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Geschichte des Völkerrechts in Krieg und Frieden

1002
2013
978-3-7720-5450-1
978-3-7720-8450-8
A. Francke Verlag 
Harald Kleinschmidt

Das Völkerrecht hat eine mehr als 4000 Jahre lange Geschichte. Bis in das 17. Jahrhundert regelte es als Gewohnheitsrecht in verschiedenen Teilen der Welt die Beziehungen zwischen staatlich organisierten Gemeinschaften in Krieg und Frieden. Seither ging von Europa das zunehmende Bestreben aus, das Völkerrecht nicht nur gewohnheitsmäßig anzuwenden, sondern auch durch allgemeine Verträge zwischen mehreren Parteien zu setzen. Diese europäische Vertragspraxis fand zunächst auch in Amerika Anwendung und wurde seit Beginn des 19. Jahrhunderts verstärkt auch auf andere Teile der Welt ausgedehnt. Harald Kleinschmidt beschreibt den Strukturwandel des Völkerrechts vom Alten Vorderen Orient bis zur Gegenwart vor dem Hintergrund der mediterran-europäischen, islamischen und ostasiatischen Rechtstraditionen. Auf der Grundlage rechtsrelevanter Texte altsumerischen, altägyptischen, hethitischen, griechischen und römischen Ursprungs sowie der abendländischlateinischen, arabischen und ostasiatischen Kulturen verortet Kleinschmidt die Faktoren Völkerrechtsentwicklung sowohl im praktischen Handeln von Herrschern und Regierungen als auch in den jeweils zeittypischen Theorien des Rechts des Staats und der zwischenstaatlichen Beziehungen.

Geschichte des Völkerrechts in Krieg und Frieden Harald Kleinschmidt Harald Kleinschmidt Geschichte des Völkerrechts in Krieg und Frieden Harald Kleinschmidt , geb. 1949, ist seit 1989 Professor für die Geschichte der internationalen Beziehungen an der Universität Tsukuba in Japan. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte der internationalen Beziehungen und die Geschichte des Völkerrechts. Umschlagillustration: Gerhard der Borch, Der Friede von Münster, 1648, Rijksmuseum Amsterdam (Ausschnitt) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Printed in the EU ISBN 978-3-7720-8450-8 Geschichte des Völkerrechts Inhalt Kapitel I Begriff und Darstellung der Völkerrechtsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Zwei Entscheidungen eines Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Was ist Völkerrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Völkerrechtssubjekte, insbesondere Staaten, und die sogenannte Völkerrechtsordnung . . . 8 Macht und Recht, Krieg und Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Geschichte der Völkerrechtsgeschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Grundsätze dieser Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Kapitel II Der Eine und die Vielen Weltherrschaftsprophetien und manifeste Stadtherrschaft (bis-ca. 500 nach Chr.) . . . . . 24 Das Einsetzen der schriftlichen Überlieferung zum Recht des Kriegs und des Friedens . . . 24 Das Aufkommen von Weltherrschaftsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Neue Städtelandschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Die Verbindung von Stadt- und Weltherrschaft in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens im spätrepublikanischen Rom . . . . . . . . . . 35 Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens im römischen Imperium . . . . . . . . . . . . . . . 38 Das Recht des Kriegs und des Friedens in Ostasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Kapitel III Das Ganze und die Teile Imperatoren, Khalifen und andere Herrscher (ca. 500 - ca. 1000) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Das römische Imperium und seine nördlichen Nachbarn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Weltherrschaftsideologie und die Pragmatik der Diplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Die Mission der katholischen Kirche, der Krieg und die Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Die Auffassung von Herrschaft als Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Der Rex der Franken als Imperator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Herrscherliche Versprechen als bindende Pflichten nach dem Recht des Kriegs und des Friedens in der lateinischen Christenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Das Recht des Kriegs und des Friedens im Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Das Recht des Kriegs und des Friedens in byzantinischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Der Imperator und die Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 VI Inhalt Kapitel IV Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Ansprüche auf Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Weltherrschaftsansprüche und das Recht zum Krieg (ius ad bellum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Konkrete Setzungen des Rechts im Krieg (ius in bello) und Programme für den Frieden . . 93 Die Kreuzzüge und das Recht des Kriegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Neue Akzente in der Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Selbständigkeit von Herrschaft und das Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Neue Aspekte des Rechts des Friedens: Diplomatie und Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Kapitel V Die Vielen und die Eine Die Einheit der Welt und die Vielheit der Staaten (ca.-1450---1618) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Portugal, Spanien und die herrschaftliche Expansion über Europa hinaus . . . . . . . . . . . . . . . 123 Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und die Expansionspolitik . . . . . . . . . . . . . . 127 Die Globalisierung des Weltkartenbilds und der Beginn der Errichtung europäischer Kolonialherrschaft in Übersee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Probleme innerhalb des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Das Reichsrecht als Recht des Kriegs und des Friedens und der Begriff der Souveränität . . 135 Die Ausdehnung des Geltungsbereichs des Rechts des Kriegs und des Friedens auf Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Die Entstehung des Begriffs des Rechts zwischen den Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Theorien der Begründung von Herrschaft und die Wahrnehmung der Welt als geordnetes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Die geordnete Welt und der Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Die geordnete Welt und die Verrechtung des Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Handel in der geordneten Welt und das europäische Staatensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Kapitel VI Bedingungen der Friedlosigkeit und das Recht zum Krieg sowie-im Krieg (1618 - 1648/ 59) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und das europäische Staatensystem . . . . . . 177 Kriegführen um das Recht zum Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Die Suche nach Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Die Konzeption des Rechts des Kriegs und des Friedens als Recht zwischen den Staaten und Hugo Grotius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Inhalt VII Kapitel VII Nur noch die Vielen Abschied vom Glauben an die Möglichkeit von Weltherrschaft (1648/ 59 - 1714) . . . . . . 200 Eine Beschreibung des „Zustands“ des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation . . . . 200 Das Recht der Herrscher und das Recht der Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Expansion und Zentralisierung europäischer Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Das Recht zwischen den Staaten und das Recht der Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Die Maschine, das Geordnetsein der Natur und das Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Kapitel VIII Die Bewahrung des Gleichgewichts als Rechtspflicht (1713---1789) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Erbfolgeprobleme, Staaten und Kriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Der transatlantische Sklavenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Die Verrechtung des Kriegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Friedensprogramme und Friedensvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Staaten, die Statistik und das Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Diplomaten und Juristen als Manager des Gleichgewichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Die Herrschaft im Staat unter der Herrschaft des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Lehre und Theorie des Rechts zwischen den Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Kapitel IX Revolution und Recht (1789 - 1856) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Der Zusammenbruch des europäischen Staatensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Krieg und Staatsentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Die Neufassung des Modells des Gleichgewichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Neue Theorien des Kriegs und des Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Die Expansion des internationalen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Die Verringerung der Zahl der nach internationalem Recht handelnden Akteure . . . . . . . . 300 Oktroi des europäischen öffentlichen Rechts der zwischenstaatlichen Verträge in West-, Süd-, Südost- und Ostasien sowie im Südpazifik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Frühformen kolonialherrschaftlicher Expansion europäischer Regierungen in Afrika . . . . 312 Wandlungen des Kriegsbegriffs im frühen 19.-Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Der Begriff des Kriegs in der Theorie des internationalen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Neufassung des Rechts des Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Kapitel X Die Entgrenzung der Welt und die Konkurrenz der Staaten (1857---1918) . . . . . . . . . . . . 341 Nationen und Staaten, Abgrenzung und grenzüberschreitendes Handeln . . . . . . . . . . . . . . . 341 Die Expansion europäischer Kolonialherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 VIII Inhalt Kolonialherrschaft, internationale Friedensbewegung und Weltpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Das internationale Recht als Mittel zur Legitimation kolonialer Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . 361 Nicht-herrschaftliche koloniale Expansion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 Verträge zur Errichtung internationaler Organisationen und der Kolonialismus . . . . . . . . . 377 Theorien des Kolonialkriegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Die Frage nach den Quellen des internationalen Rechts und nach den Möglichkeiten seiner Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Die Lehre des internationalen Rechts an Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 Kapitel XI Ausgrenzung und Blockbildung (1918 - 1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 Die Friedensschlüsse 1919/ 1920 und die Gründung des Völkerbunds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 Der Völkerbund und die Sowjetunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 Der Völkerbund und die Kolonialherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 Die praktische Handhabung kolonialer Herrschaft in den 1920er und 1930er Jahren . . . . . 430 Der Völkerbund und die Lehre vom internationalen Recht sowie von den zwischenstaatlichen-Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 Die Wirkung des Völkerbunds auf die Theorie des internationalen Rechts in den 1920er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 Der Staatsbegriff in der Theorie des internationalen Rechts, „Paneuropa“ und der Völkerbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 Blockbildung in Ostasien und in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 Kapitel XII Das entschleunigte Ende der Blöcke (seit 1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 Blockbildung während des zweiten Weltkriegs sowie der frühen Nachkriegszeit und Dekolonisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 Die UN und das internationale Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 Regionale Institutionen und das internationale Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 Die Wirkung des internationalen Rechts und der regionalen Rechtssysteme auf die Blöcke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 Der Wandel der Theorie des internationalen Rechts an der Wende zum 21.-Jahrhundert . . 478 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 Kapitel I Begriff und Darstellung der Völkerrechtsgeschichte Zwei Entscheidungen eines Gerichts Mit der Wahl seines Wohn- und Arbeitsorts hatte Samuel Arthur Worcester (1798 - 1859) ein Problem. Missionieren wollte der Pastor bei den Cherokee im Westen des Bundesstaats Georgia der Vereinigten Staaten von Amerika. Er hatte sich 1828 in New Echota im Siedlungsgebiet der Cherokee niedergelassen. Doch ein Gesetz des Bundestaats, im Jahr 1830 erlassen, stand Worcesters Tätigkeit entgegen. Dieses „Gesetz zur Ausweisung der Indianer“ (Indian Removal Act) besagte, dass im Siedlungsgebiet der Cherokee nur wohnen dürfe, wer sich bei den Behörden von Goergia registrieren ließ. Worcester war aber nicht registriert. Er geriet deswegen nicht nur in die Mühlen der Gerichtsbarkeit, sondern auch der Regierung der noch jungen USA und die Behörden von Georgia befassten sich mit ihm. Das Gericht des Bundestaats Georgia befand den Pastor für schuldig, ohne amtliche Registrierung im Gebiet der Cherokee zu wohnen. Damit, befand das Gericht, habe Worcester gegen den Indian Removal Act verstoßen. Dieses Gesetz sollte die Cherokee zur Aufgabe ihrer angestammten Siedlungsräume auf dem Gebiet des Staats Georgia zwingen. Worcester hielt das Gesetz für unrechtmäßig und weigerte sich, ihm Folge zu leisten. Das Gericht ließ ihm für vier Jahre zu schwerer Arbeit ins Gefängnis werfen. Wir schreiben das Jahr 1831, 55 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung der britischen Kolonien in Nordamerika, 48 Jahre nach dem Frieden von Paris, durch den die britische Regierung die Unabhängigkeit eben dieser Kolonien anerkannte [119], und 43 Jahre nach Beginn des Verfahrens zur Inkraftsetzung der Verfassung, durch die die USA zum Bundesstaat wurden. Die Cherokee gehörten zu den seit langem auf Selbständigkeit gepolten Irokesen [3; 56]. Unbeeindruckt von den Rechtssätzen der Verfassung der USA beharrte Worcester darauf, dass die Cherokee einen selbständigen Staat bildeten, dass folglich der Bundesstaat Georgia keine Befugnis zur Gerichtsbarkeit über die Cherokee und die in ihren angestammten Siedlungräumen wohnenden Personen habe, und klagte gegen das ihn betreffende Urteil des Gerichts von Georgia beim Supreme Court, dem Obersten Gericht für die Vereinigten Staaten von Amerika mit Sitz in Washington, DC. Dieses Gericht nahm sich in der Tat des Falls an und entschied im folgenden Jahr 1832, die Cherokee seien ein „eigenständiges, unabhängiges politisches Gemeinwesen, das seine ureigenen natürlichen Rechte bewahrt habe“, daher ein selbständiger Staat sei [116]. Der Oberste Richter John Marshall (1755 - 1835), berühmt für seine unkonventionellen, ans Grundsätzliche gehenden Urteilsbegründungen, folgerte, dass das in Rede stehende Staatsgesetz von Georgia für Worcester nicht gültig sei, und ordnete an, dass Worcester sofort, erforderlichenfalls durch ein Zwangsverfahren der US-Regierung, freizulassen sei. Es war nicht das erste Mal, dass sich der Supreme Court mit den Cherokee befasste. Im Jahr zuvor hatte das Gericht über eine Verbandsklage der Cherokee gegen den Bundesstaat Georgia zu entscheiden gehabt. Damals hatten die Cherokee als Staat gegen den Indian Removal Act von 1830 geklagt. Aufgrund des Gesetzes hatte die Regierung von Georgia den Wegzug der Cherokee in ein Reservat nach Oklahoma angeordnet, das damals noch kein US-Bundesstaat war. In diesem Verfahren hatte der Supreme Court, wiederum unter Vorsitz Marshalls, befunden, die Cherokee seien zwar ein Staat, unterstünden aber wegen des Vertrags, den sie in Hopewell am 28.-November 1785 mit der US-Regierung geschlossen hatten, unter deren Schutz [120, Art.-III, 2 Begriff und Darstellung der Völkerrechtsgeschichte S.-444]. Durch diesen Vertrag, der durch den Folgevetrag von Holston vom 7.-Juli 1791 bestätigt worden sei [123, Art.-II, S.-169], sei der Staat der Cherokee ein „Schutzgebiet“ (Protectorate) der USA. Der Supreme Court lehnte die Beratung des Falls ab [115]. Denn er sei nicht zuständig für Streitfälle zwischen einem US-Bundestaat und einem Staat unter US-Protektorat. Die US-Regierung sei weder gezwungen noch befugt, in den Streitfall zwischen den Cherokee und Georgia politisch oder militärisch einzugreifen. Falls jedoch persönliche Belange einzelner Bewohner des Cherokee-Gebiets durch das Staatsgesetz von Georgia betroffen seien, könne der Supreme Court sich des Falls wieder annehmen. Worcester kam diese Aussage zugute. Obwohl der Supreme Court indirekt die Cherokee zur Wiedervorlage des Falls aufgefordert hatte, fasste die Regierung von Georgia die Weigerung des Gerichts, die US-Regierung generell zur Hilfe für die Cherokee zu verpflichten, als Mandat zur Umsetzung des Indian Removal Act auf. Doch auch als der Supreme Court in seiner Entscheidung über den Fall Worcester gegen Georgia votierte, intervenierte die US-Regierung nicht. Denn Präsident Andrew Jackson (1767 - 1845, im Amt 1829 - 1837), der dem Indian Removal Act Sympathien entgegenbrachte, kommentierte das Urteil mit der Bemerkung, der Supreme Court solle selbst Truppen nach Georgia senden, wenn er es wolle, und überließ Samuel Worcester und die Cherokee dem Schicksal. Wilson Lumpkin (1783 - 1870), der Gouverneur von Georgia, begnadigte Worcester noch im Jahr 1832, zwang aber die Cherokee zur Auswanderung nach Oklahoma im Wortsinn: sie mussten nach letztlich erfolglosem Widerstand 1838 sich zu Fuß in das ihnen zugewiesene Reservat durchschlagen, wo ihre Nachfahren noch heute leben [20; 29; 47; 75; 80; 85; 86; 90; 110; 133]. Förmlich aufgelöst wurde der Staat der Cherokee nie [14]. In beiden Urteilen ging der Supreme Court wie selbstverständlich von der Tatsache aus, dass ein Staat der Cherokee bestehe, und hatte dafür zwingende Gründe. Denn die US-Regierung hatte seit 1785 vier Friedensverträge mit den Cherokee geschlossen, alle ohne Befristung, den letzten am 14.-September 1816 [124, Art.-I, S.-326]. Dazu trat eine Reihe weiterer Abkommen, durch die Cherokee gezwungen wurden, Land in den Besitz der US-Regierung zu übertragen. Diese Abkommen folgten dem aus Europa übernommenen öffentlichen Recht der zwischenstaatlichen Verträge. Diese Recht besagte, dass zwischenstaatliche Abkommen nur zwischen Parteien zustande kommen könnten, die sich wechselseitig als selbständig, souverän und gleich anerkannt hatten. Wenn die USA ein Staat waren, musste die politische Gemeinschaft der Cherokee also ebenfalls ein Staat sein. Nach Maßgabe des im Jahr 1832 nach wie vor gültigen Vertrags von 1816 standen die Cherokee mit der US-Regierung mithin in zwischenstaatlichen Beziehungen nach internationalem Recht. Dass im Jahr 1832 die Vereinigten Staaten von Amerika ein selbständiger, souveräner Staat waren, steht außer Zweifel. Wie aber konnte der Oberste Richter dieses Staats zur selben Zeit wie selbstverständlich behaupten, dass auf dem US-Staatsgebiet die Cherokee ihren eigenen Staat hätten, ausgestattet noch dazu mit „ureigenen natürlichen“, das heißt alten, aus der Zeit vor Gründung der Vereinigten Staaten stammenden und von diesen unabhängigen Rechten? Auf die Fragen, was ein Staat ist, wer darüber befindet, ob ein politisches Gemeinwesen als Staat gelten soll, und ob dieser Staat souverän sei, waren mehrere Antworten möglich. In der Sicht der Cherokee war ihr politisches Gemeinwesen seit alters her ein souveräner Staat, der zudem durch die US-Regierung in den Verträgen anerkannt worden war. Für den US Supreme Court war das politische Gemeinwesen der Cherokee ein Staat, der weder seiner noch der Gerichtsbarkeit des Bundestaats Georgia unterstand. Für die Regierung von Georgia war das politische Gemeinwesen der Cherokee kein Staat, sondern bestand illegal auf dem Gebiet von Georgia. Für Präsident Jackson waren Antworten auf diese kniffligen Fragen nicht sein, sondern das Problem entweder des Supreme Court oder von Georgia; mochte die Regierung von Georgia also verfahren, wie ihr beliebte. Die Fragen, die der Supreme Court in den Jahren 1831 und 1832 zu entscheiden hatte, führen in den Konflikt zwischen Sätzen des Verfassungs- und des internationalen Rechts. Zwar Zwei Entscheidungen eines Gerichts 3 schwieg das Gericht zu den grundsätzlichen Fragen, was ein Staat sei und welche Rechte er habe. Dennoch zogen die Antworten des Gerichts in US-Sicht die Trennlinie zwischen dem innerstaatlichen Verfassungsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und dem zwischen Staaten bestehenden Recht. Ersteres war damals in der US-Verfassung niedergelegt, letzteres bestand als großenteils ungeschriebenes Gewohnheitsrecht. Die Urteile des Supreme Court über die Frage, ob das politische Gemeinwesen der Cherokee ein Staat war oder nicht, führten indes nicht zu Einvernehmlichkeit unter den Kontrahenten, sondern zur Lösung des Problems durch staatliche Gewaltmaßnahmen zum Nachteil der Cherokee. Der Supreme Court trug bei seiner Urteilsfindung in beiden Fällen nur derjenigen juristischen Begrifflichkeit Rechnung, die den aus Europa stammenden Immigranten in Nordamerika geläufig war, nicht jedoch dem Rechtsdenken der Cherokee. Nicht immer und überall ist das zwischen den Staaten geltende Recht auf Konsens gegründet gewesen. Derselbe Befund ergibt sich aus einem weiteren Aspekt der für die Cherokee-Verfahren einschlägigen Rechtslage. Er folgt aus der Praxis des Abschlusses der vier aufeinander folgenden Friedensverträge zwischen den Cherokee und den Vereinigten Staaten von Amerika. Das erste, in Hopewell 1785 geschlossene Abkommen beendete einen Kriegszustand insofern, als sich die Cherokee zu Beginn des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs im Jahr 1776 auf die Seite der britischen Kolonialherren gestellt und die Kolonisten in North Carolina angegriffen hatten. Milizen der Kolonisten aus North Carolina und Virginia hatten den Cherokee noch im selben Jahr eine schwere militärische Niederlage zugefügt. Der im Jahr 1783 geschlossene amerikanisch-britische Friedensvertrag [119] band die Cherokee nicht, so dass diese rechtlich weiterhin Bündnispartner der britischen Regierung blieben. In der Sicht der amerikanischen Revolutionäre war daher das Ansinnen der sich gerade konstituierenden US-Regierung nachvollziehbar, die Beziehungen mit den Cherokee auf der Basis eines beide Seiten bindenden, den Frieden zwischen ihnen ohne Befristung festschreibenden Abkommens zu ordnen. Aber es blieb eben nicht bei diesem einen Friedensvertrag, sondern in den drei folgenden Abkommen wurde jeweils der Friede wieder unbefristet gesetzt, ohne dass es zwischenzeitlich zu Kriegen gekommen wäre. So begründete der Vertrag von 1791 im Wortlaut einen neuen, „ewigen“ Frieden, der der Sache nach bereits seit 1785 ohne Unterbrechung bestanden hatte. Die Praxis, Frieden vertraglich setzen zu wollen, ohne dass die Vertragspartner vor Vertragsabschluss Krieg geführt hätten, war zwar als solche nicht neu, sondern unter europäischen Regierungen ein oft geübtes Verfahren. Aber dass dieselben Vertragspartner unter einander einen „ewigen“ [123, Art.- I, S.- 169] oder „festen“ [124, Art.-I, S.-326] Frieden innerhalb weniger Jahre wiederholt vereinbarten, war ungewöhnlich. Dieses Verfahren erlaubt die Vermutung, dass die den Frieden setzenden Vertragsartikel zu Formeln erstarrt waren, deren rechtssetzende Wirkung den Verfassern der Vertragstexte nicht mehr bewusst war. Da alle Cherokee-Verträge auf Betreiben der US-Regierung zustande kamen und nur in englischer Fassung vorliegen, darf vorausgesetzt werden, dass die US-Seite die Texte vorformulierte und als gewissermaßen fertiges Produkt den Cherokee zur Unterzeichnung vorlegte. Durch das Verfahren des Abschlusses der in Schriftform gegossenen zwischenstaatlichen Verträge gerieten die Cherokee unter den Bann des aus Europa übernommenen öffentlichen Rechts der zwischenstaatlichen Verträge, ohne dass die Cherokee die Anerkennung dieses Rechts mit der US-Regierung vereinbart hätten. Ein Konsens über die Anwendung des europäischen öffentlichen Rechts der zwischenstaatlichen Verträge bestand zwischen den Cherokee und der US-Regierung nicht. Diese legte den Verträgen die Erwartung zugrunde, dass der Friede durch menschliches Handeln mit Hilfe förmlicher schriftlicher Vereinbarungen gesetzt werden müsse und nur Bestand haben werde, wenn diese vertraglichen Setzungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit erneuert würden. Friede galt demnach als brüchig, und die Erwartung, der Friede werde nicht von allein beständig sein, nährte die Forderung, die Verrtragspartner sollten auf den nächsten Krieg 4 Begriff und Darstellung der Völkerrechtsgeschichte vorbereitet sein. Diese Erwartung fügte sich zu Beginn des 19.-Jahrhunderts in Europa mit der aus ihr folgenden Forderung zu einer Theorie des Rechts des Kriegs zusammen, die nicht den Frieden, sondern den Krieg als Normalzustand der Welt verstand, wie der Leipziger Theologe Heinrich Gottlob Tzschirner (1778 - 1828) und der preußische Offizier Jakob Otto August Rühle von Lilienstern (1780 - 1847) übereinstimmend formulierten [92, S.-33, 35; 114, S.-103-109]. Für die Gestaltung ihrer Beziehungen zu den Native Americans übernahmen die amerikanischen Revolutionäre dieses Abfolgeparadigma von Krieg, Frieden und wieder Krieg. Den Cherokee war dieses Paradigma jedoch nicht geläufig. Für sie war der Friede der Normalzustand der Welt, der durch das rituelle Ausgraben des Kriegsbeils unterbrochen und mit Beendigung des Kriegs wieder hergestellt wurde und danach keiner Erneuerung oder Festigung bedurfte. Mit dem Oktroi des europäischen öffentlichen Rechts der zwischenstaatlichen Verträge zwang die US-Regierung die Cherokee zur Übernahme einer zeitgenössischen Theorie des Rechts des Kriegs, die ihnen unverständlich war. Anderen Native Americans wie etwa den Choctaw [121] und den Chicksaw [122] erging es nicht anders. Die US-Regierung beließ es nicht bei dieser Unterwerfung unter die Sätze des europäischen öffentlichen Rechts der zwischenstaatlichen Verträge, sondern setzte den Cherokee wiederholt als Bedingung für den Abschluss neuer Friedensabkommen die Erfüllung stets weiter hochgeschraubter Forderungen nach Abtretung von Land. Die Cherokee sollten mit jedem neuen Vertrag die Selbständigkeit ihres Staats nutzen, um auf angestammte Rechte der Landnutzung in ihren Siedlungsgebieten zugunsten der dort nach Bodenschätzen suchenden Immigranten zu verzichten. Diesem Bestreben der Immigranten stand die überkommene Lebensform der Cherokee als Jäger entgegen, da die Bodenschatzsucher in die Jagdgründe der Cherokee vordringen wollten. Die US-Regierung drängte die Cherokee dazu, auf die Jagd zum Lebensunterhalt zu verzichten und statt Jagd Ackerbau zu betreiben. Sie nahm die Jagd als vermeintlich unzivilisierte Lebensform wahr und schrieb sich selbst den Auftrag der Förderung der „Zivilisierung“ der Native Americans zu. Diese Zivilisierungsmission goss sie im Vertrag von 1791 sogar in die Rechtsform eines Artikels, der die Cherokee zur Aufgabe der Jagd zugunsten des Bodenbaus verpflichtete [123, Art.-XIV, S.-171]. Nach ihrer militärischen Niederlage versuchten die Cherokee, sich mit Rechtsmitteln gegen die fortschreitende Einschränkung ihrer Selbständigkeit zu wehren. Dafür zahlten sie letztlich einen sehr hohen Preis. Denn um den Gerichtsweg gegen die Regierung von Georgia beschreiten zu können, mussten sie mangels überstaatlicher Gerichte den Supreme Court anrufen und damit dieses Verfassungsorgan der Vereinigten Staaten von Amerika als ihnen übergeordnet anerkennen. Doch nicht nur schränkten sie durch diese Entscheidung die Souveränität ihres Staats gravierend ein, sondern sie mussten sich auch damit abfinden, dass Verfahren vor diesem Gericht erst stattfinden konnten, nachdem dieses sich für zuständig erklärt hatte. Das Gericht vermied es mit einem Griff in die juristische Trickkiste, in der Verbandsklage der Cherokee gegen Georgia zugunsten der Kläger zu intervenieren, obschon der Indian Removal Act gegen die in der US-Verfassung niedergelegten Menschenrechte verstieß. Dabei argumentierte John Marshall mit dem Protektoratsstatus der Cherokee, ließ aber nicht als Gegenargument gelten, dass eben dieser Status durch den zwischenstaatlichen Vertrag von 1785 zustandegekommen war und die US-Regierung dazu zwang, den Cherokee „Schutz“ zu gewähren. Vor die Entscheidung gestellt, ob er dem Anspruch der Cherokee auf „Schutz“ oder dem Streben der Immigranten-Kolonisten nach Kontrolle über Land den Vorrang einräumen sollte, entschied sich Marshall für letzteres und ließ damit Macht vor Recht gelten. Dass er im Fall des Samuel Arthur Worcester anders entschied, verringerte nicht die Tragweite des ersten Urteils in der Causa der Cherokee. Welche Rechte der Staat der Cherokee im allgemeinen sowie im besonderen gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika haben mochte, blieb in den Verfahren ungeklärt. Was ist Völkerrecht? 5 Das Schicksal der Cherokee verweist somit auf zwei Grundfragen der Völkerrechtsgeschichte: Was ist in welchen Teilen der Welt zu welcher Zeit ein Staat, wer bestimmt jeweils, ob eine Gemeinschaft ein Staat ist, und was geschieht, wenn sich Staatsbegriffe wandeln? Wie nahmen Handelnde in ihren jeweiligen Kulturen und Zeiten das Verhältnis von Krieg und Frieden im Rechtssinn wahr und wie wirkten sich Wechselwirkungen zwischen Kulturen auf diese Wahrnehmungen aus? Was ist Völkerrecht? Zunächst: Was ist dieses Recht, für das Bezeichnungen wie internationales Recht, zwischenstaatliches Recht, Recht des Kriegs und des Friedens und eben auch Völkerrecht in Gebrauch stehen, warum ist seine Geschichte wichtig und was wandelt sich in ihr? Die Antwort auf diese Fragen bedarf einer Vorklärung. Die Geschichte des Völkerrechts, wie die Geschichte aller anderen Komplexe rechtlicher Sätze, erschließt sich in unterschiedlicher Weise, einerseits im Bereich der Rechtswissenschaft, andererseits dem der Geschichtswissenschaft. In rechtswissenschaftlicher Perspektive zielt die Darstellung der Geschichte des Völkerrechts auf das Verständnis der Gegenwart, die als geschichtlich geworden wahrgenommen wird. Rechtsgeschichtliche Darstellungen versuchen mithin, die gegenwärtige Theorie und Praxis des Völkerrechts auf ihre Ursprünge zurückzuführen oder, umgekehrt gesagt, in der Geschichte des Völkerrechts diejenigen Rechtssätze aufzuspüren, die bis in die Gegenwart weiterwirken. Dagegen geht es in der Perspektive der Geschichtswissenschaft darum, vergangene Abläufe und die darin feststellbaren Wandlungen zu beschreiben, wenn möglich zu erklären und deren Relevanz für die Gegenwart aufzuzeigen. Die Orientierung auf die Gegenwart als vermeintliches Ziel vergangener geschichtlicher Wandlungen und die Orientierung auf vergangene Abläufe ohne Berücksichtigung eines Ziels schließen sich als Forschungs- und Darstellungsgrundsätze wechselseitig aus, sodass eine Entscheidung zwischen beiden Grundsätzen geboten ist. Da die vorhandenen Überblicke zur Geschichte des Völkerrechts nur in rechtswissenschaftlicher Perspektive vorliegen und deren Beibehaltung im wesentlichen nur die Wiedergabe von Bekanntem leisten könnte, folgt diese Darstellung der geschichtswissenschaftlichen Perspektive. Zudem hilft die ablauforientierte Perspektive der Geschichtswissenschaft dabei, den selten zutreffenden Eindruck zu vermeiden, als wandelten sich Rechtssätze zwingend nur in eine Richtung, nämlich in diejenige, die in irgendeiner Gegenwart gerade dominant zu sein scheint. Die geschichtswissenschaftliche Darstellung der Geschichte des Völkerrechts muss mithin Wandlungen von Rechtssätzen und des Umgangs mit ihnen so beschreiben, dass die Faktoren deutlich werden, die die Richtung dieser Wandlungen bestimmt haben. Damit sie diese Aufgabe erfüllen kann, muss eine Darstellung des Völkerrechtsgeschichte in geschichtswissenschaftlicher Perspektive Komplexe von Sätzen des Völkerrechts einordnen in den allgemeinen Kontext der zwischengemeinschaftlichen Beziehungen, so wie diese jeweils in ihrer Zeit wahrgenommen wurden. Die zeitliche Dimension, in der sich Wandlungen völkerrechtlicher Sätze und des Umgangs mit ihnen vollzogen haben, ist tiefer als die der Wandlungen der meisten anderen Komplexe von Rechtssätzen. Zwar ist die Aussage mitunter bestritten worden, dass das Völkerrecht über eine lange Tradition verfüge, zuletzt von dem Gießener Staatsrechtler Heinhard Steiger (1933- -) [104] und dem Helsinkier Völkerrechtler Martti Koskenniemi (1953--) [62, S.-298]. Mit Blick auf Europa wollte Steiger der Geschichte des Völkerrechts eine nur wenige Jahrhunderte, Koskenniemi sogar nur wenige Jahrzehnte überspannende Dauer zuerkennen. Aber schon ein flüchtiger Blick in völkerrechtsrelevante Quellen lehrt, dass Kernelemente des in Europa bekannten Völkerrechts in einer großen Tradition stehen, die weit über den Kontinent Europa hinaus bis in den Alten Vorderen Orient und nach China reicht. Im Alten Vorderen Orient ging 6 Begriff und Darstellung der Völkerrechtsgeschichte diese Tradition mindestens bis in 24.-Jahrhundert vor Christus zurück, in China mindestens bis ins 6. vorchristliche Jahrhundert. In China ist sie in Schriften belegt, die mit dem Namen des Gelehrten Konfuzius (Kong Zi, 551 - 479 vor Chr.) assoziiert sind [66]. Dessen Werke waren in Europa seit dem 17.-Jahrhundert gut bekannt [22] und erfuhren im 18.-Jahrhundert beispielsweise durch den Philosophen Christian Wolff (1679 - 1754) starke Beachtung [134]. Die an Konfuzius anknüpfende Völkerrechtstheorie wirkte in Ostasien bis an die Wende zum 20.-Jahrhundert fort [79], ebenso wie einige Lehren Wolffs noch in den 1930er Jahren als gültig angesehen werden konnten [74, S. LVI]. Völkerrecht war auch in älteren Zeiten keineswegs nur als sogenanntes „Zwischen-Mächte-Recht“ [104] theoretisierbar, sondern als Komplex von Rechtssätzen, die als den jeweils handelnden Akteuren übergeordnet wahrgenommen werden konnten. Völkerrechtiche Sätze unterschieden sich zudem von anderen Rechtssätzen dadurch, dass auf sie diejenige Kategorie von Wandlungen oft zutraf, die der Historiker Fernand Braudel (1902 - 1985) für den Bereich der Wirtschaftsgeschichte „lange Dauer“ (longue durée) genannt hat [13]. Damit bezeichnete er Wandlungen, die sich in langen, über Jahrhunderte dauernden Abläufen vollziehen und deswegen für Zeitgenossen oft nicht wahrnehmbar sind. Übertragen auf die Völkerrechtsgeschichte bedeutet die Kategorie der „longue durée“, dass die Wahnehmung entstehen konnte, das Völkerrecht bestehe als unwandelbarer, scheinbar von Gottheiten oder der Natur geschaffener Komplex von Rechtssätzen. Die Retrospektive der Geschichtswissenschaft, die Wandlungen der „longue durée“ beschreibt, muss die Wahrnehmung der scheinbaren Unwandelbarkeit des Völkerrechts durch zeitgenössische Theoretiker der Vergangenheit zur Kenntnis nehmen und den Faktoren des Wandels dieser Wahrnehmung nachspüren. Wie in fast jedem Bereich des Lebens wandeln sich auch in der Völkerrechtsgeschichte die Sachen, das heißt hier, die Rechtssätze, in anderer Weise als die Wörter, mit denen sie bezeichnet werden, und diese wiederum in anderer Weise als die Begriffe, in die die Rechtssätze gefasst sind. Die Unterschiede betreffen in erster Linie die Geschwindigkeit der Wandlungen, die zudem zwischen den Kulturen weder gleichmäßig noch in derselben Richtung stattfinden müssen. Lang in Gebrauch stehende Wörter können daher zu verschiedenen Zeiten verschiedene Rechtssätze zum Ausdurck bringen und diese mit unterschiedlichen Begriffen verbinden. Rechtssätze können existieren, ohne dass es Wörter für sie gibt, dieselben Rechtssätze können zu verschiedenen Zeiten mit verschiedenen Wörtern bezeichnet sein, wie auch Wörter als Elemente von Tradition weitergeschleppt werden können, nachdem die Rechtssätze, für die sie ehemals gestanden hatten, zu bestehen aufgehört hatten. Begriffe können sich in unterschiedlicher Fassung mit verschiedenen Wörtern wie auch mit verschiedenen Rechtssätzen verbinden. Diese Feststellung gilt zu allererst für Wort und Begriff Völkerrecht. Das deutsche Wort „Völkerrecht“ ist, ebenso wie die französische Formel „droit des gens“ und die englische Formel „law of nations“, eine Lehnbildung aus dem lateinischen Ius gentium. Dieses Wort bezeichnete jedoch in der Zeit der Römischen Republik sowie des Römischen Kaiserreichs das vermeintlich allen Völkern gleiche innerstaatliche Recht [21, Dig. 1,1,9, S.-94; Inst. 1, 2, 1, S.-2; 52, Kap.-V/ 4]. Das Ius gentium stimmte insoweit mit dem römischen Bürgerrecht überein, als es Rechtssätze umfasste, die in der Wahrnehmung der Römer sowohl bei ihnen selbst als auch bei anderen „Völkern“ auch galten. Zugleich waren unter der Bezeichnung Ius gentium diejenigen Rechtssätze zusammengefasst, die Nicht-Römer in Rom zu befolgen hatten. Diese Bedeutung von Ius gentium herrschte noch im 13.- Jahrhundert vor, wie das Werk des Hl. Thomas von Aquin (um 1225 - 1274) belegt [109, Kap.-II/ 2, q. 57 a. 3, S.-599]. Sie wies daher keine Bezüge zum Völkerrecht auf [60, S.-15]. Das heute „Völkerrecht“ genannte Recht zwischen den Staaten hingegen galt insbesondere Marcus Tullius Cicero (106 v.-Chr.-- 43 v.-Chr.) als das „Recht des Kriegs und des Friedens“ [17, Kap.-II/ 17, Nr-31] und bildete schon damals eine Tradition aus, die in den Alten Vorderen Orient zurückführte und im Mittelmeer-Bereich sowie auch in Europa nördlich der Alpen bis an das Ende des 16.-Jahrhunderts fortwirkte. Zugleich lag der Begriff des Rechts des Was ist Völkerrecht? 7 Kriegs und des Friedens auch den in Ostasien als gültig wahrgenommen völkerrechtlichen Rechtssätzen zugrunde. An der Wende zum 17.-Jahrhundert vollzog sich jedoch nur in Europa ein Wandel der Bezeichnungen. Das alte Recht des Kriegs und des Friedens erhielt eine neue Benennung als „Recht zwischen den Staaten“ (ius inter gentes). Es bezeichnete das zwischen diesen bestehende Recht, das neben Krieg und Frieden auch andere Rechtsbereiche erfassen konnte [106, Kap.-II/ 19, Nrn-3, 6, S.-56-58, 60-62]. An der Wende zum 19.-Jahrhundert entstand in Europa, zuerst im englischen Sprachraum, die neue Formel international law [8, Kap.- XIX/ 2, Nr-25, S.-149] für das zwischen den Staaten bestehende Recht. Diese Bezeichnung drang im Verlauf des 19.-Jahrhunderts zunächst in das Spanische als derecho internacional, dann auch in andere Sprachen wie das Russische als meždunarodnogo pravo und das Deutsche als „internationales Recht“ vor. Dass sich während dieser Wandlungen der Worte und Begriffe die Völkerrecht betreffenden Sätze ebenfalls wandelten, versteht sich von selbst. Die nachfolgende Darstellung vollzieht diese Rechtssatz-, Bezeichnungs- und Begriffswandlungen in der Wortwahl nach. In den Kapiteln 2, 3, 4 und 5 steht die Bezeichnung „Recht des Kriegs und des Friedens“ in Gebrauch, in den Kapiteln 6, 7 und 8 folgt „Recht zwischen den Staaten“ und in den Kapiteln 9, 10, 11 und 12 „internationales Recht“, unabhängig von den jeweils zeitgenössisch verwandten Wörtern. Das Wort „Völkerrecht“ wird nur gebraucht als zusammenfassende Bezeichnung für diese verschiedenen Komplexe von Rechtssätzen. Inhaltlich bleibt die gesamte Darstellung in der Hauptsache begrenzt auf den Bereich derjenigen Rechtssätze, die bis an das Ende des 16.-Jahrhundert im Zentrum der Theorie und Praxis des Völkerrechts bildeten, mithin das Recht des Kriegs und des Friedens. Der Blick auf mehrere Kulturen erweitert die Variationsbreite der Inhalte der Rechtssätze, der Bedeutungen der Wörter und der Definitionen der Begriffe. Nicht nur können verschiedene Wörter in verschiedenen Kulturen für dieselbe Sache stehen, Wörter können auch zwischen den Kulturen hin- und hergereicht werden und dann Sachen bezeichnen, die sie ursprünglich nicht bezeichnet hatten. Die Sachen selbst, also Völkerrechtssätze, können ebenso wandern wie die Wörter, die sie bezeichnen, in der Zielkultur jedoch mit anderen Wörtern belegt sein als in der Ursprungskultur. Wandlungen von Rechtssätzen, Wörtern und Begriffen geschehen in verschiedenen Kulturen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Was in einer Kultur brandneu ist, gilt in einer anderen Kultur als alter Hut, da es schon lange in Gebrauch steht. Diese Variationsbreite an möglichen Zuordnungen von Rechtssätzen, Wörtern und Begriffen zueinander ist bei der Bestimmung eines historischen Begriffs von Völkerrecht zu berücksichtigen, der auf verschiedene Epochen und unterschiedliche Kulturen anwendbar sein soll. Er muss die Wandlungen erfassen können, die es zu beschreiben und, wenn möglich, zu erklären gilt. Einer historischen Darstellung nicht förderlich ist ein Völkerrechtsbegriff, der nur die im 20. und 21.-Jahrhundert geläufigen Rechtssätze und Formen des Umgangs mit ihnen in den Beziehungen zwischen den Staaten umfasst. Denn dass Völkerrecht nur oder hauptsächlich das Handeln der Regierungen von Staaten regele und dass Staaten überhaupt als handelnde „Akteure“ wahrgenommen werden können, ist, beim Blick über die Epochen und Kulturen hinweg, keineswegs selbstverständlich. Für die Belange einer historischen Darstellung erscheint es vielmehr als angemessen, Völkerrecht zu bestimmen als einen Komplex von Rechtssätzen, die geeignet erscheinen, das über Grenzen hinaus wirkende kollektive Handeln von Gemeinschaften zu regeln, deren Angehörige sich wechselseitig als Außenstehende anerkennen. Dabei sollen als Rechtssätze diejenigen Regeln gelten, die mit Sanktionen bewehrt sind und geeignet erscheinen, die kollektive oder individuelle Freiheit der Wahl von Handlungsmustern einzuschränken. Nach dieser Definition muss Völkerrecht weder in Sammlungen noch in systematisierter oder kodifizierter Form vorliegen, um Recht zu sein, sondern seine Rechtsqualität ergibt sich allein aus der erkennbaren Tatsache, dass die es ausmachenden Rechtssätze bestimmte Arten des Tuns und Lassens von Personen in bestimmten Typen von Gemeinschaften erzwingen können, ohne dieses 8 Begriff und Darstellung der Völkerrechtsgeschichte unter allen Umständen leisten zu müssen [111, S.-28-29]. Dabei gilt, wie überall im Recht, dass Rechtssätze als solche auch dann bestehen und fortbestehen, wenn hier und da ihr Bruch attestiert worden ist. Völkerrechtssätze bestehen mithin wie alle anderen Rechtssätze fort, solange ihr Bruch als solcher wahrgenommen wird und geeignete Maßahmen zur Ahndung des Bruchs ergriffen werden können. Nicht alle Genossenschaften, zu denen Personen sind zusammenschließen können, können Subjekte des Völkerrechts sein, sondern nur diejenigen, die herrschaftlich geordnet sind. Die Sprache der Wissenschaft vom Öffentlichen Recht bezeichnet diese Genossenschaften als Gemeinschaften [111, S.-15-16] oder Gemeinwesen [55, S.-298]. Einzelne hingegen können, beispielsweise als Heerführer oder als Kläger gegen Gemeinschaften, Subjekte des Völkerrechts sein, sofern sie selbst Angehörige von Gemeinschaften sind. Die nachfolgende Darstellung handelt hauptsächlich, aber nicht ausschließlich von politischen Gemeinschaften. Als solche gelten diejenigen Gemeinschaften, für die ein Ziel oder Zweck erkennbar ist und die die zum Erreichen dieses Ziels oder Zwecks erforderlichen, nicht von übergeordneten Instanzen legitimierten herrschaftlichen Einrichtungen haben. Diejenigen politischen Gemeinschaften, die eine von keiner übergeordneten Instanz abgeleitete Befugnis zur Setzung weltlichen Rechts über spezifierbare Gruppen haben, werden als Staaten bezeichnet. Diejenigen Staaten, deren originäre Rechtssetzungsbefugnis weder der Rechtssetzungsbefugnis eines anderen Staats untergeordnet ist noch irgendeinem sonstigen externen rechtlich bindenden Einfluss unterliegt, gelten als souverän. Andere Gemeinschaften, wie etwa Fernhandelskompanien oder andere Gemeinschaften von Kaufleuten, können zu selbständigem Handeln nach Völkerrecht privilegiert sein, auch wenn sie weder als politische Gemeinschaften noch als Staaten gelten können. Aus dem Gesagten folgt, dass Rechtssätze über einzelne politische Gemeinschaften hinaus nur zur Anwendung kommen können, wenn zeitgleich mehrere Gemeischaften einerseits als legitim anerkannt und durch mindestens vage bezeichnete Grenzen getrennt, andererseits durch Austauschbeziehungen vernetzt sind. Die Reichweite des über politische Gemeinschaften hinaus wirkenden Rechts ist mithin unbegrenzt; seine Sätze können als für die Welt als ganze formuliert oder mindestens gedacht sein, auch wenn sie nur in Teilen der Welt als durchsetzbar wahrgenommen werden. Die durch Recht verbundenen politischen Gemeinschaften müssen sich wechselseitig als selbständig anerkennen, was jedoch nicht zu verhindern braucht, dass sie ihre Beziehungen unter einander als hierarchisch geordnet und daher als rechtlich ungleich wahrnehmen. Selbständigkeit, historisch begriffen, bedeutet daher nicht notwendigerweise Unabhängigkeit, sondern lediglich die Fähigkeit zum Handeln von Gemeinschaften nach Völkerrechtssätzen. Selbständige politische Gemeinschaften als Staaten können daher Souveräne sein, ohne Unabhängigkeit für sich beanspruchen zu müssen. Gleichzeitig können Staaten Souveräne sein, ohne als Subjekte des Völkerrechts bestehen zu müssen. Die Fusion des Selbständigkeitsbegriffs mit dem Begriff der Unabhängigkeit, die für das europäische internationale Recht des 19. und 20.-Jahrhunderts konstitutiv geworden ist, bestand vor dem Ende des 19.-Jahrhunderts nicht. Nach dieser Definition ist Völkerrecht vielleicht älter, als wir durch erhaltene Überlieferungen seit dem 3. vorchristlichen Jahrtausend von ihm wissen können. Jedenfalls war es bei Eintreten der schriftlichen Überlieferungen in seinen wesentlichen Bestandteilen bereits voll ausgeprägt. Völkerrechtssubjekte, insbesondere Staaten, und die sogenannte Völkerrechtsordnung Seit etwa 200 Jahren haben Theoretiker der Rechts- und Sozialwissenschaften Staaten so behandelt, als wären sie lebende Personen, und haben die Staaten mit „Organen“ und einem „Willen“ ausgestattet [81, S.-18-19; 111]. Wenn Staaten einen Willen haben, muss dieser durch „Organe“, Völkerrechtssubjekte und Völkerrechtsordnung 9 mithin Institutionen der Legislative und der Exekutive formuliert werden können. Diese „Organe“ des Staats müssen also vorhanden sein, damit ein Staatswillen kundgetan werden kann. Da Staaten aber nicht einfach zu bestehen, sondern dem Gesetz des Lebens und Sterbens unterworfen zu sein scheinen, müsste auch ein Wille zur Entstehung eines Staats vorhanden sein. Diesen aber kann es ohne „Organe“ eines Staats nicht geben, der erst ins Leben zu treten hätte. Angesichts dieses Problems kam schon der im 19.- Jahrhundert einflussreiche Jurist und sächsische Kultusminister Carl Friedrich Wilhelm von Gerber (1823 - 1891) [38, S.- 1-3, 16-17] zu der Überzeugung, dass Vorgänge der Staatsentstehung mit Mitteln der Rechtswissenschaft nicht fassbar seien. Gerbers Ansicht wirkte bis in das 20.-Jahrhundert nach [112, S.-9] und trug dazu bei, dass die Rechtswissenschaft die Erforschung von Prozessen des Staatsentstehung der Geschichtswissenschaft überantwortete. Als Völkerrechtssubjekte sollten Staaten überdies „Akteure“ sein, die als Souveräne in einem rechtsfreien Raum zu handeln schienen. Denn über den unabhängigen und souveränen Staaten konnte es keine durch irgendeinen höheren Herrschaftsträger irgendwie auf legitime Weise geschaffene Rechtsordnung geben. In dem Raum zwischen den Staaten konnte, in der Sicht der Theoretiker insbesondere des 19.-Jahrhunderts, Völkerrecht, als internationales Recht, folglich nicht einfach gegeben sein, sondern musste so erscheinen, als sei es erst gewissermaßen durch den Willen der Staaten geschaffen worden. Theoretiker beschrieben diesen Vorgang der vermeintlichen Entstehung von Völkerrecht als Vereinigung von Staatswillen und Setzung einer überstaatlichen, scheinbar objektiven Rechtsordnung durch das Handeln der Völkerrechtssubjekte. Diese Rechtsordnung schien durch zwischenstaatliche Verträge sowie die Befolgung von Gewohnheitsrecht zustandezukommen [54, S.-57]. Diese Wahrnehmung warf sofort schwierige Fragen auf nach denjenigen Bedingungen, unter denen Gewohnheiten sich zu Recht verdichten konnten, nach denjenigen Rechtssätzen, denenzufolge Verträge zwischen Staaten gültig sein sollten, und denjenigen Verträgen, die über spezielle Vereinbarungen der Partner hinaus allgemeines internationales Recht würden setzen können. Die Fragen selbst waren im 19.-Jahrhundert nicht neu, wohl aber warfen ihre Antworten neue, für das 19.-Jahrhundert spezifische Probleme auf. Denn in dem vermeintlich rechtsfreien Raum zwischen den Staaten erschien es Theoretikern des Rechts wie Praktikern der Gestaltung zwischenstaatlicher Beziehungen erforderlich, das Völkerrecht als internationales Recht nicht mehr als allgemein menschliche, sondern kulturspezifische Sammlung von Rechtssätzen auszugeben. Diese Voraussetzung schien aus der Ableitung der angeblich von den Staaten geschaffenen Rechtsordnung zu folgen. Danach konnten nur diejenigen Staaten an der Schaffung dieser Rechtsordnung beteiligt sein, die einen gemeinsamen Komplex von Grundwerten anerkannten und eine sogenannte Rechtsgemeinschaft bildeten. Theoretiker des internationalen Rechts wie Praktiker der zwischenstaatlichen Beziehungen setzten kurzerhand die für die scheinbar objektive Rechtsordnung anzunehmenden Grundwerte mit den in Europa gängigen gleich. Diese Grundwerte galt es, der Theorie zufolge, zusammen mit der scheinbar objektiven Rechtsordnung in anderen Teilen der Welt als Voraussetzung für die Anerkennung des internationalen Rechts durchzusetzen, notfalls mit Mitteln des Kriegs. Einige Theoretiker, wie der Münchener Staatsrechtler Max von Seydel (1846 - 1901) [97, S.-31-32] und der Berliner Philosoph Adolf Lasson (1823 - 1917) [65, S.-57-58, 62-63], gingen sogar so weit zu behaupten, es gebe überhaupt kein internationales Recht, sondern zwischen den Staaten herrsche nur Gewalt. Diese Wahrnehmungen waren für die Gesamtzeit vor Beginn des 19.- Jahrhunderts in dem skizzierten Ausmaß nicht und auch während des 19.-Jahrhundert außerhalb Europas und Amerikas nur begrenzt anwendbar. So erwies sich die in europäischem Rechtsdenken konzipierte überstaatliche, angeblich objektive Rechtsordnung bei ihrer Konfrontation mit Komplexen von Rechtssätzen nicht nur der Native Americans, sondern auch in Afrika, Asien und dem Südpazifik nicht als Setzung objektiven Rechts, sondern als Ausdruck subjektiver Machtansprüche von 10 Begriff und Darstellung der Völkerrechtsgeschichte Regierungen einiger europäischer Staaten und diente insbesondere in der Zeit um 1900 auch zur ideologischen Fundierung von Kolonialherrschaft. Dennoch haben rechtswissenschaftlich geprägte Völkerrechtshistoriker wie Wolfgang Preiser (1903 - 1997) [82] und Karl-Heinz Ziegler [136] vorausgesetzt, dass eine von ihnen angenommene überstaatliche, objektive Rechtsordnung von einer erkennbaren Rechtsgemeinschaft getragen werden müsse. Diese Rechtsgemeinschaft gelte es mit Mitteln historischer Forschung auch für fernere Zeiten zu rekonstruieren. Doch diese Rekonstruktion folgte dem europäischen Rechtsdenken, nicht den Gegebenheiten vor Ort. Überdies ist die Vorstellung, Völkerrecht könne nur in einer von einer Rechtsgemeinschaft getragenenen Rechtsordnung bestehen, auch in Europa vor der Wende zum 19.- Jahrhundert schwer zu belegen. Leicht erkennbar hingegen ist spätestens seit dem 15.-Jahrhundert die Tatsache, dass zwischen Herrschaftsträgern in Europa, beispielsweise der Stadt Venedig, und islamischen Herrschaftsträgern, beispielsweise dem Osmanischen Sultan, rechtsverbindliche Verträge zustandekamen, ohne dass eine der beiden Parteien es für nötig befand, zuvor förmlich die Pflicht zur Einhaltung bestehender Verträge und die Grundlagen der Verfahren zum Abschluss von Verträgen zu vereinbaren. Hingegen wurden für diese Abkommen beide Aspekte des Rechts der zwischenstaatlichen Verträge als gegeben und bindend vorausgesetzt [117]. Ebenso wenig formalrechtliche Schwierigkeiten bereitete der Abschluss von Verträgen zwischen europäischen Fernhandelskompanien, beispielsweise der niederländischen Ostindischen Kompanie (VOC), und dem Shōgun von Japan zu Beginn des 17.-Jahrhunderts [118]. So urteilte bereits der Philosoph Baruch Spinoza (1632 - 1677), der mit der Handelstätigkeit der VOC gut vertraut war, dass grundsätzlich jeder Staat mit jedem anderen Verträge schließen könne, und nannte die Abkommen der Kompanie mit dem Shōgun von Japan als Beispiel [101, S.-200]. Spinozas Urteil ist bemerkenswert, da er grundsätzlich die Verbindlichkeit des Völkerrechts leugnete. Gleichwohl setzte auch er voraus, dass die Grundsätze des Rechts der zwischenstaatlichen Verträge gegeben seien. Dieses Recht bestand also nach Ansicht europäischer Theoretiker dieser Zeit nicht als Werk irgendwelcher Rechtsgemeinschaften, ohne dass seine Setzung menschliches Handeln zu erfordern schien. So erscheint es für die allgemeine, Epochen- und Kulturgrenzen übergreifende Darstellung der Geschichte des Völkerrechts sinnvoll, den Begriff der überstaatlichen Rechtsordnung aufzugeben und das Völkerrecht in Bildern von der Welt als Kategorien der Wahrnehmung zu verankern. Wahrnehmungen der Welt waren mindestens bis in das 16.-Jahrhundert kulturspezifisch und nicht notwendigerweise und überall auf die gegebene Verteilung von Land und Wasser auf der Erdoberfläche bezogenen. Weltbilder sind dem Wandel unterworfen, der sich in und zwischen den Kulturen vollzieht und auch in Komplexen von Völkerrechtssätzen seinen Niederschlag findet. Macht und Recht, Krieg und Frieden Die Problematik des Begriffs der überstaatlichen, angeblich von einer Rechtsgemeinschaft getragenen Rechtsordnung verwies schon auf das Verhältnis von Macht und Recht. Dieses Verhältnis ist komplex nicht nur, da immer wieder behauptet wird, der Gebrauch von Macht setze Recht, sondern mehr noch, da die Durchsetzung geltenden Rechts der Anwendung von Macht bedürfen kann und zugleich Macht selten, auch während eines Kriegs, ohne Bindung an Recht in Gebrauch steht. Mit Bezug auf das Völkerrecht ergibt sich aus diesen Wechselwirkungen die Erwartung, dass die Bewahrung und Wiederherstellung des Friedens den Einsatz militärischer Macht erfordern könne und zugleich völlig rechtlose Kriegführung theoretisch kaum vorstellbar und empirisch schwer zu belegen ist. Macht und Recht, Krieg und Frieden 11 Gleichwohl ist in Europa die Rede über Frieden und Krieg gebunden gewesen an Metaphern, die Frieden und Krieg in unterschiedliche, ja gegensätzliche Lebenszusammenhänge stellten. Krieg lassen wir ausbrechen, als wäre er ein Gefangener, oder meinen, er würde entfesselt, als wäre er ein Halbgott. Frieden schließen wir, als wäre er eine Tür, oder brechen ihn, als wäre er ein Stück Holz. Die Metaphern der Sprache übertragen Sinn und erzeugen Modelle des Denkens. Krieg erscheint uns als etwas Lebendiges, Frieden als tote Materie. Die Metaphorik ist alt, geht auf griechisch-römische Vorbilder zurück und ist daher gemeineuropäisch. Kriege könne nur gewinnen, meinte Carl von Clausewitz (1780 - 1831) [19, Ausg. 1980, S.-199-200], wer die vermeintliche Hauptschlacht in der Lebensform der höchsten Spannung austrage. Die scheinbar bevorstehende Friedenszeit, die ihm eine Horrorvision war, erschien Francis Yoshihiro Fukuyama (1952--) am Ende des 20.-Jahrhunderts so tot wie das „Ende der Geschichte“ [35]. Wer Krieg mit Leben und Bewegung, Frieden aber mit Tod und Stillstand verbindet, geht von der Voraussetzung aus, dass Krieg und Frieden mit unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Handlungsformen assoziiert werden müssen. Diese Voraussetzung gilt auch dann, wenn immer wieder beteuert wird, Frieden sei mehr als bloße Abwesenheit von Krieg und bestehe in einem „geregelten Zusammenwirken oder der fortschreitenden Integration“ von Gruppen und Einheiten [11, S.-110; 35, S.-1; 95, S.-17-24]. Für Ostasien meint man, die Existenz von Friedenslehren überhaupt bestreiten zu können. Seit dem 19.-Jahrhundert gilt China als Hort der Kriegstheorie und als Geburtsstube revolutionärer Waffentechnik, wie etwa der Feuerwaffen [31; 41; 72]. Ebenfalls seit dem 19.-Jahrhundert gilt Japan als Motor der Ästhetisierung des Krieges durch Verbindung von Zen mit Kampftechnik [48; 51]. Friede, so meint man, resultiere in Ostasien durch Ausübung von Macht oder ad-hoc-Akkommodation nach Vereinbarung, ohne dass es dazu einer eigenen Theorie bedurft habe [96]. Frieden entstehe durch Vermittlung angesehener Personen, ohne Druck übergeordneter Institutionen und ohne globale, eschatologische oder teleologische Perspektive. Entsprechend dem unterschiedlichen Gebrauch der Metaphern sind auch die Theorien von Krieg und Frieden in Europa und in Ostasien in verschiedenen Gewändern aufgetreten. So wurde im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa in den zahlreichen Friedenstraktaten, Friedensklagen und Programmen für den ewigen Frieden von Dante Alighieri (1265 - 1321) und Andrea Biglia (um 1394 - 1435) bis zu Jean Jacques Rousseau (1712 - 1778) und Immanuel Kant (1724 - 1804) ein zentraler Teil dessen niedergelegt, was wir heute Theorie der internationalen Beziehungen nennen. Dies war deswegen sinnvoll, da die internationalen Theorien dieses Zeitraums darauf angelegt waren, die Bedingungen für die Bewahrung der Stabilität der Welt aufzuzeigen. Diese Theorien konnten den ewigen Frieden propagieren, da sie, anders als ihre Nachfolger im 19. und 20.- Jahrhundert, nicht eingebunden waren in Diskurse über den Krieg als-- zumeist gewünschten-- Faktor des Wandels der Welt. Den Friedenslehren kam also in der europäischen Tradition, unabhängig von Zielsetzungen und Behauptungen im einzelnen, ein Aussagewert als Theorem der internationalen Beziehungen zu. Soll heißen: Wichtiger als darüber zu streiten, ob ein Programm für den ewigen Frieden normativ sinnvoll ist oder naiv, ist es zu verstehen, welche Wirkungen die Forderung, politisches Handeln solle auf das den Menschen vorgegebene Ziel der Erlangung des ewigen Friedens als kriegsloser Zustand ausgerichtet sein, in ihrer jeweiligen Zeit hatte. In Ostasien hingegen sind Friedenslehren seit langem in Traktaten zur Theorie des Krieges verortet. Sie demonstrieren schon durch diese Formalie, dass die in Europa geläufige Annahme eines begrifflichen und Handlungsgegensatzes zwischen Krieg und Frieden jedenfalls nicht von vornherein als allgemeine Wahrheit postuliert werden darf, sondern durch die Erwartung ergänzt werden muss, Krieg und Frieden könnten ununterscheidbar sein. Europäische Friedenslehren setzten Frieden als Ziel des Handelns. Die europäische Vorstellung, Frieden sei etwas grundsätzlich anderes als Krieg, mit letzterem stets unvereinbar, erweist sich schon im ersten 12 Begriff und Darstellung der Völkerrechtsgeschichte Hinsehen als gebunden an spezifische Handlungsformen und den hinter ihnen stehenden Handlungstheorien, denenzufolge Handeln auf das Erreichen von Zielen bezogen sein müsse, wenn es als rational anerkannt werden solle [129, Buch I, §. 1, Sektion 1-2, S.-1-2]. In Ostasien ging man jedoch nicht davon aus, dass Krieg als Prozess dem Frieden als Zustand diametral entgegengesetzt sei, sondern betrachtete Krieg und Frieden als Resultate ablauforientierten Handelns. Dieser Befund besagt keineswegs, dass in Ostasien keine Tradition von Friedenstheorien bestand. So sind schon in der altchinesischen Überlieferung Aussagen zur Friedenstheorie in den Kontext von Kriegstheorien integriert [93, S.-101-102 u. ö.], und an diesem Überlieferungsbefund änderte sich in Ostasien bis ins frühe 19.-Jahrhundert nichts. Während also in Ostasien die Tradition die Integration der Friedensin die Kriegstheorie ungebrochen bis in das frühe 19.-Jahrhundert fortdauerte, kam es in Europa zu einem Umbruch der Wahrnehmung des Bezugs von Krieg und Frieden aufeinander. Waren europäische Theoretiker bis an das Ende des 18.-Jahrhundert von der Voraussetzung ausgegangen, der Friede sei der Normalzustand der gottgewollten Weltordnung, könne zwar zeitweise durch Krieg unterbrochen, aber nicht aufgehoben werden, gingen europäische sowie auch amerikanische Theoretiker des 19. und 20.-Jahrhunderts von der Annahme aus, dass Krieg der Normalzustand der Welt sei, durch Frieden vorübergehend beendet und in zumeist knapp bemessener Zeit erneut beginnen werde. Dem älteren, wirkmächtig vom Hl. Augustinus, Bischof von Hippo Regius in Nordafrika (354 - 430), formulierten Abfolgeparadigma von Frieden, Krieg und wieder Frieden [2, Kap.-XIX/ 3, Nr-7, 11-44, S.-663, 671-672, 674-682] stand in der europäischen Tradition mithin das jüngere, in der Hauptsache von Clausewitz empfohlene Abfolgeparadigma von Krieg, Frieden und wieder Krieg gegenüber, den dieser Theoretiker zudem als dynamischen Vorgang bestimmte [19, Ausg. 1980, S.-235-236]. Diese gegensätzlichen Abfolgeparadigmata hatten für die Bestimmung dessen, was als Völkerrecht gelten sollte, wesentliche Folgen. Auf der Basis des älteren, augustinischen Paradigmas konnten Theoretiker das Völkerrecht als gegebenes Element der bestehenden Weltordnung voraussetzen, ohne für es menschliches rechtsetzendes Handeln fordern zu müssen. Hingegen mussten auf der Basis des jüngeren, Clausewitz’schen Paradigmas Theoretiker die Setzung von Rechtssätzen durch menschliches Handeln als zwingende Bedingung für das Zustandekommen von Völkerrecht, einschließlich des Rechts der zwischenstaatlichen Verträge bestimmen. Innerhalb des älteren Paradigmas konnten Rechtssätze als durchsetzbar gelten, wenn Menschen nur gottgefällig oder vernunftgemäß handelten; innerhalb des jüngeren Paradigmas gerann die Frage nach der Durchsetzbarkeit von Rechtssätzen zum Grundproblem der Theorie des Völkerrechts überhaupt und schien ohne staatliche Zwangsmaßnahmen oder deren Androhung nicht erreichbar. Das Völkerrecht geriet dadurch unter die Fittiche staatlicher Machtpolitik. Im Zusammenhang mit der Anbindung an die Metaphorik von Tod und Leben haben die Vorherrschaft des Clausewitz’schen Abfolgeparadigmas in Europa sowie Amerika und der Globalisierung dieses Paradigmas im Verlauf des 19. und 20.-Jahrhunderts zudem dazu beigetragen, dass die Tätigkeiten der hauptsächlich mit der Bewahrung sowie der Wiederherstellung von Frieden und dem Führen von Krieg betrauten Berufsgruppen unterschiedliche Gewichtungen erfuhren. So gilt dem Juristen und Politikwissenschaftler Nicholas Greenwod Onuf (1941--) der seiner Auffassung nach um den Frieden bemühte diplomatische Dienst in archaischen Ritualen erstarrt, während die für die Kriegführung verantwortlichen professionellen Soldaten ihm als veränderungsfreudig erscheinen [78, S.-248-249]. Ebenso wie neuere Historiker und Theoretiker der Diplomatie [6; 46, S.-1; 68, S.-9; 73] assoziierte Onuf das Tun von Diplomaten mit Frieden als totem Zustand und das Handeln von Soldaten im Krieg als dynamischen Vorgang. Doch diese schematische Rollenverteilung ist alles andere als selbstverständlich. Zwar ist die vor dem 19.-Jahrhundert gelegentlich belegte Praxis der Abberufung von Diplomaten bei Kriegsbeginn seit etwa 150 Jahren zur Regel geworden, aber diese Praxis bedeutet nicht, dass während des Geschichte der Völkerrechtsgeschichtsschreibung 13 Kriegsverlaufs jede diplomatische Tätigkeit zwischen den Kriegsparteien ruht. Im Gegenteil ist spätestens seit dem 17.- Jahrhundert hinreichend bekannt, dass bald nach Beginn der Kampfhandlungen diplomatische Sondierungen um die Wiederherstellung des Friedens begannen [59]. Obwohl umgekehrt unstrittig ist, dass Friedensverhandlungen in der Regel von Diplomaten geführt worden sind, dienten auch professionelle Soldaten als diplomatische Emissäre, wie schon im 17.- Jahrhundert der aus Japan nach Rom entsandte Samurai Tsunenaga Hasekura (1571 - 1622) [91] und der im 19.-Jahrhundert als offizieller Vertreter Preußens und des Deutschen Reichs in Ostasien tätige Offizier Max August Scipio von Brandt (1835 - 1920) [12]. Zudem ist die Behauptung, diplomatische Praxis erschöpfe sich in statischen Ritualen bei Berücksichtigung der gravierenden Wandlungen allein schon des Rechts der zwischenstaatlichen Verträge sowie der Wandlungen der Vertragsschlusspraxis schwer nachvollziehbar. Auch die gut bekannte Tatsache, dass auch Rituale sich wandeln und zu unterschiedlichen politischen Zwecken eingesetzt werden können, mithin begrenzte Möglichkeiten der Wahl von Handlungsmustern erlauben [1], bezeugt die Innovativität diplomatischer Praxis. Ebenso gut dokumentiert ist, zumal im Gesamtwerk von Carl von Clausewitz, der Bezug militärischen Handelns auf Erfahrungen der Vergangenheit, mithin dessen Bindung an Tradition. Zudem bestand in Ostasien bis zu Beginn des 19.-Jahrhunderts eine Theorie des Kriegs, die den Einsatz von Waffen zur Durchsetzung herrscherlichen Willens nicht als Sieg, sondern als Niederlage der professionellen Krieger bestimmte. So forderte im frühen 18.-Jahrhundert der Samurai Chozan Issai (1659 - 1741), dass Krieger ihre Professionalität dadurch manifestieren sollten, dass sie durch ihre bloße Anwesenheit den Ausbruch von Gewalt verhinderten [53]. In dieselbe Richtung ging bereits die Bestimmung des altchinesischen Traktats Tai Kung’s Six Secret Teachings (11.-Jahrhundert v.-Chr.), dass ein General, der eine Schlacht schlagen müsse, unbrauchbar als Krieger sei [93, S.-101-102]. Die schematische Zuweisung der Tätigkeitsbereiche der Diplomaten in die Bewahrung und Wiederherstellung von Frieden sowie der Militärs in das Führen von Kriegen ist daher ebenso wenig begründet wie die Behauptung, Diplomaten seien eingebunden in statische Rituale, während Krieger innovativ seien. Krieg und Frieden müssen folglich nicht als unvereinbar wahrgenommen werden. Völkerrechtsgeschichtlich formuliert bestätigt dieser Befund, dass einerseits weder Frieden noch Krieg ohne Bindung an Rechtssätze denkbar sind und dass andererseits weder Frieden noch Krieg ohne den Gebrauch von Macht Ziele konkreten Handelns sein können. Die Wandlungen des Verhältnisses von Macht und Recht sind daher ein Kernthema der Völkerrechtsgeschichte. Geschichte der Völkerrechtsgeschichtsschreibung Völkerrechtsgeschichte thematisiert mithin Wandlungen des Konflikts von Macht und Recht im Kontext des Wandels der Abfolgeparadigmata von Krieg und Frieden. Das Bewusstsein, dass es Völkerrechtsgeschichte in diesem Sinn gibt, ist jedoch als solches spezifisch für Europa und jung im Vergleich zu den Jahrtausende alten Überlieferungen zum Völkerrecht. Soweit diese Überlieferung über Aussagen über die Möglichkeit des ewigen Friedens hinausging, beschränkte sie sich bis an die Wende zum 15.-Jahrhundert auf das sogenannte pragmatische Schrifttum, insbesondere Rechtstexte, die Abkommen zwischen Gemeinschaften belegen und auf das Führen von Kriegen bezogen sind. Hinzu treten Berichte über völkerrechtsrelevantes Handeln in der allgemeinen Geschichtsschreibung, wie etwa Berichte über Vertragsverhandlungen und von Kontroversen über die Gerechtigkeit von Kriegen. In dem in Europa seit dem 15.-Jahrhundert aufkommenden völkerrechtstheoretischen Schrifttum herrschte bis an die Wende zum 19.-Jahrhundert, insbesondere bei Autoren wie dem Theologen Francisco de Vitoria (eigentlich Francisco de Arcaya y Compludo, um 1483 - 1546) und dem Juristen Hugo Grotius (1583 - 1645), die Absicht 14 Begriff und Darstellung der Völkerrechtsgeschichte vor, theoretische Argumente und Schlussfolgerungen über Krieg und Frieden zu begründen auf Beispiele, sogenannte Exempla, aus der damals vorliegenden schriftlichen Überlieferung, zu allererst die Bibel, sodann das christlich-theologische Schrifttum, insbesondere Werke des Hl. Augustin, sowie nicht zuletzt Werke griechischer und römischer Philosophen und Historiker. Die dieser Argumentationsweise auf der Basis von Exempla zugrunde liegende Logik folgte aus dem Glauben an die Kontinuität der als gottgewollt wahrgenommenen Welt und deren Ordnung. Schriftzeugnisse der Bibel sowie von Theologen und Laienautoren schienen ohne Rücksicht auf deren Entstehungszeit empirisches Material zur Untermauerung theoretischer Aussagen bereitstellen zu können. Folglich konnten Theoretiker des 15., 16., und 17.- Jahrhunderts Texte auch aus der älteren schriftlichen Überlieferung so behandeln, als wären sie zeitgenössisch zu ihrer eigenen Lebenszeit, wobei der Bibel als Manifest des Worts Gottes uneingeschränkter Beweiswert auch gegen die Aussagen älterer Laienautoren zugestanden blieb. Erst als in der zweiten Hälfte des 17.-Jahrhundert das Bewusstsein eines epochalen Bruchs zwischen der griechisch-römischen Welt als der „alten Geschichte“ und der damaligen Gegenwart als der „jüngeren Geschichte“ zum Durchbruch kam und beispielsweise in dem Werk des Leidener Historikers Georg Horn (1620 - 1670) dokumentiert wurde [50], entstanden Übersichten zu den Inhalten älterer Werke, die nicht mehr als unmittelbar von zeitgenössischem Wert galten und somit eine historisch-kritische Aufarbeitung zu erfordern schienen. In zeitgenössischen Ordnungssystemen für Bibliotheken wurden diese Übersichten unter die Rubrik Historia litteraria gestellt, zu Deutsch „Litterärgeschichte“. Diese begann zu Anfang des 18.- Jahrhunderts auch die völkerrechtsrelevante schriftliche Überlieferung zu erfassen und stellt somit den Beginn der Völkerrechtsgeschichtsschreibung dar. Die umfassende „Litterärgeschichte“ des Völkerrechtsschrifttums liegt zuerst in Werken des Hallenser Juristen Nicolaus Hieronymus Gundling (1761 - 1729) [45, Bd- 3, S.- 3246-3264, 3301-3333] und des sächsischen Rats Adam Friedrich Glafey (1692 - 1753) [39, S.-21-288, 291-416] vor. Abrisse der Geschichte des Völkerrechtsschrifttums finden sich in den Werken des Kameralwissenschaftlers Joachim Georg Darjes (1714 - 1791), zunächst in Jena, dann in Frankfurt an der Oder [26; 27]. Gegen Ende des 18.-Jahrhunderts spaltete sich die „Litterärgeschichte“ des Völkerrechtsschrifttums in die Textsorte der annotierten Fachbibliografie, für die das monumentale Werk des Dietrich Heinrich Ludwig von Ompteda (1746 - 1803) steht [77], und die beschreibende Geschichte der Theorien und der Praxis des Völkerrechts, die durch den umfassenden Überblick des Rechtsanwalts und Politikers Robert Plumer Ward (1765 - 1846) vertreten ist [128]. Letztere führte der US-Diplomat Henry Wheaton (1785 - 1848) fort in seiner bis 1842 reichenden Zusammenfassung, für die er sich auf die Zeit seit 1648 konzentrierte [132, S.-69-758]. Angesichts der älteren, „litterärgeschichtlichen“ Bearbeitungen des Völkerrechtsschrifttums geht es nicht an, die Völkerrechtsgeschichtsschreibung erst mit Ward einsetzen zu lassen [76, S.-291; 113, S.-93]. Im 19.-Jahrhundert gingen einige Theoretiker dazu über, ihre Gesamtdarstellungen mit mehr oder weniger knappen Abrissen der Völkerrechtsgeschichte einzuleiten, so zum Beispiel Wheaton, der sein im 19.-Jahrhundert maßgeblich gewordenes Handbuch des Völkerrechts zuerst im Jahr 1836 veröffentlichte [131, S.-5-22], oder in der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts der seit 1861 in Heidelberg lehrende Jurist Johann Caspar Bluntschli (1808 - 1881) [10, S.- 12-20]. Nach Ward lieferte der Cambridger Bibliothekar Thomas Alfred Walker im Jahr 1899 eine weitere Gesamtdarstellung der Völkerrechtsgeschichte [127], während Arthur Wegner (1900 - 1989) seinen knappen Überblick als ersten Band eines mehrbändigen Handbuchs des Völkerrechts im Jahr 1936 erscheinen ließ [130]. Eine weitere, als Gesamtdarstellung angekündigte und im Jahr 1951 veröffentlichte Übersicht gedieh nur bis 1815 [102]. Der bereits während des Zweiten Weltkriegs geschriebene, aber erst im Jahr 1984 als Buchhandelsausgabe zugänglich gewordene Überblick von Wilhelm Georg Carl Grewe (1911 - 2000), zunächst Jurist an der Universität zu Kiel, dann übergetreten in den diplomatischen Dienst der Bundesrepublik Deutschland, behan- Geschichte der Völkerrechtsgeschichtsschreibung 15 delt in der Hauptsache nur die Zeit seit 1500 [44]. Der in Deutschland ausgebildete, an der Columbia University lehrende Jurist Arthur Nussbaum (1877 - 1964) streifte in seinem kurz gefassten Abriss die ältere Zeit vor Beginn des 16.-Jahrhunderts nur [76]. Nussbaum lieferte in einem Anhang zu seiner Darstellung auch eine knappe Übersicht über die Völkerrechtsgeschichtsschreibung [76, S.-291-295]. Gemeinsam ist diesen umfassenden Darstellungen die Beschränktheit auf die mediterran-europäischen Überlieferungen völkerrechtsrelevanten Schrifttums, während das einschlägige arabische kaum und das chinesische Schrifttum nicht berücksichtigt wird. Diese Verengung des Fokus ist bemerkenswert angesichts der Tatsache, dass bereits die ältere „Litterärgeschichte“ auf das Werk des Konfuzius aufmerksam machte [39, §-93, S.-72-77] und islamische Völkerrechtslehren bereits zu Beginn des 18.-Jahrhunderts eingehend besprochen wurden [88]. Zudem fasste der in China tätige US-amerikanische Missionar William Alexander Parsons Martin (1827 - 1916) bereits auf dem Berliner Orientalisten-Kongress von 1881 die Aussagen der wichtigsten Schriften zur chinesischen Völkerrechtstradition zusammen [70]. Das einschlägige Werk Lī kī, das auf Aussagen des Konfuzius zu beruhen vorgibt, ist zudem seit 1885 in englischer Fassung zugänglich [66]. Spezialstudien zum chinesischen Völkerrecht erschienen europäischen Sprachen zuerst im frühen 20.- Jahrhundert [15; 58; 63; 67; 99; 107], zur arabischen Völkerrechtstradition seit den 1950er Jahren [61; 64; 135]. Auf der Basis des Kautilya, dem Minister des Maurya-Herrschers Chandra Gupta (340 v.- Chr. - 298 v.- Chr.) in Südasien zugeschriebenen, aber vielleicht erst später entstandenen umfangreichen Buchs Arthaśāstra sind auch Versuche der Rekonstruktion südasiatischer Völkerrechtstraditionen unternommen worden [4; 126]. Im deutschen Sprachraum hat sich Grewes Darstellung als eine Art Lehrbuch etabliert, obschon der Verfasser sich in den 1930er Jahren im Dunstkreis der NS-Reichsideologie bewegte [42], sich in seiner Darstellung von dem von deutschen Juristen in den 1920er und 1930er Jahren geführten „Kampf “ gegen den Versailler Vertrag von 1919 beeinflussen ließ und insbesondere völkerrechtsrelevante Schriften von Carl Schmitt (1888 - 1985) [94] rezipierte [44, S.-182-193]. Grewe legte das Schwergewicht seiner Darstellung auf die Gliederung der Völkerrechtsgeschichte seit dem Beginn des 16.-Jahrhunderts in Zeitabschnitte, für die er die Bezeichnung „Epochen“ wählte. Diese bestimmte er nicht etwa als Instrumente zur Datierung und Analyse der völkerrechtlichen Überlieferung sowie der darin niedergelegten Handlungen und Theorien, sondern als Bestandteile des Völkerrechts selbst. Grewe setzte mithin ohne Begründung voraus, dass die von ihm im Rückblick der Überlieferung übergestülpten Epochenbezeichnungen Bestandteile eben dieser Überlieferungen gewesen seien. Die Epochenbezeichnungen leitete er von den Namen von Staaten ab, die er über jeweils eine bestimmte Zeitdauer, zumeist ein Jahrhundert, als machtpolitisch vorherrschend ausgab, und teilte nach diesem Kriterium die gesamte europäische Völkerrechtsgeschichte seit dem beginnenden 16.-Jahrhundert ein in die Abfolge des „Spanischen“ (16.-Jahrhundert), „Französischen“ (17.-Jahrhundert), des „Englischen“ (18. und 19. sowie die Anfänge des 20.-Jahrhunderts) und des „Amerikanischen“ (1918 - 1945) Zeitalters ein. Gleichwohl waren diese Epochenbezeichnungen, wie Grewe selbst einräumte, nirgends in der Überlieferung selbst verankert. Weder Theoretiker noch Praktiker des Völkerrechts in irgendeiner von Grewes „Epochen“ konnten sich daher des Umstands bewusst sein, dass sie in einem angeblich spanischen, französischen, englischen oder amerikanischen Zeitalter tätig waren. Während für das sogenannte „Spanische“ Zeitalter immerhin geltend gemacht werden könnte, dass einige im 16.- Jahrhundert tätige Völkerrechtstheoretiker, wie etwa Francisco Suárez-(1548 - 1617), in Spanien lebten und lehrten, galt nicht einmal dieses Merkmal für die übrigen „Epochen“ Grewes. Denn im sogenannten „Französischen“ Zeitalter waren Werke niederländischer, im sogenannten „Englischen“ Zeitalter Werke deutschsprachiger und im sogenannten „Amerikanischen“ Zeitalter Werke britischer Autoren jeweils am einflussreichsten in der Theorie des Völkerrechts. 16 Begriff und Darstellung der Völkerrechtsgeschichte Folglich hat Heinhard Steiger in seiner Kritik der Greweschen Epochenbezeichnungen mit guten Gründen moniert, dass Grewe im Gegensatz zu seiner erklärten Absicht seiner Darstellung der Völkerrechtsgeschichte die Macht von Staaten als epochenbildendes Kriterium zugrundelegte, nicht aber das Recht [103]. Dennoch haben diese Epochenbezeichnungen im deutschsprachigen Schrifttum weitergewirkt, fanden noch zu Beginn des 21.- Jahrhunderts in einem Lehrbuch erneut Verwendung [136]. In den zumeist knappen nicht-deutschsprachigen Überblicksdarstellungen der Völkerrechtsgeschichte wurden sie hingegen ignoriert [30; 37; 113]. Zu den Überblicksdarstellungen tritt eine wachsende Zahl an Einzelstudien hinzu, für die seit 1998 die Spezialzeitschrift Journal of the History of International Law offensteht. Insbesondere der Völkerrechtshistoriker Ernst Reibstein (1901 - 1966) legte neben einem Überblick über die Werke der wichtigsten Theoretiker [89] eine große Zahl an Einzelstudien insbesondere zur Theoriegeschichte vor. Überblicke über die Geschichte von Teilbereichen des Völkerrechts bietet ein in den Niederlanden erschienenes mehrbändiges Sammelwerk [125]. Eine Skizze zur Methode der Völkerrechtsgeschichtsschreibung liegt vor von Wolfgang Preiser [82], bezieht jedoch weder Probleme der Epochenbildung noch die in der Geschichtswissenschaft geführten Methodendebatten ein. Der Jurist Vladimir Emmanuilovič Grabar (1865 - 1956) griff in einem postum erschienenen Werk auf die Tradition der älteren „Litterärgeschichte“ zurück, indem er eine Übersicht über die russische Völkerrechtsliteratur mit biografischen Angaben zu deren Verfassern vorlegte [40]. Die Geschichte der russischen Völkerrechtspraxis hatte zuvor bereits der in Sankt Petersburg, später in Münster lehrende Jurist Michel de Taube (1869 - 1961) aufgearbeitet [108]. Auch wenn gründliche Einzeluntersuchungen, beispielsweise zur Geschichte der Friedensverträge und zur „Expansion“ des europäischen Völkerrechts [33; 34] oder auch zur Geschichte der Kriegstheorien des 18. und 19.-Jahrhunderts [71], sowie auch Überblicksdarstellungen zu Teilbereichen, beispielsweise der Geschichte der Diplomatie [49; 9] und der Geschichte der Theorien des gerechten Kriegs [3], erschienen sind, fehlt eine Gesamtdarstellung der Geschichte des Völkerrechts aus der Perspektive der Geschichtswissenschaft. Grundsätze dieser Darstellung Die nachstehende Darstellung soll auf folgenden Grundsätzen basieren: 1. Völkerrechtsgeschichte ist weder Teil der Weltgeschichte noch deren Kurzfassung, sondern erfasst einen abgrenzbaren Bereich des vergangenen Geschehens, der verwoben ist mit anderen Bereichen. Weltgeschichtliche Abläufe sind notwendigerweise Konstrukte rückblickender Generationen, die ausgestattet sind mit Kenntnissen, die den Handelnden der Vergangenheit versagt bleiben mussten. Hingegen thematisiert Völkerrechtsgeschichte ausschließlich Wandlungen derjenigen Rechtssätze und Komplexe von Rechtssätzen, die in der Wahrnehmung der jeweils Handelnden geeignet erscheinen konnten, die Möglichkeiten der Wahl von Mustern über Grenzen hinauswirkenden Handelns von Gemeinschaften einzuschränken. 2. Das Vorhandensein von Völkerrecht ist nicht daran gebunden, dass in der Wahrnehmung rückblickender Generationen eine „dauerhafte“ Ordnung [84, S.-737; 136, S.-3] erkennbar ist. Was ein Völkerrechtssatz oder ein Komplex solcher Sätze ist, bestimmt sich nach Kategorien der jeweiligen Zeit, nicht aus einer retrospektiv oktroyierten Rechtsheorie. Was als „dauerhaft“ gelten darf, bemisst sich nach der Erwartungshaltung der jeweils in der Vergangenheit Handelnden, nicht nach der Erwartung rückblickender Generationen. Soweit erkennbar, war diese Erwartung gegenüber Völkerrechtssätzen in vielen Teilen der Welt mindestens bis in das ausgehende 18.-Jahrhundert geprägt von der Annahme, dass diese Sätze nicht von Menschen gesetzt waren und folglich gegebenenfalls eintretende Wandlungen dieser Sätze nicht Literaturnachweise 17 aus menschlicher Willkür folgen konnten. Die Tatsache, dass diese Erwartung oft mit dem über Grenzen hinaus wirkenden, Völkerrechtssätze effektiv verändernden kollektiven Handeln von Gemeinschaften konfligierte, hat die Völkerrechtsgeschichtsschreibung zur Kenntnis zu nehmen und, soweit möglich, zu erklären, nicht jedoch einfach als Ausdruck einer vermeintlich mangelnden Vollendung des Völkerrechts zu den Akten zu legen. 3. Die Völkerrechtsgeschichtsschreibung gründet in der kritischen Aufarbeitung von Primärquellen, d. h. erhaltenen zeitnahen Aussagen über Zustände und Abläufe in der Vergangenheit. Aus der Bindung des Begriffs des Völkerrechts an Rechtssätze ergibt sich für die Vergangenheit, dass diese Rechtssätze sowie der Grad ihrer Einhaltung aus diesen Quellen verifizierbar sein müssen. Diesem Ziel dienen in der Regel die Medien der Schrift und des Bilds, mitunter auch Sachquellen. Mündliche Traditionen, die nicht als solche erhalten sind, bedürfen der Transformation in das Medium der Schrift, wenn sie als völkerrechtsgeschichtliche Quellen verwertet werden sollen. Daher kann die Frage nicht thematisiert werden, ob es vor dem Einsetzen der schriftlichen Überlieferung Völkerrecht gab oder nicht und, sofern dies der Fall gewesen sein sollte, welche Rechtssätze ihm zugrunde gelegen haben könnten. Die Verwendung ethnografischer Berichte oder Kompilationen aus solchen Berichten des 19. und frühen 20.-Jahrhunderts über angebliche „Primitivkulturen“, die europäische und amerikanische Völkerkundler damals oft im Südpazifik, in Afrika und in Amerika verorteten, für die analogische Rekonstruktion sogenannter „völkerrechtlicher Ordnungen“ irgendeiner „Frühzeit“ durch Nussbaum [76, S.-1; 69; 87] und noch Preiser [83] ist methodologisch unhaltbar und entbehrt folglich jeder wissenschaftlichen Basis. Die Völkerrechtsgeschichte ist keine Erfolgsgeschichte vermeintlich zunehmender Regulierung im Sinn des „regulatory turn“. Die das völkerrechtsgeschichtliche Schrifttum des 19. und der meisten Jahrzehnte des 20.- Jahrhunderts kennzeichende evolutionistische Annahme, Geschichte sei eine „epídosis eis hauto“ [28, Druckfassung von 1882, S.-421], also eine fortschreitende Zufügung zu sich selbst, ruht in der von Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 - 1831) fomulierten Geschichtsphilosophie und kann daher nicht für alle Zeiten und Kulturen gültig gesetzt werden. Hingegen thematisiert die Völkerrechtsgeschichtsschreibung Wandlungen derjenigen Rechtssätze und Komplexe von Rechtssätzen, die die jeweils Handelnden als völkerrechtsrelevant anerkannten. Sofern diese Rechtssätze als ungesetzt galten, ist zu erwarten, dass die zeitgenössisch Handelnden sie als von der Religion bestimmt wahrnahmen. Folglich ist die Anbindung des Völkerrechts an Glaubenssätze religiösen Ursprungs Ausdruck nicht irgendeiner vermeintlich mangelnden Rationalität völkerrechtlicher Theorie und Praxis, sondern Manifestation deren zeit- und kulturspezifischer Rationalität, die nur ihren eigenen Zielen genügen muss, sich aber keinen von außen im Rückblick an sie gelegten Wertmaßstäben zu unterwerfen braucht. Nachweise: Hinweis: Diesem wie jedem folgenden Kapitel sind die Nachweise von Quellen und streng ausgewählter Forschungsliteratur angehängt. Jeder Titel ist mit einer kursiv gesetzten Nummer markiert. Wird im Text auf eine Quelle oder eine Veröffentlichung aus der Forschungsliteratur verwiesen, erscheint die einschlägige Nummer im Text in [], erforderlichenfalls um Abschnitts- und Seitenzahlangaben ergänzt. Sachtitelabkürzung: CTS: Clive Parry (Hrsg.), The Consolidated Treaty Series, 231 Bde. Dobbs Ferry 1969 - 1981. 1. Althoff, Gerd: Die Veränderbarkeit von Ritualen im Mittelalter, in: ders. (Hrsg.), Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter (Vorträge und Forschungen, herausge- 18 Begriff und Darstellung der Völkerrechtsgeschichte geben vom Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, 51). Sigmaringen 2001, S.- 157-176 [Englische Fassung in: ders., Johannes Fried und Patrick J. Geary (Hrsg.), Medieval Uses of the Concept of the Past. Cambridge 2002, S.-71-87]. 2. Augustinus von Hippo: De civitate Dei, hrsg. von Bernard Dombart und Alphons Kalb, Bd- 2 (Corpvs Christianorvm. Series Latina, 48). Turnhout 1955. 3. Bacot, Guillaume: La doctrine de la guerre juste. Paris 1989. 4. Banerjee, Pramathanath: International Law and Custom in Ancient India. Kolkatta 1920 [auch in: Journal of the Department of Letters. University of Calcutta 1 (1920), S.-201-361; Nachdruck. Madya Pradesh 1982]. 5. Barr, Daniel P.: Unconquered. The Iroquois League at War in Colonial America. Westport, CT 2006. 6. Bély, Lucien: L’Art de la paix en Europe. 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Das Einsetzen der schriftlichen Überlieferung zum Recht des Kriegs und des Friedens Wohl kaum zufällig setzte die Überlieferung des Schrifttums zum Recht des Kriegs und des Friedens während des späteren dritten vorchristlichen Jahrtausends im altsumerischen Mesopotamien ein. Denn zu dieser Zeit bestand dort eine Gemengelage von selbständigen Stadt- und Flächenstaaten, die geprägt waren sowohl von räumlicher Nähe und intensiven wechselseitigen Beziehungen, aber auch von Selbständigkeit ihrer Herrschaft. Es handelte sich mithin um eine Vielzahl von Staaten, deren Angehörige sich wechselseitig als Außenstehende anerkannten und zugleich reguläre Beziehungen untereinander pflegten. Da eine Kultur des Schreibens pragmatischer Texte auf Tontafeln diese Staatenlandschaft bestimmte, war es nur folgerichtig, dass auch Texte über das Recht des Kriegs und des Friedens Eingang in die Überlieferung fanden. Das bedeutet nicht, dass in Sumer das Recht des Kriegs und des Friedens erfunden worden wäre, wohl aber, dass wir heute noch von ihm wissen können. Zu den ältesten erhaltenen rechtsrelevanten Texten zählen zwischenstaatliche Abkommen, insbesondere die Verträge zwischen Ebla (im heutigen Syrien) und Abarsal aus dem 24. oder 23.- Jahrhundert vor Chr. sowie zwischen dem Staat Elam (in heutigen Iran) und einem Herrscher namens Naram-Sīn von Akkade aus der Zeit zwischen 2291 und 2255 vor Chr. Der Text des Abkommens zwischen Ebla und Abarsal [65] besteht aus vier Teilen, einem Vorspruch, der die Kontrolle über Festungen in Gebieten unter der Herrschaft der jeweiligen Partner regelte [I], einer Reihe wechselseitiger Verpflichtungen [65, II/ Art.-1-16], einer Reihe einseitiger Verpflichtungen Abarsals gegenüber Ebla [65, II/ Art.-17-42] sowie einem Schlussteil, der die Einhaltung des Abkommens unter die Obhut der Gottheiten stellte [65, III/ Art.-1-4]. Das Abkommen sah im besonderen wechselseitig bindende Sanktionen vor gegen die Verfluchung der einen durch die andere Partei [65, II/ Art.-1-5], mithin das Verbot der Zuwiderhandlung gegen die geschlossene Freundschaftsvereinbarung, zudem sowohl wechselseitig als auch nur einseitig bindende Bestimmungen zur Handelstätigkeit [65, II/ Art.-6-19] und zur wechselseitigen Gewährung von Gastfreundschaft [64, II/ Art.- 22-42] sowie schließlich die Pflicht zur Weiterleitung von Informationen durch Abarsal an Ebla [65, II/ Art.-20-21]. Der Vertrag scheint durch die Einseitigkeit einiger, Ebla begünstigender Verpflichtungen diesen Staat auf einen höheren Rang als Abarsal zu stellen, obschon beide Partner sich in einem und demselben Text wechselseitig auf der Grundlage von Rechtsgleichheit banden. Er vereinigte in sich somit Elemente, die Gleichrangigkeit der beiderseitigen Beziehungen festschrieben, mit Elementen, die eine Hierarchie begründeten. Er wurde ohne Befristung abgeschlossen und mit Eid bekräftigt. Vertragsbruch war als Eidbruch bezeichnet [22; 34; 57]. Der etwas jüngere Vertrag zwischen Elam und Naram-Sīn von Akkade war hingegen in der Form eines einseitigen Versprechens (promissio) der Herrscher von Elam gestaltet. Das Abkom- Einsetzen der schriftlichen Überlieferung 25 men begründete ein militärisches Bündnis und bestimmte die Verpflichtungen Elams gegenüber Naram-Sīn, darunter im besonderen die Bereitschaft Elams zur Unterstützung Naram-Sīns gegen Angriffe Dritter sowie die Versicherung Elams, keine Bündnisse gegen Naram-Sīn einzugehen. Letztere Verpflichtung fand ihren klassischen Ausdruck in der Formel, Naram-Sīns Freund sei auch Elams Freund, Naram-Sīns Feind hingegen auch Elams Feind [66, S.-93]. Die Einseitigkeit der Verpflichtungen Elams gegenüber Naram-Sīn war nicht ausdrücklich im Vertragstext festgeschrieben, sondern resultierte aus der Form des überlieferten Texts. Dieser umfasst nicht die Verpflichtungen Naram-Sīns gegenüber Elam, von denen wir folglich nichts wissen. Dieses Abkommen selbst regelte somit nicht ausdrücklich die Art der beiderseitigen Beziehungen. Die Dreiheit von Wirtschaft, Politik und Krieg bestimmte also schon in altsumerischer Zeit die Inhalte, die nicht nur dem gegenwärtigen internationalen Recht gut vertraut sind, sondern durch die Jahrtausende zum Standardrepertoire des in Abkommen zwischen Staaten und anderen politischen Gemeinschaften gesetzten Rechts des Kriegs und des Friedens gehört haben. Anstatt Aspekte und Probleme der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Beziehungen zwischen Partnern ad hoc in jedem Einzelfall und immer wieder neu zu regeln, kommt man überein, einen förmlichen Vertrag zu schließen, der bestimmte, im Text spezifizierte Sachverhalte ein für alle Mal als gültiges Recht festschrieb. Beauftragte, in der Regel bevollmächtigte Unterhändler, führten die zum Abschluss solcher Verträge erforderlichen Verhandlungen. Dazu reisten sie als Sondergesandte zum jeweiligen Partnerort oder an einen neutralen Ort. Das Ergebnis dieser Verhandlungen wurde den Herrschaftsträgern zur Zustimmung unterbreitet, die in einer förmlichen Ratifikation bestehen konnte. Dieses mehrstufige, sogenannte „zusammengesetzte“ Verfahren [27] sollte nicht nur die verhandlungsführenden Gesandten, sondern auch die sie legitimierenden Herrschaftsträger darauf verpflichten, das getroffene Abkommen als rechtlich bindend anzuerkennen. Wenn die Identifikation der Sprache, in der der Vertrag Elams mit Naram-Sīn vorliegt, als altelamisch zutrifft, stellt der erhaltene Text diejenige Version des Vertrags dar, die aus Elam nach Akkade gelangte. Wahrscheinlich ist daher der erhaltene Text derjenige Teil des zweiseitigen Abkommens, der in den Besitz Naram-Sīns kam, während der andere, an Ebla übergebene Teil bisher nicht aufgefunden wurde. Dieses Verfahren des Austauschs der Vertragsurkunden setzt somit die Anerkennung der eingegangenen Verpflichtungen auch durch den damals regierenden Herrscher Elams voraus und könnte somit bereits „zusammengesetzt“ gewesen sein. Die Bereitschaft, zwischenstaatliche Verträge zu schließen, setzt die Befugnis voraus, eben dieses tun zu können, in Sumer genauso wie in der Gegenwart. Die Befugnis zum Vertragsschluss entsteht, damals wie heute, jedoch nicht aus einseitigem Anspruch, sondern aus wechselseitiger Anerkennung durch die Vertragspartner. Diese müssen, bevor sie in Vertragsverhandlungen treten, sich wechselseitig als vertragsschlussbefugt bestimmen. Diese Bestimmung wiederum setzt die Gewissheit der künftigen Vertragspartner voraus, dass ihre Befugnis aufgrund derselben Rechtssätze feststellbar ist und dass diese Rechtssätze, als Voraussetzung des künftigen Vertrags, nicht erst durch diesen Vertrag selbst gesetzt werden können. Anders gesagt: das Vertragsrecht muss vor einem Vertragsabschluss bereits bestehen, ohne dass es selbst schriftlich fixiert sein muss. In altsumerischer Zeit war das beste Indiz für das Bestehen eines Rechts der zwischenstaatlichen Verträge der Brauch der Vertragsparteien, den Willen zum Einhalten eingegangener Vertragspflichten durch den Eid als bedingte Selbstverfluchung zu bekräftigen. So schwor schon um 2470 vor Chr. in seinem Vertrag mit dem Herrscher Eanatum von Lagaš der diesem unterlegene Heerführer En-akalle von Umma bei dem Gott Enlil, dieser möge Enakalle bei Vertragsbruch mit Krieg überziehen und zerstören. In dem Vertrag verpflichtete sich En-akalle Eanatum gegenüber, niemals weder in dessen Gebiet einzufallen noch den Lauf der Bewässerungskanäle zu verändern, mithin das Wasser abzugraben [64]. 26 Der Eine und die Vielen Diese Gewissheit der Gültigkeit von Rechtssätzen, auch wenn diese nicht schriftlich fixiert sind, ist nicht nur notwendige Voraussetzung für das Zustandekommen zwischenstaatlicher Verträge, sondern auch für das Führen von Kriegen. Wenn Elam und Naram-Sīn verabredeten, dass die Feinde jedes der beiden Vertragspartner zugleich gemeinsame Feinde sein sollten, dann setzte diese Bündnisverpflichtung der Erwartung voraus, dass nicht nur feststand, welche Typen politischer Gemeinschaften Kriegsgegner sein konnten und welche nicht, sondern dass auch Übereinstimmung darüber herrschte, welche Arten von Konflikten als Kriege im Rechtssinn bestimmt werden sollten. Die Bündnispflicht Elams gegenüber Naram-Sīn setzte also voraus, dass zwischen Staaten und nicht-staatlichen Unruhestiftern wie etwa Verbrecherbanden begrifflich unterschieden wurde und dass zwischen den Vertragsparteien Einvernehmen über diese für den Vertrag anzuwendende begriffliche Unterscheidung bestand. Die Bündnispflicht setzte ebenso Einvernehmen über die Bestimmung des Kriegs als rechtlich regulierten militärischen Konflikts voraus. Erstere Voraussetzung konnte nicht einseitig durch nur einen Vertragspartner gesetzt werden, sondern musste einvernehmlich zustande kommen. Letztere Bündnispflicht setzte zusätzlich voraus, dass nicht nur die Vertragsparteien sich wechselseitig die rechtliche Befugnis zum Führen von Kriegen zuerkannten, sondern auch ihren möglichen gemeinsamen Feinden. Denn Kriege als rechtlich regulierte Konflikte und Gegenstände zwischenstaatlicher Verträge waren nur führbar, wenn die gegnerischen Parteien sich wechselseitig das Recht zum Krieg zugestanden. Ohne diese wechselseitige Anerkennung des Rechts zum Krieg zwischen künftigen Kriegsparteien konnten auch länger andauernde Akte der Anwendung militärischer Gewalt zustandekommen, aber keine Kriege im Rechtssinn. Bereits für das alte Mesopotamien sind diese Zusammenhänge mindestens in Teilen belegbar. Assyrische Königsinschriften des 18. und des 13.-Jahrhunderts vor Chr. geben Auskunft über einige der Sätze, die dem Recht des Kriegs zugrundelagen. So galt die Wiedergutmachung erlittenen Unrechts als legitimer Kriegsgrund, insbesondere der Bruch eines Eids oder eines Vertrags. Als legitimes Kriegsziel war die Restitution des Friedens anerkannt [47, S.-36-38, 87-92, 102-113]. Neben diesen allgemeinen Sätzen, die auf das allgemeine Recht des Kriegs und des Friedens bezogen waren, wiesen einige Verträge Besonderheiten auf, die zwar auch der nachsumerischen Vertragspraxis über lange Zeit eigneten, aber nicht überall und für alle Zeiten konstitutiv geworden sind. Dazu zählt als formaler Aspekt zwischenstaatlicher Verträge die Ausfertigung inhaltsgleicher, aber nicht identischer Texte, die den Vertrag als virtuell, das heißt als nicht in schriftlicher Fixierung manifestes Übereinkommen der Parteien zu erkennen geben, sondern als bindend gesetzte, zwar aufeinander bezogene, formal aber einseitige Willenserklärungen oder Versprechen jeweils einer der beiden Parteien. Anstatt einen Text aufzusetzen, den die Parteien dann für gültig erklären, entstehen zwei Urkunden, die in der Regel unter den Parteien ausgetauscht werden, so dass jede Partei die Verpflichtungserklärung der Gegenseite gewissemaßen in den Händen halten und in einem Archiv aufbewahren kann. Dieses in sehr viel späterer Zeit, im 12.- Jahrhundert nach Chr., als „Konkordieren“ (Herstellung einer Übereinstimmung) bezeichnete Verfahren des Vertragsabschlusses, das in der Gegenwart nur noch als leere Worthülse in der Vertragspraxis des Vatikan weitergetragen wird, verschob die eigentliche Vereinbarung der jeweils einseitigen Willenserklärungen aus der Ebene der Fixierung im Medium der Schrift in den Bereich des rituellen Handelns, das mit dem Austausch der schließlich in Schriftform gegossenen Erklärungen sein Ende fand. Dieses rituelle Vertragsschlussverfahren setzte ein tiefes Vertrauen in die guten Intentionen der Vertragspartner voraus, die ihre jeweils eigenen Erklärungen in die Obut der Partner übergaben. Sie verzichteten damit auf die Kontrolle über das, was sie mit dem Vertragspartner vereinbart oder versprochen hatten. Anders gesagt: jede Vertragspartei musste damit rechnen können, dass die anderen beteiligten Parteien die Inhalte des Abkommens nicht verfälschte. Der Eidschwur diente als Mittel, das Veränderungen an den Vertragstexten durch Einbindung von Gottheiten als Zeugen verhindern sollte. Einsetzen der schriftlichen Überlieferung 27 Der Eid erschien daher geeignet, die Vertragsparteien auf die Erfüllung des Abkommens zu verpflichten. Dieses Verfahren bestand in Anrufung der Gottheiten als Zeugen. Der Eid knüpfte die Verpflichtung zur Erfüllung des Vertragsinhalts an die Gewissheit, dass diejenige Partei, die das Abkommen brach, beispielsweise ein Versprechen nicht umsetzte oder den Text des Vertrags manipulierte, sich der Bestrafung durch Gottheiten auslieferte. Die Erzwingung bindender Verpflichtungen wurde dadurch aus dem Bereich des menschlichen Handelns ausgegrenzt und den Gottheiten überantwortet. Schon für die altsumerischen Verträge bestätigte der Einsatz des Eidschwurs als Erfüllungsverfahren, dass die Vertragspartner ein schon vor dem Vertragsschluss bestehendes Recht der zwischenstaatlichen Verträge anerkannten und dieses Recht aus religiösen Glaubenslehren ableiteten. Diese Lehren wurden als allgemein und für alle Zeiten gültig gesetzt. Das Recht der zwischenstaatlichen Verträge galt daher als unveränderbar. Da dieses Recht Abb. I: Weltinsel, Babylon, ca 600 v.-Chr. London, Britisches Museum © The Trustees of the British Museum 28 Der Eine und die Vielen auch für die Belange der Kriegführung und der Friedenswahrung zum Einsatz kam, muss diese Wahrnehmung auch für das Recht des Kriegs und des Friedens vorausgesetzt werden. Das altsumerische und altassyrische Recht des Kriegs und des Friedens des 3. und 2. Jahrtausends vor Chr. war daher kein bloßes „Zwischen-Mächte-Recht“, das nur bei Bedarf wie eine Art Notbehelf aktiviert, sondern als den vertragsschließenden Staaten übergeordnet wahrgenommen wurde, und gründete in den als allgemein gültig wahrgenommenen religiösen Glaubenslehren. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der ersten erhaltenen altsumerischen Verträge war dieses Recht bereits voll ausgebildet. Wie der Prozess seiner Entstehung verlief und wie lange er dauerte, wissen wir nicht. Ebenso wenig ist angesichts der bruchstückhaften Überlieferung der Texte deutlich, wie weit dieses Recht des Kriegs und des Friedens in geografischer Hinsicht reichte. Schon das altsumerische Recht des Kriegs und des Friedens war jedoch offensichtlich gebunden an die erst später bildlich belegte Wahrnehmung der Welt als durchweg begehbare Weltinsel, die von einem Wasserstreifen als Ozean umgürtet sein sollte. Dieser Wahrnehmung zufolge war die Menschheit die Gruppe der Bewohner dieser Weltinsel, die durch den Willen der Schöpfergottheit nur überwindbare Gewässer und Gebirge als Trennflächen aufwies und in der folglich menschengemachte Grenzen nur von sekundärer Bedeutung und zeitlich befristet sein konnten. In dieser Wahrnehmung waren die Bewohner der Weltinsel alle Geschöpfe des Schöpfergottes, für die das Recht des Kriegs und des Friedens als Teil der gottgewollten Weltordnung Geltung haben konnte. Das Aufkommen von Weltherrschaftsansprüchen Im Verlauf des 2. vorchristlichen Jahrtausends ging die sumerische Stadtstaatenlandschaft zu Ende und wurde durch Reichsbildungen ersetzt, die auf Ideologien der Weltherrschaft gegründet waren. Diese Ideologien sind in Prophetien der künftigen Einheit der Welt sowie in programmatischen Herrschertiteln nachweisbar. An die Stelle kleinräumiger Herrschaftsbildungen traten somit Träger von Herrschaft über größere Gebiete und unterschiedliche politische Gemeinschaften. Weltherrschaft bestimmte sich im alten Mesopotamien als Kontrolle über Land und Leute, die sich so weit erstreckte, bis sie auf den gleichen Weltherrschaftsanspruch eines unüberwindbaren anderen Herrschers stieß. So konnte der assyrische König Esarhaddon (681 - 669 vor Chr.) mit einem unter seiner Kontrolle stehenden Stadtherrscher einen Vertrag schließen, sich darin gleichzeitig als Herr über diese Stadt ausgeben und in der Verkündigung dieses Vertrags sowohl als König der Welt wie auch als König von Assyrien titulieren lassen [70, S.-534]. Der Anspruch auf Geltung der Weltherrschaftsideologie stand also der faktischen Anerkennung von Herrschaftsgrenzen und folglich der Praxis des Abschlusses zwischenstaatlicher Verträge nicht entgegen. Das Recht des Kriegs und des Friedens regelte einerseits, gegebenfalls für sehr lange Übergangszeiten, die Beziehungen zwischen Herrschaftsträgern auf der Basis der Anerkennung von deren Gleichheit. Andererseits war das Recht des Kriegs und des Friedens wie schon in altsumerischer Zeit auch anwendbar auf die Beziehungen zwischen Herrschaftsträgern ungleichen Rangs, unter denen einer von dem anderen abhängig sein, die sich aber zugleich wechselseitig Selbständigkeit zugestehen konnten. Beispiele für derartige Abkommen gibt es bereits aus der 15. und 14.-Jahrhundert vor Chr. in dem Vertrag zwischen Tuthalija, Großkönig von Hatti in Zentralanatolien, und Šunaššura, Herrscher über das in Südanatolien gelegene, von Hatti abhängige Kizzuwatna um 1400 vor Chr. [67] sowie in dem Vertrag zwischen Šuppiluliumas I., des Großkönigs der Hethiter (ca 1344 - 1322 v.-Chr.) und Šattiwazza, dem Herrscher von Mitanni [68]. Ein auf der Basis rechtlicher Gleichheit geschlossener Vertrag liegt vor in dem Abkommen zwischen Ramses II. von Ägypten (1279 - 1212 vor Chr.) und Hattušilis III, dem Großkönig der Hethiter (um 1267 - 1237 vor Chr.), aus dem Jahr 1270 vor Chr. [69]. Das Aufkommen von Weltherrschaftsansprüchen 29 Das Abkommen zwischen Šuppiluliumas und Šattiwazza ist erhalten in der Form eines Edikts im Namen des ersteren. Es begründete den Vorrang des Šuppiluliumas, dessen Tochter Šattiwazza heiraten sollte, und richtete ein unbefristetes Bündnis zwischen den Staaten unter der jeweiligen Kontrolle der beiden Herrscher ein. Der Text des Vertrags sollte im Heiligtum der Sonnengöttin in Hatti niedergelegt werden, um die Einhaltung des Vertrags zu gewährleisten, weitere Gottheiten wurden zur Bekräftigung der Vertragsgültigkeit angerufen. Die etwaige Weigerung Šattiwazzas, den ihm ausgehändigten Text des Edikts in derselben Weise aufzubewahren, bewehrte der Text mit der Androhung der Strafe der Gottheiten. Der Vertrag zwischen Ramses und Hattušilis ist in zwei Fassungen erhalten, die aus dem zu erschließenden, in eine Silbertafel gravierten akkadischen Original übersetzt wurden. Die altägyptische Fassung enthält die Verpflichtungen des Hattušilis und ist im Ramses-Tempel in Karnack, in Stein gemeißelt, überliefert. Die hethitische Fassung verzeichnet die Verpflichtungen Ramses’ und liegt in einer Tontafel aus Boğazköj vor. Er beendete den seit etwa 1280 vor Chr. zwischen Ägypten und dem Hethiterreich geführten Krieg um den Vorrang im östlichen Mittelmeergebiet. Das Abkommen gab den Friedensschluss wieder, legte die Grenze zwischen beiden Herrschaftsgebieten fest, regelte wechselseitig die Verpflichtung zu einem Nichtangriffspakt und einem Defensivbündnis sowie zur Auslieferung von Flüchtlingen und setzte Prinzipien der Thronfolgeregelung. Es wurde durch Eid bekräftigt und stellte die verzeichneten Verpflichtungen unter die Zeugenschaft von Gottheiten [54, S.-35-54]. Das ägyptisch-hethitische Abkommen von 1270 vor Chr. brachte die Merkmale der altvorderorientalischen Praxis des Abschlusses zwischenstaatlicher Verträge gebündelt zum Ausdruck. Der Vertrag folgte auf länger dauernde Kriegshandlungen um die Vorherrschaft in einem von beiden Seiten beanspruchten Raum. Am Ende des Kriegs kamen beide Kriegsparteien überein, ihre sich wechselseitig ausschließenden Ansprüche als Ideologien gelten zu lassen und die beiderseitigen Beziehungen ohne Beachtung dieser Ideologien pragmatisch zu regeln. Der Vertrag resultierte somit aus einem Kompromiss, der zur wechselseitig anerkannten Trennung der Herrschaftsbereiche auf der Basis der Anerkennung der Gleichheit des Rangs beider Parteien führte. Diese Anerkennung ermöglichte dann den Abschluss eines Bündnisses. Für dieses Abkommen nutzten beide Seiten einvernehmlich die Form des Konkordats zweier sachlich übereinstimmender und aufeinander bezogener Verpflichtungserklärungen, deren schriftliche Fassungen sie untereinander austauschten. Dabei ließ Ramses die Verpflichtungserklärung des Hattušilis für alle Besucher des Karnak-Tempels sichtbar und für alle Ewigkeit unverrückbar dokumentieren. Das Abkommen war somit ein Kriegsbeendigungsvertrag, der durch die rituellen Handlungen der Beschwörung durch Eide und des Austauschs der Verpflichtungserklärungen auf ewig gültig gesetzt wurde. Das Recht der zwischenstaatlichen Verträge als Bestandteil des Rechts des Kriegs und des Friedens war wie schon im alten Sumer an allgemein anerkannte religiöse Glaubenslehren geknüpft. Die Grundlagen des Rechts des Kriegs und des Friedens waren somit der Willkür menschlichen Handelns entzogen und vom Willen der Gottheiten abgeleitet. Der Glaube an die Kraft göttlichen Willens wirkte auch im Kriegsfall fort. Aus den religiösen Glaubenslehren war auch der im Vertrag zwischen Tuthalija und Šunaššura bezeugte Schutz von Gesandten gezogen. Damit sicher gestellt werden konnte, dass die Gesandten getreu ihrem Auftrag handelten, mussten sie sich als Sprachrohre der sie entsendenden Herrscher zu erkennen geben. Zum Beweis ihrer Bevollmächtigung sollten ihnen Schrifttafeln mitgegeben werden, die den Inhalt ihrer mündlichen Aussagen bestätigen konnten [67, S.-104, 105]. Dadurch waren sie gegen die Behauptung geschützt, für das Gesagte persönlich verantwortlich zu sein. Derselbe Befund der Schutz von Gesandten ergibt sich aus der 350 Schreiben umfassenden Sammlung diplomatischer Korrespondenz aus Ägypten während des 14.-Jahrhunderts vor Chr. [11, S.-19]. 30 Der Eine und die Vielen Sowohl die Gebundenheit des Rechts des Kriegs und des Friedens an religiöse Glaubenslehren als auch der politische wie intellektuelle Umgang mit Herrschaftsansprüchen formten die Praxis der Handhabung des Rechts des Kriegs und des Friedens noch für mehr als ein Jahrtausend seit der Zeit des ägyptisch-hethitischen Vertrags. Die vom Ende des 14.-Jahrhunderts vor Chr. überlieferten Gebete des hethitischen Großkönigs Muršili II. (1321 - 1295 vor Chr.) belegen, dass ein Herrscher selbst sowie dessen Nachfahren und Nachfolger die Verantwortung für unethisches herrscherliches Verhalten tragen zu müssen glaubte und deswegen die schwere Katastrophe einer das Hethiterreich heimsuchenden Pestepidemie als Strafe einer Gottheit für das sündhafte Handeln seines Vaters Šuppiluliumas I. (um 1386 - um 1340 vor Chr.) empfand. Dieser hatte, Muršili zufolge, ohne Rechtfertigung Kriege geführt und bestehende Verträge gebrochen. Muršili nun gelobte Reue und Sühne und verband dieses Gelöbnis mit der Bitte an die Gottheiten, das Strafgericht der Pestepidemie zu beenden [25, S.-166-169]. Er belegte damit auch den Grundsatz, dass die Menschen dem friedenbringenden Willen der Gottheiten gehorchen sollten, ihm aber auch durch sündiges kriegerisches Handeln zu widerstreben versuchen konnten. Dieser Grundsatz ist im Alten Testament in der Prophetie des Jesaja (Kap.- 2, Vers 4) am wirkmächtigsten belegt, die vorhersagt, dass nach dem Willen der Gottheit eines Tages Schwerter sich in Pflugscharen und Lanzen sich in Sicheln verwandeln würden. Damit war die Hoffnung auf den künftigen ewigen Frieden zum Ausdruck gebracht, der aus göttlichem Willen menschliches Kriegshandeln beenden werde. Die spätere Prophetie Daniels (Kap.-2) ordnete diese Friedenserwartung ein in das die Weltzeit zwischen Sintflut und Jüngstem Gericht umfassende Schema von vier Weltherrschaften (regna in der Vulgatafassung), deren letztes mit seinem Ende den Beginn der Ewigkeit markiere. In der Prophetie Daniels erschienen die historisch mindestens zeitweise neben einander bestehenden mesopotamischen, mit Weltherrschaftsansprüchen bestückten Staaten gekehrt in eine zeitliche Abfolge, jedes mithin gedacht als Gemeinschaft mit Ausdehnung über die ganze Welt im Sinn des altvorderorientalischen Weltbilds. Die Weltreichslehre des Propheten Daniel hob so die Konkurrenz der historischen Weltherrschaftsansprüche auf und verwandelte sie in Projektionen der künftigen gottgewollten Einheit der Menschheit als Bewohner der Weltinsel. Dort sollte in Zukunft kein Recht des Kriegs und des Friedens mehr, sondern nur noch sozusagen das Binnenstaatsrecht einer einzigen, dann die gesamte Weltinsel umspannenden Weltherrschaft bestehen. Die Prophetie Daniels entstand wohl erst im zweiten vorchristlichen Jahrhundert. Folglich kann bis in diese Zeit von einer allgemeinen, nicht nur den altvorderorientalischen Kulturbereich, sondern das Recht des Kriegs und des Friedens insgesamt betreffenden Ausschließlichkeit von Weltherrschaftsansprüchen keine Rede sein. Hingegen blieb die ältere Überzeugung durch das ganze erste vorchristliche Jahrtausend hindurch gültig, dass das Recht des Kriegs und des Friedens als solches auch in Konfliktzeiten gegeben blieb und die Beziehungen zwischen Staaten regelte. Dabei brauchte es weder gesetzt noch Erzwingungsinstitutionen unterworfen zu-sein. Neue Städtelandschaften Die Grundlagen, auf denen schon das altsumerische Recht des Kriegs und des Friedens geruht hatte, überdauerten auch die Umwälzungen, in deren Verlauf zunächst die mesopotamischen Reiche im Jahr 539 vor Chr., dann auch Ägypten im Jahr 525 vor Chr. durch Eroberung unter die Kontrolle der Perserreichs fielen und dieses dann im Jahr 333 v.-Chr. Opfer griechischer Expansion nach Westasien und Ägypten wurde. Griechische Herrschaft war jedoch primär auf Städte bezogen und zumeist auf sie begrenzt. Neue Städtelandschaften waren im östlichen Mit- Neue Städtelandschaften 31 telmeerraum und an der kleinasiatischen Ostküste wohl schon vor dem 7.-Jahrhundert vor Chr. entstanden und in eine Vielzahl zumeist kleinräumiger Stadtherrschaften aufgeteilt. Sie waren zumeist griechischsprachig und standen in engen Verbindungen zu den damals noch bestehenden mesopotamischen Weltreichen. Griechische Stadtherrschaft bestand somit fort, auch nachdem griechische und verbündete Heere unter König Alexander III. (336 - 323 vor Chr.) nach der Zerstörung des persischen und des ägyptischen Reichs nach Zentral- und Südasien vordrangen und dabei die altvorderorientalische Weltherrschaftsideologie übernahmen. Alexanders Versuch, das Reich des Maurya-Herrschers Chandragupta ebenfalls zu unterwerfen und dadurch eine noch über Ägypten, Mesopotamien und Persien hinausreichende Weltherrschaft zu begründen, scheiterte an dem großen und wohl organisierten Heer Chandra-Guptas, dem Alexanders Truppen nicht gewachsen waren. Damit blieb, ohne dass Alexander es gewollt hätte, auch unter dessen Nachfolgern das altvorderorientalische Modell erhalten, das Weltherrschaft als politische Ideologie vereinbarte mit der pragmatischen Anerkennung der als vorübergehend hingestellten Koexistenz vieler monarchischer Herrscher und einer Vielzahl städtischer Herrschaftsträger. Alexanders Nachfolger, die dessen Herrschaftsgebiet unter sich aufteilten, erweiterten nicht nur wieder die Zahl der koexistierenden Staaten, sondern gestanden auch den Städten unter ihrer Kontrolle deren alte Selbständigkeitsprivilegien weiterhin zu [31]. So bestand bis in das zweite vorchristliche Jahrhundert hinein eine Vielzahl wirtschaftlicher, politischer und militärischer Beziehungen unter den zumeist kleinräumigen Stadtherrschaften mit ihren jeweils spezifischen kollektiven Identitäten fort. Diese Beziehungen waren intensiv und oft konfliktreich, so dass neben literarischem auch reiches rechtsrelevantes pragmatisches Schrifttum entstand. Dessen Inhalte waren nun vielfältiger als im Alten Vorderen Orient. Zugleich intensivierte die griechische Expansion nach Westasien und nach Ägypten den ohnehin schon bestehenden Transfer altvorderorientalischer Kultur, einschließlich des Rechts des Kriegs und des Friedens in den griechischen Sprachbereich. Das Recht der zwischenstaatlichen Verträge wurde nunmehr breit ausgefächert und, soweit erkennbar, detaillierten Regeln unterworfen. So schlossen die Stadt Sybaris und die Serdaier vor 510 vor Chr. einen Vertrag zur Begründung einer unverbrüchlichen Freundschaft auf ewig, riefen unter anderem die Götter Zeus und Apollon sowie auch die Stadt Poseidonia als Zeugen und Bürgen an und deponierten die in Bronze gegossene, beide Parteien gemeinsam verpflichtende Vertragsurkunde im zentralen griechischen Heiligtum von Olympia [72, S.- 15]. Die Praxis des Abschlusses zwischenstaatlicher Verträge blieb mithin den Konventionen verhaftet, die sich bereits in altsumerischer Zeit ausgebildet hatten. Das bestätigt auch der in eine Marmorstele gemeißelte Vertrag zwischen Argos und Pallanthion von vor 316 vor Chr. Dieses Abkommen verpflichtete beide Parteien zum gegenseitigen Austausch derjenigen amtlichen Beschlüsse, durch die das zuvor geschlossene wechselseitige Freundschaftsbündnis bestätigt werden sollte. Das Abkommen entstand somit in einem „zusammengesetzten“ Verfahren und sollte nach dessen rituellem Abschluss für alle Zeiten sichtbar bleiben. Die unterhalb der Akropolis von Pallanthion gefundene Stele zeigte den Beschluss von Argos, der mithin in Erfüllung des Abkommens nach Pallanthion gesandt worden war [73, S.-32-34]. Die griechische Überlieferung gestattete nicht nur eine genauere Differenzierung der Typen der Vertragsinhalte als die älterer Vertragsüberlieferung, sondern belegte auch eine spezifische Terminologie für einige Vertragstypen. Für Bündnisverträge stand die Bezeichnung Symmacheia in Gebrauch, für Rechtshilfe- und Handelsabkommen das Wort Symbolai. Als Spondai waren Staatsverträge bezeichnet, die mit dem Trankopferritus durch die Vertragsparteien bekräftigt wurden. Zu den in der Regel verwandten Vertragsschlussriten zählten wie schon in altsumerischer Zeit auch der Eidschwur und die Unterstellung der Verträge unter den Schutz der Gottheiten, leiteten mithin das Recht der zwischenstaatlichen Verträge aus religiösen Glau- 32 Der Eine und die Vielen benslehren ab. Das Formular der Abkommen bestand wie seit alters her oft in einseitigen Verpflichtungserklärungen der durch die Abkommen verbundenen Parteien. Diese tauschten ihre oft in Stein gemeißelten oder in Bronze gegossenen Erklärungen unter einander aus. Urkunden, die Abkommen der Partner in einem Text vereinigten, konnten in allgemein zugänglichen Heiligtümern deponiert werden. Daher sind nicht wenige Vertragstexte in originalen Inschriften erhalten [71; 72; 73]. Die Modalitäten des „zusammengesetzten“ Vertragsschlussverfahrens sind für die griechische Zeit besser belegt als im Alten Vorderen Orient. Denn aus der griechischen Überlieferung wird deutlich erkennbar, welche Typen diplomatischer Gesandter daran beteiligt sein konnten. Schon aus der homerischen Epik ist die Unterscheidung zweier Typen von Gesandten ersichtlich, einerseits dem Herold (Keryx), der als Überbringer förmlicher Botschaften generell unter den Schutz der Gottheiten gestellt war, mithin nicht für die Inhalte der von ihm überbrachten Botschaften verantwortlich sein sollte, und dem Auftragsgesandten (Presbeutes), der von Herrschern oft in Begleitung von Herolden mit der Führung von Verhandlungen beauftragt sein konnte und nur nach besonderer Vereinbarung zwischen sendendem und empfangendem Herrscher geschützt war [1]. Dass jedoch schon in vorhomerischer Zeit auch im Alten Vorderen Orient diplomatische Gesandte bereits gegen Übergriffe auf ihre Sicherheit rechtlich geschützt gewesen waren, ergibt sich im Rückblick aus der Erzählung des Herodot (um 484 - 425 vor Chr.) [28, Kap.-VII/ 133-136] über einen Zwischenfall in den diplomatischen Beziehungen zwischen Sparta und Persien. In Sparta war danach im Jahr 491 vor Chr. der Gesandte des persischen Großkönigs Darius I. (521 - 485 vor Chr.) ermordet worden. Sparta überstellte darauf hin zwei Adlige nach Persien zur Sühne für das Verbrechen. Darius’ Nachfolger Xerxes (485 - 465 vor Chr.) aber begnadigte die beiden Adligen, Herodot zufolge mit dem Argument, er „wolle nicht handeln wie die Spartaner, die durch den Mord an dem persischen Gesandten das Recht, das alle Völker heilig hielten, verletzt hätten“. Die Aussage Herodots belegt, dass der Schutz von Gesandten zum Bestandteil des Rechts des Kriegs und des Friedens zählte, ungesetzt war und ohne Erzwingung durch Herrschaftsinstitutionen als gültig angesehen wurde. Da Herodot die Aussage dem Großkönig Xerxes in den Mund legte, muss davon ausgegangen werden, dass er sie als für die altvorderorientalischen Weltherrschaften als zutreffend ansah. Die dichten Beziehungen zwischen den griechischen Städten trugen auch zu mannigfaltigen Berichten über die Kriegführung bei. Die Berichte reflektierten einen weit gefassten Kriegsbegriff, der alle Formen der Gewaltanwendung umgriff, gleichwohl nach der Herkunft der kämpfenden Verbände differenziert war. Platon (um 427 - 347 vor Chr.) [49, Kap.-V/ 16, 469e-471c] zufolge war Krieg zwischen Griechen und Barbaren (pólemos) begrifflich getrennt von Kämpfen der Griechen unter einander (stásis). Stasis bezeichnete im engeren Sinn den Aufstand gegen eine bestehende Ordnung, im weiteren Sinn gewaltsamen Streit unter den sich in grundsätzlicher Freundschaft politisch verbunden sehenden Bewohnern griechischer Städte. Dagagen stand Polemos für den förmlichen Krieg zwischen Gemeinschaftern, die nicht durch bestehende Freundschaftsbeziehungen verbunden waren. Die Unterscheidung sollte, Platon zufolge, dazu beitragen, die in der Stasis zur Anwendungen kommenden Gewaltmaßnahmen auf diejenigen Handlungen zu begrenzen, die zur Wiederherstellung der Ordnung und zur Betrafung der Aufständischen geboten seien. Als Beispiel für eine solche, zur Wiederherstellung der Ordnung seiner Ansicht nach legitime Gewaltmaßnahme nannte Platon die Wegnahme von Besitz. Dass der Polemos zwischen politisch unverbundenen Gemeinschaften völlig regellos sei, sagte Platon nicht, sondern gab lediglich zu verstehen, dass der Krieg gegen „Feinde“ keine Begrenzung der zum Einsatz kommenden Kriegsmittel kenne. Platon leitete die Differenzierung des Gebrauchs von Kriegsmitteln aus der Verschiedenheit der Kriegsziele ab, behauptete mithin, dass im Fall einer Stasis die Wiederherstellung der Ordnung unter Freunden das Ziel sei und folglich die Begrenzung der Kriegsmittel erfordere. Denn nur bei einer Begrenzung der Kriegsmittel könne die Die Verbindung von Stadt- und Weltherrschaft in Rom 33 grundsätzlich bestehende Freundschaft zwischen den Kampfparteien erhalten bleiben. Im Fall des Polemos aber gehe es nicht um die Wiederherstellung von Freundschaft, da sie zwischen Griechen und Nichtgriechen überhaupt nicht bestehe. Mit dieser Unterscheidung lieferte Platon einen der in dieser Zeit seltenen Belege für einen engen, auf die Anwendung von Gewalt nur zwischen Gemeinschaften unterschiedlicher Kultur- und Rechtsbereiche begrenzten Begriff des Polemos, setzte sich mit dieser Begriffsbildung aber nicht durch. Kriege wurden in der Regel durch Herolde erklärt und konnten bis zur Vernichtung der Gegner geführt werden, die Opfer von Umsiedlung, Versklavung oder Tötung werden konnten. Dies geschah, gegen Platons Unterscheidung, auch in innergriechischen Konflikten. Dem Schicksal der völligen Vernichtung konnte diejenige Seite, die militärisch schwächer zu sein schien, durch Abschluss eines Vertrags entgehen, in dem sie die kampflose Übergabe (Dedition) vor Beginn der Schlacht zugestand. Zu einer solchen Dedition durch Vertrag forderten in einem wohl fiktionalen, von Thukydides (um 460 - 399/ 396 vor Chr.) [63, Kap.-V/ 16, 84-116] überlieferten Dialog die Athener ihre Gegner von der Insel Melos auf. Diese lehnten das Ansinnen der Athener ab und wurden niedergemacht. Zudem bestand die Möglichkeit, die schon begonnenen Kampfhandlungen durch vertragliche Kapitulation vorzeitig vor der völligen Zerstörung zu beenden. Die Verbindung von Stadt- und Weltherrschaft in Rom Wohl nach dem durch die Etrusker nach Italien übertragenen griechischen Vorbild fand das griechische Modell der Stadtherrschaft auch in Rom Anwendung. Rom bestand als politische Gemeinschaft der dort wohnenden Bürger. Gemeinschaften dieser Art waren im Lateinischen als Civitas bezeichnet. Mit dem Modell der Stadtherrschaft kamen zentrale Elemente der altvorderorientalischen Traditionen des Rechts des Kriegs und des Friedens nach Rom, jedenfalls im Verständnis römischer Theoretiker der Politik und Historiker. So stand nach der Überlieferung durch den Historiker Titus Livius (um 59 vor Chr. - um 17 nach Chr.) [39, Kap.-I/ 32, 6-7] ein vom Stadtparlament Roms, dem Senat, nach auswärts entsandter „öffentlicher Herold“ (publicus nuntius) unter dem Schutz des Gottes Jupiter (iuste pieque legatus), den er beim Grenzübertritt anrief. Aus der Schilderung des Livius spricht die Vorstellung von der Unverletzlichkeit jedenfalls der öffentlich entsandten Boten, die ähnlich den griechischen Herolden zum Überbringen förmlicher Botschaften, wie zum Beispiel Kriegserklärungen, eingesetzt worden zu sein scheinen. Für die Erklärung eines Kriegs gegen auswärtige Feinde scheint ein religiöser Ritus erforderlich gewesen zu sein, den das Priesterkollegium der Fetialen auszuführen hatte [39, Kap.-I/ 24, 4-9]. Dieses Priesterkollegium hatte auch zwischenstaatliche Bündnisverträge (foedera) gültig zu setzen. Daneben kannte die römische Vertragsschlusspraxis auch Abkommen, für die wie für Feldherrenverträge (sponsiones) die Gültigsetzung durch die Fetialen nicht erforderlich war. Foedera scheint die Stadt Rom in der Frühzeit nicht nur mit anderen italischen Städten abgeschlossen zu haben, sondern auch mit weiter entfernt gelegenen Orten wie Karthago. Dabei blieb der Eid weiterhin in Gebrauch als Mittel zur Bekräftigung von Verträgen. Wie schon im Alten Vorderen Orient kamen diese Abkommen nicht nur als Bündnisverträge zwischen Partnern zustande, die sich wechselseitig als rechtlich gleich anerkannt hatten, sondern als Unterwerfungsverträge auch zwischen ungleichen Parteien. Ein Beispiel lieferte Livius [39, Kap.-I/ 38, 1-2] in seinem Bericht über das Deditionsabkommen, das die italische Gemeinschaft der Collatiner mit Rom geschlossen und dadurch das Ende ihrer Selbständigkeit besiegelt haben soll. Dem Bericht des Livius zufolge soll der römische Gesandte die Vertreter der Collatiner gefragt haben, ob die Gemeinschaft (populus) befugt sei, in eigener Machtvollkommenheit (in sua potestate) vertragsrechtlich verpflichtende Bindungen einzugehen. Nachdem die Collatiner die Frage bejaht gehabt hätten, habe der römische Gesandte weiter gefragt, ob die Vertreter der 34 Der Eine und die Vielen Collatiner den Populus, die Stadt, die Felder, die Gewässer, die Grenzmarkierungen, die Heiligtümer sowie alle dazu gehörigen göttlichen und menschlichen Dinge den Römern zu unterstellen bereit seien. Mit der Bejahung auch dieser Frage sei die Dedition vollzogen gewesen. Nach dem Bericht des Livius nutzten die Collatiner ihre noch bestehende Selbständigkeit zu deren Zerstörung durch Vertrag. Dass der Bericht des Livius in Grundzügen den Tatsachen entsprach, ergibt sich aus einem kürzlich ausgegrabenen inschriftlichen Zeugnis aus der Zeit, als römische Herrschaft über die Italienische Halbinsel hinaus expandierte. Im Süden der Iberischen Halbinsel fand sich das Fragment einer Bronzetafel, deren Inschrift einen in das Jahr 104 vor Chr. datierten Rechtsakt bezeugte. Dadurch unterwarf sich die dort bis dato selbständige Gemeinschaft (populus) der Seano dem dortigen römischen Statthalter Caesius mit allem, was zu ihr gehörte. Der Text erlaubt den Rückschluss, dass auch in diesem Fall Fragen nach Art des Berichts des Livius als Bestandteil des Deditionsverfahrens gestellt wurden. Nach Ausweis des Texts der Bronzetafel bejahten die Seano diese Fragen. Der Text hatte mithin die Form einer Verpflichtungserklärung, folgte also der bestehenden Form des freien Vertrags [46]. Üblicherweise fand nach der Dedition die Wiederherstellung der Eigentumsrechte durch eine Garantie Roms statt. Infolge des Deditionsvertrags verlor, wie der Fall der Seano belegt, die unterworfene Gemeinschaft ihre Befugnis, mit Rom ein Foedus zu schließen, und konnte sich nicht mehr den herrschaftlichen Verfügungen des römischen Senats auf legale Weise entziehen. Sie büßte somit ihre Macht (potestas) zur selbständigen Herrschaft ein, aber nicht ihre kollektive Identität. Die Dedition war ein statusändernder zwischenstaatlicher Vertrag zu Lasten der dedierenden Seite. Der Vertrag führte auch in diesem Fall dazu, dass die vor Vertragsabschluss noch bestehende Selbständigkeit mit eben diesem Vertrag endete. Aus dem Vertrag folgte aber nicht notwendigerweise eine tatsächliche „Besitzergreifung“, wie die ältere Forschung mitunter vermutete [30, S.-60-77]. Römische Stadtherrschaft überspannte nach ihrer Expansion über die Italienische Halbinsel hinaus eine Vielzahl fortbestehender kollektiver Identitäten. Auch nachdem große Teile der von Alexander und dessen Nachfolgern im östlichen Mittelmeerraum und in Westasien errichteten Staaten im Jahr 168 vor Chr. römischer Kontrolle unterstellt worden waren, bestand römische Herrschaft weiterhin als Gemengelage gleicher und ungleicher Rechtsbeziehungen unter Staaten und anderen politischen Gemeinschaften mit jeweils spezifischer kollektiver Identität und folgte darin altvorderorientalischem Muster. Sie blieb im Kern Stadtherrschaft über Rom, dem eine wachsende Zahl Staaten und politischer Gemeinschaften unterworfen, als Abhängige zugeordnet, als Gleiche durch Verträge verbunden waren oder als Feinde gegenüberstanden. Als Verfahren des Abschlusses und der Gültigsetzung zwischenstaatlicher Verträge galten Varianten derjenigen Riten, insbesondere des Eidschwurs, fort, die schon Bestandteile altvorderorientalischer Vertragsschlusspraxis gewesen waren [29]. Dass diese mannigfaltig gestaffelten Beziehungen nicht aus einem rechtlichen Vakuum erwuchsen, das erst durch das Handeln römischer Herrschaftsträger, insbesondere des Senats, zu überwinden gewesen wäre, ergibt sich aus dem von der römischen Historiografie schon für die ältere Zeit behaupteten Rechtssatz, dass Kriegserklärungen die Verletzung eines bestehenden Vertragsverhältnisses anzuzeigen hätten (res repetuntur) [39, Kap.-I/ 32, 5-14]. Dieser Behauptung muss die Wahrnehmung zugrunde gelegen haben, dass geregelte Rechtsbeziehungen zwischen Rom und dessen Feinden bestanden und Kriege aus der Verletzung von Rechtssätzen zu begründen seien. Im Kern gab die römische Historiografie den Krieg als Mittel zur Wiederherstellung der alten Ordnung, das heißt des ursprünglich gegeben Friedens aus und folgte darin altvorderorientalischen Vorgaben. Die These der Forschung des 19.-Jahrhunderts, zwischen Rom und dessen Gegnern habe der Zustand einer „natürlichen Feindschaft“ bestanden, der erst durch Freundschaftsverträge zu überwinden gewesen wäre [44, S.-590-591; 61], ist daher unhaltbar [30, S.-18]. Die Einbindung der römischen Vertragsschlusspraxis in die altvorderorientalische Tradition des Spätrepublikanisches Rom 35 Rechts des Kriegs und des Friedens legt die Annahme nahe, dass auch in Rom wie schon in der älteren Zeit das Recht des Kriegs und des Friedens als ungesetztes, allgemein gültiges Recht anerkannt wurde. Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens im spätrepublikanischen Rom Diese Annahme ist im ersten vorchristlichen Jahrhundert in Reden und philosophischen Schriften des Marcus Tullius Cicero und seines Umkreises ausdrücklich belegt. In seiner Rede für Balbus [17, Kap.-VI/ 85] pries Cicero spöttelnd den Pompeius dafür, dass dieser ja wegen der unter ihm geführten Kriege sehr genau die Bündnisverträge (foedera), die sonstigen Abkommen (pactiones) und die rechtliche Basis der Beziehungen Roms zu politischen Gemeinschaften, Herrschern und fremden Staaten (condiciones populorum, regum exterarum nationum) in Verbindung mit dem allgemeinen Recht des Kriegs und des Friedens (universum denique belli ius atque pacis) kenne. Die Liste erscheint wohl durchdacht, umfasste sie doch die Hauptkategorien der Verträge, die zwischen Rom und anderen politischen Gemeinschaften, Herrschern und Staaten bestanden, mithin Abkommen über gleiche oder auch ungleiche Bündnisse, Unterwerfungsverträge wie Deditionsabkommen, sowie alle anderen vertragsgleichen Abmachungen. Zudem klassifizierte die Liste die Vertragspartner Roms als politische Gemeinschaften innerhalb des römischen Herrschaftsbereichs (populi), diesem Bereich nicht zugeordnete, aber doch irgendwie mit Rom verbundene Herrscher (reges) sowie außerhalb der Kontrolle Roms stehende Staaten (exterae nationes). Diese jeweils zweiseitig bestehenden Rechtsbindungen ordnete Cicero mit der abstrakten Kategorie eines über alle Grenzen hinweg gültigen Rechts zusammen, das er als Ius belli ac pacis (Recht des Kriegs und des Friedens) bezeichnete, also nicht mit der damals schon umlaufenden lateinischen Vokabel Ius gentium benannte. Cicero zufolge gab dieses Recht des Kriegs und des Friedens die Grundlage ab für pragmatische Rechtssetzungen kraft Vertrags. Es wurzelte seiner Ansicht nach in religiösen Glaubenslehren (ius quo bella indicerentur, quod per se iustissime inventum fetiale religione) [16, Kap.-II/ 17, 31]. Cicero identifizierte also wie die von Livius erwähnte Überlieferung das Priesterkollegium der Fetialen als diejenige Institution, durch deren Beteiligung ein Krieg nicht nur rechtmäßig, sondern auch gerecht sein könne [12, S.-28; 18, S.-177]. Krieg war demnach ein legales Mittel zur Entscheidung in Rechtsstreitigkeiten zwischen selbständigen politischen Gemeinschaften, die sich wechselseitig als Außenstehende anerkannten und deswegen Staaten (civitates) waren. Für Cicero war die Civitas als Stadt oder Staat die Res publica, die öffentliche Angelegenheit schlechthin. Krieg stand als Streit zwischen Staaten in Parallele zum innerstaatlichen Gerichtsprozess (sunt duo genera de certandi, alterum per disaptationem, alterum per vim) [16, Kap.-I/ 11, 34], wie Livius ebenso meinte [39, Kap.-XXI/ 10, 9]. Das Recht des Kriegs und des Friedens folgte mithin auch im ersten vorchristlichen Jahrhundert aus religiösen Glaubenslehren. Mit knappen Sätzen lieferte Cicero die ersten theoretischen Aussagen zum Recht des Kriegs und des Friedens seit der altsumerischen Zeit. Er bestimmte den Krieg (bellum) umfassend als Rechtsakt jeder Gewaltanwendung (genus de certandi-… per vim) [16, Kap.-I/ 11, 34] und kategorisierte das von ihm so genannte Recht des Kriegs und des Friedens als das allgemeine Recht, das die Basis abgab, auf der nicht nur pragmatisches Vertragshandeln, sondern auch das Führen von gerechten Kriegen möglich wurde. Neben der förmlichen Bedingung für die Gerechtigkeit des Kriegs, also die Beteiligung der Fetialen, kannte Cicero die auch von Livius geäußerte Forderung, der Krieg müsse der Wiedergutmachung zuvor erlittenen Unrechts (rebus repetitis) dienen. Im Fall der Nichterfüllung einer ausdrücklichen Wiedergutmachungsforderung von Seiten Roms sah Cicero die Möglichkeit, dass ein gerechter Krieg auch ohne Beteiligung der Fetialen würde unternommen werden können. Hingegen waren seiner Ansicht nach die Fetialen zu be- 36 Der Eine und die Vielen teiligen, wenn ein gerechter Krieg mit anderen Zielen als der Durchsetzung einer Wiedergutmachungsforderung zu führen sei [16, Kap.-I/ 11, 36]. Die Fetialen waren also an der Vorbereitung eines gerechten Kriegs zu beteiligen, dessen Rechtfertigung nicht schon allein aus der Bestimmung des Kriegsziels folgte. Das Ziel, durch Krieg einen Frieden ohne Unrecht zu erreichen, schien mithin als solches bereits aus den religiösen Glaubenslehren legitimiert. Seine Umsetzung bedurfte daher keiner besonderen Beteiligung der Fetialen. Ein gerechter Feind (hostis iustus) Roms, folgerte Cicero, sei derjenige Gegner, mit dem das Recht des Kriegs sowie viele andere Rechte gemeinsam bestünden [16, Kap.-III/ 29, 108]. Die in einem gerechten Krieg zum Einsatz kommenden Kriegsmittel sollten nur dann nach Cicero unbegrenzt bleiben, wenn die Gegner vertrags- oder eidbrüchig geworden, wie etwa Piraten, gar keine Kriegsgegner im Rechtssinn waren oder sich sonstwie friedensbrecherisch verhielten [16, Kap.-I/ 11, 35; III/ 29, 107]. Es gebe mithin, schloss Cicero hier an Platons Lehren, nicht dessen Wortwahl anknüpfend, zwei Typen gegnerischer Parteien, diejenigen, zwischen denen Streit über die Ausübung rechtmäßiger Herrschaft bestehe, und diejenigen, zwischen denen ein Kampf auf Leben und Tod geführt werde. Nur Konflikte unter dem letzteren Typ von Gegnern dürften mit aller Härte ausgetragen werden, bei den anderen sei Zurückhaltung geboten. Das Recht des Kriegs und des Friedens hatte damit für Cicero den Zweck, den Krieg einzuhegen und das Ausmaß der legalen Gewaltanwendung auf ein Mindestmaß einzuschränken. So verlangte er, dass im Krieg nur reguläre Soldaten als Kombattanten zum Einsatz kommen sollten, der Krieg müsse hingegen Nicht-Kombattanten verschonen [16, Kap.-I/ 11, 36-37]. Seine Unterscheidung der beiden Typen von Kriegsgegnern versuchte Cicero mit einem Hinweis auf die Geschichte der Bedeutung des lateinischen Worts Hostis zu begründen. Er bedauerte, dass dieses Wort in der Sprache der Römer, in der es etwa im Zwölftafelgesetz nur den Fremden bezeichnet habe, zur allgemeinen Bezeichnung für den Feind (perduellis) geworden sei. Dennoch weise die Wortgeschichte darauf hin, dass Konflikte unter den als Hostes Bezeichneten ursprünglich lediglich Fremde, aber keine Feinde gewesen seien. Die Härte des Kriegs werde daher durch die Milde der ursprünglichen Bedeutung des Worts verringert [16, Kap.-I/ 1, 37]. Indem Cicero die unterschiedliche Intensität des Einsatzes von Kriegsmitteln aus seiner Erläuterung des Wandels der Bedeutung des Worts Hostis ableitete, dabei aber für militärische Konflikte aller Art ein und dasselbe Wort Bellum für Krieg verwandte, gab er sich, trotz seiner Abhängigkeit von Platons Lehren, als Anhänger der Tradition des weiten, umfassenden Kriegsbegriffs zu erkennen. Während Cicero an diesen Stellen mit der Formel des Rechts des Kriegs und des Friedens operierte, blieb die weitere Bezeichnung Ius gentium (Recht der politischen Gemeinschaften) für andere Rechtsbereiche in Gebrauch. Diese Formel scheint auf die frühe Phase der noch räumlich eng begrenzten römischen Stadtherrschaft zurückzugehen. Damals bereits könnten unter Ius gentium alle diejenigen Rechtssätze zusammengefasst worden sein, die nicht nur im römischen Bürgerrecht (ius civile), sondern in der Wahrnehmung der Römer bei allen politischen Gemeinschaften gleichermaßen galten und deswegen auch in Rom selbst nicht nur auf die Bürger Roms, sondern auch auf dort ansässigen Fremden anwendbar waren. Das Ius gentium war demnach kein „Fremdenrecht“ im Sinn der Sammlung römischer Rechtssätze, die in Rom nur von römischen Nicht-Bürgern zu beachten gewesen wären. Ebenso wenig war es zunächst ein über den politischen Gemeinschaften stehendes, die Beziehungen zwischen diesen regelndes Recht, sondern scheint in der frühen Zeit als eine Art natürliches Vernunftrecht aufgefasst gewesen zu sein, dem göttlicher Ursprung zugeschrieben, das aber auch gesetzt sein konnte. Jedenfalls war das Ius gentium Teil des römischen Bürgerrechts, das für alle freien Römer als Bürger der Stadt ebenso wie für Freie überall in der Welt gelten sollte. Unfreie, das heißt Sklaven, unterstanden weder dem Ius gentium noch dem römischen Bürgerrecht, da sie keinen Status als Menschen im Rechtssinn besaßen. Spätrepublikanisches Rom 37 Die Schwierigkeit mit dieser Bedeutungszuweisung für das Ius gentium besteht jedoch darin, dass sie aus sehr viel späteren Quellen rekonstruiert werden muss, die erst im späteren ersten Jahrhundert vor Chr. reicher zu fließen beginnen. Die wichtigste Quelle aus dem 1.-Jahrhundert vor Chr. ist wiederum Cicero. Er verband das Ius gentium in dieser Bedeutung an Überzeugungen der Vorfahren, betrachtete es mithin als Bestandteil einer vermeintlich langen Rechtstradition [32]. Die Vorfahren, behauptete Cicero, hätten das Ius gentium in der Weise vom Bürgerrecht (ius civile) unterschieden, dass das Ius civile nicht im Ius gentium aufgehe, hingegen alles, was Ius gentium sei, auch Ius civile sein müsse [16, Kap.-III/ 17, 69-70]. Cicero konstruierte damit beide Rechtsbereiche als teilweise überlappend, mit dem Ius civile als dem umfassenderen Rechtsbereich, und forderte, dass das Ius civile nicht gegen Rechtssätze des Ius gentium verstoßen dürfe. Das Ius civile sollte unter dieser Bedingung das nur den römischen Bürgern „offenstehende“ Recht sein [33, S.-15]. Mit dem Recht des Kriegs und des Friedens hatte also Ciceros Begriff des Ius gentium wenig gemein. Er scheint jedoch das Problem gesehen zu haben, dass in Folge der Expansion der römischen Herrschaft sowohl immer mehr Personen auch außerhalb der Stadt Rom römisches Bürgerrecht besaßen als auch immer mehr Nicht-Bürger in Rom anwesend waren. Folglich konnten beide Rechtsbereiche nicht mehr immer als ohne weiteres trennbar aufgefasst werden. Je intensiver das Ius gentium auch in die Beziehungen zwischen Rom und anderen politischen Gemeinschaften oder Staaten regelnd eingreifen konnte, desto öfter war die Möglichkeit gegeben, dass das es auch Aspekte des Rechts des Kriegs und des Friedens betraf. So stammt denn auch aus dem Umkreis Ciceros der älteste Beleg für die Verwendung der Formel Ius gentium zur Bezeichnung für das Recht des Kriegs und des Friedens. Dieser Beleg ist in der Textsammlung des Aulus Gellius aus dem 2.- Jahrhundert nach Chr. erhalten. Zu dieser Sammlung gehörten Auszüge aus einer Schrift, die Marcus Tullius Tiro (um 103 - 4 vor Chr.), ein freigelassener Sklave des Cicero und produktiver Gelehrter, über den gerechten Krieg verfasst zu haben scheint [23, Kap.-VI/ 3, 8-55, Bd-1, S.-222-230]. In dieser Schrift analysierte Tiro eine Senatsrede des älteren Cato Censorius (um 234 - 149 vor Chr.) aus dem Jahr 167 vor Chr. Cato hatte den Widerstand der Bewohner der Insel Rhodos gegen die Expansion der römischen Herrschaft gerechtfertigt. Denn die Rhodier hätten Rom zwar mit Krieg gedroht, tatsächlich aber keinen Krieg erklärt. Nur angedachte, aber nicht zur Ausführung gebrachte Taten seien aber kein Unrecht, weder nach dem Naturrecht (ius naturale) oder nach dem Ius gentium noch nach gesetzten Verboten (iure legum). Der Krieg, den Römer gegen die Rhodier geführt hätten, sei von den Römern provoziert gewesen [23, Kap.-VI/ 3, 40, 45, Bd-1, S.-227, 228]. Nach dieser, Cato zugeschriebenen Aussage waren Ius naturale und Ius gentium einander darin gleichgesetzt, dass sie nicht aus gesetztem Recht hervorgingen, sondern göttlichen Ursprungs waren. Tiro, der kein Jurist war, kritisierte die Position des Cato heftig, da der Krieg der Römer gegen die Rhodier nach dem Ius gentium gerecht gewesen sei, positionierte mithin das Ius gentium in den Kontext der Diskussion des Rechts des Kriegs und des Friedens. Während Cicero offenbar seinen Gebrauch des Begriffs des Ius gentium an den Konventionen der römischen Stadtherrschaft orientierte, band Tiro dieselbe Formel ein in den Prozess der zu seiner Lebenszeit zu Ende gehenden Expansion römischer Stadtherrschaft. In der politischen Sprache Ciceros und seiner Zeitgenossen konkurrierten mehrere Wörter, die politische Gemeinschaften bezeichneten. Populus war das Wort, das offiziell für die Römer in Gebrauch stand. Es ist durch die Formel Senatus Populusque Romanus für die Herrschaftsträger und die Beherrschten in Rom gut belegt. Aber Populus konnte auch für politische Gemeinschaften außerhalb Roms Anwendung finden. Gentes konnte es in Rom selbst innerhalb des Populus Romanus geben wie auch außerhalb Roms. Zusätzlich benutzte Cicero noch das Wort Nationes in derselben Bedeutung wie Gentes, auch in der verbundeten Formel „gentes et nationes“. Die lateinische Rechtssprache jedoch bevorzugte Gentes. Sie konnten kleine Verwandtengruppen oder auch große politische Gemeinschaften sein. 38 Der Eine und die Vielen Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens im römischen Imperium Am Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts konnte römische Stadtherrschaft bereits in die Ideologie der Weltherrschaft gekleidet sein und darin dem altvorderorientalischen Modell folgen. Als Ausdruck für diese Weltherrschaftsideologie diente ein Wort, das bereits seit langem in Gebrauch gestanden hatte, nun aber ein zusätzliche Bedeutung erhielt. Es handelte sich um das Wort Imperium, das ursprünglich Befehl bedeutet hatte. Dessen Ableitung Imperator bezeichnete den Befehlshaber in der Armee. Soldaten konnten einen besonders erfolgreichen Befehlshaber nach einem Sieg in der Schlacht zum Imperator ausrufen. In der Spätphase der römischen Republik war Octavian (63 vor Chr. - 14 nach Chr.), Neffe und Adoptivsohn des Gaius Julius Caesar (100 - 44 vor Chr.) und Anführer einer der Bürgerkriegsparteien, die in dieser Phase um die Macht rangen, nach der Schlacht von Modena am 21.-April 43 vor Chr. zum Imperator ausgerufen worden. Seit Caesars Vergöttlichung im Jahr 42 vor Chr. nannte er sich „Sohn des Gottes“ (Divi Filius) und reklamierte den Namen Caesar für sich. Er hatte er eine Reihe von Staatsämtern sowie Machtbefugnissen an sich gezogen, deren wichtigste die tribunizische Gewalt (potestas tribunicia) war. Durch diese, vom Amt des Volkstribuns abgeleitete Gewalt erwarb Octavian die diesem Amt eigene Unverletzlichkeit, die ihm auch Schutz vor Strafverfolgung gewährte. Da Octavian die tribunizische Gewalt, nicht jedoch das Amt des Volkstribuns innehatte, war die Unverletzlichkeit seiner Stellung im römischen Staat nicht gebunden an die Befristung des Amts auf ein Jahr. Als Imperator mit tribunizischer Gewalt vereinigte Octavian Machtbefugnisse, die sonst im römischen Staat niemand innehatte. Zudem war Octavian im Jahr 31 vor Chr. zum Konsul gewählt worden und trug damit das höchste Amt der römischen Republik. Zwar war dieses Amt wie das des Volkstribuns auf ein Jahr befristet, aber Octavian ließ sich am Ende der Amtszeit jeweils wiederwählen. Nach Ausschaltung seines letzten Gegners Marcus Antonius (86/ 83 - 30 vor Chr.), der sich bis 31 vor Chr. in Ägypten zu halten versucht hatte, war Octavian der tatsächliche alleinige Beherrscher nicht nur Roms, sondern auch der von Rom aus kontrollierten und mit Rom verbündeten Staaten und politischen Gemeinschaften im gesamten Mittelmeerraum, in Ägypten und Westasien. So bestand römische Herrschaft als Stadtherrschaft über Rom fort, auch nachdem Octavian seinen Herrschaftsbereich weit über Rom hinaus ausgedehnt hatte. Es war daher kein Paradoxon, dass Octavian in einer Aufsehen erregenden und offenbar präzis vorbereiteten Zeremonie vor dem Senat in Rom am 13.-Januar 27 vor Chr. förmlich alle seine außerordentlichen Befugnisse niederlegte und damit die alten Herrschaftsinstitutionen der Republik, insbesondere den Senat selbst, wieder in ihre vermeintlich seit langem bestehenden Rechte einsetzte. Octavian vermied aus guten Grund jeden Schritt, der ihm als Versuch zur Wiederrichtung der Königsherrschaft hätte ausgelegt werden können. Schließlich war sein Adoptivvater Caesar mit der Begründung ermordet worden, er habe danach gestrebt, König zu werden. Doch bedeutete die Zeremonie vom 13.-Januar 27 vor Chr. nicht, dass Octavian sich aus seiner Machtposition zurückziehen wollte. Denn er ließ sich in derselben Zeremonie mit der prokonsularischen Befehlsgewalt über alle angeblich noch nicht befriedeten Teile des von Rom aus beherrschten Gebiets sowie die erst kürzlich römischer Herrschaft unterworfenen Gebiete wie Ägypten ausstatten. Konsul blieb er ohnehin. Ausdruck für diese prokonsularische Befehlsgewalt, die ihm auf zunächst zehn Jahre verliehen wurde, war das Wort Imperium. Octavian erhielt zudem in der Zeremonie das Recht, den Titel Imperator als gegebenen Namen zu führen. Drei Tage später ging der Senat noch einen Schritt weiter, indem er den Imperator Octavian zusätzlich zum Augustus für immer ausrief, einer Art Schutzherr für den römischen Staat. Den Monat Sextilis ließ der Senat als Augustus benennen, wie schon der Name Julius für seinen Adoptivvater als Name für den Monat Quintilis übernommen worden war. Der Senat verlängerte das prokonsularische Imperium nach Ablauf der Zehnjahresfrist mehrmals bis zu Octavians Tod im Jahr 14 nach Chr. Der Imperator Römisches Imperium 39 Octavian Caesar Augustus war damit in eine Position gerückt, die der seines Adoptivvaters vergleichbar war, aber streng jede Assoziation mit der Königsherrschaft ausschloss. Der Herrschaftsbereich des Octavian hieß seither Imperium. Das Wort diente somit nicht nur als Bezeichnung für den Befehl, sondern auch für den Amtsbereich Octavians als Befehlshaber. Mit der Ausweitung des römischen Bürgerrechts auf nahezu alle freien Bewohner des Imperium durch den Imperator Caracalla (211 - 217) wohl am 11.- Juli 212 fiel die römische Civitas mit dem römischen Imperium begrifflich wie institutionell zusammen. Imperium wie Civitas wurden als Bezeichnungen für den Staat austauschbar. Das römische Imperium, entstanden aus der Kreuzung von Stadtherrschaft mit Weltherrschaft, war auf weitere Ausdehnung ausgelegt und stand daher in der Nachfolge der altvorderorientalischen Weltherrschaften, die es schon zu Lebzeiten Octavians an Reichweite übertraf [61]. Das Imperium beruhte auf dem Anspruch der Stadt Rom, dass die Beziehungen zwischen ihr selbst sowie vielen Staaten und politischen Gemeinschaften ungleich seien in der Weise, dass von Rom aus Weisungen an diese Staaten und politischen Gemeinschaften ergingen. Aber dieser Anspruch schloss wie schon im Alten Vorderen Orient keineswegs aus, dass Beziehungen zwischen Rom und anderen politischen Gemeinschaften auch auf der Basis der Anerkennung rechtlicher Gleichheit bestehen konnten. Galten in römischer Sicht die Beziehungen als ungleich, waren die aus Rom ergehenden Weisungen zu befolgen. Geschah dies nach Ansicht der römischen Herrschaftsträger nicht, drohte Krieg. Dieser war dann Antwort auf Stasis im Sinn Platons. Staaten und andere politische Gemeinschaften, die in römischer Wahrnehmung von römischer Weisungsbefugnis ausgenommen waren, lagen in Mittel- und Nordeuropa, in Zentral-, Süd- und Ostasien sowie in Afrika südlich der Sahara. Im Norden Europas konnten römische Herrschaftsträger ihre Weisungsbefugnis nicht durchsetzen, obschon sie schon zu Lebzeiten Octavians diese Gebiete zu unterwerfen versuchten. Die aus diesen Versuchen folgenden militärischen Konflikte unterstanden dann dem Recht des Kriegs und des Friedens. Obwohl die Unterwerfung Mittel- und Nordeuropas nicht gelang, scheinen römische Herrschaftsträger eine Art Garantie für die Sicherheit der dort Handel treibenden römischen Kaufleute ermöglicht zu haben [35]. Anders gesagt: Teile des römischen Bürgerrechts scheinen auch jenseits der effektiven Grenzen römischer Herrschaft wirksam gewesen zu sein. Im Osten kam es in Gebieten jenseits der effektiven Grenzen römischer Herrschaft seit dem Jahr 20 vor Chr. zu vertraglichen Abmachungen zwischen Rom und dem Partherreich mit Zentrum im heutigen Iran. Die im Jahr 227 nach Chr. auf die Parther folgenden neupersischen Sassaniden führten die Politik der Beziehungen mit Rom auf der Basis von Rechtsgleichheit fort. Für die Jahre 357/ 8 ist sogar die briefliche Anrede römischer und sassanidischer Herrschaftsträger mit dem die Anerkennung der Gleichheit ausdrückenden Titel „Bruder“ belegt [4, Kap.-17/ 5, 3, 10]. Zugleich unterhielt Rom auch Beziehungen nach Süd- und Ostasien, die hauptsächlich den Handel umfassten. Der alexandrinische Geograf Klaudios Ptolemaios (um 90 - um 170) [50] verzeichnete im zweiten nachchristlichen Jahrhundert die Lage von Orten auch in Ostasien, offenbar auf der Grundlage von Wissen, das ihm von reisenden Kaufleuten zugänglich gemacht worden war [21; 24; 43; 45; 52; 55; 58]. Von zwischenstaatlichen Verträgen zwischen Rom und Herrschern in Süd- und Ostasien ist jedoch nichts bekannt. Weder die Kaufleute noch die Herrscher derjenigen Gebiete, in denen römische Kaufleute Handel trieben, scheinen die Notwendigkeit gesehen zu haben, Handelsbeziehungen auf gesetztes Recht gründen zu müssen. Die Anerkennung des Rechts des Kriegs und des Friedens auf die Beziehungen mit den Parthern und Sassaniden war in römischer Perspektive mit dem Festhalten an der Ideologie der Weltherrschaft ebenso vereinbar wie der Bau des „Limes“ genannten Grenzwalls, der Britannien in einen römischen und außerrömischen Bereich teilte, sich durch den europäischen Kontinent zog und römisches Gebiet auch in Syrien, Mesopotamien und Nordafrika gegen äußere Feinde sichern sollte. Der „Limes“ war zwar architektonisch sichtbarer Ausdruck der Begrenzt- 40 Der Eine und die Vielen heit tatsächlicher römischer Herrschaft, jedoch kein Dokument der Begrenzung des römischen Imperium und darin der Großen Chinesischen Mauer gleich. Ciceros Formel des Ius gentium fand weiterhin Anwendung und in einer Variante sogar Eingang in die Juristensprache. Römische Juristen leiteten das Ius gentium aus der, in ihrer Sicht allen Menschen gemeinsamen natürlichen Vernunft (naturalis ratio inter omnes homines) ab. In allen politischen Gemeinschaften, die unter der Herrschaft von Recht und Sitte stünden, glaubte der Jurist Gaius im zweiten nachchristlichen Jahrhundert, bestehe das Recht teils als Sammlung spezieller, nur für eine politische Gemeinschaft gesetzter Sätze, teils aus den allen Menschen gemeinsamen Sätzen. Dasjenige Recht, das jede politische Gemeinschaft ausschließlich für sich selbst setze, sei das Bürgerrecht, da es nur in dem für diese Gemeinschaft bestehenden Staat (civitas) gelte. Hingegen heiße das kraft der natürlichen Vernunft allen Menschen gemeinsame Recht Ius gentium [20, Dig. 1.1.9, S.-94]. Die Begriffsbildung des Gaius fand Eingang in das spätere Rechtsbuch der Institutiones [20, Inst. 1.2.1, S.-2] als Bestandteil des zwischen 529 und 534 von Kaiser Justinian (527 - 565) erlassenen Corpus iuris civilis [41]. Gaius konstruierte den begrifflichen Gegensatz zwischen Bürgerrecht (ius civile) und Ius gentium gegen Cicero, der angenommen hatte, das Ius civile gehe teilweise im Ius gentium auf. Hingegen bestritt Gaius nicht, dass das Ius gentium gleich wie das Ius civile auch als innerstaatliches Recht gültig sein könne. Neben dem Ius gentium fand das Recht des Kriegs und des Friedens aus naheliegenden Gründen in dem auf innerstaatliche Belange konzentrierten Corpus iuris civilis nur gelegentliche Erwähnung. Der Jurist Proculus beispielsweise [19, Dig. 49.15.7.1, S.- 885] bestimmte, dass eine freie politische Gemeinschaft (liber populus) der Macht keiner anderen politischen Gemeinschaft (alterius populi potestati) unterworfen sein könne, dass mithin die Beziehungen solcher, sich wechselseitig als Außenstehende anerkennenden politischen Gemeinschaften auf der Basis der Rechtsgleichheit beruhen müssten. Auch in der Sicht römischer Juristen war also eine Vielzahl selbständiger politischer Gemeinschaften gegeben. Zugleich sollten aber auch Beziehungen zwischen politischen Gemeinschaften auf der Basis rechtlich ungleicher Beziehungen bestehen können. Die Juristen teilten die Weltherrschaftsideologie, auf der das römische Imperium ruhte, nahmen aber gleichzeitig an, dass das römische Imperium eingebunden war in Beziehungen mit anderen Staaten und politischen Gemeinschaften. Diese Beziehungen schienen allein dem ungesetzten Recht des Kriegs und des Friedens unterworfen, und nur diejenigen Gruppen, gegen die das römische Imperium Krieg führte, sollten als Feinde gelten [19, Dig. 49.15.24, S.-887]. Folglich sollten Gesandte unverletzlich sein. Im Kontext des Rechts der Kriegs und des Friedens erweist sich das Corpus iuris civilis zwar als einzigartige Rechtsquelle, aber nicht als Zeugnis für die Einzigartigkeit des römischen Imperium. Während des 4.-Jahrhunderts stieg das Christentum zur wichtigsten, von den Imperatoren zunächst anerkannten, dann auch selbst praktizierten Religion auf und öffnete sich dadurch auch der Ideologie der Weltherrschaft. Die jeweils im Imperium vorherrschenden christlichen Sekten machten sich diese Ideologie einerseits dadurch zueigen, dass sie die von ihnen anerkannten und geförderten theologischen Dogmen als allgemeine, das heißt für Christen überall in der Welt gültige religiöse Glaubenssätze ausgaben. Andererseits konzipierten sie die christliche Religion als Instrument zur Bewahrung des römischen Imperium, so als wäre es nicht nur ein Staat innerhalb sichtbar markierter Grenzen, sondern zugleich ausgestattet mit dem Anspruch auf künftige Weltherrschaft. Das Alte Testament, in dessen Kanon die Prophetie Daniels zwischenzeitlich Aufnahme gefunden hatte, stellte den Rahmen bereit, der christlichen Theologen die Projektion der Geschichte als Abfolge von Weltherrschaften zwischen der Sintflut und dem Jüngsten Gericht ermöglichte. Der wichtigste der Theologen, die das Fortbestehen nicht nur des römischen Imperium, sondern der Welt als ganzer mit dem Festhalten am christlichen Glauben verknüpften, war der Hl. Römisches Imperium 41 Augustinus. Er war der bis dahin produktivste lateinisch schreibende theologische Schriftsteller in den christlichen Kirchen. Seine Werke wurden in der lateinischen Christenheit über mehr als tausend Jahre immer wieder abgeschrieben und genau studiert und hatten dem entsprechend einen lang dauernden Einfluss auf die christlichen Glaubenslehren. Augustinus fasste die Weltgeschichte auf als einen endlichen Prozess mit dem Jüngsten Gericht als Abschluss und ordnete, in Auslegung der Prophetie Daniels, das römische Imperium als letzte Gemeinschaft mit Anspruch auf Weltherrschaft vor dem Jüngsten Gericht. Er reagierte mit dieser Projektion auf Ängste, die zu Beginn des 5.-Jahrhunderts zumal im Westen des Imperium weit verbreitet waren und die Plünderung Roms durch Truppen des westgotischen Königs Alarich (um 370 - 410) im Jahr 410 als Zeichen für die bevorstehende Zerstörung Roms und damit des Imperiums deuteten [42]. Augustinus hielt dagegen, dass sich das Ende der Welt nicht aus menschlichem Handeln, sondern auf Ratschluss Gottes ereigne und dass die Festigung und Verbreitung des christlichen Glaubens in der Welt im Vertrauen auf die Gerechtigkeit Gottes die wichtigste Voraussetzung für den Fortbestand des römischen Imperium und der Welt sei [5, Kap.-74, Sp.-447-448]. Die Gewissheit, dass das römische Imperium zwar die letzte Weltherrschaft vor dem Jüngsten Gericht, aber nicht akut gefährdet sei, gründeten Augustinus und seine Zeitgenossen auf die Auslegung der mit einer göttliche Offenbarung gleichgesetzten Prophetie Daniels. Die Vierzahl der dort als Königreiche (regna) genannten Weltherrschaften galt als unveränderbar, nicht jedoch deren konkreten Namen. In der Abfolge der babylonisch-assyrischen, medisch-persischen und griechischen Weltherrschaft blieb für das römische Imperium der letzte Platz in der Abfolge frei [48, Kap.-I/ 19, II/ 1,4, II/ 2, S.-71-72, 85]. Mit dieser Projektion des römischen Imperiums als letzte der Weltherrschaften vor dem Jüngsten Gericht verband Augustinus Erwartungen des ewigen Friedens. Dieser sollte, Augustinus zufolge, mit der Vollendung der Weltherrschaft des römischen Imperium eintreten. Folglich ließ Augustinus, in der auf Cicero und Livius zurückgehenden Tradition, nur diejenigen Kriege als gerecht zu, die zur Wiederherstellung erlittenen Unrechts geführt würden und der Bekräftigung eines Friedens im Recht dienen könnten. Krieg sei, anders gesagt, moralisch nur zu rechtfertigen, wenn er der zunehmenden Festigung des Friedens diene, sich letztlich selbst aus der Welt schaffe. Der Frieden aller Dinge sei die Stabilität der Ordnung in der Welt [6, Buch XIX, Kap.-7/ 13, S.-671-672, 679; 5, Buch XXII, Kap.-74, Sp.-447-448]. Augustinus vertrat den umfassenden, alle Akte militärischer Gewalt einschließenden Kriegsbegriff Ciceros und ließ folglich als Kriegsmittel nur Waffen und Taktiken zu, die die Möglichkeit der schnellen Wiederherstellung des Friedens zwischen den Kriegsparteien nicht erschwerten. Kriege der römischen Imperatoren, die der Sicherung des Imperium („Romana respublica“) sowie dessen Erweiterung zu einer weltumspannenden Gemeinschaft dienen sollten, waren nach dieser Lehre definitionsgemäß gerecht [48, Kap.-VII/ 43, S.-559]. Als Träger von Weltherrschaft war das römische Imperium in der Sicht christlicher Theologen zugleich auch Res publica, das heißt Staat als öffentliche Angelegenheit schlechthin. Seine Beherrscher waren reges oder imperatores [48, Kap.- VII/ 27, 28, S.- 498-500; VII/ 16, 33, S.- 473, 520]. Christliche Autoren des 5.-Jahrhunderts hatten also keine Scheu mehr, die römischen Imperatoren mit dem Titel Rex zu bezeichnen, der noch in der Zeit des Octavian-Augustus als Ausdruck für illegitime Gewaltherrschaft gegolten hatte [59, S.- 229-235]. Zugleich verwandten christliche Autoren die Bezeichnung Imperium auch für die politische Gemeinschaft der Goten (Imperium Gothorum) mit Bezug auf eine Zeit, als diese noch außerhalb des römischen Herrschaftsgebiet bestand [48, Kap.-VII/ 43, S.-560]. Augustinus kannte sechs Ausprägungen des Friedens, die des Leibes, die der Seele, die zwischen Leib und Seele bestehende, die des Hauses, die der Staaten und die des Himmels. Er bestimmte den Frieden als den gottgewollten Normalzustand der Welt, den Krieg hingegen als die durch menschliches Handeln verursachte Abweichung vom Frieden. Die Welt erschien als ge- 42 Der Eine und die Vielen ordnete Schöpfung, auf die Gott den Menschen nur begrenzte Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten zugewiesen zu haben schien. Die Menschen hätten die Freiheit, gegen die Ordnung verstoßen zu wollen, könnten deswegen sündigen, folglich auch den Frieden brechen und Krieg führen. Aber so wenig wie die Menschen nach Augustinus’ Theologie in der Lage waren, die gottgewollte Ordnung zu zerstören, konnten sie mit ihren Kriegen den Friedenszustand auf Dauer vernichten. Auf jeden Krieg würde daher ein Frieden folgen. Im Verbund mit der Auslegung der Prophetie Daniels prägte die Friedenstheologie des Augustinus das Recht des Kriegs und des Friedens einerseits durch die Privilegierung der von den römischen Imperatoren geführten Kriege als gerechte Kriege schlechthin, andererseits mit der Begründung eines Paradigmas der Abfolge von gottgewolltem Frieden, dessen Bruch durch sündhaftes kriegerisches Handeln der Menschen und dessen Resitution mit dem Ende eines als gerecht ausgegebenen Kriegs gegen die Friedensbrecher [6, Buch XIX, Kap.-3/ 11-4, S.-663, 674-682; 7, Sp.-856]. Das augustinische Abfolgeparadigma erzwang die theoretische Projektion jedes als gerecht anzuerkennenden Kriegs auf die Wiederherstellung des Friedens, der auf stabilerer Grundlage ruhen sollte als vor Beginn des Kriegs. Es konstituierte somit den Friedens als den idealen Normalzustand der Welt. An diesem Ideal musste sich menschliches Handeln, insbesondere der Staats- und Heerführer, messen lassen. Mit dieser Schlussfolgerung vereinbarte Augustinus den im Neuen Testament expliziten Pazifimus mit den Geboten der Erhaltung des römischen Imperium als Träger von Weltherrschaft. Er wies damit zugleich die kriegskritischen Auffassungen älterer christlicher Moraltheologen zurück. Diese hatten gefordert, dass nicht-christliche Soldaten zwar ihren Dienst nicht zu quittieren brauchten, um Christen zu werden, dass jedoch getaufte Christen keinen Kriegsdienst leisten dürften [62, cap. 15, S.-1056-1060]. Augustinus hingegen sah den Kriegsdienst für Christen als notwendig an, wenn dadurch der Bestand des römischen Imperium gesichert werden konnte. Unter dieser Bedingung waren viele militärische Konflikte als gerechte Kriege legitimierbar geworden. Die wesentlichen Bestandteile christlicher Auffassungen vom Recht des Kriegs und des Friedens, insbesondere die Formulierung der Bedingungen, unter denen Krieg unter Christen zulässig war, und die Orientierung des Kriegs auf die Wiederherstellung des Friedens, gingen auf Augustinus zurück. Dessen Friedenstheologie scheinbar widersprechende, ihm jedoch zugeschriebene Aussage, dass ein Sieg in der Schlacht die Gunst Gottes erweise und dadurch die Gerechtigkeit des vom Sieger geführten Kriegs verbürge [9], wurde schon im 16.-Jahrhundert als Fehlzuschreibung erkannt. Es handelt sich um einen Text des späten 5.- Jahrhunderts, mit dem Augustinus nichts zu tun hat [51, S.-26]. Das Recht des Kriegs und des Friedens in Ostasien Es wäre falsch, den Eindruck zu erwecken, als erschöpfe sich die Geschichte des Rechts des Kriegs und des Friedens in den Zuständen und Abläufen im altvorderorientalisch-mediterranen Teil der Welt. Denn auch außerhalb dieser Gebiete, unabhängig von diesen, wenn auch nicht unverbunden, waren die Bedingungen für das Zustandekommen von Recht des Kriegs und des Friedens gegeben. Für China liegen rechtsrelevante Schriftzeugnisse aus dem 5. und 4.-Jahrhundert vor Chr. vor. Dieser Zeitraum fällt in die nach der konventionellen Historiografie so genannte „Frühling-und-Herbst“ Periode (Chūn-Qiū, 722 - 481 vor Chr.) und in die Periode der „Kämpfenden Staaten“ (Zhàn-Guó, 481 - 221 vor Chr.). Im Verlauf dieser gut fünf Jahrhunderte war Herrschaft in China auf mehrere Träger in wechselnden Zentren aufgeteilt. Die Gleichzeitigkeit mehrerer Herrschaftszentren führte zu mannigfaltigen zwischenstaatlichen Beziehungen. Sie wurden durch diplomatische Gesandte aufrecht erhalten [13; 40; 56]. Dass zudem komplexe Armeen bestanden, versteht sich von selbst. Das Recht des Kriegs und des Friedens in Ostasien 43 In diese Epochen fiel ebenfalls die Lebenszeit der Autoren mehrerer einflussreicher Texte, insbesondere des Konfuzius, des Lao-Tse (= Li-Eul Tzu, angeblich geb. 604 vor Chr.) und des Sun- Tzu (= Sun-Wu, um 500 vor Chr.). Diese Autoren vertraten verschiedene Wissensgebiete und äußerten daher unterschiedliche Interessen gegenüber den zwischenstaatlichen Beziehungen ihrer Zeit, Konfuzius und Lao-Tse als Ethiker, Sun-Tzu als Theoretiker des Kriegs. Jüngere Verwandte und Schüler des Konfuzius berichteten in dem Buch über die Riten [38] von den Visionen des Konfuzius über die Einheit der Welt. Diesen Berichten zufolge soll Konfuzius diese Visionen auf die Vergangenheit bezogen und als Erinnerung an die gute alte Zeit formuliert haben. In der Vergangenheit habe ein Zustand vorgeherrscht, in dem man dem sogenannten „Großen Weg“ (dá-taó) gefolgt sei. Dieser Weg habe dazu geführt, dass unter den Menschen ein Bewusstsein der Zusammengehörigkeit gepflegt worden sei. Man habe sich nicht in erster Linie um die eigene Familie, sondern um Witwen und Waisen bemüht und für alle die gleichen Rechte anerkannt. Selbstsucht sei in dem Großen Weg unterdrückt gewesen, und Räuber hätten daher nicht aktiv werden können. Die Türen seien von außen immer zu öffnen gewesen. Dies sei also die Epoche der „Großen Einheit“ (dá-tòng) gewesen. Seither sei man jedoch vom „Großen Weg“ abgekommen; jeder kümmere sich nur noch um die eigene Familie, man umgürte die Städte mit Mauern, pflege hierarchische Beziehungen zwischen Herrscher und Diener, Vater und Sohn, älterem und jüngerem Bruder, Mann und Frau, und strebe danach, den eigenen Wohlstand zu mehren [38, Kap.-VII/ 1, 2, S.-497-498]. Diese Vision der „Großen Einheit“ durch unverschlossene Türen hindurch kann als Projektion eines Zustands der zwischenstaatlichen Beziehungen gedeutet werden, die auf dem Grundsatz der rechtlichen Gleichheit getrennter, aber unter einander verbundener und in wechselseitigem Verkehr stehender Staaten und politischer Gemeinschaften beruhten. Diese dem Konfuzius zugeschriebene Vision umfasste also den allgemeinen Frieden als realen, in der Vergangenheit schon einmal erreichten Zustand. Dieser Zustand galt als Maßstab, an dem sich die für Konfuzius gegenwärtige Welt messen lassen musste. Denn diese Welt erschien ihm als unvollkommen. Mit seiner Vision verfolgte Konfuzius ausdrücklich nicht das Ziel der Herstellung einer die Welt als ganze umfassenden Herrschaftsordnung. Anders gesagt: Konfuzius war kein Ideologe der Weltherrschaft, sondern forderte die Anerkennung der Herrschaft des Rechts in den Beziehungen zwischen Staaten und politischen Gemeinschaften. Diese Interpretation der Vision des Konfuzius bestätigen Vermerke in der zeitnahen offziellen annalistischen Geschichtsschreibung, die zahlreiche Abkommen unter den mit einander in Beziehung stehenden Herrschern bezeugen. Zwar ist keines dieser Abkommen original überliefert, aber die Berichte geben zu erkennen, dass viele dieser Abkommen zwischen zwei Parteien, einige sogar zwischen mehreren Parteien geschlossen wurden, gelegentlich sogar mehrere Abkommen in einem Jahr [14]. Dass diese Verträge in einem geregelten Verfahren zustande kamen, ergibt sich aus der Erwähnung eines Falls, in dem die Verhandlungen zu einer Übereinkunft führten, der nach Abschluss der Verhandlungen einer der Herrscher die Gültigsetzung verweigerte [14, Buch VI, Wan Jahr 16, Nr-1, S.-274]. Das Vertragsabschlussverfahren scheint daher „zusammengesetzt“ gewesen zu sein; dieses Verfahren wiederum setzt, trotz scharfer zeitgenössischer Kritik aus hoher philosophischer Warte, die Anerkennung eines Rechts der zwischenstaatlichen Verträge durch pragmatisches Handeln voraus. Zudem zeigt der dem Lao-Tse zugeschriebene Text Tao-te-ching (Der Weg und die Tugend), dass in derselben Zeit nicht nur Konfuzius, sondern auch mindestens ein anderer Theoretiker davon ausging, dass Herrschaft dem Recht unterworfen sein müsse. Lao-Tse als Philosoph des Daoismus griff scharf diejenigen Herrscher an, die alle Macht auf sich allein vereinigen wollten und in allen anderen Menschen nur Untergebene erkennen könnten. In Wirklichkeit seien diese Herrscher überhaupt nicht moralisch integer und zur Herrschaft nicht qualifiziert. Denn der Staat müsse unter der Herrschaft der drei Grundsätze der Fürsorge für andere, der Selbstbe- 44 Der Eine und die Vielen scheidenheit und der Menschlichkeit stehen [36, Nr- 67, S.- 250-251; 56, S.- 50]. Lao-Tse verdammte also hierarchische Abhängigkeit und sah in der Anerkennung der Gleichheit die Basis friedlicher Beziehungen unter allen Menschen. Obwohl Lao-Tse und Konfuzius unterschiedliche Inhalte mit dem Begriff des „Wegs“ verbanden, die Notwendigkeit der Rückkehr zur Natur bei Lao-Tse, der Wille zur Kultivierung der Riten und zur Einhaltung der bestehenden Ordnungen bei Konfuzius, stimmten beide doch darin überein, dass der dauerhafte Friede nicht nur erstrebenswert, sondern auch möglich sei und in der Beachtung der die Staaten und politischen Gemeinschaften überwölbenden Rechtsordnung bestehen müsse. Dieselbe Auffassung liegt auch dem Werk Sun-Tsus als dem wohl bekanntesten altchinesischen Lehrbuch der militärischen Strategie und Taktik zugrunde [26]. Dieses Werk besteht aus einer großen Zahl von Sentenzen, von denen die meisten auf Aspekte des Aufbaus einer Armee, der Festlegung zweckmäßiger strategischer Ziele und der Wahl der dazu geeigneten taktischen Mittel abheben. Daneben enthält das Werk aber auch Sentenzen, die Grundsätze der Kriegstheorie zum Ausdruck bringen. Zu letzteren zählen die Bestimmungen, dass die höchste und würdigste Stufe militärischer Planung darin bestehe, ohne Kampfhandlungen die Pläne des Gegners zu vereiteln; die nächst höhere Stufe sei der Angriff gegen die Bündnispartner des Gegners; dann folge der Angriff auf den Gegner selbst; und die schlechteste Stufe sei die Belagerung ummauerter Städte [53, S.-105-106]. Denn letztere Taktik ziehe Nicht-Kombattanten in Mitleidenschaft. Aus dieser Stufenfolge leitete Sun-Tsu den Schluss ab, dass derjenige Heerführer der beste sei, der den Gegner kampflos überwinde, Städte einnehme, ohne sie zu belagern, und Staaten bezwinge ohne große und blutige Schlachten. Damit Heerführer diese Ziele erreichen konnten, stellte Sun-Tsu eine Art strategischer Faustregel auf: Wenn die Zahl der eigenen Truppen denen der Gegner um das Zehnfache überlegen sei, solle man den Gegner umzingeln; sei das Verhältnis 5 zu 1, solle man ihn angreifen; sei das Verhältnis 2 zu 1, solle man die Armee in zwei Hälften teilen; wenn ein Gleichgewicht bestehe, solle man die Schlacht wagen; seien die eigenen Truppen denen des Gegners leicht unterlegen, solle man diesem auszuweichen versuchen; seien die Truppen des Gegners jedoch stark überlegen, solle man sich geordnet zurückziehen [60, S.-27]. Für den Strategen Sun-Tsu war das Schlagen einer Schlacht mithin niemals die erste Option, sonden stets die Wahl des geringeren Übels. Die Ausrichtung des Kriegs auf die Bewahrung und Wiederherstellung des Friedens als idealer Normalzustand der Welt zusammen mit der Anerkennung der Notwendigkeit der Begrenzung der zum Einsatz kommenden Kriegsmittel lässt sich kaum deutlicher ausdrücken. Die altchinesische Überlieferung gab also in der Sprache der Ethik wie auch der Militärtheorie Auffassungen wieder, denenzufolge das Recht des Kriegs und des Friedens als eine den bestehenden, sich mitunter auch bekämpfenden Staaten und politischen Gemeinschaften übergeordnete Sammlung von Rechts- und moralischen Grundsätzen der Bewahrung und Wiederherstellung des Friedens dienen sollte. Zusammenfassung Im Überblick gibt sich die Geschichte des Rechts des Kriegs und des Friedens zwischen der Mitte des dritten vorchristlichen und der Mitte des ersten nachchristlichen Jahrtausends im altvorderorientalisch-mediterranen wie altchinesischen Bereich als Manifestation einer großen Tradition zu erkennen. Nicht nur die Rechtssätze, die das Vertragshandeln und das Verhalten im Krieg regeln sollten, galten als ungesetzt und wurden aus göttlichen Willen abgeleitet; auch der Friede war bestimmt als Normalzustand der Welt, der durch sündhaftes, gegen den Willen der Gottheiten gerichtetes Verhalten der Menschen unterbrochen, aber nicht vollständig zerstört werden konnte. Krieg war innerhalb dieser großen Tradition nicht einfach völlig ungeregeltes Dreinschlagen unter Gegnern, sondern ein militärisches Verfahren der Entscheidung von Zusammenfassung 45 Streitgkeiten zwischen Angehörigen verschiedener Staaten und anderer politischer Gemeinschaften. Die Rechtssätze, die den Krieg regeln sollten, bestimmten die Kriegsführungsbefugnis und setzten die Maßstäbe, nach denen über die Gerechtigkeit eines Kriegs befunden werden sollte. Zugegeben, viele dieser Merkmale sind abstrakt und allgemein und erst gegen Ende dieses langen Zeitabschnitts als theoretische Aussagen in den Werken griechischer und römischer Autoren belegt; wie etwa die Zurückweisung der Annahme der Kriegsführungsbefugnis von Piraten; die Erwartung der Unverletzlichkeit diplomatischer Gesandter; die Forderung, dass die Beziehungen zwischen Staaten und anderen politischen Gemeinschaften einem zwischen diesen bestehenden Recht unterworfen sein sollten, das neben anderem gültig gesetzte Verträge heiligt; und das Gebot der Begrenzung der zum Einsatz kommenden Kriegsmittel. Aber das späte Eintreten der expliziten Überlieferung dieser Merkmale allein stützt nicht die Behauptung, dass derlei Abstraktionen und Verallgemeinerungen nicht schon zuvor zustande gekommen sein können. Denn, um nur ein Beispiel zu nennen, die Erwartung, dass diplomatische Gesandte nicht verantwortlich gemacht werden für die Inhalte der Botschaften, die sie überbringen, sowie die Forderungen, die sie stellen, und dass sie folglich den Schutz der sie empfangenenen Herrscher genießen sollen, ist nicht so spezifisch, dass sie besonderer kultureller, politischer oder rechtlicher Bedingungen bedürften, um gehegt werden zu können. Überdies sind einige dieser beschriebenen Merkmale des Rechts des Kriegs und des Friedens nicht nur in altvorderorientalisch-mediterranen und altchinesischen Bereich belegt, sondern auch in Südasien. Auch dort scheint bereits im späten 4.-Jahrhundert vor Chr., das heißt als der Maurya-Herrscher Chandra-Gupta sich der Invasion durch Alexander zu erwehren hatte, der Grundsatz bestanden zu haben, dass die zwischenstaatlichen Beziehungen nicht nur unter dem Gebit des politischen Kalküls (artha), sondern auch des Rechts (dharma) stehen sollten [10]. Das Recht des Kriegs und des Friedens scheint somit zum Zeitpunkt seiner frühesten Überlieferung schon in seinen wesentlichen Elementen ausgeprägt gewesen zu sein. Das bedeutet nicht, dass es sich nicht veränderte, wohl aber, dass es müßig ist, über die Bedingungen und Abläufe seiner Entstehung zu spekulieren. Der Vergleich der altvorderorientalisch-mediterranen mit der altchinesischen Überlieferung legt die These nahe, dass sich das Recht des Kriegs und des Friedens aus den allgemeinen Bedingungen des menschlichen Zusammenlebens ergab, also nicht spezifisch für irgendwelche sogenannten „Rechtsgenossenschaften“ oder politische Gemeinschaften war. Insofern entbehrte die theoretische Ableitung des Rechts des Kriegs und des Friedens aus einem Komplex der als „Naturrecht“ bezeichneten ungesetzten, allgemeinen Rechtssätze durch Cicero nicht der empirischen Grundlage. Spezifisch für den Zeitraum, der Gegenstand dieses Kapitels ist, war das Modell, mit dem widerstrebende Ideologien der Weltherrschaft mit pragmatischen politischen Verfahrensweisen der Aufrechterhalthung geregelter Beziehungen zwischen Staaten und anderen politischen Gemeinschaften vereinbart wurden. Dieses Modell gab vor, dass Ideologien der Weltherrschaft gewissermaßen als Folie dienen sollten, vor der die befristete oder vorläufige Anerkennung des Bestehens einer Mehrzahl verschiedener, zu Zeiten auch gegnerischer Staaten und anderer politischer Gemeinschaften möglich sein sollte. Weltherrschaft, als Zustand des Friedens ausgegeben, stellte sich folglich dar als Programm für eine künftige Welt der Einheit in Vielheit. 46 Der Eine und die Vielen Nachweise: Sachtitelabkürzungen: PL: Jacques-Paul Migne (Hrsg.), Patrologiae cursus completus. Series Latina. 1. Adcock, Frank Ezra, und Derek John Mosley: Diplomacy in Ancient Greece. New York und London 1975. 2. 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Vertrag Esarhaddon, Großkönig von Assyrien-- Ramataya, Stadtherrscher von Urakazabanu, 681 / 669 v.-Chr., hrsg. von James Bennett Pritchard, Ancient Near Eastern Texts Relating to the Old Testament, 3.-Aufl. Princeton 1992, S.-534-541. 71. Vertrag Anaiter-- Metapier, um 550 v.-Chr., hrsg. von Hermann Bengtson, Staatsverträge des Alterums, Nr-111, Bd-2. München 1962, S.-10 [Nachdruck. München 1975]. 72. Vertrag Serdaier-- Sybaris, vor 510 v.-Chr., hrsg. von Hermann Bengtson, Staatsverträge des Alterums, Nr-120, Bd-2. München 1962, S.-15 [Nachdruck. München 1975]. 73. Vertrag Argos-- Pallanthion, vor 316 v.-Chr., hrsg. von Hatto H. Schmitt, Die Staatsverträge des Altertums, Nr-419, Bd-3. München 1969, S.-32-34. Kapitel III Das Ganze und die Teile Imperatoren, Khalifen und andere Herrscher (ca. 500 - ca. 1000) Das römische Imperium und seine nördlichen Nachbarn Die große Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens brach nicht ab, auch nachdem während der Zeit zwischen dem 5. und dem 7.-Jahrhundert tiefgreifende politische Veränderungen den Mittelmeerraum und Westasien erfassten. Schon seit Ende des 3.- Jahrhunderts war es schwieriger geworden, das gesamte römische Imperium von der Zentrale in Rom aus zu beherrschen und zu verwalten. So entstanden neben Rom weitere, zuweilen bis zu vier Herrschaftszentren, mitunter auch mit wechselnden Bezirken. Herrscher über einzelne Bezirke des Imperium trugen wie die in Rom residierenden Herrscher die zum Amtstitel gewordene Bezeichnung Imperator, die im Griechischen durch das Wort Basileus vertreten war. Neben dem Imperatorenamt bestanden die alten republikanischen Ämter, insbesondere das Amt der Konsuln, fort, wenngleich ihnen kaum noch politische Bedeutung zukam. Denn weiterhin galt das Imperium als einheitliche, im römischen Bürgerrecht ruhende und die verschiedenen Herrschaftsbezirke zusammenfassender Staat (civitas). Das wichtigste der neuen Herrschaftszentren neben Rom entstand, gegründet durch den Imperator Konstantin (312 - 337) in Byzanz (Konstantinopel), gelegen auf einer Halbinsel im Bosperus, wo sich schon in damaliger Wahrnehmung Asien und Europa gegenüberlagen. Bis in das 5.-Jahrhundert verlagerte sich das Zentrum der politischen und Verwaltungstätigkeit nach Byzanz. Derweil bauten die Bischöfe von Rom, die sich als Nachfolger des dort bestatteten Apostels Petrus ansahen und als Päpste betitelten, ihre Vorherrschaft über die gesamte christliche Kirche aus und errichteten in Rom das kirchliche Herrschaftszentrum. Als zwischen 476 und 481 Rom als Residenz des für das gesamte Imperium zuständigen Imperators aufgegeben wurde, erfuhren die Zeitgenossen diesen Wandel nicht als gravierenden Umbruch. Rom blieb die namengebende Stadt für das Imperium als ganzes, auch wenn seine Bewohnerzahl sank, die Mauern, die Prunkbauten der Zentralverwaltung sowie die Einrichtungen der Gelehrsamkeit verfielen und die imperiale Zentralverwaltung nur noch in Byzanz fortbestand. Denn es war möglich geworden, das römische Imperium als Staat ohne Bindung an die Stadt Rom wahrzunehmen. Während des 4. und 5.-Jahrhunderts bildeten sich zudem, teils auf dem Boden des westlichen Teils des römischen Imperium, teils außerhalb desselben in West-, Mittel- und wohl auch in Nordeuropa, neue politische Gemeinschaften aus. Über diese hatten die noch in Rom residierenden Imperatoren keine vollständige Kontrolle, und die in Byzanz residierenden Imperatoren grenzten die Reichweite ihrer Herrschaft im westlichen Mittelmeer auf dessen Küstenzonen ein. Mit der Aufgabe Roms als Herrschaftszentrum wuchs die Eigenständigkeit einiger Herrscher zumal in der Italienischen und Iberischen Halbinsel und in Westeuropa. Für diese Herrscher kam in der lateinisch-sprachigen Überlieferung der bis dahin nur auf die frühe römische Geschichte oder die altvorderorientalischen Weltherrschaften bezogen gewesene Titel Rex auf. Die Herrschaft, die diese Reges trugen, schien aber im Bewusstsein mindestens einiger Autoren von Das römische Imperium und seine nördlichen Nachbarn 51 den Grundsätzen abzuweichen, von denen die Geschichtsschreiber der älteren Geschichte Roms und der altvorderorientalischen Weltherrschaften zu berichten wussten [85, Kap.- I/ 19, II/ 2, S.-71-72, 85]. So berichtete schon der Historiker Cornelius Tacitus (56-117) in einem Büchlein über Leute, die auf dem europäischen Kontinent nördlich des Imperium lebten und die er nach einem auf das dritte vorchristliche Jahrhundert zurückgehenden Brauch als Germanen bezeichnete. Diese nähmen, meinte Tacitus, ihre Herrscher (reges) aus Verwandtengruppen mit alter Tradition (nobilitas), während sie ihre Heerführer (duces) nach Maßstäben der Tüchtigkeit (virtus) auswählten [114, Kap.-VII, S.-154]. In seiner Beschreibung galt für Tacitus zwar die Königsherrschaft der sogenannten Germanen als vererbbar innerhalb herrscherlicher Verwandtengruppen, aber zugleich ließ er einen weiteren Typ von Herrschern zu, die sich durch Leistung auszuweisen hatten. Tacitus scheint mithin davon ausgegangen zu sein, dass bei den Leuten, die er Germanen nannte, Herrschaft sowohl auf Personen mit alter Verwandtschaftstradition als auch auf Personen mit hoher Professionalität übertragen werden konnte. Diesen Dualismus der Typen von Herrschern beschrieb er als Abweichung von der altrömischen und der altvorderorientalischen Herrschaftsordnung. Inwiefern Tacitus mit dieser Aussage eine sozusagen verfassungsrechtlich zwingende, überall bei den sogenannten Germanen gültige Unterscheidung von Herrschaftseinrichtungen oder lediglich verschiedene Ausprägungen von Herrschaft bei unterschiedlichen politischen Gemeinschaften beschrieb, bleibt mangels anderer zeitgenössischer Quellen unklar. Dennoch scheint Tacitus das Bild der römischen Intellektuellen, Herrschafts- und Amtsträger von diesen sogenannten Germanen mindestens dahin geprägt zu haben, dass er ihre Herrscher als Reges oder Duces betitelte. Diese sogenannten Germanen, deren von Tacitus behauptete kulturelle Einheit überaus fraglich ist [56; 126], galten spätestens seit dem 4.-Jahrhundert als diejenigen Gruppen, die zunehmend öfter den „Limes“ als Grenzbefestigung des Imperium überwanden und sich auf dessen Boden niederließen. Im Verlauf des 5.-Jahrhunderts richteten sich diese Gruppen dort als politische Gemeinschaften mit eigenen Herrschaftsbefugnissen ein, nicht nur in der Provinz Gallien und in den Provinzen in Britannien, sondern auch auf dem Balkan, in Nordafrika sowie auf der Italienischen Halbinsel selbst. Den Herrschaftsbereich eines Rex bezeichneten lateinisch schreibende Autoren als Regnum und wandten diese Bezeichnung auf die auf dem Boden des römischen Imperium entstehenden politischen Gemeinschaften an. So gab es nach der lateinischen Überlieferung mehrere Regna innerhalb des römischen Imperium [111, S.-257]. Die Sprachen der sogenannten Germanen scheinen ein Stammwort *Kunigfür diese Herrscher gekannt zu haben, das im Neuhochdeutschen als König, im Neuenglischen als King, in Varianten ebenfalls in den skandinavischen Sprachen und als Fremdwort im Finnischen in der Form Kuningas erhalten ist. Das Stammwort *Kunig-, das nicht direkt überliefert ist, sondern aus jüngeren Sprachformen erschlossen wird, ist von dem Nomen *Kuniabgeleitet, das Verwandtengruppe bedeutet und im neuenglischen Kin erhalten ist. Die Aussage des Tacitus über die Reges scheint demnach nicht jeder Grundlage zu entbehren. Noch im 6.-Jahrhundert glaubte der römische Senator Flavius Magnus Aurelius Cassiodor (um 485 - um 585), einer der damals bedeutsamsten lateinisch schreibenden Gelehrten, die Macht und Legitimität von Herrschern bestimme sich nach der Länge der Liste ihrer Vorfahren [22, Kap.-XI/ 1, S.-424]. Gleichwohl scheint das politische Gewicht, das die Länge von Herrschergenealogien tragen konnte, Manipulationen großen Stils Vorschub geleistet zu haben. Mindestens scheint es üblich gewesen zu sein, dürftige, das heißt knappe, nur wenige Namen und damit wenige Generationen umfassende Genealogien durch Einheirat in hehrere, mithin ältere Verwandtengruppen aufzufüllen [125; 133]. Nicht wenige zu Macht und Ruhm gelangte Heerführer als Duces konnten auf diese Weise in die Stellung von Reges rücken [61, S.-137-151]. Jedenfalls kannten zeitgenössische oder zeitnahe, lateinisch schreibende Autoren diejenigen Herrscher, die im Verlauf des 5.-Jahrhunderts Teile des römischen Imperium unter ihre Kontrolle brachten, sowohl als Reges 52 Das Ganze und die Teile oder auch Duces und beschrieben sie als Heerführer. Deren Herrschaftsform unterschied sich von denjenigen Formen, die für die frühe römische Geschichte überliefert zu sein schienen, auch dadurch, dass die sogenannten germanischen Reges oder Duces nicht immer in festen, seit alters her bestehenden Residenzen sozusagen zu Hause waren, sondern ihre Herrschaft auf Gemeinschaften gründeten, die in Bewegung sein und über längere Zeit migrieren konnten. Die Herrschaftsgebiete dieser Reges und Duces stellten mithin während des 5.- Jahrhunderts keine festen, räumlich mindestens vage begrenzten Einheiten dar, sondern blieben gebunden an die Gemeinschaften, auf die die Herrschaft an ihren jeweiligen Aufenthaltsorte gegründet war. Der Hauptgrund für die Migrationsbereitschaft dieser politischen Gemeinschaften lag in der Rechtsgrundlage, die ihre Siedlungstätigkeit auf dem Boden des römischen Imperium bestimmte. Gekommen waren sie seit dem 4.-Jahrhundert zumeist als Söldner, um die Ränge der römischen Armeen auszufüllen. Die römische Verwaltung verwandte oft die Rechtsfigur des Bündnisses (foedus) als Grundlage für die Indienstnahme. Der Status der Söldner als Föderaten auf dem Boden des römischen Imperium war damit nach römischem Bürgerrecht der von Außenstehenden (externi) [27, Dig. 48. 5.4.1, S.-845]. Dieser Status hatte aus der Sicht der römischen Verwaltung den Vorteil, dass die Söldner nicht in den Genuss der Vorteile des römischen Bürgerrechts kamen, solange sie Föderaten waren. Zugleich hatte er aber den Nachteil, dass die Söldner, wenn sie als politische Gemeinschaften zusammenblieben, ihre eigenen Herrschaftsinstitutionen erhalten und sogar ausbauen und somit als eigenständige politische Gemeinschaften im Imperium agieren konnten. Das schloss die Möglichkeit von Autonomie gegenüber der imperialen Gesetzgebung ein. Im Verlauf des 5.-Jahrhunderts wurde diese Möglichkeit zur Realität. Die Reges oder Duces der Söldner traten nunmehr auf dem Boden des römischen Imperium als Herrscher eigenen Rechts auf. Die Übertragung der für das römische Imperium gebräuchlichen Herrschaftsterminologie in andere Sprachen als das Lateinische bereitete daher große Schwierigkeiten. Ein Wort mit derselben Bedeutung wie das lateinische Imperium für diesen aus der Stadtherrschaft über Rom erwachsenen, mit dem Anspruch auf Weltherrschaft ausgestatteten Staat gab es außerhalb des Lateinischen nicht. Noch Augustinus hatte für den Staat das Wort Civitas als Bezeichnung verwandt. In einigen sogenannten germanischen Sprachen, beispielsweise der früh bezeugten Sprache der Goten, behalf man sich mit dem Wort Reiki für Herrschaft allgemein oder auch Regnum [117, Lucas 20,20, S.-108; Röm. 8, 38, S.-149; 1. Cor. 15, 24, S.-170; Eph. 1, 21, S.-203, 3, 10, S.- 206, 6, 12, S.- 218; Col. 1, 16, S.- 218, 2, 15, S.- 220], der Vorform des neuhochdeutschen Worts Reich. Aber dieses Wort bezeichnete unterschiedslos politische Gemeinschaften einer beträchtlichen Größe, gleichgültig, ob sie unter der Kontrolle eines Rex oder eines Imperator standen. Als „Reiki“ war das römische Imperium daher nur eine politische Gemeinschaft unter vielen. Da Reiki also sowohl das römische Imperium als auch die Regna bezeichnen konnte, wurde es möglich, aus dem Gotischen sowie möglicherweise auch anderen sogenannten germanischen Sprachen rückübersetzend, vom römischen Imperium als Regnum und vom Imperator als Rex zu reden. Der Ostgotenherrscher Theoderich (493 - 526), der unter der nominellen Oberherrschaft des Imperators in Byzanz seit 493 in Ravenna seine Residenz hatte, versprach einerseits in einem von Cassiodor überlieferten Schreiben an den Imperator Anastasius (491 - 518), er werde dessen Regnum als Vorbild für seine eigene Herrschaft (regnum vestrum imitatio nostra est) nutzen, und er wünsche die Einheit des römischen Regnum (Romani regni unum velle) [22, Kap.-I/ 1, S.-9-10]. Andererseits unterstellte er sich der Oberherrschaft des Imperators in Byzanz, nannte die von ihm kontrollierte politische Gemeinschaft Regnum und sprach von der gesamten römischen Civitas als Imperium (non minus in regno nostro quam in vestro iubeatis imperio) [22, Kap.-X/ 19, S.-401-402]. Umgekehrt waren für Jordanes (gest. nach 552), den Geschichtsschreiber der Goten, nicht nur die römische Civitas ein Imperium, sondern auch die den Herrschern der Goten oder auch der Hunnen unterstellten Gebiete. Auch für Jor- Weltherrschaftsideologie und Pragmatik der Diplomatie 53 danes konnte zudem das römische Imperium ein Regnum sein [58, Kap.-98, 112, 247, 248, 253, S.-83, 87, 121, 123]. Zusätzliche Schwierigkeiten bereitete der Amtstitel Imperator. Wörter für einen Herrschaftsträger, der ranghöher sein sollte als Reges, gab es in den sogenannten germanischen Sprachen nicht. Im Gotischen wich man daher auf eine Herrscherbezeichnung auf, die seit Octavian zu den für die Imperatoren gehörenden Personennamen gezählt hatte, früh zu einer Beifügung zum Imperatorentitel geworden und vom Namen des Gaius Julius Caesar abgeleitet war. Der vom Namen Caesar abgeleitete gotische Titel Kaisar, im Altenglischen in der Form Cāsere, im Neuhochdeutschen als Kaiser überliefert und auch in die baltischen und slavischen Sprachen belegt, ersetzte den Titel Imperator in einigen europäischen Amtssprachen jedoch erst während des 13. und 14.-Jahrhunderts, als diese das Lateinische ablösten. Der Titel Imperator blieb jedoch in den vom Lateinischen abgeleiteten Sprachen erhalten und verdrängte im Englischen in der Form Emperor das Wort Cāsere. Erzbischof Isidor von Sevilla (um 560 - 636), der ebenfalls mit der Geschichte der Goten gut vertraut war, versuchte im 6.-Jahrhundert, diese Schwierigkeiten des Abgleichens der außerlateinischen Herrschertitel mit dem im Lateinischen geläufigen Worschatz dadurch auszuräumen, dass er den Titel Rex etymologisch deutete und von dem lateinischen Adverb recte ableitete. Diesem Adverb schrieb er die Bedeutung „legitim“ zu und schloss, Rex heiße, wer auf legitime Weise herrsche (Reges a regendo vocati.- … Recte igitur faciendo regis nomen tenetur) [52, Kap.-IX/ 3]. Er behauptete mit dieser Formel, dass die Legitimität der Herrschaft Rechtsgrundlage für den Rex-Titel sei, und ließ dadurch zu, dass sowohl der Imperator als auch Träger verschiedener nicht-lateinischer Herrschertitel Reges sein konnten, wenn sie nur die Vorgabe der Legitimität der Herrschaft erfüllten. Isidor verschob mit dieser Formel das Problem der Titulierung von Herrschern aus der Sphäre der Sprache in den Bereich des Rechts. Weltherrschaftsideologie und die Pragmatik der Diplomatie Derweil hielten die Imperatoren in Byzanz an ihrem Anspruch fest, Herrscher nicht nur über die gesamte römische Civitas zu sein, sondern auch an der Ideologie der Weltherrschaft. Den erstgenannten Anspruch setzten sie um in einem langfristigen Programm der Unterwerfung der im westlichen Teil des Imperium entstandenen Regna unter die effektive Kontrolle der Verwaltung in Byzanz. Dieses Programm setzte während der ersten Hälfte des 6.-Jahrhunderts der Imperator Justinian konsequent um. Den von ihm auf den Balkan, die Italienische Halbinsel [92] und nach Nordafrika [93] entsandten Armeen gelang in der Tat die Restitution imperialer Herrschaft. In dem Chronisten Prokop von Caesarea (um 500 - um 562) fand Justinian einen ebenso eifrigen wie kritischen Berichterstatter. In Nordafrika fiel das Regnum der dorthin gelangten, sich hasdingische Wandalen nennenden politischen Gemeinschaft den Schlägen der imperialen Armee im Jahr 534 zum Opfer, im Norden der Italienischen Halbinsel das Regnum der Nachfolger des Theoderich im Jahr 552, sowie schließlich mehrere kleinere selbständige Gemeinschaften auf dem Balkan. Anders jedoch verfuhren die Imperatoren in Byzanz mit derjenigen Gemeinschaft, die im größten Teil der römischen Provinz Gallien ein Regnum errichtet hatte und sich Franken nannte. Kurz vor Beginn des 6.-Jahrhunderts führte der der Verwandtengruppe der Merowinger angehörende Rex Chlodwig (481 − 511) Krieg gegen die politische Gemeinschaft der Alemannen in Gebieten östlich des Rheins und besiegte sie. Dann wandte er sich gegen die Westgoten, die im Süden Galliens mit der Stadt Toulouse als Zentrum ein Regnum errichtet hatten. Chlodwig besiegte sie im Jahr 507 und zwang sie zum Abzug in die römische Provinz Hispanien südlich der Pyrenäen. Dort gründeten sie ein neues Regnum. Das Regnum der Burgunder im Westal- 54 Das Ganze und die Teile penraum geriet 532 in den Bannkreis fränkischer Oberherrschaft, unter der es bis 737 als politische Gemeinschaft fortbestand. Mit seinem Zeitgenossen Theoderich in Ravenna verband Chlodwig eine Rivalität, die jedoch nicht zu militärischen Konflikten Anlass gab. In der Sicht der imperialen Verwaltung in Byzanz waren die Berichte von Kriegen unter den Reges im Westteil des Imperium gute Nachrichten, denn es konnte erscheinen, als schwächten sie sich gegenseitig und erleichterten dadurch letztlich die Aufgabe der Durchsetzung imperialer Herrschaft. Für die imperiale Verwaltung in Byzanz war Chlodwig daher ein potentiell nützlicher Partner, mit dem es sich, mindestens vorläufig, gut zu stellen galt. Dazu mag Chlodwigs Entschluss beigetragen haben, gegen Ende des 5.-Jahrhunderts zum Christentum überzutreten. Nach dessen Sieg über die Westgoten schickte die imperiale Verwaltung aus Byzanz Gesandte in das Regnum der Franken. Sie trafen Chlodwig in der Stadt Tours und übergaben ihm dort ein Diadem, das heißt eine Art Haarreif sowie ein purpurfarbenes Gewand und ließen ihn wissen, er sei nunmehr römischer Konsul. Chlodwig scheint von den Geschenken und dem Titel sehr angetan gewesen zu sein, legte er doch die Geschenke sofort an, paradierte hoch zu Ross durch die Stadt und ließ Gold verstreuen, wie sein späterer Chronist, Bischof Gregor von Tours (538/ 9 − 594) am Ende des 6.-Jahrhunderts bemerkte [43, Kap.-II/ 38, S.-89]. Im 6.-Jahrhundert war die Amtsbezeichnung Konsul zwar nurmehr ein leerer Titel. Aber Chlodwig schienen derlei Formalien belanglos, wenn er überhaupt von ihnen wusste. Was gezählt zu haben scheint, war allein die Tatsache, dass Chlodwig mit der Verleihung des Konsultitels einen Rang hatte, der seinem Rivalen in Ravenna nicht zuteil geworden war. Es sieht jedoch so aus, als seien die Gesandten aus Byzanz mit Chlodwig nicht ganz ehrlich umgegangen. Denn die imperiale Verwaltung führte genaue Listen derjenigen Persönlichkeiten, die den Konsultitel innehatten. Der Name Chlodwigs findet sich in diesen Listen nicht. Dennoch war der Akt von Tours sowohl aus imperialer Sicht als auch in Chlodwigs Wahrnehmung ein voller Erfolg: Zwischen den Franken und den Imperatoren in Byzanz kam es bis zum 9.- Jahrhundert nicht zum Krieg, und das Regnum der Franken zählte zu den sehr wenigen Regna, die auf dem Boden des römischen Imperium gegründet worden waren und langfristig fortbestanden. Im Regnum der Franken gingen nicht nur nacheinander die politische Gemeinschaft der Alemannen, das tolosanische Regnum der Westgoten und das Regnum der Burgunder auf, sondern im Jahr 714 auch das teilweise außerhalb des römischen Imperium gelegene Regnum der Friesen. Das erst spät im Jahr 568 im Norden der Italienischen Halbinsel entstandene Regnum der Langobarden mit der Stadt Pavia als Zentrum geriet im späteren 8.- Jahrhundert unter fränkische Kontrolle. Auf dem Boden der römischen Provinzen in Britannien gründeten Migranten kontinentaler Herkunft, wohl im Verlauf des 5.-Jahrhunderts, nicht weniger als vierzehn Regna, von denen nur eines, dasjenige der Westsachsen, über das 9.-Jahrhundert hinaus Bestand hatte. Auch im Norden des römischen Imperium scheint kein Mangel an Regna bestanden zu haben. Chlodwigs Sohn Theuderich (511 - 533/ 4) besiegte im Jahr 531 das Regnum der Thüringer [43, Kap.-III/ 7-8, S.-104-106] und wehrte im Jahr 515 den Angriff eines Rex Chlocilaicus der Dänen ab [43, III/ 3, S.-99]. Wohl aus dem späten 7.-Jahrhundert ist ein altenglisches Gedicht überliefert, das spärliche Hinweise auf Regna der Schwaben und der Angeln auf der Jütischen Halbinsel bereitstellt [128, VV. 35-44, S.- 24]. In weiteren Quellen sind Regna der Gauten und der Svear im Gebiet des heutigen Schweden erschließbar [36, S.-37, 54-56; 104; 128, S.-3-26]. Es mag sein, dass die imperiale Verwaltung in Byzanz nicht über alle Einzelheiten unterrichtet war, die sich in diesem raschen Veränderungen unterworfenen Teil der Welt vollzogen. Aber Prokop von Caesarea hatte Kenntnisse von Details der Beziehungen, die die Herrscher der politischen Gemeinschaft der Heruler in der Gegend der Stadt Singedon bei Belgrad mit ihren in Skandinavien gebliebenen Verwandten pflegten, und scheint Einsicht in Berichte einer anglischen Gesandtschaft über Vorgänge in Britannien während des 5.-Jahrhunderts erhalten zu haben [92, Kap.-II/ 15, IV/ 20]. Diplomaten in Byzanz hatten demnach viel zu tun, umso mehr als Weltherrschaftsideologie und Pragmatik der Diplomatie 55 Byzanz nicht nur Beziehungen zum Norden und Westen Europas, sondern auch nach Osten unterhielt. Mit den neupersischen Herrschern der Sassaniden führte Justinian zunächst Krieg [94] und schloss dann im Jahr 562 einen auf fünfzig Jahre befristeten Frieden unter Anerkennung der bestehenden Grenzen. In dem nicht im Original erhaltenen Friedensvertrag redeten sich offenbar beide Partner als Brüder an, worin sich die wechselseitige Anerkennung der rechtlichen Gleichheit ausgedrückt zu haben scheint. Der Herrscher der Sassaniden trug in lateinischen Texten den Titel Imperator der Perser [63, S.-172-176, 179-182; 102, S.-57-92]. Auch mit China waren die Kontakte so ausgedehnt, dass in Byzanz ein für Übersetzungen aus dem Chinesischen zuständiges Amt bestand. Der imperiale diplomatische Dienst in Byzanz des 6.-Jahrhunderts muss folglich hochgradig professionalisiert gewesen sein. Er speiste sich aus der Gelehrsamkeit, die in Byzanz ihren Platz im Umkreis der imperialen Verwaltung gefunden hatte. Grundlage der Gestaltung der Beziehungen zwischen dem römischen Imperium und anderen Staaten sowie politischen Gemeinschaften scheint in der Sicht der byzantinischen Diplomaten eine Zweiteilung des diesen Gemeinschaften von der byzantinischen Verwaltung zugewiesenen Status gewesen zu sein. Gegenüber den Regna und den anderen politischen Gemeinschaften im Westen des Imperium sowie jenseits von dessen Nordgrenze kehrte der byzantinische diplomatische Dienst während des 6., 7. und 8.-Jahrhunderts, gelegentlich auch noch später, den Anspruch auf Weltherrschaft durch den Imperator heraus und versuchte, dessen Vorrang mit Hilfe der Konzeption eines die Hierachie der Herrscher betonenden Zeremoniells sowie auch durch Androhung des Einsatzes militärischer Gewalt zur Geltung zu bringen. So waren, wenn sie überhaupt zustandekamen, Verträge mit Herrschern in diesen Weltteilen gestaltet als Edikte in der Form von Gnadenerweisen durch den Imperator in Byzanz [32, S.-95]. Die Beziehungen zwischen dem Imperator in Byzanz und den Reges im Westen des Imperium waren in dieser Perspektive hierarchisch, mit dem Imperator an der Spitze der Hierarchie. Chlodwig, so scheint es, speiste man nicht nur mit einem billigen Titel ab, sondern präsentierte den Imperator in Byzanz auch als denjenigen Herrscher, der Chlodwig als Rex ein Amt und einige Herrschaftszeichen verleihen konnte, und einen dem des Empfängers gegenüber höheren Rang innehatte. Chlodwig selbst mag sich dieser Konsequenz bewusst gewesen sein. Aber ihm war sein Vorrang gegenüber Rivalen im Westen des Römischen Imperium wichtiger als die Anerkennung irgendeines Anspruchs des Imperators im fernen Byzanz. Hingegen gestaltete der byzantinische diplomatische Dienst die Beziehungen zu den Sassaniden und zu Herrschern, deren Gebiete weiter im Osten lagen, pragmatisch nach dem Grundsatz der Anerkennung der rechtlichen Gleichheit und der Eigenständigkeit ihrer jeweiligen Vertragspartner und Kriegsgegner. Die schon aus dem Alten Vorderen Orient bekannte Verschmelzung von Weltherrschaftsideologie mit der pragmatischen Anerkennung der Vielheit rechtsgleicher Staaten bestimmte auch die Beziehungen zwischen dem Imperator in Byzanz und anderen Herrschern während der ersten drei Jahrhunderte des Bestehens von Byzanz als Zentrum der imperialen Verwaltung. Sowohl die Gleichheit als auch die Ungleichheit derjenigen Herrscher, mit denen die imperiale Verwaltung Beziehungen pflegte, kam auch in der Wahl der Titel zur Geltung, die der byzantinische diplomatische Dienst verwandte und die zumeist auf Verwandtschaftsbezeichnungen beruhten. Unter dem Imperator Konstantin VII. Porphyrogennetos (913 − 959) legte die imperiale Verwaltung eine Art Anschriftenverzeichnis derjenigen Herrscher an, mit denen sie korrespondierte. Darin betitelte der Imperator sich selbst als Vater und Inhaber der väterlichen Gewalt (patricia potestas), redete neben anderen den Emir von Ägypten und den Herrscher von Indien als Freunde an, bezeichnete die Könige von Sachsen, Bayern, Italien, Deutschland (genannt das Land der Alemannen) und Frankreich als Brüder, die Herrscher von Großarmenien, Alanien und Bulgarien aber als Söhne und den Papst in Rom als Geistigen Vater, was wohl eine Bezeichnung für den Beichtvater war [30; 64, Kap.-48, Sp.-1263-1265]. Die Titulierungen erlaubten eine präzise Unterscheidung zwischen Beziehungen, die der Imperator in Byzanz mit Herr- 56 Das Ganze und die Teile schern außerhalb des römischen Imperium als seinen Freunden pflegte, Herrschern sozusagen innerhalb der imperialen Hauses, die er ranggleich gelten ließ, und anderen Herrschern innerhalb desselben Hauses, die einen niedrigeren Rang einzunehmen schienen. Die Liste war den politischen Gegebenheiten des 10.- Jahrhunderts angepasst, reflektierte aber dieselben Unterscheidungen, die schon während des 6.-Jahrhunderts bestanden hatten. Dieses offenbar fein gesponnene Netz diplomatischer Beziehungen erhielt jedoch bereits in der esten Hälfte des 7.- Jahrhunderts Risse. Von der Arabischen Halbinsel aus begannen ursprünglich lokale Kriegergruppen in den 630er Jahren eine militärische Expansion zunächst in Richtung Palästina und Mesopotamien, dann weiter ausgreifend nach Nordafrika. Im Jahr 637 unterwarfen arabische Krieger Jerusalem, im Jahr 642 erreichten sie Alexandrien, im Jahr 711 setzten sie über die Straße von Gibraltar genannte Meerenge auf die Iberische Halbinsel über. Zwischen 674 und 678 errichteten arabische Truppen eine Seeblockade gegen Byzanz in der Absicht, die Stadt zu erobern. Die Blockade scheiterte an der überlegenen byzantinischen Waffentechnik, die die Ausbreitung von Feuer über das Wasser auf schwimmenden Trägern und damit die Zerstörung gegnerischer, aus Holz gebauter Schiffe gestattete. Sie blieb in der waffentechnischen Überlieferung als griechisches Feuer in Erinnerung [75]. Ein zweiter Eroberungsversuch scheiterte im Jahr 717/ 8. In der Zwischenzeit hatte ein auf dreißig Jahre geschlossener Friedensvertrag bestanden, der die arabische Seite zu Tributzahlungen verpflichtete. Weitere Versuche zur Eroberung von Byzanz unternahmen arabische Armeen nicht. Als Anführer einer nunmehr hauptsächlich aus nordafrikanisch-berberischen Kriegern gebildeten Armee überwanden die arabischen Krieger im Jahr 711 das Regnum der Westgoten, dessen Herrscher sich nur im äußersten Nordwesten der Iberischen Halbinsel halten konnten. Sie drangen in den Südteil des Frankenreichs vor, ehe sie im Jahr 732 gegen eine fränkische Armee in der Schlacht von Tours und Poitiers unterlagen und sich wieder auf die Iberische Halbinsel zurückzogen [81]. Der Mönch Beda (um 672/ 3 - 735), der im Norden Britanniens in dem nordhumbrischen Kloster Jarrow lebte und dort neben vielen anderen Büchern eine Kirchengeschichte der Gens der Angeln schrieb und nach eigenen Angaben im Jahr 731 abschloss, kommentierte in einer offenbar nachträglich eingeschobenen Passage seine Erwähnung der Schlacht mit der Behauptung, „Sarazenen“ hätten Gallien übel verwüstet. Für ihre angebliche „Treulosigkeit“ (perfidia) seien sie „würdig bestraft“ (dignas poenas) worden [14, Kap.-V/ 3, s. a.729, S.-556]. Mit Sarazenen bezeichneten christliche Autoren verallgemeinernd alle Muslime. In Bedas Sicht waren Muslime deswegen „treulos“, weil sie keine Christen waren. Er vertrat zwar die Meinung, zwischen Christen und Muslimen bestehe kein Treueverhältnis, und könnte damit in der Sprache der Moraltheologie gesagt haben wollen, dass zwischen beiden Religionsgemeinschaften keine Rechtsbeziehungen zustande kommen könnten. Doch war diese Aussage offenbar schnell aus der Feder geflossen und nicht in eine umfassende Theorie der Beziehungen über Religionsgrenzen eingebettet. Sie kann daher nicht als frühes Zeugnis für eine Art Kreuzzugsrhetorik gewertet werden. Für die praktische Gestaltung der Beziehungen zwischen Christen und Muslimen folgte überdies weder aus Bedas Aussage noch aus der arabischen Expansion eine Beeinträchtigung. Die arabische Expansion hatte indes zur Folge, dass die römischen Imperatoren in Byzanz die Kontrolle über Palästina und Nordafrika verloren und ihren Anspruch auf Vorrang gegenüber den Regna im Westteil des römischen Imperium nicht mehr auf Demonstrationen überlegener militärischer Macht gründen konnten. Zudem waren die arabischen Krieger Anhänger des Islam, nunmehr auch in Mesopotamien, Palästina, Nordafrika und dem größten Teil der Iberischen Halbinsel. Noch während des 7.- Jahrhunderts intervenierten arabisch-muslimische Armeen auch in Zentralasien, überwanden das Imperium der Sassaniden in Persien und dehnten ihr Einflussgebiet nach Osten in den Grenzbereich der der chinesischen Tang-Dynastie (618 − 907) unterstehenden Gebiete aus. Die Tang-Regierung nahm das Vorrücken der arabisch-mus- Mission der katholischen Kirche 57 limischen Armeen als Bedrohung ihres Einflusses im östlichen Teil Zentralasiens wahr und rüstete zum Gegenschlag. Im Jahr 751 kam es am Talas-Fluss zu einer mehrtägigen Schlacht zwischen einer arabisch-muslimischen und einer etwa gleich starken chinesischen Armee. Der aus Korea stammende Feldherr Xian-Zhi Gao (gest. 756), der die Tang-Armee befehligte, hatte bereits im Jahr 747 durch militärische Intervention ein arabisch-tibetisches Bündnis verhindert, dabei die tibetische Armee besiegt. Am Talas-Fluss erhielt Gao zunächst Unterstützung durch eine verbündete türkische Armee, die jedoch während der Schlacht die Seiten wechselte. Gao beurteile danach die Aussichten eines Siegs der chinesischen Seite als gering und trat, getreu den strategischen Weisungen des Sun-Tzu, den geordneten Rückzug auf befestigtes chinesisches Gebiet an. Der Verlauf der Schlacht bestätigte auf chinesischer Seite die Fortdauer der Gültigkeit der älteren Kriegstheorie, führte auf arabisch-muslimischer Seite zur Unterwerfung des Großteils Zentralasiens, der seither außerhalb des unter chinesischer Kontrolle stehenden Gebiets geblieben ist [13; 78, S.-167]. Gegen diese dramatischen Wandlungen, die die effektive herrschaftliche Kontrolle der Imperatoren in Byzanz auf den Balkan und Teile Westasiens, diejenige der Tang-Dynastie auf Ostasien, begrenzten, blieb die Anbindung des römischen Imperiums wie der Tang-Dynastie an Ideologien der Weltherrschaft bestehen. Im römischen Imperium erhob die Theologie des Hl. Augustinus, der die Hoffnung auf den Fortbestand der Welt auf die Stabilität dieses Imperium gegründet hatte, die Ideologie der Weltherrschaft in den Rang einer Glaubenslehre, die als theologisches Dogma gesetzt und dadurch unanfechtbar geworden war. Die römische Kirche folgte den Vorgaben Augustinus’ und übernahm von den weltlichen Imperatoren die Aufgabe, Frieden in die Welt zu tragen. Frühchristliche Gebetsbücher gaben Texte vor, mit denen Fürbitte von Gott für Sicherheit und die Bewahrung des „römischen Friedens“ und des „christlichen Glaubens“ ausgesprochen werden sollte [97, Nr-727, 729, 731, 732; 98; 99, Nrn-352, 369, 375]. Befestigt mit dem durch Augustinus vermittelten Anspruch, dass die Weltherrschaft des römischen Imperium gottgewollt sei, umkleidete diese Ideologie nunmehr nicht nur an sich profane Vorgänge wie den Abschluss von Bündnissen oder die Erklärung von Kriegen nach der altrömischen Tradition der Fetialen mit einem religiösen Kontext, sondern erhob das Christentum selbst in den Rang einer Religion, die künftig überall in der Welt herrschend werden sollte. Insoweit als das Recht des Kriegs und des Friedens in religiösen Glaubenslehren gründete, stellte sich seit dem 5.-Jahrhundert im römischen Imperium die Frage, wie die Rechtsbeziehungen zwischen christlichen und nicht-christlichen politischen Gemeinschaften zu gestalten seien. Diese Frage wurde zum Problem, da in der Sicht der christlichen Theologie das Recht des Kriegs und des Friedens nunmehr aus keinen anderen als christlichen Glaubenslehren würde abgeleitet werden können. Ein über religiösen Glaubenslehren stehendes, von diesen unabhängiges, im Sinn des Cicero „natürliches“ Recht des Kriegs und des Friedens wurde innerhalb der christlichen Dogmatik schwer vorstellbar. Die Mission der katholischen Kirche, der Krieg und die Sicherheit Die christliche Kirche unter der Führung der Päpste in Rom erhob Anspruch auf die Oberherrschaft über alle christlichen Gemeinden und nannte sich daher katholisch, das heißt, die allgemeine Kirche. Sie reagierte seit Ende des 6.-Jahrhunderts auf das Problem der rechtlichen Regelung von Beziehungen zwischen politischen Gemeinschaften mit verschiedenen Religionen, indem sie die Ausbreitung des Christentums mit Mitteln der Mission förderte. Erstes Ziel waren diejenigen Regna und anderen politischen Gemeinschaften, die seit dem 5.-Jahrhundert auf dem Boden des römischen Imperium entstanden und nicht wie das Regnum der Franken bereits katholisch geworden waren. Papst Gregor I. (591-604) wandte sich am Ende des 6.-Jahrhunderts 58 Das Ganze und die Teile zuerst Britannien zu, wo manche Regna damals nicht-christlichen Herrschern unterstanden. Bereits während des früheren 6.-Jahrhunderts hatten Mönche aus Irland, das seit der Zeit römischer Herrschaft christlich geblieben war, in Britannien zu missionieren begonnen. Für die römische Kirche warf die irische Missionstätigkeit Probleme auf, da die irisch-christliche Kirche damals nicht der Oberherrschaft der Päpste unterstand. Für Papst Gregor ging es also nicht nur darum, britannische Regna für das Christentum zu gewinnen, sondern auch darum, die irische Kirche dort nicht zum Zug kommen zu lassen. Im Wettbewerb mit den irischen Missionaren hatte die katholische Kirche seit der Wende zum 7.-Jahrhundert unerwarteten Erfolg, da in rascher Folge die meisten nicht-christlichen Herrscher zum christlich-katholischen Glauben übertraten. Neu gegründete Klöster für Mönche und Nonnen verzeichneten starken Zulauf, insbesondere unter jungen Menschen. Ihnen eröffnete die irische und die katholische Kirche Bildungsmöglichkeiten, welche andernorts kaum verfügbar waren. Denn die Klosterinsassen konnten dort lesen und schreiben lernen und auf diesem Weg Zugang zu Wissen erhalten, das nur schriftlich überliefert war und folglich außerhalb der Klöster in Britannien für die meisten Menschen unerreichbar blieb. Dieses schriftlich fixierte Wissen war grundsätzlich überall abrufbar, wo es Bücher und Kenntnis der Schrift gab. Es bestand daher ohne Bindung an örtliche Verwandtschafts- und Nachbarschaftsgruppen, deren Angehörige das ihnen verfügbare Wissen als gruppenspezifische Tradition von einer zur nächsten Generation mündlich weitergaben. Die auf Buchwissen gegründete Gelehrsamkeit war hingegen eingebunden in kommunikative Netzwerke, die im Grundsatz so weit reichten wie das Christentum. Gelehrte Mönche und Nonnen bearbeiteten das im Medium der Schrift überlieferte Wissen und passten es ihrer Gegenwart an. Im Westen des römischen Imperiums war das Lateinische die Sprache, in der die dieses Wissen speichernden Texte verfasst wurden, im Osten das Griechische. Derselbe Vorgang vollzog sich in der arabischen Sprachwelt. Muslimische Gelehrte studierten seit dem 8.- Jahrhundert Texte griechischer Autoren, fertigten arabisch-sprachige Fassungen an und entwickelten Bagdad zu dem innovativen Zentrum der Wissenschaft, das Byzanz zu überflügeln begann. Im Westen des Imperium war Erzbischof Isidor von Sevilla am Übergang von 6. zum 7.-Jahrhundert der wichtigste Vermittler von Wissen, das in lateinischen Texten niedergelegt war. Er fasste die Inhalte des ihm bekannten Schrifttums in einer Art Sachlexikon zusammen, in dem er in 20 thematischen Kapiteln die hauptsächlichen Begriffe bestimmte und deren Ursprünge erläuterte. In seinem Werk traktierte er auch das Recht des Kriegs und des Friedens sowie das Ius gentium. Den Frieden beschrieb Isidor als das Ergebnis eines Abkommens unter Konfliktparteien, wobei er an die griechisch-römische Praxis des Abschlusses von Friedensverträgen anknüpfte. Wie selbstverständlich ging er von der Erwartung aus, dass die Gesandten unverletzlich seien [52, Kap.-V/ 6]. Er schloss diese Erwartung in seine Definition des Ius gentium als des bei allen Menschen gültigen Rechts ein. Das lateinische Wort Pax für den Frieden führte er nach dem Juristen Ulpian (pactum a pactione, inde etiam pacis nomen appellatum est) [28, Dig. 2.14.1.1-2, S.- 56] auf die lateinische Bezeichnung pactum für den Vertrag zurück [52, Kap.-XVIII/ 1]. In dieser Ableitung folgten ihm noch Gelehrte des 17.-Jahrhunderts [26, § XXXV, fol. D [1] r ]. Ebenso selbstverständlich war es für Isidor, dass gerechte Kriege nur um die Wiederherstellung erlittenen Unrechts, wofür er Livius zitierte (rebus repetitis), sowie zur Vertreibung von Invasoren würden geführt werden können [52, Kap.-XVIII/ 1]. Das Recht des Kriegs und des Friedens galt ihm ebenso als Teil des Naturrechts wie das Ius gentium [52, Kap.-V/ 4]. Auch das Recht des Kriegs und des Friedens war mithin in seiner Sicht für alle Menschen gültig. Krieg definierte Isidor umfassend als militärischen Konflikt, wobei er das lateinische Wort bellum nach Cicero von duellum ableitete [52, Kap.-XVIII/ 1]. Die in der Regel geistlichen Autoren des 6., 7. und 8.-Jahrhunderts konnten beredt Klage über das führen, was ihnen als unrühmliche Rauflust der Herrscher erschien. Sie priesen diese daher nicht für kriegerischen Wagemut, der mit der gebotenen Fürsorge der Herrscher für ihre Unter- Mission der katholischen Kirche 59 tanen unvereinbar zu sein schien [9, z. J. 757, S.-36-37; 41; 70]. In der Wahrnehmung dieser Autoren hatte Krieg folglich nichts Heldenhaftes, sondern war ebenso wie für Isidor ein geregeltes Verfahren des Konfliktaustrags. Ein im Jahr 2009 bei Hammerwich in der britischen Grafschaft Staffordshire aufgedeckter archäologischer Fund deutet darüber hinaus an, dass diese Auffassung des Kriegs nicht nur Bestandteil schriftlicher Überlieferung war, sondern auch das Handeln mindestens einiger Krieger bestimmte. Es handelt sich um die wohl planmäßig erfolgte Ablage von Waffen und anderem militärischen Gerät, das vor der Ablage durch Verformung unbrauchbar gemacht worden war. Die zumeist aus Edelmetall gefertigten Gegenstände wurden jedoch nicht wie damals üblich eingeschmolzen, damit das Metall wieder verwendet werden konnte. Auch wurden sie nicht in Zeiten einer vielleicht wahrgenommenen Krise gehortet und später vergessen, sondern als unbrauchbares Gut für immer dem Boden anvertraut. Der Fundort liegt in der Nähe der Stadt Lichfield, einem Zentral- und Bistumsort des Regnum Merzien im Westlichen Mittelland der Britischen Insel [16]. Dass die Gruppe, die die Gegenstände bei Hammerwich ablegte, zur Dynastie der merzischen Reges gehört haben könnte, wird durch ein literarisches Zeugnis nahegelegt. Eine der abgelegten zerstörten Waffen trägt eine lateinische Inschrift, die einen Vers aus Psalm 67, 1 wiedergibt („Surge Domine disepentur inimici tui et fugent qui oderunt te a facie tua.“) Derselbe Vers ist in der Lebensbeschreibung des im Jahr 714 verstorbenen Hl Guthlac (673 - 714) zitiert, eines Angehörigen der Verwandtengruppe der merzischen Reges. Guthlac soll, nach dem Bericht seines Biografen aus dem frühen 8.-Jahrhundert, aus Scham vor den Greueltaten seiner Vorfahren aller Rechte auf Herrschaft entsagt und sich als Einsiedler zurückgezogen haben [37, S.-110]. In dem Psalmvers wird Gott der Herr gebeten, dafür zu sorgen, dass seine Feinde und Widersacher getrennt und in die Flucht geschlagen werden. Der Text gehörte also in einen militärischen Zusammenhang, schreibt aber den Kriegern keine Macht ohne Gottes Mithilfe zu. Der Biograf zitierte denselben Psalmvers im Zusammenhang mit der Beschreibung des Abschieds Guthlacs von seiner Verwandtengruppe. Dieser Psalmvers fand in der übrigen zeitnahen schriftlichen Überlieferung nur sehr selten Verwendung. Demnach scheint zu diesem Zeitpunkt der Vers nur wenigen Personen in Merzien beachtenswert gewesen zu sein. An der Wende zum 8.-Jahrhundert scheinen daher Guthlacs Abkehr von der weltlichen Lebensweise sowie die Zerstörung und die Ablage der Waffen gemeinsam eine Absage mindestens einiger Angehöriger der Verwandtengruppe der merzischen Reges an kriegerische Tätigkeit gewesen zu sein. Spätestens in dieser Zeit war die Herrschaft der Reges nicht mehr mit militärischem Erfolg legitimierbar. Ebenfalls an der Wende zum 8.-Jahrhundert dankten mehrere Reges in Britannien ab, zogen sich nach Rom in Klöster zurück und verstarben dort. Einem dieser Reges, Cædwalla von Wessex (865 - 688), widmete Beda ein ehrenvolles Gedächtnis [14, Kap.-V/ 7, S.-468-472]. Von einem anderen, Offa von Essex, der 709 der Herrschaft entsagte und nach Rom ging, berichtete er mit Wohlwollen [14, Kap.-V/ 19, S.-516]. Bei weiteren, Ine von Wessex (688 - 726), erwähnte er denselben Schritt nicht, obschon Ine Bedas Zeitgenosse war [109]. Andere zeitnahe Quellen bestätigen die Wahrnehmung von Kriegern mitunter als Handelnde, die gefährdet und übermenschlichen Kräften hilflos ausgesetzt zu sein schienen. Die Einlegearbeit auf dem Geldbeutelverschluss des Schiffsgrabes von Sutton Hoo aus dem frühen 7.-Jahrhundert stellt auf der rechten und der linken Seite je eine menschliche Figur zwei großen, Bären ähnlichen Tieren gegenüber, die auf beiden Seiten der Figur aufrecht stehen [19; 20; 21]. Auch hier verharrt die Figur zwischen den offensichtlich ihr gegenüber feindlichen Tieren, ohne dass Verteidigungs- oder Abwehrhaltungen bildlichen Ausdruck finden. Der Geldbeutel gehörte zu der reichen Ausstattung dieses Grabes, das vielleicht als Mausoleum für eine herausragende Persönlichkeit angelegt und auch mit militärischem Gerät ausgestattet worden war. Das Grab der nicht identifizierten Person enthielt dennoch Beigaben, die einer Schwäche Ausdruck gaben, wenn Personen als Einzelne Bedrohungen aus einer feindlichen Umwelt ausgesetzt waren. 60 Das Ganze und die Teile In dieser Hinsicht geht der Befund des Geldbeutelverschlusses aus Sutton Hoo mit den zeitnahen Bildern der Steinskulptur von Niederdollendorf (Rheinisches Museum für Vorgeschichte, Bonn) und der Miniatur von Christi Gefangennahme im irischen Evangeliars des Book of Kells (Dublin, Trinity College, Ms 58, fol. 114 r ) zusammen [67, S.- 44-45]. Alle drei Bilddokumente zeigen Einzelpersonen in Schwächezuständen angesichts einer Bedrohung, die von der natürlichen oder sozialen Umwelt auf sie zu wirken scheint. Die Personen, unter ihnen Krieger, erscheinen hilflos den Bedrohungen ausgesetzt, da sie, so wie sie abgebildet sind, in keine Gruppen eingebunden sind und daher keinen Schutz von anderen Personen erwarten können. Sie scheinen wehrlos, auch wenn sie Waffen tragen. Krieger scheinen mithin ihre Tätigkeit als existentielle Bedrohung ihrer eigenen Sicherheit wahrgenommen zu haben, solange sie nicht in größere Gruppen aus Verwandten, Nachbarn oder ihnen vertraglich verbundenen Genossen einbezogen waren. Dieser Wahrnehmung hingen offenbar auch Gesandte und Kaufleute an. Die dem Recht des Kriegs und des Friedens unterworfene Praxis des Aussendens und Empfangens von Gesandten bestand nicht nur in der imperialen Verwaltung in Byzanz fort, sondern wurde auch von der katholischen Kirche übernommen. Der Überlieferung zufolge soll schon Papst Leo I. (440 - 461) im Jahr 453 einen als „Responsalis“ betitelten Gesandten mit unbefristetem Auftrag an das Erzbistum Ravenna geschickt haben. Seit Papst Gregor I. wandte die katholische Kirche das Gesandtenrecht auf die Missionare an, die sie in die entfernten Regna entsandte, stattete sie mit besonderen Vollmachten aus und stellte sie unter ihren besonderen Schutz [14, Kap.-I/ 23, S.-70]. Die Durchsetzung von Rechtssicherheit und des Schutzes für Gesandte zwischen dem römischen Imperium und den Regna im Norden und Westen blieb jedoch schwierig. Mit dem Rückzug der imperialen Verwaltung und des dieser zur Verfügung stehenden Militärs waren die Gesandten praktisch auf sich selbst gestellt, zumal dann, wenn sie in kirchlichen Angelegenheiten reisten, ihr Dienstherr der Papst war und sie gehalten waren, keine Waffen zu führen. Aber auch der Schutz von Kaufleuten geriet zum Problem, seit die römischen Imperatoren nicht mehr imstande waren, Vergehen gegen Kaufleute mit der Androhung des Einsatzes militärischer Gewalt zu verhindern. Die Kaufleute lösten dieses Problem, indem sie sich zu Gruppen zusammenfanden und sich bewaffneten, zumal wenn sie über See fuhren [69]. Die zeitgenössische Überlieferung des frühen 8.-Jahrhunderts benannte diese Gruppen summarisch als „Nordleute“. Manche Autoren stellten sie Piraten und Räubern gleich [35, Kap.-14, S.-17]. Man betrachtete diese Leute also mit einem Abb. II: Geldbeutelverschluss aus dem Grab von Sutton Hoo, frühes 7.-Jahrhundert London, Britisches Museum © The Trustees of the British Museum Mission der katholischen Kirche 61 gewissen Argwohn. Ein Gesetz Ines von Wessex, wohl aus dem Jahr 694, schrieb vor, dass Fremde, die in dem ihm unterstellten Regnum Handel trieben, nur unter Zeugen Ware erwerben sollten, wenn sie sich nicht dem Verdacht aussetzen wollten, Diebe zu sein [51, §§-25, 25,1, S.-101]. Kaufleute operierten also in Räumen ausgedünnter Rechtsgeltung zwischen den politischen Gemeinschaften. Ein Widerspruch bestand also zunächst zwischen der aus der Schriftüberlieferung, insbesondere Isidors von Sevilla, abgeleiteten theoretischen Behauptung, dass Krieg und Friede gegensätzliche Handlungsmuster unterschiedlicher Gruppen bezeichneten, und der täglichen Praxis, in der die Anwendung von Gewalt und der friedliche Austausch von Waren situationsbedingt miteinander verbunden sein konnten. Dem entsprechend war eines der ältesten aus West- und Nordeuropa überlieferten nicht-lateinischen Wörter für den Frieden, Altenglisch Sib, wie Neuhochdeutsch Sippe eine Verwandtschaftsbezeichnung [124, S.-230-241]. Das Wort scheint anzudeuten, dass in den Beziehungen in und zwischen den Regna in West- und Nordeuropa nicht in erster Linie die Herrscher, schon gar nicht die Imperatoren in Byzanz, den Frieden garantierten, sondern neben anderen die Verwandtengruppen. Noch im frühen 11.-Jahrhundert verzeichnete das sogenannte Hofrecht des Bischofs Burchard von Worms (um 965 - 1025) örtliche Verwandtengruppen, die als Bluträcher für ermordete Angehörige auftraten [17, Kap.-30, S.-43-44]. Der Bischof, damals auch Stadtherr von Worms, bemühte sich, mit Erlass des Hofrechts dem Treiben der Verwandtengruppen als Bluträcher ein Ende zu bereiten. Denn er zeigte sich beunruhigt über die hohe Zahl der durch Blutrache zu Tode gekommenen Bewohner von Worms. Die Tätigkeit der Verwandtengruppen als Bluträcher konnte den Frieden eher gefährden als sichern. Umso mehr schien die Kirche als Friedensbringer gefordert. Hingegen standen Vergehen und Verbrechen gegen nahe stehende Gruppenangehörige unter besonders harten, auch kirchlichen Strafen. So schrieb das Bußbuch Theodors von Tarsus (602 - 690), Erzbischof von Canterbury, vor, dass Männer, die ihre Mutter oder Schwester vergewaltigten, fünfzehn Jahre lang Buße zu leisten hätten, wohin gegen die höchste Buße für Mord, das heißt für Mord in einem Streit außerhalb der Verwandtschaft, zehn Jahre betrug [89, Kap.- II/ 16-17, Kap.-IV/ 2, S.-186, 188]. Sicherheit war bedeutsam in einem unmittelbar praktischen Sinn. Sie bezeichnete die Bedingungen, unter denen Personen ihre Rechte nutzen konnten, ohne Beeinträchtigungen von außen fürchten zu müssen. Diese Bedingungen galten, solange Personen in Gruppen integriert blieben und sich der Hilfe mächtiger Bereitsteller von Sicherheit und Bringer von Schutz versichern konnten. Unsicherheit und Tod durch insgeheim verübte Verbrechen sowie durch Krieg waren demzufolge Folgen des sündigen Handelns der Menschen, die so Opfer ihrer eigenen Unvernunft wurden [23; 29, S.-43-44; 47; 51, Gesetze, §§-12; 13,1; 14; 15; 15,2; 16, S.-94-97]. Auch wenn die Risiken des Verlusts von Gruppenzugehörigkeit hoch waren, bestand doch in der Regel die Möglichkeit auch für Ausgewiesene, sich anderen Gruppen anzuschließen oder selbst eine Gruppe zu begründen. Es gab in dieser Zeit nur wenige Alleingelassene. Die Möglichkeit von Herrschern und Anführern größerer Gruppen, gemäß öffentlichem Recht Ausweisungen zu verfügen, scheint begrenzt gewesen zu sein. Anders als Verwandten- oder andere Gruppen [129; 134] konnten Herrscher nur Personen ausweisen, die mit ihnen durch Bindungen der Verwandtschaft, Nachbarschaft oder Freundschaft, also nicht kraft herrscherlichen Rechts, verknüpft waren, oder Auswärtige, die sich irgendwie abweichend verhielten [130, §§-4, 28, S.-12, 14; 51, §-20, S.-98]. So kam das englische Wort Outlaw für eine rechtlos gewordene Person erst im 11.-Jahrhundert in Gebrauch [62, Teil-II, §-31, sect. 2, S.-338], wohingegen Bezeichnungen wie englisch Foreigner und deutsch Ausländer für Fremde erst im 15. und 16.-Jahrhundert geprägt wurden. Leute, die irgendwo allein im Wald lebten, galten als Wolfsfreunde, was bedeuten sollte, dass sie nur Wölfe zu Freunden hätten und ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert waren [76, VV. 146-147, 173, S.-161, 162; 95, Nr-55, V. 12, S.-208]. Leben außerhalb regulärer menschlicher Siedlungen galt folglich als sozialer Tod. Nur unter besonders mächtigen 62 Das Ganze und die Teile Herrschern, die die Kompetenz zur Sicherheitsgewährung auf sich konzentrieren konnten, konnten auch Zonen zwischen den menschlichen Siedlungen als sicher gelten. Deswegen konnte eine hier und da gebrauchte Formel zur Lobpreisung einiger weniger Herrscher lauten, dass zu ihren Zeiten die Lande so sicher gewesen seien, dass selbst eine Frau mit neugeborenem Kind unbelästigt habe reisen können [14, Kap.-II/ 16, S.-192]. Die Auffassung von Herrschaft als Amt Derweil verfestigte sich die Herrschaft in denjenigen Regna, die bis über das 8.-Jahrhundert fortbestanden. Deren Außenwie Binnengrenzen blieben zwar weiterhin Verschiebungen ausgesetzt, die die Reichweite der Herrschaft der jeweiligen Reges grundlegend verändern konnten.- Aber um die Wende zum 8.- Jahrhundert deuten einige Belege darauf hin, dass die Herrschaft der Reges nicht mehr in der Hauptsache Befehlsbefugnis eines Machtträgers war, der durch das geglaubte Alter seiner Verwandtengruppe oder seine Erfolge im Krieg legitimiert sein sollte, sondern als friedenbringende Amtsgewalt institutionalisiert und darin sowohl von den spezifischen Rechten der Verwandtengruppen eines Rex als auch von dessen persönlichen Leistungen abstrahiert gedacht werden konnte. Die Herrschaft eines Rex scheint somit vorstellbar geworden zu sein als Kontrolle eigenen, gewissermaßen „öffentlichen“ Rechts in demselben Sinn, in dem das alte römische Imperium als res publica hatte wahrgenommen werden können. Einer der Belege für diese Wahrnehmung von Herrschaft ist wiederum ein Gesetz Ines als Rex von Wessex. Das Gesetz ist wie die übrigen, im Namen Ines erlassenen Rechtsregeln, in altenglischer Sprache niedergeschrieben und verwandte folglich das Wort Cyning für Ine. Es legte fest, dass jede Gruppe von Kriegern aus mehr als 35 Personen als „Heer“ (Altenglisch here) zu gelten habe. Dagegen seien alle kleineren Gruppen mit einer Zahl von 7 bis 34 Waffenträgern als Räuberbanden zu behandeln [51, §-13,1, S.-94]. Das Gesetz belegt zunächst, dass die Zahl der in der Schlacht agierenden Krieger in der Regel klein war. Zwar legte das Gesetz keine Höchstgrenze des Umfangs von Heeren fest, aber es setzte voraus, dass Schlachten schon mit Armeen würden geschlagen werden können, die nur 35 Krieger umfassten. Dass an Schlachten üblicherweise 200 bis 300 Mann als Kombattanten beteiligt waren, also deren Zahl selten in die Tausende ging, wird durch zeitnahe archäologische Waffenfunde aus dem Kontext von Schlachten bestätigt [83, S.-180-181]. Wichtiger aber ist die hinter dem Gesetz Ines stehende Logik. Denn der mit ihm vorgeschriebene Rechtssatz war nur sinnvoll, wenn Ine die Zahl der Krieger kontrollieren konnte. Er musste also erwarten können, dass alle Gruppen von mehr als 35 Waffenträgern in Wessex legal als Bewaffnete auftraten, musste mithin sicherstellen können, dass es keine Räuberbanden in seinem Herrschaftsbereich gab, die mehr als 35 Mitglieder umfassten und sich folglich leicht als Armee hätten ausgeben können. Wo immer mehr als 35 Waffenträger als Gruppe auftraten, operierten sie also unter herrscherlichem Recht, waren als Leute des Herrschers erkennbar und dienten darin den Interessen des Regnum als Ganzem, weder hingegen ihren eigenen Privatinteressen noch denen Ines. Nicht zuletzt erlaubt daher dieses Gesetz den Schluss, dass Ine bestrebt war, das Waffenrecht seiner Untergebenen einzuschränken. Nur wer in Gruppen mit mehr als 35 Mitgliedern im herrscherlichen Dienst Waffen trug, tat dies legal. Alle übrigen Waffenträger durften sich nicht zu größeren Gruppen zusammenfinden. Da Heere, dem Gesetz zufolge, gewissermaßen im öffentlichen Interesse handelten, muss im Regnum von Wessex an der Wende zum 8.-Jahrhundert Krieg auch als öffentlicher Konflikt zwischen zwischen politischen Gemeinschaften, wenn nicht zwischen Staaten, aufgefasst worden sein. Ines Gesetz formulierte damit das Recht des Kriegs in westsächsischer Perspektive. Dieses Recht des Kriegs war aber nur sinnvoll, wenn der Rex als Gesetzgeber damit rechnen konnte, Die Auffassung von Herrschaft als Amt 63 dass die Kombattantenzahlen der Heere seiner tatsächlichen oder möglichen Gegner nicht wesentlich über der Zahl lagen, die er in seinem Gesetz bezifferte. Das Recht des Kriegs beruhte also mindestens in Britannien an der Wende zum 8.-Jahrhundert auf der Erwartung, dass Kriege mit überschaubaren Mitteln und nach einheitlichen Rechtssätzen geführt werden würden. Die um die Wende zum 8.-Jahrhundert beginnende Verstaatlichung von Herrschaft als eine Art öffentliches Amt hatte schnell Auswirkungen auf die Bestimmung derjenigen Typen von Gruppen, die als Gentes im Sinn des Ius gentium gelten sollten. Das Wort Gens könnte ursprünglich nur die geglaubte Abkunft von Angehörigen irgendwelcher Gruppen bezeichnet haben, mithin vieldeutig gewesen sein. Diese Vieldeutigkeit seiner Bedeutung blieb dem Wort Gens in der gesamten lateinischen Sprachüberlieferung bis in das 8.-Jahrhundert erhalten, wenngleich einige Bedeutungsfelder abgestoßen und durch neue ersetzt werden konnten. Es konnte beispielsweise in den Sprachgebrauch frühchristlicher Gruppen Aufnahme finden, die hauptsächlich in Städten lebten und sich von den Nicht-Christen als Gentes draußen auf dem Land abgrenzen wollten. Dann bedeutete Gentes schlicht Heiden. Beda ließ als Gentes in der Regel nur noch diejenigen Gruppen gelten, die in einem grob umgrenzten Gebiet unter der Kontrolle eines Rex lebten [14, Kap.-I/ 15, S.-50]. Die Herrschaft eines Rex über eine Gens war für ihn zum Begriff geworden für Kontrolle über Land und die darauf siedelnden Leute. Nach dieser Bestimmung konnte Herrschaft von der Person des Herrschers getrennt gedacht werden als Amt, das dem Herrscher anvertraut war. So konnte im späten 8.-Jahrhundert Paulus Diaconus (725/ 37 - 797/ 9), der Geschichtsschreiber der Langobarden, die Formel Isidors von Sevilla variierend, formulieren, ein Rex könne das Regnum nutzbringend beherrschen, stellte also das Regnum als Objekt dem Rex gegenüber [88, Kap.-III/ 35, S.-113]. In den 870er Jahren konnte Erzbischof Ado von Vienne (799 - 875) fordern, als Rex solle zuförderst derjenige betitelt werden, der die Res publica beherrsche (regem potius illum debere vocari qui rempublicam regeret) [4, Sp.-123]. Hrabanus Maurus, Abt von Fulda und Erzbischof von Mainz (um 780 - 856), einer der einflussreichsten Gelehrten des 9.-Jahrhunderts, zitierte ebenso Isidors Formel und folgerte aus ihr, Rex sei, wer auf rechte Weise herrscht; wer das nicht tue, sei kein Rex. Die Tugenden des Rex seien in der Hauptsache die Bewahrung von Gerechtigkeit und Frömmigkeit (Rex eris si recte facias; si non facis non eris. Regiae virtutes praecipue justitia et pietas) [49, Kap.-XVI/ 3, Sp.-446]. Diese Theoretiker betonten also die Notwendigkeit des Bestehens der Legitimität von Herrschaft, insbesondere derjenigen der Reges, die Gerechtigkeit bewirken sollten. Theoretiker des 8. und des 9.-Jahrhunderts fassten somit Herrschaft auf als gebunden an ein auf der Grundlage des Rechts bestehendes Amt, dessen Befugnis die Herrschaft über die Res publica als Staat sei [90]. Unter den Herrscherämtern bestand in dieser Zeit eine Variante derjenigen Hierarchie fort, die bereits in der Zeit der römischen Republik gegolten hatte. So skizzierte ein Schulheft über das Ämterwesen eine Rangfolge von Ämtern mit dem Dekan als niederem Verwaltungsbeamten am unteren, dem Rex und dem Imperator am oberen Ende. Ein Rex könne über eine oder mehrere Gentes herrschen, der Imperator beherrsche jedoch die ganze Welt oder sei wenigstens der mächtigste Herrscher in ihr (Rex qui super unam gentem vel multas. Imperator qui super totum mundum auf qui precellit in eo) [25, Kap.-I/ 19, S.-248]. Die Herrschaft von Reges konnte also nach wie vor bezogen sein auf eine oder auch auf mehrere Gentes, das heisst Gruppen mit erkennbar unterschiedlichen kollektiven Identitäten [46, Sp.-835]. Imperator jedoch sollte nur einer in der ganzen Welt sein können. Unter Verwendung des ihnen von den römischen Autoren vermittelten Rechts- und politischen Denkens schufen Theoretiker des 8. und 9.- Jahrhunderts weitere geistige Bausteine für einen Staatsbegriff, der in den folgenden Jahrhunderten Karriere machen sollte. Bedas Begriff der Gens kam dem eines Volks sehr nahe, auch wenn auch er nicht den Grundsatz vertrat, dass jede Gens ihren eigenen Rex haben müsse. Gentes konnten in Bedas Sicht auch 64 Das Ganze und die Teile ohne Reges bestehen, wie er am Beispiel der kontinentalen Sachsen erläuterte [14, Kap.-V/ 10, S.-480]. Aber die politische Welt, die lateinisch schreibende Autoren des 8. und 9.-Jahrhunderts wahrnahmen, bestand aus Gentes als relativ großen Gruppen mit jeweils für sie spezifischer kollektiver Identität, verbunden unter einander durch das Recht des Kriegs und des Friedens. Diese Auffassung des Begriffs der Gens gab die Grundlage ab, auf der in den folgenden Jahrhunderten das Recht des Kriegs und des Friedens mit dem Ius gentium gleichgesetzt werden konnte. Der Rex der Franken als Imperator Das Regnum der Franken stieg im Verlauf des 8.-Jahrhunderts zum militärisch stärksten Machtfaktor im westlichen Mittelmeerraum, Mittel- und Westeuropa auf. Das Herrschaftsgebiet konnte im 8. und 9.- Jahrhundert gar mit „Europa“ gleichgesetzt werden [39]. Doch die Macht des Regnum lag nicht mehr in den Händen der Reges der Verwandtengruppe der Merowinger wie in der Zeit Chlodwigs, sondern bei derjenigen Verwandtengruppe, die seit dem 7.-Jahrhundert als sogenannte Hausmaier (maiores domus) nicht nur die politischen Geschäfte im Auftrag der Merowinger führte, sondern auch das Kommando über die Armee. Karl (um 688 - 741), ein Angehöriger dieser Gruppe mit dem Beinamen Martell (der Hammer), hatte im Jahr 732 die Abwehr gegen die Invasion der arabisch-berberischen Truppen befehligt. Sein Sohn und Nachfolger Pippin (741 - 768) ließ im Jahr 751 durch eine Art Palastrevolution den herrschenden Merowinger absetzen, scheren, in ein Kloster einweisen und sich selbst als Rex der Franken ausrufen. Die seiner Verwandtengruppe fehlende Legitimität zur Herrschaft mangels direkter Abstammung von Reges ließ er dadurch ausgleichen, dass er vorab im Jahr 749 bei Papst Zacharias (741 - 752) um die Billigung seiner Übernahme des Herrscheramts nachsuchte [10, S.- 8]. Pippin ließ, mit Benutzung der Definition des Rex durch Isidor von Sevilla, angeblich vorbringen, dass derjenige, der die Macht eines Rex habe, auch Rex sein solle. Er erhielt dann die päpstliche Billigung in der Form einer rituellen Kopfsalbung durch den päpstlichen Legaten Bonifatius (um 673 - 754), musste aber „versprechen“, als „Patricius der Römer“ Rom und die römische Kirche zu schützen [55]. Dieser Titel war ihm im Gegenzug zur Abgabe des „Versprechens“ verliehen worden. Im Jahr 754 erneuerte sein „Versprechen“ gegenüber Papst Stephan II. (752 - 757). Als Stadtherrn von Rom reagierten die Päpste somit schnell auf die seit der Expansion arabischer Herrschaft in Nordafrika und der Iberischen Halbinsel markant gewordene Begrenzung der militärischen und politischen Handlungsfähigkeit der Imperatoren in Byzanz insbesondere gegenüber dem Westteil des römischen Imperium. Während die Imperatoren in Byzanz weiterhin die kirchliche Oberherrschaft der Päpste über das Christentum anerkannten, suchten die Päpste nach anderen weltlichen Herrschern, deren Macht die militärische Sicherheit Roms gewährleisten zu können schien. Daher könnte die päpstliche Kanzlei bereits in der zweiten Hälfte des 8.- Jahrhunderts an einer Urkunde gebastelt haben, die fälschlich die Übertragung der Herrschaft über die Stadt Rom an Papst Sylvester I. (314 - 335) durch den Imperator Konstantin bezeugen sollte. Mit Hilfe der gefälschten Urkunde erhob die päpstliche Kanzlei den Anspruch, Trägerin von Herrschaft über Rom zu sein [40]. Auch andernorts im Westen des römischen Imperium spielte man mit dessen Überlieferungen. Das Mausoleum von Sutton Hoo enthielt kunstvoll gefertigte Prunkstücke für eine Herrscherbekleidung, das dem militärischen Ornat römischer Imperatoren nachempfunden zu sein scheint [19; 38; 132]. Dieser Stil war offenbar gewählt worden, damit der Vorrang des mit dem Mausoleum geehrten Herrschers vor anderen Herrschaftsträgern dokumentiert werden konnte. Ähnlich verfuhr Beda [14, Kap.-II/ 5, S.-148-150], der zu Beginn des 8.-Jahrhunderts in sein historiografisches Hauptwerk eine Liste mit den Namen von sieben Reges aufnahm. Diesen Reges schrieb er vor den anderen Herrschern in Britannien die Eigenschaft zu, Träger eines Impe- Der Rex der Franken als Imperator 65 rium zu sein. Worin dieses Imperium bestand, erläuterte Beda nur vage, in Bezug auf einige der genannten Herrscher mit dem Hinweis, das ihrer Herrschaft unterstellte Gebiet sei groß gewesen. Peinlich genau vermied Beda in der Liste hingegen den Titel Imperator für diese Reges. Seinen Niederschlag in der hohen Politik, die bis nach Byzanz wirkte, fand dieses Spiel mit den Überlieferungen über das römische Imperium unter Pippins Sohn Karl I. (768 - 814) wiederum im Regnum der Franken, der schon im 9.-Jahrhundert „der Große“ genannt wurde [105, Kap.- IX, S.- 47]. Karl dehnte die Grenzen des ihm unterstellten Regnum der Franken seit den 770er Jahren in zahlreichen, ungewöhnlich lang dauernden Kriegen beträchtlich aus, die er mit Hartnäckigkeit insbesondere gegen die Sachsen führte. Die militärischen Erfolge seiner Armeen rückten ihn in eine Vorrangstellung gegenüber anderen Reges. In Karls engerer Umgebung scheint es spätestens in den 790er Jahren eine Partei gegeben zu haben, die sich nicht mit bloßen imperialen Ansprüchen begnügte, sondern Karl zum römischen Imperator krönen lassen wollte. Dies erschien auf der Basis des „Patricius“-Amts möglich, das Karl von seinem Vater übernommen hatte. Im Jahr 799 ergab sich eine erste günstige Gelegenheit, die dem Streben dieser Partei zum Durchbruch zu verhelfen schien. Papst Leo III (795 - 816) erschien, nach Zwistigkeiten aus Rom vertrieben, angeblich mit grausamen Verstümmelungen, am Hof Karls in Paderborn, als dieser sich gerade wieder in einem Krieg gegen die Sachsen befand. Über das Treffen zwischen Karl und dem Papst berichtete ein offenbar nahezu zeitgenössisches Gedicht. Es gibt zu erkennen, dass Karl und die in Paderborn anwesende Hofpartei mit dem Plan einer Krönung in Rom spielten und der Papst dem Plan nicht abgeneigt war [18]. Karl und Leo scheinen verabredet zu haben, dass ein fränkisches Heer nach Rom ziehen und Leo in seine Rechte als Papst wieder einsetzen solle. Karl würde getreu dem zwischen den Päpsten und seinem Vater Pippin geschlossenen Abkommen als Schutzherr der katholischen Kirche handeln und in dieser Eigenschaft in Rom zum Imperator gekrönt werden. Ein Zufall verhalf diesem Plan zur Umsetzung. Nach einer Palastrevolte in Byzanz hatte sich Irene (797 - 802), die Mutter des herrschenden Imperators Konstantin VI. (780 - 797), im Jahr 797 durch Blendung ihres Sohns an die Macht geputscht, diesen dann töten und sich selbst zum Imperator ausrufen lassen. Die Hofpartei in Karls Umgebung nutzte die byzantinischen Wirren aus und behauptete, eine Frau könne nicht Imperator sein und der Thron des römischen Imperiums sei daher vakant. Da das Imperium nicht ohne Imperator sein dürfe, werde Karl nunmehr Imperator werden. Karl Hofpartei und der Papst handelten schnell. Am Weihnachtstag des Jahrs 800, nach damaliger Zeitrechnung dem ersten Tag des Jahrs 801, empfing Karl in der Peterskirche in Rom aus den Händen des Papsts eine Krone, und die in der Kirche versammelten Römer akklamierten ihm als „Imperator der Römer“ [10, S.-112]. Den „Patricius“-Titel legte Karl nach der Zeremonie ab und ließ sich „Imperator und Augustus“ betiteln. So jedenfalls beschrieb die offiziöse Berichterstattung aus der Sicht der Hofpartei Karls den Vorgang. Von anderer, ebenfalls gut unterrichteter Seite verlautete jedoch Anderes. Der Mönch Einhard, der ebenfalls zu Karls Entourage gehörte und über Karl eine der ganz wenigen Herrscherbiografien dieser Zeit schrieb, teilte mit, Karl sei der Titel Imperator und Augustus zuwider gewesen und er hätte selbst am Weihnachtstag die Peterskirche in Rom nicht betreten, wenn er von der Krönungsabsicht des Papsts gewusst hätte [35, Kap.-28, S.-32-33]. Gegen die Annahme des Imperator- und Augustus-Titels gab es also Widerstand nicht nur in Byzanz, sondern auch im Regnum der Franken selbst. Denn der Ritus, den der Papst für Karls Ausrufung zum Imperator der Römer wählte, war alles andere als römisch, sondern in seinem zentralen Bestandteil der Krönung der kirchlichen Überlieferung entnommen. Die Imperatoren in Byzanz wurden nicht gekrönt, sondern nach militärischem Gebrauch auf den Schild erhoben und trugen ein Diadem. Karl verließ die Peterskirche sozusagen in neumodischem Kostüm. Damit konnte er schwerlich diejenigen überzeugen, die sich in der Geschichte des römischen Imperium auskannten. Noch weniger Anerkennung konnte er in Byzanz selbst bewirken, obwohl er versuchte, sich dort als 66 Das Ganze und die Teile Herrscher gleichen Rangs zu präsentieren. So berichtete Einhard, Karl habe mehrere Schreiben an die Imperatoren in Byzanz gesandt und diese als „Brüder“ angeredet. Einhard gab diese Verfahrensweise als Ausdruck des Großmuts Karls gegenüber den Imperatoren in Byzanz aus, während er deren Widerstand gegen Karl als kleinlichen Bürokratismus brandmarkte. Offenbar hatten Karls Briefe in Byzanz nur Kopfschütteln erregt. Es scheint, als habe Einhard die Leere des Anspruchs Karls auf den Imperatorentitel erkannt, diese Erkenntnis aber hinter dem Vorwurf des angeblichen Mangels an moralischer Eignung bei den Imperatoren in Byzanz versteckt. Denn Karl konnte die Legitimität seines Anspruchs auf den Imperatoren- und Augustus-Titel nicht auf Amtsnachfolge gründen, sondern nur auf kirchliche Riten und die Zustimmung nur einiger Bewohner der Stadt Rom. In Byzanz war die Reaktion auf die Krönung in Rom daher streng. Irene wurde schon im Jahr 802 gestürzt und Nikephoros I. (802 - 811) folgte ihr im Imperatorenamt. Nikephoros ließ keinen Zweifel an seiner Überzeugung aufkommen, dass Karl ein Usurpator sei und mit Widerstand aus Byzanz rechnen müsse. Karl steckte zurück. In Urkunden ließ er 802 sein Amt mit einer Formel umschreiben, die ihn als Steuermann des römischen Imperium bezeichnete. Das war Bedas Imperiumsträgerschaft, angereichert um die aus der lateinischen Überlieferung gewonnene Metapher des Steuermanns des Staatsschiffs und gekehrt in die Formelsprache der Urkunden. Nach dieser Formel war Karl somit nicht Imperator, sondern er „steuerte“ das römische Imperium ohne ausdrücklichen Bezug auf seine Akklamation durch die Römer. Doch die byzantinische Verwaltung ließ sich durch derlei Wortgeklingel nicht beeindrucken, sondern zeigte sich entschlossen, ihren Vorrang gegenüber dem Rex der Franken durchzusetzen. Dafür riskierte sie sogar einen großen Krieg gegen Karls mächtige Armee. Doch Karl willigte nach dem plötzlichen Tod des Nikephoros in einen Kompromiss mit Michael I. (811 - 813), dem Nachfolger des Nikephoros ein. Dieser Kompromiss bestand in einem 812 geschlossenen Abkommen zwischen beiden Parteien und bestätigte den Vorrang des römischen Imperators in Byzanz in vollem Umfang, ließ aber Karls Imperator- und Augustus-Titel gelten. Danach durfte Karl (auf Lateinisch) den Titel „Imperator“ und (auf Griechisch) den Titel „Basileus“ führen [10, S.-136], während die Herrscher in Byzanz weiterhin allein den Titel „Imperator der Römer“ für sich beanspruchten [24]. In Byzanz hatte man also nichts dagegen, dass irgendwo im Westen des römischen Imperium ein Rex sich als Imperator ausgab, solange dieser Titel nicht ausdrücklich auf Rom oder das römische Imperium bezogen war. In Byzanz selbst schrieb man ohnehin über Karl nur unter dem Titel Rex (Ρήξ) [115, S.-270]. Es blieb somit dabei, dass es, trotz oder gerade wegen Karls Krönung in Rom, nur einen römischen Imperator gab, und der hatte seine Residenz in Byzanz. Dadurch, dass die Reges der Franken als Schutzherren der Stadt Rom und der römischen Kirche auftraten, nahmen sie den Imperatoren in Byzanz überdies noch lästige Herrscherpflichten ab. Kleriker, Mönche und Nonnen mussten für das Heil der Reges der Franken beten, sozusagen als Gegenleistung für den ihnen gewährten Schutz [73, S.-351-352]. Der byzantinischfränkische Kompromiss blieb bis in die zweite Hälfte des 10.-Jahrhunderts gültig. Herrscherliche Versprechen als bindende Pflichten nach dem Recht des Kriegs und des Friedens in der lateinischen Christenheit Das Recht des Kriegs und des Friedens bestand also im mediterranen Raum sowie in Gebieten nördlich und westlich der Alpen zwischen dem 6. und dem 9.-Jahrhundert nicht nur als bloßes „Zwischen-Mächte-Recht“ zur Regelung von Beziehungen bei Bedarf. Im Gegenteil, der schon im Alten Vorderen Orient angelegte Konflikt zwischen dem faktischen Bestehen mehrerer, ja vieler Herrschaftszentren und Ideologien der Weltherrschaft bestand nicht nur in dieser Zeit fort, sondern verschärfte sich. Den Imperatoren in Byzanz gelang es, trotz der Aufgabe ihrer di- Herrscherliche Versprechen als bindende Pflichten 67 rekten Kontrolle über Gebiete im Westteil des römischen Imperium, ihre Stellung als alleinige Beherrscher des gesamten Imperium als Rechtsanspruch aufrecht zu erhalten. Diesem Anspruch unterwarfen sich Herrscher der bestehenden Regna auch dann noch, als in diesen bereits Staatsbildungsprozesse eingesetzt hatten. Mit diesen Prozessen waren oft Änderungen der Bezeichnungen für die betroffenen Regna verbunden. In Britannien beispielsweise bestand im 10.-Jahrhundert für alle Gebiete südlich des Firth of Forth und östlich von Wales nur noch das Regnum Wessex. Für es kam gegen Ende des 9.-Jahrhunderts der neue Name „Land der Angeln“ (Engla lond) auf und blieb bis heute in Form England bestehen. Geistliche Autoren im Umkreis der Reges der „Angeln“ drückten zu Beginn des 10.-Jahrhunderts deren Machtstellung dadurch aus, dass sie in urkundlichen Herrschertiteln nicht nur das lateinische Wort Rex verwandten, sondern auch das Wort Imperator und sogar das griechische Wort Basileus schrieben. Jedoch vermieden sie konsequent den Bezug auf Rom oder das römische Imperium, sondern fügten diesen groß klingenden Wörtern den Bezug auf die Angeln bei. Die so entstandenen Titel Imperator der Angeln oder Basileus der Angeln erzeugten in Byzanz keine Aufregung. Zu deutlich war bei diesen Titeln, dass sie auf Britannien und das Regnum der „Angeln“ eingeschränkt waren. Ebenso wie während des byzantinisch-fränkischen Konflikts um den Imperatoren- und Augustus-Titel blieben die Wahrnehmung des römischen Imperium als einheitliche Civitas sowie der Anspruch der römischen Imperatoren, Träger von Weltherrschaft zu sein, unangestatet. Das Recht des Kriegs und des Friedens musste also wie schon in der Zeit der altvorderorientalischen Weltherrschaften aus anderen Quellen als der imperialen Gesetzgebung abgeleitet werden. Dass dies tatsächlich geschah, ergibt sich aus der Fortschreibung derjenigen „Versprechen“, die der Rex Pippin in den 750er Jahren gegeben hatte. Pippins „Versprechen“ (promissiones) sind nicht im Original überliefert, sondern nur in der zeitnahen Geschichtsschreibung bezeugt. Ob sie überhaupt in Schriftform niedergelegt worden waren, bleibt daher unklar. Für Pippins Sohn Karl diente der Krönungsakt in Rom sowie die damit einhergehende fränkische Intervention in die römische Stadtpolitik als Bestätigung, dass der fränkische Rex sein „Versprechen“ erfüllte. Für Karls Sohn und Nachfolger Ludwig, der „der Fromme“ genannt wird (814 - 840), ergab sich hingegen die Notwendigkeit, die Weiterführung des gegebenen „Versprechens“ auch anders als nur durch militärisches Handeln zum Ausdruck zu bringen. Anders als sein Vater und Großvater ließ Ludwig durch seine Kanzlei die in Schriftform bezeugte Urkunde als Medium für sein „Versprechen“ wählen. Die Kanzlei verwandte jedoch nicht dasjenige Formular, das für herrscherliche Urkunden unter Pippin und Karl üblich gewesen war. Dieses Formular war dem der römischen Imperatoren nachgebildet gewesen. Diese darin abgefassten Urkunden bezeugten Rechtsgeschäfte, die die genannten Herrscher selbst tätigten oder getätigt hatten. Diese Rechtsgeschäfte folgten mithin aus dem erklärten Willen derjenigen Herrscher, in deren Namen die Urkunden ausgestellt waren. Als Zeugnisse des herrscherlichen Willens waren diese Urkunden daher rechtsgültig, sofern sie den bestehenden Kanzleigewohnheiten folgten, von dem austellenden Herrscher durch einen Vollziehungsstrich gültig gesetzt und üblicherweise vom Kanzler als Leiter der Verwaltung gegengezeichnet waren. Im Jahr 817 ließ Ludwig jedoch zur Erneuerung seines „Versprechens“ gegenüber Papst Paschalis (817 - 824) ein anderes Formular wählen. Dieses entnahm die Kanzlei den römischen Privaturkunden, das waren Zeugnisse über Rechtsgeschäfte, die Privatpersonen tätigten [74]. Das Formular für diese Privaturkunden sah vor, dass die Wahrhaftigkeit des in ihnen niedergelegten Willens der ausstellenden Personen von einem amtlichen, im Dienst des Imperators stehenden Notar zu bezeugen sei und dass ohne diese notarielle Bestätigung Privaturkunden keine Zeugniswert haben sollten. Die Gültigsetzung von Privaturkunden folgte somit imperialem Recht; ihre Gültigkeit konnte erforderlichenfalls durch die imperiale Verwaltung und Rechtsprechung erzwungen werden. Dieses Formular hatten die langobardischen Reges bis in das 8.-Jahrhundert zu Zeiten der Eigenständigkeit ihrer Herrschaft verwandt. An Stelle von Notaren im imperialen Dienst traten in langobardischen Herrscherur- 68 Das Ganze und die Teile kunden hochrangige Amtsträger, zumeist Geistliche, als Zeugen auf. Da die imperiale Verwaltung in Byzanz die Erfüllung von Willenserklärungen der langobardischen Reges nicht erzwingen konnte, zog man sich in der Regel auf die Erwartung oder Hoffnung zurück, Gott selbst werde darüber wachen, dass die in den Urkunden rechtsverbindlich gewordenen Inhalte auch in praktisches Handeln umgesetzt würden. Da Ludwigs Vater Karl seit 774 selbst Rex der Langobarden gewesen war, war der fränkischen Kanzlei die langobardische Praxis der Ausfertigung von Urkunden gut bekannt. Die Kanzlei Ludwigs des Frommen ließ dessen „Versprechen“ gegenüber der katholischen Kirche durch Zeugen bestätigen und belegte dadurch die Vorstellung, dass dieses „Versprechen“ des fränkischen Königs und Imperators nicht allein als Willensäußerung des Herrschers gültig, sondern nach einem übergeordneten Recht bindend sei. Ludwigs „Versprechen“ ließ daher den es garantierenden Rechtsrahmen unerwähnt; dieser wurde dort wie in allen übrigen herrscherlichen Privaturkunden des 7. bis 11.-Jahrhunderts stillschweigend vorausgesetzt. Gott selbst kam als gewährleistende Instanz nach den Aussagen der Urkunde nicht in Betracht. Denn in der Wahrnehmung der politisch Handelnden gewann nach christlicher Dogmatik Gott die Fähigkeit zur Beurteilung der Wahrhaftigkeit menschlichen Handelns aus der Allwissenheit, nicht aber aus der Bestätigung einer Urkunde durch Zeugen. Die Wahl eines Urkundenformulars, das Zeugen verlangte, schloss also die Vorstellung aus, die Einhaltung des gegebenen „Versprechens“ sei durch göttliche Allmacht verbürgt. Dass Ludwigs Kanzlei erwartete, der fränkische Rex könne sich von den römischen Imperatoren in Byzanz zur Erfüllung seines der römischen Kirche gegebenen „Versprechens“ zwingen lassen, darf angesichts des fränkisch-byzantinischen Kompromisses von 812 als unwahrscheinlich gelten. So bleibt nur die Vermutung, dass Ludwigs Kanzlei für die Festschreibung der Rechtsgrundlagen der Beziehungen zwischen dem fränkischen Rex als Imperator und dem Papst unter die Garantie des allgemeinen, im Sinn Ciceros von der „Natur“ gegebenen, ungesetzten Rechts des Kriegs und des Friedens gestellt wissen wollte. Das von Ludwigs Kanzlei für „Versprechen“ gewählte Urkundenformular wirkte überdies traditionsbildend. Lothar, Ludwigs Sohn und Nachfolger als Imperator (840 - 855), wandte es an für sein „Versprechen“ der Anerkennung der Selbständigkeit Venedigs im Jahr 840 [72]. Im 10. und frühen 11.- Jahrhundert bestätigten die Imperatoren Otto I. (936 - 973) [86] und Heinrich II. (1002 - 1024) [44] jeweils das von Ludwig dem Frommen gebenene „Versprechen“ an den Papst, wobei Otto I. sein „Versprechen“ im Zusammenhang mit seiner Krönung zum Imperator in Rom im Jahr 962 ablegte [34, S.-35-43; 107]. „Versprechen“ fanden zudem Eingang in das Vertragsrecht auch ohne Beteiligung der Kirche. Der Rex Heinrich I. (919 - 936), der in Gebieten östlich des Rheins Herrschaft trug, und der Rex Karl im Regnum der Franken, der schon zeitgenössisch „der Einfältige“ genannt wurde (898 - 923), gelobten sich wechselseitig Unterstützung in einem Vertrag, den sie am 7.-November 921 bei Bonn auf einem Boot in der Mitte des Rheins als Grenzfluss unter Zeugen schlossen. Die Texte der beiderseitigen Versprechen sind nicht im Original, sondern erst in einem Druck des 17.-Jahrhunderts überliefert. Dennoch wird erkennbar, dass beide Seiten ihre „Versprechen“ jeweils einzeln leisteten und mit Eid beschworen [119]. Für diese „Versprechen“ ist die Vermutung zwingend, dass beide Vertragspartner das über ihnen stehende Recht des Kriegs und des Friedens als gegeben voraussetzten. Theoretiker der Politik insbesondere des 9.-Jahrhunderts bestätigten, dass in ihrer Sicht das Handeln der Reges unter die Herrschaft des Rechts zu stellen sei [11, S.-46-98, 100-148]. Dabei griffen sie die schon von Bischof Ambrosius von Mailand (339 - 397) formulierte Regel auf, derzufolge „Versprechen“ und Verträge auch während eines Kriegs zwischen vertraglich verbunden gewesenen Parteien verbindlich bleiben sollten [8, Kap.-I/ 29, Sp.-68-70], und erlegten den Herrschern die Pflicht zur Gewährleistung von Sicherheit und Frieden für die unter ihrer Kontrolle stehenden Gentes auf [29, S.- 43-44]. Ebenfalls im 9.- Jahrhundert ermahnte Bischof Jonas von Recht des Kriegs und des Friedens im Islam 69 Orleans (um 780 - um 843), wohl im Jahr 842 oder 843, den fränkischen Rex dazu, in den ihm unterstellten Gentes nicht nur für Gerechtigkeit und Gleichheit zu sorgen, sondern auch für Frieden und Eintracht [57, Kap.-4, S.-145]. Denn der Rex habe sein Amt von Gott empfangen und sei diesem daher verantwortlich [57, Kap.-7, S.-155]. Schon zuvor hatten die von Jonas redigierten Beschlüsse der Synode von Paris vom Jahr 829 festgelegt, dass es Pflicht der Reges sei, die ihnen unterstellten Bevölkerungsgruppen mit Gerechtigkeit zu beherrschen, damit unter ihnen Friede und Eintracht bestehen könne [113, Buch II, Kap.-V, S.-655; Kap.-VIII, S.-659-660]. Für diese Schlussfolgerung berief Jonas sich wiederum auf Isidor von Sevilla [113, Buch II, Kap.-1, S.-649-651]. Der aus Irland stammende Geistliche Sedulius Scottus (um 850) weitete in seinem wohl für Lothar II., Rex der Franken (855 - 869), geschriebenen Buch über die Pflichten christlicher Herrscher diese Lehre aus. Er verlangte von dem Rex der Franken, für den Frieden nicht nur unter den ihm unterstellen Bevölkerungsgruppen zu sorgen, sondern auch unter seinen Feinden und damit in der Welt als ganzer [105, Kap.-XVII, S.-77]. Denn aus der Heiligen Schrift wie aus den Geschichtsbüchern ergebe sich der Grundsatz, dass dem Krieg mit Waffen die Rede gegen die Feinde als nicht minder wirksam vorzuziehen sei [105, Kap.-XV, S.-68-71]. Noch deutlicher war Abt Smaragd von Saint-Mihiel (gest. um 830) in seiner wohl für Ludwig den Frommen geschriebenen Herrschaftslehre. Darin zitierte er das Christuswort „Ich gebe Euch meinen Frieden“ (pacem meam do vobis, Joh. XIV, 27) und folgerte aus diesem Satz, dass der Friede von Gott komme, dass alle, die sich zum christlichen Glauben bekennen, Christi Gefolgsleute seien und daher den Frieden zu wahren hätten [108, Kap.-XVII, Sp.-957]. Die Herrscher als Verteidiger des Glaubens seien in ganz besonderem Maß auf die Wahrung des Friedens verpflichtet. Die Lehre, dass Friede und Recht gottgewollt seien, konnte in der Sprache christlicher Theologen keinen deutlicheren Ausdruck finden. Sie trat als Theoriegebäude im 9.- Jahrhundert neben die Vorstellung, dass Verwandtengruppen den Frieden für ihre Angehörigen gewähren sollten. Das Recht des Kriegs und des Friedens im Islam Was als Recht des Kriegs und des Friedens im Zeitraum zwischen dem 5. und dem 10.-Jahrhundert für die Beziehungen unter den Regna im Westteil des römischen Imperiums sowie in in dessen Norden galt, lässt sich mit etwas Mühe aus dem pragmatischen Schrifttum der Zeit rekonstruieren. Eine explizite Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens fehlte in diesem Raum zu dieser Zeit. Im arabisch beherrschten Raum entstanden jedoch zur selben Zeit bereits ausdrückliche Zeugnisse für eine Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens [15, Bd- 1, S.- 176-184, 459-479, 507-515; Supplementbd 1, S.- 284-297, 312-327; 106, S.- 391-586; 135, S.-20-29]. Die Anfänge dieser Theorie gehen zurück in das 8.-Jahrhundert, bald nach der Expansion arabischer Herrschaft nach Palästina, Mesopotamien, Nordafrika, die Iberische Halbinsel und Persien. Die Theorie ging davon aus, dass mehrere Gemeinschaften von Angehörigen verschiedener Religionen nebeneinander bestanden, und unterschied zwischen dem Haus des Islam (dār al Islam) und dem Haus des Kriegs (dār al harb), setzte mithin den dauerhaften Frieden als Basis der Beziehungen zwischen Muslimen, regelte aber zugleich die Beziehungen zwischen Muslimen und Andersgläubigen auf der Basis des Rechts. In die Kategorie dieser Beziehungen fielen auch Regeln für den Verkehr zwischen Muslimen im Dār al harb und dort lebenden Andersgläubigen sowie ebenso zwischen Muslimen und Andersgläubigen im Dār al Islam. Das für diese Beziehungen gültige Recht umfasste Bestimmungen für das Zustandekommen befristeter Friedensabkommen zwischen Muslimen und Andersgläubigen im Dār al harb sowie für die Steuerpflicht islamisch beherrschter Andersgläubiger [1, S.-94-95]. Während die Unterscheidung zwischen Dār al Islam und Dār al harb durch praktisches Handeln der Herr- 70 Das Ganze und die Teile schaftsträger während der Expansionsphase des 8.-Jahrhunderts erwuchs, also im Koran selbst nicht vorgegeben ist, legt der Koran die Bestimmung der Beziehungen zwischen Muslimen und Andersgläubigen als Zustand des Kriegs (ğihād) bereits fest. Die Beziehungen zwischen Muslimen und Christen waren während des 7., 8., 9. und 10.-Jahrhunderts weitgehend frei von der Wahrnehmung von Gegensätzen zwischen beiden Religionen. Die arabisch-muslimische Herrschaft über Jerusalem erregte bis zu Beginn des 11.-Jahrhunderts auch in der lateinischen Christenheit kaum Aufsehen. Gelegenlich ausgetragene militärische Konflikte wie die Schlacht bei Tour und Poitiers (732) oder die Versuche zur Eroberung von Byzanz (674/ 8, 717/ 8) konnten die Beziehungen zwischen christlichen und muslimischen Herrschern nicht längerfristig belasten. Auch Karl, der Rex der Franken, unterhielt mit Muslimen in Mesopotamien freundschaftliche Beziehungen gerade zu der Zeit, als er mit römischen Imperatoren in Byzanz um seine Anerkennung als Imperator rang. Man tauschte Geschenke aus, die die wechselseitigen Beziehungen als Verkehr zwischen Gleichrangigen erscheinen ließen, auch wenn mindestens auf fränkischer Seite keine genauen Kenntnisse über muslimisch beherrschte Gebiete bestanden zu haben scheinen. Im Jahr 802 erhielt Karl einen Elefanten, den man im Regnum der Franken „Abul Abaz“ nannte. Den Herrscher, der den Elefanten geschenkt hatte, betitelten die für die offiziöse Berichterstattung zuständigen Geistlichen mal historisierend als Rex der Perser, mal verallgemeinernd als Rex der Sarrazenen. Das Geschenk stammte von Harun-al-Rashid, Khalif von Bagdad (766 - 809). Der Elefant lebte offenbar irgendwo am Ufer der Rheins. Sein Tod im Jahr 810 wurde eigens vermerkt [10, S.-117, 131]. Im 9. und 10.- Jahrhundert waren arabische Kaufleute auf Märkten, beispielsweise in Mainz am Rhein zugegen und gingen dort ohne Einschränkungen ihren Geschäften nach [53, S.-31], wie auch Kaufleute aus Skandinavien in Bagdad ebenso ohne Beschränkungen Handel trieben. Arabische Münzen fanden ihren Weg nach Skandinavien, wo sie Verstorbenen im Grab beigelegt wurden, und Schwerter aus Skandinavien standen in Bagdad hoch im Kurs [82]. Der Handel verlief nach den allgemeinen Sätzen des Gastrechts, das über Religionsgrenzen hinweg bestand und in dieser Zeit keiner Erzwingung durch die römischen Imperatoren bedurfte. Zwischen dem Imperator Otto I. und Abd ar-Rahman III., dem Khalifen von Córdoba (929 - 961), bestanden im 10.-Jahrhundert zeitweise diplomatische Beziehungen, die durch Abt Johann von Gorze (960 - 974) während seines Aufenthalts in Córdoba zwischen 950 und 953 initiiert wurden [122]. Zudem fanden Pilgerreisen von Christen nach Palästina ohne rechtliche Begrenzungen statt, wo christliche Einrichtungen fortbestanden. Sie sind für das 7. und 8.-Jahrhundert dokumentiert für den Hl. Willibald, Bischof von Eichstätt (um 700 - 787/ 8) [50] und von Adamnán, Abt des Klosters Iona in Britannien (679 - 704), für einen Bischof namens Arculf [3]. Mit dem Zustand des Kriegs (ğihād) war das Recht der Beziehungen zwischen Muslimen und Andersgläubigen bezeichnet, also weder ein rechtloser Zustand noch ein allgemeines Kriegsrecht [66, S.-33]. Das muslimische Recht des Kriegs und des Friedens unterschied zwischen unterschiedlichen Formen militärischer Konflikte und kannte daher keine allgemeine Definition des Kriegs [96, S.- 442]. Es gestaltete die Rechtsbeziehungen zwischen Muslimen und Andersgläubigen als bindend [7, S.-36], schloss im besonderen die im Koran (Sure XVII, 16) vorgegebene Pflicht zur Erklärung eines Kriegs ein. In der Hauptsache bestand das Recht des Kriegs und des Friedens in Sätzen über Verfahrensweisen von Kriegern. In der Rechtssprache bestand für diese Verfahrensweisen die Bezeichnung Siyar [66, S.-24]. Die Grundlage der Siyar sollte das aus dem Koran (Sure LX, 8) abgeleitete allgemein menschliche, das heißt über den Religionen stehende und auch im Krieg fortgeltende Verlangen nach Sicherheit sein [135, S.-96-97]. Schon der Rechtsgelehrte Abu Yussof (731 - 798) ging von der Voraussetzung aus, dass Bewohner der Dār al harb zum Islam im Verlangen nach Sicherheit konvertierten und dass deshalb das Leben jedes Konvertiten heilig sei [1, S.- 94]. Bald nach Abu Yussof formlierte der Jurist aa-Šaibani (749/ 50 - 805) eine detaillierte Kasuistik zum Recht im Krieg auf der Basis von Siyar. Insbeson- Recht des Kriegs und des Friedens in byzantinischer Sicht 71 dere formulierte er Regeln für das Verhalten von Armeen in Feindesland, für den Verkehr zwischen Dār al Islam und Dār al harb sowie für Friedensverträge zwischen Muslimen und andersgläubigen Herrschern sowie deren Untertanen [60, S.-95-105, 130-141, 142-157]. Die Siyar leitete aš-Saibani aus göttlichem Willen ab und ordnete damit das Recht des Kriegs und des Friedens über die Gemeinschaften der Angehörigen der verschiedenen Religionen. Der Koran (Sure IX, 4) gab vor, dass Verträge zwischen Muslimen und Andersgläubigen verbindlich seien und schloss dadurch das Recht der zwischenstaatlichen Verträge in den Rahmen des gottgewollten Rechts des Kriegs und des Friedens ein. Also war Gott Zeuge und Garant der Verträge [60, S.-152-157; 12, S.-118-119]. Nach aa-Šaibani konnten auch Einzelpersonen als Subjekte im Rahmen des Rechts des Kriegs und des Friedens handeln [60, S.-6-7]. In seinen Richtlinien für die gute Regierung schrieb der Gelehrte al-Māwardi (974 - 1058) auf der Basis der Siyar eine Reihe sehr detaillierter Regeln für die Kriegführung vor, darunter die Verbote des Überraschungsangriffs, des Tötens von Nicht-Kombattanten, des Zerstörens von Eigentum und des Tötens von Geiseln [6, S.-40, 56]. Schon der Koran (Sure IX, 2, 4, 5, 6) unterschied grundsätzlich zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten und stellte letztere unter besonderen Schutz. Auch wies al-Māwardi militärischen Befehlshabern die Pflichten zu, die ihnen unterstellten Krieger gegen Überraschungsangriffe der Gegner zu schützen, Friedensabkommen gegen Zahlung von Tribut zu schließen und Waffenstillstände gegen überlegende Gegner zu vereinbaren [6, S.-56]. Neben dem Koran knüpften muslimische Rechtsgelehrte auch auf Regeln des Propheten (sunna) an sowie an Verfahrensweisen, die auf den Propheten zurückgeführt werden konnten (ijtihād) und allgemeine Grundsätze des Rechts, so wie sie bei allen Menschen Anwendung zu finden schienen (ijmā) [5, S.-106-122]. Aus frühen Darstellungen des Lebens des Propheten ergibt sich, dass bereits damals das Verfahren zum Abschluss von Friedensverträgen geregelt war. Das Verfahren sah vor, das zwischen den Vertragspartnern zwei Ausfertigungen herzustellen und durch Zeugen zu bestätigen waren. Eine Ausfertigung war in Mekka zu hinterlegen, damit die Kenntnis der Vertragsinhalte nicht den Vertragsparteien vorbehalten blieb [12, S.-118-119; 79, S.-275-276]. Später fügte al-Māwardi die Bekräftigung des Vertrags durch Geiselstellung hinzu [6, S.-42]. Verträge zwischen Muslimen und Andersgläubigen mussten nach dem Prinzip des Ğihād befristet sein, obschon die Tatsache der Befristung im Text eines Vertrags nicht notwendigerweise ausdrücklich vermerkt zu werden brauchte. Die Verträge konnten als parallel verfasste, aber getrennt überlieferte wechselseitige Willenserklärungen oder auch als gemeinsame Akte ausgefertigt sein [59, S.-220; 77, S.-109, 146-147]. Das Recht des Kriegs und des Friedens in byzantinischer Sicht Aus Byzanz ist zwar keine explizite Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens überliefert, aber eine Zusammenfassung der Grundsätze des diplomatischen Verkehrs aus dem 10.-Jahrhundert [63]. Zudem bestand eine kontinuierliche Textüberlieferung des Corpus iuris civilis Justinians, das seit dem 9.-Jahrhundert auch in griechischer Bearbeitung unter der Bezeichnung Basilisken vorlag. Die frühe Vertragspraxis der römischen Imperatoren in Byzanz ist überdies schwer zu rekonstruieren, da für viele Abkommen wie etwa den byzantinisch-sassanidischen Vertrag vom Jahr 562 oder das byzantinisch-fränkische Abkommen von 812 keine originale Textfassung erhalten ist. Immerhin gingen einige Abkommen, die zwischen 911 und 971 unter römischen Imperatoren und Fürsten von Kiev geschlossen wurden, ein in eine altrussische Chronik sowie eine zeitgenössische griechische Geschichtsdarstellung, so dass Aussagen über die Vertragspraxis möglich sind [118; 120; 121]. Danach handelte es sich bei den erhaltenen Fassungen der Abkommen um einseitge Willenserklärungen der ausstellenden römischen Impera- 72 Das Ganze und die Teile toren in Byzanz, ausgefertigt als deren Gnadenerweise. Den Abkommen zugrunde lagen offenbar wechselseitige Vereinbarungen und „Versprechen“ [45, S.-646]. Nach diesen Verträgen hatten die römischen Imperatoren einen Vorrang gegenüber ihren Partnern inne. Derselbe Vorrang lag auch den byzantinischen Auffassungen zugrunde, dass gerechte Kriege gegen römische Imperatoren nicht denkbar waren und dass umgekehrt jeder Krieg gerecht war, den ein römischer Imperator gegen einen anderen Herrscher führte. Militärischer Widerstand gegen die Herrschaft der römischen Imperatoren in Byzanz erschien daher als Unbotmäßigkeit [115, S.-316-328]. Die Anwendung militärischer Gewalt gegen vermeintlich Unbotmäßige konnte daher nicht den Sätzen des allgemeinen Rechts des Kriegs und des Friedens unterliegen. Diese Wahrnehmung des Kriegs war mit dem zeitgenössischen muslimischen Recht des Kriegs und des Friedens unvereinbar. Wenn gleichwohl römische Imperatoren mit anderen Herrschern auf der Basis der Anerkennung von Ranggleichheit verkehren und diese Anerkennung in der Wahl des Titels Bruder ausdrücken konnten, so geschah dies nicht aufgrund eines Rechtssatzes, sondern nach dem Ermessen der byzantinischen Verwaltung. Daher konnten diplomatische Gesandtschaften zwischen Herrschern insbesondere im Westteil des römischen Imperium und dessen Zentrale in Byzanz schwierig werden. Über einen solchen Fall berichtet eine Quelle des 10.-Jahrhunderts. Bischof Liudprand von Cremona (920 - 972), ein Vertrauter des Rex und Imperators Otto I., reiste im Jahr 968 auf dessen Betreiben nach Byzanz. Liudprand sollte dort Streitigkeiten ausräumen, die zwischen Otto und den römischen Imperatoren in Byzanz über die Kontrolle des Südens der Italienischen Halbinsel aufgekommen waren. Außerdem sollte er Möglichkeiten einer künftigen Zusammenarbeit ausloten. Die byzantinische Verwaltung empfing den Gesandten zwar in Ehren, machte ihm aber zugleich unmissverständlich klar, dass er sich in das in Byzanz übliche imperiale Zeremoniell einzufügen habe und folglich dort nicht an seinen eigenen Gewohnheiten würde festhalten können. Liudprand glaubte, wohl nicht ohne Grund, dass die imperiale Verwaltung ihm gegenüber Vorschriften des Zeremoniells anzuwenden bestrebt war, die ihn als Gesandten des Imperators aus dem Westen auf einen niedrigeren Rang als den des römischen Imperators in Byzanz einstufen sollten. Dieser Eindruck versetzte Liudprand so in Rage, dass er seine Gesandschaft abbrach und unverrichteter Dinge zu Otto zurückkehrte [71, Kap.- XI, S.-181-182]. Otto selbst blieb jedoch vom Scheitern Liudprands unbeeindruckt und arrangierte im Jahr 972 die Vermählung seines gleichnamigen Sohns und Mitimperators mit der aus einer Nebenlinie der imperialen Verwandtengruppe in Byzanz stammenden Prinzessin Theophanu (gest. 991). Mit ihrer Zustimmung zu diesem Arrangement dokumentierte die byzantinische Verwaltung ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Imperator aus dem Westen, wenngleich sie damals noch nicht zur Anerkennung der Gleichheit des Rangs der beiden Imperatoren bereit war. Denn Theophanu war nicht „in Purpur geboren“, das heißt, sie war nicht Tochter eines herrschenden Imperators, sondern dessen Nichte, und stammte somit nicht aus der engsten imperialen Verwandtengruppe in Byzanz. Im Westen interessierten sich Otto I. und Otto II. für diese Feinheiten nicht. Otto II. (973 - 983) stattete seine Gemahlin mit einer überaus reichen Mitgift aus und ließ darüber eine purpurfarbene Prunkurkunde anfertigen [87]. Theophanu scheint diese Urkunde im Hauskloster der Ottonen in Gandersheim aufbewahrt zu haben. Jedenfalls lag sie dort noch im 17.- Jahrhundert. Als Otto II. seinem Vater nachfolgte, gebrauchte er für sich den vollen Titel eines Imperators der Römer, ohne dass damals aus Byzanz Einwände kamen. Die beiden Imperatoren unterhielten seither auch in byzantinischer Sicht ihre Beziehungen auf der Basis der Anerkennung der Gleichrangigkeit. Daran änderte sich bis ins 13.- Jahrhundert nichts. Der Wahrnehmung des römischen Imperium als politische und rechtliche Einheit tat diese Anerkennung keinen Abbruch. Der Imperator und die Welt 73 Der Imperator und die Welt An der Jahrtausendwende ließ Otto III (983 - 1002), Sohn Ottos II. und der Theophanu, die am römischen Imperium hängende und von Byzanz in den Westen ausstrahlende Ideologie der Weltherrschaft erneut wirkungsvoll im Zeremoniell zum Ausdruck bringen. Bis in das Jahr 995 führten für den minderjährigen, erst 980 geborenen Imperator zunächst dessen Mutter Theophanu, nach deren Tod dessen Großmutter Adelheid von Burgund (931 - 999) die Regentschaft. Für das Jahr 996 ist dann die Wiederaufnahme der Verbindung des Imperatormit dem Augustus-Titels in Urkunden belegt, die im Namen Ottos III. ausgefertigt wurden. Aber Otto III. knüpfte nicht nur in der Titelwahl an Karl I. an, sondern stellte auch eine gewissermaßen persönliche Beziehung zwischen sich selbst und dem längst verstorbenen Imperator her. Dazu griff er zu einem Mittel, das schon Zeitgenossen als unangemessen empfanden. Während eines Besuchs in Aachen ließ Otto III. das Grab Karls in der dortigen Marienkirche öffnen und betrachtete dessen leibliche Überreste. Offenbar entnahm er sogar keine Teile des Leichnams und führte sie mit sich [116, Kap.-IV/ 47, S.-185-186]. Die Marienkirche bedachte er mit reichen Schenkungen [2, Kap.- 4, S.- 684]. Auch versuchte er, sich als Förderer der katholischen Mission zu präsentieren, zog mit viel Pomp genau im Jahr 1000 zu Gesprächen mit dem polnischen „Dux“ Boleslaw Chrobry (967 - 1025) nach Gnesen und ließ dort ein mit der Mission beauftragtes Erzbistum gründen [116, Kap.-IV/ 45, S.-182-184]. In seinem Hof führte er zum Verdruss vieler seiner engeren Gefolgsleute ein neues Zeremoniell ein, das der in Byzanz geräuchlichen Praxis nachempfunden war. Als besonders anstößig empfanden die Gefolgsleute Ottos Entscheidung, getrennt von ihnen an einem besonderen Tisch zu speisen, der auf eine höhere Ebene als der Tisch der Gefolgsleute gestellt war [116, Kap.-IV/ 47, S.-185-186]. Otto ließ dadurch die soziale Distanz markieren, die zwischen ihm selbst, nunmehr als Imperator der Römer, und den übrigen Menschen selbst in seinem engsten Gefolge bestehen sollte. Die Erhabenheit seiner Stellung über derjenigen aller anderen Menschen ließ Otto III. auch in Bildern von ihm als Herrscher der Welt dokumenieren. Eines dieser Bilder schufen Künstler in einem Kloster auf der Insel Reichenau und brachten es in eine Handschrift des Werks des jüdischen Historiker Flavius Josephus (um 37 - um 100) ein. Es zeigt Otto auf dem Thron mit Krone, in den Händen die Sphaira oder den Apfel sowie den Stab als Insignien des Imperium. Die Sphaira ist verziert mit einem Kreuz und gibt sich dadurch als Abbild der Welt als künftig christlicher Globus zu erkennen. Der dargestellte Imperator trug also den Globus in der Hand. In Bildern des 11.-Jahrhunderts ist die Sphaira dann statt mit einem Kreuz mit einem T versehen. Dieser Buchstabe diente als oft benutztes schematisches Mittel zur Teilung der Welt in die drei Kontinente von Afrika, Asien und Europa, insbesondere in Handschriften der Enzyklopädie des Isidor von Sevilla. Asien lag in lateinisch sprachigen Handschriften üblicherweise in der oberen Hälfte des Globus, Afrika und Europa machten jeweils ein Viertel des Globus aus und bildeten zusammen dessen untere Hälfte. Der Balken des T als Trennlinie zwischen Asien einerseits, Afrika und Europa andererseits, stand für den Nil sowie zusammengefassten Flussläufe der Wolga, des Don und des Dnjepr. Der Schaft des T stand für das Mittelmeer als Zone, die Afrika von Europa trennt. Die T-Karten, die den Osten oben zeigten, präsentierten die Welt als ganze ohne menschengemachte Grenzen, mithin als Einheit unter der alleinigen Kontrolle des Weltherrschers. In Byzanz pflegten Gelehrte denselben Weltkartentyp, jedoch nicht mit dem Osten, sondern mit dem Norden oben [65]. Die Sphaira als Abbild des Globus, das schon Caesar benutzt hatte, diente auch im 9.-Jahrhundert als Symbol der Herrschaft über die Welt in einer Statuette des Imperators Karl mit ihr in der linken Hand. Als Zeichen für den Anspruch auf Weltherrschaft konnte die Sphaira nicht nur im Bild dargestellt, sondern auch als Realie geformt sein [103]. Es ist also zutreffend, Otto III. das Bestreben zu unterstellen, als Nachkomme des westlichen und des öst- 74 Das Ganze und die Teile Abb. III: Otto III. als Imperator der Welt, 996/ 1000 Bamberg, Staatsbibliothek, Class. 79, fol. 1a r Der Imperator und die Welt 75 Abb. IV: Der Imperator als Weltherrscher Lambert von Saint Omer, Liber floridus, 12.-Jahrhundert Gent, Universitetsbibliotheek, BHSL. HS. 0092, fol. 138 v 76 Das Ganze und die Teile lichen Imperators der Römer das römische Imperium in seiner Hand zu vereinigen und damit die Ideologie der Weltherrschaft zu erneuern [33]. Das Bestreben blieb unerfüllt, da Otto bereits im Alter von 22 Jahren verstarb. Zusammenfassung Die große Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens bestand über das 5.-Jahrhundert hinaus fort, nicht nur im Mittelmeerraum, sondern auch in Ostasien. In China schrieb während des 7.-Jahrhunderts Li Jing in seinem Kriegshandbuch die älteren strategischen Werke fort [42, S.-192-195]. Während der Sung-Zeit (960 - 1279) entstand der Kanon der sieben klassischen militärtheoretischen Schriften, die aus der Frühling- und Herbst-Periode und schon aus früheren Zeiten überliefert waren. Dieser Kanon blieb bis in das 20.-Jahrhundert als Sammlung von Regeln des Rechts des Kriegs sowie von Anweisungen für Strategie und Taktik bestehen [100, S.-17]. Ebenfalls in die Sung-Zeit datiert die Rezeption des konfuzianischen Schrifttums, das die Grundlagen der Herrschaft wie auch der zwischengemeinschaftlichen Beziehungen nach Maßgabe des Zeremoniells bestimmte. Der Zeitraum zwischen dem 6. und dem 11.-Jahrhundert galt rückblickenden Generationen des 19. und des 20.-Jahrhunderts als dunkle Epoche, im Englischen ist gar noch immer „Dark Ages“ als wissenschaftliche Bezeichnung in Gebrauch [48]. Die Rede von der angeblich „dunklen Jahrhunderten“ als Signum der Epoche reflektierte den in der Retrospektive verfestigten Eindruck, als hätten Krieg, Unsicherheit und Instabilität den Zeitraum geprägt. Zahlreiche „Gentes“ seien, als wären sie ganze Völker gewesen, in und durch das römische Imperium gezogen, glaubten Gelehrte schon im 16.-Jahrhundert. Einer von ihnen, der Wiener Mediziner Wolfgang Lazius (1514 - 1565), prägte dafür im Jahr 1555 die Bezeichnung „Migratio gentium“, Völkerwanderung [68]. Diese vermeintlich wandernden Völker hätten das römische Imperium zum Einsturz gebracht und damit die ganze Alte Welt ausgelöscht. Die „Wanderungen“ angeblich ganzer Völker hätten eine neue Epoche eingeleitet, für die schon im 16.-Jahrhundert das Wort „Mittelalter“ aufkam [80]. Die angeblich massenhafte Migration habe diese Zeit als Epoche des Kriegs geprägt [84, S.-160-177]. Die Geschichte des Rechts des Kriegs und des Friedens zeigt, dass weder von einem Zusammenbruch des römischen Imperium nach der Aufgabe Roms als Residenz der Imperatoren in den Jahren 476 und 481 noch von einer besonders ausgeprägten Kriegswilligkeit die Rede sein kann. Zwar gab es viele Gentes und viele von ihnen konnten weit und sogar über längere Zeiträume migrieren. Aber hinter diesen Gentes verbargen sich unterschiedliche Typen von Gruppen, von herrscherlichen Verwandtengruppen bis zur Gesamtbewohnerschaft des römischen Imperium. Die meisten der migrierenden Gentes waren offenbar kleinere Gruppen. Erst im 8.- Jahrhundert vereinheitlichte sich der Begriff der Gens zu dem einer Gruppe, die als Siedler unter der Kontrolle eines Herrschers auf grob umgrenzten Land lebten. Anders gesagt: aus den Gentes wurden Völker erst zu dem Zeitpunkt, zu dem sie nicht mehr über weite Strecken und längere Zeiträume migrierten. Dass diese Migrationen nicht immer friedlich abliefen, versteht sich. Aber von einer ausgeprägten Rauflust der Gentes, die stets nur eine Spur der Zerstörung hinterlassen hätten, ist in zeitnahen Quellen nichts bekannt. Das Recht des Kriegs und des Friedens erschließt sich jedoch für den Zeitraum zwischen dem 6. und dem 11.- Jahrhundert nur für den arabischen Sprachraum aus einer im Medium der Schrift niedergelegten Theorie. Dort war es bereits im 8.-Jahrhundert Gegenstand wissenschaftlicher Erörterungen, die auf der Basis des Koran zur Formulierung von Rechtssätzen führten. Nach diesen Rechtssätzen galt das Recht des Kriegs und des Friedens wie schon im Alten Vorderen Orient, bei den Griechen und den Römern zwar als gebunden an religiöse Glaubensleh- Literaturnachweise 77 ren. Aber diese Bindung schloss nicht aus, dass rechtliche Verpflichtungen auch zwischen Muslimen und Andersgläubigen als bindend betrachtet wurden. So konnte einerseits die Rechtstheorie vorschreiben, dass zwischen Muslimen und Andersgläubigen grundsätzlich Krieg herrsche. Aber andererseits konnte auch eine Pflichtenlehre für Krieger bestehen, die nicht nur die Bedingungen für den Beginn eines Kriegs zwischen Muslimen und Andersgläubigen, sondern auch den Schutz der Nicht-Kombattanten jedweder Kriegspartei gebot. Krieg bedeutete nach dieser Lehre keinen Zustand der Rechtlosigkeit und entband niemanden von der Pflicht, eingegangene Verträge zu halten. Das Recht des Kriegs und des Friedens galt in muslimischer Sicht also für alle Menschen. Im Islam bestand somit schon früh ein rechtstheoretischer Rahmen, der für den Fall interreligiöser Konflikte die darin zu beachtenden Rechtssätze bereitstellte. Zu größeren Konflikten kam es jedoch zwischen Christen und Muslimen bis zum Ende des 10.-Jahrhunderts nicht. Im Gegenteil, Religionsgrenzen bildeten nicht überall Kulturgrenzen und verhinderten nicht das Fortbestehen mannigfaltiger Beziehungen zwischen christlichen und muslimischen Gemeinschaften. Auf christlicher Seite bildete sich jedoch vorerst keine explizite Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens aus, die über diejenigen Grundlagen der Begriffsbildung hinausging, welche Cicero und römische Juristen gelegt hatten. Was in der Christenheit jeweils als Rechtssatz des Kriegs und des Friedens galt, lässt sich also zumeist nur aus dem praktischen Handeln in Krieg und Frieden erschließen. Diese Rekonstruktionen führen zu Rechtssätzen, die wie beispielsweise bei Isidor von Sevilla von denen früherer Zeiten nicht wesentlich abwichen. Das Recht des Kriegs und des Friedens blieb ein notwendiges Instrument zur Regelung von Beziehungen zwischen unterschiedlichen politischen und Religionsgemeinschaften. Auch wenn die imperiale Verwaltung in Byzanz behauptete, einen gerechten Krieg könnten nur die römischen Imperatoren führen, war doch im Zeitraum zwischen dem 6. und dem 11.-Jahrhundert wie schon in früheren Zeiten das Recht des Kriegs und des Friedens wahrgenommen als das über diesen Gemeinschaften stehende, in religiöse Glaubenslehren eingebundene Recht. 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Hinkmar, Erzbischof von Rheims: De regis persona et regio ministerio ad Carolem Calvum Regem, in: PL 125, Sp.-833-856. 47. Hlothhere, König von Kent: [Schenkung an Abt Bercuald, über Land auf der Insel Thanet, an dem Ort Westanæ, AD 679], hrsg. von Walter de Gray Birch, Cartularium Saxonicum, Bd-1, Nr-45. London 1885, S.-70-71 [Nachdruck. New York 1964]. 48. Hodges, Richard: Dark Ages Economics. London 1982 [2.-Aufl. London 1989; Nachdruck. Bristol 2012]. 80 Das Ganze und die Teile 49. Hrabanus Maurus, Erzbischof von Mainz: De universo libri viginti duo, in: PL 111, Sp.-9-614. 50. Hugeburc: Hodoeporicon Sancti Willibaldi, hrsg. von Oswald Holder-Egger, in: Monumenta Germaniae Historiae Scriptores, Bd-15. Hannover 1888, S.-80-117. 51. Ine, König von Wessex: Gesetze, hrsg. von Felix Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen, Bd-1. Halle 1903, S.-89-123 [Nachdruck. Aalen 1960]. 52. Isidor von Sevilla: Etymologiarvm sive originvm libri XX, hrsg. von Wallace Martin Lindsay. Oxford 1911. 53. 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Ludwig der Fromme: Pactum Hludowici Pii cum Paschali Pontifice [817], hrsg. von Alfred Boretius, Capitularia regum Francorum, Bd-1 (Monumenta Germaniae Historica Capitularia, 1). Hannover 1883, S.-352-355. 75. Marcus Graecus: Liber ignium ad comburendos hostes, hrsg. von François Jean Gabriel de La Porte du Theil. Paris 1804. 76. Maxims I, hrsg. von George Krapp und Elliott van Kirk Dobbie, The Exeter Book (Anglo-Saxon Poetic Records, 3). New York und London 1936, S.-156-163. 77. Mössner, Jörg Manfred: Die Völkerrechtspersönlicheit und die Völkerrechtspraxis der Barbareskenstaaten (Algier, Tripolis, Tunis, 1518 - 1830) (Neue Kölner rechtswissenschaftliche Abhandlungen, 58). Berlin 1968. 78. Morillo, Stephen, Jeremy Black and Paul Lococo: War in World History. Society, Technology and War from Ancient Times to the Present, 2 Bde. Boston 2009. 79. Muranyi, Miklos: Die Auslieferungsklausel des Vertrages von al-Hudaibiya und ihre Folgen, in: Arabica 23 (1976), S.-275-295. 80. 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Ulfilas: Ulfilas oder die uns erhaltenen Denkmäler der gotischen Sprache, hrsg. von Friedrich Ludwig Stamm. Nachdruck. Essen 1984 [zuerst. Paderborn 1865]. Literaturnachweise 83 118. Vertrag römisches Imperium (Byzanz) - Fürst Oleg von Kiev, 8. / 14.-September 911, in: Laurentius-Chronik zu 6420, 32; Regest in: Franz Dölger, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von 565 bis 1453, Nr-549, Bd-1. München 1924, S.-32 [2.-Aufl., hrsg. von Andreas E. Müller (Corpus der griechischen Urkunden des Mittelalters und der Neuzeit, Reihe A, Abt. 1). München 2009]. Übersetzung in: Manfred Hellmann, Die Handelsverträge des 10.-Jahrhunderts zwischen Kiev und Byzanz, in: Klaus Düwel, Herbert Jankuhn, Harald Siems und Dieter Timpe (Hrsg.), Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Philol.-Hist. Kl., 3. F., Bd-156). Göttingen 1987, S.-656-666. 119. 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München 2009]; Übersetzung in: Manfred Hellmann, Die Handelsverträge des 10.-Jahrhunderts zwischen Kiev und Byzanz, in: Klaus Düwel, Herbert Jankuhn, Harald Siems und Dieter Timpe (Hrsg.), Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttinegn. Philol.-Hist. Kl., 3. F., Bd-156). Göttingen 1987, S.-656-666. 121. Vertrag römisches Imperium (Byzanz) - Fürst Svjatoslav von Kiev, Juli 971, in: Leon Diakonos, Historiai, Buch IX, Kap.- 10, 155; Regest in: Franz Dölger, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von 565 bis 1453, Nr-739, Bd-1. München 1924, S.-144 [2.-Aufl., hrsg. von Andreas E. Müller (Corpus der griechischen Urkunden des Mittelalters und der Neuzeit, Reihe A, Abt. 1). München 2009]; Übersetzung in: Manfred Hellmann, Die Handelsverträge des 10.-Jahrhunderts zwischen Kiev und Byzanz, in: Klaus Düwel, Herbert Jankuhn, Harald Siems und Dieter Timpe (Hrsg.), Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Philol.-Hist. Kl., 3. F., Bd-156). Göttingen 1987, S.-656-666. 122. Vita Johanns von Gorze: hrsg. von Georg Heinrich Pertz, in: Monumenta Germaniae Historica. Scriptores; Bd-4. Hannover 1841, S.-344-350. 123. Weibull, Curt: Die Geaten des Beowulf und die dänischen Trelleburgen (Acta Regiae Societatis Scientiarum et Litterarum Gothoburgensis. Humaniora 10). Göteborg 1974. 124. Weimann, Klaus: Der Friede im Altenglischen. Eine bezeichnungsgeschichtliche Untersuchung. Phil. Diss., masch. Bonn 1966. 125. Wenskus, Reinhard: Zum Problem der Ansippung, in: Helmut Birkhan (Hrsg.), Festgabe für Otto Höfler zum 75. 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Wife’s Lament, The: hrsg. von George Krapp und Elliott van Kirk Dobbie, The Exeter Book (Anglo-Saxon Poetic Records, 3). New York und London 1936, S.-210-211. 130. Wihtred von Kent: Gesetze, hrsg. von Felix Liebermann, Die Gesetze der Angelsachsen, Bd- 1. Halle 1903, S.-12-14 [Nachdruck. Aalen 1960]. 131. Williams, Howard M. R.: Death, Memory and Time. A Consideration of the Mortuary Practice at Sutton Hoo, in: Chris Humphrey und W. M. Ormrod (Hrsg.), Time in the Medieval World. York 2001, S.-35-71. 132. Williams, Howard M. R.: Cemeteries as Central Places. Place and Identity in Migration Period Eastern England, in: Brigitta Hårdh und Lars Larsson (Hrsg.), Central Places in the Migration and Merovingian Periods (Uppåkrastudier, 6). Stockholm 2002, S.-341-362. 133. Wolfram, Herwig: Theogonie, Ethnogenese und ein kompromittierter Großvater im Stammbaum Theoderichs des Großen, in: Kurt-Ulrich Jäschke und Reinhard Wenskus (Hrsg.), Festschrift für Helmut Beumann. 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Das Problem, unter welchen Bedingungen Herrschaftsträger rechtmäßig sein und religiöse Instanzen in legitimer Weise über das Führen eines gerechten Kriegs würden entscheiden können, kam nicht auf, da innerhalb der großen Tradition das Recht des Kriegs und des Friedens stets gebunden blieb an religiöse Glaubenslehren, die jeweils innerhalb einer theologischen Dogmatik allgemein gültig erschienen. Die Unterschiedlichkeit der Dogmatiken, die in Einzelfragen nur für Angehörige bestimmter Glaubensgemeinschaften gültig waren, hatte keinen Einfluss auf die allen diesen Dogmatiken gemeinsame, grundlegende Überzeugung, dass über die Gerechtigkeit eines Kriegs nach Maßgabe religiöser Glaubenslehren zu urteilen sei. Seit dem 11.-Jahrhundert nahm in der lateinischen Christenheit, und zunächst nur dort, die Gewissheit ab, dass die aus der christlichen Theologie abgeleiteten Sätze des Rechts des Kriegs und des Friedens ohne weiteres für die Menschheit insgesamt als gültig vorausgesetzt werden könnten und dass alle Träger legitimer Herrschaft als solche bereits zum Führen gerechter Kriege befugt seien. Die Gründe dafür, dass in der lateinischen Christenheit Fragen zu den Grundlagen des Rechts des Kriegs und des Friedens aufkamen, waren komplex und wirkten nicht nur auf dieses Recht, sondern tief in die Ordnungen politischer Gemeinschaften sowie die Wahrnehmung der Ordnung der Welt hinein. Sie können hier nur in ihren Wirkungen auf das Recht des Kriegs und des Friedens zur Darstellung kommen. Einige Gründe sind schon in früheren Jahrhunderten erkennbar, ohne dass sie die große Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens in Frage gestellt hätten. Einer dieser Gründe besteht in der großen Zahl von Herrschaftsträgern, die für sich selbst das Recht zum Führen von gerechten Krieg beanspruchten, dabei aber auf den Widerstand anderer Herrschaftsträger stießen. Erkennbar ist dieser Konflikt bereits in dem schon besprochenen Gesetz Ines von Wessex aus dem Jahr 694 [85, §-13,1, S.-94]. Dieses Gesetz scheint auf den Versuch Ines zu deuten, die Berechtigung zum Führen von Kriegen auf diejenigen Herrschaftsträger einzugrenzen, die selbständig in der Lage waren, mehr als 35 Krieger gleichzeitig aufzubieten. Diese Zahl scheint, absolut gesehen, gering, ist aber in Relation zu den damals im allgemeinen kleinen Heeresaufgeboten zu setzen. Denn wenn ein Heeresaufgebot üblicherweise aus 200 bis 300 Kriegern bestand [128, S.-180-181], ist die Zahl von 35 keineswegs geringfügig. Doch Ines Gesetz war in seiner Zeit ein Einzelfall, über dessen Umsetzung in die Praxis der Kriegführung nichts bekannt ist. Besser bekannt ist das Streben nach Selbständigkeit aus derselben Zeit im kirchlichen Bereich. In der katholischen Kirche entstanden vornehmlich seit dem 6.- Jahrhundert Klostergemeinschaften, von denen sich einige der Kontrolle durch den für sie zuständigen Bischof entziehen konnten. Das gelang ihnen durch Privilegien der Päpste, die sich selbst die alleinige direkte 86 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) Aufsicht über diese Klöster vorbehielten. Klöster waren Schwurgemeinschaften von Mönchen und Nonnen, die sich durch Gelübde bestimmten, üblicherweise schriftlich formulierten Regeln der Lebensführung unterwarfen. Klöster konnten sich zu größeren Gemeinschaften zusammenschließen, die nach denselben Regeln zu leben gelobten. Für diese größeren Gemeinschaften kam schon im 6.-Jahrhundert das lateinische Wort Ordo in Gebrauch, das auf das unbefristete und nicht hinterfragbare Bestehen der anerkannten Ordnung sowohl einer Klostergemeinschaft wie auch der Welt als ganzer verwies. Das lateinische Wort Ordo fand Eingang in die europäischen Volkssprachen, im Deutschen als Orden und Ordnung, im Englischen als Order. Die Orden waren zunächst selbständige Gemeinschaften, die für sich einen Ort in der Ordnung der Welt bestimmten. Für den Fall, dass ihnen das Privileg der Unterstellung unter keinen anderen kirchlichen Herrn als den Papst gelang, stand ihnen nicht nur die Selbständigkeit gegenüber einem Bischof offen, sondern auch die Möglichkeit, ihre Klöster zu Zentren weltlicher Herrschaft auszubauen oder einen Orden auch ohne Bindung an klösterliche Lebensordnungen zu bilden. Der Ausbau der Klöster zu Trägern weltlicher Herrschaft begann im 8.-Jahrhundert, geistliche Orden ohne Bindung an Klöster entstanden zuerst im 11.- Jahrhundert. Insbesondere in Süddeutschland und im Alpenraum, aber nicht nur dort, erhielten zahlreiche Klöster den Status eigenständiger Herrschaft, von Fulda, Sankt Gallen und Quedlinburg bis zu Buchau bei Biberach. Die Schwurgemeinschaft als Modell der selbständigen Gemeinschaft war nicht auf den kirchlichen Bereich beschränkt. Außerhalb der katholischen Kirche sind Schwurgemeinschaften bereits im 8.-Jahrhundert bezeugt, standen jedoch in zweifelhaftem Ruf. Denn sie galten als Gruppen, deren Angehörige sich keineswegs nur zu honorigen Zwecken zusammenfanden und häufig schlichtweg Kriminelles im Sinn hatten. Deswegen gerieten sie ins Visier herrscherlicher Gesetzgebung, die das Treiben dieser angeblichen Banden unterbinden sollte [78; 129]. Ob dieser Eindruck immer zutraf, ist schwer zu ermitteln, da auch einige derjenigen skandinavischen Kaufleute in Schwurgemeinschaften zusammengeschlossen gewesen zu sein scheinen, die während des 9., 10. und 11.-Jahrhunderts im Nordseeraum, im westlichen Europa sowie in Bagdad legal Handel trieben [70; 79; 93; 112; 125]. Seit dem 11.-Jahrhundert traten diese Kaufleute häufiger als Gilden in Erscheinung, die an örtlichen Märkten und Messen zusammenkamen [2; 95]. Seit dieser Zeit, insbesondere in Oberitalien, fügten sich Gilden von Kaufleuten und die ebenfalls entstehenden Zünfte von Handwerkern als örtlichen Warenproduzenten zu Gemeinschaften zusammen, die die Herrschaft über Städte als Orte der Warenproduktion und des Handels erstreben und dadurch die Städte in selbständige politische Gemeinschaften verwandeln wollten. Dieses Ziel erreichten sie entweder durch förmliches Privileg eines anderen Herrschaftsträgers, der die Selbständigkeit einer Stadt bestätigte, wie etwa Freiburg im Breisgau zu Beginn des 12.-Jahrhunderts [102, Nr-133], oder durch langsame, sukzessive Erwerbung verschiedener auf Warenproduktion, Handel sowie die Ordnung der Gemeinschaft bezogenen Rechte. Die Bündelung dieser Rechte, wie etwa das Markt- oder das Münzrecht, konnte die faktische Selbständigkeit einer Stadt als politische Gemeinschaft bewirken. Unter den etwa 4000 Städten, die in der lateinischen Christenheit zwischen etwa 1000 und etwa 1450 bestanden, gab es insbesondere in Oberitalien, im deutschen Sprachgebiet und in den Niederlanden zahlreiche derartige selbständige politische Gemeinschaften, die als Herrschaftsträger eigenen Rechts zu handeln befugt waren und zumeist diese Befugnis auch militärisch nutzten. Anders als die klösterlichen Gemeinschaften unterstanden die Bewohner der Städte zwar keinem ausdrücklichen Gelübde, das sie bestimmten Regeln der Lebensführung unterwarf. Aber auch die Bewohner der Städte verpflichteten sich zur Anerkennung der Herrschaft des Rechts, das sie für ihre Stadt als gültig anerkannt hatten. Das Recht einer Stadt war in der Regel schriftlich fixiert und konnte, wie bei den klösterlichen Orden, von mehreren Städten anerkannt werden. Das Stadtrecht bestimmte die Stadt als Teil der allgemeinen Ordnung der Welt. Herrschaft über die Stadt konnte ab dem 14.-Jahrhundert zum Modell für Herrschaft allgemein werden [97, Ansprüche auf Selbständigkeit 87 Kap.-1, S.-23; 119]. Viele Städte gaben ihre Selbständigkeit durch ihr Erscheinungsbild zu erkennen. Nach dem Vorbild der römischen Städte ließen viele städtische Herrschaftsträger die ihnen unterstellten Kernsiedlungen mit Mauern, gelegentlich mit Erdwällen, als Befestigungen gegen äußere Feinde umgeben. Darin ähnelten die Städte den zeitgleich aufkommenden befestigten Residenzen adliger Herren. Diese begannen an der Wende zum 11.-Jahrhundert, ihre Residenzen außerhalb der landwirtschaftlich geprägten Siedlungen auf Anhöhen zu errichten, wo die Landschaft es gestattete, und mit Mauern zu umgeben. Diese befestigten Residenzen dienten als Zentren der Herrschaft über nahe gelegene Bauerndörfer. Für die adligen Residenzen kam die ältere, schon im 8.-Jahrhundert gängig gewesene Bezeichnung Burg in Gebrauch, die zunächst auch für Städte verwendet wurde [186]. Städte waren mithin Burgen, aber nicht alle Burgen waren Städte. Manche Städte entstanden am Fuß einer Adelsburg, die wie in Tübingen durch eine Mauer von der Stadt abgetrennt war, oder wie in Blankenburg, mit der Stadt einen gemeinsamen Bezirk bildete. Andere Städte, wie etwa Hamburg, trugen zwar die Bezeichnung Burg im Namen, waren aber Gemeinschaften aus Kaufleuten und Warenproduzenten ohne Bezug auf adlige Herrschaftsträger. Das Verhältnis zwischen den selbständigen Städten und adligen Herrschaftsträgern in ihrer näheren oder auch weiteren Umgebung konnte konfliktreich und von Kriegen geprägt sein. Insbesondere große Städte der Deutschen Hanse wie etwa Hamburg, Lübeck oder Köln, sowie Frankfurt und Nürnberg lagen oft mit adligen Herrschaftsträgern im Clinch und nahmen ihre Befugnis zum Führen gerechter Kriege auch gegen Herrscher über größere Gebiete wie etwa Dänemark wahr. Die Kaufleute aus den Städten der lateinischen Christenheit waren für ihre Handelstätigkeit in Netzwerke eingebunden, die wesentliche Teile des eurasiatisch-afrikanischen Kontinentalblocks umspannten, in das Innere Westafrikas wie auch bis nach Ostasien reichten. Einige Kaufleute unternahmen weite Reisen zu entfernten Märkten. Unter ihnen wurde die Familie Polo aus Venedig berühmt, die am Ende des 13.-Jahrhunderts 25 Jahre nach und in China unterwegs war. Marco Polo (um 1254 - 1324), ein Mitglied der Reisegruppe, gehörte zu den wenigen Kaufleuten, die ihre Erfahrungen nicht nur als Betriebsgeheimnis innerhalb ihrer Gilde weitergaben, sondern in Schriftform niederlegen ließen und damit allgemein zugänglich machten [141]. Marco Polo schilderte detailreich den Weg, den die Gruppe nach China gegangen war, und berichtete über seine Tätigkeit in China. Er erwähnte auch eine Insel namens Zipangu vor der Ostküste Asiens und verortete sie ungefähr an der Stelle, an der in lateinischen Weltkarten das Paradies eingezeichnet zu sein pflegte [141, S.-161-165]. In dem Handelsnetzwerk diente Kairo als zentraler Markt, wo sich die Handelwege zwischen Europa, Asien und Afrika kreuzten, und ebenso als Börse für Nachrichten aus allen Teilen der trikontinentalen Welt aus Afrika, Asien und Europa. Offenbar ebenfalls an der Wende zum 11.-Jahrhundert begannen die adligen Herrschaftsträger sich als spezifischen Ordo zu begreifen. Diesen leiteten sie jedoch nicht aus dem Modell der Schwurgemeinschaft ab, nahmen also nicht an, dass Angehörige ihres Ordo aus freier Entscheidung würden in diesen Ordo eintreten können. Hingegen führten sie ihren Ordo direkt auf göttlichen Willen zurück, in dem auch die Ansprüche auf Eigenständigkeit der Herrschaft der Adligen ihren Ursprung haben sollten. Der Ordo der Adligen diente daher als Ideologie zur Begründung von Adelsherrschaft als unveränderlichem Bestandteil der gottgewollten Ordnung der Welt. Adlige zogen aus dieser Ideolgie den Schluss, dass die Zugehörigkeit zu ihrem Ordo allein durch Geburt erworben werden könne, in der Regel mithin nicht durch einen förmlichen Aufnahmeakt. Für diese Ideologie der Ableitung adliger Herrschaftsprivilegien, einschließlich des Rechts zum Führen gerechter Kriege, griffen an der Wende zum 11.-Jahrhundert Theologen [3, VV. 296-299, S.-22; 5, Hirtenbriefe, S.-225-226; 6, S.-71-72] auf eine schon im 8.-Jahrhundert belegte schematische Klassifizierung der sozialen Ordnung der Menschheit in die drei Ordines der Priester, Krieger und Bauern zurück [27; 39; 130]. Für diese spezielle Bedeutung des Ordo 88 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) kam auch das lateinische Wort Status auf. Es bezeichnete etwas, das Bestand zu haben schien, und diente somit als Ausdruck für den Anspruch, dass die Dreiteilung der Menschheit zu den unveränderbaren Eigenschaften der gottgewollten Weltordnung gehöre. In den europäischen Volkssprachen leiteten sich aus dem lateinischen Wort Status beispielsweise das französische État, das englische Estate sowie das englische State, das deutsche Staat ab. Im Deutschen kam die Lehnbildung Stand hinzu. Der „Kriegsstaat“ war folglich anfänglich der Ordo der Krieger als adliger privilegierter Stand, dessen Zugang durch Geburt besimmt sein sollte. Hauptsächliches Privileg des „Kriegsstaats“ war daher der Anspruch adliger Krieger auf selbständige Herrschaft mit der Befugnis, aus eigener Entscheidung gerechte Kriege führen zu können. Diese privilegierten Krieger mussten nun von anderen Kriegern unterscheidbar sein, die im herrscherlichen Auftrag Waffen führten, also nicht aus eigenem Recht die Entscheidung über den Beginn gerechter Kriege treffen durften. Damit diese Unterscheidung gewährleistet werden konnte, entstand ebenfalls im 11.-Jahrhundert eine hauptsächlich literarisch überlieferte Kriegerethik, die die Angehörigen des adligen „Kriegsstaats“ als besonders strengen moralischen Pflichten unterworfen darstellte. Im Sinn dieser Kriegerethik, die den Grundsatz der Bereitschaft zum Dienst und zur Beachtung der Ehre der Standesangehörigen zum Ausdruck brachte, galten die ihr folgenden adligen Krieger als „Ritter“. Das Wort bezeichnete ursprünglich Krieger als Berittene, die durch die Fähigkeit zur Kriegführung in schwerer Rüstung und hoch zu Ross von dem nicht-adligen Fußvolk abgehoben waren. Die Bindung des Rittertums an die Fähigkeit zum Kampf zu Pferd schwächte sich jedoch seit dem 14.-Jahrhundert ab. Ritter konnten sich, wie Mönche, zunächst für bestimmte kriegerische Unternehmen, dann auch auf Dauer, zu geistlichen Orden zusammenschließen. Diese geistlichen Ritterorden kamen am Ende des 11.-Jahrhunderts zuerst zustande und verfestigten sich seit dem 13.-Jahrhundert zu politischen Gemeinschaften, die auf Dauer angelegt waren und eigene Herrschaftsrechte über Land und dessen Bewohner erwerben konnten [52]. Diese verschiedenen Typen von Trägern weltlicher Herrschaft traten zu denjenigen Herrschern hinzu, die bereits seit dem 7. und 8.-Jahrhundert als Reges größere oder kleinere Gebiete mit den dort siedelnden Gentes als Bevölkerungsgruppen kontrollierten. Die Zahl derjenigen Herrscher, die den Titel Rex führten, nahm seit dem 10.-Jahrhundert wieder zu. Öfter kamen für die lateinische Sprachform dieses Titels seit dem 11.- Jahrhundert auch volkssprachliche Wendungen wie etwa das deutsche König in Gebrauch. Die Gebiete, die nunmehr unter der Kontrolle von Reges oder Königen standen, konnten innerhalb des römischen Imperium liegen, wie etwa Böhmen, oder sie konnten als Gebiete außerhalb des römischen Imperium gelten wie etwa diejenigen, die unter der Herrschaft der Könige von Schottland, Polen, Ungarn, Sizilien, Portugal, Aragón und Kastilien standen. Diese füllten nun die Ränge der wenigen, aus der Zeit vor dem 11.-Jahrhundert fortbestehenden Königsherrschaften wie Dänemark, Schweden, England und Frankreich auf. Auch ein Amt des Rex Romanorum entstand im 11.- Jahrhundert neben dem römischen Imperator wie es auch zu einem Regnum Teutonicorum, einer Königsherrschaft der Deutschen kam [92]. Dessen Gebiet war teilidentisch mit dem Gebiet, über das der römische Imperator Herrschaft trug. Nimmt man die neu entstehenden Königsherrschaften mit den bereits vor dem 11.-Jahrhundert errichteten zusammen, so ergibt sich, dass spätestens seit dem 12.- Jahrhundert das römische Imperium als faktisch begrenzt gelten musste durch die es im Westen, Norden und Osten umgebenden Königsherrschaften. Da in derselben Zeit auch Königsherrschaften auf dem Boden des römischen Imperium bestanden, musste die Frage aufkommen, nach welchen Rechtsregeln die Beziehungen zwischen dem römischen Imperator und der Vielzahl der Reges oder Könige zu gestalten sei und ob zwischen dem Imperator mit dessen Anspruch auf Weltherrschaft und den Königen als Herrschern über größere oder kleinere Gebiete ein Rangunterschied bestehen solle. Weltherrschaftsansprüche und ius ad bellum 89 Weltherrschaftsansprüche und das Recht zum Krieg (ius ad bellum) Diesen zahlreichen Trägern weltlicher Herrschaft standen aber in der lateinischen Christenheit nach wie vor der römische Imperator und für das griechische Christentum der römische Imperator in Byzanz mit unverändertem Anspruch auf Weltherrschaft voran. Beide Kirchen trennten sich im Jahr 1054 durch wechselseitige Exkommunkation der Angehörigen der jeweils anderen Glaubensgemeinschaft. Als innerkirchliche Maßnahme hatte dieser Schritt zwar keine unmittelbare Wirkung auf das Verhältnis der beiden Imperatoren zueinander, förderte aber langfristig deren Entfremdung, indem er die Abgrenzung der beiden christlichen Konfessionen erzwang. Die Trennung der katholischen und orthodoxen Kirchen schloss zwar die Wahrnehmung des römischen Imperium als Einheit nicht aus, brachte aber die bange Frage auf, wie dessen Fortbestand als des geglaubten Garanten für den Fortbestand der Welt gewährleistet sein könne [132, Prologus, S.- 6-8]. In christlicher Perspektive erschien die Frage als dringend, da Muslime die Heiligen Stätten in Palästina kontrollierten und seit dem 11.-Jahrhundert die Furcht vor dem scheinbar näher rückenden Ende der Welt wuchs [28; 49; 56; 167]. Da beide christlichen Imperatoren wie auch muslimische Herrscher in Westasien am überkommenen Weltherrschaftsanspruch festhielten, war ein Konflikt zwischen christlichen und muslimischen Herrschern um die Kontrolle Palästinas als geglaubtem Mittelpunkt der Welt seit dem 11.-Jahrhundert programmiert. Der Anspruch auf Weltherrschaft war folglich in christlicher Perspektive nicht mehr bloße Ideologie, die die pragmatische Anerkennung konkurrierender Weltherrschaftsansprüche nicht ausschloss. Hingegen glaubten sich mindestens einige christliche Herrscher seit der zweiten Hälfte des 11.-Jahrhunderts vor die Aufgabe gestellt, den Weltherrschaftsanspruch mit militärischer Gewalt durchzusetzen [158]. Die dazu erforderlichen Planungen blieben zwar faktisch auf den östlichen Mittelmeerraum beschränkt. Den Anspruch auf Weltherrschaft umzusetzen in praktische Politik bedeutete jedoch Krieg zu führen gegen diejenigen, die sich tatsächlich oder vermeintlich der Herrschaft des römischen Imperators entzogen oder diesem Widerstand leisteten. In der Perspektive des römischen Imperators zählten zu den Gegnern des römischen Imperium diejenigen politischen Gemeinschaften, die innerhalb des Imperium auf ihre Selbständigkeit pochten, außerhalb des Imperiums, aber innerhalb der lateinischen Christenheit diejenigen Herrscher, die sich der Kontrolle durch den Imperator zu verweigern schienen, in erster Linie der König von Frankreich, sowie außerhalb der lateinischen Christenheit diejenigen Herrscher, deren Gebiete das römische Imperium zu begrenzen schienen oder rivalisierende Weltherrschaftsansprüche geltend machten, mithin die Imperatoren in Byzanz sowie die muslimischen Herrschaftsträger in Westasien, Nordafrika, die Iberischen Halbinsel sowie seit dem 14.-Jahrhundert in Folge der Expansion des Osmanischen Reichs auf den Balkan auch dort. Diese drei überlappenden Konfliktfelder bildeten den Hintergrund für zahlreiche Neuregelungen des Rechts des Kriegs und des Friedens. Die für die lateinische Christenheit spezifischen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen führten für das Recht des Kriegs und des Friedens zu einem erhöhten Regelbedarf, der über den Grundbestand des in der großen Tradition Gegebenen weit hinausging. Dieser zunehmende Regelbedarf erforderte zwischen dem 12. und dem 15.-Jahrhundert auch neue Ansätze der Theorien der Politik und des Rechts des Kriegs und des Friedens. Gleichwohl stieß der zeitgleich in China fortbestehende Weltherrschaftsanspruch, den insbesondere die Herrscher der Mongolen und der Yüan-Dynastie (1279 - 1368) mit militärischen Machtmitteln verfochten und deren Nachfolger der Ming-Dynastie (1368 - 1644) zum Gegenstand praktischer Politik erhoben, auf keine, über die unmittelbare Invasionsabwehr hinausgehende Resonanz militärisch-politischer Art bei den unter einander konkurrierenden Weltherrschern des Mittelmeerraums. Niemals marschierten chinesische Heere auf der einen Seite, byzantinische oder lateinisch-christliche Heere auf der anderen Seite gegen einander, auch wenn 90 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) monglische Kampftruppen kurzzeitig bis in das Innere der arabischen und an die Grenzen der latinischen Welt vordrangen. Für die transeurasiatischen Handels- und sonstigen Beziehungen galt weiterhin die große Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens fort ebenso wie für die Handelsbeziehungen zwischen dem römischen Imperium einerseits sowie dem spätestens seit dem 10.- Jahrhundert bestehenden Imperium der Songhai und dem spätestens seit dem 14.-Jahrhundert bestehenden Imperium der Mali am oberen Niger andererseits. Die Sonderentwicklungen in den Staaten und Gemeinschaften der lateinischen Christenheit hatten bis an das Ende des 15.-Jahrhunderts kaum negative Folgen für die Welt östlich von Byzanz und des Mittelmeers und wirkten auch nicht hindernd auf die Intensität der Handelsbeziehungen einiger christlicher Städte wie etwa Genuas oder Venedigs zu Märkten im muslimischen Bereich, insbesondere Kairo, sowie andernorts in Afrika. Dieser Vorgang der Ausbildung einer Vielheit der Typen von Herrschaftsträgern erschwerte jedoch die Bildung einer auf alle Typen anwendbaren und doch präzisen juristischen Begrifflichkeit. Denn die ideologischen Grundlagen der mit dem Anspruch auf Weltherrschaft ausgestatteten politischen Gemeinschaften waren grundverschieden von denjenigen Ideologien, die Herrschaft als begrenzt auf bestimmte Gebiete und deren Bewohner zu legitimieren imstande sein sollten. Insbesondere die Lösung des Problems, nach welchen Kriterien das rechtliche Verhältnis zwischen Trägern von Weltherrschaftsansprüchen und Herrschern über mehr oder weniger genau begrenzte Gebiete zu bestimmen sein wollte, erweis sich als schwierige Aufgabe. Schon eine allgemeine, generische Bezeichnung diese Gebiete und der sie kontrollierenden Herrschaftsträger fehlte. So wählte zwar Bischof Johann von Salisbury (um 1120 - 1180) das Wort Res publica als Bezeichnung für den Staat und bestimmte das Militär als die „bewaffnete Hand des Staates“, die eng mit den Institutionen des Gerichtswesens als der „unbewaffneten Hand des Staates“ kooperieren solle. Diese Kooperation solle dazu beitragen, dass „Schutz für das Leben, die Hoffnungen und die Nachwelt der arbeitenden Menschen gegen Feinde“ erbracht werden könne [96, Kap.-V/ 6, Kap.-VI/ 1-21, S.-548d-554a, 587d-620a]. Einerseits öffneten sich die seit langem in Gebrauch stehenden Wörter Res publica und Civitas weder für die Bezeichnung anderer als politischer Gemeinschaften noch für die Ordnung der Welt als ganzer. Andererseits stand das lateinische Wort Status für vieles, Stände als Ordines, den gottgewollten Zustand der Welt und die vielen Typen der Träger von Herrschaft. Die grundverschiedenen Ordnungen schienen sich nicht unter einem gemeinsamen Wort zu versammeln. Wenn aber angesichts der Vielheit der Typen von Herrschaftsträgern deren Rangordnung unbestimmt erscheinen konnte, musste nach den Vorgaben der großen Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens jeder legitime Herrschaftsträger Recht zum Führen von Kriegen (ius ad bellum) besitzen. Folglich gab es kein in Rechtssätzen gültig formulierbares Kriterium, durch das legitimen Herrschaftsträgern das Führen von gerechten Kriegen verweigert werden konnte. Denn die Bestimmung der Gerechtigkeit von Kriegen hing in der großen Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens von der Feststellbarkeit und Anerkennung der Legitimität von Herrschaft ab. Da aber gerade durch die Vielheit der Typen von Herrschaftsträgern Konflikte über Grenzfragen, Rangzugehörigkeit und die Aussagekraft von Titeln über tatsächliche Herrschaftsbefugnisse häufig in der Anwendung von Gewalt endeten, war eine rechtliche Begrenzung der Befähigung zum Führen von gerechten Kriegen geboten. Zudem stieg nicht nur die Zahl der militärischen Konflikte, sondern auch die daran beteiligten Armeen wurden größer und die zum Einsatz kommenden Waffen zogen zunehmende Schadenswirkung nach sich. Initiativen zur Regulierung des Kriegs und der Kriegführungsbefugnis, die nicht nur die aus der großen Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens entnommenen Rechtssätze zum gerechten Krieg wiederholten, gingen seit der Wende zum 11.-Jahrhundert von der katholischen Kirche aus. Seit dieser Zeit ist das Bemühen zumal von Bischöfen bekannt, um Kirchengebäude sogenannte „heilige Zonen“ zu errichten, in denen neben manch anderem auch das Waffenfüh- Weltherrschaftsansprüche und ius ad bellum 91 ren untersagt war. In Spanien waren diese Zonen als Sagrera bekannt. Noch während des 11.- Jahrhunderts begannen Bischöfe insbesondere in Westeuropa damit, für bestimmte Orte und bestimmte Fristen Frieden zu gebieten, den sie Gottesfrieden nannten [71]. Im 12.-Jahrhundert schlossen sich weltliche Herrschaftsträger einschließlich des lateinischen Imperators der Gottesfriedensbewegung an und verordneten in sogenannten Landfrieden für Gebiete unter ihrer Kontrolle das Verbot der Kriegführung ohne herrscherliche Anordnung. Das Verbot sollte für alle in diesen Gebieten lebenden Personen und Gruppen, einschließlich der adligen Ritter gelten [25]. Die zu Untertanen von Herrschern gewordenen Bevölkerungsgruppen sollten ihre Streitigkeiten ausschließlich friedlich vor Gerichten austragen, die im Namen der Herrscher Recht sprachen. In den Städten mit eigenem Recht war ohnehin den Bewohnern wie auch den dort tätigen Marktteilnehmern das Tragen von Waffen verboten. Denn die als Rat handelnde Stadtregierung besaß eine Art Gewaltmonopol [12, S.-38-39, 51-54]. Doch durch diese Maßnahmen gelang es nicht, die Kriegsführungsbefugnis der adligen Ritter dauerhaft einzuschränken, zumal dann nicht, wenn die Ritter Herrschaft über abhängige Bauerndörfer trugen und diese Herrschaft über ein nach außen abgeschlossenes Gebiet erweitern konnten. Dennoch war das Recht zum Krieg, wo adlige Ritter es für sich durchsetzen konnten, nicht immer von großem praktischen Wert. Denn um ihr Recht zum Krieg auch wahrnehmen zu können, mussten sie Kampftruppen aufbieten, ausrüsten und in die Schlacht führen können. Diese waren entweder in Sold genommene oder aus der bäuerlichen Bevölkerung zwangsrekrutierte Fußkämpfer, die auch mit Spezialwaffen wie Bögen ausgerüstet sein konnten. Adlige Ritter, die ihr Recht zum Krieg ausüben wollten, benötigten entweder erhebliche Finanzmittel oder eine Untertanenschaft, deren Zahl die Zwangrekrutierung von Kampftruppen erlaubte. Die Größe des Gebiets und die Zahl der dortigen Bewohner, über die Ritter geboten, konnte also entscheidend sein als Voraussetzung dafür, dass Ritter als Kriegsherrn das ihnen zustehende Recht zum Krieg auch tatsächlich anwenden konnten. Ritter mit kleinen Herrschaften hatten daher nur die Wahl, Allianzen mit ihres Gleichen zu schmieden oder sich von größeren Herren oder auch von Stadträten in Dienst nehmen zu lassen. Die Praxis der Kriegführung begünstigte also die großen adligen Herren, die durch den Einsatz ihrer stärkeren militärischen Machtmittel höhere Chancen hatten, ihre Herrschaft wiederum fortschreitend zu vergößern und zu intensivieren. Als Folge dieser Hierarchisierung entstand schon im 12.-Jahrhundert eine förmliche Ordnung unter den adligen Herrschaftsträgern, die neben die überkommene Bestimmung des Rangs adliger Verwandtengruppen nach der Länge ihrer Genealogie trat. Nach dieser neuen Ordnung, ausdrücklich erlassen zwar nur für einen Teil des römischen Imperium, stillschweigend aber für die lateinische Christenheit angewandt, entstand eine Stufenfolge, die auf Herrschaftstiteln basierte. In dieser Folge rangierten nunmehr die Träger von Königstiteln auf der obersten Stufe vor Herzögen, diese wieder vor Grafen und diese wieder vor gewöhnlichen adligen Freiherrn [149, §-1, S.-19]. Die Stufenfolge musste nicht bedeuten, dass Gebiete unter der Kontrolle von Freiherrn oder Grafen immer als nachgeordnete Bestandteile der Gebiete von Herzögen oder Königen wahrgenommen wurden. Zwar ist diese Wahrhehmung insbesondere für Frankreich und England schon für das 11.-Jahrhundert belegt, im römischen Imperium jedoch konnten Herzogtümer, Grafschaften, freiherrliche Gebiete wie auch Städte, Orden- und Klosterherrschaften unmittelbar nur dem Imperator unterstellt sein. Innerhalb des Imperium bedeutete Unmittelbarkeit den Anspruch auf Selbständigkeit von Herrschaft über Teile des Imperium bei fortdauernder Anerkennung der Oberherrschaft des Imperators. Seit dem 13.-Jahrhundert machten einige Könige außerhalb des Imperium zusätzlich den Anspruch geltend, dass sie ranghöchste Herrscher in dem ihnen unterstellten Gebiet und über die ihnen unterworfenen Bevölkerungsgruppen seien. Dieser Anspruch war gleichbedeutend mit der Behauptung, dass ein König außerhalb des Imperium auch den Imperator nicht als Oberherrscher anerkannte. Diesen Anspruch formulierten die Könige von Sizilien, Frankreich und England ausdrücklich [50; 120], während Kö- 92 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) nige in Spanien ihn dadurch zum Ausdruck brachten, dass sie sich ohne Bindung an Rom selbst als Imperatoren titulieren ließen. Diese Vorgänge der Hierarchisierung von Herrschaftsträgern sowie die damit verbundenen Rangordnungskonflikte waren keineswegs begrenzt auf die lateinische Christenheit, sondern traten im Zeitraum zwischen dem 12. und dem 15.-Jahrhundert ebenso in verschiedenen anderen Teilen der Welt in Erscheinung. Zumal in China entstand am Ende der Sung-Zeit eine Vielzahl kleiner Herrschaften, zwischen denen militärische Konflikte über Grenzen sowie die effektive Kontrolle über Gebiete und deren Bewohner häufig waren. Diese Epoche der rivalisierenden Lokalherrschaften mündete in die Invasion mongolischer Reiterheere im 13.- Jahrhundert und die Übernahme der zentralen chinesischen Herrschaftsinstitutionen durch mongolische Herrscher. In Japan errang ein aus einem Dienstverhältnis aufgestiegener Kriegeradliger im Jahr 1192 die Kontrolle über rivalisierende Kriegergruppen und errichtete dann eine, wesentliche Teile des Archipels umfassende Herrschaft. Doch diese dezentralisierte sich schnell und gab neuen, rivalisierenden Lokalherrschaften Auftrieb. Rangordnungskonflikte und Streit um die Anerkennung der Selbständigkeit von Herrschaft trugen in diesen Fällen zur Erhöhung der Zahl von Kriegen bei. Diese Kriege zielten nicht nur auf den Gewinn in Schlachten ab, sondern wurden auch um die Kontrolle befestigter Orte, insbesondere Städte, geführt. Sie förderten dadurch den Einsatz technischer Geräte als Waffen zu Belagerungen wie auch zur Abwehr von Belagerern. Zu diesen Geräten zählten neben Wurfmaschinen, anderen Katapulten und Armbrüsten auch Instrumente, die den Gebrauch des Feuers als Waffe nicht nur gegen Schiffe, sondern gegen alle Sorten von Zielen erlaubten. Die fortschreitende Technisierung des Kriegs erhöhte die Schadenswirkung der zum Einsatz kommenden Waffen. Neben Feuerpfeilen stand spätestens seit Ende des 13.-Jahrhunderts auch aus Eisen gegossenes Geschütz in Gebrauch, das den Abschuss von Kugeln durch Erzeugung kontrollierter Explosionen erlaubte. Dieser Typ von Feuerwaffe scheint zunächst in erster Linie gegen großflächige, stabile Ziele wie etwa befestigte Städte gerichtet gewesen zu sein, mithin als eine von vielen Typen von Belagerungsmaschinen gedient zu haben. Der bislang älteste bildliche Beleg für dieses Feuergeschütz stammt aus China [122, 1986, S.- 24-33, 228-229; 123, S.- 184-240]. Sie könnte, vielleicht durch mongolische Invasionsarmeen, nach Westasien und in den Mittelmeerraum gelangt sein, von wo aus sie Europa erreicht haben könnte. Dort scheint ein erhaltenes originales Feuergeschütz aus dem früheren 14.-Jahrhundert zu stammen [91]. Bildliche und schriftliche Nachweise liegen aus den 1320er und 1330er Jahren vor [37; 163]. Aus diesen Geschützen entwickelten sich einerseits großkalibrige Bombarden, andererseits tragbare Feuerwaffen, die auch gegen mobile Ziele in der Schlacht zum Einsatz kommen konnten. Der Einsatz des Feuers als Waffe hatte sowohl in China wie im Mittelmeerraum eine lange Tradition. Hinzu kam in Byzanz eine ausgeprägte, auf römischer Grundlage ruhende Praxis der Befestigungstechnik und Belagerungstaktik [117], die die lateinische Christenheit schon früh rezipierte. So berichteten lateinische Chronisten bereits im 8. und 9.-Jahrhundert von Kriegen um befestigte Orte, auch unter Einsatz des Feuers als Waffe [135, Kap.-IV/ 23, S.-155; 1, Buch I, VV 177-292, S.-12-15]. Dessen Gebrauch ist auch für das 10.-Jahrhundert belegt [68, S.-17-21]. Im 12.-Jahrhundert ließ Friedrich I. (1152 - 1190) in dem Krieg, den er in seiner Eigenschaft als römischer Imperator gegen aufständische oberitalienische Städte führte, Wurfgeschosse und andere Katapulte verwenden [147, Kap.-III/ 32, S.-165]. Diese Städte wiederum versuchten, sich der Kontrolle durch den Imperator zu entziehen, indem sie sich auf die Produktion neuartiger Belagerungswaffen spezialisierten, neben schweren Geschütze insbesondere von Armbrüsten. Die von Armbrüsten abgeschossenen Pfeile flogen über große Distanzen mit hoher Geschwindigkeit und konnten daher auch schwere Rüstungen adliger Krieger durchdringen. In der Schlacht fanden diese technisch aufwendigen und in der Benutzung komplizierten Geschütze zunächst nur selten Anwendung, wie etwa in der Schlacht bei Crécy, die im Jahr 1346 zwischen englischen Programme für den Frieden und ius in bello 93 und französischen Heeren ausgefochten wurde. Aber auch in dieser Schlacht hatte die zum Einsatz gebrachte Kanone kaum einen Einfluss auf den Gang der Schlacht, die die in ein taktisches Gesamtkonzept eingeordneten englischen Bogenschützen für sich entschieden [80]. Anders als in der arabisch-muslimischen Welt ging in der lateinischen Christenheit schon während des 14.-Jahrhunderts die Initiative für die Fortentwicklung der Feuerwaffen von dem Imperator und den Königen als Herren über große Gebiete und Armeen über auf die Städte und einige Ordensherrschaften, die sich der Feuerwaffen in ihren Kämpfen gegen adlige Kriegsherren in ihrer näheren Umgebung sowie auch gegen Könige insbesondere im Nordseeraum bedienten. Der Grund für das Interesse insbesondere von Stadträten am Einsatz aufwendiger Waffentechnik war einfach. Herstellung und Einsatz großer Geschütze wie auch tragbarer Handfeuerwaffen erforderten große Kapitalien. Adlige Kriegsherren, die nur über kleine Gebiete und geringe Untertanenzahlen geboten, konnten die Kosten für die Ausrüstung ihrer Kampftruppen mit technisch komplizierten Waffen nicht tragen. Aber auch Könige und andere große Herren, die, wie König Edward I. von England (1272 - 1307) in der Schlacht bei Falkirk (1298) über Kampftruppen aus 7000 Reitern und einer nicht genau bestimmbaren, aber mindestens doppelt so hohen Zahl an Fußkämpfern gebieten konnten [76, S.-324], hatten in der Regel nicht die Finanzkraft zur Ausrüstung ihrer Streitkräfte mit der nötigen Zahl insbesondere tragbarer Feuerwaffen. Hinzu kam, dass während des 14.-Jahrhunderts nur wenige technische Spezialisten zur Verfügung standen, die zu Herstellung und Einsatz der Feuerwaffen erforderlich waren, insbesondere Büchsenmeister zum Guss und zur Bedienung großer Geschütze. Diese Spezialisten verlangten für ihre Tätigkeit hohe Löhne und gute Arbeitsbedingungen, die in der Regel nur Städte bieten konnten. Durch die Verfügung über Feuerwaffen gelang folglich den Räten insbesondere großer Städe innerhalb des römischen Imperiums der Aufbau eines strategischen Vorteils, den sie zur Sicherung ihrer Selbständigkeit wirkungsvoll zum Einsatz bringen konnten. Diesen Vorteil konnten sie durch Zusammenschluss zu Städtebünden wie etwa die deutsche Hanse noch steigern. Zudem überstiegen auch die Kosten für den Bau von Befestigungsanlagen die finanzielle Leistungsfähigkeit adliger Kriegsherrn bei weitem. Die Anlage von Befestigungen konnten sich also wiederum nur die Räte großer Städte leisten oder große Herren, wie etwa der König von Frankreich, die die Befestigung der ihnen unterstellten Städte befehlen und bezahlen konnten [55]. Die Feuerwaffen entfalteten während des 14. und 15.-Jahrhunderts ihre Schadenswirkung nur unter besonderen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, nicht allein wegen ihrer technischen Eigenschaften [154; 155]. Konkrete Setzungen des Rechts im Krieg (ius in bello) und Programme für den Frieden Den Veränderungen des Waffengebrauchs und der Ausweitung der militärischen Tätigkeit folgten neue Rechtssetzungen und Theorieansätze im Bereich des Rechts des Kriegs und des Friedens. Im Bereich des Rechts des Kriegs antworteten weltliche Herrschaftsträger wie auch Institutionen der katholischen Kirche mit Maßnahmen, die neben der Ebene der hauptsächlich theologisch geprägten abstrakten Sätze der Bestimmung der Kriterien für die Gerechtigkeit eines Kriegs die weitere Ebene der Formulierung konkreter Sätze über das im Krieg anzuwendende Recht (ius in bello) schufen. Der Festschreibung dieser Sätze dienten die sogenannten Artikelsbriefe, die zuerst aus der Mitte des 12.-Jahrhunderts überliefert sind in der Form von Eiden, die die Angehörigen von Kampftruppen vor ihrem Einsatz zu beschwören hatten. Die Rechtssätze waren mit Strafandrohungen bei Zuwiderhandlung bewehrt. Die Artikelsbriefe regelten das Verhalten der Krieger während der Schlacht und schrieben eine strikte Trennung von Kombattanten und Nicht-Kombattanten vor [18]. Nach dem Artikelsbrief, den Friedrich I. für seine in Oberitalien operierenden Truppen im Jahr 1158 erließ, sollten Frauen, Kinder, Ältere, Geistli- 94 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) che sowie nicht-waffenführende Bauern als Nicht-Kombattanten gelten, die sämtlich unbehelligt bleiben mussten [46, Art.-5, 6, 14, S. IV-V]. Den Krieg ließ Friedrich damit als Konflikt jeder Art von Waffenträgern bestimmen, die auf Befehl eines zur Kriegführung legitimierten Herrschaftsträgers erfolgte. Die Heere der Städte, gegen die Friedrich Krieg in diesem Sinn führte, waren daher legitime Kombattanten. Diese begriffliche Trennung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten war weder neu noch spezifisch für die lateinische Christenheit. Sie diente dem Zweck der Einhegung des Kriegs durch Begrenzung der legalen Anwendung militärischer Gewalt gegen Krieger. Auch seit dem 12.-Jahrhundert fehlte dieses Motiv in den Kriegsartikeln wie seit alters her zwar nicht, trat aber dort gegenüber der Notwendigkeit zurück, in den größer werdenden Heeren effiziente Befehls- und Kommandolinien auch unter Schlachtbedingungen aufrecht zu erhalten. Dieses Ziel schien durch den Zwang zur Beschwörung der Kriegsartikel erreichbar. Diese allein konnten selbstverständlich Übertretungen der in ihnen festgeschriebenen Rechtssätze nicht verhindern, was schon der Biograf Friedrichs I. beklagte [133, Kap.-III/ 29, S.-161-163], dienten aber mit den in ihnen enthaltenen Strafandrohungen bei Zuwiderhandlungen als Warnung für diejenigen, die sich an die Artikel nicht gebunden fühlten. Friedrich I. als Imperator hielt sich in seinen Kriegen gegen oberitalienische Städte nicht an das Gebot der Trennung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten, sondern befahl Terrormaßnahmen wie die Tötung von Gefangenen unter den Augen seiner Gegner [134, S.-107-115 (zum Jahr 1159)]. Dennoch bezeugen die Kriegsartikel schon für das 12.-Jahrhundert die Wahrnehmung, dass Krieg verregelbar sein sollte und dass der Erlass konkreter Regeln für das Ius in bello zu den Pflichten der legitimen Kriegsherrn zählte. Die Kriegsartikel bildeten einen Typ von Sätzen des Rechts des Kriegs, der bis in das 19.-Jahrhundert Bestand hatte. Mit den ihr eigenen Mitteln, wenn auch mit geringem Erfolg, ging die katholische Kirche gegen den Gebrauch technischer Geräte als Waffen mit hoher Schadenswirkung vor. Ein Konzil, das im Jahr 1139 im Lateran in Rom tagte [72, S.-442; 109, S.-35; 115, S.-19], untersagte den Einsatz von Armbrüsten, mehrere weitere Konzilsbeschlüsse mit demselben Verbot folgten. Aber diese Verbote blieben ohne Wirkung, auch wenn sie das Bestreben um Einhegung des Kriegs dokumentierten. Hingegen verdrängten während des 15.-Jahrhunderts die tragbaren Feuerwaffen die Armbrüste, als die Schadenswirkung der tragbaren Feuerwaffen diejenige der Armbrüste zu übertreffen begann [44; 69; 136; 155, S.-208-208; 161, S.-34-39]. Feuerwaffen aller Art riefen seit der Wende zum 15.- Jahrhundert Kritiker auf den Plan, die die Umstände der Kriegführung als verheerend empfanden und die Häufigkeit von Kriegen mit hoher Schadenswirkung heftig beklagten. Zu Beginn des 14.- Jahrhunderts konnte der Dichter Dante Alighieri [35, Kap.-I/ 11, S.-328-330; 36] das römische Imperium als Garant der Gerechtigkeit und des Friedens feiern [13; 40; 67; 90]. Einzelne Herrscher ließen in Verträgen den Frieden als gottgewollten Zustand der Welt beschreiben, der nur durch den Teufel gefährdet sei [175]. Aber die Kriegskritiker des 15.-Jahrhunderts behandelten nicht nur den Anspruch des römischen Imperators auf Weltherrschaft als künftige Friedenszeit, sondern auch vollmundig bekundete Bemühungen von Herrschern um den Frieden als hohle Phrasen. Kriegführung erschien auch juristisch gebildeten Autoren wie Honoré Bouvet (= Bonet, ca 1340 - ca-1405) als letztlich sinnloses Ringen um Macht als Selbstzweck des Herrschens [22]. Die Kriegskritiker vertraten zudem ein neues Bild des Kriegs. War im frühen Mittelalter Krieg als Kampf um Macht über konkurrierende Gemeinschaften gewesen, der von deren Angehörigen im eigenen Interesse zu unternehmen war, erschien Krieg nunmehr als herrscherliche Handlung, die dem Sicherheitsbedürfnis der Einzelnen als Kombattanten und Nicht-Kombattanten entgegenstand. Das neue literarische Genus der Friedensklage wurde im 15.-Jahrhundert populär und beschwor die Schrecken des Krieges [77; 109; 189]. Frieden hingegen, so forderten der Jurist Pierre Dubois (um 1255 - um 1321) und der böhmische König Georg von Podiebrad (1458 - 1471), könne nicht im Vertrauen auf das letztendlich friedenbringende Wirken eines Weltherrschers zustan- Die Kreuzzüge und das Recht des Kriegs 95 dekommen, sondern müsse durch menschliches Handeln gesetzt werden. Diese Setzung müsse in der Form eines Beschlusses der zur Kriegführung legitimierten großen Herrn folgen, die geloben müssten, ihre Streitigkeiten künftig friedlich beilegen zu lassen [38, Kap.-I/ 3; 140, Art.-I, S.-70-71]. Diese Verabredungen sollten die Form rechtsgültiger Verträge bekommen und nicht mehr bezogen sein auf die Welt als ganze, sondern nur noch die Vertragsparteien unter sich binden. Angedacht war der Einschluss aller zur legitimen Kriegführung befugten Herrscher der lateinischen Christenheit in einen den Frieden setzenden Vertrag. Pierre Dubois und Georg von Podiebrad wollten ihren Vorschlag aber ausdrücklich verstanden wissen als ein Programm zur Vereinigung christlicher Herrscher, nicht als ein Program für den Frieden in der Welt als ganzer. Die christlichen Herrscher sollten nach dieser Programatik ihre militärischen Kräfte bündeln in Kreuzzüge zur Wiedereroberung der Heiligen Stätten in Palästina, anstatt sich unter einander zu bekriegen. Die Kreuzzüge und das Recht des Kriegs Der wesentliche Grund für die Begrenzung der Programme für einen künftigen Frieden auf die lateinische Christenheit lag also in dem zwischen dieser und der muslimischen Welt aufgebrochenen Konflikt um die Beherrschung Palästinas als wahrgenommenem geografischem Zentrum der Welt. Während seit dem 7.- Jahrhundert Beziehungen zwischen dem Islam und den Christentum als ganzem zwar nicht immer konfliktfrei, aber mit grundsätzlichem Respekt vor den jeweils Andersgläubigen verlaufen waren, sogar noch im 10.-Jahrhundert zu diplomatischen Beziehungen zwischen Otto I. als Imperator und Khalif Abd ar-Rahman von Córdoba geführt hatten, änderte sich in der lateinischen Christenheit die Wahrnehmung des Islam in radikaler Weise zu Beginn des 11.-Jahrhunderts. Äußerer Anlass war ein Ereignis von nur vorübergehender Bedeutung, nämlich die Beschädigung der Grabeskirche Christi in Jerusalem unter der Herrschaft des Khalifen al-Hakim (985 - 1021) am 18.-Oktober 1009. Obschon der Khalif gestürzt und die Kirche bald wiederhergestellt war, fand ein Bericht über das Ereignis seinen Weg in einen Papst Sergius IV. (1009 - 1012) zugeschriebenen, aber wohl erst im späten 11.-Jahrhundert entstandenen Brief, in dem der Papst den Vorfall als Angriff auf das Christentum insgesamt zu stilisieren schien [159]. Dreißig Jahre nach dem Vorfall verknüpfte der Chronist Ademar von Chabannes (989 - 1034) denselben Vorgang mit der Vision eines im Himmel schwebenden, grässlich blutenden Kruzifixus und stellte dadurch den Vorgang als Ausdruck angeblich antichristlicher Gesinnung dar [4, Kap.-III/ 46-47, S.-168-171]. Muslime wurden dadurch darstellbar als der Erzfeind. Papst Gregor VII. (1073 - 1085) erließ am 1.- März 1074 einen Aufruf zum Kampf gegen Muslime, ohne Palästina als Zielgebiet ausdrücklich zu nennen, und verband seinen Aufruf mit der Zusicherung von Absolution für jeden, der an dem Kampf teilnehme [64]. Die kirchenrechtliche Praxis, derzufolge Kirchenstrafen durch den Kampf gegen Feinde der katholischen Kirche abgegolten werden konnten, kam zeitgleich mit dem Kreuzzugsgedanken in der lateinischen Christenheit auf [110, S.- 93-98]. Im Jahr 1095 präzisierte Papst Urban II. (1088 - 1099) diesen allgemein gehaltenen Aufruf zu der konkret formulierten Forderung, Krieg gegen Muslime mit dem Ziel der Errichtung christlicher Herrschaft über Palästina zu führen. Denn Muslime hätten Kirchen und andere Heilige Stätten der Christen zerstört. Das Konzil von Clermont-Ferrant, dem der Papst seinen Aufruf zur Kenntnis brachte, sicherte allen Teilnehmern vollständige Absolution ihrer Sünden zu. Den Krieg gab der Papst als gerecht aus und beschrieb ihn als Kreuzzug, durch den die Teilnehmer ewigen Lohn erwerben würden [58; 33, Sp.-717]. Zwischen 1099 und 1270 erreichten fünf Kreuzzüge Palästina, bis die Kreuzfahrer im Jahr 1291 Palästina wieder verließen. Diese Kreuzzüge blieben also in der Sicht der Kreuzzugsbewe- 96 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) gung ohne längerfristigen Erfolg, auch wenn vorübergehend einige Kreuzfahrer sich als Herrscher über Teile Palästinas halten konnten. Hingegen diente der im Verlauf des 11.-Jahrhunderts aufkommende Gedanke, unter der Bezeichnung des Kreuzzugs heilige Kriege auch anderswo als in Palästina gegen Muslime, Anhänger angeblich ketzerischer Bewegungen sowie Angehörige sogenannter heidnischer Religionen zu führen, weithin zur Rechtfertigung der Anwendung mitunter brutaler militärischer Gewalt gegen muslimische Herrscher in Spanien, radikale Reformbewegungen etwa der Albigenser in Südfrankreich und die Prussen im Baltikum, die gewaltsam zum Christentum bekehrt wurden. Die die Kreuzzüge ausführenden Krieger waren in der Regel Ritter, die sich zumal in Palästina zu Orden zusammenschlossen. Zwei dieser Orden, der seit dem 13.-Jahrhundert so genannte Deutsche Orden [21], und der seit 1530 so genannte Malteserorden, erreichten den Rang von Trägern selbständiger Herrschaft über Gebiete und die dort siedelnden Bevölkerungsgruppen. Der Deutsche Orden errichtete Herrschaft über die Prussen nach deren Bekehrung sowie über andere Gruppen im Baltikum während der ersten Hälfte des 13.-Jahrhunderts und behielt sie bis zum Jahr 1525. Der Malteserorden etablierte sich zuerst im Jahr 1309 als Herrscher über die Insel Rhodos und verlagerte seinen Sitz nach deren Eroberung durch den Osmanischen Sultan (1522) auf die Insel Malta. Diese beherrschte er von 1530 bis zu seiner Vertreibung von dort durch Napoleon 1798. Gemeinsam war den Kreuzfahrern die Meinung, dass Ungläubige und Ketzer als scheinbar „treulose Feinde“ kein Recht des Kriegs für sich geltend machen könnten, zumal wenn sie in Gebieten lebten, die Christen für sich beanspruchen zu dürfen glaubten. Kreuzzüge galten in dieser Sicht nicht nur als Mittel zur Durchsetzung von Wiedergutmachungsforderungen, sondern als Racheakte für angeblich zuvor zugefügtes Unrecht [14; 131, S.-348-349]. Die Theorie des heiligen Kriegs entwickelten die Kreuzfahrer erst im Verlauf der Kreuzzüge. Die Proklamation der Kreuzzüge als heilige Kriege hatte somit zur Folge, dass die Kreuzfahrer und ihre Unterstützer nur die völlige Unterwerfung und Bekehrung ihrer Gegner als Kriegsziel zuließen und es mit allen Mitteln erreichen zu dürfen glaubten, einschließlich derjenigen Gewaltmaßnahmen, die durch das Ius in bello innerhalb der Christenheit verboten waren. An dieser Sichtweise hielten noch Päpste wie Nikolaus V. (1447 - 1455) fest [124]. Die Teilnahme an Kreuzzügen war grundätzlich für alle Ritter Pflicht, von denen jeder auch zum Führen eines Kreuzzugs befugt war. Für den Imperator galt sie jedoch in höchstem Maß, gewissermaßen als Ehrenpflicht des Weltherrschers. Der Begriff des heiligen Kriegs war den Muslimen als den Hauptgegnern der Kreuzfahrer nicht nur gut vertraut, sondern die Muslime konnten für die Ausgestaltung ihrer Abwehrmaßnahmen gegen die Kreuzfahrer auf die seit dem 8.-Jahrhundert ausformuliert vorliegende Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens zurückgreifen. Die muslimische Theorie des heiligen Kriegs besagte, dass zwischen Muslimen und Andersgläubigen zwar kein dauerhafter Friede, wohl aber befristete Friedensabkommen bestehen konnten. Anders als die Kreuzfahrer leiteten muslimische Theoretiker das Recht des Kriegs und des Friedens aus den nach ihrer Sicht für die Menschheit allgemein gültigen Rechtssätzen ab und begründeten militärisch-taktische Maßnahmen und strategische Ziele gegen die Kreuzfahrer aus den bestehenden Sätzen des Rechts des Kriegs und des Friedens [121; 126; 127]. Die Grundannahme für die Zielbestimmung auf muslimischer Seite war, dass die von arabisch-sprachigen Autoren generalisierend „Franken“ genannten Kreuzfahrer als Invasoren nach Palästina gekommen seien, um sich dort festzusetzen. Diese Sicht bedeutete, dass Muslime die von ihnen gegen die Kreuzfahrer eingesetzten militärischen Mittel für Maßnahmen zur Verteidigung Palästinas gegen die Invasoren hielten. Waren die Kreuzzüge in der Sicht der lateinischen Christenheit ein Krieg um die Weltherrschaft gegen den Erzfeind, so hängten muslimische Theoretiker die Bedeutung dieser Konflikte wesentlich niedriger. Denn in muslimischer Sicht war der heilige Krieg der zwischen Angehörigen verschiedener Religionsgemeinschaften grundsätzlich gegebene Zustand, der nicht gebunden zu Die Kreuzzüge und das Recht des Kriegs 97 sein brauchte an konkrete militärische Maßnahmen. Man bekämpfte die Invasoren mit den jeweils vor Ort verfügbaren Mitteln und arrangierte sich mit ihnen, wenn man sie kurzfristig nicht besiegen konnte. Das Ansinnen der Invasoren, in Palästina dauerhaft Herrschaft tragen zu wollen, wies man entschlossen mit dem Argument zurück, dort sei für weitere Herrscher „kein Platz“ (la maqām) [107]. So kam es schon während des ersten Kreuzzugs (1096 - 1099) zu zahlreichen Tolerierungsabkommen, die in der Errichtung des Königreichs Jerusalem unter Kreuzfahrerherrschaft 1099 gipfelten. Muslimische Mameluken-Sultane in Ägypten schlossen sogar Verträge mit den Königen von Jerusalem [81]. Noch im Jahr 1229 konnte Sultan al-Kamil Muhammad al-Malik von Kairo (um 1180 - 1238) dem Imperator Friedrich II. (1198/ 1220 - 1250) Jerusalem für dreißig Jahre überlassen, sogar dessen Krönung daselbst zugestehen, in der pragmatischen Absicht, den Frieden zu sichern [170; 59, S.-328-329; 152, S.-364-374, 381]. Auch Friedrich II. schloss mit dem Sultan im Jahr 1230 einen Vertrag, mit dem er den Schutz der nordafrikanischen Küstengewässer vereinbarte. Im Jahr 1231 folgte ein Vertrag mit Emir Abu-Zakaria Yahya I. von Tunis (1229 - 1249). Letzterer Vertrag ist erhalten in einem Edikt des Sultans, durch das er Friedrich II. die Freilassung christlicher Gefangener sowie den Schutz der Küsten Afrikas zusicherte. Die Überlassung des Edikts belegt, dass auch während der Kreuzzüge nicht nur Vertragsbeziehungen zwischen Christen und Muslimen bestanden, sondern ein muslimischer Herrscher seine Verpflichtungserklärung in der Form eines Versprechens einem ihm vertraglich verbundenen christlichen Herrscher anvertrauen konnte. Die Praxis des Abschlusses von Verträgen nach der großen Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens bestand also auch in dieser Zeit zwischen Christen und Muslimen fort [171; 172]. Diese pragmatische Haltung war zudem gefördert durch die sichere Erwartung, dass die Kreuzfahrer sich nicht über längere Zeit würden in Palästina halten können und dass sich folglich der Einsatz großer militärischer Machtmittel kaum rechtfertigen ließ. Gleichwohl hielten muslimische Herrscher und die sie stützenden Juristen an dem allgemein geltenden Recht der freien Bewegung der Menschen (ius peregrinationis) fest, verwehrten mithin zu keiner Zeit Christen den Zugang in das Heilige Land. So fanden Pilgerfahrten ohne nennenswerte Behinderungen statt und waren sogar in Form von Verträgen zwischen Pilgern und Reiseunternehmern geregelt. Der Beamte des Mainzer Kurfürsten Bernhard von Breydenbach (um 1440 - 1497), der das Heilige Land und das Katharinenkloster auf dem Berg Sinai aufsuchte und über seine Fahrt einen im Jahr 1486 gedruckten Bericht schrieb, überlieferte einen Mustervertrag, der den Reiseunternehmer (patronus) dazu verpflichtete, für die Sicherheit der Pilger zu sorgen. Da den Reiseunternehmern keine militärischen Machtmittel zur Verfügung standen, konnten sie diese Verpflichtung nur eingehen, wenn sie erwarten durften, dass die Besuche christlicher Pilger im Heiligen Land von den dortigen muslimischen Herrschern toleriert würden [23, S.-82, 86]. Mit dem Abzug der Kreuzfahrer war in muslimischer Sicht sozusagen der Normalzustand in den Beziehungen zwischen Christen und Muslimen wieder hergestellt. Die in Palästina wie andernorts in Westasien bestehenden Christengemeinden blieben unangetastet. Nach der Expansion ihrer Herrschaft insbesondere seit dem 14.-Jahrhundert praktizierten die Osmanischen Sultane weiterhin den Grundsatz der Toleranz gegenüber Andersgläubigen, sofern diese sich der Steuerpflicht gegenüber dem Sultan unterwarfen. Sultan Mehmet II. (1451 - 1481) schloss mehrere Verträge mit der Republik Venedig. Es handelte sich um Bündnisverträge. Sie waren in griechischer Sprache abgefasst und folgten dem Formular der byzantinischen Verträge. Sie trugen die Gestalt eines herrscherlichen Gnadenerweises und führten ein Monogramm des Sultans aus dessen Name und Titel (Tughra), eine Anrufung Gottes sowie einen Schwur am Anfang des Texts [181; 182]. Mehmets Nachfolger Beyazit II. (1481 - 1512) führte die Praxis fort und erneuerte den Vertrag mit Venedig [183]. 98 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) Anders war die Beurteilung der Kreuzzüge in der lateinischen Christenheit. Seit dem Abzug der letzten Kreuzfahrer aus Palästina war jedem Anhänger der Kreuzzugsideologie bewusst, dass das Projekt der Unterstellung Palästinas unter christliche Herrschaft gescheitert war. Insbesondere die römischen Imperatoren, aber auch andere Herrschaftsträger, hatten sich als unfähig erwiesen, ihren Weltherrschaftsanspruch in Palästina durchzusetzen. Theologen wie Antonin von Florenz (1389 - 1459) zogen daraus den Schuss, dass die Menschheit aus zwei Gruppen bestehe, den Römern (populus Romanus) und den Außenstehenden (populus extraneus). Diejenigen Außenstehenden, die sich wie Muslime und Mongolen nicht dem römischen Recht unterwerfen wollten, seien Ungläubige. Antonin bestritt dadurch die Existenz eines für alle Menschen gültigen Ius gentium [8, S.-213]. Ebenso schwer wog, dass der vierte Kreuzzug, der im Jahr 1204 Palästina überhaupt nicht erreichte, eine schwere Verwüstung von Byzanz durch das Kreuzfahrerheer nach sich zog und zur Errichtung der Absonderlichkeit eines Lateinischen Imperium in-Byzanz führte. Die Kreuzfahrer trieben den griechischen Imperator ins Exil nach Trapezunt. Diese kehrte erst nach Byzanz zurück, nachdem im Jahr 1261 bis das Lateinische Imperium zusammengebrochen war. Während und infolge dieser Vorgänge schrumpfte das Gebiet schnell, das unter der Herrschaft des griechischen Imperators stand. Seit dem 14.-Jahrhundert war imperiale Herrschaft im östlichen Mittelmeerraum faktisch Stadtherrschaft über Byzanz, während das Umland nach und nach unter die Kontrolle des Osmanischen Sultans geriet. Sowohl der römische Imperator der lateinischen Christenheit als auch der griechische Imperator in Byzanz büßten somit die Glaubwürdigkeit ihres Anspruchs auf Weltherrschaft ein. Das Ende imperialer Herrschaft in Byzanz war dann nur noch eine Frage der Zeit. Am 29.-Mai 1453 fiel die Stadt nach etwa sechswöchiger Belagerung und dem Tod des dortigen Imperators Konstantin XI. Palaiologos (1448 - 1453) unter die Kontrolle Sultan Mehmets II. Er erhob Byzanz unter dessen türkischem Namen Istanbul zur Hauptstadt seiner Herrschaft und beließ es zugleich als Zentralort der griechisch-orthodoxen Kirche. Neue Akzente in der Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens Obwohl in der lateinischen Christenheit die Kreuzzüge zur Vertiefung der Wahrnehmung religiöser Gegensätze zwischen Christentum und Islam beitrugen und christliche Autoren Muslimen sogar den moralischen Status des Menschseins absprachen [151, VV. 3214-3221, 3532-3562, S.-256, 271-272], forderten einige Intellektuelle dennoch das Festhalten an dem Grundsatz ein, dass alle Menschen göttliche Geschöpfe und als solche ohne Rücksicht auf ihren Glauben unter einander gleich seien. Anders als das seit dem 12.-Jahrhundert in einem Rechtsbuch niedergelegte Kirchenrecht, das in der an Isidor von Sevilla anknüpfenden Tradition einen gerechten Krieg nur als Mittel zur Durchsetzung von Wiedergutmachungsforderungen zuließ [63, Causa 23, Qu. II, Kap.-1, Sp.-894], erhob im späteren 13.-Jahrhundert der Hl. Thomas von Aquin, der wohl einflussreichste Theologe dieser Zeit, seine Stimme gegen die Theoretiker des Kreuzzüge und spezifizierte auf der Grundlage der Aussagen von Bischof Ambrosius von Mailand und Bischof Augustinus von Hippo die theologischen Kriterien zur Bestimmung des gerechten Kriegs. Diese Kriterien sollten, so Thomas in Übereinstimmung mit Lehren muslimischer Juristen, für alle Formen legitimer militärischer Konflikte überall in der Welt gelten, mithin einschließlich heiliger Kriege. Militärische Konflikte jedweder Art konnten danach nur Aussicht auf Anerkennung als gerechte Kriege haben, wenn sie von einem zur Kriegführung berechtigten Herrschaftsträger mit rechter Absicht zur Verteidigung geführt würden und moralisch zu rechtfertigen seien [162, Kap.-II/ 2 q 40 a 3, S.-580]. Diese Aussage gab die Grundlage ab für die Bestimmung der Kriterien für die Gerechtigkeit des Kriegs. Der neapolitanische Jurist Lucas de Penna (um 1325-- um 1390) wiederholte sie gegen Ende des 14. [137, fol. 153 r ] und zu Beginn des 15.-Jahrhunderts Neue Akzente in der Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens 99 vertrat der in Köln lehrende Theologe Heinrich von Gorkum (ca 1378 - 1431) die aquinatischen Kriterien zur Bestimmung des gerechten Kriegs und reicherte sie mit Beispielen aus der biblischen Überlieferung an [75]. Als einzigen Grund der moralischen Rechtfertigung ließ Thomas die Wiederherstellung zuvor erlittenen Unrechts zu, folgte darin also dem augustinischen Abfolgeparadigma von Frieden, Krieg und wieder Frieden. Da Thomas die Möglichkeit einer objektiven Feststellung früher erlittenen Unrechts als gegeben voraussetzte, nahm er zugleich an, dass in einem militärischen Konflikt immer nur eine Seite den Anspruch auf Gerechtigkeit ihrer Kriegführung glaubhaft machen könne. Thomas wiederholte also mit seiner Theologie des gerechten Kriegs die alte These, dass Krieg durch Rechtssätze geregelt sei, die direkt aus göttlichem Willen folgten und nicht in den Bereich menschlicher Willensentscheidung fallen könnten [157, S.-30, 34, 41-43]. Er bestimmte mithin das Recht des Kriegs und des Friedens wie auch in der Tradition Ciceros das Ius gentium als ungesetztes, für alle Menschen gültiges Recht [162, Buch I, q 95 a 4, S.-326; Kap.-II/ 2 q 57 a 3, S.-599]. Damit schloss er die Verteufelung Andersgläubiger aus als nicht vereinbar mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens. Er bestand daher auch darauf, dass gegebene Versprechen und abgeschlossene Verträge ihre Gültigkeit auch während eines Kriegs behalten müssten [162, Kap.-II/ 2 q 40 a 3, S.-580]. Diese Projektion der Einheit der Menschheit war keine reine theologische Theorie, sondern auch für die Kirchenpolitik nutzbar. Papst Innozenz IV. (1243 - 1254) beispielsweise versuchte, den Anspruch auf Weltherrschaft zu retten, indem er ihn vom römischen Imperium auf die christliche Kirche übertrug. Zur selben Zeit als Thomas von Aquin begründete der Papst seinen Anspruch, die kirchliche Oberherrschaft über alle Menschen innezuhaben, mit dem Argument, dass alle Menschen, gläubige Christen ebenso wie „Ungläubige“, „Christi Schafe“ seien. In diesen Anspruch bezog er nicht nur Muslime ein, sondern auch beispielsweise Mongolen, zu denen er in seiner Eigenschaft als Stellvertreter Christi seine Gesandten als Missionsboten schickte [87, fol. 429 v -430 v ; 88, S.-69-81; 65]. Ebenso grundsätzlich, jedoch nicht mit den Mitteln der Theologie, sondern denen der Rechtswissenschaft, ging der einflussreiche Jurist Bartolus von Sassoferato (1313 - 1357) die Frage an, wie der Weltherrschaftsanspruch des römischen Imperators mit der Vielheit von Herrschaftsträgern innerhalb und außerhalb der lateinischen Christenheit vereinbart werden könne [15, ad dig. XLIX/ 15, 22, S.-227-228]. Bartolus behauptete die urspüngliche Existenz des römischen Imperium als des alleinigen tatsächlichen Inhabers von Weltherrschaft und nahm dann an, dass nach und nach verschiedene Imperatoren Privilegien an nachrangige Herrscher und Gentes ausgegeben hätten. Diese Privilegien hätten den sie empfangenden Herrschern und Gentes die Möglichkeit eröffnet, innerhalb des römischen Imperium nicht nach römischem, sondern nach anderem Recht, außerhalb des römischen Imperium nach römischem oder anderem Recht zu leben. Bartolus erklärte also die in seiner Zeit bestehende Vielheit der Herrschaftsträger als Ergebnis eines Vorgangs, der in der Vergangenheit sukzessive zur Eingrenzung des ursprünglich die Welt umfassenden Herrschaftsbereichs des römischen Imperators geführt habe. Diesen Prozess hätten die römischen Imperatoren aus eigener Machtvollkommenheit eingeleitet. Da, in der Wahrnehmung des Bartolus, nur die römischen Imperatoren diese Macht gehabt hatten, leiteten alle übrigen Herrschaftsträger die ihnen nunmehr eigene Macht aus Privilegien der römischen Imperatoren ab. Diese galten Bartolus daher nach wie vor als Träger der alleinigen, die gesamte Welt umspannenden Oberherrschaft, die durch Heimfall oder Widerruf der angeblichen Privilegien prinzipiell auch ohne Anwendung militärischer Gewalt wiederhergestellt werden könne. In der juristischen Theorie des Bartolus gründete die Weltherrschaft des römischen Imperators in der diese einschließenden Herrschaft des Rechts, das zugleich Stadtrecht von Rom und Weltrecht war. Der Jurist Giovanni da Legnano (1320 - 1383) und Heinrich von Segusio, Bischof von Ostia, genannt Hostiensis (um 1200 - 1271), folgerten aus der Theorie des Bartolus, niemand dürfe ohne Erlaubnis des Weltherrschers legal Krieg führen [114, Kap.- 14, S.- 94; 82, Lectura, fol. 59 v ]. Um 1280 hatte bereits der Jurist Jacques de Révigny (1230/ 40 - 1296) dasselbe 100 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) Argument mit Begrenzung auf den Expansionskrieg vorgetragen. Dieser sei nur statthaft, wenn er zugunsten des Imperium, mithin zur Herstellung der Weltherrschaft durch den Imperator geführt werde. Für andere Herrscher seien Kriege nur erlaubt zur Abwehr von Angriffen [19, S.-303-304]. Diese Theoretiker des Rechts des Kriegs und des Friedens zeigten sich bemüht, die Kriegführungsbefugnis mit rechtlichen Mitteln einzuschränken und die Möglichkeit eines gerechten Angriffskriegs auf denjenigen Herrschaftsträger zu begrenzen, der zwar den Anspruch auf Weltherrschaft artikulieren, aber tatsächlich nur vergleichsweise geringe militärische Machtmittel zur Durchsetzung dieses Anspruchs aufbieten konnte. Neben dem Krieg des römischen Imperators als dem gerechten Krieg schlechthin ließ Hostiensis sechs weitere Typen von Kriegen zu, die auch andere Herrschaftsträger führen konnten. Darunter subsumierte Hostiensis den Krieg zur Durchsetzung eines Schiedsspruchs (bellum iudiciale), den Krieg gegen eine Partei, die sich einem Schiedsspruch widersetzt (bellum praesumptuosum), den Krieg zum eigenen Schutz oder dem eines Bundesgenossen (bellum licitum), den Krieg als Angriff gegen eine ungerechte Herrschaft (bellum temerarium), den außerhalb des Ius ad bellum geführten Krieg (bellum voluntarium) und den Krieg zur Verteidigung gegen einen außerhalb des Ius ad bellum geführten Krieg (bellum necessarium). Die defensive Kriegstypenliste des Hostiensis galt in der kriegsrechtlichen Theoriebildung bis ins 15.-Jahrhundert als Standard [60]. Die Ableitung der Gesetzgebungs- und Kriegführungsbefugnis aus der angenommenen Machtvollkommenheit des Weltherrschers war nicht nur in der gelehrten Welt üblich, sondern scheint begrenzt volksläufig geworden zu sein. An der Wende zum 15.-Jahrhundert fand sich eine Variante der These Legnanos, dass nur der römische Imperator als Weltherrscher aus eigener Entscheidung einen gerechten Angriffskrieg führen könne, alle anderen Herrschaftsträger hingegen nur mit Ermächtung durch den Weltherrscher, in dem mittelhochdeutschen epischen Lehrgedicht Der Ring, verfasst offenbar von dem Advokaten Heinrich Wittenwiler am Hof des Konstanzer Bischofs wohl zu Beginn des 15.-Jahrhunderts. In einer Szene beraten Bauern eines im Toggenburg verorteten Dorfs darüber, ob sie einen Krieg gegen das Nachbardorf wegen eines zuvor erlittenen Unrechts führen sollen. Der Dorfschulze stellt klar, dass die Bauern des Dorfs diesen Krieg führen dürfen, denn „gwalt wir von dem kaiser haben“ [188, V. 6840]. Nach dem Epos sollten die Bauern dieses Dorfs kraft eines imperialen Privilegs aus eigener Entscheidung einen Angriffskrieg zur Wiedergutmachung angeblich erlittenen Unrechts führen dürfen. Wittenwiler spielte mit bauernfeindlichen Stereotypen, die seit dem 13.-Jahrhundert in der höfischen Literatur gängig waren, und legte dem Dorfschulzen eine Argumentation über die Gerechtigkeit des Kriegs legitimer Herrscher in den Mund, wohl wissend, dass abhängigen Bauern die Befugnis zur selbständigen Entscheidung über Krieg und Frieden nicht zustand. Das Unangemessene der Argumentation des Dorfschulzen bestand darin, dass er sich sozusagen doppelt einer vermeintlichen Befugnis zur Kriegführung, des mithin Ius ad bellum, zu versichern versuchte, einmal aus einem für die Dorfbewohner nicht bestehenden kaiserlichen Privileg, und noch einmal aus dem in der großen Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens verankerten Recht auf Wiedergutmachung erlittenen Unrechts. Wittenwiler ließ somit den Dorfschulzen zwei in seiner Zeit neben einander bestehende, aber nicht verbindbare Gründe für einen gerechten Krieg miteinander verweben. Der Krieg, den Bauern in dem Epos schließlich führen, endet dann auch in einem furchtbaren Gemetzel. Zwar ist das Werk nur in einer Handschrift erhalten, was gegen die Annahme einer weiten Verbreitung des Texts spricht. Aber der Autor erklärte ausdrücklich, er wolle mit dem Gedicht die nicht rechtskundige Bevölkerung mit komplexen und komplizierten Rechts- und Moralproblemen auf dem Weg der Erzählung von Geschichten vertraut machen. Um dieses Ziel zu erreichen, musste Wittenwiler jedoch voraussetzen, dass die nicht gelehrten Leser oder Hörer des Gedichts die Grundzüge der Argumentation des Dorfschulzen auch verstanden, mithin mit zentralen Sätzen des Rechts des Kriegs und des Friedens schon vor Konfrontation mit dem Inhalt des Gedichts vertraut waren [99, S.-154-159]. Selbständigkeit von Herrschaft und das Recht 101 Selbständigkeit von Herrschaft und das Recht Das römische Recht konnte spätestens seit dem 12.-Jahrhundert nicht mehr nur als Rahmen dienen für die Ableitung der Vorrangstellung des römischen Imperators gegenüber anderen Herrschern, sondern wurde nunmehr auch einsetzbar zur Rechtfertigung der Selbständigkeit eben dieser anderen Herrscher, insbesondere derjenigen Könige, deren Gebiete und Bevölkerungsgruppen auch in der Theorie des Bartolus außerhalb des römischen Imperium lagen. So schloss bereits im 13.- Jahrhundert der in der römischen Rechtstradition geschulte Jurist Marino da Caramanico in sein Vorwort zum Gesetzbuch Friedrichs II. für das Königreich Sizilien die Behauptung ein, dass jeder König, der als freier Herrscher nicht der Macht eines anderen Herrschers unterstehe, selbst Gesetze erlassen könne. In diesem Rang stehe der König von Sizilien, in dessen Gebiet keine von einem anderen Herrscher erlassenen Gesetze gelten könnten (in rege- libero qui nullius alterius potestati subiectus est, idem dicimus scilicet ut rex ipse possit condere legem,-… qualis est rex Sicilie) [26, S.-180]. Damit sagte der Jurist, dass der König von Sizilien genauso wie der Imperator aus eigener Macht Gesetze erlassen könne, also in dieser Hinsicht dem Imperator gleichgestellt sei. Für Sizilien war diese Aussage nicht weit hergeholt, da Friedrich II. als König von Sizilien zugleich Imperator war. Ein Interessenkonflikt zwischen zwei selbständigen Herrschern bestand folglich in diesem Fall nicht. Er trat jedoch in Erscheinung, wenn die Befugnis zur selbständigen Gesetzgebung eines Königs gegen dieselbe Befugnis eines anderen Königs stand. Deswegen hatten die Aussagen des Klerikers Stephan von Tournai (1128 - 1203) und des Juristen Guilelmus Durantis (1237 - 1296) mehr Gewicht. Stephan stellte bereits im späten 12.-Jahrhundert klar, dass ein König sich in seinem Königreich wie auch jeden anderen König Rex und Imperator nenne ([rex] in regno suo vel eundem vocat regem et imperatorem) [160, Kap.-II/ 4, S.-12]. In diesem Satz muss mit dem Wort Imperator nicht der Titel des römischen Imperators gemeint gewesen, sondern das Wort kann auch untechnisch den Befehlgeber bezeichnet haben. Jedenfalls aber brachte der Satz zum Ausdruck, dass Könige die Befugnis hätten, für das ihnen unterstellte Gebiet Regelungen zu treffen. In die Aussage scheint die Feststellung einbeschlossen gewesen zu sein, dass ein König in das Herrschaftsgebiet eines anderen Königs nicht hineinregieren könne [98, S.-105-108]. Durantis formulierte denselben Sachverhalt mit Bezug auf das Ius ad bellum, indem er das Recht, einen Krieg zu erklären, auf den „Princeps“ einschränkte. „Principes“, also die höchstrangigen Herrscher, waren im 13.-Jahrhundert außerhalb des römischen Imperium üblicherweise Könige [41, Buch II, Kap.- I/ 5, Nr- 2, S.-487]. Für Stephan von Tournai wie auch für Durantis war der König von Frankreich derjenige Herrscher, auf den ihre Aussagen unmittelbar anwendbar zu sein schienen. Streng genommen stellten weder Theologen noch Juristen zu dieser Zeit den Anspruch des römischen Imperators auf Weltherrschaft ausdrücklich in Frage. Sie brachten lediglich die theoretische Position zum Ausdruck, dass Ansprüche auf Weltherrschaft nicht notwendigerweise die Eigenständigkeit anderer Herrscher in Frage stellen müssten. Vor dem Hintergrund der großen Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens war diese Aussage alles andere als schockierend, band sie doch die ihre Eigenständigkeit beanspruchenden Könige ein in eine Hierarchie von Herrschaftsträgern. Der römische Imperator konnte an der Spitze dieser Hierarchie bleiben, solange er die Selbständigkeit der Könige außerhalb des römischen Imperium respektierte. Selbständigkeit war nicht gleichgesetzt mit Unabhängigkeit. Dennoch bargen diese Aussagen Ansätze für weiter gehende Theorien, die auch die Zurückweisung jedes Anspruchs des römischen Imperators auf Herrschaft über Könige außerhalb des römischen Imperium begründen helfen konnten. Von dieser Möglichkeit machten insbesondere französische Theoretiker im 14. und 15.-Jahrhundert öfter Gebrauch. Zur Bezeichnung eines Herrschers des höchsten Rangs setzten sie das Wort Souveraineté im Umlauf. Diese mit den lateinischen Wörtern Majestas (Majestät) und Potestas (Machtträger) gleichgesetzte Bezeichnung 102 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) ging über mehrere Zwischenstufen auf die lateinische Wurzel Suprematus zurück, verwies also allgemein auf den ranghöchsten Herrschaftsträger. Mit dieser Bedeutung war das Wort anwendbar nicht nur auf den römischen Imperator, sondern mindestens in kirchlichen Angelegenheiten auch auf den Papst sowie zusätzlich im Sinn des Marino von Caramanico auf jeden Herrscher, der aus eigener Macht Gesetze geben konnte. Nach dieser Theorie gab es zwar viele Souveräne, die aber nicht alle unter einander rechtlich gleich zu sein brauchten [17, Nr- 1043, S.-23-24]. Die Theorie trug dazu bei, dass zunehmend mehr Herrscher, auch und gerade außerhalb der Städte, danach strebten, sich Gesetzgebungskompetenz und damit Souveränität vertraglich verbriefen zu lassen. Der Herzog von Burgund beispielweise erreichte im Friedensschluss von Arras im Jahr 1435 den Verzicht des französischen Königs auf alle Oberherrschaftsansprüche über Burgund [177]. Damit war der Herzog Inhaber der alleinigen Gesetzgebungsgewalt über sein Herzogtum und folglich Souverän. Gleichwohl stand er als Herzog im Rang unter dem französischen König. Andererseits kam im Jahr 1356 mit der sogenannten Goldenen Bulle Karls IV. (1346 - 1378) für das römische Imperium eine Art Grundgesetz zustande, das den Rechtsrahmen für die Beziehungen der Herrschaftsträger innerhalb des Imperium abgab. Mit dem Erlass der Bulle nutzte Karl IV. als Imperator zwar die ihm zustehende Gesetzgebungsbefugnis, tat aber damit zugleich den ersten Schritt der rechtlichen Umwandlung des römischen Imperium von einer politischen Gemeinschaft mit Weltherrschaftsanspruch in eine politische Gemeinschaft, die aus einer festen Zahl an nachgeordneten Herrschaftsträgern bestand und damit nur noch durch Abänderung dieses Grundgesetzes auf die Welt als ganze ausdehnbar wurde. Unter diesen Herrschaftsträgern hob die Goldene Bulle zudem sieben Herzöge, Markgrafen und Grafen in den besonderen Rang der zur Wahl des Imperators befugten Herrscher, die den Titel „Kurfürsten“ trugen. Die Goldene Bulle ließ die Gesetzgebungsbefugnis der Herrschaftsträger innerhalb des Imperium für die ihnen jeweils unterstellten Gebiete unangetastet und gestand ihnen ausdrücklich noch das uneingeschränkte Bündnisrecht zu [100, Kap.-XX, S.-77]. Diejenigen Herrschaftsträger innerhalb des Imperium, die von diesen Privilegien Gebrauch machten, waren folglich Souveräne unter dem Imperator. Zu Beginn des 14.-Jahrhunderts bemühten sich nicht nur Juristen, sondern auch Theologen um Antworten auf die Frage, wie die Vielheit der nunmehr als souverän bezeichneten Herrschaftsträger mit dem Gebot des Festhaltens am Glauben an das Fortbestehen des römischen Imperium als einzigem Träger von Weltherrschaft vereinbart werden könne. Um diese Frage beantworten zu können, bot sich ihnen die auf Aristoteles (384 - 322 vor Chr.) zurückgehende Theorie an, dass Menschen zum Leben in Gemeinschaften neigten und dass in diesen Gemeinschaften jegliche Herrschaft eines Menschen über andere außer Sklaven grundsätzlich nur mit Zustimmung der Beherrschten legitim sei. Diese Theorie des Aristoteles wurde an der Wende zum 14.-Jahrhundert in der lateinischen Christenheit bekannt. Sie eröffnete eine neue Perspektive zur Begründung des Entstehens nicht nur von Gemeinschaften im allgemeinen, sondern auch politschen Gemeinschaften im besonderen. Abt Engelbert des steirischen Klosters Admont (um 1250 - 1331) versuchte, die von ihm akzeptierte These vom Bestehen des römischen Imperium aus göttlichem Willen zu verbinden mit der weiteren These, dass göttlicher Wille auch die Errichtung weiterer politischer Gemeinschaften erlaube [47, Kap.-2, S.-755]. Dazu sei eine Übereinkunft (pactum) einiger Genossenschaften von Bewohnern eines oder mehrerer Gebiete zur Errichtung von Herrschaft erforderlich. Mit der Verbindung der These von der Entstehung des römischen Imperium durch göttlichen Willen mit der These der gottgebenen Möglichkeit der Entstehung weiterer politischer Gemeinschaften durch menschliches Vertragshandeln schuf Engelbert die theoretische Möglichkeit, die Forderung der christlichen Theologie nach Anerkennung des Weltherrschaftsanspruchs des römischen Imperium zu vereinbaren mit der Tatsache, dass es innerhalb wie außerhalb der lateinischen Christenheit politische Gemeinschaften als Selbständigkeit von Herrschaft und das Recht 103 Staaten mit legitimem Anspruch auf Selbständigkeit gab. Die Lehre vom Herrschaftsvertrag formulierte also die Bedingungen der Entstehung legitimer Herrschaft von Menschen über Menschen aus deren freier Entscheidung im Sinn der Theorie des Aristoteles. Sie trat seit Anfang des 14.-Jahrhunderts in zwei Fassungen auf. Die eine, von Engelbert selbst vertretene Fassung war, dass die Menschen ihren einmal eingegangenen Herrschaftsvertrag nicht widerrufen könnten. Dagegen argumentierten Engelberts Zeitgenossen Johann Quidort, der an der Universität von Paris lehrte (um 1255/ 60 - 1306) [146, Kap.-1, S.-75-78], und der Gelehrte Marsilius von Padua (1275/ 90 - 1342/ 3), der Herrschaftsvertrag sei bei Nichterfüllung durch den Herrscher kündbar [116, Dictio I, Kap.-XX/ 6-7, Bd-1, S.-66-68]. Beide Fassungen der Herrschaftsvertragslehre begründeten die Vielheit der bestehenden Staaten in den Begriffen nicht der Macht, sondern des Rechts. Diese Vielheit kam nach dieser Theorie zustande weder durch Akte revolutionären Widerstands gegen bestehende Herrschaft noch durch Privilegien des Weltherrschers, sondern durch menschliches Handeln, das im Einklang mit göttlichem Willen zu stehen schien. Sie ließ, jedenfalls in der Fassung Engelberts, die These unbeschadet, dass das römische Imperium als politische Gemeinschaft eigenen Rechts allein und unmittelbar aus göttlichem Willen abzuleiten sei. Die allmähliche Anerkennung der Vielheit legitimer politischer Gemeinschaften als selbständige Staaten, die neben dem römischen Imperium wahrgenommen werden konnten, hatte wesentliche Folgen für Theorie und Praxis des Rechts des Kriegs und des Friedens. Für das Recht des Kriegs folgte aus der Bestimmung einiger Herrschaftsträger, insbesondere der Könige, als Souveräne in Verbindung mit der Herrschaftsvertragslehre die Möglichkeit, die Befugnis zur Kriegführung rechtlich zu begrenzen auf diejenigen Herrscher, die als „höchste“ in ihren jeweiligen Staaten anerkannt waren, mithin auf die Souveräne [41, Buch II, Kap.-I/ 5, Nr-2, S.-487]. Damit war das Ius ad bellum eingegrenzt auf diejenigen Herrscher, die als Souveräne anerkannt waren. Jeder adlige Kriegsherr, der sich einem Souverän unterstellt hatte, hatte damit auch seine Befugnis zum Kriegführen preisgegeben. Zugleich behielt jeder adlige Kriegsherr, ohne Rücksicht auf seinen Herrschaftstitel, die Kriegführungsbefugnis, solange er selbständig blieb. Dem römischen Imperator wie anderen Souveränen wuchs aus der in dieser Formulierung ausgedrückten Forderung nach Begrenzung der Kriegführungsbefugnis die Aufgabe zu, ihre Souveränität dadurch zur Geltung zu bringen, dass sie anderen Herrschaftsträgern innerhalb der ihnen unterstellten Gebiete das Ius ad bellum verweigerten. Das Rechtsmittel zur Umsetzung dieser Forderung unter Herrschern gleichen Rangs war der Gewaltverzichtsvertrag. Einen solchen Vertrag schlossen beispielsweise die Herzöge von Burgund und von Lothringen am 15.-Oktober 1473 [179]. Zwischen Herrschern unterschiedlicher Ränge kamen seit dem 13.- Jahrhundert zahlreiche Landfriedensvereinbarungen zustande. Die Reihe erreichte mit dem Abschluss des „Ewigen Landfriedens“ vom 1495 für das römische Imperium ihren Höhe- und Schlusspunkt [118]. Dieser Frieden verpflichtete alle Herrschaftsträger innerhalb des römischen Imperium dazu, ihre Streitigkeiten von einem neu zu errichtenden, für das Imperium als ganzes zuständigem Gericht entscheiden zu lassen. Das Gericht blieb unter der Bezeichnung Reichskammergericht bis in das Jahr 1806 bestehen. Zwar gelang die Durchsetzung der allgemeinen Friedenspflicht im Imperium nicht, und zudem band der Landfriede Herrscher außerhalb des Imperium nicht. Aber die Grenzen des römischen Imperium, soweit sie anerkannt waren, hatten seit dem Landfrieden Rechtswirkung, da sie das Ende der Reichweite der Geltung des nur für das Imperium geltenden Landfriedens markierten. Die mangelnde Fähigkeit des römischen Imperators, seinen Anspruch auf Weltherrschaft durch Erfolg in Bemühungen um Festigung des Friedens in der lateinischen Christenheit zur Geltung zu bringen, wurde schon erkennbar an dem Umstand, dass an der Wende zum 14.-Jahrhundert nicht der Imperator, sondern Papst Bonifaz VIII. (1294 - 1303) als Schiedsrichter in einem Rechtsstreit zwischen König Edward I. von England und König Philip IV. von Frankreich 104 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) (1285 - 1314) angerufen wurde. Doch auch der Papst konnte seine Rolle als Schiedsrichter mit Zustimmung der beiden Streitparteien erst einnehmen, nachdem er zugesichert hatte, er werde nicht als Papst, sondern als Privatperson unter seinem persönlichen Namen Benedikt von Gaeta schlichten. Benedikt alias Bonifaz VIII. entschied zugunsten Edwards I. Einen weiteren Schiedsspruch fällte er dann als Papst [20]. Der Papst als Träger des kirchlichen Weltherrschaftsanspruchs kam also nur ausnahmsweise als Friedensvermittler und Streitschlichter in Betracht, der Imperator als Träger des weltlichen Weltherrschaftsanspruchs nicht. Die faktische Begrenzung des römischen Imperium, das nunmehr auf allen Seiten von Gebieten unter der Kontrolle souveräner Herrscher umgeben war, fand ihren Ausdruck nicht zuletzt in der sozusagen amtlichen Bezeichnung für das Imperium. Aus dem Jahr 1157 ist zum ersten Mal der Gebrauch des Attributs heilig (sacrum) in einer Bezeichnung für das Imperium in der Kanzlei des Imperators belegt, aus dem Jahr 1254 zuerst die Zusammenfügung der Attribute heilig und römisch zu der Formel „Sacrum Imperium Romanum“. Diese Formel schien zuerst um die Mitte des 14.-Jahrhunderts in deutscher Sprache auf als „Heiliges Römisches Reich“. Gegen Ende des 15.-Jahrhunderts trat die Bezeichnung „Deutscher Nation“ hinzu, die die das „Reich“ tragenden Bevölkerungsgruppen auf eine Gens beschränkte. Das alte lateinische Wort Gens blieb jedoch nur in einigen vom Lateinischen abgeleiteten Sprachen weiterhin in Gebrauch, imbesonderen in den volksssprachlichen Versionen des Ius gentium. Die übrigen europäischen Sprachen übernahmen das Wort Gens nicht, behielten aber Natio bei, das spätestens seit Cicero neben Gens als Bezeichnung für politische und andere Gemeinschaften als herrschaftliche geordnete Bevölkerungsgruppen Verwendung gefunden hatte. Es blieb wie auch die Wörter Volk und die stammverwandten Ableitungen vom Lateinischen Populus (zum Beispiel Englisch people, Französisch peuple) im Wortschatz des nord-, west- und südeuropäischen Sprachen. Die Zufügung „Deutscher Nation“ zur offiziellen Bezeichnung des Reichs scheint ihre Begründung darin zu haben, dass die meisten Imperatoren seit dem 10.- Jahrhundert aus dem deutschen Sprachbereich stammten und über dort liegende Gebiete nach eigenem Recht herrschten. Während des 14. und 15.-Jahrhunderts kam mithin der langdauernde Prozess der Suche nach Übersetzungen für die auf das Imperium angewandte lateinische politische Terminologie zum Abschluss. Das Imperium wurde nunmehr zu einem Reich, wie es viele andere gab. Der Unterschied zwischen dem römischen Imperium und anderen politischen Gemeinschaften lag fortan nicht mehr in dessen Charakter als Imperium, sondern allein im Titel seines Herrschers. Das Imperium war das Reich, das unter der Kontrolle des Imperators stand, während die anderen Reiche von Königen beherrscht wurden. Für den lateinischen Imperatortitel setzte sich im deutschen Sprachgebiet die volkssprachliche Fassung des Namens Caesar als Kaiser durch, in den romanischen Sprachen blieben hingegen die jeweiligen volkssprachlichen Varianten des Imperatortitels weiterhin in Gebrauch, und wanderten auch in das Englische. Dennoch konnte bereits zu Beginn des 14.-Jahrhunderts Dante den Namen „Cesare“ als Kaisertitel verwenden [35, Kap.-II/ 1, Nr-4, S.-366]. Gab es mithin seit dem 14.-Jahrhundert viele Reiche neben dem römischen, so blieb doch das Römische Reich das einzige unter der Kontrolle eines Herrschers mit dem Kaisertitel. Die Kaiser hielten zunächst an der durch Karl I. begründeten Sitte fest, sich in Rom vom Papst krönen zu lassen, und hielten somit die Bindung des Reichs an Rom aufrecht. Doch die letzte Kaiserkrönung in Rom fand statt im Jahr 1452 für Kaiser Friedrich III. (1440 - 1493), den ersten Kaiser aus der damals in und um Wien sowie in Tirol über größere Gebiete als Erbländer Herrschaft tragenden Verwandtengruppe der Habsburger, ein Jahr bevor Byzanz zum Zentralort der Osmanischen Herrschaft wurde. Die Bindung des Kaisertums an Rom kam seither nurmehr im Kaisertitel und der offiziellen Bezeichnung des Reichs zum Ausdruck. Die theoretische Begrenzung des Rechts zum Krieg auf Souveräne, mithin den Kaiser, die Könige, alle selbständigen adligen Herrschaftsträger, die selbständigen Städte sowie einige Ordensgemeinschaften, vertiefte nicht nur die Hierarchie der Herrschaftsträger, sondern schuf auch ei- Diplomatie und Vertragsrecht 105 nen privilegierten Klub derjenigen, die nach eigener Entscheidung einen gerechten Krieg erklären konnten, ohne sündhaft zu werden. Die katholische Kirche unterstützte diesen Vorgang der Verrechtlichung des Kriegs, indem sie Widerspruch unterdrückte. Als beispielsweise der englische Reformer und Pazifist John Wyclyf (um 1330 - 1384) behauptete, weltliche Herrschaftsträger seien stets sündhaft und folglich könne weltliche Herrschaft nur bei Gewährung göttlicher Vergebung für die Sünden der Herrscher bestehen, verwarf das Konzil von Konstanz (1414 - 1418) diese These als ketzerisch [190, S.-21-22; 72, S.-517]. Dasselbe Konzil hatte auch über einen Rechtsstreit zu entscheiden, der über die Kriegführungsbefugnis des Deutschen Ordens zwischen diesem und dem König von Polen aufgebrochen war. Die Unterstützer des Ordens verfochten die These, dass „Ungläubige“ kein Recht auf Siedlung in Christengebieten hätten und beriefen sich dafür auf eine Aussage des Hostiensis. Nach dieser Aussage mussten Ungläubige Christen meiden, wenn sie nicht zum Christentum übertreten wollten. Taten die Ungläubigen keines von beiden, durften sie nach dieser Lehre bekriegt werden. Hostiensis bestritt daher die Existenz eines das Siedlungsrecht umfassenden für alle Menschen gültigen Ius gentium. Nach dem Rechtssatz des Hostiensis war der Deutsche Orden gegenüber den Prussen verfahren [83, fol. 58 v ]. Gegen diese Argumentation berief sich der Vertreter des Königs von Polen, der Gelehrte Paulus Vladmiri (um 1370 - 1435), auf die in den Werken des Augustinus, des Thomas von Aquin und Papst Innozenz IV. niedergelegte Rechtsauffassung, dass das Ius gentium für alle Menschen als göttliche Geschöpfe gültig sei ohne Rücksicht auf deren Religion. Folglich sei die Ordensherrschaft über die Prussen und deren Gebiete unrechtmäßig. Vladimiri rief nicht den Kaiser als Träger von Oberherrschaft über den Orden, sondern den Papst als oberherrliche Instanz an, gegen dessen Weisungen sich der Orden gestellt zu haben schien. Daher habe der Papst den Orden zu bestrafen [184; 185]. In der Sicht Vladimiris unterstand der Orden der Jurisdiktion des Papsts, obwohl er als Kriegsherr und Gesetzgeber auftrat und damit die anerkannten Merkmale der Souveränität dokumentierte. Aber der Orden blieb trotz der Einwände Vladimirs souveräner weltlicher Herrschaftsträger. Der Streit der Meinungen reflektierte einen Prozess der Spezifizierung des Rechts des Kriegs. War es bis in das 14.-Jahrhundert eine Sammlung von Rechtssätzen gewesen, die in der Hauptsache als Kriterien zur Bestimmung der Gerechtigkeit eines Kriegs dienten, war es im 15.-Jahrhundert bereits eine Sammlung von Rechtssätzen geworden, die im wesentlichen das Recht im Krieg (ius in bello) und das Recht zum Krieg (ius ad bellum) regelten. Diese Verschiebung der Hauptinhalte des Rechts des Kriegs hatte ihre wichtigste Ursache nicht in der Verlagerung des Bemühens um das Recht des Kriegs aus dem Tätigkeitsbereich der Theologen in den Tätigkeitsbereich der Juristen [16, S.-195-196], sondern der wachsende Einfluss der Juristen auf die Formulierung und Durchsetzung des Rechts des Kriegs war als solcher Ergebnis des Vorgangs, durch den die Vielheit der selbständigen Herrscher rechtliche Anerkennung gefunden hatte. Neue Aspekte des Rechts des Friedens: Diplomatie und Vertragsrecht Dieselbe Konsequenz ergibt sich aus den Veränderungen im Recht des Friedens. Spätestens seit dem 13.-Jahrhundert intensivierte sich der Austausch speziell bevollmächtigter Gesandter zwischen selbständigen Herrschaftsträgern, insbesondere Städten in Oberitalien. Gesandtschaften reisten aus besonderem Anlass wie seit langem hin und her. Die Regelmäßigkeit diplomatischer Anlassgesandtschaften führte schon im 12.-Jahrhundert zur Kodifizierung älterer, an Isidor von Sevilla anknüpfender Rechtssätze, die die Sicherheit der diplomatischen Gesandten gegen Übergriffe auf ihre körperliche Unversehrtheit und ihres Eigentums gewährleisten sollten [63, Dist. I, Kanon 9, S.-3]. Schon im 13.-Jahrhundert war es möglich, den Mord an Gesandten als Grund eines gerechten Kriegs anzuführen. So begründete Großkhan Güyük der Mongolen (1246 - 1248) 106 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) in seinem Antwortschreiben an Papst Innozenz IV. vom November 1246 die kriegerische Unterwerfung von „Magyaren und Christen“ durch mongolische Heere mit dem Argument, diese hätten seine Gesandten ermordet [65]. Der Papst hatte im Jahr 1245 Gesandte als seine Vertreter zu den Mongolen geschickt und dabei für sie ausdrücklich freies Geleit (salvus conductus verlangt [88, Nr-102 (5.-März 1245), S.-72-73; Nr-105 (13.-März 1245), S.-75]. Sowohl der Großkhan als auch der Papst gingen also davon aus, dass der Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums diplomatischer Gesandter ein Recht seien, das ohne Setzung bei allen Menschen bestehe, gaben aber zugleich ihrer Kenntnis Ausdruck, dass dieses Recht verletzbar war. Diplomatische Gesandte agierten somit in einem Raum, in dem Recht nicht durch die Gewalt eines Herrschaftsträgers über ein Gebiet durchgesetzt werden konnte. Deswegen galten alle Rechtssätze, die zum Schutz diplomatischer Gesandter formuliert wurden, als göttlichen Ursprungs und allen Menschen gemeinsam, wie sich im 15.-Jahrhundert Bernard du Rosier, Erzbischof von Toulouse (1400 - 1475), ausdrückte [156, Kap.-XXIII, S.-23]. Seit den 1420er Jahren sind die ersten Gesandtschaften bekannt, die nicht mehr aus einem gegebenen besonderen Anlass zustandekamen, sondern unbefristet und ohne speziellen Auftrag [144]. Im besonderen der Senat von Venedig ließ solche Ständigen Gesandtschaften zusammenstellen und forderte von deren Angehörigen Berichte über das, was sie am Zielort ihrer Reise wahrnahmen. Für diese Ständigen Gesandtschaften fehlte zunächst eine verbindliche Terminologie. Das Wort „Ambaxiator“ war im 15.-Jahrhundert noch so neu, dass Bernhard du Rosier es erläutern zu müssen glaubte. Er meinte, „ambaxiatores“ seien alle Amtsträger, die irgendwohin entsandt würden, außer von der päpstlichen Kurie. Denn diese nenne ihre Gesandten „Nuncii“ [156, Kap.-I, S.-4-5]. Ähnliches hatte bereits im 13.-Jahrhundert Guilelmus Durantis fomuliert, dabei aber das seit langem in Gebrauch stehende lateinische Wort „Legatus“ verwandt. Durantis zufolge könne „Legatus“ jeder genannt werden, den jemand einem anderen zusende (Legatus est seu dici potest, quicumque ab alio missus est) [42, S.-32]. Der Jurist Martinus Garatus aus Lodi, genannt Laudensis (gest. 1453), wiederholte diese Ansicht im 15.-Jahrhundert [62]. Dass zu den Aufgaben von Anlassgesandtschaften die Verabredung und der Abschluss von Friedens- und anderen Verträgen gehörten, galt im 15.-Jahrhundert bereits als Selbstverständlichkeit. Seit dem 12.- Jahrhundert war das „zusammengesetzte“ Vertragsabschlussverfahren [73; 74], insbesondere zwischen oberitalienischen Städten, standardisiert worden, trennte die Verhandlung von Abkommen sowie deren Paraphierung als vorläufige Rechtstexte von deren schließlicher Inkraftsetzung. Das Verfahren wies die Paraphierung und die Inkraftsetzung von Verträgen der Zuständigkeit verschiedener Personen und Personengruppen zu. Es forderte die spezielle Bevollmächtigung von Anlassgesandten zur Verhandlung und Paraphierung von Vertragstexten und wies diesen Bevollmächtigten dann die Befugnis zu, im Auftrag der sie entsendenden Herrschaftsträger einen Vertrag auszuhandeln. Es setzte den Beginn der Gültigkeit der verhandelten und paraphierten Vertragstexte mit der Zustimmung der entsendenden Herrschaftsträger in der Form der Ratifizierung gleich. Die Notwendigkeit einer Ratifizierung konnte, musste aber nicht ausdrücklich im Vertragstext festgeschrieben sein. Innerhalb des „zusammengesetzten“ Vertragsschlussverfahrens konnten die bevollmächtigten Gesandten selbst zwar keine rechtsverbindlichen Verpflichtungen eingehen, aber das Verfahren besagte, dass jeder Vertrag, den ein Herrschaftsträger ratifiziert hatte, unbedingt gültig war und somit nicht nur diesen persönlich, sondern auch dessen Nachfolger band. Die Abkommen konnten wie schon im Alten Vorderen Orient als getrennte, aber auf einander bezogene Willenserklärungen der Parteien gestaltet sein, wie etwa der englisch-französische Vertrag von Brétigny vom 8.-Mai 1360 [173], der in der Form der Willenserklärung des Königs von Frankreich an den König von England überliefert ist. Diesen Vertrag ratifizierte der englische König in Calais am 24.-Oktober 1360. Häufig war die Vertragsform der Konkordate, da sie Diplomatie und Vertragsrecht 107 keine Bestimmung der Rangverhältnisse zwischen den Parteien erforderte, sondern beide Parteien formell für sich allein sprachen [168; 169]. Auch an der Bekräftigung der Verträge durch den Eidschwur hielten die Vertragsparteien üblicherweise fest [177]. Neben den Konkordaten stand aber auch die Diplomform für Verträge in Gebrauch, die als gemeinsame Willenserklärung der Vertragspartner formuliert war. Nicht nur Monarchen, sondern auch Städte bedienten sich dieser überkommenen Verfahren des Vertragsschlusses. Die Deutsche Hanse war als Vereinigung von Kaufmannsgilden entstanden, umfasste jedoch bereits an der Wende zum 14.-Jahrhundert auch die Räte vieler Städte, in denen die in ihr zusammengeschlossenen Kaufmannsgilden beheimatet waren. Die Stadträte als Träger selbständiger Herrschaft konnten in eigenem Recht Kriege nicht nur gegen Städte, sondern zudem gegen andere Typen von Herrschaftsträgern wie etwa Monarchen führen und folglich auch Friedensverträge schließen. Diese Abkommen waren in der Regel nicht im Namen der gesamten Hanse, sondern durch einzelne, jeweils im Vertragstext aufgelistete Städte mit einem Monarchen vereinbart. Auch sie konnten sowohl als getrennte wie als zusammengeführte Willenserklärungen gestaltet sein. So vereinbarten (concordatum et conclusum) Bremen, Dortmund, Groningen, Lübeck, Münster, Riga und Soest unter Datum vom 7.-Juni 1437 einen Frieden mit König Heinrich VI. von England (1422 - 1461, 1470 - 1471). Dieser Vertrag wurde niedergelegt in einer einzigen Urkunde, die beide Seiten gültig gesetzt hatten [178]. Andererseits verkündete der englische König Edward IV. (1461 - 1470, 1471 - 1483) das in Utrecht am 20.-Juli 1474 mit Lübeck, Danzig sowie anderen, nicht eigens genannten Hansestädten als sein eigenes Edikt, in das er die zuvor geschlossene Übereinkunft mit den Städten einfügen ließ. Eine Variante desselben Abkommens liegt vor in einer von beiden Seiten bekräftigten Urkunde, die in den Stadtarchiven von Lübeck und Wismar aufbewahrt wird [180]. Der Frieden von Stralsund vom 2.-Juli 1370 zwischen einigen namentlich genannten sowie einigen nicht einzeln aufgeführten Hansestädten und König Håkon VI. von Norwegen (1343 - 1380) wiederum liegt vor in dem „Versprechen“ der Hansestädte, den Frieden auf fünfzig Jahre halten und während dieser Frist Sicherheit gewährleisten zu wollen [174]. Der Originaltext dieses „Versprechens“ ist im Archiv von Ledraborg in Norwegen erhalten, woraus folgt, dass es dem norwegischen König ausgehändigt worden sein muss. Umgekehrt liegt das Original der Urkunde, mit der König Erich VII. von Dänemark (1412 - 1439) den befristeten Friedensschluss von Wordingborg vom 15.- Juli 1435 mit Lübeck, Hamburg, Lüneburg und Wismar unter Datum vom 17.- Juli 1435 bekräftigte, im Stadtarchiv Lübeck, muss also Lübeck als Vertragspartner übergeben worden sein [176]. Die Vielzahl der zwischen den Hansestädten und Herrschern in Nord- und Westeuropa geschlossenen Verträge belegt die Rechtsgleichheit der einzelnen, vertragsschließenden Hansestädte mit Königreichen. Die Verträge erweisen die Hanse als Verband, der die rechtliche Selbständigkeit seiner Mitglieder nicht in Frage stellte und folglich kein Alternativmodell zur Königsherrschaft war. Die Verträge zeigen auch, dass die große Tradition des in den Alten Vorderen Orient zurückreichenden Rechts der zwischenstaatlichen Verträge die Vertragsschlusspraxis noch im 15.-Jahrhundert bestimmte. Den Rechtssatz, dass geschlossene Verträge, insbesondere Friedensverträge zwischen Souveränen bindend seien, formulierte Martinus Garatus in seiner theoretischen Abhandlungen über das Vertragsrecht [61, Quaestio V, S.-414]. Der Rechtssatz entstammte dem römischen Recht (ius civile) und fand seinen Ausdruck in der Formel Pacta sunt servanda. Garatus spezifizierte, dass geschlossene Verträge nur dann ungültig seien, wenn sie gegen göttliche Gesetze verstießen. Er band dadurch den Rechtssatz Pacta sunt servanda in Bezug auf das Recht des Kriegs und des Friedens ein in das göttliche Recht, sagte damit aber in der Sache nichts Neues. Denn die Pflicht zur Einhaltung geschlossener Verträge, die gemäß göttlichem Recht vereinbart worden waren, bestand schon im Alten Vorderen Orient. Aber Garatus zog aus der Ableitung des Rechts der Verträge als Teil des Rechts des Friedens aus göttlichem Willen zuerst den pragmatischen 108 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) Schluss, dass der Papst als Stellvertreter Christi auf Erden die Souveräne (Principes) zum Einhalten geschlossener Verträge zwingen könne [61, Quaestio XIX, S.-421]. Ebenso sei es Aufgabe des Papsts, zwischen christlichen Souveränen Frieden zu stiften [61, Quaestio XXXIII, S.-426]. Der Papst hatte, was Garatus sehr genau wusste, zur Erzwingung des Friedens unter Souveränen keine militärischen, sondern nur kirchliche Machtmittel. Indem Garatus allein den Papst als irdischen Herrschaftsträger zur Erzwingung des allgemeinen Friedens in der Christenheit anerkannte, bestritt er implizit auch gegen Dante, dass der römische Imperator die Aufgabe des Bringers von Gerechtigkeit und Frieden leisten könne. Garatus ließ zudem wissen, dass er den Rechtssatz Pacta sunt servanda in Bezug auf die Christenheit als Bestandteil weder der Tradition des römischen Rechts (ius civile) noch des allgemein unter allen Menschen verbreiteten Rechts (ius gentium) anzuerkennen bereit war, sondern durch Vermittlung des Papsts als direkt aus göttlichem Willen abgeleitet wahrgenommen wissen wollte. Damit war in der Sicht des Garatus das Recht der zwischenstaatlichen Verträge als Teil des Rechts des Friedens nicht mehr selbstverständlich für alle Menschen, sondern nur noch unter Christen gültig. Zusammenfassung Die Tradition des römischen Rechts (ius civile) förderte seit dem 12.-Jahrhundert in der lateinischen Christenheit hauptsächlich die sich als Souveräne konstituierenden, nur bestimmte Gebiete umfassenden Staaten, nicht aber das römische Imperium mit seinem Anspruch auf Weltherrschaft. Der Anspruch auf Weltherrschaft blieb als solcher bestehen, erhielt in der Theorie des Bartolus von Sassoferato sogar ein juristisches Gewand. Dem römischen Imperator konnte unter Begrenzung auf das Gebiet des Imperium, also nicht einmal für die Christenheit schlechthin, der Basler Kirchenrechtslehrer Hermann Peter aus Andlau (im Elsass) (um 1420 - um 1484) in seinem „Büchlein über die kaiserliche Alleinherrschaft“ vom Jahr 1460 die Aufgabe der Garantie der Sicherheit auf den Straßen zuweisen [138, Kap.-II/ 18, S.-212-214]. Dabei versäumte Peter es nicht festzustellen, dass das Imperium die gottgewollte Regierung (gubernaculum) der gesamten Menschheit sei, der Imperator den Frieden überall auf Erden zu schützen habe, dass der Imperator alle anderen Souveräne (reges et principes) an Ansehen und Macht (auctoritate et potestate) überrage und dass ihm alle Nationen (naciones) unterstünden (sub eo sunt). Aber er musste zugeben, dass schon der König von Frankreich, obzwar von Rechtswegen (de jure) dem Kaiser unterstellt, diesen tatsächlich nicht als vorgesetzten Herrscher anerkenne [138, Titel Kap.-II/ 18, S.-212; Kap.-II/ 20, S.-217; Kap.-II/ 8, S.-183-184]. Nur mit großem Aufwand an abstrakt-theoretischer Argumentation konnte in der zweiten Hälfte des 15.-Jahrhunderts noch das Recht des Kriegs und des Friedens als gültig für die gesamte Menschheit erscheinen. Die Vorstellung, dass dieses Recht göttlichen Ursprungs sein und daher ohne Setzung wirksam werden könne, trugen zwar Theoretiker auch im 15.- Jahrhundert noch vor. Aber in der Praxis seiner Handhabung war das Recht des Kriegs und des Friedens bereits zu einer Sammlung von Rechtssätzen zur Regelung der Beziehungen unter Staaten und anderen politischen Gemeinschaften vornehmlich in der lateinischen Christenheit geschrumpft. Die Verengung der praktischen Anwendung des Rechts des Kriegs und des Friedens während des 13., 14. und 15.-Jahrhunderts auf Anhänger des Christentums brachte also auch das römische Imperium mit seinem Anspruch auf Weltherrschaft in schwere Bedrängnis. Denn unter der Herrschaft des enger gewordenen Rechts des Kriegs und des Friedens schrumpfte es vom Imperium schlechthin zu einem Reich unter vielen. Zu dem Zeitpunkt, als römische Herrschaft in Byzanz ihr Ende fand, stand auch das römische Imperium der lateinischen Christenheit am Abgrund. Dass das römische Imperium nicht um die Mitte des 15.-Jahrhunderts ganz verschwand, war nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass der Glaube daran weitergalt, dass die Welt nur Zusammenfassung 109 mit dem römischem Imperium fortbestehen werde [138, Titel II, Kap.-20, S.-218]. Damit ist auch gesagt, dass einige Versatzstücke der großen Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens auch im 15.-Jahrhundert noch wirksam blieben. Der Glaube daran, dass die alle politischen Gemeinschaften in sich aufnehmende Weltherrschaft das Fortbestehen der Welt ermögliche, ist bis in das 15.-Jahrhundert belegt nicht zuletzt in dem damals allgemein verbreiteten Weltkartenbild. In der Christenheit wie auch im Islam dominierte derjenige Kartentyp, der schon im Alten Vorderen Orient geprägt worden war und die Welt als begehbare Landmasse innerhalb des Ozeans als schmaler Wasserstreifen zeigte. Dieser Kartentyp veranschaulichte die Oberfläche des Planeten Erde als Dreiheit der miteinander verbundenen Kontinente Afrika, Asien und Europa. Oft erschien die Welt in diesen Karten abgebildet unter Figuren, die der göttlichen Sphäre zugeordnet wurden, insbesondere Christus, zugleich aber über Dämonen in der Form von Drachen, die im Wortsinn die Unterwelt repräsentierten. Diese Karten zeigten mit der Ausnahme der in der Bibel erwähnten angeblichen Einmauerung der mythischen Gentes Gog und Magog keine menschengemachten Grenzen, gaben mithin die bewohnte Welt als politische und Rechtseinheit zu erkennen [9; 48; 105; 106; 113; 187]. Palästina bildete in der Regel der geografischen Mittelpunkt der abgebildeten Welt in der Nähe des Ostufers des Mittelmeers, das heißt am unteren Rand Asiens [150]. Im Osten Asiens, das heißt am oberen Ende der Welt in nächster Nähe zur göttlichen Sphäre, war entweder auf dem asiatischen Kontinent oder auf einer diesem östlich vorgelagerten Insel das irdische Paradies eingefügt und mit den biblischen Paradiesflüssen, zwei Gesichtern sowie dem Baum der Erkenntnis gekennzeichnet [11]. Die Welt bestand also in diesem Kartenbild zwischen Himmel und Hölle. Die Karten vermittelten nicht nur ein Bild von der Welt als Raum, sondern auch vom Weg des Menschengeschlechts zwischen der göttlichen Erschaffung der Welt und deren künftigem Ende [24; 43, S.-52-96]. Das römische Imperium hatte im Kartentyp der lateinischen Chrisenheit seinen Ort stets am unteren Ende der Karte, verwies mithin auf seine Position als letzte Weltherrschaft vor dem Ende der Welt. Diese Weltkarten vermittelten bis an das Ende des 15.-Jahrhunderts das Bild der Welt als einer alle drei Kontinente umgreifenden, künftig zu realisierenden Einheit der Menschheit, unter Beibehaltung der kollektiven Identitäten und der Zugehörigkeit zu spezifischen politischen Gemeinschaften. Derselbe Weltkartentyp bestand auch in der griechisch-orthodoxen Christenheit und im Islam. Dort unterschied er sich von dem der lateinischen Christenheit durch die Positionierung des Südens (Afrika) im oberen Teil in muslimischen, des Nordens (Europa) in griechischen Karten. Zudem fügten muslimische Karten Mekka als Zentralort ein und erlaubten einen höheren Anteil an Wasser auf der Erdoberfläche als die Weltkarten der griechischen und lateinischen Christenheit. Letzteres ging offensichtlich auf die nautischen Kenntnissen arabischer Seefahrer vom Indischen Ozean zurück. Diese Kenntnisse verbreiteten sich in der Christenheit erst langsam um die Mitte des 15.-Jahrhunderts. Auch muslimische Weltkarten präsentierten die Welt als Einheit und als Ziel von Weltherrschaftsansprüchen [7]. Es versteht sich von selbst, dass diese Weltherrschaftsansprüche sich wechselseitig ausschlossen, zumal christliche wie muslimische Theoretiker und die von diesen beeinflussten Herrscher-sie zeitgleich artikulierten. Dennoch ist die Annahme unbegründet, die in den christlichen wie muslimischen Weltkartenbildern niedergelegten Ideologien seien nichts weiter als der Niederschlag christlicher Kreuzzugspropaganda und muslimischer La-maqām-Theorie. Denn der christlich-muslimische Weltkartentyp als Ausdruck des Anspruchs auf Weltherrschaft bestand schon vor den Kreuzzügen und findet sich zudem auch außerhalb der Kartentradition des Alten Vorderen Orients in China, ebenfalls im 13., 14. und 15.-Jahrhundert. Auch dort zeigten Karten die Welt als begehbare Einheit ohne menschengemachte Grenzen und umgeben von einer Wasserfläche. Auch dort war die Welt geteilt in nachgeordnete Bereiche, nicht jedoch drei, sondern nur zwei. Die beiden Bereiche waren China und Indien, die durch das Band derselben Re- 110 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) Abb. V: Die Weltinsel Psalterkarte, ca 1250 London, British Library, Add. Ms. 28681, fol. 9 Zusammenfassung 111 Abb. VI: Die Weltinsel in der Darstellung des Muhammad al-’Adlūni al-Idrīsī, 12.-Jahrhundert Oxford, Bodleian Library, Ms Pococke 375, fol. 3 v -4 r 112 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) ligion, des Buddhismus, gekennzeichnet waren. Der Buddhismus als Grundlage des chinesischen Weltkartentyps war erkennbar an Darstellungen heiliger Stätten des Buddhismus sowie in der in roter Linie eingezeichneten Reiseroute des Mönchs Xuan Zang (603 - 664), der den Buddhismus nach China gebracht haben soll [191]. Auch dieser Kartentyp gab dem Anspruch auf Weltherrschaft Ausdruck, hier der chinesischen Herrscher vornehmlich der frühen Ming- Dynastie [51; 66; 89; 103; 104; 142; 143; 192]. Die in der trikontinentalen Welt von Afrika, Asien und Europa bestehenden Weltherrschaftsansprüche führten zwischen dem 13. und dem 15.-Jahrhundert, als sie alle zeitgleich belegt waren und sich daher wechselseitig ausschlossen, nicht zu politischen, geschweige denn militärischen Konflikten zwischen der Regierung in China einerseits, Herrschaftsträgern in der christlichen und muslimischen Welt andererseits. Es scheint, als seien sowohl in Ostasien einerseits als auch im Mittelmeerraum und in Europa andererseits wechselseitig die jeweiligen Weltherrschaftsansprüche als Visionen für die Zukunft verstanden worden. Denn man wusste von einander durch die Notizen des arabischen Weltreisenden Ibn Battūta (1304 - 1368/ 77) [84], durch die Erzählungen einiger christlicher Kaufleute und Missionare, die nach Ostasien gelangt waren [141; 139; 94], und durch Berichte derjenigen chinesischen Seefahrer, die im frühen 15.- Jahrhundert in die Weiten derjenigen Ozeane vordrangen, die wir heute den Pazifischen und den Indischen nennen [29; 30; 31; 32; 103; 104; 142; 143]. Der Gedanke der Einheit der Menschheit bestand nach Ausweis der Weltkarten spätestens seit dem 13.-Jahrhundert als Gegenbild zur realen Welt der sich tiefer trennenden und oft bekriegenden Staaten und anderen politischen Gemeinschaften als Programm für eine bessere Zukunft. Innerhalb der lateinischen Christenheit gedieh die Stadt als selbständige, das heißt sich selbst das Recht setzende politische Gemeinschaft zwischen dem 12. und dem 15.- Jahrhundert zum Modell der rechtmäßigen, zentralisierten und bürokratischen Herrschaft. Diesen Vorgang förderten die an Aristoteles anknüpfende Herrschaftsvertragslehre, die die von Menschen durch selbständiges Handeln eingesetzte Herrschaft unter das Recht nach göttlichem Willen stellte, und die Wiederentdeckung des römischen Rechts (ius civile). Auf dessen Basis entwickelten Juristen die Lehre, dass die zur Gesetzgebung befugten Herrscher als Souveräne den höchsten Rang unter selbständigen, jedoch in religiösen Angelegenheiten der Oberherrschaft des Papsts unterstellten und in weltlichen Angelegenheit dem Recht des Kriegs und des Friedens unterworfenen Herrschaftsträgern beanspruchen durften. Diese Theoretiker setzten damit Selbständigkeit mit der Fähigkeit zur Gesetzgebung als Hauptelement der Souveränität gleich. Der Begriff der Souvernität bedeutete nach dieser Lehre zwar nicht notwendigerweise Ranggleichheit. Aber für die Theoretiker des Rechts des Kriegs und des Friedens wurde es schwieriger, die Forderung nach allgemeiner, alle Menschen einschließender Gültigkeit dieses Rechts zu begründen. Denn nur derjenige Souverän konnte seine Rolle als selbständiger Gesetzgeber ausfüllen, der an kein bestehendes Recht gebunden war außer an das, das er selbst setzte. Zwar hielten die Theoretiker bis in die zweite Hälfte des 15.-Jahrhunderts an dem Glauben fest, dass die Sätze des Rechts des Kriegs und des Friedens aus göttlichem Willen folgten. Aber diese Ableitung wurde zu einer Sache des Glaubens, nicht des Rechts. Anders gesagt: in der lateinischen Christenheit war das Recht des Kriegs und des Friedens nur noch mit Schwierigkeiten als religionsübergreifende Sammlung von Rechtssätzen wahrnehmbar, sondern galt als gebunden an Glaubenssätze des Christentums. Literaturnachweise 113 Nachweise: Sachtitelabkürzung: PL: Jacques-Paul Migne (Hrsg.), Patrologiae cursus completus. Series Latina. 1. 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Vertrag Karl VII., König von Frankreich- - Philipp der Gute, Herzog von Burgund, Arras, 21.-September 1435, hrsg. von Eugène Cosneau, Les grandes traités de la Guerre de Cent Ans (Collection des textes pour servir à l’étude et à l’enseignement de l’histoire, 7). Paris 1889, S.-119-151. 178. Vertrag Bremen, Dortmund, Groningen, Lübeck, Münster, Riga und Soest-- Heinrich VI., Kö- 122 Kirchenleute, Kaufleute, Kriegsleute und der Streit um das Recht zum Krieg (ca. 1000 - ca. 1450) nig von England, 7.-Juni 1437, in: Jean Dumont, Baron von Careels-Cron, Corps diplomatique universel, Bd-3, Teil-1. Den Haag 1726, S.-537-539. 179. Vertrag Karl der Kühne, Herzog von Burgund-- René, Herzog von Lothringen, Nancy, 15.-Oktober 1473, in: Emile Toutey, Charles le Téméraire et la Ligue de Constance, Paris 1902, S.-433-437. 180. [Vertrag] Edward IV., König von England: Edikt zur Promulgation des Vertrags von Utrecht vom 28.-Februar 1474, London 20.-Juli 1474, in: Jean Dumont, Baron von Careels-Cron, Corps diplomatique universel, Bd-3, Teil-1. Den Haag 1726, S.-476-481. 181. Vertrag Mehmet II., Sultan-- Venedig, 25.-November 1479, hrsg. von Franz Miklosich und Joseph Müller, Acta et diplomata Graeca res Graecas Italasque illustrantia (Acta et diplomata Graeaca medii aevi sacra et profanas, 3). Wien 1865, S.-302-306 [Nachdruck. Wien 1968]. 182. Vertrag Mehmet II., Sultan-- Venedig, April 1481, hrsg. von Franz Miklosich und Joseph Müller, Acta et diplomata Graeca res Graecas Italasque illustrantia (Acta et diplomata Graeaca medii aevi sacra et profanas, 3). Wien 1865, S.-306-309 [Nachdruck. Wien 1968]. 183. Vertrag Beyazit II., Sultan-- Venedig, 30.-Mai 1481, hrsg. von Franz Miklosich und Joseph Müller, Acta et diplomata Graeca res Graecas Italasque illustrantia (Acta et diplomata Graeaca medii aevi sacra et profanas, 3). Wien 1865, S.-309-310 [Nachdruck. Wien 1968]. 184. Vladimiri, Paulus [Pawel Włodkowic]: Tractatus de potestate papae et imperatoris respect [vorgetragen auf dem Konzil zu Konstanz, 5.-Juli 1415], hrsg. von Stanislaus Franciszek Belch, Paulus Vladmiri and His Doctrine Concerning International Law and Politics, Bd- 2. Den Haag 1965, S.-792-844. 185. Vladimiri, Paulus [Pawel Włodkowic]: Tractatus „Opinio Hostiensis“ [6.-Juli 1415], hrsg. von Stanislaus Franciszek Belch, Paulus Vladimiri and His Doctrine Concerning International Law and Politics, Bd-2. Den Haag 1965, S.-864-884. 186. Werveke, H. van: „Burgus“. Versterking of nederzetting? (Verhandelingen van de Koninklijke Vlaamse Academie vor Wetenschappen, Letteren en Schone Kunsten van België. Klasse der Letteren, Bd-27, Nr-59). Brüssel 1965. 187. Westrem, Scott D.: The Hereford Map. A Transcription and Translation of the Legends with Commentary (Terrarum orbis, 1). Turnhout 2001. 188. Wittenwiler, Heinrich: Der Ring, hrsg. von Werner Röcke. Berlin und New York 2012. 189. Wright, Neil A. R.: The Tree of Battles of Honoré Bouvet and the Law of War, in: Christopher Thomas Allmand (Hrsg.), War, Literature and Politics in the Later Middle Ages [Essays for George W. Coopland]. Liverpool 1976, S.-12-31. 190. Wyclyf, John: De civili dominio, hrsg. von Reginald Lane Poole und Josef Loserth, Bd-1. London 1885. 191. Xuan Zang [Hiouen-Thsang]: Histoire de la vie de Hiouen-Thsang et de ses voyages dans l’Inde depuis l’an 629 jusqu’an 645, par Hoei-li et Yen-Thsong, hrsg. von Stanislas Julien, Voyages des pèlerins bouddhistes, Bd-1. Paris 1853 [auch hrsg. von Samuel Beal, The Life of Huien-Tsiang. London 1911; Jeanette Mirsky, The Great Chinese Travellers. Chicago 1964; Sally H. Wriggins, Xuanzang. A Buddhist Pilgrim on the Silk Road. Boulder und Oxford 1996; Seizuki no shiruku rōdō. Xuanzang hoshi no michi. The Silk Road and the World of Xuanzang. Tokyo 1999]. 192. Zang, Jun-Yan: Relations between China and the Arabs, in Journal of Oman Studies 6 (1993), S.-91-109. Kapitel V Die Vielen und die Eine Die Einheit der Welt und die Vielheit der Staaten (ca.-1450---1618) Portugal, Spanien und die herrschaftliche Expansion über Europa hinaus Die Verwandlung von Byzanz in Istanbul, von einem Zentrum des römischen Imperiums in das Zentrum der Herrschaft des Osmanischen Sultans erregte zunächst wenig direkte Reaktionen im Westen des Mittelmeerraums. Die Osmanen waren seit dem 14.-Jahrhundert ein militärischpolitischer Faktor auf dem Balkan um Byzanz herum sowie innerhalb der muslimischen Staatenwelt in Westasien geworden. Aus Byzanz waren seit Beginn des 15.-Jahrhunderts Hilferufe an die lateinische Christenheit ergangen. Noch im Jahr 1439 hatte in Florenz ein Konzil der katholischen Kirche getagt, das unter Beteiligung von Vertretern nicht nur der griechisch-orthodoxen, sondern auch der äthiopischen Kirche ohne Ergebnis versucht hatte, die Einheit der Christenheit wieder herzustellen [5]. Das Ende der römischen Herrschaft in Byzanz kam also nicht überraschend. Kein geringerer als Papst Pius II. (1458 - 1464) schien geneigt, die Gegebenheiten osmanischer Herrschaft über Byzanz, den Balkan und die Christen in Westasien anzuerkennen. Denn in seinem Namen und wohl auch mit seiner Unterstützung entstand im Jahr 1458 ein länglicher Text, der als päpstliches Schreiben als Sultan Mehmet II. gestaltet war. Darin knüpfte der Papst die Anerkennung osmanischer Herrschaft über den Balkan an die Bedingung, dass der Sultan zum Katholizismus übertrete. Der mangelnde Realitätsbezug dieses Vorschlags wird den Verfassern des Texts nicht unbekannt geblieben sein. Denn das Schreiben scheint die päpstliche Kurie nicht verlassen zu haben. Jedenfalls liegt keine Antwort des Sultans vor [183]. Gleichwohl belegt der Text, dass während der 1450er Jahre die auf Dauer angelegte Anwesenheit des Sultans-in Byzanz niemanden in der päpstlichen Kanzlei zu Forderungen nach sofortigen militärischen Gegenmaßnahmen veranlasste, etwa in der Form eines Kreuzzugs gegen den Osmanischen Sultan. Seit den 1480er Jahren änderte sich jedoch diese Wahrnehmung der Herrschaft des Osmanischen Sultans in der lateinischen Christenheit, vornehmlich in den Staaten auf der Iberischen Halbinsel, in Rom selbst sowie in der umittelbaren Umgebung des Kaisers. Insbesondere in Portugal verwoben sich die aus dem 11. und 12.- Jahrhundert stammenden, gegen muslimische Herrscher in Westasien gerichteten Kreuzzugssstrategien mit Strategien zur Erweiterung der Möglichkeiten, Märkte in Afrika, Süd-, Südost- und Ostasien für den Handel zu erschließen. Gegen die Umsetzung der letzteren, zumal auf Asien gerichteten Strategien schien die Herrschaft der Osmanen wie ein Sperrgürtel zu wirken, der die seit alter Zeit begangenen eurasiatischen Handelswege für Kaufleute aus der Christenheit blockieren konnte. So formulierten in Lissabon tätige Gelehrte, Kaufleute und Militärs eine Strategie zur Umklammerung der unter muslimischer Herrschaft stehenden Gebiete durch Aufbau einer militärischen Kooperation zwischen christlichen Herrschern in Europa und Äthiopien einerseits sowie Herrschern in Südasien andererseits, unter denen die Gelehrten auch Christen vermuteten [68; 115, S.- 241-167, 124 Die Vielen und die Eine 324-334; 218; 289]. Da der direkte Weg von Lissabon nach Äthiopien durch die Herrschaft der Mameluken in Ägypten versperrt zu sein schien und, anders als an der Wende zum 15.-Jahrhundert keine lateinisch-äthiopischen kirchlichen Kontakte über das Heilige Land [96] mehr bestanden, entwarfen die Umklammerungsstrategen einen großen Plan zur Umfahrung Afrikas auf dem Seeweg, um nach Äthiopien und von dort weiter nach Südasien zu gelangen. Dieser Seeweg würde zugleich die Route zur Erschließung der dortigen, als sehr lukrativ angesehenen Gewürzmärkte sein [89; 210]. Der Plan erschien vergleichsweise leicht ausführbar, da in dem, in der lateinischen Christenheit vorherrschenden Weltkartentyp der afrikanische Kontinent nur eine geringe Südausdehnung zu haben, mithin der Zeitaufwand für die Afrikaumfahrung gering zu sein schien. Voraussetzung für die Ausführung des großen Plans war jedoch der Nachweis, dass der afrikanische Kontinent überhaupt umfahrbar war, auch wenn der lateinischen Christenheit vorherrschenden Typ der Weltkarten diese Möglichkeit vorgab. Zudem konnten die in Lissabon tätigen Gelehrten nautisches Wissen verarbeiten, das spätestens seit dem 11.-Jahrhundert arabische Seefahrer über den Indischen Ozean erworben hatten. Dieses Wissen vermittelten italienische Kaufleute, die um die Mitte des 15.- Jahrhunderts den indischen Subkontinent bereist hatten. Sie bestätigten das Wissen älterer griechischer Geografen, dass der Subkontinent sich tief in den Ozean hinein erstrecke [221, Kap.-XV/ 1, 13-14]. Dieses Wissen war bereits in einer in Venedig im Jahr 1459 angefertigten Weltkarte dokumentiert. Die Karte war eine Auftragsarbeit des portugiesischen Königs und in Lissabon verfügbar [73]. Der große Plan schien dennoch über Jahrzehnte des 15.-Jahrhunderts hinweg schwer durchführbar. Denn die Südausdehnung des afrikanischen Kontinents erwies sich als länger als erwartet. Seit den 1480er Jahren ergriffen die portugiesischen Könige mit Vehemenz Maßnahmen zum Umschiffung Afrikas und zur Anlage militärisch befestigter Stützpunkt an den Küsten des Kontinents, so im Jahr 1481 der Festung El Mina im heutigen Ghana [92, S.-127-129]. Sie dokumentierten dadurch ihren Willen, die Suche nach dem Seeweg nach Südasien nicht nur als bloßes Forschungsprojekt, sondern auch als Programm zur herrschaftlichen Expansion zu gestalten. Seit dem Jahr 1488 reklamierten die portugiesischen Könige für sich den Titel Herr von Afrika (Senhor do Guinea) [61, S.-341-342]. Mit Hilfe arabischer Seeleute gelang Vasco da Gama (um 1469 - 1524) schließlich im Jahr 1498 nicht nur die Umfahrung Afrikas, sondern auch die Landung an der Südwestküste des indischen Subkontinents, wo er den Ort Calicut erreichte. Vom dortigen Herrscher befragt, warum er nach Calicut gekommen sei, will Vasco nach eigenem Bekunden geantwortet haben, er suche nach Christen und Gewürzen [176, S.-47-48; 102; 197]. Diese Aussage fasste in einem Satz den Kernpunkt der kombinierten portugiesischen Strategie der Kreuzzugsplanung und der Handelsexpansion zusammen. Diese Strategie richtete den Blick von Portugal aus auf die Küsten Afrikas und Südasiens. Vasco, der offenbar während seines Aufenthalts in Calicut in dortigen heiligen Stätten Statuen gesehen hatte, berichtete voller Zuversicht, es gebe in „Indien“ nicht nur jede Menge gewinnträchtige Handelswaren, sondern auch Christen [176, S.- 45]. Unter „Indien“ verstand die damalige portugiesische Wissenschaft nach Vorbild der alten griechisch-römischen Geografie den Gesamtraum von Süd-, Südost- und Ostasien. Konkrete Pläne zur Eroberung Palästinas folgten an der Wende zum 16.-Jahrhundert [290]. Die spanischen Herrscher Ferdinand von Aragón (1479 - 1516) und Isabella von Kastilien (1474 - 1504), die sich die Katholischen Könige nannten und miteinander verheiratet waren, teilten die portugiesische Strategie nicht. Sie setzten hingegen darauf, die ebenfalls als Kreuzzug geführte Rückeroberung (Reconquista) der unter muslimischer Herrschaft stehenden Teile der Iberischen Halbinsel zum Abschluss zu bringen. Dieser Prozess war seit dem 12.- Jahrhundert zunächst zögerlich verlaufen, hatte aber seit der Mitte des 15.-Jahrhunderts an Geschwindigkeit gewonnen. Im Jahr 1492 räumte der Emir von Granada, der letzte noch verbliebene muslimische Herrscher auf der Iberischen Halbinsel, die Stadt und erlaubte so den Streitkräften der Ka- Portugal, Spanien und die herrschaftliche Expansion 125 tholischen Könige die Einnahme des Orts. Die Reconquista war geknüpft an strenge Rekatholisierungsmaßnahmen, die nicht nur gegen die in der Iberischen Halbinsel verbliebenen Muslime, sondern auch gegen Juden gerichtet waren. Anhänger beider Religionen wurden zur Emigration gezwungen, wenn sie nicht zum Katholizismus konvertieren wollten. Da nach Ende der Reconquista keine Möglichkeit zur weiteren Expansion der Herrschaft der Katholischen Könige auf der Iberischen Halbinsel bestand und die portugiesischen Könige sich bereits in Afrika festgesetzt hatten, fügte es sich gut für die Katholischen Könige, dass eben zu der Zeit, als ihre Truppen vor Granada standen, ein wohl aus Genua stammender Abenteurer mit dem Namen Christoph Kolumbus (1451 - 1506) bei ihnen erschien und den Plan einer Westfahrt über den Ozean nach „Indien“ vorlegte. Der Plan, den die in Lissabon tätigen Gelehrten zuvor wegen Mangels an genauen Entfernungsangaben verworfen hatten, war zwar weniger abenteuerlich, als er einigen dieser Gelehrten erscheinen mochte. Aber er stand in Konkurrenz zu der portugiesischen Kreuzzugs- und Umfassungstrategie. Denn in Italien arbeitende Gelehrte hatten bereits den Umfang der trikontinentalen Landmasse von Afrika, Asien und Europa auf 270 Längengrade berechnet [188, fol. 62 r , 63 v ; 273, Bl. 340-352]. Dieser Berechnung folgten Kartografen wie der zwischen 1480 und 1496 in Italien tätige Henricus Martellus [97; 192; 267] und der Nürnberger Seefahrer Martin Behaim (1459 - 1507), letzterer wohl in Abhängigkeit von ersterem [286, S.- 257-272]. Der florentinische Mathematiker Paolo dal Pozzo Toscanelli (1397 - 1482) nahm dieselbe Ausdehnung der trikontinentalen Welt an [227; 274]. Diese Berechnung folgte in ihrem wesentlichen Teil aus den Reiseangaben Marco Polos sowie Angaben arabischer Seeleute. Sie schien die Behauptung zu gestatten, dass zwischen Europa und Asien liegende Ozean nicht mehr als 90 Längengrade breit und folglich seine Überquerung in westlicher Richtung von Europa ausgehend möglich sei. Über diese Möglichkeit hatte der Gelehrte Roger Bacon (1214 - 1292/ 4) [20, S.-290] spekuliert und Kardinal Pierre d’Ailly (Petrus Alliacus, um 1330 - 1420) [2, fol. K3 r ; 3, S.- 206] hatte diese Spekulation wiederholt. Gegen Ende des 15.-Jahrhunderts schien die Möglichkeit auf empirische Daten gegründet, die den Asien von Europa trennenden Ozean als überquerbar erscheinen ließen [159]. Kolumbus hatte sich in die Schriften Marco Polos und Pierre d’Aillys eingelesen und offenbar mit Toscanelli korrespondiert. Gegenüber den Katholischen Königen erwähnte er die Vermutung Toscanellis, dass in den Ozean vielerlei Inseln eingestreut seien, unter ihnen die spanischen Kanaren, die portugiesischen Azoren, die in der griechischen Geografie genannte Insel Atlantis und das von Marco Polo erwähnte Zipangu [185, S.-161-165]. Die Überquerung des Ozeans schien damit einem Hüpfen von Insel zu Insel gleichzukommen. Anders als die in Lissabon tätigen Gelehrten ließen die Katholischen Könige sich von dem Plan des Kolumbus beeindrucken und bevollmächtigten ihn zuerst am 17.-April 1492, als Admiral in ihrem Auftrag die Westfahrt auszuführen unter der Bedingung, dass alle „Inseln und Festländer“, die er finden werde, unter spanische Herrschaft fallen würden [162, Nr-V, S.-11-13]. Kolumbus legte im Mai 1492 ab [119, S.-72] und kehrte im folgenden Jahr von seiner Fahrt zurück. Widrige Winde zwangen ihn jedoch, in Lissabon anzulanden. Das war jedoch nach dem Vertrag von Alcáçovas untersagt, der eine nördlich Lissabons durch den Ozean verlaufende maritime Trennlinie vorschrieb [241]. Diese Linie reservierte den südlichen gelegenen Teil des Ozeans für portugiesische Seefahrer, damit diese ungestört ihre Afrikafahrten durchführen konnten. Spanischen Seefahrern stand in dieser Hemisphäre nur der Seeweg zu den Kanaren offen. Kolumbus indes kam nicht von den Kanaren, sondern von anderswo her und musste daher auf Befehl des portugiesischen Königs seine neu gewonnenen Kenntnisse über den Ozean dem portugiesischen Afrikafahrer Bartolomeu Diaz (um 1450 - 1500) offenbaren, ehe er zu den Katholischen Königen nach Barcelona weiterreisen durfte. Kolumbus hatte auf seiner Fahrt zahlreiche Inseln besucht, die nirgends in der damals verfügbaren wissenschaftlichen Literatur verzeichnet gewesen waren, auch nicht in den im 15.-Jahrhundert üblichen inselkundlichen Hand- 126 Die Vielen und die Eine büchern [97; 207; 211]. Auch glaubte er, in die Nähe Zipangus gelangt zu sein [119, zum 24.-Dezember 1492, S.-106]. Die Katholischen Könige reagierten prompt und ließen sich durch fünf Edikte der päpstlichen Kurie die angeblichen neuen „Inseln und Festländer“ als ihre Herrschaftsgebiete bestätigen unter den Bedingung, dass sie dort die Mission der katholischen Kirche förderten [8; 9; 10; 11; 12]. Im ersten dieser Edikte ließ die Kurie im Namen Papst Alexanders VI. (1492 - 1503) verlautbaren, dass der Papst über die „Rückeroberung“ Granadas von den als „Sarazenen“ bezeichneten Muslimen hocherfreut sei, nahm also auf den Kreuzzug in der Iberischen Halbinsel Bezug. Dann vergabte der Papst, dem Edikt zufolge, den Katholischen Königen (donamus, concedimus et assignamus) alle „Länder und Inseln“, genannte wie unbekannte, die die von den Katholischen Königen entsandten Seefahrer gefunden hätten oder noch finden würden (omnes et singulas terras et insulas predictas sic ignotas et hactenus per nuntios vestros repertas et reperiendas) [8, S.-74]. Der Jurist Johannes Metellus (1510 - 1597) interpretierte dieses sowie die folgenden Edikte als päpstliche Befehle zur Verbreitung des Christentums in diesen „Ländern und Inseln“, auch durch Einsatz militärischer Mittel. Metellus, der Einsicht in nicht mehr erhaltene Archivalien gehabt zu haben scheint, legte zudem klar, dass die Edikte auf Antrag (supplicatio) König Ferdinands von Aragón ergangen seien [153, S.-20-21]. Die Gelegenheit für eine spanische Eingabe an die päpstliche Kurie zur Sicherung von Herrschaftsansprüchen aus der ersten Kolumbusfahrt schien im Jahr 1493 günstig, denn Papst Alexander VI. gehörte der spanisch-stämmigen Verwandtengruppe der Borja (Borgia) an. Obwohl nicht belegbar ist, dass Alexander persönlich auf die Formulierung der in seinem Namen gefertigten Edikte einwirkte, bleibt bemerkenswert, dass die Kurie mit diesen Edikten ihre frühere Neigung widerrief, in erster Linie die auf Afrika und Indien gerichteten portugiesischen Kreuzzugsplanungen und die mit diesen verbundene Expansion der Herrschaft der portugiesischen Könige zu fördern [165, S.-72-73]. Die päpstlichen Edikte zugunsten der Katholischen Könige riefen folglich in Lissabon hektische Betriebsamkeit hervor. Es schien schwierig, die im Vertrag von Alcáçovas festgeschriebene maritime Trennlinie gegen die seit dem Ende der Reconquista erstarkte Militärmacht der Katholischen Könige durchzusetzen [189]. Zudem erzeugte die Kolumbus-Fahrt in Portugal Unruhe, da im Jahr 1493 der große Plan der portugiesischen Afrikaumfahrung noch nicht realisiert worden war. Die portugiesischen Strategen wähnten sich also unter Zeitdruck. Ein weiteres Problem kam hinzu: Wenn es größere Zahlen von „Inseln und Festländern“ im Ozean gab, dann bliebe offen, auf welcher Seite der Trennlinie sie liegen würden. Der Vertrag von Alcáçovas bestimmte kein westliches Ende dieser Trennline, und folglich würde es im fernen Westen um die Lage der Trennlinie und der Inselwelten zum Konflikt zwischen dem portugiesischen König und den Katholischen Königen kommen. Die portugiesischen Seestreitkräfte schienen derlei Konflikten im fernen Ozean, bei gleichzeitiger Expansion um die Küsten Afrikas und nach „Indien“ nicht gewachsen. Also einigten sich beide Seiten vergleichweise schnell im Jahr 1494 im Beisein eines päpstlichen Gesandten, aber ohne dessen Vermittlung, in der spanischen Stadt Tordesillas auf den Abschluss eines neuen Vertrags, der die Alcáçovas-Linie revidierte. Die neue Linie sollte nicht mehr in ost-westlicher Richtung verlaufen, von nord-südlich von Pol zu Pol [243]. Die neue Linie hatte mithin feste Endpunkte und trennte den Ozean in eine westliche, den Katholischen Königen reservierte, und eine östliche, dem portugiesischen König vorbehaltene Hemisphäre. Die Regelung, die wie der Alcáçovas-Vertrag die spanischen Wegerechte zu den Kanaren ausnahm, erlaubte der portugiesischen Seite nicht nur die ungestörte Fortführung ihrer Expansionsstrategie, sondern sicherte ihr auch den Europa und Afrika nächst gelegenen maritimen Raum. Etwaige im Süden des Ozeans gelegene „Inseln und Festländer“ teilte man sich, ohne Genaueres über sie wissen zu können. Die katholische Kirche sanktionierte den Tordesillas-Vertrag, indem sie Kirchenstrafen für dessen Verletzung anordnete. Als solcher band der Vertrag selbstverständlich nur die Katholischen Könige Das Heilige Römische Reich deutscher Nation 127 und den König von Portugal sowie die Nachfolger und Untertanen auf beiden Seiten. Gegenüber anderen Herrschern waren die in ihm festgeschriebenen Zugangsprivilegien sowohl von portugiesischer Seite als auch von Seiten der Katholischen Könige in jedem Einzelfall durchzusetzen. Kolumbus unternahm insgesamt vier Fahrten und behauptete in einem an Papst Alexander VI. im Jahr 1502 gerichteten Schreiben, er habe mehr als 1400 Inseln entdeckt [122]. Er selbst deutete seinen Namen als „Christoferens“ (Christusträger) und reklamierte dadurch für seine Ozeanfahrten den Status eines Kreuzzugs gegen die auf den Inseln lebenden Nicht-Christen [118]. Als er auf seiner dritten Reise im Jahr 1498 in das Mündungsgebiet des Orinoco einfuhr, identifizierte er diesen Fluss als einen der vier im Alten Testament beschriebenen Paradiesflüsse und schloss, dass er die Küsten Asiens erreicht habe [120]. Die Katholischen Könige teilten diesen Schluss. Für seine letzte Fahrt stellten sie Kolumbus ein Privileg aus, das ihn ermächtigte, mit Herrschern in Asien Beziehungen herzustellen und mit Vasco da Gama Kontakt aufzunehmen [121]. Dieser war zur selben Zeit wieder in Südasien unterwegs. Die Küstenlinie um das Orinoco-Delta schien nur wenige Tagesreisen vom Delta des Ganges als einem anderen Paradiesfluss entfernt. Einige Kärtchen, die auf Bartolomeo Colombo, den Bruder des Admirals zurückzugehen scheinen, belegen die Vorstellung, dass die beiden Paradiesflüsse in Asien und die kolumbische Inselwelten nahe bei Asien gelegen seien [283]. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und die Expansionspolitik Während die katholische Kirche sich schnell in die portugiesisch-spanische Expansionspolitik einbeziehen ließ, reagierten die ranghöchsten Vertreter des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation zunächst zurückhaltend. Bei Beginn der ersten Kolumbusfahrt stand an der Spitze des Reichs immer noch Kaiser Friedrich III., der jedoch die Ausübung der tatsächlichen Herrschaft seinem 1486 zum Römischen König und damit zum designierten Nachfolger gekrönten Sohn Maximilian (1486/ 93 - 1519) überlassen hatte. Dessen Mutter war die portugiesische Prinzessin Eleonore (1436 - 1467), die ihren Sohn mit der Ereignissen und Verfahrensweisen am portugiesischen Hof vertraut machte. Maximilian klinkte sich bereits in den 1490er Jahren in die Planungen für einen Kreuzzug gegen den Osmanischen Sultan ein und setzte innerhalb des Reichs Reformprogramme in Gang. Die Reformen dienten dazu, die Basis zu legen für den Aufbau einer Reichsarmee unter Führung Maximilians. Während frühere Pläne etwa von Pierre Dubois und Georg von Podiebrad den Kreuzzug als gemeinsames Unternehmen der christlichen Herrscher vorgesehen und daher unter dem Ziel gestanden hatten, deren Einheit zu fördern, ging Maximilian einen anderen Weg. Er strebte keine vertragliche Vereinbarung unter allen oder nur den militärisch mächtigeren christlichen Herrschern zur Durchführung des Kreuzzugs an, sondern gab den Kreuzzug als Sache des Reichs aus und erhob den Anspruch, dass allein der Kaiser der oberste Kommandierende des Kreuzzugsheeres sein solle. Maximilians Vorhaben setzte gleichwohl ebenso wie die früheren Kreuzzugsprogramme die Eingrenzung der Kriegführungsbefugnis der übrigen Herrschaftsträger innerhalb des Reichs voraus und erforderte überdies den Aufbau einer effizienten zentralisierten und bürokratischen Verwaltung des Reichs nach dem Vorbild der Städte. Die Beschlussfassung für den Kreuzzug hatte folglich in den Gremien des Reichs stattzufinden, allen voran dem Reichstag als der höchsten gesetzgebenden Versammlung. Bald nachdem er Nachfolger seines im Jahr 1493 verstorbenen Vaters geworden war, berief er für 1495 einen Reichstag nach Worms ein. Dieser Reichstag beschloss auf Maximilians Wunsch nicht nur den „Ewigen Landfrieden“, der die Herrschaftsträger im Reich auf friedliche Beilegung ihrer Streitigkeiten verpflichtete [140], sondern mit einer neuen Reichssteuer auch die Grundlagen für den Aufbau eines Kreuzheeres [141]. 128 Die Vielen und die Eine Die in Worms getroffenen Entscheidungen trugen maßgeblich dazu bei, die Sprache und Begrifflichkeit für Gremien und Verfahrensweisen innerhalb des Reichs vom Lateinischen ins Deutsche zu verschieben. Die „Deutsche Nation“ war nunmehr nicht nur in der Theorie Trägerin des Reichs geworden, sondern stellte auch die Mehrzahl der hochrangigen Beamten, die es verwalteten. In Wien entstand eine zentrale Bürokratie, auch wenn Maximilian selbst wie seine Vorgänger seine Amtsgeschäfte in der Regel auf Reisen erledigte. Die Reformen, die im Jahr 1495 begannen und 1500 zur Einrichtung einer das Reich umgreifenden neuen, in sogenannte Reichskreise gegliederten Heeresstruktur führten, brachten das Reich auf den Weg zu einem Staat wie die es umgebenden Königreiche. Mit den Reichskreisen erhielt das Reich unterhalb der Verwaltungszentrale in Wien feste innere Bezirksgrenzen, die Voraussetzung für eine geordnete Bürokratie waren. Doch die von den Reformen geförderten Tendenzen zur Zentralisierung und Bürokratisierung der Reichsverwaltung standen dem Anspruch auf Weltherrschaft entgegen. Maximilian zeigte sich schon in Worms bemüht, den Tendenzen zur Verstaatlichung des Reichs entgegenzuwirken, und setzte dazu das Instrument der Heiratspolitik ein. Noch während des Reichstags ließ er Vorbereitungen treffen für eine seit mehreren Jahren wiederholt in Betracht gezogene Doppelhochzeit seiner beiden Kinder Margarete (1480 - 1530) und Philip (1478 - 1506) aus seiner Ehe mit Maria Herzogin von Burgund (1477 - 1482) und der Kinder Juan (1478 - 1497) und Juana (1479 - 1555) der Katholischen Könige [123, Bl. 30-49, 229-233; 142]. Durch die Heiratsverträge, die im Jahr 1497 in Kraft traten, wurde Maximilian nicht nur Verwandter der portugiesischen, sondern auch der Könige von Aragón und Kastilien und durfte erwarten, dass seine Nachkommen dereinst über ein geeintes Spanien, mit etwas Glück sogar auch über Portugal sowie über das Römische Reich würden herrschen können. Damit konnte sich Maximilian als eine Art Oberherr über die damals am stärksten expandierenden Königreiche in Europa darstellen. Er beließ es nicht bei bloßem Wortgeklingel. Einmal ließ er sich als Herr über „Sieben Königreiche“ porträtieren, zu denen „Spanien, Böhmen, Schottland, England, Frankreich und Aragón“ zählen sollten [143]. Zur Propagierung einer Ideologie der kaiserlichen Weltherrschaft als Oberherrschaft über Königreiche ließ er zudem eigens Riesendrucke schaffen. In den Drucken paradierten sogenannte „Kalikutische Leut“, also Bewohner von Calicut, vor seinem Triumphwagen. Maximilian betrachtete die „kalikutischen Leut“ zu Unrecht als bereits portugiesischer Herrschaft unterworfen. [147]. Daneben verfocht er den alten Kreuzzugsplan weiter und bastelte an weitgreifenden Berechnungen für militärische Zangenbewegungen, die irgendwann den Osmanischen Sultan bezwingen sollten [144; 150]. Dennoch geriet die Reichsreform ins Stocken. Unter den Herrschaftsträgern im Reich kam Missmut auf über den Verlust der Kriegführungsbefugnis, den zumal die militärisch Mächtigeren mit allerlei Tricks auszuhöhlen gedachten. Dabei war es ein Leichtes, die militärischen Planungen Maximilians zu beschneiden, indem der Reichstag ihm schlicht die finanzielle Unterstützung für Vorhaben verweigerte. Aber auch Formalien wurden zum Problem. Seit 1493 war Maximilian zwar regierendes Oberhaupt des Römischen Reichs. Aber zu einer Krönung, die nach damaliger Auffassung nur in Rom hätte stattfinden können, fehlte über lange Zeit die Gelegenheit eines Zugs Maximilians in die Ewige Stadt. Als er schließlich im Jahr 1507 den Reichstag von Konstanz dazu brachte, seinen Romzugs- und Krönungsplänen zuzustimmen [108, S.-702-709; 158, S.-49-52], und auch der Papst zur Durchführung der Krönung bereit war, stellte sich die Republik von Venedig quer [88, S.-374; 199, S.-3]. Sie pochte auf die von früheren Imperatoren verbrieften Selbständigkeitsrechte und verweigerte Maximilians Heer den Durchzug durch das von ihr beherrschte Gebiet [39, S.- 333-334]. Maximilian hatte bereits im Jahr 1499 nach einem erfolglosen Krieg der Schweizer Eidgenossenschaft, die sich schon im 13.-Jahrhundert gegen seine Vorfahren erhoben hatte, zugesichert, dass er sich in ihre inneren Angelegenheiten nicht einmischen werde [244]. Das bedeutete praktisch, das ihm der Zugang nach Italien über die schweizer Alpenpässe verwehrt blieb. Da er auch nicht über venezianisches Gebiet Beginn der Errichtung europäischer Kolonialherrschaft 129 nach Rom gelangen konnte, arrangierte er mit Papst Julius II. (1503 - 1513) für den 4.-Februar 1508 die Erhebung zum Kaiser im Dom zu Trient, im südlichsten Teil der Gebiete im Südalpenbereich, die er kontrollierte. Zum ersten Mal fand damit die feierliche Erhebung eines Kaisers der lateinischen Christenheit außerhalb Roms statt. Nun trug Maximilian zwar offiziell den Kaisertitel, aber nur in der Form „Erwählter Römischer Kaiser“, das heißt ohne die förmliche Krönung [149]. Mehr noch, die Bestrebungen des Papsts zur Unterstellung von Teilen der Italienischen Halbinsel unter die direkte weltliche Kontrolle der Kurie führten zu Beginn des 16.-Jahrhunderts zur Entstehung des sogenannten Kirchenstaats, der sich von Rom aus nach Norden erstreckte. Rom lag somit in der Sicht der Kurie nicht mehr im Römischen Reich, sondern war Zentrum eines souveränen Staats geworden. Die Bildung des Kirchenstaats war nur einer von vielen gleichzeitig verlaufenden Staatsbildungsprozessen auf der Italienischen Halbinsel, die durch diese Vorgänge zum Spielball politischer Interessen und Ansprüche wurde. Nicht nur Herrschaftsträger vor Ort konkurrierten mit einander, auch unter Einsatz militärischer Gewalt, sondern eben auch Maximilian, König Ferdinand von Aragón und französische Könige. Einer von ihnen, Karl VIII. (1483 - 1498), glaubte im Jahr 1494, seinen Herrschaftsbereich auf die Italienische Halbinsel ausdehnen zu können, und fand dabei Unterstützung durch Herrschaftsträger vor Ort. Während Karl sich bereits im folgenden Jahr wieder aus Italien zurückzog, gelang es Ferdinand, Gebiete südlich von Rom mit Neapel als Zentrum seiner Kontrolle dauerhaft zu unterstellen. Seit Beginn des 16.-Jahrhunderts gerannen Teile des Südalpengebiets zur Peripherie des Reichs, während die Mitte der Italienischen Halbinsel ein System von souveränen Staaten außerhalb des Reichs bildete und der Süden in Abhängigkeit von den Königreichen der Iberischen Halbinsel geriet. Kurz gesagt, zwei Generationen nach dem Ende römischer Herrschaft in Byzanz war das in der lateinischen Christenheit verbliebene Römische Reich ein Gebilde geworden, das mit den Mitteln der die Ideologie der Weltherrschaft weiter tragenden Theorien des Rechts des Kriegs und des Friedens nicht mehr begreifbar war und sich gleichzeitig nur zögerlich den Geboten der bürokratisch zentralisierten Verwaltung zu öffnen schien. Maximilian, der am 12.-Januar 1519 verstarb, blieb durch den Tod die bittere Erkenntnis erspart, dass seine Programme zur Errichtung der Weltherrschaft über verwandtschaftliche Beziehungen zwischen herrschlichen Dynastien und zu einem Kreuzzug gegen den Osmanischen Sultan Illusion waren. Die Globalisierung des Weltkartenbilds und der Beginn der Errichtung europäischer Kolonialherrschaft in Übersee Der illusionäre Charakter, der der Ideologie der Weltherrschaft in Anbindung an das Römische Reich anhaftete, wurde schlagartig deutlich an den revolutionären Änderungen des Weltkartenbilds, die in den auf die erste Kolumbusfahrt folgenden fünfzehn Jahren abliefen. Wahrscheinlich schon im Jahr 1493 kam die Rede von der „Neuen Welt“ auf, in die Kolumbus vorgestoßen zu sein schien [15, Kap.-I/ 1, S.-216], und der Seefahrer Amerigo Vespucci (1451/ 4 - 1512) verbreitete diese Formel mit dem Titel seines Berichts über die portugiesische Expedition, die im Jahr 1500 die Nordostküste Südamerikas erreichte [266]. Diese Expedition, die eigentlich nach Südasien entsandt worden war, wurde durch Winde abgetrieben und gelangte gegen ihren eigentlichen Auftrag in die Nähe derjenigen Gewässer, die Kolumbus aufgesucht hatte. Diese „Neue Welt“ schien gesondert von der trikontinentalen Welt aus Afrika, Asien und Europa zu bestehen, scheinbar als Inselwelten eingestreut in die Weiten des Ozeans, dessen Fläche in den Kartenbildern stetig zunahm. Im Jahr 1507 erschien erstmals für diese sich rasch zu einem neuen Kontinent verdichteten Inselwelten im Kartenbild die vom persönlichen Namen Vespuccis abgeleitete Bezeichnung „America“ [196], südwestlich der von Kolumbus gesuchten, aber nie 130 Die Vielen und die Eine gefunden Insel Zipangu. Dieser neue Kontinent wuchs sich im Kartenbild schnell zu einer den Ozean teilenden Landmasse aus, in deren Süden weiterhin der schon von Ptolemaios angenommene Südkontinent um den Südpol waberte. Im Kartenbild schrumpfte hingegen der afrikanisch-asiatisch-europäische Kontinentenblock zu einem Weltteil innerhalb einer verwirrend erscheinenden Gemengelage von Land und Wasser, die sich als Basis für Weltherrschaftsansprüche nicht mehr zu eignen schien. Denn zur Kommunikation zwischen den Weltteilen waren ozeangängige Schiffe erforderlich. Aber das Heilige Römische Reich verfügte über keine Ozeanflotte, und auf den Wasserflächen gab es keine Bewohner, die der Kaiser hätte beherrschen können. Wer als Angehöriger des Reichs nach Südasien fahren wollte, tat gut daran, Maximilians Rat zu folgen und sich einer der portugiesischen Expeditionen anzuschließen [145; 146]. Wer in die „Neue Welt“ aufbrechen wollte, ohne die Erlaubnis der Katholischen Könige einzuholen, musste auf Konflikte mit den spanischen Behörden vorbereitet sein. In England und Frankreich gingen einige Abenteurer, unter ihnen John Jay (gest. 1505) und Jean Cabot (um 1450 - 1498), dieses Wagnis bereits am Ende des 15.-Jahrhunderts ein und stießen weit in den Norden des neuen, sich westlich von Afrika und Europa ausdehnenden Kontinents vor [288; 109]. Derweil hielten die Theoretiker unter den Kartografen und auch einige Entdecker an der Vision fest, dass die „Neue Welt“ doch irgendwie mit dem afrikanisch-asiatisch-europäischen Kontinentalblock zusammenhängen könnte, und postulierten eine Landbrücke zwischen Asien und dem neuen Kontinent. Diese sollte weit im Norden des Globus verlaufen und die seit 1513 Stiller Ozean, Pazifik oder Südsee genannte Wasserfläche in eine große asiatische Meeresbucht verwandeln [21]. Die Rede vom Stillen Ozean oder Pazifik als Südsee kam für diejenigen Teile der vermeintlichen Meeresbucht auf, durch den die Wege zum angeblichen Südkontinent führen mussten. Die Katholischen Könige nahmen die Chance zur Herrschaftsexpansion, die die Kolumbusfahrten ihnen boten, schnell wahr, statteten schon die zweite Expedition des Admirals mit Priestern und Soldaten aus und verdeutlichten damit ihren Anspruch, die katholische Mission fördern und ihre Herrschaft in der „Neuen Welt“ durchsetzen zu wollen. Das Bestreben führte schon zu Beginn des 16.-Jahrhunderts zu einer zunächst auf die sogenannte Karibik begrenzten insularen Herrschaftszone unter einem königlichen Gouverneur. Von dort brach im Jahr 1519 der Abenteurer Hernán Cortés (1485 - 1547) zu einer Expedition auf, deren erklärtes Ziel die Suche nach angeblich vermissten Spaniern war. Im Verlauf der Expedition änderte Cortés jedoch eigenmächtig, das heißt ohne Bevollmächtigung durch den Gouverneur, seinen Auftrag und begann mit einem Eroberungszug durch Gegenden auf dem Kontinent, die ihm völlig unbekannt waren. Diesen Feldzug führte er als Kreuzzug [56, S.-7, 11-12, 24], das heißt in Fortsetzung der Reconquista jenseits des Ozeans, und mit der Begründung, die dort lebenden Bevölkerungsgruppen zum Katholizismus bekehren zu wollen. Dazu hatte die spanische Verwaltung bereits im Jahr 1512 ein Verfahren entwickelt und in der Form eines Edikts unter der Bezeichnung Requerimiento gültig gesetzt [98, Decada I, Kap.-VII/ 4, S.- 170-172]. Nach diesem Verfahren sollten nicht-christliche Bewohner der „neuen“ Inselwelten bekriegt werden können, wenn sie sich dem Übertritt zum Katholizismus verweigern sollten. Vor Anwendung militärischer Gewalt waren die Bewohner zu befragen, ob sie sich bekehren lassen wollten, und ein öffentlicher Notar sollte beglaubigen, dass der Befragungsakt stattgefunden und wie die Befragten geantwortet hatten. Cortés setzte dieses Edikt punktgenau um, ließ sogar einen seiner Kumpane als öffentlichen Notar die Befragungszeremonie beurkunden [56, S.-15-17]. Da sich die Bewohner der von Cortés aufgesuchten Gebiete dem ihnen völlig unverständlichen Ansinnen des Eroberers verweigerten, griff dieser ohne Zögern zu Gewaltmaßnahmen. Am Ende des Kriegszugs, den er gegen alle, auch eigene Erwartungen mit der Eroberung von Tenochtitlan, der Hauptstadt des Aztekenreichs, heute Mexiko-Stadt, im Jahr 1521 beendete, hatte er mit etwa 500 Desparados die militärisch stärkste politische Gemeinschaft in der Mitte des neuen Kontinents zerstört, ohne dass es für die Niederlage der Azteken einen militärisch einleuchtenden Grund gibt [93; 94; 95]. Beginn der Errichtung europäischer Kolonialherrschaft 131 Gleichwohl hatte Cortés gegen Befehle seines Vorgesetzten gehandelt und sah sich einer Anklage wegen Hochverrats ausgesetzt. Dem neuen spanischen König Karl I. (1516/ 9 - 1555/ 8), der in Burgund aufgewachsen und gerade in Spanien angekommen war, Enkel Kaiser Maximilians I. und der Katholischen Könige, erstattete Cortés, der in Rechtssachen kundig war, daher ergebenst Bericht über seinen Kriegszug in fünf länglichen Verteidigungsschreiben. Darin griff er auf die Theorie des Bartolus aus dem 14.-Jahrhundert zurück, derzufolge römische Imperatoren in früheren Zeiten freiwillig der Herrschaft über bestimmte Teile der Welt durch Ausgabe von Freiheitsprivilegien entsagt hätten. Ihm nun sei es gelungen, eines dieser Gebiete wieder in das römische Reich zurückzuholen [56, S.-33]. Er habe nach Naturrecht, spanischem Staatsrecht sowie im Interesse der Imperatoren gehandelt. Cortés schrieb seine Berichte in der zutreffenden Erwartung, dass der neue König nach dem Tod seines Großvaters auch zum römischen Kaiser gewählt werden würde. Dass dies tatsächlich bereits im Jahr 1519 geschehen und der König als Karl V. tatsächlich den Kaisertitel erworben hatte, konnte Cortés freilich während seines Kriegszugs nicht wissen. Aber seine Berichte verfehlten ihre Wirkung nicht. Karl begnadigte Cortés, überließ ihm das Amt des Gouverneurs der eroberten Gebiete, das er bis 1530 innehatte, stellte ihm aber einen Aufpasser zur Seite, der weitere Alleingänge verhindern sollte. Jedoch handelte Karl gegen den Rat des Eroberers und unterstellte die Kontrolle über die unterworfenen Gebiete der spanischen, nicht der Reichsverwaltung und nahm darin die Auffassung des Theologen Juan de la Peña (1513 - 1565) vorweg, der den Kaiser nicht als Weltherrscher gelten lassen wollte. Peña zufolge konnte der Kaiser Ungläubige nicht zur Unterwerfung unter das gottgewollte Naturrecht zwingen [175, S.- 172, 166]. Gleichwohl hatte der spanische König als Beherrscher dieser Gebiete in der „Neuen Welt“ den päpstlichen Missionsauftrag auszuführen. Die Rechtfertigung der Expansion der spanischen Herrschaft in der „Neuen Welt“ konnte, gemäß der Theorie Peñas, weder aus göttlichem Recht noch dem allgemeinen für alle Menschen gültigen Naturrecht folgen, sondern nur aus spanischem Staatsrecht und päpstlichen Edikten. Mit seiner Zerstörung des Aztekenreichs zwang Cortés die spanische Verwaltung dazu, langfristig größer werdende Anstrengungen zur effektiven herrschaftlichen Kontrolle der Gebiete in der „Neuen Welt“ zu unternehmen. Das bedeutete zu allererst die Aussendung von spanischen Untertanen als Kolonisatoren in die „Neue Welt“. Die Kolonisation zusammen mit den von Spanien aus eingeschleppten Krankheiten und der Anwendung militärischer Gewalt zur Unterwerfung von Widerstand seitens der einheimischen politischen Gemeinschaften gegen spanische Herrschaft führten zum Genozid an den Native Americans, wie diese Gemeinschaften heute genannt werden. Die spanische Bevölkerung, insbesondere in Andalusien, dünnte durch Emigration aus. Die erste Übersicht, die die spanische Verwaltung in der „Neuen Welt“ über die Zusammensetzung der ihr untertanen Bevölkerungsgruppen in den 1560er Jahren erstellte, ergab, dass auf einigen karibischen Inseln, beispielsweise in Hispañola, kein Angehöriger der Native Americans mehr am Leben war. Der Bericht stellte fest, dass bei Kolumbus’ Ankunft auf dieser Insel 1,8 Millionen Native Americans gewohnt hätten [237, Kap.-II/ 1, Bd-1, S.-39]. Nach der Zerstörung des Inca-Reichs im Jahr 1532 expandierte die spanische Herrschaft schnell in den Westteil des Südens der „Neuen Welt“, während portugiesische Herrschaft sich über Gebiete im Ostteil erstreckte. Es hatte sich gezeigt, dass die Tordesillas-Linie den Südteil der „Neuen Welt“ zwischen den expandierenden Königreichen teilte. Aus der maritimen war eine kontinentale Trennlinie geworden. Die portugiesische Expansion schritt derweil unter König Manuel I. (1495 - 1521) ebenso schnell fort, blieb aber dem Kreuzzugsgedanken stärker verhaftet als die spanische Konkurrenz und war daher, außer in der „Neuen Welt“, nicht auf die Beherrschung großer Gebiete gerichtet, sondern darauf, Muslimen „so viel Schaden als möglich zuzufügen“ [66, S.-47]. Im Jahr 1505 ließ Emanuel Stützpunkte an der Ostküste Afrikas auf den Inseln Mozambique und Kilwa errichten. Im selben Jahr setzten sich Portugiesen in Kandy (heute Sri Lanka) fest, im Jahr 1510 in Goa, 132 Die Vielen und die Eine Diu und Damian an der Westküste des Subkontinents [17; 90; 186; 187]. Im Jahr 1511 eroberte ein portugiesisches Geschwader den alten Handelsort Melaka (Malacca) auf der Malaiischen Halbinsel. Den dort tätig gewesenen muslimischen Kaufleuten untersagte der portugiesische Kommendeur Afonso de Albuquerque (1453 - 1515) den Zutritt, wodurch das südostasiatische Handelsnetzwerk empfindlich geschädigt wurde. Völlig zum Erliegen kam es durch das weitere Vordringen portugiesischer Geschwader in den südostasiatischen Archipel während des zweiten Jahrzehnts des 16.-Jahrhunderts, wo Emanuel in Amboina, Tidore und Ternate wie in Südasien und an der Ostküste Afrikas befestigte Stützpunkte anlegen und gegen das spanische Vordringen von Amerika aus [180] verteidigen ließ. Im Jahr 1576 folgte die Errichtung einer Festung in Luanda (Angola) an der Südwestküste Afrikas. Bereits im Jahr 1517 erreichten portugiesische Schiffe den befestigten chinesischen Handelsplatz Guăngzhōu (Kanton) und drangen weiter in den Pazifik vor. Emanuel gab aber sein Ziel des Kreuzzugs nicht auf, sondern ließ noch im Jahr 1521 die Parole ausgeben, der Fall nicht nur von Jerusalem, sondern auch von Mekka stehe unmittelbar bevor [65, S.-122]. Wohl im Jahr 1542 landete die schiffbrüchig gewordene Besatzung eines aus China kommenden Schiffs mit einigen Portugiesen an Bord auf der im Süden des Japanischen Archipels liegenden Insel Tanegashima [128]. Portugiesische Kartografen erhielten vor der Mitte des 16.- Jahrhunderts Kenntnis von Japan und den Ryūkyū-Inseln (Okinawa). Sie verzeichneten den Archipel falsch im Osten von Amboina, bildeten hingegen die Westküste Nordamerikas mit überraschender Genauigkeit ab [57, Nr-74, Nr-80]. Erst in den 1560er Jahren setzte sich unter europäischen Kartografen die Einsicht durch, dass der zunächst „Japnas“ genannte Japanische Archipel [57, Nr-74] mit der Insel Zipangu aus Marco Polos Bericht identisch war, dass folglich dieses Zipangu nicht in der „Neuen Welt“ zu suchen, sondern von „America“ zu trennen war. Im Süden des Pazifik stießen portugiesische und spanische Schiffe bereits in den 1520er Jahren aufeinander. Das Zusammentreffen von Geschwadern aus den expandierenden Königreichen offenbarte den Defekt der Trennlinie von Tordesillas, die nur den Ozean westlich von Afrika und Europa geteilt hatte, nicht aber die sich nunmehr westlich von Amerika auftuenden Wasserflächen. Mit dem Vertrag von Saragossa vom 22.-April 1529 versuchten die Könige von Aragón/ Kastilien und Portugal, diesen Defekt durch Vereinbarung einer neuen Trennlinie zu beheben [249]. Doch dieser Linie blieb, anders als der Tordesillas-Linie, die Bindewirkung versagt. Während des 16.-Jahrhunderts expandierte spanische Herrschaft von der „Neuen Welt“ aus in den Süden des Pazifik und unterstellte Inselwelten ihrer Kontrolle, die nach der Saragossa-Linie im portugiesischen Bereich lagen. Diese Inselwelten erhielten im Jahr 1543 den Namen Philippinen nach dem damaligen Thronfolger Philipp, Sohn Karls I./ V. Probleme innerhalb des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gaben diese das bestehende Weltkartenbild zerstörenden Wahrnehmungsänderungen nur einen Komplex von Problemen ab, die die Herrscher umtrieben. Maximilians Nachfolger im Reich, Kaiser Karl V., stand an der Spitze nicht nur dieses Reichs, sondern war zugleich faktischer Alleinherrscher des nunmehr in seiner Hand vereinigten Königreichs Spanien, auch wenn seine Mutter Juana noch bis zu ihrem Tod im Jahr 1555 den Titel einer Königin von Kastilien weiterführte. Zudem erstreckte sich spanische Herrschaft auf den Süden der Italienischen Halbinsel sowie auf große Teile der „Neuen Welt“. In der Wahrnehmung Karls war folglich das Römische Reich nur eines von vielen seiner Herrschaft unterstellten Gebieten und nicht einmal das wichtigste. Denn für die Beherrschung der „Neuen Welt“ musste die spanische Verwaltung in der Regel auf Steuermittel zurückgreifen, die aus Spanien selbst flossen, während die Herrschaftsträger im Reich sich gegenüber Forderungen zur Unter- Probleme innerhalb des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation 133 stützung der spanischen Überseepolitik verschlossen gaben. Das Reich geriet von verschiedenen Seiten in Bedrängnis, die Karl kaum zu mindern in der Lage war. Während Karl über Gebiete herrschte, die über weite Teile der Welt verteilt waren, geriet für das Reich die Ideologie der Weltherrschaft zur bloßen Phrase. Der Maler Polidoro da Caravaggio (um 1492 - 1543) porträtierte Karl in Messina im Jahr 1536 über einem in Hemisphären geteilten Globus als Teil eines Triumphzugs, der vor Karl einen Wagen mit angeketteten Muslimen führte [42]. Ebenfalls in Messina scheint im selben Jahr der Spruch aufgekommen zu sein, in Karls Reich gehe die Sonne nicht unter. Doch im Reich ließ man sich von derlei Sprüchen nicht beeindrucken. Dort zog die Reformation Martin Luthers (1483 - 1546) seit 1522 viele Herrschaftsträger in ihren Bann, die sich von der Loslösung aus der geistlichen Herrschaft des Papsts eine Stärkung ihrer Selbständigkeit gegenüber dem Kaiser erhofften. Aus demselben Grund verbreitete sich die Reformation Luthers schnell in Skandinavien. Auch andere Theologen wie Ulrich Zwingli (1484 - 1531) und Jean Calvin (1509 - 1564) errichteten ihre Kirchen gegen die katholische Kirche und förderten dadurch politische Selbständigkeit. In England ordnete König Heinrich VIII. (1509 - 1547) den Aufbau einer Sonderkirche unter seiner Oberherrschaft an. Karl V. als Kaiser reagierte hektisch auf die Reformation, belegte Luther schnell im Jahr 1521 mit dem Bann und überließ den weiteren Umgang mit den seit 1529 „Protestanten“ genannten Anhänger Luthers seinem Bruder Ferdinand (1521/ 58 - 1564). Ihn hatte Karl, ebenfalls im Jahr 1521, mit dem Titel „Römischer König“ ausgestattet. Ferdinand ließ die Wiener Herrschaftszentrale ausbauen. Karl hingegen ließ sich in Wien nur höchst selten blicken. Als Kaiser sah er seine Hauptaufgabe darin, die Einheit der katholischen Kirche zu verteidigen, dieselbe Aufgabe, die seine Vorgänger bereits seit dem Jahr 800 mehr schlecht als recht erfüllt hatten. Aber Karls finanzielle und andere Herrschaftsmittel als Kaiser waren äußerst begrenzt. Die protestantisch gewordenen Herrschaftsträger innerhalb des Reichs verweigerten Karl die Gefolgschaft zu dem weiterhin geplanten Kreuzzug gegen den Osmanischen Sultan, auch wenn Martin Luther gegen „den Türken“ predigte [134]. Militärische Abwehrmaßnahmen schienen geboten, als ein Heer Sultan Suleimans I., des Prächtigen (1520 - 1566), im Jahr 1529 Wien belagerte. Die Regierung des Sultans hatte zu Beginn des 16.-Jahrhunderts erkannt, dass Weltherrschaft über die nunmehr deutlich vor die Augen tretende Gemengelage von Land und Wasser auf der gesamten Erdoberfläche nicht möglich war. Im Jahr 1513 entstand eine türkische Weltkarte auf der Basis von Kartenmaterial, das die kolumbischen Inselwelten sowie die weiten Wasserflächen des Ozeans zeigte und so die Veränderungen des Weltkartenbilds dokumentierte [182]. Sultan Suleiman zog aus diesen Veränderungen des Weltkartenbilds die pragmatische Konsequenz, der sein Gegenspieler Karl V. in der lateinischen Christenheit sich verweigerte. Suleiman erkannte die Sinnlosigkeit des Strebens des Kaisers, mit der Kontrolle über Palästina die Welt beherrschen zu wollen, und schritt zum Gegenangriff. Statt auf irgendwelche Kreuzfahrer zu warten und Palästina gegen sie zu verteidigen, versuchte der Sultan, die Grenzen der Gebiete unter seiner Herrschaft möglichst weit in Richtung Wien zu verschieben. Als im Jahr 1526 nach der Schlacht bei Mohács große Teile Ungarns unter seine Kontrolle fielen, war es nur noch ein kurzer Weg bis Wien. Doch nicht die Herrschaft über Wien war das strategische Ziel des Sultans, sondern die Bedrohung der Stadt. Der Sultan wollte die Tatsache klarstellen, dass nicht nur seine Herrschaft begrenzt war, sondern auch die des Römischen Kaisers, dass mithin die an das Heilige Römische Reich gebundene Ideologie der Weltherrschaft jeder Grundlage entbehrte. Der überkommenen muslimischen Lehre des Rechts des Kriegs und des Friedens, derzufolge es mit „Ungläubigen“ keinen dauerhaften Frieden geben könne, sondern nur pragmatische Verabredungen auf Zeit, konnte der Sultan auf diesem Weg schlagend Nachdruck verleihen. Während Ferdinand Wien gegen den Vormarsch der türkischen Armee ohne Zutun Karls verteidigte, widmete dieser sich den politischen Verhältnissen in Italien in der Absicht, seine Krönung zum Kaiser durch Papst Klemens VII (1523 - 1534) durchzusetzen. Diese erreichte er 134 Die Vielen und die Eine zwar im Jahr 1530, aber nicht in Rom, sondern in dem unter päpstlicher Herrschaft stehenden Bologna, wo zum letzten Mal eine Kaiserkrönung auf italienischem Boden stattfand [1; 85; 198]. Im Jahr 1555 dankte Karl, frühzeitig gealtert, von allen Ämtern ab, überließ seinem Sohn Philipp die Herrschaft über Spanien mit den Niederlanden und den Überseekolonien und nahm es hin, dass sein Bruder Ferdinand zum Kaiser gewählt und auch gekrönt wurde. Mit diesen Entscheidungen war Maximilians Versuch endgültig gescheitert, den Anspruch des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation auf Weltherrschaft durch ein Netzwerk verwandtschaftlicher Beziehungen der Habsburger mit anderen herrscherlichen Dynastien als eine Art Oberherrschaft des Kaisers über Könige zur Geltung zu bringen. In der lateinischen Christenheit setzte sich mit der Abdankung Karls V. die Erwartung durch, dass die Ideologie der Weltherrschaft nicht der Sicherung des allgemeinen Friedens diene, sondern lediglich Propaganda sei, die spezielle Machtinteressen einzelner Herrscher verhüllen solle [33]. Jegliche Hoffnung, dass ein Weltherrscher das Recht des Kriegs und des Friedens in der Welt als ganzer werde durchsetzen können, wich somit in der lateinischen Christenheit der kritischen Analyse etwaiger noch zum Ausdruck kommender Weltherrschaftsansprüche. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation gedieh dabei zu einem faktisch auf Zentraleuropa begrenzten Herrschaftsgebiet, in dem Reichsrecht einige Aspekte der Beziehungen der Herrschaftsträger innerhalb dieses Gebiets regelte. Reichsrecht wurde damit seit dem 16.-Jahrhundert der Sache nach zu einer Art Europäischem Recht, lange bevor dieser Begriff entstand. Unter Philipp II. (1555 - 1598) expandierte das Gebiet unter der Kontrolle des spanischen Königs nicht nur in Amerika, sondern auch in den südlichen Pazifik. Als Philipp durch Erbfolge im Jahr 1580 auch König von Portugal wurde, vereinigte er die Kontrolle der portugiesischen und spanischen Überseekolonien in seiner Hand. Spanische Herrschaft umfasste seit 1580 die gesamte Iberische Halbinsel, den Süden der Italienischen Halbinsel, die gesamten, damals bereits von europäischen Kolonisten besiedelten Gebiete in Mittel- und Südamerika, die portugiesischen Stützpunkte an den Küsten Afrikas, der Arabischen Halbinsel, Südasiens, Kontinentalsüdostasiens und des indonesischen Archipels. Europäische Kaufleute, die in China und Japan Handel trieben, unterstanden rechtlich den Weisungen Philipps. Gegen so viel Macht regte sich jedoch bereits während der Expansionsphase Widerstand. In den Niederlanden riskierte ein Bündnis aus landsässigen Adligen und Stadtbewohnern im Jahr 1576 die Rebellion gegen Philipps Herrschaft [79]. Im Jahr 1579 schlossen die Rebellen einen Vertrag mit dem Ziel, eine selbständige Regierung ohne monarchischen Herrscher zu errichten [77] und Philipp zur Aufgabe seiner Herrschaftsrechte über die Niederlande zu zwingen [235]. Im Jahr 1581 folgte eine Resolution, die Philipp der Usurpation alter Freiheitsrechte der Niederlande bezichtigte [78, S.-217]. Die Rebellen wollten jedoch im Verbund des Heiligen Römischen Reichs bleiben, nicht zuletzt, da sie sich Unterstützung für ihre Pläne durch andere Reichsangehörige erhofften. Aus dem Widerstand gegen Philipps Herrschaft über die Niederlande erwuchs ein Krieg, der mit Unterbrechungen bis 1648 dauerte. In diesen Krieg griff im Jahr 1585 die englische Königin Elisabeth I. (1558 - 1603) auf Seiten der Rebellen ein, da Philipp englischen Seeleuten die Fahrt nach Amerika und dadurch den Zugang zu den dort vermuteten Rohstoffen und erwarteten Handelsmöglichkeiten verwehrte [126]. Philipp reagierte auf den in seiner Sicht unrechtmäßigen Widerstand gegen seine Herrschaft zu Land und auf See mit der Entsendung eines massiven Aufgebots an Landstreitkräften in die Niederlande [170] sowie einer so genannten „Armada Invencible“ oder „Grande y Felicisima Armada“ (Unbesiegbare Kriegsflotte oder Große und das meiste Glück habende Kriegsflotte) zur Eroberung Englands. Doch die englische Flotte fügte im Englischen Kanal 1588 der „Armada“ so starken Schaden zu, dass diese unverrichteter Dinge und in schweren Stürmen die Britischen Inseln umfahren musste und nur in kümmerlichen Resten nach Spanien zurückkehrte. Der mit Entsendung der „Armada“ erklärte englisch-spanische Krieg dauerte fort, bis er durch den Londoner Friedensvertrag vom 18. / 28 August 1604 förmlich beendet Reichsrecht und Souveränität 135 wurde [260]. Insbesondere nach der Vereinigung der Kronen von England und Schottland zum Staats Großbritannien seit Jakob I. (1567/ 1603 - 1625) gab man sich auf britischer Seite zurecht sicher, dass nach dem Scheitern der „Armada“ nicht nur die spanische Macht in Europa gebrochen, sondern auch der freie Zugang nach Amerika gesichert worden war. Wohl im Jahr 1623 formulierte der damalige Lordkanzler König Jakobs I., Francis Bacon (1561 - 1626), im Text für eine nie gehaltene Parlamentsrede seine Einschätzung spanischer Macht. Darin behauptete er ohne jeden Respekt, Spanien sei wegen der Auswanderung in die Überseekolonien „dünn gesät mit Menschen“ und gleiche einem Vogel, aus dem jeder eine Feder rupfe. Das Land sei es nicht einmal wert, militärisch besetzt zu werden [19]. Das Reichsrecht als Recht des Kriegs und des Friedens und der Begriff der Souveränität Die Entwicklung des Reichsrechts zum Instrument der Regelungen der Beziehungen der Herrschaftsträger innerhalb des Reichs verlief jedoch während des 16.-Jahrhunderts außerordentlich zögerlich. Die aus Truppenkontingenten aus den Reichskreisen zusammengesetzte Reichsarmee konnte nur in einem sogenannten Reichskrieg zum Einsatz kommen. Dieser Begriff war ganz im Sinn der Tradition der Theorie des gerechten Kriegs als reiner Verteidigungskrieg gefasst. Die Erklärung eines Reichskriegs bedurfte der Zustimmung des Reichstags. Diese war, beispielweise gegen die türkische Armee vor Wien, ohne Schwierigkeiten zu erreichen, da der Verteidigungsfall unmittelbar gegeben zu sein schien. Aber bei Konflikten innerhalb der lateinischen Christenheit oder gar unter Reichsangehörigen war die Beschlussfassung kompliziert, langwierig und damit für militärische Planungen nur langfristig brauchbar. Zum Mittel der Erklärung eines Reichskriegs griff die kaiserliche Verwaltung in Wien folglich nur selten. Karl I./ V. ließ seine militärischen Unternehmungen ohnehin in der Regel von Spanien aus und unter Einsatz spanischer Kriegsmittel führen, wenn es nicht um Krieg gegen die Protestanten im Reich ging. Karl selbst nahm an Kriegszügen nicht regelmäßig teil. Der größte Sieg, den seine Truppen je verbuchen konnten, gelang vor Pavia am 24.- Februar 1525, dem Geburtstag des Kaisers, gegen den französischen König Franz I. (1515 - 1547) in Karls Abwesenheit. Franz geriet in die Gefangenschaft Karls, Teile Norditaliens, insbesondere das Herzogtum Mailand, vorübergehend unter spanische Kontrolle [32; 202]. Zehn Jahre später ließ sich Karl V. nach der Flucht des unter türkischer Hoheit operierenden Flottenkommandanten und Herrschers Chair-ed-Din (1468 - 1547) aus Tunis 1535 als friedensbringender Weltenherrscher feiern, obschon die aufständische Bevölkerung in Tunis und nicht Karls Truppen Chair-ed-Dins Flucht aus der Stadt erzwungen hatten [44; 71; 100; 157; 161; 164; 199; 208; 240]. Der Weltfrieden und die Sorge für ihn waren längst zu Gegenständen diplomatischen Feilschens und politischer Propaganda geworden, fielen also teilweise in den Bereich menschlicher Willensentscheidungen. Auch das Reichskammergericht vermochte dem Streben der Herrschaftsträger innerhalb des Reichs nach rechtlich abgesicherter Selbständigkeit nicht grundsätzlich zu begegnen, obschon es eifrig mit Streitfällen befasst war. Aber Reichsrecht drang nicht auf alle Gebiete des Rechtslebens im Reich durch, sondern stand, wie etwa die 1530 im Namen Karls erlassene kaiserliche Strafgerichtsordnung [43], in Konkurrenz mit Rechtssätzen, die aus der Gesetzgebungsbefugnis der selbständigen Herrschaftsträger flossen. Diese Herrschaftsträger, im Deutschen oft als „Oberkayten“ bezeichnet, hatten viele derjenigen Befugnisse, die auch Herrschaftsträgern außerhalb des Reichs als Souveränen zustanden. Die „Oberkayten“ waren also sowohl dem Wort wie dem Begriff nach nichts anderes als Souveräne im Reich [216, S.-502-503; 217, S.-381], über denen der Kaiser eine Art Oberherrschaft auszuüben schien. Nach dieser Theorie waren der Kaiser, die selbständigen Herrschaftsträger innerhalb des Reichs, die Könige und andere selbständige Herrschaftsträger außerhalb des Reichs, der Osmanische Sultan und wer auch immer sonst 136 Die Vielen und die Eine in der Welt Souveräne. Souveränität in dieser weiten Fassung schloss den Anspruch des Kaisers auf Oberherrschaft über andere Souveräne nicht grundsätzlich aus und wurde daher außerhalb des Reichs zum Problem für die politische Theorie. Denn diese aus dem 13., 14. und 15.-Jahrhundert überkommene weite Fassung des Souveränitätsbegriffs führte zu der Schwierigkeit, dass einerseits Souveränität durch ausschließliche Befugnis zur Gesetzgebung definiert war, andererseits der Unterordnung von Herrschaftsträgern unter die Gesetzgebungsbefugnis eines ranghöher stehenden Herrschers wie etwa des Kaisers oder auch des Osmanischen Sultans nicht entgegenstand. Oberste Gesetzgebungskompetenz konnte daher auch über Souveräne reklamiert werden. Um derlei Ansprüchen entgegenzuwirken, nahm sich der im Dienst des französischen Königs stehende Jurist Jean Bodin (1529/ 30 - 1596) des Problems der Souveränität an und löste es im Jahr 1576 gewissermaßen durch einen Paukenschlag mit einer einfachen, aber genialen Schlussfolgerung, die bislang Theoretiker des Rechts des Kriegs und des Friedens nicht gezogen hatten. An der Bestimmung der Souveränität als oberste Gesetzgebungsbefugnis hielt er fest. Aus der empirischen Beobachtung, dass es in der Welt eine Vielzahl von Souveränen gebe, schloss er dann aber, dass diese Souveräne als jeweils höchste Gesetzgeber unter einander alle rechtlich gleich sein müssten. Bodin zufolge konnte es also keine rechtmäßige Gesetzgebung über Souveränen geben, denn ein Souverän, der die Gesetzgebungsbefugnis eines anderen Souveräns anerkenne, sei kein Souverän mehr. Diese Schlussfolgerung ergab sich für Bodin aus der reinen Logik der Bestimmung des Souveräns als höchstem Gesetzgeber. Auch konnte kein Souverän unter dem Schutz eines anderen Souveräns stehen. Bodin wies darauf hin, dass mächtige souveräne Herrscher von Schutz reden könnten, den sie weniger mächtigen souveränen Herrschern angedeihen lassen wollten. Dabei handelte es sich Bodin zufolge aber nicht um echten Schutz, sondern tatsächlich um das Streben nach Herrschaft, das heißt der Zerstörung der Souveränität des schwächeren Herrschers [30, Kap.-I/ 7, S.- 151-157]. Bodin assoziierte folglich, offenbar als erster, den überkommenen Begriff der Souveränität mit dem Begriff der rechtlichen Gleichheit der Souveräne. Diese bildeten unter einander somit eine Art Klub, in dem kein Mitglied einem anderen etwas vorzuschreiben hatte. Damit stellte Bodin klar, dass ein gesetztes Recht über Souveränen nicht bestehen könne, und nahm von dieser Klarstellung nur wenige sogenannte „Lois fondamentales“ (Grundgesetze) aus, die er als unveränderbares, also nicht der Gesetzgebungsbefugnis der Souveräne unterworfenes Recht zuließ. Zu den „Lois fondamentales“ zählte er beispielsweise Thronfolgeordnungen, die ein Souverän nicht ändern dürfe [30, Kap.-I/ 8, S.-212-217]. Herrschaft war nach Bodin also nicht grundsätzlich über das Recht gestellt, aber Rechtssätze, die die Souveräne binden konnten, waren außer durch deren Willen nicht setzbar [30, Kap.- I/ 10, S.- 295-341]. Bodins Buch, zuerst auf Französisch, das heißt nicht für die gelehrte Leserschaft überall in Europa gedruckt, hatte schnell großen Erfolg in Staaten außerhalb des Reichs. Dort hätte die Rezeption seines Werks die Entscheidung vorausgesetzt, ob der Kaiser alleiniger Souverän war oder die selbständigen Herrschaftsträger im Reich Souveränität trugen, nicht aber der Kaiser. Über diese Frage entstand zwar eine hauptsächlich akademische Diskussion, aber ein förmliche politische Entscheidung kam bis zu Beginn des 19.-Jahrhunderts nicht zustande. Die Ausdehnung des Geltungsbereichs des Rechts des Kriegs und des Friedens auf Amerika Nicht nur Bodins Buch, sondern auch die während des 16.- Jahrhunderts stattfindende Unterwerfung des amerikanischen Kontinents unter die Kontrolle europäischer Herrschaftsträger löste einen Prozess des Umdenkens über die Möglichkeit der Begründung von Rechtssätzen aus, die Souveräne zu binden in der Lage sein sollten. Bis zu Beginn des 16.-Jahrhunderts war in dem trikontinentalen Block aus Afrika, Asien und Europa diese Möglichkeit stets gegründet gewesen Die Ausdehnung des Geltungsbereichs auf Amerika 137 in der Erwartung, dass alle Bewohner der die Welt scheinbar ausmachenden drei Kontinente den moralischen Status des Menschseins durch Geburt als göttliche Geschöpfe besaßen und sich in dieser Eigenschaft trotz aller Unterschiede unter der Kontrolle eines Weltherrschers würden zusammenfinden können. Mit der Auflösung des als begehbare Landmasse gestalteten Weltkartenbilds kam nun aber die Frage auf, ob die Bewohner der „Neuen Welt“ als Menschen im moralischen oder im Rechtssinn oder als scheinbar „natürliche“, vermeintlich außerhalb jeder politischen Gemeinschaft lebende Sklaven zu behandeln seien. Die Debatte um die Antwort auf diese Frage begann schon im zweiten Jahrzehnt des 16.-Jahrhunderts. Sie wurde bis in die 1550er Jahre geführt. Sie entzündete sich an der konventionellen kriegsrechtstheoretischen Frage, ob die mit Cortés begonnene Unterwerfung der Native Americans mit Mitteln militärischer Gewalt rechtens sei. Der in Paris lehrende schottische Theologe John Major (1470 - 1550) nahm sich als einer der ersten der Frage an und beantwortete sie mit Rückgriff auf die Theorie des Aristoteles, dass Menschen außerhalb des griechischen Kulturbereichs „natürliche Sklaven“ seien, also Geschöpfe mit menschlichem Körper, aber ohne den moralischen Status des Menschen. Major zufolge konnten angeblich „natürliche Sklaven“ keine Träger von Rechten sein. Ihre Tötung sei folglich kein Verbrechen. Major wandte diese Theorie auf die Native American an, behauptete auf der Basis früher europäischer Reiseberichte [38; 52; 117; 151; 163; 212; 222; 230, S.-69-218], Native Americans schienen nicht wie Menschen zu leben, seien zur Existenz in der Hölle bestimmt und nicht missionierbar [138, fol. CLXXXVII r ]. Er stellte sich mit dieser Behauptung gegen die Edikte Papst Alexanders VI., der die Missionierung der Bewohner der von Kolumbus aufgesuchten Inselwelten geboten hatte. Majors These blieb genau deswegen nicht unwidersprochen. Kein Geringerer als Kardinal Thomas de Vio aus Gaeta (1469 - 1534), der sich Cajetanus nannte und zum Gegenspieler Luthers aufstieg, wandte sich scharf gegen die Theorie der „natürlichen Sklaven“, forderte die allgemeine Anerkennung des moralischen Status des Menschseins überall in der Welt sowie der aus diesem Status abgeleiteten Rechte und verlangte die Missionierung der Native Americans nach päpstlichem Gebot [40, S.-94]. Doch vermochte Cajetan nicht, der These Majors den Garaus zu bereiten, obschon Papst Paul III. (1534 - 1549) im Jahr 1537 das Missionsgebot erneuerte [172; 173]. Die These diente nicht nur der Legitimation des während des 16.- Jahrhunderts stattfindenden Genozids an den Native Americans, sondern fand noch im Jahr 1550 in dem spanischen Chronisten Juan Ginés de Sepúlveda (1490 - 1573) einen wortgewaltigen Epigonen [84, S.- 201-202]. Erst das entschiedene Eintreten des Missionars Bartolomé de Las Casas (1484/ 5 - 1566) für die Position, die Cajetan bereits eingenommen hatte [125], sowie der Umstand, dass die Schicksale der verfolgten und ermordeten Native Americans zu protestantischen Angriffen gegen die Ethik der katholischen Kirche verwendet wurden, ließen die Anhänger der These Majors verstummen. Dies geschah jedoch erst, als die Native Americans schon Opfer des Genozids geworden waren. Vor dem Hintergrund dieser Debatte wandten sich spanische Intellektuelle des 16. und frühen 17.- Jahrhunderts, vornehmlich Theologen, Fragen der Gerechtigkeit des Kriegs zu und schlugen Antworten vor, die den schon bestehenden Theorien des gerechten Kriegs neue Aspekte abgewannen. Diese Intellektuellen legten ihre Positionen jedoch in der Regel nicht in Kompendien zum Recht des Kriegs und des Friedens nieder, sondern einerseits in Vorlesungen, andererseits in Spezialabhandlungen, die in allgemeine theologische Werke einbeschlossen waren und oft fragmentarischen Charakter trugen. In diese Gruppen von Werken gehören die für das Recht des Kriegs und des Friedens einschlägigen Aussagen des Dominikaners Francisco de Vitoria, der an der Universität von Salamanca lehrte. Er befasste sich in den 1530er Jahren mit der Frage, ob die spanischen Eroberungen in Amerika gerecht seien, und legte seine Antworten in einer Reihe öffentlicher Festvorlesungen (Relectiones) nieder. Vitorias Ausgangspunkt war diejenige Fassung der Theorie des gerechten Kriegs, die Augustinus und Thomas von Aquin vorge- 138 Die Vielen und die Eine legt hatten und die Vitoria in seiner Zeit ganz selbstverständlich auf die „Neue Welt“ anwandte. Als Menschen hätten demnach die Native Americans das Recht, dort zu siedeln, schloss er mit Bezug auf die ältere Debatte zwischen Hostiensis und Paulus Vladmiri. Ebenso hätten sie das Recht, sich selbst zu beherrschen und zu verteidigen. Für die Tatsache, dass sie „Ungläubige“ seien, seien sie selbst nicht verantwortlich [270, De Indis, I/ 24. S.-232]. Es sei daher nicht gerecht, gegen sie Krieg zu führen allein aus dem Grund, dass sie „Ungläubige“ seien. Denn der Unterschied der Religion sei als solcher kein Grund für einen gerechten Krieg [272, Kap.-V/ 10]. Außerdem hätten sich die Native Americans zu keinem Zeitpunkt vor den spanischen Eroberungen irgendetwas gegen die Spanier zu Schulden kommen lassen. Daher scheide das Streben nach Wiedergutmachung erlittenen Unrechts als Grund für einen gerechten Krieg gegen die Native Americans aus. Vitoria bestritt mithin, dass irgendwelche Versatzstücke aus der älteren Theorie des gerechten Kriegs als Argumente zur Rechtfertigung der spanischen Eroberungen verwertbar seien [270, Kap.-II/ 1, S.-234]. Also musste er, wollte er die spanischen Eroberungen nicht in Bausch und Bogen als ungerecht brandmarken, zu Argumenten greifen, die die Tradition nicht enthielt. Dazu setzte er sich mit der Frage auseinander, wie über die Gerechtigkeit eines Kriegs grundsätzlich entschieden werden könne. Ausgangspunkt dieser Überlegung war die seit spätestens dem 14.- Jahrhundert häufige Praxis, dass Streitparteien mit ihren jeweiligen Vorbereitungen für einen Krieg die Veröffentlichung von Argumenten verbanden, durch die sie die Gerechtigkeit ihrer Ziele und die angebliche Notwendigkeit des Schritts zum Krieg darzulegen suchten. Da alle Kriegsparteien zu begründen versuchten, dass ihre jeweilige Position die allein mögliche sei, die gegnerischen Positionen sich aber wechselseitig ausschlossen, folgerte Vitoria, dass es möglich sei, dass alle Kriegsparteien im subjektiven Bewusstsein der Gerechtigkeit ihrer Ziele handeln könnten [271, Kap.-32, S.-286]. Seit Vitoria kam es für die Kriegszielbestimmung nicht mehr darauf an, dass eine Streitpartei die Gerechtigkeit der Ziele des Gegners voll und ganz negierte, sondern darauf, den eigenen Gerechtigkeitsanspruch mit besseren Argumenten zu untermauern, als es der Gegner zu tun vermochte. Die Debatte um die Gerechtigkeit des Kriegs verschob sich somit aus der Theologie in die Rechtswissenschaft. Darüber hinaus forderte Vitoria die Anerkennung zweier Rechtssätze, die auch Souveräne binden sollten, ohne von einem Weltherrscher erzwungen werden zu müssen. Der eine Rechtssatz betraf das Ius peregrinationis, das Recht, sich überall auf dem Planeten Erde bewegen zu können [270, Kap.- III/ 2, S.- 257-258]. Dieser Rechtssatz, nach dem alten Weltkartenbild eine Selbstverständlichkeit, sollte, Vitoria zufolge, auch für die „Neue Welt“ gelten, sowohl für die Native Americans als auch für Spanier, die aus Europa über den Ozean fahren wollten. Keiner sollte einem anderen das Recht streitig machen können, irgendwohin zu fahren. Denn dieses Recht gelte für alle Menschen. Jeder, dessen Ius peregrinationis eingeschränkt werde, habe das Recht, gegen die Einschränkung Widerstand zu leisten. In Anbindung an das Ius peregrinationis forderte Vitoria ebenfalls die Anerkennung des Rechts, Handel zu treiben, wo immer es jemand wolle [270, Kap.-III/ 3, S.-258-259]. Die Verweigerung dieses Rechts sei ebenfalls ein Grund für einen gerechten Krieg. Vitoria wandte mit diesen Überlegungen die alte Vorstellung, dass gerechte Krieg nur zur Wiederherstellung erlittenen Unrechts geführt werden könnten, an auf neue Rechte, die in der älteren Theorie nicht ausdrücklich geltend gemacht worden waren. Vitoria sah es als erwiesen an, dass die Native Americans den Spaniern das Ius peregrinationis wie auch das Recht, Handel zu treiben, verweigert hätten, und erkannte diesbezüglich die spanische Kriegführung in Amerika als gerecht an. Eroberungen waren damit jedoch noch nicht gerechtfertigt. Andere spanische Theoretiker des späteren 16.- Jahrhunderts folgten Vitoria in dieser Überlegung [238, Nr-1-2, S.-322]. Zur Rechtfertigung der Eroberungen verwies Vitoria auf das päpstliche Missionsgebot, das die Spanier in Amerika umzusetzen hätten. Vitoria bezog sich nicht nur auf die Edikte Papst Alexanders VI., sondern auch auf die theologische Dogmatik, die aus Textstellen des Neuen Tes- Die Ausdehnung des Geltungsbereichs auf Amerika 139 taments, insbesondere Apostelgeschichte (Kap.-2), für Christen Mission als göttlichen Auftrag konstruierte. Vitoria nahm an, dass die Native Americans sich gegen das Missionsgebot gewehrt hätten, und sah deshalb die Anwendung militärischer Gewalt zur Förderung der Mission, insbesondere zum Schutz der Missionare, als gerecht an [270, Kap.-III/ 9-12, S.-262-264]. Die Native Americans, die in Vitorias Sicht als Nomaden lebten, bebauten zudem den Boden nicht und stellten sich damit gegen das von ihm konstruierte göttliche Gebot zur Kultivierung des Lands. Daher könnten sie Spaniern, die als Bodenbauern kämen, die Ansiedlung nicht verwehren. Widerstand gegen spanische Siedlungstätigkeit sei Grund für einen gerechten Krieg [270, Kap.-I/ 1, Nr-4-9, 24; Kap.-I/ 2, Nr-15-16; Kap.-I/ 3, Nr-3-4, S.-222-227, 232, 250-255, 259-260]. Dass Vitoria zu diesem Schluss kam, ohne nach den Sätzen des Rechts des Kriegs und des Friedens der Native Americans zu fragen, stand im Widerspruch zu seiner Forderung, die Möglichkeit einer subjektiv wahrgenommenen Gerechtigkeit des Kriegs beiden Streitparteien zuzuerkennen. Trotz der Neufassung seiner Theorie des gerechten Kriegs verblieb Vitoria in den Bahnen der römischen Tradition des Ius gentium, das er in der Hauptsache nach der Vorgabe des Corpus iuris civilis [55, Inst. I,2,1, S.- 2] definierte. Diese Definition, die das Ius gentium als das nach Maßgabe der natürlichen Vernunft (naturalis ratio) unter allen Menschen gültige Recht bestimmte, modifizierte Vitoria nur durch Ersatz des Worts Homines (Menschen) durch Gentes sowie durch Auslassung der im Corpus iuris civilis vorgegebenen Verknüpfung nicht nur des Ius gentium, sondern auch des Ius civile mit dem Ius naturale [270, Kap.- III/ 2, S.- 257]. Der Austausch der Wörter stützt aber nicht den Schluss, dass Vitoria das Ius gentium habe neu bestimmen wollen [26, S.-205; 167, S.-11; 206, S.-281; 239, S.-43; 291, S.-16]. Denn Vitoria begründete diesen Austausch nicht. So wiederholte Vitoria, vielleicht unbewusst, das Wort Gentes in dem zu definierenden Begriff lediglich in seiner Definition und erzeugte damit eine Tautologie. Denn er definierte das Ius Gentium als Recht des Gentes, ohne zu bestimmen, was unter Gentes zu verstehen sei. Dass Vitoria an dieser Stelle nicht auf das Ius civile Bezug nahm, erklärt sich leicht aus dem Kontext, in dem das römische Bürgerrecht nicht zur Diskussion stand. Wichtiger als der somit im Sinn Vitorias wenig hilfreiche Austausch der Wörter Homines und Gentes ist hingegen, dass Vitoria das Ius gentium ausdrücklich aus dem umfassenden Ius naturale ableitete. Diese Ableitung hatte in Vitorias Argumentation jedoch den alleinigen Zweck nachzuweisen, dass das Ius peregrinationis unter allen „Nationes“ oder „Gentes“ gelte. Denn sie alle sähen es als inhuman an, wenn ein Gast oder Fremder schlecht behandelt werde. Das Ius peregrinationis, zusammen mit der Verpflichtung, den Boden zu bebauen, sollten also Bestandteile des gottgewollten Naturrechts sein. Sie brauchten folglich nicht gesetzt zu werden und waren bindend allein durch die natürliche Vernunft, nicht durch herrschaftliche Erzwingung. Denn Vitoria bestritt ohne Wenn und Aber, dass der Kaiser oder der Papst Träger von Weltherrschaft sein könnten [270, Kap.-I/ 1-4, S.-218-223]. Das Ius peregrinationis war folglich nicht nur Bestandteil innerstaatlichen Rechts, wie das Ius civile, sondern alle Menschen konnten es überall für sich beanspruchen. Folglich galt es auch in der „Neuen Welt“, und niemand konnte dort den Spaniern das Ius peregrinationis abstreiten. Mit der Ableitung des Ius gentium aus dem Ius naturale blieb Vitoria in den Bahnen der von der römischen Rechtslehre bestimmten Tradition, stellte diese Tradition aber nicht in den Dienst der Begründung von Weltherrschaft, sondern der Rechtfertigung der spanischen Expansion nach Amerika. Das Recht des Kriegs und des Friedens blieb bis um die Mitte des 16.-Jahrhunderts weiterhin aus göttlichem Willen abgeleitet, auch wenn der göttliche Wille sich nicht mehr direkt, sondern durch die natürliche Vernunft und Gewohnheit zu zeigen schien. Dennoch stellte der Papst Vitorias Werke auf den Index der verbotenen Bücher [104, S.-399]. Vitoria geriet seit der Mitte des 17.-Jahrhunderts in Vergessenheit. Zwar verwies der Helmstedter Naturphilosoph, Mediziner, Jurist und Politiktheoretiker Hermann Conring (1606 - 1681) in seiner Beschreibung des spanischen Staats auf Vitoria und schrieb ihm das Verdienst zu, Probleme der Moral in die Wissenschaft vom Recht eingebracht zu haben [54, S.-77]. 140 Die Vielen und die Eine Aber Vitorias Werke standen bis um die Mitte des 19.-Jahrhunderts außerhalb der Fachdiskussionen um das Recht des Kriegs und des Friedens [166, S.-168; 168, S.-86-87; 206, S.-281; 232, S.-140; 281, S.-34-42]. Spanische Theoretiker um die Mitte des 16.- Jahrhunderts wie etwa Fernando Vázquez de Menchaca (1509 - 1566) verfuhren ähnlich wie Vitoria, wenn auch Vázquez das Ius gentium scharf vom Ius civile trennte. Das tat er mit der Begründung, dass das Ius civile nur die Angehörigen einer Gens und deren Herrscher binde, während das Ius gentium kraft der in ihm wirkenden natürlichen Vernunft unabhängig von der Gesetzgebung durch die Souveräne gelte und diese zu binden in der Lage sei [193, S.-72]. Juristen, die sich mit dem Ius civile beschäftigten, konnten sogar die Gültigkeit des Rechtssatzes Pacta sunt servanda in Abrede stellen. „Versprechen“ (promissiones) allein zögen keine bindenden Verpflichtungen nach sich, meinte Franciscus Connanus (1508 - 1551). Nicht das Recht, sondern die natürliche Sittlichkeit gebiete es, Rücksicht auf einander zu nehmen. Eine solche Bindewirkung entstehe nur durch das Ius gentium, das selbst keiner menschlichen Setzung unterworfen sei [53, Kap.-I/ 6, Nr-12, S.-21-22]. Nicht länger selbstverständlich hingegen war die frühere Praxis der Theoretiker des Rechts des Kriegs und des Friedens, die Bedingungen für die Anerkennung der Gerechtigkeit von Kriegen möglichst hoch zu hängen und damit das Führen von Kriegen zu erschweren. So beispielsweise kritisierte Juan de la Peña Luther dafür, dass dieser gegen die Türkenabwehr agitiert habe, und bezog sich dafür auf eine Bemerkung des Reformators in einem kirchenkritischen Werk vom Jahr 1518 [133, conclusio 5, S.-535]. An dieser Stelle hatte Luther beklagt, dass die meisten von nichts anderem träumten als von Kriegen gegen die Türken, und damit die Ablasspraxis anzugreifen versucht. Peña nun scholt Luther, dieser habe das Führen eines gerechten Kriegs gegen die Türken zu verhindern versucht. Wenig später befand er dann, nicht nur ein Krieg gegen Türken sei gerecht, sondern jeder Krieg zwischen Christen, womit er das militärische Vorgehen gegen die „Protestanten“ zu rechtfertigen versuchte [175, Nrn-2, 27, S.-404, 476]. Das bedeutete, dass in der Sicht dieses Theologen christliche Herrschaftsträger nicht einmal die Mühe auf sich zu nehmen brauchten zu begründen, warum die Kriege, die sie unter einander führten, gerecht sein sollten. Die Entstehung des Begriffs des Rechts zwischen den Staaten Der Jurist Alberico Gentili (1552 - 1608), protestantischer Emigrant in England und Professor an der Universität Oxford, fasste gegen Ende des 16.-Jahrhunderts Vitorias Gedanken schärfer. Gentili gehörte damals zu den wenigen Theoretikern, die ihre Gedanken in Fachbüchern niederlegten. Dazu zählen seine Werke über das Recht der Gesandten (1594) und über das Recht des Kriegs (1598) sowie eine Einzelschrift zur Verteidigung englischer Positionen im Krieg gegen Spanien an der Wende zum 17.-Jahrhundert (um 1605). Da Gentili das Recht des Kriegs in vollem Umfang abhandeln wollte, begann er, anders als Vitoria, mit einer Definition des Kriegs. Diesen bestimmte er, in Analogie zum Gerichtsprozess, knapp als „gerechten Streit mit öffentlichen Waffen“, der zwischen gleichen Parteien um den Sieg ausgetragen werde (publicorum armorum iusta contentio quod inter duas aequales de victoria contenditur), mithin als Duell unter Gleichen, und spezifizierte, dass nur „Souveräne Krieg führen“ (principes bellum gerunt) [81, Kap.-I/ 2-3, S.-17, 22-32]. Alle Souveräne konnten daher, für Gentili wie schon für Bodin, gerechte Kriege führen. Einer besonderen Begründung beduften die Kriege, Gentili zufolge, gleichwohl. Denn Kriege, die Souveräne ohne gerechte Gründe führten, seien ungerecht [81, Kap.-I/ 6, S.-49-50]. Wenn jedoch beide Streitparteien Gerechtigkeit für sich beanspruchten, sei es nicht möglich zu entscheiden, welche Seite im Besitz der Gerechtigkeit sei. Denn die Wahrheit über die Gerechtigkeitsansprüche bliebe in diesem Fall menschlicher Erkenntnis verborgen Die Entstehung des Begriffs des Rechts zwischen den Staaten 141 [81, Kap.-I/ 5, S.-40-45]. Wie Vitoria erkannte Gentili also den Grundsatz der subjektiven Wahrnehmung der Gerechtigkeit des Kriegs an, band die Wahrnehmung aber nicht nur an den erklärten Kriegsgrund und das daraus abgeleitete Kriegsziel, sondern auch an die Position des Kriegsherrn. Diese Bestimmung entnahm er sich weder dem römischen Recht noch der Naturrechtslehre, sondern dem Werk des Juristen Baldus de Ubaldis (um 1327 - 1400) [22, Nr-CCCLVII, fol. 89 v ]. Aus seiner Kriegsdefinition leitete Gentili das Gebot ab, der Sieger habe nach Beendigung des Kriegs Mäßigung gegenüber dem Unterlegenen walten zu lassen. Der Krieg dürfe nicht bis zur Vernichtung des Gegners geführt werden [81, Kap.-III/ 2, S.-473-484]. Gentilie behauptete also wie Vitoria, dass Kriege nicht aus Gründen geführt werden dürften, die aus einem Unterschied des religiösen Bekenntnisses abgeleitet wurden [81, Kap.-I/ 12, S.-92]. Er spezifizierte, anschließend an seine Kriegsdefinition, dass es keine natürlichen Kriege und demzufolge keine natürlichen oder Erzfeinde geben könne. Dieser Rechtssatz gelte auch für den Osmanischen Sultan. Dieser sei kein natürlicher Feind von Christen, sondern müsse bekriegt werden, da er gegen Christen kämpfe. Es ist dasselbe Argument, das Vitoria zu seiner Rechtfertigung der spanischen Kriege gegen die Native Americans angeführt hatte. Doch Gentili lehnte Vitorias Schlussfolgerung gegenüber den Native Americans ab. Die Spanier, schimpfte er, hätten ihre Behauptung, für das Recht des Handels zu kämpfen, nur vorgeschoben; tatsächlich sei es ihnen um pure Eroberung gegangen [81, Kap.- I/ 19, S.- 144]. Ausdrücklich gestand Gentili den Souveränen das Recht zu, den Handel zu regulieren. So sei die chinesische Regierung befugt, Kaufleute nur an den Grenzen des von ihr beherrschten Gebiets zuzulassen, nicht aber in dessen Innerem. Nur bei vorsätzlichen Störungen der Handelstätigkeit, deren Unterbrechung etwa durch Krieg, sei militärisches Eingreifen gerechtfertigt. Deswegen sei ein Krieg gerecht gegen Souveräne, die sich weigerten, einen geführten Krieg zu beenden, der den Handel beeinträchtige [81, Kap.- I/ 19, S.- 145-146]. Folglich dürfe es keine Einschränkung der Seefahrt auf dem Ozean geben. Denn dieser sei von Natur aus für alle Menschen offen, da er von niemandem wirkungsvoll gesperrt werden könne. Dieser Rechtssatz gelte auch für die Meeresküsten, die Ufer von Flüssen sowie die Flüsse selbst. Denn die Natur habe weder die Sonne noch die Luft noch das Wasser der Flüsse zum Eigentum nur eines Einzelnen bestimmt [81, Kap.-I/ 19 S.-146]. Von diesem Rechtssatz nahm Gentili jedoch sogenannte Küstengewässer aus, die eine Spanne von 100 Meilen umfassen sollten und der Hoheitsgewalt des Souveräns über die angrenzenden Gebiete gestellt bleiben sollten [82]. Die Frage nach der Bindewirkung des Abkommens von Tordesillas vom Jahr 1494 über die beiden Vertragsparteien hinaus war seit Beginn des 16.- Jahrhunderts kontrovers beantwortet worden. Der Streit betraf zu allererst die Befugnis des Papsts zur Zuerkennung der Herrschaftsrechte unter Souveränen. Der Papst hatte in den Edikten keine Investitur im Sinn der Neuvergabe eines Herrschaftsprivilegs ausgesprochen. Denn die Gebiete in den von Kolumbus aufgesuchten Inselwelten, um die es in den Privilegien ging, hatten niemals zuvor unter der Herrschaft des Papsts gestanden. Allenfalls der Kaiser hätte ein solches Privileg erteilen können, wenn die Theorie des Bartolus von Sassoferato gültig war. Aber der Kaiser hatte nicht gehandelt. Die Edikte enthielten auch keine Schenkung nach römischem Recht. Denn zu dem Zeitpunkt, als die päpstliche Kurie die Edikte erließ, hatten die Katholischen Könige als Empfänger die in den Edikten angesprochenen Gebiete überhaupt nicht in Besitz. Nach römischem Recht aber war eine Schenkung nur über tatsächlich besessene Sachen möglich. Dem Papst stand daher keinerlei Befugnis zu, Kirchenstrafen denjenigen anzudrohen, die die den Katholischen Königen erteilten Edikte missachteten. Folglich bestand für alle Souveräne, die nicht durch den Tordesillas-Vertrag gebunden waren, in deren Sicht die Möglichkeit der freien Fahrt über den Ozean. Der französische König Franz I. und seine Nachfolger machten dieses Recht gegenüber den spanischen Untertanen Karls I. und Philipps II. wiederholt geltend. Sowohl als spanischer König 142 Die Vielen und die Eine wie auch als Kaiser versuchte Karl, freilich ohne Erfolg, Franz gegenüber die maritimen Zugangsbeschränkungen für den Ozean nach dem Tordesillas-Vertrag durchzusetzen [178; 70]. In den Friedensverträgen von Crépy (1544) [253, S.-3-4] und Cateau-Cambrésis (1559) [254, S.-21] ließen sich die französischen Könige Franz I. und Heinrich II. (1547 - 1559) jedoch das Privileg zur freien Fahrt über den Ozean bestätigen. Der spanische König Philipp III. (1598 - 1621) gestand König Jakob I. von Großbritannien im Friedensvertrag von 1604 das Privileg freien Handels über See, in Binnengewässern und über all dort auf Land zu, wo bereits vor Beginn des englisch-spanischen Kriegs im Jahr 1588 Handel getrieben worden war [260, Art.- IX, S.- 54]. Die letztgenannte Bestimmung schloss für britische Seefahrer die Möglichkeit ein, den nunmehr Atlantik genannten Ozean zu befahren und in Amerika Handel zu treiben. Hingegen waren britisches Vordringen in den Indischen Ozean und den Pazifik sowie die Teilnahme am transatlantischen Sklavenhandel nicht von diesem Vertrag gedeckt. Britische Kaufleute reagierten schnell und gründeten bereits im Jahr 1606 die Gesellschaft der Londoner Merchant Adventurers mit dem Ziel der Errichtung von Kolonien in Amerika. Die Gesellschaft erhielt ein königliches Privileg. Das Privileg nannte diese Niederlassungen „Kolonie“ (colony) und wies ihnen „Siedlung“ (habitation) sowie die Anlage einer „Plantage“ (plantation) als Zwecke zu. Auf der Basis dieses Privilegs legte die Gesellschaft bereits im Jahr 1607 die Siedlung Jamestown an [262]. Andere britische Kaufleute, die ihr Interesse bereits seit Ende des 16.-Jahrhunderts auf den Handel mit Südasien gerichtet hatten, ließen sich durch den britisch-spanischen Friedensvertrag nicht von der Umsetzung ihrer Pläne abbringen, da sie bereits im Jahr 1600 von Königin Elisabeth I. ein Privileg zur Errichtung einer Ostindischen Kompanie erhalten hatten [257]. Der spanischen Verwaltung gelang es ebenso wenig, niederländische Kaufleute am Vordringen in den Indischen Ozean zu hindern. Denn die Vereinigten Niederlande befanden sich weiterhin im Krieg gegen Spanien. Vertragliche Beziehungen bestanden also in dieser Zeit nicht. Die Generalstaaten der Niederlande nutzten im Jahr 1602 die Gelegenheit, die dort bereits bestehenden lokalen Ostindischen Kompanien zu vereinigen und diese Vereinigte Ostindische Kompanie ebenfalls mit einem Handelsprivileg auszustatten [258]. Das Ius gentium bestimmte Gentili wie schon Vitoria nach den Vorgaben des römischen Rechts. Auch Gentili zitierte aus dem Corpus iuris civilis, genau nach der Vorlage, und stellte klar, dass die menschlichen Gentes das Ius gentium gebrauchten [81, Kap.-I/ 1 S.-10]. Das Ius gentium sei nicht durch eine Vereinbarung aller Gentes zustande gekommen. Dies anzunehmen sei weder nötig, da das Ius gentium schon über die natürliche Vernunft aus göttlichem Willen folge, noch möglich, da die „unzähligen“ Gentes der Erde wegen der Verschiedenheit ihrer Sprachen und Sitten eine solche Vereinbarung schwerlich würden zustande bringen können. Das Ius gentium sei überdies ungeschrieben und bestehe als Gewohnheitsrecht [81, Kap.-I/ 1 S.-10-11]. Zwischen katholischen und protestantischen Theoretikern bestand also, unbeschadet der Kontroversen über aktuelle politische Fragen, Einmütigkeit im Festhalten an der großen Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens, die auch ohne Anbindung an einen Weltherrscher fortzubestehen und rechtswirksam zu sein schien. An der Wende zum 17.-Jahrhundert bot der Theologe Francisco Suárez (1548 - 1617) eine systematische Übersicht über die Debatten, die während des 16.-Jahrhunderts über die Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens stattgefunden hatten. Dafür wandte er eine Methode an, die um die Mitte des Jahrhunderts der Logiker Pierre La Ramée (Petrus Ramus, 1515 - 1572) vorgeschlagen hatte. La Ramée hatte angeregt, Gegenstände der Welt so zu bestimmen, dass sie zunächst in zwei große, sich wechselseitig ausschließende Gruppen eingeteilt würden. Dabei sollte möglichst nur die Entweder-Oder-Entscheidung zugelassen werden, mithin keine Zwischengruppe möglich sein, beispielsweise die Unterscheidung zwischen belebten und unbelebten Gegenständen. Diese Großgruppen sollten dann durch fortschreitende Unterteilung in immer kleiner werdende Untergruppen solange zerlegt werden, bis keine weitere Teilung mehr mög- Die Entstehung des Begriffs des Rechts zwischen den Staaten 143 lich zu sein schien [191]. Für dieses Verfahren kam die Bezeichnung System in Gebrauch, so dass systematisches Definieren der Kunst des stetigen, logisch korrekten Zerlegens der Gegenstände der Welt in eine hierarchische Ordnung gleichkam, die, einmal geschaffen, als unveränderlich ausgegeben wurde [114]. Suárez wandte diese Methode auf das Recht an. In der ihm vorliegenden Literatur über das Recht fand er die Dreigliederung in Ius naturale, Ius gentium und Ius civile vor, die das Ius gentium zwischen dem aus göttlichem Willen abgeleiteten Ius naturale und dem aus menschlichem Handeln resultierenden Ius civile stellte. Suárez fand diese Dreigliederung unschön, da sich nicht der reinen Lehre des Ramus entsprach. Er schlug daher vor, sie durch eine Folge von Zweigliederungen zu ersetzen. Danach sei Recht allgemein entweder Ius naturale oder Ius civile, und das Ius naturale sei entweder das für alle Lebewesen oder das nur für Menschen geltende Recht, wobei letzteres das Ius gentium sei [224, Kap.- II/ 17, Nr- 4, S.-34]. Die letztere Bestimmung leitete er wie seine Vorgänger im 16.-Jahrhundert aus der römischen Rechtslehre ab. Dann setzte Suárez sich mit der Frage auseinander, ob das aus göttlichem Willen fließende Ius naturale tatsächlich für alle Lebewesen gelten könne. Er fand mehrere Argumente gegen diese Sichtweise. Eines davon war, dass bestimmte Beschränkungen für das menschliche Handeln gelten, so das Verbot des Inzests, die ihm für Tiere nicht anwendbar erschienen. Wenn dem so sei und die vorgeschlagene Unterscheidung zwischen dem Ius naturale und dem Ius gentium korrekt sei, müsse das Inzestvebot dem Ius gentium zugewiesen werden. Diese Zuweisung sei aber völlig absurd [224, Kap.-II/ 17, Nr-6, S.-36-38]. Aus dieser Argumentation zog Suárez den Schluss, dass die Unterscheidung zwische Ius naturale und Ius gentium nur bestehen bleiben könne, wenn beide Rechtsbereiche nur für Menschen gültig seien, und schlug vor, das Ius naturale als gottgewolltes, das Ius gentium hingegen aus freiem menschlichen Willen folgendes Recht zu bestimmen [224, Kap.-II/ 17, Nr-8, S.-38-40]. Über den Unterschied des Entstehungsgrunds beider Rechtsbereiche hinaus nannte er drei weitere Merkmale, die das Ius naturale vom Ius gentium zu trennen schienen: das Ius gentium verbiete, anders als das Ius naturale, nichts, was als solches schlecht sei, sondern statuiere durch Verbote, was als schlecht zu gelten habe; zudem sei das Ius naturale gänzlich unwandelbar, das Ius gentium hingegen könne geändert werden, da es aus menschlichem Willen entstanden sei; und schließlich sei das Ius naturale grundsätzlich allen Menschen verbindlich, auch wenn es aus Irrtum oder Mangel an rechtem Glauben unbeachtet bleiben könne. Dennoch dürften Ungläubige nicht zur Einhaltung des gottgewollten Ius naturale gezwungen, sondern müssten durch Predigten und theologische Disputationen zum rechten Glauben geführt werden [226]. Das Ius gentium stimme hingegen darin mit dem Ius naturale überein, dass es nicht wie das Ius civile geschriebenes Recht sei. Aber auch als ungeschriebenes Recht sei es durch menschlichen Willen gesetztes Recht (ius gentium esse positivum humanum) [224, Kap.-II/ 19, Nrn-3, 6, S.-56-58, 60-62]. Schließlich unterschied Suarez anders als seine Vorläufer innerhalb des Ius gentium zwei Rechtsbereiche. Ius gentium sei entweder das bei allen Gentes gültige Recht, gleich welchen Inhalts, oder dasjenige Recht, das die einzelnen Staaten in sich selbst beachteten (civitates vel regna intra se observant) und zur Gestaltung ihrer wechselseitigen Beziehungen einsetzten, mithin als Gesandtenrecht, das Recht des Handelsverkehrs, das Recht zum Krieg, das Waffenstillstands- und Friedensschlussrecht [224, Kap.-II/ 19, Nr-8, S.-64]. Die Bestimmung des ersten Rechtsbereichs innerhalb des Ius gentium wiederholte Suárez aus der römischen Rechtslehre; mit letzterer Bestimmung definierte Suárez als einer der ersten Theoretiker ein Recht der zwischenstaatlichen Beziehungen als Sammlung innerstaatlicher Rechtssätze, die gleichwohl miteinander vereinbar und in der Regel bei fast allen Gentes gültig seien. Diese Definition kam dem Begriff des das Recht des Kriegs und des Friedens in sich schließenden, zugleich über dieses hinausgehenden Rechts zwischen den Staaten sehr nahe. Suárez fehlte nur das passende Wort als Ausdruck für diesen Begriff. Zugleich stellte Suárez sich mit dieser Definition außerhalb der großen Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens. Das Recht 144 Die Vielen und die Eine zwischen den Staaten, wie er es bestimmte, folgte nicht mehr aus göttlichem Willen, weder direkt noch indirekt, sondern ausschließlich aus menschlicher vernunftgemäßer Setzung ohne Beteiligung von Herrschaftsträgern. Zwar hielt er, der Tradition der römischen Rechtslehre folgend, an Wort und Begriff des Ius gentium fest. Aber dieses grenzte Suárez gegen das Recht zwischen den Staaten ab, indem er letzteres inhaltlich weiter fasste als das Ius gentium. Auch ergab sich die Gültigkeit des Rechts zwischen den Staaten nicht mehr aus einem höheren Willen, sondern sozusagen als Zufallsergebnis des Wirkens der natürlichen Vernunft. Dennoch war für Suárez das Recht zwischen den Staaten als Ergebnis des Wirkens der natürlichen Vernunft bindend für alle venünftig handelnden Menschen, einschließlich der Souveräne. Das Recht zwischen den Staaten, wie Suárez es konzipierte, bedurfte weder der Setzung noch der Erzwingung. Suárez war hingegen in seinen Ausführungen zur Gerechtigkeit des Kriegs konventionell. Denn er folgte Vitoria und Gentili in der Begrenzung des Rechts zum Krieg auf Souveräne (bellum inter duos principes vel duas republicas). Krieg sei gerichtet gegen den Frieden, meinte er kurz, und sei nur gerecht, wenn er zur Wiederherstellung zuvor erlittenen Unrechts geführt werde [224, S.-114, 118, 140]. Theorien der Begründung von Herrschaft und die Wahrnehmung der Welt als geordnetes System Die Theoretiker, die an der Wende zum 17.-Jahrhundert den Begriff des weder an Institutionen gebundenen noch unmittelbar aus göttlichem Willen, sondern nur aus der Vernunft fließenden ungeschriebenen Rechts zwischen den Staaten schufen, mussten erklären, auf welche Weise dieses Recht angesichts der oft konfliktreichen Beziehungen der Herrschaftsträger unter einander zustande kommen konnte. Um dieses Problem lösen zu können, konnten sie sich einbinden in eine in dieser Zeit viele Gelehrte in ihren Bann ziehende Bewegung, die die Welt als stabiles, hierarchisch geordnetes System miteinander verbundener Teile zu erklären versuchte. Die Natur, so nahmen diese Gelehrte an, bestehe in guter Ordnung, die die gesamte belebte und unbelebte Welt einschließlich der herrschaftlichen Einrichtungen umfasse. Einer dieser Intellektuellen war der Leidener Historiker und Philologe Justus Lipsius (1547 - 1606), der, aufbauend auf seinen Arbeiten an Texten römischer Philosophen und Historiker, insbesondere des jüngeren Seneca (1 - 65 n.-Chr.) und des Tacitus, in den 1580er Jahren eine politische Theorie propagierte. In deren Mittelpunkt stellte Lipsius den Staat als geordnete politische Gemeinschaft. Seine politische Theorie legte er in der damals populär werdenden Textsorte der sogenannten „Politica“ nieder. Es handelte sich um eine Sorte wissenschaftlichen Schrifttums, das praktische Ratschläge an Herrschaftsträger mit der Erörterung grundsätzlicher Aspekte des Aufbaus des Staats und der moralischen Verantwortung der Herrschaftsträger verband. Anders als zeitgenössische Juristen und Theologen benutzte Lipsius eine schlichte Sprache, die allein dem Ausdruck einfacher Maximen dienen sollte. Die „Politica“ wurden im Verlauf des 17.-Jahrhunderts zum Standardmedium der politischen Theorie. Lipsius’ Leitgedanke in seiner politischen Theorie war die Beständigkeit (constantia), der er ein ganzes Buch widmete [129]. Unter Beständigkeit verstand er eine allgemeine moralische Qualität, die Menschen mit dauerhaften Zielsetzungen und unbeirrbarer Entschlossenheit, aber gleichzeitiger Flexibilität gegenüber den Bedingungen in ihrer Umwelt auszeichnen sollte. Beständigkeit mahnte Lipsius insbesondere von Herrschaftsträgern an, die er sich zu allererst als monarchische Souveräne vorstellte [129, S.-79, 98]. Die Staaten, über die die Souveräne herrschten, sollten ebenfalls beständig sein, also nicht von den Launen und Fähigkeiten einzelner Herrscher abhängen, sondern als politische Gemeinschaften getrennt vom Herrscher bestehen [130, S.-540]. Diese politischen Gemeinschaften führte er unter Anwendung der Herrschaftsvertragslehre des 14.-Jahrhunderts auf das freie Abkommen zwischen Beherrsch- Theorien der Begründung von Herrschaft 145 ten und einem Herrschaftsträger zurück, das ihm als unwiderruflich galt [129, S.-95-96]. Anders als für frühere Vertreter der Herrschaftsvertragslehre war für Lipsius das Abkommen über die Schaffung eines Staats keine bloß spekulative Hypothese, sondern abgeleitet aus der zu Lipsius’ Lebzeiten ablaufenden niederländischen Rebellion gegen spanische Herrschaft. Die niederländischen Rebellen beriefen sich auf das sogenannte Große Privileg, mit dem Maria, die Tochter Karls des Kühnen und Gemahlin des Habsburgers Maximilian, im Jahr 1477 burgundischen Adligen Freiheitsrechte eingeräumt hatte. Sie argumentierten, dass der spanische König diese Freiheitsrechte abgeschafft habe. Die Begründung der Selbständigkeit der niederländischen Stände als Generalstaaten durch Schaffung eines neuen Herrschaftsvertrags setze die alten Freiheitsrechte wieder in Kraft. In der Sicht der niederländischen Aufständischen bestand die Rebellion in der Ersetzung der bestehenden Herrschaftsordnung durch einen neuen Herrschaftsvertrag [78; 79; 280; 285]. Dass die Rebellen sich gegen einen Staat unter der Herrschaft eines Monarchen entschieden, brachte Lipsius als Monarchisten zwar in den Niederlanden gegen Ende des 16.-Jahrhunderts in Misskredit. Aber die politischen Entscheidungen der niederländischen Rebellen änderten nichts an seiner Überzeugung, dass Staaten politische Gemeinschaften seien, die nicht aus göttlichem Willen, sondern aus menschlicher Entscheidung entstanden und gleichwohl auf Dauer angelegt waren. Lipsius’ „Politica“ wurden für zwei Generationen zum Bestseller und verhalfen der Herrschaftsvertragslehre schon zu Beginn des 17.-Jahrhunderts zu bis dahin ungeahnter Popularität [139, Kap.- I/ 1, S.- 21-22; 225, Kap.- III/ 2, Nrn- 4-6, S.- 24-27; 99, S.-70-73; 13, Thesen 6-56; 14, Kap.-I/ 2, Kap.-I/ 7, Kap.-IX/ 12, Kap.-XIX/ 12, Ausg. Friedrich, S.-15, 16, 90, 161]. Lipsius kombinierte überdies Bodins Souveränitätslehre mit der Herrschaftsvertragslehre und zog aus dieser Verbindung den Schluss, dass der Herrscher als Souverän weder dem Recht anderer Staaten unterworfen noch an überstaatliche Rechtssätze, gleich welcher Herkunft, gebunden sein könne. Dennoch erkannte Lipsius die empirische Tatsache, dass die Beziehungen zwischen Staaten, auch im Kriegsfall, dem Recht unterworfen waren. An diesem Punkt griff Lipsius’ politische Philosophie der Beständigkeit in die Theorie der Beziehungen zwischen den Staaten ein. So stellte er klar, dass jeder Souverän allein einen Krieg beginnen, diesen aber nur gemeinsam mit dem Gegner durch einen Friedensschluss beenden könne. Lipsius verblieb wie auch die Theroetiker des Rechts zwischen den Staaten im augustinischen Abfolgeparadigma von Frieden, Krieg und wieder Frieden. Es sei daher, folgerte Lipsius, geboten, dass die Souveräne als Kriegsherren nur solche taktischen Kriegsmittel zum Einsatz brächten, die die Möglichkeit gütlicher Einigung zwischen den Streitparteien nicht ein für allemal ausschlössen [130, S.-540]. Lipsius vertrat also eine Ethik der Mäßigung, die er wie Suárez aus der natürlichen Vernunft der Menschen ableitete. Aus dieser Ethik der Mäßigung entnahm Lipsius das Gebot, Souveräne sollten sich freiwillig dem Recht zwischen den Staaten unterwerfen, obwohl sie niemand dazu zwingen könne. Früher oder später würden die Souveräne erkennen, dass dies in ihrem wohl verstandenen Eigeninteresse sei. Lipsius folgte zwar der großen Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens, derzufolge dieses Recht auch ohne Erzwingung durch Herrschaftsträger bestehe. Aber Lipsius konzipierte das Recht des Kriegs und des Friedens als Element einer von Natur aus geordneten Welt, das sich selbst Gültigkeit verschaffe durch die aus der natürlichen Vernunft abgeleitete Ethik der Mäßigung. Die Bindewirkung des Rechts im Krieg als Teilbereich des Rechts zwischen den Staaten entstand, Lipsius, zufolge, also aus der vernunftsgemäßen Einsicht, dass die bestehende Ordnung der Welt unveränderbar sei und daher von Menschen Beständigkeit einfordere. Andere zeitgenössische Theoretiker wie der Danziger Schulmann Bartholomäus Keckermann (um 1572 - 1608) fächerten die Wahrnehmung der von Natur aus geordneten Welt breit aus und beschrieben diese als System hierarchisch geordneter, auf Dauer angelegter Systeme [114]. 146 Die Vielen und die Eine Die geordnete Welt und der Krieg Die Wahrnehmung der Welt als geordnetes System blieb nicht auf die politische Theorie begrenzt, sondern fand schon zu Beginn des 16.-Jahrhunderts Eingang in die Theorie des Kriegs und die Praxis der Kriegführung. Im Jahr 1521 ließ Niccolò Machiavelli (1469 - 1527), zwischen 1506 und 1512 zuständig für die Verteidigung seiner Heimtstadt Florenz, Aufstellungsschemata in Druck geben, mit denen es möglich sein sollte, große Zahlen von örtlich rekrutierten Milizionären in geordnete Truppenkontingente zu stellen und darin zu manövrieren [136]. In diesen Kontingenten sollten Träger verschiedener Waffen, insbesondere Pikeniere als Täger langer offensiver Stoßwaffen und für die Defension eingesetzte Schildknechte gemeinsam unter dem Befehl eines Truppenführers als integrierte taktische Formation agieren. Um zu ermitteln, welches Verhältnis zwischen der verschiedenen Waffengattungen optimal sei und wie die Truppen in einem Kontingent zu bewegen seien, schienen komplizierte mathematische Berechnungen notwendig. Diese Berechnungen sollten sicherstellen, dass die Ordnung in den Kontingenten auch im Verlauf der Schlacht nicht zusammenbrechen würde, dass mithin der Krieg nach Plan verliefe. Machiavelli orientierte sich für die Konzeption seiner Schemata an den Kampfformationen, die die Schweizer Eidgenossen in ihren drei siegreichen Schlachten gegen Herzog Karl den Kühnen von Burgund (1467 - 1477) bei Grandson (1476), Murten (1476) und Nancy (1477) geschlagen hatten. In diesen Schlachten hatten die Schweizer große Kontingente aus vielen mit Piken und wenigeren mit tragbaren Feuerwaffen ausgerüsteten Fußkämpfern, sogenannten Gewalthaufen, erfolgreich gegen Karls hochtechnisierte und hochmobile Armee ins Feld geführt. Machiavellis Aufstellungsschemata wurden im Verlauf des 16.- Jahrhunderts zum Paradigma der Ordnungen der Truppen [91] und forderten Planungen geordneter Schlachtabläufe ein. Theoretiker legten immer komplexere Zahlenwerke für die Gewalthaufen vor, im Jahr 1565 erschien ein Rechenbuch für die Ordnung eines Kontingents mit 70.000 Mann [127]. Forderungen nach der Planbarkeit einzelner Schlachten und darüber hinaus des Kriegs schlechthin kombinierte schon Machiavelli mit der Behauptung, die römischen Armeen zur Zeit der späten Republik und des frühen Imperium hätten erfolgreich gekämpft wegen der ihnen eingedrillten Disziplin [136, S.-51-52]. In zahlreichen Druckwerken beschrieben Historiker und Theoretiker des Kriegs die angebliche Stärke der römischen Armeen und setzten damit den Standard, dass die Ordnung der Kontingente wie auch die Disziplin [18, S.-161-167; 25; 64; 69; 194, fol. G v ; 236, S.-8-17] als das regulierte Verhalten jedes einzelnen Kämpfers Faktoren des geplanten und geordneten Kriegs und damit Voraussetzungen für den Sieg seien [27; 171, S.-152 u. ö.]. Auch Justus Lipsius legte ein solches Werk vor, in dem er Ordnung und Disziplin der römischen Armee pries [131, S.-285-291]. Lipsius gehörte in den Niederlanden zu den Erziehern Moritz’ von Oranien (1567 - 1625), der von 1584 bis 1625 der Oberkommendierende der Truppen der niederländischen Rebellen war. Moritz übernahm den Ordnungsgedanken, wandte ihn aber in neuer Weise an. Gegen die spanische Armee, die im Stil des 16.-Jahrhunderts große Gewalthaufen gegen die Rebellen ins Feld führte, setzte Moritz kleine, bewegliche Kontingente ein, die er wie auf einem Schachbrett anordnete. Die kleinen Kontingente konnten nicht nur wie die großen Gewalthaufen in einer Richtung auf den Gegner stoßen, sondern auf dem Schlachtfeld manövrieren und so die Ordnung der gegnerischen Gewalthaufen zu zerstören versuchen. Mit dieser Taktik überwand die Armee der niederländischen Rebellen den spanischen Gewalthaufen in der Schlacht bei Nieuwpoort im Jahr 1600. Das Ergebnis der Schlacht schien die Lehre zu bestätigen, dass die Bewahrung der Ordnung in der Schlacht wesentliche Voraussetzung für den Sieg sei. Dasselbe Streben nach Bewahrung der Ordnung im Krieg lag auch der in der zweiten Hälfte des 15.-Jahrhunderts aufkommenden Praxis zugrunde, ganze Städte durch breit angelegte, steinerne und mit festem Zement verfugte Befestigungen nach geometrischen Mustern zu umgür- Die geordnete Welt und der Krieg 147 ten. Diese Befestigungen sollten insbesondere gegen schwere Geschütze Festigkeit zeigen, brachten aber über diesen taktischen Gesichtspunkt hinaus das Ziel zum Audsruck, den in der zeitgenössischen Architekturtheorie geltenden Grundsatz der geometrischen Ordnung der Gebäude, wiederum nach altem römischem Vorbild, auch im Bereich der Militärarchitektur anzuwenden [6; 86]. Anders gesagt, eine Stadt galt dann als vorzüglich geschützt, wenn es möglich war, die sie umgebende Befestigung nach geometrischen Mustern anzulegen. So vertraute beispielsweise Moritz von Oranien seinem Festungsbaumeister Simon Stevin (1548/ 9 - 1620) an, er verbringe schlaflose Nächte, wenn die Landschaft es nicht gestatte, eine Befestigung nach geometrischem Muster zu bauen. Die Gebote der Ästhetik der geometrischen Ordnung diktierten Moritz die Erfordernisse militärischer Planung [220, S.-16]. Die Erhaltung von Ordnung und die Bewahrung von Disziplin war nicht zuletzt auch das Hauptziel von Setzungen des Rechts im Krieg, für die Souveräne oder die von ihnen beauftragten Truppenkommandeure oder Feldherrn an die bereits seit dem 12.-Jahrhundert vorliegende Abb. VII: Aufstellungsschemata für eine Bürgerwehr Niccolò Machiavelli, Arte della guerra, Tafel II. Erstdruck 1521 148 Die Vielen und die Eine Tradition der Kriegsartikel anknüpften. Seit dem 15.-Jahrhundert entstanden zahlreiche weitere Kriegsartikel wie auch Kriegslehren aus dem Bestreben, den Krieg durch Setzungen zu regulieren und auf diese Weise das Recht im Krieg zur Anwendung zu bringen [148; 169; 179; 209; 215]. Die zum Einsatz kommenden Kämpfer hatten die Kriegsartikel, der Tradition folgend, mit Eid zu beschwören. Kriegsartikel und Kriegslehren konnten auch zusammengefügt sein zu dickleibigen Kriegsbüchern, zum Beispiel von Herzog Albrecht von Brandenburg (1525 - 1568) [7] oder dem populären Schriftsteller Lienhart Fronsperger (um 1520 - 1575) [75]. Das Streben nach Verrechtung des Kriegs verschärfte die schon bekannte Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten. Letztere sollten gegen Übergriffe der Kombattanten geschützt sein, solange sie sich friedlich verhielten und nicht zu Waffen griffen. Verletzungen der beschworenen Kriegsartikel konnten Strafen nach sich ziehen, die oft nicht weniger brutal waren als die durch sie zu ahndenden Verbrechen. Dies galt insbesondere für das gefürchtete Gassenlaufen, das in der Regel der Todesstrafe gleichkam, auch wenn der Tod den Gassenläufer erst nach einer Phase schweren Leidens erreichte. Zuzugestehen ist, dass diese Sätze des Rechts im Krieg weder Gewaltexzesse im Kriegsverlauf noch Übergriffe auf Nicht-Kombattanten verhinden konnten, wie etwa den berüchtigten Sacco di Roma des Jahrs 1527. Damals zogen marodierende Truppen im Dienst Kaiser Karls V., die zwei Jahre zuvor die französische Armee bei Pavia geschlagen hatten, auf eigene Entscheidung nach Rom, um sich an den Schätzen der Ewigen Stadt zu bereichern. Sie plünderten die Stadt und setzten Papst Klemens VII. gefangen. Es dauerte mehrere Monate, bis ein eilig zusammengestelltes Entsatzkorps die Schreckensherrschaft der Soldateska unterdrücken konnte [76; 204]. Abb. VIII: Schlacht bei Nieuwpoort, 2.-Juli 1600 Druck, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr-RP-P-OB-77.518 Die geordnete Welt und der Krieg 149 Dennoch dürfen die Sammlungen von Sätzen des Rechts im Krieg sowie die kriegstheoretischen Traktate des 16.-Jahrhundert nicht als bloße Propaganda abgetan werden. Denn sie verbreiteten das Bild des Kriegs als geordnete und geplante Ereignisfolge. An der Wende zum 17.-Jahrhundert verbreiterte sich der Markt für militärtheoretisches Schrifttum exponentiell, das dieses Bild des Kriegs weiter verbreitete. Die Popularität dieses Schrifttums reflektierte die zeitgenössische Debatte um die beste Methode der Verrechtung des Kriegs. Nicht zuletzt die Oranier selbst sowie ihre Verbündeten in England und im Heiligen Römischen Reich nahmen an dieser Debatte teil [23; 24; 37; 62; 83; 106; 111; 194; 195; 205; 213; 214; 223; 228; 275; 276; 277; 278; 287]. Die im Dienst der Oranier stehenden oder von diesen beeinflussten Theoretiker befürworteten die Durchsetzung von Ordnung und Disziplin durch Ausbildung der Kämpfer als wichtigste Bedingung der Planbarkeit des Kriegs. Kommandeure waren gehalten, die umfangreicher werdende militärische Fachliteratur zu lesen. Die deutschen Verwandten der niederländischen Oranier wie auch der französische König und sogar der Militärunternehmer Albrecht von Wallenstein (1583 - 1634) ließen Kriegsakademien in Siegen 1613 [184; 284, S.-77-80], Metz 1610 [58, S.-105-109; 59, S.-337-341] und Gitschin 1624 [103, S.-322-324; 137, S.-176, 189] einrichten, in denen die Kommandeure eine Ausbildung nicht nur in Belangen der Strategie und Taktik, sondern auch Allgemeinbildung in Mathematik, den klassischen Sprachen, Recht und Philosophie erhielten. Korps von Kommandeuren professionalisierten das Kriegshandwerk durch den Umgang mit dem Buch, auch wenn die Kriegsakademien des 17.-Jahrhunderts nur wenige Jahre bestanden. Abb. IX: Trillerei Aquarell, Pfalz, um 1600 Darmstadt: Universitäts- und Landesbibliothek, Thesaurus picturarum V, fol. 82 r 150 Die Vielen und die Eine Die geordnete Welt und die Verrechtung des Friedens Noch deutlicher als im Krieg trat das Bemühen um die Bewahrung der Ordnung im Recht des Friedens und der Praxis der Diplomatie zutage. Seit Beginn des 16.- Jahrhunderts traten vermehrt Gelehrte mit Projekten auf den Plan, die durch Vertragsabschluss einen allgemeinen Frieden begründen sollten. Nach dem Vorbild der „Friedensklage“ der Humanisten Andrea Biglia von 1423/ 24 [28] und Sebastian Brant (1457/ 8 - 1521) von 1499 [35] verfasste im Jahr 1517 der Rotterdamer Gelehrte Desiderius Erasmus (1466 - 1536) für den gerade seit Amt als König von Aragón antretenden Karl I. auf Anregung von dessen burgundischer Kanzlei ein Friedensprojekt, dem er wie Biglia den Titel „Friedensklage“ gab [67]. Wie die Kriegskritiker des 15.-Jahrhunderts ging Erasmus hart mit der ihm zeitgenössischen Praxis des Führens von Kriegen ins Gericht, für die er in der Regel keine Rechtsfertigung fand. Erasmus führte seine „Klage“ zu dem Vorschlag, die Souveräne sollten einen Vertrag über einen allgemeinen Frieden schließen, der keinen spezifischen Krieg mit der Wiederherstellung eines nur brüchigen Friedens beenden sollte, sondern Kriege schlechthin. Der Vorschlag des Erasmus folgte einem Vertrag, den die Republik Venedig mit der sogenannten Heiligen Liga aus Ferrara, Florenz, Mailand, Modena, Neapel und dem Vatikan am 7.-August 1484 geschlossen hatte und der einen allgemeinen Frieden als Grundlage des guten Lebens setzte [242]. Erasmus forderte nun, das in dem von ihm in Vorschlag gebrachten Vertrag die Souveräne sich darauf verpflichten sollten, ihre Streitigkeiten künftig friedlich schlichten zu lassen. Der Vorschlag des Erasmus stand in keinem Zusammenhang mit Kreuzzugsplanungen. Karl I./ V. sowie seine Kumpel König Heinrich VIII. von England und König Franz I. von Frankreich griffen den Vorschag des Erasmus auf und unterzeichneten am 2.-Oktober 1518 in London einen allgemeinen Friedensvertrag, der keinen spezifischen Krieg beendete und in der Hauptsache keinem anderen Zweck diente als der Beendigung des Kriegs schlechthin. Dem Vertrag traten Karls Großvater Maximilian als Kaiser sowie der Papst bei [246]. Der Vertrag führte zwar zu keinen konkreten Änderungen der Politik zwischen den Vertragsparteien, blieb aber Gegenstand diplomatischer Verhandlungen, in deren Verlauf sich die Vertragsparteien wechselseitig beschuldigten, den Vertrag gebrochen zu haben [112]. Erst der Sieg der Armee Karls I./ V. über Franz I. vor Pavia im Jahr 1525 ließ den Vertrag aus der Tagesordnung der Geschäfte der Diplomaten verschwinden. Obwohl der Vertrag somit keiner Friedenspolitik zum Durchbruch verhalf, belegte er zwei grundsätzliche Einstellungen der Vertragsparteien gegenüber dem Frieden. Zum einen erschien ein allgemeiner Friede möglich als Gegenstand rechtlich bindender Vereinbarungen zwischen Souveränen, die sich einer über ihnen stehenden Ordnung unterstellten. Diese Friedensordnungen erschien zum anderen regelbar durch menschliches Handeln. Zwar galt der Friede nach wie vor als gottgewollter Normalzustand der Welt, aber Menschen konnten nunmehr durch eigenes Handeln die rechtliche Grundlage dafür schaffen, dass der Friede künftig nicht mehr gebrochen und somit „ewig“ bestehen werde. Der allgemeine Friedensvertrag von 1518 war also verstanden als der Beginn eines Prozesses, an dessen Ende der Weltfriede durch menschliches rechtssetzendes Handeln würde zustandekommen können. In der Sprache des Vertragsrechts nahm der Vertrag die Ethik der Mäßigung des Justus Lipsius vom Ende des 16.-Jahrhunderts vorweg. Karl I./ V. sah sich schon am Anfang seiner Herrschaft als Friedensbringer, obwohl er bei seiner Abdankung einräumen musste, dass er diese Aufgabe nicht hatte erfüllen können. Bei der Gelegenheit einer Versammlung burgundischer Notabeln in Brüssel am Oktober 1555, in der er seinen Sohn Philipp als König von Spanien und Herrn der Niederlande designierte, erklärte er unter Tränen, stets habe er den Frieden gewollt, aber seine Gegner hätten es ihm nicht erlaubt, dieses Ziel zu erreichen [113]. Das war in der Hauptsache zwar billige Propaganda, reflektierte aber auch das alte Bewusstsein, dass der Kaiser Friedensapostel zu sein habe. Insofern enthielt Die geordnete Welt und die Verrechtung des Friedens 151 Karls Aussage das Eingeständnis des Scheiterns an seiner Kernaufgabe, auch wenn er seinen Gegner die Schuld dafür auflud. Die allgemeinen Friedensverträge von 1484 und 1518 folgten dem „zusammengesetzten“ Verfahren des Vertragsschlusses, waren somit Ergebnis des Wirkens professioneller Diplomaten und verdeutlichten darüber hinaus, dass hauptberufliche Gesandte in dieser Zeit bereits mehr als je zuvor die zwischenstaatlichen Beziehungn gestalteten. Europäische Diplomaten waren nun schon regelmäßig in Ständigen Gesandtschaften tätig, die sich wie die Souveräne unter einander zum einem Netzwerk verknüpften. Die Reichweite dieses Netzwerks signalisierte die Ausdehnung desjenigen Systems, in dem die zwischenstaatlichen Beziehungen üblicherweise gepflegt wurden. Es schloss Russland aus, obwohl immer wieder Anlassgesandtschaften ausgetauscht wurden [31]. Aber es schloss, wenn auch nicht ohne Widerstand auf christlicher Seite [229, S.-15-21], Gebiete unter der Herrschaft des Osmanischen Sultans bereits ebenso ein wie die muslimischen Souveräne in Nordafrika, die unter der Oberherrschaft des Sultans standen [156]. Der Einschluss muslimischer Souveräne in das Netzwerk der europäischen Diplomatie ist dokumentiert durch den Vertrag, den Karl I./ V. als Kaiser und als spanischer König mit Muley Hassan, Emir („König“) von Tunis, am 4.-August 1535 schloss [160], ebenso wie durch die Abkommen, die zwischen dem Herrscher von Hormuz und dem König von Portugal im September 1507 und am 15.-Juli 1523 zustandekamen [251; 245; 247]. Zudem empfing König Franz I. von Frankreich Gesandte aus Tunis im Jahr 1533 und vereinbarte im Februar 1535 den Entwurf eines Bündnisvertrags mit dem Osmanischen Sultan. Durch den Vertrag sollten beide Seiten sich darauf verpflichten, „die Widrigkeiten, die vom Krieg herrühren“ gegen „das Wohl und die Ruhe, die der Frieden bringt“, abzuwägen und letzterem den Vorzug zu geben. Das Abkommen sollte nach der Tradition des muslimischen Rechts des Kriegs und des Friedens auf die Lebzeiten der herrschenden vertragsschließenden Souveräne befristet sein. Es sah die Zulassung einer französischen Ständigen Gesandtschaft an der Hohen Pforte vor, die Freiheit des Handels, die Freiheit der Religionsausübung für französische Untertanen sowie deren Immunität gegenüber der Gerichtsbarkeit der Kadi (Zugeständnis der Konsulargerichtsbarkeit) in Gebieten unter der Herrschaft des Sultans [251]. Der Entwurf dieses Vertrags wurde zwar nicht gültig gesetzt, dennoch von beiden Parteien beachtet. Zwischen Istanbul und Paris reisten Gesandte hin und her. Sultan Süleyman der Prächtige erläuterte in seinem Schreiben vom Jahr 1547 den Plan eines Friedensabkommens mit König Ferdinand I., in das auch dessen Bruder Karl als spanischer König einbezogen sein sollte [124, S.-209-210; 177, S.-52; 200]. Auch die Republik von Venedig schloss weitere Abkommen mit dem Osmanischen Sultan, die die Sicherheit venezianischer Schiffe und deren Besatzungen regelten [255; 256]. Der in Kraft gesetzte französisch-osmanische Vertrag vom 20.-Mai 1604 garantierte die Sicherheit französischer Schiffe und deren Besatzungen [259]. Weitere Abkommen über das Zugeständnis der Konsulargerichtsbarkeit seitens des Osmanischen Sultans liegen aus dem späteren 16. und früheren 17.-Jahrhundert vor [154, S.-788; 264]. Der portugiesische Theologe Seraphim de Freitas wiederholte in Kenntnis dieser Vertragsschlusspraxis zu Beginn des 17.-Jahrhunderts die Ansicht, jeder Staat könne Verträge schließen, mit wem auch immer er wolle. Verträge sollten daher über Religionsgrenzen hinweg gültig sein und müssten grundsätzlich ausgeführt werden, es sei denn, Rechtssgründe spächen für ihre Auflösung. Die Nichterfüllung eines Vertrags sei ein Grund für einen gerechten Krieg [74, Bd-2, Nr-13, S.-16]. Innerhalb des Netzwerks der zwischenstaatlichen Beziehungen bewegten sich die Gesandten in einem zwar nicht immer hinreichend, aber doch mit einigen Sätzen verrechteten Raum. So galt es bereits als Privileg ausschließlich von Souveränen, Gesandte als ihre Vertreter aussenden und empfangen zu dürfen, wenn diese mit „öffentlichen“ Verhandlungen betraut sein sollten. Die Gesandten sollten dazu legitimiert sein, im Auftag der sie entsendenden Souveräne sprechen, insbesondere Krieg erklären zu dürfen. Als Überbringer auch unangenehmer Nachrichten sollten sie, wie schon im Alten Vorderen Orient, den besonderen Schutz ihrer körperlichen 152 Die Vielen und die Eine Unversehrtheit und ihres Eigentums genießen. Dieser Schutz schloss, jedenfalls in der Theorie, die Immunität gegenüber den Gerichten des Gastlands ein. Auch auf muslimischer Seite galt das Gebot des Koran, dass Gesandte unverletzlich seien. Als beispielsweise im Juli 1541 die französischen Gesandten Antonio Rincon und Cesare Fregoso auf dem Po ermordet wurden, erregte das Verbrechen viel Abscheu, gerade weil die beiden Diplomaten auf dem Weg nach Istanbul waren [152, S.-226]. Die Praxis der Unterhaltung Ständiger Gesandtschaften erzwang weitere Rechtssätze. Die an ihrem Einsatzort tätigen Diplomaten hatten zu allererst die Aufgabe zu berichten, was ihnen zu Ohren und unter die Augen kam. Da die gewünschten Informationen nicht immer auf dem freien Nachrichtenmarkt, sondern über geheime Kanäle verfügbar waren, standen insbesondere Ständige Gesandte stets im Verdacht, Spione zu sein. Daraus ergab sich das Rechtsproblem, was zu geschehen habe, wenn ein Gesandter als Spion enttarnt wurde. Auch konnte es vorkommen, dass Diplomaten selbst Verbrechen wie Mord begingen oder als Provokateure zum Einsatz kamen, die Andere zu Verbrechen anstifteten. Schließlich kam häufig die Klage auf, Gesandte seinen in Anschläge auf das Leben des Souveräns ihres Gastlands verwickelt. Zunächst galt es, Rechtssätze zu formulieren, die Gesandten die Spionage sowie die Beteiligung an Aufruhr in ihrem Gastland untersagten. Darüber, dass in diesen Fällen die Gesandten ihren Schutz vor Strafverfolgung zwar behalten, aber ausgewiesen werden sollten, erzielten die Theoretiker zwar schnell Einigung, wohl wissend, dass diese Rechtssätze würden gebrochen werden können [292]. Aber die Rechtssätze fanden nur zögerlich Eingang in die Praxis der zwischenstaatlichen Beziehungen. Oft blieb es den Souveränen überlassen zu entscheiden, ob sie Gesandte, die sich irgendwie strafbar gemacht oder sonst unprofessionell verhalten hatten, ausweisen oder ins Gefängnis werfen lassen wollten. König Franz I. ließ im Jahr 1528 den kaiserlichen Gesandten Antoine Perrenot de Granvelle (1517 - 1586) verhaften, weil er den König erzürnt haben sollte. Elisabeth I. ließ nach einander in den Jahren 1569 und 1572 zwei spanische Gesandte in den Kerker werfen mit der Begründung, sie hätten Anschläge auf die Königin geplant. Der englische Gesandte in Frankreich kam im Jahr 1563 ins Gefängnis, weil er angeblich mit den Anhängern Calvins gegen den französischen König intrigiert haben sollte. Selbst wenn letztere Strafmaßnahme Anwendung fand, gelang es den Inhaftierten fast regelmäßig, ihren Kerker schnell wieder zu verlassen. Die Gesandten sollten zwar nichts tun, was die Natur verabscheue, und müssten die gerechte Strafe für Vergehen gegen das Recht des Kriegs und des Friedens erleiden [282, S.-277]. Aber zu einer ernsthaften Bedrohung der zwischenstaatlichen Beziehungen sollten sich derlei Vergehen nicht auswachsen dürfen. Ein weiteres Problem stellte die Sicherheit des Postverkehrs dar. Ständige Gesandte berichteten über die ihnen zugänglich gewordenen Informationen nach Hause im Medium der Schrift. Die so entstandenen Texte mussten expediert werden und zogen wie selbstverständlich das Interesse derjenigen auf sich, denen die Überbringung anvertraut war. Auch diejenigen, die glaubten, es werde über sie in den Schreiben berichtet, versuchten, sich in Kenntnis der Inhalte dieser Schreiben zu setzen. Die Kunst derjenigen, die sich Zugang zu den Inhalten der selbstverständlich verschlossenen und versiegelten Schreiben verschaffen wollten, bestand darin, diese Schreiben in einer Weise zu öffnen, dass der empfangende Souverän den Geheimnisbruch nicht bemerkte. Dazu war nicht nur Geschicklichkeit im Öffnen der Umschläge gefragt, sondern auch die Möglichkeit, die anhängenden Siegel zu imitieren. Die Öffnung verschlossener Schreiben war zwar als unrechtmäßig anerkannt, aber einen vollständigen Schutz gegen die unrechtmäßige Öffnung der Schreiben gab es nicht, auch wenn der Herzog von Modena bereits Ende des 15.-Jahrhunderts einen besonderen Postverkehr nur für diplomatische Schreiben einrichten ließ. So schritten die Schreiber diplomatischer Korrespondenz zur Anwendung von Geheimschriften (Kryptografie) nach arabischer Praxis schon des 13.-Jahrhunderts. Einige Gelehrte lieferten zu Beginn des 16.-Jahrhunderts Vorlagen für Geheimschriften [60; 231; 268]. Die Menge der ver- Die geordnete Welt und die Verrechtung des Friedens 153 sandten diplomatischen Korrespondenz wiederum zog die Forderung nach sich, dass die empfangenden Souveräne genügend verlässliche und hinreichend ausgebildete Personen in ihren Diensten hatten, die die eingehenden Informationen entziffern, lesen und verarbeiten konnten. Die dazu erforderlichen Ämter entstanden zuerst in Venedig sowie anderen oberitalienischen Städten. In Venedig ließ der Senat seit 1425 die eingehende diplomatische Korrespondenz (relazioni al Senato) sammeln [190, S.-86-87]. In anderen Staaten setzte die kontinuierliche Aufbewahrung diplomatischen Schrifttums um das Jahr 1500 ein. Ein gesondertes Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (Posolski prikaz) gab es zuerst in Russland im Jahr 1549, obschon der russische Zar damals nur wenige Ständige Gesandtschaften unterhielt. Die Tätigkeit der Gesandten wurde schon in den 1540er Jahren zum Gegenstand ausführlicher Darstellungen aus der Feder von Juristen und Theologen [36; 63]. Der Anstieg der Zahl der Ständigen Gesandten warf nicht zuletzt das Problem der Begleichung der Kosten für Reise und Aufenthalt auf. Die entsendenden Souveräne gingen in der Regel von der Erwartung aus, dass die Gesandten für die entstehenden Kosten selbst aufkommen könnten und sollten. Nur gelegentlich bezahlte die päpstliche Kurie ihre Nuncios. In einigen Fällen entlohnten empfangende Souveräne die zu ihnen entsandten Diplomaten. Diese Praxis zog den Vorwurf der Bestechlichkeit des empfangenden Souveräns zu dieser Zeit nicht nach sich. Daher war die Entsendung nicht immer ein angenehmer Auftrag, dem mancher Venetianer sich zu entziehen versucht zu haben scheint. Jedenfalls verhängte der Senat der Republik im Jahr 1401 das Verbot, Strafgelder zu erstatten, die für die Weigerung der Annahme eines diplomatischen Auftrags verhängt worden waren [190, S.- 85-86]. Die mangelnde Bezahlung der Gesandten durch die entsendenden Souveräne führte dazu, dass Diplomaten angeregt wurden, ihre Missionen auch unter gewerblichen Aspekten auszuführen. Sie zeigten sich daher bestrebt, ihren Aufenthalt im Gastland so zu gestalten, dass nicht nur ihre Ausgaben kompensiert wurden, sondern auch private Gewinne erzeugten. Da die meisten Diplomaten in Ständigen Gesandtschaft privaten Erwerb betrieben, galt diese Tätigkeit nicht als anstößig. Insbesondere war es üblich, Geschenke zu geben und anzunehmen. Gesandte mussten den Wert der Geschenke, die sie gaben, niedriger taxieren als den Wert der Geschenke, die sie empfingen. Die Fähigkeit, aus dem Tausch der Geschenke Gewinne zu erzielen, setzte genaue Kenntnisse der Preise auf den Märkten des Gaststaats voraus, und diese Kenntnisse waren nur durch jahrelange Erfahrung zu gewinnen. Der Austausch von Geschenken erwuchs so zum zentralen Bestandteil des diplomatischen Zeremoniells in genauer Koppelung an den Rang des entsandten Diplomaten und den Rang des entsendenden Souveräns. Die Praxis des Austauschs diplomatischer Geschenke setzte die Erwartung stabiler politischer und wirtschaftlicher Verhältnisse in allen Teilen des Netzwerks der zwischenstaatlichen Beziehungen voraus. Sie erreichte früh erheblichen Umfang. In Venedig verbot der Senat schon im Jahr 1400 seinen Gesandten, empfangene Geschenke öffentlich auf Auktionen feilzubieten [190, S.-80]. Die Verdichtung des Netzwerks der zwischenstaatlichen Beziehungen führte auch zur Erhöhung der Zahl der Sätze, die das Gesandtschaftsrecht als Teil des Rechts zwischen den Staaten betrafen. Alberico Gentili gehörte zu den ersten Juristen, die diesem Bereich des Rechts des Friedens gegen Ende des 16.-Jahrhunderts eine umfassende Darstellung widmeten. Immer wieder kam es zu Streitigkeiten über den Rang der entsendenden Souveräne und der von diesen entsandten Diplomaten. Aspekte des Zeremoniells, etwa der Sitzordnung am Tisch oder der Reihenfolge beim Eintreten in ein Zimmer wurden gelesen als Indikatoren für die Rangordnung nicht nur der an einem Ort versammelten Gesandten, sondern auch der sie entsendenden Souveräne. Für das Austragen von Rangordnungskonflikten stand ein schier unerschöpfliches Arsenal an Argumenten bereit. Gentili beispielsweise behauptete, dass der König von England gegenüber dem König von Frankreich den Vorrang genieße, da letzterer als katholischer Souverän in kirchlichen Dingen die Herrschaft des Papsts anerkenne. Hingegen sei der König von Eng- 154 Die Vielen und die Eine land selbst Kirchenoberhaupt und habe somit, anders als der französische König, geistliche und weltliche Herrschaftsrechte [80, S.- 9-10]. Die Rangordnung unter den Souveränen gehörte zu denjenigen Teilen der durch göttlichen Willen stabilen Welt, über die Menschen sich selbst die Ordnungskompetenz zuschreiben konnten. Auch warf Gentili die schwierige Frage auf, ob Diplomaten auch Immunität und Schutz genießen dürften in Staaten, in die sie nicht entsandt worden waren. Er beantwortete die Frage mit dem Vorschlag einer Regelung, die die Kompliziertheit des Rechts zwischen den Staaten und möglicher kriegstreibender Streitfälle offenbarte. Gebe ein Diplomat vor, in einen Staat entsandt zu sein, obschon sein Souverän ihn tatsächlich in einen anderen Staat entsandt hatte, genieße er nicht nur keinen Schutz, sondern gelte als Spion. Erkläre er jedoch, in einen anderen Staat entsandt zu sein als denjenigen, in dem er sich gerade aufhalte, genieße er zwar auch kein Recht auf Schutz und Immunität, aber es sei ein Gebot der Höflichkeit des dortigen Souveräns, ihm auf freiwilliger Basis Schutz und Immunität zu gewähren. Denn auf diese Weise ließe sich ein Krieg vermeiden. Als Beispiel für den letzteren Fall verwies Gentili auf den Mord an den französischen Gesandten Rincon und Fregoso. Gentili wusste, dass König Franz I. italienische Souveräne verdächtigt hatte, ein Komplott gegen ihn ausgeführt zu haben, um die französisch-osmanischen Beziehungen zu stören. Franz habe auf Grund des Mords den Krieg erklärt [80, S.-65-68]. Dieser Fall brachte das weitere Problem an den Tag, ob angesichts der dichter werdenden Vertragsbeziehungen zwischen christlichen und muslimischen Herrschaftsträgern christliche Souveräne überhaupt reguläre, rechtlich bindende Beziehungen zu muslimischen Souveränen unterhalten könnten. So hatte Franz I. auf der Basis des Abkommens von 1535 der osmanischen Flotte im Winter 1543/ 44 das Recht zur Benutzung des Hafens von Toulon eingeräumt [152, S.-229]. Nicht nur Kaiser Karl V., sondern auch protestantische Souveräne propagierten als Antwort auf die französische Politik gegenüber dem Osmanischen Sultan den Rechtssatz, dass diplomatische Beziehungen Religionsgrenzen nicht überschreiten dürften. Doch standen sie mit dieser Forderung auf verlorenem Posten. Die Politik Franz I. setzte sich durch, nicht zuletzt da Handelsbeziehungen zwischen christlichen und muslimischen Staaten bestanden. Bei der Hohen Pforte erhielt noch im 18.-Jahrhundert der französische König unter allen christlichen Monarchen den höchsten Rang, da der französische König als erster christlicher Herrscher in förmliche Vertragsbeziehungen mit dem Osmanischen Sultan eingetreten war [135, S.-37]. So begründete Gentili die Notwendigkeit vertraglicher Beziehungen zwischen christlichen und muslimischen Herrschaftsträgern damit, dass Handel über Religionsgrenzen hinweg immer möglich sei und der Rechtssicherheit bedürfe. Er zählte sechs Typen von Abkommen auf: allgemeine wie auch spezielle reziproke Handelsverträge seien möglich ebenso wie ungleiche, also nicht reziprok wechselseitig dieselben Privilegien garantierende Abkommen zugunsten der Christen, zudem Verträge, durch die „Ungläubige“ als Söldner in christlich geführte Heere verpflichtet würden, sowie Abkommen, die christliche Herrschaftsträger mit dem Osmanischen Sultan mit der Verpflichtung zur Tribuzahlung schlössen. Einzig gegen gleiche, also reziproke Verträge militärischen Inhalts hatte Gentili Einwände. Denn er glaubte, solche Abkommen könnten Christen verpflichten, gegen andere Christen zu kämpfen. Als Beispiel für ein solches Abkommen nannte er wieder den französisch-osmanischen Vertrag von 1535 [81, Kap.-III/ 19, S.- 659-660]. Gentili als Protestant war also nicht bereit, das Recht des Friedens ganz von den Bindungen an die Religion zu lösen, und blieb darin hinter dem Friedensplan des Erasmus zurück. Dennoch ließ er keine Zweifel an seiner Überzeugung, die die zwischen christlichen und musliminischen Herrschaftsträgern seiner Ansicht nach möglichen Verträge dieselbe Bindewirkung haben müssten wie die zwischen Christen geschlossenen Abkommen [81, Kap.- III/ 22, S.-675-690]. Den Rechtssatz Pacta sunt servanda leitete Gentili also nach Maßgabe der großen Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens aus dem jenseits der Grenzen der Religion bestehenden Naturrecht ab. Die geordnete Welt und die Verrechtung des Friedens 155 Dass Gentilis These keine bloße Theorie war, bestätigt die Tatsache, dass es am 11.-Novermber 1606 zum ersten förmlichen Vertrag zwischen Sultan Ahmed I (1603 - 1617) und Kaiser Rudolf (1576 - 1612) kam. In dem Abkommen, das am 1.-Mai 1616 erneuert wurde, setzten beide Parteien „Frieden an allen Orten unter ihrer jeweligen Kontrolle“ (pax sit in omnibus locis ad eos nempe Imperatores pertinentibus) und unterstrichen die Gleichheit ihres Rangs, indem sie sich wechselseitig den Titel „Imperator“ zugestanden und gleichzeitig den Titel „Rex“ als unangemessen verwarfen. Rudolf titulierte Ahmed in der Ratifikationsurkunde als „Sultan Ahmed, Kaiser der Türken sowohl Asiens als auch Griechenlands“ (Sultanus Achimetes Imperator Turcarum ac Asiae et Graeciae), wodurch er die Herrschaft des Sultans über Teile des Balkan anerkannte [261, Art.-III, Art.-II, S.-104]. Zu Beginn des 17.-Jahrhunderts war der Gebrauch des Kaisertitels für Herrscher außerhalb der Christenheit nicht mehr ungewöhnlich. Zuvor hatte bereits der französische König den Sultan als „L’Empereur Ahmed“ tituliert [259, Nr-3, S.-93]. Im Januar 1611 richtete König Jakob I. von Großbritannien ein Schreiben an den „Emperor of Japan“. Gemeint war Shōgun Ieyasu Tokugawa (1603 - 1616) in Edo. Mit dem Schreiben eröffnete der König dem Shōgun, dass er Kapitän John Saris (um 1580 - 1643) nach Japan entsandt habe. Dieser solle Regelungen für den Handel zwischen Großbritannien und Japan vereinbaren [107]. In der japanischen Fassung von Jakobs Schreiben schien der Titel „Emperor“ als „Shōgun“ auf, und Ieyasu bestätigte am 14.-November 1613, dass er Jakobs Untertanen den Handel in Japan gestatten werde [265]. Dennoch hielt auch das Recht der zwischenstaatlichen Verträge als Teilbereich des Rechts zwischen den Staaten genug Raum für Streit offen. Denn aus Bodins Theorie der Souveränität folgte die Einsicht, dass Herrschaftsträger zur Einhaltung der Verträge letztlich nur durch Krieg würden gezwungen werden können. Diese Einsicht ließ grundsätzlich alle Arten von Friedensverträgen als unzuverlässige Setzungen erscheinen. In früheren Zeiten hatte dieselbe Einsicht Vertragsschließende zu dem Zugeständnis der Beschwörung der Verträge durch Eide als bedingte Selbstverfluchungen gegenüber Gott sowie gelegentlich zur Stellung von Geiseln veranlasst. Die Praxis des Eidschwurs bestand zwar genauso fort wie die Anrufung Gottes [254, S.-19, 37]. Aber der Glaube, dass der allwissende Gott vertragsbrüchiges Handeln erkennen und ahnden werde, schmolz zumal in der lateinischen Christenheit schnell dahin, obschon derselbe Glaube die muslimische Vertragsschlusspraxis und die Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens weiterhin bestimmte. Für Juristen in der lateinischen Christenheit mussten die Menschen selbst dafür sorgen, dass Vertragsbruch verhindert werde. Doch für Vertrauen in die Möglichkeit der Erzwingung vertragskonformen Handelns und des wirksamen Schutzes gegen Vertragsbruch schien es trotz der Eidschwüre keine rechtliche Basis zu geben. Zudem erschwerte das nunmehr zur Regel gewordene „zusammengesetzte“ Vertragsschlussverfahren mit dem Austausch spezieller Ratifikationsurkunden den Gebrauch des Eids als Mittel zur Bekräftigung geschlossener Abkommen. Denn die Verhandlungspartner paraphierten in der Regel die zwar vereinbarten, aber noch nicht rechtsgültigen Texte der Verträge in der Regel als gemeinsam verpflichtende Texte in Diplomform. Aber bei Austausch der Ratifikationsurkunden kamen die Verhandlungspartner in der Regel nicht mehr zusammen, da diese Urkunden jeweils einseitige Willenserklärungen der ratifizierenden Herrschaftsträger waren. Die Ratifikationsurkunden waren also, streng genommen, in die Eidschwüre der Verhandlungspartner nur dann einbezogen, wenn die Verpflichtung zur Ratifikation in den Texten der Verträge ausdrücklich festgeschrieben war. Das war jedoch nicht immer der Fall. Jean Bodin äußerte sich folglich sarkastisch über die in seiner Sicht naive Erwartung, Verträge sollten eingehalten werden, und stufte diese Erwartung als bloßes Propagandamittel ein [30, Kap.-V/ 6, S.-191-192]. Als Kronzeuge zur Begründung von derlei Skepsis erschien vielen wiederum König Franz I. Er hatte während der Gefangenschaft, in die er nach der Schlacht von Pavia geraten war, dem Sieger Kaiser Karl V. im Vertrag von Madrid vom 14.-Januar 1526 [248] weitgehende Zugeständ- 156 Die Vielen und die Eine nisse eingeräumt, um seine Freilassung zu erreichen. Karl zögerte, seinen Gefangenen gehen zu lassen, ehe dieser seine Verpflichtungen erfüllt hatte. Aber Franz gab zu verstehen, dass er den Vertrag erst erfüllen könne, wenn er entlassen und in sein Königreich zurückgekehrt sei [45]. So zogen sich die Verhandlungen hin. Als Franz erkrankte, musste Karl befürchten, seinen Gefangenen durch den Tod zu verlieren, und ließ ihn gegen das Versprechen der späteren Vertragserfüllung ziehen. Nach Frankreich zurückgekehrt, klagte Franz, dass der Vertrag ihm aufgezwungen worden und deswegen nicht bindend sei, und widerrief das Karl gegebene Versprechen der Vertragserfüllung. Karl verzichtete darauf, seinen Ansprüchen sofort durch Krieg Nachdruck zu verleihen, auch wenn er weiterhin die Gültigkeit des Vertrags behaupten ließ. Gentili urteilte dazu im Rückblick, das Verhalten des französischen Königs sei rechtswidrig gewesen, denn auch Verträge, die Souveräne in Gefangenschaft geschlossen hätten, beruhten auf Freiwilligkeit und seien daher bindend [81, Kap.-III/ 14, S.-596]. Den Frieden zwischen Franz I. und Karl V. besiegelten schließlich stellvertretend Karls Tante Margarete, Regentin der Niederlande, und Louise von Savoyen, Mutter Franz I. (1476 - 1531) im sogenannten „Damenfrieden“ von Cambrai am 5. 8. 1529 [250]. Handel in der geordneten Welt und das europäische Staatensystem Die Praxis der Handelstätigkeit erwies jedoch schon an der Wende zum 17.-Jahrhundert, dass die für das europäische System der zwischenstaatlichen Beziehungen und das Netzwerk der Ständigen Gesandtschaften geltenden Sätze des Rechts des Friedens auch jenseits der Grenzen dieses Systems wirksam waren. Der amerikanische Kontinent als Zielgebiet von Kolonialherrschaft war insoweit in dieses System einbezogen, als die dort siedelnden europäischen Kolonisten in der Regel Untertanen der sie entsendenden Herrschaftsträger blieben. Als der spanische König Philipp III. mit dem britisch-spanischen Vertrag von 1604 den Untertanen König Jakobs I. das Recht zur Fahrt nach Amerika zugestand und er folglich den Anspruch auf alleinige Zuständigkeit für die Regelung des Schiffsverkehrs auf dem Atlantik aufgab, erschienen die zwischenstaatlichen Beziehungen innerhalb des europäischen Systems auf den amerikanischen Kontinent ausgedehnt. Die in diesem System geltenden Sätze des Rechts des Kriegs und des Friedens sowie des Rechts zwischen den Staaten mussten folglich auch die Beziehungen europäischer Herrschaftsträger unter einander auf dem amerikanischen Kontinent sowie in der Karibik betreffen. Die Beziehungen zwischen Europa einerseits, Afrika und Asien andererseits blieben jedoch außerhalb des europäischen Staatensystems. Die am Ende des 16.-Jahrhunderts von Souveränen privilegierten Kompanien, die den Handel zwischen Europa einerseits, Afrika und Asien andererseits betrieben, erhielten für ihre Tätigkeit nicht nur Handelsmonopole eingeräumt, sondern auch die Rechtstitel, in eigener Entscheidung und auf eigenes Risiko Krieg führen, Frieden schließen und alle Arten von Beziehungen mit Souveränen in Afrika und Asien pflegen zu können. Die europäischen Herrschaftsträger, mit Ausnahme des Königs von Portugal sowie seit 1580 auch des Königs von Spanien, traten gegenüber den Herrschern in Afrika und Asien in der Regel nicht als direkt Handelnde auf. Die Englische Ostindische Kompanie (East India Company, EIC) besaß ein solches Privileg seit 1600 [257], die Niederländische Vereinigte Ostindische Kompanie (Verenigde Oostindische Companie, VOC) seit 1602 [258]. Andere Kompanien folgten, die für den Handel mit Amerika privilegiert waren, in den Niederlanden 1621, in Frankreich 1664, in Dänemark 1671 und in Brandenburg 1682. Das umfassendste Privileg besaß von Anfang an die VOC. Ihr sicherten die Generalstaaten der Niederlande zu, nicht mit ihren eigenen Schiffen oder auf anderen Wegen die Gebiete aufzusuchen, die sie der Kompanien zur Handelstätigkeit überlassen hatten, mithin das Gesamtgebiet östlich des Kaps der Guten Hoffnung. In diesem Gebiet konnte die VOC als Souverän auftreten, ohne Herrschaft über einen Staat in Handel in der geordneten Welt 157 Europa zu tragen. Die EIC erhielt ein vergleichbares Privileg im Jahr 1661 durch König Karl II. (1660 - 1685). Auf der Basis dieser Privilegien war der europäische Transkontinentalhandel in Rechtssätzen reguliert und mit Monopolen abgesichert. Die souveränen Herrschaftsträger in Europa kamen darin überein, dass der Handelsverkehr zwischen dem europäischen System und anderen Teilen der Welt nicht den Mechanismen eines freien Markts überlassen, sondern dem Recht unterworfen sein sollte. Entsprechend dieser Vorgabe entstanden in den Fernhandelskompanien komplexe Bürokratien, die genau, mitunter sogar täglich, die Handelsgeschäfte und andere Tätigkeiten verzeichneten. Die Entscheidung, den Handel und die mit diesem einhergehenden zwischenstaatlichen Beziehungen Rechtssätzen zu unterwerfen, trafen die den Fernhandel regulierenden europäischen Souveräne einseitig, das heißt ohne Abkommen mit den Souveränen in Afrika und Asien. Dabei konnten sie nicht ahnen, dass unausgesprochen zwischen ihnen und den Souveränen in Afrika und Asien Einmütigkeit darüber bestand, dass der Handel zu regulieren sei. So stießen die Fernhandelskompanien nirgends in Afrika und Asien auf Widerstand mit ihrem Ansinnen, durch Souveräne vor Ort ihren dortigen Handel privilegieren und regulieren zu lassen [219]. Für Shōgun Ieyasu in Japan war es eine Selbstverständlichkeit, dass er dazu legitimiert sei, den Beziehungen zur EIC und zur VOC zu regulieren und zu diesem Zweck die einschlägigen Privilegien auszustellen [263; 265]. Zwar setzten die Fernhandelskompanien auch militärische Gewalt ein. So eroberte im Jahr 1619 die VOC den Stützpunkt Jayakerta auf Java im indonesischen Archipel in der Absicht, dort unter dem Namen Batavia ihr Hauptquartier für den ihr zugewiesenen Handelsbereich zu errichten. Aber derartige Kriege gegen Souveräne in Afrika und Asien blieben selten. Hingegen setzten die Fernhandelskompanien das ihnen verfügbare militärische Potential in der Regel nur gegen einander ein. Auch andere Typen europäischer Herrschaftsträger zeigten Zurückhaltung im Einsatz militärischer Macht in Afrika und Asien. Schon im frühen 16.-Jahrhundert hatte die Ankunft portugiesischer Schiffe an den Küsten Chinas die Frage aufgeworfen, ob der portugiesische König befugt sei, dort bei Bedarf militärisch einzugreifen. Eine Antwort wurde schon bald nötig. Der portugiesische Gesandte Tomas Pires (um 1465 - um 1530) in Kanton wurde 1520 von chinesischen Behörden verhaftet mit der Anklage, er habe gegen chinesische Gesetze verstoßen. Aus dem Gefängnis schrieb er Brandbriefe an den König und forderte die Entsendung einiger Kanonenboote. Diese seien in der Lage, die gut befestigte Stadt Kanton in Schutt und Asche zu legen. Kanton sei wichtig für China insgesamt. Sei der portugiesische König im Besitz Kantons, könne er ganz China unterwerfen [181, Kap.-1, S.-41-42, 45]. Doch der portugiesische König reagierte nicht, und Pires starb im Gefängnis. Im Jahr 1557 verwies die Ming-Regierung die portugiesischen Kaufleute auf die Halbinsel Macao, wo sie unter strengen Auflagen Handel treiben durften, aber nicht in das Innere des Staats vordringen konnten. Die Ming-Regierung nahm also ohne Zögern ihr Recht wahr, das unter ihrer Kontrolle stehende Gebiet außer Macao für portugiesische Kaufleute zu sperren und den Handel zu regulieren. Der portugiesische König erkannte den Beschluss der Ming-Regierung an. Zwischen beiden Herrschaftsträgern bestand also kein Dissens über die Befugnis der Souveräne, rechtmäßig den Handel regulieren zu können. Die Ming-Regierung, die an dem tradierten chinesischen Anspruch auf Weltherrschaft festhielt, wies überdies durch ihren Beschluss dem portugiesischen König einen niederen Rang zu als den, den sie für sich beanspruchte. Den portugiesischen König störte dies nicht. Zu militärischen Konflikten zwischen China und Portugal ist es nicht gekommen. Die Zurückhaltung der Fernhandelskompanien in militärischen Dingen hatte ihren guten Grund. Denn sie bestanden als Aktiengesellschaften mit dem alleinigen Ziel der Gewinnmaximierung [46]. Zwar herrschte unter ihnen Wettbewerb, aber diesen versuchten sie, soweit es ihrer Entscheidung überlassen blieb, durch Abgrenzung der Handelszonen zu regulieren. Dadurch konnte es möglich erscheinen, das Potential an Konflikten zwischen den Kompanien klein 158 Die Vielen und die Eine und folglich die Ausgaben für das Militär gering zu halten. Gleichwohl kam es zu Kämpfen, insbesondere gegen Stützpunkte, die unter der Kontrolle der Könige von Portugal oder Portugal- Spanien standen. So etwa ließ Moritz von Oranien Schiffe der VOC zum Kampf gegen portugiesisch-spanische Stürtpunkte an den Küsten Asiens einsetzen. Zudem zeigten sich die Angehörigen der Fernhandelskompanien, anders als die Gesandten aus Portugal und Spanien, bestrebt, sich in die vor Ort in ihren Handelszonen und an den von ihnen aufgesuchten lokalen Märkten in die gegebenen politischen und Rechtsverhältnisse einzupassen, und gaben ihren Beschäftigten die Parole aus, mit den örtlichen Herrschaftsträgern Streit zu vermeiden [51, S.-189-190]. Anders als die portugiesischen und spanischen Gesandten verzichteten sie in der Regel auf die Förderung der Mission [29; 41]. An den Küsten Afrikas und Asiens stellten die Fernhandelskompanien die gegebenen Herrschaftsverhältnisse in der Regel nicht in Frage und respektierten also ohne Zögern die Souveränität der als ihre Handelspartner auftretenden Herrscher. Die Forderung nach Konsulargerichtsbarkeit (Exterritorialität) stellten die Kompanien, anders als Herrschaftsträger der lateinischen Christenheit, nicht. Auch wenn es zu Meinungsverschiedenheiten über die konkrete Ausprägung der jeweils örtlichen Handelsbedingungen kommen und, wie im Fall der Eroberung von Jayakerta-Batavia, derlei Differenzen auch zu Krieg führen konnten, bestand Einmütigkeit zwischen den Fernhandelskompanien und den mit ihnen kooperierenden Herrschern in Afrika und Asien in Bezug auf die Erwartung, dass Handel dem Recht zu unterwerfen sei. Diese Erwartung wurde nirgends ausdrücklich in Abkommen formuliert, mithin als selbstverständlich vorausgesetzt. Sie bezeugt, dass auch an der Wende zum 17.-Jahrhundert die große Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens die Beziehungen zwischen Europa einerseits sowie Afrika und Asien andererseits prägte. Das wechselseitige Einvernehmen darüber, dass Handel reguliert zu sein habe, litt auch nicht unter der oft aufkommenden Diskrepanz des Status, die die Handelspartner sich wechselseitig zuerkannten. Während in ihrer eigenen Sicht die Fernhandelskompanien Träger von Souveränität, aber nicht Träger von Herrschaft in eigenem Recht waren, betrachteten die Herrscher in Afrika und Asien, in deren Gebieten die Kompanien Handel trieben, diese in der Regel als Vertreter entsendender europäischer Souveräne. Der Rechtssatz, dass Souveräne Handel regulieren konnten und sollten, galt unbeschadet dieser Diskrepanz. Die hauptsächlichen Güter, die die an der Ostküste Afrikas sowie den Küsten Asiens Handel treibenden, sogenannten „Ostindischen“ Kompanien nach Europa transportierten, waren Gewürze, Edelmetalle und hochwertige Fertigwaren, insbesondere Töpferware. Darin unterschieden sich diese Kompanien von denjenigen, die sich auf den Handel mit Amerika konzentrierten. Letztere, sogenannte „Westindische“ Kompanien waren eingebunden in den „Dreieckshandel“, durch den Fertigwaren aus Europa nach West- und Südwestafrika, als Sklaven deportierte Afrikaner nach Amerika und die im wesentlichen von den Sklaven dort produzierten Rohstoffe nach Europa gelangten [116; 155]. In dem Sklavenhandel waren jedoch nicht nur Fernhandelsgesellschaften tätig, sondern auch Kaufleute, die unter der Aufsicht der Könige von Portugal und Spanien ihren Geschäften nachgingen. Der König von Spanien reklamierte für sich sogar ein Monopol für die Lizensierung des Sklavenhandels, an dem er durch Privilegien (Asiento) Privatpersonen beteiligte. Solche Asiento-Privilegien gaben ab 1640 sowohl der spanische König als auch nach der Wiedererrichtung Portugals als souveräner Staat in diesem Jahr auch der König von Portugal an „Westindische“ Fernhandelsgesellschaften aus [269; 279]. Diese traten daher neben den in Amerika herrschenden europäischen Souveränen als Herrschaftsträger in Amerika in Erscheinung, vornehmlich in Stützpunkten an der nord- und südamerikanischen Atlantikküste sowie in der Karibik. Die „Westindischen“ Kompanien unterwarfen wesentlich größere Gebiete und Bevölkerungsgruppen ihrer Herrschaft als die „Ostindischen“ Kompanien und hatten deswegen höhere Aufwendungen für militärische Belange. Folglich war die Ertragslage des „Westindischen“ Kompanien weniger günstig als die der „Ostindischen“. Zusammenfassung 159 Die Unterschiedlichkeit der Arten der Regulierung des Handels ließ in europäischer Perspektive die Welt als dreigeteilt erscheinen, in das zwischenstaatliche System, das aus dem Netzwerk-der Ständigen Gesandtschaften gebildet war, die ostafrikanischen und asiatischen Küstenzonen des Indischen Ozeans sowie des Pazifik in Ostasien, sowie die „Neue Welt“ des ins Blickfeld der Europäer tretenden amerikanischen Kontinents und der karibischen Inseln. Die Beziehungen zwischen Europa einerseits, Afrika und Asien sowie der „Neuen Welt“ andererseits, waren Rechten unterworfen, die aus verschiedenen Quellen stammten. Für die „Ostindischen“ Kompanien flossen die Rechte aus den Privilegien, mit denen europäische Souveräne außer den Königen von Portugal oder Portugal-Spanien die Kompanien ausstatteten, oder aus dem ungesetzten Recht des Kriegs und des Friedens und dem Recht zwischen den Staaten. In Amerika jedoch setzten die dort Herrschaft tragenden europäischen Souveräne das in den ihnen unterstellten Staaten gültige Recht durch oder erließen spezielles, nur für die Überseekolonien geltendes Recht. Anders gesagt: innerhalb des europäischen zwischenstaatlichen Systems sowie in den Beziehungen zwischen Europa einerseits, Afrika und Asien andererseits galt der Bodinsche Grundsatz der rechtlichen Gleichheit der Souveräne, gegenüber den Native Americans hingegen verfochten die europäischen Kolonialherren den Grundsatz der rechtlichen Ungleichheit, durch die die Native Americans zu Objekten europäischer Herrschaft degradiert wurden. Den aus Afrika deportierten Sklaven verweigerten die europäischen Sklavenhändler und die amerikanischen Sklavenhalter den moralischen Status des Menschseins, indem sie die deportierten Afrikaner als Handelsware bestimmten. Während die These der angeblich „natürlichen“ Sklaverei gegenüber den Native Americans seit Mitte des 16.- Jahrhunderts keine Verwendung mehr fand, setzte sich gegenüber den nach Amerika deportierten Afrikanern der Unrechtsstatus der oktroyierten Sklaverei durch. Weder die europäischen Sklavenhändler noch die amerikanischen Sklavenhalter gestatteten sich in dieser Zeit das Aufkommen von rechtlichem oder gar moralischem Zweifel an den Praktiken des Sklavenhandels und der Sklavenhaltung. Zusammenfassung Der Zeitraum zwischen ca 1450 und 1618, sozusagen das lange 16.-Jahrhundert, führte in der Sicht der lateinischen Christenheit wie auch der Muslime zur Globalisierung der Wahrnehmung der Welt sowohl im rein technischen Sinn der Herstellung von Globus- und anderen Typen von Weltkarten als auch im rechtsgeschichtlichen Sinn der Formulierung einiger Rechtssätze, die den Verkehr auf dem gesamten Globus regulieren sollten. Gewiss, das Bewusstsein der Kugelgestalt des Planeten Erde war seit dem 10.- Jahrhundert im Bild und seit dem 11.- Jahrhundert textlich belegt [4, S.-23, 120-121]. Aber das Weltkartenbild der lateinischen Christenheit und des Islam erfuhr um 1500 eine Revolution. Innerhalb weniger Jahre verschwand eine damals Jahrtausende alte Tradition der Projektion der Welt als begeh- und bewohnbare Landmasse und damit als Fläche, die als Basis für Ideologien der Weltherrschaft dienen konnte. Diese Weltkarten waren gefüllt gewesen nicht nur mit geografischen Informationen, sondern auch mit religiösen Dogmen und Visionen des Beginns und des Endes der Welt. Die neuen Karten lieferten seit der Zeit um 1500 nur noch trockenes Material über Orte und Entfernungen zwischen ihnen, waren Sammelstellen für profanes Wissen, nützlich nurmehr für Seefahrer, Kaufleute, Mathematiker und Geografen. Seefahrer, Kaufleute und Missionare trugen den neuen Weltkartentyp in ihrem Gepäck, wohin immer sie während des 16.-Jahrhunderts gelangten, und globalisierten ihn auf diesen Wegen. So entwarf gegen Ende dieses Jahrhunderts der jesuitische Missionar Matteo Ricci (1552 - 1610) eine Weltkarte in China nach europäischem Muster. Dabei passte er seine europäische Vorlage den Interessen seiner Umgebung an, indem er die Kontinente um den Pazifik in der Mitte des Kartenbilds gruppierte. Europäische Weltkarten des 16.-Jahrhunderts hingegen 160 Die Vielen und die Eine zeigten den nunmehr so genannten Atlantik in der Mitte oder der linken Hälfte, spalteten den Pazifik jedoch und drängten ihn an den rechten und linken Kartenrand. Der Gewohnheit, eine Weltkarte auf denjenigen Teil der Welt zu zentrieren, in dem sie entstand, folgte Ricci bei seiner Projektion. Daher musste er für seine Weltkarte das Zentrum wählen nach dem Ort, an dem er sich gerade befand. Neben Riccis Kartentyp blieb jedoch in China der tradierte Typ der mit Weltherrschaftsansprüchen gefüllten Weltkarte bis in das 18.-Jahrhundert erhalten. Die Revolution des Weltkartenbilds blieb nicht ohne Folgen. Zwei Einzelheiten mögen diese Folgen verdeutlichen. In Weltkarten der lateinischen Christenheit war bis zum Beginn des 15.-Jahrhunderts keine Afrika von Asien trennende Wasserfläche sichtbar, mithin der Indische Ozean unbekannt. Dennoch umspannte diesen Wasserweg spätestens seit dem 11.- Jahrhundert das wohl aktivste maritime Handelsnetz der Welt [174]. Arabische, indische (Gujarati), südostasiatische (Aceh), chinesische und japanische Kaufleute kreuzten in ihm [101; 105]. Das Netz erlaubte den Transport chinesischer Töpferware nach Ostafrika [47; 48; 49; 50] und strahlte über den Gewürzhandel in den eurasiatischen Kontinentblock aus. Die vermeintliche „Entdeckung“ des Indischen Ozeans durch portugiesische Seefahrer suggerierte im neu entstehenden europäischen Weltkartenbild die Wahrnehmung einer Vielzahl von Ozeanen und, daraus folgend, die Erwartung, dass die nur große, ozeantaugliche Schiffe die weit von einander entfernten Weltteile verknüpfen könnten. Dazu schienen in der Sicht der vermeintlichen „Entdecker“ nicht in erster Linie Handelsstützpunkte erforderlich, sondern militärisch gesicherte Orte. Die auf die vermeintliche „Entdeckung“ folgende militärische Besetzung zentraler Handelsorte in dem Netz durch portugiesische Truppen und der Ausschluss muslimischer Kaufleute vom Handel an den portugiesisch besetzten Orten ließ das Netz zusammenbrechen. Der Indische Ozean geriet unter europäische Kontrolle, auch wenn die Fernhandelskompanien die Souveränität ihrer dortigen Handelspartner wahrten. Zudem wurden nicht nur das europäische Weltkartenbild über die Welt verbreitet, sondern auch die in ihm eingetragenen Namen für die Kontinente. „Africa“ und „Asia“ waren einst Namen für Provinzen des alten Römischen Imperium gewesen und in den Weltkarten der Christenheit bis zum Ende des 15.- Jahrhunderts als bloße Schablonen für Weltteile mitgeschleppt worden, die so nur in den Weltkarten existierten. Seit Beginn des 16.-Jahrhunderts reisten diese Abb. X: Matteo Ricci: Karte der Myriade der Staaten der Welt (wàn guó quán tú). 1602 Zusammenfassung 161 Schablonen jedoch im intellektuellen Gepäck der Seefahrer, Kaufleute, Missionare und Kolonisatoren überall in die Welt und gerieten schnell zu Instrumenten der Bestimmung kollektiver Identitäten der Bewohner derjenigen Weltteile, denen die Europäer diese Namen verpassten. Die Logik dieses Oktroi war stets dieselbe. Afrika als Name für den Kontinent war in der Sicht der Europäer, die dort hinkamen, das Kürzel zur Bezeichnung der Einheit dieses Kontinents, ohne Rücksicht auf die Tatsache, dass ein Bewusstsein der kontinentalen Einheit in der Bevölkerung Afrikas nicht bestand. Dasselbe galt für Asien. Der europäische Name für diesen Kontinent hat dortselbst nie irgendeine Einheit bezeichnet. In Amerika verbreitete sich der europäische Kontinentname ohnehin während des 16.-Jahrhunderts nur außerhalb der portugiesisch-spanisch kontrollierten Gebiete, da die dortigen Kolonialverwaltungen den Namen ablehnten. Für diejenigen Bevölkerungsgruppen, die wir heute Native Americans nennen, erhielt der Name nie eine Bedeutung. Die Wahrnehmung Afrikas, Asiens und Amerikas als kontinentale Einheiten ist Konstrukt der Europäer geblieben. Wie Angehörige anderer Kulturen als der lateinischen Christenheit und des Islam auf die Wandlungen des Weltkartenbilds zeitgenössisch reagierten, wissen wir nur aus China. Dort hielt die Ming-Regierung an der großen Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens in Anbindung an ihren Anspruch auf Weltherrschaft fest, ließ aber zugleich den europäischen Weltkartentyp zu. Sie erlaubte regulierten Handel zu den von ihr gesetzten Bedingungen, ging also pragmatisch mit den Folgen des Wandels des Weltkartenbilds um, ohne dabei ihre tradierten Einstellungen und Wahrnehmungen zu verändern. Das Innere des ihr unterstellten Herrschaftsgebiets blieb aus dem mit dem König von Portugal vereinbarten Recht des Handels ausgeklammert. Der König von Portugal erkannte das Recht zur Regulierung und Einschränkung des Handels an. Genauso verfuhren zu Beginn des 17.-Jahrhunderts die Fernhandelsgesellschaften gegenüber Japan. Die Souveräne an den Küsten Afrikas, Süd- und Südostasiens scheinen eine ähnliche Politik verfolgt zu haben. So blieb das Innere West- und Ostafrikas, Süd-, Südost- und Ostasiens von direktem europäischem Einfluss zunächst und für längere Zeit unberührt, wovon die Errichtung spanischer Kolonialherrschaft über die Inselwelten der nunmehr so genannten Philippinen jedoch die am schwersten wiegende Ausnahme darstellte. Einige Theoretiker des Rechts des Kriegs und des Friedens in der lateinischen Christenheit wie etwa Francisco de Vitoria und Alberico Gentili verarbeiteten die während der ersten Hälfte des 16.-Jahrhunderts von Europa ausgehende kolonialherrschaftliche Expansion. Die Errichtung von Kolonialherrschaft in Übersee ließ sich mit den verfügbaren Theorien des Rechts des Kriegs und des Friedens nicht rechtfertigen. Diese und andere Theoretiker des 16.-Jahrhunderts mussten daher aus der überkommenen großen Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens ausbrechen. Während Vitoria sich dieser Konsequenz zu entziehen versuchte, gelangte Gentili zu einer theoretischen Projektion des Rechts des Kriegs und des Friedens als Ausfluss der in seiner Sicht unter allen Menschen gültigen natürlichen Vernunft und bestimmte das Recht des Kriegs und des Friedens als den menschengemachten Teil des Naturrechts. Gentili gab damit die Erwartung preis, das Recht des Kriegs und des Friedens könne oder werde durch die Errichtung der Weltherrschaft als künftige Friedensherrschaft allgemein gültig werden. Denn die Aussicht, alle Menschen würden sich auf dasselbe Recht des Kriegs und des Friedens aus eigener Entscheidung verständigen können, erschien naiv. Andere Theoretiker fügten das Heilige Römische Reich ein in das europäische Staatensystem [233, fol. XXV, XXVIII, XXXI, XXXIII, XXXVIII; 234, S.- 320-321; 16, fol. C2, D5, E6]. Zur selben Zeit verlor der Kaisertitel in der lateinischen Christenheit seinen ausschließlichen Bezug auf das Römische Imperium, das nunmehr als das Heilige Römische Reich Deutscher Nation als ein Staat unter vielen geführt wurde. Den Kaisertitel konnten somit Herrscher überall in der Welt tragen. „Monarchia universalis“ (Weltherrschaft) wurde im 16.-Jahrhundert zum Kampfbegriff gegen einen Souverän, dem andere Souveräne exzessives Streben nach Macht ankreideten [33]. Einige Souveräne, insbesondere Träger 162 Die Vielen und die Eine von Königstiteln, strebten zudem danach, die ihrer Kontrolle unterstellten Gebiet zu arrondieren und mit eindeutig festgelegten Linien gegen Gebiete unter der Herrschaft anderer Souveräne abzugrenzen. Für Einrichtungen der Herrschaft in diesen Gebieten setzte sich im Verlauf des 16.-Jahrhunderts das Wort Staat als allgemeine Bezeichnung durch [34]. Begriff und Wort Staat kennzeichneten seither Herrschaftseinrichtungen als geordnet, stabil und legitim. An der Wende zum 17.- Jahrhundert begriff Francisco Suárez das Recht des Kriegs und des Friedens nicht mehr als Ius gentium, sondern als das zwischen den Staaten geltende und Souveräne bindende Recht. Dagegen bestand die große Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens in der muslimischen Welt und in Ostasien fort. Die Neubestimmung als Recht zwischen den Staaten blieb somit zunächst auf die lateinische Christenheit begrenzt. Aber das Recht des Kriegs und des Friedens behielt in der Wahrnehmung der meisten europäische Theoretiker weiterhin allgemeine Gültigkeit für alle Menschen. Auf bestimmte Gebiete war seine Gültigkeit nur eingrenzbar, wenn die Begrenzungen ausdrücklich vertraglich vereinbart worden waren. So basierten auch die verschiedenen Vereinbarungen, die die spanischen Könige mit den Königen von Frankreich und England oder Großbritannien während des 16. und früheren 17.-Jahrhunderts über die Zugangsrechte zum Ozean trafen, immer noch auf der alten Annahme, dass das Recht des Kriegs und des Friedens als ungesetztes Recht überall gültig sei. Dieser Annahme stand der Umstand nicht entgegen, dass hin und wieder Vereinbarungen zustande kamen über Linien, über die hinaus das Recht des Kriegs und des Friedens keine Anwendung haben sollte [132]. Auf diese im Rückblick so genannten „Freundschaftslinien“ haben historisch orientierte Theoretiker des 20.- Jahrhunderts wiederholt hingewiesen unter Berufung auf den französisch-spanischen Vertrag von Cateau-Cambrésis vom 3.-April 1559 [254] und den britisch-spanischen Vertrag vom 18. / 28.-August 1604 [260]. Diese Forscher verfolgten mit ihren Hinweisen die Absicht zu belegen, dass das Recht des Kriegs und des Friedens in der europäischen Wahrhehmung bereits des 16.-Jahrhunderts in seiner Gültigkeit auf Europa sowie die an den europäischen Kontinent angrenzenden Meeresflächen beschränkt gewesen sei [87, S.-187-188; 203, S.-60-61]. Davon kann jdoch keine Rede sein. Denn die sogenannten „Freundschaftslinien“ stellten die Allgemeingültigkeit des Rechts des Kriegs und des Friedens nicht nur nicht in Frage, sondern bestätigten sie sogar ausdrücklich dadurch, dass sie die vereinbarten Linien als Ausnahmen von ihm setzten. So verkündete der britischspanische Vertrag vom 18.-/ 28.-August 1604 die Absicht der Vertragsparteien, die Sicherheit des Handels zwischen ihnen ohne Einschränkung auf irgendeinen Teil der Welt gewährleisten zu wollen [260, Art.-XXIII, S.-35]. Nachweise: 1. Agrippa, Henricus Cornelius: De duplici coronatione Caesaris apud Bononiam historiola. Köln 1535. 2. 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Das geschah beispielsweise im Jahr 1519, als neben Maximilians Enkel Karl als König von Aragón mit Franz I. von Frankreich, Heinrich VIII. von England und Kurfürst Friedrich dem Weisen von Sachsen drei weitere Herrscher gegen einander antraten. Aber die Habsburger erarbeiteten sich mit dieser wie auch jeder weiteren, in ihrem Sinn erfolgreich bestandenen Wahl zusätzliches Prestige und zogen immer mehr Kompetenzen für die zentrale Verwaltung des Reichs an ihre Residenz in Wien. Aufgrund der Hofordnungen Maximilians vom 13.-Dezember 1497 / 13.-Februar 1498 bestand dort der Reichshofrat als Gerichtsinstanz, Streitschlichtungsstelle und politische Behörde [85] und seit 1556 gab es dort den Hofkriegsrat als oberstes Entscheidungsgremium für das Reichsmilitär [54]. Seit 1482, dem Jahr des Tods von Maximilians Gemahlin Maria, beherrschten die Habsburger Burgund, seit 1516 das Königreich Aragón, seit 1555 das vereinigte Königreich Spanien. Im Jahr 1526 fiel nach der verheerenden Niederlage König Ludwigs von Böhmen und Ungarn (1516 - 1526) bei Mohács gegen die Armee Sultan Süleimans das Königreich Böhmen sowie ein Teil des nicht unter osmanischer Herrschaft stehenden Königreichs Ungarn an Karls Bruder Ferdinand. Ferdinand war damit nicht mehr nur Römischer König (seit 1521), eine Art Stellvertreter des Kaisers im Reich, sondern in seiner Eigenschaft als König von Böhmen zugleich auch Kurfürst. Während Maximilian noch pompös sich als Herr über „Sieben Königreiche“ hatte titulieren lassen [46], ohne dass er selbst neben dem römischen irgendeinen Königstitel selbst getragen hätte, war Karls Bruder Ferdinand seit 1526 legitimer Herrscher über drei Königreiche. Die Habsburger vernetzten durch ihre Familienbande das Reich mit dem Rest Europas. Aber ihre tatsächliche Macht war begrenzt. Karl I./ V. selbst stöhnte unter der Last seiner vielen Ämter, von denen er die meisten über Stellvertreter verwalten ließ, sie also auch auf vielen Reisen nicht selbst ausfüllen konnte [37]. Innerhalb des Reichs arrangierte sich Ferdinand mit den Protestanten 1552 und 1555 auf eine Art Duldungsabkommen. Dieses sah die Anerkennung der Selbständigkeit der protestantischen Herrscher in Religionssachen vor und garantierte der jeweiligen konfessionellen Minderheit das Recht zum Abzug, vermied also Zwangskonversionen [18, Art.-15-25, S.-100-104]. Aber das Duldungsabkommen schloss die Anhänger Calvins aus. Zudem waren Herrscher innerhalb des Reichs, die über die Gebiete unter ihrer Kontrolle selbständig Gesetze erlassen konnten, selbst durch Heiratsverbindungen und andere dynastische Bande mit Herrschern außerhalb des Reichs vernetzt, so der Pfalzgraf bei Rhein als Kurfürst mit dem König von Großbritannien, die Herzogtümer Schleswig und Holstein mit der dänischen Krone, einige kalvinistisch geprägte Herrscher über kleinere Gebiete im Westen des Reichs wie die Grafen von Nassau mit den ebenfalls kalvinistischen Oraniern als den militärischen Anführern der Rebellen in den Niederlanden sowie nicht zuletzt in den selbständigen Städten des Reichs die einflussreicheren Familien unter den dortigen Kaufleuten, die nicht nur 178 Bedingungen der Friedlosigkeit und das Recht zum Krieg sowie-im Krieg (1618 - 1648/ 59) geschäftliche, sondern auch verwandtschaftliche Beziehungen zu Kaufleuten in Städten außerhalb des Reichs pflegten. Insbesondere die Rebellion der Niederlande beeinflusste über dynastische und konfessionelle Beziehungen nicht nur die englisch-spanischen Beziehungen, sondern wirkte auch auf das Verhältnis einiger Herrscher innerhalb des Reichs zum Kaiser. Zudem lagen Teile der Niederlande auf altem Reichsgebiet und die dortige Rebellion zielte darauf ab, selbständige Gesetzgebungsbefugnis für Herrschaftsträger in den Niederlanden zu erlangen. Daher stellte die Rebellion das herrschaftliche Verhältnis der Niederlande nicht nur zum König von Spanien in Frage, sondern zugleich auch zu Kaiser und Reich. Auch wenn die Oranier ihren Willen zum Verbleib im Reich bekundeten [82], verschäfte die Frage nach der Legitimität der Rebellion das Problem nach der Bestimmung der Grenzen nun auch im Nordwesten des Reichs. Die Lösung des Problems der Festlegung der Reichsgrenzen gestaltete sich schwierig, insbesondere da die Grundvoraussetzung fehlte, nämlich die Annahme, dass die Grenzen des Reichs, analog zu denen jedes souveränen Staats, durch menschliches Handeln würden gezogen werden können. Zwar gab es auch innerhalb des Reichs vielerlei Grenzen, in den Formen von Mauern und Wällen um Burgen und Städte, auch von Trennlinien, die die Landschaft in Verwaltungsbezirke teilten und durch befestigte Orte markiert, sowie die maritimen Trennlinien, die durch Verträge vereinbart sein konnten. Aber alle diese Linien galten der pragmatischen Markierung von Zonen, in denen bestimmte Herrschaftsträger bestimmte Rechte ausübten, waren folglich nicht verstanden als Instrumente zur Teilung der Welt in kaum oder gar nicht verbundene Räume. Aber die niederländischen Rebellen wollten Souveränität in dem Sinn, in dem Jean Bodin sie verstand, als Gesetzgebungsbefugnis, die nur durch die „lois fondamentales“ eingegrenzt sein sollte, und rechtliche Gleichheit mit allen anderen Souveränen. In dieser Zielbestimmung gingen sie mit den Schweizer Eidgenossen konform, unter denen einige Kalvinisten waren, wie auch mit den meisten Herrschern außerhalb des Reichs. Wer wo mit welchen Befugnissen würde herrschen können, waren mithin Streitfragen, die sich außerhalb wie innerhalb des Reichs trotz aller dynastischen und wirtschaftlichen Beziehungen kaum einvernehmlich lösen ließen. Für die aus diesen Streitfragen erwachsenden Konflikte waren an der Wende vom 16. zum 17.- Jahrhundert einige protestantische und kalvinistische Herrschaftsträger besser gerüstet als ihre katholischen Konkurrenten. Die niederländischen Rebellen gingen seit der Mitte der 1590er Jahre dazu über, die Armeen unter ihrer Kontrolle aus der land- und stadtsässigen Bevölkerung durch Verpflichtung zum Wehrdienst als Milizionäre zu rekrutieren und nach griechisch-römischem [2; 43], englischem [41; 79]. schweizer [7, S.-318; 14, Bd-1, S.-377-378] sowie dem Vorbild Machiavellis [44, S.-51-52] zur Vorbereitung auf den Krieg im Umgang mit Waffen, insbesondere Piken und tragbare Feuerwaffen, regelmäßig drillen zu lassen [17, S.-636; 23]. Ihnen folgten schnell kalvinistische Herrscher im Reich, insbesondere die Nassauer, der Pfalzgraf bei Rhein und der Markgraf von Brandenburg, und wurden so zu Verbündeten der niederländischen Rebellen. Diese defensive Strategie war daran ausgerichtet, Invasionen der spanischen wie auch mögicherweise der kaiserlichen Seite zurückzuschlagen. Folgerichtig verabredeten protestantische und kalvinistische Herrscher im Jahr 1594 [33] militärische und politische Zusammenarbeit und schlossen sich am 4.-Mai 1608 zu einem förmlichen Bündnis zusammen [68]. Die katholische Seite antwortete mit einem eigenen Bündnis am 10.-Juli 1609 [69]. Damit bestanden zum ersten Mal seit der Mitte des 16.- Jahrhunderts wieder innerhalb des Reichs konfessionell geprägte und militärisch ausgerichtete Sonderbünde, die bei Bedarf rasch mobilisiert werden konnten. Anders als die Kriegsbündnisse in der Mitte des 16.-Jahrhunderts waren die Sonderbünde zu Beginn des 17.-Jahrhunderts defensiv und kamen nicht aus Anlass eines unmittelbar bevorstehenden Kriegs zustande. Die protestantisch-kalvinistische Union von 1608 zielte nach dem Text der Gründungsurkunde darauf ab, die „Defension“ der verbündeten Herrscher und deren Untertanen zu leisten, die Reichsgesetze zu festigen und „Frieden und Einigkeit“ im Reich zu er- Das Heilige Römische Reich und das europäische Staatensystem 179 halten [68, S.-151]. Ebenso verpflichteten sich im Gegenzug die Mitglieder der katholischen Liga von 1609 zu einer Defensivallianz sowie zur „Fortpflanzung gemainen fridens, rue und wolfart“ [69, S.- 154], womit sie der Bewahrung der Stabilität und des Gleichgewichts dienen zu wollen vorgaben. Zwar ergingen sich beide Lager wechselseitig in heftigen Vorwürfen, den Frieden zu gefährden, aber gemeinsam war beiden Bündnissen die Selbstverpflichtung auf die Einhaltung und Festigung der Reichsgesetze. Diese Strategie der Begründung militärischer Bündnisse war an der Wende zum 17.-Jahrhundert neu und belegt die Erwartung, dass Militärbündnisse dann auf höhere Akzeptanz stoßen könnten, wenn sie defensiv gestaltet, also nicht gegen spezifizierte Gegner gerichtet waren und die bestehende Ordnung bewahren zu sollen vorgaben. Dieselbe Erwartung fand in derselben Zeit nicht nur in Vertragstexten Ausdruck, sondern auch im theoretischen Schrifttum. So konnte um 1600 ein Pamphletist aus den spanisch kontrollierten Niederlanden behaupten, ein Friedensschluss zwischen England und Spanien, seit 1588 im Kriegszustand, sei Voraussetzung für den Abschluss eines Bündnisses zwischen beiden Staaten, dieses Bündnis sei ein Gegengewicht gegen Frankreich und ermögliche die Bewahrung der Stabilität in Europa [59, fol. 1 r ]. Umgekehrt konnte ein französischer Pamphletist argumentieren, ein Bündnis zwischen Frankreich und Souveränen innerhalb des Reichs sei geboten, damit ein Gegengewicht gegen Spanien geschaffen werden könne [53, fol. A[IV] r ]. Das Bündnisrecht wurde also einbezogen in militärisch-politische Strategien zur Bewahrung des bilateralen Gleichgewichts als Voraussetzung für die Bewahrung der Stabilität im europäischen Staatensystem. Theoretiker formulierten ihre Erwartungen mit dem Modell der Waage in der Hoffnung, auf diese Weise die Verknüpfung von Bündnis- und Gleichgewichtspolitik mit dem vorgeblichen Bemühen um Bewahrung der Stabilität sinnfällig ausdrücken zu können. Protestantische und kalvinistische Herrscher innerhalb des Reichs nutzten ihr Defensivbündnis zum Ausbau von Befestigungsanlagen, die den Schutz von Gebieten gewährleisten sollten. Zudem ließen sie mehr oder weniger eifrig Milizionäre drillen [40; 35, S.-588; 80, S.-35 u. ö.]. Die Befestigungsanlagen hatten die Nebenwirkung, dass sie Grenzen sichtbar machten. Das Reich zerfiel auf diese Weise in befestigte Zonen, zwischen denen im Kriegsfall der freie Verkehr nur noch eingeschränkt, wenn überhaupt möglich sein sollte. Die Herrscher auf Seiten der katholischen Liga hielten hingegen an der aus dem 16.- Jahrhundert überkommenen Praxis der Indienstnahme von Söldnern fest, erweiterten diese sogar, indem sie Dienstverträge nicht nur mit Einzelpersonen abschlossen, sondern durch militärische Unternehmer ganze Truppenkontingente anwerben ließen. Diese militärischen Unternehmer stellten auf eigene Rechnung Kampftruppen zusammen, die auch größere Mannschaftsstärken erreichen konnten, und vermieteten diese dann an kriegführende Souveräne. In dem protestantisch-kalvinistischen und dem katholischen Militärbündnis standen sich zwei grundverschiedene Typen von Kampftruppen gegenüber. Der große Krieg wartete sozusagen nur auf einen Anlass als Auslöser, während in den Niederlanden die Rebellion im Jahr 1609 durch einen auf zwölf Jahre befristeten Waffenstillstand militärisch ausgesetzt worden war. Dieser Anlass kam, als nach der Abdankung des böhmischen Königs Matthias (im Amt als König von Ungarn, 1609 - 1617, als König von Böhmen 1611 - 1617, als Kaiser 1612 - 1619) böhmische Adlige den Aufstand gegen die Habsburger probten und sich der Anerkennung des Habsburgers Ferdinand (1617 - 1637) verweigerten. Statt diesen wählten sie den kalvinistischen Pfalzgrafen bei Rhein, Friedrich V. (1596 - 1632, im Amt als Pfalzgraf bei Rhein 1610 - 1623, als König von Böhmen 1619 - 1620), dessen Heidelberger Hof so etwas wie die Zentrale des protestantisch-kalvinistischen Militärbündnisses geworden war [84]. Friedrich nahm im Jahr 1619 seine Wahl an und zog nach Prag, wobei der Pfalzgraf blieb. Damit waren alle vier weltlichen Kurfürstentümer, Böhmen, Brandenburg, die Pfalz und Sachsen, in den Händen der Anhänger Luthers oder Calvins. Die Zentrale in Wien entschloss sich, die böhmische Königswahl als Rebellion zu bewerten und die böhmisch-pfälzische Konföderation als gegen Kaiser und Reich ge- 180 Bedingungen der Friedlosigkeit und das Recht zum Krieg sowie-im Krieg (1618 - 1648/ 59) richtet zu verwerfen, und ließ militärisch eingreifen. Die nach Böhmen entsandte Heer der katholischen Liga siegte in einem Scharmützel am Weißen Berg bei Prag am 8.-November 1620 über die mit wenig Entschlossenheit auftretende böhmische Armee unter Friedrichs Führung [10]. Dieser floh zunächst in die Niederlande und zog dann weiter ins Exil zu seinem Schwiegervater Jakob I. nach Großbritannien, wurde geächtet und verlor nicht nur die böhmische Krone, sondern im Jahr 1623 auch die pfälzische Kurwürde. Der Habsburger Ferdinand, zum Kaiser gewählt (1619 - 1637), wurde als König von Böhmen anerkannt, der Herzog von Bayern neuer Kurfürst anstelle des Pfalzgrafen bei Rhein. Kriegführen um das Recht zum Krieg Die böhmischen Händel schienen dadurch erledigt, nicht jedoch der Widerstand seitens der verbündeten Protestanten und Kalvinisten. Insbesondere das harte Vorgehen der Habsburger gegen Friedrich V. und den böhmischen Adel erregte Unmut außerhalb des Reichs. Noch im Jahr 1620 intervenierte König Christian IV. von Dänemark (1588 - 1648) mit dem Argument, seine Interessen in Schleswig und Holstein seien durch die Politik der Wiener Zentrale gefährdet. In den Niederlanden nahmen die Rebellen im Jahr 1621 ihren Krieg gegen den König von Spanien wieder auf, nachdem der Waffenstillstand ausgelaufen war. Der Krieg ging also innerhalb wie außerhalb des Reichs weiter. Christian zog sich jedoch nach der für ihn verlustreichen Schlacht bei Lutter am Barenberg vom 27.-August 1626 zurück und schloss in Lübeck am 22.-Mai 1629 einen für die kaiserlich-katholische Seite vorteilhaften Frieden [70]. Kaiser Ferdinand II. setzte am 6.-März 1629 das sogenannte Restitutionsedikt in Kraft, durch das in allen seit 1552 protestantisch oder kalvinistisch gewordenen Gebieten der katholischen Kirche ihre alten Besitzrechte wiederhergestellt bekommen sollte [21]. Danach trat jedoch mit König Gustav Adolf von Schweden (1611 - 1632) ein weiterer Souverän außerhalb des Reichs auf den Plan und behauptete, der Vormarsch der Kaiserlichen habe seine alten Rechte in Gebieten südlich der Ostsee beeinträchtigt [1, fol. 1 v ; 25, S.-51-74]. Im Jahr 1630 setzte er an der Spitze einer Wehrpflichtigenarmee über die Ostsee, ließ in manchen mitteldeutschen Städten schwedische Besatzungen zurück, füllte seine Streitkräfte durch Söldner auf, die er über Amsterdamer Bankiers besolden ließ [49], und lieferte sich mit den Kaiserlichen große Schlachten bei Breitenfeld am 18.-September 1631 und bei Lützen am 6.-November 1632. Die Kaiserlichen verloren beide Schlachten, aber Gustav Adolf fiel bei Lützen, und die Protestanten und Kalvinisten waren plötzlich ohne Feldherrn. Im Jahr 1635 stimmten sie dem für sie nachteiligen Frieden von Prag zu [71], der zunächst nur zwischen dem Kaiser und dem Kurfürst von Sachsen geschlossen worden war. Der Friede sah die Auflösung aller „uniones, ligae, foedera und dergleichen“ vor [71, S.- 1626], unterstellte mithin die protestantischen und kalvinistischen Herrschaftsträger im Reich der militärischen Führung des Kaisers. Die protestantischkalvinistische Strategie der Verteidigung auf der Basis von Wehrpflichtigenarmeen hatte auf ganzer Linie versagt. Die professionellen Söldner trugen seither den Krieg unter einander aus. Gegen den Prager Frieden intervenierte jedoch der katholische König von Frankreich zugunsten der Protestanten und Kalvinisten im Reich. Er stieß zugleich eine militärische Kampagne gegen Spanien an. Christina (1626 - 1689, im Amt als Königin von Schweden 1632 - 1654, als Herzogin von Bremen und Verden 1648 - 1654), Tochter und Nachfolgerin Gustav Adolfs, war in den Prager Frieden ohnehin nicht eingebunden und ließ den Krieg fortführen. Der Krieg wuchs sich aus zu einem Konflikt gegen das dynastische Netzwerk der Habsburger in Europa. Weder die dänische noch die schwedische noch die französische Seite ließ zur Begründung ihrer jeweiligen Interventionen religiöse Motive verlauten, sondern stets politische. Deren Kriegsdeduktionen, also offizielle, in der Regel gedruckt veröffentlichte Texte mit Begründungen von Kriegführen um das Recht zum Krieg 181 Kriegen, waren geleitet von den Zielen der Begrenzung des Reichs nach außen und der Einschränkung der Macht des Kaisers im Innern des Reichs. Religiöse Motive hingegen gesellten sich zur Kriegspropaganda erst hinzu, nachdem die Interventionen stattgefunden hatten und die Kämpfe tatsächlich ausgetragen wurden. Insbesondere nach dem Ende von Schlachten konnten dann Pamphletisten der beiden Seiten kräftig aufeinander schimpfen und dabei auch zu grob abfälligen Formulierungen über die Konfession der jeweiligen Gegner greifen [39; 81]. Der alte Rechtssatz, dass gerechte Kriege nicht aus Gründen der Religion geführt werden dürften, wirkte bis in die offiziellen Kriegsbegründungen auch im 17.-Jahrhundert fort. Gleichwohl setzte sich in Folge der Gruppierung der Kriegsparteien in ein protestantisch-kalvinistisches und ein katholisches Lager innerhalb des Reichs die Wahrnehmung durch, dass ein diesen Krieg abschließender Friede innerhalb der lateinischen Christenheit und für diese geschlossen werden müsse, also zwar konfessionsübergreifend sein, aber nicht über der Religion stehen werde. Seit 1632 geriet das Verhältnis militärischen Stärke der beiden Lager zum Patt, in dem beiden Seiten die Stärke zum entscheidenden Schlag fehlte. Die Kriegführung auf beiden Seiten war von Gewalttaten begleitet, die schon unter Zeitgenossen Schrecken verbreitete. Schilderungen solcher Gewaltexesse haben in Wort und Bild Verbreitung gefunden [9] und bis heute das Bild dieses Kriegs als Ausbruch mörderischer Gewalt von Söldnerheeren geprägt [83, S.-6]. Ungezählte Nicht-Kombattanten kamen trotz weiterhin gültiger Sätze des Rechts im Krieg durch marodierende Söldnertrupps zu Tod und zu Schaden, und im Verlauf eines Schlachttags konnten bis zu 12.000 Söldner den Tod finden. Dennoch blieb das in Kriegsartikeln niedergelegte, aber oft gebrochene Gebot des Schutzes friedlicher Nicht-Kombattanten in Kraft [19]. Die Feldschlachten wurden planmäßig vorbereitet durch Anlagen von Depots für Munition und durch Gliederung der Truppen in kleinere Treffen, die nach oranischem Vorbild auf dem Schlachtfeld wie auf einem Schachbrett manövrierten. Nach wie vor war die Taktik darauf angelegt, die Ordnung der jeweils gegnerischen Kampftruppen im Verlauf der Schlacht zu zerstören. Auch die militärischen Unternehmer, deren Profit der Krieg war, stellten die Konventionen des Rechts zum Krieg, mithin die Begrenzung der Befugnis zum Kriegführen auf Souveräne, nicht in Frage. Denn sie kamen im Rechtssinn nur als Beauftragte der sie bezahlenden Herrscher zum Einsatz. Obwohl dieser Krieg große militärische Kräfte beanspruchte, war er doch nicht der einzige militärische Konflikt in seiner Zeit. Der Osmanische Sultan hielt sich zwar an den Vertrag von 1606 und verzichtete bis in die zweite Hälfte des 17.-Jahrhunderts auf eine Intervention im Reich, die den dort militärisch gebundenen Kaiser hätte empfindlich treffen können. Aber die europäischen Fernhandelskompanien lieferten sich unter einander und mit dem König von Portugal an den Küsten des Indischen Ozeans sowie in Amerika Konkurrenz, die auch mit Waffengewalt ausgetragen wurde. Dabei kam ihnen zugute, dass nach einer Revolution im Jahr 1640 die portugiesisch-spanische Personalunion aufgelöst und das Königreich Portugal als souveräner Staat wiedererrichtet wurde. Die VOC nutzte die für sie günstige Gelegenheit dieses Vorgangs, eroberte in Handstreichen die portugiesischen Stützpunkte in Melaka (Malacca) auf der Malaiischen Halbinsel (1641) und in Kandy (Sir Lanka) (1658) und zwang die dortigen portugiesischen Besatzungen zum Rückzug. Die VOC wurde als Trägerin von Souveränität zur europäischen Vormacht in den Gewässern des Indischen Ozeans und verdichtete ihr Netz an Stützpunkten. Im Jahr 1651 gelang ihr die Besetzung des Kaps der Guten Hoffnung, das bis dahin portugiesische Seeleute unberührt gelassen hatten. Das „Kap“ entwickelte sich zur größten europäischen Siedlung auf dem afrikanischen Kontinent und diente als Grenzpunkt zwischen den Handelszonen der VOC und der niederländischen westindischen Kompanie, die sich in der Hauptsache im transatlantischen Sklavenhandel engagierte. Afrikaner, die die VOC von den Küsten Ost- und Südostafrikas als Sklaven deportierte, wurden am „Kap“ auf Schiffe der Westindischen Kompanie zum Weitertransport nach Amerika umgeladen. Das spanische Monopol des transatlantischen Sklavenhandels bestand zu diesem Zeitpunkt nur noch auf dem Papier. 182 Bedingungen der Friedlosigkeit und das Recht zum Krieg sowie-im Krieg (1618 - 1648/ 59) Die Aktivitäten der Fernhandelskompanien verdeutlichten, dass es nicht nur eine Vielzahl von Souveränen gab, sondern nach wie vor auch unterschiedliche Typen souveräner Herrschaftsträger. Denn die Fernhandelskompanien hatten als Souveräne außerhalb Europas das Recht zum Krieg, obwohl sie keine Staaten waren. Die Zuerkennung von Souveränität war nicht gebunden an die Anerkennung von Staatlichkeit, da sowohl staatliche wie nicht-staatliche Souveräne das Recht zum Krieg für sich reklamieren konnten. Gleichwohl gestaltete sich der europäische Krieg nicht nur als Gewaltexzess. Selbst führende Kommandeure, wie der General Gottfried Heinrich Graf von Pappenheim (1594 - 1632) fanden in Mußestunden Zeit zu kriegstheoretischen Überlegungen. Pappenheim stand der Überzeugung, dass Schlachten entscheidend sein könnten, skeptisch gegenüber, verglich in einem Gutachten über den Krieg vom 28.-Juli 1631 das „Glück“ im Krieg mit einer Waage und nannte den Sieg „nichts als ein[en] Ueberschlag der Wage“. Für Pappenheim waren mithin Schlachten unkalkulierbar. Der vom „Glück“ abhängende Kriegsverlauf erschien ihm als „das schwanke[nde] und zweifelhafte aequilibrium, worin allein die Gefahr steckt“. Der Sieg in einer Schlacht allein bringe keinen Frieden, Denn viele Siege hätten „das vorgesetzte Ziel des Kriegs, den Frieden, Abb. XI: Matthäus Merian: Eigentliche Abildung des Haupt-Treffens zwischen den Kaÿs[erlichen] und schwedischen Armeen den 23. Octob[e]r und 2.-Novemb[er] 1642 bei Leipzig geschehen. 1648 Dresden, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek, Kartensammlung B 2126 Die Suche nach Frieden 183 dennoch nicht erlangt“ [52, S.-109]. Auch Pappenheim blieb also in den Konventionen des augustinischen Abfolgeparadigmas von Frieden, Krieg und wieder Frieden. Schon bald nach Beginn der böhmischen Revolte und der Entscheidung zum Krieg gegen die Aufständischen traten Gesandte in Aktion mit dem Auftrag, Möglichkeiten eines Friedensschlusses zu sondieren [36]. Auch die allgemeine Theorie des Friedens blieb während des Kriegs kein unbeackertes Feld, sondern fand insbesondere in Frankreich Bearbeiter. Der Kriegs- und Staatsmann Maximilien de Béthune, Herzog von Sully (1560 - 1641), Administrator König Heinrichs IV. von Frankreich (1589 - 1610, 1572 - 1610 König von Navarra), schrieb diesem einen sogenannten „Großen Friedensplan“ zu, demnach ein allgemeiner Kongress den Frieden in Europa wie in einer „Familie“ zustandebringen sollte. Die christlichen Herrschaftsträger sollten zudem einen Schiedsrichter für ihre Streitigkeiten anerkennen. Sully folgte jedoch der Argumentation Georgs von Podiebrad, derzufolge Einheit unter der christlichen Herrschaftsträger den erfolgreichen Kampf gegen „Ungläubige“ zu ermöglichen habe. Auch glaubte, er, den Friedensplan zu Lasten der Habsburger durch Beschneidung von deren Herrschaftsrechten umsetzen zu können [64, S.-25, 33, 33-34, 37-38]. Dagegen befand der Mathematiker Emeric de Crucé (um 1590 - 1648), es sei vorteilhafter, die Staaten der Welt auf ungefähr dieselbe Größe zuzuschneiden, damit weder Möglichkeit noch Interesse am Führen von Kriegen zum Zweck der Herrschaftsexpansion entstehen könne. Crucé bezog ausdrücklich den Osmanischen Sultan sowie die Herrscher von Äthiopien, China, Persien sowie die sogenannten „Tartaren“ in seinen Plan ein, formulierte ihn also ohne Bindung an eine Religion. Der Friede sollte auch für Crucé ein von Menschen gemachter dauerhafter Zustand sein [13, S.-46, 49]. In beiden Plänen war das Reich auf das Format eines Staats unter vielen reduziert, der ewige Friede als real existierende Möglichkeit beschrieben, ohne dass er der Förderung durch den Kaiser zu bedürfen schien. Friede sollte sich ergeben durch Beseitigung der von den beiden Autoren identifizierten hauptsächlichen Kriegsgründe. Die Erwartung, der Friede komme bei dauerhafter Vermeidung von Kriegen gewissermaßen von selbst zustande, entsprach daher auch in der ersten Hälfte des 17.-Jahrhunderts noch dem augustinischen Abfolgeparadigma von Frieden, Krieg und wieder Frieden. Die Suche nach Frieden Trotz der nicht umgesetzten Friedensverträge von 1629 und 1635 kann also keine Rede davon sein, dass während des Kriegsverlaufs die Suche nach Frieden gegenüber Neigungen zur Austragung von Gewalt hintangestellt worden wäre. Im Jahr 1644 schließlich errangen die Diplomaten den Vorrang gegenüber den Militärs und begannen mit den Vorbereitungen zu einem Friedenskongress. Die Verhandlungen gestalteten sich langwierig, da mit der Entscheidung über Verfahrensfragen Entscheidungen in der Sache vorgeprägt sein konnten. Zudem mussten die Verhandlungsführer in der Regel Sonderinstruktionen einholen, damit sie in bestimmten Fragen die ihrem Souverän genehmen Positionen beziehen konnten. Daraus entstanden Verzögerungen in den Verhandlungen. Im Kern ging es um die schon bei Kriegsbeginn zentrale Frage nach den Bedingungen der Anerkennung der rechtlichen Gleichheit der Souveräne und der Anwendung der Rechtsgleichheit auf die Regelung des Rechts zum Krieg. Schon die Wahl der Verhandlungsorte gab eine Vorentscheidung über die Anerkennung des Rechtsgleichheit der Souveräne ab. Denn den Krieg führten viele Streitparteien, die alle an den Friedensverhandlungen zu beteiligen waren, wenn der Friede dauerhaft sein sollte. Die Vielzahl der Streitparteien brachte Fragen nach deren Rangordnung auf die Tagesordnung und wie die Bestimmung einer Rangordnung mit der Anerkennung der Rechtsgleichheit der Souveräne zu vereinbaren sei. Zwei wichtige, das Ergebnis des Verhandlungen vorwegnehmende Entscheidungen wurde früh im Verlauf der Verhandlungen getroffen. Man einigte sich darauf, den Kongress im katholischen 184 Bedingungen der Friedlosigkeit und das Recht zum Krieg sowie-im Krieg (1618 - 1648/ 59) Münster und im benachbarten protestantischen Osnabrück stattfinden zu lassen, und unterzeichnete die den Frieden besiegelnden, nicht wortgleichen, aber inhaltlich ähnlichen Verträge am 24.-Oktober 1648 an eben diesen Orten. Den Vertrag von Münster schlossen der Kaiser für das Reich und der König von Frankreich, den Vertrag von Osnabrück der Kaiser für das Reich und die Königin von Schweden. Mit den beiden Verträgen hatte der Kaiser sein Recht gewahrt, für das Reich als Souverän Abkommen nach dem Recht zwischen den Staaten zu schließen. Zugleich hatte der Kaiser die Herrscher von Frankreich und Schweden als seine Vertragspartner und damit als rechtsgleiche Souveräne anerkannt. Zu einer Eingrenzung des Rechts zum Krieg kam es durch die Verträge nicht. Die zweite Entscheidung betraf die parallel verlaufenden Kriege zwischen den Niederlanden und Spanien sowie zwischen Frankreich und Spanien. Beide Konflikte wurden aus den Verträgen von Münster und Osnabrück ausgeklammert [15]. Der Kongress tagte, während der Konflikt weiterging. Die schließlich gefundenen Kompromisse erhielten dann aber, gegen den Widerstand des Papsts, der den Friedensschluss als unrechtmäßig verwarf, den Status des nach der Goldenen Bulle von 1356 wichtigsten Reichsgrundgesetzes. Die Friedensverträge gehören in Europa zu den letzten großen Abkommen, die noch beschworen, das heißt mit der bedingten Selbstverfluchung der Vertragsparteien gegenüber Gott bewehrt wurden. Sie blieben nicht nur im Reich bis zum Jahr 1806 gültiges Recht, sondern setzten auch den rechtlichen Rahmen für die zwischenstaatlichen Beziehungen in Europa. Sie enthalten eine Fülle von Einzelregelungen teils sehr detaillierter Art, aber ihre wichtigsten Bestimmungen können unter den folgenden acht Aspekten zusammengefasst werden. Erstens nahm der Kaiser dadurch, dass er beide Verträge in seinem Namen für das Reich schloss, einen höheren Rang ein als alle anderen Herrschaftsträger im Reich. Er erhielt als einziger Herrschaftsträger die Formel „Sacra Caesarea Majestas“ zugestanden, insbesondere mit Rücksicht auf die Befugnis, in Religionsangelegenheiten des Reichs Regelungen der Verträge umsetzen zu können [74, Art.-VII, S.-157]. Die im Reichstag vertretenen Herrschaftsträger hingegen galten als „Stände [Staaten] des Reichs und Untergebene“ (Status Imperii et subditos) [74, Art.- VI, S.-152]. Zweitens war der Kaiser durch die Verträge mit zwei anderen Königen ein Souverän wie alle anderen geworden. Dieser Schritt des Kaisers war auch bedeutsam für die Bestimmung des Verhältnisses zwischen dem Kaiser und Herrschaftsträgern im Reich, da innerhalb des Reichs das Königreich Böhmen bestand. Der König von Böhmen konnte daher auf der Basis der Verträge Rechtsgleichheit mit dem Kaiser beanspruchen. Dieser Anspruch war zwar nicht rechtlich, aber in der praktischen Politik dadurch ausgeschlossen, dass der Krieg die Stellung der Habsburger als kaiserliche wie auch als königlich-böhmische Dynastie gefestigt hatte und somit ein Konflikt zwischen diesen Herrscherämtern nicht aufkommen konnte. Drittens garantierte der Kaiser den Konfessionen gleiches Recht im Reich und bezog die Kalvinisten in diese Garantie ein [74, Art.-V/ 18, S.-115]. Viertens erhielten die Herrschaftsträger im Reich das Recht zu den zuvor oft praktizierten, in der Goldenen Bulle von 1356 bereits garantierten, aber durch den Prager Frieden widerrufenen Bündnisverträgen auch mit Herrschaftsträgern außerhalb des Reichs, jetzt jedoch mit der ausdrücklichen Maßgabe, dass Bündnisse nicht gegen den Kaiser, das Reich oder die Verträge von Münster und Osnabrück geschlossen werden dürften [73, Art.-63, S.-292; 74, Art.-VIII/ 2, S.-150]. Fünftens einigte man sich auf die Wiederherstellung aller herrschaftlichen Besitzrechte auf dem Stand vom 1.-Januar 1624 [73, Art.-63, S.-282; 74, Art.-IV/ 19, S.-132]. Hier schien zum ersten Mal die Praxis der Festschreibung eines Normaljahrs auf als die Zeitgrenze, nach der alle durch militärische Operationen oder politische Zugeständnisse zustandegekommenen Veränderungen von Gebietsherrschaft rückgängig gemacht wurden. Die Wahl des Jahrs 1624 beließ nur die böhmischen Entscheidungen unangetastet, schränkte mithin die Gültigkeit des Rechtssatzes der Anerkennung des herrschaftlichen Besitzes, wie er steht und liegt (uti possidetis), auf die bis zur Schlacht am Weißen Berg bei Prag entstandenen Gegebenheiten ein [51, Kap.- 3/ 2, Die Suche nach Frieden 185 S.-25]. Also kehrten die Kriegsparteien in allen übrigen kriegsbedingten Veränderungen von Gebietsherrschaft zu der Ausgangslage zurück, die seit Beginn des Jahres 1624 bestanden hatte, bekräftigten dadurch den alten Satz des Rechts des Kriegs und des Friedens, dass Expansion von Herrschaft kein legitimer Kriegsgrund sein könne, und belegte noch einmal, wenn auch einschränkend, das Festhalten am augustinischen Abfolgeparadigma von Frieden, Krieg und wieder Frieden. Diesem Paradigma zufolge sollte mit dem Ende des Kriegs der vor dessen Beginn bestandene Friede wieder hergestellt werden (Restitution des Status quo ante). Die Verträge stellten daher einen Kompromiss dar zwischen der allgemeinen Einhaltung des augustinischen abfolgeparadigmas und dem besonderen Interesse der Habsburger auf Bewahrung ihrer Herrschaft in Böhmen und der daran hängenden Kurfürstenwürde. Im späten 18.-Jahrhundert kritisierte der Göttinger Jurist und Theoretiker des Rechts zwischen den Staaten Georg Friedrich von Martens (1756 - 1821), diese Praxis der Restitution des Status quo ante als kläglich mit dem Argument, dadurch würden alte Streitfragen nicht gelöst, sondern nur zugeschüttet und blieben folglich mögliche Gründe für künftige Kriege [45, S.-12]. Aber das war eine späte Kritik eines rückblickenden Generation. Die Anerkennung des augustinischen Abfolgeparadigmas ergab sich zusätzlich aus dem Umstand, dass auch seit der Mitte des 17.- Jahrhunderts nicht nur die Verträge von Münster und Osnabrück immer wieder als Bezugsrahmen für spätere Friedensschlüsse dienten, sondern auch andere Friedensverträge Bezüge auf frühere Friedensabkommen enthielten. So waren der Pyrenäenfrieden von 1659 ausdrücklich bezogen auf den Frieden von Cateau-Cambrésis von 1559 [75; 67], der Aachener Frieden von 1668 auf den Pyrenäenfrieden [76], ein Abkommen des Nimwegener Friedens von 1678 auf den Aachener Frieden von 1668 und den Pyrenäenfrieden [77]. Sechstens erhielt der Pfalzgraf bei Rhein seine Kurwürde zurück, so dass das Kollegium der Kurfürsten nunmehr acht Mitglieder zählte [73, Art.-11, S.-279; 74, Art.-IV, S.-126]. Siebtens erhielt der Kanton Basel stellvertretend für die Schweizer Eidgenossenschaft die Zusicherung, dass das Reich insgesamt mit allen seinen Einrichtungen, einschließlich des Reichskammergerichts, sich in die inneren Angelegenheiten der Eidgenossenschaft nicht einmischen werde [73, Art.-61, S.-291; 74, Art.-VI, S.-157]. Achtens gestanden die Verträge dem König von Frankreich und der Königin von Schweden den Status als Garantiemächte für die Verträge zu, letztere auch in ihrer Rolle als Träger von Herrschaftsrechten auf Reichsgebiet südlich der Ostseeküste und im Herzogtum Brmen und Verden [73, Art.-97, S.-302; 74, Art.-XVII, S.-187]. Die Verträge errichteten einen „allgemeinen, ewigen, wahren christlichen Frieden“ und eine wahre Freundschaft unter den Parteien [73, Vorspruch, S.-276; 74, Art.-I, S.-123], setzten also diesen „allgemeinen Frieden“ innerhalb der Grenzen der Religion. Der nach den Kongressorten Münster und Osnabrück genannte „Westfälische Friede“ war damit ausdrücklich auf die Christenheit begrenzt, das Reich ein Staat geworden mit komplizierter Verfassung und der Kaiser ein Souverän mit gewissen Befugnissen zur Repräsentation des Reichs, aber ohne Befugnisse darüber hinaus. Den mit den beiden Verträge beendeten Konflikt bezeichneten schon Zeitgenossen als den „Dreißigjährigen Krieg“ und schufen damit die bis heute geltende Wahrnehmung aller Kriegsereignisse im Reich zwischen 1618 und 1648 als zusammenhängende Ereigniskette [57; 58]. Davon getrennt blieb der niederländisch-spanische Konflikt. Der sogenannte Jüngste Reichsabschied vom 17.-Mai 1654 wertete die Verträge von Münster und Osnabrück in ein „gegebenes Fundamental-Gesetz des Heiligen Reichs und immerwährende Richtschnur“ auf, verbot dadurch jegliche gesetzgeberische Tätigkeit des Reichstags mit dem Ziel der Änderung der Verträge und untersagte jeden Widerstand gegen sie [56, §-6, S.-198]. Die aus Anlass des Herrschaftsantritts Kaiser Leopolds I. geschlossene „Capitulatio Caesarea Leopoldina“ [42, Art.-13, S.-696; 6, S.-45-46] weitete die Friedenspflicht der Reichsangehörigen noch durch das Gebot aus, „gegen Benachbarten und Anstossenden [= angrenzende] Christliche Gewalten-… kein Gezänck, Fehde noch Krieg inn- oder ausserhalb des Reichs“ zu führen. 186 Bedingungen der Friedlosigkeit und das Recht zum Krieg sowie-im Krieg (1618 - 1648/ 59) Über den niederländisch-spanischen Konflikt verhandelten beide Seiten in Münster, aber ohne dass diese Verhandlungen in den allgemeinen Friedenskongress einbezogen gewesen wären. Die Rebellen hatten die spanischen Besatzungstruppen seit Wiederaufnahme der Kämpfe im Jahr 1621 aus dem Nordteil der Niederlande zurückgedrängt, aber spanische Besatzungen konnten sich im Südteil der Niederlande halten. Nachdem der Krieg bereits achtzig Jahre gedauert hatte und es in dieser langen Kriegszeit der spanischen Seite nicht gelungen war, die Rebellion zu unterdrücken, willigte König Philipp IV. (1621 - 1665, als König von Portugal 1621 - 1640) in ein Abkommen ein, durch das er den Rebellen für den Nordteil der Niederlande zusicherte, deren Gebiet weder selbst zu betreten noch durch seine Beauftragten zu betreten und niederländische Siffe überall auf See unbehelligt zu lassen. Diese Zusicherung kam der Anerkennung der souveränen Gesetzgebungsbefugnis für die inzwischen entstandene und „Generalstaaten“ genannte Republik der Niederlande gleich, ohne ein förmliches Zugeständnis der Unabhängigkeit zu sein. Beide Seiten schrieben das Abkommen in einem Vertrag fest, den sie am 30.-Januar 1648 in Münster schlossen [72]. Der Kaiser blieb dem Vertrag fern und verweigerte dadurch für diejenigen Gebiete, die als Teile des Reichs galten, die Anerkennung der selbständigen Gesetzgebungsbefugnis der Republik der Niederlande. Schließlich kam es im Jahr 1659 zu einer französisch-spanischen Einigung. In den Pyrenäen vereinbarten beide Streitparteien einen Frieden, der den seit 1635 bestehenden Krieg zum Nachteil Spaniens beendete. Die spanische Seite stimmte der Abtretung einiger Gebiete an den König von Frankreich und den Herzog von Lothringen zu. Gekoppelt an den Friedensschluss war ein Abkommen, durch das der noch minderjährige König Ludwig XIV. (1643 - 1715) mit der habsburg-spanischen Prinzessin Maria Theresia (1638 - 1683) verheiratet wurde. Das Abkommen eröffnete der französischen Dynastie der Bourbonen die Aussicht auf die Nachfolge nach den Habsburgern in Spanien. Die Konzeption des Rechts des Kriegs und des Friedens als Recht zwischen den Staaten und Hugo Grotius Vor dem Hintergrund dieses „Dreißigjährigen“ [57; 58] und des mit ihm verwobenen Achtzigjährigen Kriegs verfasste seit Anfang des 17.- Jahrhunderts der Jurist Hugo Grotius (Huig de Groot) eine große Zahl an Schriften, die die Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens sowie auch des Rechts zwischen des Staaten nachhaltig geprägt haben. Bereits in jungen Jahren trat der als Wunderkind geltende Grotius in die Dienste der eben gegründeten VOC und lieferte für diese wie auch die Regierung der Rebellen mehrere Rechtsgutachten. Das bekannteste dieser Gutachten entstand im Jahr 1604, offenbar veranlasst durch den im selben Jahr geschlossenen britisch-spanischen Friedensvertrag. Ein Teil dieses Gutachtens erschien 1609 im Druck unter dem Titel „Mare liberum“ (das offene Meer) [28] und wurde auf diesem Weg allgemein zugänglich. Der Gesamttext blieb hingegen bis zu einer Auktion von Grotius-Handschriften im Jahr 1864 unbekannt. In diesem Gutachten für die VOC befasste sich Grotius mit dem sogenannten „Prisen“- oder Beuterecht. Im Indische Ozean war es zu einem Konflikt zwischen einem niederländischen und einem portugiesisch-spanischen Schiff gekommen. Dieser Konflikt warf die Frage auf, ob die VOC befugt sei, im Indischen Ozean militärisch gegen portugiesisch-spanische Schiffe vorzugehen. Zwar betraf der britisch-spanische Vertrag die Niederlande nicht direkt, aber die VOC befürchtete, der spanische König könnte nach Maßgabe des Vertrags und während des fortdauernden Kriegs zwischen den niederländischen Rebellen und dem König von Spanien niederländischen Schiffen den Zugang zum Indischen Ozean verwehren. Zwar hatten die die Fernhandelskompanien privilegierenden Regierungen von England/ Großbritannien und den Niederlanden seit Beginn des 17.-Jahrhunderts Verträge mit Souveränen in Nordafrika ge- Hugo Grotius 187 schlossen [48, S.-89-101]. Mit diesen Abkommen sollten die Handelsbeziehungen im Mittelmeer rechtlich geregelt werden. Die Verträge trugen unterschiedliche Bezeichnungen, wie etwa Freundschaftsartikel, Artikel des Friedens und des Handels, Friedens- oder Handels- und Friedensvertrag, ohne dass sich der Inhalt wesentlich unterschieden hätte [48, S.-102-103]. Aber die Fernhandelskompanien waren durch keine derartigen Verträge in ihren Operationen im Indischen Ozean geschützt. Gegen Befürchtungen, der König von Spanien könne irgendwelche Rechtstitel zum Ausschluss der Kompanien vom Handel mit den Anrainern des Indischen Ozeans vorbringen, fuhr Grotius ein ganzes Arsenal von Argumenten auf, die er der römischen wie der ihm zeitgenössischen Rechtslehre entnommen hatte. Vorsichtig vermied er in diesem Gutachten den Disput darüber, ob die VOC befugt sei, einen sogenannten „öffentlichen“ Krieg zu führen wie die Herrschaftsträger in souveränen Staaten. Denn manche Autoren verfochten seit der Zeit um 1600 die These, dass „öffentliche“ Kriege gerecht und nur solche Kriege „öffentlich“ seien, die legitime Souveräne führten [3, Kap.-XVI/ 4-9, 13, XXXI/ 1, S.-119-121, 291; 5, Kap.-1, S.-239; 20, Kap.-11, S.-134]. Mit ihrer Definition bestimmten diese Theoretiker den „öffentlichen“ Krieg im Sinn des Rechts zwischen den Staaten als gerechten Krieg und begrenzten die Zahl der legitimen Streitparteien in den „öffentlichen“ Kriegen auf Herrscher souveräner Staaten. Grotius blieb zwar innerhalb der Tradition des Rechts zwischen den Staaten und verwandte den Begriff des öffentlichen Kriegs (bellum publicum) zur Abgrenzung gegen die Fehde als Haupttyp des Privatkriegs. Geschickt verschob er aber die Frage nach der Möglichkeit eines öffentlichen Kriegs für die VOC in die Frage nach dem, was öffentlich sein könne. Seine Antwort stimmte mit der seines Widersachers Serafim Freitas darin überein, die öffentlichen Sachen (res publicae) als offen, das heißt zugänglich für alle zu definieren, unterschied sich jedoch in der Bemessung der Reichweite der Offenheit. Während Grotius Offenheit für die gesamte Menschheit postulierte, wollte Freitas sie auf das Territorium des Staats und die ihm zugeordneten Seewege begrenzen. Mochte also die VOC nicht in der Lage sein, einen öffentlichen Krieg gegen den König von Spanien zu führen, so konnte ihr doch niemand das Recht streitig machen, an öffentlichen Sachen überall in der Welt genauso teilzuhaben wie alle Anderen. Grotius erhob mithin den Anspruch, dass das Recht zum Krieg auch für denjenigen Privatkrieg gelten müsse, der um die Teilhabe an öffentlichen Sachen geführt werde. Die VOC sei nach den Regeln des gerechten Kriegs daher genauso zur Kriegführung im Indischen Ozean befugt wie der spanische König [27, S.-204]. Die alleinigen Gründe für den gerechten Krieg entnahm Grotius der auf Augustinus und Thomas von Aquin zurückgehenden Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens und ließ derzufolge nur die Verteidigung, die Wiedergewinnung verloren gegangener Rechte und die Bestrafung von Rechtsbrechern als Kriegsgründe zu [27, S.- 249]. Die VOC handele, ebenso wie die niederländischen Rebellen insgesamt, in Verteidigung ihrer angestammten Rechte, die portugiesisch-spanische Schiffsbesatzungen ihr widerrechtlich im Indischen Ozean streitig machten. Diese Besatzungen beriefen sich zwar auf den angeblichen Rechtstitel, den sie aus den Edikten Papst Alexanders VI. vom Jahr 1493 ableiteten. Unter Rückgriff auf Metellus [28, S.-24-27; 47, S.-20-21; 61, S.-261] fasste Grotius die in den Edikten zur Sprache gebrachten Privilegien, die seiner Meinung nach sowohl den Portugiesen als auch den Spaniern zugute gekommen waren, nicht als Legitimation zur Herrschaftserrichtung, sondern im Wortsinn als „Schenkung“ (donatio) von Land durch den Papst auf [28, S.-24, 65, 93]. Er folgerte aber aus dem Wortlaut der Edikte, dass diese die übrigen Staaten der Welt nicht beträfen [28, S.-25], da diese in den Edikten nicht erwähnt worden seien. Denn die Edikte erwähnten keine weiteren Staaten. Zudem sei der Papst kein Weltherrscher [28, S.-26]. Schenken könne man nach römischem Recht nur, was man tatsächlich besitze, schloss Grotius nach Cicero [28, S.-38]. Aber der Papst habe die vergabten Gebiete überhaupt nicht besessen, und zudem bestehe keine Möglichkeit zur Rechtssetzung über irgendeinen Ort im Ozean, da dort keiner leben könne [27, S.-260]. Also sei der Indische Oze- 188 Bedingungen der Friedlosigkeit und das Recht zum Krieg sowie-im Krieg (1618 - 1648/ 59) an kein rechtlich geschützter portugiesisch-spanischer Binnensee, sondern offen für alle, die dorthin fahren wollten [27, S.-237]. Verteidigung gegenüber Angriffen von seiten portugiesischspanischer Schiffe sei daher gerecht. Grotius’ Argumentation war schnörkellos und zielgerichtet, wie es sich für ein Rechtsgutachten geziemte. Die Regeln des gerechten Kriegs sollten für alle Menschen überall auf der Erdoberfläche gelten, so wie sie sich Grotius darstellten. Das Recht des Kriegs und des Friedens folgte in der Wahrnehmung Grotius’ aus Theorien, die ihren Ursprung im christlichen Glauben hatten, aber diese Herkunft sollte ihrer Anwendung auf militärische Konflikte irgendwo in der Welt nicht entgegenstehen. Das Recht sollte für alle Arten militärischer Konflikte gelten, ohne Rücksicht darauf, wer in sie verwickelt war. Souveräne konnten den Ozean nicht besitzen und folglich niemanden von der Befahrung derjenigen Ozeane ausschließen, die wir den Atlantischen und den Indischen nennen. Im Jahr 1604 war diese Argumentation nicht neu, sondern über fast das gesamte 16.-Jahrhundert in der Debatte über das Recht zum Befahren des Ozeans ausgetragen worden. Auch zu Beginn des 17.-Jahrhunderts führten Theoretiker dieselbe Debatte fort [22, S.-34, 35, 37-39]. Aber Grotius verschob den Fokus dieser Argumentation vom Atlantik auf den Indischen Ozean und auf die Fernhandelskompanien als kriegführende Partei und weitete dadurch die Debatte über die Reichweite des Rechts zwischen den Staaten sowohl in geografischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die Typen kriegführender Parteien aus. Seine Argumentation blieb folglich nicht unwidersprochen. Auf die Teilveröffentlichung von Grotius’ Gutachten im Jahr 1609 antwortete 1625 Serafim de Freitas mit der Behauptung, der Ozean sei zwar als öffentliche Sache offen für jeden, aber diese Offenheit garantiere der Römische Kaiser für alle Angehörigen des Reichs in dessen ursprünglicher, vermeintlich weltumspannender Ausdehnung. Der Ozean sei kein rechtsfreier Raum, sondern unterstehe der Gesetzgebungsbefugnis des Weltherrschers [20]. Umgekehrt argumentierte der Jurist John Selden (1584 - 1654) im Jahr 1635 mit seiner Schrift mit der provokanten Titel Das geschlossene Meer (Mare clausum) [60]. Darin versuchte Selden zu belegen, dass souveräne Herrscher das Recht hätten, das an ihre Staaten grenzende Meer für Schiffe aus anderen Staaten zu sperren. Das war eine Behauptung, die der seit Jakob I. verfolgten und durch Gentili verteidigten Politik entsprach und die britischen Küstengewässer vor spanischen Schiffen schützen sollte. Selden argumentierte also lokal, Grotius mit Freitas hingegen global. Selden redete somit an Grotius vorbei. Beide Gegenpositionen zu Grotius griffen nur nebensächliche Teilaspekte von Grotius’ Argumentation auf und konnten daher deren zunehmender Akzeptanz nicht entgegenwirken. In einem weiteren Gutachten, das undatiert ist, aber wegen seiner inhaltlichen Bezüge zu dem Waffenstillstand zwischen den Rebellen und Spanien von 1609 wohl in diese Zeit gehört, fasste Grotius in elf Thesen seine Begründung des Anspruchs auf Anerkennung der Souveränität der Niederlande zusammen. Die Herrschaftseinrichtungen, die die Rebellen unter sich errichtet hatten, nannte er lateinisch „Ordines“, was im Niederländischen als „Staaten“, im Deutschen als „Stände“ übersetzt wurde und wofür im Lateinischen auch das Wort Status für Staat in Gebrauch stand. Grotius zufolge waren die niederländischen „Ordines“ schon vor Beginn des Kriegs gegen den König von Spanien souverän gewesen [29, Thesis 3, S.-222-225, Thesis 9, S.-268-275], denn sie hätten aus altem Privileg das Recht gehabt, Steuerforderungen seitens des spanischen Königs zu billigen, dieses Recht aber durch Aberkennung seitens des Königs eingebüßt. Der Krieg der Aufständische um die Wiederherstellung der Souveränität der „Ordines“ sei gerecht [29, Thesis 11, S.-280-283]. Denn Souveräne dürften einen Krieg um die Wiederherstellung ihrer Rechte führen [29, Thesis 8, S.-258-267]. Die Behauptung der Souveränität der niederländischen „Ordines“ stehe auch nicht im Widerspruch zur Zugehörigkeit einiger dieser „Ordines“ zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation; denn Souveränitätsrechte könnten auf unterschiedliche Herrschaftsträger verteilt sein [29, Thesis 4, S.-224-235]. Grotius nahm somit, anders als ältere Ideologen des Aufstands, nicht Bezug auf ein gewissermaßen naturrechtliches Hugo Grotius 189 Widerstandsrecht, sondern postulierte, dass der spanische König ohne Rechtstitel von den niederländischen „Ordines“ direkt Steuern erhoben habe. Der Widerstand gegen diesen, in Grotius’ Sicht illegitimen Eingriff in die Souveränitätsrechte der niederländischen „Ordines“ war daher auch mit militärischen Mitteln nicht nur möglich, sondern sogar geboten. Mit diesen Thesen widersprach Grotius Kernpunkten der Souveränitätstheorie Jean Bodins. Er folgte zwar der These Bodins und der älteren Souveränitätstheoretiker, dass Souveränität in selbständiger Befugnis zur Gesetzgebung bestehe, aber für Grotius waren Souveräne unter einander ungleich. Auch erschien ihm Souveränität teilbar. Im Reich konnte daher der Kaiser als Souverän über anderen Souveränen stehen. Mit dieser Ansicht ging Grotius auf Aussagen der Theoretiker des 13., 14. und 15.-Jahrhunderts zurück. Er ließ damit viele Typen von Souveränen innerhalb und außerhalb des Reichs zu, die jedoch alle im Besitz des uneingeschränkten Rechts zum Krieg sein sollten. Die Verletzung von Souveränitätsrechten setzte Grotius als Grund für einen gerechten Krieg. Diese Souveränitätsrechte galten für die „Ordines“ der Niederlande seit alters her, waren also nicht erst durch den Aufstand erworben. Diese defensive Argumentation Grotius’ richtete sich ebenso gegen Ansprüche des Königs von Spanien wie des Römischen Kaisers. Das Recht zwischen den Staaten überwölbte also in Grotius’ Theorie die Gesetzgebungsbefugnis der Souveräne. Grotius’ Karriere als Rechtsberater der VOC und der politischen Führung des Aufstands endete abrupt mit einer fragwürdigen Anklage wegen Hochverrats, seiner Verurteilung und Bestrafung zu lebenslanger Haft. Aus dem Gefängnis konnte er im Jahr 1621 dank des Muts seiner Frau fliehen und nach Frankreich ins Exil entkommen. Dort führte er in erzwungener Muße seine Studien über das Recht zwischen den Staaten fort und legte sie in einem 1625 im Druck erschienenen umfassenden Werk nieder, das den programmatischen, aber in Teilen konventionellen Titel De ivre belli ac pacis libri tres in quibus jus Naturae et Gentium item juris publici præcipua explicantur (Drei Bücher über das Recht des Kriegs und des Friedens, in denen das Recht der Natur und der Gentes, auch das Wichtigste des öffentlichen Rechts erklärt wird) [32]. Mit den ersten Wörtern des Titels griff Grotius erkennbar auf die ciceronianische Formel des Rechts des Kriegs und des Friedens zurück, setzte sie aber zugleich in Bezug zu den ihrerseits aufeinander bezogenen Begriffen des Rechts der Natur und des Ius gentium. Der Titel versprach also eine Darlegung des Rechts des Kriegs und des Friedens im Zusammenhang des Rechts zwischen den Staaten, das seinerseits als Aspekt des Naturrechts ausgegeben erschien. Damit er das Recht des Kriegs und des Friedens als den Souveränen übergeordnetes und ungesetztes Recht begründen konnte [32, Prolog, Nr-28], ging Grotius von der Annahme aus, dass die Souveräne überall in der Welt eine soziale Ordnung bildeten, in der, genauso wie in jeder innerstaatlichen Ordnung, Recht gelte [32, Prolog, Nrn-6, 8]. Dieses die Souveräne bindende ungesetzte Recht, das ohne deren Willen bestehe, leite sich ab aus „der Natur, göttlichen Befehlen, der Sitte und stillschweigenden Übereinkommen“ [32, Prolog, Nr-1]. Aus diesen vier Quellen der über den Souveränen bestehenden rechtlichen Ordnung speise sich auch das Recht des Kriegs und des Friedens, und folglich sei die Aussage falsch, dass es kein Recht des Kriegs geben könne. Das Recht der Natur, das seinerseits nicht direkt in göttlichem Willen, sondern in der gottgewollten Vernunft gründe, gebiete die Einhaltung gegebener Versprechen und eingegangener Verträge [32, Prolog, Nrn-1, 15; 16, S.-55]. Zwischen den Souveränen, die dieser sozialen Ordnung unterworfen seien, gelte zudem nicht nur das in der Vernunft gründende Naturrecht, sondern auch die Sammlung der durch wechselseitiges Einvernehmen zustande gekommenen Rechtssätze. Diese seien ausgerichtet nicht auf den Vorteil der einzelnen Souveräne, sondern der „großen Gesellschaft“ der Souveräne als ganzer [32, Prolog, Nr-17, 23; Kap.-I/ 1, §-14]. Dieses Recht zwischen den Staaten gelte für die Beziehungen zwischen allen oder doch den meisten Souveränen auch als kriegführenden Parteien. Grotius verwandte wie Suárez für dieses Recht die traditionelle Bezeichung Ius gentium, stellte es aber, ebenso wie Suárez, nicht unter, sondern neben das Natur- 190 Bedingungen der Friedlosigkeit und das Recht zum Krieg sowie-im Krieg (1618 - 1648/ 59) recht. Souveräne, die gegen das Naturrecht oder das Recht zwischen den Staaten handelten, gefährdeten daher den naturrechtlich gebotenen Frieden [32, Prolog, Nr-18]. Staaten sah Grotius folglich als feste, vom Naturrecht geschützte, dem Recht unterworfene Einrichtungen. Die Grenzen der Staaten selbst hingegen sah Grotius nicht von der Natur vorgepägt, sondern deren Ausdehnung unterliege menschlichem Entscheiden. Beispielsweise könnten Souveräne benachbarter Staaten freiwillig unter einander vereinbaren, einen Fluss als natürliche, das heißt von der Natur geschaffene Grenze anzuerkennen. Diese Vereinbarung sei aber kein Diktat der Natur. Käme sie zustande, bewege sich die Staatengrenze, wenn der Fluss einen Lauf ändere. Sie bleibe jedoch im alten Flussbett, wenn der Fluss durch menschliches Handeln wie etwa den Bau eines Damms umgeleitet werde [32, Kap.-II/ 3, §-16, Nr-2, §-17, Nr-1]. Die drei, „Bücher“ genannten Teile des Werks sind unterschiedlich lang und inhaltlich nicht kategorial getrennt. Im ersten „Buch“ nehmen Definitionen und allgemeine Erörterungen über das Recht als solches breiten Raum ein. Zugleich kommen in diesem wie den übrigen „Büchern“ auch Möglichkeiten rechtmäßigen Handelns bis hin zur Selbstversklavung ganzer Gentes im Krieg zur Sprache [32, Kap.-I/ 3], der Tötung von Kindern [32, Kap.-III/ 4, §-9] sowie Kriegsgefangenen [32, Kap.-III/ 4 §-10]. Das zweite „Buch“ thematisiert hauptsächlich die Bedingungen des rechtlich möglichen und moralisch vertretbaren Handelns im Krieg. Im dritten „Buch“ schließlich geht es um das lipsianische Gebot der Mäßigung des Handelns, dem sich Souveräne selbst unterwerfen sollten, und um die Voraussetzungen für die Beendigung von Kriegen durch Friedensschlüsse. Zwar kündigte Grotius im Prolog an, er werde vom gerechten Krieg handeln [32, Prol, Nr-33], bot aber, anders als Thomas von Aquin, keine umfassende Theorie des gerechten Kriegs. Denn ohnehin sei alles ungerecht, was gegen die Natur der aus Vernunftwesen bestehenden gesellschaftlichen Ordnung verstoße [32, Kap.-I/ 2]. Breiten Raum hingegen nehmen Darlegungen ein über das in Kriegen einerseits rechtlich mögliche, andererseits moralisch gebotene Handeln der Streitparteien. In Grotius’ Darstellung war der gerechte Krieg der unter der Herrschaft des Rechts des Kriegs stattfindende und dem moralischen Gebot der Wiederherstellung des Friedens gehorchende militärische Konflikt. Anders als es der Titel verheißt, bietet das Gesamtwerk zudem wenig Ausdrückliches zum Frieden, schon gar keine Theorie des ewigen Friedens, sondern ist überwiegend mit dem Krieg befasst. Grotius bezog mithin die ciceronianische Formel vom Recht des Kriegs und des Friedens in der Hauptsache auf den Krieg als Rechtsakt und das moralische Gebot, den Krieg so zu führen, dass die Wiederherstellung des Friedens stets möglich bleibe. Dieses moralische Gebot erhielt seine Bedeutung aus dem Umstand, dass es die kriegführenden Parteien zur Mäßigung anhalten und sie dazu bringen sollte, nicht alle Kriegsmittel einzusetzen, die das Recht des Kriegs erlaubte. Seine Darstellungsmethode folgte der La Ramées, vermittelt über Giacomo Zabarella (1533 - 1589) [86]. Er bot auf diese Weise eine Art System des Rechts zwischen den Staaten, das er in einzelne Bestandteile zerlegte und als für alle Zeiten dauerhaft ausgab. Deswegen konnte er auch ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Zeithorizonte Beispiele (Exempla) sowohl aus der biblischen als auch der alten griechischen und römischen Zeit sowie der eigenen Lebenszeit neben einander anführen. Dabei war er sich der Verschiedenheit der Zeithorizonte bewusst, ordnete diese aber seinem Bemühen um Erfassung der überzeitlichen Ordnung seines Systems unter. Ausgangspunkt der systematischen Darlegung des Rechts zwischen den Staaten war für Grotius die Feststellung, dass jeder Krieg der Sicherung des Friedens dienen, dass mithin die Wiedererrichtung des Friedens Ziel jedes Kriegs sein müsse [32, Kap.-I/ 1, §-1]. Gleichwohl bestand Grotius darauf, es gebe keinen Konflikt, der nicht zum Krieg führen könne. Folglich müsse Krieg umfassend bestimmt werden im Sinn Ciceros als der Zustand derjenigen, die Gewalt gegen einander gebrauchten [32, Kap.-I/ 1, §-2]. Grotius folgte auch der großen Tradition des Rechts des Kriegs und des Friedens mit der Aussage, dass nur diejenigen Kriege führen könnten, die dazu rechtmäßig befugt seien; diese Kriege seien „öffentliche“ Kriege [32, Kap.-I/ 3, §-1, III/ 3, §§-1, 2]. Hugo Grotius 191 Aber er ließ auch zu, dass als Kriege auch diejenigen militärischen Konflikte gelten müssten, die ohne rechtmäßige Kriegführungsbefugnis ausgetragen würden; diese seien „Privatkriege“ [32, Kap.-I/ 3, §-2]. Vordergründig nahm Grotius mit dieser Aussage seine im Gutachten von 1604 bereits geäußerte These wieder auf, dass die VOC im Indischen Ozean als nicht-staatlicher Souverän zur Kriegführung befugt und dass die von dort ihr geführten Kriege gerecht seien. Aber der Grund dafür, dass Grotius auf dem Einschluss der „Privatkriege“ in seine allgemeine Kriegsdefinition beharrte, lag an dieser Stelle tiefer. Denn er wollte mit seiner Bestimmung erreichen, dass er auch für die „Privatkriege“ das Recht im Krieg wie auch das Recht zum Krieg ohne Unterschied zu den „öffentlichen“ Kriegen geltend machen konnte. Beide Typen von Kriegen fänden im Einklang mit dem Naturrecht statt. Die Kernsätze des Rechts im Krieg, die Achtung der Unverletzlichkeit der Gesandten [32, Kap.-II/ 18] und die Bereitschaft, die Toten auch der gegnerischen Seite nach religiösem Ritual zu bestatten [32, Kap.-II/ 17], benannte Grotius als unabdingbare Verpflichtungen für alle Streitparteien im Krieg und leitete sie vom Naturrecht ab [31, Kap.-VI, S.-92]. Dennoch seien die „öffentlichen“ Kriege besonderen Förmlichkeiten unterworfen. So sei vor Beginn eines „öffentlichen“ Kriegs eine förmliche Erklärung erforderlich, die die Gründe für die Unterbrechung des Friedenszustands enthalte. Diese Erklärung sei erforderlich, es sei denn, der Krieg werde zur reinen Verteidigung gegen einen bereits stattfindenden Angriff begonnen [32, Kap.-III/ 3, §§-5, 6]. Für „öffentliche“ wie für „Privatkriege gelte jedoch die Bestimmung Augustins, dass nur die Wiedergutmachung erlittenen Unrechts im Verbund mit der Rückführung von Genommenem und der Bestrafung von Übeltätern Gründe für gerechte Kriege sein könnten [32, Kap.-II/ 1, §- 1, Nr- 4, §- 2, Nr- 2]. Deswegen könnten Räuberbanden weder „öffentliche“ noch „Privatkriege“ führen. Grotius wollte sich folglich nicht mit der im 16.-Jahrhundert aufgekommenen These anfreunden, alle Streitparteien könnten im Bewusstein handeln, für eine gerechte Sache Krieg zu führen. Allenfalls könnten die Rechtsfolgen eines Kriegs von allen Parteien als gerecht wahrgenommen werden, nicht jedoch der Krieg als solcher [32, Kap.-II/ 23, §-13]. Zu den Unrechtstatbeständen, die zu einem gerechten Krieg führen konnten, zählte Grotius auch den Bruch von Verträgen. Denn das Naturrecht sehe die allgemeine Verpflichtung zur Einhaltung aller eingegangen Versprechen, mithin auch Verträgen zwischen Souveränen, vor [32, Kap.-II/ 11, §§-1-3]. Grotius argumentierte damit gegen den Juristen Connanus, der eben diese naturrechtliche Bindewirkng eingeganener Verträge bestritten hatte [12, Kap.- I/ 6, Nr- 12, S.-21-22]. Zwar leitete sich aus diesen speziellen Übereinkommen für Grotius kein allgemeines, über diesen stehendes Recht ab, aber die Verträge könnten entweder schon bestehendes Naturrecht in die Form ausdrücklicher rechtlicher Verpflichtungen gießen oder zusätzliche Verpflichtungen in Ergänzung des Naturrechts festschreiben [32, Kap.-II/ 15, §-5]. Verträge könnten gleich sein in dem Sinn, dass sie für alle Parteien gleiche Rechte und Pflichten setzten, zum Beispiel in Bündnissen [32, Kap.-II/ 15, §-6, Nr-2], oder sie könnten ungleich sein in dem Sinn, dass sie nach Rang der Parteien verschiedene, nicht-reziproke Verpflichtungen enthielten [32, Kap.-II/ 5, §-7, Nr-1]. Verträge blieben auch im Kriegsfall gültig, die Einrede der sogenannten Clausula de rebus sic stantibus, dass mithin Verträge unter dem Vorbehalt gleichbleibender äußerer Bedingungen geschlossen seien, ließ Grotius nicht gelten; denn diese Klausel dürfe nicht stillschweigend als Bestandteil von Verträgen vorausgesetzt werden, sondern müsse, falls sie vereinbart worden, ausdrücklich im Text eines Vertrags niedergelegt sein [32, Kap.-II/ 15, §-25]. Verträge seien überdies auch gültig, wenn sie in Gefangenschaft einer Vertragspartei zustandegekommen waren [32, Kap.-III/ 20, §- 3]. Außerdem forderte Grotius, dass die zwischen souveränen Herrschaftsträgern geschlossenen Verträge auch für Amtsnachfolger und Erben bindend bleiben sollten [32, Kap.-II/ XIV, Nr-10; Kap.-III/ 20, §-6], und folgte darin der seit Mitte des 15.-Jahrhunderts üblichen Rechtspraxis [65]. Sie seien selbstverständlich auch zwischen Angehörigen verschiedener Religionen bindend, wenn sie dem für alle Menschen gültigen Recht der Natur folg- 192 Bedingungen der Friedlosigkeit und das Recht zum Krieg sowie-im Krieg (1618 - 1648/ 59) ten [32, Kap.- II/ 15, §- 8]. Zugleich formulierte Grotius auch Bedingungen, unter denen der Rechtssatz Pacta sunt servanda keine Anwendung finden sollte. Wichtigste dieser Bedingungen war der Verstoß gegen das schon im spätrömischen Privatrecht festgelegte Gebot der Freiwilligkeit des Vertragsschlusses [32, Kap.-I/ 1, §-14]. Grotius zufolge waren zwischenstaatliche Verträge, die durch Zwang zustande gekommen waren, vom Rechtssatz Pacta sunt servanda eximiert. Ein solcher Verstoß lag jedoch bei Abschluss von Verträgen in Gefangenschaft nicht vor, da der gefangene Souverän sich freiwillig entschied, die Gefangenschaft auf diesem Weg zu beenden. Deutlich wird, dass Grotius das Formular der einheitlichen, schriftlichen, von allen Parteien unterzeichneten und gültig gesetzten Vertragsurkunde vor Augen hatte, also keine formal getrennten, aber inhaltlich auf einander bezogenen Willenserklärungen. Zudem ging er von der Voraussetzung aus, dass nur vertraglich vereinbart sei, was im Vertragstext ausdrücklich erwähnt wurde. Mit seiner Festlegung, dass nur freiwillige Verträge rechtswirksam, erzwungene Verträge hingegen unwirksam seien, knüpfte Grotius an die Rechtslehre des 14.-Jahrhunderts an und trennte zugleich das Recht der zwischenstaatlichen Verträge als das freiwillige Recht zwischen den Staaten (ius gentium voluntarium) ab vom natürlichen Recht zwischen den Staaten (ius gentium naturale). Grotius verblieb ganz in dem durch Augustinus und Thomas von Aquin geprägten Abfolgeparadigma, das den Krieg als Folge sündigen, den Frieden brechenden menschlichen Handelns bestimmte und auf die Wiederherstellung des Friedens orientierte [31, Kap.- VI, S.- 136]. Nur Kriege, die innerhalb dieses Abfolgeparadigmas stattfanden, konnten, Grotius zufolge, gerecht sein. Das Recht zwischen den Staaten sollte alle Typen rechtmäßig zur Kriegführung befugter Streitparteien binden, ohne Begrenzung auf eine Religion, auf einen bestimmten Teil der Welt und auf staatliche Souveräne. Das Recht des Kriegs und des Friedens trug Bestandteile des Naturrechts in sich, war aber zugleich freiwilliges, von Menschen gesetztes, wenn auch in der Regel ungeschriebenes Recht. Es war als Recht zwischen den Staaten auch für nicht-staatliche Souveräne jenseits des europäischen Staatensystems anwendbar. Grotius beschrieb in weiten Teilen seines Werks oft in bedrückender Vielfalt militärischer Gewaltakte, die er als konform mit dem Recht im Krieg anerkannte. Aber diese Listen der in Grotius’ Sicht legalen militärischen Gewaltakte mündeten, insbesondere im dritten „Buch“, in die moralischen Gebote, dass die Streitparteien auch während des Kriegs den guten Glauben an einander beibehalten [32, Kap.-III/ 19-21] und sich im Einsatz ihrer Kriegsmittel mäßigen sollten [32, Kap.-II/ 24, §§-1-5; III/ 11]. Denn nur unter der Voraussetzung der Einhaltung dieser Gebote sei die Wiedererrichtung des Friedens möglich. Grotius lehnte mithin die Diskriminierung eines Kriegsgegners zu einer unmoralischen Streitpartei ab, obwohl Theoretiker des internationalen Rechts im frühen 20.-Jahrhundert seine Aussage gegenteilig deuteten [78], und legte seinem Werk die Kernaussage zugrunde, dass Lipsius’ Ethik der Mäßigung die beste Grundlage für die Wiederherstellung des Friedens unter sich wechselseitig achtenden Kriegsgegnern sei. Ausdrücklich lehnte er daher mit Wendung gegen Bartolus den Kampf um Weltherrschaft als Grund eines gerechten Kriegs ab [32, Kap.-II/ 22, §-13]. Zwar griff Grotius’ Werk über das Recht des Kriegs und des Friedens weit über die thematischen Rahmen seiner früheren Schriften hinaus, darf dennoch nicht von den Ereignissen in Grotius’ niederländischer Heimat isoliert gelesen werden. Sein weiter Kriegsbegriff, der Umstand, dass er mit viel argumentativem Aufwand, das heißt im Wissen um Gegenmeinungen, den „Privatkrieg“ als rechtmäßigen Krieg zuließ, sowie seine Großzügigleit in der Anerkennung einer Mehrzahl von Typen souveräner und damit zur Kriegführung befugter Herrschaftsträger sind nur zu erklären unter Einbezug der im Jahr 1625 noch nicht gefestigten staatsrechtlichen Stellung den Generalstaaten der Niederlande und der damals noch nicht allgemein anerkannten Befugnis der Fernhandelskompanien, als Souveräne außerhalb Europas Krieg führen und Frieden schließen zu können. Zwar hatte Grotius’ Werk auf den Gang des „Dreißigjährigen Zusammenfassung 193 Kriegs“ keine direkte Wirkung, auch wenn König Gustav Adolf von Schweden in dem Werk gelesen haben soll [24, §- 3, S.- 3]. Aber seine der systematischen Methode der Darstellung des Rechts zwischen den Staaten fand starken Wiederhall, auch wenn die päpstliche Kurie es auf den Index der verbotenen Bücher setzte [34, S.-409]. Grotius’ Werk wurde schon im 17.-Jahrhundert zum Gegenstand zahlreicher Kommentare und ist bis heute ein oft benutztes Handbuch des internationalen Rechts geblieben [4; 55]. Andere Theoretiker arbeiteten selbständig auf der Grundlage von Grotius’ Theorien. Der Richter Richard Zouche (um 1590 - 1661) übernahm Grotius’ Begriffsbildung in den Titel seines im Jahr 1651 erschienenen Kompendiums des Rechts zwischen den Staaten [87]. Die Titelwörter „Recht der Fetialen oder Recht zwischen den Staaten“ (Ius feciale sive ius inter gentes) knüpfte nicht an Cicero, sondern an die Überlieferung älteren römischen Rechts durch Livius an, setzte aber ausdrücklich das Fetialrecht mit dem Recht zwischen den Staaten gleich. Zouche verwandte zum ersten Mal die Formel „Recht zwischen den Staaten“ als Buchtitel, begann aber, anders als Grotius, sein Werk mit einer Darlegung des Rechts des Friedens. Zusammenfassung Die Friedlosigkeit Europas in der ersten Hälfte des 17.-Jahrhunderts war also weder durch einen Mangel an theoretischer Friedensprogrammatik bedingt noch durch gelehrte Geringschätzung des Rechts zwischen den Staaten. Die These der neueren historischen Forschung, dass der „Dreißigjährige Krieg“ ein Staatenbildungskrieg und die damalige Friedlosigkeit Europas Folge angeblicher Defizite an Legitimität (Befugnis der Souveräne zu rechtmäßigem Handeln), Egalität (Gleichheit) und Institutionalität (geordnete Herrschafts- und Verwaltungsapparate) von Staaten gewesen sei [8], ist nicht begründbar. Vor, während und nach dem „Dreißigjährigen“ Krieg bestand hingegen eine ausgeprägte Legitimitätstheorie, die die Befugnis souveräner Herrschaftsträger zur Kriegführung breit ausfächerte. Da diese Legitimitätstheorie sowohl in die Ideologien zur Begründung militärischer Konflikte als gerechter Kriege als auch in die Verhandlungen über Friedensschlüsse einfloss, war sie kein bloß akademisches Gedankengebäude, sondern Element herrschaftlicher Praxis. Über die Frage, ob Souveräne gleich sein sollten, bestand hingegen in der Tat weder unter Theoretikern des Rechts noch unter Praktikern der Herrschaft Konsens. Aber nicht der Streit um Antworten auf die theoretische Frage, ob alle Souveräne unter einander rechtlich gleich sein sollten oder nicht, führte direkt in den „Dreißigjährigen Krieg“, sondern die Frage, wer mit welchen Befugnissen wo legitim herrschen konnte. Zwar waren nicht alle Staaten unangefochtene politische Gemeinschaften, insbesondere nicht diejenigen, deren Herrschaftsträger, wie die niederländischen Rebellen oder die Schweizer Eidgenossen oder vielleicht kurzzeitig auch einige böhmische Adlige, um ihre Anerkennung als Souveräne rangen. Aber den Anspruch auf Anerkennung als souveräne Gesetzgeber konnten Herrschaftsträger schlechterdings nicht erheben, wenn sie über keine gefestigten bürokratischen Herrschaftsapparate verfügten. Denn nur solche Herrschaftsapparate ermöglichten die Mobilisierung der zur Kriegführung erforderlichen finanziellen Mittel und Truppenverbände. Der „Dreißigjährige Krieg“ und die parallel mit ihm verlaufenden militärischen Konflikte führten zudem nicht zur Bildung neuer Staaten, weder innerhalb des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation noch an dessen Peripherie. Sowohl für die Schweizer Eidgenossenschaft als auch für die nördlichen Niederlande griffen die in den Verträgen von 1648 niedergelegten Bestätigungen der Befugnis zur selbständigen Gesetzgebung auf das alte, schon im 8.-Jahrhundert oft erteilte Privileg des Zutrittsverbots für Gerichtsherrn und Herrschaftsträger (Immunität durch Introitusverbot) zurück. Die Zusicherung dieses Privilegs war die Antwort des Römischen Kaisers und des Königs von Spanien auf die Klage der Schweizer Eidgenossen und der niederländischen Rebellen, 194 Bedingungen der Friedlosigkeit und das Recht zum Krieg sowie-im Krieg (1618 - 1648/ 59) ihre alten Recht seien verletzt worden. Diese Klagen wie auch die letztlich erfolgten Zugeständnisse setzten voraus, dass die politischen Gemeinschaften als Staaten verstanden wurden, die bereits lange vor Beginn des „Dreißigjährigen Kriegs“ bestanden zu haben schienen. Die böhmischen Rebellen benutzten eine andere Argumentation. Sie reklamierten für sich das Recht zur freien Wahl ihres Königs. Die Habsburger als inoffizielle kaiserliche Dynastie konnten diesen Widerstand als Verstoß gegen eine angeblich unabänderbare Thronfolgeordnung im Sinn von Bodins „loi fondamentale“ ausgeben und gegen diesen für illegitim erklärten Widerstand militärisch erfolgreich einschreiten. In Böhmen bestand über die Frage nach der Anerkennung der selbständigen Gesetzgebungsbefugnis des Königs kein Streit. Die Begründungen für diejenigen militärischen Entscheidungen, die zum Beginn und zur Fortdauer des „Dreißigjährigen Kriegs“ führten, folgten hingegen ganz dem augustinischen Abfolgeparadigma von Frieden, Krieg und wieder Frieden. Darin erschien die rechtmäßige Anwendung militärischer Gewalt mit dem Argument möglich, frühere Rechte seien verletzt worden. Die Wiederherstellung des Friedens war folglich für die Schweizer Eidgenossen, für die niederländischen Rebellen wie für die am Krieg beteiligten Herrschaftsträger innerhalb und außerhalb des Reichs identisch mit der Bestätigung der als bestehend ausgegebenen Staatlichkeit der ihrer Kontrolle unterstehenden politischen Gemeinschaften. Unter den am Krieg beteiligten Streitparteien fand folglich keine Staatsbildung statt. Gleichwohl trug der Krieg nicht nur zur weiteren Begrenzung der Zahl der zur Kriegführung befugten Parteien bei, sondern verringerte auch die Zahl derjenigen Herrschaftsträger, die ihr Recht zum Krieg angesichts der hohen Belastung durch die Kosten der Kriegführung wahrnehmen konnten [63]. Herrschaftsträger im Reich, die über kleinere Gebiete geboten, begannen sich daher, um Herrscher über größere Gebiete zu scharen, wenn sie sich nicht gleich als Kommandeure oder militärische Unternehmer in die Dienste dieser Herrscher nehmen ließen. So änderte der „Dreißigjährige Krieg“ an der Gemengelage der Staaten wenig, führte aber einerseits zur Intensivierung der Herrschaft der Souveräne über die unter ihrer Kontrolle stehenden Gebiete und trug andererseits dazu bei, die Hierarchie der Ränge der Souveräne zu vertiefen. Über die Frage, wer wo wieviel über wen zu sagen hatte, ließ sich mit Inbrunst gewaltsam streiten. Die Verträge von Münster und Osnabrück schufen mit der Beendigung dieses Streits einen für ungefähr 150 Jahre tragfähigen Kompromiss. Danach waren der Kaiser und die Könige in der Umgebung des Reichs unter einander gleich und doch blieb der Kaiser den Ständen als Souveränen innerhalb des Reichs in dem einen Aspekt übergeordnet, dass er allein rechtlich bindend für das Reich als ganzes handeln konnte. Die Verträge von Münster und Osnabrück begründeten also das Reichsrecht als das über den Ständen als Staaten stehende Recht. Dieses die Unter- und Überordnung der Souveräne gewährleistende Reichsrecht war mit dem die Anerkennung rechtlicher Gleichheit einfordernden Souveränitätsbegriff Bodins unvereinbar, wie schon Zeitgenossen um die Mitte des 17.-Jahrhunderts erkannten [11, S.-25, 40, 50]. Aber es garantierte den Fortbestand des Reichs und behinderte die über die Grenzen des Reichs hinausgehenden Beziehungen der Souveräne nicht. 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Vertrag Dänemark-- Römischer Kaiser und Heiliges Römisches Reich, Lübeck, 22.-Mai 1629, in: Literaturnachweise 199 Jean Dumont, Baron von Careels-Cron, Corps diplomatique universel, Bd- 5, Teil- 2, Den Haag 1728, S.-584-586. 71. Vertrag Römischer Kaiser und Heiliges Römisches Reich-- Schweden, Prag, 30.-Mai 1635, in: Jean Dumont, Baron von Careels-Cron, Corps diplomatique universel, Bd-6, Teil-1. Den Haag 1728, S.-88-99. 72. Vertrag Generalstaaten der Niederlande- - Spanien, Münster, 30.- Januar 1648. Druck Münster 1648 [Stadtarchiv Münster 2 EUG 300-046]; auch in: CTS, Bd-1, S.-3-69; Teildruck in: Fontes historiae juris gentium, hrsg. von Wilhelm Carl Georg Grewe, Bd- 2. Berlin und New York, 1992, S.-418-423. 73. Vertrag Frankreich-- Römischer Kaiser und Römisches Reich [Instrumentum Pacis Monasteriense], Münster, 24.-Oktober 1648, hrsg. von Antje Oschmann, Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden, Teil- 1: Urkunden (Acta Pacis Westphaliae. Series III, Abteilung B, Bd- 1). 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Kapitel VII Nur noch die Vielen Abschied vom Glauben an die Möglichkeit von Weltherrschaft (1648/ 59 - 1714) Eine Beschreibung des „Zustands“ des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation Knapp zwanzig Jahre nach den Verträgen von Münster und Osnabrück kleidete der Jurist und Historiker Samuel von Pufendorf (1632 - 1694) eine Beschreibung der Herrschaftsordnung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation in einen fiktiven Reisebericht. Dazu schlüpfte er in die Rolle eines Veronesers namens Severinus de Monzambano, der seinem angeblichen Bruder Laelius die Seltsamkeiten der Herrschaftsordnung des Reichs erläuterte. Die Vorspiegelung veronesischer Identität wählte er offenbar nicht zufällig, lag die Stadt Verona doch auf venezianischem Gebiet und galt Venedig seit dem 14.-Jahrhundert nicht mehr als zum Reich gehörend [75, Kap.-XII, S.-233], spätestens seit der Wende zum 16.-Jahrhundert sogar als Widersacher des Kaisers. Pufendorf ging seine Beschreibung historisch an, legte dar, wie sich das Herrschaftszentrum des Reichs aus Italien in Gebiete jenseits der Alpen verlagert habe, und stellte gleich zu Anfang des Berichts klar, dass dieses Reich eine falsche offizlelle Bezeichnung trage. Es sei der „neuzeitliche Staat der Deutschen“ und habe mit dem alten Reich der Römer nichts zu tun. Es sei daher ein Irrtum zu glauben, schrieb er, dass das alte Reich der Römer noch fortbestehe. Im Gegenteil, dasjenige Reich, dessen Hauptstadt dereinst Rom gewesen sei, sei zerstört worden. Schon der Frankenkönig Karl habe keine weiteren Herrschaftsbefugnisse besessen als diejenigen eines Schutzherrn der ehemaligen Haupstadt Rom [100, Kap.- I/ 14, S.-45-46]. Dieser deutsche Staat sei zwischen die europäischen Staaten gestellt und durch sie begrenzt, meinte Pufendorf ebenso wie sein Zeitgenosse Hermann Conring [19, Kap.- XIX, S.-339; 100, Kap.-II/ 1, S.-48]. Es sei absurd, die Macht und die Herrschaftsbefugnisse des Kaisers nach der Traumvision Daniels oder nach dem römischen Recht zu bestimmen. Die Behauptung, der Kaiser als Weltherrscher habe niemandem als Gott über sich, sei eitles Geschwätz, das schon die Niederländer durch ihre Rebellion als solches entlarvt hätten [100, Kap.-VI/ 6, S.-121]. Der Kaiser, so argumentierten Pufendorf wie schon vor ihm Bartolus, aber ebenso wie sein Zeitgenosse, der Jurist Christian Thomasius (1655 - 1728) in Halle, habe seine Macht selbst eingeschränkt durch die Vergabe von Selbständigkeitsprivilegien an andere Herrschaftsträger, und die Empfänger dieser Privilegien hätten eigenmächtig diese in erbliche Rechtstitel umgewandelt. Daher könne der Kaiser keinen Anspruch auf Weltherrschaft mehr geltend machen [100, Kap.- IIII/ 4, S.- 70; 128, S.- 80-83]. Dennoch sei das Reich keine bloße Adelsrepublik, behauptete Pufendorf wie schon der Gießener Jurist, zuletzt Kanzler des dänischen Königs, Theodor Reinkingk (1590 - 1664) [100, Kap.-VI/ 6, S.-121; 113, Kap.-I/ 2, S.-42-43]. Denn eine solche Republik erfordere einen Senat als obersten Herrschaftsträger, das Reich aber sei ein monarchischer Staat, über den der Kaiser zwar gebiete, jedoch nicht wie ein Weltherrscher [100, Kap.- VI/ 5, S.- 119]. Folglich habe das Reich eine irreguläre Staatsform [100, Kap.-III/ 1, S.-67; 106, Kap.-VII/ 5, §-15, S.-712-714] und sei wie ein Monster [100, Kap.-VI/ 1, S.-116; Kap.-VI/ 9, S.-126-127]. Diese vermeintliche Unregelmäßigkeit der Herrschaftsordnung des Reichs diagnostizierte Pufendorf nach Maßgabe der überlieferten, auf Aristoteles zurück- „Zustand“ des Heiligen Römischen Reichs 201 gehenden schematischen Einteilung der Staatsformen in Monarchien, Aristokratien und Demokratien. Pufendorf lieferte eine auf Aspekte der Herrschaftsordnung konzentrierte Staatsbeschreibung, wie sie in der zweiten Hälfte des 17.- Jahrhunderts Mode wurde [22]. Er behandelte das Reich, als wäre es ein Staat wie jeder andere, und zeigte die, seiner Meinung nach historisch zu erklärenden Unregelmäßigkeiten der Herrschaftsordnung dieses Staats, gemessen an der reinen, aristotelischen Theorie der Politik. Den Staat bestimmte Pufendorf als Ordnung, in der ein Herrschaftsträger auf abgegrenztem Gebiet mit Zustimmung der Beherrschten legitim Kontrolle ausübe [106, Kap.-VII/ 2, Nrn-1-16, S.-660-676]. Das Reich als Staat konnte Pufendorf jedoch nur dadurch vom alten Römischen Reich mit Anspruch auf Weltherrschaft trennen, indem er letzteres als untergegangen betrachtete, mithin den Wandel der Herrschaftsordnung als Möglichkeit annahm. Mit dieser Annahme erregte Pufendorf Widerspruch unter seinen Zeitgenossen, die zwar nicht die Staatlichkeit des Reichs in Abrede stellten, wohl aber dessen Vergänglichkeit [7, S.-3; 76]. Im Zentrum von Pufendorfs Interesse standen die Staaten Europas, nicht-staatliche Souveräne, die als solche wie die Fernhandelskompanien nur außerhalb Europas agierten, kannte er, schloss sie aber aus seiner Betrachtung aus [106, Kap.-I/ 13, S.-9]. Die Staaten Europas konnten, in Pufendorfs Sicht, unter einander Bündnisse eingehen und aus mehreren Teilen zusammengesetzt sein. Pufendorf nannte diese Bündnisse oder zusammengesetzten Staaten „Systeme“. Das Reich ließ er aber nicht als „System“ gelten [105, S.- 226-283; 106, Kap.- VII/ 5, Nrn- 16-211, S.-712-720; 45, Kap.-I/ 3, §-7, Nr-2]. In Pufendorfs Texten stehen für den Begriff des Staats die lateinischen Wörter Civitas und Res publica. Zusätzlich benutzte er, wie auch andere Juristen des späteren 17.-Jahrhunderts [5] auch das erst seit dem 16.-Jahrhundert in Mode gekommene Wort Status, die Wurzel für das Wort Staat und dessen Varianten in den verschiedenen nord-, west- und südeuropäischen Sprachen. Pufendorf setzte dieses Wort in dreifacher Bedeutung ein. Als Singular bezeichnete das Wort für ihn, wie schon im klassischen Latein und auch für einige seiner Zeitgenossen, den historisch gewordenen, aber auf Dauer angelegten Zustand [100, Kap.-II/ 2, S.-49; 40], in dem sich ein Staat befindet; im Plural hingegen stand das Wort neben dem Wort „Ordines“ für die mit selbständiger Gesetzgebungsbefugnis ausgestatteten Herrschaftsträger des Reichs, mithin die Stände [100, Kap.-II/ 13, S.-63; 7, S.-5; 40, S.-343-369], sowie auch für das Reich und die Staaten in Europa. Nach Pufendorfs eigenen Worten war das Reich mithin ein „Staat“, hatte „Staat“ als seinen Zustand und bestand aus „Staaten“ als seinen Angehörigen. Die Beschreibung des ihm zeitgenössischen Reichs als beständigen „Staat“ stand scheinbar Pufendorfs Behauptung entgegen, dass dieses Reich nicht identisch mit dem Reich der alten Römer und also historisch geworden sei. Diesen scheinbare Widerspruch löste Pufendorf, indem er dem alten Reich der Römer den Anspruch auf Weltherrschaft zuschrieb und ihm folglich den „Zustand“ als „Staat“ verweigerte. Als „Staat“ mochte das Pufendorf zeitgenössische Reich nicht ewig, aber doch dauerhaft sein; und in dieser Eigenschaft unterschied es sich nicht von den übrigen Staaten. Da Pufendorf die Perspektive eines Veronesers einnahm, für den es in Bezug auf seine vermeintliche Heimatstadt derlei Schwierigkeiten mit der Bestimmung ihres „Zustands“ nicht gab, machte er sein Bekenntnis zur Monstrosität des Reichs an der Vielzahl der Bedeutungen des Worts Staat für das Reich und die in ihm vorhandenen Herrschaftsträger fest. Eine politische Gemeinschaft, die gleichzeitig „Staat“ war und aus „Staaten“ bestand, konnte sachwerlich regulär sein. Pufendorfs Botschaft kam an [33; 47]. Seine Schrift erregte Aufsehen und Kritik, so viel, dass er unter seinem persönlichen Namen zwei Verteidigungsschriften folgen ließ, sich später von der Bezeichnung des Reichs als Monster distanzierte und sich zur Autorschaft der Schrift bekannte [102; 103; 101]. Die Verträge von Münster und Osnabrück, vom Jüngsten Reichsabschied von 1654 zum Reichsgrundgesetz erhoben und dadurch zum unabänderbaren Bestand der allgemeinen, die 202 Nur noch die VielenAbschied vom Glauben an die Möglichkeit von Weltherrschaft (1648/ 59 - 1714) „Staats-Verfassung“ [95, Kap.-IV/ 4, S.-46] des Reichs bestimmenden Gesetze erhoben, gaben die Grundlage ab für eine Gelehrtendebatte über die Herrschaftsordnung des Reichs und dessen Stellung im europäischen Staatensystem. Diese Debatte dauerte bis zum Ende des 18.-Jahrhunderts fort, beherrschte die Rechtswissenschaft im Reich [123, Bd-1, S.-225-267] und behandelte in der Hauptsache Fragen nach dem Begriff der Souveränität. Die Debatte setzte, anders als das juristische und politiktheoretische Schrifttum des 20.-Jahrhunderts behauptet [44; 87], die Souveränität der Staaten als gegeben voraus, die mithin keine neue Errungenschaft des durch die Verträge von Münster und Osnabrück mitgeprägten europäischen Staatensystems war. Die Debatte war keine Angelegenheit weltferner Wissenschaft, sondern wirkte weit in den praktischen Gebrauch des Rechts des Kriegs und des Friedens. Pufendorf selbst war Teilnehmer an dieser Debatte. Die Kernaussage in seiner Beschreibung des „Zustands“ des Reichs bestand in der Behauptung, dass das Reich ein Staat sei, der nicht auf Geheiß Gottes, sondern mit Zustimmung der Beherrschten errichtet worden sein sollte. Er bestehe ohne Bindung an Herrschaft tragende Personen, sei mithin ein Komplex von Herrschaftsämtern, die die Lebenszeit ihrer jeweiligen Inhaber überdauere. Pufendorf setzte damit die lange Dauer des Reichs wie jedes anderen Staats als gegebene Tatsache voraus [100, Kap.-II/ 1, S.-48-49]. Weder das Reich noch sonst irgendein Staat im europäischen System standen, der Rechtstheorie nach, zur Disposition der Politik während eines Kriegs oder bei Verhandlungen für einen Frieden. Auch der Philosoph Gottfried-Wilhelm Leibniz (1464 - 1716), der wie Pufendorf bei dem Mathematiker Erhard Weigel (1625 - 1699) studiert hatte, vertrat wenige Jahre nach Pufendorf in seiner Denkschrift von 1670 über die Sicherheit des Reichs dieselbe Auffassung, indem er das Reich definierte als „ein Land, so vor sich selbst bestehet, und in deßen Macht ist glückselig zu seyn, wenn es will“ [77, S.-133]. Diese Glückseligkeit gelte es durch politische Entscheidungen zu gewährleisten, die „Europa in die balance“ zurückführen und so zu „friede und ruhe“ beitragen könnten [77, S.-214]. Leibniz setzte also im Sinn der Friedenslehren des späteren 17.-Jahrhunderts [98, S.-130] Glückseligkeit und Gleichgewicht mit Beständigkeit gleich. Das Reich, schrieb Leibniz an anderer Stelle [78, S.-53-54], sei wie jeder andere Staat der Ort, an durch die Gewährung von Sicherheit das Zusammenleben der Menschen auf der Grundlage der rechtlichen Regelung der für sie gemeinsamen Belange möglich sei. Den Herrschaftsträgern in den Staaten obliege die Befugnis zur Setzung des Rechts, sie übten durch Gesetzgebung und das Recht zum Krieg die Landeshoheit (superioritas territorialis) aus. Diese Landeshoheit eigne allen Ständen und Staaten als Angehörigen des Reichs. Sie sei ein „Supremat“ oder, französisch gesprochen, „la Souveraineté“ [78, S.-52, 55, 56]. Leibniz setzte also ausdrücklich nicht nur Landeshoheit und Souveränität gleich, sondern auch die Reichsstände mit den übrigen Staaten Europas. Mit diesen beiden Gleichsetzungen führte Leibniz die Begriffsbildung der Rechtstheorie des 13. und 14.-Jahrhunderts fort, die die Gesetzgebung als zentrales Merkmal der Souveränität bestimmt hatte. Er wandte sich aber auch gegen die Auffassung Bodins, dass Souveränität nur den ranghöchsten Herrschaftsträgern zukommen könne. Da zweifelsfrei Reichsstände jeder Größe die Befugnis zur selbständigen Gesetzgebung besaßen, von den Herrschern über große Gebiete bis zu Reichsstädten und reichsunmittelbaren Klöstern, zugleich aber den Kaiser als Oberherrn im Reich anerkannten, war in Leibniz’ Interpretation wie schon im früheren 17.- Jahrhundert der Gebrauch des Souveränitätsbegriffs vereinbar mit der Anerkennung von Hierarchien unter Herrschaftsträgern. Anders gesagt: wer im 17. und frühen 18.-Jahrhundert von Souveränität oder Landeshoheit sprach, assoziierte, anders als Staatstheoretiker des 19.-Jahrhunderts [62, S.-394-434] sowie Politik- und Rechtshistoriker des 20. und 21.-Jahrhunderts [13; 54, S.-5], Souveränität nicht notwendigerweise mit Unabhängigkeit. Denn Unabhängigkeit war ein Begriff, der Staatensukzession, also das Kommen und Gehen von Staaten und die Aufhebung rechtmäßig bestehender Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Staaten als Möglichkeit voraussetzte und deswegen mit den stabilitätsorientierten Theorien und des Rechts in dieser Zeit unvereinbar war. Das Recht der Herrscher und das Recht der Staaten 203 Das Recht der Herrscher und das Recht der Staaten Gleichwohl stand die Auffassung, dass in Staaten Ämter zur Ausübung von Herrschaft zu trennen seien von ihren jeweiligen Amtsträgern, stand nicht nur den Grundsätzen der zeitgenössischen Außenpolitik entgegen, sondern auch derjenigen Theorie, die Herrschaft als persönliches Recht der Herrscher sowie der diese umgebenden Verwandtengruppen bestimmte und eine Verfügungsgewalt des Herrschers über den Staat als ganzen behauptete. In der zweiten Hälfte des 17.-Jahrhunderts fand diese Theorie in der französischen Diplomatie die häufigste Anwendung und diente wiederholt als Basis für Kriegsbegründungen. Aufgrund des Pyrenäenfriedens von 1659 bestanden mit der Ehe Ludwigs XIV. und der Maria Theresia, Tochter Philipps IV. aus dessen erster Ehe, Heiratsverbindungen zwischen der in Frankreich herrschenden Dynastie der Bourbonen und den in den österreichischen Erblanden mit Wien als Zentrum, im Reich, in Spanien und dessen Nebenländern herrschenden Habsburgern. Seit 1665 war nach spanischem Thronfolgerecht der minderjährige, kranke Karl II. (1665 - 1700) König von Spanien, aus der zweiten Ehe seines Vaters Philipps IV. Die französische Diplomatie konstruierte aus diesem Verwandtschaftsverhältnis das sogenannte Devolutionsrecht, also die Behauptung, Ludwig XIV. sei als Gemahl der Maria Theresia zur Ausübung der ihr, nicht Karl II. zustehenden rechtmäßigen Herrschaft über die nördlich an Frankreich angrenzenden spanischen Niederlande befugt. Die französische Diplomatie stellte mithin Dynastenrecht über Staatsrecht und verlangte, dass der spanische König auf seine Herrschaft über die Niederlande zugunsten des französischen Königs verzichte. Als die spanische Seite sich dieser Forderung widersetzte, erklärte Frankreich im Jahr 1667 den Krieg. Die französische Armee konnte Teile des Hennegaus und Flanderns sowie die von französischem Gebiet umschlossene, aber spanisch beherrschte Freigrafschaft Burgund erobern. Im Frieden von Aachen vom 2.-Mai 1668 [135] erhielt Spanien die Freigrafschaft Burgund zurück, musste aber die französisch besetzten Gebiete der Niederlande räumen. In diesem sogenannten „Devolutionskrieg“ verhüllte der Rückgriff auf das Dynastenrecht nur notdürftig das Streben nach Ausdehnung der Herrschaft des französischen Königs zu Lasten Spaniens und verdeutlichte dadurch, dass der französischen Diplomatie bessere Argumente im Sinn des überkommenen Rechts des Kriegs und des Friedens nicht zur Verfügung standen. Doch diese 1668 getroffene Regelung hatte keinen Bestand, da bereits kurz nach dem Friedensschluss die französische Seite erneut ihre Ansprüche mit Waffengewalt vertrat. Im Jahr 1672 begann Ludwig XIV., verbündet mit Großbritannien, Schweden, dem Bistum Lüttich und dem Bistum Münster, letzteres ein Reichsstand, Krieg gegen die nördlichen Niederlande mit dem Ziel, französische Herrschaft zu Lasten der Habsburger zu erweitern. Dieser Krieg endete mit sechs im niederländischen Nimwegen sowie einem in Celle in den Jahren 1678 und 1679 geschlossenen Friedensverträgen [138; 139; 140; 143; 144; 146; 141], die dem französischen König die Herrschaft über die Freigrafschaft Burgund, außerdem über das Elsass, Lothringen und das vorderösterreichische Freiburg im Breisgau einbrachten. Die französische Armee war zur militärischen Vormacht Europas geworden und diente Ludwig XIV. als wichtigstes Mittel zur Expansion seiner Herrschaft zu Lasten der Habsburger und deren Verbündeten. Im Jahr 1688 machte er wiederum Erbansprüche dynastischer Art geltend, dieses Mal gegenüber der Pfalz. Als auch diese Ansprüche zurückgewiesen wurden, ließ der König die Pfalz besetzen. Gegen die französische Invasion bildete sich eine in Augsburg geschlossene Allianz aus Kaiser Leopold I. (1657 - 1705), Karl II. von Spanien, den Mitgliedern des Oberrheinischen Reichskreises und dem der Dynastie der Wittelsbacher angehörenden König Karl XI. von Schweden (1660 - 1697). Dem Bündnis trat im folgenden Jahr 1689 Wilhelm von Oranien, der Statthalter der Niederlande, bei, der gerade zum König von Großbritannien gewählt worden war. Durch das Bündnis weitete sich der als Pfälzischer Erbfolgekrieg oder auch als Neunjähriger Krieg bekannt gewordene Konflikt über die Grenzen des europäischen Staatensystems hinaus aus, da er auch die zwischen- 204 Nur noch die VielenAbschied vom Glauben an die Möglichkeit von Weltherrschaft (1648/ 59 - 1714) zeitlich entstandenen Stützpunkte der europäischen Fernhandelskompanien in Süd- und Südostasien in Mitleidenschaft zog. Der Friedensschluss von Rijkswijk vom 20.- September und 30.-Oktober 1697 beendete diesen Krieg, wiederum durch eine Serie zweiseitiger Verträge zwischen den Kriegsparteien Frankreich, Großbritannien, Generalstaaten der Niederlande, dem Reich und Spanien. Für Ludwig XIV. war dieser Krieg verlustreich. Er musste die im Kriegsverlauf in den Niederlanden und im Reich rechts des Rheins unter französische Kontrolle gefallenen Gebiete räumen, die Königsherrschaft Wilhelms von Oranien in Großbritannien gegen den im französischen Exil lebenden britischen Prätendenten anerkennen und versichern, nichts gegen den britischen König zu unternehmen. Den von der VOC während des Kriegs besetzten Stützpunkt Pondichéry erhielt Ludwig XIV. für die französische Ostindische Kompanie zurück [150; 151; 152; 153]. Aber das Königreich Frankreich war mit Ausnahme der kleinen Gebiete um Montbéliard (Mömpelgard), das unter württembergischer Herrschaft stand, und um Avignon und das Venaissin, die der Papst kontrollierte, ein in sich geschlossenes Gebiet zwischen den Pyrenäen, dem Mittelmeer, dem Atlantik und dem Rhein geworden. Französische Theoretiker konnten also die Parole ausgeben, Berge, Flüsse und Meeresküsten als Naturphänomene dienten als Grenzen des Königreichs und seien somit keine von Menschenhand willkürlich gezogenen Linien. Diese Grenzen schienen dem Diktat der Natur zu folgen und keiner rechtlichen Anerkennung durch Herrschaftsträger zu bedürfen. Für Frankreich ergab sich daraus die Wahrnehmung, die vermeintlich „natürlichen“ Grenzen des Königreichs seien die Alpen, Pyrenäen sowie die Küsten des Atlantik und des Mittelmeers [132, S.-492]. Die Ergebnisse der seit 1667 von französischer Seite begonnenen Kriege standen also mit den erklärten Kriegsgründen im Widerspruch. Nicht der Vorrang der Rechte herrscherlicher Dynastien war anerkannt worden, sondern das Bestreben, das Gebiet eines Staats nach angeblichen Diktaten der Natur festzulegen. Dennoch hielt die französische Diplomatie auch nach 1697 an ihrem konventionellen Ziel fest, den Vorrang des Rechts der Dynastien durchzusetzen, und zwar weiterhin gegenüber Spanien. Denn Karl II. war ohne leiblichen Erben geblieben, und das Ableben des schwerkranken Königs schien schon bei Abschluss des Rijkswijker Friedens unmittelbar bevorzustehen. Die französische Diplomatie setzte daher die Frage nach der Erbfolge in Spanien auf die Tagesordnung von Verhandlungen, die in der Hauptsache in Paris, Wien, München und London gegen den erklärten Widerstand Karls stattfanden. Ludwig XIV. ließ verlauten, dass er die Nachfolge eines Habsburgers in Spanien nicht anerkennen, sondern im Fall des Tods Karls II. die Nachfolge für einen seiner Nachkommen fordern werde. Die französische Diplomatie gestand jedoch die Möglichkeit zu, dass Ludwig XIV. auf diese Forderung verzichten könne, falls ein Kandidat aus einer dritten Dynastie, außerhalb der Bourbonen und der Habsburger gefunden werden könne. In der Tat gelang es im Jahr 1698, in dem sechsjährigen bayerischen Prinzen Joseph Ferdinand (1692 - 1699) aus der Dynastie der Wittelsbacher einen für alle Parteien akzeptablen Kandidaten zu finden. Doch der junge Prinz starb schon im folgenden Jahr. Die sofort begonnene Suche nach einem neuen Kandidaten fand kein Ergebnis mit allseitiger Zustimmung. Als Karl II. am 1.-November 1700 starb, legte die französische Diplomatie zur allgemeinen Überraschung ein Testament vor, in dem der Verstorbene zwei Wochen vor seinem Tod Philipp von Anjou, einen Enkel Ludwigs XIV., zum Nachfolger bestimmt hatte. Die Habsburger verwarfen das Testament als ungültig, da es unter dem Einfluss der französischen Diplomatie zustande gekommen zu sein schien und im übrigen kein Herrscher über seine Nachfolge selbst verfügen könne. Die Habsburger in Wien benannten Erzherzog Karl (König von Spanien, 1703 - 1714, Kaiser 1711 - 1740), Sohn des regierenden Kaisers Leopold I., als Kandidaten. Da beide Kandidaten in Spanien Unterstützung fanden, kam es zu einer Doppelwahl und in deren Folge zum Krieg. Im Jahr 1701 bildete sich die Große Allianz zwischen Wilhelm als König von Großbritannien (1689 - 1702) und als Statthalter in den Generalstaaten der Niederlande (1672 - 1702), Leopold I. und einigen größeren Ständen im Reich. Ludwig XIV. fand Unter- Das Recht der Herrscher und das Recht der Staaten 205 stützung bei den der Dynastie der Wittelsbacher angehörigen Kurfürsten von Bayern und Köln sowie dem Herzog von Savoyen. Die Allianz und das Reich erklärten Frankreich getrennt, aber in wechselseitiger Kooperation den Krieg am 6. Oktober 1702 [82]. Gegen den Kurfürsten von Bayern verhängte der Kaiser die Reichsexekution, da der Kurfürst durch das Bündnis mit dem König von Frankreich die Verträge von Münster und Osnabrück gebrochen zu haben schien [83]. Der insgesamt blutige Krieg führte zu schweren Verlusten der französischen Armee in den Schlachten bei Höchstedt am 13.-August 1704, Ramillies am 23.-Mai 1706 und bei Malplaquet am 11.-September 1709 mit insgesamt ungefähr 44.000 Toten oder Verwundeten auf französischer Seite. Die britische Armee eroberte nahezu die gesamten südlichen Niederlande, dazu den Stützpunkt Gibraltar an der Südküste Spaniens. Ludwig XIV. war nach den im Jahr 1710 eingeleiteten Friedensverhandlungen zu wesentlichen Zugeständnissen bereit, aber die Allierten zielten auf den großen Sieg über Frankreich. Als Kaiser Joseph I. (1705 - 1711) starb, trat Erzherzog Karl als neuer Kaiser Karl VI. die Nachfolge an, war damit zugleich Römischer Kaiser und König von Spanien wie dereinst sein Vorfahr Karl I./ V. Diese somit an die habsburg-spanischen dynastischen Beziehungen des 16.-Jahrhunderts erinnernde Verbindung verstärkte in Großbritannien den heftigen, seit Beginn des Kriegs geführten öffentlichen Streit um die Allianz [28; 29; 30; 124; 125; 126] und ließ auch anderswo die Sympathien für die Habsburger schwinden. Denn die Stärke der von den Habsburgern ins Feld geführten Streitkräfte zeigte sich nicht nur an dem im Westen Europas geführten Krieg gegen Frankreich, sondern auch an dem mit Unterbrechungen seit 1526 ausgetragenenen Konflikt zwischen den Habsburgern als Königen von Ungarn und der Armee des Osmanischen Sultans auf dem Balkan. In der zweiten Hälfte des 17.-Jahrhunderts ging die Initiative in diesem Konflikt auf die Seite der Habsburger über, die die Osmanische Armee zum schrittweisen Rückzug zwang. Im Jahr 1683 scheiterte die als Entsatzoperation geplante zweite Belagerung Wiens durch die Osmanische Armee, nachdem polnische Truppen unter König Jan Sobieski (1674 - 1696) den habsburgischen Verteidigern zur Hilfe kamen und die Osmanische Armee zum überstürzten Rückzug zwangen. Der seit 1697 zum Oberkommandierenden der habsburgischen Streitkräfte aufgestiegene Prinz Eugen von Savoyen (1663 - 1736) fügte der Osmanischen Armee in der Schlacht bei Zenta am 11.-September 1697 in einem nicht regulären Überraschungsangriff eine schwere Niederlage bei sehr geringen eigenen Verlusten zu. In Folge dieser Niederlage willigte der Osmanische Sultan am 26.-Januar 1699 in Carlowitz in eine Serie zweiseitiger Verträge ein, die in der Hauptsache die Grenze zwischen den habsburgisch und den osmanisch kontrollierten Gebieten festschrieb [154; 155; 156; 157; 158]. Der Friedensschluss von Carlowitz führte zur vertraglichen Einbindung des Osmanischen Sultans und der ihm unterstellten Gebiete auf dem Balkan in das System der europäischen Staaten. Das Vertragswerk von Carlowitz brachte die rechtliche Gleichheit der Vertragsparteien nicht nur durch die Wiederholung des wechselseitigen Zugeständnisses des Kaisertitels für den Römischen Kaiser und dem Osmanischen Sultan zum Ausdruck, sondern unter anderem auch durch das wechselseitige Zugeständnis der Meistbegünstigung [155, Art.-14, S.-230]. Zuvor bereits hatten muslimische Herrschaftsträger in Tripolis und Algiers zweiseitige Verträge mit Herrschaftsträgern der lateinischen Christenheit geschlossen, wie etwa die Verträge zwischen Großbritannien und Tripolis vom 5. / 15.- März 1676 [137], zwischen Algiers und Frankreich vom 11.- März 1679 [142] sowie zwischen Algiers und den Niederlanden vom 30.- April 1679 [146]. Der britisch-tripolitanische Vertrag regelte wie auch die beiden anderen Abkommen den Schiffsverkehr im Mittelmeer und enthielt den wechselseitigen Verzicht auf die Anwendung von Gewalt gegen Schiffe der Vertragspartnerstaaten. Die wechselseitige Anerkennung der Vertragspartner als Staaten bereitete weder auf christlicher noch auf muslimischer Seite Probleme. Mit dem Vertragswek von Carlowitz band das europäische Gewohnheitsrecht der Verträge zwischen den Staaten über die damals schon bestehenden Abkommen hinaus auch Kaiser und Sultan ein. Insbesondere dieses Vertragswerk brachte, wie der Philosoph und Politiker Gabriel Bonnot de 206 Nur noch die VielenAbschied vom Glauben an die Möglichkeit von Weltherrschaft (1648/ 59 - 1714) Mably (1709 - 1785) schon im Jahr 1748 bemerkte, das Reich des Osmanischen Sultans nach Europa [88, S.-100]. Für die Habsburger folgte aus dem Frieden von Carlowitz die beträchtliche Erweiterung derjenigen Gebiete, die auf dem Balkan ihrer Herrschaft unterstellt waren. Folglich konnte in der Perspektive zumal der französischen, aber auch der britischen Diplomatie, die Vereinigung der Herrschaft über das Reich und Spanien in der Personen eines und desselben Herrschers als noch bedrohlicher erscheinen als bereits im 16.-Jahrhundert. So befürwortete insbesondere in den Jahren 1712 und 1713 die britische Seite auf Empfehlung von Henry Saint-John Viscount Bolingbroke (1678 - 1751) [8, S.- 435-612] die Auflösung der Großen Allianz mit der Folge, dass die britische Seite die kaiserlichen Forderungen nicht mehr unterstützte. Bolingbroke machte sich stark für den Vorschlag, dass eine Einigung im Streit über die Nachfolge im Königreich Spanien durch Anerkennung Philipps von Anjou zu erzielen sei. Dafür formulierte Bolingbroke die Voraussetzung, dass die französischen und die spanischen Bourbonen wechselseitig durch sogenannte „Renunziationen“ auf ihre Nachfolgerechte im jeweils anderen Königreich verzichten sollten [109, S.-207-208]. Ein zusätzlicher Faktor in dieser Entscheidungsbildung war die Thronfolge in Grobritannien. Dort hatte 1688 ein Aufstand König Jakob II. (1685 - 1688), den Enkel Jakobs I., zur Flucht gezwungen und zur Wahl König Wilhelms III. geführt, der gemeinsam mit seiner Gemahlin, Königin Maria, herrschte. Der Umstand, dass die nunmehr regierende britische Königin Anna (1702 - 1714), Nachfolgerin Wilhelms, ohne Nachkommen war und für den Fall ihres Tods die britische Thronfolge auf die protestantische Dynastie der Welfen im Reich mit Hannover als Zentrum übergehen würde, ließ den in Frankreich lebenden Nachkommen Jakobs II. auf eine Rückkehr hoffen. Da Ludwig XIV. indirekt dessen Anspruch auf Anerkennung als König förderte, zielte das britische Ausscheiden aus der Großen Allianz auch darauf ab, französischem Widerstand gegen die protestantische Thronfolge nach Anna entgegen zu wirken. In den Jahren 1712 und 1713 kam es folglich im niederländischen Utrecht zu Friedensverhandlungen, deren Ergebnis in einer Serie von zwölf zweiseitigen Verträgen niedergelegt wurde [160; 161; 162; 163; 164] und den Vorrang des Bestands von Staaten über die Interessen der herrscherlichen Dynastien bestätigte. Philipp von Anjou (1700 - 1746) erhielt Anerkennung als alleiniger spanischer König Philipp V., verzichtete aber für sich und seine Nachkommen auf alle Erbansprüche in Frankreich. Im Gegenzug verzichteten die französischen Bourbonen für sich und ihre Nachkommen auf sämtliche Erbansprüche in Spanien. Die Verwandtengruppe der Bourbonen teilte sich somit in zwei Dynastien, die gegen einander keine Erbansprüche geltend machen durften. Der Bestand des Königsreichs Spanien als Staat war damit auch unter bourbonischer Herrschaft garantiert. Im Gegenzug erhielten die Habsburger mit Zustimmung Ludwigs XIV. die Kontrolle über die südlichen, bisher spanisch beherrschten Niederlande sowie die spanischen Nebenländer auf der Italienischen Halbinsel, mithin Neapel, Mantua, Parma, Piacenza und Guastalla. Großbritannien, das während des Kriegs im Jahr 1707 durch die Union des englischen und des schottischen Parlaments zum Vereinigten Königreich erklärt worden war, erhielt französischen Kolonialbesitz in Nordamerika und den Stützpunkt Gibraltar. Der Herzog von Savoyen wurde Herrscher von Sizilien. Kaiser Karl VI., der mit der Zustimmung zu seinem Rückzug aus Spanien zögerte, stimmte schließlich der in Utrecht getroffenen Regelung in den beiden Sonderverträgen von Rastatt vom 6.-März 1714 und Baden vom 7.-September 1714 zu [165; 166]. Mit dem Vertragswerk von Utrecht, Rastatt und Baden verfestigte sich die Stellung des Reichs als Staat, der zwar im Vergleich zu anderen Staaten manche Besonderungen, Irregularitäten im Sinn Pufendorfs, aufwies, aber keine Sonderstellung gegenüber anderen Staaten mehr beanspruchen können sollte. Zwar blieb der Römische Kaiser weiterhin der einzige Träger des Kaisertitels in der lateinischen Christenheit und darin allen anderen Herrschern in diesem Teil von Europa einzigartig. Die Einzigartigkeit der Stellung des Kaisers nach dessen Titel konnte zwar als Expansion und Zentralisierung europäischer Herrschaft 207 Argument zur Begründung des Vorrangs über Könige dienen, aber das Heilige Römische Reich Deutscher Nation als ganzes trug über die Königreiche sowie andere Souveräne jenseits seiner Grenzen keine Vorrechte im Sinn rechtmäßiger Herrschaftsansprüche. Es dauerte dennoch bis zu Beginn des 19.-Jahrhunderts und kostete mehrere verlustreiche Kriege, bis der Vorrang der Stabilität der Staaten gegenüber den Interessen und ererbten Ansprüchen der Dynastien durchgesetzt werden konnte. Denn diese Dynastien bildeten nach wie vor ein Netzwerk Verwandtengruppen unter einander, das sich über Europa spannte. Die Friedensschlüsse von Utrecht, Rastatt und Baden gaben aber die rechtliche Basis ab, auf der sich das europäische System als fester Verbund von Staaten konstituierte, Der Bestand des Systems mochte zwar durch den Einsatz militärischer Gewalt gefährdet sein, konnte mit Mitteln des Rechts aber kaum noch in Frage gestellt weden. Souveräne konnten folglich die Erhöhung ihres Rangs nicht einfach dadurch zu erreichen hoffen, dass sie militärische Gewalt zur Expansion der unter ihrer Kontrolle stehenden Staaten anwandten. Statt durch Krieg gelang einigen Souveränen die Rangerhöhung durch den Erwerb höherer Titel mit Mitteln der Diplomatie, in der Regel jenseits ihrer angestammten Herrschaftsgebiete. So errang Friedrich August II., Kurfürst von Sachsen (1694 - 1733, König von Polen 1697 - 1706, 1709 - 1733) durch Wahl den Titel des Königs von Polen im Jahr 1697. Durch den Utrechter Frieden stieg der Herzog von Savoyen zum König von Sizilien auf. Diesen Titel tauschte er im Jahr 1718 gegen den neu geschaffenen Titel des Königs von Sardinien ein. Georg Ludwig I. von Hannover (1698 - 1727), dessen Vater Ernst August (1679 - 1698) erst im Jahr 1692 neunter Kurfürst im Reich geworden war, folgte nach dem Tod der Königin Anna als König Georg I. im Vereinigten Königreich nach (1714 - 1727). Nach Schaffung einer neuen Königswürde in dem außerhalb des Reichs gelegenen Preußen ließ sich Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg (1688 - 1713) im Jahr 1701 als Friedrich I. zum König in Preußen krönen. Von den Rangerhöhungen profitierten also einige Herrscher innerhalb des Reichs, die ihre Herrschertitel mit Königstiteln verbanden und auf Gebiete außerhalb des Reichs bezogen. So entstanden Personalunionen, durch die ein und derselbe Herrscher Träger oberster Ämter in verschiedenen Staaten wurde. Dabei kam es in den Fällen der Personalunionen zwischen Hannover und dem Vereinigten Königreich sowie zwischen Polen und Sachsen nicht zu Realunionen, die bestehende Staaten zerstört hätten. Nur in den Fällen von Savoyen-Sardinien und Brandenburg-Preußen entstanden Realunionen. Aber in diesen Fällen war zweifelhaft, ob Sardinien und Preußen vor der Errichtung der dortigen Königstitel überhaupt selbständige Staaten gewesen waren. Die Anerkennung dieser neu geschaffenen Königstitel durch die Souveräne im europäischen Staatensystem war daher erforderlich [122]. Expansion und Zentralisierung europäischer Herrschaft Der britisch-spanische Vertrag von Utrecht setzte nach dem Muster der Abkommen von Münster und Osnabrück einen christlichen, allgemeinen sowie ewigen Frieden mit dem Ziel, der Christenheit auf Dauer Ruhe durch ein gerechtes Gleichgewicht der Macht zu sichern (ad firmandam stabiliendamque Pacem ac Tranquillitatem Christiani Orbis justo Potentiæ Æquilibrio) [164, Art I., II., S.-299]. Damit war die Christenheit insgesamt in die Reichweite dieses zweiseitigen Vertrags einbezogen. Zugleich regelte der Vertrag die Beziehungen zwischen staatlichen Trägern von Kolonialherrschaft in Amerika. Im Verlauf des späteren 17.- Jahrhunderts war es wiederholt zu militärischen Konflikten sowohl auf See zwischen Besatzungen der in amerikanischen Gewässern kreuzenden Schiffe als auch über festländischen Kolonialbesitz gekommen. Von diesen Konflikten waren neben den in Amerika agierenden Herrschern auch die Fernhandelskompanien als nicht-staatliche Herrschaftsträger betroffen. Diese Konflikte ergaben sich aus 208 Nur noch die VielenAbschied vom Glauben an die Möglichkeit von Weltherrschaft (1648/ 59 - 1714) dem schrittweisen Zurückweichen der portugiesischen und spanischen Kolonialherrschaft vor der Konkurrenz aus anderen europäischen Staaten. So ließ Oliver Cromwell (1599 - 1658) als britischer Lordprotektor nach der Enthauptung König Karls I. (1625 - 1649) im Jahr 1655 durch den Dichter-Juristen John Milton (1608 - 1674) ein Manifest gegen Spanien erscheinen, in dem er wie Vitoria die effektive Nutzung des Bodens für Landwirtschaft als Voraussetzung für die Anerkennung kolonialer Besitzrechte bestimmen ließ. Nach diesem Maßstab erstreckte sich portugiesische und spanische Kolonialherrschaft nur über einen Teil des amerikanischen Kontinents und ließ den Rest frei für Siedlerkolonisten aus anderen europäischen Staaten [93, S.-460-461]. Milton verband mit dieser Rechtfertigungsschrift die Lehre des Grotius von der Offenheit des Ozeans mit der Begrenzung der Zugangsrechte zum Kontinent auf diejenigen Gebiete, die die Siedlerkolonisten tatsächlichem Bodenbau unterwerfen konnten. Aber über diese einseitige erklärte Begrenzung bestand keine vertragliche Übereinkunft unter den in Amerika Kolonialherrschaft tragenden oder anstrebenden Souveränen. Die Deportation einer zunehmenden Zahl von versklavten Afrikanern nach Amerika legte überdies Übereinkünfte über die Frage nahe, wer in Europa die Befugnis zur Deportation von Afrikanern nach Amerika und dort zum Handel mit den Deportierten als Sklaven haben solle. Diese mit keiner Ethik zu vereinbarende Frage kam auf die Tagesordnung der europäischen Diplomatie, als die spanische Verwaltung nicht mehr in der Lage war, die dem spanischen König sowie ab 1640 auch dem portugiesischen König zustehende Befugnis der Deportation und des Handels in vollem Umfang wahrzunehmen. Nachdem die spanische und die portugiesische Verwaltung im späteren 17.- Jahrhundert eine Reihe sogenannter „Asiento“-Abkommen geschlossen hatten, durch die sie Handelskompanien mit der Wahrnehmung des Monopols mit Einschränkung auf bestimmte Teilbereiche beauftragte [169; 170], kam es im Rahmen der Utrechter Friedenskonferenz von 1712/ 13 dann zu einem Generalvertrag, der die Befugnis für den Sklavenhandel dem Vereinigten Königreich übertrug [161]. Der britische König gab das Monopol an eine Fernhandelskompanie weiter. Damit war de facto jede rechtliche Eingrenzung der Befugnis zur Deportation von Afrikanern nach Amerika und dort des Handels mit ihnen auf bestimmte Personengruppen aufgehoben. Im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts stieg die Zahl der Deportierten folglich stark an [70; 92]. Innerhalb der europäischen Staaten fand, obwohl die französische Armee den Krieg um die spanische Erbfolge nicht siegreich hatte beenden können, das Königreich Frankreich als Modell der zentralisierten bürokratischen Herrschaft Anerkennung, das auf ganz Europa ausstrahlte. Der Regierung Ludwigs XIV. gelang es, örtliche adlige Herrschaftsträger an den zentralen königlichen Hof zu ziehen, der im Schloss von Versailles seinen Ort fand. Ludwig XIV. ließ Versailles zum Zentrum des Königreichs ausbauen und sich selbst zur Personifikation des Staats stilisieren. Die Unterwerfung des landsässigen Adels unter die Kontrolle der königlichen Zentrale hatte neben anderem die Folge, dass die königliche Verwaltung einen direkten Zugriff auf das Steueraufkommen erhielt, das zuvor adlige Herrschaftsträger im Auftrag des Königs eingesammelt, jedoch nicht immer in der gebotenen Höhe abgeführt hatten. Die nunmehr reichlicher fließenden Einnahmen erlaubten die Ausweitung der königlichen Verwaltung durch Einrichung separater Ämter mit spezifischen Zuständigkeiten. Diese Bürokratisierung betraf zwar viele Bereiche der königlichen Verwaltung, hatte aber besonders große Wirkung im Bereich der zwischenstaatlichen Beziehungen und darin vornehmlich auf Ausformung des diplomatischen und des militärischen Diensts. Spezielle Sekretäre für Beziehungen zu anderen Souveränen hatte es zwar in England schon seit Beginn des 16. Jahrhunderts, in Frankreich seit König Heinrich II. gegeben. Aber erst unter Ludwig XIV. entstand eine in sich differenzierte, nur für die Außenpolitik zuständige Bürokratie. Unter Ludwigs Minister Jean Baptist Colbert, Marquis de Torcy (1619 - 1683) der von 1698 bis 1715 im Amt war bildete sich ein Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten. Die Zahl der im Auswärtigen Dienst tätigen und vom Hof bezahlten Beamten Expansion und Zentralisierung europäischer Herrschaft 209 verzwanzigfachte sich zwischen 1661 und 1715. Die Zunahme des Personals in der Zentrale war ihrerseits Resultat des Ausbaus der französischen Ständigen Gesandtschaften zu einem Netzwerk diplomatischer Vertretungen, die die europäischen Staaten, einschließlich der Gebiete unter der Kontrolle des Osmanischen Sultans und nunmehr auch des Russischen Zaren umspannte. Nach französischem Modell gestaltete Bürokratien für die Auswärtigen Angelegenheiten entstanden zu Beginn des 18.-Jahrhunderts in anderen euopäischen Staaten. Zum ersten Mal richtete die päpstliche Kurie im Jahr 1701 eine Diplomatenschule ein, die jedoch nur wenige Jahre in Betrieb blieb. In Frankreich bestand zwischen 1712 und 1720 die Académie Politique zur Ausbildung von Diplomaten, die Universität Oxford gründete im Jahr 1699 eine Professur für Arabisch, um junge Diplomaten für den Dienst in Istanbul vorzubereiten. Diese Lehrinstitute reflektierten einerseits den steigenden Bedarf an ausgebildetem Personal für den diplomatischen Dienst und damit die Ausbreitung des zentralisierten bürokratischen Herrschaftsmodells über Frankreich hinaus. Andererseits verdeutlichte die zumeist kurze Bestandsdauer dieser Lehrinstitute deren begrenzte Leistungsfähigkeit. Der Versuch der herrscherlichen Zentralen, die Gestaltung der zwischenstaatlichen Beziehungen durch Schulung junger Diplomaten mit bürokratischen Mitteln zu professionalisieren, scheiterte zunächst an den bestehenden Konventionen der Diplomatie. Diese war und blieb ein Privileg des Adels, dessen Angehörige sich in der Regel nicht von der zentralen königlichen Verwaltung unterweisen lassen wollten und mussten. Denn sie erfuhren ihre Bildung nach den Traditionen des Adels innerhalb ihrer Verwandtengruppen. Auch verrichteten die meisten Gesandten ihre Aufträge in anderen Staaten mit eigenen Mitteln und auf eigene Rechnung. Diese Praxis gab ihnen weiterhin das Ziel vor, ihre Tätigkeit als Gesandte so zu gestalten, dass die ihnen entstehenden Ausgaben durch Einnahmen oder nicht-finanzielle Vorteile kompensiert werden konnten. Folglich hatten die zentralen Bürokratien über die Gesandten wenig direkte Kontrolle, während diese auf Reisen waren. Die Gesandten erhielten zwar herrscherliche Instruktionen darüber, welche Aussagen sie zu verlautbaren oder zu vermeiden hatten; aber die Ausführung dieser Instruktionen blieb ihnen weitgehend selbst überlassen. Kein Geringerer als Leibniz forderte bereits, dass Ränge mit festen Bezeichnungen entstehen und Ämter hierarchisch geordnet sollten [78, S.-39-42]; der ranghöchste Gesandte sollte den Titel eines Botschafters tragen und den aussenden Herrschaftsträger repräsentieren [78, S.-42-43]. Aber das blieb Theorie. Dagegen bestand noch zu Beginn des 18.- Jahrhunderts in den Ständigen Gesandtschaften keine feste, in Titeln unmissverständlich zum Ausdruck kommende Ämterhierarchie. Statt deren blieben nicht-standardisierte, oft beschreibende Titel für die Gesandten weiterhin in Gebrauch. Obschon seit der Wende zum 18.-Jahrhundert allmählich der Titel „Ambassadeur“ und dessen Varianten in anderen europäischen Sprachen häufiger verwendet wurde als in früheren Jahrhunderten, setzte er sich nur zögerlich als Bezeichung für den Leiter einer Ständigen Gesandtschaft durch. Beispielsweise ernannte der britische König im Gesamtzeitraum zwischen 1689 und 1789 nur 69 Gesandte mit dem Titel „Ambassador“. Die Frage, für welche Angehörigen einer Ständigen Gesandtschaft das Privileg der Unverletzlichkeit und Straffreiheit der Diplomaten gelten sollte, blieb ohne rechtsverbindliche Antwort. Übergriffe auf Diplomaten in der Form von Inhaftierung waren weiterhin üblich. Schon der Jurist, Politiker und liberale Reichstagsabgeordnete Heinrich Bernhard Oppenheim (1819 - 1880) beobachtete im Jahr 1845 [97, Kap.-3, 3, S.-27] Parallelen zwischen dem Ausbau der Ständigen Gesandtschaften und zeitgleichen Veränderungen des militärischen Diensts während des 17.-Jahrhunderts. Oppenheim wertete dise Parallelen als Ausdruck zunehmender Bürokratisierung staatlicher Herrschaft. Für den militärischen Bereich sind diese in der zweiten Hälfte des 17.-Jahrhunderts einsetzenden Veränderungen wiederholt als Prozess der Entstehung des sogenannten „stehenden“ Heers gekennzeichnet worden [38; 60; 118, S.-145-149]. Doch diese Kennzeichnung ist irreführend, da sie zu dem Schluss verleitet, bei diesem Prozess handele es 210 Nur noch die VielenAbschied vom Glauben an die Möglichkeit von Weltherrschaft (1648/ 59 - 1714) sich um einen planvoll und zielgerichtet ausgeführten Wandlungsvorgang, an dessen Ende Heere als dauerhaft bestehende, einzelne Phasen eines Kriegs oder einen Krieg insgesamt überdauernde Einrichtungen gestanden hätten. Dieser Schluss ist aber unbegründet. Zwar war die Rede vom „Miles perpetuus“ (ewiger Kämpfer) zeitgenössisch. Aber Heere als dauerhafte Einrichtungen unter der Kontrolle der Souveräne kamen nicht durch eine Art Masterplan zustande, sondern als Ergebnis einer Vielzahl spezieller, in bestimmten Situationen ohne übergeordnete Zielsetzung getroffenen Entscheidungen. Solche Entscheidungen trafen Kriegsherrn schon vor dem 17.-Jahrhundert situationsbedingt, indem sie anordneten, dass bestimmte Truppenkontingente nach Beendigung einer Schlacht oder eines Kriegs weiter unter Waffen stehen bleiben sollten. Der französische König Karl VII. (1422 - 1461) traf eine solche Entscheidung schon im Jahr 1448 [10, S.- 318], und Kaiser Karl V. im Jahr 1525. Aber erst in Folge des „Dreißigjährigen Kriegs“ kam es gehäuft zu solchen Entscheidungen, insbesondere in Frankreich. Statt von „stehenden“ Heeren zu sprechen, ist es eher angemessen, die von der neueren Forschung vorgeschlagene Formel von den „stehen gebliebenen“ Heeren zu verwenden [12, S.- 213-222; 173]. Denn Souveräne als Kriegsherrn und andere Militärführer gingen seit der Mitte des 17.- Jahrhunderts zunehmend öfter von der bis dahin üblich gewesenen Praxis ab, Heere nach Beendigung der Kampfhandlungen aufzulösen und die Kämpfer zu entlassen. Das taten sie, wenn die Heere nicht mehr nur im Krieg zum Einsatz kamen, sondern als Instrumente zur dauerhaften Erzwingung von Sicherheit und Ordnung im Innern der Staaten Verwendung fanden. Das „Stehenbleiben“ der Heere setzte die fortdauernde Besoldung der Kämpfer ebenso voraus wie die Indienstnahme eines professionellen Korps an Kommandeuren. Aus Kämpfern, Söldnern oder Milizionären wurden somit bezahlte Soldaten als Leute des Königs und aus Kommandeuren wurden Offiziere als Amtsträger im königlichen Dienst. Die Heere wurden zu Behörden des Staats, wenn und solange die Herrscher die finanziellen Möglichkeiten zur Unterhaltung von Streitkräften in Friedenszeiten besaßen und eine effiziente zentrale Bürokratie die zusätzlich entstehenden Beschaffungs- und Verwaltungsarbeiten bewältigen konnte. In Frankreich lief dieser Prozess am schnellsten ab. Unter Ludwig XIV. blieben zudem die Heere nicht nur stehen, sondern sie wurden auch umfassenden amtlichen wie auch privaten Regelwerken unterworfen [34; 35; 36; 112; 18; 41; 72; 73]. Deswegen trägt das Argument nicht weit genug, die französische Politik habe einfach nach dem Pyrenäenfrieden von 1659 sich binnen weniger Jahre erneut zu - inem Krieg entschlossen und deswegen das unter Waffen stehende Heer gar nicht auflösen- können. Denn während der Expansionskriege in der zweiten Hälfte des 17.- Jahrhundert ließ-Ludwig XIV. nicht nur das Heer stehen, sondern es auch neu ordnen. Für diese neue Ordnung knüpfte Ludwigs aktivster Militär- und Staatsreformer, Sébastien le Prestre de Vauban (1633 - 1707), an die an der Wende zum 17.-Jahrhundert eingeführten Heeresreformen der niederländischen Oranier an, unterwarf die Soldaten regelmäßigem, zentral gesteuerten Drill und ließ ganze Verbände in Manövern feste Truppenbewegungen einüben, die „Evolutionen“ genannt wurden. Auch in Großbritannien und im deutschen Sprachraum setzte sich die Praxis der oranischen Heeresreform seit der Mitte des 17.-Jahrhunderts durch. Oranische Praxis stand auch Modell für den Bau von Befestigungen um Städte nach geometrischen Symmetrien. Vauban ließ derartige Festungen an den Grenzen Frankreichs anlegen, um gegnerische Armeen dort aufhalten zu können. Er sprach sich in einer um 1700 verfassten Denkschrift über das Interesse der Staaten der Christenheit für die Anwendung der lipsianischen Ethik der Mäßigung aus. Er verlangte, der französische König solle spanischen Kolonialbesitz in Amerika anerkennen, sah also die Verpflichtung als gegeben an, die damals bestehende Aufteilung europäischer Kolonialherrschaft in Amerika nicht anzutasten. Die französische Armee und die Festungen sollten demzufolge der Sicherheit Frankreichs dienen [132, S.-492-493]. Vauban hing somit einer defensiven Strategie an, die mit der expansionistischen Politik Ludwigs XIV. nicht ohne weiteres vereinbar war. Das Recht zwischen den Staaten und das Recht der Natur 211 Französischer Festungsbau im Stil Vaubans gab das Modell ab für die Befestigung von Orten andernorts in Europa sowie auch für Anlagen, die die Fernhandelskompanien errichten ließen, wie etwa die VOC an ihrem Zentralort Batavia auf Java. Grundlage dieser Baumaßnahmen war die Erwartung, dass der Krieg durch Verregelung der in ihm Handelnden sowie durch Schaffung von Netzen befestigter Orte planbar und folglich unkalkulierbare Risiken für die Streitparteien vermeidbar werden könnten. Das größte Risiko des Kriegs bot nach Überzeugung zeitgenössischer Miltärtheoretiker die Schlacht. Die Planbarkeit des Kriegs musste daher erreichbar sein durch Vermeidung von Schlachten, wo immer dies möglich zu sein schien. Der Marschall Henri-de la Tour d’Auvergne, Vicomte de Turenne (1611 - 1675), der wohl prominenteste Kommandeur Ludwigs XIV., erhielt posthum das größte Lob, welches im Sinn der Planbarkeit des Kriegs denkbar war: er sei Meister im Vermeiden von Schlachten gewesen [107, dt. Fassung, Bd-2, Kap. VIII/ 19, S. 205]. Anders gesagt: die „stehen gebliebenen“ Heere sollten jederzeit in der Lage sein, Schlachten zu schlagen; aber dies war nicht mehr ihr Hauptzweck, sondern die Bewahrung der bestehenden Ordnung und die möglichst verlustarme Beendigung des Kriegs. Das Ziel der Schlachtvermeidung bedeutete weder, dass keine Schlachten mehr geschlagen worden noch dass die geschlagenen Schlachten weniger blutig verlaufen wären. Aber es verwies darauf, dass die von Lipsius befürwortete Ethik der Mäßigung Eingang fand in den militärischen Dienst und die Bestimmung der Ziele des Einsatzes von Heeren. Um die Planbarkeit des Kriegs zu erreichen, schien zudem das Durchsetzen von Disziplin und Ordnung in den Heeren als die wesentliche Voraussetzung. David Fassmann (1683 - 1744), freier Publizist und Bestsellerautor, formulierte am Beginn des 18. Jahrhunderts eine Art Tugendkataog für Soldaten, in dem die Ethik der Mäßigung in achtzehn „Qualitaeten“ aufgefächert erschien. Fassmann zufolge kennzeichneten den tugendhaften Soldaten Gottesfurcht, Klugheit, Tapferkeit, Verachtung der Gefahr und des Tods, Nüchternheit, Wachsamkeit, Zufriedenheit mit sich selbst, Treue, Gehorsam, Respekt gegen Vorgesetzte, Aufmerksamkeit, „Haß gegen schnöde Leute“, „Ehr- und Ruhmbegierde“, auch Reinlichkeit, Verzicht auf „Räsonnieren“, also das Infragestellen gegebener Befehle, das Vermeiden von Fehlern im Dienst, das Streben nach Wissenschaft und zuletzt ein „gutes Naturel“ [37, S. 85 - 103]. Das Recht zwischen den Staaten und das Recht der Natur Die von Oppenheim beobachtete Parallele zwischen dem Ausbau der Ständigen Gesandtschaften und dem „Stehenbleiben“ der Heere bezeugt die zunehmende Bedeutung, die das Streben nach dem Erhalt von Ordnung und nach regelkonformem Handeln während der zweiten Hälfte des 17.-Jahrhunderts erhielt. Anders gesagt: die Erwartung erhielt während dieses Zeitraums zunehmende Akzeptanz, dass Rechtssätze und andere Regeln während des Kriegs und im Verkehr zwischen den Staaten nicht nur befolgt werden sollten, sondern auch befolgt werden konnten. Militärisches Handeln im Krieg und Handlungen der Diplomaten im Verkehr zwischen den Staaten waren wie schon nach der grotianischen Theorie so zu gestalten, dass sie die Wiederherstellung des Friedens nicht erschwerten. In Verbindung mit der Ethik der Mäßigung förderte die Erwartung, dass die Anerkennung der Herrschaft des Rechts nicht nur nötig, sondern auch möglich sei, also die Gültigkeit des augustinischen Abfolgeparadigmas von Frieden, Krieg und wieder Frieden. Zu der Ethik der Mäßigung trat die Wahrnehmung hinzu, dass die Natur die umfassende, gottgewollte, dauerhaft bestehende, menschlichem Entscheiden nicht unterworfene Ordnung sei. Diese Ordnung schien wie schon für Cicero Rechtssätze zu enthalten, die uneingeschränkt überall gültig seien. Das Recht des Kriegs und des Friedens, nunmehr Teilbereich des Rechts zwischen den Staaten, schien auf das Recht der Natur beogen zu sein. Über die Frage, wie sich 212 Nur noch die VielenAbschied vom Glauben an die Möglichkeit von Weltherrschaft (1648/ 59 - 1714) beide Rechtsbereiche zu einander verhielten, entspann sich in der zweiten Hälfte des 17.-Jahrhunderts jedoch ein Streit unter Theoretikern, der bis zum Ende des 18.-Jahrhunderts fortdauerte. In diesem Streit diente Grotius’ Werk über das Recht des Kriegs und des Friedens allen Beteiligten als Argumentationsbasis. Die Schrifttumsproduktion stieg als Folge des Gelehrtenstreits stark an und führte schon an der Wende zum 18.-Jahrhundert zu ersten Forschungsberichten, die das Recht zwischen den Staaten nicht nur in Bezug auf Europa, sondern auch auf Afrika, Amerika und Asien als ihren Gegenstand hatten [24, S.-58-109; 43; 46, Bd-3, S.-3246-3333]. Auch arabische Texte, die das muslimische Recht des Kriegs und des Friedens thematisierten, wurden in deutscher, englischer und lateinischer Fassung zugänglich. Mit der Veröffentlichung dieser Texte sollten Muslime gegen von Christen fälschlich erhobene Beschuldigungen verteidigt werden, sie hätten gegen das Recht des Kriegs und des Friedens verstoßen [110]. Theoretiker lösten das Recht zwischen den Staaten zwar nicht vollständig von religiösen Glaubenssätzen, nahmen aber im Sinne der großen Tradition zur Kenntnis, dass die Gebundenheit dieses Rechts an religiöse Glaubenssätze der inhaltlichen Übereinstimmung vieler Rechtssätze über die Grenzen der Religionen hinweg nicht entgegenstand und folglich Rechtsbeziehungen zwischen Religionsgemeinschaften möglich waren [88, S.-35]. Im Streit über die Vereinbarkeit des Rechts zwischen den Staaten und dem Recht der Natur bildeten sich schon in den 1670er Jahren zwei Parteien. Auf der einen Seite formierten sich diejenigen Theoretiker, die zwischen dem Recht zwischen den Staaten und dem Naturrecht mehr oder weniger scharf trennen und nur ersteres ausschließlich auf menschliches Handeln zurückführen wollten. Auf der anderen Seite wurden Stimmen laut, die die Möglichkeit eines Rechts zwischen den Staaten als zwar über den Souveränen stehendes, aber zugleich nur durch menschliches Handeln geschaffenes Recht leugneten. Im ersten Lager entstanden wiederum zwei Gruppen. Eine Gruppe von Theoretikern wollte die Bezeichnung Ius gentium für das Recht zwischen den Staaten einschränken auf das aus menschlichem Handeln folgende, mithin gesetzte Recht. Die andere Gruppe hingegen plädierte dafür, unter der Bezeichnung Ius gentium sowohl das aus dem Naturrecht folgende ungesetzte als auch das aus menschlichem Handeln foglende gesetzte Recht zusammenzufassen. Zur ersteren Gruppe, die in der völkerrechtsgeschichtlichen Literatur als Positivisten gelten [42, S.- 414-417], zählte der Jenear Philosoph Johann Friedrich Horn (1629 - 1665), der einen kurzen Abschnitt seiner im Jahr 1665 veröffentlichten Allgemeinen Staatstheorie dem Recht zwischen den Staaten widmete. Darin begrenzte er die Bezeichnung Ius gentium, die er für dieses Recht wählte, auf gesetztes Recht, behauptete aber, die Setzungen könnten weder durch spezielle Verträge noch durch das Naturrecht zustandekommen, sondern nur durch Gewohnheit, und dieses Gewohnheitsrecht binde die meisten Staaten in ihrem wechselseitigen Verkehr. Denn aus besonderen, üblicherweise zweiseitigen Verträgen könne kein alle Souveräne bindendes Recht entstehen. Das Recht zwischen den Staaten als Gewohnheitsrecht schränke mithin die Freiheit des Handelns der Souveräne ein, auch ohne als solches ausdrücklich vereinbart und im Medium der Schrift niedergelegt zu sein. Die Bindewirkung dieses Rechts leitete Horn, ausdrücklich auf Grotius [58, S.-201] und auf Lipsius verweisend [58, S.-29], weder aus der Verpflichtung zur Einhaltung geschlossener Verträge (Pacta sunt servanda) noch aus dem befehlgebenden Handeln einer übermenschlichen Instanz ab, sondern allein aus der von Lipsius bereits angenommenen Einsicht der handelnden Souveräne, dass die Anerkennung der Bindewirkung des Rechts zwischen den Staaten für sie selbst vorteilhaft sei [58, S.-202]. Das Recht zwischen den Staaten könne daher aus sich heraus die Souveräne auf ein Handeln ausrichten, das auf die Anerkennung des Rechts und auf die Bewahrung des Friedens ziele. Dabei griff Horn als Bezeichnung für den Frieden auf das bereits seit dem 12.-Jahrhundert auch in Rechtstexten [71; 133, §-2, S.-464] gebräuchliche Wort Ruhe (tranquillitas) zurück [58, S.-202]. Ihm folgten Leibniz in seiner Denkschrift des Jahrs 1670 über die Sicherheit im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und der kaiser- Das Recht zwischen den Staaten und das Recht der Natur 213 liche Rat Franz Paul von Lisola (1613 - 1674) in seinem Traktat über die Privilegien des Kaisers vom Jahr 1674 [77, S.-214; 86]. Auch der Jurist Samuel Rachel (1628 - 1691), der seit 1665 an der Universität zu Kiel die erste, an einer Juristischen Fakultät eingerichtete Professur für Naturrecht und Ius gentium innehatte, wollte zwischen dem durch menschliches Handeln gesetzten Recht als „eigentlichem“ Recht zwischen den Staaten und den Menschen betreffenden Aspekten des Naturrechts unterscheiden. Anders als Horn ließ Rachel jedoch außer Verträgen keine anderen Quellen für das „eigentliche“ Recht zwischen des Staaten zu und behauptete, unter Verweis auf Aristoteles, nicht aber das Römische Recht, die Verpflichtung zur Einhaltung von Verträgen sei Bestandteil nur des Privatrechts und gelte daher nicht für Souveräne [108, S.- 233, 235, 241, 257]. Gleichwohl schrieb Rachel dem Naturrecht Wirkungen auf das praktische Handeln der Menschen zu, indem er ausschließlich aus dem Naturrecht die Verpflichtung von Streitparteien im Krieg ableitete, Kriege gerecht zu führen, sich in der Wahl der zum Einsatz kommenden militärischen Mittel zu mäßigen und den Krieg auf die Wiederherstellung des Friedens als Ziel auszurichten. Wie Horn gebrauchte Rachel das Wort Tranquillitas als Bezeichnung für den Frieden [108, S.-332]. Ebenso verlangte der Straßburger Theologe Johann Joachim Zentgraf (1643 - 1707), dass der Krieg ausschließlich zur Wiederherstellung des Friedens geführt werden dürfe, differenzierte dabei aber, anders als die übrigen Theoretiker des Rechts zwischen den Staaten im 17.- Jahrhundert, konventionell zwischen dem überall gültigen Ius gentium und dem seiner Meinung nach speziellen, nur für Europa gültigen Recht zwischen den Staaten [174, S.-175-176, 375]. Anders als Horn, Leibniz, Rachel und Zentgraf vertrat Samuel von Cocceji (1679 - 1755), der an der Universität Frankfurt an der Oder Naturrecht und Ius gentium lehrte, die Ansicht, auch das durch Verträge gesetzte Recht zwischen den Staaten sei der „sekundäre“ Teilbereich eines umfassenden Rechts, dessen „primärer“ Bereich das für alle Menschen geltende Naturrecht sei. Cocceji bekannte sich mit dieser These zu der Theorie der zweiten Gruppe. Beide Rechtsbereiche seien, Cocceji zufolge, gottgewollt, aber nur das Naturrecht sei bindend. Das Recht zwischen den Staaten könne als gesetztes Recht nicht bindend sein, da es keine bindende Verpflichtung der Souveräne zur Einhaltung des über ihnen stehenden Rechts gebe. Die Souveräne könnten jedoch aus eigenem Willen erklären, sich auf die Einhaltung bestimmter Rechtssätze verpflichten zu wollen, oder aber diese Verpflichtung als Gewohnheitsrecht anerkennen [16, S.-5, 8-11]. Sowohl Horn, Leibniz, Rachel und Zentgraf einerseits als auch Cocceji andererseits trieb somit die Frage um, aus welchen Gründen Souveräne sich auf die Einhaltung der zwischen ihnen geschlossenen Verträge verpflichten sollten. Horn und dessen Gruppe indes gingen von der Annahme aus, dass es keine Rechtspflicht zur Einhaltung bestehender Verträge geben könne; denn eine solche Rechtspflicht könne vertraglich nicht vereinbart werden, und das Naturrecht sehe keine solche Rechtspflicht vor. Cocceji hingegen erwartete, dass die Verpflichtung der Souveräne zur Einhaltung geschlossener Verträge naturrechtlich bestehe und sowohl aus ausdrücklichen Erklärungen in Verträgen als auch aus gewohnheitsmäßigem Handeln folgen könne. Cocceji setzte also voraus, dass aus der Vielzahl vertraglich eingegangener Selbstverpflichtungen der Souveräne und durch gewohnheitsmäßigen Gebrauch Naturrecht in Recht zwischen den Staaten überführt werden könne. Samuel von Pufendorf, der von 1661 bis 1668 in der Universität Heidelberg als erster Gelehrter eine der Artistenfakultät zugeordnete, speziell für Naturrecht und Ius gentium eingerichtete Professur innehatte, übernahm in seinem zuerst im Jahr 1672 veröffentlichten Handbuch des Naturrechts und des Rechts zwischen den Staaten die Ethik des Mäßigung nach Lipsius, Grotius und Horn. Er behauptete, der Friede sei der von der Natur her bestehende Normalzustand der Welt und folglich erzwinge die Natur die Vermeidung ungerechtfertigter Schädigungen insbesondere im Krieg [106, Kap.-VIII/ 6, Nr-2, S.-880-881]. Die Forderung nach Anerkennung der Bindewirkung geschlossener Verträge leitete Pufendorf zwar wie Rachel aus dem Privatecht ab, 214 Nur noch die VielenAbschied vom Glauben an die Möglichkeit von Weltherrschaft (1648/ 59 - 1714) setzte sie aber ohne besondere Begründung auch gültig für Verträge zwischen Souveränen über Krieg und Frieden [106, Kap.-V/ 9, Nr-2, S.-521; Kap.-V/ 11, Nr-1, S.-533]. Jeder Staat sei souverän, und das einzige, die Souveräne bindende Gesetz sei die Fürsorge für die Sicherheit (salus) der Beherrschten (populus) [106, Kap.-VII/ 9, Nr-3, S.-766]. Pufendorf bestand also darauf, dass Staaten Institutionen zur Bereitstellung von Sicherheit seien und dass Herrscher die zwischenstaatlichen Beziehungen in guter Ordnung auch ohne Gesetze und in einem unveränderbaren systemischen Rahmen unveränderbarer Regeln führen sollten. Diese Regeln seien dem Naturrecht zu entnehmen [104, §- 6, S.- 597; 106, Kap.-VII/ 5, Nrn- 17-18, S.- 714-715]. Nur in diesem Punkt stimmte er mit Thomas Hobbes (1588 - 1679) überein, dessen politische Theorie er an anderen Stellen scharf kritisierte. Hobbes definierte den Staat, anders als Theoretiker des frühen 17.-Jahrhunderts, umfassend als „politischen Körper oder bürgerliche Gesellschaft“ und gab ihn als „eine Menge von Menschen, die durch eine gemeinsame Macht für ihren gemeinsamen Frieden, ihre gemeinsame Verteidigung und ihr gemeinsames Wohlergehen in einer Person vereinigt sind“, aus [56, S.-157; 55, S.-122]. Er positionierte Herrschaftsträger als Bereitsteller umfassender Sicherheit für die Beherrschten unter ihrer Kontrolle und behauptete, dass Herrscher dem Naturrecht verpflichtet sei müssten, wenn sie die Bereitstellung von Sicherheit als das Hauptziel ihrer Herrschertätigkeit zu leisten in der Lage sein wollten. Der Herrschaftsvertrag komme zustande durch ausdrücklichen Verzicht der Beherrschten auf ihr naturrechtlich gegebenes Recht auf Selbstregierung [56, S.-170-171]. Folglich standen Kriege „dem Naturrecht entgegen, dessen Summe im Schließen von Frieden besteht“ [55, S.-87]. Hobbes schloss, dass die Sorge für die „Sicherheit der Beherrschten das Höchste Gesetz der Herrschaft sei“. Hobbes stimmte früheren Theoretikern des 17.-Jahrhunderts wie etwa Johannes Althusius (1563 - 1638) in der Forderung zu, dass Kriege nur geführt werden dürften, wenn sie moralisch gerechtfertigt werden könnten sowie unter den Bedingungen, die Thomas von Aquin und Lipsius beschrieben hatten [57, Kap.-XXX, S.-244]. Hobbes erlegte also dem Souverän die Sorge um die Sicherheit der Beherrschten als oberste Herrscherpflicht auf. Neuere Forschungen zur Geschichte der politischen Theorie haben daher zu Recht darauf verwiesen, dass in Hobbes’ Leviathan nirgends der Naturzustand gleichgesetzt wird mit dem permanenten Zustand des Krieges aller gegen alle, sondern lediglich mit der jederzeit gegebenen Möglichkeit der Anwendung von Gewalt [9,-S.-145, 149, 157; 61]. Aber die Hobbes’sche theoretische Bestimmung des Naturzustands stieß nicht nur bei Pufendorf, sondern auch bei anderen Autoren auf Ablehnung, die den Frieden als gegebenen Zustand der Natur ansahen [116, §§ XII, XIII, fol. B2 r , B3 r -B [4] r ]. Pufendorf und Hobbes teilten hingegen die Ansicht, dass die Souveräne alle mit Gesetzgebungsrechten ausgestattet seien und sich unter einander so verhielten wie einzelne Personen, die keiner Herrschaft, sondern nur dem Naturrecht unterworfen zu sein schienen. Da Pufendorf den größten Teil des Handbuchs auf Erläuterungen zum Naturrecht verwandte, gerieten seine Ausführungen zum Recht zwischen den Staaten summarisch und waren gegenüber den Aussagen zeitgenössischer Theoretiker nicht von Originalität geprägt. Trotz der Unterschiede im einzelnen verblieben die von der Existenz des Rechts zwischen den Staaten ausgehenden Theoretiker in Bezug auf das Recht im Krieg in den Bahnen der bestehenden Konventionen [20, § IX, fol. A [4] r -B [1] r ]. Horn folgte in einem posthum gedruckten Werk der knappen, aber sachlich umfassenden ciceronianisch-grotianischen Definition des Kriegs, den er als „gewaltsamen Streit“ (certatio per vim) bestimmte. Auch knüpfte er die Bedingungen zur Bestätigung der Gerechtigkeit eines Kriegs an die Ziele des Schutzes der Beherrschten, der Rückführung verlorenen gegangenen Eigentums, der Wiederherstellung erlittenen Unrechts und an das Führen des Kriegs durch einen dazu befugten Kriegsherrn. Auch sei der Krieg auf das Ziel der Stabilisierung des Friedens auszurichten [59, § V, fol. A[4] r , §§-2, 4-7, fol. B [1] r -B2 v ]. Spezialthemen des Rechts des Kriegs, zuvor im Rahmen der Handbuchliteratur kaum behandelt, griffen Heinrich von Cocceji (1644 - 1719), Nachfolger Pufendorfs auf der Heidelberger Das Recht zwischen den Staaten und das Recht der Natur 215 Professur für Naturrecht und Ius gentium, und Johann Wolfgang Textor (1638 - 1701) auf, Jurist zunächst in Altdorf, dann in Heidelberg sowie Rechtsberater der Stadt Frankfurt. Angesichts der zunehmenden Zentralisierung staatlicher Herrschaft und der Markierung sowie Befestigung zwischenstaatlicher Grenzlinien, bei dennoch fortbestehender Gemengelage einer Vielzahl meist kleinräumiger Herrschaftsgebiete, stellte sich in der zweiten Hälfte des 17.-Jahrhunderts dringlicher als je zuvor die Frage, unter welchen Bedingungen die Armee eines Herrschaftsträgers durch Gebiete unter der Kontrolle anderer, an einem Krieg nicht beteiligter Herrschaftsträger marschieren dürfe. Der Durchmarsch durch Gebiete unter der Kontrolle verschiedener Herrschaftsträger war oft unabdingbare Voraussetzung für die Bewegung von Truppen während eines Kriegs, hing aber grundsätzlich von der Zustimmung des Souveräns ab, durch dessen Gebiete der Durchmarsch erfolgen sollte. Nicht an einem Krieg beteiligte Souveräne konnten also durch Gewährung oder Verweigerung des Durchmarschs Partei ergreifen. Textor behandelte nun die Frage, ob es ein Durchmarschrecht geben könne, das auch gegen den Willen eines Souveräns durchsetzbar sei. Er verneinte die Frage grundsätzlich mit Bezug auf das Privatrecht, das Landeignern zwar die Befugnis zur Regelung des Zugangs zu ihrem Eigentum gewähre. Im Fall eines Kriegs sei diese Befugnis jedoch durch zwingende Interessen kriegführender Parteien eingeschränkt. So könnten Souveräne einen Durchmarsch nur verweigern, wenn in dessen Folge ihre souveränen Herrschaftsbefugnisse in gefährlichem Umfang beeinträchtigt würden. Die Verweigerung des Durchmarschs sei hingegen kein Grund für einen gerechten Krieg gegen den verweigernden Souverän. Jedoch müssten sich die durchmarschierenden Truppen jeglicher Schädigung gegen das Gebiet und die dort lebenden Bevölkerungsgruppen enthalten. Für etwaig eingetretene Schäden sei Kompensation zu leisten. Keineswegs dürfe eine ganze Armee geschlossen durch ein Gebiet marschieren, da dann dessen Sicherheit nicht gewährleistet werden könne, sondern nur in getrennten Abteilungen [127, Rz 32-41, S.-176-179]. Staatliche Archive bewahren noch heute zahlreiche Akten aus dem 17. und 18.-Jahrhundert auf, in denen Regelungen zu Durchmärschen niedergelegt sind. Die Debatte über das Verhältnis des Rechts zwischen den Staaten zum Naturrecht fand überwiegend in Universitätsschrifttum des deutschen Sprachraums statt, auch wenn dieses zumeist Lateinisch abgefasst war. Zwar war die Zahl der auf Naturrecht und Recht zwischen den Staaten spezialisierten Professuren gering-- die Heidelberger Professur bestand ohnehin nur für wenige Jahre. Dennoch war das Recht zwischen den Staaten an vielen Universitäten, oft in Verbindung mit dem Naturrecht, regulärer Bestandteil des Lehrplans hauptsächlich Juristischer Fakultäten und folglich Gegenstand juristischer Abhandlungen. In den Juristischen Fakultäten war die Lehre des Rechts zwischen den Staaten im Umkreis der sogenannten Reichspublizistik angesiedelt, mithin der Lehre vom Öffentlichen Recht im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Zwar stand Frankreich unter Ludwig XIV. Modell für die Zentralisierung und Bürokratisierung von Herrschaft und das Französische stieg zur Sprache der Diplomaten und der Militärs auf, wie schon Leibniz nach dem Rijkswijker Friedensschluss bemerkte [79, S.-5-6, 14-15]. Aber die Eingliederung der Lehre des Naturrechts und des Rechts zwischen den Staaten fand im Reich statt, wo die Behauptung immerhin möglich war, dass zwischen Reichsrecht und dem Recht zwischen den Staaten fließende Übergänge bestanden. Das Lager der Leugner des Rechts zwischen den Staaten formierte sich um die Mitte des 17.-Jahrhunderts. Seine Angehörigen begründeten ihre Position mit der Naturrechtslehre. Derzufolge, so Thomas Hobbes [57, Kap.-13, S.-87-88; 56, S.-49] und Baruch Spinoza [120, Kap.-XVI, S.-189-200], habe die Natur jeden Menschen mit dem Wunsch auf alles ausgestattet. Die Gleichheit der Menschen im „Naturzustand“ könne zu Konkurrenz und Krieg um Sachen führen, die nur in begrenzter Zahl vorhanden seien, die aber mehrere Einzelne zur selben Zeit an sich nehmen wollten. Das Recht zwischen den Staaten sei mit dem Recht der Natur identisch [57, Kap.-30, S.-244]. Daher befänden sich die Staaten im Zustand des stets drohenden Kriegs, in dem 216 Nur noch die VielenAbschied vom Glauben an die Möglichkeit von Weltherrschaft (1648/ 59 - 1714) die Macht des einzelnen Staats das Recht bestimme [120, Kap.-XVI, S.-189-200]. Diesem Zustand dauernder Möglichkeit des Kriegs könnten die Menschen nur durch Zusammenschluss und freiwillige Unterwerfung unter die Kontrolle eines Herrschers entrinnen; aber ein solcher Herrschaftsvertrag könne zwischen souveränen Staaten nicht zustandekommen, da es über Souveränen keinen Herrscher geben könne. Reichspublizisten wie der Gießener Jurist Johann Nikolaus Hert (1651 - 1710) folgerten wie Hobbes aus dieser Lehre, dass ein zwischen den Staaten erzwingbares Recht nicht möglich sei [50; 51; 52; 53]. Samuel von Pufendorf setzte dieser Lehre entschiedenen Widerspruch entgegen. Er behauptete, die Natur habe für jeden alles Erreichbare in genügender Zahl bereitgestellt, so dass Krieg um den Besitz von Sachen im „Naturzustand“ nicht habe entstehen können. Zu Kriegen sei es hingegen erst gekommen, nachdem die Menschen sich in Gruppen unterteilt, also den „Naturzustand“ verlassen hätten [106, Kap.-II/ 2, Nr-3, S.-108-109]. Die Natur sei kein Zustand des jederzeit möglichen Kriegs, sondern des geordneten Friedens. Die Leugner des Rechts zwischen den Staaten stellten indirekt das augustinische Abfolgeparadigma von Frieden, Krieg und wieder Frieden dadurch in Frage, dass sie die Naturgegebenheit des Friedens bestritten und diesen ausschließlich als Ergebnis des Zusammenschlusses von Menschen zu Beherrschten in gegen einander begrenzten Staaten ausgaben. Dagegen hielten Pufendorf und mit ihm die Verteidiger des Rechts zwischen den Staaten am augustinischen Abfolgeparadigma fest. Die Anerkennung des Rechts zwischen den Staaten ermöglichte die Begründung eines dauerhaften Friedens auch unter der Bedingung, dass viele souveräne Staaten neben einander bestünden. So argumentierte Pufendorf gegen Grotius [45, Kap.-II/ 17, Nr-20; Kap.-III/ 9, Nr-11], ein unter Angst zustande gekommener Friedensvertrag sei ungültig, denn kein Abkommen könne auf Dauer wirksam sein, das nicht freiwillig geschlossen worden sei [106, Kap.-VIII/ 6, Nrn-2-4, 9; Kap.-VIII/ 8, Nr-1, S.-901-902]. Die Maschine, das Geordnetsein der Natur und das Gleichgewicht Nicht nur Pufendorf nahm die Natur wahr als eine durch göttlichen Willen geschaffene Ordnung, sondern auch Hobbes. Hobbes beschrieb in seiner politischen Theorie des Staat als politischen Körper, dessen Teile sich zu einem vollständigen und unveränderbaren System zusammenzufügen schienen wie die Räder, Federn und andere Elemente einer sich immer gleichmäßig bewegenden, sorgfältig konstruierten Maschine. Hobbes nannte diese Maschine einen „Automaten“, also ein sich selbst bewegendes Gerät [57, S.-9-10]. Hobbes’ Gebrauch der Maschine reflektierte den im 17.-Jahrhundert populären Gebrauch technischer Konstruktionen als Modelle [69, S.-176; 114, S.-61-83; 119; 121, S.-101-201] nicht nur zur Beschreibung des Systems der Staaten [115, S.-10-11] ebenso wie einzelner Staaten [96; 117] als geordnete politische Körper, sondern auch des menschlichen Körpers [31] und sogar der Seele als vermeintlichen Ort der Gefühle [32, S.-775-776]. Das Maschinenmodell diente bereits um die Mitte des 17.-Jahrhunderts als sprachliches Mittel zur Beschreibung von Ordnungen. Für die Sprache der Politik und des Rechts eignete sich dieses Modell besonders gut, da schon in dem Wort Staat eine als dauerhaft ausgegebene Herrschaftsordnung der Ausdruck der Beständigkeit mitklang. In Anwendung auf die zwischenstaatlichen Beziehungen kam jedoch zunächst das einfache Modell der Waage für das Gleichgewicht zwischen den Staaten auf. Es enthielt ebenso die Aussage, dass die Beständigkeit dieser Beziehungen, mithin Ruhe und Frieden zu erreichen [6]. So verwandte Franz Paul von Lisola das Waagenmodell in seiner Behauptung, dass die Wahrung des zweiseitigen Gleichgewichts im Interesse der Souveräne sei. Denn trotz aller fein ausdifferenzierten Unterschiede des Rangs und der davon abgeleiteten Vorrechte [39, S.- 16-97] dürfe es keinem Souverän möglich werden, Die Maschine, das Geordnetsein der Natur und das Gleichgewicht 217 Abb. XII: Der Mensch als Maschine Giambattista della Porta, Magia naturalis. Deutsche Ausg. Nürnberg 1680 [zuerst Neapel 1558]. Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, 8° Bibl. Uff. 381 218 Nur noch die VielenAbschied vom Glauben an die Möglichkeit von Weltherrschaft (1648/ 59 - 1714) Übermacht zu erlangen, da nur das Gleichgewicht Ruhe und Sicherheit für alle Souveräne gewährleisten könne [84, engl. Fassung, S.-276-279]. Lisolas Behauptung verdeutlichte bereits die Grenzen der Anwendung des Waagenmodells. Denn Lisola wie auch andere Autoren an der Wende zum 18.- Jahrhundert [99, S.- 5-6] verstanden die Bewahrung des Gleichgewichts zwischen jeweils zwei Staaten als Voraussetzung für die Bewahrung von Ruhe und Frieden zwischen allen Staaten innerhalb des europäischen Systems. Aber das Waagenmodell, basierend auf dem Bild zweier auf gleicher Höhe befindlicher Schalen, eignete sich nicht zur Beschreibung der mehrseitigen Beziehungen zwischen vielen Staaten. Ähnlich erging es dem Literaten und Pamphelisten Jonathan Swift (1667 - 1745), der zu Beginn des Spanischen Erbfolgekriegs in einem staatstheoretischen Essay aus dem Jahr 1701 noch einmal das Waagenmodell verwandte. Swift versuchte wie Lisola mit Hilfe des Modells zu belegen, dass das zweiseitige Gleichgewicht Voraussetzung zur Bewahrung des Friedens zwischen den Staaten sei. Dies könne nur geschehen, wenn ein dritte Partei die Waage „halte“. Mit dieser Behauptung fügte Swift eine dritte Seite in das Modell ein, für die dieses jedoch keinen Ort hergab. Auch er stieß also mit seinem Versuch, mit einem zweiseitigen Modell mehrseitige Beziehungen zwischen den Staaten zu beschreiben, an die Grenzen der Aussagefähigkeit dieses Modells [124, S.-197, 230-231]. Die Rede vom mehrseitigen Gleichgewicht fand zu Beginn des 18.-Jahrhunderts schnell Eingang in politische Debatten sowie auch in Rechtstexte. Insbesondere in britischer Perspektive schien für den König die Aufgabe zu bestehen, am Beginn des Spanischen Erbfolgekriegs die Notwendigkeit einer britischen Intervention auf dem Kontinent zu begründen. Denn mit der Frage nach der Erbfolge in Spanien waren britische Interessen nicht direkt betroffen. Lediglich indirekt hatte der Streit Auswirkungen auf Großbritannien durch die Person König Wilhelms III. Die nördlichen Niederlande konnten, wie schon in den früheren Kriegen Ludwigs XIV., nicht aber Großbritannien Ziel von Angriffen französischer Truppen werden. Seit Wilhelms Thronfolge im Jahr 1689 bestand zudem ein britisch-niederländischer Bündnisvertrag, in dem bereits das Ziel der Bewahrung von Ruhe und Frieden in Europa erklärt worden war [147]. Dasselbe Ziel war auch in zwei der zweiseitigen Verträge von Rijkswijk formuliert [151, S.-456; 153, S.-8]. Die Parteien der Großen Allianz von 1701 als eines mehrseitigen Bündnisses nahmen dieselbe Formel in den Text ihres Abkommens auf [67, S.-80; 74, S.-621]. Wilhelm III. verteidigte diese Zielsetzung der Großen Allianz in seiner Ansprache an das britische Parlament zur Erklärung des Kriegs gegen Frankreich mit der Versicherung, Großbritannien greife in den Krieg nur ein, um das Gleichgewicht zwischen den Staaten in Europa im Interesse aller protestantischen Mächte zu bewahren [171]. Der König wiederholte an dieser Stelle Argumente, die er bereits im Jahr 1694 vorgetragen hatte. Schon damals hatte er die These verbreiten lassen, britische Politik ziele überall in Europa auf die Bewahrung des Gleichgewichts [111, S.-422]. Er prägte damit einen Kriegsbegründungstyp, der in Großbritannien und nachfolgend im Vereinigten Königreich formelhaft bis in das Jahr 1867 für Kriegserklärungen Verwendung fand [89, S.-1]. Auch Wilhelm III. folgte in der Wahl seiner Worte noch der Logik des Waagenmodells, beschrieb aber Großbritannien bereits als den „Halter“ der Waage. Auch er rang also mit der Schwierigkeit, das britische Eingreifen als Partei der Großen Allianz in den mehrseitigen Spanischen Erbfolgekrieg begründen zu wollen mit einer Argumentationsweise, die nur für die Beschreibung zweiseitiger Beziehungen anwendbar war. Denn im Zusammenhang mit dem Erbfolgekrieg sprengte nicht nur der Einbezug eines „Halters“ das Waagenmodell, sondern zudem die Mehrzahl der beteiligten Streitparteien. An die Stelle der Waage trat daher seit der Wende zum 18.-Jahrhundert das komplexe, mehrdimensionale, viele kleine und große Elemente zusammenfügende Maschinenmodell der Uhr zur Beschreibung sowohl der Staaten als auch der mehrseitigen zwischenstaatlichen Beziehungen [90; 91]. Das Uhrenmodell schien bereits in der Gleichgewichtsdiktion derjenigen Rechtstexten auf, die der Vorbereitung des Utrechter Friedens dienten. So begründete der bourbonische Herzog Charles de Berry (1686 - 1714) im Jahr 1712 seinen Verzicht auf Die Maschine, das Geordnetsein der Natur und das Gleichgewicht 219 Nachfolgerechte in Spanien mit der Formel, er wolle der Bewahrung des Gleichgewichts zwischen den mit gleichen Rechten ausgestatteten Mächten in Nord- und Westeuropa dienen [4]. In den in Utrecht während des Jahrs 1713 geschlossenen Verträgen fand die Mehrseitigkeit der zwischenstaatlichen Beziehungen ebenso Erwähnung, auch wenn die Verträge selbst ausschließlich zweiseitig blieben. Die Spannung zwischen zweiseitiger Form und mehrseitigem Inhalt der zwischenstaatlichen Verträge setzte sich als Bestandteil des europäischen öffentlichen Rechts der zwischenstaatlichen Verträge während des 18.-Jahrhunderts fort. Seit der Wende zum 18.-Jahrhundert fanden folglich Ruhe, Sicherheit und Gleichgewicht mit ausdrücklichem Bezug auf Europa in die Sprache der zwischenstaatlichen Verträge Eingang. Die in diesen Verträgen getroffenen Vereinbarungen ließen ein System rechtlich gleicher, wenn auch auf verschiedene Ränge gestellter Staaten entstehen, deren Bestand wie der einer komplexen Maschine auf Dauer angelegt zu sein schien. Das System dieser Staaten war räumlich auf Europa begrenzt, wie eben auch jede Uhr sich in einem festen Gehäuse bewegt. Für die Beziehungen zwischen Europa einerseits, Afrika und Asien andererseits galten in europäischer Perspektive die Sprache und die Modelle des Gleichgewichts jedoch nicht. Zum einen waren die dort als nicht-staatliche Souveräne auftretenden Fernhandelskompanien gehalten, die Gewinne ihrer Aktionäre zu maximieren und nicht für die operativen Geschäfte erforderliche Ausgaben möglichst zu vermeiden. Zum anderen sollte nur in besonderen Ausnahmefällen militärische Gewalt gegen ihre Handelspartner zur Anwendung kommen. Letztere Maßgabe sollte der Sicherung des Zugangs zu den örtlichen Märkten dienen [17, S.-1-8] und ließ Konzeption und Umsetzung militärisch-politischer Strategien seitens der Kompanien gegenüber ihren Handelspartnern nachrangig erscheinen. Die Forderung nach Anerkennung der Rechtsgleichheit zwischen den Herrschaftsträgern vor Ort und den europäischen Fernhandelskompanien kam überhaupt nicht in Betracht, da letztere sich in die dort bestehenden Ordnungen einpassten. Insbesondere die VOC erteilte ihren Angehörigen ausdrückliche Weisung, die Gesetze zu achten, die in den ihre Stützpunkte umgebenden Staaten galten. Auch sollten die VOC-Angehörigen Weisungen der dortigen Herrscher befolgen [15, S.-189-190]. Als beispielsweise die japanische Regierung im Jahr 1641 anordnete, dass die VOC ihren Handelsstützpunkt von der Insel Hirado auf die künstlich im Hafen von Nagasaki errichtete Insel Dejima verlegen sollte, fügte sich die VOC. Auch andere Kaufleute, die sich wie die Portugiesen nicht zu Kompanien zusammenschlossen, führten die an sie ergehenden Weisungen aus. Die japanische Regierung untersagte im Jahr 1639 portugiesischen und spanischen Kaufleuten den Zutritt mit der Begründung, sie hätten sich nicht an japanische Gesetze gehalten. Weder die portugiesischen und spanischen Kaufleute noch die sie entsendenden Souveräne leisteten Widerstand. Auch anderswo passten sich die Fernhandelskompanien üblicherweise, wenn auch mitunter nicht ohne Widerstand, in die vor Ort geltenden Ordnungen ein. Als der Loyalist Chéng-Gōng Zhèng, in Europa als Koxinga (Guóxìngyè) bekannt (1624 - 1662), nach der Niederlage der Ming in Beijing im Jahr 1660 nach Taiwan auswich und sich dort als Herrscher etablierte, forderte er die VOC zur Aufgabe ihrer an der Westküste der Insel 1624 errichteten Festung Fort Zeelandia auf. Die VOC weigerte sich zunächst, verließ die Festung aber nach neunmonatiger Belagerung und wegen ausbleibenden Entsatzes am 1.-Februar 1662 gegen Zusicherung freien Abzugs [1; 11] und zog sich 1668 ganz aus Taiwan zurück. Mit ihrer flexiblen Gewinnmaximierungspolitik hatte die VOC im weiteren Verlauf des 17.-Jahrhunderts hingegen so überragenden Erfolg, dass sie nicht nur den Handel zwischen Ost- und Südostasien einerseits, Europa andererseits beherrschte, sondern auch einen großen Teil des innerasiatischen Handels auf sich ziehen konnte [3]. Gleichwohl setzten die rivalisierenden Fernhandelskompanien militärische Gewalt gegen einander ein, so die englische und die französische Ostindienkompanie im Kampf um die Kontrolle des Handels mit Bengalen. 220 Nur noch die VielenAbschied vom Glauben an die Möglichkeit von Weltherrschaft (1648/ 59 - 1714) Unter europäischen Herrschaftsträgern griff nur Ludwig XIV. in die Beziehungen zwischen Europa einerseits, Afrika und Asien andererseits ein. Dies geschah im Zeitraum zwischen 1680 und 1689, als es zu zwei siamesischen Sondergesandtschaften nach Frankreich und einer französischen Sondergesandtschaft nach Siam kam. Letztere fand statt mit Unterstützung durch die VOC und war mit einer Streitmacht ausgestattet. Diese griff im Jahr 1688 in interne Konflikte in Siam ein und wurde zum Rückzug gezwungen [26]. Die Gesandtschaften brachten die Annahme sowohl auf französischer als auch auf siamesischer Seite zum Ausdruck, dass die Beziehungen zwischen beiden Staaten auf der Grundlage der Anerkennung der souveränen Gleichheit und der Herrschaft des Rechts sowohl innerhalb wie auch zwischen den Staaten zu gestalten seien. Derselbe Befund ergab sich aus den Beziehungen zwischen China und Russland seit Ende des 17.-Jahrhunderts [27]. Im Jahr 1689 schlossen die Ching-Regierung in China und der russische Zar im Grenzort Nerčinsk einen Vertrag, der die Grenze zwischen beiden Staaten festschrieb und die Rechte der Kaufleute auf beiden Seiten regelte. Der Vertrag enthielt die formale Verpflichtung zum Austausch gesiegelter Originalurkunden und schrieb die Errichtung von Steinsäulen vor, in die die Vertragsbestimmungen in chinesischer und lateinischer Sprache eingemeißelt und die am Grenzverlauf aufgestellt sein sollten [149]. Im Jahr 1727 schlossen beide Seiten nach Grenzzwischenfällen den inhaltlich erweiterten Vertrag von Kiachta, der nun auch das Recht der freien Ausübung der Religion garantierte. Den Vertragstext arbeiteten in China tätige jesuitische Missionare aus und verfassten ihn in lateinischer Sprache [167]. Beide Verträge dokumentierten das Vorhandensein und die Anwendbarkeit eines allgemeinen, ungesetzten Rechts der zwischenstaatlichen Verträge sowohl in China als auch in Russland. Sie belegen die wechselseitige Wahrnehmung der Staaten als Souveräne, auch wenn in chinesischer Sicht die Beziehungen zwischen der Regierung in Beijing und jedem anderen Herrschaftsträger nach wie vor nur ungleich sein konnten. Zusammenfassung Die Tätigkeit der europäischen Fernhandelskompanien trug nicht zur Ausweitung des Geltungsbereichs der europäischen Rechts zwischen den Staaten in Afrika und Asien bei. Die insbesondere in Ost- und Südostasien bestehenden Beziehungen der Kompanien zu Herrschaftsträgern vor Ort gründeten in deren Privilegien und waren folglich ungleich. Die Hierarchien kamen zum Ausdruck in Tributzahlungen und Geschenkübergaben, die die Fernhandelskompanien zu leisten hatten. Die Kompanien und die Herrschaftsträger vor Ort stimmten auch in der Ansicht überein, dass die Souveräne den Handel durch Gesetze und Privilegien regulieren können sollten. Diese Befugnis schloss die Verweigerung des Zugangs zu Märkten für bestimmte Gruppen von Kaufleuten ein. Europäische Kaufleute erkannten diese Befugnis an, auch wenn Herrschaftsträger vor Ort sie zum Nachteil der Kaufleute anwandten. Die Ungleichheit der Beziehungen verhinderte jedoch nicht den Abschluss von Abkommen zwischen den Fernhandelskompanien und Herrschaftsträgern vor Ort. Beide Seiten konnten sich wechselseitig als rechts- und vertragsfähig anerkennen. Nicht nur die allgemeinen Rechtssätze des zwischenstaatlichen Vertragsrechts fanden Anwendung, ohne gesetzt oder irgendwie vereinbart werden zu müssen. Auch diejenigen Rechtssätze, die in europäischer Wahrnehmung als Ausprägung des auf die Menschen bezogenen Naturrechts galten, kamen zur Geltung, ohne dass die durch die Beziehungen rechtlich verbundenen Parteien dazu besondere rechtssetzende Arbeit als erforderlich betrachtet hätten. In der zweiten Hälfte des 17.- Jahrhunderts setzte sich der Begriff des Rechts zwischen den Staaten durch. Seine Gültigkeit konnte vertraglich ohne räumliche Eingrenzung geschlossen werden, wie in dem britisch-spanischen Vertrag von 1670 [136]. Auch ohne spezifische Verein- Literaturnachweise 221 barung unter Vertragspartnern hatte die überkommene Theorie weiterhin Bestand, derzufolge das Recht zwischen den Staaten grundsätzlich gelte. So urteilte Hermann Conring ohne Einschränkung auf bestimmte Teile der Welt, es sei ein Gemeinplatz, dass die Befugnis zur höchsten Gesetzgebung (legibus solutio) einen souveränen Herrschaftsträger weder vom göttlichen noch vom Naturrecht noch von den Regeln der Staatsverfassung freistelle [21, Thesis VIII, fol. X[8] v ]. Das europäische Staatensystem war somit in das über ihm stehende Recht zwischen den Staaten eingebunden. Gleichwohl waren nur innerhalb des europäischen Systems die zwischenstaatlichen Beziehungen an das augustinische Abfolgeparadigma von Frieden, Krieg und wieder Frieden gebunden, das die Ausrichtung auf die Bewahrung von Gleichgewicht, Ruhe und Sicherheit vorgab. Diese Vorgabe schloss Kriege nicht aus, gab aber der Sicherung der Bestandsfähigkeit der Staaten Vorrang vor den Interessen herrscherlicher Dynastien. Die Praxis der Diplomatie wie auch der Kriegführung geriet unter den Primat des Strebens nach Ordnung, das seinen prägnanten Ausdruck fand in der Verregelung der kämpfenden Truppen zu „stehen gebliebenen“ Heeren und im Ausbau eines Netzes Ständiger Gesandtschaften. Auch nahm die Zahl- der abgeschlossenen zwischenstaatlichen Verträge stark zu. Neben förmlichen Friedensschlüsse traten Spezialabkommen mit verschiedenen Inhalten, die unter vielen auch Erbschafts- und Handelsangelegenheiten betrafen. Das „zusammengesetzte“ Vertragsschlussverfahren war nunmehr durch Gewohnheitsvertragsrecht geregelt mit der Konsequenz, dass zunehmend mehr Verträge durch Ratifikation gültig gesetzt und nicht mehr beschworen wurden. Das aus der natürlichen Vernunft folgende Recht zwischen den Staaten schien zudem die Begründung der Erwartung der Einhaltung geschlossener Verträge aus dem Eid als Ritual der bedingten Selbstverfluchung und dadurch bekundeten Unterwerfung der vertragsschließenden Parteien unter der Willen Gottes nicht zwingend einzufordern. Die Gültigkeit des Rechtssatzes Pacta sunt servanda war für die zwischenstaatlichen Verträge vorausgesetzt auch und gerade dann, wenn Abkommen zwischen Souveränen innerhalb und außerhalb des europäischen Staatensystems zustandekamen. Mit Blick auf die zwischenstaatliche Vertragspraxis hatten die Leugner des zwischenstaatlichen Rechts einen schweren Stand. Franz Paul von Lisola formulierte im Jahr 1673 das augustinische Abfolgeparadigma noch einmal in nahezu klassischer Form: „Der verständigste Rath, so er dem Kaiser geben könne, ist der, welcher der sicherste ist, nemlich den Krieg wol führen umb einen guten und sichern Frieden zu haben.“ [85, S.-18] Nachweise: Sachtitelabkürzung: CTS: Clive Parry (Hrsg.), The Consolidated Treaty Series, 231 Bde. Dobbs Ferry 1969-1981. 1. Andrade, Tonio: How Taiwan became Chinese. Dutch, Spanish and Han Colonization in the Seventeenth Century. New York 2008 [weitere Ausg. New York 2009; 2010; zuerst. Taibei 2007]. 2. Antonisz, Jacob de: De praecellentia potestatis Imperatoriae. Antwerpen 1503. 3. Arasaratnam, Sinnapali: Maritime Trade, Society and European Influence in Southern Asia. 1600 - 1800. Aldershot 1995. 4. Berry, Charles, Duc de: [Renunziation, 24.-November 1712], in: Moorhead Wright (Hrsg.), The Theory and Practice of the Balance of Power. London und Totowa 1975, S.-50-51. 5. 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Vertrag Großbritannien- - Generalstaaten der Niederlande, 29.- April 1689, in: CTS, Bd- 18, S.-347-352. 148. Vertrag Großbritannien- - Generalstaaten der Niederlande, 24.- August 1689, in: CTS, Bd- 18, S.-487-490. 149. Vertrag China-- Russland, Nerčinsk, Oktober 1689, in: CTS, Bd-18, S.-505-507. 150. Vertrag Frankreich-- Generalstaaten der Niederlande, Rijswijk, 20.-September 1697, Teildruck in: Fontes historiae juris gentium, hrsg. von Wilhelm Carl Georg Grewe, Bd-2, Berlin und New York, 1992, S.-210-216. 151. Vertrag Frankreich-- Großbritannien, Rijswijk, 20.-September 1697, in: CTS, Bd-21, S.-411-444. 152. Vertrag Frankreich-- Spanien, Rijswijk, 20.-September 1697, in: CTS, Bd-21, S.-455-506. 153. Vertrag Frankreich-- Römischer Kaiser/ Römisches Reich, Rijswijk, 30.-Oktober 1697, in: CTS, Bd-22, S.-7-27. 154. Vertrag Osmanisches Reich-- Polen, Carlowitz, 26.-Januar 1699, in: CTS, Bd-22, S.-247-263. 155. 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Vertrag Frankreich-- Generalstaaten der Niederlande, Utrecht, 11.-April 1713, in: CTS, Bd-28, S.-39-82. 163. Vertrag Frankreich-- Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland, Utrecht, 11.-April 1713, in: CTS, Bd-28, S.-3-36. 164. Vertrag Spanien-- Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland, Utrecht, 13.-Juli 1713, in: CTS, Bd-28, S.-295-324. 165. Vertrag Frankreich-- Römischer Kaiser und Römisches Reich-- Spanien, Rastatt, 6.-März 1714, in: CTS, Bd-29, S.-3-39. 166. Vertrag Frankreich-- Römischer Kaiser und Römisches Reich-- Spanien, Baden, 7.-September 1714, in: CTS, Bd-29, S.-143-174. 167. Vertrag China-- Russland, Kiachta, 1727, in: CTS, Bd-33, S.-25-32. Geändert durch Vertrag vom 18.-Oktober 1768, in CTS, Bd-44, S.-229-231. 168. Vertrag Kandy-- Niederländische Ostindische Kompanie, Colombo, 14.-Februar 1766, in: CTS, Bd-43, S.-263-269. Literaturnachweise 229 169. Vila Vilar, Enriqueta: Los asientos Portugueses y el contrabando de negros, in: Anuario de estudios Americanos 30 (1973), S.-557-609. 170. Weindl, Andrea: The Asiento de Negros and International Law, in: Journal of the History of International Law 10 (2008), S.-229-257. 171. Wilhelm III., König von Großbritannien: Ansprache an das Parlament, 1701, in: James Watson Gerard, The Peace of Utrecht. New York und London 1885, S.-118. 172. Willman, Olof Erikson: Een kort beskriffningh på een reesa till Ostindien och för beskreffne Japan then an Swänsk mann och skeps capiteen. Wijsingborgh 1667. 173. Wilson, Peter Hamish: Defining Military Culture, in: Journal of Military History 72 (2008), S.-11-41. 174. Zentgraf, Johann Joachim: De origine, veritate et obligatione juris gentium instituta disquisitio in Academia Argentoratensi. Straßburg 1684. Kapitel VIII Die Bewahrung des Gleichgewichts als Rechtspflicht (1713---1789) Erbfolgeprobleme, Staaten und Kriege Franz Paul von Lisolas Rat, Kriege nur zur Wiederherstellung eines dauerhaften Friedens zu führen, war, wie seit eh und je, leichter gegeben als umgesetzt. Seit Beginn des 18.-Jahrhunderts standen nun aber der Umsetzung Hindernisse entgegen, die neu waren und sich aus Verschiebungen in der Anwendung des Souveränitätsbegriffs ergaben. Dieser konnte bis zu den Friedensschlüssen von Utrecht, Rastatt und Baden in den Jahre 1713 und 1714 sowohl auf Personen als Träger höchster Herrschaftsämter in Staaten als auch auf diese Staaten und nicht-staatliche Einrichtungen wie die Fernhandelskompanien in deren außereuropäischen Tätigkeitsbereichen bezogen werden. Im frühen 18.-Jahrhundert brach sich nun die Ansicht Bahn, dass die Interessen persönlicher Souveräne als Träger von Herrschaftsämtern und Angehörigen herrscherlicher Dynastien nachzuordnen seien gegenüber den Interessen, die auf den Fortbestand der Staaten als politischen Gemeinschaften von langer Dauer gerichtet sein und der Bewahrung oder der Wiederherstellung des Friedens dienen sollten. In den Friedensschlüssen von Utrecht, Rastatt und Baden kamen die am Krieg um die Erbfolge in Spanien beteiligten Streitparteien darin überein, dem wahrgenommenen Bestandsinteresse des spanischen Staats den Vorrang einzuräumen gegenüber den persönlichen Interessen der Angehörigen der Dynastien der Bourbonen und der Habsburger. Aber die Friedensschlüsse selbst setzten diese Rangordnung nicht als allgemein gültiges Recht, da die in den Friedensschlüssen getroffenen Vereinbarungen nur die Regelung der Erbfolge in Spanien betrafen. Das tiefer liegende Problem blieb daher zunächst ungelöst, wie in anderen Fällen dieses Konflikts zwischen den bekundeten oder vermuteten persönlichen Interessen von Angehörigen herrscherlicher Dynastien und den wahrgenommenen kollektiven Interessen der Staaten zu entscheiden sei. Probleme kamen hauptsächlich dadurch zustande, dass die meisten herrscherlichen Dynastien eng mit einander verschwägert waren und folglich in der Herrschaftsnachfolge oft konkurrierende Ansprüche auf einander trafen. Die Vereinigung von Herrschaftsämtern in zwei oder mehreren Staaten konnte nicht nur zu Verschiebungen der Machtverhältnisse zwischen den Staaten, mithin des wahrgenommenen „Gleichgewichts“ in Europa führen, sondern auch Veränderungen der kollektiven Identitäten der von der Vereinigung der Herrschaftsämter betroffenen Bevölkerungsgruppen bewirken. In diesen Fällen war der Abgleich dieser Interessen gegen das Bestandsinteresse der Staaten geboten [221]. Es gabe viele solcher Fälle. Der kalvinistische Historiker und Jurist Jean Rousset de Missy (1686 - 1762) brachte in vierzehn starken Bänden ein Handbuch heraus, das sämtliche, von ihm als möglich erachteten Fälle von Streit über Erbnachfolge auflistete [227]. Zu den Erbfolgekonflikten traten Streitigkeiten über die Thronfolge in Staaten hinzu, in denen sich keine Dynastie als dauerhaft herrschende Verwandtengruppe etabliert hatte. In diesen Staaten konnten Herrscher als Kandidaten auftreten, auch wenn sie keine aus ihrer Verwandtschaft abgeleiteten Ansprüche geltend machen konnten. Gemessen an der Zahl der möglichen Konflikte war die Zahl der tatsächlich ausgetragenen Thron- und Erbfolgekriege gering. Im Zeitraum zwischen 1667 und 1783 bildeten der Devolutionskrieg (1667 - 1668), der Pfälzische Erbfolgekrieg (1689 - 1698), der Spanische Erbfolge- Erbfolgeprobleme, Staaten und Kriege 231 krieg (1702 - 1714), der Polnische Thronfolgekrieg (1733 - 1735/ 38), der Österreichische Erbfolgekrieg (1740 - 1748) und der Bayerische Erbfolgekrieg (1778 - 1779) nicht die Mehrzahl der zwischenstaatlichen militärische Konflikte, gegenüber dem Großen Nordischen Krieg zwischen Russland und Schweden um die Vorherrschaft im Baltikum (1700 - 1721), dem Ersten Schlesischen Krieg (1740 - 1742), dem Zweiten Schlesischen Krieg (1744 - 1745) und dem Siebenjährigen Krieg um die Herrschaft in Schlesien zwischen Preußen einerseits, Frankreich, dem Reich und Russland andererseits sowie auch zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich in Nordamerika und Südasien (1756 - 1763), den Russisch-Türkischen Kriegen (1735 - 1739, 1777 - 1778) und schließlich dem um die Unabhängigkeit der britischen Kolonien in Nordamerika geführten Krieg (1776 - 1783). Von einer besonders ausgeprägten Bereitschaft zum Führen von Thron- und Erbfolgekriegen kann daher keine Rede sein, schon gar nicht von Konflikten, die angeblich nur aus psychologischen Motiven wie Streben nach Ausweitung der persönlichen Macht eines Herrschers begonnen worden wären [139]. Im Gegenteil, die Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens hatte schon seit dem 16.-Jahrhundert das persönliche Machtstreben von Herrschern als Grund für einen gerechten Krieg ausgeschlossen, und Macht galt nicht mehr als persönliche Gabe an den Herrscher, sondern als Eigenschaft einer politischen Gemeinschaft [78, Kap.- I/ 14, S.- 104-105]. Theoretiker des 18.- Jahrhunderts fügten die Bestimmung hinzu, bloße Nützlichkeit in der Abwägung der Staatsinteressen gebe keinen Grund für einen gerechten Krieg ab, und jede Verletzung der speziellen Rechte eines Staats sei ein Verstoß gegen das allgemeine Recht zwischen den Staaten [50, §- 362, S.- 498; 81, Kap.- IV/ 3, §- 126, S.- 615-616; 135; §- 1630, S.-272; 320 §-645, S.-518-519]. Bei dieser Bevorzugung der Sicherung des Bestands der Staaten gingen Theoretiker wie Joachim Georg Darjes so weit, die Befugnis zum Durchmarsch für Armeen durch andere Staaten vor und während eines Kriegs in jedem einzelnen Fall grundsätzlich abhängig zu machen von einer vor Kriegsbeginn geschlossenen Vereinbarung. Diese sollte genau festlegen, wie und unter welchen Bedingungen der Durchmarsch einer Armee eines Souveräns durch das Gebiet des Staats des anderen Souveräns stattzufinden habe [49, §-955, S.-544-545]. Nach dieser, freilich in der Regel nicht befolgten Ansicht war der Kriegsverlauf sorgfältig vorab zu planen. Abweichungen aus vermeintlich gegebener taktischer Notwendigkeit sollten nicht möglich sein, damit der Bestand der Staaten auch im Verlauf von Kriegen nicht gefährdet würde. Es blieb bei der aus dem 17.-Jahrhundert bereits belegten Praxis, Verhandlungen über Möglichkeiten zum Durchmarsch vor Kriegsbeginn zu führen, auch wenn die Ergebnisse dieser Verhandlungen in der Regel nicht in die feste Form zwischenstaatlicher Verträge gegossen wurden. Hinzu kommt, dass die Thron- und Erbfolgekriege des späteren 17. und des 18.-Jahrhunderts mit der Bestätigung des Status quo ante, also des Zustands vor ihrem Beginn, endeten. Das galt nicht nur für die schon erwähnten Kriege um die Thron- und Erbfolge in den südlichen Niederlanden, der Pfalz und Spanien, sondern auch in Polen, den habsburgischen Erblanden außer Schlesien und dessen Nebenländern, sowie Bayern, obschon in den letzteren drei Fällen die Ausgangslage jeweils unterschiedlich war. Da in Polen keine Dynastie einen Vorrang in der Herrschaftsnachfolge beanspruchen konnte, war dort die Gefahr höher als in anderen Monarchien, dass die Königswähler sich nicht auf einen Kandidaten einigten. Da überall in Europa bei der Herrschernachfolge der Rechtssatz der Einstimmigkeit der Wahl als Voraussetzung für die Legitimität der gewählten Person galt, kam es zur Wahl zweier oder mehrerer Nachfolger, wenn die Wähler keine Einigung auf einen Kandidaten erzielen konnten. Dann spaltete sich die Wählerschaft in verschiedene Lager und erreichte Einstimmigkeit nicht in Bezug auf die Wahl insgesamt, wohl aber auf die Kandidaten eines jeden Lagers. Derartige Mehrfachwahlen erhöhten das Potential des Kriegs, da jede gewählte Person Legitimität für sich beanspruchen konnte und keine gerichtliche Instanz zur Entscheidung über das Wahlergebnis bestand. In Spanien hatte zu Beginn des 18.-Jahrhunderts eine Doppelwahl stattgefunden und war der Auslöser des folgenden Erbfolgekriegs gewesen. Aber diese Doppelwahl war ihrerseits in dem Umstand begründet 232 Die Bewahrung des Gleichgewichts als Rechtspflicht (1713---1789) gewesen, dass Karl II. ohne leiblichen Nachkommen verstorben war, mithin die spanischen Wähler die konkurrierenden Erbansprüche der Bourbonen und des Habsburger gegen einander abzuwägen hatten. In Polen war die Abwägung zwischen verschiedenen Kandidaten bei jeder Nachfolge erforderlich, auch wenn es sein konnte, dass die Wähler sich schnell auf einen Nachkommen des verstorbenen Königs einigten. Die seit dem Jahr 1697 bestehende Personalunion zwischen dem Königreich Polen und dem Kurfürstentum Sachsen war nun sogar während der Herrschaft Augusts II. umstritten und führte im Jahr 1704 zur Gegenwahl des polnischen Adligen Stanisław Bogusław Lesczcyński (1677 - 1766, König von Polen 1704 - 1709, 1733 - 1736, Herzog von Lothringen 1737 - 1766), der August im Frieden von Altranstädt vom 1706 zur Aufgabe seines Thronrechts zwang [261]. Aber August kehrte 1709 mit russischer Hilfe auf den polnischen Thron zurück und behielt ihn bis zum seinem Tod im Jahr 1733. Dann meldete Lesczcyński, der im Jahr 1725 durch Vermählung seiner Tochter Maria Lesczcyńska (1703 - 1768) mit dem französischen König Ludwig XV (1715 - 1774) dessen Schwiegervater geworden war, seine Ansprüche erneut an. Die Mehrheit der polnischen Wähler entschied sich jedoch für den gleichnamigen Sohn des Verstorbenen als König, der als August III. (1733 - 1763) auch Kurfürst von Sachsen war. Zum Krieg kam es, da Lesczcyński die Unterstützung Frankreichs, Friedrich August Russlands und der Habsburger fand. Die polnische Thronfolge wurde so zum europäischen diplomatischen und militärischen Konflikt. Der Friede von Wien vom 18.-November 1738 bestätigte August III. als König von Polen und fand Lesczcyński mit den Herzogtümern Lothringen und Bar ab [267]. Diese Herzogtümer hatte im Jahr 1737 der dort herrschende Herzog Franz Stephan (1729 - 1738) geräumt, der anstelle der ausgestorbenen florentinischen Verwandtengruppe der Medici Großherzog der Toskana (1738 - 1765) geworden war. Franz hatte überdies im Jahr 1736 die habsburgische Erbprinzessin und Kaisertochter Maria Theresia (1717 - 1780, Erzherzogin von Österreich, Königin und Böhmen und Königin von Ungarn 1740 - 1780) geheiratet. Er galt aufgrund seiner Verschwägerung mit den Habsburgern als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge Kaiser Karls VI., da dieser keinen männlichen Nachkommen hinterließ und die Thronfolgeordnung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation Frauen von der Nachfolge im Amt des Reichsoberhaupts ausschloss. Der polnische Thronfolgekrieg fand somit sein Ende durch einen Herrschaftsträgerschacher, in dem die französische Diplomatie an zentraler Stelle beteiligt war und amtierenden Herrschern Kontrolle über fortbestehende Staaten zuwies. Die Sicherung des Fortbestands der Staaten war dabei oberstes Ziel, auch wenn die französische Diplomatie nicht ohne Eigennutz handelte und den Bestand der Herzogtümer Lothringen und Bar nicht garantieren wollte. Denn diese Herzogtümer endeten mit dem Tod Lesczcyńskis im Jahr 1766 und fielen durch Erbfolge über dessen Tochter Maria an den König von Frankreich. Diese beiden Herzogtümer war jedoch die letzten souveränen europäischen Staaten, deren Souveränität infolge verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen Herrschern erloschen. Dem Herrschaftsträgerschacher lag die Erwartung zugrunde, dass Angehörige europäischer adliger Verwandtengruppen überall in Europa als legitime Herrscher amtsfähig seien, mithin keine speziellen sprachlich-kulturellen Beziehungen zur beherrschten Bevölkerung als Untertanenschaft haben mussten. Der Gedanke, dass eine nationale kollektive Identität als durch die Zeiten gewachsene politische Einheit bestehen könne und Herrscher und Beherrschte in sich vereinigen müsse, kam bis in die 1760er Jahre nicht auf. Im Gegenteil, die Bildung einer einheitlichen kollektiven Identität der Untertanenschaft durch Okroi von oben galt als Herrscheraufgabe [103, S.-10], erschien also durch herrscherlichen Willen manipulierbar. Doch selbst dieser Aufgabe kamen während des 18.- Jahrhunderts nur wenige Herrscher tatsächlich nach. In den meisten Staaten gab es unterschiedliche Gesetzessysteme nicht nur für verschiedene Bevölkerungsgruppen unter der Kontrolle eines und desselben Herrschaftsträgers, sondern auch für die verschiedenen Geburts- und Berufsstände. Wenn im Vereinigten Königreich für den größten Erbfolgeprobleme, Staaten und Kriege 233 Teil der Untertanenschaft einheitliche, vom Parlament als gesetzgebender Versammlung mit Mehrheit beschlossene, also nicht mit dem Willen des Herrschers oktroyierte Gesetze galten [26], dann war das im größeren Zusammenhang des europäischen Staatensystems eine seltene Ausnahme. Die Umsetzung des lothringischen Herzogs Franz Stephan in die Toskana verband das Ende des polnischen Thronmit dem Beginn des österreichischen Erbfolgekriegs. Franz war in Wien aufgewachsen, ehe er im Jahr 1729 seinem Vater als Herzog folgte. Kaiser Karl VI. erließ schon im Jahr 1713 die sogenannte Pragmatische Sanktion als habsburgisches Hausgesetz, das die Ansprüche aller nicht von ihm abstammenden Angehörigen der Verwandtengruppe von der Nachfolge in den Erblanden sowie den Königreichen Böhmen und Ungarn ausschloss [256]. Im Verlauf seiner langen Amtszeit als Kaiser gelang es Karl, die meisten anderen Souveräne in Europa auf die Zustimmung zu diesem Hausgesetz zu verpflichten, auch König Friedrich Wilhelm I. in Preußen (1713 - 1740) und Kurfürst Karl Albrecht von Bayern (1726 - 1745, als Kaiser Karl VII. 1742 - 1745), die beide zunächst zögerten. Die Pragmatische Sanktion konnte zwar nicht die Nachfolge auf dem Kaiserthron regeln. Aber mit der weitreichenden Zustimmung zur Erbfolgeregelung in den habsburgischen Erblanden, Böhmen und Ungarn konnte Karl erwarten, dass Maria Theresias Gemahl Franz Stephan als Nachfolger gewählt werden würde. Als Karl am 20.-Oktober 1740 starb, erhob Karl Albrecht gegen diese Erwartungen Ansprüche auf die Nachfolge sowohl in den habsburgischen Erblanden als auch im Reich. Mit dem bayerisch-spanischen Vertrag von Nymphenburg vom 28.-Mai 1741 entstand ein Bündnis zur Durchsetzung der Kandidatur Karl Albrechts; diesem Bündnis gegen die Habsburger schlossen sich Frankreich, Neapel, Sachsen-Polen, Schweden, Spanien, die Kurpfalz sowie das Erzbistum Köln an, dessen Herrscher wie die Kurfürsten von Bayern zur Dynastie der Wittelsbacher gehörten. Im Jahr 1742 trat auch Friedrich II. (1740 - 1786) dem Bündnis bei, der nun die von seinem Vater vollzogene Anerkennung der Pragmatischen Sanktion verweigerte [270]. Auf der Grundlage des Bündnisses kam es zum Krieg gegen die Habsburger, in den auch das Vereinigte Königreich und die Niederlande als Verbündete der Habsburger eintraten. Bereits am 31.-Mai 1740 war Friedrich Wilhelm I. verstorben. Friedrich II. nutzte die Gelegenheit der in seiner Sicht bestehenden habsburgischen militärischen Schwäche zu einer Invasion der habsburgischen Provinzen Schlesien und Glatz und schloss am 4.-Juni 1741 ein Bündnis mit dem König von Frankreich gegen die Habsburger [271]. Kurfürst Karl Albrecht wurde, gegen die Erwartungen der Habsburger, im Jahr 1741 zum König von Böhmen und im folgenden Jahr als Karl VII. zum Kaiser gewählt. Er starb aber bereits im Jahr 1745 [134]. Sein Sohn und Nachfolger als Kurfürst von Bayern Maximilian III. Joseph (1745 - 1777) verzichtete auf alle Ansprüche auf Herrschaft außerhalb Bayerns und trug dadurch zum Ende des Erbfolgekriegs bei. Der Krieg um die Erbfolge Maria Theresias, in dem Bayern und seine Verbündeten ohne entscheidenden Sieg blieben, endete im Frieden von Aachen vom 18.-Oktober 1748, der die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion durch die Streitparteien festschrieb, Maria Theresia aber zur Abtretung der habsburgischen Nebenländer Parma, Piacenza und Guastalla an eine Nebenlinie der spanischen Bourbonen sowie einiger Gebiete in Savoyen an den dortigen König zwang [280]. Friedrich II. erhielt Schlesien und Glatz zugesprochen. Der britische König als Verbündeter Maria Theresias rang Frankreich die Rückgabe von Madras in Südasien zugunsten der englischen Ostindischen Kompanie ab, gestand aber die Abtretung britisch besetzter Gebiet in Kanada an Frankreich zu. Der österreichische Erbfolgekrieg griff also in seinen Wirkungen weit über den europäischen Kontinent hinaus und führte zu Gebietsschacher zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich in den von dort aus direkt oder durch Fernhandelskompanien beherrschten Kolonien. Der Friedensvertrag von Aachen war eines der wenigen mehrseitigen Abkommen des 18.-Jahrhunderts, blieb aber in anderen formalen Aspekten wie der Anrufung der heiligen Trinität als Gewährleisungsinstanz im Bann der vertragsrechtlichen Konven- 234 Die Bewahrung des Gleichgewichts als Rechtspflicht (1713---1789) tionen [106]. Der österreichische Erbfolgekrieg bestätigte, trotz der Abtretung einiger Gebiete, die Rechte Maria Theresias als alleiniger Herrscherin über die habsburgischen Erblande, Böhmen und Ungarn. Zudem gelang es ihr, die Kurfürsten auf die Wahl Franz Stephans zum Kaiser zu verpflichten. Die Wahl fand einmütig im Jahr 1745 statt und der Großherzog der Toskana wurde als Franz I. Kaiser. Das Großherzogtum Toskana fiel nach Franz’ Tod im Jahr 1765 an die Habsburger, blieb aber als Staat unter habsburgischer Herrschaft erhalten. Der letzte in der Serie der Thron- und Erbfolgekriege wurde um die Herrschaft in Bayern im Jahr 1778 begonnen, ohne Schlacht geführt und endete durch französische und russische Vermittlung im Frieden von Teschen vom 13.-Mai 1779 zwischen dem Reich und Preußen. Anlass des Kriegs war, dass nach dem Tod Kurfürst Maximilians III. Joseph im Jahr 1777 die Herrschaft über Bayern einschließlich der bayerischen Kurwürde durch Hausverträge an Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz (1742 - 1799, Kurfürst von Bayern 1777 - 1799) gelangte. Karl Theodor zeigte sich bereit, die Kontrolle über das Innviertel in Niederbayern und die Oberpfalz an die Habsburger abzutreten. Diesem Plan widersetzte sich Friedrich II., der die Ansprüche seiner Dynastie der Hohenzollern auf die Fürstentümer Ansbach und Bayreuth gefährdet sah. Der Friede von Teschen bestätigte die habsburgische Kontrolle über das Innviertel gegen die habsburgische Anerkennung der hohenzollernschen Herrschaftsrechte über Ansbach und Bayreuth [294, Art.-X, XI, S.-159-161]. Für das Reich war der Teschener Friede bedeutsam, da er neben Frankreich Russland als neue Garantiemacht für die Verträge von Münster und Osnabrück anstelle von Schweden bestimmte [294, Art.- XVI, S.- 161]. Mit der Ersetzung Schwedens durch Russland als Garantiemacht für den Westfälischen Frieden vollzog der Kaiser den rechtlichen Einschluss Russlands in das europäische Staatensystem. Der Große Nordische Krieg und der Siebenjährige Krieg, die der Praxis der Thron- und Erbfolgekriege nicht folgten, waren Konflikte um die Expansion von Herrschaft. Ersterer Krieg fand zwischen Russland und Schweden über die Vorherrschaft im Baltikum statt. Auf russischer Seite versuchte Zar Peter I. (1682 - 1725), die russische Herrschaft nach Westen bis an die Küsten der Ostsee auszudehnen, und griff damit in dortige schwedische Herrschaftsrechte ein. Der schwedische König Karl XII. (1697 - 1718) erlitt mit seinem Heer im Jahr 1709 bei Poltawa eine vernichtende Niederlage gegen Peters Armee, floh und begab sich in den Schutz des Osmanischen Sultans. Bei dem Versuch, seine Herrschaft zurückzugewinnen, starb er im Jahr 1718. Nachfolgerin wurde seine Schwester Ulrike Leonore (1688 - 1741, im Amt 1718 - 1720), die seit 1715 mit dem Sohn Friedrich (1676 - 1751) des Landgrafen von Hessen-Kassel verheiratet war. Friedrich, der im Spanischen Erbfolgekrieg auf britischer Seite ein Truppenkontingent geführt hatte, erhielt 1716 den Rang eines schwedischen Generalissimus, wurde 1720 König von Schweden, nachdem Ulrike zu seinen Gunsten abgedankt hatte, und im Jahr 1730 auch Landgraf in Kassel. Als König schloss Friedrich den für Schweden nachteiligen Frieden von Nystad [266], der die russische Herrschaft im Ostteil des Baltikums als rechtmäßig festschrieb. Peter I. konnte die bereits im Jahr 1703 an der Mündung der Narva in die Ostsee gegründete Stadt St Petersburg zu seinem Herrschaftssitz und zum Tor Russlands nach Westen ausbauen. Der Große Nordische Krieg gehörte zu den wenigen militärischen Konflikten des 18.- Jahrhunderts vor 1792, die das europäische Staatensystem veränderten. Die Nachfolger Peters I., insbesondere Zarin Katharina II. (1762 - 1796), setzten die russische Expansionspolitik jedoch nicht nach Westen, sondern nach Süden fort und gerieten dadurch in Konflikt mit dem Osmanischen Sultan. Zwischen diesem und der russischen Regierung kam es von 1735 bis 1739 und von 1768 bis 1774 zu Kriegen, die die russische Seite zur Erweiterung ihres Herrschaftsbereichs zu Lasten des Sultans bis an die Nordküste des Schwarzen Meers nutzte. Nach der Niederlage der osmanischen Armee bei Çeşme am 7.-Juli 1770 schlossen beide Seiten den Frieden von Küçük-Kainarji vom 21.-Juli 1774, der die Erweiterung des russischen Herrschaftsbereichs bestätigte [291]. Hingegen stabilisierte sich nach dem Rückzug der osmanischen Erbfolgeprobleme, Staaten und Kriege 235 Truppen in der zweiten Hälfte des 17.-Jahrhunderts die Herrschaft des Sultans auf dem Balkan. Der Sultan musste zwar im Frieden von Passarowitz vom 21.-Juli 1718 Teile Ungarns an Kaiser Karl VI. abtreten [264]. Aber Karl, der im Jahr 1736 in den russisch-türkischen Krieg auf russischer Seite eingetreten war, konnte diese Gebiete nicht halten und musste sie mit Ausnahme des Temescher Banats im Frieden von Belgrad vom 18.-September 1739 an den Sultan zurückgeben [268]. Durch die militärischen Konflikte wie auch die sie abschließenden Friedensverträge rückte das Herrschaftsgebiet des Osmanischen Sultans politisch näher an das europäische Staatensystem. Die drei habsburgisch-preußischen Kriege um die Kontrolle Schlesiens verwoben sich mit dem Krieg um die habsburgische Erbfolge. Friedrich II. begann den Ersten Schlesischen Krieg durch eine weder erklärte noch begründete Invasion Schlesiens und setzte sich damit über die Regeln des Rechts im Krieg hinweg. Dieser Krieg endete nach einigen für die habsburgische Seite verlorenen Schlachten mit dem Frieden von Berlin vom 28.-Juli 1742. Maria Theresia willigte in die Abtretung Nieder- und Oberschlesiens sowie der Grafschaft Glatz mit Ausnahme eines Streifens um Troppau und Teschen an Preußen ein [273]. Er veränderte das europäische Staatensystem, indem er die wirtschaftlich ertragreichen Teile Schlesiens der Kontrolle der Habsburger entzog und Preußen unterstellte. Den Zweiten Schlesischen Krieg begann Friedrich ebenfalls mit einer nicht begründeten Invasion eines habsburgisch kontrollierten Gebiets, dieses Mal Böhmens. Auch dieses Mal zogen die habsburgischen Armeen den Kürzeren. Maria Theresia erklärte sich bereit zum Frieden, der durch den Vertrag von Dresden vom 25.-Dezember 1745 bestätigt wurde. Der Vertrag beließ Schlesien und Glatz unter preußischer Herrschaft, verpflichtete aber Friedrich zur Anerkennung Franz I. als Kaiser [276; 277]. Der Siebenjährige Krieg hingegen änderte die Herrschaftsverhältnisse in Europa nicht in demselben Maß wie Erste Schlesische und der Große Nordische Krieg. Friedrich II. und Maria Theresia führten ihn wieder um die Kontrolle Schlesiens; aber der Krieg endete wiederum mit der Bestätigung preußischer Herrschaft, wie sie bei Kriegsbeginn stand und lag. Zu dem Konflikt kam es nach massiver preußischer Aufrüstung in der Friedenszeit seit Abschluss des Aachener Vertrags von 1748, insbesondere während des Jahres 1755 und der ersten Hälfte des folgenden Jahres [137; 145; 146; 147; 200; 219]. Friedrichs Aufrüstung blieb auf habsburgischer Seite nicht unbemerkt und veranlasste Gegenmaßnahmen. Friedrich II. fiel ohne Begründung in Sachsen ein und zwang die sächsische Armee, in seine Dienste überzutreten. Die nachgeschobene preußische Propaganda behauptete, Friedrich II. sei durch die Invasion Sachsens einem gemeinschaftlichen Angriff Frankreichs, Russlands und der Reichsarmee zuvorgekommen. Diese Begründung nahm zwar Bezug auf ein 1756 geschlossenes französisch-habsburgisches Bündnis, dem sich die russische Zarin Elisabeth (1741 - 1762) anschloss. Aber die von Friedrich II,. behauptete aktuelle Bedrohung des preußischen Staats war im Sinn des Rechts zwischen den Staaten nicht belegbar. Auf habsburgischer Seite verfocht die Armee auf Geheiß Maria Theresias das Ziel, nicht nur die habsburgische Herrschaft über Schlesien wieder zu errichten, sondern auch Preußen als Staat so zu verkleinern, dass es als möglicher Faktor einer Veränderung des Gleichgewichts innerhalb des Staatensystems ausscheiden werde. Die kaiserliche Seite stellte eine Bedrohung des Reichs durch die preußische Besetzung Schlesienes fest und ging gegen Preußen mit der Erklärung des Reichskriegs vor [125, S.-145; 245, S.-10, 29-30, 53]. Dieses Ziel schien nach der herben Niederlage der preußischen Armee bei Kunersdorf am 12.- August 1759 erreichbar. Preußen erhielt zwar bis 1761 britische Subsidien zur Aufbesserung seiner klammen Kriegskasse, stand aber wegen des nicht begründeten Kriegsbeginns ohne Bündnispartner außerhalb des Reichs da. Dagegen konnte Maria Theresia sich ihre Bündnispartner aussuchen, was ihr einen erheblichen strategischen Vorteil einzubringen schien. Der Siebenjährige Krieg, als der nach dem Spanischen Erbfolgekrieg verlustreichste militärische Konflikt bis in die 1790er Jahre, endete jedoch wie die Thron- und Erbfolgekriege mit der Bestätigung des Status quo bei seinem Beginn. Der Vertrag 236 Die Bewahrung des Gleichgewichts als Rechtspflicht (1713---1789) von Hubertusburg vom 15.-Februar 1763 bestätigte nicht nur Schlesien und Glatz als preußische Herrschaftsgebiete, sondern auch die übrigen Gebiete unter preußischer Herrschaft, und stellte ausdrücklich den vor Beginn des Kriegs bestehenden Frieden wieder her [283, Art.-I, S.-349]. Jedoch ließ Friedrich II. sich nach Kriegsende in das Netzwerk der diplomatisch-politischen Beziehungen einbinden. Nicht nur verzichtete er bis zu seinem Tod auf weitere herrschaftliche Expansion durch Anwendung militärischer Gewalt, sondern machte sich auch zum Fürsprecher der Bewahrung des Gleichgewichts [70, S.-366-373]. Außerhalb Europas hingegen zog der Siebenjährige Krieg gravierende Veränderungen in den Beziehungen zwischen europäischen Staaten nach sich. Das Vereinigte Königreich, nach den Worten des dort in der zweiten Hälfte der 1750er Jahre einflussreichsten Politikers William Pitt d. Ä. (1708 - 1778) in Deutschland seine Herrschaft über Nordamerika erringend, setzte seine Flotte und die Machtmittel der East Indian Company (EIC) ein, um französischen Einfluss in Südasien zu unterdrücken und französische Kolonialherrschaft in Nordamerika zu beenden. In Südasien gelang der mit dortigen Herrschern verbündeten EIC bei Palashi (Plassey) am 23.-Juni 1757 ein vernichtender Sieg über den Frankreich zuneigenden Nawab Siraj-ud-Daula (1733 - 1757) von Bengalen. In Nordamerika mussten französische Truppenkontingente sich aus Kanada zurückziehen. Im Frieden von Paris vom 10.-Februar 1763 trat Frankreich alle kontinentalen Besitzungen in Südasien und im Norden Nordamerikas an das Vereinigte Königreich ab [282]. Auch wenn ihn der Kritiker François Marie Arouet de Voltaire (1694 - 1778) in seiner Darstellung der Zeit König Ludwigs XV. als nebensächliches Gerangel um wilde Landstriche in einem fernen Weltteil („une légère querelle entre la France et l’Angleterre pour quelques terrains -auvages vers l’Acadie“) verspottete [304, Teil-III, Kap.-31, S.-3073], verband der Siebenjährige Krieg Kampfhandlungen auf dem europäischen Kontinent mit Kampfhandlungen in Nordamerika und Südasien. Das Bemühen von Diplomaten und Militärs um Wahrung des Bestands und der Integrität der Staaten war auf Europa begrenzt und dort, abgesehen vom Großen Nordischen Krieg und dem Ersten Schlesischen Krieg, erfolgreich. Dieses Bemühen fand seinen Ausdruck in der sowohl in der politischen Propaganda als auch in der wissenschaftlichen Theorie wiederholt vertretenen Behauptung, die Bewahrung des Gleichgewichts innerhalb des europäischen Staatensystems sei Rechtspflicht [122, S.-155-157; 245, S.-10, 29-30]. Gleichwohl gab es keine Garantie der Kontrolle europäischer Kolonialherrschaft in Übersee, einschließlich der Stützpunkte der Fernhandelskompanien. In das Gleichgewicht waren die von Europa aus kontrollierten Gebiete und Bevölkerungsgruppen in Übersee nicht einbezogen. Diese Unterscheidung zwischen Gleichgewichtsorientierung im größten Teil des europäischen Staatensystems und Bereitschaft zur Austragung von Konkurrenz mit den Mitteln militärischer Gewalt in Übersee zeigte sich besonders deutlich, nachdem im Jahr 1764 britische Kolonisten in Nordamerika aus Verärgerung über Privilegien der EIC revoltierten und im Jahr 1776 nach vorherigen Scharmützeln einen Krieg gegen das Vereinigte Königreich begannen. Diesen begründeten sie in einer am 4.-Juli 1776 verabschiedeten Erklärung mit dem ihnen zustehenden Recht auf Widerstand gegen König Georg III. (1760 - 1820), den sie als Tyrannen hinstellten und der Missachtung ihrer angeblich natürlichen Rechte bezichtigten [259]. Sie forderten für sich die Gültigkeit von allgemeinen Menschenrechten, die sie als unaufhebbar aus dem Naturrecht ableiteten [6; 115]. Für die Erklärung des Kriegs wählten sie die konventionelle Form der schon im Recht im Krieg des 12.- Jahrhunderts gängigen „Absage“ an alle zwischen den Streitparteien zuvor geschlossenen Versprechen und Verpflichtungen [10; 302] und bezeichneten den Krieg, den sie erwarteten, als Mittel zum Kampf gegen die angebliche Tyrannei des Königs. Ausdrücklich bekundeten sie ihre Entschlossenheit, sich von der Herrschaft des Königs loszusagen, und erklärten ihre „Unabhängigkeit“ mit dem Ziel der Begründung neuer Staaten. Die Unabhängigkeitserklärung der britischen Kolonisten in Nordamerika stellte in dieser Hinsicht eine Neuerung dar, da sie nicht in die Forderung nach Widerstand gegen den britischen Der transatlantische Sklavenhandel 237 König mündete, sondern in die vollständige Aufkündigung jeglicher Unterwerfung unter britische Gesetze und deren Vollzug durch den König und dessen Regierung. Mit ihrer Erklärung führten die britischen Kolonisten in Nordamerika die Rechtsfigur der Unabhängigkeit neuer Staaten in das Recht zwischen den Staaten ein. Ausdrücklich baten sie am Ende ihrer Erklärung um den Beistand Gottes und gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass dieser auf ihrer Seite stehen werde. Sie bestätigten mit dieser Formel indirekt, dass das europäische Recht zwischen den Staaten für die Entstehung neuer, unabhängiger Staaten kein Verfahren bereitstellte, mithin die Rechtsfigur der Unabhängigkeit vor 1776 nicht kannte. Die britische Regierung gab der Forderung nach Unabhängigkeit schließlich nach, obschon britische Truppen in Nordamerika nicht besiegt worden waren, und erkannte im Frieden von Paris vom 3.-September 1783 die ehemaligen Kolonien als neue Staaten an [300, Art.-I, S.-491]. Die britische Regierung reagierte durch ihre Admiralität früh und schnell auf die Rebellion ihrer Kolonisten in Nordamerika. Schon am 30.-Juli 1768 erteilte die Admiralität dem Seefahrer James Cook (1728 - 1779) eine Instruktion für eine Expedition in den Südpazifik. Der Instruktion zufolge war Cook gehalten, in der südlichen Hemisphäre nach einem großen Südkontinent zu suchen, über den bereits der alexandrinische Geograf Ptolemaios im 1.- Jahrhundert nach Chr. spekuliert hatte [217]. Cook sollte diesen, südlich des 40. Grads südlicher Breite vermuteten Kontinent aufspüren, ihn soweit wie möglich erforschen und Orte wie Häfen und Buchten sowie auch Untiefen und Riffe verzeichnen. Auch sollte er die „Gemütslage“ der dort lebenden „Eingeborenen“ darstellen sowie eine Liste von Raubtieren, Vögeln und Fischen, Minen und Mineralien anfertigen. Unbesiedeltes Land sollte er für die britische Krone in Besitz nehmen, nachdem er von den „Eingeborenen“ deren „Zustimmung“ eingeholt habe. Dabei blieb unspezifiziert, wie Cook diese angebliche „Zustimmung“ erhalten und auf welche Rechtstitel diese sich genau beziehen sollte. Falls Cook die Instruktion nicht ausführen könne, solle er die bereits im Jahr 1640 von Abel Tasman (1603 - 1659) für die Niederländische Ostindien-Kompanie (VOC) besuchte, heute Neuseeland genannte Inselgruppe erkunden [42, S.-347-349]. Cook konnte seinen Auftrag nicht erfüllen und kam nach Neuseeland, ohne zu bemerken, dass es sich um die von Tasman besuchten Inseln handelte. Er ging noch auf zwei weitere Expeditionen, deren letzte ihn in den Nordpazifik mit einem nur geringfügig modifizierten Auftrag führte [43, S. CCX- XII-CCXXIII]. Die lateinische Bezeichnung Terra australis für den Südkontinent blieb an Australien hängen, das die britische Regierung seit den 1780er Jahren besetzen und so nennen ließ. Die britische Regierung war so in der Lage, Gebiete, deren Kontrolle sie in Nordamerika verloren hatte, zu kompensieren mit kolonialherrschaftlicher Expansion in den Südpazifik. Der transatlantische Sklavenhandel Während des 18.-Jahrhunderts dehnten die in Amerika operierenden europäischen Regierungen die Kontrolle über Gebiete und Bevölkerungen aus. Spanische Kolonisten setzten sich in der zweiten Jahrhunderthälfte in Kalifornien fest, während britische und französische Kolonisten von der Nordostküste des Kontinents langsam und gegen heftigen, meist erfolgreichen Widerstand der Native Americans in das Einzugsgebiet des Ohio River sowie in die Appalachen vordrangen [247; 248; 249]. Da die Kolonisten zumeist in der Landwirtschaft tätig waren und Güter für den europäischen Markt produzierten, erhöhte sich mit der erweiterten Anbaufläche ihr Bedarf an Arbeitskräften, die wie bereits seit dem 16.-Jahrhundert in der Regel Sklaven waren. Der transatlantische Handel mit den als Sklaven deportierten Afrikanern erreichte im 18.-Jahrhundert seinen quantitativen Höhepunkt. Zwar galt dieser Handel mindestens einigen europäischen Sklavenhändlern als moralisch verwerflich [8, S.-11-13; 24; 244]; aber er fand weder außerhalb des europäischen Rechts der zwischenstaatlichen Verträge statt [263] noch ohne die 238 Die Bewahrung des Gleichgewichts als Rechtspflicht (1713---1789) Aufsicht derjenigen europäischen Herrschaftsträger in Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Portugal, Spanien und dem Vereinigten Königreich, die die den Handel durchführenden Fernhandelskompanien privilegierten und in Amerika, der Karibik, in britischen Stützpunkten in Westafrika und in der niederländischen Siedlung am Kap der Guten Hoffnung die Sklaverei legalisierten [308; 324]. Herrscherliche Aufsicht förderte daher die Verdinglichung der deportierten Afrikaner zur Handelsware und zum Ausbeutungsobjekt. Das Recht zwischen den Staaten, dessen vorbehaltlose Anwendung die Aberkennung des moralischen Status des Menschseins gegenüber den deportierten Afrikanern und deren bedingungslose Unterwerfung unter die Willkür und die Launen irgendwelcher europäischer Sklavenhändler und amerikanischer Sklavenhalter hätte verhindern müssen, blieb nicht nur wirkungslos gegenüber den geschundenden Menschen, sondern sorgte auch noch für die Minimierung der Konkurrenz unter den Sklavenhändlern. Die Profitmargen der im Atlantik operierenden Fernhandelskompanien waren gering und nur bei Einsatz von Schiffen mit großer Transportkapazität überhaupt erzielbar. Denn die von den afrikanischen Arbeitssklaven in Amerika und in der Karibik produzierten Rohstoffe wie Baumwolle und Zuckerrohr waren in Europa nur absetzbar, wenn sie dort billig angeboten werden konnten. Folglich war der Verkaufspreis für die deportierten Afrikaner in Amerika und in der Karibik niedrig und die Kosten der Sklavenhaltung reduzierten sich auf die Ausgaben, die für die befristete Erhaltung der Arbeitskraft der Sklaven unabdingbar waren. Entsprechend kurz war die Lebenserwartung derjenigen deportierten Afrikaner, die die Passage über den Atlantik überlebten, und entsprechend hoch war wegen der hohen Mortalitätsrate der Bedarf an neuen Sklaven [46; 133; 182; 232]. Zugleich stieg in Europa während des 18.-Jahrhunderts die Nachfrage nach den in Amerika von den deportierten Afrikanern hergestellten Rohstoffen an. Der Anstieg führte zur Ausweitung der Produktion und zur Steigerung des Bedarfs an Sklaven. Wohl wegen der Kombination dieser Faktoren erreichte die vermutliche Gesamtzahl der nach Amerika deportierten Afrikaner in dieser Zeit ihren Höhepunkt. Wohl die Hälfte aller zwischen der Mitte des 15. und dem Ende des 19.-Jahrhundert deportierten Afrikaner verließen Afrika während des 18.-Jahrhunderts. Bis in die 1770er Jahre regte sich in Europa kaum und in Amerika kein offener Widerstand gegen die Praktiken der Sklavenhändler und Sklavenhalter. Gegen Sklavenhandel und Sklaverei entstand im Vereinigten Königreich zwar im Jahr 1783 eine öffentliche Bewegung von Antisklavereigesellschaften, aber die britische Regierung schritt auch dort nicht gegen Sklavenhandel Abb. XIII: Die Ladefläche des Sklavenschiffs Brookes Maßangaben: 182x41-cm für Männer, 177x41-cm für Frauen, 152x36-cm für Jungen, 137x30-cm für Mädchen Kupferstich, spätes 18.-Jahrhundert, verbreitet von Antisklavereigesellschaften Die Verrechtung des Kriegs 239 und Sklaverei ein, wo sie, wie etwa in Nordamerika, selbst Herrschaft trug. Dennoch traten seit den 1780er Jahren einige wenige freigekommene Afrikaner auf den Plan, die die Kunde von ihren Lebensgeschichten im Medium des gedruckten Buchs verbreiteten und ausdrücklich Sklavenhandel und Sklaverei kritisierten [45; 57; 86]. Eine von dem schwedischen Naturforscher Emanuel von Swedenborg (1688 - 1772) gegründete fundamentalistische protestantische Sekte griff die Kritik auf und ließ an der Westküste Afrikas in der Nähe des seit dem 15.-Jahrhundert Sierra Leone genannten Felsmassivs im Jahr 1787 eine Kolonie anlegen, in die freigekommene Afrikaner zurückkehren und in Freiheit leben können sollten. Die kleine Siedlung trug den programmatischen Namen Freetown [308]. Von dieser ohnehin kleinen und wenig schlagkräftigen Bewegung zur Abschaffung des Sklavenhandels und der Slaverei blieben die europäischen Kolonien in Amerika und in der Karibik aber unberührt. Als die britischen Kolonisten gegen König Georg III. rebellierten, ließen sie in ihrer Unabhängigkeitserklärung die in den Kolonien ausgebeuteten afrikanischen Sklaven unerwähnt. Die aus dem Naturrecht abgeleiteten allgemeinen Menschenrechte, die die britischen Kolonisten für sich beanspruchten, galten in deren Sicht für die afrikanischen Sklaven ebenso wenig wie für die in den Gebieten der Kolonien lebenden Native Americans. Die Verrechtung des Kriegs In den militärischen Konflikten des 18.-Jahrhunderts bis 1792 kam die Tendenz zur Verrechtung des Kriegs zum Tragen, die unter dem gern gebrauchten Schlagwort der „Zähmung“ der Kriegsgöttin Bellona in der zeitgenössischen Kriegstheorie ihren Ausdruck fand. Im Bereich der sogenannten „niederen Taktik“ wurden Forderungen laut nach Unterwerfung der in Heeren dienenden Soldaten unter strikte Kontrolle durch kommandierende Offiziere. Die Offiziere sollten durch Erzwingung von Disziplin und in vielen Einzelheiten geregeltes Exerzieren die bedingungslose Ausführung von Befehlen und in diesem Sinn „blinden“ Gehorsam in den kämpfenden Truppen aufrecht erhalten [69, S.-229; 181]. Als Vorbild galt immer noch das Heer des alten Römischen Reichs [132, S.-27-29]. Dutzende zumeist gedruckter Exerzierreglements sollten dazu beitragen, dass durch Drill aus den Untertanen „der Bauer herauskomme“ und die häufig in den Heeresdienst gepressten Männer „das Air von einem Soldaten“ annehmen; so eine häufig gebrauchte Wendung in preußischen Reglements [213, § II/ 27]. Zahlreiche Edikte erschienen ebenfalls im Druck zur Regelung der Disziplin, worin sowohl Mandate gegen exzessive Verhängung der Prügelstrafe durch kommandierende Unteroffiziere gegen exerzierende Soldaten einbeschlossen waren als auch Regelungen für die Uniformierung der Soldaten, das Ausstellen von Pässen für Soldaten, die außerhalb ihrer Garnison unterwegs und ohne Pässe als Deserteure zu behandeln waren, sowie auch das Verbot der Eheschließung durch Soldaten ohne Billigung der Heeresverwaltung [196, S.-159-165]. Exerzieren und die Einhaltung der Disziplin galten zwar in der preußischen Armee unter Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. als modellhaft für andere europäische Heere, nicht zuletzt dank der weit verbreiteten Beschreibung des preußischen Staats durch den Grafen Gabriel- Honoré de Riquetti Mirabeau (1749 - 1791) [175; 183, Bd- 4, S.- 189]. Gleichwohl waren sie in Preußen nicht besonders weitgehend im Detail reguliert. Für die Fußtruppen des Landgrafen von Hessen-Darmstadt, beispielsweise, waren im Jahr 1712 allein für die Grundstellung der Soldaten sowie für die Handhabung der Waffen mehr als 200 Kommandos vorgeschrieben gegenüber 78 Kommandos im preußischen Reglement von 1714 [106; 212]. Hinzukamen jeweils noch Kommandos für Bewegung der Truppe im Verband. Landgraf Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt (1768 - 1790) unterhielt in seiner Exklave Primasens am Ende des 18.-Jahrhunderts ein nur wenig beschäftigtes Kontingent, das hauptsächlich Repräsentationszwecken diente, mithin den 240 Die Bewahrung des Gleichgewichts als Rechtspflicht (1713---1789) Status eines herrscherlichen Spielzeugs hatte [12]. Zwar erkannten schon Zeitgenossen, dass der Drill, nicht nur der einzelnen Soldaten, sondern auch ganzer Kontingente, nicht zum Nachvollzug in der Schlacht taugte; denn kein Regelwerk konnte alle denkbaren Kampfsituation mit seinen Vorschriften erfassen und regulieren [90, S.-124, 128]. Aber die im 18.-Jahrhundert weitgehende Übereinstimmung der Grundsätze der Ausgestaltung des Exerzierens, abgesehen von Unterschieden im Detail, wie etwa in der Häufigkeit der Wiederholung einzelner Waffengriffe, erlaubte die Herausbildung einer gesamteuropäischen Ordnung der Heere, die auch in Schlachten die als „Lineartaktik“ bezeichneten Kampfweisen in der Regel ausführten. Danach sollte im Verlauf der Schlacht die Front „Schritt für Schritt“ mit „Gleichförmigkeit“ vorrücken, wobei ihr Gewehrfeuer „dem unaufhörlichen Rollen des Donners“ gleichen sollte [54, S.- 206]. In der Schlacht sollte mithin die Ordnung der aufeinander treffenden Heere gewahrt und plangemäßes Handeln möglich bleiben. Schon Zeitgenossen bemerkten, dass diese Ordnung nur dann zur Geltung kommen konnte, wenn alle Streitparteien sich auch unter Schlachtbedingungen an sie hielten [90, S.- 124]. Die Ordnung hatte mithin Bindewirkung, auch wenn sie weder setznoch erzwingbar war. Wer sich, wie Friedrich II., nicht unter allen Umständen an die Ordnung gebunden fühlte und sie hin und wieder brach, galt als unzuverlässig und hatte dann Schwierigkeiten, Bündnispartner zu finden. Nicht-Einhaltung der Ordnung der Lineartaktik konnte also das Kriegsrisiko erhöhen. Unter den Kommandeuren entstand ein gesamteuropäisches Korps höherer Offiziere, die nach übereinstimmenden Grundsätzen ausgebildet waren, hohe Mobilität aufwiesen und folglich oft sukzessive in den Diensten verschiedener Heere standen. Diese höhere Offizieren waren zudem verbunden durch die Lektüre eines bereits umfangreichen und in der zweiten Hälfte des 18.-Jahrhunderts weiter anschwellenden Bestands an kriegstheoretischer Handbuchliteratur sowie an an Spezialdarstellungen taktischer und strategischer Einzelfragen [203; 204; 110; 111]. Die Mobilität der kommandierenden Offiziere und deren standardisiertes Wissen erübrigte den Ausbau militärischer Geheminisse in Bezug auf Truppenstärke, Kampfesweise sowie bestehende Grundlagen von Strategie und Taktik. Die diesbezügliche Angaben waren im Druck allgemein zugänglich [2, §-58, S.-35-36; 303]. Das Gebot, die Ordnung zu wahren, galt auch für den Betrieb ganzer Heere. Diese sollten Maschinen gleichen, jeder Soldat sollte ein kleines Rädchen in einem vom Herrscher errichteten, beaufsichtigten und dauerhaft betriebsfähig gehaltenen Uhrwerk sein [20, S.-15; 55, S.-19-20; 128, S.-110-111; 317, S.-324]. Das Maschinenmodell gab dem Streben nach Reguliertheit der „stehen gebliebenen“ Heere bildlichen Ausdruck und ließ den Krieg als ganzen als planbar erscheinen, auch wenn diese Heere als beständige Zeugen herrscherlicher Bereitschaft zum Krieg verstanden und kritisiert wurden [223, S.- 475]. Insbesondere Friedrich II., der Schlachten nicht auswich und katastrophale Niederlagen hinnehmen musste, beschrieb wiederholt Heere als Maschinen des Kriegs und fomulierte Regeln der Lineartaktik. So sah er es in seinen erst gegen Ende des 19.-Jahrhunderts gedruckten Testamenten [220] als gegeben an, dass Kriege nicht aus Leichtsinn oder Zügellosigkeit des Herrschers begonnen wurden. Kriege sollten im Gegenteil auf gründlich ausgearbeiteten, groß angelegten Feldzugsplänen beruhen, auch wenn flexibles Reagieren auf den Gegner und der Gebrauch von Kriegslisten geboten seien. Entscheidungsschlachten sollten, Friedrich zufolge, möglichst nur geschlagen werden, wenn sich auch der Gegner darauf einließe; das bedeutete, dass die Feldherren auf beiden Seiten darin übereinstimmen sollten, dass sie die bevorstehende Schlacht als kriegsentscheidend werten würden. Neu entwickelte Manöver und Waffentechnik seien als Staatsgeheimnisse zu hüten, Lager seien an festen Plätzen aufzuschlagen, damit Kämpfe außerhalb der Feldzugspläne vermieden werden könnten [70, S.-311-326]. Schon in zeitgenössisch veröffentlichten Schriften rühmte er den als Schlachtvermeider bekannten Marschal Turenne [66, Chant 6, VV 15-18, S.-203]. Dem Fortbestand des Staats räumte Friedrich den Vorrang vor allen anderen militärischen und politischen Zielen ein und riet zur Ver- Die Verrechtung des Kriegs 241 meidung von Schlachten, die über den Fortbestand eines Staats entscheiden könnten [68, S.-562, 566]. In einem unter dem Eindruck der Niederlage von Kunersdorf geschriebenen Essay über die Schlacht bei Poltawa (1709) orakelte er, Karl XII. habe die Regeln des Kriegs grob missachtet und deswegen diese Schlacht verloren [68, S.- 562]. Diese Regeln verstand Friedrich zwar nicht als Rechtssätze, aber doch als Gebote der Kriegstheorie für die Praxis der Kriegführung. Über das Recht im Krieg hingegen setzte er sich trotz gegenteiliger Beteuerungen vor dem Antritt des Königsamts [63, Réfutation, Kap.- 18, 19, S.- 118-122, 123-127] bei den in den Jahren 1740, 1744 und 1756 begonnenen Kriegen hinweg. Theoretiker des Rechts im Krieg waren im 18.-Jahrhundert in der Regel an Universitäten lehrende Akademiker. Sie fuhren fort, den Krieg umfassend zu definieren als regulären Konflikt unter Einsatz militärischer Gewalt, unterschieden wie ihre Vorläufer im 16. und 17.-Jahrhundert zwischen „öffentlichen“ und „Privatkriegen“, manche auch zusätzlich zwischen Angriffs- und Verteidigungskriegen oder auch Rückgewinnungs-, Entscheidungs- und Strafkriegen [50, §-963, S.-1251; 100, §-305, S.-532; 207, §-12, S.-11-12; 312, S.-417-418; 321, §§-1169, 1170, S.-854-855], und forderten die strikte Trennung von Kombattanten und Nicht-Kombattanten als hauptsächlichen Satz des Rechts im Krieg [172, S.-118]. Zudem nahm die Zahl derjenigen Theoretiker zu, die das Recht zum Krieg ausdrücklich auf Herrschaftsträger in souveränen Staaten begrenzt wissen wollten [100, S.-533; 172, S.-114-127]. Zwar besaßen die Fernhandelskompanien auch nach diesen Theoretikern weiterhin das ihnen durch Privileg übertragene Recht zum Krieg, mussten sich aber Grenzen ihrer militärischen Handlungsbefugnis ziehen lassen. So vertrat Karl Friedrich Pauli (1719 - 1772), Historiker und Jurist in Halle, die Ansicht, Fernhandelskompanien dürften nur Verteidigungskriege gegen Staaten führen [207, §-12, S.-11-12], gegen Privatleute, Piraten, Schmuggler und Korsaren aber auch Angriffskriege [207, §§- 19-21, 24, 26, S.- 15-19], und diese Kriege seien jedenfalls „öffentliche“ Gewaltakte [207 §-30, S.-21]. Krieg galt nicht als naturgegebener Vorgang, sondern als Ausfluss menschlichen Handelns aufgrund freier Entscheidung [50, §-362, S.-498]. Der Anspruch auf die Gerechtigkeit eines Kriegs war in der Kriegserklärung zu begründen. Dabei fand die ältere, von Vitoria vertretene Lehre, derzufolge beide Seiten in subjektiver Wahrnehmung einen gerechten Krieg führen könnten, nicht mehr nur Zustimmung [258, Kap.-III/ 3, Nrn-39-40, S.-30], sondern auch Ablehnung. Letztere gründete einerseits in der schon von Thomas von Aquin theoretisch geäußerten Auffassung, dass Gerechtigkeit nur objektiv sein, nicht aber an subjektiven Ansprüchen gemessen werden könne [321, §§-85-86, S.-53-54], beruhte andererseits auf der pragmatischen Forderung, dass die Gerechtigkeit des Kriegs aus den konkreten, in Kriegserklärungen und anderen Texten dargelegten „Ursachen“ nachgewiesen sein müsse und folglich nicht allein aus bloßen Ansprüchen bestehen könne [214, §-2, S.-440]. Kriege, die als gerecht anerkannt werden sollten, waren auf das erforderliche Mindestmaß an Aufwand für Material, Truppen, Finanzen und Zeit zu begrenzen [50, §-963, S.-1251; 172, S.-114; 320, §-969, S.-771-772]. Nur Kriege, die der Wiederherstellung zuvor erlittenen Unrechts dienten, sollten als gerechte Kriege anerkannt werden können [27, S.-337; 50, §-360, S.-95-96; 114, S.-234; 168, S.-9]. Krieg in diesem Sinn galt wie schon im 17.-Jahrhundert als Rechtsmittel zur Durchsetzung von Rechten zwischen Staaten, die unter einander in einer Art Naturzustand seien, also keiner übergeordneten, Recht setzenden Gewalt unterworfen werden konnten [100, S.-533]. Krieg war Bruch des Friedens, aber nicht Bruch des ungesetzten Rechts. Während des Friedens konnte kein Krieg sein [320, §-960, S.-764], aber das gottgewollte Recht der Natur galt während des Kriegs fort. Dass derlei Vorgaben der Theoretiker weder bloße Hirngespinste waren noch billige Propaganda von Streitparteien, belegt der Wandel der Kriegsopferzahlen im 18.- Jahrhundert. Während in den großen Schlachten des Spanischen Erbfolgekriegs bei Ramillies (1706) und Malplaquet (1709) von insgesamt ca 312.000 Kombattanten auf allen Seiten insgesamt ca 50.000 fielen oder schwer verwundet wurden, kamen während der Schlesischen Kriege in den Schlachten bei 242 Die Bewahrung des Gleichgewichts als Rechtspflicht (1713---1789) Mollwitz am 10.-April 1741, bei Rossbach am 5.-November 1757 und bei Leuthen am 5.-Dezember 1757 auf preußischer Seite jeweils 23.400, 22.000 und 29.000 Mann zum Einsatz, von denen jeweils 4778, 548 und ca. 6400 fielen oder schwer verwundet wurden; auf habsburgischer Seite, die diese Schlachten verlor, sah die Bilanz mit jeweils 19.000, 41.000 und 66.000 eingesetzten Kombattanten und jeweils 4551, ca 3000 und 10.000 Toten oder schwer Verwundeten zwar weniger günstig aus. Dennoch waren die absoluten Zahlen der Kombattanten wie auch der Gefallenen oder schwer Verwundeten auch während des Siebenjährigen Kriegs wesentlich geringer als während des Spanischen Erbfolgekriegs. Wohl exerzierte Soldaten waren viel zu teuer und schwer zu ersetzen, als dass sie einfach als Kanonenfutter hätten dienen können. Dennoch hatte die Verrechtung des Kriegs enge Grenzen, auf die Kritiker hinzuweisen nicht müde wurden. So brandmarkte Voltaire den Krieg neben Hunger und Seuchen als eine der drei Geißeln der Menschheit [306; 325, s. p.], während andere Aufklärer die stets einsatzbereiten, „stehen gebliebenen“ Heere als kriegstreibendes Übel verteufelten [124, 3. Präliminarart., S.- 197-198; 241]. Krieg blieb also eingebunden in das augustinische Abfolgeparadigma als Zwischenglied zwischen zwei Friedensperioden, und Friede galt daher in der Theorie des Rechts des Kriegs und des Friedens nach wie vor als Normalzustand der Welt [60, Nrn-VII, XXIV, S.-10-11, 61-62; 108, S.-114; 305]. Friedensprogramme und Friedensvertragsrecht Die Fortdauer des augustinischen Abfolgeparadigmas von Frieden, Krieg und wieder Frieden blieb im 18.-Jahrhundert weiterhin erkennbar an den Programmen für den ewigen Frieden, die im Rahmen der Konventionen den ewigen Frieden als zeitnah möglich und durch Verhinderung neuer Kriege erreichbar ausgaben [84; 151; 155, S.-245-248; 206; 224]. Dennoch variierten einige Autoren das konventionelle Muster der Programme, indem sie den geplanten ewigen Frieden ausdrücklich als „Union Europas“ [216, S.-117] oder, wie der Abbé de Saint-Pierre (1658 - 1743) ein durch Vertrag entstehendes „System der immerwährenden Gesellschaft Europas“ ausgaben [231, Seconde Proposition, S.-37]. Sie wiesen dadurch nicht nur auf menschliches Handeln beim Abschluss eines allgemeinen Vertrags zwischen europäischen Staaten als Weg zum ewigen Frieden, sondern räumten dieser „Union“ oder „Gesellschaft“ den Vorrang gegenüber dem Gleichgewicht ein. Denn nur durch eine auf einem Kongress zu beschließende „Union“ oder „Gesellschaft“ der Staaten könnten die „Erhaltung der gemeinen Ruhe“ der europäischen Staatenwelt und dadurch der Friede auf Dauer gesichert sein, nicht aber durch bloßen Gleichgewichtsschacher [155, Ausg. 1751, S.-236-240]. Der Jurist Johann Michael von Loën (1694 - 1776), preußischer Regierungspräsident in Lingen an der Ems, der diesen Vorschlag unterbreitete, sah seine Heimatstadt Frankfurt als den für diesen Kongress geeignetsten Ort an. Ohnehin bestehe der Frieden auch während eines Kriegs zwischen den nicht in den Heeren dienenden Bewohnern der kriegführenden Staaten fort, meinte Rousseau. Denn Feinde im Krieg seien nur die Kombattanten in den Heeren, der Krieg betreffe die Nicht-Kombattanten nicht und habe auch keine Wirkungen auf die nicht-militärischen Beziehungen der Bewohner von kriegführenden Staaten [225, Kap.-I/ 4, S.-124]. Das augustinische Abfolgeparadigma prägte zudem weiterhin die Verfahren des Abschlusses von Friedensverträge sowie auch deren Inhalte, auch wenn in der zweiten Hälfte des 18.-Jahrhunderts Zweifel an der Realisierbarkeit und mehr noch nach der Wünschbarkeit des ewigen Friedens aufkamen. So gaben Kritiker des augustinischen Abfolgeparadigmas zu bedenken, dass das Streben nach dem ewigen Frieden durch eine „Union“ oder „Gesellschaft“ der Staaten zu Veränderungen im Gleichgewicht und dadurch zu Instabilität führen werde [56, S.- 199; 71, S.- 143-144; 255, S.- 26, 347]. Dennoch bestand die ältere Praxis fort, neu abgeschlossene Frie- Friedensprogramme und Friedensvertragsrecht 243 densverträge auf frühere Abkommen zu beziehen, wobei die Verträge von Münster und Osnabrück als Grundlage auch des Friedensvertragsrechts Erwähnung fanden [29, S.-242; 109, §-9, S.-12]. Ebenso blieb die Einfügung der formelhaften Erklärung in die Vorsprüche zu Friedensverträgen oft geübte Praxis, nach Beendigung der Kampfhandlungen solle die Situation vor Beginn des Kriegs wieder hergestellt werden [283, Vorspruch, S.-349; 294, Vorspruch, S.-156], und Theoretiker formulierten das Gebot, am Ende eines Kriegs sollten die Streitparteien zur Friedenssituation vor Beginn dieses Konflikts zurückkehren [258, Kap.-IV/ 2, Nr-18, S.-264-265]. Erst gegen Ende des 18.-Jahrhunderts kam Kritik an dieser Praxis auf. So notierte der Göttinger Jurist Georg Friedrich von Martens in einer im Jahr 1797 erschienen Abhandlung über die Erneuerung von Friedensverträgen, bei der Bestätigung des Zustands vor Kriegsbeginn bleibe „streitig was vorhin war bestritten worden“ [168, S.-12], klagte mithin, dass die Praxis des Rückbezugs auf den Status quo ante die Möglichkeit eines neuen Kriegs über denselben Streitfall in sich trage. Aber Martens’ Kritik blieb singulär. Zur Praxis des Rückbezugs auf frühere Friedensverträge trat überdies eine Verfeinerung des „zusammengesetzten“ Vertragsschlussverfahrens hinzu. An Stelle der Ratifikation geschlossener Verträge durch Austausch der gültig gesetzten Vertragsurkunden kam in den 1730er Jahren ein Verfahren in Mode, durch das zwischen dem vorläufigen (Präliminar-) Frieden und dem endgültigen (Definitiv-) Frieden unterschieden wurde. In der Regel bestätigten die Definitivdie voraufgegangenen Präliminarverträge, kamen also einer Ratifikation der letzteren gleich [272; 273; 279; 280]. Bei Ratifikationen fand jedoch der Austausch der Vertragsurkunden statt, ohne dass die Vertragsparteien erneut zusammentrafen. Hingegen erforderte der Abschluss eines Definitivvertrags ein neues Abkommen, das formal von dem zuvor geschlossenen Prälimarvertrag unabhängig war. Hinter der Bestätigung eines schon bestehenden Vertrags durch ein neues Abkommen steckte die Absicht, insbesondere für Friedensverträge die Bindewirkung zu erhöhen. An der faktischen Dauer der Gültigkeit eines Friedensvertrags änderte das neue Verfahren wenig, da weiterhin der Krieg das letztlich einzige Mittel zur Erzwingung zwischenstaatlicher Abkommen blieb. Die Mehrheit der Theoretiker schloss sich gegen die These des Skeptikers Martens überdies der Auffassung an, dass ein Friedensvertrag den Abschluss der Kampfhandlungen und damit einhergehend die Beendigung des geführten Kriegs unwiderruflich vorschreibe, mithin Krieg das Gegenteil von Frieden sei. Mit der Gültigsetzung des Friedensvertrags seien die Parteien zur sofortigen Durchführung des vertraglich Vereinbarten verpflichtet [62, §§-334, 336, S.-543, 545; 258, Kap.-IV/ 1, Nr- 1, S.- 249-250; 320, §- 97, S.- 80-81], müssten die Gründe für den beendeten Krieg vergessen und für den ewigen Frieden eintreten [258, Kap.-IV/ 2, Nr-19, S.-265-266]. Deswegen sollten die Kriegsgründe im Friedensvertrag nicht einmal mehr Erwähnung finden [172, S.-135; 320, §-988, S.-789]. Eine allgemeine „Amnestie“ im Wortsinn des kollektiven Vergessens aller während des Kriegs verübten Gewaltakte sowie des dauerhaften Schweigens über sie [61] folge aus dem Friedensvertrag, der keiner Partei Unrecht zuweisen dürfe [258, Kap.-IV/ 2, Nr-20, S.-266; 320, §§-989, 990, S.-789-790]. Bei Forderungen an die Besiegte habe „Mäßigung“ im Sinn der lipsianischen Ethik zu walten, und rechtswidrige Forderungen seien unwirksam. Das Naturrecht gab somit den Rahmen ab, in den sich Sätze des Friedenvertragsrechts einzufügen hatten [62, §§-334, 338, 339, S.-543, 545, 547]. Mitunter in direkter Gegenrede gegen die politische Theorie von Thomas Hobbes bestimmten Theoretiker des Rechts des Friedens diesen als naturgegebenen Zustand [50, S.-496; 82, Kap.-III/ 86, S.-158], der die Sicherheit der Staaten fördere [135, §-1630, S.-272]. Denn Naturrecht sei Ausfluss des gottgewollten Vernunftrechts, strebe danach, das Glück der Menschen zu erreichen. Friede garantiere Beständigkeit und sei dadurch Voraussetzung für das Glück [258, Kap.-IV/ 1, Nr-2, S.-250-251]. Folglich verpflichte die Natur die Menschen dazu, den Frieden zwischen den Staaten zu pflegen [258, Kap.- IV/ 1, Nr- 1, S.- 249; 319, §-961, S.-765]. Daher, spezifizierte der Hallesche Philosoph Christian Wolff, könne nach Beendigung eines Kriegs und der vertraglich vereinbarten Amnestie der frühere Krieg nicht wieder 244 Die Bewahrung des Gleichgewichts als Rechtspflicht (1713---1789) aufgenommen werden, auch wenn die Rückkehr zum Status quo ante vereinbart worden sei. Jedoch sei der Beginn eines weiteren Kriegs aus einem neuen Grund kein Bruch eines bestehenden Friedensvertrags [320, §§-1022, 1025, S.-813-815]. Der Friede, den es wieder herzustellen und zu bewahren galt, war jedoch auf Europa begrenzt. Die Zahl der zwischenstaatlichen Verträge nahm zu und die Inhalte wurden vielfältiger als in allen früheren Zeiten. Die meist mehrbändigen und großformatigen gedruckten Vertragssammlungen, die während des 18.-Jahrhunderts starke Konjunktur hatten [1; 7; 21; 30; 33; 53; 116; 149; 150; 171; 210; 226; 230; 239; 313] trennten Friedens-, Freundschafts-, Übergabe-, Waffenstillstands-, Subsidien-, Neutralitäts-, Barriere-, Waffenführungsverbots-, Konföderations-, Bündnis-, Garantie-, Renunziations- und Handelsverträge begrifflich und nach dem in ihnen angewandten Formular [15, Kap.-V/ 82, S.-162]. Eine besondere Stellung erhielt der Vertrag, den die eben anerkannten Vereinigten Staaten von Amerika mit dem Königreich Preußen am 10.-September 1785 schlossen [314, S.-306-308]. Der Vertrag garantierte als einer der ersten die Freiheit des Handels, des Verkehrs und der Siedlung auf der Basis der Gegenseitigkeit zwischen einer europäischen und einer außereuropäischen Partei. Alle preußischen Untertanen und alle US-Bürger sollten in den Genuss der vertraglich vereinbarten Privilegien kommen, die somit den Fernhandelskompanien entzogen wurden. Wechselseitig versicherten sich beide Vertragsparteien der Meistbegünstigung und verzichteten auf das Zugeständnis der Exterritorialität. Mithin verpflichtete die preußische Seite ihre Untertanen, in den USA das dortige Recht bedingungslos anzuerkennen und anzuwenden, die US-Seite erlegte ihren Bürgern dieselbe Verpflichtung gegenüber preußischem Recht auf. Beide Parteien erkannten dadurch die Territorialität des Rechts in beiden Staaten ohne Einschränkung an. Ebenfalls sollte in beiden Staaten Testaments- und Religionsfreiheit gelten. Im Krieg sollten Frauen, Kinder und „Gelehrte jeder Fachrichtung“ nicht als Kombattanten gelten dürfen [301, Art.-II, III, V, X, XI, XXIII, S.-11-15, 18]. Das Recht der zwischenstaatlichen Verträge galt wie schon für Grotius [87, Kap.-I/ 1, Nr-14] als freiwilliges Recht zwischen den Staaten (ius gentium voluntarium) [48, §§-18, 20, S.-46-47] mit der Maßgabe, dass zwischenstaatliche Verträge nur Verpflichtungen setzen könnten, die nicht schon im Naturrecht gründeten; Verträge seien nur gültig, wenn sie auf freiem Übereinkommen beruhten, und gültige Verträge könnten nicht gegen die Vernunft verstoßen [48, §-17, S.-46]. Einmal gültig gesetzt, seien Verträge unbedingt auszuführen. Die Gültigkeit der Verträge sollte nicht länger an Förmlichkeiten wie den Eidschwur oder die Anrufung einer göttlichen Instanz gebunden sein [258, Kap.-II/ 15, Nr-225, S.-438-439]. Denn die Gültigkeit der Verträge folge allein aus dem Willen der Parteien so zu handeln, dass das gemeinsam Beschlossene geschehen solle [50, §§- 393, 400, S.- 552-556, 562; 62, §- 338, S.- 545; 258, Kap.- II/ 12, Nr- 162, S.-373-374]. Georg Friedrich von Martens spezifizierte, ebenfalls auf der Grundlage der älteren Rechtsliteratur, dass gültige zwischenstaatliche Abkommen nur durch die zum Vertragsabschluss Befugten eingegangen werden dürften und Unausführbares nicht beschlossen werden könne [166, S.-34-36]. Martens begründete jedoch die allgemeine Verpflichtung zur Vertragserfüllung (Pacta sunt servanda) auf andere Weise als der Jenaer Philosoph Darjes. Während Darjes, auf Connanus [41, Kap.-I/ 6, Nr-12, S.-21-22] verweisend, das Römische Recht als Quelle heranzog [50, §-392, S.-550], gelangte Martens zu der Überzeugung, dass diese Verpflichtung aus der Logik des Vertragsschlussverfahrens selbst folge, und glaubte, der Rechtssatz sei aus dem Naturrecht abzuleiten [166, S.-34]. Schon der Helmstedter Staatsrechtler Johann Wolfgang Kipping (1695 - 1747) hatte im Sinn Martens die Klausel, die Gültigkeit aller zwischenstaatlichen Abkommen sei an die Fortdauer der bei Vertragsabschluss bestehenden allgemeinen politischen Bedingungen und Zustände gebunden (clausula de rebus sic stantibus), als Bestandteil des allgemeinen Rechts der zwischenstaatlichen Verträge für ungültig erklärt und gefordert, sie müsse für durch die vertragschließenden Parteien jeweils vereinbart und ausdrücklich im Text eines Vertrags festgeschrieben sein [131]. Staaten, die Statistik und das Gleichgewicht 245 Die popularphilosophische These, Herrschaftsträger könnten aus Gründen einer angeblichen „Staatsräson“ Verträge brechen [64, S. XXVI; 74, S.-78; 141, S.-24], ohnehin im 18.-Jahrhundert oft bestritten [63, Réfutation, Kap.-18, 19, S.-118-122, 123-127], fand in der Rechtsliteratur keine Verbreitung. Denn diese These war unvereinbar mit dem Bemühen der Theoretiker des Rechts zwischen den Staaten um die Stabilität des europäischen Systems. Auch andere herrscherliche Handlungen als der vorsätzliche Vertragsbruch galten als Gefährdung der Stabilität dieses Systems [258, Kap.-III/ 3, Nr-47, S.-39-40]. So erregte die Entscheidung Zarin Katharinas II., König Friedrich II. und Erzherzogin Maria Theresias vom Jahr 1772, massive zeitgenössische Kritik, große Gebiete des Königreichs Polen unter sich aufzuteilen. Die Entscheidung sei „ein sehr großer Bruch im modernen System Europas“ und stelle „die große wertliche Republik“ in Frage, urteilte ein anonym gebliebener Kommentator, hinter dem sich vielleicht der Philosoph und Politiker Edmund Burke (1729 - 1797) verbarg [11]. Denn zu dieser Entscheidung hatten sich drei Souveräne zusammengetan, um einen bestehenden souveränen Staat zu zerstückeln. Das Gegenargument, durch die Teilung Polens sei ein neues Gleichgewicht in Mitteleuropa entstanden [72; 164; 165; 228; 83], verfing gegen die Kritik aus Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den kleineren Reichsständen nicht [112, S.-14-16, 36]. Kritiker verwiesen darauf, dass Polen als Staat Teil des europäischen Systems sei und das „Abschneiden“ [72] von Gebieten aus dem polnischen Staat den Fortbestand des Systems als ganzes gefährde [152, S.- 314-315; 97, S.-126-143; 14; 310]. Die Teilung Polens erregte folglich als schwerer Verstoß gegen die Regeln des Gleichgewichts Widerspruch [152, S.-303-304]. Wenn Voltaire auch glaubte, die Teilung sei juristisch und moralisch unbedenklich, so verwies er doch die zwischen den Souveränen bei der Verabredung der Teilung aufgetretenen Streitigkeiten [307, S.-97]. Staaten, die Statistik und das Gleichgewicht In lateinischen Texten des späteren 18.-Jahrhunderts trat das Wort Gens nicht mehr als Bezeichnung für Bevölkerungsgruppen, sondern für Staaten in Erscheinung [49, §- 960 S.- 546]. Der Staat galt in dieser Zeit, entgegen der Ansicht von Theoretikern des früheren 18.-Jahrhunderts [194, S.-111, 113], als „uralte“ und „fast allgemeine“ menschengemachte Einrichtung, und wurde wie eine Maschine „behandelt“. So befand der Göttinger Historiker August Ludwig von Schlözer (1735 - 1809): „Der Stat ist I. Erfindung: Menschen machten sie zu ihrem Wol, wie sie Brandkassen etc. erfanden. Die instructivste Art, StatsLere abzuhandeln, ist, wenn man den Stat als eine künstliche, überaus zusammengesetzte Maschine, die zu einem bestimmten Zwecke gehen soll, behandelt. Aber II. uralt ist diese Erfindung: wir treffen sie schon beim allerersten Anfang der Geschichte an. Und III. fast allgemein ist sie-… . Alle bisher bekannt gewordene Menschen-Haufen, alter, mittler und neuer Zeiten, leben-… in bürgerlicher Gesellschaft. Und bei weitem die allermeisten, wenngleich nicht alle, leben in Stat, Gesellschaft oder unter Obrigkeit.“ [236, S.-3-4] Schlözer stellte den Staat unter das Gebot der Nützlichkeit für die staatlicher Herrschaft Unterworfenen und wandte seinen Staatsbegriff ohne Unterschied auf die gesamte Welt an. Der Staat sei als „Erfindung“ „sehr leicht“: „dies beweist ihr Alter und ihre Allgemeinheit. Man brauchte nur zu bemerken, daß Menschen-Glück one Verein, und dauernden Verein, one Stat, nicht möglich sei: so unterwarf man sich freiwillig.“ [236, S.-5] Schlözers Staatsbegriff blieb also im Bann der Herrschaftsvertragslehre und band, ebenso wie bei Schlözers Zeitgenosse, dem Reichsreformer und Mainzer Kurfürst Carl Theodor von Dalberg (1744 - 1817), das Glück der Menschen an die Beständigkeit der von diesen geschaffenen herrschaftlichen Einrichtungen [47, S.-6-7]. Die Lehre vom Staat als „Maschine des politischen Cörpers“ [109, §-4, S.-7] war Studienfach in Universitäten und sollte künftige Staatsdiener auf ihren Beruf vorbereiten. Das Studienfach 246 Die Bewahrung des Gleichgewichts als Rechtspflicht (1713---1789) hieß „Statistik“, das bedeutete damals Staatslehre und „behandelte“ Staaten überall in der Welt, also nicht nur in Begrenzung auf das europäische System. Es beschrieb die Welt als stabile Staatenwelt. Statistik sei dazu da, glaubte Schlözer, „der zerstreuten Materie eine scientivische Form zu geben, eine Menge von heterogenen, aber zum gegebenen Zweck unentbehrlichen Datis unter einen GesichtsPunkt zu vereinen, und diese Data in Ordnung, in ein geschlossenes System zu bringen.“ [237, S.-1-2] Dieses „System“ als solches sollte mithin unveränderbar und vollständig sein. Schlözer folgte mit seiner wissenschaftlichen Methode den Vorgaben der zeitgenössischen philosophischen Methodologie [142, S.- 510; 143, S.- 388-389]. Er beschrieb mithin sein System der Staaten, wie Carl von Linné sein „System der Natur“ beschrieben hatte [153]. Das Wort Statistik als Bezeichnung für die Staatslehre entstand erst zu Beginn des 18.-Jahrhunderts [253], und selbst Schlözer war unbekannt, woher das Grundwort Staat kam. Er gestand dies selbst ein, obschon die lateinische Wurzel des Worts leicht erkennbar ist. Dennoch bemerkte Schlözer, dass die ihm bekannten lateinischen Wörter für den Staat, darunter Res publica, Civitas, Regnum, Imperium, nicht den Staatsbegriff seiner Zeit zum Ausdruck brachten, sondern nur, was ihm als Erscheinungsformen des Staats erschien [237, S.-3, Anm.-6]. Als Staat galt seit der Mitte des 18.-Jahrhunderts „der Inbegriff alles dessen, was in einer bürgerlichen Gesellschaft [oder“ Republik „] und deren Lande würklich angetroffen wird“, mithin die wirtschaftlichen, politischen und militärischen Gegebenheiten einer politischen Gemeinschaft [2, S.-5]. Staaten sollten entstehen durch die Summe von drei Typen von Verträgen, den Herrschaftsvertrag zur Begründung einer legitimen Ordnung, den Gesellschaftsvertrag zur Errichtung einer hierarchisch geordneten Untertanenschaft und einen Grundvertrag über die Ausprägung der Herrschaftsform [108, S.-169-171]. Statistiker rechneten damit, das es innerhalb der Staaten Veränderungen gegeben haben konnte, und bezeichneten diese Veränderungen als die „politischen Hauptrevolutionen“, womit noch im Jahr 1770 keine Änderungen der Grundverträge über die Herrschaftsform, sondern wichtige politische Entscheidungen innerhalb der Staaten gemeint waren [203, Ms, fol. 235 v ]. Die Abfolge dieser innerstaatlichen Entscheidungen bildete die „Staats-Historie“, die den Bestand und das „System“ der Staaten insgesamt unverändert zu belassen schien [75, S.-21; 320, §§-110-112, 116-119, S.-92-93, 97-99]. Zum Staat gehörte nach Ansicht der Statistiker ein Gebiet als ein linear abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, „welchen ein Volck eigenthümlich besitzet“ [2, S.- 12; 258, Kap.- II/ 7, Nr- 92, S.-323]. Die eindeutige und einvernehmliche Kennzeichnung der Grenzen sollte Streit über deren Lage vermeiden und so die Stabilität des Systems der Staaten erhöhen, die alle unter einander rechtlich gleich sein und gegen einander dieselben Pflichten und Rechte haben sollten [258, Prélim., §-18, S.-11]. Die Bewohner einer politischen Gemeinschaft hatten also sesshaft zu sein, damit diese als Staat im Sinn der Statistik gelten konnte. Das Eigentum der sesshaften Bewohner an dem von ihnen besiedelten Staatsgebiet sollte nach dem Naturrecht der ersten, dieses Gebiet besitzenden Gruppe uneingeschränkt und unveräußerlich zustehen. Nur „un-occupirte“ Inseln im „grossen Welt-Meer“ seien terrae nullius, also Niemandes Lande, Eroberungen mithin generell unrechtmäßig [81, Kap.-IV/ 3, Nr-124, S.-615]. Daher sei die spanische Eroberung Amerikas „unrecht“ gewesen [81, Kap.-IV/ 3, Nr-126, S.-615-616]. Ebenso seien Interventionen in das Gebiet und gewaltsame Aneignungen eines anderen Staats verboten, es sei denn, Untertanen leisteten legitimen Widerstand gegen einen tyrannischen Herrscher und erbäten Hilfe aus einem anderen Staat [258, Kap.-II/ 4, Nr-54, S.-297, Kap.-II/ 4, Nr-56, S.-298]. Veränderungen des Besitzes von Staatsgebiet, beispielsweise infolge militärischer Besetzung, könnten nur rechtgültig werden, nachdem sie Gegenstand freiwillig geschlossener Friedensverträge geworden waren [177, §-1, S.-3]. Diese Schlussfolgerung teilten jedoch nicht alle Theoretiker. Der in sächsischen Diensten stehende Diplomat Emerich de Vattel (1714 - 1767) aus dem damals preußischen Neuchâtel wollte gegen andere Theoretiker seiner Zeit das Besitzrecht an Staatsgebiet an die Wirtschaftsweise der dortigen Bevölkerungsgruppen gebunden sehen. Entscheidend für die An- Staaten, die Statistik und das Gleichgewicht 247 erkennung des Besitzrechts sei, ob sich die Bevölkerung an das göttliche Gebot des Bebauens des Bodens halte. Gehorche sie diesem Gebot nicht, indem sie jagend umherstreife, müsse sie denjenigen weichen, die dem göttlichen Gebot des Bodenbaus folgen wollten. Damit rechtfertigte Vattel wie Vitoria die spanische Eroberung Amerikas [258, Kap.-I/ 7, Nr-81, S.-78-79]. Der zentrale Begriff, der nicht nur in der Statistik, sondern auch der Theorie des Rechts zwischen den Staaten sowie in der Pamphletliteratur als Richtschnur für politisches Handeln und zur Bestimmung von dessen Rechtmäßigkeit diente, war das Gleichgewicht. Dessen zeitgenössische Kritiker, insbesondere aus dem preußenfreundlichen Lager während der Schlesischen Kriege, wurden zwar nicht müde, das Gleichgewicht als „Chimäre“, als hässliches Hirngespinst, zu verwerfen [37; 91, S.-47; 117; 187; 211]. Dennoch beherrschte das Gleichgewicht, auf die beiden technischen Modelle der Waage und der Maschine gegründet, nicht nur den Krieg der Worte in der politischen Pamphletliteratur [58, S.-11-12; 245, S.-31 mit Anm 29], sondern auch die akademische Debatte, die es zum Rechtstitel aufwertete [113; 129]. Neben das Modell der Waage trat während des 18.- Jahrhunderts vermehrt das Modell der Maschine [65, S.- 147-148; 70, S.-389; 126, S.-503-504]. Das Modell der Maschine schien geeignet, die vermeintlichen Regelmäßigkeiten derjenigen Strategien zu verdeutlichen, die auf das Ziel der Bewahrung der Stabilität des europäischen Staatensystems ausgerichtet waren [174; 176; 234; 250]. Hobbes’ Theorie des Staats ausschreibend, konstruierten Diplomaten und andere Autoren von politischer Tagesliteratur sowie Theoretiker des Rechts zwischen den Staaten den „politischen Körper Europas“ als Maschine, in der ein Zustand des Gleichgewichts gegeben oder wünschenswert sein sollte [75, S. 21; 122, S.-32, 126; 177, §-9, S.-24-25; 209, Bd-1, S.-13-14; 224, S.-370-372; 240, S.-55]. Die rechtliche Gleichheit der souveränen Staaten, wie schon im 17.-Jahrhundert aus dem Naturrecht abgeleitet, bedinge innerhalb des europäischen Systems das militärische, politische und wirtschaftliche Gleichgewicht zwischen den Staaten, die „in eine Gesellschaft zusammentreten“ [88, S.-198; 172, S.-15-16; 198, S.-6-7; 199, S.-8]. Also, folgerten Theoretiker, sei die Bewahrung des Gleichgewichts eine allgemein gültige, naturrechtlich gegebene Verpflichtung [49, §-960, S.-546; 113; 122, S.-32, 155-157; 144, §-3, S.-4-5; 202, S.-25-25, 56]. Diese Verpflichtung benötige keine über den Staaten stehende Instanz zu ihrer Erzwingung, sondern setze sich unter handelnden Herrschaftsträgern von selbst durch, sofern diese letztendlich die Vorgaben der natürlichen Vernunft befolgten [122, S.-155-156; 224, S.-370-371]. Die Bedeutung dieser gelehrten Ableitungen für die praktische Gestaltung der zwischenstaatlichen Beziehungen ist dokumentiert in der sich durch das 18.-Jahrhundert ziehenden, durch die Schlesischen Kriege angeheizten Diskussion der Frage, ob ein gegen das Anwachsen der Macht eines Staats geführter Krieg gerecht sein könne. Ausgangspunkt der Diskussion war das Problem zu entscheiden, wie Herrschaftsträger benachbarter oder sonstwie betroffener Staaten auf erkennbare, dem Anschein nach vorsätzlich ausgeführte Veränderungen des Gleichgewichts reagieren sollten. Anders gefragt: wenn somit während fortdauernder Friedenszeit und ohne erkennbare direkte militärische Bedrohung durch einen anderen Staat Maßnahmen zur Erhöhung der Truppenzahlen, zur Steigerung der wirschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bevölkerung durch Änderung der Handels- und Steuerpolitik sowie zur Erhöhung der Bevölkerungszahl durch Förderung der Immigration getroffen, Grenz- und andere Befestigungsbauten errichtet oder gar Gebiete eines anderen Staats besetzt würden, durften derartige Handlungen eines Herrschaftsträgers als Versuche zur Veränderung des Gleichgewichts und, daraus folgend, zur Gefährdung der Stabilität des Staatensystems gewertet werden? Und war ein Präventivkrieg zur Verhinderung der vollständigen Ausführung dieser Maßnahmen, mithin des Zustandekommens des Übergewichts eines Staats, gerecht? Die beständige, aus wechselseitiger Rivalität folgende allgemeine Wachsamkeit gegenüber dem Handeln von Herrschaftsträgern überall im europäischen Staatensystem galt als bestes Mittel zur Bewahrung des Gleichgewichts [198, S.-6-7; 258, Kap.-III/ 3, Nr-44, S.-34-37]. 248 Die Bewahrung des Gleichgewichts als Rechtspflicht (1713---1789) Die Mehrheit der Teilnehmer an dieser Diskussion entschied sich dafür, einen derartigen Präventivkrieg für gerecht zu erklären, und sprach sich damit für die These aus, dass die Bewahrung des Gleichgewicht eine Rechtspflicht der Herrschaftsträger sei. Ein Krieg gegen einen Staat, dessen Herrschaftsträger keine militärische Aggression begangen hatte, wohl aber das Potential für künftige aggressive Handlungen zu schaffen schien, sollte demnach als Beitrag zur Sicherung des Bestands der Staaten im System und dadurch zur Sicherung des Friedens auf längere Frist gerecht sein. Diese Theoretiker begründeten ihre Ansicht mit den Argumenten, die Sicherung des Gleichgewichts auch mit militärischer Gewalt sei zur Gewährleistung der naturrechtlichen Gleichheit der Staaten geboten [3, §-266, S.-237; 96; 94] und die Sicherung des allgemeinen Friedens auf lange Sicht rechtfertige dessen kurzfristige Unterbrechung durch einen Krieg [81, S.-207-208; 129, §§ XIV, XIX, S.-24-26, 32-34]. Hinzu trat das Argument, die Pflicht zur Bewahrung des Gleichgewichts sei selbst Rechtssatz, gegen den Verstöße nicht hingenommen werden dürften [254, S.-227]. Zwar gestanden Vertreter dieser Ansicht zu, dass Macht als solche ohne Willen zur Schädigung anderer keine Bedrohung sein könne. Das bloße Anwachsen der Macht eines Staats verändere daher das Gleichgewicht als solches nicht [75, S.-21]; wenn aber ein Staat im Ruf stehe, Ungerechtigkeit, Habsucht, Ehrgeiz und das Streben nach Vorherrschaft über andere zu fördern, sei ein Präventivkrieg gegen das Anwachsen der Macht eines solchen Staats gerecht [258, Kap.-III/ 3, Nr-44, S.-34-37]. Hingegen erklärten wenige Teilnehmer an der Diskussion kategorisch, dass die Bewahrung des Gleichgewichts zwischen den Staaten kein Grund für einen gerechten Kriegs ein könne. Denn das Gleichgewicht sei selbst Garant der Fortbestands der Staaten, folglich Faktor des Friedens, und könne daher nur mit friedlichen Mitteln, aber nicht durch Krieg geschützt werden. Zudem gebe es keine Rechtspficht zur Bewahrung des Gleichgewichts, das folglich ohne Verletzung des Rechts zwischen den Staaten verändert werden könne [108, S.-208-209; 320, §§-646-649, S.-520-523]. Die Diskussion um das Gleichgewicht belegt den Ernst, mit dem Theoretiker die konkreten politischen Möglichkeiten der Umsetzung des Rechts zwischen den Staaten ausloteten. Sie blieb nicht rein akademisch, da die in ihr ausgetauschten Argumente Eingang fanden in diplomatische Kontroversen um die Begründung oder die Verhinderung von Maßnahmen zur militärischen Aufrüstung. Sie diente, insbesondere während des Siebenjährigen Kriegs, der kaiserlichen Kanzlei in Wien auch zur Rechtfertigung ihres Vorgehens gegen Friedrich II. Diesen beschuldigte die kaiserliche Kanzlei zu Recht [145; 146; 147], die Zahl der ihm unterstellten Kampftruppen in Friedenszeiten ohne erkennbaren Grund erhöht zu haben. Dagegen setzte die preußische Seite in Kriegsmanifesten schon im Jahr 1756 die Behauptung, dass die habsburgischen Initiativen gegen Preußen der „Ruhe“, mithin dem Gleichgewicht im Reich entgegen stünden. Friedrich II. müsse daher den Krieg beginnen, um das Reich vor habsburgischer Übermacht zu schützen. Der Krieg werde somit um die gerechte Verteidigung Preußens und des Reichs geführt. Friedrich sei kein Aggressor, und der Krieg eine Notwehrmaßnahme auf preußischer Seite [215, S.-174, 180-181, 182-183; 214, S.-440-441]. Beide Seiten argumentierten also auf der gemeinsamen Basis des Rechts zwischen den Staaten und behaupteten jeweils, dass das Gleichgewicht bewahrt und eine Gefährung des Bestands des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation verhindert werden müsse. Dieses Recht konnte Anwendung finden auf die Regelung der Beziehungen des Reichs zu seinen Ständen, als wären diese Staaten wie alle anderen. Diplomaten und Juristen als Manager des Gleichgewichts Diplomaten wurden im 18.-Jahrhundert zu Managern des Gleichgewichts, die gehalten sein sollten, das Recht zwischen den Staaten zu achten, sich dabei aber nicht der reinen Lehre der Theoretiker unterwerfen mussten [96, S.-22-23; 235, S.-75-134]. Ein Hauch der erst im 20.-Jahrhun- Diplomaten und Juristen als Manager des Gleichgewichts 249 dert geläufig werdenden Unterscheidung zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik [311, S.-237-238] schwang mit in Beschreibungen der Tätigkeit von Diplomaten, die zwar auch als prinzipien- und gesinnungsgeleitete, aber vorrangig von der Sorge um die Verantwortung für die Folgen ihres Handelns getriebene Amtsträger erschienen [169]. Die Zahl der entsandten und in den Behörden und Ministerien für Auswärtige Angelegenheiten tätigen Diplomaten stieg in der ersten Hälfte des 18.-Jahrhunderts nochmals dramatisch an; allein der russische diplomatische Dienst verzeichnete einen Zuwachs von 120 Angehörigen im Jahr 1718 auf 261 im Jahr 1762. Geordnete Behörden mit ausschließlicher Zuständigkeit für die Außenbeziehungen entstanden in Spanien sowie für die kaiserliche Diplomatie in Wien im frühen 18.- Jahrhundert. Dennoch gab es auch weiterhin nur wenige Ausbildungsstätten, so in Preußen zwischen 1747 und 1756 [22, S.-112] sowie in Hanau 1749 ohne Anbindung an einen bestimmten Staat [190]. Die kaiserliche Verwaltung gründete im Jahr 1754 die sogenannte Orientalische Akademie zur Ausbildung angehender Gesandter, die in Istanbul Dienst tun sollten. Adlige erhielten weiterhin Bevorzugung als Gesandte und benötigten neben ihrer standesbezogenen Bildung keine gesonderte fachliche Schulung für den diplomatischen Dienst. Gleichwohl erschienen während des 18.-Jahrhunderts mehrere Handbücher, die die Tätigkeit der Gesandten systematisch beschrieben [29; 162; 208; 315]. Auch Lehrbücher des zwischenstaatlichen Rechts behandelten das Gesandtenrecht [166, Buch VII, S.-136-184; 172, S.-73-92]. Die Bezeichnungen für die Gesandten blieben gleichwohl untechnisch, im Lateinischen stand nach wie vor das Wort Legatus in Gebrauch [28; 148, S.-39; 166, Buch VII, S.-136-184], im Französischen „Ministres“ und im Englischen „Ministers“[29, Kap.- 18, S.- 242; 315, Englische Fassung, S.-2]. „Ambassadeur“ war üblicherweise allgemeine Bezeichnung für Gesandte aller Ränge [162, S.-231], wenngleich das Wort auch als Titel für den Chef einer Ständigen Gesandtschaft dienen konnte [223, S.-377]. In seinen Memoiren gab der französische Minister Etienne François Duc de Choiseul (1719 - 1785) beispielsweise dem kaiserlichen Minister Wenzel Anton Kaunitz Rietberg (1711 - 1794), der von 1748 bis 1756 in Paris tätig war, diesen Titel [38, S.-155]. Der Theorie nach sollten, unabhängig von den jeweils in Gebrauch stehenden Titeln, generell Macht und Ansehen der Gesandten sich aus den sogenannten „Creditiven“ als denjenigen Beglaubigungsschreiben ergeben, die aussendende Herrschaftsträger ihren Gesandten mitgaben. In diesen Schreiben sollten die aussendenden Herrschaftsträger Rang, Status und Aufgabe ihrer Gesandten feststellen. Diese Feststellungen sollten dann die Grundlage für die Einstufung der Gesandten durch den empfangenden Herrschaftsträger abgeben. Diese in den „Creditiven“ getroffenen Feststellungen galten als verbindlich und erhoben dadurch Macht und Ansehen von Herrschaftsträgern in die Sphäre des Rechts [223, S.-384]. Choiseul bot zugleich die klassische Formel zur Beschreibung der Aufgaben von Gesandten. Diese hätten, Choiseul zufolge, die Wünsche des aussendenden Herrschaftsträgers zu erfolgreich umzusetzen und diesen über alle am Aufenthaltsort bekannt werdenden militärisch-politischen Projekte und Erörterungen zu informieren [38, S.-121]. Die Tätigkeit der Gesandten am Hof des empfangenden Herrschaftsträgers blieb somit im Grenzbereich der Spionage, auch wenn der Philosoph und Politiker Mably verlangte, alle Gesandten sollten Diener des Friedens sein und sich jedes Rechtsbruchs enthalten [162, S.-231-232]. Als solche sollten die Gesandten durch die vom Recht zwischen den Staaten gewährte Sicherheit gegen Übergriffe auf ihre Person und ihr Eigentum geschützt sein, sofern sie dieses Recht nicht als erste selbst verletzten [28, S.-451-456; 172, S.-83; 315, Engl. Fassung, S.-246, 275, 277]. In der zweiten Hälfte des 18.-Jahrhunderts kam dieser Rechtssatz so weitgehend zur Anwendung, dass Adam Smith (1723 - 1790) in seiner Naturrechtsvorlesung vom Jahr 1763 ohne weitere Begründung wie selbstverständlich feststellen konnte, Gesandte seien unverletzlich und nicht der Rechtssprechung ihres Gaststaats unterworfen [243, S.-279]. Smith setzte mithin die Praxis der Anerkennung der Exterritorialität für Gesandte in den Gaststaaten voraus. Dennoch gab es weiterhin in Einzelfällen Rechtsproble- 250 Die Bewahrung des Gleichgewichts als Rechtspflicht (1713---1789) me, die aus der mangelnden Bestimmtheit der Reichweite des Gesandtenrechts resultierten. So kam es im Jahr 1744 zum Streit zwischen Frankreich und Hannover über die Festnahme des durchreisenden Marschalls Charles Louis August Fouquet de Belle-Isle (1684 - 1761) in Elbingerode im Harz mit der Begründung, Hannover befinde sich im Krieg mit Frankreich und dulde keinen französischen Gesandten auf seinem Territorium. Die französische Seite wertete die Festnahme jedoch als Verstoß gegen das Gebot der Unverletzlichkeit der Gesandten und verlangte die sofortige Freilassung des Marschalls. Hannover lenkte ein [169, S.-154-170]. Gleichwohl wurden derlei Zwischenfälle im Verlauf des 18.-Jahrhunderts seltener. Denn das Netzwerk der in den Staaten des europäischen Systems eingerichteten Ständigen Gesandtschaften wurde so eng, dass die Tätigkeit der Gesandten zur Routine wurde. Dabei half die übliche adlige Abkunft der Gesandten, die durch gemeinsame Umgangsformen gebunden waren [252]. In diese Umgangsformen schlossen viele Diplomaten die Verpflichtung zur vorsichtigen Wortwahl, zur Vermeidung pointierter und scharfer Formulierungen und zur Wahrung höfischer Politesse ein [185]. Üblicherweise galten die meisten Staaten unter einander als bündnisfähig, auch wenn, wie etwa zwischen Frankreich und den habsburgisch kontrollierten Gebieten eine lange, in die Zeit Kaiser Maximilians I. zurückreichende Tradition der wechselseitigen Feindwahrnehmung bestand. Infolge dieser Wahrnehmung konnte auch das Bündnisverhalten sowohl der französischen als auch kaiserlichen Diplomatie dahingehend als kalkulierbar erscheinen, dass beide Parteien miteinander keine Bündnisse abschließen würden [98, S.-12; 240, S.-632]. Dennoch schlossen Frankreich und der Kaiser zusammen mit dem Vereinigten Königreich sowie den Niederlanden, letztere nicht förmlich, am 22.-Juli 1718 die sogenannte „Quadrupelallianz“ gegen die spanische Expansion nach Sardinien mit der ausdrücklichen Begründung, die Allianz solle zur „Herstellung eines dauerhaften Gleichgewichts in Europa“ und zur „öffentlichen Ruhe“ beitragen [265, Vorspruch, S.-418; 122, S.-87]. Unter derselben Zwecksetzung kam es in den Jahren 1728 bis 1731 unter Beteiligung sowohl französischer als auch kaiserlicher Gesandter in Soissons zu einem allgemeinen Friedenskongress. Der Kongress sollte, ohne dass zu dieser Zeit die Teilnehmer unter einander Krieg geführt hätten, Änderungen der in den Friedensschlüssen von Utrecht, Rastatt und Baden getroffenen Vereinbarungen herbeiführen. Im besonderen sollte der britische Stützpunkt Gibraltar an Spanien zurückgegeben, die Herzogtümer Parma, Piacenza und Guastalla jedoch spanischer Herrschaft unterstellt werden. Auch sollte die im Jahr 1719 gegründete kaiserliche Ostindische Kompanie aufgelöst und die Anerkennung der habsburgischen Pragmatischen Sanktion erreicht werden. Der Kongress scheiterte in den Hauptzielsetzungen, wenngleich die kaiserliche Ostindische Kompanie tatsächlich im Jahr 1731 ihr Ende fand. Dennoch belegte der Kongress die Bereitschaft, förmliche Treffen unter hochrangigen Gesandten nicht nur zur Beendigung eines Kriegs, sondern auch zur Vermeidung von Kriegen zu veranstalten [80; 130; 242]. Vor diesem Hintergrund war der als „Renvertissement des alliances“ bekannt gewordene Bündniswechsel des Jahrs 1756 weniger sensationell, als er in der Geschichtsschreibung über die zwischenstaatlichen Beziehungen erscheint [234]. Kaunitz-Rietberg erreichte in diesem Jahr zur Vorbereitung des Kriegs gegen Preußen, dass der französische König sein zuvor wiederholt bekräftigtes Bündnis mit Friedrich II. von Preußen aufkündigte und auf die kaiserliche Seite umschwenkte. Maria Theresia hatte bereits im Jahr 1746 ein auf 25 Jahre befristetes Bündnis mit der russischen Zarin Elisabeth geschlossen. Die Zarin und ihr Kanzler Aleksej Petrovič Bestužev- Rjumin (1693 - 1766) verfochten ebenso wie Maria Theresia vehement eine gegen die preußische Expansion nach Schlesien gerichtete Politik, da sie in der preußischen Invasion Schlesiens eine Bedrohung des Gleichgewichts sahen. Friedrich musste sich in den ersten Jahren des Siebenjährigen Kriegs auf die britischen Subsidien verlassen. Bündnispolitik war somit den Sätzen des Rechts zwischen den Staaten unterworfen. Herrschaftsträger konnten sie einsetzen als flexibles Mittel zu Reaktionen auf Rechtsbruch oder wahrgenommene Versuche zur Veränderung Diplomaten und Juristen als Manager des Gleichgewichts 251 des Gleichgewichts. In diesem Sinn bezeichnete Maria Theresia im Jahr 1759 eine Allianz als „vollkommenes Concert“ [163, S.-218]. Angesichts der Dichte der diplomatischen Beziehungen waren Aspekte von Zeremoniell sowie Titel- und Rangfragen keine bloße Obsession von Formalisten, sondern dienten der praktischen Umsetzung des Anspruchs auf rechtliche Gleichheit der Souveräne unter den Bedingungen der Beachtung der unterschiedlichen Ränge, die den Herrschaftsträgern zukommen sollten. Anders gesagt: in dem Maß, in dem Souveränität auf Staaten und nicht mehr auf persönliche Herrschaftsträger bezogen wurde, diente der Rang in Zeremoniell und Titelgebrauch der Festschreibung einer hierarchischen Ordnung im europäischen Staatensystem trotz Beibehaltung des Anspruchs auf rechtliche Gleichheit der Staaten. Dabei erwies sich die Diplomatie als flexibles und gleichzeitig traditionsgebundenes Instrument. Auf der Basis weit verbreiteter Regelwerke [76; 158] und mit den Vorgaben der sogenannten „Ceremoniel-Wissenschaft“ [223; 251] fanden Gelehrte und Gesandte wiederholt bestechende Kompromisse zur friedlichen Lösung von Streitfragen. So beharrte bis in die 1770er Jahre der Kaiser auf dem in seinem Titel zum Ausdruck kommenden Vorrang vor allen anderen Souveränen, wohingegen zumal Herrscher mit Königstiteln diesen Anspruch des Kaisers nicht anerkannten [39]. Den Konflikt löste man, indem man direkte Treffen zwischen dem Kaiser und anderen Monarchen auf seltene Gelegenheiten begrenzte [17] oder den Kaiser mit einem König auf offenem Feld hoch zu Ross ohne erkennbare Rangunterschiede konferieren ließ [193, Kap.-I/ 1, Nr-8, S.-14-15]. In der zweiten Hälfte des 18.-Jahrhunderts wurde es aber für die kaiserliche Verwaltung zunehmend schwieriger, innerhalb des europäischen Staatensystems den Anspruch des Reichsoberhaupts auf das alleinige Recht zum Führen des Kaisertitels aufrecht zu erhalten. Zwar war zwischen Kaiser und Sultan bereits im Frieden von Zitva Torok vom Jahr 1606 Titel- und Ranggleichheit vereinbart worden. Der russische Zar jedoch galt, trotz der Herleitung seines Titels vom Namen Caesars, als nicht-kaiserlicher Herrscher. Dennoch schien in lateinischen Texten gelegentlich der Titel Imperator als Übersetzungsgleichung für den griechischen Zarentitel Autokrator (Selbstherrscher). Trat dieser Sprachgebrauch in der Wiener Kanzlei auf, rügte ihn der Kaiser [189, S.-23; 193, Kap.-I/ 1, Nr-6, S.-9]. Als nach dem Frieden von Nystad vom Jahr 1721 Zar Peter I. zusätzlich den Titel „Kayser von ganz Russland“ annahm, verweigerte die Wiener Kanzlei die Anerkennung und titulierte weiterhin den Zaren oder die Zarin als „Ihro Russische Majetät“ oder „Russorum Autocratrix“. Kaiser Karl VII. verwandte den russischen Kaisertitel nur in seiner bayerischen Kanzlei. Erst Kaiser Franz I. ließ ihn ohne Einschränkung zu [269; 166, S.- 21; 193, Kap.- I/ 1, Nr- 6, S.- 9-10; 251]. Mit der Vertrag von Teschen vom Jahr 1779 gestand Kaiser Joseph II. (1765 - 1790) der im Fürstentum Anhalt-Zerbst geborenen russischen Zarin Katharina II. wiederum rechtsverbindlich den Titel der Kaiserin von Russland zu und gab dadurch auch im Rahmen des zwischenstaatlichen Rechts seinen Anspruch preis, innerhalb des europäischen Staatensystems der alleinige Träger des Kaisertitels zu sein [294]. Innerhalb des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation verursachte der Satz der rechtlichen Gleichheit der Souveräne auch im 18.-Jahrhundert Streit. Das alte Problem, ob innerhalb des Reichs der Kaiser oder die Reichsangehörigen Träger der Souveränität seien, bestand fort. Der Göttinger Jurist Johann Stephan Pütter (1725 - 1807) löste es im Jahr 1777 unter Berufung auf die Verträge von Münster und Osnabrück mit der gegen Bodin gerichteten Formel, die Souveränität sei auf den Kaiser und die Reichsangehörigen verteilt; denn beide könnten selbständig Beziehungen zu Souveränen außerhalb des Reichs unterhalten [218, S.-30-32]. Pütters unorthodoxe Kompromissformel reflektierte, was Johann Jacob Moser (1701 - 1785), der Rechtsvertreter der württembergischen Stände, kritisch die „Souveränitätsbegierde- … mancher Chur- und Fürsten-Höfe“ nannte. Moser, der Souveränität mit „Landeshoheit“ gleichsetzte, bezog sich auf das Streben nach Rangerhöhung einiger Herrscher im Reich sowie auch auf das seiner Ansicht nach zunehmende Bedürfnis der größeren Reichsstände nach selbstständiger Herr- 252 Die Bewahrung des Gleichgewichts als Rechtspflicht (1713---1789) schaft. „Landeshoheit“ definierte Moser als das „denen Ständen des Reichs zukommende Recht, vermöge dessen sie befugt seyen, in ihren Landen und Gebieten alles dasjenige zu gebieten, verbieten, anzuordnen, zu thun und zu lassen, was einem jeden Regenten nach denen göttlichen, Natur- und Völkerrechten zukommt, insoferne ihnen nicht durch die Reichsgesetze, das Reichsherkommen, die Verträge mit ihren Landständen und Untertanen dieser alt- und wohl hergebrachten Freyheiten und Rechte die Hände gebunden sind“. [194, S.-9] Moser setzte seine Bezeichnung „Landeshoheit“ mit dem Begriff der Souveränität gleich, indem er die der Landeshoheit zugehörigen Rechte mit den Rechten zusammenstellte, die Souveräne außerhalb des Reichs seiner Ansicht nach innehatten. Moser kritisierte die „Souveränitätsbegierde“ aus seiner Sorge, der Anspruch auf Landeshoheit oder Souveränität der Reichsangehörigen könne die aus dem Naturrecht und den Herrschaftsverträgen abgeleiteten Untertanenrechte einschränken, und bestritt derartiger Einschränkung die Rechtmäßigkeit [194, S.- 4, 9. 253]. Für Moser war folglich wie für die Theoretiker des Reichsrechts im 17.-Jahrhundert der Souveränitätsbegriff in Anwendung auf das Reich mit dem Begriff der Unabhängigkeit unvereinbar. Alle Reichsstände seien trotz der ihnen zukommenden selbständigen Gesetzgebungsbefugnis Reichsangehörige, folglich gebe es innerhalb des Reichs keinen Staat, der zugleich souverän und unabhängig sei [194, S.-267; 195, S.-61]. Die in Verträgen wohl attestierte Bündnisfähigkeit der Reichsangehörigen unter einander wie auch mit Souveränen außerhalb des Reichs [260; 275] hingegen stieß bei Moser auf keine Kritik. Die Herrschaft im Staat unter der Herrschaft des Rechts Innerhalb wie außerhalb des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation fand sich der Gedanke, dass Herrschaft dem Recht unterworfen sei, in Europa bereits bei den Legisten des späten Mittelalters [13, fol. 217 v ] und war auch für das 16. und 17.- Jahrhundert gut belegt [154, S.-540]. Theorien des 16.- Jahrhunderts lieferten zudem ein Plädoyer für das Recht des Widerstands