von Thai selbst beobachtet: Meine Erfahrung mit Thai ist, dass ich ein Wort bei der ersten Lernübung etwa zehnmal laut nachsprechen muß, damit ich es bei der nächsten Lernübung (einen Tag später) sofort wieder erkenne. Nachdem ich das Wort zehnmal gehört und etwa hundertmal nachgesprochen habe, kann ich das Lautbild des Wortes innerlich erzeugen und richtig aussprechen. Diese Beobachtung bezieht sich auf solche Wörter der Thai-Sprache, die für mich keinerlei gedächtnisstützende Merkmale haben und die ich nicht mit prägnanten Situationen assoziieren kann. Die Gewöhnung der Zunge an die fremden Artikulationen, ja die Ausspracheschulung insgesamt, kommt zu kurz, paradoxerweise gerade bei einem modernen kommunikativ orientierten Unterricht (vgl. Grotjahn 1998). Das weitverbreitete “Fehlerlesen” genügt nicht: We loved reading contests. Everybody was very excited and could not wait until his or her turn. When the first one began to read, everybody in class was quiet and concentrated on the text. We all waited for the moment when the reader made a mistake in pronunciation. And then we all shouted through the class, so enthusiastic and proud of having heard his or her reading mistake, and keen on reading perfectly. S. Aber nicht alle Studenten berichten darüber positiv. Man braucht Fingerspitzengefühl, um herauszufinden, wo’s hapert. Soll der weiterlesen, der den Fehler als erstes meldet, oder geht’s der Reihe nach usw. Ausprobieren! If you had discovered a mistake and it was your turn to read, you were usually too nervous to read properly because you were afraid of making a mistake yourself. It was not very effective for language learning apart from the fact that we practised reading aloud at home so that we were better in class. G. Gerade wer viel Partner- und Gruppenarbeit machen möchte, muss gute Aussprachegewohnheiten sorgfältig trainieren, sonst bekommen die Schüler zu viele falsche Sprechvorbilder. In immersion classes … learners developed many permanent interlanguage features through their exposure to the “junky input data” they were providing for one another in their interactions. (Wong-Fillmore 1985, 25) Also ja zur Gruppenarbeit, aber nur auf der Grundlage sauberer Ausspracheschulung! 172 Richtig anfangen: Sprache inszenieren Only when their pronunciation was unintelligible did Mrs. M. make corrections. Intonation was never corrected. All of the class, when speaking English used German intonation. G. More attention should be paid to producing correct sounds and to intonation. As a learner of English at school I didn’t find myself corrected when using voiceless instead of voiced sounds. Our teachers never really paid much attention to pronunciation and intonation. D. Neben Dialogen nutzen wir Sprechrhythmen, jazz chants, Lieder und auch Zungenbrecher, wie sie schon Quintilian vorschlug. 8 Durch tägliches lautes Repetieren solcher “Mundwärmer” erwerben wir eine neue Zungenfertigkeit. Wir teilen die Klasse in zwei Hälften, etablieren mit den Händen auf den Tischen einen Rhythmus und skandieren dann, wobei sich die Gruppen abwechseln: / d ʒ / vs. / t ʃ / Pass the jam, Jim. Pass the jam, Jim. Pass the cheese, Charles. Pass the cheese, Charles. Drink your juice, Jack. Drink your juice, Jack. Change your jeans, please. Change your jeans, please. Do your job, Bob. Do your job, Bob. / r/ / θ / / w/ Little Robin Red-Breast Sat upon a thistle Every time he wagged his tail He gave a little whistle A round: / d ʒ / Schule der Geläufigkeit: Sprechstücke rhythmisieren und skandieren 173 / sw/ / r/ Swan swam over the sea. Ram it in, ram it in, Swim swan, swim! Children’s heads are hollow. Swan swam back again. Ram it in, ram it in, Well swum, swan! Still there’s more to follow. Beim letzten Vers ist es der hämmernde Rhythmus, der gefällt; zudem verulken wir uns selbst mit solchen Versen. C. Graham (1978) verdanken wir jazz chants, die Lebendigkeit und Abwechslung in den Anfangsunterricht bringen. In Anlehnung an sie haben wir Sprechrhythmen für Deutsch als Fremdsprache entworfen, die im Internet abgehört werden können. Das Wichtigste dabei ist, den Tonfall und Rhythmus einzuhalten. Bei Clap ’n’ Raps müssen wir wie oben erst den Rhythmus durch Klatschen etablieren. Hier zwei rhythmisierte Strukturübungen zum past tense: Who? Good girl Who did that? Stimulus: Go! Who said that? Response: When Mama said “Go! ”, she went. Who played that? Stimulus: Stay! Who made that? Response: When Mama said “Stay! ”, she stayed. Who taught that? Work! Who caught that? usw. Leave! usw. Wir erleben die Sinnlichkeit der Sprache, ihren Klang, synchron mit der rhythmischen Bewegung der Sprechorgane. Die motorischen Vollzüge werden lustvoll erlebt: Muskelfreudigkeit, fast hypnotische Effekte durch Repetition. Wenn andere sprechen, erfühlen wir die fremden Artikulationen durch stille Mitbewegungen. Eine Fremdsprache macht es ja oft umgekehrt wie die Muttersprache: Man hört gewisse Lautungen erst dann richtig, wenn man sie erzeugen kann. Hier gilt es auch das teilweise Nachlassen der kindlichen Sprachkraft, namentlich der Hördiskrimination zu kompensieren. Zugleich kann Rhythmik auch das Grammatiklernen unterstützen, siehe irregular verbs bei Youtube (wobei allerdings längst nicht alles überzeugt). Im Übrigen verlangt die Umstellung der muttersprachlichen Artikulations- und Intonationsgewohnheiten vom Lehrer gute phonetische Kenntnisse sowohl der Muttersprache seiner Schüler als auch der Zielsprache. Ein simples Vor- und Nachsprechen ist zwar die zentrale Arbeitsform, genügt aber nicht in den Fällen, wo die Schüler aufgrund ihrer muttersprachlichen Prägung bestimmte Unterschiede ganz einfach nicht hören. Man muss erst einmal in der Fremdsprache hören lernen. Dazu muss der Lehrer in seine Trickkiste greifen! Wie beim Biofeedback kann man z.B. das Auge als Hilfsmittel einsetzen, wie wir es von modernen Computersprachkursen her kennen. Wortakzente, z.B. ’orchestra vs. Or’chester, ’communism vs. Kom- 174 Richtig anfangen: Sprache inszenieren mu’nismus, werden kenntlich gemacht durch Betonungsstriche oder aber durch Handzeichen, Auf-den-Tisch-Klopfen, In-die-Hände-Klatschen oder - stehend - durch tiefes Durchwippen auf der betonten Silbe. Rekonstruieren und rezitieren: Wegnahme-Techniken Ich vermute, dass derjenige ein Gedicht am genauesten interpretiert, der es mehrere Male hintereinander kommentarlos vorliest. (Heinz Piontek) Von Anfang an können wir uns kleine Kostbarkeiten einverleiben und damit Schönheitssinn hervorlocken und entwickeln: wenig darüber reden und die Texte für sich sprechen lassen. Genau das ist die Erfolgsprobe für ein Gedicht: wie viel man davon behält und mit sich trägt. Kann man es auswendig, d.h. eigentlich inwendig, par cœur? Wer vierzig Jahre lang mit seinen Studenten und Studentinnen Gedichte auswendig gelernt hat, den freien Vortrag so vieler großer, umfangreicher Dichtungen in verschiedenen Sprachen miterlebt hat, von Anfängern, die dabei unvermittelt über ihr Anfängerkönnen hinauswuchsen, die plötzlich von der einverleibten, verinnerlichten Sprache in wunderbarer Weise getragen und geführt wurden, der kann bezeugen: so wird Sprache erlebt. (Wandruszka 1982, 20) Wie werden schöne Verse seelisch wirksam? Machen wir Verse zum Gegenstand des häuslichen Lernenmüssens, können wir alles verderben. Verlegen wir die Arbeit also zunächst in den Unterricht und beginnen mit einem gekonnten Vortrag: She very soon changed my opinion of poetry and poets. She had a very beautiful voice and read aloud to us. She introduced us to Shelley and I soon stopped thinking of Shakespeare and company as examination subjects. I was able to make my own discoveries, even my own enthusiams. (Rhys 1981, 59) Wir empfehlen die Wegnahme- oder Abstrichtechnik (vanishing technique, progressive fade-out). Ein Text wird immer wieder aufgesagt und abgelesen, bis er eingeprägt ist. Dabei werden nacheinander immer mehr Textteile an der Tafel weggewischt oder am Tageslichtschreiber abgedeckt. Am besten werden erst Reimwörter getilgt. Nach einiger Übung kann man daraus eine Art Lernsport machen: Wie viel kann man jeweils auf einmal abdecken? Ganze Zeilen? Nach jedem Abdeckvorgang müssen die Schüler den Text ganz hersagen. Am Schluss wäre der Text vollständig von Balken verdeckt. I am going to cover (rub out) words from the text, and then I am going to cover more words and entire lines. And each time I cover something, you are to read out the whole poem and supply the missing words and Rekonstruieren und rezitieren: Wegnahme-Techniken 175 lines from memory. At the end you will see that we know the whole poem by heart. Let’s try and see how it works. Versuchen wir es hiermit: I’m nobody! Who are you? Are you nobody, too? Then there’s a pair of us - don’t tell! They’d banish us, you know. How dreary to be somebody! How public, like a frog To tell your name the livelong day To an admiring bog! (Emily Dickinson) Variante für Prosatexte: Derselbe Text wird mehrfach, mit jeweils anderen Lücken gelesen und dabei komplettiert. Der Lehrer wählt mit Bedacht die auszulassenden Wörter, kann aber auch rein mechanisch nacheinander alle Adjektive löschen, alle Substantive, alle Verben usw. Oder aber man geht wie Kleinschroth (2000, 177f.) vor: Kopieren Sie einen interessanten Text fünfmal in Ihre Datei. Auf jeder Kopie wird nun jedes fünfte Wort getilgt. Auf der ersten Kopie löschen Sie das erste, sechste, elfte Wort …; in der zweiten Version beginnen Sie mit dem zweiten Wort und löschen das siebte, zwölfte … Mit der fünften Lückenversion sind alle vorkommenden Wörter einmal ausgelassen worden. Sie nehmen sich nun die fünf Versionen vor und versuchen, sie nacheinander beim Lesen zu ergänzen. Der vollständige Text dient Ihnen als Hilfe und Kontrolle. Nach dem fünften Durchgang beherrschen Sie alle Details. So lernt man einen Text in allen seinen Wendungen und Windungen kennen. Entsprechend kann man mit relativ kurzen Texten, auch mit Sentenzen und Maximen arbeiten, damit Schüler schnell einen Fundus von Sprüchen und Sätzen der verschiedensten Art erwerben. Wir bewahren uns diesen Fundus, indem wir regelmäßig folgende Gedächtnisübung durchführen: Jeder Schüler sagt drei Sprüche oder Sätze aus eingeübten Stücken nach eigener Wahl memoriter her, jedoch so, dass keiner einen Satz vorbringen darf, den schon ein anderer gesagt hat. Auf diese Weise müssen sie alle auf ihre Vorredner aufpassen, und wer schon dran gewesen ist, gibt ebenfalls Acht auf das, was die anderen sagen, damit nicht seine eigenen Sätze wieder vorkommen. Überhört er aber einen Satz, muss er stattdessen einen neuen bringen (Eckstein 1887, 177). Auswendiglernen ist ein Mittel, sich sprachlich freizuschwimmen, und ist zugleich Ausdruck der Liebe und Verehrung, der treuen Hingabe an sprachliche Kleinkunst, an Schönheit, Präzision und Wohlklang. Möge es 176 Richtig anfangen: Sprache inszenieren unseren Schülern damit ergehen wie Goethe, wie er in dem kleinen Text Gegenständliches Denken. Bedeutende Förderung durch ein einziges geistreiches Wort berichtet: Mir drückten sich gewisse große Motive, Legenden, uraltgeschichtlich Überliefertes so tief in den Sinn, dass ich sie vierzig bis fünfzig Jahre lebendig und wirksam im Innern erhielt; mir schien der schönste Besitz, solche werte Bilder oft in der Einbildungskraft erneut zu sehen, da sie sich denn zwar immer umgestalteten, doch ohne sich zu verändern, einer reineren Form, einer entschiednern Darstellung entgegenreiften. Nachüberlegungen Hören und Nachsprechen als Grundform des Übens … that invaluable faculty, the natural imitative instinct of the pupils. (Otto Jespersen) Eine Sprache will gekonnt sein wie ein Instrument. Und Könnerschaft erlangt man durch Üben. Das Können aber ist “eine ursprüngliche, fundamentale und irreduzible Weise des Erlebens”. 9 Könnenserlebnisse sind es denn auch, die unsere Schüler bei der Stange halten. Jedes Gelingen einer selbständigen Leistung kann ungemein befriedigen und noch bis ins Alter zur Steigerung des Lebensgefühls beitragen. Bleiben aber überzeugende Könnenserlebnisse aus, wird es zappenduster für Schüler und Lehrer. Dann ist Üben bloß lästiger Zwang. Übung macht den Meister. Wussten wir schon. Weniger trivial, und ebenso wichtig zu wissen: Beim Sprachenlernen ist Üben wichtiger als Intelligenz. 10 Und Üben kann fehlende Intelligenz ausgleichen. Warum können dann unsere Hauptschulabgänger so wenig? Weil von Anfang an nicht richtig imitiert wird. Denn Üben ist zuallererst Hören und Nachsprechen, dann erst erfinderische Produktion nach dem generativen Prinzip. Der Mensch aber ist ein Genie im Nachahmen, und imitatives Lernen ist die (oft vernachlässigte) Basis des Sprachenlernens. Der Meister weiß, wie richtig geübt wird. Er weiß, wie eine unvollkommene Leistung schrittweise zu verbessern ist. Denn geübt wird in Stufen. Er kennt die Anfangs-, Zwischen- und Endstufen einer Leistung und verfügt - in Teilbereichen - über Präzisionstechniken, mit denen er die allen Menschen zugedachte natürliche Sprachbegabung optimal ins Spiel bringen kann - eine Konzeption, die mit Wygotskis “Zonen nächster Entwicklung” verwandt ist. Alle seine Schüler schaffen es, wenn auch längst nicht gleich gut. Nachüberlegungen 177 Üben geht in Etappen Übung und Gewohnheit ist überall Hauptmeisterin. (Johann Gottfried Herder) Die Grundregel des Unterrichts aus Kapitel 3 lautete: das Üben und Anwenden - medium- und message-orientation - in das richtige Verhältnis bringen. Das ist die Kunst, und für sie gibt es keine feste Formel. Meist gilt es, den leidigen Überhang des Übens über das Anwenden aufzuheben. Es wird in der Tat viel geübt, aber nicht richtig geübt. Und darunter leidet auch das Anwenden. Für richtiges Üben aber gibt es Meistertechniken. Dann strengen sich die Schüler an und arbeiten mehr, aber sie merken es gar nicht, weil etwas dabei herauskommt. Genügend Übungszeit, großer Übungsertrag, viel Übungslust, viele Übergänge zum Kommunizieren - das alles hängt zusammen. Richtig Üben ist nie die Mischung aus Einfallslosigkeit und Stumpfsinn, an die sich manche erinnern mögen. Die fernöstliche Tradition kennt das Streben nach vollkommener Beherrschung, das anfangs eine völlige Unterwerfung unter das Modell des Meisters bedeutet. Das Prinzip duldet keine halben Sachen, sonst werden statt Meisterleistungen nur schnell verfliegende Scheinleistungen erzielt. Das Vermögen zur Vollkommenheit aber ist schon im Schüler angelegt. Deshalb macht der Meister dem Schüler Mut zu sich selbst, und der Schüler liebt den Meister, weil dieser ihn zu sich selbst führt. Er macht ihn eigenständig. Aus Abhängigkeit wird Selbständigkeit. Meistertechniken sind streng definierte und geprüfte Unterweisungsformen. Damit junge Lehrer sie beherrschen lernen, müssen sie genau beschrieben werden. Denn “wenn man beobachtet, was zwei Leute wirklich tun, die nach ihrer eigenen Aussage das Gleiche tun, stellen sich oft verblüffend große Unterschiede heraus”, so der Verhaltensforscher Nico Tinbergen (1984, 175). Dies setzt die Analyse des zu erzielenden Könnens voraus, wie sich die Anfangsleistung zusammensetzt und wie sie sich von der Endleistung unterscheidet. Denn das gekonnte Tun ist qualitativ anders. Dieser bekannte psychologische Befund wird durch die moderne Hirnforschung bestätigt. Bei der meisterlichen Ausführung sind andere Hirnregionen als beim Anfänger stärker aktiv. Während aber beim Mutterspracherwerb sich das Kind seine Etappen selbst wählt, muss der Meister wissen, ob der Schüler bereit ist und wozu, und immer wieder Zwischenziele abstecken - bis etwas abgelegt werden kann und als erledigt gelten darf. Solche Schrittfolgen haben wir bei der Dialogarbeit festgelegt. Wie wichtig die richtige Stufung (grading) ist, zeigen uns u.a. autistische Kinder. Sie brauchen die Kleinschrittigkeit und Kleinarbeit an der Sprache, das streng und richtig portionierte Üben. Sie haben die Tendenz, sehr schnell die Lernsituation zu verlassen, wenn die Aufgabe nicht ihrer nächstmöglichen Entwicklung Rechnung trägt. Unser Problem ist, dass wir keinen Einzelunterricht geben, dass Schüler für jede Aufgabe 178 Richtig anfangen: Sprache inszenieren ungleiche Voraussetzungen mitbringen und auch nicht im Gleichschritt avancieren. Wer dreißig Kinder in der Klasse hat, muss sorgfältig beobachten und probieren, um die Schwierigkeiten richtig zu staffeln, und notgedrungen Kompromisse schließen. Die zweckmäßigste Lehrstrategie zur Steuerung des systematischen Lernens ist die “direkte Instruktion” (Weinert 1999, 33). Dem entspricht, dass der Mensch die Kunst der Nachahmung wie keine andere Tierart beherrscht. Hinhören und Hinsehen, dann Nachmachen! Das ist die Devise. Übungen bringen etwas zur Anwendungsreife. Das zuvor Gelernte wird eingesetzt, um ähnliche, aber doch neue Probleme zu bewältigen. Dann kommt auch der Punkt, wo man den Schülern das Feld zu überlassen hat. Wir dürfen Drillmeister sein, ungeniert, weil wir das immer nur vorübergehend sind. Dazu müssen wir uns ein rundes, sicheres methodisches Können erwerben. Dann gilt auch: Der Meister kann die Form zerbrechen - aber er muss schon ein Meister sein. Auf seine meisterliche Analyse sowohl der logischen Struktur des Materials - meist der Texte - als auch der daran zu trainierenden skills kommt es an. Kunstfehler vermeiden Aus dem planmäßigen Aufbau und der geforderten Detailgenauigkeit folgt wie in der Medizin, dass auch Kunstfehler nachgewiesen werden können. Warum sollte es sie nur in der Heilkunst geben? Wenn es gelingt, Lehrtechniken detailgenau zu entwickeln, dann können auch pädagogische Kunstfehler dingfest gemacht und Gütestandards erhoben werden. Es richtig machen, darauf kommt es an. Auch das Nachsprechenlassen will gekonnt sein: lustvoll, mit Schwung und großer Beteiligung, im Klassenchor, als Tischgruppe, als Paar- und als Einzelsprechen. Gelegentlich wird vor “parroting” gewarnt. Wer herunterleiern lässt, begeht einen Fehler. Nur durch sauberes Nachsprechen gewinnen wir ein Sprachgefühl, das uns sagt, ob sich etwas richtig anhört oder nicht. Das ist das Fundament. Manche wollen aber mit dem Dach anfangen. Once he was ill and we had a supply teacher instead. She was horrified by our pronunciation and thus spent the entire lesson on practising a single sentence: “Il y a, dans les Alpes de Savoie, une station très moderne qui s’appelle ‘le Lac de Tignes’”. After 45 minutes we left the classroom with the feeling that we had learned a lot and furthermore we had enjoyed the lesson more than any other French lesson we had had before. S. Die Mundgymnastik kann als Lernsport richtig Spaß machen. Nämlich dann, wenn man merkt, wie leicht einem am Ende ein Stück Sprache über die Zunge geht. Wie in der Muttersprache, in der man vergessen hat, welch Nachüberlegungen 179 großartige Leistung das Artikulieren ist und welche Schwerarbeit es uns als Säugling und Kleinkind gekostet hat. “Sie sagt richtig vor, ich sage falsch nach. Einmal, zweimal, viele Male”, so beschreibt ein ZEIT-Journalist seine Mühe mit dem Ungarischlernen, und das sogar im Eins-zu-eins-Unterricht, wo Lehrer und Schüler einander gegenübersitzen, genau hinhören und auf den Mund schauen können. Aber eine andere Methode gibt es nicht. Wir sprechen ihnen Wörter wie “old” oder schwierige Verbindungen wie “how old” und “how old are you? ” mit zwischengeschobenem / w/ als Bindelaut supergenau vor. Auch kleine Tricks helfen, wenn wir etwa “What’s good about it? ” einmal wie folgt anschreiben: “What’s goo dabou tit? ” Dann kriegen es auch die Schüler hin und haben sogar Freude daran. Wer bei Anfängern, vor allem Kindern, nicht auf saubere Artikulation achtet, macht etwas falsch. Handlungsorientierte Partner- und Gruppenarbeit ohne solche Vorarbeit kann zur Farce werden. - Klarheit der Ziele: Alle wissen, worin die Zielleistungen bestehen. - Zielerreichendes Lernen: Alle können die Mindestleistung erbringen. - Klarer Aufbau und methodisch begründete Folge der Arbeitsschritte. - Kunstfehler kennen und vermeiden. - Möglichkeit zur individuellen Betreuung lernschwacher wie leistungsfähiger Schüler. Verfügbarkeitsstufen 11 Beobachtungen aus einer Deutschstunde am Goethe-Institut in London. Gegen Schluss der Doppelstunde sollten die Schüler den Lehrbuch-Dialog Die Kamera mit verteilten Rollen vorlesen. Das klappte einigermaßen, aber es lasen nur die eindeutig besten Schüler vor. Dann bat der Kursleiter darum, sich beim Vorlesen einander zuzuwenden und Augenkontakt zu suchen. Die Teilnehmer lachten ihre Verlegenheit hinweg und befolgten die Aufforderung, blieben aber sitzen. Allein der Augenkontakt ist schon eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem reinen Vorlesen. Einer, der vorn saß, musste auf seinem Stuhl herumrutschen, sonst hätte er sich den Nacken verdrehen müssen. Man kann eben über einen Lehrstoff, hier: einen Dialogtext, auf verschiedene Weise verfügen. Die höchste Stufe wäre die Form, die der Autor sich vorgestellt hat, hier also eine natürliche Gesprächsszene. Verfügbarkeitsstufen eines Lehrbuchdialogs: - stilles Leseverständnis - lautes, artikulatorisch glattes und zugleich sinngetragenes Lesen/ Sprechen - Lesen/ Sprechen mit verteilten Rollen und Augenkontakt (Read-andlook-up) 180 Richtig anfangen: Sprache inszenieren - Nachspielen, also in Bewegung sein, aber mit gelegentlichem Blick auf den Text - auswendig nach eigener Interpretation nachspielen - Dialogphrasen, auch abgeändert, bei natürlichen Sprechanlässen spontan verwenden. Erst wenn eine Stufe erreicht ist, wo etwa der eine lässig auf der Tischkante sitzt, die Kamera (oder irgendein Ersatzobjekt) prüfend in der Hand hält, sein Gegenüber dabei auf dem Stuhl davor sitzt und das Gespräch beginnt - erst dann, so postulieren wir, haben wir eine gewisse Gewähr dafür, dass die betreffenden Äußerungen: “Wem gehört denn diese Kamera hier? Gehört sie dir? ” - “Ja. Gefällt sie dir? ” usw. auch in der Ernstsituation zur Verfügung stehen. Sprache muss immer wieder in ihrer menschlichen Totalität ergriffen werden. Mimik, Gestik, Körperhaltung, auch unser Gang müssen mitsprechen, und was wir einander sagen, muss uns tiefenseelisch verbinden. Meistertechniken sollen solche Sprachgewohnheiten ausbilden, die auch unter Druck noch funktionieren. Ein anderes Beispiel: Ein Schüler lernt zu Hause brav seine Vokabeln, immer schön der Reihe nach. Leise läuft Musik mit, er ist entspannt. Er hat sie intus. Der Lehrer aber fragt sie durcheinander ab, und die Situation ist alles andere als entspannt. Plötzlich sind die Vokabeln nicht mehr verfügbar. Ein Text wird oft nicht richtig zu Ende gelernt, nicht ausgelernt. Kommt das zu oft vor, summiert sich der Schaden. Wie viel brauchbare, anwendbare, authentische Sprache steckt in all den durchgenommenen Texten? Und was davon können Schüler wirklich benutzen, um ein Gespräch zu bestreiten? Schüler nach dem Hauptschulabschluss brachten in einer Interviewsituation mit einem englischen Muttersprachler nur kümmerliche “Ausdrucksfragmente” zuwege (Walter 1978). Im Unterricht wurde ständig neuer Stoff vermittelt, bevor das zuvor Eingeführte wirklich angeeignet war. Man kann nach beiden Richtungen sündigen: Wichtige Redemittel werden nicht kommunikativ erprobt, sie werden aber auch nicht so weit vorgeübt, dass sie schon erprobungsfähig wären und für eigene Kommunikationsbedürfnisse ansatzweise zur Verfügung stünden. Der Wille zur Meisterschaft Es ist deprimierend, für eine Klassenarbeit wirklich gepaukt zu haben und sie dann in den Sand zu setzen. Meistertechniken können das verhindern. Sie sind vertrauensbildende Maßnahmen: Die Schüler fassen Vertrauen in die eigene Kompetenz und werden nicht enttäuscht. Allerdings: Zur Meisterschaft führt nur kontinuierliches Arbeiten. Sie ist nicht in Schnellkursen zu haben. Falsch ist der Weg, mit allerhand methodischen Nettigkeiten die allgemeinen Nivellierungstendenzen noch zu verstärken: Nachüberlegungen 181 Les méthodes efficaces ne sont jamais réellement ennuyeuses, tandis que les méthodes inefficaces ennuient vite, même si elles sont fondées sur le jeu. (Burney & Costantinidi 1969) Wir spüren unser wachsendes Können, und plötzlich entdecken wir auch unser Interesse an der Sache. So gewinnen wir den Kampf gegen die Trägheit und Lethargie des Alltags. Denn jede Übung verlangt “die selbstvergessene Hingabe an das zu übende Tun, den nicht nachlassenden Willen, das Tun so gut wie möglich und bei jeder Wiederholung besser als das vorige Mal zu machen” (Bollnow 1987, 55). Hanns Dieter Hüsch berichtet von seinen Gehversuchen auf der Kleinkunstbühne: Aber die Hauptsache war, dass ich spielte, und dass ich von Tag zu Tag, von Aufführung zu Aufführung, dazulernte. Im ersten Augenblick merkt man das nicht, aber nach ein, zwei Jahren spürt man plötzlich, wie sich Handwerk einstellt und dass man damit nun wieder ganz andere Sachen wagen kann. (Hüsch 1992, 239) Diese sich selbst verstärkende Aufwärtsspirale erfährt der Schüler auch im Kleinen: Ein Satz, eben noch fremd und bedrohlich schwer, gibt sein Geheimnis preis und geht uns plötzlich ganz leicht von den Lippen. Wir spüren, wie alle Lernarbeit mit unserem Gefühlsleben verbunden ist. Und noch mehr: Sie führt uns auch zu tieferer Sittlichkeit. Denn jede Art von Meisterschaft stärkt nicht nur unsere Selbstachtung, sondern nötigt uns auch Respekt vor anderen ab, auch und gerade bei Jugendlichen. In jedem solid und kundig geübten Handwerk liegt etwas, das zur Verehrung, ja zur Bewunderung herausfordert … Ein Meister ist allemal etwas sehr Schönes, ob er eine Uhr baut oder einen Dom. Um einen Schrank, einen Rock, einen Krug wirklich gut zu machen, muß man eine gewisse Sittlichkeit besitzen: Achtung vor dem gottgeschaffenen Material, Selbstzucht, treue Hingabe an die Sache, Sinn für das Wesentliche. (Egon Friedell) Achtung vor der fremden Sprache und den Schätzen, die sie birgt, Achtung vor denen, die sie mit Geschick handhaben, Achtung vor dem Können, das ich mir selbst erworben habe. 1 “I have for a long time felt needlessly guilty about doing what comes naturally” (Thompson 1987, 286). Ähnliches in Bezug auf den Einsatz der Muttersprache findet sich dutzendweise. 2 Ein inneres Mitgehen haben auch Experimente mit Affen gezeigt. Die für das Ergreifen zuständigen Neuronen sprechen auch an, wenn das Tier bloß ein Ergreifen beobachtet (Neuweiler 2003). 182 Richtig anfangen: Sprache inszenieren 3 Ich gehe dabei vom Fremdsprachenunterricht ab Klasse 3 aus, wenn die Schüler schon lesen und schreiben. Für den Unterricht ab Klasse 1 fehlt mir die Erfahrung. “Mut zur Schrift” empfiehlt Diehr (2011, 49). Siehe auch Wunsch (2005/ 2006). 4 Ausführlicher bei Butzkamm (1974; 1980, 52ff.). Parreren (1969, 363): “Hören und Mitlesen führen viel schneller zum Verstehen von gesprochener Sprache als nur das Hören allein.” 5 Für mich sehr überzeugend ist Canettis Schilderung in Die gerettete Zunge. Der achtjährige Canetti erhält von seiner Mutter Deutschunterricht. Er muss nachsprechen, Unverstandenes, ohne Schriftstütze. Eine Tortur. Bis die Mutter schließlich ihre Prinzipien über den Haufen wirft und er das Buch bekommt. Seine Rettung (Canetti 1979, 82ff.). Wer immer noch nicht überzeugt ist, dem raten wir zu einem Selbstversuch. Lernen Sie Polnisch, einen Dialog mit Schriftstütze, einen anderen ohne. 6 Übrigens sind für das Können nicht nur kleine Pausen, sondern auch große, nämlich ausreichend Schlaf hilfreich. Denn das Hirn übt tatsächlich während der Nacht weiter, so der Lübecker Schlafforscher Jan Bort. 7 Gerade die konzentrierte Aufmerksamkeit auf das Nachsprechen bewirkt das Vergessen der Satzbedeutung. Sie kann nicht online gehalten werden. Die Forschung zur Aufmerksamkeit hat nachgewiesen, dass für die Steuerung der Handlung (hier: Nachsprechen) unerhebliche Informationen (hier: Bedeutung) ausgeblendet werden können (Schönpflug & Schönpflug 1997, 131). 8 Entsprechend kannte die Lateinmethodik auch “vocabula rhythmica” und gesungene Grammatikregeln (Eckstein 1887, 174). 9 Bohnenkamp 1975, 83. Ich beziehe das Wort “Meisterschaft” auf Lehrer und Schüler, stelle also dem bekannten “mastery learning”, dem zielerreichenden Lernen, das “mastery teaching” zur Seite. Der Lehrer muss seine Sprache wie seine Lehrtechniken meisterhaft beherrschen. 10 Das gilt natürlich mehr für unser umgangssprachliches Können als für schriftsprachliche Kompetenzen, für basic interpersonal communication skills (BICS) mehr als für cognitive academic language proficiency (CALP). 11 Das Konzept der Verfügbarkeitsstufen wurde von R.M. Müller (1985; 1989) entwickelt. Sprachen lernt man besser in Bewegung. 7 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen Sprache und Musik Der Mensch ist “ein singendes Geschöpf, aber Gedanken mit den Tönen verbindend”. (Wilhelm von Humboldt) Sprache und Musik sind zugleich Ausdrucks- und Kommunikationsmittel. In beiden Gehirnhälften werden für Sprache wie für Musik dieselben Areale aktiviert. Die Fähigkeit, die Regeln einer harmonischen Ordnung zu erkennen und auf ihre Verletzungen blitzschnell zu reagieren, gleicht der Fähigkeit, syntaktische Fehler zu registrieren (Maess et al. 2001). Und ähnlich wie bei der Sprache können schon Neugeborene Musik hochdifferenziert wahrnehmen. Sie erfassen auch zuerst die musikalischen Komponenten der Sprache wie Rhythmus, Melodie und Timbre. Daily music lessons are helping pupils in six London primary schools to scale new heights in language skills and behaviour. Teachers discovered that regular renditions of Verdi’s Requiem and other classics helped children to tune in to their maths, English and science lessons. Every day for a year, the pupils had a 15-minute music lesson involving singing and listening. A visiting music teacher would take the first lesson of the week and give guidance to class teachers on following it up. The result was an improvement in pupils’ concentration, listening and behaviour, and development of language and vocabulary. (Ward, TES, March 1, 10.12.2002) Zudem weiß man, dass Musik das körpereigene Belohnungssystem stimuliert und die Mandelkerne inaktiviert, also jene Gehirnstrukturen, die Angst und Furcht bewirken (Spitzer 2002). Musik kann intensive Glücksgefühle bewirken. Lieder Ein Schulmeister muß singen können, sonst sehe ich ihn nicht an. (Martin Luther) Reasons briefly set downe … to perswade everyone to learne to sing … It is a singular good remedie for stutting & stammering in the speech … It is the best meanes to procure a perfect pronunciation & and to make a good Orator. (William Byrd 1588) 186 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen Spracharbeit in der Grundschule beginnt mit Singen und Spielen, wie wir es von Waldorf-Schulen kennen. There was a tape with nursery rhymes which my father brought back from England for me … I was very fond of music and I loved these English nursery rhymes which were so different from German songs for children. They were recorded by professional singers and children’s choirs with orchestral accompaniment. So whilst listening to my favourite tape, I used to be exposed to all the sounds of English, which became familiar to me although I did not have any idea of what the songs were about, with the exception of ‘London Bridge is falling down’ which I already knew. B. I liked the textbook with its funny stories, pictures and songs in it, although we hardly ever sang any of the songs. S. Klingt da nicht Bedauern durch? “Interessanterweise wünschen sich 51% der Lernenden mehr Lieder, ein Unterrichtsinhalt, von dem immer wieder behauptet wird, er sei in dieser Altersstufe (Klasse 8) nur bedingt einsetzbar” (Hermann-Brennecke & Candelier 1992, 427). Die Deutschen, so weiß D ER S PIEGEL zu berichten (52/ 2000), verlernen das Singen. Texte und Noten des traditionellen Liedguts verschwinden allmählich aus dem kollektiven Gedächtnis. Das Alltagssingen verkümmert, weil wir von der allgegenwärtigen Musik aus den Medien zugedeckt werden und mit den technisch perfektionierten Stimmen der Popstars nicht mithalten können. Da singen Chöre auf bunten Almen, mit schneebedeckten Gipfeln im Hintergrund, und statt dünner, im Wind verwehender Stimmen hört man einen satten Studioklang. Ein weiterer Frustquell: Für unsere heutigen, weniger geübten Stimmen geben die meisten Lieder eine Tonhöhe vor, die wir stimmlich nicht mehr packen. Das gilt es zu beachten, wenn man Kindern die Noten mit nach Hause gibt, damit sie sie auf ihren Blockflöten vorüben, um uns in der Klasse begleiten zu können. Ich singe mit meinen Studenten öfter ganz bewusst Lieder ohne jede instrumentelle oder elektronische Unterstützung: “Are you all ready to sing along? ” Im Endeffekt hilft es sogar, dass meine Stimme auch nur schlechter Durchschnitt ist. Was rüberkommt, ist dann: Wenn der das kann, kann ich das auch. Elisabeth hält deshalb ihre Lehrerin für sehr couragiert: In the last session before Christmas, she took a sheet of paper - maybe she also admitted that she could not sing well - and sang the song “Noël, when the angels fly …”. My class was well known for being difficult and loud, and I was amazed that nobody laughed. On the contrary, the class had never been so silent and attentive. Some pupils agreed that it was a beautiful song. E. Sprache und Musik 187 Lieder und Kanons üben wir mit dem Instrumentarium an Techniken ein, das wir im Kapitel über die Dialogarbeit ausführlich erläutert haben, also mit Schriftbild und Muttersprache. D.h. die Kinder singen nur, was sie auch auf doppelte Weise verstanden haben, und das geht schnell und umstandslos mit muttersprachlicher Hilfe: Are you sleeping, are you sleeping, Brother John … 1. Idiomatische Übersetzung: Schläfst du noch … 2. Wörtliche Übersetzung: Bist du schlafend … Morning bells are ringing, gut übersetzt: die Morgenglocken läuten schon. Oder: Let us sing together, let us sing together, one and all a joyous song. Let us sing again and again … Hey, ho, nobody at home. Meat nor drink nor money have I none. Yet will I be merry, yet will I be merry. Mit diesen Kanons geht’s schneller, weil sie auch auf Deutsch bekannt sein könnten: Bruder Jakob; Lasst uns miteinander, lasst uns miteinander singen, spielen tanzen, olé; He, ho, spann den Wagen an. Eine wunderschöne Melodie, modern synkopiert, und ein wunderschöner Text, von dem es auch eine deutsche Fassung gibt: I like the flowers, I like the daffodils … (Ich lieb den Frühling, ich lieb den Sonnenschein …) Kanons wandeln wir mitunter ab und bahnen Strukturverständnis an: Something inside me says: Time for my tea. Something inside me says: Time for a break. Something inside me says: Time for a joke. Uwe Kind (1980) hat für den Unterricht zurechtgestutzte Texte auf bekannte Melodien gemacht: 188 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen Wieder wandeln wir ab: Do you speak German? Do you speak German? Yes, I speak it very well. Do you speak Turkish? Do you speak Turkish? No, I don’t speak it at all. Do you play tennis? Do you play tennis? Yes, but just a little bit. Do you like cornflakes? Do you like cornflakes? Yes, I like them very much. Bald stellen die Kinder schon eigene “Do you …”-Fragen, wobei wir dazu übergehen, aus dem “do you” des Liedes ein “d’you” zu machen. Sprache und Musik 189 2. First turn right at the light, Walk two blocks, stop at the corner. Then turn left at the zoo. That is Greenwich Avenue. Übernehmen wir seine Idee und schreiben auch eigene Texte zu unseren Lieblingsmelodien. 1 Eine interessante Idee sind Partnerlieder, d.h. solche, die miteinander harmonieren, so dass sie gleichzeitig gesungen werden können. So singt eine Hälfte der Klasse It’s a long way to Tipperary, die andere Pack up your troubles in your old kit bag. Man sollte auch nicht auf die Dramatik des Wechselgesangs verzichten, wie im folgenden amerikanischen Liedchen Oh, you can’t get to heaven. Der Witz dabei ist, dass jeder als Solosänger mit einem neuen Verschen vortreten kann und die Gruppe ihm folgt. Das wird weidlich ausgenutzt, indem man die Lehrer aufs Korn nimmt und zur Not auch die Sprachen mischt: 190 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen Zur Tradition der Spottlieder gehört, dass man weitere Verse hinzudichtet, auch bilinguale: Oh you can’t get to heaven Oh you can’t get to heaven With Dr. M. with the Bundesbahn ’Cause Dr. M. ’cause the Bundesbahn Is just plem plem. Is much too lahm. Ein Sprachmix führt schnell zum Sprachjux. Bach (2003, 259) hat folgende Version eines bekannten Kanons in der Grundschule aufgeschnappt: Frère Jacques, Alte Kacke, Dormez-vous, Blöde Kuh? Sprache und Musik 191 Sonnez les matines, Alte Waschmaschine, Ding, ding dong, Pappkarton. Man versuche die Aufteilung Solosänger und Klassenchor in dem bekannten Spiritual: Auch speziell für den Englischunterricht produzierte Songs, die sich meist um ein grammatisches Thema herumbewegen, haben ihre Liebhaber gefunden (Böttcher & Reisener 1994). Wer sucht, findet aber auch genug originales Liedgut, dessen Texte bestimmte Strukturen schön herausheben, z.B. Pete Seegers Protestlied Where have all the flowers gone? und I’ve been working on the railroad. Vergessen wir auch nicht, welch reiches Kulturerbe Lieder darstellen. Zum traditionellen Australien gehören einfach convict songs und bush songs wie Waltzing Matilda und Tie me kangaroo down, sport; zu Amerika Yankee songs, Plantation songs und Western songs ebenso wie Spirituals; zu Schottland Loch Lomond und Robert Burns’ Auld Lang Syne; zu England etwa das bei Shakespeare erwähnte melancholische Greensleeves, sea shanties, aber auch patriotic songs wie Land of Hope and Glory, für das Elgar die Musik komponiert hat, um nur einiges anzutippen. Kirchenlieder und Kinderlieder sind weitere reich besetzte Extra-Sparten. Und wer hätte gedacht, dass man auch im Lateinunterricht fröhlich singen kann: My teacher sweetened the hard work with the textbook for us by giving us crossword puzzles to check our vocabulary and by singing songs in Latin with us which she had translated from German. B. Warum nicht? Hatte die Lehrerin vielleicht bei Quintilian nachgeschlagen? In dem mutigsten Buch, das ich seit langem über die Schule gelesen habe, heißt es: Wie sehr fehlen uns doch die Lieder und das gemeinsame Singen in unserem Land. Es fehlen uns ja nicht nur die alten Kirchenlieder, es fehlen die Volkslieder, die Heimatlieder, die Wiegenlieder, die Kinderlieder, die Liebeslieder, die Lieder zur Hochzeit, zum Sterben, zum Tanzen und zur Arbeit. Immer wieder fällt es mir in Griechenland auf, wie da eine ganze Bevölkerung quer durch alle Schichten bei jeder Gelegenheit aus densel- 192 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen ben Quellen schöpft und mit großer Hingabe gemeinsam singt. (Bayerwaltes 2002, 223) Lehrer und Schüler müssen auch ihr sprachliches Repertoire erweitern, damit das Einüben nach und nach fremdsprachlich durchgeführt wird: Classroom phrases: Songs Here’s a new song for us to sing. I’ll sing it once for you to listen to. I’ve got the music here. Jill, can you read music and play the tune on the recorder? Let’s all hum the tune while Jim plays the guitar. Do you know the chords for this song? Let’s sing it again, once more from the beginning, but a bit higher/ lower. Is it too high for you? Let’s try singing it in another key. Oh no, this was out of key. This is too slow/ too fast. A bit livelier, please. This is too loud/ too soft. A bit softer, please. All of you should join in now, and let’s sing it right through, shall we? You can all join in the chorus. We can clap to the beat. This is a round, and we need four groups. The group on the left begins. - Lieder sind zum Singen da. Alle singen mit, niemand bleibt untätig. In den Anfangsklassen wird jede Woche ein neues Lied eingeführt. A bell is no bell till you ring it/ A song is no song till you sing it. - Gemeinsames Singen vertreibt Angst, Missmut und Zwietracht. - Liedtexte können auch Lieferanten für Strukturübungen sein und werden in die Spracharbeit integriert. - Liedtexte tradieren Kulturgut. Altertümlicher Wortschatz bietet Anknüpfungspunkte für kulturgeschichtliche Exkurse. Notfalls schreiben wir die Texte um. Songs, Musicals und Liedermacher Wie die erste Englischstunde ein unvergessliches Erlebnis wird, schildert Nicole: All the pupils in the classroom were excitedly awaiting the teacher’s arrival. We were all very open-minded towards the new subject. As our teacher entered the room he played the guitar and sang a song by Bob Dylan, his favourite songwriter and musician. After he had finished the song he asked us in German if we wanted to learn this song. We all agreed with great enthusiasm. N. Auch nach der Grundschule verlieren Lieder nicht ihren Reiz. Eine aus China zugewanderte Schülerin erklärt ihrem Lehrer: “I learned English from Fred Astaire.” “Fred Astaire? ” “I know all the songs from all his movies.” (McCourt 2005, 156) Sprache und Musik 193 Natürlich kommt die Zeit, wo Old Macdonald had a farm nicht mehr zieht: We always enjoyed these lessons. But at the age of 12 or 13 the songs we were supposed to learn lost their attraction, because we considered them to be too childish. I remember one of these songs, which was called “Old King Cole”, it ended with the verses “… a very fine fiddle had he. Twiddle dee, twiddle dee, and so merry we will be”. Two years ago that song would have amused us very much, but at 13 we almost felt ridiculed. Dennoch braucht man sich von weniger kindlichen Volksliedern nicht zu verabschieden. Popsongs sind von Anfang an dabei, und immer wieder machen sich Schüler selbst daran, den neuesten Hit zu übersetzen: I remember my friend and me - at the age of 14 great David Bowie fans - sitting in front of our dictionaries translating his texts. At the beginning we had to look up nearly every second word. We were translating word by word, and therefore we often got funny results. … The more we translated the better our translations became, and the more sense they made. We also learnt a lot of new words that our classmates had never heard about. M. Gerade die vielen Schwierigkeiten, die mit Liedtexten, die man nur abhören kann, verbunden sind, geben dem Lehrer die Chance, sich als Helfer und Sprachexperte zu bewähren, auch wenn man heute die meisten lyrics googeln kann: Wherever I could get the printed texts of songs I copied and translated them - and when I was alone in my room I sang the songs aloud in front of the mirror. Sometimes when there was a party some of my schoolmates wanted to prove how good their English was. They then sang all the songs they had learnt by heart. But sometimes they didn’t know the songs as well as they thought they did and what they sang sounded similar to the original text but had a totally different meaning. Often those who sang loudest made the most mistakes. K. When we did Father and Son (Cat Stevens) I was surprised to find out that there are two persons speaking. When listening before on my own I had always thought there was only the father speaking. S. “Under my Thumb” by the Rolling Stones was always interpreted as “Under my Sun”, which led to a totally different connotation. When The Commitments sang their “Mustang Sally” I always thought they intended to kill the poor girl: Must hang Sally! C. Angelsächsische Jazz-Pop-Rock-Sänger aller Schattierungen, frankophone Chansonniers aus Frankreich, Belgien und Kanada und deutsche Liedermacher sind aus unserem Kulturleben nicht mehr wegzudenken. Lehrer wie Schüler dürfen die eigenen “favourites” vorstellen: 194 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen Most of the time the pupils brought along some music they liked. The words were always made available to the class. First we listened to the music once or twice, and then we talked about the lyrics and how we liked the music. I remember this was always great fun. My teacher often managed to stir up a discussion by suggesting the most ludicrous interpretations of the songs, so that we had to protest, and thus he kept us talking. H. Allerdings ist es angesichts der von der Kulturindustrie erzeugten Materialfülle eine pädagogische Aufgabe ersten Ranges, zu sichten, auszuwählen und den Geschmack zu bilden. We shall overcome darf als Protestlied der Bürgerrechtsbewegung nicht fehlen, zumal es schon in den Anfangsklassen gesungen werden kann. You’ll never walk alone darf nicht fehlen, weil es so eindrucksvoll belegt, wie religiöse Inbrunst in den Fußballstadien eine neue Heimstatt gefunden hat: ein Signum der Moderne. Und schließlich Lennon & McCartneys Let it be … Natürlich machen wir aus dem Mitsingen und Nachsingen kein Dogma. Manche Lieder sind musikalisch zu anspruchsvoll, eignen sich aber hervorragend als Diskussionsgrundlage zu sozialkritischen Themen. Eine Fundgrube sind auch Musicals, weil man dazu noch eine Geschichte erzählen kann. Klassiker wie My Fair Lady, West Side Story, Fiddler on the Roof, Kiss me Kate und Disneys The Jungle Book liefern songs die Fülle mit spritzigen, witzigen Texten. Aus Singin’ in the Rain kann man sich folgenden Morgengruß herausschneiden: Bei einigen Liedern lohnt es sich, englisches Original und deutsche Version zu singen und miteinander zu vergleichen: Sprache und Musik 195 Look for the bare necessities Probiers mal mit Gemütlichkeit The simple bare necessities Mit Ruhe und Gemütlichkeit Forget about your worries Jagst du den Alltag und die Sorgen weg and your strife I mean the bare necessities Und wenn du stets gemütlich bist Or Mother Nature’s recipes Und etwas appetitlich ist That bring the bare necessities Dann nimm es dir egal von welchem of life … Fleck … Experimentieren wir auch mit Karaoke-Videos, bei denen der Text mitläuft. Ein Nachteil: Man kann die Tonlage nicht selbst bestimmen. Natürlich sind Popsongs keine Wunderdroge. Damit wir nicht zu euphorisch werden, ein kleiner Dämpfer zum Schluss: Later he encouraged us to bring along our own favourite songs and their lyrics and some of us did so. He picked out only one of the songs, got us to listen to it and read the lyrics. But talking about this song turned out to be disappointing. It is very hard to motivate young people and to make lessons and their topics really interesting. Everybody knows that poems, plays or novels can be spoiled for the teenage pupils as soon as they become a matter of teaching. “Bad Boys” by Wham proved it. The discussion about this really popular song was as slow-moving and boring as it would have been if the subject had been a Shakespeare sonnet. Th. Ja, muss man denn auch immer darüber reden? Unter Umständen lässt man’s lieber bleiben. Aber singen muss man sie, z.B. in der Form des “Nachsingens” oder “Echosingens” oder besser “Echosprechens”. Das geht nur bei Liedern, die lange Textpausen haben, in die man hineinsingen oder -sprechen kann. Untermalt von den Instrumenten, wiederholt man den Vers, den der Sänger gerade gesungen hat, und ist fertig, wenn der Sänger wieder anhebt. Sehr gut eignen sich dazu “Do not forsake me, oh my darling”, der theme song aus dem Western-Klassiker High Noon (wieder eine Gelegenheit, eine Geschichte zu erzählen), Louis Armstrongs “What a wounderful world” und Frank Sinatras Hit “My Way”, dem ein französisches Chanson von Claude François (Comme d’habitude) zugrunde liegt. Echo Echo Echo Unser Echosprechen erinnert an eine zentrale Übungstechnik, das Subvokalisieren: 196 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen When one is learning a foreign language, it is an excellent method to try to imitate to oneself in silence every sentence which one hears spoken by a native. (Jespersen 1922, 135) Tanz- und Spiellieder Man kann nämlich das Tanzen in jeder Form nicht von der vornehmen Erziehung abrechnen, Tanzen-können mit den Füßen, mit den Begriffen, mit den Worten … (Friedrich Nietzsche) Lieder kann man mit Bewegungen verbinden. So steigern wir den Effekt von We shall overcome, wenn wir uns dazu im Kreis aufstellen, with the right arm crossed over the left and each singer holding the hand of the partners on the left and on the right. Bodies sway gently to the slow, rocking beat of the song. Start singing the first verse softly with quiet determination and gradually increase the singing volume until in the final verse you are singing with intense determination. (Osman & McConochie 1979, 52) Bei echten Spielliedern sind Bewegungen integraler Bestandteil. Bekannt sind zwei oder drei Spiellieder: But the teacher used these songs for more than one purpose. Sometimes the students were very fidgety. In order to calm them down the teacher started singing. One song was accompanied by a lot of movements. The students had to touch their toes and immediately afterwards their shoulders etc. After they had sung this tune they had moved enough to be able to pay attention for the rest of the lesson. I. The action songs which he introduced were very much appreciated. We learned the song “Heads and shoulders, knees and toes” where you have to name all the extremities whilst singing. First we did that standing on the floor, then standing on the chairs and eventually standing on the tables, which was really extraordinary since standing on the furniture was otherwise strictly forbidden. M. Es gibt aber noch mehr Spiellieder als If you’re happy and you know it (wunderbar: gesungener pattern drill! ) und Heads, shoulders, knees and toes, und wir sollten sie verwenden, wie das folgende: Sprache und Musik 197 Lyrics spoken + actions 2. She’ll be driving six white wo-back, toot, toot. horses when she comes, 3. We will all go out to meet her hi! babe, wo-back, toot, toot. when she comes, 4. We will kill the old red rooster hack, hack, hi! babe, wo-back, toot, when she comes, toot. 5. We will all have chicken nyam, nyam, hack, hack, hi! babe, dumplings when she comes, wo-back, toot, toot. 6. We will wear our bright red scratch, scratch, nyam, nyam, hack, woollies when she comes, hack, hi! babe, wo-back, toot, toot. Wenn das future continuous an der Reihe ist, erinnern wir an dieses Liedchen. Spiellieder wie Heads, shoulders eignen sich auch gut als Weglasslieder. Wir lassen ein Wort aus, führen aber die passende Bewegung aus. Bei jedem Durchsingen wird ein Wort mehr ausgelassen, but keep the action going. Empfohlen sei auch der Sitztanz, der rhythmische Gymnastik mit Elementen des Tanzes kombiniert. Alles wird im Sitzen ausgeführt, er eignet sich deshalb auch für das Klassenzimmer und ist keineswegs nur etwas für Senioren und Behinderte. Im Sitzen statt im Stehen kann man z.B. Heads, shoulders, knees and toes durchführen. Ganz außer Atem geraten wir, wenn wir etwa My bonnie is over the ocean singen und bei jedem Wort, das mit ‘b’ beginnt, aufstehen und uns schnell wieder hinsetzen. Ist mehr Platz, sollten wir uns auch an richtige Tanzlieder heranwagen, von denen bisher nur der schwungvolle Kreistanz Hokey Cokey bekannt zu sein scheint. Zur Weihnachtszeit könnte man Jingle Bells singen und tanzen. Stets haben die Jungen ihre Partnerin auf der rechten Seite. 198 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen Jingle bells Formation: Circle dance, i.e. we’ve all joined hands, standing in a circle Lyrics Actions Dashing through the snow 4 steps to the centre and back in a one-horse open sleigh O’er the fields we go 8 steps circle left Laughing all the way Bells on bobtail ring again 4 steps to the centre and back Making spirits bright What fun it is 8 steps circle right to ride and sing a sleighing song tonight. (sing, facing your partner) jingle bells clap hands three times jingle bells clap your partner’s hands three times jingle all the clap hands three times way clap your partner’s hand just once Oh what fun/ it is to ride in a one-horse open sleigh take your partner by both hands and lead her around in a circle hey! leave your partner, turn round to the lady on the left jingle bells now repeat the clapping part with your new partner, and put her on your right Then the circle moves again to the middle and back, as before: The dance starts again with a new partner. Dies ist leicht zu lernen, aber man muss es gesehen und ausprobiert haben. Wer Lehrer ausbildet, sollte sich Leiter von Volkstanzgruppen oder Schauspielschüler einladen, für moderne Sachen. Tolle Tipps: Bill Haleys Rock around the clock; Elton Johns Crocodile Rock und Let’s do the time warp again aus der Rocky Horror Picture Show: “Crocodile rocking is something shocking/ when your feet just can’t keep still …” Mit dem Tanzen aber sind wir schon mitten im nächsten Thema. Sprache und Bewegung Es gibt “die eine Künstlerschaft, die alle Kinder besitzen, die Vitalität” (Herdan-Zuckmayer 1979, 44). Wir erhalten sie den Kindern, indem wir Sprache und Bewegung 199 Gehirn und Körper zugleich auf Trab bringen. Denn nicht nur geistige, auch körperliche Rührigkeit schieben das Gedächtnis an, wie Sportmediziner herausfanden. Rund 20% der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren leiden an Übergewicht! In vielen Fällen liegen lebensstil- und umfeldbedingte Ursachen vor. Kinder sitzen zu viel, schauen zu viel fern, ernähren sich falsch, kommen im Auto oder Bus zur Schule, toben sich auch nachmittags nicht mehr aus, kurz: Sie leiden unter Bewegungsmangel. Der auf Überernährung und Bewegungsarmut zurückgehende Diabetestyp mit seinen schweren Folgekrankheiten nimmt rapide zu. Eine tägliche Sportstunde, das hat ein wissenschaftlich begleiteter Schulversuch gezeigt, vermag die Zappeligkeit von vielen Kindern wundersam zu lindern. Man muss schon Banalitäten breittreten: Das Kind braucht viel frische Luft und Bewegung. Another aspect that I did not like during my time at school was that we always had to sit still in our lessons. S. At least once during our lessons we had to get up from our seats and do some simple physical exercises like knee-bends, thrashing one’s arms around, marching around our desks etc. She called them concentration exercises or warming-up and we enjoyed them very much. The teacher did these exercises too, and that amused us. We did not realize that during these little exercises she was teaching us important words, like right, left, arm, leg etc. D. Bewegungsspiele im Unterricht könnten Energiestaus abbauen, dem Auftreten von Gesundheitsstörungen entgegensteuern, den Unterricht auflockern und zudem ein stressfreieres und entspanntes Lernen ermöglichen. Entspannende Verstehensspiele für Anfänger Das Singen und Stückespielen wechselt ab mit Verstehensspielen, die entlasten, weil der Lehrer die Hauptarbeit des Sprechens übernimmt. Hier lassen wir den Kindern etwas mehr Zeit, korrekte Hörbilder auszuformen, alternierend zum intensivem Nachsprechen kompletter Äußerungen bei der Dialogarbeit. Allen folgenden Übungen ist gemeinsam, dass der Lehrer Anweisungen gibt, die die Schüler (meist stumm) ausführen: “The teacher gives verbal orders to the pupil; the pupil executes them” (Palmer 1959, 38). Bei den folgenden card games (ab Klasse 3) sind wie bei der Dialogarbeit Schreiben und Lesen von Anfang an dabei. Nachgesprochen werden anfangs nur Einzelwörter. Allerdings können die Schüler, wann immer sie wollen, mitsprechen, unhörbar, leise oder halblaut. 200 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen Wort- und Satzkarten arrangieren Grundmuster 1. Der Lehrer führt die Handlungsreihe ein, indem er seine Befehle selbst so sorgfältig ausführt, dass die Schüler ihm alles nachmachen können. Er übersetzt zudem - meist nur beim ersten Mal! - auch ein neues Wort/ einen neuen Befehl und wiederholt dann das englische Original (Sandwich-Technik): “Take number one. Nehmt Nummer 1. Take number one.” Dabei nimmt er selbst Karte 1 und hält sie hoch, damit alle sehen können und ihn nachmachen. Er kann zur Verstärkung auch zwei Schüler nach vorne holen, die links und rechts neben ihm sitzend oder stehend ebenfalls genau die Handlungen ausführen. 2. Wird die Handlungsreihe wiederholt, gibt der Lehrer die Anweisungen, ohne zu übersetzen. Später fällt nicht nur die Übersetzung weg, sondern auch das allzu demonstrative Vormachen. Die Schüler müssen sich ganz auf die Sprache konzentrieren und direkt reagieren. Schüler, die nicht verstanden haben, ahmen dabei ihre Mitschüler nach. 3. Später darf ein Schüler die Lehrerrolle übernehmen. Freiwillige vor! Dieses Muster gilt nicht nur für unsere card games, sondern für alle Bewegungsspiele, die unter der Bezeichnung “total physical response” (TPR) bekannt geworden sind. Games with cards: numbers Dies könnte schon in der ersten Englischstunde gespielt werden. Die Schüler sollen die Grundzahlen 1-7 verstehen, sprechen und schreiben können, dazu die im Spiel vorkommenden Verben und Präpositionen verstehen. Sie haben nummerierte Kärtchen von 1 bis 7 vorbereitet. 1. Lehrer: Count along with me - zählt mit mir - Count along with me: one, two, three, four, five, six, seven. Die ganze Klasse zählt laut mit und demonstriert mit den Fingern. Now let’s count backwards: seven, six … 2. And now let’s write the numbers in English. Take card number 1 and write “one” under the number. Take card 2 and write “two” under the number … Also das Zahlwort unter die Zahl schreiben. Auf jeder Karte wird nun unter die Ziffer das Zahlwort geschrieben. Der Lehrer macht das an der Tafel vor. “Die Engländer schreiben also anders. Sie schreiben o-- n - e, sagen es aber anders. Wir müssen also so sprechen, wie wir’s hören.” Nachdem die Karten beschriftet sind, beginnt das eigentliche Spiel. 3. Stop. Seven cards only. Now put the cards 1 through 7 in a row. Kärtchen in eine Reihe legen. Put the cards in a row, but push the cards back. Sprache und Bewegung 201 Schiebt die Kärtchen etwas zurück. (Wir brauchen freien Platz, um die Karten neu zu arrangieren) 4. Take number 5. Nimm oder nehmt Nummer 5. Take number 5. Der Lehrer nimmt Nummer 5 und hält sie hoch, so dass sie jeder sehen kann. Dann machen die Schüler es nach. 5. Put it in front of you. Legt sie vor euch hin. In front of you. 6. Now take number 2. Wieder hält er die Karte hoch und schaut, ob es ihm alle gleichtun. 7. Put the 2 on the left-hand side of the 5. Links neben die 5. On the lefthand side of the 5. 8. Now take number 6. Put it on the right-hand side of the 5. Rechts neben die 5. On the right-hand side of the five. Karte immer erst hochhalten. 9. Take number three. Put it (in) between the 5 and the 6. Zwischen die 5-und 6. Between 5 and 6. 10. Now read from left to right. What have you got? Jetzt lest von links nach rechts. Was habt ihr? Now read from left to right. What have you got? Schüler: 2 - 5 - 3 - 6. Lehrer: Very good. I’ve got 2 - 5 - 3 - 6, too. Hab ich auch. 11. Put the numbers back in a row. Let’s begin again. Er führt neue Anweisungen ein: Put the 7 under the 1. Put the 7 on top of the 1. Put the 7 on the other side of the 1. Put the 7 at the end of the row. Put 7 at the beginning of the row. Now let’s check/ read what you’ve got. Schließlich werden die wichtigen Verben noch aufgeschrieben und übersetzt: read, write, take, put, check. Wir können das Kartenlegen nach mehreren Richtungen ausbauen. Statt Zahlwörter nehmen wir andere Einzelwörter, nach Sachgruppen geordnet: colours/ adjectives/ objects in a classroom/ nationalities/ persons/ words for laying the table/ icecream flavours/ animals on a farm, animals in a zoo: Put ‘lion’ on top of ‘giraffe’ usw. Später dann auch classroom instructions, classroom questions und ganze Sätze aus Dialogen! Unsere Sketche können also durch card games sowohl vorals auch nachbereitet werden. Entsprechend sind die Kärtchen zu beschriften, eventuell auch bilingual. Schüler haben das Spiel auch als speed test durchgeführt, d.h. die Befehle so schnell ausgegeben und durchgeführt, dass nicht alle mitkamen - ein lustiger Wettbewerb. Hier ein Transkript aus einer sechsten Realschulklasse mit einem kuriosen Sammelsurium von Wort- und Satzkarten: 202 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen Right. So, do not speak during the game. Okay let’s start. Take card “Of course” and put it in front of you. And then take “Maybe” and put it on the left hand side of “Of course” and then take “In this role play I’m Kitty.” and put it under “Maybe” and turn it over in place. And then take “The first card game is going to be easy and slow.” and put it between “Maybe” and “Of course” and turn the card over in place. And then take “Gestures” and put it on top of “Of course” and don’t turn it over in place. And then take “We change the sentence now.” and put it between “Maybe” and “This a is the end.”. And then take “Do you know any German word that resembles the English word coffee? ” and put it on the left hand side of “Maybe”. And then take the last card and that is “What’s the meaning of the word? ” and put it on “The second game is going to be quick and difficult.” Okay that’s it. Let’s see your results. Who can give me the right order of cards starting with the first pile on the left? Okay, Sarah please. In dieser Klasse haben auch mehrfach Schüler die Lehrerrolle übernommen. Wortkarten einer von Stefan Eschbach geführten Hauptschulklasse Man kann die Karten in verschiedensten Formen arrangieren, als H, L, T, als Treppe, wie die fünf Augen auf einem Würfel oder auch in Form eines Zifferblatts: Sprache und Bewegung 203 Clear your desks. Now there is just your row of 7 cards from “townhall” to “museum”, far away from you, near the edge of the desk. Now draw a big circle on your desk, just with your finger. You can’t see it, but you know it’s there. This circle is a watch face (Zifferblatt). Think of it as a watch face. Now take the “townhall” and put in the position of 12 o’clock on this watch face. That’s away from you, isn’t it? Now take the card “theatre”, and this time, put it as close to your seat as possible; make sure it’s in line with “townhall”. (Teacher makes a gesture to clarify “in line with”.) This is the position of six o’clock on the watch. Now take the “library” card. Put it where four o’clock would be on the watch face. Yes, four o’clock is to the right of, and slightly above the five o’clock position. This is where the “museum” goes, in the five o’clock position. Now take “primary school” and put it in the 10 o’clock position. That’s diagonally opposite the “library” card at 4 o’clock. Take the “gardens” and put it on top of “primary schol” so that they are now both in the ten o’clock position. Take “King’s College” and put it in the two o’clock position and turn it over. Take “Medieval Castle” and put it right in the centre. This is where both hands of the clock go out from. Zeichendiktate Zeichendiktate eignen sich besonders zum spielerischen Einüben von Zeichen- und Schriftsymbolen, geometrischen Figuren und einfachen mathematischen Ausdrücken wie fraction, equation, square root usw. Das Spiel bringt Abwechslung, neue Wörter werden auf Anhieb verstanden, wenn der Lehrer bei Bedarf an der Tafel mitzeichnet. Man kann deshalb zügig arbeiten und auch Wörter einführen, die nicht zum normalen Lehrpensum gehören. Etwa so: Take a sheet of blank unlined paper and draw a big square which almost fills the sheet. This is your picture frame. In the centre, draw a circle, but make it big enough for you to write the word “paragraph” in. Now draw a dotted line under the word. Now show me how the word is pronounced. I mean, just show me which syllable carries the stress. You 204 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen must put a little mark in front of the stressed syllable. Yes, it’s the first syllable, isn’t it? Now put the word in square brackets, not round brackets. Oh, sorry, I forgot something. Write an exclamation mark after paragraph, inside the brackets. And because there is still room above and below the word ‘paragraph’ write “x plus y is approximately equal to z” above it; and in the free space below write the following equation: 3 divided by 4 equals 0 point 75. Wegbeschreibungen Der Lehrer beschreibt eine Strecke, die Schüler zeichnen sie in eine Karte ein. Man fängt mit einfachen Karten an, die Schüler in ihrer Freizeit selbst herstellen können oder die nach Anweisung des Lehrers als Zeichendiktat entstehen, wie “My village”. Die eigentliche Streckenbeschreibung kann nach Gusto ausgeschmückt werden: Wie war das Wetter? Wo bleiben wir stehen und halten ein Schwätzchen? Wo kehren wir ein oder machen Halt für ein Picknick? usw. Man kann die Strecke als geplanten Ausflug beschreiben oder als Erinnerung an eine schöne Wanderung und somit grammatisch variieren: “Let us trace the route we’re going to take” oder: “Let us retrace the route I took last year”. My village 1. Let’s take a trip round the village. I am going to give you the directions and you mark in the route on your map, okay? Enter the village using the tunnel on the right and go straight ahead to the sports field. Take a sharp turn left and walk past the pub on your left until you get to a road. Cross it carefully, pass the post office and continue walking towards the river turning slightly to the right. You can Sprache und Bewegung 205 see the village hall on your right-hand side while you approach the bridge. Go over the bridge and turn right. Bear right along the river with the church on your left. Keep walking until you get to another bridge, pass by it and stop at the spot where the river becomes quite narrow. Swim over to the other side and walk on a few steps. Take a rest at the pond and dry your wet clothes in the sun. 2. This time, enter the village by going through the left-hand tunnel [under the motorway]. Keep walking straight ahead until you reach the road through the village. Turn right and walk along the side of the road … Besonders interessant wird es, wenn man Wegstrecken in echte Landkarten einzeichnet. Man benutzt Original-Wanderkarten, Stadtpläne, auch Pläne von Parkanlagen, Zoos und Gebäudepläne usw. mehrfach, da die Schüler eine Wegstrecke gepunktet, eine andere gestrichelt und wieder andere mit Buntstiften eintragen. Unter www.multimap.com kann man jeden beliebigen Flecken in Großbritannien anpeilen und in verschiedenen Maßstäben, bis herunter zu 1: 5.000, ausdrucken. Und noch mehr: Dazu gibt es Luftaufnahmen des gewählten Ausschnitts, also Material in Hülle und Fülle! Leicht zu beschaffendes deutsches Material kann auch verwendet werden. Gemeinsam finden wir dann die Entsprechungen für “Rathaus”, “Industriegebiet” oder “Mülldeponie”. Die sprachlichen Anforderungen variieren, je nachdem, ob wir zu Fuß gehen, mit dem Auto fahren oder öffentliche Transportmittel benutzen. So verwenden wir spielerisch ein reiches Wegbeschreibungs-Vokabular und gehen damit wieder bewusst über das Lehrwerkpensum hinaus. Auch hier können bald ein paar gute Schüler den Lehrer ablösen und ihren Mitschülern eigene Wege diktieren. Kommandierspiele: kein Sitzenbleiben! Die obigen Verstehensspiele vermitteln Ruhe und Entspannung. Kommandierspiele sind Muntermacher und sollten entsprechend eingeplant werden. Der Terminus stammt von Pädagogen der Aufklärung, siehe Klippel (2000, 133). Hier fassen wir die Gouinschen Reihenübungen (1880), Palmers English through actions (1925/ 1959) und Ashers Total physical Reponse (1977) zusammen. 2 “The teacher gives verbal orders to the pupil; the pupil executes them” (Palmer 1959, 38). Diesmal bleiben die Schüler aber nicht sitzen, sondern reagieren ganzkörperlich. Sie verstehen den Lehrer, weil er beim ersten Mal die Handlungen mit ihnen zusammen ausführt oder gestisch andeutet, danach aber nicht mehr. Er bleibt stocksteif stehen, gibt die Kommandos in neuer Reihenfolge und prüft so das Verständnis. Palmer unterschied collective imperative drills, die mit der ganzen Klasse, und individual imperative drills, die nur mit Einzelschülern durchführbar sind. Er emp- 206 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen fahl auch schon, nach einer Phase der Eingewöhnung Schüler mit der Durchführung der Kommandos zu betrauen. Pupils are made to sit down, stand up and move around their seats in the classroom. - Stand up, all of you. - Stand in the aisle by your desks. - Take a step forward. - Take a step backwards. - Take a step to the left. - Take a step to the right. - Step over an obstacle. Be careful! (Let’s pretend to step over an obstacle.) - Move around the chair, clockwise. - Walk in place, slowly. - Run in place, slowly, take it easy. And now faster. And now as fast as you can. (This will leave them breathless, so you might stop here.) Auch sprachliche Gesichtspunkte können dominieren, z.B.: do - undo, fasten - unfasten, tie - untie usw. Mannigfache Variationen und viele neue Verben kommen ins Spiel, wenn man Gegenstände platziert und manipuliert oder eine Gruppe aufstellt, die für ein Foto posiert. Grammatische Variationen sind ebenfalls möglich, Verneinung, Possessiva, sogar if- und when-Sätze. Oder statt bloßer Imperative: could you/ I want you to. Im Winter, wenn sie billig sind, bekommt jeder Schüler eine Mandarine, die wir auf Anweisung schälen, zerteilen, scheibchenweise arrangieren und natürlich zum Schluss aufessen. Auch ein Mix aus echten Bewegungen und So-tunals-ob ist möglich: Waking up Situation Matching movements It’s early in the morning, the The students sit at their desks and lay alarm hasn’t gone off yet. their heads on their tables ‘sleeping’. You wake up and open your eyes. Students open their eyes. You get up and stretch. Students stand up and stretch. You go into the bathroom. Students walk on the spot. You wash your face. Imitate washing your face. You take the toothpaste, Imitate brushing your teeth. unscrew its lid and squeeze the toothpaste onto the toothbrush. You go to the kitchen and sit Walk on the spot and sit down on down at the breakfast table. your chair. You eat a bread-roll. Imitate eating a bread-roll. You prepare a packed lunch. Prepare a bread-roll. Sprache und Bewegung 207 You stand up, grab your Grab your schoolbag and go. schoolbag and go to school. Solche Situationen können auch zu echten Spielgeschichten erweitert werden, in denen Texte körperlich dargestellt werden. Nur gelegentlich sollte man auch mal “Einzelprüfungen” vornehmen, wo der Rest der Klasse sitzen bleiben muss und sich langweilt: Peter, walk quietly up in front of the class and sit down in my chair. Sorry, on your way pick up the piece of paper and throw it in the wastepaper basket. Now open my book to page 46. What’s the heading of the chapter half way down the page? Read it out loud. Close the book, put it down here. Go to the board and push it up a little bit. Take the duster and rub out the last line. Now walk to where your coat is. Put it on … Bei den üblichen, an Gouin angelehnten Aktionsketten (action chains) folgt eine Handlung logisch aus der andern: Take this box of matches. Open it. Take out a match. Shut the box. Strike the match. Light the candle. Throw the match away. Blow out the candle. Das ist besser als die originalen, etwas zu detailliert ausfallenden Serien Gouins, die zudem nur als Einzelprüfung durchführbar sind (nach Macht 1986, 337ff.): Je vais vers la porte. I go to the door. Je m’approche de la porte. I approach the door. J’arrive à la porte. I arrive at the door. Je m’arrête à la porte. I stop at the door. J’allonge le bras. I stretch out my arm. Je prends la poignée. I take hold of the handle. J’ouvre la porte. I open the door (turn the handle round). Je tire/ pousse la porte. I pull/ push the door. La porte cède. The door yields. La porte tourne sur ses gonds. The door turns upon its hinges. Je lâche la poignée. I let go the handle of the door. Solche Übungen haben aber ihren Wert als mentales Wortschatztraining (Kleinschroth 2000, 64f.). Wir überlegen uns, in welche Einzelschritte sich alltäglich vertraute Handlungen einteilen lassen. Was tun wir genau, wenn wir den Hund ausführen, uns zum Essen an den Tisch setzen, uns ein Butterbrot machen, einen Apfel essen, uns mit dem Rad auf den Schulweg machen, uns an unsern Platz setzen und zu schreiben anfangen? Die Situation teilen wir in nicht mehr als sieben Schritte auf und erarbeiten sie im 208 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen Unterricht. Diese logische Folge ist eine starke Erinnerungsstütze. Als Aufwärmübung lassen wir die Klasse die Sätzchen vor sich hinmurmeln. Die Schüler können dabei die Handlung wie einen Film im Geiste ablaufen lassen. Gymnastik im Klassenzimmer Hat man so viel Bewegungsraum, dass sich die Schüler bei ausgestreckten Armen nicht berühren, lassen sich zahllose Turnübungen im Klassenzimmer durchführen. Wenn nötig, kann man die Klasse in einer Minute richtig außer Atem bringen: Mobilizing warm-up Rotate both shoulders backwards four times, then forwards four times. Rotate hips first in a clockwise direction, then in an anti-clockwise direction. March on the spot and clap hands above head. Jog on the spot, alternately bending and straightening arms out to sides at shoulder level. Jog on the spot, kicking feet high behind you and flexing alternate arms in front. Do a walking jog on the spot, circling alternate arms backwards as you step. Do 8 circles, 4 each arm. Jumping Jacks: Jump, landing with feet apart, then jump again, landing with feet together. As you jump, raise and lower arms at your sides. Raise alternate knees towards opposite elbow. Kick back with alternate feet to touch opposite hand behind you and swinging other arm as high as you can. Repeat 8 times, 4 each foot. Am besten kauft man sich englische Gymnastik-CDs, dann hat man mit den Anweisungen zugleich die Musik dabei. Auch klassische Entspannungsübungen bieten sich an, bei denen man eine Körperpartie nach der anderen wechselweise an- und entspannt. Wir fühlen, wie sie schwer wird usw. Dies alles nur andeutungsweise, quasi als Appetitanreger. Inzwischen liegt eine Fülle solcher Übungsreihen vor, die für den Fremdsprachenunterricht genutzt werden können. Siehe meine Vorschläge in der Zeitschrift Englisch Betrifft Uns (4, 1993; 1, 1994). Aus Untersuchungen (Uni Jena) geht hervor, dass sich der Anteil an korpulenten Mädchen und Jungen zwischen 1985 und 1995 verdoppelt bis verdreifacht hat, meist durch Mangel an Bewegung. Wir tun was dagegen - ohne Abstriche an unseren sprachlichen Zielen zu machen. Denn auch wenn es “nur” um Bewegungen geht, ist die sprachliche Ausbeute weitaus größer, als man zunächst annimmt. Sprache und Bewegung 209 Texte darstellen Mithilfe der Sandwich-Technik und des Mitlesens können wir auch folgende schöne Texte mit Grundschülern erarbeiten: The sun says [e] “I glow”, (spread arms out in the air to form sunrays) The wind says “I blow”, (blow your cheeks out) The stream says “I flow”, (form wavy lines with hands) The tree says “I grow”, (glide both hands from your feet upwards) And I say [ei] “I know”. (point index finger upwards) Wunderbar: Wir üben den Diphthong [ əʊ ] und den Gegensatz von says vs. say. Dazu erklären: stream ist verwandt mit Strom, ist aber im Englischen kein großer Strom, sondern ein kleiner Bach, a small river. Gemeinsam denkt sich die Klasse pro Zeile die Bewegungen zu folgendem Gedicht aus: We’ll gather up the sun’s gold fire Hold your silver saucers higher Sunrays stream from light above us These we give to those who love us. Light above, and love below Always, always be it so. (Eleanor Farjeon) 210 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen Der Lehrer spricht einen Text vor und stellt ihn zugleich körperlich dar. Die Schüler imitieren ihn sofort: “Do as I do.” Danach beschreibt der Lehrer, was er tut, und fragt, ob die Schüler bessere Ideen haben. Gemeinsam wird beratschlagt. Abschließend sprechen alle den Text und stellen ihn, wie abgesprochen, zugleich dar. Ob wir dabei auch etwas von der spirituellen Dimension des Körpers erspüren? Text (Graham 1979, 47) I want to go downtown and fool around. I want to fool around and go downtown. I want to ride my bike right past the school. I want to jump into the swimming pool. I want to watch the people come and go. I want to say, “Hello, hello, hello! ” If you want to, you can go with me. We’ll have a wonderful time. Movements “Go downtown” by walking on the spot, swinging your arms by your sides. “Fool around” by quickly jumping and spinning and waving your hands in the air. (Pretend that you are trying to catch someone or something.) Repeat the movements given above, but in the reverse order. “Ride your bike” by holding your arms out bent in front of you as if you are holding on to the handle bars, and walk on the spot. Turn your head as you ride “past the school”. Remember to keep your hands on the bike handles though! “Jump into the pool” by stretching your arms out in front of you and bending over slightly as if diving into a pool. Jump on the spot, with half-bent knees and ducking your head slightly. Swim by imitating a familiar stroke, possibly breast stroke. Turn your head back and forth to watch the people as they walk past. Say “Hello” to various imaginary people. Nod or “dip your hat” in acknowledgement. Point to pupils collectively when saying “If you want to …” (drawing a half circle), then point to yourself for “… go with me”. Smiling, clap your hands together with arms stretched out directly in front of your body. Mit Reim, Rhythmus, Melodie und Bewegung kommen wir auf den Geschmack der Sprache. Sprache und Bewegung 211 Laufdiktat Dies ist eine Variante der Read-and-look-up-Technik. Man bildet Tischgruppen mit gleicher Schülerzahl. Auf einem Extra-Tisch oder auf Fensterbänken hat der Lehrer mehrere Kopien eines kurzen Diktattexts (oder auch mehrere gleich lange und schwierige Diktattexte) gelegt. Auf ein Zeichen hin kommt von jeder Tischgruppe der erste Schüler zum Lehrertisch, liest den ersten Satz des Diktats, merkt ihn sich und diktiert ihn dann seiner Tischgruppe. Erst wenn alle ihn geschrieben haben, macht sich der zweite Schüler auf den Weg, um den zweiten Satz zu diktieren. Eine Variante des Laufdiktats als Eigendiktat findet sich bei Schiffler (2012, 54). Heute unterrichten wir meist wie ehemals Michael West unter erschwerten Bedingungen, “in difficult circumstances”. Wir brauchen deshalb dringend Arbeitsformen, die es dem Lehrer erlauben, sich zu erholen und zu sammeln, ohne dass die Klasse selbst untätig ist oder lediglich “beschäftigt” wird. Das Laufdiktat kostet den Lehrer einige Vorbereitung, verschafft ihm aber im Unterricht eine Atempause und den Schülern dringend notwendige Bewegung. So auch das folgende Wettspiel: One game I still remember as being very funny and at the same time effective was called “Schlangenfresser”. The whole class had to get up and come to the front where we were divided into two equal groups each forming a line which faced each other. The teacher asked words and small phrases or sentences in German and the front player of each line had to shout the French equivalent out. Both had then to go to the end of whichever line shouted the correct answer out first. We played this game in nearly every lesson and as we did not take any tests in French this was a good means of checking our progress for the teacher on the one hand and a stimulus for the pupils to learn on the other hand, as every one liked to be in the winning queue and did his best to make his group win the game. A second positive effect of this sort of game was that there was only very little fighting between the pupils, because everyone kept changing teams. S. Ebenso kommen die Schüler auf Trab, wenn wir die bekannte Hörübung “Right or Wrong? ” als Wettspiel durchführen. Die Klasse wird in zwei Mannschaften geteilt, jede Mannschaft wird durchnummeriert. Vor der Klasse, für beide Teams gleich gut erreichbar, werden zwei Stühle platziert, einer für “right”, der andere für “wrong”. Der Lehrer spricht einen Satz etwa wie folgt vor und ruft eine Nummer auf. Beer is a beverage. Soup is eaten with a fork. The sun is bigger than the moon. Cats are afraid of ducks. Usw. 212 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen Die Sätze können sich ebenso gut auf bekannte Texte beziehen. Wer von den beiden Schülern zuerst auf dem richtigen Stuhl sitzt, bekommt einen Punkt für sein Team. Passende statements können auch von einer Schülergruppe erarbeitet werden. Wörter zu Sätzen, Sätze zu Texten platzieren (Mingles) Grammatische Kategorien werden spielerisch eingeübt: 1) Jeder Schüler stellt eine bestimmte grammatische Kategorie wie “definite article” oder mehrere Vertreter einer solchen Kategorie (modal verb: can/ could; conjunction: and/ or) dar. Häufig vorkommende Kategorien wie noun werden mehrfach vergeben, damit jeder Schüler eine “Rolle” hat. Bei großen Klassen werden alle Rollen doppelt besetzt, z.B. dieselbe Liste einmal für Mädchen und einmal für Jungen. Die Schwierigkeiten lassen sich steigern, wenn auch Rollen für gebundene Morpheme vergeben werden wie “Plural-s” oder “Past -ed”. Auch Satzzeichen kann man darstellen. 2) Danach nennt der Lehrer einen Satz, z.B. ein berühmtes Zitat, und die Schüler stellen sich vor der Klasse in der richtigen Reihenfolge auf. Die Repräsentanten für Wortstamm und Endung müssen sich unterhaken (link arms with each other). 3) Wenn sie sich vor der Klasse herumgeschubst und aufgestellt haben, wiederholen sie den Satz, indem jeder das Element spricht, das er darstellt. Je nach Kenntnisstand der Klasse mag man es kompliziert oder weniger kompliziert machen. Eine Übersicht grammatischer Bezeichnungen wird ausgehändigt. -- -- On a summer afternoon, Alice was sitting under a tree sleepily. prep. article noun noun proper be + verb + prep article noun adverb: name past ing adjective + ly Ebenso kann man Texte in mehrere drei bis fünfzeilige Abschnitte zerteilen. Jeder bekommt einen Abschnitt, man geht herum (mingle), liest einander die Texte vor und stellt sich schließlich in der richtigen Reihenfolge auf. Vergessen wir nicht, dass die Schüler dabei auch Englisch sprechen: You don’t have to come up one at a time, but don’t push each other over. And when you come up to the front, don’t push your way in, but you may say things like: Sprache und Spiel 213 This is my place/ position. This is where I belong. I’m in between you two, can you move up or move along a bit? I’m before/ after you. I’m the beginning, at the start, at the end. Mingles mit unterschiedlicher Aufgabenstellung und in vielen Varianten gehören inzwischen zum Standardrepertoire eines bewegungsfreudigen kommunikativen Unterrichts und wurden auch auf DVD vorgestellt (Siebold 2004, 90ff.). Sprache und Spiel Spielerischer Wettstreit Grundschullehrer sind spielerfahren, müssen aber darauf achten, dass auch der Sprachumsatz stimmt. In Sekundarschulen wird zu wenig gespielt. Zum Nachmachen empfohlen: Two teams play against each other. The first group asks the second group a word. If the second group knows the translation it gets two points and as a result, has the right to ask the first group. Otherwise the first group gets one point and can ask group two another word. The team which is the first to get twenty points is the winner. The advantage of this game is that each student has to think of the most difficult words so that it is impossible for the other team to answer. After a while, we were so good that most of the games ended in a draw so our teacher had to invent a new game, in which the emphasis was laid on the speed of the pupil’s answer: the Corner Game or Vocabulary-Baseball. Four or five students line up in one corner of the class, then the teacher asks a word and the pupil who is the fastest with the right answer is allowed to go to the next corner. The student who reaches the home corner first is called the ”Vocabulary King” or the ”Vocabulary Queen”. I remember the great ambition of all my classmates to obtain this title and the only way to get it was by … learning! Th. Wettstreit belebt, mobilisiert Kräfte. So können einfache Ideen in spielerischer Einkleidung viel Spaß machen, wie folgendes Würfelspiel, das man selbst herstellen kann. Man malt einen Parcours aus, auf dem jedes Feld durch ein Thema (oder eine entsprechende Frage) gekennzeichnet wird. Dazu gibt es freie Felder und solche mit Fragezeichen. Wer auf einem Themenfeld landet, muss zu dem Thema eine Minute lang sprechen. Auf einem Feld mit Fragezeichen stellt ihm jemand anders eine Frage, auf einem freien Feld bestimmt er selbst sein Thema oder kann auch passen. Barbara hat dieses Spiel als German assistant ausprobiert: 214 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen Since it turned out to be so much fun, I played it at least twice or three times with the groups during my stay. The first time we had an egg-timer, and everybody had to speak at least until the time ran out. So the students could not get away with just one simple sentence but had to think of as much as possible to say, even if it was only nonsense when they could not think of anything else that really made sense. I discovered that a minute can seem like an eternity … By the second time, however, they began to enjoy talking about a certain topic so much that we decided to forget about the egg-timer! B. Noch einfacher ist unser Fragewettstreit, in dem die Klasse gegen ihren eigenen früher erzielten best score antritt. Der Lehrer schreibt einen beliebigen Satz an die Tafel, und die Schüler müssen innerhalb von zwei Minuten so viele Fragen wie möglich dazu stellen. Jede falsch gestellte Frage wird sofort korrigiert und muss richtig wiederholt werden, was Zeit kostet. Damit ist aber auch die Möglichkeit gegeben, dass sich die Klasse allmählich steigert. Denn das Ziel ist, die zuletzt erreichte Zahl immer wieder zu überbieten und von Rekord zu Rekord zu eilen. Der Lehrer hat die Möglichkeit, für besonders clevere Fragen zwei Punkte zu geben. Deshalb führt ein Schüler an der Tafel eine Strichliste. Beispiel: Ausgangssatz: Mrs P. was busy in the kitchen. What time was it? Was it lunch time? What’s Mrs P.’s full name? What does P. stand for? How old is she? Is she a mother of two? What does her husband do? What was her husband doing when she was busy in the kitchen? What colour are her eyes? Where’s the kitchen? Is it her own kitchen? Does she work in a restaurant? Does she get any money for her work? Is it enough money for her family? What does she spend the money on? What did she do in the kitchen? What was she doing in the kitchen? Was she busy making a cake? Was she preparing a pizza? Was anybody helping her? Can she cook well? Does she enjoy cooking? Does she clean the kitchen herself? What did she do before she went into the kitchen? What will she do later, after leaving the kitchen? What does she do in her free time? Die Klasse beteiligt sich lebhaft. Auch schwächere Schüler machen mit, etwa mit Standardfragen wie “How old … ? ” Der Sprachumsatz ist enorm: entscheidend! Zu dem Satz “Paul lives in a green house” stellten Hauptschüler der Klasse 7 in einer Minute 46 Fragen. Alle Schüler des E-Kurses beteiligten sich. Fehler wurden einfach korrigiert: S: Where lives Paul? L: Where does S: Where does lives Paul? L: Where does Paul live? S: Where does Paul live? (MELT 2004) Sprache und Spiel 215 Der Witz dabei ist, dass durch die schiere Masse der Fragen sich allmählich ein Gefühl für die richtigen Formen einstellt. - Man versuche es auch mal mit der Quizform Jeopardy, in der Antworten vorgelegt werden, zu denen die passenden Fragen gefunden werden müssen. Gesellschaftspiele: Rätselgeschichten Ein nackter Mann, tot, in einer Telefonzelle, den Hörer noch in der Hand. Wie kommt der bloß dahin? Mit so etwas unterhält man sich auf Partys. Rätselgeschichten motivieren die Schüler, Fragen zu stellen. Der Lehrer erzählt, die Schüler stellen Fragen, die der Lehrer nur mit yes, no, oder irrelevant beantwortet: The man in the elevator A man lives on the tenth floor of a building. Every day he takes the elevator to go down to the ground floor to go to work or to go shopping. When he returns he takes the elevator to the seventh floor and walks up the stairs to reach his apartment on the tenth floor. Why does he do it? (Der Mann ist kleinwüchsig und erreicht nur den Knopf der siebten Etage.) Rätselgeschichten inklusive Fragen und Lösung wurden u.a. von Sloane & MacHale (1994) gesammelt. Hier eine Probe: The Dog That Did Not Die A mother told her six-year-old daughter that her pet dog had been hit by a car and killed. The little girl burst into tears. Half an hour later, the mother said that the dog was quite well and that it was all a mistake. Why did she do this? Possible questions: Q: Was the girl’s dog unharmed throughout? A: Yes. Q: Had the mother been misinformed? A: No. Q: Did the mother deliberately lie to her daughter? A: Yes. Q: Did she do this out of spite or malice, or to punish or threaten her daughter? A: No. Q: Did she do this for a particular reason and was she successful in her aim? A: Yes. Solution: This story reportedly concerns the youthful Shirley Temple. Her mother told her the lie that her pet dog had been killed in order to induce real sadness and tears for a movie scene which was about to be filmed. A letter from Grandma A little boy at a boarding school ran out of pocket money one day, so he wrote to his Grandma, asking her for a little money. She sent him back 216 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen an envelope with a long letter on why he shouldn’t spend so much money, but she didn’t send any money. Still, the little boy wasn’t disappointed at all. Why? The solution: This is a true story. The boy’s grandmother was Queen Victoria and he could sell her letter for quite a lot of money. Statt ausgefallener, fremdartiger Geschichten können wir ebenso gut Alltagssituationen wählen. Sie mögen sogar ergiebiger sein als manche Rätselgeschichten, denen ein pfiffiger Schüler schnell auf die Spur kommen kann - wie es uns ausgerechnet bei Filmaufnahmen passierte. Alltagssituationen sind offener und mehrdeutiger, und so mussten die Schüler (Klasse 6) eine Menge Fragen stellen, um die folgende Situation zu erkennen: “She was sitting at her desk. ‘This is really annoying,’ she said to herself.” (She is a teacher and was marking 34 English tests from her grade seven. The tests were on the use of gerunds. After marking the fifteenth test the teacher felt really tired. Test No. 16 was from a boy whom she expected to do well on the test. But it was a really poor test. Obviously the boy had not worked hard at all. So she was annoyed.) Natürlich genügte es schon, herauszubekommen, dass hier ein Lehrer über der Korrektur von Klassenarbeiten schwitzt und sich dabei gelegentlich ärgert. Noch ein Beispiel: “They all stood up and one of them said: ‘That was really great.’” (A couple of kids had been invited to a good meal at a friend’s home. At the end of the meal, when they all stood up, one of them praised the meal as a way of saying thank you.) “She yelled: ‘I can’t believe you did that. You had no right to do so.’” (A daughter yells at her mother who had secretly read her private journal.) Auch Hilfen, die zum Weitermachen ermuntern, sind am Platze: You’re getting close, you’re on the right track. Oder einfach ein suggestives Yeeees. Später werden die Situationen kniffliger. Der Lehrer kann einen Schüler einweihen, der die Geschichte vorstellt, um dann nur noch mit “yes” oder “no” oder “irrelevant” zu antworten. Der Lehrer selbst mischt sich unter die Schüler und stellt vielleicht ab und zu eine Frage, die weiterführt. Zwischendurch darf ein Schüler natürlich auch fragen: “What was the situation again? ” und der Spielleiter muss die Situation noch einmal vorstellen (LdL). Als Variante kann man einen markanten Satz aus einer Zeitungsmeldung aussuchen und als Rätselgeschichte präsentieren. Ist die Geschichte erraten, händigt man der Klasse den Zeitungstext zum Nachlesen aus. Sprache und Spiel 217 Wir spielen also zur Unterhaltung, weil’s uns Spaß macht. Wir vertiefen uns ins Spiel, sind ganz bei der Sache, vergessen mitunter die Welt um uns herum, und machen nur die eine Konzession an den Unterricht, nämlich dabei fremdsprachlich zu kommunizieren. Gesellschaftsspiele: Dilemmas Viele für Jugendliche geeignete Gesellschaftsspiele wie Trivial Pursuit, Therapie und Taboo lassen sich für den Unterricht adaptieren. Damit geben wir den Schülern zugleich wertvolle Tipps für sinnvolle Freizeitbeschäftigung, etwas, was unsere Jugendlichen dringend brauchen. Der Chicagoer Psychologe Csikszentmihalyi (1997, 65) weiß dies eindrucksvoll zu belegen: Having leisure at one’s disposal does not improve the quality of life unless one knows how to use it effectively, and it is by no means something one learns automatically. Sehr gut geeignet ist das Kartenspiel Scruples (1986, Milton Bradley Ltd.). Linda Offenburger (1992) hat es in vereinfachter Form schon in einer guten siebten Klasse (Gymnasium) ausprobiert. Im Mittelpunkt des Spiels stehen schwierige Situationen, die ein Spieler (der Vorleser) von einer dilemma card abliest und die den Mitspielern Entscheidungen abverlangen, z.B. “Your teenage son tells you in strict confidence that a friend is experimenting with marijuana. You know the friend’s parents are unaware. Do you warn the parents? ” Wir wandeln sie ab, damit sie besser auf die Schüler passen, etwa so: “Someone in your class is on drugs. If teachers or parents asked you about it, would you tell them? ” Für den Vorleser kommt es nun darauf an, die Entscheidung (“yes”, “no”, vielleicht auch “it depends”), die ein vom Vorleser zu bestimmender Mitspieler trifft, richtig vorauszusagen. Er bekun- 218 Richtig anfangen: singen, spielen, sich-bewegen det, welche Entscheidung er erwartet, indem er eine der drei Antwortkarten mit dem Bild nach unten auf den Tisch legt. Trifft seine Erwartung zu, d.h. stimmt er mit seinem Mitspieler überein, kann er die Dilemma-Karte ablegen. Gewinner ist, wer zuerst alle Karten abgelegt hat. Man wird zunächst ein paar dilemmas der Klasse vortragen und mit ihr durchsprechen, bevor man Spielkarten austeilt und Tischgruppen bildet, die das Spiel selbständig fortsetzen. Später kann man auch die Schüler bitten, sich eigene dilemmas auszudenken. So begegnen wir der Routine mit Singen, Sport und Spiel, die mit Sammlung und Stille abwechseln. 3 1 Siehe auch Graham (1982) und Schlosser (1998), der “Das Wandern ist des Müllers Lust” und “Wir lagen vor Madagaskar” englisch vertextet hat. 2 Alle drei Autoren haben etwas beigetragen. Das Wesentliche aber steht schon bei Palmer. Auch seine Bezeichnung “imperative drill” ist Ashers “total physical response” vorzuziehen, da es sich längst nicht immer um Ganz-Körper-Bewegungen handelt. Übrigens wird oft der Eindruck erweckt, als sei Asher auf Einsprachigkeit eingeschworen. Wenn aber Abstrakta eingeführt werden, empfiehlt Asher (1981, 21) das Manipulieren von zweisprachig beschrifteten Vokabelkärtchen. 3 Wegbeschreibungen, Fragewettstreit, Rätselgeschichten und Dilemmas haben wir auf einer DVD demonstriert (MELT; Siebold 2004). Sprachen lernt man von denen, die sie können, und mit reichlich Texten. 8 Richtig anfangen: Input maximieren Classroom pidgin als Input? Schüler brauchen unbedingt well-formed input. Wie überwinden wir das Handikap, dass sich im Unterricht so viele Lerner ein Sprechvorbild teilen müssen? Können Schüler von Schülern lernen? Nicht, wenn sie einander “junky input data” liefern. Wong-Fillmore (1985, 25), die in intensiver Arbeit Unterricht aus 40 Klassen mit vielen Einwandererkindern analysiert hat, warnt: The problem is especially acute in open classrooms, since students generally spend more time interacting with classmates than they do with teachers; under such circumstances, the major source of second language input comes from other language learners, a situation which is hardly conducive to successful language learning. Gruppenarbeit kann dazu führen, dass sich der Unterricht in minimale Sprechakte von Tischgruppen auflöst, die sich gegenseitig in ihren Fehlern bestärken und obendrein zu Tode langweilen. Die Fremdsprache wird zum Radebrechmittel. Der Lehrer kann sich aber als Sprachvorbild gleichsam vervielfältigen, indem er immer wieder neue Hör- und Lesetexte anliefert und einspeist. Deshalb machen wir Vorschläge für eine reiche und gehaltvolle Sprachrezeption, vom Lehrer ausgehend. 1 Dabei können unbekannte Ausdrücke sofort und umstandslos im Sandwich-Verfahren muttersprachlich geklärt werden. Damit können wir früh qualitativ hochwertige Texte verwenden, die weit über dem Produktionsniveau der Schüler liegen und nicht in die ausgeklügelte Progression eines Lehrwerks passen. Das ist meist eleganter als das mehr oder weniger kontextlose Vorwegerklären und Anschreiben von einem Dutzend Vokabeln. An anderen Stellen wieder bleibt man einsprachig, setzt auf den Kontext, auf intelligentes Raten und ein mehr oder weniger globales Verständnis. 222 Richtig anfangen: Input maximieren Vorschläge fürs Hören und Lesen 1) Fremdsprachige Unterrichtsführung Kommen wir noch einmal auf die wichtige Forderung der Direktmethodiker zurück, den Unterricht fremdsprachig zu führen. “There are stages of language-development in which good teacher-talk is probably the single most important kind of input” (O’Neill 1998, 369). Immer wieder wird der Lehrer Sprech- und Sprachvorbild, indem er, immer die Schüler einbeziehend, viel erzählt - von sich, seiner Familie, seiner Not mit der Zensurenfindung, seiner Lektüre, seinen Erfahrungen auf Reisen, wie er sich seine Meinungen gebildet hat, usw. Also Infomation und viel gemeinschaftsstiftendes Kontaktgeplauder: phatic communion. Er wird die zahllosen Gelegenheiten zu kommunikativen Exkursen nutzen und die Schüler, die sich zunächst nur mit recht einsilbigen Beiträgen beteiligen können, in ein Sprachbad tauchen - solange sie aufmerksam zuhören. Er weiß, was die Schüler können, und kann ihnen genau das liefern, was sie brauchen: auf doppelte Weise verstandenen Input. Er redet mit der gerade notwendigen Redundanz, d.h. er zieht auch alle Register einsprachiger Bedeutungsvermittlung, umschreibt, definiert, gestikuliert. Allerdings braucht er dazu große Gewandtheit des Ausdrucks schon im ersten Lehrjahr. Der Lehrer vertritt hier den Muttersprachler! Dies ist Vorstufe zu späteren Gesprächen, in denen sich die Schüler immer stärker selbst einbringen, bis der Lehrer ganz zurücktreten kann. The atmosphere in the classroom was always very relaxed and we never stuck to the textbook, but were always willing to leave it and talk about all sorts of things. The only condition was that it had to be in English. K. Im Rahmen des kommunikativen Ansatzes sind viele spielerische und handlungsorientierte Arbeitsvorschläge gemacht worden. Sie müssen sprachlich sorgfältig geplant sein, mit eingestreuten muttersprachlichen Soforthilfen, wenn nötig. Die Schüler hören aufmerksam zu, sie wollen ja verstehen, was sie nun zu tun haben. In einer sechsten Realschulklasse erklärt die Lehrerin, wie die Schüler sich einen eingeführten Dialog selbst diktieren: The last thing we are going to do today is a little self-dictation. And I’m going to explain to you what you have to do. All you need is your dialogue-text and a pencil or a pen and nothing else. What I want you to do is to practice writing. So, you start reading, you read for yourself silently the first sentence, then you try to remember the sentence. Read it, you remember it, you turn your paper over and you write the sentence down and on the other side (Gestik). As correctly as possible. And then you read the second sentence for yourself, you can move your lips to remember it (Mimik), and then you turn your paper over again and on Vorschläge fürs Hören und Lesen 223 the other side, you write down the next sentence. That’s what I want you to do now. Everybody works for himor herself. Do not speak, just try to concentrate and do that now, please. Solmecke (2000) hat gezeigt, wie schwer sich Lehrer mit klaren Anleitungen in der Fremdsprache tun, dabei die Schüler verwirren oder ganz ins Deutsche ausweichen. Das gilt es zu vermeiden. 2) Sandwich-Stories Schon im Anfangsunterricht kann man mit Mischformen der folgenden Art Erfolge erzielen: Primary school teachers in immigrant areas in the UK have no fear of mixing mother tongue and target language in their teaching to five-six year olds. They work in a child-centered, practical commonsensical sort of way. A major technique they use with children who come to school with virtually no English is to tell them stories mostly in mother-tongue and a bit in English. Imagine your mother-tongue is English and the target language is Greek: “Are you sitting comfortably? Then I’ll archizo: once upon a time there was a hen, a kota, who used to visit the library quite often. She’d go into the vivliothiki and choose two or three vivlia from the shelves. She’d take the vivlia over to the man at the desk, the vivliothikario. The vivliothikarios would stamp the vivlia and hand them to the kota, saying “Here you are, Kiria Kota, please bring the vivlia back by the end of the next evthomata, by the end of the next week”. And so the kota would leave the vivliothiki with the vivlia under her wing.” In the primary school situation in the UK such bilingual stories are told and retold with more and more of the story in the target language until finally the kids can cope with the whole text in the target language. (Rinvolucri 1990, 26) In China und anderswo wird diese Arbeitsform seit mehreren Jahren mit gutem Erfolg unter der Bezeichnung “sandwich story” erprobt (Ji Yuhua 1999; 2002). Umgekehrt, d.h. für anglophone Chinesisch-Lerner, würde sich “Rotkäppchen” wie folgt anhören: Little Red Riding Hood asked, Oh, naˇinaˇi, how come your yaˇnjı ¯ng are so big? ” Láng answered, “My yaˇnjı ¯ng are very big so that I can see you clearly.” Little Red Riding Hood asked, “Oh, naˇinaˇi, how come your e ˇrduo¯ are so long? ” Láng answered, “My e ˇrduo¯ are very long so that I can hear you clearly.” Little Red Riding Hood asked, “Oh, naˇinaˇi, how come your yáchı ˇ are so sharp? ” Láng answered, “My yáchı ˇ are very sharp so that I can eat you up quickly.” 224 Richtig anfangen: Input maximieren Weil die Kinder Rotkäppchen ja schon kennen, können sie die Wörter abgleichen: Láng (wolf), naˇinaˇi (granny), yaˇnjı ˉng (eyes), eˇrduoˉ (ears), yáchı ˇ (teeth). Ji hatte das Verfahren mit seiner Tochter erprobt: I used this method to teach my 4-year-old daughter, who reacted strongly against my efforts with the immersion method. Taking advantage of the fact that she enjoyed listening to me read aloud stories in Mandarin, I started to ‘smuggle in’ some English in my oral interpretations, beginning from 1-2% and on to 60% until a story could be told and understood almost completely in English (zit. nach Wu 2010, 149). Wu (2010, 150) hat untersucht, wie sich anhand der sandwich-stories in zwei chinesischen Provinzen etwas unterschiedliche Lehrtraditionen ausgebildet haben: Step 1 Revision: The teacher helps review the EFL items covered in the previous story. This step is conducted slightly differently in Guangdong and Fujian. Guangdong 1. in small classes with 10- 15- pupils: having the children act out the story with the teacher as the narrator and each child playing the part of a story character. 2. in big classes with 30- 50- pupils: with a group of children acting as one character, such as the first little pig, so that every child gets a chance to practice without taking up too much of the limited class time. Fujian retelling the story with such techniques as: 1. intentional deviation (e.g. “The first little pig built a house of bricks.”) 2. information gaps (e.g. “The wolf first came to which little pig’s house? ”) 3. meaning clarification (e.g. “The wolf shouted, ‘Open the door! ’ - The word door means ‘house’. Am I right? ) 4. pretend forgetfulness (e.g. “Oh, granny, how come your - sorry I forget the English word for [the teacher points at his/ her eyes]”) Step 2 Listening to the story: While the pupils listen to the new story on a stereo, the teacher often acts out the dramatic parts of the story. Step 3 Discussion: After the story is over, the teacher talks about the moral of the story usually by asking questions. This is the most communicative part of the sandwich class, though the whole session is characterized by communicativeness. Children shout and argue about what the hero/ heroine should or should not have done, what the story told them about life, and how different the story would be if a certain plot elements is reversed, etc. Vorschläge fürs Hören und Lesen 225 Step 4 Consolidation: The teacher goes over the new EFL items by miming or showing pictures and such real objects as chairs, bowls, knives, apples, etc. Then s/ he asks the pupils to translate words, phrases, and sentences from Chinese to English or read after them. Sometimes, a song or rhyme is taught to enhance the pupils’ memory of the new English items, e.g. for the story “The Three Little Pigs”, a song is sung to the tune of “London Bridge is Falling Down”, which goes like this: “Little pig, open the door, open the door, open the door. Big wolf, wo men jue bu gei ni (= we will never for you) open the door. Wo men de (= our) house jiu shi lao (= strong). Big wolf chui bu dao (= can’t blow it down). Big wolf weiba zhao liao ta wang jia pao (= tail is burning he has to run home.)” Step 5 Rehearsal: This step is conducted also slightly differently in Guangdong and Fujian. Guangdong Most sandwich-story classes are run on a story-drama basis, i.e., a small performance is put on after each story is learned. So after Step- 4, there is a fifth step, in which the teacher and the pupils discuss and decide who is/ are to play which role in a story. Fujian Most sandwich-story classes are run from Step 1 to 4, with the rehearsal step postponed till after 8-10 stories are learned. Then there comes a long rehearsal period (2 to 3 weeks) followed by a drama festival in which the pupils act out the stories in a more formal and “professional” way. Wie man sieht, werden Geschichten schließlich auch inszeniert und führen somit zu den Techniken der Dialogarbeit zurück. No matter how old or how fictional, stories are the best vehicle for teaching everyday language. For example, much of the dialogue between the three little pigs and the men who carried straw, wood, and bricks respectively can be used by children when asking for help today. The same is true of the dialogue between the Town Mouse and the Country Mouse when children express their likes and dislikes. Such examples are innumerable. (Ji 1999, 111) Ein deutsches Beispiel ist Michael Endes Sprachhörspiel Englisch lernen mit Jim Knopf (3 CDs, 2007), in der allerhand Englisches in eine spannende Kindergeschichte eingebaut wird, ohne dass Verständnisschwierigkeiten aufkommen. Im Einzelnen gibt es hier allerdings vieles zu verbessern und Erfahrungen zu sammeln - man wünschte sich, dass sich die didaktische 226 Richtig anfangen: Input maximieren Forschung solcher schon lange auf dem Markt befindlichen, bei Eltern und Kindern beliebten zweisprachigen Lehr- und Genussmittel annehmen würde. Aber Fehlanzeige. Bei Drittsprachen, die mit wenigen Wochenstunden auskommen müssen, könnte man auf ähnliche Weise große Kulturgüter vermitteln. Über Kernsätze und Schlüsselbegriffe, die im Original verbleiben, verspüren die Schüler einen Hauch von Authentizität. 3) Vorlesen, Erzähllesen und Erzählen Wie im Deutschunterricht können wir mit bilingualen Einstreuungen und Soforthilfen auch aus einer Fortsetzungsgeschichte vorlesen, ohne dies mit Nacharbeiten zu verbinden: There was a time when our English teacher finished the lesson five minutes early and used the time to have a short reading session. There were some stories that we preferred and wanted to hear over and over again - “The emperor’s new clothes” or “Little Red Riding Hood”. But I know there were also fairy tales that we didn’t like and didn’t understand. Our teacher stopped immediately if we lost interest. In the “Waldorfschule” it’s a tradition that fairy tales are told to give pleasure and a sense of achievement. I. “What I find (nearly) always works is listening to or reading a piece of English which is, in structure and vocabulary, within the pupils’ grasp; which tells a good and sensible story; or which otherwise refers to a topic that really arouses the pupils’ interest. Pupils are much more likely to be attracted by English that is interesting, rhythmical and memorable than by language that is commonplace and of little or no educative value.” (R.A. Close in Heuer & Klippel 1987, 198) Geschichten sind die Form, in der wir unser Erleben am besten ordnen und begreifen. Setzen wir von Anfang an auf die Autorität und Anziehungskraft guter Geschichten und des authentischen Sprachstoffs! “Erzähllesen” (H. Heuer) ist ein Mittelding zwischen Erzählen und Vorlesen. Die Kunst besteht darin, einen Text halb erzählend, halb lesend vorzutragen. Dabei vereinfacht, erklärt und paraphrasiert der Lehrer den Text, verkürzt oder erweitert ihn spontan, moduliert seine Stimme, gestikuliert, dramatisiert und blickt immer wieder vom Text auf in die Klasse. Man kann Erzählzeiten richtiggehend inszenieren. Es sind Minuten der Sammlung und Ruhe und der Freude auf das, was jetzt kommt. “Are you all sitting comfortably? ” Bei kleineren Klassen bildet sich ein Halbkreis um den Lehrer, bei besonders guten Geschichten kann man feierlich eine Kerze anzünden. Dabei benutzt der Lehrer auch großformatige Bilderbücher (big books), wie sie in Kindergärten verwendet werden, oder auch “Knie-Bücher” mit Spiralbindung (Klippel & Preedy 2002). Geeignet sind Märchen, Sagen, Vorschläge fürs Hören und Lesen 227 Legenden, Erzählungen aus der Geschichte, auch biblische Geschichten, Textsorten, die früher in unseren Lesebüchern viel stärker vertreten waren. Erfahrenen Märchenerzählern schauen wir ab, wie sie die Schüler zum Mitmachen ermuntern, z.B. alle laut nach dem Kasper rufen lassen usw. Natürlich gehört das Nachspielen kleiner Szenen dazu. 2 Später händigt man den Schülern die Texte aus, zum stillen Nachlesen. Man behält besser, was man auf mehrere Weisen aufnimmt. Big books Knee books Meist handelt es sich um längere Texte, die nicht in ihrer Gänze Punkt für Punkt verstanden werden müsssen. “Once upon a time, way back in time (Geste), long, long ago, many years ago …” Es genügt in diesem Augenblick, wenn man mit viel Redundanz die Vorstellung erweckt: Das war vor langer Zeit. Wir bleiben in der fremden Sprache, solange die Kinder von der Geschichte mitgerissen werden. Sie erleben, wie sie eine lange Geschichte ganz auf Englisch verstehen. Das schafft Vertrauen zum eigenen Können. Genau dieses Erlebnis wird ihnen aber viel häufiger zuteil, wenn an anderen Stellen die Muttersprache konsequent mithilft. Denn irgendwann müssen natürlich halbanalysierte Formen wie “once upon a time” durchschaut werden, muss die Gleichung: once = einmal implizit oder explizit gemacht werden. Ich halte z.B. gar nichts davon, wenn die Kinder monatelang einen Kanon singen, den sie nur halb verstanden haben. Wir geben stattdessen ohne Umschweife gleich bei der Einführung die wörtliche Übersetzung - meist mündlich - dazu: Row, row, row your boat gently down the stream; Rudre, rudre, rudre dein Boot sanft hinunter den Fluss; Merrily, merrily, merrily, life is but a dream. Fröhlich, fröhlich, fröhlich, (das) Leben ist nur ein Traum. 228 Richtig anfangen: Input maximieren Zweisprachige Techniken machen den Unterricht reicher und flexibler, einsprachige werden nicht einfach abgeschafft. Ich habe gern einen vollständigen Text in der Hand oder vor mir liegen. Wollen wir aber den Schritt vom Erzähllesen zum richtigen Erzählen tun, muss der Text verschwinden. Oder wir benutzen einen Notenständer, zu dem wir uns ab und zu hindrehen. Die Profis - meist Muttersprachler - erzählen frei. Sie empfehlen, sich vorher ein paar Notizen (Handlungsfaden, Eröffnung und Schluss, Kernsätze) zu machen, diese aber auch beim Erzählen wegzulegen. Es hilft, die Texte auf Kassette zu sprechen, sie abzuhören und zu üben. Wie wäre es, wenn die Schüler die Weihnachtsgeschichte nach Lukas frei oder halbfrei nach Art des Erzähllesens vortrügen? 4) Fantasiereisen zur Entspannung Eine besondere Textart stellen sog. Fantasiereisen dar. Die Schüler nehmen eine bequeme Sitzhaltung ein. Ein paar Anweisungen zur Entspannung folgen: Close your eyes and feel the rhythm of your breathing … Dann trägt der Lehrer mit warmer, ruhiger Stimme einen unbekannten Text vor, in dem vieles Schöne vorkommt. Neue Wörter erklärt er am besten mit der Sandwich-Technik, im Tonfall des Beiseite-Sprechens, um nicht weiter von der Geschichte abzulenken. Die Schüler versuchen, innere Bilder in sich aufsteigen zu lassen. I am a cloud A summer meadow, on it a dark shadow, my shadow. I float above the meadow, high up in the blue sky. White and soft, that’s me, like a fluffy (flaumig - fluffy) pillow made of feathers. I move lightly and gently and look at the scenery from above. Everything is tiny. Cows are grazing near a farm. A boy is on a swing. A girl is cycling through the field on her bike. My shadow covers her for a short moment. I discover the town’s roofs. I float above the roofs, my shadow moves down and glides over roof gables (Giebel - gables) and streets, falls on market squares and cars. Sometimes somebody looks up at me. I go on floating, further and further away. Where will the summer wind take me? - The sun dissolves me - like sugar in water. I get thinner and thinner. I get more and more see-through, until I disappear completely. - And now let’s come back from our dream, slowly. Make a fist. Stretch your arms above your head and open your eyes. Nach oder während einer Sherlock-Holmes-Lektüre: Today I’ll take you on a fantasy trip. Sit comfortably, put your hands on your thighs and close your eyes … Now let’s all try to be Sherlock Holmes. We are sitting in Holmes’ armchair. The armchair is in front of the fireplace. So let’s all relax and be very quiet. The only sound we can Vorschläge fürs Hören und Lesen 229 hear is the crackling of wood in the fire. The dry sticks are crackling in the fire. Crackle. Crackle. Can you all hear it? A lovely sound. We are deep in thoughts. There is a difficult problem to solve. We know we are going to solve it. But we need time, and peace and quiet. We’ve got the pieces of the puzzle, all the pieces. We just have to put them together, so that they fit. We are smoking our pipe. It’s the famous briar pipe. We are blowing a ring, a ring of smoke. A gentle wind is stretching it, making it longer and longer. It is floating upward. We are following it with our eyes, as it is floating upward. Now it’s distorting its shape. It’s enlarging it, and thinning it. It’s growing larger, and it’s getting thinner. It’s still there - vaguely. Now it’s disappearing. Yes, it’s gone. Ah, that must be the solution! We know who the murderer is. We know how he did it. And it’s so simple. “Elementary, dear Watson! ” Man kann solche Ideen aktualisieren, z.B. anstelle von Sherlock Holmes Gandalf aus Tolkiens Herr der Ringe auftreten lassen, der auch so schöne Ringe aus seiner langen geschwungenen Pfeife blasen kann. Fantasiegeschichten können auch mit Merkaufgaben verbunden werden: “In this story you will hear three new words/ phrases from the textbook story we’ve just read. Can you find them? ” Oder die Schüler sollen sich ein Dutzend Wörter oder Wendungen merken, die typisch sind für die Atmosphäre, oder die der Lehrer besonders betont hat usw. 5) Geschichten erzählen und fälschen Professionelle Erzähler beziehen auch die Zuhörer durch Rückfragen usw. ein. Meist muss das sehr sparsam geschehen, um den Erzählfluss beizubehalten. Für den Unterricht empfehlen wir, eine Geschichte mit inhaltlichen Veränderungen (einfachen und raffinierten) ein zweites Mal zu erzählen. Die Schüler müssen sich an das Original erinnern, bei jedem “Fehler” melden sie sich und stellen den Lehrer richtig. Hier ist der Anfang einer Geschichte, Original und veränderter Text: This is a story about two Buddhist monks from China, Hsuan and Chang, who undertook a long journey, wandering from monastery to monastery. They wanted to learn more about the Buddha’s teachings, his miracles, and the traditions of other monasteries. They wanted to be instructed by fellow monks and learned men to enrich their inner lives. They wanted to achieve what all monks seek: enlightenment. Not riches nor renown, but wisdom. They wanted the truth, because they knew that the truth can set us free. This is a story about three Buddhist monks from China, Hsuan and Chang, who undertook a short journey through China, wandering from monastery to monastery. They wanted to learn more about the Buddha’s 230 Richtig anfangen: Input maximieren teachings, his misdeeds, and the traditions of other monasteries. They wanted to instruct their fellow monks and learned men to enrich their inner lives. They wanted to achieve what all monks have: enlightenment. Not riches nor renown, but wisdom. They wanted the truth, because they knew that the truth can make us slaves. (Butzkamm & Remy 2002) Der gefälschte Text bleibt grammatisch korrekt, enthält aber an geeigneten Stellen statt der Originalwörter Synonyme, Antonyme, Paraphrasen. Als schriftliche Variante unterstreichen die Schüler das unpassende Wort und schreiben das richtige an den Rand. 6) Bilder beschreiben: Stimmt das? Dies ist eine Variante von (5). Der Lehrer wählt geeignete Bilder mit vielen Einzelheiten aus, so auch Postkarten. Sie werden eingescannt und auf Folie gebrannt. Er beschreibt das Bild ausführlich, erfindet eventuell auch eine kleine Geschichte dazu. Dabei unterlaufen ihm absichtlich Fehler. Lehrer: “Am rechten unteren Bildrand sieht man noch Teile einer alten Befestigungsmauer.” Schüler: “Nein, die Mauer ist unten links.” Selbstverständlich können auch hier gute Schüler nach einer Gewöhnungszeit die Lehrerrolle übernehmen, zunächst mit einem Spickzettel des Lehrers versehen, danach ganz selbständig arbeitend (LdL). 7) Hörtexte mit Aufgaben Natürlich kann man auch authentische Hörtexte aus dem Internet abspielen. Besonders interessant sind Szenen oder Interviews, an denen mehrere Sprecher beteiligt sind. Im Bundeswettbewerb Fremdsprachen müssen die Schüler dabei Aussagen ankreuzen und angeben, ob sie zutreffen oder nicht oder eine nicht im Text enthaltene, irrelevante Information enthalten. Read the following statements relating to a text you are going to hear … Now listen to the report … As you listen, decide which of the above statements are (1) correct or (2) wrong, according to the report, or simply (3) irrelevant because not mentioned in the report. Die Schüler lesen also vorweg die statements auf dem Arbeitsblatt durch und dürfen Fragen stellen. Anschließend wird der Text zweimal verlesen oder abgespielt, und die Schüler dürfen von Anfang an ihre Kreuze eintragen. Zum Schluss gibt es noch etwas stille Zeit zum Überlegen und Korrigieren. Noch andere Aufgaben können zum aufmerksamen Zuhören hinleiten. Stets sollten sie so sparsam dosiert werden, dass noch ein zusammenhän- Vorschläge fürs Hören und Lesen 231 gendes Hör- und Leseerlebnis zustande kommt. Am Anfang sollten sich die Schüler erst einmal ohne Unterbrechungen in den Text hineinfinden. Andere Aufgaben eignen sich nur bei einem zweiten oder dritten Textdurchgang. Zu diesen Aufgaben gehören: - Wiederholen. Gelegentlich unterbricht sich der Lehrer und lässt die Schüler den letzten Satz oder Halbsatz wiederholen. Oder er benutzt einen Tonträger und betätigt die Pausentaste an passenden Stellen. - Voraussprechen. Der Lehrer bricht ab, und die Schüler sprechen den Satz zu Ende. Möglich bei Textsorten mit viel Redundanz. - Heraushören. Der Lehrer liest vor und gibt Such-Aufgaben: “Look for a verb like frown, which expresses some kind of body-language; look for a sentence in which someone makes a reproach; look for a present perfect continuous” usw. Die Schüler melden sich, sobald sie den Ausdruck hören (auch als Wettbewerb möglich) oder notieren die Wörter. - Kunstwort ersetzen: Woggle-Texte. Der Lehrer ersetzt beim Lesen ein Wort durch ein Kunstwort wie “woggle”, das er grammatisch dem Kontext anpasst. Nur zur Illustration treten sie im Folgenden etwas massiert auf: Once upon a woggle (= time) there was a good girl woggled (= called) Little Red Riding Hood. One morning her mother woggled (= baked) some woggles (= cookies) and asked Little Red Riding Hood to take them to woggle (= her) grandmother. Die Schüler unterbrechen und rufen ihm das richtige Wort zu. Diese uns schon aus der Dialogarbeit bekannte Technik dient der Auffrischung längst behandelter Texte und ist ganz verschieden von einer mechanischen, schriftlichen Lückenfüll-Aufgabe. Wenn wir einander intensiv zuhören, gehen wir innerlich mit und können oft, wenn der Partner stockt, seinen Satz für ihn vollenden. Sind in den Woggle-Texten die Leerstellen geschickt gewählt, wird dieses innere Mitgehen trainiert. It is all for the birds if the pupils aren’t listening. J. - Mitlesen. Die Schüler haben den Text vor sich und murmeln den Text mit, den der Lehrer vorträgt oder über einen Tonträger abspielt. - “Dem Text nachlaufen”, ähnlich dem Echosingen und shadowing (Kap.- 7; 10). Der Lehrer liest vor, macht kleine Pausen nach Sinnabschnitten, die Schüler sprechen ohne Texteinsicht mit leichter zeitlicher Verzögerung halblaut mit, so wie das Simultandolmetscher tun müssen. Halb mit-, halb nachsprechen. 232 Richtig anfangen: Input maximieren 8) Lese- und Hörecken Großen Gewinn verspreche ich mir von einer Ausstattung unserer Klassenräume: Bücherregale mit Büchern, Audiobüchern mit Kopfhörern etc., d.h. eine Leseecke und eine Extra-Hörecke mit Sesselchen, in die Einzelne oder Kleingruppen sich zurückziehen können - Einrichtungen, die ebenso wichtig sind für den eigensprachlichen Unterricht. Auch in Deutschland sollten wir Erfahrungen mit einem verstärktem Hör- und Leseunterricht sammeln, wie er u.a. in Kanada erprobt wurde (Lightbown 1993, 88f.). Jeden Tag eine halbe Stunde hören und lesen frankophone Grundschulkinder Englisch, ohne Englisch zu sprechen! Die Lehrer sorgen nur dafür, dass die richtigen Materialien jeweils zur Verfügung stehen. Die Ergebnisse blieben allerdings unklar. So werden wir nicht in eine neue Einseitigkeit verfallen und ein radikales “Just listen”-Programm verkünden. Aber es könnten doch einzelne Schulen und Lehrer vorangehen und viel stärker als in Deutschland üblich auf Hören und Lesen setzen. Die Ergebnisse wären abzuwarten. Dazu brauchen wir entsprechende Materialien: Comics, simplified readers, Vokabelhilfen auf gleicher Höhe am Zeilenrand ebenso wie zweisprachige Textausgaben und die neuartigen Mischtexte von Sullivan/ Rösler (Vgl. Kap.-10), überhaupt Texte, die mit behutsam gestuften Sprachmitteln und Lesehilfen zwischen reading age und interest age vermitteln. Stehen genügend Materialien bereit, können die Schüler mehr Eigeninitiative bei der Auswahl entwickeln. Irgendwann kann es auch ganz still im Klassenzimmer werden, wenn jeder ein Buch vor der Nase hat. We had a small library of English comics and easy-reader stories in a cupboard of our classroom, and we could borrow them or read them in our “Freiarbeit”-lessons. We never felt we had to read them, and I think about 50% of the class regularly used the opportunity. P. It was a pity that our English teacher did not encourage reading English books in our leisure time. I really missed a classroom library like the one we had established for German which inspired us to read more than we usually did. S. Schließlich könnten Schulen sprachkundige Rentner und andere anheuern, um in solchen Ecken mit maximal drei Kindern zu lesen. Viele stünden bereit, wenn die Schulen auf sie zugehen würden. 9) Häusliche Lektüre: Endlich allein …! It doesn’t very much matter what one reads in the early years, once one has acquired the essential ability to read for pleasure alone. (Christopher Hitchens) Vorschläge fürs Hören und Lesen 233 Der Lehrer hat seine Schätze angeboten. Durch seinen Vortrag, seine Stimme, seine kurzen Erläuterungen hat er das Verstehen leicht gemacht und die Distanz zum fremdsprachigen Buch verringert. Aus seinem Unterricht kommen dann auch die Impulse, die Schüler dazu bringen, zuhause zu ihrem eigenen Vergnügen in der Fremdsprache zu lesen. Bücher und CD- Player ermöglichen es dem Kind, sein eigener Lehrer zu sein: entspanntes Lernen, das von den Zwängen und Irritationen sozialer Situationen frei ist. Die Fremdsprache wird quasi ein Selbstläufer. Apart from the books read in school, our teacher encouraged us to read English books at home. Privately, I often read simplified school editions or bilingual editions of short stories, especially detective stories, and novels such as Treasure Island and The Third Man. B. As long as I knew English only from schoolbooks, I could not develop any genuine interest in the language. But from the point on when I chose my own reading matter I spent a disproportionately great part of my time working on my English language skills. K. As soon as I could I started to read English books for the younger reader, e.g. books written by Enid Blyton in a somewhat simplified language. The words which could not be expected to be known were explained at the bottom of each page. Reading has always been one of my favourite hobbies, it was the most appropriate way to flee from reality and enter another world in which I could give way to my own imagination. B. I was about fifteen, and I began reading an English book called At Risk in my normal, careful foreign language way of reading: looking up words, reading very slowly, minding each word, translating to myself many sentences. But it was such an exciting story, and so sad and dramatic, that suddenly I couldn’t stop reading, and only when I had finished the whole book, I remembered it had been in English. A real, normal English book. It took me literally about five minutes to get over the shock of seeing I had read the 200 pages in English without ever noticing, but then I hastened to the library to see if it would work again. It did. Nur der hat sich emanzipiert, der selbständig liest und sich auch außerhalb des Unterrichts vor fremdsprachlicher Lektüre nicht scheut. Unabdingbare Voraussetzung: Eine große Anzahl von Lektüren und Texten stehen zur Verfügung. Das Kind kann herumschmökern, Seiten überspringen, nicht zu Ende lesen - genau wie wir es alle machen. Beim selbständigen Lesen wollen wir den individuellen Interessen der Schüler so weit wie nur möglich entgegenkommen. Es ist immer leicht, an schon ausgeprägte Interessen anzuknüpfen, und je ausgefallener und spezialisierter, umso besser. Wo sie vorhanden sind, müssen sie genau getroffen werden. Wer zu Hause ein Herbarium betreut, darf nicht mit einem Sachbüchlein über Aquarien abge- 234 Richtig anfangen: Input maximieren speist werden. Dann werden sie nicht ausbleiben, die Momente der Übereinstimmung zwischen Kind und Buch. Die Motivation, die aus der Tatsache rührt, dass der Schüler seine persönliche Wahl trifft, darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Deshalb beginnen wir mit der Privatlektüre im Unterricht, wo der Lehrer zur Stelle ist, um auszuhelfen. Das kenntnisnehmende Lesen ist schon eine gehörige Leistung. Andere Aufgaben brauchen der Privatlektüre nicht aufgepfropft werden. Lesekontrollen müssen daher so behutsam wie möglich durchgeführt werden. Lektüreberichte vor der Klasse nur für die, die Interesse bekunden. Viel trainiert werden muss die richtige und effektive Benutzung des zweisprachigen Wörterbuchs, zunächst im Frontalunterricht, dann in Gruppen- und Einzelarbeit. Schüler können auch füreinander zweisprachige Vokabellisten aufstellen, denkbar auch als Spezialaufgabe für Schüler höherer Klassen. Sprachlich zu schwierige Texte wirken sich lähmend aus. Entsprechende Passagen können durch Übersetzungen überbrückt werden. So geht’s auch: I bought an electronic translator, the best thing at that time, which reduced the time for looking up a word to a few seconds. This little gadget was the major reason that kept me going. K. Die bilinguale Praxis, mit der man wohl am besten zum selbständigen Lesen hinführen kann, haben wir in Kapitel 10 zusammengefasst. Wer seine Schüler zum Lesen verlockt hat, macht Masse, mit sprachlich stets einwandfreien, oft auch qualitativ hochstehenden Texten, und darauf kommt’s an. 1 Ich verweise auf Günthers Kritik des offenen Unterrichts (1996). Vgl. auch Helmke (2003, 66f.) über “Gefährdungen und Schieflagen der neuen Lernkultur.” - Die Sprachrezeption betont u.a. O’Neill (1998, 370): “But I don’t believe at all that a ‘good lesson’ is one in which students do all or even most of the talking.” 2 Dazu die Videos von R. Martin (Martin/ Koch 2000), von dem man viel lernen kann. Mehr zum Geschichtenerzählen bei Schmid-Schönbein 2001, 105ff. Sprachen lernt man, indem man von endlichen Mitteln unendlichen Gebrauch macht. 9 Richtig üben: das generative Prinzip Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie. (Kurt Lewin) Vorbemerkung Erst das zweifache Verstehen von Funktion und Form, so hieß es, befähigt uns, “von endlichen Mitteln unendlichen Gebrauch zu machen”: das generative Prinzip. In der Praxis läuft dies auf Strukturübungen hinaus. 1 Aber welche und wie? Dazu der Chicagoer Schulrat Frank M. Grittner (1969, 203): Of all the elements which constitute the new American Method, the pattern drill appears to be most widely misunderstood. In the hands of a knowledgeable teacher, such drills are capable of producing an exhilarating classroom atmosphere with students sitting on the edge of their chairs listening intently for their cues and responding instantly when called upon. However, when used by a teacher who is not aware of the function and purpose of this type of drill, the results can be as stultifying as the choral chanting of verb conjugations and noun declensions. Visits to hundreds of foreign language classrooms and discussions with colleagues in other states have convinced the author that only a small percentage of language teachers are fully aware of the uses and limitations of pattern practice. Offensichtlich gibt es Probleme bei der Umsetzung des Prinzips mit Hilfe von Strukturübungen. Wir zeigen, wie das generative und kommunikative Prinzip in einer Übungsform miteinander verschmolzen werden können. Es ist ein Kardinalfehler der kommunikativen Didaktik, das generative Prinzip und damit das Geheimnis der Satzerzeugung aus den Augen verloren zu haben. Lob der Grammatik Natürliche Sprachen schwanken zwischen Analogie und Anomalie, Regel und Ausnahme. Das Unregelmäßige an der Sprache muss Stück für Stück aufgenommen und eingeprägt werden. Das gilt für alle Wortstämme. Woher will ich wissen, dass Brot Brot heißt oder bread, panis, pain? Da hilft nichts: Jemand muss es mir sagen, und ich muss es mir merken. Und so ist 238 Richtig üben: das generative Prinzip es auch mit all den berühmt-berüchtigten “Ausnahmen” der Grammatik, z.B. den unregelmäßigen Verben. Die Anfänge der Sprache beim Kind wie beim Menschen überhaupt kann man sich nur grammatiklos vorstellen. Die Sprache legt davon heute noch Zeugnis ab. Gerade die häufigsten Wörter, die uns überall zur Hand gehen und wohl auch zu den ältesten zählen, sind nicht analogisch durchgebildet. So etwa die Reihe der Personalpronomina. Das Esperanto führt uns vor, wie man die Personalpronomina systematisiert: mi - min ich - mich vi - vin du - dich li - lin er - ihn si - sin sie - sie gi - gin es - es ni - nin wir - uns vi - vin ihr - euch ili - ilin sie - sie Die Regelmäßigkeiten sind unsere große Chance, vom bloßen Auswendiglernen wegzukommen - auch wenn sie selten hundertprozentig sind, eher Strukturierungstendenzen, die sich auch kreuzen und überlagern können. Denn im Verlauf der Geschichte drohen stets einige Strukturbereiche zu zerfallen, während andere ausgebaut werden. Wo es aber solche Strukturierungen gibt, brauchen wir nicht endlos viele Sprachstücke lernen, sondern Bildungsprinzipien. Überall wo das Gedächtnis stumm bleibt - im Default-Fall, wie es auch heißt -, springt die Regel ein. Wenn uns das Gedächtnis nicht die Form “besser” anböte, würden wir “güter” sagen, und Kinder tun das auch. Da wird ein Wort aus dem Englischen importiert: fit. Braucht uns einer zu sagen, dass man problemlos “fitter” bilden kann? Also werben wir für die Grammatik: “Überlegt mal, wir müssten für jede Steigerungsform ein neues Wort haben. Grammatik macht das Lernen leicht! ” Machen wir es ihnen von der Muttersprache her klar und nehmen ein Kunstwort wie Schruck: “Wie viele weitere Wörter fallen uns gleichsam in den Schoß! Viele Schrucks, ein Schrückchen, schruckig, schruckiger, der schruckigste, schrucken, schruckte, geschruckt …” Alltäglich, und doch wunderbar! Bildungsprinzipien erschließen nicht nur das, was die anderen schon sagen. Wir können auch formulieren, was bisher noch niemand gesagt hat. Das eben macht uns zu Sprachschöpfern und offenbart uns die Herrlichkeit der Grammatik als eigentliches Schwungrad des Denkens: Sprache als Inbegriff der Freiheit, Flexibilität und Unausschöpfbarkeit. Es ist schon paradox, dass die Grammatik, die Sprachen überhaupt erst lernbar macht, in der Schule dermaßen verschrieen ist. Das generative Prinzip ist somit auch eine Art Mitlernprinzip. Wir lernen ein paar Steigerungsformen und haben dann unzählige andere gleich mitgelernt. Das generative Prinzip beim natürlichen Spracherwerb 239 Die Aneignung der grammatischen Formenwelt ist somit immer ein Gemisch von Nachahmen und Einprägen auf der einen, von Probieren und Ausreizen von Analogien auf der anderen Seite. Beim deutschen Plural ist der Anteil des Einprägens verhältnismäßig groß. Ausländer tun gut daran, sich bei vielen Hauptwörtern nicht nur das grammatische Geschlecht, sondern auch noch die Pluralform mitzumerken. Das gilt aber nicht etwa für die Verkleinerungsform: die Heidi - das Heidichen der Norbert - das Norbertchen Eva hat schon im Alter von 3 Jahren, acht Monaten das Bildungsprinzip erfasst: Blumen sind ne Art Blümchen und Tasse is ne Art Tässchen und … Nadel is ne Art Nädelchen und Gras is ne Art Gräschen und Knopf is ne Art Knöpfchen.” … Es waren auch Bildungen ganz ungewöhnlicher Art darunter wie Vorhang - Vorhängchen, die sie nie gehört hat. (Stern & Stern 1910-1918) Das Kind lernt grammatisch richtig sprechen und verhält sich demnach regelgemäß, aber nicht, indem es sich nach bewusst erfassten Regeln richtet, wie sie im Grammatikbuch auf den Begriff gebracht sind. Denn die sind gerade der Schrecken der Schüler! Das generative Prinzip beim natürlichen Spracherwerb Auch meine Tochter Gisa experimentierte mit Endungen. Kurz vor ihrem zweiten Geburtstag gefiel es ihr, an alle möglichen Hauptwörter die Verkleinerungsform -lein anzuhängen: Mamalein Papalein Wauwaulein Teelein Eine Probierlust ist spürbar, die sich nicht auf Endungen beschränkt. Von der Wortbildung führt ein direkter Weg zur Satzbildung. Hans sagt beim Aufstehen: guguck Papa, guguck Olla, guguck Mama was heißen soll: Ich sehe dich, Papa, ich sehe dich, Olga, ich sehe dich, Mama. Wenn er aber dann, quasi sich selbst anredend, “Guguck Ann (= 240 Richtig üben: das generative Prinzip Hans)” fortfährt, ist klar, dass er hier nicht mit jemandem sinnvoll kommuniziert, sondern ein Satzmuster durchspielt (Lindner 1898, 47). “Sound play and substitution ‘drills’ are common among young children,” resümieren Clark & Clark (1977). Eine syntaktische Keimzelle entsteht. Eine Wortverbindung, ein Satz, wird zum Muster für viele weitere Sätze. Kinder, diese genialen Wieder- Erfinder der Grammatik, entdecken die Mechanismen, mit denen sie neue Wörter und Sätze bilden und neue Situationen meistern können. Um schließlich bei der Grammatik der Erwachsenen zu landen, bedarf es der nachträglichen Bestätigung oder Korrektur durch die Erfahrung. Das Neue muss probiert werden; der Analogieschluss muss sich noch bewähren. Ein Dreischritt ist erkennbar: 1) Erkennen eines Bauprinzips; 2) Ausprobieren, stets verbunden mit einer Anwendung im Übermaß; 3) Rücknahme der falschen Übergeneralisierungen. Englischsprachige Kinder z.B. überdehnen die Kausativregel, die ja ohnehin im Englischen viel weiter anwendbar ist als im Deutschen (Das Eis bricht - ich breche das Eis; die Butter schmilzt - ich schmelze die Butter; aber nicht: Die Lampe wackelt - ich wackle die Lampe). Die Kinder müssen also Verwendungsweisen wie die folgenden, die nicht bestätigt werden, wieder verlernen: Go me to the bathroom before you go to bed. The tiger will come and eat David and then he will be died. Don’t giggle me. (Pinker 1994, 318) Sie arbeiten also keineswegs nur mit einem wachsenden Repertoire fertiger Phrasen, die man sich separat einzuprägen hat, so wie das Touristen mit einem Sprachführer tun, der für Standardsituationen (“An der Tankstelle”; “In der Apotheke”) Standardsätze auflistet. Das Kind schafft sich Sprache, anstatt bloß dem Gedächtnis zu vertrauen, und bildet sie “nach dunkel empfundenen Analogien” fort, und nach eben diesen baut man sich auch, immer zugleich selbsttätig, nie bloß empfangend, in eine fremde erlernte Sprache hinein. (Humboldt 1908ff. V, 108) Denn sie (die Sprache) steht ganz eigentlich einem unendlichen und wahrhaft gränzenlosen Gebiete, dem Inbegriff alles Denkbaren gegenüber. Sie muss daher von endlichen Mitteln einen unendlichen Gebrauch machen, und vermag dies durch die Identität der Gedanken- und Spracheerzeugenden Kraft. (Humboldt 1963, 477) Dass das Analogiespiel Gedanken und Sprache zugleich erzeugt, also auch ein Spiel mit Ideen ist, geht sehr schön aus einem Beispiel hervor, das ich bei dem schottischen Psychiater Laing (1982, 35) gefunden habe: Der lange Weg zum effektiven Üben 241 (Natasha is playing with Natasha; to herself, fast): (pointing to her nose) this is my foot (pointing to her eyes) this is my nose (pointing to her foot) this is my eyes (pointing to her mouth) this is my neck (pointing to her bottom) this my head (pointing to her ankle) this is my wrist. (pause, faster) my face is my tummy my tummy’s my eyes cross your hands cross your legs cross your eyes cross your nose (gurgles of amusement). Das Kind probiert nicht nur Sätze, sondern Ideen durch, hier etwa das Kontrafaktische, das Auseinanderfallen von Sprache und Wirklichkeit. Unsinn ist hier eine Form von Sinn. Der lange Weg zum effektiven Üben Satzvariationen als selbständige Übungsform können aus Gesprächsübungen entstanden sein. Ein sehr frühes Beispiel bieten die “altdeutschen Gespräche”, ein Text wohl aus dem 10. Jahrhundert, eines der ältesten Denkmäler der deutschen Sprache. Er wird allgemein als ein Reisekonversationsbüchlein angesehen, geschrieben für einen Romanen, der in Deutschland reist, und versehen mit deutsch-lateinischen Wortlisten und Redeszenen. In dem Gespräch, aus dem wir zitieren, lässt ein Herr frühmorgens seinen Knecht rufen und heißt ihn das Ross satteln. Der Knecht macht Einwände, meint, der Herr möge noch im Bett bleiben, aber der beharrt und meint, es sei Zeit zu reisen: Cit ist. tempus est Gip mir min ros. da mihi meum equum Gip mir minan scilt. scutum Gip mir min sper. Gip mir min swert. spata Gip mir mine hantscuoha. quantos Gip mir minan stap. fustum Gip mir min mezzer. cultellum Gip mir kerza. candela (W. Grimm, Bd. 3, 497) Bis eine Übungsform wirklich ausgereift ist, hat sie meist noch einige Kinderkrankheiten zu überstehen. Als Vorstufen moderner Strukturübungen mögen das Konjugieren in Sätzen und das Deklinieren von Wortgruppen 242 Richtig üben: das generative Prinzip gelten. Manchmal ist dem Paradigma ein Sätzchen vorangegeben, das die Verwendungssituation verdeutlicht. Am ausgeprägtesten ist dies Verfahren bei Lermite du Buisson (1684). Bei ihm sieht man ganz deutlich das Bestreben, die Paradigmen in Sätze einzugliedern, damit sie mehr Leben gewinnen: Qui dit cela? Wer sagt das? c’est moi. ich bins. c’est toi. c’est lui, usw. A qui est ce livre? Wessen ist das Buch? c’est le mién. es ist mein. c’est le tién usw. A qui êt cete plume? Wem ist … . (zit. bei Streuber 1914, 51) Wo es zunächst nur darauf ankam, die Personen durchzuspielen, werden später auch die “Zusätze” sorgfältiger ausgewählt. Hier werden Zeitbestimmungen mitgeübt: Je me leve à minuit. Tu te leves de jour. Il se leve dans la nuit. Nous nous levons quand il fait jour. Vous vous levés quand il fait encore obscur. Ils se levent au point du jour. (bei Streuber 1914, 55) Gelegentlich werden sehr lange Sätze zum Konjugieren verwendet, bei denen man zu viel auf einmal macht. Das Ergebnis kann nur ein relativ langsames Durchkonstruieren sein. So zitiert Streuber (1914, 128) einen Grammatiker, dessen Schüler sich mit dem Durchkonjugieren des folgenden Satzes abmühen müssen: Pour que j’aille avoir tout le chagrin dont tu me parles et que tu ailles avoir les honneurs auxquels tu aspires depuis si longtemps, il faut que ma famille aille avoir quelques discussions avec nos protecteurs. Man wundert sich allerdings, dass selbst Prendergast (s.u.), der eine so klare theoretische Begründung dieser Übungsform liefert, in der praktischen Durchführung gelegentlich genauso unpraktisch wird und ebenso mit einem Bandwurmsatz glänzt. Modern anmutend ist dagegen die kleine didaktische Kostbarkeit aus einem Sprachbüchlein Desiderii Erasmi (Colloquiorum liber, 1524): mea Corneliola (meine kleine Cornelia) mea vita (mein Leben) mea lux (mein Licht) meum delicium (mein Entzücken) Salve meum suavium (meine Süße) Der lange Weg zum effektiven Üben 243 Ave mel meum (mein Honig) Vale mea voluptas unica (meine einzige Lust) meum decus (meine Zier) meum corculum (mein Herzchen) mea spes (meine Hoffnung) meum solatium (mein Trost) (Erasmus 1524, 629) Das hat Witz und regt an, die Sache fortzuspinnen. Dass eine Strukturübung entsprechend offen anzulegen ist, spricht William Walker in seiner Lateinmethodik aus dem Jahre 1669 klar aus: The Practice, that I would recommend, should be upon his daily Lessons: the Master first, by a line drawn underneath, noting to him what words and phrases, are capable of such variation, as he hath Rules for, and then causing him to vary those words and phrases, according to his Rules, still informing and helping him in what he fails through want of memory or understanding. After he is a little experienced, he is to be put to find out of himself what words or phrases in his Lesson, are variable, and accordingly to vary them. This exercise with a competent understanding will in a short space produce a strange alteration to the better in all the Latines of the Scholar. This may be done on the Repetition-day; but the oftener the better. Experto crede. (Walker 1669, 179) Die Schüler waren also gehalten, mit eigenen Sätzchen weiterzumachen. Schön dieses Plädoyer Experto crede: Nun glaubt mir doch, ich bin Fachmann und weiß Bescheid. Wahrscheinlich wurden die Übungen zunächst zweisprachig durchgeführt, um dann beim selbständigen Sätzebilden der Schüler einsprachig zu werden. Dazu ein Auszug aus Claudius Holybands “The French Littleton” (1576) und dem Lehrwerk der Madame La Roche (Leipzig 1727, 222): spitted upon my paper; craché sur mon papier; torne my book and my déchiré mon livre coate; et mon faye; blotted out my theme; effacé mon thème; John hath broken my girdle; Jan a rompu ma ceinture; marred my copie; gasté mon exemple; spoken English; parlé Anglois; trodden my hat under foulez mon chapeau the feet. sous les pieds. Quel tems fait-il? Was ists für Wetter? Fait-il beau tems? Ist es schön Wetter? Fait-il froid? Ist es kalt? Fait-il chaud? Ist es warm? Il fait beau (tems). Es ist schön (Wetter). 244 Richtig üben: das generative Prinzip Il fait froid. Es ist kalt. Il fait chaud. Es ist warm. Il ne fait pas froid. Es ist nicht kalt. usw. Gewiss eine auch heute noch akzeptable Übung, wenn sie zügig, Schlag auf Schlag absolviert wird. Dadurch werde man “in kurtzem eine Fertigkeit im Reden bekommen”, meint La Roche (zit. bei Streuber 1914, 56). Ebenso Sarganeck (1743, zit. bei Streuber 1914, 139): Das “mühsame Lernen der meisten Syntactischen Regeln” könne man sich dadurch ersparen und zugleich bald “zum fertigen Reden und schreiben expedit” werden. Lassen wir die Moderne: Die Zeiten des Strukturalismus, des pattern practice und des Sprachlabors sind ausreichend dokumentiert. Einen echten Stammbaum von Strukturübungen haben wir nicht rekonstruieren können, aus zwei Gründen: 1) Da manche Autoren Autodidakten sind, die nur wenig von ihren Vorgängern kennen (es gab noch keine Fernleihe), wiederholen sich die Kinderkrankheiten, die andere vor ihnen schon längst überwunden haben. Man baut auf den eigenen Erfindungsgeist. Manche mögen auch einfach ihre Vorgänger unterschlagen. 2 2) Zur genaueren geschichtlichen Aufarbeitung ist ein intensiveres Studium des lateinischen Unterrichts nötig, als es mir möglich war. Vergessen wir nicht, wie lange Latein als lebende Sprache gelehrt wurde. Fazit: In unserem Überblick haben wir Satzdeklinieren, Satzkonjugieren und andere Satzvariationen zusammengefasst. Ziel ist überall das Durchspielen formaler Möglichkeiten, das Erkennen der grammatischen Dihairesis, der erschöpfenden Durchgliederung eines Bedeutungsfeldes (z.B. drei “Personen”, nicht mehr, nicht weniger). 3 Analogiebildung und die unendliche Satzvermehrung Sprache lernen heißt also, ihre Regelungen erfassen, in vielen verschiedenen Sätzen die Wiederkehr der gleichen Struktur erkennen, um so “von endlichen Mitteln unendlichen Gebrauch” zu machen. Auf diesen Multiplikationseffekt weist schon deutlich Nachersberg (1800, VI) hin, der Autor eines englischen “Formelbuchs” aus Breslau: Diese Phrasen sind uns nun ganz mechanisch geworden; wir dürfen uns nicht mehr die Mühe geben, sie nach Anleitung der grammatischen Regeln zusammenzusetzen, und zugleich sind sie für uns so viele Analoga, nach welchen wir, ohne Anstrengung und Zeitaufwand, eine beträchtliche Summe ähnlicher Sätze bilden können, ohne uns bey den Lehrsätzen der theoretischen Grammatik zu verweilen. Analogiebildung und die unendliche Satzvermehrung 245 Prendergast, ein englischer Methodiker des 19. Jahrhunderts, machte diese Idee zum Kern- und Angelpunkt seines Lehrsystems. Das entscheidende Kennzeichen der Sprache liege in dem Vermögen der Menschen, eine unbegrenzte Zahl von Sätzen mit einer begrenzten Zahl an Mitteln zu erzeugen: Sentences have within them a principle of vitality, an inherent power of expressing many different ideas by giving birth to new sentences. By transposing and exchanging the words and the clauses, they (= the learners, W.B.) utilize them all, and thus gradually, but unconsciously, amplify their power of speech. (Prendergast 1864, 19, 14) Ob er Humboldt kannte? Ebenso sprach der große dänische Sprachforscher Jespersen von “schaffender und erhaltender Analogiebildung” in Sprache und Spracherwerb. Wörter hätten das Vermögen, nach dem Bild alter Verbindungen neue zu stiften. Wenn man eine bestimmte Art der Wort- oder Satzbildung oft verwendet habe, werde diese Teil des geistigen Mechanismus dergestalt, dass man etwas Neues, sei es ein Wort oder einen Satz, unbewusst nach demselben Muster baue, analog zu dem, was man schon weiß. Er fährt fort: … just as the English boy who has often heard superlatives like hardest, cleanest, highest, etc., does not need any rule to be able to construct forms like purest, ugliest, dirtiest, of his own accord, and who, at the moment when he says them, would not be able even by means of the most scrupulous analysis to decide if he has heard the form before and is merely reproducing it, or if he himself is creating it without having previously heard it - and, if the latter is the case, if he is creating something which others also have created, or if it is the very first time that the word is used in the language - this is what takes place every minute wherever human languages are spoken. (Jespersen 1904, 116) Harold Palmer prägte den Begriff der ergons (vielleicht in Anlehnung an Humboldts energeia? ). Ein ergon im Sinne Palmers 4 ist ein Satz oder eine Wortgruppe, die für den Schüler eine Art syntaktische Keimzelle darstellt, aus der weitere gleichartige Sätze entstehen - genau die Aufgabe, die Nachersberg den “Analoga” zuwies. Die Aufgabe des Lernenden bestehe darin, sich diese ergons, die schon vertrauten Sprachstücke (“primary matter”), als die Datenbasis anzueignen, mittels deren eine unbegrenzte Zahl von Sätzen (“secondary matter”) erzeugt werden könne. Were the number of sentences in a given language limited to a few hundreds, or even a few thousands, a student might reasonably be expected to learn them off by heart, and by so doing become a master of the language. The number of sentences, however, being infinite, recourse must be had to the study of their mechanism in order that from a relatively limited number of lesser ergons an infinite number of sentences may be composed at will. (Palmer 1917, 22) 246 Richtig üben: das generative Prinzip Palmer nannte seinen Ansatz “mechanism-grammar”, später auch “patterngrammar” (Smith 1999, 111). Auch Zimmermann (1969, 96f.) hat das Erfahren der pattern-konstitutiven, der festen und der austauschbaren Bestandteile als eine entscheidende Voraussetzung für die Sprachbeherrschung beschrieben und begründete Strukturübungen wie folgt: Selbst ohne Einbegreifen einer Situation wird eine Automatisierung erreicht, die eine Grundvoraussetzung für das normale freie Sprechen ist. Jeder Lehrer weiß, welche Schwierigkeiten rein artikulatorischer Art beispielsweise der Satz ‘Je ne la lui ai pas donnée’ dem Lernenden bereitet und versteht, welche Wirkung das lautlich-rhythmisch-intonatorisch richtige, fließende und besonders das häufige Sprechen eines Übungspattern ‘Je ne la lui ai pas …’ o.ä. haben kann. Carroll definiert eine inductive language learning ability als the ability to infer linguistic forms, rules and patterns from new linguistic content itself with a minimum of supervision and guidance. Diese Fähigkeit ist Teil des kindlichen Sprachwunders, so dass gelegentlich auch vom “scandal of induction” die Rede war, den es aufzuklären gelte: Simply put: how are children able to develop a rule system not only for the finite number of sentences they’ve heard, but also for all the infinite sentences they may be called upon to make? In fact, children from early on respond to rules so arcane that adults rarely invoke them and, if they had to, could not explain them. (Rymer 1993, 35) Die Grundidee ist, dass ein Satz ein Modell für viele andere Sätze wird, in etwa die Idee einer Satzmaschine oder eines Satzgenerators, wie sie Swift in Gullivers Reisen karikiert. Grammatik - Fortsetzung des Lexikons mit anderen Mitteln “Alles an der Sprache ist Zeichen” (Bühler 1934), auch die Grammatik. Sie stellt keinen anderen Stoff dar als das Wörterbuch. Denn alles an der Sprache sind Form-Inhaltskomplexe, eben “Konstruktionen”. Sie sind die grundlegenden Einheiten der Sprache. Nicht nur Wörter, auch konventionalisierte Mehrwortausdrücke und syntaktische Strukturen sind sprachliche Formen mit ihnen zugeordneten Bedeutungen. “It is held that lexicon, morphology, and syntax form a continuum fully describable as assemblies of symbolic structures (form-meaning pairings) …” (Langacker 1998, 2). Oder: “The entire language is captured by an extended lexicon, or ‘construction’” (Goldberg 1998, 205). Uns gefällt dieser Ansatz, weil mit ihm Satzvariationen als Sinnvariationen 247 der kindliche Spracherwerb gut erklärt werden kann. “Was Kinder lernen, sind sprachliche Symbole, also Form-Funktionseinheiten, die sich lediglich in ihrer Komplexität und in dem Grad ihrer Abstraktheit voneinander unterscheiden” (Diessel 2006, 53). Grammatik, so gesehen, ist - phylogenetisch wie ontogenetisch - ein Spätprodukt des symbolfähigen Menschen, die Fortsetzung des Lexikons mit anderen Mitteln. Noch aus einem anderen Grunde ist uns diese Sichtweise enorm sympathisch. Strukturübungen sind als mechanisches Einschleifen formaler Regelungen missverstanden worden. Aber Bedeutungen sind auch die Triebkraft hinter der Grammatik. Typische Grammatikelemente wie Plural, Kasus oder Wortfolge haben Bedeutungen wie Wörter. Es sind Bedeutungen von eher allgemeiner, abstrakter Natur. Sie hängen nicht an den Wörtern selbst, sondern etwa daran, wie diese gruppiert sind, oder an kleinen Veränderungen der Wörter. Grammatische Konstruktionen sind also Form-Funktion-Zuordnungen wie die Wörter selbst. Bei einzelnen Wörtern allerdings genügt manchmal schon ein einziges klares Beispiel, das ein Kind in einem fruchtbaren Moment erfasst, um es dann spontan wiederzuverwenden (das sog. fast mapping, vgl. Butzkamm & Butzkamm 2004, 353). Bei der Grammatik ist das anders. Hier braucht es sehr viele Einzelbeispiele (tokens), um über verschiedene Verben hinweg zu generalisieren und das abstrakte Schema (type) hinter einer Konstruktion zu entdecken. Butzkamm & Butzkamm (2004, 195ff.) haben gezeigt, dass Autisten gerade an dieser Stelle Schwierigkeiten mit der Sprache haben. “Normale Kinder können spontan eine Fügung variieren: Von “Banane haben” gehen sie zu “Tomate haben”, “Tee haben” über, machen also den kleinen Sprung von Obst auf Getränke, dann auch “Buch haben”, schließlich auch “Glück haben” usw. D.h., sie erzeugen zur Situation passend neue Sätze nach einem bekannten Muster. Autisten müssen bei diesen kleinen Gedankensprüngen systematisch unterstützt werden.” Normale Kinder schaffen das von selbst, brauchen dazu aber viele Sprachkontakte. Genau an diesem Punkt müssen wir Fremdsprachenlernern auf die Sprünge helfen. Wir brauchen Strukturübungen, also zahlreiche verschiedene Auffüllungen von Konstruktionen, und wir gestalten sie als Sinnvariationen (vgl. “Mustererkennung” und entrenchment, Kap. 5). Satzvariationen als Sinnvariationen A language is only fulfilling its proper function when it is being thought with. (Harold Palmer & Vere Redman) Wo nur nach vorgegebenem Schema grammatische Muster abgeklappert werden, verliert der Schüler bald das Interesse. Auch das Kleinkind variiert zwar, äußerlich gesehen, Wörter, Wortverbindungen oder Sätze, wenn es 248 Richtig üben: das generative Prinzip beim Spiel oder vor dem Einschlafen selbstvergessen vor sich hin redet. 5 Schauen wir genauer hin, so spüren wir, dass dem Kind nicht die formalen-Variationen wichtig sind, sondern die dabei entstehenden Sinnvariationen. Das ist eine entscheidende (Wieder-)Entdeckung. Strukturübungen sind nicht optimal angelegt, wenn nach festem Muster vorgegebene Wörter ausgetauscht werden, die meist nichtssagende Sätzchen ergeben. Hier hat sich die Didaktik leider zu sehr von einem zeitweiligen linguistischen Mainstream beeinflussen lassen, den Givón (1979, 86) wie folgt kritisiert: The acquisition of “structure” was studied without the acquisition of “function” and in isolation from the communicative and interactive environment in which child language development takes place. Das Kind fragt sich anscheinend: Was kommt dabei heraus? Was für Sachen kann ich jetzt sagen? Und genauso offen sind Strukturübungen in der Schule zu gestalten: Was ist mit dieser neuen Struktur für die Schüler jetzt sagbar geworden? Wie kann ich die neue Struktur inhaltlich ausloten? Zum “unendlichen Gebrauch endlicher Mittel” gehört eben auch die Humboldt’sche “Identität der Gedanken- und Spracheerzeugenden Kraft”. Zwei Fünfjährige unterhalten sich. Chrystal (1998, 169) nennt es “morphological play”: A: Cause it’s fishy too. Cause it has fishes. B: And it’s snakey too cause it has snakes and it’s beary too because it has bears. A: And it’s … it’s hatty cause it has hats. Mit den Formen wird zugleich eine Vorstellung erzeugt, und die erst macht das Formenspiel interessant: So wie es Fische gibt und Fischartiges, gibt’s wohl auch Schlangen und Schlangenartiges usw. Entsprechend müssen Satzvariationen als Sinnvariationen empfunden werden. Stets haben wir die inhaltlich-kommunikativen Leistungen einer Struktur und ihrer unterschiedlichen Auffüllungen im Blick. Manche einfallslos dahindümpelnden Übungen, die zudem noch langsam, weil schriftlich, ausgeführt werden, verführen nachgerade dazu, sie ohne innere Teilnahme zu absolvieren, abzuhaken, runterzuschreiben. Manche Schüler lieben sie, weil sie so schön mit ihnen fertig werden, was ihnen das Gefühl gibt, etwas erledigt zu haben. Aber sie geben keine Sicherheit, spiegeln sie nur vor. Denn die Sicherheit zerfällt, sobald man nun die geübten Redemittel frei gebrauchen soll. The children were once again glued to the book. They had to read the sentences, fill in the gaps immediately and as fast as possible. It was as if they weren’t getting the content at all, they were just focussing on the grammar. (They had to fill in the present perfect form.) So every sentence Praxis: bilinguale halbkommunikative Strukturübungen 249 sounded the same, no matter whether it was a question or a statement. All the time was spent reading sentence after sentence, working through the exercise as the book proposed. A. Verräterisch: die von Alexandra bemerkte fehlende Intonation. Die angebotenen Übungen sind geistlos, und so werden sie auch absolviert: I did quite well doing all the grammar exercises according to the model. It was not always necessary to understand the language in order to understand the grammar or even to answer the questions. I think my laziness was due to the exclusive medium-orientation. I never felt the need of understanding something correctly or of expressing myself correctly. K. In der folgenden Lehrtechnik wird zwar eine Fügung analog zu anderen Fällen erkannt und durchprobiert, zugleich wird aber ihr semantischer Anwendungsradius erfasst und ihr kommunikatives Potential ausgelotet. Praxis: bilinguale halbkommunikative Strukturübungen Übungsverlauf und kommunikative Dynamik Es gilt, vier Aspekte zu vereinigen: 1) das doppelte Verstehen der Konstruktion 2) Satzvariationen als Geläufigkeitsübung 3) Satzvariationen als Sinnvariationen, als Abschreiten des inhaltlichkommunikativen Radius der Struktur 4) Einfügen der neugelernten Struktur in das sprachliche Gesamtrepertoire Muttersprachliche Vorgaben sind der psychologische richtige Weg, denn der geht vom Inhalt zum Ausdruck, d.h. der Schüler löst ein Formulierungsproblem wie bei der normalen Sprachverwendung. Er darf sich jedoch nicht an den deutschen Wortlaut klammern, sondern muss davon abstrahieren können. Er muss die muttersprachliche Vorgabe bis ins Gedankliche hinein verarbeiten, ins Mentalesische, um mit Pinker (1997) zu sprechen. Diese “Entsprachlichung” findet auch beim Dolmetschen statt (Butzkamm 1989/ 2002, 46ff.). Gewöhnlich speichern wir ja auch nicht den Wortlaut, sondern die Bedeutungen, gewissermaßen die Essenz des Gesagten. Idealerweise löst das Gemeinte hinter der muttersprachlichen Vorgabe (dem manifesten Reiz) die fremdsprachige Reaktion aus: The real cue for the correct verbalization of the response in one language is not the spoken sentence in the other language, but the concept which is common to both languages. (Dodson 1967, 97) 250 Richtig üben: das generative Prinzip Sentences disappear into what they are trying to say, into meaning. (Jaynes 1979, 27) Allerdings müssen wir die Übungssätze auch sinnstiftend vorsprechen, d.h. stimmliche, mimische und gestische Mittel nutzen, als ob wir ein Gespräch führten. Alle Satzvariationen werden dann sofort als Sinnvariationen aufgefasst. Übungstheoretisch ist zudem die Verbindung von Strukturverständnis und dem Geläufigmachen wichtig. Das Üben bei klarer Bewusstheit von dem, was ich da tue und warum man es so sagt, ist ein typisches Merkmal erfolgreichen Fertigkeitstrainings. “In learning a skill it is often the case that conscious attention to its critical features and understanding of them will facilitate learning” (Carroll 1966, 105). Weiterhin sind übungstheoretisch eine niedrige Fehlerrate sowie unmittelbare Rückmeldungen über den Erfolg des Tuns von Bedeutung. Die angestrebte Automatisierung bedeutet nicht einfach schnelles Abspulen. Ein qualitativer Sprung, ein Umbau in der neuronalen Organisation findet statt. 6 Wenn Schüler über einiges Stehvermögen verfügen, kann man die Übung wie folgt aufbauen: Praxis: bilinguale halbkommunikative Strukturübungen 251 1) Ausgangssatz an die Tafel schreiben oder im Text unterstreichen. 2) Wenn nötig, muttersprachliche Spiegelung und Bewusstmachung der Struktur (Do you want us to write it down? - Sollen wir das aufschreiben? Gespiegelt: *Wollen Sie uns zu schreiben es auf? ). Eine kurze Spanne gesammelter Sprachaufmerksamkeit ist angebracht, “so that resources are freed for paying attention to structure, before they have been so well learned as to be automatized” (Peters 1983, 111). Neuerdings spricht man gern von “noticing” und “consciousness raising”. 3) Muttersprachliche Satzvorgaben als Initialzündung. Anfangs leichte “nichtssagende” Sätze im schnellen Wechsel, damit die Übung Tempo bekommt. Deshalb anfangs auch nicht zu viel von einem Satz zum andern verändern. Wenn Schüler zu sehr zögern, einfach den englischen Satz vorsagen und nachsprechen lassen. Auf diese Weise Anlaufschwierigkeiten überwinden. 4) Danach ein paar “vielsagende”, d.h. inhaltlich anregende Sätze vorgeben. 5) Schriftlich: Eine Minute Bedenkzeit zum Notieren eigener Ideen: Paddle your own canoe! Wichtige Ausruhphase für den Lehrer, der aber nicht untätig ist: Er geht durch die Reihen, korrigiert hier und da, beantwortet Fragen nach neuen Vokabeln. Die Schüler dürfen aber auch Wörterbücher benutzen, damit sie eigene, neue Ideen einbringen können. Von nun an haben sie etwas zu sagen, nicht der Lehrer. 6) Lehrer ruft Schüler auf, die jetzt ihre eigenen Sätze zum Besten geben. Hier wird es immer wieder Gelegenheit zu kommunikativen Zwischenspielen geben, weil die Schüler in ihren Sätzen oft persönliche Aussagen machen: ein Sprachspiel, das unversehens in die Wirklichkeit hinübergleitet. Solche Sätze sind dann der Haken, an den man Gespräche hängen kann. Am besten, der Lehrer nimmt erst einmal 4-bis 7 Sätze entgegen und fragt dann nach: “What was the most interesting sentence … Okay, can you repeat that sentence? Any questions, comments from the class? ” 7) Schüler schreiben Minitexte, in denen die Struktur einmal vorkommen muss. “Einmal” genügt, sonst entsteht eine unnatürliche Häufung von Strukturen, der inhaltliche Zusammenhang leidet. Wieder ein Moment der Ruhe für den Lehrer und ein Prüfstein dafür, ob er richtig geübt hat und seine Schüler es nun wirklich können. Zugleich auch eine Gelegenheit, einzelnen Schülern direkt zu helfen - ein wichtiger Faktor im Konzert leistungsförderlicher Unterrichtsmerkmale (Weinert/ Helmke 1997, 249). Das ganze Procedere kann man natürlich, je nach Übungsstoff, um die schriftlichen Phasen verkürzen. Idealerweise gibt der Lehrer nur wenige Anstöße, bis die Schüler übernehmen. “This is the key: continually trying to construct new sentences with anything one is trying to learn” (Rivers 1979). 252 Richtig üben: das generative Prinzip Hier zwei Texte aus dem Gymnasium. Im ersten schafft es die Schülerin, gleich drei gerunds - das war das Übungsziel - unterzubringen: Playing the flute is my hobby. I play almost every day for half an hour. On Monday I go to the VUV the club were we practise 2 hours. When we all there we are 57 people. On Thursday I have one lesson for myself, with my new Flute teacher. Practising with her is not very funny. Playing in the parade is more better. I like riding Samira. Samira is Claudia’s horse. Claudia hasn’t got enough time for her, so she asked me: “Would you mind riding Samira? ” And I did it. I like going to the Lipizzianer every day, but she is very strong and so my arms often ache. Die Übungsdynamik folgt einem Rat Stevicks (1976): “Teach, then test; then get out of the way.” Der Lehrer erklärt, gibt vor, bietet dar; er entnimmt den Reaktionen, ob seine Vorgaben angekommen sind; dann räumt er das Feld, macht den Schülern Platz. Ich muss zwar ab und zu neue Satzideen eingeben, aber oft ist die Übung ein Selbstläufer. O. Semi-communicative drills don’t stick to a textbook world. Pupils have the opportunity to say things that affect them. M. Beispiele für die Grundschule In der Grundschule knüpfen wir an die Dialogarbeit an, besonders an den Schritt “same or different“, und wählen ein produktives Satzmuster aus. Das Doppelverstehen ist damit garantiert, und wir kommen ohne Tafelstütze aus. Wir beginnen mit dem Dialogsatz und variieren ihn ein paarmal, lassen aber noch einige sinnfällige Möglichkeiten für die Schüler übrig. Dieses Mädchen macht mich This girl is driving me crazy. noch verrückt. Mein Hund macht mich noch My dog is driving me crazy. verrückt. Meine Mutter macht mich noch My mother is driving me crazy. verrückt. Meine kleine Schwester macht My little sister is driving me crazy. mich verrückt. Unser Lehrer macht mich noch Our teacher is driving me crazy. verrückt. Unser Englischlehrer macht Our English teacher is driving us uns verrückt. crazy. And now over to you. Praxis: bilinguale halbkommunikative Strukturübungen 253 Das neue us gibt der Lehrer vor und schreibt es an. Es ist also durchaus richtig, bei diesen Übungen auch neue Wörter einzuführen, wenn sie gut zur Struktur passen. Danach gibt man die Übung an die Schüler ab: Sie sollen jetzt selbst Sätze bilden, dürfen aber auch noch mal Sätze sagen, die der Lehrer gerade erst vorgegeben hat. Die Übung wird also einsprachig. Garantiert kommen sie jetzt mit Sätzen wie “This boy/ my father is driving me crazy”, Möglichkeiten, die der Lehrer bewusst ausgespart hat. Die Arbeit an einer Konstruktion dauert jeweils nur 2-3 Minuten! Zur weiteren Illustration zwei neue Dialoge und eine dazugehörige Übung: The model teacher Teacher: Can you read this, please? Oscar: No, I can’t. Teacher: Why not? It’s easy. Oscar: Sorry, I find it difficult. Teacher: What’s so difficult about it? Oscar: I can’t read your lousy handwriting. Teacher: My what? Durch die deutsch-englische Kontrastierung prägen sich die Unterschiede in der Wortstellung ein: Kannst du das bitte mal lesen? Can you read this, please? Könnt ihr das mal lesen? Can you read this? Kannst du das schreiben? Can you write this? Kannst du diesen Satz/ Can you write this sentence/ dieses Wort schreiben? this word? Kannst du das auf Englisch sagen? Can you say this in English? Say: in English! Kannst du es noch mal sagen? Can you say it again? Können wir das jetzt singen? Can we sing it now? And now over to you. 254 Richtig üben: das generative Prinzip Grundsätzlich: Wenn wir bei den Satzvariationen vermuten, die Schüler würden es eher falsch machen, sagen wir entweder den Satz selbst vor oder wir spiegeln ihn zusätzlich in der Muttersprache: *Können wir singen das jetzt? oder wir verzichten ganz auf den Satz. Head boy/ head girl Tim: Head boy, me? I can’t do that. Pam: Why not? I’ll support you. We’ll vote for you. Tim: But think of the work. Think of the responsibility. Pam: Think of the power! Tim: Okay, I’ll do it! Bewusstmachung: “Wir sagen einfach: Ich mach’s. Oder: Ich helf dir. Ich helf dir schon. Es ist ja klar, dass das erst in der Zukunft geschieht, gleich oder etwa später. Das aber muss im Englischen deutlich ausgedrückt werden. Dort heißt es also: Ich werde es tun. I will do it. Oder kürzer: I’ll do it. Ich werde dir helfen. Wir sparen uns das “werden” meistens.” Danach üben wir: Okay, ich mach’s! Okay, I’ll do it. Ich mach’s später. I’ll do it later. Die macht das (schon). She’ll do it. Er macht das (schon). He’ll do it. Okay, ich helf dir. Okay, I’ll support/ help you. Okay, wir machen’s. Okay, we’ll do it. Wir helfen dir schon. We’ll help you. Wir stimmen für dich/ wählen dich. We’ll vote for you. Okay, ich komm mit (dir). Okay, I’ll come with you. Praxis: bilinguale halbkommunikative Strukturübungen 255 Okay, die machen’s. Okay, they’ll do it. Die machen’s auch. They’ll do it, too. Die machen’s wieder. They’ll do it again. And now over to you! Pour toi, je ferais n’importe quoi! Lehrer müssen zunächst in ihren Lehrbuchtexten die übenswerten produktiven Patterns ausfindig machen. Sie bilden sozusagen den sprachlichen Brückenkopf, von dem aus wir uns ganze Ausdrucksbereiche erschließen. Variante: Ausgangspunkt könnte auch eine Bildpostkarte mit entsprechendem Text sein. Mit “Pour toi, je ferais n’importe quoi” haben wir die Pronomina toi, moi, lui … im Visier sowie das conditionnel. Wir klären Funktion und Form durch Übersetzen: “Für dich täte ich einfach alles”. Dann Verstehen der Fügungsweise durch Nachbilden in der Muttersprache: *“Für dich täte ich macht nichts, was.” *“Für dich täte ich unwichtig, was” (d.h. wir knüpfen das neue Verb “importe” an das bekannte Adjektiv “important” an). 1) Mit einfachen Sätzen anfangen: Für Peter täte ich einfach alles. Pour Pierre, je ferais n’importe quoi. Für Paul … Pour Paul, je ferais n’importe quoi. Für meinen Vater … Pour mon père, je ferais n’importe quoi. 256 Richtig üben: das generative Prinzip 2) Zweifach variieren: Für euch täte ich nichts. Pour vous, je ne ferais rien. Für dich täte ich alles. Pour toi, je ferais tout. Für sie (Jeanne) täte ich viel. Pour elle, je ferais beaucoup. 3) Dreifach und vierfach variieren; Internationalismen, aktualisieren, personalisieren; inhaltliche Anregungen: Für die Kommunisten täte ich Pour les communistes, je ne ferais nichts. rien. Weiter mit Internationalismen wie Kapitalisten, Demokraten, Hoteliers … Ohne Freunde täte ich nichts. Sans amis, je ne ferais rien. Mit ihr würde ich die ganze Welt Avec elle, je conquerrais le monde erobern … entier … Helden, Popstars, Mitschüler … 4) Eventuell zu Minisituationen erweitern: Für meinen Hund täte ich viel. Pour mon chien, je ferais beaucoup. Ich gäbe ihm zu trinken … Je lui donnerais à boire … Es böte sich auch noch die Frage-Transformation an: Was würde er für sie tun? usw. Aber man soll eine Sache nie zu lange ausspinnen. Nie zuviel des Guten! Auf keinen Fall darf der nächste Schritt fehlen: 5) Weitergeben an Schüler (eventuell nach einer kleinen Pause zum Notieren von Ideen). Die Lehrersätze sind immer nur der Prolog zur schülereigenen Produktivität. Wir wollen nur ihre erfinderische Lust wecken. Schüler tragen ihre Sätze vor, dabei Gelegenheit zu kommunikativen Zwischenspielen. 6) Falls Zeit vorhanden, schreiben die Schüler eine kleine Geschichte von ein paar Sätzen, in denen die Struktur einmal vorkommt, und tragen sie anschließend vor. Das Thema Pronomina lässt sich auch mit anderen Sprüchen erarbeiten: Après nous, le déluge. Après eux, le déluge. Après moi, rien ne va plus. L’Etat, c’est moi. Le roi, c’est moi. Le problème, c’est lui. Le problème, ce sont eux, les enfants. Effekthascherei ist erlaubt. Wir tanzen mit der Sprache, und sie tanzt mit uns. Die Sprache wird zum Tummelplatz von Ideen. Lehrer, seid realistisch, Praxis: bilinguale halbkommunikative Strukturübungen 257 fordert das Unmögliche! Spielt auch mit dem Skurrilen, Abseitigen, Barocken. Seid wortverliebt! On prend un taxi? Wir erkennen sofort, dass wir es mit einem überaus produktiven Muster zu tun haben, der Intonationsfrage, die hier eine Aufforderung oder einen vorsichtig geäußerten Vorschlag enthält: Nehmen wir ’n Taxi? On prend un taxi? Nehmen wir die U-Bahn? On prend le métro? Fahren wir mit dem Bus? On prend le bus? Nehmen wir den Aufzug? On prend l’ascenseur? Gehen wir rauf? On monte? Geh’n wir die Treppe rauf? On monte (par) l’escalier? Geh’n wir runter? On descend? In der nächsten Stunde greifen wir die Struktur erneut auf, wechseln aber die Situation. Die Schüler werden von selbst auf die Idee kommen, dass man im Deutschen statt “Trinken wir einen” genauso gut “Woll’n wir ein’ trinken” oder auch “Soll’n wir …” sagen darf. Also üben wir auch damit: Trinken wir was? On boit quelque chose? Trinken wir ’n Bier? On boit une bière? Woll’n wir ’n Eis essen? On prend une glace? Woll’n wir ’n Kaffee trinken? On prend un café? Woll’n wir das Menü essen? On prend le menu? Woll’n wir das Menü zu dreißig On prend le menu à Euro essen? trente euros? Wir beteiligen schwächere Schüler, indem wir zwischendurch nur leichte Veränderungen vornehmen. Wenn z.B. ein guter Schüler den Satz On prend le menu à trente euros produziert hat, haben andere jetzt eine gute Chance, wenn wir nur die Zahl austauschen: On prend le menu à vingt euros. Wichtig ist das Einüben der phraséologie scolaire, da sie so bald wie möglich im Sinne der funktionalen Fremdsprachigkeit für die Organisation des Unterrichts in der Fremdsprache verfügbar sein soll: Sollen wir in Gruppen arbeiten? On travaille en groupe? Sollen wir Partnerarbeit machen? On travaille deux par deux? Bilden wir Gruppen zu viert? On forme des groupes de quatre? Bilden wir mal einen Kreis? On forme un cercle? Wir wechseln die Situationen, um die kommunikative Reichweite einer Struktur anzuzeigen. Das muss wieder vom Lehrer ausgehen, die Schüler folgen mit weiteren Beispielen aus anderen Situationen. Sie werden aufge- 258 Richtig üben: das generative Prinzip fordert, in der Übung fortzufahren, indem sie selbst Sätze erfinden, direkt mündlich oder in einer ruhigeren schriftlichen Phase. Hier wird die Übung einsprachig. Der Lehrer schreibt inzwischen Antwortmöglichkeiten an die Tafel: - On écoute une chanson? + Pas maintenant, tu vois bien que je travaille. que je lis le journal. que je fais les exercices de maths. + D’accord. On l’écoute. + D’accord. J’aime bien écouter des disques. Anschließend können die Schüler in Partnerarbeit microconversations erfinden. Später greifen wir die Konstruktion noch einmal kurz auf und konzentrieren uns dann auf die verneinte Form. Auch hier brauchen wir eine Übersetzung, die den kommunikativen Gebrauchswert und die Tonlage der Äußerung erkennen lässt. Dadurch gelingt es dem Schüler, die Wendung in sein kommunikatives Gesamtrepertoire einzubinden: Ja, reisen wir denn nicht ab? On ne part pas? Ja, essen wir denn nicht? On ne mange pas? Ja, essen wir denn nicht im On ne mange pas au restaurant? Restaurant? Der Schüler darf sich nicht an der Oberfläche der muttersprachlichen Vorgabe orientieren, sondern soll vielmehr durch die Muttersprache gleichsam hindurchschauen auf den Sinn, den Sachverhalt oder die Situation. Das ist nichts Geheimnisvolles, sondern die oben genannte Entsprachlichung. Man nennt dies auch linguistische “Transparenz”, jenen “eigentümlichen Akt des Hindurchblickens durch Phoneme, Silben, Wörter und Sätze auf das vom Sprecher Gemeinte” (Hörmann 1976, 495). Der Auslöser für den fremdsprachigen Satz ist dieses “Gemeinte”, wobei die phonologisch-lexikalisch-syntaktischen Merkmale der muttersprachlichen Vorgabe nur subsidiär bewusst sind. Der Schüler kann interferenzfrei reagieren. Woran erkennen wir, ob das Üben erfolgreich war? Einen deutlichen Hinweis bekommt man an der Stelle, wo die Schüler die Übung selbständig zu Ende führen können. Aber es genügt natürlich nicht, dass die Übungen selbst fehlerlos und in flottem Tempo absolviert werden. Das Ziel kann als erreicht gelten, wenn Schüler die Struktur in einen eigenen Kontext einfügen können, wie in Schritt (7); besser noch, wenn Schüler bei sich bietender Gelegenheit von sich aus und ohne muttersprachliche Vermittlung Äußerungen tun wie: On efface le tableau? Sprachbezogene Strukturübungen sollen zur mitteilungsbezogenen Kommunikation hinleiten, diese aber nicht ersetzen. Praxis: bilinguale halbkommunikative Strukturübungen 259 Present progressive Gerade beim present progressive werden die Vorteile bilingualen Übens deutlich. Die natürlichen, idiomatischen Satzvorgaben und die stimmlichen Mittel, die der Lehrer dabei einsetzt, schärfen das Bewusstsein für die Funktion des present progressive. Alle Ausgangssätze sind Texten zu entnehmen und somit situativ verankert. Entsprechend weist der Lehrer anfangs darauf hin: Lehrer: Look here: “What are you doing? ” Could you please underline it? Could you give us a good German translation? Schüler: Was machst du denn da? L: Yes. Now let’s practise. I’ll give you German sentences, and you give me the English ones. Wir zeigen nur die auf mehrere Stunden zu verteilenden Variationen, nicht die Abfolge der 7 Schritte. L: Was machst du denn da? (etwas vorwurfsvoll, stirnrunzelnd oder einfach neugierig gesprochen) Was machst du denn da? What are you doing? Was schreibst du denn da? What are you writing? Was liest du denn da? What are you reading? Erweiterung: Was tust du denn da in meinem What are you doing in my room? Zimmer? Weiter mit: in the garden/ in the classroom/ in the bike shop/ on the floor/ under the table Now let’s imagine you’re preparing a meal in the kitchen. Was kochst du denn da? What are you cooking? Was schneidest du denn da? What are you cutting? Ich mache einen Salat (for tea). I’m making a salad (for tea). Ich mache eine Pizza (for you). Ich mache einen Hamburger. usw. (Zusätzliche Erklärung, zur Vermeidung von Interferenzen: Was machst/ tust/ treibst du denn da? = “What are you doing? ” Aber: Was machst du denn da? Im Sinne von: Was stellst du denn da her? = “What are you making? ”) 260 Richtig üben: das generative Prinzip Wo ist denn bloß die Betty? Sie macht sich ihre Fingernägel. She’s filing her nails. Sie repariert ihr Fahrrad/ She’s repairing her bike/ Sie lernt das Alphabet. She’s studying the alphabet. Hör mal, da singt einer. Emotionen: Schau mal (pass auf), da kommt der Lehrer. (aufgeregt) Look, the teacher’s coming. Aber ich seh’ doch gar nicht fern! (protestierend) But I’m not watching TV! Isst du etwa unter deinem Pult? (leichte Entrüstung oder leicht drohend) Are you eating under your desk? Liest du etwa unter deinem Pult? Are you reading under your desk? Jenny, bitte, ich versuche mich gerade zu konzentrieren. (flehend) Jenny, please, I’m trying to concentrate. Jenny, please, I’m doing my homework. Neugier weckend, stimulierend: Rat mal, wer da singt. Guess who’s singing. Rat mal, wer da spricht. Guess who’s talking. Rat mal, wer da Tennis spielt. Guess who’s playing tennis. Listen. Someone’s singing. Und weiter muttersprachlich vorgeben: Someone’s laughing. Someone’s crying. Someone’s speaking English. Someone’s whistling. Someone’s humming. Praxis: bilinguale halbkommunikative Strukturübungen 261 Methodische Varianten Sehr zu empfehlen: Nach einigen Lehrervorgaben eine Partnerübung einschalten. Das Arbeitsblatt enthält die gerade erst im Plenum geübten Sätze und ebenso viele neue. Die Partner sitzen Rücken an Rücken, und derjenige, der abgefragt wird, muss die Antworten wegfalten, bis er an der Reihe ist. Zögert einer zu lange, spricht der andere die Lösung vor und lässt sie nachsprechen. Nachfolgend ein Arbeitsblatt zur Einübung von “he, she, it, das ‘s’ muss mit” anhand von to know. A. B. Ich kenne dich. I know you. Er kennt dich auch. He knows you, too. Sie kennt dich auch. She knows you, too. Wir alle kennen dich. We all know you. Er kennt uns alle. He knows us all. Und er kennt sie (= das Mädchen). And he knows her. Sie kennt ihn. She knows him Und er kennt die Antwort. And he knows the answer. Er kennt sie (= die Antwort). He knows it. Niemand weiß die Antwort. Nobody knows the answer. Niemand weiß sie. Nobody knows it. Niemand weiß alles. Nobody knows everything. Ich weiß alles über dich. I know everything about you. Er weiß viel über Computer. He knows a lot about computers. Ich weiß, dass ich weiß. I know that I know. Er weiß, dass ich(’s) weiß. He knows that I know. Bei den deutschen Pronomina drohen anfangs Interferenzen, die wir antizipieren. Das muss man clever angehen. Man darf nur die Sprachfallen aufstellen, die die Schüler erkennen können, und sollte dazu kleine Hilfen geben. Eventuell noch auf Vorgaben wie “Er kennt sie” verzichten, um “he 262 Richtig üben: das generative Prinzip knows she” zu vermeiden (übrigens ein Fehler, der auch im einsprachigen Unterricht vorkommt). Oder aber nach der Vorgabe sofort vorflüstern: “He knows her” und somit nur nachsprechen lassen. Oder aber verdeutlichen: “Er kennt sie - die Eva/ die Antwort”. Es muss klar sein, woher der Fehler kommt, und entsprechend muss die Klärung ausfallen. Im letzten Satz einfach vorgeben: “Just say ‘I know’. Leave out it.” Selbst rein mechanisch auszuführende Drills sind als Partnerdrills willkommen, wenn wir sicher sind, dass die Schüler auch alles verstehen, was sie sagen. Altmodische Sprachlabordrills können anhand des Begleithefts mit einem Partner wie folgt durchgeführt werden: Partner A Partner B I haven’t phoned Tom yet. Then you’d better phone him now. I haven’t mowed the lawn yet. Then you’d better mow it now. Sie lesen die ersten beiden Beispiele still im Begleitheft. Sie einigen sich auf die Rollenverteilung. Sie lesen die ersten Beispiele mit verteilten Rollen laut. Ihr Partner legt den Text jetzt beiseite und reagiert frei, ohne Textstütze. Sie flüstern ihm notwendige Hilfen zu. Sie korrigieren mit Hilfe des Begleithefts die Reaktionen von Partner B; dieser wiederholt die Korrektur. Sie tauschen die Rollen (Kleinschroth 2000, 186f.). Nach etwa drei bis vier Minuten hat man rund zwanzig Sätze absolviert. In einem zweiten Durchgang kann man das Tempo steigern, in einem letzten Schritt legt man das Begleitheft beiseite und versucht ein paar Wiederholungen aus dem Kopf. Eine Übung, die müde Klassen munter macht! Wir setzen auf die Fülle voll verstandener, einleuchtender Sprachbeispiele. So träufeln die fremden Konstruktionen in die Schülerköpfe hinein, werden ganz inwendig, werden zur Gewohnheit: habit formation. All diese Übungsformen eignen sich sehr gut als Drill und wurden (dennoch) von den SuS motiviert angenommen. Die SuS haben sich mit dem Abfragen der Beispiele abgewechselt und so den Übungsvorgang weitestgehend eigenständig durchgeführt, so dass ich als Lehrer “nur” als “Korrektor” fungieren konnte. F., Lehrer am Berufskolleg Für wichtige Transformationen Handsignale (statt muttersprachlicher Vorgaben) verabreden: Er braucht Geld. He needs money. Handsignal Frage Does he need money? Handsignal Verneinung He doesn’t need money. Handsignal Vergangenheit He needed money. Handsignal Verneinung He didn’t need money. Praxis: bilinguale halbkommunikative Strukturübungen 263 Außerdem: Ein Handsignal, das “okay” anzeigt, oder ein bloßes Nicken! Und ein weiteres, das soviel heißt wie “Can you repeat that? ” “Again please! ” Ein wirklich guter Schülersatz sollte auch mal von anderen wiederholt werden: ein kurzer Wechsel hin zu einer eindeutigen medium-oriented response. Wenn sich die zu übende Struktur dazu eignet (etwa: I’ve never been …; I was once …), empfiehlt sich auch folgende Variante: Der Lehrer bittet die Schüler, nur wirklich auf sie zutreffende Sätze auf Zettel zu schreiben (Schritt 6). Er sammelt sie ein, schaut sie schnell durch und liest den einen oder anderen Satz vor. Die Klasse darf nun raten, von wem der Satz stammt. Meist schließen sich jedesmal kurze Gespräche ganz zwanglos an. Statt muttersprachlicher Steuerung lassen sich gelegentlich auch flashcards als cues verwenden. - Statt Schüler aufzurufen oder auf sie zu zeigen, kann man ihnen auch einen Ball zuwerfen. - Nicht zu vergessen: Zwei Mitschüler bereiten zu Hause eine eigene Übung vor und führen sie durch (LdL). Varianten für lernschwache Klassen 7 Nach dem ersten Schritt kann man bei Strukturverschiedenheit einen besonders vorsichtigen Einstieg in die Übung wählen: Wir geben ein paar muttersprachlich nachgebildete Sätze vor, bevor man zu idiomatischen Sätzen übergeht: *Tut Judy sprechen Deutsch? Does Judy speak German? *Tust du sprechen Französisch? Do you speak French? *Tut ihr sprechen Englisch? Do you speak English? *Was tut ‘science’ bedeuten? What does ‘science’ mean? *Was tut diese Zeile bedeuten? What does this line mean? *Was tut dieses Wort bedeuten? What does this word mean? Danach fragen wir die Klasse, ob wir schon Sätze im normalen Deutsch vorgeben dürfen. “Ich möchte dich zu machen deine Hausaufgaben” ist doch eine wunderbare Eselsbrücke, um die Konstruktion zu verinnerlichen, und den Lacher habe ich auch auf meiner Seite. H.Z., Gymnasiallehrer Man kann auch erst die einfachere Übersetzungsrichtung einschlagen und lässt die Schüler zunächst ins Deutsche übersetzen: The bike needs oiling. Dies Fahrrad muss (mal) geölt werden. The bike needs cleaning. Das Rad muss (mal) geputzt werden. The board needs cleaning. Die Tafel muss sauber gemacht werden. 264 Richtig üben: das generative Prinzip Das Prinzip des Verweilens: Bei der Übung “Rub out and replace” ist das Übungstempo langsamer, die Schüler haben mehr Zeit zum Überlegen und überdies eine Tafelstütze. An der Tafel steht der Satz: The teacher wants us to work with a partner. Nacheinander kommen Schüler nach vorn, wischen einen der unterstrichenen Satzteile aus, ersetzen ihn durch Wörter ihrer Wahl und lesen den neuen Satz vor. Clevere Klassen legen es auf funny sentences an: “Our teacher wants my mother to do our homework”. Nach einer Weile verkürzen wir den Prozess. Die Schüler kommen nicht mehr nach vorn, sondern sagen ihren Satz direkt aus dem Kopf. Am Ende überlegen wir: “What was the first (original) sentence? Do you remember? ” I liked doing the rub out and replace technique because we could stand up during a lesson. Moreover, with certain constructions we could bring in interesting ideas and personalise the activity. J. Bei lernschwachen Klassen darf man nicht von Satz zu Satz zu sehr springen, d.h. zu viele Veränderungen zugleich vornehmen, also nicht so: Wir ließen das Dach reparieren. We had the roof repaired. Ich glaube, ich werde den Zaun I think I’ll have the fence painted, auch noch streichen lassen. too. Stattdessen sollte man bei einem Satz länger verweilen, indem man zunächst nur verschiedene Personen durchspielt: Ich hab gewonnen! (Faust recken! ) I’ve won! Sie hat gewonnen! She’s won! Sie haben gewonnen! They’ve won! Durch solche minimalen Veränderungen kann man auch bei schwachen Schülern Tempo machen. Relativ leicht ist auch ein einfacher Austausch an markanter Stelle: Wir ließen das Dach reparieren. We had the roof repaired. Wir ließen die Tür reparieren. We had the door repaired. Wir ließen das Auto reparieren. We had the car repaired. Das gibt den Schülern die nötige Sicherheit am Anfang. Noch eine Möglichkeit des Verweilens: Was sagt unser Lehrbuch dazu/ What does our textbook say? Was steht denn in unserem Lehrbuch? Was sagt denn unser Lehrbuch über What does our textbook say Wales? about Wales? Praxis: bilinguale halbkommunikative Strukturübungen 265 Was sagt denn unser Lehrbuch über What does our textbook say London? about London? Was sagt denn unser Lehrbuch auf What does our textbook say Seite 5? on page 5? Isolierte Einzelsätze? Mit der bilingualen Steuerung und kontextlosen Einzelsätzen werden gleich zwei heilige Kühe geschlachtet. Darf man das überhaupt? Einzelsätze? Das weiß man doch heute besser! So wird’s im Brustton der Überzeugung vorgetragen: There are serious questions to be raised about the use of de-contextualised sentences for grammatical practice. If sentences are to function as utterances, part of extended discourse, then all practise materials which claim to attend to the meaning of sentences must use only sentences which occur with co-text. This statement dismisses the value for meaningful grammar practice of many, if not most, of the grammar exercises in textbooks and practice books which are currently available. (Lewis 1993, 135) Lewis (und viele mit ihm) bemüht sich nicht, einen Blick in die Praxis derjenigen zu tun, die pattern drills empfohlen und verwendet haben. 8 Vielleicht hätte er ja auch wie der Chicagoer Schulrat Grittner “guten” pattern drill gefunden, bei dem Schüler fleißig mittun und die angeübten Sätze in eigene Gespräche übertragen konnten. Stattdessen bietet er uns eine linguistische Binsenweisheit, die ebenso richtig wie falsch ist. Wir können uns nämlich jeden Einzelsatz als Äußerung denken, zu der uns auf Anhieb ein Kontext einfällt - man vergleiche die “Spontanreaktionen” (Kap. 3). Wir müssen allerdings auch unsere Stimulussätze mit entsprechender Intonation, Mimik und Gestik vorgeben. That was great! Guess where we stayed. You needn’t have said that. Das sind drei isolierte Einzelsätze, aber wir könnten uns sofort etwas dabei denken und jede Äußerung zu einer Minisituation erweitern, ohne uns groß zu besinnen. Deshalb operieren auch alle Wörterbücher mit Einzelsätzen, die wir meist mühelos in passende Kontexte einordnen können. Auch steckt die Grammatik meist schon im Satz, nicht erst im Text! Und so gelingt es immer wieder, die Schüler im Verlauf der Übung in Gespräche hineinzuziehen. Die Anfänge sind bescheiden. Am Ende der Übung sollte aber genau das passieren, was hier ein Schüler spontan versucht: 266 Richtig üben: das generative Prinzip One day, while reading parts of Martin Luther King’s “I have a dream”, one of the pupils said very loudly “I have a dream of a better school”. This student was probably only trying to be funny or possibly a little provocative. A few other girls started giggling and added more remarks like “keine Hausaufgaben” and “alle 4 Wochen wieder Ferien” and so it continued to the point where it disturbed the lesson a little bit. In my opinion, the teacher should have reacted spontaneously and got a discussion going about how they really dreamed their school should be. Unfortunately, Mrs. Y only said: “Be quiet! ” and went on with the text. W. Wir erwarten, dass die Schüler eine zu übende Struktur am Ende auch für eigene Redeabsichten einsetzen und ins Gespräch übernehmen. Sonst bleibt es bei einer reinen Geläufigkeitsübung, die kommunikativ ins Leere zielt. Es wird demnach immer darauf hinauslaufen, dass am Ende die Schüler ihre eigenen Gedanken haben, wie hier: Ich setze die Technik regelmäßig ein, zuletzt im 11-Grundkurs Französisch als neue Fremdsprache, wo in Minimalzeit Unmengen von Grammatik eingeführt werden müssen und solche Übungen da natürlich sehr auflockernd und wirksam sind. Der Hit war letzte Woche nach “Pizza besteht aus Tomaten und Käse” etc. der Satz “Jungs bestehen aus Energie und Hormonen”. E.A. (Gesamtschule) Gut verstandenes Wissen ist ein Wissen, das nicht ‘eingekapselt’ ist, nicht tot im Gedächtnis liegt, nicht ‘verlötet’ ist mit der Situation, in der es erworben wurde, sondern das lebendig, flexibel nutzbar, eben intelligent ist. (Weinert 2000) Dieses lernpsychologische Grundprinzip wird hier fremdsprachenmethodisch umgesetzt. So sollten auch alte und neue Lieder nicht als Zugabe betrachtet, sondern in die Spracharbeit einbezogen werden. Ein so vielseitig verwendbares Satzmuster wie what shall we do with … darf also nicht in dem Shanty “What shall we do with a drunken sailor? ” eingesargt bleiben! Ganz oft nutze ich reale Anlässe, um Strukturen daran zu ankern, so z.B. die Verletzung eines Schülers, die zur Folge hatte, dass er bis Weihnachten keinerlei Sport machen durfte: “X won’t be allowed to do any kind of sport until Christmas”. “Think of X” hieß dann die Parole, wenn es mit dem allowed nicht so recht klappen wollte, oder wenn any kind of kommen sollte. - Nach Weihnachten benutzten wir dann den Satz im past tense. H.K. (Realschule) Statt an eine Regel zu erinnern, werden also Sätze zitiert, gewissermaßen als Präzedenzfälle oder wie Referenzaufnahmen in der Musik. Sinnvariationen sind jeweils kleine Gedankensprünge. Wir kommen wieder auf unsere autistischen Kinder zurück, für die der Sprung von einer Bilinguale Wiederholungsgrammatik 267 Situation zur anderen keine sprachliche Selbstverständlichkeit ist. Wenn sie etwa gelernt haben zu sagen: “Ich möchte gerne etwas trinken” (statt nur auf ein Getränk zu zeigen und die Mutter irgendwie in die Nähe des Gewünschten zu zerren), sagen sie noch längst nicht: “Ich möchte gern etwas essen” oder gar “Ich möchte gern spazieren gehen”. Das muss noch angeübt und durchprobiert werden, bis schließlich der Groschen fällt und auch diese Kinder lernen, Sprache als produktive Potenz zu nutzen. Sollte diese Leistung ein eigenes neuronales Modul voraussetzen, das bei diesen Kindern beschädigt ist? Bilinguale Wiederholungsgrammatik Es handelt sich hier um Übungen, in denen ein neu eingeführtes Verb oder Verbgefüge in verschiedenen bekannten Zeitformen und Konstruktionen in Kurzsätzen durchgespielt wird. Wir verfolgen dabei zwei Ziele: Der neue verbale Ausdruck wird gefestigt, zugleich werden schon bekannte elementare Strukturen immer wieder kurz angeübt. Besonders an den vielen Stellen, wo sich das Deutsche gern störend einmischt. Denn die richtige Politik ist wieder einmal nicht, Deutsch ängstlich zu vermeiden, sondern das Deutsche, das sich ins Englische einschleichen will, kontrastierend wegzuüben. Wir packen den Stier gleichsam bei den Hörnern. Das geht nur durch ständige Wiederholung, so etwa wie tägliche fünf Minuten Kopfrechnen Rechenfertigkeit entwickeln. Durch Gewöhnung an den englischen Wortlaut - kontrastierend zum deutschen - werden schließlich Interferenzen vermieden. Am Anfang muss man sich natürlich auf die wenigen bekannten Strukturen beschränken, aber auch hier sollten die Kürzestübungen der häufigsten interferenzanfälligen Konstruktionen nicht fehlen: To pack Packen die gerade? Are they packing? Ich pack auch gerade/ ich bin auch dabei. I’m packing, too. Jenny ist nicht beim Packen. Jenny isn’t packing. Pack nicht meine Tasche, pack deine. Don’t pack my bag, pack your bag/ yours. To do an exercise Ich mach gerade Übung Nr 5. Ich (Right now) I’m doing exercise 5. sitze gerade an Übung Nr 5. Ich mach diese Übungen gerne. I like doing these exercises. Ich glaub, ich mach auch noch die I think I’ll also do the next nächste Übung. exercise. 268 Richtig üben: das generative Prinzip Gestern hab ich Übung Nr. 4 Yesterday I did exercise 4. gemacht. Ich hab sie viermal gemacht. I’ve done it four times. Der Lehrer möchte, dass wir noch The teacher wants us to do Übung Nr. 7 machen. exercise 7 as well. To take something to someone - hinbringen Bring das bitte zum Direktor. Take this to the headmaster, please. Ich bring das eben zum Direktor. I’m taking this to the headmaster. Ich hab ihm das grad erst gebracht. I’ve just taken it to him. Ich hab ihm das schon gestern I took it to him yesterday. gebracht. Es wird dir leid tun, wenn ich ihm You’ll be sorry if I take this to him. das bringe. Ausgezeichnet sind die kontrastiv-bilingualen, um das Verb zentrierten Grammatikübungen von Buchner (2001), etwa in diesem Stil: Frag deinen Vater. Demande à ton père. Fragt ihn. Demandez-lui. Soll ich ihn fragen, ob er kommt? Je lui demande s’il vient? Soll ich sie fragen, ob sie kommt? Je lui demande si elle vient? Fragen Sie Ihren Chef! Demandez à votre chef! Ich hab ihn noch nicht gefragt. Je ne lui ai pas demandé. Frag ihn nicht, ob das stimmt. Ne lui demande pas, si c’est vrai. Demander à qn. klingt fremd. Mit solchen Übungen gewöhnen wir uns an diese Konstruktion. Succès garanti. Warum findet man sie nicht in unseren Lehrwerken? Sie kosten so wenig Zeit und könnten doch kleine Wunder bewirken. Die Vorteile bilingualen Übens Was macht die mündlich gegebene muttersprachliche Vorgabe so zwingend? Warum nicht gleich einsprachig? Wer es ausprobiert, merkt es sogleich. Der im Satz enthaltene Gedanke, die Situation, auf die er verweist, ist durch die deutsche Vorgabe in besonderer Weise präsent. “Was machst du denn da? ” “What are you doing? ” Dazu tragen der Ton bei, der zwischen Überraschung und Entrüstung schwanken könnte, die typisch deutschen Modalpartikel (hier: “denn”) und die Körpersprache. It makes all the difference. Kommen wir noch mal auf die die Interferenzen zurück. Sie sind ja immer da, wenn man müde oder unkonzentriert ist, auch wenn zuvor weit und breit kein muttersprachliches Wörtchen gefallen ist. Aber die unmittel- Die Vorteile bilingualen Übens 269 bare deutsche Vorgabe verstärkt natürlich die psychische Präsenz der Muttersprache. Werden die Schüler zu Interferenzen nicht geradezu verleitet? Lehrer: Ich habe eine wunderbare Idee. Schüler: I’ve got a wunder … wonderful idea. L: Ich habe eine großartige Idee. S: I’ve got a great idea */ a ɪˈ di: / Das könnten auch bloße Versprecher sein, von denen man nicht viel Aufhebens machen sollte. Aber es wird doch deutlich, dass die Klangähnlichkeit von Kognaten sowie der unterschiedliche Wortakzent zu Fehlern verführt: Lehrer: Ich habe einen roten Pullover. Schüler: I’ve got a red pullover */ p ʊ l ˈəʊ v ə / statt / ˈ p ʊ l əʊ v ə / Zum Verwirrspiel bei muttersprachlicher Vorgabe können auch die deutschen Pronomina werden: Lehrer: Das ist eine wunderbare Idee. Schüler: It’s a wonderful idea. L: Sie (die Idee) ist super. S: *She is super. Was kann man dagegen tun? Die Schüler einfach nicht in Versuchung führen und auf besonders interferenzanfällige Sätze eine Zeitlang verzichten. Wenn man den Eindruck hat, dass noch viele in Fallen wie sie = she oder er = he tappen, sollte man solche Fallen eben nicht stellen. Irgendwann werden die Schüler auch Sätze wie “Sie (= die Stunde) war interessant” mühe- und fehlerlos handhaben. Man kann auch einem Fehler zuvorkommen, indem man auf ihn aufmerksam macht. Das kann ganz wörtlich ein Fingerzeig sein, also ein verabredetes Handzeichen, das soviel wie “Achtung, Interferenzgefahr” bedeutet. Oder auch ein deutlicherer Hinweis: “Watch the word stress” oder “Mind the pronoun”. Oder ganz direkt: “Don’t say ‘she’ now. That’s German.” Man muss Kosten und Nutzen einer Arbeitsform gegeneinander aufrechnen. Wenn wir einigermaßen geschickt vorgehen, fällt die Kosten- Nutzen-Bilanz sehr positiv aus. Per saldo haben wir gewonnen, gerade auch wegen der Flexibilität dieser Arbeitsform. Sie besteht im Wechsel zwischen Austauschen, Erweitern, Verkürzen, Umformen, zwischen kleinen und großen Sprüngen von Satz zu Satz und der Möglichkeit eines nahtlosen Übergangs zu neuen Satzmustern. Bedenken wir auch, dass die Übung immer in zwei Etappen vor sich gehen muss. Der Lehrer muss sie an die Schüler abgeben, und diese müssen ihre Sätze ohne jede Vorgabe bauen. Die Muttersprache fällt wie von selbst weg. 270 Richtig üben: das generative Prinzip Grammatik im Sprachvollzug. Es werden nicht Regeln, sondern Regelungen vorgeführt. Diese werden ggf. muttersprachlich gespiegelt. Ein Gedanke wird versprachlicht und variiert, es wird nicht bloß eine Struktur manipuliert. Der Weg geht also vom Inhalt zum Ausdruck: entscheidend! Sinnfälligkeit durch Intonation, Stimme, Mimik, Gestik, dadurch kein Bedeutungsschwund. Gefühle können mitspielen. Mündlichkeit: hohes Tempo, hoher Sprachumsatz, noch gesteigert bei Partnerarbeit. Das Ohr ist das Einfallstor zur Sprache. Flexibler Wechsel vs. vorgegebenes, starres Umwandlungsschema. Operationen: Ersetzen, Ergänzen, Abstreichen, Umstellen. Kommunikative Dynamik: von der Sprachbezogenheit zur Inhaltsbezogenheit. Inhalte: erst belanglos, dann, wenn möglich, aktuell, persönlich, witzig, phantasievoll, einprägsam. Die Überlegenheit zweisprachiger über einsprachige Grammatikübungen wurde von Elek & Oskarsson (1973), Sheen (2005) und Vaezi & Mirsaei (2007) nachgewiesen. To transfer or not to transfer - that is the question Die Schüler schaffen es, von einem Satz übergangslos ins Gespräch zu springen. Sie wollen ja schon mit ihren Übungssätzen zumeist etwas sagen. Sie sprechen gewissermaßen durch die grammatische Blume, laden ihre Sätze mit Sinn auf. Das gibt meist Anlass zu Rückfragen. So entstehen kommunikative Einsprengsel im Übungsgeschehen. Im folgenden Beispiel ist es ein Schüler, der den Anstoß gibt, und Claudia, als German assistant, weiß das auszunutzen: I remember one lesson with this third year when I had to ask them about their hobbies. Everyone did as best as he or she could, and then one pupil who was quite good gave the reply: “Ich esse gern Katzen”. The others did not know whether to laugh or not. First I thought this boy had made a mistake, but he had not, he was trying to be funny. So I thought I could do the same and I tried to keep a serious face and asked: “Sind es große oder kleine Katzen? ” Boy: Große und kleine Katzen. Me: Und welche Farbe haben die Katzen? Boy: Sie haben alle Farben. Me: Welche Farbe magst du am liebsten? Boy: Grüne Katzen mag ich am liebsten. Wenn man das generative Prinzip ignoriert 271 Me: Was sagen deine Eltern? Wie finden die das? Boy: Sie finden das nicht so gut. Me: Isst du auch andere Tiere? Boy: Nein, nur Katzen. This boy did in fact have the longest conversation of all with me that day. C. Kommunikative Einsprengsel sind das Salz in der grammatischen Suppe und das Vorspiel zu längeren ernsthaften Sprachanwendungsphasen, in denen die Spracharbeit in den Hintergrund rückt. A particularly successful lesson was in Year 9, when she made the pupils practise the use of modal verbs. She wrote some examples on the board: “Ich muss in der Schule eine Schuluniform tragen.” “Ich darf nicht die Treppe falsch herum gehen.” “Ich muss jeden Morgen um 9 in der Schule sein.” Then she asked the pupils to think of sentences that applied to their own imaginary schools. At first they had to state things that were forbidden, then they had to say what behaviour was compulsory. These 35 minutes went very quickly. The boys wrote down their sentences and the teacher and I went round to correct them or to tell them the German translations of words not in the word list in the back of the textbook. Then everybody had to read out their favourites. One of the boys who was especially keen on rubber chickens said: “Du musst dein Gummihühnchen auf dem Kopf in die Schule bringen.” Another said: “Du musst auf einem Kamel in die Schule reiten.” Of course there were also normal answers but the ‘crazy virus’ had infected almost everybody and the lesson was great fun. Pattern Drills wurden verworfen, weil man den Eindruck hatte, dass die Schüler nach einer Übung noch lange nicht bereit waren, das geübte Satzmuster auch kommunikativ zu verwenden. The teacher will not consider the pattern to be thoroughly learned until he sees that the students are able to use it in the wider context of conversational exchanges in the classroom (Rivers 1968, 107). Mit den hier vorgestellten dynamischen Drills ist es uns immer wieder gelungen, die Schüler in ein kurzes Gespräch zu verwickeln, das seinen Ausgangspunkt gerade von einem Satzmuster genommen hatte. Wenn man das generative Prinzip ignoriert Englands Schulen stehen unter Druck. Wohl in keinem anderen Land werden Schüler so häufig extern getestet. Auf der Grundlage der Testergebnisse werden dann Ranglisten der Schulen aufgestellt. Jede Schule möchte sich 272 Richtig üben: das generative Prinzip gern in der oberen Tabellenhälfte wiederfinden. Kein Wunder, dass die Tests sehr ernst genommen werden. Während früher die Tests dazu dienten, Gelerntes zu überprüfen, werden heute Tests geübt, um Tests zu bestehen. Denn die staatlichen Testergebnisse sind die Währung, in der Bildung gehandelt wird. Dem Deutschunterricht ist das nicht gut bekommen. Das teaching to the tests hatte schlimme Folgen. Die Schüler müssen sich auf eine Reihe vorher festgelegter Gesprächssituationen vorbereiten. Im Unterricht werden schließlich nur noch diese Situationen eingeübt. Alles darüber hinaus ist überflüssig, lenkt ab von den Tests, auf die es ja ankommt. Das zentrale Prinzip des Spracherwerbs, dass mit einem Satz so viele andere Sätze (und Ideen! ) mitgemeint und mitgedacht sein können, wird ignoriert. Die Katastrophe! Ich zitiere nur aus einem Bericht, was ich auch in anderen Berichten ehemaliger assistants zu lesen bekam: Since they were only taught a specific set of phrases with a very limited vocabulary the students alarmingly stuck to just these sentences. I was often shocked to see how unable many students were to think of alternative words, let alone sentences, to express their thoughts. Provided with only a minimum of vocabulary the conversations stayed at a very low level. The FL did not become a real means of communication but only a provider of specific phrases. Their conversations always seemed to be very artificial as no one was able to respond to an individually made statement. To give just one example: The pupils were taught to say: “Wie heißt Du? - Ich heiße x! ” These phrases were repeated in a very automatic way. When I changed these phrases into: “Wie ist Dein Name? - Mein Name ist xy! ”, though very similar to the mother tongue equivalent, it caused complete confusion. I personally found this sad as no language is spoken in such a standardized and limited way. It was no surprise to me that many of my pupils were horrified about going to Germany. All they had learnt was a basic vocabulary and some phrases which were drilled without providing opportunities of manipulating them and making them into a real means for authentic communication. K. Natürlich merkten auch einige Schüler, dass sie falsch unterrichtet wurden: I was never taught grammar. It was, like, for the first couple of years … you learn how to say a sentence: I am going to the cinema. And you would never learn the verb. It would just be parrot fashion … You could never change them (the phrases) round because you never actually learned the verbs. (Fisher 2001, 37) Ein Fachleiter für Französisch an einer Schule in Manchester zitiert Fehler, die ebenso auf mangelndes Strukturverständnis und Vernachlässigung des generativen Prinzips zurückzuführen sind: Wenn man das generative Prinzip ignoriert 273 Richard had to order a kilo of bananas for his GCSE exam role play. “Je m’appelle … bananas! ” he nervously declared. He then asked the price. “Je m’appelle … how much are they? ” His parting words to me in my role as shopkeeper were “Je m’appelle thank you.” … A Year 8 pupil whose class had greeted their German teacher at the start of every lesson for more than a year, arrived at the staffroom one day and asked for Gutenmorgenherrjones please. (Elston 1998) Heute, so Elston, werde stets darauf geachtet, “on drawing pupils’ attention to the component parts of each phrase and word.” Dass ganzheitlich-kommunikatives Verständnis ohne analytische Transparenz zu falschen Analogiebildungen führt, wusste man aber schon viel früher: Voilà le mur. Voilà le jardin. *Voilà sont les enfants. (Wähmer 1914, 38) Warum bloß hat sich eine ganze Lehrergeneration ins Bockshorn jagen lassen? Wie sehr die Nichtbeachtung der Grammatik immer noch verbreitet ist, zeigt ein deputy head, der bei diesem Thema geradezu einen Wutanfall bekommt: It was probably our middle class arrogance - believing that comprehensive kids can’t cope with abstract concepts - that led us to make the third fatal mistake when we killed the teaching of grammar. (The Modern Languages Adviser who tells you with a condescending smile: “But you learnt your own language as a child without knowing grammar, didn’t you? ” should be answered with a straight right to the chin.) (Leman 2000, 24) Die Wut des Praktikers ist auf dem Hintergrund der von Plum (2007) analysierten Schilderungen ehemaliger German assistants nur allzu verständlich. In England sind meiner Meinung nach ganze Schülergenerationen Opfer eines flachen, theoretisch unaufgeklärten kommunikativen Ansatzes geworden. 1 Über die Begriffe “Struktur”, “Pattern” und damit verbundene Definitionsschwierigkeiten siehe Müller (1975). 2 Vgl. die Bemerkungen Kellys (1969, 109, 120): “… Rosenthal, who, unlike many method makers, freely acknowledged the debt.” “Like so many techniques of teaching, it was forgotten and its rediscovery was prompted by related techniques.” So sind weder die direkte Methode noch pattern drills Erfindungen des 19. Jahrhunderts. 3 Ettinger (1984, 420) hebt zu Recht den Wert dieser historischen Arbeitsform hervor. 274 Richtig üben: das generative Prinzip 4 Also nicht zu verwechseln mit Humboldts Ergon = Werk, Produkt, bei Humboldt der Gegenbegriff zu energeia = Tätigkeit, Erzeugung. 5 In “Verbal play and pattern practice” (Butzkamm 1980) habe ich auf die Verwandtschaft zwischen kindlichen Einschlafmonologen und Strukturübungen hingewiesen. 6 Vgl. auch meine sprachpsychologische Analyse in Butzkamm (1980, 120ff.). 7 “Mit dem bewussten Ausblenden einer gezielten Sprach- und Strukturenarbeit erweist man vor allem lernschwächeren Schülern keinen großen Dienst” (Zydatiß 2002a, 205). 8 Viel zu oft wird in der Didaktik etwas kategorisch abgelehnt, ohne sorgfältig empirisch zu prüfen und sich in die Sache hineinzudenken. Zur Kontroverse um kontextlose Grammatikübungen vgl. Chaudhuri 2009, 138. Exkurs: Grammatik knapp und verständlich erklären Was ist die Sprachlehr? Die Sprachlehr ist eine Dienstfertigkeit zur reinen Sprache. (Ratichius) Omnis lingua usu potius discatur, quam praeceptis. (Comenius) Wissen ist gut, Können ist besser Wir haben im Deutschen die klare Opposition von Wissen (savoir; knowing that) und Können (savoir-faire; knowing how). Das Können ist ein Gebrauchswissen, das sich in der Praxis versteckt und sich nicht ohne weiteres selbst erklären kann. Unter Wissen verstehen wir ein Wissen über oder von etwas; also ein analytisches Wissen, das Erkenntnisse artikuliert, begründet und beglaubigt und in ausgedehnte Wissenssysteme einmünden kann. Der gute Gebrauch der Muttersprache ist zunächst ein Können, das unser analytischer Verstand nicht zu fassen bekommt. Die muttersprachliche Grammatik macht (wie die Gesundheit) nicht extra auf sich aufmerksam. Wir werfen uns ins tätige Leben der Sprache, und die Grammatik ist mittendrin, aber ohne sich zu Wort zu melden. Soon I developed a feel for the language which told me whether something was wrong or right. For example, we once did a class test on the position of the English adverbs which I had not prepared because I did not know that we were going to do this test. All my classmates had studied hard for the test, except me. In the end I was the only one to get an ‘A’ (sehr gut) in the test, the second best only got a ‘C’. J. “Nous n’expliquons rien”, wir erklären nichts, heißt es kategorisch bei Jacotot (1830, zit. bei Macht 1986, 58), aber “wir prüfen, ob der Zögling die Lectionen weiß und versteht” (zit. bei Pfau 1844, 126). Leitsätze wie ne praecepta ante linguam oder nulla lingua e grammatica, sed ex certo autore findet man - wahrscheinlich in der Nachfolge Quintilians - in ähnlicher Form immer wieder. Unser Können läuft sogar Gefahr, empfindlich gestört zu werden, wenn wir unseren analytischen Verstand bemühen. Es gebe, so hört man unter Golfspielern, einen todsicheren Tipp, um einen Konkurrenten zu verwirren. Nach einem besonders gelungenen Schlag lobe man ihn überschwäng- 278 Exkurs: Grammatik knapp und verständlich erklären lich und bitte darum, in das Geheimnis seiner Technik eingeweiht zu werden. Am besten, man hält gleich eine Zeichnung bereit, anhand derer der Spieler sich genau überlegt, wie er den Schlag ausführt. Das reiche gewöhnlich aus, ihn so zu verwirren, dass ihm der Schlag so bald nicht noch mal gelingen würde. Der schöne Automatismus des ganz aus dem Gefühl gemachten Schlages sei durch die Einmischung des bewussten Intellekts zunächst dahin. Grammatik - die Katastrophe im Klassenzimmer Vieles hätte ich verstanden, wenn man es mir nicht erklärt hätte. (Stanisław Jerzy Lec) Byron sagte über Coleridge: “I wish he could explain his explanation.” Wie viele Schüler mögen sich Ähnliches gedacht haben, als ihnen ihr Lehrer Grammatik erklärte! Wenn Lehrern mal etwas hundertprozentig daneben geht, dann bei der Grammatikarbeit. Grammar was explained in the mother tongue but the more she explained, the less we understood. The examples we were given were confusing because they were not suitable for the grammatical structures she was trying to explain. D. Hier sind manche Lehrer wie Ärzte, die ihre Patienten erst recht krank machen. Sie stellen die falsche Diagnose und verschreiben die falschen Rezepte. Dazu einige Streiflichter aus dem Unterricht: questions This is Peter. Ask him if he likes English. Typischer Fehler: *Do he likes English? Ask your friend if he telephoned a friend yesterday. Typischer Fehler: *Did you telephoned a friend yesterday? Must he buy a new car? Put it into the past. Typischer Fehler: *Must he bought a new car? (Solche Fehler sind bei Schmid-Schönbein 1988, 62ff. gut dokumentiert) Alle grammatischen Umformungsübungen stehen unter Generalverdacht, da sie nicht den psychologischen Weg abbilden, den wir beim Sprechen nehmen. modals Andreas berichtet, wie eine Klasse Schwierigkeiten hat mit must/ must not, needn’t, didn’t have to usw. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Schwierigkeiten überhaupt erst durch die in unseren Schulgrammatiken übliche Prä- Grammatik - die Katastrophe im Klassenzimmer 279 sentation samt anschließenden Übungen entstehen. Denn die Systematik des Lehrbuchs geht von “defective” auxiliaries aus, für die es “Ersatzformen” gebe. Das aber ist überflüssig. Die Regeln kosten kognitive Energie, die dann dem eigentlichen Lernen abgeht. Um z.B. die Idee des Nicht-Dürfens auszudrücken, brauche ich nicht den Umweg der Schulgrammatik nehmen, nämlich 1) an “may” denken, 2) daran denken, dass “may” kein past tense bildet, 3) daran denken, dass es eine Ersatzform “not allowed to” gibt. Wir üben stattdessen “nicht dürfen” in halbkommunikativen Strukturübungen mit muttersprachlichen Vorgaben: Wir durften nicht rauchen. We were not allowed to smoke. Wir durften nicht lange aufbleiben. We were not allowed to stay up late. Sie durfte nicht schwimmen. She was not allowed to swim. usw. if-clauses Praktikumsbericht aus der 9. Klasse einer Gesamtschule. Der Lehrer benutzt publizierte Übungsmaterialien und wiederholt nur längst eingeführten Lehrstoff. If you say that I am terrible, I will be very sad. (If + simple present,) (will-future) you (to ask me to (to say ...) dance) my friend (to be (to say ...) disappointed) the teacher (to call me (to be very someone names) happy) Björn (to shout at me) (be very angry) If I Sascha (to give me (to get furious) flowers) Anne (to knock you (to steal my bike) down) Axel (to treat me (to shout back) … unkindly) (to be friendly) 1) If someone gives me flowers, I will be very happy. 2) ... 280 Exkurs: Grammatik knapp und verständlich erklären Wiederum ist es die grammatische Systematik mit an ihr ausgerichteten Übungen, die die Probleme überhaupt erst erzeugt. Die Schüler produzieren reihenweise Falsches, der Lehrer wird ärgerlich und gibt am Ende den Schülern die Schuld: The pupils made a great effort in this lesson not to get in trouble with the teacher. He told them at the beginning that he had been really disappointed after yesterday’s lesson. Their topic was only a revision of what they had done several times before and it would be part of the next test. Many of the pupils had difficulties in forming the if-clauses with the worksheet in front of them. It was a common mistake that they didn’t identify the infinitive on the sheet and used it in the sentence: “If someone to call me names … If my friends to be friendly …” If they did transform the infinitive into a third person singular they often forgot the third person -s: “If someone shout at me … .” The teacher corrected those mistakes several times and made the pupils repeat the corrected sentence. But I’m sure the pupils didn’t really realize what was wrong. I. Die Schwierigkeiten sind hausgemacht. Nie und nimmer bildet dieses grammatische Versteckspiel die psychologische Bahn ab für die Erzeugung von Sätzen, denn die geht vom Inhalt zum Ausdruck. Wie viel näher kommen unsere halbkommunikativen Drills dem normalen Sprachgebrauch! Wir haben es doch mit nah verwandten Sprachen zu tun, anders als der Ethnologe, der mit einem Bergvolk Westafrikas zusammenlebt: Much has been written about primitive peoples’ ability or inability to deal with hypothetical questions. I was never sure whether my difficulties with them were purely linguistic or whether much more was involved. ‘If you had a sister,’ I would start, ‘and she married a man, what would you call …’ ‘I haven’t got a sister.’ ‘No, but if you had a sister …’ ‘But I haven’t got a sister. I have four brothers.’ After a number of frustrated attempts at this, Matthieu intervened. ‘No, no patron. Like this. A man has a sister. Another man takes her. She is his wife. The man calls her husband, how? ’ He would get an answer. (Barley 1986, 91) Weitere Beispiele für hausgemachte Schwierigkeiten: past tense While I was sitting in on lessons, Mrs X introduced the simple past. Right at the beginning, she told me that according to her experience the introduction of the simple past would separate the smart ones from the less gifted ones. Unfortunately, I found that she was right. No matter Grammatik - die Katastrophe im Klassenzimmer 281 how often she explained the forms, some pupils just did not seem to understand her. I do not think that this was her fault, she really made a big effort at explaining. I found myself confronted with the same problem when during the lesson I conducted I had to explain the negative form of the simple past. No matter what I said or explained to them, some pupils always insisted on saying something like “She did not worked in the garden.” Ch. Hat uns denn nicht schon die Muttersprache einiges von dem in den Schoß gelegt, dessen es bedarf, um mit englischen past tense-Formen umzugehen? “Sie tat nicht arbeiten im Garten” so sagt’s der Engländer, nicht aber “sie tat nicht arbeitete”. Schlimm, wie hier die Schüler (Gymnasium! ) für begriffsstutzig gehalten werden! Schlimm, wie hier die Didaktik mit ihrem Verzicht auf die Muttersprache Lehrer und Schüler im Stich lässt! Einmal ganz abgesehen davon, dass auch englische Kinder genau diesen Fehler machen, als Etappe beim Erwerb des past tense. verb inflections In den folgenden Stunden sollten dann immer wieder die gleichen Fehler auftreten … Einer der Fehler war das Auslassen des “s” in der dritten Person Singular. Die Schüler hatten große Schwierigkeiten, in den Sätzen “the first lesson starts at 8 o’clock” und “the lessons start at 8 o’clock” die Unterschiede zu erkennen. Häufig wurden beide Formen vermischt. Als dann in der nächsten Stunde die Verneinung des simple present hinzukam, schienen die Schüler vollends verwirrt (“He doesn’t likes cats”) … Der dritte Fehler bestand in der Vermischung aller möglichen Kombinationen: he/ she/ it hate, we does like usw. An dieser Stelle bewies der Lehrer ein Höchstmaß an Geduld und Verständnis. Immer wieder formte er neue Sätze und erklärte sie in der Hoffnung, die Schüler hätten sie verstanden. N. Alles was schiefgehen kann, geht irgendwann schief. Hier wird Grammatik als ein Fehler produzierendes Verwirrspiel präsentiert. Es treten binnensprachliche Interferenzen auf, d.h. das früher gelernte “he likes” interferiert mit “he doesn’t like” usw. Außerdem handelt es sich z.T. um entwicklungsbedingte Fehler, d.h. um eine natürlich Lernetappe, die man nicht in einem Sprung nehmen kann. Grammatik, weil mit Unlust verbunden, wird dann auch folgerichtig als Strafe eingesetzt, wie in einer Klasse 9, als die Lehrerin bei der Lektürearbeit bemerkt, dass Zettel mit Witzzeichnungen umlaufen: The teacher abruptly stopped the discussion about one of the main characters of the novel and switched over to grammar work. Although she stated that she wanted to do if-clauses anyway, in this case the worksheets she gave out seemed to function as a kind of punishing device. M. 282 Exkurs: Grammatik knapp und verständlich erklären Verkorkste Grammatikstunden sind ein Skandal, weil die Schüler nicht nur nichts lernen, sondern eher noch verwirrt werden und sich gegen das Fach zu wehren beginnen. Grammatik als Zeitverschwendung Mit nichts wird so viel Schindluder betrieben wie mit der Grammatik. Manche schreiben die ganze Tafel mit Regeln und Beispielen voll, und wenn die Schüler sie abgeschrieben haben, ist die Stunde vorbei. She filled the entire blackboard with French sentences and complex grammatical explanations. While she was writing she expected us to copy everything down into our exercise books which normally took the whole lesson. Our homework was then to learn what we had copied by heart. Most of us took a great dislike to grammar. St. New French grammar rules had to be copied into our exercise book. We did not see any purpose in doing that because we could always look them up in the book out of which we had to copy them. J. Kill time with grammar! Aber wie oft wird eben das berichtet, die Abschreiberei von Regeln! Konstruktionen müssen mündlich eingeübt werden. Der Weg geht übers Ohr! Und nur die Fülle mündlicher Beispiele erzeugt ein Sprachgefühl. With regard to the exercises I normally managed to go through them without having understood them. M. Whenever I had to put some sentences into e.g. the past tense, I only scanned the sentences for the verb and then wrote the requested verb form in my exercise book. I got bored with these exercises. I just could not see why I should write down a very long sentence in order to change only one single element. The result was that in the end I did not even read the sentences any more, but merely picked out the verb. S. Auch solche, wiederum schön einsprachige Übungen, bei denen die Schüler aus durcheinandergemischten Wörtern und Wortgruppen die richtigen Sätze bilden sollen, verschwenden nur Zeit: a lot of/ in Arizona/ There is/ desert never/ recommended/ by/ person/ experienced/ have/ would/ been/ This/ an Auch wenn die zu findenden Sätze mehr oder weniger so im vorangegangenen Lehrtext stehen, habe ich beobachtet, wie schwer sich die Schüler damit tun. Wir haben eben normalerweise Gedanken, die wir versprachlichen. Wir lösen Formulierungsprobleme. Hier aber müssen wir erst einmal Regeln und grammatische Analyse: contra 283 Bedeutungsblöcke erkennen, dann auf einen möglichen Sinn des Ganzen kommen und diese Blöcke schließlich richtig gruppieren. L’art pour l’art! Wahrscheinlich kann man mit solchen Übungen nicht viel falsch machen. Wir brauchen aber Übungen, wie sie sein sollen, nicht wie sie zur Not auch sein können. Tanja Busse ( D IE Z EIT 39/ 2001) berichtet aus dem Gymnasium: Mittwoch, zweite Stunde, Englischunterricht in der 7-c. 27 Schüler sollen heute lernen, wann man “since” und “for” für das deutsche “seit” benutzt. Hengesbach folgt dem so genannten kommunikativen Ansatz. Die Schüler sollen erst sprechen, erzählen, Fragen stellen. Zwei Sätze aus dem Gespräch, in denen die neuen Wörter gefallen sind, schreibt er an die Tafel, malt Schlangenlinien (für die Zeitdauer) und weiße Flecken (für die Zeitpunkte) darüber und erklärt so die Regeln … Etwa ein Drittel der Schüler verlässt den Klassenraum, ohne einen englischen Satz gesagt zu haben. Vom Schweigen lernt man natürlich kein Englisch. In der Schule ist eine Entscheidung für etwas immer auch eine gegen etwas, für das keine Zeit mehr verbleibt. Es gilt, wie schon früher angedeutet, Arbeitsformen miteinander zu vergleichen, indem wir den Sprachumsatz messen. Hier klafft eine riesige Forschungslücke. Wir sollten genauer wissen als bisher, welche Übungen die Schüler voranbringen und welche eher einer Beschäftigungstherapie gleichen. Deshalb ist auch noch nicht das letzte Wort selbst über solche Übungen gesprochen, in denen Einzelsätze zu einem grammatischen Thema schriftlich ins Deutsche übersetzt werden. First of all, he was convinced that the traditional grammar exercises, such as filling gaps, were too easy … Translation exercises were much more difficult, and his opinion was that if we had a real command of the grammatical problem, we should in fact be able to cope with the translations. At the beginning I found these exercises quite difficult but they really helped me to improve my competence. That way I became much more aware of what the grammatical structures which I habitually used really meant. I only had a vague idea of how to translate the structures I had learned into German but after I had gained some experience in translation I felt much more self-confident in using the foreign language. D. Hat man solche deutschen Übungssätze vorschnell abgetan? Regeln und grammatische Analyse: contra Wer den damaligen Zustand des Schulunterrichts kennt, wird nicht seltsam finden, dass ich die Grammatik übersprang. (Johann Wolfgang von Goethe) Fassen wir die Argumente gegen grammatische Erklärungen zusammen. 284 Exkurs: Grammatik knapp und verständlich erklären 1) Die Regelsprache oder Metasprache - das Sprechen über die Sprache - fällt uns generell schwer. Denn der Mensch ist zwar zur Sprache begabt, aber offensichtlich nicht zu ihrer Sezierung. 1 Dazu habe ich ein kleines Experiment durchgeführt. In Anlehnung an eine Wörterbuchdefinition wurde Anglistikstudenten folgende Frage vorgelegt: Which adverb means ‘by so much’, ‘by that amount’, and is used before an adjective or adverb in the comparative degree to indicate that two things increase or decrease in a parallel way, or that one increases in the degree equal to that by which another decreases? Hätten Sie’s gewusst? Unter 53 Studenten gab es nur 3 Treffer. Obwohl jeder natürlich die sprachliche Regelung kennt, aber eben nicht in der metasprachlichen Verkleidung. Ohne ein konkretes Beispiel sind wir aufgeschmissen. Das sollte uns zu denken geben. Die Antwort ist the … the … wie in the sooner the better. Wenn wir aber das Beispiel haben, brauchen wir dann noch die Regel? In diesem Fall doch wohl nicht. 2) Wem Einsichten kommen und Zusammenhänge klar werden, der mag guter Dinge sein. Aber wer’s nicht kapiert, dem ist der Spaß an der Grammatik bald verdorben. I did not understand what I was actually learning and I memorised the rules without being aware of their exact meaning and of how the rules should be applied. Although they were given in German I still found them difficult to understand. It was only gradually that I came to comprehend the rules. Thus, I did not grasp the full meaning of “Das Gerundium ist ein Verbalsubstantiv” until I had to do Latin at university. S. None of the teachers I had were really able to explain English grammar in a clear way … We pupils couldn’t see the wood for the trees. C. 3) Dem unentwickelten analytischen Verstand des Grundschulkindes darf man schon gar nicht mit herkömmlicher grammatischer Analyse kommen. 4) Das stärkste Geschütz gegen den herkömmlichen Grammatikunterricht fahren die Spezialisten auf, die den natürlichen Zweitsprachenerwerb erforschen. Sie haben festgestellt, dass die Lerner ähnlich wie bei der Muttersprache und ziemlich unbeeindruckt von grammatischen Lehrplänen ihren Eigenweg durch die Grammatik gehen. Pienemann (2002) formulierte seine Lehrbarkeitshypothese (teachability; processability): Neue Strukturen könne der Lerner nur dann bearbeiten und integrieren, wenn die erwerbsmäßigen Voraussetzungen dafür gegeben seien. Es gibt beim Erwerb zentraler Strukturbereiche unumkehrbare Erwerbsetappen, so etwas wie eine “sprachimmanente Entfaltungslogik” (Butzkamm 2002, 117ff.). Schüler können also Erklärungen nur begrenzt nutzen, vor allem müssten diese zum richtigen Zeitpunkt erfolgen. So stoßen wir auf Regeln und grammatische Analyse: pro 285 das Phänomen des “Bereitseins”. Belege für dieses Bereitsein lieferte die Forschergruppe um Erika Diehl, die die Fortschritte im Deutschen von frankophonen Schülern in Genf untersuchte. Ihre Buchpublikation hat den provokanten Titel: Grammatikunterricht: alles für der Katz? (Diehl et al., 2000) Wie aber sollen die Lehrer die jeweiligen Erwerbsstände ihrer Schüler ermitteln, die doch wohl stark voneinander abweichen können? Meine Skepsis bezieht sich noch auf einen anderen Punkt: Die bisherigen Unterrichtsdaten stammen wohl durchweg von Lernern, die nach den gängigen didaktischen Vorstellungen unterrichtet wurden, also ohne angemessene muttersprachliche Lernhilfen. Der hier vorgestellte, die Muttersprache der Schüler systematisch in Dienst nehmende Unterricht ist weitgehend unbekannt. Ich hege die Vermutung, dass man mit Hilfe der Muttersprache Lernstadien schneller durchlaufen, eventuell sogar überspringen kann. In diese Richtung deutet eine Studie über niederländischsprachige Lerner des Deutschen, bei denen sich Pienemanns Stadien nicht mehr klar nachweisen ließen (Klein-Gunnewiek 2000). Vielleicht weil die Schüler die nahe Verwandtschaft der Sprachen auch ohne Nachhilfe der Lehrer zu nutzen verstanden? 5) Wir könnten die Unterrichtszeit für effektivere Arbeit nutzen: statt Grammatik mehr Textarbeit. Dies ist vielleicht das Hauptargument: Teach the language, not about the language. In den Klosterschulen konnte man Grammatik betreiben, weil die Schüler ohnehin den ganzen Tag über lateinisch kommunizierten. Regeln und grammatische Analyse: pro Wir sammeln die Argumente der Grammatik-Verteidiger: 1) Die Grammatik in der Schule hat nicht nur ihre Kritiker, sondern auch ihre Liebhaber. One man’s meat is another man’s poison oder One man’s trash is another man’s treasure: I felt a strong need for rules, surveys, tables and systematic representations to cling to. There is no doubt that I would have coped much better with French conjugation, if the teacher had given us the whole paradigm from the start. Teachers do not overtax their pupils by giving them complete and systematic surveys of conjugations or declensions. S. I have always longed to know why things had to be the way they were. “Why do the English make such a complicated distinction between past tense and present perfect? ” was a question I asked myself. I cannot remember that such questions were ever answered sufficiently at this stage of my language learning. M. 286 Exkurs: Grammatik knapp und verständlich erklären Wenn das Herz bei der Sprache ist, kommt der Verstand hinterher und will auch mal wissen, warum sie funktioniert, wie sie funktioniert. Einige Schüler verlangen Erklärungen: Unfortunately our French teacher was a native speaker and didn’t understand our difficulties. When we asked her questions concerning grammar, she used to shout: “Don’t you feel it? Can’t you feel how it is said correctly? ” No, the majority of the class couldn’t. S. 2) Viele Fossilierungen im Sprachgebrauch von Personen, die sich schon jahrelang im Sprachland aufhalten, dabei flüssig, aber nie fehlerfrei kommunizieren, kann man anscheinend nur durch Bewusstmachung bekämpfen. Es wird sich eben nicht ganz von selbst richten. So empfindet Silke, die nach Island geht: One of the drawbacks of learning a foreign language abroad, merely by practical application, is the fact that grammatical mistakes are hardly ever corrected, as long as one is understood. Several times I asked my host family to correct me on such occasions, but in vain … As my whole attention was focused on the meaning in the beginning, it was not before reaching an advanced level that I realised that I had constantly been making basic mistakes. For example “ad geta”, to be able, is not followed by the infinitive, but by the past participle, and the expression “Ég held ad …”, I think that …, has to be followed by the subjunctive. S. Also: auf Fehler aufmerksam machen und sie erklären. Mancher Fortgeschrittene ist dankbar, wenn man ihn auf kleine verbliebene Fehler hinweist, welcher Natur sie auch immer seien. 3) Das richtige Grammatikverständnis kann nur der Unterricht liefern. Der Lehrer als grammatischer Experte - diesen Informationsvorsprung des Unterrichts vor dem natürlichen Erwerb gilt es zu nutzen. Nur er und das Lehrbuch können die Dinge übersichtlich, so vollständig wie nötig und ordentlich abhandeln. “Es gehört zu den reizvollsten Aufgaben … die Schüler zu klaren grammatischen Kenntnissen zu bringen” (Schubel 1963, 58). Normalerweise kommen die Schüler nicht von selbst auf die einfache Betonungsregel, nach der wir im Deutschen trennbare und nicht-trennbare Verben unterscheiden. Man zeigt sie am besten an Dubletten wie “übersetzen”, “wiederholen”, “umfahren” (´- - vs. -´-). Wie schön, wenn man diese Regel kennt! 4) Mit Recht werden auch östliche Lehrtraditionen gegen einen stark reduzierten Grammatikunterricht verteidigt. Letzterer erscheint als ein Import aus dem Westen, der oft mit Überheblichkeit und Besserwisserei den Schülern übergestülpt werde von Lehrern, die die Sprachen und Traditionen ihrer Schüler gar nicht verstünden: Regeln und grammatische Analyse: pro 287 On the Tianjin course we were constantly asked to explain points of grammar which caused confusion. The interest, however, appeared to be more constructive than is often said to be the case … The “I’m not going to tell you because these questions are not important” response was not a success, as students felt at best cheated and at worst insulted for having asked … It was also interesting to ask why wanting to know the underlying system should be considered such an old-fashioned primitive thing, if it is also combined with usage and practise … Only when it becomes a substitute for using the language does grammar lose its point. (Harvey 1985, 185) Man drehe doch mal den Spieß um und empfehle Westeuropäern, eine distante Sprache ohne grammatische Erklärungen zu lernen. Missionare berichten, wie sie oft Jahre gebraucht haben, um bestimmten Regelungen auf die Spur zu kommen. Die Sprache der Trio in Surinam z.B. kennt einen “Frustrativ”. Ein Sprecher muss immer kenntlich machen, ob ein intendiertes Ereignis erreicht wurde oder nicht - im zweiten Fall würde das Verb des Satzes die Frustrativ-Endung -re erfordern. Diese kann aber auch an Nomina erscheinen, wenn eine Person oder ein Gegenstand nicht die üblichen Erwartungen erfüllt: Eine weri-re ist eine Frau (weri), die keine Kinder bekommen kann, während ein Mann (kiri), der nicht zum Jäger taugt, zum kiri-re wird … (Carlin & Arends 2002). Würden das unsere Anti-Grammatiker lieber selbst herausfinden? 5) Bewusstmachende Grammatik ist eine unumgängliche Sparsamkeitsforderung der Tyrannin Zeit. Bei unbewusster Nachahmung in der Fremdsprache kann Analogiebildung arge Fehlkonstruktionen herbeiführen. Erklärungen, die dies verhindern, können nicht immer bloßer Ballast sein. 6) Sekundarschüler sind in spracherwerblicher Hinsicht wie Erwachsene. D.h. sie können mit manchen Erklärungen durchaus etwas anfangen. DeKeyser (2000, 518) testete 57 ungarische Einwanderer in die USA und stellte fest: “No adults reached a native level of competence in L2 morphosyntax unless they had been able to rely on explicit, analytic, problem-solving capacities.” 7) Empirische Studien zu diesem Thema hat Ellis (1994, 611ff.) referiert. Er fasst seine Übersicht wie folgt zusammen: “On balance, the available evidence indicates that an explicit presentation of rules supported by examples is the most effective way of presenting difficult new material” (643). “The case for formal instruction is strengthening and the case for the zero option is weakening” (659). Zusammenfassend Doughty & Williams (1998, 11): “The discussion throughout this volume leads to the conclusion that neither form-based instruction nor meaning-based instruction alone can lead to complete second language acquisition.” 288 Exkurs: Grammatik knapp und verständlich erklären 8) So hat wohl bis auf den heutigen Tag kein Praktiker je ganz auf grammatische Belehrung verzichtet. Bei genauerem Hinsehen trifft das auch für Jacotot zu, trotz seines trotzigen Wortes: “Nous n’expliquons rien.” Die Grammatik hat eine Art, wieder durch die Hintertür hineinzukommen. Und dies bei einer nie abreißenden Debatte um Wert und Unwert grammatischer Regeln. Die praktische Vernunft hat also immer wieder für die Grammatik optiert. Ziehen wir das Fazit mit Klinghardt (1899): So “behalten wir radikalen Reformer doch am Ende noch das grammatische Kind in unserer didaktischen Badewanne” (zit. bei Macht 1987, 116). Grammatische Progression: Revolution im Klassenzimmer Wir greifen These 6 aus dem fünften Kapitel auf. Die grammatische Progression der Texte, die den Lehrbuchautor fesselt, sollte erheblich gelockert werden. Wie denn wäre es möglich gewesen, dass man mit einem Originaltext wie dem Johannesevangelium oder Dickens’ Weihnachtsgeschichte erfolgreich in die fremde Sprache einführen konnte, wenn die grammatische Progression der Texte tatsächlich eine so wichtige Rolle spielt? Oder gab es starke kompensatorische Effekte? Wenn nicht, muss die grammatische Progression der Texte weniger wichtig sein, unter Umständen kontraproduktiv. Natürlich muss die Grundbedingung des Spracherwerbs gewährleistet sein, das doppelte Verstehen der Texte. Dann verbietet es sich, dem Anfänger gewisse komplizierte Konstruktionen vorzusetzen - so wie auch die Mutter ihrer Zweijährigen nicht mit Obwohl-Sätzen oder “geschweige denn” kommt. Aber das komplexe deutsche Verneinungssystem wird von Anfang an verwendet, lange bevor das Kind sich selbst daran wagt. Kletts Lehrwerk Green Line behandelt emphatic do erst im fünften Band. Vorher wird man emphatic do kein einziges Mal sichten. Nur einmal hat es sich eingeschlichen, typischerweise in einem modernen pop song. Das Gleiche gilt für den contact clause, der im dritten Jahr behandelt wird. Auch hier ist die Ausnahme ein Song, in dem es heißt “love is all we need.” Muss man denn mit contact clauses abwarten, bis sie systematisch abgehandelt werden? Dürfen die Texte keine Steigerungsformen wie “bigger” oder “more important” enthalten, bis diese zum grammatischen Thema erklärt werden? Sollen Deutschlerner nicht sehr bald “Ich hätte gern ’ne Auskunft” sagen, nur weil “hätte” Konjunktiv ist? Könnte man nicht auch “I thought we might …” schon im ersten Jahr lernen? Grammatischer Minimalismus 289 Ich werde nicht warten, bis in der letzten Unit das simple past eingeführt wird. Sondern ich werde viel früher, dann nämlich, wenn eine gemeinsame Erlebnissituation es nahe legt, die bloßen Vokabeln was/ were einführen, ohne grammatisches Aufheben einfach als die Wörter, die an Stelle von am/ are/ is zu gebrauchen sind, wenn im Satz von last week oder yesterday die Rede ist. Vielleicht ist davon die Rede, weil Daniela gestern Geburtstag hatte und auf dem Pult stehen durfte und ihr ein Lied gesungen wurde. (Aulmann 2000) Die Zurückhaltung bei der Einführung des past tense lässt die Pionierarbeit außer Acht, die die Muttersprache für die Fremdsprache geleistet hat! Die grammatische Enthaltsamkeit ist unfruchtbar, weil sie auf Kosten guter, authentischer Texte geht. Bei der mündlichen Unterrichtsführung erlauben wir uns ja immer schon grammatische “Vorgriffe”. Und manche Lehrer haben Texte mit diesen und anderen Formen vielfach schon “vor der Zeit” verwendet, ohne damit auch nur die geringsten Schwierigkeiten zu haben. Letztere traten nicht auf, weil wir die Bedeutungen muttersprachlich vermittelt haben: “more important” - “mehr wichtig”, also: “wichtiger”. Die grammatisch gereinigten Texte entpuppen sich somit auch als Nebeneffekt des einsprachigen Dogmas. Wieder einmal zeigt sich, wie die Muttersprache den Unterricht von falschen Zwängen befreien kann. Die weltweit verbreitete Unsitte, Lehrtexte erst durch die grammatische Sortiermaschine zu schicken oder sie nach grammatischen Vorgaben zu komponieren, ist, mit wenigen Abstrichen, eine unnötige Vorsichtsmaßnahme. Lehrbuchautoren sollten endlich das Korsett, das sie sich selbst angelegt haben, sprengen - zugunsten gehaltvoller, authentischer Texte. Natürlich darf, ja muss die Grammatik weiterhin Stück für Stück, nach und nach in überlegter Auswahl, Dosierung und Reihenfolge übersichtlich dargestellt werden - so wie man sich den Riesenkomplex Sprache ohnehin nur gestückelt, nach und nach, zu eigen machen kann. Aber bei der Textauswahl können wir eine große Anzahl traditioneller grammatischer Fesseln abstreifen. 2 Grammatischer Minimalismus 1) Meine erste Regel lautet: Auf die Kinder hören! Wie denkt sich das Kind in die Sprache hinein? Kindliche Denkweisen werden beim Mutterspracherwerb und bei natürlicher Zweisprachigkeit besonders deutlich. Könnte es nicht sein, dass - horribile dictu - bestimmte Fehler durch den Grammatikunterricht überhaupt erst erzeugt werden? 290 Exkurs: Grammatik knapp und verständlich erklären 2) Grammatische Phänomene von der Muttersprache her erklären! Grundschule: “Die Engländer haben nur ein Programm für die Mehrzahl, das angehängte -s. Das kennen wir auch: Auto - Autos; Oma - Omas.” “Die Ungarn sagen ‘zwei Frau’, ‘drei Kind’ usw., so wie wir ‘drei Mann’ statt ‘drei Männer’ sagen können.” Dazu mehr in Kap.-10. 3) Bei bewusstmachenden Erklärungen ist allergrößte Zurückhaltung am Platze: Ein strenger grammatischer Minimalismus! Weniger Zeit für die Grammatik opfern, denn das Doppelverstehen von Texten ist ja schon die Grammatik! Also z.B. keine zeitraubenden Tafelanschriebe, keine unvorbereiteten Ad-hoc-Erklärungen, denn erfahrungsgemäß führt es zu unklaren Formulierungen, die nur noch mehr verwirren. Sondern: die denkbar knappsten, sparsamsten Erklärungen, gefolgt oder umrahmt von einleuchtenden Beispielen. “Explanations will be rare, but of rare value” (Palmer & Redman 1969, 104). 4) Auch knappste Vorwegerklärungen sind möglich! Sie sollen verhindern, dass Schüler herumrätseln. Es ist Unsinn, Vorwegerklärungen auszuschließen, solange Textbeispiel und Erklärung eng aufeinander bezogen sind. Im Finnischen wird eine Aussage zur Frage, wenn man an das erste Wort -ko anhängt. Also Hand in Hand, a posteriori oder auch mal a priori, nicht nur, wie allgemein verkündet wird, “Grammatik danach”. 3 5) Hin und wieder eine Textseite “mit den Augen des Grammatikers” lesen (Kleinschroth 1992, 169). Während der Textarbeit machen wir gelegentlich auf eine besonders klare Verwendung einer grammatischen Struktur aufmerksam und fragen nach: Why the past tense here? Why the going-to future here? Um so das Gefühl für die prototypische Funktion zu verstärken. Sprachaufmerksamkeit, der Blick auf die Sprache, das sog. noticing, eingestreut in inhaltsbezogene Textarbeit. Reading for the message AND for the form, der doppelte Fokus. Oder auch einmal den Spieß umkehren: die Inhalte beiseite lassen und einen Text speziell auf die Verwendung gewisser grammatischer Formen durchsehen, besonders auf textgrammatische Verkettungen aufmerksam machen. Immer wieder Texte, Texte, Texte! 6) Es gilt das Mitlernprinzip (Kap. 10): Bei den Vokabeln lernen wir die Grammatik gleich mit, indem wir uns nicht nur Einzelwörter, sondern bevorzugt Wortverbindungen einprägen. 7) Lehrer sollten naturwüchsige Fehler als solche erkennen (z.B. catched statt caught; foots statt feet) und weniger streng ahnden (“Yes, the past tense is alright here, but it must be ‘caught’”). 8) Nachträgliche Systematisierungen und Zusammenfassungen (z.B. Konjugationsschemata) haben ihren Sinn, vor allem zum Nachschlagen und Sich-Vergewissern. Exempel sind stille Regeln 291 9) Wenn man auf der Oberstufe feststellt, dass Grammatik nachgeholt werden muss, dann vielleicht so: Mr. B. soon realized that we all had to revise English grammar. We discussed this problem and came to the conclusion that everybody should present and explain one point of grammar in front of the class. Thus, once a week we concentrated on English grammar. I really liked this kind of procedure because it was not only very helpful in improving our English grammar but we also learned how to use an English grammar book. J. 10) Letztlich ist das Ausmaß der Grammatikarbeit für jedes Sprachenpaar neu zu bestimmen. Im gymnasialen Englischunterricht jedenfalls sterben hierzulande viele Schüler an einer grammatischen Überdosis. In England ist es anders: Until recently, most schools, both primary and secondary, were more or less grammar-free zones … Only a few years ago, grammar teaching was deeply unfashionable. Nowadays it is resoundingly back on the education agenda. (Hudson & Barton 2002, 6) Exempel sind stille Regeln Longum est iter per praecepta, breve et efficax per exempla. (Seneca) Von der Hirnforschung herkommend, betont Spitzer (2010, 59), dass “das Allgemeine an Beispielen gelernt wird und gerade nicht durch das Auswendiglernen von Regeln oder Techniken”. Wenn überhaupt Regeln gegeben werden, sind sie mit Mustersätzen zu verzahnen, beide müssen sich aufeinander beziehen und sich wechselseitig erklären - etwa so, wie man ein Kartenspiel mit komplizierten Regeln wie Skat am besten mit nur wenig vorwegnehmenden Erklärungen, sonst aber durch Zuschauen und Mitmachen erlernt. Dabei sollten wir auch Merksätze verwenden, die zugleich Sinnsprüche sind, also allerhand Denk- und Merkwürdiges enthalten. Das ist Grammatik mit Pfiff. Denn “auch die blühendste Phantasie wird es irgendwann leid, Sachverhalte vom Typ ‘Die Katze ist tot’ auf der geistigen Bühne zu inszenieren” (Kleinschroth 2000, 136). Sinnsprüche und geflügelte Worte lassen sich leitmotivisch verwenden, man kann sie immer wieder zitieren. Oder auch auf ansprechende, gedächtnisfreundliche Poster schreiben und aushängen. “Die Erinnerung an solche Sprüche begleitet den Knaben bis zum Alter”, meint Quintilian (I, S. 27); er wird von Erwin Wickert (1991, 43) bestätigt, der aus seiner Gymnasialzeit berichtet: 292 Exkurs: Grammatik knapp und verständlich erklären Die Übungssätze prägten uns, ohne dass wir es bemerkten, schon von der Sexta an die Wertbegriffe der römischen Antike ein: den Mut, wenn etwa der ablativus absolutus an Mucius Scaevola demonstriert wurde, der seine Hand ins Feuer legte und verbrennen ließ, um seine Unschuld zu beweisen, oder die Tapferkeit an Leonidas und seinen 300 Spartiaten. In den Schulgrammatiken ist dies unüblich. Wieder zeigen sich ungewollte Nebenwirkungen der Einsprachigkeit. Interessante Sprüche enthalten womöglich unbekannte Wörter, und so bleibt man lieber bei Banalitäten, die sich keiner merken kann noch will. Natürlich darf es nicht moralinsauer werden, und so verwenden wir auch gern allerhand Humoristisches: Adverbs in mid-position The liar’s paradox: I never tell the truth. Barking dogs never bite. Comparison A man should be older, taller, heavier and uglier than his wife. An expert learns more and more about less and less. Diplomacy is do and say/ the nastiest things in the nicest way. Present progressive Present simple Labour isn’t working. Jesus saves. Money talks. Necessity (slogan used in a British electoral teaches. campaign) Present perfect Great Britain has lost an empire and has not yet found a role. The voyage of the Beagle has been by far the most important event in my life and has determined my whole career. (The Autobiography of Charles Darwin) I have called this principle, by which each slight variation, if useful, is preserved, by the term of Natural Selection. (On the Origin of Species, 1859, chapter 3) Past vs. present perfect In the beginning, God created heaven and earth, and rested. Then God created man and rested. Then God created woman. And neither God nor man have rested since. Merkverse: Yesterday, ago and last Für das, was man gerade tut, always want the simple past. Ist einzig die Verlaufsform gut, Ever, never, yet, so far - Man hält die Zeit ein wenig auf present perfect, ist doch klar! Und sieht die Handlung im Verlauf. Philosophische Grammatik 293 Zum französischen Konjunktiv: Quoi que tu fasses, garde-toi de haïr. Das Wort stammt von Romain Rolland, einem der wenigen Schriftsteller, die 1914 nicht in Kriegsbegeisterung ausbrachen. Hass zerstört die Menschen. Noch großherziger reagierte Tristan Bernard nach seiner Befreiung aus dem KZ: “Comme vous devez les haïr! lui dit un ami. Il répondit: Je ne hais que la haine.” Oder personalisieren: While explaining a new grammatical item he always tried to refer to students from our class so that his examples were interesting and easier to remember. For instance, when we studied the gerund he wrote down “Swimming is Jan’s hobby” etc. Ch. Philosophische Grammatik Jeder gute Grammatiker … ist ein partieller Philosoph. (Jean Paul Friedrich Richter) Wie wirken sich Sprachstrukturen auf Wahrnehmung und Denken aus? Wie können kleine Kinder mit komplizierten Satzbauplänen fertig werden? Warum gibt es ein grammatisches Geschlecht? Denken Menschen anders, deren Sprachen das grammatische Geschlecht an Verbendungen kennzeichnen oder auch gar nicht? Was ist das überhaupt, ein Kasus? Statt sich auf den öden Formalismus von If-Sätzen zu beschränken, fragen wir uns, was es für die Entwicklung des Menschen bedeutet haben mag, dass er Kontrafaktisches sagen und denken kann: “Was wäre denn passiert, wenn …? ” Wieso sind Formen wie I’m going to stay/ Je vais rester möglich? Geht er nun oder bleibt er? Aus einer ursprünglichen Absichtserklärung I’m going to help wird durch häufige Verwendung ein Hineingehen in die Zukunft, bis nicht nur das Moment der Absicht, sondern auch die Idee des Gehens abgestreift wird und der Ausdruck für Zukünftiges übrig bleibt: It’s going to rain. Wie auch aus will ursprüngliches Wollen verschwunden ist. Es handelt sich also im Grunde um eine erblasste Metapher, von denen es unzählige gibt, wie feststellen, begreifen, begründen usw. Wer solche Fragen stellt, rückt die Grammatik erst ins rechte Licht: An der französischen Grammatik konnte gezeigt werden, wie das allererste Verlangen nach einer wissenschaftlichen Wahrheit den Stein der Philosophie ins Rollen bringt. Wer ihm unermüdet nacheilt, sieht sich zuletzt in Tiefen der Erkenntnis entführt, wo, weitab von seiner ursprünglichen Fragestellung, ihm das Problem zum Erlebnis wird: was ist der Mensch? (Wähmer 1914, 98) Hier öffnet Grammatik die Tür zur modernen Hirnforschung und den cognitive studies. Dies fordert Waiblinger (1998) für den Lateinunterricht mit seiner Ausrichtung aufs mikroskopische Lesen und Übersetzen, dies ist zugleich Sache des Deutschunterrichts. Lehrer dürfen nicht Halbbegriffenes 294 Exkurs: Grammatik knapp und verständlich erklären weitergeben, sondern müssen sich im Eigenstudium weiterbilden. Das Eindringen in fremde Sprachen könnte zu einem vertieften Wissen von Sprache überhaupt und zu Einsichten in die tiefliegenden Gemeinsamkeiten der Sprachen und des Menschseins führen. 1 Erinnert sei auch an Krashens radikale “non-interface position” (es gebe keine Verbindung, keine Schnittstelle zwischen Sprachwissen und Sprachkönnen) und seine Monitor-Hypothese. Krashen übersieht u.a., dass schriftliche Texte immer schon eine grammatische Analyse darstellen. 2 Auch der Ansatz von Segermann (2000) sieht eine grammatische Progression im herkömmlichen Sinn nicht vor. 3 Hier ist die empirische Forschung gefragt. D.h., man könnte Vorwegerklärungen systematisch ausprobieren und sollte den induktiven Weg nicht als sakrosankt ansehen. Für Selbstlerner hält Kleinschroth (2000, 143) den Weg von der Regel zum Beispiel (Deduktion) für einfacher und zeitsparender. 10 Bilinguale Praxis im Detail Dieses Kapitel erweitert die schon vorgestellten bilingualen Arbeitsformen. Sobald sie in der Lehrerausbildung vermittelt und in der Praxis ausgeübt werden, wird man ein- und zweisprachige Techniken besser gegeneinander abwägen und neu verorten. Außerdem muss man die Fantasie haben, sich neue Lehrwerke mit neuen Texten vorzustellen, wie sie uns die systematische Mitwirkung der Muttersprache ermöglicht. Eine bunte Palette effektiver Arbeitsformen steht uns zur Verfügung, wenn wir die Muttersprache gezielt und wohldosiert mitspielen lassen. Enttabuisierung der Muttersprache heißt Bereicherung des Unterrichts. 1 Leider wurde in der Pädagogik insgesamt die Frage nach der richtigen Unterrichtsmethode “lange Zeit im Sinne des ‘Entweder-Oder’ betrieben und nicht als Erweiterung des Methodenrepertoires” (Wiechmann 2002, 12f.). Gibt es didaktisch brauchbare Übersetzungsäquivalente? Translation from the foreign language … is the most obvious and convenient way of explaining its meaning. (Henry Sweet) Gegen die Mithilfe der Muttersprache ist geltend gemacht worden, dass Sprachen nicht deckungsgleich seien: In den meisten Fällen stimme die aufgestellte Wortgleichung nicht. “Groß” sei nicht gleich “big” und “tableau” nicht gleich “Bild”: “Die Schüler lernen also etwas Falsches” (Doyé 1962, 10). Natürlich können Übersetzungen verfälschen - besonders, wenn die Sprachen verschiedenen Kulturkreisen und Denktraditionen entstammen. Tiefliegende kulturelle Unterschiede bleiben verborgen, wenn eine Sprache nicht aus ihrer Kultur heraus verstanden wird. Die einfachsten Beispiele betreffen die Lexik. Viele Sprachen machen sofort klar, ob Onkel und Tante, Oma und Opa väterlicherseits oder mütterlicherseits gemeint sind, so auch das Türkische: When I learned the words “Oma” und “Großmutter” I believed that these names did not mean the same person, but that the one meant my mum’s mum and the other my dad’s mum. I believed this for a very long time till my teacher finally realized my misunderstanding one day and told me that these words were synonyms. My disappointment was great … G. 296 Bilinguale Praxis im Detail Sie kann es einfach nicht glauben, dass die deutsche Sprache hier so nachlässig ist. Manche Sprachen markieren soziale Rangunterschiede beim Verb. Es besteht also ein grammatikalischer Zwang: Sobald ich ein Verb gebrauche, kann ich gar nicht umhin, diese Unterschiede zu signalisieren. So etwas lässt sich bei Übersetzungen ins Deutsche, wo man nur das Siezen vom Duzen trennt, nicht nachbilden. An vielen Stellen tappen wir in Sprachfallen, ohne es zu ahnen. Das wussten die Bibelübersetzer: 2 An Eskimo translator finds all reference to agriculture difficult. Bread is a commodity that is not known in many tropical countries. Customs of greeting differ. Terms such as “justification” do not have the background that they had for Paul … Translators must throughout use the closest natural equivalent; but to work that out in practice is always difficult. (Moulton 1971, 604) Ein Missionar, der mit den Dani in Neuguinea arbeitet, erläutert seine Schwierigkeiten: You can imagine how faulty my interpretation must have been, since we have no adequate terms for “God”, “believe”, or “everlasting life”. I talk about “Jesus’ father” because we know as yet of no belief of those people that would furnish a good term for “God”. They know of the ghosts of their dead, of noise-making, heart-stealing spirits of the lowland peoples that cause people to lose their minds … I usually use the expression “bad acting”, but that’s quite different from the true concept of sin. One could talk about breaking taboos, but that’s exactly the idea we don’t want to use, since we are so uncertain about the meaning of “wesa”, or taboo, in the thought and culture of these people. Acts that are so obviously sinful to us are items of cultural praise - killing, cruelty to enemies, hatred, pride, jealousy, disdain of the weak and the inferior. (Hitt 1962, 112) Aber selbst wenn Kulturen einen Weltenschöpfer kennen und benennen: Kann man diese Chiffre gebrauchen, wenn ein ganz unbiblischer Schöpfungsmythos und fremde Gottesvorstellungen mitgeschleppt werden? Dies war eine der großen theologischen Streitfragen zwischen verschiedenen in Südamerika missionierenden Orden. Während die Jesuiten die Übersetzbarkeit auch des Gottesnamens propagierten, bekämpften die Franziskaner diese Position als häretisch - Teil eines Konflikts, der schließlich mit dem Missionierungsverbot für Jesuiten in Lateinamerika endete. Nicht nur das Weltverständnis unterschiedlicher Kulturen, auch die Grammatiken von Sprachen können weiter auseinanderklaffen, als unsere auf wenige verwandte Sprachen bezogene Schulweisheit sich träumen lässt. Sehr fremdartig erscheinen uns serielle Verbkonstruktionen der folgenden Art, die sich in westafrikanischen Sprachen finden: Gibt es didaktisch brauchbare Übersetzungsäquivalente? 297 a. iywi awa utsi iku (Yatye) boy took door shut ‘The boy shut the door’ b. mo fi ade ge ñak- (Yoruba) I took machete cut wood ‘I cut (the) wood with the machete’ c. nam utom eemi ni mi (Efik) do work this give me ‘Do this work for me’ (nach Givón 1989, 331) Im Deutschen können wir Verpflichtung und Erlaubnis durch Modalverben ausdrücken. Nicht so im Koreanischen, das mit vorangestellten Konditionalsätzen operieren muss - aus unserer Sicht etwas umständlich: “Du mußt dieses Buch lesen”. Koreanisch gesagt: “Wenn du dieses Buch nicht liest, ist das nicht in Ordnung.” “Du brauchst dies Buch nicht lesen”. Koreanisch: “Selbst wenn du das Buch nicht liest, geht das in Ordnung.” (nach Givón 1989, 338) Ist das Übersetzen eine Utopie, weil so oft mit einem ungeklärten Rest verbunden? Oder haben solche Bedenken mit der didaktischen Brauchbarkeit von Übersetzungen gar nichts zu tun? Unsere Antwort: 1) Im Unterricht finden wir immer für den Moment brauchbare muttersprachliche Annäherungen an das Original, die uns die Lehrtexte erschließen und ein erstes Verständnis sichern. Man zeige mir Lehrtexte, die sich nicht muttersprachlich hinreichend abklären lassen! 2) Natürlich dürfen wir nicht die Illusion einer Eins-zu-eins-Deckungsgleichheit zwischen den Sprachen nähren. Aber der Hinweis auf die durchgängige Polysemie der Sprache zieht nicht: “big” gleich “groß” und “tableau” gleich “Bild” funktionieren eben doch als Ausgangspunkte. Das breite Bedeutungsspektrum solcher Wörter kann nur nach und nach entwickelt werden. D.h. die einsprachige Worterklärung wäre ebenso “falsch”, d.h. unvollständig wie die Übersetzung, und führt nachgewiesenermaßen auch zu den gleichen Fehlern! 3 So wurde engl. pail den Schülern einsprachig vermittelt, die anschließend das Wort auch für dust bin/ trash can verwendeten. Sie hatten pail durchaus richtig als “Eimer” verstanden, und es dann aber auf “Abfalleimer” übertragen (Kirstein 1972, 74). 3) Übersetzungen sind Annäherungsversuche, “a matter of more or less” (Givón 1989, 364). Selbst bei eindeutigen Wortgleichungen wie ital. il sole = die Sonne, bei span. la llave = der Schlüssel gibt es Unterschiede in den Konnotationen, d.h. im emotional-wertenden, assoziativen, stilisti- 298 Bilinguale Praxis im Detail schen Bereich, die hier mit dem unterschiedlichen grammatischen Geschlecht der Wörter verbunden sind (Motluk 2002, 63). Allerdings ist das Problem der Äquivalenz für unsere praktischen Zwecke meist schon gelöst, wenn wir weniger vom Einzelwort als von Wortverbindungen aller Art ausgehen: “go” kann vieles heißen, aber “go a step further” ist fast immer mit “(noch) einen Schritt weiter gehen” deckungsgleich. 4) Bei “exotischen” Sprachen ist die Zuhilfenahme der Muttersprache geradezu unentbehrlich. So lehnt Frühauf (1998, 43) für seine Chinesischkurse selbst die Vermittlung über das Englische als schon beherrschte Fremdsprache ab, die Muttersprache sei eben besser: In vielen Firmen mit geringer China-Erfahrung herrscht die Vorstellung, die deutschen Mitarbeiter könnten problemlos an Chinesisch-Kursen mit englischer Unterrichtssprache teilnehmen … Der fremdartige Charakter des Chinesischen als einer isolierenden Tonsprache, die weder im Wortschatz noch in den grammatischen Kategorien Berührungspunkte zu irgendeiner westlichen Sprache aufweist, erfordert im Unterricht einen ganz bewussten sprachphilosophischen wie didaktischen Brückenschlag, der auf dem Umweg über eine dritte Sprache, die für den Lernenden wie für den Lehrenden eine Fremdsprache ist, nur allzu leicht misslingt, sich auf jeden Fall als uneffektiv erweist. 5) Unterschiedliche Denkweisen und ihr sprachlicher Niederschlag müssen allemal zusätzlich erläutert werden, gleichwohl, ob die Stelle übersetzt wurde oder nicht. Wer noch nie einen Winter mit Frost und Schnee erlebt hat, dem darf man nicht mit nackten Wortgleichungen kommen. Michael West (1926, 50) hat an die vierzig Jahre in Indien und im fernen Osten unterrichtet: English is learned out of its context, away from English scenery, English life, English people. The words of the language can be given only in terms of the apperception of Bengal. In this way, the English language becomes adapted to express Bengali thought … The words are the words of England, but the thoughts are the thoughts of Bengal. Wir haben es in der Schule mit Kindern zu tun, “für die viele Details auch eines nicht allzu fernen Nachbarlandes doch erst einmal erklärt werden müssen, da sie ja auch noch mit vielen Details ihres eigenen Landes und ihrer eigenen Kultur unvertraut sind” (Frühauf). Erst allmählich erweitert das sprachenlernende Kind seinen Gesichtskreis. Zunächst gebraucht aber auch das deutsche Kind, das in einer deutschen Schule Englisch lernt, englische Wörter, um die Gedanken eines deutschen Schulkindes auszudrücken: Es passt sich die Sprache an. Dann aber bildet es sich weiter und lernt umgekehrt, sich auch der Sprache anzupassen. Sprachen sind eben kein “fertig daliegender Stoff” (Humboldt), sondern Erzeugung und Potenz. Ihr Wirkungsgleichheit: die übersehene pragmatische Dimension 299 Wesen ist deshalb nicht kulturelle Beschränktheit, sondern Beweglichkeit. Sie gewähren Freiheit, statt den Menschen auf ein “Weltbild” festzulegen. Für unendlich viele, noch nie mitgeteilte Gedanken schafft sich der Mensch entsprechende Texte. Das wahre Wesen der Sprachen ist gerade ihre Geschmeidigkeit und Fähigkeit, sich dem Gedanken anzupassen, ihre Modulationsfähigkeit, ihr Vermögen, Brücken zu schlagen, ihre Übersetzbarkeit. 4 Wirkungsgleichheit: die übersehene pragmatische Dimension Grundsätzlich ist die Bedeutungsvermittlung nicht eine Sache des Wortschatzes, wo sie traditionellerweise abgehandelt wird, sondern betrifft die Äußerung oder den Text, d.h. sie findet auf lexikalischer, grammatischer und pragmatischer Ebene zugleich statt. Der Schüler will zunächst einmal verstehen, was gesagt wird oder geschrieben steht, nicht nur andeutungsweise, sondern möglichst voll und ganz. Das mündlich gegebene, muttersprachliche Mitteilungsäquivalent erfüllt dieses fundamentale Bedürfnis am besten und am schnellsten - so wie wir es schon bei der Dialogarbeit (Kap. 6) kennen gelernt haben, auf die wir uns hier beziehen. 1) Das Mitteilungsäquivalent ist keine Wortgleichung, sondern (zumeist) ein idiomatisches Satzäquivalent, das auf Wirkungsgleichheit in einem gegebenen Kontext zielt und somit genau trifft. So wie Zimmer (1997, 328), selbst literarischer Übersetzer, es eben für seine Arbeit fordert: “Übersetzt werden Sätze, und übersetzen lassen sie sich nur im Zusammenhang des Ganzen.” Das schafft Klarheit: Patty: Wendy, how old is the earth? Wendy: Five billion years old. Patty: Really? I thought it was only 4.5 billion. Ein Schüler schlug für “Really? ” “Ach ja? ” vor. Je ferme la fenêtre? Soll ich das Fenster zumachen? Je le lui dis? Soll ich’s ihm sagen? Es hilft, wenn wir auch bei scheinbar Verstandenem nachfragen. “A good boy - what’s that? ” Wie würden wir uns denn hier ausdrücken? Ein braver Junge! Fremdes wird umso vertrauter, je genauer wir es an eigene Denk- und Ausdrucksweisen anbinden: nice and warm schön warm nice and easy superleicht 300 Bilinguale Praxis im Detail Linguisten sprechen hier von Pseudo-Koordination, da das erste Adjektiv nur als Verstärker dient. 2) Erst durch Mitteilungsäquivalente kommen die deutschen Modalpartikel zur Geltung, “those maddening little words which can give a different nuance or flavour to a text” (Heald 1991, 31). Man vergleiche, was das Wörtchen “bloß” in den folgenden Beispielen leistet: Don’t you dare switch channels. Schalt bloß nicht um. (Untersteh dich.) How dare you talk to her like Wie kannst du bloß so mit ihr that! reden! How can you possibly say such Wie können Sie so was bloß sagen? a thing? Ebenso die verdeutlichende Qualität weiterer Partikel wie “etwa, eigentlich, denn, schon“: (Linus wird verdächtigt, ein Comic-Heft zerrissen zu haben) Was it you, Linus? Warst du das etwa? Les timbres, ça s’achète où? Wo kauft/ kriegt man hier eigentlich Briefmarken? Und so übersetzen wir Montaignes skeptische Frage: Que sais-je? Was weiß ich denn schon? 3) Sprechweise und Sprechstil können ebenfalls wiedergegeben werden, etwa eine nachlässige oder pedantische Sprechweise, Dialektales, kumpelhafte Vertrautheit usw. Man vergleiche die Wörterbuchdefinition chat someone up - make flattering remarks to a girl mit der saft- und kraftvollen Übertragung in die Gegenwartssprache der Jugendlichen: “jemanden anbaggern, anquatschen”. What’s wrong with you, Bernie? - I’m sick of school. Was fehlt dir denn, Bernie? - Ich habe die Schule satt. Schülersprache: Ich habe kein Bock mehr auf Schule. Schule steht mir bis hier (plus Geste). Same ole story. - Imma dä jleiche Kram. (Rheinisch) Alternative Übersetzungen erfragt man am besten von den Schülern: “What would you say? ” Wo immer es ohne großen Zeitverlust geht, wird man den Schülern diese Chance einräumen, selbst fündig zu werden. Und die Schüler kommen dabei oft auf Redeweisen, die ihnen geläufiger sind als die Vorschläge des Lehrers. Vielleicht gleiten dann auch die fremden Ausdrücke leichter in sie hinein: Text: I get it. Lehrer: Ich versteh, ich hab’s kapiert. Schüler: Ich hab’s gerafft, geschnallt. Wirkungsgleichheit: die übersehene pragmatische Dimension 301 Text: I enjoy weightlifting. Schüler: Ich find Gewichtheben toll. Text: You’re just scared. Schüler: Du traust dich nicht. Du hast einfach Schiss. Das ist die Sprache, die sie verstehen. Nebenbei wird ihnen Einsicht in die approximative Natur des Übersetzens vermittelt. Das Erstbeste, was uns einfällt, ist vielleicht nicht gut genug, und selbst das Beste will uns oft nicht ganz zufrieden stellen. All das können unsere Schüler schon im ersten Unterrichtsjahr erfahren. 4) Mündliche Äußerungsäquivalente sind optimal, weil viele Bedeutungsnuancen über die Stimme mitgeteilt werden können, so die drohende Miene und das Stakkato der Stimme wie im folgenden Beispiel: I’m not going to ask you again. Who - did - that? Ich frag nicht noch mal. Also: Wer - hat das - getan? Wir sind alle geborene Stimmvirtuosen. Oft sind wir es ungewollt. Stimm(ungs)schwankungen wie Aufregung oder Langeweile, Sicherheit oder Verzagtheit, Ekstase oder Depression geben unser Innerstes preis. Als Lehrer müssen wir trainieren, unsere Stimme mit Absicht einzusetzen. Die Worte sind oft nicht selbst der Sinn, aber wir können ihn durchklingen lassen (Person kommt von per-sonare). Es gilt, mit der Stimme jedes Quäntchen an Anschauung herauszupressen, das der Text hergibt. Mit Gefühl sprechen! Denken wir uns die folgende Parole als Sprechchor, dann wird der Rhythmus wichtig: Power to the children! Alle Macht den Kindern! Les enfants, au pouvoir! Das Komma ist wichtig, es gibt einen Hinweis darauf, wie sich die Zeile als Sprechchor anhört. 5) Mimik, Gestik und Körperhaltung (wie hier auch das Schriftbild) unterstützen die Bedeutungsvermittlung als visuelle Signale. English is sooo interesting. Englisch ist ja sooo interessant! (breite, ausladende Geste, mit beiden Armen) (A und B betrachten eine Zeichnung) A: Who or what is it? B: It’s you! Das bist du! (aggressiver Zeigefinger) 302 Bilinguale Praxis im Detail All diese Bedeutungskomponenten zusammengenommen ergeben volles Verstehen: Die Muttersprache ist das schmiegsamste, biegsamste Instrument der Bedeutungsvermittlung. Mehr noch: Durch diese Art der Semantisierung kommen die Sprachen einander ganz nahe. Die fremde Sprache kommt dem Schüler weniger fremd vor, sie kann ihm richtig sympathisch werden! Vergessen wir also nicht die affektive Seite muttersprachlicher Vergewisserungen, die in Chaudhuris meisterlichen Analysen so klar hervortritt. 5 Wenn’s ums Übersetzen ging, haben die Humanisten häufig auf eine Cicero-Stelle verwiesen, wo Cicero seine Übersetzungen aus dem Griechischen kommentiert: “In quibus non verbum verbo necesse habui reddere, sed genus verborum vimque reservavi” (zit. nach Kelly 2002, 121). Nicht Wort für Wort wollte er wiedergeben, sondern “vim”, die Wirkung auf den Leser, ihre “illokutive Wucht” (Searle). Genau darum geht es auch hier. Wörter haben ihren vollen Sinn nur im Gesamtzusammenhang der Rede, der Tat, des Charakters. In herkömmlichen Semantisierungsverfahren - seien es zweisprachige Vokabelgleichungen oder einsprachige Erläuterungen - werden die Schüler um die pragmatische Dimension betrogen. Und um wie viel ärmer ist ein Unterricht, der diese und die noch folgenden bilingualen Lehr- und Lernformen nicht kennt! Muttersprachliche Bedeutungsvermittlung - Mitteilungsäquivalente statt Vokabelgleichungen (Abtönpartikel, Sprechstil) - Mündlichkeit: Sprechmelodie, Sprechrhythmus und Modulationen der Stimme - Einsatz von Mimik, Gestik und Körperhaltung - Halbverstandenes, zu Enträtselndes bindet kognitive Ressourcen - Unmissverständliche, genaue, potente Mitteilungsäquivalente setzen kognitive Ressourcen frei Mitteilungsäquivalente klären grammatische Funktionen Seit Aufkommen der direkten Methode wurde immer wieder gefragt, ob nicht denn wenigstens die Grammatik in der Muttersprache zu behandeln sei. Sie wurde meist so verstanden, ob man Grammatik nun auf Deutsch erklären dürfe. Aber die grammatische Analyse ist ja als solche schwierig, gleichwohl, ob wir uns darüber in der Mutter- oder Fremdsprache den Kopf zerbrechen. Wir lesen etwa in einer englischen Grammatik: “Zusammen mit dem Infinitiv des Perfekts steht needn’t mit Vergangenheitsbedeutung, um die Notwendigkeit einer bereits ausgeführten Handlung zu verneinen oder in Mitteilungsäquivalente klären grammatische Funktionen 303 Frage zu stellen.” Ganz schön kompliziert, nicht wahr, wenn wir’s nicht schon wüssten! Klar wird’s mit einem Beispiel, noch klarer, wenn das Beispiel in gutes Deutsch übertragen wird. Die Erklärung ist dann so überflüssig wie ein Kropf, denn die Übersetzung ist hier schon die Grammatik, sie liefert im Grunde schon alles, was wir brauchen: You needn’t have said anything. Du hättest nichts sagen brauchen. He needn’t have come. Er hätte gar nicht zu kommen brauchen. Ebenfalls überflüssig: “Steht in der direkten Rede kein Fragewort, so wird der Nebensatz in der indirekten Rede mit if oder whether eingeleitet.” Die Regel ist ein Umweg. Denn Gleichsetzungen wie He wanted to know if … = Er wollte wissen, ob … kapiert man sofort. Die sinngetreue Übersetzung der Beispiele liefert die Anschauung zu den Abstraktionen der Regeln. So klären auch die Lehrbücher going to durch idiomatische Übersetzung mit “wollen”, “vorhaben”. Ebenso sollte man going to in seiner Funktion als “Ausdruck einer Schlussfolgerung aufgrund bereits vorliegender Anzeichen” durch Übersetzung abklären: Look at the clouds. It’s going Es wird bestimmt regnen. to rain. I was going to …, but … Eigentlich wollte ich …, aber Bestätigungsfragen mit fallender und steigender Intonation werden auf Anhieb klar geschieden: It’s a lovely day today, isn’t it? (fallende Intonation) Schön heute, nicht wahr? Schönes Wetter heute, ne? He can’t play on Saturday, can he? (steigende Intonation) Er kann ja wohl Samstag nicht spielen, oder etwa doch? Zur Bedeutung von any: Is everybody listening? Hört auch jeder zu? Is anybody listening? Hört mir überhaupt jemand zu? Schön den Verlauf von etwas kennzeichnend: He’s becoming a nuisance. Er wird langsam lästig. I’m getting hungry. Ich werd langsam hungrig. He’s living in Paris. Er lebt z.Zt. in Paris. He lives in Paris. Er hat seinen Wohnsitz in Paris. You’re not being honest. Jetzt sind Sie nicht ehrlich. You’re not honest. Sie sind kein ehrlicher Mensch. Auch hier klärt die idiomatische Übersetzung den Unterschied zwischen present simple und Verlaufsform: 304 Bilinguale Praxis im Detail Das Kleid, das du da trägst The dress you’re wearing Das Buch, das du da liest The book you’re reading Den Apfel, den du da isst The apple you’re eating Die Sachen, die du so trägst The things you wear Die Sachen, die du immer isst The things you eat Die Bücher, die du so liest The books you read “Seit” kann auf den Zeitpunkt ebenso auf wie die Zeitspanne verweisen. Klare Bezeichnungen, klarer Sachverhalt. Oder etwa nicht? Was geht in den Köpfen unserer Schüler vor? “Seit 1984” - ist 1984 nicht auch eine Zeitspanne, fragen sie. Die Übersetzung ist eindeutiger als die Begriffe (auf die wir gar nicht verzichten brauchen), denn auch im Deutschen können wir wie im Englischen zwei verschiedene Wörter einsetzen, nämlich “lang” und “ab”: seit drei Wochen = drei Wochen lang = for three weeks seit 1984 = ab 1984 = since 1984 Deutschen fällt der Unterschied zwischen if und when in den Fällen schwer, wo wir beides Mal “wenn” sagen (when = als ist einfach). Auch hier ist die Erklärung nicht so gut wie die Übersetzung. Man vergleiche die Erklärungen: when = I’m sure it will happen. if = I’m not sure, maybe it will, maybe it won’t happen. mit den Übersetzungsvorschlägen: when we get home wenn wir (dann) nach Hause kommen if we get home late sollten/ falls wir erst spät nach Hause kommen Inzwischen benutzen deutsche Lehrwerke die klärende Hilfe idiomatischer Übersetzung, sind aber dabei noch viel zu zögerlich. He spared no effort to explain the new rules to us and whenever English had things in common with German he pointed it out. Such references to German grammar were very helpful because they made it much easier to understand which function particular grammatical constructions fulfilled in English. M. Eine Lehrerin für Gehörlose benutzt mit Erfolg die Gebärdensprache, um die englische Grammatik zu erklären: ASL (= American sign language) conveys the differences between subject and object as specifically as English does. It simply employs a change of direction rather than a change of pronouns or of sign order. Liz uses the grammar of ASL, which is perfectly clear and reasonable to the students, to teach them English grammar, which they find so unwieldy. (Hager Cohen 1995, 152) Muttersprachliche Spiegelungen klären grammatische Formen 305 Ich war glücklich über diesen Fund, und dann doch wieder traurig: The other English teachers may or may not use ASL; it certainly is not part of Lexington’s official curriculum. It’s just something that makes sense. (Hager Cohen 1995, 155) Der Rückgriff auf die Erstsprache ist also auch hier noch verpönt: Wir haben es mit einem weltweiten Lehrerirrtum zu tun. Muttersprachliche Spiegelungen klären grammatische Formen Die treffende idiomatische Übersetzung liefert funktionale Transparenz. Dazu brauchen wir die formale Transparenz: Doppelverstehen. Das leistet die muttersprachliche Spiegelung, die wörtliche Übersetzung, die den fremdsprachigen Satz durch Nachbildung in der Muttersprache durchschaubar macht und somit für das Verstehen der Bauform sorgt. Durchschaubarkeit ist - bei verwandten Sprachen - oft schon mit der idiomatischen Übersetzung gegeben, aber eben nicht immer. Vient de paraître-- soeben erschienen, wörtlich: *kommt vom Erscheinen. Erst wenn die sprachliche Struktur transparent ist, können Textbausteine aus dem Verband herausgelöst werden, um neue, variable Verbindungen einzugehen: vient d’arriver - soeben angekommen; vient de sortir - soeben gegangen. Hier geht es um die Wiederbelebung einer Lernhilfe, die belegt ist, so lange es dokumentiertes Fremdsprachenlernen gibt. Sie kam in Verruf, weil sie in Form von Interlinear- und Parallelversionen zu starr und ausschließlich statt punktuell verwendet wurde. Aber richtig dosiert und gezielt eingesetzt ist die wörtliche Übersetzung das Non-plus-ultra grammatischer Durchleuchtung fremder Konstruktionen und in wissenschaftlichen Grammatiken gang und gäbe. Den Begriff “Spiegelung” habe ich als didaktischen Terminus eingeführt, weil diese Lehrtechnik nicht einfach mit wörtlicher Übersetzung identisch ist (Butzkamm 1985: mirroring). Art und Ausmaß der Wörtlichkeit werden vom Lernstand und Lernproblem bestimmt. Die Gleichung braucht also nicht restlos aufzugehen, wie man es bei Interlinearversionen angestrebt hat. Manchmal sind auch Nachbildungen unterhalb der Wortebene, also Morphem für Morphem, aufschlussreich. Wir erläutern diese - für uns - zentrale Technik mit Beispielen aus der Satzlehre, der Wortbildung und der Idiomatik. 1) Syntax Many experienced teachers use word-for-word translation, albeit, so to speak, clandestinely, in order to make sentence structure transparent. (Hentschel 2009, 24) 306 Bilinguale Praxis im Detail A strategy I had chosen myself to learn a difficult structure was to compare it to Korean and then memorize a very simple sentence for illustration, for instance: “What a good boy you are”, where English word order is quite different from Korean. H. I was really looking forward to my first lesson in French. The teacher wanted to teach French in French and refused to speak a single German word. She had brought a big picture and placed it in front of the class, pointed at the people on it and said: “Voilà Philippe”, “Voilà Christine”. I did not understand what “voilà” meant and therefore asked my neighbour who was not sure either but guessed it meant something like “Here is Philippe”. I do not know why but I was not content with this explanation. I did not believe that one word, “voilà” could mean ‘here is’. I had the fixed idea that the verb was missing. At the end of the lesson I was still in doubt and asked my friend. She had a dictionary and we looked the word up. Only when I saw the German equivalent did I believe it. Why did the teacher not give it to us! C. Da Ich liebe dich, I love you oder russisch ja lublju tebja strukturgleich sind, wird jeder Deutsche diese Äußerungen, sobald er sie kommunikativ versteht, zugleich auch formal richtig auffassen. Aber wie steht’s mit anderen Sprachen, zumal dann, wenn wir ohne die Trennhilfen der Schrift auskommen müssten? Litauisch: aštavemyliu Chinesisch: woaini Spanisch: tequiero Griechisch: seagapo Polnisch: kochamciê Niederländisch: ikhoudvanje Ohne Verständnis der Bauform bleiben diese Formeln bloße Sprachdressur. Sie leisten nicht weniger, aber auch nicht mehr als Gesten und Gebärden des Liebhabens, Grüßens, Bittens oder Dankens. Derartige ganzheitliche kommunikative Gesten sind auch bestimmten Tierarten möglich. Der Wesenszug der Menschensprache, die sie vor allen Tiersprachen auszeichnet, ist aber Zerlegbarkeit und ständige Neuverteilung ihrer Komponenten (compositionality). Martinet sprach von “double articulation” und meinte die doppelte Kombinatorik: Etwa drei Dutzend Laute werden zu immer neuen Wörtern zusammengefügt, und Wörter werden zu immer neuen, noch nie gehörten Sätzen komponiert. Wie setzt sich das Gesagte, meine Liebeserklärung, zusammen? Da hilft schon die segmentierende Orthografie: aštavemyliu aš tave myliu woaini wo ai ni tequiero te quiero Muttersprachliche Spiegelungen klären grammatische Formen 307 seagapo se agapo kochamci e̜ kocham ci e̜ ikhoudvanje ik houd van je Dem Anfänger erklären wir aber die fremde Bauform auf eine ganz einfache, klare und elegante Art, nämlich indem wir sie in seiner Muttersprache nachbilden: Litauisch: Ich dich liebe Chinesisch: Ich lieben du Spanisch; Griechisch: Dich lieb-ich Polnisch: Lieb-ich dich Niederländisch: Ich halte (viel) von dir Die fremde Sprache erscheint dabei nicht als eine verschrobene Abart der Muttersprache. Denn es leuchtet ein, dass man es eben auch anders sagen kann. Muttersprachlich gespiegelt zeigt uns die fremde Sprache ihre produktive Potenz, die eben erwähnte Kombinatorik. Stellen wir einmal nebeneinander: Ní haˇo! Hello/ Hi *you good Zaˇoshang haˇo! Good morning. *morning good Waˇnshang haˇo! Good evening. *evening good Waˇn aˉn! Good night. *late peace Zàijiàn! Good-bye. *time (was) nice bù haˇo yì sı ˉ Sorry/ Excuse me. *not a good idea Das formale Verstehen der Formeln bringt eine Fülle weiterer Äußerungen in Reichweite des Lernenden: Du bist glücklich/ traurig/ reich/ arm usw. ‘Ni’, das Wort für ‘du’, und ‘haˇo’, das Wort für ‘gut’, werden freie Bestandteile und für beliebig viele neue Sätze verwendbar. Die Schulfremdsprachen habe ich so gelernt, wie sie üblicherweise dargeboten wurden, nach dem Prinzip einer unaufgeklärten Einsprachigkeit. Als ich später Türkisch gelernt habe, ging das nicht mehr. Da hat die Spiegelung in der Muttersprache weitergeholfen. (Französischlehrerin) Hat man etwa herausgefunden, dass “ich habe Hunger” oder “ich bin hungrig” auf Türkisch “karnim ac” (sprich: atsch) heißt, weiß man längst noch nicht, wie der Türke diese Idee ausdrückt. Strukturwissen braucht man aber, um selbständig Neues sagen zu lernen - die Quintessenz beim Sprachenlernen! Der Türke sagt nämlich wörtlich: “Bauch-mein hungrig”. Dem deutschen Anfänger gibt der türkische Ausdruck selbst keine Anhaltspunkte. D.h., es muss ihm gezeigt werden, wie der Satz gebaut ist. Dazu brauche ich nun überhaupt keine grammatische Terminologie, die manches oft noch schwieriger erscheinen lässt, als es in Wahrheit ist. Ich benutze schlicht die 308 Bilinguale Praxis im Detail wörtliche Übersetzung. Sie wirkt wie ein Wundermittel, denn den, dem man es verabreicht, kostet’s nicht die geringste Anstrengung. Umgekehrt haben nun Türken, die Deutsch lernen, die gleichen Schwierigkeiten mit der völlig fremden deutschen Bauform. Wenn der Lerner sie aber durchschaut, hat er enorm viel gewonnen, da beide Fügungsweisen “ich habe Hunger” und “ich bin hungrig” äußerst produktiv sind. Mit einem Schlag stehen ihm zahllose neue Sätze zur Verfügung (sofern er auch die Wörter hat), die er nach gleichem Muster bilden kann: Ich bin durstig, reich, arm, glücklich usw. Jeder, der eine Sprache mit einer etwas fremdartigen Grammatik lernt, weiß, wie hilfreich diese Technik ist, ja wie wenig man auf sie verzichten kann. Sie ist von unschätzbarem Nutzen, gelegentlich auch bei der Klärung von Fehlern: Andrea erinnert sich an einen hässlichen Ausrutscher ihres Lehrers. Eine Schülerin sagt: *“She didn’t bought the jeans” und bekommt darauf von ihrem Lehrer zu hören: “Du Blöde, du brauchst jetzt keine Vergangenheit von ‘buy’”. Lassen wir die Beleidigung beiseite. Es wäre gut, wenn der Lehrer die Konstruktion als naturwüchsigen Fehler, als Lernetappe erkannt hätte, der auch bei Muttersprachlern vorkommt. Besser noch, er hätte den Fehler durch muttersprachliche Spiegelung geklärt: “The English say: Sie tat nicht kaufen. But you said: Sie tat nicht kaufte. Please say: She didn’t buy the jeans.” Genau so macht es ein Praktikant an der Realschule. Er bemerkt, wie Schüler seiner 5. Klasse beim Einüben des present progressive oft die Form von “to be” auslassen, wenn sie selbständig Sätze bilden sollen: *“I playing football.” Er erklärt: “Das wäre genau so, als wenn du im Deutschen “Ich Fußballspielen” oder “Ich am Fußballspielen” sagen würdest. Da fehlt doch was.” - Das haben sie dann begriffen. O. Schüler machen sich auch selbst eine Konstruktion auf diese Weise klar: I translated these utterances into the corresponding German form and the structure became more obvious and therefore easier to use. No llego tarde = Nicht komme-ich spät. No tengo tiempo = Nicht habe-ich Zeit. No queda nada = Nicht bleibt-übrig nichts. B. Französische Sätze werden regelrecht geröntgt, durchleuchtet. Das klingt ja so schön witzig. Tu t’appelles comment? Du dich nennst wie? Ich mich nenne Juliette. (Realschullehrerin) Gerade das Witzige daran macht, dass man es behält. Goscinny amüsiert seine Leser in Asterix chez les Bretons, indem er vor allem englische Frageanhängsel und Kurzantworten im Französischen nachbildet. - Il est trop cher mon melon? ! - Il a un état normal, a-t-il? - Il est! Muttersprachliche Spiegelungen klären grammatische Formen 309 Schiffler (2012, 141) konnte nachweisen, dass auch eine kleine Anpassung wie die Spiegelung des grammatischen Geschlechts - un masque = *der Maske, cette eau = *diese Wasser, la forêt = *die Wald - einen Behaltenseffekt hatte, wobei natürlich auch ein Überraschungseffekt einzukalkulieren sei. Man braucht der Muttersprache aber nicht immer Gewalt anzutun, um die fremde Bauweise sichtbar zu machen. Manchmal genügt auch eine Art Brückendeutsch, das nicht gerade sprechüblich ist, aber dafür die fremde Struktur offenlegt oder ihr doch nahekommt. Je m’appelle Jean. Idiomatisch: Ich heiße Jean. Brückendeutsch: Ich rufe/ nenne mich Jean. Spiegelung: *Ich mich rufe/ nenne Jean. Auch Dialektales kann in den Dienst genommen werden. Ein Lehrer übersetzt: “Where do you come from? ” mit “Wo kommse von wech? ” “I will never forget that”, schreibt Petra. Brückendeutsch wäre also eine unidiomatische, aber noch halbwegs korrekte Annäherung, Spiegelung dagegen eine ungrammatische Anpassung an die Fremdsprache. Beispiele aus dem Anfangsunterricht, in dem oft nur vermeintlich Selbstverständliches erklärt werden muss: Any volunteers? Idiomatisch: Freiwillige vor! Brückendeutsch: Irgendwelche Freiwillige? Once more. Idiomatisch: Noch mal. Brückendeutsch: Einmal mehr. I see. Idiomatisch: Ach so. Brückendeutsch: Ich sehe. Whose book is it? Idiomatisch: Wem gehört das Buch? Brückendeutsch: Wessen Buch ist das? Your turn. Idiomatisch: Du bist dran. Brückendeutsch: Dein Dreh. Great, wasn’t it? Idiomatisch: Das war aber toll/ toll, nicht wahr? Brückendeutsch: Großartig, war es nicht (so)? Das sieht man doch auch so? Nicht alle Anfänger tun es, und nicht immer. So berichtet Burstall (1974, 176, 189): Many pupils appeared to have only a vague grasp of essential structures and an incomplete comprehension of material with which they appeared familiar; one of the more surprising aspects of the situation is the number of children, even among the more competent ones, who have no clear idea of the sense of the phrases they are using with apparent 310 Bilinguale Praxis im Detail understanding … Upon checking up, one can find ‘Ça va bien’ as a response, perfectly cued, but not understood by the child. - “We know the phrases, but if a French word was picked out I could not have said what it meant, even though I knew the phrases off by heart.” Geben wir ein paar Beispiele für Deutsch als Fremdsprache. Wie kann man anglophonen Kindern helfen, hinter die Geheimnisse des Deutschen zu kommen? Ein Deutschlehrer erklärt, ohne sich von Vorschriften beirren zu lassen: Wie spät ist es? What’s the time? *How late is it? Wie geht es ihr? How is she? *How goes it to-her? Anthony Burgess geht es um die deutsche Nominalklammer, die weit über das im Englischen erlaubte Maß gedehnt werden kann: There is a disconcerting logic about German which, putting the adjective before the noun, puts the whole of an adjective phrase there, too. English has ‘buttered bread’, but ‘bread spread with butter and strawberry jam’; German has ‘with butter and strawberry jam spread bread’. In other words, in speaking German, one must have the entire content of one’s adjective phrase worked out before the noun which it qualifies makes its appearance. (Burgess 1992, 115) Darüber hatte sich auch schon Mark Twain lustig gemacht, mit Beispielen wie “the in this town standing tavern”. Aber genau so sollten wir es englischen Schülern klarmachen: der in wenigen Minuten einlaufende Zug *the in a few minutes arriving train the train due to arrive in a few minutes wegen Überproduktion entlassene Arbeiter *on account of overproduction dismissed workers workers who had been dismissed on account of overproduction Die deutsche SOV-Stellung oder die deutsche Verbzweitstellung können problemlos nachgemacht werden, aber auch vieles andere: Schließlich kam er *Eventually came he. Sie ist vier Meilen geschwommen. *She is four miles swum. Darüber hinaus kann man bei englischen Spiegelungen des Deutschen vielfach auf ältere Sprachstufen verweisen; Bibel- oder Shakespeare-Zitate können helfen: “Woman, why weepest thou” (John 20,13; Authorized Version); Cicero zu Casca: “Why, saw you anything more wonderful? ” (Julius Caesar, 1,3,14). Muttersprachliche Spiegelungen klären grammatische Formen 311 There was one major technique which helped me to overcome grammatical problems. It was mirroring the English sentence structure in German. Structures like “I want you to write an essay” suddenly became transparent when I translated them word by word. I did that intuitively rather than consciously. Ch. 2) Wortbildung Wortableitungen und -komposita können muttersprachlich nachgebildet werden. Unkraut heißt in den romanischen Sprachen “schlechtes Gras”: französisch: mauvaise herbe italienisch: malerba spanisch: mala hierba portugiesisch: erva má tongue twister/ virelangue: Zungenbrecher; *Zungenverdreher grève de zèle: Bummelstreik; *Streik des (Dienst-)Eifers Der deutsche Tausendfüßler ist im Englischen ein “Hundertfüßler”, centipede, und im Russischen ein “Vierzigfüßchen”, was wohl der Wahrheit näherkommt. So macht es eine Deutschlehrerin in England: She showed the corresponding flashcard to the class and said “die Handschuhe - ok, they are gloves. Handschuhe, like ‘hand-shoes’; die Handschuhe”. J. Deutsche Komposita wie Kinderarzt, Frauenarzt, Tierarzt sind auch ohne Hinweis durchsichtig - ganz im Gegensatz zu ihren englischen Entsprechungen pediatrician, gynecologist, veterinary surgeon. Bei Wortkombinationen geben wir uns nicht zufrieden, wenn man uns mit der Bedeutung abspeist: diàn naˇo = Computer; hóng lü ̀ deˉng = Ampel. Wir wollen doppelt verstehen: Chinesen sagen hier “elektronisches Gehirn” und “Rot-grün-Lampe”. 3) Idiomatik Das doppelte Verstehen lässt sich am besten an bildlichen Redensarten, etwa an dem spaßigen it’s raining cats and dogs klarmachen. Schüler entdecken, wie’s gemeint ist: “Es gießt, es regnet in Strömen, es regnet Bindfäden, schüttet wie aus Kübeln.” Und sie erkennen sogleich, wie’s gesagt ist: In England fallen gleich Hunde und Katzen vom Himmel. Italienisch heißt es “piove come Dio la manda”. Aber wem genügt das? “Es regnet, wie Gott es schickt”, diese Klarheit wollen wir und brauchen wir auch. Brûler la chandelle à deux bouts: Funktionales Verstehen: seine Kräfte vergeuden, seine Gesundheit ruinieren; formales Verstehen: die Kerze an bei- 312 Bilinguale Praxis im Detail den Enden abbrennen. Ganz zufrieden sind wir aber erst, wenn wir ebenfalls ein Bild finden, etwa: mit seiner Gesundheit Raubbau treiben. Ich habe noch vor Augen, wie eine Lehrerin mit einer Pappuhr schön einsprachig die französischen Uhrzeiten übte. Die Schüler reagierten richtig, dennoch konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass einige keinen blassen Schimmer davon hatten, wie der Franzose sich “eigentlich” dabei ausdrückt: trois heures moins le quart. Drei Uhr (Stunden) weniger das Viertel, ein Viertel fehlt also noch, bis es drei Uhr ist. Das leuchtet ein. Die Spiegelung hat also noch den immensen Vorteil, dass sie den Schülern die Logik fremdsprachlicher Fügungen klarmacht. Kinder machen selbstverständlich von diesem Trick Gebrauch. Unterrichtszitat aus einer bilingualen Grundschule in Australien: Auf Englisch sagen wir ‘halb nach zwölf’, auf Deutsch sagt man ‘halb vor eins’, aber man lässt das ‘vor’ aus.“ Andere machen sich einen Spaß daraus: Very famous was “I break together” and “You’re heavy on the wood way”. Through making fun of language, we acquired a feel for the language. P. Die fremde Sprachgestalt in die Muttersprache herüberzuholen, ist das vorzüglichste Mittel, das Sprachgefühl zu entwickeln und weitergehende grammatische Erklärungen überflüssig zu machen. Brückendeutsch und Spiegelung legitimieren gewissermaßen in den Augen der Schüler die fremde Ausdrucksweise. Sie legen bloß, wie sich andere Völker in das Mitzuteilende hineingedacht haben. Außerdem: Wenn wir die Entfaltung des Sinns im Nacheinander der Morpheme mitvollziehen, wird das Geheimnis der Wortbildung und Satzerzeugung offenbar. Es ist eine Schande, dass die muttersprachliche Spiegelung, so sehr sie jedem Unbefangenen einleuchtet, in unseren Schulbüchern so wenig genutzt wird, während sie sich außerhalb der Schule schon längst durchgesetzt hat und in Reise- und Sprachführern gar nicht mehr wegzudenken ist - etwa in der Kauderwelsch-Reihe des Reise-Know-How-Verlags. So finde ich auch immer mehr Mitstreiter, u.a. Kleinschroth (1992) und Schiffler (2002, 2012): Ich kann mir das Erlernen einer Fremdsprache ohne ‘Mirroring’ nicht vorstellen. (O. Sch., DaF-Lehrer) The much frowned upon word-for-word translation, in particular, should be reintroduced on a broad basis and used regularly in the process of language acquisition. (Hentschel 2009, 28) Die Methode der muttersprachlichen Spiegelung habe ich sogleich in einer fünften Klasse ausprobiert und habe verblüfft festgestellt, dass vie- Fachbegriffe von der Muttersprache her klären 313 len Schüler gar nicht bewusst gewesen war, dass ihre typischen Fehler [etwa “Go you sometimes on Saturdays to the cinema? ”] auf ihre Muttersprache zurückzuführen waren. Sogleich begannen die Schüler, auf eigene Initiative die beiden Sprachen zu vergleichen: “Also sagen die Engländer: Tust du manchmal gehen ins Kino samstags? ” Für Schüler und Lehrer war das ein Aha-Erlebnis. (Amazon Kundenrezension) Muttersprachliche Verfremdung als Aussprache- und Schreibhelfer Schließlich kann das Nachempfinden des Fremden in der Eigensprache auch im Bereich der Aussprache hilfreich sein. Ich kann mir nichts Wirksameres vorstellen, als deutschen Kindern an deutschen Ausdrücken wie “aus und ein” klarzumachen, wie Engländer oder Franzosen die Wörter in der Rede aneinanderbinden: “au sun dein”. Ebenso zeigen wir das dark l, indem wir deutsche Wörter wie “Bild” oder “Kölsch” nach englischer Art aussprechen. Oder wie hier: In order to pronounce [w] correctly, we had to say the German tongue twister “Wir Wiener Waschweiber wollen weiße Wäsche waschen, wenn wir wüssten, wo warmes weiches Wasser wär”, while pronouncing the [w] the English way. This was funny and it worked. S. Ich erinnere mich, wie ich mir gelegentlich die Schreibweise fremder Wörter einprägte, indem ich sie bewusst “auf Deutsch” vor mich hin sprach: im-me-di-a-te-ly. So wird die Muttersprache auch noch zum Schreibhelfer. 6 Fachbegriffe von der Muttersprache her klären Wenn wir mit Fremdsprachen anfangen, haben wir schon eine Grammatik im Kopf. Sie bleibt im Untergrund und kommt uns normalerweise nicht in den Sinn. So sind “adjektivische Possessivkomposita” für uns böhmische Dörfer, nicht aber die damit gemeinten sprachlichen Phänomene. Wir kennen Wörter wie “blauäugig, großspurig, englischsprachig” oder das homerische “rosenfingrig” und bilden “japanischsprachig”, auch wenn wir es nie gehört haben. Wir brauchen also gar nicht den grammatischen Terminus noch die Regel, auf die er verweist. Denn der Lotse, dessen Anweisungen wir am ehesten verstehen, ist die Muttersprache. Die fremdsprachige Grammatik ist deshalb vergleichend, von der Muttersprache her zu betreiben. Nur sie ist Grammatik vom Schüler her. Sie holt ihn da ab, wo er ist. Auch der Lehrer, der die Grammatik nicht 314 Bilinguale Praxis im Detail explizit von der Muttersprache her betreibt, setzt bei seinen Schülern ein inneres Verstehen von Kategorien wie Singular, Plural, Subjekt, Objekt, Prädikat und so fort immer schon voraus. Wir unterrichten eben immer nur Kinder, die schon Sprache haben. 7 Auf dieser gewachsenen Grammatik lassen sich weitere aufpfropfen. Wie gut verstehen wir schon, wie sich ein englisches Adjektiv im Satz verhält, dank unserer Muttersprache: an interesting young man (opinion adjectives go before fact adjectives) the first two days, the next few weeks, the last ten minutes so interesting, so tired that … such a long time how interesting! too difficult good enough vs. enough experience as old as (so alt wie, aber sonst strukturgleich! ) the sooner, the better (auch hier fällt der kleine Unterschied zum Deutschen nicht ins Gewicht) bigger than the biggest more complicated than (anders im Deutschen, aber leicht zu spiegeln: “mehr kompliziert als”) Auffällig allerdings die deutschen Superlative vom Typ “am schönsten”. Dies scheint mir aber eher ein Problem von Deutschlernenden als ein Problem für deutsche Englischlerner zu sein. Was tun wir also, wenn wir Kategorien wie “Verb” oder “Adjektiv” benutzen möchten, uns aber nicht sicher sein können, ob die Schüler wissen, was wir meinen? Hier hilft die Ericsson-Technik, mit der wir vorhandenes implizites Wissen explizit machen, etwa so: What is a VERB? - T (teacher) gives examples in Swedish and English. - T demonstrates (acts out some verbs). - S (students) “load up” with verbs in Swedish. - “Wildfire”: S take turns in rapid succession and give examples of Swedish verbs. - T calls 2-3 “writers” to the blackboard. - S suggest verbs in English. The writers write them on the blackboard in designated spaces. The verbs are read in unison. (Ericsson 1986, 85ff.) Wir brauchen nicht auf Erklärungen zu verzichten, wohl aber auf wasserdichte Definitionen. Stattdessen gehen wir von einleuchtenden prototypischen Funktionen aus: “Ein Verb ist meist ein Tu-Wort, vor dem eine Person stehen kann, also: ‘Wolfgang schreibt’.” Aber nur so knapp wie möglich Das Mitlernprinzip: 1) mehrsprachige Vernetzung 315 erklären, denn damit geben wir nur den Startschuss ab. Nun schießen die Schüler los, geben Beispiele für die Wortklasse in der Fremdsprache wie in der Muttersprache. Kommt ein falsches Wort, schüttelt der Lehrer einfach den Kopf, ohne weitere Erklärung. Allmählich, das ist die Erfahrung, werden nur noch passende Beispiele genannt. Drei Schüler stehen an der Tafel und schreiben auf Zuruf auf, aber nur die fremdsprachigen Wörter. Ebenso erklären wir andere linguistische Termini, z.B. Kollokationen, indem wir auch deutsche Beispiele geben. Man sagt z.B. “Fröhliche Weihnachten! ”, “Freudige Weihnachten” klingt einfach falsch. Wir sagen “einen Mord begehen”, nicht etwa “einen Mord machen”, “Blödsinn reden” nicht “Blödsinn sprechen”, obwohl das jeder verstehen würde. So legen sich Sprachen auf bestimmte Wortverbindungen fest. Ebenso erklären wir Polysemie vom Deutschen her und zeigen etwa, warum “schwer” mindestens drei verschiedene englische Entsprechungen braucht: heavy, serious, difficult. Wir werben auch um Verständnis für fremde Schreibweisen, indem wir den Kindern die Augen für Ungereimtheiten deutscher Ausspracheregelungen öffnen: “Wege”. Zweimal <e>, und doch klingt’s ganz anders. “Kaiser” ist vernünftig, “leise” weniger. Und ist <sh> nicht besser als <sch>, weil kürzer? Und so haben auch die Engländer ihre Eigenheiten, schreiben much und sagen Matsch. Wir erklären vom Deutschen her, was der Apostroph in beiden Sprachen leistet und zeigen auch den Unterschied: Wie geht’s? = Wie geht es? Let’s play. = Let us play. Egons Fahrrad. John’s bicycle. Etwas von der Muttersprache her zu erklären, ist ja nur ein Spezialfall des allgemeindidaktischen Prinzips, vom Bekannten zum Unbekannten fortzuschreiten. Wir malen die Landkarte unserer eigenen Sprache aus und kartographieren gleich die Fremdsprachen mit. Das Mitlernprinzip: 1) mehrsprachige Vernetzung Ist es auch angeknüpft an Vorhandenes? (B. Brecht) Only connect. (E.M. Forster) Neues Sprachmaterial ist so vielfältig wie möglich an Bekanntes anzuknüpfen und in ein sich formierendes Wissenssystem einzubinden. Denn: “Information that is totally new is totally incoherent, it offers no overlap with the receiver’s existing knowledge, it thus cannot be integrated with it” (Givón 1989, 24). Wir folgen dem Grundprinzip des Lernpsychologen Ausubel (1978, iv): 316 Bilinguale Praxis im Detail If I had to reduce all of educational psychology to just one principle, I would say this: The most important single factor influencing learning is what the learner already knows. Ascertain this and teach him accordingly. Das ist didaktisches Allgemeingut. Nur: Wir gehen hier viel, viel weiter als üblich, weil wir bewusst auch die Verbindung zur Muttersprache nutzen. Die Wörter werden in die Lebenswelt der Kinder eingebunden: Bilingual techniques … allow us to release and transfer the immense charge and reservoir of meaning embedded in the mother tongue to the target language. (Wilberg 1987, 147) Fast alle Wörter haben verborgene Mitwörter. Wir zapfen aber nicht nur muttersprachliches Vorwissen an und nutzen Kenntnisreserven aus, sondern machen auch Vorgriffe auf Fremdwörter, die den Schülern oft noch gar nicht bekannt sind! Das muttersprachliche Neuland, das wir damit erschließen, führt genauso zur wechselseitigen Verstärkung der Sprachen wie der Rückgriff auf Vorhandenes. Und selbstverständlich vernetzen wir die neue Sprache auch mit vorher gelernten anderen Fremdsprachen. Konsequente Ausnutzung des gemeinsamen europäischen Sprach- und Kulturgutes bereichert uns. 8 Unter der Überschrift “Förderung der muttersprachlichen Wortkenntnis durch den fremdsprachlichen Unterricht” erklärt Büttner (1907, 592f.): Wir halten es für unnatürlich und unpädagogisch, dass unsere Schüler über gewisse Einrichtungen des Auslandes (z.B. das Parlament) belehrt werden, ohne dass sie wissen, wie es mit den entsprechenden Einrichtungen in unserem eigenen Vaterlande bestellt ist. Der gleiche Fall tritt aber auf dem sprachlichen Gebiete ein, wenn die Schüler entweder die Namen von Dingen, Tätigkeiten usw. in einer fremden Sprache lernen, die sie in ihrer eigenen nicht zu benennen wissen, oder wenn die muttersprachlichen Wörter ihnen zwar bekannt, aber nicht mit deutlichem Inhalt ausgefüllt sind, derart, dass sie die entsprechenden fremden Wörter nicht als ihr äquivalent erkennen. Folgende Ausdrücke gehören zur fremdsprachigen Unterrichtsführung und bieten zugleich Anknüpfungspunkte an Fremdwörter der Muttersprache: (ir)relevant information, the first paragraph, original version, final version, keep a record of, favourite subject, find the equivalent, become autonomous, compare notes, sheets can be anonymous, our priorities and preferences, add any other words, complete or finish the sentences, let’s make a contract between us, to argue, present an argument, find the opposite, give an example, describe the situation … Auch wenn es um Fachsprachliches geht, müssen wir die Muttersprache zugleich weiterentwickeln: Das Mitlernprinzip: 2) Wortgeschichten 317 Gerade im Hinblick auf die Handelskorrespondenz, wo oft Klischee durch Klischee übersetzt werden muß und es in beiden Sprachen eine Fülle ähnlicher und sich oft wiederholender Floskeln gibt, ist es mir unerfindlich, warum auf zweisprachiges Vokabellernen verzichtet werden soll; hier werden … mit den fremdsprachlichen Redewendungen zugleich die deutschen wieder geübt. (Castner 1961, 283) Schüler müssen z.B. lernen, dass eine Tagesordnung gewöhnlich mit dem Punkt “Verschiedenes” schließt, mit “any other business” oder “questions diverses”. Die konsequente Anwendung des Mitlernprinzips bedeutet: 1) den Rückgriff auf Vorwissen in der Fremdsprache selbst; 2) den Rückgriff auf muttersprachliches Vorwissen; 3) den Vorgriff auf die Muttersprache; 4) den Rückgriff auf vorher gelernte Fremdsprachen und ggf. andere Muttersprachen, soweit sie den Schülern noch geläufig sind. Das Mitlernprinzip: 2) Wortgeschichten Wir bauen Gedankenbrücken, auf denen wir vom fremdsprachlichen Wort zum deutschen und von der Kernbedeutung zu weiteren Bedeutungen wandern: blackboard Von blackboard ‘Tafel’, ‘schwarzes Brett’ zu Bord, Bücherbord, und dann weiter zu notice-board, chessboard, bed and board, boarding school - wie Tisch auch im Sinne von Essen, Mahlzeit verwendet wird. Vielleicht auch Verknüpfung mit Bordell als Bretterhütte, dann Dirnenhaus. mood Von mood ‘Stimmung’, ‘Laune’ zu Mut, Unmut, Missmut, Übermut, Schwermut, Wehmut, Sanftmut, wohlgemut. Die Schüler verstehen jetzt, warum Unmut nicht das Gegenteil von Mut ist! emancipate Von emancipate ‘emanzipieren’ zu émanciper, ex manibus, aus den väterlichen Händen geben, und dann weiter zu manuell, Manufaktur usw. confirm Von confirm ‘bestätigen’ zu Konfirmation, Firmung, konfirmieren, also einsegnen, d.h. eben den bei der Taufe beschlossenen Eintritt in die Kirche bestätigen und befestigen, von da zu firmus ‘fest’ und Firmament ‘Himmelsfeste’. 318 Bilinguale Praxis im Detail dictate In einer sechsten Klasse habe ich einmal das neue Wort dictionary in ein ganzes Netz deutsch-englischer Verwandtschaft eingeflochten: dictate, dictation, dictator, dictatorship, dictatorial, dictatorship of the proletariat. Keiner kannte das Marx’sche Wort von der Diktatur des Proletariats, das war also ein Vorgriff. Zusätzlich kann man auch die Verwandtschaft von diktieren und dichten erklären. Wenn die reichen und gebildeten Römer dichteten, pflegten sie die Verse ihren (griechischen) Sklaven zu diktieren. Dabei schärft sich auch unser Blick dafür, wie verschieden die Sprachen die Dinge in den Blick nehmen können - bei all der abendländischen Verflechtung und gemeinsamen Geistigkeit. “Marienkäfer”, ladybird, coccinelle: Im Französischen kommt das Tierchen nicht so gut weg! Die verharmlosende Reichskristallnacht - Night of the broken glass - wurde umgetauft in “Reichsprogromnacht” - ein Beispiel, das uns mahnt, nicht einfach die Wörter für uns denken zu lassen und so zu gebrauchen, wie sie gerade zur Hand sind. Denn im Vergleich können wir die in unseren Sprachen konservierten verbalen Parteinahmen erkennen. Dabei gibt es auch Gelegenheit zu kurzen kulturkundlichen Exkursen, etwa wenn wir “learn by heart” mit “to record” und “apprendre par cœur” in Verbindung bringen. Die volksetymologische Umdeutung von “per chorum” in “par cœur”, die dann vom Englischen übernommen wurde, verdankt sich wohl dem Umstand, dass man früher glaubte, nicht das Hirn, sondern das Herz sei der Sitz des Gedächtnisses. Natürlich machen wir nicht den Fehler, die etymologische, also doch die alte, abgelegte Bedeutung für die “eigentliche” zu halten: “the etymological fallacy” (Sweet 1964, 87). 9 Im Gegensatz zu “while” hat das deutsche “weil” sich von der Zeitbezeichnung zur Ursachenbeschreibung gemausert (vgl. “alldieweil”), es bedeutet aber nicht “eigentlich etwas anderes” als es heute bedeutet. Gebannt hören die Schüler zu, wenn man ihnen erklärt, dass es “football” heißt, weil man den Sport zu Fuß statt auf dem Rücken der Pferde betreibt. Fußball war von Anfang an Volkssport, kein Turniersport der Adligen. Deshalb ist nicht nur “soccer”, sondern auch “rugger” und “American football” mit Recht “Fußball”, auch wenn man den Ball mehr wirft als kickt. So haben Wörter ihre Geschichte, und das zu wissen, ist allein schon etwas wert. Sie werden dadurch anschaulich, interessant und behaltensfähig. Schüler werden - so hab ich’s erlebt - richtig neugierig auf Wörter. Weinrich (2003, 119ff.) und Meißner (2000) weisen hier auf die Ars memoriae der Antike hin, die die Versinnlichung der Gedächtnisinhalte, z.B. durch Rhythmus und Reim, und die Verbildlichung, z.B. durch Geschichten, empfahl. Ein Beispiel Weinrichs: In früheren Jahrhunderten, vor der Erfindung und Verbreitung der mechanischen Uhren, war unser tägliches Zeitempfinden ganz vom Mittag her gedacht als dem Scheitelpunkt des Tages. Dem Englischlehrer wird es Das Mitlernprinzip: 2) Wortgeschichten 319 auf keinen Fall erspart bleiben können, das zu erklären, denn sonst kann er ja die englische Zeitrechnung mit ante meridiem (a.m.) und post meridiem (p.m.) nicht plausibel machen. Diese Zeiteinteilung beweist noch heute, dass man früher vom Mittag her einerseits zurückschaute auf die Stunden des “Vormittags”, andererseits vorausschaute auf die Stunden des “Nachmittags”, wie ja auch im Deutschen die Bezeichnungen lauten. Auch der Französischlehrer sollte dies irgendwann einmal deutlich machen, da die Stunde “zwölf Uhr Mittag” nach den Regeln der französischen Grammatik die einzige Stunde ist, die nicht mit Zahlen bezeichnet wird: diese Stunde heißt midi. Zugleich gilt es solche Verknüpfungen abzuwehren, die Schüler gern von sich aus machen, aber eben fehlerhaft sind. “Cross-associations cannot be got rid of by ignoring them: on the contrary, they have an awkward habit of cropping up when we least expect them” (Sweet 1964, 199). Fehlerträchtig sind besonders verführerische Klangähnlichkeiten. Es genügt nicht, die richtigen Bedeutungen zu kennen: He is to blame. Er hat Schuld. Don’t blame me. Du musst doch mir nicht die Schuld geben. something is blamed on someone man gibt jemandem die Schuld You’ve only got yourself to blame. Du hast ganz allein selbst Schuld. You’re not blaming me, are you? Du willst mir doch nicht etwa die Schuld geben? Aber zugleich müssen auch Übersetzungen für das naheliegende “blamieren” angegeben werden: “to embarrass, to humiliate someone”. Was aber tun mit all den Vokabeln, die sich der Vernetzung standhaft widersetzen? fragt ein Romanistikprofessor, der sich im Selbststudium das Russische aneignet. Hier greift er spontan zu Eselsbrücken: “Kruglich” = rund? Kein Problem: der Krug ist rund. Oder “rot” = Mund? Na klar, der Mund ist rot. “Igla” = Nadel? Der Igel hat Stacheln so spitz wie Nadeln. (Rück 1998, 345) Für das Behalten ist auch die Selbststrukturierung des Materials wichtig. Lehrwerke bieten hier oft zu viel: Es kommt darauf an, dass man sich selbständig Wortnetze knüpft, eigene mind maps zeichnet und dabei eigene innere Bilder erzeugt. Treiben wir auch ein wenig Sprachpflege, damit unsere Schüler hellhörig werden und die vielen heimlichen Anglizismen, die entbehrlichen und weniger entbehrlichen, erkennen und sorgsamer mit der Sprache umgehen. Allzu bequeme direkte Übersetzungen ohne Bedeutungsgewinn sind aufzuklären, supermoderne Redensarten als modische Protzereien zu entlarven und von den hochwillkommenen Bereicherungen wie “überlappen” zu 320 Bilinguale Praxis im Detail unterscheiden. Am meisten aber haben wir erreicht, wenn wir durch diese Arbeit am Wort bei unseren Schülern so etwas wie einen historischen Sinn wecken können: Now words in themselves had not only a musical effect upon my senses; they lured me to the dictionary, like a cat to the larder, where I feasted my imagination on origins. This was the beginning of the historical approach to all matters, that instinctive and immediate inquiry, when confronted with a new experience or idea, which demands “what started all this? ” (Church 1953, 167) Die Fremdsprache ist eben keine chambre séparée. 1) Verborgene Beziehungen bewusst machen. 2) Sich aufdrängende falsche Verknüpfungen aufklären. 3) Eventuell künstliche, private Verknüpfungen herstellen. 4) Hunger auf Wörter und ihre vielfältigen Ableger machen. 5) In den Wörtern versteckte Sichtweisen erkennen. 6) Verständnis für geschichtlichen Wandel erzeugen. Das Mitlernprinzip: 3) Gebrauchsfertige Gleichungen (lexico-grammar) Dies aber ist der wichtigste Aspekt des Mitlernprinzips: Wir lernen mit den Wörtern zugleich ihre Grammatik. Wir lernen “Konstruktionen”, und darunter fallen Einzelwörter wie auch Syntagmen. Ende der 1950er Jahre erschien eine Serie von Beiträgen, in denen das “Ende der zweisprachigen Vokabelgleichung” und die Abschaffung des damals üblichen Vokabelheftchens im DIN-A5-Format als Vokabelfriedhof gefordert wurde. Die mit Leonhardi (1956) begonnene Diskussion hat Wichtiges bewirkt: Am Ende bewährte sich ein dreispaltiges Vokabelverzeichnis, das heute in deutschen Lehrwerken Standard ist. Dennoch waren die Reformer in ihrer Polemik gegen die Vokabelgleichung, die immer wieder zu Fehlern führe, zu weit gegangen, und dieser Irrtum wirkt auch heute noch nach. Man kann nämlich die Fehler erzeugende Polysemie des Einzelworts unterlaufen, indem man Wortverbindungen gleichsetzt. Schon hat man stimmige, wieder verwertbare, gebrauchsfertige Sprachstücke. Versteht man unter “Vokabel” nicht einfach das Einzelwort, so landen Vokabelgleichungen nicht zwangsläufig auf dem Vokabelfriedhof. Mit Vokabellisten der folgenden Art schaffte es eine achte Gymnasialklasse, ohne Abstriche an der Lehrbucharbeit vorzunehmen (! ) einen Harry- Potter-Roman durchzunehmen (und noch manches andere obendrein), als Buch, Audioversion und Film: Parallelübersetzungen der Lektionstexte 321 nehmen Sie alles take the lot einen Pokal verleihen award a cup noch am selben Tag the very same day ganz wie Sie wollen have it your way then sich lächerlich machen make a fool of oneself hier lang zu den Booten this way to the boats Also kaum Einzelwörter! Pro Buchseite, so Kleinschroth, übersetzte er auf diese Weise für seine Schüler etwa vier bis sechs Ausdrücke, für The Philosopher’s Stone insgesamt ca. 400 Vokabelgleichungen. Als Harry Potter and the Order of the Phoenix (2003) erschien, bekam die Klasse die zweisprachigen Lesehilfen von ihrem Lehrer nur für das erste Kapitel, in der Hoffnung, dass möglichst viele weiterlesen. Die Leistungsträger sollen jeweils für 10 bis 20 Seiten das Herausschreiben der Vokabeln übernehmen und den anderen verfügbar machen. Nach ca. 100 Seiten werden Vokabelhilfen für die restlichen 600 Seiten weitgehend überflüssig (Kleinschroth, email vom 22.6.2003). Die Schüler werden, nach dem Vorbild des Lehrers, nicht immer nur Einzelwörter auflisten. Was für ein tolles Ergebnis, wenn eine ganze achte Klasse ohne Ausnahme ungekürzte englische Originalwerke liest und Freude daran hat! Wie schön, wenn sich leistungsfähige Schüler für die Klasse einsetzen, indem ihre fleißige Handhabung des zweisprachigen Wörterbuchs allen zugute kommt! So kann die Zukunft aussehen! Wie unsinnig angesichts solcher Erfahrungen ein undifferenziertes Einsprachigkeitspostulat! Wie wichtig auch für die Schüler, ein zweisprachiges Wörterbuch richtig benutzen zu können, bevor sie auch mit einsprachigen arbeiten! Wir müssen zwar das Einzelwort auch kennen, aber zugleich vernetzen, d.h. beim Vokabellernen setzen wir auf Wortverbindungen aller Art (chunks) und damit auf gebrauchsfertige Gleichungen, leicht in Äußerungen einzupassende Versatzstücke. Eine ausgezeichnete Idee ist es, die Schüler selbst zu neuen Einzelwörtern der Lehrbuchtexte passende Kollokationen aus dem Kollokationswörterbuch auswählen zu lassen, die gleich mitgelernt werden (Jelic 2012). Parallelübersetzungen der Lektionstexte Ein kühner Vorstoß, der die traditionelle Lehrbucharbeit radikal verändern könnte, stammt von Schiffler (2012, 28, 131ff.). Demnach sollte man den Haupttext einer Lehrbucheinheit mit einer Parallelübersetzung auf der gegenüberliegenden Seite präsentieren. Wenn solche Lateralversionen vorliegen, 322 Bilinguale Praxis im Detail ist mündlich viel leichter ein einsprachiger Unterricht möglich, denn es gibt gar keine Notwendigkeit mehr, Vokabeln mühsam in der Fremdsprache zu erklären und sie denjenigen Schülern, die sie nicht verstanden haben, auf Deutsch zu sagen. Im Grunde geht es darum, die bilinguale Dialogarbeit, wie sie hier im sechsten Kapitel dargestellt wurde, für längere Lektionstexte zu adaptieren: imitativ, bewegungsgestützt, schriftgestützt, Sandwich-Technik und Spiegelung, wenn nötig, Mitlernprinzip. Schiffler hat seinen Vorschlag in mehreren Französischklassen erprobt, hat hervorragende Ergebnisse erzielt, seine Erprobungen beschrieben, analysiert und auch als Video dokumentiert. Eine großartige Leistung, und es ist nun an der Zeit, dass die Fachwelt diese Vorschläge aufgreift und prüft. Denn man darf den Verlagen eine solch weitgehende Neuerung nicht ohne breite Diskussion und Absicherung der Schulbehörden zumuten, auch nicht ohne Erprobung in größerem Maßstab. Die Verlage könnten aber kooperierende Lehrer gewinnen, denen die Übersetzungen zunächst als Loseblattsammlung zur Verfügung gestellt werden. Wu (2010) hat gezeigt, wie Computer-Selbstlernkurse die Muttersprache systematisch in Dienst nehmen, aber das noch auf unterschiedliche Weise tun, dabei auch inkonsequent und gelegentlich irreführend sind. Wichtige, praxisrelevante Forschung könnte Selbstlerner begleiten und beobachten, wie sie jeweils die Übersetzungen mitbenutzen, sie dazuschalten oder wegschalten, und dazu beitragen, eine optimale Lösung zu finden. Schifflers Vorschlag ist überfällig, angesichts weitverbreiteter zweisprachiger Textausgaben, die von vielen Lernern außerhalb der Schule benutzt werden. Vokabellernen Gewiss prägen sich Vokabeln auch auf natürliche Weise ein, etwa indem man viele Filme im fremdsprachigen Original sieht: And when I discovered that Dutch TV showed English, American and Australian movies and other programmes in the original language with subtitles, I exclusively watched the Dutch and Belgian channels. I believe that is how I really learned English; without going abroad. H. Aber es ist alles eine Frage der Zeit, und die Sprachkontakte während des Unterrichts reichen einfach nicht aus für einen angemessenen Ausbau des Wortschatzes. Wir kommen - anders als im Anfangsunterricht mit Dialogen - um das Lernen gebrauchsfertiger Gleichungen nicht herum. I have learnt that it is essential to learn at least the vocabulary and some parts of grammar by heart. In my opinion it is absolutely useless to work Vokabellernen 323 exclusively with games and other unconventional methods in order to avoid uncomfortable work for the pupil. S. From grade 11 on teachers stopped telling us to learn vocabulary for homework. I know this was a way for us to become autonomous, but most of us did not learn new expressions regularly, which from my point of view was regrettable. R. Effektives Vokabellernen kann mit den nach Units geordneten dreispaltigen Lehrwerkverzeichnissen noch verbessert werden. I covered either the English or the German words in the vocab index, which was in three columns: the first for the English word, the second for its English explanation, and the third for its German equivalent. Unfortunately the latter was blank in most cases and even if I understood the English explanation I sometimes had problems in finding the suitable German word or was unsure. Only after I had found it, was I able to learn and revise. Das ist heute anders: Alle neuen Wörter werden übersetzt. Auch hier hat die Praxis die falsche Theorie längst hinter sich gelassen! 10 Aber noch eine andere Änderung ist überfällig. Die Verlage könnten heute schon einen weiteren Vorschlag Schifflers (2012, 45f.) umstandslos übernehmen: Beim Vokabellernen ignorieren nämlich die Schüler zumeist die Mittelspalte, die das neue Wort im Kontext zeigt. Da sie nicht übersetzt ist, kann man sie auch nicht gut zum Abfragen gebrauchen - ob man nun abgefragt wird oder sich selber abfragt. Das Verzeichnis sollte nach Schiffler wie folgt aussehen, damit man das neue Wort auch im Kontext abfragen kann: emergency Notfall, Notlage In case of emergency you need help. In einem Notfall braucht man Hilfe. un/ une écologiste ein(e) Umweltschützer(in) Les écologistes protègent Die Umweltschützer schützen l’environnement. die Umwelt. Beim Einprägen sollte man sich auch der Technik des uncued free recall bedienen, des freien Wiederholens aus dem Gedächtnis. Man merkt sich die Anzahl der Vokabeln/ Wortverbindungen, die man gelernt hat. Eine halbe Stunde später versucht man, sich an alle Vokabeln zu erinnern, wie sie einem eben einfallen. Fehlt etwa jetzt schon eine? Dieses stille Gespräch mit sich selbst ist eine wertvolle Konzentrationsübung. Gut arbeiten lässt sich auch mit Vokabelkarten im Zigarettenschachtel-Format, zum Mitnehmen und In-die-Tasche-stecken, ohne jede Systematik: 324 Bilinguale Praxis im Detail Immer wenn es seine Zeit erlaubt, paukt sich der Lernende die einzelnen Zettel ein, indem er den deutschen Text in der fremdsprachlichen Formulierung wiederzugeben versucht und die Übung so lange fortsetzt, bis ihm beim bloßen Anblick der deutschen Fassung blitzartig das fremdsprachige Originalklischee einfällt. Zettel, die er intus hat, werden beiseite gelegt, und die Übung wird mit den noch nicht sitzenden Formulierungszetteln so lange fortgesetzt, bis sich der gesamte Inhalt des Kästchens im Gehirn des Lernenden, Abteilung fremde Sprachen, in einen unsichtbaren aber stets griffbereiten Zettelkasten verwandelt hat. (Schmidt 1954, 111) Studenten berichten, wie sie sich als Fahrschüler mit Vokabelkärtchen die Zeit vertrieben haben. Die besten Tipps zum häuslichen Vokabellernen, sei’s mit dem Lehrwerk, mit dem PC, mit Pinnwand, Poster und Karteikarten, mit Ringbuch, Haftzettel und Klebeetiketten habe ich bei Kleinschroth (2000) gefunden. We played with our Karteikarten on our way home and so vocabulary training was like a game. K. In einem kommunikativ geführten Unterricht kommen jede Stunde reichlich neue Wörter und Wendungen hinzu, die festgehalten werden müssen. Ich persönlich bevorzuge eine dicke Vokabelkladde im DIN-A5-Format für den im Unterricht anfallenden Wort- und Phrasenschatz, der nicht im Lehrbuch steht. Die Kladde wird durchnummeriert, und es werden Abteilungen für classroom phrases, collocations und phrasal verbs (hierbei reservieren wir uns Spezialseiten für do, have, take, put), idioms, hobbies, proverbs usw eingerichtet. Sowohl formale als auch inhaltliche Ordnungsgesichtspunkte werden berücksichtigt, außerdem darf eine Abteilung für ganz private, individuelle Einträge nicht fehlen. Andere mögen es anders machen - Hauptsache, die Arbeit wird regelmäßig und gewissenhaft durchgeführt. Die Zukunft gehört hier wahrscheinlich tragbaren digitalen Aufnahme- und Abspielgeräten. Natürlich hat Vokabellernen - in welcher Form auch immer - nur stützende Funktion. Vielfältiges In-Gebrauch-Nehmen der Wörter und Wendungen in den unterschiedlichsten Situationen - die Sprache leben - bleibt die Hauptsache. Das zweisprachige Wörterbuch Ein englischer Schüler leistet sich den Satz: “J’espère que vous êtes fontaine”. Gemeint war “I hope you are well”. Er hatte im Wörterbuch “well” nachgeschlagen und “fontaine” gefunden. Also Finger weg vom zweisprachigen Wörterbuch? Im Gegenteil, unerlässlich ist die frühzeitige Einführung in den richtigen Gebrauch desjenigen Idiomatik, Kollokationen und die Pflege der Muttersprache 325 Wörterbuchs, das die Schüler ja schon durchweg zuhause gebrauchen (wenn überhaupt eins verfügbar ist). Das einsprachige ist erst später an der Reihe. Den vernünftigen Gebrauch des Wörterbuchs (inklusive Lautschrift! ) lernt man nicht von heute auf morgen. Die Lautschrift wird häufig übersehen, obwohl sie doch Schülern zum selbständigen Umgang mit Lehrbuch und Wörterbüchern verhilft: All in all I had four different English teachers but none of them really taught us the phonetic script. St. Nach der Einführung, in der vor allem gemeinsam nachgeschlagen wird, ist das Wörterbuch immer zur Hand. Wenn dann ein Schüler ein Wort braucht, das auch der Lehrer nicht kennt, muss ein Schüler nachschlagen, damit der Lehrer im Unterricht weitermachen kann. Beim Schreiben eigener Texte in Gruppen wird das Wörterbuch ebenfalls benutzt. Deshalb nicht alles essfertig servieren! Aus den Fehlern, die die Schüler dabei machen, lernt der Lehrer am schnellsten, wo’s noch hapert. Bald lachen sie dann selbst über ihre eigenen Fehler. Also: “Wörterbücher zu Sprachpartnern machen” (Meißner 2000, 16), wie hier: I could sit for hours and look up words I found in the songs I liked. The songs meant a lot to me and so did the dictionary since it offered me a way to my music. B. I felt the need to understand all the lyrics and not just parts of them. So I sat in my room, the dictionary on my knees and translated word for word, which often led to some rather odd translations. I remember searching for words like “wanna”, “gonna” and “gotta” which were not in the dictionary. D. Wenn es um das Schreiben eigener Texte auf der Oberstufe oder im Studium geht, würde ich das zweisprachige Wörterbuch in Kombination mit einem Kollokationswörterbuch empfehlen. Das beste scheint mir z.Zt. das Oxford collocations dictionary for students of English zu sein. Letzteres hat mir ungemein bei meinen eigenen englischsprachigen Artikeln geholfen. Idiomatik, Kollokationen und die Pflege der Muttersprache Fremdsprachenlehrer stoßen immer wieder darauf, wie es den Schülern an Formulierungskunst in der Muttersprache gebricht: Oft kommt es vor, daß einem irgendein Ausdruck auf Deutsch oder in der fremden Sprache begegnet, dessen Übersetzung wohl klar ist, bei dem aber die genaue, idiomatisch richtige Formulierung nicht gefunden 326 Bilinguale Praxis im Detail werden kann. Dann soll man den Zettel beiseite legen und aufpassen. Über kurz oder lang stößt man nämlich meistens in der Fremdsprache oder im Deutschen, beim Zeitunglesen, Radiohören usw. mehr oder weniger zufällig auf die gewünschte Formel. (Schmidt 1954, 112) So mag man aus dem Zusammenhang heraus verstehen, was mealy-mouthed behaviour ist, aber kommt man ohne weiteres auf einen Ausdruck wie Leisetreterei, ja ist den Schülern das deutsche Wort überhaupt geläufig? Es wird wohl immer Schüler geben, die die deutschen Ausdrücke nicht kennen: smell a rat - Lunte riechen être aux cent coups - in tausend Ängsten schweben just in case - für den Fall der Fälle laver la tête à qn. - jm. den Kopf waschen; die Leviten lesen Zweisprachiges Vokabellernen dient also auch der Muttersprache, und Schande über den Fremdsprachenlehrer, der meint, das ginge ihn nichts an. Muttersprachliche und fremdsprachliche Stilbildung und Formulierungskunst hängen zusammen. Idioms müssen also mit ihren muttersprachlichen Entsprechungen (meistens finden sich durchaus brauchbare) gelernt werden. Besonders dann, wenn sich Original und Entsprechung nur geringfügig unterscheiden. Denn manchmal können wir auch in unserer Muttersprache unsicher werden, und das Sprachgefühl kann leiden. Nicht von ungefähr begegnen uns ja gerade deshalb so viele Anglizismen, weil wir es an dieser Sorgfalt fehlen lassen. Außerdem gibt es auch bei den idioms ausgesprochene “falsche Freunde”, auf die aufmerksam zu machen ist: Kissinger sagte von einem Moskauer Gipfeltreffen im Jahre 1972 “As it turned out, the summit proved the last straw for Sadat.” Es war der Tropfen, der Sadats Fass der Geduld zum Überlaufen brachte, sechs Wochen später wies er die sowjetischen Militärberater und Techniker aus Ägypten aus. In der deutschen Übersetzung las man jedoch (nach Wandruszka): “Wie sich herausstellte, war der Gipfel der letzte Strohhalm für Sadat gewesen”, als wäre das der letzte Strohhalm gewesen, an den er sich geklammert hätte … Auch die Arbeit mit Kollokationen sollte unter Beihilfe der Muttersprache vonstatten gehen: Der Lehrer erklärt, was Kollokationen sind, und die Klasse sammelt sie aus dem Lehrbuch. Manchmal ist aber gerade eine wichtige Kollokation auch muttersprachlich vielen nicht bekannt. Sie wird dann von der Muttersprache her erfragt, und der Lehrer suppliert das entsprechende fremdsprachige Verb. Teacher: Let’s see what we’ve got so far on the blackboard: show patience lose one’s patience Den Texten ihre Ausdrucksmittel ablernen: partielle Rückübersetzung 327 run out of patience one’s patience wears thin There is still an important collocation missing which we don’t know yet. Think of the German word “Geduld”. Wenn ich jemand sehr zusetze, dann stelle ich …? seine Geduld auf die Probe. That’s ‘to tax or try somebody’s patience’. Später schlagen sie in Gruppen selbständig Kollokationen zu neuen Wörtern nach, wählen sie aus und präsentieren sie im Plenum. Danach sind sie für alle verbindlicher Lernstoff (Jelic 2012). Den Texten ihre Ausdrucksmittel ablernen: partielle Rückübersetzung Ausgangspunkt der Spracharbeit sind immer Texte, und immer geht es darum, diesen ihre Ausdrucksmittel abzulernen. Folgender Vorschlag sollte zum methodischen Standardrepertoire gehören. Man bietet den Schülern einen bekannten Text mit eingestreuten Übersetzungen der folgenden Art an, den sie laut lesend wieder in den Originaltext überführen. Sie ersetzen beim Lesen das deutsche Wort, ohne es zu nennen: Originaltext: Many of us kids on the reservation lived hundreds of miles away from the nearest school - too far to get there and back in a day. So we had to go to the Rosebud Boarding School. The school was run by the Bureau of Indian Affairs and the teachers were all white. I remember how I felt my first day there. I felt all alone in a strange world. At first it seemed like an adventure. But the adventure quickly became a nightmare. The teachers did everything they could to turn us into whites. We were not allowed to speak in our own language, to sing Indian songs, or to practise our religion. (English G, 4 A, Cornelsen, 47). Mischtext 1: Many of us kids on the reservation lived (Hunderte von Meilen) away from the nearest school - too far to get there and back in a day. So we had to go to the Rosebud Boarding School. The school (wurde geführt von) the Bureau of Indian Affairs and the teachers were all white. (Ich erinnere mich wie) I felt my first day there. I felt all alone (in einer fremden Welt). At first it seemed (wie ein Abenteuer). But the adventure (schnell) became a nightmare. The teachers did everything they could (um uns zu Weißen zu machen). (Wir durften nicht sprechen) in our own language, to sing Indian songs, or to (ausüben) our religion. 328 Bilinguale Praxis im Detail Mischtext 2: Many of us kids (wohnten) hundreds of miles (weg von der nächsten Schule) - too far to get there and back in a day … Der Witz hierbei ist, das Original noch so weit zu erhalten, dass ein gewisser Lesefluss gewährleistet ist. Bei einer kompletten Rückübersetzung wäre der Text als Lesetext zerstört. Nachteilig ist, dass gelegentlich Interferenzen auftreten können. Wenn der Schüler aber sofort zum Original zurückverwiesen wird, bleiben die Interferenzen nicht haften, sondern werden weggeübt. Diese Aufgabe zwingt den Schüler, bei einem Lesetext auch auf Sprachformen zu achten, also mitteilungsbezogen sowie sprachbezogen zu agieren. Gerade der Fortgeschrittene erfährt ja, dass er auch durch vieles Lesen an aktivem Sprachkönnen kaum hinzugewinnt, wenn er schnell liest und ganz bei der Sache, nicht bei der Sprache ist. Deshalb brauchen wir auch Arbeitsformen, die den Lesetext mehr oder weniger gründlich für die aktive Sprachbeherrschung auswerten. Folgende Schritte sind denkbar: 1) Vorlesen/ Durchlesen des Textes; 2) leichte Verständnisfragen; 3) veränderter, gefälschter Text (Buddhist story, Kap. 8), den die Schüler richtigstellen; danach sind sie bereit für die 4) Mischtexte. Wir setzen also Mischtexte erst dann ein, wenn sich die Schüler mit dem Original hinreichend vertraut gemacht haben und sich an den Original- Wortlaut mehr oder weniger erinnern, statt konstruierend zu übersetzen. Varianten - Einzelarbeit: Die Schüler gehen durch die Klasse und lesen den Mischtext. Sie können ins Original schauen, wenn sie stecken bleiben. - Partnerarbeit: Die Partner sitzen mit dem Rücken zueinander, jeder mit einer anderen Mischtext-Version, und lesen den Text einander satzweise vor. Klassenarbeiten: bilingual, kontextuell, einfach korrigierbar Einen zukunftsweisenden Vorschlag, der noch auf breiter Basis zu erproben wäre, verdanken wir Kieweg (2003). Der Schüler liest zunächst einen deutschen Text und bekommt dazu eine fremdsprachige Parallelversion mit Lücken, die er auffüllen muss. Abiturspeak? Redemittel müssen eingeübt werden 329 In Kalifornien entdeckte ein Mann in der Zeitung eine Annonce über einen fast neuwertigen Porsche in einem hervorragendem Zustand - zum Preis von $ 50. Er war sicher, dass den Setzern ein Druckfehler unterlaufen war, denn selbst für $ 5000 wäre dies ein absolutes Schnäppchen gewesen. Er eilte zu der angegebenen Adresse, um sich das Auto anzusehen. Eine nett aussehende Frau erschien an der Haustür. Ja, sie hatte die Annonce aufgegeben. Der Preis war tatsächlich $ 50. usw. A man in California … an ad in the paper for an almost new Porsche, … - price $ 50. He was certain the printers … typographical error, but even at $-5000 … a bargain, so he hurried to the address … A nice-looking woman … at the front door. Yes, she had placed the ad. The price was … $ 50. Lösung: A man in California saw an ad in the paper for an almost new Porsche, in excellent condition - price $ 50. He was certain the printers had made a typographical error, but even at $ 5000 it would have been a bargain, so he hurried to the address to look at the car. A nice-looking woman appeared at the front door. Yes, she had placed the ad. The price was indeed $ 50. Natürlich erinnert dies an die früher dominierende Hinübersetzung. Diese hatte ja den Vorteil, dass der Weg vom Gedanken zum Ausdruck ging. Dieser Vorteil wird gewahrt. Der Nachteil der Hinübersetzung, die den Schüler zum Fehlermachen geradezu verführte, kann aber durch sorgfältige Auswahl der Lücken vermieden werden. Wichtig: Die Korrektur ist zwar nicht mechanisch, da oft mehrere Versionen passen, aber trotzdem relativ einfach. Abiturspeak? Redemittel müssen eingeübt werden Das von Speight gerügte “Abiturspeak” ist nicht allein auf das Fehlen von idioms und bildlichen Redensarten im engeren Sinne zurückzuführen. Im “Abiturspeak” sind typisch englische Ausdrucksweisen unterrepräsentiert wie question-tags, cleft-sentences, for + to-infinitive und manches andere. Abhilfe schaffen wir auf zweierlei Art. 1) Der Lehrer selbst muss solche Ausdrucksweisen verwenden. “It’s important for us to understand how …” Hören wir die Fügung oft genug, werden wir sie irgendwann (anstelle von “it’s important that we …”) übernehmen, ohne darüber nachzudenken. 330 Bilinguale Praxis im Detail 2) Durch Übersetzen die fremdsprachige Ausdrucksweise bewusst machen. Wahrscheinlich hört oder liest man aber in der knappen Unterrichtszeit über bestimmte Ausdrucksweisen hinweg und verwendet sie nicht selbst, es sei denn, man wird durch Übersetzung mit der Nase darauf gestoßen: It’s not very sensible to criticise other people if you can’t take criticism yourself. (Kritik vertragen) A good employer should be sympathetic if one of his employees needs a few days off to move house. (Verständnis zeigen) I’ve learned that it takes years to build up trust, and it only takes suspicion, not proof, to destroy it. (die Erfahrung machen) Wäre nicht genau dies das Mittel, Schüler dazu zu bringen, “I’ve learned that” statt “I’ve made the experience that” zu sagen? Umgekehrt muss man sie darauf stoßen, statt “to learn” “to study” zu verwenden, wie in “I’ve got some studying to do”, oder: The pretty student of Anglistics said to her professor, “I would do anything to pass my exams.” “Really anything? ”, he asked. “Oh yes, anything.” “Well, try studying,” he said. Versuchen Sie’s mal mit Lernen! Nachdem die Redemittel durch Übersetzung abgeklärt wurden, müssen sie auch eingeübt werden, etwa so: Die Klasse wird in zwei Gruppen unterteilt, von denen die eine für, die andere gegen die Aufstellung von Weihnachtsbäumen entlang der Autobahn plädieren muß. Für jeden Beitrag gibt es einen Punkt und einen zusätzlichen Punkt gibt es, wenn ein vorher eingeübtes Redemittel - in diesem Fall emphatischer Widerspruch mit Floskeln wie “O, come on! ”, “Don’t give me that! ”, “You’ve got to be joking! ” - benutzt wird. Hier ist alles künstlich - das Thema, der Auftrag, der Wettbewerb, die Regeln -, aber daraus kann ein stimulierendes und effektives Lernerlebnis werden, effektiv deshalb, weil nicht nur “recycelt” wird, sondern neue Redemittel systematisch, systematischer, als sie je in einer authentischen Situation verwendet würden, zum Einsatz kommen. (Schäfer 2003, 306f.) Es ist die Muttersprache, die uns einerseits zu unidiomatischen Redeweisen, eben zum Abiturspeak, verführt. Andererseits könnte gerade ihre gezielte Beihilfe zu einem idiomatischeren Englisch beitragen. Wortspuren Mit Appels (1990, 5) “Wortspuren” kann man die Lektürearbeit variieren. Vor dem Lesen einer neuen Textpassage schreibt der Lehrer eine Reihe deut- Wortspuren 331 scher Wörter an die Tafel. Die englischen Entsprechungen dieser Wörter stehen in derselben Reihenfolge im Text. Die Klasse soll sie nun beim Lesen finden, ohne im Wörterbuch nachzuschlagen. Dann werden die deutschen Wörter an der Tafel durch die englischen ersetzt. Danach kann man versuchen, den gelesenen Abschnitt mit Hilfe der Tafelwörter nachzuerzählen. Die Übung “gibt eine Spur vor, an der entlang gelesen werden kann. Als Suchaufgabe gibt sie dem Lesen ein Ziel und lenkt die Aufmerksamkeit. An deren Rand - so zeigte auch eine Auswertung - wird mehr als nur Wortäquivalente wahrgenommen.” Appel macht noch weitere Vorschläge zur Lektürearbeit: - Glossierung am Rand oder im fortlaufenden Text; - eine Kombination aus vereinfachten und authentischen Abschnitten; - ein Erzählen durch den Lehrer/ die Lehrerin - in vereinfachter Sprache - bevor die Klasse den Abschnitt im Original liest; - Mitlesen der Klasse, während der Lehrer/ die Lehrerin eine Passage vorliest und in asides, geflüstert, die nötigen Hilfen gibt. Bei dem nächsten Vorschlag für die Elementarstufe liegt der Ton auf dem “gelegentlich”. Er stammt von dem Waldorfpädagogen Christoph Jaffke (1994, 319f.): Läßt man gelegentlich nach dem story-telling einzelne Kinder in der nächsten Sprachstunde auf Deutsch erzählen, was ihnen von der Geschichte in Erinnerung geblieben ist, so ist man oft überrascht, zu erfahren, wie genau bestimmte Details von den Kindern verstanden (und behalten) wurden und wie präzis die Stimmung einer Geschichte erfasst wurde. Beeindruckend ist es auch, zu sehen, mit welcher Freude und Hingabe Kinder sich immer wieder dem fremdsprachlichen Erzählstrom anvertrauen und wie sie sich - ähnlich wie bei vielen Gedichten - mit einzelnen Gestalten der Erzählung identifizieren. Ein Vorschlag für einsprachige Vokabelarbeit ist “Die Tafel leer arbeiten”. Eine Reihe einzuprägender Ausdrücke (oder auch Sachbegriffe) steht kreuz und quer, aber gut lesbar und nummeriert an der Tafel oder am OHP. Dann tritt ein Schüler nach dem andern nach vorn, erklärt die Vokabel oder gibt einen Beispielsatz usw. und wischt die Vokabel aus. Die Nummern bleiben stehen. Zum Schluss deutet der Lehrer auf eine Nummer, und die Klasse liest die Vokabel im Chor, als ob sie da noch stünde. Eine ganze Tafel voller Vokabeln gemeinsam abgearbeitet zu haben, gibt der Klasse das Gefühl, gute Arbeit geleistet zu haben. 332 Bilinguale Praxis im Detail Ideen und Ausdrücke sammeln Es liegt auf der Hand: Wann immer wir von den Schülern Ideen sammeln und ihnen nicht auch Muttersprachliches erlauben, fällt einiges, unter Umständen das Beste, unter den Tisch. Also: kein brainstorming ohne muttersprachliche Ergänzungen. Wir sammeln z.B. Regeln für das Verhalten im Unterricht unter den Überschriften “It’s OK to …” und “It’s not OK to …” Bei allen mitteilungsbezogenen Aufgaben sollten muttersprachliche Einsprengsel nicht nur gestattet, sondern willkommen sein, wenn sie denn Neues bringen und einem Schüler in seiner Wortnot das Fortfahren in der Fremdsprache möglich machen. Dabei kann man es zur Regel machen, Muttersprachliches mit einer Formel wie “I’m going to say this in German” einzuleiten. Der Lehrer findet dann eine fremdsprachliche Formulierung, fragt die Klasse oder lässt nachschlagen. Selbst in Gesprächen, die sich an Texte anschließen, verbleiben Schüler gerne in den gewohnten Redeweisen und nehmen nur wenige unentbehrliche Ausdrücke aus den Texten auf. Sie merken manchmal gar nicht, dass ihnen wichtige Ausdrücke, mit denen man Themen-typische Sachverhalte ausdrücken kann, fehlen. Damit riskieren sie, nur das auszudrücken, wozu ihre Sprachkenntnisse gerade reichen. Man sagt nicht mehr, was man eigentlich sagen will, sondern nur noch das, was die Sprache will. Hier empfehlen wir, aktuelle muttersprachliche Texte zum gleichen Thema bei der häuslichen Vorbereitung hinzuzunehmen. Die deutsche Lektüre erlaubt nicht nur ein tieferes Verständnis der Sachverhalte, sondern lenkt den Blick auf typische Wörter und Wendungen, die einem in besonderer Weise helfen, ein bestimmtes Argument auszuspielen. Die schlägt man dann nach bzw. erfragt sie vor der Diskussion beim Lehrer. Man denke etwa an Ausdrücke, die in der Nähe des Fachwortschatzes anzusiedeln sind, wie Achtungserfolg, Erdrutschsieg, Produktionsstandort, scharfer Einbruch der Besucherzahlen, großer Ansturm auf. The L1 input thus served to ‘stretch’ learners’ L2 productive abilities in a tightly constrained manner, setting goals which, to be achieved, required the active expansion of L2 resources (Tudor 1987, 260). Tudor berichtet von deutlichen Leistungsunterschieden zwischen den Kursteilnehmern, die sich die mitgegebenen muttersprachlichen Texte durchgelesen hatten, und denen, die dazu keine Zeit gefunden hatten: This factor was apparent in comparing the specialized oral presentation of students who used L1 materials as input and those students who, as a result of lack of time or interest, did not. The latter were clearly marked by a lesser degree of precision and clarity. These students were working within their existing L2 competence, which naturally was not always adequate for the expression of more or less complex ideas in a precise Wegüben hartnäckiger Interferenzen 333 way: those students who failed to use L1 materials had thus lost an evident opportunity for the learning of new L2 elements. (Tudor 1987, 260f.) Durch muttersprachliche Lektüre konnte das themenbezogene Ausdrucksrepertoire erweitert und Lernplateaus überwunden werden. The presence of the L1 input text created in students a ‘perceived resource gap’, i.e. the explicit recognition of the need for L2 input, and therefore a receptive attitude for the acquisition of new elements. (Tudor 1987, 261) Wegüben hartnäckiger Interferenzen Ein Schüler macht bei seinem Diskussionsbeitrag den Fehler “Women were discriminated”. Schüler erst ausreden lassen, dann korrigieren und ein paar mündliche Übungssätze folgen lassen: diskriminiert werden be discriminated against Frauen wurden diskrimiert. Women were discriminated against. Menschen, die diskriminiert people who are discriminated werden against Was tun Menschen, die What do people who are diskriminiert werden? discriminated against do? Neben solchen Schutzimpfungen gegen Interferenzen müssen auch Konstruktionen geübt werden, die man schlicht vermeidet. So z.B. folgende scheinbar einfache, weil völlig durchsichtige Konstruktion, die gleichwohl im aktiven Sprachgebrauch der Deutschen fehlt: Damit dies funktioniert, braucht For this to work, you need … man … Damit dies passiert, müssen wir … For this to happen, we must … Damit dies nicht passiert, ist For this not to happen, great care große Sorgfalt nötig. is needed. Das Durchspielen eines neuen Ausdrucks mit wenigen typischen grammatischen Variationen dauert oft weniger als eine Minute. Zusammen mit “halbkommunikativen Strukturübungen” und der “bilingualen Wiederholungsgrammatik” (Kap. 9) sind dies Beispiele dafür, wie man richtig und effektiv übt. Einmal bleibt der lexikalische Ausdruck gleich (“diskriminiert werden”) und wird grammatisch variiert, ein anderes Mal bleibt die Struktur gleich und wird lexikalisch-inhaltlich variiert. 334 Bilinguale Praxis im Detail Muttersprachen wirken - ungewollt und ungerufen - in die Fremdsprachen hinein und produzieren dort die gefürchteten Interferenzen. Je weniger wir eine Fremdsprache ausgebaut haben, desto leichter lässt sie sich von der Muttersprache infizieren, angefangen bei Lautung und Schreibung bis hin zur Idiomatik und Pragmatik. Man kann es nicht besser sagen als Allen (1948/ 9, 37): In the first two years a student’s commonest mistakes are those that echo his own idioms, structures or word-order … they occur with equal frequency in classes taught by all methods and are even a common feature of the linguistic behaviour of a bilingual child, who could not possibly be accused of translating from the mother tongue … It is quite useless to attempt to shut out the native language and imagine that these mistakes cannot occur because you do not allow the student to translate. You might just as well try to stop him thinking altogether. The very opposite procedure will in fact prove the most effective antidote. Die obigen Kurzsätze, und damit das offene Herausstellen der Gegensätze, empfehlen sich auch zum Wegüben hartnäckiger lexikalischer und grammatischer Interferenzen. Komm schon, sei vernünftig. Come now, be sensible. Das ist ein vernünftiger/ That’s a sensible suggestion. praktikabler Vorschlag. Es war klug von dir, die Tür It was sensible of you to lock abzuschließen. the door. Er ist vernünftig genug, zu … He is sensible enough to … Wir üben auch in der Form des Übersetzungsdiktats: - Der Lehrer diktiert seine Sätze in der Fremdsprache. - Die Schüler schreiben sie in der Muttersprache auf. - Sie vergleichen ihre Übersetzungen mit einem Partner. - Der Lehrer lässt die Schüler rückübersetzen. Diktat zum Wegüben der mit dem present perfect continuous verbundenen Interferenzen: How long have you been reading “War and Peace”? I’ve been receiving anonymous letters for a month now. We’ve been supporting this party for quite some time. Ebenso als Übersetzungsdiktat kann man schwierige Kollokationen üben: the actual state of affairs (der wirkliche Stand der Dinge) to overhear a talk (ein Gespräch abhören/ mithören) a genial character (ein freundlicher Mensch/ Charakter) Zweisprachige Textausgaben: der Weg zum selbständigen Lesen 335 Zum Wegüben typischer false friends: Zweisprachig: The German public generally prefers the (synchronisierte) version of foreign films. (= dubbed) This soup is one of the glories in the local (Küche) in this part of England. (= cuisine) I can (bringen) you to the airport. (= take) Einsprachig: Spot the mistake. This gym is always freezing - the windows are badly isolated. (= insulated) It says here in our prospect that there is no entrance fee for the museum. (= brochure; leaflet) I often feel like going for a walk, but my man is too lazy to join me. (=-husband) Wieder könnte die zweisprachige Variante als Vorstufe für die schwierigere einsprachige Form dienen, bei der man nicht sofort sieht, auf welchen Ausdruck es ankommt. Eine Risikoversicherung gegen Interferenzen, die der Lehrer gleichsam kommen sieht, ist auch das schnelle Vorsagen, das bei allen Übungsformen zu empfehlen ist, bei denen muttersprachliche Stimulussätze verwendet werden. Schießlich kann man Interferenzen auch an den Kragen gehen, indem man sie die Schüler geradezu auskosten lässt und ridikülisiert: “Give memorable examples of the linguistic monstrosities that can result from relying on word-by-word translation”, empfiehlt Hammerly (1989, 104). Zweisprachige Textausgaben: der Weg zum selbständigen Lesen Sammeln wir wieder Erfahrungen mit zweisprachigen Textausgaben, wie sie in früheren Jahrhunderten gang und gäbe waren, und bestimmen ihren Stellenwert neu. In diesem Sinne schlägt Hughes (1968, 92) vor: The system, then, is to obtain a book of interesting readings - short stories or novelettes, possibly poetry - with the foreign text on the left-hand page and a translation on the facing page. The student reads paragraph by paragraph: first a paragraph in the foreign language, then the same paragraph in translation, then the foreign language text once more. Each day he reads two pages, and each day the first page is the second page of the day before. 336 Bilinguale Praxis im Detail Zweisprachige Textausgaben könnten im Anschluss an Belasco (1975) die Übersetzungen nach und nach reduzieren, so dass die dem Originaltext gegenüberliegende Seite immer mehr Lücken zeigt. Außerdem empfehle ich ganz ungeniert eine ehrwürdige Arbeitsform, die namentlich durch den Humanisten Roger Ascham bekannt wurde, der Lehrer und Sekretär Elisabeth I. von England war: die Rückübersetzung. Verwendet wurden ausschließlich große Texte großer Autoren wie Cicero oder Demosthenes. Der Lehrer übersetzte und erklärte das Textstück zunächst selbst. Dann übersetzte der Schüler, ebenfalls mündlich. Anschließend hatte er den Text noch einmal im Zusammenhang schriftlich zu übersetzen. Dann nahm der Lehrer das Original fort, und nach einer Pause von mindestens einer Stunde übersetzte der Schüler seinen eigenen Text zurück in die Fremdsprache. Genau genommen wird der Text also viermal übersetzt: dreimal in die Muttersprache und einmal zurück ins Original. Abgesehen von einigen Deklinations- und Konjugationstabellen, habe seine Methode die ganze übrige Grammatik überflüssig und aus der Königin eine exzellente Latinistin gemacht (Kelly 1969; 2002). Diese Arbeitsform entspricht dem Meisterschaftsprinzip: ein vorbildlicher, stilbildender Text wird so oft hin- und hergewendet, bis sich der Schüler ihn ganz zu eigen gemacht hat. Da wir es selten mit so schwierigen Texten zu tun haben, kann man das Ganze wohl auf zwei Übersetzungen reduzieren, in die Muttersprache und zurück. Der Lehrer braucht nicht mehr vorzuübersetzen, sondern gibt nur hier und da Hilfestellungen. Probieren wir aus, mit welchen Texten wir bei den Schülern von heute etwas erreichen. Hier geht es also um gehaltvolle, zitierfähige Texte, die mehrfaches Durchgehen ertragen, so dass wir uns Gedanken und Ausdrucksweisen aneignen. 11 Eine Art Rückübersetzen praktizieren wir auch beim Erlernen berühmter Filmszenen mit DVDs. Sprachliche Arbeitsteilung Wir haben gewonnen, wenn wir die Schüler zum selbständigen Lesen verführen können. Das geht über leichte Lektüre wie Comics, auch über Sachbücher für Schüler, die schon ein ausgeprägtes Hobby haben, und über Lektüre, bei der zunächst die Muttersprache in unterschiedlicher Weise mitspielt - bis sie dann verschwindet. So können wir große Kulturgüter weiterreichen. Immer wieder treffen wir auf tolle Texte und verzichten auf sie, weil sie schwierige Passagen enthalten, die uns zu lange aufhalten würden. Natürlich kann man auch Kapitel überschlagen, indem man sie fremdsprachlich zusammenfasst. Aber warum überbrücken wir diese Stellen nicht auch mit Hilfe von Übersetzungen, die wir den Schülern mitliefern? Sollte man nicht auch einen guten Autor in einer guten Übersetzung genießen können? Bei Zweisprachige Textausgaben: der Weg zum selbständigen Lesen 337 schwierigen Texten teilen sich die Sprachen die Arbeit, und wir kommen zügig voran! Gerade interessierte Schüler greifen zu diesem Hilfsmittel. Sie besorgen sich privat eine deutsche Shakespeare-Ausgabe und berichten einhellig, wie sehr es ihnen geholfen hat, sich in englischen Diskussionen über das Stück einzubringen. Eine Studentengruppe hat sich vorgenommen, Shakespeares Richard II auf die Bühne zu bringen: My idea was then to translate all the lines I had to memorise into German, so that I could fully understand their meaning. First I read through them alternating between the English and the German version, then I read through the German version and tried to translate it without looking at the actual text. After establishing this “bridge” between the foreign language and my mother tongue I was finally able to recite my lines and as we rehearsed in the group I became more and more fluent. In the end my lines sounded natural and I had the feeling that I was not only saying them off by heart, but that they had become a part of myself and that I really meant what I said. E. Umgekehrt können wir den Schülern auch die fremdsprachige Wiederaufnahme privater Lieblingslektüre empfehlen. Warum soll man nicht Bücher, die man von sich aus noch einmal lesen will, nunmehr im fremdsprachigen Original lesen? Sie lesen also ihr Lieblingsheft von Asterix oder Tintin jetzt auch auf Französisch und berichten eventuell in ein paar Sätzen vor der Klasse: Inputmaximierung! Manchmal greift man sogar nach der fremdsprachlichen Lektüre zur Übersetzung: I remember first reading “Brave new World” entirely in English and afterwards I started reading it in German to make sure I had understood everything. After a couple of chapters however, I realized that I had understood the original text reasonably well - much better than I had thought - and therefore I stopped reading the translation and read the English book a second time. M. Stillarbeit: Wenn Parallelversionen von Texten vorliegen, können die Schüler selbständig Kollokationen und andere gebrauchsfertige Gleichungen zusammenstellen. Der Lehrer gibt 2 oder 3 Beispiele vor und vermeidet so, dass Schüler sich auf Einzelwortgleichungen konzentrieren (die auch erlaubt sind). Und jetzt wird’s spannend. Haben sich solche Listen angesammelt, testen die Schüler ihren Lehrer. Pupil: Das wäre doch mal einen Versuch wert. In English, please. Teacher: It would be worth a try, wouldn’t it? Pupil: Kommst du mal kurz hierher. In idiomatic English, please. Teacher: Ahm … Pupil: Could you come over (here) for a sec(ond)? 338 Bilinguale Praxis im Detail Bilinguales Mitlesen: Der Lehrer liest den deutschen Text langsam vor, die Schüler lesen dabei den fremdsprachigen Text. Sie dürfen unterbrechen: “Stop. Please repeat the last sentence. Go back to …” Mischtexte Eine besondere Form des intelligenten, systematischen Sprachmixes stellen die Lektüren des Autorenpaars Emer O’Sullivan und Dietmar Rösler dar, von denen ehemalige Schüler begeistert berichten. Viele haben sie in Buchhandlungen kennen gelernt, nicht über ihre Lehrer. Wer mit ihnen zurechtkommt, wird auch bald zu englischen Originalschriften übergehen. Ich habe diese Texte schon früher ausdrücklich empfohlen (vgl. Butzkamm 1989/ 2002, 199ff.) und seither nur positive Rückmeldungen aus der Praxis bekommen: When I was looking for a new book in the shelves of a local bookstore at the age of perhaps thirteen, I stumbled across a book called It could be worse - oder by O’Sullivan/ Rösler … I had never read an authentic English text before, all we did at school was boring textbook work. In retrospect I would say that at this time I first became intrinsically motivated to learn the language. I desperately wanted to read the book and, surprisingly, it worked out fine … From this point onwards, I started to read English books. B. Hier findet sich kein Sprachmischmasch, sondern in den handelnden Personen selbst angelegte, motivierte rezeptive Zweisprachigkeit. Deutsche Jugendliche treffen auf englische, und jeder spricht und denkt mehr oder weniger in seiner Muttersprache. Diese Konstellation verhindert, dass Schüler einfach auf der muttersprachlichen Seite des Textes verweilen, wie es bei Parallelversionen möglich ist. Diesen Vorteil bieten auch die zweisprachigen Lektüren von Langenscheidt für Schüler ab dem zweiten Lernjahr, auch wenn hier der Sprachmix weniger ausgeklügelt ist. Die Erzählpassagen sind deutsch, die Dialoge durchweg fremdsprachig. Wiederum eine ganz eigene Art von didaktischem Sprachmischmasch hat Werner Lansburgh mit seinen Doosie-Briefen erfunden, die auch noch Anglistik-Studenten etwas zu bieten haben: Englisch für Fortgeschrittene im lustigen Plauderton, mit einem Schuss Landeskunde und ein klein wenig Erotik versetzt: There is no English word for Geliebter. Compared with that German word (Sie können auch “in comparison with” sagen, oder ganz einfach: in comparison), words like darling, sweetheart, honey, sugar and the like are “chicken feed”, “Kückenfutter”, gar nichts. What else is there to choose from in the language market? “My love” is a bit to vague and general; “my beloved”, bilávvid, ist, wie Sie es schon der Aussprache anse- Zweisprachige Textausgaben: der Weg zum selbständigen Lesen 339 hen dürften, etwas minnesängerisch; und “my loved one” is too tearful: Tränenreiche, meist amerikanische Witwen würden so etwas sagen - you must read Evelyn Waugh’s “The loved One” (“Tod in Hollywood”), auch wenn sie im Buchladen von “Waugh” einen roten Kopf kriegen sollten. (Just say “wash” without the “sh”.) Was sonst noch? “My lover”, though acceptable, is a little too technical and mostly someone else’s (“Her lover”, e.g. Lady Chatterley’s). Geliebter! Da erst fühle ich mich ganz zu Haus. Du hoffentlich auch, Geliebte. (Lansburgh 1981, 82) Ideen, denen ich eine größere Verbreitung an unseren Schulen wünschte! Man denke auch an die Sandwich-Stories aus Kapitel 8. Mit zweisprachigen Lektüren kann ein größeres Quantum an Texten bewältigt werden. Der Umkreis des zu Lesenden wird erweitert. Die Wahrscheinlichkeit, mit dem einen oder anderen Text genau die Interessen einzelner Schüler getroffen zu haben, wird erhöht. Das selbständige, lehrerunabhängige Lesen kann angebahnt werden. 12 Shadowing mit Audioversionen Shadowing, wie es der polyglotte Alexander Arguelles propagiert, ausgefeilt und über seine eigene Website (Foreign Language Expertise) und Youtube vorbildlich demonstriert hat, ist eine Art Echosprechen (http: / / foreignlanguageexpertise.com/ ). Hauptsächlich (nicht ausschließlich) mit dieser Selbstlerntechnik hat sich Arguelles über 20 Sprachen erarbeitet. Benötigt werden ein fremdsprachliches, gedrucktes Original nebst Übersetzung, dazu eine Audioversion. Damit wird ein wenig an Heinrich Schliemann erinnert, der ebenfalls mit Ganzschriften und Übersetzungen arbeitete und sich den Text von Muttersprachlern vorlesen ließ. Das konzentrierte, laute Nachsprechen erfolgt am besten im Gehen (Arguelles empfiehlt strammes Gehen), draußen, mit Kopfhörer und dem Buch in der Hand. Man kann sich dieses Multitasking schrittweise erarbeiten, indem man z.B. zunächst die Übersetzung liest und neben das Original hält. So hat es auch Schliemann gehalten: Um eine neue Sprache zu lernen, nahm er vorzugsweise einen alten, ihm schon gut bekannten Text. Man könnte auch mal probieren, bei leichten Küchenarbeiten, die kaum Aufmerksamkeit abziehen, einen bekannten, wohl verstandenen Text abzuhören und laut mitzusprechen - etwa in der Art, wie auch Simultandolmetscher zugleich beides können, abhören und sprechen/ übersetzen. Um Mut zu fassen, versuche man das gleichzeitige Hören und Sprechen mit muttersprachlichen Texten: Es geht! Im übrigen erinnert shadowing an unsere Techniken der Dialogarbeit: die bilinguale Verständnissicherung, die Mitlestechnik, wobei das Gedruckte sekundär gegenüber dem Gehörten bleiben muss, das Read-and-look-up, das man auch gehend absolvieren kann, das Wiederholen. Denn regelmäßiges Üben mit vielen Wiederholungen ist 340 Bilinguale Praxis im Detail nötig. Wir sind ja statistical learners, unser Gehirn verrechnet Schrift-Laut- Korrespondenzen und andere Regelmäßigkeiten, etwa Endungen, die immer kombiniert mit anderen Elementen auftauchen. Dazu braucht man aber Stehvermögen. Arguelles ist keiner, der eine Wundermethode fanatisch vertritt, sondern empfiehlt, selbst zu experimentieren. Er ist ein Sprachenliebhaber, der sich auch entsprechend Zeit zum Lernen nimmt. Bilingual mit DVDs Wir erhören und erlesen uns eine Szene, so dass wir sie am Ende fast auswendig können, etwa in folgenden Schritten: 1) deutsche Fassung 2) fremdsprachige Fassung mit deutschen Untertiteln 3) fremdsprachige Fassung mit fremdsprachigen Untertiteln 4) fremdsprachige Fassung ohne Untertitel 5) Bilder ohne Tonspur, erst mit, dann ohne fremdsprachige Untertitel Möglich ist auch das Ton-Bild-Splitting. Die eine Hälfte der Klasse dreht sich mit dem Rücken zum Bildschirm und versucht, aus dem Gehörten zu erschließen, was vorgeht. Die andere Hälfte schaut normal zu. Danach stellen die Nur-Hörer Vermutungen über das Geschehen an und fragen die anderen aus (Bach/ Lausevic 2003). Stets wird man von der Pausentaste reichlich Gebrauch machen, dabei je nach Lust und Laune mitsprechen oder nachsprechen. Szenen können übersprungen oder mit deutschem Ton oder nur mit deutschen Untertiteln überbrückt werden. Leider entsprechen die Untertitel der synchronisierten Fassungen oft nicht dem tatsächlich Gesagten, so dass man eine DVD nicht unvorbereitet einsetzen sollte. Anderseits ist es eine reizvolle Aufgabe, die Untertitel richtigzustellen. Nebenbei: Kulturelle Unterschiede werden in keinem anderen Medium so deutlich wie im Film und geben Anlass zu vielfältigen Beobachtungen und Betrachtungen. Wir zeigen im Unterricht, wie man’s macht, und regen die Schüler an, zu Hause weiterzumachen. Dabei statten wir auch die Schüler mit Büchern und dazugehörigen Audioversionen aus. Hier haben wir die Gewähr, dass Buchtext und der von Schauspielern gesprochene Hörtext genau übereinstimmen. Buch, Hörbuch und Film werden nebeneinander benutzt. Wir tragen also der Tatsache Rechnung, dass man heute dank moderner Medien Sprachen auch allein erwerben kann. Entsprechend müssen wir Einzelarbeit stärker als bisher einbeziehen, die häuslichen Möglichkeiten der Schüler nutzen und im Unterricht Plenararbeit mit Partner-, Gruppenarbeit verrechnen. Bei bilingualer Textarbeit kann auf eine grammatische Progression weitgehend verzichtet werden, ebenso auf eine strenge Dosierung und Progres- Dolmetschübungen und Tandems 341 sion des Wortschatzes. Abheben und durchstarten! Noch nie war Sprachenlernen so interessant wie heute! Dolmetschübungen und Tandems Das Dolmetschen kann in der Schule nicht als eigene Fertigkeit ernsthaft betrieben werden, stellt jedoch eine weitere, an kommunikativen Bedürfnissen ausgerichtete Übungsform dar. Wir folgen einem Vorschlag Appels (1985, 54): Mit der folgenden interviewartigen Übung habe ich die Behandlung eines Texts über Arbeitslosigkeit abgeschlossen: S 1, S 2 = einzelne Schüler; L = Lehrer S 1 : (liest aus einer vorbereiteten Liste von Fragen ab) Herr Keenan, wie sieht das Leben eines Arbeitslosen aus? S 2 : Mr Keenan, what’s life on the dole like? L: (antwortet als Mr Keenan) Well, I usually get up at 7.15 … S 2 : Normalerweise stehe ich um sieben Uhr fünfzehn auf … L: See to it what the kids get to school … S 2 : Sehe danach, dass die Kinder in die Schule kommen Als Arbeitsmittel wird für diese Übung eine Liste der deutschen Fragen benötigt, die im Verlauf des Interviews gestellt werden. Es genügt ein Exemplar, das weitergereicht wird. Ein Schüler liest die erste Frage vor. Diese wird von einem zweiten Schüler ins Englische übersetzt. Die englische Antwort wird vom Lehrer gegeben. Derselbe Schüler übersetzt sie zurück ins Deutsche. Appel gibt auch ein instruktives Beispiel, wie Schülern dabei die Augen geöffnet werden: S 1 : (liest vom Zettel) Das Wirtschaftswachstum trug dazu bei, unsere Erwartungen zu erhöhen. S 2 : beitragen? L: It was in the text S 3 : to help S 2 : Economic growth helped to raise our expectations. Die Schülerin stockte zunächst, weil sie meinte, “zu etwas beitragen” sei nicht bekannt, bis eine andere die englische Entsprechung im Basistext fand (Appel 1985, 57). Beim Lernen im Tandem arbeiten Schüler verschiedener Muttersprache paarweise zusammen, um voneinander ihre Sprachen zu lernen und etwas über die Kultur des Partners zu erfahren. Es ist Lehren und Lernen auf 342 Bilinguale Praxis im Detail Gegenseitigkeit, beide sollten gleich viel Zeit und Mühe für ihren Partner und dessen Sprachbedürfnisse aufbringen. So steht jeder dem andern als Sprach- und Kulturexperte zur Verfügung, korrigiert Fehler, macht Verbesserungsvorschläge. Dabei versorgt jeder den Partner mit authentischem sprachlichen Input. Außerdem lernt man aus den Fehlern, die der Partner macht, viel über die eigene Sprache und ihr Verhältnis zur Partnersprache. Die eigenen, vom Partner korrigierten Fehler, dazu die Schwierigkeiten, die der andere mit meiner Muttersprache hat: Beide Perspektiven ergänzen sich und führen uns zu einem vertieften Verständnis beider Sprachen. In der Schule könnte man bestehende Brieffreundschaften zu E-Tandems (Distanztandem statt Präsenztandem) ausbauen, indem der Lehrer entsprechende Hilfen und Tipps gibt, bevor solche Freundschaften sanft entschlafen. Solche Tipps und interessante ausgereifte Aufgaben findet man unter http: / / tandem.uni-trier.de und http: / / www.slf.ruhr-uni-bochum.de/ etandem/ etindex-de.html: I stumbled upon the tandem project at the Ruhr Uni. From then on I had regular email contact with several native speakers, one of whom even came to visit me in Germany. The best English practice in the upper classes is owed to my pen pals. Übersetzen und Sprachmitteln Translation it is that openeth the window, to let in the light; that breaketh the shell, that we may eat the kernel; that putteth aside the curtaine, that we may looke into the most Holy place … (Vorwort zur King James Bible von 1611) Für alles Sprachenlernen gilt der Satz: Wir müssen immer wieder die neue Sprache mit der Muttersprache ins Gespräch bringen, wir müssen in die Muttersprache und aus der Muttersprache übersetzen, um so allmählich zu lernen, nicht mehr zu übersetzen, wenn wir uns in der neuen Sprache so frei und selbstverständlich bewegen wollen, als wäre sie unsere Muttersprache. (Wandruszka 1982, 14) Translation has to be allowed back into the classroom. (Zojer 2009, 48) Wer Textverstehen als Schlüsselqualifikation ansieht, darf auf das Übersetzen, das aufmerksamstes Lesen erfordert, nicht verzichten. Mit der Übersetzung biblischer Texte ins Griechische und Lateinische beginnt die Geschichte des christlichen Abendlandes. Ebenso von epochaler Bedeutung ist die Übertragung römischen Rechtsdenkens in die Sprachen des Westens. In China hätte der Buddhismus nie Fuß fassen können, wenn nicht unzählige Mönche und Gelehrte alte indische Texte in ihre Muttersprache übersetzt und durch ihre unablässige Arbeit buddhistisches Gedankengut in ihrem Übersetzen und Sprachmitteln 343 Mutterland heimisch gemacht hätten. Erst durch sie wurde der Buddha durch und durch und unwiderruflich chinesisch, genauso wie der dort entstandene, ganz anders geartete Konfuzianismus. “Never has history seen a deeper cultural transmission”, kennzeichnet R. Bernstein (2001, 95f.) die Übersetzungsarbeit im China des fünften und sechsten Jahrhunderts, die dem geistigen und seelischen Leben von Millionen Menschen Richtung und Ziel gegeben hat. Wie unsere Sprachen in Wahrheit beschaffen sind, lernt man am besten in der Übersetzung, im Nachdenken über die verschiedenen Möglichkeiten des Übersetzens und die Grenzen der Übersetzbarkeit. Dann erlebt man, was sich alles mühelos und wie selbstverständlich übersetzen läßt, wofür sich nur nach einigem Suchen und Abwägen eine ungefähre Entsprechung finden läßt, was sich nur umständlich umschreiben oder noch umständlicher beschreiben läßt, was sich jeder Übersetzung entzieht. Richtig betrachtet ist jedes Übersetzen ein Nachdenken über unsere Sprachen, über Sprache und Denken, Sprache und Geist, über das Gespräch zwischen zwei Sprachen in unserer menschlichen Erlebniswelt. Man muß daher der Übersetzung auch in unserem Fremdsprachenunterricht wieder den ihr gebührenden Platz einräumen. (Wandruszka 1982, XX) Fremdsprachen sind der “evidente Anlass, über die eigene Sprache, über Sprechen und seine Wirkung nachzudenken” (Hentig 1979, 261). Jedes Übersetzen ist zudem die strengste Prüfung des Verstehens - und darum vielleicht die Arbeitsform mit dem größten Bildungswert. Durch sie können wir die Verfremdung der eigenen Sprech- und Denkweisen erfahren. Genau das wird wohl auch unter dem Stichwort language awareness angestrebt. M.E. kann man mit dem Übersetzen in die Muttersprache language awareness, Sprachbewusstheit und Interkulturalität so gut wie mit keiner anderen Arbeitsform fördern. Inzwischen ist eine Reihe von Büchern erschienen, in denen vehement eine Lanze fürs Übersetzen im Fremdsprachenunterricht gebrochen wird. Ich nenne nur den Sammelband von Witte et al. (2009) und Cook (2010), der diese Literatur aufgearbeitet hat und sein Buch wie folgt vorstellt: This argument is a radical break with tradition. Translation language teaching has been treated as a pariah in almost all the fashionable highprofile language teaching theories of the 20 th century - so much so that towards the end of that century, other than at university level, it was no longer discussed in the academic literature as a serious candidate for aiding the learning of a new language. (Cook 2010, XIV) Und die Schüler wollen übersetzen, wie eine englische Befragung ergab: 344 Bilinguale Praxis im Detail Translation was another popular activity, with pupils working in pairs on translating short pieces of text. The pupils described this as satisfying. So rarely seen as a part of the communicative MFL classroom, there might well be convincing reasons for introducing aspects of this further down the school. (Fischer 2001, 37) Allerdings ist das Übersetzen nun auch im mainstream angekommen, man darf es nur nicht so nennnen! In dieser Aufgabe, die Teil der zentralen Abschlussprüfung Englisch an bayerischen Realschulen ist, beraten die Prüflinge bei der Hotelbuchung auf der englischen Internetseite und sprachmitteln wichtige Informationen ins Deutsche. (Schnitter 2008, 34) Die fremdsprachige Version einer Schulhomepage sei ein “authentischer Sprachmittlungsanlass”, aber beileibe keine Übersetzung? “Inhalte einer Infobroschüre ins Englische sprachmitteln”, aber nicht übersetzen? Das ist doch Krampf. Denn all die Kriterien, die Hallet (2008) für das Sprachmitteln geltend macht, sind auch schon dem Übersetzen, das es ja in vielen Spielarten gibt, zugeschrieben worden. Zuwandererkinder haben schon immer für ihre Eltern oder Mitschüler übersetzt, mündlich und frei, zusammenfassend oder textnah. Oder muss es nun “sprachgemittelt” heißen? Man erfindet neue Wörter - “sprachmitteln” gibt es noch nicht so lange - und meint schon eine neue Sache zu haben, vor allem aber das immer noch verpönte “Übersetzen” zu umgehen. “Sprachmitteln” ist typischerweise ein Dolmetschen: Zwei Partner, die einander nicht verstehen, bedienen sich eines Mittlers, der für beide Partner, also in beide Sprachen, übersetzt. Zuständig ist die Übersetzungswissenschaft (translation studies). Positiv an diesem Interesse für Sprachmittlung ist die neue Öffnung für bilinguale kommunikative Arbeitsformen, deren Kern aber immer ein Übersetzungsakt ist, nämlich das Überführen verstandener Inhalte von einer Sprache in eine andere. Deshalb sollte man es auch bei dem Übersetzen als traditionellem Oberbegriff für die “fünfte” Fertigkeit belassen. Natürlich muss weiter um Art und Ausmaß von Übersetzungsaufgaben für die Schule gerungen werden. Es geht aber nicht an, Sprachmittlungsaufgaben zu propagieren, dafür Interkulturalität zu reklamieren und gleichzeitig das Übersetzen abzuwerten - also genau die Tätigkeit, die wie keine andere durch die Jahrhunderte hindurch Brücken zwischen den Kulturen geschlagen hat. Translation is indeed an authentic, meaning-focused, real-world activity, and as such fits well into communicative paradigms, lending itself as easily to warm-up activities, communicative tasks, and to collaborative feedback, as it does to formal exercises concentrating on accuracy … Translation can also foster the more ‘traditional’ perspective that ‘communicative’ approaches tended to dismiss. (Cook 2010, 146) Übersetzen und Sprachmitteln 345 Ich mache ein paar eher “traditionelle” Vorschläge: 1) Schüler übersetzen selbst, am besten in Einzel- oder Partnerarbeit, bewaffnet mit zweisprachigen Wörterbüchern. Beim Selbertun merken die Schüler am ehesten, dass beim Übersetzen eine Art “Entsprachlichung” stattfindet, d.h. ein Absehen vom Wortlaut des Originals und das Hindurchblicken auf das Gemeinte, und damit ein Sich-Vertiefen in Sinn und Ausdruckswert, ja in die ganze Wucht einer Passage. An guten, gehaltvollen Kurz- und Kürzesttexten können sich die Schüler die Zähne ausbeißen - an den zitierwürdigen Sentenzen von Oscar Wilde oder auch an berühmten Romananfängen und -schlüssen. Zum Ansporn lege man ihnen ein paar gelungene Übersetzungen vor, z.B. Emersons bekannte Sentenz: A foolish consistency is the hobgoblin of little minds. Konsequenz ist ein Kobold, der in engen Hirnen spukt. Oder die berühmte Sentenz des Herzogs von Wellington, des Feldherren von Waterloo: I am wretched even at the moment of victory, and I always say that next to a battle lost, greatest misery is a battle gained. Es gibt kein größeres Elend als eine verlorene Schlacht. Gleich danach aber kommt die gewonnene Schlacht. (Ein fast so großes Elend aber ist die gewonnene Schlacht.) Anschließend versuchen die Schüler es selbst mit neuen Texten, so etwa mit Thoreau: I went to the woods because I wished to live deliberately, to front only the essential facts of life, and see if I could not learn what it had to teach, and not, when I came to die, discover that I had not lived. I did not wish to live what was not life, living is so dear; nor did I wish to practise resignation, unless it was quite necessary. I wanted to live deep and suck out all the marrow of life … (from Walden) Oder mit einem Text von E.M. Forster: We cannot understand each other, except in a rough and ready way; we cannot reveal ourselves, even when we want to; what we call intimacy is only a makeshift; perfect knowledge is an illusion. But in the novel we can know people perfectly, and, apart from the general pleasure of reading, we can find here a compensation for their dimness in life … They are people whose secret lives are visible or might be visible: we are people whose secret lives are invisible. And that is why novels, even when they are about wicked people, can solace us; they suggest a more comprehensible and thus a more manageable human race, they give us the illusion of perspicacity and of power. (from Aspects of the Novel) 346 Bilinguale Praxis im Detail Danach liefert ein Vergleich der von den Schülern getätigten Übersetzungen die schönsten kommunikativen Impulse. Eine verkannte Arbeitsform, mit deren hohes kommunikatives Potential noch nicht ausgelotet worden ist! Weiterer Arbeitsvorschlag: - Gruppe 1 übersetzt ein Original ins Deutsche. - Gruppe 2 übersetzt den von Gruppe 1 produzierten Text zurück in die Fremdsprache, ohne das Original zu kennen. - Vergleich der drei Texte. Ebenso nach der eigenen Übersetzung den Text von Online-Übersetzungsdiensten übersetzen lassen und vergleichen. 2) Ein weites Feld moderner Texte liefern Filmtitel, Filmzitate, Titel von Fernsehserien, Werbespots. Die fremdsprachigen Originaltitel sind ja unseren Schülern oft gar nicht bekannt. Warum werden manche Filmtitel so frei übertragen oder ganz neu erfunden? 3) Texte, für die noch keine Übersetzungen vorliegen, werden als Projektarbeit ins Deutsche übertragen, etwa Wikipedia-Artikel. Diese Aufgabe wird als kommunikatives Unternehmen verstanden, d.h. es gilt den Text an den genau zu definierenden Interessenten zu bringen und seinen Kenntnisstand zu reflektieren. 4) Ein lohnender Sport: Jagd auf Übersetzungsfehler machen. Schüler überprüfen z.B. die im Internet bereitgestellten Übersetzungen aktueller Texte. Kampf dem Pfusch und dem Drüberhinweghuschen! Danach wird man seine Funde den Übersetzern, Autoren, Verlagen mitteilen oder sie auch in Internetforen veröffentlichen. Schüler lernen nebenher, wie wichtig es sein kann, Texte im Original zu kennen. Sie lernen, genau hinzuschauen, erfahren etwas von der Treue im Detail, werden sich nicht mit ungefährem Sinn zufriedengeben. Sie merken, wieviel man an Hintergrundwissen braucht, um Einzelheiten aufzuklären, wie zeitverhaftet Texte sein können in ihren Anspielungen. Hier zeigen sich Tugenden, die mit dem Meisterschaftsprinzip verbunden sind: sein Bestes geben wollen, Geduld für die Arbeit am Detail aufbringen, mit nur Mittelmäßigem nicht zufrieden sein. Wie befriedigend, wenn man nach einigem Grübeln einen Text endlich ganz sein eigen nennen darf! Wenn man allen Widerständen zum Trotz eine gültige Fassung gefunden hat, die vor dem eigenen kritischen Auge bestehen kann. 5) Vergleich verschiedener Übersetzungen. Was verraten sie uns über Interpretationsspielräume? Über die oft überlesenen Schwierigkeiten, über die verborgenen Fallstricke, das Approximative, das Ringen um den gültigen Ausdruck? Über das Übersetzen als Dienst am Original oder als Verrat an ihm? Klar, so was passt auch in die Deutschstunde. Viele moderne Klassiker wurden mehrfach übersetzt, aber Übersetzungsver- Vorschläge für multilinguale Klassen 347 gleiche böten vor allem die Möglichkeit, auch unsere Hauptschüler mit William Shakespeare, man of the millenium, der auch zum deutschen Klassiker wurde, vertraut zu machen, indem man ihnen einige purple passages in verschiedenen Versionen vorlegt. Die Version, die am besten gefällt, wird nachgespielt! Schon in der Sekundarstufe 1 machen wir so auf Shakespeare neugierig, zugleich mit einem kleinen Text über sein Leben und sein Zeit, wie Schmidt (2003) fordert. Im Englischunterricht der Oberstufe könnte das Heranziehen einer deutschen Übersetzung viele annotations ersetzen, die von Schülern oft als eine Störung des Leseprozesses empfunden werden. Ebenso reizvoll ein Vergleich von Bibelversen oder auch von Sprichwörtern. Wir fahnden nicht nur nach deutschen Entsprechungen oder versuchen eine eigene “spruchreife” Fassung zu finden, sondern beziehen nach Kräften weitere Muttersprachen ein, nicht nur von Schülern der Klasse, sondern der ganzen Schule. Verwenden die Sprachen das gleiche Bild oder tritt dieselbe Spruchweisheit in einem ganz anderen Gewand auf? Gebranntes Kind scheut Feuer./ Once bitten, twice shy./ Chat échaudé craint l’eau froide. Vorschläge für multilinguale Klassen Alfred Kerr, aus jüdischem Großbürgertum, Schriftsteller und gefürchteter Theaterkritiker der Weimarer Zeit, musste mit seiner Familie über die Schweiz und Frankreich nach London in die Armut fliehen. Seine Tochter sitzt in einer Pariser école communale: Anna sat and let the sound drone over her. She wondered what they were reciting. It was strange to be having a lesson at school without even knowing what it was about. As she listened she detected some numbers among the droning. Was it a multiplication table? No, there were not nearly enough numbers. She glanced at the book at Colette’s desk. There was a picture of a king with a crown on the cover. Then it came to her, just as Madame Socrate clapped her hands for the recitation to stop. It was history! The numbers were dates and it had been a history lesson! For some reason this discovery made her feel very pleased. (Kerr 1983, 123f.) Natürlich schafft es Anna. Ihr Vater spricht hervorragend Französisch, und sie ist ein Intelligenzbündel, das später so gut im Englischen heimisch wird, dass sie eine anerkannte englische Schriftstellerin wird. Auch ihr Bruder ist geradezu grimmig entschlossen, bald so zu sein wie andere und nicht mehr 348 Bilinguale Praxis im Detail aufzufallen. Also Augen zu und durch? Vielen bleibt nichts anders übrig: sink or swim. Viele schaffen es auch. Und weil es so viele schaffen, wird eine Rücksichtslosigkeit gar als sinnvolle Methode ausgegeben. Denn die Immersion kann auch zur Submersion führen: statt Eintauchen ein Untergehen in der fremden Sprachflut. Schauen wir genauer hin. Hätten nicht ein paar deutsche Erklärungen genügt, und Anna hätte gleich viel mehr aus der Stunde mitgenommen? Rati kommt mit zehn Jahren nach Deutschland: I still remember the first day I went to school in Germany. I did not know anyone … Every time someone laughed I had the feeling they were laughing about me though they were not. I also remember another situation in which I was very embarrassed. I did not do the very first homework I was supposed to do simply because I did not know it was meant to be homework. R. Patentlösungen für multilinguale Klassen gibt es nicht, d.h. für Schüler mit geringen Deutschkenntnissen. Aber Lehrer sollten sich Lehrtexte, die so gut sind, dass sie diese immer wieder auf derselben Klassenstufe verwenden, von ehemaligen Schülern übersetzen lassen. Natürlich nur von solchen Schülern, die gut Deutsch gelernt haben und zugleich ihre Muttersprache weiter pflegen konnten. Das gilt natürlich auch für die wichtigsten classroom phrases. Hier hat ja die Praxis die Theorie längst unterlaufen. In vielen Klassenräumen hängen für die gängigen Schulfremdsprachen Poster mit zweisprachigen Unterrichtsphrasen. So hat man über die Jahre einen Fundus von Texten mit Parallel-Übersetzungen ins Albanische, Russische, Türkische usw. angelegt. Während des Unterrichts oder auch schon vorher bekommt ein neuer Schüler den Text in die Hand, und es wird ihm viel leichter fallen, dem Unterricht zu folgen. Noch wichtiger ist dies Verfahren für die Sachfächer, wie es in holländischen Basisschools praktiziert wird, wo entsprechende Materialien in den Herkunftssprachen zur Verfügung gestellt werden. Oliver Schütz (per E-Mail) hat seinen Schülern eine russische und polnische Version des Kleinen Prinzen als Hörbuch besorgt, bevor er die deutsche Fassung (Text und Hörbuch) behandelte. Wie wäre es mit Gleichnissen aus dem Neuen Testament, das ebenfalls in allen erdenklichen Sprachen vorliegt, etwa der Geschichte vom barmherzigen Samariter und der Geschichte vom verlorenen Sohn? Für Schüler, die ihre Muttersprache nicht lesen können, stehen auch Hörversionen zur Verfügung. Schütz ist wie folgt vorgegangen: Optimal seien Hörbücher nur mit gesprochenem Text (ohne Geräusche, Töne, etc.), ohne dialektale Färbung des Sprechers und in langsamem Sprechtempo. (Mit dem Programm Audacity bzw. speziellen Apps kann man die Sprechgeschwindigkeit eines jeden Hörbuches verlangsamen, ohne dass ein Verlust der Tonhöhe auftritt.) Vorschläge für multilinguale Klassen 349 Jede Schülerin/ jeder Schüler bekam von mir ein langsam und deutlich gesprochenes Hörbuch. In kleinen Portionen sollten sie dann zu Hause immer Abschnitte hören und in ein Heft schreiben, und zwar so, wie sie es hörten; danach nochmal hören und mitlesen. Zu Beginn waren die zu schreibenden Abschnitte klein (etwa fünf Sätze). In der folgenden Unterrichtsstunde wurde das Geschriebene im Unterricht besprochen; im Gespräch wurden dann Wortbedeutungen, Satzzeichen, Orthografie und grammatische Strukturen geklärt. Nach und nach wurden die zu hörenden und zu schreibenden Abschnitte länger. Beim Korrigieren der Hefte konnte ich feststellen, dass sich die Schreibkompetenz folgendermaßen entwickelte: Stadium 1: Zunächst wurde eine phonetische Umschrift verwendet. Leider gibt es im Deutschen aber keine eindeutige Phonem- Graphem-Korrespondenz (wie etwa im Finnischen); also gab es viele Fehler. Stadium 2: Es wurden individuell verschiedene Regelsysteme gebildet, die jedoch (noch) nicht orthografisch richtig waren. Aber alles folgte meist einem System, auch die Fehler. Stadium 3: Durch meine Korrekturen und Rückmeldungen entwickelte sich mit der Zeit eine orthografisch richtige Schreibung. Und ein weiterer Lernzuwachs war zu beobachten: Bei allen Schülerinnen und Schülern entwickelte sich die Kompetenz im mündlichen und schriftlichen Sprachgebrauch in Bezug auf Verständlichkeit der Aussprache und eine richtige Grammatik nebenbei als positives Abfallprodukt! Diese Methode hat sehr motivierend auf die Schülerinnen und Schüler gewirkt: Eine solche Lernarbeit macht mehr Spaß als z.B. Übungen, bei denen ein Phänomen/ Problem isoliert betrachtet und geübt wird. Die Sprache wird so zum Werkzeug, um die Geschichte zu verstehen, die das Hörbuch erzählt; sie wird (scheinbar) zur Nebensache! (Zitiert nach unveröffentlichtem Manuskript, 2008) Hat man eine kleine Gruppe mit derselben Muttersprache in der Klasse, gönnt man ihnen ab und zu eine kleine Auszeit, in der sie sich über den Unterricht verständigen - eine naheliegende Vorgehensweise, die mittlerweile von vielen Lehrern erfolgreich praktiziert wird (Chaudhuri 2009, 258). Oder ein Neuankömmling, der kaum oder nichts versteht, bekommt einen zweisprachigen Schüler zeitweilig als Tutor. Die Deutsch-als-Fremdsprache-Institute an den Hochschulen, die ausländische Studierende in kurzer Zeit auf ihr Fachstudium vorbereiten, sollten ebenso die Muttersprachen ihrer Studenten mitbenutzen, hilfsweise auch englische Versionen ihrer Lehrtexte systematisch einsetzen, um den Studenten über ihre etablierten Fremdsprachenkenntnisse den Zugang zum Deutschen zu erleichtern. Studenten mit distanten Muttersprachen berichten, wie sehr Englischkenntnisse das Deutschlernen unterstützt haben. Gerade in multilingualen Klassen ist das Einsprachigkeitsgebot absurd. 13 350 Bilinguale Praxis im Detail Vom Bundesgenossen zum Erbfeind - und wieder zurück Wenn der Verzicht auf muttersprachliche Lernhilfen richtig wäre, so hätten dies wohl zweitausend Jahre und mehr des Probierens und Studierens längst ans Licht gebracht. Das Gegenteil aber war der Fall: Die Muttersprache wurde immer wieder in vielen Varianten zu Hilfe genommen. Die Muttersprache als Bundesgenosse, das ist eine vom Mainstream vergessene, jahrzehntelang unterdrückte, heute neu aufscheinende Wahrheit. Die wahrhaft großen Reformer, die man heute noch mit Gewinn liest, haben die Muttersprache als Semantisierungshilfe systematisch verwendet: Henry Sweet, Otto Jespersen, Wilhelm Vietor, Harold Palmer, Michael West. Ebenso die großen deutschen Methodiker, die die Diskussion um die direkte Methode aufgenommen und verarbeitet haben, Philipp Aronstein, der im KZ sterben musste, und Ernst Otto. Alle wollten sie die Fremdsprachen in der Fremdsprache selbst unterrichten. Aber sie dachten die Muttersprache immer noch mit und weigerten sich, das Baby mit dem Badewasser auszuschütten. Doch genau das hat man getan - für so manchen Schüler mit katastrophalen Folgen. Ein zentralistisch regierter Staat wie Frankreich macht am besten deutlich, was vor einem Jahrhundert in anderen europäischen Ländern ähnlich ablief. In den für ganz Frankreich geltenden Richtlinien von 1908 wurde den Lehrern regelrecht untersagt, die Muttersprache zu gebrauchen, nachdem schon im Jahre 1902 die Übersetzungsübung verboten wurde (Puren 1993, 49). Es war, wie schon damals vermerkt wurde, ein radikaler Akt, ein Staatsstreich, ein “coup d’Etat pédagogique”. Eine kleine Gruppe einflussreicher Pariser “activistes” hatte sich durchgesetzt und die direkte Methode inthronisiert. Es kam dann, wie es kommen musste. Die Lehrer kamen nicht zurecht, und die Offiziellen reagierten zunächst mit “Augen zu und durch”. Notre nouvelle méthode n’échappa pas au danger de se durcir, de fermer l’œil et l’oreille à tous les insuccès, à toutes les lacunes qu’elle laissait … Toutes les faiblesses de la méthode directe ont été obstinément niées par les doctrinaires endurcis, mais elles sont bien connues de tous ceux qui travaillent sur le terrain. (Pfrimmer 1953, zit. bei Puren 1993, 70f.) In der Praxis mogelte man sich durch - eine Situation, die auch heute noch jedem Studienreferendar bekannt sein dürfte: Tous, nous trichons perpétuellement - sauf aux jours d’inspection générale - avec cette méthode directe. (Roques 1913, zit. bei Puren 1993, 78) Neue “Directives” von 1925 entschärften dann das Problem. Eine “méthode active” wurde anstelle der “méthode directe” offiziell propagiert. Man sprach auch von “méthodologie éclectique” und “méthodologie mixte” Vom Bundesgenossen zum Erbfeind - und wieder zurück 351 (Puren 1988, 211). In Deutschland setzte sich die Bezeichnung “vermittelnde Methode” durch. Es war eben ein methodischer Kompromiss - also eine “compromise method”. Eine unverkrampfte Einsprachigkeit mit Abstrichen sollte die Regel sein, die Muttersprache war als eine Art Feuerwehr für den Notfall zugelassen. Das Prinzip selbst wurde dabei nicht in Frage gestellt. Ein Kompromiss ist immer eine praktische Lösung, mit der man leben kann, die aber theoretisch meist nichts klärt und daher unbefriedigend bleibt. Fragt sich auch, wer damit leben kann. Die Muttersprachen sind die eigentlichen Steigbügel für die Fremdsprachen. Wer auf sie verzichtet, muss aufs Pferd gehoben und geschoben werden. Viele Lehrer schaffen’s einfach nicht, und eine unkontrollierte, wilde Verwendung der Muttersprache setzt ein (Kap. 5, These 11). Das sind die “effets pervers” (Puren, passim) einer unaufgeklärten Einsprachigkeit, die eigentlich niemand will. Denn der Verzicht auf die Muttersprache und das Schriftbild hat zumindest bei weniger geschickten Lehrern oder schwachen Schülern katastrophale Folgen: She just gave us a French definition of the new word or made a drawing. But she never gave us the German translation and never gave away the spelling. We got very confused and impatient whenever a new word occurred. First, we conferred with our neighbour what the new word could mean. But the uncertainty became nearly unbearable and we got angry because she left us alone with our unconfirmed suppositions. We weren‘t allowed to open our books, and sometimes we had to wait until the bell rang before we could look up the new word. G. In erster Linie ist die falsche Theorie schuld, die verhindert, dass effektive bilinguale Lehrtechniken überhaupt bekannt werden. Die Schüler allerdings haben ihre Auswege. Eine Studentin vertritt eine Freundin beim Deutschunterricht für türkische Frauen und beobachtet, wie diese einander aushelfen: When I taught German to Turkish women who even brought their babies into the classroom, I found it quite problematic to improve the women’s rudimentary German without being able to give explanations in their mother tongue. It was very time-consuming and the better learners gave the weaker ones the Turkish explanations. M. Oft täuschen sich auch die Lehrer über den Erfolg ihrer fremdsprachigen Erklärungen. Gerade die leistungsstarken, interessierten Schüler haben die neuen Texte schon zu Hause gelesen: I always wanted to understand everything in class and read the new texts before they were actually presented in class. I even tried to learn the vocabulary in advance and had a glance at the new grammar that was to come up in each unit. M. 352 Bilinguale Praxis im Detail Warum halten aber gerade so viele unserer besten Lehrer am Prinzip der Einsprachigkeit fest? Kahl (1999, 140) setzt einer Englischlehrerin mit folgendem Bericht ein schönes Denkmal: Als Miss Grube zum ersten Mal in die Sexta kam und von Anfang an nur Englisch sprach, verwandelte sich die freudige Erwartung der Zehnjährigen bald in Ratlosigkeit. Außer “Good morning” verstand man ja gar nichts! Da die Lehrerin aber eine gute Schauspielerin war und das, was sie sagte, mit eindrucksvoller Mimik und Gestik untermalte, dazu auch noch pantomimisch vieles vormachte, hatten einige bald heraus, wovon sie redete, und das Raten, Erschließen und Kombinieren begann richtig Spaß zu machen. Dabei wurden muttersprachliche Äußerungen zwar akzeptiert, aber immer auf Englisch beantwortet … In der Regel wurde das richtige Wort oder die richtige Wendung von der Lehrerin in ihrer Antwort gebraucht. Meist fanden die Betreffenden dann selbst heraus, was sie falsch gemacht hatten … Die Kinder liebten Miss Grube und ihren Unterricht. Da kann man nur neidisch werden. Mit viel Geschick und viel Zeit gelingt auch einsprachiger Englischunterricht für Deutsche. Dennoch: Diese begnadete Lehrerin hätte ihren Schülern noch besser dienen können, wenn sie ihren Schülern nicht nur einige deutsche Wörter gestattet, sondern auch bilinguale Techniken mit verwendet hätte. There is one point of agreement on which there remains no doubt: there is simply no evidence that a prescribed target-language only environment is beneficial to learners, and there is ample evidence that it may be detrimental. (Turnbull & Dailey-O’Cain 2009, 186) Überhaupt kann ja die Einsprachigkeit nur so gut gelingen, wenn man es mit nah verwandten Sprachen aus dem gleichen Kulturkreis zu tun hat. Der Spracherwerbsforscher Roger Brown (1973) lernt bei Berlitz Japanisch: Working only in the new language can be a great strain on both teacher and student. Sometimes I think it really does lead to experiences akin to those of the preliterate child; often, surely not. After the first lesson in which various things on a desk were named, I realized that I did not know whether hon, for instance, meant book or pad or magazine or even cover, since the contrasts that would separate out ‘book’ as the intended meaning had not been used. And of course children have that problem of isolating the defining (though generally not explicitly known or expressible) properties of referents. Der Grat zwischen Nutzen und Schaden der Muttersprache ist manchmal schmal. Aber wir wissen, wo die Muttersprache fehl am Platze ist. Und wir verfügen über klar definierte, hocheffektive bilinguale Lehrtechniken. Wie lange noch wollen wir sie unseren Schülern vorenthalten? Vom Bundesgenossen zum Erbfeind - und wieder zurück 353 1 “Inventories of classroom techniques exist of which only a handful are not intralingual” (Stern 1992, 289). 2 “Why, if your God is so smart, hasn’t he learned our language? ” wurde William Cameron Townsend einmal gefragt, als er sich als junger Missionar mit der Sprache der Cakchiquel in Guatemala abquälte. Nach zehn Jahren mühevoller Arbeit hatte er für diese Sprache eine Schreibform entwickelt und das Neue Testament übersetzt. Später gründete er das berühmte Summer Institute of Linguistics, das Missionare für ihre Übersetzungsarbeit ausbildete, und die Wycliffe Bible Society. “The greatest missionary is the Bible in the mother tongue,” war sein Leitspruch. 3 Darauf hatte schon Büttner (1907, 590) hingewiesen. Nur ein gründliches Studium der Geschichte kann uns davor bewahren, schon längst widerlegte Argumente erneut vorzuführen. 4 Die Frage der Übersetzbarkeit ist ein weites Feld, das nicht nur von Sprachwissenschaftlern, sondern auch von Philosophen, Anthropologen, Soziologen, Psychologen und Biologen beackert wird. Es ist mittlerweile evident, dass extreme Standpunkte (extremer Universalismus vs. extremer Relativismus) keine Chance haben sich durchzusetzen und eine Antwort irgendwo zwischen den Extremen liegt. Ich halte es mit Plessner (1983, 279): “Sprachen lassen sich übersetzen. Sie sind mit einem Rest von Geist, der unübersetzbar ist, füreinander transparent.” 5 Man kann nur vermuten, “dass für ihn die Gewissheit, dass sich die neue Struktur auch in seiner Muttersprache formulieren lässt, unentbehrlich ist”. “Anhand meiner Daten stelle ich die Behauptung auf, dass die Möglichkeit, einen Bezug zu den vorhandenen Sprachen herzustellen, den affektiven Filter indischer Deutschlerner niedriger stellt.” “Die sinngemäße Übersetzung der fremdsprachlichen Sätze oder deren Komponenten in eine der vorhandenen Sprachen ist der kürzeste und effektivste Weg zur Legitimation.” (Chaudhuri 2009, 214, 230) 6 Nach dem gleichen Prinzip versucht Birkenbihl, arabische Schreibkonventionen am Deutschen zu erklären, z.B. die Schreibrichtung (“Start in die arabische Schrift” Internet): links. nach rechts von Wort für Wort einmal Satz diesen bitte Sie Lesen Genauer, so dass auch bei den Wörtern die Schreibrichtung stimmt: .sknil hcan sthcer nov troW rüf troW ztaS neseid ettib eiS neseL 7 Zum “vergleichenden Prinzip” in der Fremdsprachendidaktik des 19. Jahrhunderts siehe Klippel 1994, 449f. 8 Sehr gut der Brückenschlag zwischen den romanischen Sprachen bei Klein & Stegmann (2000). 9 Die Sprachverwandtschaften auszunutzen ist natürlich ein alter Gedanke, deutlich etwa im Titel von Villiers’ Vocabularium Analogicum, or the Englishman speaking French, and the Frenchman speaking english, Plainly shewing the nearness or affinity betwixt the English, French and Latin (London 1680, zit. bei Lambley 1920, 397). Auch der Reformer Max Walter (1908, 41) forderte “die stete Verwertung der Beziehungen zur Muttersprache, sowie zu den in den einzelnen Schulen gelehrten Fremdsprachen” und empfahl, Vokabelverzeichnisse, wie heute üblich, dreispaltig anzulegen. 10 Vgl. dagegen: “Ein gutes und fortschrittliches Lehrbuch können Sie übrigens unter anderem daran erkennen, daß es keine zweisprachigen Vokabelverzeich- 354 Bilinguale Praxis im Detail nisse enthält, wie Sie sie vermutlich noch aus Ihrer eigenen Schulzeit in Erinnerung haben dürften” (Freudenstein 1974, 42)! Freudenstein, jahrelang Herausgeber der einflussreichen Praxis des neusprachlichen Unterrichts, war beileibe nicht der einzige, der hier absolute Einsprachigkeit forderte. 11 Sollen eigentlich Erfahrungen unserer Vorgänger wie die folgende heute nichts mehr wert sein? “Dieses Rückübersetzen eines aus der Fremdsprache ins Deutsche übersetzten Textes in die Originalfassung spielt bei mir seit Jahren und mit ziemlicher Regelmäßigkeit eine nicht unwichtige Rolle, nachdem es mir bei meiner eigenen Ausbildung als Fremdsprachler von jeher eine große Hilfe war und es heute noch ist … komme ich allmählich immer mehr zur Ansicht, daß man mit ihm das Erlernen einer Fremdsprache beträchtlich abkürzen und die direkte Methode damit in vorzüglicher Weise unterstützen kann” (Stecher 1963, 110). 12 Vgl. Nickels (1999) Vorschläge zur zweisprachigen Lektürearbeit im Lateinunterricht. 13 Weitere Vorschläge bei Butzkamm & Caldwell (2009, 229ff.). - Als wir in Grönland vom Dorf in die Stadt zogen, bekamen wir Lehrer “who didn’t know one word of Greenlandic”, heißt es in Peter Hoegs bekanntem Krimi Smilla’s sense of snow. Wie bequem für die Lehrer, wenn sie auch noch das Prinzip der Einsprachigkeit für sich ins Feld führen konnten. Sprachen lernt man nur, wenn man sich viel Zeit für sie nimmt. 11 Der Sprachumsatz muss stimmen! Der Zeitfaktor und die Methodenfrage Wie viel an doppelt verstandener und wohlgeformter Sprache nehmen die Schüler in gegebener Zeit aktiv auf (intake) und in Gebrauch (output)? Daran müssen sich alle unsere Unterrichtsvorschläge - monolingual oder bilingual, traditionell oder innovativ - messen lassen. Methodische Kontroversen ließen sich entschärfen, wenn wir dieses Kriterium stärker beachten und dokumentieren würden. Wie oft sind wie viele Schüler mit mehr als einem Einwortbeitrag drangekommen? Dabei hängt die Quantität sehr wohl mit der Qualität zusammen. Schüler schalten ab, wenn sie gelangweilt werden oder nur halb verstehen. Wir greifen das schon früher angeschnittene Thema (Stichwort entrenchment) noch einmal auf. Der Zweitspracherwerb scheint kein Problem zu sein, wenn wir der Natur ihren Lauf lassen können: Ein französisches Dienstmädchen, dem man ein deutsches Kind übergibt, dasselbe französisch zu lehren, bringt, wenn es seine Sprache nur richtig reden kann, dasselbe ohne Mithülfe irgend einiger Kunstkenntnisse und Kunstmittel, durch bloßes anhaltendes, fleißiges Reden mit ihm innerhalb einer vergleichsweise kurzen Zeit dahin, dass es sich über den Umfang der Gegenstände, über welche das Mädchen sich mit ihm unterhaltet, mit Leichtigkeit richtig ausdrückt. (Johann Heinrich Pestalozzi) So würden auch wir keine Sprachexperten anfordern, wenn wir ein fremdsprachiges Kind bei uns aufnähmen. Wir würden einfach mehr reden als sonst. Wir würden intuitiv kein grammatikalisch falsches Ausländerdeutsch verwenden. Wir würden die Sprache aus dem Tun, dem Hinschauen, Anfassen, Fühlen, Riechen und Schmecken gewinnen; den ganzen Körper zum Bundesgenossen machen. Dabei eine klare, transparente Sprache sprechen, die so wenig wie möglich Zweifel darüber lässt, wer jetzt etwas tut oder tun soll, wo und womit etwas getan wird und was, d.h. dem Sinn und der Form nach verständliche Sprache reichlich zusprechen. Wir würden einfach abwarten und darauf bauen: Die Zeit bringt’s, und die Menge macht’s. Wir erinnern an die Handikaps des Unterrichts: 358 Der Sprachumsatz muss stimmen! 1) begrenzte Kontaktzeit; 2) nur ein lebendiges Sprachvorbild; 3) Spätbeginn: frühe Verluste beim Hören; 4) das Sprachland und die familiäre Welt ist reduziert auf den Klassenraum; 5) kein existenzieller Zwang zur Fremdsprache; 6) kein vergleichbares Engagement der Gefühle: Nestwärme, Geborgenheit und das Entzücken über jeden Lernfortschritt kann der Unterricht nicht liefern. Unter solchen Behinderungen wird Unterricht eben doch zu einer Kunst und bedarf der Wissenschaft als Stütze. 1 Der Schneeballeffekt Wenn genug Zeit wäre, könnte unsere menschliche, prärationale Sprachbegabung (fast) alles von selbst besorgen. Wir könnten uns die Grammatik- erhören und erlesen, wie wir uns zumeist auch die Rechtschreibung erlesen. Erwartungsgemäß führt Zugewinn an Kontaktzeit zu besseren Fremdsprachenkenntnissen (Carroll 1975, 265ff.). Sobald eine bestimmte Lernschwelle überschritten wird, können die Kenntnisse steil ansteigen. Es ist kaum zu hoffen, dass mit zwei, drei Wochenstunden diese Schwelle überschritten wird. Zu wenig Zeit: Diese Erkenntnis stand am Anfang der Immersionsprogramme in Kanada. Als sich dann bei den Leistungsvergleichen die Überlegenheit der bilingualen Klassen gegenüber den konventionellen herausstellte, versuchten die Kanadier, diese mit einem Schneeballeffekt zu erklären. Sei einmal eine kritische Grenze durchbrochen, falle es immer leichter, sich weitere Kenntnisse anzueignen, sie etwa auch außerhalb der Schule einzusetzen und dadurch wieder hinzuzulernen. Die Kenntnisse nähmen nicht nur nach Maßgabe der aufgewendeten Unterrichtszeit zu, sondern könnten sich potenzieren, im Sinne einer positiven Rückkopplung. Die auf den üblichen Fremdsprachenunterricht beschränkten Kontrollgruppen “apparently have not developed their competence sufficiently to experience the snowball effect” (Lambert & Tucker 1972, 196). 2 The picker-up is using the language on and off all day and every day so that he is constantly being reminded. His loss by forgetting is very small compared with the classroom child who has one class period with all the rest of the day to forget it, and all Sunday as a help in forgetting the week’s work, and periodical holidays and vacations to ensure the maximum possible loss. (West 1959, 23) Grammatik braucht reichhaltige Sprachkontakte 359 Damit natürliche Erwerbsmechanismen greifen, bedarf es also ausreichender Sprachkontakte. Kinder können auch zwei Muttersprachen in einem Gehirn entwickeln, ohne dass es zu einem Durcheinander kommt, aber immer unter der Voraussetzung, dass für beide auch genügend Hör-Sprechzeit da ist. Wo sich mehrere Sprachen die Zeit teilen müssen, sinken und steigen unsere Sprachpegel, je nachdem. Die Menge der Sprachkontakte bestimmt, welche Sprache die dominante und welche die schwächere ist. Fast immer ist die Sprache im Nachteil, die sich nur auf einen Elternteil stützen kann. Sobald das Kind in den Kindergarten kommt, setzt sich die Landessprache durch. Aber: Bei Ferienaufenthalten, etwa bei Opa und Oma im Ausland, kann die bisher schwächere Sprache typischerweise schnell dominant werden. Ebenso passt ins Bild, dass jüngere Geschwister ihre jeweilige Vater- oder Muttersprache weniger gut bewahren als das älteste. Letzteres ist ja eine Zeitlang mit den Eltern allein. Kommt das jüngere in die Schule, unterhalten sich die Geschwister über Schule und Spielkameraden fast zwangsläufig in der Landessprache. Ein gutes Stück häuslicher Kommunikation geht daher der Herkunftssprache verloren - was sich besonders auf die weniger gefestigten Sprachkenntnisse beim Jüngeren auswirkt. Schließlich können Sprachen aufgrund mangelnden Gebrauchs einfach verloren gehen, selbst die Muttersprache, die jahrelang konkurrenzlos war. Natürlicher Spracherwerb braucht also viel Zeit. Bei mangelndem Sprachkontakt verkümmert eine aktive Mehrsprachigkeit und kann sich auch ganz verabschieden. Grammatik braucht reichhaltige Sprachkontakte Kinder kommen über die situativ erfassten Wörter (Einwortsätze) zur Grammatik. Im Alter von zwei bis drei Jahren wächst der Wortschatz rapide an. Erst auf der Grundlage dieser gewaltigen Vermehrung der Wörter, so mutmaßen die Forscher, wird das Kind auch reif für die Grammatik. Eine bestimmte Anzahl von Inhaltswörtern markiert die Schwelle für den Erwerb von Funktionswörtern. Der Dreijährige, so sagt es Pinker (1994, 269), ist ein grammatisches Genie. Er arbeitet zugleich an so vielen grammatischen Fronten, dass die Forscher größte Mühe haben, die Entwicklungsfäden einzelner Strukturbereiche auseinanderzudröseln. Im Unterricht können wir die häufig wiederkehrenden Lebenssituationen, aus denen die Kinder die Grammatik extrapolieren, weder in ihrer Fülle noch in ihrer prallen Sinnfälligkeit bieten, aber - in enger Auswahl - über Texte nachempfinden und nachspielen. Und müssen aus Zeitmangel eben auch zu “künstlichen” Mitteln greifen, dürfen auch keineswegs den Wortschatz knapp halten. Denn die Grammatik hängt an der Lexik! Wir brauchen viele Sprachbeispiele, um - mit oder ohne Anleitung - das Regelhafte zu erfassen. 360 Der Sprachumsatz muss stimmen! In England hat man - ohne Rücksicht auf die geringe Stundenzahl von etwa zwei bis drei Wochenstunden - dem Französisch- und Deutschunterricht eine möglichst einsprachige, grammatikfreie Diät von eng begrenzten Alltagsdialogen verschrieben. Völlig ignoriert wurde der eigentliche Motor der Sprachentwicklung, das generative Prinzip. The idea that you can learn a foreign language at school (sharing up to two hours per week on it with 30 other children) in the same way you learnt your mother tongue is clearly insane. Does anyone really believe that dropping 30 English youngsters for two hours a week in a French café will have him or her know French at the end of a year? The “total immersion” policy of foreign language learning works fine if you live in the country for a year (as our undergraduate linguists prove after their year abroad) but it makes a nonsense of a French lesson fitted in between PE (Physical Education) and Resistant Materials. (Leman 2000, 24) Frühbeginn: falsche Versprechungen Allein schon auf mangelnde Kontaktzeit sind unseres Erachtens die eher bescheidenen Ergebnisse vieler bisheriger Versuche mit dem Frühbeginn zurückzuführen. “Kindgemäßes” Sprachenlernen in zwei bis drei Wochenstunden ist die Quadratur des Kreises. In Frankreich sah der Stundenplan für Fremdsprachen in der Grundschule ursprünglich 4 Wochenstunden vor, wurde dann auf 2-3 verkürzt, in der Praxis jedoch wurde oft nur 1 Wochenstunde erteilt, da es schlicht an ausgebildeten Lehrern fehlte. Mehrfach wurde Bilanz gezogen, die stets enttäuschend ausfiel. Feststellbar war nur ein “impact minime” beim Übergang zur Sekundarschule (Petit 1995). In der Zeitfrage darf man sich Aufschlüsse von Immersionsschulen erhoffen, so etwa von der Claus-Rixen-Grundschule in Schleswig-Holstein, in der zu 60% auf Englisch, zu 40% auf Deutsch unterrichtet wird. Die Kinder tauchen in die Sprache ein und plätschern nicht nur in ihr herum (Wode 2003). Ist dies auf lange Sicht der Königsweg für die Fremdsprachen? Noch besser sind zweisprachige Kindergärten, etwa nach dem Muster, das sich für die Pflege der Regionalsprachen in Frankreich durchgesetzt hat, so auch im Elsass (Morgen 1999; Petit 2002). Die Hälfte der Woche gehört der Nationalsprache, die andere der Regionalsprache wie etwa Deutsch bzw. Elsässisch. Unterrichtet wird dann auch von zwei Erzieherinnen, die jeweils die Sprache, in der sie die Kindergruppe führen, als (oder so gut wie) ihre Muttersprache sprechen: Lehrer, die bei ihrer Arbeit sprachlich nicht in Verlegenheit kommen. Die Kinder dürfen jedoch lange Zeit in ihrer Muttersprache antworten und gehen ganz allmählich zu aktivem Sprachgebrauch über. Das Verfahren, die Kinder durch viel Hören langsam in die Sprache Durchkomponierte, randvolle Stunden 361 hineinwachsen und die Muttersprache mitlaufen zu lassen, wurde schon von dem großen Humanisten Juan Luis Vives empfohlen (und ist wahrscheinlich noch viel älter). Die Befürchtung, dass die Kinder nun einfach in ihrer Muttersprache verbleiben, wird häufig geäußert, trifft aber bei richtiger Unterrichtsführung nicht zu. So auch die Erfahrungen in Wales: Bilingual communication proved, from the children’s point of view, to be so effortless … that it was initially feared that the children’s response to the second language would remain permanently on this passive level. No direct pressure was put on the children to make any verbal response in the second language, but nevertheless response did come. (Price 1968, 37) Unter weniger günstigen Voraussetzungen (z.B. Lehrer, die einfach die Fremdsprache nicht gut genug beherrschen) ist vielleicht sogar ein Beginn wie bisher in Klasse 5, dann aber regelmäßig mit 6 bis 7 Wochenstunden wie in den Vorklassen für den bilingualen Sachfachunterricht vorzuziehen. Denn Elfjährige sind ja auch intellektuell leistungsfähiger und robuster und somit für schulisches Lernen insgesamt geeigneter. Im Klartext: Unter gleichen Bedingungen lernen sie Englisch schneller als Drittklässler (Muñoz 2006). Es gibt kein Idealalter für den Fremdsprachenbeginn, losgelöst von anderen Faktoren. Entscheidend bleibt die Kontaktzeit: There is an advantage to early instruction in a second language as perhaps in the case of early instruction in any skill, which derives from the opportunity for more instructional time, rather than from the age factor per se. (Genesee 1978, zit. bei Singleton 1989, 243) Die Anthropologin Margaret Mead spricht aus Erfahrung, wenn sie uns “the best way to learn a language” verrät, “which is to learn as much of it as fast as possible so that each piece of learning reinforces each other piece” (Mead 1972, 159). Denn wenn Anthropologen fremde Kulturen verstehen und beschreiben wollen, müssen sie Sprachen lernen, sonst können sie gleich wieder die Koffer packen. Mein Vorschlag: Jeden Tag eine Schulstunde ab Klasse 3, die Einführung der Schrift von Anfang an, zusätzlich Kopfrechnen nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch. Durchkomponierte, randvolle Stunden Was die Stundentafel nicht hergibt, kann auch der beste Unterricht nicht ausgleichen. Hawkins (1987, 97f.) vergleicht den Fremdsprachenlehrer mit einem Gärtner, über dessen junge Saat immer wieder der Sturm der Muttersprache fegt: 362 Der Sprachumsatz muss stimmen! The class arrives for its lesson babbling excitedly in English about the day’s doings. The teacher shuts the door on English speech patterns, enclosing the pupils within the ‘cultural island’ of the language classroom, and for 40 minutes strives like a keen gardener to implant in the recalcitrant soil a few frail seedlings of speech patterns in the foreign language. Just as the seedlings are taking root and standing up for themselves, the bell goes and the class is dismissed into the English language environment. For the next 24 hours the pupils are swept along by a gale of English […]. Next morning the foreign language teacher finds yesterday’s tender seedlings of French, German or Spanish lying blighted and flattened by the gale of English … Aber wir können die Beschränkungen des Unterrichts wenigstens teilweise durch sorgfältige Unterrichtsplanung, ausgesuchte Materialien und Texte, vor allem durch hochwirksame Massenübungen ausgleichen. Denn leistungsförderlicher Unterricht, so die empirische Pädagogik, ist gekennzeichnet durch effiziente Klassenführung. “Klassenführung” bedeutet hier Optimierung des zeitlichen Rahmens für den Fachunterricht, zügiger Stundenbeginn, Aufrechterhaltung des Aktivitätsflusses und Aktivierung möglichst vieler Schüler, kluger Wechsel in der Art der Beanspruchung und im Grad der Anforderung. When she entered the classroom (year 11) she needed about five minutes to calm the class down. M. He always said: “Quatre aux tableaux! ” which meant that four of us had to write down their homework on the blackboard. This took a lot of time and the rest of the class was more or less hanging around. T. Aktive Lernzeit - time on task - ist ein Hauptkriterium guten Unterrichts. Jeden Leerlauf, jede Untätigkeit und Langeweile gilt es zu vermeiden, die nominelle Unterrichtszeit voll zu nutzen, zielbestimmt zu unterrichten, unvermeidbare unterrichtsfremde Aktivitäten so weit wie möglich fremdsprachlich abzuhandeln, den Unterricht stringent zu führen und eine disziplinierte Arbeitshaltung zur Regel zu machen. Außerdem kann man die Kontaktzeit mit der Fremdsprache verlängern, indem man regelmäßig Hausaufgaben stellt. Wer sich da “schülerfreundlich” zu geben glaubt und auf Hausaufgaben verzichtet, schadet seinen Schülern: His classes were rather boring and we were never given any homework. I have to admit that my knowledge of French is not the best even though I always had good marks. M. Alle Schüler aktivierende Übungen mit hohem Sprachumsatz 363 Alle Schüler aktivierende Übungen mit hohem Sprachumsatz Stundenanfänge sind wichtig. Besonders für den neuen Lehrer, der seine Klasse noch nicht im Griff hat. Wenn der Lärm abgeebbt ist, macht er klar: “Die Zeit nach dem Klingeln gehört der Arbeit. Diese Zeit nutzen wir das nächste Mal besser. Ich zeig euch auch, wie.” Und er erklärt ihnen das buzz reading. Und erklärt auch, dass und warum man damit etwas lernen kann. Er ist Sprachlernexperte und stellt das unter Beweis. Bald verfügt die Klasse über eine Reihe gut eingespielter Techniken, die einen zügigen Stundenbeginn und schnelle und gleitende Übergänge zwischen Unterrichtsphasen ermöglichen. So hilft die Devise, die Zeit zu nutzen, nicht nur den Schülern; sie hilft auch dem Lehrer, in der Schule von heute zu überleben: Er lässt ihnen einfach keine Zeit, auf dumme Gedanken zu kommen. Buzz reading als Aufwärmübung In den Anfangsklassen schnellen meistens die Hände hoch, wenn es darum geht, vorlesen zu dürfen. Aus dem Praktikumsbericht einer Studentin: How to motivate and encourage students can best be seen in lower classes, and there reading-aloud exercises actually play a very important part. Whenever such a task was given to the class, the teacher could be sure to see at least 90% of the class putting their hands up to be allowed to read. Das übliche laute Lesen hat allerdings auch seine Schattenseiten. Ist man schon einmal drangekommen, hat man keine zweite Chance mehr, und Zuhören mag man schon gar nicht, wenn schlecht vorgelesen wird. Reihum-Lesen ist oft vergeudete Zeit! Our teacher’s method of choosing the pupil who was to read was sometimes very easy to see through. We had to read one after the other, so that your neighbour started off where you stopped. Everyone had to read one paragraph. Instead of silently reading along with what someone in the class was reading aloud, and using the time to understand the text, everyone was busy counting the paragraphs and the pupils between him and the reader in order to calculate which paragraph he would probably have to read and to prepare it; because the marks for reading were most important for the oral mark. C. Laut-Lesen sollte deshalb häufiger als zeitnutzende Massenübung erfolgen, bei der alle Schüler zugleich, aber nicht im Gleichklang tätig sind: 364 Der Sprachumsatz muss stimmen! - Die Schüler lesen noch einmal längst eingeführte Texte; d.h. sie frischen nur Bekanntes wieder auf und bekommen reichlich doppelt verstandenen Input von einwandfreier Qualität; - alle sind aktiv, und Schüler sind gerne aktiv; - Schüler folgen ihrem eigenen Lesetempo; - Massenübungen sind eingefahrene Routinen und können den Stunden eine Struktur und Schülern Sicherheit geben; - der Lehrer mag sich etwas entspannen. Gerade wenn er die folgenden Übungen als Aufwärmphase zu Beginn der Stunde einsetzt, gewinnt er Zeit, sich zu sammeln und sich auf sein Stundenprogramm zu konzentrieren. Beschreibung von buzz reading nach Ericsson (1996, 15): They start with a well-known text. They are told to read aloud all at the same time at individual speeds. That way the learners read almost two pages in the target language. They have a fair chance to warm up their “mouths”. We use the units being read as a kind of linguistic “jogging path”. When taking physical exercise we try to start in a soft way, not running uphill. In the same way we use easy, already well treated text material for our warming up of the speech organs of the students. Some students may be disturbed by the noise of their peers reading aloud all at the same time. One way to improve the situation may be to ask the students to cover their ears with the palms of their hands while they are reading. That way they are screened off and are able to read in an acoustic world of their own. (This is a way, used in churches, synagogues and “schules” for 5000 years as a means of learning, praying, memorizing and meditating.) Some students prefer covering their ears, others prefer reading without, because the buzz reading only lasts a few minutes. However, student oral activity during those minutes is very intense. Using this technique gives a guarantee that every student uses the TL [Target Language - W.B.] during the teaching period, even though the learners only imitate and reproduce the TL. Teacher’s instructions - Read aloud all at the same time. - Read half loud only, you may cover your ears. - Just mutter, and move your lips; I must see your lips moving. - Everybody at their own speed/ at individual speeds. Lesen-und-Aufblicken als zentrale Arbeitstechnik Diese Technik wurde schon mehrfach erwähnt. Sie ist als Partnerarbeit für Dialoge mit zwei Sprechern ideal, aber noch wichtiger als Einzelarbeit mit Alle Schüler aktivierende Übungen mit hohem Sprachumsatz 365 Stories oder Sachtexten. Sie ist wichtiger als buzz reading, weil sie eine intensivere Art der Textaufnahme darstellt und als Partnerarbeit schon ein bedeutsames kommunikatives Element enthält, nämlich den Blickkontakt. Wie beim buzz reading sollten alle Texte eingeführt und gut bekannt sein, so dass keine groben Lesefehler zu erwarten sind. 1) Einzelarbeit, im Sitzen, aber auch peripatetisch, d.h. soweit Platz ist und das Bedürfnis dazu, lesen einige im Stehen oder Gehen, lehnen sich an die Wand, sitzen auf der Fensterbank. Oder wir verlassen den Klassenraum und gehen an die frische Luft. Wir wandeln wie weiland die Mönche im Kreuzgang, jeder mit einem Buch vor der Nase. Wir schauen ins Buch, nehmen von einem Satz so viel auf, wie wir können, schauen auf und sprechen ihn halblaut vor uns hin oder auch in den Himmel hinein. Teacher’s instructions Open your textbooks at page … We did this text a few weeks/ months ago. We are now going to read it together, but in a very special way, phrase by phrase or sentence by sentence. - First we look at the sentence and read it silently. - Then we look away from the text and turn the book inwards, in onto the chest, like this (teacher demonstrates). - (You may also close the book and keep your finger between the pages.) - Then we speak the sentence. Mutter the sentence. Don’t shout, but I must see your lips moving. - Then we look at the text again and start the next sentence. - Everybody at their own speed. Geübte Schüler können eine Art Lesesport daraus machen und möglichst große Textstücke bündeln: The pupils should be encouraged in their practice to carry in their minds as large a unit as possible. They may be encouraged to paraphrase and should certainly not be checked but rather applauded if they do not use the exact words of the book, provided that what they say is correct English and makes sense in that passage. (West 1962, 64f.) 2) Partnerarbeit: Viele Lehrbuchunits enthalten Texte mit eingestreuten dialogischen Passagen. Am besten eignen sich Passagen mit zwei Sprechern und mit jeweils nur einer Zeile pro Sprecher. Nach Einführung dieser Texte üben die Schüler zu zweit die Passage wie folgt ein: Banknachbarn wenden sich einander zu, jeder hat sein Buch vor sich und sie sprechen sich ab, wer zuerst welche Rolle übernimmt. Dann schaut der eine in sein Buch, liest seinen Satz, merkt ihn sich, schaut auf, schaut 366 Der Sprachumsatz muss stimmen! sein Gegenüber an und spricht den Satz so natürlich wie möglich. Der andere schaut ihn dabei an (das wird gewöhnlich nicht immer gut durchgehalten, macht nichts! ), senkt danach erst den Kopf, um seinerseits ins Buch zu schauen, seine Replik zu lesen, wieder aufzuschauen etc. Also: Reinschauen - Aufschauen - Anschauen - Sprechen. Dazu Ausschnitte aus Wests Buch mit dem bezeichenden Titel Teaching English in difficult circumstances (1962, 12f.): The connection is not from book to mouth, but from book to brain, and then from brain to mouth. That interval of memory constitutes half the learning process. Of all methods of learning a language, Read-and-Look-up is, in our opinion, the most valuable. It is possible to master a language by this method alone, carrying a book in the pocket. You read a little and then look up and say it as to someone. Gradually you are able to take in larger and larger units, at first only a line, later two or three lines, and you speak them as from yourself, not as from the book. If your actual expressions vary from those of the book, that is all to the good. In fact, as you become more proficient, you deliberately paraphrase more and more, until eventually you are gathering the ideas from the book and expressing them in your own language. Remember: The main rule is that pupils must look at each other while one of them is speaking. They are allowed to glance down at their part in between speaking. Speaking is “eye-to-eye”. Wir holen also ab und zu einen Schüler nach vorn, loben ihn, wenn er längere Sinneinheiten mit einem Blick erfassen und wiedergeben kann, und loben ihn ebenfalls, wenn er unabsichtlich ein Wort des Textes durch ein sinngemäßes Wort ersetzt. Ein solches Verlesen ist ja ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie richtig lesen, d.h. den Text auf der semantischen Ebene verarbeiten! Unterricht in großen Klassen ist ohne “Lies-und-schau-auf” einfach nicht denkbar, so Chris Merkelbach, in dessen Deutsch-Anfängerklassen in Taiwan regelmäßig zwischen fünfzig und hundert Studenten sitzen. Man versöhnt sich eher mit einer schwierigen Lage, wenn man erlebt, wie so viele zugleich eifrig bei der Sache sind und lernen. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: If well-known textbook units are used for warming up activities the students will soon develop a good sense of knowing where to find the relevant contents in these units. They will grow into specialists in being able to state where the textbook offers a certain vocabulary group, certain grammar examples, certain themes and so on. (Ericsson 1996, 16) Lesegemurmel und Lesen-und-Aufblicken sind auf unserer DVD dokumentiert (MELT; Siebold 2004). Alle Schüler aktivierende Übungen mit hohem Sprachumsatz 367 Lesetraining in Partnerarbeit Reading aloud was actually something most of us liked to do as it was an opportunity to absorb longer, coherent units in the foreign language. S. Verständnisgetragenes, ausdrucksvolles Lesen als eine “öffentliche” Kunst will geübt sein. Deshalb ist Vorlesen seit langem Standardaufgabe des Bundeswettbewerbs Fremdsprachen. Die Teilnehmer bekommen einen Text zugeschickt, den sie zu Hause gründlich erarbeiten könnten, bevor sie ihn, ebenfalls noch zu Hause, auf eine Kassette sprechen, die sie zum Wettbewerbstag mitbringen. Trotz der Möglichkeit, den Text, so oft man will, zu Hause oder auch in der Schule zu proben, urteilt eine Jurorin (Dorothea Möhle) des Wettbewerbs, Abteilung Französisch: Ausgesprochen unbefriedigend waren die Schülerleistungen … in bezug auf die akustische Übermittlung des vorgegebenen Sinngefüges, in der doch die eigentliche und vor allem die außerschulische Funktion des Vorlesens liegt. Es fehlten nicht nur die spezifischen Merkmale französischer Satzmelodie, es fehlte vor allem eine prosodische Gestaltung auf der Basis satzübergreifender Sinneinheiten … Das bedeutet, dass eine im Unterricht häufig praktizierte Sprachanwendungsform, das laute Lesen, offensichtlich auf einem Stand verbleibt, der ihrer außerschulischen Funktion, der Sinnübermittlung, nicht gerecht werden kann. (zit. bei Bleyhl 1999, 253) Meine Notiz aus einem Unterrichtsbesuch: Schüler müssen noch mehr voneinander lernen. Sie müssen einander auch zuhören. Vor allem beim Vorlesen von Hausaufgaben. Das ist Zeitverschwendung, wenn lautes Lesen nicht geübt wird. Sie müssen öfter nachsprechen, dabei ihren eigenen Satz noch einmal wiederholen, nun aber aus einem Guss und aus dem Kopf und so den Satz zum Klingen bringen. Erst dann mögen auch die anderen zuhören. Hier muss der Lehrer zuallererst durch sein Vorbild wirken und damit auch Schüler zum Vorlesen begeistern. Verfahrensschritte - Der Lehrer trägt einen Text mustergültig vor. - Dann teilt er den Text aus und erklärt, wie er seinen Text vorbereitet hat. Hat er sich eine Stelle besonders markiert? Warum? Hat er auch mal seine Meinung über eine Textstelle geändert? - Jeder Schüler bekommt einen Text, liest und übt den Text halblaut für sich allein. Dabei kann er durchaus andere Akzente als der Lehrer setzen, es ist seine Interpretation! - Die Schüler tun sich in Paaren zusammen, lesen sich den Text gegenseitig vor und verbessern sich. Flüssig und ruhig zugleich lesen. An 368 Der Sprachumsatz muss stimmen! den richtigen Stellen Pausen machen und Blickkontakt mit den Zuhörern suchen. Schwierig! Das gegenseitige Verbessern klappt nicht auf Anhieb. - Ein paar Schüler lesen vor, nicht zu viele. Wesentlich ist die vorangegangene mass practice. Das öffentliche Vorlesen kann anfangs als Kontrolle durchgeführt werden, sollte aber später immer mehr den Charakter einer Belohnung bekommen. - Nach ausreichender Übung erleben wir mit tiefer Befriedigung unser eigenes Können. Variante: Später kursieren mehrere Texte, d.h. nicht alle arbeiten am gleichen Text, so dass der vorzulesende Text nicht schon allen bekannt ist. Haben alle Mitschüler prima verstanden, ist der Text wohl auch gut vorgetragen worden. Was Thiering (1996, 163) über die Probenarbeit beim darstellenden Spiel ausführt, gehört auch hierher: Die konstante Bezogenheit der Probenarbeit auf den Zuschauer erweist sich als wirkungsvoller Hebel, um den Lernenden kommunikationshemmende Ticks und Nachlässigkeiten, mit denen man sich im laufenden Unterricht nolens volens abfindet, abzugewöhnen - als da sind: überhastetes Sprechen; Nuscheln, Verschlucken ganzer Silben; mangelnde Modulationsbreite der Stimme; zu leises Sprechen ohne Körperresonanz; tickhafte Bewegungen, die die Aufmerksamkeit des Gegenübers absorbieren. Hier kommt ein wichtiges ethisches Moment ins Spiel: Jeder Vortragende muss sich für seine Zuhörer verantwortlich fühlen. Gestaltendes Lesen mit verteilten Rollen Es folgen Ausschnitte aus Behrendt (1993). Hier wird der Unterricht eines Lehrers beschrieben, der an einem Privatgymnasium mit einer Lesemethode ohne Lehrbuch außerordentlich erfolgreich ist. Auch fiktionale Texte- werden, soweit sie Gespräche enthalten, mit verteilten Rollen gelesen. Sobald gelesen werden soll, schnellen zahlreiche Schülerarme in die Höhe: Lehrer Ehm, who wants to read? You want to read? […] Eva? S23 Can I read Mowgli? L You can read Mowgli, yes. Let’s have Ines. S17 Ehm, the text. (will die erzählenden Partien lesen) L The text but not all the text. After a while somebody else can come along. Angelika? S5 Ehm, Baloo. Alle Schüler aktivierende Übungen mit hohem Sprachumsatz 369 L And Janine? S11 The priest […] L Yes. And Melanie? S4 Messua. L Ok. Let’s start. And if other characters come on we find people who can read. An dieser kurzen Interaktion wird deutlich, mit welcher Freude die Schüler sich am Vorlesen beteiligen. In dieser Stunde meldeten sich fast 70% der Schüler, um eine Rolle zu bekommen. Da in jeder Stunde gelesen wird, sind die Schüler nicht enttäuscht, wenn sie nicht lesen können … Die lesenden Schüler müssen sehr aufmerksam und mit Verständnis dem Text folgen, damit sie an den richtigen Stellen einsetzen. Gerade die Texte ohne abgesetzte mündliche Rede verlangen von den Schülern einiges Geschick im Vorlesen: S23 “By the bull that bought me,” S17 said Mowgli to himself, S23 “but all this talking is like another looking over by the pack! ” Das Lesen ist für die Schüler zu einem wichtigen und beliebten Teil ihres kommunikativ ausgerichteten Unterrichts geworden. (Behrendt 1993, 107) Wie geht der Lehrer mit Aussprachefehlern um? Herr M. hat seine Klasse so erzogen, dass sie seine Korrekturen sofort aufnimmt: Er verbessert jede ihm aufgefallene Inkorrektheit und unterbricht damit den Lesefluß. Die Schüler sind diese Unterbrechungen jedoch gewohnt, wiederholen die korrekte Aussprache und setzen ihr Vorlesen fort. Mit einer erstaunlichen Ruhe nehmen sie dabei die Verbesserungen an. Sie wiederholen das Wort oder den Satz und sind dabei völlig frei von den in anderen Klassen oft zu erlebenden Überreaktionen. Die Klassenatmosphäre ist so entspannt und angenehm, dass Fehler vor den Klassenkameraden als Selbstverständlichkeit hingenommen werden. (Behrendt 1993, 27) Diese Arbeit ist Dienst am Text und Dienst am Zuhörer. Deklamieren Gehen wir noch einen kleinen Schritt weiter und kommen zur Krönung der Textaneignung, dem auswendigen Rezitieren ausgesuchter Verse und Prosa. Wir beginnen mit dem rhythmisch gegliederten Chorsprechen (per chorum), wie es die Griechisch lernenden Römer ersannen (Kelly 1969, 99). Hier die Abschlusskadenz der sechsten Lettre philosophique von Voltaire (1734), geschrieben im englischen Exil: 370 Der Sprachumsatz muss stimmen! S’il n’y avait en Angleterre qu’une Religion, le despotisme serait à craindre; s’il y en avait deux, elles se couperaient la gorge; mais il y en trente, et elles vivent en paix et heureuses. Und so beginnt Jane Austens Pride & Prejudice: It is a truth universally acknowledged, that a single man in possession of a good fortune, must be in want of a wife. - However little known the feelings or views of such a man may be on his first entering a neighbourhood, this truth is so well fixed in the minds of the surrounding families, that he is considered the rightful property of some one or other of their daughters. Den Sprachrhythmus im Ohr, bimst jeder jetzt den Text für sich allein. Das kann auch stehend oder gehend in der Form des Read-and-look-up erfolgen. Der Lehrer setzt ein Zeitlimit und gibt seiner achten Klasse für die vier Zeilen Text eine Minute. Das spornt an und ist machbar. Beim Aufsagen souffliert der Partner, wo es nötig wird. So was muss sich einspielen. Partner trainieren Witze und Anekdoten Einen Text mehr oder weniger frei nachzuerzählen, ist noch etwas anderes als wortgetreues Aufsagen. Zu Ersterem eignen sich wegen ihrer Kürze Anekdoten und Witze. Es lohnt immer, einen guten Witz auf Lager zu haben. Die Schwierigkeit besteht nur darin, die passenden (stubenreinen) Witze zu haben, die Schüler wirklich gern erzählen wollen. Beim ersten Mal zieht jedes Paar einen Text aus der Lostrommel und übt ihn ein. Wenn sie ihren Text verändern wollen, beraten sie sich mit dem Lehrer. Wer von beiden den Witz der Klasse vorträgt, entscheidet wieder das Los. Später fordern wir jeden Schüler auf, sich selbst “seinen” Witz aus dem Internet oder sonstwo zu besorgen und zu üben. Beim Vortrag sind strenge Maßstäbe anzusetzen. Wer stolpert oder gar die Pointe vermasselt, muss gnadenlos weiterüben. Anecdote An example of brilliant repartee was given by George Bernard Shaw when he made the curtain speech on the first night of one his plays. The final curtain was the signal for applause and cries of ‘Author! ’ When Shaw appeared, the audience further showed its approval by applauding still more loudly. Then, as the clapping and cheering died down, a single but very loud boo came down from the gallery. Shaw looked up and said, ‘I quite agree with you, sir - but what are we two against so many who hold a different opinion? ’ Shaggy dog story Several men were sitting around bragging about how smart their dogs are. “My dog is so smart,” said the first one, “that I can send him out to Alle Schüler aktivierende Übungen mit hohem Sprachumsatz 371 the store for eggs. He sniffs around the boxes and refuses to accept any boxes unless they are fresh.” “My dog is so smart,” said the second man, “that he goes out for cigars, and he always comes home with my favourite brand.” The two men turned to a third man who had been sitting quietly. “Have you ever heard of any dog that is as smart as ours? ” asked the first man. “Well, only one dog. Mine.” “How is that? ” “My dog runs the store where your dogs go shopping.” Gespielte Witze: Zweizeiler der folgenden Art werden eingeübt und vorgespielt, wobei der Lehrer die Ansage macht, damit sich die Zuhörer sofort hineinfinden: “And now comes a conversation between a football player and the team manager.” Football player: “Boss, I’ve got a good idea how to improve our team.” Manager: “Oh, you are leaving us, aren’t you? ” Father: “Do you want me to help you with your maths homework? ” Son: “No thanks. I can get it wrong on my own and in much shorter time.” Gardener: “Hey you, you horrible little boy. I’ll teach you to throw stones at my greenhouse.” Boy: “I wish you would. I’ve missed most of the time up to now.” Partner rekonstruieren Texte nach Notizen (dictogloss) Wenn Partner frei miteinander reden, bedeutet das Sprechzeitmaximierung. Sie arbeiten gemeinsam an einer Aufgabe und müssen sich dabei verständigen. Wie verhindern wir, dass die Schüler dabei leicht in die Muttersprache verfallen? Indem wir Aufgaben erfinden, die mehr oder weniger zur Kooperation zwingen, die aber schon mit begrenzten Redemitteln zu bewältigen sind. Ein kurzer Text wird in der Regel zweimal vorgelesen. Beim ersten Mal hören die Lernenden nur zu. Danach dürfen sie sich Notizen machen, d.h. sie schreiben so viel mit wie eben möglich. Also kleine Pausen nach jedem Satz machen, natürlich ohne dass alles mitgeschrieben werden kann. Hilfreich ist auch, wenn man die Sätze nummeriert. Anschließend vergleichen sie in Partnerarbeit ihre Notizen und versuchen, den Text wiederherzustellen. Zum Schluss dürfen dann die Paare bei anderen Paaren abgucken, um Lücken zu füllen. Der Lehrer wird “gute” Texte auswählen, und der Ehrgeiz der Schüler sollte durchaus sein, das Original wortgetreu zu rekonstruieren. Nicht wörtliche, aber sinngetreue Reproduktionen sind natürlich ebenso akzeptabel. Grundgedanke ist die Wiederholung und der doppelte Fokus: Inhalt und Sprache. Die Schüler sollen länger bei einem Text verweilen und müssen 372 Der Sprachumsatz muss stimmen! ihn mehrfach durchgehen und miteinander verhandeln, um die Arbeit zu absolvieren. Dabei sollen sie den Texten jeweils ihre Ausdrucksmittel ablernen. Textkohärenz und grammatische Richtigkeit sind wichtig. Diese Arbeitsform ist als dictogloss und als grammar-dictation (Wajnryb 1990) bekannt geworden. Teacher’s instructions - In this activity, you’re going to reconstruct a text. You’ll hear this text twice. The first time, don’t write. Concentrate on understanding, on getting the full meaning of the text. I’ve just indicated to you what it is all about. So pens down, please. - I’m now going to read out the text again. As I read, take down notes, as many words as you can. These words will help you to reconstruct the text later. - Now work in pairs. Share your notes and try to piece the text together again. Just try to come up with a version that makes sense and reads well. Try to agree upon the sentences. In the group, everybody should write down the sentences after you have discussed them. Schülerblatt: “Helpful phrases for pair work” What have you got? Is that the complete first sentence now? How did the next sentence start? I missed the beginning/ middle/ ending. Did you get it? Where does this part go? I wrote this down, but I’m not sure what it means. How does this word fit in? We still have to tie up some loose ends. Textbeispiel I believe such expectations, a feeling that life should have warmth, generosity, nobility, arrive with each generation; they are not taught but somehow inherited. When they are derided and frustrated, then contempt and bitterness and anger take their place. When the young behave badly, as we are told so many of them do now, it is because society has already behaved worse. We have the teenagers, like the politicians and the wars, that we deserve. (Priestley 1962, 369) Wie immer, wenn ein neuer Text vorgestellt wird, besteht zum Schluss die Gelegenheit zu inhaltlicher Stellungnahme, vom Kurzkommentar bis hin zur engagierten Auseinandersetzung. Dictogloss ist zu Recht sehr beliebt geworden. Beim Googeln entdeckt man auch die ein- oder andere Variante, wie etwa cloze dictogloss. Partner sortieren ein Geschichten-Mix (two stories in one) Zwei oder mehr Texte werden miteinander vermischt. Die Schüler müssen den Textsalat satzweise sortieren und die Originaltexte wiederherstellen. Alle Schüler aktivierende Übungen mit hohem Sprachumsatz 373 Teacher’s instructions - I’ve got a text here that is made up of two stories. That means I’ve mixed the sentences of the stories together, and your job is to unmix the stories. So try to figure out whether sentences belong to the first or the second story, perhaps by marking them with an ‘A’ for story A or a ‘B’ for story B. When you’ve finished this, try to rearrange the sentences within a story into their correct order, perhaps by numbering them 1, 2, 3, and so on. - Work in pairs. At the end, one of you copies the first story into his exercise book, and your partner writes down the other story. That way, each one of you has a complete story. Schülerblatt: “Helpful phrases for pair work” What about this sentence? Is that the beginning/ ending? This could be the first, second, last sentence. Can’t be. I don’t agree. Which story are you going to do? What comes next? This must come before/ after … This sentence follows that one. These sentences have to go together/ belong together. There is something missing. This sentence comes in between … Textbeispiel Sour grapes & The donkey brays One day a friend visited Hodja and said “Hodja, I want to borrow your donkey.” He saw a juicy, ripe bunch of grapes hanging from a vine overhead. Shutting the door in his friend’s face, Hodja told him with dignity, “A man who believes the word of a donkey above my word doesn’t deserve to be lent anything! ” As soon as he said this, the donkey brayed. “Oh, well,” he panted. “Those grapes were probably sour, anyway.” A fox, who hadn’t had a square meal in days, slipped into a vineyard one morning. “But Hodja, I can hear the donkey! It’s in the stable! ” He jumped for them, but they were just out of reach. “I’m sorry,” replied Hodja, “but I’ve already lent it to someone else.” Lösung Sour grapes A fox, who hadn’t had a square meal in days, slipped into a vineyard one morning. He saw a juicy, ripe bunch of grapes hanging from a vine overhead. He jumped for them, but they were just out of reach. “Oh, well,” he panted. “Those grapes were probably sour, anyway.” The donkey brays One day a friend visited Hodja and said “Hodja, I want to borrow your donkey.” “I’m sorry,” replied Hodja, “but I’ve already lent it to someone else.” As soon as he said this, the donkey brayed. “But Hodja, I can hear 374 Der Sprachumsatz muss stimmen! the donkey! It’s in the stable! ” Shutting the door in his friend’s face, Hodja told him with dignity, “A man who believes the word of a donkey above my word doesn’t deserve to be lent anything! ” Eine schöne Sortieraufgabe besteht darin, die durcheinandergewürfelten Zeilen etwa eines Shakespeare-Sonnetts wieder in die richtige Reihenfolge zu bringen - vorausgesetzt, dass hierbei weitgehend in der Fremdsprache verhandelt wird. Texte diktieren Mag sein, dass das Diktat früher zu häufig gebraucht wurde, besonders als Klassenarbeit. Dass man den Lehrern dann verboten hat, es als Klassenarbeit einzusetzen, ist jedoch schlicht eine Dummheit. Es wurde als bloße Rechtschreibleistung abgetan. Fehlerloses Diktatschreiben ist ein klares Indiz für einen hohen Sprachstand. Wer hörend versteht, der durchschaut semantische und grammatische Strukturen, wie sie sich z.T. auch in den orthografischen Regelungen widerspiegeln. Man hätte wissen müssen, wie sehr gerade auch beim Diktat die Fertigkeiten ineinandergreifen. Probanden machen beim Diktat mehr Fehler, wenn sie angewiesen werden, die Zunge zwischen die Zähne zu klemmen. Sie machen ebenfalls mehr Fehler, wenn sie sich umsetzen müssen und dem Diktierenden den Rücken zuwenden. Beim Diktatschreiben sind demnach die Sprechmotorik wie auch das Ablesen vom Mund und Gesichtsausdruck beteiligt - Teilaspekte des Hörakts. Mittätiges Hören kann aber, wie wir gesehen haben, nicht nur notwendige, sondern auch schon hinreichende Voraussetzung für den Spracherwerb sein. Sehr praktisch ist auch, dass alles schnell richtiggestellt werden kann und alle am Ende, nach zügig erfolgter Korrektur, eine vorweisbare, fehlerfreie Leistung erbringen können. Bierbaums Urteil (1886, 112), das Diktat sei “die beste und sicherste Probe, sich ein schnelles Urteil über die fremdsprachlichen Kenntnisse eines Schülers oder einer Klasse zu bilden”, hat die Forschung inzwischen mehrfach bestätigt (Oller 1979, 57ff.). Ich schlage für große, unruhige Klassen das tägliche Kurzdiktat vor. Beim ersten Vorlesen heißt es kategorisch: “Pens down! ” 3 Das sind immer einige Minuten der Sammlung, der Stille, der Konzentration. Dictations were always hard work because we had to be very quiet. She said we must be so quiet you could hear a pin drop. Sometimes she actually brought a pin with her. J. Last, but not least bietet das Diktat Gelegenheit, Merkwürdiges, Vernünftiges, Tiefsinniges, Beispielhaftes, Sentenzen, Aphorismen, Spontisprüche und Werbesprüche festzuhalten. Alle Schüler aktivierende Übungen mit hohem Sprachumsatz 375 Abents, wenn die kinder zu haus gehen, sol man yhn einen sententz aus einem Poeten oder andern fürschreyben, den sie morgens wieder auff sagen, als Amicus certus in re incerta cernitur. Ein gewisser Freund wird yn unglück erkand. (zit. bei Eckstein 1887, 190) Als Kurzdiktat eignet sich etwa der folgende Text aus einer in Paris gehaltenen Rede von Albert Einstein: If my theory of relativity is proven successful, Germany will claim me as a German and France will declare that I am a citizen of the world. Should my theory prove untrue, France will say that I am a German and Germany will declare that I am a Jew. Einige Schüler dürfen sich den Diktattext vorher genau ansehen und ein paar schwierige Wörter vorsorglich abschreiben. Diktat-Varianten 1) Lückendiktat (partial dictation). Der Lehrer diktiert, die Schüler brauchen aber nur Lücken in einem vorliegenden Text zu füllen. Die Schüler hören und lesen anfangs bloß mit, d.h. sie hören sich in den Text ein, dann erst kommen zwischendurch längere Lücken von Wortgruppen und Teilsätzen. Je mehr Text sich um die diktierten Teile rankt, umso mehr wird aus dem Ganzen ein Hör- und Leseerlebnis: Inputmaximierung! 2) Bilinguales Diktat. Wie oben, aber die Lücken werden in der Muttersprache gegeben. 3) Lückendiktat: Strukturwörter. Die Schüler müssen während des Diktats eine Reihe von unbetonten Strukturwörtern (Pronomen, Präpositionen, Konjunktionen), über die die Stimme schnell hinweggleitet, eintragen. 4) Selbstdiktat. Die Schüler lesen einen Satz, merken ihn sich und schreiben den Satz auf, ohne wieder hinzuschauen, also Read - look away (or turn the page over) - write - check. 5) Abschreiben - einmal anders. Wenn wir besonders sorgfältig vorgehen wollen, lassen wir die Schüler wie folgt Ausdrücke/ Kurzsätze vom Tageslichtprojektor abschreiben: Look (Lehrer zeigt auf den Ausdruck.) Say (Lehrer spricht vor, Schüler sprechen nach.) Cover (Lehrer deckt den Ausdruck ab.) Write (Schüler schreiben ihn ins Heft.) Check (Lehrer deckt auf, Schüler kontrollieren und berichtigen, was sie geschrieben haben.) Oder: An der Tafel stehen ein halbes Dutzend Ausdrücke. Die Schüler schauen sie sich in Ruhe an. Eine Schülerin kommt nach vorn, zeigt auf einen Ausdruck, wischt ihn aus und alle Schüler schreiben ihn aus dem 376 Der Sprachumsatz muss stimmen! Gedächtnis auf. Dann kommt der nächste nach vorn. Am Schluss sind alle Wörter/ Wortverbindungen aufgeschrieben. Sätze behalten, Wörter zählen Die Diktatübung ist auch deshalb eine Meisterschaftstechnik par excellence, weil man sie steigern kann. Damit ist nicht nur die Selbstverständlichkeit gemeint, jeweils neue, schwierigere Texte zu wählen, sondern immer längere Textstücke als Diktiersequenzen aufzunehmen und diese schließlich nur einmal statt zweimal vorzulesen. Dabei wird das Gedächtnis trainiert. Ähnlich kann man die Leistung bei Read-and-look-up und beim folgenden Wörterzählen steigern. Der Lehrer spricht einen Satz vor, und die Schüler schreiben auf, aus wie vielen Wörtern der Satz gebildet ist. Die meisten wiederholen dabei den Satz im Kopf und zählen die Wörter an den Fingern ab. So sollten die Sätze zunächst nicht länger als zehn Wörter sein. Kontrahierte Formen zählen als ein Wort. Man kann vorzugsweise classroom phrases verwenden oder auch, je nach Klassenstufe, anspruchsvoller sein: Every man paddle his own canoe. (R.W. Emerson) Every hero becomes a bore at last. The first casualty when war comes is truth. Die Übung bekommt eine sportliche Note, wenn man längere Sätze aufnehmen kann: History teaches us that men and nations behave wisely once they have exhausted all other alternatives. Zusammengefasst: 1) Tell students what is going to happen and check that they understand the task. 2) Get them to write a column of numbers, because the sentences are numbered. 3) Say each sentence only once, at normal speed. 4) Say the sentence again only if you see too many students hesitating. 5) Students write down the number of words. 6) Show sentences on the overhead projector for students to check their answers. Discuss the ideas expressed. 1 “Language teaching should model itself as far as possible on language learning in the nursery” (Macnamara 1976, 175). Dieser immer wieder erteilte Ratschlag lässt uns angesichts der Bedingungen des Unterrichts ratlos. 2 Spätere kanadische Studien bestätigen nachdrücklich den Einfluss der “total accumulated instructional time” (Turnbull u.a. 1998). Auch die Hirnforschung Alle Schüler aktivierende Übungen mit hohem Sprachumsatz 377 ist hier relevant. Das Hirn sei kein Schuhkarton, so Spitzer (2010, 117): “Wenn dieser halb voll ist, passt nur noch halb so viel hinein. Das Gehirn ist vielmehr ein paradoxer Karton: Je mehr schon drin ist, desto mehr passt noch hinein.” Gut gesagt. 3 Diktatschreiben sollte man so einüben, wie Graffmann (1986) es vorschlägt. Der Aufsatz ist unter www.heinrich-graffmann.de verfügbar. Guter Sprachunterricht ist mehr als Sprachunterricht. Mit guten Texten entwickeln wir den Sinn für das Gute, Wahre und Schöne, das die fremde Kultur bereithält. 12 Von und mit Texten lernen Lehrziel literarische Analyse? Erklären entwertet. (Christian Morgenstern) We murder to dissect. (William Wordsworth) Für einen guten Fremdsprachenunterricht braucht man gute Texte, gedruckt und auf Tonträgern. Gute Texte, das sind vor allem literarische Texte, die etwas “von der sanften Überzeugungskraft des Schönen, der Kunst, der Dichtung” (H. Hesse) verspüren lassen. Wie kann man Schülern Lust auf Literatur machen? Woher mag es kommen, dass der Anteil der 15-Jährigen, die überhaupt nicht zum Vergnügen lesen, laut Pisa-Studie in Deutschland bei 42% liegt und von keinem anderen Land übertroffen wird? Für Leavis war das Studium der Literatur “the supremely civilising pursuit … it trains in a way no other discipline can, intelligence and sensibility together, cultivating sensitiveness and precision of response and a delicate integrity of intelligence.” Kafka hat es eindrucksvoller gesagt: Ein Buch könne die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Aber müssen wir darum die literarische Analyse zur Hauptaufgabe der Oberstufe erklären? Die Textaufgabe, welche auf der reformierten Oberstufe die Nacherzählung beerbt hat, kann eine Reihe guter Argumente für sich geltend machen. … Die Varianten, welche sie hinsichtlich der Vorlagen inhaltlich und medial zuläßt, dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie zumindest sprachlich eine Engführung darstellt. Zur Bewältigung der textanalytischen Aufgaben wird ein Wortschatz gebraucht, dessen Spezifität und geringe lebenspraktische Verwertbarkeit im umgekehrten Verhältnis zu seiner Bedeutung im Unterricht steht. (Linnartz 1989, 90f.) Die den Text konstituierenden Stilmittel werden herausgearbeitet, das dazu benötigte Interpretationsvokabular verselbständigt sich, bis sich mitunter die Freude an der schönen Literatur verflüchtigt. Die Fertigkeit, die es erlaubt, aus einem Gedicht eine Keule zu machen, nennt man Interpretation, so Enzensberger. Überhaupt, diese klugen Kritiken! Da fragt man sich denn, warum der Dichter nicht gleich die Kritik geschrieben hat, statt den Umweg über das Kunstwerk zu nehmen. Die Schüler lesen Primärliteratur, 380 Von und mit Texten lernen aber verlangt wird von ihnen eine andere Textsorte: Sekundärliteratur. Wir sollten unsere Schüler nicht zu Sachbearbeitern der Literatur, sondern zu Lesern und Genießern von Literatur heranbilden. Also: weniger analysieren und tranchieren, mehr lesen und genießen und Erfolge erzielen wie bei Tanja: I still remember the sweet feeling of success, when I saw that I was able to read a whole story written by Hemingway - a real literary figure! That means it was the first time I recognised that my knowledge of English could be of real use to me. For the first time I had the feeling that our English lessons were not merely an end in themselves, but that English could serve as a basis for getting an insight into a new and exciting world of thought. T. Wie alles, so hat auch Shakespeare auf der Schule seine Fans wie seine Gegner, insgesamt aber stößt er auf eine enorm hohe Akzeptanz, wie Schmidt (2003) für ihre Stichprobe von 28 Englisch-Leistungskursen belegt. The mere mention of Shakespeare to me had been like a red rag to a bull, probably as a result of the way Mr F. always talked about it: “We have to do it. I don’t like it myself, but we can’t avoid it. It’s very difficult, but I’ll try to get it over with as quickly as possible” etc. Strangely enough after all that, I found I liked Macbeth very much. Ch. One day all of the girls from our ‘Leistungskurs’ had to learn Lady Macbeth’s soliloquy: ‘O! never shall sun …’ and all the boys the first part of Macbeth’s soliloquy “If it were done when ‘tis done …’ It was such fun when some of us performed our soliloquies in front of the class. I really enjoyed English lessons a lot when we dealt with Shakespeare and today I often deal with Shakespeare’s plays. P. In über dreißig Jahren als Hochschullehrer sind mir immer wieder Lehramtsstudenten begegnet, die schon in der Schule ihre Liebe zur Literatur entdeckten, auch im Studium Vielleser waren und diese Liebe wieder zurück in die Schule trugen. Es geht um die Ausstrahlung des Dichterischen ins persönliche Leben, um solide textbezogene Arbeit, “die aber nicht den Text zentral setzt, sondern deren Ausgangs- und Referenzpunkt die Perspektive der Schüler ist”. (Schmidt 2003, 303) Welchen Bildungswert hätte es denn, in einem halben Dutzend Sprachen die Uhrzeit sagen zu können? Vom Leichtlesen und Viellesen zum kritischen Lesen Viellesen hat zunächst Vorrang vor dem langsamen, eindringlichen und detailgenauen intensiven Lesen. Deshalb brauchen wir leichte Texte, um die man sich nicht arg bemühen muss. Camus erzählt von der Stadtbüche- Vom Leichtlesen und Viellesen zum kritischen Lesen 381 rei, in der er sich mit seinem Freund reichlich bediente, denn zu Hause gab es keine Bücher: Der Zufall ist nicht das Schlechteste in Sachen Kultur, und indem sie alles durcheinander verschlangen, führten sich die beiden Gefräßigen gleichzeitig das Beste und das Schlechteste zu Gemüte … Auf Verfeinerung konnten sie verzichten, sie kannten nichts und wollten alles wissen. Es machte nicht viel aus, wenn das Buch schlecht geschrieben und plump komponiert war, Hauptsache, es war klar geschrieben und voll wildem Leben; solche Bücher, und nur sie, lieferten ihnen den Stoff für ihre Träume, nach denen sie anschließend bleiern schlafen konnten. (Camus 1997, 209) Auch Brecht hielt mit Blick auf die kanonisch-museal gewordenen Klassiker nie etwas von absoluten Werten. Einzig die Jeweiligkeit des ‘Gebrauchswerts’ für Genuss oder Erkenntnis zählte. Theodor Heuss (1964, 156) schreibt rückblickend über seine jugendliche Karl-May-Begeisterung: Was frugen wir nach Echtheit, nach Wirklichkeit! Es genügte, daß immer etwas los war, daß man in fremden Ländern und Sitten mit sicherer Hand geleitet wurde, daß es Käuze gab, über die man lachen konnte, Helden, für die man schwärmen durfte, Bösewichte, die man verachten mußte. Man mag eine Zeitlang für die sentimentalsten, albernsten, billigsten Schlagertexte schwärmen. Das wächst sich aus. Später, wenn die Tür zum Lesen erst einmal aufgestoßen ist, wird sich das wilde Durcheinander ordnen: Das Sichfinden in gehaltvollen Texten und engagierten Gesprächen über sie, unter Ausschluss aller Nebensächlichkeiten und Zerstreutheiten, ohne Kampf, ohne Kränkungen, aber mit Sachkenntnis. Langsam reift der Geschmack. Vielleser entdecken die Brauchbarkeit der Literatur, zum Sichselbst-Verlieren und Sich-selbst-Gewinnen. Immer besteht die Chance, dass sich einer hineinreißen lässt in die ernsthafte Lektüre. Bücher müssen süchtig machen auf noch mehr Bücher. Wie sehr kommt es auf den nicht planbaren fruchtbaren Moment an, damit die Begegnung zwischen Buch und Leser Wirkung erzeugt! Die Aufgabe ist also nicht einfach, da wir immer viele zugleich bedienen müssen. Wir wollen Schüler, die überhaupt lesen, gern und viel lesen, schließlich verstehend und kritisch lesen. Das Viellesen garantiert, dass man mit Texten und Autoren umgehen kann wie ein Liebhaber, dem eines gefällt und anderes kalt lässt. Nur so gewinnt man die Lust, die von den Büchern kommt, und ein persönliches Verhältnis zu ihnen. Bücher als Genussmittel und Frohmacher und somit als “Lebenshilfe”-- ein Wort, zu Unrecht als allzu bildungsbürgerlich verpönt. Schülerfragebögen und Interviews an englischen Gesamtschulen ergaben: 382 Von und mit Texten lernen Where reading was concerned, pupils wanted more sophisticated material, but did not have the language skills, which left them feeling frustrated: “They assume that just because you haven’t got the higher level of French that you would also have a child’s level of interest in reading.” They also wanted more books to read, not textbooks, and something that would make the subject more ‘intellectually challenging’. (Fisher 2001, 37) Es gelte die Devise: Mehr Text, weniger drumherum! (Schwab 2000, 307). Man braucht nicht über jeden Text reden. Man braucht auch nicht ständig einfallsreiche pre-reading activities und Hinführungen. Ein guter Text kann zu sich selbst hinführen. Lernen wir auch zu schweigen und hinter dem Text zurückzustehen. Lesen ist auch die beste Grundlage fürs Schreiben. “Wie lernt man schreiben? Indem man liest”, weiß Hilde Spiel (1989, 155), die Wiener Kulturkritikerin, die für die FAZ über England berichtete. - Gute Texte sind wie gute Freunde. Sie machen uns zu besseren Menschen. Lehrwerke - je bunter, desto besser? Bildung verlangt “würdige Gegenstände”, wie Goethe es nannte. Statt guter Texte liefern manche Lehrwerke einen bunten Materialschwindel, der mehr vorstellen will, als er ist. Anscheinend wird in die Verpackung mehr investiert als in die Texte, die doch das Kernstück des Unterrichts sein müssten. Es stimmt traurig, wenn man sieht, wie frühe Warnungen in den Wind geschlagen und vergessen wurden: Es fehlt dem klassischen Unterricht … die Grundlage des realen Lebens, man möchte sagen, die Atmosphäre. Der moderne Sprachunterricht ist im Gegensatze hierzu in das andere Extrem verfallen, allein das Alltägliche, immer Wiederkehrende, das Drum und Dran des Lebens, Essen und Trinken, Schlafen, Aufstehen und Kleidung, Kaufen und Verkaufen, die gewöhnlichen Verkehrsformen usw. zum Gegenstande der Behandlung zu machen. Das kann aber nicht die Methode eines Unterrichts sein, dessen Ziel doch nicht bloß ist, Nichtigkeiten in mehreren Sprachen ausdrücken zu können, sondern der als Schulunterricht vor allem bildend sein soll. (Aronstein 1926, Bd. 1, 121f.) Die Bücher werden immer bunter, reicher, kostspieliger, doch die Rechnung scheint nicht aufzugehen. One thing I found not very good in the 5th form was the textbook they used. It was a new one they had just introduced and I found it too chaotic. With the idea in the back of my mind that the pupils were very Lehrwerke - je bunter, desto besser? 383 noisy and had difficulties in concentrating on things for a longer period of time, and the knowledge that children already have too many distractions and are snowed under by too many impressions, I found the book extremely bad. I think that the layout of the pages was too colourful and too muddled. Seeing a page, even I had difficulties in concentrating on one thing at a time since I always looked at all the other funny and colourful eye-catching things that could be seen on the page as well … For pupils who obviously have concentration problems, a textbook should be a little bit less chaotic. W. Der Trend ist international. Aus einer englischen Schülerbefragung: I found it really repetitive. You’d go into the lesson and hear the same things for five years … (for example) … objects in the house. (Fisher 2001, 37) Candace ging in Kanada zur Schule: Later on we switched to a different textbook where the word lists were shorter and the texts were much less complicated and very boring at that. These texts talked about what two girls where eating at lunch, sort of. I much preferred the older textbook. Because if the texts in the new textbook had been given to us in English, I wouldn’t have given them a second glance. C. Die Seuche scheint nicht auf die Fremdsprachen beschränkt: “In Westdeutschland habe ich die zehnte Klasse wiederholt. Das Geschichtsbuch dort erinnerte an ein Mickymausheft”, heißt es in einem Leserbrief eines ehemaligen “Ossis” an DIE ZEIT (19.12.2001). Manchen Lehrern gehen erst die Augen auf, wenn sie selbst einmal einen Sprachkurs belegen: Anscheinend kennt ein wild gewordener kommunikativer Ansatz kein Halten mehr: I have no German to brush up but today I unearthed a pocked-sized phrase book from a shelf of jumbled maps and guidebooks which I thought might prove useful. Now I have my doubts, being dismayed by a page of ‘Colloquial Expressions’. They range from the German equivalents of ‘ouch! ’ and ‘yum-yum! ’ to ‘barmy, bastard, boozer, nutter, pissed, twit, shut up! I’m absolutely knackered! don’t make me laugh! struth! get on with it! learn to drive! ’ And there is not a lot else by way of colloquial chit-chat. If that is the language our tourists are encouraged to bawl out when visiting a foreign land … (Guiness 1999/ 2000, 34) Solange auf unseren Schulprogrammen die Verbreitung der Trivialität steht, haben es besonders zweite und dritte Fremdsprachen schwer: 384 Von und mit Texten lernen Ich will einmal annehmen, er habe auf Sexta Latein in einer Form gehabt, die seiner würdig war. Was für Augen muß er beim Betreten dieser fremden Welt gemacht haben, die seine Phantasie mit Übergewalt ergriff, seinen Horizont ins Bedeutende, Ungeahnte erweiterte! Nun steht er in Quarta erwartungsvoll auf der Schwelle wieder einer neuen Welt, der Welt des Vercingetorix und Rolands, der Jungfrau von Orleans, Napoleons. Und nun? Erst hängt wochenlang die Lauttafel davor, dann fängt das eigentliche Französisch an: Voilà le mur, il y a une porte et trois fenêtres … Uhr, Fahrkartenschalter, Frühstückstisch - auch in Sexta hielte er diesen französischen Kindergarten nicht aus. (Wähmer 1914, 13) Die Praxis, die gewöhnlich von Theorien unbeeindruckt ihre Bahn zieht: Hier wäre sie so leicht veränderbar! Die Verlage gäben ja nicht ihre Geschäftsgrundlage preis, wenn sie ihr Augenmerk weniger auf Layout, Buntheit und kleinteilige Lockerheit und mehr auf Texte und deren erzählerische und bildende Qualität richteten. Nicht zuletzt auch auf Texte, die von Weisheit, Großmut und Güte berichten und der Kraft des Standhaltens. Hier ein Beispiel für Texte, wie sie mir vorschweben: Moses Mendelssohn, the philosopher (1729-1786), was a small humpbacked Jew. One day he proposed to the handsome daughter of a wealthy merchant. “Look here, Moses”, said the wealthy merchant, “I cannot possibly give you my daughter. Just think of that humpback of yours.” Moses Mendelssohn was silent for a while. Then he said in a low voice: “Before your daughter and I were born we were, as you know, in Heaven. At that time God held a humpback in his hands and was going to give it to your daughter. I went to him. I told him that I loved her, so would he please give the humpback to me.” Again there was some silence. “God looked at me. He gave me the humpback”, said Moses. The wealthy merchant looked at Moses. He gave him his daughter. (Lansburgh 1977, 159) Tröstlich, dass es in unserem Bildungswesen immer auch eigenständige Traditionen gibt, die sich von solchen Trends nicht anstecken lassen, z.B. die Waldorfschulen. Die Kunst des Fragens Oft brauchen wir einen Anstoß von außen, um zu eigenen Gedanken zu kommen. Den besten liefern Texte, weil sie zugleich authentische sprachli- Die Kunst des Fragens 385 che Hilfsmittel mitliefern. Deshalb muss ein guter Text immer zur Hand sein. Begeben wir uns über Texte zugleich auch in die Gesellschaft guter Autoren, die uns etwas zu sagen haben. Je stärker das Thema und die Kunst des Zugriffs, desto weniger bedarf es methodischer Tricks, um die Texte an den Mann zu bringen. Eine Stunde kann nie ganz verloren sein, wenn ihr ein ausgesuchter, unverbrauchter Text zugrunde liegt, den sich die Schüler zu erarbeiten haben. Je mehr der Unterricht fortschreitet, desto mehr wird Unterricht im Kern eine Übersetzung schriftlicher Texte in die mündlichen der Teilnehmer. Solche zunächst nachvollziehende Rede braucht nicht als außengesteuert und bloß epigonal empfunden werden, so Peter Weiss in Fluchtpunkt: Selbst wenn jedes Buch mir einen Reichtum von neuen Bildern schenkte, so lag das Wesentliche doch immer im Auftauchen der eigenen Gedanken, die durch die Konfrontation geweckt wurden. Und Thea, die Heldin eines Schulromans, überlegt: Selbstgemachte Gedanken sind die einzigen, die wirklich überzeugen, dachte Thea. Auch wenn ein anderer sie ausspricht, müssen sie auf jeden Fall selbstgemacht sein. Auch Hinterherdenken ist Selbstdenken. Auch Nachdenken ist Denken. (Nordhofen 1998, 184) Mit Recht gilt ein lebendiges, auf hohem sprachlichen wie intellektuellen Niveau geführtes Gespräch als die Krönung des Unterrichts. Das am Text entlang geführte Gespräch lässt “die geistlose Freiheit des Meinens” (Hegel) nicht zu, gewährt ein verschmitztes Vergnügen am Austausch der Argumente und bildet somit ein Gegengewicht gegen den täglichen Trivialdiskurs des Fernsehens, für den unsere Jugendlichen so anfällig sind. Eine Standard-Aufgabe sind Lehrer-Fragen zum Text, deren Repertoire an einem einfachen Text exemplarisch vorgeführt sei: The Milkmaid and her Pail A farmer’s daughter had been out to milk the cows, and was returning to the dairy carrying her pail of milk on her head. As she walked along, she thought: “The milk in this pail will provide me with cream, which I shall make into butter and take to the market to sell. With the money I shall buy a number of eggs, and these, when hatched, will produce chickens, and by and by I shall have a large poultry-yard. Then I shall sell some of my fowls, and with the money which they will bring in I shall buy a new dress, which I shall wear when I go to the fair; and all the young fellows will admire me, and come up and speak to me, but I shall toss my head and have nothing to say to them.” 386 Von und mit Texten lernen Forgetting all about the pail, she tossed her head. Down went the pail, all the milk splashed on the road, and all her fine castles in the air vanished in a moment. In schneller Folge stellt der Lehrer einfache Verständnisfragen, auf die die Schüler mit Kurzantworten reagieren können. Es ist oft nötig, “higher order questions” durch “lower order questions” abzusichern: 1) Yes-No questions: Is the story about a farmer’s son? 2) True-false statements: She had been out to feed the cows, true or false? 3) Tag-questions: She was returning home, wasn’t she? 4) Choice-questions, giving an option: Was she carrying the pail on her head or under her arm? 5) Wh-short-answer questions: What does she want to make the milk into? Who will want to speak to her at the fair? Verständnisfragen, die ausführlichere Antworten verlangen: - Can you just retell the beginning, in one or two sentences only? - Explain how she will be able to buy a new dress. - Tell me what she will do with the butter. - What does she want to buy eggs for? - She thinks that all young men will admire her. Because of what? - And why do you think would she not talk to them? Isn’t she interested in young men? - And what about the ending, when she forgot about the pail? - So what steps is she going through in her mind that will eventually make it possible for her to buy a new dress? - Tafelstütze: milk cream butter eggs chickens dress. Interpretationsfragen und solche, die über den Text hinausführen (Verschiebung zur mitteilungsbezogenen Kommunikation): People say it’s no use crying over spilt milk. What do you think will the milkmaid do? Are you much in the habit of crying over spilt milk? Do you remember a situation when you missed an important opportunity? Do you see her as a pretty girl? Do you find her nice? (She knows that boys like her, they have all been nice to her. She is perhaps a bit stuck-up, hochnäsig.) How does one know that one is admired? How does it show? Do you remember a situation when people admired you? Is there a moral attached to the story? (Pride comes before a fall) Could this be a story written by a milkmaid? Who could it be written by? (A preacher, a clergyman, or a teacher. The idea is perhaps to keep servants in their place, to teach the lower classes a lesson.) Die Kunst des Fragens 387 Have you ever day-dreamed? Don’t you want to strike it big/ hit it big just once in your life? (perhaps run a marathon, or even win a marathon) Have you ever dreamed about a great career? Don’t you want to be famous, just once? (“In the future, everyone will be famous for fifteen minutes.” Andy Warhol) Is it a bad idea to hitch one’s waggon to a star/ nach den Sternen zu greifen? Do you live in hope of something? Do you keep hoping for something? Have you ever had to give up hope of something? Wenn der Lehrer nicht nur persönliche Fragen stellt, sondern auch persönliche Antworten formuliert und eigene Erlebnisse preisgibt, werden ihm die Schüler folgen. Solche Gespräche müssen nicht nur vorbereitet, sondern gelegentlich auch nachbereitet werden. So manches fällt einem nicht zur rechten Zeit ein, so manches bleibt ungesagt. Erst im Nachhinein wird einem plötzlich gewahr, was man hätte sagen müssen. Oder man versteht auf einmal, was ein Schüler eigentlich hatte sagen wollen. Lehrer müssen erst einmal lernen, ein wohldurchdachtes Fragenetz über einen Text zu werfen. Die Schüler erfahren dabei, wie man einen Text systematisch erarbeitet und für sich fruchtbar macht. Keineswegs jedoch darf man sie daran gewöhnen, stets die Fragen des Lehrers abzuwarten und ihm die Initiative zu überlassen. Deshalb meine Empfehlung, auch immer wieder einen offenen Einstieg zu wählen, etwa mit der Leitfrage: Which aspects of the text would you like to talk about? Welche Herangehensweise man auch wählt, Gradmesser des Erfolgs sind letztlich Quantität und Qualität der Schülerbeiträge, wobei es gelingen muss, dass sich Schüler anderen Schülern zuwenden und das Gespräch nicht nur über den Lehrer läuft. Das bekannte Schema: teacher initiates - student responds - teacher gives feedback muss durchbrochen werden. Wir suchen Möglichkeiten der Selbstbegegnung im Fremden, das uns die Texte zutragen, werden uns eigener kultureller Vorprägungen bewusst und kommen einander im Gespräch über die Texte näher. Dabei dürfen wir so leidenschaftlich diskutieren, als hinge das Schicksal der Welt davon ab. Führen wir aber das Gespräch ohne die Sucht des Recht-haben-Wollens und ohne Angst, das Gesicht zu verlieren, immer in dem Bestreben, das Beste, was in den Schülern steckt, aus ihnen herauszulocken. Wir suchen den Punkt des Übereinstimmens oder sagen am Ende: “We agree to disagree”. 388 Von und mit Texten lernen Textarbeit mit doppeltem Fokus Mag sein, dass sich der eine oder andere von einem Text nicht angesprochen fühlt. Für ihn bleibt der Text immer noch eine Fundgrube nützlicher Redemittel. Weil der Text sie gleich mitliefert, kann das Gespräch gelingen: Ich merkte bald, dass Konversation, die sich nicht an im Unterricht - meist an Texten - Erarbeitetes anschließt, im Klassenzimmer und besonders mit jüngeren Schülern, kaum zu bewerkstelligen ist. (Linnartz 1989, 58f.) D.h. wir müssen den Texten jeweils ihre Ausdrucksmittel ablernen. Einfach und effektiv: Schreibaufgaben, die die Diskussionsergebnisse der Stunde zuvor aufarbeiten. What I found rather hard but effective were Stegreifaufgaben. They were always a surprise, i.e. not announced by the teacher who thus forced us to prepare every single lesson. The task would only cover issues discussed in the previous lesson and we got grades for them. K. Angesichts der Vielfalt literarischer und landeskundlicher Themen und Texte muss auch der Lehrer stets hinzulernen. Beim anspruchsvollen Textgespräch leistet er geistige Schwerarbeit, weil er seine Aufmerksamkeit teilen muss. Ganz bei der Sache sein, genügt nicht. Er muss im Zuhören auch bei der Sprache sein und zugleich bei einzelnen Schülern, um ihnen immer wieder sprachlich beizustehen. 1) Einordnen von Satzteilen und Teilsätzen Zu aufmerksamem Hören und Lesen zwingen die schon behandelten Arbeitsformen “Texte mit Ankreuzaufgaben”, “Geschichten erzählen und fälschen”, “Textrekonstruktion nach Notizen” und “Geschichten-Mix”. An dieser Stelle geben wir ein Beispiel für einen Lückentext, in dem statt der üblichen Einzelwörter ganze Satzteile, auch Nebensätze oder Sätze ausgelassen sind. Diese erscheinen aber in veränderter Reihenfolge neben dem Original. Die Aufgabe wird erschwert durch den Trick, am Rande nicht nur die originalen Textteile, sondern gleich ein paar mehr mitzuliefern. Diese müssten auch plausibel sein, aber eben nicht ganz so gut wie die originalen Stücke in den Text passen. Dies erfordert aufmerksames, genaues, auf Inhalt und Stil des Textes gerichtetes Arbeiten, auch Beachtung der syntaktischen Anschlussmöglichkeiten. Schüler müssen Passagen mehrfach durchlesen und durchdenken. Wir bringen ein kurzes Beispiel, in das wir die Lösungen gleich einarbeiten. Normalerweise nimmt man längere Texte, bei denen die Lücken nicht so dicht aufeinander folgen. Damit sich die Schüler in den Text einlesen können, würden solche Texte in den ersten Zeilen keine Lücken haben. Textarbeit mit doppeltem Fokus 389 This is the beginning of the essay England your England written by George Orwell in 1941: As I write, highly civilized human beings are flying overhead, [1]. They do not feel any enmity against me as an individual, nor I against them. They are ‘only doing their duty’, as the saying goes. Most of them, [2], are kind-hearted law-abiding men who would never dream of committing murder in private life. [3], if one of them succeeds in blowing me to pieces [4], he will never sleep any the worse for it. He is serving his country, which has the power [5]. on the other hand (3) to kill anybody trying to kill me (1) to absolve them from evil (5) I have no doubt (2) with a well-placed bomb (4) though I have my doubts Die Arbeit kann mit einem Partner durchgeführt werden, und ein Schüler könnte anschließend die Lehrerrolle übernehmen (LdL). Wie bei den “Texten mit Ankreuzaufgaben” bekommt er das Lösungsblatt und braucht für seine Aufgabe auch ähnliche Phrasen (“Are we all agreed on this item? ” “Can you justify your choice? ” usw.). 2) Halbierte Zitate (quotations in halves) Zuordnungsaufgaben sind geeignet für Stillarbeit und entlasten den Lehrer. Wir wählen solche Texte, die anschließend Gesprächsstoff abgeben können: 1) They would never dream of setting fire to an embassy. 2) The reasonable man adapts himself to the world. The unreasonable one persists in trying to adapt the world to himself. 3) If you spread it around it does a lot of good. But if you pile it up in one place it stinks like hell. 4) I boast of being the only man in London who has been bombed off a lavatory seat while reading Jane Austen. 5) The worst government is the most moral. One composed of cynics is often very tolerant and humane. a) Money is like manure. b) She went into the bath. I went through the door. c) Therefore all progress depends on the unreasonable man. d) The English - or at least those who are in a position of power - like to believe in the efficiency of negotiations, compromise, reconciliation, give-and-take. e) But when fanatics are on top there is no limit to oppression. 390 Von und mit Texten lernen Die fünf Texte sind d1; 2c; a3; 4b; 5e. Natürlich lassen sich alle matching tasks auch als mingles - Englisch im Stehen und Gehen - durchführen. Jeder bekommt eine Zitathälfte auf einem Kärtchen und sucht nach seinem Partner, den er natürlich Englisch anspricht: “Let me see what you’ve got … No, it doesn’t make sense … Let’s move on …” Spannender wird’s, wenn einem das Kärtchen nur gezeigt und dann wieder weggenommen wird. 3) Fließtexte segmentieren Alte lateinische Inschriften hatten keine Wortzwischenräume. In dieser Form präsentieren wir Texte, die nun wieder auseinandergeschoben werden müssen. In the following text all the punctuation and all the spaces between words have been removed. Your task is to separate the words by making a thin slash between them with a pencil. Make a dot under the letter where a sentence ends and make commas where you think they are necessary. After that, you should be able to read the text out loud in a meaningful way. Variant: Re-write the text and put it back to normal. What would you do if you had a year off, if you could take a “gap year”? This is what the actor Tom Conti said: I’dgoabroadandexperienceanothercultureifIwasyoungI’dtakearoominPar istosharewithachumpreferablyafemaleFrenchchumlearntospeakFrench wellandlearnhowtomakeloveinFrenchandfindouthowthepeoplethought howtheyviewedtheworldespeciallyhowtheyviewedEnglandIhavenever hadayearoffmydaughterNinadidshewenttoParisandinawayIenviedherI wouldverymuchliketohavedonethatwhenIwasyoungifmoneywasnoob jectIwouldgoinmyLandRoveritonlydoes13milestothegallonafterFrance ImightmoveontoItalyorgodeeperintoEasternEuropepeopleinBritaindon’t understandwhataculturedareamainlandEuropeis. (The Times Educational Supplement, August 15, 1997) Eine Variante besteht darin, lediglich die Aufteilung eines Textes in Abschnitte aufzuheben: Where would you put in the paragraph breaks, and why? 4) Textparaphrasen Es geht darum, eher klassische Texte im gehobenen Stil in ein Basic English oder Français Fondamental zu überführen. Wir fragen uns, was genau der Autor uns sagen will und ob man das Gemeinte ohne Informationsverlust einfacher ausdrücken kann. Der Anfang von Lincolns Gettysburg Rede könnte dann wie folgt aussehen: Kreatives Schreiben 391 Original Fourscore and seven years ago our fathers brought forth on this continent a new nation, conceived in Liberty, and dedicated to the proposition that all men are created equal. Now we are engaged in a great Civil War, testing whether that nation, or any nation so conceived and so dedicated, can long endure. We are met on a great battlefield of that war. We have come to dedicate a portion of that field as a final restingplace for those who here gave their lives that that nation might live. It is altogether fitting and proper that we should do this. Paraphrase Seven and eighty years have gone by from the day when our fathers gave to this land a new nation - a nation which came to birth in the thought that all men are free, a nation given up to the idea that all men are equal. Now we are fighting in a great war among ourselves, testing if that nation, or any nation of such a birth and with such a history, is able to keep united. We are together on the field of a great event in that war. We have come to give a part of that field as a last resting-place for those who went to their death so that that nation might go on living. It is in every way right and natural for us to do this. (Wynburne 1960, 67f.) Wynburne nennt diese Aufgabe “vertical translation” und empfiehlt sie als zentrale Arbeitsform für den muttersprachlichen Unterricht. Kreatives Schreiben True ease in writing comes from art, not chance/ As those move easiest who have learnt to dance. (Alexander Pope) Ich begann entschieden nach Ausdruck zu suchen, und damit veränderte sich mein Verhältnis zur Welt. (Reinhold Schneider) 1) Satzanfänge als Schreibimpulse Als Schreibimpulse haben sich Satzanfänge der folgenden Art bewährt: - I have since realised that … - I have never forgiven him/ her for … - I have never been sure whether … - I am really fed up with … - It would be a fantastic idea to … - I know things will change as soon as … - I have not yet understood (how, what, why) … - My most burning desire is to … 392 Von und mit Texten lernen - If I could turn back the clock, I’d … - What I still can’t get over is (the fact that) … - I never thought the day would come when … - If there is one thing I’d like to do it’s … - What I always dream of is … - What I always wanted to tell you about myself is … Folgende Satzanfänge regen zum Erzählen und Fantasieren an: - When I had eaten the apple, I could suddenly … - I only have to lie in bed and blink three times with the left eye, then … - As we lay in bed together, my teddy started whispering … - When I was alone on the island … - Once I was invisible … - Something knocked from inside my toy cupboard and a voice said: “Let me out of here …” - We have a teacher. When he is happy, flowers grow on his head … - I have rebuilt my old kettcar. With it I can now … - Once I closed my eyes and I found myself in a world … - The last thing I clearly remember was … Kindheitswünsche, Kindheitsträume … Lassen wir sie drauflosfabulieren. Geben wir dem, dem partout nichts einfallen will, eine andere Aufgabe, z.B. eine kleine Prosapassage zum stillen Auswendiglernen. 2) Fünfzeiler Diese Idee stammt von einem Lehrer aus Oslo 1 . Nachdem man der Klasse einige Texte vorgestellt hat, versucht man es selbst nach folgendem Schema: Write a 5-line poem in the following manner: On the first line write a noun of your choice. On the second line write two adjectives joined by and to describe this noun. On the third line write a verb and an adverb (or adverbial phrase) to describe this noun in action. You may also take a verb and its complement. Start the fourth line with like or as followed by a comparison. Start the final line with if only followed by a wish. Ice Mother cold and blue warm and caring lying everywhere smiling at me like a carpet like the sun if only summer would take its turn if only this moment could last forever Kreatives Schreiben 393 English My younger brother interesting and funny small and clumsy taught cleverly looking up to me like a superstar in the class test like no one else has ever done if only I were a superstar if only I could protect him forever 3) Minisagas Die Fünfzeiler führen uns zu einer weiteren, dem Limerick verwandten literarischen Kleingattung, den Minisagas. Sie haben genau 50 Wörter, nicht mehr und nicht weniger, die Überschrift darf zusätzlich bis zu 15 Wörter lang sein; der Text sollte eine Geschichte erzählen und eine Pointe liefern. Siebold & Lademann (1999) und Siebold (2000) informieren über Herkunft und Thematik der Minisagas sowie ihren Einsatz im Englischunterricht. Zitiert seien drei Texte, die aus dem Wettbewerb des Daily Telegraph (Aldiss 1997) hervorgegangen sind: AUTOBIOGRAPHY Throughout their married life, he told her she was useless. He earned much more; he was the life and soul of every party. She dreamed and was quiet. One year, she wrote a novel. It won the Booker prize. Now everyone wants to talk to her, and she talks back. REBEL REBEL ‘Don’t pull faces’, chided Annie’s mother. ‘The wind might change and you’ll stay that way.’ A defiant Annie sucked in her cheeks, narrowed her gaze and stared haughtily into the distance. The wind did change. Annie became a supermodel, married a rock star and continued to ignore her mother’s advice. TO BE OR NOT TO BE? He felt desperate. His question was easy, ‘God, what is life about? ’; the email address difficult. He pressed ‘Send’, gave the Internet a few minutes and asked for his email. It took ages to download, 100,000 words long. The computer flashed: ‘Answer received, decoding impossible.’ He shot the computer instead. 4) Zwischen Anfang und Ende Man kann auch Romananfänge und Romanschlüsse zusammenstellen und die Schüler auffordern, zusammen zu fantasieren, was zwischen Anfang und Ende passieren könnte. Wem diese Art der Verklammerung nicht passt, der kann den Schluss ignorieren. Er orientiert sich bloß an den Eingangszeilen und spinnt an der Geschichte weiter. 394 Von und mit Texten lernen 1) When my mother was pregnant with me, she told me later, a party of hooded Ku Klux Klan riders galloped up to our home in Omaha, Nebraska, one night. Surrounding the house, brandishing their shotguns and rifles, they shouted for my father to come out. My mother went to the front door and opened it. … … … Yes, I have cherished my “demagogue” role. I know that societies often have killed people who have helped to change those societies. And if I can die having brought any light, having exposed any meaningful truth that will help to destroy the racist cancer that is malignant in the body of America - then, all of the credit is due to Allah. Only the mistakes have been mine. (Alex Haley, The Autobiography of Malcolm X) 2) Emma Woodhouse, handsome, clever, and rich, with a comfortable home and happy disposition, seemed to unite some of the best blessings of existence; and had lived nearly twenty-one years in the world with very little to distress or vex her. … … … But, in spite of these deficiencies, the wishes, the hopes, the confidence, the predictions of the small band of true friends who witnessed the ceremony, were fully answered in the perfect happiness of the union. (Jane Austen, Emma) 3) Hale knew they meant to murder him before he had been in Brighton three hours. With his inky fingers and his bitten nails, his manner cynical and nervous, anybody could tell he didn’t belong to the early summer sun, the cool Whitsun wind off the sea, the holiday crowd. … … … She walked rapidly in the thin June sunlight towards the worst horror of all. (Graham Greene, Brighton Rock) Auf diese Weise könnte man auch einer Klasse mehrere Romane kurz vorstellen, von denen sie einen als Klassenlektüre auswählen. Eine Variante besteht darin, Kurzgeschichten, Märchen oder Legenden statt Romane zu wählen. Im Bundeswettbewerb Fremdsprachen wird dies als mündliche, auf Tonkassette zu sprechende Aufgabe gestellt und wie folgt hübsch eingekleidet: Stell dir folgende Situation vor: Du bist zu Besuch in England. Abends bitten dich die Kinder der Familie, ihnen noch eine Geschichte vorzulesen. Beim Vorlesen merkst du auf einmal, dass Seite 84 und 85 fehlen. Anfang und Ende der Geschichte sind vorhanden. Du willst das kleine Mädchen und den kleinen Jungen nicht enttäuschen und denkst dir den mittleren Teil der Geschichte aus … . Kreatives Schreiben 395 Diese Version hat den Vorteil, dass man zum Schluss den authentischen Text vorlesen und die Eigenproduktionen mit dem Original vergleichen kann. 5) Lernbiografien Eine weitere Schreibaufgabe hat das Ziel, die Schüler zum Nachdenken über ihr eigenes Sprachenlernen anzuregen. Auch hier setzen wir ihnen nicht einfach ein Thema vor, sondern beschäftigen sie zunächst mit einem Fragebogen, der sie gedanklich anregt und ihnen zugleich wichtige Wörter und Wendungen liefert, die sie beim Schreiben übernehmen könnten. Der Lehrer sollte darüber hinaus alle erdenklichen Formulierungshilfen bereithalten, so dass die Schüler nun auch genau das sagen, was sie sagen wollen. Ideal wäre der Einsatz am Ende der Mittelstufe. Die Schüler blicken zumeist schon auf eine mehrjährige Arbeit an zwei Fremdsprachen mit unterschiedlichen Lehrern zurück. Die Reflexion könnte sogar therapeutischen Charakter haben und zu einer Entdeckungsreise ins eigene Selbst führen und einige Schüler nach umfassender Diskussion im Klassenplenum zu einem Neuanfang bewegen. Dass der Lehrer selbst und sein Unterricht erheblich davon profitieren könnten, versteht sich. 1) When the teacher says something in the foreign language, do you: - listen to the message but also pay attention to grammatical details you may have recently learned? - only listen to the words and feel satisfied if you understand the message? - listen passively, occasionally understanding the message? 2) When you have learned some new expressions in the foreign language, do you: - practise them by using them on your friends, or practice them while mentally speaking to yourself? - use them in class when called upon? - practise them only when studying for a test? 3) When the teacher asks a question and calls upon someone other than you, do you: - mentally (silently) answer along with the person? - listen to the answer? - primarily concentrate when you are called upon? 4) When you meet someone who speaks the foreign language you are studying, do you: - initiate a conversation in the foreign language? - use the foreign language only if the other person initiates the conversation? - keep your knowledge of the foreign language to yourself? 396 Von und mit Texten lernen 5) When you are speaking a foreign language, do you: - try to get meaning across first without worrying about the grammar, using gestures, synonyms etc.? - worry about “correctness” rather than meaning? - say as little as possible? 6) Mark one answer only How often in the week would you like to have English lessons? - more often. - as it is now, it is just right. - less often. - doesn’t make any difference. 7) Mark only what applies to you I have already been able to use my English - yes, from watching television. - yes, from listening to pop music. - yes, from reading books. - yes, through visitors from abroad. - yes, with tourists on the street. 8) Did you understand what the teacher said in class? a) never b) almost never c) usually d) almost always e) always 9) Do you think you have learned very much incidentally about England or the United States or English-speaking people? a) a great deal b) quite a lot c) a lot d) a little e) very little Wenn Schüler eine Viertelstunde lang oder mehr still überlegen und schreiben, können wir diese schöpferische Phase konzentrierter Arbeit mit beruhigender Instrumentalmusik untermalen. 6) Schulfach Glück? Neuerdings steht in einigen Schulen auch “Glück” auf dem Lehrplan, Kurse im well-being. Ich meine, die Sprachfächer, denen man ohnehin mehr Stunden geben sollte, könnten das auch leisten: I remember text extracts on “le bonheur”, real statements from other people. The teacher played us audio recordings of the statements which Grenzen des bloß Methodischen 397 we then read. Then she asked us what “le bonheur” for us was. Nearly everybody contributed something because everyone of us had an idea of what happiness for themselves meant. If learning content is made personal it is understood and remembered. That’s why I still remember that episode. H. Ab und zu sollte man eine Schülerarbeit, die man inzwischen berichtigt und geglättet hat, gekonnt vortragen. Es darf auch eine mittelmäßige Arbeit sein, wenn man sie gründlich korrigiert hat: The change in atmosphere as well as the temporary change in my role were noticeable. Suddenly I was no longer the marker who watched out for mistakes and meted out penalties in red ink, but rather someone like an editor who tried to make sense of what they had written and who explained and defended the text when it was queried by the class. (Appel 1995, 38) Die Vierteljahresschrift Englisch betrifft uns (EBU) bringt seit ihrem Bestehen in jedem Heft Schreibaufgaben im Anschluss an Texte, die nicht literarische Sezierkunst sein wollen, sondern in erster Linie dazu beitragen wollen, dass junge Menschen unsere moderne Welt und sich selbst mitten darin besser verstehen. Grenzen des bloß Methodischen Alle didaktische Virtuosität kann doch nur das eine Ziel haben, tunlichst bald sich überflüssig zu machen. (H. Gaudig) Beim Textgespräch über die großen Themen des Lebens, die uns alle bewegen, stoßen wir an die Grenzen alles Methodischen. So überrascht es uns nicht, wenn am Ende einer großen empirischen Studie die Erkenntnis steht: “Die Person des Lehrers ist meines Erachtens der entscheidende Faktor im Shakespeare-Unterricht” (Schmidt 2003, 314). Didaktisch-methodische Finessen helfen nicht weiter. He was by far the best teacher I have ever had. He could convey the spirit of the authors discussed and was able to give us something from himself which still today shapes part of my thinking, and so eventually he determined my choice of studying English. A. Ein Text spricht zu uns, doch niemals ganz auf der gleichen Stufe wie das übliche Reden. Wenn Schülern hieraus Kräfte zuwachsen, sind ihre Lehrer mehr als versierte Methodiker. Methodische Kunst ist nur ein Anfang. 1 Andreas Lund: Seine website http: / / home.online.no/ ~anlun/ gram-po.htm. Epilog Kann man forschen, ohne zu irren? Jeder Methodiker sagt zwangsläufig mehr, als die strenge Wissenschaft hergibt. Deshalb braucht dieses Buch Lehrer, die umsichtig, klug und wohlwollend prüfen und ausprobieren, ohne zu verzeichnen. Wie schnell wird aus einem Gesicht eine Fratze! Nach vierzig Jahren im Schul- und Hochschuldienst reiche ich den Stab weiter. Gebt dem Schüler die stärkste Stütze der Fremdsprachen zurück: seine Muttersprache. Lernt aus der Geschichte, etwa den Wert des Nachsprechens, geschickt eingeblendeter Strukturübungen und der gedächtnisstärkenden Rezitation vorbildlicher Texte. Relativiert moderne Schlagwörter wie “Kommunikation” und “Kreativität”! Der bilinguale Ansatz versucht, eine 2000jährige abendländische Tradition sinnvoll fortzuentwickeln statt mit ihr zu brechen. Die direkte Methode ist in Wahrheit höchst indirekt. Sie wird Episode bleiben. Die Brote im Backofen schrien: “Zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.” Und der Apfelbaum hing voller Äpfel und rief: “Schüttel mich, ach, schüttel mich.” Kümmern wir uns drum. If you are not part of the solution, you are part of the problem. Lehrtechniken fesseln und schnüren nicht ein, sondern machen Energien frei für die Erziehungs- und Bildungsarbeit jenseits von Techniken. Denn wir brauchen Lehrmeister und “Lebemeister” (Meister Eckart) zugleich, die in die Tiefe dringen, wo sich die Fachgrenzen auflösen. In ihrer Vollendung ist die Unterrichtung der Jugend religiöser Dienst - nämlich Sammelpunkt aller Bestrebungen, dem Leben Sinn zu geben. Die Theorie in dreizehn Leitsätzen 1. Sprachen lernt man, indem man sie lebt. 2. Sprachen lernt man, wenn sie uns - dem Sinn und der Form nach - verständlich zugesprochen werden. 3. Sprachen lernt man von denen, die sie können, und mit reichlich Texten. 4. Man lernt nur einmal sprechen. Fremdsprachen müssen an muttersprachliches Wissen und Können anknüpfen. 400 Epilog 5. Sprachen lernt man, indem man von endlichen Mitteln unendlichen Gebrauch macht. 6. Sprachen lernt man, indem man sie mündlich übt. Niemand kann einem das Üben abnehmen. 7. Sprachen lernt man nur, wenn man sich viel Zeit für sie nimmt. 8. Sprachen lernt man, indem man immer wieder sein eigenes Können erfährt und Lust zum Weiterlernen bekommt. 9. Sprachen lernt man am besten im Zustand konzentrierter Entspannung. 10. Sprachen lernt man besser in Bewegung. 11. Sprachen lernt man miteinander und voneinander. 12. Guter Sprachunterricht ist mehr als Sprachunterricht. Mit guten Texten entwickeln wir den Sinn für das Gute, Wahre und Schöne, das die fremde Kultur bereithält. 13. Menschen lernen Sprachen unterschiedlich schnell und gut. Literaturverzeichnis Ackermann, Hermann et al. (2004), “Neurobiologische Grundlagen der Sprachlautwahrnehmung: Klinische und funktionell-bildgebende Befunde”, in: Müller, Horst M. & Rickheit, Gert, Hg., Neurokognition der Sprache. Tübingen: Stauffenburg, 137-189. Aldiss, Brian (1997 9 ), Mini-Sagas from the Daily Telegraph Competition. Thrupp, Stroud: Sutton Publishers. Allen, W. Stannard (1948/ 1949), “In defence of the use of the vernacular and translating in class”, in: ELT III, 33-39. Apeltauer, Ernst (2003), Literalität und Spracherwerb. Flensburg: Universitätsverlag. (Flensburger Papiere zur Muttersprache und Kulturenvielfalt im Unterricht, Bd. 32). Appel, Joachim (1985), “Dolmetschen als Übungsform im Oberstufenunterricht”, Praxis 1, 54ff. Appel, Joachim (1990), “Leselust im Unterricht und Unterricht in Leselust”, in: Der Fremdsprachliche Unterricht, 100, 39-42. Appel, Joachim (1995), Diary of a Language Teacher. Oxford: Heinemann. (The European Language Classroom). Appel, Joachim (2000), Erfahrungswissen und Fremdsprachendidaktik. München: Langenscheidt-Longman. Aronstein, Philipp (1926), Methodik des neusprachlichen Unterrichts. 2 Bde. Leipzig: Teubner. Arzt, Volker & Birmelin, Immanuel (1995), Haben Tiere ein Bewusstsein? Wenn Affen lügen, wenn Katzen denken und Elefanten traurig sind. München: Goldmann Verlag. Asher, James J. (1977), Learning another language through actions: the complete teacher’s guidebook. Los Gatos/ Ca.: Sky Oaks Productions. Aulmann, Georg (2000), “Was eigentlich macht Fremdsprache schwer oder nicht schwer? ”, Vortragsmanuskript Fachverband Moderne Fremdsprachen Kongress Berlin. Ausubel, David P./ Novak, J./ Hanesian, H . (1978 2 ), Educational psychology: a cognitive view. New York: Holt, Rinehart & Winston. Bach, Gerhard (2009), “Alltagswissen und Unterrichtspraxis: der Weg zum reflective practitioner”, in: Gerhard Bach & Johannes-Peter Timm, Hg., Englischunterricht. Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. 4. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Tübingen und Basel: Francke, 253-268. 402 Literaturverzeichnis Bach, Gerhard & Lausevic, Christina (2003), “Medienkompetenz: Das Video als Sprachhandlungsinstrument”, in: Gerhard Bach & Johannes-Peter Timm, Hg., Englischunterricht. Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. 3. vollständig überarbeitete und verbesserte Auflage. Tübingen und Basel: Francke, 110-131. Barley, Nigel (1986), The Innocent Anthropologist. Notes from a Mud Hut. Harmondsworth: Penguin. Bärwald, Richard (1899a), Neuere und ebnere Bahnen im fremdsprachlichen Unterricht. Eine methodische Untersuchung auf der Grundlage praktischer Unterrichtsversuche. Marburg. Bärwald, Richard (1899b), Eignet sich der Unterricht im Sprechen und Schreiben fremder Sprachen für die Schule? Marburg. Bates, Elizabeth/ Dale, Philip/ Thal, Donna (1995), “Individual differences and their implications for theories of language development”, in: P. Fletcher & B. MacWhinney, Hg., Handbook of child language. Oxford: Basil Blackwell, 96-151. Baur, Rupprecht S. et al. (1993), “Zur Ausbildung einer fachsprachlichen Handlungsfähigkeit bei Schülerinnen und Schülern mit der Herkunftssprache Russisch”, in: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung, 4/ 2, 4-38. Bayerwaltes, Marga (2002), Große Pause! Nachdenken über Schule. München: Verlag Antje Kunstmann. Behrendt, Babette (1993), Gesteigerte Lern-Ergebnisse durch Lese-Ergebnisse mit englischsprachiger Literatur: Ein neues Lehrgangsmodell von H.-J. Modlmayr. Bochum: Brockmeyer Universitätsverlag. Berlaimont, Noel de (1536), Colloquia et dictionariolum. Antwerpen. Bernstein, Richard (2001), Ultimate Journey. Retracing the Path of an Ancient Buddhist Monk Who Crossed Asia in Search of Enlightenment. New York: Alfred A. Knopf. Bierbaum, Julius (1886), Die Reform des fremdsprachlichen Unterrichts. Kassel. Bietz, Carmen, (2011), “Wir gründen eine Stadt. Chancen der Sprachstadt für den Englischunterricht”, in Küppers, A. et al., Inszenierungen, 93-103. Birkenbihl, Vera F. (1992), Die Birkenbihl Methode Fremdsprachen zu lernen. Speyer: GABAL Verlag. Bleyhl, Werner (1999), “J’accuse! Der gängige Französischunterricht erdrosselt mit seiner Grammatikorientierung das Lernen der französischen Sprache”, in: Französisch heute, 3, 252-263. Bleyhl, Werner (2009), “Sprachlernen: Psycholinguistische Grund-Erkenntnisse”, in: Gerhard Bach & Johannes-Peter Timm, Hg., Englischunterricht. Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. 4. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Tübingen und Basel: Francke, 23-42. Bloomfield, Leonard (1914/ 1983), An Introduction to the Study of Language, Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science II (3): Classics in Psycholinguistics. Amsterdam & Philadelphia: John Benjamins B.V. Literaturverzeichnis 403 Bloomfield, Leonard (1942), Outline Guide for the Practical Study of Foreign Languages. Baltimore: Linguistic Society of America. Bogdain, Karin (1989), “Zweisprachige Erziehung in der Familie”, in: G. Kegel et al., Hg., Sprechwissenschaft und Psycholinguistik 3. Opladen: Westdeutscher Verlag, 229-255. Bohnenkamp, Hans (1975), in: Pongratz, Ludwig J., Hg., Pädagogik in Selbstdarstellungen I, 64-94. Hamburg: Felix Meiner. Bolinger, Dwight (1968, 1975 2 ), Aspects of Language. New York: Harcourt Brace Jovanovich. Bollnow, Otto Fr. (1987), Vom Geist des Übens - Eine Rückbesinnung auf elementare didaktische Erfahrungen. Durchgesehene und erweiterte Auflage. Freiburg i.B.: Herder. Böttcher, Wolfgang & Reisener, Helmut (1994), Sing Grammar. Songs - Exercises - Fun - Activities. Berlin: Cornelsen. Britton, James (1972), Language and Learning. Harmondsworth: Penguin. Brown, Christy (1973), Mein linker Fuß. Bern, München: Scherz. Brown, Roger (1973), A first language: The early stages, Cambridge: Harvard University Press. Buchner, Barbara (2001-2005), Les phrases françaises - succès garanti! 4 Bde. Wolfsburg: Niedersachsen Druck. Burgess, Anthony (1988), Little Wilson and Big God. London: Penguin Books. Burgess, Anthony (1992), A mouthful of air. Language and languages, especially English. London: Hutchinson. Burling, R. (1959), “Language Development of a Garo and English-Speaking Child”, in: C.A. Ferguson & D.I. Slobin, eds., (1973), Studies of Child language Development. New York: Holt, Rinehart and Winston. Burney, Pierre & Costandini, Paul (1969), Vers un meilleur français. Méthode bilingue, destinée à l’amélioration rapide du français écrit et parlé des élèves et étudiants grecs. Athen: Collection de l’Institut Français d’Athènes. Büttner, Hermann (1907), “Die Muttersprache im fremdsprachlichen Unterricht. Ein Beitrag zur Klärung im Methodenstreit”, Die Neueren Sprachen, XV, 577ff. Büttner, Hermann (1910), Die Muttersprache im neusprachlichen Unterricht. Marburg: Elwert. Butzkamm, Wolfgang (1973), Aufgeklärte Einsprachigkeit. Zur Entdogmatisierung der Methode im Fremdsprachenunterricht. Heidelberg: Quelle & Meyer 1978 2 . Butzkamm, Wolfgang (1974), “Das Schriftbild: Lernhilfe oder Störfaktor im fremdsprachlichen Anfangsunterricht? ”, in: Praxis des neusprachlichen Unterrichts, 31-41. Butzkamm, Wolfgang (1980), “Verbal play and pattern practice”, in: S.W. Felix, Hg., Second Language Development. Trends and Issues. Tübingen: Narr, 233-248. Butzkamm, Wolfgang (1980), Praxis und Theorie der bilingualen Methode. Heidelberg: Quelle & Meyer. 404 Literaturverzeichnis Butzkamm, Wolfgang (1985), “The use of the printed word in teaching beginners”, in: IRAL, XXIII/ 4, 315-322. Butzkamm, Wolfgang (1998), “Code-Switching in a Bilingual History Lesson: The Mother Tongue as a Conversational Lubricant”, in: International Journal of Bilingual Education and Bilingualism, 1/ 2, 81-89. Butzkamm, Wolfgang (2000), “Between drill and discourse - the generative principle and the problem of learning transfer”, in: International review of applied linguistics 38, 147-159. Butzkamm, Wolfgang (2002), Psycholinguistik des Fremdsprachenunterrichts. Natürliche Künstlichkeit: Von der Muttersprache zur Fremdsprache. 3. Auflage. Tübingen: Francke. Butzkamm, Wolfgang (2003), “We only learn language once. The role of the mother tongue in FL classrooms: death of a dogma”, in: Language Learning Journal 28, 29-39. Butzkamm, Wolfgang (2005), Der Lehrer ist unsere Chance. Wie Schüler ihren Fremdsprachenunterricht erleben. Essen: Buchverlag Prof. A.W. Geisler. Butzkamm, Wolfgang (2006), “Startschwierigkeiten mit der Fremdsprache. Über einige methodische Kunstfehler”, in: Englisch, 1/ 06, 13-17. Butzkamm, Wolfgang (2006), “Quo usque tandem - Die Einsprachigkeit in der gegenwärtigen Praxis und ihre Korrektur”, in: NM 59/ 1, 12-20. Butzkamm, Wolfgang (2006), “Playing the present progressive. Die Dialogeinführung als zentrale Lehrtechnik”, in: Praxis Fremdsprachenunterricht, 4, 14-19. Butzkamm, Wolfgang (2007), “Die Grammatik ist vergleichend, von der Muttersprache her zu betreiben! ”, in: Praxis Fremdsprachenunterricht 4, 18-22. Butzkamm, Wolfgang (2009), “The language acquisition mystique: Tried and found wanting”, in: Forum Sprache 2.2009, 83-93. Butzkamm, Wolfgang (2011), “Fremdsprachig unterrichten - wie schaffe ich das? Mit der Sandwichtechnik! ”, in: Praxis Fremdsprachenunterricht 2/ 2011, 5-8. Butzkamm, Wolfgang (2011), “Why Make Them Crawl If They Can Walk? Teaching with Mother Tongue Support“, in: RELC Journal 42/ 3, 379-391. Butzkamm, Wolfgang & Butzkamm, Jürgen (1999), Wie Kinder sprechen lernen. Kindliche Entwicklung und die Sprachlichkeit des Menschen. 3. überarbeitete Auflage 2008. Tübingen und Basel: Francke. Butzkamm, Wolfgang & Caldwell, John A.W. (2009), The bilingual reform. A paradigm shift in foreign language teaching. Tübingen: Narr. Butzkamm, Wolfgang & Dodson, C.J. (1980), “The Teaching of Communication: From Theory to Practice”, in: IRAL 4, 289-309. Butzkamm, Wolfgang & Remy, Verena (2002), “A Buddhist Story and the Art of Asking Questions”, in: Englisch Betrifft Uns, 4 (‘Xmas and the Bible’), 11-15. Caldwell, John A.W. (1990), “Analysis of the theoretical and experimental support for Carl Dodson’s bilingual method”, in: Journal of multilingual and multicultural development, 11/ 6, 459-479. Literaturverzeichnis 405 Caldwell, John & Pillar, Granville W. (1998), “The role of paralinguistics in second language learning: from theory to practice”, in: Gisela Hermann-Brennecke & Wilhelm Geisler, Hg., Zur Theorie der Praxis und Praxis der Theorie des Fremdsprachenerwerbs. Münster: LIT Verlag. (Hallenser Studien zur Anglistik und Amerikanistik, Bd. 4). Camilleri, Antoinette (1995), Bilingualism in Education. The Maltese Experiment. Heidelberg: Groos. Camus, Albert (1997), Der erste Mensch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Caravolas, Jean-Antoine (1994), La didactique des langues 1450-1700. Tübingen: Gunter Narr; Montréal: Presses de l’Université de Montréal. (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik). 2 Bde. Carlin, Eithne & Arends, Jacques (2002), Atlas of the languages of Suriname. Leiden: KITLV Press. Carroll, John B. (1966), “The Contributions of psychological theory and educational research to the teaching of foreign languages”, in: Albert Valdman, ed., Trends in Language Teaching. New York: McGraw-Hill, 93-106. Carroll, John B. (1973), “Implications of Aptitude Test Research and Psycholinguistic Theory for Foreign Language Teaching”, in: Linguistics 112, 5-15. Carroll, John B. (1975), “The teaching of French as a foreign language in eight countries”, International Studies in Evaluation V. New York: Wiley. Castner, Rochus (1961), “Einsprachigkeit als Patentlösung? ”, in: Wirtschaft und Erziehung 13, 279-283. Caxton, William (v. 1483), “Très bonne doctrine pour apprendre briefment françoys et anglois”, in: Henry Bradley, Hg. (1900), Dialogues in French and English by William Caxton, Extra Series, No. LXXIX. London: Early English Text Society. Chaudhuri, Tushar (2009), Mehrsprachigkeit und Grammatikerwerb. Tübingen: Narr. Chomsky, Noam (1970), “Diskussionsbeitrag”, in: Mark Lester, ed., Readings in applied transformational grammar. New York: Holt, Rinehart and Winston. Church, Richard (1955), Over the Bridge - an Essay in Autobiography. London: Heinemann. Clark, Eve V. (2003), First Language Acquisition. Cambridge: Cambridge University Press. Clark, Herbert H. & Clark, Eve V. (1977), Psychology and Language. New York: Harcourt Brace. Collentine, J.G. (2009), “Study abroad research: findings, implications and future directions”, in: M.H. Long & C.J. Catherine (eds.), The Handbook of Language Teaching. New York: Wiley, 218-233. Cook, Guy (2010), Translation in Language Teaching. An argument for reassessment. Oxford: Oxford University Press. Cook, Vivian (1993), Linguistics and second language acquisition. Guildford, King’s Lynn: Biddles Ltd. 406 Literaturverzeichnis Cordier, Mathurin (1556), Principia latine scribendique … tr. T.W. London (1575). Cross, David (1992), Language Teaching. A Practical Handbook. Hemel Hempstead: Prentice Hall International. Csikszentmihalyi, Mihaly (1997), Finding flow: The psychology of engagement with everyday life. New York: Basic Books. Cummins, Jim & Genesee, Fred (1985), “Bilingual Education Programmes in Wales and Canada”, in: Charles J. Dodson, ed., Bilingual Education: Evaluation, assessment and methodology. Cardiff: University of Wales Press, 37-49. Darwin, Charles (1859), On the Origin of Species. London: John Murray, Albemarle Street. Deacon, Terrence W. (1997), The symbolic species: the co-evolution of language and brain. London: Norton 1997. Decoo, Wilfried (2011), Systemization in foreign language teaching. New York: Routledge. DeKeyser, Robert M. (2000), “The robustness of critical period effects in second language acquisition”, in: Studies in Second Language Acquisition, 22, 499- 533. DESI-Konsortium (2008), Unterricht und Kompetenzerwerb in Deutsch und Englisch. Weinheim: Beltz. Diehl, Erika et al., Hg. (2000), Grammatikunterricht: Alles für der Katz? Untersuchungen zum Zweitspracherwerb Deutsch. Tübingen: Niemeyer. (Reihe Germanistische Linguistik Nr. 220). Diehr, Bärbel (2011), “Sollte Schrift im frühen Englischunterricht vermieden werden? ”, in: Take off 1/ 2011, 49. Dietrich, Gerhard (1968), Sprachtheoretische Grundlagen des neusprachlichen Unterrichts. Heidelberg: Julius Groos. Dodson, Charles Joseph (1967/ 1972 2 ), Language Teaching and the Bilingual Method. London: Pitman. Döpke, Susanne (1992), One Parent One Language: An Interactional Approach. Amsterdam/ Philadelphia: John Benjamins Publishing Company. (Studies in Bilingualism, 3). Doyé, Peter (1962), “Zur Problematik der direkten Methode”, in: Praxis des neusprachlichen Unterrichts, Jg. IX, 1, 6-14. Eckstein, Franz A. (1887), Lateinischer und griechischer Unterricht. Herausgegeben von Dr. Heinrich Heyden. Leipzig: Fues’s Verlag. Eibl-Eibesfeldt, Irenäus (1992), Und grün des Lebens goldner Baum: Erfahrungen eines Naturforschers. Köln: Kiepenheuer & Witsch. Elley, Warwick B. (1991), “Acquiring Literacy in a Second Language: The Effect of Book-Based Programs”, in: Language Learning, 41/ 3, 375-411. Ellis, Rod (1994), The study of second language acquisition. Oxford: Oxford University Press. Elston, Tony (1998), “Cereal provides a starter”, in: TES, 6th march 1998. Elman, Jeffrey L. (1993), “Learning and development in neural networks: the importance of starting small”, in: cognition 48, 71-99. Literaturverzeichnis 407 Erasmus von Rotterdam (1524), Colloquiorum liber, in: Opera omnia, Bd. 1. London (1960): Gregg Reprint, 629-913. Erasmus von Rotterdam (1947), Vertraute Gespräche. (Colloquia Familiaria), übertragen und eingeleitet von Hubert Schiel. Köln: Balduin Pick Verlag. Erasmus von Rotterdam (1963), Ausgewählte pädagogische Schriften, hg. von A.J. Gail, Paderborn. Erdmenger, Manfred (1982), “Die Rolle der Muttersprache im Fremdsprachenunterricht”, in: Die berufliche Schule 6, 360-365. Ericsson, Eie (1986), Foreign Language Teaching from the Point of View of Certain Student Activities. (Acta Universitatis Gothoburgensis 59). Ericsson, Eie (1996), Speech within Reach in Foreign Language Teaching. Göteborg: Utbildningsstaden. Ettinger, Stefan (1984), “Die Vermittlung von Sprechfertigkeit in einigen Französischlehrwerken des späten 17. Jahrhunderts und des 18. Jahrhunderts”, in: Günter Holtus & Edgar Radtke, Hg., Umgangssprache in der IBERORO- MANIA. Festschrift für Heinz Kröll. Tübingen: Gunter Narr, 415-424. van Eunen, Kees (2007), “Ein Bier und zwei Cola, bitte! Sprachstadt Deutsch - ein Simulationsspiel mit Benotungskompetenz”, in: Fremdsprache Deutsch, 34, 46-50. Ferguson, Gibson (2003), “Classroom code-switching in post-colonial contexts. Functions, attitudes and policies”, in: AILA Review, 16, 38-51. Fisher, Linda (2001), “Modern foreign languages recruitment post-16: the pupils’ perspective”, in: Language Learning Journal, 23, 33-40. Forster, Edward Morgan (1954), Aspects of the Novel. Harmondsworth: Penguin. Forster, Margaret (1995), Hidden Lives. Harmondsworth: Penguin. Friedell, Egon (1976), Kulturgeschichte der Neuzeit. 2 Bde. München: dtv. Fritsch, Andreas (1998), “Comenius und der heutige Lateinunterricht”, in: Gerhard Michel, Hg., Comenius-Jahrbuch. (Im Auftrag der Deutschen Comenius-Gesellschaft), 39-65. Frühauf, Manfred (1998), “Chinesische Sprache und interkulturelle Fragen: Auslandskurse des LSI-Sinicum”, in: Jochen Pleines, Hg., Sprachen und mehr. Globale Kommunikation als Herausforderung. Wiesbaden: Harrassowitz, 40-48. Fuhrmann, Manfred (2001), Latein und Europa: Geschichte des gelehrten Unterrichts in Deutschland: von Karl dem Großen bis Wilhelm II. Köln: Dumont. Fuller, Janet M. (2009), “How bilingual children talk: strategic codeswitching among children in dual language programs”, in: Turnbull, Miles & Jennifer Dailey-O’Cain, eds. (2009), First language use in second and foreign language learning. Bristol: Multilingual Matters, 115-130. Funiok, Rüdiger & Schöndorf, Harald, Hg. (2000), Ignatius von Loyola und die Pädagogik der Jesuiten. Ein Modell für Schule und Persönlichkeitsbildung. Donauwörth: Auer. 408 Literaturverzeichnis Ganshowe, L. & Sparks, R. (2001), “Learning difficulties and foreign language learning: A review of research and instruction”, in: Language Teaching, 34, 79-98. Genesee, Fred (1987), Learning through two languages. Studies of immersion and bilingual education. Cambridge: Newbury House Publishers. Givón, Talmy (1979), On understanding grammar. New York, San Francisco, London: Academic Press. Givón, Talmy (1989), Mind, code and context. Essays in pragmatics. Hillsdale, New Jersey: Lawrence Erlbaum Association. Goebel, Anne (2003), “Das falsche Lexikon im Kopf”, in: Max Planck Forschung, 2, 37-41. Goldschmidt, Georges-Arthur (2001), Über die Flüsse. Autobiographie. Aus dem Französischen übersetzt vom Verfasser. Zürich: Amman. Goodlad, John I. (1983), A Place Called School. Prospects for the Future. New York: McGraw-Hill Book Company. Gouin, François (1880), L’art d’enseigner et d’étudier les langues. Paris. Gopnik, Alison et al. (2001), The Scientist in the Crib. What Early Learning Tells Us About the Mind. New York: Perennial. Gower, Roger (1999), “Doing as we would be done by”, in: Modern English Teacher, 8/ 4, 7-15. Graffmann, Heinrich (1986), “Konzentratives Diktatschreiben”, in: Neues Lernen 1. Graham, Carolyn (1978), Jazz Chants. New York: OUP. Graham, Carolyn (1982), The Electric Elephant and Other Stories. New York; Oxford: University Press. Greene, Graham (1938), Brighton Rock. Harmondsworth: Penguin. Grell, Jochen (2000), “Direktes Unterrichten. Ein umstrittenes Unterrichtsmodell”, in: J. Wiechmann, Hg., Zwölf Unterrichtsmethoden. Vielfalt für die Praxis, 2. Auflage. Weinheim: Beltz, 35-49. Grimm, Hannelore (1999), Störungen der Sprachentwicklung. Göttingen: Hogrefe Verlag für Psychologie. Grimm, Wilhelm (1883), “Altdeutsche Gespräche” (Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 29. Oktober 1849), in: Kl. Schriften, Bd. 3, Berlin: Dümmler, 1883, 472-515, einzeln: Göttingen: Dietrich, 1-24. Grissemann, Hans (1984), Spätlegasthenie und funktionaler Analphabetismus: integrative Behandlung von Lese- und Rechtschreibschwächen bei Jugendlichen und Erwachsenen. Bern, Stuttgart, Toronto: Huber. Grittner, Frank M. (1969), Teaching Foreign Languages. New York: Harper & Row. Grosjean, François (1984), “Le bilinguisme: vivre avec deux langues”, in: Travaux Neuchâtelois de Linguistique, 7, 15-41. Grotjahn, Rüdiger (1998), “Ausspracheunterricht: Ausgewählte Befunde aus der Grundlagenforschung und didaktisch-methodische Implikationen”, in: ZFF, 9/ 1, 35-83. Literaturverzeichnis 409 Grotjahn, Rüdiger (2003), “Der Faktor ‘Alter’ beim Fremdsprachenlernen. Mythen, Fakten, didaktisch-methodische Implikationen”, in: Deutsch als Fremdsprache 40/ 1, 32-41. Guiness, Alec (1999/ 2000), Positively Final Appearance. London: Penguin. Günther, Henning (1996), Kritik des offenen Unterrichts. Bielefeld: Lernen für die Deutsche und Europäische Zukunft e.V. Hager Cohen, Lea (1995), Train Go Sorry: Inside a Deaf World. New York: Vintage. Halberstadt, Gerhard (1974), Das Freie Wort. Sprechtechnik - Redetechnik. Gesprächstechnik und Technik der geistigen Arbeit. Bonn: Verlag Neue Gesellschaft. Haley, Alex (1965), The Autobiography of Malcolm X. New York: Grove Press. Hallet, Wolfgang (2008), “Zwischen Sprachen und Kulturen vermitteln”, in: Der fremdsprachliche Unterricht Englisch, 93, 2-7. Hamann, Johann Georg (1967), Schriften zur Sprache. Einleitung und Anmerkungen von Josef Simon. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag (suhrkamp theorie 1). Hammerly, Hector (1989), French immersion. Myths and reality. A better classroom road to bilingualism. Calgary/ Alberta: Detselig. Hammerly, Hector (1991), Fluency and Accuracy. Toward balance in Language Teaching and learning. Clevedon u.a.: Multilingual Matters LTD. (Multilingual Matters, 73). Harley, Birgit (1992), “Aspects of the oral second language of proficiency of early immersion, late immersion, and extended French students at grade 10”, in: R.J. Courchêne/ J.I. Glidden/ J.St. John/ C. Thérien, eds., Comprehensionbased second language teaching (L’enseignement des langues secondes axés sur la compréhension). Ottawa: University of Ottawa Press, 371-381. Harley, Birgit et al., Hg. (1990), The Development of Second Language Proficiency. Cambridge, New York, Melbourne: Cambridge UP. (The Cambridge applied linguistics series). Harris, Judith Rich (1998), The nurture assumption. Why children turn out the way they do. New York: The Free Press. Hart, Betty & Risley, Todd R. (1995), Meaningful differences in the everyday experience of young American children. Baltimore: Brookes. Harvey, Paul (1985), “A lesson to be learned. Chinese approaches to language learning”, in: English Language Teaching Journal, 39, 185. Hassenstein, Bernhard (1988), Klugheit. Bausteine zu einer Naturgeschichte der Intelligenz. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt. Hawkins, Eric W. (1981), Modern Languages in the Curriculum. Cambridge: Cambridge University Press. Hawkins, Eric W. (1987), Awareness of Language: An Introduction. Cambridge: Cambridge University Press. Hawkins, Eric W. (1999), Listening to Lorca. A Journey into Language. London: Centre for Information on Language Teaching and Research (Cilt). 410 Literaturverzeichnis Heald, David (1991), Untranslatables, particles and pitfalls in German Practical Problems in the Classroom. University of Kent at Canterbury. (Norwich). UEA Papers in Linguistics 32. Helbig, Beate (2001), Das bilinguale Sachfach Geschichte. Tübingen: Stauffenburg Verlag. Helmke, Andreas & Schrader, Friedrich-Wilhelm (1998), “Entwicklung im Grundschulalter. Die Münchner Studie ‘SCHOLASTIK’”, in: Pädagogik, 6, 25-30. Helmke, A. (2003), Unterrichtsqualität: Erfassen, Bewerten, Verbessern. Velber: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung. Hentig, Hartmut von (1968), Systemzwang und Selbstbestimmung. Stuttgart: Klett. Hentig, Hartmut von (1973), Schule als Erfahrungsraum? Eine Übung im Konkretisieren einer pädagogischen Idee. Stuttgart: Klett. Hentig, Hartmut von (1979), “Die Fremdsprache als Anlass für Menschenbildung. I. Teil”, Neue Sammlung, 3, 248-272. Hentig, Hartmut von (1998), Kreativität. Hohe Erwartungen an einen schwachen Begriff. München/ Wien: Hanser. Hentschel, Elke (2009), “Translation as an inevitable part of foreign language acquisition”, in: Arnd Witte et al., Hg., Translation in second language learning and teaching. Bern: Peter Lang, 15-30. Herdan-Zuckmayer, Alice (1979), Genies sind im Lehrplan nicht vorgesehen. Frankfurt a.M.: S. Fischer. Herder, Johann Gottfried (1769), Sämtliche Werke IV. Herausgegeben von Bernard Suphan (1967). Hildesheim: Olms. Hermann-Brennecke, Gisela (1998), “Gedankensprache und Sprachreflexion: Ein Annäherungsversuch”, in: Gisela Hermann-Brennecke & Wilhelm Geisler, Hg., Zur Theorie und Praxis & Praxis der Theorie des Fremdsprachenerwerbs. Münster: LIT Verlag, 187-201. (Hallenser Studien zur Anglistik und Amerikanistik; Band 4). Hermann-Brennecke, Gisela & Candelier, Michel (1992), “Wahl und Abwahl von Fremdsprachen: Deutsche und französische Schüler und Schülerinnen im Vergleich”, in: Die neueren Sprachen. Fremdsprachen im europäischen Haus, 91, 4/ 5, 416-434. Hermes, Liesel & Klippel, Friederike, Hg. (2003), Früher oder später? Englisch in der Grundschule und Bilingualer Sachfachunterricht. Berlin und München: Langenscheidt. (Münchener Arbeiten zur Fremdsprachenforschung; Band 8). Hermes, Ursula (1991), “Unterrichtsfreiräume und Kreativität”, in: Praxis des neusprachlichen Unterrichts, 38/ 1, 37-42. Hessler, Peter (2006), River Town. Two Years on the Yangtze. New York: Harper. Heuer, Helmut (1967), “Die angelsächsische ‘Formale Debatte’ als unterrichtsmethodischer Aspekt der politischen Bildung”, in: Gesellschaft-Staat-Erziehung 12/ 1. Heuer, Helmut & Klippel, Friederike (1987), Englischmethodik. Problemfelder, Unterrichtswirklichkeit und Handlungsempfehlungen. Berlin: CVK. Literaturverzeichnis 411 Heuss, Theodor (1964), Vorspiele des Lebens. Jugenderinnerungen. Tübingen: Rainer Wunderlich Verlag. Hitchens, Christopher (2010), Hitch 22. A Memoir. New York: Twelve. Hitt, Russell T. (1962), Cannibal Valley: The Heroic Struggle for Christ in Savage New Guinea. New York: Harper & Row. Holyband, Claude (1566), The French Littelton, A most easie […]. London. Hörmann, Hans (1976), Meinen und Verstehen. Grundzüge einer psychologischen Semantik. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Hughes, John P. (1968), Linguistics and Language Teaching. New York: Random House. Hüllen, Werner (2000), “Alle Sprachen nebeneinander. Die Anfänge des Fremdsprachenunterrichts in Europa (1450-1700)”, in: Zagreber Germanistische Beiträge 9, 177-192. Humboldt, Wilhelm von (1908ff.), Gesammelte Schriften. Herausgegeben von Albert Leitzmann et al., 17 Bde., Akademieausgabe Berlin: B. Behrs Verlag. Humboldt, Wilhelm von, “Schriften zur Sprachphilosophie. Bd. 3”, in: Andreas Flitner & Klaus Giel, Hg. (1963), Humboldts Werke in fünf Bänden. Stuttgart: Cotta’sche Buchhandlung. Hüsch, Hanns Dieter (1992), Du kommst auch drin vor. Gedankengänge eines fahrenden Poeten. München: Kindler. Jaffke, Christoph (1994), Fremdsprachenunterricht auf der Primarstufe: Seine Begründung und Praxis in der Waldorfpädagogik. Weinheim: Deutscher Studienverlag. James, Carl (1972), “Zur Rechtfertigung der kontrastiven Linguistik”, in: G. Nickel, Hg., Reader zur kontrastiven Linguistik. Frankfurt a.M.: Fischer/ Athenäum. Jaynes, Julian (1976), The origin of consciousness in the breakdown of the bicameral mind. Boston: Houghton Mifflin. Jelic, Vlado (2012), Das Theater mit dem Englischbuch. Systematische Förderung mündlicher Kompetenzen mit dramapädagogischen Lehrverfahren. Aachen, Phil Diss. Jespersen, Otto (1904/ 1967), How to Teach a Foreign Language. London: George Allen & Unwin LTD. Jespersen, Otto (1922), Language: its Nature, Development and Origin. London: Allen & Unwin; New York: Henry Holt & Co. Ji, Yuhua (2002), “English through Chinese: Experimenting with sandwich stories”, English Today, 18/ 1, 37-46. Johnstone, Richard (2002), “Research on language teaching and learning: 2001”, in: Language Teaching, 35, 157-181. Kade-Luthra, Veena (2000), “Denken Sie an das deutsche Zauberwort. Danke für alles: Eine Sprachlektion für unsere indischen Gäste”, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 126 (31.05.2000), 60. Kahl, Peter W. (1999), “Miss Grube und der etwas andere Englischunterricht”, in: Englisch 34/ 4, 140f. Karpf, Annemarie (1990), Selbstorganisationsprozesse in der sprachlichen Ontogenese: Erst- und Fremdsprache(n). Tübingen: Narr. 412 Literaturverzeichnis Keller, Helen (1904), Die Geschichte meines Lebens. Stuttgart: Verlag von Robert Lutz. Kelly, Louis G. (1969), 25 centuries of language teaching, Rowley/ Mass.: Newbury House. Kelly, Louis G. (2002), “Humanist Latin Teaching and the Roman Orator”, in: Werner Hüllen & Frederike Klippel, Hg., Heilige und profane Sprachen. Die Anfänge des Fremdsprachenunterrichts im westlichen Europa. (Holy and profane Languages. The Beginning of Foreign Language Teaching in Western Europe). Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 111-127. (Wolfenbütteler Forschungen, 98). Kerr, Judith (1983), When Hitler Stole Pink Rabbit. London: Collins. Kerstan, Thomas (2008), “No Murks, please. Stoppt den Fremdsprachenunterricht an Grundschulen”, in: DIE ZEIT 17.12.2008 Kielhöfer, Bernd (2001), “Spracherwerb”, in: Günter Holtus et al., Hg., Lexikon der romanistischen Linguistik. Bd. I,2. Tübingen: Niemeyer, 43-63. Kieweg, Werner (2003), “Das Paralleltextverfahren als Testformat zur Einschätzung der grammatischen und lexikalischen Kompetenz”, in: Der fremdsprachliche Unterricht Englisch, 64/ 65, 84-85. Kind, Uwe (1980), Tune in to English. New Jersey: Prentice Hall. Kirstein, Boni (1972), “Reducing Negative Transfer: Two Suggestions for the Use of Translation”, in: Modern Language Journal, 61/ 2, 73-78. Klein, Horst G. & Stegmann, Tilbert D. (2000), EuroComRom - die sieben Siebe. Romanische Sprachen sofort lesen können. Aachen: Shaker Verlag. Klein-Gunnewiek, Lisanne (2000), Sequenzen und Konsequenzen. Zur Entwicklung niederländischer Lerner im Deutschen als Fremdsprache. Amsterdam: Editions Rodopie. (Deutsch: Studien zum Sprachunterricht und zur Interkulturellen Didaktik, 4). Kleinschroth, Robert (1992), Sprachen lernen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Kleinschroth, Robert (2000), Sprachen lernen. Der Schlüssel zur richtigen Technik. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Tb. Klippel, Friederike (1994), Englischlernen im 18. und 19. Jahrhundert. Die Geschichte der Lehrbücher und Unterrichtsmethoden. Münster: Nodus. Klippel, Friederike/ Preedy, Ingrid/ Gardner, Marjory (2002), Have you seen my cat? Berlin: Langenscheidt-Longman. Klüger, Ruth (1995), Weiter leben. Eine Jugend. München: Deutscher Taschenbuch Verlag. Köller, O., Knigge, M. & Tesch, B., Hg. (2010), Sprachliche Kompetenzen im Ländervergleich. Münster: Waxmann Verlag. König, René (1980), Leben im Widerspruch. München: Hanser. Krashen, Stephen D. (1992), “Comprehensible Input and Some Competing Hypotheses”, in: R.J. Courchêne et al., Comprehension-based second language teaching/ L’enseignement des langues secondes axé sur la compréhension. Ottawa: University of Ottawa Press, 19-39. Krashen, Stephen D. (1993), The Power of Reading. Englewood, Co: Libraries Unlimited. Literaturverzeichnis 413 Küppers, Almut/ Schmidt, Torben/ Walter, Maik, Hg. (2011), Inszenierungen im Fremdsprachenunterricht. Braunschweig: Bildungshaus Schulbuchverlage. Kuhl, Patricia K. (1991), “Human Adults and Human Infants Show a ‘Perceptual Magnet Effect’ for the Prototypes of Speech Categories, Monkeys do not,” in: Perception and Psychophysics 50, 93-107. Kuhl, Patricia K. (2000), A new view of language acquisition, in: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) 97/ 22, 11850-11857. Kurtz, Jürgen (2001), Improvisierendes Sprechen im Fremdsprachenunterricht. Eine Untersuchung zur Entwicklung spontansprachlicher Handlungskompetenz in der Zielsprache. Tübingen: Narr. La Roche, Madame (1727), Nouvelle Méthode pour traiter la Grammaire Françoise. Leipzig: Lanckisch. Laing, Ronald D. (1982), Conversations with children. Harmondsworth: Penguin. Lambert, Wallace E. & Tucker, G. Richard (1972), Bilingual Education of Children. The St. Lambert Experiment. Rowley: Newbury House. Lambley, Kathleen (1920), The Teaching and Cultivation of the French Language in England during Tudor and Stuart Times. Manchester: University Press, Longmans, Green & Co. Lansburgh, Werner (1981 2 ), Wiedersehen mit Doosie. Meet your lover to brush up your English. München: Nymphenburger Verlag. Leman, Günter (2000), “Leserbrief”, in: Deutsch Lehren und Lernen, 22, 24-25. Leonhardi, Arnold (1956a), “Das Ende der zweisprachigen Vokabelgleichung”, in: Praxis 1/ 56, 1-6. Leonhardi, Arnold (1956b), “Von der Sprechübung zur Einsprachigkeit”, in: Praxis 2/ 56, 33-38. Levin, Lennart (1972), Comparative Studies in Foreign-Language Teaching. The Gume Project. Stockholm: Almqvist & Wiksell. Levine, G. (2011), Code Choice in the Language Classroom. Bristol: Multilingual Matters. Lewis, Michael (1993), The lexical approach. The state of ELT and a way forward. Hove: Language Teaching Publications. Lightbown, Patsy & Spada, Nina (1993), How Languages are learned. Oxford: University Press. (Oxford Handbooks for Language Teachers). Linde, Heinz van de (1983), “Handpuppen im Englischunterricht: ‘Lord Snuff’ - Diener seines Herrn”, in: Englisch, 18, 136. Lindner, Gustav (1898), Aus dem Naturgarten der Kindersprache. Leipzig: Th. Grieben Verlag. Linnartz, Bruno (1989), Jenseits der Sprachzäune. Erfahrungen beim Lehren und Lernen fremder Sprachen. Tübingen: Gunter Narr. (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik). Loughrin-Sacco, S. (1992), “More than meets the eye: An ethnography of an elementary French class”, in: Canadian Modern Language Review 49, 80-101. Lübke, Diethard (1971), “Die Rolle der Muttersprache beim Vokabellernen”, in: Die Neueren Sprachen, 4, 169-177ff. 414 Literaturverzeichnis Macedonia, Manuela, Müller, Karsten & Friederici, Angela D. “Symbolic Gestures enhance Foreign Language Vocabulary Learning.” Online 2010: http: / / www.macedonia.at/ Images/ Macedonia_Vocabulary_learning_%202008.pdf. Macht, Konrad (1986), Methodengeschichte des Englischunterrichts. Bd. 1: 1800-1880. Bd. 2: 1880-1960 (1987). Augsburg: Universitätsverlag. (Augsburger I&I Schriften, Bd. 35), 39. Macaro, Ernesto (2009), “Teacher Use of Codeswitching in the Second Language Classroom: Exploring ‘Optimal’ Use”, in: M. Turnbull & J. Dailey-O’Cain (eds.), First Language Use in Second and Foreign Language Learning. Bristol: Multilingual Matters, 35-49. Macnamara, John (1976), “Comparison between first and second language learning”, in: Die Neueren Sprachen, 75, 175-188. McClelland, J.L., Thomas, A., McCandliss, B.D. & Fiez, J.A. (1999), “Understanding failures of learning: Hebbian learning, competition for representational space, and some preliminary experimental data”, in: Progress in Brain Research, 121, 75-80. McGurk, H., MacDonald, J. (1976), “Hearing Lips and seeing voices”, in: Nature, 264, 746-748. Maess, Burkhard/ Koelsch, Stefan/ Gunter, Thomas C./ Friederici, Angela D. (2001), “Musical syntax is processed in Broca’s area: an MEG study”, in: Nature neuroscience, 4/ 5, 540-545. Mahlmann, Friedrich (1997), Pestalozzis Erben (5. Aufl.), Heidelberg: Wolf Schwartz Verlag. Malmkjær, K., ed. (1998), Translation & language teaching: language teaching & translation. Manchester, U.K.: St. Jerome Pub. Marchman, Virginia A. & Elizabeth Bates (1994), “Continuity in lexical and morphological development: a test of the critical mass hypothesis”, in: Journal of Child Language, 21, 339-366. Martin, Richard & Koch, Petra (2000), The Strongest of them All. Tales and Music for Young Learners. (Video, CD, Lehrerheft). Berlin: Cornelsen. Maugham, William Somerset (1963), The Summing Up. Harmondsworth: Penguin. Mead, Margaret (1972), Blackberry Winter. New York: Washington Square Press. Meijer, Tjeerd (1974), De globaal-bilinguale en de visualiserende procedure voor de betekenisoverdracht. Een vergelijkend methodologisch onderzoek op het gebied van het aanvangsonderwijs frans (Academisch Proefschrift). Amsterdam: Vrije Universiteit te Amsterdam. Meißner, Franz-Josef (2000), “Orientierung für die Wortschatzarbeit”, in: Französisch heute, 31. Jg., H. 1, 6-24. MELT. Mediengestütztes Englischlehrer-Training. (2 DVDs) Ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Aachen, Rostock und München (2004). Meurier, Gabriel (1564), La guirlande des jeunes filles. Anvers: Jan van Waesberghe. Miller, George A. (1993), Wörter. Streifzüge durch die Psycholinguistik. Heidelberg: Spektrum Verlag. Literaturverzeichnis 415 Mitchell, Rosamond (1988), Communicative Language Teaching in Practice. London: CILT. Morgen, Daniel (1999), “Les formations aux enseignements bilingues à l’IUFM d’Alsace. Recherches et prospectives dans un cadre national, transfrontalier et international”, in: René Métrich et al., éd., Des Racines et des Ailes. Théories, modèles, expériences en linguistique et didactique. Richardménil: Nouveaux Cahiers d’Allemand, 389-423. Mortimer, John (1983), Clinging to the Wreckage. A Part of Life. Harmondsworth: Penguin. Moskovitz, Gertrude (1978), Caring and sharing in the foreign language class. A sourcebook on humanistic techniques. Rowley/ Mass.: Newbury House. Motluk, Alison (2002), “You are what you speak”, in: New Scientist, 30 November, 34-38. Moulton, Harold K. (1971), “Translation Work”, in: Stephen Neill et al., A Concise Dictionary of the Christian World Mission. New York: Abingdon. Müller, Richard M. (1985), “Spracherwerb als Prozess der (stufenweise) erweiterten Verfügbarkeit von Regelungen”, in: Jürgen Donnerstag, Annelie Knapp- Potthoff, Hg., Kongressdokumentation der 10. Arbeitstagung der Fremdsprachendidaktiker. Aachen, Tübingen: Narr, 66-68. Müller, Richard M. (1989), “Fremdsprachenlehrer als Trainer - oder: Was heißt ‘eine grammatische Regelung haben? ’”, in: Praxis des neusprachlichen Unterrichts, 15-21. Müller, Richard M. (2003), “Probleme des Fortschritts in der Fremdsprachendidaktik”, in: Liesel Hermes & Friederike Klippel, Hg., Früher oder später? Englisch in der Grundschule und Bilingualer Sachfachunterricht. Berlin und München: Langenscheidt, 7-20. (Münchener Arbeiten zur Fremdsprachenforschung; Band 8). Müller, Richard M. (2007), Wissenschaft und Common sense: Einführung in die Fremdsprachendidaktik und Aufsätze 1970-2004. Frankfurt a.M.: Peter Lang. Muñoz, Carmen, ed. (2006), Age and the rate of foreign language learning. Clevedon: Multilingual Matters. Nabokov, Vladimir (1967), Speak Memory. An Autobiography Revisited. London: Weidenfeld and Nicolson. Nachersberg, Johann Heinrich Ernst (1800), Englisches Formelbuch, oder praktische Anleitung, auf eine leichte Art Englisch sprechen und schreiben zu lernen. Breslau: Johann Friedrich Korn. Neuweiler, Gerhard (2003), Vergleichende Tierphysiologie 1. Berlin: Springer. Newmark, Leonard & Reibel, David A. (1968), “Necessity and Sufficiency in Language Learning”, in: IRAL, VI, 2, 145-161. Nickel, Rainer (1999), “Synoptisches Lesen. Zu Bedingungen und Möglichkeiten im Lateinunterricht”, in: Friedrich Maier, Hg., Latein auf neuen Wegen. Alternative Formen des Unterrichts. Bamberg: C.C. Buchner, 143-161. (Auxilia, 44). 416 Literaturverzeichnis Noelle-Neumann, Elisabeth (1999), “Ein freiheitliches Wirtschaftssystem macht die Gesellschaft glücklicher. Gleichheit macht passiv und freudloser”, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 256, 3. Februar, “Wirtschaft”. Nordhofen, Eckhard (1998), Die Mädchen, der Lehrer und der liebe Gott. Stuttgart: Philipp Reclam Verlag. O’Neill, Robert (1998), “The Myth of the Silent Teacher”, in: Praxis des neusprachlichen Unterrichts, 4, 369-375. O’Sullivan, Emer & Rösler, Dietmar (1986), Mensch, be careful! Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. (Reihe Rotfuchs, 417). Offenburger, Linda (1992), “Dilemmas”, in: Englisch betrifft uns, 4, 1-5. Oller, John W. (1979), Language Tests at School. A Pragmatic Approach. London: Longman. (Applied Linguistics and Language Study). Orths, Markus (2003), Lehrerzimmer. Frankfurt a.M.: Schöffling & Co. Orwell, G. (1953), England, Your England and Other Essays. London: Secker and Warburg. Osman, Alice & McConochie, Jean (1979), If You Feel Like Singing. American Folksongs and Accompanying Activities for Students of English. New York: Longman. Otliker, Johann G. (1702), Sprachbüchlein in Frantz. Und Teusch. Nürnberg. Palmer, Harold E. (1917/ 1968), The Scientific Study and Teaching of languages, London: Harrap. (Republished 1968, edited by D. Harper. Oxford: OUP). Palmer, Harold E. (1921/ 1965), The Oral Method of Teaching Languages. Cambridge: Heffer. Palmer, Harold E. (1922/ 1964), The Principles of Language Study. London: Oxford University Press. Palmer, Harold E. & Palmer, D. (1925/ 1959), English Through Actions. London: Longmans. Palmer, Harold E. & Redman, Vere H. (1969), This Language-Learning Business. London: Oxford University Press. (Language and Language Learning, 22). Papousek, Hanus & Papousek, Mechthild (1979), “Lernen im ersten Lebensjahr”, in: Leo Montada, Hg., Brennpunkte der Entwicklungpsychologie. Stuttgart: Kohlhammer, 194-212. Paulsen, Friedrich (1919), Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart: mit besonderer Rücksicht auf den klassischen Unterricht. Dritte, erweiterte Auflage, hrsg. R. Lehmann. Bd. 1. Leipzig: Veit. Bd. 2: Berlin und Leipzig (1921). Peltzer-Karpf, Annemarie (1994), Spracherwerb bei hörenden, sehenden, hörgeschädigten, gehörlosen und blinden Kindern. Tübingen: Narr. Peltzer-Karpf, Annemarie (2003), “The Role of Neural Plasticity in Foreign Language Learning”, in: J. Ahrens et al., eds., European Language Conference. Heidelberg: C. Winter, forthcoming. Peltzer-Karpf, Annemarie & Zangl, Renate (1998), Die Dynamik des frühen Fremdsprachenerwerbs. Tübingen: Narr. Pennac, Daniel (2007), Chagrin d’école. Paris: Gallimard. Literaturverzeichnis 417 Percy, Walker (1954), The Message in the Bottle. New York: Farrar, Straus, and Giroux. Peters, Ann M. (1983), The Units of Language Acquisition. Cambridge: University Press. (Cambridge Monographs and Texts in Applied Linguistics). Petit, Jean (1995), “Struktur und Chaos in natürlichen Sprachen. Konsequenzen für den Erwerb”, in: René Métrich und Marcel Vuillaume, Hg., Rand & Band, Abgrenzung und Verknüpfung als Grundtendenzen des Deutschen, Festschrift für Eugène Faucher zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr 101-113. (Reihe Eurogermanistik, 7). Petit, Jean (2002), “Acquisition Strategies of German in Alsatian Immersion Classrooms”, in: Petra Burmeister et al., eds., An Integrated View of Language Development. Trier: Wissenschaftlicher Verlag, 433-448. Pfau, J.A. (1844), Der Sprachunterricht nach Hamilton und Jacotot für Lehrer an Gymnasien und Realschulen dargestellt. Quedlinburg: L.L. Franke. Pienemann, Manfred (2002), “Unanalysierte Einheiten und Sprachverarbeitung im Zweitsprachenerwerb”, in: Zeitschrift für Angewandte Linguistik, 37, 3-27. Pinker, Steven (1994), The Language Instinct. New York: William Morrow and Company. Pinker, Steven (1997), How the mind works. New York: W.W. Norton. Pinker, Steven (2002), The blank slate. The modern denial of human nature. New York: Viking Penguin. Plessner, Helmuth (1983), Gesammelte Schriften VIII. Conditio humana. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Plum, Anke (2007), Der kommunikative Ansatz im Deutschunterricht an englischen Sekundarschulen unter dem Druck zentraler Prüfungen. Bericht über eine Bildungskatastrophe. Aachen: Shaker. Ploiche, Pierre du (1553), A treatise in englishe and frenche righte necessarie and profitable for al yonge children […]. London: Rychard Grafton. Politzer, Robert L. (1965a), Teaching French. An Introduction to Applied Linguistics. Waltham. Politzer, Robert L. (1965b), Foreign Language Learning. A Linguistic Introduction. Englewood Cliffs. Politzer, Robert L. (1980), “Foreign-language teaching and bilingual education: research implications”, in: Foreign Language Annals, 13/ 4, 291-97. Preibusch, Wolfgang & Zander, Heinz (1971), “Wortschatzvermittlung: auf der Suche nach einem analytischen Modell”, in: IRAL, 9/ 2, 131-145. Prendergast, Thomas (1864), The Mastery of Languages; or, the Art of Speaking Foreign Tongues Idiomatically. London: Richard Bentley, New Burlington Street. Price, Eurwen (1968), “Early Bilingualism”, in: Charles J. Dodson et al., Towards Bilingualism. Studies in Language Teaching Methods. Cardiff: University of Wales Press, 17-77. Priestley, John B. (1962), Margin Released. A Writer’s Reminiscences and Reflections. London, Melbourne, Toronto: Heinemann Educational. 418 Literaturverzeichnis Probyn, Margaret (2001), “Teacher’s voices: Teacher’s reflections on learning and teaching through the medium of English as an Additional Language in South Africa”, in: International Journal of Bilingual Education and Bilingualism, 4/ 4, 249-266. Puren, Christian (1988), Histoire des méthodologies de l’enseignement des langues. Paris: Cle International. (Didactique des Langues Étrangères). Puren, Christian (1993), La didactique des langues étrangères á la croisée des méthodes. Essai sur l’éclectisme. Fontenay/ Saint-Cloud: Crédif, Didier. (essais). Rampillon, Ute (1996), Lerntechniken im Fremdsprachenunterricht. Ismaning: Max Hueber Verlag. Reich-Ranicki, Marcel (1999), Mein Leben. München: dtv. Rhys, Jean (1981), Smile Please. An Unfinished Autobiography. Harmondsworth: Penguin. Richards, Jack C. (1984), “The secret life of methods”, in: TESOL Quarterly, 18, 7-23. Rinvolucri, Mario (1990), “Translation as Part of Learning a Language”, in: Practical English Teaching, 10/ 4, 26-27. Rohrer, Josef (1989), Die Rolle des Gedächtnisses beim Sprachenlernen. Bochum: Kamp. Rück, Heribert (1998), “Fremdsprachenfrüherwerb: Positionen, Probleme, Perspektiven”, in: U.O. Jung, Hg., Praktische Handreichung für Fremdsprachenlehrer. Frankfurt a.M.: Lang, 30-37. Rück, Heribert (1998), “Eine neue Sprache lernen - wie geht das? Bekenntnisse eines romanistischen Russischlerners”, in: Praxis der neusprachlichen Unterrichts, 4, 339-349. Rutter, Michael/ Maughan, Barbara/ Mortimer, Peter (1980), Fünfzehntausend Stunden. Schulen und ihre Wirkung auf die Kinder. Weinheim: Beltz. Rymer, Russ (1993), Genie - A Scientific Tragedy. Harmondsworth: Penguin. Saint-Exupéry, Antoine de (1946), Le petit prince. Paris: Gallimard. Sambanis, Michaela (2007): Sprache aus Handeln. Englisch und Französisch in der Grundschule. Landau: VEP (LSKK, Band 14). [Habilitationsschrift] Sambanis, Michaela & Speck, Alexandra (2010), “Lernen in Bewegung: Effekte bewegungsgestützter Wortschatzarbeit auf der Primarstufe”, in: Französisch heute 41, 111-115. Saunders, George (1988), Bilingual children: from birth to teens. Clevedon, Philadelphia: Multilingual Matters LTD. Saville-Troike, Muriel (1985), “Cultural input in second language learning”, in: S.M. Gass & C.G. Madden, Hg., Input in second language aquisition. Cambridge: Newbury House Publishers. Schachter, Jacqueline (1984), “A universal input condition”, in: W. Rutherford, ed., Universals and second language acquisition. Amsterdam: John Benjamins, 167-183. Schäfer, Werner (2003), “Unterrichten ohne Lehrbuch? Einige unzeitgemäße Bemerkungen”, in: Praxis, 50/ 3, 305-311. Literaturverzeichnis 419 Schanz-Hering, Brigitte & Hering, Wolfgang (1987), Jump down, turn around. Action songs for English. Berlin: Cornelsen. Schiffler, Ludger (2002), Fremdsprachen effektiver lehren und lernen. Donauwörth: Auer Verlag. Schiffler, Ludger (2012), Effektiver Fremdsprachenunterricht. Bewegung - Visualisierung - Entspannung. Tübingen: Narr. Schlieben-Lange, Brigitte (1999), “Einleitung”, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, 29/ 116, 5-8. Schliemann, Heinrich (2001), Selbstbiographie. Stuttgart: Mayer. (Text nach der ersten Ausgabe Leipzig 1892) Schlosser, Franz (1998), “Singen im Englischunterricht der Mittelstufe - why not? (mit Praxis-Arbeitsblatt)”, in: Praxis des neusprachlichen Unterrichts, 45/ 2, 155-157. Schmid-Schönbein, Gisela (2001), Didaktik: Grundschulenglisch. Berlin: Cornelsen. (studium kompakt Anglistik/ Amerikanistik). Schmid-Schönbein, Gisela (2008), Didaktik und Methodik für den Englischunterricht. Berlin: Cornelsen Schmidt, Isolde (2003), Shakespeare in the classroom - torture or pleasure? Phil. Diss. Erlangen-Nürnberg. Schmidt, Paul (1954), Sprachen lernen - warum und wie? Bonn: Athenäum Verlag. Schneider, Wolf (1976), Wörter machen Leute. Magie und Macht der Sprache. München: Piper. Schönpflug, Wolfgang und Ute (1997 4 ), Allgemeine Psychologie und ihre Verzweigungen. Weinheim: Beltz Schopenhauer, Johanna (1922), Jugendleben und Wanderbilder. Danzig: Danziger Verlagsgesellschaft. Schubel, Friedrich (1963 3 ), Methodik des Englischunterrichts für höhere Schulen. Frankfurt a.M.: Diesterweg. Schulzinger, Robert D. (1989), Henry Kissinger: doctor of diplomacy. New York: Columbia Univ. Pr. Schwab, Götz (2000), “Zur Situation des Englischunterrichts. Anmerkungen eines jungen Fachlehrers”, in: Praxis des neusprachlichen Unterrichts, 47/ 3, 302-308. Scupin, Ernst & Scupin, Gertrud (1910), Bubi im vierten bis sechsten Lebensjahr. Ein Tagebuch über die geistige Entwicklung eines Knaben während der ersten sechs Lebensjahre. Band 2. Leipzig: Th. Griebens Verlag. Segermann, Krista (2000), “Eine neue Lehrwerkkonzeption: Lehrbuch für Lehrer - Lernmaterialien für Schüler”, in: Praxis 47/ 4, 339-348. Sheen, Ron (2005), “Focus on forms as a means of improving accurate oral production”, in: Housen, A. & M. Pierrard, eds., Investigations in instructed second language acquisition. New York: Mouton de Gruyter, 271-310. Siebold, Jörg (2000), “‘Brevity Is the Soul of Wit, and a Mini-Saga Is the Soul of Brevity.’ Kommunikative und kreativ-sprachbezogene Unterrichtsaktivitäten”, in: EBU 4, 15-20. 420 Literaturverzeichnis Siebold, Jörg, Hg. (2004), Let’s talk: Lehrtechniken. Berlin: Cornelsen. Silbermann, Charles E. (1971), Crisis in the Classroom. The Remaking of American Education. New York: Random House. Sinclair, John (1990), “Method and Madness”, in: Verner Bickley, ed., Language use, language teaching and the curriculum. Hong Kong: Institute of Language in Education, Education Department, 231-240. Singleton, David (1989), Language acquisition: the age factor. Clevedon: Multilingual Matters Ltd. Skehan, Peter (1989), Individual differences in second-language learning. London: Edward Arnold. Sloane, Paul & MacHale, Des (1994), Great Lateral Thinking Puzzles. New York: Sterling Publishing Co., Inc. Smith, Richard C. (1999), The Writings of Harold E. Palmer. An Overview. 2nd edition. Tokyo: Hon-no-Tomosha. Solmecke, Gert (1998), “Aufgabenstellungen und Handlungsanweisungen im Englischunterricht. Äußerst wichtig - wenig beachtet”, in: Praxis des neusprachlichen Unterrichts, 45/ 1, 32-44. Solmecke, Gert (2000), “Verständigungsprobleme im Englischunterricht”, in: Henning Düwell/ Claus Gnutzmann/ Frank G. Königs, Hg., Dimensionen der Didaktischen Grammatik. Festschrift für Günther Zimmermann zum 65. Geburtstag. Bochum: AKS-Verlag, 305-326. (Fremdsprachen in Lehre und Forschung 26). Sparks, Muriel (1961), The Prime of Miss Jean Brodie. New York: Dell Publications. Spiel, Hilde (1989), Die hellen und die finsteren Zeiten. Erinnerungen. München: List. Spitzer, Manfred (2002), Musik im Kopf: hören, musizieren, verstehen und erleben im neuronalen Netzwerk. Stuttgart u.a.: Schattauer. Spitzer, Manfred (2004), Selbstbestimmen. Gehirnforschung und die Frage: Was sollen wir tun? Heidelberg, Berlin: Spektrum Akademischer Verlag. Spitzer, Manfred (2010), Medizin für die Bildung. Heidelberg: Spektrum. Standop, Ewald (1971), “Die Rolle der Sprachwissenschaft in einem Fremdspracheninstitut”, in: E. Standop & Klaus Vogel, Hg., Sprachlehrinstitute - Modelle und Maßnahmen. Hamburg: AHD. Aliusque Idem (= Ewald Standop) (1986), Mister Knickerbocker und die Grammatik - oder warum der Sprachunterricht nicht umkehrt. Eine moderne Streitschrift. München: Hueber (Forum Sprache). Stecher, Hugo (1963), “Retrovertieren? - Retrovertieren! ”, in: Forum Praxis, 2, 109-112. Stern, Clara & Stern, William (1900-1918), Die Tagebücher (elektronische Abschrift der unveröffentlichten Tagebücher aus dem Nachlass). Nijmegen: Max-Planck-Institut. Stern, Hans H. (1992), Issues and Options in Language Teaching. Oxford: Oxford University Press. Stevick, Earl W. (1976), Memory, meaning and method, Rowley/ Massachusetts: Newbury House. Literaturverzeichnis 421 Strauss, Georg (1973), Schon sagenhaft. Zürich: Classen. Streuber, Albert (1914), Beiträge zur Geschichte des französischen Unterrichts im 16.-18. Jhd., I. Teil, Berlin. (Eherings Romanische Studien). Streuber, Albert (1914), “Die Methode des französischen Unterrichts im 16. bis 18. Jahrhundert, mit besonderer Berücksichtigung der Konversation”, in: Die Neueren Sprachen, 448-461; 579-596. Swain, Merrill (1985), “Communicative competence: Some roles of comprehensible input and comprehensible output in its development”, in: Susan M. Gass & Carolyn G. Madden, eds., Input in Second Language Acquisiton. Cambridge: Newbury House Publishers, 235-253. Swan, Michael (2005), “Legislation by hypothesis: The case of task-based instruction”, in: Applied Linguistics 26/ 3, 376-401. Sweet, Henry (1899/ 1964), The Practical Study of Languages. London: OUP. Taeschner, Traute (1983), The sun is feminine. A study on language acquisition in bilingual children. Berlin: Springer. Thiering, Christian (1996), Englischunterricht vom Menschen aus: Kreativität und Persönlichkeitsentwicklung im Lernprozess. Neuried: Ars Una. Thornton, Karen (1999), “Teenage boys lost in French. Male pupils are losing the plot in foreign language lessons which they do not consider to be very important”, in: TES (october 8), 11. Timm, Johannes-Peter (2003), “Schüleräußerungen und Lehrerfeedback im Unterrichtsgespräch”, in: Gerhard Bach & Johannes-Peter Timm, Hg., Englischunterricht. Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. 3. vollständig überarbeitete und verbesserte Auflage. Tübingen und Basel: Francke, 197-224. Tinbergen, Nico & Tinbergen, Elisabeth (1984), Autismus bei Kindern: Fortschritte im Verständnis und neue Heilbehandlungen lassen hoffen. Berlin, Hamburg: Verlag Paul Parey. Tomasello, Michael (2003), Constructing a Language. A usage-based theory of language acquisition. Cambridge: Harvard University Press. Toth, Erwin (1973), “Das Problem der Kontrastivität im Englischunterricht”, in: Zielsprache Englisch, 2, 9-15. Tracy, Rosemarie (1996), “Vom Ganzen und seinen Teilen. Überlegungen zum doppelten Spracherwerb”, Sonderheft Sprache und Kognition 15, Heft 1-2, 70-92. Trosborg, Anna (1987), “Apology Strategies in Natives/ Non-Natives”, in: Journal of Pragmatics, 11, 147-167. Trotski, Leon (1930), My life. New York: Charles Schribner’s Sons. Tudor, Ian (1987), “Using Translation in ESP”, in: English Language Teaching Journal, 41, 268-273. Turnbull, Miles/ Lapkin, Sharon/ Hart, Doug/ Swain, Merrill (1998), “Time on Task and Immersion Graduates’ French Proficiency”, in: Sharon Lapkin, ed., French Second Language Education in Canada: Empirical Studies. Toronto: University Press, 31-56. 422 Literaturverzeichnis Turnbull, Miles & Jennifer Dailey-O’Cain, eds. (2009) First language use in second and foreign language learning. Bristol: Multilingual Matters. Turnbull, M. & J. Dailey-O’Cain (2009). Concluding Reflections: Moving Forward, in: M. Turnbull & J. Dailey-O’Cain, eds., First Language Use in Second and Foreign Language Learning. Bristol: Multilingual Matters, 182-207. Uhde-Bernays, Hermann (1986), “Mein Wilhelmsgymnasium”, in: Martin Gregor-Dellin, Hg., Deutsche Schulzeit. Erinnerungen und Erzählungen aus drei Jahrhunderten. 3. Aufl. München: Nymphenburger Verlag, 204-216. Uhlmann, Fred (1997), Reunion. London: Harvill Press. Vaezi, S. & Mirzaei, M. (2007). “The Effect of Using Translation from L1 to L2 as a Teaching Technique on the Improvement of EFL Learners’ Linguistic Accuracy - Focus on Form,” in: Humanising Language Teaching (Year 9, Issue 5, September). Available at: http: / / www.hltmag.co.uk/ sep07/ mart03.htm. Vettel, Franz (1996), Cornelsen English Lexicon. Berlin: Cornelsen. Vives, Juan Luis (1531/ 1971), On education. A Translation of the De tradendis disciplinis of Juan Luis Vives. With an introduction by Foster Watson and a foreword by Francesco Cordaso. Reprint Totowa, N.J.: Rowman and Littlefield. Waas, Ludwig (2007), “Using classroom phrases“, in: Grundschulmagazin Englisch 4/ 2007. Wagner, Klaus R. (1981), “Wie viel sprechen Kinder täglich? ”, in: Wirkendes Wort 31/ 1, 17-28. Wähmer, Richard (1914), Spracherlernung und Sprachwissenschaft. Die Eingliederung des Sprachunterrichts in den wissenschaftlichen Bildungsplan der höheren Schule dargelegt am Französischen. Leipzig: Teubner. Waiblinger, Franz P. (1998), “Überlegungen zum Konzept des lateinischen Sprachunterrichts”, in: Forum Classicum 1, Zeitschrift für die Fächer Latein und Griechisch an Schulen und Universitäten, 9-19. Waiblinger, Franz P. (2001), “Vorschläge zu einem neuen Konzept des Sprachunterrichts auf der Grundlage psycholinguistischer Erkenntnisse”, in: Forum Classicum 3, 160-167. Wajnryb, Ruth (1990), Grammar Dictation. Oxford: University Press. (Resource Books for Teachers). Walker, William (1669), Some improvements to the art of teaching especially in the first grounding of a young scholar in grammar learning. London: S. Griffin. Walker, Lou Anne (1987), A Loss for Words. The Story of Deafness in a Family. New York: Harper and Row. Walter, Gertrud (1978), “Unterhaltungen mit Schülern des 9. Schuljahrs - Studien zur Kommunikationsfähigkeit im Englischen”, in: Die Neueren Sprachen 77, 164-176. Walter, Heribert (1976), “Aspekte der Arbeit mit Dialogen im Französischunterricht”, in: Praxis des neusprachlichen Unterrichts, Heft 3, 276-291. Walter, Max (1908), Zur Methodik des neusprachlichen Unterrichts. Vorträge während der Marburger Ferienkurse 1906 und 1908. Marburg: N.G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung. Literaturverzeichnis 423 Walter, Max (1931), Zur Methodik des neusprachlichen Unterrichts. Bearbeitet von Paul Olbrich. Marburg: N.G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung. Wandruszka, Mario (1979), Die Mehrsprachigkeit des Menschen, München: Piper. Wandruszka, Mario (1982), Sprachen lernen, Sprachen erleben. München: Hueber. Weber, Andrea & Cutler, Anne (2004), “Lexical competition in non-native spoken-word recognition”, in: Journal of Memory and Language 50, 1-25. Weinert, Franz E. & Helmke, Andreas, Hg. (1997), Entwicklung im Grundschulalter. Weinheim: Psychologie Verlags-Union. Weinert, Franz E. (1999), “Die fünf Irrtümer der Schulreformer”, in: Psychologie heute, 7, 28-34. Weinert, Franz E. (2000), “Lehren und Lernen für die Zukunft. Ansprüche an das Lernen in der Schule”. Vortrag vom 29. März 2000, gehalten im Pädagogischen Zentrum Bad Kreuznach. Weinrich, Harald (2003), Sprache, das heißt Sprachen. 2. ergänzte Auflage. Tübingen: Gunter Narr Verlag. (Forum für Fachsprachen-Forschung, Band 50). West, Michael (1926), Bilingualism. (With Special Reference to Bengal). Calcutta: Simonsen. West, Michael (1959), “At what age should language study begin? ”, in: ELT Journal 14/ 1, 21-26. West, Michael (1959), “Practice teaching in the training of language-teachers”, in: ELT Journal, 13/ 4, 149-154. West, Michael (1962), Teaching English in difficult circumstances. Teaching English as a foreign language with notes on the techniques of textbook construction. London: Longmans, Green and Co. Wiarda, Jan-Martin (2006), “Lücken füllen”, in: DIE ZEIT 9.3.2006. Wickert, Erwin (1991), Mut und Übermut. Geschichten aus meinem Leben. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt. Widdowson, Henry G. (1979), Explorations in Applied Linguistics (1). Oxford: University Press. Wilberg, Peter (1987), One to One. A Teacher’s Handbook. London: Commercial Press. Wirl, Julius (1955), “Erwägungen zum Problem des Übersetzens”, in: Karl Brunner, Hg., Anglo Americana. Meine Beiträge zur englischen Philologie 62. Wien: Braumüller, 173-184. Wode, Henning (1994), “Nature, Nurture, and Age in Language Acquisition. The Case of Speech Perception”, in: Studies in Second Language Acquisition, 16, 325-345. Wode, Henning (2003), Englisch im Altenholzer Verbund von Kita und Grundschule: Erfahrungen aus Praxis und Forschung zum Ende der 3. Klasse. Ms. Kiel. Wodroephe, John (1623), The Spared Houres of a Souldier in his Travels. Or the True marrow of the French Tongue. Marchand Libraire. 424 Literaturverzeichnis Wong-Fillmore, Lily (1976), The Second Time Around: Cognitive and Social Strategies in Bilingual Education. Washington: Georgetown University Press. Wong-Fillmore, Lily (1979), “Individual differences in second language acquisition”, in: Ch.J. Fillmore et al., Individual differences in second language ability and language behaviour. New York: Academic Press, 203-228. Wong-Fillmore, Lily (1985), “When Does Teacher Talk Work As Input? ”, in: Susan M. Gass & Madden, Carolyn G., eds., Input in Second Language Acquisition. Cambridge: Newbury House Publishers, 17-50. (Series on Issues in Second Language Research). Woodhead, Chris (2002), Class War. The State of British Education. London: Little, Brown. Wright, David (1969), Deafness. New York: Stein and Day. Wright, Robert (1995), The Moral Animal. Evolutionary Psychology and Everyday Life. New York: Vintage Books. Wu, Tong (2010), Open the Door to English with Your Native Language: The Role of the Mother Tongue in English Language Teaching in China. Aachen Phil. Diss. Wunsch, Christian (2005; 2006), “Arbeit mit dem Schriftbild”, mehrere Aufsätze in Primary English. Wygotski, L.S. (1971), Denken und Sprechen. Frankfurt a.M.: S. Fischer. Wynburne, S.B. (1960), Vertical Translation and the Teaching of English. London/ Geneva: MacMillan Lmtd. Young, D. (1990): “An investigation of students’ perspectives on anxiety and speaking”, in: Foreign Language Annals 23, 539-553. Zimmer, Dieter E. (1997), Deutsch und anders. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Zimmermann, Günther (1969), “Phasen und Formen der Spracherlernung bei einem audiovisuellen Kurs”, Praxis des neusprachlichen Unterrichts, XVI, 69-78. Zweig, Stefan (1965), Die Welt von gestern. Erinnerungen eines Europäers. Berlin und Frankfurt a.M.: G.B. Fischer. Zydatiß, Wolfgang (2002a), “Luftschlösser und Brüche sprachdidaktischen Handelns: ein Plädoyer für den Gegenstandsbezug der Fremd- und Zweitsprachendidaktik”, in: Christiane Neveling, Hg., Perspektiven für die zukünftige Fremdsprachendidaktik. Tübingen: Gunter Narr Verlag. (Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik). Zydatiß, Wolfgang (2002b), Leistungsentwicklung und Sprachstandserhebung im Englischunterricht. Methoden und Ergebnisse der Evaluierung eines Schulversuchs zur Begabtenförderung: gymnasiale Regel- und Expressklassen im Vergleich. Frankfurt a.M.: Lang. Register A Akzent 13, 31, 35, 38, 118, 367 Analogiebildung 148, 244, 245, 273, 287 Anfangsunterricht 4, 105, 111, 127, 140, 145, 146, 154, 173, 223, 309, 322 Angst, Sprechangst 9, 10, 11, 12, 25, 26, 34, 147, 185, 192, 387 Arbeitssprache, Verkehrssprache, Unterrichtssprache 52ff., 125, 142 Artikulation 11, 118, 125, 146, 170, 171, 173, 179 Ausländersprech, foreigner talk 114 Auslandsaufenthalte 50 Aussprache 4, 13, 34, 35, 38, 81, 97, 105, 154, 313, 338, 349, 369 authentisch XVI, 38, 55, 56, 103, 120, 123, 124, 126, 127, 180, 226, 230, 289, 330, 331, 342, 344, 384, 395 Autismus 89, 117, 177, 266 Automatisierung 246, 250 B Bewegungslernen, Lernen mit Bewegung 196ff., s.a. mingles Bildungswert 115, 124, 343, 380 Bilinguale Kindergärten 94, 95 Bilingualer Sachfachunterricht 62, 66, 135, 361 Biofeedback 173 Bottom-up processing 155 C Chansons 195, 258 Chorsprechen 369 chunk, Wortverbindung 95, 96, 97, 146, 290, 321 classroom phrases 60, 74, 78, 192, 324, 348 codeswitching 135 Construction grammar 136 D Darstellendes Spiel 161 Debattieren XV, 80f. decoding vs. codebreaking 97 DESI-Studie 139, 147 Dialoge 145, 148, 149, 162, 167, 169, 253, 338, 364 Dihairesis 244 Direkte Methode 273, 302, 350, 354, 399 Dolmetschen 249, 341, 344 Doppelpass 56, 57, 61, 73, 124, 142 Doppelter Fokus 63, 64, 66, 290, 371, 388 Doppelverstehen 89, 97, 99, 102, 103, 104, 147, 156, 162, 237, 252, 290, 305 Double articulation 306 Dramapädagogik XV, 170 E Einschlafmonologe 274 Einsprachigkeit XVII, 56, 58, 109, 120, 121, 122, 123, 124, 127, 130, 131, 140, 144, 218, 292, 307, 351, 352, 354 Einzelarbeit 105, 148, 234, 328, 340, 364, 365 426 Register Einzelsätze zum Üben 84, 102, 265, 283 Entfaltungslogik, sprachimmanente 284 Entlastungsfunktion, muttersprachliche 147, 150 entrenchment 112, 247, 357 entspanntes Lernen 199, 233 Entsprachlichung 249f., 258, 345 ergon (Palmer) 245 Etymologie 317ff. F false friends 335 Fantasiereise 228 Fehlerkorrektur 67, 169, 369 Fehler, naturwüchsige 290, 308 Fertigkeiten 30, 111, 115, 244, 341, 344, 374, 379 fission vs. fusion 97 Fossilierung 66, 286 Frühbeginn 382ff., s.a. Grundschule funktionale Fremdsprachigkeit 54, 60, 61, 74 G Gebärdensprache 304 Gefühle 5, 30, 126, 169, 270, 358 generalisieren 247 generatives Prinzip XVI, XVII, 144, 176, 237, 238, 239, 271, 360 Gestaltwandel, restructuring 132 Gestik 75, 79, 143, 147, 150, 151, 155, 159, 162, 180, 222, 265, 270, 301, 302, 352 Gewohnheitsbildung, habit formation 262 Grammatik XV, XVI, XVII, 25, 49, 92, 93, 97, 98, 102, 103, 105, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 118, 123, 127, 130, 144, 152, 156, 170, 237- 294, 302, 303, 304, 308, 313, 314, 319, 320, 336, 349, 358, 359 Grammatik-Übersetzungsmethode 102, 103 grammatische Progression 125, 127, 156, 288, 294, 340 Grundschule 95, 139ff., 185ff., 252ff. Gruppenarbeit 144, 161, 162, 167, 171, 179, 221, 340 H Handlungsorientierung XVI Handsignal 69, 262f. Hauptschule 142 Heuristik 98 Hirnforschung 24, 122, 136, 177, 291, 293, 377 Höflichkeit, classroom courtesy 56, 168 Hördiskrimination, re-education of the ear 118, 145, 173 I Immersion 50, 171, 348, 358, 360 Individualisierung, personalization 65, 74 Interferenz 98, 128, 150, 154, 259, 261, 267, 268, 269, 281, 328, 333, 334, 335 Intonation, Sprachmelodie 44, 82, 118, 151, 172, 249, 265, 270, 303 Intervalltraining 101 J jeopardy 215 K Klassenarbeiten 25, 34, 54, 216, 328 Kollokation 321, 325, 326, 327 Kombinatorik, compositionality XVI, 306, 307 Kommunikation, mitteilungsbezogen, sprachbezogen 62, 74, 163, 177, 258, 263, 386 Könnenserlebnis 6, 7, 8, 9, 10, 11, 162, 176 Konstruktionen 110, 111, 113, 127, 246, 247, 262, 267, 282, 288, 305, 320, 333 Register 427 Körpersprache (Mimik, Gestik) 14, 145, 147, 268 Kunstfehler XVI, 145, 178, 179 Kulturvermittlung 191ff., 236, 298, 339f., 343, 383f. L Lateinunterricht 52, 106, 191, 243, 244, 293, 354 Lautschrift 325 Lehrwerk XVII, 106, 124, 130, 131, 155, 221, 243, 288, 295, 304, 319, 320, 324, 382 Lernen durch Lehren (LdL) XV, 19, 77, 84, 216, 230, 263, 389f. lernschwache Schüler XV, 129, 144, 179 M Mehrsprachigkeit 359 Meisterschaft, mastery learning 25, 180ff., 336, 346 Metapher 110, 112, 143, 293 Mimik 75, 79, 143, 150, 155, 159, 162, 180, 222, 265, 270, 301, 302, 352 mingles 76, 212f., 390 Mitlernprinzip 238, 290, 315ff. Mobbing 35, 45 Mustererkennung, Musterbildung 110, 111, 112, 247 Mutterisch, motherese 90 Muttersprachenmethode 133 Mutterspracherwerb 5, 6, 90, 94, 96, 109, 133, 145, 156, 177, 289 N Nachsprechen, imitation 13, 15, 69, 145, 146, 147, 148, 150, 151, 153, 158, 173, 176, 178, 182, 199, 339 Natürliche Künstlichkeit (Plessner) 115 Natürlicher Zweitspracherwerb 93, 95, 114, 133f. Naturmethode 74, 133 Nebenwirkungen, ungewollte 38, 58, 127, 292 Nestwärme 9, 10, 358 noticing 233, 251, 290 P parroting 178 Partnerarbeit XV, 40, 41, 159, 257, 258, 270, 328, 345, 364, 365, 367, 371 pattern drill 112, 196, 237, 265, 271, 273 Pragmatik 109, 302, 334 produktive Satzmuster 113, 144, 158, 252 Q Quintilian 172, 191, 277, 291 Quiz 215 R Rhythmus, Sprache rhythmisieren 38, 109, 145, 170, 172, 173, 185, 210, 301, 318 Rückübersetzung 102, 158, 327, 328, 336 S Sandwich-Technik 56, 57, 61, 124, 147, 150, 200, 228, 322 Selbstwirksamkeit 160; s. Könnenserlebnis schriftgestützt XVI, 144, 147, 152ff., 322 Segmentierung, segmentation 91, 93, 95, 306, 390 Selbstachtung 6, 7, 8, 13, 181 shadowing 231, 339 Spontanreaktionen 72, 82, 84, 85, 265 sprachbezogene vs. mitteilungsbezogene Kommunikation, mediumorientation vs. message-orientation 62, 63, 64, 74, 177 428 Register Sprachgefühl 178, 282, 312, 326 Sprachmitteln 342, 344 Sprachumsatz 77, 143, 145, 213, 214, 270, 283, 357, 363 statistical learners 340 statistisches Lernen 343 Strukturübung 71, 84, 148, 173, 192, 237, 241, 243, 244, 246, 247, 248, 249, 258, 274, 279, 333, 399 T Tandem 341, 342 Transparenz, linguistische 258, 273 U Üben 11, 64, 66, 67, 70, 71, 72, 74, 98, 99, 138, 146, 162, 176, 177, 241, 250, 258, 259, 268, 339, 400 Übersetzen 103, 104, 255, 293, 297, 301, 302, 330, 342, 343, 344, 345, 346 V Verallgemeinerung, generalisation 113, 240 Verfügbarkeitsstufen 179, 182 Vokabellernen 23, 144, 162, 317, 321, 322, 323, 324, 326 Vokabelverzeichnis 121, 320, 353 W Wörterbuch 59, 102, 103, 105, 110, 234, 246, 321, 324, 325, 331 Z Zeitfaktor, Kontaktzeit 113, 114, 143, 357ff., 377 Zweisprachigkeit, natürliche 133ff., 289 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Postfach 25 60 · D-72015 Tübingen · Fax (0 7071) 97 97-11 Internet: www.narr.de · E-Mail: info@narr.de With this book, change has come to foreign language teaching. The mother tongue taboo, which has been the perceived didactical correctness for so many years and in so many countries, is swept away. At the same time, this book combines theor y with practice, advice and guidance to teachers. Since the mother tongue issue touches upon all the major domains of teaching - vocabular y, grammar, texts, communication, emotional aspects - a new synthesis of theory and practice has been developed. An invaluable resource both for the novelty and diversity of the teaching techniques presented and for the clarity of its writing. The book benefits from the authors’ more than thirty-year-long research and teaching involvement with the role of the mother tongue in foreign language teaching and their involved observation of the functioning of natural bilingualism. Wolfgang Butzkamm John A. W. Caldwell The Bilingual Reform A Paradigm Shift in Foreign Language Teaching narr studienbücher 2009, 260 Seiten €[D] 19,90/ SFr 35,90 ISBN 978-3-8233-6492-4