Motivationen im frühen Zweitspracherwerb
1211
2013
978-3-7720-5492-1
978-3-7720-8492-8
A. Francke Verlag
Annina Fischer
Motivationen - bewusste wie auch unbewusste - sind zentral für jede Art des Lernens, also auch im Zweitspracherwerb. So ist es sowohl für Forschende als auch für Sprachlehrer und Sprachlehrerinnen zentral, sie zu verstehen. Diese Studie untersucht im Rahmen der aktuellen Forschung erstmals die komplexen motivationalen Prozesse im frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb in ihrer ganzen Breite. Dabei wird von einem angewandten und einem forschungstheoretischen Interesse an den Motivationen und ihrer Wirkung ausgegangen. Die Analyse leistet einen substantiellen Beitrag zu Praxis und Theorie.
A. Francke Verlag Tübingen Annina Fischer Motivationen im frühen Zweitspracherwerb Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur Herausgegeben von Heike Behrens, Annelies Häcki Buhofer, Wolfram Groddeck, Alexander Honold, Rüdiger Schnell und Ralf Simon Band 92 Abkürzungen Zu den üblichen und bekannten Abkürzungen (z.B., vgl., etc.) werden folgende Abkürzungen verwendet, die alle auch bei erster Verwendung im Text eingeführt werden: DaZ Deutsch als Zweitsprache L1, L2, Ln Erstsprache, Zweitsprache, jede weitere Sprache LP Lehrperson P Proband/ in P7: 19-21 Solche und ähnliche Angaben geben die Belegstelle in den transkribierten Interviews an und stehen für Proband bzw. Probandin und Zeilen in den jeweiligen Interviewtranskripten, die sich im Anhang befinden. VL Versuchsleiterin Annina Fischer Motivationen im frühen Zweitspracherwerb A. Francke Verlag Tübingen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Gedruckt mit freundlicher Unterstü tzung des Max-Geldner-Dissertationenfonds der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel und der Basler Studienstiftung. © 2014 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. 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Bernasconi Printed in Germany ISSN 0067-4508 ISBN 978-3-7720-8492-8 Inhaltsverzeichnis Abkürzungen ................................................................................................... viii Vorwort und Dank ............................................................................................ ix 1 Einleitung ...................................................................................................... ix 1.1 Zweitspracherwerb in der Migration und die Rolle von Motivationen ..........................................................................................1 1.2 L2-Motivationen: die Forschungslücke .............................................3 1.3 Hypothesen, Anspruch und Aufbau der Arbeit ...............................4 1.4 Methodische Herausforderungen des Gegenstands ........................8 1.5 Begriffe ....................................................................................................9 2 Theorie des Zweitspracherwerbs ..............................................................13 2.1 Die frühen „grossen“ Hypothesen ....................................................14 2.2 Faktoren im Zweitspracherwerb .......................................................20 2.2.1 Alter ...........................................................................................20 2.2.2 Transfer .....................................................................................22 2.2.3 Input - sprachliches Umfeld - exposure ................................24 2.2.4 Individuelle Unterschiede: Sprachbegabung und Motivation .................................................................................27 2.3 Zusammenfassung ..............................................................................30 3 Motivationen im Zweitspracherwerb ......................................................35 3.1 Kleine Einführung ...............................................................................36 3.2 Theoretische Konzepte .......................................................................37 3.3 L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell ........................50 3.3.1 The Language Level .................................................................51 3.3.2 The Learner Level ....................................................................55 3.3.3 The Learning Situation Level .................................................59 3.4 Exkurs: Neurobiologische Studien zu Emotionen und Lernen ....64 3.5 Zusammenfassung ..............................................................................67 4 Individuelle Unterschiede im frühen Zweitspracherwerb ..................69 4.1 Daten .....................................................................................................69 4.1.1 Kontext ......................................................................................69 4.1.2 Umgang mit den Varietäten ...................................................70 4.1.3 Probanden und Probandinnen ...............................................71 Inhaltsverzeichnis vi 4.2 Hypothesen ..........................................................................................74 4.3 Methode ................................................................................................75 4.4 Individuelle Variabilität der Sprachproduktion .............................82 4.4.1 MLU, UB, SD ............................................................................82 4.4.2 Types, Tokens, TTR .................................................................84 4.4.3 Sprachprofilanalyse .................................................................86 4.4.4 Individuelle Unterschiede ......................................................87 4.5 Zur Kombination der Analyseebenen ..............................................89 4.6 Zusammenfassung ..............................................................................92 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar .......................................................95 5.1 Hypothese ............................................................................................95 5.2 Methode ................................................................................................97 5.2.1 Datengrundlage .......................................................................97 5.2.2 Leitfadeninterviews .................................................................97 5.2.3 Qualitative Inhaltsanalyse ....................................................100 5.3 Frühe L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell ..........108 5.3.1 Language Level ......................................................................109 5.3.2 Learner Level ..........................................................................112 5.3.3 Learning Situation Level .......................................................116 5.4 Zusammenfassung ............................................................................126 6 „Die Leute sind hier nicht nur albanisch“: Integrative Orientierung und instrumentelle Motivation im frühen L2-Erwerb ......................................................................................129 6.1 Problemstellung: zu allgemein, zu starr? .......................................129 6.2 Hypothesen ........................................................................................131 6.3 „Dann lern ich neue Freunden, mit Deutsch, und eso“ - das integrative Subsystem ................................................................133 6.4 „Sie können noch nicht Serbisch“ - das instrumentelle Subsystem ...........................................................................................140 6.5 Auf dem Weg zu einer Re-Theoretisierung und die emotionale Dimension früher L2-Motivationen ...........................144 6.6 Zusammenfassung ............................................................................146 7 L2-Motivationen und L2-achievement ...................................................149 7.1 Hypothesen ........................................................................................149 7.2 Vorgehen ............................................................................................151 Inhaltsverzeichnis vii 7.3 Motivationen und achievement .........................................................152 7.3.1 Language Level ......................................................................152 7.3.2 Learner Level ..........................................................................157 7.3.3 Learning Situation Level .......................................................160 7.4 Zusammenfassung ............................................................................164 8 Schlussdiskussion .....................................................................................169 8.1 Beitrag der Arbeit im Forschungskontext ......................................169 8.2 Resultate .............................................................................................171 8.3 Ausblick ..............................................................................................177 Literaturverzeichnis ........................................................................................181 Anhang Der Anhang zum Buch steht auf der Hompage des Verlages zum Herunterladen bereit, unter der URL http: / / www.francke.de/ motivationen-zweitspracherwerb. Vorwort und Dank „Sie können noch nicht Serbisch.“ So hat ein Proband dieser Dissertation (Universität Basel) die Frage beantwortet, weswegen er Deutsch lernt. Dieser Satz steht für eine sehr zentrale Motivation im frühen migrationsbedingten Zweitspracherwerb: Nicht Interesse an einer anderen Kultur oder schulischer Ehrgeiz treiben zum Lernen an, sondern einfach die Nützlichkeit, Deutsch zu können: Die anderen Kinder sprechen schliesslich nicht dieselbe Erstsprache. Dieser Satz ist auch daher so wichtig, weil er das „Problem“ des Themas Motivationen im frühen Zweitspracherwerb auf den Punkt bringt. Die kindliche Logik ist eine andere als die der Erwachsenen: Die anderen Kinder können nicht nur nicht Serbisch, sie können noch nicht Serbisch. Und weil die kindliche Logik eine andere ist, kann auch die L2-Motivationstheorie, die bisher jugendliche und erwachsene Lernende im Blick hatte, nicht einfach auf den kindlichen Erwerb übertragen werden. Deswegen macht die vorliegende Arbeit gerade diesen zum Thema und damit einen Kontext, der in unserer Gesellschaft häufig, aber noch lange nicht problemlos geworden ist. Ich danke an erster Stelle meiner Erstbetreuerin Annelies Häcki Buhofer für ihre Unterstützung und ihre Förderung meiner Forschung. Mein Dank gilt auch Heike Behrens, meiner Zweitbetreuerin, für ihre immer anregenden Fragen. Annelies Häcki Buhofer war es, die mich ins ProDoc, eine gemeinsame Doktorandenausbildung der Universitäten Basel, Bern und Zürich aufgenommen hat. In diesem Zusammenhang möchte ich besonders den Beteiligten meines Forschungsmoduls danken: Das waren neben den schon Erwähnten Angelika Linke sowie die Mitdoktorierenden Sinja Ballmer, Johanna Bleier Hug, Andreas Bürki, Juan Colmenero und Catherine Diederich. Die Daten zu dieser Arbeit konnte ich im Rahmen der Sprachentwicklungsstudie „Deutsch-Standard in Liestal“ sammeln, die an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz im Auftrag der Schule Liestal (Kanton Basel-Landschaft) durchgeführt wurde. Mein Dank gilt daher auch der wissenschaftlichen Leiterin dieses Projekts Mathilde Gyger sowie Dorothée Brian Karaman von der Schule. Dank dem Max Geldner Fonds der Universität Basel sowie der Basler Studienstiftung für die grosszügige finanzielle Unterstützung der Drucklegung. Danken möchte ich auch meinen ersten kritischen Lesern Eva Fischer- Zehnder, Beatrice Kern, Götz und Ulla Küster sowie meinem Mann Ulf Küster. Basel, im November 2013 Annina Fischer 1 Einleitung 1.1 Zweitspracherwerb in der Migration und die Rolle von Motivationen Mehrsprachigkeit gilt sowohl fu ̈ r den Einzelnen als auch fu ̈ r die Gesellschaft als Schlu ̈ sselqualifikation (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2005, vgl. auch Hesse/ Göbel/ Hartig 2008: 208). Zentrale Gründe sind die weltweiten Migrationsbewegungen, erleichterte Mobilität und die Globalisierung der Berufswelt, die zu neuen Sprachrealitäten geführt haben. So hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine Reihe von Massnahmen in Gang gesetzt, die zum Ziel haben, dass jede/ r europäische Bu ̈ rgerIn drei Sprachen beherrscht (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2005). Dass mehrsprachig aufwachsende Kinder in dieser Hinsicht einen Vorteil haben, da sie schon vor dem ersten schulischen Fremdsprachenunterricht zumindest zwei Sprachen mehr oder weniger fliessend sprechen, ist eine verbreitete Annahme. Viele gehen davon aus, dass der parallele Erwerb mehrerer Sprachen für Kinder problemlos verläuft. Kinder, so die Annahme, würden schliesslich jede Sprache innert kürzester Zeit lernen. Leider stimmt das nicht immer. Denn tatsächlich gelingt auch Kindern, für die unter der Bedingung der Migration mit Schulbzw. Kindergarteneintritt der Erwerb einer so genannten frühen Zweitsprache (L2) beginnt, dieser nicht immer mühelos. Das ist gerade in Klassen mit einem hohen Anteil mehrbzw. fremdsprachiger Kinder 1 oft der Fall. Hier ist der Kontakt mit der Zweitsprache für Mehrsprachige deutlich geringer als in einer Klasse mehrheitlich einsprachiger SchülerInnen. Das könnte aus einer gebrauchsbasierten Sicht auf den Spracherwerb Grund für einen erschwerten Zweitspracherwerb sein, weil der Input weniger reichhaltig ist (zum gebrauchsbasierten Ansatz vgl. z.B. Tomasello 2001, Ellis 2002a, 2002b, Bybee 2006, 2010, Behrens 2009). Lehrpersonen von Klassen mit einem grossen Anteil fremdsprachiger Kinder sehen sich oft überfordert angesichts der zum Teil unzureichenden zweitsprachlichen Kenntnisse ihrer mehrsprachigen SchülerInnen. Dies hat es notwendig gemacht, spezifische Hilfestellungen für 1 „Mehrsprachig“ werden Kinder mit dem Erwerb einer (frühen) Zweitsprache (L2). „Fremdsprachig“ heisst hier, dass ihre L1 nicht der Mehrheitssprache des Immigrationslandes bzw. in mehrsprachigen Ländern der Immigrationssprachregion entspricht. „Mehr-“ und „fremdsprachig“ ist von „bilingual“ zu unterscheiden. Im Bilingualismus werden zwei Sprachen parallel erworben. Man spricht auch vom Erwerb zweier Erstsprachen. Dieser verläuft im Gegensatz zum frühen, migrationsbedingten L2-Erwerb tatsächlich in der Regel problemlos. 1 Einleitung 2 Lehrpersonen zu entwickeln. Hier ist die Sprachdidaktik gefordert, aber auch die Linguistik (für Ausführungen zu den Aufgaben der educational linguistics vgl. Spolsky 2010). Einen wesentlichen Beitrag kann die Zweitspracherwerbsforschung leisten. Entweder durch den Blick auf die soziale Dimension zweitsprachlichen Lernens, um „ideale“ Lernkontexte zu schaffen oder - wie hier - durch den Blick auf die zweitsprachlichen Motivationen (nachfolgend L2-Motivationen). Denn auch wenn die äusseren Erwerbsbedingungen „Alter“, „Erwerbsdauer“ und „sprachliches Umfeld“ vergleichbar sind (vgl. Kapitel 2 und Abschnitt 4.1.3), können individuelle Erwerbsunterschiede beobachtet werden. Dabei stellt sich immer wieder die gleiche Frage: „How to explain the enormous variation in the success of individual learners“ (Ellis 2008: 3). Motivationen - verstanden als dynamische, unter verschiedenen äusseren und inneren Anreizen veränderbare mentale, bewusste und unbewusste, Prozesse - können individuelle Erwerbsunterschiede erklären. Der einfachste Mechanismus lässt sich leicht zusammenfassen: Wer motivierter ist, betreibt einen grösseren Lernaufwand und hat deswegen einen grösseren Lernerfolg. Doch die Zusammenhänge sind gerade bei Kindern, die noch keinen aktiven (bewussten) Lernaufwand betreiben, komplexer. Hier spielen indirekte, teils unbewusste motivationale Prozesse eine weitaus wichtigere Rolle. Als zentral erweist sich insbesondere der Grund, weswegen ein Kind die Zweitsprache lernen will bzw. der Zweck, den das Kind im Erwerb der Zweitsprache sieht. Positiv ist es, wenn das Kind einen persönlichen Nutzen empfindet, etwa weil es nur in der L2 mit den KlassenkammeradInnen sprechen (und spielen) kann: Denn „sie können noch nicht Serbisch“, wie ein Mädchen aus dieser Studie erklärt hat (vgl. 6.4). Wichtig sind auch sprachbezogene affektive und emotionale Aspekte, wie die L2 zu mögen, schön zu finden etc. Auch die Einstellung der Eltern und anderer wichtigen Bezugspersonen zur Zweisprachigkeit kann eine Rolle spielen. Finden etwa die Eltern, ihr Kind solle vor allem die Erstsprache gut sprechen, das Kind aber selber die L2 wichtiger oder immerhin genauso wichtig findet - zum Beispiel aus dem bereits genannten Grund, dass keine der FreundInnen die gleiche Erstsprache spricht und die L2 die gemeinsame Sprache darstellt - kann das zu einem Sprachloyalitätskonflikt führen, der sich negativ auf den L2- Erwerb auswirkt. Jene motivationalen Mechanismen zu verstehen, die bei leichter Lernenden zu leichterem Lernen führen, kann helfen, schwächer Lernende zu unterstützen, und es kann Lehrpersonen helfen, mit den individuellen Unterschieden ihrer SchülerInnen umzugehen. Und Motivationen als unter verschiedenen äusseren und inneren Anreizen veränderbare me ntale Prozesse können durch Lernende selbst oder durch wichtige Bezugspersonen gezielt beeinflusst werden (vgl. Dörnyei/ Skehan 2003: 592, 1.2 L2-Motivationen: die Forschungslücke 3 Dörnyei 2010b: 249f., sowie 2.3.4). Darin liegt aus einer angewandten Perspektive das Anliegen dieser Arbeit und der Grund dafür, L2 - Motivationen im frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb zu untersuchen, also bei Kindern, welche die frühe Zweitsprache im Kontext grösstenteils fremdsprachiger Klassen lernen, nachdem sie vor Eintritt in den Kindergarten zu Hause lediglich die Sprache ihrer Eltern als Erstsprache gelernt haben. 1.2 L2-Motivationen: die Forschungslücke Neben diesem angewandten gibt es ein rein forschungstheoretisches Interesse, denn der frühe, migrationsbedingte Zweitspracherwerb ist noch nicht unter L2-Motivationsperspektive untersucht worden. Das ist forschungsgeschichtlich betrachtet verständlich, aber heute, nach einem jüngeren Paradigmenwechsel, notwendig. Zu diesem Paradigmenwechsel haben zum einen die global veränderten Sprachrealitäten durch Migration und Globalisierung geführt, zum anderen theoretische Weiterentwicklungen in Nachbardisziplinen wie der allgemeinen psychologischen Motivationsforschung, der Mehrsprachigkeits- und Identitätsforschung sowie in der neurowissenschaftlichen Forschung zum Lernen und zu Lernprozessen. Das hat dazu geführt, dass sich das Feld der L2-Motivationsforschung in einer Phase der grundlegenden Re-Theoretisierung befindet, also in einer Phase, in der herkömmliche Konzepte für „neue“ Erwerbskontexte überprüft und revidiert werden (vgl. Dörnyei/ Ushioda 2011). Daher müssen anhand empirischer Untersuchungen neue Richtungen aufgezeigt werden, welche die L2-Motivationsforschung in Zukunft einschlagen sollte: ein weiteres Anliegen dieser Arbeit. Dass in der L2-Motivationsforschung der frühe migrationsbedingte Zweitspracherwerb bisher nicht untersucht wurde, kann neben den gesellschaftlichen Entwicklungen auch anhand der ursprünglichen Bedeutung der Terminologie erklärt werden: „Motivation“ bezeichnet zunächst vor allem den Antrieb, der Menschen dazu veranlasst, bestimmte Tätigkeiten auszuführen und mit einem bestimmten Einsatz für eine gewisse Dauer daran festzuhalten. Man spricht in diesem Zusammenhang von choice, persistance, effort bzw. von why, how long, how hard (Dörnyei/ Ushioda 2011: 4). In dieser vergleichsweise einfachen Definition von Motivation(en) ist es eigentlich nur sinnvoll, den (strukturierten) Fremdsprachenerwerb zu untersuchen, insbesondere dann, wenn es sich bei der Zielsprache um ein Wahlfach in der Schule handelt (an einem bestimmten Punkt haben SchülerInnen oft die Wahl zwischen beispielsweise Spanisch oder Italienisch als weitere Fremdsprache) oder wenn man sich im Erwachsenenalter dazu entscheidet, eine neue Sprache zu lernen. Im Zweitspracherwerb in der Migration fällt zu- 1 Einleitung 4 mindest das why weg. Lernende haben in dieser Situation normalerweise nicht wirklich die Wahl, ob sie die Mehrheitssprache (eine Zweitsprache ist in der Regel die Mehrheitssprache des Einwanderungslandes bzw. der Einwanderungssprachregion) lernen wollen oder nicht, denn an deren Kenntnis ist in der Regel eine soziale Notwendigkeit gebunden, vor allem die soziale und berufliche Integration. Auch das how long ist im Zweitspracherwerb in der Migration aus der Perspektive der Motivationsforschung so gut wie nichtig, denn die Erwerbsdauer entspricht in der Regel der gesamten Zeit, in welcher Lernende im Kontext der Zielsprache leben, was wiederum eher mit familiären, beruflichen oder politischen Gründen zu tun als mit der Zielsprache an sich. Das Konzept von Motivationen ist in den letzten rund drei Jahrzehnten so auch erheblich erweitert worden, und inzwischen werden verschiedene, sich zum Teil widersprechende Konzepte vertreten (zu Geschichte und aktueller Vielseitigkeit der Theoretisierung vgl. v.a. Dörnyei/ Ushioda 2011). Wesentlich für das Forschungsinteresse dieser Arbeit ist jedoch der Perspektivenwechsel, der zunächst durch den cognitive turn spätestens seit den Siebzigerjahren stattgefunden hat: Seit diesem geht es der Motivationsforschung nicht mehr nur um bewusste motivationale Prozesse (warum tue ich was, wie lange und wie intensiv? ), sondern auch um unbewusste Prozesse, ausgelöst beispielsweise durch äussere Ermutigungen wie elterliche Unterstützung. Als jüngste Entwicklung kommt das wachsende Interesse an der Bedeutung der Emotionen für die Motivationen innerhalb der Motivationsforschung hinzu (vgl. z.B. MacIntyre 2002, Ryan 2007, Dörnyei/ Ushioda 2011: Abschnitt 1.1.1), das ebenfalls dazu führt, dass Motivationskonzepte unter Berücksichtigung ihrer emotionalen Dimension erweitert und präzisiert werden müssen. 1.3 Hypothesen, Anspruch und Aufbau der Arbeit Die acht Kapitel dieser Arbeit gliedern sich wie folgt: Die ersten drei enthalten neben der Einführung Grundlagen zur Zweitspracherwerbsforschung im Allgemeinen sowie zur L2-Motivationsforschung im Besonderen, die anschliessenden vier empirischen Kapitel (4-7) behandeln je eine Frage oder Fragengruppe, die aufeinander aufbauen, und das letzte Kapitel enthält neben der Synthese einen Ausblick, in dem Fragen formuliert werden, wie weiter verfahren werden sollte. Die thematischen Schwerpunkte der empirischen Kapitel und ihre zentralen Hypothesen werden hier zur Übersicht umrissen. Zu Kapitel 4: Die Hauptvoraussetzung, L2-Motivationen zu untersuchen, ist, individuelle L2-Erwerbsunterschiede überhaupt festzustellen. Die Frage, welche L2-Motivationen sich förderlich und welche sich erschwerend aus- 1.3 Hypothesen, Anspruch und Aufbau der Arbeit 5 wirken, kann sonst nicht untersucht werden. In Kapitel 4 wird daher zunächst die Hypothese überprüft, ob Unterschiede unter den Probanden und Probandinnen dieser Arbeit vorkommen, obwohl sie in Bezug auf ihr Alter, die Erwerbsdauer und den Erwerbskontext vergleichbare Bedingungen haben. Ein weiteres Ziel besteht darin, aus den Resultaten der Sprachstandsanalysen Ränge abzuleiten, die später als Ausgangswerte dafür dienen, welche spezifischen frühen L2-Motivationen eine Erklärungskraft für höheres achievement haben (vgl. Kapitel 7). Es werden bewährte qualitative und quantitative Analysemethoden kombiniert: MLU/ UB/ SD (mean lengh of utterences, upper bound, standard deviation), Types-Tokens-Verhältnis (TTR) und die Sprachprofilanalyse. Die Kombination dieser Verfahren bietet sich an, weil die einzelnen Analysen immer nur einen Aspekt sprachlichen Wissens erfassen können. Trotzdem wird als Teil dieses Kapitels auch überprüft, ob der Einsatz unterschiedlicher Verfahren in dem Sinn gewinnbringend ist, als sie wirklich zu unterschiedlichen Resultaten führen, die Resultate aus MLU-/ UB-/ SD-/ TTR- und Sprachprofilanalyse also nicht korrelieren. In Kapitel 5 wird ein Inventar spezifischer früher L2-Motivationen erstellt. L2-Motivationen wurden bisher nicht im frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb untersucht. Das Inventar an identifizierten Grössen ist fast ausschliesslich anhand von Untersuchungen zum jugendlichen und erwachsenen Fremdsprachenerwerb erarbeitet worden. Deswegen stellt sich die Frage, ob jene Komponenten auch im hier untersuchten Kontext adäquate Analysegrössen darstellen, ob und welche überhaupt belegbar sind, und worin spezifische Unterschiede zwischen frühem Zweit- und jugendlichem bzw. erwachsenem Fremdsprachenerwerb im Hinblick auf L2-Motivationen bestehen. Die Leithypothese hier sagt, dass L2-Motivationen im frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb (nachfolgend „frühe“ L2-Motivationen) sich von den in der bisherigen Forschung beschriebenen unterscheiden. Wie in Kapitel 5 gezeigt wird, können die zwei traditionell zentralen Konzepte der L2-Motivationsforschung, die integrative Orientierung (integrativ-motivationales System) und die instrumentelle Motivation (instrumentell-motivationales System), anhand der ersten Analyse der Daten noch nicht ausreichend präzise den frühen L2-Erwerb bestimmen. Das liegt daran, dass die Bezugskonzepte, die auf Gardner und Lambert zurückgehen (v.a. Gardner/ Lambert 1972), im Verlauf der letzten Jahrzehnte so umfassend geworden sind, dass die Kategoriendefinitionen, anhand derer sich Textstellen dem einen oder anderen Konzept zuweisen lassen, ebenfalls sehr breit und daher recht allgemein sind. Das führt dazu, dass auf der Analyseebene von Kapitel 5 noch nicht beantwortet werden kann, ob diese beiden Konzepte, die in den Daten zwar mehrfach belegbar sind, tatsächlich das Gleiche bedeuten, wie in der bisherigen Forschung beschrieben. In Kapitel 6 wird es darum gehen, dies anhand von datenbasiert gebildeten Analysekategorien zu überprüfen. Diese Überprüfung folgt zwei Hypothe- 1 Einleitung 6 sen, die hier nur in ihrer Hauptaussage wiedergegeben werden: (1) Das klassische integrative Motiv verliert im frühen, migrationsbedingten L2- Erwerb seine Erklärungskraft - wichtiger sind zielsprachspezifische affektive und emotionale Aspekte wie „mögen“/ „nicht mögen“, „schön finden“/ „nicht schön finden“, „Spass haben“/ „keinen Spass haben“ etc. (2) Auch das klassische (utilitaristische) instrumentelle Motiv verliert seine Erklärungskraft, während einer (profitlosen) Nützlichkeit im Zusammenhang mit der Kenntnis der L2 eine grosse Bedeutung zukommt („der kann noch kein Serbisch“). In Kapitel 7 wird schliesslich untersucht, welche der identifizierten spezifischen frühen L2-Motivationen mit höherem L2-Niveau zusammenhängen. Zum einen muss überprüft werden, ob L2-Motivationen, für die in anderen Kontexten ein positiver Einfluss auf den Erwerb nachgewiesen wurde, in ihrer hier belegten spezifischen Gestalt auch im frühen L2- Erwerb eine Wirkung haben, oder ob der frühe L2-Erwerb, in dem der Erwerb der Zweitsprache eine soziale Normalität darstellt, „immun“ gegen die Wirkungsmechanismen von Motivationen ist. Obwohl Gardner und Lambert (1972: 2) zu Beginn der L2-Motivationsforschung noch angenommen haben, dass Motivationen keine Bedeutung zukommt, wenn der Zweitspracherwerb eine soziale Normalität darstellt, gibt es inzwischen genügend Hinweise in der Forschung, die darauf hinweisen, dass Motivationen auch im frühen L2-Erwerb unter Migrationsbedingung wirken. Die Hypothese lautet also, dass ein Zusammenhang zwischen Motivationen und frühem L2-Erwerb festgestellt werden kann. Im Wesentlichen verbinden sich mit der hier vorgelegten Arbeit vier Ansprüche: 1. Forschungslücke füllen/ Grundlagenforschung: Indem auf einen „neuen“ Erwerbskontext und eine „neue“ Altersgruppe fokussiert wird, wird eine Forschungslücke geschlossen, die wegen der seit den Anfängen der L2- Motivationsforschung in den 60er Jahren grundlegend veränderten weltweiten Sprachrealitäten (Globalisierung, Migration) nicht länger bestehen darf. Diese Arbeit soll mit ihrem Fokus auf frühe L2-Motivationen auch einen Zugang für weitere empirische Untersuchungen zu diesem bisher noch nicht empirisch erforschten Aspekt der L2-Motivationsforschung und der Forschung zum frühen Zweitspracherwerb eröffnen. 2. Beitrag zur Re-Theoretisierung und Differenzierung: Die L2-Motivationsforschung befindet sich in einer Phase der Re-Theoretisierung (Dörnyei/ Ushioda 2011), wozu neben den schon angesprochenen gesellschaftlichen Veränderungen (Globalisierung, Migration) wesentliche theoretische Entwicklungen in Nachbardisziplinen geführt haben, die bisher nicht ausreichend systematisch für die L2-Motivationsforschung aufgearbeitet wurden: zum Beispiel die Identitäts- und Mehrsprachig- 1.3 Hypothesen, Anspruch und Aufbau der Arbeit 7 keitsforschung sowie die allgemeine psychologische Motivationsforschung und im Zusammenhang mit letzterer besonders die emotionale Dimension von Motivationen. Schon 2004 wies Lamb auf die Notwendigkeit hin, spezifische Konzeptionierungen der L2-Motivationen für prototypische Erwerbskontexte vorzunehmen, weil nicht für alle Erwerbskontexte ein einziges Konzept funktionieren kann. Dieses Anliegen wird in dieser Arbeit für den frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb aufgenommen, indem überprüft wird, inwiefern in diesem Kontext bisherige Konzepte zweitsprachlicher motivationaler Komponenten (z.B. die integrative Orientierung oder die instrumentelle Motivation) adäquate Analyserahmen darstellen und vor allem inwiefern sie revidiert werden müssen und in welche Richtung sie in zukünftigen Studien zu erweitern wären. Eine wichtige Rolle kommt hierbei der schon angesprochenen emotionalen Dimension von Motivationen zu, die in dieser Arbeit bei der Bestimmung früher L2-Motivationen einbezogen wird. Denn: Die zentrale Aussage der allgemeinen Motivationsforschung ist, dass alle Motivationen eine emotionale Dimension haben. Und unter Berücksichtigung jüngerer Forschungsarbeiten zu Emotionen ist anzunehmen, dass in diesem Aspekt ein wesentlicher Schlüssel zum Verständnis, wie Motivationen wirken, liegt. So ist aus der neurowissenschaftlichen Forschung inzwischen bekannt, dass bei positiven Emotionen und positiver Gemütslage Lernen leicht fällt, dass Lernen bei negativen Emotionen aber wesentlich gehemmt ist (vgl. 3.4). Das bedeutet für die L2-Motivationsforschung, dass man über das Verständnis der emotionalen Anteile an Motivationen dem Verständnis der genauen Wirkung von Motivationen auf Lernprozesse wesentlich näher kommen kann. 3. Aufzeigen neuer Richtungen: Diese Arbeit wird einen Beitrag zur L2- Motivationsforschung leisten, indem ein „neuer“ Kontext untersucht wird, und sie wird als Beitrag zur Re-Theoretisierung die emotionale Dimension von Motivationen berücksichtigen, die bisher noch nicht systematisch von der L2-Motivationsforschung aufgenommen wurde. Weder kann diese Arbeit den hier untersuchten Erwerbskontext abschliessend beurteilen, noch können die emotionalen Dimensionen von Motivationen umfassend in ihrer Komplexität identifiziert werden. Deswegen geht es in den folgenden Kapiteln auch nicht nur um Hypothesenüberprüfung, sondern auch um das Formulieren präzisierter (empirisch begründeter) Hypothesen und um das Aufzeigen neuer Richtungen, die in Zukunft eingeschlagen werden sollten, damit auf der Grundlage dieser Arbeit weitere Untersuchungen die angesprochenen Aspekte noch zielgerichteter und vor allem weiterführend angehen können. 1 Einleitung 8 4. Feld für den deutschsprachigen Raum erschliessen: Nicht zuletzt soll diese Arbeit das L2-Motivationsforschungsfeld für den deutschen Sprachraum erschliessen. Im deutschsprachigen Raum besteht zwar ein eindeutiges Interesse am Thema (vgl. z.B. Finkbeiner 2001a, 2001b, Hüther 2004, Riemer 2004, Küppers/ Quetz 2006, Schmidt 2008), aber es besteht kaum Anbindung an die aktuelle Forschung aus dem englischsprachigen Raum, in dem die L2-Motivationsforschung ihren Anfang nahm, dort stark verankert ist, und durch die Kontinuität der Forschungstradition am stärksten voran gebracht wird. Dass wenig Anbindung besteht, zeigt etwa die Lektüre der oben genannten Arbeiten sowie der Blick in die Handbücher, die eigentlich L2-Motivationen behandeln müssten. Im zweibändigen Handbuch „Didaktik der deutschen Sprache“ (Bredel et al. 2006) vermisst man die Besprechung von Motivationen im Zweitspracherwerb ganz, obwohl die Resultate dieses Forschungsfeldes gerade für die Didaktik relevant wären. In ihrer Einführung „Sprachlehrforschung“ besprechen Edmondson und House 2 (2006) Motivationen nur auf vier Seiten (von 328 Seiten), gehen aber fast ausschliesslich auf das sozialpsychologische Modell nach Gardner (1985) ein. Zwar wird mit Bezug auf Dörynei (2001) und Noels et al. (2003) erwähnt, dass Gardners Modell durchaus kontrovers aufgenommen und die Theorie weiterentwickelt wurde, ohne dies aber in einer der jüngeren Forschung entsprechenden Breite aufzuzeigen oder auf weitere Quellen hinzuweisen. Eine deutschsprachige Einführung in die L2- Motivationsforschung und ihre theoretischen Konzepte und methodischen Ansätze existiert noch nicht. 1.4 Methodische Herausforderungen des Gegenstands Motivationen sind oben bereits beschrieben worden als dynamische, unter verschiedenen äusseren und inneren Anreizen veränderbare mentale, bewusste und unbewusste, Prozesse. Motivationen als Untersuchungsgegenstand sind also komplex und bringen methodische Herausforderungen mit sich. Dörnyei (2003) und Dörnyei/ Ushioda (2011) haben dies am besten beschrieben und weisen auf drei zentrale Charakteristika hin: 1. Motivationen sind abstrakt und der direkten Beobachtung nicht zugänglich: „Motivation“ ist ein abstrakter Begriff, der sich auf verschiedene mentale (innere) Prozesse und Zustände bezieht. „Motivation“ kann daher nicht direkt beobachtet werden, sondern muss über indirekte Indikatoren erschlossen werden, beispielsweise über self reports, (Verhaltens-) Beobachtungen oder physiological responses (z.B. Blutdruckveränderungen). 2 Trotz der englischen Namen waren beide Professoren für Sprachlehrforschung im deutschen Sprachraum, an der Universität Hamburg. 1.5 Begriffe 9 Das bedeutet, dass es keine objektiven Messungen von Motivationen geben kann. Alle Indikatoren, auf die sich Forschende beziehen, sind zwangsläufig bis zu einem gewissen Grad subjektiv, und die Herausforderung besteht darin, diese Subjektivität so gering wie möglich zu halten. In der vorliegenden Arbeit geschieht das, indem jeder einzelne Analyseschritt, insbesondere die Kodierung der Datengrundlage, transparent und interindividuell nachvollziehbar gemacht wird (vgl. v.a. 5.2). 2. Motivationen sind multidimensionale Konstrukte: „Motivation“ ist ein mehrdimensionales Konzept, das nicht durch einfache Messungen wiedergegeben werden kann, etwa durch Resultate weniger Fragebogen- Items. Daher ist es auch wahrscheinlich, dass jeder Aspekt, auf den man sich bezieht, nur einen Ausschnitt eines viel komplexeren psychologischen Konstrukts darstellt. Das wird bei der Diskussion der Resultate vor allem in den Kapiteln 5 bis 7 berücksichtigt, aber auch Rezipienten von L2-Motivationsuntersuchungen sollten dies bedenken. 3. Motivationen sind potenziell dynamisch und nicht statisch: Es ist anzunehmen, dass sich Motivationen über die Zeit verändern, entweder als Resultat persönlicher Fortschritte oder als Reaktion auf Anregungen aus dem Umfeld auf verschiedenen möglichen Ebenen (Erfahrungen, Beobachtungen, direkte Unterhaltungen, Begegnungen mit wichtigen Bezugspersonen etc.). Zu einem bestimmten Zeitpunkt wirksame Motivationen können daher nicht als Prognosen, etwa wie der L2-Erwerb verlaufen wird, interpretiert werden. Prognosen sind nicht Gegenstand des Interesses dieser Arbeit. Festgestellte Zusammenhänge zwischen L2-Motivationen und L2-achievement beziehen sich auf den Zeitrahmen der Erhebungen (zwischen September 2008 und Juni 2009) und schliessen in keiner Weise aus, dass sich sowohl festgestellte Motivationen als auch festgestellte Erwerbsunterschiede zwischen den Probanden und Probandinnen im Verlauf der folgenden Jahre verändern können. Die Forschung hat inzwischen zwar eine Reihe sehr guter Analysewerkzeuge und Methoden erarbeitet, um diese „pitfalls“ (Dörnyei/ Ushioda 2011: 198) zu vermeiden. Trotzdem müssen diese Schwierigkeiten immer berücksichtigt werden, um dem Gegenstand gerecht zu werden. 1.5 Begriffe Einige der für diese Arbeit zentralen Begriffe werden in der Literatur zum Thema nicht immer einheitlich verwendet. Von diesen Definitionen wird im Folgenden ausgegangen: 1 Einleitung 10 (Frühe) L2-Motivationen Die Termini „L2-Motivationen“, „zweitsprachliche Motivationen“ und „Motivationen im Zweitspracherwerb“ beziehen sich auf jene Reihe spezifischer Faktoren, die in der L2-Motivationsforschung untersucht werden und für die ein Einfluss auf den L2-Erwerb gezeigt werden konnte (darum wird es in Kapitel 3 gehen). Die drei genannten Oberbegriffe beziehen sich immer auf die Gesamtheit dieser Faktoren und werden synonym verwendet, solange Faktoren nicht näher bestimmt werden müssen. In dieser Arbeit wird zudem „frühe L2-Motivationen“, „frühe zweitsprachliche Motivationen“ und „Motivationen im frühen Zweitspracherwerb“ verwendet, um dann auf den spezifischen untersuchten Erwerbskontext, den frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb, hinzuweisen. Zweitsprache - Fremdsprache - Bilingualismus Eine Zweitsprache (L2) ist keine Fremdsprache. Nach der Definition, nach der die Begriffe hier verwendet werden, bezieht sich „Fremdsprache“ auf eine Zielsprache, die im Kontext der „Ausgangskultur“ gelernt wird - normalerweise in der Schule, meist ab etwa der fünften Klassenstufe, heute teilweise früher. „Zweitsprache“ meint dagegen eine Sprache, die frühestens ab dem vierten Lebensjahr im Kontext der „Zielkultur“ erworben wird, wo die Zweitsprache also nicht lediglich Unterrichtsfach ist, sondern Umgangssprache des sprachlichen Umfelds (vgl. z.B. Henrici/ Vollmer 2001, Edmondson/ House 2006, Ellis 2008). Letzteres ist in der Regel in der Migration der Fall. Wenn der Erwerb einer Zweitsprache im Alter zwischen drei und zehn Jahren beginnt, spricht man von „früher Zweitsprache“ (z.B. Meisel 2000). Die Unterscheidung zwischen „Zweitsprache“ und „Fremdsprache“ bzw. zwischen second und foreign language ist für die Zweitbzw. Fremdsprachenerwerbsforschung wichtig geworden. Bausch/ Kasper (1979: 3) verwenden den Begriff Zweitsprache noch als Sammelbegriff „für jeden Spracherwerb, der sich simultan mit oder konsekutiv zum Grundsprachenerwerb vollzieht“ [Hervorhebung im Original], also sogar für den Bilingualismus bzw. den doppelten Erstspracherwerb. Klein (1984: 31) weist darauf hin, dass Zweit- und Fremdsprache nicht einheitlich gebraucht werden, und stellt fest, es gäbe „neuerdings [also 1984; A.d.A.] Versuche, sie stärker festzulegen“: Mit Fremdsprache ist demnach eine Sprache gemeint, die ausserhalb ihres normalen Verwendungsbereichs - gewöhnlich im Unterricht - gelernt und dann nicht neben der Erstsprache zur alltäglichen Kommunikation verwendet wird. Eine klassische Fremdsprache in diesem Sinne ist Latein, aber auch z.B. Englisch und Französisch für den gewöhnlichen Gymnasiasten. Eine Zweitsprache hingegen ist eine Sprache, die nach oder neben der Erstsprache als zweites Mittel der Kommunikation dient und gewöhnlich in einer sozialen Umgebung erworben wird, in der man sie tatsächlich spricht. (ebd.) 1.5 Begriffe 11 Diese Unterscheidung ist zum einen nützlich, um schon in der Terminologie klar zu machen, von welchem Erwerbskontext die Rede ist, sie ist aber vor allem auch wichtig, weil wir noch nicht wissen, ob die Prozesse des Zweitbzw. Fremdsprachenerwerbs dieselben sind oder nicht (Ellis 2008: 6). Weiter ist „Zweitsprache“ von „Bilingualismus“ zu unterscheiden. Während man üblicherweise erst ab einem Erwerbsbeginn im Alter von drei oder vier Jahren von einer Zweitsprache spricht, spricht man von Bilingualismus, wenn der Erwerb der zweiten Sprache zeitgleich mit dem Erstspracherwerb oder bis spätestens drei- oder vierjährig beginnt (Meisen 2000). Gesteuert und ungesteuert, lernen und erwerben Die Unterscheidung zwischen „gesteuert“ bzw. „formal“ und „ungesteuert“ bzw. „natürlich“ wird nur gemacht, um auf spezifische Erwerbskontexte hinzuweisen, aber nicht um Lernprozesse zu charakterisieren - also auf einer soziolinguistischen Ebene, aber nicht auf einer psycholinguistischen, wie es Ellis (2008) beschreibt. Zudem wird auf die Unterscheidung zwischen „lernen“ und „erwerben“ verzichtet, die Begriffe werden bewusst synonym verwendet, als Oberbegriffe für die verschiedenen Sprachaneignungsvorgänge, wie dies z.B. auch von Vollmer et al. (2001), Edmondson/ House (2006) sowie Ellis (2008) gehandhabt wird. Diese terminologische Entscheidung kann einfach erklärt werden: Eine Zweitsprache wurde lange von einer Fremdsprache dadurch unterschieden, ob sie in einer gesteuerten Unterrichtssituation erworben wird oder in ungesteuerten alltäglichen Kommunikationssituationen (vgl. z.B. Klein 1984: 28ff., Dittmar 1997: 107, Henrici/ Vollmer 2001: 7, Edmondson/ House 2006: 11f., Ellis 2008: 6). Diese Unterscheidung ist aus heutiger Sicht nicht mehr sinnvoll. Das kann an folgendem Beispiel illustriert werden: Zahlreiche individuelle Migrationsgeschichten führen zu sehr heterogenen Spracherfahrungen von L2-Lernenden. So kommen Migrantenkinder oft erst mit Schul- oder Kindergarteneintritt regelmässig mit der L2 in Kontakt. Dann ist man versucht, den L2-Erwerb als gesteuert zu charakterisieren, weil im schulischen Kontext normalerweise von „gesteuert“ oder „formal“ die Rede ist. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass abgesehen vom DaZ-Unterricht (Deutsch als Zweitsprache) die L2 nicht Gegenstand der Vermittlung ist, sondern Werkzeug der Vermittlung. Daher ist die Situation wieder eher als „natürlich“ zu bezeichnen. Zudem wird in Bezug auf Lernprozesse mit „gesteuert“ „bewusstes“ Lernen (learning) assoziiert, mit „ungesteuert“ dagegen „unbewusstes“ Erwerben (acquisition) (vgl. auch Robinson 1997, Henrici/ Vollmer 2001: 7f., Edmondson/ House 2006: 11; Ellis 2008: 7). Zum einen ist es aber wenig sinnvoll, Kindergarten- und Primarschulkindern bewusste sprachliche Lernprozesse zuzuschreiben, zum anderen weisen etwa Edmondson/ House (2006) darauf hin, dass nicht ausgeschlossen werden kann, 1 Einleitung 12 dass Lernende in gesteuerten Situationen unbewusst sprachliche Regeln aufschnappen oder umgekehrt in natürlichen Kontexten bewusst lernen. Zwar ist es möglich, dass in gesteuerten und natürlichen Kontexten andere psycholinguistische Prozesse ablaufen, da der Fokus der Lernenden ein anderer ist, aber das ist eine noch unbestätigte Annahme (vgl. Herici/ Vollmer 2001: 8, Edmondson/ House 2006: 11, Ellis 2008: 6). Solange dies der Fall ist, besteht, „a need to keep an open mind as to whether the processes of acquisition are the same or different in naturalistic and classroom settings“ (Ellis 2008: 6), aber wirklich gewinnbringend ist die terminologische Unterscheidung hier nicht. Zur Verwendung englischer Termini Die Forschungstradition, in die sich diese Arbeit reiht, ist englisch geprägt, und der bei weitem überwiegende Teil der verwendeten Literatur zu L2- Motivationen ist englisch. Der Grossteil zentraler Begriffe hat sich deshalb bis heute in keiner deutschen Übersetzung durchgesetzt und können meist nur unzureichend übersetzt werden. Wo eine Übersetzung ohne semantischen Verlust nicht möglich ist oder nur in umständlichen Umschreibungen, werden in dieser Arbeit die englischen Originaltermini verwendet. Im Zweifel wird immer der englische Terminus bevorzugt, um den Gegenstand so exakt wie möglich zu beschreiben. Um die Lesart zu erleichtern, werden englische Termini grundsätzlich in Klein- und Kursivschreibung wiedergegeben, beispielsweise im Fall von exposure oder achievement. Eine Ausnahme wird gemacht, wenn zitiert wird und die englischen Sequenzen in Anführungszeichen stehen. 2 Theorie des Zweitspracherwerbs Dieses Kapitel dient in erster Linie dem Überblick über die wichtigsten Positionen der Zweitspracherwerbsforschung und damit der Orientierung von Leserinnen und Lesern, die mit der Theorie des Zweitspracherwerbs noch nicht vertraut sind (zur ausführlichen Vertiefung vgl. z.B. Robinson/ N. Ellis 2008, R. Ellis 2008, Ortega 2009). Zugleich wird die vorliegende Arbeit innerhalb der Zweitspracherwerbsforschung positioniert. Auf einer sehr allgemeinen Ebene kann man zunächst sagen, dass der Zweitspracherwerb in der bisherigen Forschung auf zwei Arten angegangen wurde: Zum einen gibt es die vor allem frühen Arbeiten, die den Zweitspracherwerb rein formal betrachteten und generell zu erklären beanspruchten, also Universalien in Bezug auf L2-Erwerbsgesetzmässigkeiten formulieren wollten. In diesem Fall wurde lange von den „grossen Hypothesen“ gesprochen (z.B. Bausch/ Kasper 1979), die allerdings heute an Bedeutung eingebüsst haben. Zum anderen gibt es jene Arbeiten, welche die einzelnen Faktoren untersuchen, von denen man inzwischen weiss, dass sie sich auf den Zweitspracherwerb auswirken können. Bei diesen Grössen handelt es sich im Wesentlichen um (1) das Alter und damit verbunden die neuronale Entwicklung als biologische Grundlage, (2) Erstsprache und Zweitsprache (Transfer, d.h. auch die strukturelle Differenz der schon erworbenen Sprache(n) zu der zu lernenden und die L2 als Lernobjekt mit ihren Strukturen und Regeln) sowie (3) Art und Intensität/ Häufigkeit des Inputs und Kontakts, dann aber vor allem auch (4) Sprachlernbegabung (aptitude) sowie (5), das Thema dieser Arbeit, Motivationen (vgl. zur Übersicht z.B. Corder 1967, Klein 1984, Vollmer et al. 2001, Grießhaber 2002, Edmondson/ House 2006, Ellis 2008, Ortega 2009). Studien zu (4) und (5) sind immer von der gleichen gemeinsamen Frage geleitet, jener, wie es möglich ist, dass der Zweitspracherwerb unterschiedlich erfolgreich verlaufen kann, wie individuelle Unterschiede (individual differences, IDs) erklärt werden können. Diese Frage kann selbstverständlich auch mit Bezug auf die anderen genannten Grössen untersucht werden. Der Terminus „individuelle Unterschiede“ bezieht sich in der Forschung aber oft konkret auf die Sprachlernbegabung und Motivationen (vgl. z.B. Skehan 1989, 1991, Robinson 1997, Miyake/ Friedman 1998, Dörnyei 2009a, 2010b). 2 Theorie des Zweitspracherwerbs 14 2.1 Die frühen „grossen“ Hypothesen Die frühe Zweitspracherwerbsforschung ist noch gekennzeichnet durch die Suche nach Universalien („universal properties“) des L2-Erwerbs (vgl. u.a. Bausch/ Kasper 1979, Klein 1984, Ellis 2008). In diesem Streben sind die sogenannten „grossen Hypothesen“ aufgestellt worden. Zu diesen zählen insbesondere die „Kontrastiv-“, „Identitäts-“ und „Interlanguage-Hypothese“, die in diesem Teilkapitel besprochen werden. Es sind zweifelsfrei die grundlegendsten und am weitest reichenden Ansätze, weswegen ich mich zum Zweck der Übersicht über die Zweitspracherwerbsforschung auf sie beschränke. Diese grossen Zweitspracherwerbstheorien stehen in einem gewissen Gegensatz zur heutigen Sicht auf den L2-Erwerb, wonach dieser durch ein jeweils individuelles und komplexes Zusammenspiel verschiedener sprachspezifischer, lernerspezifischer und kontextabhängiger Faktoren erklärt wird (vgl. dazu auch Kapitel 3). Jedoch wirken diese frühen Theorien in vieler Hinsicht in den heutigen Ansätzen nach. Vor allem sind in ihnen, die alle empirisch abgestützt sind, jeweils Aspekte enthalten, die in jedem Fall in der Auseinanderse tzung mit dem L2-Erwerb und in Forschungsdesigns berücksichtigt werden müssen. Ihre Gültigkeit haben diese Hypothesen zwar in ihrer jewe iligen Reduktion auf einen bestimmten Aspekt eingebüsst, ganz und gar nicht aber wenn sie mit ihren Argumenten und Beobachtungen umfassend betrachtet werden. Kontrastivhypothese Die Kontrastivhypothese oder contrastive analysis hypothesis (kurz contrastive hypothesis bzw. CA) kann als erste wichtige Theorie zum Zweitspracherwerb gelten und wurde von Fries (1945) initiiert und von Lado (1957) weiterentwickelt. Die Hypothese besagt, dass der Erwerb der Zweitsprache von der Struktur der bereits erworbenen Sprache bestimmt wird. Sie lässt sich am besten durch die oft zitierten Worte Lados (1957: 2) charakterisieren wonach „individuals tend to transfer forms and meanings, and the distribution of forms and meanings of their native language and culture to the foreign language and culture, both productively (...) and receptively (...)“. Ausserdem war der Autor der Auffassung, „in the comparison between native and foreign language lies the key to ease or difficulty in foreign language learning“ (ebd.: 1). Zur damaligen Zeit waren dies Verallgemeinerungen, denen nicht widersprochen wurde (Meisel 2000: 187). Die Hauptaussage der CA besagt also, dass die L1 des Lernenden den L2-Erwerb in der Weise beeinflusst, dass identische Elemente (elements) bzw. Regeln leicht zu erlernen sind (es kommt zum „positiven Transfer“), dass unterschiedliche Elemente dagegen Lernschwie- 2.1 Die frühen „grossen“ Hypothesen 15 rigkeiten und Fehler („negativer Transfer“ oder „Interferenzen“) verursachen (vgl. Lado 1957: 2, zur Übersicht z.B. Dulay/ Burt 1972, Klein 1984, Meisel 2000). Mit anderen Worten: „(...) where structures in his [the child’s; Anm. d. A.] first Language (L1) and his second Language (L2) differ, he will goof“ (Dulay/ Burt 1972: 2). Aus heutiger Sicht ist die Frage des Transfers zwischen Sprachsystemen, von der L1 auf die L2 oder weitere Sprachen sowie umgekehrt, noch immer von grossem Interesse (vgl. unten 2.2.2, ausserdem u.a. Meisel 2000, Timmermann 2000). Die frühen wesentlichen Postulate der CA sind heute aber kritisch zu betrachten. Auch weil der CA die Auffassung zugrunde lag, eine Sprache zu lernen bedeute „habit formation“ 3 (Dulay/ Burt 1972: 5). Meisel (2000: 187) hebt in diesem Zusammenhang hervor: The guiding idea behind CA was that learning crucially implies changing previously acquired behavior, and since learners were said to transfer habits from native to foreign language, L2 learning meant chan ging learner’s habits. Die CA tendierte also dazu, linguistische Kompetenzen mit einem „set of habits“ gleichzusetzen. Moreover, contrastive analysis referred to grammatical descriptions without assuming that they captured any kind of psychological reality; in fact, mainstream linguistics, at the time, explicitly rejected mentalistic considerations of this sort. Yet this inevitably led to a paradox, for one cannot explain how a grammatical structure is transferred from one language to another, if these languages are not mentally represented in the learner’s mind. In other words, transfer cannot go from one abstract linguistic system to the other; if one is to postulate that it plays a part in the language learning process, one cannot avoid referring to psycholinguistically plausibel entities. (ebd.) Ursprünglich hoffte man, aus dem Vergleich zweier Sprachen Lernschwierigkeiten, sogar Erwerbsreihenfolgen systematisch ableiten zu können (vgl. Lado 1957). Die CA aber „leidet unter einem klaren Manko: Sie ist falsch“ (Klein 1984: 38). Es gibt Lernschwierigkeiten und Fehler, wo grosse strukturelle Unterschiede vorliegen, aber solche Strukturen werden oft auch sehr leicht gelernt. Umgekehrt kann es gerade dort zu Schwierigkeiten und Fehlern kommen, wo die Strukturen sehr ähnlich sind. Prognosen in Bezug auf Lernschwierigkeiten und -fehler trafen also nicht (immer) ein, und darüber hinaus zeigten Lernende dort Schwierigkeiten, wo sie die CA nicht vorhersagen konnte (vgl. ebd., Meisel 2000: 187). Die Kontrastivhypothese lässt sich nur dann halten, wenn man sie zur Feststellung abschwächt, dass es positive und negative Einwirkungen aus der L1 auf die L2 gibt, was aber „etwas trivial“ ist (Klein 1984: 38), oder wenn man den Transferbegriff aus 3 Diese Annahme beruht in erster Linie auf dem damals weit verbreiteten allgemeinen Paradigma des Behaviorismus’ (Dulay/ Burt 1972: 5). 2 Theorie des Zweitspracherwerbs 16 seinem ursprünglich behavioristischen Kontext herauslöst und kognitiv uminterpretiert (Bausch/ Kasper 1979: 12). Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Lernende aktiven Gebrauch von ihren gesamten sprachlichen und kommunikativen Vorerfahrungen machen, die erstsprachliches Wissen einschliessen (ebd.). Identitätshypothese Die Identitätshypothese oder L2 acquisition = L1 acquisition hypothesis ist als Reaktion auf die Kontrastivhypothese zu verstehen (vgl. Dulay/ Burt 1972, 1974, Wode 1074). Dulay/ Burt (1972, 1974) zeigten, dass nur ein geringer Teil der L2-Fehler auf Sprachkontraste zurückzuführen sind. Dagegen machten sie darauf aufmerksam, dass vielmehr die Struktur des Lernobjekts, also die Grammatik der Zielsprache, für die Fehler im Lernprozess entscheidend ist: The L2 acquisition = L1 acquisition hypothesis holds that children actively organize the L2 speech they hear and make generalizations about its structures as children learning their first language do. (Dulay/ Burt 1972: 2f.) Mit Bezug auf Chomskys (1959) These von der genetisch angelegten menschlichen Sprachfähigkeit entwickelten Dulay und Burt die These, dass der Lernprozess durch psychische Strategien bestimmt ist, die sowohl beim Erstals auch beim Zweitspracherwerb wirken - daher der Name. Der Erwerb einer Sprache als L2 verlaufe, so argumentierten sie, prinzipiell isomorph zum Erwerb der selben Sprache als L1: „In beiden Fällen aktiviert der Lerner angeborene mentale Prozesse, die bewirken, dass die zweitsprachlichen Regeln und Elemente in der gleichen Abfolge erworben werden wie die grundsprachlichen“ (Bausch/ Kasper 1979: 9). Hieraus wurde abgeleitet, dass Entwicklungssequenzen in der zweitsprachlichen Erwerbsabfolge durch die Struktur der L2 (und nicht wie nach der Kontrastivhypothese angenommen durch die der L1) gesteuert werden. Ebenso wie Fehler beim L1-Erwerb durch die Struktur der L1 determiniert sind, sind Fehler beim L2-Erwerb durch die Struktur der L2 bedingt. L1- und L2- Erwerb seien damit in den wesentlichen Zügen identisch (vgl. z.B. Jakobovits 1971, Dulay/ Burt 1972, 1974, Wode 1974, Klein 1984). Empirisch stützt sich diese Ansicht v.a. auf den Nachweis ähnlicher Sequenzen in der Grammatikentwicklung, z.B. der Fragesatzbildung, der Negation oder bestimmter Morphemgruppen (vgl. Dulay/ Burt 1972, 1974, Wode 1974). Mit der Zeit wurde die Behauptung der Identität von L1- und L2- Erwerb auf natürliche Erwerbskontexte eingeschränkt (Bausch/ Kapser 1979: 13). Aber in empirischen Untersuchungen wurden nicht nur Parallelen in Erwerbssequenzen einer Sprache als L1 und als L2 festgestellt, sondern durchaus auch in natürlichen Erwerbssituationen Interferenzen. Anhand der erhobenen Daten war Transfer also nicht auszuschliessen (vgl. Wode 1974, 2.1 Die frühen „grossen“ Hypothesen 17 Bausch/ Kasper 1979, Grießhaber 2002). Und daher sollten [d]ie auffälligen syntaktischen Parallelen zwischen L1- und L2-Erwerb (...) nicht dazu verführen, global zu folgern, solche Parallelen seien innerhalb des L2-Erwerbs für alle Strukturbereiche eines Sprachsystems zu erwarten. Diese radikale These ist mit ziemlicher Sicherheit zu modifizieren (...) (Wode 1974: 27). Problematisch an der Identitätshypothese ist nicht die grundsätzliche Annahme der Ähnlichkeit von L1- und L2-Erwerb und der Nachweis teilweise gleicher Erwerbssequenzen in der L1 und L2, sondern die Betonung der „Identität“ von L1- und L2-Erwerb - auch wenn Variation nicht grundsätzlich geleugnet wird. Die Feststellung, dass die beiden Formen des Spracherwerbs Gemeinsamkeiten aufweisen, ist gleichzeitig banal - und wird auf wenig Widerspruch stossen - und zu einseitig, insbesondere wenn der gesamte Prozess des Spracherwerbs erfasst werden soll (Bausch/ Kasper 1979: 11). Kritisiert wird beispielsweise, dass mit einem Fokus auf Gemeinsamkeiten im Grammatikerwerb eine Reihe weiterer Kompetenzen ausgeblendet werden, die im Spracherwerb ebenso erlernt werden müssen, und die sich Kinder normalerweise bereits im L1-Erwerb aneignen (vgl. Klein 1984: 36). Dazu gehören pragmatische Fähigkeiten (Grüssen, Danken etc.) oder auch das Prinzip der Deixis, einem fundamentalen Element menschlicher Sprache (ebd.). Weitere Kritik betrifft u.a. die Vernachlässigung soziolinguistischer Variablen sowie die Vernachlässigung von Fehlern, die durch Lernmaterialien induziert wurden (vgl. Bausch/ Kasper 1979: 11). Problematisch ist m.E. weiter, dass die Reduktion auf identische Komponenten des Spracherwerbs zwangsläufig zur Vernachlässigung von Untersuchungen nicht-identischer Komponenten führt. Vor dem Hintergrund der Frage, warum die allermeisten Lernenden in einer L2 nie oder sehr mühevoll die Kompetenz erreichen, über die sie in ihrer L1 verfügen, könnten aber gerade diese Prozesse aufschlussreich sein. Man kann nicht sagen, dass die Identitätshypothese scheiterte, das Postulat der „Identität wesentlicher Züge“ greift allerdings eindeutig zu kurz, und es müssen weitere Lernprozesse, wie beispielsweise Transfer, akzeptiert werden. Interlanguage-Hypothese Die interlanguage hypothesis (deutsch Interlanguage-Hypothese) nach Selinker (1972, Selinker/ Swain/ Dumas 1975) rückt noch stärker als bereits die Identitätshypothese die Lernenden in den Vordergrund. Nach ihr gilt es, - aus heutiger Sicht fast banal - für das Verständnis zweitsprachlicher Erwerbsprozesse und der latent psychological structure, die ihnen zugrunde liegt (ebd.: 211f.), „only observable data from meaningful performances situations (...) as relevant to interlingual identification“ zu betrachten (ebd.: 214). Dabei sollen drei produktive Sprachsysteme vergleichend untersucht werden: „(1) utterances in the learner’s native language (NL) produced by the learner; (2) IL 2 Theorie des Zweitspracherwerbs 18 [interlanguage; Anm. d. A.] utterences produced by the learner; and (3) TL [target language; Anm. d. A.] utterences produced by native speakers of that TL“ (ebd.). Dabei stellen die interlanguages an sich den Kern dar: These three sets of utterances or behavioral events are, then, in this framework, the psychologically-relevant data of second-language learning, and theoretical predictions in a relevant psychology of second-language learning will be the surface structures of IL sentences. (ebd.) Die Interlanguage-Hypothese sagt, second language speech rarely conforms to what one expect native speakers of the TL [target language] to produce, that it is not an exact translation of the NL [native language], that it differs from the TL in systematic ways, and that the forms of the utterances produced in the second language by a learner are not [Hervorhebung im Original] random. This IL-hypothesis proposes that the relevant data of a theory of second language learning must be the speech forms which result from the attempted expression of meaning in a second language. (Selinker/ Swain/ Dumas 1975: 140). Während die Identitätshypothese streng genommen nur universale interlinguale Generalisierungsprozesse als erwerbsrelevant betrachtet, enthält die Interlanguage-Hypothese damit eine differenziertere Auffassung des L2- Erwerbs (vgl. Bausch/ Kasper 1979: 15). Denn der Terminus Interlanguage für Lernervarietäten enthält nicht nur Transferphänomene (Kontrastivhypothese) und Fehler, die von der Zielsprache herrühren (Identitätshypothese), sondern ebenso Phänomene, die Lernende beim Erwerb einer L2 herausbilden, und die sowohl Züge von L1 und L2 als auch eigenständige, von L1 und L2 unabhängige sprachliche Merkmale aufweisen (vgl. auch Bausch/ Kasper 1979: 15, Klein 1984: 40). Diese Phänomene sind nach Selinker (1972: 215ff.) das Resultat von fünf zentralen L2-Erwerbsprozessen: 1. language transfer, wenn IL-Phänomene aus der L1 stammen: 2. transfer-of-training, wenn diese Phänomene Resultat erkennbarer Übungsprozeduren („training procedures“) sind; 3. strategies of second-language learning, wenn diese Phänomene Resultat erkennbarer (bewusster oder unbewusster) Lernstrategien („approach by the learner to the material to be learned“) sind; 4. strategies of second-language communication, wenn diese Phänomene Resultat erkennbarer L2-Kommunikationsstrategien („approach by the learner to communication with native speakers of the TL“) sind; 5. overgeneralization of TL linguistic material, wenn diese Phänomene Resultat eindeutiger Übergeneralisierungen von zielsprachlichen Regeln sind. Im Erwerbsprozess nähern sich die interlanguages der Zielsprache kontinuierlich an, sie sind variabel und systematisch zugleich und nicht, wie gesagt wurde, zufällig. Das Zusammenwirken der oben genannten Prozesse, 2.1 Die frühen „grossen“ Hypothesen 19 Strategien und Regeln bestimmt die Dynamik und spezifische Phänomene. Diese fünf psycholinguistischen Prozesse sind aber nicht nur unproblematisch, eine der wichtigen Fragen, auf die Selinker (1972: 221) selbst hinweist, lautet in diesem Zusammenhang: „can we always unambiguously identify which of these processes our observable data is to be attributable to? Most probabely not.“ Für Bausch und Kasper (1979: 15) liegt der Wert der Interlanguage-Hypothese trotzdem insbesondere in der Benennung dieser o.g. psycholinguistischen Prozesse, was in der Folge wesentlich weitere Forschungsaktivität angeregt hat. Eine zentrale weitere Grösse der IL-Hypothese ist das Phänomen der „Fossilisierung“ als Charakteristikum von ILs. Selinker (1972: 215) definiert den Begriff wie folgt: Fossilized linguistic phenomena are linguistic items, rules and subsystems which speakers of a particular NL [native language] will tend to keep in their IL relativ to a particular TL [target language] no matter what the age of the learner or amount of explanation and instruction he receives in the TL. (...) fossilizable structures tend to remain as potential performance, reemerging in the productive performance of IL even when seemingly eradicated. Beispiele solcher fossilisierbarer Strukturen sind „the well-known ‚errors’: French uvular / r/ in their English IL, American English retroflex / r/ in their French IL, (...) [and] some features of the Thai tone system in the IL of Thai speakers relative to English“ (ebd.). (Allerdings betreffen Fossilisierungen nicht nur die Phonologie; ebd.: 216). Wenn sie in der lernersprachlichen Performanz wieder auftreten, obwohl sie überwunden scheinen, entspricht dies den vielfach beobachteten backslidings auf eine frühere interlanguage-Norm (ebd.: 215f., Selinker/ Swain/ Dumas 1975). Auch hierzu sind noch Fragen offen. Z.B., so Selinker (1972: 222): „How can we systematize the notion fossilization so that from the basis of theoretical constructs, we can predict which items in which interlingual situation will be fossilized? “ Oder auch: „Why do some things fossilize and others do not? “ Die von Selinker angeführten Experimente zu Fossilisierungsphänomenen müssen daher vorläufig als „’exploratory’ in nature“ betrachtet werden, d.h. „with regard to fossilization, our results are ‚descriptive’ and not ‚explanatory’ in nature“ (ebd.). Trotzdem wurden in der Sprachlehrforschung Einwände erhoben: Solange sich Lernende im Lernprozess befinden, besteht prinzipiell die Möglichkeit, dass über einen bestimmten Zeitraum als verfestigt erscheinende Merkmale sich unter dem Einfluss weiteren Unterrichts und anderen Sprachkontakts verändern, dass Fossilisierungen „aufgebrochen“ werden (vgl. Bausch/ Kasper 1979: 21), weswegen das statische Fossilisierungskonzept von Selinker (1972) zu dynamisieren wäre (vgl. Bausch/ Kasper 1979: 21). 2 Theorie des Zweitspracherwerbs 20 2.2 Faktoren im Zweitspracherwerb Ziel der im vorherigen Teilkapitel besprochenen Hypothesen war es, den Zweitspracherwerb im Allgemeinen zu beschreiben und zu erklären. Heute konzentrieren sich Arbeiten zum Zweitspracherwerb in der Regel auf einzelne Grössen, von denen man inzwischen weiss, dass sie im Zweitspracherwerb eine Rolle spielen: vor allem Alter, Transfer, Input, Begabung/ Eignung und L2-Motivationen, die letzteren zwei oft unter dem Schlüsselbegriff individuelle Unterschiede (individual differences). Diese werden hier diskutiert, mit Ausnahme der L2-Motivationen, die im nächsten Kapitel umfassend behandelt werden. 2.2.1 Alter Kinder erwerben ihre Erstsprache in der Regel innerhalb eines biologischen Fensters von der Dauer von vier bis sechs Jahren (Ortega 2009: 12). Zeitpunkte, zu denen eine Zweitsprache erworben wird, variieren dagegen erheblich. Das macht „Alter“ zu einem zentralen Unterschied zwischen L1- und L2-Erwerb und damit zu einem wesentlichen Gegenstand der L2- Forschung seit deren Anfängen. Die vielleicht am häufigsten gestellte Frage lautet: „What is the optimum age of beginning the study of a FL [foreign language; Anm. d. A.]? ” (Jakobovits 1970: 51f), und bezieht sich auf die Annahme einer kritischen Phase für den Erwerb von Sprachen insgesamt. Die zugrunde liegende Idee, dass es eine optimale oder kritische Phase für den Erwerb von Sprachen gibt, geht auf die neurolinguistischen Arbeiten von Penfield/ Roberts (1959) und Lenneberg (1967), mit dem die Annahme insbesondere verbunden wird, zurück. Diese Autoren kamen aufgrund ihrer Daten zum Schluss, dass im kindlichen Gehirn eine naturgegebene Veranlagung für das Erlernen einer Erstsprache bestehe und mutmassten wegen weiterer, allerdings unsystematischer Beobachtungen, dass Kinder verglichen mit Erwachsenen auch für das Erlernen weiterer Sprachen begabter seien. Als wahrscheinlichen Grund dafür sahen sie den Verlust einer bestimmten für den Erwerb von Sprachen notwendigen neuronalen Plastizität bis zum Alter von neun Jahren (Penfield/ Roberts 1959) bzw. bis zum Beginn der Pubertät (Lenneberg 1967). Es wurde also angenommen, dass das Gehirn in seinem Reifeprozess immer weniger formbar („plastic“) wird und dass dies zweitsprachliches Lernen erschwere (vgl. auch Scovel 1988, Patkowski 1990, Flege/ Yeni-Komshian/ Liu 1999). Problematisch an der Hypothese der kritischen Phase ist, wie spätere Studien zeigten, die Verallgemeinerung, die fehlende Differenzierung für welche Funktionen, Strukturen und Eigenschaften der Sprache eine kritische Phase angenommen werden könnte. Denn zwar zeigten Studien, dass Lernende, die früh in natürlichen 2.2 Faktoren im Zweitspracherwerb 21 Kontexten einer Zweitsprache ausgesetzt sind, generell eine höhere Kompetenz in dieser Sprache erreichen als jene, die erst im Erwachsenenalter damit beginnen (Krashen/ Long/ Scarcella 1979: 573). Aber genauso zeigte sich, dass Erwachsene frühe Stadien syntaktischer und morphologischer Entwicklung schneller durchliefen als Kinder (nach gleicher Zeit und exposure), und dass in den gleichen Bereichen auch ältere Kinder verglichen mit jüngeren Kindern schneller lernen (ebd.). In zwei oft zitierten Studien aus den Niederlanden von Snow und Hoefnagel-Höhle (1977, 1978) fanden die Autorinnen beispielsweise heraus, dass Erwachsene und Jugendliche sowohl in einer 25-minütigen Instruktionseinheit als auch nach einem Jahr natürlichen Holländisch-Kontakts mehr lernten als Kinder. Zwar begann der Vorteil der Jugendlichen gegenüber den Kindern nach rund zehn Monaten zu schwinden, trotzdem stellten diese Resultate die Annahme einer kritischen Phase in Frage. Allerdings interpretierten Krashen/ Long/ Scarcella (1979), dass „älter“ am Anfang besser sein mag, dass der Erwerb über eine längere Dauer Kindern allerdings leichter falle und besser gelänge. Ausserdem kann das Resultat von Snow/ Hoefnagel-Höhle in Bezug auf die Instruktionseinheit auch damit in Verbindung stehen, dass die Verarbeitung strukturierter Instruktionen eine gewisse kognitive Reife, metalinguistische Sensibilität und Übung erforderten, die die Kinder noch nicht erlangt hatten (vgl. Ortega 2009: 17). Weitere Studien sind die von Oyama (1976) und Patkowski (1980). Hier zeigten Untersuchungen der Sprachkompetenz von L2-Lernenden nach mindestes fünf Jahren Leben im L2-Umfeld, dass Kinder gegenüber Erwachsenen deutliche Vorteile hatten. In eine ähnliche Richtung wiesen Long (1990) und Aoyama et al. (2008). Weitere Untersuchungen der letzten Jahre verkomplizieren die Sache auf den ersten Blick (vgl. z.B. Studien in Mayo/ Lecumberri 2003, Munoz 2006). Insbesondere in Munoz zeigte sich für den Erwerb des Englischen in Cataluna ein Vorteil von späten Beginnern (zwischen 11 und 17 Jahren) gegenüber frühen Beginnern (zwischen acht und 16 Jahren). Die Erklärung für diese zunächst widersprüchlich scheinenden Resultate muss im Unterschied zwischen Zweit- und Fremdspracherwerb liegen. Ortegas (2009: 17) Rechnung ist sehr anschaulich: [...] the same time length of five years entails an intensity and quality of exposure to the L2 that can be radically different in foreign versus second language learning contexts. At three hours a week by nine month of school a year, students enrolled in a foreign language in school may experience as little as 540 hours of actual instruction and L2 exposure over five years. By contrast, in the same chronological time window, learners in L2 environments may accrue about 7'000 hours of L2 exposure (if we calculate a conservative four hours a day). 2 Theorie des Zweitspracherwerbs 22 Daraus schliesst die Autorin (ebd.): „Age may exert universal influences on the learning of a second language, but context moderates these universal effects and needs to be considered carefully.“ Nach heutigem Wissensstand aus neurobiologischen Untersuchungen sind die Prozesse des frühen und späten Lernens im Allgemeinen und des Sprachlernens im Besonderen grundsätzlich identisch, aber die Geschwindigkeit von Lernprozessen bzw. von deren neuronalem Korrelat, der Neuroplastizität und Synapsenbildung, scheint mit zunehmendem Alter tatsächlich abzunehmen (Spitzer 2003: 38). Dies erklärt den Vorteil jüngerer Lernenden in natürlichen Erwerbskontexten. Dass der Mensch aber nach der Pubertät (aufgrund neuronaler Veränderungen) seine Sensibilität für sprachliches Lernen verliere, wie dies die Hypothese der kritischen Phase besagte, trifft so sicher nicht zu. Für den Bereich der Phonologie muss allerdings ergänzt werden, dass tatsächlich empirische Daten nahe legen, dass es mit zunehmendem Alter fast unmöglich scheint, je nach phonologischem Kontrast natürlich, in einer Zweit- oder Fremdsprache muttersprachliche Kompetenzen zu erlangen. Für Peltzer- Karpf/ Zangl (1998) steht daher fest, dass für diesen Bereich die Theorie der kritischen Phase zutrifft. Auch Meisel (2003) geht davon aus, dass die „phonologische Komponente“ ab einem bestimmten Alter nicht mehr „zugänglich“ sei (ebd.: Abschnitt 2.4). Evidenz dagegen stammt aus der Einzelfallstudie einer Engländerin, die mit 21 Jahren nach der Heirat mit einem Ägypter nach Kairo zog (vgl. Ioup et al. 1994). Ohne je formalen L2- Unterricht besucht zu haben, hat sie nach wenigen Jahren eine zweitsprachliche Kompetenz erreicht, die sie für die meisten entsprechend befragten Ägypter, denen Tonaufnahmen vorgespielt wurden, nicht mehr als Nicht- Muttersprachlerin erkennbar liessen. Nach Flege (1999) sind phonetische Kategorien und mentale Repräsentationen von Sprachlauten in der L1 bis etwa 5bis 7-jährig stabil, man könnte wohl sagen eingeschliffen. Nach diesem Zeitpunkt, würden neue phonetische Kontraste durch eine Art L1-Filter verarbeitet. Dies erschwere das Erlangen einer erstsprachlichen Aussprache tatsächlich - was die früheren Beobachtungen erklärt - mache es aber biologisch nicht unmöglich. Ironischerweise stammen Akzente in Fremdsprachen demnach nicht vom Verlust der Möglichkeit, die richtige L2-Aussprache zu erwerben, sondern daher, dass Lernende die Phonologie ihrer L1 zuvor so gut gelernt haben (ebd.: 125). 2.2.2 Transfer Nach wie vor gilt ein bestimmtes Interesse in der Zweitspracherwerbsforschung der Bedeutung von Transfer oder crosslinguistic influences von der Erstauf die Zweitsprache (vgl. z.B. Meisel 2000, Ortega 2009: 31ff.), worin noch immer insbesondere die oben besprochene Kontrastivhypothese (CA) nachwirkt: Per definitionem haben alle Zweitsprachlernenden 2.2 Faktoren im Zweitspracherwerb 23 - zumindest bis zu einem gewissen Grad - bereits eine Erstsprache erworben. Viele von ihnen lernen eine Zweitsprache gar erst dann, wenn sie „able users“ (Ortega 2009: 31) dieser L1 sind. Das bedeutet, dass b ereits erworbenes sprachliches Wissen zwangsläufig und immer einen Einfluss auf den L2-Erwerb hat, unabhängig von Erst- oder Zweitsprache (ebd., Meisel 2000: 186). Der Transfer-Gedanke ist also wieder rehabilitiert, nachdem der enge, behavioristische Transfer-Begriff und die aufgrund nicht eintreffender Prognosen schwindende Popularität der CA zunächst zu einer weitgehenden Ablehnung geführt hatten. Heute kann eine Theorie des Fremdsprachenerwerbs, die den Einfluss erstsprachlichen Wissens für den Aufbau zweitsprachlicher Kenntnisse nicht berücksichtigt, nur als unvollkommen bezeichnet werden (Ellis 1994: 300). Allerdings hat „Transfer“ eine erhebliche Differenzierung und Neubewertung erfahren. Gemeint sind damit nicht mehr nur Übernahmen von Oberflächenstrukturen und habits aus der L1 in die L2 oder Ln, denn: „It soon became clear that neither the linguistic knowledge nor the linguistic behavior of L2 learners was slavishly determined by externally catalogued L1-L2 differences“ (Ortega 2009: 31f.). Gemeint sind Übertragungsphänomene unterschiedlicher Qualität auf allen sprachlichen Ebenen. Die genaue Art und Weise des Einflusses der L1 auf die L2 ist aber weiterhin Diskussionsgegenstand. Meisel (2000: 186) hebt in diesem Zusammenhang hervor: It is, for example, still a matter of much controversy whether transfer is most pervasive during early or later phases of L2 acquisition. More importantly, within a cognitive framework, the importance of structural transfer is questionable altogether if it is understood as the incorporation of L1 grammatical knowledge into the developing mental representation of L2 knowledge, as opposed to viewing it as a phenomenon attributable to particular conditions of language use. Darüber hinaus interessiert sich jüngere Forschung ausgesprochen nicht mehr vorrangig für negativen Transfer (interference), d.h. eine potentiell hinderliche Wirkung, sondern für die verschiedenen Möglichkeiten, erstsprachliche Kenntnisse für den Erwerb und Gebrauch der Zweit- oder Fremdsprache erwerbsfördernd einzusetzen (vgl. Timmermann 2000, Ortega 2009: 42ff.). Die erwerbserleichternden Einflüsse erstsprachlichen Wissens können dabei allzu leicht übersehen werden. Vermutlich weil diese nur schwer zu identifizieren sind, schliesslich fallen sie in Form richtiger Wahl in der Produktion Lehrpersonen und Beobachtenden nicht auf - im Gegensatz zu Effekten negativen Transfers (vgl. Ortega 2009: 42). Ein Beispiel für positiven Transfer findet sich etwa bei Bialystok (1997). Die Autorin hat hier aufgezeigt, dass Französischlernende mit deutschsprachigem Hintergrund weniger Schwierigkeiten mit der französischen Genusmarkierung hatten als 2 Theorie des Zweitspracherwerbs 24 Französischlernende mit einem englischsprachigen Hintergrund, für die die Genusmarkierung im Vergleich zu ihrer Erstsprache neu war. Als Beispiel für eine Untersuchung zu positivem Transfer auf der Ebene der Phonologie sei jene von Wayland/ Guion (2004) angeführt. In ihrer Kurzzeitstudie untersuchten sie, ob Lernende des Thailändischen als Zweitsprache durch eine dreissigminütige Trainingseinheit für die Identifizierung und Unterscheidung von tiefen und mittleren Thaitönen sensibilisiert werden könnten. Die Autoren fanden dabei heraus, dass Teilnehmende mit einer tonalen Erstsprache (Taiwanesisch und Mandarin) von dem Training mehr profitiert haben als jene Teilnehmenden mit intonatorischer Erstsprache (Englisch). Für ein vollständiges Verständnis dessen, wie Zweitspracherwerb funktioniert, ist es also wichtig, sowohl die Effekte positiven wie auch jene negativen Transfers zu verstehen. Zudem zeigen die genannten Beispiele sehr deutlich, dass je nach Kombination von L1, L2, Ln von ganz unterschiedlichen Transferphänomenen auszugehen ist, die theoretisch für alle möglichen L1s, L2s und Lns in Kontrastivstudien untersucht werden müssten - aus einem wissenschaftlichen Interesse daran, menschliche Sprachverarbeitung und Spracherwerb besser zu verstehen, aber auch um daraus Nutzen für die Sprachdidaktik ziehen zu können. Weitere Fragen betreffen die verschiedenen Transfermöglichkeiten im Erwerb einer L3, L4, L5 etc.: Etwa jene, ob es aus einer bestimmten L1 zu den gleichen Transferphänomenen in eine bestimmte Zielsprache kommt, wenn diese nicht L2 sondern L3 oder Ln ist, oder ob, was anzunehmen ist, ab dem L3-Erwerb weiterer Transfer aus anderem vorher erworbenem sprachlichen Wissen stattfindet. Transfer stellt also ein immenses, zu einem Grossteil noch zu bearbeitendes Forschungsfeld dar. Dass Transfer bzw. crosslinguistic influences im Zweit- und Fremdspracherwerb immer vorkommen, spielt für den empirischen Teil der vorliegende Arbeit eine entscheidende Rolle und hatte einen wesentlichen Einfluss auf das Untersuchungsdesign, da mit Probandinnen und Probanden unterschiedlicher Erstsprachen gearbeitet wurde. An entsprechender Stelle im Methodenkapitel wird hierauf Bezug genommen. 2.2.3 Input - sprachliches Umfeld - exposure Welche Bedeutung dem Input im Spracherwerb im Allgemeinen sowie im Zweit- und Fremdsprachenunterricht im Speziellen zukommt, wurde in der sprachwissenschaftlichen Forschung unterschiedlich bewertet. Während unter dem Einfluss des Behaviorismus quasi alles als durch Input erlernbar galt, solange es nur oft genug wiederholt wurde, sahen Nativisten in der Tradition Chomskys (v.a. 1959, 1965, 1975) Spracherwerb als genetisch gesteuert an, womit der Stellenwert des Inputs reduziert wurde. Durch die gebrauchsbasierte Theorie des Spracherwerbs, der ersten starken 2.2 Faktoren im Zweitspracherwerb 25 Position, die dem Chomskyschen Nativismus entgegengehalten werden kann, hat der Input wieder an Bedeutung gewonnen (vgl. zum gebrauchsbasierten Ansatz z.B. Langacker 2000; Tomasello 2001; Bybee 2006; 2010; Behrens 2009). Denn in der gebrauchsbasierten (usage-based) Perspektive ist das individuelle sprachliche Wissen das Resultat der Summe linguistischer Erfahrung, wobei davon ausgegangen werden kann - verkürzt gesagt -, dass häufigere Erfahrung bzw. häufigere Wiederholung linguistischer Phänomene (in Abhängigkeit vom Types-Tokens-Verhältnis) zu rascherem Erwerb führt (Frequenzeffekt), was aber auch nicht immer eintrifft (vgl. z.B. Ellis 2002b). Natürlich können Menschen aber trotzdem genauso wenig Sprachen lernen, ohne über die entsprechenden biologischkognitiven Voraussetzungen zu verfügen, wie sie es ohne reichhaltige sprachliche Anreize aus der Umwelt könnten. Die Geister scheiden sich zwar in der Frage, wie gross der Anteil innerer und äusserer Faktoren ist, aber wir können davon ausgehen, dass sich Spracherwerb in einem Zusammenspiel von angeborenen Fähigkeiten und Umwelteinflüssen vollzieht (vgl. z.B. Peltzer-Karpf/ Zangl 1998: 50, Ortega 2009: 55). Der Terminus Input steht in seiner Neubewertung für jede Form zielsprachlichen Materials, das Lernende hören oder lesen und das ihnen damit (als äusserer Faktor) zur Verarbeitung quasi bereit steht - unabhängig davon, ob als strukturierte Unterrichtsbeiträge oder Lehrmaterialien, informelle Unterhaltungen, Medienbeiträgen, etc. Input ist also durchaus breit zu fassen und nicht ausschliesslich mit gesteuerten Lernkontexten zu assoziieren, erst recht nicht mit der durch den Behaviorismus populär gewordene drilland-practice- oder pattern-drill-Verfahren zur Festigung und Einübung von Wissen (vgl. z.B. Roche 2008: 14ff.). Um Assoziationen mit diesen älteren Konzepten zu vermeiden, ist mitunter schlicht von sprachlichem Umfeld (linguistic environment) die Rede (z.B. Ortega 2009) oder speziell im Zusammenhang mit dem Zweitspracherwerb (nicht dem Fremdspracherwerb) von exposure (z.B. Ellis 2008), was traditionellerweise das der Zielsprache „Ausgesetztsein“ in natürlichen Kontexten meint, sich aber auch auf schulische Kontexte beziehen kann, wenn die Zielsprache die Sprache der Instruktion und nicht Gegenstand der Instruktion ist - was im frühen Zweitspracherwerb den Regelfall darstellt. Es steht also ausser Zweifel, dass Input im Spracherwerb einen sehr wichtigen, wenn auch nicht den einzigen wesentlichen Stellenwert besitzt. Und sicher trifft zu, dass „[the] richer the experience the quicker the child will work out the system of the language and construct his own grammar“ (Dunn 1994: 127). Es stellt sich aber die Frage, wann Input als „ausreichend“ bezeichnet werden kann. Dies sowohl im Hinblick auf die Quantität als auch auf die Qualität der prosodischen, phonologischen, semantischlexikalischen sowie morphosyntaktischen bereitgestellten zielsprachlichen Informationen. Zwar führte nicht zuletzt die Beobachtung, dass Kinder 2 Theorie des Zweitspracherwerbs 26 aufgrund oft mangelhafter Daten eine vollkommene Grammatik ihrer L1 ausbauen können, zu Chomskys (1959, 1965, 1975) weitreichender Theorie der Universalgrammatik (UG) und eines Language Acquisition Device (LAD). Doch jene Art „mangelhaften Inputs“, den Chomsky beobachtete, war noch immer der Input eines native speaker. Insbesondere in Settings wie jenem der empirischen Untersuchung dieser Arbeit ist das von Bedeutung. Denn für den frühen L2-Erwerb sind ganz unterschiedliche Arten des Inputs im oben genannten Sinn charakteristisch: zum Beispiel (1) formaler Unterricht, (2) informelle Unterhaltungen mit Lehrpersonen, (3) Pausenhofunterhaltungen mit anderen Kindern, die zum Teil Erstsprachler sind, zum Teil aber selber die Zielsprache erst lernen und in ihren interlanguages kommunizieren, (4) Unterhaltungen mit Geschwistern, die möglicherweise älter sind und in ihrem L2-Erwerb weiter fortgeschritten, die aber möglicherweise auch jünger sind und deren interlanguages noch weiter von der Zielsprache entfernt sind, (5) Unterhaltungen mit den Eltern, die möglicherweise selber (noch) keine kompetenten Nutzerinnen und Nutzer der Zielsprache sind. Nicht zu erwähnen, dass noch zahlreiche weitere Kontexte wahrscheinlich sind, und dass in allen die Qualität der prosodischen, phonologischen, semantisch-lexikalischen sowie morphosyntaktischen Informationen stark variieren und dass die interlanguages anderer L2- Lernenden individuelle, z.T. transferbedingte lernersprachliche Phänomene aufweisen (vgl. auch Fischer 2010). Dadurch wird - mit Selinker (1972; vgl. 2.1 in dieser Arbeit) gesprochen - die Hypothesenbildung über die Zielsprache und die Hypothesenüberprüfung über die Zielsprache anhand des angebotenen sprachlichen Materials erschwert. Oder gebrauchsbasiert gesprochen: Die Frequenz „guten“ Inputs wird möglicherweise im Verhältnis zum gesamten zielsprachlichen Input von „lernersprachlichem“ Material überlagert, so dass ersterer erschwert erkannt werden kann. Davon sind die allermeisten L2-lernenden Kinder, die in einem sozialen Umfeld, in dem Schulklassen überwiegend aus fremdsprachigen Schülerinnen und Schülern bestehen, betroffen. Und es ist durchaus nicht so, dass diese Herausforderung mit fortschreitendem Erwerb nicht zu bewältigen wäre (vgl. Fischer 2010). Die Schwierigkeit für Arbeiten zu individuellen Erwerbsunterschieden in solchen Settings liegt nun aber darin, dass sich diese verschiedenen Input-Kontexte, das sprachliche Umfeld, nur sehr schwer rekonstruieren, geschweige denn überprüfen lassen, und es ist nur schwer abzuschätzen, wie gross die Unterschiede in der Qualität des zielsprachlichen Angebots sind. Ähnliches gilt für die Quantität: „Greater proficiency in a particular language may simply be a result of higher exposure to the words of that language“ (Chee et al. 2003: 1042). Jedoch ist u.a. wieder aufgrund der zahlreichen Interaktionsmöglichkeiten in der Zielsprache auch die Quantität nur schwer zu rekonstruieren. Hinzu kommt, dass diese auch davon abhängt, wie gerne ein Individuum spricht, von deren/ dessen 2.2 Faktoren im Zweitspracherwerb 27 „willingness to communicate“ (vgl. z.B. MacIntyre/ Clément/ Dörnyei/ - Noels 1998, MacIntyre/ Baker/ Clément/ Donovan 2003). Wie oft jemand Interaktionssituationen (erstsprachliche wie auch zweitsprachliche) provoziert oder initiiert und aufrecht erhält, hängt davon wesentlich ab und bestimmt die Quantität des Inputs mit. Mit anderen Worten: Eine saubere Arbeit zum frühen Zweitspracherwerb aus einer gebrauchsbasierten Perspektive ist nahezu unmöglich (solange Kinder nicht rund um die Uhr, in Intervallen über eine bestimmte Zeitspanne ein Mikrophon tragen). Diese Bedingungen bergen zwangsläufig eine latente Unsicherheit in der Untersuchung individueller Erwerbsunterschiede in multilingualen Kontexten und müssen immer mitgedacht werden. 2.2.4 Individuelle Unterschiede: Sprachbegabung und Motivation Das Hauptinteresse der vorliegenden Arbeit gilt der Frage, wie zum Teil erhebliche Erwerbsunterschiede trotz vergleichbarer Erwerbsbedingungen (insb. in Hinblick auf die oben besprochenen Faktoren Alter, Erstsprache/ Transfer und Input oder exposure bzw. Erwerbsdauer und -art) zu erklären sind. Um diese Frage hat sich innerhalb der Zweit- und Fremdsprachenerwerbsforschung unter dem Begriff individual differences (ID) eine lebhafte Diskussion etabliert. Die beiden zentralen ID-Konzepte sind L2-Motivationen (das Thema dieser Dissertation) und language aptitude bzw. Sprachbegabung (oder Sprachlernbegabung bzw. Sprachlerneignung). Diese beiden Grössen haben sich als am einflussreichsten in L2-Erwerbsprozessen herausgestellt (vgl. Sparks/ Ganschow 1991, Dörnyei/ Skehan 2003, Dörnyei 2010b; für die Diskussion weiterer Faktoren, die mitunter unter ID angeführt werden, so cognitive/ learning style oder learner beliefs, die im Vergleich zur aptitude-motivation-Zweiergruppe allerdings von geringer Erklärungskraft sind, vgl. Dörnyei 2005b): Korrelationswerte zu aptitude und L2achievement sowie Motivation und L2-achievement liegen in der Regel zwischen 0.20 und 0.60 bei einem Mittelwert von etwas über 0.40 (Dörnyei/ Skehan 2003: 589). Im Vordergrund steht hier nun die aptitude, während der theoretische Rahmen der language learning motivations im anschliessenden Kapitel separat besprochen wird. Die zentrale Annahme der aptitude-Forschung ist simpel (Dörnyei/ Skehan 2003: 590): „It is that there is a specific talent for foreign languages which exhibits considerable variation between learners.“ Die Komplexität des Feldes kommt aus der Vielzahl der mit dieser einfachen Annahme in Verbindung stehenden Fragen. Etwa: (i) Is such a talent innate? (ii) Is it relative fixed? (iii) If it is not fixed, is it amenable to training? 2 Theorie des Zweitspracherwerbs 28 (iv) Is foreign language aptitude a distinct ability, or does it relate to more general abilities, such as intelligence, effectively functioning as a subset of a more general view of human variation? (...) (vii) Does such a talent always apply in a similar manner, without influence of: (a) learning context (e.g., FL vs. SL [foreign language vs. second language; Anm. d. A.]); (b) learning methodology; (c) L1 to L2 combination? (...) Finally, and in a sense, more importantly, and most mundanely: (x) Can such a talent be measured effectively? (ebd.) Das Konzept der aptitude, der „ability to make the discriminations which are necessary to profit from training“ (Gardner 1960: 3), trat vor jenem der L2-Motivationen auf den Forschungsplan zu IDs im Zweitspracherwerb. Dahinter stand zu Beginn nicht einmal so sehr das Interesse, Erfolg im Zweit- und Fremdspracherwerb zu verstehen und zu erklären, sondern vielmehr ihn vorherzusagen: 1929 meinte Henmon in seiner Besprechung verschiedener bereits erschienener Prognosetests, dass es doch möglich sein müsste, die in einer Zielsprache erreichbare Kompetenz mit Hilfe von aptitude-Tests exakt vorherzusagen (für einen historischen Überblick vgl. Spolsky 1995). In den folgenden Jahren galt diesem Bedürfnis grosse Aufmerksamkeit und aufgrund entsprechender Korrelationswerte von aptitude-Tests und L2-achievement war bis Ende der 50er Jahre die Annahme verbreitet, dass aptitude beinahe den alleinigen für den Erwerb einer weiteren Sprache ausschlaggebenden Faktor darstellt (Gardner 1960: 1). Die wichtigsten Namen im Zusammenhang mit aptitude-Tests waren damals (und sind es bis heute) insbesondere die des amerikanischen Psychologen John Carroll und dessen Mitarbeiters Stanley Sapon (z.B. Carroll/ Sapon 1955, 1959, Carroll 1965) sowie des amerikanischen Linguisten Paul Pimsleur (1966). Von ihnen stammen der Modern Language Aptitude Test (MLAT) (Carroll/ Sapon 1959) und die Pimsleur Language Aptitude Battery (PLAB) (Pimsleur 1966). Diese beiden Testbatterien können zweifelsfrei als die wichtigsten gelten, sie sind aber auch kritisch zu betrachten. Dörnyei (2010b: 249) weist etwa darauf hin, dass [t]hese batteries became so widespread both in research and in various educational practices that the L2 research community developed the tacit understanding that language aptitude is simply what language aptitude tests measure. From a theoretical point of view this has been somewhat problematic given that the MLAT and the PLAB had been developed without any well-established underlying theoretical construct, largely through a trial-and-error process that involved administering a great number of differ- 2.2 Faktoren im Zweitspracherwerb 29 ent tasks to learners and selecting those that discriminated best between good language learners and their slower peers. 4 Language aptitude ist keineswegs als eine einheitliche Grösse zu verstehen, sondern als Komplex verschiedener kognitiver Fähigkeiten, die insgesamt das Vermögen, Sprache(n) zu lernen, ausmachen (Caroll/ Sapon 1959: 14). Für die theoretische Beschreibung dieses Komplexes schlug Carroll (1981: 105) eine vierteilige Konzeptionierung vor, die bis heute die wohl bekannteste Klassifizierung darstellt und auf die Forschung noch immer Bezug nimmt (z.B. Dörnyei/ Skehan 2003, Dörnyei 2010b). Danach umfasst language aptitude: (1) phonetic coding ability, (2) grammatical sensitivity, (3) inductive language learning ability und (4) associative memory (vgl. auch Dörnyei/ Skehan 2003: 592, Dörnyei 2010b: 249f.). Dieser Klassifizierung Carrolls lag die aktuelle Version des MLAT zugrunde, die Klassifizierungen anderer unterscheiden sich teilweise (vgl. etwa Pimsleur 1966). Trotz der Korrelationswerte von aptitude-Tests und L2-achievemt wurde zunehmend die Kritik laut, dass es sich bei der language aptitude um ein allzu breites Konstrukt handle, das sich auf zu unterschiedliche kognitive Variablen bezieht. Das hatte zur Folge, dass einzelne Forschende den Terminus vermieden und sich in ihren Arbeiten auf spezifische kognitive Fertigkeiten konzentrierten, etwa working memory (z.B. Miyake/ Friedman 1998) oder word recognition (z.B. Dufva/ Voeten 1999). Im Hinblick auf diese Entwicklung stellte Dörnyei (2010b: 250) resümierend fest: Indeed, the common theme in the various post-Carroll research directions has been the examination of the SLA-specific impact of specific cognitive factors and subprocesses, thus going beyond the use of the language aptitude metaphor. Am aptitude-Konzept wurde aber bereits um 1960 von Forschenden mit einer anderen, (zunächst) nicht kognitiven Perspektive Kritik geübt. Etwa Gardner stellte zum Beginn seiner nachhaltigen Arbeit zu L2-Motivationskonzepten (vgl. Kapitel 3) mit Bezug auf die bis dahin erschienenen aptitude-Studien fest: These studies have generally shown significant correlations between aptitude test scores and measures of second-language achievement indicating that „aptitude“ is at least one variable involved in the learning of a second language. However, the fact that the validity coefficients for these aptitude tests show considerable variability from one testing situation to the next indicating that there are often other variables which are involved in the learning of a second language. (Gardner 1960: 3) 4 Für eine ausführlichere Besprechung dieses Punktes vgl. auch Dörnyei 2005b. 2 Theorie des Zweitspracherwerbs 30 Zudem erschien Gardner/ Lambert (1972: 131) überhaupt nicht einleuchtend: „Everyone or almost everyone learns his native language painlessly, so why would not everyone have at least a minimally adequate aptitude profile? “ Grundsätzlich ist das aptitude-Konzept sicher nicht in Frage zu stellen, aber - wie auch die oben besprochenen Grössen - es ist nicht alleine erklärungsstark für Unterschiede im L2-Erwerb. Aptitude ist ein Faktor, der den L2- Erwerb beeinflusst, genauso wie es Alter, Transfer, exposure und (natürlich) L2-Motivationen tun. 2.3 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden die L2-Motivationen innerhalb der Zweitspracherwerbsforschung positioniert. Zu diesem Zweck wurde die Entwicklung der Zweitspracherwerbsforschung aufgezeigt, angefangen bei den sogenannten „grossen Hypothesen“ bis zur Diskussion einzelner Faktoren, die nach heutigem Wissen den Erwerb einer L2 oder Ln massgeblich beeinflussen (können). L2-Motivationen stellen einen dieser Faktoren (oder Faktorenbündel) dar. Wie im ersten Teil dieses Kapitels gezeigt wurde, ist im Zusammenhang mit den „grossen Hypothesen“ problematisch, dass sie oft einen Allgemeinheitsanspruch erheben - was insbesondere auf die Kontrastiv- und die Identitätshypothese zutrifft. Ihre Gültigkeit haben sie in ihrer jeweiligen Reduktion auf einen bestimmten Aspekt deswegen auch eingebüsst, aber ihre wesentlichen Argumente wirken bis heute nach. Die Kontrastivhypothese lässt sich etwa nur dann halten, wenn man sie zur Feststellung abschwächt, dass es positive und negative Einwirkungen aus der L1 auf die L2 gibt, was aber „etwas trivial“ ist (Klein 1984: 38), oder wenn man den Transferbegriff aus seinem ursprünglich behavioristischen Kontext herauslöst (Spracherwerb wurde als habit formation betrachtet) und kognitiv uminterpretiert (Bausch/ Kasper 1979: 12). Mit der Identitätshypothese oder L2 acquisition = L1 acquisition hypothesis zeigten Dulay/ Burt (1972, 1974), dass nur ein geringer Teil der L2-Fehler auf Sprachkontraste zurückzuführen sind, und dass vielmehr die Struktur der Zielsprache, für die Fehler im Lernprozess entscheidend ist: „[The] hypothesis holds that children actively organize the L2 speech they hear and make generalizations about its structures as children learning their first language do“ (Dulay/ Burt 1972: 2f.). Zu kritisieren war an dem Ansatz aber nicht nur, dass jene Fälle ausgeblendet wurden, die zur Kontrastivhypothese führten, sondern auch dass mit dem Fokus auf Gemeinsamkeiten im Grammatikerwerb eine Reihe weiterer Kompetenzen ausgeblendet werden, die im Spracherwerb ebenso erlernt werden müssen, und die sich Kinder normalerweise bereits im L1-Erwerb aneignen: Beispielsweise pragmatische Fähigkeiten (Grüssen, Danken etc.) oder auch das 2.3 Zusammenfassung 31 Prinzip der Deixis, einem fundamentalen Element menschlicher Sprachen (vgl. Klein 1984: 36). Die Interlanguage-Hypothese steht für eine im Vergleich zu den beiden vorigen Ansätzen differenziertere Auffassung des Zweitspracherwerbs. Denn der Terminus Interlanguage für Lernervarietäten enthält nicht nur Transferphänomene (Kontrastivhypothese) und Fehler, die von der Zielsprache herrühren (Identitätshypothese), sondern ebenso Phänomene, die Lernende beim Erwerb einer L2 herausbilden, und die sowohl Züge von L1 und L2 als auch eigenständige, von L1 und L2 unabhängige sprachliche Merkmale aufweisen (vgl. auch Bausch/ Kasper 1979: 15, Klein 1984: 40). Nachhaltig im Zusammenhang mit der Interlanguage-Hypothese war auch die Einführung des Begriffs der „Fossilisierung“ bzw. die Benennung des damit umschriebenen Phänomens, wenn spezifische linguistische Regeln (ob syntaktische oder phonetische) von Lernenden schlicht nicht mehr gelernt werden - „no matter what the age of the learner or amount of explanation and instruction he receives in the [target language]“ (Selinker 1972: 215). „(...) fossilizable structures tend to remain as potential performance, reemerging in the productive performance of IL even when seemingly eradicated“ (ebd.). Ein typisches Beispiel sind die „well-known ‚errors’: French uvular / r/ in their English IL“ (ebd.). Es sind eher jüngere Arbeiten, die nicht den Anspruch verfolgen, Universalien zu formulieren oder zu bestätigen, sondern sich auf die Untersuchung bestimmter Faktoren konzentrieren, die den Zweitspracherwerb auf verschiedenen Ebenen beeinflussen (können). Zentral sind (1) Alter, (2) Transfer (in Anlehnung an Identitäts- und Kontrastivhypothese), (3) Input und sprachliches Umfeld, (4) Sprachlerneignung (aptitude) und (5) L2- Motivationen, während die beiden letzteren oft unter individual differences (IDs) zusammengefasst werden. Alter: Die wahrscheinlich häufigste gestellte Frage in diesem Zusammenhang ist die, ob es ein optimales Alter oder „kritische Phase“ für den Erwerb von Sprachen gibt, und geht wesentlich auf die neurolinguistischen Arbeiten von Penfield/ Roberts (1959) und Lenneberg (1967) zurück. Es wurde angenommen, dass das Gehirn in seinem Reifeprozess immer weniger formbar (plastic) wird und dass dies zweitsprachliches Lernen erschwere (vgl. auch Scovel 1988, Patkowski 1990, Flege/ Yeni-Komshian/ Liu 1999). Problematisch an der Hypothese der kritischen Phase ist die fehlende Differenzierung, für welche Funktionen, Strukturen und Eigenschaften der Sprache eine kritische Phase angenommen werden könnte. Zwar zeigten Studien, dass Lernende, die früh in natürlichen Kontexten einer L2 ausgesetzt sind, generell eine höhere Kompetenz in dieser Sprache erreichen als jene, die erst im Erwachsenenalter damit beginnen (Krashen/ Long/ Scarcella 1979: 573), aber genauso zeigte sich, dass Erwachsene frühe Stadien syntaktischer und morphologischer Entwicklung schneller durchliefen als Kinder (nach gleicher Zeit und exposure), und dass in den gleichen Bereichen auch ältere Kinder 2 Theorie des Zweitspracherwerbs 32 verglichen mit jüngeren Kindern schneller lernen (ebd.; vgl. auch Snow/ Hoefnagel-Höhle 1977, 1978). In weiteren Studien zeigten sich aber auch wieder Vorteile jüngerer Lernender gegenüber erwachsenen Beginnern (vgl. Oyama 1976, Patkowski 1980, Long 1990, Aoyama et al. 2008). Weitere Untersuchungen der letzten Jahre verkomplizieren die Sache auf den ersten Blick (vgl. z.B. Studien in Mayo/ Lecumberri 2003, Munoz 2006). Insbesondere in Munoz zeigte sich für den Erwerb des Englischen in Cataluna ein Vorteil von späten Beginnern (zwischen 11 und 17 Jahren) gegenüber frühen Beginnern (zwischen acht und 16 Jahren). Allerdings kann dieser Widerspruch aufgelöst werden, wenn zwischen Zweit- und Fremdspracherwerb und damit zwischen Art und Intensität der exposure unterschieden wird (vgl. Ortega 2009: 17). Nach neurobiologischem Wissensstand sind die Prozesse des frühen und späten Lernens grundsätzlich identisch, aber die Geschwindigkeit von Lernprozessen bzw. von deren neuronalem Korrelat, der Neuroplastizität und Synapsenbildung, nimmt mit zunehmendem Alter tatsächlich ab (Spitzer 2003: 38), was den Vorteil jüngerer Lernender in natürlichen Erwerbskontexten erklärt. Dass nach der Pubertät (aufgrund neuronaler Veränderungen) die Sensibilität für sprachliches Lernen verloren geht, wie dies die Hypothese der kritischen Phase besagte, trifft aber sicher nicht zu. Ausnahme ist die Phonologie. Hier legen tatsächlich empirische Daten nahe, dass es mit zunehmendem Alter und je nach phonologischem Kontrast schwieriger wird, in einer Zweit- oder Fremdsprache muttersprachliche Kompetenzen zu erlangen - schwieriger, aber nicht unmöglich, wie die Einzelfallstudie von Ioup et al. (1994) zeigt. Das Interesse an Transferphänomenen hat in den letzten Jahren wieder stark zugenommen, nachdem der Transferbegriff aufgrund seiner früheren Verankerung im heute mit Vorbehalt zu bewertenden Behaviorismus und der schwindenden Popularität der Kontrastivhypothese lange Zeit vermieden wurde. Heute sind nicht mehr nur Übernahmen von Oberflächenstrukturen und habits aus der L1 in die L2 oder Ln gemeint, sondern Übertragungsphänomene unterschiedlicher Qualität auf allen sprachlichen Ebenen. Zudem interessiert sich jüngere Forschung nicht mehr in erster Linie für negativen Transfer (interference), sondern für die verschiedenen Möglichkeiten, erstsprachliche Kenntnisse für den Erwerb und Gebrauch der Zweit- oder Fremdsprache erwerbsfördernd einzusetzen (vgl. Timmermann 2000, Ortega 2009: 42ff.). Die erwerbserleichternden Einflüsse erstsprachlichen Wissens können dabei allzu leicht übersehen werden. Vermutlich weil diese nur schwer zu identifizieren sind, schliesslich fallen sie in Form richtiger Wahl in der Produktion Lehrpersonen und Beobachtenden nicht auf - im Gegensatz zu Effekten negativen Transfers (vgl. Ortega 2009: 42). Bialystok (1997) hat beispielsweise Vorteile Französischlernender mit deutschsprachigem Hintergrund gegenüber solchen mit englischsprachigem Hintergrund mit Bezug auf die französische Genusmarkierung aufge- 2.3 Zusammenfassung 33 zeigt. Zu positivem Transfer auf der Ebene der Phonologie haben Wayland/ Guion (2004) gearbeitet. Aktuelle Fragen betreffen zudem Transfermöglichkeiten im Erwerb einer L3, L4, L5 etc.: Etwa jene, ob es aus einer bestimmten L1 zu den gleichen Transferphänomenen in eine bestimmte Zielsprache kommt, wenn diese nicht L2 sondern L3 oder Ln ist, oder ob, was anzunehmen ist, ab dem L3-Erwerb weiterer Transfer aus anderem vorher erworbenem sprachlichem Wissen stattfindet. Transfer stellt also ein immenses, weiterhin zu bearbeitendes Forschungsfeld dar. Dass Transfer bzw. crosslinguistic influences, spielt für den empirischen Teil der vorliegenden Arbeit eine entscheidende Rolle und hatte insbesondere einen Einfluss auf die Wahl der Sprachstandserhebungsmethoden und -analysen, die unabhängig von der jeweiligen Erstsprache funktionieren mussten. Auch der Input hat eine bedeutende Neubewertung erhalten, seit unter dem Schirm der gebrauchsbasierten Theorie des Spracherwerbs zahlreiche Studien darauf hinweisen, dass das sprachliche Wissen von Individuen Resultat der Summe ihrer linguistischen Erfahrungen ist (z.B. Langacker 2000; Tomasello 2001; Bybee 2006; 2010; Behrens 2009). Insbesondere die Inputfrequenz hat in Bezug darauf, wie rasch sprachliche Elemente erworben werden, eine grosse Bedeutung - wenn die Frequenz auch nicht alles erklären kann (vgl. Ellis 2002b). Die Bewertung des Inputs bzw. der exposure im frühen Zweitspracherwerb stellt aber eine bisher nicht gelöste Schwierigkeit dar. Diese besteht insbesondere darin, dass die Kontexte, in denen die Kinder der Zielsprache ausgesetzt sind, enorm heterogen sind (z.B. Spielplatz/ Pausenhof, Unterricht, Unterhaltungen mit Eltern und Geschwistern etc.) und diese Heterogenität ist wiederum individuell, denn sie hängt beispielsweise von der Peergroup ab, der Klassenzusammensetzung, aber auch der Haltung der Eltern zur L2 als Umgangssprache zu Hause. Zudem kann die Qualität des angebotenen sprachlichen Materials die Wirkung der exposure beeinflussen, die Qualität, die ihrerseits prosodisch, phonologisch, semantisch-lexikalisch sowie morphosyntaktisch erheblich variieren kann (die Eltern sprechen die Zielsprache meist selber noch nicht sehr gut, auch die Geschwister nicht und unter den Freunden wird es zwar oft Erstsprachler geben, aber nicht nur) (vgl. auch Fischer 2010). Das alles birgt zwangsläufig eine latente Unsicherheit in der Untersuchung und Bewertung individueller Erwerbsunterschiede, die berücksichtigt werden muss. Die Erklärung teilweise erheblicher individueller Erwerbsunterschiede, die im Zweit- und Fremdspracherwerb feststellbar sind, trotz vergleichbarer Erwerbsbedingungen (insb. in Hinblick auf die oben besprochenen Faktoren Alter, Erstsprache/ Transfer, und Input oder exposure bzw. Erwerbsdauer und -art), sind ein wesentlicher Antrieb der Zweitspracherwerbsforschung. In diesem Zusammenhang werden unter dem Begriff der individual differences (IDs) vor allem zwei zentrale Konzepte diskutiert: 2 Theorie des Zweitspracherwerbs 34 L2-Motivationen, das Thema dieser Dissertation, die im folgenden Kapitel umfassend beleuchtet werden, und language aptitude bzw. Sprachbegabung (oder Sprachlernbegabung bzw. Sprachlerneignung) (vgl. z.B. Sparks/ Ganschow 1991, Dörnyei/ Skehan 2003, Dörnyei 2010b). Die Erforschung der Sprachlerneignung begann schon früh im zwanzigsten Jahrhundert, rund vierzig Jahre vor der Thematisierung der L2-Motivationen. Anhand von aptitude-Tests (v.a. anhand des MLAT von Carroll/ Sapon 1959 oder des PLAB von Pimsleur 1966) sollte vorhergesagt werden, wie hoch das überhaupt erwartbare zu erreichende achievement ist. Aptitude ist keineswegs als eine einheitliche Grösse zu verstehen, sondern als Komplex verschiedener kognitiver Fähigkeiten, die insgesamt das Vermögen, Sprache(n) zu lernen, ausmachen: (1) „Phonetic coding ability“, (2) „grammatical sensitivity“, (3) „inductive language learning ability“ und (4) „associative memory“ (Caroll/ Sapon 1959: 14, Carroll 1981: 105, vgl. auch Dörnyei/ Skehan 2003: 592, Dörnyei 2010b: 249f.). Die durchaus weit verbreiteten Tests sind aber nicht unproblematisch, trotz deren hohen Korrelationswerten mit achievement, da sowohl der MLAT als auch die PLAB „had been developed without any well-established underlying theoretical construct, largely through a trial-and-error process“ (Dörnyei 2010b: 249). Davor hat Gardner (1960: 3) darauf hingewiesen, dass bis dahin erschienene aptitude-Studien diese Korrelationswerte zwar erreichen, dass aber die Tatsache, dass „the validity coefficients for these aptitude tests show considerable variability from one testing situation to the next“ darauf hinweist, dass noch andere Variablen beteiligt sein müssen. Zudem erschien Gardner und Lambert (1972: 131) überhaupt nicht einleuchtend, warum jede/ r scheinbar mühelos eine Erstsprache lernt, aber nicht zumindest ein „minimally adequate aptitude profile“ aufweist. Das sind die Feststellungen, die am Anfang der L2-Motivationsforschung standen. 3 Motivationen im Zweitspracherwerb L2-Motivationen sind im deutschen Sprachraum im Unterschied zum englischen Sprachraum wenig systematisch bearbeitet worden. Deswegen soll hier der Forschungsstand umfassend deskriptiv dargelegt und besprochen werden. Ein Schwerpunkt wird bei Dörnyei liegen, der einer der herausragenden Vertreter der L2-Motivationsforschung ist und auf dessen Positionen sich die anschliessenden empirischen Kapitel hauptsächlich stützen. Die Forschung zu Motivationen im Zweitspracherwerb (nachfolgend L2-Motivationen) ist durch verschiedene Theorien und Ansätze geprägt. Es geht um Einstellungen zur Zielsprache, deren Sprecher oder Kultur, aber auch um den Wunsch, ein mehrsprachiges Individuum zu werden (ideal L2 self), um Persönlichkeitseigenschaften wie Selbstbewusstsein (insbesondere die Beurteilung der eigenen Kompetenz), um Sprachgebrauchsangst (language use anxiety) und weitere Faktoren. Motivationen sind abstrakt und der direkten Beobachtung nicht zugänglich, multidimensional sowie potenziell dynamisch. Es sind mentale, bewusste und unbewusste, Prozesse, die unter verschiedenen äusseren und inneren Anreizen veränderbar sind. Lernen im Allgemeinen sowie das Lernen einer Zweit- oder Fremdsprache im Speziellen beruht nicht ausschliesslich auf kognitiv-rationalen Prozessen, sondern unterliegt auch psychologischen Mechanismen, die ebenfalls Teil der menschlichen Kognition sind. Notwendig sind Bemerkungen zur Terminologie, die alles andere als einheitlich ist: Die Aspekte, um die es in diesem Kapitel geht, werden in der deutschsprachigen Forschung oft „attitudinale und affektive Faktoren“ (z.B. Finkbeiner 2001b) genannt, in der englischsprachigen Forschung mitunter „attitudes, orientations and motivations“ (z.B. Dörnyei 2003) oder ganz einfach „language learning motivations“ bzw. „L2-motivations“ (z.B. Dörnyei 2010). Es ist auch die Rede von „motivational variables“ (Gardner/ Lambert 1959, Gardner 1960), „intrinsic interest“ (Jakobovits 1970), „Antrieb“ (Klein 1984), „attitudes and motivation“ (Gardner/ Lambert 1972, Gardner 1985), „sozialpsychologischen Variablen“ (Müller 1993, 1997), „Affektion“ (Vollmer et al. 2001), „motivation, anxiety and emotion“ (MacIntyre 2002), „psychologischen Mechanismen“ (Grießhaber 2002), „Motivation“ und „motivation“ (Edmondson/ House 2006, Ellis 2008) oder schlicht von „Emotion(en)“ (Schwarz 2008). Gemeint ist allerdings im Grunde jeweils das Gleiche, zumindest ein spezifischer Teil dessen, was insgesamt zum gleichen Forschungsfeld zu zählen ist. Bei der ersten Auseinandersetzung mit dem Thema ist das verwirrend. Denn die Variabilität der Bezeichnungen sagt in der Regel wenig über konkrete Spezifizierungen aus. Wenn ich mich im Folgenden allgemein auf Forschungsliteratur zum Thema oder auf 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 36 das Forschungsfeld als Ganzes beziehe, werde ich in dieser Arbeit konsequent den Terminus „L2-Motivationen“ verwenden, welcher meines Erachtens am besten für die Gesamtheit der vorgeschlagenen Begriffe steht. Mit Bezug auf bestimmte Studien oder Theorien, wird - wo notwendig - natürlich die Terminologie der jeweiligen Arbeit verwendet. 3.1 Kleine Einführung Die Erforschung von L2-Motivationen erstreckt sich inzwischen über rund fünf Dekaden (vgl. zur Übersicht z.B. Gardnder/ Lambert 1959, 1972, Clément/ Gardner 2001, Finkbeiner 2001a, 2001b, MacIntyre 2002, Dörnyei 2003, Dörnyei 2010b). Zoltan Dörnyei (2003b: 1), bemerkte sogar einmal, es sei „one of the most thoroughly examined areas of second language acquisition, with several books and literally hundreds of research articles and book chapters written on it“. Diese unzähligen Publikationen stammen nicht nur aus der Sprachwissenschaft, sondern ebenso aus der Pädagogik, Sprachdidaktik und vor allem der Psychologie. Dies bringt eine Vielfalt an Theoretisierungen und Methoden mit sich, in denen zum Teil unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Und obwohl die vergangene Forschung eine Reihe von Schlüsselkomponenten identifiziert hat, war das Zusammenspiel dieser Komponenten und die Beziehungen der Komponenten zueinander je nach Kontext oft Gegenstand von Kontroversen (vgl. MacIntyre 2002: 49, Dörnyei 2005a: 19). Das liegt zum einen an den unterschiedlichen fachlichen Hintergründen der Vertreter und Vertreterinnen der verschiedenen Disziplinen, die sich für L2-Motivationen interessieren, aber bis zu einem gewissen Grad auch in der Natur der Sache. Dörnyei (2003b: 1f.) bringt diese Schwierigkeit sehr genau auf den Punkt: 1. Motivation theories attempt to investigate nothing less than why humans act and think the way they do. In other words, the scope of motivation research concerns every aspect of our immensly complex human existance, and, quite frankly, it would be rather surprising to find a theory that provides an all-round explanation of what we do and why. 2. Motivation is a multifaced construct, and the exact nature of the constituent components activated in a particular situation depends greatly on contextual factors. This, of course, is related to the fact that humans are social beings and human action is always embedded in a number of physical and psychological contexts which considerably affect a person’s cognition, behavior, and achievement. In the case of L2 learning, this situational d ependence appears particularly salient, as various L2 learning situations differ a great deal: Consider, for example, the official second language of a country, a heritage language, a classic but extinct language like Latin, and 3.2 Theoretische Konzepte 37 a language that is seen by the students merely as a compulsory school subject without any additional significance. Wesentlich ist also: Motivationen, Einstellungen und Orientierungen und die damit in Verbindung stehenden individuellen Emotionen sind nicht nur an sich schon enorm komplex. Sondern insbesondere im Zusammenhang mit zweitsprachlichem Lernen variieren die Erwerbskontexte auch in einer Weise, dass sie sich zwangsläufig auf Motivationen, Einstellungen, Orientierungen auswirken müssen. Zu denken ist schon nur daran, ob die Zielsprache „nur“ ein Schulfach ist (ohne persönlichen Bezug oder mit persönlichem Bezug) oder ob die Zielsprache aus einer biographischen Notwendigkeit (Migration) erworben werden muss (vgl. auch MacIntyre 2002: 53). Dass alleine diese Kontexte enorm variieren können und unzählige weitere denkbar sind, braucht hier wohl nicht ausführlich dargelegt werden. 3.2 Theoretische Konzepte Die bisherige L2-Motivationsforschung kann in Anlehnung an Dörnyei (2009b) in drei wesentliche Phasen und Perspektiven gegliedert werden. Die zeitliche Einteilung ist hierbei nicht als vollkommen starr aufzufassen, sie ist zur Orientierung aber hilfreich. Ausserdem bezieht sie sich eher auf die Jahre, in denen sich eine Richtung etabliert hat, nicht darauf, dass sie danach keine Vertreter mehr gefunden hätte. Bei diesen drei zentralen Phasen, die im Anschluss ausführlicher besprochen werden, handelt es sich um: 1. Den sozialpsychologischen Ansatz (1959-1990), der wesentlich durch die beiden Konstrukte integrative und instrumentelle Orientierung/ Motivation und die beiden herausragenden Vertreter der Anfänge dieses Forschungsfeldes, Robert Gardner und Wallace Lambert, bestimmt ist: Das erste dieser Konstrukte meint hier im Wesentlichen das Bedürfnis, eine Sprache zu lernen, um mit der jeweiligen Sprachgemeinschaft kommunizieren zu können, möglicherweise sogar als eine/ r von ihr angesehen zu werden, während sich letzteres auf konkrete Vorteile bezieht, die der Erwerb der Zielsprache nach Auffassung der Lernenden mit sich bringt (z.B. Aussicht auf eine Beförderung, Lohnerhöhung, Arbeitsperspektiven im Ausland u.a.). 2. Die kognitiv-situative Phase (1990er), in der die frühen Motivationskonzepte ausgebaut und präzisiert wurden: Hierzu gehören beispielsweise die Unterscheidung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation, die Differenzierung situations-spezifischer Motivationen (z.B. Einstellungen, Orientierungen und Motivationen im Zusammenhang mit der Lehrperson, dem Unterricht an sich, Peers o.a.) sowie 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 38 das Einbeziehen von Persönlichkeitsvariablen, die mit L2-Motivation(en) korrelieren (etwa Selbstbewusstsein, Empathie, „language use anxiety“). 3. Dynamische Modelle (letztes Jahrzehnt) interessieren sich v.a. für die Veränderungen von individuellen Motivationen im Verlauf des L2-Erwerbs sowie für das Zusammenspielen von Identität und L2-Motivation bzw. der Konstruktion einer Lernenden-Identität („the ideal L2-self“) und L2-Motivation. Der sozialpsychologische Ansatz Ihren Anfang nahm die L2-Motivationsforschung in einer Reihe von Arbeiten, die Gardner, Lambert und Mitarbeitende seit den späten 1950er Jahren durchgeführt und 1972 in Form eines ersten theoretisch bedeutenden Meilensteins zum Thema publiziert haben (Gardner/ Lambert 1972, vgl. auch Gardner/ Lambert 1959, Gardner 1960, 1985, Gardner/ MacIntyre 1993). Ihr Ausgangspunkt war das für Kanada charakteristische Nebeneinander einer anglophonen und einer frankophonen Sprachgemeinschaft und damit zweier der, wie sie es nannten, prestigeträchtigsten Sprachen der Welt (Gardner/ Lambert 1972: 1). In diesem Kontext untersuchten sie Jugendliche, die in der High School als Angehörige der anglophonen Sprachgemeinschaft Französisch lernten. Zweitspracherwerb fassten sie ausdrücklich als sozialpsychologisches Phänomen auf (Gardner 1985: 2) und Zweitsprachen an sich in erster Linie als Medien zur Vermittlung und Kommunikation zwischen verschiedenen ethnolinguistischen Gruppen in mehrsprachigen Kontexten (vgl. Dörnyei 2003a: 5). Die Motivation, eine Zweitsprache zu lernen, betrachteten sie als wichtigste Kraft, die für interkulturelle Kommunikation und interkulturellen Anschluss entweder fördernd oder hinderlich ist. Motivation fassten sie auf als bestimmt durch (...) the learner’s perceptions of the other ethnolinguistic group involved his attitudes towards representatives of that group, and his willingness to identify enough to adopt distinctive aspects of behavior, linguistic and nonlinguistic, that characterize that other group. The learner’s motivation for language study, it follows, would be determined by his attitudes and readiness to identify and by his orientation to the whole process of learning a foreign language. (Gardner/ Lambert 1972: 132) Zwei Konzepte dazu, wie sich diese Motivation, die Zweitsprache zu lernen, gestalten kann, haben Gardner und Lambert besonders herausge stellt, die integrative und instrumentelle Motivation bzw. Orientierung. Mit der integrativen Motivation meinen die Psychologen „a sincere and personal interest in the people and culture represented by the other group“ (Gardner/ Lambert 1972: 132). „[S]uch motivation stems from a desire to understand the language and culture of another group for the 3.2 Theoretische Konzepte 39 purpose of interaction“ (Gardner/ Day/ MacIntyre 1992: 198, vgl. auch Lambert 1974, Gardner 1985). Die instrumentelle Motivation bezieht sich dagegen auf ein „particular value and advantages of learning a new la nguage“ (Gardner/ Lambert 1972: 132), auf „concrete benefits that language proficiency might bring about (e.g. career opportunities, increased salary)“ (Dörnyei 2009b: 16). Ersteres dieser Konzepte ist das bis heute in der L2-Motivationsforschung wohl am meisten beachtete und in Arbeiten aufgenommene (vgl. Gardner/ Day/ MacIntyre 1992: 198, Ushioda/ Dörnyei 2009: 2, Dörnyei 2010a). Schon Gardner und Lambert sahen es als gewichtiger für den Langzeiterfolg im Zweitspracherwerb an, und Gardner, der jüngere des Forscherduos, hat es in seinen späteren Arbeiten intensiver weiterverfolgt als das Konzept der instrumentellen Motivation (z.B. Gardner 1985, Gardner/ Day/ MacIntyre 1992). Die Relevanz beider dieser Konzepte für L2-Erfolg haben Gardner, Lambert und Mitarbeitende jedoch in verschiedenen Settings mit grossen Zahlen von Probanden und Probandinnen untersucht und anhand umfassender Testbatterien (vgl. „the Attitude/ Motivation Test Battery“ bzw. AMTB, insb. in Gardner 1985: Anhang) in Korrelationsanalysen gezeigt. Zunächst in Kanada, im bilingualen Montreal, dann, um ausschliessen zu können, dass die festgestellten Motivation-Lern-Mechanismen nur in zweisprachigen Kontexten zutrafen, haben sie die Resultate in drei amerikanischen Folge studien überprüft. Diese führten sie in Louisiana, Maine und Connecticut durch, wiederum bei (englischsprachigen) High-School-SchülerInnen, die Französisch als Fremdsprache lernten. In allen drei Kontexten fanden die Autoren Evidenzen für die zuvor aufgestellte Theorie, dass jene Proba nden mit einer starken Motivation und dem Wunsch (desire), Französisch zu lernen, auch gute Resultate im schulischen Französischunterricht e rzielten, unabhängig von Intelligenz und Sprachbegabung (vgl. Gardner/ Lambert 1972: Kapitel 3). Sie identifizierten in den amerikanischen Settings aber zudem weitere Faktoren, die einer spezifischen Motivation zugrunde liegen können: So „parental support and encouragement“ (in Louisiana), „the student’s identification with his French teacher“ sowie „sensitivity to other people’s feelings“ (in Maine) und in Connecticut „it was an integrative orientation toward the language-learning process and a realization of the usefullness of knowing the language“ (ebd.: 133). Zur Bedeutung der integrativen und instrumentellen Komponente von L2-Motivationen je nach Kontext vermutete der Psycholinguist Wolfgang Klein (1984), dass sich der Aspekt der Integration insbesondere beim Zweitspracherwerb im Kindesalter stark auswirkt. Dies leitet er aus einer Beobachtung zum Erstspracherwerb ab, in dem ein Kind, wie er meinte, - natürlich unbewusst - der Maxime folge: „Erwirb eine soziale Identität und innerhalb dieser eine individuelle Identität! “ (Klein 1984: 46), woraus Klein schliesst: 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 40 Je weiter sich die Form des Spracherwerbs vom Erstspracherwerb des Kindes entfernt, umso geringer ist im allgemeinen die Bedeutung dieses Faktors [soziale Integration; Anm.d.A.]. Für ein Kind, das zeitversetzt eine Zweitsprache lernt, spielt er mutmaßlich eine größere Rolle als für einen Erwachsenen, der ungesteuert - etwa als Emigrant - eine Zweitsprache lernt. Doch dies hängt natürlich wiederum davon ab, wie stark er die Notwendigkeit empfindet, sich sozial zu integrieren. (ebd.) Klein geht also davon aus, dass im kindlichen L2-Erwerb die integrative Komponente eine grössere Erklärungskraft hat als im erwachsenen L2- Erwerb, was plausibel ist. Allerdings ist es eine Annahme, die bisher nicht empirisch überprüft wurde. In der Besprechung der Resultate des empirischen Teils dieser Arbeit, werde ich darauf zurückkommen. Für Gardner und Lamberts sozialpsychologische Theorie der L2-Motivationen ist die Konzeptionierung integrativer und instrumenteller Orientierung charakteristisch und zunächst wesentlich. Zentral für die Weiterentwicklung des Forschungsfeldes wurden aber auch Feststellungen im Zusammenhang mit ethnozentrischen Einstellungen der Probanden. Bereits in den Studien, die sie vor 1972 durchführten, zeigte sich, dass jene Schülerinnen und Schüler mit ethnozentrischen Einstellungen geringere Fortschritte im Französischunterricht erzielten und zwar sowohl produktiv als auch rezeptiv (Gardner/ Lambert 1972: 133). Während positive Motivationen den Zweitspracherwerb also erleichterten, hemmten ihn eine ethnozentrische Orientierung und ablehnende Einstellung(en) gegenüber der Zielsprache an sich, deren SprecherInnen, der mit der Zielsprache assoziierten Kultur oder dem spezifischen Erwerbskontext (vgl. Gardner et al. 1976, Horwitz/ Horwitz/ Cope 1986, MacIntyre/ Gardner 1991, Gardner/ Day/ MacIntyre 1992). Dieses Gegenstück zu Motivation(en) im Allgemeinen, wurde später als language anxiety konzeptioniert (unter 3.3.2 wird dieser Punkt noch vertieft werden). Die sozialpsychologische Sichtweise nach Gardner und Lambert bezieht sich explizit auf den schulischen Sprachenerwerb. Sie gingen davon aus, dass, wenn eine soziale Notwendigkeit bestehe bzw. wenn das Erlernen einer anderen als der Erstsprache vollkommen normal ist, keine Schwierigkeiten im Erwerb auftreten würden: When everyone had to know a second language, it seems that everyone, regardless of aptitude, learned it. Take France as an example. Many grandparents or even parents of today’s generation spoke regional languages such as Basque, Breton, Provençal as home languages and learned French at school only, and apparently with no handicaps (Delaunay 1970). Similarly, when Latin was the major literary language, educated people from all over Europe learned it as a matter of course. (...) It seems then that when the social setting demands it, people master a second language no matter what their aptitudes might be. (Gardner/ Lambert 1972: 2) 3.2 Theoretische Konzepte 41 Diese Vermutung hält natürlich verschiedenen Einwänden nicht stand: Zum einen ist der Erwerb von Standardfranzösisch neben dem Baskischen, Bretonischen oder Provençal aus sprachwissenschaftlicher Sicht nicht ohne weiteres mit dem Erwerb einer Zweitsprache in der Migration zu vergleichen. Zum anderen lässt der Vergleich mit dem Latein zu wünschen übrig - schon alleine weil es sich bei den genannten Beispiele um intellektuelle Vertreter der Zeit handelt, und darüber hinaus die Quellenlage hier eher problematisch ist. Aber auch diese Vermutung von Gardner und Lambert wird im empirischen Teil dieser Arbeit aufgenommen und diskutiert (v.a. Kapitel 5 und 6). Ihre Konzeption von attitudes und motivations im Fremdspracherwerb positionieren Gardner und Lambert zunächst im Zusammenhang mit einer Arbeit von Cook (1969), in der dieser „attitudes, values, and personality traits as ‚motivelike constructs’ of major significance in determining behavior“ (Gardner/ Lambert 1972: 134) sieht. Weiter begreifen die Kanadier ihre Arbeit als Erweiterung von Miller und Dollards (1941) Theorie sozialen Lernens. Für Miller und Dollard findet Lernen statt, wenn Lernende etwas wollen (want), etwas bemerken/ feststellen (notice), etwas tun (do) und etwas empfangen (receive). In dieser Sichtweise erfordert Lernen das Zusammenspiel vierer Komponenten: „Motivation (the wanting aspect), perception (the noticing aspect), responding (the doing aspect), and reward or reinforcement (the receiving aspect)“ (Gardner/ Lambert 1972: 124): If any component is neglected, learning will not take place, that is to say, if motivation were set to zero, for example, or if no reward were forthcoming for responses made, learning would be disrupted. (ebd.) Die Resultate im Zusammenhang mit language anxiety wurden theoretisch damit erklärt, dass anxiety Aufmerksamkeit bindet und kognitive Ressourcen blockiert, die im Spracherwerb produktiv genutzt werden könnten (vgl. MacIntyre/ Gardner 1989, Gardner/ Day/ MacIntyre 1992). Die kognitiv-situative Perspektive Gardner und Lambert weiteten zwar schon früh die Perspektive ihrer Forschung über den schulischen Zweitspracherwerb aus, wie es beim Französischerwerb englischsprachiger Schülerinnen und Schüler im zweisprachigen Kanada der Fall ist, auf den schulischen Fremdsprachenerwerb, konkret auf den Französischerwerb englischsprachiger Schülerinnen und Schüler in den USA. Trotzdem wurde seit den 1990-er Jahren vermehrt kritisiert, dass sich Gardner und Lamberts Konzeptionierung integrativer und instrumenteller Motivation nicht auf klassische Fremdspracherwerbskontexte übertragen liesse, in denen die Lernenden keinen persönlichen Bezug zur Zielsprache und keinen Kontakt zu Sprecherinnen und Sprechern der Zielsprache hätten, wie etwa im Französisch- oder Englischunterricht in 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 42 Ungarn, China oder Japan, und dass deren Konzepte erweitert werden müssten (vgl. z.B. Skehan 1989, 1991, Brown 1990, Crookes/ Schmidt 1991, Dörnyei 1994a, 1994b). Wie Skehan (1989: 280) es formulierte, war der Ansatz der Kanadier „limited compared to the range of possible influences that exist“ und konnte dem wachsenden Bedürfnis nach angewandter Forschung nicht standhalten: (...) [R]esearcher were (...) calling for a more pragmatic, education-centred approach to motivation research, which would be consistent with the perceptions of practising teachers and which would also be in line with the current results of mainstream educational psychological research. (Dörnyei 1994a: 273) Inhaltlich wurde das sozialpsychologische Modell durch die qualitativ präzisierende Einteilung motivationaler Aspekte in zunächst extrinsische und intrinsische Motivation sowie in situative Motive im Zusammenhang mit dem Lernumfeld (etwa mit dem Sprachunterricht an sich, Lehrpersonen oder Peers) erweitert. Zudem interessierten verstärkt mit Motivation korrelierende Persönlichkeitsvariablen wie Selbstbewusstsein oder Empathie (vgl. Dörnyei 2009b: 16). Die Bezeichnung „kognitiv-situativ“ schlägt Dörnyei (ebd.) für diese wesentliche Verschiebung vor, diese Weiterentwicklung der Sichtweise von L2-Motivationen als einem sozialpsychologischen Phänomen hin zum Verständnis von L2-Motivationen, die individuell, „a function of a person’s thoughts“ (Dörnyei 1994a: 276) sind, und je nach Kontext erheblich variieren können, und zwar je nach individuellem Kontext (z.B. familiärer Hintergrund, Beziehung zur Lehrperson, Unterricht etc.) und nicht nur je nach Kontext, der eine grössere Gruppe gleichermassen betrifft, wie es für den schulischen Französischerwerb durch Angehörige der englischsprachigen Sprachgemeinschaft Montreals von Gardner und Lambert zunächst angenommen wurde. Allerdings wäre es eine fahrlässige Vereinfachung der Theorie Gardner und Lamberts, wenn nun angenommen würde, diese erweiterte Sichtweise stelle eine vollkommen neue Perspektive dar, und die Theorie Gardner und Lamberts auf die Gegenüberstellung von instrumenteller und integrativer Motivation verkürzt würde. Denn wie im vorigen Teilkapitel gezeigt wurde, enthielt die L2-Motivationskonzeptionierung der kanadischen Psychologen sehr wohl bereits situative Motive wie das Identifizieren mit der Lehrperson oder Einstellung(en) zum spezifischen Unterrichtssetting sowie den Hinweis auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Sensibilität für die Gefühle anderer (Empathie) und leichterem Zweitspracherwerb. Allerdings waren diese Faktoren noch kaum theoretisch elaboriert und verglichen mit der integrativen und instrumentellen Motivation erst wenig empirisch abgestützt. Gardners (1985) Attitude/ Motivation Test Battery (AMTB) enthält zwar verschiedene Items, 3.2 Theoretische Konzepte 43 die auf die Einschätzung der Probandinnen und Probanden in Bezug auf die Unterrichtssituation abzielen, und beispielsweise die Einstellung der Schülerinnen und Schüler zu deren Sprachlehrperson oder zum Unterricht erfragen. Doch motivationale Komponenten sind in erster Linie als durch das soziale Milieu bestimmt konzeptioniert (vgl. Gardner 1985: 177ff.). Die Erweiterung der Konzeptionierung von L2-Motivationen um die Qualifizierung extrinsisch oder intrinsisch lag gewissermassen in der Luft, in der allgemeinen Motivationsforschung wurde schliesslich bereits mit diesen Konzepten gearbeitet. Dabei wird extrinsisch motiviertes Verhalten weithin verstanden als jenes, das ein Individuum zeigt, um eine Art „äussere“ Belohnung zu erhalten (z.B. gute Noten) oder um Strafe zu vermeiden. Bei intrinsischer Motivation ist die Belohnung hingegen „innerlich“, z.B. die Freude daran, sich mit einer bestimmten Sache zu beschäftigen, oder die Befriedigung von Neugierde (vgl. Deci/ Ryan 1985, Dörnyei 1994a: 275). Deci und Ryan (1985: 245) haben argumentiert, dass intrinsische Motivation der wichtigste Antrieb für schulisches Lernen sein kann: Intrinsic motivation is in evidence whenever students’ natural curiosity and interest energise their learning. When the educational environment provides optimal challenges, rich sources of stimulation, and a context of autonomy, this motivational wellspring is likely to flourish. Die Forschung hat aber auch darauf hingewiesen, dass extrinsische Motivation intrinsische untergraben kann. Einige Studien haben gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler ihr natürliches Interesse an einer Sache verloren, sobald das Wollen vom Müssen überlagert wurde. Brown (1990: 388) hat in diesem Zusammenhang argumentiert, dass ein traditioneller Unterricht mit dominanter Lehrperson, Noten und Prüfungen sowie „a host of institutional constraints that glorify content, product, correctness, competitiveness“ eher extrinsische Motivation fördere, aber nicht dazu beitrage „to bring the learner into a collaborative process of competence building“ (ebd., vgl. auch Dörnyei 1994a: 276). Die analytische Unterscheidung zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation kann allerdings nicht immer eindeutig erfolgen. Beispielsweise kann eine „äussere“ Belohnung wie etwa gute Noten, von einem Individuum als derart befriedigend empfunden werden, dass dieses Gefühl als intrinsische Motivation weiterwirkt. Extrinsische Motivation ist dann nicht mehr das Gegenstück zu intrinsischer Motivation, sondern kann in ihr teilweise aufgehen. In diese Richtung weisen z.B. bereits Bandura/ Schunk (1981) und schliesslich Oxford/ Shearin (1994), die hervorheben, dass Prüfungen als Etappenziele fungieren können und als solche als starke Motivatoren. Denn „goal setting can have exceptional importance in stimulating L2 learning motivation“ (Oxford/ Shearin 1994: 19). Zur wissenschaftlichen Beschreibung und Konzeptionierung von L2-Motivationen, erscheint diese Dichotomie also nicht nur 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 44 als vollkommen erhellend und befriedigend. Insbesondere betrifft die Unterscheidung lediglich einen Teil der Motivationen, sie kann aber nicht auf das gesamte Feld angewandt werden, zum Beispiel nur bedingt auf die situativen Komponenten Einstellung zur Lehrperson oder zur Unterrichtsituation sowie auf die Faktoren language anxiety oder Empathie. Als alternative Konzeptionierungen zum sozialpsychologischen Modell sind zwei wichtig: jene von Dörnyei (1994a) und jene von Williams/ - Burden (1997). Dörnyei schlug ein dreistufiges Modell vor, das neben den theoretischen Grundlagen nach Gardner und Lambert auch die erweiterte Unterscheidung extrinsischer und intrinsischer Motivationen berücksichtigt und dennoch auf alle Ausprägungen attitudinaler und affektiver Aspekte anwendbar ist. Es umfasst ein language level, ein learner level und ein learning situational level: 1. Language Level: Die allgemeinste dieser drei Ebenen ist die erste (language level), bei der der Fokus auf Orientierungen und Motiven im Zusammenhang mit verschiedenen Aspekten der Sprache an sich liegt, z.B. „L2-related affective predispositions, including social, cultural, and ethnolinguistic components, as well as a general interest in foreignness and foreign languages“ (Dörnyei 1994a: 279). 2. Learner level: Diese Ebene umfasst einen Komplex von „affects and cognitions that form fairly stable personality traits“(ebd.). Nach Dörnyei liegen diesem Level zwei motivationale Komponenten zugrunde, need for achievement und self-confidence, wobei letzteres beispielsweise Aspekte der language anxiety umfasst oder vergangene Erfahrungen im Zusammenhang mit der Zielsprache. 3. Learning situational level: Die dritte Ebene (vgl. ebd.: 280) besteht dagegen aus extrinsischen und intrinsischen Motiven sowie motivationalen Bedingungen dreier Gebiete: (1) course-specific motivational components (z.B. Unterrichtsmethode, Materialien oder Lernaufgaben), (2) teacherspecific motivational components (z.B. das Bedürfnis, der Lehrperson zu gefallen oder Identifizierung mit der Lehrperson, aber auch „authority type“), (3) group-specific motivational components (v.a. Gruppenziele, norm and reward system innerhalb der Gruppe, Gruppenzusammenhalt und classroom goal structure). (Vgl. auch Tabelle 1) Dörnyei verbindet in seinem Modell die Ursprünge der L2-Motivationsforschung mit den jüngeren Entwicklungen der kognitiven Motivationsforschung (vgl. Tabelle 1). Auch aus heutiger Perspektive, nach rund anderthalb Jahrzehnten ist diese Einteilung sinnvoll und sie wird im empirischen Teil dieser Arbeit der Analyse zugrunde gelegt. Denn sie eignet sich in diesem Setting besser als jüngere Konzeptionierungen, die in verschiedener Hinsicht für diese Studie mit ihren explorativen Seiten zu 3.2 Theoretische Konzepte 45 einschränkend und daher wenig sinnvoll wären. Der Aufteilung von Dörnyeis Modell folgend wird unter 3.3 auch das Gesamt der bisher aus der Forschung bekannten L2-Motivationen beschrieben werden. Languge Level Integrative motivational subsystem Instrumental motivational subsystem Learner Level Need for achievement Self-confidence Language use anxiety Perceived L2 competence Causal attributions Self-efficacy Learning Situational Level Course-Specific Motivational Components Interest (in the course) Relevance (of the course to one’s needs) Expectancy (of success) Satisfaction (one has in the outcome) Teacher-Specific Motivational Components Affiliative motive Authority type Direct socialisation of motivation Modelling Task presentation Feedback Group-Secific Motivational Components Goal-orientedness Norm and reward system Group cohesiveness Classroom goal structure Tabelle 1: Dörnyeis (1994a) Modell L2-Motivationen Das zweite wichtige Konzept aus kognitiv-situativer Perspektive stammt von Williams und Burden (1997). Die Autoren unterscheiden lediglich zwei Arten von Faktoren, „internal“ und „external factors“. Zu den internal factors gehören intrinsische motivationale Komponenten wie „intrinsic interest of activity“, Komponenten instrumenteller und integrativer Motivation nach Gardner und Lamberts (1972) Theorie (z.B. „intrinsic value attributed to the activity“, „attitudes to the target language community and culture“), sowie Persönlichkeitsfaktoren wie „self-concept“ (z.B. „self-worth concern“ oder „learned helplessness“) bis hin zu den biologischen Bedingungen Alter („developmental age and stage“) und Geschlecht. Die external factors dagegen 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 46 umfassen im Prinzip alle möglichen „Grössen“ (Personen sowie allgemeine Kontextbedingungen), die ebenfalls L2-Motivationen beeinflussen bzw. beeinflussen können: so „significant others“ (womit Eltern, Lehrpersonen, Peers gemeint sind), „the nature of interaction with significant others“ (z.B. Art und Häufigkeit von Feedback, Lob oder Tadel), „learning environment“ (z.B. Häufigkeit und Dauer des Unterrichts, Klassengrösse und Klassenethos) und „broader context“ (z.B. weitere Familie, das Bildungssystem, kulturelle Normen und gesellschaftliche Erwartungen und Einstellungen). Die Tabelle 2 zeigt die vollständige Liste. Internal Factors External Factors Intrinsic interest of activity - Arousal of curiosity - Optimal degree of challenge Significant others - Parents - Teachers - Peers Perceived value of activity - Personal relevance - Anticipated value of outcomes - Intrinsic value attributed to the activity The nature of interaction with significant others - Mediated learning experiences - The nature and amount of feedback - Rewards - The nature and amount of appropriate praise - Punishments, sanctions Sense of agency - Locus of causality - Locus of control RE process and outcomes - Ability to set appropriate goals The learning environment - Comfort - Resources - Time of day, week, year - Size of class and school - Class and school ethos Mastery - Feelings of competence - Awareness of developing skills and mastery in a chosen area - Self-efficacy The broader context - Wider family networks - The local educational system - Conflicting interests - Cultural norms - Societal expectations and attitudes Self-concept - Realistic awareness of personal strengths and weeknesses in skills required - Personal definitions and judgements of success and failure - Self-worth concern - Learned helplessness 3.2 Theoretische Konzepte 47 Attitudes - To language learning in general - To the target language - To the target language community and culture Other affective states - Confidence - Anxiety, fear Developmental age and stage Gender Tabelle 2: Williams und Burdens (1997) Klassifizierung von L2-Motivationen Es steht ausser Frage, dass die Klassifizierung von Williams und Burden genauso wie Dörnyeis Modell - in der Zeit betrachtet - vollständig ist. Beide könnten einer Untersuchung zu Grunde gelegt werden. In dieser Arbeit wird jenes von Dörnyei bevorzugt, da es m.E. übersichtlicher ist. Insbesondere die internal factors nach Williams und Burden sind m.E. zu breit angelegt, fast als ob dieses Konzept zur Not für alle möglichen Aspekte hinhalten könnte (von intrinsic interest über Einstellungen bis hin zu Alter und Geschlecht). Zudem ist die Klassifizierung von Williams/ Burden (1997) in der Konzeptionierung der external factors sehr stark auf den schulischen Fremdsprachenerwerb ausgerichtet (vgl. in Tabelle 2 „the nature of interaction with significant others“ und „the learning environment“), und daher nicht sehr ideal für ein Untersuchungssetting zum Zweitspracherwerb. Dynamische Modelle Die jüngsten Ansätze zu einer Theoretisierung der L2-Motivationsforschung kritisieren an früheren Konzeptionierungen, dass diese von einem zu statischen Motivationsbegriff ausgingen und in sich relativ starr sind. Motivation ist schliesslich an sich ein dynamisches Phänomen, das sich bei jeder und jedem über die Zeit und je nach Kontext verändert oder zumindest verändern kann. Hier sind insbesondere die prozessorientierte Konzeptualisierung von L2-Motivationen (wieder) nach Dörnyei (Dörnyei/ Otto 1998, Dörnyei 2000b, 2001), dessen Arbeiten seit den 1990er Jahren zu den fundiertesten und wichtigsten Quellen innerhalb des Feldes gehören, anzuführen, sowie dessen aktuell jüngstes Konzept, das „L2 motivational self system“, welches um die „ideal“ bzw. „ought-to L2 selves“ angeordnet ist (Dörnyei 2005b, 2009b, 2010a). Letzteres rückt noch stärker, als sich dies schon im Verlauf der 1990er abzeichnete, das Individuum in den Vordergrund, indem es auch die jeweiligen dynamischen Zusammenhänge zwi- 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 48 schen Identität und L2-Motivationen bzw. den Zukunftsidentitätskonstruktionen eines lernenden Selbst und L2-Motivationen berücksichtigt. Die prozessorientierte Konzeptualisierung von L2-Motivationen ist das Resultat einer Studie, die zum Ziel hatte, motivierende Strategien als L2- Unterrichtsinterventionen zu benennen (vgl. Dörnyei/ Otto 1998). Und da gerade Motivationen in Bezug auf einen Unterrichtsgegenstand nicht konstant sind, sondern von einem „dynamically changing and evolving mental process“ (Dörnyei 2000b: 523) bestimmt sind, bedurfte es eines Modells, welches das Entwicklungspotential von Motivationen und deren Veränderbarkeit über eine bestimmte Zeit berücksichtigte, also eine zeitliche Dimension enthält. Die zeitliche Dimension ist für Dörnyei (ebd.: 524) zumindest für zwei Bereiche relevant: 1. Motivation to do something usually evolves gradually, through a complex mental process that involves initial planning and goal setting, intention formation and task generation, and finally action implementation and control. 2. In sustained, long-term activities, such as the mastering of a school subject, motivation does not remain constant but is characterised by regular (re)appraisal and balancing of the various internal and external influences that the individual is exposed to, resulting in a somewhat fluctuating pattern of effort and commitment. Ein prozessorientiertes Motivationsmodell „should be able to account for both the generation and further development of motivation“ (ebd.). Mit Bezug auf Arbeiten der Psychologen Heckhausen (1991), Kuhl (1985, 1986, 1987, 1992, Heckhausen/ Kuhl 1985), Corno (1993, 1994) und Kanfer (Corno/ Kanfer 1993, Kanfer 1996) sollte ein angemessenes prozessorientiertes L2- Motivationsmodell zumindest zwischen einer „pre-actional“ und einer „actional“ Phase unterscheiden. Im Modell, das Zoltan Dörnyei und Istvan Otto (vgl. Dörnyei/ Otto 1998) vorschlugen, ist der motivationale Prozess daher konzeptioniert „from the initial wishes/ desires to the completion of action and the subsequent retrospective evaluation“ (Dörnyei 2000b: 524) und gegliedert in eine „pre-actional phase“ (mit „goal setting“, „intention formation“ und „initiation of intention enactment“), eine „actional phase“ (in der Ziele unter Umständen modifiziert werden) sowie eine „postactional phase“ oder „postactional evolution“ (die beginnt, wenn das Ziel erreicht ist bzw. „the action has been terminated“ oder, was auch möglich ist, „when action is interrupted for a longer period, e.g., a holiday“) (vgl. ebd.: 525ff.). Die jüngste Konzeptionierung von L2-Motivationen, das „L2 motivational self system“, dreht sich im Wesentlichen um das „ideal L2 self“ (oder „ought-to L2 self“) und stellt damit die dynamischen Zusammenhänge zwischen Identität und L2-Motivationen bzw. Identitätskon- 3.2 Theoretische Konzepte 49 struktionen eines lernenden Selbst in der Zukunft (den „possible selves“) und L2-Motivationen in den Vordergrund. Zum einen baut das Konzept auf den theoretischen Grundlagen nach Gardner (1985) auf, zum anderen beruht es wie das prozessorientierte Modell auf jüngeren psychologischen Theorien, die Zoltan Dörnyei für das Feld der L2-Motivationen adaptiert hat. Mit der Formulierung des „L2 motivational self system“ hat er auf jenen wichtigen Trend in der Psychologie zum Selbst reagiert, der die aktive Seite der Identitätsbildung, den „doing“-Aspekt, herausstellte: This initiative was rooted in an important trend in self psychology: over the past two decades self theories have become increasingly interested in the active, dynamic nature of the self-system - the ‚doing’ side of personality - thus placing the self at the heart of motivation and action (Cantor 1990). (Dörnyei 2009b: 17) Für diese „doing side“ ist das Konzept der „possible selves“ zentral (vgl. Markus/ Nurius 1986). „[Possible selves] derive from representations of the self in the past and they include representations of the self in the future“ (ebd.: 954): They are different and separable from the current or now selves, yet are intimately connected to them. Possible future selves, for example, are not just any set of imagined roles or states of being. Instead they represent specific, individually significant hopes, fears, and fantasies. (...) Many of these possible selves are the direct result of previous social comparisons in which the individual’s own thoughts, feelings, characteristics, and behaviors have been contrasted to those of salient others. (...) An individual is free to create any variety of possible selves, yet the pool of possible selves derive from the categories made salient by the individual’s particular sociocultural and historical context and from the models, images, and symbols provided by the media and by the individual’s immediate social experiences. (ebd.) Possible selves umfassen also „a person’s specific image of his or her self in future states“ sowie „the individuals’ ideas of what they might become, what they would like to become, and what they are afraid of becoming [Hervorheb. im Original]“ (Dörnyei 2009b: 17). Wenn sich solche possible selves auf Attribute beziehen, über die ein Individuum gerne verfügen würde, und auf Wünsche bzw. Idealvorstellungen, kann auch von ideal selves gesprochen werden, zu denen die ideal L2 selves schliesslich die L2spezifische Facette darstellen. Analog zur Theorie von possible und ideal selves hält Dörnyei (2010b: 257) für sein Konzept des L2 motivational self system fest: „The theory suggests that if the person we would like to become speaks an L2, the ideal L2 self is a powerful motivator to learn the L2 because of the desire to reduce the discrepancy between our actual and ideal selves.“ Das ideal L2 self, das vom jeweiligen Individuum (bei entspre- 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 50 chend lebhaftem Vorstellungsvermögen) als sehr realistisch empfunden werden kann, fungiert dann als „future self-guide, providing incentive, direction and impetus for action“ (ebd. 2009b: 17, 2010b: 257). Sowohl das prozessorientierte Modell der L2-Motivationen als auch das Konzept des ideal L2 self stellen für die L2-Motivationsforschung ganz entscheidende Impulse dar. Nachdem nun die zeitliche Dimension einmal Eingang in das Feld gefunden hat, ist kaum mehr vorstellbar, wie man ehedem zu Motivationen arbeiten konnte, ohne deren Veränderbarkeit zu berücksichtigen. So verhält es sich auch in Bezug auf die Rolle von Konstruktionen zukünftiger, möglicher Identitäten als Motivatoren. Allerdings ist immer abzuwägen, ob sich ein Konzept - so gut es aus einer theoretischen Perspektive ist - als Basis für eine spezifische empirische Arbeit eignet. Für die folgende empirische Untersuchung tun es diese beiden zuletzt besprochenen Ansätze nicht. Deshalb sollen die beiden Ansätze hier auch nicht weiter vertieft werden: Denn eine Studie zur Dynamik motivationaler Komponenten setzt voraus, dass die zu untersuchenden motivationalen Komponenten im Wesentlichen bekannt sind. Motivationale Komponenten des frühen Zweitspracherwerbs sind aber kontextspezifisch, wie die empirische Untersuchung im Folgenden zeigen wird. Beim Design dieser Arbeit waren diese in ihrer besonderen Charakteristik noch nicht erforscht, was erst noch getan werden musste. Auch um spezifische ideal L2 selves im kindlichen Zweitspracherwerb untersuchen zu können, müssten zuerst die grundlegenden Grössen identifiziert werden, die in mögliche kindliche Zukunftsselbstkonzepte einfliessen könnten, um einen zielgruppenadäquaten Forschungsplan entwickeln zu können. Motivationen im frühen L2-Erwerb werden aber erst in dieser Arbeit umfassend erschlossen - und generell sind Motivationen bisher für den Fremdspracherwerb viel besser erforscht als für den Zweitspracherwerb (was sich ja in den besprochenen Modellen spiegelt). 3.3 L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell In diesem Abschnitt sollen in der Art eines Gesamtinventars jene Grössen zusammengetragen werden, die in der bisherigen L2-Motivationsforschung als relevant identifiziert wurden. Dies geschieht in Dörnyeis (1994a) dreistufigem Modell, das auch der empirischen Untersuchung zu grunde gelegt werden wird. Dieses Modell - man könnte es auch eine Klassifizierung nennen, denn es gibt keine Ursache-Wirkung-Richtungen an -, das nur in wenigen Punkten ergänzt werden muss, ist auch deshalb für die Beschreibung von L2-Motivationen geeignet, weil seine drei Levels mit den drei grundlegenden Komponenten des L2-Erwerbs übereinstimmen: die Zweitsprache an sich mit ihren spezifischen Strukturen und Regeln, die L2-Lernenden mit ihrem jeweiligen sprachlichen Vorwissen 3.3 L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 51 und biologischen Voraussetzungen, das L2-Umfeld mit seinen spezifischen Erwerbsbedingungen (ebd.). Etwas anderes muss noch zur theoretischen Konzeptionierung von L2- Motivationen generell gesagt werden: Wie bereits zu Beginn dieses Kapitels gezeigt wurde, gehören zu diesem Feld verschiedene psychologische Grössen, so unterschiedliche Motivationen - wonach das Feld ja oft einfachheitshalber benannt ist -, aber auch (beispielsweise) Einstellungen (attitudes). Diese beide Begriffe werden in der psychologischen Literatur jedoch eher nicht zusammen verwendet. Während Einstellungen tendenziell Gegenstand der Sozialpsychologie und Soziologie sind, „where action is seen as the function of the social context and the interpersonal/ intergroup relational patterns“ (ebd.: 274), sucht die Motivationspsychologie nach dem Antrieb (nicht nach der Funktion) menschlichen Verhaltens, und das eher im Individuum als im grösseren sozialen Gefüge. Weil aber zweitsprachliches Lernen „a unique situation due to the multifaceted nature and role of language“ (ebd.) ist, ist der L2-Erwerb (wie auch der Spracherwerb an sich) komplexer als andere, einfachere Formen der Informationsverarbeitung. Dazu fügt Dörnyei (ebd.) weiter an: „[I]n addition to the environmental and cognitive factors normally associated with learning in current educational psychology, it [L2 learning] involves various personality traits and social components.“ Ein angemessenes L2-Motivationskonstrukt ist aus diesem Grund zwangsläufig mehrschichtig, „bringing together factors from different psychological fields“ (ebd.). 3.3.1 The Language Level Das language level ist die allgemeinste der drei Klassifizierungsebenen nach Dörnyei, bei dem der Fokus auf Orientierungen und Motiven im Zusammenhang mit verschiedenen Aspekten der Sprache an sich liegt und das im Wesentlichen durch die Konzepte instrumentelle und integrative Motivation in der Art zweier Subsysteme bestimmt ist: In accordance with the Gardnerian approach, this general motivational dimension can be described by two broad motivational subsystems, an integrative and an instrumental motivational subsystem, which (...) consist of loosely related, context-dependent motives. (Dörnyei 1994a: 279) Integrative Motivation Das integrative motivational subsystem ist im Wesentlichen bestimmt durch „the individual’s L2-related affective predispositions, including social, cultural, and ethnolinguistic components“ sowie „[the individual’s] general interest in foreignness and foreign languages“ (vgl.). Analog zum Konzept der integrativen Motivation nach Gardner und Lambert (v.a. 1972, Gardner 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 52 1985), ist das integrative motivational subsystem also nicht als einheitliche, sondern als mehrdimensionale Grösse zu verstehen. Den Grundstein zur Theorie der integrativen Motivation hat Gardner (1960: 9) schon in seiner Dissertation gelegt, indem er die Identifikation oder Identifikationsbereitschaft mit der zielsprachlichen Kultur als zentral herausstellte, dies in Anlehnung an Erstspracherwerbstheorien, die eine spezifische Form der affektiven Bindung zur L1 bzw. deren Sprecher (das sind zunächst die Eltern) nahegelegt haben: Linguistic responses are learned because the responses themselves are rewarding, the reward being dependent upon some type of emotional liaison with the parent. (...) [and] children who are raised under conditions of impersonality show marked retardations in language skills whereas children raised under emotionally warm conditions tend to show an accelerated linguistic development (...). (ebd.: 9) In diesem Sinne argumentierte etwa Ervin (1954: 10, zitiert nach Gardner 1960: 9): „[T]he social and psychological incitements to imitation and to identification may account for some of the marked individual differences in [linguistic] attainment.“ Und Whyte/ Holmberg (1956) ermittelten den „factor of identification“ im Falle von Amerikanern, die, als sie als Arbeiter in Lateinamerika waren, erfolgreich Spanisch lernten. Jene Arbeiter, die der Ansicht waren, physische Attribute mit den Lateinamerikanern gemein zu haben und „a willingness and even a desire to meet with them on a plane of social equality“ (ebd.: 13) zeigten, lernten leichter und besser Spanisch als jene Arbeiter, die sich nicht identifizieren konnten oder wollten. In einer Reihe von Fremdsowie L2-Erwerbsstudien haben Gardner, Lambert und Mitarbeitende das Konzept der integrativen Motivation inhaltlich differenziert, empirisch gefestigt und verschiedene Komponenten integrativer Motivation benannt. Weitere haben Clément/ Kruidenier (1983, 1985) in einem kanadischen Setting und Dörnyei (1990) in Ungarn bei jungen Erwachsenen, die Englisch als Fremdsprache lernten, identifiziert. Die folgende Tabelle trägt die identifizierten Komponenten zusammen - es versteht sich, dass nicht zwangsläufig alle dieser Aspekte in jedem erdenklichen Setting von gleicher Bedeutung sind. Mitunter ist Gleiches in der Forschung nicht gleich benannt worden. Solche alternative Benennungen werden in der zweiten Spalte der Tabelle ergänzt. 3.3 L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 53 Motivationale Komponente Entsprechungen in der Forschung Das Bedürfnis, mit den Sprecherinnen und Sprechern der L2 kommunizieren zu können (Gardner/ Lambert 1972) Wunsch, akzeptiertes Mitglied der L2- Gemeinschaft zu werden (Krashen 2002: 22), vom Wunsch „dazu zu gehören“ Interesse an fremden Sprachen, Kulturen und Menschen (Dörnyei 1990, 1994a: 275) Sociocultural orientation nach Clément/ Kruidenier (1983, 1985) Das Bedürfnis, den eigenen Horizont zu erweitern und Provinzialismus zu vermeiden (Dörnyei 1990, 1994a: 275) Gegenteil von Ethnozentrismus (vgl. Gardner/ Lambert 1972: 134) Das Bedürfnis nach neuen Anreizen und Herausforderungen (Dörnyei 1990, 1994a: 275) Knowledge orientation nach Clément/ Kruidenier (1983, 1985) Bedürfnis, sich in eine neue Gesellschaft und Kultur einzufinden (Dörnyei 1990, 1994a: 275) Bei Clément/ Kruidenier (1983, 1985) als travel orientation konzeptioniert Tabelle 3: Komponenten des integrative motivational subsystem (language level) Wie integrative Motivation auf den Erwerb wirkt, wurde unterschiedlich erklärt. Stevick (1976: 113) vermutete, dass integrativ motivierte Lernende keine Angst (threat) angesichts der „anderen“ Gruppe empfinden würden. Krashen (2002: 22) nahm an: „The presence of integrative motivation should encourage the acquirer to interact with speakers of the second language out of sheer interest, and thereby obtain intake.“ Aber trotz der Bedeutung, welche integrativer Motivation beigemessen wird, und obwohl das Konzept in zahlreichen Studien belegt wird, bleibt um das Konzept ein gewisses Mysterium. So bemerkte etwa Dörnyei (2003a: 5): „It has no obvious parallels in any areas of mainstream motivational psychology, and its exact nature is difficult to define.“ Das erklärt auch Gardners (2001: 1) resümierende Feststellung, dass der Terminus „is used frequently in the literature, though close inspection will reveal that it has slightly different meanings to many different individuals“. Dennoch: (...) an ‚integrative’ component has consistently emerged in empirical studies even in the most diverse contexts explaining a significant portion of the variance in language learner’s motivational disposition and motivated learning behavior. (Dörnyei 2003a: 5) 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 54 Instrumentelle Motivation Das instrumental motivational subsystem besteht aus „well-internalised extrinsic motives (identified and integrated regulation)“, die sich im Wesentlichen um die Zukunft des Individuums drehen, etwa um Karrieremöglichkeiten (durch die Kenntnis einer weiteren Sprache) (Dörnyei 1994a: 279), oder in schulischen Kontexten um gute Noten. In L2-Settings kann sich die instrumentelle Motivation auch auf das Bedürfnis, sich mit anderen Leuten unterhalten zu können (denn die meisten Menschen des weiteren Umfelds ausserhalb der Familie werden eher die L2 als die L1 sprechen, was jedoch von der Wohngegend anhängen kann). Diese Motivation ist insbesondere durch die Hervorhebung des Zwecks (sich verständigen zu können) vom integrativen Bedürfnis, sich in eine L2-Gemeinschaft einzufügen, zu unterscheiden. Das instrumental motivational subsystem ist wesentlich weniger komplex als das integrative motivational subsystem. Die verschiedenen Komponenten, die es umfasst, variieren in erster Linie je nach Setting (z.B. erwachsener Fremdsprachenerwerb, jugendlicher/ schulischer Fremdsprachenerwerb, erwachsener oder kindlicher Zweitspracherwerb). Die folgende Tabelle fasst die drei wesentlichen Ausprägungen des instrumentell-motivationalen Subsystems zusammen. Krashen (2002: 22) erklärt die Wirkungsweise instrumenteller Motivation wie folg: Instrumental motivation [Hervorheb. im Original], defined as the desire to achieve proficiency in a language for utilitarian, or practical reasons, may also relate to proficiency. Its presence will encourage performers to interact with L2 speakers in order to achieve certain ends. For the integratively motivated performer, interaction for its own sake will be valued. For the instrumentally motivated performer, interaction always has some practical purpose. Motivationale Komponente Erläuterung Extrinsische Motive im Zusammenhang mit zukünftigen Karrieremöglichkeiten (vgl. Dörnyei 1994a: 279) Beispielsweise der Wunsch, eine weitere Sprache zu lernen, weil deren Kenntnis Jobmöglichkeiten (etwa eine Anstellung im Ausland) eröffnen würde Extrinsische Motive im Zusammenhang mit schulischem Erfolg (z.B. gute Noten, Lob etc.) Z.B. auch das Suchen (oder Initiieren) von L2-Kommunikationssituationen, um die eigene Kompetenz zu verbessern Zweckempfinden in Bezug auf die Möglichkeit, mit L2-Sprecherinnen und Sprechern kommunizieren zu können Im Gegensatz zum integrativen Bedürfnis, durch die Kenntnis einer L2 zu der spezifischen L2-Gemeinschaft zu gehören, stehen hier praktische Gründe im Zusammenhang mit den Kommunikationsmöglichkeiten im Vordergrund Tabelle 4: Komponenten des instrumental motivational subsystem (language level) 3.3 L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 55 Komponenten Subkategorien Need for achievement Self-confidence Language use anxiety Perceived L2 competence Causal attributions Self-efficacy Empathie Tabelle 5: Komponenten des instrumental motivational subsystem (language level) 3.3.2 The Learner Level Das learner level ist grundsätzlich als ein Komplex von „affects and cognitions that form fairly stable personality traits“ konzipiert (Dörnyei 1994a: 279). Nach Dörnyei liegen diesem Level zwei motivationale Komponenten zugrunde: (1) „need for achievement“ und (2) Selbstbewusstsein („selfconfidence“). Selbstbewusstsein ist eine mehrdimensional Grösse und umfasst in dieser Konzeptionierung (a) „language (use) anxiety“, (b) Selbsteinschätzung in Bezug auf die L2-Kompetenz („perceived L2 competence“), (c) „causal attributions“ und (d) Selbstvertrauen („self-efficacy“). In der Forschung wird eine weitere Persönlichkeitskomponente diskutiert, die Dörnyei 1994 noch nicht in seine Klassifizierung einbezogen hat, die aber auch dem learner level zuzuordnen wäre, das ist (3) „Empathie“, bzw. bei Gardner/ Lambert (1972: 133) „sensitivity to other people’s feelings“. Die folgende Tabelle zeigt die Struktur des learner level, im Anschluss werden diese motivationalen Aspekte des learner level erklärt. Komponenten Subkategorien Need for achievement Self-confidence Language use anxiety Perceived L2 competence Causal attributions Self-efficacy Empathie Tabelle 6: Komponenten des learner level 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 56 Need for achievement Need for achievement ist ein zentrales Element der klassischen achievement motivation theory und steht für „a relatively stable personality trait that is considered to affect a person’s behaviour in every facet of life, including language learning“ (Dörnyei 1994a: 277). „Individuals with a high need for achievement are interested in excellence for its own sake,“ sie initiieren eher „achievement activities“, verfolgen diese Herausforderungen und Aufgaben intensiv und zielstrebig und „persist in the face of failure“ (ebd.). Es ist anzunehmen, dass dieser Faktor eher im institutionellen Lernen von Bedeutung ist, wo Leistung generell ein Thema ist, und weniger in natürlichen Erwerbskontexten. So hat Dörnyei (1990) in einem früheren Artikel argumentiert, und diese Annahme bestätigt sich in dieser Arbeit, wie der empirische Teil zeigen wird (vgl. 7.3.2). Selbstbewusstsein „Self-confidence - the belief that one has the ability to produce results, accomplish goals or perform tasks competently“ (Dörnyei 1994a: 277) ist mit dem Konzept der „self-efficacy“/ Selbstvertrauen verwandt, aber in einem allgemeineren Sinn gebraucht. Self-confidence wurde zuerst von Clément (1980), einem engen Mitarbeiter von Gardner, in die L2-Motivationsforschung eingeführt, um einen sekundären motivationalen Prozess zu beschreiben: Self-confidence stellt nicht an sich einen motivationalen Faktor dar, kann aber auf verschiedene Motivationen, eine L2 zu lernen und zu benutzen, einen Einfluss haben. Um ein bereits eingeführtes Beispiel zu nennen, so ist es etwa anzunehmen, dass sich eher selbstbewusste Menschen zutrauen, eine berufliche Herausforderung im fremdsprachigen Ausland anzunehmen und dafür eine weitere Sprache zu lernen (vgl. instrumentelle Motivation). Auch gelten selbstbewusste Individuen als offener und daher interessierter an anderen Menschen (und Kulturen), was als wesentliche Kraft im Komplex der integrativen motivationalen Komponenten identifiziert wurde (vgl. dazu auch Krashen 2002: 23). Innerhalb dieses Konzepts ist weiter zu unterscheiden zwischen (a) „language (use) anxiety“, (b) „perceived L2 competence“, (c) „causal attributions“ und (d) „self-efficacy“ (Dörnyei 1994a: 277). Language (use) anxiety Die language anxiety bzw. language use anxiety ist die meist beforschte dieser Subkategorien (vgl. z.B. Clément/ Gardner/ Smythe 1980, Horwitz/ Horwitz/ Cope 1986, MacIntyre/ Gardner 1991, Gardner/ MacIntyre 1993b, Ganschow/ Sparks 1996, Saito/ Horwitz/ Garza 1999, Horwitz 2001). Gardner/ MacIntyre (1993b) betrachten anxiety als zweitwichtigste Klasse affektiver Variablen neben der integrativen Motivation. Anxiety bestimmen sie 3.3 L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 57 näher als „situational anxiety“ (oder „language anxiety“) im Zusammenhang mit „learning and/ or using the second language“ (ebd.: 159). „[It] refers to apprehension experienced by the individual in the language class or any situation in which the language is used“ (ebd.). In der AMTB (attitude/ motivation test battery; Gardner 1985) wird anxiety in den Komponenten „French Class Anxiety“ und „French Use Anxiety“ gemessen. Zudem wurde eine Skala zum Messen von „French Test Anxiety“ entwickelt (vgl. Clément/ Gardner/ Smythe 1980; MacIntyre/ Gardner 1991, Gardner/ MacIntyre 1993b). Für dieses Konzept ist zentral, dass anxiety als Persönlichkeitseigenschaft („anxiety as a personality ‚trait’“) von einem vorübergehenden Zustand der Angst („transient anxiety ‚state’“) zu unterscheiden ist. Während anxiety als Persönlichkeitsmerkmal in der einschlägigen psychologischen Forschung als eine relativ stabile Charaktereigenschaft konzeptualisiert wird, stellt der (vorübergehende) Zustand die Reaktion auf eine bestimmte beängstigende Situation dar - etwa die Reaktion auf eine wichtige Prüfungssituation (vgl. Spielberger 1983, Horwitz 2001, Krashen 2009). Ein Beispiel für die erstgenannte Subkategorie mit Bezug auf L2-Erwerbskontexte wäre eine grundsätzliche Angst, Fehler zu machen oder auch die Angst vor Kulturverlust (was sich in ethnozentrischen Einstellungen zeigen könnte, vgl. Gardner/ Lambert 1972: 134 - wie schon oben erwähnt). Weiter wird eine situationsspezifische (situation-specific) Angst unterschieden, womit Zustände gemeint sind, die immer wieder in gleichen oder sehr ähnlichen Situationen auftreten (vgl. MacIntyre/ Gardner 1991, Horwitz 2001): etwa beim Sprechen vor einem Publikum, ebenso kann die Unterrichtssituation eine solche wiederkehrende Angst erzeugen, beispielsweise wenn sich immer wieder beschämende Situationen ereignet haben, beispielsweise ausgelacht zu werden von Klassenkammeraden oder Blossstellungen durch die Lehrperson (vgl. Horwitz 2001, Krashen 2009). Grundsätzlich können alle diese Formen den L2-Erwerb beeinflussen, entweder als primärer motivationaler Prozess, beispielsweise wenn ein Individuum aus Angst vor Kulturverlust in der Migration die Sprache des Migrationslandes gar nicht erst lernen will bzw. zu lernen versucht, oder als sekundärer motivationaler Prozess, etwa wenn ein Individuum aus Angst, Fehler zu machen, zielsprachliche Kommunikationssituationen zu meiden versucht, obwohl diese immer Erwerbsmöglichkeiten darstellen würden. Perceived L2 competence Mit perceived L2 competence ist die Selbsteinschätzung in Bezug auf bisher erlangte L2-Kenntnisse gemeint. Dieses Konzept ist eng mit jenem der selfefficacy (siehe unten) verbunden, ist aber weniger allgemein zu verstehen. Wenn ein Individuum seine bisherigen L2-Kenntnisse als gut einschätzt und 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 58 demnach mit seinem voranschreitenden Spracherwerb zufrieden ist, kann das als Motivator wirken, weiterhin den gleichen Lernaufwand zu betreiben (im Fremdsprachenerwerb) oder auch weiterhin den gleichen oder sogar mehr Kontakt mit Sprecherinnen und Sprechern der Zweitsprache zu suchen, was weitere Lernmöglichkeiten schafft, ob im Fremd- oder Zweitspracherwerb. Causal attributions Mit causal attributions sind vergangene Erfahrungen unterschiedlicher Art gemeint, die mit allen der oben genannten oder unten folgenden Komponenten der L2-Motivationen in Verbindung stehen können. Das könnten besonders positive oder im gegenteiligen Fall negative/ abschreckende Erfahrungen sein, die in einem spezifischen L2-Land oder mit Vertretern und Vertreterinnen der L2-Gemeinschaft gemacht wurden, aber auch Erinnerungen an Situationen, in denen die bisher erlangten L2-Kenntnisse nutzbringend oder zufriedenstellend eingesetzt werden konnten, etc. Self-efficacy Self-efficacy, Selbstvertrauen, bezieht sich auf das Urteil eines Individuums über ihre oder seine Fähigkeit „to perform a specific action“ (Dörnyei 1994a: 277, vgl. auch Schunk 1991). In diesem Zusammenhang spielen vergangene Erfahrungen eine zentrale Rolle, aber (...) people also appraise efficacy from observational experiences (e.g., by observing peers), as well as from persuasion, reinforcement, and evaluation by others, especially teachers or parents (e.g., „You can do it! “ or „You are doing fine! “). (ebd.) Wenn ein gutes Selbstvertrauen erst entwickelt ist, verlieren Fehler oder Rückschläge ihre Bedrohung und Wirkung. Das kann sich auf L2- Motivationen verschiedener Art auswirken, etwa auf das Suchen und Initiieren von L2-Kommunikationssituationen oder auf das Bedürfnis, die Herausforderung, eine weitere Fremdsprache zu lernen, überhaupt erst anzunehmen, ob in fakultativen Schulfächern oder im Erwachsenenalter. Empathie Empathie als Faktor im Kontext von L2-Motivationen ist bereits bei Gardner/ Lambert (1972: 133) angelegt, wo sie als „sensitivity to other people’s feelings“ mit L2 achievement korreliert. Schumann (1975: 227) spricht hier auch von „ego flexibility“ und nimmt an, dass diese eng mit jenen Faktoren verbunden ist, „which make the learner less anxious, make him feel accepted and make him form positive identifications with speakers of the target language.“ Ähnlich argumentiert Krashen (2002: 23), der davon ausgeht, 3.3 L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 59 dass „the empathic person may be the one who is able to identify more easily with speakers of a target language and thus accept their input as intake for language acquisition.“ 3.3.3 The Learning Situation Level Das learning situational level besteht aus extrinsischen und intrinsischen Motiven sowie aus verschiedenen motivationalen Bedingungen dreier Gebiete: (1) „course-specific motivational components“ (z.B. Unterrichtsmethode, -material oder Lernaufgaben), (2) „teacher-specific motivational components“ (z.B. das Bedürfnis, der Lehrperson zu gefallen oder Identifizierung mit der Lehrperson, aber auch „authority type“), (3) „groupspecific motivational components“ (v.a. „goal-orientedness, norm and reward system, group cohesion, and classroom goal structure“) (vgl. Dörnyei 1994a: 277ff.). Für L2-Kontexte, insbesondere den frühen L2-Erwerb, ist diese Ebene m.E. um ein viertes Gebiet, (4) familien-spezifische motivationale Komponenten, zu ergänzen, dem der Faktor „parental support“, den Gardner/ Lambert (1972) schon identifiziert haben, zuzuweisen ist. Unterrichtsspezifische motivationale Komponenten Unterrichtsspezifische motivationale Komponenten beziehen sich auf den Lehrplan insgesamt, das Unterrichtsmaterial, die Unterrichtsmethode und die Aufgabenstellungen. Die Vierteilung dieses Gebiets nimmt Dörnyei in Anlehnung an Crookes/ Schmidt (1991) vor, die „interest“, „relevance“, „expectancy“ und „satisfaction“ als zentrale Grössen der L2-Unterrichtsmotivationen benennen. 1. Interest (in the course) Die erste Kategorie, Interesse am Unterricht, steht im Zusammenhang mit intrinsischem Interesse sowie der Neugierde des lernenden Individuums und deren oder dessen Wunsch, mehr über sich und die Umwelt zu erfahren (Dörnyei 1994a: 277). 2. Relevance (of the course to one’s needs) Die Relevanz, oder auf Deutsch besser der Zweck, bezieht sich darauf, für wie nützlich Lernende den Unterricht, und für wie wichtig sie diesen in Bezug auf ihre persönlichen Bedürfnisse, Werte und Ziele halten: At a macrolevel, this component coincides with instrumentality; at the level of the learning situation, it refers to the extent to which the classroom instruction and course content are seen to be conducive to achieving the goal, that is, to mastering the L2. (ebd.) 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 60 3. Expectancy (of success) Die expectancy of success, die Erfolgserwartung, bezieht sich auf die perzipierte Erfolgswahrscheinlichkeit und steht auf einer allgemeinen Ebene in Verbindung mit dem Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen des Lernenden. Auf dem learning situational level betrifft die Erfolgserwartung die empfundene Schwierigkeit der Aufgaben, des erforderten Aufwands, des „amount of available assistance and guidance“, der Präsentation des Unterrichtsstoffs durch die Lehrerin oder den Lehrer und der Vertrautheit mit der Art der Aufgaben (vgl. ebd.: 278). 4. Satisfaction (one has in the outcome) Die satisfaction, Genugtuung, schliesslich betrifft das Resultat einer Aktivität, „referring to the combination of extrinsic rewards such as praise or good marks and to intrinsic rewards such as enjoyment and pride“(ebd.). Erreichbare Zwischenziele spielen für diese Komponente eine wichtige Rolle. Lehrpersonenspezifische motivationale Komponenten 1. Affiliative motive Das möglicherweise wichtigste Motiv im Zusammenhang mit der Lehrperson ist das affiliative motive oder auch affiliative drive (vgl. Ausubel/ Novak/ Hanesian 1978, Blumenfeld 1992). Dieses bezieht sich auf die Notwendigkeit oder das Bedürfnis, „to do well in school“, um der Lehrperson (oder anderen übergeordneten Personen), die man mag und schätzt, zu gefallen. „Although this desire for teacher approval is an extrinsic motive, it is often a precursor to intrinsic interest, as is attested by good teachers whose students become devoted to their subject“(Dörnyei 1994a: 278). 2. Authority type Eine zweite Komponente in Bezug auf die Lehrperson ist deren oder dessen authority type, also ob sie oder er Autonomie unterstützt und fördert oder eher kontrollierend ist: Pflichten und Verantwortungsbereiche mit Schülerinnen und Schülern zu teilen, ihnen Optionen aufzuzeigen und die Wahl zu lassen, „letting them have a say in establishing priorities“ und sie in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, fördert die Selbstverantwortung der SchülerInnen und deren intrinsische Motivation (Dörnyei 1994a: 278, vgl. auch Deci/ Ryan 1985, Deci et al. 1991). 3. Socialization of student motivation Ein dritter motivationaler Aspekt dieser Kategorie ist die Rolle der Lehrerin oder des Lehrers „in direct and systematic socialization of student motivation, that is, whether he or she actively develops and stimulates learner’s motivation“ (Dörnyei 1994a: 278, vgl. auch Brophy/ Kher 1986), was wiederum einen Einfluss auf „self-efficacy“ auf dem learner level hat. Dafür gibt es drei wesentliche Wege: 3.3 L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 61 1. Modelling: teachers, in their position as group leaders, embody the „group conscience“ and, as a concequence, student attitudes and orientations toward learning will be modelled after their teachers, both in terms of effort expenditure and orientations of interest in the subject. 2. Task presentation: efficient teachers call students’ attention to the purpose of the activity they are going to do, its potential interest and practical value, and even the strategies that may be useful in achieving the task, thus raising students’ interest and metacognitive awareness. 3. Feedback: this process carries a clear message about the teacher’s priorities and is reflected in the student’s motivation. There are two types of feedback: informational feedback, which comments on competence, and controlling feedback, which judges performance against external standards. Of the two, the former should be dominant. For example, praise - a type of informational feedback - should attribute success to effort and ability, implying that similar successes can be expected in the future. (...) (Dörnyei 1994a: 278) Zu den lehrpersonenspezifischen Aspekten muss aber ergänzt werden, dass deren Einfluss erst in Fremdsprachenerwerbskontexten festgestellt wurde. Und es ist anzunehmen, dass sie auch nur in Fremdsprachenerwerbskontexten zum Tragen kommen, in Kontexten also, in denen in erster Linie so genannt „im Klassenzimmer“ gelernt wird bzw. der Erwerb der Zielsprache in erster Linie mit Klassenzimmersituationen und formalem Unterricht assoziiert wird und in diesem Zusammenhang immer ein Lehrer/ eine Lehrerin die erste Bezugsperson darstellt. Im Zweitspracherwerb wird erstens nicht nur im Klassenzimmer gelernt, sondern auch in den unterschiedlichsten Aktivitäten ausserhalb der Schule, und zweitens wenn im Klassenzimmer, dann nicht nur bei einer Lehrperson, sondern in allen Fächern von Turnen bis Geographie (mit Ausnahme des Fremdsprachenunterrichts), also bei mehreren Lehrpersonen. Und wenn die Zielsprache nicht mehr nur mit einer einzelnen schulischen Bezugsperson assoziiert wird, verteilen sich auch die lehrpersonenspezifischen motivationalen Komponenten auf mehrere, wodurch sie sich aufheben können. Diese Annahme ist noch zu prüfen - für diese Arbeit konnte dies nicht getan werden, weil bei den Probanden und Probandinnen sowohl Lehrerwie auch Klassenwechsel vorkamen, was einer systematischen Überprüfung lehrpersonenspezifischer Aspekte im Wege stand. Gruppenspezifische motivationale Komponenten „Classroom learning takes place within groups as organisational units; these units are powerful social entities with a ‚life of their own’, so that group dynamics influence student affect and cognition“ (ebd.). Zudem können Ziele und Werte der grösseren Gruppe von jenen des Individuums abweichen, mit 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 62 ihnen in Konflikt treten, sie verstärken oder schwächen, beeinflussen (oder beeinflusst werden). Mit Bezug auf L2-Motivationen betrachtet Dörnyei vier Grössen als relevant: „Goal-orientedness“, „norm and reward system“, „group cohesiveness“ und „classroom goal structure“ (ebd.): 1. Goal-orientedness Ein „Gruppenziel“ ist immer eine Kombination der individuellen Ziele, ein „end state desired by a majority of the group members“ (Shaw 1981: 351, vgl. auch Dörnyei 1994a: 278). Groups are typically formed for a purpose, but the ‚official goal’ may not be the only group goal and in extreme cases may not be a group goal at all. For example, the goal of a group of students may be to have fun rather than to learn. (ebd.) Goal-orientedness bezieht sich schliesslich auf das Ausmass, in dem eine Gruppe darauf aus ist, zum Erreichen des Gruppenziels (in unserem Fall, des L2-Erwerbs) beizutragen. 2. Norm and reward system Das norm and reward system einer Gruppe kann einen enormen Einfluss auf die Motivationen eines Individuums haben. It concerns extrinsic motives that specify appropriate behaviours required for efficient learning. (...) [and] extrinsic regulations should be internalised as much as possible to foster intrinsic motivation. Rewards and punishments (typically expressed in grades) should give way to group norms, which are standards that the majority of group members agree to and which become part of the group’s value system. (ebd.: 278f.) In Klassen, in denen das Lösen von Hausaufgaben oder die seriöse Vorbereitung auf bevorstehende Examen nicht zu den akzeptierten Gruppennomen gehören, werden schlechte Noten und andere „Bestrafungsmassnahmen“ nicht ausreichen, um Schülerinnen und Schüler dazu zu motivieren, sich effizienter vorzubereiten. „On the other hand, once a norm has been internalised and has become a self-evident pre-condition for the group to function, the group is likely to cope with deviations by putting pressure on members who violate the norm“ (ebd.: 278f.). 3. Group cohesiveness Der Gruppenzusammenhalt, „[the] strength of the relationship linking the members to one another and to the group itself“ (Forsyth 1990: 19), kann einen Einfluss auf das Verhalten der Gruppe haben (vgl. Evans/ Dion 1991). Und Clément/ Dörnyei/ Noels (1994) kommen zum Schluss, dass der empfundene Gruppenzusammenhalt ein entscheidender Motivator sein kann. Das könnte daran liegen, dass Mitglieder einer Gruppe mit starkem Zusammenhalt zum Erfolg der gesamten Gruppe beitragen möchten, es kann aber ebenso gut an den oben genannten Gruppenzielen 3.3 L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 63 liegen - wobei in letzt genanntem Fall natürlich auch das Gegenteil (nämlich „schlechte“ performance bzw. Misserfolg) eintreffen kann. 4. Classroom goal structure Classroom goal structures können kompetitiv, kooperativ oder individualistisch sein: In a competitive structure, students work against each other and only the best ones are rewarded. In a cooperative situation, students work in small groups in which each member shares responsibilitiy for the outcome and is equally rewarded. In an individualistic structure, students work alone, and one’s probability of achieving a goal or reward is neither diminished nor enhanced by a capable other. (Dörnyei 1994a: 279) Allerdings weisen verschiedene Studien, zu Vorschulbis high school- Settings, darauf hin, dass die individualistic goal structure is more powerful in promoting intrinsic motivation (in that it leads to less anxiety, greater task involvement, and a more positive emotional tone), positive attitudes towards the subject area, and a caring, cohesive relationship with peers and with the teacher. (ebd., vgl. auch Johnson/ Johnson 1991, McGroarty 1993) Familienspezifische motivationale Komponenten Familien-spezifische motivationale Komponenten sind in Dörnyeis Dreistufenmodell der L2-Motivationen zunächst nicht angelegt, sollen hier aber ergänzt werden. In diesem Zusammenhang ist elterliche Unterstützung als wichtiger Aspekt zu sehen, aber es sind auch Unterstützungen aus dem weiteren familiären Umfeld möglich, die als L2-Motivatoren wirken können, zum Beispiel (gerade im frühen L2-Erwerb unter der Bedingung der Migration) Unterstützung durch ältere Geschwister oder auch Verwandte, die ebenfalls immigrierten. Elterliche Unterstützung kann als primärer Motivator fungieren, wenn Eltern etwa konkret das Besuchen von (ausser- oder vorschulischem) L2-Unterricht fördern oder indem sie die Kinder dazu auffordern, die L2 auch ausserhalb des Unterrichts als Umgangssprache zu nutzen. Sie kann aber auch als sekundärer Motivator wirken, etwa indem sie das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein der Lernenden beeinflusst. Auch dieser Faktor ist bereits bei Gardner und Lambert (1972) konzeptioniert. Im Louisiana-Setting korrelierten elterliche Unterstützung und Ermutigung mit achievement und „seemed to underlie the motivation“ (ebd.: 133). Inzwischen haben zahlreiche Arbeiten die vielfältige Wirkung elterlicher Unterstützung auf das Lernen der Kinder gezeigt (vgl. z.B. Verhoeven/ Aarts 1998, Desforges/ Abouchaar 2003, Diewald/ Schupp 2006). Die folgende Tabelle zeigt die Struktur des learning situation level. 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 64 Komponenten Subkategorien Course-Specific Motivational Components Interest (in the course) Relevance (of the course to one’s needs) Expectancy (of success) Satisfaction (one has in the outcome) Teacher-Specific Motivational Components Affiliative motive Authority type Direct socialisation of motivation - Modelling - Task presentation - Feedback Group-Specific Motivational Components Goal-orientedness Norm and reward system Group cohesiveness Classroom goal structure Family-Specific Motivational Components Elterliche Unterstützung Unterstützung durch ältere Geschwister Unterstützung aus der weiteren Familie Tabelle 7: Komponenten des learning situation level 3.4 Exkurs: Neurobiologische Studien zu Emotionen und Lernen In den letzten Jahren hat die L2-Motivationsforschung Evidenz aus der Neurowissenschaft erhalten, die sich verstärkt für das Verstehen von Emotionen und deren Funktion in Lernprozessen interessiert (vgl. z.B. Borod 1992, Damasio 1994, LeDoux 1992, 1996, Rolls 1999, Erk et al. 2002, Kiefer et al. 2007). Diese Arbeiten sind deswegen aus der Perspektive der L2- Motivationsforschung interessant, weil die psychologische Motivationsforschung inzwischen vermehrt zeigt, dass Motivationen ohne Emotionen kaum denkbar sind, und die emotionale Dimension menschlicher Motivationen zu entschlüsseln bestrebt ist (vgl. Ryan 2007, Dörnyei/ Ushioda 2011: 5). Auch die Forschung zu zweitsprachlichen Motivationen wird sich in diese Richtung bewegen müssen und die emotionale Dimension zweitsprachlicher Motivationen berücksichtigen müssen. In diesem Sinn soll dieses Kapitel einen Anreiz für weitere Forschungstätigkeit darstellen, denn auch in dieser Arbeit wird in der Interpretation früher L2-Motivationen versucht, emotionale Dimensionen zu benennen (Kapitel 5 bis 7). 3.4 Exkurs: Neurobiologische Studien zu Emotionen und Lernen 65 Bei der Rezeption der neurobiologischen Arbeiten ist besonders aus Spracherwerbsperspektive darauf zu achten, was genau gemeint ist, wenn von „lernen“ die Rede ist. Denn was Lernen bedeutet, wird in der Regel nicht differenziert diskutiert. Das führt dazu, dass mitunter Erinnerungsleistung (oft subsequent memory effect - im Laborkontext kann fast nur dieser gemessen werden) scheinbar mit Lernen gleichgesetzt wird, und oft wird schlicht von Informationsspeicherung gesprochen. Weiter bringt die Laborsituation mit sich, dass von prototypischen Emotionen ausgegangen wird bzw. in den Studien prototypische Emotionen ausgelöst werden, beispielsweise eine positive Emotion durch das Zeigen eines Tierbaby-Bildes oder negative Emotionen durch das zeigen von Kriegsaufnahmen. Es wird davon ausgegangen, dass die Probanden die erwartete Emotion (positiv, negativ oder neutral) empfinden, obwohl für Emotionen Individualität charakteristisch ist und jemand theoretisch auch anders als erwartet empfinden kann. Die Aktivierung der entsprechenden Hirnareale, die für positive bzw. für negative Emotionen zuständig sind, reicht als Bestätigung, dass der intendierte Effekt erreicht wurde. Mit Bezug auf das Erinnern von positivem und negativem emotional material kamen Erk et al. (2002: 439) zum Schluss: „Emotions have been shown to play an important part in cognitive functions (...) [and c]onsiderable evidence shows that memory for emotional material is enhanced“. Sowohl positives emotional material als auch negatives „emotional material“ bewirkt demnach ein besseres Erinnern als neutral material. Dabei müssen unter emotional material Informationen verschiedener Art verstanden werden, die Emotionen - positive oder negative - hervorrufen. Das Gehirnareal, das beim episodischen Gedächtnis von emotional material aktiv ist, ist die Amygdala, wie durch funktionale neuroimaging Methoden gezeigt werden konnte (z.B. McGaugh/ Cahill/ Roozendaal 1996). McGaugh/ Cahill/ Roozendaal (ebd.) zeigten, dass die Amygdala, die durch emotionale Erregung aktiviert wird, die Speicherung und Konsolidierung von Informationen reguliert: Die durch Emotionen verursachte Aktivierung der Amygdala nimmt einen modulierenden Einfluss auf Langzeitgedächtnisspeicherungsprozesse (vgl. auch Fichter 1997). Funktional betrachtet liegt der Sinn darin, dass Gedächtnisinhalte in Relation zu ihrer emotionalen Bedeutung gespeichert werden. Aber: „Im Gegensatz zur Abspeicherung von Information spielt die Amygdala keine Rolle beim Abrufen und Anwenden der gespeicherten Information; auch dann nicht, wenn die Information in einer affektiv aktivierten Situation aufgenommen wurde“ (vgl. McGaugh/ Cahill/ Roozendaal 1996, Fichter 1997). Aber es darf nicht irrtümlich angenommen werden, dass das Speichern von Informationen nur dann möglich ist, wenn die Amygdala aktiviert ist (vgl. McGaugh/ Cahill/ Roozendaal 1996). Bei der Erforschung des Zusammenhangs von Emotionen und Gedächtnisleistung wurde in neurobiologischen Studien zunächst die Speicherung 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 66 von emotional material an sich untersucht, es wurde also die Speicherung emotional gehaltvoller Informationen verschiedener Art („emotional content“; [Herv. im Original], Erk et al. 2002: 439) untersucht, aber noch nicht der Einfluss von Emotionen auf die Speicherung emotional neutraler Informationen („emotional context“; ebd.). Der Einfluss des emotional context auf die Speicherung emotional neutraler Informationen ist aber jener Aspekt der aus der Perspektive der L2-Motivationsforschung relevant ist, wenn man davon ausgeht, dass Motivationen einen emotional context darstellen, aber die Zielsprache an sich, insbesondere die Grammatik, emotional neutral material. Im Gegensatz zu den Neurowissenschaften hat die Verhaltenspsychologie schon früher den Einfluss von emotional gehaltvollem Kontext auf die Speicherung von emotional neutralen Informationen untersucht: Diese Studien kamen zum Schluss, dass aktives „Wiederfinden“ bzw. Erinnern (recovering) von Informationen aus dem episodischen Gedächtnis verstärkt wird, wenn diese Informationen in einem emotional positiven Kontext kodiert wurden (z.B. Ashby et al. 1999, Fiedler 1991). Dies im Gegensatz zum aktiven Erinnern von Informationen aus dem episodischen Gedächtnis, die während emotional neutralen oder sogar negativen Kontexten kodiert wurden. Wenn also Motivationen emotionalen Kontext darstellen und zielsprachliches Material (Lexik, Syntax, Morphologie und Phonologie) emotional neutrale Informationen, dann entsprechen die Resultate von Fiedler (1991) und Ashby et al. (1999) dem Hauptpostulat der L2- Motivationsforschung, wonach L2-Erwerb bei positiven Motivationen erleichtert wird, bzw. hohe Motivationen mit hohem achievement einhergehen (Dörnyei/ Ushioda 2011: 5). Jedenfalls stellten Erk et al. (2002: 439) fest, dass sich Informationsverarbeitungsprozesse in emotional negativen und emotional positiven Kontexten unterscheiden: „[P]ositive and negative emotional context favor different information processing procedures, which in turn should be subserved by different neural substrates.“ Und die Autoren haben immerhin für das Memorieren von Wörtern, die in emotional positiven, emotional negativen oder emotional neutralen Kontexten kodiert wurden, die Resultate der Verhaltenspsychologie bestätigt: „Behavioral results showed that recall rate was significantly increased for words from positive (35.7%) encoding trials compared to words from negative (23.6%) or neutral (23.9%) encoding trials (...)“ (ebd.: 441). Kiefer et al. (2007: 369) differenzieren diese Überlegungen, indem sie vorschlagen that mood states support different encoding processes that contribute to later successful recall. (...) in good mood stimuli are encoded by transforming incoming information on the basis of stored knowledge structures wherease in bad mood information of stiumli to be encoded is more likely conserved, with no or only minor transformation. 3.5 Zusammenfassung 67 Kiefer et al. (ebd.) sehen für diesen Ansatz auch Evidenz in den psychologischen Theorien, wonach „good mood is associated with a creative and spontaneous cognitive style while bad mood induces a careful and controlled cognitive style“ (ebd.: 364, vgl. auch Ashby et al. 1999, Clore et al 2001, Fiedler 2001). Denn „participants in good mood most frequently reported to have applied elaborative semantic encoding strategies, such as forming stories out of the words, whereas participants in bad mood most frequently mentioned to have used non-elaborative strategies such as rehearsal of word lists“ (Kiefer et al. 2007: 369). Auch dieses Ergebnis geht sehr gut mit der Spracherwerbsperspektive zusammen, wenn Spracherwerb als konstruierender Prozess betrachtet wird, gerade mit Bezug auf das syntaktische und morphologische Regelinventar, weil man dann davon ausgehen kann, dass im Spracherwerb als konstruierendem Prozess ein „creative and spontaneous cognitive style“ nützlicher ist. 3.5 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden die Entwicklung und der Stand der L2-Motivationsforschung aufgearbeitet, was im deutschsprachigen Raum bisher gefehlt hat. Zuerst wurden in Anlehnung an Dörnyei (2009b) drei wesentliche Perspektiven erläutert: was die L2-Motivationsforschung ausmacht, insbesondere aber auch, woran Kritik geübt wurde und was schliesslich zu neuen Impulsen geführt hat. Diese Perspektiven sind: (1) Der sozialpsychologische Ansatz (1959-1990), der insbesondere durch die beiden Konstrukte integrative und instrumentelle Orientierung/ Motivation und die beiden herausragenden Vertreter der Anfänge dieses Forschungsfeldes, Robert Gardner und Wallace Lambert, bestimmt ist. Motivationen werden als soziale und nicht als individuelle Phänomene betrachtet. (2) Die kognitiv-situative Perspektive (1990er), in der die frühen Motivationskonzepte ausgebaut und präzisiert wurden - beispielsweise durch die Unterscheidung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation, die Differenzierung situations-spezifischer (individueller) Motivationen im Zusammenhang mit der Lehrperson, dem Unterricht an sich oder Peers sowie das Einbeziehen von Persönlichkeitsvariablen wie Selbstbewusstsein, Empathie oder language use anxiety. Für die (3) dynamischen Modelle (letztes Jahrzehnt) ist insbesondere die Berücksichtigung des Faktors Zeit charakteristisch, indem sie sich für die Veränderungen von individuellen Motivationen im Verlauf des L2-Erwerbs sowie für das Zusammenspielen von Identität und L2-Motivationen interessieren und für das Zusammenspielen von Konstruktionen einer (zukünftigen) Lernenden- Identität (the ideal L2-self) und L2-Motivation. 3 Motivationen im Zweitspracherwerb 68 Weiter wurde ein Schwerpunkt bei der Diskussion des dreistufigen Modells der L2-Motivationen nach Dörnyei (1994a) gesetzt, das als analytische Grundlage für den empirischen Teil dieser Arbeit dient. Dieses Modell wird bewusst bevorzugt, weil es übersichtlicher und konkreter ist als beispielsweise jenes von Williams und Burden (1997). Es umfasst das language level mit Motivationen, die sich auf die Zielsprache direkt beziehen, das learner level, das Persönlichkeitseigenschaften wie Selbstbewusstsein und language use anxiety umfasst, und das learning situation level mit Bezug auf verschiedene Seiten des Erwerbskontextes (Unterricht, Peergroup) und familiale Unterstützung. Auch wurde gezeigt, weswegen jüngere dynamische Perspektiven und der ideal L2-self-Ansatz noch nicht berücksichtigt werden konnten. Der Grund liegt insbesondere darin, dass zur Entwicklung eines kontextadäquaten Untersuchungsdesigns die spezifischen, grundlegenden Eigenschaften früher L2-Motivationen schlicht erst hätten bekannt sein müssen. In einem Exkurs wurden neurobiologische Studien angeführt, die als naturwissenschaftliche Bestätigungen für die in den Geisteswissenschaften lange formulierte Annahme des zwangsläufigen Zusammenspiels von kognitiven und emotionalen mentalen Vorgängen (vgl. z.B. Piaget/ Inhelder 1972, Vollmer et al. 2001, Schwarz 2008) betrachtet werden können. Weil die jüngere Motivationsforschung vermehrt darauf hinweist, dass jede Motivation eine emotionale Dimension hat, und die angeführten Studien den Einfluss von Emotionen auf Lernprozesse untersuchen, sind sie für die L2- Motivationsforschung interessant. Wesentliche Resultate, die in diese Richtung weisen, sind insbesondere jene von Erk et al. (2002), wonach Wörter in emotional positiven Kontexten besser memoriert werden, und jene von Kiefer et al. (2007), die zeigten, dass die Kognition in emotional positiver Gemütsverfassung spontaner und kreativer ist als in emotional negativer Gemütsverfassung. Und aus konstruktivistischer Spracherwerbsperspektive ist schliesslich anzunehmen, dass ein „creative cognitive style“ für den Aufbau sprachlicher Wissenssysteme förderlich ist, was wiederum erklärt, warum mit positiven Motivationen, die eine positive emotionale Dimension haben müssen, höheres achievement einhergeht. 4 Individuelle Unterschiede im frühen Zweitspracherwerb Die Erwerbsunterschiede der Probanden und Probandinnen dieser Arbeit werden in diesem Kapitel ermittelt, damit später Motivationen in Relation zu den hieraus abgeleiteten Rängen analysiert werden können (v.a. Kapitel 7). Ausserdem wird dieses Kapitel zeigen, dass individuelle Erwerbsunterschiede trotz vergleichbarer Erwerbsbedingungen vorkommen. Mit vergleichbaren Erwerbsbedingungen sind hier Alter, Erwerbsdauer und sprachliches Umfeld gemeint. „Sprachliches Umfeld“ bezieht sich auf die Klassenzusammensetzung bzw. das Verhältnis mehrsprachiger zu einsprachigen SchülerInnen und das Wohnquartier. Unterschiede gibt es in der Erstsprache der Probanden und Probandinnen und damit in den Transfermöglichkeiten, weswegen L1-unabhängige Sprachanalysen vorgenommen werden. Folgende Analysen werden kombiniert: (1) auf der Basis der Äusserungslängen erfolgt die Bestimmung von MLU, UB und SD (mean length of utterances, upper bound und standard deviation) und es wird (2) die types-tokens-ratio (TTR) bestimmt sowie (3) eine Sprachprofilanalyse durchgeführt. Alle diese Analysemethoden haben sich in der bisherigen Spracherwerbsforschung bewährt, spiegeln aber je nur einen Teil der Sprachkompetenz. Durch die Kombination der Ansätze wird eine höhere Aussagekraft erreicht. 4.1 Daten 4.1.1 Kontext Die Daten dieser Arbeit konnten im Rahmen meiner wissenschaftlichen Mitarbeit an der Studie „Deutsch-Standard in Liestal“ (Baselland, Schweiz) erhoben werden (zu diesem Projekt vgl. Gyger/ Heckendorn-Heinimann 2007; Leuenberger 2007; Gyger 2009). Weil keine inhaltlichen Beziehungen zwischen jenem Projekt und dieser Dissertation bestehen, wird nicht weiter darauf eingegangen. Nur diese Bemerkungen zu den Rahmenbedingungen der Erhebung: Die Daten im Rahmen einer grösser angelegten Untersuchung sammeln zu können, brachte viele Vorteile mit sich - allen voran die bereits bestehenden und auf gegenseitigem Vertrauen beruhenden Beziehungen zu den Probanden und Probandinnen. Es gab aber auch Beschränkungen. So war es nicht möglich, die Eltern und andere Bezugspersonen neben den Kindern selbst zu befragen. 4 Individuelle Unterschiede im frühen Zweitspracherwerb 70 4.1.2 Umgang mit den Varietäten Die Probanden und Probandinnen dieser Studie lernen in der Deutschschweiz (in Liestal) Deutsch als Zweitsprache. Die Deutschschweizer Sprachrealität ist durch die Diglossie, das Nebeneinander von Dialekt (Schweizerdeutsch) und Standardsprache (Hochdeutsch), geprägt. Während der Dialekt, d.h. die Deutschschweizer Dialekte, die Funktion der Umgangssprache sowie der Sprache der Familie bzw. der Sprache der Nähe übernimmt, findet Hochdeutsch fast ausschliesslich schriftlich Verwendung, mündlich „nur“ in Bildungskontexten (auf allen Schulstufen, in der Berufslehre sowie Hochschule/ Universität u.ä.). Die meisten mündlichen Kommunikationssituationen finden allerdings auf Schweizerdeutsch statt, und es gibt keinerlei abwertende Konnotation des Dialekts. Die Regel in der alltäglichen Kommunikation der allermeisten Deutschschweizer, unabhängig von sozialem Prestige oder beruflicher Tätigkeit, ist Schweizerdeutsch (vgl. zur Diglossie in der Deutschschweiz u.a. Schwarzenbach 1969, Ris 1990, Burger/ Häcki Buhofer 1994, Schläpfer 1994, Löffler 1995, 1998, Häcki Buhofer/ Burger 1998, Sieber 2001, Haas 2004, Werlen 2007, Buri/ Fischer/ Gasser 2010a, 2010b). Für Fremdsprachige in der Schweiz bedeutet das, dass sie theoretisch zwei Varietäten lernen müssen, den Dialekt als einen Schlüssel zur sozialen Integration, aber auch Hochdeutsch, da die Hochdeutschkompetenz zwangsläufig eine Bedingung für den Schulerfolg auf allen Niveaus darstellt. Häufig wird diskutiert, ob dies eine besondere Problematik in Bezug auf den Erwerb des Deutschen als Zweitsprache (DaZ) darstellt. In einer Auseinandersetzung mit Arbeiten zum Thema ist Fischer (2010) aber zum Schluss gekommen, dass diese Frage zu verneinen ist und die Herausforderung, die die Diglossie zu Beginn des DaZ-Erwerbs darstellt, mit fortschreitendem Erwerb zu bewältigen ist (vgl. auch Häcki Buhofer/ Schneider/ Beckert 2007), nachdem die Varietäten am Anfang des L2-Erwerbs vermutlich noch nicht als verschieden wahrgenommen werden und frühe lernersprachliche Äusserungen durch Codeswitchings und Codemixings charakterisiert sind. Weil die Probanden und Probandinnen mit 8 Jahren noch am Anfang ihres DaZ- Erwerbs stehen, bedeutet das für den Umgang mit den Varietäten in dieser Arbeit, dass für die Sprachstandsanalysen nicht entscheidend war, ob die Äusserungen Schweizerdeutsch oder Hochdeutsch oder beides waren, sondern einzig, ob sie entweder Schweizerdeutsch, Hochdeutsch oder beides waren. Eine Unterscheidung wäre zu diesem Zeitpunkt des L2-Erwerbs der Kinder nicht sinnvoll gewesen, was in den Erhebungen mehrfach deutlich wurde. Die Versuchsleiterin führte die Datenerhebungen ihrerseits trotzdem konsequent auf Hochdeutsch durch, weil diese an Vormittagen parallel zum Unterricht stattfanden, und Hochdeutsch die in diesem Rahmen angemessene Varietät darstellt. 4.1 Daten 71 4.1.3 Probanden und Probandinnen Probanden und Probandinnen dieser Studie sind vierzehn Kinder, die in der Deutschschweiz Deutsch als Zweitsprache lernen. Die Gruppe besteht aus fünf Jungen und neun Mädchen, deren Erstsprachen Albanisch, Italienisch, Kroatisch, Serbisch, Spanisch, Tamil und Türkisch sind. Zum Zeitpunkt der letzten Datenerhebung sind die Kinder zwischen 8; 3 und 9; 0 (Jahr; Monat). Der maximale Altersunterschied zwischen den Kindern beträgt damit 9 Monate. Der L2-Erwerb begann bei den meisten mit Kindergarteneintritt, alle sind in der Schweiz geboren (vgl. Tabelle 7) 5 . Die Probanden und Probandinnen wurden nicht zufällig ausgewählt, es sind jene vierzehn der insgesamt siebzehn Kinder aus der Studie „Deutsch-Standard in Liestal“ (DSL) (vgl. 4.1.1), für die man von vergleichbaren Erwerbsbedingungen sprechen kann, denn zwei weitere Kinder des DSL-Projekts waren einsprachig und eines bilingual, also von Anfang an zweisprachig. Proband Probandin* Alter 6 Erstsprache (L1) L1-Unterricht L2 seit Geboren in Eltern geboren in 7 P1 (6) 8; 10 Tamil Ja Kindergarten CH Sri Lanka P2 (5) 8; 8 Serbisch Nein Spielgruppe CH unbeantwortet P3 (7) 8; 6 Italienisch Nein Kindergarten CH Italien P4 (4) 8; 9 Italienisch, Spanisch Nein Kindergarten CH Kolumbien, Italien P5 (3) 8; 3 Albanisch Nein Kindergarten CH Kosovo P6 (8) 8; 8 Albanisch Nein Kindergarten CH Kosovo P7 (10) 8; 8 Italienisch Nein Spielgruppe CH Italien P8 (1) 8; 9 Kroatisch Ja Spielgruppe CH Bosnien P9 (13) 8; 6 Tamil Ja Kindergarten CH Sri Lanka P10 (11) 8; 3 Tamil Ja Kindergarten CH Sri Lanka P11 (14) 8; 10 Tamil Ja Kindergarten CH Sri Lanka P12 (9) 9; 0 Türkisch Ja Spielgruppe CH Türkei P13 (12) 8; 8 Tamil Ja Spielgruppe CH Sri Lanka P14 (2) 8; 3 Kroatisch Nein Kindergarten CH unbeantwortet * (achievement-Rang) Tabelle 8: Probanden und Probandinnen 5 Wie oft die Kinder schon vor Kindergarteneintritt Deutsch bzw. Schweizerdeutsch hörten, z.B. auf Spielplätzen, kann nicht rekonstruiert werden. 6 Bei der letzten Erhebung (Juni 2009). 7 Diese Angaben stammen aus den Kinderbefragungen, vgl. im Anhang 2.3. 4 Individuelle Unterschiede im frühen Zweitspracherwerb 72 Zur Vergleichbarkeit der Erwerbsbedingungen: Alter, Erwerbsdauer und sprachliches Umfeld stellen drei zentrale Grössen dar, die einen Einfluss auf den Zweitspracherwerb haben können. Der Altersunterschied der Probanden und Probandinnen dieser Arbeit beträgt maximal neun Monate. Da in der Forschung für diese Altersdifferenz keine Unterschiede in Hinblick auf die Erwerbsgeschwindigkeit belegt sind (vgl. 2.2.1), ist in dieser Hinsicht von einer vergleichbaren Erwerbsbedingung zu sprechen. Die Mehrheit der Kinder lernt die Zweitsprache Deutsch seit Kindergarteneintritt, nur P2, P7, P8, P12 und P13 lernen seit der Spielgruppe Deutsch. Diese Kinder belegen aber die achievement-Ränge 1 (P8), 5 (P2), 9 (P12), 10 (P7) und 12 (P13) (vgl. Kapitel 4), weswegen von der Erwerbsdauer in diesem Setting, bis zum Zeitpunkt der Datenerhebung also keine Erklärungskraft ausgeht. Es ist anzunehmen, dass die sprachlichen Anreize in der Spielgruppe, die in der Regel an höchstens zwei Vormittagen wöchentlich stattfindet, nicht ausreichen, um in der zweiten Primarschulklasse einen Vorteil zu haben. Entscheidend ist wahrscheinlich eher die Tatsache, dass keines der Kinder die Möglichkeit hatte, schon zu Hause regelmässig mit der L2 in Kontakt zu sein. Deswegen kann auch die Erwerbsdauer als vergleichbar gelten. Zum sprachlichen Umfeld der Probanden und Probandinnen ist zu bemerken, dass die Kinder zwar unterschiedliche Klassen besuchen, aber alle eine Klasse, in der die Mehrheit der Kinder fremdsprachig ist, nur wenige Kinder sind „einsprachige Muttersprachler“, weswegen die zweitsprachliche exposure in der Schule bei allen ähnlich gering ist - soweit dies ohne Unterrichtsbeobachtung (die nicht erlaubt war) beurteilt werden kann. Die Kinder wurden aber auch zu ihrem Sprachgebrauch mit wichtigen Bezugspersonen ausserhalb der Schulzeit befragt, und zwar zum Sprachgebrauch mit Eltern und Geschwistern (Eltern/ Eltern, Eltern/ Kind, Kind/ Kind) sowie mit der/ m „bester/ m Freund/ in“ (Peer1) und mit der/ m „zweitbester/ m Freund/ in“ (Peer2). Gefragt wurde jeweils, ob die Erst- oder die Zweitsprache mit den jeweiligen Bezugspersonen gesprochen werde und falls beide, welche häufiger gesprochen wird. Diese Befragung hat ergeben, dass keines der Kinder ausserhalb der Schulzeit nur seine L1 spricht. Vor allem mit Freunden wird meist die L2 verwendet, was bedeutet, dass sich die Kinder nicht nur in einem Kreis von Kindern mit der gleichen Erstsprache bewegen. Nach Angaben der meisten Kinder sprechen die Eltern untereinander ausschliesslich deren L1, mit ihren Kindern aber grösstenteils sowohl die Erstals auch die Zweitsprache. Geschwister sprechen nie nur in der L2 miteinander, aber auch selten nur die L1 (vgl. Tabelle 8). Anhand der Möglichkeiten dieser Arbeit, kann das sprachliche Umfeld und der Sprachgebrauch der Kinder ausserhalb der Schule für die Zwecke dieser Arbeit als vergleichbar betrachtet werden. Aber es muss eindeutig auch festgehalten werden, dass man noch zu wenig über diese Aspekte weiss. Vor allem ist neben der Quantität damit die Qualität der L2-Kontexte gemeint. Wie diese 4.1 Daten 73 Arbeit zeigen wird (v.a. Kapitel 5, 6 und 8), könnte es aber für die Erforschung von L2-Motivationen gerade im frühen Zweitspracherwerb aufschlussreich sein, wenn man den Aspekt Sprachgebrauch noch stärker berücksichtigen könnte, denn es würde auf verschiedenen motivationalen Ebenen interessieren, wie sich die Sprachwahl der Eltern, der Geschwister und der Freunde auf L2-Motivationen auswirken. Kodesystem P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 L1 Eltern untereinander 1 1 1 1 1 1 2 1 1 1 Eltern-Kind 1 Geschwister 1 1 1 1 1 beste/ r Freund/ in 1 “zweitbeste/ r” Freund/ in 1 L1-L2 Eltern untereinander 1 1 2 1 1 Eltern-Kind 1 1 1 2 1 2 1 Geschwister 1 beste/ r Freund/ in “zweitbeste/ r” Freund/ in 1 L1/ L2 Eltern untereinander Eltern-Kind 1 1 1 1 1 Geschwister 1 1 1 beste/ r Freund/ in 1 1 “zweitbeste/ r” Freund/ in 2 L2-L1 Eltern untereinander Eltern-Kind 1 Geschwister 1 1 1 1 beste/ r Freund/ in 1 1 1 “zweitbeste/ r” Freund/ in 1 L2 Eltern untereinander Eltern-Kind Geschwister beste/ r Freund/ in 1 1 1 1 1 2 1 1 “zweitbeste/ r” Freund/ in 1 1 1 1 1 1 L1=Erstsprache; L1-L2=vor allem L1; L1/ L2=etwa ausgeglichen; L2-L1=vor allem L2; L2=Zweitsprache Tabelle 9: Kodematrix Sprachgebrauch 4 Individuelle Unterschiede im frühen Zweitspracherwerb 74 Eine weitere wichtige Grösse ist die Erstsprache, die in dieser Probanden- Innengruppe nicht konstant ist. Weil aber speziell Sprachstandsanalysen angewendet werden (Kapitel 4), die unabhängig von der Erstsprache funktionieren, kann und muss davon abgesehen werden, denn gerade die Vielfalt der Erstsprachen ist für diesen spezifischen Erwerbskontext typisch und hat einen Einfluss auf spezifische L2-Motivationen, etwa mit Bezug auf die Nützlichkeit der Kenntnis der Zweitsprache (vgl. Kapitel 6). 4.2 Hypothesen Für die Probanden und Probandinnen dieser Arbeit stellt der Erwerb der Zweitsprache sowohl eine soziale Notwendigkeit (Migration) als auch eine soziale Normalität dar (90% und mehr der MitschülerInnen sind ebenfalls fremdsprachig) und findet unter vergleichbaren Bedingungen statt (Alter, Erwerbsdauer, sprachliches Umfeld). Aus einer sozialpsychologischen Perspektive auf L2-Motivationen (v.a. Gardner/ Lambert 1972, Gardner 1985, 2001; vgl. auch Kapitel 3) wären in so einem Fall keine Erwerbsunterschiede zu erwarten. Aufgrund des Perspektivwechsels, der sich in der L2-Motivationsforschung vollzogen hat (vgl. Kapitel 3), und von dem in dieser Arbeit ausgegangen wird, trifft diese Annahme nicht mehr zu. Unterschiede sind auch hier zu erwarten: Denn erstens werden Motivationen nicht mehr „nur“ als sozialpsychologische Phänomene verstanden, sondern als individuelle, situative Phänomene, und zweitens wird für jede Art von Motivationen eine emotionale Dimensionen angenommen, weswegen Motivationen auch unter vergleichbaren Erwerbsbedingungen (Alter, Erwerbsdauer, sprachliches Umfeld) zum Tragen kommen und sich auch hier individuelle Erwerbsunterschiede zeigen müssen. Hieraus leitet sich die zentrale Hypothese dieses Kapitels ab: 1. Obwohl die Probanden und Probandinnen dieser Studie unter vergleichbaren Erwerbsbedingung ihre L2 lernen (Alter, Erwerbsdauer, sprachliches Umfeld) und ihr L2-Erwerb sowohl eine soziale Notwendigkeit (Migration) als auch eine soziale Normalität (die Schulklassen bestehen zu über 90% aus fremdsprachigen Kindern) darstellt, sind individuelle Unterschiede im bis zum Zeitpunkt der Erhebungen erworbenen zweitsprachlichen Wissen feststellbar. Die zweite Annahme dieses Kapitels betrifft die Sprachanalysen, die vorgenommen werden (MLU/ UB/ SD, TTR und Sprachprofilanalyse). Der Grund für die Kombination dieser quantitativen und qualitativen Herangehensweisen ist die Beobachtung, dass diese Methoden jeweils nur einen bestimmten Teil der Sprachkompetenz spiegeln können. Der MLU-Wert beispielsweise wird der tatsächlichen Komplexität von Äusserungen in der Mehrheit der Fälle nicht ausreichend gerecht (z.B. Müller et al. 2007, vgl. nachfolgend die 4.3 Methode 75 Resultate in Abschnitt 4.4). Um die tatsächlichen Kenntnisse der Probanden und Probandinnen möglichst breit und immerhin annähernd adäquat aufzeigen zu können, erscheint diese kombinierte Herangehensweise zielführend. Denn eine ähnliche Kombination aus quantitativen und qualitativen Analysen hat sich zum Beispiel in Peltzer-Karpf/ Zangls (1998) Studie zur Dynamik frühkindlichen Fremdsprachenerwerbs bewährt. Dass die verschiedenen Werte, die ermittelt werden, unterschiedliche Fähigkeiten spiegeln, ist zu diesem Zeitpunkt aber erst eine Annahme. Bisher ist, meines Wissens, keine breit abgestützte Untersuchung dazu erschienen. Es soll in diesem Kapitel also auch untersucht werden, ob bzw. in welchen Aspekten die Analysen korrelieren. Wenn sie korrelieren, würde die Kombination keinen Mehrwert bedeuten. Die Hypothese hierzu lautet: 2. MLU/ UB/ SD, TTR und die Sprachprofilanalyse beziehen sich auf unterschiedliche sprachliche Fähigkeiten und korrelieren daher nicht oder nur teilweise. Ein einzelner Wert widerspiegelt die sprachlichen Kenntnisse der Probanden und Probandinnen also nicht ausreichend, und zum Zweck einer allgemeinen Aussage über das zweitsprachliche achievement von Lernenden (also ohne besonderen Bezug auf ein isoliertes sprachliches Element), sollten verschiedene Analysen kombiniert werden. 4.3 Methode Spracherwerbsdaten Die Grundlage der Spracherwerbsanalysen ist Spontansprache. Es handelt sich um zwei Arten: zum einen um Nacherzählungen, zum anderen um Leitfadeninterviews, also im weitesten Sinn um Narration und Gespräche. Zu den Nacherzählungen: Mit den Probanden und Probandinnen wurde in Einzelerhebungen eine kurze Episode der Kinderfernsehbzw. Video-/ DVD-Serie „Der kleine Eisbär“ von ca. vier Minuten angesehen, welche die Kinder im Anschluss nacherzählen sollten. Damit unterschiedliche Kurzzeitgedächtnisleistungen nicht zu allzu unterschiedlich langen Nacherzählungen führten, wurde die Geschichte parallel zu den Erzählungen durch die Kinder ohne Ton nochmals abgespielt. Diese Methode zur Gewinnung von Spontansprachdaten wurde im Projekt „Deutsch-Standard in Liestal“, an dem die Kinder dieser Studie beteiligt waren, schon im Kindergarten angewendet und fand in dieser Form zum dritten Mal statt (mit jeweils anderen Episoden). Die Kinder waren mit der Aufgabe also vertraut, sie bereitete ihnen sichtlich Vergnügen, und sie zeigten keine auffällige Scheu zu reden. In den Verlauf wurde nur zur Aufrechterhaltung der Erzählung eingegriffen, um die Probanden und Probandinnen möglichst nicht in ihrer Sprachproduktion zu lenken. 4 Individuelle Unterschiede im frühen Zweitspracherwerb 76 Als zweite Form der Spontansprachdaten dienen die halb-strukturierten Leitfadeninterviews, anhand derer die L2-Motivationen untersucht werden (vgl. Kapitel 5 bis 7). Das sind je Proband/ Probandin zwei Interviews. Halb-strukturierte Leitfadenbefragungen zu verschiedenen Themenbereichen (wie Familie, Freunde, Hobbies etc.). legten beispielsweise auch Peltzer-Karpf/ Zangl (1998) ihrer Spontansprachanalyse zugrunde, was sich in jener Studie bewährt hat. Die Erzählungen und Interviews wurden mit einem MP3-Player aufgezeichnet und transkribiert (Transkripte im Anhang unter 4.3). Es war keine phonologische Analyse intendiert, daher wurde literarisch transkribiert. So sind die Texte ohne Anleitung lesbar. (Der vollständige Transkriptionsleitfaden ist im Anhang unter 1.1 wiedergegeben.) Die gesamte Aufnahmedauer pro Proband/ Probandin beträgt zwischen 27,5 Minuten (P14) und 57,5 Minuten (P5), bei einem Mittelwert von 37 Minuten (die genaue Dauer der Aufnahmen ist bei den Transkripten im Anhang angegeben). Die Analyseebenen: theoretische und empirische Grundlagen In einem ersten Schritt werden mean length of utterance (MLU), upper bound (ub) und standard deviation (sd) (der MLU) errechnet. In diesem Schritt werden die Daten also auf der Ebene der produzierten Äusserungslängen analysiert. Zweitens wird die types-tokens-ratio (TTR) errechnet, die ein Mass zur morphologischen und lexikalischen Variabilität von Sprachproduktion ist. Und drittens wird die Sprachprofilanalyse nach Wilhelm Grießhaber (z.B. 2006b, 2009b, 2010) durchgeführt, die auf syntaktische Komplexität anhand der verbalen Teile fokussiert. Die Kombination dieser Varianten ist insofern sinnvoll, als die einzelnen Werte immer nur für einen Teil der Sprachkompetenz stehen können. So spiegeln etwa MLU-Daten häufig den tatsächlichen Komplexitätsgrad von Äusserungen nicht ausreichend wider, denn eine grössere Satzlänge muss nicht zwingend mit einer höheren Komplexität korrelieren und umgekehrt (vgl. dazu z.B. Miller 1981, Bates/ Bretherton/ Snyder 1988, Tracy 1991, Mc- Daniel/ McKee/ Smith 1991, Peltzer-Karph/ Zangl 1998, Müller et al. 2007). Schliesslich wurden zwei Masse zur Komplexität der Äusserungen gewählt, da angenommen werden kann, dass auch morphologische und lexikalische Vielseitigkeit nicht zwingend mit syntaktischer Komplexität, wie sie sich in der Sprachprofilanalyse zeigt, korreliert. Zu dieser letzten Annahme gibt es allerdings noch keine Daten und sie soll in diesem Kapitel geprüft werden (vgl. Hypothese 2 dieses Kapitels). In den folgenden Abschnitten werden die Analysemethoden differenziert erläutert. 4.3 Methode 77 MLU, UB, SD Die drei Werte MLU (=mean length of utterance), UB (=upper bound) und SD (=standard deviation oder Standardabweichung) (der MLU) sind in der Spracherwerbsforschung seit einigen Jahren präsent: Die MLU ist ein typisches Messinstrument zur „groben“ Bestimmung kindlicher Sprachentwicklung (Parker/ Brorson 2005), sowohl in der L1 wie auch in der L2 oder einer Ln, und gibt die durchschnittliche Äusserungslänge der Probandinnen und Probanden an. In dieser Arbeit ist sie in Lexemen bestimmt und gibt damit die durchschnittliche Anzahl Lexeme pro Äusserungseinheit wieder. Als Alternative zur MLU in Lexemen bzw. words (MLUw) führte Brown (1973) die Messung der MLU in Morphemen (MLUm) ein, was in der Folge weite Verbreitung fand, da die Bestimmung auf der Ebene der Morpheme präziser schien - ohne dass dies überprüft wurde, obwohl die Bestimmung der MLUm forschungspraktisch aufwändiger ist als die Bestimmung einer MLUw. Den Zusammenhang der MLU in Lexemen und in Morphemen untersuchten erst Parker/ Brorson (2005), die hohe Korrelationswerte festgestellt haben. Das bedeutet, dass die MLUw den genauso zuverlässigen Indikator der Sprachstandsentwicklung darstellt wie die MLUm, weswegen hier die „ökonomischere“ Bestimmung in Lexemen bevorzugt wird. Die Bestimmung in Morphemen ist dann zu priorisieren, wenn die Sprachentwicklung eines Kindes in zwei Sprachen unterschiedlicher Morphosyntax untersucht werden soll, wie das etwa beim Deutschen und Italienischen der Fall ist: Während im Deutschen beinahe jedes finite Verb (Ausnahmen sind vor allem Imperative) ein separiertes Subjekt erfordert (z.B. „ich spiele“), wird im Italienischen das Subjekt in der Mehrheit der Fälle lediglich in der morphosyntaktisch angepassten Endung des Finitums angezeigt (z.B. „gioco“). Anfang und Ende von Äusserungseinheiten wurden anhand von Intonation, Pausen sowie Rhythmus bestimmt. Sprachroutinen wie „guck mal“ und auffallend frequente Einwortäusserungen wie „ja“ und „nein“ werden entsprechend dem Vorschlag von beispielsweise Müller et al. (2007: 75) nur einmal pro Aufnahme gezählt, da sie die Messung verzerren können. Der in den Nacherzählungen auffallend häufig gebrauchte Satzanfang „und dann“ wird jedes zweite Mal gezählt, um nicht über die Massen ins Gewicht zu fallen. „Äh“, „hm“ und ähnliche Äusserungen werden nicht gezählt. Wird ein Wort korrigiert oder abgebrochen, wird auch das nicht gezählt: Zum Beispiel wird in der Äusserung „er hat dann gesagt, wer/ machen wir ein Spiel“ nur „er hat dann gesagt, machen wir ein Spiel“ gezählt (d.h. 8 Lexeme und nicht 9 Lexeme). Unverständliche Äusserungbestandteile, die in den Daten allerdings selten sind, werden als ein Lexem gezählt. 8 8 Die Äusserungslängen wurden manuell ausgezählt, was bei dem kleinen Sample problemlos machbar ist. Grund sind vor allem die abgebrochenen Sätze, die nicht ge- 4 Individuelle Unterschiede im frühen Zweitspracherwerb 78 Der zweite Wert, upper bound (UB), zeigt die längste Äusserung der Kinder an - wieder in Lexemen. In jedem Fall weicht dieser Wert von der MLU ab - mehr oder weniger stark. Diese Bestimmung wird deswegen vorgenommen, weil ein Kind möglicherweise tendenziell 4-Wort-Äusserungen produziert, aber dazu fähig wäre, 20-Wort-Äusserungen zu produzieren. Ebenso könnte ein anderes Kind, das ebenso tendenziell 4-Wort-Äusserungen bildet, (noch) nicht zu viel mehr in der Lage sein. Die MLU-Werte beider Kinder wären ähnlich, obwohl das eine der Kinder sich bereits länger und komplexer äussern kann als das andere. Durch die Bestimmung der UB hat man auch bei eher zurückhaltenden und schüchternen Kindern eine höhere Chance, den weiter voran geschrittenen Erwerb erfassen zu können. Daher gilt es weithin als sinnvoll, MLU-Werte durch die Bestimmung der UB-Werte zu ergänzen. Die standard deviation (SD) schliesslich ist ein statistisches Mass für die Streuung von Werten, z.B. wie hier der Äusserungslängen. Im Gegensatz zur MLU gibt die SD aber nicht einen einfachen Mittelwert wieder, sondern macht unterschiedlich grosse Streuungen durch einen Quadrierungsschritt in der Errechnung sichtbar: Bei einem einfachen Durchschnittswert kann der Endwert nicht anzeigen, ob er durch eine grosse oder durch eine geringe Variabilität der Ausgangswerte zustande gekommen ist; zum Beispiel ergibt der Mittelwert zwischen 4 und 6 die Zahl 5, aber auch jener zwischen 2 und 8 oder 1 und 9, obwohl die Variabilität der Ausgangswerte grösser ist (vgl. zur Herleitung der Formel Maiello 2006: 109ff.). Eine hohe Standardabweichung wird normalerweise in Erwachsenendaten nachgewiesen, denn bei Erwachsenen variieren die MLU-Werte stark, weil sehr lange und sehr kurze Äusserungen typisch sind. Müller et al. (2007: 75) nehmen daher an, dass die Sprachentwicklung eines Kindes weiter fortgeschritten ist, wenn die Daten eine hohe Standardabweichung zeigen. Die Bestimmung der SD wird ergänzend vorgenommen, wenngleich zu dem eher frühen Zeitpunkt im L2- Erwerb der Probandinnen und Probanden der vorliegenden Untersuchung keine grossen Differenzen erwartet werden. Aber für alle drei Masse gilt, dass ein jeweils höherer Wert grundsätzlich für höheres achievement steht. Types und Tokens Die types-tokens-ratio (TTR) gibt das Verhältnis verwendeter Worttypen zur Gesamtzahl der produzierten Lexeme (Tokens) an und ist damit ein Mass zur Variabilität in den produzierten Äusserungen. Types wurden hier als zählt werden sollten, damit sie die Werte nicht verzerren. Dennoch wurden sie mittranskribiert, um zugleich den Charakter der Sprachproduktionen zu erhalten, was den LeserInnen ein Gefühl für die verschiedenen Lernersprachen vermitteln soll. Eine computerbasierte Auszählung hätte auch abgebrochene Äusserungseinheiten ausgezählt. 4.3 Methode 79 Wortformen gezählt, also verschiedene Ausprägungen eines Lexems als verschiedene Types (z.B. „ist“, „war“, „sein“ als drei Types). Das bedeutet, dass die TTR hier sowohl ein Mass für lexikalische als auch für morphologische Variabilität ist. Würden Types auf Lexemebene bestimmt („ist“, „war“, „sein“ als ein Type), gäbe die TTR nur die lexikalische Vielseitigkeit an. Eine höhere TTR gibt eine grössere Produktivität an (vgl. Eskildsen 2009), das heisst eine grössere Vielseitigkeit der Sprachproduktion und damit ein grösseres sprachliches Repertoire, das produktiv aktiviert wird, und gilt daher als Indikator für höheres achievement. Für das Lesen der Daten gilt also auch hier, je grösser der Wert, desto „besser“. Zur Auszählung der Types und Tokens und zur Ermittlung der TTRs wurde mit CLAN gearbeitet, der Analysesoftware des Child Language Data Exchange System (CHILDES; MacWhinney 2000). Sprachprofilanalyse Die Sprachprofilanalyse ist eine empirisch breit abgestützte , qualitative Methode für Deutsch als Zweitsprache (in der Grundschule) und funktioniert unabhängig von den Erstsprachen (vgl. Grießhaber 2004, 2005, 2006a, 2006b, 2009b, 2010). Die Sprachprofilanalyse wurde speziell entwickelt, um Daten aus natürlichen Gesprächssituationen ohne standardisierte Vorgaben auswerten zu können (Grießhaber 2005: 4) und eignet sich daher gut zur Analyse der Spontansprachdaten dieser Arbeit. In Anlehnung an Crystal/ Fletcher/ Garman (1984) und Clahsen (1985) werden sieben Erwerbsstufen aufgrund von Wortstellungsregularitäten verbaler Elemente unterschieden. Diese Wortstellungsregularitäten wurden in mehreren Studien ermittelt, in denen sich gezeigt hat, dass es „Fehler“ gibt, die bei allen Lernenden auftreten, während andere Fehler individuell variieren, unabhängig von Erwerbsabschnitten (Grießhaber 2006b). Zu den frei variierenden Fehlern zählt zum Beispiel die Auslassung der Kopula, typisch für das sogenannte Gastarbeiterdeutsch (ebd.). Jene Fehler in der Realisierung verbaler Elemente, die in der Regel alle Lernenden unabhängig von ihrer Erstsprache machen, liegen der Sprachprofilanalyse zugrunde. Sie sind zielsprachspezifisch und gelten in dieser konkreten Form also nur für das Deutsche. Ihre Reihenfolge in Stufen ist dadurch bedingt, dass sie zunehmend komplexere Prozesse der Verarbeitung beim Sprechen erfordern und daher die jeweils „niedrigere“ Stufe voraussetzen (ebd.). Dass es zielsprachenspezifische Erwerbssequenzen gibt, die in ihrer Reihenfolge fix sind, ist eine zentrale Annahme innerhalb der Zweitspracherwerbsforschung, die zumindest bisher nicht widerlegt ist (vgl. Ellis 2002b: 310). Die grundlegende (sehr logische) Idee ist hier, dass komplexere Strukturen auf einfacheren aufbauen, und diese einfacheren abgespeichert sein müssen, bevor die komplexeren erworben und angewendet werden können: 4 Individuelle Unterschiede im frühen Zweitspracherwerb 80 A new construction can only be acquired if learners have already acquired the relevant representational building blocks or if they have sufficient working memory capacity, phonological short-term memory span, or other aspects of general language processing resource to be able to use the structure. (ebd.: 310f.) Im Folgenden seien die Stufen (0) bis (4) erläutert. Die Stufen (5) und (6), denen keine der Äusserungen der Probanden und Probandinnen entspricht, und die auch bei Erstsprachlern gleichen Alters kaum vorkommen (gerade in der mündlichen Sprachproduktion), werden genannt, aber nicht speziell erläutert. (Profilbogen im Anhang unter 3.1; die Beispielsätze stammen aus den Daten dieser Arbeit): Stufe (0): Bruchstückhafte Äusserung ohne finites Verb, akustisch nicht verstehbare Äusserung, grammatisch unvollständig (z.B. „und Ende“; P10), Floskel oder formelhafte Äusserung („Danke“, „Bisschen“, „Ich auch“). Stufe (1): Enthält Äußerungen mit einer psycholinguistisch elementaren Abfolge von Aktor, Aktion (Prädikat) und Objekt der Aktion. Diese kanonische Wortstellung stimmt mit der grundlegenden Wortstellung der mitteleuropäischen Sprachen überein, Äusserungen enthalten ein finites Verb, z.B. „Sie sind Schiffe“ (P9), „Ich zähle bis zehn“ (P10). Stufe (2): Äusserungen mit der für das Deutsche charakteristischen Trennung von finitem Verb und infiniten Verbteilen, womit eine Vielzahl differenzierter Aussagen möglich wird: Modifizierung einer Äusserung nach der Modalität (mit Modalverben) oder der Nichtaktualität (Hilfsverb zur Perfektbildung) und schließlich die Trennung von Verbstamm und abgetrennter Vorsilbe, die notwendig wird, wenn man Aktionen mit trennbaren Vorsilben differenzierter und genauer ausdrücken will. Die deutsche Wortstellung verlangt vom Sprecher (und vom Hörer), dass er Informationen trennt, die eigentlich zusammengehören (z.B. Hilfsverb und Vollverb beim Perfekt) und die in den meisten Sprachen auch in Kontaktstellung realisiert werden. Der Sprecher muss also diese kompakte Information in mehrere Wörter aufteilen und dann zwischen die gespreizten Wörter Informationen packen, die „logisch“ erst nach dem kompakten Prädikat folgen. Damit diese Operation beim freien Sprechen funktioniert, müssen vorher schon elementare Operationen erworben und automatisiert worden sein. Z.B.: „er hat denn gesagt“ (P1), „du musst auch den helfen“ (P1), „sie haben ein Eis gefunden“ (P11), „ich kann nicht schwimmen“ (P13). Stufe (3): Nach vorangestellten Adverbialausdrücken und Deiktika werden Verb und Subjekt vertauscht - ebenfalls eine Eigentümlichkeit des Deutschen. Die Voranstellung eröffnet dem Sprecher mit der Frontierung von Informati- 4.3 Methode 81 onen am Satzanfang neue expressive Ausdrucksmöglichkeiten. Bei kindlichen Erzählungen ermöglicht sie die einfache Verkettung von einzelnen Aussagen zu einer zusammengehörenden Folge (erst später werden auch andere Mittel der Verkettung erworben). Die grammatisch bedingte Inversion von Subjekt und Finitum stellt ebenfalls eine Änderung der kanonischen Abfolge von Äusserungseinheiten dar. Ein Verstoss wird von deutschen Muttersprachlern sehr sensibel als Fehler registriert. Mit der Voranstellung von Adverbialen verschiebt sich der Fokus auf das dem Verb folgende Subjekt, das bei normaler Stellung unbetont bliebe. Offensichtlich wird diese Stellungsvertauschung erst dann erworben, wenn vorher schon die Trennung des Prädikats in verschiedene Wörter erworben wurde. Beispiele: „Dann bricht das Eis nochmals“ (P1), „Vielleicht sind sie im Wasser“ (P1), „Jetzt kommt der Hase“ (P9), „Jetz (sic) schwimmen sie ganz weit“ (P11). Stufe (4): Endstellung des Finitums im Nebensatz. Auch diese Wortstellungsregel mit der Variation des Finitums je nach Status des Satzes stellt eine deutsche Besonderheit dar. Hier erwerben Lernende die ganze Fülle differenzierter Ausdrucksmöglichkeiten, die Nebensätze eröffnen. Dabei muss erworben werden, dass nach subordinierenden Konjunktionen (dass, wenn, …) das Finitum an das Äusserungsende rückt. Auch dies stellt wieder hohe Ansprüche an die mentale Planung, die einfache SPO-Abfolge von Aktor, Aktion (Verb) und Objekt wird grundlegend geändert. Schon bei der Planbildung der Äusserung muss die Art der Aktion (des Verbs) irgendwie angelegt sein, doch mit ihrer Realisierung muss gewartet werden, bis das von der Aktion logisch betroffene Objekt versprachlicht ist. Diese Operation wird offensichtlich erst dann erworben, wenn schon die Vertauschung von Subjekt und Finitum beherrscht wird. Bsp.: „..., dass sie nicht mehr da sind“ (P9), „..., dass seine Freunde weg sind“ (P11). Stufe (5): Insertion eines Nebensatzes in ein Satzgefüge, z.B.: „Eva hat das Buch, das ihr so gut gefallen hat, ausgelesen“. Stufe (6): Erweitertes Partizipialattribut in einer Nominalkonstruktion, z.B.: „Eva hat das von Peter empfohlene Buch ausgelesen“. Die Kodierung der Spontansprachdaten anhand dieser Kriterien erfolgt unabhängig davon, ob die Form der Wörter den grammatischen Regeln entspricht. Das hat den Grund, dass auffällige Formfehler, die man im Gespräch und in Texten sofort als Regelverstoss wahrnimmt, den Blick auf die tiefer liegenden Regelmässigkeiten „versperren“, obwohl Lernende im Erwerbsprozess über „Fehler“ gehen müssen (Grießhaber 2006b). Auch im Erstspracherwerb oder im Hochdeutscherwerb durch Deutschschweizer Kinder, den man als „erweiterten Erstspracherwerb“ bezeichnen kann (z.B. Häcki Buhofer/ Burger 1998), machen Kinder viele Fehler, sie nehmen beispielsweise Übergeneralisierungen vor wie „gehte“ statt „ging“ oder „Büs- 4 Individuelle Unterschiede im frühen Zweitspracherwerb 82 se“ statt „Busse“ (vgl. z.B. Häcki Buhofer/ Burger 1998, Schneider 1998). Dennoch käme niemand auf die Idee, daraus zu schließen, dass sie ihre L1 nicht lernen (Grießhaber 2006b). Zum Beispiel ein Satz wie „du musst auch den helfen“ (P1) wird daher trotz des darin enthaltenen Pronomen-Fehlers als Stufe-2-Äusserung kodiert. Es werden aber ausschliesslich eindeutig kodierbare Äusserungen berücksichtigt. Beispielsweise wird die Einwortäusserung „Wolken“ nicht zur Stufe (0) gezählt sondern nicht kodiert, weil sie zwar als „ungrammatisch“ bezeichnet werden kann, aber im Kontext pragmatisch akzeptabel und passend ist (in diesem Fall eine Antwort auf die Frage „was ist das Weisse, das da kommt? “). Für die Sprachprofilananlyse gibt es keine Formel, die die Resultate direkt interpretierbar macht (Grießhaber 2009a). Grießhaber schlägt lediglich vor, von der Analyse eine Art Modus-Stufe abzuleiten, die die Kinder grundsätzlich schon produzieren können. Für die feineren individuellen Unterschiede, die hier interessieren, ist dies ein zu grober Hinweis. Für diese Arbeit wurde daher zudem der Stufendurchschnitt ermittelt, basierend wiederum auf der Annahme, dass mehr komplexere Äusserungen als Anzeichen höheren achievements bewertet werden können. 4.4 Individuelle Variabilität der Sprachproduktion In diesem Abschnitt werden die Spracherwerbsanalysen in den drei oben unter 4.3 genannten Schritten vorgenommen: die Bestimmung und Interpretation von MLU, UB und SD (der MLU), der TTR und der Sprachprofilanalyse. Schliesslich wird der durchschnittliche, standardisierte achievement- Wert aus den Resultaten der vorigen Analysen errechnet und die erste Hypothese dieses Kapitels diskutiert: jene, dass individuelle Erwerbsunterschiede auch im frühen L2-Erwerb und unter vergleichbaren Erwerbsbedingungen (Alter, Erwerbsdauer und sprachliches Umfeld) feststellbar sind (4.4.4). 4.4.1 MLU, UB, SD Mean length of utterances (MLU), upper bound (UB) und standard deviation (der Äusserungslängen) (SD) gehören als Gruppe zusammen, da sie alle auf demselben Kriterium basieren, der Länge der produzierten Äusserungseinheiten. In der folgenden Tabelle sind alle Resultate der Probanden und Probandinnen wiedergegeben. Diese Resultate werden ergänzt mit der jeweiligen Anzahl produzierter Äusserungen (N_U), den Rängen in Klammern, dem jeweiligen Durchschnitt der ganzen Gruppe (mean) sowie der Standardabweichung (sd) der jeweiligen Werte der Probanden und Probandinnen. 4.4 Individuelle Variabilität der Sprachproduktion 83 N_U MLU UB SD P1 45 6.38 (13) 19 (13) 3.65 (13) P2 62 8.79 (8) 30 (9) 5.32 (9) P3 41 4.76 (14) 9 (14) 1.7 (14) P4 87 10.15 (6) 41 (4) 6.99 (4) P5 103 19.53 (1) 86 (1) 19.27 (1) P6 82 10.44 (5) 66 (3) 9.78 (3) P7 88 8.22 (10) 24 (10) 4.3 (10) P8 56 11 (2) 39 (6) 6.1 (7) P9 69 7 (11) 23 (11) 4.24 (11) P10 56 8.43 (9) 35 (7) 5.94 (8) P11 66 6.86 (12) 23 (11) 3.93 (12) P12 91 10.6 (3) 71 (2) 11.49 (2) P13 114 9.75 (7) 41 (4) 6.9 (5) P14 80 10.59 (4) 33 (8) 6.38 (6) Mean 74.29 9.46 (7-8) 38.57 (6-7) 6.86 (5-6) SD 21.49 3.46 21.73 4.36 Tabelle 10: Resultate der Bestimmung von MLU, UB, SD Hervorzuheben ist hier: Obwohl die Bestimmung der UB und der SD die MLU differenzieren soll und weithin davon ausgegangen wird, dass sie das tut (vgl. 4.3), fällt auf, dass einige Probanden und Probandinnen in allen drei Analysen den selben Rang (P1, P3, P5, P7, P9) oder zumindest einen sehr ähnlichen Rang (P2, P4, P6, P12) erreichen. Die Korrelationswerte für MLU, UB und SD sind im Spearman’s rho-Korrelationstest entsprechend hochsignifikant (0.888 bis 0.984; vgl. Tabelle 10, Relevant ist hier und in den weiteren Spearman’s rho-Tabellen der correlation coefficient). Rein statistisch gesehen wären die drei Werte also austauschbar, weil man sagen kann: je grösser die MLU, je höher die UB, je grösser die SD und umgekehrt. Die aber nicht rein quantitative Berücksichtigung jedes Einzelfalls, der davon abweicht (v.a. P8, P13, P14), spricht weiterhin für die Bestimmung aller drei Werte. Schliesslich handelt es sich hier um ein eher kleines Sample. Erst wenn in Studien mit mehr Probanden und Probandinnen die Korrelationswerte wiederholt würden, wäre eindeutig in Frage zu stellen, ob die Bestimmung aller drei Masse sinnvoll ist. In Tabelle 9 fallen weiter 4 Individuelle Unterschiede im frühen Zweitspracherwerb 84 die sich zum Teil stark unterscheidenden Äusserungsanzahlen auf (N_U), die mit Werten zwischen 41 und 114 deutlich variieren. Dieses Resultat ist als Ausdruck der unterschiedlichen willingness to communicate (MacIntyre/ Clément et al. 1998, MacIntyre/ Baker et al. 2003) zu verstehen und darf nicht fälschlicherweise als Hinweis auf unterschiedliches achievement betrachtet werden. Spearman’s rho MLU UB SD MLU Correlation Coefficient 1.000 .888 ** .903 ** Sig. (2-tailed) . .000 .000 N 14 14 14 UB Correlation Coefficient .888 ** 1.000 .985 ** Sig. (2-tailed) .000 . .000 N 14 14 14 SD Correlation Coefficient .903 ** .985 ** 1.000 Sig. (2-tailed) .000 .000 . N 14 14 14 **. Correlation is significant at the 0.01 level (2-tailed) Tabelle 11: Spearman’s rho-Korrelationstest zu MLU, UB und SD 4.4.2 Types, Tokens, TTR Der entscheidende Wert der Types- und Tokens-Analyse ist die typestokens-ratio (TTR), die das Verhältnis von produzierten Wortformen zu insgesamt produzierten Wörtern angibt und damit ein Wert für die morphologische und lexikalische Vielseitigkeit der Sprachproduktion der Probanden und Probandinnen ist. Der theoretische Maximalwert liegt bei 1.0, in diesem Fall käme keine Wortform zweimal vor. Das heisst, je näher die TTR bei 1.0 liegt, desto mehr Variabilität in den analysierten Sprachdaten, desto höher das achievement. Wie gross die Summen an Types und Tokens allein sind, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. In diesen schlägt sich insbesondere nieder, dass die Probanden und Probandinnen zum Teil sehr unterschiedlich viel erzählen, also deren willingness to communicate (MacIntyre/ Clément et al. 1998, MacIntyre/ Baker et al. 2003) variieren, wie auch schon in der Anzahl Äusserungen pro Proband/ Probandin im oberen Abschnitt gesehen. Dies spiegelt sich insbesondere in der Anzahl Tokens von P5 und P3 (siehe Tabelle 11). 4.4 Individuelle Variabilität der Sprachproduktion 85 P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 SD types 228 241 165 378 560 353 338 340 251 258 241 375 379 350 97.56 Tokens 720 847 434 1371 2791 1314 1170 1004 807 817 715 1246 1466 1061 562.03 TTR .317 .285 .38 .276 .201 .269 .289 .339 .311 .316 .337 .301 .259 .33 0.043 Rang (TTR) 5 10 1 11 14 12 9 2 7 6 3 8 13 4 Tabelle 12: Types, Tokens, TTRs Interessant ist eine Korrelationsanalyse mit den Daten aus Tabelle 11: Wie Tabelle 12 zeigt, korrelieren im Spearman’s rho-Test die TTRs negativ mit Types und Tokens. Dieses Resultat bedeutet nicht einfach, dass eine hohe Anzahl Types und eine hohe Anzahl Tokens nicht auf eine hohe TTR hindeuten, sondern es bedeutet - weil die Werte negativ korrelieren -, dass bei einer hohen Anzahl Types und Tokens die TTR niedrig, also die Produktivität niedrig ist. Das muss vorsichtig interpretiert werden: Grundsätzlich ist denkbar, dass sich in diesem Ergebnis eine Art Kompensation spiegelt, dass also Kinder, die viel erzählen, lieber feste Einheiten verwenden, die in der Variabilität eher reduziert sind, denn eigentlich ist es ja schwer, lange Äusserungen zu produzieren. Sobald sie produktiver und in ihrer Sprachproduktion kreativer werden, produzieren Kinder zunächst wieder kürzere Äusserungen; die höhere Produktivität geht also zunächst auf Kosten längerer Formulierungen. Ein vergleichbares Ergebnis konnte in der Literatur aber nicht gefunden werden. Diese Erklärung wäre in einer grösseren Stichprobe noch zu überprüfen. Denn bei einem kleinen Sample kann eine Negativkorrelation durch einen einzigen Ausreisser entstehen, was in diesen Daten der Fall ist. Wenn man eine Modellrechnung ohne diesen Ausreisser anstellt, ist das Ergebnis keine Korrelation (diese Rechnung wird unter 4.5 gezeigt). Die Negativkorrelation ist also ein Artefakt der Stichprobe. Trotzdem ist eine positive Korrelation mit Sicherheit auszuschliessen. Das heisst, es kann weder von der Anzahl Types auf die Anzahl Tokens noch auf die TTRs geschlossen werden und der entscheidende Wert als Indikator für individuelles achievement bleibt die TTR. Spearman’s rho Types Tokens TTR Types Correlation Coefficient 1.000 .957 ** -.704 ** Sig. (2-tailed) . .000 .005 N 14 14 14 Tokens Correlation Coefficient .957 ** 1.000 -.829 ** Sig. (2-tailed) .000 . .000 4 Individuelle Unterschiede im frühen Zweitspracherwerb 86 Spearman’s rho Types Tokens TTR N 14 14 14 **. Correlation is significant at the 0.01 level (2-tailed); *. Correlation is significant at the 0.05 level (2-tailed). Tabelle 13: Korrelationstest für Types, Tokens und TTRs 4.4.3 Sprachprofilanalyse In der Sprachprofilanalyse werden die produzierten verbalen Teile je nach Komplexität einer der Stufen 0 bis 4 zugewiesen. Die Tabelle 13 enthält Beispiele für die fünf Stufen: Stufe 0 (Unvollst.) Stufe 1 (Finitum) Stufe 2 (Separar.) Stufe 3 (Inversion) Stufe 4 (NS) Mir erschte döt wo wie Boot was es usgseht das (P14) Der ist der beste (P13) Ich rutsch (P2) Die anderen haben sie verloren (P7) Jetzt kommt die Hase (P1) Weil es hell geworden ist (P3) Tabelle 14: Beispiele Sprachprofilstufen Der wesentliche Wert der Sprachprofilanalyse ist hier der Stufendurchschnitt. Liegt dieser höher, hat das Kind tendenziell komplexere verbale Teile produziert, liegt er niedriger, hat das Kind eher weniger komplexe verbale Teile produziert. Es haben aber alle Kinder mindestens einmal einen relativen Nebensatz mit finitem Verb in Endstellung (Stufe 4) realisiert. Ebenso sind bei fast allen (Ausnahme war P4) mindestens einmal verbale Teile als unvollständig und bruchstückhaft kodiert (Stufe 0). In folgender Tabelle sind die Ergebnisse zusammengefasst. Die Zahlen in Klammern zeigen dabei an, wie oft die jeweilige Stufe kodiert wurde. Der Wert vor der Klammer steht für den prozentualen Anteil der jeweiligen Stufe an der Anzahl insgesamt kodierter verbaler Teile pro Proband/ Probandin (N_V). Nur die Prozentwerte der Kinder sind vergleichbar, weil nicht bei allen gleich viele verbale Elemente kodiert sind. N_V Stufe 0 (Uvollst.) Stufe 1 (Finitum) Stufe 2 (Separar.) Stufe 3 (Invesion) Stufe 4 (NS) mittel_ stufe Rangmittel_ stufe P1 68 1.47 (1) 33.82 (23) 7.35 (5) 47.06 (32) 10.29 (7) 2.31 5 P2 91 7.69 (7) 16.48 (15) 12.09 (11) 54.95 (50) 8.79 (8) 2.41 3 P3 36 0 (0) 38.89 (14) 16.67 (6) 41.67 (15) 2.78 (1) 2.08 10 4.4 Individuelle Variabilität der Sprachproduktion 87 P4 154 1.30 (2) 26.62 (41) 13.64 (21) 46.10 (71) 12.34 (19) 2.42 2 P5 286 2.45 (7) 25.17 (72) 17.48 (50) 44.41 (127) 10.49 (30) 2.35 4 P6 127 3.94 (5) 33.07 (42) 15.75 (20) 43.31 (55) 3.94 (5) 2.10 9 P7 117 5.13 (6) 27.35 (32) 14.53 (17) 44.44 (52) 8.55 (10) 2.24 7 P8 83 1.20 (1) 25.30 (21) 8.43 (7) 50.60 (42) 14.46 (12) 2.52 1 P9 85 4.71 (4) 40 (34) 12.94 (11) 30.59 (26) 11.76 (10) 2.05 11 P10 90 7.78 (7) 33.33 (30) 8.89 (8) 48.89 (44) 1.11 (1) 2.02 12 P11 84 2.38 (2) 50 (42) 5.95 (5) 35.71 (30) 5.95 (5) 1.93 13 P12 152 12.5 (19) 32.89 (50) 10.53 (16) 38.82 (59) 5.26 (8) 1.91 14 P13 176 5.68 (10) 28.41 (50) 15.91 (28) 41.48 (73) 8.52 (15) 2.19 8 P14 124 7.26 (9) 25 (31) 8.87 (11) 46.77 (58) 12.10 (15) 2.31 5 Total 1673 4.78 (80) 29.71 (497) 12.91 (216) 43.87 (734) 8.73 (146) Tabelle 15: Sprachprofilanalyse: Stufen und Stufenmittelwerte Auch in diesen Resultaten wiederholt sich, dass die Kinder zum Teil sehr unterschiedlich viel erzählten und die Anzahl kodierbarer verbaler Teile (N_V) variiert stark zwischen 36 (P3) und 286 (P5). Die Stufenmittelwerte variieren zwischen 1.91 (P12) bis 2.52 (P8) mit einer Standardabweichung von 0.19. Weil Grießhaber selber lediglich eine Modusstufe bestimmt, fehlt es an Vergleichsdaten, anhand welcher man die Standardabweichung der Mittelstufen als gross oder weniger gross bezeichnen könnte. 4.4.4 Individuelle Unterschiede In diesem Abschnitt wird der mittlere achievement-Wert aus allen Analysen ermittelt, der insbesondere für die Diskussion des Zusammenhangs zwischen L2-Motivationen und L2-achievement wichtig sein wird (Kapitel 7). Hierzu werden zunächst zu den Resultaten der drei Analyseebenen Z-Werte berechnet. Bei der ersten dieser Ebenen kann von einer Analysegruppe gesprochen werden, da hier drei Werte (MLU/ UB/ SD) bestimmt wurden. Für diese Gruppe soll aber nur ein einzelner Z-Wert pro Proband/ ProbandIn als Grundlage für die weiteren Berechnungen stehen und nicht drei, also für MLU, UB und SD je einer. Das würde das Gleichgewicht der Methoden stören, weil für die anderen Ebenen nur ein Z-Wert errechnet wird. Nach der Bestimmung der MLU-, UB- und SD-Z-Werten ist also ein weiterer Z-Wert aus diesen dreien zu bilden. Dazu wird der Durchschnitt der Z-Werte zu den MLU-, UB- und SD-Resultaten seinerseits standardisiert, wodurch er wieder zu einem vergleichbaren Z-Wert wird. Siehe dazu Tabelle 13: Sie enthält 4 Individuelle Unterschiede im frühen Zweitspracherwerb 88 neben den Z-Werten zu MLU, UB und SD, den Durchschnitt dieser Werte (mittel_z_nicht_standardisiert) und schliesslich den vorläufigen Endwert (z_mittel). P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 z_MLU -0.89 -0.19 -1.36 0.20 2.91 0.28 -0.36 0.44 -0.71 -0.30 -0.75 0.33 0.08 0.32 z_UB -0.90 -0.39 -1.36 0.11 2.18 1.26 -0.67 0.02 -0.72 -0.16 -0.72 1.49 0.11 -0.26 z_SD -0.74 -0.35 -1.18 0.03 2.85 0.67 -0.59 -0.17 -0.60 -0.21 -0.67 1.06 0.01 -0.11 mittel_z_nicht_standardisiert -0.84 -0.31 -1.30 0.11 2.65 0.74 -0.54 0.10 -0.68 -0.22 -0.71 0.96 0.07 -0.01 z_mittel -0.87 -0.32 -1.34 0.12 2.72 0.76 -0.55 0.10 -0.69 -0.23 -0.73 0.99 0.07 -0.01 Tabelle 16: Z-Werte zu MLU, UB und SD Für die Types-Tokens-Analyse ist ein Z-Wert zur TTR zu bilden, für die Sprachprofilanalyse einer zur Mittel-Stufe. Diese Z-Werte sind in der folgenden Tabelle wiedergegeben. P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 z_ttr 0.38 -0.36 1.84 -0.57 -2.31 -0.73 -0.27 0.89 0.24 0.35 0.84 0.01 -0.97 0.68 z_mittel_ stufe 0.56 1.08 -0.64 1.13 0.77 -0.54 0.19 1.65 -0.80 -0.95 -1.42 -1.52 -0.07 0.56 Tabelle 17: Z-Werte zu TTR (z_ttr) und Sprachprofil (z_mittel_stufe) Mit den Z-Werten der drei Analyseebenen wird gleich verfahren wie mit den Z-Werten zu MLU, UB und SD, um den endgültigen, gemittelten und standardisierten achievement Wert zu erhalten: Aus den drei Werten (z_mittel, z_ttr, z_mittel_stufe) wird ein Durchschnitt gebildet, der wieder zu einem Z- Wert transformiert wird (z_mean). Diese z-mean-scores sind in der nächsten Tabelle zusammen mit den z-mean-Rängen aufgeführt, die insbesondere für die Diskussion des Zusammenhangs von L2-Motivationen und L2-achievement in Kapitel 7 relevant sein werden. P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 z_mean 0.06 0.35 -0.13 0.60 1.05 -0.46 -0.56 2.35 -1.12 -0.74 -1.17 -0.47 -0.86 1.09 Rang 6 5 7 4 3 8 10 1 13 11 14 9 12 2 Tabelle 18: Z-mean-scores, z-mean-Ränge 4.5 Zur Kombination der Analyseebenen 89 4.5 Zur Kombination der Analyseebenen In diesem Abschnitt sollen die beiden Hypothesen dieses Kapitels geprüft werden. Jene, wonach von individuellen Erwerbsunterschieden trotz vergleichbarer Erwerbsbedingungen ausgegangen wird, was eine Grundvoraussetzung für die Untersuchung von L2-Motivationen darstellt, sowie die zweite, wonach sich MLU-/ UB-/ SD- und TTR-Werte sowie die Sprachprofilanalyse auf unterschiedliche sprachliche Fähigkeiten beziehen und demnach nicht oder nur teilweise korrelieren, weswegen die Analyse auf allen drei Ebenen sinnvoll ist und einen Mehrwert darstellt. Zur Überprüfung der zweiten Hypothese werden in diesem Abschnitt zunächst Korrelationstest zu den oben erlangten Resultaten durchgeführt. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse sowie mit Bezug auf die gemittelten achievement-Werte der Probanden und Probandinnen wird die erste Hypothese diskutiert. So viel vorweg: Die Resultate der Analyseebenen korrelierten nicht (vgl. folgende Tabellen), was bedeutet, dass die Kombination mehrerer Analysen sinnvoll und notwendig ist, um ein differenziertes Gesamtergebnis zur allgemeinen Sprachkompetenz der Probanden und Probandinnen zu erhalten. Darauf haben beispielsweise auch schon Peltzer-Karpf/ Zangl (1998) in ihrer Studie zur Dynamik frühen Fremdsprachenerwerbs hingewiesen. Dass die Ergebnisse der Analyseebenen nicht korrelieren, ist zudem Indikator dafür, dass mit Bezug auf die achievement-Werte von individuellen Erwerbsunterschieden ausgegangen werden kann, dass die erste Hypothese also zutrifft. Dass die Resultate der einzelnen Analysen nicht korrelieren, ist wenig überraschend, denn schliesslich basiert jede Analyseebene auf einer anderen sprachlichen Teilkompetenz. Und dass längere Äusserungen, die möglicherweise auf sehr gute kommunikative Fähigkeiten hinweisen, nicht zwingend mit einer grossen Produktivität (morphologische und lexikalische Vielseitigkeit) und/ oder syntaktischer Komplexität korreliert, bestätigt sich mit diesem Ergebnis. Diesen Schluss legen die folgenden Korrelationstests nahe. Die erste Tabelle hierzu (Tabelle 18) zeigt die Ergebnisse des Spearman’s rho- Tests zur Korrelation von MLU/ UB/ SD (z_mittel) und TTR. Spearman’s rho Types Tokens TTR z_mittel Types Correlation Coefficient 1.000 .957 ** -.704 ** .906 ** Sig. (2-tailed) . .000 .005 .000 N 14 14 14 14 Tokens Correlation Coefficient .957 ** 1.000 -.829 ** .873 ** Sig. (2-tailed) .000 . .000 .000 N 14 14 14 14 4 Individuelle Unterschiede im frühen Zweitspracherwerb 90 TTR Correlation Coefficient -.704 ** -.829 ** 1.000 -.622 * Sig. (2-tailed) .005 .000 . .018 N 14 14 14 14 **. Correlation is significant at the 0.01 level (2-tailed); *. Correlation is significant at the 0.05 level (2-tailed). Tabelle 19: Korrelationstest z_mittel (MLU, UB, SD) und TTR Zum einen zeigt diese Tabelle, dass der Umfang der Sprachproduktion (ersichtlich in der Anzahl Types und Tokens) nicht mit der TTR, also mit morphologischer und lexikalischer Variabilität bzw. Produktivität, korreliert - was schon in der Types-Tokens-Analyse festgestellt wurde. Auch wiederholt die Tabelle, dass es zwischen TTR und Types sowie zwischen TTR und Tokens sogar hochsignifikante Negativkorrelationen gibt (-0.704 bzw. -0.829). Ein vergleichbares Resultat zeigt sich mit Bezug auf z_mittel (MLU, UB, SD). Der Wert z_mittel, der ähnlich wie die Anzahl Types und Tokens auf den Umfang der Sprachproduktion hinweist, korreliert immer noch signifikant negativ mit TTR (-0.622). Die Statistik sagt hier also aus: Je länger die Äusserungen, desto geringer die morphologische und lexikalische Variabilität bzw. je kürzer die Äusserungen, desto grösser die morphologische und lexikalische Variabilität. Der Äusserungslänge als Indikator haftet schon lange an, dass sie die tatsächliche Komplexität von Äusserungen nicht hinreichend widerspiegeln kann (vgl. 4.3). Dass sie das wirklich nicht tut, ist mit diesem Ergebnis eindeutig bestätigt. Zur Negativkorrelation bleibt trotzdem noch zu bemerken: Wie oben schon angemerkt wurde, ist durchaus denkbar, dass sich in diesem Resultat spiegelt, dass es (zu mindest zu diesem Zeitpunkt im Spracherwerb) schwieriger ist, längere Äusserungen zu produzieren als kürzere, was auf Kosten der Produktivität geht, und es ist denkbar, dass Kinder, die längere Äusserungen produzieren, sich dafür vor allem an einfache Muster, möglicherweise einige feste Einheiten, halten, während eine höhere Produktivität (und möglicherweise das Sprengen fester Einheiten) auf Kosten der Äusserungslängen geht. Es kann aber bei diesem eher kleinen Sample auch eine statistische Verzerrung aufgrund eines einzelnen Ausreissers nicht ausgeschlossen werden. Das ist hier auch der Fall - was die geäusserte Vermutung aber nicht eindeutig ausschliesst. Die statistische Verzerrung kann in folgender Grafik zum Verhältnis von Types und Tokens sichtbar gemacht werden. 4.5 Zur Kombination der Analyseebenen 91 Abbildung 1: Verhältnis von Types und Tokens Das Statistikprogramm von SPSS, mit dem für diese Studie gearbeitet wird, rechnet für Korrelationsanalysen mit virtuellen, durchschnittlichen Types- und Tokens-Werten. „Virtuell“ deswegen, weil sie nicht den realen Werten entsprechen. In obiger Grafik bildet die durchgezogene Gerade jenen virtuellen Wert ab, mit dem im Korrelationstest gerechnet wird. Diese Gerade stimmt aber nur statistisch. Den realen Werten kann sie nicht entsprechen, was daran abzulesen ist, dass sie bei 0 Types bei unter 0 Tokens liegt - was ja nicht sein kann. Diese Verzerrung ist verursacht durch den Ausreisser rechts oben. Wenn man eine Modellrechnung ohne diesen Ausreisser anstellt, entspricht der rechnerische Durchschnittswert der durchbrochenen Geraden, die durch den Punkt 0/ 0 geht. Diese Verzerrung verursacht die Negativkorrelation, die demnach ein Artefakt der Statistik ist. Die TTR ist für Korrelationstests also grundsätzlich eher „fehleranfällig“. Gerade bei einem eher kleinen Sample müssen die Ergebnisse sehr vorsichtig interpretiert werden. Für die vorliegende Studie ist das aber nicht gravierend. Denn in Bezug auf die Frage, um die es hier geht, ob die durchgeführten Sprachstandsanalysen tatsächlich unterschiedliche Resultate hervorbringen, ist hier nur entscheidend, ob die Werte korrelieren oder nicht, es ist aber nicht entscheiden ob sie 4 Individuelle Unterschiede im frühen Zweitspracherwerb 92 nicht oder negativ korrelieren. Und eine positive Korrelation von TTR und Äusserungslänge kann eindeutig ausgeschlossen werden. Auch die Ergebnisse der Sprachprofilanalyse (mittel_stufe) wurden mit jenen der anderen Analysen korreliert, was keine signifikanten Werte (-0.189 bzw. 0.231) hervorbrachte (vgl. Tabelle 19). Das bedeutet, dass weder die Types- und Tokens-Analysen noch die Analysen aufgrund der Äusserungslängen in Zusammenhang mit der syntaktischen Komplexität der produzierten verbalen Teile stehen. Die Sprachprofilanalyse differenziert im Sinne eines möglichst vielseitigen Gesamtresultats die beiden ersten Analyseebenen demnach weiter und bestätigt die zweite Hypothese dieses Kapitels. Spearman’s rho ttr z_mittel mittel_stufe ttr Correlation Coefficient 1.000 -.622 * -.189 Sig. (2-tailed) . .018 .517 N 14 14 14 z_mittel Correlation Coefficient -.622 * 1.000 .231 Sig. (2-tailed) .018 . .427 N 14 14 14 Tabelle 20: Korrelationstest Sprachprofilanalyse, TTR und Äusserungslänge Die erste Hypothese dieses Kapitels ist nicht einfach zu beantworten. Das Problem liegt darin, dass man unweigerlich auf die Frage stösst, wann individuelle Unterschiede signifikant sind. Zwar erreichen alle Probanden und Probandinnen auf allen drei Analyseebenen teilweise sehr unterschiedliche Werte (wie unter 4.4.1 bis 4.4.3 gezeigt) und der standardisierte Durchschnittswert, der für das individuelle achievement steht, variiert zwischen -1.17 (P11) und 2.35 (P8) (vgl. Tabelle 17). Aber mangels Vergleichswerten kann keine Aussage dazu gemacht werden, ob die Unterschiede gross oder klein sind. Sie sind aber wohl zu konstatieren. 4.6 Zusammenfassung Zwei Hypothesen leiteten dieses Kapitel: (1) Obwohl die Probanden und Probandinnen dieser Studie unter vergleichbaren Erwerbsbedingung ihre L2 lernen (Alter, Erwerbsdauer, sprachliches Umfeld) und ihr L2-Erwerb sowohl eine soziale Notwendigkeit (Migration) als auch eine soziale Normalität (die Schulklassen bestehen zu über 90% aus fremdsprachigen Kindern) darstellt, sind individuelle Unterschiede in den bis zum Zeitpunkt der Erhebungen erworbenen zweitsprachlichen Kenntnissen feststellbar. (2) MLU/ UB-/ SD- und TTR-Werte sowie die Sprachprofilanalyseresultate beziehen 4.6 Zusammenfassung 93 sich auf unterschiedliche sprachliche Fähigkeiten und korrelieren nicht oder nur teilweise. Ein einzelner Wert spiegelt die sprachlichen Kenntnisse der Probanden und Probandinnen nicht ausreichend wider und zum Zweck einer allgemeinen Aussage über das zweitsprachliche achievement von Lernenden (also nicht mit besonderem Bezug auf ein isoliertes sprachliches Element), sollten unterschiedliche, selbstverständlich reliable und valide Werte ermittelt werden. Nachdem die angewendeten Analyseebenen und deren Aussagewert dargestellt sowie die Kombination der Herangehensweisen argumentiert wurden (4.4), wurden die Ergebnisse der Analyen diskutiert (4.5). In Bezug auf die Frage, ob die Hypothese, dass individuelle Unterschiede vorkommen, zu bestätigen ist, stellte sich eine Interpretationsschwierigkeit. Denn mangels Vergleichswerten kann nicht beantwortet werden, welche Streuung der Daten normal ist und ab wann die Streuung auf signifikante Unterschiede hinweist. Das ist aber in erster Linie ein theoretisches Statistikproblem, denn bei standardisierten Durchschnittswerten zwischen -1.17 (P11) und 2.35 (P8) können individuelle Erwerbsunterschiede wohl konstatiert werden. In den zugrunde liegenden Ausgangsresultaten sind diese Unterschiede noch deutlicher, beispielsweise in den MLU-Werten zwischen 4.76 und 11, den TTR-Werten zwischen 0.201 bis 0.38 (ein Wert >1 ist nicht möglich) und den Sprachprofilmittelstufen zwischen 1.91 bis 2.52 (ein Wert >4 ist nicht möglich). Anhand von Spearman’s rho-Korrelationstests zu den drei Analyseebenen konnte auch die zweite Hypothese bestätigt werden. Das wesentliche Resultat ist, dass die Ergebnisse der drei Ebenen nicht korrelieren, was die theoretisch und empirisch erwartete Annahme unterstützt, dass sie sich je auf unterschiedliche sprachliche Teilkompetenzen beziehen. Ausserdem heben sich die Ergebnisse der Ebenen nicht auf, weswegen die Kombination der Herangehensweisen als sinnvoll und zielführend bewertet werden kann (vgl. auch Peltzer-Karpf/ Zangl 1998, die zu einem vergleichbaren Schluss kamen). Ein wertvolles Nebenergebnis betrifft die Methode: Denn die Korrelationsanalyse zu Types, Tokens und TTR hat gezeigt, dass TTR-Werte sensibel sind für Korrelationstests und - gerade bei kleinen Samples - Ergebnisse verzerren können. Das kommt dadurch zustande, dass das Statistikprogramm SPSS, mit dem in dieser Studie gearbeitet wird, mit virtuellen TTR-Durchschnittswerten rechnet, die aufgrund eines einzelnen Ausreissers, den es in der Regel immer gibt, Ergebnisse verzerren können. Im Fall dieser Arbeit führt dies zu einer Negativkorrelation, obwohl eigentlich keine Korrelation das richtige Ergebnis gewesen wäre. Das fiel hier aber nicht ins Gewicht, da ausgeschlossen werden konnte, dass die Daten nicht positiv korrelieren. 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar Die L2-Motivationsforschung hat den frühen Zweitspracherwerb bisher nicht näher untersucht, worauf schon hingewiesen wurde. In diesem Kapitel wird deshalb zunächst untersucht, welche Motivationen in diesem speziellen Kontext überhaupt wirken - denn Motivationen sind in einem hohen Grad kontextabhängig. Ein Beispiel: Jugendliche, die in der Schule eine Fremdsprache lernen, weil der Lehrplan es so vorsieht, wollen am Ende des Schuljahres eine genügende Note im Zeugnis haben. Für alle wirken Noten als Motivatoren - wenn auch mehr oder weniger stark (schlechte Noten in einem Fach können ja mit guten Noten in einem anderen kompensiert werden.) Individuelle Motivatoren wie persönliche Interessen oder ein besonderer Bezug zur Zielsprache (Ferien, Brieffreundschaften, geplante Auslandsaufenthalte u.a.) können hinzu kommen. Wenn aber ein Kind in der Migration eine Zweitsprache lernt, dann ist an den Erwerb oft - ob normalerweise oder idealerweise, das soll hier nicht zur Debatte stehen - zunächst die soziale Integration (Kontakt zu anderen Kindern bereits im Kindergarten oder gar schon vorher im Wohnquartier) geknüpft, aber erst später und vor allem „nur“ indirekt der Schulerfolg. In diesem Kontext ist die zu lernende Sprache ja in erster Linie Medium des Unterrichts (Sprache der Vermittlung) und nicht Gegenstand des Unterrichts, wie es im Fremdsprachenunterricht der Fall ist. In der Migration muss die Zielsprache auch als alltägliche Umgangssprache benutzt werden können, als „Mittel zum Zweck“, was eine Motivation darstellen kann, die in der bisherigen Forschung nicht benannt wurde (vgl. Kapitel 3). 5.1 Hypothese Es stellt sich jetzt die Frage, ob die bisher bekannten L2-Motivationen auch im frühen L2-Erwerb belegbar sind, wenn ja, welche und welche kontextbedingten Charakteristika dabei identifiziert werden können. Die bisher in Untersuchungen zum Thema ermittelten L2-Motivationen (vgl. Kapitel 3) können nicht problemlos auf andere Erwerbskontexte übertragen werden. Der Grund liegt hauptsächlich in dem zentralen Unterschied zwischen Fremd- und Zweitspracherwerb, also dem (weitestgehend) rein formalen Unterricht mit Hausaufgaben und Prüfungen auf der einen Seite und der sozialen Notwendigkeit mit informellen und formellen Erwerbskontexten auf der anderen Seite. Dass zum Erwerb einer Sprache, dem aktiven „Üben“ oder schlicht der (unbewussten) Offenheit für zielsprachlichen Input je nach Ausgangsbedingung (Fremd- oder Zweitspracherwerb) un- 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 96 terschiedliche Motivationen beitragen, liegt auf der Hand. Ein kurzes Beispiel wird genügen: Jugendliche, die in der Schule eine Fremdsprache lernen, müssen dies einzig und allein, weil es im Lehrplan steht und sie am Ende des Schuljahres die Klasse nicht wiederholen wollen. Für alle werden also Noten als Motivatoren wirken - mehr oder weniger stark, denn schlechte Noten in einem Fach können ja mit guten Noten in einem anderen kompensiert werden. Als individuelle Motivatoren können persönliche Interessen der SchülerInnen hinzu kommen, ein Bezug zur Zielsprache aufgrund einer beliebten Feriendestination, weil ein Auslandjahr bevor steht und andere. Wenn ein Kind in der Migration eine Zweitsprache lernt, dann zwar auch, um in der Schule weiterzukommen, jedoch stellt die Kenntnis der Zweitsprache eine Bedingung für alle Fächer dar und später (in der Regel) die Bedingung für den Übertritt in den Berufsalltag. Zudem ist daran oft auch die soziale Integration geknüpft - ob normalerweise oder idealerweise, das soll hier nicht zur Debatte stehen. In jedem Fall muss die Zielsprache auch als alltägliche Umgangssprache benutzt werden können, als „Mittel zum Zweck“, was einen Motivator darstellen kann, der in der bisherigen Forschung nicht benannt wurde (vgl. Kapitel 3). Die Hypothese dieses Kapitels lautet daher: L2-Motivationen im frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb (nachfolgend „frühe L2-Motivationen“) unterscheiden sich davon, wie L2- Motivationen in der bisherigen Forschung auf der Grundlage von Fremdspracherwerbskontexten beschrieben worden sind. Um spezifische Unterschiede sichtbar machen zu können und zwischen kontextspezifischen und kontextunspezifischen Komponenten unterscheiden zu können, werden die Daten dem dreistufigen Modell der L2-Motivationen nach Dörnyei (1994a) folgend untersucht. Die drei Analyseebenen, die sich daraus ergeben, beziehen sich auf unterschiedliche Kategorien motivationaler Aspekte: auf die Zielsprache an sich (language level), auf Persönlichkeitseigenschaften, die in motivationalen Prozessen zum Tragen kommen (learner level) sowie auf den Erwerbskontext (learning situation level). Auf allen drei Ebenen sind kontextspezifische Charakteristika zu erwarten. Nicht nur mit Bezug auf die Zielsprache und den Erwerbskontext, sondern ebenso mit Bezug auf Persönlichkeitseigenschaften, die sich motivational auswirken können. Auf den ersten Blick mag für Persönlichkeitseigenschaften (wie Sprachgebrauchsangst, Selbstbewusstsein u.a.; unten ausführlich) keine Kontextabhängigkeit erwartet werden, denn Lernende sind nun mal mehr oder weniger „sprachgebrauchsscheu“ oder mehr oder weniger selbstbewusst. Ein Einfluss dieser Aspekte ist aufgrund der Forschungslage aber eher in formalen Kontexten zu erwarten, wenn bewusstes Lernen erfordert ist und Prüfungssituationen stattfinden (vgl. die Ausführungen unter 3.3.3). Zum 5.2 Methode 97 Zeitpunkt dieser Untersuchung stehen die Probanden und Probandinnen aber erst am Anfang der zweiten Primarschulklasse, in der Prüfungsdruck noch nicht zu erwarten ist und noch weniger bewusstes Lernen. Dagegen überwiegen spielerische Erwerbskontexte, auch in der Schule, für die eher unbewusstes Lernen anzunehmen ist. So vermutete beispielsweise auch schon Dörnyei (1990) in einem frühen Artikel. 5.2 Methode 5.2.1 Datengrundlage Die Datenbasis für die Untersuchung früher L2-Motivationen bilden halbstrukturierte Leitfadeninterviews, die mit allen Probanden und Probandinnen (charakterisiert wurden sie unter 4.1.3) einzeln geführt wurden. Die Befragungen wurden auf zwei Zeitpunkte aufgeteilt, denn ein einzelnes Gespräch sollte für die Kinder nicht zu lange dauern. Die Interviews wurden literarisch transkribiert, die Transkripte bilden die Analysegrundlage. 5.2.2 Leitfadeninterviews Frühe L2-Motivationen waren noch nicht Gegenstand der Forschung, bisher wurde mit Jugendlichen und Erwachsenen zum Thema gearbeitet. Das hat in Bezug auf die Methodik zur Folge, dass kein standardisierter Fragebogen, ob zur mündlichen oder schriftlichen Durchführung, übernommen werden konnte: In inhaltlicher sowie in formaler Hinsicht sind Kinderbefragungen anders zu planen (mehr dazu unten). Übernommen wurden die grundlegenden Themenbereiche, die unter L2-Motivationen zusammengefasst werden. Als theoretischer und analytischer Rahmen wurde das dreistufige Modell von Dörnyei (1994a) adaptiert, das im theoretischen Kapitel 3 ausführlich besprochen wurde. Inhalt Die drei Dimensionen des adaptierten Modells betreffen (1) die Sprache an sich bzw. instrumentelle und integrative motivationale Komponenten mit Bezug auf die L2 und die Mehrsprachigkeit generell (language level), (2) die Lernenden mit ihren spezifischen Persönlichkeitsfaktoren wie Selbstbewusstsein oder Sprachbenutzungshemmung (learner level) sowie (3) den Spracherwerbskontext (learning situation level), zu dem familienspezifische, peergroupbzw. schulklassenspezifische, lehrpersonenspezifische und unterrichtsspezifische Aspekte zählen. Weil, wie oben schon gesagt wurde, frühe L2-Motivationen ein noch unerforschtes Feld darstellen, ist die Befragung sehr breit angelegt und bezieht sich auf alle drei Ebenen. Eine Ein- 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 98 schränkung auf nur eine der Ebenen wäre beim aktuellen Forschungsstand zu einseitig gewesen und könnte die Frage, welches kontextbedingte Charakteristika sind, nicht beantworten. Dörnyeis Modell bezieht sich aber - worauf schon hingewiesen wurde - stark auf den schulischen Kontext, weswegen genauso wenig sinnvoll wäre, jede einzelne Komponente in Fragen umzumünzen. Folgendes ist in der Befragung umgesetzt: Das language level dreht sich um Motivationen, die in unmittelbarem Bezug zur Zielsprache sowie zu „fremden“ Sprachen im Allgemeinen stehen. Eine wesentliche Rolle spielen hier affektive und attitudinale Aspekte (persönliche Interessen, Präferenzen etc.). Die wichtigsten theoretischen Bezugspunkte sind die Konzepte der „integrativen Orientierung“ und „instrumentellen Motivation“ (vgl. Kapitel 3). Die Konzeptionierung des language level ist bei Dörnyei (1994a) verhältnismässig unspezifisch und allgemein gefasst. Entsprechend allgemein sind die Leitfragen dazu. Sie lauten: Magst du Deutsch? Sprichst du lieber ... (die jeweilige L1) oder Deutsch? Welches sind die Gründe? Wie findest du es, dass du zwei Sprachen kannst? Welches sind die Gründe? Findest du es praktisch, dass du zwei Sprachen kannst? Kennst du noch andere Sprachen? Wenn du Deutsch sprichst, warum sprichst du dann Deutsch? Die Fragen zum learner level betreffen das Selbstbewusstsein der Kinder, die „Erfolgserwartung“ (gefasst als „Schwierigkeitsempfinden“ der Aufgaben und des Unterrichts) sowie ihre Sprachgebrauchshemmung. Die Leitfragen sind auf die gesamte Schulsituation bezogen und lauten: Meldest du dich gerne, wenn deine Lehrerin etwas fragt? Bist du manchmal unsicher, wenn deine Lehrerin etwas fragt? Bist du manchmal unsicher, wenn du Deutsch redest? Wenn ja, so sehr, dass du dich manchmal nicht traust, etwas zu sagen? Sind andere Kinder in deiner Klasse besser als du in Deutsch? Hast du viele Freunde in der Klasse? (Hier ist natürlich nicht eine absolute Zahl von Interesse, sondern die subjektive Einschätzung der Kinder.) Findest du die Hausaufgaben einfach oder schwierig? Findest du die Schule manchmal schwierig? Hast du manchmal Angst, einen Fehler zu machen? Kommt es manchmal vor, dass dir ein Wort auf Deutsch nicht einfällt? Was tust du dann? Die Leitfragen zum learning situation level betreffen insbesondere Schule und Unterricht, als primären Kontext des Deutschgebrauchs der Probandinnen und Probanden sowie die Familie und den Umgang mit Sprachen in der Familie. Die Leitfragen lauten: Gehst du gerne zur Schule? Lernst du dort viel? Findest du toll, was du dort lernst? Hilft dir jemand bei den Hausaufgaben? Wer? Wie finden deine Eltern, dass du Deutsch lernst? Finden deine Eltern wichtig, dass du Deutsch lernst? Finden deine Eltern wichtig, dass du ... (die jeweilige L1) lernst? Lernen deine Eltern auch Deutsch? Hilft dir jemand bei den Hausaufgaben? 5.2 Methode 99 Fragen zu den Lehrpersonen sind nicht explizit vorgesehen, da zwei Drittel der Probanden und Probandinnen eine Klasse besuchten, in denen sich zwei Lehrpersonen die Aufgabe der Klassenleitung teilten, der DaZ- Unterricht fand wieder bei einer anderen Lehrperson statt, zudem kamen im Verlauf der Untersuchung Lehrersowie Klassenwechsel vor. Diese Bedingungen machen es praktisch unmöglich, systematisch und konsistent motivationale Aspekte im Zusammenhang mit einer Lehrperson zu untersuchen. Gerade der Lehrpersonenwechsel ist eine in der Analyse unberechenbare Grösse und kann eine besondere motivationale Dynamik nach sich ziehen. Form Als Form wird das halbstrukturierte mündliche Leitfadeninterview angewendet. Kennzeichnend für diese Methode ist, dass ein Leitfaden mit offen formulierten Fragen dem Interview zugrunde liegt, es kann also frei geantwortet werden. Durch den konsequenten Einsatz des Leitfadens sind die gewonnenen Daten vergleichbar und es wird sichergestellt, dass im Interviewverlauf keine zentralen Aspekte ausgelassen werden. Der Leitfaden dient als Gerüst, als eine Art flexible Richtschnur, stellt aber keinen fixen, nicht zu verlassenden Ablaufplan dar: Das Interview muss nicht strikt nach der zuvor festgelegten Reihenfolge verlaufen, auch kann der/ die InterviewerIn situativ entscheiden, ob ausholende Ausführungen der Befragten unterstützt werden, ob und wann detailliert nachgefragt und wann zum Leitfaden zurückgekehrt wird (vgl. z.B. Flick 1999: 112ff., 2009: 149ff., Mayer 2008: 37f.). Diese Form ermöglicht es also, auf die Kinder individuell einzugehen und sicher zu stellen, dass sie die Fragen inhaltlich und sprachlich verstehen. Ausserdem entsteht eine natürliche und den Kindern bereits vertraute Gesprächssituation. Diese beiden Kriterien sind zentral für die Befragung von Kindern (vgl. z.B. Garbarino/ Stott 1990, Docherty/ Sandelowski 1999, Villa/ Reitman 2007). Eine schriftliche Befragung wäre den schriftsprachlichen Fähigkeiten der Kinder zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht angemessen. Die meisten Fragen sind so formuliert, dass die Kinder auch Antworten geben können, die über den Fokus der verwendeten Theorie und der aktuellen Untersuchung hinausgehen, denn jedes Antwortangebot wird zwangsläufig durch den Filter der Theorie gemacht und könnte den Blick auf etwas aus der kindlichen Perspektive Wichtigeres versperren. Wenn ein Kind Mühe zeigt mit einer der schwierigen Fragen, dann werden zurückhaltend einige Antwortangebote gemacht. Wenn ein Kind beispielsweise mit der Frage „Wie findest du es, dass du zwei Sprachen kannst? “ scheinbar nichts anzufangen weiss, dann werden in zufälliger Reihenfolge positive und negative Angebote gemacht: „gut“, „praktisch“, 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 100 „einfach“ respektive „komisch“ oder „schwierig“. Wo es angebracht ist, wenn ein Kind beispielsweise nur „nachzuplappern“ scheint, wird nachgefragt, wenn notwendig mehrmals. Bei Neigungsfragen (z.B. „was magst du lieber? “) wird als Hilfestellung eine einfache Lickert-Skala mit den Symbolen / ++/ , / +/ , / -/ und / --/ angeboten, aber auch hier kann frei geantwortet werden. Die Bedeutung der Plus- und der Minus-Seite wird immer wieder umgedreht, um keine Erwartung zu suggerieren. 5.2.3 Qualitative Inhaltsanalyse Ausgewertet werden die Interviews anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (z.B. 1985, 2002, 2008, Mayring/ Gläser-Zikuda 2005, Mayring/ Brunner 2006, 2009, 2010), wobei MAXQDA 9 verwendet wird. Der Kern der qualitativen Inhaltsanalyse sind die Kategorien, die in der Art von Kurzformulierungen die Analyseaspekte darstellen (Mayring/ Brunner 2010: 325). Der zentrale qualitative Analyseschritt liegt hierbei im Kodieren, also in der Zuordnung von Textstellen zu Kategorien. Grundsätzlich sind zwei Vorgehensweisen zu unterscheiden: Zum einen das vorab theoriegeleitete Festlegen von Kategorien, nach denen die zu analysierenden Texte durchsucht werden (deduktive Kategorienanwendung), zum anderen das textbasierte Entwickeln von Kategorien aus dem zu untersuchenden Material heraus (induktive Kategorienbildung; vgl. ebd.: 327). In dieser Arbeit werden die deduktive Kategorienanwendung und die induktive Kategorienbildung kombiniert. Der Vorteil dieser letzteren der Varianten liegt darin, dass ein offenerer Blick auf das Material erlaubt wird, während ein vorab festgelegtes Kategoriensystem dazu führen kann, dass Aspekte übersehen werden, die nicht in das theoretisch festgelegte Konstrukt passen. Das ist vor allem in der Feldforschung wichtig, wenn erst wenig Wissen zum Untersuchungsgegenstand verfügbar ist. Mit mehr Vorwissen ist die theoriegeleitete Arbeitsweise oft zielführender, da sie von Anfang an eine recht differenzierte und feinmaschige Analyse erlaubt. Mit ausschliesslich deduktiven Kategoriensystemen wird jedoch vor allem in der quantitativen Forschung gearbeitet. In der qualitativen Arbeit werden die beiden Möglichkeiten oft kombiniert. Das bietet sich für die vorliegen- 9 MAXQDA ist eine Software zur Unterstützung der qualitativen Analyse von Textdaten, der systematischen Auswertung und Interpretation sowie der Herausarbeitung und Prüfung theoretischer Schlussfolgerungen. MAXQDA wird in verschiedenen Wissenschafts- und Praxisfeldern eingesetzt, beispielsweise auch in der Psychologie, der Soziologie, der Politikwissenschaft oder der Psychotherapie, darüber hinaus auch im Marketing oder den Wirtschaftswissenschaften. Es bietet weitestgehend mit dem Programm atlas.ti vergleichbare Möglichkeiten. (Für weitere Informationen sei auf die beiden Produkthomepages verwiesen: www.maxqda.de, www.atlasti.com/ de/ ; vgl. auch Kuckartz 1999, 2007). 5.2 Methode 101 de Arbeit an: Denn zwar sind L2-Motivationen schon relativ gut erforscht, jedoch vor allem für den Fremdspracherwerb und insbesondere noch nicht für Kinder. Weil hier aber die Hypothese vertreten wird, dass sich L2- Motivationen im frühen Zweitspracherwerb in der Migration von den bisher benannten motivationalen Komponenten unterscheiden, darf das Kategoriensystem nicht zu strikt auf jene bekannten Grössen ausgerichtet sein und muss Abweichungen sichtbar machen können. Das bedeutet konkret, dass im Sinne der deduktiven Kategorienanwendung zuerst ein Teil der Kategorien theoriegeleitet zu definieren war (anhand Dörnyeis, 1994a, dreistufigem Modell - wie oben schon begründet wurde), das Material aber nicht allein auf diese Kategorien hin durchsucht wurde, um weitere Kategorien aus den Daten (induktiv) abzuleiten (vgl. 5.2.5). Reliabilität Zur Gewährleistung der Objektivität und Reliabilität der Analyse werden die Kodierungen mindestens einer weiteren Person, die in die Theorie des Themas sowie in den Kodierleitfaden eingeführt wurde, zur Prüfung auf Unstimmigkeiten und Widersprüche, inkonsequente oder uneindeutige Zuweisungen vorgelegt (Mayring/ Brunner 2009: 678). So wird sichergestellt, dass Kategoriensystem und Kodierregeln intersubjektiv nachvollziehbar, transparent und systematisch sind (Intercoder-Reliabilität). Unstimmigkeiten werden diskutiert, gegebenenfalls korrigiert oder in der Analysediskussion vermerkt und kommentiert. Darüber hinaus gilt so oder so, dass Forschende ihr eigenes Material eine kurze Zeit nach der ersten Kodierung ein zweites Mal kodieren, um sicherzustellen, dass die eigenen Zuweisungen auch einen selbst nach einer gewissen Zeit noch überzeugen (Intracoder-Reliabilität) (ebd.). Zur Gewährung der intersubjektiven Gültigkeit der Analyse wurden für diese Arbeit im Rahmen eines sprachwissenschaftlichen Forschungskolloquiums der Universität Basel zwei Peer-Intercoder-Sitzungen durchgeführt. In der ersten wurde das deduktive Kategoriensystem vorgestellt und besprochen. Es gab keine Unstimmigkeiten. Zu diesem Zeitpunkt ist ein Teil des Materials ein erstes Mal kodiert worden. Auch diese Kodierungen wurden zur Diskussion vorgelegt und es kam keine Inkonsequenz oder Intrasparenz zutage. Danach wurde das gesamte Material am Stück kodiert und das deduktive Kategoriensystem um induktive Kategorien und Subkategorien erweitert. Danach fand die zweite Peer-Intercoder-Sitzung im gleichen Rahmen wie die erste statt. Diesmal wurden sämtliche kodierten Stellen vorgelegt, alle beteiligten Kolleginnen und Kollegen haben einen Teil der Kodierungen überprüft, so dass zum Schluss jede kodierte Textstelle zumindest von einer weiteren Person verifiziert wurde. In der nochmaligen Kodierung des ganzen Materials konnten einige Textstellen, die im ersten Durchlauf unbe- 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 102 rücksichtigt blieben, einer Kategorie zugewiesen werden. Diese Stellen wurden noch einmal einer Kollegin aus dem Forschungskolloquium zur Prüfung gezeigt. Die neuen Kodierungen blieben ohne Widerspruch. Deduktives und induktives Kategoriensystem Das zunächst deduktiv definierte Kategoriensystem ist dreiteilig, in Entsprechung zu dem Modell nach Dörnyei (1994a), das adaptiert wurde (vgl. Kapitel 3). Es gliedert sich in ein language level, ein learner level und ein learning situation level. Die Kategorien zu den jeweiligen Ebenen entsprechen im Wesentlichen den im Referenzmodell definierten, empirisch begründeten Aspekten (vgl. 3.3.1 bis 3.3.3, Tabellen 3, 5-8). Jenen Aspekten, die in Dörnyeis Modell feinmaschiger gegliedert und unterteilt sind, entspricht auch im deduktiven Kategoriensystem eine Kategorie mit entsprechenden Subkategorien. Nicht enthalten im Kategoriensystem sind die lehrpersonenspezifischen und die gruppenspezifischen motivationalen Komponenten, die in der Befragung, wie gezeigt wurde, nicht sinnvoll gewesen wären. Dafür wird aber jede Kategorie doppelt geführt, in einer positiven Ausprägung für „positive“ Belegstellen und einer negativen Ausprägung für „negative“ Belegstellen. Diese Ergänzung ist ein erstes Resultat der induktiven Erweiterung. Dazu noch eine Bemerkung: Die Verwendung der Antonyme „positiv“ und „negativ“ bezieht sich im Kontext dieser Arbeit auf die empirisch begründete Annahme, dass positive Motivationen zur L2 und/ oder zur Mehrsprachigkeit generell dem Zweitspracherwerb förderlich sind. Die Bewertung identifizierter Motivationen als positiv oder negativ wird also einzig aus Zweitspracherwerbsperspektive vorgenommen und ist nicht so zu interpretieren, dass es grundsätzlich als negativ zu beurteilen ist, wenn ein mehrsprachiges Kind seine Erstsprache wichtiger, schöner oder aus anderen Gründen „besser“ findet als die Zweitsprache. Das deduktive Kategoriensystem umfasst auf einer ersten Ebene die beiden Kategorien „integrativ-motivationales System“ und „instrumentellmotivationales System“, auf der zweiten die beiden Kategorien „need for achievement“ sowie „self-confidence“ und auf der dritten Ebene die Kategorie „unterrichtsspezifische motivationale Komponenten“. Auf der zweiten Ebene ist die Kategorie self-confidence in vier Subkategorien unterteilt: in „language use anxiety“, „perceived L2-competence“, „causal attribution“ und „self-efficacy“. Zudem sind die unterrichtsspezifischen Komponenten der dritten Ebene in „interest (in the course)“, „relevance (of the course to one’s needs)“, „expectancy (of success)“ sowie „satisfaction“ gegliedert. „Familienspezifische motivationale Komponenten“ stellen eine induktiv gebildete Kategorie auf der dritten Ebene dar. Diese umfasst drei Subkategorien: „parental support“ (aus früherer Forschung durchaus als Faktor bekannt und schon bei Gardner/ Lambert 1972 benannt, vgl. Kap. 3), „siblings’ sup- 5.2 Methode 103 port“ sowie „wider family support“. Tabelle 20 enthält das vollständige Kategoriensystem, dessen Bestandteile in den jeweiligen Analysen der drei Ebenen nochmals wiederholt werden. Kategorie/ Subkategorie Kodierregel Ankerbeispiel Language Level Integrative motivational subsystem (inte +) Generelles Interesse an bzw. Zuneigung zu der L2 an sich oder deren Sprechenden, generelles Interesse an „fremden“ und/ oder neuen Sprachen und/ oder Kulturen sowie der Mehrsprachigkeit, keine „one-language“-Ideologie, spielerischer und/ oder konfliktfreier Umgang mit der Mehrsprachigkeit. VL: Und was magst du lieber, Serbisch oder Hochdeutsch? - P2: Deutsch und + und no Hochdeutsch. - VL: Magst Du lieber als Serbisch? - P2: Ich mach lieber Hochdeutsch. (P2: 18-23) inte - Eher ablehnend gegenüber der und kein besonderes Interesse an der L2, deren Sprechenden, neuen Sprachen, Kulturen allgemein und/ oder der Mehrsprachigkeit an sich. One-language-Ideologie „zugunsten“ der L1. VL: Und hast du auch Freunde, die auch Kroatisch können? - Ja, nur/ ich hab ein Cousin, er kann Kroatisch und mein Kollege, er heisst XXX, kann auch Kroatisch. - VL: Und redest du mit ihnen lieber Kroatisch oder Deutsch? - P14: Kroatisch. (P14: 246-249) Instrumental motivational subsystem (instr +) Zweckempfinden in Bezug auf die (Kenntnis der) L2 und/ oder die Mehr-sprachigkeit an sich, z.B. wenn die Kenntnis der L2 in einen ursächlichen Zusammenhang mit Zukunftsperspektiven gebracht wird, aber auch Nutzen von „Ergänzungswissen“ durch unterschiedliche Sprachkompetenz in L1 und L2, wenn die L1-Kompetenz nicht ausreicht, kann mit der L2 ergänzt werden, wodurch die L2 bzw. die Kenntnis zweier Sprachen einen konkreten praktischen Zweck erhält. VL: Und findest du das/ Deutsch reden, findest du das praktisch oder könntest du sagen, warum du es gerne tust oder warum du es lernen möchtest? - P5: Ich möcht das lernen, weil wir werden jetzt in die Zweite gehen und dann kann ich ganz gut Deutsch reden, das möcht ich/ wegen dem möcht ich das lernen. - VL: Also wegen der Schule, damit du da noch mehr lernst? - P5: M-h. (P5: 387-390) instr - In der L2 bzw. deren Kenntnis und/ oder der Mehrsprachigkeit im Allgemeinen wird kein praktischer Zweck gesehen. - - (Keine Kodierung für diese Kategorie.) 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 104 Kategorie/ Subkategorie Kodierregel Ankerbeispiel Learner Level Need for achievement (nfa +) Anstrengungen in L2 und der Schule im Allgemeinen aus einer intrinsischen Motivation heraus, eine Anstrengung „for its own sake“, trifft als Code auch zu, wenn in einem „Bericht“ zur Nachmittagsgestaltung die Hausaufgaben eine prominentere Rolle einnehmen als Spielen, Fernsehen etc. („prominent“ entweder durch Erstnennung oder Betonung expressis verbis) VL: (...) nach der Schule, was machst du dann? - P13: Geh ich zu Hause. - VL: Und dann? - P13: Esse ich, mach ich Hausaufgaben. - VL: Machst du das gerne? - P13: Ja. Immer nach den Schule ess ich, dann mach ich immer Hausaufgaben. Nur am Freitag müssen wir Schulzeug in die Schule lassen. - VL: Und was machst du nach den Hausaufgaben? - P13: Dann mach ich tamilische. (P13: 369-376) nfa - Kein Hinweis auf (Lern-) Anstrengung um der Anstrengung wegen, in Berichten zur Nachmittagsgestaltung nehmen Spielen, Fernsehen u.a. prominentere Rollen ein als die Hausaufgaben. P14: Ich esse und dann frag ich meine Mutter, ob ich ein bisschen spielen darf, X-Box oder so Gameboy. (...) [Dann] sagt meine Mutter, ich muss ausschalten, dann frag ich meine Mutter, darf ich draussen. Nochher ruft sie mich, Essen nacher am Nacht erst etwas und dann noch Hausaufgaben machen. (P14: 287-289) Self-confidence (scon) Language use anxiety (useanx +) Die L2 wird gerne gesprochen, ausgesprochen keine Angst, in der L2 Fehler zu machen, keine Scheu, sich in der L2 auszudrücken. VL: Und bist du manchmal unsicher, wenn du Deutsch redest oder eigentlich nicht? - P14: Doch, ein bisschen. - VL: So, dass du dich nicht trauen würdest, Sachen zu sagen? - P14: Nää. (P14: 238-241) Language use anxiety (useanx -) Die L2 wird nicht gerne gesprochen, Angst, in der L2 einen Fehler zu machen, Scheu, sich in der L2 auszudrücken. VL: Hast du manchmal Angst, einen Fehler zu machen auf Deutsch? - P9: Mh (bejahend). - VL: Das ist grosse Angst (zeigt - -), ein bisschen Angst (zeigt -), nicht so Angst (zeigt +), gar keine Angst (zeigt ++). - P9: (zeigt - -) Gro/ - VL: Grosse Angst? - P9: Mh (bejahend). (P9: 127-132) Perceived L2 competence (percom +) „Erfolgsaussicht“ mit speziellem Bezug auf den L2-Erwerb, allgemein gute bzw. Selbstbewusste Einschätzung der eigenen L2- Kompetenz im Allgemeinen und im Vergleich zu Peers. VL: (...) Was sprichst du denn noch für Sprachen? - P4: Italienisch und Spanisch. - VL: Kannst du das gut? P4: (nickt) - VL: Was kannst du am besten? - P4: Beides, eigentlich Italienisch am meisten. - VL: Kannst du das besser als Deutsch? - P4: Ich kann Deutsch am besten. (P4: 257-264) 5.2 Methode 105 percom - Keine selbstbewusste Einstellung zum eigenen L2-Erwerb und der bisher erreichten L2- Kompetenz, allgemein und im Vergleich zu Peers. VL: Und hast du das Gefühl, andere sind besser als du im Deutsch in der Klasse? - P10: Ja, mh. - VL: Das wäre, andere sind viel besser (zeigt ++), andere sind ein bisschen besser (zeigt +), andere sind nicht viel besser (zeigt -), andere sind überhaupt nicht besser (zeigt - -). - P10: Etwas besser (zeigt +). (P10: 84-87) Causal attribution (causat +) „Causal attributions“ meinen vergangene Erfahrungen unterschiedlicher Art, die mit einem oder mehreren der o.g. oder unten folgenden Komponenten der L2-Motivationen in Verbindung stehen können, etwa eine besonders positive Erfahrung, die in einem spezifischen L2- Kontext gemacht wurde, oder auch Situationen, in denen die bisherigen L2-Kenntnisse (nutz- oder „vergnügen-bringend“) eingesetzt wurden konnten, etc. VL: Und reden sie beide gut Deutsch? - P4: Meine Mutter muss noch üben. - VL: Deine Mutter muss noch üben. - P4: Ja. - VL: Hilfst du ihr manchmal? - P4: Manchmal, aber jetzt haben wir fast keine Zeit, sie muss so lange arbeiten. - VL: Ach so. Und wenn ihr manchmal/ geht ihr manchmal zusammen einkaufen, zur Migros oder so? - P4: Paarmal. - VL: Und hilfst du ihr dann Deutsch zu reden oder macht sie das alleine? - P4: Nein, ich hilf/ helfe s/ ihr. Paarmal red ich Deutsch und dann fragt sie, was hast du gesagt? (lacht) - VL: (lacht) das ist lustig, dann kannst du ihr auch etwas beibringen. - P4: mh (bejahend). (P4: 392 - 403) causat - Negative vergangene Erfahrungen der o.g. Art. - - (Keine Kodierung für diese Kategorie.) Self-efficacy (seffi +) Selbstbewusstes Urteil der eigenen Fähigkeit, „Dinge“ zu tun. Eng verwandt mit „perceived competence“, aber allgemein gefasst, nicht mit besonderem Bezug zur L2. VL: Hast du manchmal Angst, einen Fehler zu machen? Oder findest du es nicht schlimm? - P4: Ich find's nicht schlimm. - VL: Also überhaupt nicht? - P4: (schüttelt den Kopf) Aus Fehlern kann man lernen. (P4: 96-99) seffi - Zurückhaltendes, unsicheres, evtl. sogar abwertendes Urteil der eigenen Fähigkeit, bestimmte „Dinge“ zu tun, ohne besonderen Bezug zur L2. VL: Welche Sprache reden wir jetzt zusammen, weiss du das? + Hast du eine Vermutung? - P3: M-m (verneinend). - VL: Nicht? + Reden wir jetzt Französisch oder/ - P3: Ich kann das nicht. - VL: Denkst Du nicht? + Deutsch? - P3: (nickt) (P3: 6-11) 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 106 Learning Situation Level Course-specific motivational components (course) Interest (in the course) (course-inter+) Interesse am Unterricht/ an der Schule im Allgemeinen, die Kinder finden den Unterricht spannend bzw. toll. VL: Und meldest du dich gerne, wenn die Lehrerin etwas fragt? - P6: Ja. - VL: Sehr gerne (zeigt ++) oder gerne (zeigt +)? - P6: Sehr gerne (zeigt ++). (P6: 85-88) courseinter - Kein besonderes Interesse am Unterricht, Indifferenz, Kinder finden den Unterricht bzw. die Schule nicht sonderlich toll. - - (Keine Kodierung für diese Kategorie.) Relevance of the course to one’s needs (course-relev +) Die Kinder finden, dass sie in der Schule viel lernen, der Unterricht wird also als relevant empfunden. VL: Und findest du, du lernst viel in der Schule? - P4: Ich finde, dass, ja, ich lerne sehr viel. (P4: 142-143) course-relev - Die Kinder finden nicht, dass sie sonderlich viel lernen, der Unterricht wird als nicht relevant empfunden. - - (Keine Kodierung für diese Kategorie.) Expectancy of success (course-exp +) Generelle „Erfolgsaussicht“ mit Bezug auf Aufgaben und Unterrichtsinhalte, NICHT speziell Deutschaufgaben. „Erfolgsaussicht“ mit speziellem Bezug auf Deutsch wird mit „perceived L2 competence“ kodiert. VL: Und findest du es manchmal schwierig in der Schule? - P1: M-m (lacht, verneinend). - VL: Nicht schwierig. - P1: Nein. (P1: 147-151) course-exp - Schlechte Einschätzung der eigenen Leistungen in Aufgaben und Unterricht im Allgemeinen, daher geringe „Erfolgsaussicht“. VL: Und findest du die Hausaufgaben manchmal schwierig? - P13: Ja. - VL: Sehr, sehr schwierig (zeigt - -) oder nur ein bisschen schwierig (zeigt -) oder gar nicht so schwierig (zeigt +)? - P13: (zeigt -). (P13: 209-213) Satisfaction one has the outcome (course-sat +) Die Genugtuung oder Befriedigung mit Bezug auf das (vorläufige) achievement, die sich in ausgesprochener Freude am fortschreitenden L2-Erwerb zeigt. - - (Keine Kodierung für diese Kategorie.) course-sat - Enttäuschung bzw. Entmutigung mit Bezug auf das (vorläufige) achievement, das expressis verbis formuliert wird. - - (Keine Kodierung für diese Kategorie.) 5.2 Methode 107 Family-specific motivational components (fam) Parental support (fam-par +) Elterliche Unterstützung auf vier Ebenen: Unterstützung des L2-Erwerbs expressis verbis (das Kind gibt an, dass die Eltern gut/ wichtig/ richtig finden, dass ihr/ e Kind/ er Deutsch lernen); Unterstützung, indem die Eltern sich zumindest teilweise auch in der L2 mit ihren Kindern unterhalten; indirekte Unterstützung, wenn die Eltern auch einen Deutschkurs besuchen (alle sitzen dann in dieser Hinsicht „im selben Boot“, was sich positiv auf die Motivation der Kinder auswirken muss); Unterstützung durch Hilfestellung bei den Hausaufgaben, die für das schulische Weiterkommen unerlässlich sind, und woran die L2-Kompetenz zwangsläufig gebunden ist (weswegen dies auch als Unterstützung mit Bezug auf den Zweitspracherwerb zu bewerten ist). VL: Wie finden deine Eltern, dass du Deutsch lernst in der Schule? - P8: Hm, gut. - VL: Was finden sie gut? - P8: Dass ich dort, also hier, Deutsch und viel lernen kann. Und dass ich mehr erfahre. (P8: 328-331) VL: Redest du mit deinen Eltern Deutsch oder Serbisch? - P2: Deutsch und Serbisch. (P2: 204-205) VL: Können deine Eltern Deutsch? - P13: Ja. Sie sind/ meine Mutter goht schon in Deutschkurs, mein Vater ist letztes Jahr in Deutschkurs gegangen und jetzt ist er weiter, jetzt muss er noch/ hat wie Sommerferien. Meine Mutter hat auch (unverständlich). (P13: 259-261) VL: Hilft dir manchmal jemand bei deinen Hausaufgaben? - P1: Mm, wenn das schwierig ist, helft mein Mama. (P1: 141-143) fam-par - Keine Unterstützung in einer der oben beschriebenen Formen, z.B. durch eindeutiges Bevorzugen der L1 gegenüber der L2. (Grundsätzliche Unterstützung der Verbundenheit zur L1 muss nicht einhergehen mit einer Ablehnung der L2.). VL: Aber mit deinem Vater redest du Albanisch? - P5: Ja. - VL: Und mit deiner Mutter auch? - P5: Ja. - VL: Ihr redet eigentlich nie Deutsch? -P5: Ja, weil mein Vater hat's nicht so gerne, weil mein Vater seit immer, „in die Schule redest du Deutsch und nach Hause musst du Albanisch reden, weil dann, wenn du in die Ferien gehst, dann redest du immer Deutsch, dann kannst du nicht mehr Albanisch reden, du sollst besser in die Schule Deutsch reden und nach Hause redest du Albanisch“. (P5: 322-328) VL: Dann redest du einfach zu Hause Tamilisch mit deinen Eltern? Und redest du immer Tamilisch? - P1: Zu Hause rede ich immer Tamilisch. Und am im Tamilisch Schule auch. - VL: Redest du nie Deutsch mit deinen Eltern? - P1: Hm, nein. (P1: 178-182) 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 108 Siblings’ support (fam-sib +) Gleiche Kodierregel wie fam-par +, aber mit Bezug auf die Geschwister. VL: Und hast du einen Bruder oder eine Schwester? - P10: Schwester. - VL: Und ist sie grösser oder kleiner? - P10: Sie ist grösser. - VL: Wie alt ist sie? - P10: Siebzehn. - VL: Dann kann sie wahrscheinlich schon ziemlich gut Deutsch. - P10: Mh (bejahend). - VL: Übst du mit ihr? - P10: Ja. - VL: Aber redest du auch Tamilisch mit ihr? - P10: Äh, nicht so + aber schon noch etwas. (P10: 164-175) fam-sib - Gleiche Kodierregel wie fam-par -, aber mit Bezug auf die Geschwister. - - (Keine Kodierung für diese Kategorie.) Wider family support (famfam +) Gleiche Kodierregel wie fam-par +, aber mit Bezug auf die weitere Familie, z.B. Grosseltern, Onkeln oder Tanten. P5: Meine Mutter war in die Schule in Kosovo und dann hat sie immer so geredet, aber wenn ich Hausaufgaben kriege, dann kann sie mich nicht helfen, weil sie kann nicht so gut Deutsch und dann geh ich immer zu meiner Tante und dann helft sie's mir, weil meine Tante hat und mein Onkel, weil mein Onkel war hier bei Herr Grossmann in der Schule. Und dann geh ich immer bei ihr und er hilft mir. (P5: 335-335) Wider family support (fam-fam -) Gleiche Kodierregel wie fam-par -, aber mit Bezug auf die weitere Familie, z.B. Grosseltern, Onkeln oder Tanten. - - (Keine Kodierung für diese Kategorie.) Tabelle 21: Kodierleitfaden (deduktive und induktive Kategorien zu L2-Motivationen) 5.3 Frühe L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell In diesem Abschnitt wird das Inventar der spezifisch frühen L2-Motivationen erarbeitet. Anhand dieses Inventars wird die Hypothese dieses Kapitels überprüft, wonach frühe L2-Motivationen kontextspezifisch sind und daher nicht in allen Punkten mit jenen L2-Motivationen, die in der Forschung bisher beschrieben wurden, übereinstimmen. Jede der drei Ebenen des Kategoriensystems wird einzeln analysiert, wobei es ganz grundlegend darum geht, ob sich überhaupt für alle Ebenen Belege finden lassen, und dann darum, welche Kategorien kodiert werden können und welche nicht, um herauszufinden, welches die für den frühen Zweitspracherwerb typischen Charakteristika sind. In diesem Zusammenhang ist auch die Vertei- 5.3 Frühe L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 109 lung der Kodierungen auf die Probandinnen und Probanden wichtig, weil es zu unterscheiden gilt, welche der belegten L2-Motivationen tatsächlich kontextspezifisch sind und welche individuell und kontextunabhängig sein könnten. Als kontextspezifisch sind nachgewiesene L2-Motivationen dann zu interpretieren, wenn sie in unmittelbarer Beziehung zum Zweitspracherwerb, der Zweitund/ oder der Erstsprache an sich oder der frühen Mehrsprachigkeit im Allgemeinen stehen. (Alle Belegstellen sind im Anhang unter 4.5 aufgelistet.) Zuerst einige Zahlen: Pro Proband oder Probandin und Dokument wurden unterschiedlich viele Kodierungen vorgenommen. Das ist nicht überraschend, denn zum einen liegt es in der Natur des halb-strukturierten Interviews, dass Befragungen unterschiedlich lange ausfallen können, weil nicht jedes Mal im gleichen Umfang Nachfragen gestellt werden müssen. Zum anderen haben nicht alle Menschen das gleiche Bedürfnis zu kommunizieren, das ist bei Kindern nicht anders als bei Erwachsenen. Auch das führt zu unterschiedlich langen Befragungen, und je länger eine Befragung, desto mehr Text wird kodiert. Die wenigsten Kodierungen wurden bei P2 vorgenommen (20), die meisten bei P7 (39). Der Mittelwert liegt bei 30,5, die Standardabweichung beträgt 5,88 (Tabelle mit allen Werten im Anhang unter 4.4). Insgesamt wurden 339 Kodierungen vorgenommen: 86 Kodierungen für das language level, 97 für das learner level und 156 für das learning situation level. Das bedeutet, dass grundsätzlich für alle Ebenen L2-Motivationen belegbar sind und potenziell eine Rolle im frühen L2-Erwerb spielen können. Nachfolgend werden die Ebenen einzeln untersucht. 5.3.1 Language Level Das language level umfasst die recht allgemein gehaltenen Kategorien integrative motivational subsystem (inte) und instrumental motivational subsystem (instr), die sich auf die klassischen Konzepte „integrative Orientierung“ und „instrumentelle Motivation“ beziehen. Sie können je in einer positiven (+) oder einer negativen Ausprägung (-) vorkommen. Die Kodierregeln wurden wie folgt definiert: inte+: Generelles Interesse an bzw. Zuneigung zu der L2 an sich oder deren Sprechenden, generelles Interesse an „fremden“ und/ oder neuen Sprachen und/ oder Kulturen sowie der Mehrsprachigkeit, keine „one-language“- Ideologie, spielerischer und/ oder konfliktfreier Umgang mit der Mehrsprachigkeit. inte-: Eher ablehnend gegenüber der und kein besonderes Interesse an der L2, deren Sprechenden, neuen Sprachen und/ oder Kulturen allgemein oder der Mehrsprachigkeit an sich. One-language-Ideologie „zugunsten“ der L1. 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 110 instr+: Zweckempfinden in Bezug auf die (Kenntnis der) L2 und/ oder die Mehrsprachigkeit an sich, z.B. wenn die Kenntnis der L2 in einen ursächlichen Zusammenhang mit Zukunftsperspektiven gebracht wird, aber auch Nutzen von „Ergänzungswissen“ durch unterschiedliche Sprachkompetenz in L1 und L2, wenn die L1-Kompetenz nicht ausreicht, kann mit der L2 ergänzt werden, wodurch die L2 bzw. die Kenntnis zweier Sprachen einen konkreten praktischen Zweck erhält. instr-: In der L2 bzw. deren Kenntnis und/ oder der Mehrsprachigkeit im Allgemeinen wird kein praktischer Zweck gesehen. Gesamthaft sind 86 Textstellen diesen vier Kategorien zugewiesen, oder etwas mehr als 25% aller kodierten Textstellen. Tabelle 21 zeigt die Verteilung auf die einzelnen Kategorien. Wie zu sehen ist, sind fast alle Äusserungen positiv, sowohl jene des integrative motivational subsystem sowie jene des instrumental motivational subsystem. Die Kinder sind also zur Zweitsprache Deutsch positiv eingestellt. Nur 8 der 86 Textstellen enthalten negative Aspekte, diese überwiegen nur bei einem Probanden und betreffen ausschliesslich das integrativ-motivationale System. In diesen Textstellen zeigt sich also eine Ablehnung gegenüber der L2, deren Sprechenden oder der Mehrsprachigkeit und „fremden“ Sprachen an sich. Zum Beispiel sagt P13, ihre Erstsprache Tamil sei ihr wichtiger als die L2: VL: Was finden sie [die Eltern] wichtiger, weisst du das? - P13: Muttersprache. - VL: Und du selber? - P13: Auch Muttersprache. (P13: 315-318) (...) P13: Wenn wir Muttersprache können, können wir auch mit anderen Menschen Tamilisch gut reden. (P13: 326) Auch P14 zieht seine L1 Kroatisch Deutsch vor, ohne Begründung, zum Beispiel sagt er „Schweizerdeutsch, die Sprache hab ich nicht gern“ (P14: 211) und auf die Frage, ob er mit seinen Eltern, die nach seinen Angaben gut Deutsch können, lieber Deutsch oder Kroatisch spreche, sagt er eindeutig Kroatisch, und auch mit seinen Freunden aus der Schule spricht er lieber Kroatisch: P14: Ich spreche immer zu Hause mehr Kroatisch als Deutsch. - (...) - VL: Und redest du gar nicht Deutsch mit ihnen [Eltern und Bruder]? - P14: Nur paar Mal. - VL: Paar mal. Und was redest du lieber? - P14: Kroatisch. - VL: Warum? - P14: Ich hab’s gern diese Sprache. - VL: Und Deutsch + findest du komisch oder...? - P14: Ja, ein bisschen komisch. (P14: 189-201) (...) VL: Und hast du auch Freunde, die auch Kroatisch können? - Ja, nur / ich hab ein Cousin, er kann Kroatisch und mein Kollege, er heisst XXX, kann auch Kroatisch. - VL: Und redest du mit ihnen lieber Kroatisch oder Deutsch? - P14: Kroatisch. (P14: 246-249) 5.3 Frühe L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 111 Dem gegenüber stehen die viel zahlreicheren positiven Äusserungen, etwa folgende Textstelle aus dem Interview mit P1, die scheinbar Vergnügen an allen Sprachen hat: VL: Was willst du lernen? - P1: Französisch. - VL: Findest du das schön? - P1: Ja. - VL: Und Deutsch, findest du Deutsch schön? - P1: Ja. - VL: Und was findest du besser, Schweizerdeutsch oder Hochdeutsch? - P1: Hm ++ Hochdeutsch. - VL: Und Tamilisch? - P1: Auch (lachen). (P1: 300-309) Oder die folgenden Aussagen von P2, die auf die L2 Deutsch direkt bezogen sind: VL: Und was magst du lieber, Serbisch oder Hochdeutsch? - P2: Deutsch und + und no Hochdeutsch. - VL: Magst Du lieber als Serbisch? - P2: Ich mach lieber Hochdeutsch. (P2: 18-23) Kodesystem P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 Language level inte+ 2 2 5 8 5 7 7 1 7 5 2 4 3 1 inte- 1 2 5 instr+ 5 1 1 1 2 2 2 3 1 1 instr- Tabelle 22: Kodematrix language level Zusammenfassend zeigt sich, dass die Konzepte des language levels, das integrativ-motivationale System und das instrumentell-motivationale System, relevant sind für die Analyse der frühen L2-Motivationen. Die Frage bleibt allerdings, ob die Konzepte im Kontext des migrationsbedingten frühen Zweitspracherwerbs das Gleiche bedeuten wie im jugendlichen und erwachsenen Fremdsprachenerwerb. Die Frage ist auch deshalb schwer zu beantworten, weil die Kategoriendefinitionen mittlerweile sehr breit sind und sehr unterschiedliche Aspekte abbilden können. Und das liegt daran, dass deren Referenzkonzepte „integrative Orientierung“ und „instrumentelle Motivation“ innerhalb der L2-Motivationsforschung die am weitest verbreiteten Konzepte, deswegen auch die am besten erforschten und vor allem die am breitesten abgesteckten Konzepte darstellen. Dies spiegelt sich in den Daten dieser Arbeit wider. Die Erweiterung der Konzepte kann am Beispiel der integrativen Orientierung gezeigt werden. In der originalen Konzeptionierung (v.a. Gardner/ Lambert 1972) bezieht sich diese ausschliesslich auf die L2-Sprachgemeinschaft und ein integratives Bedürfnis der Lernenden, „dazu zu gehören“. Noch nicht enthalten sind zu Beginn das allgemeine Interesse an „fremden“ Sprachen, Kulturen und Menschen (Dörnyei 1990, 1994a: 275) 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 112 bzw. eine allgemeine sociocultural orientation und travel orientation (Clément/ Kruidenier 1983, 1985) - höchstens implizit, indem Ethnozentrismus als Gegenstück zur integrativen Orientierung genannt wird. Die entsprechend vergleichsweise breit formulierten Kategoriendefinitionen führen dazu, dass Textstellen mitunter ein und derselben Kategorie zuzuweisen sind, obwohl sie durchaus unterschiedliche Kerne haben. Das zeigt sich beispielsweise in den beiden angeführten Belegstellen für die Kategorie inte+, von denen sich die erste nämlich auf Sprachen ganz allgemein bezieht (P1: 300-309), die zweite aber speziell auf die Zweitsprache (P2: 18-23). Daher stellt sich die Frage, wo der Schwerpunkt innerhalb der beiden Kategorien im frühen Zweitspracherwerb liegt und ob er sich von jenem, der für den erwachsenen und jugendlichen Fremdspracherwerb typisch ist, unterscheidet. Kapitel 6 untersucht diese Frage noch tiefer. 5.3.2 Learner Level Das learner level ist 96-mal kodiert worden, was etwas mehr als 28% aller Kodierungen entspricht. Es bezieht sich vor allem auf Persönlichkeitseigenschaften wie Selbstvertrauen, Sprachgebrauchshemmung (-angst) oder auch die Selbsteinschätzung der L2-Kompetenz. Gegliedert sind die Aspekte in zwei Hauptkategorien: Need for achievement und self-confidence, wobei sich letztere weiter in vier Subkategorien gliedert: language use anxiety (useanx), perceived L2 competence (percom), causal attribution (causat) und selfefficacy (seffi). Wieder können alle Kategorien und Subkategorien in einer negativen (-) oder einer positiven Ausprägung (+) vorkommen. Sie sind wie folgt definiert: Need for achievement (nfa) nfa+: Anstrengungen in der L2 und der Schule im Allgemeinen aus einer intrinsischen Motivation heraus, eine Anstrengung „for its own sake“, trifft als Code auch zu, wenn in einem „Bericht“ zur Nachmittagsgestaltung die Hausaufgaben eine prominentere Rolle einnehmen als Spielen, Fernsehen etc. („prominent“ entweder durch Erstnennung oder Betonung expressis verbis) nfa-: Kein Hinweis auf (Lern-) Anstrengung(en) um der Anstrengung wegen, in Berichten zur Nachmittagsgestaltung nehmen Spielen, Fernsehen u.a. prominentere Rollen ein als die Hausaufgaben. Self-confidence (scon) useanx+ Die L2 wird nicht gerne gesprochen, Angst, in der L2 einen Fehler zu machen, Scheu, sich in der L2 auszudrücken. useanx- Die L2 wird gerne gesprochen, ausgesprochen keine Angst, in der L2 Fehler zu machen, keine Scheu, sich in der L2 auszudrücken. 5.3 Frühe L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 113 percom+ „Erfolgsaussicht“ mit speziellem Bezug auf den L2-Erwerb, allgemein gute bzw. selbstbewusste Einschätzung der eigenen L2- Kompetenz im Allgemeinen und im Vergleich zu Peers. percom- Keine selbstbewusste Einstellung zum eigenen L2-Erwerb und der bisher erlangten L2-Kompetenz (allgemein und im Vergleich zu Peers). causat+ „Causal attributions“ meinen vergangene Erfahrungen unterschiedlicher Art, die mit einem oder mehreren der o.g. oder unten folgenden Komponenten der L2-Motivationen in Verbindung stehen können, etwa besonders positive Erfahrungen, die in einem spezifischen L2-Kontext gemacht wurden, oder auch Situationen, in denen die bisher erlangten L2-Kenntnisse (nutz- oder „vergnügenbringend“) eingesetzt werden konnten, etc. causat- Negative vergangene Erfahrungen der o.g. Art. seffi+ Selbstbewusstes Urteil der eigenen Fähigkeit, „Dinge“ zu tun. Eng verwandt mit „perceived competence“, aber allgemein gefasst, nicht mit besonderem Bezug zur L2. seffi- Zurückhaltendes, unsicheres, evtl. sogar abwertendes Urteil der eigenen Fähigkeit, bestimmte „Dinge“ zu tun, ohne besonderen Bezug zur L2. Tabelle 23: Das learner level Dieses sind Aspekte, die sich in einem Interview nur in direkten Fragen erheben lassen. Sie lauteten unter anderem: „Was machst du nach der Schule“ mit Bezug auf need for achievement, „Meldest du dich gerne? “ mit Bezug auf die Kategorie self-efficacy oder „Hast du Angst Fehler zu machen? “ mit Bezug auf die language use anxiety. Typische Beispiele für need for achievement (+) sind: VL: Und was machst du am liebsten nach der Schule? - P6: Hm + Nach der Schule geh ich zu Hause und denn tu ich schreiben. - VL: Und was schreibst du? - P6: Wörter. - VL: Und sonst? - P6: Lesen. Und no rächne. (P6: 69-74) VL: Wenn die Schule fertig ist, was machst du dann gerne? - P2: Zu Hause gehen und + und no Aufgabe mache. (P11: 56-57) VL: (...) nach der Schule, was machst du dann? - P13: Geh ich zu Hause. - VL: Und dann? - P13: Esse ich, mach ich Hausaufgaben. - VL: Machst du das gerne? - P13: Ja. Immer nach den Schule ess ich, dann mach ich immer Hausaufgaben. Nur am Freitag müssen wir Schulzeug in die Schule lassen. - VL: Und was machst du nach den Hausaufgaben? - P13: Dann mach ich tamilische. (P13: 369-376) 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 114 Ein Beispiel für die deutlich nebensächlichere Rolle der Hausaufgabe und damit für nfastammt aus dem Interview mit P14, der die Hausaufgaben zwar erwähnt, aber offensichtlich gilt diesen ein geringeres Interesse als all den anderen Aktivitäten nach der Schule: P14: Ich esse und dann frag ich meine Mutter, ob ich ein bisschen spielen darf, X-Box oder so Gameboy. - VL: Und nach dem Spielen? - P14: Sagt meine Mutter, ich muss ausschalten, dann frag ich meine Mutter, darf ich draussen. Nochher ruft sie mich, Essen nachher am Nacht erst etwas und dann noch Hausaufgaben machen. (P14: 287-289) Alle drei Textstellen sind als Belege für naf+ bzw. nfa- Indikatoren für das individuelle Bedürfnis, in der Schule gut zu sein und die Haltung gegenüber Tätigkeiten, die dem Lernerfolg (normalerweise) förderlich sind - wie beispielsweise das Machen der Hausaufgaben oder das Lernen an sich. Need for achievement bezieht sich als Kategorie des learner level nicht zwingend ausdrücklich auf die L2, sie kann sich aber auf die L2 direkt beziehen, wie die nächste Textstelle zeigt, die in allen Interviews aber einmalig ist: VL: Und Deutsch, wenn du Deutsch redest, warum redest du dann Deutsch? - P1: Dass ich noch mehr Deutsch, äm, sprechen kann. (P1: 371-372) In dieser Kategorie zeigen sich Unterschiede zwischen den Probandinnen und Probanden: Bei neun der vierzehn Kinder konnte nfa+ je mindestens einmal kodiert werden, bei zweien wurde nfaje einmal kodiert und bei dreien weder nfa+ noch nfa-, deren Interviews liessen also keine eindeutigen Kodierungen zu. Konkret heisst das lediglich, dass manchen Kindern die Hausaufgaben mehr Spass machen als anderen, und manche mehr Vergnügen am Lernen an sich haben als andere, was nicht mehr (aber auch nicht weniger) als normal ist. Das gleiche zeigt sich mit Bezug auf die zweite Kategorie dieser Ebene, die Kategorie self-confidence, bzw. die dazugehörigen Subkategorien language use anxiety, perceived competence, causal attribution und self-efficacy. Insgesamt finden sich zwar mehr positive Belege für alle Subkategorien, aber durchaus je Subkategorie nicht bei allen Probanden und Probandinnen und gerade in der Verteilung der als negativ bewerteten Aspekte zeigen sich Unterschiede (siehe nachfolgende Kodematrix). Kodesystem P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 learner level nfa+ 2 2 1 1 1 3 1 1 2 nfa- 1 1 scon useanx+ 2 5.3 Frühe L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 115 useanx- 1 1 1 percom+ 2 1 2 2 5 1 1 1 3 2 percom- 1 1 1 1 causat+ 1 2 2 1 2 1 causatseffi+ 2 2 1 1 2 2 4 5 2 5 5 2 2 seffi- 1 1 2 1 1 1 Tabelle 24: Kodematrix learner Level: Verteilung der Kodierungen auf die Probanden und Probandinnen Innerhalb des learner level zeigen sich Unterschiede zwischen den Probandinnen und Probanden - wie es für Persönlichkeitseigenschaften nicht anders zu erwarten ist: Einige der Kinder machen die Hausaufgaben lieber als andere, manche melden sich lieber als andere, manche haben mehr Angst Fehler zu machen, andere weniger. Die Hypothese, dass sich L2-Motivationen im frühen Zweitspracherwerb davon unterscheiden, wie L2- Motivationen in der bisherigen Forschung mit Bezug auf jugendlichen und erwachsenen Fremdspracherwerb beschrieben wurden, wird durch die Daten widerlegt. Denn weil sich diese Ebene der L2-Motivationen, wie sie hier operationalisiert ist, nicht direkt auf die Zweitsprache Deutsch, deren Benutzung oder die Mehrsprachigkeit generell bezieht, sind die festgestellten motivationalen Komponenten nicht kontextspezifisch. Aber: Dass diese Aspekte für den frühen Zweitspracherwerb nicht als kontextspezifisch zu bewerten sind, bedeutet zum einen noch nicht, dass von ihnen kein Einfluss auf den Spracherwerb ausgeht (dieser Frage wird in Kapitel 7 nachgegangen). Und zum anderen sind natürlich trotzdem Wechselwirkungen zwischen speziell L2-bezogenen Motivationen, die auf dem language level zusammengefasst sind, und beispielsweise need for achievement zu erwarten. Es ist beispielsweise durchaus möglich, dass ein Kind, das grundsätzlich Spass daran hat, zur Schule zu gehen und Hausaufgaben zu machen (=learner level), auch die Zweitsprache immer mehr zu mögen beginnt (=language level), weil deren primärer Erwerbs- und Gebrauchskontext ja die Schule im weitesten Sinn (Unterricht, Pausenplatz, Ausflüge etc.) darstellt. Verschiedene weitere Wechselwirkungsmöglichkeiten sind denkbar, zum Beispiel zwischen dem Bedürfnis, in der Schule gut zu sein (=need for achievement, learner level), und dem Vergnügen an der L2 an sich (=language level), aber auch zwischen der Sprachgebrauchsangst (=learner level) und einer ablehnenden Haltung gegenüber der Zweitsprache oder der Mehrsprachigkeit generell. Solche und andere Mechanismen sind hier eindeutig als Desiderat zukünftiger For- 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 116 schung zu Motivationen im frühen Zweitspracherwerb festzustellen. Diese Fragen machen auch deutlich, dass die Dimension Zeit für die zukünftige Motivationsforschung relevant ist und vermehrt in Forschungsdesigns berücksichtigt werden muss, worauf auch Dörnyei/ Ushioda (2011: 6) kürzlich hingewiesen haben. Denn: „Ignoring ‚time’ can (...) result in a situation when two theories are equally valid and yet contradict - simply because they refer to different phases of the motivation process“. 5.3.3 Learning Situation Level Das learning situation level wurde 156 kodiert (46% aller Kodierungen). Diese Ebene bezieht sich auf zwei sehr umfangreiche Aspekte: Auf unterrichtsspezifische Motivationen („interest in the course“, „relevance of the course to one’s needs“, „expectancy of success“, „satisfaction“) und auf familienspezifische Motivationen („parental support“, „siblings’ support“, „wider family support“). Beiden Kategorien schliessen mehrere Subkategorien ein (die wieder positiv oder negativ belegt sein können) und werden wegen ihres Umfangs jede für sich untersucht - angefangen bei den unterrichtsspezifischen Aspekten. Hierzu nochmals die Kodierregeln in Form von Kurzdefinitionen der Kategorien, um die es hier geht: Course-specific motivational components (course) Interest (in the course) course-inter+ Interesse am Unterricht/ an der Schule im Allgemeinen, die Kinder finden den Unterricht spannend bzw. toll. course-inter- Kein besonderes Interesse am Unterricht, Indifferenz, Kinder finden den Unterricht bzw. die Schule nicht sonderlich toll. Relevance (of the course to one’s needs) courserelev+ Die Kinder finden, dass sie in der Schule viel lernen, der Unterricht wird also als relevant empfunden. course-relev- Die Kinder finden nicht, dass sie sonderlich viel lernen, der Unterricht wird als nicht relevant empfunden. Expectancy (of success) course-exp+ Generelle „Erfolgsaussicht“ mit Bezug auf Aufgaben und Unterrichtsinhalte, NICHT speziell Deutschaufgaben. „Erfolgsaussicht“ mit speziellem Bezug auf Deutsch wird mit „perceived L2 competence“ kodiert. course-exp- Schlechte Einschätzung der eigenen Leistungen in Aufgaben und Unterricht im Allgemeinen, daher geringe „Erfolgsaussicht“. Satisfaction (one has the outcome) course-sat+ Die Genugtuung oder Befriedigung mit Bezug auf das (vorläufige) achievement, die sich in ausgesprochener Freude am fortschreitenden L2-Erwerb zeigt. course-sat- Enttäuschung bzw. Entmutigung mit Bezug auf das (vorläufige) achievement, das expressis verbis formuliert wird. Tabelle 25: Learning situation level: unterrichtsspezifische Komponenten 5.3 Frühe L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 117 Die ersten beiden Subkategorien der unterrichtsspezifischen motivationalen Komponenten, interest und relevance, könnten auf den ersten Blick sehr ähnlich erscheinen: Interest bezieht sich auf ein allgemeines Interesse an der Schule (z.B. „gehst du gerne zur Schule“, „macht dir die Schule Spass? “), relevance auf die Bedeutung, die die SchülerInnen der Schule beimessen (z.B. „findest du, du lernst viel in der Schule? “ und „findest du interessant, was du in der Schule lernst? “) 10 . Man könnte annehmen, dass ein grösseres Interesse automatisch zu einer höheren Einschätzung der Relevanz führt und umgekehrt. Die Unterscheidung der beiden Subkategorien ist in der Analyse aber wichtig. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass anhand der Fragen zum interest nicht ausgeschlossen werden kann, dass Kinder zustimmend antworten und dabei an alles Mögliche im Zusammenhang mit der Schule denken (also auch an Pausen, die Freunde, Ausflüge, Spiele, Zeichnen etc.), aber nicht zwingend daran, dass sie in der Schule etwas lernen, das sie interessant finden. Allerdings legen die Daten nahe, dass diese Unterscheidung für Primarschulkinder noch nicht relevant ist. Beide Subkategorien sind nur in ihrer positiven Ausprägung kodiert und das bei allen Probanden und Probandinnen. Das stellt eine absolute Ausnahme in der ganzen Analyse dar: inter+ wurde pro Proband/ Probandin zweibis viermal kodiert, relev+ immerhin einbis zweimal pro Proband Probandin. Das heisst, alle gingen gerne zur Schule und alle fanden, dass sie interessante Dinge lernten - was ja im Prinzip zumindest zu Beginn der Primarschulzeit noch nicht sehr überraschend ist. Die Belege für die beiden Subkategorien sind dementsprechend ähnlich. Für inter+ stehen Textstellen wie: VL: Gehst du gern in die Schule? - P10: Mh. - VL: Sehr gerne? - P10: Ja. (P10: 355-35) VL: Was macht dir am meisten Spass? - P10: Rechnen, Lesen, Schreiben, eigentlich alles. (P10: 359-360) VL: Gehst du gerne zur Schule? - P11: Ja. - VL: Sehr gerne (zeigt ++) oder ein bisschen gerne (zeigt +). - P11: Sehr gerne (zeigt ++). (P11: 104-107) Belege für relev+ lauten zum Beispiel: VL: Findest du, du lernst viel in der Schule? - P4: Ich finde, dass, ja, ich lerne sehr viel. (P4: 142-143) VL: Findest du, du lernst viel in der Schule? - P6: Ja. - Zeigst du's mir? - P6: (zeigt ++). (P6: 145-145) 10 Da es sich bei der Zielsprache in dem hier untersuchten Kontext um die Umgangssprache im gesamten Unterricht (auch Sport und Musik) handelt und nicht nur um ein Sprachfach, wird nicht speziell nach dem Deutschunterricht gefragt, sondern generell nach dem Interesse an der Schule. 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 118 VL: Findest du, du lernst viel in der Schule? - P11: Ja. - VL: Sehr viel oder ein bisschen viel? - P11: Sehr viel. (P11: 116-119) Man kann überlegen, ob diese beiden Aspekte tiefgehender hätten untersucht werden können, zum Beispiel indem basierend auf Unterrichtsbeobachtungen nach konkreten Aufgaben gefragt worden wäre mit gezielten Nachfragen (etwa: Wie fandest du das? Hat dir das Spass gemacht? Was hat dir Spass gemacht? Möchtest du XY wieder machen? ). Allerdings stehen die Belege so eindeutig für die jeweils positive Ausprägung dieser beiden Subkategorien, dass es unwahrscheinlich ist, dass eine studienrelevante Differenzierung möglich geworden wäre. Zudem wüsste man auch dann noch nicht, bei welcher Aufgabe der Lerneffekt in Bezug auf die Zweitsprache am grössten gewesen wäre, wenn man in dieser Hinsicht für den Regelunterricht überhaupt Unterschiede annehmen kann. Eindeutige individuelle Unterschiede zeigten sich auf der Ebene der unterrichtsspezifischen motivationalen Komponenten in Bezug auf die expectancy (of success) (exp). Diese Subkategorie ist hauptsächlich über das Schwierigkeitsempfinden der Schule und der Hausaufgaben operationalisiert, denn es ist anzunehmen, dass beispielsweise die Hausaufgaben dann als schwierig empfunden werden, wenn das Lösen nicht immer gelingt, was der Subkategorie expentspricht. Für diese Kategorie wäre vorgesehen gewesen, nach Unterrichtsgegenstand und Aufgaben zu fragen (z.B. Rechnen, Lesen oder Schreiben), es hat sich aber gezeigt, dass die Kinder zum Zeitpunkt der Befragung in dieser Hinsicht noch nicht ausreichend differenzierten: Schliesslich wurde nicht unmittelbar nach einer Aufgabe gefragt, ob diese als schwierig oder leicht empfunden wurde, sondern allgemein, ob Rechnen, Lesen oder Schreiben etc. schwieriger sei. Aus der Erinnerung benennen die Kinder nur den allgemeinen Eindruck, ob die Schule schwierig sei oder nicht und ob die Hausaufgaben eher schwierig seien oder nicht. Dabei fällt auf, dass im Allgemeinen nicht die Schule an sich als schwierig empfunden wird, sondern wenn, dann die Hausaufgaben - „ein bisschen“: VL: Und findest du die Hausaufgaben manchmal schwierig? - P2: Bitzli schwierig. - VL: Ganz kleines bisschen - P2: Ja. (P2: 112-115) VL: Findest du die Hausaufgaben manchmal schwierig? - P5: Ja. - VL: Sehr sehr schwierig (zeigt --) oder ein bisschen schwierig (zeigt -)? - P5: Ein bisschen schwierig (zeigt -). (P5: 136-139) VL: Und findest du die Hausaufgaben manchmal schwierig? - P13: Ja. - VL: Sehr, sehr schwierig (zeigt - -) oder nur ein bisschen schwierig (zeigt -) oder gar nicht so schwierig (zeigt +)? - P13: (zeigt -). (P13: 209-213) 5.3 Frühe L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 119 Bei fünf der vierzehn Kinder wurde expkodiert, bei zwei von ihnen zudem auch exp+, also eine positive Aussicht auf Erfolg (siehe Tabelle unten). Dass nur bei zweien der Kinder beide Subkategorien (exp- und exp+) kodiert wurden, ist als positiver Indikator für die Reliabilität der Daten zu bewerten, weil es aufzeigt, dass sich die Kinder in ihren Aussagen nicht widersprachen und entscheiden konnten, ob Schule und Hausaufgaben eher schwierig oder nicht so schwierig für sie sind. Für die Mehrheit der Kinder stellen Schule und Hausaufgaben keine Schwierigkeiten dar, was die Kinder nicht sehr wortreich, aber oft deutlich zum Ausdruck bringen: VL: Und findest du es manchmal schwierig in der Schule? - P1: M-m (lacht, verneinend). - VL: Nicht schwierig. - P1: Nein. (P1: 147-151) VL: Bist du gut in der Schule? - P4: Glaub schon. (P4: 437-438) VL: Und die Hausaufgaben, findest du die schwierig? - P4: Nein, leicht. - VL: Leicht? Sehr leicht oder / - P4: Sehr leicht. (P4: 152-155) VL: Findest du die Hausaufgaben schwierig? - P8: Nein. - VL: Überhaupt nicht oder manchmal ein bisschen? - P8: Überhaupt nicht. (P8: 131-134) VL: Und die Schule, findest du schwierig, was ihr da lernt? Das wäre sehr schwierig (zeigt ++), ein bisschen schwierig (zeigt +), nicht so schwierig (zeigt -), ganz einfach (zeigt - -). - P10: Ganz einfach (zeigt - -). - VL: (lacht) Und wenn du hin und wieder etwas schwierig findest in der Schule, was findest du schwierig? - P10: Gar nichts. (P10: 136-139) Der Subkategorie satisfaction entspricht keine Textstelle. Operationalisiert ist diese insbesondere mit Fragen dazu, wie es die Kinder finden, dass sie Deutsch können, und wie sie es im Besonderen finden, dass sie zwei Sprachen sprechen, während andere Kinder nur eine sprechen. Bei der Analyse zeigt sich, dass sich die entsprechenden Interviewstellen eindeutig auf das language level, also auf die Sprache(n) und Sprachfähigkeit an sich beziehen und nicht unterrichtsspezifisch sind, weswegen eine Doppelkodierung auch nicht sinnvoll ist. Zum Beispiel: VL: Und machst du das gerne, also redest du gerne Italienisch und Spanisch und Deutsch? - P4: Ja. - VL: Alles gerne. Und findest du das auch schön, die Sprachen? - P4: Ich finde sie schön. - VL: Und wie findest du das, dass du mehr Sprachen sprichst als andere? Es können ja nicht alle Kinder drei Sprachen. ++ Findest du das gut oder merkst du das gar nicht so? - P4: Ich merke fast nichts, aber es ist toll so viele Sprachen zu können. (P4: 287-292) Folgende Kodematrix bildet die Verteilung der unterrichtsspezifischen motivationalen Komponenten auf die Probandinnen und Probanden ab. 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 120 Kodesystem P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 learning sistuation course inter+ 4 2 2 3 2 4 4 3 4 4 3 3 4 3 interrelev+ 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 1 1 1 relevexp+ 1 1 3 1 2 2 2 2 2 2 2 1 exp- 2 1 2 1 3 sat+ sat- Tabelle 26: Kodematrix unterrichtsspezifische motivationale Aspekte Die zweite kontextbedingt motivationale Dimension ist die familienspezifische. Um diese Dimension ist Dörnyeis’ Modell (1994a) erweitert worden. Zumindest aus zwei Gründen ist dies für den frühen Zweitspracherwerb relevant: Zum einen ist anzunehmen, dass die Ansichten und Motivationen des Kindes mitgeprägt sind durch Eltern und andere Bezugspersonen aus dem engeren Familienkreis (vor allem Geschwister, möglicherweise auch Grosseltern, Tanten, Onkel). Zu erwähnen ist, dass dabei weniger wichtig ist, welche Ansichten diese Personen tatsächlich vertreten - soweit sich diese in einer direkten Befragung der jeweiligen Bezugspersonen feststellen lassen -, sondern jene, welche die Kinder „mitbekommen“, welche bei ihnen „ankommen“. Der zweite Grund für das Anlegen einer Kategorie „familien-spezifische Motivation“ ist der Migrationshintergrund der Probanden und Probandinnen. Aufgrund der Migration ist die ganze Familie mit der Aufgabe des Zweitspracherwerbs konfrontiert. Deswegen ist anzunehmen, dass der L2-Erwerb hier stärker ein Thema ist, als wenn ein Kind ohne Migrationshintergrund eine Fremdsprache lernt. Die induktiv gebildete Subkategorie „familienspezifische motivationale Komponenten“ umfasst drei Aspekte: „Elterliche Unterstützung“ (fam-par), „geschwisterliche Unterstützung“ (fam-sib) sowie „Unterstützung aus der weiteren Familie (z.B. Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen) (fam-fam)“, und auch hier ist jeweils eine positive oder negative Ausprägung möglich. Elterliche Unterstützung kann als primärer Motivator fungieren, wenn Eltern etwa konkret das Besuchen von L2-Unterricht fördern oder indem sie die Kinder dazu auffordern, die L2 zu nutzen (auch ausserhalb des Unterrichts). Sie kann aber auch als sekundärer Motivator wirken, etwa indem sie das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein der Lernenden beeinflusst. Auch dieser Faktor ist bereits in Gardner und Lamberts (1972) Un- 5.3 Frühe L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 121 tersuchungen konzeptioniert. So korrelierten im Louisiana-Setting elterliche Unterstützung und Ermutigung mit achievement und „seemed to underlie the motivation“ (ebd.: 133). Die Kodierregeln lauten: Family-specific motivational components (fam) Parental support (fam-par+) Elterliche Unterstützung auf vier Ebenen: Unterstützung des L2-Erwerbs expressis verbis (das Kind gibt an, dass die Eltern gut/ wichtig/ richtig finden, dass ihr/ e Kind/ er Deutsch lernen); Unterstützung, indem die Eltern sich zumindest teilweise auch in der L2 mit ihren Kindern unterhalten; indirekte Unterstützung, wenn die Eltern auch einen Deutschkurs besuchen (alle sitzen dann in dieser Hinsicht „im selben Boot“, was sich positiv auf die Motivation der Kinder auswirken muss); Unterstützung durch Hilfestellung bei den Hausaufgaben, die für das schulische Weiterkommen unerlässlich sind und woran die L2-Kompetenz zwangsläufig gebunden ist (weswegen dies auch als Unterstützung mit Bezug auf den Zweitspracherwerb zu bewerten ist). fam-par- Keine Unterstützung in einer der oben beschriebenen Formen, z.B. durch eindeutiges Bevorzugen der L1 gegenüber der L2. (Grundsätzliche Unterstützung der Verbundenheit zur L1 muss nicht einhergehen mit einer Ablehnung der L2.). Siblings’ support (fam-sib+) Gleiche Kodierregel wie fam-par+, aber mit Bezug auf die Geschwister. fam-sib- Gleiche Kodierregel wie fam-par-, aber mit Bezug auf die Geschwister. Wider family support (fam-fam+) Gleiche Kodierregel wie fam-par+, aber mit Bezug auf die weitere Familie, z.B. Grosseltern, Onkel oder Tanten. Wider family support (fam-fam-) Gleiche Kodierregel wie fam-par-, aber mit Bezug auf die weitere Familie, z.B. Grosseltern, Onkel oder Tanten. Tabelle 27: Learning situation level: familienspezifische motivationale Aspekte Die grösste Bedeutung kommt eindeutig der elterlichen Unterstützung zu, die 48-mal als par+ und 13-mal als parbelegt ist. Sib+, also Unterstützung durch ältere Geschwister, ist viermal kodiert: Zum Beispiel hilft P10 und P13 anstatt der Eltern ein älteres Geschwister bei den Hausaufgaben (P10: 122- 127; P13: 213-214) und P10 gibt zudem an, dass seine siebzehnjährige Schwester mit ihm manchmal Deutsch übe (P10: 164-175). P7, ein Junge mit der Erstsprache Italienisch, gibt darüber hinaus an, dass er schon vor dem 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 122 Kindergarten von seiner Halbschwester, nicht von den Eltern, Deutsch gelernt habe: VL: Hast du eigentlich Deutsch gelernt schon vor dem Kindergarten oder im Kindergarten? - P7: Vor ich hab schon ge/ können. - VL: Wo hast du das gelernt? - P7: Äm, von meine Geschwister. Aber einfach sie wo sie wohnt hier, nicht die vom Ticin, die wohnt hier. - VL: Und ist das eine Schwester oder ein Bruder. P7: Mein Schwester. - VL: Hat dir Deutsch gelehrt ein bisschen? - P7: Ja. - VL: Wie alt ist sie denn? - P7: Jetzt hat sie 29 Jahre in Juli, jetzt hat sie 28. (P7: 331-340). In Bezug auf die elterliche Unterstützung fällt auf, dass bei sechs von vierzehn Kindern, fast der Hälfte also, zugleich die positive wie auch die negative Ausprägung belegt ist (siehe Tabelle 27). Das ist bei keiner der anderen Kategorien, auf keiner der drei Ebenen so häufig der Fall. Dieses Resultat ist aber kein Widerspruch, sondern ist mit der Vielseitigkeit der Kategorie zu erklären, die ja zum Beispiel sowohl den Sprachgebrauch der Eltern mit den Kindern sowie Hilfestellung bei den Hausaufgaben umfasst: So ist es nicht absonderlich, wenn Eltern mit ihren Kindern zwar die L1 als Umgangssprache bevorzugen (par-), aber trotzdem bei den Hausaufgaben helfen (par+) oder sogar zum Ausdruck bringen, dass sie es gut finden, wenn ihre Kinder Deutsch lernen (par+). Und das ist in diesen Daten der Fall: Auf die zunächst allgemeine Frage, ob ihre Eltern Deutsch verstehen und sogar einen Deutschkurs besuchen, antwortet P1 mit „ja“ (par+). In Nachfragen zeigt sich aber, dass zwar die Mutter einen Deutschkurs besucht (par+), aber der Vater nicht (par-): VL: ++ Verstehen deine Eltern Deutsch? - P1: Hm, ein bisschen. - VL: Ein bisschen. Weisst du ob sie Deutsch lernen? - P1: Mm, ja (bestimmt). - VL: Ja? - P1: Mm, ja (bestimmt). (P1: 101-106) VL: Und weiss du, ob sie [die Eltern] auch Deutsch lernen? - P1: Meine Mutter geht im Deutschschule für Deutsch zu lernen. (P1: 233-234) VL: Mh. - P1: Und + der nicht. - VL: Dein Vater nicht. - P1: M-m (verneinend). (P1: 235-238) Zudem gibt P1 an, dass sie zu Hause, mit ihren Eltern nur Tamilisch spricht (P1: 178-181, 239-240), was allerdings nicht ausschliesst, dass sie in ihrem Deutscherwerb (zumindest ideell) unterstützt wird: VL: Ähm, und finden deine Eltern gut, dass du Deutsch redest? - P1: Ja. - VL: Weisst du, weswegen? - P1: Ähm, andere Sprachen zu können, ist gut. (P1: 332-225) VL: Hilft dir manchmal jemand bei deinen Hausaufgaben? - P1: Mm, wenn das schwierig ist, helft mein Mama. (P1: 141.142) 5.3 Frühe L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 123 Teilweise sind die Angaben aber tatsächlich eher widersprüchlich bzw. nicht vollkommen eindeutig. Nicht immer eindeutig sind etwa die Aussagen von dem Mädchen P5 aus dem Kosovo, wie die folgenden Ausschnitte in Bezug auf die Unterstützung bei den Hausaufgaben durch die Mutter sowie deren Deutschkenntnisse (in den Augen der Tochter) zeigen: VL: Hilft dir manchmal jemand bei den Hausaufgaben? - P5: Ja. - VL: Deine Mutter oder dein Vater? - P5: Meine Mutter. (P5: 140-143) P5: (...) meine Mutter war in die Schule in Kosovo und dann hat sie immer so geredet, aber wenn ich Hausaufgaben kriege, dann kann sie mich nicht helfen, weil sie kann nicht so gut Deutsch. (P5: 335) VL: Gut. Und hilfst du manchmal deiner Mutter übersetzen, wenn sie etwas nicht versteht auf Deutsch? - P5: Ja. - VL: Findest du das gut, dass du ihr helfen kannst? - P5: Ja. Sie kann schon Deutsch reden, aber weisst du, weil wenn dört etwas so steht, weisst du bei den Hausaufgaben, wo sie noch nie gehört hat, dann kapiert sie das nicht. - VL: Ja. ++ - P5: Ja, kapiert sie dann nicht, wenn sie / wenn irgendetwas dört steht, was sie nicht kapiert hat, was dört / ja das kapiert sie nicht. Sie weiss / sie kapiert nur, wenn etwas Albanisch döt steht. - VL: Ach so, ja klar. - P5: Einmal hat meine Lehrerin ein weisses Blatt und hat / war dört / hat sie kopiert etwas Albanisches geschrieben, dann hat meine Mutter das alles gelesen. Dann hat sie das kapiert. (P5: 371-378) Kodiert ist diese erste zitierte Textstelle entsprechend der Kodierregel als par+, die beiden folgenden Auszüge dagegen als par-, da es eindeutig als „negative“ elterliche Unterstützung in Bezug auf den Zweitspracherwerb zu bewerten ist, wenn die Eltern sich selber nicht darum bemühen, Deutsch zu lernen, zumindest nicht so, dass es die Kinder merken. Bei P5 ist das auch in Bezug auf den Vater der Fall: VL: (...) Und dein Vater redet sicher gut Deutsch, wenn er hier arbeitet. - 5: Nein, nicht so gut. Weil er hat, sein Chef ist serbisch und mein Vater kann Serbisch reden und Kollege von ihm sind alle Albanisch, dann kannt er mit ihnen reden. Und ein paar mal, sein Chef kann, äm, Serbisch und Albanisch und dann paar mal redet sein Chef mit meinem Vater Serbisch und wenn mein Vater das nicht kapiert hat, dann seit er einfach uf Serbisch, „ich kapier das nicht“, dann redet der Chef mit ihm Albanisch. (P5: 336-337) Nicht vollkommen eindeutig zu bewerten ist hingegen die folgende Textstelle: VL: Aber mit deinem Vater redest du Albanisch? - P5: Ja. - VL: Und mit deiner Mutter auch? - P5: Ja. - VL: Ihr redet eigentlich nie Deutsch? - P5: Ja, weil mein Vater hat's nicht so gerne, weil mein Vater seit immer, „in die Schule redest du Deutsch und nach Hause musst du Albanisch reden, weil dann, wenn du in die Ferien gehst, dann redest du immer Deutsch, 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 124 dann kannst du nicht mehr Albanisch reden, du sollst besser in die Schule Deutsch reden und nach Hause redest du Albanisch“. (P5: 322-327) Kodiert ist dieser Ausschnitt als „negative Unterstützung“, weil die Hinweise, dass Albanisch in den Augen des Vaters wichtiger sei, überwiegen („hat’s nicht so gerne“, „nach Hause musst du“, „dann kannst du nicht mehr Albanisch“). Dass P5 in der Schule Deutsch spricht, scheint mehr „geduldet“ zu sein denn als „gut“ oder unterstützenswert bewertet zu werden - dies gerade im Zusammenhang damit, dass die Eltern selber scheinbar keine grossen Bemühungen unternehmen, selber Deutsch zu lernen. Kodesystem P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 learning situation fam fam+ 1 famsib+ 1 2 1 sibpar+ 4 2 1 4 1 5 3 3 3 4 4 5 6 3 par- 3 4 1 1 2 2 Tabelle 28: Kodematrix familienspezifische motivationale Aspekte Festzuhalten ist auch, dass nur bei P5 parüberwiegt, kein einziges Mal nur parkodiert ist und bei den meisten anderen Kindern eine positive Unterstützung durch die Eltern überwiegt. Bei P1 ist par- und par+ ähnlich stark vertreten. Weiter ist im Sinne einer Inventarisierung früher L2-Motivationen in der Migration nun noch zu untersuchen, welcher Art die „positiven“ und „negativen“ Unterstützungen sind. Dazu werden die kodierten Auszüge weiter anhand der induktiv formulierten Kriterien gegliedert, die schon in Tabelle 26 beschrieben wurden: für par+ „expressis verbis“ (wörtliche Belege wie „finden gut, dass...“), L2-Gebrauch, Besuch eines Deutschkurses sowie Unterstützung bei den Hausaufgaben bzw. für par- „expressis verbis“ (wörtliche Belege wie „mag’s nicht so gerne, wenn...“), überwiegender oder ausschliesslicher L1-Gebrauch sowie geringe oder keine Deutschkenntnisse. Hierbei zeigte sich, dass sich die „negative“ elterliche Unterstützung in erster Linie darin äussert, dass die L1 als Umgangssprache zuhause gegenüber der L2 überwiegt (P1, P5, P10, P12, P14), was nur zweimal mit wenig bzw. keinen Deutschkenntnissen der Eltern einhergeht (P1 und P5). Par- „expressis verbis“, was die direkteste Form der negativen elterlichen Unterstützung darstellt, ist nur bei P13, einem tamilischen Mädchen, kodiert worden. Obwohl P13 durchaus den Eindruck hat, dass die 5.3 Frühe L2-Motivationen in Dörnyeis dreistufigem Modell 125 Eltern „gut finden“, dass sie Deutsch lernt (P13: 311-312, 347-348), wird die Erstsprache als wichtiger bewertet: VL: Aber sie finden auch gut, dass du Tamilisch lernst? - P13: (nickt). - VL: Was finden sie wichtiger, weisst du das? - P13: Muttersprache. - VL: Und du selber? - P13: Auch Muttersprache. (P13: 313-318) P13: Ja. Weil wenn wir Muttersprache gut können, können wir auch mit anderen Menschen Tamilisch gut reden. - VL: Und hast du das selber raus gefunden oder sagen das deine Eltern? - P13: Meine Eltern sagen das, aber selber auch. - VL: Und deine Brüder? - P13: Auch. (P13: 326-330) Insgesamt ist viel positive Unterstu ̈ tzung der Eltern festzustellen. Jeweils 9 der 14 Elternpaare unterstu ̈ tzen verbal, unterhalten sich mit den Kindern in der L2 und helfen bei den Hausaufgaben. Nur bei 5 Kindern besuchen die Eltern einen Deutschkurs, allerdings kann es sein, dass weitere Eltern fru ̈ her bereits einen Kurs absolviert haben. Nur zwei Kinder geben an, dass ihre Eltern Deutsch schlecht oder gar nicht beherrschen. Trotzdem fällt auch auf, dass bei P2, P3 und P5 je nur eine Form der positiven elterlichen Unterstützung belegt ist, wobei dies bei P3 und P5 lediglich in Form einer Hilfestellung bei den Hausaufgaben der Fall ist. Für P2 und P3 ist die Hilfestellung bei den Hausaufgaben überhaupt die einzige Art familialer Unterstützung, nicht einmal parist belegt, worin sich auch eine Form der Anteilnahme zeigt. Das kann auf zwei Arten interpretiert werden, als elterliche Gleichgültigkeit dem Deutscherwerb der Kinder gegenüber, was aus der L2- Motivationsperspektive als negativ zu bewerten wäre, oder aber dahingehend, dass der Zweitspracherwerb und der Umgang mit der Mehrsprachigkeit ganz einfach keine zentralen Themen in der jeweiligen Familie darstellen und daher auch keine Motivationskonflikte beispielsweise aufgrund einer Diskrepanz zwischen der Bewertung der Zweitsprache und/ oder der Mehrsprachigkeit generell durch die Kinder und deren Bewertung durch die Eltern entstehen würden. Ob direkte elterliche Unterstützung („gut finden“, dass das Kind Deutsch lernt, sich für das Gelernte interessieren etc.) oder indirekte Unterstützung, indem die Eltern auch in der Zweitsprache mit den Kindern reden, selber Deutsch lernen etc. eine gewichtigere L2- Motivationskomponente darstellt, ist Thema von Kapitel 7, in dem der Zusammenhang zwischen L2-Motivationen und L2-achievement diskutiert wird. 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 126 Kodesystem P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 learning situation Fam par+ expressis verbis 1 2 1 1 2 1 1 1 2 Unterhalten in L2 2 3 2 1 1 2 4 1 1 Deutschkurs 2 1 1 2 2 Hilfe bei Hausaufgaben 1 1 1 1 1 2 1 1 2 parexpressis verbis 2 kaum bzw. keine Deutschkenntnisse 1 3 vor allem (oder nur) L1 2 1 1 1 2 Tabelle 29: Kodematrix parental support Das learning situation level ist per se kontextspezifisch, da es ja Aspekte im Zusammenhang mit dem Erwerbskontext betrifft. Eine besondere Charakteristik zeigt sich mit Bezug auf die unterrichtsspezifischen motivationalen Komponenten darin, dass die Zielsprache die generelle Umgangssprache im gesamten Unterricht darstellt und es nicht den L2-Unterricht gibt, auf den motivationale Komponenten bezogen sind. Darin unterscheiden sich die Aspekte dieser Dimension in Zweitspracherwerbskontexten deutlich von Fremdsprachenerwerbskontexten. 5.4 Zusammenfassung Dieses Kapitel hat die Fragen behandelt, ob und in welchen Bereichen frühe L2-Motivationen kontextspezifisch sind. Die Frage stellt sich, weil die bisherige L2-Motivationsforschung den frühen Zweitspracherwerb gänzlich vernachlässigt hat, obwohl anzunehmen ist, dass die grundlegend anderen Erwerbsbedingungen des frühen Zweit-, im Gegensatz zum jugendlichen und erwachsenen Fremdsprachenerwerb zu anderen motivationalen Prozessen führen. So vermutet es beispielsweise auch Lamb (2004). Als theoretischer Rahmen zur Untersuchung dieser Frage wurde das dreistufige Modell für L2-Motivationen nach Dörnyei (1994a) gewählt, das es erlaubt, ein systematisches und breites „Inventar“ der L2-Motivationen, die im frühen Zweitspracherwerb belegt werden können, zu erarbeiten. Dieses Modell 5.4 Zusammenfassung 127 stellte zum einen den Rahmen für die Befragung der Probanden und Probandinnen dar und zum anderen die Grundlage des Kategoriensystems, anhand dessen die halbstrukturierten Interviews entsprechend der Mayring’schen qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet wurden. Dieses deduktiv festgelegte Kategoriensystem wurde aber zudem induktiv erweitert, was erlaubt hat, auch Aspekte aufzuspüren, die jenseits des theoretischen Rahmens lagen - so beispielsweise der Fall auf dem learning situation level, das um die Kategorie „familien-spezifische motivationale Komponenten“ erweitert werden konnte. In Bezug auf das language level konnte aufgrund der Daten noch nicht abschliessend beantwortet werden, ob und inwiefern diese Ebene kontextspezifisch ist. Beiden Kategorien, das integrativ motivational system und instrumental motivational system, sind in den Daten mehrfach belegbar. Die beiden Kategorien sind allerdings so breit gefasst, dass sie je auf unterschiedliche Textstellen zutreffen können, die verschiedene Schwerpunkte haben. Die Summe der kodierten Textstellen je Kategorie könnte daher eine Tendenz in eine bestimmte Richtung aufweisen, der bisher eine eher nebensächliche Bedeutung zugekommen ist. Aus diesem Grund ist eine weitere Untersuchung speziell dieser Ebene angebracht, was Gegenstand des Kapitels 6 dieser Arbeit ist. Das learner level ist an sich nicht kontextspezifisch, weil sich die L2- Motivationen dieser Ebene, wie sie hier operationalisiert wurde, nicht direkt auf die Zweitsprache Deutsch, deren Benutzung oder die Mehrsprachigkeit generell beziehen. Manche der Kinder machen Hausaufgaben lieber als andere, manche haben weniger Angst, Fehler zu machen als andere, manche beurteilen ihre eigene L2-Kompetenz im Vergleich zu jener der Klassenkameraden und -kameradinnen selbstbewusster als andere und trauen sich generell mehr zu als andere. Das ist nicht überraschend und würde sich so auch zeigen, wenn es nicht um den Erwerb einer Sprache ginge, sondern um irgendeinen anderen Lerngegenstand, weswegen nicht gesagt werden kann, dass das learner level für den frühen Zweitspracherwerb zu präzisieren oder gar neu zu formulieren wäre. Aber es sind natürlich Wechselwirkungen zwischen speziell L2-bezogenen Motivationen, die auf dem language level zusammengefasst sind, und beispielsweise need for achievement denkbar. Es ist durchaus möglich, um ein bereits eingeführtes Beispiel zu nennen, dass ein Kind, das grundsätzlich Spass daran hat, zur Schule zu gehen und Hausaufgaben zu machen (=learner level), auch die Zweitsprache immer mehr zu mögen beginnt (=language level), weil deren primärer Erwerbs- und Gebrauchskontext ja die Schule im weitesten Sinn (Unterricht, Pausenplatz, Ausflüge etc.) darstellt. Untersuchungen solcher und ähnlicher potenzieller Wechselwirkungen stellen ein Desiderat zukünftiger Forschung dar, um spezifische motivationale Prozesse des frühen Zweitspracherwerbs besser zu verstehen. 5 Frühe L2-Motivationen: ein Inventar 128 Das learning situation level ist kontextspezifisch. Dies zeigt sich insbesondere in den familienspezifischen Aspekten, die bei Dörnyei (1994a) nicht bedacht sind. Zwar haben Gardner/ Lambert (1972) schon auf die positive Wirkung elterlicher Unterstützung auf den Fremdsprachenerwerb hingewiesen, ebenso Jakobovits (1970: 65). Allerdings kann sich elterliche Unterstützung in einer Familie mit Migrationshintergrund in Aspekten zeigen, die in einer Familie ohne Migrationshintergrund nicht relevant sind. Insbesondere ist zu bedenken, ob die Elternpaare eine one-language-Ideologie vermitteln, in der die Zweitsprache eine der Erstsprache untergeordnete Rolle spielt oder sogar abgewertet wird (par-), oder auch daran, dass die Eltern sich der sozialen und schulischen Bedeutung der L2 gerade für ihre Kinder bewusst sind und sie daher sogar als Umgangssprache (in gewissen Situationen) in der Familie bevorzugen (par+). Zudem zeigten die Daten, dass Unterstützung innerhalb der Familie nicht nur von den Eltern kommen muss, sondern auch von Geschwistern oder anderen Bezugspersonen der nahen Verwandtschaft (Onkel, Tanten) ausgehen kann. Ein kontextgebundenes Charakteristikum in Bezug auf die unterrichtsspezifischen motivationalen Komponenten liegt darin, dass die Zielsprache die Umgangssprache des gesamten Unterrichts darstellt und nur ein Fach ist, weswegen sich die Aspekte dieser Dimension auf einen anderen Kontext beziehen und damit kontextspezifisch sind. 6 „Die Leute sind hier nicht nur albanisch“: Integrative Orientierung und instrumentelle Motivation im frühen L2-Erwerb In Kapitel 5 hat sich gezeigt, dass die beiden Kategorien des language level, das integrativ-motivationale System (inte) und das instrumentell-motivationale System (instr), zu allgemein definiert sind, um feststellen zu können, ob und in welchen Aspekten sie kontextspezifisch sind. Weil die beiden Konzepte sehr breit angelegt sind, wird in diesem Kapitel gefragt, ob sie in unterschiedlichen Kontexten das Gleiche bedeuten: Beispielsweise ist wegen der Kodierregeln eine positive Haltung zur Mehrsprachigkeit im Allgemeinen wie „es ist toll, so viele Sprachen zu können“ (P4) genauso als inte+ (generelles Interesse an bzw. Zuneigung zur L2 an sich oder deren Sprechenden) zu kodieren wie das Interesse daran, die Zweitsprache noch besser zu lernen wegen eines integrativen Bedürfnisses (z.B. „dann lern ich neue Freunde“, P9). Aber im Grunde sind das zwei ziemlich verschiedene Motive. Das language level muss im Kontext des frühen migrationsbedingten L2-Erwerbs daher differenzierter untersucht werden. 6.1 Problemstellung: zu allgemein, zu starr? Die Referenzkonzepte des language level, die integrative Orientierung und die instrumentelle Motivation stellen noch immer die zentralen Grössen der L2-Motivationsforschung seit deren Anfängen dar. Es sei daran erinnert, dass die integrative Orientierung im Wesentlichen den Wunsch oder zumindest die Bereitschaft meint, Teil der L2-Sprachgemeinschaft zu werden, „dazu zu gehören“, was eine Art psychologischer und emotionaler Identifizierung mit dieser je nach Kontext zu definierenden Gruppe bedeutet. Eine prototypische Aussage von Lernenden ist nach Gardner (2001b): „Französisch zu lernen ist mir wichtig, weil es mir ermöglichen wird, die französische Kultur, die Kunst und Literatur besser zu verstehen [Übersetzung d.A.].“ In einem erweiterten Verständnis bezieht sich die integrative Orientierung aber ebenso auf ein allgemeines soziokulturelles Interesse, Interesse an neuen, „fremden“ Sprachen und Kulturen im Allgemeinen sowie auf das Bedürfnis nach Horizonterweiterung und Vermeidung von Provinzialismus. Man kann von einem Gegenstück zu Ethnozentrismus sprechen oder auch von einem Gegenstück zu linguistic purism (vgl. Gardner/ Lambert 1972, Clément/ Kruidenier 1983, 1985, Dörnyei 1990, 1994, 2010a, Gardner 1985, 2001, Lamb 2004, Dörnyei/ Ushioda 2011; hier v.a. 6 Integrative Orientierung und instrumentelle Motivation im frühen L2-Erwerb 130 Kapitel 3). Das zweite zentrale Konzept ist die instrumentelle Motivation, die sich in erster Linie auf einen konkreten Nutzen bezieht, den der Erwerb einer weiteren Sprache mit sich bringt. Klassischerweise sind das Karrieremöglichkeiten, zum Beispiel die Aussicht auf eine Beförderung mit Versetzung in einen anderen Sprachraum, oder auf die kindliche und jugendliche Lebensrealität bezogen gute Noten, Lob und/ oder die Klasse nicht wiederholen zu müssen. Der wesentliche Unterschied zur integrativen Orientierung ist die Zweckmässigkeit im Gegensatz zum sozialen, psychologischen und/ oder emotionalen Interesse (vgl. Gardner/ Lambert 1972, Gardner 1985, Dörnyei 1994, Lamb 2004, Dörnyei/ Ushioda 2011). Beide Dimensionen sind in der L2-Motivationsforschung vielfach aufgenommen worden, insbesondere die integrative Orientierung stellt das am weitest verbreitete und meist diskutierte Konzept dar. Es ist aber auch immer wieder Kritik geübt worden: Oft bezieht sich diese darauf, ob gerade das Konzept der integrativen Orientierung auf alle Zweit- und Fremdsprachenerwerbskontexte anwendbar ist und ob dieses beispielsweise auch dann eine Rolle spielt, wenn die Lernenden keinen unmittelbaren Kontakt mit SprecherInnen der Zielsprache haben. Das wäre der Fall, wenn etwa japanische SchülerInnen in Japan oder ungarische SchülerInnen in Ungarn Englisch als Fremdsprache lernen. Solche Kontexte stehen in deutlichem Kontrast zur Sprachrealität grosser Teile Kanadas mit dem Nebeneinander von französischen und englischen Sprachgruppen, wovon Gardner und Lambert ursprünglich ausgehen. Es stellt sich die Frage, ob diese Konzepte verallgemeinerbar sind oder ob sie nicht je nach Erwerbskontext spezifiziert werden müssten, wie dies unter anderem Lamb (2004) vorschlägt. Dann wären prototypische Erwerbskontexte zu definieren, für die feinere Modelle zu erarbeiten sind. Gardner selbst, der dieses Forschungsfeld, wie schon deutlich geworden ist, rund vierzig Jahre dominiert, aber auch systematisiert hat, stellte noch 2005 klar, dass seiner Ansicht nach beide Konzepte, insbesondere die „integrative Orientierung“, die er für zentraler hält, auf jeden L2- und Fremdsprachenerwerbskontext anwendbar seien. Das Problem liegt nun aber darin, dass die Theoretisierung dieser Konzepte lange Zeit weder auf die grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen noch auf Entwicklungen in den theoretischen Diskursen von Nachbardisziplinen wie Mehrsprachigkeits-, Identitäts- und Motivationsforschung, die in unmittelbarer Beziehung zu L2-Motivationen generell stehen, reagiert hat. Beispielsweise wurden die weltweiten Migrationsbewegungen der letzten Jahrzehnte, welche die globalen Sprachrealitäten grundlegend verändert haben, nicht systematisch für die L2-Motivationsforschung reflektiert. Das gilt auch für jüngere dynamische Identitäts- und Motivationstheorien, die erst Dörnyei (z.B. 2010a, 2010b) für die L2-Motivationsforschung aufgearbeitet hat. Zudem leben wir heute in einer Zeit weltweiten Informationsaustauschs, was dazu führt, dass die Bilder heuti- 6.2 Hypothesen 131 ger „Idole“ beispielsweise aus Musik, Film oder Sport weltweit übertragen und zum Grossteil sprachbasiert vermittelt werden, was dazu führt, dass ein Begriff wie „L2-Sprachgemeinschaft“, den nämlich Gardner ziemlich unspezifisch verwendet, differenziert definiert werden muss. Gerade mit Bezug auf Weltsprachen wie Englisch mit den unzähligen Worldenglish- Varietäten ist zu fragen, welche diese L2-Sprachgemeinschaft sein soll, mit denen sich Lernende identifizieren wollen? (Vgl. zum jüngeren kritischen Diskurs z.B. Lamb 2004, Dörnyei 2009, Dörnyei/ Ushioda 2011.) Diese Entwicklungen haben sehr aktuell dazu geführt, dass sich die L2-Motivationsforschung in einer Phase der grundlegenden Re-Theoretisierung befindet (vgl. Dörnyei/ Ushioda 2011). Der Beitrag, der in diesem Kapitel geleistet wird, ist die systematische, datenbasierte Aufarbeitung der zentralen Konzepte integrative Orientierung und instrumentelle Motivation bzw. des integrativ motivational system und des intstrumental motivational system. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob die beiden Dimensionen so, wie sie aufgrund der bisherigen Forschung zu definieren sind, relevante Grössen im frühen Zweitspracherwerb darstellen oder ob sie aufgrund des spezifischen Kontexts neu zu definieren sind. 6.2 Hypothesen Zur Überprüfung, ob eine Re-Theoretisierung des integrativ motivational system und des instrumental motivational system für den frühen Zweitspracherwerb notwendig ist, und um datenbasiert aufzuzeigen, in welche Richtung eine Re-Theoretisierung gehen muss, wird zunächst gefragt: Stellen die beiden adressierten Dimensionen adäquate Analysegrössen für den L2-Erwerb dar? Das heisst zum einen, ob sie überhaupt nachweisbar sind, und zum anderen aber vor allem, welche Aspekte nachweisbar sind. Zudem: Zeigen sich darin spezifische Charakteristika für den frühen migrationsbedingten Zweitspracherwerb, weisen die belegten Aspekte einen anderen Schwerpunkt auf als jenen, der bisher benannt ist (nämlich ein integratives Bedürfnis, zu einer bestimmten Sprachgemeinschaft zu gehören auf der einen und der unmittelbare Nutzen für individuelle Ziele auf der anderen Seite)? Gibt es eine Verlagerung der zentralen Motive innerhalb der beiden oder innerhalb eines der Konzepte, wie dies etwa Dörnyei (2010a) für den Fremdsprachenerwerb Jugendlicher und junger Erwachsener mit der Verschiebung von integrativeness zum ideal L2-self vorgeschlagen hat? Sind beide Konzepte zu re-theoretisieren oder nur eines der beiden und weshalb? Mit Bezug auf das integrativ-motivationale System ist anzunehmen, dass es so, wie es nach bisherigem Stand der Forschung zu definieren ist, keinen adäquaten Analyserahmen für eine Untersuchung von L2-Motivationen im frühen Zweitspracherwerb darstellt - obwohl es in den Daten grundsätzlich, 6 Integrative Orientierung und instrumentelle Motivation im frühen L2-Erwerb 132 wie unter 5.3.1 gezeigt wurde, belegt ist. Aufgrund der sozialen Normalität, welche der frühe Zweitspracherwerb für die Probanden und Probandinnen dieser Arbeit darstellt (die Mehrsprachigkeit ist innerhalb der Klassen die Regel, einsprachige Kinder die Ausnahme) 11 , ist aber zu erwarten, dass einem integrativen Bedürfnis, anerkanntes Mitglied der L2-Sprechendengemeinschaft, hier der einsprachigen Peers, zu werden, keine vorrangige Bedeutung zukommt, dass die Belegstellen des integrativ motivational system einen anderen Schwerpunkt aufweisen: Weil Kinder in der Regel spielerisch mit Sprachen umgehen, wird dieser Schwerpunkt bei Affektionen und Emotionen im Zusammenhang mit der Zielsprache Deutsch und der Mehrsprachigkeit generell erwartet. Die erste Hypothese lautet daher: Das integrativ motivational system, wie es nach bisherigem Forschungsstand zu definieren ist, bietet keinen adäquaten Analyserahmen für eine Untersuchung von L2-Motivationen im frühen Zweitspracherwerb. Grund ist, dass dem zentralen Motiv des traditionellen Referenzkonzepts „integrative Orientierung“, dem Bedürfnis, zur L2-Sprechendengemeinschaft (hier einsprachige Peers) zu gehören bzw. der Bereitschaft zur sozialen und emotionalen Identifizierung mit dieser Gruppe, im frühen Zweitspracherwerb, wenn der L2-Erwerb den Normalfall darstellt, keine vorrangige Bedeutung zukommt. Der Schwerpunkt eines integrativ motivational system im frühen Zweitspracherwerb liegt bei allgemeinen affektiven und emotionalen Aspekten im Zusammenhang mit der Zweitsprache und der Mehrsprachigkeit generell. Das Konzept für diesen Kontext muss überarbeitet werden. Auch für das instrumental motivational system wird angenommen, dass es für den frühen Zweitspracherwerb zu revidieren ist und dass eine Definition nach heutiger Forschungslage keinen angemessenen Analyserahmen für die hier untersuchten Erwerbsbedingungen darstellt. Auch diese Annahme wird hier vertreten und liegt ebenfalls im Schwerpunkt des klassischen Referenzkonzepts (instrumentelle Motivation) begründet, obwohl das instrumental motivational system in den Daten belegt ist (Abschnitt 5.3.1). Diesen klassischen Schwerpunkt bildet ein utilitaristisches Motiv, ein konkreter Nutzen, den die Kenntnis der Zielsprache für individuelle Ziele mit sich bringt, etwa eine Beförderung mit Versetzung in einen anderen Sprachraum oder auf eine kindliche und jugendliche Lebensrealität übertragen, gute Noten und/ oder am Ende des Schuljahres nicht sitzen zu bleiben. Man kann aber wohl davon ausgehen, dass in der zweiten Primarschulklasse verglichen mit höheren Schulstufen noch kein derartiger Notenbzw. allgemeiner Leistungsdruck besteht, dass die Kinder den Erwerb der Zweitsprache in einen notwendigen Zusammenhang mit dem 11 Weil die Autorin die Ansicht teilt, dass Schweizerdeutsch und Hochdeutsch nicht als zwei Sprachen zu betrachten sind, sondern als zwei Varietäten einer Sprache, sind mit einsprachigen Kindern auch Deutschschweizer Kinder gemeint. 6.3 Das integrative Subsystem 133 Schulerfolg oder gar Aspekten, die in weiterer Zukunft liegen, bringen, zum Beispiel einem spezifischen Berufswunsch 12 . Die Tatsache aber, dass zwar die meisten Peers von den Probanden und Probandinnen dieser Arbeit mehrsprachig sind, aber nur wenige dieselbe Erstsprache sprechen, macht die Kenntnis der Zweitsprache notwendig, um mit den anderen Kindern sprechen zu können. In der Kenntnis der L2 liegt auch dann ein konkreter Nutzen, der sich allerdings nicht auf persönliche Ziele in der Zukunft bezieht, sondern auf eine Zweckmässigkeit im Heute, ohne „Profit“, wie er in einer Beförderung oder guten Noten enthalten ist. Die zweite Hypothese lautet daher ähnlich wie die erste: Das instrumental motivational system in einer Definition nach bisherigem Stand der Forschung bietet keinen adäquaten Analyserahmen für eine Untersuchung früher L2-Motivationen. Danach läge der Schwerpunkt des Konzepts auf einem persönlichen Profit, den die Kenntnis der Zielsprache bedeuten würde, bei Kindern insbesondere gute Noten. Weil aber angenommen werden kann, dass der Leistungsdruck in der zweiten Primarschule noch nicht so hoch ist, dass Kinder den Erwerb der L2 mit Schulerfolg im weitesten Sinn in Verbindung bringen würden, wird ein anderer Schwerpunkt innerhalb der für das instrumental motivational system kodierten Textstellen erwartet, und zwar bei der Nützlichkeit der Kenntnis der L2 zur Kommunikation mit Kindern anderer Erstsprachen. 6.3 „Dann lern ich neue Freunden, mit Deutsch, und eso“ - das integrative Subsystem In diesem Abschnitt wird die erste Hypothese des Kapitels behandelt. Diese betrifft das integrativ-motivationale System, die erste von den beiden Kategorien des language level, die mit 59 positiven Interviewstellen belegt ist und mit 8 negativen (vgl. 5.3.1). Die deduktiven Kodierregeln lauten (vgl. 5.2.5): inte+: Generelles Interesse an bzw. Zuneigung zu der L2 an sich oder deren Sprechenden, generelles Interesse an „fremden“ und/ oder neuen Sprachen und/ oder Kulturen sowie der Mehrsprachigkeit, keine „one-language“- Ideologie, spielerischer und/ oder konfliktfreier Umgang mit der Mehrsprachigkeit. 12 In der 1. und 2. Primarschulklasse gibt es in den von den ProbandInnen besuchten Schulen am Ende des Schuljahres zwar ein Zeugnis, allerdings ohne Noten. Im Zeugnis wird festgehalten, in welchen Fächern das Lernziel „gut erreicht“, „erreicht“ oder „nicht erreicht“ wurde. Erst ab der 3. Klasse muss ein bestimmter Notendurchschnitt erreicht werden, damit ein Kind in die nächste Klasse befördert werden kann (vgl. Amt für Volksschulen Kanton Basel-Landschaft 2012). 6 Integrative Orientierung und instrumentelle Motivation im frühen L2-Erwerb 134 inte-: Eher ablehnend gegenüber der L2 und kein besonderes Interesse an ihr, deren Sprechenden, neuen Sprachen und/ oder Kulturen allgemein oder der Mehrsprachigkeit an sich. One-language-Ideologie „zugunsten“ der L1. Zur Präzisierung dieser Kategorien sind jetzt induktiv Subkategorien zu bilden, was darüber Aufschluss gibt, welches die relevanten Aspekte im frühen Zweitspracherwerb darstellen. Nach diesem Schritt der lyse können fünf Subkategorien unterschieden werden: (1) „Gruppenzugehörigkeit“, (2) „Pro L1 und L2 allgemein“, (3) „Pro Sprachen allgemein“, (4) „Pro L2 allgemein“ und (5) „L2-Präferenz“: Subkategorie Definition (Kodierregel) Gruppenzugehörigkeit (group) Der Erwerb der Zweitsprache wird in einem Zusammenhang mit der Zugehörigkeit bzw. der Aussicht auf zukünftige Zugehörigkeit zu einer spezifischen Gruppe (von Peers) gesehen, wobei die L2 den „Schlüssel“ zu dieser Gruppe darstellt. Pro L1 und L2 allgemein (proL1L2) Allgemein positive Äusserungen im Zusammenhang mit der L1 und L2 an sich und/ oder deren Gebrauch. Keine Präferenz für L1 oder L2 gegenüber der anderen Sprache. Pro Sprachen allgemein (proLn) Positive Äusserungen zu und spielerischer Umgang mit Sprachen allgemein, Ausdruck von Vergnügen im Zusammenhang mit Sprachen allgemein und/ oder deren Gebrauch. Pro L2 allgemein (proL2) Positive Äusserungen speziell zur L2, das Kind „mag“ sie und/ oder beurteilt sie als schön, toll oder einfach bzw. Einfacher und/ oder Nennen einer spezifischen Situation, in der die L2 Deutsch bevorzugt wird (obwohl in dieser die L2 nicht erfordert ist). L2-Präferenz (L2präf) Die L2 wird gegenüber der L1 explizit bevorzugt, sie wird lieber gemocht und/ oder lieber gesprochen als die L1. Tabelle 30: Subkategorien des integrativ-motivationalen Systems (positive Belege) 6.3 Das integrative Subsystem 135 Beispiele für die Subkategorien sind: Subkategorie Belege group VL: Und finden deine Eltern das gut, dass du Deutsch lernst? P9: Mh (bejahend). VL: Ja? P9: Ja. VL: Warum finden sie das gut? P9: Weil ich lerne neue Freunden, wenn ich in Deutsch und + eso. VL: Weil du neue Freunde kennen lernst mit Deutsch? P9: Ja. (P9: 278-285) proL1L2 VL: Was magst du lieber, Deutsch oder Albanisch. P6: Ich mag beides. VL: Und zu Hause, wie redest du mit deinen Eltern? P6: Deutsch und Albanisch. VL: Beides? P6: Ja. (P6: 316-321) Pro Sprachen allgemein VL: Kannst du auch Serbisch ein bisschen? P5: Ganz wenig. VL: Und kennst du noch andere Sprachen? P5: Ja. VL: Was kennst du noch? P5: Russisch. Ich weiss, wie man sagt „Mama, darf ich trinken“, wie man das sagt in Russisch. VL: Wie sagt man das? P5: (der Satz auf Russisch). VL: Nicht schlecht, toll. P5: (Lachen) - VL: Und kennst du noch andere Sprachen oder wo du einfach mal davon gehört hast, dass es sie gibt? P5: +++ Ja. Kann ich noch. Äm, Spanisch, äm, ich kann auch Spanisch wie das heisst „was“. (Lachen) „Por qué“. Das bedeutet „was“. Nein, „warum“ bedeutet das. VL: Und weisst du noch von anderen Sprachen? Also du musst gar nicht unbedingt ein Wort wissen, aber nur, dass es sie gibt. P5: Ich weiss noch Italienisch zum zählen (zählt auf Italienisch von eins bis zehn). VL: Toll. P5: Aber sonst weiss ich nichts mehr. VL: Weisst du, wie man in Frankreich spricht, wie die Sprache heisst? P5: Nein. VL: Französisch. Hast du mal gehört, dass es das gibt? P5: Ja, einmal schon, aber geredet hab ich / kann ich nicht. VL: Es gibt so viele Sprachen, man kann gar nicht alle / P5: (Lachen) (P5: 340- 362) Pro L2 allgemein VL: Und magst du Deutsch gern? P1: Ja. VL: Sehr gerne oder nur gerne? (zeigt die Symbole ++ und +) P1: Sehr gerne (betont sehr und zeigt ++). (P1: 8-11) VL: Wie findest du das eigentlich, dass man in der Schule immer Hochdeutsch redet? Findest du das gut oder blöd oder fändest du das auch gut, wenn ihr manchmal auch Italienisch reden würdet? - P4: Nö-ö, für mich ist es kein Problem, für mich ist es toll, Deutsch zu reden. (P4: 355-356) VL: Und wie redest du mit ihr, Deutsch oder Albanisch? - P5: Nach Hause? - VL: Ja. - P5: Albanisch und ein paar mal/ mit meinen Eltern red ich Albanisch und mit meiner Schwester duen ich Deutsch und Albanisch. - VL: Kannst du das sagen, wann du mit ihr Albanisch redest und wann Deutsch, in welchen Situationen? - P5: Hm, weiss nicht, ich tue immer am Nachmittag tuen ich paar mal mit ihr Deutsch reden, am Nachmittag. - VL: Wenn ihr spielt zusammen? - P5: Ja, weil wir haben noch so Barbies, dann spielen wir immer mit Barbies Deutsch. (P5: 292-299) 6 Integrative Orientierung und instrumentelle Motivation im frühen L2-Erwerb 136 L2-Präferenz VL: Was magst du lieber, Deutsch oder Italienisch? - P3: Deutsch (sehr schnell). - VL: Magst du lieber? Und schau mal, wenn das heisst, du magst es ein bisschen lieber (zeigt L2+) und das heisst, du magst es viel lieber (zeigt L2++). - P3: Viel lieber. (P3: 22-25) VL: Und redest du gerne Italienisch? - P7: Ja. - VL: Und Deutsch? - P7: Auch. Aber ich rede mehr Deutsch gerne. (P7: 239-242) Tabelle 31: Beispiele zu den Subkategorien des integrativ-motivationalen Systems Grundsätzlich sind diese induktiv abgeleiteten Ausprägungen des integrativ-motivationalen Systems in der bisherigen Forschung schon benannt worden. Das ist ein Artefakt der theoriegeleiteten Befragung und der deduktiven Kategoriendefinitionen auf der höheren, „grobmaschigeren“ Ebene des Kategoriensystems. Aufschlussreich sind daher nicht die Subkategorien an sich, sondern die Verteilung der Kodierungen auf die Subkategorien, die den Indikator für den Schwerpunkt innerhalb des integrativ-motivationalen Systems im frühen Zweitspracherwerb darstellt. Dem Schwerpunkt der „klassischen“ Konzeptionierung dieser Kategorie, der Bereitschaft, sich sozial und emotional mit der L2- Sprechendengemeinschaft zu identifizieren bzw. Teil dieser zu werden, entspricht in den Daten der vorliegenden Arbeit die induktive Subkategorie Gruppenzugehörigkeit. Die anderen Subkategorien beziehen sich auf affektive Äusserungen zu Sprachen generell, zur Erstund/ oder Zweitsprache im Besonderen bzw. auf deren Gebrauch. Sie haben ihre Entsprechung in der klassischen Konzeptionierung des integrativ-motivationalen Systems im allgemeinen Interesse an neuen „fremden“ Sprachen, Menschen und Kulturen. Diesem generellen soziokulturellen Interesse misst die bisherige Forschung aber eine zweitrangige Bedeutung bei. In Bezug auf die induktiven Subkategorien sei noch darauf hingewiesen, welches die wesentlichen Unterschiede zur Abgrenzung untereinander sind. Diese liegen darin, auf welche Sprache(n) sich die Textstellen beziehen: Auf Sprachen generell (nicht nur auf die L1 und die L2), die jeweilige L1 und die L2 im Allgemeinen, die L2 Deutsch im Allgemeinen (ohne Bezug auf die L1) oder auf die L2 mit eindeutiger Bevorzugung dieser gegenüber der L1. Verallgemeinernd kann man bei diesen Subkategorien von sprachbezogenen affektiven und emotionalen Aspekten sprechen, von denen die erste Subkategorie (group) deutlich zu unterscheiden ist, solange sprachbezogene affektive und emotionale Aspekte nicht zusammen mit der Subkategorie Gruppenzugehörigkeit belegt sind. Die Tatsache, dass sich sprachbezogene affektive und emotionale Aspekte in vier unterschiedlichen Ausprägungen zeigen, das Gruppenzugehörigkeitsmotiv dagegen lediglich in einer Ausprägung festzustellen ist, ist ein erster Hinweis darauf, dass der Kern 6.3 Das integrative Subsystem 137 des integrativ-motivationalen Systems im frühen Zweitspracherwerb tatsächlich nicht beim integrativen Motiv liegt, wovon die bisherige Forschung ausgegangen ist. Zur Verteilung der Kodierungen auf die Subkategorien die folgende Tabelle mit der jeweiligen Anzahl an Belegstellen (N): Subkategorie N Positionen der Belege group 1 P9: 278-285 proL1L2 8 P6: 316-321, P6: 238-242, P7: 82-87, P7: 209-220, P9: 24-33, P11: 14-19, P12: 298-303, P13: 181-184 proLn 12 P1: 300-309, P4: 20-35, P4: 287-292, P4: 439-440, P4: 445-456, P5: 340-362, P7: 189-204, P7: 245-252, P7: 277-284, P8: 264- 273, P11: 229-237, P13: 333-338 proL2 17 P1: 8-11, P3: 12-15, P4: 8-11, P4: 355-356, P5: 8-11, P5: 292- 299, P6: 9-12, P7: 8-11, P9: 8-13, P9: 14-23, P9: 249-261, P10: 11-14, P10: 47-57, P10: 154-163, P12: 365-368, P13: 13-18, P14: 8-11 L2präf 21 P2: 18-23, P2: 100-101, P3: 22-25, P3: 110-115, P3: 142-143, P3: 273-280, P4: 128-129, P4: 295-304, P5: 22-23, P5: 110-115, P6: 21-28, P6: 57-62, P6: 129-130, P6: 304-307, P7: 239-242, P9: 68-86, P9: 155-156, P10: 100-101, P10: 293-302, P12: 26-29, P12: 104-105 Tabelle 32: Kodierungen Subkategorien integrativ-motivationales System Es fällt sofort auf, dass group im Gegensatz zu allen anderen Subkategorien lediglich einmal kodiert ist. Das stärkt die eben ausgesprochene Feststellung, dass dieses bisher wichtigste Motiv des integrativ-motivationalen Systems im Vergleich zu affektiven und emotionalen Aspekten zu Sprachen an sich innerhalb des integrativen motivationalen Subsystems im frühen L2-Erwerb, in dieser Gruppe, kaum Gewicht hat. Dafür spricht auch, dass diese einzige zutreffende Textstelle eher schwach ist, weil sich der Proband P9 hier auf die Ansicht der Eltern bezieht, während sich keine Stelle findet, an der er in Bezug auf das integrative Motiv der Gruppenzugehörigkeit von sich ausgeht: VL: Und finden deine Eltern das gut, dass du Deutsch lernst? P9: Mh (bejahend). VL: Ja? P9: Ja. VL: Warum finden sie das gut? P9: Weil ich lerne neue Freunden, wenn ich in Deutsch und + eso. VL: Weil du neue Freunde kennen lernst mit Deutsch? P9: Ja. (P9: 278-285) Für die Interpretation der Vorkommnisse der anderen Subkategorien, die mehrfach belegt sind, ist noch zu berücksichtigen, wie die Kodierungen auf die Probanden und Probandinnen verteilt sind (vgl. Tabelle 32). Damit wird 6 Integrative Orientierung und instrumentelle Motivation im frühen L2-Erwerb 138 überprüft, ob jene Subkategorien, die ähnlich sind, also jene mit Bezug auf sprachbezogene affektive und emotionale Aspekte, nicht eigentlich einen einzelnen Subcode darstellen und die Differenzierung damit irrelevant wäre. Das wäre naheliegend, wenn die Subkategorien mehrheitlich zusammen vorkommen würden. Das ist allerdings nicht der Fall, wie die Tabelle zeigt. P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 group 1 proL1L2 2 2 1 1 1 1 proLn 1 4 1 3 1 1 pro L2 1 1 2 2 1 1 3 3 1 1 1 L2präf 2 4 2 2 4 1 2 2 2 Tabelle 33: Integrativ-motivationales System: Verteilung der positiven Subkategorien Die Analyse des integrativ-motivationalen Systems bestätigt, dass im frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb sprachbezogenen affektiven und emotionalen Aspekten eine grössere Rolle zukommt als dem integrativen Motiv. Es interessiert aber auch, welche dieser Aspekte die wichtigsten sind. In dieser Hinsicht darf man nicht vorschnell schliessen, dass allein die Kodierungshäufigkeiten auf das Gewicht der Subkategorien hinweisen, wonach der Subkategorie „L2-Präferenz“ mit 21 Kodierungen die grösste Bedeutung beizumessen wäre. Allerdings ist bei halbstrukturierten Interviews im Gegensatz zu standardisierten Befragungen immer auch zu berücksichtigen, dass mitunter unterschiedlich viele Fragen bzw. Nachfragen gestellt werden, was zu abweichenden Kodierungshäufigkeiten führen kann, ohne dass das ein zweifelsfreier Indikator für die Stärke eines Motivs sein muss. Auch deswegen ist die Berücksichtigung der Verteilung der Kodierungen je Subkategorie auf die Probanden und Probandinnen notwendig. Dann zeigt sich, dass „nur“ neun der vierzehn Kinder angeben, die L2 zu bevorzugen (64,3%), wohingegen bei elf Kindern ganz allgemein positive Ansichten zur Zweitsprache Deutsch (proL2) belegt sind (78,6%). Im Übrigen fallen diese beiden Subkategorien sehr häufig zusammen - was nicht überrascht - aber nicht immer. Bei P1, P13 und P14 lassen sich positive L2-bezogene Äusserungen kodieren, aber kein Bevorzugen der L2 gegenüber der L1. Umgekehrt kommt es immerhin einmal vor, dass „L2-Präferenz“ kodiert ist (P2), die Subkategorie „Pro L2 allgemein“ dagegen nicht. 6.3 Das integrative Subsystem 139 Zur negativen Ausprägung des integrativ-motivationalen Systems können drei Subkategorien induktiv gebildet werden: Subkategorie Definition (Kodierregel) und Beispiel L2 nicht gern (-L2) Das Gegenteil von proL2: Negative Äusserungen speziell zur L2, das Kind „mag“ sie nicht und/ oder beurteilt sie als nicht schön oder nicht toll, wenn auch nur in Bezug auf eine der Varietäten (Schweizerdeutsch oder Hochdeutsch). VL: Und was sprichst du selber besser, Hochdeutsch oder Schweizerdeutsch? - P14: Schweizerdeutsch. Aber Schweizerdeutsch, die Sprache hab ich nicht gern. (P14: 210-211) Integratives Motiv L1 (inteL1) 13 Die L1 wird aus einem integrativen Motiv als wichtiger bewertet, ihre Kenntnis ist wesentlich, um Teil der L1- Sprachgemeinschaft zu bleiben. VL: Was finden sie [die Eltern] wichtiger, weisst du das? - P13: Muttersprache. - VL: Und du selber? - P13: Auch Muttersprache. (P13: 315-318) P13: Ja. Weil wenn wir Muttersprache gut können, können wir auch mit anderen Menschen Tamilisch gut reden. - VL: Und hast du das selber rausgefunden oder sagen das deine Eltern? - P13: Meine Eltern sagen das, aber selber auch.- VL: Und deine Brüder? - P13: Auch. (P13: 326-330) L1-Präferenz (L1präf) Die L1 wird der L2 als Umgangssprache vorgezogen, sie wird lieber gesprochen, Belege enthalten neben „lieber sprechen/ haben“ auch andere affektive oder emotionale Aspekte wie „mögen/ nicht mögen“, „schön/ nicht schön finden“, u.ä. VL: Und was redest du lieber? - P14: Kroatisch. - VL: Warum? - P14: Ich habs gern, diese Sprache. - VL: Und Deutsch + findest du komisch oder...? - P14: Ja, ein bisschen komisch. (P14: 196-201) Tabelle 34: Subkategorien des integrativ-motivationalen Systems (negative Belege) 13 Die Entsprechung dieser Subkategorie für die positiven Belege ist die „Gruppenzugehörigkeit“ (group). Diese ist bewusst nicht analog „Integratives Motiv L2“ genannt, weil die Gruppe, zu der über die L2 Zugang gefunden werden soll, anhand des Belegs nicht eindeutig bestimmbar ist, und deutlich gemacht werden soll, dass es nicht zwangsläufig einsprachige Peers sein müssen, die die „typische“ L2-Sprechendengemeinschaft in diesem Kontext darstellen, zu denen Zugang gefunden werden soll. Es können Peers allgemein gemeint sein, mit denen nur in der Zweitsprache Deutsch gesprochen werden kann, die aber möglicherweise die Zielsprache Deutsch selber nicht als Erstsprache sprechen. 6 Integrative Orientierung und instrumentelle Motivation im frühen L2-Erwerb 140 Von diesen Subkategorien können wieder zwei als sprachbezogene affektive und emotionale Aspekte zusammengefasst werden (-L2, L1präf), während eine Subkategorie dem integrativen Motiv entspricht - diesmal auf die L1- Sprechendengemeinschaft gerichtet (inteL1). Diesen Subkategorien entsprechen insgesamt 8 Textstellen, die einmal als -L2 kodiert sind, zweimal als inteL1 und fünfmal als L1präf. Wie Tabelle 34 zeigt, sind die Belege aber auf lediglich drei Probanden und Probandinnen verteilt und lediglich bei P14 sind zwei der Subkategorien zugleich belegt, bei P1 und P13 je nur eine. P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 -L2 1 1 inteL1 2 L1präf 4 Tabelle 35: Integrativ-motivationales System: Verteilung der negativen Subkategorien Dass das integrative Motiv auch mit Bezug auf die L1 nur bei einer Probandin belegt ist, sprachbezogene affektive und emotionale Aspekte aber immerhin bei zweien und sich dafür deutlich mehr Belege finden, unterstützen die Interpretation, dass für die Untersuchung früher L2-Motivationen weniger das integrative Motiv relevant ist, sondern sprachbezogene affektive und emotionale Aspekte. Daher ist das integrativ-motivationale System für den frühen migrationsbedingten Zweitspracherwerb dahingehend zu revidieren. Das bestätigt die Hypothese, wonach das integrativmotivationale System, wie es bisher definiert wurde, keinen adäquaten Analyserahmen für den spezifischen Erwerbskontext darstellt, der hier untersucht wird, da das klassische integrative Motiv keine Erklärungskraft hat. Der Grund ist in der sozialen Normalität des L2-Erwerbs unter diesen Bedingungen zu sehe. 6.4 „Sie können noch nicht Serbisch“ - das instrumentelle Subsystem Das instrumentell-motivationale Subsystem ist die zweite Kategorie, die in diesem Kapitel detailliert untersucht wird. Die Hypothese, die geprüft wird, besagt, dass auch diese Kategorie keinen adäquaten Rahmen zur Analyse früher L2-Motivationen darstellt, weil angenommen wird, dass das zentrale Motiv nach bisherigem Forschungsstand (ein Gewinn in Bezug auf persönliche Zukunftsperspektiven) im frühen L2-Erwerb ein geringes Gewicht hat, während eher die Nützlichkeit der Kenntnis der L2 zur 6.4 Das instrumentelle Subsystem 141 Kommunikation mit anderen Kindern anderer Erstsprache im Vordergrund steht. Das instrumentell-motivationale System ist mit 19 Textstellen belegt und alleine in positiver Ausprägung. Dass sich keine negativen Belege finden, bedeutet konkret, dass die Kinder die Kenntnis der L2 nie als hinderlich in Bezug auf einen konkreten Nutzen oder eine bestimmte Zweckmässigkeit empfinden (zum Beispiel dass der L2-Erwerb den Fortschritt in der L1 gefährden würde o.ä.). Die generelle Kodierregel des instrumentellmotivationalen Systems lautet (vgl. 5.3.1): instr+: Zweckempfinden in Bezug auf die (Kenntnis der) L2 und/ oder die Mehrsprachigkeit an sich, z.B. wenn die Kenntnis der L2 in einen ursächlichen Zusammenhang mit Zukunftsperspektiven gebracht wird, aber auch Nutzen von „Ergänzungswissen“: Wenn die L1-Kompetenz nicht ausreicht, kann mit der L2 ergänzt werden, wodurch die L2 bzw. die Kenntnis zweier Sprachen einen konkreten praktischen Zweck erhält. Die Textstellen, auf welche diese Kodierregel zutrifft, können induktiv in drei Subkategorien gegliedert werden: Subkategorie Definition (Kodierregel) und Beispiele Lernzuwachs Die Kinder finden es gut und/ oder wichtig, Deutsch zu lernen, um in der Schule weiterzukommen. VL: Und findest du das / Deutsch reden, findest du das praktisch oder könntest du sagen, warum du es gerne tust oder warum du es lernen möchtest? - P5: Ich möcht das lernen, weil wir werden jetzt in die Zweite gehen und dann kann ich ganz gut Deutsch reden, das möcht ich / wegen dem möcht ich das lernen. - VL: Also wegen der Schule, damit du da noch mehr lernst? - P5: M-h. (P5: 387-390) Ergänzungswissen Die Mehrsprachigkeit wird ergänzend verwendet, etwa die L2 Deutsch gezielt dann, wenn die Kenntnisse in der L1 in einer Situation nicht ausreichen, z.B. wenn ein spezifisches Wort in der L1 „fehlt“, weil es noch nicht bekannt oder gerade nicht abrufbar ist. VL: Wann redest du mit ihnen Deutsch? - P6: Paar mal, wenn ich die Wörter nicht Albanisch könne, dann red ich mit ihne Deutsch. (P6: 322-324) VL: Gut. Äm, welche Sprache sprichst du zu Hause? - P8: Kroatisch und wenn ich öbis nid uf Kroatisch verstoh, denn Dütsch. (P8: 91-92) 6 Integrative Orientierung und instrumentelle Motivation im frühen L2-Erwerb 142 Mittel zum Zweck Die L2 Deutsch wird als „Mittel zum Zweck“ verwendet, sie dient dann zur Kommunikation mit anderen, die die L1 des jeweils befragten Kindes nicht sprechen. Es spielt keine Rolle, ob Deutsch die Erst- oder Zweitsprache des Gesprächspartners/ der Gesprächspartnerin ist. (...) VL: Und wie sprichst du mit den beiden? - P2: Gut. - VL: Und redest Du Deutsch oder Serbisch? - (...) - P2: Deutsch, weil weil (sic) sie können noch nicht Serbisch reden. (P2: 44-53) VL: Äm + und warum denkst du, dass du Deutsch lernst? - P6: Weil in der Schweiz gibt es / sind die Leute Deutsch und nicht nur Albanisch und andere Sprachen. - VL: Ja. Und dann ist es praktisch. - P6: Deutsch zu reden. - VL: Ja. + Und findest du das gut? - P6: Ja. - VL: Warum findest du das gut? - P6: Weil die Leute sind hier nicht nur Albanisch, die Leute können auch nicht Albanisch vielleicht so wie XXX, andere Sprache rede, dann kann ich mit ihre nicht, äm, sone Sprache reden und sie meine Sprache reden, dann müssen wir Deutsch reden. - VL: Und Deutsch können dann alle. - P6: Ja. (P6: 356-365) Tabelle 36: Subkategorien des instrumentell-motivationalen Systems Die Kodierungshäufigkeiten der Subsysteme sind wie beim integrativmotivationalen System ungleich verteilt (Tabelle 36). Subkategorie N Positionen der Belege Lernzuwachs 2 P1: 310-311, P5: 387-390 Ergänzungswissen 6 P1: 369-37, P1: 385-386, P6: 322-324, P8: 91-92, P8: 235- 238, P10: 208-217 Mittel zum Zweck 11 P1: 48-53, P1: 54-60, P2: 44-53, P3: 60-69, P4: 58-64, P5: 44-49, P6: 356-365, P7: 48-55, P7: 273-276, P8: 243-244, P12: 284-295 Tabelle 37: Kodierungen Subkategorien instrumentell-motivationales System Es zeigt sich, dass auch hier der Kern des „klassischen“ Konzepts, nämlich Aussichten auf Beförderung bzw. übertragen auf die kindliche und jugendliche Lebensrealität gute Noten und die Klasse nicht wiederholen zu müssen, kaum in den Daten belegt werden kann. Diesem traditionellen Schwerpunkt entspricht hier die Subkategorie „Lernzuwachs“, die aber nur zweimal kodiert ist. Die stärkste Subkategorie des instrumentellen Systems ist dagegen eindeutig „Mittel zum Zweck“, das heisst, das Motiv, die L2 zu verwenden oder zu bevorzugen, weil die Peers eine andere Erstsprache sprechen und die L2 Deutsch die gemeinsame Sprache darstellt („sie können noch nicht Serbisch“, „die anderen können auch nicht Albanisch“). Diese Subkategorie 6.4 Das instrumentelle Subsystem 143 ist elfmal kodiert, was 57,9% aller Kodierungen zum instrumentellen System entspricht. Auch „Ergänzungswissen“, das immerhin sechsmal belegt ist, liegt dem in der bisherigen Forschung gesetzten Schwerpunkt (hier „schulisches Weiterkommen“) inhaltlich weniger nahe als dem „Mittel zum Zeck“, weil auch hier eine aktuelle Nützlichkeit ohne Bezug auf persönlichen Profit im Vordergrund steht. Denn beim „Ergänzungswissen“ geht es darum, dass die Kinder ihre Mehrsprachigkeit gezielt nutzen, um sich besser verständigen zu können: Wenn das Vokabular in der L1 oder der L2 nicht ausreicht, wird das Wissen in der anderen Sprache herbeigezogen. Auch hier muss bedacht werden, dass die Form des halb-strukturierten Interviews dazu führen kann, dass eine Subkategorie aufgrund unterschiedlich gestellter Fragen in Dokumenten häufiger oder seltener kodiert werden kann, was dann noch kein Indikator für die Stärke eines Motivs sein muss. Deswegen ist auch hier die Verteilung der Kodierungen auf die Probanden und Probandinnen zu berücksichtigen. Wie Tabelle 37 zeigt, kommt keine Subkategorie häufiger als zweimal pro Proband/ Probandin vor. Deswegen verändert sich die obige Interpretation aufgrund dieses Analyseschritts hier eigentlich nicht. Auch nach der Berücksichtigung der Verteilung der Subkategorien stellt „Mittel zum Zweck“ das stärkste Motiv dar, denn es ist bei neun der 14 Probanden und Probandinnen n belegt. „Ergänzungswissen“ immerhin noch bei vier Probanden und Probandinnen, „Lernzuwachs“ dagegen lediglich bei zwei. P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 Lernzuwachs 1 1 Ergänzungswissen 2 1 2 1 Mittel zum Zweck 2 1 1 1 1 1 2 1 1 Tabelle 38: Instrumentell-motivationales System: Verteilung der Subkategorien Diese Resultate bestätigen die zweite Hypothese dieses Kapitels. Demnach stellt auch das instrumentell-motivationale System, so wie es bisher definiert wurde - mit einem Schwergewicht auf dem Nutzen bzw. dem Profit der Kenntnis der L2 (Schulerfolg) -, keinen adäquaten Analyserahmen für frühe L2-Motivationen dar und ist für diesen spezifischen Erwerbskontext zu modifizieren. Nicht Profit in Bezug auf persönliche Ziele in der Zukunft ist hier das zentrale Motiv, sondern die Nützlichkeit im Heute als Grund, weswegen es wichtig sei, die L2 zu lernen. Diese Nützlichkeit bezieht sich hier auf zwei Arten: Das Benützen der L2 als Umgangssprache zur Kommunikation mit Peers anderer Erstsprachen sowie das Verwenden der L2 (oder auch der L1), um fehlendes Wissen (v.a. Vokabular) in der jeweils anderen Sprache zu kompensieren. 6 Integrative Orientierung und instrumentelle Motivation im frühen L2-Erwerb 144 6.5 Auf dem Weg zu einer Re-Theoretisierung und die emotionale Dimension früher L2-Motivationen Die Analyseresultate zum integrativ-motivationalen sowie zum instrumentell-motivationalen System stellen eindeutige empirische Evidenzen dafür dar, dass eine Re-Theoretisierung beider Konzepte für die Untersuchung von L2-Motivationen im frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb notwendig ist. Die Daten zeigen, dass beide Systeme in diesem Kontext einen anderen Schwerpunkt aufweisen, ein jeweils anderes zentrales Motiv, als in der bisherigen Forschung definiert. Das integrativ-motivationale System und das instrumentell-motivationale System bedeuten je nach Erwerbskontext also nicht das Gleiche und sind für prototypische Erwerbskontexte spezifisch zu definieren - was beispielsweise auch Lamb (2004) vermutete. Dies gibt aber auch der aktuellen Forderung Recht, wonach wegen der veränderten globalen Sprachrealitäten unter Berücksichtigung relevanter jüngerer Theorien aus Nachbardisziplinen (z.B. Identitätsforschung, psychologische Motivationsforschung), die Konzepte der L2-Motivationsforschung grundlegend zu überarbeiten sind (vgl. Dörnyei/ Ushioda 2011). Die Resultate stehen damit im Kontrast zu Gardners (2005) deutlicher Aussage, dass beide Konzepte, insbesondere die „integrative Orientierung“, die er für zentraler hält, auf jeden L2- und Fremdsprachenerwerbskontext anwendbar seien. Grundsätzlich können ja auch beide Dimensionen belegt werden, doch deren nachgewiesene Schwerpunkte weichen derart gerade von Gardners Definition ab, dass die frühen L2-Motivationen ohne eine grundlegende Überarbeitung unzureichend erfasst würden. Eine systematische Re-Theoretisierung muss empirisch sehr breit abgestützt sein, was noch weitere Studien zum Thema notwendig macht. Die Resultate der vorigen Abschnitte zeigen auf, in welche Richtung diese gehen müssen. Im Hinblick auf das integrativ-motivationale System hat sich zum einen gezeigt, dass dem integrativen Motiv eine untergeordnete Bedeutung zukommt, neben zielsprachbezogenen affektiven und emotionalen Aspekten. Am stärksten belegt sind affektive Äusserungen (deutlich häufiger positiver Art) speziell zur L2: das Kind mag die L2 oder mag sie nicht („Schweizerdeutsch, die Sprache hab ich nicht gern“, P14) und/ oder beurteilt sie als schön, toll oder als nicht schön, nicht toll. Zudem gehen Kodierungen dieser Art, wie unter 6.3 gezeigt wurde, in der Mehrheit der Fälle damit einher, dass die L2 sogar gegenüber der L1 als Umgangssprache bevorzugt wird - aus affektiven und emotionalen Gründen, sie wird lieber gemocht. In diesem Zusammenhang muss ein zukünftiger Forschungsplan in jedem Fall folgende Themen angehen: Frühe Sprachideologien, (innere) Konflikte bei der Sprachwahl sowie die emotionale Dimension in Bezug auf diese beiden. 6.5 Re-Theoretisierung 145 Fragen wären beispielsweise: Gibt es eine one-language-Ideologie „zugunsten“ der Zweitsprache? Welches sind die Gründe dafür, dass eine Sprache lieber gesprochen wird bzw. dass ein Kind die eine seiner beiden Sprachen gern hat, die andere aber nicht? Diese Frage stellt sich insbesondere dann, wenn die L2 lieber gemocht und gegenüber der L1 bevorzugt wird, denn die (im Normalfall) natürliche emotionale Bindung zur Familie wird im Laiendiskurs allzu oft als Grund für eine affektive Bevorzugung der Erstsprache, zur „Muttersprache“, gesehen. Allerdings überwiegen in den Daten, wie gesagt, Belege für eine L2-Präferenz sowie positive affektive Bewertungen der L2. Äusserungen dieser Art haben zwangsläufig eine emotionale Dimension. Diese wird die L2-Motivationsforschung entschlüsseln müssen, um den Zusammenhang zweitsprachlicher Motivationen und L2-achievement besser zu verstehen. Damit würde das Forschungsfeld zum einen auf die jüngsten Entwicklungen der psychologischen Motivationsforschung reagieren, die sich verstärkt für die emotionale Dimension von Motivationen im Allgemeinen interessiert (vgl. Ryan 2007), und nicht zuletzt auf jenen jungen Zweig der Neurowissenschaften, der begonnen hat, den Zusammenhang von Emotionen und Lernen auf neuronaler Ebene nachzuweisen, und der Emotionen als natürlichen Teil der menschlichen Kognition versteht (vgl. z.B. Borod 1992, Damasio 1994, LeDoux 1992, 1996, Rolls 1999, Erk et al. 2002, Kiefer et al. 2007; ausserdem Abschnitt 3.4 in dieser Arbeit). Auch dem integrativen Motiv, das immerhin einmal in Bezug auf die L2 kodiert ist und einmal in Bezug auf die L1, ist weiter nachzugehen. Die beiden Belege („dann lern ich neue Freunden, mit Deutsch“ P9) sowie („dann kann ich auch mit andere Leute Tamilisch reden“, P13) legen nahe, die Forschung zu frühen L2-Motivationen auch aus der Perspektive mehrsprachiger Identitätskonzepte zu untersuchen. Es wäre etwa zu fragen: Konstruieren sich die Kinder eine mehrsprachige Identität? Steht diese in einem Kontrast zu den von ihnen wahrgenommenen Identitäten ihrer Peers oder sehen sie sich als Teil dieser? Und auch hier wieder: Welches ist die emotionale Dimension der Identitätsbildung, beispielsweise wenn Identitätsideale der Eltern von den Identitäten der Peers abweichen, und welche Rolle spielen diese im Zusammenhang mit L2-Motivationen und L2-achievement. Für das instrumentell-motivationale System hat sich gezeigt, dass im frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb Motive im Zusammenhang mit der (praktischen) Nützlichkeit der Kenntnis der Zweitsprache wichtiger sind als ein utilitaristischer Gedanke, wonach die Kenntnis der L2 für das Erreichen persönlicher Ziele wie etwa Schulerfolg relevant wäre. Nur zweimal ist dieses klassische instrumentelle Motiv belegt. Es überwiegen aber deutlich Belege, in welchen der Grund dafür, dass die Kinder den Erwerb der Zweitsprache als wichtig empfinden und die Zweitsprache als Umgangssprache der Erstsprache vorziehen, jener ist, dass die anderen (Peers und weitere Personen aus dem sprachlichen Umfeld) die Erstsprache der 6 Integrative Orientierung und instrumentelle Motivation im frühen L2-Erwerb 146 Befragten nicht sprechen, Deutsch aber schon („die Leute sind hier nicht nur Albanisch“, P6; „sie können noch kein Serbisch“, P5). Es ist anzunehmen, dass zum Resultat, wonach die Kenntnis der L2 noch nicht in Zusammenhang mit Schulerfolg gebracht wird, beiträgt, dass zu Beginn der Primarschule entweder noch kein oder erst ein geringer Noten- und allgemeiner Leistungsdruck besteht bzw. (noch) nicht derart, dass die Kinder empfänden, diesem nur bei bestimmten L2-Kenntnissen entsprechen zu können. Der Leistungs- und Notendruck nimmt im Verlauf der Schulzeit aber zu. Im Zusammenhang mit dem klassischen instrumentellen Motiv (Schulerfolg) wird die Frage gestellt werden müssen, ob dieses mit zunehmendem Leistungsdruck vermehrt nachweisbar wird und ab wann, oder auch ob auf höheren Schulstufen die Kenntnis der L2 nicht als von besonderer Relevanz für den Schulerfolg beurteilt wird, was unter der Bedingung einer mehrheitlich mehrsprachigen Klasse möglich wäre, weil denkbar ist, dass kein deutlicher „Leistungskontrast“ zur Minderheit der Einsprachigen besteht. Als Thema der L2-Motivationsforschung ist das auch im Zusammenhang mit dem classroom-goal-system (3.3.3) zu untersuchen. In Bezug auf das gesamte instrumentell-motivationale System wird unter Berücksichtigung der Zeit zu fragen sein, inwiefern sich das Gewicht des Motivs „Mittel zum Zweck“ im Verhältnis zum instrumentellen Motiv „Schulerfolg“ mit zunehmendem Leistungsdruck verschiebt. Und weil Leistungsdruck im Allgemeinen mit einem negativen Gefühl assoziiert wird, die Fähigkeit zur Kommunikation mit verschiedenen Leuten anderer Erstsprachen dagegen mit einem positiven Gefühl assoziiert werden kann, ist auch hier wieder die emotionale Dimension zu untersuchen, wenn motivationale Prozesse und deren Einfluss auf den Spracherwerb verstanden und erklärt (nicht nur empirisch nachgewiesen) werden sollen - denn über die genaue Wirkungsweise besteht noch grosse Unklarheit (vgl. Dörnyei/ Ushioda 2011: 5). 6.6 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde das language level näher analysiert. Das ist nötig geworden, weil die Kategoriendefinitionen der beiden Kategorien des language level anhand der bisherigen Forschung so breit sind, dass nach Kapitel 5 nicht klar war, ob das integrativ-motivationale System und das instrumentell-motivationale System im frühen Zweitspracherwerb tatsächlich das bedeuten, wovon bisher ausgegangen wird, oder ob sie jeweils andere zentrale Motive aufweisen, was eine Re-Theoretisierung der Konzepte für diesen prototypischen Erwerbskontext notwendig machen würde. Die Hypothesen sind in der Annahme formuliert worden, dass dies zutrifft. Darüber hinaus wurde für das integrativ-motivationale System eine Verschiebung des Schwerpunkts vom klassischen integrativen 6.5 Re-Theoretisierung 147 Motiv hin zu allgemeinen sprachspezifischen affektiven und emotionalen Aspekten (eine Sprache mögen/ nicht mögen, schön finden/ nicht schön finden u.ä.) angenommen und für das instrumentell-motivationale System eine Verschiebung vom instrumentellen Motiv „Schulerfolg“ hin zu einem Motiv in Bezug auf die Nützlichkeit der Kenntnis der L2, um in sbesondere mit Peers anderer Erstsprachen sprechen zu können. Diese Hypothesen haben sich bestätigt. Diesen Schluss legten die induktive Subkategorienbildung zu beiden Systemen sowie die Analyse der Kodierhäufigkeiten und der Verteilung der Kodierungen auf die Probanden und Probandinnen nahe (vgl. Tabellen 31, 32, 34). Die Analyseresultate stellen zudem empirische Evidenzen dafür dar, in welche Richtung die L2-Motivationsforschung für den prototypischen frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb gehen muss. In Bezug auf das integrativ-motivationale System müssen insbesondere frühe Sprachideologien (in der Mehrheit der Fälle wird die L2 bevorzugt), (innere) Konflikte bei der Sprachwahl (wenn beispielsweise Sprachideologien der Peers mit familialen Sprachideologien „konkurrieren“) und deren Anteil an L2-Motivationen. Diese Themen haben zwangsläufig eine emotionale Dimension, die zu thematisieren und zu untersuchen sein wird, um auf die jüngsten Entwicklungen der psychologischen (allgemeinen) Motivationsforschung zu reagieren. Ausserdem legen jüngere neurowissenschaftliche Arbeiten zu Emotionen und Lernen nahe, dass die Berücksichtigung der emotionalen Komponenten die L2- Motivationsforschung einen wesentlichen Schritt näher zum Verständnis der Beziehung von L2-Motivationen und L2-achievement bringen kann. Dass ein Zusammenhang besteht, ist „erst“ empirisch belegt, über die genaue Wirkungsweise besteht noch immer Unklarheit (Dörnyei/ Ushioda 2001: 5). Auch im Hinblick auf das instrumentell-motivationale System wird die emotionale Dimension der nachgewiesenen Motive zu beleuchten sein. Die Daten weisen hier darauf hin, dass im frühen, migrationsb edingten Zweitspracherwerb die Nützlichkeit der Kenntnis der L2 zur Verständigung mit Peers und anderen Personen deutlich wichtiger ist als das instrumentelle, utilitaristische Motiv Schulerfolg. Das könnte am erst geringen (wenn überhaupt schon vorhandenen) Leistungsbzw. Notendruck am Anfang der Primarschulzeit liegen. Es stellt sich daher die Frage, ob sich das Verhältnis der festgestellten Motive auf höheren Schulstufen verschiebt und die Schulerfolgskomponente im Zusammenhang mit der Kenntnis der L2 an Bedeutung gewinnt. Und weil Leistungs- und Notendruck üblicherweise mit negativen Gefühlen assoziiert werden, die Fähigkeit zur Verständigung mit Leuten anderer Erstsprachen dagegen mit positiven Gefühlen assoziiert werden können, ebenso die Fähigkeit zwischen Sprachen zu switchen, um sprachliche Wissenslücken zu kom- 6 Integrative Orientierung und instrumentelle Motivation im frühen L2-Erwerb 148 pensieren (= dritte Subkategorie des instrumentell-motivationalen Systems in dieser Arbeit), wird es auch hier notwendig sein, den emotionalen Anteil an L2-Motivationen dieser Ebene zu untersuchen. 7 L2-Motivationen und L2-achievement In diesem Kapitel wird der Zusammenhang zwischen den festgestellten L2- Motivationen und dem Erwerbsstand der Probanden und Probandinnen dieser Arbeit untersucht. Es geht hier also darum, welche Motivationen den L2-Erwerb eher begünstigen und welche ihn eher erschweren können. Die Kapitel 4 bis 6 bildeten die Grundlagen für diese Untersuchung (Kapitel 4: Erwerbsunterschiede, Kapitel 5 und 6: Analysen der frühen L2-Motivationen). Es stellen sich die Fragen, ob L2-Motivationen im frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb überhaupt eine Rolle spielen oder ob die soziale Notwendigkeit des Spracherwerbs die Wirkung von Motivationen quasi ausschaltet. Und wenn sie eine Rolle spielen: Welche sind die Motivationen sind, die in diesem Kontext wirken? 7.1 Hypothesen Gardner und Lambert (1972: 2) haben vor rund vierzig Jahren in einer eher beiläufigen Bemerkung in der Einleitung zu Ihrer Arbeit die Annahme formuliert, dass L2-Motivationen dann keine Rolle spielen, wenn der Erwerb der spezifischen Zielsprache eine soziale Normalität darstellt. Als Beispiel nannten sie den Griechischerwerb gebildeter Römer, aber auch den Erwerb des Baskischen in Teilen Frankreichs. Seitdem liegt das Interesse der L2- Motivationsforschung in erster Linie beim Fremdspracherwerb und nicht beim Zweitspracherwerb. Wenn man an den Ursprung der Motivationsforschung denkt, als es erst um die Fragen ging, why, how long, how hard Menschen an einer spezifischen Tätigkeit festhalten, ist das auch naheliegend: Im frühen Zweitspracherwerb stellt sich die Frage why nicht (denn die Kinder werden in einem Einwanderungsland wie der Schweiz eingeschult, ob die Eltern wollen oder nicht) und auch how long ist eher hinfällig, da der Zweitspracherwerb eigentlich so lange andauert, wie die/ der Lernende im Kontext der Zielsprache lebt. Die Frage how hard wird sich stellen, aber eher noch nicht bei Kindern am Anfang der Primarschulzeit. Wie schon in der Begründung dieser Arbeit gesagt und in Kapitel 3 sowie den anschliessenden empirischen Kapiteln gezeigt wurde, geht es der Motivationsforschung aber schon lange nicht mehr ausschliesslich um why, how long, how hard, sondern seit dem cognitive turn, der auch in diesem Feld einen grundlegenden Perspektivwechsel bewirkt hat, zunehmend auch um sekundäre und unbewusste motivationale Prozesse, wie elterliche Unterstützung, Gruppendynamiken, spezifische Persönlichkeitseigenschaften etc. Hinzu kommt als jüngste Entwicklung, die von der psychologischen 7 L2-Motivationen und L2-achievement 150 Motivationsforschung ausgeht, dass zunehmend auch die emotionale Dimension von Motivationen zu berücksichtigen ist, um die genaue Wirkungsweise von Motivationen besser zu verstehen (vgl. Ryan 2007). Aufgrund des entsprechend veränderten Paradigmas in der L2-Motivationsforschung, liegt nahe, dass die soziale Normalität keine Begründung mehr dafür sein kann, Motivationen im kindlichen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb nicht zu untersuchen. In Entsprechung des allgemeinen Forschungskonsens’ eines zyklischen Zusammenhangs von L2-Motivationen und L2-achievement wird auch hier grundsätzlich angenommen, dass hohe L2-Motivationen mit hohem achievement einhergehen bzw. niedrige Motivationen mit niedrigem achievement. Es wird aber auch angenommen, dass nicht alle in der bisherigen Forschung benannten Motivationen auch im frühen Zweitspracherwerb eine Rolle spielen. Darauf weisen auch die bisherigen Ergebnisse dieser Arbeit hin, die etwa gezeigt haben, dass zum einen nicht alle dieser Motivationen im frühen L2-Erwerb belegbar sind (Kapitel 5), sowie dass gerade die zentralen motivationalen Systeme des language level nicht das Gleiche bedeuten, wie bisher angenommen wurde (Kapitel 6). Aufgrund dieser Ergebnisse lassen sich die Hypothesen dieses Kapitels ableiten. In Kapitel 6 hat sich gezeigt, dass die motivationalen Komponenten dieser Ebene in hohem Mass kontextspezifisch sind, weswegen gerade für diese eine Wirkung auf den Zweitspracherwerb zu erwarten ist. Daraus folgt die erste Hypothese: 1. Mit Bezug auf das language level gehen hohe L2-Motivationen mit hohem L2-achievement einher. Das learner level betrifft Persönlichkeitseigenschaften, für die angenommen wird, dass sie primär das Lernverhalten betreffen. Daher ist anzunehmen, dass sie erst bei älteren SchülerInnen in formalen Erwerbskontexten zum Tragen kommen. Im frühen Zweitspracherwerb spielt der formale zielsprachliche Unterricht (DaZ-Unterricht) schon rein zeitlich eine untergeordnete Rolle neben sogenannten informellen oder natürlichen Kontexten, in denen die Zielsprache die „normale“ Umgangssprache darstellt - was auch in jedem anderen als dem DaZ-Unterricht der Fall ist. Daher: 2. Die motivationalen Komponenten des learner level zeigen im frühen Zweitspracherwerb keinen Zusammenhang mit dem individuellen L2-achievement. Grundsätzlich wäre für die in hohem Mass kontextspezifische Ebene learning situation level ein Zusammenhang zwischen L2-Motivationen und L2achievement zu erwarten. In dieser Arbeit konnten aber zwei wesentlich Dimensionen dieser Ebene nicht untersucht werden: Lehrpersonenspezifische motivationale Komponenten (zu häufiger Lehrpersonenwechsel, 7.2 Vorgehen 151 Pensumsteilung, Klassenwechsel, vgl. 5.2.2) und klassenspezifische motivationale Komponente (wegen Klassenwechsel und weil für den DaZ-Unterricht Klassen aufgeteilt und mit Teilen anderer Klassen zusammengelegt wurden). Darum ist anzunehmen: 3. Auf dem learning situation level zeigt sich kein Zusammenhang zwischen L2-Motivationen und L2-achievement. 7.2 Vorgehen Untersucht wird der Zusammenhang zwischen L2-Motivationen und L2achievement auf der Grundlage der Resultate der vorigen Kapitel. Es werden also die Ergebnisse der Sprachstandsanalysen (Kapitel 4) mit den festgestellten frühen L2-Motivationen, wie sie in Kapitel 5 und 6 beschrieben wurden, in Relation gesetzt. Es darf aber nicht vergessen werden, dass es sich um eine qualitative Studie handelt und die Teilergebnisse daher nur eingeschränkt quantifizierbar sind. Man kann zwar zählen, wie oft eine bestimmte Kategorie bei allen Probanden und Probandinnen zusammen vorgekommen ist. Wenn aber eine Kategorie bei einer Probandin zweimal vorkommt, bei einem anderen dagegen nur einmal, heisst das nicht zwingend, dass im ersten der Fälle die betreffende Motivation bzw. das betreffende Motiv stärker ausgeprägt ist als im anderen Fall. Das liegt an der Form des halbstrukturierten Interviews, bei dem es immer passieren kann, dass unterschiedlich viele Nachfragen gestellt werden, je nach Gesprächsverlauf bzw. Eindeutigkeit der ersten Antwort. Dann kann eine unterschiedliche Anzahl Nachfragen zu mehrfachen Kodierungen derselben Kategorie in einem Interview führen, ohne dass dies zwingend Ausdruck einer stärkeren Motivation sein muss. Und je nachdem ist es gerade Ausdruck einer stärkeren Motivation, wenn eine einzige Antwort so deutlich ist, dass im Interview nicht mehr darauf zurückgekommen werden muss. In so einem Fall wäre die entsprechende Kategorie aber nur einmal kodiert. Zudem ist die Grösse der ProbandInnen-Gruppe zu bedenken. Theoretisch kann man mit vierzehn Probanden und Probandinnen statistisch rechnen. Aber die Kombination aus einem kleinen Sample und Daten aus halbstrukturierten Interviews lassen jede Statistik fragwürdig erscheinen. Über die Zusammenhänge zwischen L2-Motivationen und L2-achievement werden deswegen keine statistischen Aussagen gemacht. Zusammenhänge werden in „Handarbeit“ ausgezählt, und im Vordergrund stehen die kritische Diskussion und Interpretation der Resultate anstatt statistischer Tests. 7 L2-Motivationen und L2-achievement 152 7.3 Motivationen und achievement Die Annahme, dass höheres achievement mit stärkerer L2-Motivation einhergeht, kann dann bestätigt werden, wenn mit zunehmendem z-mean-Wert auch die Anzahl positiver Kodierungen zunimmt. Oder umgekehrt, wenn bei tieferem z_mean-Wert mehr negative Kodierungen vorgenommen wurden und weniger positive. Der z_mean-Wert wurde in Kapitel 4 errechnet und als jener Wert bestimmt, der das achievement der Probanden und Probandinnen im Vergleich untereinander ausdrückt, der also aussagt, welche Kinder anhand der verschiedenen Spracherwerbsanalysen, die durchgeführt wurden, über ein grösseres (oder kleineres) sprachliches Wissen in der Zweitsprache Deutsch verfügen als andere und demnach in ihrem L2- Erwerb als weiter bzw. weniger weit vorangeschritten beurteilt werden können - zum Zeitpunkt der Erhebungen. Die folgende Tabelle zeigt die mittleren Z-Werte der Probanden und Probandinnen nochmals (wie in Kapitel 4), hier aber nach Rängen geordnet. P11 P9 P13 P10 P7 P12 P6 P3 P1 P2 P4 P5 P14 P8 z_mean -1.17 -1.12 -0.86 -0.74 -0.56 -0.47 -0.46 -0.13 0.06 0.35 0.60 1.05 1.09 2.35 Rang 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Tabelle 39: Z-mean-scores, z-mean-Ränge 7.3.1 Language Level Die Annahme, dass höheres achievement mit mehr positiv kodierten Motivationen einhergeht, kann für das language level teilweise bestätigt werden (vgl. Tabelle 39). Dabei kommt insbesondere den instrumentell-motivationalen Komponenten in ihrer positiven Ausprägung (instr+) Bedeutung zu, also jenen motivationalen Aspekten, die von den nützlichen bzw. zweckmässigen Seiten der Kenntnis der Zweitsprache herrühren: Das sind die Kategorien „Mittel zum Zweck“ („sie können noch nicht Serbisch“), „Ergänzungswissen“ („weiss ich ein Wort nicht in Tamilisch, weiss ich es auf Deutsch“) und „Lernzuwachs“ („wenn ich zwei Sprachen kann, lern ich vielleicht noch drei“). Mit Bezug auf die integrativ-motivationalen Komponenten in ihrer positiven Ausprägung (inte+) weisen die Daten darauf hin, dass von jenen affektiven und emotionalen Aspekten, die sich speziell auf die L2 oder die Mehrsprachigkeit generell beziehen, eine positive Wirkung auf den Zweitspracherwerb ausgehen kann bzw. - im Bild der Annahme eines zyklischen Mechanismus’ formuliert - diese Aspekte in eine positive Wechselwirkung mit rascherem Erwerb treten können. Die affektiven und emotionalen As- 7.3 Motivationen und achievement 153 pekte, die sich speziell auf die L2 oder die Mehrsprachigkeit generell beziehen, sind aber nur ein Teil der integrativ-motivationalen Komponenten. Zum integrativ-motivationalen System des language level wurde induktiv zudem die Subkategorie „pro L1 und L2“ gebildet. Diese steht für positive affektive und emotionale Aspekte mit Bezug auf Erst- und Zweitsprache („ich mag Tamil und Deutsch beide sehr gern“). Die Resultate legen aber nahe, dass diese Subkategorie sogar negativ auf den Zweitspracherwerb wirken kann, jedenfalls nicht in eine positive Wechselwirkung mit achievement treten wird. Für die Subkategorie „pro L1 und L2“ trifft die erst Hypothese dieses Kapitels nicht zu. Das bedeutet forschungstheoretisch, dass das integrativ-motivationale System, für das sich schon in Kapitel 6 belegen liess, dass es im frühen Zweitspracherwerb nicht das Gleiche bedeutet, wie bisher angenommen, weiter spezifiziert werden kann: Aufgrund der Forschungslage zu L2-Motivationen war es richtig, die Kategorie „pro L1 und L2“ analytisch der positiven Ausprägung des integrativ-motivationalen Systems zuzuschreiben. Denn schliesslich ist in jenen Aussagen, die als „pro L1 und L2“ kategorisiert werden können, in jedem Fall neben dem Anteil positiver Beurteilung der Erstsprache auch ein Anteil positiver Beurteilung der Zweit-, also der Zielsprache, enthalten. In einer Re-Theoretisierung des language level hinsichtlich des frühen, migrationsbedingten L2-Erwerbs wäre „pro L1 und L2“ aber nicht mehr als positiv zu klassifizieren, sondern nur jene Subkategorien, die sich auf ausschliesslich auf die Zielsprache beziehen. Der Grund dafür, dass „pro L1 und L2“ nicht wie die anderen Subkategorien Indikator für höheres achievement sein kann, ist darin zu sehen, dass sowohl die Erstwie auch die Zweitsprache positiv beurteilt wird. Darin könnte sich eine „Zwischen-Stuhl-und-Bank-Situation“ ausdrücken, die sich zumindest zu diesem Zeitpunkt des Spracherwerbs als hinderlich für den L2-Erwerb auswirken kann. Zwei Erklärungen sind denkbar: Dass die emotionalen Dimensionen von L2-Motivationen bisher nicht untersucht wurden, die allgemeine Motivationsforschung aber heute in eine Richtung weist, die dies notwendig macht, wurde schon gesagt. Bei einer potentiellen „Zwischen-Stuhl-und-Bank-Situation“ in Bezug auf Erst- und Zweitsprache, und damit bei einem potentiellen Sprachloyalitätskonflikt, liegt der Gedanke an eine emotionale Komponente nahe. Wenn sich in der Kategorie „pro L1 und L2“ ein solcher Konflikt zeigt, dann ist anzunehmen, dass dies negative - sicherlich keine positiven - Emotionen auslöst, was erklären würde, warum sich kein Zusammenhang mit höherem L2-achievement zeigt. Die zweite mögliche Erklärung findet sich nicht in der Motivationstheorie, sondern in der allgemeinen Spracherwerbstheorie und zwar im gebrauchsbasierten Ansatz (usage-based perspective), wonach davon auszugehen ist, dass jede linguistische Erfahrung zu unserem sprachlichen Wissen beiträgt und in der Summe zum individuellen Sprachwissen führt (vgl. 7 L2-Motivationen und L2-achievement 154 z.B. Tomasello 2001; Bybee 2006; 2010; Behrens 2009). Vereinfacht kann allgemein festgestellt werden: Je mehr die Zielsprache (ob eine L1, L2 oder Ln) benutzt und gehört/ gelesen wird, desto schneller wird das Wissen in dieser Zielsprache zunehmen. Aus dieser Perspektive könnte der Grund für das Resultat, dass „pro L1 und L2“ nicht mit höherem achievement einhergeht, in der Bedeutung liegen, die der Zweitsprache neben der Erstsprache zukommt. Denn es ist neben einem potentiellen Sprachloyalitätskonflikt ebenso denkbar, dass die Kinder, bei denen die Subkategorie „pro L1 und L2“ zutrifft, mehr Zeit für die Erstsprache aufwenden als jene Kinder, für die diese Kategorie nicht zutrifft, die also die Zweitsprache Deutsch der Erstsprache vorziehen. Und tendenziell kann man davon ausgehen: Je mehr die Erstsprache verwendet wird, desto weniger wird die Zweitsprache verwendet, desto seltener sind Zweitspracherwerbskontexte, was das niedrigere achievement erklären könnte. Allerdings ist zu bemerken, dass sich diese Annahme hier nur auf eine prozentuale Häufigkeit am Gesamt der Zeit, in der die Kinder Sprache benützen, stützen kann. Implizit wird davon ausgegangen, dass die Probanden und Probandinnen dieser Studie täglich ähnlich lange Sprache benützen, Erst- und Zweitsprache zusammen, und dass daher die Kinder, die häufiger die Erstsprache verwenden, eine kürzere Zeit die Zweitsprache verwenden als jene Kinder, die die Erstsprache seltener verwenden. Problematisch an dieser Sichtweise ist natürlich, dass es theoretisch möglich ist, dass die Kinder im täglichen Durchschnitt ganz unterschiedlich lange Sprache(n) benützen, was diese Rechnung relativieren würde. Die zukünftige L2-Motivationsforschung wird daher die Art und Häufigkeit der Sprachbenutzung von mehrsprachigen Kindern vermehrt untersuchen müssen. Das heisst, L2-Motivationen müssen auch aus einer gebrauchsbasierten Sichtweise angegangen werden, was eine vollkommen neue Forschungsperspektive eröffnen würde, von der wesentliche Erkenntnisse ausgehen könnten. Die Resultate, die diese Interpretationen nahelegen, werden in der folgenden Kodematrix mit den Kodehäufigkeiten veranschaulicht. Zur Lesart dieser Matrix ist zu bemerken: Die Zahlen in den Schnittpunkten von Proband/ Probandin und Kategorie beziehen sich darauf, wie oft die jeweilige Kategorie insgesamt bei den jeweiligen Probanden und Probandinnen kodiert wurde. Die Kodierhäufigkeiten sind zur Vollständigkeit aufgelistet, obwohl sie nicht 1: 1 quantifiziert werden können. Wie oben schon erklärt wurde, ist für die Interpretation nur entscheidend, ob eine Kategorie kodiert werden konnte und nicht wie oft, da die Häufigkeit bei einem halbstrukturierten Interview je nach Gesprächsverlauf variieren kann und nicht zwingend für eine stärkere Motivation spricht. Die Matrix ist nach achievement- Rängen geordnet. 7.3 Motivationen und achievement 155 Kodesystem P11 P9 P13 P10 P7 P12 P6 P3 P1 P2 P4 P5 P14 P8 inte+ group 1 proL1L2 1 1 1 2 1 2 proLn 1 1 3 1 4 1 1 proL2 3 1 3 1 1 1 1 1 2 2 1 L2präf 2 2 1 2 4 4 2 2 2 instr+ Lernzuwachs 1 1 Ergänzungswissen 1 2 2 Mittel zum Zweck 2 1 1 1 2 1 1 1 1 Tabelle 40: Kodematrix language level (positive Ausprägung) und achievement Sehr deutlich wird hier, dass für das language level, wie es in dieser Arbeit in den Kapiteln 5 und 6 ermittelt wurde, nicht grundsätzlich ein Zusammenhang zwischen positiven Motivationen und höherem achievement festgestellt werden kann. Denn sogar bei P9, der den zweitniedrigsten z_mean-Wert aufweist, sind vier verschiedene positive Kategorien belegt, was immerhin der zweithöchsten Anzahl positiver Kategorien auf dem language level entspricht. Die höchste Anzahl positiver Kategorien kommt zwar erst ab Rang 10 (P7) und höherem achievement vor, es gibt aber keine eindeutige Zunahme positiver Kodierungen mit zunehmendem z_mean-Wert - wenn das gesamte language level berücksichtigt wird (vgl. dazu die erste Wertereihe in Tabelle 40). Eine deutlichere Tendenz zeichnet sich ab, wenn nur das instrumentellmotivationale System in der positiven Ausprägung (instr+) betrachtet wird. Belege für positive instrumentelle Motivationen finden sich erst ab Rang 11 (P10), und es ist eine tendenzielle Zunahme der Anzahl positiver instrumenteller Motivationen mit zunehmendem z_mean-Wert zu beobachten. Wenn man eine imaginäre Trennlinie zwischen den sieben Probanden und Probandinnen mit höherem und jenen mit niedrigerem achievement (zwischen P6 und P3) zieht, sind doppelt so viele positive Kodierungen in der „oberen“ Hälfte belegbar (10 zu 5 Kodierungen; vgl. zweite Wertereihe in Tabelle 40). Diese Tendenz zeigt sich auch, wenn nur die Kategorie „pro L1 und L2“ für die Interpretation „ausgeblendet“ wird (dritte Zeile in Tabelle 40). Zwar sind auch unter dieser Perspektive wieder bei P9 (zweitletzter Rang) immerhin noch drei positive Motivationen kodiert, aber die maximale Anzahl positiver Kodierungen ist fünf, also zwei mehr, und die kommt erst unter den oberen sechs Rängen und über einem z_mean-Wert von 0 vor. Wenn man auch hier eine imaginäre Trennlinie zwischen den sieben Probanden und Probandin- 7 L2-Motivationen und L2-achievement 156 nen mit höherem und jenen mit tieferem achievement (zwischen P6 und P3) zieht, so sind 20 Prozent mehr positive Kodierungen in der „oberen“ Hälfte belegbar (24 gegen 20 Kodierungen), während die Kategorie „pro L1 und L2“ nur in der „unteren“ Hälfte, also bei jenen sieben Probanden und Probandinnen mit einem z_mean-Wert von -0.46 und niedriger zutrifft. Kodesystem P11 P9 P13 P10 P7 P12 P6 P3 P1 P2 P4 P5 P14 P8 Positive Kategorien 2 4 3 3 5 4 5 3 5 2 4 5 1 3 Nur instr+ 1 1 1 2 1 3 1 1 2 2 Alle ohne pro L1L2 1 3 2 3 4 3 4 3 5 2 4 5 1 3 Tabelle 41: Anzahl kodierter positiver Kategorien des language level pro ProbandIn Keine nennenswerten Hinweise liefert die Analyse des negativen Teils des language level (vgl. folgende Kodematrix). Hier wurden insgesamt nur bei drei Probanden und Probandinnen Kodierungen vorgenommen, wobei zweimal nur eine Kategorie belegbar ist, bei P14 immerhin zwei Kategorien. Dieses magere Kodierungsergebnis ist ein Artefakt der theoriegeleitet entwickelten Befragung, weil die Theorie (bisher) ja L2-Motivationen untersucht und nicht das Gegenteil, „L2-Hürden“, wie man sie nenne könnte. Interessant ist aber, dass sich der Ausreisser P14, der sich schon in der Analyse der positiven Ausprägung des language level bemerkbar gemacht hat, auch hier zeigt: Obwohl die Befragung auf L2-Motivationen ausgerichtet war und nicht auf L2-Hürden, konnten bei diesem Jungen zwei Kategorien kodiert werden. Im „Ausreisserdasein“ von P14 ist also eine Konsistenz und keine Zufälligkeit. Bemerkenswert ist dies vor allem deswegen, weil er den zweithöchsten achievement-Wert aufweist. Die Theorie der L2-Motivationen läuft hier also gewissermassen ins Leere und bietet keinen Erklärungsansatz. Dies zeigt wieder einmal deutlich die Komplexität der Spracherwerbsprozesse und weist darauf hin, dass die L2-Motivationsforschung in Bezug auf frühe Lernende noch in den Anfängen steckt. Kodesystem P11 P9 P13 P10 P7 P12 P6 P3 P1 P2 P4 P5 P14 P8 inte- -L2 1 inteL1 2 L1präf 1 4 instr- Tabelle 42: Kodematrix language level (negative Ausprägung) und achievement 7.3 Motivationen und achievement 157 7.3.2 Learner Level Auf dem learner level ist keine Zunahme positiver Motivationen mit steigendem achievement festzustellen. Die Hypothese zu dieser Analyseebene kann also bestätigt werden. Hierzu folgende Kodematrix, die wieder nach achievement-Rängen geordnet ist. Dabei ist zu beachten: Die Zahlen in der Matrix geben wie oben die Anzahl kodierter Textstellen pro Kategorie und Proband/ Probandin an, entscheidend ist aber, wie viele und welche Kategorien kodiert sind und nicht wie oft, was auf der Grundlage eines halbstrukturierten Interviews ein zu unsicherer Wert wäre. Kodesystem P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 nfa+ 2 2 1 1 1 3 1 1 2 useanx+ 2 percom+ 2 1 2 2 5 1 1 1 3 2 causat+ 1 2 2 1 2 1 seffi+ 2 2 1 1 2 2 4 5 2 5 5 2 2 Tabelle 43: Kodematrix learner level (positive Ausprägung) und achievement 14 Maximal vier und mindestens eine der insgesamt fünf positiven Kategorien des learner level treffen pro Proband/ Probandin zu. Diese höchste Anzahl kodierter positiver Kategorien kommt sowohl am unteren Ende der achievement-Skala (P11, P13, P10 bzw. Ränge 14, 12, 11) sowie am oberen Ende bei P4 (Rang 4) und P8 (Rang 1) vor. Das heisst, sowohl bei den „stärkeren“ L2-Lernenden wie auch bei den „schwächeren“ L2-Lernenden sind tendenziell mehr positive motivationale Aspekte des learner level belegt, also mehr jener Persönlichkeitseigenschaften, für die eine positive Wirkung auf den L2-Erwerb und das Lernverhalten angenommen wird. Im Mittelfeld (Ränge 5 bis 10) sind jeweils lediglich zwei oder drei der Kategorien belegbar. Die Gesamtverteilung der kodierten positiven Motivationen ergibt aber trotzdem keine gleichmässige „U-Kurve“, sondern zeigt eher eine steigende Tendenz bei tieferen achievement-Positionen. Bei Kindern mit niedrigerem achievement sind also noch mehr positive Kategorien des learner level kodiert als bei jenen des oberen Endes der achievement-Ränge. Das zeigt sich, wenn die Probanden und Probandinnen in eine Hälfte der „besseren“ und eine Hälfte der „schwächeren“ geteilt werden (vgl. Tabelle 43): Unter den Rängen 1 bis 7 14 Dass die Kategorie „Sprachgebrauchsangst“ (useanx) hier in der negativen Ausprägung auftritt, ist richtig, denn natürlich entspricht „keine Sprachgebrauchsangst“ einer positiven Motivation, also useanx-, wogegen sich useanx+ auf eine belegbare „Sprachgebrauchsangst“ bezieht und damit eine negative Motivation bzw. L2-Hürde darstellt. 7 L2-Motivationen und L2-achievement 158 trifft 18-mal eine der positiven Kategorien zu, wenn jede belegte Kategorie pro Proband/ Probandin einmal gezählt wird, und unter den Rängen 8 bis 14 23-mal, also 27,78% häufiger (Trennlinie 1). Wenn man die ProbandInnengruppe drittelt und dabei die Ränge 1 bis 5, 6 bis 10 und 11 bis 14 auswertet, zeigt sich diese Tendenz noch deutlicher. Denn der Durchschnitt kodierter Kategorien pro Proband/ Probandin liegt dann in der oberen Gruppe bei 2,8, in der mittleren Gruppe bei 2,4 und in der unteren Gruppe deutlich höher bei 3,8 (Trennlinien 2). Das zeigt sich auch, wenn man in fünf Gruppen teilt, um ein noch differenzierteres Bild zu erhalten (Trennlinien 3): Der Durchschnitt der drei Kinder mit den höchsten achievement-Werten (P8, P14, P5) liegt bei 2,33; bei P4, P2, P1 bei 3; bei P3, P6, P12 bei 2,33; bei P7, P10, P13 aber sogar bei 3,67; und bei P9 und P11 bei 3,5. P11 P9 P13 P10 P7 P12 P6 P3 P1 P2 P4 P5 P14 P8 Positive Kategorien 4 3 4 4 3 2 3 2 2 3 4 1 2 4 Tabelle 44: Anzahl positiver Kategorien des learner level pro ProbandIn Konkret bedeuten diese Zahlen, dass die Kinder mit niedrigerem achievement-Wert ihre L2-Kompetenz (perceived competence) tendenziell „höher“ bewerten als Kinder mit höheren achievement-Werten. Die „schwächeren“ Kinder dieser Studie überschätzen ihre eigene Kompetenz also im Vergleich zu den besseren Kindern. Denkbar ist, dass sich diese Kinder zu wenig anstrengen, weil sie ihre Kompetenz im Vergleich zu jener ihrer Mitschüler als gut empfinden, wohingegen andere ihre Kompetenz im Vergleich als weniger gut empfinden und das zu kompensieren versuchen, indem sie sich mehr anstrengen, was zu höherem achievement führt. Dazu passt, dass die kodierten negativen Kategorien mit höherem achievement häufiger werden: nur bei vier der schwächeren sieben Probanden und Probandinnen ist zumindest eine der negativen Kategorien kodiert, allerdings bei sechs der besseren sieben Kinder (vgl. Tabellen 44 und 45). Ausnahmen sind P4 (Rang 4) und P8 (Rang 1), bei denen ebenfalls die höchste Anzahl von vier der insgesamt fünf positiven Kategorien des learner level belegt sind und die ihre Kompetenz am treffendsten einschätzen. Es ist hervorzuheben, dass sich die beschriebene Tendenz einzig aufgrund der Kategorie self-confidence bzw. den dazugehörigen Subkategorien zeigt. Nicht ins Gewicht fällt die Kategorie need for achievement, die relativ gleichmässig verteilt sowohl bei Kindern mit höherem wie auch bei Kindern mit tieferem achievement-Wert vorkommt. 7.3 Motivationen und achievement 159 Kodesystem P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P11 P12 P13 P14 nfa- 1 1 useanx- 1 1 1 percom- 1 1 1 1 causatseffi- 1 1 2 1 1 1 Tabelle 45: Kodematrix learner level (negative Ausprägung) und achievement P11 P9 P13 P10 P7 P12 P6 P3 P1 P2 P4 P5 P14 P8 Negative Motivationen 1 2 2 1 1 1 1 2 1 1 Tabelle 46: Anzahl negativer Kategorien des learner level pro ProbandIn Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Hypothese, wonach die motivationalen Aspekte des learner level nicht mit höherem achievement einhergehen, zu bestätigen ist. Sie ist aber zugleich zu präzisieren: Die beiden motivationalen Hauptkomponenten sind need for achievement und selfconfidence, wobei letztere wiederum mehrdimensional konzeptioniert ist. Für beide Aspekte wird in der Forschung bisher angenommen, dass sie sich auf aktives Lernverhalten auswirken. So ist need for achievement ein zentrales Element der klassischen achievement motivation theory und steht für eine eher stabile Persönlichkeitseigenschaft, die das Verhalten einer Person im alltäglichen Leben generell beeinflusst, Sprachenlernen eingeschlossen: „Individuals with a high need for achievement are interested in excellence for its own sake,“ sie initiieren eher „achievement activities“, verfolgen diese Herausforderungen und Aufgaben mit erhöhter Intensität und „persist in the face of failure“ (Dörnyei 1994a: 277). Bereits 1990 hat Dörnyei in einem Artikel argumentiert, es sei wahrscheinlich, dass dieser Faktor eher im institutionellen Lernen von Bedeutung ist, wo Leistung ein wichtiges Thema ist, und weniger in natürlichen Erwerbskontexten. Diese Vermutung bestätigt sich in den Daten dieser Arbeit. Zwar wird need for achievement festgestellt, es ist aber wahrscheinlich, dass diese Leistungsbereitschaft in Bezug auf den Zweitspracherwerb bei den meisten ins Leere läuft, weil das „Konzept“ ’ich werde besser, wenn ich mehr übe’ zu Beginn der Primarschule noch nicht in den Köpfen der Kinder ist - zumindest nicht im Hinblick auf den Zweitspracherwerb, der in diesem spezifischen Erwerbskontext eine soziale Normalität darstellt und daher vermutlich nicht als „Leistungsfach“ wahrgenommen wird. Überhaupt erfahren Kinder erst im Verlauf der Schulzeit, was Lernen 7 L2-Motivationen und L2-achievement 160 im Schulkontext bedeutet, und dass unterschiedliche Strategien zu unterschiedlichem Lernerfolg führen können, was ebenfalls ein möglicher Grund dafür ist, dass sich need for achievement im frühen Primarschulalter nicht auf den Zweitspracherwerb auswirkt. Anders hinsichtlich der zweiten Hauptkategorie, self-confidence: Diese bezieht sich in ihrer Gesamtheit auf die Überzeugung eines Individuums, fähig zu sein, Ziele zu erreichen und Aufgaben kompetent zu bewältigen (Dörnyei 1994a: 277). „Selbstbewusstsein“ als motivationale Grösse wurde zuerst von Clément (1980), einem engen Mitarbeiter von Gardner, in die L2-Motivationsforschung eingeführt. Dieser Aspekt stellt nicht an sich eine Motivation dar (wie need for achievement), sondern bezieht sich auf sekundäre motivationale Prozesse: Für den Aspekt self-confidence wird ein Einfluss auf verschiedene Motivationen, eine L2 zu lernen und zu benutzen, angenommen. Um an ein Beispiel aus dem Theoriekapitel zu zweitsprachlichen Motivationen anzuschliessen, ist anzunehmen, dass sich eher selbstbewusste Menschen zutrauen, eine berufliche Herausforderung im fremdsprachigen Ausland anzunehmen und dafür eine weitere Sprache zu lernen (vgl. instrumentelle Motivation), oder - auf den schulischen Kontext übertragen - dass sich selbstbewusste Kinder eher herausfordernden L2- Kontexten stellen, wodurch die Anzahl an Erwerbskontexten steigt, und dass sich selbstbewusste Kinder durch Fehler weniger schnell entmutigen lassen. Solche Annahmen können anhand der Daten aber nicht bestätigt werden. Denn die Kategorie self-confidence ist bei Kindern mit niedrigerem achievement häufiger belegt als bei Kindern mit höherem achievement. In grösseren Stichproben wäre nun zu überprüfen, ob sich dieses Resultat, das hier erst eine Tendenz darstellt, wiederholt. Wäre dies der Fall, müsste das Konzept self-confidence als motivationale Dimension für den frühen Zweitspracherwerb revidiert werden. Aufgrund der Forschung, die den Einfluss von self-confidence auf Lernverhalten und Lernerfolg insbesondere als Motivationen aufrecht erhaltenden Aspekt sieht, und weil die Beleglage in dieser Arbeit nur eine Tendenz darstellt, ist aber wahrscheinlicher, dass sich der negative Zusammenhang zwischen self-confidence und achievement nicht bestätigt, dass also auf dem gesamten learner level keine relevante Beziehung zwischen motivationalen Aspekten und L2-Erwerb besteht. 7.3.3 Learning Situation Level Für das learning situation level, wie es in dieser Arbeit konzipiert ist, trifft nicht zu, dass höheres achievement und mehr positive motivationale Komponenten einhergehen. Damit ist die Hypothese zur dieser Ebene zunächst zu bestätigen. Das bedeutet aber nicht, dass motivationale Aspekte des learning situation level generell keinen Einfluss auf den frühen Zweitspracherwerb haben, wie im Folgenden gezeigt werden wird. 7.3 Motivationen und achievement 161 Die erste der beiden Hauptkomponenten bezieht sich auf unterrichtsspezifische motivationale Komponenten im Zusammenhang mit dem Lehrplan, dem Unterrichtsmaterial, der Unterrichtsmethode und der Aufgabestellung. In Anlehnung an Crookes/ Schmidt (1991) umfasst diese Kategorie in dem adaptierten dreistufigen Modell der L2-Motivationen (Dörnyei 1994a) als zentrale Grössen der L2-Unterrichtsmotivationen (1) Interesse (am Unterricht), (2) das Empfinden einer Relevanz des Unterrichts für die eigenen Bedürfnisse, Werte und Ziele („relevance of the course to one’s needs“), (3) individuelle, perzipierte Erfolgsaussicht im jeweiligen Unterricht (mit Bezug auf die empfundene Schwierigkeit der Aufgaben, den erforderten Aufwand, die angebotenen Hilfestellungen, die Präsentation des Unterrichtsstoffs durch die Lehrperson und die Vertrautheit mit der Art der Aufgaben) sowie (4) die Genugtuung durch den Unterricht (satisfaction), resultierend aus einer Kombination aus extrinsischer Belohnung (z.B. Lob, gute Noten) und intrinsischer Belohnung (z.B. Stolz, Vergnügen). Bei fast allen Probanden und Probandinnen sind dieselben Subkategorien in ihrer positiven Ausprägung kodiert, je drei von vier (vgl. Tabelle 46). Nur bei P5 und P2 (Ränge 3 und 5) treffen nur zwei zu. Die Subkategorie satisfaction (sat+) ist die einzige, die nie belegt ist. In dieser Hinsicht kann angenommen werden, dass „befriedigt zu sein“ mit Bezug auf den Unterricht noch keine Bedeutung in der Lebenswelt von ZweitklässlerInnen hat, und daher in den Interviews nicht zugänglich ist. Auch in der negativen Ausprägung (sat-) kommt diese Subkategorie nicht vor, wie Tabelle 47 zeigt. Kodesystem P11 P9 P13 P10 P7 P12 P6 P3 P1 P2 P4 P5 P14 P8 course inter+ 3 4 4 4 4 3 4 2 4 2 3 2 3 3 relev+ 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 exp+ 2 2 2 2 2 2 1 1 1 3 1 2 sat+ fam fam+ 1 sib+ 1 2 1 par+ expressis verbis 1 2 2 1 1 1 1 2 1 unterhalten in L2 2 1 1 1 2 4 3 2 1 Deutschkurs 2 2 1 2 1 Hilfe bei den Hausaufgaben 1 1 1 1 1 1 1 2 2 Tabelle 47: Kodematrix learning situation level (positive Ausprägung) und achievement 7 L2-Motivationen und L2-achievement 162 Kodesystem P11 P9 P13 P10 P7 P12 P6 P3 P1 P2 P4 P5 P14 P8 course interrelevexpsat- 3 1 1 2 2 Fam famsibparexpressis verbis 2 kaum bzw. keine Deutschkenntnisse 1 3 vor allem (oder nur) L1 1 1 2 1 2 Tabelle 48: Kodematrix learning situation level (negative Ausprägung) und achievement Die einzige Subkategorie, die in ihrer negativen Ausprägung belegbar ist, ist die perzipierte Erfolgsaussicht (exp-) bei P13, P10, P3, P2 und P5. Die Ränge dieser fünf Probanden und Probandinnen lassen aber keinen Rückschluss auf einen Zusammenhang zwischen, in diesem Fall, tieferem achievement und einer negativen Einschätzung im Hinblick auf die eigene Erfolgsaussicht zu, denn sie sind relativ gleichmässig über die ganze Gruppe verteilt. Das überrascht nicht, wenn die Kodierregel und der Inhalt der kodierten Textstellen vor Augen geführt werden: Operationalisiert wurde dieser Aspekt in den Leitfadeninterviews insbesondere über die Fragen, ob die Schule als schwierig empfunden wird (und weshalb) und ob die Hausaufgaben als schwierig empfunden werden (und weshalb). Obwohl einige Textstellen eindeutig als „exp-“ zu kodieren sind, sind es eher schwache Belege, denn, wie in Kapitel 5 festgestellt wurde, wird nicht die Schule an sich als schwierig empfunden, sondern wenn, dann die Hausaufgaben als „ein bisschen schwer“ eingeschätzt (z.B. P2: 112-115; P5: 136-139). Es ist anzunehmen, dass diese „negativen“ Erfolgsaussichten zu schwach sind, um sich in den Daten niederzuschlagen. Es ist weiter anzunehmen, dass das Resultat, wonach mehr positive unterrichtsspezifische motivationale Komponenten nicht mit höherem achievement einhergehen, kontextspezifisch ist und solche motivationalen Prozesse besonders im Fremdsprachenerwerb wirken, in Kontexten also, in denen der formale und strukturierte Unterricht die primäre Erwerbssituation darstellt. Im 7.3 Motivationen und achievement 163 frühen Zweitspracherwerb findet der Erwerb nicht nur im Klassenzimmer statt, sondern theoretisch in jeder erdenklichen Situation, in der das lernende Kind der Zielsprache „ausgesetzt“ ist, was im Zweitspracherwerb eben nicht nur im Klassenzimmer der Fall ist. Es könnte aber sein, dass diese Faktoren im Verlauf der Schulzeit auch im Zweitspracherwerb an Einfluss gewinnen - ähnlich wie die Lernverhalten beeinflussenden Komponenten des learner level (7.3.2) -, nämlich dann, wenn das schulische Leistungssystem an Bedeutung gewinnt und die zweitsprachliche Kompetenz als relevant für das schulische Fortkommen betrachtet wird. So berichtet Gyger (2000) von einem Mädchen mit deutscher Zweitsprache, das bewusst auf den Gebrauch des Schweizerdeutschen zugunsten der hochdeutschen Varietät verzichtet, um ihren schulischen Erfolg, den sie als an die Hochdeutschkenntnis gebunden wahrnimmt, nicht zu gefährden. Dieses Mädchen ist zum Zeitpunkt von Gygers Untersuchung elf Jahre alt, also drei Jahre älter als die Probanden und Probandinnen dieser Arbeit, bei denen sich ein solcher Zusammenhang nicht feststellen lässt. Das hat sich schon in der Analyse des instrumentell-motivationalen Systems auf dem language level gezeigt (vgl. 6.4 und 7.3.1). Es wäre zu untersuchen, ob die unterrichtsspezifischen motivationalen Komponenten mit der Zeit auch im Zweitspracherwerb an Einfluss gewinnen und wenn ja, ab wann. Familienspezifische motivationale Komponenten bilden die zweite Hauptkategorie des learning situation level, die hier untersucht wird. Diese bezieht sich auf familiale Unterstützung, die insbesondere von den Eltern kommt, aber auch von Geschwistern oder anderen Bezugspersonen aus dem weiteren Familienkreis (z.B. Tanten und Onkel). Am häufigsten sind Kodierungen mit Bezug auf die elterliche Unterstützung und es fällt auf, dass diese bei den Probanden und Probandinnen mit niedrigerem achievement häufiger sind als bei jenen mit höherem achievement (vgl. Tabelle 46 und 47). Das widerspricht auf den ersten Blick bisherigen Resultaten der Forschung, wonach gerade elterliche Unterstützung auf vielfältige Art das Lernen der Kinder fördert (vgl. z.B. Gardner/ Lambert 1972, Verhoeven/ Aarts 1998, Desforges/ Abouchaar 2003, Diewald/ Schupp 2006). Arbeiten, die den positiven Einfluss elterlicher Unterstützung nachweisen, thematisieren oft allgemeinen schulischen Erfolg (Desforges/ Abouchaar 2003) oder allgemeinen „Lebenserfolg“ (Diewald/ Schupp 2006). Verhoeven/ Aarts (1998) haben aber den Zweitspracherwerb von Migrantenkindern (Durchschnittsalter 12) im Blick, wie diese Arbeit. Mit Bezug auf die Entwicklung der Literalität von 263 Kindern türkischer L1 in den Niederlanden im Vergleich mit 140 niederländischen Peers, haben die Autoren herausgefunden, dass die mehrsprachigen Kinder in der funktionalen Schriftlichkeit fast native-like sind. Als prognostizierende Faktoren für das Literalitätsniveau in Erst- und Zweitsprache haben Verhoeven und Aarts neben der Selbstwertschätzung der Kinder (self-esteem), die Stimulation zu Hause und „parental motivation for schooling“ ermittelt. 7 L2-Motivationen und L2-achievement 164 Vergleichbare Ergebnisse sind zahlreich belegt (eine Review verschiedener Studien zum Thema findet sich in Desforges/ Abouchaar 2003) und in der Forschung findet sich keine Erklärung für das in dieser Arbeit festgestellte Phänomen, dass nämlich elterliche Unterstützung bei Kindern mit niedrigerem achievement häufiger kodiert wurde als bei Kindern mit höherem achievement. Der Grund für dieses Resultat ist wahrscheinlich darin zu sehen, dass im Hinblick auf die familiale Unterstützung die Befragung, wie sie durchgeführt wurde, zu einseitige Daten hervorgebracht hat. Die in dieser Arbeit operationalisierten Aspekte familialer Unterstützung im Allgemeinen und elterlicher Unterstützung im Besonderen werden in der Forschung oft unter „elterliche Beteiligung“ (parental involvement; Desforges/ Abouchaar 2003) zusammengefasst. Das sind neben Eltern-Kind-Diskussionen, Anteilnahme an der Schule und den Hausaufgaben, bei älteren Kindern intellektuelle Stimulation und hinsichtlich des Zweitspracherwerbs zudem beispielsweise die Wahl der L2 als Umgangssprache zu Hause, immerhin von Zeit zu Zeit. Das sind aber nicht die einzigen Aspekte, die entscheidend sind. Denn ob sich elterliche Unterstützung fördernd auswirkt, hängt von einer Reihe weiterer Faktoren ab, die in einer Befragung nicht ausreichend zugänglich sind: Beispielsweise, neben dem sozioökonomischen Status, eine sichere und stabile Umgebung zu Hause, mütterlicher Ausbildungsgrad, mütterliche psycho-soziale und physische Gesundheit oder auch, zu einem geringeren Anteil, Ethnizität (ebd.) 15 . Diewald/ Schupp (2006) weisen weiter auf die Bedeutung der Qualität der Eltern-Kind-Beziehung hin, die ebenfalls beeinflusst, in welchem Mass elterliche Unterstützung wirkt. Für die Bewertung der Kategorie „familiale Unterstützung“ müsste also eine Reihe komplexer psychologischer Mechanismen berücksichtigt werden, die durch eine Kinderbefragung nicht ausreichend zugänglich sind. Die Befragung als Methode stösst hier an Grenzen, weil jetzt nicht mehr nur die inner world des/ der Befragten erfasst werden soll, sondern auch eine Reihe von Faktoren, die weitere Personen (Eltern, Geschwister, Tanten, Onkel etc.) betreffen. 7.4 Zusammenfassung Die erste Hypothese dieses Kapitels, dass auf dem language level mehr motivationale Aspekte und höheres achievement einhergehen, ist teilweise bestätigt worden. Grundsätzlich hat sich gezeigt, dass in dieser Studie vom instrumentell-motivationalen System eine grössere Erklärungskraft ausgeht als vom integrativ-motivationalen System. Das heisst, die ganz und gar nützli- 15 Man kann sicher in Frage stellen, ob nicht auch väterlicher Bildungsstand und väterliche psycho-soziale Gesundheit beteiligt sind, die Wiedergabe entspricht hier der zitierten Quelle. 7.4 Zusammenfassung 165 chen Seiten des L2-Erwerbs, insbesondere die Möglichkeit, mit Peers anderer Erstsprachen sprechen zu können, aber auch die Möglichkeit, zwischen Sprachen zu switchen, wenn ein Wort in einer der Sprachen fehlt, sind als motivationale Grössen im frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb wichtiger als zielsprachbezogene affektive und emotionale Aspekte wie die L2 zu mögen oder schön zu finden bzw. nicht zu mögen oder nicht schön zu finden. Ein interessantes Resultat dieser Analyseebene ist zudem, dass zwischen der Subkategorie „pro L1 und L2“, also einer allgemein positiven Bewertung der Erst- und der Zweitsprache ohne Bevorzugung einer der beiden, und L2-achievement sogar tendenziell ein negativer Zusammenhang besteht. Denn die Kinder, bei denen diese Subkategorie belegt ist, rangieren eher im unteren Teil der achievement-Ränge. Zwei Erklärungen sind denkbar, die zwei zentrale Themen betreffen, welche die zukünftige L2- Motivationsforschung gerade in Bezug auf frühe Lernende angehen muss: (1) Die emotionale Dimension früher L2-Motivationen, denn eine positive Bewertung der L1 und der L2 ohne besondere Präferenz könnte Anzeichen eines Sprachloyalitätskonflikts sein, einer Art „zwischen-Stuhl-und-Bank“- Situation, wenn beispielsweise das Entwickeln einer mehrsprachigen Identität in Kontrast zu den Ansichten der Eltern stehen würde, die selber wahrscheinlich nach einem Paradigma einsprachiger Identitäten sozialisiert sind. Denkbar ist aber auch eine Erklärung aus einer gebrauchsbasierten Perspektive auf den Spracherwerb, wonach, sehr knapp zusammengefasst, tendenziell schneller gelernt wird, je mehr Zeit auf die Benützung der Zielsprache verwendet wird - wobei es natürlich nicht nur auf die Quantität, sondern auch auf die Qualität des Inputs ankommt. Dass die Erstsprache bei Kindern, für die „pro L1 und L2“ kodiert ist, eine wichtigere Rolle spielt als bei jenen Kindern, die tendenziell die L2 bevorzugen, kann dazu führen, dass der Anteil von L2-Situationen der Gesamtzahl der Situationen, in denen Sprache benützt wird, kleiner ist und sich daher weniger Erwerbsgelegenheiten bieten. Es wird in Zukunft daher notwendig sein, mehr über den tatsächlichen täglichen Sprachgebrauch (Art und Häufigkeit) mehrsprachiger Kinder zu erfahren. Das würde auch Fragen des Zusammenhangs zwischen L2- Motivationen und Gebrauch der L2 als Umgangssprache aufwerfen, was eine neue Dimension der L2-Motivationsforschung und der Zweitspracherwerbsforschung eröffnen würde. In Bezug auf das learner level ist angenommen worden, dass sich kein Zusammenhang zwischen motivationalen Aspekten und L2-achievement zeigt. Da sich diese Faktoren nach der bisherigen Forschung vor allem auf bewusstes Lernverhalten auswirken, ist wahrscheinlich, dass das learner level eher in formalen Fremdspracherwerbskontexten zum Tragen kommt, hingegen weniger im frühen Zweitspracherwerb, in dem formale Erwerbskontexte (hier der DaZ-Unterricht) schon rein zeitlich eine untergeordnete Rolle spielen, während im überwiegenden Teil der L2-Kontexte, auch im „normalen“ 7 L2-Motivationen und L2-achievement 166 Unterricht, die Zielsprache die generelle Umgangssprache ist, nämlich Sprache der Vermittlung und nicht Gegenstand der Vermittlung. In Hinblick auf die Kategorie need for achievement ist diese Hypothese zu bestätigen. Zwar sind verschiedene Textstellen als need for achievement kodiert worden, aber dies sowohl bei Kindern mit höherem als auch bei Kindern mit niedrigerem achievement, und es hat sich keine Tendenz gezeigt. In Hinblick auf self-confidence ist die Antwort schwieriger. Zum einen ist self-confidence bei Lernenden mit höherem achievement nicht stärker belegt, was die Hypothese grundsätzlich bestätigen würde. Aber es zeigt sich eine schwache Tendenz dahingehend, dass bei Kindern mit niedrigerem achievement die Kategorie selfconfidence stärker ist. Besonders die Subkategorie perceived competence trägt zu diesem Resultat bei, was konkret heisst, dass die schwächeren Kinder ihre L2-Kompetenz tendenziell überschätzen. Ein Grund für dieses Resultat könnte sein, dass diese Kinder dem Zweitspracherwerb (sicherlich unbewusst) zu wenig Aufmerksamkeit schenken, während ein empfundenes Defizit in Bezug auf die L2-Kompetenz im Vergleich zur L2-Kompetenz anderer zu einer erhöhten Aufmerksamkeit führt, was sich dann in höherem achievement zeigt. Zu diesem Zeitpunkt stellt das aber eine Vermutung dar, die noch nicht theoretisch untermauert werden kann und zu prüfen wäre. Wahrscheinlich ist aber - gerade weil kein Hinweis in der Forschung gefunden werden kann - dass die schwach belegte Tendenz ein Zufallsresultat ist wegen des eher kleinen Samples. Es ist daher wahrscheinlicher, dass auch die Kategorie self-confidence als eine das Lernverhalten beeinflussende motivationale Komponente im frühen L2-Erwerb noch keine Erklärungskraft hat. Die dritte Hypothese, wonach die positiven motivationalen Aspekte des learning situation level nicht mit höherem L2-achievement einhergehen, hat sich bestätigt. Allerdings liegt der Grund nicht ausschliesslich darin, dass, wie angenommen, zwei wesentliche weitere Aspekte des learning situation level, nämlich klassenspezifische motivationale Komponenten (v.a. classroom goal system, vgl. 3.3.3) und lehrpersonenbezogene motivationale Komponenten (z.B. Feedbackverhalten, Unterrichtsgestaltung, vgl. ebd.), nicht untersuchtet werden konnten. Etwa hat sich mit Bezug auf die unterrichtsspezifischen motivationalen Aspekte gezeigt, dass diese in Entsprechung zu den das Lernverhalten beeinflussenden Persönlichkeitseigenschaften des learner level erst auf höheren Klassenstufen zum Tragen kommen. Vor allem hat aber die Analyse der familienspezifischen motivationalen Aspekte einige zentrale Fragen für die zukünftige Erforschung dieser Dimension im Zusammenhang mit L2-Motivationen aufgeworfen. Denn die Aspekte, die hier untersucht werden konnten, werden in der Forschung unter „elterliche Beteiligung“ (parental support, hier auf Geschwister und andere Verwandten ausgeweitet) zusammengefasst (vgl. Desforges/ Abouchaar 2003). Das sind neben Anteilnahme an der Schule und den Hausaufgaben etwa auch die Wahl der L2 als Umgangssprache zu Hause. Es steht ausser Frage, dass dies zentrale Aspekte 7.4 Zusammenfassung 167 sind. Die Auseinandersetzung mit der Forschung zu elterlicher Unterstützung im Besonderen, unabhängig von L2-Motivationen, zeigt aber auch, dass eine Reihe weiterer Faktoren beteiligt sind, die in einer Befragung nicht ausreichend zugänglich sind und auch jedes andere bisher umgesetzte Untersuchungsdesign zu L2-Motivationen übersteigen: Dazu gehören neben dem sozioökonomischen Status eine sichere und stabile Umgebung zu Hause, der Ausbildungsgrad, die psycho-soziale und physische Gesundheit der Mutter (aber wahrscheinlich auch des Vaters), zu einem geringeren Teil die Ethnizität (ebd.) sowie die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung (Diewald/ Schupp 2006). Der Schluss liegt nahe, dass der Grund für den fehlenden Zusammenhang zwischen familialer Unterstützung und L2-achievement in der Komplexität dieser weiteren Faktoren zu sehen ist bzw. eben darin, dass diese weiteren Grössen in einer so breiten Kinderbefragung, wie sie hier im Sinne des Gesamtziels der Arbeit durchgeführt wurde, nicht erfasst werden können. 8 Schlussdiskussion 8.1 Beitrag der Arbeit im Forschungskontext Mit der Untersuchung zweitsprachlicher Motivationen verbindet sich das Ziel, individuelle Erwerbsunterschiede zu erklären, also Gründe zu identifizieren, weshalb einige Lernende scheinbar müheloser und schneller lernen als andere. Heute, da die Globalisierung, erleichterte Mobilität und weltweite Migration dazu geführt haben, dass Mehrsprachigkeit als Schlüsselkompetenz für den/ die Einzelne wie auch für die Gesellschaft beurteilt wird, (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2005), Mehrsprachigkeit aber nicht immer leicht erlangt wird, besteht aus einer angewandten Perspektive ein grosses Interesse daran, motivationale Mechanismen zu verstehen, die zu leichterem Lernen führen. Im Zusammenhang mit der individuellen Mehrsprachigkeit haben Kinder mit Migrationshintergrund scheinbar einen Vorteil, weil sie theoretisch schon früh in zumindest zwei Sprachen fliessend sind, in ihrer Erstsprache und in der Zweitsprache, der Sprache des Immigrationslandes bzw. der Immigrationssprachregion (etwa im Fall der mehrsprachigen Schweiz). Aber deren Zweitspracherwerb verläuft nicht immer so einfach, wie vor allem von Laien gerne angenommen wird, die unzählige Einzelfälle kennen, in denen Kinder innerhalb eines Jahres eine neue Sprache gelernt haben, als deren Eltern mit der Familie beruflich für eine gewisse Zeit ins anderssprachige Ausland gingen. Tatsache ist aber, dass gerade in Klassen, in denen die Mehrheit der Kinder fremdsprachig ist, Lehrpersonen immer wieder ratlos feststellen, dass die zweitsprachlichen Kenntnisse der meisten Kinder mit Migrationshintergrund, deren Eltern erst vor wenigen Jahren eingewandert sind und die L2 selber noch nicht oder kaum beherrschen, dem Klassenniveau nicht entsprechen. Das Verständnis motivationaler Prozesse, die den Zweitspracherwerb erleichtern oder erschweren, wird Lehrpersonen solcher Klassen helfen können, auf die individuellen Erwerbsunterschiede unterstützend zu reagieren. Neben diesem angewandten Interesse besteht an der Erforschung von frühen zweitsprachlichen Motivationen auch ein forschungstheoretisches, das zwei Seiten hat: Zum einen hat sich die bisherige Theoriebildung auf den jugendlichen und erwachsenen Fremdsprachenerwerb gestützt, Motivationen bei Kindern wurden noch nicht ausführlich untersucht. Ausnahmen sind die Arbeiten von Strong (1984) zum L2-Erwerb von spanischen Kindergartenkindern in Amerika, von Wu (2003) zum Erwerb von Englisch als Fremdsprache durch Kindergartenkinder in China und von Lamb (2004) zum Erwerb von Englisch als Fremdsprache durch 11bis 12-Jährige in Sumatra. Allerdings übernahmen sie jene theoretischen Konzepte, die auf der Grund- 8 Schlussdiskussion 170 lage von jugendlichen und erwachsenen Fremdsprachenerwerbskontexten beruhen, und konzentrierten sich ausschliesslich auf eine integrative Orientierung (Strong und Lamb) bzw. intrinsisches Interesse am Unterricht (Wu). Nur Lamb (2004) gab zu bedenken, dass Motivationen je nach Erwerbskontext anders theoretisiert werden müssen, indem er feststellte, dass das integrative Motiv in einer „globalizing world“ nicht mehr erklärungsstark ist, während „individuals may aspire towards a ‚bicultural’ identity which incorporates an English-speaking globally-involved version of themselves in addition to their local L1-speaking self“ (ebd.: 3). Tatsächlich existierte aber noch kein breites Konzept zu frühen L2-Motivationen und es bestand Bedarf, unterstützt durch Lambs Resultate, Grundlagen für die zukünftige weitere Untersuchung früher L2-Motivationen zu erarbeiten. Die zweite Seite des forschungstheoretischen Interesses dieser Arbeit ist, dass nicht nur Bedarf an einer Theoretisierung von L2-Motivationen für den frühen L2-Erwerb besteht, sondern sich die L2-Motivationsforschung generell in einer Phase der grundlegenden Überprüfung und Überarbeitung traditioneller Konzepte befindet (Dörnyei/ Ushioda 2011). Das betrifft insbesondere die Konzepte „integrative Orientierung“ und „instrumentelle Motivation“, die noch auf den Beginn der L2-Motivationsforschung in den sechziger Jahren zurückgehen und die den wesentlichen Entwicklungen in Gesellschaft und Forschung, die in unmittelbarer Beziehung mit zweitsprachlichen Motivationen stehen, noch nicht angepasst wurden. Gemeint sind die schon genannten veränderten globalen Sprachrealitäten durch Migration, Globalisierung und erleichterte Mobilität, die zu unterschiedlichen motivationalen Prozessen führen, wie Lamb (2004) festgestellt hat. Gemeint sind aber auch theoretische Weiterentwicklungen in Nachbardisziplinen. Das sind innerhalb der Linguistik insbesondere soziolinguistische Studien zu mehrsprachigen Identitäten (z.B. Florio-Hansen/ Hu 2003, Lüdi 2003, Pavlenko/ Bonny 2007) bzw. zu Sprache und sozialer Identität in einer globalisierten Welt (z.B. Joseph 2004, Auer 2005, Golan-Cook/ Olshtain 2011). Erst Dörnyei hat einen Anfang in Richtung einer systematischen Überarbeitung von L2-Motivationskonzepten gemacht, indem er die psychologische Identitätsforschung zu possible selves (z.B. Yowell 2002, Hoyle/ Sherrill 2006, Leary 2007) für seine grundlegende Überarbeitung der integrativen Orientierung im jugendlichen Fremdspracherwerb in der Gymnasialstufe und dem Fremdspracherwerb der Erwachsenen aufgearbeitet und statt der Konzeptionierung eines integrativen Motivs die Konzeptionierung des Motivs ideal L2 self vorgeschlagen hat (v.a. 2009b, 2010a). Das kann vom jeweiligen Individuum (bei entsprechend lebhaftem Vorstellungsvermögen) als sehr realistisch empfunden werden und dann als „future self-guide, providing incentive, direction and impetus for action“ fungieren (2009b: 17). Gerade weil sich das gesamte Forschungsfeld zu L2- Motivationen in einem Umbruch befindet, ist es jetzt auch an der Zeit, Er- 8.2 Resultate 171 werbskontexte zu untersuchen, die bisher nicht berücksichtigt wurden, und auf dieser Grundlage Richtungen zu zeigen, die zukünftige Arbeiten berücksichtigen sollten, um die Wirkungsweise von L2-Motivationen besser zu verstehen und die Forschung weiterzubringen. Einen Beitrag zu diesem Aufbruch zu neuen Ufern der L2-Motivationsforschung leistet die vorliegende Arbeit, indem mit dem frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb ein Erwerbskontext untersucht wird, der bisher nicht umfassend unter L2-Motivationsperspektive berücksichtigt wurde. Es war zunächst zu klären, welches die spezifischen L2-Motivationen sind, die im frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb nachweisbar sind, welches also jene spezifischen frühen zweitsprachlichen Motivationen sind, die in der weiteren L2-Motivationsforschung zum frühen Zweitspracherwerb überhaupt zu untersuchen sind. Das „Inventar“ früher L2-Motivationen, das im analytischen Rahmen des dreistufigen L2- Motivationsmodell nach Dörnyei (1994a) datenbasiert erarbeitet wurde, stellt damit einen zentralen Beitrag für das Forschungsfeld dar. In diesem Zusammenhang steht auch die Klärung zweier weiterer Fragegruppen, die für weiterführende Studien unabdingbar und zwangsläufig miteinander sowie mit der Erarbeitung des Inventars verbunden sind: Erstens, ob Motivationen überhaupt einen Einfluss auf den frühen Zweitspracherwerb haben oder unter diesen Erwerbsbedingungen wirkungslos sind, etwa weil der Erwerb der Zielsprache eine soziale Normalität darstellt und sich die Frage „wieso“, die am Anfang der allgemeinen Motivationsforschung steht, gar nicht stellt. Und zweitens, ob die bisherigen Konzepte auch unter diesen Erwerbsbedingungen adäquate Analysegrössen darstellen oder ob sie zu revidieren sind, und welches jene Aspekte sind, die zur Theoretisierung früher zweitsprachlicher Motivationen zu berücksichtigen und weiterführend zu untersuchen sein werden. 8.2 Resultate Die wichtigsten Hypothesen der vorliegenden Arbeit lauteten (zusammengefasst): 1. Obwohl der L2-Erwerb der Probanden und Probandinnen dieser Arbeit unter vergleichbaren Erwerbsbedingungen stattfindet (in Bezug auf Alter, Erwerbsdauer und sprachliches Umfeld), verläuft er nicht immer gleich erfolgreich, in Sprachstandsanalysen zeigen sich deutliche Unterschiede. (Dies ist die Voraussetzung für die Untersuchung von L2- Motivationen, vgl. Kapitel 4.) 8 Schlussdiskussion 172 2. L2-Motivationen sind kontextspezifisch. Nicht alle motivationalen Grössen, die die Forschung bisher benannt hat, stellen adäquate Konzepte für die Untersuchung des frühen Zweitspracherwerbs dar. Frühe L2- Motivationen müssen daher für weitere Arbeiten zum Thema spezifisch theoretisiert werden. (Kapitel 5.) 3. Das integrative Motiv verliert im frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb seine Erklärungskraft. Wichtiger sind zielsprachbezogene affektive und emotionale Aspekte wie das Mögen der Sprache oder daran „Spass haben“ etc. Eine Re-Theoretisierung ist notwendig. (Kapitel 6.) 4. Das instrumentelle Motiv verliert im frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb seine Erklärungskraft, wichtiger ist der soziale bzw. freundschaftliche Zweck der Kenntnis der Zweitsprache, um mit Peers anderer Erstsprachen sprechen zu können. Eine Re-Theoretisierung ist notwendig. (Kapitel 6.) 5. Nicht alle motivationalen Grössen, die die Forschung bisher benannt hat, haben einen Einfluss auf den frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb. Die motivationalen Komponenten des learner level spielen in diesem Alter noch keine Rolle. Wichtig sind vor allem das integrativmotivationale System und das instrumentell motivationale System, wie sie in Kapitel 6 für diesen Kontext spezifisch definiert wurden. (Kapitel 7.) Die erste Hypothese, dass individuelle Unterschiede bestehen, konnte bestätigt werden. Das legten die Ergebnisse der Sprachstandsanalysen (MLU/ UB/ SD, TTR, Sprachprofilanalyse) nahe, in denen sich auf jeder Analyseebene Unterschiede zwischen den Probanden und Probandinnen zeigten. Der Grund für die Kombination quantitativer (MLU/ UB/ SD und TTR) und qualitativer (Sprachprofilanalyse) Verfahren ist die in der Literatur schon oft genannte Beobachtung, dass eines dieser Masse allein sprachliche Kenntnisse unzureichend widerspiegelt (vgl. z.B. Miller 1981, Bates/ Bretherton/ Snyder 1988, Tracy 1991, McDaniel/ McKee/ Smith 1991, Peltzer-Karph/ Zangl 1998, Müller et al. 2007). Dass die Ergebnisse der drei Analyseebenen nicht korrelieren, bestätigt diese Beobachtung und belegt, dass die Resultate durch die Kombination der Verfahren differenziert werden konnten. Zum Beispiel hat sich gezeigt, dass Kinder mit höherer TTR, also einer grösseren sprachlichen Produktivität, nicht unbedingt auch längere Äusserungen produzieren, und ebenso wenig ist eine höhere TTR ein Indikator für eine grössere syntaktische Komplexität, wie sie sich in der Sprachprofilanalyse zeigt. Die Bearbeitung der Hypothesen 2 bis 4 verband sich mit der Frage, ob und inwiefern frühe L2-Motivationen kontextspezifisch sind, also ob und inwiefern sich Unterschiede zwischen den hier belegten L2-Motivationen und den in der bisherigen Theorie beschriebenen L2-Motivationen anhand 8.2 Resultate 173 des spezifischen Erwerbskontext erklären lassen und inwiefern L2-Motivationen für den frühen Zweitspracherwerb spezifisch zu definieren sind. Die Hypothese, dass kontextbedingte Unterschiede bestehen, konnte in Kapitel 5 bestätigt werden, es trifft aber nicht auf alle Ebenen zu. So ist das learner level an sich nicht kontextspezifisch, weil sich die L2-Motivationen dieser Ebene nicht direkt auf die Zweitsprache Deutsch, deren Benutzung oder die Mehrsprachigkeit generell beziehen: Manche Kinder machen die Hausaufgaben lieber als andere, manche haben weniger Angst, Fehler zu machen als andere, manche beurteilen ihre eigene L2-Kompetenz selbstbewusster als andere, wobei diese perceived L2-competence, wie gezeigt wurde, nicht unbedingt den Ergebnissen der Sprachstandsanalysen entspricht. Das alles ist im Grunde nicht überraschend und würde so wahrscheinlich auch gefunden, wenn es nicht um den Zweitspracherwerb, sondern irgendeinen Lerngegenstand ginge. Das learner level muss für den frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb demnach nicht spezifiziert werden. Das learning situation level dagegen ist für prototypische Erwerbskontexte spezifisch zu definieren. So ist die Rolle der Lehrperson im Fremdspracherwerb eine andere als im Zweitspracherwerb, da hier die Zielsprache nicht an eine/ n LehrerIn gebunden ist, sondern die Sprache der Vermittlung in allen Fächern ist, die von unterschiedlichen Personen unterrichtet werden. Es wäre daher zu überprüfen, welches die im Zusammenhang mit der Zweitsprache wichtigste Bezugsperson ist, um auf die Lehrpersonen bezogene motivationale Komponenten zu untersuchen. Auch ist davon auszugehen, dass die Familie im Zweitspracherwerb eine andere Rolle spielt als im Fremdspracherwerb, da der migrationsbedingte Zweitspracherwerb die ganze Familie betrifft und sehr komplexe, emotional aufgeladene Zuschreibungen (z.B. die Angst vor Identitätsverlust durch den L2-Erwerb) auf zweitsprachliche Motivationen wirken können. In diesem Zusammenhang wäre es notwendig, das System Familie (Geschwister und weitere Familienangehörige ebenso eingeschlossen wie die Eltern) im Hinblick auf zweitsprachliche Motivationen zu untersuchen, um verschiedene mögliche motivationale Wirkungsmechanismen identifizieren und in ein Konzept zu familienspezifischen Motivationen im migrationsbedingten Zweitspracherwerb integrieren zu können. Am deutlichsten zeigt sich aber die Notwendigkeit der Re-Theoretisierung zweitsprachlicher Motivationen für den hier untersuchten Erwerbskontext auf dem language level. In den Daten sind zwar beide Kategorien dieser Ebene mehrfach belegt, das integrativ-motivationale System und das instrumentell-motivationale System. Das bedeutet, dass jene Aspekte, welche die beiden Kategorien umfassen, grundsätzlich wesentlich für die Untersuchung früher L2-Motivationen sind. Allerdings hat die Analyse gezeigt, dass diese Kategorien hier nicht dasselbe bedeuten wie in der bisherigen Forschung definiert. So verliert das „klassische“ integrative 8 Schlussdiskussion 174 Motiv im frühen Zweitspracherwerb seine Erklärungskraft, während zielsprachbezogenen affektiven und emotionalen Aspekten Bedeutung zukommt. Es ist also wichtiger, ob die Kinder die Zielsprache mögen oder nicht bzw. sie schön finden oder nicht, mit ihr „Spass haben“ oder nicht, u.ä., als dass sich die Kinder über die Zweitsprache den Muttersprachlern unter den Peers zugehörig fühlen. Auch das klassische (utilitaristische) instrumentelle Motiv, das sich in einer kindlichen Lebenswelt darin zeigt, wenn Schulerfolg den Hauptmotivator in Bezug auf den Zweitspracherwerb auf dieser Ebene darstellt, hat in diesem Kontext keine belegbare Bedeutung. Viel wichtiger ist der soziale Wert, den die Kenntnis der Zweitsprache mit sich bringt, indem sie es ermöglicht, mit Peers und anderen Leuten anderer Erstsprachen zu sprechen bzw. sich mit Peers anderer Erstsprachen anzufreunden. Auf den ersten Blick mag das an das klassische integrative Motiv erinnern, ist aber deutlich davon zu unterscheiden, weil es hier eben nicht um den Kontakt zu Muttersprachlern geht, sondern vor allem um den Kontakt zu ebenfalls mehrsprachigen Personen anderer Erstsprachen, wenn die L2 die gemeinsame Sprache darstellt. In Kapitel 7 wurde untersucht, welche der identifizierten frühen L2- Motivationen mit höherem L2-achievement zusammenhängen. Dabei konnte nur auf dem language level ein Zusammenhang festgestellt werden, auf dem learner level und dem learning situation level dagegen nicht. Dass vom learner level keine Erklärungskraft für erfolgreiches Lernen ausgeht, ist als typisch für diesen Erwerbskontext zu bewerten. Denn für die Grössen, die auf dieser Ebene zusammengefasst werden, wird angenommen, dass sie einen Einfluss auf (bewusstes) Lernverhalten haben, also darauf, wie intensiv und wie oft Aufgaben gelöst oder Interaktionssituationen gesucht werden, die dazu beitragen, die zielsprachlichen Kenntnisse zu verbessern. Solche Grössen sind in den Daten zwar belegbar, aber sie kommen nicht mit höherem achievement vor. Die Daten legen vielmehr nahe, dass diese Aspekte eher in formalen Erwerbskontexten, also im typischen Fremdspracherwerb eine Rolle spielen, wenn an die Zielsprache definierte Leistungsziele gebunden sind. Im frühen, migrationsbedingten Zweitspracherwerb stellt der formale Sprachunterricht (DaZ-Unterricht) mit wenigen Wochenstunden aber nur einen kleinen Teil der L2-Kontexte dar neben den bei weitem überwiegenden natürlichen Erwerbskontexten. Denn unter natürlichen Erwerbskontexten sind hier nicht nur ausserschulische Szenarien zu verstehen. Ebenso kann man von einem natürlichen Kontext sprechen, wenn die Zielsprache in der Schule als Sprache der Vermittlung verwendet wird (und nicht Gegenstand der Vermittlung ist). Andererseits kann man wohl davon ausgehen, dass auf der zweiten Primarschulstufe noch kein grosser Leistungsdruck besteht und daher auch noch keine ausgeprägte Leistungsorientierung ausgelöst wird. Das ist vermutlich mit ein Grund dafür, weswegen Faktoren, die im Zusammenhang mit individueller Leistungsbereitschaft stehen, zu diesem Zeit- 8.2 Resultate 175 punkt des Spracherwerbs noch keine Bedeutung erlangen - wie beispielsweise schon Dörnyei (1990) angenommen hat. Diese Interpretation betrifft vor allem die Kategorie need for achievement. In Bezug auf die self-confidence zeichnet sich eine schwache Tendenz dahingehend ab, dass Kinder ihre L2- Kompetenz im Vergleich zu jener ihrer MitschülerInnen zum Teil selbstbewusst bewerten, obwohl sie tiefere achievement-Ränge erreichen, während andere ihre L2-Kompetenez zurückhaltender bewerten und höhere achievement-Ränge erreichen. Weil diese Tendenz nicht stark ausgeprägt ist, kann das ein Zufallsresultat sein. Es wäre aber doch zu untersuchen, ob sich ein Selbstbewusstsein in Bezug auf die eigenen Sprachkenntnisse, das der Realität nicht entspricht und vermutlich aus zu viel bzw. nicht angemessenem Lob resultiert, dem Zweitspracherwerb nicht unbedingt förderlich ist. Möglicherweise schenken Kinder dann (sicherlich unbewusst) dem Zweitspracherwerb, den sie zumindest zu Beginn ja eher nebenbei bewältigen, zu wenig Aufmerksamkeit (attention). In Bezug auf das learning situation level hat die Analyse gezeigt, dass unterrichtsspezifische motivationale Komponenten zu diesem Zeitpunkt des L2-Erwerbs keinen Einfluss auf das achievement haben. Es ist anzunehmen, dass Interesse am Unterricht und andere Faktoren dieser Kategorie zu diesem Zeitpunkt des Zweitspracherwerbs deshalb noch keine Indikatoren für höheres achievement darstellen, weil die Zweitsprache noch nicht in ihrer Relevanz für den Unterricht und zukünftigen Schulerfolg erkannt wird - was die Analyse des instrumentell-motivationalen Systems gezeigt hat. Es stellt sich hier aber die Frage, ob unterrichtsspezifischen motivationalen Grössen, wie sie bisher definiert wurden, im Zweitspracherwerb generell keine Bedeutung in Bezug auf L2-achievement zukommt, weil die L2 auch später stärker in ihrer Funktion als Umgangssprache denn als an Leistung und Schulerfolg gebunden wahrgenommen wird, oder ob sich dies ändert und wann. Das müsste die zukünftige L2-Motivationsforschung unter Berücksichtigung des Faktors Zeit bzw. des dynamischen Moments von L2-Motivationen untersuchen. Der Grund dafür, dass im Hinblick auf familienspezifische motivationale Komponenten kein Zusammenhang zwischen Motivationen und achievement festgestellt wurde, ist darin zu sehen, dass nicht ausreichend Daten erhoben werden konnten, um das in diesem Abschnitt (8.2) schon weiter oben beschriebene komplexe System familialer Motivationen und möglicher emotionaler Zuschreibungen bei Migrationshintergrund (z.B. Angst vor Identitätsverlust) beurteilen zu können. Gerade in Bezug auf die elterliche Unterstützung (als Teil eines familialen motivationalen Systems) ist sich die Forschung einig, dass dieser Faktor auf vielfältige Art das Lernen von Kindern fördert (vgl. z.B. Verhoeven/ Aarts 1998, Desforges/ Abouchaar 2003, Diewald/ Schupp 2006). Denn zwar stellen jene Faktoren, die in dieser Arbeit untersucht wurden und die in der Forschung unter 8 Schlussdiskussion 176 parental involvement (Desforges/ Abouchaar 2003) zusammengefasst werden (v.a. Anteilnahme an der Schule und den Hausaufgaben und mit Bezug auf den Zweitspracherwerb zudem beispielsweise die Wahl der L2 als Umgangssprache zu Hause), einen wesentlichen Teil elterlicher Unterstützung dar, allerdings nicht den einzigen. Denn ob elterliche Unterstützung in oben genanntem Sinn wirkt, hängt von einer Reihe weiterer Faktoren ab, die in einer Kinderbefragung nicht ausreichend zugänglich sind (sozioökonomischer Status, eine sichere und stabile Umgebung zu Hause, mütterlicher Ausbildungsgrad, mütterliche psycho-soziale und physische Gesundheit 16 , die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung sowie zu einem geringeren Anteil Ethnizität; vgl. ebd., Diewald/ Schupp 2006). Wie schon die Frage danach, welche L2-Motivationen kontextabhängig und spezifisch zu definieren sind, kristallisiert sich auch die Frage nach dem Zusammenhang von Motivationen und achievement am language level, das jenes Konzept enthält, welches in der bisherigen Forschung am ausführlichsten und durchaus kontrovers diskutiert worden ist: die integrative Orientierung bzw. das integrativ-motivationale System. Das klassische Motiv dieser Kategorie ist das Bedürfnis oder zumindest die Bereitschaft, Teil der L2-Sprachgemeinschaft zu werden und deren Kultur näher zu kommen, wobei diese L2-Gemeinschaft je nach Kontext zu definieren ist. Nach Gardner (2001b) lautet eine typische Aussage: „Französisch zu lernen ist mir wichtig, weil es mir ermöglichen wird, die französische Kultur, die Kunst und Literatur besser zu verstehen [Übersetzung d. A.].“ Andere Vertreter des Forschungsfeldes haben zudem ein allgemeines Interesse an fremden Sprachen, Ländern, Kulturen als Teil der integrativen Orientierung definiert sowie das Gegenteil von Sprachpurismus und Ethnozentrismus (vgl. Clément/ Kruidenier 1983, 1985, Dörnyei 1990, 1994a: 275). Das allgemeine Interesse an fremden Sprachen, Ländern und Kulturen sowie ein Gegenstück zu Sprachpurismus und Ethnozentrismus haben in der Theorie jedoch nie jenen Stellenwert und in der empirischen Forschung jene Erklärungskraft erreicht wie das klassische integrative Motiv. In Bezug auf den frühen Zweitspracherwerb kommt diesem ja aber kaum eine Erklärungskraft zu, denn es ist nur einmal belegbar, bei P9, einem Kind, für den der zweittiefste achievement-Wert errechnet wurde (Tabelle 39). Wichtiger sind sprachbezogene affektive und emotionale Aspekte, wie die L2 zu mögen, schön zu finden etc. Interessant ist, dass solche Aspekte aber nur dann mit höherem achievement einhergehen, wenn sie sich nicht zugleich auf die L1, sondern ausschliesslich auf die L2 beziehen. Denn die Kinder, bei denen positive Aussagen mit Bezug auf Erst- und Zweitsprache kodiert 16 Es wurde schon darauf hingewiesen, dass man in Frage stellen kann, ob tatsächlich nur mütterlicher und nicht auch väterlicher Bildungsstand und psycho-soziale Gesundheit relevant sind, die Wiedergabe entspricht hier der zitierten Quelle. 8.3 Ausblick 177 wurden, haben tendenziell tiefere achievement-Werte als jene Kinder, bei denen positive Aussagen speziell mit Bezug auf die L2 kodiert wurden und von denen die L2 zum Teil ausdrücklich der L1 vorgezogen wird. Es ist denkbar, dass sich in der positiven Bewertung von L1 und L2 ein Sprachloyalitätskonflikt ausdrückt, der negative Emotionen auslösen und daher niedrigeres achievement erklären würde, obwohl immer danach gefragt wurde, ob nicht eine der Sprachen eher bevorzugt wird. Das zumindest legt die jüngere Motivationsforschung nahe, die in der emotionalen Dimension von Motivationen den Schlüssel zum präziseren Verständnis von deren Wirkungsweise sieht (vgl. Ryan 2007). In diese Richtung weisen auch jüngere neurowissenschaftliche Arbeiten, die den Zusammenhang von positiven Emotionen und leichterem Lernen bzw. von negativen Emotionen und erschwertem Lernen auf neuronaler Ebene nachweisen (vgl. Borod 1992, Damasio 1994, LeDoux 1992, 1996, Rolls 1999, Erk et al. 2002, Kiefer et al. 2007; vgl. zudem Abschnitt 3.4 in dieser Arbeit). Insgesamt geht die grösste Erklärungskraft jedoch vom instrumentell-motivationalen System aus, wie es in Kapitel 6 für den frühen Zweitspracherwerb spezifisch definiert werden konnte. Es ist demnach nicht das klassische utilitaristische instrumentelle Motiv (z.B. Schulerfolg) entscheidend, sondern das induktiv ermittelte Motiv „Mittel zum Zweck“, das dafür steht, dass die Kinder die L2 lernen und benutzen wollen, um mit Peers und anderen Personen anderer Erstsprachen sprechen zu können, „weil die Leute sind hier nicht nur Albanisch, die Leute können auch nicht albanisch (...), dann kann ich mit ihre nicht, äm, sone Sprache reden und sie meine Sprache reden, dann müssen wir Deutsch reden“ (P6). 8.3 Ausblick Aus diesen Ergebnissen eröffnen sich Perspektiven für die weitere Forschung. Insbesondere drei Themenbereiche sind hier zu nennen: (1) das Verhältnis vom integrativ-motivationalen und instrumentell-motivationalen System in anderen Erwerbskontexten, (2) frühe L2-Motivationen als dynamisches System sowie (3) Sprachloyalität, mehrsprachige Identitäten, das integrative Motiv und die emotionale Dimension von L2-Motivationen. 1. Das Verhältnis von integrativ-motivationalem System und instrumentellmotivationalem System in anderen Erwerbskontexten: Indem sich gezeigt hat, dass L2-Motivationen unter hier untersuchten Erwerbsbedingungen kontextgebunden sind und einzelne motivationale Konzepte (vor allem das integrativ-motivationale und das instrumentell-motivationale System) spezifisch zu definieren sind, stellt sich die Frage, für welche anderen Erwerbskontexte L2-Motivationen ebenfalls anders, zu konzeptionieren sind, als es in der bisherigen Forschung getan wurde. 8 Schlussdiskussion 178 Die Probanden und Probandinnen dieser Arbeit lernen die frühe Zweitsprache in einem sprachlichen Umfeld, in dem der grösste Teil ihrer Peers ebenfalls mehrsprachig ist, aber nur wenige von ihnen mit gleicher Erstsprache. Das erklärt die Bedeutung des Motivs „Mittel zum Zweck“ in diesem Kontext. Anzunehmen ist aber auch, dass dieser Aspekt in einem sprachlichen Umfeld von Peers mehrheitlich gleicher Erstsprache seine Erklärungskraft verliert, was in grösseren Städten vorkommt. Es ist zu fragen, welche motivationalen Grössen dann den L2-Erwerb unterstützen können. 2. Frühe L2-Motivationen als dynamisches System: Um Grundlagen zur weiteren Untersuchung früher zweitsprachlicher Motivationen zu erarbeiten, wurde die vorliegende Arbeit sehr breit angelegt. Die zeitliche Dimension von Motivationen konnte dabei nicht berücksichtigt werden. Der Faktor Zeit bzw. das dynamische, prozesshafte Moment früher L2- Motivationen ist in weiteren Arbeiten aber zu untersuchen. Dass sich die Rolle der verschiedenen motivationalen Aspekte mit fortschreitendem Spracherwerb und im Wechselspiel mit verschiedenen Kontextbedingungen verändern, die auf dem learning situation level zusammengefasst sind, kann als gesichert betrachtet werden (vgl. Dörnyei/ Otto 1998, Dörnyei 2000b). Dörnyei (ebd.) schlug vor, dass ein angemessenes prozessorientiertes L2-Motivationsmodell zumindest zwischen einer „pre-actional“ und einer „actional“ Phase unterscheiden sollte (vgl. auch Heckhausen 1991, Kuhl 1985, 1986, 1987, 1992, Heckhausen/ Kuhl 1985, Corno 1993, 1994, Corno/ Kanfer 1993, Kanfer 1996). Schon in Dörnyei/ Otto (1998) ist der motivationale Prozess daher gegliedert in eine „pre-actional phase“ (v.a. Zielsetzung), eine „actional phase“ (in der Ziele unter Umständen modifiziert werden) sowie eine „postactional phase“ oder „postactional evolution“ (die beginnt, wenn das Ziel erreicht ist bzw. „the action has been terminated“; Dörnyei 2000b: 525ff.). Die Einschränkung, die Dörnyei und Otto machen, liegt in der Linearität der Konzeptionierung motivationaler Prozesse, die der Komplexität des Gegenstands, wegen der zahlreichen beteiligten Faktoren, die dauernd aufeinander wirken und so zwangsläufig einem fortwährenden Modifikationsprozess unterworfen sind, auch nicht wirklich gerecht werden kann. L2-Motivationen sollten unter Berücksichtigung des Faktors Zeit daher eher relational als linear betrachtet werden, wie es zum Beispiel Sealey/ Carter (2004: 196) vorschlagen. Der Fokus liegt dann auf dem sich entwickelnden dynamischen Netzwerk der Verbindungen relevanter motivationaler Aspekte und Prozesse, wobei diese Verbindungen als unvorhersagbar, nicht-linear und immer einzigartig betrachtet werden (denn jede Person ist einzigartig; vgl. Ushioda 2009, Dörnyei/ Ushioda 2011: 77). Die Notwendigkeit der Untersuchung und 8.3 Ausblick 179 Theoretisierung früher L2-Motivationen als einem dynamischen System kann in dieser Arbeit am deutlichsten am Beispiel der Kategorie need for achievement (nfa; learner level) gezeigt werden, die für individuelle Leistungsorientierung steht. Nfa konnte zwar belegt werden, hat aber noch keine Erklärungskraft für höheres achievement. Das legt die Annahme nahe, dass mit dem L2-Erwerb unter den hier untersuchten Voraussetzungen und insbesondere zu diesem Zeitpunkt (zweite Primarschulstufe) noch kein Leistungsziel verbunden ist. Möglich ist aber, dass sich das mit zunehmendem Alter bzw. auf höheren Schulstufen ändert. In Kapitel 7 wurde darauf hingewiesen, dass sich die Frage stellt, ob im Zweitspracherwerb, wenn der Erwerb der Zielsprache eine soziale Normalität darstellt, die Kenntnis der L2 überhaupt als Gegenstand einer Leistungsorientierung betrachtet wird und wenn ja, ab wann. Das heisst auch, ab wann beispielsweise die Kategorie need for achievement an Einfluss auf den Zweitspracherwerb gewinnt. Zudem muss festgehalten werden, dass hingegen das Motiv, die L2 lernen zu wollen, um mit Peers anderer Erstsprachen sprechen zu können, mit fortschreitendem L2-Erwerb an Einfluss verlieren könnte, wenn etwa an einem gewissen Punkt ein sprachliches Niveau erreicht ist, das funktionalpragmatisch für den sozialen Zweck des Kontakts mit Peers anderer Erstsprachen ausreicht. Es stellt sich in dieser Hinsicht die Frage, ob ein bestimmter Zustand, an dem dieses Motiv schwächer wird, eintritt und ab wann. Das heisst auch, ob zu einer bestimmten Zeit das Motiv „Mittel zum Zweck“ in seiner Bedeutung durch ein anderes, zum Beispiel need for achievement, abgelöst wird. 3. Sprachloyalität, mehrsprachige Identitäten, das integrative Motiv und die emotionale Dimension von L2-Motivationen: In Bezug auf das integrativmotivationale System hat sich in dieser Arbeit gezeigt, dass nicht das traditionelle integrative Motiv Bedeutung hat, sondern vielmehr sprachbezogene affektive und emotionale Aspekte, wie die L2 zu mögen, schön zu finden etc. Dass solche Aspekte nur dann mit höherem achievement einhergehen, wenn sie sich nicht zugleich auf die Erstsprache, sondern ausdrücklich auf die Zweitsprache beziehen, zeigte sich allerdings ebenfalls: Kinder, die die L1 und L2 gleichermassen mögen oder schön finden, erreichten tendenziell niedrigere achievement-Werte als jene Kinder, die ausdrücklich die L2 lieber mögen oder schöner finden. Es ist denkbar, dass sich in der positiven Bewertung beider Sprachen - im Sinne einer ausgewogenen Mehrsprachigkeit und einer ausgewogenen mehrsprachigen Identität durchaus unterstützenswert - ein Sprachloyalitäts- oder Identitätskonflikt manifestiert. Zu so einem Identitätskonflikt könnte es beispielsweise kommen, wenn in der Familie als primärer Sozialisationsinstanz eine mehrsprachige Identität (noch) keine Option darstellt 8 Schlussdiskussion 180 und die Kinder, anstatt eine integrierte L1- und L2-Identität entwickeln zu können, zwischen einer L1- und einer L2-Identitätsbildung hin- und hergerissen sind. Das kann negative Emotionen auslösen, die das niedrigere achievement erklären können (vgl. z.B. Borod 1992, Damasio 1994, LeDoux 1992, 1996, Rolls 1999, Erk et al. 2002, Kiefer et al. 2007; vgl. auch 3.4). Und: „[A]fter three decades of the dominance of cognitive approaches, motivational and emotional processes have roared back into the limelight“ (Ryan 2007: 1). Die Untersuchung früher mehrsprachiger Identitäten sowie früher Sprachloyalitäten, zu der die Soziolinguistik die Grundlagen schon geschaffen hat (z.B. Florio-Hansen/ Hu 2003, Lüdi 2003, Joseph 2004, Pavlenko/ Bonny 2007, Auer 2005, Golan-Cook/ Olshtain 2011), stellt damit eine Möglichkeit dar, aus linguistischer Sicht emotionale Aspekte zweitsprachlicher Motivationen zu identifizieren und wesentliche neue Dimensionen für die L2-Motivationsforschung und -theoretisierung zu eröffnen. Literaturverzeichnis Aarssen, Jeroen/ Bos, Petra 1999: Cohesive Devices in Bilingual Development. In: Extra/ Verhoeven 1999: 143-164. Adolphs, Ralph/ Tranel, Daniel/ Damasio, Hanna/ Damasio, Antonio R. 1995: Fear and the Human Amygdala. In: The Journal of Neuroscience 15/ 9, 5879-5891. Ahrenholz, Bernt/ Apeltauer, Ernst (Hrsg.) 2006: Zweitspracherwerb und curriculare Dimensionen. Empirische Untersuchungen zum Deutschlernen in Kindergarten und Grundschule. 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